&%-% -ty. Dr. Bennett F. Davenpcrt ^SJ TÄEMONT 8T BOSTON, - - MAsS: Digitized by the Internet Archive in 2011 with funding from Open Knowledge Commons and Harvard Medical School http://www.archive.org/details/diewissenschaftlOOschl f Die wissenschaftliche Ausbildung des Apothekerlehrlings und seine Vorbereitung zum Oehilfenexamen. Mit Eücksickt auf die neuesten Anforderungen bearbeitet von 0. Schlickum, Apotheker. Dritte verbesserte und stark vermehrte Auflage. Erste Hälfte (Bog-. 1—22 inel.) V Leipzig Ernst Grünther's Verlag 1884. Preis des (Ms Ende 1883) vollständigen Werkes: 10 Mark. Vor kurzem erschien in demselben Verlage: Schlickums Kommentar zur Pharm ac. Germ. Ed. IIa- Mit vollständiger Text-Übersetzung und einer Anleitungzur Massanalyse. M.10. — ,eleg.Halbfzbd.M.12. — Snppleilientlbaild zu vorigem Werk: Bereitung und Prüfung der in der Pharm. Germ. Bd. II nicht enthaltnen Arzneimittel. Bearbeitet von 0. Schlickum. (In 5 Lieferungen ä 2 Mark.) Apothekerkalender für das deutsche Reich, herausgegeben von o. Schlickum. III. Jahrgang. 1884. In eleg. Leinwandband. M 2. — Der reichhaltige, gediegene Inhalt, sowie die elegante und praktische Ausstattung, in Verbindung mit dem massigen Preise, wird unsern Kalender, wie wir hoffen, bald als ein notwendiges Requisit für jeden Pharmazeuten erscheinen lassen. Der neue Jahrgang 1884 enthält u. a. : Übersichts-Kalender. — Notiz-Kalender. — Kassabuch. — Die Münzen aller Länder. — Übersicht der Briefportosätze. — Gebührentarif für Telegramme. — Sammel- und Arbeits -Kalender. — Ferner: I. Die Arzneistoffe nach Darstellung (Ph. Germ. Ed. II) und Verordnungs weise. — II. Die Aufbewahrung der Arzneistoffe. — III. Gifte und Gegengifte. — IV. Formeln und Molekular -Gewichte der pharmazeutisch- chem. Präparate. — V. Die wichtigsten chemischen Elemente mit Zeichen und Atomgewichten. — VI Löslichkeitstabelle. — VII. Saturationstabelle. — VIII. Tropfentabelle. — IX. Mass und Gewicht. — X. Abkürzungen und Rezeptformeln. — XI. Vergleichung der Thermometerskalen. — XII. Tabellen über den Prozentgehalt verschiedener Lösungen bei 15° C. — XIII. Die Verdünnungsgleiebung. — XIV. Tabelle über die Veränderungen der spez. Gewichte offizineller Flüssigkeiten. — XV. Prüfung der Arzneistoffe nach der Ph. Germ. Ed. II. — XVI. Reaktionstabellen der chemischen Präparate. — XVII. Verzeichnis der Apotheker des deutschen Reiches. — XVIII. Namens-Register der Apotheker Deutschlands. — Inserate. — SchreibtafeL — Centralstift (halb Schiefer halb Blei). Im Erscheinen begriffen sind: Hagers Untersuchungen. Ein Handbuch der Untersuchung, Prüfung und Wert- bestimmung aller Handelswaren, Natur- und Kunsterzeugnisse, Gifte, Lebensmittel, Geheimmittel etc. etc. Mit zahlr. Holzschnitten. Zweite umgearbeitete, stark vermehrte und verbesserte Auflage von Dr. H. Haffer u. A. Gawalovski. Vollständig in 15 Lieferungen zu 2 Mark. Der Name der Verfasser u. die Aufnahme, welche die erste Autlage gefunden hat7 lassen wohl jede Empfehlung als überflüssig erscheinen. Durch Kooptierung des Herrn A. Gawalovski hat Herr Dr. Hager.es überdies verstanden, dem Werke einen auch über die pharmazeut. Kreise hinausgehenden Wert für jeden Chemiker und ge- bildeten Laien zu sichern und es damit auf die Höhe der betr. Wissenschaft zu bringen. In Vorbereitung befindet sich: Die neueren in- und aussereuropäischen Pharmakopoen, verglichen mit derDeutschenReichs-PharmakopÖe, herausgegeben von Dr. B.Hirsch. ^^^^ Zugleich als Supplement zu Hagers Manuale. ^^^ Die wissenschaftliche Ausbildung des Apothekerlehrlings und seine Vorbereitung zum ßehilfenexamen. Mit Rücksicht auf die neuesten Anforderungen bearbeitet von 0. Sclilickinn, Apotheker. Dritte umgearbeitete und verbesserte Auflage. Mit 560 Holzschnitten. Leipzig Ernst Grünther's Verlag* 1884. /^y 6J Ein Wort zum Unterrichtsplan. (Vorrede zur ersten Auflage,) Wenn ein neues Lehrbuch dem pharmazeutischen Publikum geboten wird, bedarf es wohl keiner Rechtfertigung, zunächst aus dem allgemeinen Grunde, weil eine Bereicherung an Lehrmitteln dem Lernenden stets vorteilhaft ist, sodann aus dem besonderen Bedürfnis, welches sich in den letzten Jahren, nach der be- deutenden Verschärfung der Anforderungen, dem Lehrling fühlbar gemacht. Es ist vor allem ein Lehrbuch notwendig, welches, unter Ausscheidung des Fernerliegenden, dem Eleven nur dasjenige bietet, was er zunächst wissen muss — und dies in möglichst prägnanter Kürze, -um ihn nicht durch Dickleibigkeit des Buches und langatmige Abhandlungen abzuschrecken. In wie weit es mir gelungen sei, dieser Aufgabe gerecht zu werden, wird die Be- urteilung ergeben; für jetzt will ich mich darauf beschränken, die näheren Ziele, sowie den einzuschlagenden Unterrichtsplan nach meiner Ansicht in Kürze darzulegen. Die Lehrzeit des Pharmazeuten ist jetzt auf drei, für die Abiturienten auf zwei Jahre festgestellt, — eine scheinbar lange, aber angesichts der Fülle des zu bewältigenden Stoffes dennoch kurze Frist; zumal, wenn man bedenkt, dass die erste Zeit dem Eleven verstreicht über der Umschau in dem Arzneischatze und der Geschäftspraxis, der Erlernung der Handgriffe u. s. f. Es geht daraus klar hervor, dass man nicht zeitig genug mit dem Unter- richte in den pharmazeutischen Wissenschaften beginnen kann, keineswegs aber damit bis kurz vor dem Gehilfenexamen warten darf, in welchem Falle nur elende Stümperei erzielt Avürde. Unsere Fachwissenschaften zerfallen in folgende fünf: Physik, Chemie, Botanik, Pharmakognosie und spezielle Pharmazie (Rezeptur und Defektur). Nach diesen Pachtungen hin ist die Ausbildung des angehenden Apothekers zu verfolgen. Es erwächst uns nun die erste Frage: Welches Ziel hat der Eleve bis zum Gehilfenexamen zu erreichen, wenn letzteres weder mit einer übermässigen Nach- sicht, noch mit einer inhumanen Strenge gehandhabt werden soll? Die Aufgabe der Lehrzeit lässt sich dahin präzisieren, dass in den verschiedenen Hilfswissenschaften die allgemeine Grundlage gewonnen, die Kenntnis der wichtigsten Naturgesetze, sowie eine Überschau über die Naturreiche erworben werden muss, dagegen in allen Fragen und Gegenständen, welche in unserem Fache ein direktes Interesse beanspruchen, speziell und eingehend zu verfahren ist. Treten wir nun an die einzelnen Wissenschaften heran und untersuchen , in wie weit sie Gegenstand des Lehr- Unterrichts — IV — und in welcher Weise der letztere am besten einzurichten sei, so möchte ich zunächst darauf hinweisen, dass ich hierbei nur meine unmassgeblichen, aber in der Praxis bewährten Anschauungen wiederzugeben in der Lage bin. Für den ersten Winter der Lehrzeit eignet sich vor allem das Studium der Physik, die mehr oder weniger die Vorschule der Chemie bildet und nur geringe Schwierigkeiten darbietet. Sie kann deshalb auch recht wohl in einem halben Jahre ihrem Hauptumrisse nach durchgearbeitet werden, während Ode Chemie, zugleich mit ihr beginnend, sich durch die ganze Lehrzeit hinzieht. In jener Wissenschaft sei das Studium vorzugsweise auf die Kenntnis der allgemeinen Naturgesetze, sodann auf die gebräuchlichsten Instrumente, wie Barometer, Luftpumpe, Hebel, Thermometer, Dampfmaschine, Lupe und Mikroskop, galvanische Batterie u. a. m., beschränkt. Man erstrebe eine klare Anschauung, worauf die Naturerscheinungen, die uns täglich vor Augen treten, und worauf die Nutzanwendungen, die wir von den Naturkräften ziehen, sich gründen. Nur in wenigen Partien, wesentlich bei der Bestimmung des spezifischen Gewichtes, bei der Wage u. dgl., ist ein spezielleres Eingehen geboten, da hieraus die praktische Pharmazie besonders Nutzanwendungen zieht. In vorliegendem Buche wurden die physikalischen Artikel nach dieser Richtung hin ausgewählt und bearbeitet; am Schlüsse derselben nahm ich leicht ausführbare „Versuche" auf, fügte auch „Fragen und Aufgaben" hinzu, wodurch ich das Interesse der jungen Fachgenossen zu erregen, sowie auf einzelne Punkte der vorausgeschickten Abhandlung näher einzugehen beabsichtigte. Wenden wir uns von der Physik zur Chemie, so treten wir gewisserm assen aus der Vorhalle des Tempels in dessen Inneres ein. Neben den allgemeinen sind hier sehr spezielle und ein- gehende Kenntnisse zu erwerben, neben dem Wissen praktische Fertigkeiten in erweitertem Masse. Zunächst hat der Lehrling die chemischen Elemente mit ihren Verbindungen — Säuren, Basen, Salzen — sich anzu- eignen , er lernt den chemischen Prozess in seinen haupt- sächlichsten und häufigsten Formen kennen, studiert die Rolle des Sauerstoffs, des Schwefels, der Salzbildner — und dies alles an der Hand der Formeln, welche seinem Wissen erst die sichere Grundlage gewähren. Ich wählte im vorliegenden Buche die (neuen) Molekularformeln, nicht in der Meinung, die (älteren) Äquivalentformeln seien überlebt und nicht mehr passend, sondern in der Erwägung, dass beim steten Fortschreiten der Wissenschaft Stillstand Rückgang sei. Um die Formeln recht handhaben zu lehren und den Anfänger in das wichtige Kapitel der Stöchiometrie praktisch einzuführen, — Y — wurden auch den chemischen Artikeln „Fragen und Aufgaben" angefügt. Neben der Bereicherung seines Wissens soll der Lehrling auch seine Fertigkeiten ausbilden; daher hat das Studium der ChemieHand in Hand zu gehen mit praktischen Übungen. Am Schlüsse jedes Artikels folgen einige instruktive Experimente, welche so gewählt und durchgeführt wurden, dass der Anfänger sie selbst in einem weniger reichlich ausgestatteten pharmazeutischen Laboratorium anzustellen imstande ist. Auch aus dem Gebiete der pharmazeutisch-chemischen Technik wurden „praktische Übungen" ausgesucht, um dem Lehrlinge die leider gar häufig mangelnde Gelegenheit zu geben, sich in chemischen Arbeiten eine gewisse Fertigkeit zu erwerben. Ich halte es für dringende Pflicht des Apothekers, seinem Lehrlinge die zu solchen Arbeiten nötige Zeit und Hilfe zu gewähren. Die Führung des Elaborationsjournals lässt sich damit aufs beste verbinden und gewährt eine schöne Gelegenheit zu selbständiger Wiedergabe des Ausgefährten, wodurch sich nicht allein manche zu Tage tretende Lücken ausfüllen, sondern auch das Ganze dem Gedächt- nisse tiefer einprägen wird. Wie bereits oben bemerkt, begleitet das Studium der Chemie den Eleven vom Beginn seiner Lehrzeit bis zu deren Ende. Es lässt sich füglich derart einteilen, dass mit der Hälfte der Lehr- zeit die unorganische Chemie zur Beendigung gelangt, das darauf folgende Jahre alsdann der organischen Chemie und dem ana- lytischen Teile vorbehalten bleibt, welcher dem Buche bei- gefügt ist. In demselben wurde vornehmlich auf die Erkennung und Reinheits-Prüfung der Arzneimittel, sowie auf die vo- lumetrische Analyse Bezug genommen, wie solche unsere deutsche Pharmacopöe vorschreibt. Dabei gab ich durch Aufnahme eines gedrängten „analytischen Ganges" dem strebsamen Schüler das Mittel, durch einfache, leicht ausführbare Reaktionen die Chemi- kalien erkennen zu lernen. Ein tieferes Eingehen in die chemische Analyse kann einem späteren Studium vorbehalten bleiben. Gehen wir über zur Besprechung des botanischen Unter- richtes, so leuchtet ein, dass derselbe vorzugsweise ein Sommer- studium ist, da nur in dieser Jahreszeit lebende Pflanzen als Material dazu sich bieten. Fleissiges Botanisieren zum Zwecke der Herbeischaffang derselben ist notwendige Bedingung, aber es müssen die eingesammelten Pflanzen auch studiert und vollstän- dige Exemplare zu einem Herbarium getrocknet werden. Nächste Aufgabe des jungen Pharmazeuten ist, ein Gewächs terminologisch bestimmen zu lernen: den Stengel, die Blätter und Blüten mit den richtigen Ausdrücken zu beschreiben. Zu diesem Behufe dient im ersten Sommer das Studium der all- — VI — gemeinen Pflanzen -Organograp hie und Terminologie7 wie es im ersten Teile des III. Abschnittes dieses Buches sich findet. Am Schlüsse eines jeden Kapitels folgen „terminologische Bestimmungen", worin die notwendigste Anzahl terminologischer Ausdrücke ihre Erklärung und Zeichnung erhalten hat. Solche Ausdrücke muss der Lehrling nicht allein nach Form und Be- schreibung sich einprägen, sondern auch neben den deutschen die lateinischen termini memorieren, da er sie allenthalben in der Pharmacopöe antrifft. Hat der Eleve einen Sommer mit diesen botanischen Yorbe- reitungsstudien verbracht, so ist er im darauffolgenden Sommer befähigt, einen Schritt weiter zu gehen zur botanischen Syste- matik, und zwar zunächst zum Linneschen Systeme. Da- bei wird durch ein fortgesetztes Einsammeln einheimischer Gewächse und Durchstreifen der Umgegend eine Übersicht über die Gewächse der eigenen Umgebung gewonnen. War der Lehr- ling bisher darauf angewiesen, sich die ihm unbekannten Gewächse von kundiger Seite benennen zu lassen, so vermag er nun bald, sie an der Hand einer Lokalflora selber zu bestimmen. Läuft dabei anfänglich auch mancher Irrtum mit unter, so reguliert sich derselbe doch im "Weiterschreiten der Kenntnisse bald von selbst Bei der Frage, welches System der Anfänger benutzen soll — ob das Linnesche, ob das Jussieusche oder de Candollesche — , fasst sich mancherlei pro et contra sagen; jedoch haben sich die Ansichten dahin abgeklärt, dass das Linnesche System unübertrefflich sich eignet zur Bestimmung unbekannter Gewächse, das natürliche System dagegen ausschliesslich einen richtigen Überblick über die Pflanzenwelt und die stufenweise Entwick- lung derselben gewährt. Daraus geht hervor, dass man beider Systeme mächtig sein muss, des Linneschen, um es auf botanischen Exkursionen zu benutzen , des natürlichen für das Studium der Familien. Wegen des leichteren Erlernens und des direkten Nutzens beim Botanisieren hat der Eleve zunächst sich die Kennt- nis des Linneschen Systems zu verschaffen. Erst wenn eine gewisse Anzahl Gewächse gekannt ist, wird das Studium des natürlichen Systems möglich sein.*) Im vorliegenden Buche folgte ich nicht ausschliesslich dem Jussieuschen, de Candolleschen oder Endlicherschen Systeme, son- dern fasste das ihnen Gemeinsame zusammen und beschrieb die grösseren Familien eingehend, die kleineren nur anhangsweise. *) Vgl. meine Exkursions flora für Deutschland. Kurze Charak- teristik der im Deutschen Reiche wildwachsenden und häufiger kultivierten C4efässpflanzen nebst Anhang: Bestimmung der Gattungen nach leicht er- kennbaren Merkmalen. 1881. Mit zahlr. Holzschn. In Taschenform. M. 5 in Lwdbd. M 6. — VII — Grossen "Wert lege ich auf die beigegebenen Illustrationen sämtlicher einheimischer offiz ine Her Gewächse, sie ge- währen ein besseres Bild des Gegenstandes als die gelungenste Beschreibung. Die Anlegung eines Herbars gehört, wie die Führung des Elaborationsjournals, zu den vom Lehrling verlangten behörd- lichen Erfordernissen, und beides mit grossem Rechte, trotz aller Kontroversen. Wie das Journal den Eleven zwingt, die Anfertigung der Präparate nach eigenem Konzepte auszuarbeiten und dabei der Einzelheiten um so klarer, des Ganzen um so mächtiger zu werden, so zwingt ihn die Anlegung eines eigenen Herbars zum Einsammeln, Bestimmen, Trocknen und Ordnen von Gewächsen, wobei sein Geist längere Zeit bei dem Lehrstoffe verweilt und ihn besser erfasst. Zum Einlegen einer Pflanze muss ein vollständiges Exemplar (d. i. mit Blüten und möglichst auch mit Frucht) ge- wählt und zwischen Fliesspapier gepresst werden, welches mehr- mals zu wechseln ist. Nachdem es getrocknet, klebt man es mit Streifen von Gummipapier in einen weissen Papierbogen und beschreibt denselben mit der Etikette. Letztere enthalte den latei- nischen wie deutschen Namen der Pflanze , ihren Standort und ihre Sammelzeit. Auf die Yorderseite dieses Bogens notiert man in der Mitte nochmals den lateinischen Namen der Spezies , an der oberen Ecke denjenigen der Familie. Schliesslich werden die zur nämlichen Familie gehörigen Spezies in einen Bogen farbigen Papiers geschlagen, betitelt und eine oder mehrere Familien, je nach ihrer Grösse, in Mappen gebracht. An die terminologische und organographische Botanik schliesst sich die Pharmakognosie enge an, sie kann nur durch sie richtig verstanden werden. Wenn ich für den Lehrling von einem tieferen Eindringen in diese Wissenschaft absehe, wozu auch ein sehr eingehendes Studium der Pflanzen an atomie erforderlich ist, so muss von dem angehenden Apothekergehilfen verlangt werden : 1. dass er die verschiedenen Droguen richtig zu erkennen und von einander zu unterscheiden weiss, 2. dass er ihre Abstammung und Heimat, 3. die hauptsächlichsten Handelssorten und häufiger vorkommenden Verwechslungen kennt und 4. ihre Verwendung in der Pharmazie anzugeben vermag. Die Pharmakognosie kann schon im zweiten Lehrjahre begonnen und im dritten vollendet werden. Notwendig ist für den Anfänger, aus den Geschäftsvor- räten eine kleine Droguen Sammlung zusammenzustellen, um daran die angegebene Charakteristik zur Anschauung zu bringen. Dem Studium der Droguen muss die Beschäftigung mit der Pflanzen - anatomie vorausgehen, welche aber für die nächsten Zwecke nur eine kurze zu sein braucht. Zur besseren Anschauung habe ich für denjenigen, dem ein Mikroskop zur Verfügung steht, „mikro- — VIII — skopische Übungen" beigefügt, welche wenig Schwierigkeiten bieten dürften. Der letzte Abschnitt des Buches behandelt die Rezeptur und Defektur, welche nicht allein praktisch gehandhabt sein wollen, sondern auch der Eegeln und Erklärungen bedürfen. Es sollen die angegebenen Regeln das bisher praktisch Erlernte und Ge-" übte befestigen und vervollständigen. Daher eignet sich dieser Abschnitt für die zweite Hälfte der Lehrzeit und fasst zum Examen das zerstreut Erlernte zusammen. Eine Repetition des gesamten Lehrmaterials vor dem Examen lässt sich sehr gut verbinden mit einer Übung im Anfertigen von Aufsätzen, wie solche im Gehilfenexamen verlangt werden. Als allgemeine Disposition mag gelten a) für die physikalischen Aufsätze: 1. Erklärung des obwaltenden Naturgesetzes, 2. dessen Äusserungen, 3. die sich darauf gründenden Instrumente, 4. ihre Nutzanwendung. b) Für die chemischen Aufsätze: 1. Zusammensetzung und Formel, 2. Vorkommen resp. Bereitung, nebst Erklärung des chemischen Prozesses, 3. physikalische und chemische Eigenschaften, 4. häufiger vorkommende Verunreinigungen und ihr Nachweis. c) Für die botanisch-pharmakognostischen Auf- sätze: 1. Stammpflanze, ihre Familie und Heimat, 2. Charakte- ristik, 3. Unterscheidung ähnlicher Droguen resp. Gewächse. 4. An- wendung in der Pharmazie und wirksame Bestandteile. Was nun den Unterricht selbst betrifft, so ist Verfasser weit davon entfernt, vorliegendes Buch für allein ausreichend und grössere Werke für unnötig zu halten ; vielmehr erachtet derselbe den Nutzen des Studiums ausführlicher Werke zur Unterstützung des Unterichts für ungemein und rät den Lehrherren dringend an, ihren Eleven die Gelegenheit zu bieten, einzelne wichtige Partien in grösseren Werken nachzulesen. Hierzu liefert unsere Fach- literatur eine Reihe ausgezeichneter Bücher und Atlanten. Ausserdem halte jeder Prinzipal für seine Pflicht, dem Lehr- linge durch mündliche Unterweisung unter die Arme zu greifen. Für die Fälle, dass dieselbe unmöglich ist, soll vorliegendes Buch den Unterricht nach Thunlichkeit ersetzen, und hat Verfasser sich bemüht, durch klare Diktion und methodischen Aufbau der Wissen- schaften das Buch zum Selbstunterrichte geeignet zu machen. So wandere denn das Werk zu den Fachgenossen, bittend um günstige Aufnahme und billige Beurteilung. Wie ich es mit Lust und Liebe ausgearbeitet habe, so möge es seinerseits gleiche Lust und Liebe zur Wissenschaft in den Herzen derer erwecken, für die es bestimmt ist. Winningen a, d. Mosel. Weihnachten 1876. Der Verfasser. Vorrede zur dritten Auflage. Nachdem in wenigen Jahren bereits zwei Auflagen vor- liegenden Lehrbuches vergriffen wurden, konnte ich bei der dritten Auflage die durch die zweite Auflage der deutschen Pharmakopoe eingetretenen Veränderungen berücksichtigen, sodass das Werk wieder völlig auf das Niveau der Gegenwart gerückt ist. Ausserdem hat das Buch mancherlei Bereicherung erfahren. In der Physik sind einzelne Partien eingehender behandelt und mit Illustrationen bereichert worden. Der die Chemie behandelnde Abschnitt hat zum Eingang eine Um- arbeitung erfahren, welche die Übersichtlichkeit erhöhen möchte. Bei den einzelnen Präparaten wurden die Prüfungsmethoden der neuen deutschen Pharmakopoe berücksichtigt, auch im analytischen Teile die Massanalyse herangezogen. In der Botanik erfreut sich der zweite, die Pflanzenanatomie behandelnde Abschnitt einer eingehenderen Darlegung, während die übrigen Abschnitte, wie auch der pharmakognostische Teil im ganzen wenig ver- ändert wurden; desgleichen die spezielle Pharmazie. Die statt- gefundenen Veränderungen beschränken sich hier auf die gesetzlich notwendigen. So möge denn das Buch im gewohnten Rahmen zum dritten Male vor die Fachgenossen treten und zu den alten Freunden neue hinzugewinnen ! Winningen, im Dezember 1883. Der Verfasser. Inhaltsverzeichnis. Seite I. Abteilung: Physik. A. Die Kräfte der Materie 1 B. Erscheinungen des Gleichgewichtes und der Bewegung . 15 C. Erscheinungen der Wärme 36 D. Erscheinungen der Schwingung 48 E. Elektrische Erscheinungen 68 II. Abteilung: Chemie. Allgemeines 88 A. Unorganische Chemie 116 a) Nichtmetalle. . . .- 116 b) Mefalle 163 B. Organische Chemie 246 Erkennung und Prüfung der chemischen Präparate: A. Qualitative Analyse 302 B. Massanalyse 340 III. Abteilung: Botanik. I. Organographie und Terminologie 349 IL Pflanzenanatomie 408 III. Botanische Systematik 433 Die offizineilen Gewächse nach dem natürl. System . . . 447 IV. Abteilung: Pharmakognosie. A. Die Droguen des Pflanzenreichs 543 B. Die Droguen des Tierreichs 630 V. Abteilung: Spezielle Pharmazie. A. Die pharmazeutischen Zubereitungen (Defektur) .... 636 B. Bereitung der Arzneien 651 Tl. Abteilung: Amtliche Bestimmungen. 1. Vorbildung, Lehrzeit und Prüfung der Lehrlinge . . . 674 2. Über den Geschäftsbetrieb in der Apotheke 680 Verbesserungen. Seite 35 Zeile 2 von unten lies: ; 7853,15 statt 314. 35 1 unten „ 31415 statt 1256. 94 )l 20 n unten „ 10,9 statt 10,6. 132 9 oben „ thönemen statt eisernen. 141 12 M unten „ H,PO, statt HPO. 141 V o o ji unten „ 3(KHÖ -f- HoO) statt 3KHO. 3KH.,P09 statt 3KPO. 142 21 oben „ 3HoPO, statt 3HPO,. 168 17 unten schalte nach den Worten: „schwimmt es" ein: (spez. C4. 0,86). 181 71 11 " oben lies : 12 statt 6. 587 statt 590. 187 1) 12 3) oben „ (14 + 3) statt (14 + 4), 208 M 2 M oben „ Fe2Cl6 statt Fe6Clfi. 212 n 2 J) unten ,, 1 kq stat 1 (f. 212 1 unten ,, 4415 statt 4261. 213 1 oben „ 1 ha statt 1 g. 218 " 19 » unten ,, 2H,'S04 statt HS04. 2H.0 statt HoO. 221 M 20 ;j oben ,, 3929 statt 390"5. 222 „ 3 „ oben ,, Wismutsalz statt Wismutmetall. 240 17 ,. oben „ 166 statt 266. 240 )j 21 „ oben „ 271 statt 272. 251 23 oben „ 459 statt 429. 266 J5 15 )j unten ,, gefüllten statt versetzten. 281 ?) 6 ?* unten ,, 260 statt 248; 150 statt 138; 577 statt 556. 281 )5 4 >! unten 260 statt 248; 377 statt 395. 514 ?J 17 j; oben „ Baccae statt Syrupus. 541 Fig. 461 ist umzudrehen. 558 Zeile 11 von i unten lies : Cyperaceae statt Cyperacea. 560 Fig. 497 a ist umzudrehen. 574 Zeile 11 VC)]] unten lies : Solaneae für Solanae. 576 ?) 4 unten ,, 439 statt 440. 577 5 unten ,, albus statt alba. 623 ,, 3 J unten „ Chokolade statt Schokolade. 654 11 )) oben „ Natrii statt Natri. 655 9 oben „ Kalii statt Kali. 656 }1 12 ?) oben „ Natrii statt Natri. 659 ., 20 )? oben „ Magnesiae statt Magnesia. 664 672 » 15 5 " unten \ oben / " Natrii statt Natri. ORUCK VON EMIL HERRMANN SEN., LEIPZII APR 30 1917 I. Abteilung. Physik.*) Die Physik ist der Teil der Naturlehre, welcher über diejenigen Vorgänge in der Körperwelt handelt, bei denen nicht zugleich eine stoffliche Ver- änderung stattfindet. A. Die Kräfte der Materie. 1. Die allgemeinen Eigenschaften der Körper. Mass und Gewicht. § 1. Welches sind die allgemeinen Eigenschaften? In der gesam- ten Körperwelt finden wir gewisse Eigenschaften, welche ein jeder Körper besitzt, die also zu seiner Wesenheit gehören. Sie heissen : Ausdehnung, Undurchdringlichkeit, Porosität, Teil- barkeit, Beharrungsvermögen, Schwere. 1. Ein jeder Körper nimmt einen bestimmten Raum ein, den zur selben Zeit kein anderer erfüllen kann. In diesem Satze vereinigen wir die beiden erstgenannten all- gemeinen Eigenschaften. Ein jeder Körper nimmt einen bestimm- ten Raum ein — hierdurch charkterisiert er sich als etwas im Räume Bestehendes, als etwas Materielles; fehlte ihm diese Eigen- schaft, so gehörte er nicht mehr in das Reich des Körperlichen. Es kann aber ein Raum nicht von zwei verschiedenen Körpern zugleich erfüllt sein (Undurchdringlichkeit). Wir sehen zwar, dass in einem Badeschwamme auch Luft enthalten ist; aber hier ist die Luft neben und zwischen der Materie des Schwammes, nicht mit derselben gleichzeitig in denselben Raumteilen. 2. Ein jeder Körper besitzt Poren, d. i. leere Zwischenräume. Dieselben sind nicht von der Materie des Körpers , sondern von dem ihn umgebenden Medium (Luft, Wasser u. a.) erfüllt. Biese Poren sind häufig mit blossen Augen sichtbar, wie beim Brot, Badeschwamm; in anderen Eällen überzeugen wir uns von ihrer Gegenwart durch gewisse Erscheinungen : so dringt z. B. *) Physik = Naturlehre, von epuais (Natur). Schlickum, Apothekerlehrling. 1 — 2 - eine Flüssigkeit beim Filtrieren durch die Poren des Papiers. Wir können durch die unsichtbaren Poren des Leders Quecksilber pressen; auch tierische und pflanzliche Membrane (Häute) sind für Flüssigkeiten durchdringlich, z. B. Pergamentpapier, Schweins- blase. (Endosmose.) Diese Durchdringbarkeit gilt für Salz- lösungen, nicht aber für leimige und gummöse Flüssigkeiten. Man kann daher die krystallisierbaren Stoffe durch Tierblase oder Pergamentpapier von den amorphen Substanzen trennen; jene gehen durch die Membran hindurch, diese werden von ihr zurück- gehalten. (Dialyse.) Eine Folge der Porosität ist die Z usammen drückbar - keit und Ausdehnbarkeit der Körper, welche freilich sehr verschieden gross ist Flüssigkeiten besitzen diese Eigenschaft in höchst geringem Grade; Wasser lässt sich kaum zusammen- pressen Ist ein Körper bestrebt, nach erlittener Ausdehnung oder Zusammendrückung seine ursprüngliche Grösse wiederzuerlangen, so nennen wir ihn elastisch. Während Kautschuk, Stahl u. a. diese Eigenschaft in hohem Grade besitzen, die Gase sogar jeder Veränderung des Raumes folgen, finden wir auch die Elastizität bei den Flüssigkeiten nur sehr gering. 3. Die Körper sind einer fortgesetzten Teilung fähig. Durch mechanische Hilfsmittel sind wir imstande, einen Körper stetig zu verkleinern. Die neuere Wissenschaft hat der Teilbarkeit jedoch eine Grenze gesetzt, indem sie annimmt, dass ein jeder Körper aus kleinsten Masseteilchen , die man Mole- küle*) nennt, und welche mechanisch nicht mehr teilbar seien, bestehe. Wir sind freilich noch niemals durch Teilung zu solchen Molekülen gelangt; durch ihre Kleinheit entziehen sie sich jeder menschlichen Beobachtung und Behandlung. 4. Ein Körper verharrt in seinem Zustande, sei es Ruhe oder Bewegung, bis eine äussere Kraft denselben ändert. Dieses Beharrungsvermögen erklärt uns die ewige Be- wegung der Erde um sich selbst, wie um die Sonne. Dass ein ruhender Körper so lange in Ruhe bleibt, bis eine Kraft ihn in Bewegung versetzt, ist uns nach allen irdischen Yorgängen klar; dass aber ein bewegter Körper auf der Erde nicht immerwährend sich fortbewegen kann, vielmehr über kurz oder lang von selbst zum Stillstand kommt, liegt in der Eeibung, die der bewegte Körper mit seiner Umgebung, Unterlage u. dgl. ausführt. Eine abgeschossene Kugel reibt sich mit der Luft, ein rollendes Rad mit der Bodenfläche. Je glatter die Oberflächen, um so geringer die Reibung. Darauf beruht das Schmieren der Axen, wobei aber zu beachten ist, dass Schmiermittel, die in den *) molecula, Masseteilchen. _ 3 — Körper einziehen, die Reibung nicht mindern; daher schmiert man Holz mit Talg oder harter Seife, nicht mit Öl. Das Beharrungsvermögen verursacht, dass ein an einem Faden geschwungener Stein diesen Faden straff anzieht, weil er stetig gezwungen wird , seine Richtung zu ändern und sich im Kreise zu drehen. Diesen Widerstand, den das Beharrungsvermögen eines rotierenden Körpers äussert, um ihn in gerader Richtung fortzubewegen, nennt man Centrifugalkraft. Man bedient sich ihrer in der Technik, um feuchte Körper zu trocknen, indem man sie auf einer Kreisplatte, sog. Cen tri fugalm aschine, rotieren lässt ; die leichter bewegliche Flüssigkeit trennt sich dabei, zufolge der Centrifugalkraft, von den festen Teilen und fliesst am Rande ab. 5. Ein jeder Körper besitzt Schwere. Absolut gewichtslose Materie giebt es nicht. Wir bezeichnen das Verhältnis des Gewichtes zur Masse eines Körpers als seine Dichte. Je grösser das Gewicht eines Gegenstandes bei gleicher räumlichen Ausdehnung, je schwerer also der Körper, um so grösser ist seine Dichte. Je mehr Raum ein Pfund einnimmt, um so weniger dicht ist der betreffende Körper. § 2. Vom Mass der Körper. Wir messen einen Körper nach drei Richtungen : nach seiner Linear-, Flächen- und Körper- ausdehnung, je nachdem wir nur eine oder zwei oder alle drei Ausdehnungen zugleich zur Geltung bringen. Bei der grossen Mannigfaltigkeit der gebräuchlichen Masse hat zuerst die Wissenschaft, später auch die deutsche Gesetzgebung als Einheit des Längenmasses das französische Meter*) angenommen. Das Meter ist der zehnmillionste Teil eines Erdquadranten**). Man teilt das Meter nach der Zehnteilung ein in 10 Deci- meter, 100 Centimeter, 1000 Millimeter. Das Meter ist gleich 38 V4 rheinischen Zollen. Als Flächenraum bildet das Quadratmeter, als Körper- mass das Kubikmeter die Einheit. Für Flüssigkeiten bedient man sich der Hohl masse, deren Einheit das Liter***) darstellt. Das Liter ist gleich einem Kubikdecimeter.oder 1000 Kubikcentimeter. § 3. Vorn Gewicht der Körper. Den Druck, den ein Körper auf seine Unterlage ausübt, nennen wir sein Gewicht und zwar sein absolutes Gewicht, im Gegensatz zum spezifischen Gewichte. Letztere Bezeichnung drückt die Dichte eines Körpers aus, d. i. das Verhältnis seiner Schwere zu seiner Ausdehnung. *) (jti-cppv, Massstab. **) Erdquadrant = der 4. Teil e. Meridians (Entfern, des Pols vomÄquator). ***) Xnrpa (Pfund), ein Mass der Griechen. 1* - 4 Bas absolute Gewicht ist der Druck des Körpers auf seine Unterlage; das spezifische Gewicht zeigt an, wieviel schiverer oder leichter er ist, als eine gleich grosse Menge eines anderen, zur Ver- gleichung dienenden Körpers. Bei festen und flüssigen Körpern nimmt man zur Bestimmung des spezifischen Gewichtes das Wasser zum Vergleich und be- zeichnet dessen Dichte mit 1,00. Bei den Gasen dient die at- mosphärische Luft als Einheit. Hiernach besagt also das spezifische Gewicht des Quecksilbers = 13,5, dass das Queck- silber 13,5 mal schwerer sei als eine gleichgrosse Wassermenge. Als Einheit des absoluten Gewichtes hat man an Stelle des früher gebräuchlichen Pfundes, in Übereinstimmung mit dem Hohlmass, das Gramm angenommen. Bas Gramm ist das Geioicht eines Kubtkcentimeters Wasser im Zustande seiner grössten Bichte (bei -f- 4°). Da nun 1000 ccm ein Liter bilden, so geht hieraus hervor, dass ein Liter Wasser bei -j- 4° genau 1000 g d. i. ein Kilogramm wiegt. Ein Pfund beträgt ein halbes Kilogramm = 500 g. Früher bediente man sich eines besonderen Medizinalgewichtes, dessen Pfund (libra) in 12 Unzen (iincia), die Unze in 8 Drachmen (drachma), die Drachme in 3 Skrupel (scru- pidus), der Skrupel in 20 Gran (granum) zerfiel. 1 Skrupel = 20 Gran. 1 Drachme = 3 Skrupel = 60 Gran. 1 Unze=8 Drachmen=24 Skrupel = 480 Gran. Das Gramm beträgt etwa 163/4 Gran. Nach der amtlich festgestellten Reduktion beträgt eine Unze (3i) 30,00 g eine Drachme (3i) 3,75 „ ein Skrupel (91) 1,25 „ ein Gran (gr. i) 0,06 „ Versuche. Fig. 1. 1. Endosniose. (Fig. 1.) Ein Medizinglas mit abgesprengtem Boden (b) oder einen Lampencylinder verschliesse man unten mit feuchter Schweinsblase oder Pergamentpapier und verbinde die obere Öffnung mittelst eines durchbohrten Korkes luft- dicht mit einer offenen Glasröhre (a). Man fülle das Glas mit einer Kupfer- yitriollösung bis zum Halse an, hänge es in der Weise, wie die Figur zeigt, in ein grösseres Gefäss (Becherglas) und fülle letzteres mit Wasser (bis n) an, sodass beide Flüssigkeitsschichten gleich hoch stehen. Nach Verlauf eines Tages findet man die Kupferlösung (bis r) in die Glasröhre gestiegen, andrerseits auch das äussere Wasser bläulich gefärbt. Es hat also ein — ö — wechselseitiger Austausch stattgefunden, aber mehr in der Richtung nach der dichteren Kupfervitriollösung zu, weshalb diese an Menge zunahm. 2. Dialyse. Man überbinde die eine Öffnung eines Lampencylinders mit feuchter Schweinsblase oder Pergamentpapier, fülle ihn dann mit einer ZuckerlösuDg teilweise an, gebe Gummischleim hinzu und hänge ihn so in ein Gefäss mit reinem Wasser, dass beide Flüssigkeiten gleichhoch stehen. Allmählich geht der Zucker in das äussere Wasser über und erteilt demselben einen süssen Geschmack, während die Flüssigkeit im Cylinder ihre Süssig- keit verliert, aber schleimig bleibt. Fragen. 1. Wieviel wiegt ein Liter Quecksilber, welches 13,5 mal schwerer als das Wasser ist? — Antw. 13,5 kg. 2. Woher kommt es, dass ein umgekehrt in Wasser eingetauchtes leeres Medizinglas sich nicht mit Wasser anfüllt? — Antw. Weil die im Glase eingeschlossene Luft es verhindert; erst beim Neigen desselben entweicht die Luft in Blasen und macht dem Wasser Platz. 3. Weshalb wird eine Ast am Stiele befestigt, wenn man denselben aufschlägt? — Antw. Beim Aufschlagen stösst der plötzlich in Ruhe ge- brachte Stiel sich in die Axt ein, welche sich noch in Bewegung befindet. 4. Woher kommt es, dass beim Anlanden eines Kahnes die Insassen einen Ruck nach vorn erhalten? — Antw. Die Insassen, welche die Be- wegung des Kahnes teilen, befinden sich noch in Bewegung, während der Kahn zur Ruhe gelangt. 2, Die Anziehungskräfte, Kohäsion, Adhäsion, Schwerkraft. § 4. Was nennt man Kohäsion? Die Ursache des Zusammen- haltens der einzelnen Teilchen eines Körpers führt man auf eine Kraft zurück, die Kohäsion, welche zwischen den Molekülen anziehend wirkt. Ihr steht eine andere Kraft entgegen, welche die Moleküle von einander zu entfernen strebt und Repulsiv- kraft genannt wird. Kohäsion und Repulsivkraft heissen , da sie zwischen den Molekülen eines und desselben Körpers wirken, Molekular- kräfte. Je nach der Stärke der beiden besitzt ein Körper die feste, flüssige oder Gas-Form. Man nennt diese drei Formen die Aggregatzustände und definiert sie folgenderweise: 1. Ein fester Körper besitzt ein bestimmtes Volumen und eine bestimmte Form, die er nicht freiwillig verändert. Wir vermögen die Teilchen eines festen Körpers nur durch äussere Gewalt von einander zu trennen; die Kohäsion herrscht in ihnen vor und verhindert möglichst jeden Zerfall der Moleküle, auch jede Verschiebung und Änderung der Form. Wir nennen einen Körper, je nachdem er äusserem Drucke nachgiebt, weich oder hart. Lässt er sich leicht ausdehnen, ohne dabei zu zerreissen, so ist er dehnbar, wie z. B. die Metalle; den Gegensatz dazu bildet ein spröder Körper, wie das Glas, welcher bei äusserer Gewalt leicht zerbricht. Elastisch >_ 6 — nennen wir solche Körper, welche ihre frühere Form wieder an- nehmen , sobald diese durch äussere Kraft verändert worden ist. Die Festigkeit eines Körpers beurteilen wir nach dem Wider- stände, den er leistet a) beim Zerreissen (absolute Festigkeit), b) beim Zerbrechen (relative Festigkeit), c) beim Zerdrücken, (rückwirkende Festigkeit), d) beim Zerdrehen (Torsions-Festigkeit). 2. Ein tropfbar flüssiger Körper besitzt ein bestimmtes Volumen, aber unbestimmte Form, die er dem Gefässe anpasst. Die Teilchen einer tropfbaren Flüssigkeit lassen sich mit Leichtigkeit verschieben, sodass dieselbe stets die Form des Gefässes annimmt, worin sie sich befindet. Kohäsion und Re- pulsivkraft halten sich hier das Gleichgewicht; letztere macht die Teilchen leicht trennbar, erstere verhütet ihren Zerfall. An der Tropfenbildung lässt sich erkennen, dass die Flüssigkeiten noch Kohäsion besitzen. 3. Ein gasförmiger Körper besitzt unbestimmte Form und Volumen, den ihm gestatteten Baum völlig ausfüllend. Die Teilchen der Gase lassen sich nicht allein mit grösster Leichtigkeit verschieben, sondern fliehen einander geradezu. Die Repulsivkraft ist bei den Gasen übermächtig und lässt dieselben jeden Raum, in dem sie sich befinden, ausfüllen. Nur äusserer Druck hält die Gase zusammen und giebt ihnen Form. Man hat sie deshalb auch elastische Flüssigkeiten genannt, weil sie in hohem Grade elastisch und jederzeit bemüht sind, ihr Vo- lumen zu vergrössern. Dieses Bestreben, Tension (Spannung) genannt, wird in demselben Masse grösser, in welchem man das Volumen vermindert (Mariottesches Gesetz). Drückt man ein Gas auf ein halbes Volumen zusammen, so verstärkt sich die Tension d. i. der Druck auf die Gefässwandung aufs Doppelte; bei einer Zusammenpressung auf den vierten Teil des Volumens erhöht sich die Tension auf das Vierfache u. s. f. Gase, welche durch starken Druck resp. Volumverminderung, oder durch starke Abkühlung tropfbarflüssig werden, nennt man coercibile*) Gase; die übrigen, bei denen dies noch nicht ge- lungen ist, permanente Gase. Zu den coercibilen gehört z. B. die Kohlensäure , das Chlor ; zu den permanenten zählte man bisher die atmosphärische Luft, Sauerstoff, Stickstoff, Wasserstoff. Seitdem es jedoch neuerdings gelungen ist, Sauerstoff-, Wasserstoff- und Stickstoffgas durch gleichzeitige Anwendung von Druck und Kälte zu verflüssigen, lässt sich die Ansicht nicht mehr abweisen, dass es wirklich permanente Gase gar nicht gebe. Solche Gase, welche erst durch Erhitzung aus Flüssigkeiten der festen Körpern entstehen und durch Abkühlung zur gewöhn- *) Bezwingbar, von coerceo bezwingen. _ 7 — liehen Temperatur wieder fest oder flüssig werden , nennt man Dämpfe. Sie gehorchen nicht dem Mariotte sehen Gesetz; drückt man sie zusammen , so verdichtet sich ein Teil , während der gasförmig bleibende Rest die frühere Spannung bewahrt. § 5. Was ist Adhäsion? Bei der Berührung zweier Körper findet Anziehung statt, zufolge deren sie aneinander haften bleiben. Diese Äusserung der Anziehungskraft nennt man Adhäsion. Sie ist um so stärker, je glatter die sich berührenden Flächen sind, je mehr Berührungspunkte sie sich also bieten. Zwei polierte Glasscheiben (Spiegelscheiben) , frische Schnittflächen von Kaut- schuk , haften so stark an einander, dass sie sich oft kaum mehr trennen lassen. Da durch Benetzen, Ölen u. dgl. die Berührung inniger wird, so vermehrt sich dadurch die Adhäsion. "Wenn Flüssigkeiten an festen Körpern adhärieren, so tritt Be- il e t z u n g ein ; wir bemerken hierbei eine Hebung des Flüssig- keitsniveaus am festen Körper. Tauchen wir einen Stab in Wasser, so zieht sich dasselbe etwas an dem Stabe in die Höhe. In einer Bohre bildet das Wasser eine konkave Kurve. Man versteht unter Kapillarität, Haarröhrchen -Anziehung, die Kraft, mit welcher sehr enge Glasröhrchen das Wasser hoch in sich emporsteigen lassen und zwar um so höher, je enger sie sind. Diese Eigenschaft feiner Röhrchen äussert sich bei vielen be- kannten Erscheinungen, z. B. beim Aufsaugen von Flüssigkeiten durch einen Badeschwamm , durch ein Stückchen Zucker , durch Fliesspapier , einen Lampendocht u. s. f. , Stoffe , deren Teilchen feinste Porengänge besitzen, welche als Haarröhrchen wirken. Zwischen Quecksilber und Glas findet keine Benetzung statt, d. h. die Kohäsion des Quecksilbers übertrifft seine Adhäsion gegen feste Körper. Daher bildet dieses Material überall, wo es die Gefässwand berührt, Tropfenform und in einer Glasröhre eine konvexe Kurve; wir nennen diese Erscheinung, zufolge deren das Quecksilber an der Gefässwand niedriger steht, seine Depression; wir sehen sie sehr deutlich beim Barometer. Aus demselben Grunde steigt das Quecksilber auch nicht in die Haarröhrchen empor, steht sogar darin tiefer, wie ausserhalb. Zwischen zwei Flüssigkeiten bewirkt die Adhäsion allmähliche Mischung, wenn sie auch vorsichtig übereinander geschichtet werden. Dasselbe beobachten wir bei Gasen (Diffusion der Gase), welche sich in kurzer Zeit gleichmässig durchdringen und mischen. Nicht alle Flüssigkeiten adhärieren an einander ; so ist die Adhäsion zwischen fettem Öle und Wasser sehr gering , erhöht sich aber durch Zusatz eines schleimigen Stoffes. Wird Öl mit einer Lö- sung arabischen Gummis zusammengeschüttelt oder anhaltend gerührt, so zerteilt es sich in sehr feine Tröpfchen, welche sich — 8 — in der wässerigen Flüssigkeit gleichmässig verteilen und eine milchähnliche Mischung, Emulsion, geben. Die Milch ist eine derartige Emulsion des Butterfettes. Auf der Adhäsion beruht auch die Auflösung fester Stoffe in Flüssigkeiten, sowie die Absorption der Gase durch Flüssig- keiten und poröse Körper. Holzkohle, Platinschwamm u. a. ver- dichten viele Gase an ihrer Oberfläche zum vielfachen (oft hunder- fachen) Volumen. Die Auflöslichkeit der Gase in Flüssigkeiten wird durch erhöhten Druck verstärkt, durch Erhitzen aber ver- mindert. Wasser verschluckt bei gewöhnlicher Temperatur etwa sein gleiches Yolum Kohlensäure, bei doppeltem Atmosphärendruck sein doppeltes , bei fünffachem Drucke sein fünffaches Yolum ; in der Siedhitze verliert es aber alles gelöste Gas. Den Luftgehalt des Wassers erkennt man an den Gasbläschen, welche beim Ver- mischen desselben mit Weingeist entweichen. § 6. Wie äussert sich die Schwerkraft? Der Erdkörper übt auf alle in seinem Bereiche befindlichen Gegenstände Anziehung aus, zufolge deren sie auf ihre Unterlage drücken und, im Falle ihnen diese Unterlage entzogen wird , fallen. Der Angriffspunkt der Schwerkraft wird der Schwerpunkt des Körpers genannt. Der SchiverpunM eines Körpers ist derjenige Punkt, bei dessen Unterstützung er vor dem Fallen bcioahrt wird. Wir finden den Schwerpunkt eines Körpers, wenn wir ihn nacheinander an zwei verschiedenen Punkten seiner Masse auf- hängen und jedesmal die Vertikallinie ziehen; wo beide Linien sich schneiden, liegt der Schwerpunkt. Regelmässige Körper von gleichmässiger Beschaffenheit (Kugel, Scheibe etc.) haben ihren Schwerpunkt im mathematischen Mittelpunkte. Je nachdem wir den Schwerpunkt eines Körpers unterstützen, befindet sich derselbe im stabilen, labilen oder indiffe- renten Gleichgewichte. Hängen wir einen Körper auf, so liegt der Schwerpunkt unterhalb des Unterstützungspunktes und nimmt, aus seiner Lage gebracht, nach einigen Pendelschwingungen leicht wieder seine frühere Stellung ein — das Gleichgewicht ist stabil. Stellen wir aber den Körper auf eine Unterlage, so liegt sein Schwerpunkt über dem Unterstützungspunkt und er kann durch geeignetes Neigen dauernd aus seiner Lage gebracht werden (umfallen) ; ein solches Gleichgewicht wird daher labil genannt. Je breiter die Grundfläche des stehenden Körpers, um so geringer ist die Gefahr des Umfallens. Unterstützen wir aber den Körper in seinem Schwerpunkt selbst, wie das Wagenrad in seiner Axe, so befindet er sich im indifferenten Gleichgewichte, da dasselbe niemals gestört werden kann. Bei den tropfbarflüssigen Körpern äussert sich die Schwerkraft — 9 — im gleichen Niveau; wenn eine Flüssigkeit sich inzweikom- muni zier enden Röhren befindet, so ist auch hierin ihr Niveau gleich hoch, bei ungleichartigen Flüssigkeiten aber für die schwerere Flüssigkeit um so tiefer, je schwerer sie ist, wie die andere. Die Höhen der Flüssigkeitssäulen verhalten sich umgekehrt wie ihre spezifischen Gewichte. Auf diesem Gesetze des gleichen Niveaus beruht der Springbrunnen; jedoch erreicht der springende Wasser- strahl niemals die Höhe des anderen Schenkels, sowohl wegen der Rei- bung mit der Gefässwand, als auch wegen des Widerstands der Luft. Versuche. 1. Tropfenbildung. In einem Becherglase schichte man gleiche Volumen Weingeist und Wasser mit der Vorsicht über einander, dass sie sich nicht sofort mischen; darauflasse man einige Tropfen Olivenöl langsam einfallen. Das Ol wird in der Mitte der Flüssigkeit in kugeligen Tropfen schwimmen. — Spritzt man Wasser auf eine mit Bärlapp bestreute Glas- scheibe, so bildet es kuglige Tropfen auf derselben. 2. Stabiles Gleichgewicht. In einen Korkstopfen steche man zwei Gabeln unter schiefen Winkeln einander gegenüber: alsdann kann man ziemlich sicher den Kork auf einer Nadelspitze balancieren lassen, da der Schwerpunkt unterhalb des Unterstützungspunktes fällt. 3. Kommunizierende Röhren. In einen mit Wasser gefüllten Glas- cylinder stelle man eine offene Glasröhre: sie wird sich gleichhoch mit Wasser anfüllen. Giesst man dann Äther in die innere Glasröhre, so drückt derselbe das Wasser so tief in ihr herab, dass die Höhe der ganzen Äther- schicht sich zur Differenz des Wasserniveaus in und ausser der Röhre verhält, wie 11:8, d. i. umgekehrt wie das spezifische Gewicht des Äthers (0,72) zu dem des Wassers (1,00). Fragen. 1. Worauf beruht das Leimen und Kitten? — Antw. Darauf, dass man durch eine flüssige Materie die Adhäsion zwischen zwei festen Körpern verstärkt, welche Materie durch nachfolgendes Erhärten die Flächen dauernd verbindet. 2. Wie verhalten sich zwei Flüssigkeiten, welche keine Adhäsion zu einander besitzen, z. B. Äther und Wasser? — Antw. Die schwerere Flüssigkeit (Wasser) bildet eine Schicht unter der leichteren (Äther); nach dem Schütteln trennen sie sich alsbald wieder. 3. Welches Niveau zeigt das Wasser, welches dagegen das Quecksilber in einer Glasröhre? — Antw. Wasser zeigt ein konkaves Niveau, Queck- silber ein konvexes. 4. Woher rührt das starke Aufschäumen, wenn man Zuckerpulver in kohlensäurehaltigem Wasser auflöst? — Antw. Von der Adhäsion des auf- gelösten kohlensauren Gases an die Zuckerpartikel, bei deren Schmelzen es in Bläschen entweicht. 5. Wo liegt der Schwerpunkt einer Kugel, einer Walze, eines Ringes? — Antw. Im Centrum der Kugel, im Mittelpunkt des die Walze halbierenden Querschnitts, im Mittelpunkte des Kreises, dessen Peripherie der betreffende Ring darstellt. 6. Wie hoch stellen sich in einer zweischenkligen Röhre Wasser und Quecksilber? — Antw. Das Quecksilber steht in dem einen Schenkel 13 mal niedriger als das Wasser in dem andern Schenkel. — 10 - 3. Krystallbildung und Krystallformen. § 7. Was ist ein Krystall?*) Wenn ein Körper aus dem flüssigen oder dampfförmigen Zustande in den festen übergeht , so nimmt er entweder bestimmte Formen an, er krystallisiert, oder er scheidet sich formlos , amorph, aus. Ersteres thun die meisten Salze, letzteres die leimartigen, gummösen, gallertigen Körper. Ein Krystall ist ein von ebenen Flächen und geraden Kanten begrenzter Körper. An jedem Krystalle lassen sich mehrere Richtungen erkennen, nach denen er jedesmal in zwei symmetrische Hälften zerteilt werden kann; alsdann liegt jeder Fläche, Kante und Ecke eine entsprechend gestaltete Fläche, Kante und Ecke gegenüber. Diese Richtungen nennt man die Axen des Krystalls. In der Regel zeigt jeder Krystall drei Axen : eine Höhen-, Längen- und Breiten- axe. Stellen wir ihn aufrecht vor uns , so verlaufen die beiden letzteren Axen in einer Horizontalebene, auf der die Höhenaxe vertikal steht. Dieser horizontale Schnitt, in welchem die Längen- und Breitenaxe verläuft, heisst die Grundfläche des Krystalls. Die Flächen, welche einen Krystall begrenzen, sind bald Drei- ecke, bald Quadrate, Rhomben , Parallelogramme, auch wohl Tra- peze, Fünfecke (Pentagone) und Sechsecke (Hexagone). § 8. Wann bilden sich die Krystalle? Es giebt zwei Wege der Krystallbildung : 1. durch Verdampfung aufgelöster Körper, 2. durch Erstarrung flüssiger oder dampfförmiger Körper. Während die Schneebildung ein Beispiel des zweiten Falles ist, begegnen wir dem ersten Falle ungemein häufig, zumal bei chemischen Operationen in den Laboratorien. Jedes Lösungsmittel kann bei einer und derselben Tempe- ratur nur eine gewisse Menge des festen Körpers lösen ; ist diese Grenze erreicht, so nennt man die Lösung eine gesättigte. In den meisten Fällen nimmt ein Lösungsmittel in der Wärme mehr von dem Körper auf, als in der Kälte; in diesem Falle scheidet eine heissgesättigte Lösung beim Abkühlen einen Teil des Körpers in Krystallen ab. Ein wesentliches Moment zur Erzielung grösserer, schön aus- gebildeter Krystalle ist Ruhe; je langsamer die Lauge erkaltet, je weniger sie dabei bewegt wird, um so grösser und regelmässiger fallen die Krystalle aus. Bewegt man dagegen die erkaltende Lauge lebhaft durch Quirlen mit einem Stabe , so entsteht ein Hauienwerk kleinster Kry ställchen, sogenanntes Kry stallmehl. *) xpuaraXXos, der Krystall, d. i. das durchsichtig Gefrorene. — 11 — In der Zusammensetzung und Form stimmen beide völlig überein, das Krystallmehl ist aber in der Regel reiner, da es weniger von dem Lösungsmittel (Mutterlauge) einschliesst, als die grösseren Krystalle. Körper, welche sich in der Wärme kaum leichter lösen, wie in der Kälte, z. B. das Kochsalz, lassen sich nicht durch Abkühlen krystallisieren, sondern nur durch Abdampfen der Lösung. Viele Krystalle besitzen Krystallwasser d. i. Wasser, welches in die Krystallgestalt mit eingegangen ist. Dieses Krystall- wasser entweicht in vielen Fällen schon an trockner Luft in ge- wöhnlicher Temperatur, was aber stets mit dem Zerfalle der Kry- stalle verbunden ist — die Krystalle verwittern. So verwittert die Soda, das Glaubersalz, das Bittersalz, unter Verlust ihres halben Gewichtes zu einem weissen Pulver. In der Siedhitze des Was- sers verlieren die meisten Krystalle ihr Krystallwasser, in einigen Fällen wird aber ein Rest festgehalten und erst in schwacher Glüh- hitze fahren gelassen, z. B. beim Alaun, Zink- und Eisenvitriol. Auch finden wir den Fall nicht selten , dass der Krystall- wassergehalt verschieden ist, je nach der Temperatur, in welcher die Krystallisation stattfindet. So krystallisiert das Glaubersalz bei -+- 10° mit 10 Molekülen Krystallwasser, bei + 33° ohne Wasser. § 9. Wie teilt man die Krystalle ein? Als Hauptformen, welche in allen Systemen wiederkehren, betrachtet man: 1. die Doppelpyramide oder die Oktaederform, aus zwei mit ihren Grundflächen auf einander gestellten Pyramiden gebildet und durch Dreiecksflächen begrenzt; 2. die Säulenforrn oder das Prisma, aus Parallelogramm- flachen zusammengesetzt, von denen je zwei einander parallel laufen. Die verschiedenen Doppelpyramiden und Prismen lassen sich nach der Stellung und Länge ihrer Axen unterscheiden. So ist der Würfel eine vierseitige Säule mit senkrecht sich kreuzenden und gleichlangen Axen; durch Verkürzung oder Verlängerung seiner Höhenaxe wird er zur quadratischen Säule, welche im ersteren Falle tafelförmig, im letzteren langgestreckt erscheint. Kreuzen sich die horizontalen Axen in schräger Richtung, so wird die Grundfläche zum Rhombus, der Würfel zur rhombischen Säule; verläuft alsdann die Höhenaxe geneigt, so entsteht daraus die schiefe rhombische Säule. Beim Oktaeder endigen die Axen in den Ecken, bei der Säule in den Mittelpunkten der beiden Endflächen und der Längskanten. Sämtliche Krystallformen lassen sich in sechs Krystall- sy steine ordnen, welche sich durch die Stellung und Länge ihrer Axen unterscheiden. Bezeichnen wir nach § 7 den Quer- schnitt* durch den Kry stall als Grundfläche, so stellen Längen- und Breitenaxe deren Diagonallinien vor. — 12 — A. Drei Axen vorhanden : eine vertikale Hauptaxe und zwei horizontale Nebenaxen. a) Grundfläche ein Quadrat, dessen Diagonalen (die beiden Nebenaxen) sich rechtwinklig schneiden und gleich lang sind. a) Die Hauptaxe steht senkrecht und ist mit den Neben- axen gleich lang . . . /. regulären System. ß) Die Hauptaxe steht senkrecht, ist aber länger oder kürzer als die Nebenaxen: II. quadratisches System. b) Die Grundfläche ist ein Rhombus, dessen Dia- gonalen (die beiden Nebenaxen) sich rechtwinklig schneiden, aber von ungleicher Länge sind. «) Die Hauptaxe steht senkrecht auf den Neben- axen III. rhombisches System. ß) Die Hauptaxe steht geneigt auf den Nebenaxen: IV. Jclinorhombisches System. c) Die Grundfläche ist ein geschobenes Recht- eck (Rhomboid), dessen Diagonalen (die beiden Nebenaxen) ungleich lang und schiefwinklig zu einander sind. Die Hauptaxe steht ebenfalls geneigt zur Grundfläche: V. rhomboidisches System. B. Yier Axen vorhanden: eine vertikale Hauptaxe und drei horizontale Nebenaxen. Grundfläche ein regelmässiges Sechseck (Hexagon), dessen drei Diagonalen die drei gleich- langen, sich unter gleichem Winkel (60°) schnei- denden Nebenaxen vorstellen. Die Hauptaxe steht senkrecht zur Grundfläche. VI. Hexagonalsystem. Die Hauptformen des regulären Systems sind: 1. das reguläre Oktaeder oder der Achtflächner (Fig. 2). aus acht gleichseitigen Dreiecksflächen gebildet; 2. der Würfel, Kubus oder Hexaeder (Fig. 3), aus sechs Quadratflächen gebildet. Ihnen schliessen sich an: der Rhombendodekaeder mit zwölf rhombischen Flächen, der Pentagondodekaeder mit zwölf fünfseitigen Flächen u. a. m. Da im regulären System alle drei Axen gleichlang und senk- recht zu einander sind , so besitzen diese Formen gleiche Höhe, Länge und Breite, sodass man eine Kugelfläche um sie be- schreiben kann. Das Oktaeder finden wir beim Alaun , den Würfel beim Kochsalz, Jodkalium u. a. Die Oktaeder und Säulen (Prismen) der übrigen Systeme : Vom regulären Oktaeder und Würfel weicht das quadratische Oktaeder und die quadratische Säule nur durch die 13 ungleichlange Vertikalaxe (Hauptaxe) ab; ist dieselbe länger als die Nebenaxen , so erscheint das Oktaeder resp. die Säule ver- längert, ist sie kürzer, so wird die Form verkürzt, die Säule zur Tafel. Die (gerade) rhombische Säule unterscheidet sich von der quadratischen Säule durch die rhombische Grundfläche; die klinorhombische oder schiefe rhombische Säule (Fig. 4) ausserdem durch die schiefgestellte Hauptaxe. In jener krystallisiert das Bittersalz, in dieser die Soda, das Glaubersalz, der Zucker. Die rhomboidale Säule ähnelt der schiefen rhombischen Säule, unterscheidet sich aber durch die Grundfläche, welche kein Rhombus, sondern ein Rhomboid (gestreckter Rhom- bus) darstellt Wir finden sie beim Kupfervitriol. Fisr. 2. Fisr 3. Fisr. 4. Fisr. 6. Fig. 5. Im Hexagonalsystem finden wir als Hauptformen: 1. die sechsseitige Doppel pyramide (Fig. 5) mit zwölf Dreiecks- flächen, sowie 2. die hexagonale oder sechsseitige Säule (Fig. 6) mit sechs Rechtecks- und zwei Hexagonal-Flächen. In diesen Formen krystallisiert der Quarz (Bergkry stall). Die Ery stalle zeigen häufig Abstumpfungen von Kanten und Ecken durch Flächen, Zuschärfungen und Zuspitzungen von Flächen durch dachförmige Flächen. Diese Abänderungen finden an den gegenüberliegenden Stellen gleichzeitig und gleich- massig statt. Die Säulen erhalten in dieser Weise oben und unten sehr häufig pyramidale Zuspitzungen oder an je zwei Kanten Flächen-Abstumpfungen. So sehen wir beim Salpeter die - 14 — rhombische Säule durch Abstumpfimg zweier Längskanten in eine sechsseitige verwandelt, welche sich jedoch leicht von der hexa- gonalen Säule unterscheidet, da ihre Erdflächen keine regulären Sechsecke sind. Besondere Formen sind die Halb flächner (Hernieder), welche aus der Oktaederform dadurch entstehen , dass die Hälfte ihrer Flächen auswächst, die zwischenliegenden verschwinden. So entsteht aus dem achtflächigen Oktaeder (Fig. 7) das vier- flächige Tetraeder (Fig. 8), aus der zwölfflächigen Doppelpyra- mide (Fig. 9) das. sechsflächige Rhomboeder (Fig. 10), dessen sämtliche Flächen Rhomben darstellen.*) Als Tetraeder kristalli- siert der Brechweinstein, als Rhomboeder der Chilisalpeter. Fig. 7. Fig. 8. Fig. 9. Fig. 10. Man giebt daher dem Tetraeder die senkrechte Lage, indem man ihn auf eine Kante stellt, dem Rhomboeder dadurch, dass man ihn auf eine der beiden Ecken stellt, welche der sechsseitigen Doppelpyramide entlehnt sind. Im Tetraeder verbinden die Axen die Mitten der Kanten; im Rhomboeder thun dies nur die Nebenaxen. " § 10. Wie lautet das Erystallisationsgesetz ? Der krystallierende Körper kann sämtliche Formen annehmen , welche dem System angehören, worin er krystallisiert. Im allgemeinen lässt sich der Satz aufstellen : *) In Fig. 7 wachsen die Flächen o, n und eine auf der anderen Seite, die übrigen verschwinden; in Fig. 8 wachsen r, t, u und drei auf der anderen Seite, die nicht mit ihnen zusammenstossen. - 15 — Ein jeder Körper krystallisiert nur in den Formen eines vnd desselben Systems. Ausnahmen sind nicht häufig. Vermag1 ein Körper in zwei verschiedenen Systemen zu krystallisieren , so nennt man ihn dimorph. Der Schwefel krystallisiert z. B. im rhombischen und klinorhombischen System , die Kohle als Diamant im regelmässi- gen, als Graphit im Hexagonalsystem. Es giebt Reihen von Körpern, die im gleichen Systeme kry- stallisieren und sich gegenseitig in ihren Verbindungen vertreten, ohne die Kry stallform zu ändern. Solche heissen isomorph. Beispiele: die Alaune von Thonerde, Chromoxyd und Eisenoxyd; die Salze von Zinkoxyd, Eisenoxydul und Magnesia, die der Phos- phorsäure und Arsensäure. Thonerdealaun , Chromalaun und Eisenalaun krystallisieren als reguläre Oktaeder und können sich gegenseitig auswechseln und mischen, ohne die äussere Form zu ändern. Fragen. 1. Wie bestimmt man das System, zu welchem ein vorliegender Kry stall gehört? Antw. Man halte den Krystall so vor sich hin, dass sein Querschnitt resp. seine Grundfläche genau in die Horizontale zu liegen kommt; dann konstruiere man die Form dieser Grundfläche, wobei etwaige Abstumpfungen von Ecken und Zuschärfungen von Seiten zu berücksichtigen sind, und sehe zu, ob die Vertikalaxe senkrecht oder schief auf ihr stehe. A. Die Vertikalaxe steht senkrecht auf der Grundfläche; a) Grundfläche quadratisch: a) Vertikalaxe mit den Horizontalaxen gleichlang; alle Dimensionen des Krystalls sind sich gleich: . . . . Reguläres System. ß) Vertikalaxe verkürzt oder verlängert; die Krystalle sind nieder- gedrükt oder langgezogen: . . . Quadratisches System. b) Grundfläche rhombisch: Rhombisches System. c) Grundfläche ein reguläres Sechseck: . . Hexagonales System. B. Die Vertikalaxe steht schief auf der Grundfläche; a) Grundfläche eingeschobenes Quadrat: Klino rhombisches System. b) Grundfläche ein geschobenes Rechteck: Rhomboidales System. 2. Wie unterscheiden sich die Flächen des Rhomboeders von denen des Würfels? Antw. Die Flächen des Rhomboeders sind 6 Rhomben, die des Würfels sind 6 Quadrate. B. Erscheinungen des Gleichgewichts und der Bewegung. 4. Hebel und Wage. § 11. Was nennt man einen Hebel? Unter einem Hebel ver- steht man jede unbiegsame Stange, an welcher zwei entgegenge- setzte Kräfte, Kraft und Last, wirken, während jene an einem — 16 — Punkte unterstützt ist. Je nachdem die beiden Kräfte auf zwei verschiedenen oder auf derselben Seite vom Stützungspunkte an- greifen, unterscheiden wir zwei Arten Hebel: a) Beim zweiarmigen Hebel liegt der Stützpunkt zwi- schen Kraft und Last. Liegt er genau in der Mitte zwischen beiden , sodass die sog. Hebelarme gleich lang sind , wird der Hebel ein gleicharmiger genannt; wir finden ihn bei der gewöhnlichen Wage. Befindet sich der Stützpunkt nicht in der Mitte zwischen Kraft und Last, so ist der Hebel ein ungleich- armiger. Einen solchen, an welchem der eine Arm zehnmal länger ist als der andere, finden wir bei der Dezimalwage. b) Beim einarmigen Hebel liegt der Stützpunkt auf der einen Seite , Kraft und Last auf der anderen. Suchen wir mit dem Hebebaum oder Brecheisen etwas zu heben, mit dem Schneidemesser etwas durchzuschneiden, so wenden wir einarmige Hebel an. m ~~* jg § 12. Wie lautet das Gesetz des Hebels? Fig. I 11 stellt einen ungleicharmigen Hebel hg vor, ni| dessen Stützpunkt in m liegt; am längeren ™ Hebelarm mg wirkt die kleinere Kraft p, am p kürzeren Arm mh hängt die grössere Last P. Der Hebel befindet sich alsdann im Gleich- Fig. 11. gewicht, wenn die Last P um so viel grösser ist als die Kraft p, wie der Hebelarm mg länger ist als der Arm mh. Wir drücken dies aus durch die Proportion p : P = mh : mg; daraus folgt ,die Gleichung : p . mg. = P . mh, was wir folgender- weise in Worte fassen : Der Hebel befindet sich im G-leichgeivicht, wenn das Produkt der Kraft mit ihrem Hebelarm gleich ist dem Produkt der Last mit ihrem Hebelarm. Die Produkte der Kraft resp. Last mit ihren Hebelarmen nennt man auch wohl die statistischen*) Momente. Der Hebel befindet sich also dann im Gleichgewicht, wenn seine statistischen Momente einander gleich sind. An einem längeren Hebelarm bedarf man einer kleineren Kraft , an einem kürzeren Arm einer grösseren Kraft , um eine gewisse Last zu heben. Diese Kraft ersparnis ist aber mit einem grösseren Zeitaufwand verbunden, da ein längerer Hebel- arm grössere Räume durchwandern muss. »Was beim Hebel an Kraft gewonnen wird, geht an Zeit verloren.« Wir sehen dies sehr deutlich am Wellrade, mit dem wir bedeutende Lasten, welche an einer Walze hangen, mittelst geringer Kraftäusserungen crcams, das Stillstehen, Gleichgewicht. 17 — an einem grösseren Bade oder nur an dessen Speichen zu heben vermögen. Je mehr der Halbmesser des Rades (resp. die Länge der Speichen) denjenigen der "Walze übertrifft, eine um so ge- ringere Kraft genügt zur Hebung der Last , aber auch um so mehr Zeit ist dazu erforderlich. Zrl gßG §13. Gleicharmige Wage. Die gewöhnliche Wage ist ein gleicharmiger Hebel, bestehend aus dem Wage balken mit der Zunge; sie ruht mit dem Zapfen auf den Pfannen, welche wie jener aus poliertem Stahl gearbeitet sind. An den Enden des Wagebalkens hängen die Bügel mit den Wage- schalen. Die einzelnen Teile müssen folgende Bedingungen er- füllen, wenn die Wage brauchbar, und gut sein soll:. 1. Die Arme des Balkens müssen genau gleiche Länge besitzen. 2. Zapfen und Bügel müssen in einer geraden Linie liegen. o. Der Ruhepunkt soll etwas über dem Schwerpunkt der ganzen Wage sich befinden. Wenn der Schwerpunkt in den Unterstützungspunkt hinein fällt, so herrscht indifferentes Gleich- gewicht; liegt er über ihm, so ist das Gleichgewicht ein labiles. Es muss aber stabiles Gleichgewicht herrschen, d. i. die Wage muss aufgehängt sein. Je tiefer der Schwerpunkt unter den Stützpunkt rückt, um so weniger empfindlich wird die Wage, was man bei stärkerer Belastung beobachten kann, denn: Je mehr die Wage - belastet ivirä , um so toeniger empfindlich ist sie. Man bestimmt die Empfindlichkeit einer Wage nach dem kleinsten Gewichte, womit sie bei völliger Belastung einen merk- baren Ausschlag giebt. -*) In den Apotheken dürfen nur , sog. Präz isions wagen zur Anwendung gelangen, welche bei 20 g Maximalbelastung noch mit 0,08 >g^ bei 200 g Maximalbelastung noch mit 0,4 g einen deutlichen Ausschlag geben. § 14. Ungleich.- armige Wagen. Die Dezimal- wage, welche man auch als Brückenwage gebraucht fe- ' ■ ■ ■ , ■ B ; Ivb : c i e — frf~ ' 1 § I '.rieh as 89 \ I \ a . r _ . I f~~ rIfp~4l -(-, 3- Q sitzt einen un- a' gleicharm "gen Fig. 12. Wagebalken; der Arm, woran die Gewichte wirken, ist zehn- — - ; - : ujim fiihq 9i *) Ist dieses kleinste Gewicht p, die volle Belastung Q, so drückt man den Grad der Empfindlichkeit durch den Bruch p/2Q aus. S ch-lic kum, Apothekerlehrling. 2 — 18 — L< mal länger als derjenige, woran die Last hängt; Ki=10Kb/ (Fig. 12). Die auf ab ruhende Last wirkt sowohl durch den Punkt b auf V, als durch den Punkt a auf c resp. c' ; da nun a' d : cd = KV : Kc', so wird der bei a resp. c' drückende Teil der Last durch den einarmigen Hebel D wirken, als ob er auch in b' angriffe. Das Resultat dieser Verbindung der drei Hebel A, B, D ist also, dass die gesamte Last in V angreifend gedacht werden kann d. i. zehnmal schwächer wirkt, als die Kraft C. Ähnlich ist die Anwendung des ungleicharmigen Hebels bei der sog. Schnellwage, an deren kürzerem Balken die zur Auf- nahme der Last bestimmte Schale hängt, während am längeren Balken ein Gewichtstück, der sog. Läufer, wirkt und durch seine Entfernung vom Ruhepunkt der Wage das Gewicht der Last an- zeigt. Übereinstimmend hiermit ist die, jedoch gleicharmige, Sattelwage, deren Sattel auf den verschiedenen Teilstrichen des Balkens Decigramme anzeigt, wenn er selbst 1 g schwer ist. Praktische Regeln beim Gebrauche|der Rezepturwagen. 1 . Man beachte vor dem Wägen, dass die Schalen richtig mit dem Bügel einhangen. Es trifft sich nicht selten, dass die Schnüre der Handwagen sich am Bügel verstricken, oder dass die Bügel der Tarierwagen ausgehakt u. dgl. sind. 2. Man halte die Handwagen mit der linken Hand so, dass die Zunge zwischen zwei Fingern spielt; bei der Tarierwage lege man den Zeigefinger der linken Hand sanft auf die schwebende Wageschale; alsdann fühlt man das Herannahen des Gleichgewichts und kann sich vor zu starkem Über- gewicht hüten. 3. Bei genauen Wägungen arretiere man die Wage vor der Beurteilung. Handwagen senke man zu diesem Behufe mit ihren Schalen auf die Tischplatte. 4. Gefässe tariere man nie mit Gewichtstücken. Auch ist der Ge- brauch der Reiter hierzu nicht zu empfehlen. Versuche. 1. Man teile die linke Balkenseite einer Wage von dem Zapfen bis zum Bügel genau in zehn gleiche Teile, dann nehme man ein Stück Messing- draht von genau 1 g Schwere, biege es an einem Ende um und hänge es an dem geteilten Balken auf. Hängt der Haken am ersten Teilstriche, so genügt die Belastung der rechten Wagschale mit 0,1 g, hängt er am fünften resp. siebenten Teilstrich, so genügt links die Belastung mit 0,5 resp. 0,7 g, um die Wage ins Gleichgewicht zu bringen. In dieser Weise kann man mit Häkchen von 1 ^jSchwere cg wiegen. : Fragen. 1. Wie prüft man^eine Wage auf ihre Richtigkeit? — Antw. Man setze einen Gegenstand gegen Gewichtsstücke genau ins Gleichgewicht, alsdann vertausche man beide mit einander; es muss die Wage im Gleich- gewicht bleiben. Neigt sich^dagegen eine Seite nieder, so ist dieser Arm etwas länger als der andere. 2. Wie prüft man eine Wage auf ihre Genauigkeit? — Antw. Man gebe der Wage ihre Maximalbelastung, stelle sie genau ein und sehe zu, welches kleinste Gewichtsstück sie zum bemerkbaren Ausschlag veranlasst. — 19 — 3. Wie kann man auf einer Wage mit ungleichem Balken dennoch richtig wiegen? — Antw. Man tariere den Gegenstand genau mit Schrot u. dgl. und ersetze ihn dann durch Gewichtsstücke; diese geben das rich- tige Gewicht des Gegenstandes an. 4. Wenn auf einer Wage 100 g einerseits und 99 g andrerseits sich das Gleichgewicht halten, um wie viel ist jener Arm kürzer als dieser? — Antw. Um yioo des längeren Armes. 5. Das spezifische Gewicht und seine Bestimmung. § 15. Worauf gründet sich die Bestimmung des spezifischen Gewichtes ? Das spezifische Gewicht ist die Zahl, welche angiebt, um wie viel leichter oder schwerer ein Körper ist als die gleiche Masse eines andern Körpers. Zur Yergleichung nimmt man für die festen und flüssigen Stoffe das Wasser, für die Gase die atmosphärische Luft als Einheit an. Wenn also das spezi- fische Gewicht des Quecksilbers — 13,5 ist, so will das sagen, dass das Quecksilber 13,5 mal mehr wiegt als ein gleiches Quan- tum Wasser ; ist das spezifische Gewicht des Weingeistes = 0,83, so bedeutet dies soviel, als dass der Weingeist nur 83/ioo so viel wiegt als ein gleiches Yolumen Wasser. Die Bestimmung des spezifischen Gewichtes vergleicht also die Gewichte gleicher Yolum-Mengen des fraglichen Körpers und des Wassers resp. der Luft. Für die Pharmazie hat die Be- stimmung für Flüssigkeiten hohen praktischen Werth , und soll daher im folgenden vorzugsweise berücksichtigt werden. Will man das spezifische Gewicht einer Flüssigkeit be- stimmen, so muss man also zunächst feststellen, wie viel gleiche Yolumquantitäten Wassers und der fraglicnen Flüssigkeit wiegen, und alsdann das Gewicht des Wassers in das der Flüssig- keit dividieren. Die verschiedenen Bestimmungsmethoden unterscheiden sich durch die Art und Weise, das Gewicht gleicher Yolumquanta Wassers und der Flüssigkeit zu rinden. ffl Einer jeden muss aber eine gewisse Tem- jff peratur zu Grunde liegen : 12° R = 15° C, Jj| weil die Wärme verändernd auf die Dichte Jgf einwirkt. j§* § 16. Bestimmung des spezifischen Gewichtes der Flüssigkeiten; 1) durch das Pyknometer. Die der Theorie nach einfachste und sicherste Bestimmung des spezifischen Ge- wichtes der Flüssigkeiten geschieht durch ein Glas, welches bei 15° C genau 10 resp. Fig. 13. — 20 - 100 g destilliertes "Wasser fasst und Pyknometer genannt wird. (Fig. 13.) Entweder fasst das Glas die betreffende Wasser- menge bis zu einer Marke im Halse oder bei völliger Anfüllung. Füllt man das genau tarierte oder in seiner Tara bekannte Glas mit der zu prüfenden Flüssigkeit an und wägt dieselbe genau, so erhält man mittelst Division des gefundenen Gewichtes durch 10 resp. 100 das gewünschte spezifische Gewicht. Beispiel. Fasst ein Pyknometer bei 15 ÜC 10 g Wasser, dagegen 8,3 g Weingeist, so ist das spezifische Gewicht des letzteren = 0,83. Sehr bequem sind Pyknometer mit einem Thermometer am Stöpsel. 2) Bestimmung durch Mohrs hydrostatische Wage. An eine Tarier- wage, deren rechte Wagebalkenhälfte genau in zehn gleiche Teile eingeteilt ist, hängt mittelst Platindraht ein kleines, mit Queck- silber oder Schrot beschwertes Senkgläschen. Wird es in Wasser untergetaucht , so kommt die Wage aus dem Gleichgewicht, in- dem die Seite, woran das Senkglas hängt, gehoben wird. Die Ursache beruht in dem von Archimedes (250 v. Chr. in Syra- kus) gefundenen und nach ihm benannten Satze: Ein in eine Flüssigkeit untergetauchter Körper verliert so viel an seinem Gewichte, als die verdrängte Flüssigheitsmenge schwer ist. Wenn wir also das Senkgläschen in Wasser untertauchen, so wird es um so viel leichter, als das verdrängte Wasser wiegt. Um die Wage wieder ins Gleichgewicht zu bringen, müssen wir die Seite, woran das Senkglas hängt, mit einem Stück Messing- draht beschweren, und dieses Stück besitzt dann genau das Ge- wicht des durch das Glas verdrängten Wassers. Lassen wir das Senkgläschen in eine andere Flüssigkeit untertauchen , so haben wir abermals eine Belastung nötig, um das gestörte Gleichgewicht herzustellen. Ist die Flüssigkeit leichter als Wasser, so genügt eine geringere Belastung; ist sie schwerer, so wird eine grössere Belastung erforderlich. Bei leichteren Flüssigkeiten stellen wir das Gleichgewicht wieder her, indem wir den Messinghaken auf einen der Teil- striche des Balkens aufhängen, und erhalten alsdann die erste Dezimalstelle; die zweite Stelle finden wir durch ein zehnmal leichteres, die dritte durch ein hundertfach leichteres Häkchen. Beim Weingeist, dessen spezifisches Gewicht = 0,883 ist, hängt also der erste Haken auf dem achten Teilstrich, die beiden leich-/ teren Häkchen auf dem dritten Teilstrich. Bei schwereren Flüssigkeiten verfährt man ebenso, nur dass ein zweiter, dem ersten gleich schwerer Haken am Bügel neben dem Senkglase aufgehängt werden muss. Beim Chloroform, dessen spezifisches Gewicht = 1,486 ist, wird also der eine Haupt- — 21 - haken am Bügel, der andere am vierten Teilstrich, die leichteren Häkchen am achten und sechsten Teilstrich aufgehängt. Während Dr. Mohr zu seiner Wage eine gewöhnliche Tarier- wage benutzte, deren rechte Wageschale durch das Senkgläschen ersetzt wird, weicht die Westphalsche Wage, die im übrigen auf den nämlichen Prinzipien beruht, dadurch ab, dass der linke Wagebalken keine Schale trägt und gegen eine Spitze spielt, dadurch die Gleichgewichtslage anzeigend. Bei ihr fehlt darum auch die Zunge. 3) Bestimmung durch das Aräometer. Der Gebrauch des Aräo- meters oder der Senkwage gründet sich ebenfalls auf das Archimedische Gesetz. Ist ein Körper leichter als Wasser, so schwimmt er und taucht dabei so weit unter, dass die verdrängte Wassermenge genau so viel wiegt wie der ganze Körper. Ein schivimmender Körper verdrängt soviel Flüssigkeit, als er selber wiegt. Senkt man einen schwimmenden Körper in eine schwerere Flüssigkeit, so taucht er darin weniger tief ein wie in eine leichtere , weil er immer nur so viel Flüssigkeit verdrängt, als sein eigenes Gewicht beträgt. Hierauf beruht das Aräometer, eine gläserne, hohle Spindel, unten mit Quecksilber oder Schrot beschwert und in Flüssigkeiten schwimmend. Wie tief es in eine Flüssigkeit eintaucht, erkennt man an einer Skala, welche das spezifische Gewicht direkt anzeigt. Für den Weingeist gebraucht man häufig sog. Alkoholometer, d. h. Aräometer mit direkter Angabe des Weingeistgehaltes. Ist das Aräo- meter nicht mit einer Skala verbunden, sondern wird es durch Gewichte beschwert, dass es bis zu einer gewissen Marke eintaucht, so stellt es das sog. Nicholsonsche Aräometer (Fig. 14) dar. Man legt die Gewichtsstücke auf einen Teller (A), den das Instrument (B) oben trägt. Je spezifisch schwerer die Flüssigkeit, um so mehr Gewicht muss aufgelegtwerden. Fig. 14. § 17. Wie bestimmt man das spezifische Gewicht fester Körper und der Gase? Für feste Körper bedient man sich der hydrosta- tischen Wage, einer Tarier wage, an welcher der zu prüfende Körper aufgehängt wird. Zuerst wägt man ihn in der Luft genau ab, dann lässt man ihn in untergestelltes Wasser völlig untertauchen und gleicht den entstehenden Gewichtsverlust durch Auflegen von Gewichtsstücken aus. Dieser Gewichtsverlust ist das Gewicht des vom Körper verdrängten Wassers (nach dem oben angegebenen Archimedischen Gesetz); dividiert man denselben in das absolute Gewicht des Körpers, so erhält man dessen spezifisches Gewicht. Man hat also nur nötig , festzustellen , wie viel der Körper unter Wasser leichter wird, um das Gewicht der ihm gleich grossen Wassermenge zu finden. Letzteres, in das absolute Gewicht des Körpers dividiert, ergiebt dessen spezifisches Gewicht. Ein 50 g schweres Stück Blei verliert unter Wasser 4,5 #, also ist das spezifische Gewicht des Bleies = 5/4;5 = 11. Man kann sich zur Bestimmung des spez. Gew. fester Körper auch mit Vorteil des Nicholsonschen Aräometers (Fig. 14) bedienen. Man legt den Körper zuerst oben auf den Teller und beschwert denselben dann noch so stark, dass das Instrument bis zur Marke untertaucht; nimmt man ihn dann weg und ersetzt ihn durch Gewicht, so zeigt letzteres das absolute Ge- wicht desselben an. Dann legt man den Körper unten in das Körbchen und sieht zu, wie viel Gewicht man nun auflegen muss; es wird weniger sein. Diese Differenz ist das Gewicht des verdrängten Wassers; dividiert man sie in das absolute Gewicht des Körpers, so resultiert daraus dessen spezi- fisches Gewicht. Das spezifische Gewicht der Gase wird bestimmt, indem man einen luftleer tarierten Ballon zuerst mit Luft erfüllt wägt, dann mit dem Gas anfüllt und abermals wägt; schliesslich dividiert man das Gewicht der Luft in das des Gases. Versuche. 1. Man hänge ein Zwanziggrammstück mit einem Faden an eine Wageschale und lasse es in ein mit Wasser gefülltes Becherglas unter- tauchen; man wird bemerken, dass es alsdann nur noch 17,6 g wiegt. — Dass das Gewichtsstück genau 2,4 g Wasser verdrängt, erkennt, man durch folgenden Versuch: Einen in Zehntel-Kubikcentimer abgeteilten Glascylinder fülle man bis zu einer bestimmten Höhe mit Wasser. Lässt man das Zwanziggramm- stück in letzteres hineinfallen, so steigt das Wasser genau um 2,4 ccm. 2. Tariert man ein mit Wasser teilweise gefülltes Becherglas genau auf einer Wage, und taucht an einem Faden ein Zwanziggrammstück in dasselbe unter, so senkt sich der Wagebalken. Es tritt erst dann wieder Gleichgewicht ein, wenn auf der anderen Seite 2,4 g aufgelegt werden. Wasdas Gewichtsstück, selbst an Schwere verliert, erhöht das Gewicht des Wassers. 3. Man fülle einen weiten Reagiercylinder mit Weingeist, tauche einen schmalen Reagiercylinder in denselben ein und beschwere ihn mit so viel Schrot, dass er gerade bis zum Halse untertauche. Wechselt man dann den Weingeist mit Wasser, so taucht der enge Cylinder nur zu 4/5 seiner Länge darin unter. In einer Kochsalzlösung oder in Zuckerwasser taucht er noch weniger tief ein. Aufgaben. 1. Welches spezifische Gewicht besitzt eine Flüssigkeit, von welcher 100 g den Raum von 120 q Wasser einnehmen, also in einem graduierten Cylinder 120 ccm Raum füllen? — Antw. 100/120 = 0,833. 2. Welches spezifische Gewicht besitzt ein fester Körper, von welchem ein 20 g wiegendes Stück, in einen graduierten und mit Wasser gefüllten Cylinder gebracht, das Wasser um 8 ccm steigen macht? — Antw. 20/s = 2,5. — 23*L— 3. Wenn das spezifische Gewicht des Goldes = 19, das des Silbers = 10 angenommen wird, wieviel verliert eine aus reinem Golde, wieviel eine halb aus Gold, halb aus Silber gefertigte Krone unter Wasser?*) — Antw. Eine Krone aus reinem Golde verliert 1/19 ihres Gewichtes, eine solche halb aus Gold, halb aus Silber verliert i/.2 (1/19 -|- ^io) — 29/W 4. Mischt man 50 Volumteile Weingeist, dessen spezifisches Gewicht 0,79 ist, mit 50 Volumteilen Wasser, so verdichtet sich die Mischung zu 96 Volumteilen. Wie gross ist das spezifische Gewicht dieses 50 volum- prozentigen Branntweins? — . 50 + (50 X 0,79) „ nn r & Antw. no '=0,93. 9o 6, Vom Fall der Körper. § 18. Der freie Fall. Wird einem ruhenden Körper seine Unterstützung entzogen, so fällt er. Die dabei innegehaltene Richtung hat den Erdmittelpunkt zum Ziel. Im luftleeren Raum fallen alle Körper gleich schnell; in der Luft finden sie aber durch die stattfindende Reibung und Überwindung des Luftwiderstandes eine Verzögerung, die um so grösser ist, je voluminöser und leichter der fallende Körper. 1. Die Fallbewegung ist eine gleichmässig beschleunigte. Ein fallender Körper fällt mit jedem Zeitabschnitt schneller, so dass seine Geschwindigkeit am Ende der zweiten Sekunde zweimal so gross, am Ende der dritten dreimal so gross ist, wie nach der ersten Fall Sekunde. Der Raum, den ein fallender Körper in der ersten Sekunde zurücklegt, d. i. der Fallraum der ersten'Sekunde, be- trägt 4,9 Meter (155/8 rhein. Fuss); er wächst im weiteren Ver- lauf des Falles, sodass er am Schluss der zweiten Sekunde 4mal 4,9 »m, am Schluss der dritten Sekunde 9mal 4,9 m, am Schluss der vierten Sekunde 16mal 4,9 m beträgt. Allgemein ausgedrückt lautet das zweite Fallgesetz : 2. Die Fallräume 'wachsen mit den Quadratsahlen der Sekunden. Man findet daher den Fallraum für n Sekunden Fallzeit, wenn man den Fallraum der ersten Sekunde (4,9 m) mit dem Quadrate von n multipliziert. Daraus ergiebt sich die Fallzeit, wenn man den gesamten Fallraum durch den Fallraum der ersten Sekunde (4,9 w?) dividiert und aus dem Quotienten die Quadrat- wurzel zieht. Die Anfangsgeschwindigkeit der ersten Sekunde ist = o, die Endgeschwindigkeit derselben == 2 g , wenn g den Fallraum der *) König Hiero in Syrakus liess eine Krone aus Gold anfertigen und übergab sie Archimedes zur Untersuchung. Da sie unter Wasser 1/ii ihres Gewichtes verlor, so wurde sie von Archimedes als eine Legierung aus 11 Teilen Gold und 9 Teilen Silber erkannt. (Erste Anwendung des „Archimedischen Prinzips"). — 24 — «ersten ; Sekunde (4,9 m) bezeichnet, denn der Fallraurn ist das arithmetische Mittel zwischen der Anfangs- und der Endgeschwin- digkeit. Da nun die Endgeschwindigkeit der zweiten Fallsekunde doppelt so gross ist als die der ersten Sekunde, so beträgt sie 4 g, daraus folgt der Fallraum der zweiten Sekunde — 3 g d. i. das Mittel zwischen Anfangs- (2 g) und Endgeschwindigkeit (4 g). Da die Endgeschwindigkeit der dritten Fallsekunde 6 g, die An- fangsgeschwindigkeit 4 g ist, so ist der Fallraum derselben — 5 g. "Wir finden den Fallraum der vierten Sekunde == 7 g, den der fünften Sekunde 9 g u. s. f. Daraus formulieren wir das Gesetz : I. Die Fallräume der einzelnen Sekunden wachsen wie die un- geraden Zahlen: 1 g\ 3 #, o-p, 7 g, 9 g, 11 g, u. s. f. Addieren wir, um die gesamten Fallräume am Schlüsse der Sekunden zu finden, so ist: Der Fallraum der ersten Sekunde g der ersten zwei Sekunden g -\- 3 g = 4g der ersten drei Sekunden g + 2g + 5g= . . 8g der ersten .vier Sekunden g -(- 3 g + 5 g + 7 g = 16g nach n Sekunden n2g Hieraus folgt das zweite Gesetz : II. Die gesamten Fallräume wachsen mit den Quadratzahlen der Fallsekunden. Bezeichnet h den gesamten Fallraum in Sekunden, so ist demnach : 1. h = g. n2; und hieraus folgt: i /' h 2. n = § 19. Der Fall auf der schiefen Ebene. Rollt ein Körper auf einer gegen den Horizont geneigten Ebene herab , so erlangt- er nicht dieselbe Geschwindigkeit wie beim freien Fall. Je kleiner der Neigungswinkel der Ebene, um so langsamer die Bewegung, aber um so grösser der Druck des rollenden Körpers auf die Ebene selbst, Bewegung und Druck stehen also im entgegen- gesetzten Verhältnis zu einander, und zwar, genauer ausgedrückt, verhält sich die Fallgeschwindigkeit zum Drucke wie die Höhe der schiefen Ebene zu ihrer Basis. Die Fallgeschwindigkeit auf der schiefen Ebene ist gleich dem Produkte aus der Fallgeschwindigkeit beim freien Fall mit dem Sinus des Neigungswinkels; der Druck auf die schiefe Ebene ist gleich dem Produkt aus dem Gewicht des Körpers mit dem Cosinus des Neigungswinkels. Der Sinus verhält sich zum Co- sinus wie die Höhe der schiefen Ebene zu ihrer Basis. Das Gesetz der schiefen Ebene finden wir beim Keil und der Schraube. Der Keil stellt eine zweifache schiefe Ebene — 25 — dar, deren Höhe dem halben Rücken, und deren Länge einer Seitenfläche gleich ist. Treibt man einen Keil ein, so zwingt man den Gegenstand, die schiefe Ebene desselben emporzusteigen. Je schmaler der Keil, um so kleiner der Neigungswinkel, um so geringer die Kraft, die zu seiner Handhabung nötig ist. Die Schraube lässt sich betrachten als eine um eine "Walze ge- zogene schiefe Ebene, deren Länge der Umfang der Walze, deren Höhe die Entfernung zweier Schraubengäuge ist. Je näher die letzteren bei einander stehen, um so geringere Kraftäusserung ist nötig, die Last die Schraubenlinie hinaufzuwinden. Daraus folgt, dass eine Schraube um so leichter sich anziehen lässt, je enger ihre Windungen und je grösser ihr Durchmesser ist, aber zugleich er- fordert auch ihre Arbeitsleistung mehr Zeit. § 20. Das Pendel. Das Pendel ist ein um seinen Aufhänge- punkt schwingender schwerer Punkt (mathematisches Pendel); in der Wirklichkeit existieren nur physische Pendel d. i. an einem Faden oder einer Stange aufgehängte Körper, deren Schwerpunkt den obengenannten Schwingungspunkt darstellt. Ein Pendel, dessen Schwingung genau eine Sekunde währt, heisst ein Se- kundenpendel; es misst in Europa, am Meeresnfer , nahezu ein Meter. Da die Schwingungsdauer von der Fallgeschwindig- keit abhängt, und diese eine Folge der Anziehungskraft der Erde ist, so wird ein Pendel um so langsamer schwingen, je entfernter es vom Erdmittelpunkt ist (auf hohen Bergen). Man benutzt daher ein Sekundenpendel zu Höhenbestimmungen der Gebirge, wie man auch durch die Verschiedenheit seiner Schwingungs- dauer wahrgenommen hat, dass der Erdkörper an den Polen ab- geplattet ist. Für das Pendel gelten folgende Gesetze*): 1) Kleine Schwingungen eines Pendels besitzen gleiche Bauer. Das in Bewegung gesetzte Pendel vollzieht seine ersten Schwing- ungen in derselben Zeit, wie die späteren, schwächer werdenden. 2) Mit der Länge des Pendels nimmt die Schtvingungsdauer zu. Ein viermal längeres Pendel schwingt doppelt langsam, ein neun- mal längeres dreimal so langsam. Die Schwingungszeiten wachsen wie die Quadratwurzeln aus den Pendellängen. Man reguliert eine Pendeluhr, deren Gang zu sehr beschleunigt ist, durch Ver- längerung des Pendels. Versuche. 1. Alle Körper fallen gleich schnell. Man schneide eine Scheibe aus Papier, etwas kleiner als eine Münze, lege sie auf dieses Geldstück und lasse beide wagerecht auf den Tisch fallen; das Papier kommt mit der *) Die Gesetze des freien Falles und des Pendels wurden von Galilei, Professor in Florenz, zu Ende des 16. Jahrhunderts entdeckt. — 26 — Münze zugleich auf der Tischplatte an, da der Luftwiderstand durch estere überwunden ist. 2. Fallmaschine. Einen über eine Rolle laufenden Bindfaden belaste man beiderseitig mit Gewichtsstücken oder dgl., sodass das eine bei gelindem Anstoss herunter sinkt urjd das andere emporhebt. Lässt man nun das erstere an einem längeren Massstabe herablaufen, während man gleichzeitig zu zählen beginnt, so nimmt man wahr, dass, wenn der sinkende Körper zur Zurücklegung des ersten Decimeters eine Sekunde gebraucht, er in der zweiten Sekunde drei Decimeter, in der dritten Sekunde deren fünf zurücklegt. Aufgaben. 1. Wie tief steht das Wasser eines Brunnens unter dessen Rande, wenn man einen herabgefallenen Stein erst nach 3 Sekunden ins Wasser fallen hört? — Antw. 4,9X9 = 44,1 m. 2. In wieviel Sekunden fällt ein Stein von einer 78 m hohen Felswand herab? — Antw. 1/ ttt — 4 Sekunden. '■VS- 3. Wie verhalten sich die Geschwindigkeiten, mit denen ein und derselbe Körper zwei verschieden geneigte, aber gleichhohe schiefe Ebenen herabrollt? — Antw. Umgekehrt wie die Längen derselben. 4. Wenn ein Sekundenpendel 1 m misst, wie lang muss ein Pendel sein, dessen Schwingung eine halbe Sekunde währen soll? — Antw. 1fi m. 7. Der Luftdruck und das Barometer. § 21. Wie äussert sich die Schwere der Luft? Wie jeder irdische Körper, so besitzt auch die atmosphärische Luft Gewicht. Mit Luft gefüllt wiegt ein Ballon schwerer als im luftleeren Zustande. Infolge dieser Schwere übt die Luft auf jeden Quadratcenti- meter einen Druck von 1 leg (auf einen Quadratzoll etwalö Pfund) aus. Dieser Druck kommt aber nur dort zu sichtbarer Wirk- samkeit, wo er ein sei tig wirkt. Yermöge des einseitigen Luft- drucks sind wir imstande, mit dem Stechheber aus einem Gfefässe Flüssigkeit herauszuziehen ; wir tauchen ihn völlig darin unter oder saugen ihn voll, verschliessen alsdann die obere Öff- nung mit dem Finger und heben ihn heraus. Die von unten drückende Luft verhindert das Auslaufen ; beim Wegnehmen des Fingers fliesst der Inhalt aus, weil der von unten wirkende Luft- druck durch den nun auch von oben wirkenden ausgeglichen wird. Aus demselben Grunde vermag sich ein Medizinglas, wel- ches wir mit Wasser völlig anfüllen und verschlossen in um- gekehrter Lage unter Wasser öffnen , nicht zu entleeren , da der auf das äussere Wasser wirkende Luftdruck den Druck der im Glase befindlichen Flüssigkeit überwindet. Wie müssen wir uns die Wirkung des Luftdruckes vorstellen? Die Luft drückt vermöge ihrer Spannkraft (Tension) von allen Seiten auf einen Körper ; sie findet daher, wenn sie allerseits Zugang zu demselben hat, in der eigenen Festigkeit des Körpers den nötigen I- 27 - Widerstand, um ihn nicht zusammenzudrücken, und vermag ihn wegen ihres allseitigen Angriffes auch nicht von der Stelle zu rücken. Hat die Luft aber nur von einer Seite her Zugang zu einem Körper, so nimmt man ihren Druck wahr; ruht die Luft von oben auf dem Körper, so vereinigt sich ihr Druck mit der Wirkung der Schwerkraft; drückt sie aber von der Seite oder von unten her auf den Körper, so wirkt sie der Schwerkraft entgegen und hebt sie mehr oder weniger auf. § 22. Was ist das Barometer? Das Barometer*) ist ein Instru- ment, womit man den Luftdruck misst ; eine zweischenklige Glas- röhre, deren längerer Schenkel gegen 1 m lang und oben ver- schlossen , deren kurzer Schenkel dagegen offen ist. Neben diesem Heberbarometer benutzte man früher auch Gefässbaro- meter, bei welchen eine meterlange, oben geschlossene Glasröhre in ein mit Quecksilber gefülltes Gefäss eintaucht. Das Barometer wird mit Quecksilber völlig angefüllt, welches beim Umwenden der Röhre durch den Luftdruck am Ausfliessen gehindert wird. Das Quecksilber steht in dem Instru- mente nur 760 Millimeter (28 Pariser Zoll) über dem Niveau des andern Schenkels (oder des Gefässes); somit vermag die Luftsäule einer 760 mm hohen Quecksilbersäule das Gleichge- wicht zu halten. Über dem Quecksilber befindet sich im Baro- meter ein völlig luftleerer Raum, die sog. Toricellische Leere.**) Der Luftdruck ist gleich dem Geivichte einer 760 mm hohen Quecksilbersäule. Man benutzt das Barometer als Messer des Atmosphären- drucks. Da derselbe je nach dem Wasserdampfgehalt und der Erwärmung des Luftmeers schwankt, so ist auch der Stand des Q.uecksilbers nie konstant. Je kälter die Luft ist, je weniger Wasserdampf sie enthält, um so stärker ist der Druck auf das Quecksilber, um so höher der Stand des Barometers. Wir finden ihn in unseren Gegenden am höchsten , wenn der kältere und trocknere Nordostwind weht; er ist am niedrigsten beim wär- meren , feuchten Südwestwind. Daher dient das Barometer zur Wetterbeobachtung. Hat die Luft sich mit Wasserdampf gesättigt, und das Barometer seinen tiefsten Stand erreicht, so ist baldiger Regen in Aussiebt; nach stattgefundener Verdichtung des Wasser- dampfes zu Regenwolken steigt aber das Quecksilber im Barometer. Da mit der örtlichen Erhebung über den Meeresspiegel der Luftdruck abnimmt, so zeigt das Barometer in höher gelegenen *) Schweremesser, von ßapu? (schwer) und (xerpov (Mass). **) Toricelli in Bologna konstruierte 1644 das erste Barometer und erklärte die Erscheinungen des Luftdrucks, die man vordem auf einen .horror vacui" (Abneigung vor der Leere) zurückgeführt hatte. 28 Fig. 15. Gegenden sowie beim Empor- steigen im Luftballon ein um so stärkeres Fallen, in je höhere Luftschichten man sich begiebt. Das Barometer dient daher auch allgemein zu Höhenmessungen. Das Anero'idbarometer*) (Fig. 15) besitzt eine kreisförmig gebogene, luftleere Metallröhre (A B C), welche bei stärkerem Druck der äusseren Luft sich mehr streckt, bei schwächerem Drucke sich mehr krümmt. Diese Be- wegung überträgt die Röhre durch einen Hebel (E D) und ein Zahnrad (ik) auf einen Zeiger, der an einer Skala den Atmosphärendruck anzeigt Der Skala giebt man die Einteilung des gewöhnlich enBarometers. Solange die Metallröhre völlig luftleer bleibt, bewahrt das Anero'idbarometer seine Empfindlichkeit. Es lässt sich durch seine handliche Form sehr bequem zu Höhemnessunffen verwenden. § 23. Wie benutzt man den Luftdruck? Man benutzt den Luft- druck zu einer Reihe von Instrumenten, von denen folgende Er- wähnung verdienen : 1. Der Saugheber, eine zweischenklige Röhre, deren kür- zerer Schenkel in eine Flüssigkeit eingetaucht wird, während man an dem längeren saugt. Sowie sich der Heber völlig mit der Flüssigkeit angefüllt hat, lässt er sie so lange ununterbrochen aus dem längeren Schenkel ausfliessen, bis ihr Niveau an beiden Schenkeln gleich steht oder der kürzere Schenkel nicht mehr in sie ein- taucht. Diese Wirkung des Instrumentes gründet sich darauf, dass die Flüssigkeitssäule des längeren Schenkels, als die schwerere, den Luftdruck überwindet und die Flüssigkeit des kürzeren Schen- kels sich nachzieht. 2. Die Saug- und die Druckpumpe. Sie beruhen auf dem Emporheben einer Wassersäule mittelst des Luftdrucks. Da das Wasser 13,5 mal leichter ist als das Quecksilber, so vermag der Atmosphärendruck einer Wassersäule von 10 Meter (32 Fuss) das Gleichgewicht zu halten. Auf eine grössere Höhe kann daher eine einfache Pumpe das Wasser nicht heben. Die Saugpumpe besteht aus einem (eisernen) Cylinder, dem sog. Stiefel, in welchem sich ein durchbohrter Kolben luft- dicht auf- und abbewegt. Sowohl der Kolben, als auch die Basis des Stiefels, welche durch ein Leitungsrohr mit einem Wasser- *) avaspaeiSifjs = luftleer. 29 behälter in Verbindung steht, besitzen eine nach oben bewegliche Klappe. Beim Emporziehen des Kolbens steigt das Wasser aus dem Behälter in den Stiefel , die Klappe hebend , um den im Stiefel entstehenden luftleeren Raum auszufüllen, da die über dem Kolben befindliche Luft durch die Kolbenklappe, welche sich nur nach oben öffnen kann, abgesperrt ist. Beim Niederdrücken presst sich das im Stiefel vorhandene Wasser, da die an seinem Grunde befindliche Klappe mittlerweile sich wieder geschlossen hat, durch den Kolben und dessen Klappe hindurch, steigt über den Kolben und wird beim nächsten Hube bis zur Ausflussröhre gehoben. Die Druckpumpe unterscheidet sich von der Saugpumpe dadurch, dass der Kolben nicht durchbohrt, der Stiefel aber an seinem unteren Teile mit einer seitlichen, durch eine Klappe ab- geschlossenen Steigröhre versehen ist, in welche das Wasser beim Niederdrücken des Kolbens gehoben wird. Auf der Erscheinung des Saugens beruht auch der Inhala- tion sapparat. Zwei fein ausgezogene Glasröhren stossen in einem rechten Winkel mit ihren Spitzen auf einander; während die senkrecht stehende Bohre in eine Flüssigkeit eintaucht, wird durch die wagerecht laufende Röhre aus einem Wasserkessel Wasserdampf oder aus einem Kautschukballon ein anhaltender Luft- strom geleitet. Durch letzteren wird der auf der senkrecht stehen- den Röhre lastende Atmosphärendruck geschwächt, infolge dessen die Flüssigkeit durch dieselbe emporgesogen und durch den an- haltenden Dampfstrom in einen Sprühregen verwandelt wird. Einen künstlich erzeugten Luftdruck benutzt man bei der Spritz- flasche (Fig. 16). Sie ist eine gewöhnliche Glasflasche mit doppelt durchbohrtem Stopfen, durch welchen zwei gebogene Glasröhren geführt sind. Die eine der- selben endigt dicht unter dem Stopfen und dient dazu, Luft in die Flasche zu blasen ; die andere reicht bis gegen den Boden der Flasche, in die darin befind- liche Flüssigkeit. Bläst man nun in die erstere Röhre, so steigt die Flüssig- keit in der letzteren empor und fliesst daraus im Strahle aus. Man benutzt die Spritzflasche zum Abspülen von Krystallen, zum Sammeln und Aus- waschen eines Niederschlages auf dem Filter u. a. m. Fig. 16. Yersiiche. 1. Man gebe in eine zweischenkbge Glasröhre Wasser; es wird, sofern beide Schenkel offen sind, in beiden gleichhoch stehen. Verschliesst man — 30 — dann den einen Schenkel mit dem Finger und neigt denselben derartig, dass alles Wasser in ihn eintritt, so wird bei aufrechter Stellung das Wasser in dem Schenkel zurückgehalten, sofort aber wieder in den leeren Schenkel übertreten, wenn man den Finger wegzieht. Man kann denselben Versuch mit Quecksilber wiederholen; wendet man dann aber eine meterlange Röhre an, so sinkt das Metall in dem verschlossenen Schenkel bis zur Höhe von 760 mm und lässt über sich einen luftleeren Raum. 2. In ein 200 g fassendes Medizinglas gebe man 1 g Äther, schwenke ihn darin um, damit sein Dampf das Glas ganz erfülle, füge dann 10 bis 15 g Wasser hinzu und schüttele wohl um, das Glas mit dem Daumen fest verschliessend; öffnet man es alsdann in umgewendeter Lage unter Wasser, so stürzt dasselbe geradezu hinein und füllt es zum grossen Teile an. (Das Wasser hatte den Atherdampf absorbiert und einen luft- verdünnten Raum geschaffen, der darauf vom eindringenden Wasser eingenommen wurde.) Fragen. 1. Warum fühlen wir an unserem Körper den Luftdruck nicht? — Antw. Weil die in unserem Körper allenthalben vorhandene Luft die- selbe Spannung hat wie die äussere Luft und ihr das Gleichgewicht hält. — Auf sehr hohen Bergen, wo die äussere Luft verdünnter ist, drängt die im Körper befindliche Luft das Blut aus Mund, Nase und Haut. 2. Worauf beruht das Atmen und Saugen? — Antw. Beim Ein- atmen erweitern wir den Brustkorb und verdünnen dadurch die in der Brusthöhlung befindliche Luft, infolge dessen die äussere Luft durch Mund und Nase hereindringt; beim Ausatmen pressen wir einen Teil der einge- schlossenen Luft aus der Brusthöhlung, indem wir das Zwerchfell und die Rippen emporziehen. — Beim Saugen verdünnen wir die Luft im Munde, wodurch der äussere Luftdruck zur Geltung gelangt. 3. Wenn bei gewöhnlichem Druck (einem Atmosphärendruck) 1 l Luft 1,2 g wiegt, wie viel wiegt dasselbe Quantum unter fünffachem At- mosphärendruck; ? — Antw. Da unter fünffachem Druck die Dichte fünf- mal grösser ist, so wiegt 1 / Luft unter solchem Druck 5X1,2 = 6^. 4. Worauf hat man bei genauen Barometermessungen stets Rücksicht zu nehmen? — Antw. Dass sich mit der Veränderung des Quecksilber- standes auch das untere Niveau ändert, von dem ab die Höhe der Queck- silbersäule gemessen wird. 8. Die Luftpumpe. § 24. Welches sind die Teile der Luftpumpe? Die Luftpumpe, im 17. Jahrhundert von Otto v. Gruerike, Bürgermeister von Magdeburg, zuerst konstruiert, beruht auf dem Prinzipe, in einem geschlossenen Räume nach Art des Saugens die Luft nach und nach zu verdünnen. Es gelingt aber mit ihr nicht, einen Raum vollständig luftleer zu machen. Ihre wesentlichen Teile sind folgende: 1. der Stiefel, ein metallener Oylinder, in welchem sich luftdicht ein durchbohrter Kolben auf- und abbewegt, der mit einer nach oben sich öffnenden Klappe geschlossen ist; 2. die Verbindungsröhre, welche den Stiefel verbindet mit 31 3. dem Teller, auf welchem der Rezipient, eine Glasglocke, steht, dessen Luft ausgepumpt werden soll. Je nachdem die Yerbindungsröhre mit dem Stiefel durch ein sich nach oben öffnendes Ventil oder durch einen drehbaren Hahn verbunden ist, bezeichnet man die Luftpumpe als eine Ventil- oder als eine Hahnenluftpumpe. Fig. 17 Fig. 17 stellt eine doppelstiefelige Ventilpumpe vor. D und S sind ihre beiden Stiefel, deren Kolben beim Hin- und Herdrehen der Handhaben abwechselnd auf- und niederbewegt werden; F ist ein Hahn, welcher die Yerbindungsröhre öffnet und schliesst, sie auch mit der äusseren Luft in Kommunikation setzen kann; R der Rezipient und g ein eingeschaltetes Barometer, zur Be- obachtung des Yerdünnungsgrades der Luft. § 25. "Wie wird die Luftpumpe gehandhabt? Nachdem der Rezi- pient fest auf den Teller aufgesetzt worden, hebt und^senkt man — 32 — abwechselnd den Kolben. Beim Emporziehen desselben entsteht unter ihm im Stiefel ein luftleerer Raum, so dass die im Rezi- pienten befindliche Luft die Klappe der Verbindungsröhre hebt; nachdem sie eingetreten, senkt sich diese Klappe wieder durch ihr eigenes Gewicht. Bei der Hahnenluftpumpe hat man nach jedem Kolbenhube den Hahn so zu stellen, dass zwischen Ver- bindungsröhre und Stiefel Kommunikation stattfindet, darauf aber wieder den Hahn zu schliessen. "Wird nun der Kolben wieder gesenkt, so zwingt er die unter ihm im Stiefel eingeschlossene Luft, durch Öffnen der Kolbenklappe zu entweichen. Bei Wieder- holung dieses Spieles verdünnt sich die Luft des Rezipienten immer mehr^ was man am Sinken des Quecksilbers im einge- schalteten Barometer wahrnehmen kann. § 26. Welche Versuche kann man mit der Luftpumpe anstellen? In dem möglichst ausgepumpten Rezipienten verlöscht eine brennende Kerze, da ihr der zum Yerbrennen notwendige Sauer- stoff entzogen ist; eine Vogelfeder fällt darin ebenso schnell zu Boden wie ein Stück Blei, da der Luftwiderstand fehlt; Tiere (Vögel, Mäuse) sterben in kurzer Zeit durch Erstickung; eine bewegte Schelle tönt nicht, da ihre Schwingungen nicht fortge- leitet werden können ; lauwarmes Wasser siedet, weil kein Druck mehr auf ihm lastet, der die Dampf bildung zurückhält. Der Rezipient selbst ist durch den Druck der äusseren Luft auf den Teller fest gepresst. § 27. Was ist eine Kompressionspumpe? Die Luftpumpe in etwas veränderter Form dient als Kompressjonspumpe, um Luft oder andere Gase in einen geschlossenen Raum bis zur möglich- sten Verdichtung hineinzupumpen. Bei einer Hahnenluftpumpe mit un durchbohrtem Kolben braucht man nur den Hahn so zu stellen, dass er beim Niedergänge des Kolbens die Kommunikation zwischen Stiefel und Verbindungsröhre herstellt; beim Aufgange schliesst man diese Verbindung und setzt den Stiefel mit der äusseren Luft in Kommunikation. Dadurch wird beim Empor- ziehen des Kolbens von aussen Luft aufgesogen und diese beim Niedergange desselben in den Rezipienten gedrückt — Eine Ventilkompressionspumpe unterscheidet sich von der Ventilluft- pumpe durch entgegengesetzte Richtung der Klappen, sodass beim Emporziehen des Kolbens die äussere Luft in denselben eintritt',, beim Niedergange in den Rezipienten gedrückt wird. Fragen. 1. Warum vermag man nicht den Rezipienten der Luftpumpe völlig luftleer zu machen? — Antw. Weil in der Durchbohrung des Kolbens beim tiefsten Stande desselben immerhin noch etwas Luft von der Dichte — 33 - der Atmosphäre zurückbleibt , sodass sich diese beim Emporziehen des Kolbens im Stiefel verbreitet. Über diesen Grad der Verdünnung lässt sich auch für den Rezipienten nicht hinausgehen. In einem gut ausge- pumpten Rezipienten bleibt etwa fünfhundertfach verdünnte Luft zurück. 2. Wieweit kann eine Ventilluftpumpe die Luft im Rezipienten ver- dünnen? — Antw. Bis zu dem Grade, dass die Spannung der Luft nicht mehr hinreicht, die Ventile zu heben. Daher leistet eine Hahnenluft- pumpe mehr. 3. Mit welcher Kraft werden zwei Halbkugeln, deren Durchmesser 1 dem beträgt, zusammengehalten, nachdem sie luftleer gemacht wurden?*) — — Antw. Die Oberfläche beider Halbkugeln ist (nach der Formel 4 k r2) = 31,25 qcm; daher der Luftdruck auf beide = 31,25 kg. 9. Die Dampfmaschine. §28. Worauf gründet sich die Dampfmaschine? Durch den Druck erhöht sich die Spannkraft der Dämpfe nicht, da sie unter Druck sich zum Teil verdichten, wobei der restierende Dampf die Span- nung wie zuvor behält; aber durch Erhitzung vermehrt sich ihre Tension und zwar in zunehmender Progression. Der Wasser- dampf, welcher bei 100° C die Spannung eines Atmosphären- drucks besitzt, erlangt schon bei 121° die doppelte (von zwei Atmosphären), bei 135° bereits die dreifache (von drei Atmo- sphären), bei 145° C die vierfache Spannung (von vier Atmosphären). Eine grossartige Anwendung dieser Dampfspannung macht man bei der Dampfmaschine. Man entwickelt Wasserdampf, dem man durch Erhitzung in einem geschlossenen Kessel eine höhere Temperatur und dadurch eine erhöhte Tension giebt, und leitet diesen erhitzten Wasserdampf bald über, bald unter einen sich auf- und niederbewegenden Kolben, dessen Bewegung man in geeigneter Weise auf ein Rad überträgt. § 29. Welches sind die wesentlichen Teile einer Dampfmaschine? 1. Der Dampfkessel, -in welchem das Wasser zum Sieden erhitzt wird. Da derselbe völlig geschlossen ist, so erhöht sich der Druck des entwickelten Dampfes, und das Sieden findet in einer 1003 C übersteigenden Temperatur statt. Zur Sicherheit ist der Kessel mit einem Sicherheitsventil versehen, einer Öff- nung, welche durch einen einarmigen, am Ende stark beschwerten Hebel geschlossen gehalten wird. Die Beschwerung ist derartig bemessen, dass sie gehoben wird, wenn der eingeschlossene Dampf eine dem Kessel bedrohliche Spannung annehmen würde. *) Otto v. Guerike maehte auf dem Regensburger Reichstag 1654 zwei kupferne Halbkugeln von 20 Zoll Durchmesser (bekannt als Magde- burger Halbkugeln) luftleer, welche alsdann von 8 Paar Pferden nicht aus- einander gerissen werden konnten, da die Luft sie mit einer Kraft von 50 Centnern zusammenhielt. Schlickum, Apothekerlehrling. 3 — 34 — Durch den Dampfkessel der Lokomobilen und Lokomotiven führt eine Anzahl wagerechter Röhren, welche die von der Feuerung erhitzte Luft empfangen und das sie umspülende Wasser zum Sieden bringen. 2. Der Cylinder mit dem Kolben, welcher sich in jenem luftdicht auf- und niederbewegt. Bevor der Dampf in den Cylinder eintritt, passiert er das Schieberventil, um abwechselnd über und unter den Kolben zu gelangen und diesen dadurch bald herauf-, bald herabzudrücken. Der Schieber dieses Yentils wird von der Maschine selber geführt, in der "Weise, dass er den oberen Zu- gang zum Cylinder gerade beim höchsten Stande des Kolbens öffnet, ihn aber wieder verschliesst , wenn der Kolben unten an- langt, und zugleich den unteren Zugang öffnet, um nun den Dampf unter den Kolben treten zu lassen. 3. Die Übertragung der geradlinigen Bewegung des Kolbens auf die Kurbel, welche ein Rad umdreht, ist verschieden. Bei den Dampfboten und stehenden Dampfmaschinen geschieht sie durch einen zweiarmigen Hebel, den sog. Balancier. § 30. Wie unterscheidet man die Dampfmaschinen? Man konstru- ierte die ersten Dampfmaschinen*) in der Weise, dass man den Dampf unter den Kolben treten liess und nach dessen Hebung kaltes Wasser einspritzte, wodurch eine Yerdichtung des Dampfes und ein verdünnter Raum im Cylinder entstand, infolge dessen der Atmosphärendruck den Kolben hinabschob. (Diese Maschine wird die atmosphärische Dampfmaschine genannt.) Später verbesserte man sie durch abwechselnde Dampfleitung, bald über, bald unter den Kolben. Je nachdem der verbrauchte Dampf in einen besonderen Behälter, den Kondensator, abgeleitet und daselbst verdichtet, oder in die Atmosphäre abgelassen wird, unter- scheidet man Niederdruck- und Hochdruckmaschinen. Erstere besitzen einen Kondensator, einen kalten Raum, worin der verbrauchte Dampf zu Wasser abgekühlt wird; sie bedürfen keiner so hohen Spannung des Dampfes , da durch die Konden- sation dessen Widerstand mehr aufgehoben wird, als bei den Hochdruckmaschinen, wo die atmosphärische Luft, in die man den verbrauchten Dampf leitet, der Kolbenbewegung entgegen- wirkt. Dagegen beanspruchen letztere Maschinen weniger Raum und werden deshalb bei den Lokomotiven benutzt. § 31. Wie misst man die Spannung des Dampfes? Man misst die Dampfspannung mittelst des Manometers, welcher verschieden *) Savari baute 1688 die erste Dampfmaschine, später konstruierte Newkomen die atmosphärische Maschine, James Watt verbesserte sie 1763 zur Niederdruckmaschine und übertrug die Kolbenbewegung auf eine Kurbel. — ÖD — konstruiert sein kann. Die Metallmanometer besitzen eine ge- bogene und luftleere Röhre, welche bei stärkerem Dampfdruck sich streckt, bei geringerem Drucke sich mehr krümmt. Ein Zeiger, der mit den beiden Enden der Röhre in Kommunikation steht, zeigt den Druck an. Auch benutzt man als Metallmanometer elastische Metallplatten, die durch den Dampfdruck emporgehoben werden und durch einen Hebel mit einem Zeiger in Verbindung stehen. — Die Quecksilbermanometer sind doppelt gebogene, einerseits geschlossene und mit Quecksilber versehene Glasröhren, die mit ihrem offenen Ende mit dem Dampfkessel in Yerbindung stehen; ohne Druck steht das Quecksilber in beiden Schenkeln gleichhoch, es steigt aber in dem geschlossenen Schenkel um so höher, je stärker der Dampfdruck auf es einwirkt. Man berechnet den Dampfdruck nach dem Drucke der At- mosphäre, und redet von einem zweifachen u. s. w. Atmo- sphärendrucke. Die Leistung der Dampfmaschine drückt man gewöhnlich in Pferdekräften aus; eine Pferdekraft gilt gleich 500 Fusspfund = 75 Kilogrammmeter (kgm) d. i. der Kraft, welche 500 Pfund 1 Fuss resp. 75 kg 1 m hoch in der Sekunde zu heben vermag. Man erteilt den Bewegungen der Dampfmaschine Gleich- mässigkeit teils durch ein Schwungrad, teils durch Vereinigung zweier Cylinder an derselben Kurbel, in denen die Kolben einen verschiedenen Stand haben. Um durch eine zu schnelle Dampfen twicklung den Gang der Maschine nicht ungleichmässig zu beschleunigen, bringt man im Zuleitungsrohr eine Klappe an, durch deren teilweises Schliessen weniger Dampf in den Cylinder eintritt. Man lässt die Maschine selbst diese Klappe handhaben , indem man mit der Hauptaxe eine Centrifugalmaschine verbindet, deren Schenkel um so weiter auseinanderweichen, je schneller die Umdrehung stattfindet, und in diesem Masse die Klappe schliessen. Fragen. 1. Wonach berechnet man die Leistung einer Dampfmaschine? — Antw. Nach dem Durchmesser und der Höhe des Cylinders, wodurch die Grösse der der Dampfspannung ausgesetzten Kplbenfläche, sowie dessen Hub bedingt ist. 2. Wie gross ist der Dampfdruck auf den Kolben, wenn die Spannung 4- Atmosphären und der Durchmesser des Kolbens 1 in beträgt? — Antw. Die Kolbenfläche beträgt 314 qcm, der Druck des Dampfes auf 1 qcm = 4 kg, also der Gesamtdruck auf den Kolben = 1256 kg. — 36 — C. Erscheinungen der Wärme. 10. Von der Wärme. § 32. Wie entsteht die Wärme? Die Quellen der Wärme sind: 1. Das Sonnenlicht. Das Licht besitzt Wärmestrahlen, welche um so mehr von den Körpern verschluckt werden, je senkrechter sie auffallen, und je dunkler und unebener die Ober- fläche der Körper ist. Auf dem Neigungswinkel beruht eine der Hauptursachen der Wärmedifferenz der Jahreszeiten, nächst der Dauer der Bescheinung. Wie sehr die Farbe Einfluss auf die "Wärmeabsorption besitzt, erkennen wir bald daran, dass unter schwarzem Tuche sich im Sonnenlichte die Körper schneller und stärker erhitzen als unter weissem. 2. Mechanische Kraftäusserungen. Überall, wo eine Kraft verbraucht wird, zumal bei der Reibung, beim Zusammen- pressen, oder wenn eine Bewegung gestört wird, wie beim An- prall eines fortbewegten Körpers — entsteht ein entsprechendes Quantum Wärme. Bekanntlich erzeugen wilde Völkerschaften ihr Feuer durch Zusammenreiben von Hölzern. Wasser kann man zum Sieden erhitzen, wenn darin eine Kurbel längere Zeit rasch umgedreht wird. Auf der Erhitzung zusammengepresster Luft beruht das pneumatische Feuerzeug. Genaue Untersuchungen haben das "Verhältnis des Kräfte - Verbrauchs zur Wärmebildung — das sogenannte Wärmeäqui- valent — festgestellt. Als Wärmeäquivalent gilt 425 hgm d. h. die Kraft, welche 425 hg 1 m hoch hebt, vermag sich in die- jenige "Wärmemenge überzusetzen, welche 1 leg Wasser um 1°0 höher erhitzt. Eine solche Wärmemenge nennt man eine K al o rie. 3. Chemische Vereinigung. Verbinden sich zwei Kör- per chemisch miteinander, so tritt Erwärmung ein, deren Grad abhängig ist von der Verwandtschaft der Körper zu einander.. Wir finden diesen Vorgang bei der Verbrennung, welche in den meisten Fällen eine feurige Verbindung der Körper mit dem Sauer- stoff der Luft ist. Jedoch kann auch eine Verbrennung der anderen Medien stattfinden, z. B. feingepulvertes Antimon verbrennt im Chlorgase, Kupferblech im Schwefeldampf. Wärmeentwicklung durch chemische Vereinigung erzeugt sich auch beim Kalklöschen, wobei der Kalk sich mit Wasser zu Kalkhydrat verbindet. 4. Elektrizität. Sowohl bei der Vereinigung der beiden entgegengesetzten Elektrizitäten (beim Blitz, elektrischen Funken), als bei der Störung der elektrischen Leitung wird Wärme frei. Je schlechter ein Metall den elektrischen Strom leitet, um so stärker erhitzt es sich; die verschwundene Elektrizität geht in Wärme über. — 37 — § 33. Welches sind die Wirkungen der Wärme? Die Wärme äussert sich in zweifacher "Weise: a) durch räumliche Ausdehnung, b) durch Veränderung des Aggregatzustandes. a) Je mehr ein Körper sich erhitzt, um so mehr dehnt sich sein Volumen aus ; bei Wärmeabnahme verringert es sich wieder. Diese Ausdehnung ist nicht bei allen Körpern gleich; sie findet sich am schwächsten bei den festen, am stärksten bei den gas- förmigen. Die Yergrösserung, die ein Körper bei Zunahme seiner Temperatur um 1° erleidet, nennt man seinen Ausdehnungs- co effizient. (So ist der lineare Ausdehnungscoeffizient des Eisens = 0,0000123, d. i. eine eiserne Stange verlängert sich um V123000 beim Erwärmen um 1°. Der kubische Ausdehnungs- coeffizient des Olivenöls ist = 0,0008, der Luft = 0,0036). Die Ausdehnung des Wassers wird von der der weingeistigen und ätherischen Flüssigkeiten bedeutend übertroffen. So zeichnen sich der Äther, Schwefelkohlenstoff, namentlich aber das Petroleum, Benzin und der Petroleumäther durch grosse Volumvermehrung beim Erwärmen aus. Daraus geht die für den Apotheker sehr wichtige Kegel hervor, die Standgefässe mit solchen Flüssigkeiten nur au 4/5 anzufüllen, andernfalls bei einem Temperaturwechsel Gefahr des Zerspringens naheliegt. Mit der Zunahme der Temperatur hält die Abnahme des spezifischen Gewichtes gleichen Schritt; der Körper behält bei erhöhter Wärme sein Gewicht, nimmt aber an Volumen zu, wird also relativ leichter. Je mehr ein Körper sich erwärmt, um so spezifisch leichter ivird er. Die Abnahme des spezifischen Gewichtes beim Erwärmen sehen wir deutlich am Aufsteigen der unteren Schichten von Flüssigkeiten, welche wir über eine Flamme halten, am Empor- steigen des Bauches in den Kaminen u. s. f. Eine Kerzen- flamme, in die schwach geöffnete Thür einer geheizten Stube gehalten, neigt sich dicht über dem Fussboden nach der Stube hin, weiter oben aber nach aussen, indem die kalte Luft unten herein-, die warme oben hinausgeht. Eine Ausnahme von dieser allgemeinen Regel bildet eigen- tümlicherweise das Wasser, dessen grösste Dichte bei nahe 4° Wärme liegt. Sowohl unter, wie über dieser Temperatur nimmt das spezifische Gewicht des Wassers ab. Folge davon ist, dass es beim Gefrieren völlig damit angefüllte Gefässe sprengt; dass ferner, wenn Wasser erkaltet, der stetige Wechsel in der Lagerung der sich abkühlenden Schichten eine Grenze findet, sobald die unterste Schicht 4° Wärme erlangt hat. Wir finden daher diese Temperatur auf dem Grunde tiefer Gewässer, welcher Umstand — 38 — dieselben vor dem vollständigen Gefrieren sichert. Eis schwimmt stets auf kaltem Wasser. b) Bekanntlich werden die festen Körper bei zunehmender Wärme flüssig, d. h. sie schmelzen. Der Schmelzpunkt ist für jeden Körper ein bestimmter, sich stets gleich b. i den Einfallwinkel, den Win- \s kel r, welchen der reflektierte Strahl \ n d mit der Lotrechten bildet, den \ Au sf all winkel. Nach obigem B Gesetze müssen beide Winkel ein- 1 ander gleich sein. ~"_ ~- -.— - — ::-=^=^zz°=zZ^g=S; Aus diesem Reflexionsgesetz geht hervor, dass ein senkrecht auffallen- Fig. 20. der Lichtstrahl in sich selbst zurückgeworfen wird; schräg auf- fallende Strahlen reflektieren sich unter gleicher Neigung nach der anderen Seite der Lotrechten. Auf die Spiegelung eines leuchtenden Gegenstandes übt die Form der Spiegelfläche den grössten Einfluss aus. Ebene Spie- gelflächen geben ein Bild des Gegenstandes, welches denselben höchst übereinstimmend kopiert. Der leuchtende Körper erscheint in getreuer Form und scheinbar ebensoweit hinter dem Spiegel, - 54 wie er sich in der Wirklich- keit vor demselben befindet. Anders reflektieren kon- kave und konvexe Spiegel- flächen. Konkave oder Hohlspiegel brechen die parallel mit der Krümmungs- axe einfallenden Strahlen in Fig. 21. einen einzigen Punkt, in den sog. Brennpunkt (Focus, F in Fig. 21) zusammen, welcher Punkt in der Axe selbst und zwar in der Mitte zwischen dem Krümmungsmittelpunkt (C) und der Spiegelfläche liegt. Hält man einen Hohlspiegel gegen die Sonnenstrahlen, so lässt sich in seinem Brennpunkte Zunder entzünden. Konvexe Spiegel lassen alle Gegenstände verkleinert er- scheinen, wie man dies an hohlen, innen schwarz lackierten Glas- kugeln sehr gut sehen kann. § 49. Was nennt man die Brechung des Lichtes? Beim Ein- tritt des Lichtes in einen durchsichtigen Körper erleidet es eine Ablenkung von seiner Richtung, die man Brechung nennt; nur senkrecht auffallende Strahlen gehen ungebrochen durch. Bezeichnet in Fig. 22 pP die Lot- rechte, das sog. Einfallslot, In den ,! auffallenden, n s den durchgehenden Licht- strahl, so wird der Winkel i der Ein- fallswinkel, r der Brechungswinkel genannt. Im Falle der Lichtstrahl In aus der Luft in Wasser oder Glas übergeht, ist der Brechungswinkel (r) kleiner als der Einfallswinkel (i) ; geht aber der Strahl umgekehrt aus dem Wasser oder Glas in die Luft, s n in n 1 über, dann ist r der Einfallwinkel und grösser als der Brech- ungswinkel i. Allgemein ausgedrückt: 1. Geht der Lichtstrahl aus einem dünneren in ein dichteres Medium über, so wird er nach dem Einfallslote hin gebrochen. 2. Geht der Lichtstrahl aus einem dichteren in ein dünneres Medium über, so ivird er vom Einfallslote ab gebrochen. Ein durch ein offenes Fenster ins Zimmer dringender Licht- strahl erlangt sofort eine etwas veränderte Richtung, wenn das Fenster geschlossen wird. Ein halb unter Wasser getauchter Stab erscheint wie gebrochen, und zwar unter der Wasserfläche Fig. 22. 00 emporgebogen, weil das von diesem Teile kommende Licht beim Austritt aus dem Wasser in die Luft von der Lotrechten ab, nach der Horizontallinie hin gebrochen wird, wir aber den unterge- tauchten Teil des Stabes in der Richtung des gebrochenen Strahles, also in mehr wagerechter Linie erblicken. Das Licht wird von den verschiedenen Medien nicht in glei- cher Stärke gebrochen. Das Yerhältnis vom Einfall- zum Brech- ungswinkel nennt man den Brechungsexponenten. Er ist für Luft und Wasser 4/3, für Luft und Glas 3/2. Der Brechungsexponent ist gleich dem Quotient aus dem Sinus des Einfallswinkels durch den Sinus des Brechungswinkels. Ist der Winkel, den ein Lichtstrahl beim Austritt aus einem dichteren Medium, z. B. aus Glas oder Wasser in Luft, bildet, so gross, dass der aus- tretende Strahl in der Richtung der Horizon- talebene verläuft, also der Ausfallwinkel = 90° ist, so nennt man ihnden„Grenzwinkelu, weil bei einem noch grösseren Einfalls- auszutreten vermögen, wie Fig. 23 zeigt, son- |[ dern nach innen reflek- tiert werden: totale Reflexion, eine Re- „. 2o flexion , welche an lg' Vollständigkeit jede Reflexion auf Spiegelflächen übertrifft. § 50. Was ist polarisiertes Licht? Während ein gewöhnlicher Lichtstrahl seine Schwingungen in den verschiedensten Ebenen, die sich durch seine Richtung legen lassen, vollzieht, schwingt das polarisierte Licht nur in einer einzigen Ebene. Das Licht von glühenden festen Körpern (nicht von flammenden Gasen) ist polarisiert. Gewöhnliches Licht kann auf zweierlei Weise in polarisiertes verwandelt werden: a) durch Brechung, b) durch Reflexion. a) Alle Krystalle, welche nicht zum regelmässigen System gehören, brechen das Licht doppelt. Wenn man einen Punkt, eine Linie u. dgl. durch einen Kalkspatkrystall (isländischen Doppelspat) betrachtet, so erblickt man sie doppelt. Trifft ein Lichtstrahl einen solchen Krystall, so spaltet er sich in zwei — 56 — Strahlen , von denen einer der gewöhnlichen Brechung folgt (ordinärer Strahl), während der andere (der extraordinäre Strahl) abweicht. Beide Strahlen sind polarisiert. Gewöhnlich benutzt man zur Polarisation die Turrnalin- zange, welche aus zwei parallel mit der Hauptaxe geschnittenen Turmalm-Plättchen besteht. Das durch eines der Plättchen ge- gegangene Licht ist polarisiert und vermag nur dann das zweite Plättchen zu durchdringen, wenn ihre Axen parallel verlaufen; dreht man letzteres aber derartig, dass sich ihre Axen kreuzen, so lässt es das polarisierte Licht nicht durch. — Man bedient sich zu grösseren Polarisationsap paraten zweier eigentümlich geschliffenen Kalkspatprismen (Nicoischer Prismen), welche nur den extraordinären Strahl durchlassen. Das erstere Prisma (Fig. 24 bei p), welches den Lichtstrahl polarisiert, heisst Polari- sator, das zweite (bei a) Analysator. Fig. 24. Viele Substanzen besitzen die Eigenschaft, das polarisierte Licht in farbige Strahlen aufzulösen und zugleich zu drehen d. i. seine Richtung zu verändern. Man unterscheidet rechts- und linksdrehende Stoffe; zu ersteren gehört z. B. der Rohrzucker, zu letzteren der Traubenzucker. Schaltet man ihre Lösungen in das Rohr (r) zwischen die beiden Nicoischen Prismen des Polarisationsapparates ein, so muss man, um die volle Stärke des polarisierten Lichtes zu erlangen , das analysierende Prisma (a) drehen, welches mit einem Zeiger (z) verbunden ist, der den — 57 - Grad der Drehung an einer Scheibe mit Kreiseinteilung' anzeigt. Die Grösse dieser Drehung zeigt dann die Stärke der Lösung an. Da zugleich mit der Drehung das polarisierte Licht in farbige Strahlen aufgelöst wird , nimmt mau das blaue Licht als massgebend an. b) Lässt man einen Lichtstrahl unter einem gewissen Winkel*) auf eine spiegelnde Fläche auffallen, so wird er als polarisiertes Licht zurück- geworfen und, auf einem zweiten Spiegel auffallend, je nach dessen Stel- lung, von demselben bald reflektiert, bald verschluckt (daher der Name: polarisiert). Hält man nämlich den zweiten Spiegel (Analysator) dem ersten (Polarisator) parallel, so reflektiert er den polarisierten Strahl und erscheint daher bell; dreht man ihn um 90°, so verschluckt er das pola- risierte Licht und wird dunkel; bei der Drehung auf 180° erleuchtet er sich wieder, um bei weiterer Umdrehung auf 270° abermals dunkel, bei Rückkehr zur ersten Stellung wieder hell zu werden. Alles von festen Körpern reflektierte Licht ist unvollkommen pola- risiert, d. i. es enthält mehr oder weniger viel polarisierte Strahlen. Versuche. 1. Photometer. Ein mit einem Fettfleck versehenes Blatt Papier halte man in einem dunklen Zimmer zwischen zwei verschieden starke Flammen, und suche die Stellung, worin der Fettfleck nicht mehr gesehen wird. Dann verhalten sich die Flammen in ihrer Lichtstärke wie die Quadrate ihrer Entfernungen vom Papier. Stellt man einerseits eine, andrerseits vier brennende Kerzen, so verschwindet der Fettfleck dann, wenn die vier Kerzen in doppelter Entfernung vom Papier stehen wie die andere Kerze. — Der Fettfleck wird dann unsichtbar, wenn er genau soviel Licht durchlässt, als seine Umgebung zurückstrahlt.) 2. Doppelte Spiegelung einer Glastafel. Hält man zur Seite einer Kerzenflamme eine blanke Glastafel in der Richtung eines halben rechten Winkels, so erblickt man deutlich zwei Flammen scheinbar hinter der Tafel. Das eine Bild rührt von der Spiegelung der vorderen, das andere von derjenigen der hinteren Fläche der Glastafel her. Da man durch dieselbe zugleich hindurchsehen kann, so erblickt man das Flammen- bild in einem dahintergestellten Gegenstande , beispielsweise in einer mit Wasser gefüllten Flasche, an der Spitze einer nicht angezündeten Kerze u. dgl. 3. Brechung des Lichtes. Auf den Boden einer Schüssel lege man ein Geldstück und halte das Auge so, dass die Gefässwand es gerade verdeckt; wird dann Wasser in die Schüssel gefüllt, so tritt das Geldstück wieder sichtbar hervor, scheint aber höher zu liegen. (Der beim Austritt aus dem Wasser mehr horizontal gerichtete , vom Geldstück kommende Lichtstrahl trifft alsdann das Auge, verlegt den Gegenstand aber scheinbar in seine Verlängerung nach rückwärts.) 4. Totale Reflexion. Taucht man einen leeren Reagiercy linder *) Dieser Winkel (Polarisationswinke]) ist für jeden Körper verschieden, für Glas muss der Einfallwinkel 56" betragen. Bei der Polarisation durch Reflexion wird das in allen Ebenen schwingende gewöhnliche Licht beim Auffallen auf die Spiegelfläche in zwei Strahlen zerlegt, welche beide po- larisiert d. i. in einer einzigen Ebene schwingend sind; der eine dieser Strahlen wird reflektiert; der andere geht gebrochen durch die Spiegel- fläche hindurch. Diese Polarisation tritt dann ein, wenn der re- flektierte Strahl auf dem gebrochenen senkrecht steht. - 58 — in "Wasser und blickt von oben herab, so erscheint der untergetauchte Teil glänzend, wie mit Quecksilber gefüllt. Bringt man etwas Wasser in den Cylinder, so erstreckt sich diese Erscheinung nicht mehr auf den untersten, das Wasser enthaltenden Teil, welcher durchsichtig geworden ist. (Das vom äusseren Wasser in den Cylinder eintretende Licht erleidet zum Teil totale Reflexion, wird in aufwärtsgehender Richtung wieder re- flektiert und gelangt in unser Auge.) Fragen und Aufgaben. 1. In wie viel Zeit gelangt das Sonnenlicht zu der 20 Millionen Meilen entfernten Erde? — Antw. In nahezu 8 Minuten. 2. Wie lang ist der Kernschatten der Erde, wenn der Sonnenhalb- messer 112 mal grösser als der Erdhalbmesser ist? — Antw. 180180 Meilen. 3. Weshalb erscheint ein Fettfleck auf Papier beim Daraufblicken dunkel, gegen ein Licht gehalten aber hell? — Antw. Weil er weniger Licht reflektiert als er durchlässt, das nichtgeölte Papier aber das Licht zumeist reflektiert und kaum durchlässt. 4. Wenn man zwei Spiegel unter einem Winkel zusammenstellt, wie oft sieht man dann einen zwischen ihnen befindlichen Gegenstand? — Antw. So oft, als der Neigungswinkel der beiden Spiegel in 360° ent- halten ist. Beträgt dieser Winkel l/.2 R, so sieht man den Gegenstand 8 mal, d. i. ausser ihm selbst noch 7 Bilder; dieselben bilden ein regel- mässiges Achteck. 5. a. Woher rührt es, dass wir den Boden eines Wasserbehälters weniger tief erblicken, als er wirklich liegt? — Antw. Wir erblicken die Bodenfläche in der Richtung des beim Austritt in die Luft mehr horizontal gebrochenen Lichtstrahles. b. Wie verhält sich die scheinbare Tiefe zur wirklichen? — Antw. Umgekehrt wie der Brechungsexponent, also beim Wasser wie 3 : 4. 15. Die Farben. Aus welchen Farben besteht das Sonnenlicht? Das weisse Licht der Sonne ist aus sieben far- bigen Strahlen zu- sammengesetzt, was man erkennt, wenn man es durch ein dreiseitiges Glasprisma gehen lässt. Tritt durch eine runde Öffnung b (Fig. 25), die im Fensterladen einer dunklen Stube an- gebracht ist, ein Fig. 25. Sonnenstrahl in - 59 — dieselbe, so kann man ihn auf der entgegenstehenden Wand als weisses, rundes Sonnen bild d (Spektrum) auffangen. Sowie man aber hinter die Öffnung ein dreiseitiges Glasprisma anbringt, dann verlängert sich das Spektrum (rv) und erscheint nicht mehr weiss, sondern in sieben Farben, von oben nach unten in folgen- der Eeihenfolge: rot, orange, gelb, grün, blau, indigo, violett. Da diese Farben auch den Regenbogen zusammensetzen, so nennt man sie die sieben Regen bogenfarben. Lässt man ein solches Spektrum abermals durch ein Prisma treten, welches um- gekehrt wie das erste gerichtet ist, so vereinigen sich die Regen- bogenfarben wieder zu weissem Lichte und bilden ein rundes Spektrum. Man nennt diese Farbenzerstreuung die Dispersion des Lichtes. Sie beruht darauf, dass das Sonnenlicht aus Strahlen von verschiedener Brechbarkeit zusammengesetzt ist. Das rote Licht ist das wenigst-brechbare, das violette das brechbarste. Je brechbarer ein Lichtstrahl , um so geringer seine Schwingungs- dauer. Wir erkennen hieraus, dass je nach der Schwingungs- geschwindigkeit und dadurch bedingten Brechbarkeit die Licht- strahlen in unserm Auge den Farbeneindruck hervorrufen. Die am schnellsten schwingenden und brechbarsten Strahlen erscheinen uns violett, die am wenigsten brechbaren und weniger schnell schwingenden rot; zwischen beiden liegen die übrigen Farben. Nicht allein ein Glasprisma zerstreut das Sonnenlicht; wir vermögen die Dispersion durch viele andere Medien hervorzu- rufen. Wasser bewirkt nur eine schwache, Benzin, Anisöl Schwefelkohlenstoff dagegen eine kräftige Farbenzerstreuung. Füllt man ein Glaskästchen in Gestalt eines dreiseitigen Prismas mit Schwefelkohlenstoff, so kann man sehr schöne Spektra herstellen. Auch an vierseitigen Glasflaschen , die Benzin oder Schwefel- kohlenstoff enthalten, bemerkt man eine starke Farbenzerstreuung; ebenso am Diamant. Die Entstehung des Regenbogens erklärt sich durch die Dispersion der Sonnenstrahlen beim Durchgange durch die in der Luft schwebenden Dunstbläschen, deren hintere Wand sie reflektiert. Die Sonne befindet sich dabei stets hinter dem Be- obachter. § 52. Woher rührt die Färbung der Körper? Wenn ein Körper das auf ihn fallende Sonnenlicht gleichmässig reflektiert, so er- scheint er weiss; reflektiert er wenig Licht, sondern verschluckt es, so ist er schwarz. Daher sind Weiss und Schwarz keine eigentlichen Farben. Farbig erscheint der Körper, welcher nur gewisse Licht- strahlen reflektiert, die übrigen verschluckt. Ein roter Körper strahlt nur die roten Strahlen, ein blauer nur die blauen zu- — 60 — rück. Wir sehen einen Körper in der Farbe des von ihm reflektierten Lichtes. Das Wasser ist zwar in kleineren Quantitäten farblos, in grossen Massen aber wirft es das blaue Licht etwas mehr zurück wie die übrigen Strahlen; daher erscheint das Meer blau. Die Bläue des Himmels kommt nicht etwa von einer Färbung der Luft, sondern ist Folge der Reflexion der blauen Lichtstrahlen an dem Wasserdunst der Atmosphäre. In hohen Luftregionen, welche wenig Dünste enthalten, sieht man daher den Himmel nicht blau, sondern fast schwarz. § 53. Was ist Fluorescenz? Es giebt gewisse Flüssigkeiten, welche bei auffallendem Lichte eine andere Färbung zeigen wie bei durchgehendem. Man nennt sie schillernd, fluores- cierend. Eine farblose, wässerige Lösung des schwefelsauren Chinins erscheint beim Daraufblicken bläulich, ebenso das Petro- leum. Stark schillernd ist Wasser, worin frischgeschälte Ross- kastanienrinde wenige Minuten gelegen hat. Da im allgemeinen alle gefärbten durchsichtigen Körper das- selbe Licht reflektieren, wie durchlassen, daher die nämliche Fär- bung beim Daraufsehen wie beim Hin durchsehen zeigen, so leitet man die Fluorescenz von der Eigenschaft der schillernden Körper her, das reflektierte Licht in seiner Schwingungsdauer zu ver- ändern und dadurch dessen Farbe zu wechseln. § 54. Spektralanalyse. Untersuchen wir die Spektra verschie- dener Flammen, so nehmen wir drei Arten von Spektra wahr: 1. Feste und flüssige Körper geben ein zusammenhängendes Spektrum, ohne Unterbrechung durch dunkle Linien. 2. Glühende Gase liefern nur verschieden gefärbte helle Partien, welche durch dunkle Zwischenräume getrennt sind. 3. Das Sonnenspektrum ist ein kontinuierliches, aber mit feinen dunklen Linien quer durchsetztes Bild. Man nennt diese dunklen Linien nach dem Entdecker Frauenhofersche Linien. Sie sind konstant und werden mit den Buchstaben des Alphabets bezeichnet*). An den Stellen ihres Yerlaufs fehlen also dem Spektrum die betreffende Strahlen. Wir vermögen ein dem Sonnenspektrum ähnliches, mit dunklen Linien durchsetztes Spektrum hervorzurufen, wenn wir vor einen glühenden festen Körper die Flamme eines Gases oder Dampfes einschieben; das vorher kontinuirliche Spektrum des festen Körpers erhält alsdann an der Stelle, wo das Spektrum des Dampfes hinfällt, eine dunkle Linie. Die Flamme des letzteren absorbiert daher die Lichtstrahlen, die er selber aus- sendet, die eigenen zugleich vernichtend, bleibt aber für die übrigen *) A, B, C liegen im Rot, D im Orange, E im Grün, F im Blau, G im Indigo, H im Violett. — 61 — Strahlen des glühenden festen Körpers durchsichtig. Schiebt man zwischen das Drummondsche Kalklicht oder elektrische Licht und das Glasprisma eine Kochsalzflamme ein, so tritt eine dunkle Linie (D) dort auf, wo die Kochsalzflamme für sich allein einen gelben (Natrium-) Streifen hinwirft. Daraus schliesst man, dass die Frauenhof er sehen Linien im Sonnen- spektrum daher rühren, dass der feste oder flüssige, leuchtende Sonnen- kern von einer Dampfatmosphäre umgeben sei, welcher solche Stoffe ange- hören, die an den Stellen jener Linien eigene helle, farbige Streifen liefern. D in Orange gehört beispielsweise dem Natrium an; mithin ist dieses Metall in der Sonnen- Atmosphäre vorhanden. Fig. 26. Die irdischen Körper besitzen im glühenden Zustande sämt- lich ihr bestimmtes Spektrum. So zeigt die durch Kochsalz gelb gefärbte Gasflamme an Stelle der Frauenhof er sehen Linie D zwei gelbe Linien; die durch Kalisalze violett gefärbte Gasflamme zeigt eine rote (in der Nähe der Linie A) und eine blaue Linie. Höchst geringe Mengen dieser Elemente und ihrer Yerbindungen genügen, um die betreffenden Spektra hervortreten zu lassen, und verraten dadurch ihre Gegenwart. Den gewöhnlich gebrauchten Spektralapparat zeigt Fig. 26. Die von den Flammen F, f durch einen feinen Spalt in die Röhre A gelangenden Lichtstrahlen erleiden durch das Glasprisma P eine Farbenzerstreuung und werden durch das Fernrohr B wahrge- nommen. Die Rühre C führt eine Skala, das Sonnenspektrum vorstellend, zur Yergleichung und Bestimmung der Lage der be- obachteten Spektrallinien. § 55. Was nennt man komplementäre Farben? Da die Mischung — 62 — der sieben Regenbogenfarben weisses Licht giebt, dem eine mittlere Schwingungsgeschwindigkeit zukommt, so müssen auch je zwei Farben, deren mittlere Schwingungsdauer die nämliche ist, weisses Licht geben. Solche Farben nennt man komplementäre (d. i. sich ergänzende); z. B. Rot und Grün, Orange und Blau, Gelb und Indigo. Yon der komplementären Farbe überzeugt man sich , wenn man einige Zeit anhaltend auf einen Gegenstand von intensiver Färbung geblickt hat und darauf das Auge auf eine weisse Fläche wendet ; der im Gedächtnis haftende Eindruck lässt uns denselben Gegenstand auf dieser Fläche wieder erscheinen, aber in seiner komplementären Farbe. Einen blauen Gegenstand sieht man alsdann orangegelb, einen grünen rot u. s. f., weil das Auge für einige Zeit unempfindlich geworden ist für die zuerst ange- schaute Farbe. Betrachtet man einen farbigen Körper durch ein anders ge- färbtes Glas, so erblickt man ihn nicht in seiner wirklichen, sondern in der Mischfarbe; besitzt jener die Komplementärfarbe des Glases, so erscheint er weiss. Gold sieht, durch ein blaues Glas gesehen, weiss aus, eine Silbermünze aber blau. Versuche. Flamme nfärbun gen. In eine Weingeistflamme halte man das zu einer Öse umgebogene Ende eines Platindrahtes, das man vorher befeuchtet in gepulverten Kalisalpeter eingetaucht hatte. Die Flamme nimmt als- dann eine violette Färbung an. In gleicher "Weise verfahre man mit Koch- salz, welches die Flamme hochgelb färbt, mit Chlorbaryum oder Borsäure, welche sie grün färben, endlich mit salpetersaurem Strontian, welches sie schön karminrot macht. Fragen. 1. Warum können wir beim Kerzenlicht Grün von Blau nur sehr schwierig unterscheiden? — Antw. Da das Kerzenlicht nicht weiss, sondern gelblich ist, mischt sich dem Blau das Gelbe des Lichtes bei und nähert es dem Grün. 2. Warum werden farbige Körper in pulverisierter Gestalt heller? — Antw. Die vom Pulver eingeschlossene Luft absorbiert das Licht und macht den Körper undurchsichtig- weisslich. 16. Das Mikroskop. § 56. Wie wird das Licht durch Glaslinsen gebrochen? Die Linsen sind geschliffene Gläser mit ein oder zwei gekrümmten Flächen; ist die Krümmung konkav, so nennt man sie Zerstreuungs- linsen, ist sie konvex, so heissen sie Sammellinsen. "Wir unterscheiden, je nachdem beide Flächen gekrümmt oder die eine von ihnen eben ist, bikonkave, bikonvexe, plankonkave und plan- 63 konvexe Linsen. Die Sammellinsen sind stets in der Mitte am dicksten, die Zerstreuungslinsen daselbst am dünnsten. Das Licht wird beim Durchgang durch eine Linse gebrochen, nur der Axenstrahl d. h. der in der Krümmungsaxe auffallende Lichtstrahl geht ungebrochen durch. Die Brechung durch Sammel- linsen ist eine durchaus verschiedene von der durch Zerstreu- ungslinsen , jene machen die Lichtstrahlen konvergierend, letztere divergierend. 1. Sammellinsen brechen die Lichtstrahlen nach der Axe zu. 2. Zerstreuungslinsen brechen das Licht von der Axe ab. Betrachten wir zuerst die Lichtbrechung durch die Sammel- linsen , so sehen wir die Strahlen hinter der Linse sich nach der Axe zu vereinigen — die Linse sammelt die Strahlen. Strahlen, welche parallel mit der Axe einfallen, vereinigen sich hinter der Linse in einem Punkte, dem Brennpunkte (Foeus, Fin Fig. 27). Der- selbe befindet sich in der Axe selbst u. fällt bei bikonve- xen Linsen beiderseits m dem Krüm- mungscentrum zusammen. Die Entfernung des Brennpunktes hinter der Linse wird die Brennweite genannt und beträgt bei bikonvexen Linsen nahezu den einfachen, bei plankonvexen Linsen den doppelten Krümmungshalbmesser. Beim Durchgang der Strahlen durch Zerstreuungslinsen (Fig 28) werden sie hinter den Linsen auseinanderweichen. Parallel mit der Axe einfallendes Licht wird derartig divergent, dass seine Verlängerung nach rückwärts einen Punkt (F) ergiebt, von welchem es auszugehen scheint, den sog. uegativenBrennpunkt. Fig. 28. § 57. Wie erblickt man einen Gegenstand durch eine Sammellinse? Das Bild eines durch eine Sammellinse gesehenen Gegenstandes hängt ganz von seiner Entfernung von der Linse ab. Es lassen sich hier drei Fälle unterscheiden: 1. Der Gegenstand befindet sich zwischen Brenn- punkt und Linse, in der Brennweite (Fig. 29 AB); seine 64 sehr divergie- rend auf die Linse fallen- den Strahlen werden weni- ger divergent; ihre Verlänge- rungen nach rückwärts Fig. 29. konstruieren ein weiter entferntes Bild (ab), welches den Gegenstand ver- grössert, im übrigen aber in seiner natürlichen Stellung er- scheinen lässt. 2. Der Gegenstand liegt im Brennpunkt der Linse; alsdann werden seine Strahlen durch die Linse parallel (Fig. 27} und vereinigen sich gar nicht; es entsteht kein Bild. Fig. 30. 3. Der Gegenstand befindet sich vor dem Brenn- punkte (Fig. 30 AB); die Strahlen vereinigen sich hinter der Linse zu einem Bilde (ab), welches umgekehrt erscheint und auf einer Wand , Glastafel u. dgl. aufgefangen werden kann. Liegt ein Gegenstand nicht weit vom Brennpunkt entfernt, so ist das Bild vergrössert, wie Fig. 30 zeigt; bei doppelter Brenn- weite ist das Bild mit dem Gegenstande gleichgross, bei weiterer Entfernung verkleinert. §58. Was ist ein Mikroskop*)? Wir unterscheiden ein ein- faches und ein zusammengesetztes Mikroskop. Das erstere,. auch Lupe genannt, ist eine Sammellinse, die einen Gegen- stand zwei- bis dreimal vergrössert, wenn er sich in ihrer Brenn- weite befindet. Das zusammengesetzte Mikroskop erlaubt eine bedeutend stärkere, oft vielhundertfache Vergrösserung. Es besteht aus *) Von fjuxpo? (klein) und axo^e'to (sehen). — Das erste Mikroskop wurde 1646 von Galilei konstruiert. 65 — zwei Teilen, der Objektivlinse und der Okularlinse. Beide sind bikonvexe Sammellinsen, von denen die erstere (Fig 31 ab) das Objekt in ihr Gesichtsfeld fasst, während die Okularlinse (c d) dazu dient, das von jener entworfene Bild für das Auge des Beschauers nochmals zu vergrössern. Man stellt die Objektiv- linse so ein, dass der Gegenstand (rs) etwas über den Brenn- punkt hinaus zu liegen kommt; dann entwirft jene ein um- gekehrtes, vergrössertes Bild (SR), welches in die Brennweite der Okularlinse (cd) fällt und durch diese (als Lupe) vergrössert (S'R') geschaut wird. Wir erblicken daher den Gegenstand ver- grössert, aber umgekehrt. Ob- j ektivund Okular sind durch Röhren fest mit einander verbunden. Bei vollständigeren Instrumenten ist zwischen beiden eine dritte Sam- mellinse, die Kollektivlinse, eingeschaltet, welche die im Ob- jektiv gebrochenen Strahlen kon- vergenter macht, das Bild näher bringt und dadurch die Entfernung des Okulars verringert. Unter der Platte, auf welcher der Gegenstand liegt, befindet sich ein Spiegel, um das Objekt von unten zu beleuchten. Man bringt s'*-- den zu vergrössernden Gegenstand mit etwas Wasser auf ein Glas- plättchen , deckt ein zweites da- rauf und betrachtet ihn bei durch- gehendem Lichte, wenn er durch- sichtig ist, andernfalls bei auf- fallendem Lichte. FlS- 3L § 59. Das Fernrohr. Um weit entfernte Gegenstände deutlich sichtbar zu machen , hat man Fernrohre, Teleskope, aus optischen Linsen konstruiert, welche in ähnlicher Weise wie beim Mikroskop wirken, nur mit dem Unterschiede, dass in den Fällen, wofür man das Fernrohr gebraucht, das Objekt weit hinter dem Brennpunkt der Objektivlinse sich befindet, daher ein verklei- nertes, umgekehrtes Bild des Gegenstandes durch die bikonvexe Objektivlinse entworfen wird , welches nun durch die Okularlinse zur Vergrösserung und näheren Betrachtung gelangt. Wir finden also beim Fernrohr die nämlichen Teile wie beim Mikroskop, Sohlickum, Apothekerlehrling- 5 — m — jedoch mit verstellbarem Okular, dessen Entfernung von der Ob- jektivlinse sich nach der Entfernung des gesehenen Gegenstandes richten muss. Ein aus zwei bikonvexen Linsen bestehendes Fernrohr lässt, wie das Mikroskop , die Gegenstände verkehrt erscheinen und eignet sich daher nur als astronomisches Fernrohr. Für die irdischen Gegenstände ist eine Umkehr ung des Bildes nötig und wird bald durch Einschaltung einer dritten bikonvexen Linse zwischen Objektiv- und Okularlinse, bald durch Anwendung einer konkaven Okularlinse bewirkt. Das älteste Fernrohr ist das holländische oder Galileische Fernrohr, fast gleichzeitig von holländischen Physikern und Galilei (1609) konstruiert. Es besteht aus einer bikonvexen Ob- jektivlinse und einer bikonkaven Okularlinse; letztere befindet sich in der Brennweite der Objektivlinse und fängt die Strahlen, welche sich zu einem umgekehrten verkleinerten Bilde vereinigen würden, zuvor auf, sie zur Divergenz bringend, so dass das Bild aufrecht und vergrössert gesehen wird. Dieses Instrument eignet sich für Taschenteleskope und Operngucker. Das Erdfernrohr ist aus drei bikonvexen Linsen zusammen- gesetzt; das von der Objektivlinse entworfene umgekehrte, verklei- nerte Bild wird von einer Mittellinse, ähnlich wie vom Objektiv eines Mikroskops, aufgefasst, dadurch wieder umgewendet und nun vom Okular in der natürlichen Lage erblickt. Zu den Mikroskopen und Teleskopen benutzt man zur Yermeidung der Farbenzerstreung sog. achromatische Linsen. Bei gewöhnlichen Linsen erscheinen die gesehenen Gegenstände mit farbigen Bändern umgeben. Die achromatischen Linsen werden aus zwei verschiedenen Glassorten, aus Flintglas und Crownglas zusammengesetzt; das erstere Glas zerstreut nämlich das Licht doppelt so stark als das Crownglas. Man kombiniert also zwei entgegengesetzte Linsen, diejenige aus Crownglas aber in doppelter Dicke. Dann wird die Farbenzerstreuung der Crown- glaslinse durch die dünne Flintglaslinse gänzlich ausgeglichen, ihre Strahlenbrechung zwar geschwächt, aber nicht aufgehoben. Vom Sehen. § 60. Das Auge. Das Auge ist eine aus mehreren Häuten gebildete, mit einer gallertigen Flüssigkeit gefüllte Kapsel. Die äusserste Haut (Hornhaut) ist am vorderen Teile durchsichtig und lässt daselbst die farbige, sehr reizbare Begenbogenhaut (Iris) durchblicken, welche in der Mitte ein rundes Loch, die Pupille, hat. Durch Zusammenziehen der Regenbogenhaut er- — 67 - weitert sich die Pupille, mehr Licht ins Auge einlassend ; bei zu starker Beleuchtung verengt sich die Pupille, indem die Regen- bogenhaut etwas erschlafft. Dicht hinter der Pupille liegt ein kleiner , ünsenförmiger, durchsichtiger Körper, die Krystalllinse, welche das ein- dringende Licht ganz analog einer Glaslinse bricht. Im Innern des Auges ruht auf der Hornhaut zunächst eine mit schwarzem Pigment versehene Schicht (Aderhaut), welche jede Lichtreflexion verhindert und das Auge zu einer dunklen Kammer macht; auf ihr breitet sich der von hinten eintretende Sehnerv als Netzhaut aus und empfängt das Bild der äusseren Gegenstände. Die Augen- höhlung ist erfüllt mit einer durchsichtigen Gallerte (Glaskörper), welche sich ebenfalls an der Brechung des Lichtes beteiligt. Die Hornhaut sowohl wie die Krystalllinse wirken als Sammel- linsen und werfen ein verkleinertes , umgekehrtes Bild der ge- sehenen Gegenstände auf die Netzhaut, welche den Eindruck des- selben dem Gehirn übermittelt. § 61. Wann findet deutliches Sehen statt? Will man einen Ge- genstand deutlich sehen, so muss er sich in einer gewissen Ent- fernung befinden , sodass sein Bild genau auf die Netzhaut fällt. Diese Entfernung wird die Sehweite genannt und beträgt für ein gesundes Auge 30 — 40 com. Ist sie kürzer, so leidet der der Mensch an Kurzsichtigkeit, da das Auge eine zu starke Brechung verursacht und das Bild nicht auf, sondern vor die Netzhaut wirft. Solche Leute bedienen sich konkaver Linsen als Brillen, um die Konvergenz der Lichtstrahlen zu mindern. — Bei zu grosser Sehweite leidet man an Weitsichtigkeit, da die Augenhaut durch eine zu schwache Wölbung das Licht nicht stark genug bricht, sodass das Bild hinter die Netzhaut fällt. Solche Leute bedienen sich konvexer Linsen als Brillen, um die Konvergez der Strahlen zu vermehren. Die scheinbare Grösse eines Gegenstandes hängt von der Sehweite ab. Man nennt den Winkel, welchen die vom Auge nach den Endpunkten des Gegenstandes gezogenen Linien bilden, den Sehwinkel. Je weiter der Gegenstand entfernt ist, um so kleiner wird1 offenbar dieser Winkel; er giebt das Mass der schein- baren Grösse an. Versuche. Brechung durch eine Lupe. 1. Man lege eine Lupe auf ein be- schriebenes Blatt Papier und hebe sie langsam senkrecht in die Höhe; an- fänglich sieht man die Schrift in natürlicher Lage, aber vergrössert (so- lange sie sich noch in der Brennweite befindet); in einer gewissen Ent- fernung verschwindet sie aber vollständig (wenn sie gerade im Brenn- punkte liegt), kehrt dann bei zunehmender Entfernung der Lupe ver- grössert, aber in umgekehrter Lage, wieder, bis sie endlich immer kleiner 5* — 68 — wird, in der umgekehrten Lage verharrend. Dabei hat man aber stetig das Auge zugleich mit der Lupe zu erheben. 2. In einem verfinsterten Zimmer halte man eine Lupe seitlich neben eine Kerzenflamme und bewege sie langsam von ihr fort, mit einem Blatt dunkelfarbigem Papier das Flammenbild auffangend. Anfangs entsteht kein Bild, sondern nur ein erleuchteter Kreis, bis endlich die umgekehrte Flamme auf dem Papier sichtbar wird, zuerst vergrössert, bei zunehmender Entfernung sich verkleinernd. Auch hier hat man das Papier beim Fort- rücken der Lupe in grössere Entfernung zu bringen. 3. Man halte eine Lupe in direktes Sonnenlicht und hinter ihr einen dunklen Hintergrund; , man findet ihren Brennpunkt, wenn ein kleines, kräftiges Sonnenbild auf dem Hintergrunde erscheint. Fragen. 1. Um wieviel vergrössert eine Lupe, wenn man sie dicht an das Auge hält und den Gegenstand in die Nähe des Brennpunktes bringt (wo die Vergrösserung am stärksten ist?) — Antw. Da das Auge das Bild in seiner Sehweite erblickt, so verhält sich der Gegenstand zu seinem Bilde, wie die Brennweite der Lupe zur Sehweite des Auges. Die Vergrösserung ist gleich dem Quotient aus der Brennweite in die Sehweite. 2. In welchem Verhältnisse steht die Vergrösserung zweier Lupen von verschiedener Krümmung? — Antw. Im umgekehrten Verhältnisse ihrer Brennweiten, resp. ihrer Krümmungshalbmesser. Eine Linse von halb so grossem Krümmungshalbmesser vergrössert um das Doppelte. E. Elektrische Erscheinungen. 17. Die Eeibungs-Elektrizität. § 62. Was ist die Elektrizität? Die Elektrizität ist eine an der Oberfläche der Körper haftende Kraft, welche durch gewisse Ursachen erregt wird und sich in Erscheinungen der Anziehung und Abstossung äussert. Franklin erklärte diese Erscheinungen aus dem örtlichen Mangel resp. Überschuss einer einzigen, un- wägbaren elektrischen Materie (unitäre Theorie). Jetzt nimmt man aber zwei entgegengesetzte Elektrizitäten an, eine po- sitive (4- E) und eine negative ( — E).*) Nach dieser dua- listischen Theorie (von Symmer) sind beide Elektrizitäten im gewöhnlichen Zustande der Körper gegenseitig gebunden (o E=±E), in erregtem, elektrischem Zustande aber frei. Im letzteren Falle nennt man die Körper elektrisch geladen. 1. Gleichnamige Elektrizitäten stossen sich ab, ungleichnamige ziehen sich an. *) Die beiden Elektrizitäten lassen sich unterscheiden durch die sog. Lichtenberg sehen Figuren, welche entstehen, wenn man eine elektrisch geladene Fläche mit einem leichten Pulver (Bärlappsamen, Schwefelblumen) bestreut; -\~ E ruft eine sternförmig strahlige Figur, — E konzentrische Ringe hervor. — 69 — Alle elektrischen Erscheinungen beruhen auf dem Bestreben freier ungleichnamiger Elektrizitäten, sich zu + E zu vereinigen. Daher die Anziehung von + E zu — E, die Abstossung von + E und + E oder von — E und — E. 2. Die Vereinigung entgegengesetzter Elektrizitäten geschieht durch einen Funken, wenn die Leitung unterbrochen ist. Die freie Elektrizität strömt leicht aus spitzen, dagegen schwer aus stumpfen, abgerundeten Enden elektrisch geladener Körper; letztere geben daher Funken. § 63. Wie entsteht freie Elektrizität? Fast jede körperliche Aktion ist vun einer grösseren oder geringeren elektrischen Er- regung begleitet. Vorzugs weise wird aber freie Elektrizität erzeugt : 1. durch Reibung (zweier Nichtleiter), 2. durch Berührung (zweier Leiter). Beide Methoden liefern aber die Elektrizität in verschiedener Beschaffenheit, die Reibung erzeugt Elektrizität von hoher Spannung, die Berührung einen elektrischen Strom von kontinuierlicher Dauer, aber geringer Spannung. Bei jeder Elektrizitätserregung spaltet sich + E beider Körper, die — E tritt in den einen, die -f- E in den andern über, so dass wir nun einen negativ und einen positiv geladenen Körper naben. Die Elektrizität wurde zuerst als Reibungselektrizität beim Reiben des Bernsteins mit Wolle u. dgl. erkannt und führt vom Bernstein (griechisch y\lsMQov) ihren Namen. Geriebener Bern- stein , Siegellack und andere Harze laden sich beim Reiben mit — E, die man deshalb auch Harzelektrizität genannt hat; geriebenes Glas nimmt + E, sog. Glaselektrizität, an. § 64. Elektrische Leitung. Gute Leiter der Elektrizität laden sich bei der Berührung mit einem elektrisierten Körper sofort über ihre ganze Oberfläche , verlieren aber auch ihre freie Elek- trizität bei der Berührung mit einem ungeladenen Leiter voll- ständig. Sämtliche Metalle, dichte Kohle, Wasser und alle feuchten Materien (feuchte Erde, der menschliche Körper, feuchte Luft) leiten die Elektrizität. Nichtleiter nehmen bei Berührung mit einem geladenen Körper nur an der Berührungsstelle selbst eine geringe Menge Elektrizität an, verlieren im elektrisierten Zustande ihre Elektrizi- täten aber dem entsprechend auch nur sehr langsam. Hierhin gehören Harz, Glas, Seide, Wolle, Haare, Schwefel, trockne Luft. Man nennt sie Isolatoren, weil man einen geladenen Körper durch Umgebung mit Nichtleitern im elektrischen Zustande dauernd erhalten kann. Zum Isolieren gebraucht man Glas- oder Porzellanfüsse, seidene Schnüre u. dgl. Nichtleiter bedürfen im elektrisierten Zustande keiner Isolierung. — 70 - Zwischen den Leitern und Nichtleitern halten die Halb- leiter die Mitte, z. B. trockne Erde, Papier, Stein. Die Geschwind ig keit der Elektrizität in einem guten Leiter beträgt 60000 Meilen in der Sekunde, die grösste uns be- kannte Geschwindigkeit. § 65. Elektrische Verteilung und Mitteilung. Nähert man einen isolierten Metallstab einem elektrisch geladenen Leiter , z. B. dem positiv geladenen Konduktor der Elektrisiermaschine, so spaltet sich + E im Metallstabe derartig, dass die gleichnamige positive Elektrizität nach dem entferntesten Ende des Stabes abgestossen, die ungleichnamige negative Elektrizität nach der dem Konduktor genäherten Seite des Stabes angezogen wird. Man nennt diesen Vorgang elektrische Vertheilung (Influenz). Die angezogene entgegengesetzte Elektrizität wird vom Konduktor gebunden ge- halten, die gleichnamige dagegen äussert sich frei. Daraus folgt, dass in der Nähe eines geladenen Leiters ein zweiter Leiter mit gleichnamiger Elektrizität geladen auftritt. Entfernt man den Stab (isoliert) , so hört die Verteilung auf, und jener erscheint durch Vereinigung seiner Elektrizitäten wieder unelektrisch. Berührt man aber den Metallstab , so lange er sich in der „elektrischen Atmosphäre" des Konduktors befindet, mit der Hand, so entziehen wir ihm die gleichnamige (positive) Elektrizität, wor- auf er, vom Konduktor entfernt, nun mit freier ungleichnamiger (negativer) Elektrizität geladen auftritt. Bedingung dafür ist, dass wir die Berührung aufheben, so lange sich noch der Stab in der Nähe des Conduktors befindet. Hieraus folgt: 1. Man ladet einen isolierten Leiter mit der ungleichnamigen Elek- tricität, wenn man ihn in der Nähe eines geladenen Leiters berührt und nach Aufhebung der Berührung wieder entfernt. Bringt man den Metallstab aber noch näher an den (positiv) geladenen Konduktor, so gelangt er in dessen „Schlagweite", worin durch Überspringen eines elektrischen Funkens die Elek- trizität des Konduktors mit der ungleichnamigen (negativen) des Stabes sich vereinigt, sodass in letzterem die gleichnamige (positive) Elektrizität übrig bleibt. Hieraus folgt: 2. Wir laden durch Mitteilung einen Körper mit der gleich- namigen Elektrizität. Die Grösse der Schlagweite richtet sich nach der Stärke der elek- trischen Ladung ; bei schwacher Ladung ist Berührung erforderlich. § 66. Was ist das Gewitter? Die Gewitterwolken sind mit freier Elektrizität geladen und wirken auf den unter ihnen befindlichen Erdboden verteilend ein, sodass die ihnen entgegengesetzte Elek- — 71 — trizität an der Oberfläche desselben sich ansammelt. Sobald ein irdischer Gegenstand in die Schlagweite der Wetterwolken gelangt, Fig. 32. tritt durch einen Blitz eine örtliche Entladung und Vereinigung Ton + E und — E ein. Der Blitz ist also ein elektrischer Funken, der durch die hohe Erhitzung der Luftschichten eine Erschütterung derselben erzeugt, deren Ton und Echo als Donner gehört wird. _ 72 — Zur Ableitung des Blitzes wendet man eiserne Drähte mit vergoldeter Spitze, sog. Blitzableiter an, die in das feuchte Erdreich hinabgeführt sind. Ihre Wirkung beruht in der guten Leitung des Metalles, welches die Blitze gefahrlos in die Erde leitet, besteht aber zugleich in einer allmählichen, äusserlich nicht wahrnehmbaren Ausgleichung der entgegengesetzten Elek- trizitäten der "Wetterwolken einerseits, des Erdbodens andrerseits, begünstigt durch das leichte Ausströmen der Elektrizität aus feinen Spitzen. § 67. Welches sind die -wichtigsten elektrischen Apparate? 1. Die Elektrisiermaschine.*) (Fig. 32.) Sie beruht auf der Elektrizitätserregung durch Eeibung zweier Nichtleiter und Ansammlung derselben auf einem isolierten Leiter. Ihre wesentlichen Teile sind: a) Eine gläserne Scheibe oder Walze, durch eine gläserne Axe (e i) , die auf einem Grlas- fusse (s) ruht, drehbar und sich am Reibzeug (p), einem ledernen, mit Zinnzinkamalgam überzogenen Kissen, reibend. b) Der metallene Konduktor (a), eine hohle Messingkugel, die mit einer metallenen, ringförmigen, in eine der Scheibe zugewen- deten Spitze auslaufenden Saugvorrichtung (d) verbunden ist und gleichfalls auf einem Glasfusse (g) ruht. Bei Handhabung der Maschine setzt man das Reibzeug durch eine eiserne Kette mit dem Erdboden in leitende Verbindung, um dessen Elektrizität abzuleiten , und dreht die Scheibe. Letztere ladet sich mit + E, das Reibzeug mit — E ; jene wird von der Saugvor- richtung aufgenommen und im Konduktor ge- sammelt. 2. Das Elektro- phor**) (Fig. 33), eine Elektrisiermaschine ein- fachster Konstruktion, bestehend aus einer metallenen Platte oder Schüssel (c), die mit Fl=- 3S- einem Harzkuchen (a) überdeckt ist; auf letzteren passt eine metallene Scheibe, der Deckel (b), mit gläsernem Isoliergriff oder an drei seidenen Schnüren aufgehangen. *) Die erste Elektrisiermaschine wurde von Otto von Guerike, dem Erfinder der Luftpumpe konstruiert (1670), **) Elektrizitätsti äger, von fjXExtpov und epopo? (tragend). - 73 — Fig. 34. Das Elektrophor wird geladen, indem man den Harzkuchen mit einem Pelze peitscht ; er wird dabei negativ elektrisch. Setzt man dann darauf den Deckel auf und hebt ihn nach einmaliger Be- rübrung mit dem Finger wieder isoliert ab, so ist er durch „Ver- teilung1' positiv elektrisch geworden. Beim Annähern an die negativ elektrische, metallene Unterlage (Schüssel) springt ein Funken über. 3. Die Ver Stärkung s f lasche, auch Leidener oder Kleistsche Flasche*) genannt. (Fig. 34.) Ein gläsernes G-efäss, aussen und innen bis zu 2/3 Höhe mit Stanniol belegt, sodass der obere Rand frei bleibt. Die Öffnung ist mit einem Metalldraht ver- sehen, der bis zum inneren Belege führt und oben in einen Knopf endigt. Diese Flasche dient zur Ansammlung grösserer Elektrizitätsmengen. Mau fasst das äussere Beleg • mit der Hand an und nähert den Knopf einem geladenen Konduktor oder dem Deckel des Elektrophors , wobei ein Funken überspringt. Dadurch dass das äussere Beleg mit dem Erdboden in leitende Verbindung ge- setzt wurde, vermag die in das innere Beleg übergeführte Elek- trizität eine gleiche Menge entgegengesetzter Elektrizität am äusseren Beleg anzusammeln und zu binden. Dadurch tritt eine elektrische Spannung zwischen beiden Lagen ein , welche bei zu starker Ladung die Flasche zertrümmern kann. Man entladet die geladene Flasche durch gleichzeitiges Be- rühren des äusseren Überzugs und des Knopfes ; dabei nimmt man ein Zucken der Muskeln wahr. Bilden mehrere Personen eine Reihe, deren erstes Glied das äussere Beleg, das letzte den Knopf berührt, so geht die Entladung mit der Muskelerschütterung durch sämtliche Glieder. 4. Das Elektroskop (Elektrometer), zur Prüfung eines Körpers auf freie Elektrizität. Das gebräuchlichste Instrument ist das Goldblatt elektroskop, zwei nebeneinander an einer Metallplatte aufgehängte Goldblättchen, zum Schutze in einem Glase eingeschlossen. Wird die Platte einerseits mit einer ge- riebenen Siegellackstange, andrerseits einmal mit dem Finger be- rührt, so wird die — E abgeleitet, die Goldblättchen behalten ihre + E und weichen, nach Aufhebung der Berührung, der Abstossung gleichnamiger Elektrizitäten folgend, auseinander. Nähert man nun der Platte einen negativ geladenen Körper, so fallen die *) Sie wurde 1745 vom Domherrn v. Kleist erfunden und darauf von Muschenbroek zu Leiden angewendet. - 74 — Blättchen zusammen, da ihre + E von der — E des genäherten Körpers angezogen und in der Platte angesammelt wird. Besitzt der genäherte Körper -f- E, so weichen die Blättchen infolge ver- mehrter Abstossung, noch weiter auseinander. Ein nicht elek- trischer Körper wirkt auf die spreizenden Blättchen kaum ein. Statt der Goldblättchen wendet man auch Korkkü gel- chen an. Versuche. 1. Elektrische Anziehung und Abstossung. Man reibe ejne Siegellackstange eine kurze Weile mit einem wollenen Lappen und halte sie dicht über ein Häufchen kleinster Papierschnitzel: dieselben werden lebhaft angezogen und nach einigen Momenten wieder abgestossen werden. Den Versuch wiederhole man mit einem geriebenen Glasstabe; er wird das Nämliche ergeben. Ein kleines, aus Kork (besser noch Hollundermark) geschnittenes rundes Kügelchen hänge man an einem Zwirnfaden auf (elektrisches Pendel) und nähere ihm eine geriebene Siegellackstange-, es wird lebhaft ange- zogen. Eine geriebene Glasstange bewirkt ein Gleiches. Hält man zur einen Seite die Siegellack-, zur anderen die Glasstange, so kann man das Kügelchen abwechselnd hin und her pendeln lassen. Die Siegellackstange, noch mehr aber die Glasstange, verlieren, zumal bei feuchter Luft, ihre Elektrizität sehr schnell. 2. Elektroskop. Man wähle ein kurzhalsiges Kochfläschchen oder ein Opodeldokglas, dessen Öffnung man mit einem Kork verschliesst, durch welchen man einen mehrzölligen Messingdraht steckt. Der letztere muss aber zuvor mit Schellack zur Isolierung gegen den Kork dick überzogen werden. Das obere Ende des Drahtes versehe man mit einer kleinen glatt- geschnittenen Bleikugel oder löte ein kleines Messingplättchen auf; das untere Ende werde plattgeschlagen und mittelst Gummilösung zwei Streifen echtes Blattgold angeklebt. Vorsichtig, unter Vermeidung jeden Luftzuges, bringe man schliesslich an dem so behandelten Korkstopfen die Goldblättchen in das völlig ausgetrocknete Glas. Berührt man den Knopf (die Platte) des Elektroskops mit einer ge- riebenen Siegellackstange ( — E), so weichen die Blättchen auseinander, infolge Ansammlung von — E, während die -f- E im Knopfe von der — E der Stange gebunden gehalten wird. Nach Entfernung des Siegel- lacks vereinigen sich die beiden Elektrizitäten im Elektroskop wieder, und dessen Blättchen fallen zusammen. Berührt man den Knopf mit der geriebenen Siegellackstange und zugleich mit dem Finger, so leitet man die gleichnamige — E ab; wird der Finger weggezogen und dann erst der Siegellack entfernt, so bleibt das Elektroskop mit -f- E geladen, diese wird frei und treibt (beim Ent- fernen der Stange) die Goldblättchen auseinander. In dieser Weise erteilt man dem Elektroskop die entgegengesetzte, nämlich -f- E. Nähert man einem so geladenen Elektroskope einen gleichnamig (positiv) elektrischen Körper, z. B. eine geriebene Glasstange, so weichen die Blättchen noch weiter auseinander; ein ungleichnamig (negativ) elek- trisierter Körper, z. B. eine geriebene Siegellackstange (Schwefel, Harz),, bewirkt beim Annähern ein Zusammenfallen der Blättchen. Bei sehr_ starker Ladung kann im letzteren Falle ein abermaliges Auseinanderfahren eintreten, wenn der elektrische Körper zu schnell oder zu nahe herange- bracht wird. — 75 — 3. Elektrophor. Eine flache, kreisrunde Blechschüssel (Form) von etwa 20 cm Durchmesser und 1,5 — 2 cm hohem Rande giesse man mit einer Harzmasse aus gleichen Teilen Kolophonium und schwarzem Pech nahezu voll. Es ist dabei vorzugsweise darauf zu achten, dass die Form ganz horizontal stehe und nach dem Erkalten die Harzfläche völlig eben sei. (Etwa entstehende Blasen entferne man durch Darüberhalten eines heissen Eisens.) Auf die letztere passe man eine Blechscheibe von etwas kleinerem Durchmesser, deren Rand um einen Draht herumgebogen ist. Man löte auf diesen Deckel entweder einen Glasstab mit Siegellack, oder hänge ihn an drei seidenen Schnüren auf, die oben an seinem Rande befestigt und durch einen gemeinsamen Knoten verbunden sind. Vor allem sei der Deckel eben. Man ladet den Elektrophor durch Peitschen des Kuchens mit einem Fuchsschwanz oder Katzenfell, wobei weniger stark, als schnell geschlagen werde. Bei trockener Witterung behält er seine Ladung tagelang. Setzt man den Deckel auf, berührt ihn kurz mit dem Finger und hebt ihn ab, so hat er freie (entgegengesetzte) -j- E. Nähert man ihn dem Rande der Form oder dem Fingerknöchel, so springt ein kleiner Funke über. 4. Leidener Flasche. Man wähle ein mittelgrosses sog. Zucker- glas (Einmachglas), beklebe es innen und aussen bis zu 2/3 Höhe, sowie auch den innern Boden mit Stanniol, den man in Streifen geschnitten und mit Stärkekleister bestrichen hat; den oberen Teil des Glases überziehe man mit einer Schellacklösung. Dann löte man einem ziemlich dicken Messing- draht (etwa 7.3 länger, als die Höhe des Glases beträgt) eine glattge- schnittene Bleikugel, besser noch einen Messingknopf an, stecke ihn durch einen Kork oder eine dicke Pappscheibe, welche auf die Öffnung des Glases passt, und bringe ihn am untern Ende durch ein kurzes metallenes Kettchen mit dem Boden des Gefässes in leitende Verbindung. Schliess- lich befestige man den Kork oder die Pappscheibe mit Siegellack am Glasrande und überziehe sie mit Schellackfirniss. Zum Laden der Flasche genügen 50 — 100 Funken aus dem Elektro- phordeckel. Zur Entladung der Flasche dient der sog. Auslader, in einfachster Konstruktion ein gebogener Messingdraht mit zwei Messing- knöpfen am Ende, in der Mitte mit einem isolierenden Glas- oder Holz- griff. Legt man den einen Knopf an die äussere Belegung und nähert dann den andern dem Knopfe der Flasche, so schlägt ein Funke über, der die Flasche entladet. Bringt man zuvor zwischen die äussere Belegung und den Auslader ein Stückchen Briefpapier, so findet man dasselbe vom Funken durchbohrt. Fragen. 1. Weshalb laden sich zwei Metaüstücke beim Reiben nicht mit Elektrizität? — Antw. Weil sie, als gute Leiter, letztere sofort ableiten. 2. Weshalb ruhen bei der Elektrisiermaschine Konduktor und Scheibe auf Glasfüssen? — Antw. Um sie zu isolieren, damit sie ihre Elektrizität nicht alsbald wieder verlieren. 3. Weshalb muss beim Laden der Deckel des Elektrophors, nach- dem er auf den Harzkuchen gesetzt ist, berührt werden? — Antw. Die Berührung leitet die — E des Deckels ab ; fände sie nicht statt, so würde der Deckel nach dem Abheben wieder unelektrisch werden. 4. Welchen Gegenständen folgt der Blitz vorzugsweise? — Antw. Zunächst den hervorragenden Spitzen, z. B. Bäumen, Türmen u. dgl. So- dann guten Leitern, z. B. Metallstangen, auch Wassermassen. — 76 — 18, Der Gralvanismus,*) § 68. Was ist eine galvanische Kette? Wenn zwei Leiter der Elek- trizität sich auf der einen Seite direkt berühren, auf der andern Seite durch Wasser oder eine angefeuchtete Pappscheibe u. dgl. miteinander in Verbindung gesetzt sind, so wird die + E der beiden Leiter zerteilt, freie -f- E geht in den einen derselben, — E in den anderen über; durch den feuchten Zwischenleiter findet zwar darauf ein Ausgleich statt, da aber die Zerteilung eine andauernde ist, so entstehen kontinuierliche elektrische Ströme, ein positiver und ein negativer, von entgegengesetzter Richtung. So lange die Berührung der beiden Leiter in obiger Weise stattfindet, gehen diese Ströme von denselben aus und durch den Zwischenleiter wieder zu ihnen zurück. Als Erreger — Elektromotoren — wendet man gewöhnlich zwei Metalle an und nennt ihre Yerbindung mit dem feuchten Zwischenleiter ein galvanisches Element oder eine ein- fache galvanische Kette, die erregte Elektrizität einen gal- vanischen Strom. Wird ein Kupferstreifen an einen Zinkstreifen gelötet und die beiden umgebogenen Enden in Wasser getaucht, welches durch einige Tropfen Säure oder etwas Kochsalz besser leitend gemacht ist, so geht die + E an der Lötstelle vom Kupfer zum Zink, im Zwischenleiter vom Zink zum Kupfer zurück; die — E beschreibt den umgekehrten Weg, vom Zink zum Kupfer und durch den Zwischenleiter vom Kupfer zum Zink zurück. Man sagt : >-f- E geht mit dem Alphabet d. i. von K (Kupfer) zu Z (Zink).« Die galvanische Elektrizität, welche bei Berührung der Elek- tromotoren entsteht, unterscheidet sich von der mittelst Reibung erzeugten durch geringere Spannung, aber kontinuierliche Dauer. Indem man den Zinkstreifen einer Kette mit dem Kupfer- streifen einer anderen Kette in ein Glas mit Wasser eintaucht, lässt sich eine grössere Anzahl von Ketten zu einer galva- nischen Batterie verbinden. Die Endglieder derselben ver- sieht man mit Metalldrähten, den sog. Schliessungsdrähten. Werden die letzteren miteinander direkt oder durch einen feuchten Zwischenleiter verbunden, so schliesst man die Batterie, und die elektrischen Ströme treten auf; trennt man die Drähte, so öffnet *) Galvanismus , galvanische Elektrizität, abgeleitet von Galvani, Professor der Medizin in Bologna. Derselbe fand 1789, dass präparierte Froschschenkel, die mittelst kupferner Haken an einem eisernen Geländer hingen, in Zuckungen gerieten, wenn sie zufällig das Geländer berührten. Galvani erklärte diese auffallende Erscheinung durch tierischen Magnetismus, bis Volta die Elektrizität als Ursache erkannte und durch Versuche konstatierte. — 77 - sich die Batterie, und die elektrischen Ströme verschwinden. Die Endpunkte der beiden Schliessungsdrähte heissen die Pole, und zwar ist der Zinkpol der negative, der Kupferpol der positive Pol, da an der Berührungsstelle beider Leiter die — E vom Zink zum Kupfer, die + E vom Kupfer zum Zink übertritt. Wendet man als Zwischenleiter , statt reines Wasser , eine Salzlösung oder verdünnte Säure an, so verstärkt sich der elek- trische Strom bedeutend. (Elektrochemische Kette.) Im übrigen wächst die Stromstärke mit der Anzahl der Glieder und der Grösse der Metallplatten. Die einzelnen Metalle sind nicht gleich in der elektrischen Spannung. Es lässt sich folgende Reihe aufstellen : -f- E Zink, Blei, Zinn, Eisen, Kupfer, Silber, Gold, Platin, Kohle — E. In dieser Reihe ladet sich jedes Glied elektropositiv gegen die nachfolgenden, elektronegativ gegen die vorhergehenden Glieder. Je weiter zwei Metalle in obiger Spannungsreihe auseinander stehen, um so grössere Elektrizitätsmengen liefern sie bei ihrer Verbindung zu einer Kette. § 69. Was ist eine konstante Kette? Die aus Zink und Kupfer konstruierten Ketten haben den Nachteil, in kurzer Zeit ihre Wirksamkeit zu schwächen und endlich ganz einzustellen. Die Ursache hiervon liegt in der zugleich vor sich gehenden che- mischen Wasserzersetzung, infolge deren das Kupfer sich mit einer dünnen Wasserstoffschicht überzieht und allmählich ausser Be- rührung mit dem Zwischenleiter kommt. Diesem Übelstande hilft man dadurch ab, dass eine Flüssigkeit als Zwischenleiter angewendet wird, welche auf den entwickelten Wasserstoff oxydierend wirkt (Kupfervitriollösung, Salpetersäure u. a.). Zugleich muss das Zink, um nicht zu stark aufgelöst zu werden, von diesem oxydierenden Zwischenleiter räumlich abgetrennt werden, ohne jedoch ausser Leitung mit dem Kupfer zu gelangen, — Bedingungen, welche durch porösen Thon erfüllt werden. Man konstruiert hiernach sogenannte konstante Ketten, indem man den Kupfercylinder (Fig. 35 K) in ein Glas mit Kupfervitriollösung, den Zinkcylinder (Z) in einen Thonbecher (T) mit verdünnter Schwefelsäure eintaucht. Diese Kette aus Zink und Kupfer nennt man nach ihrem Erfinder Daniel Ische Kette. Der Kupfercylinder trägt einen kupfernen Streifen (p) mit Klemmschraube (s), welche dazu dient, den an den Zinkcylinder angelöteten Metallstreifen (m) des nächsten Be- chers anzuschrauben. Solcherweise verbindet man eine beliebige Zahl von Bechern miteinander. Die Meidingersche Kette ist eine Zink -Kupferkette ohne Thon- cylinder. Der Zinkcylinder taucht in eine Bittersalzlösung, der Kupfer- — 78 - cylinder in eine Kupfervitriollösung, beide Salzlösungen mischen sich zu- folge ihres verschiedenen spez. Gewichtes nur wenig. Diese Kette ist zwar nur schwach, aber von jahrelanger Wirksamkeit, da die Metallcylinder nur unbedeutend angegriffen werden. lliliMlJiiill Fig. 35. Fig. 36. Wendet man statt des Kupfers dichte Kohle an, so erhält man die sog. Bunsensche Kette (1842 von Bunsen konstruiert.) Jeder Becher besteht aus einem Glase (Fig. 36), in welchem ein Zinkcylinder in verdünnte Schwefelsäure eintaucht; innerhalb desselben steht ein Thoncylinder mit Salpetersäure, worin ein Stück kompakte Kohle gesetzt ist. Mittelst Schrauben lassen sich diese Becher durch Metalldraht verbinden , und zwar der Zink- cylinder des einen Bechers mit der Kohle des nächstfolgenden. Der vom Zink kommende Schliessungsdraht bildet den negativen, der vom Kupfer resp. der Kohle kommende Draht den positiven Pol. Der positiv elektrische Strom wandert also vom Kupfer zum Zink, alsdann durch den Zwischenleiter wieder zum Kupfer; der negative Strom beschreibt den entgegengesetzten Weg. § 70. Was ist die Volt asche Säule? Volta konstruierte (1800) eine galvanische Kette in Säulenform, indem er Zink- und Kupfer- platten aufeinander schichtete und nach jedem Plattenpaare eine mit Kochsalzlösung getränkte Pappscheibe folgen liess. Es muss streng dieselbe Ordnung beibehalten werden : Kupfer, Zink, Papp- 79 — scheibe u. s. f. An dem einen Ende liegt eine einfache Kupferplatte , am andern eine einfache Zinkplatte, an denen die beiden Schliessungsdrähte angelötet sind. Hiernach ist die Säule wie folgt aufgebaut: — E Zink Pappscheibe Kupfer Zink Pappscheibe Kupfer Zink Pappscheibe Kupfer Zink Pappscheibe -f- E Kupfer. Auch hier ist der yom Kupfer kommende Draht der positive, der vom Zink kommende der negative Pol, da die + E von oben nach unten, uie — E von unten nach oben die Säule durchläuft. § 71. Welche "Wirkungen äussert der elek- £• • trische Strom? Die Wirkungen des Stromes sind dreifacher Art: a) Physiologische Wirkungen: Muskelzucken, welches eintritt, sowie man mit angefeuchteten Fingern die beiden Pol- enden anfasst ; beim Loslassen bemerkt man abermals ein Zucken. Während des Yerlaufs wirkt der elektrische Strom auf die Nerven nicht ein, sondern nur beim Schliessen und Öffnen der Kette. b) Physikalische Wirkungen: Erzeugung von Licht und Wärme. An den Polen einer kräftigen Batterie bemerkt man beim Schliessen wie beim Öffnen einen Funken. Der Schliess- ungsdraht erleidet eine um so höhere Erhitzung, je stärker der Strom, je dünner der Draht und je schlechter leitend sein Metall ist. Man kann ihn zum Glühen, sogar zum Schmelzen bringen. Zwischen den auf einige Millimeter genäherten Polenden be- merkt man einen Lichtbogen — elektrisches Licht, indem die schlecht leitende Luft ins Glühen kommt. Die Farbe dieses Lichtes hängt ab von der Natur der Polenden. Bewaffnet man die Polenden mit Kohlenspitzen, so gelangen diese selbst in ein höchst intensives Glühen — elektrisches Kohlen-Licht. Zu seiner Erzeugung sind jedoch Batterien aus 80—100 Ele- menten nötig. — 80 - c) Chemische Wirkungen: Zersetzung des Zwischen- leiters. Das Wasser zerlegt sich in Wasserstoffgas, welches am negativen Elemente (Kupfer) entwickelt wird, und Sauerstoff, welches an das positive Element (Zink) tritt und dasselbe oxydiert. Metalle werden aus ihren Salzlösungen metallisch ausgeschieden, und zwar am negativen Pole. Aus den geschmolzenen Salzen der Alkalien und alkalischen Erden kann man in dieser Weise ebenfalls ihre Metalle gewinnen ; wenn aber Wasser zugegen ist,, zerfallen sie in Säure und Metalloxyd. Die chemische Zerlegung durch den elektrischen Strom nennt man Elektrolyse, das vom Kupfer kommende (positive) Pol- ende wurde von Farad ay als Anode, das vom Zink kommende (negative) Polende als Kathode*) bezeichnet. Man versieht beide mit Platinplättchen , welche von den bei der Elektrolyse auftretenden Stoffen nicht angegriffen werden. § 72. Galvanoplastik. Man benutzt die elektrolytische Metall- ausscheidung am negativen Pole (Kathode) zur Nachbildung von Figuren. Bei langsamer Ausscheidung von Kupfer aus einer Kupfer- vitriollösung entsteht nämlich eine dichte, zusammenhängende Kupferschicht, welche genau die Form der Kathode besitzt, nur im entgegengesetzten Sinne, da die erhabenen Teile der Kathode vertieft, ihre vertieften Teile erhaben erscheinen. Diesen nega- tiven Abdruck wendet man wieder als Kathode an und gewinnt dann einen zweiten Abdruck, der den ursprünglichen Gegenstand völlig getreu wiedergiebt. Metallische Körper, wie gestochene Kupferplatten , lassen sich direkt als Kathode benutzen und mit dem vom Zink kommenden Schliessungsdraht verbinden. Holz- schnitte müssen zuvor durch Bepinseln mit Graphitpulver leitend gemacht werden. Wendet man statt der Kupferlösung eine Gold- oder Silber- lösung an, so überzieht sich die Kathode mit einer dünnen Gold- resp. Silberschicht — galvanische Vergoldung und Ver- silberung. Vorzugsweise sind die Cyanverbindungen genannter Edelmetalle**) dazu am tauglichsten, weil sie am leichtesten durch den elektrischen Strom zersetzt werden. An der Kathode scheidet sich das edle Metall, an der Anode Cyangas aus. Versuche. 1. Aufbau einer Voltaschen Säule. Kreisrunde,! — 2 mm dicke *) Anode von avooo? Aufgang, weil am -\- Pol Sauerstoffgas ent- wickelt wird; Kathode von xaö-oöog Hinabgang, weil sich am — Pol die Metalle ausscheiden. **) Die Goldlösung gewinnt man aus 1 Teil Chlorgold, 6 Teilen Ferro cyankalium und 200 Teilen Wasser; die Silberlösung aus Silber- salpeter, dessen wässerige Lösung mit soviel Cyankalium versetzt wird,, dass der entstehende weisse Niederschlag wieder aufgelöst ist. - 81 — Platten von Zink und Kupfer, in gleicher Grösse, putze man blank und tränke ebenso viele und gleich grosse Scheiben dicken Pappdeckels mit einer Kochsalzlösung. Auf eine Glastafel lege man zunächst eine Kupfer- scheibe, woran ein Kupferdraht angelötet ist, darauf eine Pappscheibe und schichte nun die übrigen Platten, stets in der Ordnung: Zink, Kupfer, Pappe. Oben endige man mit einer Zinkscheibe, an der ein Kupferdraht angelötet ist. — Man schliesst die Säule, indem man beide Pole mit an- gefeuchteten Händen berührt. In demselben Momente bemerkt man ein leichtes Zucken der Muskel; ebenso beim Öffnen der Säule. Die Säule verliert nach einigen Stunden an "Wirksamkeit. Nach dem Auseinandernehmen scheure man die Metallplatten mit Wasser und Sand blank. 2. Bau einer galvanischen Kette. Eine höchst einfache, wenn- gleich stromschwache Kette stellt man aus 6 — 10 schmalen Streifen aus Zink- und Kupferblech her, die man zu je zwei an einem Ende zusammen- lötet und daselbst umbiegt. Ein Kupfer- und ein Zinkstreifen bleiben getrennt, an jeden wird aber ein längerer Kupferdraht angelötet. Die verbundenen Streifen setze man in genäherte Glas- oder Porzellannäpfchen oder in Probiercylinder, die mit Kochsalzlösung gefüllt sind: die einzelnen Streifen bilden den Anfang und das Ende. Ein jedes Gefäss muss einen Zink- und einen Kupferstreifen erhalten; es ist aber darauf zu sehen, dass dieselben im Gef ässe sich nicht berühren, — was durch zwischengeschobene Korke verhütet werden kann. 3. Versuche mit dem galvanischen Strome. Mit einer Voltaschen Säule (aus etwa 20 Plattenpaaren) oder mehreren Bun sen- schen resp. Daniel! sehen Bechern, auch wohl mit der eben angegebenen galvanischen Kette, lassen sich folgende Versuche anstellen: a) Geschmacksempfindung. Den einen Draht lege man quer über die Mitte der Zunge, den andern an die Zungenspitze; an letzterer nimmt man dann einen beissenden Geschmack wahr, der säuerlich ist beim negativen, brennend scharf beim positiven Poldraht. b) Elektrolyse. Eine nicht zu enge Glasröhre biege man in der Mitte knieförrnig um, fülle sie mit einer Glaubersalzlösung, die man durch etwas Lackmustinktur (wässerigen Auszug von Lackmus) gefärbt hat, und lasse zu beiden Seiten die mit Platin streifen (auch wohl Platindraht) be- setzten Poldrähte eintauchen. Am -j- Poldraht färbt sich die Flüssigkeit rot, am — Poldraht blau. Lässt man die mit Platinstreifen versehenen Poldrähte in eine Kupfer- vitriollösung eintauchen, so dass sie noch 1 — 2 cm von einander entfernt stehen, so überzieht sich das Platin der Kathode mit einer dünnen Kupfer- schicht, die man beim Herausnehmen aus der Lösung wahrnimmt. Ver- tauscht man später die Platinstreifen, sodass das verkupferte Stück nun mit dem positiven (vom Kupfer kommenden) Poldraht in Verbindung ge- setzt wird, so verschwindet das niedergeschlagene Kupfer, und der andere Platinstreifen überzieht sich damit. c) Versilberung. Einen Messingknopf oder andern metallischen Gegenstand verbinde man mit dem negativen Poldrahte und tauche ihn in eine Lösung von Höllenstein unter, während man in einiger Entfernung den andern Poldraht eintauchen lässt. Nach kurzer Zeit hat sich der Knopf versilbert. Man kann statt dessen auch jeden andern Gegenstand verwenden, wenn man ihn mit Graphitpulver bestäubt. 4. Galvanoplastik. Einen etwa 10 cm langen, dicken Zinkstreifen löte man an einen dreimal längeren Kupferblechstreifen, biege letzteren nahe der Lötstelle hakig gegen den Zinkstreifen und gegen sein anderes Ende abermals rechtwinklig um. Alsdann verschliesse man einen Glas- Schlickuin, Apothekerlehiling. Q — 82 — cylinder einerseits mit feuchter Blase und hänge ihn aufrecht in ein grösseres, eine gesättigte Kupfervitriollösung enthaltendes Glasgefäss, während man in den Cylinder sehr verdünnte Schwefelsäure (1 : 16) giesst. Der Metallstreifen wird so über den Rand des Cylinders gehängt, dass das Zink in die Säure, das Kupfer in die Vitriollösung eintaucht. Legt man auf das umgebogene Ende des Kupferstreifens eine zuvor mit Ol ein- geriebene und wieder abgetrocknete Münze, so überzieht sie sich in einigen Tagen mit einem negativen Kupferabdruck. In die Vitriollösung sind einige Kupfervitriolkrystalle zu legen, auch ist die Säure zu erneuern, sobald sie nicht mehr auf das Zink wirkt. Fragen. 1. Wo liegt der positive Pol einer galvanischen Batterie resp. Volta sehen Säule aus Kupfer und Zink? — Antw. Im Schliessungsdraht, der vom Kupfer kommt; im Zwischenleiter befindet er sich dagegen am Zink. 2. Weshalb verliert die Voltasche Säule nach einiger Zeit ihre Wirksamkeit? — Antw. Weil durch das Gewicht der Metallplatten die Pappscheiben trocken gepresst werden. 3. Was schliessen wir daraus, dass der Strom der elektrochemischen Kette stärker ist als bei der einfach galvanischen, welche reines Wasser als Zwischenleiter besitzt? — Antw. Dass der Galvanisnius nicht an der Berührungsstelle der beiden Metalle, sondern an der Berührungsfläche der Metalle mit dem Zwischenleiter entsteht und ein Produkt des daselbst waltenden chemischen Prozesses ist. 19. Der Magnetismus. § 73. Was ist ein Magnet?*) Seit alten Zeiten kannte man ge- wisse Eisenerze (Magneteisenstein, Magnetkies), welche die Fähig- keit besitzen, Eisenstücke in geringer Entfernung anzuziehen. Mit solchen natürlichen Magneten war man imstande, Stahl durch Bestreichen künstlich magnetisch zu machen. Der Magnet zeigt zwei Stellen, wo die Anziehungskraft am stärksten waltet — man nennt sie seine Pole. Zwischen ihnen giebt es eine Stelle ohne magnetische Kraft, den sog. Indifferenz- punkt. Die Pole eines stabförmigen Magneten liegen an dessen Enden, der Indifferenzpunkt in der Mitte. Ein freischwebender Magnetstab nimmt eine konstante Richtung an: von Norden nach Süden. Hiernach bezeichnet man seine Pole als Nord- pol und Südpol. Ein eigentümliches Verhalten zeigen zwei freischwebende Magnete zu einander; nähert man sie mit ihren Nordpolen, so stossen sie sich ab, ebenso an ihren Südpolen; dagegen zieht der Nordpol des einen Magneten den Südpol des anderen an. Daraus resultiert das Gesetz: Gleichnamige Pole stossen einander ab, ungleichnamige ziehen sich an. Die Anziehungskraft eines Magneten beschränkt sich nicht auf Eisen, sondern äussert sich auch, wenngleich schwächer, *) XtO-o; [i.ayvr]?, der Magnetstein (natürlicher Magnet). — 83 - auf Kobalt und Nickel. Sie findet auch statt, wenn der Magnet vom Eisen durch eine Zwischenwand, z. B. ein Blatt Papier, getrennt ist. § 74. Erdmagnetismus. Die konstante nordsüdliche Lage eines frei aufgehängten Magneten , in welche er nach jeder Ablenkung wieder zurückkehrt, lässt schliessen, dass die Erde selbst magnetische Kraft besitze und als ein grosser Magnet anzusehen sei, dessen Pole mit den geographischen Polen zu- sammenstimmen. Zur Beobachtung des Erdmagnetismus bedient man sich einer feinen, magnetisierten Stahlnadel, der sog. Mag- netnadel, die, in ihrem Schwerpunkte unterstützt, frei schwebt. Je nachdem man sie aufhängt, unterscheidet man: a) Die Deklinationsnadel, eine wagerecht aufliegende Magnetnadel, welche die Eichtung von Norden nach Süden be- hauptet. Man nennt sie Deklinationsnadel, weil sie die Abweichung (Deklination) der magnetischen Pole von den geographischen Polen anzeigt. Beiderlei Pole fallen nämlich nicht zusammen. Der magnetische Nordpol liegt im hohen Norden Amerikas (70° n. Br., 97° w. L.); daher weicht bei uns die Magnetnadel westlich ab. Der ^magnetische Südpol befindet sich im südöstlichen Australien, mithin jenem Nordpole nicht diametral gegenüber. Man gebraucht die Deklinationsnadel allgemein als Kompass. b) Die Inklinationsnadel, eine im Schwerpunkt aufge- hängte Magnetnadel, welche ausser der nordsüdlichen Richtung noch die stärkere Einwirkung eines Erdpols durch ihre geneigte Lage (Inklination) angiebt. Sie hängt nämlich nur im magnetischen Äquator, d. i. gleich weit von den Polen entfernt, völlig wage- recht; auf der nördlichen Halbkugel senkt sie dagegen ihr Nord- ende, auf der südlichen ihr Südende herab, da der näher gelegene Pol stärker auf sie einwirkt als der entferntere. Am magnetischen Erdpole selbst hängt die Nadel senkrecht herab. § 75. Wie wird Eisen magnetisch? Man kennt zwei Mittel, ein Stück Eisen magnetisch zu machen : 1. Durch Magnetisierung mittelst eines Magneten. Der Stahl erlangt, wenn man ihn mit einem Magneten bestreicht, selbst magnetische Kraft und hält diese mit Zähigkeit fest; Stab- eisen besitzt diese Fälligkeit nicht, es bleibt nur so lange mag- netisch, als es in Berührung mit dem Magneten sich befindet. Man unterscheidet den einfachen und den doppelten Strich; zu ersterem benutzt man einen geraden Magnetstab, mit dessen einem Pole man die eine Hälfte des zu magnetisierenden Stahles, mit dessen anderem Pol man die andere Hälfte desselben bestreicht. Das Streichen muss stets in gleicher Weise geschehen : Man setzt den Pol auf die Mitte des Stahles und fährt nach dessen Ende zu; dies wiederholt man öfters. 6* — 84 — Der doppelte Strich geschieht mit einem Hufeisenmagnet, d. i. einem hufeisenförmig gebogenen Magnetstabe; man setzt den- selben auf die Mitte des Stahlstücks auf, fährt wiederholt über dasselbe hin und her und hebt schliesslich in der Mitte ab. Ein Hufeisenmagnet wird mit einem eisernen Anker ver- sehen und mit Gewichten behängt. Durch allmählich verstärkte Belastung (Armatur) erhöht man seine magnetische Kraft. Man darf jedoch den Anker niemals abreissen , sondern schiebe ihn seitlich ab. — Glühhitze hebt den Magnetismus dauernd auf. 2. Durch den elektrischen Strom. Wenn man den elektrischen Strom spiralig um ein Stück Eisen führt, so wird dasselbe magnetisch. Ist der (behufs Isolierung) mit Seide umsponnene Leitungsdraht einer galvanischen Kette in dicht genäherten Windungen um ein hufeisenförmiges Stück Stabeisen gewunden, so wird letzteres magnetisch , sobald man die Kette scbliesst , verliert seinen Magnetismus aber wieder beim Öffnen der Kette. Eine solche Vorrichtung wird ein Elektromagnet genannt. Würde man statt Stabeisen Stahl verwenden, so behielte dieser den erzeugten Magnetismus längere Zeit, auch nach dem Öffnen der Kette. Diese Verhältnisse lassen uns jeden Magneten als einen Körper er- scheinen, um dessen Teilchen nach ein und derselben Richtung elektrische Ströme kreisen. Hieraus erklärt sich die magnetische Anziehung und Ab- stossung als Folge der elektrischen Anziehung und Abstossung; auch stimmt damit die Thatsache überein, dass ein elektrischer Strom eine in seiner Nähe befindliche Magnetnadel aus ihrer nordsüdlichen Richtung ablenkt. Auf dieser Ablenkung beruht das Galvanometer oder der Multiplikator, ein Instrument, mittelst dessen selbst die kleinsten Mengen galvanischer Elektrizität sich nachweisen lassen (Fig. 38 M). Für die Ab- lenkung gilt die Amperesche Regel: Denkt man sich so in den -j- Strom gelegt, dass er von den Füssen zum Kopfe geht und man der Magnetnadel das Gesicht zuwendet, so wendet sich das Nordende derselben nach links ab. § 76. Elektrischer Telegraph. Die wesentlichen Punkte der elek- trischen Telegraphie beruhen in Folgendem: Zwei Stationen (A, B) stehen durch einen isolierten Eisen- draht mit einander in leitender Verbindung, deren Endungen zur Herstellung der Rückleitung in das feuchte Erdreich hinabgeführt sind. Auf der Station A befindet sich eine konstante Batterie, in B ein Elektromagnet in jene Drahtleitung eingeschaltet. Sobald man nun in A die Kette geschlossen hat, wird in B der Elektro- magnet magnetisch und zieht einen eisernen Anker an, der durch einen passenden Mechanismus mit dem Zeiger eines Zifferblattes oder mit einem Druckapparate in Verbindung steht. Wird in A die Kette geöffnet, so verliert der Elektromagnet in B seine Kraft und lässt den Anker fallen. Durch beliebig wiederholtes Öffnen und Schliessen der Batterie in A wird mithin in B nach dem- — 85 — selben Tempo der Anker angezogen und gesenkt, welche Bewegung sich auf den Zeiger oder den Druckapparat überträgt. Die ältesten elektrischen Telegraphen waren Zeigertele- graphen, deren Zeiger an einem Zifferblatte herumgeführt wurde, an welchem die Buchstaben des Alphabetes, sowie die Zahlen von 1 — 10 verzeichnet standen. Jetzt bedient man sich vorzugsweise des Morseschen Drucktelegraphen, welcher mit einem Stifte auf einen sich abrollenden Papierstreifen Punkte und Striche, als Symbole der Buchstaben, aufdruckt. Zum Schliessen und Unterbrechen des Stromes dient der Morsesche Schlüssel oder Taster, ein zweiarmiger Hebel aus Metall, welcher in die elektrische Leitung eingeschaltet ist. Im ruhenden Zustande (Ruhe- kontakt) berührt er mit seinem einen Ende einen Metallknopf und stellt die Verbindung mit der Erdleitung her; drückt man aber auf das andere Ende, so wird jene Verbindung gehoben, der Schlüssel berührt dann einen zweiten Metallknopf (Arbeitskontakt) und stellt die Verbindung mit der Batterie her d. h. öffnet den Strom, der sofort geschlossen wird, wenn man den Schlüssel wieder in den Ruhekontakt versetzt. Der galvanische Strom pflanzt sich, vermöge seiner geringeren Spannung, viel weniger schnell fort, als die Reibungselektrizität; er legt in der Sekunde 3700 Meilen zurück. Eine andere passende Verwendung findet der Elektromagnet beim Haustelegraphen (elektrische Klingel), dessen Anker an eine Glocke schlägt, aber so eingerichtet ist, dass er in demselben Momente die elektrische Leitung aufhebt und sich dadurch vom Elektromagneten wieder entfernt. Es entsteht also ein einzelner Glockenschlag, der sich aber stets wiederholt, so lange man mit- telst eines Tasters den Strom geöffnet hält. Zum Haustelegraphen erzeugt man den elektrischen Strom, der nur schwach zu sein braucht, mittelst einer Meidinger sehen Kette. Dagegen benutzt man zur Telegraphie eine Batterie aus Dan i eil sehen Ketten. Das Telephon nach Bell besteht aus einem Magneten und einer sehr dünnen, höchst elastischen Metallplatte. Man verbindet die Stationen, deren jede ein solches Instrument besitzt, ähnlich dem Telegraphen mit einem Leitungsdraht. Spricht man an der einen Station in das Telephon, so gerät die Metallplatte desselben durch die Schallschwingungen in eine zitternde Bewegung, welche die Intensität des nahen Magnetes beeinflusst; da derselbe mit dem Telephon der anderen Station in leitender Verbindung steht, so erteilt er dem Magnete desselben die gleichen Veränderungen, welche dieser der ihm zugehörigen Platte mitteilt, worauf die letztere in gleiche Schwingungen gerät, wie sie durch das Sprechen in der Platte der ersten Station entstehen. Daher vernimmt das Ohr an der zweiten Station dieselben Töne und Worte, welche die erste Station empfangen hat. § 77. Induktion. Umgiebt man eine Drahtspirale (Fig. 38 B) mit einer zweiten Spirale (A) — beide durch Umspinnen mit Seide isoliert und jede für sich geschlossen — und leitet durch die innere Spirale (B) einen elektrischen Strom (aus der Kette E), so entsteht in der äusseren Spirale (A) ein zweiter elektrischer, sog. induzierter Strom, als Folge stattgefundener elektrischer Ver- teilung. Der induzierte Strom besitzt eine dem Hauptstrom ent- gegengesetzte Richtung und nur eine momentane Dauer, da er lediglich beim Öffnen und Schliessen der Kette entsteht. Er giebt sich durch die momentane Ablenkung der Magnetnadel eines damit verbundenen Galvanometers (M) zu erkennen. Fig. 38. Da dem induzierten Strome vorzügliche physiologische Wir- kungen auf Nerven- und Muskelsystem zukommen, hat man zu diesem Zwecke sog. Induktionsapparate konstruiert. Die Enden der äusseren Drahtspirale sind bei ihnen mit messingenen Handhaben versehen, die man anfasst, um den Strom durch den Körper zu leiten. Damit der induzierte Strom anhaltende Dauer erlange, wird der Hauptstrom rasch hinter einander wiederholt geöffnet und geschlossen, was man durch eine sinnreiche Vorricht- ung (den Hammer) bewerkstelligt. Durch das wiederholte Öffnen und Schliessen des Hauptstromes bilden sich nun rasch aufeinander- folgende induzierte Ströme. § 78. Magneto-Elektrizität. Man kann auch durch Annäherung und Entfernen eines kräftigen Magneten in einer geschlossenen Drahtspirale einen induzierten elektrischen Strom erzeugen. Hie- rauf gründet sich der magneto-elektriche Eotationsapparat, in welchem eine Drahtspirale um ein hufeisenförmiges Stück weichen - 87 — Eisens gewunden ist, dem ein Hufeisenmagnet gegenübersteht. Durch Umdrehen des letzteren wird das weiche Eisen abwechselnd magnetisch und unmagnetisch , erzeugt daher in der Drahtspirale rasch hintereinander induzierte Ströme, Indem man die Umdrehung des Magneten durch eine Dampfmaschine oder einen anderen Motor bewirkt, ist man imstande, einen recht kräftigen elektrischen Strom hervorzurufen, wobei man die aufeinanderfolgenden, entgegengesetzten Ströme durch einen sog. Stromwender in eine gleiche Richtung bringt. Mittelst eines solchen magneto-elektrischen Stromes kann man die Wagen einer elektrischen Eisenbahn in Bewegung setzen; auch benutzt man ihn neuerdings zum elektrischen Lichte. Von Eddison werden luftleere Glasglocken konstruiert, in denen eine Bast- faser eingeschlossen ist. Leitet man den Strom durch letztere, so gerät sie ins Glühen, ohne jedoch zu verbrennen (wegen des Luftmangels). Versuche. 1. Magnetische Anziehung. Einen geraden Magnetstab lege man in Eisenfeile; er bedeckt sich mit derselben und hält sie auch beim Herausheben fest. Am dichtesten bedeckt er sich an den Enden (Polen), wenig in der Mitte. Man lege eine Stahlnadel auf ein Blatt Papier und fahre mit einem Magneten unter demselben her: die Nadel folgt allen seinen Bewegungen. 2. Anziehung und Abstossung. Man hänge eine Magnetnadel, die man sich leicht durch regelrechtes Bestreichen einer Stahlnadel mit einem Magneten herstellen kann, frei auf und nähere ihr einen geraden Magnetstab oder eine zweite Magnetnadel; es findet Anziehung der ungleich- namigen, Abstossung der gleichnamigen Pole statt. 3. Inklinationsnadel. Eine Stricknadel hänge man genau in ihrer Mitte (Schwerpunkt) an einem dünnen Zwirnfaden auf, sodass sie wagerecht hängt. Magnetisiert man sie dann durch Bestreichen mit einem Magneten, so nimmt sie nicht allein eine nordsüdliche Richtung an, sondern neigt sich mit ihrem Nordende stark zur Erde. 4. Ablenkung durch den elektrischen Strom. Nähert man eine Magnetnadel dem Leitungsdraht einer geschlossenen galvanischen Kette, so erleidet sie eine Ablenkung. Läuft der -f- Strom von Nord nach Süd, und über die Nadel hin, so wird ihr Nordende östlich abgelenkt; hält man dann die Nadel über den Strom, so findet eine westliche Ablenkung statt. Fragen. 1. Wie kann man eine Magnetnadel unabhängig vom Erdmagnetismus machen? — Antw. Indem man unter oder über ihr eine zweite, ihr gleiche Magnetnadel anbringt, jedoch mit entgegengesetzten Enden. (A statische Nadel.) Daher ist das Nordende der unteren Nadel durch das über ihr befindliche Südende der oberen Nadel gebunden und gehorcht nicht mehr dem Erdmagnetismus. 2. Worauf beruht die stete Stromunterbrechung durch den Hammer des Induktionsapparates? — Antw. Der Hammer ist der zum Elektro- magneten gehörige Anker und zugleich in die Stromleitung eingeschaltet. Bei auftretender Wirksamkeit des Stromes reisst der Elektromagnet den Anker an sich und aus der Leitung heraus, sodass sich dadurch der Strom selbst unterbricht. Alsdann aber hört die Wirksamkeit des Elektromagneten wieder auf, der Anker fällt ab und tritt in die Stromleitung zurück. Hier- durch beginnt der Strom wieder und das Spiel geht von neuem von statten. II. Abteilung. Chemie.*) Die Chemie ist derjenige Teil der Naturlehre, welcher die Vorgänge der Körperwelt behandelt, die mit einer stofflichen Veränderung verbunden sind. 1. Die chemischen Elemente, § 79. Was nennt man ein Element? Die Wissenschaft versteht unter einem Elemente einen einfachen Körper, den sie nicht weiter in verschiedenartige Bestandteile zerlegen kann. Die Philosophen des Altertums nahmen vier Grundstoffe oder Elemente an, aus denen alles auf der Erde zusammengesetzt sei, und zwar rechneten sie hierzu: die Luft, das Wasser, die Erde und das Feuer. Aber gerade von diesen Stoffen wissen wir jetzt, dass sie keine Grundstoffe sind. Wir haben gelernt, die Luft in zwei Gasarten zu scheiden, deren Gemenge sie ist, und deren eine (das Sauerstoffgas) wir täglich zum Atmen ge- brauchen ; wir haben das Wasser als die Verbindung zweier Gase, des Wasserstoffs und Sauerstoffs, erkannt; die Erde als das mannigfaltigste Gemenge der verschiedensten Materien, und end- lich das Feuer als gar keinen Stoff, sondern nur als einen Zu- stand , in den alle irdischen Körper geraten können , wenn sie nämlich Licht und Wärme ausstrahlen. Die chemischen Elemente sind einfache Körper, welche sich nicht in verschiedene Bestandteile zerlegen lassen. Von denjenigen Stoffen , welche wir jetzt als Elemente an- sehen , geben sich vielleicht bei fortschreitender Naturforschung manche als zusammengesetzt zu erkennen, wie bisher öfters der Fall eingetreten , dass sich das , was man früher für einen ein- fachen Körper gehalten , infolge verbesserter Untersuchungsme- thoden als zusammengesetzt erwies. § 80. Zahl und Vorkommen der Elemente. Die Zahl der bis jetzt bekannten Elemente beträgt 63. Ihr grösster Teil findet sich *) Chemie von yiw giessen, flüssig machen, auflösen. — 89 — in der Natur nur spärlich und sehr zerstreut ; die kleinere Hälfte dagegen ist allenthalben verbreitet. Während der Sauerstoff den fünften Teil des Luftmeeres und dazu 8/9 alles Wassers ausmacht, treffen wir die seit alters bekannten Metalle meist nur an ge- wissen Orten , und über 30 Elemente als seltene Vorkommnisse. In neuester Zeit haben wir vier Metalle (Rubidium, Cäsium, Thallium, Indium) durch die Spektralanalyse entdeckt, da sie in der Natur nur in kleinsten Mengen verteilt sind. Mit dem häufigeren Vorkommen läuft die Zeit ihrer Bekannt- schaft nicht parallel. Die Mehrzahl der Schwermetalle wurde be- reits im Altertum benutzt, dagegen entdeckte man die allgemein verbreiteten Elemente : Sauerstoff, Wasserstoff, Chlor, Kiesel, Ka- lium , Natrium , Calcium , Aluminium u. a. m. erst in neuerer Zeit, meist in diesem Jahrhundert. § 81. Wie teilt man gewöhnlich die Elemente ein? Die gewöhn- liche Einteilung der chemischen Elemente scheidet sie in Metalle undNichtmetalle (Metalloide). Wenngleich diese Unterscheidung mehr auf ihrem physikalischen Charakter, als auf chemischen Unter- schieden beruht, so hat man sie doch vieler Vorteile wegen bis- her allgemein beibehalten« Wegen der unbestimmten Grenzen beider Abteilungen zählt man häufig gewisse Metalle trotz ihres metallischen Aussehens zu den Metalloiden, z. B. das Selen und Tellur zur Seite des Schwefels, auch wohl das Arsen zur Seite des Phosphors. Der Gesamtcharakter der Metalle beruht auf folgenden phy- sikalischen Eigenschaften: Undurchsichtigkeit, Metallglanz, Schmelzbarkeit, Geschmeidigkeit, gute Leitungsfähig- keit für Wärme und Elektrizität. Die Nichtmetalle besitzen keinen solchen Gesamtcharakter, sind teils durchsichtige Gase, teils spröde, feste Körper, teils Flüssigkeiten. Die Metalle teilt man nach ihrem spez. Gewicht in Leicht- und Schwermetalle ein, je nachdem das spez. Gewicht unter oder über 5 ist. Bei den Schwermetallen unterscheidet man un- edle und edle Metalle, je nachdem sie an der Luft ihren Glanz verlieren oder behalten. Jedes Element besitzt ein chemisches Zeichen, gemeinlich die Anfangsbuchstaben seines lateinischen Namens. Im folgen- den sind diese Zeichen den Elementen beigesetzt. Aufzählung der chemischen Elemente. A. Nichtmetalle {Metalloide). 1. Sauerstoff (Oxygenium) O 2. Wasserstoff (Hydrogen. ) H 3. Stickstoff (Nitrogenium) N 4. Schwefel (Sulfur) . . . S 5. Selen (Selenium) . . . . Se 6. Tellur (Tellurium) . . . . Te 90 7. 8. 9. 10. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42. 55. 56. 57. 58. Phosphor (Phosphorus) Chlor (Chlorum) . . . Cl Brom (Bromum) . . . . Br Jod (Jodurn) J B. Metalle. P 11. Fluor (Fluorum) 12. Bor (Borum) . 13. Kohle (Carho) . 14. Kiesel (Silicium) a. Leichtmetalle {spez. Gew. unter 5,0). Kalium K 23. Magnesium .... Natrium Na 24. Aluminium .... Lithium Li 25. Beryllium Rubidium Rb 26. Yttrium Cäsium Cs 27. Erbium Baryum Ba | 28. Thorium Strontium Sr 29. Zirconium Calcium Ca | b. Schwermetalle (spez. Gew. über 5,0). a. Unedle Metalle. Ce I 43. Indium La I 44. Kupfer (Cuprum) . . Di | 45. Wismut (Bismuthum) U ! 46. Antimon (Stibium) . Cer (Cerium) . . , Lanthan (Lanthanum) Didym (Didymum) Uran (Uranum) . . Mangan (Manganum) Eisen (Ferrum) . . Kobalt (Cobaltum) Nickel (Niccolum) Zink (Zincum) . . Kadmium (Cadmium Zinn (Stannum) Blei (Plumbum) Thallium ..... Mn Fe Co Ni Zn Cd Sn Pb Tl 47. Arsen (Arsenium) 48. Titan (Titanum) . . . 49. Tantal (Tantalum) . . 50. Niob (Niobium) . . . 51. Wolfram (Wolframium) 52. Molybdän (Molybdaenium) 53. Vanadin (Vanadium) . . 54. Chrom (Chromium) . Quecksilber (Hydrar gyrum) Silber (Argentum) Gold (Aurum) . . Platin (Platinum) Edle Metalle. 59. Iridium . . 60. Rhodium . 61. Ruthenium 62. Palladium 63. Osmium Hg Ag Au Pt F B C Si Mg AI Be T E Th Zr In Cu Bi Sb As Ti Ta Nb W Mo V Cr Ir Rh Re Pd Os Wie wurden die Elemente im Laufe der Zeit entdeckt? Die Beantwortung dieser Frage begreift zugleich einen kurzen Abriss der Geschichte der Chemie in sich. Bereits im grauen Altertume kannte man eine Anzahl von Schwer- metallen, teils solche, welche die Natur gediegen liefert, wie das Gold, Silber, Quecksilber, teils solche, deren Reduktion man frühe lernte, wie das Eisen, Kupfer, Zinn und Blei; von den Nichtmetallen war der Schwefel und der Kohlenstoff bekannt. Seit dem Untergange des römischen Reiches flüchtete die Natur- wissenschaft zu, den Arabern. Der berühmte Geber, ein Mesopotamier, lehrte im 8. Jahrh. zu Sevilla; er besass eine Menge empirischer Kennt- nisse, z. B. der Alkalien und Säuren, und huldigte dem Glauben an eine Umwandlung der unedlen Metalle in edle. Derselbe ward verhängnisvoll für die sich nun ausbildende „Alchemie". Durch das ganze Mittelalter suchte man die Goldmacherkunst, den Stein der Weisen, das Lebenselixier. — 91 — In diesem vergeblichen Bemühen war auch der kenntnisreiche Paracel aus (im 16. Jahrhundert) befangen. Während dessen hatte man kennen gelernt: Arsen, Wismut, Antimon und Zink. Gegen Schluss des 17. Jahrhunderts zeigte endlich Boyle, dass die Alchemie vom Pfade wahrer Naturwissenschaft ablenke, und wurde, nach dem Wesen der Gase und Verbrennung forschend, der Begründer der neueren Wissenschaft. In diese Zeit fiel die Entdeckung des Phosphors durch den Alchymisten Brand (1670). Im 18. Jahrhundert herrschte die Phlogistontheorie Stahls. Indem dieser Gelehrte den Prozess der Verbrennung zu erklären suchte, nahm er einen unwägbaren Stoff, das Phlogiston, an, welcher aus dem ver- brennenden Körper entweichen sollte. In dieser Zeit wurden die Metalle Kobalt, Nickel und Mangan, von Cavendish 1766 der Wasserstoff, vom grossen schwedischen Chemiker Scheele das Chlor, der Stickstoff und Sauerstoff, letzterer gleichzeitig auch von Priestley 1774 in England entdeckt. Ihnen schlössen sich zu Ende des Jahrhunderts mehrere seltenere Metalle an: Platin mit Iridium, Rhodium, Palladium und Osmium, svwie Uran, Chrom, Molybdän, Wolfram, Titan, Tantal, Tellur, an deren Entdeckung die Chemiker Elaproth, Wbllaston und Scheele partizipieren. Der wichtigste Zeitabschnitt in der Geschichte der Chemie fällt in das Ende des 18. Jahrhunderts, als 1787 Lavoisier (zu Paris) durch eine Reihe glänzender Versuche im Sauerstoff den Hauptfaktor bei der Ver- brennung kennen lehrte und dadurch die Phlogistontheorie stürzte. Durch seine Methode der Untersuchung brach sich der richtige Gebrauch der Wage und damit die analytische Chemie Bahn. Im Anfange des 19. Jahrhunderts führte der neuentdeckte Galvanismus den berühmten Engländer Davy zur Isolierung von Kalium und Natrium (1807), sowie des Bor. Zwei Jahre später (1809) wies er die elementare Natur des Chlors nach, welches Scheele für oxydierte Salzsäure gehalten hatte; zugleich wurde das Magnesium entdeckt. Courtois fand (1811) das Jod, 15 Jahre später Baiard das Brom. Berzelius isolierte (1823) das Silicium und entdeckte (1817) das Selen und Lithium. Mit der künstlichen Darstellung des Harnstoffs durch Wähler (1828) wurde die organische Chemie das Feld zahlreicher Entdeckungen, zumal da Liehig die Elementaranalyse der organischen Körper zu einem hohen Grade der Vervollkommnung brachte. Währenddessen gelang die Isolierung des Calcium, Aluminium und Baryum. Der neuesten Zeit endlich war es vorbehalten, mittelst der durch Bunsen und Kirchhof eingeführten Spektralanalyse noch vier Metalle zu entdecken: Caesium, Rubidium, Thallium und Indium, welche in fib minimalen Mengen durch die Natur verbreitet sind, dass ihre Gegen- wart sich bisher aller Wahrnehmung entzogen hatte und erst durch» Spektrum erkannt wurde. 2. Atom und Äquivalent. § 82. Was ist ein Atom? Die Moleküle*) der Körper, welche durch physikalische Kräfte unteilbar sind, lassen sich je- *) molecula, kleine Masse. — 92 - doch durch chemische Vorgänge in Atome zerlegen. Atom*) nennt man nämlich das kleinste Teilchen eines Ele- mentes, welches in einem Molekül enthalten sein kann. Be- zeichnen wir mit Molekül die kleinste Menge eines Körpers, welche im Eaume frei für sich existieren kann, so sind die Atome die Bestandteile der Moleküle. Die Moleküle der Elemente werden demgemäss aus (zwei) gleichartigen Atomen bestehend an- gesehen , z. B. ein Schwefelmolekül aus zwei Schwefelatomen, ein Sauerstoffmolekül aus zwei Sauersoffatomen, ein Kohlemolekül aus zwei Kohleatomen; die Moleküle der chemischen Yerbindungen bestehen aber aus verschiedenartigen Atomen, z. B. ein Schwefel- kohlenstoffmolekül aus Schwefelatomen und Kohleatomen, ein Wassermolekül aus Wasserstoffatomen und Sauerstoffatomen. Bei der chemischen Vereinigung zweier Elemente verändern sich ihre Moleküle durch Umtausch der Atome. Mischen wir Kohle mit Schwefel, so bleiben die Kohle- moleküle und Schwefelmoleküle nach wie vor, jene aus Kohle- atomen, diese aus Schwefelatomen zusammengesetzt; verbinden sich aber beide Elemente zu Schwefelkohlenstoff, so lösen sich ihre Moleküle auf und gruppieren ihre Atome zu Schwefelkohlen- stoffmolekülen, indem ein Kohleatom (C) mit zwei Schwefel- atomen (S) sich verbindet. (CC) + 2 (SS) = (CS2) + (CS2). In jedem chemischen Prozesse, sei es eine Vereinigung oder Trennung, spalten sich demnach die Moleküle der betreffen- den Körper in ihre Atome, welche sich dann anders gruppieren und dadurch andere Körper erzeugen. § 83. Was nennt man Atomgewichte? Die Atome eines Ele- mentes besitzen ein bestimmtes Gewicht, welches bei den ein- zelnen Elementen verschieden ist. So wiegt ein Schwefelatom das Doppelte eines Sauerstoffatoms. Am leichtesten ist das Wasserstoffatom; man nimmt es deshalb als Einheit an, um damit das Gewicht der übrigen Elementatome zu vergleichen. Die resultierenden Zahlen nennt man Atomgewichte; selbst- redend sind es keine absoluten, sondern relative Zahlen. Wenn es z. B. heisst, das Atomgewicht des Sauerstoffs sei == 16, das- jenige des Schwefels = 32, so bedeutet dies, dass das Sauerstoff- atom 16 mal , das Schwefelatom 32 mal so viel wiegt als das Wasserstoffatom, dessen Atomgewicht = 1 ist. Wissen wir, aus wie viel Atomen ein Molekül zusammen- gesetzt ist, so erhalten wir durch Addition der betreffenden Atom- gewichte das Gewicht dieses Moleküls — sein Molekularge- *) Atom von aTojj.0? (unteilbar). - 93 — wicht. Besteht das Chlorwasserstoffmolekül aus 1 Atom Chlor (Cl) und 1 Atom Wasserstoff (H), so ist das Molekulargewicht des Chlorwasserstoffs = 35,5 + 1 = 36,5, da das Atomgewicht des Chlors = 35,5 ist. Besteht das Wassermolekül aus 2 Atomen Wasserstoff (H) und 1 Atom Sauerstoff (0), so ist das Molekular- gewicht des Wassers = 2 x 1 -f 16=1 8. H = 1 2H = 2 Cl = 35,5 0 = 16 HCl = 36,5 H?0 = 18. Die Atomgewichte gebraucht man bei jedweder chemischen Operation, um die obwaltenden chemischen Gewichtsverhältnisse zu berechnen. Man nennt diesen Teil der chemischen Wissen- schaft die Stöchiometrie und legt ihr hohen Wert bei. Will man eine Verbindung herstellen, so lehrt sie uns, wie viel von jedem der Anteil nehmenden Stoffe zugegen sein muss, wie sie uns auch von vornherein berechnen lässt, wieviel das Produkt betragen wird. Bildet Chlor mit Wasserstoff H Cl, so wissen wir aus der Stöchiometrie, dass H = 1, Cl = 35,5, also 1 Gewichtsteil Wasserstoff sich mit 35,5 Gewicbtsteilen Chlor verbindet und 1 -j- 35,5 = 36,5 Gewichtsteile Chlorwasserstoff erzeugt. § 84. Was versteht man unter Äquivalent? Die Mengen, in denen zwei Körper gleichen Wert besitzen, sind äquivalent (gleich- wertig). Legt man Eisen in eine Kupferlösung, so scheiden 56 Teile Eisen , indem sie sich auflösen , 63,5 Teile Kupfer metal- lisch aus. Das Eisen tritt an die Stelle des Kupfers und zwar sind 56 Teile Eisen 63,5 Teilen Kupfer äquivalent, Äquivalente Mengen sind solche, die sich- gegenseitig vertreten können. Geht man die Reihe der Elemente durch, wie sie sich gegen- seitig in ihren Verbindungen vertreten, so nimmt man wahr, dass bei vielen 1 Atom des einen 1 Atom eines anderen Elementes äquivalent ist. 1 Atom Chlor ist äquivalent 1 Atom Jod, 1 Atom Brom, 1 Atom Kalium, 1 Atom Wasserstoff u. a. Man nennt daher das Chlor, Brom, Jod, Kalium, Wasserstoff einwertige, Univalente Elemente. Andererseits giebt es Elemente, von denen 1 Atom 2 Atomen Wasserstoff, Chlor oder eines andern einwertigen Elementes äquivalent ist; dahin gehört der Sauerstoff, Schwefel u. a. Man nennt sie daher zweiwertige, bivalente Elemente. 1 Atom Stickstoff, Phosphor u. a. vermag drei Atome Wasser- stoff zu vertreten, es sind dies daher dreiwertige, trivalente Elemente; die Kohle, der Kiesel u. a. sind 4 Atomen Wasser- stoff äquivalent, mithin vierwertige, quadrivalente Ele- mente. Nicht selten kommt es vor, dass Elemente in zwei 94 verschiedenen Werten auftreten. So erhöht der Stickstoff, Phos- phor u. a. ihre Dreiwertigkeit häufig zu Fünf Wertigkeit ; das Eisen und Mangan ihre Zweiwertigkeit zu Yierwertigkeit. Die Unterscheidung der Elemente nach ihrer Valenz gehört der Neu- zeit an. Yor zwei Jahrzehnten noch bediente man sich der Äquivalent- gewichte, statt der Atomgewichte. Damals waren die letzteren bei den zwei- und vierwertigen Elementen nur halb so gross, also für Sauerstoff 8 (statt 16), für Schwefel 16 (statt 32), für Kohlenstoff 6 (statt 12). Die Atomgewichte der wichtigsten Elemente. A. Einwertige Elemente. Kalium (K) 39 Natrium (Na) 23 Lithium (Li) 7 Silber (Ag) 108 Wasserstoff (H) . . . 1 Chlor (Cl) 35,5 Brom (Br) 80 Jod (J) 127 B. Zweiwertige Elemente. Sauerstoff (0) .... 16 Schwefel (S) 32 Baryum (Ba) 137 Calcium (Ca) 40 Magnesium (Mg) Zink (Zn) . . Kupfer (Cu) Quecksilber (Hg) Kohle (C) 12 Kiesel (Si) 28 Zinn (Sn) 118 24 65 63,5 200 Zwei- und vierwertige Elemente. Mangan (Mn) 55 I Blei (Pb) 207 Eisen (Fe) 56 | C. Dreiwertige Elemente. Wismut (Bi) .... 210 Bor (B) 10,6 Gold (Au) 196,5 Drei- und fünfwertige Elemente. Stickstoff (N) 14 | Arsen (As) 75 Phosphor (P) 31 | Antimon (Sb) 122 . D. Vierwertige Elemente. Platin (Pt) 197 Chrom (Cr) 52,5 Aluminium (AI) . . . 27,5 Die Molekulartheorie. Die heutige Anschauung der Chemie gründet sich auf die sogen. Molekulartheorie. Dieselbe stellt folgende Sätze auf: 1. Die im Räume frei existierenden kleinsten Teilchen — die Moleküle — sind chemisch aus Element- Atomen zusammengesetzt. Nicht allein die Moleküle der Verbindungen bestehen aus den Atomen ihrer Bestandteile, sondern auch die Moleküle der freien Elemente bestehen aus Atomen, jedoch aus gleichartigen Atomen. Beispiele: 1 Mol. Wasserstoff (HH) ' 1 Mol. Chlorwasserstoff (HCl) 1 ., Chlor (C1C1) 1 „ Wasser (H00) 1 „ Sauerstoff (OO) 1 „ Ammoniak (NH3) — 95 - 2. Im Molekül halten sich die Atome in gegenseitiger Bindung. In der Salzsäure bindet sich 1 einwertiges Chlornatron mit 1 ein- wertigen Wasserstoffatome ; im Kalk bindet sich 1 zweiwertiges Sauerstoff - atom mit 1 zweiwertigen Calciumatome : Chlorwasserstoff H — Cl Kalk Ca — 0 Dagegen bindet im Wassermolekül 1 zweiwertiges Sauerstoffatom 2 einwertige Wasserstoffatome ; im Ammoniak bindet 1 dreiwertiges Stick- stoffatom 3 einwertige Wasserstoffatome: Hx H^ Wasser )0 Ammoniak H N 3. Die Moleküle besitzen im gasförmigen Zustande (bei gleichen Wärme- und Druckverhältnissen) ein gleiches Volumen d. i. sie sind in Gasform gleichgross. 1 Molekül Wasserstoffgas besitzt unter gleichen äusseren Verhältnissen dieselbe Grösse wie 1 Molekül Wassergas, 1 Molekül Chlorwasserstoffgas und 1 Molekül Ammoniakgas. Man kann diesem Satz auch folgende Fassung geben: 1 / Wasserstoffgas enthält bei gleicher Temperatur und unter gleichem Drucke ebenso viele Moleküle, wie 1 l Sauerstoffgas, 1 l Wassergas, 1 l Chlorwasserstoffglas, 1 / Ammoniakgas. Hieraus ergiebt sich, dass die Molekulargewichte des Sauerstoffs, Chlor- wasserstoffs, Wassers, Ammoniaks sich zu dem des Wasserstoffs genau ebenso verhalten, wie die spezifischen Gewichte der genannten Gase zu dem des Wasserstoffgases. Nämlich: Molekülformel Molekular-Gewicht spez. Gew. Wasserstoffgas (HH) 2 0,069 Sauerstoffgas (0 0) 32 1,100 Chlorwasserstoffgas (HCl) 36,5 1,250 Wassergas (H20) 18 0,620 Ammoniakgas (H3N) 17 0,590 Nun verhalten sich aber die Zahlen 32 : 2 wie 1,100 : 0,069, 18 : 2 wie 0,620 : 0,069 u. s. f., sodass, wenn wir das spez. Gew. des Wasserstoffs, statt desjenigen der atmosphärischen Luft, zur Einheit nehmen, die darauf- hin umgerechneten spez. Gew. der Gase mit deren Molekulargewichten geradezu übereinstimmen. Ein Gas ist um so viel schwerer als das Wasser- stoffgas, als sein Molekulargewicht dasjenige des Wasserstoffs (HH = 2) übertrifft. 4. Bei der Vereinigung zweier Elemente findet keine Verdichtung statt, wenn beide gleichwertig sind; ist aber das eine Element mehrwertig wie das andere, so tritt bei ihrer Verbindung Volumverminderung ein. Dieser Satz wird vom Experiment bewahrheitet. Vereinigt sich 1 Molekül Chlor mit 1 Molekül Wasserstoff, so entstehen daraus 2 Mole- küle Chlorwasserstoff, ohne Veränderung des Volumens; (HH) -f (C1C1) = (HCl) + (HCl). Verbindet sich aber 1 Molekül Sauerstoffgas mit 2 Molekülen Wasser- stoffgas, so entstehen 2 Moleküle Wassergas: (HH) + (HH) + (00) = (HaO) + (H20) Hier resultieren aus der Vereinigung von 3 Molekülen elementarer Stoffe nur 2 Moleküle der Verbindung; es findet mithin eine Volumver- minderung (Verdichtung, Kondensation) und zwar von 3 : 2 statt. 5. Werden solche Verbindungen, welche mehr als 2 Atome enthalten, in ihre Bestandteile zerlegt, so findet Volumvermehrung [Ausdehnung) statt. Zerlegt man Wassergas (H20) in seine beiden Bestandteile: Wasser- — 96 — stoff- und Sauerstoffgas, so liefern je 2 Volumina Wassergas 3 Gasvolumina (2 Volumina H und 1 Volumen 0) wobei also Ausdehnung von 2 : 3 eintritt. Ammoniakgas (NH3) dehnt sich bei seiner Zerlegung in Stickstoff und Wasserstoff aufs doppelte aus, indem 2 Volumina NH3 in 1 Volumen Stickstoff- und 3 Volumina Wasserstoffgas zerfallen: (NH3) + (NH3) = (NN) + (HH) + (HH) + (HH) 3, Die chemischen Verbindungen. § 85. Unterschied zwischen einer chemischen Verbindung und mecha- nischen Mischung. Vereinigt man zwei verschiedene Körper mit einander, so resultiert daraus entweder eine mechanische Mischung-, oder eine chemische Verbindung. Mischt man Schwefel mit Zucker, so erhält man ein Gemenge beider, verbrennt man Schwefel im Sauerstoff der Luft, so entseht eine chemische Ver- bindung, schwefligsaures Gas mit dem bekannten erstickenden Geruch. Worin beruht der Unterschied? In einem mechanischen Gemenge lassen sich die einzelnen Bestandteile durch unsere Sinne oder andere einfache Mittel äusserlich wahrnehmen. Obwohl eine feingepulverte Mischung aus Schwefel und Zucker wie ein einheitlicher Körper aussieht, lässt sie sich doch durch Wasser scheiden, welches den Zucker auflöst und den Schwefel zurücklässt. Unser Geschmacksorgan findet aus dem Gemenge den Zucker, unser Auge den Schwefel heraus. Anders verhält es sich mit dem schwefligsauren Gase, das wir durch Verbrennen des Schwefels an der Luft erhalten. Es ist ein völlig veränderter Körper, in welchem wir weder den Schwefel, noch den Sauerstoff wiederfinden. Bei der chemischen Vereinigung von Schwefel mit Sauerstoff ist ein ganz neuer Kör- per entstanden, ein farbloses, stechend riechendes Gas. 1. Eine chemische Verbindung unterscheidet sich von einer mecha- nischen Mischung zunächst dadurch, dass ihre Bestandteile die frühe- ren Eigenschaften eingebüsst haben und einen neuen Körper bilden. Ein zweiter Unterschied liegt darin , dass mechanische Ge- menge sich in allen Gewichtsverhältnissen anfertigen lassen, aber chemische Verbindungen stets an gewisse, bestimmte Gewichts- und Volumverhältnisse gebunden sind. Schwefel und Zucker können wir in beliebigen Mengen mischen; verbrennen wir aber Schwefel an der Luft, so vereinigt sich stets 1 Teil Schwefel mit 1 Teil Sauerstoffgas zu zwei Teilen schwefligsaurem Gase. War mehr Sauerstoff zugegen, so geht der Überschuss nicht mit in die Verbindung ein; genügt die Sauerstoffmenge nicht, so verbrennt der Schwefel nicht völlig. 2. Wenn sich zwei Elemente chemisch mit einander verbinden, so geschieht dies in fest bestimmten Verhältnissen. — 97 - Den Grund hierzu finden wir in der Thatsache, dass die Ele- mente sich nach Atomen verbinden. Beim Y erbrennen des Schwefels an der Luft vereinigt sich je 1 Atom Schwefel mit 2 Atomen Sauerstoff zu 1 Mol. schwefligsaurem Gase (S02). Der Schwefel hat das Atomgewicht 32, der Sauerstoff 16, also vereinigen sich stets 32 Gewichtsteile Schwefel mit 2 x 16 = 32 Teilen Sauerstoff, d. i. es verbinden sich gleiche Gewichtsteile Schwefel und Sauer- stoff zu schwefligsaurem Gase. Es können sich zwei Elemente auch in mehr als in einem Yerhältnisse vereinigen ; so bildet der Schwefel mit dem Sauer- stoff nicht nur die schweflige Säure , sondern auch einen sauer- stoffreicheren Körper, die Schwefelsäure. In letzterem verhält sich die Menge des Schwefels zu der des Sauerstoffs wie 1 : 1,5. Dal ton drückte dies durch folgendes Gesetz aus: 3. Verbinden sich zwei Elemente in mehr als in einem Verhält- nisse, so stellen die Gewichtsmengen der höheren Verbindungen Mul- tipla der niedrigsten dar. (Gesetz der multiplen Proportionen.) Ein schönes Beispiel hierzu liefert der Stickstoff, welcher mit dem Sauerstoff folgende fünf Yerbindungen eingeht: 28 Teile Stickstoff mit 1x16=16 Teilen Sauerstoff ,, „ ,, ,, ^Xlo = o2 ,, ,, „ „ ,, ,, oxlo = 4o ,, ,, ,, ,, ,, ,, 4xlo — b4 ,, „ ,, ,, ,, „ OXlb— ol) „ ,, Da nun das Atomgewicht des Stickstoffs = 14, das des Sauer- stoffs = 16 ist , so erhalten wir für obige Gewichtsverhältnisse folgende Atomverhältnisse : 2 At. N (2x14 = 28 Teile) + 1 At. 0 (=16 Teile) zu N20 ri ii ii » ii ~H 2 ,, ,, (=32 „ ) „ JNoU2 ii ii ii ii n+3 „ „ (=48 „ ) „ N2O3 „ „ „ „ „ + 4 „ „ (=64 „ ) „ N204 ii ii ii ii „ + 5 „ „ (-=80 „ ) „ N205 § 86. Wie unterscheidet man die Verbindungen? Nach ihrem physikalischen Charakter sind die chemischen Yerbindungen sehr von einander verschieden. Jedoch lassen sich aus ihrer grossen Zahl einige Gruppen herausheben, ausgezeichnet durch gemeinsane Eigenschaften sowohl physikalischer, wie chemischer Art. Dies sind : 1. Die Säuren. Eine Reihe von Yerbindungen saurer Natur; sie zeigen in dem Masse, wie sie sich in Wasser zu lösen vermögen , einen sauren Geschmack und mehr oder weniger ätzende Wirkung auf die Haut. Sie vermögen verschiedene Earbe- stoffe zu röten, vornehmlich das blaue Lackmus, die blauen Yeilchenblumen, den Saft der Kreuzdornbeeren; Kochenilletinktur färben sie gelbrot. Schlickum, Apothekerlehrling. 7 — 98 — Die Säuren besitzen sämtlich ein oder mehrere Atome Wasser- stoff, weicher sich leicht durch Metalle umtauschen lässt, wodurch Salze entstehen. Säuren nennt man solche Wasserstoff-Verbindungen, welche durch Aufnahme von Metall an Stelle des Wasserstoffs Salze bilden, Bsp. Die Verbindung des Chlors mit dem Wasserstoff, HCl, ist eine starke Säure, die sog. Salzsäure. Bringt man Zink mit derselben zusammen , so treibt dieses Metall den Wasserstoff gasförmig aus und erzeugt ein Salz, das Chlorzink. 2. Die Basen. Hierhin zählen Yerbindungen der Metalle mit Sauerstoff oder Schwefel. Sie zeichnen sich durch einen laugenhaften Geschmack aus, sofern sie sich in Wasser auf- zulösen vermögen, und machen dann die Haut schlüpfrig (ähnlich der Seife). Auf Farbstoffe wirken sie gerade den Säuren entgegen- gesetzt, stellen das von letzteren gerötete Lackmusblau wieder her, färben die Yeilchenblumen und den Saft der Kreuz- dornbeeren grün, den gelben Farbstoff der Kurkuma braun, Kochenilletinktur violett und Phenolphtaleinlösung intensiv rot. Mit den Säuren erzeugen die Basen Salze, indem sie zugleich Wasser oder Schwefelwasserstoff (aus dem Wasserstoff der Säure und dem Sauerstoff resp. Schwefel der Base) bilden. Basen nennt man Metallverbindungen des Sauerstoffs resp. Schtvefels , welche mit den Säuren Salze zu bilden vermögen, unter Abscheidung von Wasser resp. Schwefelwasserstoff. Zu den stärksten Basen zählt das Kaliumoxyd (K20) und Schwefelkalium (K2S), welche mit der Salzsäure (HCl) ein Salz das Chlorkalium (KCl) bilden, nebenbei Wasser resp. Schwefelwasser- stoff erzeugend aus dem Wasserstoff der Salzsäure und dem Sauer- stoff resp. Schwefel der Base. Basischen Charakter und die Fähig- keit, mit Säuren Salze zu bilden, besitzt auch das Ammoniak (NH3). 3. Die Salze. Sie entstehen durch »Sättigung« einer Säure mit einer Base d. i. durch Aufnahme von Metallatomen an Stelle des Wasserstoffs der Säuren. Die Salze bilden sich aus den Säuren durch Vertauschung ihres Wasserstoffs mit einem Metalle. Die in Wasser löslichen Salze zeichnen sich durch Krystalli- sierbarkeit und einen Salzgeschmack aus; die grosse Zahl der unlöslichen Salze entbehrt dieselben. Gegen Pflanz enfarben ver- halten sich die meisten Salze indifferent, d. i. sie besitzen neu- trale Reaktion. Ausnahmen hiervon bilden die Salze, welche aus schwachen Säuren, z. B. der Kohlensäure, mit sehr kräftigen Basen, z. B. von Kalium und Natrium, hervorgehen; diese Salze verhalten sich gegen Pflanzenfarben wie Basen, d. i. sie bläuen das gerötete Lackmus , röten Phenolphtalei'n u. s. f. Umgekehrt reagieren die Salze aus starken Säuren , wie die Schwefelsäure, und schwachen Basen , wie die Oxyde der Schwermetalle , sauer. — 99 - Verbindungen , welche weder zu den Säuren , noch zu den Basen und Salzen gehören, sind indifferente Körper. Versuche. 1. Man wäge genau 4 g Quecksilber und 5 g Jod ab und verreibe sie in einem Porzellanmörser, unter Befeuchten mit einigen Tropfen Weingeist, kräftig zusammen: es entsteht ein karminrotes Pulver, das rote Jod- quecksilber. Fügt man zu demselben nochmals 4 q Quecksilber und fährt mit dem Verreiben fort, so verwandelt sich das rote Pulver in ein grün- lichgelbes, in das gelbe Jodquecksilber. Das rote Jodquecksilber enthält 4 Teile Quecksilber auf 5 Teile Jod, das gelbe Jodquecksilber enthält 8 Teile Quecksilber, also die doppelte Menge, auf das gleiche Quantum Jod. 2. Man wäge 15 g offizinelle reine (30prozentige) Salpetersäure in ein Becherglas; ein Streifen blaues Lackmuspapier wird beim Eintauchen stark gerötet ; Kurkumapapier aber bleibt dabei unverändert. Ihr Geschmack ist scharf sauer. Andrerseits wäge man 2 g weissen, gebrannten Kalk, der durchs Lagern noch nicht mürbe geworden, sondern noch steinhart ist, bringe ihn in ein Porzellanschälchen und tröpfele 16 — 20 Tropfen Wasser darauf; in kurzer Zeit beginnt der Kalk zu rauchen und zerfällt unter Zischen zu einem lockeren, weissen Pulver. Man füge nun noch soviel Wasser hinzu, dass ein dünner Brei entsteht: taucht man einen Streifen rotes Lackmus- papier hinein, so bläut sich derselbe stark; Kurkumapapier färbt sich braun. Sein Geschmack ist scharf laugenhaft. Alsdann giebt man die abgewogene Säure portionenweise zu dem Kalk- brei, wodurch eine allmähliche Auflösung des gelöschten Kalkes unter starker Erwärmung erfolgt. Ist die Säure bis auf 2 — 3 g eingetragen, so tauche man nach jedem Zusätze rotes Lackmuspapier ein, um dessen Bläuung zu konstatieren. Wenn die Flüssigkeit klar geworden und das rote Lackmuspapier nicht mehr gebläut wird, tauche man blaues Lackmus- papier ein, welches nun auch unverändert bleiben muss. War der Kalk ganz rein, so wird das abgewogene Quantum der Salpetersäure zur Sättigung verbraucht werden. Die resultierende Flüssigkeit schmeckt stark salzig. Dampft man sie zur Trockne, so hinterlässt sie ein weisses Salz — salpetersauren Kalk — , dessen Gewicht gegen 6 g beträgt. 4, Die Konstitution der chemischen Verbindungen, § 87. Verbindungsgesetz. Im allgemeinen lässt sich der Satz aufstellen, dass sich die Elemente nach ihrer Yalenz mitein- ander vereinigen. Im Molekül müssen die verschiedenen Atome sich in gegenseitiger Bindung halten ; nur wenige chemische Ver- bindungen existieren, die hiervon eine Ausnahme machen und ungesättigte Verbindungen darstellen, z. B. das Kohlenoxydgas (CO). 1. Gleichwertige Elemente vereinigen sich zu je 1 Atom. Bsp.: Chlorwasserstoff (HCl); Jodkalium (KJ); Kalk (CaO). 2. Ungleichwertige Elemente vereinigen sich im umgehehrten Ver- hältnisse ihrer Valenz. — 100 — 1 zweiwertiges Atom verbindet sich mit 2 einwertigen Atomen. 1 dreiwertiges „ „ „ „ 3 „ „ 1 vierwertiges „ „ „ „ 4 „ „ Bsp.: Wasser (H20); Ammoniak (NH3); Kohlenwasserstoffgas (CH4) 2 dreiwertige Atome verbinden sich mit 3 zweiwertigen Atomen. 1 vierwertiges Atom verbindet sich mit 2 ,, „ Bsp.: Thonerde (A1203); Kohlensäure (C02). Arsenik (As203); Schwefelkohlenstoff (CS2). Charakteristik der Verbindungen nach ihren Bestandteilen, § 88. Die Verbindungen der Salzbildner. Zu den Salzbildnern zählen folgende einwertige .Nichtmetalle : Chlor, Brom, Jod, und Fluor. Sie zeichnen sich durch die beiden Eigenschaften aus: 1. Die Sahbildner vereinigen sich mit den Metallen zu Sahen (sog. Haloidsalzen). Im allgemeinen bezeichnet man die Verbindungen des Chlors als Chloride, die des Broms als Bromide, die des Jods als Jodide, die des Fluors als Fluoride. Metalle mit doppelter Valenz bilden zwei Reihen von Haloidsalzen ; die an Chlor, Brom, Jod, Fluor ärmeren Verbindungen werden dann als Chlorüre, Bromüre, Jodüre, Fluorüre unterschieden. Bsp.: Kaliumchlorid KCl Kaliumjodid KJ Calciumchlorid CaCl2 Calciumüuorid CaF2 Eisenchlorür FeCl2 Zinnchlorür SnCl2 Eisen chlorid Fe2Cl6*) Zinnchlorid SnCl4 Quecksilberchlorür Hg2Cl2**) Quecksilber) odür Hg2J2 Quecksilberchlorid HgCl0 Quecksilber Jodid HgJ0 Goldchlorid AuCl3 Platinchlorid PtCl4 In den Haloidsalzen enthält jedes Molekül soviel Atome des Salzbildners, als das Metallatom "Werte besitzt. 2. Die Salzbildner vereinigen sich mit dem Wasserstoff zu (gas- förmigen) Säuren. Chlorwasserstoffsäure (Salzsäuregas) HCl Bromwasserstoffsäure HBr Jodwasserstoffsäure HJ Fluorwasserstoffsäure (Flusssäure) HF § 89. Die Verbindungen des Sauerstoffs. Der Sauerstoff bildet mit den übrigen Elementen Oxyde. Dieselben sind nach der Valenz zusammengesetzt, indem das zweiwertige Sauerstoff- atom 2 einwertige resp. 1 zweiwertiges Element-Atom zu binden vermag. Mehrwertige Elemente beanspruchen mehr als 1 Sauer- stoffatom , und zwar vermag der Sauerstoff mit ein - und zwei- **) Hg — Cl Hg- Cl — 101 — wertigen Elementen, z. B. mit Chlor, Schwefel u. a., sich in mehr- fachen Verhältnissen zu verbinden, wobei man eine gegenseitige Bindung von Sauerstoffatomen, vielleicht auch eine Erhöhung der Yalenz des anderen Elementes annehmen muss. Es können nun folgende Fälle eintreten : 1. Der Sauerstoff ist nur mit 1 Elemente verbun- den — die Verbindung ist ein Oxyd. Bsp.: Wasserstoffoxyd (Wasser) H20*) Kaliumoxyd (Kali) K20 Natriumoxyd (Natron) Na20 Calciumoxyd (Kalk) CaÖ Zinkoxyd ZnO Aluminiurnoxyd (Thonerde) A1.,03**) Platinoxyd PtÖ2 Im Falle das mit dem Sauerstoff verbundene Element mehrere Werte hat und mithin mehrere Oxyde bildet, nennt man das sauerstoff- ärmere derselben 0 xy dul, das sauerstoffreichere Oxyd. Besitzt das betreffende Element ausserdem eine ungesättigte Sauerstoffverbin- dung , so heisst dieselbe S u b o x y d ; übersättigte Verbindungen heissen Superoxyde. Suboxyde und Superoxyde besitzen keine basischen resp. sauren Eigenschaften. Ausserdem bezeichnet man mehrfache Oxyde auch wohl mit der vorgesetzten Silbe prot-, di- (deut-), tri-, tetr-, pent-, je nach der Zahl der Sauerstoffatome. Bsp. Eisenoxydul FeO Schwefeldioxyd so,t) Eisenoxyd Fe,03 Schwefeltrioxyd so3tt) Quecksilberoxydul Hg9Ö***) Pbospbortrioxyd P2Q3 Quecksilberoxyd HgÖ Phospborpentoxyd p2o5 Zinnoxydul SnO Stickstofftrioxyd N203 Zinnoxyd Sn09 Stickstoffpentoxyd N205 Bleisuboxyd Pb,Ö Manganoxydul MnO Bleioxyd PbO Manganoxyd Mn203 Bleisuperoxyd PbO, Mangansuperoxyd Mn<% 2. Der Sauerstoff ist teilweise mit Wasserstoff, teil- weise mit einem anderen Element verbunden — die Ver- bindung ist bald eine Säure, bald eine B a s e , je nachdem das dritte Element einen elektronegativen (nichtmetallischen), oder einen elektro- positiven (metallischen) Charakter besitzt. Die hierhin gehörigen Körper lassen sich mithin als HO- Verbindungen, d. i. als Hydroxyde eines nichtmetallischen oder eines metallischen Elementes ansehen. 1. Die Sauerstoffsäuren sind Verbindungen des Sauerstoffs mit Wasserstoff und einem elektronegativen (nichtmetallischen) Elemente. Bildet ein Element mehrere Säuren, so nennt man die sauer- stoffärmere — ige oder Unter — säure, unter Umständen unter- — ige Säure, sehr sauerstoffreiche Säuren Über — Säuren. *) EL n **) A1=0 ***) Hg t) 0 ft) 0\ AL=0 Hg^ 0 ~ U/ 102 Unterchlorige Säure HCIO Chlorige Säure Chlorsäure Überchlorsäure *) HC102 = HCIO, = HCIO, = Schweflige Säure H2S03 = Schwefelsäure Phosphorige Säure Phosphorsäure **) H,S04 H3PO3 H3P04 = H \o Cl / u CIO/ u cioj u C103} ° SO /Ü2 SO, / Ui P f U3 PO / U3 Je nach dem Gehalte an Wasserstoffatomen bezeichnet man die Säure als ein-, zwei-, dreibasisch; so sind die Säuren des Chlors einbasisch, die des Schwefels zweibasisch, die des Phosphors dreibasisch. Die Säuren sind als die Verbindungen von 1, 2 oder 3 HO mit einem Nichtmetalle oder einer negativen Atomgruppe, d. i. als Hydro xy de derselben zu betrachten. 2. Die Sauer sto ff b äsen sind Verbindungen des Sauerstoffs mit Wasserstoff und einem eleJctropositiven (metallischen) Elemente. Man betrachtete früher diese Metallhydroxyde als Oxyd- hydrate, d. i. Verbindungen der Metalloxyde mit "Wasser, wie man auch die Säuren für Hydrate der Mchtmetalloxycle ansah, z. B. die Schwefelsäure (H2S04) für das Hydrat des Schwefeltrioxyds (der sog. wasserfreien Schwefelsäure) mit der Formel (S03 + H20). So nannte man das Calciumhydroxyd (Ca2H0) in gleicher Weise Kalkhydrat und gab ihm die Formel (CaO-f-H20). Solche Formeln widerstreiten aber den Anschauungen der Molekulartheorie , welche zwischen den einzelnen Atomen des Moleküls eine gleichmässige Bindung, jedoch keine Scheidung in ,,nähereu Bestandteile zulässt. Kaliumhydroxyd (Kalihydrat) KHO Ca2H0 = Calciumhydroxyd (Kalkhydrat) Aluminiumhydroxyd (Thonerdehydrat) ***) Al26HO % } o= *) H >0 Cl' _ Unterchlorige S. **) H Q (s-O)Gd H>u Schweflige S. H- u Kalmmhy dr oxy d (Cl— 0)>u (Cl— 0— 0)^u Chlorige S. Chlorsäure H— 0\ H— 0— P H— Of Phosphorige S H0N H (S- Schwefelsäure H Ca H >0 >0 Al,\ H6/ H^-o (Cl— 0— 0— 0) n-nf) (basisches ( salpetersaures Wismutoxyd). § 90. Die Verbindungen des Schwefels. Der Schwefel ist, gleich dem Sauerstoff, ein zweiwertiges Element, welches mit den übrigen Elementen sich zu Sulfiden verbindet, deren Zusammen- setzung den Oxyden entspricht. Folgende Gegenüberstellung diene zur Erläuterung: Oxyde Sulfide H.,0 Schwefelwasserstoff Kaliumsulfid Wasser Kaliumoxyd K?0 Calciumoxyd (Kalk) CaO Kohlendioxyd C02 Calcium sulfid Kohlensulfid H2S K2S CaS CS, — 105 — Die Elemente mit wechselnder Valenz bilden mehrere Sulfide, deren schwefelärmere als — ige Sulfide oder Sulfüre unter- schieden werden, z. B. Antimoniges Sulfid . . . Sb2S3 Antimonsulfid . . . Sb2S5 ( Antimo nsulfür) Arseniges Sulfid .... As2S3 Arsensulfid .... As2S5 (Arsensulfür) Zinnsulfür SnS Zinnsulfid .... SnS2 Den Hydroxyden (Oxydhydraten) entsprechen die Hydro- sulfide (Sulfhydrate), welche basischen Charakter tragen und Sulfobasen darstellen; z. B. Kaliumhydrosulfid K ( q Natriumhydrosulfid Na I „ (Kaliumsulfhydrat) | '" (Natriumsulfhydrat) H ) Den Sauerstoffsalzen entsprechen die Sulfosalze, Yer- bindungen basischer mit sauren Sulfiden, in denen der Schwefel teilweise mit einem positiven Metalle, teilweise mit einem Nicht- metalle oder negativen Metalle verbunden ist; z. B. Sauerstoffsalze Sulfosalze Kaliumkarbonat K2C03 Kaliumsulfokarbonat KCS3 (kohlensaures Kali) (kohlenschwefliges Schwefelkalium) Kaliumarsenit K3As03 Kalium sulfarsenit K3AsS3 (arsenigsaures Kali) (arsenigschwefliges Schwefelkalium). § 91. Verbindungen des Stickstoffs. Der Stickstoff bildet mit dem Wasserstoff verbunden das Ammoniak (NH3), ein Gas mit stechendem Geruch, stark basischen Eigenschaften und dem Ver- mögen , Säuren zu sättigen und mit ihnen krystallisierbare Salze zu erzeugen. Es löst sich reichlich in Wasser auf (Salmiakgeist). Die Sättigung der Säuren durch das Ammoniak vergleicht sich aber nicht mit der Sättigung der Säuren durch Metalloxyde; sie besteht nämlich nicht im Austausch des Wasserstoffs der Säure durch ein Metall, sondern in der Addition der Säure zum Am- moniak, indem das Wasserstoffatom der Säure zu den 3 Atomen H des Ammoniaks hinzutritt, damit ein einwertiges Radikal, das sog. Ammonium (NH4) bildet, dessen Bestehen aber ein hypothe- tisches ist. Somit entsteht aus dem Ammoniak und einer Säure das betreffende Salz des Ammoniums. Dieses letztere spielt mit- hin die Rolle eines Metalles. Das Ammoniak verbindet sich mit den Säuren zu Ammonium- salzen, in denen das Radikal (NH^) angenommen wird. 1. Ammoniak -f- Chlorwasserstoff = Chlorammonium NH3 + HCl (NH4)C1 — 106 — 2. Ammoniak -f- Salpetersäure = Ammoniunmitrat NH3 + HN03 = (NH4)N03 Mit Wasser bildet das Ammoniak Ammoniumoxydhydrat, mit Schwefelwasserstoff Ammoniumsulfhvdrat ; nämlich : NH3 + H20 = NH4 \ n NH3 + K>S = NH4 \ Q H /U H /b Das Ammonium ist kein für sich bestehender Körper, sondern ein einwertiger Atomenkomplex, der die Solle eines metal- lischen Elementes spielt und daher ein zusammengesetztes Eadikal genannt wird. Das Ammoniak verdankt die Fähigkeit , sich mit Säuren, "Wasser und Schwefelwasserstoff zu verbinden, der Eigenschaft des Stickstoffs, fünfwertig aufzutreten zu können. Wenn sich bei- spielsweise das Ammoniak, in welchem das Stickstoffatom drei- wertig ist, mit Chlorwasserstoff zu Chlorammonium*) vereinigt, so erhöht sich die Yalenz des Stickstoffs, zur Bindung von 4 Atomen Wasserstoff und 1 Atom Chlor. § 92. Verbindungen des Kohlenstoffs. Die Kohle ist ein vier- wertiges Element, dessen normale Wasserstoffverbindung das Grubengas oder Sumpfgas, auch leichtes Kohlen- wasserstoffgas genannt, mit der Formel (CH4) ist. Da in dieser Verbindung 1 Atom H durch Chlor , Brom , Jod , sowie andere einwertige Atomgruppen vertretbar ist, woraus Verbin- dungen eines zusammengesetzteu Radikals (CH3), des sog. Methyls, hervorgehen , bezeichnet man CH4 mit dem wissenschaftlichen Namen Methylwasserstoff oder Methan. Methylwasserstoff CH4 = (CH3)H Chlormethyl (CH3)C1 Methylhydroxyd (Holzgeist) (CH3)HO Durch gegenseitige Bindung von Kohlenatomen unter sich entsteht eine grosse Zahl von Kohleverbindungen und darin ent- haltenen Radikalen; die Kohlenatome sind meistens mit 1 oder 2 Valenzen kettenartig unter sich verbunden, seltener (wie im Benzol) zu einem geschlossenen Ringe. Äthylwasserstoff C9H6**) = (C2H5)H Äthylen (Olgas) C,H4***); Chloräthyl (C2H5)C1 Propylen C3H6 Äthylhydroxyd (Weingeist) (C2H5)HO Phenylwasserstoff (Benzol) C6H6t) = (C6H5)H Phenylhydroxyd (Phenol) (C6Hs)HO *) N= =H4 ^Cl **) C: I c = H3 ***\ C = II c = t) H- H ^C -c H = C ^C- -H H H — 107 - Hierhin gehören auch die organischen Säuren, Hydroxyde sauerstoffhaltiger Kohleradikale; z. B. Ameisensäure C H90., = (CHO)HO Essigsäure C2H4(X = (C,H30)HO Oxalsäure CoH,0T4 = (Cf,02)2HO Weinsäure C4H(t06 = (C4H4Ö4)2HO Citronensäure C6Hs07 = (C6H504)3HO Von besonderer Wichtigkeit ist das Cyan (CN) , die Ver- bindung von Kohle mit Stickstoff, welche als ein einwertiges Radikal die Rolle der Salzbildner (Chlor, Brom, Jod, Fluor) nach- ahmt und mit Wasserstoff, sowie mit den Metallen analoge Ver- bindungen, sog. Cyanide, schliesst; z. B. Cyanwasserstoffsäure (Blausäure) HCN*) Cyankalium KCN Durch Aufnahme von Schwefel geht das Cyan in Sulfocyan oder Rhodan (CISTS) über. Sulfo cyankalium (Rhodankalium) KONS. § 93. Isomerie. Man trifft nicht selten Verbindungen an, deren prozentische Zusammensetzung völlig gleich ist, obschon ihre physikalischen Eigenschaften gänzlich von einander abweichen. Solche Körper nennt man isomer,**) und das Sachverhältnis Isomerie. In der unorganischen Chemie giebt es solcher Fälle nur wenige, bei denen wir denn auch den Grund der Verschieden- heit in einem verschiedenen Krystallisationsverhältnis finden, z. B. die glasige (amorphe) und porzellanartige (krystallinische) arsenige Säure, das schwarze (amorphe) und rote (krystallisierte) Schwefel- quecksilber, das schwarze (krystallisierte) und orangerote Antimon- sulfür u. a. m. Bei den organischen Körpern treffen wir zahlreichere Fälle, bei denen wir keinen Grund für die äussere Verschieden- heit kennen; so sind z. B. Holzfaser (Cellulose), Stärke und Gummi isomere Verbindungen mit der Formel (C12H2001C). In häufigen Fällen lässt sich die Verschiedenheit organischer Körper bei gleicher Zusammensetzung in einer anderen Grup- pierung der Atome erkennen; solche Körper heissen metamer, und dieses Sach Verhältnis Metamerie. Bsp.: prozentische Formel rationelle Formel Methylessigäther C3H602 (CH3)C2H302 Äthylameisenäther C3H602 (C2H5)CHO, Wenn bei Elementen Verschiedenheiten in der äusseren Er- scheinung vorkommen, z. B. beim Phosphor, Schwefel, Kohlenstoff, so spricht man von allo tropischen***) Zuständen. *) isomer = aus gleichen Teilen zusammengesetzt, von hoc (gleich) und p'po; (Teil). **) P=N ***) ätiotrop = äXXoxpo-oc andersgeartet. — 108 - Die elektrochemische Theorie. Der berühmte schwedische Chemiker Berzelius hatte zu Anfang des 19. Jahrhunderts, gestützt auf die grossen Entdeckungen im Gebiete der galvanischen Elektrizität, namentlich auf die Elektrolyse und die zumal durch Davy so glücklich ausgeführte Isolierung der Alkalimetalle, seine sog. elektrochemische Theorie aufgestellt, welche er auf den elektri- schen Gegensatz der Elemente und Verbindungen gründete. Die Atome der Elemente glaubte er mit verschiedenen Mengen -f- E und — E beladen, so dass die einen vorwiegend positiv, die anderen mehr negativ elektrisch an- zusehen seien. Er teilte demgemäss die sämtlichen Elemente in zwei Gruppen: a) Elektropositive Elemente, welche bei der Elektrolyse am negativen Pole frei werden. Hierhin gehören die Mehrzahl der Metalle. Unter ihnen lässt sich folgende Spannungsreihe aufstellen, anhebend mit dem am stärksten posi- tiven Kalium: -(-E Kalium, Natrium, Calcium, Magnesium, Zink, Eisen, Blei, Kupfer, Silber, Gold — E. b) Elektronegative Elemente, welche bei der Elektrolyse am positiven Pole frei werden. Hierhin gehören die Nichtmetalle und einige Metalle. Ihre Span- nungsreihe lautet, anhebend mit dem am meisten negativen Sauerstoff: — E Sauerstoff, Chlor, Schwefel, Stickstoff, Phosphor, Arsen, Antimon, Wasserstoff, Kohle -|- E. Je elektronegativer ein Element, um so grösser ist seine chemische Verwandtschaft zu den elektropositiven Metallen; je positiver ein Metall, um so grösser seine Verwandtschaft zum Sauerstoff, Chlor, Schwefel. Da- her scheiden die Alkalimetalle (Kalium, Natrium) sämtliche Schwermetalle aus ihren Verbindungen, desgleichen der Sauerstoff den Schwefel. Denselben Gegensatz, wie ihn die Elemente bieten, fand Berzelius auch in ihren Verbindungen wieder. Er unterschied zwei besonders kräftig wirkende Gruppen nichtmetallischer, höchst elektronegativer Elemente: 1. Die Gruppe der Salzbiidner: Chlor, Brom, Jod und Fluor. Ihre Verbindungen mit Wasserstoff sind die sog. Wasserstoff- stoffsäuren, z. B. Chlorwasserstoff (Salzsäure), Brom-, Jod-, Fluorwasser- stoff (Flusssäure). Mit den Metallen bilden sie direkt Salze, z. B. Chlor- kalium, Chlornatrium, Fluorcalcium u. a. Diesen Salzen wohnt keine elektrische Spannung mehr inne, vielmehr sind sie als elektrisch neutrale Körper anzusehen. 2. Die Gruppe der Basenbildner: Sauerstoff und Schwefel (mit Selen und Tellur). Sie verbinden sich mit den elektronegativen Elementen (Nichtmetallen und wenigen Metallen, wie Antimon, Arsen) zu elektronegativen Oxyden und Sulfiden, sog. Säuren, z. B. Schwefelsäure, Salpetersäure, Phosphor- säure; mit den elektropositiven Elementen (Metallen) vereinigen sie sich zu elektropositiven Oxyden und Sulfiden, sog. Basen, z. B. Kali, Natron, Kalk, Schwefelkalium. Säuren und Basen vereinigen sich mit einander zu Sau er st off salzen resp. Schwefelsalzen, welche also zwei elektrisch entgegengesetzte Be- standteile aufweisen: eine Säure und eine Base. So besteht nach der elektrochemischen Theorie der Salpeter aus Salpetersäure und Kali, ist also salpetersaures Kali; der Eisenvitriol besteht aus Schwefelsäure und Eisen- oxydul, ist also schwefelsaures Eisenoxydul. Diese Bezeichnungsweise ist, wenngleich auf die neuere Anschauungsweise der Molekulartheorie nicht mehr passend, doch noch gangbar geblieben. - 109 — Dieser dualistischen Befrachtung entsprechen auch die von Berzelius eingeführten Formeln, welche die näheren Bestandteile, Base und Säure, dualistisch sondern. Der Eisenvitriol (FeS04) erhielt als schwefelsaures Bisenoxydul die Formel (FeO,SO;j), d. h. FeO = Eisenoxydul, S03 = Schwefelsäure. Die Typentheorie. Gegenüber der elektrochemischen Theorie vollzog sich nach der Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Wandlung der Ansichten über die Konstitution der chemischen Verbindungen, hauptsächlich durch den französischen Che- miker Gerhardt, den Schöpfer der sog. Typentheorie. Derselbe nahm für alle zusammengesetzten Körper einige einfache Verbindungen als Muster, Typen, an und stellte drei solcher Typen auf, denen man später einen vierten zugesellte. Diese Typen sind: 1. Der Chlorwasserstoff-Typus tt \ Durch Substituierung des Chlors mit den analogen Elementen Brom, Jod und Fluor erhält man die Säuren: Bromwasserstoff „ \ Jodwasserstoff T > Durch Substituierung des Wasserstoffs mit Metallen entstehen die Salze des Chlors, Broms, Jod, Fluors. Kl TT \ Kl Chlorkalium p, > Bromkalium R > Jodkalium T > Bei mehrwertigen Metallen ist ein mehrfacher Typus anzuwenden: Chlorcalcium ™ \ Fluorcalcium ^ \ 2. Der Wasser-Typus ^ | 0 Durch vollständige Substitution des Wasserstoffs mit einem anderen Elemente entstehen die Oxyde, z. B. K I ( Kaliumoxyd tt- > 0, Calciumoxyd (Kalk) Ca j 0 Durch teilweise Substitution des Wasserstoffs mit einem anderen Elemente entstehen die Oxydhydrate, welche bei eintretendem elektro- negativen Elemente (resp. Atomgruppe) Säuren, bei eintretendem positiven Elemente Basen vorstellen, z. B. TT | TT I Salpetersäure ,™ > 0 Kalihydrat tt}0 Schwefelsäure 03 Eisenoxydhydrat tt \ 03 Durch doppelte Substitution des Wasserstoffs einerseits mit einem negativen, andrerseits mit einem positiven Elemente (resp. Atomgruppe) entstehen die Sauerstoffsalze, z. B. Salpetersaures Kali ^^ > 0 Schwefelsaurer Kalk q^ > 02 Wird im Wassertypus der hinter der Klammer stehende Sauerstoff durch den ihm analogen Schwefel vertreten, so entsteht der TT I Nebentypus des Schwefelwasserstoffs tt > S, 110 — woraus in ähnlicher Weise die verschiedenen Schwefelverbindungen sich ableiten lassen, z. B. TT I i Schwefelkalium ^ J S Schwefelcalciurn Ca > S 3. Der Ammoniak-Typus N | H3 Wird der Wasserstoff durch Chlor, Brom, Jod vertreten, so entstehen die Stickstoffverbindungen dieser Elemente, z. B. Chlorstickstoff N \ Cl3 Jodstickstoff N } J3 Infolge Substitution des Stickstoffs durch Phosphor, Arsen, Antimon gehen die Wasserstoffverbindungen dieser Elemente hervor, z. B. Phosphorwasserstoff P I H3 Arsenwasserstoff As i H3 4. Der Kohlenwasserstoff-Typus C i H4 Durch Vertretung des Wasserstoffs entstehen daraus zahlreiche organische Körper, z. B. Chlormethyl C 1 ^f Aus dieser Typentheorie entwickelte sich die Lehre von der Valenz der Elemente, welche sie später verdrängte, da der Rahmen der 4 Typen zu enge wurde für die zahlreichen chemischen Verbindungen. Die Lehre von der Valenz ist aber ein Eckstein der jetzt geltenden Molekulartheorie. 5, Der chemische Prozess. § 94. Wie bilden sich chemische Verbindungen? Die erste Be- dingung zur Vereinigung zweier Elemente ist, dass sie Verwandt- schaft (Affinität) zu einander haben. Dieselbe Anziehungs- kraft, welche die Erde gegen die irdischen Körper als Schwerkraft (Attraktion) äussert, welche zwischen zwei sich berührenden Körpern als Adhäsion, zwischen den einzelnen Molekülen eines und desselben Körpers als Kohäsion sich äussert, tritt als chemische Affinität zwischen den Atomen verschiedener Elemente auf. Diese Affinität ist je nach der Wahl der Elemente von verschiedener Stärke, fehlt auch wohl gänzlich ; so vereinigt sich der Sauerstoff mit grosser Begierde mit Phosphor , Kalium u. a. , nur auf in- direktem Wege mit den edlen Metallen Silber, Gold, Platin, und gar nicht mit dem Fluor. Die zweite Bedingung zur Vereinigung ist eine möglichst innige Berührung, wie sie gewöhnlich nur im flüssigen und gasförmigen Zustande möglich wird. Daher der alte Lehrsatz: Corpora non agunt nisi fluida. — Nur flüssige Körper wirken aufeinander. Wir drücken diesen Satz jetzt in folgender Weise aus: Um einen chemischen Prozess eintreten zu lassen, muss wenigstens^ der eine Körper flüssig oder gasförmig sein. — 111 — Schwefel und Kohle können sich im gewöhnlichen Zustande nicht mit einander verbinden, da dies ihr fester Aggregatzustand verhindert ; leitet man aber Schwefeldampf durch glühende Kohlen, so verbinden sich beide Elemente mit einander und zwar je 64 Teile Schwefel (2 Atome) mit 12 Teilen Kohle (1 Atom) zu 76 Teilen Schwefelkohlenstoff (CS2). Ein anderes Beispiel bietet uns das bekannte Brausepulver, dessen Bestandteile nur dann auf einander wirken, wenn Wasser hinzukommt. Daher sind Erhitzen und Auflösen die vorzüglichsten und häufigst angeordneten Operationen in der Chemie ; durch Erhitzen bewirken wir einen feuerflüssigen, oft auch gasförmigen Zustand, durch Auflösen in gleicher Weise eine Verflüssigung. In den meisten Fällen besitzt die geschlossene Verbindung einen dichteren Aggregatzustand als ihre Bestandteile im Mittel haben; alsdann nimmt man bei der chemischen Vereinigung eine Erhitzung, d. i. das Freiwerden von Wärme wahr. So verbrennt der Phosphor leicht, unter starker Erhitzung, zu (fester) Phosphorsäure, deren Aggregatzustand dichter ist, als der des Phosphors und Sauerstoffgases. Den höchsten Hitzegrad erreicht die Verbrennung von Wasserstoffgas im Sauerstoffgase, wobei sich beide Gase zum (tropfbarflüssigen) Wasser vereinigen. In selteneren Fällen ist das Produkt flüchtiger resp. weniger dicht als seine Komponenten, wie wir beim (flüssigen) Schwefel- kohlenstoff sehen , der aus zwei festen Körpern , Schwefel und Kohle, gebildet wird; alsdann ist eine Zufuhr von Wärme nötig. § 95. Worin besteht der chemische Prozess? Bei jedem chemischen Prozesse werden neue Körper geschaffen. Die hierbei stattfindenden Vorgänge können sein : a) Vereinigung zweier Körper zu einem dritten; b) Umbildung zweier Körper in zwei neue Verbindungen. Der erste Vorgang besteht also in einer Addition zweier Stoffe zur Bildung eines neuen Körpers ; der zweite Vorgang be- steht im Umtausch der Bestandteile, wodurch aus zwei Körpern zwei andersgeartete Stoffe hervorgehen. Addition finden wir 1. bei der Vereinigung zweier Elemente zu einer Verbindung, 2. bei der Aufnahme eines Elementes in eine niedere Verbindung zur Erzielung einer höheren Verbindung. Bsp. : Wasserstoff und Chlor vereinigen sich zu Chlorwasser- stoff, Wasserstoff und Sauerstoff zu Wasser: (HH) + (C1C1) = 2 (HCl) 2(HH) + (00) = 2 (H20) Chlor wird von Eisenchlorür aufgenommen zum Eisenchlorid : 2(FeCl,) -j- (C1C1) = Fe2Cl6 — 112 - Ammoniak verbindet sich mit Chlorwasserstoff zu Chloram- monium : (NH3) + (HCl) = (NH4C1). Umtausch der Atome finden wir 1. bei der Zerlegung einer Verbindung durch ein Element — sog. Zersetzung durch ein- fache Wahlverwandtschaft; 2. bei der gegenseitigen Zerlegung zweier Verbindungen — sog. Zersetzung durch doppelte Wahl- verwandtschaft. Bei der Zersetzung durch einfache Wahlverwandtschaft wird die Verbindung AB durch das Element C zerlegt; es bildet sich die Verbindung AC und das Element B wird ausgeschieden. Chlor scheidet z. B. aus dem Jodkalium Jod aus und bildet Chlorkalium: KJ + Cl = KCl + J. Bei der Zerlegung durch doppelte Wahlverwandtschaft zer- setzen sich die Verbindungen AB und CD durch gegenseitigen Umtausch in die Verbindungen AC und BD. Eisensulfat und Kaliumkarbonat zerlegen sich gegenseitig in Eisenkarbonat und Kaliumsulfat : FeSO-4 + K2C03 == PeC03 + K2S04. Bei jedem chemischen Prozesse spielt die Valenz der Elemente eine wichtige Bolle , da sich in den Verbindungen die Element- atome in gegenseitiger Bindung halten und hierbei die Valenz derselben massgebend ist. Wenn sich daher zwei Elemente (durch Addition) mit einander vereinigen, so geschieht dies in äquivalenten Mengen: 1 Atom Chlor verbindet sich mit 1 Atom Wasserstoff zu 1 Molekül Chlorwasserstoff'; 1 Atom Sauerstoff verbindet sich mit 2 Atomen Wasserstoff zu 1 Mol. Wasser. Wenn zwei Körper gegen- seitig sich zersetzen , so tauschen sich ihre Atome gemäss ihrer Valenz um; so vermag 1 Atom Chlor an die Stelle von 1 Atom Jod zu treten, wenn es dasselbe aus dem Jodkalium frei macht; zerlegt sich ein Eisensalz gegen ein Kaliumsalz, so tauscht sich das zweiwertige Eisenatom gegen 2 einwertige Kaliumatome aus. Löst man Eisen in Chlorwasserstoffsäure auf, so scheidet 1 Atom Eisen 2 Atome Wasserstoff aus derselben aus: Fe + 2(HC1) == PeCl, + 2H. Die Hauptformen des chemischen Prozesses. 1. Die Elemente vereinigen sich bei der Verbrennung an der Lufl mit dem Sauerstoff derselben zu Oxyden. Entzündet man den Schwefel, den Phosphor, die Kohle, das Wasser- stoffgas an der Luft, so verbrennen sie zu Schwefeldioxyd (wasserfreie schweflige Säure), Phosphorpentoxyd (wasserfreie Phosphorsäure), Kohlen- dioxyd (wasserfreie Kohlensäure) resp. Wasser. S -f 20 = SO, C + 20 = C02 2P + 5 0 = P2Ö5 2H -|- O = H20 Die Metalle verbrennen in der Glühhitze zu Oxyden, mit Ausschluss — 113 — der edlen Metalle, welche nebst den Salzbildnern (Chlor, Brom, Jod, Fluor) nicht brennbar sind, d. i. nicht direkt mit Sauerstoff sich verbinden können. 2. Die Oxyde der nichtmelaUischen Elemente vereinigen sich unter geeigneten Umständen mit Wasser zu Säuren, die Oxyde der Metalle zu basischen Hydroxyden. Das Schwefeldioxyd verbindet sich mit Wasser zu schwefliger Säure, das Schwefeltrioxyd zu Schwefelsäure, das Phosphorpentoxyd zu Phos- phorsäure ; SO., + H.,0 = HoSOo SO3 + h.;o = h.;so4 P205 -\- 3H20 = 2(H3P04) Das Calciumoxyd verbindet sich mit Wasser unter Erhitzung zu Calciumhydroxyd (Kalkhydrat) : CaO + H20 = Ca2HO. In vielen anderen Fällen lassen sich die Säuren und Metallhydroxyde nicht durch direkte Vereinigung des entsprechenden Oxyds mit Wasser ge- winnen, sondern nur indirekt durch Zerlegung der Salz Verbindungen herstellen. Die Alkalimetalle haben eine so starke Verwandtschaft zum Sauer- stoff, dass sie sogar das Wasser zersetzen und den Wasserstoff frei machen ; das Produkt dieser Zersetzung ist das betreffende Hydroxyd: K -|- H20 = KHO + H. 3. Eine indirekte Oxyuation geschieht durch die Salpetersäure, welche sich dabei zu Stickstoff oxyd reduziert. Erhitzt man ein Element mit Salpetersäure (HN03), so oxydiert es sich, der Säure die Hälfte ihres Sauerstoffs entreissend und sie zu Stick- stoffoxyd (NO) reduzierend, welches dabei gasförmig entweicht. Die Salpeter- säure zerfällt in Wasser, Stickoxyd und Sauerstoff, letzteres oxydiert das Element: 2 (HNO3) = H20 -f 2 (NO) +3 0. So wird Schwefel zu Schwefelsäure, Phosphor zu Phosphorsäure, Antimon zu Antimonoxyd, nämlich: S + 2(HN03) = H.,S04 + 2 (NO) 2 Sb + 2 (HN03) = Sb203 + H20 + 2 (NO) Niedrigere Oxyde werden durch die Salpetersäure in ähnlicher Weise höher oxydiert, z. B. Eisenoxydul in Eisenoxyd übergeführt: 6FeO + 2HN03 = 3Fe203 -j- H20 -f 2 NO. 4. Erhitzt man die Oxyde mit Kohle, so geben sie an dieselbe ihren Sauerstoff ab und werden zu Elementen reduziert. In der Glühhitze reduziert die Kohle alle Oxyde, indem sie sich mit deren Sauerstoff zu Kohlenoxydgas (CO) resp. Kohlendioxydgas (C02) ver- bindet und als solches entweicht. Die Phosphorsäure liefert bei diesem Keduktionsprozesse Phosphor, das Kaliumoxyd metallisches Kalium, Eisen- oxyd metallisches Eisen, Zinkoxyd Zink u. s. f. K,0 + C = 2K -f CO ZnO + C = Zn + CO Fe203 + 2C = 2Fe CO + C02 P205 -f 3C = 2P -f 2C02 4 co- 5. Der Schwefel verbindet sich beim Zusammenschmelzen mit den meisten übrigen Elementen direkt zu Sulfiden. Schmilzt man Eisen mit Schwefel zusammen, so erhält man Schwefel- eisen, ebenso beim Antimon; Quecksilber verbindet sich schon beim an- haltenden Verreiben mit Schwefel zu schwarzem Schwefelquecksilber. Fe -f S = FeS 2Sb -f 3S = Sb2S3 Schlickum, Apothekerlehrling. 3 — 114 — Mit dem Kohlenstoff vereinigt sich der Schwefel in der Glühhitze zu Kohlensulfid (CS2) , einer stark lichtbrechenden Flüssigkeit. Mit dem Wasser- stoff verbindet sich der Schwefel nur indirekt zu Schwefelwasserstoffgas (H2S). 6. Die Sahbildner: Chlor, Brom, Jod, Fluor vereinigen sich mit den Metallen direkt zu Salzen (Haloid salzen). Das Chlor bildet beim Zusammentreffen mit Kalium und Natrium sofort Chlorkalium resp. Chlornatrium; das Jod verbindet sich, bei Gegen- wart von Wasser, direkt mit Zink, Eisen u. a. zu Jodzink, Jodeisen u. a., beim Verreiben mit Quecksilber bildet es, je nach der angewendeten Menge, gelbes Quecksilberjodür und rotes Quecksilberjodid: Fe-j-2J = FeJ2. 7. Die Säuren verbinden sich mit den basischen Oxyden zu Salzen, wobei zugleich Wasser entsteht. Die Sauerstoffsäuren sättigen sich mit den basischen Oxyden zu Sauerstoffsalzen und Wasser; z. B. die Salpetersäure mit Kalihydrat zu Kaliumnitrat Zinksulfat, und Wasser: KHO + HN03 = KN03 + H20 ZnO + H2S04 = ZnS04 + H20 Die Wasserstoffsäuren der Salzbildner sättigen sich mit den basischen Oxyden zu Haloidsalzen und Wasser; z. B. Chlorwasserstoffsäure (Salzsäure) mit Kalihydrat zu Chlorkalium, mit Zinkoxyd zu Chlorzink und Wasser: KHO + HCl = KCl -|- H,0 ZnO + 2HC1 = ZnCL, + H20 Hierbei tauscht sich das Metall des Oxyds mit dem Wasserstoff der Säure um. 8. Die Schwefelsäure, als die stärkste Säure, zerlegt die Salze der übrigen Säuren, unter Abscheidung der betreffenden Säure und Bildung eines schwefelsauren Salzes f Sulfates). Die Sauerstoffsalze und Haloidsalze werden von der Schwefelsäure zerlegt; das Metall des Salzes tritt an die Stelle des Wasserstoffs in die Schwefelsäure und bildet damit das entsprechende Sulfat, während durchEintritt des Wasserstoffs die andere Säure entsteht. Das Kaliumnitrat (Salpeter) ver- wandelt die Schwefelsäure in Kaliumsulfat und scheidet Salpetersäure aus : 2KN03 + H2S04 = 2HN03 + K.2S04 Das Chlornatrium bildet mit ihr Natriumsulfat und scheidet Chlor- wasserstoffsäure aus: 2NaCl -f H2S04 = 2 HCl -f Na2S04 Aus den kohlensauren Salzen, z. B. Calciumkarbonat, entwickelt die Schwefelsäure Kohlensäure Gas und bildet Calciumsulfat: CaC03 -f H2S04 = C02 4- CaS04 -f- H20 Die kohlensauren Salze werden in gleicher Weise auch von den anderen Säuren z. B. von Salpetersäure, Essigsäure, Weinsäure zersetzt, wobei das kohlensaure Gas unter Auf brausen entweicht. (Vgl. Brausepulver!) 9. Die Hydroxyde ( Oxydhydrale) der Alkalimetalle, als die stärksten Basen, zerlegen die Salze der übrigen Metalle, unter Abscheidung des be- treffenden Metallhydroxyds und Bildung des Alkalisalzes. Kaliumhydroxyd (Kalihydrat, Atzkali) scheidet aus dem Kupfersulfat Kupferhydroxyd (Kupferoxydhydrat) aus, unter Bildung von Kaliumsulfat: 2 KHO + CuS04 = Cu2HO + K2S04 Das Eisenchlorid zerlegt sich mit Kaliumhydroxyd in Chlorkalium und scheidet Eisenoxydhydrat ab: Fe2Cl6 + 6 KHO = 6 KCl 4- Fe2 6 HO. 10. Das Ammoniak vereinigt sich mit den Säuren zu Salzen, wobei kein Wasser entsteht. — 115 — Mit Chlorwasserstoff verbindet sich das Ammoniak zu Chlorammonium, mit Salpetersäure zu Ammoniumnitrat, mit Schwefelsäure zu Ammoniumsulfat: NH3 + HCl = NH4C1 NH3 + HN03 = NH4NO, 2NH3 + H2SÖ4 = (NH4)2S04 Ahnlich den Alkalihydroxyden scheidet das Ammoniak aus den Salzen der Schwermetalle deren Oxydhydrate aus, unter Bildung des be- treffenden Ammoniumsalzes; dabei nimmt Wasser Anteil an der Zersetzung: Fe2Cl6 -j- 6NH3 + 6H20 == Fe26HO -f- 6 NH4C1. 11. Die Schwefelmetalle lösen sich in Säuren auf, unter Knibindung von Schwefelwasserstoffgas und Bildimg eines Salzes der betreffenden Säure. Schwefeleisen löst sich in verdünnter Schwefelsäure, unter Entwick- lung von Schwefelwasserstoffgas, zu Eisensulfat auf, Schwefelantimon in gleicher Weise in Chlorwasserstoff zu Chlorantimon: FeS + H,S04 = H2S -j- FeS04 Sb2S3 _ -f 6HC1 = 3H2S + 2SbCl3 Hierbei findet ein gegenseitiger Umtausch des/ Metalles mit dem Wasserstoff der Säure statt. 12. Das Schwefelwasserstoffgas bildet mit den Metalloxyden Schwefel- metall (Sulfid) und Wasser. Leitet man Schwefelwasserstoffgas über QuecksilberoxjTl, so entsteht Schwefelquecksilber; in Kaliumhydroxyd eingeleitet, bildet es Kaliumsulfid resp. Kaliumsulf hydrat, je nach seiner Quantität: HgO + H2S = HgS + H>0 2KHO + H9S = K9S -j- 2H20 KHO -4- H^S = KHS -4- H20. Mit Ammoniak bildet der Schwefelwasserstoff in ähnlicher Weise Schwefelammonium resp. Ammoniumsulf hydrat: 2NH3 -j- H2S = (NH4)2S NH3 + H2S = NH4HS 13. Die den basischen Oxyden entsprechenden Schwefelmetalle (Sulfo- basen) verbinden sich mit den den Säuren entsprechenden Sulfiden (Sulfo- säuren) zu Salzen (Sulfo salzen). Zu den Sulfobasen zählen in erster Reihe die Sulfide der Alkali- metalle, z. B. Schwefelkaliurn, Schwefelnatrium; zu den Sulfosäuren ge- hören die Sulfide des Arsens, Antimons u. a. Das bekannteste Sulfosalz ist das Natriumsulfantimoniat (Na3SbS4), aus Natriumsulfid (Na2S) und Antimonsulfid (Sb.2S5) gebildet. Säuren zerlegen die Sulfosalze unter Ab- scheidung der Sulfosäure und Entbindung von Schwefelwasserstoffgas: 2Na3SbS4 + 6 HCl =; 6 NaCl -4- Sb2S5 + 3H2S 14. Zwei Salze zerlegen sich gegenseitig , unter Umtausch ihrer Metalle, wenn eine unlösliche Verbindung sich ausscheiden kann. Da die kohlensauren Salze der Schwermetalle, und alkalischen Erden in Wasser unlöslich sind, so werden sie ausgeschieden, wenn man die kohlensauren Alkalien (Kalium-, Natriumkarbonat) zu den Salzlösungen der Schwermetalle fügt; aus Natriumkarbonat und Kupfersulfat entstehen Natriumsulfat und Kupferkarbonat, ersteres bleibt in Lösung, letzteres scheidet sich aus: Na2C03 + CuS04 = _ Na2S04 -f CuC03 _ In ähnlicher Weise scheiden die kohlensauren Alkalien aus dem Kalkhydrat Calciumkarbonat aus und verwandeln sich dabei in Hydroxyde: Na2C03 -4- Ca 2 HO = CaC03 + 2NaHO. 8* 116 A. Unorganische Chemie. a) Nichtmetalle. 6. Die atmosphärische Luft und der Sauerstoff. §1,96. Woraus besteht die atmosphärische Luft? Die atmosphärische Luft ist ein permanentes Gas, ohne Geschmack, Geruch und Farbe; 1 l wiegt bei 0° nahezu 1,3 g. Sie ist ein Gemenge zweier Gase: des Sauerstoffs und des Stickstoffs. Zahl- reiche Untersuchungen haben ergeben, dass allenthalben die Gemengteile der Luft gleichmässig gemischt sind, sowohl in den tiefsten, wie in den höchsten Regionen. Man schloss früher hier- aus, dass die Luft eine chemische Verbindung beider Elemente sei ; aber hiergegen spricht nicht allein der Umstand , dass wir beim Atmen, durch Verbrennung u. a. m. ihr den Sauerstoff zu entziehen vermögen, sondern vorzugsweise auch die Thatsache, dass die vom Wasser aufgenommene Luft viel reicher ist an Sauer- stoffgas — für das Leben der Fische von grösster Bedeutung. Die allenthalben gleiche Mischung der Luft ist Folge der Diffusion der Gase, durch welche in kurzer Zeit zwei Gase, die man mit- einander in Berührung bringt, sich innigst mischen. Die atmosphärische Luft ist ein Gemenge von 21 Volumprozenten oder 23 Gewichtsprozenten Sauerstoff 79 „ 77 „ Stickstoff. Die Verschiedenheit der Zahlen für Volum- und Gewichts- prozente rührt daher, dass das Sauerstoffgas etwas schwerer ist als das Stickstoffgas. Ausser diesen beiden integrierenden Bestandteilen enthält die Luft stets etwas Kohlensäure (0,04—0,30%), sowie wechselnde Mengen Wasserdampf ('/2 — 1°/0) , weshalb hygroskopische Körper (wie die Pottasche) an der Luft allmählich feucht werden. § 97. Was ist die Verbrennung? Wird ein Körper an der Luft verbrannt, so verbindet er sich mit dem Sauerstoffgase derselben und zwar unter Licht- und Wärmentwicklung. Man nennt die Vereinigung mit Sauerstoff eine Oxydation, und das Produkt derselben , die Sauerstoffverbindung , ein Oxyd.*) Mithin lässt sich sagen: Die Verbrennung eines Körpers an der Luft ist eine feurige Oxydation. Früher betrachtete man das Feuer als eine höchst feine Materie, und noch im vorigen Jahrhundert (1730) stellte Stahl seine berühmte Theorie vom Phlogiston (von epXo£ Flamme) auf, welches ein brennbarer *) Oxyd von o?u? sauer. — 117 — Körper besässe und das er beim Verbrennen verliere; sei ein Körper ver- brannt, so sei er seines Phlogistons beraubt, depblogistisiert. (Hiernach spielte das Phlogiston die entgegengesetzte Rolle des Sauerstoffs). Erst die Entdeckung des Sauerstoffs durch Priestley (1774) und Lavoisiers Grundversuche brachen der jetzigen Wissenschaft Bahn. Lavoisier zeigte 1789 durch exakte Versuche , dass das rote Quecksilberoxyd beim Erhitzen in Quecksilber und Sauer- stoffgas zerfällt, welche zusammen genau soviel wiegen, wie das angewendete Quecksilberoxyd; ferner dass man, wenn das daraus gewonnene Metall abermals durch geeignete Mittel in Oxyd ver- wandelt wird, genau die ursprünglich angewendete Oxydmenge wieder erhält. Hierdurch hatte Lavoisier bewiesen, dass ein Körper beim Yerbrennen Sauerstoff aus der Luft aufnimmt und um dessen Gewicht schwerer wird. Wenn ein verbrennender Körper den festen Aggregatzustand bewahrt, wie z. B. die Kohle, so glüht er nur; ist er aber gas- förmig, wie das Wasserstoffgas, oder nimmt er in der Verbrennungs- hitze Dampfform an, wie der Phosphor und Schwefel, so brennt er mit Flamme, denn die Flamme ist brennendes (leuch- tendes) Gas. Die Lichtstärke einer Flamme hängt von der Menge der in ihr schwebenden glühenden festen Partikel ab; brennendes Wasserstoffgas, welches gar keine festen Stoffe enthält, leuchtet nur sehr schwach; auch die Weingeistflamme besitzt nur eine geringe Lichtstärke. Das Leuchtgas, die Flamme des Steinöls, der Kerzen, des Holzes u. a. scheiden in der Verbrennung feine Kohleteilchen ab, die sich an kalte, in die Flamme gehaltene Gegenstände als Russ ansetzen; diese aber leuchten in der Flamme stark und erteilen ihr hohe Helligkeit. Zur Entzündung ist eine gewisse Temperatur notwendig. Nur sehr wenige brennbare Körper entzünden sich in gewöhn- licher Temperatur an der Luft, wie das Phosphorwasserstoffgas. Die grosse Mehrzahl erfordert eine höhere Temperatur zur Ent- zündung. So gerät der Phosphor schon bei 60°, der Schwefel erst bei 300° von selbst in Entzündung. In der Mitteilung der hierzu nötigen Temperatur besteht das sog. Anzünden, schein- bar eine Übertragung der Flamme. — Je unverdünnter das Sauer- stoffgas ist, um so leichter und intensiver findet die Verbrennung statt; daher verbrennen die Körper im reinen Sauerstoffgase viel leuchtender als in der Luft. Nicht alle Oxydationen treten als Verbrennungen auf; es giebt auch langsame, nicht feurige Oxydationen, bei denen nur eine schwache Temperaturerhöhung wahrzunehmen ist. So zerfliesst der Phosphor beim Liegen an der Luft, sich lang- sam oxydierend. Organische Materien unterliegen bei der Ver- moderung und Verwesung einer allmählichen Oxydation und — 118 — verwandeln sich in Humus. Im allgemeinen sind die Produkte der langsamen Oxydation sauerstoffärmer als die der Yerbrennung. Mit Sauerstoff gesättigte Körper sind nicht mehr brennbar, wenn sie auch ihren Sauerstoff nicht durch Verbrennung erhalten haben, sondern durch indirekte oder langsame Oxydation. Nicht brennbar sind ferner: der Stickstoff, das Chlor, Brom, Jod, Fluor, sowie die edlen Metalle; sie vereinigen sich in keiner Temperatur direkt mit Sauerstoff. Indirekt kann man sie aber oxydieren (mit Ausschluss des Fluor). § 98. Wie gewinnt man reines Sauerstofigas '? Die verschiedenen Darstellungsmethoden des reinen Sauerstoffs gehen alle davon aus, dieses Element aus einem Oxyde auszutreiben ; man gewinnt das Sauerstoffgas: 1. Durch Glühen des roten Quecksilberoxyds (HgO), welches dabei in seine Bestandteile: Quecksilber und Sauerstoff, zerfällt; beide verflüchtigen sich, das Quecksilber ver- dichtet sich aber, während der Sauerstoff gasförmig bleibt. 2. Durch Glühen des Braunsteins. Derselbe ist Mangansuperoxyd (Mn02) und verliert in der Glühhitze den dritten Teil seines Sauerstoffs. Erhitzt man ihn mit Schwefel- säure, so verliert er die Hälfte seines Sauerstoffs, schwefelsaures Manganoxydul hinterlassend. 3. Durch Schmelzen des chlorsauren Kalis (KC103) welches bei fortgesetztem Erhitzen seinen ganzen Sauerstoffgehalt verliert und Chlorkalium (KCl) zurücklässt. Der reine Sauerstoff (Oxygenium*)) ist ein färb-, geruch- und geschmackloses Gas, etwas schwerer als die Luft (spez. Gew. 1,10). In ihm verbrennen selbst Körper, die an der Luft nur sehr schwierig zur Verbrennung gelangen. Er ist der Unterhalter des tierischen Lebens, insofern er beim Atmen vom Blute in den Lungen aufgenommen und zum Stoffwechsel benutzt wird. Der Stoffwechsel im Tierkörper ist im allgemeinen ein Oxydationsprozess. Atmosphärische Luft, welcher der Sauerstoff entzogen worden, ist weder zum Atmen dienlich, noch vermag sie die Verbrennung unterhalten. Es glückte den Chemikern Pictet zu Genf und Cailletet zu Paris, durch starken Druck (550 Atmosphären) bei grosser Kälte (- 140°) das Sauerstoffgas tropfbarflüssig zu machen (1877). Versuche. 1. Sauerstoffabsorption durch Verbrennung. (Fig. 39.) Man stürze eine Glasglocke vorsichtig über ein brennendes Kerzchen, welches in einer Schale auf Wasser schwimmt. Bald darauf brennt das Licht trübe und erlischt, beim Abkühlen steigt das Wasser innerhalb der *) Oxygeniurn, Säurebildner, von o?u? (sauer) und ysvvaw (erzeugen). 119 Fig. 40. Glocke empor, um den Raum des verzehrten Sauerstoffs einzunehmen. (Die Glocke muss geräumig sein; als Licht kann man ein Kerzchen oder Nachtlicht auf einer Nussschale oder dgl. benutzen.) 2. Sauer stoffabsorption durch Phosphor. Ein erbsengrosses Stückchen Phosphor bringe man in einen längeren Glascylinder, den man durch Ritzen mit Feuerstein oder angeklebte Papierstreifen in 5 gleiche Teile eingeteilt hat. Nachdem man darauf den Cylinder mit einem gut schliessenden Stopfen verschlossen, stelle man ihn einen Tag bei Seite. Um den Posphor nimmt man die Bildung weisser Nebel (phosphorige Säure) wahr. Schliesslich öffne man den Cylinder unter Wasser, die Mündung in dasselbe eintauchend; dann steigt das Wasser in den Cylinder hinein und füllt gerade den fünften Teil an, sofern man ihn so tief eintaucht, dass das Wasser innen und aussen gleichhoch steht. 3. Sauerstoffentbindung aus Quecksilber- oxyd (Fig. 40). In einem Probiercy linder erhitze man eine Messerspitze voll rotes Quecksilberosj^d über der Lampe, die Öffnung mit dem Daumen lose verschliessend. Führt man nach einer Weile ein glimmendes Holzspänehen in den Cylinder ein, so leuchtet es hell auf, bricht auch wohl in Flamme aus. Im oberen Röhrenteil nimmt man einen grauen Anflug feinster Quecksilberkügelchen wahr. 4. Sauerstoffentbindung aus chlorsaurem Kali. (Fig. 41). Etwa 10 Gramm chlorsaures Kali erhitze man in einem kleinen Kölbchen oder Retörtchen über der Gasflamme oder der Weingeist- lampe mit doppeltem Luftzug. Das Gefäss verbinde man durch einen luft- dichten Kautschuk- oder Korkstopfen, mit einer Glasröhre, deren anderes Ende in eine Wanne mit Wasser — sog. pneumatischeWanne — untertaucht. Sowie das chlorsaure Kali ge- schmolzen ist , stürze man über das Ende der Röhre einen mit Wasser voll angefüllten Glas- cylinder oder eine Flasche. (Man fülle das Gefäss zuerst mit Wasser bis zum Überlaufen, ver- schliesse es dann, kehre um und öffne es unter dem Wasserspiegel der Wanne). Das ent- ^ 41- wickelte Sauerstoffgas steigt in Blasen in das Glasgefäss und drängt das Wasser heraus. Ist es mit Gas angefüllt, so verschliesse man es noch unter Wasser und ersetze es durch ein anderes bereit gehaltenes, mit Wasser gefülltes Glas. Beim Nachlassen der Gasentbindung hebe man die Glasröhre aus dem Wasser heraus, bevor man die Lampe löscht, damit nicht das Wasser der Wanne in die Retorte zurücksteige. Der Salzrückstand lässt sich durch heisses Wasser entfernen. — 120 — Rascher und reichlicher geht die Grasentbindung von statten, wenn man das chlorsaure Kali mit gleichviel grobgepulvertem Braunstein ver- mischt anwendet. 5. Versuche mit dem Sauerstoffgase, a) Am Ende eines Drahtes führe man einen glimmenden Holzspan in ein mit Sauerstoffgas ge- fülltes Glas ein; er bricht in Flammen aus. Ein Stückchen Holzkohle verbreDnt mit starkem Glänze. — b) Einen spiralig gedrehten feinen Eisendraht versehe man mit etwas glimmendem Zunder und führe ihn in eine mit Sauerstoffgas gefüllte Flasche, deren Boden mit etwas Wasser bedeckt ist; das Eisen verbrennt mit heftigem Funkensprühen. — c) Ein linsengrosses Stückchen Phosphor führe man in einer kleinen eisernen Schale mit langem Drahte in Sauerstoff ein, nachdem man es durch Be- rühren mit einem heissen Drahte zuvor entzündet hat; der Phosphor ver- brennt mit ausgezeichnetem Glänze zu weissem Rauche (Phosphorsäure). Fragen und stöchiometrische Aufgaben. 1. Ist der Sauerstoff selbst brennbar? — Antw. Nein, er dient nur zur Verbrennung anderer Körper. 2. Wann erlischt ein brennender Körper? — Antw. Wenn ihm die Sauerstoffzufuhr entzogen oder er unter die zum Verbrennen erforder- liche Temperatur abgekühlt wird. 3. Wenn man einen Körper mit der Flamme eines anderen brennenden Körpers anzündet, empfängt er dann die Flamme desselben? — Antw. Nein, er empfängt nur die Erhitzung, die zu seiner Entzündung nötig ist. Hält man Papier in einen sehr heissen Raum, so entzündet es sich, ohne eine Flamme berührt zu haben. 4. Wie viel g Sauerstoffgas liefern 10 q Quecksilberoxyd bei voll- ständiger Zersetzung? — Antw. HgO = 216 (da Hg = 200, 0 = 16); 216 HgO liefern 16 0, also 10 g HgO Hefern 0,74 g 0. 5. Wieviel ccm Raum nimmt der aus 10 g Quecksilberoxyd ge- wonnene Sauerstoff ein, wenn 1 / dieses Gases 1,44 g wiegt? — Antw. 514 ccm, da 0,74 g Gas gewonnen werden. 7. Das Wasser und der Wasserstoff, § 99. Wie findet sich das Wasser in der Natur? Das Wasser ge- hört zu den am weitesten verbreiteten Stoffen in der Natur ; nicht allein dass es 2/3 der Erdoberfläche bedeckt, auch die Länder- komplexe sind vielfach mit Strömen, Flüssen und Bächen durch- zogen, und das Luftmeer enthält stets Wasserdampf und Wolken. Je nach Abstammung und Reinheit unterscheidet man: 1. Regenwasser, das reinste aller natürlich vorkommen- den Wässer, frei von Salzen, arm an Kohlensäure. 2. Quell- und Brunnenwasser, stets kohlensaure- und kalkhaltig. Der kohlensaure Kalk scheidet sich beim Kochen als Kesselstein oder Pfannenstein aus, da sein Lösungsmittel, die freie Kohlensäure, beim Sieden aus dem Wasser entweicht. Bei grösserem Kalkgehalt wird das Wasser hart, bei geringerem weich genannt; man unterscheidet es schon durch den Ge- schmack. Da hartes , kalk- und zumal gipshaltiges Wasser die — 121 — Seife zersetzt, erkennt man es leicht daran, dass ein kleiner Zu- satz von Seifenspiritus eine Trübung und Abscheidung von Kalk- seife hervorruft. Darum eignet sich hartes Wasser nicht zur Wäsche. Übelriechendes Wasser wird mittelst Filtration durch Kohle und Sand geruchlos gemacht. 3. Flusswasser, weniger reich an Kohlensäure und Kalk, als das Quellwasser, daher ein „weiches" Wasser, aber stets durch organische Moderstoffe verunreinigt. 4. Meerwasser, mit einem Gehalte von über 3°/0 Salzen, mit etwa 2% Chlornatrium (Kochsalz), ausserdem schwefelsaurer Magnesia (Bittersalz), deswegen von bitterlich salzigem Geschmack. 5. Mineralwasser, besondere Quellen, ausgezeichnet durch gewisse Salze, Kohlensäure u. a. — a) Kohlensäurereiche Wässer nennt man Säuerlinge, Sauerwasser: enthalten sie daneben kohlensaures Eisenoxydul, so heissen sie Eisensäuerlinge und setzen an ihren Abflüssen rostfarbiges Eisenoxydul ab. Säuerlinge mit kohlensaurem Natron sind alkalische Säuer- linge (wie das Selterser Wasser); führen sie schwefelsaures Natron oder Chlornatrium, so heissen sie salinische Säuer- linge (wie das Kissinger, Marienbader und Karlsbader Wasser); enthalten sie schwefelsaure Magnesia (Bittersalz), so besitzen sie einen bittersalzigen Geschmack und heissen Bitterwässer (z. B. das Hunyadi-Janos , Friedrichshaller Wasser), b) Mineral- wässer mit Schwefelwasserstoff riechen und schmecken nach faulen Eiern; man nennt sie Schwefel wässer (wie das Mineralwasser von Aachen, Teplitz, Warmbrunn u. a.) Chemisch reines Wasser wird, als destilliertes Wasser, Aqua destillata, durch Destillation des gemeinen Wassers ge- wonnen. Dasselbe ist färb-, geschmack- und geruchlos, und hinter- lässt beim Verdampfen keinen Kückstand. Das destillierte Wasser muss frei sein von Ammoniak (Quecksüber- chlorid trübt weiss), Chlornatrium (Silbernitrat trübt weiss), Kohlensäure (giebt weisse Trübung mit Kalkwasser). § 100. Wie ist das Wasser zusammengesetzt? Erst im Jahre 1800 glückte es,*) das Wasser direkt in seine chemischen Bestandteile zu zerlegen und zwar durch die Voltasche Säule. Leitet man nämlich den galvanischen Strom durch Wasser, indem man die beiden Pole mit Platinplättchen armiert und, wie Fig. 42 zeigt, gefüllte Glascylinder über sie stürzt, so entwickeln sich an ihnen zwei farblose Gase und zwar am negativen Pole stets die doppelte Volummenge wie am positiven Pole. Bei näherer Untersuchung dieser Gase stellt sich eine grosse Verschiedenheit zwischen ihnen *) Das Wasserstoffgas war schon im 16. Jahrhundert Paracelsus be- kannt und 1766 von Cavendish näher erforscht. - 122 heraus: Das am negativen Pole in doppelter Menge entwickelte Gas lässt sich entzünden und verbrennt mit schwach leuchtender Flamme — es ist Wasserstoffgas; das am positiven Pole entwickelte Gas brennt selbst nicht, erhöht aber das Brennen anderer Körper — es ist Säuerst off gas. 1. Das Wasser zerlegt sich durch den elektrischen Strom in zwei Volumteile Wassersto ff gasund einen Volumteil Sauerstoffgas. Da das "Wasserstoffgas 16 mal leichter ist als das Sauerstoffgas, so zerlegt sich das Wasser in 1 Ge- wicht steil Wasser stoffgas und 8 Gewichtsteile Säuer- st off gas. Was die Analyse des Wassers lehrt, bestätigt seine Synthese. Entzündet man Wasserstoffgas an der Luft, so verbrennt es zu Wasser, wovon man sich leicht überzeugt, wenn man eine kalte Glasplatte über die Flamme hält — sie beschlägt sich mit Wasser- dunst. 2. Ein Teil Wasserstoffgas liefert beim Verbrennen neun Teile Wasser. Entzündet man ein Gemenge aus 2 Volumteilen Wasserstoff- und 1 Volumteil Sauerstoff- gas, so entsteht Wasserdampf, welcher sich beim Abkühlen zur Fig. 42. Flüssigkeit verdichtet. Die Vereinigung beider Elemente ist aber mit so grosser Wärmeentbindung verbunden und eine so plötzliche, dass eine Verpuffung (Detonation) stattfindet, infolge deren Glas- gefässe zersprengt werden. Man nennt daher ein Gemenge von Wasserstoffgas mit Sauerstoffgas (oder auch atmosphärischer Luft) Knallgas. Vereinigt man aber beide Gase erst im Momente der Entzündung, indem man sie aus getrennten Behältern in eine feine Spitze leitet und anzündet, so nimmt die Verbrennung einen ruhigen Verlauf. Wegen der höchst intensiven , bis jetzt noch unübertroffenen Hitze" verwendet man dieses sog. Knallgas- gebläse zum Schmelzen von Platin und anderer äusserst schwerflüssiger Stoffe. Ein in die Flamme gehaltenes Stück Kreide — 123 — oder Kalk gerät in lebhaftes Glühen und dient (Drummonds Kalklicht) zur Beleuchtung grosser Mikroskope u. a. m. 3. Bas Wassermolekül besteht aus 2 Atomen Wasserstoff und 1 Atom Sauerstoff. Seine Formel ist daher H20. Wenn zwei Yolumteile Wasserstoffgas sich mit einem Voluin- teil Sauerstoffgas zu Wasser vereinigen, so entspricht dies den Gewichtsverhältnissen von 2 Wasserstoff und 16 Sauerstoff. Hieraus geht die Formel des Wassers (H20) hervor, da das Atomgewicht des Wasserstoffs = 1, das des Sauerstoffs == 16 ist.*) § 101. Wie gewinnt man reines Wasserstoffgas? Bringt man zum Wasser ein Element, welches grössere Verwandtschaft zum Sauer- stoff besitzt, als der Wasserstoff, so wird der letztere aus dem Wasser abgeschieden , und es bildet sich das Oxyd des andern Elements. Yor allem sind es die Alkalimetalle (Kalium, Natrium), welche das Wasser zersetzen; beim Kalium findet dabei eine solche Erhitzung statt, dass das entweichende Wasserstoffgas sich entzündet. In der Rotglühhitze vermag auch das Eisen Wasser- dampf zu zersetzen; leitet man solchen durch ein rotglühendes eisernes Rohr, so entweicht Wasserstoffgas, und das Rohr über- zieht sich mit Eisenoxyd. Die gewöhnliche Darstellungsweise des Wasserstoffs ist die Entbindung aus Zink und verdünnter Schwefelsäure, wobei das Zink sich in der Säure zu Zinksulfat auflöst. Die statt- findende Zersetzung lässt sich durch folgende Gleichung darstellen: Zn + HaS04 ZnS04 + 2H Zink Schwefelsäure Zinksulfat Wasserstoff. Statt des Zinkes kann man sich auch des Eisens bedienen. Das reine Wasserstoffgas (H.ydrogenium**)) ist ein ge- ruch-, geschmack- und farbloses, brennbares Gas und der leich- teste Körper (spez. Gew. = 0,069). Aus einer feinen Spitze ausströmend verbrennt es, angezündet, mit ruhiger, sehr heisser, aber schwach leuchtender Flamme ; mit Luft oder Sauerstoffgas gemengt (Knallgas) detoniert es beim Anzünden sehr heftig, da durch die starke Erhitzung und Gleichzeitigkeit der Vereinigung an allen Punkten eine plötzliche, gewaltsame Ausdehnung des gebildeten Wasserdampfes erfolgt. Durch starken Druck bei sehr grosser Kälte gelang es 1878, das Wasserstoffgas zu verflüssigen und teilweise fest zu machen (durch die eigene Verdunstung). *) In graphischer Darstellung ist die Formel des Wassers: H — 0 — H, in typischer Schreibweise tt } 0. Die ältere Formel des Wassers (die Aqui- valentformel, nach welcher 0 = 8) war: HO. **) Hydrogenium, Wasserbildner, von uowp (Wasser) und ysvvaw (erzeugen). 124 Versuche. 1. Wasserstoffentbindung aus Zink und Schwefelsäure. (Fig. 43). Man fülle ein Kölbchen halb mit verdünnter Schwefelsäure (5 Teile Wasser, in welche 1 Teil englischer Schwefelsäure langsam, in dünnem Strahle und unter Umschwenken eingegossen wird,) füge einige Schnitzel Zinkblech, Zinkstückchen oder Eisenfeile hinzu, und verschliesse es mit einem Kork oder Kautschukstopfen, durch welchen eine feine, enge, in eine feine Spitze auslaufende Glasröhre luftdicht geführt ist. Das entwickelte Wasser- stoffgas lasse man so lange entweichen, bis es alle Luft aus dem Gefässe verdrängt hat, dann erst entzünde man es. (Ein zu frühzeitiges Anzünden hat eine Zerschmetterung des Entwicklungsgefässes zur Folge; man warte daher etwas länger mit dem Entzünden.) Ein über die Flamme gehaltener Porzellandeckel beschlägt sich mit Wassertröpfchen. 2. Versuche mit dem Wasserstoffgas. a) Man halte über das ausströmende (nicht angezündete) Gas wenige Se- kunden einen umgekehrten Probiercylinder, damit er sich 1§' " zur Hälfte mit dem Gase fülle; nähert man ihn dann schnell einer Flamme, so entsteht ein schwacher Knall — infolge der Verpuffüng des im Cylinder entstandenen Knallgases. — b) Man halte über die Flamme des Gases einen LampencyKnder; es entsteht ein scharfer, gellender Ton, dessen Höhe zunimmt, je weiter man die Flamme im Cylinder hinaufrücken lässt. (Chemische Harmonika.) — c) Die Entwicklungsflasche versehe man mit einer nicht zu engen Glasröhre, in deren Ende ein Strohhalm einge- führt ist, dessen überstehenden Teil man in vier kurze Streifen zerschneide und sternförmig ausbreite. Betupft man diese Öffnung mit Tropfen gequirlten Seifenwassers, so entstehen mit Knallgas gefüllte Seifenblasen, welche bei Annäherung eines brennenden Fidibus mit schwachem Knalle detonieren. 3. Döbereinersche Zündmaschine. (Fig. 44.) Vor der Einführung der Streichzündhölzchen diente sie als Feuerzeug. Sie gründet sich auf die Entzündung von Wasserstoffgas durch Platinschwamm (schwammförmig lockeres Platin), welcher sich durch die Fähigkeit auszeichnet, in seinen Poren Gase zu verdichten. Die dabei eintretende Erhitzung — zu- folge der Verdichtung — entzündet das Wasserstoffgas. Die Zündmaschine besteht aus einem grösseren, gerad- wandigen Glasgefässe (a), an dessen Messingdeckel ein beiderseits offener Glascylinder (b) angekittet *ig. 44. -gj.^ worjn an einem Haken ein Stück Zink hängt. Im äusseren Gefässe befindet sich verdünnte Schwefelsäure, deren Zutritt zum Zink Wasserstoffgas im Cylinder entwickelt. Durch einen Druck auf die Feder e wird dem Gase ein Ausweg nach oben gegeben ; es strömt durch eine feine Öffnung des Deckels seitlich zum Platinschwamm in d, sich daran entzündend. Beim Nachlassen des Druckes auf die Feder schliesst sich die Öffnung wieder, das Gas sammelt sich im Cylinder und drückt die Säure nach unten, bis sie ausser Berührung mit dem Zink ge- kommen ist. Ein erneuter Druck auf die Feder setzt den ganzen Vorgang abermals in Aktion. Fragen und stöchioinetrische Aufgaben. 1. Woran erkennt man hartes Wasser? — Antw. Es trübt sich mit Seifenspiritus stark. — 125 — 2. Wie unterscheidet man Brunnenwasser von destilliertem oder Regenwasser? — Antw. Salpeter saures Silberoxyd trübt das Brunnenwasser wegen seines Kochsalzgehaltes, nicht aber das destillierte oder Regenwasser. ^ 3. Wie muss man einen mit Wasserstofferas gefüllten Glascylinder halten, damit das Gas nicht entweiche? — Antw. Mit der Öffnung nach unten, da das Gas 14 mal leichter ist als die Luft. 4. Wieviel g Wasserstoffgas und Sauerstoffgas liefert 1 g Wasser bei der galvanischen Zersetzung? — Antw. H.,0 = 18 zerfällt in 2H = 2 und 0 = 16; mithin zerlallt 1 g H20 in 0,11 g H und 0,89 g 0. 5. Wieviel ccm betragen beide Gase, wenn 1 l Sauerstoffgas 1,44 g. \1 Wasserstoffgas 0,09 g wiegt? — Antw. H = 1222 ccm. 0 = 618 ccm. 6. Wieviel Wasser liefert 1 / Wasserstoffgas bei der Verbrennung? - Antw. 1 / H wiegt 0,09 g; 2 H : H,0 oder 2 : 18 = 0,09 : x; x = 0,81 g, 8, Der Schwefel. § 102. Eigenschaften des Schwefels. Der Schwefel (Sulfur), ein altbekanntes, nichtmetallisches Element, kann in drei Formen (allotropischen Zuständen) auftreten: a) Als gewöhnlicher Schwefel (S a), in hellgelben rhombischen Oktaedern kristallisiert, doppelt so schwer als das Wasser, bei 111° zu einer blassgelben, dünnen Flüssigkeit schmelzend, bei 420° siedend, nicht in Wasser, Weingeist, leicht in Schwefelkohlenstoff löslich. 6) Lässt man geschmolzenen Schwefel ruhig erkalten, so krystallisiert er (als S ß) in gelben, schiefen rhombischen Säulen, welche ein etwas geringeres spezifisches Gewicht haben als der oktaedrische Schwefel. Er geht mit der Zeit allmählich in letzteren über. c) Als amorpher Schwrefel (Sy), eine zähe, braune Masse, worin sich der geschmolzene Schwefel verwandelt, wenn man ihn bis 260 ° erhitzt. Beim Erkalten geht er allmählich in S ß über und wird wieder gelb ; kühlt man ihn aber plötzlich ab (durch Eingiessen in kaltes Wasser), so bewahrt er seine zähe Be- schaffenheit und braune Farbe. Er ist gelöst in Oleum Lini sulfuratum. Schwefelkohlenstoff nimmt ihn nicht auf. § 103. Wie gewinnt man den Schwefel? Ein sehr bedeutender Teil des Schwefels findet sich gediegen in der Natur, zumal in Sizilien*), als Produkt früherer vulkanischer Thätigkeit. Er wird daselbst in gusseisernen Kesseln oder Schachtöfen geschmolzen, von den sich absetzenden erdigen Yerunreinigungen abgeschöpft und als Rohschwefel in den Handel gebracht. Seine weitere *) Die reichsten Schwefellager finden sich auf Sizilien in der Gegend von Girgenti; die Insel führt jährlich anderthalb Millionen Centner Schwefel aus. — 126 — Reinigung geschieht durch Sublimation aus gusseisernen Kesseln, aus welchen sein Dampf in grosse gemauerte Kammern geleitet wird, an deren Wänden er sich dann als Schwefel- blumen ansetzt. Bei fortgesetztem Betriebe erwärmen sich die Wände, der sublimierte Schwefel schmilzt und wird in hölzerne Formen gegossen — Stangenschwefel. Man gewinnt den Schwefel bei uns häufig aus dem Schwefel- kies, einem Mineral, welches aus einem Atom Eisen und zwei Atomen Schwefel besteht (FeS2) und in Böhmen, Schlesien u. a. 0. in grossen Massen gefunden wird. Der Schwefelkies giebt beim Erhitzen die Hälfte seines Schwefels ab und reduziert sich zu FeS. Man nimmt die Operation gewöhnlich in Thonröhren vor, die in einem Ofen liegen und in einen eisernen Kasten mit Wasser einmünden, worin der Schwefeldampf sich verdichtet. Im Schwefel- kies findet sich häufig Arsen (als Arsenkies), dann zeigen die daraus gewonnenen Schwefelblumen einen Arsengehalt ; in geringen Mengen ist der in Schweden vorkommende Schwefelkies von Selen begleitet. Das Selen ist ein metallglänzendes, schwärzliches, in fein- verteiltem Zustande rotes, seltenes Nichtmetall, das sich in seinen Eigenschaften und chemischem Verhalten dem Schwefel enge anschliesst. § 104. Wie reinigt man den Schwefel zum medizinischen Gebrauch? Die käuflichen Schwefelblumen, Sulfur suhlimatum (Flores Sulfuris) sind durchgängig mit anhaftender Schwefelsäure ver- unreinigt, daher von schwach säuerlichem Geschmack und Lack- muspapier rötend; zuweilen enthalten sie auch etwas Arsen. Zum innerlichen Gebrauche reinigt man sie durch Abwaschen mit Wasser; um etwa vorhandenes Schwefelarsen zu entfernen, digeriert man sie zuvor mit verdünntem Salmiakgeist, worin sich jenes löst. Das ausgewaschene und getrocknete Präparat ist der gereinigte Schwefel, Sulfur depuratuni (Sulfur lotum), von den gewöhnlichen Schwefelblumen durch völlige Trockenheit, neutrale Eeaktion und Geschmacklosigkeit unterschieden. Prüfung wie beim präzipitierten Schwefel (vgl. § 106). § 105. Chemisches Verhalten des Schwefels. Die grosse Mehrzahl der Elemente vermag sich mit dem Schwefel direkt zu Sulfiden zu vereinigen. Phosphor, Jod, die Metalle lassen sich mit ihm zusammenschmelzen, wobei zuweilen Feuererscheinung eintritt. So verbrennt feingewalztes Kupferblech im Schwefeldampf mit grossem Glänze zu Schwefelkupfer — also eine Verbrennung ohne Sauerstoff! Eisenfeile erglüht in schmelzendem Schwefel zu Schwefeleisen. Die gewöhnliche Methode der Gewinnung von Schwefel- — 127 — alkalien ist, Schwefel und Ätzalkali zusammen zu kochen oder zu schmelzen. Beim Zusammenschmelzen kann man auch die kohlensauren Alkalien anwenden, da in der höheren Tem- peratur der geschmolzene Schwefel die Kohlensäure austreibt. Je nach der angewendeten Schwefelmenge erhalten wir ein höheres oder niedrigeres Sulfid. Da aber das Alkalimetall mit Sauerstoff verbunden ist, so entsteht neben dem Sulfide auch ein Alkalisalz der unterschwefligen Säure resp. Schwefelsäure, denn der Schwefel vermag den Sauerstoff wohl in eine andere Verbindung zu bringen, nicht aber auszutreiben. Der Schwefel bildet in der Schmelzhitze mit den Alkalien ein Mehr fach- Schwefelkali neben unterschivef 'ligsaurem , in der Gühhitze neben schwefelsaurem Alkali. a) Kocht man Schwefel mit Kalkmilch (gelöschtem, mit Wasser angerührtem Kalk), so erhält man Mehrfach-Schwefelcalciuui und unterschwefligsauren Kalk. CaO CaO CaO + 12 8 = Ca S.2 03 + CaS5 CaSä Kalk Schwefel unterschwef ligsaurer Fünffach- Kalk Schwefelcalcium b) Schmilzt man Schwefel mit kohlensaurem Kali (K2C03) zusammen, so entweicht kohlensaures Gas (C02), und das Kali (K2 0) bildet Mehrfach-Schwefelkalium neben schwefelsaurem Kali. Solche zusammengeschmolzene Gemenge von Schwefelalkalien nennt man, da sie in der Hitze eine leberbraune Farbe besitzen, Schwefelleber (Hepar Sulfuris). Eine eigene Darstellung der Alkalisulfide gründet sich, auf die Ent- sauerstofiung (Reduktion) der schwefelsauren Alkalien durch Glühen mit Kohle. Letztere nimmt allen Sauerstoff an sich und entweicht, je nach der Menge der Kohle, als Kohlendioxyd (C02) oder Kohlenoxyd (CO) gasförmig, Schwelelmetall zurücklassend. K2S04 -j- 2 C = K2S + 2 C02 schwefelsaures Kali Kohle Kaliumsulfid Kohlenoxyd. Durch Kohle reduziert sich das schwefelsaure Natron zu Natrium- sulfid, der schwefelsaure Kalk zu Galciumsulfid, der schwefelsaure Baryt zu Baryumsulfid. Wird ein Üherschuss an Kohle angewendet, so bleibt das Schwefelmetall mit Kohle gemengt als sog. Pyrophor zurück, mit der Eigenschaft, sich an der Kuft von selbst zu entzünden. § 106. Was ist die Schwefelmilch? Wenn man die Lösung eines Mehrfach-Schwefelalkalis durch eine Säure zersetzt, so wird Schwefel gefällt, während das Alkalisalz der Säure in Lösung bleibt und Schwefelwasserstoffgas entweicht; aller Schwefel, der mehr vorhanden ist, als im einfachen Sulfide, wird mit weisslichgelber Farbe, in feinstverteiltem Zustande, als sogenannte Schwefelmilch (Lac Sulfuris) präzipitiert. - 128 — I)ie Supersulfide der Metalle scheiden bei der Zersetzung mit Säuren Schwefel ab. Zur Darstellung des offizinellen präzipitierten Schwefels, Sulfur praecipitatam, wird der Schwefel mit Kalkmilch bis zur Auflösung gekocht und zur Flüssigkeit, welche neben unter- schwefligsaurem Kalke Calciumquintisulfid enthält so viel Chlor- wasserstoffsäure hinzugefügt, dass nur das Calciumquintisulfid zur Zersetzung gelangt. Es entweicht dabei Schwefelwasserstoffgas, und 4 Atome Schwefel fallen von jedem Molekül CaS5 nieder. CaS5 + 2 H Cl =. Ca Cl2 + H2 S -f- 4 S Calciumquinti- Chlorwasser- Chlorcalcium Schwefel- Schwefel- sulfid. Stoff Wasserstoff. milch. Der Schwefel wird wohl ausgewaschen und getrocknet. Die Schwefelmilch unterscheidet sich durch die hellere Farbe und grössere Feinheit von den Schwefelblumen. Prüfung: Der präcipitierte Schwefel darf blaues Lackmuspapier nicht röten {Schwefelsäure), auch an Ammoniak kein Arsen abgeben, welches nach Ansäuern mit Chlorwasserstoff sich als gelbes Schwefelarsen wieder ausscheiden würde ; war das Arsen als arsenige Säure im Schwefel, so entsteht in dem übersäuerten ammoniakalischen Auszuge erst auf Zusatz von Schwefel- wasserstoffwasser ein gelber Niederschlag von Schwefelarsen. (Das Schwefel- arsen ist zwar in Ammoniak löslich, nicht aber in sauren Flüssigkeiten.) Beim Verbrennen darf der Schwefel keinen Rückstand {erdige Beimengungen) hinterlassen. § 107. Wie entsteht der Schwefelwasserstoff? Der Schwefel- wasserstoff (H2S)*) ist ein Gas mit dem Geruch nach faulen Eiern, angezündet mit blauer Flamme zu Wasser und Schwefel- oxyd verbrennend , etwas schwerer als die Luft , nicht atembar und in Wasser löslich. Die wässerige Lösung, Schwefel- wasserstoffwasser, Aqua hydrosulfurata, besitzt den Geruch des Gases und schwach saure Reaktion. Man verwendet dasselbe sehr häufig als Reagens zur Ermittlung von Schwer- metallen, die es aus ihrer Lösung als Schwefelmetalle ausscheidet; man muss es aber in wohlverschlossenen Gefässen aufbewahren, am besten in liegenden oder umgewendeten Gläsern , da es aus der Luft begierig Sauerstoff anzieht, seinen Geruch allmählich verliert und (weisslichen) Schwefel absetzt. Die Oxydation beschränkt sich hierbei auf den Wasserstoff. (H2S + 0 == H20 + S.) Das Schwefelwasserstoffgas entsteht nicht durch direkte Ver- einigung der beiden Elemente, sondern nur bei der Zerlegung eines Schwefelmetalles durch eine Säure. Dabei verbindet sich der Schwefel mit dem Wasserstoff der Säure, während das Metall an dessen Stelle in die Säure eintritt. *) Die ältere Formel war HS, da das Atomgewicht von S = 16 an- genommen wurde. — 129 — Die Schwefelmetalle werden durch Säuren zersetzt; es entsteht ein Sah der Satire und Schwefelwasserstoff gas entweicht. Eisensulfid (Einfach-Schwefeleisen) löst sich in verdünnter Schwefelsäure zu schwefelsaurem Eisenoxydul , unter Schwefel- wasserstoffentbindung, auf. Nämlich: FeS + H2S04 FeS04 + H2S Schwefeleisen Schwefelsäure schwefelsaures Schwefel- Eisenoxydul Wasserstoff. § 108. Wie verhält sich der Schwefelwasserstoff zu den Metalloxyden? Mit den Metalloxyden bildet der Schwefelwasserstoff Schwefel- metall und "Wasser, indem sich der Schwefel mit dem Metalle, der "Wasserstoff mit dem Sauerstoff des Oxydes vereinigt. Man kann auf trocknem, wie auf nassem "Wege verfahren. Leitet man Schwefelwasserstoffgas über Antimonoxyd, Kupferoxyd, Zinkoxyd u. dgl., so gehen sie in die entsprechenden Sulfide über. Nämlich: Sb203 H- 3H2S = SbaSafc.rj- 3H20 Antimonoxyd Schwefel- Schwefelantimon Wasser. Wasserstoff Leitet man Schwefelwasserstoffgas in Kalilauge, so entsteht Schwefelkalium , bei fortgesetztem Einleiten Kaliumhydrosulfid, nämlich : I. 2KHO + H2S = K2S + 2H20 Kaliumhydroxyd Kaliumsulfid Wasser. IL KaS + H2S = 2KHS Kaliumsulfid Schwefelwasserstoff Kaliumhydrosulfid. Leitet man Schwefelwasserstoff in die Lösungen der Schwer- metalle, so scheiden sich nur solche Schwefelmetalle aus, welche in verdünnten Säuren unlöslich sind, da bei der Umsetzung von H2S mit den Salzen neben dem Schwefelmetall freie Säure ent- steht. Daher können die Eisensalze durch Schwefelwasserstoff nicht zerlegt, werden, weil die frei werdende Säure das Schwefeleisen so- fort wieder auflösen würde ; Kupfer-, Blei-, Silber-, Quecksilber- salze scheiden aber Schwefelmetalle ab. CuS04 + H2S == CuS + H02S4 schwefelsaures Schwefel- Schwefel- Schwefelsäure. Kupferoxyd Wasserstoff Kupfer Fügt man zu schwefelsaurem Eisenoxydul aber ein Schwefel - alkali, so entsteht schwefelsaures Alkali, und Schwefeleisen scheidet sich zufolge doppelter "Wahlverwandtschaft ab. Man verwendet daher das Schwefelwasserstoffwasser als allgemeines Reagens auf die Schwermetalle. Es scheidet die Sulfide aus ihren Salzlösungen, und zwar: 1. aus saurer Lösung 2. aus neutraler od. alkal. Lösung schwarz gelb orange schwarz fleischfarbig weiss Blei Arsen Antimon Eisen Mangan Zink Kupfer Zinn Kobalt Wismut Kadmium Nickel die Edelmetalle Schlickum, Apothekerlehrimg. - 130 — Versuche. Versuche mit dem Schwefel, a) Man schmelze in einem Glas- kölbchen über der Weingeistflamme etwas Schwefel; die anfangs hellgelbe und dünne Flüssigkeit wird bald braun und zähe, sodass man das Gefäss umwenden kann, ohne dass sie ausfliesst. Siedet der Schwefel, so wird man den Kolbeninhalt mit einem dunkelgelben Dampfe erfüllt und den Kolbenhals innen mit einem feinen gelben Anflug (sublimiertem Schwefel) bedeckt sehen. — b) Schüttelt man in einem Glase einige g Schwefelkohlen- stoff mit einer Messerspitze Schwefelblumen, giesst die klare Lösung in eine Porzellanschale und lässt sie an freier Luft verdunsten, so bleibt ein Haufen- werk kleinster Schwefel- Oktaeder zurück. — c) Einen kleinen Porzellan - tiegel fülle man nahezu mit Schwefelblumen an, erhitze ihn bedeckt über der Lampe, bis der Schwefel völlig geschmolzen ist, lasse ihn dann langsam erkalten und durchsteche die Oberfläche, sobald sie erhärtet ist, mit einem Glasstabe, worauf man das noch flüssige Innere ausgiesst. Die Innenwände des Tiegels zeigen sich dann mit gelben, säulenförmigen Krystallen (S ß) bekleidet. Praktische Übungen. 1. Bereitung von Schwefeleisen. In einer eisernen Pfanne erhitze man ein inniges Gemenge von 3 Teilen Eisenpulver mit 2 Teilen Schwefelblumen. Sobald der Schwefel völlig geschmolzen ist, beginnt die ganze Masse von einem Punkte aus zu erglühen; alsdann entferne man die Lampe und bedecke die Pfanne. Die aus Schwefeleisen bestehende Masse steche man noch heiss mit dem Spatel los und bringe sie erkaltet in ein Glasgefäss. 2. Darstellung des Schwefelwasserstoffwassers (Fig. 45). In eine weithalsige Glasflasche (A) bringe man etwa 20 g grobgepulvertes Schwefeleisen und 100 g Wasser, verschliesse sie mit einem Kork (resp. Kautschukstopfen), durch welchen luftdicht eine Trichterröhre (D), sowie das Ende einer rechtwinklig gebogenen Glas- röhre (c) geführt ist, deren anderes Ende in ein etwa 1 Pfd. ausgekochtes und wieder ab- gekühltes Wasser enthaltendes Glas (B) hinab- reicht. Ist die ganze Vorrichtung zusammen- gesetzt, so giesse man 20 g engl. Schwefelsäure durch die Trichterröhre, worauf die Gasent- wicklung beginnt. Wegen der Belästigung, die das nicht absorbierte Schwefelwasserstoffgas in der Umgebung bereitet, nehme man die Operation im Freien vor. Man schüttele häufig das Auffanggefäss (B), mit dem Daumen ver- schliessend, kräftig um, damit das über dem Wasser befindliche Gas zur Absorption gelange. Ob das Wasser gesättigt sei, nimmt man daran wahr, dass nachsolchem Umschütteln derDaumen nicht mehr eingezogen wird. Aus der im Entwicklungsgef äss restierenden Flüssigkeit krystallisiert schwefelsaures Eisenoxydul (Eisenvitriol) in blau- grünen Krystallen aus. 3. Versuche mit dem Schwefelwasserstoff. Man löse folgende Salze, jedes für sich, in kleinen Mengen in destilliertem Wasser auf: essig- saures Bleioxyd, schwefelsaures Kupferoxyd, Brechweinstein, schwefelsaures Zmkoxyd und schwefelsaures Eisenoxydul. Zu jeder Lösung setze man Schwefelwasserstoffwasser; in den beiden ersten Salzen nimmt man dann — 131 — einen schwarzen Niederschlag (Schwefelblei, Schwefelkupfer) wahr, die übrigen Lösungen bleiben klar. Fügt man nun zum Brechweinstein etwas verdünnte Schwefelsäure, so fällt orangerotes Schwefelantimon; setzt man zur Zink- und Eisenlösung Kalilauge, so scheidet erstere weisses Schwefel- zink, letztere schwarzes Schwefeleisen aus. Stöchiometrische Aufgaben. a) Wieviel g Schwefelwasserstofi'gas liefern 20 g Schwefeleisen? b) Wieviel / betragen sie, wenn ein l des Gases 1,55 g wiegt? c) Wieviel Wasser kann man damit sättigen, wenn letzteres sein 2I/o- faches Volum Gas verschluckt? Antw. d) FeS : H.,S = 88 : 34; also 88 : 34 = 20 : x; x = 7,72 q. 7 79 b) * =. '-Tf. = h l — c) x = 2 kg. 1,55 9, Die Schwefelsäure. § 109. Die Sauerstofi'verbindungen des Schwefels. Beim Verbrennen bildet der Schwefel das Schwefeldioxyd (S02) , ein farbloses Gas von sehr stechendem Gerüche, das zweimal so schwer als die Luft, in der Kälte flüssig ist und vom Wasser begierig verschluckt wird. Diese wässerige Lösung enthält nun schweflige Säure, in die das Schwefeldioxydgas bei seinem Zusammentreffen mit Wasser übergegangen ist. Daher nennt man auch wohl das Gas wasserfreie schweflige Säure. S02 + H2 0 = H2 S03 Schweleldioxyd Wasser schweflige Säure. Die Auflösung der schwefligen Säure besitzt saure Eigen- schaften , riecht wie das Gas und verbindet sich mit basischen Oxyden zu schwefelsauren Salzen, Sulfiten. Man benutzt die schweflige Säure zum Bleichen von Strohgeflechten, Gespinsten u. dgl., da sie sich mit vielen Farbestoffen verbindet. An der Luft verliert die wässerige Lösung der schwefligen Säure allmählich ihren Geruch, indem sie Sauerstoff aufnimmt und sich in Schwefelsäure (H2S04) verwandelt. H2S03 + 0 = H2S04. Ausser diesen beiden Säuren giebt es noch fünf andere Säuren des Schwefels, in denen zwei bis fünf Atome Schwefel enthalten sind : Unterschweflige Säure (dithionige Säure) . H2S203 Unterschwefelsäure (Dithionsäure) .... H2S206 Trithionsäure . H2S306 Tetrathionsäure H2S406 Pentathionsäure H2S506 Die wichtigste dieser letzteren Säuren ist die unterschwef- lige Säure, welche nur in Salz verbin düngen (Hypo Sulfiten oder Th io Sulfaten) , nicht aber isoliert bekannt ist. Zerlegt man nämlich die unterschwefligsauren Salze durch eine stärkere 9* 132 Säure, so zerfällt die unterschwellige Säure im Momente des Frei- werdens in schweflige Säure und abscheidenden Schwefel. H2S203 = H2S03 + S. § 110. Wie gewinnt man die Schwefelsäure? In früherer Zeit gewann man die Schwefelsäure aus dem Eisenvitriol (schwefel- saurem Eisenoxydul). Dieses Salz liess man verwittern , um das Krystallwasser zu entfernen , röstete es, um das Eisenoxydulsalz durch Sauerstoffaufnahme aus der Luft in Oxydsalz überzuführen (da dieses sich leichter zersetzt als jenes) und glühte es in eisernen Betorten. Schwefelsäure destilliert über und rotes Eisenoxyd bleibt in der Retorte zurück, als Totenkopf (Colcothar, caput mortuum) ein gebräuchliches Farbmittel. Diese aus dem Vitriol dargestellte Schwefelsäure , das sog. Vitriolöl (Oleum Yitrioli), auch Nordhäuser Schwefel- säure genannt (wegen der ersten Fabrikation in Nordhausen), ist Acidum sulfuricum fumans, eine bräunliche, ölig flies- sende Flüssigkeit, mit dem spez. Gew. 1,90. Sie enthält wasser- freie Schwefelsäure (Schwefeltrioxyd S03) aufgelöst, welche bei gelindem Erhitzen abdestilliert werden kann und eine weisse, schneeähnliche, mit Wasser stark zischende Masse darstellt. Fig. 46. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts führte man, zuerst in England, die Darstellung der Schwefelsäure aus Schwefel ein. Die Bildung derselben gründet sich auf die Oxydation der schwef- ligen Säure durch Untersalpetersäure (N02), welche zu Stickoxyd (NO) reduciert wird, nach folgender Gleichung: H9S0, L2kJV/3 schweflige Säure NO., = H9S0< Schwefelsäure + —2 Untersalpeter- säure. Bedingung dazu ist Gegenwart von "Wasser, den Durchschnitt einer Schwefelsäurefabrik. NO Stickoxyd. Fig. 46 giebt Man verbrennt - 133 — im Ofen a den Schwefel, leitet das S 0^ durch das Rohr b in die Bleikammer c und d, worin es sich mit Wasserdampf mischt und zu schwefliger Säure wird. In d fliesst aus y Salpetersäure in staffeiförmig gestellte Gefässe z herab und wird sofort zu Unter- salpetersäure reduziert. Das Gasgemenge aus schwefliger und Untersalpetersäure tritt nun in die Bleikammern e, f, g, wohin aus dem Kessel o durch die Röhren r, t, u Wasserdampf einströmt. Hier geht die Oxydation der schwefligen Säure durch die Unter- salpetersäure von statten. Durch Zufuhr atmosphärischer Luft wird das entstandene Stickoxydgas sofort wieder zu Untersalpeter- säure (NO + 0 = NOo), sodass neue Mengen schwefliger Säure in Schwefelsäure übergeführt werden können. Bei fortgesetzter Zuleitung frischer Luft, Wasserdampf und schwefliger Säure unter- hält eine beschränkte Menge Untersalpetersäure den ganzen Pro- zess ununterbrochen, den aus der Luft ausgenommenen Sauerstoff auf die schweflige Säure übertragend. I. NO + 0 = N02 StickBtoffoxyd Sauerstoff Untersalpetersäure. IL H2S03 + N02 = H2S04 -f NO schweflige Säure Untersalpetersäure Schwefelsäure Stickoxyd. Die in den Kammern sich ansammelnde Schwefelsäure wird in Bleipfannen, später in Platingefässen eingedampft, bis Schwefel- säuredämpfe zu entweichen beginnen. Diese Säure ist Acidum snlfuricum crudum, gewöhnlich englische Schwefelsäure genannt, ein farbloses, ölig füessendes, schweres Liquidum vom spec. Gew. 1,83, welches stets etwas schwefelsaures Bleioxyd, häufig auch Salpetersäure und , im Falle arsenhaltiger Schwefel benutzt wurde, arsenige Säure (Arsenik) enthält. Beim Verdünnen mit Wasser oder Weingeist wird das Bleisalz als weisses Pulver abgeschieden, weil dieses in der verdünnten Säure nicht löslich ist. Durch Rektifikation aus Glasretorten reinigt man die englische Schwefelsäure, wobei das Bleisalz zurückbleibt und die Salpeter- säure, zu Anfang übergehend, durch Wechseln der Vorlage ent- fernt wird. Die so gewonnene reine Schwefelsäure, Acidum snlfuricum (purum), hat das spez. Gew. ],840, während die rohe Säure etwas wasserhaltig und leichter ist. Bei 0° erstarrt sie. § 111. Eigenschaften der Schwefelsäure. Die Schwefelsäure ist eine stark ätzende, giftige, geruch- und farblose, organische Materien (z. B. Zucker, Kork) unter Schwärzung (Verkohlung) zerstörende Flüssigkeit, die man in Flaschen mit Glasstopfen aufbewahrt. Sie siedet bei 326° in weissen Dämpfen. An der Luft verdunstet sie nicht, sondern zieht begierig den Wasserdampf derselben an , ihr Volumen dabei stark vermehrend und sich verdünnend ; überhaupt ist die Säure ausgezeichnet durch ihre hygroskopischen Eigen- schaften , dient daher häufig zum Austrocknen von Gasen oder — 134 — anderer feuchter Körper ; jene leitet man über mit Schwefelsäure befeuchtete Bimsstein stücke , diese stellt man unter einer Glas- glocke einige Zeit neben ein Glas mit Schwefelsäure auf. Erhitzt man die Schwefelsäure mit Metallen oder Kohle, so giebt sie an dieselben Sauerstoff ab und reduziert sich zu Schwefel- dioxydgas. Es beruht darauf eine bequeme Darstellung des- selben, indem man englische Schwefelsäure in einer Retorte mit Holzkohlenstückchen erhitzt und die entweichenden Gase — Schwefel- dioxyd und Kohlendioxyd (Kohlensäuregas) — in Wasser leitet; ersteres wird davon verschluckt, letzteres entweicht: 2H2S04 + C = 2S0a + C02 + 2H20 Schwefelsäure Kohle Schwefeldioxyd Kohlendioxyd Wasser. Mit Wasser mischt sich die Schwefelsäure, unter starker Er- hitzung zu einem zweiten Hydrate (H2S04 + 2H20) sich ver- dichtend. Da es gefährlich ist , Wasser einer grösseren Säure- menge zuzumischen, so merke man sich die Regel: Bei der Verdünnung der Schwefelsäure ist stets die Säure in Meinen Portionen dem Wasser, aber niemals timgeJcehrt das Wasser der Säure zuzusetzen ! Mit der fünffachen Menge Wassers vermischt, bildet die Schwefelsäure die officinelle verdünnte Schwefelsäure, Acidum sulfuricura dilutum. Die Schwefelsäure ist die stärkste Säure in gewöhnlicher Temperatur. Sie bildet meist lösliche Salze (Sulfate); durch Schwerlöslichkeit ausgezeichnet sind ihre Yerbindungen mit Baryt, Strontian, Kalk und Bleioxyd. Der schwefelsaure Kalk findet sich als Gips vielfach in der Natur vor. Erkennung der Schwefelsäure. Auf der Unlöslichkeit des schwefel- sauren Baryts beruht die Erkennung der Schwefelsäure. Man benutzt daher die Barytsalze, namentlich den salpetersauren Baryt, um sowohl die freie Säure, als ihre Salze nachzuweisen; sie rufen einen weissen Niederschlag (schwefelsauren Baryt) hervor, der sich weder in Wasser, noch in Säuren auflöst. Prüfung der Schwefelsäure: Sie darf sich mit Weingeist nicht trüben (weisser Bodensatz: Bleisulfat), in wässeriger Verdünnung Kalium- permanganat nicht entfärben (schweflige Säure), weder durch Schwefelwasser- stoff sich verändern (schwärzliche Trübung: Bleisulfat), noch durch Silber- nitrat (weiss: Chlorwasserstoff), noch, nach Übersättigung mit Ammoniak, durch Schwefelammonium (schwarz: Eisen); sie darf beim Überschichten mit Eisenvitriollösung keine braune Mittelzone bi\äeTa.(Salpetersäure), schliess- lich muss sie mit Zink ein Wasserstoffgas entwickeln, welches konz. Silber- lösung nicht gelb oder schwarz färben darf (Arsen, vgl. beim Arsen!). Praktische Übungen. 1. Acidum sulfuricum dilutum. In 5 Teile Wasser tröpfle man, unter Abkühlung des Mischgefässes und Umrühren mit einem Glasstabe, 1 Teil konzentr. Schwefelsäure. Die Mischung erhitzt sich sehr merklich. Grössere — 135 — Mengen mische man, indem man die Säure langsam durch einen Trichter ein- tropfen lässt, der durch einen passenden Glasstab nahezu verstopft wurde. 2. Mixtura sulfurica acida. In derselben Weise werde 1 Teil konzentr. Schwefelsäure in 3 Teile Weingeist getröpfelt; es erfolgt eben- falls eine starke Erhitzung. Fragen und stöchioinetrische Aufgaben. 1. (i) Wieviel schwefligsaures Gas liefert 1 kg Schwefel beim Ver- brennen? b) Wieviel /beträgt dasselbe, wenn 1 /des Gases 2,75 g wiegt? — Antw. a) S : SO., = 32 : 64; also x = 2 kg. b) 2,75 : 2000 = 1 : x; x = 727 /. 2. Wieviel Schwefelsäure liefert ein kg Schwefel? — Antw. S : H2S04 = 32 : 98; also x = 3 kg. 3. Wodurch erkennt man die verdünnte Schwefelsäure? — Antw. Dadurch, dass eine Lösung von salpetersaurem Baryt einen weissen Nieder- schlag in ihr hervorruft. 10. Der Stickstoff und die Salpetersäure. § 112. Der Stickstofi'. Der Stickstoff (NU rogeniu m*)) ist ein färb- , geruch- und geschmackloses Gas , welches weder für sich brennbar, noch imstande ist, die Verbrennung anderer Körper zu unterhalten (daher sein Name.) Er macht 77% der atmo- sphärischen Luft aus, als deren Bestandteil er zuerst von Priestley und Scheele 1774 erkannt wurde (»verdorbene Luft«). Er zählte bisher zu den permanenten Gasen, jedoch gelang es in neuester Zeit, unter Anwendung hohen Druckes (200 Atmosphären), gleich- zeitig bei starker Kälte ( — 300°), den Stickstoff tropfbarflüssig zu machen. Um den Stickstoff darzustellen , entzieht man einem abge- schlossenen Quantum atmosphärischer Luft den Sauerstoff, was durch Phosphor, rotglühendes Kupfer u. a. geschehen kann. Reines Stickgas gewinnt man durch Erhitzen des salpetrigsauren Ammoniaks (Ammoniumnitrit, NH4N02), welches dabei in Wasser und Stickstoff zerfällt, NB^NOa = 2H20 = 2N Ammoniumnitrit Wasser Stickstoff. In chemischer Beziehung zeichnet sich der Stickstoff durch grosse Passivität aus; er verbindet sich direkt mit keinem anderen Elemente, ist auch in keiner Temperatur brennbar. Bemerkens- wert ist die Erzeugung geringer Mengen Ammoniumnitrits (sal- petrigsauren Ammoniaks) in der atmosphärischen Luft nach starken Blitzschlägen. (Dasselbe bildet sich aus dem Stickstoff und den Elementen des Wassers.) Jedoch spielt der Stickstoff in den organischen Körpern eine grosse Rolle, da er von den zum Leben wichtigsten Materien einen nötigen Bestandteil ausmacht. Beim *) Nitrogenium von nitrum (vixpov), Salpeter. — 136 — Faulen und Verwesen dieser organischen Stoffe entsteht die Wasser- stoffverbindung des Stickstoffs, das Ammoniak (NH3), welches in seinem Verhalten dergestalt den Alkalien sich anscbliesst, dass man es „flüchtiges Alkali" genannt hat. (Es findet daher auch bei den Alkalien seine nähere Erörterung.) In seinen chemischen Verbindungen zeigt sich der Stickstoff vorzugsweise als drei- und fünfwertiges Element. Im Am- moniak tritt er dreiwertig, in den Ammoniumverbindungen fünf- wertig auf. Mit dem Sauerstoff bildet er indirekt 5 Oxyde und 2 Säuren, nämlich: N.,0 NO N.,03 Salpetrige Säure HNO., NÖo N.2Ö5 Salpetersäure HN03 Stick(stofl')oxydul Stick(stofi)oxyd Stickstofftrioxyd Stickstofftetroxyd Stickstoffpentoxyd §113. Die Salpetersäure. Die Salpetersäure (HN03*)) kommt in der Natur nicht frei, aber vielfach in Salz verbin düngen vor — Nitrate. In der Nähe der Düngergruben bildet sich durch langsame Oxydation des von denselben ausdünstenden Ammoniak- gases (NH3) an kalkhaltigen Mauern salpetersaurer Kalk (Calcium- nitrat) als sog. Mauersalpeter. In analoger Weise findet sich das salpetersaure Kali, gewöhnlich Salpeter (Nitrum) genannt, in Ost- indien, und das salpetersaure Natron, der Chilisalpeter, in den westlichen Küstenländern Südamerikas. Fig. 47. Darstellung der Salpetersäure. Man stellt die Salpetersäure aus dem Salpeter durch Destillation mit Schwefelsäure dar. Im Grossen führt man diese Destillation in Glasretorten aus, die — wie Fig. 47 zeigt — in einem sog. Galeerenofen im Sand- bade , oder in gusseisernen Cy lindern mit Thonröhren stehen, welche die Dämnfe der Säure zur Verdichtung in Glasballons *) Die ältere Formel der Salpetersäure war: (HO,N05)0=8. — 137 — oder Steinzeuggefässe leiten. Gewöhnlich wendet man, um eine zu grosse Erhitzung zu vermeiden, so viel Schwefelsäure an, dass saures schwefelsaures Kali (Kaliumbisulfat) im Rückstande bleibt. Nämlich : KN03 4- H2S04 = KHS04 + HN03 Kaliumnitrat Schwefelsäure Kaliumbisulf'at Salpetersäure. Das Destillat ist die rohe Salpetersäure, Acidum nitri- cum crudum , auch Scheidewasser (Aqua fortis) genannt (weil sie Gold von Silber scheidet), eine starksaure und ätzende, rauchende, wegen des selten im Salpeter fehlenden Kochsalzgehalts meist mit Salzsäure verunreinigte, schwachgefärbte Flüssigkeit mit etwa 50Proz. Salpetersäure. Verwendet man reine Materialien und gläserne Destilliergefässe, oder rektifiziert man die rohe Säure und verwirft die zuerst übergehende, salzsäurehaltige Partie, so ge- winnt man die reine Salpetersäure, Acidum nitricum (purum), welche bis zum spez. Gew. 1,185 mit "Wasser verdünnt wird und 30 Proz. Säure enthält. Alsdann bildet sie eine farblose, nicht rauchende, sehr saure Flüssigkeit, welche man in Gefässen mit Glasstopfen aufbewahrt. Prüfung der Salpetersäure: Salpetersaurer Baryt zeigt durch, weisse Trübung einen Gehalt an Schwefelsäure, salpetersaures Silberoxyd in gleicher Weise Chlorwasserstoff (Salzsäure), Schwefelwasserstoffwasser durch dunkle Trübung Kupfer oder Blei an; Schwefelammonium trübt die mit Ammoniak übersättigte Säure schwärzlich, wenn sie Eisen enthält; Chloroform wird beim Schütteln mit einer jodhaltigen Salpetersäure (von Jodnatrium im Chilisalpeter) violettrot gefärbt; ist Jodsäure zugegen, so tritt diese Färbung erst beim Erwärmen mit etwas Zinnfeile ein, wodurch die Jodsäure reduziert wird. Unverdünnt stellt die Salpetersäure eine rauchende, stark ätzend saure Flüssigkeit dar, anderthalb mal so schwer wie Wasser und noch unter dessen Siedepunkt flüchtig (kocht bei 85°). Mit Wasser verdünnt steigt ihr Kochpunkt bis zu 120°. Sie ist sehr empfindlich gegen das Sonnenlicht, in welchem sie sich unter Sauerstoffentbindung teilweise reduziert und gelb färbt. Erkennung der Salpetersäure. Die Salpetersäure ist besonders ausgezeichnet durch ihre oxydierende Kraft, die sie gegen alle oxydierbaren Körper äussert; sie löst die meisten Metalle auf, ätzt und färbt die tierischen Gewebe gelb, entfärbt den Indigo u. s. w. Man erkennt die Salpetersäure an diesen Zersetzungen und weist sie dadurch nach , dass man sie mit Kupferspänen er- wärmt, welche sie unter Entbindung gelbroter Dämpfe (Untersal- petersäure) zu einer blauen Flüssigkeit (Kupfernitrat) auflöst. Auch benutzt man Eisenvitriol (schwefelsaures Eisenoxydul) als Reagens auf Salpetersäure und deren Salze; indem jenes Salz zu Eisen oxyd salz sich oxydiert, reduziert es die Salpeter- säure zu Stickoxyd, durch welches Gas die Eisen vitriollösung dunkelbraun gefärbt wird. — 138 — Diese Reaktion gelingt nur bei grösster Konzentration, weshalb man die zu prüfende Flüssigkeit mit lj2 Vol. konzentr. Schwefelsäure versetzt und dann die konzentr. Eisen vitriollösung vorsichtig überschichtet; an der Berührungsstelle beider Flüssigkeiten tritt dann eine dunkelbraune Mittel- zone auf. (Auch kann man einen Eisenvitriolkrystall beigeben). § 114. Die Untersalpetersäure. Bei ihren Oxydationen wird die Salpetersäure zu den niederen Stickstoffoxyden reduziert und zwar meistens zu Stickoxydgas (NO), einem farblosen, erstickend riechenden Gras, welches an der Luft sofort Sauerstoff aufnimmt und sich zunächst in Stickstofftrioxyd (N203), bei genügendem Luftzutritt in Stickstofftetroxyd (N02), zwei gelbrote, er- stickend riechende Gase, verwandelt. Das Sticktsofftrioxyd wird salpetrigsaures Gas genannt, weil es mit basischen Oxyden salpetrigsaure Salze (Nitrite) erzeugt. Das Stickstofftetroxyd führt gewöhnlich den Namen Untersalpetersäure, aber fälsch- lich, da sie keine Salze zu bilden vermag. Die Salpetersäure wirkt oxydierend, zu farblosem Stickoxydgas sich reduzierend, welches an der Luft sofort in rotgelbe Untersalpeter- säure übergeht. Bei der Reduktion zu Stickoxyd (NO) geben 2 Moleküle Sal- petersäure 3 Atome Sauerstoff ab , liefern 1 Molekül Wasser und entwickeln 2 Moleküle Stickoxydgas ; nämlich : !hno3 zerfallen in m + H*° + 30 • Die Dämpfe der Untersalpetersäure (N02) lösen sich leicht in Salpetersäure auf, werden durch Wasser aber zersetzt (in Stick- oxydgas und Salpetersäure). Eine Untersalpetersäure enthaltende Salpetersäure ist die sog. rauchende Salpetersäure, Acidum nitricum fumans, eine dunkelbraunrote Flüssigkeit, welche erstickende , rotgelbe Dämpfe ausstösst. Durch Verdünnung mit Wasser wird sie erst grün, dann farblos, infolge der Zersetzung der Untersalpetersäure. — Man gewinnt die rauchende Salpetersäure, indem man Untersalpetersäure-Dämpfe durch Erwärmen von Salpeter- säure mit Stärkemehl entwickelt und in starke Salpetersäure einleitet. Früher gewann man die „rauchende Salpetersäure" durch Destillation aus dem Salpeter, indem man demselben nur soviel Schwefelsäure zugab, dass neutrales schwefelsaures Kali zurückblieb. Dabei muss, um sämtliche Salpetersäure auszutreiben, eine so hohe Erhitzung angewendet werden, dass die letzten Partieen der überdestillierenden Säure in Untersalpetersäure und freien Sauerstoff zerfallen ; erstere löst sich in der zuvor übergegangenen Säure auf, letzterer entweicht. Das Stickoxydulgas (N20) ist farblos, ohne Geruch, atembar, aber berauschend (daher Lustgas genannt) und wird an der Luft nicht höher oxydiert. Rein gewinnt man es durch vorsichtiges Erhitzen von salpetersaurem Ammoniak, welches dabei geradezu in Wasser und Stickoxydul zerfällt. (NH4N03 = 2H20 + N20.) — 139 — Versuche. 1. Reduktion der Salpetersäure zu Stickoxyd. (Fi Man übergiesse in einem Glasgefässe, dessen Öffnung mit einem durchbohrten Kork- oder Kautschukstopfen verschlossen wird, Kupferdrehspäne mit Salpetersäure. Durch den Stopfen ist eine rechtwinklig gebogene Glasröhre luftdicht geführt, deren Ende man in einer Wanne unter Wasser münden lässt. Aus der Säure steigt lebhaft Stickoxydgas empor, dessen Blasen man nach Art eines früheren Versuches (siehe Entwicklung von gauer- °' stoffgas) in einer mit Wasser gefüllten Flasche auffange. Das farblose Stickoxydgas wird sofort gelbrot, wenn man mittelst einer Glasröhre Luft in das Glas bläst; schüttelt man dann das Gas mit Wasser, so zerlegt sich die gebildete salpetrige Säure und es reduziert sich wieder zu farblosem Stickoxydgas. Stöchiometrisclie Aufgaben. 1. Wieviel Salpetersäure liefert 1 kg salpetersaures Kali bei seiner Zersetzung durch Schwefelsäure? — Antw. KN03 : HN03 = (39 + 14 -f 48) : (1 -4- 14 + 48); daraus 101 : 63 = 10C0 g : x; x — 623,7 g. 2. Wieviel offizinelle 30prozentige Salpetersäure giebt diese Menge? — Antw. 30 : 100 = 623,7 : x; x = 2079 g. 11. Der Phosphor und die Phosphorsäure. § 115. Eigenschaften des Phosphors. Der Phosphor, Phos- phor u s *) , ist ein festes Nichtmetall , welches man in mehreren allotropischen Zuständen kennt. 1. Der gewöhnliche Phosphor, offizineil als Phos- phorits, erscheint im Handel in farblosen, anfangs durchscheinen- den , später oberflächlich undurchsitigen Stangen , die sich mit dem Messer schneiden lassen. (Dieses Schneiden geschehe jedoch stets unter "Wasser!) Er schmilzt in lauwarmem Wasser (bei 44° C), entzündet sich beim Erhitzen an der Luft, sowie durch Keibung und wird deshalb zu Streichzündhölzchen verwendet. (Man überzieht die Köpfchen der geschwefelten Hölzchen mit einem flüssigen Brei aus Phosphor mit Mennige oder Braunstein. Will man den Phosphor pulvern , so schmilzt man ihn in einer mit heissem Wasser völlig angefüllten Flasche und schüttelt die- selbe anhaltend bis zum Erkalten. Feinzerteilter Phosphor leuchtet im Dunkeln mit bläulichem Scheine. Beim Liegen an der Luft stösst er weisse, nach Knoblauch riechende**) JSTebel (phosphorige *) oojatpopo;, Lichtträger. **) Der Geruch des Phosphors ist weder ihm, noch der entstehenden phosphorigen Säure eigentümlich, sondern dem sich nebenbei bildenden — 140 - Säure) aus und zerfliesst endlich zu einer sauren Flüssigkeit (Phos- phorsäure). Man bewahrt daher den Phosphor stets unter Wasser auf, worin er sich wenig verändert. Er löst sich nicht in Weingeist, nur unbedeutend in Äther, etwas mehr in fetten Ölen, sehr leicht und reichlich in Schwefelkohlenstoff. Er ist ein starkes Gift und wird im Keller gesondert in einem verschlossenen Wandschränkchen aufbewahrt: er befindet sich in einem Glase mit Wasser, welches wieder in einem Blechgefässe steht. Man benutzt den Phosphor zu Phosphor öl und Phosphorpasta. Hier- bei ist jede Berührung desselben mit blossen Händen zu ver- meiden! Zu Oleum phosphoratum wird ein Teil Phosphor durch Betupfen mit Fliesspapier wohl abgetrocknet, dann in einem Glase mit 80 Teilen Mandelöl übergössen, durch Eintauchen in heisses Wasser ge- schmolzen und bis zum Erkalten wiederholt geschüttelt. Vom restierenden erhärteten Phosphor wird schliesslich das Öl abgegossen. — Die Phos- phorpasta, ein bekanntes Rattengift, wird aus 1 Teil Phosphor bereitet, den man unter 50 Teilen heissem Wasser schmilzt und dann mit 40 Teilen Weizenmehl mischt. 2. Der amorphe Phosphor ist ein rotes, schwer ent- zündliches, geruchloses, an der Luft unveränderliches Pulver, ohne giftige Eigenschaften. Man gewinnt ihn durch längeres Erhitzen des gewöhnlichen Phosphors in einer mit Kohlensäuregas gefüllten Retorte. Dem direkten Sonnenlichte ausgesetzt, geht der ge- wöhnliche Phosphor, wenn er in violetten Gläsern aufbewahrt wird, in amorphen über. Durch Destillation verwandelt sich der amorphe Phosphor wieder in gewöhnlichen §"116. Wie gewinnt man den Phosphor? Der Phosphor findet sich nicht frei in der Natur, jedoch weitverbreitet in phosphorsauren Salzen. So macht der phosphorsaure Kalk 2/3 der Knochen aus und bleibt bei deren Einäscherung — als Knoche nasche — zurück. Auch im Urin*) sind phosphorsaure Salze enthalten, die beim Faulen desselben sich (als pbosphorsaure Ammoniak - Mag- nesia) ausscheiden. Man gewinnt den Phosphor aus der Knochenasche (phosphor- saurem Kalk) durch Reduktion mittelst Kohle , nachdem man die Phosphorsäure durch Schwefelsäure vom Kalke getrennt hat. Zu- nächst wird die Knochenasche mit Schwefelsäure gemischt, die Phosphorsäurelösung von dem sich abscheidenden schwefelsauren Ozon. Letzteres nimmt man auch wahr, wenn ein Blitz oder anhaltend elektrische Funken durch die Luft fahren, wenn die Elektrisiermaschine gedreht wird u. s. f. Das Ozon ist verdichteter Sauerstoff. Nach Gewittern ist die Luft ozonreicher, ebenso die Waldluft und die über weite Schneefelder hinstreichende Luft. Dem Ozon kommen erhöhte oxydierende Kräfte zu, es bläut Jodkaliumstärkepapier und färbt mit Guajaktinktur befeuchtetes Papier blaugrün. *) Im Urin entdeckte der Alchymist Brand in Hamburg 1670 den Phosphor zufällig, als er den Stein der Weisen suchte. - 141 — Kalke abgegossen, für sich eingekocht und dann, mit Kohle ge- mischt, in thönernen Retorten der Glühhitze ausgesetzt. Die Kohle entzieht der Phosphorsäure den Sauerstoff und entweicht als Kohlenoxydgas ; der reduzierte Phosphor destilliert über, da er bei 290° siedet, und verdichtet sich in der Vorlage, die man mit Wasser gefüllt hält. Noch flüssig giesst man ihn unter Wasser in Stangenformen. 2H3P04 + 5C = 2P + 3HaO + 5CO Phosphorsäure Kohle Phosphor "Wasser Kohlenoxyd. § 117. Verbindungen des Phosphors. Der Phosphor ist, analog dem Stickstoff, ein dreiwertiges Element, welches aber auch fünf wertig auftreten kann. Mit Wasserstoff bildet er das, dem Ammoniakgase analog zusammengesetzte Phosphorwasser- stoffgas (PH3), ausserdem aber noch einen flüssigen und festen Phosphorwasserstoff. Kocht man Phosphor mit Ätzalkalien (Kalilauge, Natronlauge, Kalk- milch), so löst er sich teilweise zu unterphosphorigsaurem Salze auf*'), teilweise entweicht er als Phosphorwasserstoffgas, welches an der Luft sich von selbst entzündet und zu weissen Nebeln (Phosphorsäure) verbrennt. Diese Selbstentzündung rührt von einer kleinen Beimischung flüssigen Phosphorwasserstoffs her und kann dem Gase entzogen werden, wenn man. es durch Terpentinöl leitet. Das Phosphorwasserstoffgas riecht nach faulen Fischen und wirkt, selbst zu lj.2 Proz. der Luft beigemischt, tötlich. Verbrennt der Phosphor bei ungenügendem Sauerstoffzutritt,, so bildet er weisses, festes Phosphortrioxyd (P203), auch. ,, wasserfreie" phosphorige Säure genannt, welche mit Wasser krystallisierbare phosphorige Säure (H3P03) erzeugt. Verbrennt der Phosphor bei genügendem Sauerstoffzutritt,. z. B. an offener Luft , so bildet er weisses , festes Phos p hör - pentoxyd (P205) , „wasserfreie Phosphorsäure" genannt, da es. mit Wasser Phosphor säure (H3PO/J erzeugt: P205 + 3H.20 = 2H3P04. Demnach kennen wir drei Säuren des Phosphors: unterphosphorige Säure H P 0 phosphorige Säure H3 P 03 Phosphorsäure H3P04. §118. Die Modifikationen der Phosphorsäure. Man kennt die Phos-, p hör säure in drei Formen, die sich durch verschiedenen Wasser- stoffgehalt und Basicität unterscheiden, nämlich: a) Die dreibasische (gewöhnliche) Phosphorsäure (H3P04), eine starksaure, aber nicht ätzende, syrupartige, krystal- lisierbare Flüssigkeit. 4P -f 3 KHO = 3 KPO + PH3 Phosphor Kalihydrat unterphosphorig- Phosphorwasser saures Kali stoffgas. — 142 — h) Die zweibasische oder Pyrophosphorsäure*) (H3P04 -f- HP03 = H4P207), eine zerfliessliche, farblose Krystallmasse, worin die gewöhnliche Säure übergeht, wenn sie bis 200° erhitzt wird. c) Die einbasische oder Metaphosphorsäure**) (HP03), eine zerfliessliche, eisartige Masse — daher auch Eisphosphor- säure genannt — , durch schwaches Glühen der Phosphorsäure gewonnen; sie fällt Eiweisslösung. Die wässerigen Lösungen der Pyro- und Metaphosphorsäure gehen allmählich, beim Kochen schnell, in gewöhnliche Phosphor- säure über. Diese drei Phosphorsäuren unterscheiden sich auch durch ihre Silbersalze; phosphorsaures Silberoxyd (Ag3P04) ist ein gelber Niederschlag, welchen phosphorsaures Natron mit salpetersaurem Silberoxyd hervorbringt. Pyro- und metaphosphor- saures Silberoxyd sind dagegen weisse Niederschläge. § 119. Die offizinelle Phosphorsäure. Die offizineile Phosphor- säure, Acidum phosphoricum, ist eine farblose, geruchlose, saure , aber nicht ätzende Flüssigkeit , mit dem spez. Gew. = 1,120, und einem Gehalte an 20 Proz. (H3P04). Man gewinnt sie durch Auflösen des Phosphors in Salpetersäure, wobei Stickoxyd- gas entweicht. 3P + 5HN03 + 2H20 = 3HP04 + 5NO Phosphor Salpetersäure Wasser Phosphorsäure Stickoxyd. Da nun der Phosphor sehr häufig Arsen beigemischt enthält, welches hierbei zu Arsensäure oxydiert wird , so muss man die Phosphorsäure, nachdem man die überschüssige Salpetersäure durch Eindampfen verjagt hat, mit Schwefelwasserstoff sättigen und einige Zeit in die Wärme stellen, wodurch die Arsensäure sich als Schwefelarsen niederschlägt. Nachdem durch Erhitzen der Schwefelwasserstoff verjagt ist, filtriert man und verdünnt mit Wasser zum spez. Gew. 1,120. Erkennung der Phosphorsäure. Man erkennt die (gewöhnliche) Phosphorsäure daran, dass ihre Alkalisalze mit Silbernitrat gelbes Silberphosphat abscheiden, welches sowohl bei Zusatz von Salpeter- säure, wie von Ammoniak sich wieder auflöst. Prüfung der Phosphorsäure: Schwefelwasserstoffwasser, mit der Säure längere Zeit digeriert, zeigt durch gelbe Trübung einen Gehalt an Arsensäure an; trübt salpetersaurer Baryt, so ist Schwefelsäure zugegen. Silbernitrat verrät durch eine weisse Trübung Salzsäure, durch eine *) Abgeleitet von t.\j? (Feuer). **) Abgeleitet von [j.e-ca, welches in der Zusammensetzung eine Ver- änderung anzeigt. — Die älteren Formeln der drei Phosphorsäuren lauteten zur Zeit, da das Atomgewicht des Sauerstoffs = 8 angenommen wurde: einbasische Phosphorsäure HO,P05 zweibasische „ (HO)2P05 dreibasische „ (HO)3P05. - 143 — schwärzliche Trübung beim Erhitzen phosphorige Säure. Die Gegenwart von Salpetersäure erkennt man an einer dunklen Mittelzone, die beim Überschichten der mit konzentr. Schwefelsäure versetzten Phosphorsäure mit Eisenvitriollösung entsteht. Übersättigt man die Säure mit Ammoniak und fügt oxalsaures Ammoniak hinzu, so verrät sich Kalk durch weisse Trübung. (Eine aus der Knochenasche durch verd. Schwefelsäure dargestellte Phosphorsäure ist stets kalkhaltig.) Auf Arsen prüft man speziell durch Zink und Schwefelsäure nach der Weise, wie beim Arsen angegeben werden wird. Versuche. Versuche mit dem Phosphor, a) Man löse ein sehr kleines Phosphorstückchen in einigen g Schwefelkohlenstoff auf, tränke damit Fliesspapier und lasse dies an der Luft liegen. Nach dem Abdunsten des Schwefelkohlenstoffs entzündet sich der restierende, höchst feinverteilte Phosphor von selber. — b) Man bringe ein kleines Phosphorstückchen in ein Kölbchen mit Wasser, verschliesse dasselbe durch einen durchbohrten Stopfen, der mit einer doppelt gebogenen Glasröhre verbunden ist, deren längeren Schenkel man durch ein gläsernes Kühlrohr (etwa eine umge- stürzte Medizinflasche mit abgesprengtem Boden) hindurchgehen und in ein daruntergestelltes Glasgefäss als Vorlage hineinreichen lasse. Bringt man nun das im Kolben befindliche Wasser zum lebhaften Sieden, während man das Kühlrohr mit kaltem Wasser füllt, so destilliert der Phosphor mit den Wasserdämpfen über und verdichtet sich in der Vorlage zu feinen Kügelchen. Dort, wo die Glasröhre in das Kühlwasser eintritt, bildet sich ein im Finstern leuchtender Ring. (Mitscherlichs Phosphorermitt- lung.) — c) Ein linsengrosses , mit Fliesspapier wohl abgetrocknetes Stückchen Phosphor werde, in einer Schale liegend, durch Berührung mit einem heissen Drahte entzündet, darauf ein weiter Glastrichter darüber gehalten: der aufsteigende Rauch beschlägt die Innenfläche des Trichters als weisser Anflug (P205), der sehr bald Feuchtigkeit anzieht und sich durch etwas Wasser als saure Flüssigkeit (Phosphorsäure) entfernen lässt. Praktische Übungen. Acidum phosphoricum. In einem langhalsigen Kolben, den man in heisses Wasser oder in heissen Sand gestellt, erwärme man 12 Teile reine Salpetersäure mit 1 Teil Phosphor, ohne jedoch die Säure sieden zu lassen. Der Phosphor schmilzt und löst sich allmählich zu Phosphorsäure auf, unter Entbindung von gelbroter salpetriger Säure, für deren Abzug man Sorge trage. Ist der Phosphor nahezu aufgelöst, so lasse man erkalten, giesse die Flüssigkeit vom Phosphorrückstand in eine Porzellanschale ab und dampfe sie an einem luftigen Orte über der Lampe ein, bis keine sauren Dämpfe mehr entweichen, von Zeit zu Zeit etwas Salpetersäure in die Mitte der Flüssigkeit tröpfelnd, so lange dadurch rote Blasen entstehen. Die rückständige Säure verdünne man mit Schwefelwasserstoffwasser, stelle sie längere Zeit an einen warmen Ort (zur Abscheidung vorhandenen Schwefelarsens) und filtriere sie schliesslich, worauf man durch abermaliges Erhitzen den Schwefelwasserstoff entferne und die geruchlose Flüssigkeit mit dest. Wasser zum spez. Gew. 1,12 verdünne. Stöchiometrische Aufgaben. 1. Wieviel 20 prozentige Phosphorsäure gewinnt man aus 1 Pfd. Phos- phor? - Antw. P : H3P04 = 31 : (3 + 31 + 64) = 500 : x; x = 1580; ^X 1580 = 790°- 144 12. Das Chlor. § 120. Wie gewinnt man das Chlor? Das Chlor findet sich nirgends frei in der Natur, aber sehr verbreitet in Chlorrnetallen, zumal als Chlornatrium (Kochsalz, Steinsalz, Seesalz). Aus dem letzteren gewinnt man durch Erhitzen mit Schwefelsäure die Chlorwasser- stoffsäure, sog. Salzsäure, aus der man gewöhnlich das Chlor durch Behandlung mit Braunstein (Mangan superoxyd) darstellt. "Wirkt nämlich Salzsäure (HCl) auf Mangansuperoxyd (Mn02) in gelinder Wärme ein, so erzeugt dasselbe Chlormangan (MnCl.2) und Wasser, der freiwerdende Sauerstoff oxydiert eine andere Partie Salzsäure zu Wasser und macht das Chlor frei. Nämlich : 1. Mn02 + 2HC1 = MnCl2 + H20 -j- 0 Braunstein Chlorwasserstoff Chlormangan Wasser Sauerstoff. 2. 0 + 2HC1 = H20 + 2C1 Sauerstoff Chlorwasserstoff Wasser Chlorgas. Im Ganzen zerlegt 1 Molekül Braunstein 4 Moleküle Salzsäure, die eine Hälfte oxydierend, mit der andern Hälfte ein Salz bildend. Die älteste Chlorbereitung geschah aus Kochsalz, Braunstein und Schwefelsäure. Durch die letztere wird das Kochsalz zerlegt in schwefel- saures Natron und Salzsäure und diese durch den Braunstein oxydiert. 2NaCl 4- Mn02 4- 2H2S04 = Na2S04 4- MnS04 4- 2H20 + 2C1 Man nimmt die Operation in einem mit Braun stein Stückchen angefüllten Kolben vor, den man bis zur Hälfte mit Salzsäure füllt und im Sandbade gelinde erhitzt. Das entwickelte Chiorgas wird durch eine luftdicht angepasste Glasröhre abgeleitet. § 121. Eigenschaften des Chlors. Das Chlor*), Chlorum, ist ein nicht brennbares, grünlich gelbes Gas, von erstickendem Geruch und höchst gefährlich einzuatmen, da nur wenige Blasen unver- dünnten Gases hinreichen, einen Menschen zu töten. (Gegengift: weingeistige Ammoniaklösung !) Unter starkem Druck, sowie bei der Temperatur des gefrierenden Quecksilbers verdichtet es sich zu einer tiefgelben Flüssigkeit. Es ist 2'/2 mal schwerer als die atmosphärische Luft (spez. Gew. = 2,46;, sinkt darin also unter. Mit kaltem Wasser (unter + 4°) bildet es eine feste krystallinische Verbindung, gelbes Chlorhydrat (Cl 4- 5H20) ; in Wasser von mittlerer Temperatur löst sich das Chlorgas auf zu Chlorwasser, welches Farbe, Geruch und Eigenschaften des Gases besitzt. § 122. Das Chlorwasser. Man bereitet das Chlorwasser, Aqua chlor ata (Aqua oxy muri atica*)), durch Einleiten von *) yXwpöc, grünlich gelb. **) Aqua oxymuriatica = oxydiertsalzsaures Wasser. — Scheele, welcher 1774 das Chlor entdeckte, hielt dasselbe für oxydierte Salzsäure. Erst. 1809 wurde durch H. Davy die elementare Natur desselben festgestellt. — 145 - Chlorgas in Wasser bis zur vollständigen Sättigung. Da ein Ge- halt an Luft der Absorption des Chlorgases hinderlich ist, so muss das zu sättigende Wasser durch Auskochen luftfrei gemacht und verschlossen bis zur mittleren Temperatur (15° C) abgekühlt werden. Wegen der grossen Belästigung des entweichenden Chlorgases nehme man die Operation im Freien vor, aber nicht im direkten Sonnenlichte, da hierin das Chlor zur Wasserzersetzung disponiert wird (infolge deren Salzsäure und freies Sauerstoffgas entsteht). Deshalb dispensiert man auch Chlorwasser in geschwärzten Gläsern. Das Chlor wasser ist eine grünlichgelbe, stark nach Chlor riechende Flüssigkeit, welche Lackmuspapier sofort bleicht und bei 15° C ihr doppeltes Volumen Chlorgas gelöst enthält. Um es gut zu erhalten, bewahrt man es in ganz angefüllten Flaschen, deren Glasstöpseln aufs beste schliessen (Kork wird vom Chlor sehr schnell zerstört), sowie vom Lichte entfernt auf. In halbgefüllten kleineren Gefässen wird es bald färb- und geruchlos, indem das Chlor Salzsäure bildet und Sauerstoffgas frei macht. Ein solches Wasser reagiert sauer. Beim Schütteln des Wassers mit Queck- silber wird das Chlor gebunden (zu unlöslichem Quecksilberchlorür), und ein Gehalt an Salzsäure lässt sich durch die Rötung des Lackmus nachweisen. Prüfung des Chlorwassers auf seinen Chlorgehalt: Das Chlor macht aus JodkaHum eine äquivalente Menge Jod frei , Chlorkaliuni bildend; man fügt also eine bestimmte Quantität, z. B. 25 g Chlorwasser, zu einer Jodkaliumlösung, giebt Stärkelösung hinzu und bestimmt das frei gewordene, die Stärke bläuende Jod massanalytisch durch Zehntelnormal- Natriumthiosulfatlösung. (Vgl. die massanalytischen Operationen.) Die Pharm. Germ, fordert mindestens 0,4 Proz. Chlor. §123. Verbindungen des Chlors. Das Chlor ist ein einwertiges Element, ausgezeichnet durch die Fähigkeit, direkt mit Metallen salzartige Verbindungen einzugehen und. mit Wasserstoff eine Säure zu erzeugen. Man nennt es daher auch ein Halogen oder einen Salzbildner. Alle Metalle und metallischen Gerätschaften werden vom Chlor heftig angegriffen, worauf beim Arbeiten mit Chlor sehr zu achten ist! Die Chlorverbindungen der Metalle sind nach der Valenz der letzteren zusammengesetzt, entsprechen daher auch den Oxyden und Sulfiden, nur mit dem Unterschiede, dass 2 Atome Chlor für 1 Atom 0 resp. S in ihnen enthalten sind. Man nennt die chlor- ärmeren derselben Chlor üre, die chlorreicheren Chloride, wenn nämlich ein Metall zwei Chlorverbindungen besitzt. Mit Wasserstoffgas vereinigt sich das Chlor ebenfalls direkt, im Sonnenlicht sogar unter Explosion, zu salzsaurem Gase. Auf seiner Verwandtschaft zum Wasserstoff beruht seine Bleichkraft, die sich bei allen Geweben und Pflanzenfarben äussert, und zur Schi ickum, Apothekerlehrling. 10 — 146 — Schnellbleiche technisch benutzt wird, sowie seine desinfi- zierende Kraft, durch die es Miasmen und Eontagien (die An- steckungsstoffe epidemischer Krankheiten) zerstört. Man gebraucht zur Desinfektion Chlorräucherungen, Fumigationes Chlori, deren es zwei giebt: eine stärkere, aus gleichen Teilen Kochsalz und Braunstein, die mit 2 Teilen engl. Schwefelsäure und 1 Teil Wasser übergössen werden; eine schwächere, aus Chlorkalk und Essig. Mit dem Sauerstoff vermag sich das Chlor nur indirekt zu vereinigen und bildet dann 4 Säuren: unterchlorige Säure HCIO Chlorsäure HC103 chlorige Säure HC102 Überchlorsäure HC104 Da in diesen Yerbindungen das Chlor nur sehr schwach an den Sauerstoff geknüpft ist, besitzen dieselben im hohen Grade ex- plosive Eigenschaften. Die unterchlorige und chlorige Säure bilden Gase von dunkelgelber Farbe, ebenso die sog. Unterchlorsäure (C102), Euchlorine. Die Chlorsäure ist eine Flüssigkeit, welche beim Erhitzen explodiert. Praktische Übungen. 1. Darstellung von Chlorgas (Fig. 49). Man fülle einen (kleinen) Kolben mit erbsengrossen Braunsteinstücken, gebe bis zur Hälfte Salzsäure hinzu und ver- schliesse ihn mit einem Kautschukstopfen, durch welchen eine doppeltgebogene Glasröhre luft- dicht geführt ist. Diese Leitungsröhre reiche in eine mehr hohe als weite, leere Flasche bis nahe zum Boden. Erwärmt man nun den Kolben im Sandbade oder über der Lampe auf einem Drahtnetz, so füllt sich die Vorlage mit dem Chlorgase. 2. Zur Bereitung von Chlorwasser big. 4y. fülle man die Vorlage zur Hälfte mit Wasser an, welches zuvor durch Aufkochen luftleer gemacht und wieder erkaltet ist. Sobald der Raum über dem Wasser grüngelb erscheint, wechsle man die Vorlage mit einer ähnlichen und schüttle die erstere verschlossen kräftig um. Dieses Verfahren setze man mit beiden Flaschen abwechselnd fort, bis bei beiden kein Gas mehr absorbiert wird, was am Emporheben des Stöpsels nach dem Schütteln erkannt wird. Versuche. 1. Versuche mit Chlorgas. a) In eine mit Chlorgas gefüllte Flasche bringe man nach und nach einen Streifen Kattun, blaues Lackmus- papier, farbige Blumen, z. B. Rosen, und verschliesse die Flasche. Bald sind sämtliche Gegenstände gebleicht. — b) In eine mit Chlorgas gefüllte Weinflasche schütte man eine kleine Menge feingepulvertes Antimon; das- selbe verbrennt mit Sprühregen zu weissen Chlorantimondämpfen. — c) In eine mit Chlorgas gefüllte Weinflasche führe man an einem feinen Messingdraht etwas zusammengefaltetes unechtes Blattgold (Messingblech) oder unechtes Blattsilber (Stanniol) ; sie verbrennen unter Funkensprühen zu Chlormetall. — d) Füllt man eine weisse Flasche halb mit Chlorgas, — 147 — halb mit Wasserstofl'gas, bei Abhaltung des Lichtes durch einen Schirm, und stellt sie wohlverschlossen einen Tag ins zerstreute Tageslicht, so findet man nachher salzsaures Gas in ihr. Wirft man sie aber aus einem Pappfutteral zur Mittagszeit hoch in die von der Sonne hellerleuchtete Luft, so wird sie mit heftigem Knall zertrümmert. 2. Mischt man Chlorwasser mit Schwefelwasserstoffwasser, so trübt sich die Flüssigkeit durch ausgeschiedenen Schwefel, wird geruchlos und reagiert sauer (durch entstandene Salzsäure). Stöchiometrische Aufgaben. 1. Wieviel / Chlorgas gewinnt man aus 1 Pfd. 30prozentiger Salzsäure mittelst Braunsteins, wenn das l Chlorgas 3 g wiegt? — Antw. MnP -j- 4HC1 geben 2C1, also 2HC1 : Cl = 2 X 36,5 : 35,5; x = 73 g = 24 /. 2. Wieviel Prozente Chlor enthält vollständig gesättigtes Chlorwasser (bei 15° um sein doppeltes Volum chlorhaltig)? — Antw. 0,6 Proz. 13, Die Salzsäure. § 124. Was ist die Salzsäure? Eine gewisse Reihe von Salzen, von denen das Kochsalz am bekanntesten und verbreitetsten ist, liefert beim Zersetzen mit Schwefelsäure eine eigentümliche, gas- förmige Säure, die man, weil aus dem Kochsalz entstanden, Salz- säure, Acidum muriaticum, genannt hat. Als man noch mit Lavoisier alle Säuren für Sauerstoffverbindungen hielt, glaubte man, dass auch die Salzsäure sauerstoffhaltig sei, und nannte das Kochsalz, die Natrium verbin düng derselben, salzsaures Natron (Natrum muriaticum). In diesem Jahrhundert wurde dann die Wahrnehmung gemacht, dass weder in der Salzsäure, noch im Kochsalz Sauerstoff vorhanden, dass vielmehr die Salzsäure aus Wasserstoff und Chlor, und das Kochsalz aus Natrium und Chlor besteht. Die Formel der Salzsäure ist (HCl), die des Kochsalzes (Na Cl). Die Salzsäure oder Chlorwasser st off säure stellt ein saures, farbloses Gas dar, von stechendem Geruch, nicht brennbar, unter starkem Drucke sich verflüssigend. Vom Wasser wird es mit grösster Begierde verschluckt; dasselbe nimmt nahezu sein öOOfaches Volum auf, was etwa 4/5 seines Gewichtes beträgt, weil das spez. Gew. des Gases === 1,27 ist. Eine solche gesättigte Lösung raucht an der Luft und giebt beim Erhitzen einen Teil ihres Gases ab, darauf destilliert eine verdünnte salzsaure Flüssigkeit (etwa von der Stärke der offizineilen reinen Säure) über. § 125. Wie gewinnt man die Salzsäure? Bei der Sodafabrikation ist die Salzsäure Nebenprodukt, indem man das Kochsalz mit Schwefel- säure zerlegt und den freiwerdenden Chlorwasserstoff in Wasser leitet. 2NaCl + H2S04 = Na2S0, + 2HC1 Chlornatrium Schwefelsäure schwefelsaures Chlorwasserstoff (Kochsalz) Natron (Salzsäure). 10* — 148 — Man nimmt die Zersetzung in eisernen Cylindern oder ge- mauerten Flammenöfen vor und leitet die salzsauren Dämpfe in thönerne Vorlagen oder gemauerte Bassins, worin sich Wasser befindet. Schwefelsaures Natron (Glaubersalz) bleibt zurück. Die vom Gase gesättigte Lösung kommt als rohe Salzsäure, Aci- dum hydrochloricum crudum, in den Handel. Sie ist eine rauchende, meist gelbliche, sehr saure Flüssigkeit, die meist durch Eisen, Schwefelsäure, auch wohl Chlorarsen verunreinigt ist. (Das Arsen rührt aus arsenhaltiger Schwefelsäure her.) Ihr spez. Gew. schwankt zwischen 1,16 und 1,17 ihr Gasgehalt zwischen 30 und 33 %. Die rohe Salzsäure wird auf Arsen geprüft, indem man sie mit etwas Zinnchlorür erhitzt, es wird dem Chlorarsen das Chlor entzogen und Arsen als braunes Pulver ausgeschieden. Zerlegt man das Kochsalz durch Schwefelsäure in gläsernen Retorten oder Kolben, oder rektifiziert man die rohe Salzsäure, so erhält man die reine Salzsäure, Acidum hydrochloricum (purum) , welche mit Wasser zum spez. Gew. 1,125 verdünnt wird, wobei sie 25 Proz. salzsaures Gas enthält und eine farblose, nicht rauchende, saure Flüssigkeit darstellt. Prüfung der Salzsäure auf Reinheit: Schwefelwasserstoffwasser zeigt durch eine gelbe Trübung Arsen, durch eine schwarze Trübung Blei und Rupfer, Schwefelammonium in der mit Ammoniak übersättigten Säure durch dunkle Trübung Eisen an. Baryumnitrat scheidet etwa vorhandene Schwefelsäure als weissen Niederschlag (schwefelsauren Baryt) aus. Ent- hält die Salzsäure freies Chlor so entsteht durch Jodzinkstärkelösung freies Jod, welches die Stärkelösung blau färbt. Das durch ein Stückchen reines Zink aus der Säure entwickelte Wasserstoffgas darf ein mit konzentr. Silberlösung befeuchtetes Papier nicht gelb färben noch schwärzen, in welchem Falle arsenige Säure (welche als Arsenwasserstoff entweicht und aue der Silberlösung arsenigsaures Silber resp. metallisches Silber aus- scheidet) zugegen wäre. § 126. Verhalten der Salzsäure zu den Metallen. Die Leichtmetalle, sowie von den Schwermetallen das Eisen, Zink u. a. lösen sich mit Leichtigkeit selbst in verdünnter Salzsäure auf, indem sie den Wasserstoff derselben frei machen. Wie sich also Zink und Eisen in verdünnter Schwefelsäure, unter Wasserstoffentbindung, zu schwefelsauren Salzen auflösen, so bilden sie mit verdünnter Salz- säure, unter gleichem Prozesse, Chlormetalle. Zn + 2HC1 = ZnCL + 2H Zink Salzsäure Zinkchlorid Wasserstoff. Zinn löst sich ebenfalls unter Wasserstoffentbindung in heisser konzentrierter Salzsäure zu Zinnchlorür. Solche Metalle, welche die Salzsäure nicht zu zersetzen ver- mögen , z. B. Antimon , Gold , Platin u. a. , lösen sich in einer Mischung aus 3 Teilen Salzsäure und 1 Teil Salpetersäure, welche — 149 - Salpeter-Salzsäure oder Königswasser (Acidum chloro- nitrosum, Aqua regia) genannt wird, weil sie das Gold, denKönig der Metalle, aufzulösen imstande ist. Der Prozess ist folgen- der: Die Salpetersäure reduziert sich zu Stickoxyd, welches ent- weicht, und oxydiert dabei die Salzsäure zu Wasser und freiem Chlor. Die "Wirkung des Königswassers ist also die- jenige des freien Chlors. 3HC1 + HN03 = 3C1 + 2H20 + NO Salzsäure Salpetersäure Chlor Wasser Stickoxyd. § 127. Verhalten der Salzsäure zu den Metalloxyden. Eine der häufigst angewendeten Methoden, Chlormetalle darzustellen, ist die Auflösung eines Metalloxydes in Salzsäure ; der Sauerstoff des Oxyds bildet mit dem Wasserstoff der Salzsäure Wasser, das Metall mit dem Chlor ein Chlorid. Lösen wir Eisenoxyd in Salzsäure, so er- halten wir Eisenchlorid und Wasser. Nämlich: Ee203 + 6HC1 = Fe2Cle + 3H20 Eisenoxyd Salzsäure Eisenchlorid Wasser. Statt der reinen Oxyde kann man auch die kohlensauren Salze anwenden, wobei kohlensaures Gas entweicht. CaC03 + 2HC1 = CaCl2 + H20 + C02 kohlensaurer Kalk Salzsäure Chlorcalium Wasser . Kohlensäuregas. § 128. Verhalten der Salzsäure zu den Sulfiden. Die Zerlegung der Schwefelmetalle durch Salzsäure ist von der Entbindung von Schwefelwasserstoffgas begleitet. Der Vorgang hierbei ist dem im vorigen § analog, mit dem Unterschiede, dass nicht Wasser, sondern Schwefelwasserstoff gebildet wird. Ein Schwefelmetall löst sich in Salzsäure zu Chlormetall auf, unter Entbindung von Schwefelwasserstoffgas. Sb2S3 + 6HC1 = 2SbCl3 + 3H2S Antimon- Salzsäure Antimon- Schwefelwasserstoff, sulfür chlorür § 129. Erkennung der Salzsäure und Chlormetalle. Die Chlormetalle lösen sich fast sämtlich in Wasser auf; in kaltem Wasser schwer-, aber in heissem Wasser leichtlöslich ist das Chlorblei, unlöslich in Wasser wie in verdünnten Säuren das Chlorsilber und Queck- silberchlorür. Hierauf gründet sich die Erkennung der Chloride; sowohl die Salzsäure, wie die Chlormetalle werden dadurch nach- gewiesen, dass Lösungen mit Silbernitrat einen weissen Nieder- schlag (Chlorsilber) abscheiden, der sich nicht in verdünnter Sal- petersäure, aber mit Leichtigkeit in Ammoniakflüssigkeit auflöst (Unterschied vom Brom- und Jodsilber). Versuche. 1. Direkte Bildung der Salzsäure. Man entwickele nach Art 'des früheren Versuches in einem Kölbchen (Fig. 50, a) aus Braunstein und 150 Fig. 50. Salzsäure durch schwa- ches Erhitzen Chlorgas und leite dasselbe durch die Glasröhre c in einen mit Wasser völlig an- gefüllten und in umge- kehrter Lage in der pneumatischen Wanne stehenden Cylinder oder Glasflasche, bis das Gas die Flasche zur Hälfte gefüllt hat. Damit nicht zuviel Chlorgas vom Wasser verschluckt werde , benutze man lauwarmes Wasser zur Füllung von Cylinder und Wanne. Ist der Cylinder zur Hälfte mit Chlor gefüllt, so wechsele man die Chlor-Entwicklungsflasche mit einer solchen, worin aus verdünnter Schwefel- säure und Zink Wasserstoffgas entwickelt wird (wobei eine Erhitzung nicht nötig ist), und fülle die untere Hälfte des Cylinders mit Wasserstoffgas, mit dem Bedacht, dass noch etwas Wasser im Cylinder bleibe. Dann kehrt man den Cylinder, nachdem man seine Öffnung noch unter Wasser mit einem Stöpsel oder einer passenden Glastafel verschlossen, wieder aufrecht und stellt ihn einen Tag ins zerstreute Tageslicht.' Öffnet man später den Cylinder, so findet man keines der beiden Gase mehr vor, sondern Salzsäuregas, welches sich in dem wenigen Wasser, das im Cylinder geblieben, aufgelöst hat und dasselbe stark sauer macht. Bei direkter Bescheinung durch das Sonnenlicht würde die Vereinigung beider Gase plötzlich, unter Explosion stattfinden. Wenn der Cylinder gut verschlossen gehalten war, so dass keine Luft von aussen eintreten konnte, während die beiden Gase sich ver- einigten, kann man die Absorption des entstandenen Salzsäuregases durch das wenige Wasser sehr schön dadurch konstatieren, dass man den Cylinder in umgewendeter Lage unter Wasser öffnet, worauf das letztere mit Vehe- menz in das Gefäss eindringt und dessen leeren Raum ausfüllt. Stöchioinetrische Aufgaben. 1. Wieviel / Salzsäuregas liefert 1 kg Kochsalz bei seiner Zersetzung mit Schwefelsäure, wenn das / des Gases 1,63 g wiegt? — Antw. NaCl : HCl == (23 -j- 35,5) : (1 -f- 35,5); x = 624 g = 382 l 2. a) Wieviel 25prozentige Salzsäure lässt sich damit herstellen? b) wieviel Wasser ist dazu nötig? — Antw. a) x = 4 X 624 = 2496 g, b) x = 3 X 624 = 1872 g. 14. Brom, Jod, Fluor. § 130. Was sind Brom, Jod und Fluor? Zu den Salzbildnem, deren Musterbild das Chlor ist, rechnen sich noch drei andere nichtmetallische Elemente: das Brom, Jod und Fluor. Sie bilden mit den Metallen Salzverbindungen : Bromide, Jodide 151 — und Fluoride, welche den Chloriden analog zusammengesetzt sind; die Wasserstoffverbindungen stellen drei, dem Chlorwasser- stoff entsprechende Säuren vor. Das Brom, Bromum*), eine rote, starkrauchende, erstickende, gefährlich einzuatmende Flüssigkeit, ist dreimal so schwer wie Wasser, worin es untersinkt und eine gesättigte, 2 1/2 prozentige wässerige Lösung (Bromwasser, Aqua bromata) über sich bildet, es siedet bei 63° und erstarrt in der Kälte (bei — 8°) zu einer blaugrauen Masse. Mit Äther, Chloroform und Schwefel- kohlenstoff mischt es sich leicht zu gelbgefärbten, bei grösserem Gehalte gelbroten Lösungen. Da es Kork und andere organische Materien, ähnlich dem Chlor, zerstört, bewahrt man das Brom in Gefässen mit Glasstopfen und stellt zur grösseren Vorsicht das Gefäss in ein grösseres hinein. Das Jod, Jodum**), bildet dunkel stahlglänzende Krystall- tafeln, welche 5 mal schwerer als Wasser sind, sich beim Erhitzen in violetten Dämpfen verflüchtigen und sublimieren. In Äther, Chloroform und Schwefelkohlenstoff löst es sich leicht zu violett- roten Flüssigkeiten ; Weingeist löst Vm J°d mit dunkelbraunroter Farbe zu Jodtinktur, Tinctura Jodi. Wasser nimmt es kaum auf, bekoüimt jedoch eine gelbliche Färbung; enthält das Wasser aber Jodmetalle, so nimmt es reichlicher Jod auf. (1 Teil Jod- kalium löst 3/4 Teil Jod!) Mit Stärkekleister verteilt sich das Jod sehr fein zur tiefblauen Jodstärke — bestes Erkennungs- mittel freien Jodes. Man gebraucht die Jodtinktur äusserlich zum Pinseln ; inner- lich wirkt sie giftig. Das Fluor, isoliert noch unbekannt, da seine starken Affini- täten es sofort mit der Gefässsubstanz verbindet, ist wahrschein- lich ein Gas. § 131. Wie gewinnt man Brom und Jod? Beide Elemente finden sich nicht frei in der Natur. Das Brom ist als Bromnatrium im Meerwasser und gewissen Mineralquellen (z. B. von Kreuznach), vorzugsweise auch im Toten Meer enthalten; das Jod begleitet das Brom, wird aber vorzugsweise von den Tangen und Meeralgen aufgenommen, aus deren Asche man es gewinnt. Die Mutterlauge des Meerwassers liefert uns das Brom, nachdem das Chlornatrium auskrystallisiert ist. Man unterwirft sie der Destillation mit Schwefelsäure und Braunstein, wobei die er stere das Bromnatrium zerlegt, Bromwasserstoffsäure frei machend : 2NaBr + H2S04 == Na2S04 + 2HBr Bromnatrium Schwefelsäure Natriumsulfat Bromwasserstoff. *) Brom, von ßpwjj-o; (Gestank), wurde 1826 von Baiard entdeckt. **) Jod, von ftSSss (veilchenblau), wurde 1881 von Courtois, einem Sodafabrikanten in Paris, entdeckt. — 152 — Die Bromwasserstoffsäure wird vom Braunstein zu Wasser oxydiert und das Brom frei gemacht, welches überdestilliert. 2HBr + 0 + H20 + 2Br Bromwasserstoff. Sauerstoff Wasser Brom Zur Jodgewinnung benutzt man die Asche der Seetange und Badeschwämme (in Schottland Kelp, in der Norman die Yarech genannt), welche durch ihren Gehalt an kohlensaurem Natron früher als natürliche Soda hohen Wert hatte. Man lässt dieses Salz mit dem Chlornatrium auskrystallisieren und unterwirft die Mutterlauge der Destillation' mit Schwefelsäure und Braunstein. Der Yorgang ist derselbe wie bei der Bromgewinnung. Die Jod- dämpfe treten aus der, in einer Sandkapelle (Fig. 51 k) befindlichen Retorte (r) in eine Yor- lage (v) , welche über dem Boden einen Sieb- boden zum Durchlassen des kondensierten Wassers und zur Seite einen Ausgang (t) zum Flg- pl- Entweichen des dampfförmigen Wassers besitzt. Auch benutzt man als Yorlage birnförmige Glasballons (sog. Aludeln) in der Anordnung, dass der hintere mit dem Halse in die Bodenöffnung des vorderen hineinreicht. Das in der Yor- lage verdichtete Jod wird zur Reinigung nochmals sublimiert. In Frankreich scheidet man das Jod aus der, das Jodnatrium enthaltenden Mutterlauge mittelst Chlorgas ab, welches man in jene einleitet. Dem Chlor kommen stärkere Affinitäten zu als dem Brom und Jod, weshalb es dieselben aus ihren Salzverbin- dungen verdrängt: NaJ + Cl = NaCl + J Jodnatrium Chlor Chlornatrium Jod. Hierbei ist aber ein Überschuss von Chlor sorgfältig zu ver- meiden, da derselbe das ausgeschiedene Jod zu leichtlöslichem Chlorjod auflösen würde. § 132. Erkennung von Brom und Jod. Auf der Ausscheidung von Brom und Jod durch Chlor beruht ihr Nachweis. Man setzt zu der fraglichen Flüssigkeit etwas Chlorwasser, jedoch nicht im Überschuss (da ein solcher das ausgeschiedene Brom resp. Jod in Chlorbrom und Chlorjod überführen würde), und schüttelt mit einigen Tropfen Chloroform oder Schwefelkohlenstoff: Brom giebt sich durch eine gelbe, Jod durch eine violette Fär- bung desselben zu erkennen. Jod kann man statt dessen auch durch die Bläuung mit etwas Stärke kl ei st er nachweisen. An Stelle des Chlorwassers lässt sich auch die rauchende Salpeter- säure, und für das Jod (nicht aber für das Brom) Eisenchlorid- lösung anwenden. — 153 — § 133. Verbindungen von Brom und Jod. Brom lind Jod ahmen in allen Stücken dem Chlor nach, nur mit schwächeren Verwandt- schaften. Mit den Metallen verbinden sie sich direkt zu Bromiden und Jodiden. Kalium und Natrium verbrennen im Joddampfe zu Jodkalium resp. Jodnatrium; Quecksilber vereinigt sich mit dem Jod beim Zusammenreiben; Eisen oder Zink werden von Brom und Jod, bei Gegenwart von Wasser, unter Erhitzung aufgelöst. Die meisten Brom- und Jodmetalle lösen sich in Wasser auf; ausgenommen sind das Brom- und Jodsilber, welche dem Chlor- silber analog als gelblichweisse Niederschläge entstehen, wenn die Lösung eines Bromids und Jodids mit salpetersaurem Silber- oxyd versetzt wird. Bromsilber und Jodsilber unterscheiden sich aber vom Chlorsilber nicht nur durch ihre gelbliche Färbung, sondern auch durch ihr Verhalten zu Salmiakgeist; während der- selbe das Chlorsilber mit Leichtigkeit auflöst, nimmt er das Brom- silber nur sehr schwierig, das Jodsilber gar nicht auf. Übergiesst man daher ein Gemenge von Chlorsilber und Jodsilber mit Sal- miakgeist, so löst sich nur das Chlorsilber auf und kann aus dem Filtrate durch Ansäuerung (mit Salpetersäure) wieder aus- geschieden werden. (Nachweis des Chlors neben dem Jod.) Mit Ätzalkalien vereinigen sich Brom und Jod zu einem Gemenge von Brom- resp. Jodmetall mit bromsaurem resp. jodsaurem Alkali. Nämlich : 6J + 6KHO === 5KJ + KJ03 -f- 3H20 Jod Kalihydrat Jodkalium jodsaures Kali Wasser. Mit dem Wasserstoff vermögen sich Brom und Jod nicht direkt, sondern nur indirekt zu verbinden. Bromwasserstoff (HBr) wie Jodwasserstoff (HJ) sind dem Chlorwasserstoff sehr ähnliche Gase , lösen sich , wie dieses , reichlich in Wasser auf, zeigen aber ein starkes Bestreben , Sauerstoff aus der Luft anzu- ziehen, und ihre Lösungen werden schon in kurzer Zeit an der Luft braunrot, zufolge freien Broms oder Jods. Auch lassen sie sich nicht unzersetzt aus den Brom- und Jodmetallen durch Destillation mit konzentrierter Schwefelsäure destillieren , da sie auf die letztere reduzierend (zu S02) einwirken und sich selbst zu Wasser und Brom oder Jod oxydieren. Die gewöhnliche Darstellungsweise von wässeriger Brom- resp. Jodwasserstoffsäure besteht darin, in Wasser, worin sich Brom oder Jod befinden, Schwefelwasserstoffgas einzuleiten. Jene scheiden den Schwefel ab und verbinden sich mit dem Wassertoff. Durch Abdampfen lassen sich dann die Lösungen konzentrieren. H2S + 2J = 2HJ + S Schwefelwasserstoff Jod Jodwasserstoff Schwefel. Mit dem Schwefel lässt sich das Jod zu Jodschwefel, Sulfur jodatum (SJ), zusammenschmelzen; eine krystallinische, stahlgraue Masse, - 154 — welche schon beim Liegen an der Luft Jod abdunstet, an Weingeist alles Jod abgiebt und den Schwefel zurücklässt. § 134. Verhalten des Jods gegen Natriumthiosulfat. Ton beson- derem Interesse und für die Massanalyse von grosser Wichtigkeit ist die Zersetzung des Natriumthiosuifats (auch Natriumhypo- sulfit oder unterschwefligsaures Natron genannt) durch freies Jod. Beide Körper geben bei ihrem Zusammentreffen so- fort eine farblose Lösung von Jodnatrium und tetrathionsaurem Natron. Nämlich : 2Na?S203 + 2J = 2NaJ + Na2S406 unterschwefligsaures Natron Jod Jodnatrium tetrathionsaures Natron. § 135. Verbindungen des Fluors. Das Fluor kommt in der Natur vorzugsweise als Pluorcalcium vor, ein unter dem Namen Fluss- spat bekanntes und nicht seltenes Mineral. Man verwendet das- selbe bei verschiedenen Glüh- und Schmelzprozessen wegen seiner Leichtschmelzbarkeit als Flussmittel. Mit konzentrierter Schwefelsäure zerlegt sich das Fluorcalcium in schwefelsauren Kalk und Fluorwasserstoff (HF), ein farb- loses, äusserst ätzendes Gas, dessen wässerige Lösung Fluss- säure genannt wird. CaF.2 + H.2S04 ■+- CaS04 + 2HF Fluorcalcium Schwefelsäure schwefelsaurer Kalk Fluorwasserstoff. Man kann deren Darstellung nur in Blei- oder Platingefässen vornehmen, da alle anderen Materien, vorzugsweise das Glas, von der Fluorwasserstoffsäure stark angegriffen werden. Man benutzt die Flusssäure (oder auch ein Gemenge von gepulvertem Fluss- spat mit englischer Schwefelsäure) zum Ätzen von Glas, um auf demselben Zeichnungen, Schriftzüge u. s. w. anzubringen, wobei man die übrigen Teile durch Überziehen mit Wachs vor der Säure schützen muss. Mit Sauerstoff lässt sich das Fluor weder direkt noch indirekt verbinden. Versuche. 1. Ausscheidung von Brom und Jod durch Chlor. Einige Bromkalium- und Jodkaliumkry stalle löse man, jedes für sich, in Wasser, füge einige Tropfen Schwefelkohlenstoff oder Chloroform hinzu und dann portionenweise Chlorwasser. Nach jedesmaligem Zusätze desselben gut umschüttelnd, bemerkt man eine starke gelbrote resp. violettrote Färbung der unteren Schicht, bis sie bei starkem Vorwalten des Chlors wieder farblos wird. 2. Ätzen mit Flusssäure auf Glas. Man übergiesse in einem Bleinäpfchen oder Platintiegel feingepulverten Flussspat mit soviel engl. Schwefelsäure, dass ein Brei entsteht; denselben streiche man auf eine Glasfläche, die man zuvor dünn mit geschmolzenem Wachs überzogen, in das man die gewünschte Schrift oder Zeichnung hinein radierte. Nach einigen Stunden wasche man die Fläche ab und reinige sie vom Wachs; die radierten Züge treten dann sichtbar hervor. - 155 - Stöchioinetrische Aufgaben. 1. Wieviel Chlorgas erfordert 1 kg Jodnatriurn zur Jodausscheidung — Antw. NaJ : Cl = (23 + 127) : 35,5; x == 250 g. 2. Wieviel Jod wird dabei ausgeschieden? — Antw. NaJ : J = (23 + 127) : 127; x = 8462/3 g. 3. Wieviel Brom ist in 1 Pfd. Bromnatrium enthalten? — Antw. NaBr : Br = (23 + 80) : 80; x = 388V3 g. 15. Die Kohle und Kohlensäure. § 136. Eigenschaften der Kohle. Die Kohle ist ein Element, welches in drei allotropischen Zuständen auftritt, nämlich: 1. Als Diamant (Ca), kristallisiert in farblosen, durchsich- tigen, regelmässigen Oktaedern, der härteste Körper, stark licht- brechend, unlöslich in allen Lösungsmitteln, unschmelzbar, in sehr hohen Hitzegraden zu Kohlensäure verbrennlich.*) Er findet sich in Brasilien, Südafrika, Ostindien; künstlich wurde er noch nicht dargestellt. Spez. Gew. = 3,5. 2. Als Graphit (Cß), krystallisiert in bleigrauen, metall- glänzenden sechsseitigen Tafeln, unlöslich, noch schwerer ver- brennlich als der Diamant, Leiter der Elektrizität. Er findet sich in grossen Lagern natürlich ; künstlicher Graphit schwitzt aus ge- schmolzenem Gusseisen beim Erstarren aus (Hochofengraphit). Spez. Gew. = 2. 3. Als amorphe Kohle (Cy), durch Yerkohlung organischer Materien entstanden, nach denen man sie bezeichnet als Kien- russ, Holzkohle, Tierkohle (Knochenkohle), Fleisch- kohle u. s. f. Der Kienruss (Fuligo) ist, wenn nochmals geglüht, die reinste amorphe Kohle, leicht brennbar, porös und leicht. Die Holzkohle (Carbo vegetabilis) bildet das Produkt der Verkohlung des Holzes (vorzugsweise des Kiefernholzes) in Meilern, d. i. in Haufen, die angezündet und mit Rasen bedeckt werden , sodass bei geringem Luftzutritt (durch einige offene Stellen) das Holz langsam verkohlt. Die gepulverte Holz- kohle, Carbo pulveratus, ist die nach nochmaligem Glühen gepulverte Holzkohle. Die Knochenkohle (Ebur ustum nigrum), auch Spodium genannt, enthält neben der Kohle den ganzen Gehalt der Knochen an phosphorsaurem Kalk. Kocht man sie mit sehr verdünnter Salzsäure, so bleibt die gereinigte Knochenkohle zurück. Die Fleischkohle, Carbo ani- malis, resultiert durch Yerkohlen von Kalbfleisch, dem man die Kalbsknochen zufügt; Blut liefert die Blutkohle, Brot die *) 1694 verbrannte man zuerst den Diamant in Florenz im Brenn- punkt grosser Brennspiegel. — 156 — Brotkohle, Badeschwämme die jodhaltige Schwammkohle (Carbo Spongiae). Amorphe Kohle ist ferner Hauptbestandteil der Steinkohlen und Braunkohlen, die man als Heizmaterial benutzt. Ausgeglühte Steinkohlen sind die Coaks. Die amorphe Kohle ist durch zwei Eigenschaften besonders ausgezeichnet: 1. Gase in ihren Poren zu verdichten, 2. Farbstoffe und trübende Materien aus Flüssigkeiten auf sich niederzuschlagen. Die Absorption von Gasen ist am stärksten bei der porösen Holzkohle, welche ihr neunfaches Volum Sauerstoffgas, sogar ihr neunzigfaches Yolum Salzsäuregas oder Ammoniakgas verschluckt. Das Entfärbungs- und Klärungs- vermögen finden wir am stärksten bei der Knochenkohle; man bedient sich daher ihrer zur Verbesserung verdorbenen, stehenden Wassers, zur Entfuselung des "Weingeistes, Entfärbung und Klärung des Zuckersaftes und der Alkaloide, wobei aber nicht geringe Mengen der letzteren von der Kohle zurückgehalten werden. (Durch Kohle filtriertes fauliges Wasser ist zwar geruchlos ge- worden, aber nicht frei von Zersetzungs- und Ansteckungsstoffen niederen Organismen). * § 137. Verbindungen der Kohle. 1. Die Kohle ist ein vier- wertiges Element, welches bei Luftmangel zu einer ungesättig- ten Verbindung, dem Kohlenoxydgas (CO), bei genügendem Luftzutritt zu Kohlendioxyd gas (C02) verbrennt* Letzteres nennt man gewöhnlich kohlensaures Gas. Das Kohlenoxydgas ist, wie das Kohlendioxyd, färb- und geruchlos, unterscheidet sich aber von letzterem durch seine Brennbarkeit, indem es beim An- zünden mit blauer Flamme zu Kohlensäuregas verbrennt. Es ist ferner ein sehr giftiges Gas, welches selbst verdünnt einge- atmet lähmend und tötlich wirkt. Da sich dieses Gas überall bildet, wo Kohlen bei ungenügendem Luftzutritt verbrennen, wie z. B. beim Schliessen der Klappe eines brennenden Ofens, so ist seine Giftigkeit sehr zu beachten. 2. Mit dem Wasserstoff vermag sich die Kohle nicht direkt zu verbinden. Wir kennen aber eine grosse Zahl Kohlenwasser- stoffverbindungen, die freilich zumeist dem organischen Keiche angehören, von denen aber zwei hier erwähnt werden sollen: das leichte und das schwere Kohlenwassersto f f g a s , CH4 und C2H4. Ersteres, ein farbloses Gas, halb so schwer wie die Luft, bildet sich in Sümpfen und findet sich häufig in Kohlen- gruben, worin es durch zufällige Entzündung Explosionen (schla- gende Wetter) hervorruft. Man nennt daher dieses leichte Kohlen- wasserstoffgas (CH4) Sumpf luft oder Grubengas. Seine Ex- plosion findet nur statt, wenn es mit Luft gemischt entzündet wird, ähnlich dem Knallgase. Zum Schutze der Bergleute kon- — 157 — struierte H. Davy die Sicherheitslampe, deren Grubenlicht mit einem Cylinder von feinem Drahtnetz umgeben ist.*) Das schwere Kohlenwasserstoffgas (C2H4) ist farb- los, von unangenehmem Geruch, fast gleich schwer mit der Luft, Hauptbestandteil des Leuchtgases, dessen hellleuchtende, weisse Flamme von ihm herstammt. Diesem Gase verdanken alle unsere Beleuchtungsflammen ihre Leuchtkraft. Man nennt das Gas ge- wöhnlich Olgas, weil es sich mit Chlorgas zu einer ätherischen Flüssigkeit, dem Äthylenchlorid (C2H4C12, dem sog. Öl der holländischen Chemiker) verbindet. 3. Mit dem Schwefel verbindet sich die Kohle zu Schwefel- kohlenstoff (Kohlensulfid), Carboneum sulfuratum (CS2) , einer farblosen , stark lichtbrechenden und äusserst brenn- baren, feuergefährlichen, ätherischen Flüssigkeit, mit dem Gerüche nach faulem Kohl, bei 46 ° siedend, mischbar mit Weingeist, Äther und Ölen, in Wasser untersinkend (spez. Gew. 1,27) und darin unlöslich. Mari gewinnt ihn durch Destillation , indem man Schwefeldämpfe durch glühende Kohlen leitet. Seine ältere Be- zeichnung war Schwefelalkohol (Alcohol Sulfuris). Man gebraucht ihn in der Technik zum Vulkanisieren des Kautschuks, zum Entfetten der Wolle u. a. m. In der Analyse dient er beim Nachweise des Broms und Jods (vgl. § 134). § 138. Eigenschaften der Kohlensäure. Die Kohlensäure**) (C02) ist ein färb- und geruchloses, nicht brennbares Gas, andert- halbmal so schwer wie die Luft (spez. Gew. 1,529), nicht tauglich zum Atmen, erstickend, wenngleich nicht eigentlich giftig. Unter starkem Drucke verflüchtigt sie sich und erstarrt dann durch eigene Verdunstung zu einer schneeähnlichen Masse, eine Kälte von — 79 ° erzeugend. In Wasser löst sich das Gas wenig auf, bei gewöhnlicher Temperatur nur zum gleichen Volumen, in der Wärme noch weniger, dagegen unter Druck bedeutend mehr, z. B. unter 3 Atmosphärendruck zum dreifachen , unter 5 Atm. zum fünf- fachen Volumen. Alles tellurische Wasser enthält mehr oder weniger Kohlensäure gelöst; beträgt der Gehalt mehr, so nennt man die Quelle einen Säuerling. Solches Wasser lässt beim Hineinbringen pulveriger Gegenstände (z. B. Zuckerpulver) ver- möge der Adhäsion sein Gas unter Schäumen entweichen. Künst- *) Wenn sich eingedrungenes Grubengas an der Flamme entzündet, so verhindert das Drahtnetz, durch seine Wärmeableitung, die Fortpflanzung der Entzündung nach aussen, ähnlich, wie man eine Weingeistflamme durch ein quer hineingehaltenes Drahtnetz gleichsam abbrechen kann. **) Die Kohlensäure, früher Luft säure, fixe Luft genannt, wurde von Black und Scheele in ihrer Eigentümlichkeit erkannt (1772) und von Lavoisier (1774) ihrer Natur nach festgestellt. — 158 — liches Sauerwasser stellt man durch Einpumpen von Kohlen- säuregas in Wasser unter mehrfachem Atmosphärendrucke dar. Das mit dem Grase gesättigte Wasser kennzeichnet sich durch säuerlichen, prickelnden Geschmack und rötet vorübergehend Lack- muspapier. Man unterscheidet hauptsächlich zwei Arten von Mineralwasser- apparaten, nämlich Pumpenapparate und Selbstentwickler. Die Pumpenapparate sammeln das im sog. Generator aus Magnesit oder Marmor und Schwefelsäure entwickelte kohlensaure Gas, nachdem es durch mehrere mit Wasser gefüllte Waschgefässe geleitet und gewaschen (geruchlos ge- macht) worden ist, in einem Gasometer über Wasser und pumpen es aus demselben mittelst einer Druck- und Saugpumpe in den Mischcylinder, worin sich das zu sättigende Wasser befindet und durch Umrühren mit einer Rührwelle mit dem Gase in Berührung gebracht wird. Ein Manometer zeigt den Gasdruck im Mischcylinder an. Nach der Sättigung wird das Wasser mittelst einer besonderen Vorrichtung auf Flaschen abgefüllt, die mit der Maschine verkorkt werden. — Bei einem „Selbstentwickler" fehlt der Gasometer und die Pumpe. Das im Generator entwickelte kohlensaure Gas wird direkt in den Mischcylinder geleitet zur Absorption durch das darin befindliche Wasser. Bei diesen Apparaten müssen daher sämtliche Ge- fässe so stark sein, dass sie einen mehrfachen Atmosphärendruck aus- zuhalten vermögen. Die Selbstentwickler sind niemals so leistungfähig, wie die Pumpenapparate. § 139. Chemisches Verhalten der Kohlensäure und ihre Erkennung. Die Kohlensäure wird von basischen Oxyden begierig verschluckt, kohlensaure Salze, Karbonate, mit ihnen bildend. In Wasser lösen sich nur die kohlensauren Alkalien, die übrigen Karbonate n icht. (Kohlensaurer Kalk, kohlensaures Magnesia und kohlensaures Eisenoxydul lösen sich etwas in kohlensäurehaltigem Wasser auf.) Man erkennt die kohlensauren Salze leicht am Aufbrausen beim Übergiessen mit einer Säure ; das dabei entweichende, farb- und geruchlose Gas rötet befeuchtetes Lackmuspapier schwach und vorübergehend. In wässeriger Lösung befindliche kohlensaure Alkalien erzeugen mit Kalkwasser einen weissen Niederschlag (kohlensauren Kalk). § 140. Wie gewinnt man die Kohlensäure? Die Kohlensäure, das Yerbrennungsprodukt der Kohle und kohlehaltiger organischer Materien, bildet sich bei den vielfachen Yerbrennungsprozessen in der Natur, bei der Atmung der Tiere und Menschen (in der ausgeatmeten Luft zu 3,5 Proz.), bei der Gährung von Bier und Wein, bei der Verwesung und Vermoderung u. s. f. Daher ist sie ein konstanter Bestandteil der Atmosphäre (im Mittel darin zu 0,03 Proz. enthalten). Künstlich gewinnt man sie aus ihren Salzen durch Zersetzung derselben mit Schwefelsäure oder einer andern stärkeren Säure, — 159 denn sie gehört zu den schwächsten Säuren, entweicht auch aus den Karbonaten der Schwermetalle durch blosses Erhitzen. Der kohlensaure Kalk selbst verliert in der Glühhitze die Säure und lässt Kalk zurück. (CaC03 = CaO + C02). Das gewöhnliche Material zur Darstellung der Kohlensäure ist der kohlensaure Kalk (Kalkstein, Kreide, Marmor) oder die kohlen- saure Magnesia (Magnesit) mit Schwefelsäure, seltener Salzsäure. MgCO, + H2S04 = MgS04 + H20 + C0.2 kohlensaure Schwefelsäure schwefelsaures Wasser Kohlensäure Magnesia Magnesia CaC03 + 2HC1 = CaClg + H20 + CO, kohlensaurer Kalk Salzsäure Chlorcalcium Wasser Kohlensäure. Das kohlensaure Gas entweicht unter Aufbrausen, besitzt aber häufig einen üblen Geruch, zumal bei Anwendung von Kreide. Man befreit es von demselben, indem man es durch Wasser streichen lässt. Versuche. 1. Kohlensäureentwicklung aus kohlensaurem Kalk (Fig. 52.) Man übergiesse in einem Glaskolben oder Medizinglase Marmorstückchen oder zerbröckelte Kreide mit sehr verdünn- ter Salzsäure, die Mündung sofort mit einem Stopfen verschliessend, durch welchen eine doppelt gebogene Glasröhre luftdicht geführt ist, deren anderes Ende man in eine Wanne mit Wasser tauche, eine mit Wasser gefüllte Flasche dar- überhaltend. Das entwickelte kohlen- -p- ^ saure Gas sammelt sich in letzterer an. Ist sie grösstenteüs davon angefüllt, so wechsele man sie mit einer anderen, bereit gehaltenen. Eine in das Gas getauchte Flamme erlischt sofort. Das unter ihm befindliche Wasser schmeckt säuerlich prickelnd und rötet blaues Lack- muspapier vorübergehend; mit Kalkwasser gemischt, verursacht es eine starke Ausscheidung weissen kohlensauren Kalkes. 2. Verbrennung von Schwefelkohlenstoff inüntersalpeter- säure dampf. Man entwickele nach früher angegebener Weise Stickoxyd- gas aus Kupferspänen und Salpetersäure, leite dasselbe in einen aufrecht- stehenden Glascylinder, worin es sich durch die vorhandene Luft zu Unter- salpetersäure oxydiert. Ist der Cylinder völlig mit rotgelbem Gase ange- füllt, so bringe man wenige Tropfen Schwefelkohlenstoff mittelst eines kleinen Löffels (nicht aus der Vorratflasche!) hinein; sie verbrennen sofort mit starker Flamme, die Gefässwand mit ausgeschiedenem Schwefel bedeckend Stöcliiometrische Aufgaben. 1. Wieviel / Kohlensäure liefert 1 k kohlensaurer _ Kalk bei seiner Zersetzung durch Säure, wenn das / des Gases 2 g wiegt? — Antw. CaC03 : C02 = (40 -j- 12 + 48) : (12 + 32); x = 440 g = 220 l. 2. Wieviel Schwefelkohlenstoff liefert 1 kg Schwefel? — Antw. 2S: CS2 = (2 X 32) : (12 + 64); x = 1187 g. 160 16. Kiesel und Bor. § 141. Eigenschaften von Kiesel und Bor. Kiesel (Silicium*) und Bor (Borain **) sind zwei, der Kohle sich enge anschliessende, nichtmetallische Elemente und, wie jene, in drei allotropischen Zuständen bekannt: diamantartig, graphitähnlich und amorph (pulverig). Beide Elemente kommen nicht frei in der Natur vor, sondern werden künstlich gewonnen durch Reduktion ihrer Sauer- stoffverbindungen , besser noch ihrer Pluorkaliumverbindungen mittelst Kalium oder Natrium , welche den Kiesel resp. das Bor abscheiden und sich an ihre Stelle setzen. Bor wurde zuerst von Davy(1807), Kiesel von Berzelius (1823) isoliert. Der Kiesel ist, wie die Kohle, vierwertig, das Bor dreiwertig. Beide verbinden sich mit dem Sauerstoff nur in einem Yerhältnisse zu Oxyden, denen je eine Säure entspricht: Kieseldioxyd Si02 Kieselsäure H4Si04 wasserfreie Borsäure B203 Borsäure H.,B03. § 142. Wie kommt die Kieselsäure vor? Die Kieselsäure ist in Yerbindung mit Basen als Silikat (kieselsaure Salze) unge- mein verbreitet in der Natur. In den in Wasser löslichen kiesel- sauren Alkalien tritt sie zweibasisch auf, analog der Kohlensäure: kieselsaures Kali (sog. Kieselfeuchtigkeit) K2Si03. Sie bildet aber vorzugsweise saure Salze: Bisilikate, Trisili- kate, in denen kein Wasserstoff enthalten ist, welche vielmehr als Yerbindungen des neutralen Salzes mit 1,3 Mol. wasserfreier Kieselsäure dastehen — ein Verhalten, welches wir bei der Bor- säure und Chromsäure wiederfinden. Hiernach sind: Vierfach kieselsaures Natron (Wasserglas) qc-(-\3 / = Na2Si409 Doppelkieselsaurer Kali-Kalk (Crownglas) rt2o-rf \ 2Si02 = K2CaSi4O10 'vi Kieselsaures Kali-Bleioxyd (Flintglas) pgfjo3 f 3Si02 = K2PbSi5°i Kieselsaure Kali-Thonerde (Feldspat) A?Üi03 \ 2Si02=K2Al2Si6016***) Scheidet man die Kieselsäure aus den löslichen Silikaten durch eine Säure ab, so stellt sie eine gallertige Masse, Kiesel- gallerte (H4Si04), dar, welche man durch Dialyse rein gewinnen kann. In diesem hydratischen Zustande löst sie sich in 100 Th. *) Silicium von silex, Kieselstein. **) Borum von Borax. ***) Die ältere Formel des Feldspats war (KO,Si03 + A1033Si03) dem Alaun analog. Damals hatte man das Atomgewicht des Kiesels = 22,3 angenommen, sodass die Formel der wasserfreien Kieselsäure Si03 war. — 161 — Wasser auf , verliert aber schon beim Eintrocknen Wasser , wird zu (H2Si03) und schwer löslich. Beim Verdampfen zur Trockne geht sie in Kieseldioxyd oder „wasserfreie Kieselsäure", auch Kieselerde genannt (Si0.2), über, welche in Wasser unlös- lich ist, von heissen Ätzalkalien jedoch leicht aufgelöst wird. Diese Kieselerde ist feuerbeständig, schmilzt nur im Knallgasge- bläse und treibt in der Glühhitze aus fast allen Salzen die Säuren aus, Silikate bildend. In der Natur findet sich die Kieselerde (Si02) krystallisiert (in Hexagonalsäulen) , im reinsten Zustande als Bergkrystall, weniger rein als Quarz, der sich in Form von Sand aus dem niessenden Wasser absetzt; durch verschiedene Metalloxyde gefärbt als Amethyst, Chalcedon. Amorphe Kieselerde stellt der Feuerstein und Achat dar. Diese Mineralien zeichnen sich durch grosse Härte aus, worin sie nur von den Edelsteinen über- troffen werden ; daher giebt z. B. der Stahl am Feuerstein Funken. § 143. Was ist das Glas? Glas ist ein Doppelsilikat, künstlich zusammengeschmolzen einerseits aus Kieselerde, anderer- seits aus Salzen von Alkalien und Erden, auch Schwermetalloxyden. Wenn die alten Phönizier zufällig Entdecker des Glases wurden, als sie Salpeter und Sand zusammenschmolzen, so hatten sie im Salpeter die alkalische Base (Kali) , im Sand die Kieselerde , mit kalkigen und thonigen Beimengungen. Auch jetzt noch bestehen die Hauptingredienzen des „Glassatzes" aus Sand, Kalk-, Magnesia- und Thonerde-Gestein, teils mit Pottasche, teils mit Soda. Wir unterscheiden zwei Glassorten: Kaliglas, welches mit Pottasche oder Chlorkalium bereitet ist, und Natronglas, wozu man Soda oder Kochsalz benutzt. Das weisse französische Glas ist Natronglas und ausgezeichnet durch seine leichte Schmelz- barkeit; Kaliglas schmilzt schwieriger. Das schöne Krystallglas ist ein Kaliglas .mit Bleisilikat, ebenso das zu optischen Zwecken dienende Flintglas, das zu gleichem Zweck gebrauchte Crownglas dagegen Kaliglas mit Kalksilikat. Farbige Glassorten entstehen durch Beimischung gewisser Metalloxyde ; so ist Eisenoxydul im grünen Flaschenglas, Eisenoxyd im braunroten, Kupferoxydul im rubinroten, Kupferoxyd oder Chrom- oxyd im grünen, Kobaltoxyd im blauen Glase enthalten. Milch- glas besitzt beigemengte Knochenasche oder Zinnoxyd. § 144. Wie gewinnt man die Borsäure? Die Borsäure kommt natürlich vor und wird in Toskana an gewissen Orten gewonnen, wo sie von Wasserdämpfen (sog. Fumarolen) aus der Erde geführt wird ; diese Dämpfe brechen aus künstlich angelegten kleinen Seeen (sog. Lagoni) hervor und schleudern deren Wassermassen in Schliokum, Ap othe kerlehr ling. 1] — 162 — Strahlen empor. Man legt diese Lagoni als terrassenförmig über- einander gemauerte Wasserbehälter an , in deren "Wasser die Borsäure zurückgehalten wird. Durch Abdampfen der Lösung gewinnt man sie krystallisiert und verarbeitet sie mit Soda zu Borax (doppeltborsaurem Natron). Die medizinisch als antiseptisches (fäulniswidriges) Mittel angewendete Borsäure, Acidum boricum (H3B03), stellt man durch Zerlegung des Borax mit Salpetersäure dar; salpeter- saures Natron bleibt in Lösung, die Borsäure krystallisiert aus. Sie erscheint in durchsichtigen, farblosen, perlmutterglänzenden, sechsseitigen Tafeln, löst sich ziemlich schwer in kaltem, leicht in heissem Wasser und verflüchtigt sich teilweise mit den Wasser- dämpfen, obgleich sie, für sich geschmolzen, feuerbeständig ist Ihre wässerige Lösung rötet Lackmuspapier und färbt Curcuma- papier (erst nach dem Trocknen) braunrot. Prüfung: Die wässerige Lösung der Borsäure darf nicht durch Baryumnitrat oder Silbernitrat getrübt (weiss: Schwefelsäure resp. Salz- säure), noch durch H2S verändert (dunkle Trübung: Schwermetalle), noch durch Schwefelcyankalium gerötet (Eisen), noch durch überschüssiges Am- moniak gebläuet (Kupfer) werden. Schmilzt man die Borsäure für sich, so bläht sie sich unter Wasserverlust stark auf zu Metaborsäure (HB02) und hinterlässt endlich in der Rotglühhitze wasserfreie (anhydrische) Bor- säure (B203) als farbloses Glas*). Freie Borsäure erteilt der Weingeistflamme eine eigene, gelbgrüne Färbung — ihr bestes Erkennungsmittel ! Mit den basischen Oxyden bildet sie bor saure (Borate), vorzugsweise doppeltborsaure (Biborate) Salze, die, den Bisilikaten analog, aus normalem Salze und wasserfreier Borsäure bestehen. So ist der Borax doppeltborsaures Natron: Na2B204 I _/ w E Q B 0 ( ~ i-Na2.D40 + H20. — 163 - Dieses Gas ist farblos, raucht an der Luft (durch Wasserdampfanziehung) und zersetzt sich mit Wasser in Kieselsäure (welche sich abscheidet) und Kieselfluorwasserstoffsäure (2 HF -|- SiF4), eine saure Flüssigkeit, welche mit Basen eigene Salze bildet, z. B. mit Kali Kieselfluorkalium (2KF + SiF4). 3SiF4 + 4H20 = H4Si04 + (2 HF + SiF4) Fluorkiesel "Wasser Kieselsäure Kieselfluorwasserstoffsäure. Das Fluorbor verhält sich völlig analog und erzeugt mit Wasser die Bor- fluorwasserstoffsäure (HF -j- BF3). Praktische Übungen. Acidum boricum. Man löse 5 Teile Borax in 15 Teilen heissem Wasser und füge 6 Teile reine Salpetersäure hinzu. Beim Erkalten kry- stallisiert die Borsäure in Schuppen aus. Man sammle sie auf einem locker verstopften Trichter und trockne auf Fliesspapier. Stöchiometrische Aufgabe. Wieviel Borsäure gewinnt man aus 1 Pfd. Borax (Na2B407 -j- 10H2O)? — Antw. (Na,B407 + 10H,O) : 4 (H3B03) = (46 + 43,6 + 112 + 180) : 4 (3 + 10,9 + 48); x = 325 g. b) Metalle. 17. Eigenschaften und Einteilung der Metalle. §146. Was versteht man unter einem Metalle? Im gewöhnlichen Leben versteht man unter einem Metalle einen dichten, schweren, undurchsichtigen, glänzenden, unlöslichen, schmelzbaren, unter dem Hammer dehnbaren und geschmeidigen, die Wärme gut fort- leitenden Körper. Yon dieser Definition müssen wir, seit der Entdeckung der Leichtmetalle, manchen Punkt streichen, da die letzteren weder in der Schwere , noch in der Unlöslichkeit mit den altbekannten Schwermetallen übereinstimmen. So bleiben uns noch folgende allgemeine Eigenschaften der Metalle übrig: 1. Die Metalle sind undurchsichtig und metallglänzend. Die Metalle sind nicht allein im festen Aggregatzustande, sondern auch im flüssigen, geschmolzenen Zustande undurch- sichtig, wie dies das Quecksilber zeigt. Feingeschlagenes Gold (Blattgold) schimmert übrigens mit grünem Lichte durch, wenn man es gegen die Sonne hält. Der Metallglanz ist vorzugsweise den polierten Metall- flächen eigen und fehlt dem pulverigen Metalle. Reibt man aber ein gepulvertes Metall unter starkem Drucke, so nimmt es wieder Glanz an. Der Metallglanz ist wesentlich an die Eigenschaft der völligen Undurch sichtigkeit gebunden; bei durchsichtigen oder auch nur durchscheinenden Körpern bezeichnet man den Glanz als Glasglanz, Fettglanz u. s. w. 11* — 164 — 2. Die Metalle sind schmelzbar. Während das Quecksilber in gewöhnlicher Temperatur flüssig ist. und nur unter — 40° fest wird, kommen die meisten Metalle erst in der Glühhitze zum Schmelzen. Am leichtflüssigsten unter den bekannteren Schwermetallen ist das Zinn , dessen Schmelz- punkt bei 200 ° liegt ; dann folgen das Wismut , Blei und Zink. In der Weissglühhitze (bei 1000°) schmelzen Kupfer, Silber, Gold; in höherer Temperatur das Eisen; das Platin erst im Knall- gasgebläse Beim Abkühlen krystallisieren viele Metalle im regulären System. 3. Die Metalle sind dehnbar und geschmeidig. Die Metalle besitzen sehr verschiedene Geschmeidigkeit, Kupfer und Eisen setzen dem Ziehen und Zerreissen den grössten Widerstand entgegen, sie sind am zähesten, Zink und Blei da- gegen wenig zähe, aber weich. In gewöhnlicher Temperatur lassen sich die Metalle durch Hämmern dehnen, wobei sie dichter und spezifisch schwerer werden. Dagegen giebt es einige Metalle — Antimon, Wismut, Arsen — , welche unter dem Hammer zer- springen und sich pulvern lassen; man hatte sie deswegen früher Halbmetalle genannt. Eisen und Platin sind ausgezeichnet durch das Vermögen, in der Glühhitze weich zu werden und sich dann zusammen seh weissen zu lassen. 4. Die Metalle sind gute Leiter für Wärme und Elektrizität. Wenngleich die kompakte Kohle auch die Elektrizität fort- leitet, so geschieht dies doch mehrere tausendmal schlechter als beim Eisen, welches seinerseits zu den schlechteren Elektrizitäts- leitern unter den Metallen zählt. Das beste Leitungsvermögen für die Elektrizität besitzt das Silber, nächstdem Zink, Gold und Kupfer. Die Wärme wird von keinem Nichtmetalle fortgeleitet. § 147. Wie teilt man die Metalle ein? Man teilt die Metalle zunächst nach ihrer spezifischen Schwere in zwei grosse Ab- teilungen : A. Leichtmetalle, deren spez. Gew. unter 5 liegt, B. Schwermetalle, deren spez. Gew. über 5 liegt. Während Kalium und Natrium auf dem Wasser schwimmen, das Aluminium nur 2llimal schwer als Wasser ist, übersteigt das Gewicht des Eisens und Zinks dasjenige des Wassers 7 mal, das des Silbers und Bleies 11 mal, das des Quecksilbers 13 mal, das des Goldes 19 mal. A. Die Leichtmetalle vermögen alle das Wasser zu zer- setzen, den Sauerstoff an sich nehmend und den Wasserstoff frei machend. Kalium entwickelt dabei eine solche Wärme, dass das Wasserstoffgas zur Entzündung gelangt und verbrennt. Alumi- nium zersetzt dagegen nur siedendes Wasser und langsam. Die — 165 — dabei entstehenden Oxydhydrate (Hydroxyde) lassen eine Unter- scheidung der Leichtmetalle in drei Gruppen zu: a) Alkalimetalle. Ihre Oxydhydrate, Alkalien genannt, lösen sich sehr leicht im Wasser, zerfliessen sogar an der Luft; auch ihre kohlensauren Salze sind im Wasser löslich. Hierhin Kalium, Natrium, Lithium. . Ihre Oxyde heissen: Kali, Natron, Lithion. h) Alkalische Erdmetalle. Ihre Oxydhydrate, alka- lische Erden genannt, lösen sich nur schwierig in Wasser, erteilen demselben aber alkalische Reaktion ;'y ihre kohlensauren Salze lösen sich in reinem Wasser nicht auf. Hierhin : Baryum , Strontium , Calcium , Magnesium. Ihre Oxyde heissen: Baryt, Strontian, Kalk, Magnesia. c) Erdmetalle. Ihre Oxydhydrate, Erden genannt, lösen sich in Wasser nicht auf. Hierhin: Aluminium. Sein Oxyd heisst Thonerde. B. Die Schwerin etalle vermögen weder in gewöhnlicher Temperatur, noch in der Siedhitze das Wasser zu zerlegen. Man teilt sie nach der Oxydierbarkeit an der Luft in zwei Gruppen: a) Die unedlen Metalle überziehen sich an feuchter Luft allmählich mit einer Oxydschicht, die man beim Eisen Rost, beim Kupfer Grünspan nennt. Ihre Oxydhydrate lösen sich in Wasser nicht auf. — Man teilt ihre grosse Zahl in folgende Untergruppen ein: a) Metalle, welche sich in verdünnten Säuren unter Wasserstoffentbindung auflösen. Sie zersetzen den Wasserdampf in der Glühhitze. Hierhin : Eisen, Kobalt, Nickel, Mangan, Chrom, Zink, Kadmium. ß) Metalle, welche sich nicht in verdünnten Säuren lösen, aber von der Salpetersäure unter Stickoxy dentbin- dung zu salpetersauren Salzen aufgelöst werden. Hierhin: Kupfer, Blei, Wismut. y) Metalle, welche von Salpetersäure, unter Stick- oxy dentbindung, zwar oxydiert, aber nicht als sal- petersaure Salze aufgelöst werden. Hierhin : Zinn, Antimon, Arsen. b) Die edlen Metalle überziehen sich an der Luft mit keiner Oxydschicht, sondern bewahren ihren Glanz. Hierhin: Quecksilber, Silber, Gold, Platin. Yon diesen lösen sich die ersteren beiden leicht in Salpeter- säure, unter Stickoxydentbindung, zu salpetersauren Salzen auf. Gold und Platin werden aber nur von Königswasser (3 Teile Salzsäure und 1 Teil Salpetersäure) zu Chlormetallen aufgelöst. 166 18. Gewinnung der Metalle. § 148. Wie kommen die Metalle in der Natur vor? Die wenigsten Metalle finden sich gediegen in der Natur, wie das Gold, Pla- tin, Quecksilber und Wismut. Die grosse Mehrzahl kommt ver- erzt, teils oxydisch, teils geschwefelt, teils in Salz-Ver- bindung vor. Die Erze bedürfen daher der Reduktion, um metallisch zu werden. Je nachdem man die Metalle gebraucht, ist eine solche Reduktion Gegenstand eines hüttenmännischen Betriebes oder wird nur in den Laboratorien der Chemiker vor- genommen. Die hüttenmännische Metallgewinnung benutzt in der Regel die Kohle, seltener ein anderes Metall, wie z. B. Eisen, zur Reduktion. In den chemischen Laboratorien kommen zur An- wendung: Alkalimetalle, Oxydulsalze, Wasserstoff- gas, der elektrische Strom. Über letzteren wurde das Nötige schon im § 71 mitgeteilt. § 149. Reduktion der Metalle durch Kohle. Man reduziert alle oxydischen Erze im hüttenmännischen Betrieb durch Kohle, wobei Kohlenoxydgas oder Kohlensäure entweicht, während das reduzierte Metall zusammenschmilzt zum Metallkönig (Regu- 1 u s), wie man es früher nannte — woher noch jetzt der Ausdruck regulinisches Metall stammt. Um dieses geschmolzene Metall vor dem oxydierenden Einflüsse der Luft zu schützen, sorgt man für die Bildung einer Schlacke, die auf ihm schwimmt. Bedingung eines guten Verlaufs des Prozesses ist Leichtschmelzbarkeit der Schlacke, wodurch ein Zusammengehen der Metallpartikel ermög- licht wird. Die Schlacke ist stets eine Art Glas, aus den sandigen und erdig-kalkigen Teilen der sog. Gangart gebildet. Da häufig schwer- flüssige, erdige Stoffe zugegen sind, so benutzt man in den meisten Eällen einen sog. Zuschlag zum Erze, indem man ihm bald Kalk, bald Sand beigiebt, je nachdem die Gangart vorzugsweise reich an Quarz oder alkalischen resp. erdigen Bestandteilen ist. Besondere sog. Flussmittel, die bei Arbeiten im kleinen zur Anwendung gelangen (wobei man sich der Tiegel bedient), sind : Borax, Fluss- spat, Glas. Die Reduktion mit Kohle wird im kleinen in hessischen Tiegeln vorgenommen, worin man die mit Kohlenpulver ge- mischten Oxyde glüht; oder man erhitzt die Oxyde in Graphit- tiegeln (Passauer Tiegel). Die hüttenmännische Reduktion geschieht in besonderen Öfen, in mehr hohen als weiten Schachtöfen, in denen die mit Kohle gemischten Erze niedergeschmolzen werden. Bei der Eisengewinnung trägt man in den sog. Hochofen schichtweise Erz und Kohle ein ; . — 167 — das geschmolzene Metall sammelt sich im unteren Teile und wird von Zeit zu Zeit abgelassen. Bei den flüchtigen Metallen, Kalium, Natrium und Zink, ge- staltet sich der Prozess zu einer Destillation. Die mit Kohle ge- mengten Erze werden in Röhren oder Cylindern geglüht, aus denen durch seitlich angebrachte Abzüge die Metalldämpfe in die Vorlage entweichen. Gelangen Schwefelmetalle, z. B. Grauspiessglanzerz (Sb2S3), Blende (ZnS), Bleiglanz (PbS), zur Verhüttung mit Kohle, so müssen sie zuyor entschwefelt und in oxydische Erze verwan- delt werden. Man nennt diesen Prozess Rösten und führt ihn entweder in Flammenöfen oder in Rösthaufen (Stadeln) aus. Das Rösten besteht im Abbrennen des Schwefels durch den Sauerstoff der Luft, wobei schweflige Säure entweicht, während das Metall sich oxydiert. In Flammen Öfen setzt man die schwefelhaltigen Erze der Einwirkung der Flamme aus; die Rösthaufen formiert man in Form abgestumpfter Pyramiden aus abwechselnden Schichten von Erz und Brennmaterial, welches man entzündet. Dabei darf die Erhitzung nicht bis zum Schmelzen der Masse gesteigert werden. Das geröstete, oxydische Erz schmilzt man schliesslich mit Kohle im Schachtofen nieder. § 150. Reduktion durch ein anderes Metall. Wenn man einer Me- tallverbindung ein anderes Metall zusetzt, welches mit grösserer Affinität ausgerüstet ist, so setzt sich das letztere in äquivalenter Menge an die Stelle des ersteren, es metallisch ausscheidend. So vermögen Zink und Eisen alle übrigen Schwermetalle aus ihren Salzen zu verdrängen. Legt man einen Eisenstab oder Zinkblech in eine Kupferlösung, so wird Kupfer darauf abgeschieden und eine äquivalente Menge Eisen resp. Zink aufgelöst. CuS04 + Fe = Cu + FeS04 schwefelsaures Eisen Kupfer schwefelsaures Kupferoxyd Eisenoxydul. Man kann die Schwermetalle nach folgender Reihe ordnen, in der jedes Glied die nachfolgenden aus ihren Verbindungen aus- scheidet, durch die vorhergehenden aber selbst ausgeschieden wird: Zink und Eisen, Zinn, Kupfer, Wismut, Antimon, Queck- silber, Silber, Gold. Legt man eine Kupfermünze in eine Quecksilber- oder Silber- lösung, so überzieht sie sich bald mit einer weissen Metallschicht. Hüttenmännisch wird diese Methode beispielweise beim Blei- glanz, Spiessglanz und anderen Schwefelmetallen benutzt, welche man mit Eisen zusammenschmilzt. Über dem regulinischen Blei, Antimon u. a. schwimmt das gebildete Schwefeleisen als Schlacke. PbS + Fe = Pb + FeS Schwefelblei Eisen Blei Schwefeleisen. — 168 - Die Metalle der Erden, z. B. das Aluminium und Magnesium, gewinnt man durch Schmelzen ihrer Chloride oder Fluoride mit- telst Natriums, wobei Chlor- resp. Fluornatrium das regulinische Metall als Schlacke bedeckt. § 151. Reduktion durch Wasserstoffgas. Sämmtliche Schwermetalle werden in höherer Temperatur durch »Wasserstoffgas reduziert; die Oxyde liefern dabei Wasser, die Schwefelmetalle Schwefel- wasserstoffgas : Fe203 + 6H = 2Fe + 3H20 Eisenoxyd Wasserstoff Eisen Wasser Sb2S3 + 6H = 2Sb + 3H2S Schwefelantimon Wasserstoff Antimon Schwefelwasserstoff Man leitet das Wasserstoffgas über die erhitzte Metallverbind- ung. Pulveriges Metall bleibt zurück. Bei den oxydischen Ver- bindungen gelingt diese Reduktion noch beim Eisen und Zink, aber weder beim Mangan , noch bei den Leichtmetallen , welche in umgekehrter Weise mit Leichtigkeit das Wasser zersetzen. Bei den Schwefelmetallen ist die Reduktion durch Wasserstoffgas nicht in dem Umfange statthaft wie bei den Oxyden und gelingt schon beim Schwefelkupfer, Schwefeleisen und Schwefelzink nicht mehr. 19. Kalium und seine Verbindung. § 152. Eigenschaften und Gewinnung des Kaliums. Das Kalium*) ist ein weiches, mit dem Messer schneidbares, auf frischer Schnitt- fläche glänzendes Matall, welches sich an der Luft sehr schnell oxydiert und deshalb unter Steinöl aufbewahrt wird. Auf dem Wasser schwimmt es, zischend hin und her fahrend und das ent- wickelte Wasserstoffgas infolge der starken Erhitzung entzündend ; dabei löst sich Kaliumhydroxyd (Kalihydrat) im Wasser auf. K + H20 = KHO + H Kalium Wasser Kaliumhydroxyd Wasserstoff. Beim Erhitzen schmilzt das Kalium (bei 62°) zu einer queck- silberähnlichen Flüssigkeit, welche sich in noch höherer Temperatur verflüchtigt ; bei Luftzutritt verbrennen seine Dämpfe mit violetter Flamme zu Kaliumoxyd (Kali). Mit derselben violetten Flamme verflüchtigen sich alle Kaliumsalze. Das Kalium wurde nebst dem Natrium zuerst 1807 von H. Davy mittelst galvanischer Zersetzung des Kali's isoliert; es findet sich nicht frei in der Natur, aber vielfach in Salzverbind- ungen, zumal mit Kieselsäure und Thonerde als Feldspat (Doppelsilikat von Kali und Thonerde), ein wesentlicher Ge- *) „Kali" ist arabischen Ursprungs (Aschensalz) ; „Alkali" heisst „das Kali". — 169 - mengteil im Granit (Urgebirge); bei dessen Verwitterung ge- langt das Kali, mit der Kohlensäure der Atmosphäre sich ver- bindend, im Quellwasser zur Lösung, wird von der Pflanzenwelt aufgenommen und im Pflanzenkörper an organische Säuren ge- bunden. Durch Einäschern der Pflanzen gewinnen wir es wieder als kohlensaures Kali, wesentlichsten Bestandteil der Holzasche. Man nannte deshalb das Kali in früherer Zeit vegetabilisches Alkali. Erhitzt man ein inniges Gemenge von kohlensaurem Kali mit Kohle (wozu man den verkohlten Weinstein benutzt) in einer eisernen Flasche, die mit seitlichem Abzugsrohr versehen ist, so reduziert sich das Kalium, seine grünen Dämpfe verdichten sich in der mit Steinöl versehenen kupfernen Vorlage zu Tropfen und erstarren darin. Das Kalium ist ein einwertiges Metall, welches sich mit den Salzbildnern zu Haloi'dsalzen , mit Sauerstoff zu einem Suboxyd, Oxyd und Superoxyd verbindet, von denen nur das Oxyd, gewöhnlich Kali genannt (K20) und dessen Hydrat, das Kaliumhydroxyd (HKO) für uns wichtig sind. Seine Ver- bindungen bewirken eine Verstärkung des Herzschlags, sind da- her in grossen Gaben gesundheitsgefährlich. Zut- Darlegung der Kaliumverbindungen diene folgende Zu- sammenstellung einiger derselben*): KCl Chlorkalium K20 Kaliumoxyd KHO Kaliumhydroxyd KBr Bromkalium K2S Kaliumsulfid KHS Kaliumhydrosulfid KJ Jodkalium KN03 Kaliumnitrat K2C03 Kaliumkarbonat KCIO3 Kaliumchlorat K2S04 Kaliumsulfat. Erkennung der Kaliumverbindungen: Von den Kalisalzen zeichnen sich durch Schwerlöslichkeit das doppeltweinsaure Kali und Kalium- platinchlorid aus, daher dienen Weinsäure und Platinchlorid als Reagentien auf Kali; jene erzeugt einen weissen, dieses einen gelben Niederschlag, im Falle die Lösungen nicht zu sehr ver- dünnt sind. Andererseits erkennt man Kaliumverbindung an der violetten Färbung, welche sie der Weingeistflamme erteilen, wenn man sie am Öhr des Platin drahts in dieselbe einführt. § 153. SauerstoflVerbindungen des Kaliums, a) Das in der Holz- asche enthaltene Kaliumkarbonat oder kohlensaure Kali (K2C03) wird mit Wasser ausgelaugt, zur Trockne eingedampft und als Pottasche (Cineres clavellati) in den Handel gebracht. Es bildet dann eine weisse, oft bläuliche, stark laugenhafte, an der Luft feucht werdende, krümliche Masse, welche mit Säuren *) Die frühere Äquivalentformel war für das Kali (KO), für das Kali- hydrat (KO,HO); für das salpetersaure Kali (KO,N05), für das schwefelsaure Kali (KO,S03); für das kohlensaure Kali (KO,C02); für das doppeltkohlen- saure Kali (KO,2C02). — 170 — stark aufbraust und (nicht selten bis zu) J/3 — i/b schwefelsaures und kieselsaures Kali sowie Chlorkalium enthält. Zur Keinigung davon wird das rohe kohlensaure Kali mit gleich- viel "Wasser zwölf Stunden stehen gelassen, die klare Lösung von dem Bodensatz (schwefelsaurem Kali) abgegossen und in einem eisernen Kessel zur Trockne verdampft. Diese gereinigte Pott- asche ist das rohe kohlensaureKali, Kalium carbonicum crudum der Pharm. Germ. II, mit noch kleinen Mengen kieselsaurem Kali und Chlorkalium, und klarlöslich in gleichviel Wasser. Die Pharm. Germ, verlangt mindestens 90% K2C03 und bestimmt diesen Ge- halt durch massanalytische Sättigung mit Normalsalzsäure. b) Leitet man Kohlensäuregas in eine klare Pottaschelösung, so krystallisiert das Kaliumbikarbonat oder doppeltkohlen- saure Kali, Kalium bicarbonicum (KHC03), aus; die Verun- reinigungen der Pottasche (Chlorkalium u. a.) bleiben in der Mutterlauge. K\ro -uro -j-^ln — KHC03 K/ tUs + t0a + H/ U — KHCO3 Kaliumkarbonat Kohlensäuregas Wasser Kaliunibikarbonat. Das doppeltkohlensaure Kali stellt farblose, luftbeständige Prismen dar. Es wird bei Bereitung vieler Kalipräparate an Stelle des reinen kohlensauren Kalis (welches aus ihm erst gebildet wird) angewendet, und darf in ihm (nach Übersättigung mit Säure) weder durch Barytsalze ein Gehalt an schwefelsaurem Kali, noch durch Silbersalze Chlorkalium nachgewiesen werden; auch sei es frei von Kaliumkarbonat. c) Aus dem doppeltkohlensauren Kali gewinnt man durch Er- hitzen in einem eisernen Kessel reines kohlensaures Kali, Kalium carbonicum (purum) (K2C03), wobei Kohlensäuregas und "Wasserdampf entweichen. Früher bereitete man dieses Salz durch Verpuffen von "Weinstein mit Salpeter und nannte es Wein- steinsalz (Sal Tartari, Kali carbonicum e Tartaro). Eine 33% ige wässerige Lösung des reinen kohlensauren Kalis ist der Liquor Kalii carbonici, mit dem spez. Gew. = 1,33. Prüfung des Kaliumkarbonats: Die wässerige Lösung darf sich nicht verändern mit Schwefelammonium (dunkle Färbung: Eisen) und kohlensaurem Ammoniak (weisse Trübung: Magnesia), sie muss rein weiss gefällt werden durch Silbernitrat (Bräunung beim Erwärmen: unter- schweflig säur es Kali); die angesäuerte Lösung darf nicht getrübt werden durch H2S (schwarz: Kupfer, Blei), Baryumnitrat (weiss: schwefelsaures Kali), Silbernitrat (weiss: Chlorkalium); ausserdem wird es geprüft auf Cyankalium und Salpeter durch Eisensalze. d) Wird in eine siedende Pottaschelösung gelöschter Kalk ein- getragen, so scheidet sich kohlensaurer Kalk aus, während Kali- hydrat (KHO) in Lösung bleibt: K03C2 + Ca2HO = CaC03 -+- 2KHO kohlensaures Kali Kalkhydrat kohlensaurer Kalk Kalihydrat. — 171 - Man dampft die klar abgegossene Flüssigkeit bis zum spez. Gew. 1,144 ein, wo sie nahezu 15% KHO enthält und die Kali- lauge, Liquor Kali caustici, darstellt. Dampft man sie in silbernen Schalen soweit ein, dass die Masse ruhig schmilzt, und giesst sie in Stangenformen, so erhält man das geschmolzene Ätzkali, Kalium causticum fusum , in Form weisser, stark ätzender, an der Luft zerfliessender Stängelchen. Beide Präparate dürfen, mit Säure übersättigt, nicht gefällt werden durch Silbernitrat (weiss: Chlorkalium) oder Baryuinnitrat (weiss: schwefel- saures Kali); sie dürfen nur so wenig Kohlensäure enthalten, dass nach dem Kochen mit der 4 resp. 15 fachen Menge Kalkwasser das Filtrat mit Säure nicht mehr aufbrause. Auf Salpeter werden sie mit Eisenvitriol- lösung geprüft. e) Das Kaliumnitrat oder salpetersaure Kali, Kalium nitricum (KN03), gewöhnlich Salpeter (Nitrum) genannt, findet sich fertig gebildet in der Natur, zumal in Ostindien. Ein farb- loses , leicht in Wasser , nicht in Weingeist lösliches Salz , von kühlend salzigem Geschmack, krystallisiert in sechsseitigen, ge- streiften und zugespitzten Säulen, deren Grundfläche ein Rhom- bus ist. Es ist ein wesentlicher Gemengteil des Schiesspulvers (75% Salpeter, 12% Schwefel, 13% Kohle), bei dessen Yerpuffung die Kohle zu Kohlensäure oxydiert wird ; der Schwefel bleibt mit dem Kalium als Schwefelkaüum zurück, der Stickstoff entweicht gasförmig. Auf glühende Kohlen gestreut, ruft der Salpeter eine ähnliche Verpuffung unter Funkensprühen hervor. Für sich ge- glüht, verliert er Sauerstoff, wird erst zu salpetrigsaurem Kali, schliesslich zu Kali (K20) ; sein Glührückstand besitzt daher stark- alkalische Eigenschaften. (Unterschied vom chlorsauren Kali). Prüfung des Salpeters: Seine Lösung darf sich nicht trüben durch H2S (dunkel: Kupfer, Blei), Silbernitrat (weiss: Chlornatrium, die gewöhn- lichste Verunreinigung des Salpeters), Baryumnitrat (weiss: schwefel- saures Kali), f) Das Kaliumsulfat oder schwefelsaure Kali, Kalium sulfuricum (K2S04), früher Doppelsalz (Sal duplicatum), auch Tartarus vitriolatus genannt, ist ein Nebenprodukt bei der Pottaschereinigung, bei der Destillation der Salpetersäure und anderen Operationen. Ein hartes , luftbeständiges, farbloses Salz in rhombischen Säulen, welches sich in Wasser ziemlich schwer löst. Prüfung des Kaliumsulfats: Die Lösung darf sich nicht trüben durch Schwefelammonium (schwarz: Eisen, Blei, Kupfer), noch durch Am- moniumoxalat (weiss: Kalk), noch durch Silbernitrat (weiss: Chlorkalium); auch wird sie mit Eisenvitriol auf Salpeter geprüft. g) Das Kaliumchlorat oder chlorsaure Kali, Kalium chloricum (KC103), krystallisiert in weissen, glänzenden Blättchen oder Tafeln, welche sich in kaltem Wasser etwas schwer lösen. Es bildet sich beim Einleiten von Chlorgas in heisse Kalilauge ; dabei - 172 — entstehen chlorsaures Kali und Chlorkaliuni; ersteres krystallisiert als schwerlösliches Salz aus, letzteres bleibt in der Mutterlauge. 6KHO + 6C1 == KCIO3 + 5KC1 + 3H20 Kalihydrat Chlor Kaliumchlorat Chlorkalium Wasser. Das chlorsaure Kali giebt beim Erhitzen seinen ganzen Sauer- stoffgehalt ab-, sich in Chlorkalium verwandelnd; wenn es mit brennbaren Körpern (Schwefel, Kohle, Phosphor, Schwefel metallen, Zucker, Stärkemehl u. dgl.) zusammengerieben oder geschlagen wird, geschieht dies unter heftiger Explosion, so dass man solche Mischungen nur mit äusserster Vorsicht anfertigen darf. Man zerreibe stets das chlorsaure Kali für sich und mische es dem übrigen Gemenge leichthin mit dem Löffel (!) bei. Auf glühende Kohlen geworfen, verpufft es mit violetter Flamme unter Funkensprühen wie der Salpeter. Man benutzt es zu bengalischem Feuer*), sowie zu den schwedischen Zündhölzchen, deren mit chlor- saurem Kali und Schwefelantimon bestrichene Köpfe an einer amorphen Phosphor enthaltenden Reibfläche gestrichen werden. Prüfung des Kaliumchlorats: Seine Lösung darf nicht getrübt werden durch H2S (dunkel: Kupfer, Blei), oxalsaures Ammoniak (weiss: Kalk), Silbernitrat (weiss; Chlor kalium); geglüht darf es keinen alkalisch reagierenden Rückstand hinterlassen {Salpeter). h) Das essigsaure Kali oder Kaliumacetat, Kalium ace- ticum (KC2H302), ist ein weisses, sehr leicht zerfliessliches Salz, dessen 33% wässerige Lösung den Liquor Ealii acetici dar- stellt. Sowohl das trockne Salz wie seine Lösung wird durch Sättigung des doppeltkohlensauren Kalis mit verdünnter Essig- säure gewonnen, wobei die Kohlensäure entweicht. KHCO3 + H(CH302) = K(CH302) + H,0 + CO, Kaliumbikarbonat Essigsäure Kaliumacetat Wasser Kohlensäure Prüfung: Die wässerige Lösung des Kaliumacetats darf sich nicht trüben durch H2S (schwarz: Blei, Kupfer) oder Schwefelammonium (schwarz: Eisen); die angesäuerte Lösung desgleichen nicht durch Baryum- und Silbernitrat (weiss: Kaliumsulf at resp. C/^örkalium). § 154. Haloidsalze des Kaliums. Löst man Brom resp. Jod in Kalilauge auf, so entsteht Brom- resp. Jodkalium, neben brom- saurem oder jodsaurem Kali; wird die gewonnene Lösung zur Trockne verdampft und mit etwas Holzkohlenpulver schwach ge- glüht, so reduziert sich das bromsaure resp. jodsaure Kali zu Brom- resp. Jodkalium. Beim Auflösen des Glührückstandes resultiert dann eine reine Bromkalium- resp. Jodkaliumlösung, aus der das Salz durch Krystallisation gewonnen wird. *) Rotfeuer aus 662/3°/o salpetersaurem Strontian, 22°/0 Schwefel, 3°/0 Kohle, 8^3 0/0 chlorsaurem Kali. Weissfeuer aus 69 °/0 Salpeter, 21 °/0 Schwefel, 10°/0 Schwefelantimon. Grünfeuer aus 57% salpetersaurem Baryt, 1 9 °/0 Schwefel, 24°/0 chlorsaurem Kali. - 173 — I. 6KH0 + 6J = 5KJ + KJO3 + 3H2C Kalihydrut Jod Jodkalium jodsaures Kali Wasser II. KJÖ3 -j- 3C = KJ + 3C0 jodsaures Kali Kohle Jodkalium Kohlenoxydgas. Das Bromkalium, Kalium bromatum (KBr), sowie das Jodkalium, Kalium jodatum (KJ), stellen einander sehr ähnliche, weisse, kubische Kry stalle dar, die sich leicht in Wasser, schwie- riger in Weingeist auflösen. Prüfung von Brom- und Jodkalium: Das Salz darf befeuchtetes Lackmuspapier nickt bläuen (kohlensaures Kali), am Ökr eines Platin- drahts erhitzt die Flamme nicht gelb färben (Natrium), noch durch verd. Schwefelsäure sich gelb färben resp. Stärkelösung bläuen (Rückhalt an bromsaurem resp. jodsaurem Kali, durch welche Brom resp. Jod frei ge- macht und die Flüssigkeit färben würde). Man prüft das Bromkalium auf einen Gehalt 1. an Chlorkalium durch Titrieren mit Zehntelnormal- Silberlösung; ein grösserer Gebrauch derselben zeigt nämlich Chlor an, weil dieses wegen seines bedeutend kleineren Atomgewichtes mehr Silber- nitrat zur Fällung beansprucht, als das Brom mit seinem doppelt so hohen Atomgewicht (Cl = 35,5; Br = 80; also KCl = 74,5; KBr = 119. Mithin erfordert KCl anderthalb soviel AgN03 wie KBr). 2. An Jodkalium durch Versetzen der Lösung mit einigen Tropfen Eisenchlorid und Chloroform; letzteres färbt sich bei Gegenwart von Jod violett. — Das Jodkalium wird auf beigemischtes Chlorkaltum geprüft, indem man seine Lösung in Ammoniak durch Silbersalpeter ausfällt, wobei etwa entstandenes Chlor- silber im Ammoniak gelöst bleibt, nicht aber das Jodsilber. Säuert man das Filtrat mit Salpetersäure an, so scheidet sich das aufgenommene Chlor- silber wieder aus. § 155. Schwefelverbindungen des Kaliums. Das Kalium bildet mit dem Schwefel ein Monosulfid: Einf ach-Schwefelkalium (K.2S), und 4 Supersulfide : Zweifach-, Dreifach-, Vierfach- und Fünf f ach-Schwefelkalium (K2S2, K283, K2S4, K2S5,). Offizinell sind nur Gemenge dieser Supersulfide mit schwefelsaurem Kali, wie man sie durch Zusammenschmelzen von 2 Teilen Pott- asche mit 1 Teil Schwefel gewinnt. Wegen der leberbraunen Farbe der geschmolzenen Masse wurde sie Schwefelleber genannt. 4K2C03 + 10S = K2S04 -f- 3K2S3 + 4C02 Kaliumkarbonat Schwefel Kaliumsultat Kaliumtrisulfid Kohlensäure. Die gewöhnliche Schwefelleber Kalium sulfuratum (ad balneum), aus roher Pottasche und sublimiertem Schwefel bereitet, ist zu Waschwasser und Schwefelbädern bestimmt. Das reine Kalium sulfuratum, aus reinem kohlensauren Kali und gereinigten Schwefelblumen bereitet, dient zum inner- lichen Gebrauch. Sie stellen grünlich gelbe, an der Luft zerfliessliche und nach Schwefelwasserstoff riechende, in Wasser völlig lösliche Stücke dar. Weingeist nimmt nur das Dreifach -Schwefelkalium mit gelbroter Farbe auf. Unter schlechtem Verschluss oxydiert sich die Schwefel- leber allmählich zu geruchlosem, weisslichem, unterschwefligsaurem Kali (K2S3 + 30 = K2S203 + S.) 174 Versuche. 1. Wasserzersetzung durch Kalium. Man werfe ein erbsen- grosses Stückchen Kalium in eine Wanne mit Wasser; es fährt zischend auf dessen Oberfläche umher, das entweichende Wasserstoffgas entzündend und die Flamme durch sein eigenes Verdampfen violett färbend. Schliess- lich zergeht es unter Dekrepitation, wogegen man sich durch eine Glas- tafel schützen muss, wenn man sich nicht in gewisser Entfernung halten will. Das Wasser, worin sich das Kali gelöst hat, bläuet rotes Lackmuspapier. 2. Verbrennung von Kalium. Ein kleines Stück Kalium schmelze man in einem eisernen Pfännchen über der Lampe; es entzündet sich bald nach dem Flüssigwerden und verbrennt mit violetter Flamme zu Kali (K20), einer festen Masse, die sich in wenig Wasser zu einer laugenhaften Flüssigkeit auflöst. 3. Versuche mit chlorsaurem Kali, a) Ein linsengrosses Stück- chen Phosphor trockne man mit Fliesspapier ab und bedecke es an einem feuersicheren Orte im direkten Sonnenlichte mit einer Messerspitze voll chlorsaurem Kali ; unter starkem Knall wird sich der Phosphor entzünden. — b) In ein Champagnerglas gebe man eine Messerspitze voll chlorsaures Kali, darauf Wasser und ein linsengrosses Phospborstückchen; nun lasse man aus einer Pipette vorsichtig englische Schwefelsäure zum Salz herab- fliessen, es entwickelt sich gelbes Unterchlorsäuregas, worin der Phosphor unter Wasser verbrennt. Praktische Übungen. 1. Kali carbonicum purum. Grobgepulvertes doppeltkohlensaures Kali erhitze man in einem (tarierten) blanken eisernen Kessel, unter Um- rühren, so lange noch Wasserdämpfe entweichen, bis 69 Proz. restieren; den Rückstand bringe man noch heiss in das wohl zu verschliessende Standgefäss. 2. Liquor Kali caustici. Man lasse 2 Teile Pottasche mit gleich- viel Wasser über Nacht stehen, giesse dann klar ab, koliere den Rest und bringe die Flüssigkeit in einem blanken eisernen Kessel zum Sieden, nach- dem sie mit 20 Teilen Wasser verdünnt worden. In die siedende Lauge trage man 1 Teil gebrannten, zuvor mit 4 Teilen Wasser zum Brei ge- löschten Kalk portionenweise ein, bis eine filtrierte Probe mit verdünnter Schwefelsäure nicht mehr aufbraust. Alsdann hebe man den Kessel vom Feuer, lasse bedeckt absetzen, giesse die klare Lauge ab (am besten mit einem Heber), rühre den Bodensatz nochmals mit 4 Teilen Wasser an und dekantiere ihn nach einiger Zeit. Die vereinigten Flüssigkeiten koche man in dem gereinigten Kessel bis auf etwa 4 Teile ein, sodass ihr spez. Gewicht 1,33 betrage. Stöchiometrische Aufgaben. 1. Wieviel Prozent kohlensaures Kali hinterlässt doppeltkohlensaures Kali beim Erhitzen? — Antw. 2KHC03 : K,C03 = 2 (39 + 1 + 12 + 48) : (78 -4- 12 -+- 48); x = 69 Prozent. 2. Weshalb vermag der Kalk dem kohlensauren Kali die Kohlen- säure zu entreissen, da doch das Kali die stärkste Base ist? — Antw. Weil der kohlensaure Kalk unlöslich in der Flüssigkeit ist. — 175 - 20. Das Natrium und seine Verbindungen. § 156. Was ist das Natrium? Das Natrium*) ist ein weisses, in allen Dingen dem Kalium ähnliches Metall, aber etwas schwerer (spez. Gew. 0,97) , mit etwas höherem Schmelzpunkte und gelber Färbung seiner Dämpfe. Man gewinnt es, wie das Kalium, durch Destillation eines Gemenges aus kohlensaurem Natron mit Kohle. Kaltes Wasser wird zwar vom Natrium zersetzt , jedoch gelangt dabei das entwickelte Wasserstoffgas nicht zur Entzündung; bei Anwendung heissen "Wassers tritt Entzündung ein, und das Gas brennt mit der gelben Flamme des Natriums. Das Natrium ist, gleich dem Kalium, ein einwertiges Metall, dessen Yerbindungen mit Sauerstoff: Natron (Na20,**), sowie die mit Schwefel (1 Monosulfid und 4 Supersulfide) und den Salzbildnern denen des Kaliums entsprechen. In der Natur kommt es vorzugsweise an Chlor gebunden — Chlornatrium, NaCl — vor, ausserdem als salpetersaures, doppelt borsaures und anderthalb kohlensaures Salz. Sein Vorkommen ist also vornehmlich ein mineralisches, während das Kali dem vegetabilischen Reiche an- gehört. In früherer Zeit hiess daher das Natron Alkali minerale. Erkennung der Natriumverbindungen : Man unterscheidet die Natriumverbindungen von denen des Kaliums: 1. durch die gelbe Färbung, welche sie der Weingeistflamme erteilen; 2. durch ihre Leichtlöslichkeit in Wasser, selbst bei dem sauren weinsauren Natron. § 157. Haloidsalze des Natriums. 1. Das Chlornatrium, Na- trium chloratum (NaCl), findet sich a) als Steinsalz in oft mächtigen Lagern z. B. bei Wieliczka (bei Krakau), wo es berg- männisch in grossen, durchscheinenden, farblosen oder rötlichen Stücken gewonnen wird; b) als Seesalz im Meerwasser (zu 2,5%), woraus es beim Eindunsten in abgeschlossenen Bassins (an der spanischen und französischen Küste) auskrystallisiert ; c) als Koch- salz, gewonnen aus den S alz s ölen (Solquellen) durch Ein- kochen. Letzteres enthält stets mechanisch eingeschlossenes Wasser, sog. Decrepitationswasser, welches beim Erhitzen ein Yerknistern der Salzkrystalle verursacht. Gewinnung des Kochsalzes. Salzsolen von höherem Gehalte gelangen sofort zum Versieden; geringhaltige unterwirft man zuvor einer Konzentration, indem man sie wiederholt durch hochaufgeschichtetes Dornreisig — sog. Gradierwerke — herab- träufeln lässt, wobei die durchstreifende Luft eine bedeutende *) Natrium von Trona, dem natürlich vorkommenden kohlensauren Natron. **) Die ältere Äquivalentformel war für Natron (NaO), für Natronhydrat (NaO,HO), kohlensaures Natron (NaO,C02), schwefelsaures Natron (NaO,S03). — 176 — Verdunstung veranlasst. Der in der Sole enthaltene kohlensaure Kalk setzt sich dabei fest auf das Reisig an. Ist der Salzgehalt auf 15—20% gestiegen, so ist die Sole siedwürdig und kommt zum Yersieden. Das Salz krystallisiert dabei in kleinen, treppen- förmig gehäuften Würfeln. Das Steinsalz ist das reinste der genannten Sorten. Das Koch- salz, noch mehr das Seesalz, führen meistens Chlormagnesium und bekunden dies durch ihr Feuchtwerden an der Luft. Man reinigt das Kochsalz durch Versetzen seiner Lösung mit etwas Soda, worauf die von der abgeschiedenen kohlensauren Magnesia ab- filtrierte Flüssigkeit zur Trockne verdampft wird. Prüfung: Die Lösung des Chlornatriurns, mit Ammoniak versetzt, darf weder mit phosphorsaurem Natron, noch mit oxalsaurem Ammoniak eine Trübung geben {Magnesium, Calcium); sie muss auf Zusatz von Schwefelwasserstoffwasser sowi.e von Scbwefelammonium klar bleiben (Trübung : Schwermetalle !) . "Wasser löst etwa seinen dritten Teil Chlornatrium auf und zwar — was bemerkenswert ist — in der Siedhitze nur wenig mehr als in gewöhnlicher Temperatur. Eine heissgesättigte Lösung lässt daher beim Abkühlen kein Salz auskrystallisieren. 2. Das Bromnatrium, Natrium bromatum (Na Br), ist ein in Wasser , auch in Weingeist lösliches , weisses Salzpulver, welches analog dem Bromkalium dargestellt und in ähnlicher Weise auf seine Reinheit geprüft wird. 3. Das Jodnatrium, Natrium jodatum (NaJ), stellt ein weisses, an der Luft leicht feucht werdendes, in Wasser und in Weingeist leicht lösliches Salzpulver dar. Seine Darstellung und Prüfung stimmt mit derjenigen des Jodkaliums vollständig über- ein. Man kann das Jodnatrium auch in ausgebildeten Krystallen erhalten ; dieselben enthalten 2 Moleküle Krystallwasser und ver- wittern sehr schnell. § 158. Sauerstofiverbindungen des Natriums, a) Aus dem Koch- salz bereitet man zunächst durch Zersetzung mit Schwefelsäure in Flammenöfen das Natriunisulfat oder schwefelsaure Natron, Natrium sulfuricum (NaäS04 + 10 aq.), gewöhnlich nach seinem Entdecker, dem Arzte Glaub er (1604 — 1670), Glaubersalz (Sal mirabile Glauberi), genannt. Dieses Salz krystallisiert in wasserhellen, schiefen rhombischen Säulen mit 10 Molekül Krystallwasser. 2NaCl + H2S04 = Na2S04 + 2HC1 Chlornatrium Schwefel- schwefelsaures Chlor- säure Natron Wasserstoff. Die Glaubersalzkrystalle lösen sich im Wasser leicht auf, am meisten bei lauer Wärme, worin das Wasser sein drei- faches Gewicht von dem Salze löst; von Weingeist werden - 177 — sie nicht aufgenommen. Um beigemengtes Chlornatrium völlig zu entfernen, reinigt man das rohe Glaubersalz durch Umkry- stallisierung aus heissgesättigter Lösung. Prüfung: Die Lösung des Natriumsulfates darf weder getrübt werden durch H2S resp. Schwefelammonium (dunkle Trübung: Kupfer und Blei, resp. Eisen), noch durch oxalsaures Ammoniak (weiss: Kalk); mit Ammoniak versetzt auch nicht durch phosphorsaures Natron (weiss : Magnesia). Silber- nitrat darf sie höchstens etwas trüben (weiss: Chlornatrium). Beim Erhitzen schmilzt das Glaubersalz leicht in seinem Kry- stallwasser und wird nach dessen Yerjagung bei 100 ° wieder fest (zu wasserfreiem schwefelsauren Natron). An trockener Luft verwittert das Glaubersalz, unter Verlust seines Krystallwassers (56%), und zerfällt schliesslich zu einem weissen, nur das halbe Gewicht betragenden Pulver, dem ge- trockneten Glaubersalz, Natrium sulfuricum siccum (Na2S04). Man gebraucht dasselbe zu Pulvermischungen. b) Das Natriumkarbonat oder kohlensaure Natron (Na2C03 -f- 10 aq.), gemeinlich Soda genannt, wurde früher aus- schliesslich aus der Asche von Seetangen (Varech) und gewisser Strandpflanzen z. B. Salsola- und Salicornia-Arten (Barilla in Spanien, Salicor und Blanquette in Frankreich) gewonnen; es findet sich als anderthalbkohlensaures Salz (sog. T r o n a) in einigen Seeen der Berberei. Die grosse Menge der Soda, welche jetzt gebraucht wird, bereitet man künstlich aus dem Glaubersalz, nach folgender, 1791 von Le Blanc erfundener Methode: Sodafabrikation. Das aus Kochsalz und Schwefelsäure erzielte schwefelsaure Natron wird mit Kohle und kohlensaurem Kalk (Kalkstein, Kreide) innig gemengt und in Flammöfen ge- glüht. Dabei wirkt die Kohle reduzierend auf das schwefelsaure Natron, es entsteht Kohlenoxydgas und Schwefelnatrium; letzteres setzt sich mit dem kohlensauren Kalk um in kohlensaures Natron und Schwefelcalcium : I. Na2S04 + 4C = Natxiumsulfat Kohle IL Na,S + CaC03 = Schwefelnatriuin Calciumkarbonat Das Schwefelcalcium findet noch überschüssigen kohlensauren Kalk vor und verwandelt sich in Calciumoxysulfid (2CaS-|-CaO), welches bei der nachfolgenden Behandlung der Schmelzmasse mit Wasser ungelöst bleibt, während das kohlensaure Natron davon aufgenommen wird und nach dem Eindampfen auskrystallisiert. Die im Handel vorkommende Soda, das rohe kohlensaure Natron, Natrium carbouicum crudum, ist noch mit schwefel- saurem Natron und Chlornatrium verunreinigt. Durch Um- krystallisierung aus heissgesättigter Lösung gewinnt man das reine Natrium carbonicum, wobei jene Verunreinigungen in der Schlickum, Apothekerlehrling. 12 Na2S + 4CÜ S ch we f elnatrium Kohlenoxyd Na2C03 + CaS Natriumkarbonat Schwefelcalcium. — 178 — Mutterlauge bleiben. Die Soda erscheint, wie das Glaubersalz, in wasserhellen, schiefen rhombischen Säulen, welche sich in lau- warmem Wasser ebenso leicht wie jenes auflösen; sie unterscheidet sich von ihm durch ihren langenhaften Geschmack, stark alkalische Eeaktion und Aufbrausen mit Säuren. Prüfung: Die gereinigte Soda muss frei sein von Schwermetallen, darf daher mit H2S-wasser und Schwefelammonium keine Trübung geben; die angesäuerte Lösung darf weder durch Silber-, noch durch Barytsalze getrübt werden (weiss: Chlornatrium resp. schwefelsaures Natron). Die nötige Alkalität wird durch Sättigung mit Normalsalzsäure festgestellt. An trockner Luft verwittert die Soda, unter Yerlust von Krystallwasser (63%), und zerfällt schliesslich zu einem, das halbe Gewicht betragenden weissen Pulver, der trocknen Soda, Natrium carbonicum siccum (Na2C03+aq.). Ganz wasserfrei erhält man sie nur durch stärkeres Erhitzen. Die krystallisierte Soda schmilzt in lauer Wärme in ihrem Krystallwasser , welches in höherer Temperatur wegkocht und die sog. kalcinierte Soda zurücklässt. c) Leitet man Kohlensäuregas in eine konz. Sodalösung, so krystallisiert das Natriumbikarbonat oder doppeltkohlen- saure Natron, Natrium bicarbonicum (NaHC03), in Krusten aus. Na2C03 + H,0 -f C02 = 2NaHC03 Natriumkarbonat Wasser Kohlenoxyd Natriumbikarbonat. Es stellt ein weisses, in 14 Teilen Wasser lösliches Salz dar, welches beim Erhitzen Kohlensäure verliert und wieder zu neutralem kohlensauren Natron wird. Das sog. englische doppeltkohlensaure Natron ist ein lockeres Pulver, welches aus verwitterter Soda gewonnen wird, indem man dieselbe in Räumen, wo Wein, Bier u. dgl. gähren, der Einwirkung der Kohlensäure aussetzt. Es besitzt stets einen Rückhalt an einfach kohlensaurem Natron, giebt deshalb mit Quecksilberchlorid einen ziegelroten Niederschlag. Prüfung des Natriumbikarbonats: Es darf mit Natronlauge kein Ammoniak entwickeln; die übersäuerte Lösung darf sich nicht trüben mit Silbernitrat (weiss: Chlornatrium), Baryumnitrat (weiss: schwefelsaures Natron) und H2S (dunkel: Schwermetalle); die wässerige Lösung darf sich durch Quecksilberchlorid nicht rot trüben (einfach kohlensaures Natron). Wird Kalkmilch in eine siedende Sodalösung eingetragen, so scheidet sich kohlensaurer Kalk aus, und das Natron wird zu Ätznatron oder Natronhydrat (NaHO): Na2C03 + Ca2HO = 2NaHO + CaC03 kohlensaures Natron Kalkhydrat Natronhydrat kohlensaurer Kalk. Die vom Bodensatz abgegossene und zum spezif. Gew. 1,16 eingedampfte Flüssigkeit ist die Ätznatronlauge, Liquor Natri caustici, ein der Kalilauge ähnliches, ätzendes, stark alkalisches, schweres Liquidum mit 15 Proz. NaHO. Man prüft die Natronlauge in ähnlicher Weise wie die Kalilauge. — 179 — e) Das Natriumnitrat oder Salpetersäure Natron, Natrium nitricnm (NaN03), findet sich in bedeutenden Mengen in Chili und Peru natürlich, unter Thon lagernd ; daher nennt man das Salz Chilisalpeter oder, wegen seiner dem Würfel ähnlichen Krystallform (Rhomboeder) Nitrum cubicum. Man reinigt das sehr unreine rohe Salz durch Umkrystalüsieren. Die wasserhellen Krystalle lösen sich leicht in Wasser und schmecken kühlend-salzig. Prüfung: Die wässerige Lösung des Natriurnnitrats darf sich nicht trüben durch Schwefelwasserstoffwasser (dunkel: Schwermetalle), oxalsaures Ammoniak (weiss: Kalk), Baryum resp. Silbernitrat, (weiss: schwefelsaures Natron resp. Chlornatrium); mit etwas Zinnfeile und Salpetersäure versetzt und mit Chloroform geschüttelt, darf sich letzteres nicht violett färben, (jodsaures Natron, das durch das Zinn zu Jodnatrium reduziert wird). f) Leitet man schwefligsaures Gas in eine Sodalösung, so entweicht die Kohlensäure und Natriumsulfit oder schweflig- saures Natron (Na2S03) wird gebildet, welches man beim Ein- dampfen in weissen Krystallen gewinnt. Durch Kochen der Lösung mit Schwefelblumen entsteht Natriumthiosulfat (Natriumhypo- sulfit) oder unterschwefligsaures Natron (Na2S203), welches in grossen, wasserhellen Krystallen mit 5H20 krystallisiert. Beide Salze gebraucht man in der Analyse. g) Das Natriumphosphat oder phosphorsaure Natron, Natrium phosphoricum (Na2HP04 + 12 aq.), wird durch Sätti- gung der Soda mit Phosphorsäure in farblosen , leichtlöslichen und leichtver witterbaren Krystallen erhalten und ist ein neutrales Salz , trotzdem es schwach alkalisch reagiert. Es wird durch Silbernitrat gelb (Silberphosphat) gefällt. Na2C03 + H3P04 = Na2HP04 + H20 + C02 kohlensaures Natron ■ Phosphorsäure phosphorsaures Natron Wasser Kohlendioxyd. Prüfung: Die angesäuerte Lösung darf sich nicht trüben durch H2S (schwarz: Kupfer, gelb: Arsen), Baryumnitrat (weiss: schwefelsaures Natron), Silbernitrat (weiss : Chlornatrium) ; die mit Ammoniak versetzte Lösung darf sich nicht trüben durch Schwefelammonium (schwarz : Eisen) und oxalsaures Ammoniak (weiss: Kalk); auf Arsen wird noch besonders durch Zink und Schwefelsäure geprüft. Beim Glühen verliert das phosphorsaure Natron nicht sowohl sein Kry stallwasser, sondern auch noch ein weiteres halbes Mol. ILO, wodurch es in pyrophosphorsaures Natron, Natrium pyrophosphoricum (Na4P307) übergeht. (2Na2HP04 zerfallen in Na4P207 und H20.) Dieses Salz krystallisiert aus seiner Lösung in luftbeständigen Säulen mit 10 Mol. Wasser. Es wird durch Silbernitrat weiss (Silberpyrophosphat) gefällt. h) Der Borax, Borax, ist doppeltborsaures Natron (Na2B407 -j- 10 aq.). Er findet sich natürlich (sog. Tinkal) in einigen Seeen Hochasiens , wird aber gewöhnlich durch Sättigung von Soda mit Borsäure bereitet, da er als Flussmittel und zum Löten grosse Verwendung findet. Seine Krystalle sind farblos, 12* — 180 — in Wasser ziemlich schwierig, in Zuckersäften leicht löslich, ober- flächlich verwitternd und von alkalischer Reaktion. Beim Erhitzen verlieren sie ihr Wasser, blähen dabei stark auf und schmelzen schliesslich zu farblosem Glase. Prüfung des Borax: Die wässerige Lösung darf sich nicht trüben durch H0S (dunkel: Schwermetalle) und kohlensaures Ammoniak (weiss: Kalk, Magnesia) ; die angesäuerte Lösung desgleichen nicht durch Baryum- nitrat (weiss: schwefelsaures Natron) und Silbernitrat (weiss: Chlornatrium); auch darf die Lösung beim Ansäuern nicht aufbrausen {kohlensaures Natron). i) Das Natronwasserglas, Liquor Natrii silicici, ist eine dickflüssige Lösung von kieselsaurem Natron (Natriumsilikat). Man schmilzt Quarz mit kalcinierter Soda zusammen, wobei die Kohlensäure entweicht, und kocht die Schmelzmasse mit Wasser aus. k) Das essigsaure Natron, Natriumacetat, Natrium aceticum, (NaC2H302-f-3aq.) ist ein Salz in wasserhellen, ver- witternden Säulen, welche sich in Wasser leicht lösen. Man stellt dieses Salz, welches in der Färberei in grosser Menge zur Beize gebraucht wird (unter dem Namen Rotsalz), durch Sättigen von Holzessig mit Soda dar und reinigt es von den brenzlichen Be- standteilen des Holzessigs durch Erhitzen und wiederholtes Um- krystallisieren. Prüfung: Die Lösung darf sich nicht trüben mit Schwefelwasserstoff und Schwefelammonium (dunkel: bchwermetalle), Baryum- und Silbernitrat (weiss: Natriums«//^ und CA/ornatrium) und oxalsaurem Ammoniak (weiss: Äal&salze) . Versuche. Wasserzersetzung durch Natrium. Man werfe ein Stückchen Natrium auf Wasser ; es tährt zischend hin und her und löst sich allmählich auf, schliesslich dekrepitierend. Wendet man heisses Wasser an, so kommt das ent- wickelte Wasserstoffgas zur Entzündung und brennt durch das mit verdampfende Natrium mit gelber Flamme. — ■ Um das Wasserstoffgas aufzufangen, ä0& |l!flIIP§^J bringe man ein Stückchen Natrium in einen um- \^BB^gBBjjr gestürzten, mit kaltem Wasser völlig angefüllten \% - 1 Glascy linder (Fig. 53), am besten mit Hilfe eines gebogenen Drahtes; das Metall steigt empor und füllt den Cylinder mit Wasserstoffgas an. (Sehr p- ro darauf zu achten ist, dass keine atmosphärische Luft °' ' in den Cylinder gelange!) Beim Neigen des Gefässes tritt das Gas in Blasen heraus, die man beim Zerplatzen auf der Wasser- fläche mit einem brennenden Fidibus anzünden kann. Praktische Übungen. 1. Liquor Natri caustici. Man bereitet sie nach Art der Atz- kalilauge aus 4 Teilen Soda, 1 Teil Kalk und 18 Teilen Wasser. 2. Natrum carbonicum purum. Man löse 1 Teil Soda in 1^2 Teilen lauwarmem Wasser, filtriere und stelle es an einen kühlen Ort zur Krystallisation hin. Die Krystalle lasse man auf einem Trichter ab- tropfen und trockne sie auf Fliesspapier, ohne Wärme anzuwenden. — 181 - 3. Natrium chloratum purum. Feingepulvertes Kochsalz uber- giesse man in einem locker verstopften Trichter wiederholt mit kleinen Mengen Wassers, bis das Ablaufende durch Sodalösung nicht mehr getrübt wird; alsdann trockne man es in einer Porzellan schale im Wasserbad. Stöchiometrische Aufgaben. 1. Wieviel Glaubersalz liefert 1 kq Kochsalz mit Schwefelsäure? — Antw. 2NaCl : (Na,S04 + 10H2O) = 2 (23 + 35,5) : (46 -f- 32 + 64 + 180) ; x = 2752 g. " 2. Wieviel doppeltkohlensaures Natron erhalten wir aus 1 kg Soda durch Einleiten von Kohlensäuregas? — Antw. (Na,C03 -j- 1ÖH90) : 2(NaHC03) = (46 + 6 -f- 48 -f 180) : 2(23 -j- 1 + 12 + 48); x = 590 g. 3. Wieviel Soda ist erforderlich zur Sättigung von 1 kg 20prozentiger Phosphorsäure? — Antw. 10%0 H3P04 : (Na,C04 + 10H,O) = 10%0 (3 + 31 -f 64) : 286; x = 583.?. 5. Wie unterscheidet sich der Chilisalpeter vom Kalisalpeter? — Antw. Der Chilisalpeter krystallisiert würfelförmig, der Kalisalpeter säulenförmig; jener verpufft auf glühenden Kohlen mit gelber, dieser mit violetter Flamme. 21. Das Ammoniak und seine Verbindungen. § 159. Eigenschaften des Ammoniaks. Das Ammoniak (NH3) ist ein an der Luft nicht brennbares, farbloses, stechend riechen- des Gas, fast halb so leicht als die Luft (spez. Gew. 0,59), in grosser Kälte oder unter starkem Drucke flüssig werdend, sogar erstarrend. Es löst sich ungemein reichlich in Wasser auf, wel- ches sein 700faches Yolum Ammoniakgas verschluckt und den Geruch sowie die Eigenschaften desselben annimmt. In chemischer Beziehung besteht das Charakteristicam des Ammoniaks in seinen basischen Eigenschaften. Es reagiert stark, aber vorübergehend alkalisch, wirkt laugenhaft ätzend auf die tierische Haut und sättigt Säuren, ähnlich den Alkalien. Man hat es deshalb flüchtiges Alkali (Alkali volatile) genannt. Seine Affinitäten stehen denen der Alkalien jedoch nach, selbst denen des Calciums, übertreffen aber die der Schwer- metalle; daher zersetzt das Ammoniak die Yerbindungen der letzteren ebenso wie Kali und Natron, wird aber aus seinen eigenen Yerbindungen durch Kali, Natron, sowie Kalk ausgeschieden. Das Ammoniak vereinigt sich mit den Säuren zu sahartigen Verbindungen und zwar durch Addition. Während die basischen Oxyde und Hydroxyde ihr Metall- atom gegen den Wasserstoff der Säure austauschen und neben einem Salze auch Wasser erzeugen, vereinigt sich das Ammoniak direkt mit den Säuren , den Wasserstoff derselben zu seinen 3 Atomen Wasserstoff hinzu addierend. Es geht daraus die Ver- bindung NH4 hervor, die man Ammonium genannt hat, mit - 182 — dem Zeichen Am. Die Ammoniaksalze ähneln den Metall- salzen, mit dem Unterschied, dass dort d a s Ammonium, eine einwertige Atonigruppe, an Stelle des Metalles steht. I. NH? + HCl = NH4C1 Ammoniak Chlorwasserstoff Chloramomnium. IL NH3\ . tt Qn NH4) on NH3} + HsS0* = NHj S0* Ammoniak Schwefelsäure Ammoniumsulfat. § 160. Wie gewinnt man das Ammoniak? Das Ammoniak ent- wickelt sich aus stickstoffhaltigen organischen Materien bei ihrer Fäulnis und Verwesung; wir finden es daher reichlich an allen Aborten, in der Mistjauche, in Düngerhaufen u. dgl. , teils frei, teils an Schwefelwasserstoff und Kohlensäure gebunden. Das aus dem Dünger stammende Ammoniak wird begierig von der Ackererde (Humusboden) aufgesogen und den Gewächsen zugeführt, welche dasselbe zum Aufbau ihrer wichtigsten Organe verwenden und mit seiner Hilfe ihre stickstoffhaltigen Bestandteile (Eiweiss- stoffe u. a.) bereiten. Bei der Verwesung geben sie es dann später wieder als Ammoniak der Natur zurück. Eine zweite, für die chemische Technik vorzugsweise wichtige Ammoniakquelle liefert die Leuchtgasfabrikation, bei welcher Steinkohlen der trocknen Destillation ausgesetzt werden. Hier finden wir freies und kohlensaures Ammoniak im wässerigen Destillate, dem sog. Gaswasser, wie auch im Leuchtgase selber, wo es freilich als Verunreinigung betrachtet wird. Man gewinnt zunächst schwefelsaures Ammoniak, (]SiH4)2S04, indem man das Leuchtgas durch verdünnte Schwefelsäure streichen lässt, oder das Gaswasser damit sättigt. Das reine Ammoniak wird aus dem Chlorammonium (NH4C1) durch Zersetzung mit Ätzkalk (Ca2HO) gewonnen. Es entweicht Ammoniakgas, und Chlorcalcium bleibt zurück. Nämlich: NH4Ci r fHO _ NH3 , CaC] H20 NH4C1 + ua \HO ~ NH3 + ua012 H20 Chlorammonium Kalkhydrat Ammoniak Chlorcalcium Wasser. Man leitet das entwickelte Ammoniakgas zur Absorption in Wasser und erzielt eine wässerige Lösung derselben, die Ätzammoniak- flüssigkeit, Liquor Animonii caustici, den sog. Salmiak- geist (Spiritus Salis ammoniaci), eine farblose, starklaugen- hafte und stechend riechende, völlig flüchtige Flüssigkeit. Ihr Ge- halt wird auf 10 °/o Ammoniakgas gestellt; alsdann besitzt sie das spez. Gew. 0,960. Im Handel kommt auch ein Salmiakgeist von doppelter Stärke vor, der vor dem Gebrauche mit gleichviel "Wasser zu verdünnen ist. Beim Erhitzen giebt dieser doppelte Salmiak- geist zuerst die Hälfte seines Ammoniakgeistes gasförmig ab, dann destilliert der Rest mit 10 % Ammoniak gieichmässig über. — 183 — Prüfung des Salmiakgeistes auf Reinheit: Trübung beim Zu- satz von Kalkwasser konstatiert Kohlensäure. Der mit Salpetersäure genau gesättigte Salmiakgeist darf weder durch Schwefelwasserstoffwasser, noch Schwefel ammonium getrübt werden (Abwesenheit von Schwermetallen), auch durch oxalsaures Ammoniak (zeigt Kalk an), sowie durch salpetersaures Silberoxyd (weisse Trübung: Chlorammonium) nicht oder nur höchst unbe- deutende Trübung erleiden. Brenzliche Stoffe machen sich nach der Sättigung mit Salpetersäure durch den Geruch bemerklich. Eine weingeistige lOprozentige Lösung des Ammoniakgases ist der Liquor Ammonii caustici spirituosus, nach seinem ersten Darsteller Spiritus Ammonii Dzondii genannt. § 161. Charakter und Erkennung der Ammoniakverbindungen. Alle Ammoniakverbindungen sind beim Erhitzen flüchtig, durch einen stechenden Geschmack ausgezeichnet und entwickeln mit ätzendem Alkali oder Ätzkalk freies Ammoüiak, kenntlich am Geruch, sowie an der Bläuung des darübergehaltenen roten Lackmuspapiers und an den weissen Nebeln, die ein mit etwas Salzsäure be- feuchteter Glasstab beim Darüb erhalten erzeugt. § 162. Die Ammoniaksalze, a) Das Chlorammonium, Ammo- nium chloratum (NH4C1), gewöhnlich Salmiak (Sal ammo- niacum)*) genannt, wird aus dem schwefelsauren Ammoniak mittelst Kochsalz teils durch Sublimation in durchscheinenden, faserig kristallinischen, konvexen Kuchen, teils durch Krystalli- sation in weissen Nadeln gewonnen. NH4 \ «n ' , NaCl NH4C1 , XT Qn NH4 J ÖU4 "*" NaCl — NH4C1 "+" iNa^u* Ammoniumsulfat Chlornatrium Chlorammonium Natriumsulfat. Der Salmiak löst sich leicht in "Wasser, nicht in Weingeist und schmeckt stechend salzig. Prüfung des Chlorammoniums: Seine wässerige Lösung darf sich weder trüben durch H2S (schwarz: Kupfer, Blei), Baryumnitrat (weiss: schwefelsaures Ammoniak), verdünnte Schwefelsäure (weiss: Ghloxbaryum), Schwefelammonium (schwarz: Eisen), noch röten mit Eisenchlorid (Schwefel- cj/«?«ammonium). Das Salz muss beim Erhitzen völlig flüchtig sein. b) Das Bromammonium, Ammonium bromatum (NH4Br), ist ein dem Chlorammonium ähnliches, grobes Salzpulver, welches entweder durch Sublimation des schwefelsauren Ammoniaks mit Bromkalium oder durch direkte Einwirkung von Brom auf Atz- ammoniakflüssigkeit gewonnen wird. Bei letzterem Vorgange entweicht Stickstoff, nämlich: 4NH3 + 3Br = 3NH4Br + N Ammoniak Brom Bromammonium Stickstoff. Prüfung auf Reinheit in ähnlicher Weise wie beim Bromkalium. *) So benannt nach dem Tempel des Juppiter A m m o n in der liby- schen Wüste, wo man in uralten Zeiten durch Verbrennen von Kamelmist Salmiak bereitete. — 184 — Wie verhält sich Ammoniak zu den Salzbildnern? Leitet man Chlorgas in Salmiakgeist, so entstehen Salzsäure und Stickstoff; nämlich: 4NH3 + 3C1 = 3HC1 + N. Die Salzsäure bildet mit dem überschüssigen Ammoniak Chlorammo- nium; der Stickstoff entweicht gasförmig. Bei Überschuss an Chlor ent- steht aber Chlorstickstoff (NC13), eine ölartige, höchst explosive und sehr gefährliche Flüssigkeit, welche bei der geringsten Veranlassung, selbst unter Wasser, mit furchtbarer Gewalt in ihre Elemente zerfällt. NH3 + 6C1 = 3 HCl -f- NC13. Ein ähnliches Verhalten zeigt überschüssiges Brom; dasselbe erzeugt den sehr explosiven Bromstickstoff (NBr3). Jod bildet mit Ammoniak, selbst wenn letzteres im Überschuss ist, den gefährlichen, explosiven Jodstickstoff (NJ3), ein schwärzliches Pulver. Man hüte sich daher vor Mischungen von Jodtinktur mit wässerigem Salmiakgeist! c) Das kohlensaure Ammoniak, Ammoniumkar- bonat, Ammonium carbonicuiii, auch flüchtiges Laugen- salz (Sal volatile) genannt, ist kein neutrales, sondern andert- halbkohlensaures Salz = (NH4)3H2C03. Das neutrale Salz existiert nicht in fester Gestalt. Man gewinnt es aus dem schwefelsauren Ammoniak durch Sublimation mit kohlensaurem Kalk (Kreide), in Form durch- scheinender, weisser, faserig - krystallinischer , konvexer Kuchen, welche stark nach Ammoniak riechen und an der Luft, unter Ammoniakverlust, zu einem weissen, geruchlosen Pulver, dop- peltkohlensaurem Ammoniak, verwittern.*) Das andert- halbkohlensaure Salz löst sich leicht in Wasser (Liquor Am- monii carbonici), das doppeltkohlensaure Salz ist aber in "Wasser schwer löslich. Prüfung: Die angesäuerte Lösung darf sich nicht trüben durch H2S (schwarz: Schwermetalle), Baryumnitrat (weiss: schwefelsaures Ammo- niak), oxalsaures Ammoniak (weiss: Kalk), Silbernitrat (weiss: Chlorammo- nium) ; mit Chlorwasser und Chlorform geschüttelt, darf sich letzteres nicht violett färben (Jodammonium). Das früher durch trockne Destillation von Hörn , Knorpeln u. dgl. gewonnene , mit brenzlichem Öle getränkte kohlensaure Ammoniak, sog. Hirschornsalz (Sal cornu Cervi) und dessen Lösung, das wässerige Destillat jener Operation, den Hirsch- horngeist (Liquor cornu Cervi), hat man jetzt unter der Bezeichnung brenzlich kohlensaures Ammoniak, Ammo- nium carbonicum pyrooleosum, resp. Liquor Am- monii carbonici pyrooleosi, durch Gemenge aus kohlen- saurem Ammoniak mit V32 Teil ätherischem Tieröle ersetzt. d) Das phosphorsaure Ammoniak, Ammoniumphos- *) (NH4)3H2C03 giebt NH3 ab und hinterlässt 2NH4HC03. — 185 — phat, Ammonium phosphoricum (NH4)2HP04, dem phos- phorsauren Natron analog zusammengesetzt, krystallisiert aus dem mit Phosphorsäure gesättigten Salmiakgeiste beim Abdampfen in farblosen, neutralen Ery stallen. Ein Doppelsalz desselben mit dem Natriumphosphat, das sog. Phosphorsalz (Na, NH4, HP04 + 4 aq.) , ein in der pyrochemi- schen Analyse gebräuchliches Salz, krystallisiert, wenn eine Lösung von phosphorsaurem Natron mit Chlorammonium versetzt wird, wobei Chlornatrium in Lösung bleibt. (Na,HP04 + NH4C1 = NaNH4HP04 + NaCl). e) Das essigsaure Ammoniak, Ammoniumacetat (NH2C0H3O2), nur in Lösung als Liquor Ammonii acetici offizinell, wird durch Sättigung von Salmiakgeist mit verdünnter Essigsäure gewonnen. Das feste Salz lässt sich durch Ein- dampfen derselben nicht darstellen, da es sich mit den Wasser- dämpfen verflüchtigt. Beim spez. Gew. 1,032 — 1,034 besitzt der Liquor 15 % Salzgehalt. Prüfung: Der Liquor darf sich weder trüben mit H2S (dunkel: Schrvermetalle), noch mit Baryum- oder Silbernitrat (weiss: schwefelsaures Ammoniak resp. 67?forammonium). § 163. Schwefelverbindungen des Ammoniums. Das Ammonium verbindet sich leicht mit Schwefelwasserstoff zu Ammonium- sulfhydrat (Hydrothionammoniak), einem stark nach Mistjauche riechenden, flüchtigen Körper (NH4HS). I. NH3 + H.2S = NH4HS Ammoniak Schwefelwasserstoff Ammoniumsulfhydrat. Man gewinnt es in Lösung, wenn man Salmiakgeist mit Schwefel- wasserstoffgas völlig sättigt. Setzt man diesem Sulfhydrate ein gleiches Quantum Ammoniakflüssigkeit zu, so resultiert Schwefel- ammonium, (NH4).2S, als Liquor Ammonii sulfurati in der Analyse gebräuchlich, um Eisen, Mangan, Zink als Schwefel- metalle aus ihren Lösungen auszuscheiden. IL NH4HS + NH3 = 2(NH4)2S Ammoniumsulf hydrat Ammoniak Ammoniumsulfid. Die Schwefelammoniumlösung zieht begierig Sauerstoff aus der Luft an, verliert zugleich Ammoniak und verwandelt sich in gelbesAmrnoniumbisulfid*); bei fortschreiten der Oxydation scheidet die Flüssigkeit allen Schwefel ab, riecht dann rein ammoniakalisch und erscheint wieder farblos**), ist aber als Eeagens verdorben. *] (NH4);S + ° = (NH4)2S2 + 2NH3 + H20. *) (NHjäo + 0 = 2NH3 + H20 + 2S. — 186 — Praktische Übungen und Versuche. 1. Liquor Ammonii caustici (Fig. 54). Man lösche 3 Teile Kalk mit 5 Teilen Wasser, bringe den Brei in einen geräumigen Kolben (a), der davon noch kaum zur Hälfte gefüllt werden darf, füge dann 3 Teile Salmiak in kleinen Stückchen hinzu und verschliesse durch einen Stopfen, durch welchen eine doppelt gebogene Glasröhre (e) luftdicht geführt ist, deren anderes Ende man in eine mit 5 Teilen Wasser versehene Flasche bis nahe zum Boden reichen lasse. Der Kolben werde im Sandbade ge- linde erwärmt und zwar möglich gleichmässig, damit das Wasser der Vorlage nicht in den Kolben zurücksteige. Um dies unschädlich zu machen und zugleich das Ammoniakgas zu waschen, schiebt man auch wohl eine halb mit Wasser angefüllte dreihalsige sog. Woulfsche Waschflasche (b) zwischen Kolben (a) und Vorlage (c), durch deren mittlere Öffnung die offene Sicherheitsröhre (f) tief eingeführt ist. Lässt der Gasdruck nach, so dringt die äussere Luft durch f und b und aus dieser Waschflüssigkeit in den Kolben (e und f reichen in das Wasser von b hinein). Bei schwach werdender Gasentbindung nehme man die Vorlage weg und verdünne die in ihr befindliche, auf 8 Teile vermehrte Ammoniaklösung mit (1 Teil) Wasser bis zum spez. Gew. 0,960. Fig. 54. 2. Versuche mit Salmiakgeist, a) Man bringe etwa 1 g Sal- miakgeist in ein Arzneiglas, schwenke dasselbe um und führe dann einen mit Salzsäure angefeuchteten Glasstab in den leeren Raum des Gases ein: er wird sich mit weissem Nebel (Chlorammonium) füllen. Giebt man dann Wasser in das Glas und schüttelt gut um, so löst dies den Nebel auf, und der Raum über dem Wasser erscheint wieder hell. — b) Man fülle einen Probiercylinder zum dritten Teile mit Salmiakgeist, den übrigen Raum mit gutem Chlorwasser, verschliesse ihn sofort mit dem Daumen und öffne ihn umgestürzt unter Wasser. Es sammelt sich im oberen Teile ein farbloses Gas (Stickgas), während die Flüssigkeit durch Salmiakgehalt stechend salzig schmeckt. — c) Man bringe etwas Salmiakgeist in einen Probiercylinder, dazu 3 — 4 Tropfen (!) Jodtinktur und die mehrfache Menge Wasser; den sich ausscheidenden Jodstickstoff sammle man auf einen kleinen Filter und lasse ihn auf demselben trocken werden. Legt man — 187 — das trockene Filter alsdann in den Sonnenschein oder betupft es mit einem mit Schwefelsäure benetzten Glasstabe, so verpufft es mit Knall. 3. Liquor Ammonii sulfurati. • Man entwickele (Fig. 45) aus Schwefeleisen und verdünnter Schwefelsäure Schwefelwasserstoffgas, welches man in Salmiakgeist bis zur Sättigung einleite, wiederholt umschüttelnd, bis dabei der Daumen resp. Stöpsel nicht mehr eingezogen wird. Schliess- lich verdünne man die Flüssigkeit (Ammoniumsulfhydrat) mit einer gleichen Menge Salmiakgeist. Stöchiometrische Aufgaben. 1. a) Wieviel l Ammoniakgas liefert 1 kg Salmiak, wenn das l 0,77 g wiegt? b) Wieviel Salmiakgeist erhält man daraus? — Antw. a) (14 -j- 4 -f 35,5) : (14 + 4) = 1000 : x; x = 317 g = 11 /. b) x = 317 X 10 g. § 164. Lithium. Zu den Alkalimetallen gehört noch das Lithium, nebst den mittelst der Spektralanalyse 1860 und 1861 von Bunsen und Kirchhof entdeckten und nach der Farbe ihrer Linien benannten Metallen Cäsium und Bubidium.*) Das Lithium**) ist dem Kalium und Natrium ähnlich, aber leichter und mit karminroter Flamme verbrennend. Es findet sich in sehr geringen Mengen im Lithionglimmer (Lepidolith), Petalith und wenigen anderen seltenen Mineralien, sowie in ge- wissen Mineralquellen (z. B. von Kissingen, Franzensbad, Karls- bad, Kreuznach). Mit Sauerstoff verbindet es sich zu Lithion (Li20), dessen Hydrat (LiHC) schwerer löslich ist als Kali- und ISTatronhydrat. Oifizinell ist das Lithiumkarbonat oder kohlensaure Lithion, Lithium carbonicum (Li2C03), ein weisses Pulver von alkalischer Beaktion, welches sich nur schwierig in "Wasser löst (!). Hierdurch bildet das Lithion den Übergang der Alkalien zu den alkalischen Erden. Prüfung des kohlensauren Lithions auf Reinheit: Das durch etwas verdünnte Schwefelsäure in schwefelsaures Salz übergeführte Präparat muss sich in Weingeist völlig auflösen (Rückstand: Kalium- und Natrium- sulfat). In der salpetersauren Lösung desselben erzeuge weder Baryum, noch Silbernitrat eine Trübung (weiss: schwelelsaures Salz resp. Chlorid), nach Übersättigung mit Ammoniak auch nicht Schwefelammonium (schwarz : Eisen), noch oxalsaures Ammoniak (weiss: Kalk). 22, Der Kalk und seine Salze. § 165. Was ist der Kalk? Der Kalk, Calcaria usta (CaO), eine harte, poröse, weisse oder weissliche Masse, ist das Oxyd des schwierig darstellbaren, zuerst 1845 isolierten Metalles Calcium. *) caesius, graublau; rubidus, dunkelrot. **) Entdeckt 1817 von Arfvedson und benannt nach seinem Vor- kommen im Steinreich (Xifro? Stein). 188 Fig. 55. Der Kalk, in der Natur nicht frei, aber in grossen Mengen gebunden an Kohlensäure, Schwefelsäure, Phosphorsäure und Kieselsäure vorkommend, wird aus dem kohlensauren Kalke, wie er als „Kalkstein" sich findet, durch Glühen gewonnen. Dabei entweicht die Kohlensäure als Gas und hinterlässt das reine Oxyd. CaC03 = CaO + C02 kohlensaurer Kalk Kalk Kohlensäuregas. Das Kalkbrennen wird in besonders ge- mauerten Öfen vorgenommen. Fig. 55 stellt einen solchen Kalkofen mit unterbrochenem Gange dar; sein Inneres g wird mit dem Kalk- stein derartig angefüllt, dass man über dem Feuer- raume a eine Art Gewölbe aus grösseren Kalk- steinstücken aufbaut und durch die Gicht h die kleineren Stücke daraufschüttet. Fig. 56 stellt einen Ofen mit ununterbrochenem Gange dar; a b d sind die Teile des Feuerraums, g der Schacht, h die Gicht, wo man den Kalkstein ein- füllt, e f untere Öffnung zum Herausnehmen des gebrannten Kalkes. Beim Kalkbrennen ist auf die Temperatur zu achten ; steigt sie im Anfang zu hoch, so tritt teilweise Schmelzung und bei vorhandener Kieselerde (Quarz) Silikatbildung ein. Ein solcher Kalk heisst totgebrannt, weil er sich mit Wasser nicht löscht. Mager nennt man den mit Thon verunreinigten Kalk, welcher sich weniger gut löscht, als der fette Kalk. Der Kalk zieht beim Liegen an der Luft allmählich Kohlensäure und Wasserdampf an und zerfällt zu Pulver — zerfallener Kalk (Kalkhydrat mit kohlensaurem Kalk). Man muss ihn deshalb in verkorkten Krügen oder Flaschen aufbewahren. Mit Wasser „löscht sich" der Kalk, d. i. er vereinigt sich mit demselben*) unter starker Wärmeentbindung zu Kalkhydrat, sog. Ätz kalk (Ca2HO), einem Pulver, welches mit wenig Wasser den Kalkbrei, mit mehr Wasser die Kalkmilch, mit 5 — 600 Teilen Wasser das Kalkwasser, Aqua Calcariae, bildet, eine klare Lösung von stark alkalischer Eeaktion und schrumpfend laugenhaftem Geschmacke. Da das Kalkhydrat in heissem Wasser schwerer löslich ist als in kaltem, so trübt sich ein gutes Kalkwasser beim Aufkochen. Aus der Luft zieht das Kalkwasser begierig Kohlensäure an und setzt bei schlechtem Fig. 56. *) CaO + £}° = P \ HO Ca / HO. — 189 — Verschlusse allmählich seinen ganzen Kalkgehalt als weissen, kohlensauren Kalk ab. Aus demselben Grunde trübt es sich mit dem kohlensäurehaltigen Brunnenwasser. Man prüft das Kalkwasser auf einen Minimalgehalt an Kalkhydrat, indem man 100 g mit 3,5 — 4 cc Normalsalzsäure versetzt und blaues Lack- muspapier eintaucht: dieses darf sich nicht röten. § 166. Die Kalksalze. Der Kalk bildet mit Schwefelsäure ein schwerlösliches, mit Kohlensäure, Oxalsäure und Phosphorsäure in reinem Wasser unlösliche, in Säuren lösliche Salze; der salpeter- saure Kalk, das Chlorcalcium u. a. lösen sich dagegen in Wasser sehr leicht auf. Nachweis des Kalks. Man erkennt die Anwesenheit von Kalksalzen durch die weissen Niederschläge, welche kohlensaures und phosphorsaures Natron, zumal aber oxalsaures Ammoniak in neutralen (nicht sauren!) Flüssigkeiten erzeugt. Essigsäure löst den Oxalsäuren Kalk nicht auf, Mineralsäuren dagegen sofort. Aus nicht zu verdünnten Lösungen wird der Kalk in gleicher Weise durch verdünnte Schwefelsäure ausgeschieden. a) Der kohlensaure Kalk, das Calciumkarbonat (CaC03), findet in der Natur sehr bedeutende Yerbreitung; nicht allein, dass er in jedem Quellwasser, zufolge der darin vorhan- denen freien Kohlensäure, in geringen Mengen aufgelöst ist, wor- aus er sich beim Abkochen als Kesselstein absetzt; er bildet auch grosse Lager, sogar ganze Gebirge, und zwar im dichten Z ustande als Kalkstein, erdig als Kreide, körnig kry stal- linisch als Marmor. Er krystallisiert aus heissen Flüssigkeiten als Arragonit in rhombischen Säulen, aus kalten Flüssigkeiten als Kalkspat in Rhomboedern. (Der kohlensaure Kalk ist also dimorph!) Auch das Tierreich liefert ihn bei seinen niederen Organismen als Muscheln, Korallen, Krebssteine, Schneckenhäuser und dgl.; die Yögel bilden aus ihm die Eier- schalen. Die Austerschalen, Conchae, sind kohlensaurer Kalk mit etwas phosphorsaurem Kalke. Löst man den natürlichen kohlensauren Kalk in verdünnter Salzsäure und versetzt die entstandene Chlorcalciumlösung mit Soda, so scheidet sich reiner, sog. präzipitierter kohlen- saurer Kalk, Calcium carbonicum praecipitatum (Ca C 03), als weisses feines Pulver aus. I. CaC03 + 2HC1 == CaCl2 + H20 + C02 IL CaCla + Na2C03 = CaC03 + 2NaCl. Beim Auflösen des natürlichen Kalksteins in Salzsäure bleiben die erdigen Verunreinigungen ungelöst, auch vorhandenes Eisen- oxyd, sofern man den kohlensauren Kalk im Überschuss anwendet. Prüfung. Das Calciumkarbonat darf nicht alkalisch reagieren (Rück- halt an kohlensaurem Natron) ; die essigsaure Lösung darf sich nicht trüben — 190 — mit Baryunmitrat {schwefelsaurer Kalk), noch Silbemitrat [Chlor calcium)', die salzsaure Lösung darf sich beim Übersättigen mit Ammoniak nicht trüben (weiss: Thonerde), auch nicht bei Zusatz von Schwefelammonium (schwarz: Eisen). b) Der schwefelsaure Kalk (CaS04) findet sich, selbst Gebirge bildend, vielfach in der Natur als Gips, mit 2 Mol. Krystall wasser , welche beim Erhitzen entweichen. Der ge- brannte Gips, Calcium sulfuricum ustum, ein weissliches Pulver, zieht, wenn man ihn mit Wasser anrührt, sein Krystall- wasser wieder an und erhärtet. Man benutzt ihn deswegen zu Verbänden, Abdrücken, Gipsfiguren, Stuckatur. "War die Er- hitzung zur Rotglühhitze vorgeschritten , so ist der Gips totge- brannt, d. i. er erhärtet mit Wasser nicht mehr. Der schwefelsaure Kalk löst sich im Wasser nur sehr wenig auf (etwa in 500 Teilen) zu sog. Gipswasser, welches für Baryt- und Strontiansalze als Reagens gebraucht wird, da es in deren Lösungen noch Niederschläge erzeugt. — Alabaster ist schneeweisser, feinkörniger Gips. — c) Mit Phosphorsäure geht der Kalk mehrere Verbindungen ein. Der normale phosphorsaure Kalk (Ca32P04) bildet die Hauptmasse der Wirbeltier- Knochen, bei deren Einäscherung er als Knochenasche (Ebur ustum album) zurückbleibt. Ein weisses, in Wasser unlösliches, in Säuren lösliches Pulver, welches als Calcium phosphoricum crudum offizineil ist. Es findet sich auch als Phosphorit natürlich, in Verbindung mit Fluor- calcium. Der anderthalb phosphorsaure Kalk ist offizinell als Calcium phosphoricum (CaHP04); seine Zusammensetzung entspricht dem phosphorsauren Natron. Er ist ein weisses, in Salpetersäure ohne Aufbrausen lösliches Pulver (Unterschied von kohlensaurem Kalk) und wird aus einer Chlorcalciumlösung auf Zusatz von phosphorsaurem Natron ausgeschieden: CaCl2 + Na2HP04 = CaHP04 + 2NaCl Chlorcalcium Natriumphosphat Calciumphosphat Chlornatrium. Durch Glühen geht der phosphorsaure Kalk über in pyro- phosphorsauren Kalk; daher färbt sich das Präparat mit Silber- nitratlösung gelb (phosphorsaures Silber), nach dem Glühen aber bleibt es weiss (pyrophosphorsaures Silber). 2CaHP04 = Ca2Pa07 -f H20 Phosphors. Kalk pyrophosphors. Kalk "Wasser. Das Präparat wird auf seine Reinheit in ähnlicher Weise geprüft wie das Calciumkarbonat. § 167. Was ist der Chlorkalk? Unter der Bezeichnung Chlor- kalk, Calcaria chlprata, kommt im Handel ein Präparat vor, welches man durch Überleiten von Chlorgas über gelöschten Kalk gewinnt, der in dünner Schicht den Boden steinerner Kisten be- — 191 — deckt. Bei der Absorption des Chlors verwandelt sich das Kalk- hydrat in ein Gemenge von Calciumhypochlorit oder unterchlorigsaurem Kalke (Ca2C10) und Chlorcalcium (Ca Cl2), zum Teil bleibt es hydratisch diesem Gemenge beigemischt. Ca2HO + 4C1 = Ca2C1° + CaC1* h!0 Kalkhydrat unterchlorigsaurer Chlor- "Wasser. Kalk calcium Daher besteht der Chlorkalk des Handels aus drei Gemeng- teilen: unterchlorigsaurem Kalk (Ca2C10), Chlorcalcium (CaCl2) und Kalkhydrat (Ca2HO). Je mehr von ersterem Bestandteil vorhanden ist, um so besser ist der Chlorkalk, denn nur im unterchlorigsauren Kalke beruht seine Wirksamkeit als Bleichmittel. Vernachlässigen wir das im Chlorkalk enthaltene Kalkhydrat, so können wir dem- selben die Formel geben: (Ca2C10 + CaCla) oder kürzer: (CaCl20)*). Das Sonnenlicht schädigt den Chlorkalk, indem es seinen unter- chlorigsauren Kalk, unter Sauerstoffentwicklung, zu Chlorcalcium reduziert; Erwärmung beeinträchtigt ihn gleichfalls, indem der unterchlorigsaure Kalk dadurch in chlorsauren Kalk und Chlor- calcium, zwei Körper ohne Bleichkraft, verwandelt wird. (3Ca2C10 = Ca2C103 + 2CaCl2.) Säuren entwickeln aus dem Chlorkalke Chlorgas, nämlich: (Ca2C10 + CaCl2) + 2H2S04 == 2CaS04 + 2H20 + 4C1 Chlorkalk Schwefelsäure schwefelsaurer Wasser Chlor. Kalk Der Chlorkalk ist ein weisses, leicht feucht werdendes und schwach nach Chlor riechendes Pulver, von starkem Bleichver- mögen, welches sich nur teilweise in Wasser (unter Zurücklassung des Kalkhydrats) auflöst. Wegen des Gehaltes an Kalkhydrat trübt sich eine klare Chlorkalklösung mit Brunnenwasser, infolge Ausscheidung von kohlensaurem Kalke. Völlig gesättigter Chlor- kalk enthält 32% wirksames Chlor; die Pharm. Germ, verlangt mindestens 20%. Die Prüfung des Chlorkalkes auf seinen Gehalt an wirksarnern Chlor geschieht nach der Ph. Gr. II dadurch, dass man durch Zusatz von Jodkaliurn und Salzsäure eine dem Chlor äquivalente Menge Jod frei macht und dieses Jod durch unterschwefiigsaures Natron bestimmt. 0,5 Chlorkalk muss 28,5 ccm Zehntelnormal-Natriumthiosulfat verbrauchen. Das reine Chlorcalcium — nicht zu verwechseln mit dem Chlorkalke — stellt eine Salzmasse dar, welche in ausgezeichnetem Grade Wasser anzieht und zerfliesst. Man gebraucht daher das geschmolzene Chlorcalcium zum Austrocknen von Gasen Ent- wässern weingeistiger und ätherischer Flüssigkeiten u. s. f. Praktische Übungen. 1. Calcaria carbonica praecipitata. Man löse soviel Kreide-, *) In graphischer Darstellung: Ca~/-v pi — 192 — Marmor- oder Kalksteinstückchen in Salzsäure, welche mit gleichviel Wasser verdünnt worden, dass noch ein Teil ungelöst bleibe. Lässt man dann einige Stunden stehen, so scheidet der überschüssige kohlensaure Kalk alles etwa vorhandene Eisenoxyd aus. Der klar abgegossenen Chlorcalciumlösung gebe man dann soviel Sodalösung (11 Teile Soda auf 10 Teile reine Salzsäure) bei, dass rotes Lackmuspapier schwach gebläut wird. Man wäscht den ge- fällten kohlensauren Kalk wiederholt mit Wasser aus, indem man nach dem Absetzen klar abgiesst, schliesslich ihn auf einen Filter bringt und so lange destilliertes Wasser aufgiebt, bis es geschmacklos abläuft: dann trockne man ihn in der Wärme. 2. Calcaria phosphorica. Man verfährt ebenso, fällt jedoch mit phosphorsaurem Natron. Fragen und stöchiometrische Aufgaben. 1. Womit ist das Zerfallen des Kalkes an der Luft begleitet? — Antw. Mit einer bedeutenden Vermehrung der Masse. 2. Wieviel kohlensauren Kalk liefert 1 kg Kalk, wenn er durch Kohlensäure-Aufnahme darin übergeht? — Antw. CaO : CaC03 =(40 + 16): (40+12+48); x = 1785 g. 3. Woher rührt die starke Wärmeentbindung beim Kalklöschen? — Antw. Durch die eintretende Verdichtung, weil das flüssige Wasser mit dem Kalke festes Kalkhydrat liefert. 23. Die Magnesia und ihre Salze. § 168. Was ist die Magnesia? Die Magnesia (MgO) ist das Oxyd des Magnesiums*), eines silberweissen, leichten Metalles, welches an trockner Luft unverändert bleibt und nur heisses Wasser langsam zerlegt. Es wurde zuerst 1808 von Davy isoliert. Das Magnesium findet sich, wie das Calcium, in der Natur viel- fach verbreitet, in Verbindung mit Chlor im Meerwasser, sodann als kohlensaure, schwefelsaure und kieselsaure Magnesia; letztere kommt als Asbest, Talk, Meerschaum, Speckstein, Ser- pentin u. a. vor. Die gebrannte Magnesia, Magnesia usta (MgO), wird, ähnlich dem Kalke, durch Erhitzen der kohlensauren Magnesia gewonnen, wobei Kohlensäuregas entweicht. Die Erhitzung ge- schieht in Tiegeln und braucht weniger stark als anhaltend zu sein, da die Substanz zu den schlechten Wärmeleitern gehört; sie wird so lange fortgesetzt , bis eine herausgenommene Probe mit verdünnter Schwefelsäure nicht mehr aufbraust. Man nennt sie auch Bittererde, da ihre Salze einen bittersalzigen Geschmack zeigen. Sie stellt ein sehr voluminöses, weisses, erdiges, geschmackloses Pulver dar, welches mit Säuren nicht aufbrausen darf, an der Luft begierig Kohlensäure anzieht und in wohlverschlossenen Gefässen aufbewahrt werden muss. Mit *) Magnesium von [j.ayvrj?, womit man den Braunstein bezeichnete, der für ein Magnesiumerz galt. — 193 — "Wasser in Berührung verwandelt sie sich allmählich, ohne Tem- peraturerhöhung, in Magnesiahydrat (Mg2HO), welches alkalisch reagiert und sich nur sehr wenig in Wasser auflöst. — Mit "Wasser angerührt ist dasselbe als Eeagens bei der Prüfung des Bittermandelwassers gebräuchlich (Magnesium hydricum pultiforme). Prüfung: Die gebrannte Magnesia darf mit Säuren nicht aufbrausen (Rückhalt an Kuhlensäure); im übrigen wird sie geprüft wie die kohlen- saure Magnesia. § 169. Magnesiasalze. Charakter und Erkennung- Die Magnesium- verbindungen verhalten sich ähnlich den Kalksalzen; wie diese werden sie durch kohlensaures und phosphorsaures Natron nieder- geschlagen, unterscheiden sich aber von ihnen durch die Löslich- keit der schwefelsauren Magnesia und dadurch, dass ihre Lösungen durch kohlensaures Ammoniak nicht gefällt werden , da sie mit Ammoniak leichtlösliche Doppelsalze bilden. Daher erzeugt auch Ammoniak in den Magnesialösungen keinen Niederschlag, wenn sie mit einer hinreichenden Menge Chlorammonium versetzt sind. Fügt man nun zu dieser ammoniakalischen Flüssigkeit phosphor- saures Natron , so entsteht ein weisser Niederschlag von phos- phorsaurer Ammoniak-Magnesia. (Mg,NH4,P04-j-ÖH20); derselbe wird aber von Säuren aufgelöst. a) Die schwefelsaure Magnesia, das Magnesium- sulfat, Magnesium sulfuricum (MgS04 -+- 7aq.), wegen des bitterlichen Geschmackes B i 1 1 e r s a 1 z (Sal amarum) und wegen des Yorkommens in einigen englischen Mineralwässern (von Epsom u. a.) englisches Salz (Sal anglicum) genannt, findet sich auch in deutschen und ungarischen Mineralquellen, den sog Bitter- wässern (z. B. von Seidlitz, Friedrichshall, Hunyadi-Janos), au^elöst. Ausserdem gewinnt man das Salz aus Chlormagnesium führenden Salzsolen, deren Mutterlauge man mit Glaubersalz versetzt, wo- bei Bittersalz auskrystallisiert und Chlornatrium in Lösung bleibt. Auch erzeugt die künstliche Mineralwasserfabrikation, welche die Kohlensäure aus Magnesit und Schwefelsäure darstellt, das Bittersalz als Nebenprodukt. Das Magnesiumsulfat erscheint in farblosen, rhombischen Säulen krystallisiert, welche sich leicht in Wasser, nicht in Wein- geist auflösen. An trockner, warmer Luft verwittern sie, unter teilweisem Yerlust ihres Krystallwassers, und zerfallen zu einem weissen Pulver, dem getro ckneten Bittersalz e , Magnesium sulfuricum siccum. Von den 7 Mol. Krystallwasser bleibt da- rin 1 Mol. zurück und entweicht erst in der Glühhitze. Ein ähnliches Y erhalten zeigen die isomorphen schwefelsauren Salze von Zink und Eisen. Dieses 1 Mol. Wasser begleitet diese Sul- fate auch in ihre Doppelsalze. Schlickum, Apothekerlehrling. \Q — 194 — Prüfung: Die wässerige Lösung der schwefelsauren Magnesia darf weder getrübt werden durch Schwefelwasserstoffwasser (dunkle Trübung: Kupfer, Blei), noch durch Schwefelammonium (dunkle Trübung: Eisen), noch durch Silberlösung (weisse Trübung: Chloride). Das Salz darf die Weingeistflamme nicht gelb färben {Natriumsulfat). b) Die kohlensaure Magnesia, das Magnesiumkar- bonat, kommt in der Natur als Magnesit (MgC03), in Ver- bindung mit kohlensaurem Kalk als Dolomit (MgC03 -f- CaC03) vor , den man auch Bitterspat nennt. Dagegen erhält man bei der Fällung der Magnesiasalze durch kohlensaure Alkalien nicht neutrale, sondern nur basisch kohlensaure Magnesia. Letztere ist als weisse Magnesia, Magnesium carbonicum offizinell und hat die Formel: Mg5 < 9x1 q3 i sodass sie angesehen wer- den kann als Doppelverbindung von 4MgC03 mit Mg2HO (Magnesiahydrat). Man gewinnt sie durch Fällung einer heissen Bittersalz- oder Chlormagnesiumlösung mit Soda und bringt sie als weisse, sehr leichte, geschmacklose, vierkantige Stücke in den Handel. In reinem Wasser löst sie sich nicht auf, jedoch zu 1% in kohlensäurehaltigem Wasser (zu Aqua Magnesiae carbouicae). Prüfung der kohlensauren Magnesia: Sie darf beim Schütteln mit Wasser nichts Lösliches an dasselbe abgeben (kohlensaure Alkalien), die essigsaure Lösung trübe sich weder mit Schwefelwasserstoffwasser (Kupfer, Blei), noch mit Schwefelammonium (dunkle Trübung: Eisen), auch nur unbedeutend mit Baryt- und Silbersalzen (schwefelsaure Salze und Chloride). Die ammoniakalisch gemachte salzsaure Lösung darf sich nicht trüben mit oxalsaurem Ammoniak (Kalkkarbon ai). Praktische Übungen. Magnesia usta. Man fülle einen hessischen Tigel, den man zwischen glühe^ ien Holzkohlen (in einem Windofen) aufgestellt , mit kohlensaurer Magnesia und glühe ihn, bedeckt, bis eine (mit einem Spatel heraus- genommene) Probe mit verdünnter Schwefelsäure nicht mehr aufbrause. Auch kann man sich eines eisernen Grapens über dem Herdfeuer bedienen ; alsdann muss die Erhitzung etwas länger andauern. Schliesslich entleere man den Inhalt mit einem eisernen Löffel und fülle den Tiegel mit einer neuen Portion kohlensauren Magnesia, womit man fortfahre, bis die ganze Menge der letzteren gebrannt ist. Stöchiometrische Aufgaben. 1. Wieviel Prozente Magnesia hinterlässt die kohlensaure Magnesia (Mg54C03, 2HO + 4H20) beim Glühen? — Antw. (Mg5 4C03, 2HO+4H20): 5MgO = 466 : 5 X 40 ; x = 42,9%. 2. Wieviel Prozente Krystallwasser enthält das Bittersalz? — Antw. (MgS04 + 7H20) : 7H20 = 246 : 126 ; x = 51%. § 170. Baryum und Strontium. Zu den Metallen, deren Oxyde alkalische Erden genannt werden, zählen ausser dem Calcium und Magnesium noch Baryum und Strontium, zwei analog sich verhaltende Metalle von viel geringerer Yerbreitung als Cal- — 195 — cium und Magnesium. Ihre Oxyde heissen Baryt (BaO) und Strontian (Sr 0). Das Baryum kommt am häufigsten vor als Schwerspat*), schwefelsaurer Baryt (BaS04), ein nicht seltenes Mineral von ziemlicher Schwere und Glasglanz, in Wasser und Säuren unlös- lich. Man reduziert es, mit Kohle gemengt, in der Weissglühhitze zu Schwefelbaryum (BaS), aus welchem man die übrigen Ba- ryumverbindungen gewinnt. Seltener findet sich der kohlensaure Baryt als Witherit (BaC03), welcher ebenfalls zur Darstellung der Baryumsalze dient; er ist, wie alle löslichen Baryumsalze, giftig. Der salpetersaure Baryt, Baryum nitricum (Ba2N03), als Reagens auf Schwefelsäure gebräuchlich, wird durch Auflösen von Schwefelbaryum oder kohlensaurem Baryt in Sal- petersäure, in farblosen Krystallen gewonnen. In starker Glüh- hitze verliert er seine Säure und hinterlässt Baryt (BaO) als grauweisses Pulver, das mit Wasser ein Hydrat giebt und sich zu einer stark alkalischen Flüssigkeit, dem Barytwasser, auf- löst. Dasselbe zieht, ähnlich dem Kalkwasser, begierig Kohlen- säure aus der Luft an und trübt sich alsdann. Das Chlorbaryum, Baryum chloratum (BaCl2 -\~2 aq.), krystallisiert in farblosen, luftbeständigen, leichtlöslichen Säulen, welches man aus Schwefelbaryum oder aus kohlensaurem Baryt durch Auflösen in Salzsäure und Abdampfen der Lösung gewinnt. In Weingeist ist es nicht löslich. Das Strontium ähnelt in seinen Verbindungen völlig dem Baryum, von welchem es sich durch die karminrote Färbung unterscheidet, die seine Yerbindungen der Flamme erteilen. Es findet sich teils als Strontianit (kohlensaurer Strontian), teils als Cölestin (schwefelsaurer Strontian). Man gebraucht den salpetersauren Strontian (Sr2jST03 ) zu bengalischem Rotfeuer. Erkennung von Baryt und Strontian: Die Baryt- und Strontian- salze werden aus ihren Lösungen durch verdünnte Schwefelsäure oder schwefelsaure Salze gefällt. Da der schwefelsaure Baryt und Strontian viel weniger löslich ist, als der schwefelsaure Kalk, so erzeugt selbst Gipslösung in den Baryt- und Strontianlösungen weisse Trübungen. Kohlensaure Alkalien scheiden aus ihnen weisse Karbonate ab. 24. Thonerde und Alaun. § 171. Was ist die Thonerde? Die Thonerde (A1203) ist das Oxyd des Aluminiums, eines silberweissen , leichten , luftbe- *) Daher der Name Baryum (ßapug, schwer). — 196 — ständigen Metalles, welches das Wasser in gewöhnlicher Tem- peratur nicht zersetzt. Man gewinnt das Aluminium aus dem Kryolith (Fluoralumi- nium mit Fluornatriuin) durch Schmelzen mit Natrium. Es wurde zuerst von Wo hier (1827) isoliert. Die Thonerde kommt in der Natur unrein vor als Smirgel (Lapis Smiridis), rein und krystallisiert als Korund, ein wert- voller Edelstein, dessen blaue Varietät Saphir, dessen rote Kubin genannt wird. Diese Mineralien übertreffen selbst den Quarz an Härte, weshalb man den Smirgel als Schleif- und Poliermittel für Glas benutzt. In Verbindung mit Kieselsäure ist die Thonerde ein fast nie fehlender Bestandteil der Silikatgesteine. Der Feldspat, ein wesentlicher Gemengteil des Granits und Syenits (sog. Urge- birge) , stellt ein Doppelsilikat des Kaliums und Aluminiums dar (K20,Al203,6Si02). Durch seine Verwitterung entsteht der T h o n ; das Kali wird nämlich durch die Kohlensäure der Luft und des Wassers im Laufe der Zeit als kohlensaures Kali der Pflanzenwelt zugeführt, während die kieselsaure Thonerde liegen bleibt. Der Thon ist unreine, wasserhaltige, kieselsaure Thon- erde. Lagert er am Orte seiner Entstehung, so stellt er eine weisse, erdige Masse, die Porzellanerde, dar, aus der man das echte Porzellan bereitet. Dasselbe zeichnet sich dadurch aus, dass es infolge einer beim Brennen beginnenden Schmelzung im Bruche glasartig und durchscheinend geworden ist. Man er- teilt ihm gewöhnlich eine Glasur aus feinpräpariertem Feldspat. Unglasiertes Porzellan heisst Bisquit-Porzellan. Wird der Thon aber vom Orte seiner Bildung fortgeschwemmt, so vermengt er sich mit erdigen Teilen und wird unrein. Er stellt dann den gewöhnlichen Thon dar und, mit Sand ge- mengt, den Lehm. Aus dem gemeinen Thone bereitet man durch Brennen die verschiedenen Thonwaren, mit porösem, erdigem, nicht durchscheinendem Bruch und einer Glasur not- wendig bedürfend. Die beste Sorte ist die aus eisenfreiem, weissem Thon bereitete Fayence, welche aus Quarz und Mennige eine Bleiglasur erhält. Das Töpfergeschirr, aus rotem, eisenhaltigem Thone, bekommt ebenfalls Bleiglasur. Das Steingut wird nicht glasiert, da der zur Verwendung gelangende Thon beim Glühen eine dichte, glasige Masse bildet. Dagegen erteilt man den ge- ringeren Steinzeugwaren eine Natronglasur mittelst Kochsalz. Weisser, ziemlich reiner Thon ist als weisser Bolus, Ar- gilla oder Bolus alba officinell, eine abfärbende, an der Zunge haftende, angefeuchtet plastische, erdige Masse. Mit braunrotem Eisenoxyd gemengter Thon ist der rote Bolus (Bolus rubra). — 197 - § 172. Alaun und Aluminiumsulfat, a) Unter AI aun, AllllilUH, versteht man zunächst ein Doppelsalz aus Kalium und Aluminium- sulfat, schwefelsaure Kali-Thonerde (K2A124S04 + 24 aq.), in wasserhellen, regelmässigen Oktaedern krystallisiert, von säuerlich herbem Geschmack, in kaltem Wasser schwer-, in heissem leichtlöslich. Der Alaun findet sich nicht natürlich. Man fabriziert ihn in Deutschland auf eigenen Hütten aus den sog. Alaunerzen, die man je nach ihrer schieferigen oder erdigen Struktur als Alaunschiefer oder Alaunerde bezeichnet. Diese Erze stimmen darin überein, dass sie Gemenge aus Thon, Schwefelkies (EeS2) und Braunkohle sind. Der Thon liefert bei der Alaun- fabrikation die Thonerde, der Schwefelkies die Schwefelsäure, die Braunkohle das Brennmaterial; das Kali muss zugesetzt werden. Die Hauptzüge der Alaunfabrikation sind folgende: Die Alaunerze werden zu Haufen geschichtet und geröstet, wozu sie in der Braunkohle das Brennmaterial mitbringen. Bei der Röstung oxydiert sich der Schwefelkies (Zweifach-Schwefeleisen) in schwefel- saures Eisenoxydul und freie Schwefelsäure, nämlich: FeS2 + H20 + 70 = FeS04 + H2S04 Eisenbisulfld Wasser Sauerstoff Eisensulfat Schwefelsäure. Die entstandene freie Schwefelsäure zersetzt den Thon, schei- det die Kieselsäure aus und löst schwefelsaure Thonerde (A123S04) auf. Beim Auslaugen des Rohproduktes wird also schwefelsaure Thonerde und schwefelsaures Eisenoxydul aufgelöst; man entfernt das letztgenannte Salz durch Krystallisation und bringt es als Eisenvitriol in den Handel; die schwefelsaure Thon- erde verbleibt, weil sehr löslich, in der Mutterlauge. Nun wird der letzteren schwefelsaures Kali beigegeben , worauf der schwerlös- liche Alaun sich ausscheidet, den man durch Auflösen in mög- lichst wenig heissem Wasser umkrystallisiert. Prüfung des Alauns: Die wässerige Lösung darf sich nicht trüben durch BUS (dunkel: Kupfer, Blei), nicht bläuen mit Ferrocyankalium {Eisen), noch mit Natronlauge Ammoniak entwickeln; auch die alkalische Lösung durch H2S nicht getrübt werden (schwarz: Eisen). Der Alaun schmilzt beim Erhitzen in seinem Krystallwasser, bläht sich dann, unter Verlust desselben, stark auf (ähnlich dem Borax) und hinterlässt eine weisse, leichte, poröse Masse, den gebrannten Alaun, Alunien ustum (K2A124S04). In Wasser löst sich derselbe nur langsam auf. Es existiert eine grössere Zahl dem Alaun isomorpher Doppelsalze, Doppelsulfate zweier Metalle, eines einwertigen und eines dreiwertigen, sämtlich mit 24 Mol. Krystallwasser und Oktaederform; man be- zeichnet sie alle als Alaune und unterscheidet den Kali - Thonerdealaun als Kalialaun, den Ammoniak- Thonerdealaun (welchen man erhält, wenn man der schwefelsauren Tonerdelösung schwefelsaures Ammoniak zusetzt) als Ammoniakalaun; ist die Thonerde durch Chromoxyd oder Eisenoxyd vertreten, so haben wir den Chromalaun und Eisenalaun. Letzterer — 198 — ist als Ferrum sulfuricum oxydaturn ammoniatum, Amnioniak- Eisenalaun, hier und da gebräuchlich und besitzt die Formel: (NH4)2Fe44S0.2 + 24 aq. b) Die schwefelsaure Thonerde, das Aluininiuinsulfat, Aluminium sulfuricum (A123S04 -j- 18 aq.) ist ein farbloses, in Wasser leichtlösliches, in Weingeist unlösliches Salz, welches in Säulen krystallisiert und aus dem Kryolith durch Behandlung mit Schwefelsäure gewonnen wird. Es dient zur Darstellung der essigsauren Thonerdelösung, Liquor Alumiuii acetici, welche durch Zersetzung des Aluminiumsulfats mit Essigsäure und kohlensaurem Kalk bereitet wird. Dabei entweicht die Kohlen- säure des letzteren und schwefelsaurer Kalk scheidet sich ab. AL3S04 + 4HC,H302 + 3CaC03 = Aluminiumsulfat Essigsäure Calciumcarbonat AL- (4(9HO°i + 3CaS04 + 3C02 + H20 'J-n-^ Calciumsulfat Kohlensäure Wasser. Aluminiumaeetat Im Liquor ist das Aluminiumaeetat als ein basisches Salz enthalten. § 173. Thonerdehydrat. Das Th ob er d ehy drat, Alumina hydrata (AL6HO) ist ein weisses, voluminöses, geschmackloses, unlösliches Pulver, welches sich ausscheidet, wenn man eine Alaunlösung mit einem kohlensauren Alkali versetzt; da die Thon- erde sich mit der Kohlensäure nicht verbinden kann, scheidet sich Thonerdehydrat ab und die Kohlensäure entweicht unter Aufbrausen. Das Thonerdehydrat verbindet sich leicht mit organischen Farbstoffen zu sog. Lackfarben. Man gebraucht deshalb den Alaun, häufig auch die essigsaure Thonerde, als Beize in der Färberei. Bringt man nämlich Gespinste zuerst in eine Alaun- lösung, darauf in eine Farbbrühe, so verbindet sich der Farbstoff mit der auf der Gespinstfaser haftenden Thonerde und schlägt sich als Lackfarbe darauf nieder. Erkennung der Thonerde: Das Thonerdehydrat löst sich nicht allein in verdünnten Säuren (zu Thonerdesalzen), sondern auch in Ätzalkalien zu sog. Aluminaten; mit Kali bildet es lösliches Kaliumaluminat (K2A1204), mit Natron Natriumaluminat u. s f. Mit Ammoniak vereinigt es sich aber nicht. Daher löst sich der durch Ätzkali (Natron) in einer Alaunlösung hervorgerufene Niederschlag in einem Überschusse des Ätzkalis wieder auf; wird diese Flüssig- keit nun mit einer Chlorammoniumlösung versetzt, so scheidet sich Thonerdehydrat wieder ab, da das Chlorammonium sich mit dem Natronhydrat in Chlornatrium und freies Ammoniak umsetzt. Praktische Übungen. Alumen ustum. Man fülle eine weisse, flache Schale von un- glasiertem Thon, — beispielsweise einen Blumentopf- Untersatz — zum dritten — 199 — Teile mit grobgepulvertem Alaun und stelle sie auf eine gelinde erhitzte Platte. Das Salz schmilzt zu einer dünnen Flüssigkeit, die allmählich dicklich wird; ist sie sehr zähe geworden, so verstärke man das Feuer, damit sie aufschwelle und zu einer. weissen, porösen Masse aufblähe, die sich nach dem Erkalten leicht vom Gefässe ablöst. Beim Schmelzen darf nicht umgerührt werden. Stöchiometrische Aufgaben. 1. Wie viel gebrannter Alaun wird aus 1 kg Alaun erhalten? — Antw. (K2A124S04 + 24H20) : (K2A124S04) = 949 : 517; x = 544 g. § 174. Mangan. Das Mangan*) ist ein, gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts entdecktes Schwermetall, welches sich im Braunstein befindet. Mit Sauerstoff verbindet es sich zu zwei Oxyden, einem Superoxyde und zwei Säuren, nämlich zu Manganoxydul MnO Mano-ansänre MnO Mano-anoxvd Mn 0 iviangansaure iv±nu3 ■n/r ö J 3 iv/r2/-»3 Übermangansaure H MnO. Mangansuperoxyd Mn(J2 ° 4 a) Der Braunstein, Manganum hyperoxydatum, Mn02, ist Mangansuperoxyd und das hauptsächlichste Manganerz ; er findet sich zerstreut in Europa (z. B. bei Giessen), bald in spies- sigen Krystallen (Pyrolusit), die sternförmig gruppiert sind, bald in derben Massen, oft gemengt mit kalkigen und thonigen Erd- arten. Grauschwarz, metallglänzend, abfärbend ; giebt in der Glüh- hitze den dritten Teil seines Sauerstoffs ab, zu Manganoxyduloxyd sich reduzierend ; mit Salzsäure erwärmt, löst er sich zu Mangan- chlorür und liefert freies Chlor. (Vgl. § 120.) b) Das schwefelsaure Manganoxydul, Mangan- sulfat, Manganum sulfuricum (MnS04 + 4H20), entsteht beim Erhitzen von Braunstein mit konz. Schwefelsäure, wobei Sauer- stoff entweicht. Mn02 + H2S04 = MnS04 + H.20 + 0 Maugan- Schwefelsäure schwefelsaures Wasser Sauerstoff superoxyd Manganoxydul Der Rückstand wird mit Wasser ausgelaugt; die Lösung liefert in lauer Wärme das Salz in rötlichen Krystallen, welche leicht verwittern und in Wasser sich leicht lösen. In der Kälte krystallisiert das Salz mit 7H20, zerfliesst aber schon bei 18°. c) Erhitzt man Braunstein mit chlorsaurem Kali und Ätzkali, so giebt das chlorsaure Kali seinen Sauerstoff an das Mangan- superoxyd ab, und es entsteht neben Chlorkalium mangan- saures Kali, K2Mn04, sog. Chamäleon, welches sich mit grüner Farbe in Wasser auflöst; bei vorsichtiger Sättigung mit Kohlensäure oder Salpetersäure wird diese Lösung purpurrot, indem das mangansaure Kali in übermangansaures Kali, Kaliumpermanganat, Kalium permanganicum (KMn04), *) Mangan, früher Manganesium, abgeleitet von magnes, womit man den Braunstein bezeichnete. Isoliert 1775 von Gähn. — 200 — übergeht, unter Abscheidung von Mangansuperoxyd*). Das Kalium- permanganat kristallisiert in stahlgrauen Säulen, welche sich mit purpurner Farbe in Wasser auflösen. In hohem Grade durch oxydierende Eigenschaften ausgezeichnet, wird es durch oxydier- bare Substanze unter Entfärbung zu Mangansuperoxyd, bei Gegen- wart von Säure zu einem Manganoxydulsalz**) reduziert. Man ver- wendet es daher zur Desinfektion, sowie als Reagens zum Nachweis oxydierbarer Substanzen. Nicht allein, dass es Oxydulsalze (z. B. Eisenvitriol) in Oxydsalze , schweflige und phosphorige Säure in Schwefel und Phosphorsäure überführt, oxydiert es die organischen Materien, z. B. Oxalsäure zuKohlensäure(H,C204+0=H20-}-2C02). § 175. Chrom. Das Chrom ist ein im Chromeisenstein (FeO,Cr203) enthaltenes, nicht häufig vorkommendes Schwermetall, welches mit Sauerstoff Chromoxyd (Cr203) und Chromsäure (Cr03) bildet. — Man stellt aus dem Chromeisenstein durch Glühen mit Salpeter doppeltchromsaures Kali, Kalium bichromicum (K2Cr04, Cr03) = (K2Cr20?), fabrikmässig dar***). Das Kalium- dichromat krystallisiert in gelbroten Säulen, die sich in "Wasser mit derselben Farbe auflösen. Mit kohlensaurem Kali liefert es gelbes einfach chromsaures Kali (K2Cr04), Kalium chromi- cum. Yersetzt man es mit konz. Schwefelsäure, so krystallisiert wasserfreie Chromsäure, Acidnm chromicnni (Cr03), in roten, an der Luft zerflies suchen Nadeln aus. Die Chromsäure, wie ihre Kalisalze zeichnen sich durch oxydierende Eigenschaften aus, wobei sie sich zu Chromoxyd reduzieren. Doppeltchromsaures Kali mit Schwefelsäure giebt an oxydierbare Substanzen Sauerstoff ab und wird dabei zu violettrotem Chromalaun (schwefelsaurem Kali-Chromoxyd) : K2Cr207 + 4H2S04 = K2Cr24S04 + 4H20 + 30 doppeltchroms. Kali Schwefelsäure Chromalaun Wasser Sauerstoff, Mit Salzsäure erwärmt, liefert das doppeltchromsaure Kali: Chlorkalium, grünes Chromchlorid und freies Chlor: K2Cr207 + 14HC1 = 2KC1 + Cr2Cl6 -f- 7H20 + 6C1 doppeltchroms. Chlor- Chlorkalium Chrom- Wasser Chlor. Kali Wasserstoff chlorid Die Chromverbindungen zeichnen sich durch gelbe, rote oder grüne Färbung aus — daher der Name des Elementes (x^oo^a, Farbe), welches 1797 zuerst von Yauquelin isoliert wurde. Chromsaures Bleioxyd dient in der Färberei als Chromgelb, basisch chromsaures Blei als Chromrot — zwei giftige Farbmittel. *) 3K,Mn04 + 2CO, = 2KMn04 -J- MnO, -f- 2E2C03. •*) 2KMn04 + 3H9SÖ4 = K9S04 + 2MnS04 -f 3H20 + 50. *) Cr903 + 2KNO3 tk K>CrvÖ7 -f 2 NO. — 201 25. Das Eisen und seine Verbindungen, § 176. Wie gewinnt man das Eisen? Das Eisen, ein altbe- kanntes Metall, findet sich nur selten gediegen, wie im Meteoreisen, in Verbindung mit Nickel und Kobalt; die gewöhnlichen Eisen- erze, welche zur Eisengewinnung dienen, sind: Roteisenstein (Eisenoxyd), Brauneisenstein (Eisenoxydhydrat), Spateisenstein (kohlensaures Eisenoxydul). Es giebt auch schwefelhaltige Eisenmineralien, wie der Schwefelkies (FeS2) und Magnetkies, sowie phosphorhaltige, wie das Raseneisenerz (phosphorsaures Eisenoxyduloxyd); jedoch eignen sich dieselben nicht zur Metallbereitung, da schon Va Proz- Schwefel das Eisen rotbrüchig (in der Glühhitze spröde), Phosphor dasselbe kaltbrüchig (in der gewöhnlichen Temperatur nicht hämmerbar) macht. Die Eisengewinnung besteht in der Reduktion der genannten oxydischen Erze durch Kohle und wird in sog. Hoh- öfen (Fig. 58) vorgenommen. Dieselben sind Schachtöfen, an deren oberer Öffnung a (Gicht) abwechselnd die Eisenerze und Kohlen eingetragen werden. Das Mauer- werk (m) verengert sich nach unten in das „Gestell" g, woselbst der eigentliche Schmelzprozess vor sich geht. Daselbst wirken zwei Gebläse (an den sog. „For- men" f). Das geschmolzene Metall sam- melt sich am Boden des „Gestelles", dem sog. „Herd", der nach vorn vom „Tümpel- stein" t und „Wallstein" w, zwei feuer- festen Steinen, begrenzt ist. Durch eine Rinne neben dem Wallsteine — die sog. Fig. 58. „Stichöffnung" — wird der Herd, wenn er gefüllt ist, entleert. Die Eisenerze erhalten stets einen Zuschlag bald quarziger, bald kalkiger Gangart, um eine leichtflüssige Schlacke zu erzeugen, welche das abgelassene Metall bedeckt und vor der oxydierenden Wirkung der Luft schützt. Das Produkt des Hohofenprozesses ist das Roheisen, auch Gu ss eisen genannt, Eisen mit 3 — 5 Proz. Kohle, welche zum Teil mit dem Eisen in chemischer Verbindung steht. Es ist leicht schmelzbar und spröde; beim Auflösen in Säure entweicht der chemisch gebundene Kohlenstoff mit dem entwickelten Wasser- stoff als (übelriechendes) Kohlenwasserstoff gas; die mechanisch bei- gemischte Kohle bleibt dagegen als schwarzer, kohliger Rückstand. — 202 - Aus dem Roheisen stellt man durch den sog. Frisch- pro z e s s das Stabeisen dar , dessen Kohlegehalt nur 1j2 Proz. beträgt. Dieser Frischprozess ist eine Oxydation, indem man das Roheisen, unter Zuschlag oxydischer Eisenverbindungen, z. B. Hammerschlag (Eisenoxyduloxyd), vor der Gebläseluft wiederholt niederschmilzt, bis das Metall zähflüssig geworden ist. Dabei ver- brennt der Kohlenstoff. Man nimmt diesen Prozess in Flammen- öfen (sog. Puddlingsöfen), früher in offenen sog. Frischherden vor. Das Stabeisen ist sehr strengflüssig, aber geschmeidig und zähe. Zwischen Roheisen und Stabeisen hält der Stahl die Mitte ; er besitzt die Schmelzbarkeit des ersteren, die Geschmeidigkeit des letzteren, übertrifft sie aber an Härte und Elastizität. Sein Kohlenstoffgehalt schwankt zwischen 1 und 2 Proz. Man gewinnt den Stahl teils aus dem Roheisen durch einen dem Frischprozess ähnlichen, aber nicht soweit fortgesetzten Vorgang, teils aus dem Stabeisen durch Erhitzen mit Kohlenpulver in verschlossenen Kisten. Ersteres Verfahren giebt den sog. deutschen Stahl, letzteres den englischen oder Cementstahl. Nach dem Hämmern erfordert der Stahl ein schnelles Abkühlen, wodurch er seine Härte und Sprödigkeit gewinnt; lässt man ihn langsam er- kalten, wird er so weich wie Stabeisen. Zu den verschiedenen techni- schen Zwecken giebt man dem Stahl dadurch die gewünschte Härte, dass man ihn bis zu gewissen Temperaturen erhitzt, ihn ,,anlässtu, und dann schnell abkühlt. Diese Hitzegrade geben sich durch Farbennüancen zu erkennen, vom Purpurrot bis Tiefblau. Zu den Präparaten des Eisens verwendet man teils Eisen- draht (Ferrum in filis), teils Eisenfeile (Ferrum lima- tum, Limatura Martis), beide aus Stabeisen bestehend. Zum innerlichen Gebrauche dienen: a) das Eisenpulver, Ferrum pulveratum, ein schweres, bläulichgraues, feines Pulver, durch Stossen und Beuteln der Eisenfeile dargestellt und durch noch- maliges Reiben metallisch glänzend gemacht; b) das reduzierte Eisen, Ferrum reductum, durch Reduktion des Eisenoxyds mittelst Wasserstoffgas in rotglühenden Porzellanröhren gewonnen (Fe203 +6H = 2Fe + 3H50), ein dunkelgraues, glanzloses Pulver, häufig aber infolge unvollendeter Operation durch einen Rückhalt an Eisenoxyduloxyd schwarz. Prüfung des metallischen Eisens. 1) Das Ferrum pulveratum muss sich in Salzsäure völlig auflösen (Rückstand: Kohle), das dabei ent- bundene Wasserstongas färbe nicht Silbernitrat (Schwärzung: 6c hwe feieisen); die salzsaure Lösung trübe sich nicht mit H2S (dunkle Trübung: Kupfer, Blei); mit Salpetersäure höher oxydiert und durch Salmiakgeist ausgefällt, darf Schwefelammonium im Filtrate keine Trübung (weiss : Zink) mehr erzeugen. Löst man den Rückstand, den die Salzsäure löst, in Salpetersäure, so darf H2S diese nicht trüben (dunkle Trübung: Blei, Kupfer), überschüssiges Ammoniak nicht bläuen ( Kupfer). — 203 — 2. Das Ferrum reductum entwickele ebenfalls beim Lösen in Salz- säure ein Wasserstoffgas, welches Silbernitrat nicht färben darf (schwarz: Schwefeleisea) ; sein Gehalt an metallischem Eisen wird durch Kaliumper- manganat bestimmt, nachdem man das metallische Eisen durch Digestion mit Quecksilberchlorid als Eisenchlorür in Lösung übergeführt hat. (Fe -j- 2HgCl, = FeCL + Hg2Cl2). § 177. Eigenschaften des Eisens. Das chemisch reine Eisen be- sitzt eine glänzend weisse Farbe; der Stahl nimmt nächst dem Silber die schönste Politur an. Das spezifische Gewicht des Roh- eisens ist 7,1, des Stabeisens 7,7, des Stahls 7,8. An trockner Luft bleibt das Metall unverändert, überzieht sich aber an feuchter Luft mit Rost (Eisenoxydhydrat mit kohlensaurem Eisenoxydul); in der Glühhitze verbrennt es oberflächlich , das entstehende schwarze Eisenoxyduloxyd springt darauf beim Hämmern als Hammerschlag ab. In der Glühhitze zersetzt das Metall den Wasserdampf, Wasserstoffgas entweicht, und Eisenoxyd entsteht. Verdünnte Säuren lösen das Eisen, unter Entbindung ihres Wasserstoffs, auf und bilden Eisenoxydul- salze, welche an der Luft durch Sauerstoffaufnahme allmählich in Oxydsalze übergehen. Das Eisen ist in seinen Oxydul(Ferro)-Yerbindungen zwei- wertig, in seinen Oxyd(Ferri)-Salzen vierwertig, wenn aber ein Doppelatom Eisen in ihnen enthalten ist, halten sich 2 Yalenzen gebunden und das Doppelatom tritt sechswertig auf. Daher die Formel des Eisenoxyduls FeO, des Eisenoxyds Fe203. Mit Schwefel verbindet sich das Eisen zu Eisensulfid, FeS (schwarzem Schwefeleisen), und zu Eisenbisulfid, FeS2 (Schwefelkies); jenes löst sich leicht in verdünnten Säuren, dieses nur in Königswasser. Erkennung der Eisensalze: Die Salze des Eisens werden durch Schwefelwasserstoff nur unvollständig, aus saurer Lösung gar nicht gefällt (wegen der Löslichkeit des Schwefeleisens in Säuren). Schwefelammonium scheidet jedoch schwarzes FeS aus ihnen aus. — Die Eisenoxydulsalze besitzen meist eine hellgrüne Farbe, die Oxydsalze eine braunrote. Durch Schwefelcyankalium färben sich die Eisen oxyd salze blutrot, ebenso durch essigsaure Salze (Liquor Ferri aceticü). Gelbes Blutlaugensalz (Ferrocyankalium) erzeugt mit den Eisenoxydsalzen, rotes Blutlaugensalz (Ferri- cyankalium) mit den Eisenoxydulsalzen tiefblaue Niederschläge (Berlinerblau) — Mittel zur Unterscheidung der Oxyd- von den Oxydulsalzen des Eisens ! Als wesentlicher Bestandteil des Blutfarbstoffs dient das Eisen zur besseren Blutbereitung und ist in seinen zahlreichen Präparaten ein geschätztes Mittel gegen Blutarmut, Bleichsucht u. s. w. — 204 — § 178. Die Sauerstoffverbindungen des Eisens. Das Ferrosulfat oder schwefelsaure Eisenoxydul (FeS04 -f- 7aq.), ge- wöhnlich Eisenvitriol oder grüner Yitriol genannt, krystal- lisiert in hellgrünen, rhombischen, leicht in Wasser, nicht in Weingeist löslichen Säulen, dem Bittersalze isomorph. Das im Handel vorkommende rohe Salz, Ferrum sulfuricum crudum, ist ein Nebenprodukt bei der Alaunfabrikation, beim Cementkupfer (daher seine Bezeichnung „Kupferwasser'1, „Kupferrauch"), bei der Schwefel- und Schwefelsäuregewinnung aus dem Schwefelkies, dessen Rückstand (FeS) der Röstung unterworfen wird. Das reine Salz, Ferrum sulfuricum (purum), entsteht unter Wasserstoffentbindung bei Auflösung von Eisen in verdünnter Schwefelsäure. Fe + H2S04 = FeS04 -+- 2H Eisen Schwefelsäure Eisensulfat Wasserstoff. Fügt man der klaren Lösung Weingeist hinzu, so fällt das Salz als grünlichweisses Krystallmehl nieder, da es sich darin nicht auflöst. Im Wasserbade trocknet es ein zu einem weiss- lichgrauen Pulver, dem entwässerten schwefelsauren Eisenoxydul, Ferrum sulfuricum siccum (FeS04 -j- aq.), welches noch 1 Mol. Krystallwasser zurückbehält. An der Luft oxydiert sich der Eisenvitriol leicht zu basisch schwefelsaurem Eisenoxyd, eine gelbliche Farbe annehmend.*) Um ihn davor zu schützen, wäscht man die Krystalle mit Wein- geist ab und trocknet sie im direkten Sonnenlichte. Oxydierende Mittel, wie Salpetersäure, Chlor (infolge Salzsäurebildung durch Wasserzersetzung) , übermangansaures Kali u. a. , führen das schwefelsaure Eisenoxydul in neutrales Oxydsalz über, sofern freie Schwefelsäure zugegen ist. Nämlich: 2FeS04 + H2S04 + 0 = Fe23S04 + H20 schwefelsaures Schwefel- Sauer- schwefelsaures Wasser. Eisenoxydul säure Stoff Eiseooxyd Prüfung des schwefelsauren Eisenoxyduls. Man erhitzt die kon- zentrierte Lösung des Salzes mit Salpetersäure zur völligen Oxydierung und fällt die mit Wasser verdünnte Flüssigkeit mit überschüssigem Sal- miakgeist aus; das Filtrat darf weder blau gefärbt erscheinen {Kupfer), noch durch Schwefelammonium getrübt werden (schwarzer Niederschlag: Kupfer, weisser Niederschlag: Zink), auch keinen Glührückstand hinterlassen. b) Das Ferrisulfat oder schwefelsaure Eisenoxyd (Fe23S04), als Liquor Ferri sulfarici oxydati offizineil, eine braune, schwere Flüssigkeit, wird durch Erhitzen einer Eisen- vitriollösung mit reiner Schwefelsäure, unter Zugabe von Salpeter- säure, gewonnen. Die Salpetersäure führt das Oxydulsalz in Oxydsalz über, sich zu Stickoxyd reduzierend, welches Gas anfäng- lich von dem noch vorhandenen Oxydulsalze mit dunkelbrauner *) FeS04 n _ v i 2S04 FeSO* + H20 + 0 _ ie2 | mQ — 205 — Farbe zurückgehalten wird, bis gegen Ende der Oxydation, wenn kein schwefelsaures Eisenoxydul mehr zugegen ist, sämtliches Stickoxydgas stürmisch entweicht und an der Luft in braunrote Untersalpetersäure übergeht. 6Fe,S04 + 3H2S04 + 2HN03 = 3Fe23S04 4- 4H20 + 2NO Ferrosulfat Schwefelsäure Salpetersäure Ferrisulfat Wasser Stickoxydgas. Zur Vertreibung der überflüssigen Salpetersäure dampft man dann die Flüssigkeit zu einer dicken Masse ein und verdünnt sie mit Wasser bis zum spec. Gew. 1,428 — 1,430, mit 10 Proz. Fe. Prüfung: Die Abwesenheit jedweder freien Säure wird dadurch kon- statiert, dass man einige Tropfen mit unterschwefligsaurer Natronlösung erhitzt, wobei einige braune Eisenoxyd-Flocken sich ausscheiden müssen. Mit Wasser verdünnt, darf der Liquor weder durch Ferridcyankalium (blau: Eisenoxydulsalz), noch durch Silbernitrat (weiss: Eisenchlorid) getrübt werden; mit Ammoniak ausgefällt, darf das Filtrat mit Schwefelsäure und Eisenvitriol keine Salpetersäure anzeigen, noch angesäuert durch Ferro- cyankalium getrübt werden (braunrot: Kupfer). Man gebraucht den Liquor zu Antidotum Arsenici, zu welchem Behufe in jeder Apotheke 1 Pfd. Liq. Ferri sulf. oxyd. vorrätig sein muss. c) Versetzt man eine Lösung von schwefelsaurem Eisen- oxydul mit einem kohlensauren Alkali, so fällt Ferrokarbonat oder kohlensaures Eisenoxydul (FeC03) als anfangs weisser, sehr bald graugrünlicher Niederschlag, während schwefelsaures Alkali in Lösung bleibt. Dasselbe Salz befindet sich (ähnlich dem kohlensauren Kalk) in den Stahlwässern oder Eisen- säuerlingen, von der überschüssigen Kohlensäure aufgelöst. An der Luft oxydiert sich das kohlensaure Eisenoxydul mit grösster Begierde, unter Abgabe von Kohlensäure, zu braunrotem Eisenoxydhydrat. Ein Zusatz von Zucker verzögert diese Zer- setzung, weshalb das Salz als Ferrum carbonicum saccharatuin mit 80 Proz. Zucker vorrätig gehalten wird. Ist dieses Präparat braun geworden, so ist es durch Kohlensäureverlust und Sauer- stoffaufnahme verdorben. d) Versetzt man eine Lösung von schwefelsaurem Eisenoxyd mit einem kohlensauren oder ätzenden Alkali, so fällt Eisen- oxydhydrat (Fe203,3H20) als voluminöser braunroter Nieder- schlag, während die Kohlensäure entweicht, da kein kohlensaures Eisenoxyd besteht. Beim Trocknen verliert dieses Terhydrat des Eisenoxyds den dritten Teil des Wassers und wird zu Bihydrat (Fe203,2H20), als Ferrum oxydatum fuscum offizinell. F23S04 + 6NH3 + 6H20 = Fe2033H20 -f 3(NH4)3S04 schwefeis. Eisenoxyd Ammoniak Wasser Eisenoxydterhydrat schwefeis. Ammoniak. Bei 100° getrocknet geht das Bihydrat in Monohydrat (Fe203, H20), in der Glühhitze in Eisenoxyd (Fe203) über. Das Terhydrat verbindet sich mit schwächeren Säuren, z. B. Essigsäure, Citronen- säure, arseniger Säure, mit denen das getrocknete Bihydrat sich - 206 — nicht vereinigt ; daher bereitet man das als Gegengift des Arseniks dienende Eisenoxydterhydrat — Antidotum Arsenici — vorkommenden Falles frisch durch Zersetzung der schwefelsauren Eisen oxydflüssigkeit mittelst gebrannter Magnesia. Das Eisenoxyd findet sich in der Natur weit verbreitet als Roteisenstein, dessen faserige Modifikation der Blutstein (Lapis Haematitis) darstellt; bei der Destillation der Nord- häuser Schwefelsäure bleibt es als Totenkopf (Caput mor- tuum), ein rotes Farbmaterial, zurück. a) Der Eisen zuck er, Ferrum oxydatum saccharatum solubile, ist Eisensaccharat, d. i. eine chemische Verbindung des Rohrzuckers mit Eisenoxyd, die sich in Wasser leicht auflöst und entsteht, wenn man feuchtes Eisenoxydhydrat mit Zucker- pulver eintrocknet. Daher scheidet ein ätzendes oder kohlensaures Alkali aus einer mit Zucker versetzten Eisenoxydlösung kein Eisenoxydhydrat aus, weil dasselbe als Eisenzucker in Lösung verbleibt. — Das offizineile Präparat enthält 3 Proz. Eisen und muss sich klar in Wasser lösen zu einer rotbraunen Flüssigkeit, die beim Sieden Eisenoxydhydrat abscheidet. f) Das phosphorsaure Eisenoxydul, Ferrum phosphoricum, fällt beim Versetzen einer Eisenvitriollösung mit pbosphorsaurem Natron als weisser Niederschlag (3Fe2P04), welcher beim Trocknen bläulich wird, indem das Salz durch Sauerstoffanziehung in phosphorsaures Eisenoxydul- oxyd übergeht. g) Das pyrophosphorsaure Eisenoxyd (2Fe.23P207) entsteht als ein weisser Niederschlag, wenn man eine Eisenoxydsalzlösung mit pyrophos- phorsaurem Natron versetzt. Dieses Eisensalz löst sich in einem Überschuss des pyrophosphorsauren Natrons zu einem leichtlöslichen Doppelsalze, dem pyrophosphorsauren Eisenoxyd-Natron, Natrum pyrophospho- ricum ferratum, welches aus seiner Lösung durch Weingeistzusatz als weissliches Pulver ausgeschieden wird; es löst sich auch in citronensaurem Ammoniak zu einer grünlichen Flüssigkeit, die man auf Glasplatten oder Porzellantellern zu Lamellen eintrocknet: Ferrum pyrophosphoricum cum Ammonio citrico. Atzalkalien scheiden aus dessen Lösung kein Eisenoxydhydrat, zerlegen es aber beim Sieden: Ammoniak entweicht, und gelbliches phosphorsaures Eisenoxyd setzt sich ab. h) Löst man frischgefälltes Eisen oxydhydrat in verdünnter Essigsäure, so erhält man die essigsaure Eisenoxydflüssig- 4P TT O keit, Liquor Ferri acetici, welche basisches Salz Fe2 ( oWÄ 2) enthält. Beim Erhitzen zersetzt sie sich, unter Abscheidung von Eisenoxydhydrat; bei vorsichtigem Eintrocknen lässt sie sich indessen in feste Form bringen. Sie enthält beim spez. Gew. 1,082 etwa 5 Proz. Fe. Das essigsaure Eisenoxyd zeichnet sich durch seine blutrote Färbung aus, verliert sie aber (zum Unter- schied von Sehwefelcyaneisen) auf Säurezusatz. § 179. Haloidsalze des Eisens, a) Löst man Eisen in verdünn- — 207 — ter Salzsäure auf, so bildet sich unter Wasserstoffentwicklung eine grünliche Flüssigkeit, welche, zur Trockne eingedampft, grünlichesEisenchlorür, Ferrum chloratum (FeCl2), liefert. Dasselbe zieht aus der Luft begierig Sauerstoff an, wird gelb, und schwerlöslich. b) Das Eisen chlorid, Ferrum sesquichloratuni (Fe2 Cl6 -f- 12 aq.) krystallisiert in gelben, zerfliesslichen Massen, welche sich leicht in Wasser, Weingeist und ü.ther lösen. Seine wässerige Lösung ist Eisenchloridflüssigkeit, Liquor Ferri sesqui- chlorati vom spez. Gew. 1,23, eine safrangelbe, fast ölig fliessende Flüssigkeit. Man gewinnt sie durch Einleiten von Chlorgas in eine Eisenchlorürlösung : 2FeCL + 2C1 = Fe2Cl6 Eisenchlorür Chlor Eisenchlorid oder auch durch Eintragen von Salpetersäure in die mit Salzsäure ver- setzte Eisenchlorürlösung, wobei die Salzsäure zu Chlor oxydiert und die Salpetersäure zu Stickoxydgas reduziert wird. Hierbei wird das Stickoxydgas mit braunschwarzer Farbe gelöst gehalten, solange noch Eisenchlorür vorhanden ist; beim letzten Zusatz von Salpetersäure entweicht alles Gas in stürmischer Weise. 6FeCl2 + 6HC1 + 2HN03 = 3Fe2Cle + 4H20 + 2NO Eisenchlorür Chlorwasserstoff Salpetersäure Eisenchlorid Wasser Stickoxydgas. Prüfung der Eisenchloridflüssigkeit: Ein mit Ammoniak befeuchteter Glasstab darf beim Darüb erhalten keine weissen Nebel bilden {freie Salz- säure), auch mit Jodzinkstärkelösung benetztes Papier darf sich nicht bläuen {freies Chlor); einige Tropfen des Liquor, mit unterschweüigsaurer Natronlösung erhitzt, müssen einige braune Flocken Eisenoxyd abscheiden (verlangte Neutralität). Mit Wasser verdünnt und angesäuert darf sie sich durch Ferridcyankaliuni nicht bläuen {Eisenchlorür); nach dem Ausfällen mit Ammoniak darf das Filtrat keinen Grlührückstand lassen, auch mittelst Schwefelsäure und Eisenvitriollösung keine Salpetersäure anzeigen und angesäuert weder durch Baryumnitrat (weiss: schwefelsaures Eisenoxyd), noch durch Ferro cyankalium getrübt werden (braunrot: Kupfer). c) Löst man frisch gefülltes Eisenoxydhydrat in wenig Salz- säure auf, so gewinnt man das Eisenoxychloricl, Liquor Ferri oxychlorati,eine dunkelrotbraune Flüssigkeit mit 3,5 Proz. Fe, welches als sehr basisches Eisenchlorid darin aufgelöst ist. Silbernitrat fällt aus derselben kein Chlorsilber aus. Man hat das gleiche Präparat auch durch Dialyse dargestellt und Ferrum dialysatum genannt Zur Darstellung des dialysierten Eisens wird eine Eisen chlorid- lösung portionenweise mit Ammoniak versetzt, so lange sich der anfangs entstehende Niederschlag (Eisenoxydhydrat) beim Stehen wieder auflöst. Schliesslich bringt man die klare Flüssigkeit, welche neben dem gebildeten Chlorammonium Eisenoxychlorid (basisches Eisenchlorid) enthält, auf einen Dialysator (vgl. S. 5); das Chlorammonium tritt allmählich in das äussere Wasser über, das Eisenoxychlorid bleibt auf dem Dialysator zurück. d) Der Eisen salmiak, Ammonium chloratum ferratum, - 208 — ist ein hygroskopisches, orangegelbes Doppelsalz aus Salmiak (NH4C1) und Eisenchlorid (Fe6Cl6). e) Lässt man Eisen mit Jod und Wasser in Berührung, so lösen sie sich zu einer grünlichen Flüssigkeit, indem sie sich zu Eisenj odür, Ferrum jodatum (FeJ2), verbinden. (Solange noch freies Jod zugegen ist, erscheint die Lösung rotbraun, wird aber grünlich, wenn die nötige Menge Eisen aufgelöst ist.) Dieses Salz nimmt mit grösster Begierde Sauerstoff aus der Luft an und scheidet Jod aus. Dagegen hält sich das Eiseüjodür in Mischung mit Zucker länger in guter Beschaffenheit, teils trocken als Ferrum jodatum saccharatum (8 Teile Milchzucker -4-2 Teile Eisenjodür) , teils in Lösung als Syrupus Ferri jodati (mit 5 Proz. Eisenjodür). Ähnlich wie der Zucker, wirkt das Sonnenlicht auf die Eisenoxydulsalze konservierend, auf die Eisen- oxydsalze reduzierend, weshalb die letzteren in geschwärzten Gläsern, die ersteren möglichst im Lichte aufzubewahren sind. Eisenjodür wird ex tempore bereitet aus 3 Teilen Eisen und 8 Teilen Jod; Summa 10 Teile Eisenjodür. Praktische Übungen. 1. Ferrum sulfuricum purum. Man verdünne 3 Teile englische Schwefelsäure mit 12 Teilen Wasser, füge 3 Teile metallisches Eisen — Nägel, Draht oder Feilspäne — hinzu und erwärme gelinde; wenn die Gasentbindung nachlässt, filtriere man schnell. Beim Erkalten krystallisiert das schwefelsaure Eisenoxydul in grünen Säulen aus. Rührt man aber die verkühlende Lauge anhaltend um, so scheidet sich das Salz als hellgrünes, feinkörniges Krystallmehl aus, ebenso wenn die Flüssigkeit mit dem dritten Teil Weingeist versetzt und umgerührt wird. Die Krystalle trockne man auf Fliesspapier an der Luft. 2. Liquor Ferri sesquichlorati. Man erwärme 11 Teile Eisen — Nägel, Draht, Feilspäne — mit 52 Teilen reiner Salzsäure, filtriere nach vollendeter Lösung und beendigter Gasentwicklung die grünliche Flüssig- keit schnell von dem geringen Rückstand ab und gebe 26 Teile reine Salzsäure hinzu; dann tröpfle man, während die Flüssigkeit in einer ge- räumigen Schale unter freiem Himmel erhitzt wird, soviel Salpetersäure (12 Teile) in kleinen Portionen zu, bis die anfangs entstehende dunkle Färbung in rotgelb umgeändert und reichlich Stickoxydgas entbunden wird. (Eine kleine Probe, mit Wasser verdünnt, darf einen Tropfen über- mangansaure Kalilösung nicht mehr entfärben, sondern muss sich damit röten.) Nun dampft man die Flüssigkeit bis auf 49 Teile ab (worauf an einem kühlen Orte wasserhaltiges Eisenchlorid auskrystallisieren würde), und verdünnt sie mit Wasser zu 100 Teile. 3. Ferrum jodatum saccharatum. Man übergiesse in einem Kölbchen 3 Teile Eisenpulver mit 10 Teilen Wasser und gebe nach und nach 8 Teile Jod hinzu, anfänglich schwach erwärmend. Das Jod löst sich in dem entstehenden Eisenjodür mit braunroter Farbe auf, bis schliesslich das Ganze in grünliche Eisenjodürflüssigkeit übergegangen ist. Dann filtriere man dieselbe schnell vom restierenden Eisen ab in eine Schale, worin sich 40 Teile Milchzuckerpulver befinden, wasche das Filter mit wenigem Wasser aus und dampfe die Masse im Wasserbad zur Trockne. — 209 — 4. Ferrum oxydatum fuscum. Man verdünne 40 Teile schwefel- saure Eisenoxydlösung (oder 21,5 Teile Eisenchloridfliissigkeit) mit 160 Teilen destilliertem Wasser und giesse unter kräftigem Umrühren eine Mischung aus 32 Teilen Salmiakgeist und 64 Teilen Wasser hinzu, so dass alkalische Reaktion eintritt. Nach dem Absetzen giesse man die klare Salzlauge ab und wasche den Niederschlag durch wiederholtes Aufgeben destillierten Wassers, Absetzenlassen und Dekantieren gut aus, bis das Ablaufende keinen Geschmack mehr zeigt. Alsdann sammle man das Eisenoxydhydrat auf ein leinenes Tuch, lasse wohl abtröpfeln, schlage das Tuch zusammen und presse den Inhalt langsam trocken, worauf man ihn in sehr gelinder Wärme völlig trockne. 5. Ammonium chloratum ferratum. Man mische 16 Teile Chlor- ammonium mit 4,5 Teilen Eisenchloridflüssigkeit in einer Porzellanschale und dampfe im Wasserbad unter stetem Umrühren mit einem Glasstabe zur Trockne ein. Stöchiometrische Aufgaben. 1. Wieviel Eisenvitriol gewinnt man durch Auflösen von 1 kg Eisen in verdünnter Schwefelsäure? — Antw. Fe : (FeS04 + 7H20) = 56 : 278; x = 5 kg. 2. Wieviel entwässertes Salz erhält man aus 100 g Eisenvitriol? — Antw. (FeS04 + 7 H20) : (FeS04 -4- H,0) = 278 : 170; x = 61 g. 3. Wieviel Eisenjodür liefern 100 ^ Jod? — Antw. 2J : FeJ, = (2 X 127) : (56 + 2 X 127); x = 122 g. 26. Zink und seine Salze, § 180. Wie gewinnt man das Zink? Das Zink, bereits im 16. Jahrhundert dem berühmten Paracelsus bekannt, findet sich nicht gediegen in der Natur. Seine Erze sind: der G-almei (kohlensaures Zinkoxyd) und Kieselgalmei (kieselsaures Zink- oxyd), sowie die Zinkblende (Schwefelzink). Den Galmei reduziert man direkt mit Kohle, die Blende be- darf jedoch zuvor der Röstung , um in Zinkoxyd überzugehen und dann mit Kohle reduziert zu werden. Da das Zink in der "Weissglühhitze flüchtig ist, gestaltet sich der Eeduktionsprozess zu einer Destillation, welche man teils in horizontalliegenden thönernen Röhren (belgisches Verfahren), teils in Tiegeln (eng- lisches Yerfahren) , teils in Muffeln (schlesisches Verfahren) vor- nimmt. In Belgien beschickt man eine Anzahl reihenweise neben einander in einem Ofen liegender Röhren aus feuerfestem Thon mit Zinkerz und Kohle; ihre vorderen Enden sind mit Vorlagen zur Ansammlung kondensierten Zinkes verbunden, und diese wieder mit wagerechten offenen Röhren, sog. Allongen, worin sich die verbrannten Zinkdämpfe als Zinkblumen (Oxyd) ansetzen. In England benutzt man Tiegel mit durchbohrtem Boden, dessen Loch mit einem hölzernen Pfropf verschlossen wird; der Schlickum, Apothekerlehrling. 14 — 210 — letztere verkohlt in der Glühhitze und lässt die Zinkdämpfe durch- treten, welche sich in einem System von Röhren verdichten und abfliessen. Die in Schlesien gebräuchlichen Muffeln bestehen aus feuer- festem Thon, werden von der Flamme des Ofens umspielt und lassen durch ein oberseits angesetztes Rohr, welches sich senk- recht herab verlängert, die Zinkdämpfe in den Kondensations- raum treten. Die Reduktion des Zinkoxyds durch Kohle beruht auf der Gleichung : ZnO + C = Zn + CO Zinkoxyd Kohle Zink Kohlenoxyd. § 181. Eigenschaften des Zinks. Das Zink ist ein bläulich- weisses Metall mit krystallinischem Gefüge, in der Kälte spröde, zwischen 120° und 150° hämmerbar, in beginnender Rotglühhitze schmelzend, in der Weissglühhitze siedend. Wo sein Dampf mit der Luft in Berührung gelangt, verbrennt es zu Zinkoxyd, welches sich als sog. Zinkblüten, Flor es Zinci, an kalte Körper ansetzt. An trockner Luft hält sich das Metall unver- ändert, an feuchter überzieht es sich allmählich mit einer weissen Oxydschicht. In verdünnten Säuren löst es sich, wie das Eisen, unter Wasserstoffentwicklung, zu einem Zinkoxydsalz auf. Spez. Gew. 7,0. Das Zink ist ein zweiwertiges Element, welches sich direkt mit Sauerstoff zu Zinkoxyd (ZnO), mit Schwefel zu Zinksulfid (ZnS) verbindet. Mit Chlor vereinigt es sich zu Zinkchlorid (ZnCl2), mit Jod zu Zinkjodid (Zn J2). Erkennung des Zinks: Die Zinks alze werden aus ihren Lösungen durch Schwefelwasserstoff nur unvollständig, durch Schwefelammo- nium vollständig als weisses Schwefelzink gefällt; mit Salzsäure oder Schwefelsäure angesäuert, werden sie jedoch durch H2S nicht getrübt. Essigsaures Zinkoxyd wird aber durch H28 vollständig aus- gefällt. — Ätzende Alkalien, auch Ammoniak, fällen aus den Zink- lösungen weisses Zinkoxydhydrat (Zn2HO); ein Überschuss des Alkalis löst aber dasselbe mit Leichtigkeit wieder auf. Schwefel- wasserstoffwasser oder Schwefelammonium scheidet aus dieser Lösung weisses Schwefelzink aus. Die Zinksalze wirken äusserlich ätzend, innerlich giftig. § 182. Das Zinkoxyd. Das durch Verbrennen des Zinkdampfes erzeugte Zinkoxyd ist das käufliche Zinkoxyd, Zincum oxy- datum cradum (ZnO), im Handel als Zinkweiss bekannt und an Stelle von Bleiweiss zu Ölfarben und Lacken benutzt, da es sich durch Schwefelwasserstoff - Einwirkung nicht schwärzt. Es — 211 — stellt ein weisses, beim Erhitzen vorübergehend gelb werdendes Pulver dar, welches sich nicht in Wasser, aber leicht in Säuren und auch in Ätzalkalien löst. Man gewinnt es im Grossen, indem man Zink in irdenen Betörten erhitzt und seine Dämpfe mit einem erhitzten Luftstrom zusammenführt, worin sie verbrennen; das gebildete Oxyd wird vom Luftstrom in Kammern fortgeführt, an deren Wände es sich absetzt. Das reine Zinkoxyd, Zincnm oxydatum (purum), aus- schliesslich zum inneren Gebrauche bestimmt, wird ähnlich der gebrannten Magnesia gewonnen. Zunächst fällt man Zinkvitriol mit Soda, wäscht und trocknet das ausgeschiedene basisch kohlensaure Zinkoxyd und glüht es in Tiegeln bis zur Vertreibung der Kohlensäure. Prüfung des Zinkoxyds auf Reinheit: 1. Das reine Zinkoxyd darf keine löslichen Stoffe (zufolge mangelhaften Auswaschens) enthalten; schüttelt man es mit Wasser, so darf das Filtrat weder mit Baryt- noch mit Silberlösung getrübt werden (weiss: schwefelsaures Natron resp. Chlor- natrium). Das Zinkoxyd muss sich ohne Aufbrausen (Kohlensäure) in Essigsäure lösen, werde daraus durch überschüssiges Ammoniak nicht und dann durch Schwefelwasserstoffwasser weiss ausgeschieden — ein dunkler Niederschlag zeigt Eisen, Blei an; die ammoniakalische Lösung darf sich nicht trüben durch oxalsaures Ammoniak und phosphorsaures Natron (weiss : Kalk resp. Magnesia). 2. Das käufliche Zinkoxyd löse sich völlig und ohne Aufbrausen in Essigsäure und werde durch überschüssige Natronlauge I nicht daraus ausgeschieden (Trübung: Magnesia); Jodkalium darf die essig- saure Lösung nicht trüben (gelb: Bleiweiss). § 183. Zinksalze, a) Das Zinksulfat oder schwefel- saure Zinkoxyd, Zincum sulfuricum (ZnS04 -f- 7aq.), krystal- i lisiert in leichtlöslichen , farblosen , nadeiförmigen Säulen , von gleicher Form wie Bittersalz und Eisenvitriol, saurer Reaktion und metallischem Geschmack. Man stellt den Zinkvitriol entweder durch Auflösung von käuflichem Zinkoxyd oder von metallischem Zink in verdünnter Schwefelsäure dar ; im letzteren Falle entweicht Wasserstoffgas. I. ZnO + H2S04 = ZnS04 + H20 II. Zn + H2S04 = ZnS04 + 2H. Da das metallische Zink selten eisenfrei ist und das Eisen- sulfat vom Zinksulfat durch Krystallisation nicht getrennt werden kann (als isomorphe Salze) , so sättigt man die gewonnene Salz- lösung mit Chlorgas, zur Überführung des schwefelsauren Eisen- oxyduls in Eisenoxydsalz, dann setzt man etwas Zinkoxyd zu, welches das Eisenoxyd ausscheidet ; die filtrierte Flüssigkeit wird schliesslich zur Krystallisation eingedampft. In unreinem Zustande gewinnt man den Zinkvitriol durch geeignetes Rösten der Zinkblende und bringt ihn in entwässer- ten Klumpen (ZnS04 + aq.) in den Handel als weissen Vitriol (Galitzenstein). 14* — 212 — Prüfung des Zinkvitriols: Die Lösung bleibe mit überschüssigem Salmiakgeist klar und gebe darauf mit Schwefelwasserstoffwasser einen weissen Niederschlag (ein dunkelfarbiger Niederschlag zeigt Eisen oder Kupfer an) ; phosphorsaures Natron trübe nicht die ammoniakalische Lösung (weiss: Magnesia). Die wässerige Salzlösung trübe sich nicht mit Silber- nitrat (weiss: Chloizink) ; mit Chlorwasser und Salzsäure erhitzt, verändere sie sich nicht durch Schwefelcyankalium (Rötung: Eisen), noch durch H2S (dunkle Trübung: Blei, Kupfer). Das Salz darf, mit Natronlauge erhitzt, kein Ammoniak abgeben, auch keine Salpetersäure verraten durch Bläuung nach Zusatz von Schwefelsäure, Zink und Jodzinkstärkelösung. (Durch die Wasserstofientwicklung wird die Salpetersäure zu Untersalpetersäure und diese macht aus dem Jodzink das Jod frei, welches die Stärke bläut.) b) Das essigsaure Zinkoxyd, Zinkacetat, Ziiicum aceticum (Zn2C2H302 -4-3aq.), krystallisiert aus der Auflösung des käuflichen Zinkoxyds in verdünnter Essigsäure als farblose Säulen, welche sich in Wasser leicht auflösen. Prüfung: Die Lösung muss mit Schwefelwasserstoff einen weissen Niederschlag geben (dunkelfarbig: Eisen, Kupfer, Blei) und das Filtrat beim Verdunsten keinen Rückstand hinterlassen (fremde Salze). c) Das Chlor zink, Zilien in chloratum (ZnCl2), ist ein stark hygroskopisches und zerfüessliches Salzpulver, welches man durch Auflösen von Zinkoxyd in Salzsäure und Abdampfen zur Trockne gewinnt; leicht löslich in Wasser und Weingeist, stark ätzend. Beim Abdampfen über freiem Feuer entweicht stets etwas Salzsäure und bleibt basisches Zinkchlorid übrig, welches sich in Wasser nicht mehr klar löst. Das Chlorzink wird auf seine Reinheit ähnlich geprüft wie das Zinkvitriol. Versuche und praktische Übungen. 1. Zinkblüten. Man erhitze ein kleines Zinkstück in einem be- deckten hessischen Tiegel zwischen glühenden Kohlen. Nachdem der Tiegel glühend geworden, hebe man ihn heraus; nach dem Erkalten findet man die Wandung des Tiegels wie die Unterfläche des Deckels dicht bedeckt mit schneeweissem, sehr lockerem Oxyde. 2. Darstellung von Zincum sulfuricum. Man löse 1 Teil eisen- freies Zink in 8 Teilen verdünnter Schwefelsäure, zuletzt unter Erwärmen, und stelle das Filtrat zur Krystallisation bei Seite. — Auch kann man 1 Teil Zinkweiss in 7,5 Teile verdünnter Schwefelsäure lösen, einige Stunden mit einem Zinkstückchen digerieren (zur Ausscheidung vorhandenen Bleies) und das Filtrat zum Krystallisieren abdampfen. Die gewonnenen Krystalle trockne man auf Fliesspapier, ohne Wärme anzuwenden. 3. Zincum oxydatum purum. Man löse 40 -rrh mit Bi < q 3 Um aus dem oft Arsen enthaltenden Wismut ein arsenfreies Subnitrat zu gewinnen, schreibt die Ph. Germ. II vor, das ge- pulverte Wismut mit Natronsalpeter zu erhitzen, wobei neben Wismutoxyd arsenige Säure entsteht; letztere wird durch nach- folgendes Auskochen mit Natronlauge als arsenigsaures Natron aufgelöst und entfernt, während das Wismutoxyd ungelöst bleibt. Prüfung: Bismuthuin subnitricum löse sieb, obne Aufbrausen (Kohlen- säure) und völlig in Schwefelsäure (Rückstand: Schwerspat, Bleisulfat, Gips u. dgl.); diese Lösung trübe sieb weder mit salpetersaurem Baryt, noeb mit Silberlösung (weisse Niederscbläge : Schwefelsäure resp. Chlor, Blei) ; mit Ammoniak ausgefällt, darf das Filtrat dureb H2S sich nicht trüben (schwarz: Kupfer); wird durch überschüssiges Schwefelwasserstoffwasser alles Wismut als Schwefelwismut ausgefällt, so darf das Filtrat nach dem Abdampfen keinen Rückstand {Kalk, Magnesia) hinterlassen. Mit Natron- lauge erhitzt, gebe es kein Ammoniak ab.*) Auf Arsen prüft man, indem man das Präparat mit Natron zerlegt, zum Filtrat Zink und Wasser bei- giebt und in das entweichende Wasserstoffgas einen mit Silberlösung be- tupften Streifen Papier hineinhängt: wird die Silberlösung schwarz, so ist das Wasserstoffgas arsenhaltig, zufolge eines Arsengehalts des Präparates.. *) Die saure Mutterlauge, die von dem ausgeschiedenen Wismutsub- nitrat abfiltriert worden, enthält noch Wismut als saures Salz; neutralisiert man sie mit Ammoniak, so wird nochmals ein Quantum Subnitrat gewonnen,, dieses ist aber ammoniakhaltig. 223 — Praktische Übungen. Bismuthuni subnitricum. Man übergiesse gepulvertes Wismut in einem Kolben mit der 4^2 fachen Menge Salpetersäure; es entweicht mit Leb- haftigkeit Stickoxydgas, an der Luft gelbrot werdend, während das Metall sich langsam auflöst. Nach beendigter Lösung, die man zuletzt durch Er- wärmen unterstützt, gebe man so lange Wasser zu, bis ein weisser Nieder- schlag entstehen will, giesse nach dem Absetzen die klare Flüssigkeit aus, dampfe sie zum dreifachen Gewicht des angewendeten Metalles ab und lasse an einem kühlen Orte krystallisieren. Die gewonnenen, mit etwas angesäuertem Wasser abgespülten Krystalle zerreibe man, löse sie in der vierfachen Wassermenge auf und giesse in die 21 fache Menge heissen destillierten Wassers ein. Den entstehenden weissen Niederschlag sammle man nach dem Erkalten auf einem Filter, wasche ihn mit etwas Wasser aus und trockne ihn in sehr lauer Wärme. Fragen und stöchiometrische Aufgaben. 1. Wie unterscheidet man das Wismutmetall vom Blei, Zink und Antimon? — Antw. Das Wismut unterscheidet sich vom Blei und Zink durch seine Sprödigkeit, vom Antimon durch seine rötliche Farbennüance. 2. Wieviel 30prozentige (offizinelle) Salpetersäure verlangt 1 Pfd. Wismut zur völligen Lösung? — Antw. Bi : 4HN03 = 210 : 4 X 63; x = 3<>o/30 X 600 OH | C-H2 —OH. — 256 — Wasser wieder genau ersetzt, worauf man abermals spez. Gew. bestimmt, welches nun etwas grösser ausfallen wird. Man subtrahiert beide Zahlen von einander, zieht die erhaltene Differenz von 1,0000 ab und sucht für die sich ergebende Zahl in der der Pharm. Germ, angehängten Tabelle den entsprechenden Weingeistgehalt. Stöchioinetrische Aufgaben. 1. Wieviel wasserfreien Weingeist liefert 1 kq Zucker bei der Gährung? — Antw. (C12H24012) : 4(C2H60) = 360 : 4 X. 46; x = 511 #. 2. Wieviel Prozente wasserfreien Weingeist erhält ein Wein, dessen Most 20 Prozente Zucker besass? — Antw. 1000 : 511 = 20 : x; x = 10,2%. 3. Wieviel l kohlensaures Gas liefert 1 kg Zucker bei der Gährung, wenn das l des Gases 2 g wiegt? — Antw. (C12H24012) : 4C09 == 360 : 4 X 44; x = 489 # = 244,5 L 4. Wie gross ist der Weingeistgehalt eines Weines, dessen spez. Gew. vor dem Abkochen 0,9935, nach dem Abkochen 1,0080 ist? — Antw. 1,0080—0,9935 = 0,0145; 1,0000—0,0145 = 0,9855, welche Zahl nach der Tabelle 8,87% Alkohol entspricht. 36, Die Essigsäure. §229. Wie bildet sich die Essigsäure? Die Essigsäure (C2H402) entsteht aus dem Weingeist durch Oxydation^ wenn die geeigneten Umstände vorhanden sind. Reiner Wein- geist geht an der Luft nicht in Essigsäure über; be- findet er sich aber in grosser Verdünnung mit Wasser, zugleich mit dem geeigneten Gährungserreger, so zieht er Sauerstoff aus der Luft an und geht in Essigsäure über. Der hierzu notwendige Gährungserreger ist eine besondere Art der Hefe, die Essig- mutter (Mycoderma Aceti). Die ältere Methode der E ssigb er eitung bestand darin, dass man zu einer Quantität Essig, welche stets etwas Essigmutter enthält (nur zum Sieden erhitzter Essig ist davon frei), stark verdünnten Branntwein setzte und die Mischung in einem offenen Passe an einem lauwarmen Orte einige Zeit stehen liess. Von Woche zu Woche zapfte man eine Quantität als Essig ab und ersetzte sie durch eine gleiche Menge verdünnten Brannt- wein. So ging die Essigfabrikation ununterbrochen fort. Den ganzen Prozess nannte man Essiggährung. Das Produkt ist der Essig, Acetum, eine saure, 6% freie Essigsäure enthaltende Elüssigkeit. Unterwirft man Wein oder Bier dem Oxydationsprozesse oder der Essiggährung, so erhält man den Wein- und Bieressig. Die neuere Schnellessigfabrikation benutzt die Eigen- schaft stark poröser Körper, in ihren Poren Sauerstoff zu ver- dichten, um den Weingeist zu oxydieren. Man lässt verdünnten Branntwein durch ein mit Buchenholzspänen gefülltes Pass. — 257 (Fig. 69 b) rinnen, welches einen oberen Siebboden (a) mit Röhrchen (c) zum Ent- weichen der Luft besitzt, sowie seitliche Luftlöcher (ee), unter diesen einen zweiten Sieb- boden und ein Abzugsrohr (g) für den fertigen Essig. Ein solches Fass heisst Essigbildner. Prüfung des Essigs: Er darf sich nicht trüben mit H2S (dunkle Trübung: Schwermetalle), keinen bedeutenderen , scharf- schmeckenden Rückstand beim Verdampfen hinterlassen (scharfe Pflanzenstoffe), nur geringe Mengen schwefelsaurer Salze und Chloride enthalten, muss eine „. fiQ alkalische Asche geben (neutrale £' oder saure Reaktion: freie Mineralsäuren) und 6% Essigsäure enthalten (10 g Essig müssen sich mit 10 ccm Normalkali sättigen). § 230. Theorie der Essigbildung. Wenn der Weingeist in Essig- säure übergeht, so verliert er zwei Atome Wasserstoff und nimmt an deren Stelle ein Sauerstoffatom auf. Hiernach besteht die Essigbildung aus zwei Momenten: aus der Oxyda- tion zweier Wasserstoffatome, welche als Wasser austreten, und an deren Stelle ein Sauerstoffatom eintritt. Auf der Mitte zwischen" beiden, zeitlich auf einander folgenden Momenten steht ein Körper, das Aldehyd*) (C2H40), welches weniger Wasserstoff wie der Weingeist, weniger Sauerstoff wie die Essig- säure besitzt. Das bei der Essigbildung als Mittelstufe sich bildende Aldehyd ist eine sehr flüchtige, nicht saure, ätherisch riechende Flüssig- keit, deren Dämpfe man in jeder Essigsiederei wahrnimmt. Hiernach stellt sich der Prozess der Essigsäurebildung dar: I. C2H60 + 0 = C2H40 -f- H20 Alkohol Sauerstoff Aldehyd Wasser IL C2H40 + 0 = C.2H402 Aldehyd Sauerstoff Essigsäure. Bei der Oxydation des Alkohols geht derselbe zuerst {unter Wasserstoff vertust) in Aldehyd, daraxif (unter Sauerstoffaufnahme) in Essig säure über. *) Aldehyd wurde von seinem Entdecker Liebig nach den Anfangs- buchstaben von Alkohol und dehydrogenatus (wasserstoffberaubt) benannt. Schlickum, Apothekerlehrling. 17 — 258 — Das Aldehyd besitzt ein so grosses Bestreben, Sauerstoff auf- zunehmen, dass es an der Luft in kurzer Frist säuert und zu Essigsäure wird. § 231. Die offizineile Essigsäure. Man stellt die reine Essig- säure durch Destillation des essigsauren Katrons mit Schwefel- säure dar, wobei schwefelsaures Natron in der Eetorte zurückbleibt. 2NaC2H302 + H,S04 == Na2S04 + 20,H402 essigsaures Schwefelsäure schwefelsaures Essigsäure. Natron Natron Je nachdem man das krystallisierte oder das entwässerte essigsaure Natron anwendet, gehen daraus verschieden konzen- trierte Säuren hervor: a) Die verdünnte Essigsäure, Acidum aceticum dilutum, früher konzentrierter Essig (Acetum concentratum) genannt, ist eine 30prozentige Essigsäure, mit dem spez. Gew. = 1,041, welche sich mit gleich viel Liquor Kali carbonici genau sättigt. Man stellt diese Säure durch Destillation des krystallisierten essigsauren Natrons mit gewässerter Schwefel- säure dar. Das Destillat wird zum genannten spez. Gew. mit Wasser verdünnt. b) Die konzentrirte Essigsäure, Acidum aceticum, wegen ihres Erstarrens bei 0° Eisessig (Acetum glaciale) genannt, eine ätzend saure, farblose Flüssigkeit von stechend saurem Ge- ruch, welche Citronenöl (7to Teil) und andere ätherische Öle auf- löst. Spez. Gew. = 1,064 bei 96 °/0 Essigsäure. Man gewinnt sie durch Destillation des entwässerten essigsauren Natrons mit englischer Schwefelsäure. Sie siedet bei 117°. Prüfung der Essigsäure: Übermangansaures Kali entfärbe sich nicht mit der (mit Wasser verdünnten) Säure, andernfalls sie schweflige Säure enthält; sie trübe sich nicht mit Baryumnitrat (weisse Trübung: Schwefelsäure), Silberlösung (weisse Trübung: Salzsäure), Schwefelwasser- stoflwasser (dunkle Trübung: Schwermetalle). Ihren Säuregehalt stellt man fest durch Sättigung mit Normalkalilösung. Beim Verdünnen der Säure mit Wasser zieht sie sich an- fänglich zusammen, ihr spez. Gew. erhöhend, bis dasselbe 1,073 erreicht hat (C2H402 -f- H20). Von da ab nimmt bei fernerem Wasserzusatz die Dichte gleichmässig ab. Daher kommt es, dass eine Säure vom spez. Gew. 1,064 sowohl die 96prozentige, als auch eine verdünnte (und zwar 54prozentige) sein kann. Letztere vermag aber nicht mehr Citronenöl aufzulösen. Die Essigsäure ist eine einbasische Säure : CaH402 == (C2H30)HO. Ihre Salze sind sämtlich in Wasser löslich und heissen Acetate; so ist das essigsaure Natron Natriumacetat = NaC2H302. In der Essigsäure nimmt man ein sauerstoffhaltiges Radikal (C2H30), Acetyl, an, welches mit HO (Hydroxyl) ver- bunden die Säure darstellt, ähnlich wie das Äthyl (C2H5) mit HO — 259 — verbunden den Alkohol bildet. Das Acetyl unterscheidet sich da- durch vom Äthyl, dass zwei Wasserstoffatome durch ein Sauer- stoffatom vertreten sind, welches das Radikal säurebildend macht.*) Man erkennt die Essigsäure und ihre Salze an der blut- roten Farbe des essigsauren Eisenoxyds (Liq. Ferri acetici) ; man gebraucht daher die Eisenchloridlösung als Reagens auf die essigsauren Salze, welche dadurch blutrot gefärbt werden. Be- dingung ist neutrale Reaktion, da freie Säure diese Färbung auf- hebt. Freie Essigsäure ist daher vor Zusatz des Eisenchlorids mit Ammoniak oder kohlensaurem Alkali genau zu neutralisieren. § 232. Zu welchen Säuren gehört die Essigsäure? 'Die Essigsäure ist das zweite Glied einer Säurereihe, welche mit der Ameisen- säure beginnt und daher Ameisensäurereihe genannt wird: Ameisensäure CH,02 = (CHO)HO Essigsäure C,H402 = (C2H30)HO Propionsäure C3H602 = (C3H50)HO Buttersäure C4H802 = (C4H70)HO Baldriansäure C5H10O2 = (C5H90)HO Die weiterhin folgenden Glieder dieser Reihe stellen fettige Körper, sog. Fettsäuren, dar, und zwar die zunächst folgenden flüchtige, die späteren nichtflüchtige Fettsäuren. (Bei den Fetten wird, näheres über sie mitgeteilt.) Sämtliche Säuren dieser Reihe sind einbasisch, mit der allgemeinen Formel (CnH2n02). Das in ihnen enthaltene Säure- radikal besitzt also die Zusammensetzung (CJEI^n^O) und unter- scheidet sich von, dem entsprechenden Alkoholradikale der Methyl- reihe wie das Acetyl vom Äthyl, d. i. dadurch, dass an die Stelle zweier Wasserstoffiatome ein Sauerstoffatom getreten ist. Die Säuren der Ameisensäurereihe gehen aus den Alkoholen der Methylreihe durch Oxydation hervor. "Wie der Äthylalkohol (Weingeist) durch Oxydation in Essig- *) Die Strukturformeln für das Äthyl und den Weingeist, sowie für das Acetyl und die Essigsäure sind folgende: C ==H-3 C^Hjj C-H2 C=H2 ~ O.H Äthyl Weingeist C - Hg C=H3 c=o r=0 Acetyl — O.H Essigsäure Der Weingeist und die Essigsäure sind Hydroxyde (Verbindungen der Atomgruppe HO, vgl. § 89), ersterer vom Äthyl (C2H5), letztere vom Acetyl (C2H3q), wie auch die Typenformeln für beide lauteten: Weingeist t| \ 0 Essigsäure V > 0 Es herrscht jedoch der Unterschied zwischen ihnen, dass beim Wein- geist HO zugleich mit 2 H an das (zweite) Kohleatom gebunden ist; bei der Essigsäure ist das HO zugleich mit 0 an das Kohleatom ge- bunden. Hierüber geben obige Strukturformeln den besten Aufschluss. 17* — 260 — säure übergeht, so liefert der Methylalkohol (Holzgeist) durch Oxydation Ameisensäure, der Amylalkohol (das Kartoffelfuselöl) Baldriansäure. Nämlich: Methylalkohol CH40 + 20 -. = Ameisensäure CH202 + BLjO Äthylalkohol C,H60 Essigsäure C2H402 Propylalkohol QffiO Propionsäure 03^6^2 Butylbalkohol C4H10O Buttersäure ^4ßs^2 Amylalkohol C5H120 Baldriansäure CöH^Oo § 233. Die der Essigsäure verwandten Säuren. Die Ameisen- säure (CH202), Acidum formicicum (von formica, Ameise), ist eine ätzend saure, farblose Flüssigkeit, der Essigsäure ähnlich, •wie diese beiO0 gefrierend und bei 105° siedend; sie findet sich frei in den Ameisen — daher ein Bestandteil des Spiritus und der Tinctura Formicarum — in den Stacheln der Bienen und Wespen, den Brennhaaren der Nessel und in den Tannen- nadeln. Sie ist das Oxydationsprodukt des Methylalkohols (Holz- geist), sowie sehr vieler organischer Stoffe. In reichlichem Masse gewinnt man sie mittelst Destillation von Glycerin mit Oxal- säure, sowie von Stärkemehl mit Braunstein und verdünnter Schwefelsäure. Man verdünnt sie zum spez. Gew. 1,060, wobei sie 25% Säure enthält. Sie reduziert Silbersalze und Queck- silberoxyd (Unterschied von der Essigsäure, mit der sie die Färbung durch Eisenchlorid gemeinsam hat); die Reduktion tritt beim Erhitzen sofort unter Kohlensäureentbindung ein, nämlich: HgO + CH,02 = Hg + C02 + H20 Queeksüberoxyd Ameisensäure Quecksilber Kohlensäure Wasser. Prüfung der Ameisensäure: Sie darf durch Silbernitrat nicht sofort gefällt werden (weiss: Salzsäure ); mit Ammoniak gesättigt darf sie sich nicht trüben durch Chlorcalcium (weiss: Oxalsäure) und H2S (schwarz: Schwermetalle). Die Buttersäure (C4H80.2) findet sich frei im Schweiss, im Johannisbrot und in ranziger Butter. Eine stark saure Flüssigkeit, welche zugleich nach Essigsäure und ranziger Butter riecht; sie lässt sich mit Wasser mischen. Die Baldriansäure, Acidum valerianicum (C5H10O2), ist eine ölige, saure Flüssigkeit, welche auf Wasser schwimmt und sich darin schwer löst, mit Weingeist aber in allen Yerhältnissen sich mischen lässt; von saurem, zugleich an faulen Käse er- innerndem Geschmack. Sie findet sich fertig gebildet in der Bal- drianwurzel und geht bei deren Destillation mit dem Wasser über. Künstlich gewinnt man sie durch Oxydation des Amylalkohols (Kartoffelfuselöl) mittelst Schwefelsäure und doppeltchromsauren Kalis. Dabei destilliert die Baldriansäure über, während schwefel- saures Kali-Chromoxyd (Chromalaun) zurückbleibt. (Vgl. § 175). C5Ht2Ö + 20 = C5Ht0O2 + H20 Amylakohol Baldriansäure — 261 - Das baldriansaure Zinkoxyd, Zincum valerianicum (Zn2C5H902), ist ein Salz in perlmutterglänzenden, nach Baldriansäure riechenden Blätt- chen, welches als schwerlöslich auskrystallisiert, wenn Zinkvitriollösung mit baldriansaurem Natron versetzt wird. Auf Zusatz von Salzsäure scheidet es Baldriansäure als Ölschicht ab. Versuche. 1. Aldehyd. Man bringe 10 g in kleine Stückchen zerbrochenes doppeltchromsaures Kali nebst 40 g Wasser in eine kleine tubulierte Re- torte, lege ein Kölbchen lose vor und giesse ein abgekühltes Gemisch aus 13 g engl. Schwefelsäure und 7 q Weingeist in kleinen Portionen durch den Tubulus hinzu, nach jedem Zusätze den Tubulus sofort verschliessend. Der Inhalt gerät von selbst ins Sieden und liefert Aldehyd als ein wasser- helles, ätherisch riechendes Destillat. In der Retorte bleibt grüne Chrom- alaunlösung zurück. Praktische Übungen. 1. Acidum aceticum dilutum. (Fig. 18 auf S. 46.) Man gebe 10 Teile krystallisiertes essigsaures Natron in eine Retorte (r), giesse eine Mischung aus 4 Teilen engl. Schwefelsäure und 2 Teilen Wasser — man gebe die Säure zum Wasser, nicht umgekehrt! — hinzu und destilliere aus dem Sandbad, nachdem man die Ingredienzien über Nacht hatte auf einander wirken lassen. (Bei Anwendung einer nicht tubulierten Retorte ist darauf zu sehen, dass ihr Hals rein bleibe; man gebe in diesem Falle das Salz durch eine Papierrolle, die Säure durch einen langröhrigen Trichter hinein.) Den Hals der Retorte verbinde man mit einem sog. Liebigschen Kühler (b), in welchem man durch Einfluss kalten Wassers (aus e in die Röhre d und Ausfluss des erhitzten durch c ) eine stetige Abkühlung erzeugt ; der unteren Röhrenöffnung (m) füge man eine sog. Allonge (t) an, welche in die Vorlage (f) hineinreicht. Sowie 8 Teile überdestilliert sind, werde die Destillation beendigt und das Destillat mit Wasser zum spez. Gew. 1,040 verdünnt. Der Salzkuchen in der Retorte lässt sich durch Eingiessen heissen Wassers entfernen. 2. Acidum aceticum (concentratum). Man lasse 14 Teile essigsaures Natron in einer eisernen Schale bei gelindem Feuer schmelzen und trockne das Salz, sowie es wieder fest zu werden beginnt, unter Um- rühren völlig aus. Es restieren 8 Teile, die man zu Pulver verreibt und in eine tubulierte Retorte bringt, die damit nur halb gefüllt werden darf; schliesslich giebt man 5 Teile englische Schwefelsäure hinzu, welche das Salz gut durchdringen muss, und destilliert aus dem Sandbad, bei gelinder Hitze, in einen lose vorgelegten Kolben. Dieser werde, nachdem etwa 2 Teile übergegangen sind, gewechselt; das nun Überdestillierende besitzt die nötige Stärke d. i. löst i/10 Citronenöl klar auf. Die zuerst übergehende Partie ist schwächer. Stöchiometrische Aufgaben. 1. Wieviel Essigsäure liefert 1 kg essigsaures Natron bei der Zer- setzung mit Schwefelsäure? — Antw. (NaC,H3Oo -|- 3H20) : (C<,H409) = 136 : 60; x = Ul g. 2. Wieviel offizinelle verdünnte Essigsäure wird aus 1 kg essigsaurem Natron gewonnen? — Antw. 30 : 100 = 441 : x; x r= 1470 #. 3. Wieviel Essigsäure liefert 1 Teil Weingeist bei der Oxydation? — Antw. C2H60 : C2H402 = 46 : 60; x = 1,30. 262 - Fig. 70. 37. Der Äther. § 234. Eigenschaften des Äthers. Der Äther, Aether*) (C4H| 00), ist eine farblose, indifferente, neutrale, dünne und höchst flüchtige Flüssigkeit, von starkem, eigenem Geruch und brennendem Geschmack. Er siedet schon in lauer "Wärme (bei 35°), verdunstet daher sehr schnell und erzeugt dabei bedeutende Abkühlung ; er besitzt das spez. Gew. 0,72, schwimmt daher auf dem Wasser, womit er sich nicht mischt. Er löst sich leicht in Weingeist und Ölen, verlangt aber sein zehnfaches Yolum Wasser zur Lösung. Da weingeisthaltiger Äther vom Wasser leichter gelöst wird, so prüft man ihn auf einen Weingeistgehalt, in- dem man gleiche Yolumteile Äther und Wasser in einem graduierten Glascylinder (Ätherproberöhre, Fig. 70) zusammenschüttelt; das (unten befindliche) Wasser darf dann nicht mehr als um i/Xo (1 Teilstrich) zu- nehmen. Der Äther ist höchst brennbar, da er leicht verdampft und sein Dampf mit Luft gemengt beim Entzünden ähnlich dem Knallgas explodiert, wesshalb es gefährlich ist, ihm eine Flamme zu nähern, was beim Umfüllen von Äther bei Licht wohl beachtet werde! Prüfung des Äthers: Er darf nach dem Verdunsten auf Fliesspapier keinen Geruch hinterlassen (fuseliger Geruch: Weinöl), Lackmuspapier nicht röten (Schwefelsäure, Essigsäure), an ein gleiches Volumen Wasser nur 1/10 abgeben (wenn mehr: Weingeist). § 235. Wie gewinnt man den Äther? Der Äther entsteht beim Erhitzen von Weiugeist mit konz. Schwefelsäure. Man mischt 4 Teile vom ersterem mit 3 Teilen der letzteren und destilliert aus einem Kolben (Fig. 71b), durch dessen Tubulus (k) man aus einem höher gestellten Gefässe (a) Weingeist nachfliessen lässt, bis im ganzen viermal soviel Weingeist verbraucht ist, als man Schwefelsäure angewendet hat. In der Vorlage (d) sam- melt sich der gebildete Äther mit Wasser und unverändertem Weingeist, von denen jener durch eine Rektifikation getrennt werden muss. Man rektifiziert aus dem Wasserbad, so lange noch reiner Äther übergeht. *) Äther, atörjp, die oberste Luftschicht, dann überhaupt: Luft, Dunst. - 263 Fig. 71. Theorie der Ätherbildung. Der Äther stellt das Oxyd des im "Weingeist enthaltenen Äthvls (C2H5) dar: C4H1nO = (C2H5)20 Äther Äthyloxyd. Wie geht nun der Weingeist (Äthylhydroxyd) in Äther (Äthyloxyd) über? Früher glaubte man, dass die konz. Schwefel- säure vermöge ihrer wasseranziehenden Kraft dem Weingeist Hydratwasser entzöge; da aber die wasseranziehende Kraft der Schwefelsäure in der Wärme geringer als in der Kälte ist, so kann die Säure den Weingeist wohl nicht durch Wasser- entzieh ung ätherifizieren, weil dies nicht in der Kälte ge- schieht. Die Ätherbildung besitzt vielmehr zwei getrennte Mo- mente : 1. die Bildung von Äthylschwefelsäure aus Schwefelsäure — 264 — und Weingeist beim Vermischen, 2. die Zersetzung derselben beim Sieden. Mischt man nämlich Weingeist mit konzentrierter Schwefelsäure, so entsteht Äthylschwefelsäure (saures schwefel- saures Äthyloxyd): I. C2H60 + H2S04 = (C2H5)HS04 + H20 Weingeist Schwefelsäure Äthylschwefelsäure Wasser. Beim Sieden zersetzt sich die Äthylschwefelsäure mit Wein- geist in Äther und Schwefelsäure. IL (C2H5HS04 + C2H60 = (C2H5)20 + H2S04 Äthylschwefelsäure Weingeist _ Äther Schwefelsäure. Der Äther entsteht aus der AthyJschwefelsäure beim Sieden. Während bei der Ätherdestillation durch den stetig ein- fliessenden Weingeist am Rande der Retorte die Temperatur niedrig gehalten und daselbst stets Äthylschwefelsäure gebildet wird, zerlegt sich dieselbe fortwährend, sobald sie in der Mitte der Retorte zum Sieden gelangt. So finden wir bei der Äther- destillation beide Prozesse gleichzeitig neben einander verlaufen. Die Äthylschwefelsäure, gewöhnlich Ätherschwefel- säure oder Weinschwefelsäure genannt [(C2H5)HS04] , ist in der Mixtnra sulfurica acida enthalten und sättigt sich mit Kalk und Baryt zu löslichen (!) Salzen. § 236. Was nennt man Ätherarten? Wird der Weingeist mit starken Säuren erhitzt, so entstehen ätherartige Verbin- dungen des Äthyls mit den angewendeten Säuren. Diese sog. zusammengesetzten Äther oder Ätherarten stellen mithin Äthylsalze dar. Ähnlich wie eine Säure sich mit Kalihydrat zu einem Kalisalze sättigt, verbindet sich die Säure mit dem Weingeist (Äthyloxydhydrat) zu Äthylsalz und Wasser. Offizin eil sind: 1. Der Essigäther, essigsaures Äthyl, Äthylacetat, Aether aceticns [(C2H5)C2H302]. Eine farblose, neutrale, flüch- tige Flüssigkeit, die bei 74° siedet, das spez. Gew. 0,90 besitzt und durchdringend riecht. Er schwimmt auf dem Wasser, worin er sich eben so schwer wie der Äther löst. Man prüft ihn da- her auf einen Weingeistgehalt in gleicher Art, wie beim Äther angegeben wurde. Der Essigäther wird dargestellt durch Destillation von essig- saurem Natron mit Schwefelsäure und Weingeist. Die Schwefel- säure macht aus dem Natronsalze die Essigsäure frei, schwefel- saures Natron bildend; die Essigsäure wirkt alsdann auf den Weingeist, ihn in Essigäther und Wasser umsetzend: (C,H5)HO + C,H40, = (GH6)C2H302 + H90 Weingeist Essigsäure Essigäther Wasser. Der Essigäther wird durch Schütteln mit Wasser von dem unverändert übergegangenen Weingeist getrennt, die aufschwim- — 265 - mende Ätherschicht abgegossen und für sich aus dem Wasserbad rektifiziert. Man prüft ihn ähnlich wie den Äther. 2. Der Salpeteräther ist salpetrigsaures Äthyl, Äthyl- nitrit [(C2H5)N02], eine nach Äpfeln riechende, flüchtige Flüssigkeit und im versüssten Salpetergeist, Spiritus Aetheris nitrosi, enthalten. Man stellt diesen Spiritus durch Destillation von Weingeist mit Salpetersäure dar, wobei die letztere sich zu salpetriger Säure reduziert, Sauerstoff an den Weingeist abgebend und einen Teil desselben zu Aldehyd (C2H40) oxydierend. Die salpetrige Säure verwandelt einen anderen Teil des Weingeistes in salpetrigsaures' Äthyl und Wasser: I. HN03 + C,H60 = HN02 + C2H40 + H,0 Salpeter- Weingeist salpetrige Säure Aldehyd Wasser, säure IL HNO, + C2H60 = C,H5NO, -f- H20 salpetrige S. Weingeist salpetrigs. Äthyl Wasser. Der Salpeteräther destilliert mit dem Aldehyd über. Da das Aldehyd durch Sauerstoffanziehung aus der Luft allmählich in Essigsäure übergeht, wird der versüsste Salpetergeist bei der Aufbewahrung sauer. Man bewahrt ihn deshalb über etwas weinsaurem Kali auf, welches die entstehende Essigsäure bindet, saures weinsaures Kali (Weinstein) ausscheidend. 3. Das salpetrigsaure Amyl, Amylnitrit, Amylium nitrosum [(C5H11)N02], wird erhalten durch Einwirkung sal- petriger Säure auf Kartoffelfuselöl (Amylalkohol); eine schwach- gelbliche, ätherische Flüssigkeit, deren Dampf beim Einatmen starken Blutandrang nach dem Kopfe erzeugt, daher gefährlich ist. Es säuert leicht bei Luft- und Lichtzutritt, wird deshalb ebenfalls über weinsaurem Kali aufbewahrt. Der Butteräther (das buttersaure Äthyl) ist im Rum, der Ameisen- äther (ameisensaures Äthyl) im Arrak enthalten; der Baldrianamyl- äther (baldriansaures Amyl) dient als sogen. Apfelöl, der Essigsäure- amyläther (essigsaures Amyl) als sogen. Birnöl zur Aromatisierung. Praktische Übungen. 1. Aether aceticus. (Fig. 72.) Man mische 20 Teile englische Schwefelsäure portionenweise und vorsichtig zu 12 Teilen Weingeist und giesse die Mischung in einen Kolben zu 25 Teilen grobgepulvertem krystal- lisierten essigsauren Natron. Dem Kolben füge man luftdicht eine gebogene Glasröhre an, deren anderes Ende in eine in Wasser gestellte leere Flasche reiche, erhitze ihn dann in einem Gefässe mit siedendem Wasser und destilliere, so lange etwas übergeht. Das Destillat werde mit kohlensaurem Kali neutralisiert, dann mit gleichviel Wasser geschüttelt und mittelst eines Trichters die oben schwimmende Ätherschicht von der wässerigen getrennt. Um den Äther wasserfrei zu machen, schüttele man ihn mit trocknem Chlorcalcium und rektifiziere ihn schliesslich aus dem Wasser- bad in derselben Weise wie zuvor. 266 iiifjiitiwii'i'' Fig. 7 2. Versuche. 1. Die Flüchtigkeit des Äthers geht sehr deutlich aus folgendem Versuche hervor. Man giesse einen Theelöffel Äther in ein leeres 300 g -Glas, schwenke dasselbe gut um, sodass der Äther alle Wandungen benetzt und möglichst zur Verdunstung gelangt, darauf gebe man etwa 30^ Wasser in das Glas, schüttele es, wohl verschlossen, stark und öffne es schliesslich umgewendet unter Wasser — sofort wird letzteres gewaltsam in das Glas gedrückt werden und es grossen- teils füllen. Der Ätherdampf hatte die atmosphärische Luft aus dem Gefässe entfernt und, nachdem er durch das Schütteln mit Wasser verschluckt worden, einen luftverdünnten Raum ge- schaffen, welcher beim Offnen des Glases vom Wasser einge- nommen wird. 2. Die Verdunstungskälte, welche verdampfender Äther erzeugt, wird wahrgenommen: a) Man lasse einen Theelöffel Äther in einer offenen Porzellanschale verdunsten — die Unterseite der Schale wird sich mit Tau bedecken, herrührend von der Luftfeuchtigkeit des Raumes, b) Man umgebe die Kugel eines Thermometers mit etwas Fliesspapier, welches dann mit Äther benetzt wird; das Quecksilber fällt stark, beispielsweise von + 15° auf — 3°. 3. Siedepunkt des Äthers. Man tauche einen mit etwas Äther versetzten Probiercylinder in lauwarmes Wasser; der Äther gelangt zum Sieden. Vorsichtsniassregeln beim Gebrauche des Äthers. 1. Wegen seiner Feuergefährlichkeit öffne man nie eine Ätherflasche in der Nähe eines Lichtes, am wenigsten bei einer offenen Flamme. 2. Wegen seiner Ausdehnbarkeit fülle man die Ätherflaschen nur zu 5/6 an, anderenfalls leicht der Stöpsel abgehoben wird, wenn man die Flasche aus einem kalten Raum (Keller) in einen erwärmten bringt. 3. Wegen seiner Leichtbeweglichkeit bediene man sich beim Um- füllen des Äthers stets eines Trichters. 4. Wegen seines niedrigen Siedepunktes rektifiziere man den Äther nur aus einem lauwarmen Wasserbade, wobei Sorge zu tragen ist, dass das Wasserbad beim Einbringen der Retorte resp. Destillierblase nicht schon heiss, sondern noch kalt sei und erst allmählich angewärmt werde. Dies ist zumal bei der Wiedergewinnung des Äthers aus ätherischen Extrakten zu beachten. — 267 38. Ohloral und Chloroform. § 237. Wie wirkt freies Chlorgas auf Alkohol? Leitet man Chlor- gas durch verdünnten Weingeist, so entstehen verschiedene chlor- haltige Produkte, deren wichtigste der leichte und schwere Salzäther — Chloräthyl und Chloral — sind. Das Chlor entzieht einem Molekül Weingeist zwei Wasser- stoffatome, welche in Verbindung mit dem Chlor als Salzsäure austreten, während der Weingeist zu Aldehyd wird. Auf letzteres wirkt Chlor weiter ein, ihm Wasserstoff entziehend und Salzsäure bildend ; an die Stelle des ausgeschiedenen Wasserstoffs tritt Chlor in die Atomgruppe des Aldehyds ein, eiü gechlor- tes Aldehyd bildend. Das Trichloraldehyd wurde vom Ent- decker Liebig Chloral*) genannt und hat zur Formel (C2HC130) Der Prozess erhellt aus folgender Gleichung: I. C4H60 + 8C1 = C2(HC13)0 4- 5HC1 Alkohol Chlor Chloral Salzsäure. Neben diesem Vorgang verläuft ein zweiter, indem die ent- stehende Salzsäure auf unzersetzten Alkohol einwirkt und Äthyl- chlorid (C2H5C1) neben Wasser erzeugt. Nämlich: II. C2H60 + HCl = C2H5C1 + H20 Alkohol Chlorwasserstoff Äthylchlorid Wasser. § 238. Chloral und Chloräthyl. Das Chloral ist eine neu- trale, farblose, flüchtige Flüssigkeit, von durchdringendem Geruch, mit Wasser in allen Verhältnissen mischbar, aber schwerer als dieses, daher auch schwerer Salzäther genannt. — Das Chloräthyl bildet eine höchst flüchtige, schon in mittlerer Temperatur siedende Ätherart, welche leichter ist wie Wasser, daher auch leichter Salzäther genannt wird. Beide Pro- dukte sind in folgenden Präparaten enthalten: 1. Versüsster Salzgeist, Spiritus Aetheris chlorati, ein Destillat aus Weingeist mit Salzsäure und Braunstein. Diese chlorliefernde Mischung erzeugt aus dem Weingeist Chloral und Chloräthyl, welche mit unverändertem Weingeist überdestillieren. Man neutralisiert das Salzsäure enthaltene Destillat mit Kalk- hydrat und rektifiziert es. Das Präparat stellt eine wein- geistige Lösung von Chloral und Äthylchlorid dar. 2) Ätherische Chloreisen tinktur, Tinctura Ferri chlorati aetherea, eine Mischung aus ätherhaltigem Weingeist mit Eisenchloridflüssigkeit, welche durch direktes Sonnenlicht farblos gemacht wird und nachher im Schatten allmählich wieder eine gelbliche Farbe annimmt. Durch Einwirkung des Lichtes redu- ziert sich nämlich das Eisenchlorid zu Chlorür; das abgegebene *) Chloral aus Chlor und den Anfangsbuchstaben von Alkohol gebildet. — 268 — Chlor erzeugt mit Weingeist Chloral und Chloräthyl, welche in der Tinktur gelöst bleiben. Im Schatten zieht das Eisenchlorür aus der Luft Sauerstoff an und geht in gelbliches Eisenoxychlorid (F2C140) über. § 239. Chloralhydrat. Wenn zu 1 Teil Chloral 4/8 Teil Wasser gesetzt wird, so gesteht es zu einem Krystallbrei , Chloral- hy drat, Chloratum hydratum (C2HC130,H20), welches farblose, durchsichtige Kry stalle von durchdringendem Geruch und beissen- dem Geschmack bildet, sich leicht in Wasser und Weingeist löst, bei 56—58° schmilzt und nahe bei 95° siedet. Konz. Schwefel- säure entzieht ihm das Wasser und scheidet farbloses flüssiges Chloral ab. Es wirkt in kleinen Gaben beruhigend und ein- schläfernd, in grösseren anästhesierend. Wichtig ist das Yerhalten des Chloralhydrats gegen ätzende Alkalien. Erwärmt man es mit Kalilauge, so scheidet sich Chlo- roform (CHC13) ab, und ameisensaures Kali geht in Lösung über. Die Spaltung des Chloralhydrats in Chloroform und Ameisensäure, unter dem Einflüsse starker Basen, erklärt sich folgendermassen : C2HC130,H20 = CHCI3 + CH202 Chloralhydrat Chloroform. Ameisensäure. Darstellung des Chloralhydrats: Man leitet Chlor- gas bis zur vollständigen Sättigung durch wasserfreien Weingeist; dabei bleibt das entstehende Chloral in Yerbindung mit Weingeist (Chloralalkoholat) im Gefässe zurück , während die sich bildende Salzsäure nebst Chloräthyl mit dem nicht absorbierten Chlorgase entweicht. Aus dem rückständigen Chloralalkoholat wird durch konz. Schwefelsäure das Chloral abgeschieden, letzteres alsdann rektifiziert und mit 1/s Teil Wasser gemischt zur Krystallisation bei Seite gestellt. Prüfung des Chloralhydrats: Seine wässerige Lösung röte nicht das blaue Lackmuspapier (Salzsäure), und scheide, mit Salpetersäure ange- säuert, mit Silberlösung keinen 'weissen Niederschlag (CA/orsilber) ab. Beim Erhitzen auf Platinblech darf es nicht mit gelber Flamme brennen (Chloral- alkoholat). §240. Chloroform und Jodoform. Das Chloroform*), Chloro- form ium (CHC13), ist eine farblose neutrale Flüssigkeit, von äthe- rischem Geruch, im Wasser untersinkend und darin kaum lös- *) Chloroform wurde von Liebig nach Chlor und den Anfangs- buchstaben von Formyl (CH), welches als das Radikal der Ameisensäure galt, benannt, als dessen Chlorid er es ansah. Jetzt betrachtet man das Chloroform als Kohlenwasserstoff (Methan, CH4), in weclhem drei Atome Wasserstoff durch Chlor vertreten sind; man be- TT zeichnet es hiernach alsTrichlormethan; seine Strukturformel ist: C=v^ — 269 — lieh, leicht mischbar mit Weingeist, Äther, ölen, bei 62° siedend. kSpez. Gewicht 1,50, bei einem kleinen G-ehalte an Weingeist 1,485=1,489. Es wirkt auf den tierischen Organismus anästhe- sierend (Gefühl- und Bestimmungslosigkeit hervorrufend) ein. Am Lichte zersetzt sich reines Chloroform allmählich, weingeist- haltiges aber weit langsamer. Man gewinnt das Chloroform: 1. Durch Destillation des Chloralhydrats mit Alkalien (vgl. § 239). 2. Aus verdünntem Weingeist durch Destillation mit Chlorkalk. Hierbei entsteht durch Einwirkung des Chlors auf den Weingeist Chloral, welches sich mit dem Kalke in ameisensauren Kalk und Chloroform umsetzt: 2C2HC130 + CaH202 = 2CHCL, -+- Ca2(CH02) Chloral Kalkhydrat Chloroform ameisensaurer Kalk. Das aus Cloralhydrat dargestellte Chloroform hat den Yorzug grösserer Reinheit. Prüfung: Das mit Chloroform geschüttelte Wasser darf weder blaues Lackmuspapier röten (Salzsäure), noch durch Silberlösung sich trüben (weisse Trübung: CV^orsilber); mit Jodkaliumlösung in Berührung ge- brachtes Chloroform röte sich nicht (anderenfalls es freies Chlor enthält, "welches aus dem Jodkalium Jod ausscheidet, das sich mit roter Farbe im Chloroform auflöst). Konzentrierte Schwefelsäure darf sich beim Schütteln mit Chloroform nicht bräunen (fremde gechlorte Produkte). Dem Chloroform entspricht das Jodoform, Jodoformium (CHJ3) , ein jodartig riechender, im Wasser unlöslicher, nicht ätzender Körper, welcher in gelben Blättchen krystallisiert. Es scheidet sich aus, wenn man Jod mit sehr verdünntem Weingeist und kohlensaurem Alkali erhitzt; zugleich entsteht Jodid und ameisensaures Alkali (durch Zersetzung des zunächst sich bilden- den Jodais). I. C.2H60 + 8J + 5KHC03 = C2HJ30 + 5KJ + 5H20 + 5C02 Weingeist Jod Kalibikarbonat Jodal Jodkalium Wasser Kohlensäure. IL C2HJ30 + KHC03 = CHJ3 + KCH02 -4- C02 Jodal Kalibikarbonat Jodoform ameisens. Kali Kohlensäure. Wenn man ein Gemenge gleicher Volumteile Chlorgas und schweres Kohlenwasserstoffgas (Olgas, C2H4) dem direkten Sonnenlichte aussetzt, so verbinden und verdichten sie sich zu einer ölartigen Flüssigkeit, dem Äthylenchlorid, Aethylenum chloratum (C2H4C12). Man nennt die- selbe, da sie von holländischen Chemikern entdeckt wurde, holländische Flüssigkeit (Liquor hollandicus), auch Ol der holländischen Chemiker, Elaylchlorid. Ein in seiner Wirkung und sonstigen Eigen- schaften dem Chloroform sehr ähnliches Liquidum, aber leichter (spez. Gew. 1,27) und mit höherem Siedepunkte (85°). Versuche und praktische Übungen. 1. Chloroform aus Chloralhydrat. Man übergiesse etwa 10 g Chloralhydrat in einem Kölbchen mit gleichviel Kali- oder Natronlauge, verdünne mit Wasser und erwärme gelinde. Die sich trübende Flüssigkeit scheidet beim Stehenlassen eine Chloroformschicht unter sich ab, die man durch einen Trichter von der Salzlösung trennen kann. — 270 — 2. Darstellung von Jodoform. Man übergiesse 1 Teil doppelt- kohlensaures Kali in einem Probiercylinder mit 7,5 Teilen Wasser, füge 2,5 Teile Weingeist hinzu, erwärme gelinde und gebe 12 Teile Jod in kleinen Portionen hinzu, jedesmal die Entfärbung der sich bräunenden Flüssigkeit abwartend. Bleibt zuletzt die Farbe stehen, so füge man noch etwas kohlensaures Kali zu. Es scheidet sich gelbes Jodoform ab, welches nach dem Erkalten abfiltriert werde. Die Flüssigkeit liefert bei starkem Eindampfen Jodkaliumkrystalle. Fragen unfl stöchioinetrisclie Aufgaben. 1. Worauf beruht die schlaf bringende Wirkung des Chloralhydrats? — Antw. Auf seiner allmählichen Zersetzung in Chloroform durch das alkalische Blut. 2. Wieviel Chloroform erhalten wir aus 1 kq Chloralhydrat ? — Antw. C2HC130, H20 : CHC13 = 165,5 : 119,5; x = 1.722 #. 3. Wie unterscheidet man Chloroform vom Athylenchlorid durch eine einfache Probe? — Antw. Man giebt einige Tropfen in Liq. Kali carbon. : Chloroform sinkt darin unter, Athylenchlorid schwimmt auf demselben. 39. Die Fette und das Glycerin, § 241. Wie charakterisieren sich die Fette? Unter Fetten ver- steht man Körper, welche 1. sich fettig anfühlen, auf Papier einen bleibenden Fettfleck machen, 2. auf dem Wasser schwimmen und sich nicht darin auflösen, aber sehr leicht von Äther aufgelöst werden, 3. neutrale Reaktion besitzen und 4. sich nicht verflüchtigen. Was man das „Sieden" des Fettes nennt, ist kein Übergang desselben in Dampf- form, sondern eine, etwa bei 300° eintretende Zersetzung desselben. Man findet die Fette sowohl im Tierreich wie im Pflanzen- reich weit verbreitet. Man schmilzt sie aus den tierischen Ge- weben, z. B. dem Netze und der Partie um die Meren oder der Leber (wie den Leberthran), oder presst sie aus Früchten (z. B. Oliven) und Samen (z. B. Leinsamen, Mohnsamen, Rübsamen, Rizinussamen) u. s. f. Nach ihren Eigenschaften teilt man die Fette in drei Gruppen : a) Fette Öle, welche in gewöhnlicher Temperatur flüssig sind. Je nach ihrem Verhalten an der Luft unterscheidet man sie wieder als : a. Nichttrocknende Öle, welche an der Luft nicht ein- trocknen. Zu ihnen gehören das Olivenöl (Oleum Olivarum) aus den Oliven, das Mandelöl (Ol. Amygdalarum) aus den süssen wie bitteren Mandeln, das Rüböl aus dem Rübsamen, der Leberthran (Ol. Jecoris Aselli) aus der Leber des Kabeljau, Dorsch und Köhler, das Knochenöl aus dem Knochen- marke. Diese Öle zeigen ein besonderes Yerhalten gegen sal- petrige Säure, wodurch sie in festes Fett (Elaidin) übergehen; wenn man ein nichttrocknendes Öl mit rauchender Salpetersäure — 271 — oder mit Salpetersäure und Kupferschnitzeln schüttelt, so gesteht es nach mehreren Stunden (Elai'dinprobe). ß) Trocknende öle, welche an der Luft zu einer festen Haut eintrocknen. Hierhin gehören das Leinöl (OL Lini) aus dem Leinsamen, das Mohnöl (Ol. Papaveris) aus dem Mohn- samen, das Ricinusöl (Ol. Ricini) aus dem Ricinussamen. Wegen des Eintrocknens benutzt man sie zu Firnisüberzügen und erhöht diese Eigenschaft durch Erhitzen der Öle mit Blei- zucker (gekochtes Leinöl!). b) Schmalze und Butter, halbweiche, in gelinder Wärme schmelzende Fette. Hierhin gehören das Schweineschmalz (Adeps suillus) aus dem Netze und der Nierenumgebung des Schweines, die Butter (Butyrum) aus der Milch, das Lor- beeröl (Ol. Lauri) aus den Lorbeeren, das Muskatnussöl (Ol. Myristicae) aus den Muskatnüssen, das Kokosöl (Ol. Cocois) aus den Kokosnüssen. c) Talge, feste Fette Ton mehr oder weniger krystallinischer Natur. Hierhin: der Talg (Sebum) aus der Nierenumgebung des Schafes, Rindes und Hirsches, der Walrat (Cetaceum) aus dem flüssigen Fette der Schädelhöhlen des Potwals, das Kakaoöl (Oleum Cacao) aus den Kakaobohnen, das Wachs (Cera), ein Sekret der Bienen, sowie das japanische und chi- nesische Wachs, beides Pflanzenwachse. § 241. Wie sind die Fette zusammengesetzt? Die Zusammen- setzung der Fette ähnelt derjenigen der zusammesgesetzten Äther. Sie sind nämlich Yerbindungen eines organischen Radikals mit einer Fettsäure. Das basische Radikal ist in den meisten Fetten das dreiwertige Glyceryl (C3H5), welches bisher noch, nicht isoliert worden ist. Es bildet in Verbindung mit den Fett- säuren, vorzugsweise der flüssigen Ölsäure, derfesten Palmitin- säure, Margarinsäure und Stearinsäure die verschie- denen Fette. In den Ölen herrscht das Ölsäure Glyceryl, Olein ge- nannt, vor und bildet z. B. 75% des Mandelöls, 72% des Oliven- öls. Im Ricinusöl finden wir drei besondere Fettsäuren: Ricinölsäure, Ricinsäure und Ricinstearinsäure. Im Krotonöl ist neben dem Olein noch die scharfe, flüchtige Krotonsäure ent- halten. In den trocknenden Ölen nimmt man statt der Ölsäure Olinsäure an. Die Schmalze bestehen vorzugsweise aus palmitinsaurem und margarinsaurem Glyceryl, sog. Palmitin und Margarin. Die Butter enthält daneben buttersaures Glyceryl (Butyrin), das Muskatnussöl besitzt noch myristicinsaures, das Lorbeeröl laurosterinsaures Glyceryl. — 272 — In den Talgen herrscht das stearinsaure Glyceryl, sog. Stearin*), vor, mehr oder weniger gemengt mit margarin- und palmitinsaurem Glyceryl. Der Walrat ist keine Glycerylverbin- dung, ebensowenig das Wachs. Der Walrat besteht aus pal- mitinsaurem Cetyl, das Wachs aus palmitinsaurem Melissyl (Myricyl), mit etwas Cerotinsäure gemengt. § 243. Wie zersetzen sich die Fette? Unter dem Einflüsse starker Basen, sowie bei höherer Erhitzung werden die Fette zer- setzt und scheiden ihre Säuren ab. Diese Zersetzung ist der einer Salzverbindung analog: einerseits entsteht eine Fett- säure, andererseits das Oxydhydrat des Glyceryls, das sog. Glycerin. Bei der Zerlegung der Fette durch eine Base erfolgt die Ab- scheidung von Glycerin. Je nachdem die Base ein Alkali (alkalische Erde) oder ein Schwermetalloxyd (namentlich Bleioxyd) ist, nennen wir die Ope- ration Yerseifung oder Pflasterbildung, da man das fettsaure Alkali Seife, fettsaures Bleioxyd Pflaster nennt. Es leuchtet ein, dass bei solchen Zersetzungen Wasser zugegen sein muss, damit sich Glyceryloxydhydrat bilden kann. Aus ölsaurem Glyceryl und Natronhydrat entstehen also ölsaures Natron (Na- tronölseife) und Glycerin; nämlich: I. C8H53ÖI + 3NaH0 = 3NaÖ~l + C3H803 ölsaures Glyceryl Natronhydrat ölsaures Natron Glycerin. Aus ölsaurem Glyceryl und Bleiglätte, unter Zugabe von Wasser, entstehen ölsaures Bleioxyd (Bleipflaster) und Glycerin; nämlich : IL 2C3H53Öi H- 3PbO + 3H20 = 3Pb2Öl + 2C3H803 ölsaures Glyceryl Bleioxyd Wasser ölsaures Bleioxyd Glycerin. Auch überhitzter Wasserdampf zerlegt die Fette und zwar in freie Fettsäure und Glycerin, nämlich : III. C3H5301 + 3H20 = 3HÖI + C3H803 ölsaures Glyceryl Wasser Ölsäure Glycerin. Das Ranzigwerden der Fette ist eine ähnliche Zersetzung, wobei die Fettsäure frei wird und dem ranzigen Fette saure Reaktion erteilt. Wenn aber die Glycerylverbindungen, ohne Gegenwart von Wasser, durch Bleioxyd zersetzt werden oder im sogenannten Sieden der freiwilligen Zersetzung unterliegen, so kann sich kein Glycerin bilden, sondern das Glyceryloxyd, von der Fettsäure ge- trennt, entweicht (unter Verlust von 1 Wasserstoff- und 1/2 Sauer- *) Man verwechsle dieses Stearin nicht mit dem Stearin des Han- dels, welches Stearinsäure ist. — 273 - stoffatom) als Acrol (C3H40) in Form höchst scharf riechender und thränenreizender Dämpfe. § 244. Seifen und Pflaster. Die Seifen sind fettsaure Al- talien. Sie entstehen durch Einwirtimg heisser, ätzender Altali- laugen auf die Fette. Bei Anwendung von Kalilauge gewinnt man die Kali seifen, welche sich durch grössere Weichheit auszeichnen und die Schmierseife, die schwarze oder grüne Seife, Sapo kalinus (Sapo viridis), darstellen. Man gewinnt sie durch Kochen von geringwertigen Ölen (technisch aus Palmöl und Fischthran) mit Kalilauge. Eine Scheidung der gebildeten Seife vom Glycerin findet hierbei nicht statt. — Die Natron- seifen sind härter und lassen eine Trennung von Grlycerin zu, indem man die aus Natronlauge und Fett gewonnene Seifen- lösung mit Kochsalz versetzt („aussalzt"); da die Seife in einer gesättigten Kochsalzlösung nicht löslich ist, so scheidet sie sich alsdann aus und bildet nach dem Ertalten eine starre Decke über der glyeerinhaltigen Unterlauge. In früherer Zeit, als Soda und Natron noch sehr teuer waren, stellte man die Seife aus- schliesslich mit Kalilauge her ; beim Aussalzen ging die Kaliseife in Natronseife über, eine entsprechende Menge Chlornatrium in Chlortalium (Seifensiederfluss) verwandelnd. (KOI -f- NaCl = NaÖl + KCl.) Aus den geringwertigen Olivenölsorten stellt man in Süd- frantreich und Italien die spanische oder venetianische Seife, Sapo oleaceus (hispanicus, venetus), eine 01- natronseife, her. In verdünntem Weingeist aufgelöst bildet die Natronseife den Seifenspiritus, Spiritus saponatus. Aus dem Talge tocht man die Hausseife, Sapo domesticus, eine Stearinnatronseife. Die medicinische Seife, Sapo medicatus, ist eine im pharmazeutischen Laboratorium durch Digestion von Olivenöl und Schweineschmalz mit Ätznatronlauge dargestellte und mit Koch- salz ausgesalzene Ölnatronseife, dem Wesen nach übereinstimmend mit der spanischen Seife, aber ohne Rückhalt an Ätznatron und Kochsalz, welche sich durch einen scharfen resp. salzigen Ge- schmact verraten würden. Schwefelwasserstoffwasser darf die wässerige Seifenlösung nicht verändern (dunkle Trübung : Schwer- metalle!), Quecksilberchlorid keinen roten Niederschlag (kohlen- saures und ätzendes Alkali) hervorrufen. — Eine heiss bereitete weingeistige Lösung der medizinischen Seife gelatiniert beim Er- kalten (Opodeldoc). Man verwendet die Seifen zur Reinigung, da sie sich im Wasser zerlegen und unter Abscheidung von saurem fettsauren Alkali, welches das Seifenwasser trübe macht, freies Alkali an Schlickum, Apothekerlehrling. 18 — 274 — das Wasser abgeben. Mit wenig warmem Wasser liefern sie dagegen einen Kleister, den sog. Seifen leim. Die Kalk- und Magnesiaseifen lösen sich nicht in Wasser auf. Daher wirkt kalkhaltiges Brunnenwasser zersetzend auf die Seife ein und giebt mit Seifenlösungen (Seifenspiritus) Niederschläge. Ätzammoniak liefert mit den Fetten keine Seife, son- dern nur eine emulsionsartige Mischung, flüchtiges Liniment, Linimeutum ammoniatum. Das Bleipflaster, Emplastrum Lithargyri (Plumbi), wird aus Öl und Schweineschmalz durch mehrstündiges Kochen mit Bleiglätte und Wasser dargestellt. Das G-lycerin entfernt sich beim Auswaschen des gewonnenen Pflasters mit Wasser (beim Malaxieren). Wird das Fett mit Bleiweiss gekocht, so geht bei etwa 125° die Pflasterbildung ebenfalls vor sich, wobei das Blei- weiss sich in Bleioxyd und neutrales kohlensaures Bleioxyd spaltet ; ersteres vollzieht die Pflasterbildung, letzteres mischt sich dem gebildeten Pflaster bei — Bleiweisspflaster, Emplastrum Ce- russae. Wenn beim Pflasterkochen kein Wasser zugesetzt wird, wie beim Kochen des Öls mit Mennige zu Mutterpflaster, Emplastrum fuscum, so bildet das Glyceryloxyd kein Glycerin, sondern Acroldämpfe (vgl. S. 272); zugleich schwärzt sich die Pflastermasse durch die höhere Temperatur. § 245. Die Fettsäuren. Zu den nicht flüchtigen Fettsäuren gehören : Die Palmitinsäure (C16H32Oä), eine weisse, krystalli- nische Fettmasse, die bei 62° schmilzt. Die Margarinsäure (C17H340.2), der vorigen sehr ähn- lich, in perlmutterglänzenden Schuppen krystallisiert. Die Stearinsäure (C18H3602), das Stearin des Han- dels, eine weisse, starre Masse, die bei 71° schmilzt. Man ver- wendet sie zu Stearinkerzen. Bei der Stearinfabrikation zer- setzt man den Talg mit Ätzkalk, wobei sich unlösliche Talgkalk- seife abscheidet, welche man mit verdünnter Schwefelsäure erwärmt ; über dem Gips schwimmt alsdann die Stearinsäure, sie wird ab- gezogen und in die Formen gegossen. Die Ölsäure (C18H3402), eine flüssig-ölige, ursprüngüch farblose Masse, die sehr schnell an der Luft Sauerstoff anzieht und sich mit der Zeit immer dunkler färbt. Die Lösungen der Fettsäuren in Weingeist reagieren sauer. § 246. Glycerin. Das Glycerin, Glycerinum (C3H803), vom Entdecker Scheele wegen seines süssen Geschmackes Ölsüss genannt, bildet im reinen, konzentrierten Zustande eine farb- und geruchlose , völlig indifferente und neutrale , syrupdicke Flüssigkeit. Es ist als das Oxydhydrat des dreiwertigen — 275 - Glyceryls (C3H803 = C3Hä3HO*)) zu betrachten, und da es sich zu demselben verhält wie der Alkohol zum Äthyl, so hat man es auch Glycerylalkohol genannt. Man gewinnt das Glycerin bei der Zersetzung der Fette als Nebenprodukt, daher in der Seifensiederei als Bestandteil der koch- salzhaltigen Unterlauge, beim Pflasterkochen im Wasser, womit das Bleipflaster malaxiert wurde, in der Stearinfabrikation u. s. f. Das rohe Glycerin ist stets verunreinigt mit Kochsalz, Kalk, Blei- oxyd, je nachdem es bei einer der genannten Operationen erhalten wurde; ausserdem ist es mehr oder weniger mit übelriechenden und braun färbenden Materien beladen (herrührend von den geringwertigen Fettstoffen). Man befreit es von den letzteren durch Filtration durch Tierkohle, von den unorganischen Verun- reinigungen durch Auskrystallisieren der Salze, Einleiten von Schwefelwasserstoff u. dgl. Zum medizinischen Gebrauch darf nur destilliertes Gly- cerin verwendet werden. An der Luft lässt sich zwar das Gly- cerin nicht unzersetzt verflüchtigen, da es sich beim Erhitzen in Acrol (C3H40) und Wasser zerlegt; aber in einer Wasserdampf- atmosphäre siedet es bei 200°. Man destilliert es also mittelst überhitzten Wasserdampfes, der in das in einer Betorte befindliche Glycerin geleitet wird, und dampft es zum spez. Gew. 1,225 — 1,235 ein. Noch reiner gewinnt man das Glycerin durch Krystallisation ; konz. Glycerin krystallisiert nämlich bei 0°. Prüfung des G-lyeerins: Die wässerige Lösung sei neutral, erleide keine Trübung durch Schwefelwasserstoffwasser (dunkle Trübung: Bleioxyd) und Schwefelamraonium, (dunkle Trübung: Eisen), noch durch, oxalsaures Ammoniak (weisse Trübung: Kalk), Silbernitrat (weisse Trübung: Chloride), Baryumnitrat (weisse Trübung: Sulfate) sowieCblor calcium (weisse Trübung: Oxalsäure) ; sie werde beim Erwärmen mit Atznatronlauge nickt bräunlich (Traubenzucker). Das Glycerin darf, mit verdünnter Schwefelsäure erwärmt, nicht nach Buttersäure riechen, aus einer mit Salmiakgeist versetzten Silberlösung kein Silber ausscheiden (schwärzliche Färbung: Acrol). Auf Platinblech verbrannt, darf es keinen kohligen Rückstand hinterlassen (Rohrzucker, Gummi). Das Glycerin trocknet wegen seiner hygroskopischen Eigen- schaften nicht ein, findet daher als Mittel gegen Hautkrankheiten, als Glycerinsalbe und Glycerin seife , sodann zur Konservierung mikroskopischer und anatomischer Präparate (an Stelle des Wein- geistes), von Früchten u. dgl., zur Füllung von Gasuhren und vielen anderen Zwecken technische Verwendung. *) Die Strukturformel des Glycerins ist: C — ■ C C II \ /\ II \ H2(OH) H(OH) H2(OH) In ihm befinden sich 3 Hydroxyl (OH) neben H an die 3 C-Atome gebunden. 18* — 276 — Wird das Glycerin vorsichtig und unter starker Abkühlung mit konzentrierter Salpetersäure gemischt, so verwandelt es sich in das höchst explosive Nitroglycerin (Sprengöl), worin 3H-Atome durch 3N02 sub- stituiert sind. Man verwendet dasselbe, mit Infusorienerde vermengt, unter der Bezeichnung „Dynamit" zum Sprengen; als solches leistet es viermal mehr als Schiesspulver. Versuche und praktische Übungen. 1. Stearinsäure. Man löse 10^ feste, trockene Hausseife in 50 g heissem Wasser, giesse diese Lösung in 500 g kaltes Wasser und füge 5 g oder so viel Salzsäure hinzu, dass die Flüssigkeit blaues Lackmuspapier schwach röte. Die trübe Mischung werde durch Leinwand koliert und die darauf zurückbleibende Stearinsäure fest ausgedrückt, worauf man sie in 30 g Weingeist bei gelinder Wärme auflöst. Bei langsamem Erkalten krystallisiert die Fettsäure in weissen, glänzenden Schüppchen. Die wein- geistige Lösung reagiert sauer. 2. Sapo medicatus. In einer Porzellanschale erhitze man 120^ Natronlauge im Wasserbade, gebe dann 50 g Schweineschmalz und 50 g Olivenöl hinzu und nach halbstündiger Erhitzung 12 g Weingeist, wodurch die Masse gleichmässig wird. Darauf verdünne man sie mit 200 g heissern Wasser und fahre mit dem Erhitzen 4 — 6 Stunden fort, von Zeit zu Zeit umrührend und durch Wasserzusatz das verdampfende Wasser ergänzend. Nachdem die Masse durchscheinend und gleichförmig geworden und eine Probe in der mehrfachen Menge heissem Wasser sich löst, ohne Öl abzu- scheiden, giebt man eine filtrierte Lösung von 25 q Kochsalz und 3 g Soda in 80 g Wasser unter Umrühren zu und stellt bei Seite. Nach einem Tage hat sich die Seife als feste Decke abgeschieden; man hebt sie ab, spült sie mit etwas Wasser ab, presst sie zwischen Leinewand scharf aus und trocknet sie. 40. Die Fruchtsäuren, (Weinsäure, Äpfelsäure, Citronensäure, Oxalsäure.) § 247. Die Weinsäure. Die Weinsäure, Acidum tartaricum (C4H606)*), ist eine zweibasische Säure, sowohl frei, wie in Ver- bindung mit Kali als Weinstein (doppeltweinsaures Kali) im Weintraubensafte und den Tamarinden enthalten und dadurch ein wesentlicher Bestandteil des Weines. Beim Lagern desselben scheidet sich der grösste Teil des Weinsteins in harten Krystallen an die Fasswandung ab, während die freie Weinsäure gelöst bleibt. Man gewinnt die Weinsäure aus dem Weinstein, indem man diesen zunächst in weinsauren Kalk überführt, welcher als- *) Die Strukturformel der Weinsäure ist: c c c c / \\ A A //\ (OH)0 (OH)H (OH)H O(OH) In ihr befinden sich 4 Hydrosyl (OH) an 4 C-Atomen gebunden, von denen aber nur 2 Säurehydroxyle sind, d. i. ihr H (in der Salzbildung) durch Metalle vertreten lassen und zwar sind dies die beiden, welche neben O an C gebunden sind. - 277 — dann durch Schwefelsäure zerlegt wird. Den Weinstein digeriert man zuerst mit kohlensaurem Kalk bis zur Sättigung , wobei neutrales weinsaures Kali in Lösung geht, weinsaurer Kalk sich abscheidet und Kohlensäure entweicht: I. 2K04H506 + CaC03 = K9C4H406 -f- CaC4H406 + H20 + C0.2 Weinstein kohlensaurer weinsaures weinsaurer Kalk Wasser Kohlen- Kalk Kali säure. Zur Lösung wird dann hinreichend Chlorcalcium gesetzt, wo- durch abermals weinsaurer Kalk gefällt wird und Chlorkalium in Lösung bleibt: IL K.2C4H406 + CaCl, == 2KC1 + CaC4H406 weinsaures Kali Chlorcalcium Chlorkalium weinsaurer Kalk. Beide Niederschläge von weinsaurem Kalk zerlegt man schliesslich mit verdünnter Schwefelsäure, trennt die Weinsäure- lösung vom ausgeschiedenen Grips und dampft sie zur Krystalii- sation ein: III. CaC4H406 + H.2S04 = CaS04 + C4H606 weinsaurer Kalk Schwefelsäure schwefelsaurer Weinsäure. Kalk Die Weinsäure krystallisiert in farblosen, schiefen rhombischen Säulen, welche sich sehr leicht in Wasser, auch in Weingeist auf- lösen, stark sauer schmecken und beim Erhitzen mit dem Gerüche nach verbranntem Zucker verkohlen. Charakteristisch für sie ist die Schwerlöslichkeit ihres sauren Kalisalzes (des Weinsteins), sowie des weinsauren Kalkes. Letzterer löst sich (zum Unter- schiede vom Oxalsäuren Kalke) in kalter Natronlauge auf. Man benutzt daher (überschüssiges) Kalkwasser zur Erkennung der freien Weinsäure, mit deren Lösung es einen weissen Nieder- schlag (weinsauren Kalk) giebt; essigsaures Kali erzeugt mit ihr eine kristallinische Ausscheidung von Weinstein, welche bei ver- dünnten Flüssigkeiten erst nach starkem Schütteln und längerem •Stehen erfolgt. Bei neutralen wein sauren Salzen ist die Flüssig- keit mit Essigsäure anzusäuern. Prüfung der Weinsäure: Die wässerige Lösung darf nicht getrübt werden durch schwefelsauren Kalk (weisse Trübung: Oxalsäure), noch durch salpetersauren Baryt (weisse Trübung: Schwefelsäure), noch durch oxal- saures Ammoniak (weisse Trübung: Kalk). Die gepulverte Säure darf sich beim Übergiessen mit Schwefelwasserstoffwasser nicht dunkel färben (Blei). § 248. Die weinsauren Salze. Die weinsauren Salze werden Tartrate genannt. Zu den pharmazeutisch wichtigen gehören: 1. Der Weinstein, Tartarus depnratus, ist Kaliumbitar- trat oder doppeltweinsaures Kali (KC4H506). Man ge- winnt es durch Reinigung des rohen Weinsteins (Tartarus crudus), der sich in harten, gelblichen oder (aus Rotwein) röt- lichen Krystallkrusten in den Weinfässern ausscheidet. Ausser mit Farbstoff ist der rohe Weinstein mit oft grösseren Quantitäten — 278 — weinsauren Kalkes verunreinigt, von welchen er durch Auswaschen mit verdünnter Salzsäure befreit werden kann. Der gereinigte Weinstein stellt gewöhnlich ein weisses, feines Krystallmehl dar, besitzt einen säuerlichen Geschmack, rötet blaues Lackmuspapier und löst sich sehr schwierig in kaltem, leichter in heissem Wasser auf; dagegen nehmen ihn alkalische Flüssig- keiten — Ätzalkalilaugen, Salmiakgeist — leicht auf, ebenso kohlensaure Alkalien (unter Verlust der Kohlensäure), weinsaure Doppelsalze bildend. Prüfung des Weinsteins: Das damit geschüttelte Wasser darf sich nach dem Ansäuern kaum trüben durch Silbernitrat und Baryumnitrat (weisse Trübung: Chloride, Sulfate); die ammoniakalische Lösung darf sich durch Schwefelammonium nicht verändern (dunkle Färbung resp. Trübung: Eisen), die essigsaure Lösung durch oxalsaures Ammoniak nicht trüben (weisse Trübung: Kalk). Mit Natronlauge erwärmt, darf der Weinstein kein Ammoniak abgeben. Kocht man eine Weinsteinlösung ein, so scheidet dieselbe das Salz in harten, weissen Krystallen an ihrer Oberfläche ab (Crystalli Tartari, Cremor Tartari, Weinsteinrahm). Beim Erhitzen verkohlt der Weinstein mit dem Gerüche nach verbranntem Zucker und hinterlässt einen stark alkalischen kohligen Rückstand, ein Gemenge von kohlensaurem Kali mit Kohle, welches mit Säuren aufbraust. 2. Sättigt man den Weinstein mit kohlensaurem Kali, so entsteht das neutrale wein saure Kali oder Kalium- tartrat, Kalium tartaricum (K2C4H406), welches nachdem Ab- dampfen in wasserhellen Säulen krystallisiert, die sich in Wasser leicht auflösen, aber nicht in Weingeist. Die Kohlensäure ent- weicht gasförmig. KHC4H406 + KHC03 = K2C4H406 + H20 + C02 Kaliumbitartrat Kaliumbikarbonat Kaliumtartrat Wasser Kohlensäure. Die wässerige, nicht zu verdünnte Lösung dieses Salzes scheidet auf Säurezusatz Weinstein ab. In der Glühhitze verhält sich das Salz wie der Weinstein. 3. Durch Sättigung des Weinsteins mit Soda bildet sich unter Kohlensäureentbindung ein Doppelsalz, das weinsaure Kali- Natron, Tartarus natronatus, Natro-Kalium tartaricum, gewöhnlich Seignettesalz (Sal polychrestum Seignetti) genannt, mit der Formel: (KNaC4H406 -j-4Aq.); ein leichtlösliches Salz in grossen, durchsichtigen, wasserhellen, rhombischen Säulen. 2KHC4H406 + Na2C03 = 2KNaC4H406 + H20 + C02 doppeltweins. Kali kohlens. Natron weins. Kali-Natron Wasser Kohlensäure. Beim Erhitzen verhält sich das Salz wie der Weinstein, der kohlige Bückstand enthält jedoch neben dem kohlensauren Kali auch noch kohlensaures Natron, färbt also die Flamme gelb. Die konz. Salzlösung scheidet auf Säurezusatz Weinstein ab. — 279 — Man prüft die beiden letzteren Salze auf ihre Reinheit ähnlich wie den Weinstein. 4. Der "Weinstein vermag sich auch mit dem Borax zu ver- einigen. Löst man 1 Teil Borax und 2 Teile "Weinstein in heissem Wasser, so entsteht der Boraxweinstein, Tartarus boraxatus, ein leichtlösliches Salz, welches einen sauren Geschmack und sehr hygroskopische Eigenschaften zeigt. Man kann es be- trachten als ein Gemenge von weinsaurem Kali-Natron und wein- saurer Kali - Borsäure , worin also die Borsäure die Rolle einer Base übernimmt. Es zeigt die Reaktionen des Weinsteins, wie die des Boraxes. Yon Brechweinstein wurde bereits beim Antimon ge- handelt. § 249. Die Äpfelsäure. Die Äpfelsäure (H2C4H405) findet sich in den Äpfeln, Vogelbeeren, Berberitzen, Hollunderbeeren, sowie in den meisten unreifen Früchten. Sie unterscheidet sich von der Weinsäure durch den Mindergehalt eines Sauerstoff- atoms, und bildet eine stark saure, farblose, syrupdicke Flüssig- keit, die nur schwierig in krümlichen, zerfliesslichen Massen krystallisiert. Ihr Kali-, wie ihr Kalksalz lösen sich in Wasser leicht auf. Im äpfelsauren Eisenextrakt, Extractum Ferri pomatuni , ist äpfelsaures Eisenoxyduloxyd enthalten. Man gewinnt dasselbe durch Digestion von Äpfelsaft mit Eisen- pulver, wobei letzteres unter Wasserstoffentwickelung sich zu äpfelsaurem Eisenoxydul auflöst und durch den Sauerstoff der Luft in Oxyduloxydsalz übergeht. Erhitzt man die Apfelsäure vorsichtig auf 150°, so geht sie unter Wasserverlust in die Fumarsäure über, welche sich im Erdrauch natürlich findet; in höherer Temperatur verkohlt sie. § 250. Die Citronensäure. Die Citronensäure, Acidum citricum (C6H807), ein dreibasische Säure*), findet sich vorzugsweise im Safte der Citronen (bis zu 8 %). In Italien gewinnt man sie aus demselben durch Sättigen mit Kalk und Zersetzung des citronensauren Kalkes durch verdünnte Schwefelsäure, ähnlich der Weinsäure. Sie krystallisiert, mit 1 Mol. H20, in färb- und geruch- losen, sehr sauren, durchsichtigen, rhombischen Säulen, welche sich leicht in Wasser und Weingeist auflösen. Bei vorsichtigem Erhitzen (HO)-c 0= ^ *) Strukturformel: C C C C (HO)^b H H(OH) H? O(OH) In ihr sind 3 Säurehyclroxyle (HO) zugleich mit 0 an SC- Atome gebunden. — 280 — bis zu 175° geht sie in die Akonit säure über, welche sich auch natürlich findet im Sturmhut und Schachtelhalm ; in höherer Temperatur verkohlt sie. Überschüssiges Kalkwasser trübt die Lösung der Citronensäure in gewöhnlicher Temperatur nicht; erhitzt man aber, so scheidet sich weisser citronensaurer Kalk aus, um sich beim Erkalten wieder aufzulösen. >, Die Prüfung der Citronensäure geschieht wie die der Weinsäure; essigsaures Kali weist in ihrer wässerigen Lösung durch weissen Nieder- schlag Weinsäure nach. Von den citronensauren Salzen (Citraten) sind bemerkens- wert: a) die citronensäure Magnesia (Mg32C6H507), durch Sättigung von Citronensäure mit kohlensaurer Magnesia in Lösung erhalten, daraus aber in kurzer Zeit als schwerlösliches Salz sich ausscheidend. Das Magnesium citricum effervescens ist eine Brausepulvermischung aus citronensaurer Magnesia mit Natrium- bikarbonat, Citronensäure und Zucker. b) Löst man frischgefälltes Eisenoxydhydrat in Citronensäure auf und lässt diese Lösung auf Porzellantellern eintrocknen, so gewinnt man das citronensäure Eisenoxyd, Ferrum citricum oxydatum, in roten Lamellen, welche sich in Wasser leicht lösen. Ammoniak scheidet aus dieser Salzlösung kein Eisenoxyd- hydrat ab, wegen Bildung leichtlöslicher Doppelverbindungon. § 251. Die Oxalsäure. Die Oxalsäure, Acidum oxali- cum, (CaH204), eine zweibasische Säure*) findet sich frei oder gebunden in vielen Gewächsen, so als schwerlösliches doppelt oxal- saures Kali (Kleesalz, Oxalium) im Sauerklee (Oxalis Ace- tosella) und Sauerampfer — daher auch Kleesäure genannt — , als oxalsaurer Kalk im Rhabarber. Künstlich gewinnt man sie durch Erhitzen von Stärkemehl oder Zucker mit Salpetersäure, wobei Stickoxydgas entweicht**), sowie durch Schmelzen von Sägespänen mit ätzendem Alkali. Die Oxalsäure krystalliert in färb- und geruchlosen, sehr sauren, schiefen rhombischen Säulen, mit 2 Mol. Krystallwasser, welche bei 100° entweichen. Sie löst sich leicht in "Wasser, zerfällt in höherer Temperatur, sowie beim Erwärmen mit konz. Schwefelsäure, ohne Rückstand zu hinterlassen, in Wasser, Kohlensäure und Kohlenoxydgas. Ihre Salze verwandeln *) C12H22On + 12HN03 = 6C2H204 + 11H20 + 12 NO Rohrzucker Salpetersäure Oxalsäure Wasser Stickoxyd. **) Strukturformel: C=q,H C=0 ~O.H — 281 — sich beim Erhitzen in kohlensaure Salze, ohne zu verkohlen. (Unterschied zwischen Weinstein und Kleesalz.) C2Ha04 = CO2 + CO -4- H,0 Oxalsäure Kohlensäure Kohlenoxyd Wasser. Das oxalsaure Ammoniak oder Animo niumoxalat, Am- monium oxalicum, (NH4)2C204, ist ein aus dem mit Oxalsäure gesättigten Salmiakgeist in weissen Nadeln auskrystallisierendes Salz, welches als Reagens auf Kalk benutzt wird, da der oxal- saure Kalk in Wasser ganz unlöslich ist; Säuren lösen ihn aber auf. Selbst Gripslösung fällt die Oxalsäure und ihre Salze weiss — Unterschied von der Weinsäure. Umgekehrt wendet man eine Chlorcalcium- oder Gipslösung als Reagens auf die Oxalsäure und ihre Salze an. Innerlich wirkt die Oxalsäure , wie das Kleesalz , ätzend giftig. Weil das Kleesalz das Eisenoxyd leicht auflöst, verwendet man es zur Tilgung von Tinten- und Rostflecken. Versuche und praktische Übungen. 1. Kohlensaures Kali aus Weinstein. Ein inniges Gemisch aus 2 Teilen Weinsteinpulver und 1 Teil Salpeter formiere man in einem eisernen Tiegel zum Kegel, den man durch Auflegen einer glühenden Kohle an der Spitze entzünde. Allmählich verpufft die Masse zu einem schwarzen Rückstand. Man übergiesse denselben mit Wasser, filtriere nach einiger Zeit die Lösung des entstandenen kohlensauren Kalis ab und dampfe sie in einer blanken, eisernen Schale über dem Feuer zur Trockne. 2. Zersetzung der Oxalsäure. Man übergiesse 1 q krystallisierte Oxal- säure: in einem kleinen Kölbchen mit 6 g engl. Schwefelsäure und verschliesse die Öffnung mit einem Kork, durch welche eine spitz aus- laufende Glasröhre luftdicht geführt ist. (Fig. 73.1 Erhitzt man das Gefäss vorsichtig über der Lampe, so zerlegt sich « die schmelzende Oxalsäure unter starker Gasentbindung. Das ausströmende Kohlenoxydgas , mit einem Fidibus entzündet, verbrennt mit blauer Flamme. Leitet man das entweichende Gas in Kalkwasser, so trübt sich dasselbe stark durch die darin enthaltene Kohlensäure. 3. Ammonium oxalicum. Man löse Oxalsäure in der zweifachen Menge heissem Wasser auf, setze bis zur schwach alkalischen Reaktion Salmiakgeist hinzu und stelle zum Kristallisieren bei Seite. Beim Erkalten schiesst das Salz in feinen weissen Säulen an. Fig. 73. Fragen und stöchionietrische Aufgaben. 1. Wieviel Weinsäure gewinnt man aus 1 kg weinsaurem Kalk"? — Antw. (CaC4H406 + 4H20) : (H2C4H406) = 248 : 138; x = 556^. 2. Wieviel englischer Schwefelsäure bedarf man dazu? — Antw (CaC4H4Ofi -f 4HoO) : H2S04 = 248 : 98; x = 395^. 4L Gerbstoffe. § 252. Allgemeiner Charakter der Gerbstoffe. Im Pflanzenreich ist eine gewisse Klasse von Körpern stark verbreitet, die man — 282 - Gerbstoffe oder, da sie schwache Säuren darstellen, Gerb- säuren nennt. Sie zeichnen sich durch folgende gemeinsamen Eigenschaften aus: a) Sie besitzen einen zusammenziehendenGeschm a ck. b) Sie machen Eiweiss- und Leimlösungen gerinnen. c) Sie verwandeln tierische Haut in Leder — gerben. d) Sie färben und fällen Eisensalze schwarz oder dunkelgrün. Die Gerbstoffe reagieren in Lösungen sauer, sind amorph, nicht krystallisierbar, in Wasser und in Weingeist leichtlöslich, und oft sehr schwer zu isolieren. Ihre Bleisalze sind in Wasser unlös- lich , weshalb essigsaures Bleioxyd in Gerbsäure enthaltenden Pflanzenaufgüssen Niederschläge von gerbsaurem Bleioxyd her- vorrufen. Plumbum tannicum pultiforme ist ein solcher durch Bleiessig in einer Abkochung von Eichenrinde (Lohe) er- zeugter Niederschlag. — Nach ihrem Verhalten zu Eisensalzen unterscheidet man eisenschwärzende undeisengrünen de Gerbsäuren. 1. Eisenschwärzende Gerbsäuren: Gallusgerbsäure in den Galläpfeln; Eichengerbsäure in der Eichenrinde; die Gerbstoffe der Granatwurzelrinde, Nelken würz el, Bären- traubenblätter, des chinesischen Thees und der Rosen. 2. Eisengrünende Gerbsäuren: Chinagerbsäure in der Chinarinde; Kinogerbsäure in Kino, Catechugerbsäure im Catechu; Kaffeegerbsäure in den Kaffeebohnen; die Gerb- stoffe der Tormentillwurzel, Ratanhawurzel und des Rha- barbers. § 253. Tannin. Die Galläpfel, sowohl die türkischen und europäischen (Auswüchse auf Eichen infolge des Stiches einer Gallwespe), wie auch die chinesischen (Auswüchse auf einer Su- machart durch den Stich einer Blattlaus), enthalten die Gallus- gerbsäure, Acidum tannicum, gewöhnlich Tannin genannt. Man extrahiert sie am besten durch Äther, da Wasser und Wein- geist auch andere Bestandteile der Galläpfel auflösen. Der äthe- rische Auszug hinterlässt das Tannin beim Eindampfen als eine weissliche, pulverige Masse, welche sich leicht in Wasser, Wein- geist und weingeisthaltigem Äther, schwieriger in reinem Äther auflöst. Schüttelt man daher Tannin mit Äther, welcher mit etwas Wasser versetzt ist, so entsteht eine wässerige, dickliche Lösung, über der der Äther mit wenigem Tannin lagert. Prüfung auf Reinheit: Das Tannin löse sich klar und vollständig in Wasser (zumal beim Erwärmen); diese Lösung werde weder auf Zusatz von Weingeist getrübt, noch wenn man darauf Äther zufügt. {Gallussäure wird vom Äther ausgeschieden.) — 283 Beim Kochen mit Salzsäure , sowie auch durch Gähmng eines wässerigen Auszugs der Galläpfel liefert das Tannin, unter Aufnahme von Wasserelementen, Gallussäure (A cid um gal- 1 i c u m), da es als Digallussäure d. i. als Gallussäure mit Gallus- säureanhydrid zu betrachten ist. CI4H10O9 + H20 = 2C7H605 Gallusgerbsäure Wasser Gallussäure. Die Gallussäure krystallisiert in langen, weissen, glänzenden Nadeln, die sich sehr schwer in Wasser lösen, Eisensalze schwarz fällen, aber den Leim nicht gerinnen machen. Beim Erhitzen zersetzt sich das Tannin und liefert als Sub- limat die Pyrogallu s säure, Acidum pyrogallicum (C6H603), in Form weisser, in Wasser leichtlöslicher Blättchen, deren Lösung, zumal nach Zusatz von Alkali, sich durch lebhafte Sauer- stoffanziehung aus der Luft schnell braun färbt. Sie wirkt auf Silber- salze schon in der Kälte reduzierend; innerlich ist sie ein Gift. § 254. Technische Verwendung der Gerbstoffe. eisenschwärzende Eigenschaft der Gal- lusgerbsäure zur Bereitung der schwarzen Gallustinte. Ein wässeriger Gallusäpfelauszug wird mit ^ Eisenvitriol und arabischem Gummi versetzt; die anfänglich blasse Flüssig- keit schwärzt sich allmählich durch Sauerstoffaufnahme aus der Luft, gallus- gerbsaures Eisenoxyd abscheidend, welches durch das Gummi in der Schwebe gehalten wird. Die sogen. Alizarintinte ist eine Gallustinte, welche durch etwas Oxalsäure entfärbt und dann mittelst Indigolösung (resp. Indigkarmin d. i. indigschwefelsaures Alkali) grünblau gemacht wird. Beim Trocknen tritt die schwarze Farbe wieder ein, da sich die Oxalsäure allmählich zu Kohlensäure oxydiert. In grossem Massstabe verwendet man die Gerbstoffe, insbesondere die Eichengerbsäure , zur Bereitung Man benutzt die des Leders in der Rotgerberei. Man schichtet die tierischen Häute von Rind und Pferd in besondere Gruben mit Lohe (gemahlener Eichenrinde) und lässt sie längere Zeit darin liegen. Fig. 74. — 284 — Die Weissgerberei (Bereitung von Schafleder u. a.) benutzt statt der Lohe Alaun, womit die Felle eingerieben werden. Praktische Übungen. 1. Acidum tannicum. In einem sog. Scheidetrichter (Fig. 74), dessen untere Öffnung mit einem Kork verschlossen worden, übergiesse man gepulverte Galläpfel mit Äther, welchem man etwas Wasser und Weingeist beigegeben, sodass sie völlig damit überdeckt sind, und verschliesse dann die obere Öffnung. Nach 24 Stunden lasse man, unter Wegnahme beider Stöpsel, die gesättigte Lösung abfliessen und gebe, nachdem man unten wieder verschlossen hat, eine neue Portion obiger Äthermischung zu den Galläpfeln, die man abermals nach einem Tage ablasse. Die Gerbsäure- Lösungen werden in gelinder Wärme vorsichtig (damit der Ätherdampf nicht Feuer fange!) zur Trockne gebracht. 42, Die Cyanverbindungen. § 255. Wie sind die Cyanverbindungen zusammengesetzt? Das Cyan*) ist ein aus Kohle und Stickstoff (CN) bestehendes ein- wertiges Radikal**), welches das Zeichen Cy erhalten hat. Es bildet wie die Salzbildner mit Wasserstoff eine Säure, die Cyanwas serstoffsäure (Blausäure) HCy; mit den Me- tallen Cyanide, z. B. Kaliumcyanid (Cyankalium) KCy, Queck- silbercyanid HgCy2. Aus dem Cyanquecksilber kann man das Cyan isolieren, da es beim Erhitzen in metallisches Quecksilber und Cyangas zerfällt, ähnlich wie sich das Quecksilberoxyd durch die Hitze in Metall und Sauerstoff zerlegt. Das Cyangas ist farblos, nach Pfirsichblüten riechend, jedoch höchst giftig, ver- brennt angezündet mit purpurner Flamme (zu Kohlensäure und Stickstoff.) Mit Sauerstoff verbindet sich das Cyan nur indirekt zu Cyansäure; das Cyankalium zieht nämlich beim Schmelzen Sauerstoff aus der Luft an und geht in cyansaures Kali über (KCy + 0 = KCyO). Aus demselben lässt sich aber die Cyan- säure nicht durch Säuren isolieren, da sie alsdann unter Wasser- aufnahme in Ammoniak und Kohlensäure zerfällt (HCNO -f- H20 = KE3+C03). Cyankalium KCy Cyanwasserstoff HCy Cyanammonium NH4Cy Cyansäure HCyO Cyansilber AgCy Eisencyanür FeCy2 Quecksilbercyanid HgCy2 Eisencyanid Fe2Cy6 Goldcyanid AuCy3 Die einfachen Cyanverbindungen zeichnen sich durch grosse Giftigkeit aus. Nicht giftig sind aber die *) Cyan von 7.üa.voc, (blau) wegen seines Vorkommens im Berlinerblau. **) Im Cyan sind die 4 Werte des Kohlenstoffatoms durch die 3 Werte des Stickstoffatoms bis auf einen Wert gesättigt: (N = C — ?). Sein Atomgewicht = 12 -f- 14 = 26. — 285 - eisenhaltigen Cyanverbindungen, welche sich auch ausserdem durch völlig verändertes Verhalten von den einfachen Cyaniden unter- scheiden. Das Eisen ist nämlich im Radikal enthalten und lässt sich weder durch Schwefelammonium als Schwefeleisen, noch durch Ätzalkalien als Eisenoxydhydrat, noch durch Gerb- stoffe ausscheiden. Erst in der Glühhitze zerlegen sich jene Verbindungen , und dann ist das Eisen in gewöhnlicher Weise nachweisbar. Der eisenhaltigen Cyan-Radikale giebt es zwei: 1. Ferrocyan, FeCy6 = Cfy, bestehend aus 6 Cyanatomen, welche durch ein zweiwertiges Eisenatom verbunden sind und daher vi er wertig auftreten*). Beispiel: Ferrocyankalium (gelbes Blutlaugensalz) K4FeCy6 = K4Cfy. 2) Ferridcyan, Fe2Cy12 = Cfdy, bestehend aus 12 Cyan- atomen, durch ein Doppelatome des dreiwertigen Eisens verbunden und daher sechswertig auftretend. Beispiel: Ferridcyankalium (rotes Blutlaugensalz) K6Fe2Cy12 = KeCfdy. Berzelius betrachtete das gelbe Blutlaugensalz als ein Doppelsalz zwischen Cyankalium und Eisencyanür (FeCy2), nannte es daher Kalium- eisencyanür und gab ihm die Formel: (4KCy -\- FeCy2). Das rote Blut- laugensalz betrachtete er als ein Doppelsalz zwischen Cyankalium und Eisencyanid (Fe2Cy6), nannte es daher Kaliumeisencyanid und gab ihm die Formel: (6KCy -f- Fe2Cyfi). § 256. Wie bilden sich die Cyanverbindungen? Der Ausgangs- punkt sämtlicher Cyanverbindungen ist die -stickstoffhaltige Kohle, wie sie beim Verkohlen stickstoffhaltiger organischer Materien z. B. des Fleisches, Blutes, der Knochen u. s. f. als Blutkohle, Knochenkohle u. a. gewonnen wird. Es ist bis jetzt noch unbekannt, in welcher näheren Verbindung der Stickstoff in dieser Tierkohle enthalten ist. Wird die Tierkohle mit kohlensaurem Kali geglüht und nach Zugabe von Eisen mit Wasser gekocht, so krystallisiert aus der Flüssigkeit ein gelbes Salz, das gelbe Blut laugensalz, Ferrocyankalium. Beim Glühen der Stickstoff kohle mit dem Alkali entsteht nämlich Cyankalium, welches bei der nachfolgenden Behandlung mit metallischem Eisen in Ferrocyankalium übergeht. Schmilzt man das gelbe Blutlaugen salz (Ferrocyankalium) in einem verschlossenen Tiegel in der Rotglühhitze, so wird das Eisen als Kohlenstoffeisen ausgeschieden und die abgegossene Schmelzmasse erstarrt zu weissem Cvankalium: K4Fe(CN)6 = 4KCN + FeC, + 2Kf Ferrocyankalium Cyankalium Kohleneisen Stickgas. Strukturtormel des Ferrocyan: /? — C— N | N- C— ?\ II II * II II N C — Fe — C N - C=N N=C — ? - 286 - Wird dem schmelzenden Ferrocyankalium jedoch Pottasche zugesetzt, so scheidet sich metallisches Eisen ab und die Schmelzmasse erstarrt nach dem Abgiessen zum sogen. Liebigschen Cyankalium, einem Gemenge aus Cyankalium mit cyansaurem Kali: K4FeCy? + K2C03 = 5KCy + KCyO + Fe -f C02 Ferrocyankalium kohlensaures Cyankalium cyansaures Eisen Kohlensäure. Kali Kali Interessant ist die Entstehung des Cyankaliums, wenn man Stickstoff in der Weissglühhitze über ein Gemenge von Kohle und kohlensaurem Kali leitet, wobei Kohlenoxydgas entweicht (K>C03 -f- 4C -\- 2N = 2KCN + 3 CO). Das Cyankalium (KCy) ist ein weisses, an der Luft zer- fliessliches Salz, welches nach Blausäure riecht, in Wasser sehr leicht, in Weingeist kaum löslich ist und höchst giftig wirkt, da es auf Zusatz der schwächsten Säuren Blausäure abgiebt. §257. Die Blausäure. Die Cyan Wasserstoff säure (Acidum hydrocyanicum) , HCy, gewöhnlich Blausäure (Acidum borussicum) — abgeleitet vom Berlinerblau — genannt, wurde 1782 von Scheele entdeckt und bildet eine schon bei 26° siedende Flüssigkeit von höchster Giftigkeit, die schon in geringster Menge eingeatmet tötet. Man hält sie zuweilen in den Apotheken in 2prozentiger Lösung vorrätig, die man durch Destillation des gelben Blutlaugensalzes mit verdünnter Schwefel- säure als eine klare, farblose Flüssigkeit gewinnt, deren bitter- mandelähnlicher Geruch sich besonders im Gaumen bemerkbar macht. Sie fällt, ähnlich der Salzsäure, aus Silbersalzen weisses, unlösliches Cyansilber (AgCy), welches aber von Cyankalium leicht aufgelöst wird zu einem Doppelsalze: (KCy + AgCy). Die Lösung der Blausäure ist wenig haltbar, zumal im Lichte; sie bräunt sich allmählich und setzt schliesslich einen braunen Bodensatz ab, zugleich ameisensaures Ammoniak bildend (HNC -\- 2H20 = NH4, CH02). Einige Tropfen Schwefelsäure erhöhen ihre Haltbarkeit. Sicherer ist ihre Anwendung im blausäure- haltigen Bittermandelöle, welches im Bittermandelwasser aufge- löst enthalten ist. §258. Die Blutlaugensalze. Das Ferrocyankalium, Kalium ferrocyanatum (K4Cfy + 3aq.), gelbes Blutlaugensalz oder blausaures Eali (Kali borussicum) genannt, krystallisiert in gelben, quadratischen Prismen, die sich im Wasser leicht auf- lösen. Versetzt man seine Lösung mit Metallsalzen, so entstehen die Ferrocyanide dieser Metalle ; so bildet es mit Zinkvitriol einen weissen Niederschlag, das Ferrocyanzink*), Zincum ferro- cyanatum (Zn2Cfy), nicht zu verwechseln mit dem giftigen *) K4Cfy -|- 2ZnS04 = 2K2S04 + Zn2Cfy. 287 — reinen Cyanzink (Zincum cyanatum sine ferro!); mit Eisenoxyd- salzen giebt es das tiefblaue Berlinerblau, Ferocyaneisen (Fe4Cfy3), einen für die Eisenoxydsalze charakteristischen Nieder- schlag, der zur Erkennung der Eisenoxydsalze dient und auch in der Färberei häufig zur Anwendung gelangt. 3K4Cfy + 2Fe2Cle = Fe4Cfy3 + 12KC1 Ferrocyankalium Eisenchlorid Ferrocyaneisen Chlorkalium. (Berlinerblau) Durch Chloreinleitung in eine Ferrocyankalium - Lösung entsteht das Ferridcyankalium, Kalium ferricyanatum (K6Cfdy), neben Chlorkalium. 2K4FeCy6 + 2C1 = K?Fe2Cy12 + 2KC1 Ferrocyankalium Chlor Ferridcyankalium Chforkalium. Dasselbe krystallisiert in granatroten Säulen und trägt daher den Namen rotes Blutlaugensalz. Man gebraucht es als Reagens auf Eisenoxydulsalze, mit denen es einen dem Berliner- blau sehr ähnlichen, tiefblauen Niederschlag, das Ferridcyan- eisen (Fe3Cfdy), hervorbringt. Mit Eisenoxydsalzen giebt es aber keine Fällung. K6Cfdy + 3FeS04 = Fe3Cfdy + 3K2S04 Ferridcyankalium Eisenvitriol Ferridcyaneisen schwefelsaures Kali. In beiden Blutlaugensalzen besitzen wir sehr wertvolle Reagentien auf die Eisensalze. Das gelbe Ferrocyankalium ruft in Eisenoxydsalzen, das rote Blutlaugensalz in Eisenoxydulsalzen dunkelblaue Niederschläge hervor ; bei grösserer Verdünnung tritt eine blaue Färbung ein. Ausserdem ist das Ferrocyankalium ein empfindliches Reagens auf Kupfersalze, in deren Lösung es braun- rotes Ferrocyankupfer niederschlägt. Nachweis des Cyan: Auf der Erzeugung von Berlinerblau beruht eine Prüfung auf Cyanverbindungen. Man ver- setzt die auf Cyan zu untersuchende Flüssigkeit mit etwas Eisen- vitriol und Eisenchlorid , darauf mit überschüssiger Natronlauge und erwärmt ; hierdurch scheidet sich Eisenoxyduloxydhydrat aus, welches mit dem Cyan Berlinerblau bildet, wenn man mit Salz- säure übersättigt. §259. Cyanquecksilber. Das Cy anquecksilber, Hydrargy- rura cyanatum (HgCy2), ist ein in Wasser, sowie in Weingeist lösliches Salz in weissen Krystallen, welches beim Erhitzen in Cyan und Quecksilber zerfällt und sehr giftig wirkt. Man ge- winnt es durch Kochen von Berlinerblau mit Quecksilberoxyd und Abdampfen der Lösung zur Krystallisation. § 260. Schwefelcyan. Schmilzt man Cyankalium oder gelbes Blutlaugensalz (mit und ohne Beigabe von kohlensaurem Kali) mit Schwefel zusammen, so entsteht die Verbindung des Kaliums — 288 — mit Schwefelcyan (R h o d a n) , einem einwertigen Radikal (CNS) = Rd. Das Schwefelcyankalium, auch Sulfocyankalium oder Rhodankalium genannt, Kalium sulfocyanatum (rho- danatum), KCNS=KRd*), krystallisiert in farblosen, zerniess- Hchen Säulen, welche sich leicht in Wasser und Weingeist lösen. Man gebraucht es als Reagens auf Eisenoxydulsalze, mit denen es blutrotes E i senrhodanid (Pe2Rd6) hervorbringt. Eisen- oxydulsalze werden durch Rhodankalium nicht gefärbt; Versnche und praktische Übungen. 1. Blausäuredestillation. Man übergiesse in einem Kölbchen 10 g zerbröckeltes gelbes Blutlaugensalz mit 30 g Wasser, 60 g Weingeist und 10 g engl. Schwefelsäure und destilliere, nacb Anpassung einer doppelt- gebogenen Glasröhre (Fig. 75), bei massiger Flamme oder aus dem Wasserbad, 50 — 60 g in ein als Vorlage dienendes Fläschchen über, welches man von aussen kühl halte. (Man hüte sich sorgsam vor dem Einatmen der Dämpfe!) 2. Kalium sulfocyanatum. Man mische 2 Teile zerriebenes gelbes Blutlaugensalz mit 1 Teil gereinigtem Schwefel und schmelze sie in einer Porzellanschale über schwachem Feuer. Wenn die Masse flüssig und schwärzlich ge- worden ist, lasse man erkalten, pulvere sie und koche sie mit 20 — 30 Teilen Wasser aus, worauf man filtriert und auf wenige Teile eindampft; das Rhodankalium krystalli- siert in spiessigen Krystallen aus, die man in einem bedeckten Trichter gut abtropfen lässt (nicht abwäscht) und auf Fliesspapier schnell trocknet. 43, Die ätherischen Öle. § 261. Allgemeiner Charakter der ätherischen Öle. Zahlreiche Ge- wächse besitzen gewisse Riechstoffe, welche man ätherische Öle, Olea aetherea, nennt, und welche sich durch folgende Gesamteigenschaften auszeichnen : 1. Sie sind öliger Natur, lösen sich nur wenig in Wasser, leicht aber in absolutem Alkohol, Äther und fetten Ölen und er- zeugen auf Papier einen Fettfleck, der wieder verschwindet. 2. Sie sind flüchtiger Natur, verdunsten an der Luft, verflüchtigen sich mit den Wasserdämpfen, sieden aber, für sich allein erhitzt, erst in einer 100° weit übersteigenden Temperatur. Die ätherischen Öle sind grossenteils tropfbarflüssig, einige ganz starr (wie der Kampfer), andere ein festes Öl enthaltend und dasselbe in der Kälte ausscheidend. Man nennt dann den *) Strukturformel: C=N I S— K - 289 — krystallinischen Teil Stearopten, den flüssig gebliebenen Elaeopten. So besteht das Anisöl fast nur aus Stearopten und erstarrt in der Kälte völlig; dasselbe Stearopten findet sich im Fenchelöl, aber mit Elaeopten gemischt. Die ätherischen Öle sind meist leichter als "Wasser und schwimmen auf demselben; jedoch sinken darin unter: das Zimtöl, Nelkenöl, Bittermandelöl und Senföl. Wasser nimmt nur wenig von den ätherischen Ölen auf, nimmt aber ihren Geruch an; Weingeist löst sie reichlicher, viele klar, andere nur trübe (wie das Wacholderöl und Terpentinöl). Bei längerer Aufbewahrung nehmen die ätherischen Öle Sauerstoff aus der Luft auf, werden dickflüssig, verharzen und verlieren an Geruch. Sie wandeln einen Teil des aufgenommenen Sauerstoffs in Ozon um, wie ihre bleichende Einwirkung auf die Korkstopfen zeigt. (Ozonträger!) § 202. Wie sind die ätherischen Öle zusammengesetzt? Die äthe- rischen Öle zeigen in ihrer Zusammensetzung wenig Übereinstim- mung. Dazu kommt, dass sie meistens Gemenge mehrerer verschie- dener Öle sind, in welche sie sich oft nur schwierig trennen lassen. Man unterscheidet: a) Nur aus Kohle und Wasserstoff bestehende ätherische Öle. Hier begegnen wir einer Gruppe, deren Glieder nach der Formel CÖH8 oder C10H16 zusammengesetzt sind und im allge- meinen Camphene oder Terpene genannt werden. Es rechnen sich hierzu die Öle der Koniferen, wie das Terpentinöl, Sadebaumöl, Wacholderöl. Solche Camphene sind ferner (neben einem sauerstoffhaltigen Öle) im Bergamottöl, Ci- tronenöl, Kümmelöl enthalten. b) Aus Kohle, Wasserstoff und Sauerstoff bestehende ätherische Öle. Hierhin gehören die Öle der Labiaten, wie das Pfefferminz- und Krauseminzöl, Lavendelöl, Ros- marinöl, Thymian öl; ferner einige sauer reagierende oder mit der Zeit säuernde, wie das Nelkenöl (mit der Nelkensäure), Zimtöl (mit der Zimtsäure) ; endlich der Kampfer, ein reines Stea- ropten, das Oxyd der Camphene (C10H]6O). Letzterem schliesst sich der Kantharidenkampfer oder das Kantharidin in den spanischen Fliegen, sowie der Alantkampfer oder das Helenin in der Alantwurzel an. Im Thymianöl findet sich das in Alkalien lösliche Thymol, Thymolum, welchem antiseptische (gährungswidrige) Wirkungen zukommen. Man sondert es aus dem Thymianöl durch Schütteln mit Natronlauge und scheidet es von derselben durch Säure aus. Es krystallisiert in farblosen Säulen, die sich nicht in Wasser, leicht in Weingeist auflösen. Schlickum, Apothekerlehrling. 19 - 290 - Eine besondere Erwähnung verdient das giftige blausäure- haltige Bittermandelöl, das Aldehyd der Benzoesäure. Durch Destillation mit Kalk kann demselben die Blausäure entzogen werden (als Cyancalcium) ; dann gewinnt man das Benzaldehyd rein — als ein im Gerüche nicht abweichendes, aber nicbt giftiges Öl. Wässerige Lösungen des Bittermandelöls sind 1. das Bitter- mandelwasser, Aqua Amygdalaruni amararum, ein wäs- seriges Destillat der bitteren Mandeln, 2. das Kirschlorbeer- wasser, Aqua Lauro-Cerasi, ein wässeriges Destillat der frischen Kirschlorbeerblätter. Der Blausäuregehalt dieser destil- lierten Wässer soll 1 pro Mille betragen. Bestimmung des Blausäuregehaltes im Bittermandel- und Kirschlorbeerwasser: Man fällt die Blausäure durch Silberlösung, sammelt den Niederschlag auf einem bei 100° getrockneten und genau gewogenen Filter, trocknet bei 100° und wägt ihn. 5 Teile Cyansilber entsprechen 1 Teil Blausäure, Schneller verfährt man massanalytisch durch Anwendung einer Silberlösuug von bestimmtem Silbergehalte. 1. Nach Liebig: Man ver- setzt Bittermandelwasser mit Kalilauge und tröpfelt so lange Silberlösung (0,32: 100) zu, bis der entstehende Niederschlag (AgCy) nicht mehr verschwindet. Dann ist gerade die Hälfte der Blausäure in Cyansilber übergegangen, welches von der zweiten Hälfte des entstandenen Cyankaliums aufgelöst gehalten wird. 1 ccm Silberlösung = 0,001 g HCy. Ein weiterer Zusatz von Silbernitrat erzeugt bleibende Trübung, da sich kein Cyankalium mehr zur Auflösung des entstehenden Cyansilbers vorfindet. — 2. Nach Mohr und Pharm. Germ. II. : Man giebt dem Bittermandelwasser etwas Magnesia- hydrat hinzu (um Cyanmagnesium zu bilden), darauf einige Tropfen chrom- saure Kalilösung und so lange volumetrische Silbernitratlösung, bis der weisse Niederschlag (Cyansilber) anfängt, rötlich zu werden (durch be- ginnende Ausscheidung von rotem chromsauren Silber). 1 ccm Silberlösung giebt 0,001 g HCy an. c) Aus Kohle, Wasserstoff und Schwefel bestehende ätherische Öle, Verbindungen des Kadikais Allyl*) (C3H5), welches mit dem Grlyceryl gleich zusammengesetzt, aber einwertig ist; das Knoblauchöl ist Schwefelallyl , das ätherische Senf öl dem Rhoclanallyl oder Schwefelcyanallyl (C3H5CNS) isomer. § 263. Wie gewinnt man die ätherischen Öle? Die grosse Mehr- zahl der ätherischen Öle findet sich in den Pflanzen fertig ge- bildet vor. Sehr häufig sind sie im ganzen blühenden Kraute, z. B. in Dost, Thymian, Quendel, Salbei, Minze, Melisse; oder nur in den Blüten, z. B. bei Rosen, Kamillen ; auch wohl in den Früchten, z. B. beim Kümmel, Fenchel, Anis, Sternanis, den Pomeranzen, Citronen; oder in den Samen, wie den Muskatnüssen, enthalten. Bei den Koniferen finden wir sie im Holze, in den Nadeln u. a., beim Zimt in der Rinde, beim Baldrian in der Wurzel. In seltenen Fällen lässt sich das ätherische Öl aus den *) Allyl von allium, Lauch. — 291 - Pflanzenteilen mechanisch auspressen, wie das Citronenöl, Bergamottöl und Pomeranzenschalenöl aus den Schalen der Citrone, Bergamotte und Pomeranze. Die übrigen ätherischen Öle ge- winnt man durch Destillation mit Wasserdampf. Früher weichte man die zerkleinerten Pflanzenteile direkt in Wasser und destillierte über freiem Feuer ; jetzt leitet man gespannte Wasser- dämpfe durch die trockenen Pflanzenteile. Man erhält alsdann neben dem ätherischen Öle ein damit geschwängertes destilliertes Wasser; beide werden mechanisch durch den sog. Scheidetrichter getrennt. Zwei der offizinellen ätherischen Öle finden sich nicht in den Gewächsen fertig gebildet, sondern entstehen erst, wenn man die gepulverten Pflanzenteile mit Wasser anrührt, durch Einwirkung eines Eiweissstoffes infolge einer Art Gährung. Es sind dies das Bittermandelöl und Senf öl. Das Bitter- mandelöl entsteht aus dem in den bitteren Mandeln enthaltenen Bitterstoffe, dem Ainygdalin, welches den süssen Mandeln fehlt. Bührt man zerstossene bittere Mandeln mit Wasser an, so entwickelt sich das Bittermandelöl, von welchem zuvor keine Spur vorhanden war , zufolge der Einwirkung eines in den Mandeln enthaltenen Eiweissstoffes (Emulsin) auf das Amyg- dalin. Letzteres ist ein Glykosid und spaltet sich, unter Auf- nahme von Wasserelementen, in Zucker und blausäurehaltiges Bittermandelöl. Nämlich : aoE^NOn + 2H20 = C7H6Ü,HCF -f- CA.C^ . Amygdalin Wasser Bittermandelöl Zucker. Ähnlich verhält es sich mit dem Senföle. Im schwarzen (nicht im weissen) Senf finden sich my ronsau res Kali*), neben einem Eiweissstoffe (Myrosin) , dessen Einwirkung bei Wasserzutritt sofort eine Spaltung des myronsauren Kalis in schwefelsaures Kali und ätherisches Senföl hervorruft. Rührt man das Senfpulver mit Wasser an, zur Anfertigung eines Senf- teiges (Sinapismus), so tritt diese Gährung ein und liefert Senföl. Das ätherische Senföl lässt sich auch künstlich darstellen durch Destillation des Jodallyls mit Rhodankaliuni , wobei Jod- kalium in der Retorte zurückbleibt und Senföl überdestilliert. Versuche. 1. Aniygdalin undJBittermanclelöl. Man zerstosse 100 g bittere Mandeln, presse das fette Öl möglichst vollständig ab und koche den zer- riebenen Rüchstand zweimal mit 150 g Weingeist aus, die Lösung heiss filtrierend. Man dampfe die gemischten Flüssigkeiten auf ihren sechsten Teil ein und mische dem erkalteten Rückstande sein halbes Volum Äther zu. Das Amygdalin wird ausgeschieden und kann durch Umkrystallisieren aus heisser, weingeistiger Lösung gereinigt werden. *) Myronsäure von [/.upov, Senf. 19* — 292 — Fügt man einige dg desselben zu Mandelmilch oder mit Wasser ver- dünntem Mandelsyrap, so tritt alsbald der Geruch nach Bittermandelöl auf. Stöchiometrische Aufgaben. 1. Wieviel Prozent Amygdalin enthalten die Mandeln wenn 1 kg derselben 1 g Blausäure liefert? — Antw. HCN : (C^H^NOn -j- 2aq.) = 27 : 488; x = 1,8%. 2. a) Wieviel salpetersaures Silberoxyd erfordert 0,001 g Blausäure zur Fällung? b) Wieviel Cyansilber wird dabei gebildet? — Antw.- a) HCN : AgN03 = 27 : 170; x = 0,0063 g. b) HCN : AgCN = 27 : 134; x = 0,005 g. 3. Wieviel salpetersaures Silberoxyd verlangt 0,10 g Blausäure zur Bildung von (KCy -j- AgCy)? — Antw. 2 HCN : AgN03 = 2 X 27 : 170; x = 0,315^. 44. Die Harze. § 264. Was sind Harze? Es findet sich im Pflanzenreiche eine Klasse von Körpern verbreitet, die man Harze nennt; zu- mal sind einzelne Familien, wie die Koniferen und Terebinthaceen, reich an solchen und lassen sie häufig freiwillig aus den Rissen und Verwundungen der Stämme und Äste ausfliessen und an der Luft erhärten. Die Harze bestehen aus Kohle, "Wasserstoff und Sauerstoff; sie sind im reinen Zustande fest, farblos und geruchlos, amorph (nicht krystallinisch), unlöslich im Wasser, leichtlöslich in Wein- geist, viele auch in Äther. Wird eine weingeistige Harzlösung in Wasser gegossen, so scheidet sich das Harz in Verbindung mit Wasser, Harzhydrat, als amorphes Pulver ab. In ihrem chemischen Verhalten sind die Harze zum Teil in- different, zum Teil saurer Natur, insofern sich solche in Ätzalkali- laugen zu sogen. Harz seifen auflösen, aus welcher Lösung sie durch Säuren ausgeschieden werden. Die Harze schmelzen in der Wärme, sind aber nicht flüchtig ; angezündet verbrennen sie mit stark russender Flamme. § 265. Wie teilt man die Harze ein? Die Harze finden sich in der Natur selten rein, gewöhnlich mannigfaltig vermischt und durch fremdartige Materien verunreinigt. Je nach diesen Bei- mengungen lassen sie sich unterscheiden in: a) Hartharze, spröde und hart, meist Gemenge mehrerer Harze und sehr häufig saurer Natur (in Ätzalkalien löslich) ; an Wasser geben sie nichts ab. Hierhin gehören die Harze der Koniferen: Fichtenharz (aus einem sauren Harze, der Abietin- säure, bestehend), durch Schmelzen in Kolophonium sich ver- ändernd (mit Kolopholsäure), Sandarak, Dammarharz; die Harze der Terebinthaceen: El ein i, Mastix; ferner Benzoe — 293 — (mit 20 % Benzoesäure, die einer braunen Harzmasse eingebettet ist), Guajakharz (aus zwei sauren Harzen), Jalapenharz, Podophyllin, Kopal, Schellack. Hierhin gehört auch der Bernstein, das Harz einer vorweltlichen Konifere (Pinus succi- nifera), mit einem Gehalt an Bernsteinsäure. b) Schleimharze oder Gummiharze, Gemenge aus Harzen mit Gummi, häufig auch ätherisches Öl führend. Sie lassen sich mit "Wasser zu einer Emulsion verreiben; Weingeist löst aus ihnen die harzigen Bestandteile, mit Zurücklassung des Gummi. In gelinder Wärme erweichen sie, ohne jedoch ein voll- ständiges Schmelzen zu gestatten. Hierhin gehören aus der Familie der Doldengewächse: Stinkasant (mit einem schwefel- haltigen ätherischen Öle), Ammoniakgummi und Galbanum; aus den Terebinthaceen : Weihrauch und Myrrhe; ferner Euphorbium und Gutti. c) Balsame, dickflüssige Lösungen von Harz in ätherischem Öle. Sie lassen sich nicht im Wasser mischen, lösen sich aber in Weingeist, Äther, Terpentinöl u. a. Hierhin gehören der Ter- pentin (Eichtenharz in Terpentinöl gelöst), Kopaivabalsam, Perubalsam, flüssiger Storax (beide letzteren mit Zimtsäure). Den Harzen reihen sich zwei Körper eigener Konstitution an : das Kautschuk und die Guttapercha. Beide bestehen nur aus Kohle und Wasserstoff; sie lösen sich weder in Wasser, noch in Weingeist, kaum in Äther, dagegen in ätherischen Ölen (Benzin, Terpentinöl), Chloroform und Schwefelkohlenstoff. Es sind erhärtete Milchsäfte südländischer Gewächse und zeichnen sich durch grosse Elastizität aus ; die Guttapercha erweicht in heissem Wasser und schmilzt bei 100°, erhärtet aber beim Erkalten wieder. § 266. Die Bernsteinsäure. Im Bernstein (Succinum) ist eine besondere organische Säure enthalten, die Bernsteinsäure, Acidum succinicum (C4H604), welche sich von der Apfel- säure durch den Mindergehalt eines Sauerstoffatoms unterscheidet. Bei der Erhitzung des Bernsteins, zur Bereitung von Bernstein- firnis, sublimiert die Säure in gelblichen Krusten, getränkt von brenzlichem Bernsteinöl (Oleum Succini), welches ihr seinen empyreumatischen Geruch erteilt. Durch Umkrystallisieren aus heissgesättigter wässeriger Lösung erhält man sie reiner und weniger stark riechend. Die chemisch reine Bernsteinsäure ist dahingegen färb- und geruchlos und wird durch Gährung des äpfelsauren Kalkes mit faulem Käse gewonnen. Die Bernsteinsäure löst sich leicht in Wasser und in Wein- geist; beim Erhitzen sublimiert sie. Ihre neutralen Salzlösungen werden durch Eisenchlorid braun gefällt; Salzsäure löst jedoch das bernsteinsaure Eisenoxyd wieder auf. - 294 — Von den bernsteinsauren Salzen wird das bernsteinsaure A m m o n i a k in Lösung, Liquor Ammonii succinici, arznei- lich gebraucht. Man stellt es dar durch Sättigung des brenzlich kohlensauren Ammoniaks mit Bernsteinsäure ; es ist beladen mit ätherischem Bernsteinöl und Tieröl. § 267. Die Benzoesäure. Im Harz der Benzoe liegt eine orga- nische Säure, die Benzoesäure, Aciclum benzoicum (C7H60.2), eingebettet. Man kann sie durch Auskochen des gepulverten Harzes mit Kalkmilch, Filtrieren und Zusatz von Salzsäure als kristallinischen Niederschlag in weissen feinen Nadeln erhalten. Diese Säure riecht noch schwach nach der Benzoe ; sie löst sich leicht in Weingeist, sowie in siedendem Wasser, woraus sie beim Erkalten grösstenteils auskrystallisiert ; beim Erhitzen sublimiert sie in weissen, zu Husten reizenden Dämpfen. Sie hat mit der Bor- säure das gemeinsam, dass sie sich beim Kochen ihrer wässerigen Lösung teilweise mit den Wasserdämpfen verflüchtigt. Ihre neu- tralen Salzlösungen verhalten sich zu Eisenchlorid wie die Bern- steinsäure: sie werden braungelb gefällt; Salzsäure löst aber das benzoesaure Eisenoxyd wieder auf. Offizineil ist nur die durch Sublimation aus der Benzoe gewonnene Säure, früher Elores Benzoe genannt. Dieselbe zeigt eine etwas gelbliche Farbe und einen starken, aromatischen, schwach brenzlichen Geruch, von einem ätherischen Öle herrührend, welches aus dem schmelzenden Benzoeharze sich entwickelt. Man führt die Sublimation in einem flachen eisernen Grapen aus, über welchem ein Hut aus starkem Papier oder ein hölzerner, innen mit Glanzpapier ausgefütterter Kasten zur Aufnahme der ver- dichteten Säure angebracht wird. Die Benzoesäure entsteht auch künstlich aus der Hippur- säure, durch Kochen mit Alkalien, wobei dieselbe in Benzoe- säure und Glykokoll (Leimsüss) zerfällt. Da die Hippursäure aus dem Harn der Pferde gewonnen wird, so haftet der ihr entstam- menden Benzoesäure (Acidum benzoicum ex urina) hartnäckig ein Harngeruch an. Chemisch reine Benzoesäure ist ohne Geruch und wird aus Toluol (eine dem Benzol ähnliche Flüssigkeit aus dem Steinkohlentheer) dargestellt. Prüfung der Benzoesäure: Sie muss ohne Rückstand sich sub- limieren lassen (ein kohliger Rückstand: Hippursäure) ; mit übermangan- saurem Kali erwärmt darf sie nicht den Geruch nach Bittermandelöl ab- geben (Zimt säure), auch muss ihre wässerige Lösung mit einem kleinen Zusatz von Kaliumpermanganat sich in einiger Zeit entfärben (zufolge des Gehaltes an brenzlichem Öle; künstliche und die durch Krystallisation aus der Benzoe gewonnene Benzoesäure entfärbt das Kaliumpermanganat nicht). Ton den benzoesauren Salzen, Benzoaten, ist das benzoesaure Natron, Natriumbenzoat, Natrium benzoicum (NaC;Hä02), offi- — 295 — zinell. Man gewinnt es durch Sättigung der (künstlich dargestell- ten) Benzoesäure mit kohlensaurem Natron und Abdampfen der Lösung als weisses Salz, welches sich in Wasser leicht auflöst. Säuren scheiden aus seiner Lösung die Benzoesäure als weissen Krystallbrei ab. § 268. Der Benzoesäure verwandte Säuren, a) Durch den Mehr- gehalt von einem Sauerstofiatom unterscheidet sich von der Benzoe- säure die ihr sehr ähnliche, geruchlose, weisse Salicylsäure, Acidum salicylicum, die als vorzügliches antiseptisches (gährungs- widriges) Mittel angewendet wird. Ihre Formel ist daher (HC7H503). Sie löst sich noch schwieriger in kaltem "Wasser wie die Benzoe- säure, leichter in siedendem Wasser, sehr leicht in Weingeist und Äther. Man gewinnt die Salicylsäure aus der Karbolsäure, durch Einwirkung von Kohlensäure*); ihren Namen führt sie vom Sali ein, einem in der Weidenrinde enthaltenen Glykoside, aus dem man sie zuerst darstellte. Die Salicylsäure hat mit der Karbolsäure die Beaktion gemeinsam, durch Eisenchlorid blau- violett gefärbt zu werden. Yon den salicylsauren Salzen hat das salicylsäure Natron, Natriumsalicylat, Natrium salicylicum (NaC7H503), medizinische Anwendung gefunden. Ein weisses, in Wasser sehr leicht lös- liches, mikrokrystallinisches Salz, durch Sättigung der Salicyl- säure mit kohlensaurem Natron dargestellt. Die Lösung dieses Salzes wird bei Erhitzen und Abdampfen braun, zumal bei einem Überschuss an Alkali, wesshalb der letztere sehr zu vermeiden ist. b) Die Zimtsäure vertritt die Benzoesäure in den aus Sumatra stammenden Benzoesorten, nähert sich in ihrer Zusammen- setzung sehr derselben, ist ihr auch in ihren äusseren Eigen- schaften ungemein ähnlich, aber leicht von ihr zu unterscheiden durch ihr Verhalten zu oxydierenden Mitteln, durch welche die Zimtsäure in Benzaldehyd (Bittermandelöl) übergeführt wird**). Erhitzt man Zimtsäure mit einer Lösung von übermangansaurem Kali, so entwickelt sich der Geruch nach Bittermandelöl. § 269. Einige eigentümliche Säuren. Es mögen an dieser Stelle noch folgende eigentümliche organische Säuren Erwähnung finden : 1. Die Chrysophansäure findet sich im Rhabarber u. a. und erscheint in goldgelben Nadeln, die sich nicht in Wasser, aber mit dunkelroter Farbe in kohlensauren und ätzenden Alkalien lösen. (Daher erscheint die mit Kaliumkarbonat bereitete wässerige *) C6H60 + C°2 = C7H603 Karbolsäure Kohlensäure Salicylsäure. **) C9H802 + 40 = C-H60 + H20 + 2C0, Zimtsäure Sauerstoff Benzaldehyd Wasser Kohlensäure 296 Rhabarbertinktur dunkelrot.) Künstlich entsteht sie durch Oxy- dation aus dem Chrysarobin, dem sog. Goapulver aus Brasilien. Letzteres findet sich daselbst in Hohlräumen eines gewissen Baumes und wird durch Auflösen in Benzol gereinigt; ein gelbes, in Wasser unlösliches Pulver , dessen Lösung in Kalilauge aus der Luft Sauerstoff anzieht und allmählich durch Übergang in Chry- sophansäure rot wird.*) 2. Das Santonin, Saiitoninum , Anhydrid der S anton- säur e, findet sich als wirksames Prinzip im Wurmsamen. Man gewinnt es durch Auskochen des letzteren mit Kalkmilch und Versetzen des Piltrates mit Salzsäure, wobei sich das Santonin abscheidet. Es bildet farblose, geruchlose, glänzende Blättchen, die sich sehr schwer in Wasser, leicht in Weingeist, Äther, Chloro- form lösen und im Lichte gelb werden, ohne sich dabei chemisch zu verändern. Man bereitet durch Auflösen von Santonin in Natronlauge und Krystallisierung das in Wasser lösliche san- tonsaure Natron, Natrium santonicum. Versuche und praktische Übungen. 1. Sublimation der Benzoesäure. Den einfachsten Apparat, wie er zu einem Versuche im Kleinen genügt, zeigt Fig. 77. Man überklebe einen flachen, möglichst niedrigen eisernen Tiegel (a), dessen Boden man gleichmässig mit zerstossener Benzoe bestreut hat, zunächst mit einem Bogen recht lockeren Fliesspapiers oder Gaze (b), dann mit einem aus dichtem Papier, inner- seits Glanzpapier, gefertigten Hut (c), den man (bei d) fest aufbinde. Das Ganze werde ohne die geringste Erschütterung auf einer eisernen Platte (e), welche dünn mit Sand bestreut worden, mehrere Stunden gelinde erhitzt. Nimmt man alsdann den Hut vorsichtig ab, so findet man seine Innenfläche mit zarten, weissen Nadeln von Benzoesäure überzogen. 2. Krystallisierte Benzoesäure. Man löscht 1 Teil Kalk, mischt 2 Teile gepulverte Benzoe hinzu und kocht mit je 50 Teilen Wasser mehrere Male aus; die filtrierten Auszüge werden gemischt, auf 40 Teile abgedampft und mit soviel Salzsäure versetzt, bis kein Niederschlag mehr entsteht. Die ausgeschiedene Benzoesäure wird auf Leinwand gesammelt, ausgedrückt und in ihrer 20 fachen Menge siedendem Wasser gelöst, woraus sie beim Erkalten auskrystallisiert. 3. Natrium salicylicum. Man verreibe gleiche Gewichtsmengen krystallisierter Soda und Salicylsäure in einem Porzellanmörser kräftig_ und lasse die durch die entweichende Kohlensäure schaumig werdende, teigige Masse in lauer Wärme eintrocknen. Will man das Salz krystallisiert Fie. 76. *) C30H26O7 + 40 = 2C15H1U04 + 3H20 Chrysarobin Sauerstoff Chrysophansäure Wasser. — 297 — erhalten, so übergiesse man den trocknen Rückstand in einem Kolben mit der 5 — 6 fachen Menge Weingeist, erhitze im Wasserbade und giesse die heisse Lösung ab; beim Erkalten scheidet letztere einen Teil des aufge- nommenen Salzes in feinen Krystallblättchen ab. Man giebt die von den- selben abgegossene weingeistige Flüssigkeit auf den zuvor gebliebenen Salzrückstand, erhitzt nochmals und lässt wieder krystallisieren. Stöchiometrische Aufgaben. 1. Wieviel salicylsaures Natron liefert 1 kg Salicylsäure? — Antw. (C7H603) : (NaC7H503) = 138 : 160; x = 1160 0. 2. Wie lässt sich dieses Verhältnis vereinfachen? — Antw. 6 Teile Salicylsäure liefern 7 Teile Natriumsalicylat. 45. Die Alkaloide. § 270. Allgemeiner Charakter der Alkaloide. Im Pflanzenreiche findet sich eine zahlreiche Gruppe von Körpern, welche mehr oder weniger starke alkalische Eigenschaften zeigen und mit den Säuren wohl ausgebildete Salze hervorbringen. Man hat sie deshalb Alkaloide (d. i. Alkalien ähnlich) oder organische Salzbasen genannt. Ihnen reihen sich eine noch grössere Zahl künstlich darstellbarer organischer Basen an, an denen man die eigentümliche Natur der ganzen Gruppe erforscht hat Als gemeinsame Eigenschaften sind anzuführen: Die Alkaloide sind teils fest und nicht flüchtig, teils flüssig und flüchtig — zu ersteren gehört die Mehrzahl der offizinellen, zu letzteren Coniin und Nikotin — , oft von stark bitterem Ge- schmack, in Wasser mehr oder weniger schwer- oder unlöslich, dagegen leicht löslich in verdünnten Säuren, in Wein- geist und meistens in Chloroform, oft auch in Äther. Die Salze der Alkaloide werden sowohl von Wasser, wie von Weingeist leicht aufgenommen, nicht aber von Äther; sie kry- stallisieren leicht, werden durch ätzende und kohlensaure Alkalien unter Abscheidung des Alkaloids zerlegt. Allgemeine Fällungs- mittel der Alkaloide sind: 1. Gerbsäure, welche weisses, gerbsaures Alkaloid nieder- schlägt — daher sind gerb stoff haltige Aufgüsse (Thee, Kaffee) Gegengifte gegen giftige Alkaloide. 2. Jodlösung, Jodtinktur, besser noch eine Jodlösung in Jodkalium, welche in Alkaloidlösungen einen kermesbraunen, gallertartigen Niederschlag hervorruft, der sich nach einigen Stunden fest auf die Gefässwand anschlägt. Kocht man denselben mit einer verdünnten Säure, so gewinnt man eine Salzlösung des Alkaloids, indess Joddämpfe entweichen. (Mittel zum Nachweis giftiger Alkaloide in Speisen und Getränken!) — 298 — § 271. Wie sind die Alkaloide zusammengesetzt? Die Alkaloide enthalten sämtlich Stickstoff, daneben stets Kohle und Wasserstoff, oft auch Sauerstoff. Die Alkaloide sind anzusehen als Ammoniak, in welchem an Stelle von 1, 2 oder 3 Wasserstoffatomen eine äquivalente Menge eines organischen Radikals getreten ist. Bei den künstlich darstellbaren Alkaloiden kennt man die betreffenden Radikale; so existieren von den Alkoholradikalen (Methyl, Äthyl, Propyl, Amyl u. a.) eine grössere Reihe von Alkaloiden, je nachdem 1, 2, 3 Wasserstoffatome des Ammoniaks von denselben vertreten ist. Hiernach unterscheidet man: 1. Amidbasen, N mit 2 H und 1 Radikal, z. B. Methylamin N / ^H3 Propylamin N [ *gH7 Äthylamin N / ^5 Phenylamin (Anilin) N / ^H5 2. Imidbasen, N mit 1 H und 2 Radikal, z. B. Dimethylamin N / |CH3 Diäthylamin N ||C2H5 3. Nitrilbasen, N mit 3 Radikalatomen, z. B. Trimethylamin NJ3CH3 Triätliylamin NJ3C2H5 Während wir bei den künstlich darstellbaren Alkaloiden die Natur der in ihnen enthaltenen Radikale kennen, wissen wir bei den natürlich vorkommenden Alkaloiden kaum etwas genaueres über ihre Radikale. Man bezeichnet sie daher durch kurze Zeichen mit darüber gesetztem +• Die Salzbildung geschieht bei den Alkaloiden in derselben Weise wie beim Ammoniak, nämlich durch Addition des Alkaloids zur Säure. Beispiel: + Anilin n(§Ä M°rpMn Mph Salzsaures Anilin (n/£[6H)hC1 Salzsaures Morphin MphHCl SchwefelsauresAnilin^NJg5 5)2H2S04 Schwefelsaures Morphin Mph2H2S04 § 272. Wie gewinnt man die Alkaloide? Die flüchtigen Alka- loide (Coniin, Nikotin) stellt man durch Destillation aus den be- treffenden Pflanzenteilen mittelst Ätzkali dar; das Destillat wird mit Salzsäure gesättigt, eingedampft und nach Zusatz von Alkali abermals destilliert. Die nicht flüchtigen Alkaloide extrahiert man mit ver- dünnten Säuren oder mit Weingeist aus den betreffenden Pflan- zenteilen; der Auszug wird eingedampft, resp. der Weingeist ab- destilliert, worauf man den Rückstand mit einem ätzenden oder kohlensauren Alkali oder einer alkalischen Erde behandelt. Das dadurch ausgeschiedene Alkaloid wird durch Weingeist ausge- — 299 — zogen, das Eil trat mit einer Säure gesättigt, nach Abdestillierung des Weingeistes mittelst Tierkohle entfärbt und das Alkaloid aus konzentrierter Lösung durch ein Alkali wieder gefällt. § 273. Die Alkaloide des Opiums. Im Opium findet sich eine grössere Anzahl von Alkaloiden, von denen die wichtigsten sind: + 1. Das Morphin, Morphinuni*) Mph, zu 10— 15°/0 im Smyrnaer Opium als mekonsaures Morphin, enthalten, wurde 1804 von Sertürner entdeckt als erstbekanntes Alkaloid. Es geht sowohl in das wässerige Opiumextrakt, wie in die Opium- tinktur über. Die Pharm. Germ, verlangt im Opium 10°/o Mor- phin. Um es zu gewinnen, extrahiert man das Opium mit kaltem Wasser, fällt den eingeengten Auszug durch Ätzammoniak, reinigt das ausgeschiedene Morphin in salzsaurer Lösung durch Tierkohle und fällt es abermals durch Ammoniak. Ätzkali und Ätznatron, auch Ätzkalk, lösen das Morphin leicht auf, sind daher zur Fällung nicht anwendbar. Keines Morphin kristallisiert in weissen Prismen, löst sich kaum in Wasser oder Äther, leicht in Weingeist und verdünnten Säuren. Konz. Schwefel- säure nimmt es farblos auf, auf Zusatz von einer Spur Salpeter- säure tritt aber Rötung ein. Es ist giftig, wie alle seine Salze. Yon den Salzen des Morphins werden medicinisch angewendet : das salzsaure Morphin, Morphinum hydrockloricum + (MphHCl-j-3aq.), und das schwefelsaure Morphin, M. sulfu- + ricum (Mph2H2S04 + 5aq.), beide in weissen Krystallnadeln. Sie lösen sich leicht in Wasser und in Weingeist. Früher ge- brauchte man auch das essigsaure Morphin; es ist aber weder krystallisierbar, noch haltbar, da es bei der Aufbewahrung Essigsäure verliert und sich dann nicht mehr klar in Wasser auflöst. Das Morphin geht in höherer Temperatur in Berührung mit konz. Salzsäure in eine neue Base über, die man Apo morphin genannt hat. Die Salze derselben zeichnen sich durch ihr Ver- halten an der Luft aus, ihre Lösungen nehmen an derselben all- mählich eine grüne Farbe an. Alkalien nehmen das Apomorphin wie das Morphin leicht auf, färben sich aber bald purpurrot. Das salzsaure Apomorphin, Apomorphinum hydrocliSori- €iim, wird als starkes Brechmittel, in geringen Dosen zur Beför- derung des Schleims der Luftwege, gebraucht. 2. DasKodein, Codeinum**), ansehnliche, farblose Krystalle, welche sich in Wasser, nicht aber in fixen Alkalien lösen und *) Abgeleitet von Mopoeuc, Gott des Schlafes und der Träume, wegen er einschläfernden Wirkung. **) Abgeleitet von xwSsia (Molinkopf). — 300 — aus der Mutterlauge des Morphins gewonnen werden. Es findet sich nur spärlich (zu 4/a %) im Opium. 3. Das Narkotin*) kommt nächst dem Morphin am reich- lichsten im Opium vor (6 — 10%), aber ungebunden. Es ist un- löslich in "Wasser, löslich in Weingeist, wird durch Wasser nicht aus dem Opium extrahiert und ist daher nicht im wässerigen Opiumextrakt enthalten, dagegen wohl in der Opiumtinktur. §274. Die Alkaloide der Chinarinden. In den Chinarinden finden sich vier Alkaloide: Chinin, Cinchonin, Chinidin (Conchinin) und Cinchonidin, gebunden an Chinasäure neben China g erbsäure. In der Königschina und roten China herrscht das Chinin vor, in der braunen Chinarinde dagegen das Cinchonin, neben wenigem Chinin. Die Pharm. Germ, verlangt in der China- rinde mindestens 3,5 Proz. Chinin. Man extrahiert die Chinarinde mit salzsäurehaltigem Wasser, scheidet die Alkaloide aus dem Auszug durch Kalk aus, löst sie in Weingeist, sättigt sie mit Schwefelsäure, destilliert den Wein- geist ab und lässt das schwefelsaure Alkaloid auskrystallisieren. + 1. Das Chinin, Chinin um, Ch, ein weisses, krystallinisches Pulver, löst sich kaum in Wasser, leicht in Weingeist, auch in Äther (Unterschied vom Cinchonin!). Seine Salze zeichnen sich durch einen stark bitteren Geschmack aus und färben sich durch Chlor- wasser und darauf hinzugefügtes überschüssiges Ammoniak grün. Das schwefelsaure Chinin, Chininsulfat, Ciiminum sul- + furicum (Ch2H2S04 -f- 8aq.), in feinen, weissen, glänzenden Nadeln, schwerlöslich in Wasser, leicht in Weingeist. Mit 2/3 Teil verdünnter Schwefelsäure löst es sich als doppeltschwefel- + saures Chinin, Ciiminum bisulfuricuni (ChH2S04), in Wasser leicht zu einer bläulich schillernden Flüssigkeit auf. Prüfung des Chininsulfats: Es darf sich weder mit Salpetersäure (Morphin), noch mit konzentrierter Schwefelsäure röten (Salicin). In einer Mischung aus Chloroform und Alkohol muss es sich völlig beim Erwärmen lösen (Rückstand: unorganische Salze). Das schwefelsaure Chinidin ähnelt dem Chininsulfate sehr, löst sich aber leichter in Wasser; eine Beimengung desselben erkennt man daher, wenn man 2 Teile Chininsulfat mit 20 Teilen kaltem Wasser schüttelt und 5 Teile Filtrat mit 7 Teilen Ätzammoniak- flüssigkeit versetzt, an einer dauernden Trübung (durch ausgeschiedenes Chinidin). Ein Cinchonin gehalt wird beim Fällen der sauren Lösung mit Salmiakgeist und Schütteln mit Äther durch eine Trübung konstatiert, da sich zwar das Chinin, aber nicht das Cinchonin im Äther auflöst. 4- Das salz saure Chinin, Cliiniimm hydrocfoloricum (ChHCl + 2 aq.), bildet feine, weisse, glänzende KrystaUnadeln, die *) So genannt, weil man ihm (fälschlich) die narkotischen Eigen- schaften des Opiums zuschrieb. — 301 - sich in 20 Teilen Wasser lösen. Man stellt es aus dem schwefel- sauren Chinin durch Zersetzung mit Chlorbaryum dar; schwefel- saurer Baryt scheidet sich dabei aus und die heiss abfiltrierte Flüssigkeit lässt beim Erkalten das Chininsalz auskrystallisieren. Das gerbsaure Chinin, Chininum tannicum, erhält man als gelblichen, pulverigen Niederschlag beim Vermischen einer Chininsulfatlösung mit Tannin. + 2. Das Cinchonin, Cinchoninum, Cin, unlöslich in Wasser wie in Äther, löslich in Weingeist; das schwefelsaure Cinchonin, Cinchoninum sulfuricum, kristallisiert in harten, glasglänzenden Säulen, die sich nur schwierig in reinem Wasser, aber leicht bei Säurezusatz auflösen. 3. Durch Ätzammoniak wird aus den Mutterlaugen der Chinin- bereitung ein Gemenge amorpher Chinabasen, das sog. Chinioidin, Chinioidinum, als harzähnliche, braune, in Wasser unlösliche Masse ausgefällt, welche sich in Weingeist, wie auch in ver- dünnten Säuren völlig auflöst und als wesentlichen Bestandteil Chinidin (Conchinin) enthält. Unorganische Beimengungen ver- raten sich durch einen Eückstand beim Einäschern, welcher nur sehr gering sein darf. § 275. Die Alkaloide der Strychnaceen. In den Strychnosarten wurden (von Pelletier und Caventou 1818) zwei giftige Alkaloide, das Strychnin und Brucin, an eine Säure (Milch- säure oder Igasursäure?) gebunden, entdeckt. Man gewinnt sie aus den Strychnossamen (Brechnüssen, Nuces vomicae), Ignatius- bohnen u. a. Da sich das Brucin, nicht aber das Strychnin in Wasser auflöst, so bleibt letzteres in der Mutterlauge, nachdem das Strychnin auskrystallisiert ist. +- a) Das Strychnin, Strychninum, Str, in weissen Krystal- len von stark bitterem Geschmack, löst sich am besten in ver- dünntem Weingeist, nicht in wasserfreiem Alkohol, Äther und Wasser. Konz. Schwefelsäure löst es farblos, wird aber auf Zu- satz eines Körnchens Braunstein oder eines Tropfens chromsaurer Kalilösung blau, darauf violett, endlich rot. Chromsaures Kali fällt aus seinen Salzlösungen schwerlösliches chromsaures Strychnin. + Das salpetersaure Strychnin, Strychninum iiitricum (StrHN03), kristallisiert in weissen, seidenglänzenden Nadeln und löst sich leicht in heissem Wasser. b) Das Brucin*), von milderer Wirkung wie das Strychnin, ist vorzugsweise im wässerigen Strychnosextrakte vorhanden und färbt Salpetersäure oder salpetersäurehaltige konz. Schwefelsäure rot. (Färbt Salpetersäure die Strychninsalze rot, so sind dieselben brucinhaltig.) *) Abgeleitet von Brucea ferruginea, einem Strauche, von dem die giftige „ falsche Angusturarinde" stammt. - 302 — § 276. Alkaloide der Colchicaceen. In der Herbstzeitlose (Colchi- cum auturrmale) ist das giftige Colchicin, im Sabadillsamen Yeratrin nebst Sabadillin enthalten. In der weissen Nieswurz (Rhizoma Yeratri) findet sich neben dem J ervin ein Alkaloid, das man früher für Yeratrin hielt. Das scharfgiftige Yeratrin, Yeratrinum, ist ein weisses Pulver, von welchem selbst die kleinste Menge in der Nase hef- tiges Niesen erzeugt; leichtlöslich in Weingeist und Äther, nicht in Wasser. Konz. Schwefelsäure löst es mit anfangs gelber, bald roter, später violetter Farbe. Dieselbe Reaktion besitzt Sabadillin, es löst sich aber nicht in Äther auf. § 277. Alkaloide der Ranunculaceen. Im Sturmhut (Aconitum Napellus) findet sich das stark giftige Akonitin, Aconitinum, ein weisses Pulver, welches in heissem Wasser zuerst wie ein Harz schmilzt und dann sich darin löst. Konz. Schwefelsäure löst es mit gelbroter, später braunroter Farbe (nicht karminrot, wie beim Yeratrin!). Mit Phosphorsäure erwärmt, färbt es sich violett. § 278. Alkaloide der Solanaceen. Zahlreiche giftige Alkaloide finden sich in den Solanaceen, so das Atropin in der Tollkirsche (Atropa Belladonna), Daturin im Stechapfel (Datura Stramonium), Solanin im Nachtschatten (Solanum nigrum) und Kartoffelkraut, Hyoscyamin im Bilsenkraut (Hyoscyamus niger), sowie das flüssige und flüchtige Nikotin im Tabak (Nicotiana Tabacum). + Das Atropin, Atropinum, At, ist ein weissliches, in Wasser sehr schwer lösliches Pulver, welches selbst in kleinster Menge eine Erweiterung der Pupille bewirkt. Beim Erhitzen entwickelt es einen weissen Dampf mit einem feinen Blumenduft (nach Lilien). + Das schwefelsaure Atropin, Atropinum sulfuricuin (At2H2S04), löst sich leicht in Wasser und besitzt die Reaktionen des Atropins. § 279. Alkaloide der Umbelliferen. Das dem Nicotin sehr ähn- liche, flüssige und flüchtige, höchst giftige Co nun, Coniinum, ist in allen Teilen des gefleckten Schierlings (Conium maculatum) enthalten. Es riecht nach Mäuseurin, löst sich in vielem Wasser auf und bräunt sich allmählich an der Luft. § 280. Alkaloide der Rubiaceen. Im Kaffee, chinesischen Theet in der Ghiarana, sowie in den Cocablättern befindet sich ein ge- meinsames Alkaloid als wirksamer Bestandteil, das K äffe in r Coffeinum. Es krystallisiert aus der heissgesättigten wässerigen Lösung in weissen, glänzenden Nadeln. Mit konz. Salpetersäure übergössen oder mit Chlorwasser im Wasserbade abgedampft, — 303 - * hinterlässt es einen gelben Rückstand, der sich durch Ammoniak purpurn färbt. (Gleiche Reaktion mit der Harnsäure!) In der Brechwurzel (Rad . Ipecacuanhae) findet sichdasEmetin, im unreinen Zustande als Extractum Ipecacuanhae offizineil. § 281. Alkaloide der Papilionaceen. In der Kalabarbohne be- findet sich das sehr giftige Physostigmin (Eserin), dessen "Wirkung auf die Augen (es verengert die Pupille) benutzt wird. Seine Salzlösungen werden durch Sauerstoffanziehung an der Luft rot, endlich braun; am haltbarsten ist das salicylsaure Salz, Physostigminum salicylicum, in weissen Kry stallnadeln, leicht in heissem, schwer in kaltem Wasser löslich. § 282. Alkaloide der Rutaceen. In den Jaborandiblättern (von Pilocarpus pennatifolius) ist das Pilokarpin enthalten. Das salzsaure Salz , Pilocarpinum hydrochloricuiii , stellt farblose, an der Luft sehr zerfliessliche Krystalle dar, welche einen starken Schweiss bewirken. Praktische Übungen. 1. Prüfung des Opiums auf den Morphingehalt, a) Man digeriere einige Stunden lang 10 g feinzerriebenes Opium mit der zehn- fachen Wassermenge, unter Beigabe von 2 — 3 g gepulverten Kalks, filtriere darauf, den Rückstand mit destilliertem Wasser nachspülend, und gebe zum klaren Filtrate 7 g Salmiak, worauf das Morphin auskrystallisiert. Man sammle es auf einem kleinen (gewogenen) Filter und wäge es nach dem Trocknen. — b) Nach Pharm. Germ. IL Man maceriert 8 g gepulvertes Opium mit 80 g Wasser 12 Stunden lang, filtriert 42,5 g davon ab und giebt 12 g Weingeist, 10 g Äther und 1 g Salmiakgeist hinzu, worauf man in einem verschlossenen Becherglase 12 Stunden stehen lässt. Das dann abgeschiedene Morphin wird auf einem gewogenen Filterchen gesammelt, nach dem Auswaschen getrocknet und gewogen. 2. Prüfung der Chinarinde auf Chinin. 20 ^gepulverte China- rinde werden in einem verschlossenen Glase mit 170 g Äther, 20 g Wein- geist und 10 g Salmiakgeist 1 Tag maceriert und öfters umgeschüttelt. Dann giesst man 120 g klar ab, säuert mit Salzsäure an, verdampft den Äther und fällt aus dem filtrierten Rückstände das Chinin durch Kali- lösung aus; nachdem der Niederschlag abfiltriert und etwas ausgewaschen ist, lässt man ihn lufttrocken werden (auf untergelegtem Fliesspapier), dann trocknet man ihn im Wasserbade auf einem tarierten Uhrglase. Erkennung der offlzinellen Alkaloide. Man übergiesst eine kleine Probe des Alkaloids resp. seines Salzes auf einem Uhrglase mit 5 — 10 Tropfen konzentrierter Schwefelsäure und sucht durch Umrühren mit einem Glasstab die Lösung zu bewirken. Schliesslich betrachtet man, das Uhrglas auf ein Blatt weisses Papier stellend, die Färbung der Probe. A. Die Probe nimmt eine gelbrote Färbung an; dieselbe wird a) bald karminrot, schliesslich violett .... Veratrinwn; b) später braunrot Aconitinum. B. Die Probe bleibt farblos; man giebt ihr einen Tropfen verdünnte Salpetersäure zu. — 304 — 4 a) Die Probe färbt sich rot. a) Die wässerige Lösung bleibt mit überschüssiger Kalilauge farblos und klar, giebt aber auf Zusatz von Chlorammonium krystallinische Ausscheidung Morplünum. ß) Die wässerige Lösung wird durch überschüssige Kalilauge gerötet, nicht getrübt Apomorphin. b) Die Probe färbt sich gelb. Eine andere Lösung in Schwefel- säure, mit einer Spur Eisenchloridlösung versetzt und erwärmt, färbt sich blau Codeinum. c Die Probe bleibt farblos; man giebt einen Tropfen chrom- saures Kali oder etwas Braunstein hinzu, a) Die Probe färbt sich vorübergehend violettblou, dann rot Stri ,'ininum. ß) Die Probe färbt sich nur gelb oder grünlich. aa) Die wässerige saure Lösung färbt .sich auf Zusatz von Chlorwasser und überschüssigem Atzammoniak grün: Chininum. bb) Statt der grünen Färbung erscheint eine gelbe Trübung: Cinchoninum. cc) Es tritt weder Färbung noch Trübung ein. aa) Auf Platinblech erhitzt, stösst die Substanz einen weissen Rauch und Blütenduft aus: Atropinum. ßß) Mit Chlorwasser eingedampft, lässt sie einen gelb- lichen Rückstand, der durch eine Spur Ätzammo- niak purpurn wird: Coffeinum. yy) In rauchender Salpetersäure löst sich die Substanz mit blassgrünlicher Farbe . . Pilocarpinum. 46. Die tierischen Nährnüssigkeiten. Blut, Fleischflüssigkeit, Milch. § 282. Was ist das Blut? Das Blut der höheren Tierklassen, wie des Menschen, ist eine an sich nur schwach gelb gefärbte Flüssigkeit, in welcher Milli- onen sehr kleiner, roter Zellen, die sog. Blutkör- perchen, schwimmen. Die Form der letzteren ist, wie Fig. 77 zeigt, bei den ver- schiedenen Tieren verschie- den. (A die Blutkörperchen des Menschen, B des Vogels, C einer Amphibie, E wirbel- loser Thiere, D Pilzzellen — alle unter mehrhundert- facher Yergrösserung.) Bei den Wirbeltieren besitzen Pl„ 77- die Blutzellen eine tiefrote — 305 — Farbe, welche sie vermöge ihrer grossen Zahl dem ganzen Blute gleichmässig erteilen. Die eigentliche Blutflüssigkeit, das Blutplasma, ist eine stroh- gelbe, wässerige Auflösung zweier Eiweissstoffe : des Albumins (Eiweiss) und Fibrins (Faserstoff), welche neben Kohle, Wasser- stoff und Sauerstoff auch Stickstoff und Schwefel (J/2 — 172%) enthalten. Man kennt die nähere Zusammensetzung und Formel für diese Stoffe noch nicht genauer. Mulder (ein holländischer Chemiker) hielt sie für Verbindungen des Sauerstoffs und Schwefels mit einem hypothetischen Radikal, dem er den Namen Protein gab; daher nannte man sämtliche Eiweissstoffe Proteinkörper. Jedoch gelang es nicht, diese Theorie zu begründen. Das Eiweiss oder Albumin zeichnet sich durch die Eigen- tümlichkeit aus, aus seiner wässerigen Lösung in der Siedhitze zu gerinnen. Man kann das geronnene Albumin durch die Verdauungsflüssigkeit des Magens, welche Pepsin ent- hält, wieder in Lösung überführen. Das Eiweiss findet sich, ausser im Blute, auch in den Vogeleiern, bei deren Abkochung es zu einer weissen Umhüllung des Dotters gerinnt, sowie in fast allen Pflanzensäften (als Pflanzenalbumin) gelöst. Das Fibrin charakterisiert sich durch seine freiwillige Ge- rinnung, solbald das Blut dem Einflüsse des Körpers entzogen worden, veranlasst daher die Gerinnung des erkaltenden Blutes. In koagulierter Form findet es sich in den Muskeln (als Muskel- fibrin), auch im Samen (im Getreide als Kleber!). Die Blutkörperchen enthalten neben einem Eiweisskörper (Globulin) einen roten Farbstoff, den Blutfarbstoff (Hämoglobin), welcher Eisen zu seinen Elementarbestandteilen zählt und beim Einäschern rotes Eisenoxyd zurücklässt. Überlässt man das Blut ruhigem Erkalten, so gerinnt es, d. h. es scheidet ein tiefrotes Coagulum, den Blutkuchen (Cruor), ab, über welchem eine gelbliche Flüssigkeit, das Blut- wasser (Serum), steht. Der stattfindende Prozess besteht in der freiwilligen Gerinnung des Fibrins, welches dabei die Blut- körperchen umschliesst und mit sich herabzieht. Wird dagegen frischgelassenes Blut mit einem Besen gequirlt, so schlägt sich das gerinnende Fibrin als zähe, weisse Fäden an das Reisig an, und das flüssig bleibende Blut bewahrt seine rote Färbung. Die Blutkörperchen besitzen die für das Leben höchst wichtige Eigenschaft, beim Atmen Sauerstoffgas anzuziehen und als Ozon zu kräftigen Oxydationen — worin der Stoffwechsel zum Teil besteht — zu benutzen. Sie verdanken diese Eigenschaft dem Blutfarbstoff, der sich mit dem aufgenommenen Sauerstoff ver- bindet (zu Oxyhämoglobin). Sauerstoffaufnahme macht das Blut hellrot (arterielles Blut); beim Kreislauf durch den Körper ver- Schlickum, Apothekerlehrling. 20 — 306 — braucht es diesen Sauerstoff zr.r Oxydierung der im Stoffwechsel abgängig gewordenen Teile , beladet , sich dafür mit Kohlensäure und wird blaurot (venöses Blut). Beim Passieren durch die Lungen giebt letzteres seine Kohlensäure ab und nimmt dafür wieder Sauerstoff auf (Atmungsprozess). Kohlenoxydgas, Blausäure, Arsen- und Schwefelwasserstoffgas wirken auf das Oxyhärnoglobin zersetzend ein und benehmen den Blutkörperchen die Eigen- schaft, bei der Atmung Sauerstoffgas aufzunehmen. Dadurch verhindern sie den Stoffwechsel und wirken tödlich (erstickend). Kohlensäure, Wasserstoffgas, Stickstoff zerlegen aber das Oxy- hämoglobin nicht, wirken daher nicht direkt giftig, sondern nur dann erstickend, wenn sie in grösserer Menge zugegen sind (durch Abwesenheit des notwendigen Sauerstoffes). § 283. Fleischflüssigkeit. Die Muskelfaser birgt eine Flüssigkeit, welche Ei weiss enthält, neben gewissen organischen, stickstoff- haltigen Körpern, die man früher unter der Bezeichnung Osmazom zusammenfasste, jetzt aber in Kreatin*) und Kreatinin unter- scheidet. Beide sind krystallisierbar , das letztere eine starke Salzbase (Alkaloid) und leicht aus dem Kreatin hervorgehend. Ausserdem finden wir in der Fleischflüssigkeit Milchsäure und einen eigenen Zucker (Inosit), neben vielen Kalisalzen. Die Bestandteile der Fleischflüssigkeit sind, mit Ausschluss des Eiweisses, im Liebigschen Fleischextrakt, Extractum Carnis Liebig, enthalten. Man gewinnt dasselbe durch wieder- holtes Anstossen des zerhackten Fleisches mit kaltem Wasser, Auspressen, Aufkochen des Saftes, wobei das Eiweiss ausgeschieden wird, und Eindampfen des Filtrates zur Extraktkonsistenz. Amerika (Buenos-Ayres) sowie Australien liefern Fleischextrakt, ersteres aus Büffelfleisch, letzteres aus Schaffleisch. § 284. Was ist die Milch? Die Milch ist eine emulsionartige Mischung feinverteilter Fett-Tröpfchen in einer wässerigen Flüssig- keit. Das Fett ist Butterfett, die Flüssigkeit eine Lösung von Käsestoff (Kasein) und Milchzucker nebst Salzen. Infolge der gleichmässigen Verteilung der Fettkügelchen und wässerigen Flüssigkeit erscheint die Milch undurchsichtig, da das Licht durch das fortwährende Passieren ungleicher Medien absorbiert wird. Der Käse stoff, Kasein, gehört zu den Eiweissmaterien und unterscheidet sich vom Albumin und Fibrin dadurch, dass er weder freiwillig, noch beim Erhitzen gerinnt; dagegen gerinnt er durch Säuren, sowie durch den Labmagen des Bindes oder die daraus bereitete Labessenz (Liquor seriparus). Er findet sich auch im Pflanzenreich (in den Mandeln als Emulsin, im Senf- samen als Myrosin u. a. m.). *) Kreatin von xpe'a? (Fleisch). — 307 - Auf der Koagulierurg des Käsestoffs beruht die Gerinnung der Milch; dabei umschliesst das Kasein das Butterfett und scheidet sich als Käse ab von einer schwach trüben, wässerigen Flüssig- keit, den Molken, Serum L actis. Der Käse besteht also aus Kasein und Butterfett, die Molken enthalten den Milchzucker nebst den Salzen gelöst. Man unterscheidet süsse Molken, die man durch Zusatz von Labessenz zu der 200 fachen Menge lauwarmer Milch bereitet, und saure Molken, Serum Lactis acidum, durch Zusatz von 1 Proz. "Weinstein zu siedend heisser Milch ge- wonnen. Nimmt man statt des Weinsteins Alaun, so erhält man die Alaunmolken, Serum Lactis aluminatum; bei An- wendung von Tamarindenmus die Tamarindenmolken, Se- rum Lactis tamarindinatum. Die freiwillige Gerinnung der Milch gründet sich auf die Selbst- säuerung derselben, indem der Milchzucker in Milchsäure übergeht. Man nennt diese Selbstsäuerung saure Gährung; als Gährungserreger wirkt der Käsestoff; der Vorgang selber ist das Zerfallen eines Moleküls Milchzucker in 4 Mol. Milchsäure: C^H^O^ = 4HC3H5O3 Zucker Milchsäure Diese Gährung ist von keiner Gasentwicklung begleitet und er- fordert zum günstigen Fortgang laue Wärme (30° — 40°). Wir finden die Milchsäure dann sowohl in den Molken, wie im abge- schiedenen Käse. Bei niederer Temperatur tritt geistige Gährung und Bildung von Essigsäure, bei höherer Wärme Bildung von Buttersäure ein. § 285. Die Milchsäure. Die Milchsäure, Acidum lacticum (C3H603), ist eine färb- und geruchlose, sehr saure, syrupdicke Flüssigkeit, welche sich nicht verflüchtigen, mit Wasser und Wein- geist in allen Verhältnissen mischen lässt. Die Milchsäure entsteht nicht allein bei der Säuerung der Milch, sondern auch bei der des Sauerkrautes, der Bohnen, Gurken u. a. m., stets von deren Zucker herstammend. Übrigens findet sie sich frei im Magensafte (neben Salzsäure) und der Fleischflüssigkeit. Man gewinnt die Milchsäure aus der säuernden Milch unter Zusatz von Milchzucker, indem man sie bei 30 — 40° stehen lässt und von Zeit zu Zeit durch kohlensauren Kalk sättigt; aus dem Filtrate erhält man den milchsauren Kalk durch Krystallisation und zersetzt denselben durch verdünnte Schwefelsäure. Weingeist trennt schliesslich die freie Milchsäure vom ausgeschiedenen Gips und lässt jene beim Abdampfen zurück. Die Milchsäure bildet nur lösliche Salze, Laktate, von denen sich das Eisenoxydul- und Zinksalz am schwierigsten in Wasser auflösen. Man unterscheidet daher die Milchsäure von 20* — 308 - den meisten anderen Säuren dadurch, dass sie durch Bleizucker- lösung nicht gefällt wird. Ein besonderes Erkennungsmittel ist, dass sie durch übermangansaures Kali zu Aldehyd oxydiert wird. Prüfung der Milchsäure auf Reinheit: Schwefelwasserstoff- wasser darf sie nicht trüben (dunkle Trübung: Eisen, Blei, Kupfer- u. a., weisse Trübung: Zink); auch soll ihre wässerige Lösung nicht getrübt werden durch Baryumnitrat (weisse Trübung: Schwefelsäure), salpetersaures Silberoxyd (weisse Trübung: Salzsäure), oxalsaures Ammoniak (weisse Trübung: Kalk), überschüssiges Kalkwasser, weder in der Kälte (weisse Trübung: Phosphorsäure, Weinsäure), noch beim Erhitzen ( Citronensäure); beim Erwärmen der Säure nehme man nicht den Geruch nach Essigsäure oder Buttersäure wahr. Mit Zinkoxyd im Wasserbad eingedampft, darf sie an Weingeist kein Glycerin abgeben. § 286. Milchsaure Salze. Das milchsaure Eisenoxydul, Ferrolaktat, Ferrum lacticnm (Fe2C3H503 + 3aq.), krystal- lisiert aus einer Mischung von milchsaurem Natron mit Eisen- chlorür oder Eisenvitriol in gelblich grünen Krusten ; ein schwer- lösliches Salz von schwachem, eigentümlichem Gerüche. (Das milchsaure Eisenoxyd löst sieh leicht in Wasser.) Prüfung des Ferrolaktates : Die Lösung darf sich nicht trüben mit essigsaurem Bleioxyd (weisse Trübung: Sulfat, Chlorid u. a), noch ange- säuert mit H2S (dunkle Trübung: Kupfer, Blei). Ein Gehalt an Zucker wird durch die Trommersche Kupferprobe erforscht. Das milchsaure Zinkoxyd, Zincum lacticum, wird aus der Lösung des Zinkoxyds in Milchsäure als weisse, nadelige Kry stalle gewonnen, die sich in Wasser schwierig lösen. Praktische Übungen. Ferrum lacticum. Man lässt mehrere / Milch säuern, koliert, löst in aer Flüssigkeit 100 — 200 g Milchzucker auf und neutralisiert täglich durch doppeltkohlensaures Natron (welches man in Stückchen anwende, und dessen Menge man notiere). Das Ganze befinde sich beständig in lauer Wärme (35°). Wenn keine weitere Säuerung mehr eintritt, koche man auf, koliere und enge zur Syrupsdicke ein. Auf 3 Teile des ver- brauchten doppeltkohlensauren Natrons werden 5 Teile reiner Eisenvitriol in seinem doppelten Gewichte warmen Wassers gelöst und der milchsauren Natronlösung beigemischt, worauf man einen Tag stehen lässt und in einem Seihtuche das krystallinisch ausgeschiedene milchsaure Eisenoxydul abpresst, worauf man dasselbe, wenn es Geruch besitzen sollte, nochmals mit etwas verdünntem Weingeist abwäscht, wieder abpresst und trocknet. Fragen und Aufgaben, 1. Wieviel Milchsäure liefert der Milchzucker bei der Gährung? — Antw. Eine gleichgrosse Menge. 2. Wenn man in der Milch 8°/0 Milchzucker annimmt und zu 1 / derselben noch 100 g Milchzucker zugiebt — wieviel doppeltkohlensaures Natron wird zur Sättigung der entstehenden Milchsäure nötig sein? — Antw. In 1/ Milch sind hiernach 80^ Zucker; mithin entstehen 180^ Milchsäure, HC3H503 : NaHC03 = 90 : 84; x = 168 g. 309 47. Die tierischen Absonderungen, Magensaft, Galle, Harn. § 287. Was enthält der Magensaft? Im Magensafte befindet sich eine mehr oder weniger grosse Menge freier Säure, Salzsäure und Milchsäure, daneben noch ein eigentümlicher Körper, in welchem das verdauende Prinzip liegt und dem man den Namen Pepsin*) gegeben hat. Es besitzt die Kraft, im Verein mit der Salzsäure die genossenen Eiweisskörper (Fleisch, Eier, Milch) aufzulösen und zur Verdauung zu bringen. Das Pepsin, Pepsinuni, wird als weisses Pulver durch Extraktion der Magenschleimhaut gewonnen, und zwar benutzt man hierzu den Magen des Schweines, sowie den vierten Magen (sog. Labmagen) des Kalbes. Durch Auflösen des Pepsins in Wein stellt man den Pepsinwein, Vinum Pepsini, dar. Auch ist das Pepsin der wirksame Bestandteil der Labessenz (Liquor seriparus), die man durch Behandlung der Schleimhaut des Käl- berlabs mit Wein gewinnt. § 288. Was ist die Galle? Die Galle, das Sekret der Leber, bildet eine dickliche, gelbe oder grüngelbe Flüssigkeit von höchst bitterm Geschmack, die beim Schütteln schäumt. Sie enthält, neben etwas un verseif barem Fett (Gallenfett, Cholesterin), Schleim und Gallenfarbstoff, als wesentlichen Bestandteil zwei Natronsalze: glycocholsaures und taurocholsaures Natron. Die Gly- cocholsäure und Taurocholsäure sind gepaarte Säuren, indem sie durch Kochen mit Alkalien oder Säuren in Ch Öl- säure**) und einen stickstoffhaltigen Paarung zerfallen. Dieser Paarung ist bei der Glycocholsäure das stickstoffhaltige Glyco- coll (Leimsüss), bei der Taurocholsäure das Stickstoff- und schwe- felhaltige Taiirin. In der Ochsengalle herrscht das glycochol- säure, in der menschlichen Galle des taurocholsäure Natron vor. Die Galle reagiert frisch neutral, wird aber beim Stehen bald missfarbig, übelriechend und durch Ammoniakbildung stark alka- lisch. Hervorgerufen wird diese sog. Gallengährung durch den sich zersetzenden Gallenschleim. § 289. Die Ochsengalle. Wird die frische Ochsengalle koliert und zur Extraktdicke eingedampft, so gewinnt man die eingedickte Ochsengalle, Fei Tauri inspissatum. Wenn man aber die Galle mit einer gleichen Menge Weingeist mischt, die filtrierte Flüssigkeit, nach Abdestillation des Weingeistes durch Tierkohle *) Pepsin ist von neiis (Verdauung) abgeleitet. **) Von yöloc, Galle, abgeleitet. — 310 — entfärbt und zur Trockne eindampft, so gewinnt man die ge- reinigte Ochsengalle, Fei Tauri depuratum siccum, als gelbliches, hygroskopisches Pulver. Der "Weingeist schlägt aus der Galle den Schleim nieder, die Tierkohle entzieht ihr zum grössten Teil den Farbestoff, sodass das Präparat fast nur aus dem glycocholsauren und taurocholsauren Natron besteht. Beim Yerbrennen hinterlässt es eine geringe, weisse, alkalisch reagie- rende Asche (kohlensaures Natron). § 290. Was ist der Harn? Der Harn, das Exkret der Nieren, bildet eine schwachgelbe, etwas sauer reagierende Flüssigkeit von eigentümlichem Geruch. Er enthält in wässeriger Lösung Harn- stoff (3%), Harnsäure (0, l°/0), sowie gewisse unorganische Salze (bis 2%), von denen hervorzuheben sind: Chlornatrium und Phosphate von Natrium, Calcium und Magnesium. Der Gehalt an diesen Stoffen wechselt nach Art und Menge der genossenen Speisen ; am grössten findet er sich im Morgenharn und bei tieri- scher Kost. Die pflanzenfressenden Tiere, wie die Pferde, Rinder, Schafe, führen im Harne Hippursäure statt der Harnsäure. (Vgl. § 267.) Manche Salze gehen nach dem Genüsse unverändert in den Harn über, z. B. Jodkalium, während die pflanzensauren (wein- sauren, citronensauren) Alkalien als kohlensaure Salze darin ent- fernt werden; genossene Benzoesäure erscheint im Harne als Hippursäure. § 291. Der Harnstoff. Der Harnstoff (Urea) ist ein neutraler Körper, der mit Säuren krystallisierbare Yerbindungen einzugehen imstande ist. Nach seiner Zusammensetzung ist er das Amid der Kohlensäure, Karbamid, (NH2)2CO, aus dem kohlensauren Ammoniak, (NH4)2C03 , durch Austritt zweier Wassermoleküle entstanden. Der Harnstoff geht auch bei der Selbstentmischung des Harns wieder in kohlensaures Ammoniak über, indem er zwei Wassermoleküle aufnimmt. Nämlich: (NH2)2CO + 2H20 = (NH4)2C03 Harnstoff Wasser kohlensaures Ammoniak. Man kann den Harnstoff auch künstlich erhalten durch Er- hitzen des cyansauren Ammoniaks, welches mit ihm isomer ist. (NH,)CNO = ™2 } CO cyansaures Ammoniak Harnstoff. Der Harnstoff krystallisiert in farblosen , durchsichtigen , in Wasser leicht löslichen Säulen von salzigem Geschmack. Wenn man Harn sich selbst überlässt, so zersetzt er sich freiwillig (Harngährung) , wird durch Übergang des Harnstoffes — 311 — in kohlensaures Ammoniak alkalisch, nimmt den Geruch nach Ammoniak an und trübt sich durch reichliche Ausscheidung phosphorsaurer Ammoniak - Magnesia (MgNH4P04 -{- 6 aq.). Letzteres Doppelsalz löst sich nur schwer in reinem, nicht in ammoniakalischem "Wasser. Die Harngährung wird durch den sich zersetzenden Schleim des Harnes eingeleitet und besteht in der Umwandlung des Harnstoffes in kohlensaures Ammoniak. § 292. Harnsäure. Die Harnsäure ist eine stickstoffhaltige organische Säure, ein weisses, in "Wasser kaum lösliches Pulver, welches in geringer Menge durch die Phosphate im Harn gelöst gehalten wird und auf Salzsäurezusatz sich abscheidet. Die Schlangenexkremente, sowie der Yogelmist und Guano bestehen fast ausschliesslich aus Harnsäure und harnsaurem Ammoniak. Es giebt eine grosse Zahl Oxydationsprodukte der Harnsäure, je nach Wahl und Einwirkung der Agentien: sie lassen auf eine sehr komplizierte Zusammensetzung der Harnsäure schliessen. Die Reaktion auf Harnsäure ist dieselbe wie auf das Kaffein; man dampft die Probe mit Salpetersäure zur Trockne und betupft den Rückstand mit Ammoniak, derselbe nimmt dann eine Purpur- farbe an (Murexid). § 293. Harnuntersuchung. In manchen Krankheiten enthält der Harn gewisse Bestandteile, welche für jene charakteristisch sind. So zeigt der Harn in der Zuckerruhr Glykose (Traubenzucker), in andern Leiden Albumin, Gallenbestandteile u. a. m. Man konstatiert die Gegenwart von Zucker durch die sog. Trommersche Probe, indem man den Harn mit wenig Kupfervitriollösung und dann mit überschüssigem Ätzkali ver- setzt und erhitzt; der Zucker zeigt sich durch Ausscheidung roten Kupferoxyduls an. Die Anwesenheit von Eiweiss giebt sich an der Trü- bung des Harns beim Aufkochen zu erkennen. Um keine Täu- schung durch phosphorsaure Salze zu erleiden, ist der Harn vor dem Kochen mit etwas Essigsäure schwach anzusäuern. — Auch kann man zum Harne Salpetersäure setzen, welche einen volu- minösen Niederschlag hervorruft, wenn Eiweiss zugegen ist. Gallenbestandteile verursachen eine hochgelbe Färbung des Harns und starkes Schäumen beim Schütteln. Die Harnsedimente, sowie Harnsteine, können bestehen aas Harnsäure , harnsaurem Ammoniak , phosphorsaurem oder oxalsaurem Kalk, phosphorsaurer Ammoniak - Magnesia (krystalli- siert) u. a. m. Harnsedimente enthalten oft Schleim, Eiter, Blut, Samenfäden u. dgL, welche am besten durch eine mikroskopische Untersuchung erkannt werden. — 312 - [!■ Praktische Übungen. Fei Tauri depur. siccum. Man verdünne eine Quantität frischer Öchsengalle mit dem gleichen Gewichte Weingeist, filtriere nach einiger Zeit und verdampfe den Weingeist im Dampfbade (bei grösseren Mengen destilliere man ihn ab). Der rückständigen Flüssigkeit gebe man so viel gereinigte Tierkohle bei, bis sich eine filtrierte Probe nur mehr schwach gelb gefärbt zeigt; dann filtriere man sie und dampfe sie im Dampf bade unter Umrühren zur Trockne ein. Die gereinigte Tier kohle bereitet man durch Eintragen schwarz- gebrannter Knochen (Ebur ustum nigrum) in eine 1 — l1./^ fache Menge Salzsäure, unter Zugabe der 5 fachen Menge Wassers; nach einigen Tagen giesse man die Flüssigkeit ab, wasche die Kohle sorgfältig mit Wasser aus und trockne sie in der Wärme. 48. Die Produkte der trocknen Destillation. § 294. Was ist die trockne Destillation? Wenn man orga- nische Körper in Retorten, bei Abschlnss von Luft und Wasser, erhitzt, so setzt man sie der trocknen Destillation aus. Es entwickeln sich dabei zahlreiche Substanzen, zumal von kom- pliziert zusammengesetzten Materien. Der Sauerstoff derselben tritt bei Beginn der Destillation, in der anfänglich noch geringe- ren Hitze, mit dem Wasserstoff zu Wasser, mit der Kohle zu Kohlensäure und Kohlenoxydgas zusammen; es entstehen daher anfangs wässerige und gasförmige Produkte. Bei allmählich ge- steigerter Temperatur bilden sich aus der Kohle und dem Wasser- stoff schwererflüchtige, öl-harzige Kohlenwasserstoffverbindungen, sowie leichtes und schweres Kohlenwasserstoffgas. Schliesslich re'stiert in der Retorte Kohle. Yon den sich bildenden Produkten sind viele, wie Wasser, Essigsäure, Kohlensäure, Kohlenwasserstoffe, Ammoniak u. a., allgemeine Erzeugnisse einer jeden trocknen Destillation; andere Körper sind hinwiederum der Destillation gewisser organischer Materien eigentümlich, so stammt z. B. das Kreosot aus dem Buchenholze, das Naphthalin aus den Steinkohlen u. a. m. § 295. Allgemeine Produkte der trocknen Destillation. Bei jeder trocknen Destillation erhält man viererlei: 1. ein. Gas, — 2. ein wässeriges Destillat, — 3. ein harzig-öliges Destillat, den Teer, — 4. rückständige Kohle. Während die gasförmigen Produkte die Destillation von An- fang bis zu Ende begleiten, erscheint das wässerige Destillat zu Anfang und nimmt an Menge immer mehr ab, dem Teer Platz machend; schliesslich geht gar keine wässerige Flüssigkeit, son- dern nur Teer über. Kommt die Retorte in die Glühhitze, so ber endigt sich die ganze Operation, und Kohle restiert in der Retorte. 91 'J>. Der Teer ist ein dunkelgefärbter Balsam, aus einem äthe- rischen Öle, dem Brandöle, bestehend, worin sich harzige Stoffe, Brandharze, aufgelöst befinden. Destilliert man den Teer mit Wasser, so geht das Brandöl mit den "Wasserdämpfen über, während das Brandharz zurückbleibt. Für die näheren Bestandteile dieser allgemeinen Produkte ist es von höchstem Belang, ob die der trocknen Destillation unterworfene Substanz Stickstoff enthält oder nicht. Der Stick- stoff veranlasst nämlich die Bildung von Ammoniak und ammo- niakalischen organischen Salzbasen, während stickstofffreie Materien saure Produkte mit vorwaltender Essigsäure erzeugen. 1. Die Produkte der trocknen Destillation stickstofffreier orga- nischer Körper sind vorwiegend satirer Natur. Die Gase bestehen teils aus Kohlenwasserstoffen, teils aus Kohlensäure und Kohlenoxydgas. Die wässerige Flüssigkeit enthält freie Essigsäure, der Teer sowohl sauer- stoffhaltige Brandöle, zumal Karbolsäure, als auch sauerstoff- freie, z. B. Benzol, Paraffin und Naphthalin. Die rückständige Kohle ist stickstofffrei. 2. Die Produkte der trocknen Destillation stickstoffhaltiger orga- nischer Körper sind vorwiegend arnvnoniakalischer Natur. Die Gase führen, ausser Kohlenwasserstoffen, freies Ammoniak, das wässerige Destillat reagiert durch freies und kohlensaures Ammoniak alkalisch und enthält ausserdem essigsaures Ammoniak, sowie auch Cyanammonium. Im Teer finden wir eine grössere Anzahl von Amid-, Imid- und Nitrilbasen z. B. Phenylamin (Anilin). Die rückständige Kohle ist stickstoffhaltig. — Sofern die organischen Stoffe auch Schwefel enthalten, tritt in den Gasen auch Schwefel was s er- st off resp. Schwefelammonium auf. Auf die Beschaffenheit der restierenden Kohle ist das Ver- halten der verwendeten Materien von bestimmendem Einflüsse. Gelangen diese nämlich ins Schmelzen, wie z. B. der Zucker, so erscheint ihre Kohle aufgequollen, glänzend, porös, ist leicht pul- verisierbar, aber schwer verbrennlich und entbehrt der Eigen- schaft, Farbestoffe und Gerüche aufzunehmen. — Schmelzen die Körper zwar nicht, enthalten sie aber schmelzende Bestandteile, wie das harzreiche Fichtenholz, so behält die Kohle wohl die ur- sprüngliche Form bei, ist aber glänzend, dicht und taugt eben- falls wenig zur Entfärbung und Desinfektion. — Sobald aber gar keine Schmelzung eintritt, wie beim harzlosen Holze, bei den Knochen u. a., behält die Kohle die ursprüngliche Form des Körpers, erscheint stark porös und besitzt in hohem Grade die Fähigkeit, Flüssigkeiten zu entfärben und Gase in sich zu verdichten. - 314 § 296. Die trockne Destillation des Holzes. Je nachdem man das wässerige und ölige Destillat oder die restierende Kohle be- zweckt, nimmt man die Destillation des Holzes in geschlossenen Behältern oder in sogenannten Meilern vor. Die Produkte sind saurer Natur, nämlich: 1. Der Holzessig. Zur Gewinnung des wässerigen Destillates und Teers bedient man sich der Vor- richtung, wie sie Fig. 78 zeigt. Das Holz wird in dem eisernen Cy linder a erhitzt; die Dämpfe entweichen seitlich durch das Rohr c indieKondensations- röhre d, welche nach Art des L i e b i g sehen m Kühlers (g h i) abge- kühlt wird. Dabei ent- weichen die Gase bei ¥iS- 78- o, das verdichtete De- stillat sammelt sich aber in den Yorlagen h und e. Der gewonnene rohe Holzessig, Acetum pyrolignosum crudum, ist eine saure, wässerige Flüssigkeit von dunkler Farbe, in welcher mehr oder weniger Teerbestandteile schwimmen. Von letzteren wird er durch Rektifikation gereinigt und liefert den rektifizierten Holzessig, Acetum pyrolignosum rectifi- catum, eine klare, schwachgelbe Flüssigkeit. Der Teer bleibt in der Retorte zurück. Der Holzessig enthält, neben der Essigsäure (6%), Me- thylalkohol*) (Holzgeist), essigsauren Methyläther, Aceton, etwas Karbolsäure u. a. Der Holzgeist ist zu 1% darin enthal- ten und geht bei der Rektifikation im ersten Zehntel über. Dem Karbolsäuregehalt verdankt der Holzessig den brenzlichen Geruch, sowie seine gährungs- und fäulniswidrigen (antiseptischen) Eigen- schaften. Das Aceton ist eine farblose, flüchtige Flüssigkeit von ätherischem Geruch, mischbar mit Wasser und ohne Reaktion auf Lackmus. Man ge- winnt es rein durch Erhitzen trocknen essigsauren Kalkes, wobei kohlen- saurer Kalk zurückbleibt: Ca2C2H30.2 = CaCOg + C,HR0 essigsaurer Kalk kohlensaurer Kalk ■y3XA6v Aceton. *) Methyl abgeleitet aus jj-stoc, welches in der Zusammensetzung eine Veränderung anzeigt, und ua/, (Holz). — 315 — 2. Holzteer. Dem Holzessig folgt im weiteren Verlaufe der Destillation der braunschwarze Holzteer, Pix liquida. Für sich der Destillation unterworfen , trennt derselbe sich in Brandöl, welches tibergeht, und Brandharz, welches zurückbleibt. Durch geeignete Fraktionierung gelingt es, das Brandöl in seine verschiedenen Bestandteile zu trennen. Man unterscheidet zunächst leichtes und schweres Brandöl, je nachdem es auf dem Wasser schwimmt oder darin untersinkt. Das erstere destilliert vor dem letzteren über. Das leichte Brandöl besteht aus Benzol, Xylol u. a., das schwere aus Karbolsäure, Kreosot, Paraffin u. a. Betrachten wir diese Be- standteile näher: a) Das Benzol") (C6H6), auch Steinkohlen-Benzin genannt, bei 60 — 80° übergehend, ist eine neutrale, farblose, ätherisch riechende, dünne Flüssigkeit, welche sich leicht entzünden lässt, auf dem Wasser schwimmt und mit demselben sich nicht mischt. Das Petroleum-Benzin, stammt vom Steinöl, Petro- leum (Oleum Petrae), welches in Amerika, seit alter Zeit auch in Persien und Italien, aus der Erde quillt und ein Gemenge ver- schiedener Kohlenwasserstoffe ist. Tom rohen Steinöl werden zu Beleuchtungs-Zwecken die flüchtigeren Bestandteile durch Ab- destillieren getrennt; was schon bei 50 ° übergeht, wird unter dem Kamen Petroleumäther (Aether Petrolei) in den Handel gebracht; das Benzin destilliert in etwas höherer Temperatur, bei 60 — 80°. Was erst über 100° übergeht, wird als gereinigtes Steinöl zur Beleuchtung verwendet. Nachdem das gereinigte Steinöl überdestilliert ist, bleibt ein schwerflüchtiger Rückstand, *) Abgeleitet von Benzoesäure, da es durch Erhitzen des benzoe- sauren Kalkes entdeckt wurde. Die Strukturformel des Benzols ist: H— C=C— H / \ H— C C— H \ // H— C— C— H Hier finden wir die Kohlenatome nicht in offener Reihe mit einander verbunden, sondern einen geschlossenen Ring (Benzolkern) bildend, worin sie sich abwechselnd mit einfacher und doppelter Valenz binden. Werden die Wasseratome des Benzols vertreten a) durch Salzbildner z. B. Chlor, so entstehen die verschiedenen Chlorbenzole (C6H5C1 bis C6C16); b) durch Hydroxyl (OH), so entstehen die sog. Phenole z. B. die Karbolsäure (CH5,OH); c) durch N02, so entstehen r\itrokörperz. B. Nitrobenzol (C6H5.N02); d) durch NH2, so entstehen Amidokörper z. B. Anilin, (C6H5,NH2). Da man die Atomgruppe (C0H5) Phenyl genannt hatte, betrachtete man früher die Karbolsäure als Oxydhydrat des Phenyls, das Anilin als Phenylamin. — 316 - der erst bei 300° übergeht und das Vaselinöl, Parafflnum liquidum, darstellt; ein färb- und geruchloser, ölartiger, neutraler Kohlenwasserstoff. b) Vom schweren Brandöl, welches erst über 100 ° siedet, ist der wesentlichste Bestandteil die Karbolsäure, auch Phenol*) genannt, mit der Formel C^H^O =— CfiH5,HO. Der Zusammen- setzung nach wurde die Karbolsäure als der Alkohol eines Radikals Phenyl (C6H5) betrachtet; von den Alkoholen unterscheidet sie sich aber sehr wesentlich dadurch, dass sie die Eigenschaften einer Säure hat und kein Aldehyd bildet. Die rohe Karbolsäure, Acidum carbolicum cruduiu, ist eine dunkelfarbige, ätherisch-ölige Flüssigkeit, mit wechseln- dem Gehalte an reiner Karbolsäure. (Die Pharm. Grerm. IL ver- langt 90 °/n und stellt dies durch Schütteln der rohen Karbolsäure mit verd. Natronlauge fest.) Man gewinnt daraus die reine Karbol- säure durch Bindung an Ätzkali, welches die Karbolsäure löst, aber nicht die indifferenten, übelriechenden Brandöle. Was Ätz- kalilauge vom schweren Teeröle aufnimmt, wird durch Schwefel- säure wieder abgeschieden und davon die reine Karbolsäure, Aciduni carbolicum crystallisatum, durch Rektifikation bei 180 ° abgetrennt. Im wasserfreien Zustande krystallisiert dieselbe in nadelig-krystallinischen, farblosen Massen, welche in gelinder Wärme schmelzen, sich schwierig in Wasser, leicht in Weingeist, Äther, Glycerin und Ölen lösen und mit Eisenchlorid sich violett- blau färben. Die Karbolsäure muss sich in 20 Teilen Wasser klar auflösen und ohne unangenehmen Geruch sein — anderen- falls enthält sie fremde Brandöle. Die Karbolsäure zeichnet sich in hohem Grade durch fäulnis- und gährungswidrige (antisep- tische) Eigenschaften aus, koaguliert Eiweiss und ist der konser- vierende Bestandteil des Rauches. Brom scheidet aus ihrer Lö- sung Tribromphenol (C6H3Br30) in weissen Flocken aus. Mit konzentr. Schwefelsäure mischt sich die Karbolsäure zu Karbolschwefelsäure, die der Ätherschwefelsäure analog zusammengesetzt ist (G^H^HSO«) und wie diese mit Baryt und Kalk lösliche Salze bildet. Das karbolschwefelsaure Zink- oxyd, Ziucum sulfocarbolicurn, ähnelt dem schwefelsauren Zinkoxyd, riecht jedoch meistens schwach nach Karbolsäure, löst sich in Wasser und auch in Weingeist auf und färbt Eisenchlorid violettblau. Im Buchenholzteer ist die Karbolsäure vertreten durch Kreosot, Kreosotum**), eine ätherisch-ölige, von der Karbol- säure im Geruch und in der Zusammensetzung etwas abweichende *) Phenol abgeleitet von oaivw (leuchten), als Produkt bei der Be- reitung des Leuchtgases; Karbolsäure von carbo (Kohle) und oleum (Öl). **) Kreosot von -/.psa? (Fleisch) und cnotrjp (Erhalter). - 317 — ähnliche Flüssigkeit, mit ebenfalls stark antiseptischen Eigenschaften begabt. Es unterscheidet sich von der Karbolsäure durch viel geringere Löslichkeit in Wasser (1 : 100), Unlöslichkeit in Glycerin, Mischbarkeit mit Kollodium (womit die Karbolsäure eine Gallerte bildet) und schmutzig grüne Färbung mit Eisenchlorid. Es ist ein Gemenge aus Kreosol und Guajakol. c) In höherer Hitze als die Karbolsäure destilliert aus dem Holzteer das Paraffin, ein fester Kohlenwasserstoff, ohne Ge- ruch und Geschmack, weiss, wachsartig, in sehr gelinder Wärme schmelzend und weder von Alkalien, noch von Säuren angreifbar — daher sein Name : parum (wenig) affinis (verwandt). — Einen etwas höheren Schmelzpunkt (bei 75°) besitzt das off. Paraffiuum soli du in , welches durch Reinigung des natürlich vorkommenden Erd- wachses (Ozokerit) gewonnen und im Handel Ceresin genannt wird. d) Der Rückstand der Teerdestillation liefert, abgedampft, das Scbiffspech, Pix navalis (P. nigra), ein schwarzes, sprödes Harz mit Teergeruch. Übergiesst man den Holzteer mit heissem Wasser, so er- hält man das schwachgelbe, säuerlich schmeckende und nach Teer riechende Teerwasser, Aqua Picis, welches karbol- säurehaltig ist. In Russland gewinnt man den Teer des Birkenholzes und gebraucht ihn als Oleum Rusci, einen dunkelbraunen Balsam. 3. Die bei der Verkohlung in Meilern restierende Kohle ist die Holzkohle (Carbo vegetabilis). §297. Die trockne Destillation der Steinkohlen. Die Steinkohlen, die verkohlten Reste einer untergegangenen, vorzeitlichen Vege- tation, finden sich häufig gemengt mit eingestreutem Schwefelkies und zeigen auch einen Gehalt an Stickstoff. Daher weichen die Produkte der trockenen Destillation der Steinkohlen von denen des Holzes durch den Gehalt einiger Bestandteile ab. Man nimmt die Operation zum Zwecke der Leuchtgasbereitung in den sog. Gasfabriken vor. 1. Das gewonnene Gas, das Leuchtgas, besteht aus schwerem Kohlenwasserstoffgas (Olgas), welchem es seine Leuchtkraft verdankt, gemengt mit leichtem Kohlenwasser- stoffgase, reinem Wasserstoff, Kohlenoxyd, Ammoniak, Schwefel- wasserstoff, Schwefelkohlenstoff; von den drei letzteren muss es gereinigt werden. Man lässt es zunächst durch lange Röhren streichen, worin der Schwefelkohlenstoff mit den abgedun steten Brandölen (Benzol u. a.) sich absetzt; dann leitet man das Gas durch Kalkmilch, zur Absorption des Schwefelwasserstoffs und der Kohlensäure, schliesslich durch verdünnte Schwefelsäure, zur Absorption des Ammoniaks. — 318 — 2. Das wässrige Destillat, das Gaswasser, enthält kohlen- saures und essigsaures Ammoniak, Schwefelammonium, neben Cyan- tind Chlorammonium gelöst. Man verarbeitet es auf Ammoniak. 3. Der Steinkohlenteer, der Gasteer, besteht aus ähnlichen Stoffen wie der Holzteer. Für sich destilliert, liefert er das Steinkohlenbrandöl oder Teer öl, welches man in getrennten Portionen auffängt. Das leichte Teeröl enthält Benzol (Steinkohlenbenzin), Xylol u. a., das schwere Teeröl Karbol- säure*) und an Stelle des Paraffins das Naphthalin, einen krystallinischen, fettartigen Kohlenwasserstoff, von brennendem Geschmack und eigentümlichem Geruch. Im Teeröle finden wir auch eine Anzahl stickstoffhaltiger Salzbasen; vor allen zu nennen das Anilin (NH2C6H5), eine farblose, flüchtigölige Flüssigkeit von gewürzigem Geruch und alkalischer Reaktion, welche durch Oxy- dationsmittel die verschiedenen Anilinfarben liefert. 4. Die rückständige Kohle, Kohks, führt mehr oder weniger Schwefeleisen und verbrennt schwerer als die Steinkohlen selbst. § 298. Trockne Destillation tierischer Substanzen. Werden tie- rische Abfälle, wie Hörn, Knochen, Blut u. dgl. erhitzt, so ent- stehen durch den Stickstoff-Reichtum dieser Materien stark ammo- niakalische Produkte. Man gewinnt aus jenen Abfällen die Blut- kohle und Knochenkohle als Rückstand, eine Stickstoffkohle, die zur Bereitung des Blutlaugensalzes, sowie als Entfärbungs- mittel Anwendung findet. Nebenprodukte dieser Fabrikation sind: 1. Ein wässeriges Destillat, früher als Hirschhorngeist, Spiritus Cornu Ger vi, offizinell, eine mit Tier-Brandöl ge- schwängerte Lösung von kohlensaurem Ammoniak. 2. Ein festes Sublimat, als Hirschhornsalz, SalCornu Cervi, ehedem gebräuchlich, ein mit Tier-Brandöl getränktes kohlensaures Ammoniak, welches sich in der Vorlage in Krusten ansetzt. 3. Ein Teer, stinkendes Tieröl oder Hirschhornöl, Oleum animale foetidum, ein braunschwarzer Balsam von höchst unangenehmem Geruch. Mit Wasser destilliert, liefert er ein ätherisches Brandöl, das ätherische Tieröl, Oleum animale aethereum, ein anfangs farbloses, aber sehr bald an der Luft sich bräunendes ätherisches Öl, ein Gemenge von alkalischen Amid-, Imid- und Nitrilbasen. Das Hirschhornsalz, wie der Hirschhorngeist, werden jetzt aus dem reinen kohlensauren Ammoniak durch Zusatz des äthe- *) Dieses karbolsäurehaltige, schwere Teeröl, welches bei 150° siedet, führt im Handel den Namen Steinkohlenteerkreosot, ist aber vom echten Kreosot (aus Buchenholz) wohl zu unterscheiden. — 319 — rischen Tieröls bereitet und führen die Namen Ammonium carbonicum pyrooleosum, Liquor Amm. carb. pvroo- 1 e o s i. Sie bräunen sich ebenfalls sehr bald an der Luft und riechen sowohl nach Ammoniak wie nach Tieröl. Übersicht der Produkte der trocknen Destillation. Material gasförmige Produkte wässeriges Destillat öliges Destillat Holz (stickstofffrei) CO,C02 (a,H4,CH4 H brenzliche Essigsäure. [Holzessig.) Benzol, Xylol, Karbolsäure, Paraffin. (Holzteer.) Rückstand Holzkohle Steinkohlen (stickstoffarm, schwefelhaltig) CO,C2H4, CH4,NH3 H?S,H. (Leuchtgas.) kohlensaures und essig- saures Ammo- niak, Schwe- felammonium u. a. (Gaswasser.) Benzol, Xylol, Karbolsäure, Naphthalin, Anilin. (Steinkohlen- teer.) Kohks Hörn, Knochen, Blut u. dgl. (stickstoffreich) CO,C.2H4, CH4,NH3 H j kohlensaures, essigsaures und freies Am- moniak, Cyan- [ ammonium. i (Hirschhorn- geist.) flüchtige Amid-, Imid- und Nitril- basen. (Hirschhom- öl.) Blutkohle Knochenkohle Praktische Übungen. 1. Zincum sulfocarbolicum. Man bereitet zunächst Karbol- schwefelsäure, indem man 6 Teile konzentr. Schwefelsäure mit 5 Teilen reiner Karbolsäure mischt und 8 Tage in mittlerer Temperatur stehen lässt. Dann wird die Mischung mit ihrer zehnfachen Wassermenge ver- dünnt, durch kohlensauren Kalk (Kreide) gesättigt und nach der Filtration auf 10 Teile eingedampft. Man filtriert abermals (von dem aasgeschie- denen Gips) und giebt soviel Zinkvitriollösung (höchstens 7l/2 Teile Zink- vitriol) hinzu, bis kein Niederschlag mehr entsteht; die von dem ent- stehenden Gips abfiltrierte Flüssigkeit wird schliesslich zur Krystallisation abgedampft. 320 - Erkennung und Prüfung der chemischen Präparate. A. Qualitative Analyse. § 299. Qualitative und quantitative Analyse. Die Untersuchung eines Körpers auf seine chemischen Bestandteile ist Gegenstand der qualitativen chemischen Analyse. Hierbei handelt es sich ausschliesslich darum , welche chemischen Körper zu- gegen sind. Ist dies festgestellt, so folgt die zweite Frage, in welchen Mengeverhältnissen die Bestandteile mit einander ver- bunden oder gemischt sind; die Beantwortung dieser Frage ist Gegenstand der quantitativen chemischen Analyse. Für den Pharmazeuten hat die qualitative Analyse haupt- sächlichen Wert: 1. Zur Erkennung der chemisch-pharmazeutischen Präpa- rate resp. Feststellung ihrer Identität. 2. Zur Prüfung derselben auf ihre Reinheit. I, Die Erkennung der chemischen Präparate. A. Allgemeine Prüfung. (Vorprüfung.) § 300. Physikalische Charaktere. Man leitet die allgemeine Prüfung der chemisch-pharmazeutischen Präparate mit der Prüfung ihrer physikalischen Charaktere ein und berücksichtigt hierbei der Reihe nach den Aggregatzustand, die Farbe, den Ge- ruch und Geschmack, sowie das spez. Gew. des Körpers und sein Verhalten an der Luft. 1. Der Aggregatzustand giebt sehr häufig wesentliche Erkennungsmerkmale ab. Hierbei muss zunächst beachtet werden : a) ob der Körper tropfbar flüssig, oder b) ob er fest ist; im letzteren Falle ob er a) krystallisiert oder ß) amorph ist. Die tropfbaren Flüssigkeiten zeigen häufig eine besondere Konsistenz ; so finden wir eine dickliche, ölige Beschaffenheit bei Acidum sulfuricum, Aciclum tacticum, Liquor Ferri sesquichlorati und sulfurici oxydati; Dünnflüssigkeit finden wir beim Aether, Aether aceticus, Chloroformium u. a. Für die krystallisierten Körper ist die Krystallgestalt häufig charakteristisch. Als Beispiele mögen dienen: - 321 - in regelmässigen Würfeln: Kalium jodatum, K. bromatum, in regelmässigen Oktaedern: Alumen; in quadratischen Tafeln : Kalium ferrocyanatum ; in rhombischen Tafeln: Jodum, Baryum chloratum, Kalium chloricum, Zincum aceticum, Acidum boricum; in rhombischen Säulen: Kalium nitricum (in längsstreifigen, abgestumpften, sechsseitigen Säulen), Magnesium sulfuricum, Zincum sulfuricum, Natrium sulfuricum, Natrium aceticum u. v. a. in Rhomboedern : Natrium nitricum (sehr ähnlich dem Würfel) ; in sublimierten Stücken mit strahligem Gefüge : Hydrargyrum chloratum und H. bichloratum; mit faserigem Gefüge: Ammonium chloratum. 2. Durch eine besondere Färbung zeichnen sich aus: grün : Eisenoxydidsalze (hellgrün), manche Kupferoxydsalze (blaugrün), gewisse Chromoxydverbindungen; blau : Kupferoxydsalze ; rot: übermangansaure Salze (violettrot), Chromsäure; gelb : Eisenoxydsalze (braungelb), neutrale chromsaure Salze (hellgelb), Gold- und Platinsalze. 3. Am Gerüche sind viele chemischen Körper sofort sicher zu erkennen: Liquor Ammonii caustici durch seinen stechenden Geruch ; Chlorum durch seinen erstickenden Geruch, Chlor oformium, Aether aceticus durch ihren belebenden Geruch, Acidum benzoicum durch ihren benzoeartigen Geruch u. s. f. Was den Geschmack betrifft, so lässt sich derselbe wegen der häufigen Giftigkeit der Chemikalien nur mit grosser Yorsicht ermitteln. Sämtliche Sclnvermetallsalze besitzen einen widrigen, sog. metallischen Geschmack, Eisensalze schmecken tintenartig, Bleisalze süsslich herbe, Thonerdesalze schrumpfend, Magnesiasalze bitterlich. 4. Das spezifische Gewicht ist bei Flüssigkeiten häufig charakteristisch. Durch eine bedeutende Eigenschwere zeichnen sich aus: Acidum sulfuricum, Chloro formium u. a., durch eine sehr geringe: Aether, Benzinum u. a. Durch sein höheres spez. Gew. unterscheidet sich z. B. das Chloroform von den ihm äusserst ähnlichen Äthylenchlorid. 5. Das Verhalten an der Luft kennzeichnet manche chemischen Körper. So tritt ein: schleuniges Yerdunsten bei Aether, Aether aceticus, Chloro- formium, Benzinum; Feuchtwerden und endlich Zerfliessen infolge von Wasser- anziehung bei Kalium carbonicum, Tartarus boraxatus, Acidum chromicum u. a. ; Zerfallen infolge von Yerwitterung bei Natrium phosphoricum Natrium carbonicum u. a. Schlickum, Apothekerlehrling. 21 - 322 — § 301. Verhalten beim Erhitzen. Nachdem man die sinnlichen Eigenschaften des fraglichen Körpers festgestellt hat, fährt man in der Vorprüfung fort durch Erhitzen einer kleinen Probe auf Platinblech oder in einem porzellanenen Glühschälchen. Hier- bei können folgende Fälle eintreten: 1. Der Körper verflüchtigt sich ohne Eückstand. Hierhin gehören die meisten Mineralsäuren (excl. Chromsäure und Phosphorsäure), sämtliche Ammoniak- und Arsenverbindungen, Quecksilber und seine Verbindungen, Jod und Brom. 2. Der Körper verbrennt resp. verkohlt. Hierhin zählen die organischen Körper. Hinterlassen sie auch in der Glühhitze einen fixen Rückstand, so liegt das Salz einer organischen Säure vor und zwar hinterlassen die Alkalisalze kohlen- saures Alkali als Rückstand, kenntlich an der alkalischen Reaktion nach dem Anfeuchten mit Wasser. Die organisch- sauren Schwermetalle lassen aber reines Metalloxyd zurück, die der leicht reduzierbaren Metalle (Blei, Antimon u. a.) ergeben regulinisches Metall. (Solche Verbindungen darf man nicht auf Platinblech glühen, da letzteres mit dem Metalle zusammenschmilzt und durchlöchert wird.) 3. Der Körper schmilzt und hinterlässt dann einen festen Rückstand. Es liegt ein Körper mit Krystallwasser vor, z. B. Natrium carbonicum, sulfuricum, phosphoricum u. a., "welche in ihrem Krystallwasser schmelzen, dasselbe verdampfen lassen und dann wasserfrei zurückbleiben. 4. Der Körper bläht sich stark auf. Dies thut Borax und Alumen. 5. Der Körper verändert seine Färbung. Hierhin das Zincum oxydatum, welches gelb wird, beim Er- kalten aber seine weisse Farbe wieder annimmt; Cerussa wird dauernd gelb. 6. Der Körper verändert sich nicht. Hierhin die Oxyde der Schwermetalle, der alkalischen Erden, Thonerde, viele Salze. § 302. Verhalten zu Lösungsmitteln. Als Lösungsmittel wendet man zuerst reines Wasser an; wirkt dasselbe nicht in gewöhn- licher Temperatur, so erhitzt man zum Sieden. Beobachtet man auch dann keine Veränderung resp. Lösung, so fügt man Sal- petersäure portionenweise zu und erhitzt nötigenfalls. Hier- nach unterscheidet man: 1. In Wasser lösliche Körper: die ätzenden und kohlen- sauren Alkalien, die meisten Säuren, alle salpetersauren und essig- sauren Salze, die meisten schwefelsauren Salze und Chlormetalle, die Salze der Alkaloide u. a. m. 323 — 2. Nicht in Wasser, aber in verdünnten Säuren lösliche Körper: die kohlensauren, phosphor sauren, weinsauren alkalischen Erden und Schwermetallsalze, die reinen Alkalo'ide, Schwer- tnetalloxyde u. a. m. 3. Weder in Wasser, noch in verdünnten Säuren lösliche Körper: Schwefel, Kohle, Zinnober, Quecksilber chlor ür und -jodür, die Sulfate von Bart/um, Strontium, Blei u. a. B. Spezielle Untersuchung. § 303. Was ist ein Reagens? Die spezielle Prüfung bedient sich der Reagentien. Man versteht unter einem Eeagens ein Mittel, mittelst dessen man die Anwesenheit eines fraglichen Körpers konstatieren kann. Durch ein Reagens wird bei An- wesenheit des gesuchten Körpers irgend eine Erscheinung hervor- gerufen, sei es ein Niederschlag, eine Gasentbindung, eine Färbung oder dgl. Bleibt die erwartete Erscheinung aus, so ist damit die Abwesenheit des fraglichen Stoffes nachgewiesen. Man unterscheidet unter den Reagentien allgemeine und besondere. Erstere zeigen eine ganze Gruppe von Körpern an, letztere nur einen bestimmten Stoff. Zu den allgemeinen Reagentien zählen in erster Reihe die Reagenspapiere, welche freie Säuren resp. Ätzalkalien an- zeigen. Man benutzt hierzu: 1. blaues Lackmuspapier, mit einem wässerigen Aus- zuge von Lackmus (Lackmustinktur) getränktes Schreibpapier, ein Reagens auf freie Säuren und saure Salze, durch die es gerötet wird ; 2. rotes Lackmuspapier, mittelst verdünnter Säure ge- rötetes Lackmuspapier, ein Reagens auf ätzende Alkalien und kohlensaure Alkalien (auch borsaure und kieselsaure Alkalien), durch die es gebläuet wird; 3. Kurkumapapier, mittelst Kurkumatinktur gelb gefärbtes Schreibpapier, welches von alkalischen Flüssigkeiten gebräunt wird. Bevor man zur weiteren Untersuchung schreitet, muss mit- telst der genannten Reagenspapiere die Lösung des fraglichen Körpers auf seine Reaktion geprüft werden. Die übrigen Reagentien sind teils Säuren: verd. Essigsäure, Salzsäure, Salpetersäure, Schwefelsäure, Gerbsäure, Weinsäure; Gaslösungen: Chlor- Schwefelwasserstoffwasser; Ätzalkalien: Natronlauge, Kalkwasser, Ätzammoniak; Schwefelalkalien : Schwefelammonium; Salzlösungen: kohlensaures Natron, kohlensaures Ammoniak, phosphorsaures Natron, oxalsaures Am- moniak, essigsaures Kali, übermangansaures Kali, salpetersaurer Baryt, schwefelsaurer Kalk, schwefel- 21* — 324 — saure Magnesia, schwef elsauresEisenoxydul, schwefel- saures Kupferoxyd, essigsaures Bleioxyd, salpeter- saures Silberoxyd; Chlorammonium, Chlorcalcium, Eisenchlorid> Platinchlorid, Quecksilberchlorid, Jodkalium, Ferro- cyankalium, Ferridcyankaliuni, Rhodankalium; Metalle: Zink, Kupfer, Eisen. 1. Auffindung des metallischen Bestandteils. § 304. Analytische Einteilung der Metalle. 1. Gruppe: Durch Schwefelwasserstoff aus saurer Lösung fällbare Metalle: Blei, Kupfer, Kadmium, Wismut, Zinn, Antimon, Arsen, Quecksilber, Silber, Gold, Platin. 2. Gruppe: Nicht durch Schwefelwasserstoff aus saurer Lösung, jedoch durch Schwefelammonium fällbare Metalle: Zink, Eisen, Mangan, Kobalt, Nickel, Chrom, Aluminium. 3. Gruppe: "Weder durch Schwefelwasserstoff, noch durch Schwefelammonium, jedoch durch kohlensaures Natron fällbare Metalle: Baryum, Strontium, Calcium, Magnesium. 4. Gruppe: Weder durch Schwefelwasserstoff, noch Schwefel- ammonium, noch kohlensaures Natron fällbare Metalle: Kalium, Natrium, Lithium {Ammonium). I. Gruppe. Durch Schwefelwasserstoff aus saurer Lösung fällbare Metalle. § 305. Verhalten der hierhin gehörigen Metalle gegen Salzsäure. Die Ansäuerung der Lösung, welche mit Schwefelwasserstoff be- handelt werden soll, geschieht durch Salzsäure. Da hierdurch einige der hierhin gehörigen Metalle als Chlormetalle ausgefällt werden, giebt uns die Ansäuerung durch Salzsäure ein Mittel zur Erkennung der in Frage kommenden Metalle. Durch Salzsäure werden als Chlormetalle weiss gefällt: Silber-, Blei und Quecksilberoxydsalge. Man unterscheidet diese Metalle am Verhalten des Nieder- schlages 1. zu heissem "Wasser, 2. zu Ätzammoniak. Z?Ze«chlorid löst sich nämlich in siedendem "Wasser leicht auf, Äföerchlorid wird dagegen yon Salmiakgeist leicht aufgenommen, während Quecksilber chlorür von letzterem schwarz gefärbt wird (Quecksilber- oxydul-Ammoniak) Die Bleisalze charakterisieren sich ausserdem durch ihr Verhalten zu Schwefelsäure, welche weisses Bleisulfat fällt, sowie zu Jodkalium, welches gelbes Jodblei fällt. Schwefelwasserstoff scheidet sämtliche drei Metalle als schwarze Sulfide aus. — 325 — § 306. Unterscheidung der durch Salzsäure nicht fällbaren Metalle. Die übrigen durch Schwefelwasserstoff aus saurer Lösung fäll- baren Metalle, welche nicht durch Salzsäure niedergeschlagen werden, sind: Quecksilberoxyd-, Kadmiumoxyd- , Kupferoxyd-, Wismut- oxyd-, Zinnoxydul-, Zinnoxyd-, Goldoxyd-, Platinoxyd-, An- timonoxyd-, arsenigsaure und arsensaure Sähe. Man unterscheidet diese Salze 1. nach der Farbe des Nieder- schlages, den Schwefelwasserstoff erzeugt, 2. nach dessen Löslich- keit in Schwefelammonium. Es sind: a) Orangerot, löslich in Schwefelammonium : Antimonsulfür und Antimonsulfid; b) Gelb, a) löslich in Schwefelammonium: Zinnsulfid, Arsensulfid, ß) unlöslich in Schwefelammonium: Kadmiumsulfid; c) Kaffeebraun, in gelbem Schwefelammonium löslich: Zinnsulf ür; d) Schwarz, a) löslich in Schwefelammonium: Gold- und Platinsulfid, ß) unlöslich in Schwefelammonium: Quecksilber sulfid, Kupfer- und Wismutsulfid. Man unterscheidet sie durch das Yerhalten ihrer Salzlösungen zu Wasser und zu Ammoniak. Wasser trübt die Wismutsalze milchig; Ätzammoniak fällt die Quecksilberoxydsalze weiss, die Kupfersalze bläulich, löst aber, im Über- schuss angewendet, das Kupferoxydhydrat mit tief- blauer Farbe wieder auf. Ein empfindliches Reagens auf Kupfersalze ist das Ferro- «yankalium, welches sie noch in grösster Yerdünnung rot- braun (Ferrocyankupfer) fällt. 2. Gruppe. Durch Schwefelammoniuni fällbare, durch Schwefelwasserstoff aus saurer Lösung nicht fällbare Metalle. § 307. Unterscheidung der hierhin gehörenden Metalle. Yon den durch Schwefelammonium (nicht aber aus saurer Lösung durch Schwefelwasserstoff) fällbaren Metallen werden gefällt: 1. Als Sulfide: Zink, Eisen, Mangan, Kobalt, Nickel; 2. als Oxydhydrate: Chrom und Aluminium; und zwar: a) weiss, u) unlöslich in Natronlauge: Zinksulfid; ß) löslich in Natronlauge: Thonerde; b) blaugrün, löslich in Natronlauge: Chromoxyd; c) fleischfarbig, unlöslich in Natronlauge: Mangansulfid; — 326 — d) schwarz, a) leichtlöslich in kalter verd. Salzsäure : Eisensulfid; ß) darin unlöslich: JSickel- und Kolaltsulfid. Die Zink- und Tlionerdesalze unterscheiden sich durch ihr Verhalten zu den Alkalien ; überschüssige Kali- und Natronlauge lösen das anfänglich ausgeschiedene Zinkoxyd resp. Thonerde- hydrat wieder auf, Ammoniak löst aber nur das Zinkoxyd, nicht die Thonerde. Fügt man also Chlorammonium zur alkalischen Lösung, so geht dieselbe in eine ammoniakalische über (durch Bildung von Chlorkalium resp. Chlornatrium) und vorhandene Thonerde scheidet sich als weisser gallertiger Niederschlag aus, Zinkoxyd bleibt aber gelöst. Zur Unterscheidung der Eisenoxydul- von den Eisenoxydsalzen dienen die Blutlaugensalze. Ferrocyankalium fällt die Eisen- oxydulsalze hellblau, die Eisenoxydsalze tiefblau, Ferridcyan- kalium fällt die Eisenoxydulsalze tiefblau, die Eisenoxydsalze gar nicht; Schwefelcyankalium färbt nur die Eisenoxydsalze blutrot. § 308. Verhalten gewisser Salze der alkalischen Erden. Im Falle der zu prüfende Körper ein phosphorsaures, borsaures, oxalsaures, weinsaures Salz einer alkalischen Erde (Baryt, Strontian, Kalk, Magnesia) ist, wird derselbe durch Schwefelammonium in ähnlicher Weise wie die im vorigen § be- handelten Metalle ausgeschieden. Diese Salze lösen sich näm- lich nicht in Wasser, aber in verdünnten Säuren auf; wird nun die zur Lösung dienende Säure durch das Schwefelammonium neutralisiert, so entzieht sich jenen Salzen, das Lösungsmittel, und sie scheiden sich wieder aus. Da sie weiss von Farbe sind, sich auch nicht in Ätzalkalien auflösen, kann man sie nicht wohl mit Thonerde- und Zinksalzen verwechseln. Beim Glühen verwandeln sich die oxal- und weinsauren alkalischen Erden, letztere unter Schwärzung, in kohlensaure Salze, sodass der Rück- stand mit Salzsäure aufbraust. Die phosphorsauren und borsauren alka- lischen Erden verändern sich beim Glühen nicht. Üff 3. Gruppe. Weder durch Schwefelwasserstoff, noch durch Schwefelammonium, aber durch kohlensaures Natron fällbare Metalle — alkalische Erden. § 309. Unterscheidung der hierhin gehörigen Metalle. Die durch kohlensaures Natron fällbaren alkalischen Erden verhalten sich gegen kohlensaures Ammoniak verschieden. Baryt, Strontian und Kalk werden durch dasselbe als Karbonate ebenso nieder- geschlagen, wie durch kohlensaures Natron ; die Magnesia dagegen wird durch kohlensaures Ammoniak nicht gefällt, da sie mit Am- moniak leichtlösliche Doppelsalze bildet. — 327 - Man unterscheidet Kalk, Baryt und Strontian durch die ver- schiedene Löslichkeit ihrer schwefelsauren Salze. In nicht zu sehr verdünnter Lösung werden sie sämtlich durch verdünnte Schwefelsäure ausgefällt; es bleibt aber immerhin noch soviel schwefelsaurer Kalk gelöst, dass oxalsaures Ammoniak im Filtrat eine weisse Trübung von oxalsaurem Kalke erzeugt, so- fern man die überschüssige Säure durch Ätzammoniak übersättigt hat. (Der Oxalsäure Kalk wird nämlich durch freie Mineralsäuren aufgelöst gehalten.) Um den Baryt und Strontian zu erkennen, dient eine Lösung von schwefelsaurem Kalke, das sog. Gipswasser. Dasselbe erzeugt in i?ar^lösungen sofort, in StronäanYösimgen erst bei längerem Stehen einen weissen Niederschlag; Kalksalze lässt es ungetrübt. — Die Anwesenheit des Sirontians lässt sich leicht durch die karminrote Färbung erkennen, die seine Salze (zumal Chlorstrontium) der "Weingeistflamme erteilen. Wird zu der mit kohlensaurem Ammoniak versetzten, klar gebliebenen MagnesiaYö&wng phosphorsaures Natron ge- fügt, so scheidet sich phosphorsaure Ammoniak-Magnesia als schwerlöslicher, weisser Niederschlag krystallinisch aus. 4. Gruppe, jp Weder durch Schwefelwasserstoff, noch durch Schwefelamrnonium und kohlensaures Natron fällbare Metalle. — Alkalien. § 310. Unterscheidung der hierhin gehörigen Metalle. Die Alkalien lassen sich am besten durch die Färbung unterscheiden, die sie (zumal nach dem Befeuchten mit Salzsäure) der Flamme erteilen, wenn man eine kleine Probe im Öhr des Platindrahts in die Weingeistflamme hält. Kalium färbt sie schwachviolett, Natrium gelb, Lithium karminrot. Da die gelbe Natriumflamme die Fär- bungen der beiden andern Alkalien verdeckt, so muss man die Flamme durch ein blaues Glas betrachten , wenn man Kali und Lithion zugleich neben Natron erkennen will. (Alsdann erscheint die Kaliflamme rot; die gelbe Natronflamme wird durch das Blau als komplementäre Farbe farblos gemacht.) Um Kalium von Natrium auf nassem Wege zu unterschei- den, dient Platinchlorid oder Weinsäure; ersteres erzeugt mit Kalisalzen einen gelben, letztere einen weissen Niederschlag. Bemerkenswert ist, dass beide Keagentien mit Ammoniaksalzen dieselbe Reaktion hervorrufen. Will man mit ihnen also auf Kalium untersuchen, so hat man zuvor die Prüfung auf Ammoniak anzustellen und bei dessen Gegenwart durch Glühen sämtliche Ammoniaksalze zu verjagen. § 311. Erkennung des Ammoniaks. Den Alkalien schliesst sich das Ammoniak an, ausgezeichnet durch die Flüchtigkeit aller seiner - 328 — Verbindungen beim Glühen. Man weist es in seinen Salzen dadurch nach, dass man es mittelst Ätzalkalien frei macht, entweder durch Erhitzen der Salzlösungen, mit Natronlauge, oder des trockenen Salzes mit gepulvertem Kalk. Das freie Ammoniak giebt sich zu erkennen: 1. durch seinen stechenden Geruch; 2. durch die (vorübergehende) Bläuung von befeuchtetem roten Lackmuspapier, welches man über die Probe hält; 3. durch die Bildung weisser Nebel, wenn man einen mit Salzsäure befeuchteten Glasstab in den Beagiercylinder über die Probe einführt. 2. Auffindung der Säuren, resp. der sie vertretenden Nichtmetalle. § 312. Analytische Einteilung der Säuren. Man teilt die Säuren resp. die sie vertretenden Nichtmetalle (Salzbildner, Schwefel) in folgende Gruppen ein : A. Unorganische Säuren (beim Glühen nicht verkohlend). 1. Gruppe. Durch Chlorbaryum aus neutraler Lö- sung fällbare Säuren: Schwefelsäure, arsenige und Arsensäure, Phosphorsäure, Borsäure, Oxalsäure*), Kohlensäure, Kieselsäure, Chromsäure. 2. Gruppe. Durch salpetersaures Silberoxyd auch aus saurer Lösung fällbare Säuren; Chloride, (Chlorwasserstoff), Bromide, Jodide, Cyanide {Cyanwasserstoff), Schwefelmetalle und Schwefelwasserstoff. 3. Gruppe. Weder durch Chlorbaryum, noch durch salpeter- saures Silberoxyd fällbare Säuren: Chlorsäure, Salpetersäure. B. Organische Säuren, (beim Glühen verkohlend). 4. Gruppe. Durch Chlorcalcium resp. Kalkwasser fällbare Säuren: Weinsäure, Citronensäure (Oxalsäure). 5. Gruppe. Nicht durch Chlorcalcium fällbare, sich durch Eisenchlorid in neutraler Lösung anzeigende Säuren. Benzoesäure, Bernsteinsäure, Baldriansäure, Essigsäure, Amei- sensäure, Salicylsäure, Karholschwefelsäure, Gerosäure. 6. Gruppe. Weder durch Kalksalze, noch durch Eisenchlo- rid sich anzeigende Säuren: Milchsäure, Äpfelsäure. *) Die Oxalsäure zählt in der Analyse zu den unorganischen Säuren, da sie und ihre Salze, auf Platinblech geglüht, nicht geschwärzt werden. 329 1. Gruppe.' Unorganische Säuren, die durch Baryumnitrat aus neutraler Lösung ge- fällt werden. § 313. Untersuchung der hierhin gehörigen Säuren. Man unter- scheidet die Säuren dieser Gruppe nach dem Verhalten des durch Baryumnitrat aus neutraler (resp. mit Ammoniak neutralisierter) Lösung hervorgerufenen Niederschlags gegen verdünnte Salpeter- säure. Es können hierbei drei Fälle eintreten: 1. Der Niederschlag wird von der Salzsäure weder gelöst, noch verändert: Schwefelsäure. 2. Der Niederschlag wird von der Salzsäure unter Zer- setzung gelöst: Kohlensäure, Kieselsäure. Der kohlensaure Baryt löst sich unter Aufbrausen, der kiesel- saure Baryt unter Abscheidung gallertartiger Kieselsäure in Salz- säure auf. 3. Der Niederschlag wird von der Salzsäure anscheinend ohne Zersetzung gelöst. Phosphorsäure, Borsäure, Oxalsäure, Chromsäure, arsenige und Arsensäure. Die Chromsäure giebt sich durch die gelbe Farbe des Baryt- salzes und die rote Farbe des Silbersalzes zu erkennen. Zur weiteren Unterscheidung der genannten Säuren wendet man das salpetersaure Silberoxyd an, welches der ursprüng- lichen neutralen resp. genau mit kohlensaurem Natron neutrali- sierten Salzlösung zugegeben wird. Der erzeugte Niederschlag ist a) weiss: bei Borsäure, Oxalsäure; b) gelb: Phosphorsäure, arsenige Säure ; c) ziegelrot: Arsensäure. Für die Borsäure ist charakteristisch : die gelbgrüne Färbung, welche freie Borsäure oder mit konz. Schwefelsäure befeuchtete borsaure Salze der Weingeistflamme erteilen; sodann die eigen- tümlich rötliche Färbung des Kurkumapapiers, welche die freie Säure resp. ihre mit Salzsäure versetzten Salze hervorbringen. 2. Gruppe. Unorganische Säuren, die durch salpetersaures Silberoxyd aus angesäuerter Lösung ausgefällt werden. § 314. Unterscheidung der hierhin gehörigen Säuren. Fügt man zu der mit Salpetersäure angesäuerten Lösung etwas salpetersaures Silberoxyd, so erfolgt ein Niederschlag bei Chlor-, Brom-, Jod-, Gyan-, Schioefelmetallen resp. Chlor-, Brom-, Jod-, Cyan-, Schwefelivasserstoff. Man unterscheidet sie an der Farbe des Niederschlages und dessen Löslichkeit in Ätzammoniak. Der Niederschlag ist: a) weiss und in Salmiakgeist leichtlöslich a) in heisser Schwefelsäure unlöslich : G^orverbindungen ; ß) in heisser Schwefelsäure löslich: C^/awverbindungen ; b) gelblichweiss oder gelblich, in Salmiakgeist schwer- oder unlöslich: Brom- und Jbdverbindungen. c) schwarz bei Äc/m-e/e/verbinduEgen. Um speziell Brom- und Jbrfmetalle von einander zu unter- scheiden, dient Chlorwasser, welches man portionenweise der wässerigen Lösung zugiebt. Es wird dadurch Brom resp. Jod frei gemacht; wenn nun die Mischung mit Chloroform resp. Schwefel- kohlenstoff geschüttelt wird, löst sich, das Brom mit gelber, das Jod mit violettroter Farbe darin auf. Das freigemachte Jod lässt sich auch durch Stärkelösung nachweisen, welche durch dasselbe dunkelblau gefärbt wird. Ist ein Bromnietall mit einem Jodmetalle gemischt, so wird das Jod durch das Chlorwasser zuerst ausgeschieden, bei Mehrzusatz des Chlor- wassers wieder als farbloses Chlorjod gelöst, worauf die Bromausscheidung erfolgt, um vom überschüssigen Chlorwasser ebenfalls zu farblosem Chlor- brom wieder gelöst zu werden. Statt des Chlorwassers kann man auch rauchende Salpetersäure zur Ausscheidung von Jod resp. Brom an- wenden. 3. Gruppe. Unorganische Säuren, welche weder durch Chlorbaryum, noch durch salpeter- saures Silberoxyd gefällt werden. § 315. Erkennung der hierhin gehörigen Säuren. Hierhin gehören die Salpetersäure und Chlorsäure. Ihre Salze besitzen die gemein- same Eigenschaft, auf glühenden Kohlen zu verpuffen. Glüht man dieselben auf Platinblech, so hinterlassen die chlor- sauren Salze Chlormetall, sodass der in Wasser gelöste Glührück- stand durch salpetersaures Silberoxyd weiss gefällt wird. Die salpetersauren Salze hinterlassen beim Glühen Metalloxyd; da- her reagiert der Glührückstand der salpetersauren Alkalien stark alkalisch. Erwärmt man die salpetersauren Salze mit Salzsäure, so entwickeln sich gelbrote Dämpfe der Untersalpetersäure. Mit konz. Schwefelsäure versetzt, giebt sich die Salpetersäure in ihren Salzlösungen dadurch zu erkennen, dass eine Eerrosulfatlösung (oder auch ein Krystall) dunkle Färbung hervorruft (vgl. § 113). Mit den chlorsauren Salzen erzeugt Salzsäure freies Chlor und grüngelbe Färbung (Unterchlorsäure). 4. Gruppe. Organische Säuren, welche mit Kalkwasser resp. Chlore alciuni einen Nieder- schlag geben. § 316. Unterscheidung der hierhin gehörigen Säuren. Die freien Säuren werden mit Kalkwasser im Überschuss, dagegen die - 331 — neutralen Salzlösungen mit Chlorcalcium versetzt; entsteht sofort ein weisser Niederschlag, so ist die Säure Weinsäure oder Oxalsäure ; bleibt die Probe klar, so erhitzt man zum Sieden; ein alsdann entstehender Niederschlag zeigt die Citronensäure an. — Die Oxalsäure trübt sich durch Gripswasser, welches die Weinsäure und ihre Salze klar lässt. Auch scheidet die Wein- säure durch essigsaures Kali aus angesäuerter Lösung kri- stallinischen Weinstein ab. Beim Erhitzen auf Platinblech ver- kohlt die Weinsäure nebst ihren Salzen mit dem Geruch nach verbranntem Zucker. Die Oxalsäure verkohlt auf Platinblech nicht. 5. Gruppe. Organische Säuren, welche durch Eisenchlorid in neutraler Lösung an- gezeigt werden. § 317. Unterscheidung der hierhin gehörigen Säuren. In ihren neutralen Salzlösungen, nicht immer aber als freie Säuren, geben mit Eisenchlorid 1. Einen Niederschlag: Die B ernstein &äure, Benzotsäure und Baldriansäure. Der entstehende Niederschlag ist bräunlich und voluminös; verdünnte Säuren zersetzen ihn. Man unterscheidet diese Säuren, indem man sie durch Salzsäure aus ihren Salz- verbindungen ausscheidet, an ihren physikalischen Eigenschaften: die Bernsteinsäure bleibt aufgelöst, die Benzoesäure scheidet sich als weisse, krystallinische Masse, die Baldriansäure als farblose Ölschicht aus welche sich durch ihren eigentümlichen Geruch zu erkennen giebt. 2. Eine Färbung, und zwar: a) blutrote Färbung zeigt an: Essigsäure und Amei- sensäure. Säurezusatz hebt die Färbung auf (Unterschied von den Schwefelcyanveibmd\mgen). Man unterscheidet beide Säuren durch Silbernitrat, womit man sie erwärmt; die Ameisensäure schwärzt sich dann durch Silberreduktion, die Essigsäure erleidet keine Schwärzung. b) blauviolette Färbung zeigt an: Salicylsäure, Kar- bolsäure und Karbolschwefelsäure. Die Salicylsäure scheidet sich aus ihren Salzlösungen durch Salzsäure in feinen Krystall- nadeln aus, leichtlöslich in siedendem Wasser oder in Weingeist. Die Karbolschwefelsäure wird durch Salzsäure nicht ausgeschieden. c) schwärzliche Färbung und Trübung zeigt Gerb- säure an. 6. Gruppe. Organische Säuren, welche weder durch Kalksalze noch durch Eisenchlorid angezeigt werden. § 318. Unterscheidung der hierhin gehörigen Säuren. Hierhin ge- hören : Milchsäure, Äpfelsäure. — 332 - Die Milchsäure liefert beim Erhitzen mit übermangan- saurem Kali den Geruch nach Aldehyd. Die Apfelsäure giebt mit essigsaurem Bleioxyd einen weissen Niederschlag, der beim Aufkochen harzartig schmilzt. (Die milchsauren Salze wer- den durch Bleisalz nicht gefällt.) IL Die Prüfung der Chemikalien auf Reinheit. § 319. Allgemeine Gesichtspunkte. Soll ein chemisches Präpa- rat auf seine Reinheit geprüft werden, so lassen sich folgende allgemeine Regeln aufstellen: a) In Wasser lösliche Präparate müssen mit der hin- reichenden Menge Wasser klare Lösungen geben. Rückstände oder Trübungen verraten fremde Beimengungen. Löst sich z. B. Acidum arsenicosum nicht vollständig in 15 — 20 Teilen sieden- dem Wasser, so ist es verunreinigt. b) In Wasser unlösliche, aber in verdünnten Säuren oder in Weingeist lösliche Körper dürfen beim Schütteln resp. Kochen mit Wasser nichts an dasselbe abgeben. So darf Wasser mit Zincum oxydatum geschüttelt oder mit Magnesium carbonicum gekocht, beim Yerdampfen (auf Platin- blech) keinen Rückstand hinterlassen, andrenfalls enthalten jene Präparate zufolge ungenügenden Auswaschens Mutterlaugensalze. c) Gränzlich unlösliche Körper dürfen an Wasser, Wein- geist, Säuren resp. Alkalien nichts abgeben z. B. Carbo pulveratus. d) Flüchtige Körper dürfen beim Erhitzen (auf Platin- blech oder in Grlühschälchen) keinen feuerbeständigen Rückstand hinterlassen. Z. B. Acidum aceticum, Acidum hydrochloricum, Acidum nitricum, Acidum sulfuricum, die Ammonium-Präparate, Qnecksilberverbindungen. e) Yerbrennliche Körper dürfen, wenn sie auf Platin- blech verbrannt werden, keinen Grlührückstand hinterlassen. Z. B. Sulfur, Glycerin, sämtliche Alkaloide und deren Salze. § 320. Spezielle Prüfung. Die Prüfung auf bestimmte Verun- reinigungen geschieht nach denselben Methoden, welche bei der Erkennung der Chemikalien befolgt werden und im Vorhergehen- den erörtert wurden. Am häufigsten finden Untersuchungen auf folgende Stoffe statt: 1. Arsen. Hierauf sind zu prüfen: Acidum hydrochloricum, Sulfur, Acidum sulfuricum, Acidum phosphoricum, Natrium phos- phoricum, Bismuthum subnitricum, Stibium sulfuratum aurantiacum, Tartarus stibiatus. Die Salzsäure, Schwefelsäure, Phosphorsäure, deren Natronsalz, sowie das Wismutsubnitrat prüft man mittelst — 333 — Zink und Säure, um eine etwaige Beimengung von Arsenwasser- stoffgas durch eine gelbe resp. schwarze Färbung eines aufFliess- papier gebrachten Tropfens Silbernitratlösung zu konstatieren. (Vgl. S. 231.) Wo das Arsen in Verbindung mit Schwefel zu- gegen ist, extrahiert man das Schwefelarsen durch Ammoniak (bei Sulfur) oder kohlensaures Ammoniak (wie beim Goldschwefel) und scheidet es aus dem Filtrate durch überschüssige Salzsäure als gelben Niederschlag aus. Brechweinstein wird mit Schwefelwasser- stoffwasser in stark salzsaurer Lösung versetzt; dabei scheidet sich das in Salzsäure ganz unlösliche Schwefelarsen ab, während das Schwefelantimon in Lösung gehalten wird. 2. Kupfer. Extrakte prüft man mit einem blanken Eisen- spatel auf Kupfer; Silbernitrat, Zinkvitriol, Eisenvitriol u. a. mit überschüssigem Ammoniak auf blaue Färbung; Säuren und Alkalisalze mit Schwefelwasserstoffwasser auf dunkle Trübung; Bleiacetat mittelst Ferrocyankalium auf rotbraunen Niederschlag. 3. Blei. Säuren und Alkalisalze prüft man mit Schwefel- wasserstoffwasser auf dunkle Trübung. 4. Eisen. Salmiak, Kalkkarbonat und Kalkphosphat, Wein- stein, Seignettesalz u. a. prüft man mittelst Schwefelammonium auf dunkle Trübung; Alaun mittelst Ferrocyankalium auf Bläuung, Zinkvitriol und Zinkoxyd durch Ammoniak auf braune Flocken von Eisenoxydhydrat, Bittersalz mit Schwefelcyankalium auf Rötung u. s. f. 5. Alkalische Erden, speziell Kalk. Citronensäure, Weinsäure und deren Salze u. a. durch oxalsaures Ammoniak auf weisse Trübung. 6. Alkalien. Pottasche, Brom- und Jodkalium prüft man mittelst der Weingeistflamme auf die gelbe Natriumfärbung. Die Natronsalze prüft man in gleicher Weise, durch ein blaues Glas blickend, auf die rote Kalium färbung. 7. Schwefelsäure, Citronensäure, Weinsäure, Salzsäure, Salpetersäure, Essigsäure, Phosphorsäure prüft man mit Baryum- nitrat, deren Salze desgleichen; jedoch unter Ansäuerung mit Salpetersäure. 8. Chlorverbindungen, Salzsäure. Essigsäure, Sal- petersäure, Schwefelsäure prüft man mit Silbernitrat ; deren Salze desgleichen, jedoch unter Ansäuerung mit Salpetersäure. Jod- kalium und Jodnatrium werden in ammoniakalischer Lösung mit Silbernitrat ausgefällt und das Filtrat, worin sich das etwa vor- handene Chlorsilber befindet, mit Salpetersäure angesäuert, wo- durch dasselbe ausgeschieden wird. Brommetalle prüft man massanalystisch mit Silberlösung, von der mehr verbraucht wird, wenn die Salze chlorhaltig sind, da das Chlor durch sein viel — 334 - geringeres Atomgewicht mehr Silbernitrat zur Ausfällung bedarf, als das Brom. 9. Jodsäure, Bromsäure im Jodkalium resp. Bromkalium. Man übergiesst das Salz oder seine Lösung mit verdünnter Schwefelsäure; in Gegenwart von jod- und bromsaurem Kali ent- steht gelbe Färbung durch frei gewordenes Jod resp. Brom. (Die Schwefelsäure macht zu gleicher Zeit Jodsäure und Jodwasser- stoffsäure frei, die sich gegenseitig in Jod und Wasser zersetzen.) 10. Salpetersäure. Man prüft mit konz. Schwefelsäure und Eisen vitriollösung auf die braune Färbung. (Ygl. Seite 138.) 11. Kohlensäure. Die gebrannte Magnesia, Kali- und Natronlauge, Zinkoxyd, Bleiglätte u. a. prüft man durch Über- giessen mit Säure auf eintretendes Aufbrausen. 12. Cyan. Kohlensaures Kali, Jodkalium u. a. prüft man durch Erwärmen mit Eisenvitriol und Eisenchlorid in alkalischer Flüssigkeit; beim Übersäuern tritt alsdann Berlinerblau auf, im Falle Cyankalium zugegen war. Analytischer Gang zur Erkennung der chemischen Präparate. 1. In Wasser oder verdünnten Säuren lösliche Körper, A. Auffindung des metallischen Bestandteils. I. Reagens: Salzsäure. Man fügt zur Lösung etwas Salzsäure. 1. Es entsteht ein weisser Niederschlag. — Man verdünnt die Mischung mit Wasser und erhitzt zum Sieden. a) Der Niederschlag löst sich im Sieden: Bleioxyd. b) Der Niederschlag löst sich nicht; Man fügt überschüssigen Salmiakgeist hinzu. a) Der Niederschlag löst sich auf: Silbe roxyd. ß) Der Niederschlag wird schwarz: Quecksilberoxydul. 2. Es entsteht kein Niederschlag. Man geht zu TL über. IL Reagens: Schwefelwasserstoff. Man fügt zu der mit Salzsäure angesäuerten Probe Schwefelwasserstoffwasser. 1. Es entsteht ein gefärbter Niederschlag, und zwar ist derselbe: a) Orangerot: Antimonoxyd. b) Gelb; man übergiesst den Niederschlag mit überschüssigem kohlensauren Ammoniak. a) Er löst sich auf: Arsenige Säure. ß) Er löst sich nicht, verschwindet aber beim Erhitzen mit Salzsäure: Kadmiumoxyd. c) Kaffeebraun, in gelbem Schwefelammonium löslich und daraus durch Salzsäure gelb (Zinnsulfid) fällbar: Zinnoxydul. d) Weiss, bei grösserem Zusatz von H2S gelb , dann braun, end- lich schwarz werdend: Quecksilberoxyd. — 335 — e) Sofort schwarz. Man prüft portionenweise die ursprüngliche Lösung. a) Atzammoniak im Überschuss färbt tiefblau: Kupferoxyd. ß) Verdünnte Schwefelsäure fällt sie weiss; Bleioxyd. y) Viel Wasser trübt sie milchig: Wismutoxyd, o) Zinnchlorür fällt sie braunviolett: Goldoxyd, s) Chlorammonium fällt sie gelb: Platinoxyd. 2. Es entsteht kein Niederschlag oder nur eine weisse Trübung (Schwefel); man geht zu III. über. III. Reagens: Schwefelammonium. Zu der mit Schwefelwasserstoff wasser versetzten Probe gebe man überschüssigen Salmiakgeist und wenige Tropfen Schwefelammonium. 1. Es entsteht ein Niederschlag; derselbe ist: a) Schwarz. Man prüfe die ursprüngliche Lösung. a) Ferrocyankalium fällt sie tiefblau: Eisenoxyd. ß) Ferridcyankalium fällt sie tiefblau: Eisenoxydul. b) Fleischrot: Manganoxydul. c) Graugrün: Chromoxyd. d) Weiss. Man übersättige die ursprüngliche Lösung mit über- schüssiger Natronlauge. a) Der anfangs sich bildende Niederschlag löst sich wieder auf. Man giebt zu dieser alkalischen Lösung Chlor- ammonium, aa) Es entsteht ein gelatinöser Niederschlag: Thonerde. bb) Die Mischung bleibt ungetrübt, aber giebt mit Schwefelammonium einen weissen Niederschlag: Zinkoxyd. ß) Der Niederschlag löst sich , i überschüssigem Kali (Natron) nicht wieder auf. Die reme Substanz löst sich nur in verdünnter Salz- oder Salpetersäure, welche Lösung durch Schwefelsäure gefällt wird. Auf Platinblech geglüht un- veränderlich: phosphorsaurer Kalk. 2.|Es entsteht keine Fällung. Man geht zu IV. über IV. Reagens: Kohlensaures Natron. Die reine, nicht zu kon- zentrierte Lösung wird mit kohlensaurem Natron versetzt. 1. Es entsteht ein weisser Niederschlag. Man löst ihn in Salzsäure und übersättigt mit kohlensaurem Ammoniak. a) Es erfolgt eine weisse Trübung. Man fügt zur ursprünglichen Lösung Gipswasser. a) Es tritt sofort Trübung ein: Baryt. ß) Es tritt nach einiger Zeit Trübung ein: Strontian. y) Es tritt keine Trübung ein, dagegen ruft oxalsaures Ammoniak in der wässerigen oder essigsauren Lösung weissen Niederschlag hervor: Kalk. b) Es entsteht keine Trübung; man fügt darauf phosphorsaures Natron zur Mischung und schüttelt kräftig um. Es entsteht ein weisser, krystallinischer Niederschlag: Magnesia. 2. Es entsteht keine Trübung. Man geht zu V. über. V. Prüfung auf Alkalien. Man erhitzt die reine Probe mit Natron- lauge oder Atzkalk. 1. Ein stechender Geruch zeigt an: Ammoniak. 2. Es entweicht kein Ammoniakgas. Man giebt zur ursprünglichen Lösung überschüssige Weinsäure und schüttelt kräftig um. - 336 — a) Es entsteht ein weisser, krystallinischer Niederschlag: Kali. b) Es entsteht kein Niederschlag. Man bringt den Körper in die Weingeistflamme. a) Die Flamme färbt sich gelb: Natron. ß) Dieselbe erscheint karminrot: Lithion. B. Auffindung der Säure resp. des Nichtmetalls. a) Es tritt beim Erhitzen auf Platinblech keine Verkohlung resp. Yerbrennung ein. I. Reagens: Salzsäure. Man übergiesst die trockene, gepulverte Substanz mit Salzsäure und erwärmt gelinde. 1. Es entweicht ein Gas, bemerkbar am Aufbrausen oder am Geruch. a) Das Gas ist ohne Farbe und Geruch: Kohlensäure. b) Das Gas besitzt einen a) Geruch nach faulen Eiern: Schwefel(metalle). ß) Geruch nach brennendem Schwefel. aa) Zugleich trübt sich die Probe nicht: Schweflige Säure» bb) Die Probe trübt sich dabei weiss (durch ausge- schiedenen Schwefel): Unterschweflige Säure, y) Gerach nach Bittermandelwasser: Cyan(nietalle). 6) Geruch nach Chlor. aa) Der Körper ist farblos und färbt sich durch die Salzsäure gelb: Chlorsäure. bb) Der Körper ist gelb oder gelbrot, wird durch die Salzsäure grün: Chromsäure. cc) Der Körper ist violettrot, wird durch die Salzsäure farblos: Übermangansaure. e) Geruch und gelbe Dämpfe der Untersalpetersäure: Salpetersäure. 2. Es findet weder ein Aufbrausen, noch die Entwicklung eines Geruches statt. Man geht zu H. über: IL Reagens: Salpetersaurer Baryt. Man giebt zur neutralen Lösung Baryumnitrat. 1 . Es entsteht ein weisser Niederschlag. Man giebt Salpetersäure hinzu. a) Der Niederschlag löst sich nicht auf: Schwefelsäure. b) Der Niederschlag verschwindet. Man fügt zur reinen, völlig neutralen Lösung salpetersaures Silberoxyd. a) Es entsteht ein gelber Niederschlag. Die ursprüngliche Probe hat mit Schwefelwasserstoff gegeben aa) keine Trübung: Phosphorsäure. bb) einen gelben Niederschlag: Arsenige Säure. ß) Es entsteht ein ziegelroter Niederschlag: Arsensäure.. y) Es entsteht ein weisser Niederschlag. aa) Die mit Salzsäure angesäuerte Probe färbt Kurkuma- papier nach dem Trocknen rötlich: Borsäure, bb) Die mit Essigsäure angesäuerte reine Probe (bei saurer Reaktion der Probe fügt man essigsaures Natron zu) wird durch Gipslösung weiss gefällt: Oxalsäure» 2. Es entsteht kein Niederschlag. Man geht zu III. über. — 337 — III. Reagens: Salpetersaures Silberoxyd. Man säuert die reine Probe mit Salpetersäure an und prüft mit Silbemitrat. 1. Es entsteht ein weisser oder gelber Niederschlag. a) Der Niederschlag löst sich in Salmiakgeist leicht auf: Chloride. b) Der Niederschlag löst sich in Salmiakgeist wenig oder gar nicht. Man giebt zur reinen Probe etwas Chlorwasser und Chloroform; letzteres färbt sich a) gelb: ßromide. ß) violett: Jodide. 2) Es entsteht ein schwarzer Niederschlag: Schwefelmetalle. b) Es tritt beim Erhitzen auf Platinblech Verbrennung resp. Yerkohlung ein. I. Reagens: Kalkwasser resp. Chlorcalcium. Die freie Säure übersättige man mit Kalkwasser; zur neutralen Salzlösung setze man etwas Chlorcalcium. 1. Es entsteht ein weisser Niederschlag, der sich in Natronlauge löst. Essigsaures Kali fällt die saure resp. mit Essigsäure versetzte Probe weiss: Weinsäure. 2. Die Probe bleibt klar. Man erhitze sie zum Sieden. a) Es entsteht in der Siedhitze ein weisser Niederschlag: Citronensäure. b) Es entsteht keine Trübung. Man geht zu IL über. IL Reagens: Eisenchlorid. Man füge einige Tropfen Eisenchlorid zur neutralen oder genau mit Na2C03 neutralisierten Probe. 1. Es entsteht ein Niederschlag. a) Er ist hellbräunlich. Manfügt zur neutralen Salzlösung Salzsäure. a) Es tritt weisse Fällung ein, die beim Aufkochen ver- schwindet: Benzoesäure. ß) Es scheidet sich eine baldrianartig riechende Ölschicht oben ab: Baldriansäure. y) Es findet keine Ausscheidung statt: Bernsteinsäure. b) Es entsteht ein schwarzer Niederschlag: Gerbsäure. c) Es entsteht ein tiefblauer Niederschlag: Ferro Cyanide. 2. Es entsteht kein Niederschlag, aber eine Färbung. a) Eine blauviolette Färbung. Man fügt zur neutralen Lösung Salzsäure. a) Es erfolgt eine weisse Fällung, welche sich beim Er- hitzen auflöst: Salicylsäure. ß) Es wird nichts abgeschieden: Karbolschwefelsäure. b) Eine blutrote Färbung, die durch Salzsäure verschwindet. Zur reinen Salzlösung giebt man Silbernitrat und erhitzt. aa) Die Flüssigkeit bleibt klar: Essigsäure, bb) Es tritt Schwärzung ein: Ameisensäure. 3. Es erfolgt weder ein Niederschlag, noch eine Färbung. Man fügt zur neutralen Probe essigsaures Bleioxyd. a) Es entsteht ein weisser Niederschlag, der sich beim Auf- kochen harzartig zusammenballt: Apfelsäure. b) Es entsteht kein Niederschlag; übermangansaures Kali und verdünnte Schwefelsäure entwickeln beim Erhitzen Aldehyd: Milchsäure. Schlickum, Apothekerlehrling. 22 - 338 2, In Wasser und verdünnten Säuren unlösliche Körper. I. Man erhitzt eine trockene Probe im Probiercylinder. 1. Es findet Sublimation statt. a) Der Körper ist gelb, a) löslich in Schwefelkohlenstoff: Schwefel. ß) unlöslich in Schwefelkohlenstoff: Quecksilber] odür. b) Der Körper ist weiss, in Königswasser löslich: Quecksilberchlorür. c) Der Körper ist rot, liefert beim Erhitzen mit Kalk Queck- silberspiegel. a) Erlöst sich in warmem Weingeist : Quecksilber] odid. ß) Er löst sich nicht in Weingeist auf: Zinnober. d) Der Körper ist schwarz, liefert beim Erhitzen mit Kalk Queck silberspiegel : schwarzes Schwefelquecksilber. e) Der Körper ist glänzend, schwarz, in violetten Dämpfen flüchtig: Jod. 2. Es tritt keine Sublimation ein. Man geht zu IL über. n. Man erhitzt eine Probe auf Platinblech zum Glühen. 1. Der Körper ist schwarz, verbrennlich : Kohle. 2. Der Körper ist weiss, unveränderlich. Feingepulvert mit Wasser geschüttelt giebt er ein Filtrat, das durch oxalsaures Ammoniak sich weiss trübt: schwefelsaurer Kalk. Regeln beim Analysieren. 1. Zur Vorprüfung auf dem Platinblech verwende man die Substanz gepulvert. 2. Zum Auflösen einer Substanz, deren Löslichkeit nicht bekannt ist, verwende man die Substanz gepulvert und nur in geringer Quantität. 3. Man versäume niemals, sich von der Reaktion einer Probe zu ver- gewissern, bevor man mit Reagentien prüft. 4. Gewisse Reagentien z. B. Schwefelwasserstoffwasser, sind in grösserer Menge zuzusetzen; in den meisten Fällen genügt eine geringe Menge des Reagenzes, beim Silbernitrat, Schwefelammonium u. a. sogar wenige Tropfen. (Ausgenommen hiervon sind die Fälle, in denen eine vollständige Ausfällung bezweckt wird.) 5. Färbungen beobachte man über einem hellen, Trübungen über einem dunklen Untergründe: jene bei durchfallendem, diese bei auf- fallendem Lichte. 6. Bei krystallinischen Niederschlägen, z. B. Weinstein, warte man einige Zeit, da sie aus verdünnten Flüssigkeiten sich erst allmählich aus- scheiden. Kräftiges Schütteln befördert ihre Bildung. 7. Die Schichtmethode d. i. das vorsichtige Überschichten des Rea- genzes über der Probe (mittelst langsamen Herabrinnens , sicherer mittelst der Pipette) empfiehlt sich: a) Beim Aufsuchen von Spuren eines Körpers, da die in der Mittel- schicht entstehende Reaktion durch den Vergleich mit den Schichten unter und über ihr sehr deutlich hervortritt. (Bsp. : H2S auf Metalle) b) Wenn das Reagens erst bei einem gewissen Überschüsse die beabsichtigte Reaktion giebt, da man durch Schichtung am sicher- sten zum Ziele gelangt. (Bsp.: Salpetersäureprobe durch Ferrosulfat.) — 339 — c) Im Falle das Reagens im Überschusse die Reaktion wieder aufhebt, gelangt die Reaktion stets in der Mittelschicht zur Wahr- nehmung. (Bsp.: NH3 auf Zinksalze, KJ auf Quecksilberchlorid.) 8. Beim Erhitzen halte man den Reagiercylinder quer über die Flamme, damit diese nicht ausschliesslich den Boden erhitze. 9. Um eine Flüssigkeit auf fixe Bestandteile zu prüfen, verdampfe man einige Tropfen auf einem blanken Platinbleche._ 10. Zur Prüfung der Flammenfärbung führe man das Ohr des Platin- drahts angefeuchtet in die gepulverte Substanz und dann in die Flamme. 1 1 . Werden Niederschläge weiter untersucht, so versäume man niemals , sie zuvor gehörig auszuwaschen. Sollen sie getrocknet und gewogen werden, so verwende man nur ein glattes Filter (kein Sternfilter). 12. Spuren eines abdunstenden Gases nimmt man am sichersten wahr, nachdem man den Reagiercylinder eine Weile mit dem Finger ver- schlossen gehalten hat. Aufgaben. Wie unterscheidet man analytisch: 1. Verdünnte Schwefelsäure und Phosphorsäure? — A.ntw. Die Schwefelsäure giebt mit Baryumnitrat sofort einen weissen Niederschlag, die Phosphorsäure erst bei Zusatz von Ammoniak. 2. Schwefelsaures und kohlensaures Natron? — Antw. Das kohlen- saure Natron braust mit Salzsäure auf, das schwefelsaure Salz nicht. 3. Salpetersaures Kali und salpetersaures Natron? — Antw. Das sal- petersaure Kali scheidet mit Weinsäure krystallinischen Weinstein ab, das Natronsalz nicht. 4. Kohlensauren, phosphorsauren und schwefelsauren Kalk? — Antw. Der kohlensaure Kalk löst sich in Salpetersäure unter Aufbrausen, der phosphorsaure Kalk löst sich ohne Aufbrausen, der schwefelsaure Kalk löst sich nicht. 5. Schwefelsaures Natron und schwefelsaure Magnesia ? — Antw. Das schwefelsaure Natron bleibt bei Zusatz von kohlensaurem Natron klar, die schwefelsaure Magnesia wird weiss gefällt. 6. Salpetersaures Kali und Chlorammonium? — Antw. Das Chlor- ammonium entwickelt mit Natronlauge Ammoniak, das salpetersaure Kali sprüht Funken auf glühenden Kohlen. 7. Bromkalium und Jodkalium? — Antw. Beim Schütteln mit Chlor- wasser und Chloroform färbt sich letzteres durch Bromkalium gelb, durch Jodkalium violettrot. 8. Schwefelsaures Zinkoxyd und essigsaures Bleioxyd? — Antw. Essigsaures Bleioxyd giebt mit verd. Schwefelsäure weissen Niederschlag, das Zinksalz nicht. 9. Weinstein und Brechweinstein ? — Antw. Der Brechweinstein scheidet mit Schwefelwasserstoffwasser, bei Zusatz einiger Tropfen Salzsäure, orangerotes Schwefelantimon ab; der Weinstein bleibt weiss. 10. Weinsäure und Citronensäure ? — Antw. Die Weinsäure scheidet mit überschüssigem Kalkwasser (bis zur alkalischen Reaktion) sofort weissen Niederschlag ab, die Citronensäure erst beim Aufkochen. 11. Benzoesaures und salicylsaures Natron? — Antw. Das benzoe- saure Natron scheidet mit Eisenchlorid einen gelbbraunen Niederschlag ab, das salicylsaure Salz färbt sich damit blauviolett. 12. Schwefelsaures und karbolschwefelsaures Zinkoxyd? — Antw. Das schwefelsaure Zinkoxyd giebt mit Baryumnitrat weissen Niederschlag, das karbolschwefelsaure Salz färbt sich mit Eisenchlorid blauviolett. 22* — 340 — 13. Schwefelsaures und salzsaures Chinin? — Antw. Die mit etwas Salpetersäure bewirkte wässerige Lösung des schwefelsauren Chinins wird durch Baryumnitrat, die des salzsauren Chinins durch Silbernitrat weiss gefällt. 14. Zinkweiss und Bleiweiss? — Antw. Das Zihkweiss färbt sich beim Erhitzen nur vorübergehend gelb, das Bleiweiss dauernd gelb; beim Übergiessen mit Salpetersäure braust das Bleiweiss auf, das Zinkweiss nicht oder kaum; die gewonnene Lösung wird durch Schwefelwasserstoffwasser geschwärzt, wenn Bleiweiss vorlag. 15. Wismutsubnitrat und Kalomel? — Antw. Das Wismutsubnitrat löst sich in verdünnter Salpetersäure und wird dann durch viel Wasser milchig getrübt; das Kalomel löst sich nicht in der Säure und wird durch Ammoniak schwarz. 16. Mennige und Quecksilberoxyd? — Antw. Mennige färbt sich mit Salpetersäure braun, Quecksilberoxyd löst sich darin auf. 17. Quecksilberjodid und Zinnober? — Antw. Quecksilberjodid löst sich in Jodkaliumlösung, Zinnober nicht. 18. Braunstein und Grauspiessglanzerz? — Antw. Der Braunstein entwickelt mit Salzsäure Chlor, das Grauspiessglanzerz Schwefelwasserstoff. 19. Kupferoxyd und Kohle? — Antw. Das Kupferoxyd löst sich in Salzsäure zu einer blaugrünen Flüssigkeit, die Kohle nicht auf. 20. Salzsaures Chinin und Morphin? — Antw. Man löst etwas in konzentrierter Schwefelsäure und fügt einen Tropfen Salpetersäure hinzu, beim Morphin färbt sich die Probe rot, beim Chinin nicht. Löst man et- was in verdünnter Schwefelsäure, giebt Chlorwasser und dann Ammoniak zu, so färbt sich das Chininsalz grün. B. Massanalyse. (Quantitative Analyse.) § 321. Gewichts- und Massanalyse. Zur Bestimmung der Menge eines Körpers d.i. zur quantitativen Analyse dienen zwei Methoden: die Gewichtsanalyse und die Massanalyse. Erstere sucht den betreffenden Körper in einer bestimmten Form auf die Wage zu bringen und setzt sein Gewicht fest; entweder scheidet sie ihn in einer unlöslichen Yerbindung ab, z. B. die Schwefelsäure als schwefelsauren Baryt, das Chlor als Chlorsilber, oder sie gewinnt ihn als Yerdampfungs- und Glührückstand, wie z. B. die Alkalien als Sulfate. Hierbei vergeht aber über dem Aus- waschen und Trocknen der Niederschläge, dem Eindampfen und Glühen viel Zeit. Die Massanalyse bestimmt dagegen die vorhandene Menge eines Körpers nach dem Verbrauch eines Reagenzes, z. B. ein Alkali nach der zur Sättigung nötigen Säuremenge, und um- gekehrt eine Säure nach dem zur Sättigung derselben nötigen Quantum eines Alkalis. § 322. Die Methoden der Massanalyse. Eine Säure durch Sätti- gung mit einem Alkali zu bestimmen, nennt man Acidimetrie; — 341 — die Bestimmung eines Alkalis durch Sättigung mit einer Säure heisst Alkalimet rie. Zur Ausführung dieser Analysen benutzt man also eine ge- wisse alkalische resp. saure Massflüssigkeit (Titreflüssigkeit) und zwar zur Bestimmung der Säuren Normalkalilösung , zur Be- stimmung eines Alkalis Normalsalzsäure (oder auch Normalsal- petersäure). Man nennt diese Massflüssigkeiten normale, weil sie im l genau so viele g Substanz enthalten, als das Äquiva- lent gewicht derselben beträgt. Da das Äquiv. KHO == 56,0, das Äquiv. HCl = 36,5 ist, so enthält 1 l Normalkalilösung 56 g Kalihydrat, 1 l Normalsalzsäure 36,5 g Salzsäuregas. Da sich nun die Säuren und Basen nach ihren Äquivalenten sättigen, so lässt sich leicht die verlangte Menge einer Säure finden, wenn man weiss, wieviel cem Normalkali sich mit ihr sättigen, da jeder cem Normalkali 56 mg (= 0,056 g) KHO enthält. Ausser den Sättigungsanalysen führt man auch Oxyda- tionsanalysen durch übermangansaures Kali oder Jod aus, indem man bestimmt, wie viel von diesen Körpern beansprucht wird, um eine oxydierbare Substanz zu oxydieren, z. B. Eisenoxydul- salze in Eisenoxydsalze, arsenige Säure in Arsensäure überzuführen. Substanzen, welche aus Jodkalium Jod ausscheiden, z. B. freies Chlor, bestimmt man aus der Menge des freigemachten Jodes, welches man durch unterschwefligsaures Natron bindet, von dem man eine Zehntel-Normallösung vorrätig hält. Auf letztere ist die Jodlösung auch in Zehntelstärke gestellt. Diesen Zweig der Analyse nennt man Jodometrie. Man führt auch Fällungen massanalytisch aus, z. B. die des Chlors durch eine Zehntel-Normalsilberlösung, die des Silbers durch eine Zehntel -Normalkochsalzlösung. Beide enthalten !/io Äquiv. AgN03 resp. NaCl im l gelöst. Die massanalytischen Operationen. § 323. Acidimetrie. Zur Bestimmung der Säuren dient die Normalkalilösung, eine soweit verdünnte Kalilauge, dass davon gerade 1 Äquivalent = 56 g KHO im l enthalten sind und genau 15,8 cem hinreichen zur Sättigung von 1 g krystalli- sierter Oxalsäure. Da die Gegenwart der Kohlensäure auf das Lackmus störend wirkt, muss die Lauge möglichst kohlensäurefrei sein. Die aeidimetrische Prüfung geschieht unter Anwendung eines sogen. Indikators, gewöhnlich der Lackmustinktur, durch deren Übergang aus dem Gelbroten ins Blaue der Eintritt der Sättigung angezeigt wird. Zu der in ein Becherglas gewogenen und mit Wasser verdünnten Säure wird etwas Lackmustinktur — 342 — gefügt und dann so lange Normalkali aus der Bürette oder Mess- pipette zugetröpfelt, bis die rötliche Farbe der Flüssigkeit gerade in Blau übergegangen ist. In neuerer Zeit benutzt man häufig als Indikator das Phe- nolphtalei'n, von dessen weingeistiger Lösung einige Tropfen angewendet werden, welche durch das Auftreten einer rötlichen Färbung die Sättigung anzeigen. Alkalien färben dasselbe intensiv rot, Säuren gar nicht; überschüssiges Alkali ruft daher eine Eötung der zuvor farblosen Probe hervor. Auch kann man sich der Kochenilletinktur bedienen, welche durch Alkalien violett wird ; bei der Anwendung zeigt der Übergang der gelbroten in die violette Farbe das Ende der Eeaktion an. Berechnung: Die Zahl der verbrauchten Kubikcentimeter Normal- alkali werde mit dem Äquivalentgewicht der Säure multipliziert; das Pro- dukt giebt die Menge der letzteren in Milligrammen an. — Bsp. : Sättigen 10 ccm Normalalkali genau 10 com Essig, so sind in letzteren 10X60 = 600 Milligramm Essigsäure (C2H40.2 = 60) enthalten; der Essig ist also 6prozentig. § 324. Alkalimetrie. Zur Bestimmung der Alkalien dient die Normalsalzsäure, darzustellen durch Verdünnung von 140,0 g Acidum hydrochlorimm {purum) zu 1 l. Die ällcalimetrische Prüfung geschieht gleichfalls unter Zu- ziehung von Lackmustinktur als Indikator. Man löst eine ge- wisse Menge des Alkalis in einem Becherglase in Wasser auf, fügt etwas Lackmustinktur hinzu und dann aus der Bürette oder Messpipette vorsichtig Normalsalzsäure, bis die blaue Farbe gelbrot geworden ist. Auch die kohlensauren Alkalien lassen sich titrimetrisch be- stimmen , da die Kohlensäure bei der Sättigung entweicht. Um hierbei die störende Einwirkung derselben zu vernichten , muss die Probe, nachdem sie zwiebelrot geworden ist, bis nahe zum Sieden erhitzt werden , worauf die blaue Farbe wieder erscheint und einen neuen Zusatz der Normalsäure erheischt. Man fährt damit so lange fort, bis die zwiebelrote Färbung beim Erhitzen nicht mehr in die blaue zurücktritt. Berechnung: Die Zahl der verbrauchten Kubikcentimeter der Normal- salzsäure werde mit dem Äquivalentgewicht des Alkalis resp. kohlensauren Alkalis multipliziert; man erhält dann dessen Menge in Milligrammen. — Bsp.: Sättigen 23,5 ccm Normalsalzsäure 4 g Ätzammoniakflüssigkeit, so sind in letzterer 23,5X17 = 399 mg Ammoniakgas (NH3 = 17) enthalten, d. i. sie ist nahezu lOprozentig. § 325. Oxydimetrie. Man bestimmt das Eisen durch Über- führung in Oxydsalz mittelst Kaliumpermanganat! ösung, von der man so lange zur Probe zutröpfelt, bis die rote Farbe nicht mehr verschwindet. Eines besonderen Indikators bedarf es — 343 — hierbei also nicht, da das Reagens selbst ihn bildet. Die Kalium- permanganatlösung wird nicht nach dem Äquivalent dargestellt, sondern empirisch durch Auflösen von 1 g des Salzes zu 1 l Flüssigkeit. Yon dieser Yerdünnung werden 56 ccm verbraucht, um die frisch bereitete schwefelsaure Lösung von 0,1 g Eisendraht höher zu oxydieren. Die Prüfung mit Kaliumpermanganat ist daher eine äusserst einfache und besteht im Zusätze desselben bis zum Eintritt einer bleibenden Rötung. Bedingungen sind: starke Yerdünnung der Probe und Ansäuerung mit verdünnter Schwefelsäure. Orga- nische Stoffe werden ebenfalls von Kaliumpermanganat oxydiert, sind deshalb fernzuhalten, ebenso die niederen Oxydationsstufen des Stickstoffs. Die Kaliumpermanganatlösung wird aus einer Stehbürette (Gay - Lussacschen , englischen , Blasebürette) oder Messpipette zugetröpfelt. Berechnung: Die Zahl der verbrauchten Kubikcentimeter Kalium- permanganatlösung, durch 56 dividiert, giebt die in der Probe als Oxydul- salz vorhandene Menge metallischen Eisens in Decigrammen an. — Bsp.: Werden 112 ccm Kaliumpermanganatlösung verbraucht, um die Lösung von 1 g Eisenvitriol zu röten, so sind in letzterem 112/56 = 2 Decigramm metallisches Eisen als Oxydulsalz enthalten, der Eisenvitriol also ein reines Oxydulsalz. § 326. Oxydimetrie durch Jod. Zur oxydimetrischen Bestimmung der arsenigen Säure dient ; die Zehntel-Normaljodlösung, welche im Liter 12,7 g ( 1/1 0 Äquiv.) Jod mittelst Jodkalium ge- löst enthält. Sie oxydiert alkalische Lösungen der arsenigen Säure zu Arsensäure, in Jodmetall übergehend. As203 + 4J + 4NaHC03 == As205 + 4NaJ + 4C02 + 2H20. Bedingung ist also Gegenwart eines Alkalis, das man aber als Bikarbonat zuzugeben hat, um dessen Nebenwirkung auf das Jod zu vermeiden. Die Prüfung mittelst Jodlösung geschieht unter Anwendung einiger Tropfen Stärkelösung als Indikator; wenn kein Jod mehr durch die arsenige Säure in Jodid übergeführt wird, tritt die Blaufärbung der Stärke durch das freie Jod ein. Man fügt also zur Lösung der arsenigen Säure eine genügende Menge dop- peltkohlensaures Natron nebst etwas Stärkelösung und tröpfelt aus der Stehbürette oder Messpipette so lange Jodlösung zu, bis die Probe bläulich gefärbt erscheint. Berechnung: Da 4J auf As203 nötig sind, so giebt jeder verbrauchte Kubikcentimeter Jodlösung den vierzigsten Teil des Aquiv. der arsenigen Säure in Müligrammen = 198/4o d. i. nahezu 5 mg an. — Bsp. : Entfärben 5 g Fowlersche Lösung 10 ccm Jodlösung, so enthalten sie 5 X ^-0 = 50 mg d. i. 1 °/0 arsenige Säure. § 327. Jodometrie. Unter Jodometrie versteht man die Be- stimmung des Jods durch Natriumthiosulfat (unterschweflig- — 344 — saures Natron). Von letzterem stellt man durch Auflösung von 24,8 g zu 11 eine Zehntel-Normallösung her, welche genau auf die kurz zuvor erwähnte Zehntel-Normaljodlösung eingestellt ist, sodass sich beide Lösungen, Kubikcentimeter gegen Kubikcenti- meter, Tropfen gegen Tropfen, binden. Das unterschwefligsaure Natron führt bekanntlich das Jod in Jodnatrium über, dabei selber in tetrathionsaures Natron sich verwandelnd. 2Na2S203 + 2J = Na2S406 + 2NaJ. Die jodometrische Prüfung geschieht unter Zuhilfenahme von Stärkelösung als Indikator, weil jede kleinste Menge freies Jod mit derselben blaue Jodstärke bildet. Die Natriumthiosulfat- lösung ist vor dem Gebrauche stets einer Urprüfung zu unter- ziehen, da das Salz selten rein genug im Handel vorkommt. Man löst 0,3 g Jod nebst einer gleichen Menge Jodkalium in Wasser auf, fügt Stärkelösung hinzu und tröpfelt aus der Mess- pipette oder Stehbürette so lange Natriumthiosulfatlösung hinzu, bis die Probe sich entfärbt hat. Hierzu müssen 23,6 ccm verbraucht werden, anderenfalls ist die Normallösung darnach mit Wasser zu verdünnen resp. durch Salz zu konzentrieren. Aber man kann auch 10 ccm der Zehntel-Normaljodlösung mit etwas Stärkelösung versetzen und mit der Natriumthiosulfat- lösung farblos titrieren; es müssen genau 10 ccm derselben ver- braucht werden. In derselben Weise lässt sich das freie Chlor bestimmen, da dasselbe eine äquivalente Menge Jod aus Jodkalium frei macht, welche alsdann durch Natriumthiosulfatlösung gemessen wird. Berechnung: Die Zahl der verbrauchten Kubikcentimeter Zehntel- Natriumthiosulfatlösung giebt, mit dem zehnten Teil des Äquivalentgewichts des Jods resp. des Chlors multipliziert, dessen Menge in Milligrammen an. — Bsp. : Wenn zur Bindung des durch 25 g Chlorwasser aus 1 g Jodkalium frei gemachten Jods 28,2 ccm Zehntel-Natriumthiosulfatlösung verbraucht werden, so sind in den 25 g Chlorwasser 28,2X3,55 = 100 mq Chlor d. i. in 100 g desselben 400 mg = 0,4°/0 Chlor enthalten. § 328. Fällungsanalysen. 1. Zur Bestimmung des an Metalle resp. Wasserstoff gebundenen Chlors, Broms, Jods und Cyans dient die Zehntel-Normalsilberlösung, welche 17,0 g Silbernitrat im Liter enthält. Dieselbe fällt eine äquivalente Menge der genannten Salzbildner als weissen resp. gelblichen Niederschlag aus. Die Ausführung der Analyse besteht im Zusätze der Silber- lösung bis zur völligen Ausscheidung, welche in neutralen Flüssigkeiten daran erkannt wird, dass bei Gegenwart von chrom- saurem Kali ein weiterer Zusatz der Silberlösung rotes chrom- saures Silber ausscheidet. Man wendet also einige Tropfen chrom- saurer Kalilösung als Indikator an und beendet die Operation — 345 - dann, wenn der Niederschlag eine rötliche Färbung anzunehmen beginnt. So lange nämlich noch ein Chlorid, Bromid, Jodid oder Cyanid in der Probe gelöst vorhanden ist, wechselt dasselbe sich mit dem etwa gebildeten chromsauren Silber um, sodass letzteres dann erst dauernd entstehen kann, wenn die Ausschei- dung der Salzbildner komplet geworden ist. Bedingung ist neutrale Reaktion der Flüssigkeit, da das chromsaure Silber durch Säuren gelöst wird. Berechnung: Die Anzahl der verbrauchten Kubikcentimeter Silber- lösung giebt durch Multiplikation mit dem Zehntel des Äquivalentgewichtes vom Chlorid resp. Bromid, Jodid, Cyanid die davon vorhandene Menge in Milligrammen an. — Bsp.: Wenn 27 g Bittermandelwasser zur Ausfällung 10 ccm Zehntel-Normalsilberlösung verbrauchen, so enthalten sie 10X2,7 = 27 mg Blausäure (HCN = 27) d. i. 1 pro Mille derselben. 2. In umgekehrter Weise dient die Zehntel-Normalkoch- salzlösung zur Bestimmung des Silbers. Man stellt sie durch Lösen von 5,85 g Chlornatrium zu 11 dar und verfährt in der nämlichen Weise wie zuvor. 10 ccm dieser Massflüssigkeit müssen nach Zugabe einiger Tropfen chromsaurer Kalilösung genau 10 ccm Zehntel -Normalsilberlösung bis zur schwachen Bötung des Niederschlags verbrauchen. Bsp.: Wenn 1,0 g salpeterhaltiger Höllenstein durch 20 ccm der Zebntel-Normalkochsalzlösung völlig ausgefällt wird, sodass nach Zugabe von Kaliumchromat ein weiterer Zusatz der Silberlösung den Niederschlag rot färbt, so sind im ersteren 20 X 1? — 340 mg Silbernitrat enthalten d. i. das Präparat besitzt 34 Proz. davon. Die massanalytischen Instrumente. A. Zur Anfertigung der Massflüssigkeiten dienen: 1. Die Literflasche, eine Glasflasche, welche bis zu einer Marke im verengerten Halse bei 15° genau 1 / Wasser fasst; 2. eine Mischflasche und 3. ein Mischcylinder, beide von unten nach oben abgeteilt und von verschiedener Grösse. Die grösseren fassen 500 oder 1000 ccm und sind in 10 oder 50 ccm geteilt, die kleineren fassen 100 ccm oder weniger und sind in einzelne ccm geteilt. Man gebraucht sie, wenn Flüssigkeiten in einem bestimmten Verbältnisse herzustellen oder mit Wasser zu verdünnen sind. Hat man z. B. eine Normalsäure, welche um 1/10 zu stark ist, so giebt man in der Mischflasche zu je 100 ccm derselben 10 ccm dest. Wassers. Auch kann man sich dieser Gefässe zur Anfertigung kleinerer oder grösserer Mengen von Normal- lösungen bedienen. B. Bei Ausführung der Analysen benutzt man: 1. Gläserne Büretten, in ccm von oben nach unten eingeteilte Röhren von gleicher Weite, welche zum Abmessen der angewendeten Massflüssigkeit dienen. Man hat sie von verschiedener Form und zwar: a) Die Mohrsche Quetschhahnbürette (Fig. 78), eine beiderends offene Röhre, aus welcher man die Titreflüssigkeit durch ein unten ange- fügtes Stück Gummischlauch auslaufen lässt. Der Gummischlauch ist mit einem kleinen, spitz zulaufenden Aus- 346 flussröhrchen verbunden und mit einem Quetschhahne (Fig. 80) versehen, welcher im gewöhnlichen Zustande den Schlauch zusammendrückt und dadurch die Bürette schliesst. Beim Gebrauche drückt man mit dem Daumen und Zeigefinger auf die beiden Plättchen des Quetschhahns, wo- durch derselbe Flüssigkeit austreten lässt und zwar je nach dem Druck im Strahle oder tropfenweise. Fig. 78. Mohrsche Quetschhahn Bürette. Fig. 79. Englische Bürette. Man kann diese Bürette in allen Fällen gebrauchen, mit Ausnahme bei Jod- und Kaliumpermanganatlösung, weil dieselben das Gummi an- greifen. Für diese Fälle dienen Glas hahnbüretten , welche an der Stelle des Gummischlauchs nebst Quetschhahn einen Glashahn besitzen. b) Stehbüretten. Die Gay-Lussacsche Bürette eine unten ge- 347 — schlosserte, daselbst mit einem Holzfusse versehene Glasröhre, welche von unten herauf eine feine Ausflussröhre zur Seite hat, aus der beim Neigen der Bürette die Massflüssigkeit ausläuft. Eine andere Form der Stehbürette ist die englische Bürette (Fig. 79), welche keine besondere Ausflussröhre besitzt, daher weniger zerbrechlich ist. Sie läuft am oberen Ende in eine umgebogene, feine Aus- flussspitze aus, neben welcher ein kurzes Eingussrohr sich befindet. Beim Gebrauche fasst man die Bürette mit der linken Hand vorn an, mit dem Daumen die Eingussröhre verschliessend; neigt man sie dann, so kann man durch sanftes Lüften des Daumens das Aus- Fig. 80. fliessen der Flüssigkeit nach Wunsch bewirken. 10 CC Fig. 81. Messpipette. Fig 82. Vollpipetten. — 348 — 2. Messpipetten (Fig. 81), gläserne, beiderends offene und gleich- weite Röhren, welche in ccm eingeteilt sind. Man gebraucht sie zum näm- lichen Zwecke, wie die Büretten, in der Weise, dass man sie durch An- saugen mit der Massflüssigkeit anfüllt und darauf die obere Öffnung mit dem (befeuchteten) Zeigefinger der rechten Hand fest verschliesst; durch schwaches Lüften des Fingers wird die Flüssigkeit bald im Strahle, bald tropfenweise zum Abfüessen gebracht. 3. Vollpipetten (Fig. 82), Glasröhren mit bauchiger Erweiterung, welche bis zu einer Marke ein bestimmtes Quantum Flüssigkeit fasst. Am meisten benutzt man Vollpipetten zu 10 ccm; auch ist eine grössere zu 50 ccm (zur Karbolsäurebestimmung) nötig. Während die Masscylinder auf die Aufnahme eines gewissen Flüssigkeitsvolums geeicht sind, dienen die Vollpipetten zum Ausfiiessenlassen eines solchen und müssen genau geprüft werden, ob sie dieses Quantum beim ruhigen Auslaufen, oder beim darauffolgenden Anstrich an die Gefässwandung, oder erst beim Ausblasen abgeben. Hiernach sind die Pipetten zu bezeichnen. Eegeln beim Titrieren. 1. Beim Ablesen des Flüssigkeitsstandes bringe man zunächst das Auge genau in die Höhe des betreffenden Teilstriches; sodann beobachte man den unteren Rand der Kurve, da dieser den Stand der Flüssig- keit anzeigt. 2. Man fülle beim Gebrauch der Bürette resp. Messpipette das Instrument etwas über den Nullpunkt der Teilung an und lasse dann bis zu demselben exakt ablaufen. Bei Ausführung der Analyse lasse man zuerst nahezu das nötige Quantum der Massflüssigkeit (im vollen Strahle) einlaufen; alsdann vollende man die Analyse durch vorsichtiges Eintröpfeln der Normallösung. Bei den Messpipetten hebe man den Finger niemals völlig weg, selbst dann nicht, wenn man die Flüssigkeit im Strahle aus- laufen lässt; stets bewirke man das Ausfliessen nur durch ein Nachlassen des Fingerdruckes. Ein Einfetten des verschliessenden Fingers mit etwas Talg eignet sich noch besser als das Anfeuchten desselben. Eine durch unvorsichtiges Einlaufenlassen überstürzte Analyse ist zu kassieren; sie rektifizieren zu wollen, ist stets ein unsicheres Unternehmen. 3. Soll in der zu untersuchenden Flüssigkeit eine Färbung erkannt werden, wie bei den Sättigungs-, Jod-, Kaliumpermanganat- Analysen, so stelle man das Becherglas auf einen Bogen weisses Papier oder man arbeite in einer weissen Porzellan schale. Handelt es sich aber um den Eintritt einer Trübung, wie bei der Lieb ig sehen Cyan -Probe, so stelle man das Becherglas auf schwarzes Papier oder halte es gegen einen dunklen Hintergrund. Färbungen erkennt man am besten gegen einen hellen, Trübunfin gegen einen dunklen Hintergrund. III. Abteilung. Botanik. Die Botanik ist die Lehre von den Pflanzen, organischen Wesen, ■welche sich ernähren und fortpflanzen, denen aber Empfindung und ■willkürliche Bewegung mangelt. I. Organographie und Terminologie. 1. Wurzel und Stamm. § 329. Was stellen Wurzel und Stamm einer Pflanze vor? Bei allen höher organisierten Gewächsen lassen sich die vegetativen Organe nach zwei Richtungen hin unterscheiden ; je nachdem sie die Axe des Pflanzenkörpers bilden oder seitliche Verbreiterungen , be- zeichnet man sie als Axenorgane oder als Seitenorgane der Pflanze. Zu ersteren zählen Wurzel und Stamm, zu letzteren die Blätter. Wurzel und Stamm bilden die Axenorgane des Pflanz enkörp er s. Wurzel und Stamm sind enge mit einander verbunden, eine un- unterbrochene Linie darstellend, welche sich bei der Wurzel nach unten, beim Stamme nach oben unbegrenzt verlängert. Sie dienen zugleich der Pflanze zur Befestigung im Boden, zum Halt und zur Aufnahme und Portleitung des Nahrungssaftes. Es giebt aber auch Gewächse ohne Wurzel und Stamm, zu denen die Pilze, Algen und Plechten zählen. Ihren Pflanzenkörper nennen wir ein Trieblager (thallus), welches bald einem Stengel, bald einem Blatte gleicht (wie beim irländischen und isländischen Moose), häufig aber auch eigenartige Formen annimmt (wie bei den Pilzen). Diese Gewächse heissen desshalb Lagerpflanzen (Thallophyta) und besitzen wohl nicht selten Haftzasern, mit denen sie auf dem Boden sitzen, niemals aber eine eigentliche Wurzel, welche Nahrung aufnimmt. Die Wurzel (Radix). § 330. Wie unterscheidet sich die Wurzel vom Stamm? Gemein - lich nennt man den ganzen unter dem Erdboden befindlichen — 350 — Teil der Pflanze Wurzel, den oberirdischen Teil der Axe Stamm. Dieser Unterschied ist aber wissenschaftlich unhaltbar ; wir können nur denjenigen Teil der Axe Wurzel nennen, welcher das Wachs- tum nach unten besitzt und die Nahrung aus dem Erdreich aufnimmt. Die Wurzel wächst nach unten, der Stamm nach oben. Wenn beim Keimen des Samens das junge Pflänzchen heran- wächst, verlängert sich sein Würzelchen (radicula) abwärts ins Erdreich, während der obere Teil, das Knöspchen (plumula), den beblätterten Stamm erzeugt und aufwärts strebt. Dabei verbreitert er sich seitlich durch die Blattorgane, die an seinen Knoten ent- springen. Man kann also nach äusseren Merkmalen folgenden Unterschied zwischen Stamm und Wurzel aufstellen: Der Stamm besitzt von Strecke zu Strecke Knoten, an denen seitlich Blätter entspringen; solche Knoten und Blätter fehlen der Wurzel stets. Die Wurzel hat die Aufsaugung des Nährsaftes aus dem Erdreich zur Aufgabe. Sie verästelt sich zu diesem Zwecke in feine Wurzelzasern, deren Enden von einer zarten Oberhaut bekleidet sind, durch welche die Bodenfeuchtigkeit mittelst Endos- mose eindringt. Die Spitzen dieser Wurzelzasern finden wir mit der sog. Wurzelhaube bedeckt, welche sich durch die Ablösung der äussersten Grewebschichten bildet und, nur an der Spitze selber mit der Wurzel zusammenhängend, sie gewissermassen als Häub- chen umhüllt. Daher erscheinen die Enden der Wurzelzasern etwas verdickt. § 331. Wie viele Arten der Wurzel unterscheidet man? Wenn die ursprüngliche Wurzel der Pflanze auswächst und während ihrer ganzen Lebensdauer funktioniert, so nennen wir sie eine Haupt- wurzel (radix primaria). Wir finden solche z. B. bei der Möhre, den einheimischen Strauch- und Baumgewächsen. Sie lässt sich bis zu ihrer Spitze verfolgen und teilt sich mehr oder weniger in Yerästelungen. Bei manchen Pflanzen verkümmert jedoch frühzeitig die ursprüngliche Wurzel, und der unter der Erde befindliche Teil des Stammes treibt aus seinen Knoten Wurzelzasern, sog. Neben wurzeln aus, welche die Aufsaugung des Nährsaftes besorgen. Eine solche Wurzel nennen wir eine zusammen- gesetzte Wurzel (radix composita) und finden sie z. B. bei den Farnkräutern und Zwiebelgewächsen, beim Baldrian u. a. m. Wenn der unterirdische Axenteil, aus dem die Nebenwurzeln entspringen, sich wenig entwickelt, so gewinnt die ganze Wurzel das Ansehen, als ob sämtliche Nebenwurzeln von einem Punkte ausgingen, und heisst dann eine faserige Wurzel (radix fibrosa), wie bei den Getreidearten. Wenn aber der unter- — 351 irdische Stammteil mehr oder minder sich verdickt oder verlängert und im Boden hinkriecht, so bezeichnen wir diesen Axenteil als Wurzelstock (rhizoma); die eigentlichen "Wurzeln sind dann die Neben wurzeln (Wurzelzasern). Man kann den Wurzelstock als Stammteil leicht an den Blattresten erkennen, die sich an seinen Knoten noch häufig vorfinden. Der Wurzelstock ist der in der Erde befindliche Teil des Stam- mes, welcher Nebenwurzeln treibt, wenn keine Hauptwurzel ausgebildet wurde. Er unterscheidet sich von der Hauptwurzel durch die ihm anhängenden Blattreste. Eine eigene Form gewinnt der Wurzelstock, wenn die Pflanze unter der Erde Knospen bildet und aus denselben sog. Wurzel- sprossen (soboles) oder kriechende Wurzeln (radices repentes) treibt; dieselben laufen alsdann im Erdboden hin und senden aus ihren Knoten abwärts Nebenwurzeln, aufwärts Blätter. Fig. 83. So bei der Quecke und Segge (Fig. 83). Verschieden hiervon sind die Schösslinge (sarmenta) oder Ausläufer (stolones), welche, vom Wur- zelstock ausge- hend, über den Erdboden hinkrie- chen, an den Kno- ten nach unten Nebenwurzeln in die Erde treiben, nach oben Stengel erheben.Wirfinden solche beim März- veilchen, der Erd- beere (Fig. 84) u.a. — 352 - § 332. Was sind falsche Wurzeln? Bei einigen Gewächsen ent- springen aus dem oberirdischen Stamme wurzelähnliche Ge- bilde. Gewisse Schmarotzerpflanzen treiben Saugwurzeln (hau- st o r i a) in das Gewebe der Nährpflanze, um deren Saft sich anzu- eignen; so die Flachsseide (Cuscuta europaea), welche den Klee, Ginster, Lein u. a. heimsucht und auf deren Kosten sich ernährt. Diese Schmarotzergewächse wurzeln im Boden und unterscheiden sich dadurch als unechte Schmarotzer von den echten Schma- rotzern, welche auf der Nährpflanze selbst keimen und noch ihre Wurzel in deren Gewebe eindringen lassen. Zu letzteren ge- hört die bekannte Mistel (Ylscum album) auf unseren Obstbäumen. Eine zweite Art falscher Wurzeln besitzt das Epheu. Es treibt aus seinem Stamme Klammer wurzeln, mit denen es sich am Gemäuer, an Felsen oder Bäumen festhält. Diese wurzel- ähnlichen Gebilde dienen durchaus nicht zur Nahrungsaufnahme, vielmehr nur zur Befestigung, und versehen denselben Dienst wie die Ranken des Weinstocks und der Gurken. Der Stamm (Cormus). § 333. Wie bezeichnet man den Stamm? Nach der Beschaffen- heit des Gewebes und der Lebensdauer bezeichnet man den Stamm als: 1. Krautstengel (caulis), wenn er krautartige Beschaffen- heit besitzt. Er lebt nur eine Wachstumsperiode hindurch und stirbt im Herbst, wenn die Pflanze geblüht und gefruchtet hat, ab. Bei den Grasgewächsen besitzt er sehr entfernte Knoten und wird Halm (culmus) genannt. 2. Holzstamm (truncus), wenn er holzig und ausdauernd ist. Bei den meisten Gewächsen verzweigt er sich baumartig, bei den Palmen und Baumfarnen bleibt er jedoch bis zur Spitze, welche eine Blätterkrone treibt, unverästelt — Palmstamm. § 334. Wie teilt man die Gewächse nach ihrem Stamme ein? Nach der Beschaffenheit des Stammes teilt man die Pflanzen ein in: a) Krautgewächse (herbae) mit krautigem Stengel. Wenn nach einmaligem Blühen und Fruchtreifen das Kraut völlig abstirbt, so nennt man es einjährig (h. annua), mit dem Zeichen © , sofern seine ganze Lebensdauer nur auf ein einziges Jahr beschränkt ist, z. B. bei der Kamille, der Klatsch- rose, der Gerste, dem Roggen und Weizen; wenn seine Lebens- dauer aber auf zwei Jahre sich ausdehnt, wie bei der Möhre, beim Bilsenkraut, so nennt man es zweijährig (h. biennis) und giebt ihm das Zeichen 0. Zweijährige Kräuter treiben im ersten Jahre nur eine Wurzel mit Blattrosette, erst im zweiten Jahre den Stengel mit Blüten und Früchten. — 353 — Im Gegensatz zu den ein- und zweijährigen Kräutern stehen die ausdauernden Kräuter oder Stauden (herbae peren- nes), welche jährlich bis auf die Wurzel absterben, deren Wurzel aber lebensthätig bleibt und in jedem Frühling einen neuen Stengel hervorbringt, der zum Blühen und Fruchttragen gelangt. Bei solchen Gewächsen erscheint die Wurzel durch die Beste der früheren, abgestorbenen Stengel vielköpfig (radix multiceps). Man bezeichnet die Stauden mit dem Zeichen des Jupiter: 2J.. Bei- spiele sind die Erdbeere, Tollkirsche, Kainfarn. b) Holzgewächse, mit holzigem, ausdauerndem Stamme. Zeichen des Saturn: t). Übersteigt der Stamm 15 Fuss und verästelt er sich erst in einer gewissen Höhe, so nennt man das Gewächs einen Baum (arbor); verzweigt er sich aber sofort über dem Boden und bleibt niedriger, so ist es ein Strauch (frutex). Bei manchen Gewächsen ist nur der untere Teil des Stammes holzig , während die oberen Zweige krautartig bleiben und alljährlich absterben; ein solches Gewächs heisst ein Halb- strauch (suffrutex), z. B. die Heidelbeere, der Quendel (Feld- thymian), bittersüsser Nachtschatten. Terminologische Bestimmungen. 1. Der Stengel kann sein: A. Nach seiner Richtung: a) Aufrecht (caulis erectus), und zwar, wenn er schnurgerade empor- steigt, steifaufrecht (c. strictus), wie bei Yerbascum thapsiforme. b) Aufsteigend (c. adscendens), wenn sein unterer Teil wagrecht verläuft und der obere sich im Bogen erhebt, wie bei Malva vulgaris. c) Niederliegend, gestreckt (c. prostratus, decumbens), wenn horizontal auf dem Boden liegend, wie bei Thymus Serpyllum. d) Schwimmend (c. natans), in stehendem; flutend (c. fluitans), in üiessendem Wasser. e) Kriechend (c. reptans), über den Erdboden hinkriechend und von Stelle zu Stelle Wurzeln treibend, wie bei Potentilla reptans. f) Kletternd (c. scandens), wie beim Weinstock und Epheu. g) Windend (c. volubilis), wie beimHopfen und der Schneidebohne, (Zur Beurteilung, ob der Stengel sich nach rechts oder links windet, ver- setze man sich selbst in die Axe, um welche er sich windet.) h) Hin- und hergebogen (c. flexuosus), wie bei Solanum Dulcamara. i) Geneigt (c. cernuus), mit der Spitze gegen den Horizont geneigt, wie bei Anemone Pulsatilla. k) Nickend, überhangend (c. nutans), mit der Spitze herabgeneigt, wie bei Anemone pratensis. 1) Hängend (c. pendulus), herabhängend, wie bei Linaria Cymbalaria. B. Nach der Verästelung: a) Einfach (c. simplex), unverzweigt, wie bei der Lilie und Tulpe. b) Ästig (c. ramosus) wie bei der Rose. c) Sparrig (c. squarrosus), wenn die Äste nach allen Richtungen hin auseinander weichen, wie bei der Eiche. d) Gedrungen (c. coarctatus), wenn die Verzweigungen dicht zu- sammengedrängt sind, wie beim Sadebaum. Schlickum, Apothekerlehrling. 23 — 354 - e) .Gabelästig (c. dichotoruus), wenn der Stengel sich wiederholt in zwei Äste teilt, wie bei der Mistel. C. Nach dem Durchschnitt: a) Stiel rund (c. teres), wie bei Mistel, Schierling. b) Zweischneidig (c. anceps), wie bei Hypericum perforatum. c) Kantig (c. angulatus), und zwar dreikantig (c. triangularis, trigonus) oder, bei scharfen Kanten und konvexen Flächen, dreischnei- dig (triquater), wie bei Carex; vierkantig (c. quadrangulus, tetragonus), wie bei Galeopsis, Gratiola, Lamium u. a. d) Gerillt (c. striatus) mit oberflächlichen Längslinien versehen. e) Gefurcht (c. sulcatus), mit tieferen Längsstreifen. 2. Die Hauptwurzel kann sein: A. Nach der Gestalt: a) Fadenförmig (radix filiformis), wie der Polygala amara. b) "Walzenförmig (r. cylindrica), ziemlich gleich dick, wie die Hauhechel-, Enzian-, Kletten-, Pimpinell-, Süssholz-, Löwenzahnwurzel u. a. (Fig. 91). Die Senegawurzel (Fig. 92) ist walzenförmig und gewunden (r. voluta); die Brechwurzel (Rad. Ipecacuanhae, Fig. 93) ist hin und her gebogen (r. flexuosa) und geringelt (r. annulata). c) Spindelförmig (r. fusiformis), kegelig spitz zulaufend, wie bei der Möhre (Fig. 94). d) Knollig (r. tuberosa), wie die weisse Rübe (Fig. 95). B. Nach der Verästelung und Ausdehnung: a) Einfach (r. simplex), unverzweigt, z. B. die Bertram wurzel. b) Ästig (r. ramosa), z. B. Angelikawurzel. Ist die Verzweigung nur schwach, so sagt man fast einfach (r. subsimplex). c) Sehr verlängert (r. praelonga, longissima), z. B. Süssholz, Enzianwurzel. d) Abgebissen (r. praemorsa), wenn kurz und dick. e) Vielköpfig (r. multiceps), wenn das obere Ende durch die abge- storbenen jährlichen Stengel vielknotig ist, wie bei der Senegawurzel (Fig. 92.) C. Nach der Oberfläche und dem Durchschnitt: a) Stielrund (r. teres), mit kreisförmigem Querschnitt, z.B. SeifenwurzeL b) Längsfurchig (r. sulcata), z. B. Hauhechelwurzel. c) Gestreift (r. striata) mit feinen Längsstreifen, z.B. Belladonnawurzel. d) Gerin gelt (r. annulata), mit Querringen versehen, z. B. Brechwurzeh e) Runzelig (r. rugosa), wie das Süssholz. 3. Der Wurzelstock kann sein: a) Walzenförmig (rhizoma cylindricum) und mit Nebenwurzeln besetzt, wie die Wohlverleihwurzel (Fig. 97), Kalmuswurzel u. a. Die virginische Schlangenwurzel ist dabei hin- und hergebogen (flexuosum). b) Vierkantig (rh. tetragonum s. quadrangulum), wie die Hasel- wurzel. c) Verdickt (rh. incrassatum) oder knollig (tuberosum), wie die Baldrianwurzel (Fig. 99); man nennt ihn dann Knollstock (cormus). d) Kegelig (rh. conicum), wie die weisse Nieswurz (Fig. 98.) e) Gegliedert (rh. artieulatum), wobei jedes Glied einen Jahres- trieb darstellt, wie bei Rhizoma. Iridis. f) Zusammengedrückt (rh. compressum), wie bei der Meisterwurzel. g) Kriechend (rh. repens), mit entfernten Knoten, aus denen Wurzel- fasern und Blattscheiden entspringen, wie bei der Quecke und Sandseerge (Mg. 89). g * gg 355 Fig. 91. Fig. 92. Fig. 93. Walzenförmige Wurzel. Gewundene Wurzel. Geringelte Wurzel. Fig. 94. Fig. 95. Spindelige Wurzel. Rübenförmige Wurzel. Fig. 96. Faserige Wurzel. Fig. 97. Fig. 98. Fig. 99. Walzenförmiger Wurzelstock. Kegeliger Wurzelstock. Knolliger Wurzelstock. 23* — 356 — 2, Die Knospen, Zwiebeln und Knollen. § 336. Wie unterscheidet man die Knospen? DieKnospe(gemma) wird aus einem verkürzten Axenteil gebildet, welcher dicht be- setzt ist von Blattansätzen; aussen umschliesseu sie häutige Schuppen, sog. Knospendecken (tegmenta). Die Knospe be- zweckt die Vermehrung des Gewächses durch Sprossung, auf unge- schlechtlichem Wege, wobei man wohl berücksichtigen muss, dass ein Baum, welcher zur Frübjahrszeit durch Knospenbildung sich vergrössert, als eine mehr oder weniger grosse Gruppe von Indi- viduen anzusehen ist, mit gemeinsamer Wurzel — insofern immer- hin jede Knospe unter günstigen Umständen auch zur selbst- ständigen Pflanze auswachsen kann. Die Knospen entwickeln sich teils in den Blattwinkeln — achselständige Knospen (gemmae axillares); teils an den Zweig- enden — endständige Knospen (g. terminales) ; zuweilen an un- bestimmten Stellen des Stammes — Beiknospen (g. adventivae), aber stets aus dem Stamme oder dessen Yerzweigungen. Die Wurzel treibt niemals Knospen; die sog. Wurzel- knospen sind stets Rhizomknospen. Entwickelt sich die Knospe zu einem beblätterten Zweige, so nennt man sie Blattknospe, erzeugt sie eine Blüte, so heisst sie Blütenknospe. Eine besondere Modifikation d er Blattknospe ist die bei der Kiefer im Erühling erscheinende sog. Sprosse (turio): dieselbe wächst nämlich zu einem mit Schuppen bedeckten Triebe aus und entwickelt dann später aus den Achseln der Schup- pen die Nadelbüschel. Die Narben der später abfallenden Schup- pen bleiben am Aste sichtbar. § 337. Worauf beruht das Pfropfen, Okulieren und die Vermehrung durch Stecklinge und Schösslinge? Die ungeschlechtliche Vermehrung mittelst der Knospen setzt nicht allein, wie die Fortpflanzung durch Samen, die Pflanze als Art (Spezies) fort, sondern begabt sie auch mit allen individuellen Eigentümlichkeiten der Mutter- pflanze. Samen kultivierter Kirschenarten erzeugen beim Keimen Wildlinge der Kirsche , indem sie die Kirsche nur als Art fort- pflanzen ; pfropft man aber das Reis einer veredelten Kirsche auf diesen Wildling, so wächst es zu derselben edlen Abart aus. Samen pflanzen nur allgemein die Art, Knospen dagegen die Varietäten (Abarten) fort. Nachdem im Frühling dem Wildling alle eigenen Knospen abgeschnitten, erteilt man ihm entweder durch Okulieren oder durch Pfropfen Knospen veredelter Abarten. Das Okulieren geschieht durch Knospen, das Pfropfen durch Edel- reiser, d. i. Zweige der edlen "Varietät. Man verfährt beim 357 — Okulieren in der Weise, dass man die Knospe mit der sie um- gebenden Rinde und dem Stützblatte von der edlen Pflanze ab- löst, in eine T- förmige Spalte des Wildlings einschiebt und wohl verbindet (Okulieren auf das treibende Auge). Thut man dies im Herbst, dann nimmt man dem Wildling erst im kommenden Frühjahr die eigenen Augen (Okulieren auf das schlafende Auge). — Beim Pfropfen schiebt man ein unten zugespitztes Edelreis in eine Spalte des Wildlings, so dass Splint auf Splint kommt, und verbindet das Ganze. Stecklinge sind abgeschnittene Edelreiser, welche einfach in die Erde gesteckt werden, um zu neuen Gewächsen heran- zuwachsen, nach unten Wurzel zu treiben, nach oben sich zum Stamme zu entwickeln. So verfährt man bei der Anpflanzung von Weinreben. Biegt man die Zweige, bevor man sie ab- schneidet, zum Boden herab, sodass ihre Spitze aus der Erde wieder hervorragt, und lässt sie aus einer verwundeten Stelle Wurzeln treiben, so nennt man dies Yermehrung durch Ab- leger, Absenker. Man benutzt sie bei Rosen u. a. Schösslinge, Ausläufer (sarmenta, stolones), ent- stehen bei gewissen Pflanzenarten, z. B. bei der Erdbeere, Him- beere, Brombeere, Märzveilchen, indem Knospen des Wurzelstocks (Rhizomknospen) zu Zweigen auswachsen, welche über die Erde hinkriechen, von Stelle zu Stelle Wurzeln schlagen und aufwärts Blätter und Zweige treiben. (Fig. 99.) Hierdurch entstehen neue Individuen, anfangs noch in Yerbindung mit der Mutterpflanze, später aber sich loslösend von derselben. Man benutzt sie eben- falls zur Yermehrung edler Yarietäten. § 338. Was sind Zwiebeln? Die Zwie- bel (bulbus) ist eine fleischige Knospe, bestehend aus einem plattge- drückten Axenteile, dem sog. Zwiebel- kuchen (Fig. 100b), welcher nach unten Wurzeln treibt, nach oben zu aber mit fleischigen Blattansätzen, den Zwiebel- schalen, besetzt ist. Die Zwiebeln bilden sich gewöhnlich unterirdisch, als Rhizomknospen, indem a sie in den Achseln der Schalen der Mutter- --j, zwiebel sich entwickeln, als Brutzwiebeln (Fig. 100 a). Bei zahlreichen Gewächsen, z. B. den Lilien, Tulpen und Laucharten, ist diese Yermehrung die gewöhnliche und überwiegt die Fortpflanzung durch Samen bedeutend. Die fleischigsaftige Beschaffen- heit der Zwiebelschalen setzt die Zwiebel Fig. 100. — 358 - in den Stand, losgelöst von der Mutterzwiebel längere Zeit fort- znvegetieren (zu überwintern) und im Frühling selbständig Wurzel- zasern und einen beblätterten Stengel zu treiben. Demnach sind die Zwiebelgewächse einjährige Pflanzen, welche aber durch die alljährliche Neubildung von Zwiebeln ausdauernd erscheinen. Wenn sich der Zwiebelkuchen knollig verdickt, so nennt man die Zwiebel eine Zwiebelknolle (bulbotuber), wie wir sie bei der Herbstzeitlose finden (Fig. 101). Die Schalen treten dann gegen den knolligen Kuchen sehr zurück und bleiben gewöhnlich auf wenige Zwiebel- decken reduziert. Bei der Zeitlosen-Zwiebelknolle entsteht die junge Zwiebel im Sommer, seitlich an der Mutterzwiebel, in einer Einne, treibt im Herbst eine Blüte und im darauffolgenden Frühling einen beblätterten Stengel mit Frucht, worauf sie im Sommer in seitlicher Rinne eine neue Brutzwiebel erzeugt, welche denselben Lebenslauf beginnt. Im Herbst ausgegrabene Zwiebelknollen der Zeitlose zeigen daher eine seitliche Rinne, im Frühling ausgegrabene nicht. Die alte Zwiebelknolle welkt all- mählich ein, bleibt aber zunächst noch mit der neuen von einer Schale umschlossen. Zuweilen entwickeln sich Zwiebeln am oberirdischen Stengel, wie bei der Feuerlilie und beim Zahnwurz (Dentaria bulbifera) in den Blattachseln, beim Knoblauch sogar an Stelle der Früchte. Man nennt solche oberirdische Zwiebeln Zwiebelknospen. Sie trennen sich im Herbst von der Mutterpflanze los und ent- wickeln im nächsten Frühling im Erdboden eine neue Pflanze. § 339. Was sind Knollen? Knollen (tubera) sind an sich keine Knospen, sondern knollig verdickte, fleischige Wur- zelstöcke oder Äste derselben, welche eine oder mehrere Knospen — sog. Augen — tragen. Blattansätze fehlen den Knollen gänzlich, wodurch sie sie sich von den Zwiebelknollen (Zwiebeln mit knolligem Zwiebelkuchen) unter- scheiden. Bei der Kartoffelpflanze entwickeln sich die Knollen an den Enden der untersten Stengel-Äste, welche sich noch im Erdreiche befinden. Diese Knollen — die bekannten Kartoffeln — tragen an verschiedenen Orten ihrer Oberfläche mehrere Knospen, die man im gewöhnlichen Leben Augen nennt. Gelangt die Kartoffel im folgenden Frühling in den Erdboden, so dient sie den aus- wachsenden Knospen zur Nahrung und wird resorbiert, während jedes „Auge" zu einer neuen Kartoffelpflanze auswächst. Beim Lagern im Keller finden wir um dieselbe Zeit „ausgewachsene" — 359 — Kartoffeln, deren Augen Stengel treiben, welche wegen des Licht- mangels Mass gefärbt sind. Bei den übrigen Knollengewächsen , z. B. den Orchis- Arten, (Fig. 102 und 103) beim Sturmhut (Aconitum Napellus) u. a., ent- wickeln sich die Knollen am Grunde des Stengels, neben der alten Knolle, und wachsen im folgenden Jahre zu einer neuen Pflanze Fig. 102. Kugelige Knollen. Fig. 103. Handförniige Knollen. aus. Demnach sind die Knollengewächse, ähnlich den Zwiebelge- wächsen, von einjähriger Dauer, erscheinen aber ausdauernd, weil jedes Jahr neben der alten Pflanze eine neue erscheint. In der Regel findet man die Knollen zu zwei zusammenhängend, deren eine die neue, deren andere die vorjährige darstellt, jene frisch, prall, dicht — diese halb verwelkt, leicht, mehr oder weniger zu- sammengeschrumpft. 3. Das Blatt. § 340. Wie bezeichnet man das Blatt nach seinem Stande? Die Blätter (folia) sind seitliche Ausbreitungen des Stammes, aus welchem sie heraustreten. Nach dem Stande ihres Ursprungs bezeichnet man sie als: a) "Wurzelblätter (f. radicalia), wenn sie aus dem "Wurzelstocke oder dem untersten, noch unter dem Erdboden be- findlichen Stammteile heraustreten. b) Stengel- oder Laubblätter (f. caulina), wenn sie am oberirdischen Stengel stehen. c) Nebenblätter (stipulae), wenn sie zu beiden Seiten des Blattstiels eines Blattes aus dem Stengel entspringen, wie bei der Erbse (Fig. 104), bei der sie an Grösse das eigentliche Blatt bedeutend übertreffen, bei der Rose (Fig. 105), wo sie dem Blattstiele angewachsen sind, bei den Knöterichgewächsen (Fig. - 360 — 107), wo sie um den Stengel zu einer Scheide, der sog. Tute (ochrea), verschmelzen. d) Deckblätter (bracteae), wenn sie die Blüten unter- stützen und in der Form von den Stengelblättern abweichen. Bei der Linde finden wir das Deckblatt mit dem Blütenstiel zur Hälfte verwachsen. Stehen die Deckblätter in einem Kreise rings um den Stengel, so bilden sie eine Blütenhülle (involucrum), wie wir sie bei der Möhre (Fig. 110) sehen; verwachsen sie aber zu einer Scheide, so nennen wir sie Blütenscheide (spat ha), z. B. bei der Calla (Fig. 109), beim Aron, Lauch u. a. § 341. Welches sind die Teile des Blattes? Man unterscheidet am Blatte den Blattstiel (p etiolus) und die Blattspreite oder Blattfläch e (lamina). Ist jener sehr verkürzt, so nennt man das Blatt sitzend (f. sessile), im Gegensatze zum ge- stielten Blatte (f. petiolatum).*) Der Blattstiel ist dem Stamme entweder durch ein Glied eingelenkt (petiolus articulatione insertus), oder in ununter- brochener Verbindung mit ihm (p. continuus) ; im ersteren Falle löst er sich beim Abwelken des Blattes ab, wie dies bei den Wal- nussblättern der Fall ist. Verbreitert sich der Blattstiel zu einer den Stengel mehr oder minder umschliessenden Röhre, so bildet er eine Blatt- scheide (vagina), welche wir besonders bei den Doldenge- wächsen (Fig. 106) und Gräsern (Fig. 108) finden. Bei den Gräsern erscheint an der Stelle, wo die Blattscheide (a) in die Blattfläche (d) übergeht, ein blasses, dünnes Häutchen, das sogen. Blatthäutchen oder Blattzüngelchen (ligula), Fig. 108b. § 342. Nervatur des Blattes. Die Blattfläche wird von den Blattrippen oder Blattn erven (nervi) durchzogen, welche die Fortsetzung des Blattstiels darstellen und die Blattsubstanz zwischen sich aufnehmen. Je nach dem Verlaufe dieser Nerven unterscheidet man eine vierfache Nervatur des Blattes: 1. Beim parallelnervigen Blatt (f. parallelinervium), Fig. 114, treten alle Nerven nebeneinander in die Blattfläche ein und verlaufen unverzweigt bis zur Spitze. Solche finden wir bei den Gräsern, Lilien u. a. m. 2. Beim handnervigen Blatt (f. palmatinervium), Fig. 126—128, treten 3, 5 oder 7 Nerven zugleich in die Blattfläche und verzweigen sich in ihrem Verlaufe beiderseitig. So beim Epheu, Weinstock, Ahorn, Sturmhut u. a. *) nicht folium stipitaturn! 361 £\>v Fig. 105. Angewachsene Nebenblätter. Fig. 104. Freie Nebenblätter. m ) Eig. 106. Blattscheide. Fig. 107. Tute. Fig. 108. a Elatt, b BlatthäutohBn, c Knoten, d Blattspreite. Fig. 109. Blutenscheide. Fig. 110. Hülle und Hüllchen. — 362 — 3. Beim fussnervigen Blatt (f. pedatinervium), Fig. 129, treten am Grunde zwei Nerven in die Blattfläche ein, nach zwei entgegengesetzten Richtungen auseinanderweichend, und senden nach vorn Seitennerven aus. So beim Nieswurz (Helleborus). 4. Beim fiedernervigen Blatt (f. pinnatinervium), Fig. 111 — 113, durchzieht ein Mittelnerv die Blattfläche und schickt nach beiden Seiten hin Seitennerven aus. Wenn die Nerven Verästelungen — Adern (venae) — ein feines Netz bilden, so nennt man das Blatt netzadrig (f. reti- culatum), wie bei Fig. 115. Terminologie des Blattes. A. Die Blattform. 1. In Bezug auf den Umfang kann das Blatt sein: a) Kreisrund (folium rotundum), wie Fig. 111. b) Oval oder elliptisch (f. ovale, ellip ticum), halbmal länger als breit, wie die Salbeiblätter. Ist das Blatt dabei nach dem Grunde zu breiter, so heisst es eiförmig (f. ovatum), wie Fig. 112. c) Länglich (oblongu m), zwei- bis dreimal länger als breit, wie die Pomeranzen- und Pfefferminz blätter. d) Lanzettlich (lanceolatum). Fig. 113, vier- bis fünfmal länger als breit, wie die Ligusterblätter. e) Lineal (lineare), Fig. 114, lang und schmal, wie die Grasblätter. f) Verkehrteiförmig (obovatum), Fig. 115, nach vorn breiter, wie die Bärentraubenblätter. g) Eckig (angulatum) und zwar : dreieckig (trianguläre, de 1- toideum), Fig. 114; viereckig, rautenförmig (rhomboideum) etc. h) Spateiförmig (spathulatum), Fig. 116, aus breiter Spitze nach dem Grunde zu plötzlich verschmälert. i) Keilförmig (cuneatum), Fig. 117, wie bei der Rosskastanie, k) Schwertförmig (ensi forme), wie die Blätter der Schwertlilie. 2. In Bezug auf den Blattgrund: a) Abgerundet (basi rotundatum), Fig. 102. b) In den Blattstiel verschmälert (in petiolum attenua- tum), Fig. 116. wie die Fingerhutblätter. c) Herzförmig (cordatum), mit herzförmiger Bucht und abgerundeten Lappen, wie die Lindenblätter Fig. 120, sowie Fig. 123. d) Nieren förmig (renatum, reni forme), Fig. 121, mit abge- rundeten Lappen und tiefer, abgerundeter Bucht, wie die Haselwurzblätter. e) Pfeilförmig (sagittatum), Fig. 119, mit spitzen, nach hinten gerichteten Lappen, wie die Sauerampferblätter. f) Spiessförmig (hastatum), mit spitzen, seitlich gerichteten Lappen, wie die Aronbiätter. g) Schief (obliquum) oder ungleichhälftig (dimidiatum), Fig. 120, wenn die eine Blatthälfte mehr ausgebildet ist als die andere, wie die Ulmen- und Lindenblätter. h) Halbherzförmig (semicordatum), halb spiessförmig (semihastatum), halbpf eilförmig (semisagitt atum), wenn nur eine Blatthälfte jene Ausbildung hat. 3. In Bezug auf die Blattspitze: a) Stumpf (ob t us um), wie die Salbeiblätter, Fig. 125. 363 X m Fig. 113. Fig. 111. Bundes Bl. Fig. 112. Eiförmiges Bl. Lanzettliches Bl. Fig. 114. Lineales Blatt. Fig. 116. Fig. H7.Keilfg. Bl. Fig. 118. Dreieckiges Bl. Fig. 119. Pfeilfg. Bl. Spatelfg. Bl. Fig. 120. Herzförmiges Bl. Fig. 121. Nierenföriniges Bl. — 364 — b) Abgerundet (apice rotundatum) wie die Bärentraubenblätter,. Fig. 115. c) Ausgerandet (emarginatu m), an der Spitze sanft ausgebuchtet, wie die Blumenblätter der Rose; ist der Einschnitt spitz, so heisst das Blatt verkehrt herzförmig (obcordatum), wie beim Sauerklee. d) Spitz (acutum), wie die Buchenblätter, Fig. 112. e) Zugespitzt (acuminatu m), mit vorgezogener Spitze , wie die Blätter der Rosskastanie, Fig. 117. f) Bespitzelt, stachelspitzig (apiculatum, mucronatum), wenn einem stumpfen Blatte ein Kraut- resp. Stachelspitzchen aufgesetzt ist. 4. In Bezug auf den Blattrand: a) Ganzrandig (integerrimum), Fig. 111, 113, 114, 115, 119, 122, ohne alle Einschnitte , wie die Tollkirschen- , Pomeranzen-, Bärentrauben- blätter. b) Gekerbt (er e na tum), Fig. 123, mit kurzen, abgerundeten Zacken zwischen spitzen Einschnitten, wie die Malvenblätter, und zwar: feinge- kerbt (crenulatum) und grobgekerbt (grosse crenatum). c) Gezähnt (dentatu m), Fig. 124, mit kurzen, spitzen Zacken zwischen gerundeten Einschnitten, wie die Huflattig- und Eibischblätter. F e i n g e - zahnt (denticulatum) und grob gezähnt (grosse dentatum). d) Gesägt (serratum), Fig. 125, mit kurzen, spitzen Zacken zwischen spitzen Einschnitten, wie die Pfefferminz- und Lindenblätter, und zwar: f ein- gesägt (serrulatum), grobgesägt (grosse serratum), doppelt gesägt (biserratum), wenn die Sägezähne abermals gesägt sind. e) Buchtig (sinuatu m), durch abgerundete Einschnitte ausgebuchtet, wie die Eichenblätter. Wenn dabei die Ausschnitte spitz sind, so heisst das Blatt buchtig gezähnt (sinuato- dentatum), Fig. 118. f) Wellig (undulatum) und in höherem Grade kraus (crispum), wie die Krauseminzblätter. 5. In Bezug auf die Blatt-Teilung: a) Ungeteilt (integrum), ohne tiefer gehende Einschnitte, wobei der Blattrand alle Modifikationen zeigen kann. Fig. 111 — 125. b) Gelappt (lobatum), mit breiten, stumpfen, nicht über die Mitte der Blattfläche einschneidenden Zipfeln, wie die Wein-, Epheu- und Malven- blätter, Fig. 126. — Man unterscheidet: zweilappig (bilobum), drei- lappig (trilobum); f'ünflappig (quinquelobum), wie beim Epheu; siebenlappig (septemlobum); im allgemeinen handlappig (palma- tilobum), wie das Malvenblatt, Fig 126. c) Gespalten (fissum), mit schmalen und spitzen , bis zur Mitte einschneidenden Zipfeln. — Man unterscheidet: handspaltig (palma- tifidum), Fig. 127, wie die Blätter der Ricinusstaude und fieder- sp altig (pinnatifidum), wie die Blätter vom Giftlattich. Wiederholt sich bei den Zipfeln die Teilung, so ist das Blatt ein doppelt fieder- spaltiges (bipinnatifidum), wie bei Papaver Rhoeas. Sind die Zipfel abwärts gerichtet, wie beim Blatt vom Taraxacum, so nennt man es ein schrotsägezäh niges (runcinatu m). d) Geteilt (partitum), wenn die Teilung bis nahe zum Grunde resp. Mittelnerv reicht, so dass die Zipfel nur durch einen schmalen Streifen Blattsubstanz zusammenhängen. — Man unterscheidet : handteilig(pal- matipartitum), Fig. 128, wie das Blatt des Sturmhuts, fussteilig(pe- datip artitum), Fig. 129, wie die Blätter der Nieswurz; fiederteilig (pinnatipartitum), wie das Blatt von Brassica nigra, welches man, da der Endzipfel viel grösser ist als die seitlichen, 1 ei er förmig fieder- 365 Fig. 122. Fig. 123- Ganzrandig. Blatt. Gekerbtes Blatt. Fig. 124. Gezähntes Blatt. Fig. 125. Gesägtes Blatt. Fig. 126. Gelapptes Blatt. Fig. 127. Handspaltiges Blatt. Fig. 128. Handteiliges Blatt. Fig. 129. Fussteiliges Blatt. — 366 — teilig (lyratipartitum) nennt. Wenn die Fiederteilung sich ein- oder zweimal wiederholt, so sagt man doppelt fiederteilig (bipinna- tipartitum), drei fach fiederteilig (tripinnatipartitum), wie die Blätter des Wermuts und Schierlings. e) Zusammengesetzt (compositum), wenn das Blatt aus völlig getrennten Teilblättchen (foliola) besteht , deren Blattstielchen (petioluli) aus der gemeinsamen Spindel (petiolus communis) entspringen. Wir sehen dies bei den Blättern des Klees, der Rosskastanie, Rose, Brom- beere u. a. m. Mit Rücksicht auf die Nervatur bezeichnet man das zu- sammengesetzte Blatt: a) Bandförmig (palmatum), wenn die Teilblättchen alle aus einem Punkte entspringen. Man zählt die Blättchen : dreizählig (ternatum), wie beim Klee (Fig. 130), fünf zählig (quinatum), wie beim „ wilden" Wein (Ampelopsis hederacea) ; bei fünf und mehr Blättchen , wie bei Rosskastanie und Hanf (Fig. 131), gebraucht man den Ausdruck gefingert (digitatum); dopp eldr eizählig (biternatum) bei Akelei und Aegopodium Podagraria (Fig. 132), wenn die Teilung sich wiederholt. ß) Gefiedert (pinnatum) , bei Fieder - Nervatur , wie bei der Rose, Robinia Pseud-Acacia (Fig. 133). Bei abwechselnd grösseren und kleineren Blättchen: unterbrochen gefiedert (interrupte p.), wie die Blätter der Kartoffel. Bei wiederholter Teilung: doppelt gefiedert (bipinna- tum), wie bei der Mimose (Fig. 134) und dreifach gefiedert (tri- pinnatum), wie Fig. 135. — Endet der gemeinsame Blattstiel in eine Spitze, so nennt man das Blatt paarig gefiedert (pari pinnatum), Fig. 134, läuft er aber in ein Endblättchen (folium terminale) aus, so heisst das Blatt unpaarig gefiedert (impari pinnatum), Fig. 133, 135, und, sofern das Endblättchen die seitlichen an Grösse bedeutend über- ragt, leierförmig (lyratum), wie bei Geum urbanum. B. Anlieft ung und Stellung des Blattes. 1. In Bezug auf die Anheftung kann das Blatt sein: a) Gestielt (folium petiolatum), mit einem Blattstiel versehen. b) Schildstielig (f. peltatum), Fig. 136, wenn der Blattstiel nicht an den Rand, sondern mitten in die Blattfläche hineintritt, wie bei der Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus). c) Sitzend (f. sessile), ohne Blattstiel. d) Herablaufend (decurrens), wenn der Blattgrund am Stengel sich herabzieht, wie bei der Wollblume, Symphytum officinale u. a. Man unter- scheidet: ganz herablaufend und halb herablaufend (semidecurrens), jenachdem das Blatt das nächsttiefere erreicht oder nicht. e) Stengelumfassend (f. amplexicaule), wenn der Blattgrund um den Stengel herumreicht, Fig, 139, bei nicht völligem Umfassen halbum- fassend (f. semiamplexicaule), wie die Stengelblätter von Cochlearia officinalis. f) Durchwachsen (f. perfoliatum), wenn der Blattgrund um den Stengel herum zusammen gewachsen ist, wie Fig. 137, oder wenn zwei gegenüberstehende Blätter um den Stengel herum mit einander verwachsen sind, wie die Blätter des Geisblatts (Lonicera Caprifolium), Fig. 138. 2. In Beziehung auf die Stellung zu einander können die Blätter sein: a) Abwechselnd, wechselständig (folia alterna), wenn sie in un- gleicher Höhe entspringen, Fig. 140, wie beim Schöllkraut, Mohn. b) Zerstreut (f. sparsa), wenn sie rings um den Stengel ohne be- 367 — Kg. 130. Dreizänliges Bl. Fig. 131. Gefingertes Bl. Fig. 132. Doppelt dreizähliges Bl. Fig. 134. Doppeltgefiedertes Bl. Fig. 135. Dreifachgefiedertes Bl. - 368 — sondere Anordnung dicht gestellt sind, wie beim Leinkraut (Linaria vulg.), bei Euphorbia Cyparissias. c) Gegenständig (f. opposita), wenn sie zu zweien einander in gleicher Höhe gegenüberstehen, Fig. 141, wie beim Geisblatt, Tausendgüldenkraut, Gottesgnadenkraut u. a. m. d) Wirtelständig (f. verticillata), wenn sie zu 3, 4 oder mehr in gleicher Höhe entspringen, Fig. 142, wie beim Labkraut, Waldmeister u. a. e) Büschelig (f. fasciculata), wenn sie zu 2, 3 oder mehreren aus einem Punkte kommen, wie die Nadeln 'der Lärche, Fig. 143. f) Rosettig (f. rosulantia), zu vielen stemartig zusammengedrängt, wie die Wurzelblätter von Polygala amara, Sempervivum u. a. g) Dachziegelig (f. imbricata), sich deckend, wie die Ziegel eines Daches, wobei die Spitze des unteren Blattes die Basis des oberen bedeckt, wie beim Lebensbaum (Thuja). C. Konsistenz und Farbe des Blattes. 1. In Bezug auf die Konsistenz kann das Blatt sein: a) Blattartig (foliuni foliaceum). b) Papierartig (f. chartaceum), dünn und grün. c) Häutig (f. membranaceum), dünn und blass. d) Rauschend, trockenhäutig (f. scariosum), dünn, blass und starr, wie die Hüllkelchblättchen der Immortelle. e) Lederig (f. coriaceum), wie die Lorbeerblätter. f) Nadelig (acerosum) wie die Blätter der Tanne, Fichte, Lärche, Wacholder, deren Spitze oft stechend (pungens) ist. g) Fleischig-saftig (f. succulentum, succosum), wie beim Mauer- pfeffer, dessen Blatt stielrund (teres) ist. 2. In Bezug auf die Farbe kann das Blatt sein: a) Grün (viride), wie die Grasblätter. b) Blaugrün, graugrün, meergrün (glaucum), wie beim Rosma- rin, die Unterfiäche der Schöllkrautblätter ; bei Annäherung an diese Farbe: blaugrünlich (glaucescens). c) Grau (canum, incanum, canescens), wie beim Wermut. d) Glanzlos (opacum). e) Glänzend (splendens), wie die Kirschlorbeerblätter. 4, Die Bekleidung des Pflanzenkörpers. §. 342. Die Haarbekleidung. Die Haare (p i 1 i) sind sehr verlängerte, stielrunde Fortsätze der Ober- haut, meist unverzweigt und teils gerade verlaufend, teils gekräuselt. Zu den Kräuselhaaren gehört der Filz (t o m e n t um) und die W o 1 1 e (1 a n a). Stechende Haare heissen Borsten (setae); die eigentlichen Brennhaare, wie wir sie bei der Brennessel finden, sind starre Haare mit spröder Spitze und einem ätzen- den Safte als Inhalt, welcher sich aus der bei der Be- rührung abbrechenden Spitze in die Wunde ergiesst (Fig. 144 in sehr starker Yergrösserung.) Häufig Fig. 144. tragen die Haare eine Drüse in Form eines Köpfchens, — 369 - Fig. 136. Schildstielige Blätter Fig. 137. Durchwachsenes Blatt. Fig. 141. Gegenständige Blätter Fig. 142. Fig. 143. WirtelBtändige Blätter. Büschelige Blätter. Sc hlickum, Apothekerlehrling 24 — 370 — sog. Drüsenhaare (pili glanduliferi), wie sie auf den Blütenstielen der Centifolienrose deutlich zu sehen sind. Stern- förmig verästelte Haare, sogen. Sternhaare (pili stellati), finden wir z. B. bei der Wollblume. § 343. Besetzung mit anderen Organen. Drüsen (glandulae) nennt man kleine Bläschen, die mit einem flüssigen Inhalte ge- füllt sind. Saftlose Erhabenheiten heissen Warzen (Verrucae) oder, wenn hornartig verhärtet, Schwielen (calli). Erlangen die Drüsen eine bedeutende Grösse und zeichnen sie sich durch einen wasserhellen Inhalt aus, so werden sie zu Blattern (pa- pulae), wie bei der Eispflanze. Die Stacheln (aculei) unterscheiden sich von den Dor- nen (spinae) dadurch, dass sie reine Oberhautgebilde sind und sich mit der Kinde abziehen lassen, während die Dornen, als stechende Holzteile, stehen bleiben. Die Dornen gehen aus verkümmerten Zweigen, Blatt- oder Blütenstielen hervor. Bei der Rose finden wir sowohl (kleinere, gerade) Stacheln wie (grössere, meist sichelig gebogene) Dornen. Beim Schlehdorn und Kreuzdorn (Rhamnus cathartica) stellen die Dornen die starren, stechenden Spitzen der jungen Zweige dar und werden im fol- genden Jahre durch deren Yerästelung gabelständig. Beim Sauer- dorn (Berberis) gehen die dreiteiligen Dornen aus der Verküm- merung von Blattstielen hervor und unterstützen die Blattbüschel. Bei der Robinia Pseudacacia verwandeln sich die Nebenblätter in Dornen. Ranken (cirrhi) nennt man fädliche, spiralig aufgewundene Nebenorgane, welche zum Festhalten dienen. Beim Weinstock gehen sie aus fehlgeschlagenen Blütenstielen hervor und stehen den Blättern gegenüber; bei Lathyrus Aphaca verwandelt sich der Blattstiel in eine Ranke, bei der Erbse und Wicke endigt er dagegen in eine Ranke, als rankentragendes Blatt (folium cirrhiferum). Bei den Gurken und der Zaunrübe stellen die Ranken blattwinkelständige Äste dar. Terminologische Bestimmungen. 1. Die Behaarung kann sein: a) Flaumhaarig (pubescens), mit kurzen, wenig sichtbaren, ange- drückten Haaren besetzt, wie das Kraut von Galeopsis ochroleuca. b) Sa m methaarig (holosericeus), kurz, aber sehr dicht behaart, wie die Früchte der Aprikose. c) Kurzhaarig (hirtus), mit derben, kurzen Haaren besetzt, wie Viola hirta. d) Steifhaarig (hirsutus), borstenhaarig (hispidus), mit längeren steifen oder borstigen Haaren besetzt, wie die Blütenstiele von Papaver Rhoeas. e) Seidenhaarig (sericeus), mit langen, weichen, anliegenden Haaren besetzt, dadurch seidenglänzend, wie die Blätter des Wermut. — 371 - f) Zottig (villosus), mit langen, weichen, dichtgestellten Haaren besetzt, wie das Bilsenkraut. g) Filzig (tomentosus) mit kurzen , weichen , gedrängten und in einander verwirrten Haaren besetzt, wie die Althäablätter. Die Unterseite der Huf lattichblätter ist weiss filzig , die der Fingerhutblätter grau- filzig, die des Porsches (Ledum palustre) rotfilzig. h) Flockig (floccosus), wenn der Filz abwischbare Flocken bildet, wie bei Verbascum floccosum. i) Wollig (lanatus), mit dicht gedrängten, langen, gekräuselten Haaren besetzt, wie die kleineren Staubfäden von Verbascum. k) Spinnwebig (arachnoideus), gleichsam mit Spinnenfäden über- zogen , wie die Köpfchen der kleinen Klette und die Blätter der Kardo- benedikte. 1) Bärtig (barbatus), mit einem Haarbüschel versehen, wie die inneren Perigonblätter der Schwertlilie. — Im Gegensatze hierzu: bart- los (imberbis). m) Sternhaarig (stellatim pilosus), mit strahlig verzweigten Haaren besetzt, z. B. die Wollblumenblätter. n) Gewimpert (ciliatus), am Rande mit einer Haarzeile besetzt. Dem allgemeinen Ausdrucke behaart (pilosus) steht gegenüber: kahl (g laber), ohne jegliche Behaarung, wie z. B. das Schierlings- und Gottesgnadenkraut. Die Ausdrücke : rauh (asper) und scharf (scaber) beziehen sich auf mikroskopische Haare, die durch das Gefühl wahrnehm- bar sind; ihnen gegenübersteht: glatt (laevis). 2. Besetzung mit anderen Organen: a) Schuppig (squamatus), mit verkümmerten Blättern besetzt, z. B. der Schaft von Tussilago Farfära, Petasites officinalis u. a. i b) Geflügelt (alatus), mit häutigem Rande, z. B. der Blattstiel der Pomeranze, die Frucht der Ulme. Gegensatz: ungeflügelt (exalatus). c) Bekammt (cristatus), mit einem gekerbten oder gezähnten, blattartigen Anhängsel. d) Geschwänzt (caudatus), in einen fadenförmigen Fortsatz endend. wie die Früchtchen der Pulsatilla. Gegensatz: ungeschwänzt (ecaudatus). e) Geschnäbelt (rostratus), in einen starren, geraden Schnabel auslaufend. Gegensatz: ungeschnäbelt (erostris). f) Gehörnt (cornutus), mit einem starren, gebogenen Fortsatz ver- sehen; kleingehörnt (corniculatus). g) Rankig (cirrhosus), vielfach gewunden und fädlich, wie der Blatt- stiel der Waldrebe ; bei der Wicke und Erbse verlängert sich der Blattnerv in eine Ranke, und das Blatt heisst rankentragend (cirrhifer). h) Stachelig (aculeatus), mit stechenden Auswüchsen der Rinde besetzt, wie die Blätter der Disteln. i) Weichstachelig (muricatus), mit krautigen Spitzen besetzt, z. B. die Früchte des Spinats. k) Igelstachelig (echinatus), nach allen Richtungen hin bestachelt. 1) Widerhakig (glochidiatus), mit hakig umgebogenen Borsten oder Stacheln besetzt, z. B. die widerhakig-igelstacheiige Frucht von Geum urbanurn. m) Dornig (spinosus), mit spitzen, holzigen Fortsätzen, z. B. die Nebenblätter von Robinia Pseudacacia, die Zweige des Schwarz- und Weissdorns. n) Begrannt (aristatus), mit gerader, fadenförmiger Granne, wie die Ähren vieler Gräser, zumal des Getreides. 24* - 372 — o) Wehrlos (muticus, inermis), ohne Stacheln, Dornen, Grannen u. dgl. p) Drüsig (glandulosus), mit Drüsen besetzt, wie die Kirschlorbeer- blätter auf der Unterseite am Grunde. Sind die Drüsen in das Gewebe eingesenkt, wie bei den Pomeranzenschalen, Pomeranzenblättern u. dgl., so heissen diese drüsig-punktiert (glanduloso-punctatus) oder, wenn die Drüsen durchscheinend sind, wie bei Hypericum, durchschei- nend-punktiert (pellucido-punctatus). 5. Die Blütenstände. § 344. Was nennt man einen Blütenstand? Die Blüte (f 1 0 s) steht entweder einzeln (flos solitarius), und zwar im Winkel eines Blattes, oder an der Spitze des Stengels oder eines Zweiges, oder sie ist zu mehreren zu einem Blütenstand (inflo- rescentia) gruppiert. Diese Blütenstände, sind selbst wieder blattwinkelständig oder am Ende des Stengels resp. eines Zweiges befindlich. Die Blüte ist entweder gestielt (flos pedunculatus) oder sitzend (flos sessilis). Der Blütenstiel (pedun- culus) ist ein Zweig des Stammes. Entspringt der Stiel einer einzelnen Blüte oder eines Blüten- standes aus dem Winkel eines Wurzelblattes, so trägt er keine Laubblätter, sondern nur Deckblätter oder Schuppen ; man nennt ihn einen Schaft (scapus). Wir sehen einen solchen beim März- veilchen und Löwenzahn ; beim Huflattich erscheint der Schaft im März, bedeckt mit braunen Schuppen, während die Blätter erst im Mai nachfolgen. Man nennt solche schafttragende Gewächse stengellos (plantae acaules). § 345. Wie teilt man die Blütenstände ein? Man unterscheidet zweierlei Blütenstände, je nach der Entfaltung ihrer einzelnen Blüten. Bei der einen Art von Blütenständen schliesst die Axe derselben nicht mit einer Blüte ab, sondern entwickelt gegen ihre Spitze zu noch Blüten, während die unteren Blüten schon aufgeblüht sind, sodass das Aufblühen von unten nach oben, resp. vom Umkreis nach der Mitte zu fortschreitet. Man nennt einen solchen Blütenstand centripetal (inflorescentia centri- peta). Bei der anderen Art von Blütenständen schliesst die Axe mit einer Endblüte ab, welche zuerst aufblüht, worauf sich dann unter ihr seitliche Blüten entwickeln , deren Ausbildung später erfolgt, sodass dieses Aufblühen von oben nach unten resp. von innen nach aussen fortschreitet. Man nennt daher diese Blüten- stände centrifugal (inflorescentia centrifuga). § 346. Welche Blütenstände gehören zu den centripetalen? Vor- zugsweise rechnen sich zu den centripetalen Blütenständen: Die — 373 - Ähre, das Kätzchen, der Kolben, die Rispe, der Eben- stran ss, die Dolde, das Köpfchen nnd der Blütenkuchen. Man kann sie in folgender Weise unterscheiden : Axe verlängert: Axe verkürzt: AVit'p i i Kätzchen \ Blüten sitzend / KöPfchen. Kolben . . Axe fleischig . . Blütenkuchen Traube . ( 1 Ebenstrausss Blüten gestielt > Dolde. Rispe . \ J 1. Die Ähre (spica) besteht aus ungestielten Blüten, welche der Länge nach an einer verlängerten Spindel sitzen. Bsp. bei Yerbena officinalis (Fig. 145). Bei den Gräsern bestehen die Ähren nicht aus einzelnen Blüten, sondern wieder aus Ährchen, den Grasährchen (spicula) (Fig. 146). Wenn die Ähre nach beendigter Lebensfunktion gänzlich, mit den Blüten resp. Früchten abfällt, so heisst sie ein Kätz- chen (amen tum). Bsp. bei Walnuss, Eiche (Fig. 148), Buche. Wenn bei der Fruchtreife die Kätzchenschuppen (Deckblätter) sich vergrössern, wie beim Hopfen, oder ihre Konsistenz verändern, wie bei der Erle, wo sie verholzen, so nennt man das Kätzchen einen Zapfen (strobilus). Wenn die Spindel der Ähre fleischig und verdickt erscheint, sodass die Blüten ihr mehr oder weniger eingesenkt sind, so wird sie zum Kolben (spadix). Bsp. bei Calla (Fig. 147), Arum. 2. Die Traube (racemus) besteht aus gestielten Blüten, die der Länge nach an einer verlängerten Spindel stehen. Bsp. bei der Johannistraube (Fig. 151). Verästelt sich die Traube und nimmt pyramidale Gestalt an, so nennt man sie eine Rispe (panicula), wie bei Alisma Plan- tago (Fig. 152), die männlichen Blüten des Hopfens u. a. m. Sind die unteren Blüten einer Traube so lang gestielt, dass sämtliche Blüten ziemlich in einer Höhe stehen, so wird der Blütenstand ein Ebenstrauss, auch Doldentraube oder Schirmtraube (corymbus) genannt. Bsp. bei Ornithogalum umbellatum (Fig. 150), beim allgemeinen Blütenstand der Schaf- garbe und des Rainfarn. 3. Die Dolde (umbell a) wird gebildet aus Blüten, deren Blütenstiele aus einem Punkte entspringen, sodass die Blüten in gleicher Höhe stehen. Einfach ist sie z. B. bei der Schlüsselblume, zusammengesetzt bei der Möhre (Fig. 153). In letzterem Falle besteht die Dolde (umbella) aus D ö 1 d c h e n (umbellulae); die Hülle (involucrum) unterstützt die ganze Dolde, die Hüllchen (involucella) unterstützen die Döldchen. 4. Das Köpfchen (capitulum) besteht aus ungestiel- — 374 — ten Blüten, die auf einer verkürzten Spindel sitzen. Bsp. beim Klee, der Skabiose (Mg. 149). Bei den Kompositen wird das Köpfchen von einer Hülle kelchartig umschlossen, sodass der ganze Blütenstand den Eindruck einer Einzelblüte macht; man nennt ihn deshalb eine zusammengesetzte Blüte (flos compositus), auch wohl ein Körbchen (calathium, anthodium). Bsp. bei der Kamille, dem Löwenzahn, Disteln. Die kelchartige Hülle heisst Hüllkelch (periclinium, peranthodium), die Spindel gemeinsamer Blütenboden (receptaculum commune). Nimmt die Spindel fleischig- verdickte Beschaffenheit an, so nennt man den Blütenstand einen Blütenkuchen (coenan- thium); er schliesst bei der Feige birnförmig die Blüten ein. § 347. Welche Blütenstände gehören zu den centrifugalen? Ton den centrifugalen Blütenständen verdienen Erwähnung: die Trugdolde, der Knäuel und der Wickel. Die Trugdolde (cyma) ist ein doldenartiger Blüten- stand mit centrifugaler Entwicklung. Dicht unter einer end ständigen, zuerst aufblühenden Blüte entspringen mehrere Blütenstiele; gewöhnlich verzweigen sich diese primären Blüten- stiele nach dem nämlichen Gesetze, woraus eine zusammengesetzte Trugdolde (Fig. 154*)) hervorgeht , wie beim Schneeball, Hollunder, der Wolfsmilch. Die Trugdolde lässt sich mit der Dolde leicht verwechseln; man wird sich nicht täuschen, wenn man die Entwicklung der einzelnen Blüten beobachtet. Bei einer Dolde sehen wir stets die randständigen Blüten am weitesten in der Entwicklung begriffen und schon verblüht, wenn die inneren Blüten erst aufblühen ; bei der Trugdolde finden wir das Umge- kehrte: die centralen Blüten eines jeden Astchens sind weiter entwickelt als die umstehenden seitlichen Blüten. Der Knäuel (glomerulus) kennzeichnet sich durch zahl- reiche, kleine Blüten, welche köpf chen artig gedrängt zusammen- stehen. Bsp. beim Gänsefuss. Der Wickel (cincinnus, cyma scorpioidea) findet sich vorzugsweise bei den Boragineen, z. B. Yergissmeinnicht (Fig. 155); er ähnelt einer Traube mit schneckenförmig eingerollter Spindel und entsteht durch einseitiges Wachstum einer ein- zigen Seitenaxe unterhalb der centralen Blüte, die hier zu unterst erscheint, welcher Yorgang sich bei jeder höheren Blüte wiederholt. Gemischte Blütenstände bilden sich aus Trugdolden und Knäueln, wenn sie zu einem centripetalen Blütenstande — Ähre oder Traube — gruppiert sind; man nennt sie bei gestielten Blüten Strauss (thyrsus), wie beim Liguster, spanischen Flie- *) In dieser Figur sind die centralen Blüten bereits verblüht und reifen die Frucht, während die seitlichen blühen. 375 Fig. 152. Rispe. Fig 153. Zusammengesetzte Dolde. - 376 — der; bei sitzenden Blüten Blütenschwanz (anthurus), beim Weiderich, der Wollbhime. wie Fig. 154. Trugdolde. Fig. 155. Wickel. Terminologische Bestimmungen. 1. Die einzelständige Blüte (flos solitarius) kann sein: a) Endständig (ü. terminalis), wie bei der Pulsatilla, Pfingstrose. b) Blattwinkelständig (fl. axillaris), wie bei Viola tricolor. c) Wirtelig (flores verticillati), rings um den Stengel in gleicher Höhe entspringend, wie bei Rumex. Sobald aber die Blüten nur in den Winkeln zweier gegenständiger Blätter entspringen, sich dicht um den Stengel drängend, bilden sie einen Scheinwirtel (verticillastrum), wie bei den meisten Labiaten. d) Wurzelständig (fl. radicalis), aus dem Wurzelstock kommend, wie beim Märzveilchen. 2. Die Ähre (spica) kann sein: a) Locker (laxa), wie beim Eisenkraut (Verbena off.). b) Gedrängt (densa, conferta), wie beim Roggen, Weizen, Gerste. c) Verlängert (elongata), im Gegensatz dazu v e r k ü r z t (abbre- viata), jenes bei der wilden Minze, dieses bei der Pfefferminze. d) Fadenförmig (filiformis), wie bei Polygonum, Hydropiper. 3. Der Kolben (spadix) kann sein: a) Bescheidet (spathatus), mit einer Blütenscheide (spatha) ver- sehen, wie bei Calla, Arum. Bei letzterem ist der Kolben oben nackt (superne nudus), d. i. nicht mit Blüten bedeckt, und von der Scheide eingehüllt. b) Unbescheidet (espathatus), wie beim Kalmus. 4. Das Kätzchen (amentum) besitzt die Formen der Ähre. Man bezeichnet es als frühzeitig (praecox), wenn es vor den Blättern, gleichzeitig (coetaneum), wenn es gleichzeitig mit den Blättern er- scheint. Beispiele beider liefert die Weide. 5. Die Traube (racemus) ahmt in ihren Formen der Ähre nach. Einseitig (unilateralis) ist sie, wenn alle Blütchen auf derselben Seite entspringen; entspringen sie aber ringsum, wenden sich jedoch nach einer - 377 — Seite hin, so ist die Traube einseitswendig (secundus), wie beim Honigklee (Melilotus). 6. Die Dolde (umbella) ist: a) Armblütig (pauciflora) und einfach (simplex) bei dem Schöll- kraut, der Kirsche (zweiblütig). b) Zusammengesetzt (composita) bei den Umbelliferen. c) Strahlend (radians), wenn die am Saume befindlichen Blüten grösser sind als die inneren, z. B. bei Heracleum Spondyliuin, Coriandrum. Die Hülle (involucrum) kann sein: armblätterig, wie beim Kümmel, wenn nur aus 1 — 3 Blättchen bestehend; reichblätterig, wenn aus mehr Blättchen gebildet, wie beim Schierling. Sie ist bei der Hundspetersilie (Aethusa Cynapium) einseitig und herabgeschlagen (unilaterale, pendulum). 7. Das Köpfchen (capitulum) hat ähnliche Formen wie die ein- fache Dolde. — Zahlreicher sind die terminologischen Bestimmungen des Kompositen-Körbchens (anthodium). Es kann sein: A. Nach der Gestalt der Blütchen (flosculi): a)Röhrenblütig (tubuliflorumj, wenn sämtliche Blütchen röhren- förmig sind, wie bei der Klette, den Disteln, dem Rainfarn, Wermut u. a. b) Strahlblütig (ra diät um), wenn die randständigen Blütchen zungenförmig, die inneren röhrenförmig sind; jene bilden den Strahl (radius), diese die Scheibe (d i s c u s). Bsp. Kamille , Wucherblume, Schafgarbe u. a. (Fig. 156). Nicht selten gehen durch Kultur die röhrigen Scheiben- blütchen in Zungenblütchen über; solche Körbchen nennt man gefüllt (luxu- rians). c) Zungenblütig (liguliflorum), wenn sämtliche Blüten zungenförmig sind,j| wie beim Löwenzahn. 1 B. Nach dem Hüllkelch (peranthodium) : i Die Hüllkelchblättchen (phylla) sind : y einreihig (peranthodium simplex),^ wie bei Senecio ; zweireihig (p. duplex), wie bei Tragopogon, Arnica ; vielreihig (p. multiseriale) ; nach der Länge: gleich (p. ae quäle), wie bei Tragopogon ; dachziegelig (p. imbricatu m), wenn die unteren Blättchen kürzer sind als die oberen, wie bei Bellis, Artemisia, Achillea. Wenn die äusserste Reihe der Hüllkelchblättchen absteht oder, wie beim Löwenzahn, zurückgeschlagen ist, nennt man sie Aussenkelch. Bei Carlina finden wir die innersten Hüllkelchblättchen strahlig ausgebreitet: strahlend (peranthodium radians). Die Hüllkelchblättchen sind ihrer Konsistenz nach meist blatt artig (foliacea), öfters trockenhäutig (scariosa), wenigstens am Rande, bei den Disteln dornig (spinosa), bei der Klette hakig (h am ata). C. Der gemeinsame Blütenboden (receptaculum) kann sein : f 1 a c h (p 1 a- n u m), gewölbt (convexu m), wie bei Chrysanthemum ; kegelig (coni- cum), wie bei der Kamille (Fig. 157 a.); kugelig (globo sum) u. s. f. Im Innern: dicht (solid um), wie bei der Hundskamille (Fig. 157b); hohl (cavum), wie bei der Kamille (Fig. 157a.). — Nach seiner Besetzung mit spreuartigen Deckblättchen, den sog. Spreublättchen (paleae): nackt — 378 — (nuduni), wie bei der Kamille (Fig. 157a.); spreublätterig (palea- ceum), wie bei der Hundskamille (Fig. 157b.); zottig (villosum), wie beim Wermut. 8. Die Trugdolde (cyma) kann sein: Gabelspaltig (dicho- toma), wenn unterhalb der Centralblüte zwei Nebenaxen heraustreten, die sich nach gleicher Weise teilen, wie bei Silene, Cerastium (Fig. 154); dreistrahlig, fünfstrahlig u. s. f., wie bei der Wolfsmilch, dem Hollun- derund Schneeball, nach der Zahl der Nebenasen. Beim letzteren ist die Trugdolde strahlend (ra dians), zufolge der grösseren Randblüten. Ver- längert sich einer der Äste einer Trugdolde über die anderen Blüten, so nennt man sie sprossend (prolifera), wie bei Spiraea Ulmaria. Bei den Binsen nennen wir sie dann Spirre (anthela). 5. Die Blütenkreise. § 348. Welches sind die Teile der Blüten? Die Blüte besteht aus einer verkürzten Axe, Blütenaxe, Blütenboden (recep- taculum floris, thalamus), an welcher die Geschlechtsorgane in Form veränderter Blätter eingefügt sind. Die Geschlechtsorgane sind gewöhnlich durch einen oder mehrere Kreise blattartiger Hüllen, Kelch (calyx) und Blume (coro IIa), unterstützt, welche jedoch auch fehlen können. Die Geschlechtsorgane sind die wesentlichen Teile, Kelch und Blume die unwesentlichen Teile der Blüte. Die männlichen Geschlechtsorgane sind die Staub- ge fasse (stamina) , die weiblichen die Stempel (pistilla). Alle diese Teile der Blüte sind aus Blättern hervorgegangen und stehen auf der Blütenaxe. § 349. Wie sind die Blütenteile an der Axe geordnet? Alle Blüten- teile entspringen in "Wirtein aus der Blütenaxe, welche in Form zusammengedrängter Spirallinien dieselbe umlaufen. Zu äusserst liegt der Kelchwirtel, demselben folgt nach innen der Blu- menwirtel, dann der Staubgefässkreis, endlich zu innerst der Wirtel der Stempel. Sämtliche Kreise umziehen die Axe in einfacher oder dop- pelter, öfters auch mehrfacher Spirale, wodurch die Zahl ihrer Glieder sich verdoppelt oder vervielfältigt. Enthält eine Blüte doppelt so viele Staubgefässe als Blumenblätter, so befinden sich jene in zwei Wirtein; bei zahlreichen Staubgefässen existieren mehrere Wirtel derselben. So finden wir beim Lein 5 Kelch- blätter, 5 Blumenblätter, 5 Staubgefässe und einen 5 gliederigen Stempel (mit 5 Griffeln) ; bei der Lichtnelke 5 Kelchzipfel, 5 Blumen- blätter, 10 Staubgefässe (also in zwei Spiralen), einen fünf- griffeligen Stempel; beim Hahnenfuss 5 Kelchblätter, 5 Blumen- blätter, zahlreiche Staubgefässe und zahlreiche Stempel (also beide in mehreren Spiralen). — 379 — Die Glieder der aufeinanderfolgenden Kreise wechseln mit ein- ander in der Stellung ab, sodass die Blumenblätter mit den Kelchblättern wechselständig,dieStaub- gefässe aber wieder den Kelchblättern gegenstän- dig sind , wie dies die Figu- ren 158 und 159 zeigen, Durchschnitte einer drei resp. fünfzähligen Blüte. Fi?. 160. § 350. Wie sind die Blütenkreise der Blütenaxe eingefügt? Man unterscheidet eine dreifache Einfügung (Insertion) der Blüten- kreise, je nachdem die Entwicklung derselben stattgefunden hat: 1. Die Einfügung auf den Blütenboden, auch unter- weibige (hypogynische) Insertion genannt, bei welcher alle Blütenkreise in ihrer natürlichen Reihenfolge aus der Blüten- axe hervortreten : Zu unterst der Kelch, dann die Blume, darauf die Staubgefässe, zu oberst die Stempel. Kelch, Blume und Staubgefässe sind unter dem Stempelkreise eingefügt und bilden also eine unterstän- dige Blüte, in deren Mitte der Kreis der Stempel frei steht. Bsp. Hahnenfuss (Fig. 160), Pfingstrose, Linde, Lein. 2. Die Einfügung der Blume und Staubgefässe auf die Kelchröhre, den sogenannten Unter k eich (hypanthium), aus dessen Rande die Kelchzipfel, Staubgefässe und Blumenblätter entspringen, während die Stempel im Centrum der Kelchröhre sich befinden. a) Wenn die Stempel in der Kelchröhre frei stehen, so heisst die Insertion umweibig (perigynisch); so Fig. 161 bei der Kirschblüte, welche nur einen Stempel besitzt, Fig. 162 bei der Rose, mit zahlreichen Stempeln. b) Verwächst aber der Stempelkreis mit der Kelchröhre, wie Fig. 163 zeigt, so entsteht die oberweibige (epigynische) In- sertion. Hier scheinen die Staubgefässe, Blume und Kelchzipfel auf dem Fruchtknoten zustehen; eine Folge davon ist, dass bei der Reife die Frucht vom Ke Iche gekrönt wird. Man nennt die Blüte eine oberständige und den Fruchtknoten unterständig. Bsp. Hollunder, Heidelbeere. 380 Fig. 161. Fig. 162. Fig. 163. Der Unterkelch ist eigentlich eine Bildung des Blüten- bodens, welcher sich bald als hohle Eöhre um die Stempel emporhebt, bald als Scheibe sich flach ausbreitet; ersteres finden wir bei der Rose (Fig. 161), letzteres bei der Brombeere und Himbeere. Terminologische Bestimmungen. 1. Die Blüte kann nach dem Vorhandensein der Geschlechtsorgane sein: a) Zwitterig (flos hermaphroditus), wenn beide Geschlechts- organe in ihr vorhanden sind, wie bei der Erdbeere, Brombeere. b) Eingeschlechtig (fl. diclinus), wenn nur ein Geschlecht in ihr vertreten ist , wie bei der Nessel, Walnuss ; und zwar ist sie alsdann entweder männlich (fl. masculus) mit dem Zeichen des Mars: J1, oder weiblich (fl. femineus) mit dem Zeichen der Venus: $ , je nachdem sie nur Staübgefässe oder nur Stempel birgt. c) Einhäusig (fl. monoicus), wenn dasselbe Pflanzenindividuum männliche und weibliche Blüten trägt, wie die Buche, Haselnuss, Walnuss. d) Zweihäusig (fl. dioicus), wenn die männlichen und weiblichen Blüten auf zwei verschiedene Individuen verteilt sind, wie beim Wacholder, Hopfen, Hanf, der Weide und Pappel. e) Vielehig (fl. polygamus), wenn neben eingeschlechtigen Blüten auch zwitterige vorhanden sind, wie bei der Kamille, deren Strahlblütchen weiblich, deren Scheidenblütchen zwitterig sind. 2. Nach der Ausbildung der Blütendecken : a) Nackt (fl. nudus), wenn weder Kelch noch Blume vorhanden ist, sodass die Blüte allein aus den Geschlechtsorganen besteht, z. B. bei den Gräsern, deren Blüten von den trockenhäutigen Deckblättchen (Spelzen) umschlossen werden. b) Unvollständig (fl. incompletus), wenn die Blütendecke nicht aus zwei verschiedenen Kreisen (Kelch und Blume), sondern aus einem ein- zigen, gleichartigen besteht, der bald kelchähnlich ist, wie beim Gänsefuss und Ampfer, bald blumenähnlich, wie bei der Lilie und Tulpe. c) Vollständig (fl. completus), mit Kelch und Blume begabt, wie bei der Eose, Pfingstrose, Erdbeere. d) Gefüllt (fl. luxurians), wenn die Staubfäden in Blumenblätter übergegangen sind, wie bei der Centifolienrose. — 381 — 3. Nach der Zahl der Glieder eines einzelnen Blütenkreises : a) Dreizählig(fl. t r im er us), Fig. 158, wenn jeder Wirtel drei Glieder zählt, z. B. bei der Schwertlilie und Lilie. b) Vierzählig (fl. tetr ainerus), z. B. beim Weidenröschen. c) Fünfzählig (fl. pentamerus) Fig. 159, z. B. beim Lein, Mauer- pfeffer. 4. Nach der Einfügung der Kreise: a) Unter stand ig (fl. inferus), bei unterweibiger Insertion, wenn keine Verschmelzung zwischen Kelchröhre und Stempel stattfindet; Fig. 160 — 162, z. B. Hahnenfuss, Rose, Brombeere. b) Oberständig (fl. superus), wenn der Fruchtknoten des Stempels mit der Kelchröhre verwächst (epigynische Insertion), Fig. 163 ; wie bei Apfel und Birne, Heidelbeere. 7. Kelch und Blume, § 351. Was stellen Kelch und Blume vor? Der Kelch (calyx) und die Blume (coro IIa) sind die beiden Blattkreise der Blüten , welche die Geschlechtsorgane umschliessen. Man nennt Kelch den äussersten, gewöhnlich grünen, krautartigen Kreis; Blume den innern, meist zarten und anders gefärbten (weissen, roten, blauen) Kreis, dessen Oberfläche durch zahlreiche, höchst feine Erhabenheiten (Papillen) , zufolge des Lichtreflexes , ein samtartiges Aussehen besitzt. Fehlen diese Papillen, so erscheint die Blume trockenhäutig (scariosa), wie beim Wegerich. Sehr häufig besitzt auch der Kelch blumenartige Beschaffenheit und Farbe, wie bei Polygala, Aquilegia, Aconitum. Wir nennen ihn dann einen blumenartigen Kelch (calyx corollinus). § 352. Was ist ein Perigon? Bei vielen Gewächsen lassen sich die blattartigen Blütenwirtel nicht in Kelch und Blume trennen, sondern sie stellen eine gleichartige Blütendecke, Perigon (perigonium), dar, z. B. bei der Lilie und Tulpe. Bei diesen ist das Perigon blumenartig (perigonium corolli- num), dagegen kelchartig (p. calycinum) beim Ampfer, Hanf, Hopfen. Jussieu bezeichnete das Perigon stets als Kelch (calyx) und die perigon blühenden Pflanzen als blumenlose (plantae apetalae). § 353. Die Ausbildung von Blume und Kelch. Je nach der Zer- teilung unterscheidet man den Kelch, die Blume, resp. das Perigon als: a) Einblätterig, verwachsenblätterig (calyx mono- seu gamosepalus, corolla mono- s. gamopetala, perigonium mono- s. gamophyllum) , wenn der ganze Blütenkreis in eine Röhre ver- wachsen und mehr oder minder tief in Zipfel gespalten ist. Man 382 - unterscheidet dann zwei Teile: die Eöhre (tubus) und den Saum (limbus); die Öffnung selber nennt man den Schlund (faux). b) Mehrblätterig, getrenntblätterig (calyx poly- seu dialysepalus , corolla poly- s. dialypetala, perigonium poly- s. dialyphyllum), wenn die einzelnen Glieder eines jeden Kreises un verbunden sind. Man unterscheidet also Kelchblätter (se- pala) und Blumenblätter (petala). Bei den Blumenblättern bezeichnet man den unteren Teil, wenn er plötzlich sich verschmälert, als Nagel (unguis), wie wir ihn bei den Nelken und Kohl- pflanzen gut ausgebildet finden. (Kg. 164). Je nach der Gestalt der einzelnen Glieder unter- Fig. 164. scheidet man Kelch, Blume und Perigon als: 1. Regelmässig (regularis), wenn alle Teile eines Wirteis völlig übereinstimmend gestaltet sind , selbst wenn diese Form von der gewöhnlichen abweicht , z. B. bei der Akelei , deren Blumenblätter sämtlich gespornt sind, bei der Schwertlilie, deren äussere Perigonzipfel zurückgeschlagen und deren innere aufrecht und kleiner sind. 2. Unregelmässig (irregularis), wenn die einzelnen Glie- der eines Wirteis abweichend von einander gebaut sind. Las st sich der Wirtel in zwei gleichgestaltete Hälften teilen, so ist er symme- trisch ; so die zweilippige Blume der Labiaten , die Schmetterlingsblume der Papilionaceen. § 354. Was sind Honiggetässe? Die Blume sondert häufig einen süssen Saft, den Honigsaft (nectar), aus, den die Bienen und Wespen auf- suchen. Er sammelt sich in gewissen Drüsen organen anf dem inneren Grunde der Blumenblätter, die als rundliche Honigdrüsen bei den Kruciferen und Heidekräutern er- scheinen; als Schuppen, Honig- schuppen, bei vielen Arten des Hahnenfusses ; als kleine Gruben, Honiggruben, bei der Kaiserkrone; als Falten oder Furchen, Honig- falten oder Honigfurchen, bei Fig. 166. der Lilie. Häufig sondert auch der — 383 — Blütenboden selbst den Honigsaft aus, zumal wenn er scheiben- förmig verdickt ist — eine sog. Honigscheibe, z. B. beiden Boragineen und Labiaten unterhalb des Stempels, welcher auf ihr ruht. § 355. Was ist die Nebenblume? Die Blume trägt häufig ge- wisse Anhängsel, die man Nebenblume (paracorolla) oder, wenn getrenntblättrig und sofern sie blumenartige Form besitzen, Nebenblumenblätter (parapetala) nennt, wie die glockige Nebenblume der Narcisse (Fig. 165). Zeigen sie dagegen die Ge- stalt von Staubgefässen, wie bei der Parnassie (Fig. 166), so nennt man sie Nebenstaubfäden (parastemones). Bei den Nelken stellen sie ein sogen. Krönchen (coronula) vor, bei vielen Bora- gineen (z. B. Symphytum, Borago) verschliessen sie als sogen. Deckklappen (fornices) den Blumenschlund. § 356. Was ist die Federkrone? Bei den Kompositen und beim Baldrian finden wir auf der (unterständigen) Frucht einen meist haarförmigen Schopf, die sog. Federkrone (pappus), hervor- gehend aus den Nerven der Kelchzipfel, die sich bei der Frucht- reife verlängern und zwischen denen das Blattgewebe verschwun- den ist. Die Federkrone erscheint in mannigfachen Formen (Fig. 179 — 181), fehlt auch bei vielen Gattungen. Terminologische Bestimmungen. 1. Nach der Form bezeichnen wir den Kelch, die Blume, wie das Perigon : A. Regelmässige Formen. Die einblätter ge Blütenhülle, Blume oder Kelch kann sein: a) Röhrig (tubulosus), wie die Blütchen der Disteln, die Seheiben- blütchen der Kamille, Fig. 169. b) Kugelig (globosus), Fig. 167, wie die Blume der Heidelbeere. c) Krug förmig (urceolatus), oval mit eingeschnürtem Saume, wie die Blume von Erica, Fig. 168. d) Aufgeblasen (in flatus, ampullaceus), wie der Fruchtkelch der Judenkirsche, Fig. 177. e) Kreiseiförmig (turbinatus), wie der Kelch Fig. 172. f) Glockig (campanulatus), mit bauchig erweiterter Röhre, wie der Kelch des Bilsenkrautes, Fig. 170, die Blume von Campanula. g) Trichterig (infundibuliformis), Fig. 171, so die Blume der Winde, des Stechapfels u. a. h) Tellerförmig (hypocraterimorphus), wenn die Zipfel einer röhrigen Blume sich flach ausbreiten , wie beim Seidelbast , spanischen Flieder, Singrün. i) Radförmig (rotatus), wenn die Blume ohne Röhre flach ausge- breitet ist, wie beim Nachtschatten, Borretsch, Hollunder. Die Blätter eines mehrblätterigen Kelches resp. Blume können alle Formen eines Blattes besitzen. Bei der Feder.krone der Kompositen unterscheidet man hauptsäch- lich folgende Formen: - 384 — a) Haar förmig (pappus pilosus), -wenn sie aus haarfeinen Strahlen ■ besteht, wie beim Habichtskraut, Fig. 179. b) Fe der ig (p. plumosus), wenn aus gefiederten Strahlen, wie bei Scorzonera, Fig. 180. c) Grannig (p. aristatus), wenn aus wenigen, starren Strahlen, wie bei Bidens, Fig^ 181. d) Kr önchenförmig (cor onif ormis), wenn in Form eines Haut- randes, wie bei Chrysanthemum. e) Spreuig (p. paleaceus), ein Kreis von Spreublättchen. Häufig ist sie gestielt (p. stipitatus), wie in Fig. 180; im Gegen- satz dazu: sitzend (p. sessilis), wie in Fig. 179. B. Unregelmässige Formen: a) Gespornt (calcaratus), nach unten in einen Sporn (calcar) vorgezogen, wie der Kelch der Kapuzinerkresse, Fig. 176, die Blume des Veilchens, das Perigon von Orchis. b) Gehelmt (galeatus), helmartig gewölbt, wie das obere (blumen- ähnliche) Kelchblatt des Sturmhuts und die Oberlippe bei Fig. 174. c) Zweilippig (bilabiatus), wenn das Organ nach zwei Seiten hin ausgebildet ist, die sich als Oberlippe und Unterlippe gegenüber- stehen, wie Kelch und Blume vieler Labiaten und Personaten. Man unterscheidet hierbei den Schlund der Unterlippe als Gaumen, die Blumen- röhrenöffnung als Rachen; schliesst der Gaumen den Rachen, wie beim Löwenmaul, Fig. 175, so heisst die Blume maskiert (c. personata); ist der Rachen offen, so wird sie rachig (ringens) genannt, wie Fig. 174. d) Einlippig (labiatus), wenn nur ein Teil als Lippe (labium, labellum) vorragt, wie bei dem Perigon der Orchideen, der Aristolochia. e) Zungenförmig (ligulatus), nach einer Seite in ein langes, flaches Band, die Zunge (ligula), vorgezogen, wie bei den Strahlblütchen der Kompositen, Fig. 173. f) Flügelartig (alaeformis), wie die blumenartigen Kelchblätter von Polygala. g) Schmetterlings förmig (papilionaceus), wie die Blume der Papilionaceen, aus fünf Blumenblättern bestehend, deren oberstes als Fahne (vexillum) zurückgeschlagen ist ; die beiden seitlichen heissen Flügel (alae) die beiden unteren sind zu einem kahnförmigen sog. S c h i f f c h e n (c a r in a) verbunden. 2. Nach der Dauer: a) Abfallend (deciduus), beim Abblühen abfallend, wie dies für die Blume Regel ist. b) Hinfällig (caducus), schon bei der Entfaltung der Blüte ab- fallend, wie der zweiblätterige Kelch des Mohns, Fig. 178, die Blumen- blätter der Weinrebe, welche, am Grunde sich ablösend, wie ein Mützchen sich abheben. c) Bleibend (persistens), bei der Fruchtreife häufig auswachsend und die Frucht unterstützend , wie der Kelch der Nieswurz , der Juden- kirsche, Fig. 177. Wenn die Blume bleibt, so nennt man sie verwel- kend (marcescens), wie beim Tausendgüldenkraut. 3. Nach der Konsistenz und Farbe: Krautartig (herbaceus); blatt artig (foliaceus); trockenhäutig (scariosus), wie die Blume des Wegerich, der Kelch der Strandnelke ; blumig (corollinus), wie der Kelch von Polygala, _ Aconitum, das Perigon der Lilie , Tulpe, Herbstzeitlose; spelzen artig (glumaceus), trockenhäutig und braun (selten weiss) ge- färbt, wie das Perigon der Simsen ; — weiss (albus, candidus) ; weiss- 385 S c h 1 i c k n m , Apothekerlehrlin ■■ j- -i - / -„n\ j ' rt? \ f Von den zahlreichen ^Polypodiumvon^oXuS(viel)und7:ou;(Fuss).J Wedelresten und Nar. ) Polystichum von ™lu? und «fco« (Zeile). | bßn deg Wurzelstocks. Aspidium von aajuoiov (kleiner Schild), wegen der Schleierchen. 453 - Lichenes. Lycopodiaceac. Fig. 312. Cetraria islandica. Isländisches Moos, a Apothecie im Durchschn., vergr. Fig. 313. Lycopodium clavatum. Bärlapp. (Links ein Blatt, rechts ein Deckblatt mit Kapsel, daneben vergr. Sporen.) Filices. Mg. 314. Polypodium vulgare. Tüpfelfarn. Mg. 315. Polystichum Filix mas. Wurmfarn. (Links die Unterseite eines Wedelstückes). (Links die Unterseite eines Wedelstückes rechts ein Fruchthäufchen vergr.) 454 II. Abteilung. Phanerogamen. Gewächse mit Blüten und Samen. A. Die Klasse der Monokotyledonerc. Samen mit einem einzelnen Samenlappen; beim Keimen entfalten sich die Blätter tutenartig (Spitzk eimer). Die Gefässbündel wachsen nur durch Verlängerung, die Blätter sind vorzugsweise parallelnervig und die Blüten dreigliederig. Analytische Übersicht der Familien. A. Blüten nackt, von Spelzen eingeschlossen. a) Halm stielrund, hohl: Blattscheidengespalten Gramineae. h) Halm 3 kantig , markig ; Blattscheiden ge- schlossen Cyperaceae. B. Blüten einem fleischigen Kolben aufsitzend. a) Stamm verkürzt; Blüten nackt Aroideae. b) Palmstamm; Blüten mit Kelch und Blume . Palmae. C. Blüten mit blumigem Perigon. a) Perigon regelmässig. 1. Perigon unterständig; 6 Staubgefässe. a) 1 Stempel mit 1 Griffel. aa) Beerenfrucht Asparageae. bb) Kapselfrucht Liliaceae. £s) 3 Stempel, 3 Griffel Colchicaceae. 2. Perigon lippenförmig, oberständig; 3 Staubgefässe Irideae. b) Perigon lippenförmig, oberständig; 1 Staubf. a) Griffel mit dem Staubfaden verwachsen . Orchideae. ß) Griffel und Staubfaden frei Scitamineae, Marantaceae. Die Grasgewächse. § 416. Allgemeiner Charakter der Grasgewächse. Die Graspflanzen sind Kräuter mit einem einfachen, entfernt knotigen H a 1 m , von dessen hervorragenden Knoten Blattscheiden bis zum nächst höheren heraufreichen und daselbst in ein Blatt auslaufen. Die Wurzel ist stets eine Nebenwurzel, bald faserig, bald den Knoten eines kriechenden Wurzelstockes entstammend. Im ersteren Falle bilden die Gräser Rasen. Die Blüten entbehren des Kelches und der Blume ; sie sind eingeschlossen von zwei trockenhäutigen Spelzen, drei männig und mit 1 — 2 Griffeln oder sitzenden Narben versehen. (Fig. 316.) Solche Blüten stehen einzeln oder zu mehreren in einem Grasährchen zusammen, welches am Grunde von zwei leeren Spelzen, den sog. Hüllspelzen, unter- stützt ist. Die Grasfrucht ist eine Schal fr u cht (Caryopse) d. i. - 455 — eine einsaniige Frucht, deren Fruchtschale mit der Samenschale verwächst. Der Same birgt reichliches Ei weiss und einen kleinen Keim (am Grunde der Frucht). Die Grasgewächse führen im Samen, V oft auch im Wurzelstocke, viel Stärkemehl, gehören deswegen zu den wichtigsten Nahr- pflanzen; die Blätter und Halme verdanken ihre Härte und Schärfe einem Gehalt an Kieselsäure. Gewürze fehlen diesen Pflanzen Fig. 316. gänzlich, nicht aber der Zucker, welcher Grasblüte b, b' Spelzen sich im Marke des Zuckerrohrs sowie im b" Granne. Wurzelstock der Quecke findet. § 417. Unterscheidung der Grasgewächse. Man teilt die gras- artigen Pflanzen in zwei Familien ein : 1. Die echten Gräser, Gramineae. Der Halm ist hohl*) und stielrund; die Blattscheiden sind der Länge nach gespalten; der Stempel trägt zwei Narben. Wir finden daher die Gräser in der Triandria Digynia nach Linne. Die Gräser bilden in Europa durch ihr geselliges Auftreten grosse Wiesenflächen, während sie in den Tropenländern vereinzelt wachsen, aber eine bedeutendere Höhe erreichen. Triticum (Agropyrum**)) repens, Quecke . . * off. Rliig. Graminis. Ein durch seinen weithin kriechenden Wurzelstock sehr lästiges Un- kraut, vorn Lolche (Lolium) durch die seitlich zur Spindel gewendeten Ährchen unterschieden, welche beim Lolch der Spindel den Rücken zu- kehren. Fig. 317. Man teilt die Gräser in zwei Gruppen ein: a) Ährengräser, deren Ährchen in eine einzige Ähre gestellt sind. Hierhin die Getreidearten: der Roggen (Seeale cereale), der Weizen (Triticum vulgare), die Gerste (Hordeurn vulgare), der Spelt (Triticum Spelta) u. A. b) Rispengräser, deren Ährchen eine mehr oder weniger ausge- breitete Rispe bilden. Hierhin der Hafer (Avena sativa), der Reis (Oryza sativa), die Hirse (Panicum miliaceum), der Mais oder türkische Weizen (Zea Mais), sowie die grosse Zahl unserer Wiesengräser z. B. das zweimän- nige Ruchgras (Anthoxantum odoratum), welches dem Heu den Geruch erteilt; das Schilf (Phragmites communis) und das Zuckerrohr (Saccha- rum ofneinarum) , welches wegen seines zuckerreichen Markes in den meisten Tropenländern angebaut wird. 2. Die Binsen oder Kiedgräser, Cyperaceae. Der Halm ist markig und meistens dreikantig; die Blattscheiden sind nicht gespalten; der Stempel trägt 1 Griffel, der oberwärts in *) Ausnahme davon macht das markige Zuckerrohr. **) Von aypo? (Acker, Feld) und -upö; (Weizen) = wilder Weizen. — 456 — 2 oder 3 Narben sich auflöst. Daher finden wir diese Gewächse in 'der Triandria Monogynia L. Die Riedgräser oder Binsen lieben nassen, sumpfigen Boden und gemessen bei den Landwirten als sog. Sauergräser wegen ibrer Härte geringe Wertschätzung. Carex arenaria, Sandsegge .... off. Waiz. Caricis. Dieses Gras trägt durch seinen kriechenden Wurzelstock sehr zur Be- festigung der Sanddünen der norddeutschen Küste bei. Fig. 318. Hierhin noch die Binse (Scirpus), sowie die in Moorgegenden häufige Wollbinse (Eriophorurn). Die kolbenbliitigen Monokotyledonen. § 418. Von den Arongewächsen. Die Familie der Aronge- wächse, Aroideae, umfasst Sumpfpflanzen mit kriechendem oder knolligem Wurzelstock, deren Blüten einem fleischigen Kolb en mehr oder weniger eingesenkt sind. Der Kolben ist häufig von einer Blütenscheide umgeben, wie beim Aron. Die Frucht ist eine Beere. Während Europa nur wenige, krautartige Vertreter dieser Familie besitzt, erreichen die tropischen Formen grössere Höhe und schöne Ausbildung. ' Allen ist eine flüchtige Schärfe eigen, die durch Rösten, oft schon beim Trocknen, verschwindet, wie z. B. bei den im frischen Zustande giftig scharfen, nach dem Trocknen völlig unschädlichen Knollen des Arons. 1. Acorus Calamus, Kalmus*), . . off. Rhis. Calami. Eine aus dem Orient stammende, schillähnliche Pflanze, welche an Teichen und Bächen wuchert. Der Stengel verlängert sieb über den finger- langen, nackten Kolben hinaus in ein Blatt. Fig. 319. 2. Ar um maculatum, Aron . . . obsol. Tubera Ari. Ein niedriges Kraut mit sebarfgiftiger, getrocknet unschädlicher Knolle, spiessförmigen , braungefleckten Blättern und einem bescheideten Kolben, der am Grunde weibliche Blüten (nackte Stempel), darüber männ- liche Blüten (nackte Staubbeutel) trägt. Fig. 320. § 419. Von den Palmen. Die Familie der Palmen, Palmae, gewissermassen die baumartige Form der Aroideen, ist ausschliess- lich auf die heissen Länder beschränkt und zeichnet sich durch den unverzweigten Bau des Stammes aus , der an seiner Spitze einen Büschel von Blättern und Blütenscheiden trägt. Die Blätter sind teils gefiedert, teils fächerförmig, die Blüten stehen auf Kolben, mit Kelch und Blume umgeben, die Früchte sind beeren- oder steinfruchtartig. *) axopov (der Kalmus), /.aXatxos (Rohr) wegen der Ähnlichkeit mit dem Schilf. 457 Gramineae. Cyperaceae. U- * I Fig. 317. Triticum repens. Quecke Links mit Einzelblüteu, rechts mit einem Ährchen. Fig. 318. Carex arenaria. Sandsegge. Rechts mit männl. Blüte, links mit Ährchen, weibl. Blüte und Frucht. Aroideae. Fig. 319. Acorus Calamus. Kalmus. Fig 320. Arum maculatum. Aron. Nebst einzelner Blüte, einer staubgefäss- Links der entblösste Kolben, darüber der tragenden Perigonschuppe Fruchtstand; rechts die Knolle, Staubbeutel, und Frucht (links). Stengel und eine durchschnittene Beere. — 458 — Die Hauptbestandteile der Palmen sind : Stärkemehl im Marke der Stämme (Sago), fettes Öl im Samen (Palmöl, Kokosöl), Zucker in den Blütenscheiden und Früchten (Datteln) u. a. m. 1. Cocos nucifera, Kokospalme,. . . off. Ol. Cocos. Eine vorzugsweise an den tropischen Küsten wachsende hohe Palme, deren Nuss die Kokosmilch birgt, und deren Samen das Kokosöl liefern. 2. Calamus*) Draco, Drachenpalme, off. Sanguis Draconis. Ein stacheliger Kletterstrauch in Ostindien, deren Früchte das Drachen- brut ausschwitzen. Erwähnung verdienen noch: Die Dattelpalme (Phoenix dactylifera) im Orient; die Katechupalme (Areca Catechu) in Ostindien, deren Samen — Arekanüsse — zum Betelkauen daselbst benutzt werden; die Sago- palme auf den Molukken, aus deren Mark man den Sago gewinnt; die Olpalme in Guinea und Brasilien, deren Same das Palmöl liefert. Die lilienartigen Gewächse. §420. Allgemeiner Charakter der Gruppe. Eine grössere Anzahl monokotyledonischer Gewächse zeichnet sich durch ihre schön- gefärbte,regelmässigeBlütenhülle (Perigon) aus, wie wir sie bei der Lilie und Tulpe wahrnehmen. Diese Familien gruppieren sich daher ungezwungen um die genannten Zierpflanzen und wer- den im allgemeinen Lilien genannt. Ihre Gewächse besitzen gewöhnlich einen knolligen oder zwiebeligen "Wurzelstock; die Blätter sitzen mit breiter Scheide wechselständig am Stengel oder sind auch ausschliesslich grundständig, im welchem Falle die Blüten auf einem Schafte sitzen. Die Blüten sind zwitterig, von einem regelmässigen, sechs gliederigen Perigon um- geben, mit 3 oder 6 Staubgefässen (in 1 oder 2 Wirtein) versehen und besitzen 3 Karpellblätter, welche sich bald zu einem einzigen Stempel verschmolzen haben, bald 3 Stempel bilden. Die Frucht ist im ersten Falle dreifächerig, im letzteren aus 3 Balgkapseln zusammengesetzt. Wegen der Schönheit der Blütenhüllen finden wir in dieser Gruppe zahlreiche bekannte und beliebte Zierpflanzen. § 421. Die Giftlilien. Die Familie der Giftlilien, Colckicaceae, zeichnet sich durch ein unterständiges, sechsgliederiges, blumiges Perigon aus, welches 6 Staubgefässe und 3 mehr oder weniger getrennte Stempel, je mit einem Griffel, umschliesst. Man findet daher diese Gewächse in der VI. Linneschen Klasse, 3. Ordnung — Hexandria Trigynia. Die Frucht besteht aus drei Kapseln, die häufig am Grunde mit einander verbunden sind, bei der Eeife aber zerfallen und dabei an der inneren Naht aufspringen, wie wir dies bei den Sabadillfrüchten sehr wohl sehen können. *) Calamus = Rohr; die Stengel von C. rudentum liefern das sog. spanische Rohr. — 459 — Zu dieser Familie zählen zahlreiche Giftpflanzen; ihre Wur- zelstöcke sind häufig knollenartig-, wie bei der Zeitlose, oder zwie- belartig, wie bei der Sabadille. 1. Colchicum*) autumnale, Herbst- zeitlose off. Semen Colchici. Eine, im Herbst die rosigen Blüten direkt aus der Knollzwiebel (ob- solet : Bulbus Colchici) entsendende Wiesenpflanze, welche im darauffolgenden Frühling die Kapselfrucht auf kurzem Stiele zwischen breitlinealen Blättern trägt. Fig. 321. 2. Veratrum album, weisse Nieswurz, off. Rhiz. Veratri. Eine Staude auf den Alpenwiesen, mit weissen Blüten in reich ver- zweigter Rispe. Fig. 322. 3. Sabadilla officinalis, Sabadille**), off. Fruct. Sabadillae. Ein Zwiebelgewächs auf den Gebirgen Mexikos. § 422. Die eigentlichen Lilien. Die eigentlichen Lilienge- wächse, Liliaceae, sind Zwiebelpflanzen mit 6 Staubgefässen, 1 Griffel und einer Kapselfrucht. (Hexandria Monogynia.) 1. Scilla (Urginea) maritima, Meer- zwiebel, off. Bulbus Scillae. Ein Zwiebelgewächs am Gestade des mittelländischen Meeres. 2. Aloe ferox, A. spicata) vulgaris, A. Lingua / A1°^ ' • öS. ÄloB. Diese Aloe -Arten wachsen im Kaplande; Sträucher mit fleischigen, stachel-gezähnten Blättern, deren Saft durch Eindampfen die Aloe liefert. Hierhin gehören ausserdem zahlreiche Zierpflanzen: die weisse Lilie (Lilium candidum), Tulpe (Tulipa Gesneriana), Kaiserkrone (Fritillaria imperalis) ; ferner die für den Küchengebrauch wichtigen Arten der Gat- tung Allium, wie: der Knoblauch (A. sativum), Schnittlauch (A. Schoenoprasum), Küchenlauch (A. Porrum), die Küchenzwiebel oder Bolle (A. Cepa). Von dem im südlichen Europa wachsenden Allermanns- harnisch (Allium Victoriaiis) gebrauchte man früher die längliche Zwiebel als Bulbus victorialis longus. § 423. Von den Spargelgewächsen. Die Spargelgewächse, Asparageae, unterscheiden sich von den Lilien durch ihre Beeren- frucht. (Hexandria Monogynia.) 1. Smilax officinalis u. a. Arten off. Radix Sarsaparillae. 2. — China off. Rhu. Chinae. Zur Gattung Smilax, Stechwinde, gehören stachelige Klettersträucher mit knolligem Wurzelstock und gestielten Blättern. Sie kommen in zahl- reichen Arten im tropischen Amerika (Brasilien, Columbia, Centralamerika und Mexiko) vor und liefern daselbst die verschiedenen Sorten der Sar- saparillwurzel. — Im östlichen Asien wächst Smilax China. *) Colchicum von der kleinasiatiachen Landschaft Kolchis. **) Sabadilla, span. Cebadilla (kleines Getreidekorn). - 460 — Von den einbeimischen Asparageen seien erwähnt: Der Spargel (Asparagus officinalis); das Maiglöckchen (Conval- laria majalis), Fig. 323; die Einbeere (Paris quadrifolia) mit einer ein- zelnen 8 männigen Blüte und einer giftigen schwarzen Beere, Fig. 324. § 424. Von den Schwertlilien. Die Schwertlilien, Irideae, besitzen ein oberständiges Perigon und nur 3 Staubgefässe. (Triandria Monogynia.) 1. Iris germanica, I. pallida, I. florentina, Schwertlilie, off. Hhiz. Iridis. Die genannten Arten der Schwertlilie werden in Ober-Italien, zumal bei Florenz und Verona, gebaut. Iris germanica trägt dunkelviolette, Iris pallida blassblaue, Iris florentina weisse Blüten. — Unsere deutsche Iris Pseud-Acorus besitzt dagegen gelbe Blüten. Vgl. Fig. 325. 2. Crocus sativus, Safran, ..... off. Crocus. Ein Zwiebelgewächs des Orients, in Europa der Narben (Crocus) wegen gebaut, z. B. in der französischen Landschaft Oatinais. Fig. 326. Hierhin gehört auch der Schwertel (Grladiolus communis), eine be- kannte Zierpflanze mit roten Blüten, deren Zwiebel früher als Bulbus Vic- torialis rotundus gebraucht wurde. Die Orchideen. § 425. Charakter der Familie. Die Familie der Orchisge- wächse, Orchideae, ist durch die auffallenden Formen ihrer un- regelmässigen Blüten ausgezeichnet. Sie findet sich über die ganze Erde verbreitet, in den Tropenländern nicht selten als Schmarotzer auf Bäume klimmend, wie die Vanille. Es sind Kräuter, oft mit zwei gepaarten Knollen am Grunde des Stengels; die Blätter bescheidet, wechselständig, die Blüten meist schön gefärbt, mit einem oberständigen Perigon, von dessen 6 Blättern sich das vordere nach Art einer Lippe (labellum) vorstreckt und häufig nach hinten in einen Sporn aus- läuft. Die Staubgefässe schlagen bis auf einen einzigen (seltener bis auf zwei, wie bei Cypripedium) fehl; dabei verwächst der Staubfaden derartig mit dem Griffel, dass der Staubbeutel über oder hinter die Narbe zu stehen kommt. Die beiden, oft weit getrennten Staubbeutelfächer enthalten keine freien Pollen- körner, sondern körnig oder wachsartig verklebte sog. Pollen- massen (pollinaria) , die nicht selten gestielt sind und in einer Drüse entspringen. — Gynandria Monandria (und Diandria). 1. Orchis Morio*), 0. militaris, j — mascula, 0. ustulata, > off. Tubera Salep* — (Anacamptis) pyramidalis, j *) Orchis von opyt; (Hode). Morio von ;j.6pLov (Geschlechtsteil). 461 Colchicaceae. Fig. 321. Fig. 322. Colchicum autumnale. Herbstzeitlose. Veratrum album. Weisse Nieswurz, Eechts der Stempel, links die Kapselfrucht. Germer. Oben rechts eine einzelne Blüte, links eine Kapselfrucht. Asparageae. H7^ — Fig. 323. Fig. 324. Convallaria majalis. Maiglöckchen. Paris quadrifolia, Einbeere. Links eine einzelne Blüte, sowie dieselbe (II Wurzelstock, IH Stempel mit einem im Längsschnitt. Hechts eine Beere, Blattwirtel und 1 Blüte.) sowie ein Staubgefäss. — 462 — Die artenreiche Gattung Orchis zeichnet sich durch ihre gespornte 3 gipfelige Lippe aus und trägt am Grunde des Stengels gepaarte Knollen, "welche bei obengenannten Arten kugelig, bei Orchis maculata und 0. latifolia zweispaltig (handförmig) sind. Fig. 327 und 328. Die verschiedenen Orchis-Arten finden sich auf Wiesen und grasigen Waldstellen häufig. 2. Piatanthera bifolia, Breitkölbchen, off. Tub. Salep. Bei der Gattung Piatanthera*) befinden sich die beiden Staub- beutelfächer von einander getrennt; die Lippe ist ungeteilt, hinten mit langem und dünnem Sporn. Auf Waldwiesen häufig. 3. Vanilla planifolia, Vanille, . . off. Fruct Vanillae. Ein Schmarotzerkraut in Mexiko, welches mit seinen Luftwurzeln an den Bäumen emporklimmt. § 426. Verwandte Familien. Den Orchideen schliessen sich folgende tropische Familien enge an, deren Perigon ebenfalls Lippen form zeigt, und deren Staubgefässe auch bis auf 1 fehlgeschlagen sind, ohne dass aber der Staubfaden mit dem Griffel verwachsen ist. (Monandria Monogynia). I. Die Gewürzlilien, Scitaniineae, schilfähnliche Gewächse mit gewürzreichen, knolligen Wurzelstöcken, wegen deren sie in den Tropenländern vielfach kultiviert werden. 1. Alpinia officinarum, Galgant, off. Rhiz. Galangae. 2. Curcuma Zedoaria, Zitwer, . off. Ullis. Zedoariae. 3. longa u. C. viridiflora off. Rhiz. Curcumae. 4. Zingiber officinale, Ingwer,, off. Rhiz. Zingiberis. 5. Elettaria Cardamomum, Kar- damom off. Fruct. Cardamomi. Die genannten Gewächse sind alle in Ostindien und im südlichen China einheimisch, teilweise aber durch Kultur auch über das tropische Amerika verbreitet, wie der Ingwer. IL Die Blumenbinsen, Marantaceae, schilfähnliche Ge- wächse ohne Gewürz, Vertreter der Gewürzlilien in der neuen Welt. Maranta arundinacea**), Pfeilwurz, off. Amylum, Marantae. Einheimisch im heissen Amerika, durch die Kultur auch über das tropische Afrika und Asien verbreitet, liefert aus dem kriechenden Wurzel- stock das Arrowroot {Amylum Marantae). *) Piatanthera von ^Xa-ni? (breit) und anthera. **) Arundinaceus (schilfartig) von arundo (Schilf). 463 Irideae. Fig. 325. Iris. Schwertlilie. Längsschnitt durch die Blüte. (a Fruchtknoten.) Fig. 326. Crocus sativus. Safran. Kechts die Narben, links ein Staubgefäs Orchideae. Fig. 327. Fig. 328 Orchis Morio. Knabenkraut. Orchis maculata. (Nebst einzelner Blüte). Geflecktes Knabenkraut (Nebst einzelner Blüte.) — 464 B. Die Klasse der Dikotyledonen. Samen mit 2 gegenständigen Samenlappen; beim Keimen entfalten sich die Blätter blattartig (Blattkeim er). Die Gefässbündel verlängern und verdicken? sieb alljährlich. Die Blätter zeigen eine verzweigte Nervatur; die Blüten sind vorzugsweise 4- oder 5 gliederig. 1. Ordnung. Apetalen (Monoehlainydeen). Blüten nackt oder mit einem Perigon. Analytische Übersicht der Familien. A. Blüten getrenntgeschlechtig, ausnahmsweise zwitterig. a) Blüten in Kätzchen. a) Fruchtkarpelle flach, Samen nackt . . Coniferae. ß) Frucht mit Becherhülle Cupuliferae. y) Steinfrucht Juglandeae. o) Kapsel mehrsamig Salicineae. b. Blüten in Kolben Piperaceae. c. Blüten in Ähren oder Rispen, mit Perigon. a) Frucht nussartig oder fälsche Beere . . Urticaceae. ß) Frucht 2 — 3 knöpfig Euphorbiaceae. B. Blüten zwitterig, ausnahmsweise getrennt- geschlechtig. a. Perigon unterständig. a) Frucht nussartig. Blätter mit einer Tute ...... Polygoneae. Blätter ohne Tute Chenopodeae. ß) Frucht beerenartig. Staubbeutel klappig aufspringend . . . Laurineae. Staubbeutel längsritzig Thymelaeae. b. Perigon oberständig. a) Schmarotzersträucher mit Beeren . . . Loranthaceae. ß) Kräuter mit Kapselfrucht Aristolochieae. Die Nadelhölzer, Coniferae. § 427. Charakter der Nadelhölzer. Die Familie der Nadelholz er, Coniferae, umlässt harzreiche Sträucher und Bäume mit immergrünen, schuppigen oder nadeligen Blättern. Der Stamm besitzt ein weiches Holz, aus getüpfeltem Prosenchym gebildet, mit nur wenigen Gefässen (in der Markscheide). Die einge- schlechtigen Blüten stehen in Kätzchen, ohne Perigon, die männlichen sind aus Staubgefässen , die weiblichen aus flachen Karpellblättern gebildet, welche sich nicht zu einem Frucht- knoten geschlossen haben, sondern nackte Samenknospen an ihrem inneren Grunde tragen. Bei der Eeife verholzen die Kar- pellblätter entweder zu einem sog. Zapfen (conus), wie bei der Kiefer und Fichte, oder werden fleischig, zu einer Scheinbeere (Beerenzapfen), wie beim Wacholder und der Eibe. Der — 465 — Same enthält einen Keim mit (bis 12) quirlständigen Samen- lappen (daher auch Polykotyledonen genannt). Die Nadelhölzer finden sich über die ganze Erde verbreitet, von den Tropenländern bis zum höchsten Norden und zur Schneegrenze im Hochgebirge. Charakteristisch ist das reichliche Vorkommen von Balsam und Harz, welche ganze Zellpartien im Baste (Harz- gänge) füllen, in den Nadeln aber in eigenen Drüsen enthalten sind. 1. Juniperus communis, Wacholder, off. Fruct. Juniperi, 2. Juniperus Sabina, Sadebaum, off. Summitates Sabinae. Die Gattung Juniperus charakterisiert sich durch diöcische Blüten und Beerenfrucht. Beim Wacholder (Fig. 329) stehen die Nadeln zu drei quirlständig, beim Sadebaum stehen sie vierzeilig, anfangs schuppig angedrückt, später sparrig abstehend und stechend. Erwähnung verdienen der ebenfalls beerentragende Eibenbaum (Taxus baccata), Fig. 330, der vielfach in Parkanlagen gepflanzt wird und aus dessen Blättern früher Extr actum Taxi bereitet wurde; sowie der abend- ländische Lebensbaum (Thuja occidentalis) , ein Zierstrauch aus Ka- nada, mit horizontal flachen Zweigen (bei der Thuja orientalis sind sie vertikal gerichtet), aus denen man Tinctura Thujae bereitet. 3. Pinus silvestris, Kiefer, . . 1 off. Therebinthina. — Taeda, P. australis, . / Besina Pini. — Pinaster, P. Laricio, . j Turiones Pini. Coniferae. Fig. 329. Fig. 330. Juniperus communis, Wacholder. Taxus baccata, Eibe. Links ein weiblicher Zweig mit ganzer und Links ein männlicher, rechts ein weiblicher halbierter Frucht. Rechts ein männlicher ^weig, sowie ein männliches, wie Zweig nebst einzelner Blüte. weibliches Kätzchen. Schlickum, Apothekerlehrling. 30 — 466 - Bei der Gattung Pinus finden wir zu 2 oder 5 gepaarte Nadeln und verholzende Zapfenfrüchte. P. silvestris (Fig. 331) wächst in Deutschland, P. Pinaster (Seestrandskiefer) im südlichen Frankreich, P. Laricio (Schwarzföhre) in Niederösterreich, P. Taeda und P. australis in Nord- amerika. Sie lassen aus der verwundeten Rinde im Sommer Terpentin, im Herbst und Winter Fichtenharz ausfliessen. Die Gattung Abi es unterscheidet sich durch einzeln stehende Nadeln. Zu ihr gehören die Rottanne oder Fichte (Abies excelsa), Fig. 333, mit spitzen Nadeln, sowie die Edeltanne oder Weisstanne (Abies pecti- nata) Fig. 334, mit kammförmig gestellten stumpfen Nadeln. 4. Laris decidua (L. europaea), Lärche, off. Terebintinalaricina. Die Lärche kennzeichnet sich durch ihre büschelig gestellten Nadeln; sie lässt aus dem angebohrten Holze den Lärchenterpentin ausfliessen. 5. Dammaraalba.D. orientalis, \ „. „ . -r. r rr ■„ n„-t-u„ tt „„i„ j-i / oft. Besma Dammar. 6. Hopeamicrantha, H. splendicla / Fichtenähnliche Bäume auf den ostindischen Inseln, deren geborstene Rinde das Dammarharz ausfliessen lässt. 7. Callitris quadrivalvis off. Sandaraca. Ein Strauch auf dem Atlasgebirge im nördlichen Afrika, der aus Einschnitten des Stammes das Sandarakharz ausfliessen lässt. Die Laubhölzer. Amentaceae. § 428. Allgemeiner Charakter der Laubhölzer. Unsere Laub- hölzer, namentlich die Lieferanten des Nutz- und Brandholzes, zählen zu den kätzchenblühenden Apetalen. Es sind Bäume, seltener S trau eher, mit abwechselnd gestellten Blättern , deren Mittelnerv starke, wenig verzweigte Seitennerven entsendet; die Blüten sind eingeschlechtig, bald ein-, bald zweihäusig, und stehen in Kätzchen zusammen. Der Same enthält einen Eiweisskörper. Man unterscheidet die hierhinzählenden Familien nach der Fruchtform. § 420. Von den Becherfrüchtlern. Die Familie der Becher- früchtler, Cupuliferae, charakterisiert sich durch die eigen- tümliche Fruchthülle, die sogen. Becherhülle (cupula), welche die Nussfrucht bald völlig einschliesst (wie die stachelige Hülle der Buche und Kastanie), bald nur am Grunde becher- förmig umschliesst (wie bei der Eiche) , oder sie blattartig ein- hüllt (wie bei der Haselnuss und Hainbuche). Die Blüten sind einhäusig, die männlichen in Kätzchen, die weiblichen einzeln oder gehäuft (Haselnuss, Eiche). — Monoecia Polyandria. Grösstenteils der nördlichen gemässigten Zone angehörend und die Waldbestände Europas und Nordamerikas bildend , ent- halten die Becherfrüchtler vorherrschend Gerbstoffe, wie vor allen die Eiche; in den Samen der Buche und Haselnuss finden wir auch fettes Öl. — 467 — Coniferac. Fig. 231. Pinus silvestris. Kiefer. Fig. 232. Larix decidua. Lärche. Links ein Nadelpaar, männliches Kätzchen Blühender und fruchttragender Zweig, und Staubbeutel. Bechts eine weibliche nebst Fruchtschuppen mit Samen. • Blüte und Fruchtblatt mit Samen. Fig. 333 Abies excelsa. Kottanne. Fig. 334. Abies pectinata. Weisstanne- Nebst einem Zapfen, einer Fruchtschuppe Nebst einem Teile des Zapfens, einer (oben links) und einem Samen (rechts). Fruchtschuppe (links) und einem Samen (rechts). 30* — 468 — 1. Quere us Robur, Eiche, ... off. Gortex Quercus a) peduneulata, Stieleiche,. . G-landes Quercus ß) sessiliflora, Steineiche, 2. Quercus lusitanica y) infectoria, Galleiche, . . . off. G-allae. Die Gattung Quercus zeichnet sich aus durch die napfförniige Becherhülle. Die beiden obengenannten Varietäten von Qu. Robur, auch als besondere Arten aufgestellt, wachsen in Deutschland häufig. Fig. 335. — Auf der immergrünen Galleiche in Kleinasien entstehen durch den Stich einer Gallwespe an den jungen Trieben die Galläpfel. — Von der Kork- eiche (Quercus Suber) in Spanien wird der Kork geschält. Zu den Becherfrüchtlern zählen noch: die Buche (Fagus sylvatica), die essbare Kastanie (Castanea vesca), die Hainbuche (Carpinus Betulus) und Haselnuss (Corylus Avellana). Die Birken unterscheiden sich von den Becherfrüchilern durch den Mangel der Becherhülle. Hierhin die Birke (Betula alba), deren glatte, weisse Rinde durch trockene Destillation den Birkenteer, Oleum Rusci, liefert. Die Erle in zwei Arten: Schwarzerle (Alnus glutinosa) mit kahlen Blättern, Weisserle (Alnus incana), mit unterseits graufilzigen Blättern. § 430. Von den Walnüssen. Die kleine Familie der Wal- nüsse, Juglandeae , zeichnet sich durch eine Steinfrucht, ge- fiederte Blätter und bitter - aromatische Bestandteile aus. Die Blüten sind einhäusig , die männlichen in Kätzchen , die weib- lichen zu wenigen gehäuft. Die Samen führen fettes ÖL Juglans regia, Walnuss, .... off. Folia Juglandis. Der Walnussbaum (Fig. 336) ist ein mächtiger Baum, aus dem Orient stammend. Man benutzt die grüne Fruchtschale zu Extractum nueum Juglandae. § 431. Von den Weiden. Die Familie der "Weiden, Salici- neae, ist am weitesten in die kälteren Regionen hinein verbreitet und umfasst zw ei häusige Bäume und Sträucher, bei denen so- wohl die männlichen wie die weiblichen Blüten in Kätzchen stehen ; die Kapselfrucht birgt viele beschopfte Samen. Diese Gewächse sind reich an herben, gewürzigen und bitteren Stoffen. — Dioecia. Zu den Weiden gehören zwei Gattungen: 1. DieWeide, Salix, mit zweimännigen Blüten (Dioecia Diandria L ). Mehrere Arten liefern die jetzt obsolete Cortex Salicis; so: die Bruch weide (S. fragilis), Fig. 337, deren Zweige am Grunde leicht abbrechen; die Silberweide(S. alba), mit lanzettlichen, unterseits silberweissen Blättern; die Lorbeerweide (S. pentandra) mit fünfmännigen Blüten; die Pur- purweide (S. purpurea), mit roten Staubbeuteln u. a. m. 2. Die Pappel, Populus, mit acht- oder zwölfmännigen Blüten (Dioecia Octandria L.). Die Schwarzpappel (P. nigra), Fig. 338, mit dreieckig -eiförmigen Blättern; die Zitterpappel oder Espe (P. tremula) mit rundlichen Blättern an schwanken Stielen; die Silberpappel (P. alba) mit unterseits weissfilzigen Blättern; die gemeine Pappel (P. pyramidalis) an Alleen gepflanzt. Ihre Blattknospen (Gemmae populi) wurden früher zu Unguentum Populi verwendet. — 469 Cupuliferae. Juglandcat Eig. 335. Fig. 336. Quercus pedunculata. Stieleiche. Juglaiis regia. Walnuss. Ein Blüten- und Fruchtzweig, Links zwei Staubgefässe und eine weibliche links eine männliche, rechtsTeine Blüte. Bechts : Teil eines männlichen weibliche Blüte. Kätzchens, sowie die Steinfrucht im Längsschnitt. Salicineae. Fig. 337. Fig. 338. Salix fragilis. Bruchweide. Populus nigra. Schwarzpappel. Bechts eine männliche, links eine weibliche Links eine männliche, rechts eine Einzelblüte. weibliche Einzelblüte. - 470 - § 432. Verwandte Familien. Den Kätzchen bäumen schliessen sich folgende ausländische Familien an : 1. Die ßalsamifluae, Bäume mit balsamreicher Rinde. Liquidambar Orientale .... off. Styrax liquidus. Ein platanenähnlicher Baum in Kleinasien, dessen abgelöste Kinde beim Auskochen den Storax liefert. 2. Die Pfeffergewächse, Piperaceae, Klettersträucher heisser Klimate, mit knotig gegliedertem Stengel; den Blättern gegenüber hängen kurzgestielte Ähren mit fleischiger Spindel herab; ihre Frucht ist eine einsamige Beere. Cubeba officinalis (Piper Cubeba) . . . off. Cubebae. Ein Kletterstrauch auf Java, dessen Beeren die Kubeben darstellen. Der Pfeffer (Piper nigrurn), auf der Malabarküste einheimisch, wird in Ostindien, wie unser Hopfen, an Stangen gezogen; die getrocknete unreife Beere liefert den schwarzen, der reife Same den weissen Pfeffer. — Yom langen Pfeffer (Piper longum) gebrauchte man früher die langen, den Birkenkätzchen ähnlichen Fruchtkolben. Die Nessel gewächse, Urticaceae. § 433. Von den Nesseln. Die Familie der Nesseln, Urti- caceae, umfasst Kräuter und Bäume mit rauhen Blättern, hinfälligen Nebenblättchen und kleinen, meist eingeschlechtigen Blüten, welche mit einem kelchartigen Perigon versehen und in Trauben, Ähren oder Rispen, nicht aber in Kätzchen gestellt sind. Die Früchte stellen Meine Nüs sehen dar, wie sie Fructus Oannabis im grösserem Massstabe zeigt; sie sind häufig durch das fleischig gewordene Perigon oder Blütenlager in eine falsche Fleischfrucht umgewandelt, wie bei der Maulbeere und Feige. (Monoecia und Dioecia L.) Diese Gewächse zeichnen sich durch lange, biegsame Bast- fasern aus und erlangen, wie der Hanf, die Nessel und der japanische Papiermaulbeerbaum , mehrfache technische Anwen- dung ; andere strotzen von Milchsaft, der bald geniessbar ist (wie beim Kuhbaum auf den polynesischen Inseln), bald giftig (wie beim Upasbaum auf Java), auch häufig auf Kautschuk verwertet wird (wie bei Ficus elastica in Ostindien). Durch ihre saftigen Früchte bieten der Feigen- und Maulbeerbaum im Orient, der Brotfruchtbaum den Südsee-Insulanern Genuss und Nahrung. § 434. Einteilung der Nesselgewächse. Nach der Fruchtbildung unterscheidet man die Nesselgewächse in mehrere Gruppen, welche von anderen als besondere Familien betrachtet werden : 471 Urticaceae. Eig 339 Fis- 34°- Humulus Lupulus. Hopfen. Cannabis satiya. Hanf Nebst einer männlichen und weiblichen Nebst männlicher und weiblicher Einzelblute. Einzelblüte und einer Nuss am Grunde ihres Deckblättchens. Eig. 341. Fig. 342. Ulmus campestris. Ulme, Küster. Monis nigra. Schwarzer Maulbeerbaum. Links oben Einzelblüte, unten Flügelfrucht. Links oben männliche, unten weibliche Einzelblüte ; rechts Eruchtstand. — 472 — I. Echte Nesseln, mit trockner Nussfrucht. 1. Humulus Lupulus, Hopfen, off. Glandulae Lupuli. Eine zweihäusige , rechtswindende Kletterstaude, deren männliche Pflanze eine grosse Blütenrispe trägt; man kultiviert die weibliche Pflanze zur Gewinnung der Hopfenähre (Strobidi Lupuli), deren Blättchen mit dem Hopfenmehl bestreut sind. Fig. 339. 2. Cannabis sativa, Hanf, . off. Fructus Cannabis. Herba Cannabis indicae. Ein zweihäusiges Kraut, welches seines Bastes wegen kultiviert wird. Die in Ostindien wachsende weibliche Pflanze schwitzt an den Blüten- ähren ein narkotisches Harz aus, welches dem bei uns gebauten Hanfe fehlt. Fig. 340. Hierhin gehören noch die Brennessel, Urtica urens, mit rundlichen, Urtica dioica mit herzförmigen Blättern. II. Ulmen, Bäume mit zwitterigen Blüten und geflügelter Frucht. Von den beiden einheimischen Arten der Ulme, Ulmus campestris und U. effusa, benutzte man ehedem den Bast (Cort. TJlmi inferior) Fig. 341. III. Maulbeergewächse mit Beere oder Fleischfrucht. Ficus Carica, Feige, off. Caricae. Ein Strauch des Orients, dessen fleischige Fruchtkuchen als Feigen zu uns kommen. Der schwarze Maulbeerbaum (Monis nigra) dient mit seinen schwarzroten Beeren zu Syrupus Mororum; Fig. 342. Der weisseMaul- beerbaum (Morus alba) wird zur Züchtung der Seidenraupe gebaut. Die Wolfsmilchgewächse, Euphorbiaceae. § 435. Von den "Wolfsmilchgewächsen. Die Wolfsmilchge- wächse, Euphorbiaceae, sind in ihrer äusseren Erscheinung sehr wechselnd, bald krautartig, oft kaktusähnlich, bald Sträucher und Bäume, entweder mit Blume und Kelch, oder mit Perigon, auch nacktblütig, stimmen jedoch darin überein, dass ihre Frucht in mehrere Knöpfe zerfällt. Ihre Blüten sind ein- geschlechtig, mit wechselnder Zahl der nicht selten verwach- senen Staubgefässe. (Monoecia und Dioecia L.) Die Euphorbiaceen besitzen meistens reichlichen Milchsaft, welcher vielfach Kautschuk liefert, wie von Siphonia elastica in Südamerika ; bei der Gattung Euphorbia zeichnet er sich durch grosse Schärfe aus. Die Samen der Euphorbiaceen sind reich an fettem Öl (statt des Stärkemehls), häufig von drastisch wirkenden Stoffen begleitet — so das Ricinus- und Crotonöl. — 473 — 1. Ricinus communis off. Oleum Eicini. Ein mannshoher Strauch., in Ostindien einheimisch, im heissen Amerika und in Italien kultiviert, in unseren Gärten nur einjährig, liefert durch Auspressen der Samen das Ricinusöl. 2. Croton Eluteria . . . . off. Gortex Cascarillae. Ein strauchartiges Bäumchen auf den westindischen Inseln. 3. Croton Tiglium (Tiglium officinale) off. Oleum Crotonis. Ein Bäumchen in Ostindien, aus dessen Samen Crotonöl gepresst wird. 4. Mallotus Philippensis (Rottlera tinctoria) . off. Kamala. Ein Baum in Ostindien, dessen Früchte kleine rote Drüsen tragen, welche man abbürstet und als Kamala zum Färben der Seide, sowie als Bandwurmmittel verwendet. 5. Euphorbia resinifera .... off. Euphorbium. Die Gattung Wolfsmilch, Euphorbia, ausgezeichnet durch einen scharfen, weissen Milchsaft, besitzt scheinbar zwitterige Blüten, worin eine nackte weibliche Blüte, von zahlreichen Staubgefässen (nackten einmän- nigen Blüten) umgeben, in einer glockigen Hülle steht. (Monoecia Mo- nandria, nachLinne: Dodekandria Trigynia.) Die marokkanische E. resi- nifera ähnelt einem Kaktus und lässt aus der verwundeten Rinde den scharfen Milchsaft ausfüessen, welcher an den Stacheln der Pflanze ein- getrocknet das Euphorbium darstellt. — Von den einheimischen Euphorbia- Arten seien erwähnt: Euphorbia Cyparissias und E. Esula. Die deutsche Flora besitzt ausserdem den Bus bäum (Buxus semper- virens) und das Bingelkraut (MercuriaUs). Erwähnung verdienen noch: der Gummilackbaum (Aleurites lacci- fera Willd.) auf den Molukken, dessen Zweige infolge des Schildes der Lack- schildlaus den Gummilack absondern, aus welchem man den Schellack aus- schmilzt; der Kautschukbaum (Siphonia elastica) in Südamerika, dessen Saft Kautschuk liefert; der Cassavestrauch (Jatropha Manihot) eben- daselbst, aus dessen Wurzel ein Stärkemehl, die Tapiocca gewonnen wird. Die knöterigartigen Gewächse, Polygoneae. §436. Die Knöteriche. Die Familie der Knöteriche, Poly- goneae, umfasst Krautgewächse, über deren Blätter eine Scheide, als sog. Tute (ochrea), sich um den Stengel emporzieht. (Fig. 343.) Die zwitterigen Blüten sind bei Polygonum mit einem blumigen, bei Rumex mit einem kelchartigen Perigon versehen, welches auch die nussartige Frucht bedeckt. Same eiweisshaltig , oft stärkemehlreich (wie beim Buchweizen]. Die Zahl der Staubgefässe schwankt (bei Polygonum 5 — 8, bei Rumex 6, bei Rheum 9). Bemerkenswert ist das Vorkommen oxalsaurer Salze; Fl§- 343- so des doppeltoxalsauren Kalis (Kleesalz) im Sauerampfer, des Oxalsäuren Kalkes im Rhabarber. — 474 — Rheum officinale off. Bad. Rhei. Die Gattung Rheum gehört zur IX. Linneschen Klasse und ist in Asien durch viele Arten vertreten. Jetzt leitet man die echte Rhabarber- wurzel ab von Rh. officinale in Tibet und der hohen Tatarei sowie auch von Rheum palmatum Var. Tanguticum in Hochchina.*) — Rheum Rha- ponticum, in Kleinasien, lieferte früher Bad. Bhapontici. Die Rheum- Arterj findet man nicht selten bei uns in Gärten; es sind mannshohe Kräuter mit grossen Blättern und weissen, rispigen Blüten. Von den einheimischen Polygoneen verdienen Erwähnung: Der Buch- weizen (Polygonum Fagopyrum); die Natterwurz (Polygonum Bi- storta), Fig. 345, deren Wurzel ehedem als Bad. Bistortae off. war; der Sauerampfer (Rumex Acetosa L.), ein bekanntes Küchenkraut. Die früher gebräuchliche Bad. Lapathi acuti entnahm man dem stumpf- blättrigen Ampfer (Rumex obtusifolius), Fig. 346. § 437. Verwandte Familie. Hier schliessen sich die Gänse- fu ss ge wachse, CJlienopodeae, an, Kräuter mit grünen, unan- sehnlichen Blüten in knäuelichen Ähren. Manche derselben sind als gemeine Unkräuter bekannt, wie der weisse Gänsefuss (Chenopo dium**) album) , andere dagegen geschätzte Küchengewächse, wie die Garten-Melde (Atriplex hortensis), der Spinat (Spinacia oleracea), sowie der teils als Gemüse, teils als Futter oder zur Zuckergewinnung (Runkelrübe) gebaute Mangold (Beta vulgaris). Chenopodium ambrosioides ist ein wohlriechendes Kraut Mexikos und als Jesuitenthee (Herba Chenopodii ambrcsioidis) gebräuchlich. Die Lorbeergewächse, Laurineae. § 438. Von den Lorbeergewächsen. Die Familie des Lorbeers, Laurineae, gehört ausschliesslich wärmeren Klimaten an und um- fasst gewürzreiche Sträucher und Bäume mit immergrünen Lederblättern. Die zwittrigen Blüten sind neun- oder zwölfmännig mit gelblichem oder weissem Perigon; ihre Staubbeutel springen in Klappen auf (Fig. 344). Die Frucht ist eine Beere oder Steinfrucht. Die gewürzigen Produkte der Laurineen machten seit den ältesten Zeiten einen grossen Teil des überseeischen Handels aus. Es findet sich ätherisches Öl im Holze, in den Blättern, Blüten und Samen, welche letztere zugleich fettes Öl Fio-" 344 führen (z. B. beim Lorbeer). *) Diese Art Rheum wurde bereits im 13. Jahrhundert von dem be- rühmten Venetian er Marco Polo entdeckt, dann 1873 durch Przewalski wieder aufgefunden. — Von Rheum officinale kamen zuerst 1867 frische Wurzeln nach Paris. **) Chenopodium von yfy (Gans) und 7:00c (Fuss). — 475 — Polygon eae. "Fig. 345. Polygonum Bistorta. Natterwurz. Nebst einer einzelnen Blüte, und einem Stempel. Fig. 346. Bumex obtusifolius. Stumpfblätteriger Ampfer. Links oben eine einzelne Blüte, rechts unten eine Frucht. Thymelaeae. Lorantaceae. Fig. 347. Fig. 348. Daphne Mezereum. Seidelbast. Viscum album. Mistel. Rechts eine einzelne Blüte; links dieselbe Rechts eine männliche Blüte, darüber im Längsschnitt, darüber Stempel und ein Staubbeutel; links eine weibliche Blüte, längsdurchschnittne Beere. sowie eine Beere. 476 — 1. Laurus nobilis, Lorbeerbaum, . off. Fructus, Oleum, Folia Lauri. Ein strauchartiger Baum, einheimisch im Orient und durch Kultur im ganzen südlichen Europa verbreitet. 2. Cinnamomum Cassia (Laurus Cassia), der Zimtbaum, ... off. Gortex und Oleum Cinnamomi. Ein Baum, wild und kultiviert im südlichen China und Hinterindien; liefert den chinesischen Zimt (Zimtkassie). Von Cinnamomum Zey- 1 an i c u m (Laurus Cinnamomum), aufZeylon in Plantagen kultiviert, kommt der Bast als Ceylonzimt (Cort. Cinnamomi zeylanici) zu uns. 3. Camphora officinarum (Laurus Camphora), der Kampferbaum, off. Camphora. Ein hoher Baum, der an der Küste Chinas und Japans dichte Wal- dungen bildet, birgt im Holze und in den Blättern den Kampfer krystalli- nisch abgelagert; man scheidet ihn im Mutterlande durch Sublimation ab. 4. Sassafras officinale (Laurus Sassafras.) off. Lianum Sassafras. Ein gewürzreicher Baum in den vereinigten Staaten Nordamerikas. § 439. Verwandte Familien. I. die Seidelbastgewächse, Thymelaeae, Bäume und Sträucher mit gefärbten Perigonblüten. Daphne Mezereum, Seidelbast, . . off. Cort. Mezerei. Dieser Strauch, Fig. 347, ziert schon im März und April unsere Berg- wälder durch seine wohlriechenden, roten Blüten, die vor den Blättern an den Zweigspitzen erscheinen; Beeren rot und scharfgiftig. II. Die Muskatnüsse, Myristica- ceae, tropische Bäume, deren Same von einem fleischigen Samenmantel umhüllt ist. Myristica fragran s, Muskatnuss- baum, off. Macis, Nuces moschatae, Oleum Nucistae. Ein hoher Baum auf den Molukken, dessen gelbe Beeren den Samen — die Muskatnüsse — in einem roten Samenmantel (Macis) bergen. III. Die Mistel ge wachs e, Loran- thaceae, Schmarotzersträucher unserer Obst- und Waldbäume, mit Beeren. Die Mistel (Viscum album), Fig. 348, ein gabelästiges, zweihäusiges Gewächs mit weissen Beeren, welche Vogelleim liefern, früher ge- bräuchlich als Viscum album. Fig. 349. Asarum europaeum. XY. j)[e Osterluzeigewächse, Rechts die ?iüStfr^;gS8chnttt;Aristolochiaceae, kraut- und strauch- links der Stempel ; ein staubgefass artige Gewächse mit kriechendem oder und diKlpBe?Ä!hnittene knolligem Wurzelstock, dessen Bestand- — 477 — teile meist bitter, scharf oder kampferartig (Asantkampfer in der Haselwurz!); die Blüten sind gefärbt, bei Aristolochia zungen- förmig, mit 6 oder 12 Staubgefässen. 1. Asarum europaeum, Haselwurz, . off. BMz. Asari. Ein niedriges Kraut mit nierenförmigen Wurzelblättern und einzelner, rotbrauner Blüte. Fig. 349. 2. Aristolochia Serpentaria, virginische Schlangenwurz . . off. Bad. Serpentariae. Ein Kraut in den Wäldern Virginiens , woselbst die Wurzel gegen den Biss giftiger Schlangen dient. 2. Ordnung-. Monopetalen. Blüten mit Kelch und einblättriger Blume. a) Monopetalen mit unte rständiger Blume. (Corollifloren.) Analytische Übersicht der Familien. I. Staubgefässe in nicht grösserer Zahl als Blumenzipfel. A. Staubgelässe gleichlang; Blume regelmässig. a) Staubgefässe 5, Blume 5 zipfelig. a) Fruchtknoten 4 teilig Boragineae. ß) Fruchtknoten ungeteilt. 1. Frucht 2 fächerig, vielsamig . . Solaneae. — armsamig . Convolvulaceae. 2. Frucht 1 fächerig, Samen central Primulaceae. — — Samen wandständig Gentianeae. y) Fruchtknoten 2, mit gemeinsamer Narbe Asclepiadeae. b) Staubgefässe 4, Blume 4 zipfelig. a) Kapselfrucht ; Blume trockenhäutig Plantagineae. ß) Beerenfrucht Aquifoli aceae. c) Staubgefässe 2. Blume 4 zipfelig . . Oleaceae. B. Staubgefässe 2 mächtig, Blume meist unregelmässig. a) Fruchtknoten 4 teilig Labiatae. b) Fruchtknoten ungeteilt. a) Frucht eine mehrsamige Kapsel . Scrophularineae. ß) Frucht in 4 Nüsse zerfallend . . Verbenaceae. IL Staubgefässe in doppelter Zahl als Blumen- zipfel - . . . Ericaceae. Die Nachtschattengewächse, Solaneae. § 440. Charakter der Nachtschattengewächse. Die Familie der Nachtschattengewächse, Solaneae, umfasst Pflanzen mit regelmässigen, fiinfgliederigen Blüten und abwechselnd ge- stellten Blättern. Die fünflappige oder fünfteilige Blume welkt nach dem Verblühen schnell ab; sie trägt 5 Staubgefässe und — 478 — birgt einen zweifächerigen Stempel mit 1 Griffel. Da- her finden wir diese Familie in der Pentandria Monogynia nach Linne. Die Frucht ist bald eine zwei- bis vierfächerige Kapsel, wie beim Stechapfel, Tabak und Bilsenkraut, bald eine Beere, wie beim Nachtschatten und der Tollkirsche; sie enthält zahlreiche, etwas platte Samen. Die Solaneen zeichnen sich durch mancherlei giftige Alka- loi'de aus (Atropin in der Tollkirsche, Daturin im Stechapfel, Nikotin im Tabak, Solanin im Nachtschatten und den Keimen der Kartoffel u. a. m.) , stellen daher dem Arzneischatze ein grosses Kontingent von Griffen. Bei uns ist die Familie durch einige Gattungen vertreten, zu denen nur Kräuter zählen; die . meiste Verbreitung findet sie in Südamerika, in der Heimat der Kartoffelpflanze und des Tabaks. § 442. Einteilung der Familie. Je nach der Fruchtform zer- fallen die Solaneen in Kapseltragende und Beer entragende. a) Mit Beeren: 1. Solanum Dulcamara, Bittersüss- Nachtschatten off. Stipitcs Dulcamarae. Die Gattung Solanum trägt flache Blüten mit kegelig zusammen- neigenden und vorstehenden Staubgefässen : S. Dulcamara, Fig. 351, ist ein windender Halbstrauch mit blauen Blüten und roten Beeren, dessen untere Stengelteile verholzen und medizinische Anwendung finden. — S, nigrum ist ein allenthalben verbreitetes Unkraut mit weissen Blüten und schwarzen Beeren. — S. tuberosum ist die Kartoffelpflanze. 2. Atropa*) Belladonna, Tollkirsche, off. Folia, Bad. Belladovnae. Ein perennierendes Kraut in Waldschlägen, mit braunroten, glockigen Blumen und schwarzen, glänzenden Beeren. Fig. 350. b) Mit Kapselfrucht: 3. Nicotiana**) Tabacum, Tabak, off. Folia Nicotianae. Im heissen Amerika einheimisch, auch in Deutschland (in der Rhein- pfalz) gebaut. 4. Hyoscyanius ***} n i g e r , Bilsenkraut, off. Herba, Sew. Hyoscyami. Ein zweijähriges, klebrig-zottiges Kraut auf Kirchhöfen u. a., mit gelben, dunkelgeaderten Blumen und bedeckelter Kapselfrucht. Fig. 352. *) Atropa nach der Parze Atropos, die den Lebensfaden abschneidet. **) Nicotiana nach J. Nicot, der 1560 die Tabakssamen nach Frank- reich brachte und zuerst das Rauchen empfahl. ***) Hyoscyamus von Sc (Schwein) und xuap.oc (Bohne). — 479 - Solaneae. Fig. 350. Fig. 351. Atropa Belladonna. Tollkirsche. Solanum Dulcaniara. Bittersüss-Nachtschatten. Kechts mit einer aufgespaltenen Blume; Hechts mit der Beere; links mit dem Stempel links mit dem Stempel sowie der Beere, und einem Staubbeutel, letztere auch im Querschnitt. Fig 352. Hyoscyamus niger. Bilsenkraut. Nebst Staubgefässen und Kapsel (im durchschnittenen Kelche). Fig. 353. Datura Stramonium. Stechapfel. Nebst Stengel, aufgesprungener und querdurchschnittener Kapsel. _ 480 — 5. Datura Stramonium, Stech- apfel off. Folia Stramonii. Ein einjähriges Kraut auf unbebauten Plätzen in der Nähe mensch- licher Wohnungen, ausgezeichnet durch seine langtrichterige weisse Blume und stachelige Kapsel. Fig. 353. 6. Capsicum annuum \Beissbeere oft fruct. Capsici. 7. „ longum J {Piper hispamcum). In Westindien und Südamerika einheimische und daselbst, wie auch in vielen anderen Tropenländern gebaute Kräuter. Den Nachtschattengewächsen schliessen sich enge an: § 443. Die Boretschgewächse. Die Familie der Boretschge- wächse, Boragineae, umfasst rauhhaarige Kräuter mit fünfmännigen Blüten, welche sich von denen der Nachtschatten nur durch die Yierteilung des Fruchtknotens unter- scheiden. (Pentandria Monogynia L.) Diese, in der gemässigten Zone sehr verbreitete Familie entbehrt jeglicher aromatischen Bestandteile; ihre Glieder lassen sich leicht erkennen an den schneckenförmig eingerollten Blüten- trauben (sog. Wickel) und den Deckklappen im Schlünde der Blume, welche nur selten fehlen (bei Echium). Boragineae. Fig. 354. Borago officinalis. Boretsch. liinks unten die Staubgefässe nebst den Deckklappen. Fig. 355. Pulmonaria officinalis. Lungenkraut. Links eine aufgespaltene Blume, rechts der vierteilige Fruohtknoten mit dem Griffel. — 481 — Alkanna tinctoria off. Rad. AMcannae. Ein Kraut in Kleinasien, dessen Wurzel zum Rotfärben der Fette dient. Von den einheimischen Gewächsen verdienen Erwähnung: der blau- blühende Boretsch (Borago officinalis), Fig. 354, in Gärten gezogen. — — Das Lungenkraut (Pulmonaria officinalis), Fig. 355, mit anfangs roten, dann blau werdenden, trichterigen Blumen, ein Frühlingskraut unserer Wälder, früher gebräuchlich (flerba Pulmonariae). — Beinwell (Symphytum offici- nale), an Ufern, mit glockig- walzenförmigen, weissen oder rötlichen Blumen, früher gebräuchlich (Radix Consolidae). — Hundszunge (Cynoglossum officinale), mit braunroten Blüten und stacheligen Früchtchen, früher ge- bräuchlich (Rad. Cynoglossi). — Der blaublühende Natterkopf (Echium vulgare) und das artenreiche Vergissmeinnicht (Myosotis). § 444. Die Winden. Die Familie der Winden, Convol- vulaceae, schliesst sich den Nachtschattengewächsen nahe an; sie nmfasst windende Kräuter mit trichterigen Blumen. 1. Convolvulus Scammonia . off. Radix Scammoniae. Eine niedrige Winde in Kleinasien und Syrien, aus deren dickwalzen- förmiger Wurzel schon in alter Zeit ein drastisches Harz (Scammotiium) ge- wonnen wurde. 2. Ipomoea*) Purga (Convolvulus Purga) off. Tubera Jalapae. Eine Winde auf den mexikanischen Gebirgen. § 445. Von den Enzianen. Zur Familie des Enzians, Gen- tianeae, gehören Kräuter mit regelmässigen, schönfarbigen, fünf- männigen Blüten, deren Blumen in der Knospe gedreht sind und nach dem Verblühen nicht abfallen. (Pentandria nach Linne.) Die Gentianeen finden sich von den heissesten Steppen bis zur Schneegrenze; in allen Teilen der Pflanzen herrscht Bitter- stoff vor, weshalb man sie auch Bitterlinge genannt hat und vielfach arzneilich verwendet. 1. Gentiana lutea, G. purpurea G. Pannonica, G. punctata Enzian, off. Radix Gentianae. Perennierende Kräuter auf den Alpen und anderen höheren Gebirgen. Fig. 356 und 357. 2. Erythraea Centaurium**), Tausendgüldenkraut, . + .... off. Herba Centaurii. Ein zweijähriges Kraut mit roten, doldentraubigen Blüten; in Berg- wäldern. Fig. 358. *) Ipomoea von "iL (Wurm) und oüioiog (ähnlich). '**) Erythraea von Ipu^pö? (rot). — Centaurium von centum und aureus. Schlicktim, Apothekerlehrling. 31 — 482 — 3. Menyanthes*) trifoliata, Bitterklee, off. Folia Trifolii fibrini. Ein Kraut an sumpfigen Orten, mit weissbärtigen Blüten und drei- zähligen grundständigen Blättern. Fig. 359. § 446. Verwandte Familien. Hier reihen sich noch folgende Familien an: 1. Die Asclepiadeae , eine in Deutschland nur wenig ver- tretene Familie. Gonolobus Cundurango. . . off. Cortex Condttrango. Ein Schlingstrauch auf den Gebirgen Ekuadors in Südamerika. Zu den einheimischen Gliedern zählt die Schwalbenwurz (Cynan- chum Vincetoxicum L.), deren Wurzel (Radix Vincetoxici) ehedem ge- braucht wurde. 2. Die Stryehnaceae umfassen tropische, stark giftige Bäume. Strychnos nux vomica off. Sem. Strychni. Ein Baum in Ostindien, mit apfelgrossen Beeren, in deren Mus die Samen, früher Nuces vomicae genannt, eingebettet liegen. — Auf den Phi- lippinen wächst Strychnos St. Ignatii, dessen Samen die stark giftigen Ignatiusbohnen darstellen. Von anderen Strychnosarten bereiten die Javaner, wie auch die südamerikanischen Indianer Pfeilgiß {Curare). 3. Die Schlüsselblumen, Primnlaceae, einheimische Kräuter mit schönen Blumen. (Pentandria Monogynia nach Linne.) Primula officinalis, Schlüsselblume, off. Flor. Primulae. Dieses bekannte Frühlingskraut trägt gelbe Blüten in einfacher Dolde, mit konkaven Blumenzipfeln. Die höhere Primula elatior, auf Wald- wiesen, hat flache Blumenzipfel. Die Ölbaumgewächse, Oleaceae. § 447. Von den Ölbaumgewächsen. Die Familie des Öl- baums, Oieaceae, umfasst Sträucher und Bäume mit gegen- ständigen Blättern und regelmässigen, viergliederigen Blüten. Die Blume ist vierspaltig, nur zwei Staubgefässe tragend; der Fruchtknoten zweifächerig, mit 1 Griffel. Frucht verschieden, bald eine Beere (wie beim Liguster) oder Steinfrucht (wie beim Ölbaum), bald eine Kapsel (wie beim spanischen Flieder) oder Flügelfrucht (wie bei der Esche). — Diandria Monogynia nach Linne. Die Oleaceae gehören der nördlichen gemässigten Zone an, ihre Blätter und Rinden sind reich an adstringierenden Stoffen, die Samen an fettem Öl (statt des Stärkemehls), welches im Fruchtfleisch der Olive reichlich vorhanden ist. Auf ihnen lebt vorzugsweise die spanische Fliege. *) Menyanthes von pjvuw (verraten, d. i. sumpfige Orte) und avito? (Blüte). - 483 Gentianeae. Fig. 356. Fig. 357. Gentiana lutea. Gelber Enzian. Gentiana purpurea. Purpurner Enzian. Nebst einzelner Blüte, Blatt und Wurzel. Nebst den inneren Blütenteilen. Fig. 358. Fig. 359. Erythraea Centaurium. Tausendgüldenkraut. Menyantbes trifoliata. Fieberklee. Links eine einzelne Blüte, sowie der Stempel; Links mit dem Stempel und der Frucht; rechts der Fruchtknoten im Querschnitt rechts mit dem Fruchtknoten im und die aufgespaltete Blume. Querschnitt und der aufgespalteten Blume. — 484 — 1. Eraxinus Ornus, Manna-Esche,. ... off. Manna. Ein kleiner Baum im südlichen Europa, welcher an der Nordküste Siziliens in besonderen Plantagen kultiviert wird; aus Einschnitten, die man in die Rinde macht, gewinnt man ihren Saft, den man zur Manna ein- trocknen lässt. — Fraxinus excelsior ist die bei uns einheimische Esche, ein starker Baum mit Fiederblättern. 2. Olea europaea, Ölbaum, ... off. Oleum Olivarum. Ein weidenähnlicher Baum, der aus dem Orient stammt, im süd- lichen Europa vielfach kultiviert wird. Seine pflaumenähnliche Frucht be- sitzt ein ölreiches Fleisch. Fig. 360. Zu den einheimischen Oleaceen gehören: Der Liguster (Ligu- strum vulgare), ein Strauch mit weissen Blüten und schwarzen Beeren. Fig. 361. Ein bekannter Zierstrauch ist der spanische F 1 i e d e r (Syringa vulgaris). § 448. Verwandte Familien. I. Die Stechpalmen, Aqui- foliaceae, unterscheiden sich von den Ölbaumgewächsen durch ihre 4 Staubgefässe ; Bäume und Sträucher mit unansehnlichen Blüten und immergrünen, lederigen Blättern. Der einzige deutsche Vertreter ist die Stechpalme (Ilex Aqui- folium), auch Hülsen genannt, bekannt durch ihre dornigen Lederblätter und roten Steinbeeren. Oleaceae. Fig. 360,, Olea europaea. Ölbaum. Mit zwei Blüten, und der Steinfrucht, dieselbe geöffnet und der Stein im Längsschnitt. Fig. 361. Ligustrum vulgare. Liguster. Hechts mit ganzer und aufgespalteter Blüte, links mit Stempel und Beeren. - 485 - IL Die Styraceae sind tropische Holzgewächse mit Stein- früchten. Styrax Benzoin off. Benzo'e. Ein Baum auf den ostindischen Inseln, dessen Stamm aus Einschnitten das Benzoeharz ausfliessen lässt. III. Die Wegeriche, Plantagin eae, sind Kräuter mit viermännigen Blüten in dichten Ähren. Die allenthalben häufigen Arten des Wegerichs sind: Plantago major mit lauggestielten, eiförmigen Blättern; PI. media mif ellipti- schen Blättern; PI. lanceolata mit lanzettlichen Blättern. Die Blüten- ähren stehen bei ihnen auf einem Schafte. In Südeuropa wachsen auch bestengelte Arten, wie PI. Psyllium, dessen schleimreiche Samen als Flohsamen (Semen Psyttii) früher gebräuchlich waren. Die Lippenblütler, Labiatae. § 449. Charakter der Lippenblütler. Die Familie der Lippen- blütler, Labiatae, umfasst einjährige oder ausdauernde Kräuter, seltener Halb sträucher , mit meistens vierkantigem Stengel, gegenständigen Blättern und scheinwirteligen Blüten. Die zweilippige Blume, deren oft helmartig gewölbte Ober- lippe nur bei wenigen Gattungen (Teucrium, Ajuga) fehlt, trägt 4 zweimächtige Staubgefässe, von denen bei Salvia nur zwei vorhanden sind. Der eingriffelige Fruchtknoten zeigt (ähn- lich den Boragineen) eine Vierteilung, so dass die Frucht aus 4 einsamigen Nüsschen besteht. Da Linne dieselben für nackte Samen gehalten hatte, bildete er aus diesen Gewächsen die erste Ordnung der 14. Linneschen Klasse: Didynamia Gymnospermia. Diese Familie gehört vorzugsweise dem Mittelmeergebiete an, ist aber auch in Deutschland durch zahlreiche Arten vertreten. Alle oberirdischen Pflanzenteile, zumal die Blätter, besitzen zahl- reiche, mit ätherischem Öle gefüllte Drüsen, wodurch die Lippen- blütler zu höchst gewürzreichen Gewächsen werden; giftige Bestandteile fehlen ihnen gänzlich. Sie liefern daher dem Arze- neischatze ein grosses und wichtiges Kontingent aromatischer Mittel, jedoch kein narkotisches. Hierdurch unterscheiden sich die Labiaten wesentlich von den Boragineen, mit denen sie in der Fruchtform übereinstimmen. Ein anderer Unterschied zwischen beiden Familien beruht in der Richtung des Wurzelchens im Samen, welches bei den Labiaten nach der Fruchtbasis, bei den Boragineen nach der Fruchtspitze gewendet ist. Ausserdem finden wir bei den Labiaten 4, bei den Boragineen 5 Staubgefässe; die Gestalt der Blumenkrone ist dagegen nicht entscheidend , wenn- gleich sie bei den Boragineen vorzugsweise regelmässig, bei den Labiaten vorzugsweise zweilippig ist. — 486 — § 450. Einteilung der Familie. Man teilt die Lippenblütler nach der Gestalt der Blume und Staubgefässe ein.*) 1. Mentha piperita, Pfefferminze, off. Folia Menthae piperitae. 2. Mentha crispa, Krauseminze, off. Folia Menthae crispae. Die Pfefferminze, Fig. 362, in England wild, bei uns kultiviert, unterscheidet sich von der ähnlichen Mentha silvestris durch kurz- gestielte, ganz kahle Blätter; bei beiden bilden die Blütenquirle Ähren. — Die Krauseminze, bestehend aus Abarten durch Kultur veränderter wilder Minzen, kennzeichnet sich durch krause, ungleich gesägte und un- stielte Blätter. — Von den wildwachsenden Minzen besitzt Mentha aqua- tica köpf artig gedrängte Blüten quirle , Mentha Pulegium und M. arvensis entfernte Quirle und niedergestreckten Stengel. 3. Thymus Serpyllum, Quendel,. . off. Herba Serpylli. 4. Thymus vulgaris, Thymian, . . off. Herba Thymi. Der Feldthymian oder Quendel, Fig. 363, ist ein überall gemeines, niedergestrecktes Kraut mit roten, kopfähnlichen Blütenquirlen. — Der Thymian, ein südeuropäisches Kräutlein, wird bei uns in Gärten gezogen. 5. Origanum vulgare, Dost, ... off. Herba Origani. 6. Origanum Majorana, Meiran, . off. Herba Majoranae. Der gemeine Dost, Fig. 364, ist ein aufrechtes, doldentraubiges Kraut. — Der Meiran, aus Nordafrika stammend, wird als Küchenkraut in Gärten gezogen. 7. Melissa officinalis, Melisse, . . off. Folia Melissae. Die Melisse, Fig. 365, ist ein südeuropäisches, bei uns in Gärten gezogenes, wohlriechendes Kraut mit weissen Blüten in den Blattwinkeln. *) Einteilung der Gattungen der Labiaten. A. Blume trichterig-glockig, fast regelmässig. Gatt.: Mentha. B. Blume zweilippig. a) Staubgefässe abwärts geneigt. Gatt.: Lavandula. b) Staubgefässe abwärts spreizend. Gatt.: Thymus, Origanum. c) Staubgefässe oberwärts zusammenneigend. Gatt.: Melissa, Calamintha u. a. d) Staubgefässe genähert und parallel, a) Nur 2 Staubgefässe vorhanden. Gatt.: Salvia, Rosmarinus. ß) Staubgefässe 4. Gatt.: Glechoma, Lamium, Galeobdolon, Galeopsis, Stachys, Betonica, Ballota, Marrubium, Brunella u. a. C. Blume einlippig (ohne Oberlippe). Gatt.: Ajuga, Teucrium. - 487 Labiatae. Fig. 362. Mentha piperita. Pfefferminze. Links eine einzelne Blüte, rechts dieselbe nach Entfernung der Blume. Fig. 363. Thymus Serpyllum. Quendel. Rechts mit einzelner Blüte, links dieselbe nach Entfernung d Kelches ; links unten ein Blatt. Fig. 364. Origanum vulgare. Dost. Rechts mit einzelner Blüte, sowie dieselbe nach Entfernung der Blume. Fig. 365. Melissa officinalis. Melisse. Links eine einzelne Blüte, sowie der Kelch, rechts eine Blüte von vorn gesehen. — 488 — 8. Lavandula vera, Lavendel, off. Oleum, Flores Lavandulae. Der Lavendel, ein Halbstrauch mit hellblauen Blüten in endständiger Ähre, wird ebenfalls in Gärten gezogen. Aus den Blüten destilliert man in Südfrankreich das Lavendelöl. 9. Salvia officinalis, Salbei, ... off. Folia Salviae. Die Salbei, ein Halbstrauch aus Südeuropa, Fig. 365, bei uns in Gärten, unterscheidet sich durch ihre feingekerbten, länglichen Blätter und hellblauen Blüten von der dunkelblau blühenden Wiesensalbei (Salvia pratensis) mit herzeiförmigen Blättern. 10. Rosmarinus officinalis, Rosmarin, Oleum Bosmarini, obs. Folia, Flores Bosmarini. Der Rosmarin, ein südeuropäisches Sträuchlein, liefert durch Destillation der Blüten ein ätherisches Öl; ehedem gebrauchte man auch seine Blätter und Blüten. 11. Galeopsis*) ochroleuca, Hohlzahn, off. Herba Galeopsidis. Der gelblichweisse Hohlzahn, Fig. 367, dessen Blume am Grunde der Unterlippe zwei hohle Zähne zeigt, unterscheidet sich von den übrigen, rotblühenden Hohlzahnarten (G. Ladanum, G. Tetrahit u, a.) durch lange, blassgelbe Blumen. Von der weissen Taubnessel (Lamium album), Fig. 368, mit zahnförmigen Seitenzipfeln der Unterlippe, wurden die weissen Blumen ehe- dem als Nesselblumen (Flores Lamii) gebraucht; ebenso das Kraut der Betonie (Betonica officinalis), kenntlich an der endständigen Ähre, dasjenige der blaublühenden Gundelrebe (Glechoma hederacea), ehedem off. als Herba Hederae terrestris ; sowie der filzige, weissblühende Andorn (Marrubium album L.). Fig. 369, häufig in Gärten. Der kriechende Günsel (Ajuga reptans), ein auf Wiesen häufiges Frühlingskraut mit bläulichen Blüten, war früher gebräuchlich. Ebenso mehrere Arten des Gamanders (Teucrium), z. B. der Katzenga- mander (Teucrium Marum), aus Südeuropa, früher off. als Hb. Mari veri. Die Larvenblütler, Scrophularineae (Personatae). § 451. Charakter der Larvenblütler. Die Familie der Larven- blütler, Scrophularineae (Personatae), schliesst sich durch ihre zweimächtigen Staubgefässe den Lippenblütlern enge an, ist jedoch durch den ungeteilten Fruchtknoten von ihnen unterschieden. Es sind Kräuter mit teils vierkantigem, teils stielrundem Stengel, gegenständigen oder abwechselnden Blättern und vier- gliederigen Blüten. Die vierspaltige oder vierteilige Blume er- innert nicht selten an die regelmässige Form — bei Woll- blume und Ehrenpreis radförmig, bei der Braun würz kugelig, beim Fingerhut röhrig-glockig, — ist aber meistens deutlich zweilippig und dann vorzugsweise mit geschlossenem Gaumen (corolla personata) , wie beim Löwenmaul , Leinkraut u. a. *) Galeopsis von galea (Helm) und od/ts (Aussehen), wegen der helm- förmigen Oberlippe. 489 - Labiatae. Fig. 366. Salvia officinalis. Salbei. Nebst einzelner Blüte, längsgespalteter Blume, dem Stempel und der Frucht. Fig. 367. Galeopsis ochroleuca. Hohlzahn. Nebst einzelner Blüte und einem Staubbeutel. Fig. 368 Lamiuni album. Taubnessel. Nebst einzelner Blüte (rechts) und dieselbe im Längsschnitt i links) sowie einem Staubbeutel. Fig. 369. Marrubium album. Andorn. Nebst einzelner Blüte (links) und dem Kelch (rechts). — 490 - Die Staub gefässe sind zw ei mächtig, zu 2 und 2, bei der Wollblume zu 2 und 3, oder es sind ihrer überhaupt nur zwei ausgebildet, wie bei Veronica und Gratiola. Der Frucht- knoten ist zweifächerig, mit 1 Griffel; die Frucht eine zwei- fächerige, vielsamige Kapsel — daher Didynamia Angiospermia L. Die Personaten bilden zufolge ihres geselligen Auftretens einen bemerkenswerten Bruchteil der deutschen Flora. Die aromatischen Bestandteile, welche die Lippenblütler in so hohem Grade auszeichnen, finden sich bei ihnen höchst selten; die meisten enthalten Gerbsäure, einige (z. B. Gratiola, Digitalis) bittere und giftige Stoffe, andere (z. B. Verbascum) viel Schleim. § 452. Einteilung der Larvenblütler. Man teilt die Larven- blütler in mehrere Gruppen , die von anderen als besondere Familien genommen werden: Antirrhineae, Rhinanthaceae und Yerbasceae. A. Staubgefässe 4 oder 2, mit zweifächerigen Beuteln. a) Staubbeutel wehrlos Antirrhineae. b) Staubbeutel am Grunde bestachelt . . . Rhinanthaceae. B. Staubgefässe 5, mit einfächerigen Beuteln. . Verbasceae. A. Antirrhineae. 1. Linaria vulgaris, Leinkraut, . . off. Herbä Linariae. Ein an Wegen häufig wachsendes Kraut mit linealen Blättern und gelben, gespornten Blättern, Fig. 270. — Nahe verwandt ist das in Gärten gezogene Löwenmaul (Antirrhinum majus). 2. Digitalis purpurea, Fingerhut, . off. Folia Digitalis. Ein zweijähriges Kraut mit purpurnen, röhrig-glockigen Blüten, in Gebirgswäldern des westlichen Deutschland, Fig. 371. 3. Yeronicaofficinalis, Ehrenpreis, off. Herba Veronicae. Die Gattung Veronica, Ehrenpreis, ist kenntlich an den blauen, radförmigen, zweimännigen Blüten: Veronica officinalis, ein nieder- liegendes, weichhaariges Kraut sonniger Abhänge, Fig. 372. — V. Chamae- drys, auf Wiesen nicht selten, unterscheidet sich durch eine doppelte Haar- zeile am Stengel. — In Gräben findet man häufig die Bachbunge, V. Beccabunga, in allen Teilen kahl. 4. Gratiola officinalis, Gottesgnadenkraut, off. Herba Gratiolae. Ein kahles Kraut auf nassen Wiesen, mit zweimännigen, weissen, röhrig-lippigen Blüten in den Blattwinkeln, Fig. 373. B. Rhinanthaceae. Der Augentrost (Euphrasia officinalis), ein niedriges Kraut aufwiesen, war früher officinell {Herba Euphrasiae.). Ebenso der Klapper- topf (Rhinanthus major und Rh. minor) und das Läusekraut (Pedicularis). — 491 Scrophularineae (Antirrhineae). Fig. 370. Mg. 371. Linaria vulgaris. Leinkraut. Digitalis purpurea. Fingerhut. r Links mit längsgespalteter Blüte und einer Links mit dem Stempel, rechts mit den durch sog. Pelorienbildung fünfspornigen Blüte. Staubgefässen und querdurchschnittener Bechts mit einer Kapsel, ganz und im Kapsel. Querschnitt, sowie einem Samen. Fig. 372. Veronica offlcinalis. Ehrenpreis. Bechts mit einzelner Blüte, sowie dieselbe im Längsschnitt. Links mit Stempel, Kapsel und dieselbe im Querschnitt. Fig. 373. Gratiola officinalis. Gottesgnadenkraut. Nebst einzelner Blüte und Längsschnitt durch dieselbe, um die 2 fruchtbaren u. 2 fehlschlagenden Staubgefässe zu zeigen. 492 C. Yerbasceae. Yerbascum th t h a p s lf o rm e \ Wollblume off Flores verhasci. phlomoides J ' Die Gattung Verbascum besitzt flachausgebreitete Blumen, mit 2 längeren, kahlen und 3 kürzeren, wollig behaarten Staubfäden. Bei den genannten Arten sind die Blumen ansehnlich gross und die Beutel der längeren Staubläden etwas am Faden herablaufend. V. Thapsus hat viel kleinere Blüten, ebenso die rispig verzweigte V. Lychnitis. Bei allen diesen Arten sind die Staubfäden weisswollig, bei V. nigrum dagegen violettwollig. Die Braunwurz (Scrophularia nodosa) kennzeichnet sich durch braun- rote, kugelige Blüten. § 453. Zwischen • den Larven- und Lippenblütlern stehen die Yerbenaceae, deren Frucht bei der Reife in 4 ein sämige Kar- pelle zerfällt. Das Eisenkraut (Verbena officinalis), Fig. 375, früher officinell, besitzt kleine, bläuliche Lippenblüten in langer, schmaler Ähre. Die Heidekräuter, Ericaceae. § 454. Charakter der Heidekräuter. Die Familie der Heide- kräuter, Ericaceae, ist weitverbreitet und auch in Europa stark vertreten. Es gehören zu ihr immergrüne Sträucher und Halbsträucher mit lederigen, oft nadeligen Blättern und regelmässigen, 4 — ögliedrigen Blüten mit 8 oder 10 Staub- gefässen, deren Staubbeutel häufig ein hörn- oder spornartiges Anhängsel besitzen und sich an der Spitze in Löchern öffnen. Der Fruchtknoten ist oberständig, bei der Heidelbeere unter- ständig, 4— öfächerig, die Frucht eine mehrfächerige, viel- samige Beere oder Kapsel. Diese Gewächse unterscheiden sich demnach von den vor- hergehenden durch die doppelte Anzahl Staubgefässe als Blumen- zipfel; sie stehen daher in der Octandria und Dekandria Monogynia nach Linne. Yorzugsweise der Heide und Sumpfflora angehörig, bedingen sie durch geselliges Auftreten den Charakter dieser Landschaften und tragen wesentlich zur Torfbildung bei. In den Blättern wie in den Beeren finden wir vielfach Gerbstoffe. § 455. Einteilung der Heidekräuter. Man hat die Ericaceae in mehrere Gruppen geteilt, welche von manchen Botanikern zu be- sonderen Familien erhoben wurden, so die Ericineae, Yac- cineae und Pirolaceae. Bei den Yaccineae ist die Frucht vom Kelche gekrönt (unterständig), bei den Ericineae vom Kelche frei. A. Ericineae. 1. Arctostaphyios Uva Ursi, Bärentraube, off. FoliaUvaeUrsi. Ein Sträuchlein auf Heiden und in Fichtenwäldern Norddeutschlands, mit kleinen, fleischroten Blüten und roten Beeren, Fig. 376. 493 - Verbasceae. Verbenaceae. Fig. 374. Verbascum thapsiforme. Wollblume. Nebst Staubgefässen (links oben), Stempel (rechts unten) und Kapsel (rechts oben). Fig. 375. Verbena officinalis. Eisenkraut. Nebst einzelner Blüte (rechts) und dieselbe im Längsschnitt (links). Ericaceae. Fig. 376. Fig. 377. Arctostaphylus Uva Ursi. Bärentraube. Vaccinium Myrtillus. Heidelbeere. Nebst einzelner Blüte, Staubgefäss und Beere Mit einem Staubgefässe, dem Stempel (auch im Querschnitt). . und der Beere. — 494 — Hierhin zählen: das allgemein bekannte Heidekraut (Calluna vulgaris = Erica vulgaris), die in 2 Arten die Alpengehänge zierende Alpenrose (Rhododendron), sowie der Porsch (Ledum palustre), ein narkotischer Strauch mit weissen Blüten, dessen rotfilzige Blätter früher officinell waren-, in Norddeutschland auf Torf. B. Vaccineae. 2. Vaccinium Myrtillus, Heidelbeere, off. Fruct. Myrtüli. Die Heidelbeere, Fig. 377, trägt blauschwarze Beeren, die Preisseibeere (Vaccinium Vitis idaea) rote Beeren, welche zu Kompott eingemacht werden. b. Monopetalen mit oberständiger Blume. (Monopetalische Calycifioren). Analytische Übersicht der Familien. A. Frucht einsamig (Schliessfrucht). a) Staubbeutel verwachsen Compo sitae. b) Staubbeutel frei. a) Blüten in Köpfchen Dipsaceae. ß) Blüten in Trugdolden Valerianeae. B. Frucht mehrsamig. a) Blätter gegenständig oder quirlständig. a) Frucht 2fächerig Rubiaceae. ß) Beere 3 steinig Caprifoliaceae. b) Blätter wechselständig. a) Blume regelmässig Campanulaceae». ß) Blume lippig Lobeliaceae. Die Korbblütler, Compositae. § 456. Charakter der Korbblütler. Die Familie der Korbblüt- ler, Compositae, die grösste phanerogamische Familie, umfasst Kräuter mit meist abwechselnd gestellten Blättern und zu- sammengesetzten Blüten (flos compo situ s). Ihre Blüten stehen nämlich in einem Köpfchen so knapp von einer Hülle, sog. Hüllkelch, (peranthodium, periclinium), umschlossen, dass der ganze Blütenstand wie eine einzige Blüte (anthodium) aussieht. Die Blume ist ober- ständig, bald röhrig (Fig. 378 A), bald zungen- förmig (B), wonach man sie als Bohren- oder Zungenblume unterscheidet; sie trägt fünf Staubfäden, deren Beutel in eine nach, innen aufspringende Bohre verwachsen sind, durch welche der zweispaltige Griffel IUI emporsteigt (Fig. 378 B). Die Frucht ist eine Schliessfrucht (Achäne), gekrönt mit den Kelchzipfeln, die hier nur als Blattnerven vor- handen sind und die Federkrone (pappus), Fig. 378 — 495 - bilden. Letztere ist bald haarförmig, bald federig, bald grannig, bald krönchenförmig, d. i. in der Form eines schmalen Hautrandes. Die Korbblütler finden sich über die ganze Erde verbreitet; in ihren Arten walten sehr verschiedene Stoffe vor: die einen sind reich an Milchsaft (z. B. Lactuca, Cichorium, Taraxacum), die andern enthalten ätherisches Öl (z. B. Absinthium, Cina, Chamomilla), viele Bitterstoff (z. B. Cnicus, Absinthium). In den Wurzeln der meisten ist das Strärkemehl durch Inulin vertreten. § 457. Einteilung der Korbblütler. Linne teilt diese Familie, welche seine 19. Klasse, Syngenesia, bildet, in 5 Ordnungen und zwar nach dem Geschlechte der einzelnen Blütchen eines Köpfchens. (Vgl. § 405.) Von diesen Linneschen Ordnungen kommen vorzugsweise nur die ersten beiden in Frage, da die drei letzten nur wenige Gattungen umschliessen. Nächst der Verteilung des Geschlechts der einzelnen Blüt- chen eines Köpfchens ist die Form der Blume für die Einteilung der Familie wichtig. Ein Köpfchen kann sein: a) röhrenblütig, nur aus Röhrenblütchen bestehend, b) zungenblütig, nur aus Zungenblütchen bestehend, c) strahlblütig, am Rande mit Zungenblütchen, in der Mitte mit Röhrenblütchen. (Fig. 379.] Erstere bilden den Strahl (radius), letztere die Scheibe (discus). Nach Jus sie u zerfallen die Kom- positen in 3 Unterfamilien: A. Cichoraceae. Köpfchen mit zungenförmigen Zwitterblüt- ch e n. Griffelschenkel zurückgerollt. B. Cynarocephalae (Disteln). Fl£- 379- Köpfchen mit röhrenförmigen Zwitterblütchen. Griffel unter den Schenkeln knotig verdickt. C. Corymbiferae. Köpfchen mit röhrenförmigen Zwitterblütchen und mit zungenförmigen weiblichen Strahlblütchen. Griffel nicht verdickt. Die beiden ersten Unterfamilien finden wir in der 1. Ordn. der XIX. Klasse, die letzte in der 2. Ordn. (Polygamia superflua). A. Cichoraceae.*) *) Einteilung der Gattungen der Cichoraceen. . a) Federkrone haarförmig und a) gestielt: Gatt. Taraxacum, Lactuca. ß) sitzend: Gatt. Hieracium, Soncbus, Crepis. b) Federkrone federig: Gatt. Tragopogon, Scorzonera, Picris, Leontodon. c) Federkrone fehlend: Gatt. Lapsana, Cichorium. — 496 — 1. Taraxacum officinale, Pfaffenröhrchen, off. Bad. Taraxaci c. herba. Dieses, vou Linne Leontodon Taraxacum genannte Kraut, Fig. 380, ist eine gemeine Wiesenpflanze, mit einköpfigem, gelbblühendem Schafte und gestielter Federkrone. 2. Lactuca virosa, Giftlattich, off. Herba Lactucae virosae. Lactucarium. Ein zweijähriges Kraut Fig. 381, mit gelben Köpfchen in pyramidaler Rispe, welche beim Gartensalat (Lactuca sativa) doldentraubig er- scheint; der wilde Lattich (Lactuca Scariola L.) unterscheidet sich durch vertikal gerichtete Blätter. Zu erwähnen sind: die blau blühende Cich orie (Cichorium Inty- bus), die Schwarzwurzel (Scorzonera hispanica), die artenreichen Gattungen Habichtskraut (Hieracium), Pipau (Crepis), Gänse- distel (Sonchus), den Bocksbart (Tragopogon pratensis), das Bitterkraut (Picris hieracioides), den allenthalben häufigen Rain- kohl (Lapsana communis) und Herbst-Löwenzahn (Leontodon autumnale). B. Cynarocephalae.*) (Distelgewächse.) 3. Lappa major, L. minor, L. tomentosa, Klette, off. Bad. Bardanae. Die Klette-Arten zeichnen sich durch hakige Hüllkelchblättchen aus, welche bei L. major, Fig. 382, kahle, bei minor spinnwebige, bei Lappa tomentosa (Arctium Bardana Willd.) wollig sind. 4. Carlina acaulis, Eberwurz, . . .off. Bad. Carlinae. Eine fast stengellose Alpenpflanze mit weissstrahligem Hüllkelch; die bestengelte Carlina vulgaris wächst in Norddeutschland häufig. Ferner gehören hierher: die zahlreichen Arten Disteln (Carduus und Cirsium); die in Gärten gezogene Mariendistel (Silybum Marianum) mit weissgefleckten Blättern, deren Früchtchen (Sem. Gardui Mariae) hier und da gebraucht werden. Die Gattung Centaurea charakterisiert sich durch einen Strahl ge- schlechtloser Blütchen (Polygamia frustranea!). C. Cyanus ist die blaue Kornblume, deren Blüten früher gebräuchlich waren (Flor es Cyani). 5. Cnicus benedictus, Kardobenedikte, off. Herba, Cardui benedicti. Ein einjähriges Kraut aus dem Orient, welches hier und da in Gär- ten gezogen wird. *) Unterscheidung der Gattungen der Distelgewächse: a) Federkrone einzeilig, haarförmig oder federig. a) Federkrone am Grunde in einen Ring verwachsen. Gatt. Lappa, Silybum, Cirsium, Carduus, Onopordon. ß) Federkrone bündelweise verwachsen . . . Gatt. Carlina. b) Federkrone mehrzellig, nicht selten fehlend. (Randblüten ge- schlechtlos.) Gatt. Centaurea, Cnicus u. a. 497 — Compositae. Fig. 380. Taraxacum offlcinale. Pfaffenröhrchen. Links mit einer Einzelblüte, Früchtchen und den Narben; rechts eine Achäne vergr. Fig. 381. Lactuca virosa. Giftlattich. Nebst einem Früchtchen und Querschnitt der Achäne. Fig. 382. Fig. 383. Lappa officinalis. Klette. Cnicus benedictus. Kardobenedikte. Nebst einem einzelnen Blütchen und Nebst einem Hüllkelchblättchen, dessen Narben (links unten), einer Achäne einzelnem Blütchen und Federkrone vergr. (rechts) und einem Hüllkelchblättchen (links oben). Schlickum, Apothekerlehrling. 32 — 498 - C. Corymbiferae.*) 6. Artemisia**) vulgaris, Beifuss, . off . Rad. Artemisiae- 7. Artemisia Absinthium, "Wermut, off. Herb. AbsinihiL 8. Artemisia maritima (Yar.), . . .off. Flor. Cinae. Die Gattung Artemisia kennzeichnet sich durch kleine strahllose Köpfchen in rispigen Trauben. A. vulgaris ist eine Staude mit oberseits dunkelgrünen, unterseits weissfilzigen Blättern, Fig. 384. — A. Absinthium, Fig. 385, unterscheidet sich durch grauseidenhaarige Blätter und nickende, halbkugelige Köpfchen. — ■ Von einer kahlen Varietät, der A. maritima in Turkestan (vom Kaspi- und Aralsee), kommen die unaufgeschlossenen Köpfchen (nicht Samen) als Wurmsamen zu uns. 9. Tanacetum vulgare, Rainfarn , off. Tt lorcs Tanaceti. Ein perennierendes Kraut mit halbkugeligen, gelben, strahllosen Köpf- chen in einer Doldentraube; an Ufern häufig. Fig. 386. 10. Spilantbes oleracea, Parakresse, off. Herb. Spilanthis. Ein westindisches Kraut, als Paraguay-roux gebräuchlich. 11. Gnaphalium arenarium (Helichrysura arenarium), Sand-Rubrkraut . . .off. Flor. Stöchados. Ein graufilziges Kraut auf Sandfeldern mit goldgelben Köpfchen. Das Katzenpfötchen (Gnaphalium dioicum) unterscheidet sich durch seine weissen Oder rötlichen Köpfchen. 12. Matricaria C'hamomilla, Kamille, off. Flor. Chamomillae. Die echte Kamille, Fig. 387, ist ein auf bebautem Lande häufiges Kraut mit weissen Strahl- und gelben Scheibenblüten auf einem kegeligen, spreublattlosen, innen hohlen Blütenboden. Durch letzteren unterscheidet sie sich von: 1. der geruchlosen Wucherblume (Chrysanthemum ino- dorum Smith); 2. der Hundskamille (Anthemis arvensis L.), mit dichtem, spreublätterigem Blütenboden. Erwähnung verdienen noch: die weisse und gelbe Wucherblume (Chrysanthemum Leucanthemum und Chr. segetum), sowie das bekannte Massliebchen oder Gänseblümchen (Bellis perennis). *) Unterscheidung der Gattungen der Corymbiferen : A. Griffel der Scheibenblütchen mit pinselig gestutzten Schenkeln. a) Federkrone fehlend oder ein Hautrand, a) Strahlblüten nicht zungenförmig. Gatt. Artemisia, Tanacetum. ß) Strahlblütchen zungenförmig. Gatt. Anthemis, Matricaria, Achillea, Chrysanthemum. b) Federkrone grannig Gatt. Bidens_ c) Federkrone haarförmig. a) Strahlblütchen nicht zungenförmig. Gatt. Gnaphalium, Filago. ß) Strahlblütchen zungenförmig . . Gatt. Arnica, Senecio.. B. Griffel der Scheibenblütchen mit linealen, fast flachen Schenkeln. Gatt. Inula, Solidago, Bellis, Aster, Erigeron. C. Griffel der Scheibenblütchen mit keuligen Schenkeln. Gatt. Tussilago, Petasites, Eupatorium. D. Griffel der unfruchtbaren (Polygamia necessaria) Scheibenblütchen ohne Schenkel Gatt. Calendula. **) Artemisia von Artemis (Diana), Göttin der Jagd. 499 Compositae Fig. 384. |Artemisia vulgaris. Beifuss. Nebst einem Blütenköpfchen (links), einer einzelnen weiblichen, sowie einer zwitteiigen Blüte und deren Griffel. Fig. 385. Artemisia Absinthium. "Wermut. Nebst einem Blütenköpfchen (links oben), einer einzelnen zwitterigen uud einem weiblichen Blütchen (rechts unten). Fig. 386. Tanacetum vulgare. Bainfarn. Nebst einem Blütenköpfchen (rechts), einem einzelnen zwitterigen (links) und einem weiblichen Blütchen (unten), sowie einem Früchtchen. Fig. 387. Matricaria Chamomilla. Kamille. Rechts mit einem einzelnen zwitterigen ™ Blütchen und dessen Griffel; links mit einem Blütchen; unten mit einem Früchtchen ' !2* — 500 - 13. Antheniis nobilis . off. Flor, Chamomülae Bomanae. Ein perennierendes Kraut im südlichen Europa, daselbst -wie unsere Kamille gebräuchlich, wird mit gefüllten Köpfchen kultiviert. 14. Anacyelus*) officinarum, Bertramwurz, off. Bad. Pyrethri. Ein einjähriges, südeuropäisches Kraut, welches in Sachsen gezogen wird. 15. Achill ea Millefolium**), Schafgarbe, off. Herb., Flor. Millefolii. Ein perennierendes Kraut, an Wegen häufig, mit wollig behaarten, mehrfach fiederspaltigen Blättern und schirmtraubig gestellten, weiss- strahligen Köpfchen, Fig. 388. An Wiesen findet sich Achillea Ptar- mica mit ungeteilten, lanzettlichen, scharfgesägten Blättern. 16. Inula Helen i um, Alant, . . off. Bad. Helenii. Eine mannshohe Staude des südöstlichen Europa mit grossen, gelb- strahligen Köpfchen, wird bei uns kultiviert, Fig. 389. 17. Solidago Yirgaurea, Goldrute, obs. Herb. Virgaureae. Ein Kraut mit traubigen, gelbstrahligen Köpfchen, 18. Arnica***) montana, Wohlverleihkraut, off. Flor., Bad. Arnicae. Ein Kraut auf Gebirgswiesen , mit länglichen Wurzelblättern und einzelnen orangefarbigen Köpfchen, Fig. 390. 19. Tussilago f) Earfara, Huflattich, off. Folia, Flor. Farfarae. Ein perennierendes Kraut, Fig. 391, welches bei Beginn des Frühlings einen schuppigen Schaft mit einzelnen gelbstrahligen Köpfchen treibt; später (im Mai) erscheinen die handgrossen Blätter, welche sich durch ihren weissen, unterseitigen Filz von den noch grösseren, nierenförmigen, graufilzigen Blättern der Pestwurz, Petasites officinalis (Tussilago Petasites), unterscheiden, deren Körbchen einen Strauss bilden. §458. Verwandte Familien. Den Korbblütlern schliessen sich an: 1. Die Kardengewächse, Dipsaceae, Kräuter mit köpf- chenartigem Blütenstande, aber 4 freien Staub- gefässen. (Fig. 392.) Tetrandria Monogynia L. Hierhin gehöreu: die rötlichblühende Tauben- scabiose (Scabiosa Columbaria) mit 5 spaltiger Blume; die Ackerscabiose (Scabiosa arvensis oder Knautia arvensis) mit 4 spaltiger Blume ; der blaublühende T e u - felsabbiss (Succissa pratensis), eine Herbstpflanze; in der Weberei wird die Weberkarde (Dipsacus Fullo- Fie 392. num) benutzt. *) Anacyclus = avSy.Tjy.iot (Kreis) wegen des kreisrunden Strahles. **) Achillea nach Achilles genannt. Millefolium == Tausendblatt, wegen der starken Zerteilung des Blattes. ***) Arnica von äppsvizo; (männlich, kräftig, heilsam), t) Tussilago von tussis (Husten). — 501 Compositae. Fig. 388. Fig 389. Achillea Millefolium. Schafgarbe. Inula Helenium. Alant. Rechts mit einem Blütenköpfchen und einem Nebst einem zwitterigen und weiblichen zwittrigen Blütchen ; links mit einem Blütchen und Früchtchen, weiblichen Blütchen, dem Griffel und einem Früchtchen. Fig. 390. Fig. 391. Arnica montana. Wohlverleihkraut. Tussilago Farfara. Huflattich. Nebst einem zwitterigen und weiblichen Nebst einem zwitterigen (links) und weiblichen Blütchen (Techts) und einem Blütchen (rechts) und deren Griffel. Früchtchen (links). — 502 — 2. Die Glockenblumen, Campanulaceae, Kräuter mit schöngefärbten Blumen, die nicht selten in Köpfchen häufig aber auch in Trauben oder Eispen stehen. Pentandria Monogynia L. Zu erwähnen: die artenreiche Gattung Glockenblume (Campanula), die Rapunzel (Phyteuma), der Frauenspiegel (Specularia Speculum), und Jasione montana mit blauen Blütenköpfchen. 3. Die ausländische Familie der Lobeliaceae, Kräuter mit unregelmässiger Blume. Lobelia inflata, off. Herbei Lobeliae. Ein einjähriges Kraut im nördlichen Amerika, mit bläulichen Lippen- blumen und aufgeblasener Kapselfrucht. Die Krappge wachse, Kubiaceae. §459. Allgemeiner Charakter der Familie. DieKrappgewächse, llubiaceae, sind teils Kräuter, teils Sträucher und Bäume mit gegenständigen oder wirtelständigen Blättern und regelmässigen Blüten in Trugdolden, Rispen oder im Winkel der Blätter. Die 4- oder 5 lappige Blume ist oberständig und trägt 4 resp. 5 Staubgefässe. Die Frucht zeigt sehr verschiedene Bildung, aber stets 2 Fächer. Diese Familie zeichnet sich durch grosse Mannigfaltigkeit ihrer Bestandteile aus7 zufolge deren sich viele ihrer Glieder einer ausgedehnten Anwendung in der Ökonomie, Medizin und Ge- werbthätigkeit erfreuen. Manche von ihnen, wie der Kaffee und die Chinarinden, sind wichtige Handelsartikel geworden. In ihrer Verbreitung erstreckt sich die Familie über die ganze Erde; in Europa finden wir jedoch nur die Unterfamilie der Stellatae. § 460. Einteilung der Krappgewächse. Man trennt nach der Fruchtform die Familie des Krapps in mehrere Unterfamilien, die von anderen zu besonderen Familien erhoben worden sind. A. Stellatae. Frucht 2 knöpfig. Blätter quirlständig. Hierhin gehören mehrere einheimische Kräuter, wie der duftende Waldmeister (Asperula odorata), Fig. 393, früher gebräuchlich als Stern- leberkraut (Berba Bejjathicae stellatae); sowie die artenreiche Gattung Galium (Labkraut) u. a. Sie stehen wegen ihrer 4 zähligen Blüten sämt- lich in der Tetrandria Monogynia. — Der Krapp (Rubia tinetorum), Fig, 394, wird wegen seiner Wurzel, die zum Rotfärben dient, früher auch arzneilich gebraucht wurde {Radix Rubiae), gebaut. B. Cinchonaceae. Frucht eine Kapsel. Blätter gegenständig. 1. Cinchona succirubra . . off. Cortex Ghinae ruber. 2. „ Calisaya . . . off. Cort. Ghinae regius. 3. „ officinalis u. a. off. Cort. Ghinae fttscus. — 503 Rubiaceae. Fig. 393. Asperula odorata. Waldmeister. Nebst einer einzelnen Blüte und deren Stempel (links), sowie der Frucht (rechts). Valerianeae. Fig. 394. Kubia tinctorm. Krapp. Nebst einer einzelnen Blüte und deren Stempel (rechts), sowie der Frucht (links). Caprifoliaceae. Fig. 395. Valeriana officinalis. Baldrian. Nebst einer einzelnen Blüte (rechts), dem Stempel (links) sowie der Frucht (links unten) und deren Querschnitt. Fig. 396. Sambucus nigra. Hollunder. Nebst einer einzelnen Blüte, dem Stempel (unten), sowie der Beere (links oben). - 504 — Die artenreiche Gattung Cinchona*), umfasst die verschiedenen Chinabäume , auf dem östlichen Abhänge der südamerikanischen Anden einheimisch, jetzt auch in Ostindien und Java kultiviert. C. succirubra wächst vorzugsweise in Ekuador, C. Calisaya in Bolivia, C. officinalis in Peru. Es sind Bäume von 7 — 20 Meter Höhe. 4. Uncaria**) Gambir off. Catechu. Ein Kletterstrauch in Ostindien (Sumatra), aus dessen Blättern man das sog. Gambir-Catechu als Extrakt gewinnt. C. Coffeaceae. Frucht eine Steinbeere. 5. Coffea arabica, Kaffeebaum, . . off. Semen Coffeae. Einheimisch in Arabien und Ostafrika, wird der Kaffeebaum jetzt in allen Tropenländern kultiviert. Er trägt ovale, rote Beeren mit 2 Stein- kernen, in denen die Kaffeebohnen als Samen enthalten sind. 6. Psy chotria***) Ipecacuanha (Cephaelisf) Ipecacuanha . . . off. Radix Ipecacuanha e. Ein Halbstrauch in den Wäldern Brasiliens, mit Köpfchenblüten. Chiococcaff) racemosa ein mexikanischer Kletterstrauch, u. a., liefert die (obsolete) Radix Caincae. § 461. Verwandte Familien. Den Rubiaceae schliessen sich folgende Familien enge an: I. Die Baldriangewächse, Yalerianeae, Kräuter mit gegenständigen Blättern und 3 männigen Blüten. (Triandria Monogynia L.) Valeriana officinalis, Baldrian, off. Rad. Valerianae. Eine meter- bis mannshohe Staude mit fleischroten Trugdolden. Fig 395. Bekannt ist noch der als Frühlingssalat gebräuchliche kleine, blau- blühende Feldsalat (Valerianella Olitoria). II. Die Geisblattgewächse, Caprif oliaceae , Sträucher mit gegenständigen Blättern, 5 männigen Blüten und Steinbeeren. (Pentandria nach Linne.) Sambucusnigra, Hollunder, . off. Flor., Succ. Sambuci. Ein Strauch mit gefiederten Blättern, weissen Blüten in fünfstrahligen Trugdolden und schwarzen Beeren, deren Saft man eindampft. Fig. 396. — Der Zwerqhollunder (S. Ebulus) unterscheidet sich durch violette Staub- beutel und dreistrahlige Trugdolden; der Traubenhollunder (S. racemosa) durch einen traubenförmigen Blütenstand und rote Beeren. Hierhin noch: der Schneeball (Viburnum Opulus) mit handlappigen Blättern und weissen, strahlenden Trugdolden; das gemeine Geisblatt (Lonicera Xylosteum) mit gepaarten, gelblichen, lippenförmigen Blüten, sowie das an Lauben gezogene windende Geisblatt (Lonicera Capri- folium) mit rötlichen Blüten. *) Cinchona nach der Gräfin Chinchon, die durch China geheilt wurde. **) Uncaria von uncus (Haken) wegen des gekrümmten Fruchtstiels. ***) Psychotria von <\uyy\ (Seele) und Ja-rot« (Heilung). t) Cephaelis von xsoaXr, (Kopf), ttj Chiococca von yjwv (Schnee) und xoz/.os (Beere). - 505 - 3. Ordnung. Polypetalen. Blüten mit Kelch und mehrblätteriger Blume, a) Polypetalen mit kelchständiger Blume (Calycifloren). Analytische Übersicht der Familien. A. Blüte regelmässig. 1. Staubgef'ässe ebenso viel als Blumenblätter (4 — 5). a) Frucht eine Spaltfrucht Umbelliferae. b) Frucht eine Beere oder Steinfrucht, a) Fruchtfächer 1 sämig. Staubgefässe 5 Araliaceae. Staubgefässe 4 Corneae. ß) Fruchtfächer mit vielen Samen. Blüten zwitterig Grossularieae. Blüten eingeschlechtig Cucurbitaceae 2. Staubgefässe zahlreich. a) Frucht unterständig (vom Kelche gekrönt). a) Griffel 2 — 5 Pomaceae. ß) Griffel 1 Myrtaceae. b) Frucht vom Kelche frei. a) Stempel 1; Steinfrucht Amygdaleae. ß) Stempel zahlreich; Sammelfrucht . . Rosacea e. B. Blüte schmetterlingsförmig; Hülsenfrucht . . Papilionaceae. Die Doldengewächse, Umbelliferae. § 462. Charakter der Doldengewächse. Die Familie der Dolden- gewächse, Umbelliferae , besteht zumeist aus zweijährigen oder ausdauernden Kräutern mit abwechselnd gestellten Blättern, deren Blattstiele gewöhnlich in eine Scheide ver- breitert sind, und deren Spreite vorzugsweise die Fiederteilung zeigt. Die kleinen Blüten stehen in zusammengesetzten, selten einfachen D o 1 d e n , welche sowohl durch eine allgemeine Hülle (involucrum), als auch durch besondere Hüll che n (involucella) unterstützt werden. Zuweilen fehlt die Hülle, in anderen Fällen Hülle und Hüllchen. Die Blütenkreise sind fünfzählig, die Kelchröhre mit dem Fruchtknoten verwachsen, daher die fünf blätterige Blume, sowie die fünf Staubgefässe oberständig. Der Frucht- knoten trägt zwei Griffel. Hiernach stehen diese Gewächse in der Pentand ria Digynia nach Linne. (Fig. 397.) Die Frucht ist eine in zwei Seh Hess fruchte zerfal- lende Spaltfrucht. (Fig. 398.) Da die Teilfrüchtchen (meri- carpia) an ihrer Spitze an einem fadenförmigen Fruchtträger hangen, so nennt man die Frucht auch wohl eine Hänge fr ucht (cremocarpium). Die Yerbindungsfläche der beiden Teilfrüchte - 506 heisst die Fuge. Jede Teilfrucht zeigt äusserlich fünf Rippen oder Riefen (juga, nervi), zwischen denselben 4 Thälchen (valleculae, sulcus) ; in den letzteren verlaufen unterhalb der Ober- fläche die mit ätherischem Öle gefüllten Ölstriemen (vittae), welche auf dem Querschnitt der Frucht als dunkle Punkte zu erkennen sind (Fig. 399 o). Zuweilen erheben sich in den vier Thälchen 4]STebenrippen (j uga secundaria). Jede Teilfrucht birgt 1 Samen mit reichlichem E i w e i s s (Fig. 399e) mit sehr kleinem Keim. Fig. 397. Umbellif erenblüte . Fig. 398. Umbelliferenfrucht. Fig. 399. Umbelliferenfrucht im Querschnitt, e Eiweiss, o Ölstriemen. Die Umbelliferen gehören vorzugsweise der nördlichen ge- mässigten Zone an und zeichnen sich durch einen Gehalt an ätherischem Öle (in den Ölstriemen der Frucht), Balsam und Harz (in den Balsamschläuchen der Wurzel), einige auch, wie der Schier- ling, die Hundspetersilie, durch giftige Alkaloide aus. § 463. Einteilung der Umbelliferen. Man teilt die Doldengewächse nach den Yerhältnissen der Frucht ein.*) 1. Foeniculum capillaceum (F. officinale), Fenchel, . .off. Fruct., Oleum Foeniculi. Der Fenchel, Fig. 400, ist ein ein- bis zweijähriges Kraut, aus Süd- europa, mit gelben Blüten und haarfeinen Blattzipfeln, durch die stielrunde Frucht sich unterscheidend von dem ganz ähnlichen Dill (Anethum graveolens), dessen Frucht linsenförmig ist. 2. Oenanthe Phellandrium, Wasserfenchel, off. Fruct. Pkellandrii. Der Wasserfenchel, ein zweijähriges Kraut, Fig. 401, wächst an Bächen und Sümpfen und kennzeichnet sich durch seine stumpfrippigen Früchte. 3. Petroselinum sativum, Petersilie, off. Fruct. Petroselini. Die Petersilie, Fig. 402, wird zum Küchengebrauche allenthalben in Gärten gezogen. Ihr ähnlich ist die giftige Hundspetersilie (Aethusa *) Einteilung der Gattungen der Umbelliferen. A. Auf dem Querschnitte der Frucht erscheint der Eiweisskörper gegen die Fuge flach oder convex. (Orthospermae.) 1. Dolde einfach. Gatt. Sanicula, Eryngiuni, Astrantia. 507 — Umbelliferae. Fig. 400. Pig 401. Foeniculuni officinale. Fenchel. Oenanthe Phellandriuni. Wasserfenchel. Nebst einzelner Blüte (rechts) Frucht (links) Nebst einzelner Blüte und Frucht, und Querschnitt einer Teilfrucht (oben rechts). v\ Fig. 402. Petroselinum sativum. Petersilie. Nebst einzelner Blüte und Frucht (oben), sowie deren Querschnitt (unten rechts). Fig. 403. Carum Carvi. Kümmel. Nebst einzelner Blüte, der Frucht und deren Querschnitt (oben rechts). — 508 - Cynapium*), kenntlich an den glänzend dunkelgrünen, nicht gewürzigen Blättern und den schlaff herabhängenden Hüllblättchen. 4. Carum Carvi**), Kümmel, . . off. Fruct., Oleum Carvi. Der Kümmel Fig. 403, auf Wiesen wild und auch kultiviert, kenn- zeichnet sich durch weisse Dolden ohne Hülle und Hüllchen. 5. PimpinellaAnisum, Anis, . off. Fruct. Oleum Anisi. 6. Pimpinella Saxifraga) „.. „ «,,,•.,, „. . ,, 7. Pimpinella magna jBibernell, off. Rad. Ptmpznellae. Der Anis stammt aus dem Orient und wird an manchen Orten gebaut. — Die beiden genannten Arten Bibernell wachsen bei uns wild, P. Saxi- fraga, mit niedrigem, feingerilltem Stengel, an trocknen, steinigen Gras- plätzen; P. magna, mit meterhohem, gefurchtem Stengel, an feuchten Orten. Fig. 404 u. 405. 8. Levisticumofficinale, Liebstöckel, off. Rad. Lcvistici. Eine mannshohe Staude mit gelben Blüten, aus Südeuropa, bei uns in Gärten gezogen. Fig. 406. 9. Ar ck angelica***) officinalis (Angelica Archangelica), Engelwurz, off. Rad. Angelicae. Eine mannshohe Staude der norddeutschen Ebene, in Thüringen kultiviert. Fig. 407. 2. Dolde zusammengesetzt. a) Jede Teilfrucht nur mit 5 Hauptrippen. a) Spaltfrucht stielrund (auf dem Querschnitte). Gatt. Foeniculum, Oenanthe, Aethusa, Meum. ß) Spaltfrucht seitlich zusammengedrückt. Gatt. Petroselinum, Apium, Cicuta, Sium, Aegopodium, Carum, Pimpinella. y) Spaltfrucht vom Rücken her zusammengedrückt, aa) mit doppeltem Randüügel. Gatt. Levisticum, Angelica. Archangelica. ßß) Frucht linsenförmig, am Rande 1 flügelig. Gatt. Peucedanum, Imperatoria, Ferula, Heracleum, Pastinaca, Anethum. b) Jede Teilfrucht mit 5 Hauptrippen und 4 stacheligen oder geflügelten Nebenrippen. Gatt. Daucus, Laserpitium. B. Auf dem Querschnitte der Frucht erscheint der Eiweisskörper gegen die Fuge mit einer Furche versehen. (Campylospermae). a) Jede Teilfrucht nur mit 5 Hauptrippen. Gatt. Conium, Chaerophyllum, Anthriscus. b) Jede Teilfrucht mit stacheligen Haupt- und Nebenrippen. Gatt. Caucalis, Torilis. C. Auf dem Querschnitte der Frucht erscheint der Eiweisskörper halb- mondförmig ausgehöhlt. (Coelospermae). Gatt. Coriandrum. *) Aethusa von eülQ-w (glänzen) ; Cynapium von xiwv (Hund) und ixr.iov (Sellerie). **) Carum (zapov) und Carvi (franz.) = Kümmel. ***) Archangelica == beste Angelika (apyi = Vorsilbe Erz-). 509 - Umbelliferae. Fig. 404. Pimpinella Saxifraga. Kleine Bibernell. Nebst einzelner Blüte und der Frucht. Fig. 405. Pimpinella magna. Grosse Bibernell. Nebst einzelner Blüte und der Frucht (links), sowie dem Querschnitte einer Teilfrucht (rechts). A a^llil&i&Es Fig. 406. Levisticum officinale. Liebstöckel. Nebst einzelner Blüte und der querdurchschnittenen Frucht. Fig. 407. Archangelica officinalis. Engelwurz. Nebst einzelner Blüte (rechts), der Frucht und dem Querschnitt einer Teilfrucht (links). — 510 — 10. Imperatoria Ostruthium*) Meisterwurz, off. Rhizoma Imperatoriae. Eine mannshohe Staude auf den Alpenwiesen, mit weissen Blüten. 11. Coriandrum sativum, Koriander, off. Fruct. Coriandri. Ein einjähriges Kraut aus Südeuropa, bei uns mancherorts gebaut, mit weissen strahlenden Dolden, frisch nach Wanzen riechend. Fig. 408. 12. Daucus Carota, Möhre, . . obs. Succus Dan ciinspüs. Ein bei uns häufig wildwachsendes (mit holziger Wurzel) und vielfach in Gärten gezogenes (mit fleischiger Wurzel) Kraut mit borstigen Früchten. 13. Conium maculatu.ni, Schierling, off. Herba Conii. Ein meterhohes, giftiges Kraut an unbebauten Orten, dessen Stengel an den unteren Teilen braungefleckt, im übrigen aber nebst den dreifach- gefiederten Blättern gänzlich kahl ist. Fig. 409. Durch seine kugeligen Früchte mit wellig gekerbten Rippen unterscheidet er sich von dem wilden Kerbel (Anthriscus Silvester), Fig. 410, mit länglicher, rippenloser Frucht, sowie vom Kälberkropf (Chaerophyllurn temulum) Fig. 411, mit läng- licher, stumpfrippiger Frucht. — Früher wurde der an Ufern wachsende, ebenfalls stark giftige Wasserschierling (Cicuta virosa) in gleicher Weise wie Conium gebraucht (Herba Cicutae). 14. DoremaAmmoniacum off. Ammoniacum. 15. Ferula Scorodosma ") (Ferula Asa foetida) ..... „ . '■„ .. , 16. Ferula Narthex Asant' öS. Asa foettda. (Narthex Asa foetida) . . J 17. Ferula galbaniflua . .\ „ _ „ 18. - Fubricaulis . . ./ • ■ ■ oK Galbanum. Sämtlich Stauden in den persisch- turanischen Ländern, welche au& Einschnitten die Gummiharze ausfliessen lassen. Die Kürbisse, Cucurbitaceae. § 464. Von den Kürbissen. Zur Familie der Kürbisse,. Cucurbitaceae, zählen Kräuter, mit kletternden, spiraligen Ranken, die neben den rauhen handlappigen Blättern entspringen. Die oft ansehnlichen Blüten sind getrennten Geschlechtes, fünfgliederig, mit 5 verwachsenen Staubgefässen. (Monoecia Polyadelphia Linne.) Die Frucht ist eine un- terständige Beere mit wandständigen , eiweisslosen Samen — ein sogenannter Kürbis (Pepo). 1. Citrullus Colocynthis (Cucumis Colocynthis), Koloquinte, off. Fruct. Colocynthidis. Ein rankendes Kraut in Nordafrika und Kleinasien, dessen goldgelbe- Beeren geschält in den Handel kommen. *) Ostruthium von axpou^tov (Strauss). 511 Umbelliferae. Fig. 40S. Coriandrum sativum. Koriander. Nebst einzelner Blüte, der Frucht und dem Querschnitt einer Teilfrucht (unten links). Fig. 409. ^Conium maculatum. Schierling. Nebst einzelner Blüte, der Frucht und dem Querschnitte einer Teilfrucht. Fig. 410. Fig. 411. Anthriscus silvestris. "Wilder Kerbel. Chaerophyllum temulum. Kälberkropf. Nebst einzelner Blüte, der Frucht Nebst einer einzelnen Blüte, der Frucht und dem Querschnitte einer Teilfrucht und dem Querschnitt einer Teilfrucht (unten rechts). (unten links). 512 - 2. Bryoniadioica\r7 .., , _, " _ o _ alba l ^aunru':)e, • obs. Bad. Bryoniae. Rankende Kräuter an Zäunen, ersteres mit roten, letzteres mit schwarzen Beeren, beide mit dicker, rübenförmiger Wurzel, welche im frischen Zustande drastische Wirkung ausübt. Fig. 413. 4. Ecballion Elaterium, Springgurke, obs. Elaterium. Ein niedriges Kraut in Südeuropa, ohne Ranken, dessen Beeren bei der Reife vom Stiele abbrechen und ihren Saft elastisch fortschleudern. Der eingedickte Saft wurde ehedem als drastisches Mittel gebraucht. {Elaterium). Zu den Küchengewächsen zählen: Die Gurke (Cucumis sativus) und der Kürbis (Cucurbita Pepo), jene mit scharfrandigen Samen in länglichen Beeren, dieser mit wulstigberandeten Samen in kugeligen Beeren. § 4.65. Verwandte Familien. Hier schliessen sich folgende klei- nere Familien an: 1. Die S tachelbe er ge w äch se, Grossularieae, Sträucher mit unterständigen Beeren. Die Stachelbeere (Ribes Grossularia) , sowie die rote Johannis- traube (Ribes rubrum), aus deren Beeren man einen Syrup (Syrujrus Rubium) kocht. 2. Die Kornelkirschen, Corneae, mit Steinfrüchten. Hierhin die Kornelkirsche (Cornus mas), ein Zierstrauch aus Süd- europa, mit gelben Blüten. — Der Hornstrauch (Cornus sanguinea), mit weissen Trugdolden, häufig in unseren Hecken. 3. Die Epheugewächse, Araliaceae, Sträucher mit Beeren. Das Epheu (Hedera Helix) klettert mittelst Klammerwurzeln an Mauern und Bäumen empor, ohne jedoch aus ihnen Nahrung zu ziehen. Die Rosengewächse, Rosaceae. § 466. Charakter der Rosengewächse. Zur Familie der Rosen, Rosaceae, zählen kraut- und strauchartige Gewächse, die sich durch zahlreiche kelchständige Staubgefässe auszeichnen. Die Blätter sind abwechselnd gestellt, mit Neben- blättchen versehen und in der Regel ge- fiedert, seltener gefingert; die Blüten regel- mässig, fünfghederig, mit zahlreichen, dem Kel chschlunde eingefügten Staubge- fässe n und mehreren (oft vielen) getrennten Stempeln, die entweder, wie bei der Rose (Fig. 412), von der Kelchröhre eingeschlossen werden, oder auf einer flach ausgebreiteten Kelchröhre stehen , wie bei Rubus. Daher finden wir diese Gewächse in der Linneschen Klasse Ikosandria Polygynia L. Die Frucht wird aus nüsschen- oder steinfruchtartigen Früchtchen zusammengesetzt Fig. 412. (Sammelfrucht), mit je 1 eiweisslosen Samen. 513 Cucurbitaceac Rosaceae. Fig. 413. Bryonia dioica. Zaunrübe. Oben ein Zweig mit weiblichen Blüten, darunter ein solcher mit männlichen Blüten, nebst einer einzelnen weiblichen, wie männlichen Blüte. Mg. 414. Kubus Idaeus. Himbeerstrauch. Nebst einem Stempel, Blumenblatt und einer Beere. 'Rosaceae. Fig. 415. öeum urbanum. Nelkenwurz. Nebst einem Blumenblatt und einem Früchtchen. Fig. 416. Potentilla Tormentilla. Tormentille. Nebst einzelner Blüte und Blumenblatt. Schlickum, Apothekerlehrling 33 — 514 - Die Rosaceen finden sich hauptsächlich in der nördlichen gemässigten Zone und gehen bis hinauf zu den Schneefeldern der Polarländer und der Alpen. Ihre Blüten duften oft von ätherischem Öle (z. B. Rosa, Spiraea), ihre "Wurzeln und Blätter führen vor- herrschend adstringierende Stoffe (z. B. Geum, Tormentilla). § 467. Einteüung der Familie. I. Echte Rosen (Rosaceae). 1. Rosa centifolie, Centifolie, . . off. Flores Bosae. 2. Rosa damascena. off Oleum Rosae. Die Centifolie ist ein bekannter Zierstrauch unserer Gärten, mit gefüllten Blüten (durch Rückverwandlung der Staubgefässe in Blumenblätter). — R. damascena wird zur Gewinnung des Rosenöls an den Südabhängen des Balkans in der europäischen Türkei im grossen gezogen. — Von den einheimischen Rosen ist die Hundsrose (R. canina) die bekannteste. An ihr bilden sich durch den Stich einer Wespe Auswüchse, der sog. Rosen- schwamm (Fungus Cynosbati). 3. Rubus Idaeus, Himbeere, . off. Syrupus Rubi Idaei. Die Gattung Rubus kennzeichnet sich durch die aus zahlreichen Steinfrüchten bestehende Sammelfrucht: Der Himbeerstrauch, Rubus Idaeus, Fig. 414, mit roten, flaumhaarigen Früchten ; — der Brombeer- strauch, Rubus fruticosus, mit glänzendschwarzen Früchten. 4. Geum urbanum, Nelkenwurz, obsol. Rad. Caryophyllatae. Bei der Nelkenwurz, Fig. 415, einem Kraute mit gelben Blüten, dessen nach Nelken riechende Wurzel man früher gebrauchte, verleihen die hakig gekrümmten Griffeln der Sammelfrucht ein klettenartiges Aussehn. 5. Potentilla Tormentilla, Tormentille, off. Rhiz. Tormenüllae. Die Tormentille ist ein kriechendes Kraut mit vi er blätteriger, gelber Blume, von den übrigen Potentilla- Arten mit 5 blätterigen Blumen leicht zu unterscheiden. Fig. 416. Hierbin zählen noch: die Erdbeere (Fragaria vesca) mit saftiger Frucht (hervorgegangen aus dem Blütenboden) ; die duftende Spierstaude (Spiraea Ulmaria) und der Odermennig (Agrimonia Eupatoria). 6. Hagenia abyssinica (Brayera anthelmintica) .... off. Flor. Koso. Ein diöcischer abyssinischer Baum dessen weibliche Blütenrispen als Koso (Kusso) zu uns kommen. H. Wiesenknopfgewächse (Sanguisorbeae), ohne Blumenblätter. Hierhin: der Frauenmantel (Alchemilla vulgaris), mit fächerförmig ge- falteten Blättern; der Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis) , mit läng- lichen, dunkelroten Blütenköpfchen, und die Becherblume (Poterium Sanguisorba), mit kugeligen, grünlichen Köpfchen; beide auf Wiesen häufig. § 468. Verwandte Familien. Den Rosaceae schliessen sich an : 1. Die Familie des Steinobstes, Amygdaleae, Bäume und Sträucher mit vielmännigen Blüten, deren jede aber nur — 515 — Amygdaleae. Fig. 417. Fig. 418. Prunus Amygdalus. Mandelbaum. Prunus spinosa. Schlehdorn. A Blüte, B längsdurchschnittene Frucht. Ein blühender und ein fruchttragender C Querdurchschnittener Stein. D Same Zweig, sowie eine Blüte im Querschnitt. E Same im Längsschnitt. im Längsschnitt. Pomaceae. Fig. 419. Pirus Malus. Apfelbaum. Nebst Stempel und Frucht. Fig. 420. Cydonia vulgaris. Quittenbaum. Nebst Blüte und Frucht. 33* — 516 - 1 Stempel besitzt — daher zur Ikosandria Monogynia gehörig. Frucht eine Steinfrucht. Die Heimat des Steinobstes ist Mittelasien, von wo es jedoch schon in frühen Zeiten nach Europa verpflanzt wurde. Alle Pflanzenteile führen mehr oder weniger Amygdalin, vorzugsweise die Samen, aber auch die Blätter mancher Gewächse (z. B. des Kirschlorbeers, des Pfirsichbaumes). 1. Prunus Amygdalus (Amygdalus communis); Mandelbaum, .... off. Amygddlae antarae u. dulces. Der Mandelbaum existiert in 2 Varietäten, von denen die eine bittere; die andere süsse Mandeln trägt. Die filzigen, saftlosen Früchte bergen einen löcherigen Stein, der die Mandeln enthält. Fig. 417. 2. Prunus Cerasus, Sauerkirsche, .... off. Cerasa. Die Sauerkirsche unterscheidet sich von der Süsskirsche (Prunus avium) durch ihre sauren Früchte, aus denen man Kirschsyrup bereitet. 3. Prunus Lauro-Cerasus, Kirschlorheer, off. Fol.x Lauro-CerasL Ein Strauch aus Südeuropa mit immergrünen, glänzenden, lederigen Blättern, aus denen man das Kirsclilorbeerwasser destilliert. 4. Prunus spinosa, Schlehdorn, . obsol. Flor. Acaciae. Ein bekannter Strauch, dessen weisse Blüten vor den Blättern er- scheinen. Fig. 418. Hierhin zählen noch: der Aprikosenbaum (Prunus Armeniaca), Pfirsichbaum (Prunus Persica), Pflaumenbaum (Prunus insititia), Zwetschenbaum (Prunus domestica), die Ahlkirsche (Prunus Padus). IL Die Familie des Kernobstes, Pomaceae, Bäume und Sträucher mit fleischig-saftiger Frucht, welche vom Kelche gekrönt ist. Ihre vielmännigen lauten bergen einen un- terständigen, 2 — 5 fächerigen Fruchtknoten mit 2— 5 Griffeln. Daher finden wir das Kernobst in der Ikosandria Di- bis Pentagynia nach Linne. Das Kernobst gehört der nördlichen gemässigten Zone an und fehlt den Tropenländern. 1. Pirus Malus, Apfelbaum, .... off. Poma acida. Von den sauren Äpfeln bereitet man das Exlr actum TPerri pomatvm. Durch die Form der Frucht unterscheidet sich der Apfelbaum (Fig. 419) vom Birnbaum (P. communis). 2. Cydonia vulgaris (Pirus Cydonia), Quittenbaum, off. Semen Cydoniafi. Die Quitte unterscheidet sich vom Apfel und der Birne dadurch, dass bei ihr die Samen zu mehreren im Fache liegen, während Apfel und Birne nur je 2 Samen im Fruchtfache bergen. Fig. 420. Hierhin zählen noch: der Weissdorn (Crataegus Oxyacantha), die Eberesche (Sorbus Aucuparia) mit ihren roten, sauren Beeren in Trug- dolden, und die Mispel (Mespilus germanica). — 517 — III. Die Myrte ngewächse, Myrtaceae, Bäume und Sträu- cher heisser Klimate, reich an Wohlgeruch und Gewürz. Ihre Blätter sind meist lederig und drüsig-punktiert. (Ikosandria Monogynia L.) 1. Punica Granat um, Granatbaum, . off. Cort. Granati. Ein Baum der Mittelrneerländer, mit scharlachroten Blüten (früher oft'. Flor. Balauslii) und lederschaligen Beeren (früher off. Cort. Balaustii). 2. Eugenia caryophyllata (Caryophyllus aromaticus), Gewürznelkenbaum, ... off. Caryophylli. Ein auf den Molukken einheimischer, in vielen Tropenländern (Süd- amerika) gepflanzter Baum, dessen Blütenknospen die Gewürznelken darstellen, 3. Melaleuca Leucadendron*), Kajeputbaum, off. Oleum Cajeputi. Ein weissherindeter Baum auf den Molukken, dessen Zweige, der Destillation unterworfen, das Kajeputöl liefern. 4. Eucalyptus**) Globulus, off. Folia u. Oleum Eucalypti. Ein hoher Baum Neuhollands, der zur Austrocknung sumpfiger Gegenden auch anderwärts gepflanzt wird. Die Schmetterlingsblütler, Papilionaceae. § 469. Charakter der Schmetterlingsblütler. Die Familie der Schmetterlingsblütler, Papilionaceae, eine der wichtigsten und grössten , umfasst Gewächse mit abwechselnd gestellten, teils dreizähiigen, teils gefiederten Blättern, welche von Neben blättchen begleitet sind , die zuweilen (wie bei der Erbse) das Blatt an Grösse übertreffen , zuweilen aber (wie bei der Robinie) in einen Dorn verwandelt sind. Die Blüten besitzen eine schmetterlingsförmige Blume (corolla papili- onacea), deren oberes, halb empor- gerichtetes Blumenblatt Fahne (vexillum) genannt wird, während die beiden seitlichen Blumenblätter die Flügel (alae), die beiden un- teren, in der Regel kahnförmig verbunden, das Schiffchen oder den Kiel (carina) bilden (Fig. 42 1). — Die 10 Staubt äden sind bald sämtlich in eine Röhre ver- wachsen, bald nur zu 9 ver- wachsen, wie Fig. 422 zeigt, wäh- rend einer frei bleibt, welcher in der Spalte der Staubfadenröhre liegt. Linne stellte diese Gewächse in dieDiadelphia Dekandria. Fig. 421. a Fahne b Flügel Schiffchen. Fig. 422. *) Melaleuca von fiäXa; (schwarz) und Xsuxo? (weiss). — Leucadendron von Xsu*o; (weiss) und oavSpov (Baum). **) Eucalyptus von suxaXÜ7ctos (wohlbedeckt, mit schöner Haube). — 518 — — Die Frucht ist eine Hülse d. i. ein einzelnes Karpellblatt, welches die Samen an der Bauchnaht trägt und bei der Reife in zwei Klappen aufspringt (Fig. 423). Der Same enthält kein Eiweiss, häufig fleischige Samenlappen (wie dieErbsen, Bohnen, Linsen), sowie einen gekrümmten Keim. Die Schmetterlingsblütler finden sich über die ganze Erde verbreitet ; sie bilden auch in Deutsch- land einen wesentlichen Bestandteil der Yegetation und der Kulturgewächse. Zum Teile sind es Futterkräuter (wie der Klee, Luzerne, Esparsette, Wicke), zum Teil wegen des Stärkemehl- und Proteingehaltes ihrer Samen allenthalben gezogene Nährpflanzen (wie die Erbse, Bohne, Linse). Bei einigen Arten treffen wir aromatische Bestandteile an, wie z. B. das (auch im Waldmeister enthaltene) Cumarin in den Blüten von Melilotus , den Samen von Faenum graecum und den Tonkabohnen, auf welchen letzteren es häufig auskrystallisiert. Giftige Stoffe zeigt die Calabarbohne. § 470. Einteilung der Schmetterlingsblütler. Man teilt die Gat- tungen nach der Form der Blätter, Hülsen und Samen ein.*) 1. Ononis spinosa, Hauhechel, ... off. Rad. Ononidis. Die Hauhechel, Fig. 424, ist ein dorniges, rosablühendes Kraut unserer Wiesen und unterscheidet sich durch ihren einzeilig behaarten Stengel von der zottigen, niederliegenden Ononis repens. 2. Melilotus**) officinalis,Honigklee,l ^ „ 7 „, ,., . 3. - a 1 1 i s s im u s (macrorrhizus) f off- Herh' Metlloü' Zwei Kräuter an Wegen und Rainen, mit kleinen gelben Blüten in langen, einseitswendigen Trauben; erstere mit strohgelben, kahlen Hülsen, Fig. 423. *) Einteilung der Gattungen der Schmetterlingsblütler. A. Samenlappen blattartig. 1. Hülse der Länge nach aufspringend. a) Staubfäden in 1 Bündel verwachsen. Gatt. Genista, Sarothamnus, Cytisus, Ononis, Anthyllis. b) Staubfäden zweibrüderig. a) Blätter dreizählig. Gatt. Trifolium, Lotus, Melilotus, Medicago, Trigonella. ß) Blätter gefiedert. Gatt. Glycyrrhiza, Galega, Astragalus. 2. Hülse in Querglieder zerfallend. Gatt. Onobrychis, Hedysarum, Coronilla. B. Samenlappen dick, fleischig. Blätter gefiedert, mit Wickelranke. Gatt. Vicia, Cicer, Ervum, Pisum, Lathyrus, Phaseolus. **) Melilotus von jjieXt (Honig) und Xwxo? (Klee). — 519 - Papilionaceae. Fig. 424. Ononis spinosa. Hauhechel. Nebst einer Blüte, dem Stempel (rechts) und der Frucht (links unten). Fig. 425. Melilotus officinalis. Honigklee. Nebst einer Blüte (rechts) und Hülse (links). Fig. 426. Trigonella Faenum Graecum. Bockshornklee. Nebst einer Blüte (links), Hülse und Samen (rechts). Fig. 427. Glycyrrhiza glabra. Glattes Süssholz. Nebst einer Blüte (links), dem längs- durchschnittenen Stempel und den Geschlechtsorganen (rechts). — 520 — letztere Art mit schwarzen, weichhaarigen Hülsen. Fig. 425. Weisse Blüten hat Melilotus alba. 4. Trigonella*) Faenum Graecum, Bockshornklee, off. Sem. Faenugraeci. Ein Kraut Fig. 426, aus den Mittemieerlänclern stammend und bei uns kultiviert, zeichnet sich durch langschnablige Hülsen aus. Hierhin gehört auch der Wiesenklee (Trifolium pratense), der an Wegen häufige, weissblühende kriechende Klee (Trifolium repens), der allenthalben auf Wiesen wachsende Schotenklee (Lotus corniculatus) mit gelben einfachen Dolden, sowie der Besenstrauch oder Ginster (Sarothamnus scoparius) mit grossen, gelben Blüten, die hier und da ge- bräuchlich sind [Hör es Spartii seu Genistete). Von Gemüsepflanzen und Futterkräutern verdienen noch Erwähnung: die Erbse (Pisum sativum), die Linse (Ervuni Lens), die Hausbohne oder Saubohne (Vicia Faba), die Schneidebohne (Phaseolns communis), die Esparsette (Onobrychis sativa), der Luzerner Klee (Medicago sativa). 5. Glycyrrhiza**) glabra, Süssholz, off. Rad., Saccus Liquiritiae. 6. var. glandulifera, Rad. Liquiritiae mundata. Das spanische Süssholz kommt von Glycyrrkiza glabra, Fig. 427, einem Kraute in Südeuropa, aus deren frischer Wurzel man in Italien den Lakriz bereitet. Eine Varietät (Gl. glandulifera) , welche im südöstlichen Europa wächst, liefert das sog. russische Süssholz. (Früher leitete man dasselbe von Glycyrrhiza echinata ab). 7. Astragalus verus, A. gummifer. A. ascendens, A. leioclados, A. brachycaly x, A. microcephalus, A. py enociados u. a., Tragantsträucher, off. Tragacantha. Dornige Sträuchlein, die beiden erstgenannten vorzugsweise in Klein- asien und Armenien, die übrigen in Armenien und Persien. Sie lassen aus Einschnitten des Stammes einen schleimigen Saft ausfliessen, der erhärtet als Tragant in den Handel gebracht wird. In Griechenland liefert A. creticus eine geringwertige Sorte Tragant. 8. Toluifera P^ereirae, (Myroxylon Pereirae), off. Bals. Peruvianum. 9. Toluifera Balsam um, (Myroxylon toluiferum), .... off. Bals. Tolutanum. Zwei ansehnliche Bäume, ersterer in Centralamerika, an der Küste von San Salvador, letzterer im nördlichen Teile Südamerikas (aar Magdalenen- strom); sie lassen aus Einschnitten den Balsam ausfliessen, beim Perubalsam durch Anbrennen unterstützt. 10. Pterocarpus Marsupium off. Kino. Ein hoher Baum in Ostindien, aus dessen rotbrauner Rinde das Kino gewonnen wird. — Pt. santalinus, ebendaselbst; liefert das rote Santelholz. *) Trigonella von xpiywvp; (dreieckig). *) Glycyrrhiza von yXux.u? (süss) und pita (Wurzel). — 521 — ll.AndiraAraroba off. Chrysarobinum. Ein Baum in Brasilien, der in inneren Spalten und Hohlräumen ein dunkelbraungelbes Pulver, sog. Goapulver, birgt, welches durch Auflösen in heissem Benzol gereinigt das Chrysarobin darstellt. 12. Physostignia venenosum . off. Faba Calobarica. Ein Schlingstrauch (ähnlich unserer Schneidebohne) an der west- afrikanischen Küste, dessen Samen, die sehr giftigen Kalabarbohnen, daselbst zu Gottesurteilen benutzt werden. Man bereitet aus ihnen das Alkaloi'd Physostigmin. Zu erwähnen sind noch: Dipterix odorata, ein Baum in Guyana, mit wohlriechenden Samen, den sog. Tonkabohnen. — Indigo fera tinc- toria, ein Strauch Ostindiens, durch Kultur auch nach Afrika und West- indien verpflanzt, liefert durch Gährung der Blütenzweige den Indigo. § 471. Verwandte Familien. Den Schmetterlingsblütlern stehen durch die gleiche Fruchtbildung — Hülse — nahe: Die Caesalpiniaceae, fiederblätterige Bäume und Sträucher warmer Klimate, deren Blüten unregelmässig, aber nicht schmetter- lingsförmig sind. 1. Ceratonia Siliqua, Johannisbrotbaum, off. Siliqua dulcis. Ein Baum der Mittelmeerländer, von Spanien bis zum Orient, dessen süsse, fleischige Hülsen das Johannisbrot darstellen. 2. Tamarinduslndica, Tamarinde, off. Pulpa Tarn arindorum. Ein hoher Baum Ostindiens, durch Kultur über alle Tropenländer, auch der neuen Welt verbreitet; man benutzt das säuerliche Mus seiner Hülsen. 'S. Haematoxyl on Campechian um, off. Lignum Campechianum. 4. Caesalpinia Brasiliensi s, off. Liqmim Femambuci. Zwei Farbhölzer, erstere Art in Centralamerika (Campechebay), letztere Art in Brasilien. 5. Copaifera officinalis, C. Guianensis u. a., . . . off. Bals. Gopaivae. Hohe, harzreiche Bäume in Brasilien und Westindien, welche aus den angehauenen Stämmen den Balsam ausfliessen lassen. 6. Cassia acutifolia (C. lenitiva),! „, - lV, ,,. „ 7. Cassia angustifolia, j off' Foha Sennae- Die Alexandriner und Tripolitaner Sennesblätter sind die Fieder- blättchen von dem in Nubien und Sennaar wild wachsenden Strauche Cassia acutifolia. untermischt mit Blättern der Ar gelpflanz e (Soleno- stenirna Argel), einer Asclepiadee. — Die spitzblätterigen, lanzettlichen Indischen Sennesblättcr sind die Blättchen der in Ostindien kultivierten, in Arabien wildwachsenden Cassia angustifolia. — Von Cassia obovata in Egypten und Syrien kommen die verkehrteiförmigen Aleppischen oder Italienischen Sennesblätter. - 522 — II. Die Mimosaceae, Sträucher und Bäume heisser Länder, mit regelmässigen , vielmännigen Blüten und vielpaarig gefieder- ten Blättern. Acacia Senegal (A. Yerek), . . off. Gummi arabicum. Zahlreiche Arten der Gattung Acacia wachsen im nördlichen Afrika, welche aus Rissen der Rinde einen Schleim ausfliessen lassen, der zum arabischen Gummi erhärtet; es sind dornige Sträucher und Bäume vom Senegal bis zum Nil, sowie auch in Arabien. Das officinelle Gummi arabicum stammt aus den oberen Nilländern, von der oben angegebenen Art. — Aus der rotbraunen Rinde und dem dunkelbraunen Holze der Acacia Catechu, einem hohen Baume in Ostindien, wird durch Auskochen das Pegu-Catechu (Terra japonica) gewonnen. b. Polypetalen mit bodenständiger Blume (Thalamifloren). Analytische Übersicht der Familien. A. Staubgefässe in bestimmter Zahl. 1. Staubgefässe ebensoviel als Blumenblätter, 5. a) Frucht beerenartig. a) Klettersträucher Ampelideae. ß) Aufrechte Sträucher und Bäume. Staubbeutel längsritzig Rhamneae. Staubbeutel klappig aufspringend . Berberideae. b) Frucht kapselig. a) Blume regelmässig, Griffel 5, . . . Lineae. ß) Blume unregelm., Griffel 1 . . . . Violarieae. 2. Staubgefässe halbmal mehr als Blumenblätter, 6. a) Staubgefässe frei, viermächtig .... Cruciferae. b) Staubgefässe 2 brüderig Fumariaceae. 3. Staubgefässe doppelt so viele als Blumenblätter, 8 oder 10. a) Blüte regelmässig. a) Griffel 1 Rutaceae. ß) Griffel 2—5 Caryophylleae. (Kelch einblätterig Sileneae.) (Kelch 4 — 5 blätterig Aisin eae.) b) Blüte unregelm., Staubgef. 2brüderig . Polygaleae. B. Staubgefässe zahlreich. 1. Staubgefässe unverbunden. a) Stempel 2 — 5 oder zahlreich Ranunculaceae. b) Stempel 1. a) Blume 4 blätterig, Kelch 2 blätterig . Papaveraceae. ß) Blume und Kelch 5 blätterig . . . Tiliaceae. 2. Staubgefässe einbrüderig Malvaceae. 3. Staubgefässe mehrbrüderig verwachsen. a) Griffel 1 Aurantiaceae. b) Griffel 3 — 5 Hypericineae. - 523 Fig. 428. Die Nelken, Caryophylleae. §472. Von den Nelken. Die Familie der Nelken, Caryo- phylleae, umfasst Kräuter mit ungeteilten, gegenständigen Blättern und regelmässigen Blüten mit 5 benagelten Blumen- blättern, 10 Staubgefässen und einem Stempel mit 2 — 5 Griffeln (Fig. 428 zeigt die Nelkenblüte im Längsschnitt). Die Staubgefässe stehen zu je 5 in zwei Zeilen; der Stempel besteht aus 2 — 5 Frucht- blättern, die sich zu einem ein- fächerigen Fruchtknoten verbunden haben; die Griffel sind frei ge- blieben. Wir finden daher diese Gewächse in der Linn eschen Klasse Dekandria, Ordn. Di- bis Pen- tagynia. — Die Frucht ist eine einfächerige, vielsamige Kapsel, deren Samen einem Mittelsäulchen aufsitzen. Die Nelkengewächse gehören vorzugsweise Europa an und bilden durch ihr häufiges Vorkommen einen wesentlichen Bruch- teil der deutschen Krautflora. Durch ihre schönen Blüten eine Zierde der Landschaft, entbehren sie aber meist des Wohlgeruches. Man teilt die Familie nach der Bildung des Kelches in zwei Gruppen, welche sehr häufig als besondere Familien aufgestellt werden. I. Sileneae. Kelch einblätterig, fünfzähnig. Saponaria officinalis, Seifenkraut, off. Bad. Saponariae. Das Seifenkraut. Fig. 429, wächst häufig an Wegen und kenn- zeichnet sich durch fleischrote Blüten mit je zwei Griffeln. Ebenfalls zweigriffelig ist die artenreiche Gattung Nelke (Dianthus), dagegen dreigriffelig das Leinkraut (Silene), fünfgriffelig die Lichtnelke (Lychnis) und die violettblühende Kornrade (Agrostemma Githago), ein bekanntes Unkraut der Kornfelder. IL Alsineae. Kelch fünf blätterig. Erwähnt sei die gemeine und die grossblütige Sternmiere (Stellaria media und St. Holostea) mit weissen, zweispaltigen Blumenblättern und 3 Griffeln. Der letzteren ist das Acker-Hornkraut (Cerastium arvense) sehr ähnlich, jedoch mit 5 Griffeln versehen. § 473. Anschliessende Familien. I. Die Leingewächse, Lineae, sind von den Nelken durch das Fehlschlagen einer Staubgefässzeile unterschieden, sodass ihre Blüten nur 5 männig sind. (Pentandria Pentagynia L.) — 524 — Linum usitatissimuni , Lein, . off. Sem., Oleum Lini. Ein Kraut Fig. 430 mit blauen Blüten, welches zur Gewinnung der Bastfaser (Flachs) gebaut wird. Aus den Samen wird Öl geschlagen. II. Die Rautengewächse, Rutaceae, gewürzreiche Pflanzen mit gefiederten, drüsigpunktierten Blättern und 10 männigen Blüten, die aber nur 1 Griffel enthalten. (Dekandria Monogynia L.) 1. Ruta graveolens, Raute, ... off. Folia Batae. Ein duftendes Kraut Südeuropas, bei uns in Gärten gezogen, mit gelben Trugdolden, deren Centralblüte 10 männig ist, während die übrigen nur 8 männig sind. Fig. 431. 2. Pilocarpus*) pennatifolius . off'. Folia Jäborandi. Ein Strauch in Brasilien. Hierhin zählen noch: der Diptam (Dictamnus albus), an felsigen Orten, dessen Wurzel ehedem gebräuchlich war. — Bukko sträucher im Kapland, von denen Barosma crenulata die breiten, B. serratifolia die langen Folia Bucco liefert. — Von Galipea officinalis, einem Baum am Orinoko, kam früher die Cortex Angosturae zu uns. III. Die Zygopbylleae **)., ohne Öldrüsen in den Blättern. Guajacum officinale L., . off. Lignum, Resina Guajaci. Ein Baum auf den westindischen Inseln, mit blauen Blüten. IY. Die Simarubeae, Holzgewächse fremder Länder. 1. Quassia amara ) ™ T . ~ o t>- «#*^ i } • off. Lianum Quasszae. 2. Picraena***) excelsa/ J * Erstere Art ist ein strauchartiges Bäumchen in den Wäldern Surinams (Südamerika), letztere Art ein hoher Baum auf Jamaika. — Simaruba offi- cinalis, im nördlichen Südamerika, lieferte ehedem Cortex Simarubae. V. Die Terebinthaceae , Holzgewächse mit gefiederten Blättern und harzreichem Safte. 1. Balsamea My rrha (Balsamodendron M.)-j-) off. Myrrha. Ein dorniges Bäumchen im' glücklichen Arabien (Südwestspitze Arabiens) und der gegenüberliegenden afrikanischen Küste (Somaliländer) ; es lässt die Myrrhe aus Rissen der Rinde ausfüessen. 2. Boswelliaj"j-) sacra off. Olibanum. Ein Baum in denselben Landstrichen, wie die vorhin angeführte Art; er lässt aus Rissen der Rinde den Weihrauch ausfüessen. 3. Pistacia Lentiscus off. Mastix. Ein Baum der Mittelmeerländer, auf der Insel Chios kultiviert zur Gewinnung des Mastix, welches aus Rissen der Rinde quillt. — Von Pistacia vera, in Südeuropa, werden die Samen, sog. Pistazien, genossen. *) Pilocarpus von r.ikoq (Kugel) und /.apTro; (Frucht). **) Zygophyllum von 'Cuyov (Joch) und ©bXXov (Blatt) wegen der Fieder- blätter. ***) Picraena von raxpaivw (bitter machen), t) Balsamea von balsameus (balsamreich). Balsamodendron von ßaX^ aap.ov (Harz) und os'vopov (Baum). ff) Boswellia nach Dr. J. Boswell. 525 Caryophylleae. Lineae- Fig. 429. Saponaria officinalis. Seifenkraut Nebst dem Stempel (links). RittftCi'ftr. b d Fig. 430. Fig. 431. Linum usitatissimum. Lein. Euta graveolens. Baute. Nebst der Kapselfrucht und den inneren Nebst einer Blüte (rechts), der Frucht Blütenorganen (a Staubgefässe, b Zähnchen, (links) und einem Samen (unten). aus verkümmerten Stau1 fädchen hervorgegangen ) — 526 — 4. Rhus Toxicodendron*), Giftsumach , off. Folia Toxicodendri. Ein nordamerikanischer Strauch , der bei uns nicht selten in Park- anlagen angetroffen wird und in seinen Blättern einen an der Luft schwarz werdenden Milchsaft von solcher Schärfe besitzt, dass schon das Abpflücken der Blätter mit blossen Händen gefährliche Hautanschwellungen verursacht. Eine ähnliche Schärfe enthalten die nierenförmigen Früchte von Anacardium occidentale, einem südamerikanischen Baume , sowie die Nuss von Semecarpus Anacardium in Ostindien; jene bekannt als Anacardia occidentalia, diese als Anacardia orientalia, auch Elephanten- läuse genannt. Die Kreuzdorngewächse, Rhanineae. § 474. Von den Kreuzdorngewächsen. Die Familie der Kreuz- dorngewächse, Khamneae, umfasst Sträucher und Bäume mit ungeteilten Blättern und kleinen, unansehnlichen Blüten, deren Staubgefässe mit der Zahl der Blumenblätter überein- stimmen, daher 4 oder 5 sind. Die Frucht ist eine Stein- beere. (Pentandria Monogynia.) Die Rhamneen besitzen oft abführende Bestandteile (Cathartin) z. B. der Kreuzdorn in seinen Früchten, der Faulbaum in seiner Rinde. 1. Rhamnus cathartica, Kreuzdorn, off. Fruct. Bhamni cath. 2. Rhamnus Frangula, Faulbaum, off. Gort, Frangulae. Der Kr euz dorn, Fig. 432, ist ein dem Schlehdorn ähnlicher Strauch mit grünlichen, viermännigen , eingeschlechtigen Blüten und schwarzen, viersteinigen Beeren, aus denen Syrupus Rhamni (Spinae cervinae) bereitet wird. — Der Faulbaum, Fig. 433, ist dornlos, mit weissen, fünfmännigen Blüten und dreisteinigen Beeren. § 475. Anschliessende Familien. I. Die Reben, Ampelideae, Klettersträucher mit Gabel- ranken und Beerenfrucht. (Pentandria Monogynia L.) Yitis vinifera, Weinstock, off. Vinum. Der Weinstock, Fig. 434, wird in vielen Varietäten gebaut. Die eingetrockneten Weintrauben kommen als Rosinen (Passulae majores), die- jenigen einer kernlosen Varietät in Griechenland als Korinthen (P. minores) in den Handel. Aus den weissen Trauben bereitet man den Weisswein, aus den roten Trauben den Rotwein. IL Die Berberitzen, Berberideae, mit 6 gliederigen, 6 männigen Blüten und Beerenfrucht. (Hexandria Monogynia L.) 1. Berberis vulgaris, Berberitze, off. Fruct. Berberidis. Ein Strauch mit dreiteiligen Dornen, gelben Blütentrauben und sehr sauren, roten Beeren, aus denen Syrupus Berberidis gekocht wird, Fig. 435. 2. Podophyllum peltatum ... off. Podophyllinum. Ein nordamerikanisches Kraut, aus dessen Wurzel ein drastisch wir- kendes Harz, das Podophyllin, ausgezogen wird. *) Toxicodendron von tö^xo? (giftig) und Se'vSpov (Baum). 527 Rhamneae. Fig. 432. Fig. 433. Rhamnus cathartica. Kreuzdorn. Rhamnus Frangula. Faulbaum. Nebst einer männlichen und weiblichen Blüte, Mit einer Blüte und^Beere. sowie Beeren. Ampelideae. A Berberideae. Fig. 434. Fig. 435. Vitis vinifera. "Weinstock. Berberis vulgaris. Berberitze. Nebst einigen Blüten, von denen zwei ihre Nebst einzelner Blüte, Blumenblätter, Blumenblätter abzuwerfen im Begriffe sind, Staubgefäss, Stempel und Beere, die dritte dieselben schon abgeworfen hat. Oben rechts eine Beere, dieselbe quer- und längsdurchschnitten; links unten ein Same. 528 Die Kreuzblütler, Cruciferae, § 476. Charakter der Familie. Die Familie der Kreuzblüt- ler, Cruciferae, enthält Krautgewächse mit abwechselnd gestellten Blättern und regelmässigen Blüten, 4 benagelten Blumenblättern und 4 Kelchblättern, sowie 6 Staubgefässen in zwei Zeilen, vor denen die beiden der äusseren Zeile kürzer sind als die vier der inneren Zeile, Fig. 436; daher bilden diese Fig. 436. Fig. 437. a Cruciferenblüte von oben gesehen, b dies, im Längsschnitt. Aufspringende Schote* Gewächse die Linnesche Klasse Tetradynamia. Ausserdem charakterisiert sich die Familie durch die Frucht, eine zwei- fächerige, von unten nach oben aufspringen de Schote (Siliqua) mit zwei wandständigen Samenleisten, welche beim Abspringen der Fruchtklappen auf der Scheidewand bleiben (Fig. 437). Die Samen sind eiweisslos, reich an fettem Öle und enthalten einen gekrümmten Keim. Die Glieder dieser wohlausgeprägten und artenreichen Familie zeichnen sich durch einen Gehalt an scharfem (schwefelhaltigem) ätherischem Öle aus, dienen daher häufig zum Küchen- und Arzneigebrauche, werden auch durch den Eeichtum ihrer Samen an fettem Öle vielfach kultiviert. Der Verbreitungsbezirk er- streckt sich über die ganze Erde, vorzugsweise Europa. § 477. Einteilung der Kreuzblütler. Linne teilte seine XY. Klasse Tetradynamia in zwei Ordnungen: 1. Siliculosa, mit ovalen oder rundlichen Schötchen ; 2. Siliquosa mit langen, linealen Schoten. Die Gattungen mit nicht aufspringenden Schötchen wurden — 529 später als Nuss früchtige (Nucamentaceae) , diejenigen, deren Schoten in Querglieder zerfallen, als G-liedsckoten früchtige (Lomentaceae) abgetrennt.*) A. Schotenfrüchtige (Siliqu osae). Schoten viel länger als breit. 1. Brassica nigra (Sinapis nigra) . . off. Sem. Sinapis. 2. Brassica Rapa und Br. Napus . off. Oleum Bapae. Der schwarze Senf, Fig. 438, ist ein hohes, einjähriges Kraut mit gelben Blüten und angedrückten Schoten. Der weisse Senf (Sinapis alba), mit schwertschn abeligen Schoten, wird wegen der Samen (Sem. Erucae) kultiviert, während der Ackersenf (Sinapis arvensis) zu den gemeinsten Unkräutern gehört. — Der Kohl (Brassica oleracea) wird in vielen Abarten teils als Blattgemüse (Wirsing, Weisskohl, Rotkol, Blumenkohl), teils als Knollengewächs (Kohlrabi) gezogen. — Den Raps (Brassica Rapa) und Rübsamen (Brassica Napus) kultiviert man sowohl zur Samenzucht (für Ruböl), als auch zur Knollenzucht (weisse Rübe). Von den wildwachsenden Arten seien erwähnt: die Rauke (Sisym- brium officinale), ein?sparriges Kraut mit gelben Blüten und angedrückten Schoten; der Knoblau chshedrich (Sisymbriurn Alliaria) mit rundlich nierenförmigen Blättern und weissen Blüten; das Wiesen- Schaumkraut (Cardamine pratensis), mit lilafarbigen Blüten ; die weissblühende Brunnen- kresse (Nasturtium officinale), der Goldlack (Cheiranthus Cheiri). *) Einteilung der Gattungen der Cruciferen. I. Schotenfrüchtler. A. Keim seitenwurzelig. (Würzelchen zur Seite der flachen Samenlappen.) a) Schotenklappen nervenlos. Gatt. Nasturtium, Cardamine, Dentaria. b) Schoten mit 1 Nerven auf jeder Klappe. Gatt. Cheiranthus, Arabis, Barbaraea. B. Keim rückenwurzelig. (Würzelchen auf dem Rücken der flachen Samenlappen). a) Schotenklappen 1 nervig. Gatt. Erysimum. b) Schotenklappen 3 nervig. Gatt. Sisymbriurn. C Keim gefaltet. (Samenlappen zusammengefaltet, Würzel- chen in der Falte). a) Schotenklappen 1 nervig. Gatt. Brassica. b) Schotenklappen 3 — 5 nervig. Gatt. Sinapis. IL Schötchenfrüchtler. A. Schötchen breitwandig. (Scheidewand in der Breitseite des Schötchens. Fig. 442 a). a) Schötchen kugelig aufgedunsen. Gatt. Cochlearia. b) Schötchen flach. Gatt.Draba, Alyssum, Lunaria. B. Schötchen schmalwandig. (Scheidewand in der Schmal- seite des Schötchens Fig. 442b). a) Keim seitenwurzelig. Gatt. Thlaspi. b) Keim rückenwurzelig. Gatt. Capsella, Lepidium. C. Schötchen einfächerig, nicht aufspringend. Gatt. Isatis. III. Schoten quergliederig. Gatt. Raphanus. Schlickum, Apothekerlehrling. 34 Fig. 442 — 530 — B. Schötchenfrüchtler (Siliculosae). Schötchen oval oder rundlich. 3. Cochlearia officinalis, Löffelkraut, off. Herba Cochleariae. Das Löffelkraut, Fig. 439, eine Seestrandpfianze, dient zur Bereitung des Spiritus Cochleariae. — Der Meerrettig (Cochlearia Armoracia), Fig. 440, wird zum Küchengebrauch kultiviert (obs. Rad. Armoraciae). Das Hirtentäschchen (Capsella Bursa pastoris), Fig. 441, ist ein gemeines Unkraut mit dreieckigen Schötchen, früher off. {Herba Bursac pastoris). — Die Gartenkresse (Lepidium sativum) wird zum Küchen- gebrauch kultiviert. Der Waid (Isatis tinctoria), ein Kraut mit flachen, geflügelten Schötchen, wurde früher auf Indigo verarbeitet. C. Gliedschotenfrüchtler (Lomentaceae). Frucht in Querglieder zerfallend. Der Rettig (Raphanus sativus) wird in mehreren Varietäten (schwarzer, weisser Rettig, Radieschen) kultiviert. Die Mohngewächse, Papaveraceae. § 478. Charakter der Familie. Die Mohngewächse, Papa- veraceae, sind Kräuter mit abwechselnden Blättern und regel- mässigen Blüten. Der Kelch besteht nur aus zwei Blättern, welche bei der Entfaltung der vier- blätterigen Blume sich ablösen (Fig. 443); die Staubgefässe sind zahlreich vorhanden, Stempel nur einer. (Polyandria Monogynia Lin.) Die Mohngewächse kommen nur in der nördlichen gemässigten Zone vor und stellen durch ihren Eeichtum an narkotisch giftigem Milchsafte dem Arzneischatze ein wertvolles Kontingent. Im Samen ist das Stärke- mehl durch fettes Öl vertreten. 1. Papaver somniferum, Mohn, off. Gapita, Semen u. Oleum Papaveris; Opium. 2. Papaver Rhoeas, Klatschrose, off. Flor. Bhoeados. Die Gattung Papaver charakterisiert sich durch eine rag. 44d. schildförmige, vielstrahlige Narbe, unterhalb deren die viel- samige Kapsel in Löchern sich öffnet. Der Mohn, P. somniferum, Fig. 444, stammt aus dem Orient und wird in Kleinasien zur Opilim-Gewirmwng ge- baut; man ritzt daselbst die noch unreifen Kapseln an und lässt den aus- tretenden Milcbsaft eintrocknen, worauf man ihn zu Kuchen zusammenknetet. In Deutschland kultiviert man die Pflanze wegen der Samen, aus denen man das Mohnöl presst. — Die Klatschrose, P. Rhoeas, mit scharlach- roten Blumen (Fig. 445), ist ein bekanntes Unkraut in der Saat. 3. Chelidonium majus, Schöllkraut, off. Herba ChelidoniL Das Schöllkraut, Fig. 446, eine gemeine Schuttpflanze, ist voll gelben Milchsaltes, mit gelben Blüten in einfachen Dolden und schoten- ähnlicher Frucht, dient zu Extractum Chelidonii. 531 - Cruciferae. Fig. 438. Fig. 439. Brassica nigra. Schwarzer Senf. Cochlearia officinalis. Löffelkraut. Nebst einzelner Blüte und Schote (oben), Nebst einer einzelnen Blüte, einem sowie die letztere im Querschnitt, und ein Blumenblatte, Schötchen, Samen und Same, sowie in dessen Querschnitt (unten). dessen Keim. Fig. 440. Fig. 441. Cochlearia Armoracia. Meerrettig.^ Capsella Bursa pastoris. Hirtentäschchen. Nebst einer einzelnen Blüte (oben links), Nebst einer einzelnen Blüte, einem Schötchen und dessen Längsschnitt (rechts), Blumenblatt (rechts) und einem auf- Samen und dessen Querschnitt. gesprungeneu Schötchen (links). 34* — 532 — Familien mit unregelmässigen Blüten. § 479. Familien mit unregelmässigen bodenständigen Blumen. Einige Familien zeichnen sich durch eine unregelmässige Form ihrer Blumenblätter aus. Es gehören hierhin folgende kleinere Familien: I. Die Erdrauchgewächse, Fumariaceae. Ihre Blüten, auch mit zweiblätterigem Kelche und vierblätteriger Blume ver- sehen, charakterisieren sich durch ihre gespornte Blume und Zwei- brüderigkeit der 6 Staubgefässe. (Diadelphia Hexandria L.) Fumaria officinalis, Erdrauch, obsol. Herba Fumariae. Ein gemeines Unkraut mit kleinen violetten Blüten und kugeligen Nüsschen Fig. 447. Der Lärchensporn (Corydalis), mit gespornten Blüten, trägt Knollen. IL Die Yeilchen, Violarieae, sind in Europa nur durch die Gattung Viola vertreten; diese zeichnet sich durch fünf Staub- gefässe und eine gespornte Blume aus. (Pentandria Mono- gynia L.) Frucht eine einfächerige, vielsamige Kapsel. Yiolatricolor off. Herba Violae tricoloris. Das dreifarbige Veilchen, Fig. 448, auch Stiefmütterchen oder Freisamkraut genannt, findet sich allenthalben auf Äckern, bald drei- farbig (mit blauen, am Grunde gelben und weissen Blumen), bald einfarbig (weisslichgelb) blühend. Letzteres ist die Varietät arvensis M. — Das wohlriechende Veilchen (Viola odorata) ist, wie die geruchlose Viola hirta, stengellos. Fig. 448. Viola tricolor. Dreifarbiges Veilchen. Nebst dem gespornten Blumenblatt (links), den Geschlechtsorganen und querdurch- schnittenen Fruchtknoten (rechts). Fig. 449. Polygala amara. Bittere Kreuzblume. Nebst einer einzelnen Blüte und den Staubgefässbündeln. — 533 Papaveraceae. Fig. 444. Papaver somniferum. Mohn. Nebst der Kapsel. Fig. 446. Papaver Khoeas. Klatschrose. Nebst dem Stempel (links oben) und der Kapsel (unten). Papaveraceae. Furnariaceae. Fig. 446. Chelidonium majus. Schöllkraut. Nebst der Schote und dieselbe im Querschnitt, sowie ein Same. Fig. 447. Fumaria officinalis. Erdrauch. Nebst einer Blüte, einem Nüsschen (unten rechts) und Samen (links). 534 III. Die Bitterlinge, Polygaleae, umfasse Kräuter mit sehr un regelmässigen Blüten und einsamigen Nussfrüchten. In Europa ist diese kleine Familie nur durch die Gattung Poly- gala vertreten, welche eine Art Schmetterlingsblüte mit zwei- brüderig verwachsenen Staubgefässen besitzt. 1. Polygala amara, bittere Kreuzblume ... off. Herba Polygalae amarae. 2. Polygala Senega ... off. Bad. Senegae. Die Gattung Polygala charakterisiert sich durch zwei üügelartige, blaurot oder weiss gefärbte Kelchblätter, eine verwachsenblätterige Blume und 8 Staubbeutel, die zu je 4 in 2 Bündel verwachsen sind. (Diadelphia Octandria Linne.) — Die bittere Kreuzblume, Fig. 449, lässt sich durch ihre verkehrt- eiförmigen Wurzelblätter von P. vulgaris leicht unter- scheiden. — Polygala Senega ist ein Kraut in den östlichen Vereinigten Staaten Nordamerikas. 3. Krameria triandra off. Bad. Batanhiae. Ein kleiner, sparrig verzweigter Strauch auf den Gebirgen Perus, die er mit seinen roten Blüten schmückt. Die Hahnenfussgewächse, Ranunculaceae. § 480. Charakter der Familie. Die Familie der Hahnenfuss- gewächse, Ranunculaceae , wird gebildet von scharfgiftigen Kräutern mit meist geteilten Blättern und bald regelmässigen, bald unregelmässigen Blüten, welche zahlreiche Staub- gefässe und mehrere, oft zahlreiche Stempel ent- halten. Fig. 450. Daher stehen diese Gewächse in der Linne- schen XIII. Klasse, Polyan- dria, 2. und 3. Ordn., Di- bis Polygynia. Die Früchtchen sind teils einsamig und nüss- chenartig, teils mehrsamig und kapselig. Die Samen besitzen viel Eiweiss und einen sehr kleinen Keim. Diese sehr formenreiche Familie gehört vorzugsweise der nördlich gemässigten Zone an und zeichnet sich durch scharf- giftige Bestandteile aus, besonders im Kraute, vor und bei Beginn der Blütezeit. Narkotische Alkaloide finden wir bei Nieswurz, Sturmhut, Rittersporn, eine flüchtige Schärfe bei der Küchenschelle, dem Hahnenfuss und vielen anderen. Fig. 450. — 535 — § 481. Einteilung der Familie. Man unterscheidet die Gattungen nach der Fruchtform und der Bildung der Blume, ob die Blüte eine Perigonblüte ist, oder Kelch und Blume besitzt; ob in regel- mässiger Ausbildung, oder unregelmässig (wie bei Aconitum und Delphinium)*). 2.' Anemone pratensis ]K™her>Sche\le, oft. Herb.Pulsatülae. Zwei Kräuter mit violetten Blüten, die bei erstgenannter Art aufrecht (Fig. 451), bei letztgenannter Art überhängend sind (Fig. 452). Aus beiden bereitet man Extrakt, da sie eine flüchtige Schärfe besitzen. Sie unter- scheiden sich durch ihre bärtig geschweiften Früchtchen von dem Wind- röschen (Anemone nemorosa), einem Frühlingskräutlein mit offener, weisser Blüte. Es schliessen sich hier an: Der scharfe Hahnenfuss (Ranun- culus acris) mit handteiligen Blättern, scharfgiftig. — Das Scharbock- kraut (R. Ficaria) auf nassen Wiesen, mit rundlichen, herzförmigen Blättern. Einer grossen Ranunkel ähnlich ist die Dotterblume (Galtha palustris). Zu dieser Gruppe der Ranunculaceen zählen auch einige Kletter- sträucher, wie die Waldrebe (Clematis Vitalba) mit rankenden Blattstielen und weissen Blüten. *) Einteilung der Ranunculaceen. A. Früchtchen nussartig, 1 sämig. a) Blüte mit blumenartigem Kelche, ohne Blumenblätter. Gatt. Clematis, Anemone, Thalictrum. b) Blüte mit Kelch und Blume. Gatt. Ranunculus, Adonis. B. Früchtchen kapselartig, mehrsamig. a) Kelch blumenartig. c.) Blüten regelmässig. aa) Blumenblätter fehlen, Kelch blumenartig. Gatt. Caltha. bb) Blumenblätter klein röhrig. Gattt. Helleborus, Nigella. cc) Blumenblätter alle gespornt. Gatt. Aquilegia. ß) Blüten unregelmässig. aa) Blüten gespornt. Gatt. Delphinium. bb) Blüten halmförmig. Gatt. Aconitum. b) Kelch krautartig. Gatt. Paeonia. **) Anemone von avs;j.o; (Wind). — 536 — 3. Hell eb orus viridi s , grüne Nieswurz, off. Bad. Hellebori vir. Die Gattung Helleborus zeichnet sich durch ihre fussteiligen Blätter aus. Dieselben sind bei der grünen Nieswurz scharfgesägt (Fig. 453), bei der schwarzen Nieswurz (Helleborus niger), deren Wurzel früher gebraucht wurde, lederig und nur gegen die Spitze hin schwach gesägt. 4. Aconitum Napellus, Eisenhut,. . off. Tub. Aconiti. Ein Kraut der Gebirge, in Gärten als Zierpflanze, kennzeichnet sich durch seinen blauen, helmförmigen Kelch, welcher zwei langgestielte, kapuzen- artige Blumenblätter birgt. Seine Wurzel besteht aus zwei Knollen. Fig. 455. Erwähnung verdienen noch der blaue Rittersporn (Delphinium Consolida), von dem eine südeuropäische Art, Delphinium Staphis agria, die giftigen Stephanskörner (Sem. Staphidis) liefert; sowie der Schwarz- kümmel (Nigella sativa), dessen gewürzige Samen früher gebraucht wurden {Semen Mgellae), und die blaue Akelei (Aquilegia vulgaris) mit 5 gespornten Kelchblättern. Die Pfingstrose (Paeonia officinalis), Fig. 454, eine bekannte Zierpflanze unserer Gärten, lieferte früher Radix und Semen Paeoniae. § 482. Verwandte Familien. Den Hahnenfussgewächsen schlies- sen sich folgende fremdländische Familien an: I. Die Magnoliaceae, Bäume und Sträucher mit schönen Blüten. Illicium anisatum, Sternanis, off. Fruct. Anisi stellati. Ein gewürzreicher Baum in China und Cochinchina. Sehr ähnliche, aber giftige Früchte trägt Illicium religiosum (Sikimibaum) in Japan. IL Die Menispermeae, Klettersträucher heisser Länder, mit zweihäusigen, rispigen Blüten. Jateorrhiza*) Calumba (Cocculus palmatus) off. Bad. Colombo. Ein Kletterstrauch der Küste Mozambique im östlichen Afrika, in Ostindien wegen der Wurzel kultiviert. Von Menispermum**) Cocculus, in Ostindien, kommen die giftigen Früchte, sog. Kockelskörner (Cocculi indici), zu uns. Die Malven, Malvaceae. § 483. Charakter der Malven. Die Familie der Malven, Mal- vaceae , zeichnet sich aus durch einen zweireihigen Kelch und zahlreiche Staubgefässe, deren Staubfäden in eine Röhre verwachsen sind. Daher gehören diese Gewächse nach Linne in die Monadelphia Polyandria. Der Kelch ist doppelt (Calyx duplex), die Blume fünfblätterig, am Grunde verwachsen und in der Knospung gedreht ; die zahlreichen Staubgefässe tragen einfächerige Beutel, die Stempel stehen quirlig um eine Mittel- säule gruppiert, mit getrennten Griffeln. *) Von Iö.q[xixi (heilen) und pf(a (Wurzel). **) JJ.7JV (Mond) und cnzip^a. (Same), wegen der gekrümmten Früchte. 537 Ranunculaceae, Fig. 451. - Anemone Pulsatilla. Küchenschelle. Nebst einem Staubgefäss und Früchtchen \ Mg. 453. Helleborus viridis. Grüne Nieswurz. Nebst einem Blumenblatt (links unten) und den Stempeln (oben). Mg. 454. Paeonia officinalis. Pfingstrose. Nebst der "Wurzel, den Stempeln und einem Früchtchen. Mg. 452. Anemone pratensis. Küchenschelle. Nebst einem Staubgefäss und dem Frucht- stande, sowie einem Früchtchen. Mg. 455. Aconitum Napellus. Sturmhut. Nebst dem Knollen und der Frucht. - 538 — Die einheimischen Malven sind schleimreiche Kräuter mit handlappigen Blättern; in den Tropenländern finden sich aber auch Sträucher und Bäume. Scharfe, giftige Stoffe fehlen ihnen durchaus, ebenso Gewürze und ätherische Öle. Bei man- chen Arten sind die Bastfasern stark ausgebildet, wichtiger aber noch ist die Wolle, in welche die Samen vieler Arten gehüllt sind, wie bei der Baumwollenstaude (Gossypium) und dem Woll- baum (Bombax). 1. Malva vulgaris, gemeine Malve, off. Fol. Malvae. 2. Malva silvestris, wilde Malve, off. Fol, Flor. Malvae. Die Gattung Matva charakterisiert sich durch einen drei blätterigen Aussenkelch. M. vulgaris (M. rotundifolia), Fig. 456, und M. sil- vestris, Fig. 457, besitzen handlappige Blätter, die von beiden Arten officinell sind. Von M. vulgaris unterscheidet sich M. silvestris durch grössere Blüten (frisch rosarot, trocken blau), welche nur von dieser letzteren Art gebräuchlich sind. '6. Althaea officinalis, Eibisch, off. Bad., Fol. Althaeae. 4. Althaea rosea, Stockrose, . off. Flor. Malvae arboreae. Die Gattung Althaea charakterisiert sich durch einen vielspaltigen äusseren Kelch. Althaea officinalis, Fig. 458, ist eine filzig - zottige Staude mit rosafarbigen Blüten und wird zum Arzneigebrauche kultiviert. — Von der Stockrose, Althaea rosea, Fig. 459, einer Zierstaude, mit roten, weissen und dunkelpurpurnen Blüten, wendet man nur die letzteren an. 5. Gossypium herbaceum, G. ar bore um u. a., Baumwollenstaude, .... off. Gossypium depuratum. Die Baumwollen staude wird in den Tropenländern in mehreren Arten zur Gewinnung der Baumwolle kultiviert, welche als lange Haare die Samen umhüllt. § 484. Von den Orangen. Die Familie der Orangen, Auran- tiaceae, umfasst Sträucher und Bäume mit drüsig-punk- tierten, unpaarig gefiederten Blättern, welche bei der Gattung Citrus auf das Endblättchen reduziert erscheinen, indem die seitlichen Fiederblättchen als Blattstielflügel mit dem Blatt- stiele verwachsen sind. Die regelmässigen Blüten enthalten meist zahlreiche, in mehrere Bündel verwachsene Staubge fasse, daher stehen die Orangen in der XVII. Linneschen Klasse Polya- d e 1 p h i a. Die Frucht ist eine vielfächerigeBeere mit leder- artiger, drüsig-punktierter Schale. Bei diesen Gewächsen finden wir einen reichen Gehalt an ätherischem Öle sowohl in den Blüten als in besonderen Öldrüsen der Blätter und Fruchtschalen abgelagert. Aus letzteren gewinnt man dasselbe durch Auspressen, aus den Blüten durch Destillation. Die Orangenfrüchte enthalten im Safte häufig Citronensäure , in der äusseren Schale Bitterstoff. — 539 Maloaceae Fig. 456. Malva vulgaris. Gemeine Malve. Nebst einzelner Blüte (unten) und Eni cht (oben). Fig. 457. Malva silvestris. "Wilde Malve. Nebst dem Stempel (oben), der Staub- fadensäule und der Frucht (unten). Fig. 458. Althaea officinalis. Eibisch. Nebst dem Kelche mit den Stempeln, sowie der Frucht. Fig. 459. Althaea rosea. Stockrose. - 540 - 1. Citrus vulgaris, Pomeranzenbaum, off. Fol, Oleum flor., Fruct. immat, Gort, fruct. Aurantii. 2 Citrus Limonuml Citronenba um off .Qort.fruct „Olcort.Citri. 3. Citrus medica ! 4. Citrus Bergamia, Bergamotte,. . off. Ol. Bergamottae. Sämtlich Bäume der Mittelmeerländer. Citr. vulgaris, Fig. 460, mit breiten Blattstielflügeln, und durch die bittere Frucht von Citr. Aurantium, dem Apfelsinen- oder Orangenbaum unterschieden. Die übrigen Arten sind ohne Blattstielflügel; Citr. Limonum trägt sehr saure Früchte, die als Citronen zu uns kommen; bei Citr. medica sind die Früchte nur ■wenig sauer, bei Citr. Bergamia dagegen süss. § 485. Verwandte Familien. An die Malven- und Orangenge- wächse schliessen sich mehrere Eamilien mit vielmännigen Blüten an, deren Staubgefässe oft mehrbrüderig verbunden sind. I. Die Linden, Tiliaceae, Bäume mit zahlreichen, un- verbundenen Staubgefässen. (Polyandria Monogynia.) 1. Tilia parvifolia, Winter-Linde \ off T 2. — grandiiolia, Sommer-Linde, / Die Gattung Tilia kennzeichnet sich dadurch, dass der Blütenstiel auf einem blassgrünen, dünnen Deckblatte steht, mit denen er zur Hälfte verwachsen ist. — T. parvifolia (T. ulmifolia), Fig. 461, trägt kleinere, kahle Blätter, bei T. grandifolia (T. platyphyllos) sind dieselben grösser und unterseits flaumhaarig. Linne hatte beide Arten zu einer einzigen, T. europaea, vereinigt. IL Die Hypericineae mit zahlreichen mehrbrüderigen Staub- gefässen. Hypericum perforatum, Johanniskraut, obs. Herba Hyperica Das Johanniskraut, Fig. 462, häufig an unbebauten Orten, zeichnet sich durch durchscheinend punktierte Blätter und goldgelbe Blüten aus, mit denen man früher Öl rot färbte {Oleum Hyyerici). III. Die Guttiferae , Milchsaft führende Bäume der Tropen. Garcinia Morella, off. Gutti. Ein hoher Baum in Hinterindien (Siam), dessen Stamm aus Einschnitten einen gelben Milchsaft ausfliessen lässt, den man in Bumbusröhren auffängt und eingetrocknet als Qutti in den Handel bringt. IY. Die Buettneriaceae sind tropische Gewächse. Theobroma*) Ca cao, Kakaobaum, off. Oleum Cacao. Der Kakaobaum ist in Westindien sowie im nördlichen Südamerika einheimisch und vielfach kultiviert. Seine Samen (Kakaobohnen) werden zur Chokolade verarbeitet und liefern beim Auspressen die Kakaobutter. Y. Die Cameliaceae sind immergrüne Sträucher Ostasiens. Thea Bohea, Th. viridis und stricta sind die Theesträucher Chinas, deren Blätter den Chinesischen Thee liefern. *) Theobroma von •0-so; (Gott) und ftowp] (Speise) - 541 — Fig. 460. Citrus vulgaris. Pomeranzenbaum. Nebst einer einzelnen Blüte und einem Staubfadenbündel, a Frucht, b Querschnitt derselben. Fig. 461. Fig. 462. Tilia parvifolia. Winter-Linde. Hypericum perforatum. Johanniskraut. Nebst einer einzelnen Blüte, dem Stempel Nebst einem Blumenblatte und der Kapsel (oben) und der Frucht. (rechts); links das Stück eines Blattes und der Stempel. - 542 Vergleichung des Linneschen Systems mit den wichtigeren Familien, Diandria Monogynia Oleaceae. Triandria Monogynia Valerianeae, Irideae, Cype- raceae. Digynia Grramineae. Tetrandria Monogynia Plantagineae, Dipsaceae, Stellatae. Pentandria Monogynia Boragineae, Solanaceae,Convol- vulaceae, Gentianeae, Campanu- laceae, Ampelideae, Rhamneae, Violariaceae, Caprifoliaceae. Digynia Umbelliferae. Pentagynia Lineae. Hexandria Monogynia Liliaceae, Asparageae. Trigynia Colehicaceae. Heptandria Monogynia ..... Hippocastaneae. jN i ■, . > Monogynia Ericaceae, Rutaceae. Dekandria Di, Pentagynia . . . Caryophylleae. Ikosandria Monogynia Amygdaleae, Myrtaceae. Di-, Pentagynia . . . Pomaceae. Polygynia Rosaceae. Polyandria Monogynia . . . . Tiliaceae, Papaveraceae. Di-, Polygynia . . . Ranunculaceae. Didynaniia Gymnospermia . . . Labiatae. Angiospermia . . . Scrophularineae. Tetradynamia Cruciferae. Monadelphia Polyandria . . . . Malvaceae. Diadelphia Hexandria Fumariaceae. Octandria Polygaleae. Dekandria ..... Papilionaceae. Polyadelphia Polyandria .... Hypericineae, Aurantiaceae. Syngenesia Compositae. Gynandria Monandria . . . . Orchideae. Monoecia\ / Coniferae, Cupuliferae, Juglan- Dioecia / \ deae, balicmeae, Urticaceae, Lu- \ phorbiaceae, Cucurbitaceae. IV. Abteilung. Pharmakognosie. Die Lehre von den Droguen (Arzneistoffen).*) A. Die Droguen des Pflanzenreichs. I. Unterirdische Pflanzenteile. 1. Die offizinellen Wurzeln (Eadices). Sie werden im Herbste oder bei Beginn des Frühlings gesammelt. A. Hauptwurzeln. a. Wurzeln mit strahligem, faserigem Holze. Es erscheint auf dem Quer- schnitt ein strahliger Holzkörper, meist ohne Mark. a) Konsistenz der Wurzel holzig-faserig. — Wurzeln ohne Geruch. Radix Liquiritiae (glabrae). Spanisches Süssholz. Glycyrrhiza glabra (Papilionaceae). — Südeuropa (Ka- labrien). Fast un verzweigte, walzenförmige, bis finger- dicke "Wurzeln, aussen graubräunlich, längsrunzelig; innen gelb. Die Rinde ist dreimal dünner als das langfaserige, dichte Holz, welches ein kleines Mark umschliesst, von dem sehr zahlreiche linien- förmige Markstrahlen ausgehen. (Fig. 463.) — Ge- j?ig. 453. schmack süss, etwas kratzend. Rad. Liquiritiae Bestandteile: Glycyrrhizin (Süssholzzucker). m^Sh "er'gr. Anwendung: In Theemischungen gegen Schleim- haut-Entzündungen (Katarrh) und als Yersüssungsmittel. Radix Liquiritiae mundata. Russisches Süssholz. Glycyrrhiza glabra var. glandulifera (Papilionaceae). — Südosteuropa, südliches Russland. *) Die Pharmakognosie lässt sich nur an den Droguen selbst studieren ; ein stetes Vergleichen der Beschreibung mit der naturellen Drogue ist un- bedingt erforderlich. — In Betreff des anatomischen Baues der Pflanzenteile muss auf die früheren Kapitel der Pflanzenanatomie verwiesen werden. — 544 — Eine mit dem spanischen Süssholz ziemlich übereinstimmende, aber dickere (bis 4 cm), leichtere, im Handel stets ge- schält vorkommende Wurzel, in Form gelber, ein- facher, walzenfömiger Stücke von starkfaserigem Bruche. Bestandteile und Anwendung: wie beim spanischen Süssholz. Radix Ononidis. Hauhechelwurzel. Ononis spinös a. (Papilionaceae). — Europa. Eine sehr lange, tief längsfurchige, kantige und oft ge- drehte, vielköpfige Wurzel von grosser Zähigkeit, aussen graubraun, innen weiss. Die Rinde ist sehr dünn, das Holz starkfaserig, auf dem Querschnitte deutlich und fächerartig gestrahlt, das Mark sehr klein und oft excentrisch. (Fig. 464.) Geschmack: etwas herbe, kratzend. Bestandteile: Harz, zwei eigentümliche Stoffe (Ononin und Ononid). Anwendung: Zu Species ad decoctum lignorum. Fig. 464. Fig. 465. Rad. Ononidis. Querschnitt, a. Peruanische Ratanhiawurzel; b. R. aus mehrfach vergr. Granada; c. R. aus Brasilien in Querschnitten. Radix Ratanhiae. Ratanhiawurzel. Krameria triandra. (Polygaleae). — Peru. Ziemlich dicke , vielköpfige Wurzeln mit langen , walzlichen, fingerdicken Ästen, aussen rotbraun, mit hellem Holze. Die Rinde sechs- bis achtmal dünner als das feinstrahlige, dichte Holz. (Fig. 465 a.). — Die Rinde besitzt einen herben, bitterlichen Geschmack. Verwechslungen: 1. Die Ratanhia aus Neu- Granada (Fig. 465 b) sog. Sabanilla-R. , mit dem Stich ins Violette. 2. Die Ratanhia aus Brasilien (c), dunkler, mehr braun. Beide sind mit dickerer Rinde versehen. Bestandteile: eisengrünende Gerbsäure und Ratanhia-Rot (deren Spaltungsprodukt) nur in der Rinde. (Die Sabanilla-R. hat eisen schwärz ende Gerbsäure.) Anwendung: Als kräftig ad strin gierendes Mittel, zu Extrakt. 545 Fkf. 466. ß) Konsistenz der Wurzel fleischig, trocken spröde, oft kornartig. aa) Mit Balsamsclüäuchen durchsetzte, daher gewürzige Wurzeln. aa) Verästelte 'Wurzeln. Radix Angelicae. Engelwurzel. Archangelica officinalis. (Umbelliferae). — Europa. Ein dicker, fingerlanger Knollstock, mit zahlreichen, langen, federkieldicken Ästen; dunkel-, fast schwärzlich- braun, innen weiss, etwas schwammig. Auf dem Querschnitte zeigt die dicke Rinde zahlreiche gelbe Balsamschläuche, deren Öffnungen deut- lich sichtbar sind und die Gefässöffnungen an "Weite übertreffen. (Fig. 466.) — Geschmack bitterlich, brennend; Geruch eigentümlich gewürzhaft. Verwechslungen: Die Wurzel vonAngelica silvestris ist viel kleiner, dünner, holzig, wenig Rad. Angelicae. geWÜrzhaft. Querschnitt. Bestandteile: äther. Öl, Harz (Angelicin), Angelikasäure. — Die Wurzel ist in Blechgefässen aufzubewahren. Anwendung: Zu Spiritus Angelicae comp. Radix Levistici, Liebstöckelwurzel. Levisticum officinale. (Umbelliferae). — Europa, Eine finger- bis handlange, 3 — 4 cm dicke Wurzel, mit wenig Ästen, gelbbraun, innen weiss, schwammig. Die dicke, zerklüftete Rinde zeigt zahlreiche, kreisförmig geordnete, gelbe, sehr enge Balsamschläuche. (Fig. 467.) — Geschmack süsslich, brennend ; Geruch eigen- tümlich gewürzhaft. Bestandteile: äther. Öl, Harz, Extraktivstoff. Rad levistici — Man bewahrt die "Wurzel in Blechgefässen. Querschnitt. Anwendung: ZuSpec. diureticae und anderen Theemischuagen. ßß) Wurzeln unverzweigt. Radix Pimpineliae. Pimpineilwurzel. Pimpinella Saxifraga und P. magna. (Umbelliferae). — Europa, Die Wurzel ist ziemlich lang, über feder- kieldick, bei der erstgenannten Art einfach, bei der zweiten öfters ve r z wei gt, oben stets mehrköpfig und schwach geringelt, der Quere nach warzig; aussen braun gelb, innen weiss. Auf dem Quer- schnitt (Fig. 468) zeigt die dicke Rinde gelbliche,,, , %• ^8-, kleine Balsamschläuche in radialer Anord- RadQuPeSSt nung. Geruch eigentümlich, bockartig; Ge- mehrf. vergr. schmack süsslich, hintennach scharf b eissend. Schlickum, Apothekerlehrling. 35 — 546 — Verwechslungen: 1. Die Wurzel von Peuce da n um Oreo- selinum ist grösser, weniger scharf und zeigt einen Holzkörper aus getrennten, keilförmigen, strahlig geordneten Gefässbündeln. — 2. Die Wurzel von Heracleum Sphondylium ist ockergelb, innen schwammig und nicht strahlig, mit grobporigem Holze. Bestandteile: äther. Öl, Harz. Anwendung: Zu Tinctura Pimpinellae (auch Extractum), gegen Heiserkeit. Radix Pyrethri. Bertramwurzel. Anacyclus officinarum. (Compositae). — Europa. Eine einfache, höchstens federkieldicke, leicht zerbrechliche Wurzel, oben mit Blattstielresten beschopft, graubraun, innen blassbraun. Auf dem Querschnitte zeigt die dicke Rinde einen Kreis von Balsam- schläuchen. — Geschmack brennend scharf, speichelziehend. Geruch fehlt. Verwechslungen: Die sog. italienische Bertramwurzel von Anacyclus Pyrethrum ist von doppelter Dicke, tiefgefurcht und hart, fest, sonst aber von gleicher Güte (in Italien off.). Bestandteile: scharfes Harz (Pyrethrin), Inulin. Anwendung: zu Pilulae odontalgicae, Tinct. Spülanthis comp., gegen Zahnweh. Radix Carlin ae. Eberwurzel. Carlina acaulis. (Compositae). — Alpen. Eine einfache, daumendicke, lange Wurzel, oben vielköpfig, braun, innen blässer, längsrunzelig und mit blossgelegtem, netzartig welligem Holze, das auf dem Querschnitte strahlig erscheint und braun- rote Harzgänge zeigt. — Geschmack bitter, brennend scharf; Geruch eigentümlich, unangenehm. Bestandteile: äther. Öl, Harz. Anwendung: früher hochgeschätzt, jetzt obsolet. bb) Wurzeln ohne Balsamgänge, daher gewürzlos. aa) Holzkörper die Rinde überwiegend. Radix Senegae. Senegawurzel. Polygala Senega. (Polygaleae). — Nordamerika. Eine federkieldicke, armästige, häufig gewundene Wurzel, auf der Innenseite der Biegung scharf gekielt, auf der Aussen- seite höckerig; mehrköpfig, gelb- lich. Der durch die Biegung geführte Querschnitt (Fig. 469 a) zeigt einer- seits den aus Rindenschichten ge- bildeten Kiel; auf der gegenüber a Fig. 469. b befindlichen Seite erscheint das Holz , n ^td' Sene^aße: unvollständig und ausgeschnitten. a Querschnitte an einer Biegung; ~*+w~ ö 0 d am oberen Teüe; (h Holz, r Rinde). — Geschmack kratzend. Beimischung: Die rübenförmige Radix Ninsi (von Panax quinquefolia). 547 — Bestandteile: Senegin (== Saponin), Harz, Gummi. Anwendung: Extractum und Syrupus Senegae; gegen Husten . Radix Saponariae. Seifenwurzel. Saponaria officinalis. (Caryophylleae). — Europa. Eine sehr verlängerte, federkieldicke Wurzel mit gegenstän- digen Knoten, an denen die Wurzelzasern entspringen; die rotbraune, innen weisse Rinde umschliesst ein gelbliches Holz. Häufig hangen ihr noch Stengelreste an, mit angeschwollenen Knoten. — Geschmack kratzend, süsslich, nachher bitterlich. Die Abkochung schäumt wie Seifenwasser. Bestandteile: Saponin (in Glykosid, dessen Lösung schäumt), Gummi. Anwendung: jetzt obsolet; technisch zur Fleckenreinigung. Radix Bardanae. Klettenwurzel. Lappa officinalis (L. major), L. minor und L. tomentosa (Arctium Bardana). Compositae. — Europa, r Eine einfache, fingerdicke, lange Wurzel, grau- £J braun, innen blassbräunlich ; auf dem Querschnitte (Fig. 470) zeigt die dicke, zerklüftete Rinde eine weiss filzige Auskleidung ihrer Lücken; das strahlige ~h Holz umgiebt ein dünnes, weisses, zerrissenes Mark. — Geschmack süsslich, schleimig. Bestandteile: Inulin, Schleim u. a. m. Anwendung: zu Species ad decoct. lignorum. Radix Alkannae. Alkannawurzel. ^S- 470. Alkanna tinctora. (Boragineae). — Orient. Rad- Bardanae. Eine einfache spindelige, fingerdicke Wurzel, mit <4uersc leicht sich abblätternder, weicher, dunkelroter Rinde und hartem, weissem Holze. Bestandteile: Alkannin (ein roter, in Weingeist und Ölen, aber nicht in Wasser löslicher Farbstoff). Anwendung; zur Färbung von Fetten, z. B. Ceratum Cetacei rubr. ßß) Rinde den Holzkörjier überwiegend. Radix Taraxaci, Löwenzahnwurzel. Taraxacum officinale (Leontodon Taraxacum) sitae. — Europa. Eine fusslange, fingerdicke, spindelige Wurzel, viel- köpfig, arm ästig, dunkelbraun. Auf dem Quer- schnitte (Fig. 471) zeigt die dicke, innen weisse Rinde zahlreiche konzentrische Schichten, welche sie schwammig-blätterig machen; das centraleHolz ist citronengelb, strahlig. —Geschmack Fig. 471. bitterlich. Rd- Taraxaci. Bestandteile: Inulin, Bitterstoff, Salze. Anwendung: Nebst dem Kraute frisch zu Extrakt. Radix Ipecacuanhae. Brechwurzel. Psychotria (Cephaelis) Ipecacuanha. (Rubiaceae). — Brasilien. 35* Compo- — 548 Eine hin- und hergebogene, federkieldicke, einfache, nach oben wie nach unten verschmälerte, dunkelgraue Wurzel, mit vielen wulstigen Ringen, welche sie unvollständig umziehen und tiefe, oft bis auf den Holzkörper reichende Einschnitte zeigen. (Fig. 472.) Die graue, dicke Rinde umschliesst ein dünnes, hellgelbes Holz. — Geschmack widerlich bitter, Geruch schwach. Fig. 472. Fig. 473. Fig. 474. Rad. Ipecacuanh. grisea. Rad. Ipecac. imdulata. Rad. Ipecac. nigra. Verwechslungen: 1. Rad. Ipecacuanhae undulata (Fig. 473), von Richardsonia scabra, unterscheidet sich durch die seichten Einschnitte zwischen den schwachen Wülsten und die weisslicbgraue, mehlige, süssliche Rinde. — 2. Rad. Ipecacuanhae nigra oder striata (Fig. 474) von Psychotria emetica ist an- sehnlich dicker, schwärzlich, mit dickerem Holzkörper, aussen dicht längsgestreift; frei von Stärkemehl, daher auf dem Bruche fast hornartig. Beiden fehlt das Emetin. Bestandteile: lV2°/o Emetin (fast nur in der Rinde, daber beim Pulvern das restierende Holz weggeworfen wird), viel Stärke- mehl. Daher wird der salzsaure Auszug der Wurzel durch Chlor- kalk gerötet (Emetin), durch Jodlösung gebläut (Stärke.) Im wässerigen Auszug ruft Jodkalium-Quecksilberjodid eine Trübung hervor (Emetin). Anwendung: In sehr kleinen Gaben die Sekretion der Luft- wege befördernd, in grösseren Gaben als Brechmittel. Zu Syrup, Tinktur und Vinum. b) Wurzeln mit markigem, ungestrahltem Hohe, in welchem die Gefässbündel verteilt liegen. — Consistenz nicht holzig, a) Wurzel walzenförmig, nicht selten längsgespalten; gewürzlos. Radix ASthaeae. Eibischwurzel. Althaea officinalis. (Malvaceae). — Europa. Fingerdicke, lange, walzenförmige Wurzeln, welche durch das — 549 Fig. 475. Rad. Althaeae. Querschnitt. Abschälen der äusseren Rinde weiss erscheinen und einen faserigen Bast besitzen. Auf dem Querschnitte zeigt der grosse, mehlige Holzkörper in seinem markigen Gewebe Poren (zerstreute Gefässe). — Geschmack süsslicb, schleimig. Bestandteile: Schleim, Stärkemehl, Asparagin, Salze. Ein kaltbereiteter wässeriger Auszug ist schlei- mig, ohne das Stärkemehl zu enthalten ; die wässerige Abkochung ist dagegen kleisterhaltig, wird daher durch Jodlösung gebläut. Anwendung: Als Infusum bei gereizten Schleim- häuten; zu Syrup. Radix Gentianae. Enzianwurzel. Gentiana lutea, G. pannonica, G. purpurea und G. punctata (Gentianeae). — Alpen. Charakteristik: Eine über fingerdicke, sehr lange, arm- ästige, oft im Handel gespaltene, oberwärts dicht geringelte, gelbrötliche, innen braungelbe Wurzel, welche im frischen Zustande fleischig, ge- trocknet etwas schwammig ist. Auf dem Quer- schnitt scheidet sich die Rinde vom markigen Holz- körper durch einen dunklen Ring (Bast). (Fig. 476.) — Die graubraunen und dünneren Wurzeln ent- stammen den drei letztgenannten Arten, schmack stark bitter. Bestandteile: Bitterstoff (Gentiopikrin), Earbestoff (Gentisin) Zucker. Anwendung: Als Bittermittel zu Extrakt und Tinktur. Radix Belladonnae. Tollkirschenwurzel. Atropa Belladonna. (Solanaceae). — Europa. Eine ziemlich dicke und lange, ästige Wurzel, welche meist gespalten im Handel vorkommt, frisch fleischig, getrocknet innen mehlig und beim Zerbrechen stäubend; aussen gelblich grau, innen weisslich. Die Kinde ist mit halbringförmigen Korknarben bedeckt und umschliesst ein Holz, dessen gelbliche Gefässbündel im Umkreis ringförmig geordnet, nach innen zu zerstreut sind. Eine holzige, schwärzliche, zähe Wurzel ist zu verwerfen; auch darf sie nicht geschält werden. — Geschmack süss- lich, nachher kratzend. Bestandteile: Atropin (0,3°/o)» Atropasäure. Anwendung: Ein stark narkotisches Mittel, die Pupille erweiternd. Radix Scammoniae. Skammoniawurzel. Convolvulus Scammonia. (Convolvulaceae). — Kleinasien, Syrien. Eine walzenförmige, sehr lange, fingerdicke Wurzel, längsriefig, bräunlich, innen blässer und harzig punktiert. Auf dem Quer- schnitt umschliesst die dünne Rinde ein aus getrennten gelben Ge- fässbündeln bestehendes Holz; die einzelnen Bündel sind strahlig und Eig. 476. Q.g_ Rad. Gentianae. Querschnitt. — 550 — durch Parenchymgewebe von einander geschieden. (Fig. 477 B.) — Geschmack kratzend, süsslich herbe. Verwechslungen: Radix Turpethi (von Convolvulus Turpethum) unterscheidet sich durch ein centrales , strahliges Holz und dickere Rinde, worin einzelne Holzbündel zerstreut verlaufen. Bestandteile: Harz (Jalapin), Zucker, Gerbsäure. Anwendung1: Zur Darstellung von Resina Scammoniae. Fig. 477. Fig. 478. A.Rad. Scammoniae; B. Querschnitt ders. A. Rad. Helenii; B, Querschnitt ders. ß) Wurzel knollig, aa) Wurzel gewürzig. Radix Helenii. Alantwurzel. Inula Helenium. (Compositae). — Europa. Die dicke Hauptwurzel kommt im Handel geschält und der Länge nach zerschnitten, nebst den dünneren walzlichen, geschäl- ten Ästen vor. Sie ist weisslich gelb, frisch fleischig, trocken hart und spröde, feucht geworden zähe. Auf dem Querschnitte wird die ziemlich dicke Kinde durch einen dunklen King vom fleischigen Holzkörper getrennt; letzterer zeigt breite Markstrahlen. (Fig. 478 B.) Die Rinde ist mit vielen glänzenden, braunen Ölgängen und weissen Krystallen (Alantkampfer) durchsetzt. — Geschmack bitter, Geruch eigentümlich ge würzig. Bestandteile: Alantkampfer (Helenin), Inulin (statt der Stärke), Bitterstoff. Anwendung: Als harntreibendes und schleimlösendes Mittel, zu Extrakt. bb) Wurzel gewürzlos. Radix Colombo. Kolombowurzel. Jateorrhiza Calumba. (Menispermeae). — Ostafrika, in Ostindien kultiviert. Die fusslange, knollige Wurzel kommt in Querscheiben 551 zerschnitten zu uns, welche kreisrund, aussen runzelig, graubraun, auf der Schnittfläche grünlichgelb, markig-mehlig sind. Zwischen Einde und Holz verläuft ein dunkler, radial durchstreif- ter Ring (Kambium); im Holzkörper bemerkt man konzentrisch geordnete Gefässbündel, aber keine Jahresringe. (Fig. 484.) Unter •dem Mikroskop zeigt das Gewebe der Wurzel ansehnliche Stärke- körnchen, welche bei Zusatz von Jodlösung sich bläuen. — Geschmack schleimig, stark bitter. Verwechslungen: Die am erikanische Kolo mb o wurzel {von Frasera Carolinensis) ist mehr fahlgelb , ohne dunklen Kam- biumring, und wird durch Jodlösung gebräunt (nicht gebläut). — Die Radix Bryoniae ist weisslich, mit konzentrischen Kreisen (Jahresringen). Bestandteile: Berberin (ein Alkaloi'd), Columbin (Bitterstoff), Stärkemehl Anwendung: Als bitteres Tonicum gegen Diarrhöe , Magen- und Darmkatarrh, zu Dekokten und Extrakt. ■*-;:...---' •■"■■■'. •'■;■-."■■■ - ..■■.■,.■ • •:-■•-■ Fig. 479. Rad. Colombo. r Rinde, k Kambium, h Holz. Fig. 480. Querschnitt der echten Rhabarber. Radix Rhei. Rhabarberwurzel. Rheum officinale. (Polygoneae). — Hochasien (Quellgebiet des Hoangho). Die knollige Wurzel kommt mehr oder weniger geschält (mundiert) und in Stücken zerschnitten zu uns, welche mit einem Bohrloche versehen, gelb, mit weissen und roten Strichelchen marmoriert und oft flammig gezeichnet sind. (Fig. 480.) Radiale Strahlen fehlen. Konsistenz dicht markig, nicht holzig; zwischen den Zähnen knirschend und den Speichel gelbfärbend. Geschmack bitter, herbe; Geruch eigentümlich. Die Wurzel gelangt aus den chinesischen Häfen (vorzugs- weise aus Schanghai) zur See über England zu uns (Chinesische Rhabarber). Früher kam eine sehr gute, ausgelesene Rhabar- ber über Sibirien und Russland nach Europa (Russische Rha- barber), welche tiefer geschält, daher gelber, weicher und mehr 552 bestäubt erschien und einen hohen Preis behauptete. Seit 1860 hörte deren Zufahr auf. Verwechslungen: Die europäische Rhabarber : a) Die öster- reichische (von Rheum palmatum u. a. A.) (Fig. 481), unter- scheidet sich durch die auf dem Querschnitt ganz gerade und regelmässig sternförmig verlaufenden, roten Markstrahlen. b) Die englische Rha- barber ist der vorigen ähn- lich, zeigt aber auf dem Quer- schnitte die Strahlen nur im Umkreise, sowie weisse wie rote Punkte in der Mitte. Bestandteile: Chryso- phan säure (löslich in Atz- alkalien mit roter Farbe), Emodin (löslich in kohlen- sauren Alkalien mit roter Farbe),Harze, eisengrünende Gerbsäure,Stärkemehl, oxal- saurer Kalk u. a. m. Anwendung: Ein in kleinen Gaben tonisches Mittel, in grösseren Gaben (1—3 g) Stuhlgang erzeu- gend; zu Extrakt, Syrup, Tinctura Rhei aquosa und vinosa. Fig. 481. Europäische Rhabarber mit ihrem Querschnitte (B). B. Zusammengesetzte Wurzeln. a. Nebenwurzeln mit den Wurzelstöcken gebräuchlich. a) Wurzel gewürzig. Radix Valerianae. Baldrianwurzel. Valeriana officinalis. (Valerianeae). — Europa. Ein kurzer, knolliger "Wurzelstock, mit zahlreichen, langen, dünnen, stielrunden Neben wurzeln besetzt, aussen und innen braun, fleischig (nicht holzig). Auf dem Längs- schnitte (Fig. 482 B) und Querschnitte (C) des Wurzelstockes zeigt der fleischige und braune Holzkörper einen Kreis getrennter, heller Gefässbündel und umschliesst ein weites, braunes Mark. Die Nebenwurzeln zeigen auf dem Querschnitte (D) eine dicke Rinde und dünnen, centralen Holzkörper. — Geschmack bitter, gewürzhaft; Geruch eigentümlich, stark. Beimischungen: Nicht selten ähnliche, aber hellfarbige und geruchlose Wurzeln von Ranunkeln und Cynanchum Vincetoxicum. OOO — Bestandteile: äther. Öl mit Baldriansäure, Harz, Gummi, ExtraktivstofF. Man bewahrt die Wurzel in Blechbüchsen. Anwendung: Als krampfstillendes, nervenberuhigendes Mittel; liefert Extrakt, Öl und zwei Tinkturen. Fig. 482. _ Fig. 483. A. Rad. Valerianae; Rad. Serpentariae ; B. Längsschnitt, C. Querschnitt des Wurzelstocks; a Querschnitt des Wurzelstocks. D der einer Netzwurzel. Radix Serpentariae. Virginische Schlangenwurzel. Aristolochia Serpentaria. (Aristplochiaceae). — Nordamerika. Ein federkieldicker, gewundener Wurzelstock, oberwärts mit kurzen Stengelresten, nach unten mit zahlreichen, fast fingerlangen, zerbrech- lichen Nebenwurzeln besetzt; gelbbraun. Auf dem Querschnitt des Wurzelstocks umschliesst die Rinde ein breit- und fächerförmig ge- strahltes Holz mit excentrischem, mehr nach oben liegendem Mark. Fig. 483. — Geschmack bitter, Geruch kampferartig. Bestandteile: äther. Öl, Harz, Extraktivstoff. — Man bewahrt die Wurzel in Blechbüchsen auf. Anwendung: Als anregendes Mittel, in Nordamerika gegen den Schlangenbiss. Radix Arnieae. Wohlverleihwurzel. Arnica montana. (Compositae). — Europa. Einfederkieldicker, schief oder horizontal verlaufender, harter, biauner Wurzelstock, nur nach unten mit zahlreichen, zerbrechlichen Nebenwurzeln besetzt. Auf dem Querschnitte des Wurzelstocks (Fig. 484 B) umgiebt die ziemlich dicke, weisse Rinde (r) ein gelbes, strahliges Holz (h) mit einem Kreis von Balsam- schläuchen (g); zuinnerst liegt ein weites, weissliches Mark (m). — Geschmack bitterlich gewürzhaft, krat- A Fg. 484. B zend; Geruch eigentümlich A. Rad. Arnieae; B. Quersichn. d. Wurzelstocks. — 554 — Verwechslungen: Die Wurzeln von Achyrophorus maculatus (Hypochoeris rnaculata), Betonica officinalis, Fragaria vesca, Soli- dago Virgaurea, Eupatorium cannabinum und Hieraciuni- Arten sind zum Teil dicker, aber stets ohne den Kreis von Balsamgängen; auch stehen die Nebenwurzeln allseitig. Am ähnlichsten ist noch die Erdbeer- wurzel, aber ohne Schärfe und Gewürz. Bestandteile: äther. Öl, Harz, Gerbsäure. Anwendung: ähnlich den Woblverleihblüten, jedoch, weil gerbstoff- reicher, gegen Durchfall. Radix Asari. Haselwurzel. Asarum europaeum. (Aristolochieae). — Europa. Fig. 485. A. Radis Asari; B. Querschnitt des Wurzelstocks. Ein dünner, stumpf vierkantiger, ausläuferartiger Wurzelstock; graubraun, lang gegliedert, an den entfernten Knoten mit helleren Nebenwurzeln besetzt und an dem oberen Ende mit je zwei gestielten, nierenförmigen Blättern, welche vor der Dispensation abzuschneiden sind. Auf dem Querschnitt des Wurzelstocks (Fig. 485 B) wird die dicke Rinde durch einen braunen Ring vom schmalen, strahligen Holzkörper ge- trennt, welcher ein weites Mark umschliesst. — Geschmack pfefferartig, brennend; Geruch kampferartig. Bestandteile: Asantkampfer (Asarin). Anwendung: als abführendes und harntreibendes Vieharzneimittel. ß) Wurzel gewürzlos. Radix Hellebon viridis. Grüne Nieswurzel. Helleborus viridis. (Ranunculaceae.) — Europa. Ein nach oben ästiger Wurzelstock, dicht besetzt mitlangen, dünnen, zer- brechlichen Neben wurzeln, braunschwarz, innen weiss- lich. Auf dem Querschnitt des Wurzelstocks (Fig. 486 a) ist die ziemlich dicke Rinde vom weiten Mark durch einen schmalen , aus keilförmigen, Fig. 486. Rad. Helleb. vir. a Quersohn. d. Wurzelstocks ; b. einer Nebenwurzel. 555 — Holzbündeln gebildeten Ring getrennt. Der Querschnitt einer Nebenwurzel (b) zeigt ein centrales Holz, ohne Mark. — Geschmack bitter (nicht scharf!). Verwechslungen: Um die grüne Nieswurzel von der früher gebräuch- lichen, sehr ähnlichen, aber bitter-scharf schmeckenden Wurzel von Helle - borus niger zu unterscheiden, soll sie noch mit den fussförmigen Wurzel- blättern versehen sein, deren Blättchen am ganzen Rande scharfge- •sägt sind, während die Blättchen von Helleborus niger lederig und nur gegen die Spitze hin schwachgesägt sind. - — Adonis vernalis und Actaea spicata, deren Wurzeln ähnlich sind, ermangeln der fuss- förmigen Blätter. Bestandteile: Helleborin und Helleborein. Anwendung: ein narkotisches Mittel, zugleich drastisch wirkend. Liefert eine Tinktur und ein Extrakt. Radix Sarsaparillae. Sarsaparillwurzel. Smilax- Arten (Asparageae). — Central amerika (Honduras). Sehr lange, federkieldicke, längsstreifige, gelb- braune, innen weisse Nebenwurzeln, teils ohne den knolligen Wurzelstock , teils mit demselben im Handel vorkommend und dann nach zwei Seiten auseinander gebogen und über den Wurzel- stock nochmals umgeschlagen, so dass letzterer in die Mitte zu liegen kommt. Der Querschnitt (Fig. 487) zeigt eine breite, weisse, mehlige, hornartige Rinde (r), einen Holzring (h) ohne Markstrahlen und ein fast ebenso breites weisses Mark (in). Fig. 487. Fig. 488. Fig. 489. Fig. 490. Honduras-Sarsaparille. Caracas -Sars. Lissaboner Sars. Mexikanische Sars. Verwechslungen: Andere Handelssorten sind: 1. Sarsaparille von Caracas (Venezuela), hell- oder röt- iichbraun ; auf dem Querschnitt mit ähnlichen Verhältnissen wie bei der offizineilen Honduras-Sarsaparille. (Fig. 488.) Sie kommt mit dem "Wurzelstock vor, zu mehreren zusammengelegt und mit einigen Wurzeln lose umwickelt. 2. Sarsaparille von Para (Brasilien), sogen. Lissaboner S., rötlich tiefbraun, auf dem Querschnitt ist das Mark 3 — 8 mal breiter als der Holzring. (Fig. 489.) Sie kommt ohne den Wurzel- stock vor, in beiderseits abgeschnittenen Bündeln (sogen. Puppen). 3. Sarsaparille von Vera- Cruz (Mexiko), tiefgefurcht, meist mit dem Wurzelstock in loser Verpackung und mit Erde überdeckt; auf dem Querschnitt ist das Mark schmäler als der Holzring. (Fig. 490.) 556 — Bestandteile: 1 — 2% Smilacin , Parillinsäure (Salseparin), Stärkemehl. Anwendung: Gegen syphilitische Leiden, im Decoctum Sarsa- parillae comp. (Dec. Zittmanni). b) Nur die Nebenwurzeln gebräuchlich. Radix Artemisiae. Beifusswurzel. Artemisia vulgaris. (Compositae.) — Europa. Sehr lange, dünne, hin und her gebogene, wenig ver- ästelte, aussen blassbraune, innen weisse Nebenwurzel, auf deren Querschnitt (Fig. 491) das schmale centrale Holz mit ringförmig geordneten braunroten Balsamschläuchen umgeben er- scheint. — Geschmack süsslich scharf; Geruch schwach. Fig. 491. Diese Nebenwurzeln entspringen aus einem walzenförmigen, holzigen, bis zolldicken Wurzelstock, von welchem sie im frischen Zustande, ohne abgewaschen zu werden, abzuschneiden sind. Jährlich zu erneuern ! Bestandteile: äther. Öl, Harz, Gerbsäure (in der Rinde, weshalb beim Pulvern der restierende Holzkörper weggeworfen werde). Anwendung: als mildes Tonicum, spezifisch gegen Epilepsie gerühmt. Schlüssel zur Bestimmung der Wurzeln. A. Hauptwurzeln oder nur Nebenwurzeln. I. Wurzel geschält (der Aussenrinde beraubt). a) Wurzel weich, weiss, mit faserigem Bast. Rad. Althaeae. b) Wurzel gelb, faserig holzig Rad. Liquiritiae mund. c) Wurzel weisslich, hornartig spröde . . Rad. Helenii. d) Gelbe, weiss- und rotmarmorierte, markige Stücke Rad. Rhei. IL Ungeschälte Wurzeln. A. Wurzel aussen hochrot, innen blasser. a) Rinde purpurn, blätterig Rad. Alkannae. b) Rinde braunrot, dünn; Holz fest . . . Rad. Ratanhiae. B. Wurzel aussen braun, grau oder gelb. a) Wurzel innen gelb. a) Wurzel walzenförmig, holzig-faserig . Rad. Liquiritiae glabr. ß) Wurzel in Scheiben geschnitten, mehlig Rad. Colombo. b) Wurzel innen bräunlich, markig-fleischig. a) Wurzel aussen netzig- wellig .... Rad. Carlinae. ß) Wurzel oberwärts querrunzelig . . . Rad. Gentianae. c) Wurzel innen weiss oder weisslich. a) Wurzel federkieldick, meist unverzweigt, aa) Wurzel spindelig, fingerlang. 1. Wurzel schwach r gewunden. aa) Wurzel sehr dünn, geruchlos Rad. Pyrethri. ßß) Wurzel cpierwarzig, gewürzig Rad. Pimpinellae. 2. Wurzel gebogen und gekielt . Rad. Senegae. bb) Wurzel verlängert-walzenförmig. 1. Wurzel rötlichbraun. aa) Wurzel mit gegenständigen Knoten Rad. Saponariae. ßß) Wurzel ohne Knoten, längs- gestreift Rad. Sarsaparillae. — 557 2. Wurzel graubraun, dünn . . . 3. Wurzel dunkelgrau, wulstig ge- ringelt ß) Wurzel fingerdick und darüber. aa) Wurzel von gewürzigem Geruch. aa) Wurzel kurz, dick, mit Asten dicht besetzt, dunkelbraun . ßß) Wurzel gelb, armästig . . bb) Wurzel geruchlos. 1. Rinde dünner wie das Holz. aa) Wurzel zähe faserig, tiefge- furcht . . ßß) Wurzel fest, innen mit ge- trennten , gelben Holzbündelu yy) Wurzel innen zerklüftet und weissfilzig oo) Wurzel innen mehlig-markig, bei Zerbrechen stäubend 2. Rinde blätterig, dicker als das gelbe Holz Rad. Artemisiae. Rad. Ipecacuanhae. Rad. Angelicae. Rad. Levistici. Rad. Ononidis. Rad. Scammoniae. Rad. Bardanae. Rad. Belladonnae. Rad. Taraxaci. B. Wurzelstöcke mit Nebenwurzeln. A. Wurzelstock dicht mit Nebenwurzeln besetzt, a) Wurzelstock gestreckt, federkieldick, innen weiss. Rad. Rad. Hellebori viridis. Arnicae. Rad. Serpentariae. Rad. Valerianae. a) Wurzelstock dunkelbraun, geruchlos (mit fussteiligen, scharfgesägten Blättern) ß) Wurzelstock braun, gewürzig . y) Wurzelstock gelb, gewunden, kampfer artig riechend b) Wurzelstock kurz, knollig, innen braun B. Wurzelstock nur an den entfernten Knoten bewurzelt, graubraun, kampferartig riechend Rad. Asari. 2. Die offizmellen Wurzelstöcke (Rhizornata). Man sammelt sie im Herbste oder zu Beginn des Frühlings und trocknet sie nach Entfernung der Nebenwurzeln. A. Dikotyledonisclie Wurzelstöcke. Auf dem Querschnitte zwischen Rinde und Mark ein Kreis von Gefässbündeln. Mark fest umgrenzt und mit der Rinde durch Markstrahlen verbunden. Rhizoma Imperatoriae. Meisterwurzel. Imperatoria Ostrutkium. (Urnbelliferae). — Alpen. Ein gestreckter, fingerdicker, etwas flach gedrückter, graubrauner, warziger und geringelter Wurzelstock, von fleischiger (nicht holziger) Konsistenz, auf dem Querschnitt (Fig 492) blassgelb. Zwischen der dünnen Rinde (a) und dem weitern Mark (c) verläuft ein Rh%*3Jtt°me' schmaler Holzring (b) ; Rinde und Mark sind mit Fig. 492. — 558 — grossen Balsam schlauchen (d) durchsetzt. — Geschmack bitter- lich, brennend; Geruch stark gewürzig. Bestandteile: äther. Öl, Imperatorin (krystallinischer , in- differenter Stoff von scharfem Geschmacke). Anwendung: Früher ein berühmtes Anregungs- und Schweiss- mittel. Rhizoma Torrnentillae, Tormentillwurzel. Potentilla Tormentilla. (Rosaceae) — Europa. Ein knolliger Wurzelstock , bald einfach, bald verzweigt, bald rundlich, bald walzenförmig und dann meist gekrümmt, fingerdick und höchstens fingerlang, fest und hart, aussen dunkelbraun, höckerig und von den abgeschnittenen Neben- wurzeln genarbt, innen braunrot. Auf dem Querschnitt be- merkt man zwischen der dünnen Rinde und dem grossen, tief- roten Marke mehrere (oft in mehrere Keinen geordnete) helle Holzbündel. — Geschmack sehr herbe; Geruch fehlt. Bestandteile: Gerbsäure. Anwendung: Gegen den Durchfall der Haustiere. B. Monokotyledonische Wurzelstöcke. Auf dem Querschnitte zeigen sie einen Holzkörper mit zerstreut geordneten Qefässbündeln, ohne Mark strahlen. Mark ohne feste Umgrenzung. Zwischen Rinde und Holzkörper verläuft als dunkle Linie die Kernscheide a) Halmartige Wurzelstöcke. (Wurzelstöcke mit entfernten Knoten.) Rhizoma Graminis, Queckenwurzel, Triticum repens. (Gramineae). — Europa. Ein halm artiger, stielrunder, röhrig-hohler, strohgelber Wurzelstock , dessen Querschnitt ein e weisse Rindenschicht, einen schmalen, nach innen zu nicht scharf abgegrenzten Holzring und ein einge- Pig. 493._ schrumpft es Mark zeigt (Fig. 493). Meist kommt RQuMs^itt1S er *m Handel zerschnitten vor. Bestandteile: Zucker, Gummi, Salze. Anwendung: Zu Extractum Graminis. Rhizoma Caricis. Sandriedgraswurzel, rothe Quecke. Carex arenaria. (Cyperacea). — Europa. Ein halmartiger, ästiger, graubrauner Wurzelstock, der nur an den enfernt stehenden Knoten mit braunen, zerfetzten Blattscheiden und Nebenwurzeln besetzt ist. Auf dem Querschnitt (Fig. 494) zeigt er eine Rinde mit einem Kreise weiter Luftgänge (1), unter der Kernscheide (k) einen weissen Holzkörper mit zerstreuten Gefässbündeln (h) und einem Mark (rn) ohne feste Begrenzung. — Geschmack süsslich, später bitterlich, kratzend. Verwechslung: Der Wurzelstock von Carex hirta ist aussen braunrot, auch zwischen den Knoten bewurzelt und ohne Luft- gänge in der Rinde. Fig. 494. Fig. 495. Rhiz. Caricis. Querschnitt. Rhiz. Calami. Querschnitt. Bestandteile: Harz, Stärkemehl, Extraktivstoff. Anwendung: harn- und schweisstreibend, obsolet. b) Wurzelstock nicht halmartig. a) Wurzelstock walzenförmig. Rhizoma Calami, Kalmuswurzel. Acorus Calamus. (Aroideae). — Europa. Ein walzenförmiger, über fingerdicker, etwas zusammen- gedrückter Wurzelstock, mit grünlicher, rötlicher oder bräunlicher, dicht geringelter Rinde, welche durch die Blattnarben in drei- eckige Felder geteilt ist. Innen erscheint der Wurzelstock weiss- lich und durch zahlreiche Luftgänge schwammig. Auf dem Querschnitt (Fig. 495) zeigt er unter der porösen Rinden- schicht ein ebenfalls poröses Holz mit zerstreuten Gefässbündeln. — Geschmack bitter; Geruch gewürzhaft. Bestandteile: äther. Öl, Harz u. a., aber kaum Gerbstoff: Anwendung: Bitteres und aromatisches Mittel, zu Extractum, Oleum und Tinctura Calami. ß) Wurzelstock knollig, aa) Wurzelstock ohne TJarzzellen. Rhizoma Iridis. Veilchenwurzel. Iris florentina, I. pallida und I. germanica. (Irideae). — In Ober- italien (bei Florenz) kultiviert. Ein harter, aus knollig verdickten, rundlich plattgedrückten Jahres- trieben gegliederter Wurzelstock; durchAbschälen der gelblichen Rinde aussen und innen weisslich, unter- seits von den abgeschnittenen Neben- wurzeln genarbt. (Fig. 496 numeriert die Jahres triebe). Auf dem Querschnitte erscheint eine dichte Rinde und mehliges Holz mit zerstreuten Gefässbündeln. — Geschmack bitterlich- schleimig, etwas scharf; Geruch veilchenartig. Fig. 496. Rhiz. Iridis. 560 Bestandteile: äther. Öl, Harz, Extraktiv stoff, Stärkemehl. Anwendung: Zu Spec. pecorales, als Volksmittel für zahnende Kinder. Rhizoma Veratri, weisse Nieswurzel. Veratrum album. (Colchicaceae). — Alpen. Ein kegeliger, fast fingerlanger, oben 2 — 3 cm dicker, nicht selten mehrköpfiger und oberwärts verzweigter, daselbst durch Blattreste kurz geschöpfter Wurzelstock, aussen dunkelgrau, mit vielen weissen Narben der abgeschnittenen Neben würz ein, innen weisslich, hart. Auf dem Längsschnitt (Fig. 497 a) und Quer- schnitt (b) zeigt der markige Wurzelstock zwischen der Rinde und dem Holzkörper eine braune Kernscheide und im Holze zerstreute bräunliche Gefässbündel, dazwischen aber, wie auch in der Rinde, zahlreiche Lücken. — Geschmack brennend scharf und bitter. Das Pulver erregt sehr heftiges Niesen. Bestandteile: Jervin, Veratrin (nach Dragendorf Vera- troidin), Harz, Gerbsäure u. a. m. Anwendung: Innerlich ein scharfes Narcoticum ; äusserlich gegen Krätze und als Niespulver. Fig. 497. Fig. 498. Rhiz. Veratri. a. Längsschnitt; b. Querschnitt. Rhiz. Galangae. Querschnitt. bb) Wurzelstock mit Harzzellen durchsetzt. Rhizoma Galangae, Galgantwurzel. Alpinia officinarum. (Scitamineae). — China. Ein fingerdicker, kurzer, schwach verzweigter, stielrunder, oft knieförmig gebogener, rotbrauner, weisslich ge- ringelter Wurzelstock, auf dem Querschnitt (Fig. 498) zimt- braun, mit braunen Harzgängen punktiert, mit sehr faserigem Bruch. Ein dunkler Ring (Kernscheide) trennt die breite Rinde vom Holzkörper. — Geschmack und Geruch gewürzhaft, bitter. Bestandteile: äther. Öl, Harz. Anwendung: Zu Tinct. aromatica. 561 Fig. 499. Khiz. Zingiberis. Querschnitt. Rhizoma Zingiberis, Ingwerwurzel. Zin giber officinale. (Scitamineae). — Ostindien, China Ein zweizeilig verzweigter, etwas flacher, derber und schwerer Wurzelstock, gelbbraun, ganz oder nur auf den Flächen (nicht am Rande) geschält, innen gelblich oder weisslich und durch sehr viele gelbe Harzgänge punktiert. Auf dem Querschnitt (Fig. 499) scheidet ein dunkler Kreis (Kernscheide) die Rinde vom Holzkörper. Nur der einfach ge- trocknete Wurzelstock ist innen markig-mehlig und hellfarbig; der abgebrühte Wurzelstock erscheint innen schwärzlich und hörn artig spröde (schwarzer Ingwer). — Geruch und Ge- schmack ge würz ig, brennend. Bestandteile: äther. Öl, Harz. Anwendung: Zu Tinctura Zingiberis und Tin ct. aromatica. Rhizoma Zedoariae, Zittwerwurzel. Curcuma Zedoaria. (Scitamineae). — Ostindien. Ein ovaler, knolliger Wurzelstock, der in zollbreite Querscheiben zerschnitten zu uns kommt. Der Wurzelstock ist fest, aussen bräunlich, auf der Schnittfläche gelblich, durch Harzgänge braun punktiert. Zwischen der Rinde (Fig. 500 a) und dem helleren Holz (h) verläuft ein dunkler Ring (Kernscheide, k). Geruch und Geschmack gewürzhaft, brennend. Bestandteile: äth. Öl, Harz, Stärkemehl. Anwendung: Zu Tinctura amara. Rhizoma Curcumae, Kurkumawurzel. Curcuma longa und C. A viridiflora. (Scitamineae). — Ostindien. Ein ovaler, walnussgros- ser, knolliger Wurzelstock mit walzenförmigen , f i n g e r - dicken Asten; beide gelb- braun, schwach geringelt, fest und schwer, auf dem Quer- schnitt (Fig 501 B) pomeran- zengelb und hornartig; die dicke Rinde (r) wird vom Holz- körper (h) durch einen dunklen Kreis (Kernscheide) getrennt. — Geschmack bitterlich gewürzig; Geruch schwach. Färbt den Fig. 501. Speichel gelb. A Rhiz. Curcumae; B Querschnitt ders. Schliokum, Apothekerlehrling. 36 Fig. 500. Rhiz. Zedoariae. Querschnitt. 562 Fig. 502. Khiz. Chinae. Bestandteile: harziger Farbestoff, der sich durch Alkalien bräunt. Anwendung: zum Färben von Salben (Ungt. flavum), sowie zu Charta exploratoria lutea (Kurkuma- papier). Rhizoma Chinae, Chinawurzel. Smilax China. (Asparageae). — China, Japan. Ein v e r s c h i e d e n gestalteter, knolliger Wurzel- stock, fest und schwer, aussen von den Nebenwurzeln befreit, oft auch teilweise geschält, rotbraun, auf dem. Querschnitt rötlichweiss, mit b raunen Punkten (Harzzellen) bestreut. — Geschmack schleimig- süsslich, Geruch fehlt. Bestandteile: Smilacin, Stärkemehl. Anwendung: wie die Rad. Sarsaparillae, obsolet. C. Kryptogamische Wurzelstöcke. Auf dem Querschnitte zeigen sie einen Kreis isolierter Gefässbündel. Rhizoma Filicis, Wurnifarnwurzel. Aspidium (Polystichum) Filix mas. (Filices). — Europa. Ein zolldicker, gestreckter Wurzelstock, frisch von fleischiger, getrocknet von schwammiger Konsistenz*), dicht besetzt mit nach oben gerichteten, kantigen und innen fleischigen, glänzend schwarzbraunen Wedelresten und braunen Spreu- blättchen. Auf dem Querschnitt (Fig. 503 B) erscheinen sowohl B Fig. 503. A Rhiz. Filicis; B Querschn. des Wurzelstocks (a) u. der Wedelreste (b). *) Die übrigen einheimischen Farnkräuter besitzen keinen fleischigen Wurzelstock. - 563 — der Wurzelstock (a), wie die Wedelreste (b) grünlich und zeigen einen Kreis von isolierten, weisslichen Gefässbündeln im grünen Parenchynigewebe. Im Alter ändert die grüne Farbe des letzteren in eine zimtbraune um. — Geschmack süss-bitterlich, herbe. Geruch eigentümlich. — Der Wurzelstock ist im Herbste zu sammeln und alljährlich zu erneuern. Man entfernt die Spreu- blättchen und Nebenwurzeln, und trocknet den Wurzelstock sowie die Wedelreste vorsichtig. Zur Pulverisierung werden sie geschält. Bestandteile: fettes und wenig äther. Öl, Harz, Gummi, Zucker, Gerbsäure. Anwendung: Gegen Bandwürmer, zu Extractum Filicis, welches bei längerer Aufbewahrung krystallinische Filixsäure absetzt und dann vor dem Gebrauche gut umzuschüttein ist. Schlüssel zur Bestimmung' der Wurzelstöcke. I. Knollige oder kurz walzenförmige Wurzelstöcke. 1. Wurzelstock innen weiss. a) Wurzelstock geschält, etwas platt, wohlriechend Rhiz. Iridis. b) Wurzelstock schwärzlichbraun, kegelig . . . Rhiz. Veratri. 2. Wurzelstock innen bräunlich punktiert. a) Wurzelstock zweizeilig verzweigt, platt, grau Rhiz. Zingiberis. b) Wurzelstock knieförinig, rotbraun, geringelt . Rhiz. Galangae. c) Wurzelstock rötlichbraun, schwer, dicht . . Rhiz. Chinae. d) Wurzelstock in Scheiben, gewürzig .... Rhiz. Zedoariae. 3. Wurzelstock innen hochgelb ....... Rhiz. Curcumae. 4. Wurzelstock innen tiefrot, aussen dunkelbraun . Rhiz. Tormentillae . IL Verlängert-walzenförmige Wurzelstöcke. a) Wurzelstock gefeldert, innen weisslich, gewürzig Rhiz. Calami. b) Wurzelstock dunkelbraun, innen grünlich, markig Rhiz. Filicis. c) Wurzelstock graubraun, platt, stark riechend . Rhiz. Imperatoriae. III. Wurzelstock halmartig. a) W. graubraun, mit braunen Blattscheiden . . Rhiz. Caricis. b) Wurzelstock glänzend, strohgelb, hohl .... Rhiz. Graminis. 3. Die offizinellen Knollen (Tubera). Knollige Wurzeläste mit Knospen. Vergl. § 339, Man sammelt sie während der Blütezeit. Tubera Salep, Salepknollen. Orchis Morio, 0. mascula, 0. militari s u. a. Piatanthera bifolia. (Orchideae). — Europa. Eirunde oder längliche, höchstens zollgrosse Knollen (vgl. Fig. 102), durch das dem Trocknen vorausgegangene Abbrühen durchscheinend und hornartig fest; innen und aussen schmutzig weiss. — Geschmack schleimig fade; Geruch fehlt. 36* 564 — Fig. 504. Tub. Aconiti. Querschnitt einer älteren (a) u. jüngeren (b) Knolle. Beimischung: Wegen gleichen Standortes finden sich zuweilen die Zwiebelknollen der Herbstzeitlose (Colchicum autum- nale) beigemischt, kenntlich an der braunen Aussenseite, der mehligen Beschaffenheit und dem bitteren Geschmack. Bestandteile: Bassorin, Stärkemehl. Anwendung: Gegen Diarrhoe, als Mucilago Salep. Tubera Aconiti, Eisenhutknollen. Aconitum Napellus. (Ranunculaceae). — Europa. Zu zwei zusammenhängende, kegelige Knollen (vgl. Fig. 453), deren eine (diesjährige) schwer, dicht, innen weisslich, die andere (vorjährige) leicht, oft hohl, innen bräunlich ist: beide 2 cm breit, zoll- bis fingerlang, aussen b r a u n ; auf dem Quer- schnitt (Fig. 504) sowohl der älteren (a) wie der jüngeren Knollen (b) findet sich ein sternförmig umgrenz- te s , weites Mark, umgeben von einem schmalen Holzring mit stark vor- gestreckten Strahlen. — Ge- schmack scharf; Geruch fehlt. Verwechslungen: Die Knollen von Aconitum Cammarum (A. variegatum) sind viel kleiner, die von Aconitum Stoerkeanum weit länger, beide zeigen auf dem Querschnitt ein rundliches (kein sternförmiges) Mark und Holz. Bestandteile: Bis 1% Aconitin (giftiges Alkaloid). Anwendung: Gegen Rheumatismus, in Extrakt und Tinktur. Tubera Jalapae, Jalapenknoilen. Ipomoea Purga. (Convolvulaceae). — Mexiko. Kugelige oder birnförmige, auch wohi walzenförmige, dichte, schwere Knollen, aussen braun und runzelig, in den Runzeln mit dunklem Harz überkleidet, innen hellbraun, mit zahlreichen konzen frischen, dunkleren, glänzenden Harzringen (Fig. 505) durchzogen, hornartig spröde. — Geschmack kratzend; Geruch eigentümlich, schwach. Verfälschungen: Knollen, aus denen das Harz teilweise extrahiert worden, sind leichter, aussen gleichmässig mit dunklem Harz überzogen, innen oft schwammig zerklüftet. — Jalapenstengel heissen die langen, faserig-holzigen, spindelförmigen Wurzeln von Ipomoea Orizabensis , welche zwar nicht mit Fig. 505. Tub. Jalapae. Querschnitt. — 565 — den Jalapenknollen sich verwechseln lassen, deren Harz (Jalapin) aber zur Verfälschung des Jalapenharzes dienen kann, jedoch in Äther löslich ist. Bestandteile: In Äther unlösliches Harz (Convolvuliü), welches 10% betragen soll und sich in Ätzalkalien als lösliche Convolvulinsäure auflöst. Anwendung: Als drastisches Laxiermittel. 4. Die offizinellen Zwiebeln (ßulbi). Bulbus Scillae, Meerzwiebel. Scilla (Urginea) maritima. (Liliaceae). — Südeuropa. Die mittleren Zwiebelschalen stellen im zerschnittenen Zu- stande hörn artige, leicht feucht und biegsam werdende, durch- scheinende, weissliche Stücke dar, von bitterem, schleimigem Geschmack, ohne Geruch. (Die frische Zwiebel besitzt flüchtige Schärfe.) In Österreich ist die rotschalige Varietät officinell. Bestandteile: Bitterstoff (Scillitin) , Schleim, Zucker, oxal- saurer Kalk (in „Raphiden"). Anwendung: Als ein die Schleimabsonderung beförderndes, harntreibendes, in grösseren Gaben Brechen erregendes Mittel in Extrakt, Essig, Sauerhonig und Tinktur. II. Oberirdische Pflanzenteile. 5. Die offizinelleii Stengel (Stipites) und Hölzer (Ligna). A. Stengel. Stipites Dulcamarae, Bittersüss-Stengel. Solanum Dulcamara. (Solanaceae). — Europa. Federkiel dicke, schwach fünfkantige, längsstreifige oder gefurchte, hin und her gebogene, häufig hohle Stengel, mit grünlicher oder bräunlicher Korkschicht (Fig. 506 k), welche die anfangs grüne, später weissliche Mittel-Rinde (z) bedeckt. Unter letzterer verläuft ein Kreis von Bastzellen (b), ^^^^^^fe^-^ darunter der Kambiuroring (i). Im grünen, später /^ :'V -- . "~^ gelblichen Holze (h) erblickt man weite Poren (Ge- - : ^>"* fässöffnungen) und häufig Jahresringe ; das Mark (m) '•■"•''■ ^i-^ v- * ist meist resorbiert. — Die Blattnerven stehen abwechselnd am Stengel. — Geschmack der Rinde bitter; des Holzes süss; Geruch fehlt. -big. 50b. Verwechslung: Die ebenfalls windenden °trp. Dulcamarae Holzstengel von Lonicera P ericlyrnenum sind <*aetBo m vergr. stielrund und mit gegenständigen Blattnarben besetzt. Bestandteile: Bitterstoff (in der Rinde), Dulcamarin (Alkaloid). Anwendung: Zu Extractum Dulcamarae; Mittel zur Beförderung des Schleims der Luftwege. 566 B. Höher. a) Harzreiche Hölzer. Lignum Guajaci. Guajakholz. Guajacuni officinale. (Zygophylleae). — Westindien. Grosse , schwere Stücke , mit blassgelbem Splinte und grünlich braunem Kernholze. Letzteres ist harzreicher und schwerer als ersterer, sinkt im Wasser unter! Das Holz lässt sich nicht spalten, sondern bricht unregelmässig und nicht faserig; die hellbraune Farbe der frischen Schnittfläche läuft an der Luft (durch deren Ozon) olivengrün an. Die käuf- lichen Raspelspäne dürfen nicht zu viel von den weisslichen Splint- stückchen oder beigemengten anderen Hölzern (zumal von Gua- jacuni sanctum) enthalten. — Geschmack kratzend; Geruch beim Erwärmen benzoeartig. Bestandteile: Guajakharz, Guajacin (Bitterstoff), Guajaksäure. Anwendung: Zu Tinktur und Spec. lignorum; Mittel gegen Syphilis, zur Hebung der Haut-, Darm- und Merenthätigkeit. b) Bitterhölzer. Lignum Quassiae. Quassien-Holz. Quassia amara und Picraena excelsa. (Simarubeae). — Westindien und nördliches Südamerika (Surinam). Das Holz der erstgenannten Art, das sog. surinamen- sische Quassienholz, kommt zu uns in fingerlangen, cylindrischen , weisslichen, leichten Stücken , oft noch mit grauer, dünner, leicht sich abblätternder Rinde bedeckt. Das Holz der zweiten Art , das sog. jamaikanische Quassienholz, ist dem vorigen sehr ähnlich, aber in fuss- langen, dicken Blöcken, die mit dicker, fest aufsitzender, holziger Rinde bedeckt sind. Beide Hölzer kommen sowohl ge- schnitten, wie geraspelt zu uns und besitzen einen stark und anhaltend bitteren Geschmack, keinen Geruch. Bestandteile: Bitterstoff (Quassiin). Anwendung: Als bitteres Tonicum, zu Extrakt. c) Aromatische Hölzer. Lignum Sassafras. Sassafrasholz. Sassafras officinale (Laurineae). — Nordamerika. Das leichte, schwammige, blassbraunröt liehe Wurzelholz, in verschieden grossen, gebogenen, mit rissiger Rinde bedeckten Stücken, auf der Schnittfläche Jahresringe mit deutlichen Poren (Gefässöffnungen) zeigend. — Geschmack süss- lich; Geruch fenchelartig. — 567 - Verwechslung: Das auch im Handel vorkommende Stamm- holz ist dunkler, schwerer, schwach an Geruch. Bestandteile: äther. Öl, Gerbsäure, Harz. Anwendung: Zu Spec. lignorum. d) Farbhöher. Lignum Campechianum, Blauholz. Haematoxylon Campechianum. (Caesafpiniaceae). — Centralame- rika (Campechebay). Grosse,- aussen blauschwarze, innen braunrote, harte und schwere, grobfaserige Stammstücke, auf deren Querschnitt nahe an einander wellige Jahresringe sichtbar sind und mit den Markstrahlen sich kreuzen. Es kommen im Handel meist nur Raspelspäne des Holzes vor, nicht selten mit einem metallglänzenden, grünlichgelben Anflug. — Geschmack etwas herbe, süsslich; Geruch beim Raspeln eigentümlich, veilchenartig. Beim Kauen färbt sich der Speichel violett. Verwechslungen: 1. Das Lignum Fernambuci, Rotholz (von Caesalpinia brasiliensis, in Brasilien) ist feinfaserig, mehr gelbrot und geruchlos; färbt beim Kauen ebenfalls den Speichel rot. — 2. Das Lignum Santali rubrum, rotes Santelholz (von Pterocarpus santalinus, in Ostindien), ist von blutroter Farbe und färbt den Speichel nicht. Bestandteile: Hämatoxylin (roter Farbstoff, welcher durch Alkalien violett, durch Alaun blau, durch Eisensalze schwarz wird). Anwendung: Zu Extrakt, als mild adstringierendes Mittel. 6. Die offizineilen Binden (Cortices).~ Die einheimischen Rinden werden im Frühling gesammelt. A. Rinden mit glattem, ebenem oder körnigem Bruche. a) Gewürzige Rinden. Cortex Cascarillae. Kaskarillrinde. Croton Eluteria. (Euphorbiaceae). — Westindien. Einnige oder eingerollte, bis 2 mm dicke Stücke, mit weisser, dünner, teilweise abgelöster Korkschicht (Fig. 507 o), sich kreuzenden Längs- und Querrissen, mit rötlichbrauner Mittelrinde (m) und °-~jA Bastschicht (a), die auf dem Querschnitte ™'~jim strahlig gestreift und auf dem Bruche hornartig erscheint. Die Bastschicht zeigt keilförmige, in die Mittelrinde vordringende Markstrahlen. — Geschmack bitter ge- ^T^ würzig, brennend; Geruch gewürzhaft. Cascarfllae. Cort. Verwechslungen: Die Kop alchirin de Querschnitt vergr. (von Croton niveus) kommt in fusslangen, breiten und dicken Röhren zu uns und zeigt einen grob strahligen Bruch und in der Mittelrinde Steinzellengruppen. Bestandteile: Bitterstoff, äther. Öl, Harze, Gerbsäure, Salze. Anwendung: Als anregendes Mittel zu Tinktur und Extrakt. 568 — Cortex Cinnamomi (Cassiae). Zimtkassie Cinnamomum Cassia. (Laurineae). — Süd-China, Cochinchina. Einfach gerollte, bis 1% mm dicke Röhrenstücke, gelbbraun, mit abgelöster Korkschicht. Auf dem Querschnitte bemerkt man zwischen Bast (Fig. 508 d) und Rindenparenchym (b) eine aus Steinzellen gebildete Körner- schicht (c). In der Mittelrinde verlaufen, jedoch innerhalb derselben, einzelne Bast- fasern (x). — Geschmack und Geruch süss- ge wür zig, herbe. Verwechslung: Der H olz zimt (Cassia lignea) ist dicker, teilweise noch mit der glän- zenden Korkschicht bedeckt, von schleimigem Geschmacke. Bestandteile: äther. Öl, Harz, Gerbsäure. Anwendung: Als Gewürz, zu Aqua, Oleum, Syrupus und Tinctura Cinnamomi. Fig. 508. Zimtkassie Querschnitt vergr. Cortex Cinnamomi Zeylanici, Zeylonzimt. Cinnamomum Zeylanicum. (Laurineae). — Zeylon. Zu mehreren zusammengerollte Zweigrinden von nur 1/2 mm Dicke, von der Korkschicht, und der äusseren Mittelrinde entblösst, so- dass die in letzterer zerstreut verlaufenden Bast- fasern (Fig. 509 x) als blasse Längslinien auf der gelbbraunen Oberfläche sichtbar sind. Der Querschnitt zeigt über dem Baste (d) nur die aus Steinzellen gebildete Körnerschicht (c). — Geruch und Geschmack süss gewürzig, kaum herbe. Fig. 509. Querschn. d. Zeylon-Zimts. Bestandteile: äther. Öl, Harz. b) Gewürzlose Rinden. Cortex Condurango Kondurangorinde. Gonolobus Cundurango. (Asclepiadeae). — Ekuador. Röhrenförmige oder rinnige Stücke, aussen und innen weisslichgrau, mit einer dünnen Korkschicht bedeckt, auf dem Bruche weiss, mehlig körnig, zahlreiche bräunliche Stein- zellengruppen zeigend. — Geschmack bitterlich, etwas kratzend, Bestandteile: Harz, Gerbstoff, Bitterstoff. Anwendung: Im Dekokt gegen den Krebs. Cortex Granati. Granatwurzelrinde. Punica Granatum. (Myrtaceae). — Mittelmeerländer. Teils Stammrinde, teils Wurzelrinde, in rinnig gebogenen, dünnen, aussen grau gelben, warzig-rauhen, rissigen, innerseits blasszimtbraunen, glatten Stücken, mit gleichmässigem Bruch; — 569 — auf dem Querschnitt grünlichgelb, nicht strahlig gestreift. Die Stammrinde zeigt auf ihrer Aussenfläche Krusten-Flechten in Form von rilligen, an Schriftzeichen erinnernden , schwärzlichen Vertiefungen ; ausserdem längsverlaufende Korkleisten. Die Wurzel- rinde entbehrt beide, oft hängen ihr jedoch innerseits Holzsplitter an. — Geschmack bitter, sehr herbe; der Speichel wird gelbgefärbt. Verwechslungen: Die Wurzelrinde des Sau erdorns(Berberis vulgaris) ist ebenfalls innen gelb, aber rein bitter, ohne herben Ge- schmack. — Die Buxbaumrinde färbt den Speichel nicht gelb. Bestandteile: Gerbsäure, Punicin (ölig-harzig). Anwendung: Im Dekokt gegen den Bandwurm. B. Rinden mit faserigem Bruche, ohne Gewürz. a) Bruch weich und kurzfaserig. Cortex Franguiae. Faulbaumrinde. Rhamnus Frangula. (Rhamneae). — Europa. Zusammengerollte, dünne, aussen dunkelgraue Röhren- stücke, mit kleinen, weissen, querlaufenden Rinden- höckerchen (Korkwarzen) regelmässig bedeckt; mit gelbroter, sehr glatter Innenfläche; auf dem Bruche bräunlichgelb, kurzfaserig, mit citronengelben Fasern. — Geschmack bitter; der Speichel wird gelb gefärbt. Verwechslung: Der Erlen rinde fehlen die Korkwarzen, auch ist sie auf dem Bruche nicht faserig. Bestandteile: Cathartin (Abführen bewirkend), Frangulin, Emodin. In der frischen Rinde findet sich auch ein Brechen er- zeugender Stoff, der sich nach 1 — 2 jähriger Lagerung verliert. Anwendung: Im Aufguss als Abführmittel. a) Bruch weich- und langfaserig. Cortex Quercus. Eichenrinde. Quere us Robur (Quercus peduneulata und Qu. sessiliflora). (Cupuliferae). — Europa. Bandförmige Streifen mit sehr dünner, abtrennbarer, silbergrau glänzender Korkschicht (Lederkork), brauner Mittelrinde , in welcher Schichten von Steinzellen sich befinden, und gelbbraunem Baste, der auf dem Bruche band fa serig d. i. in dünne, schmale, biegsame Bänder sich zerteilt. Durch die hier und da hervortretenden Markstrahlen , welche den Bast regel- mässig durchsetzen, zeigt die Innenfläche der Rinde leisten - artige Längsstreifen. — Geschmack bitter, zusammenziehend. Bestandteile: Gerbsäure, Bitterstoff (Quercin). Anwendung: Als adstringierendes Mittel, zu Bädern u. dgl. - 570 — Cortex Mezerei, Seidelbastrinde. Daphne Mezereum. (Thymelaeae). — Europa. Bandförmige Streifen von ziemlicher Länge, mit dünner, rot- bräunlicher, leicht abtrennbarer Korkschicht (Lederkork), grünlicher, dünner Mittelrinde und sehr zähem, langfaserigem, biegsamem, weisslich-seidenartigem Baste. — Geschmack sehr scharf. Bestandteile: scharfes Harz, Paphnin (krystallinisch). Anwendung: äusserlich , in Essig eingeweicht, als hautrötendes Mittel; sowie zu Extrakt. b) Bruch splitterig {steif faserig). Cortex Chinae. Chinarinde. Cinchona succirubra. (Rubiaceae). — Einheimisch in Süd- amerika, kultiviert in Ostindien (Yorderindien, Java). Stamm- und Zweigrinden (Fig. 510) in Gestalt von rinnigen oder röhrenförmigen, bis 60cm langen, 1 — 4cm breiten und 2 — 4 mm dicken Stücken, welche auf ihrer Aussenseite mit einer grauen oder bräunlichen, dünnen Kork schiebt bedeckt und mit groben Längsrunzeln und kurzen Querrissen durch- setzt sind. Die Innenfläche besitzt eine faserige Beschaffenheit und braunrote Farbe. Auf dem Querschnitte (Fig. 511) be- merkt man unter der Korkschicht (o) eine rotbraune Mittelrinde (m) und darunter den braunroten Bast (a), dessen Bündel in radialen Reihen als dunkle Streifen sichtbar sind. Der Bruch ist in der äusseren Hälfte glatt, in der inneren Hälfte (im Baste) kurz- und steifsplitterig. — Geschmack bitter und herbe; Geruch schwach. Fig. 510. Cort. Chinae. Fig. 511. (juerschn. ders. Handelssorten und Verwechslungen: Die beschriebene Rinde stimmt auf die aus Ostindien ausgeführten Rinden der dort kulti- vierten Cinchona succirubra, welche sich durch die braunrote Färbung des Bastes besonders auszeichnet. Man kultiviert auch die Cinchona Calisaya daselbst, deren Rinde einen mehr rötlich- gelben Bast besitzt. Ton den südamerikanischen Chinarinden soll, da ihr Alkaloid- gehalt ein viel geringerer ist, Abstand genommen werden. Man unterschied bisher hauptsächlich drei Gruppen von Chinarinden : — 571 - a) Die Königschina (China regia, Cortex Chinae Calisayae), Ton Cinchona Calisaya, ausgezeichnet durch die rötlichgelbe Farbe des Bastes, sowohl in röhrenförmigen Stücken (Zweigrinden), vor- zugsweise aber in flachen Stücken, die durch die abgelöste Borke flachmuschelige Vertiefungen auf ihrer Aussenfläche zeigen und fast nur aus Bast bestehen (Stammrinden, sog. unbedeckte China). — Aus Bolivia. — Die Königschina gehört zur Gruppe der gelben Chinarinden, von denen die China flava sich durch einen ocker- gelben Bast kennzeichnet. b) Die rote China (China rubra), von Cinchona succirubra, ausgezeichnet durch die braunrote Färbung des Bastes, in flachen oder etwas röhrigen Stücken (Stamm- und Astrinde), die bald mit einer weisslichgrauen, harten, gefelderten Borke (China rubra dura), bald mit braunroter, korkartiger, grobwarziger Borke (China rubra suberosa) besetzt sind. — Aus Ekuador. c) Die braune China (China fusca, Cortex Chinae fuscus), von Cinchona micrantha, C. officinalis u. a., ausgezeichnet durch die zimtbraune Färbung des Bastes, in eingerollten Bohren , von der Dicke eines Federkiels bis zu der eines Fingers. (Zweigrinden.) — Aus Peru und Ekuador.. Man unterscheidet vorzugsweise zwei Handelssorten, und zwar nach dem Ausfuhrgebiete: a) Huanuco-China, in fingerdicken, längsfurchigen Röhren; ß) Loxa-China, in aschgrauen, federkieldicken Bohren. Bestandteile: Chinin, Chinidin, Cinchonin, Cinchonidin (vier Alkaloide), Chinasäure und Chinagerbsäure. Letztere bedingt den herben, die Alkaloide den bitteren Geschmack der Rinde. Nach der Ph. Germ. Ed. II soll die Chinarinde mindestens 3,5 % Alka- loide , vorzugsweise Chinin enthalten. Die südamerikanischen Chinarinden zeigen diesen Gehalt selten, nämlich: Königschina aus Südamerika mit Chinin 2 — 3 °/0 (chininreich, cinchoninarm) Cinchonin 1/2 °/0 Rote China aus Südamerika mit Chinin 2 °/0 (chininreich, cinchoninarm) Cinchonin 1ji — 2 °/0 Braune China aus Südamerika mit Chinin l/2 % (chininarm, cinchoninreich) Cinchonin bis l1/.2 °/0. Bei der kultivierten ostindischen China steigt der Alkaloidgehalt nicht selten bis 8 %• Anwendung: Im Dekokt zur Kräftigung geschwächter Ver- dauung, desgleichen zu Extrakt, Tinktur und Wein. 572 — Schlüssel zum Bestimmen der Rinden. Rinde gewürzig. a) Rinde bittergewürzig , in rötlichbraunen, aussen weisslichen Röbren Cort. Cascarillae. b) Rinde süss gewürzig, gelbbraun. a) Röbren einfach, bis 1/2 mm, dick . . . Cort. C'innamomi Cassiae. ß) Röhren zu mehreren eingerollt, sehr dünn Cort. Cinnamomi Zeylan. Rinde geruchlos, nicht gewürzig. a) Rinde mit glänzender Innenseite. a) Bast seidenglänzend, langfaserig . . . Cort. Mezerei. ß) Bast kurzfaserig Cort. Frangulae. b) Rinde auf der Innenseite glanzlos. a.) Rinde mehr oder weniger braun. aa) Innenseite längsstreifig, bandfaserig Cort. Quercus. bb) Bast von splitterigem Bruche . . Cort. Chinae. ß) Rinde hellgrau-weisslich Cort. Condurango. y) Rinde gräulichgelb Cort. Granati. 7, Die offizinellen Kräuter (Herbae) und Zweigspitzen (Summitates). Man sammelt die Kräuter in der Regel zur Blütezeit, mit Stengel, Blättern und Blüten. A. Kräuter aus der Familie der Cowpositen. (Blüten in Köpfchen mit Hüllkelch). Herba Absinthii, Wermut. Artemisia Absinthium. (Compositae, Corymbiferae). — Europa. Das blühende Kraut ohne die dickeren Stengel mit grau- seidenhaarigen Blättern, deren oberste ungeteilt sind, wo- gegen die mittleren und unteren Blätter 2 — ofach fiederspaltig und mit spateiförmigen Endzipfeln versehen sind. Die gelben, strahllosen Blütenköpfchen stehen in Rispen, halb- kugelig und nickend. (Tgl. Fig. 386.) — Geruch eigentümlich gewürzig; Geschmack stark bitter. Verwechslungen: Arte misia vulgaris besitzt oberseits grüne, unterseits weissfilzige Blätter. — Bei den Blättern von Artemisia Abrotanum sind die Endzipfellineal. - Artemisia campestris unterscheidet sich durch ovale, aufrechte Körbchen. Allen diesen Arten fehlt der eigentümliche Wermutgeruch, sowie die Bitterkeit. Bestandteile: äther. Öl, Bitterstoff. Anwendung: Als Bittermittel zu Extractum und Tinctura Absinthii, sowie zu Elixir Aurantii comp. — 573 — Herba Cardui benedicti, Kardobenediktenkraut. Cnicus benedictus. (Compositae , Cynarocephalae). — Europa, aus dem Orient stammend. Die Blätter sind länglich-lanzettlich, in den Blattstiel verschmälert, buchtig- fiederspaltig, stachlig gezähnt und spinnewebigbehaart. Die gelben Röhrenblütchen stehen in Köpfchen , dicht eingehüllt von grossen , breiten Deckblättern und fiederdornigen Hüllkelchblättchen. (Vgl. Fig. 383.) Geschmack bitter, salzig; Geruch fehlt. Bestandteile: Bitterstoff, Salze (Kali-, Kalksalze, äpfelsaure — Magnesia). Anwendung: Als bitteres Tonicum, zu Extrakt. Herba Lactucae, Giltlattich. Lactuca vi rosa. (Compositae, Cichoraceae.) — Europa. Das rispige Kraut enthält viel weissen Milchsaft; seine blaugrünen Blätter sind stengelumfassend, länglich, ungeteilt oder buchtig ausge- schnitten, stachelspitzig gezähnt, auf den Mittelnerven stachelig. Die Köpfchen mit gelben Zungenblütchen stehen in grosser pyramidaler Rispe. (Vgl. Fig. 381.) — Geschmack bitter, salzig; Geruch unangenehm narkotisch. Verwechslungen: Lactuca Scariola hat tiefer gebuchtete, vertikal gestellte Blätter. — Die Blätter des Gartensalats (Lactuca sativa) sind denen des Giftlattichs ähnlich, aber auf dem Mittelnerven meist stachellos; auch stehen die Köpfchen des Gartensalats in einer Doldentraube. Bestandteile: Harz, Bitterstoff, Salze, Lactucasäure. Anwendung: frisch zur Bereitung von Extrakt. Herba Spilanthis, Parakresse. Spilanthes oleracea. (Compositae, Corymbiferae.) — Westindien. Ein ästiges Kraut mit gegenständigen, gestielten, breit eiförmigen, ausgeschweift gekerbten, dreinervigen Blättern und blattwinke] ständigen, langgestielten, grossen eiförmigen Köpfchen, mit biaunen, später gelben Röhrenblütchen, ohne Strahl. — Geschmack brennend, speichel- ziehend, Geruch eigentümlich. Bestandteile: äther. Öl, Harz. Anwendung: zu Tinctura Spilanthis composita (Paraguay-Roux). B. Kräuter aus der Familie der Labiaten. (Blüten zweilippig, in Scheinwirt ein: Blätter gegenständig.) Herba Serpytli, Quendel, Feldthymian. Thymus Serpyllum. (Labiatae). — Europa. Stengel dünn, niederliegend, mit kleinen, gegenständigen, länglichen, kahlen, am Grunde gewimperten Blättern. Die roten Lippenblumen bilden köpfchenartig an den Zweigspitzen zu- sammengedrängte Scheinquirle. Kelch zweilippig. (Fig. 363.) — Geschmack bitterlich, herbe; Geruch ge würz ig. Bestandteile: äther. Öl, Bitterstoff, Gerbsäure. Anwendung: Äusserlich zu Umschlägen, sowie zu Spir. Serpylli. — 574 — Herba Thymi, Gartenthymian. Thymus vulgaris. (Labiatae). — Südeuropa. Stengel dünn, aufrecht, mit kleinen, gegenständigen, am Rande eingerollten, fast nadeligen, grauflaumhaarigen Blättern und blattwinkeligen Scheinwirteln hellvioletter Blumen. — Geschmack und Geruch stark gewürzig. Bestandteile: äther. Öl. Anwendung: Als anregendes Mittel zu Kräuterkissen, Bädernr Bestandteil der Species aromaticae. Herba Majoranae, Meiran. Origanum Majorana. (Labiatae). — Südeuropa. Ein rispiges, graufilziges Kraut, mit gegenständigen, oval-länglichen, ganzrandigen, stumpfen Blättern ; die Scheinwirtel sind am Ende der Zweige zu filzigen, rundlichen Köpfchen zusammengedrängt. — Geruch und Geschmack gewürzhaft. Bestandteile: äther. Öl, Gerbstoff. Anwendung: Als Gewürz, zu Species aromaticae, Unguent. Majoranae. Herba Galeopsidis, Hohlzahn. Galeopsis ochroleuca. (Labiatae.) — Europa. Stengel vierkantig , weichhaarig , unter den Knoten nicht an- geschwollen; Blätter gegenständig, eiförmig-länglich bis lanzett- lich, flaumhaarig und gelblichgrün, grobgesägt; Blüten in blattwinkelstän- digen Scheinwirteln, mit stachelspitzigen Kelchzähnen und viermal längeren, gelblichweissen, weichhaarigen Lippenblumen. (Vgl. Fig. — Geschmack bitterlich, salzig; Geruch schwach. Verwechslungen: Galeopsis Ladanum mit kleineren, purpurnen Blumen ; G. versicolor und G. Tetrabit mit steif haarigem, unter den 367.) Knoten angeschwollenem Stengel. Bestandteile: Extraktivstoff, Salze. Anwendung: 1810 vom Regierungsrat Lieber gegen die Lun- genschwindsucht als Geheimmittel angepriesen — daher Liebersche Kräuter genannt. C. Kräuter aus anderen Familien. a) Kräuter mit einblätteriger Blume. Herba Hyoscyami, Bilsenkraut. Hyoscyamus niger. (Solanae). — Europa. Ein aufrechtes Kraut mit eiförmig-länglichen, buchtig ge- zähnten, klebrig-zottigen, abwechselnden, sitzenden Blättern,, die im trocknen Zustande meist gelbgrün erscheinen. Die Blüten stehen in den oberen Blattwinkeln, zu einer beblätterten Traube; die Blume ist gelblich, violett geädert. (Vgl. Fig. 352.) — Geruch narkotisch, Geschmack bitter. Bestandteile: Hyoscyamin (giftiges Alkaloid). Anwendung: Frisch zu Extrakt; auch äusserlich zu Oleum Hyoscyami. Man gebraucht das Mittel besonders bei Entzünd- lichkeit der Luftwege. 575 Herba Centaurü, Tausendgüldenkraut. Erythraea Centaurium. (Gentianeae). — Europa. Stengel kantig, mit den Blättern völlig kahl; Blätter gegenständig, sitzend, ovallänglich, 3— 5 nervig. Die roten Blüten stehen in einer doldenartigen Trugdolde; nach dem Verblühen sind die Staubbeutel spiraliggedreht. (Ygl. Fig. 358.) — Geschmack bitter. Bestandteile: Bitterstoff. Anwendung: Als Bittermittel, zu Extrakt. Herba Lobeliae, Lobelien- kraut. Lobelia inflata. (Lobelia- ceae). — Nordamerika. Das über Neu- York in vier- eckigen Paketen zu uns kom- mende zerschnittene Kraut (Fig. 512 A) ist oben fast kahl, mit kantigem, zum Teil rötlichem Stengel, zerstreuten, fast sitzen- den, länglichen, gesägten Blättern und kleinen Blüten (B) in endständiger Traube: Der Kelch ist nebst der zweilip- pigen, blassvioletten Blume (C) oberständig , linealzipfelig ; die Staubgefässe (D) sind mit ihren Beuteln verbunden ; die Kapsel (F) ist aufgeblasen. — Geschmack mild, später scharf. Bestandteile: Lobelm , (flüssiges, dem Nikotin ähnliches Alkaloid), Lobeliasäure, flüchtige Schärfe (Lobelacrin). Anwendung: Ein milderes Mittel als der Tabak, zu Tinktur. Fig. 512. Lobelia inflata. A Obererteil des blühenden Krautes. B Blüte. E Kelch mit dem Stempel. C Blume. F Kapselfrucht. D Staubgefäss. Herba Gratiolae, Gottesgnadenkraut. Gratiola officinalis. (Scrophularineae). — Europa. Stengel vierkantig, kahl; Blätter gegenständig, sitzend, lan- zettlich, entfernt gesägt. 3 — 5 nervig (nicht fiedernervig), kahl; Blüten gestielt, einzeln in den Blattwinkeln, mit röhriger, fast lippenförmio-er,. weisslicher Blume. (Vgl. Fig.373.) — Geschmack unangenehm bitter, brennend. Bestandteile: Bitterstoff', Harz, Gerbsäure, Salze. Anwendung: als drastisches Purgiermittel, zu Extrakt. — 576 - Herba Linariae, Leinkraut. Linaria vulgaris. (Scrophularineae). — Europa. Ein Kraut mit zahlreichen, kahlen, gedrängten, linealen Blättern und einer Traube von gelben, gespornten Maskenblumen (vgl. Fig. 370). (Nicht blühendes Kraut ähnelt der Euphorbia Cyparissias , welche jedoch Milchsaft enhält.) — Geschmack bitter, etwas scharf. Bestandteile: Bitterstoff, Gerbsäure, Salze und Säuren. Anwendung: zu Unguentum Linariae aus dem frischen Kraute. Herba ConÜ, Schierlingskraut. Conium maculatum. (Umbelliferae). — Europa. Ein ganz kahles Kraut (vgl. Fig. 409) mit sti eirundem, nach unten zu braun oder rot geflecktem Stengel. Die abwechselnd gestellten Blätter sind am Grunde be- scheidet, mehrfach fiederteilig, mit oval- länglichen, eingeschnittengesägten , stachel- spitzigen Endzipfeln. (Fig. 513 a.) Die doldigen Blüten sind weiss und klein , ihre Fruchtknoten und halbreifen Früchte (b) mit kerbigenRippen versehen und fast halbkugelig (nicht länglich!). — Geschmack scharf, bitterlich; Geruch un- angenehm (nach Mäuse-Urin). Fl&- 513- Verwechslungen: Anthriscus silvestris, Chaerophyllum temulum, Aethusa Cynapium und ■Cicuta virosa (Wasserschierling) unterscheiden sich durch den Mangel des eigentümlichen Schierlingsgeruches. Ausserdem fehlt ihren Früchten die Kerbung der Rippen. Chaerophyllum temulum gleicht zwar dem Schierling sehr, zeigt aber Behaarung. Bei Anthriscus silvestris und Aethusa Cynapium sind die Blattzipfel nicht oval , sondern schmallanz ertlich. Der eigentümliche Geruch, in Verbindung mit der völligen Kahlheit und den ovalen Blatt- zipfeln kennzeichnet das echte Schierlingskraut. Bestandteile: Zwei giftige Alkaloide: Coniin und Conydrin. Wegen deren Flüchtigkeit ist das Kraut in Blechkästen aufzubewahren. Anwendung: Als stark narkotisches Mittel, meist äusserlich zu zerteilenden Umschlägen , zu Extractum (aus dem frischen Kraute), Emplastrum und Unguentum Conii. Herba Cochleariae, Löffelkraut. Cochlearia officinalis. (Cruciferae). — Europa. Die Wurzelblätter sind lang gestielt, schwach herz- förmig, buchtig gezähnt; Stengelblätter sitzend, eiförmig. Blüten weiss, in einer Doldentraube; Schötchen kugelig gedunsen. (Vgl. Fig. 440.) — Geschmack kresseartig brennend; Geruch beim Zerreiben scharf. Bestandteile: Ein schwefelhaltiges ätherisches Öl. Anwendung: Frisch zur Bereitung von Spiritus Cochleariae. — 577 - Herba Chelidonii, Schöllkraut. Chelidonium majus. (Papaveraceae.) — Europa. Stengel knotig, schwach behaart, mit gelbem Milchsafte; Blätter fiederteilig, mit grossem, dreilappigem Endzipfel, unterseits blau- grün und auf den Nerven flaumhaarig. (Vgl. Fig. 446). Blüten in einfachen Dolden, mit 4 gelben Blumenblättern. — Geschmack bitter, scharf. Bestandteile: Zwei Alkaloi'de, deren eines (Chelidonin) nicht giftig ist, während dem anderen (Chelerythrin) die wegen der sehr geringen Menge nur schwach narkotische Eigenschaft des Milchsaftes zukommt; Farbstoff, Salze, Chelidonsäure. Anwendung: Frisch zur Darstellung des Extraktes. Herba Pulsatillae, Küchenschelle. Anemone Pulsatilla und A. pratensis. (Ranunculaceae). — Europa. Die mehrfach fiederspaltigen Wurzelblätter sind zur Blütezeit noch nicht ausgewachsen; der einblütige Schaft trägt etwa in der Mitte eine vielteilige Hülle; das Perigon ist bei der erstgenannten Art mehr geöffnet, violettblau, nickend, bei der letzteren Art glockig, dunkel- violett, aussen zottig. ("Vgl. Fig. 451, 452.) — Geschmack heftig brennend ; Geruch beim Zerreiben scharf. Bestandteile: äther. Öl (Anemonin, Pulsatillenkampfer), welches beim Trocknen des Krautes entweicht: Anemonsäure. Anwendung: Frisch zur Bereitung des Extraktes. B. Blume unregelmässig. Herba Violae tricoloris, Freisamkraut. Yiola tricolor mitder Abart arvensis. (Yiolaceae), — Europa. Der Stengel ist kantig, mit zerstreuten, gestielten, länglichen und gekerbten Blättern und leierförmig geteilten Neben- blätter n. (Ygl. Fig. 448.) Die Blüten sind blattwinkelständig, gespornt, dreifarbig — blau mit gelbem und weissem Grunde — , bei der Yarietät arvensis gleichfarbig gelblich. — Geschmack bitterlich, salzig. Bestandteile: Schleim, Salze. Anwendung: Bei Hautausschlägen der Kinder, im Aufguss. Herba Meliloti, Steinklee. Melilotus officinalis und M. altissimus. (Papilionaceae.) — Europa. Die blühenden Zweige mit dreizähnigen Blättern und pfriem- lichen ISTebenblättchen ; die kleinen gelben Schmetterlingsblüten stehen in einer langen, einseitswendigen Traube. Hülse kurz , querrunzelig , bei der ersteren Art braun , kahl , bei der letzteren Art schwärzlich behaart. (Ygl. Fig. 425.) — Geschmack schleimig bitterlich; Geruch waldmeisterähnlich. Verwechslungen: Melilotus alb a unterscheidet sich durch weissliche Blüten. Bestandteile: Cumarin (Tonkasäure, der Riechstoff des Wald- meisters und der Tonkabohnen) Melilotsäure. Anwendung: Zu Species emollientes. Sohlickum, Apothekerlehrling. 37 — 578 — Herba Polygalae, Kreuzblumenkraut. Polygala amara. (Polygaleae). — Europa. Die dünne, gelbliche Wurzel treibt fingerlange, dünne Stengel, sowie eine Blattrosette verkehrt eirunder oder spatelförmiger, ziem- lich grosser, grundständiger Blätter. (Vgl. Fig. 449.) Die Stengel sind mit kleinen, lanzettlichen Blättern besetzt und tragen in endständigen Trauben kleine, blaue oder weisse Blüten mit je zwei blumenblattartigen Kelch- blättern (sog. Flügel). — Geschmack stark bitter. Verwechslung: Polygala vulgaris entbehrt der grundständigen Blattrosette und des bitteren Geschmackes. Bestandteile: Bitterstoff (Polygamarin). Anwendung: als bitteres Magenmittel. Herba Cannabis Indicae, Indischer Hanf. Cannabis sativa. (Urticaceae). Gebraucht wird nur die weibliche, in Ostindien wachsende Pflanze, da nur diese das Harz ausschwitzt. Die blühenden oder fruchttragenden Zweige sind rauh, durch eine Harzmasse zu dichten , etwas zusammengedrückten Blüten- schweifen verklebt, mit lanzettlich-linealen, gesägten Blättern und rotbraun drüsigen Deckblättchen. — Geruch zumal beim Erwärmen narkotisch. Dem in Europa kultivierten Hanfe fehlt die Aus- schwitzung der Harzmasse gänzlich. Unter der Lupe erblickt man auf dem ostindischen Hanfe reichliche Harztröpfchen. Bestandteile: Harz von narkotischen Eigenschaften. Anwendung: Als beruhigendes, schlafbringendes Mittel, wel- ches in grösseren Gaben Delirien erzeugt und im Orient geraucht und genossen wird (sog. Haschisch); zu Extra ctum und Tinc- tura Cannabis indicae. c) Kräuter mit blumenlosen Blüten. Herba Chenopodii ambrosioidis, Mexikanisches Traubenkraut. Chenopodium ambrosioides. (Chenopodeae). — Mexiko. Ein verzweigtes Kraut mit hellgrünen , länglichen bis lanzett- lichen, beiderseits verschmälerten, buchtig gezähnten, kahlen Blättern, deren Unterseite mit gelben Drüsen besetzt ist. Die kleinen, grünen Blüten stehen in blattwinkeligen Knäueln. — Geschmack bitter- lich, Geruch stark balsamisch. Verwechslung: Chenopodium Botrys (in Südeuropa) mit fieder- spaltigen Blättern von schwächerem Gerüche. Bestandteile: ätherisches Öl, Salze. Man bewahrt das Kraut in Blechkästen auf. Summitates Sabinae, Sadebaumspitzen. Juniperus Sabin a. (Coniferae). — Südeuropa. Zweigspitzen mit dichtgedrängten Blättern, welche im jüngeren Alter rautenförmig, in vier Zeilen dachziegelig ange- drückt und stumpf, später abstehend und nadeligstechend — 579 Fig. 514. Sum. Sabinae. Nebst einem Fruchtzweige und einzelnen Nadeln. sind und auf dem Rücken eine vertiefte Öldrüse tragen. (Fig. 514.) — Geschmack unangenehm, harzig-bitter; Geruch stark. Besonders aromatisch sind die dunkelblauen Beeren. Verwechslungen: Juniperus Yirginiana, ein hoher, sparrig- und lockerästiger Baum aus Virginien, hat ähnliche Zweigspitzen und wird in Amerika statt der Sabina gebraucht, besitzt jedoch nur eine undeutliche Drüse auf dem Rücken der Nadeln und viel schwächeren Geruch. (Yergleichung mit echtem Sade- baum gewährt allein sichere Unter- scheidung.) Bestandteile: äther. Öl, Gerb- säure, Harz. — Die Spitzen sind in Blechkästen aufzubewahren. Anwendung: Als ein die Menstrua- tion beförderndes Mittel, zu Extr., Un- guent. und Oleum Sabinae. Summitates (Herba) Thujae, Lebensbaumspitzen. Thuja occidentalis. (Coniferae). Zierstrauch aus Nordamerika. Horizontal abgeflachte Zweige mit vierzeilig anliegenden, schup- penförmigen Blättern, welche auf dem Rücken mit einer erhabenen Drüse versehen sind. — Geschmack gewürzig, bitter; Geruch beim Zer- reiben balsamisch. Verwechslungen: Thuja orientalis, Zierstrauch aus Ostasien, un- terscheidet sich durch vertikal abgeflachte Zweige und eine Furche auf dem Rücken der Blätter. Bestandteile: äther. Öl, Harz, Gerbsäure. Anwendung: zu Tinctura Thujae. Turiones Pini, Kiefersprossen. Pinus silvestris. (Coniferae). — Europa. Die fingerlangen Jahrestriebe, deren grüne Spindel dicht besetzt ist mit dachziegeligen, braunroten, trockenen Schuppen, die in ihrer Achsel die Knospe eines Nadelpaares bergen; frisch klebrig. — Geruch harzig -balsamisch. Verwechslungen: Die Sprossen der Rottanne (Abies excelsa) und Weisstanne (Abies pectinata) sind höchstens zolllang. Bestandteile: Balsam, Bitterstoff. — Man bewahre die Sprossen in Blechkästen auf. Anwendung: zu Tinctura Pini composita. Gemmae Populi, Pappelknospen. Populus nigra (Schwarzpappel), P. tremula (Zitterpappel, Espe), P. pyramidalis (italienische Pappel). (Salicineae). — Europa. 37* 580 — Kegelige Knospen mit braunen, dachziegeligen, harzig-klebrigen Schuppen; wohlriechend. Bestandteile: Gelber Balsam. Anwendung: zu Unguentum Populi. Schlüssel zum Bestimmen der Kräuter und Spitzen. I. Blätter nadelig oder schuppenförmig. a) Zweige nicht abgeflacht Summitates Sabinae. b) Zweige abgeflacht Summitates Thujae. II. Blätter blattartig. A. Blätter ungeteilt. a) Blüten unscheinbar, grün. a) Blütenzweige verklebt Hb. Cannabis indicae. ß) Blätter unterseits gelbdrüsig, duftend Hb. Chenopodii ambr. b) Blüten in Köpfchen. a) Köpfchen mit gelben Zungenblütchen; Blätter blaugrün Hb- Lactucae. ß) Körbchen gross, eirund, strahllos . . Hb. Spilanthis. c) Blüten einfach; gefärbt. a) Blätter gegenständig. aa) Blüten blattwinkelig, weisslich . Hb. Gratiolae. bb) Blüten in Doldentrauben, rot . Hb. Centaurii. cc) Blüten in Quirlen, lippenförmig. aa) Stengel dünn, Blätter kahl . Hb. Serpytti. Blätter unten grauflaumhaarig Hb. Thymi. ßß) Stengel vierkantig. Blätter grau, gewürzig . . . Hb. Major anae. Blätter behaart, geruchlos . Hb. Galeopsidis. ß) Blätter abwechselnd oder zerstreut, aa) Blüten blattwinkelständig. Blätter klebrig-zottig Hb. Hyoscyami. Bl. mit fiederteiligen Nebenblättern Hb. Violae tricoloris. bb) Blüten in Doldentrauben, weiss . Hb. Cochleariae. cc) Blüten in Trauben. Blüten gelb, gespornt, Blätter lineal Hb. Linariae. Blüten blau, Blätter länglich . . Hb. Lobeliae. Blätter rosettig, spatelig . . . Hb. Polygalae. B. Blätter geteilt oder zusammengesetzt. a) Blätter einfach fiederspaltig. a) Blätter spinnewebig behaart . . . Hb. Cardui bened. ß) Blätter unterseits bläulichgrün, Blüten gelb, doldig Hb. Chelidonii. b) Blätter dreizählig. Blüten gelb, in einseitigen Trauben. . . Hb. Meliloti c) Blätter mehrfach fiederteilig. a) Blüten in nickenden, halbkugeligen Köpfchen; Blätter grau seidenhaarig Hb. Absinthii. ß) Blüten weiss, doldig, klein; Blätter kahl, von widerlichem Gerüche . . Hb. Conii. y) Blüten einzeln, gross, violett . . . Hb. Pidsatillae. 581 8. Die offizinellen Blätter (Folia). Man sammelt die Blätter, ohne den Stengel, während der Blütezeit. A. Blätter ungeteilt, a) Blätter fiedernervig, a) Blätter getvürzig. Foüa Melissae, Melissenblätter. Melissa officinalis. (Labiatae). — Südeuropa. Langgestielte herz-eiförmige Blätter mit kerbig-gesäg- tem Bande und kleinen Öldrüsen in der Fläche; sie sind nur an den Nerven etwas behaart, grün, unterseits blässer. (Vgl. Fig. 365.) — Geschmack bitterlich, Geruch gewürzig. Verwechslung: Nepeta Cataria besitzt ähnlichen Geruch, aber unterseits graufilzige Blätter. Bestandteile: äther. Öl, Gerbsäure. — Man bewahrt die Blätter in Blechkästen auf. Anwendung: Zu Aqua und Spiritus Melissae. Folia Menthae piperitae, Pfefferminzblätter. Mentha piperita. (Labiatae). — Europa. Kurzgestielte, längliche Blätter mit regelmässig gesäg- tem Rande, nur spärlicher Behaarung und Öldrüsen in der Fläche. (Vgl. Fig. 362). — Geschmack kampferartig kühlend; Geruch stark gewürzig. Yerwechslung: Mentha viridis unterscheidet sich durch sitzende, Mentha silvestris durch weichhaarige Blätter. Bestandteile: äther. Öl, Gerbsäure. —Man bewahrt die Blätter in Blechkästen auf. Anwendung: Als blähungtreibendes Mittel, zu Aqua, Oleum, Rotulae, Syrupus, Tinctura, Trochisci Menthae pip. Folia Menthae crispae, Krauseminzblätter. Mentha crispa. (Labiatae). — Europa. TJngestielte, herzförmige, längliche , mehr oder weniger spitze Blätter, mit blasig-runzeliger, Öldrüsen enthaltender Fläche und wellenförmigem und zerschlitzt-gesägtem Rande. — Geschmack brennend (nicht kühlend); Geruch stark ge- würzig. Bestandteile: äther. Öl, Gerbsäure. — Man bewahrt die Blätter in Blechkästen auf. Anwendung: Wie bei der Pfefferminze. Folia Salviae, Salbeiblätter. Salvia officinalis. (Labiatae). — Südeuropa. Gestielte, längliche Blätter mit feingekerbtem Rande, - 582 — runzeliger Fläche und dünnfilziger Behaarung. (Vgl. Fig. 366.) — Geschmack herbe, bitterlich; Geruch gewürzig. Die Blätter werden vor dem Aufblühen (Mai) gesammelt. Bestandteile: äther. Öl, Gerbsäure, Bitterstoff. Anwendung: Im Aufgusse als Mund- und Gurgelwasser, zu Aqua, Oleum. Folia Rosmarini, Rosmarinblätter. Rosmarinus officinalis. (Labiatae). — Südeuropa. Lineale, starre, runzelige, hellgrüne Blätter, mit zurückge- rolltem Rande und weissfilziger Unterseite. — Geschmack und Geruch kampferartig gewürzig, etwas herbe. Bestandteile; äther. Ol, Gerbsäure. Anwendung: zu aromatischen Bädern ; zu Oleum, Spiritus Rosmarini u. a. m. Folia Eucalypti, Eukalyptusblätter. Eucalyptus globulus. (Myrtaceae.) — Australien. Lineale oder lanzettliche, oft sichelig gebogene, ganzrandige, kahle Blätter von lederiger Konsistenz und durchscheinend drüsig- punktiert. — Geruch und Geschmack kampferartig-ge würzhaft. Bestandteile: ätherisches Öl, Gerbstoff. Anwendung: als anregendes Mittel, zu Tinktur. Folia Aurantii, Pomeranzenblätter. Citrus vulgaris. (Aurantiaceae.) — Mittelmeerländer. Längliche, spitze, kahle, bläulich grüne, durchscheinend drü- sig-punktierte Blätter, von dünn-lederartiger Konsistenz, mit dem ge- flügelten Blattstiele durch ein Gelenk verbunden. Die Blattstielflügel sind verkehrt herz- oder eiförmig und fünf Millimeter breit (vgl. Fig. 460). Geruch und Geschmack bitterlich gewürzig. Verwechslungen: Bei den Citronenblättern fehlen die Blatt- stielflügel. Bestandteile: ätherisches Öl, Bitterstoff. Anwendung: als aromatisches Bittermittel. ß) Blätter gewürzlos. Folia Belladonnae, Tollkirschenblätter. Atropa Belladonna. (Solanaceae). — Europa. Ovale, in den Blattstiel verschmälerte, spitze, ganzrandige, oberseits dunkelgrüne Blätter, im jugend- lichen Zustande weichhaarig, im älteren fast kahl. (Vgl. Fig. 350). — Geschmack bitterlich, unangenehm; Geruch schwach narkotisch. Bestandteile: Atropin (giftiges Alkaloid) ; Asparagin, Salze. Anwendung: Ein stark narkotisches, die Pupille erweiterndes Mittel , zu Emplastrum , Extractum , Tinctura und Unguentum Belladonnae. Folia Nicotianae, Tabaksblätter. Nicotiana Tabacum. (Solanaceae). — Amerika. Grosse, länglich- 1 anzettliche, spitze, nach dem — 583 - Grunde verschmälerte, ganzrandige, drüsig- behaarte Blät- ter, getrocknet von brauner Farbe. — Geschmack scharf, ekelhaft bitter; Geruch betäubend. Nur der (unpräparierte) Virginische Tabak (Rollenknaster) darf angewendet werden. Der übrige Rauchtabak ist präpariert. Verwechslungen: Nicotiana macrophylla (der sog. Marvland-Tabak) mit breiteren , am Grunde geöhrelten Blättern ; Nicotiana rustica mit herz-eiförmigen, stumpfen, langgestiel- ten Blättern. Bestandteile: Nicotin (2 — 6 °/0). Anwendung: Als krampfstillendes Mittel, in grösseren Gaben giftig. Folia Stramonii, Stechapfelblätter. Datura Stramonium. (Solanaceae). — Europa. Gestielte, bis handgrosse, eiförmige, spitz -buchtig- gezähnte, oberseits dunkelgrüne, unterseits blassere, fast kahle Blatte (Vgl. Fig. 353). — Geschmack widerlich, salzig bitter; Geruch betäubend. Verwechslungen: Solanum nigrum L. hat viel kleinere, stumpf lappige Blätter. Bestandteile: Daturin (ähnlich dem Atropin). — Man be- wahrt die Blätter in Blechkästen auf. Anwendung: Narkotisches, die Respiration anregendes Mittel, zu Extrakt und Tinktur. Folia Digitalis, Fingerhutblätter. Digitalis purpurea. (Scrophularineae). — Europa. Längliche, in den Blattstiel verschmälerte Blätter mit gekerbtem Rande, runzeliger Oberfläche und mehr oder weniger filziger Unter fläche, auf welcher sich die Blattnerven weisslich filzig hervorheben, in deren Maschen beim Hindurch- sehen ein helles, noch feineres Adernetz bemerklich wird (Fig. 515). — Geschmack ekelhaft bitter; Geruch schwach. Verwechslungen: Die in Gärten gezoge- nen Fingerhutblätter sind fast kahl. — Syinphy tum officinale hat rauhhaarige, ganzrandige Blätter. Die Wollblumenblätter sind stark sternhaarig, brüchig, gelbgrün. Allen diesen und anderen Blättern fehlt das durchscheinende feinere Adernetz. Bestandteile: Digitalin, Digitalem, Gerbsäure. Fig. 515. — Man bewahrt die Blätter in Blechkästen, nicht über ein Jahr, auf. Anwendung: Zur Herabsetzung der Nerven- und Herzthätig- keit; als Acetum, Extractum und Tinctura Digitalis. — 584 - Folia Uvae Ursi, Bärentrauben blätter. Arctostaphylos Uva Ursi. (Bricaceae). — Mittleresund nördliches Europa. Verkehrt-eif örmige,ganzrandige,kahle, leder- artige, beiderseits glänzende Blätter mit vertieftem, feinmaschigem Adernetze. (Fig. 516). — Geschmack bitterlich, herbe. Verwechslungen: Die Blätter von Yaccinium Yitis Idaea (Preisseibeere) sind am Eande zurückge- Fig. 516 rollt, mit glanzloser, braunpunktierter Unterseite, ohne Fol. Uvae das feine Adernetz. Die Buxblätter (von Buxus Ursi. sempervirens) unterscheiden sich durch ihre ovale Form und den Mangel des Adernetzes. Bes tandteile: Gerbsäure, Gallussäure, Arbutin (ein Glykosid). Anwendung: Gegen Harnbeschwerden. Folia Laurocerasi, Kirschlorbeerblätter. Prunus Laur ocerasus. (Amygdaleae). — Südeuropa. Kurzgestielte, glänzend lederartige, längliche, 8 — 16 cm lange Blätter, mit entfernt gesägtem Rande, unterseits mit 1 oder 2 brau- nen Flecken (Drüsen) auf jeder Seite des Mittelnerven, nahe am Blatt- grunde. Geschmack herbe-bitter, Geruch beim Zerreiben bittermandelartig. Verwechslungen: Bei anderen Prunus-Arten fehlen den Blättern un- terseits am Grunde die braunen Drüsen. Bestandteile: Amygdalin, welches bei der Umsetzung blausäure- haltiges Bittermandelöl liefert. Anwendung: frisch zu Aqua Laurocerasi. b) Blätter handnervig. Folia Althaeae, Eibischblätter. Althaea officinalis. (Malvaceae). — Europa. Gestielte, eiförmige, fast herzförmige, spitze Blätter mit ungleich gezähntem Bande, die unteren spitz fün flappig, die mittleren drei läpp ig, die obersten ungeteilt, sämtlich bei- derseits mit weichem, grünem Filze bedeckt. (Ygl. Fig. 458.) — Geschmack schleimig. Bestandteile: Schleim. Anwendung: Zu Species emollientes Folia Malvae, Malvenblätter. Malva vulgaris und M. silvestris. (Malvaceae). — Europa. Langgestielte, rundliche, 4 — 7 lappige Blätter, mit herz- förmigem , fast nierenförmigem Grunde , gesägtem Rande und sc hwach er Behaarung. Die Lappen sind bei ersterer Art stumpf, bei letzterer vorgestreckt. (Ygl. Fig. 456, 457.) — Geschmack schleimig. Bestandteile: Schleim. Anwendung: Zu Species emollientes. - 585 — Folia Farfarae, Huflattichblätter. Tussilago Farfara. (Compositae, Corymbiferae). — Europa. Gestielte, rundliche, buchtig siebeneckige, schwärzlich gezähnte Blätter, mit herzförmigem Grunde, hellgrüner Oberseite und weissfilziger Unterseite. (Vgl. Fig. 391.) — Geschmack etwas herbe und bitter, schleimig. Verwechslungen: Petasites officinalis hat viel grössere, am Grunde herz-nierenförmige , unterseitig nur wenig behaarte Blätter. Petasites tomentosus mit zwar unterseits weiss- filzigen, aber nierenförmigen Blättern. Bestandteile: Schleim, Gerbsäure, Bitterstoff. Anwendung: Zu Species pectorales. B. Blätter geteilt. a) Blätter fiederteilig. Folia (Herba) Millefolii, Scharfgarbenkraut. Achill ea Millefolium. (Compositae, Corymbiferae). — Europa. Doppelt-fiederspaltige, im Umfang lanzettliche Blätter, mit lanzettlichen, weiss bespitzelten Endzipfeln, unterseits auf den Nerven und am Blattstiele zottig. (Vgl. Fig. 388.) — Geschmack bitter, herbe ; Geruch schwach. — Man sammelt das Kraut im Juni vor der Blütezeit. Bestandteile: etwas äther. Öl, Bitterstoff. Anwendung: nur mehr Volksheilmittel zur sog. Blutreinigung. Folia Rutae, Rautenblätter. Ruta graveolens. (Rutaceae). — Südeuropa. Dreifach fiederteilige Blätter, mit spateiförmigen Endzipfeln, kahl, graugrün, drüsig punktiert. (Vgl. Fig. 431.) — Geschmack bitterlich; Geruch aromatisch. Bestandteile: äther. Öl. — Man sammelt die Blätter vor der Blütezeit (im Mai und Juni) und bewahrt sie in Blechgefässen. Anwendung: als anregendes Mittel. b) Blätter dreizählig. Folia Trifolii fibrini, Fieberkleeblätter. Menyanthes trifoliata. (Gentianeae). — Europa. Gestielte, dreizählige, hellgrüne, kahle Blätter, mit un- gestielten, dicklichen, oralen, stumpfen, beinahe ganzran- digen Teilblättern. (Vgl. Fig. 359.) — Geschmack sehr bitter. Bestandteile: Bitterstoff (Menyanthin, ein Glykosid). Anwendung: Als magenstärkendes Bittermittel, zu Extrakt. Folia Toxicodendri, Giftsumachblätter. Rhus Toxicodendron. (Terebinthaceae). — Nordamerika. Langgestielte, dreizählige Blätter, deren Teilblätter oval, dünn, etwas durchscheinend, ganzrandig oder buchtig gezähnt, langgespitzt und kahl sind; das mittlere ist gleichhälftig und länger gestielt als die ungleichhälftigen, seitenständigen Teilblättchen. — Geruch schwach. — 586 - Die frischen Blätter besitzen eine flüchtige Schärfe in ihrem an der Luft sich schwärzenden Milchsafte, dürfen daher nicht mit blossen Händen abgepflückt werden; bei vielen Personen erzeugt ihre Berührung eine roseartige Aufschwellung der Haut. Die Berührung der getrockneten Blät- ter ist ohne üble Folgen. — Man verwahrt die Blätter nicht über ein Jahr auf. Verwechslungen: Die Blätter des ebenfalls nordamerikanischen Hop- fenbaumes, Ptelea trifoliata, sind ähnlich, aber durch das sitzende mittlere Teilblatt unterschieden. Bestandteile: flüchtiger, scharfer Stoff (Cardol?), Gerbsäure, Salze. Anwendung: als Excitans in kleinen Dosen; in grösseren narkotisch, zu Tinktur. c) Blätter gefiedert. Folia Juglandis, Walnussblätter. Juglans regia. (Juglandeae). — Europa. Unpaarig gefiederte Blätter mit eingelenkten (meist 4) Blättchenpaaren und einem Endblättchen ; die Teilblätter gross, eiförmig-länglich, ganzrandig, zugespitzt, fast kahl, nur an den Achseln der Adern unterseits etwas bärtig. ("Vgl. Fig. 336.) — Geschmack bitter, herbe; Geruch balsamisch. Bestandteile: Gerbsäure, Bitterstoff. Da die noch nicht völlig ausgewachsenen Blätter am reichhaltigsten sind , sollen sie im Juli und August gesammelt und, um nicht braun zu werden, in dünnen Schichten schnell getrocknet werden. Anwendung: Gegen Skrofeln. Folia Jaborandi, Jaborandiblätter. Pilocarpus pennatifolius. (Eutaceae). — Brasilien. Ein aus 3 bis 4 Blättchenpaaren gebildetes Blatt, dessen Teil- blätter eiförmig bis lanzettlich, vorn ausgerandet, lederig und durchscheinend punktiert, die seitlichen sitzend, das End- blättchen gestielt ist. Verwechslungen: Die Blätter von Serronia Jaborandi (in Brasilien) entbehren der durchscheinenden Punktierung. Bestandteile: Pilokarpin, ätherisches Ol. Anwendung: Als Speichel- und schweisstreibendes Mittel. Folia Sennae, Sennesblätter. 1. Cassia acutifolia (C. lenitiva). (Caesalpiniaceae). — Nubien , Sennaar (im oberen Nielgebiete), von wo die Sennes- blätter teils über Egypten, teils über Tripolis zu uns gelangen: a) Alexandriner Sennesblätter, mit Argheiblättern; b) Tripolitaner Sennesblätter, ohne Argheiblätter. Die Fiederblättchen (Fig. 517) sind fast lederig, oval oder länglich, am Grunde ungleichhälftig, in der Mitte am breitesten, mit einer feinen Spitze versehen, aderig, schwach behaart, von blassgrüner Farbe. Geschmack unangenehm 587 bitterlich; Geruch eigentümlich. — Den Alexandriner Sennes- blättern finden sich stets die Blätter von SolenostemmaArghel (Asclepiadeae) (Fig. 518) beigemischt, welche lanzettlich, am Grunde gleich, einnervig (mit undeutlichen Seiten nerven), grauflaumhaarig und steifer sind als die Sennesblätter. Man braucht sie nicht auszulesen , da sie ähnliche Wirkung mit letzteren haben. Fig. 517. Fig. 518. Alexandriner- Sennesblätter. Argheiblätter. Fig. 519. Indische Sennesblätter. 2. Cassia angustifolia, ein in Arabien wildwachsender Strauch liefert die sog. Mekka-Sennesblätter, wird aber auch in Vorderindien (Landschaft Tinnevelly) gebaut, von wo die In- dischen oder Tinnevellyschen Sennesblätter zu uns kom- men. Die Fiederblättchen sind länger wie die vorigen, mehr lanzettlich, zugespitzt, gegen den Grund hin am breitesten (Fig. 519), im übrigen mit der vorigen übereinstimmend. Verwechslungen: Cassia obovata, in Syrien, liefert ver- kehrt - eiförmige Blättchen (Fig. 520) , die Aleppo-Sennes- blätter, welche auchltalienische heissen, da die Pflanze früher in Oberitalien gebaut wurde. Sie finden sich gewöhnlich den Tri- politanischen Sennesblättern beigemischt. — Die sog. kleinen Sennesblätter sind der abgesiebte Bruch der verschiedenen Handelswaren und oft unrein. Bestandteile: Cathartin, Harz. Anwendung: Als Abführmittel, zu Elec- Fj„ 520. tuarium, Infusum, Syrup, Spec. St. Germain. Aleppo-Sennesblätter. 588 - Schlüssel zum Bestimmen der Blätter. I. Blätter ungeteilt oder nur seicht gelappt, oder einzelne Teilblätter. A. Blätter ganzrandig. a. Blätter mehr oder weniger lederartig, steif. a) Blätter verkehrt eirund, netzadrig . . Fol. Uvae TJrsi. ß) Blätter oval oder länglich-langzettlich aa) Am Grunde ungleiche Teilblätter . Fol. Sennae. bb) Blätter einem geflügelten Blattstiele eingefügt, drüsig punktiert, gross . Fol. Aurantii. cc) Bl. sichelig, durchscheinend punktiert Fol. Eucalypti. y) Blätter fast nadelig, am Rande umgebogen, hellgrün Fol. Rosmarini. b) Blätter krautartig. a) Blätter oval, beiderseits spitz, fast kahl Fol. Belladonnae. ß) Blätter lanzettlich, gross, braun, drüsig Fol. Mcotianae. B. Blätter gesägt, gezähnt oder gekerbt. a) Blätter lederig, länglich, glänzend .... Fol. Laurocerasi. b) Blätter krautartig. a) Blätter rundlich herzförmig, aa) Blätter buchtig eckig, unten weissfilzig Fol. Farfarae. bb) Blätter 5 — 7 lappig, kaum behaart . Fol. Malvae. ß) Blätter eiförmig. aa) Blätter samtartig filzig, oft 3 — 5 lappig Fol. Althaeae. bb) Blätter fast kahl, buchtig gezähnt . Fol. Stramonii. cc) Blätter fast kahl, gezähnt, gewürzig Fol. Melissae- y) Blätter länglich. aa) Blätter fast kahl, gewürzig. aa) Blätter kraus, ungleich gesägt . Fol. Menthae crispae. ßß) Blätter gesägt, gestielt .... Fol. Menthae pip. bb) Blätter graufilzig, runzelig, gekerbt Fol. Salviae. cc) Blätter unterseits schwachfilzig, in den Blattstiel herablaufend, gekerbt . . Fol. Digitalis. IL Blätter 2 — 3 fach fiederteilig. a) Blätter graugrün, kahl, mit spateligen Zipfeln Fol. Rutae. b) Blätter weichhaarig, mit spitzen Zipfeln . Herb. Millefolii. in. Blätter zusammengesetzt. A. Blätter dreizählig. a) Teilblätter stumpf, hellgrün, dicklich . . Fol. Trifolii fibr. b) Teilblätter zugespitzt, dünn Fol. Toxicodendri. B. Blätter unpaarig gefiedert, gross a) Blätter dünn, nicht punktiert Fol. Juglandis. b) Blätter lederig, durchscheinend punktiert. FoL Jaborandi. 9. Die offizineilen Blüten (Mores) und Blütenteile. A. Ganze Blutenstände. a) Köpfchen der Kompositen. Flores Chamomillae (vulgaris), Kamillenblumen. Matricaria Chamomilla. (Coropositae, Corymbiferae). — Europa. — 589 Fig. 521. Durchschnitt durch den Blütenboden der echten Kamille (a) u. Blütenköpfchen , mit kegelförmigem, h ohlem, nacktem (spreublattlosem) Blüten- boden (Fig. 521 a), weissen, zungenförmigen Strahl blütchen und gelben, röhrigen Scheiben- blütchen, ohne Federkrone. (Vgl. Fig. 387.) — Geschmack bitterlich, Geruch gewürzig. Verwechslungen: Die Hundskamille (Anthemis arvensis) ähnelt sehr der echten Kamille, besitzt jedoch nicht deren Geruch der Hundskamille '(b). und unterscheidet sich durch ihren markigen (nicht hohlen) Blüten- boden, der zwischen den einzelnen Blütchen mit kleinen Spreu- blättchen besetzt ist (Fig. 521 b). Bestandteile: blaues äther. Öl, Bitterstoff. Anwendung: Als krampfstillendes, blähungtreibendes Mittel, zu Aqua, Oleum und Syrupus Chamomillae. Flores Chamomillae Romanae, Römische Kamillen. Anthemis nobilis. (Compositae, Corymbiferae). — Südeuropa. Durch die Kultur gefüllte Blütenköpfchen, deren gelbe, röhrige Scheibenblütchen grösstenteils in weisse, zungenförmige Strahl- blütchen übergegangen sind. Fruchtboden gewölbt, mit stumpfen, zer- schlitzten Spreublättchen besetzt; Federkrone fehlt. — Geschmack stark bitter; Geruch gewürzig, kamillenähnlicb. Bestandteile: blaues äther. Öl, Bitterstoff. Anwendung: ähnlich wie die der Kamillen. Flores Millefolii, Schafgarbenblüten. Achill ea Millefolium. (Compositae). — Europa. In eine Doldentraube geordnete Blütenköpfchen, mit ovalem Hüll- kelche, dessen Schuppen am Rande trockenhäutig erscheinen, mit 5 weissen oder rötlichen, rundlichen Strahlblütchen, sowie wenigen, gelben, röhrigen Scheibenblütchen, ohne Federkrone. (Vgl. Fig. 388.) Geschmack bitter; Geruch gewürzig. Bestandteile: blaues äther. Öl, Bitterstoff. Anwendung: zu Thee. Flores Cinae. Wurmsamen, Zittwerblüten. Eine Abart von Artemisia maritima. (Compositae). - Turkestan , von wo die Ware über Astrachan und Bussland sog. Levantischer Wurmsamen zu uns gebracht wird. Geschlossene, 2 mm lange, kahle, etwas glänzende, längliche, arm- blutige Blütenköpfchen, von gelb- grünlicher oder bräunlicher Farbe. Die dachziegeligen, gekielten, häutig berandeten Hüllkelchblättchen tragen auf dem Bücken kleine goldgelbe DrüseD ; die unteren sind kürzer als — Geschmack unangenehm, wie der Geruch kampferartig gewürzig. als Fig. a Levantischer, c u. d berberischer Wurmsamen, a — c vergr. die inneren. (Fig. 522 a) 590 Verwechslungen : 1. Der ostindische Wurm samen (Fig. 522 b) ist breiter , durch schwache Behaarung glanzlos. 2. Der berberische Wurmsamen (aus Nordafrika) ist halbkugelig, grau- filzig. (Fig. 522 c, d.) Bestandteile: Santonin, äther. Öl, Bitterstoff, Harz. Anwendung: Zum Abtreiben der Spulwürmer. b) Trugdolden oder Bispen. Flores Koso. Kusso. Hagenia aby ssinica (Brayera anthelminthica). (Kosa- ceae). — Abyssinien. Die in Bündeln verpackten weib- lichen Blüten- rispen, welche sehr verzweigt, zottig be- haart und vielblütig sind. Die rundlichen Deckblättchen, sowie die äusseren Kelch- blätter (Fig. 523 a, b, c) zeichnen sich durch häutige Konsistenz, blass rötliche oder grünliche Färbung und feines Adernetz aus. — Geschmack widerlich und krat- zend bitter ; Geruch eigentümlich. Verwechslung: Die männlichen (nicht offizinellen) Rispen sind weniger rötlich, weil bei ihnen die äusseren Kelchblätter sich nicht vergrössern. Bestandteile: Kossin. Anwendung: Zur Abtreibung des Bandwurms. Flores Sambuci, Hollunderblumen. Sambucus nigra. (Caprifoliaceae). — Europa. Fünfstrahlige, reichblütige Trugdolden mit kleinen, fünfmännigen, gelblichweissen, radförmigen Blüten (Vgl. Fig. 395). — Geschmack bitterlich; Geruch eigentümlich. Verwechslung: Sambucus Ebulus hat drei strahlige Trug - dolden und violette Staubbeutel. Bestandteile: äther. Öl. Anwendung: Als schweisstreibendes Mittel, zu Aqua Sambuci, Spec. laxantes. Fig. 523. A Flor. Koso, a Einzelne Blüte in natürl. Grösse, b u. c dieselbe vergr., von oben resp. seitl. gesehen. — 591 — Flores Tiliae, Lindenblüten. Tilia parvifolia und T. grandifolia. (Tiliaceae). — Europa. Armblütige Trugdolden mit 3 — 7 vielmännigen , weiss- lichgelbenBlüten; sie sitzen auf der Mitte eines papierartigen, länglichen, gelbgrünlichen, netzaderigen Deckblattes. (Vgl. Fig. 461.) — Geschmack süsslich; Geruch schwach. Verwechslungen: Die Blüten von Tilia argentea (T. to- mentosa) im südöstlichen Europa , unterscheiden sich durch ihre etwas filzigen, nach vorn verbreiterten Deckblätter. Bestandteile: Etwas äther. Öl, Gerbsäure, Zucker. — Man bewahrt die Blüten in Blechkästen, nicht über ein Jahr, auf. Anwendung: Als schweisstreibendes Mittel, zu Aqua T. B. Einzelne Blüten. a) Entwickelte Blüten, a) Gewürzige Blüten. Flores Arnicae, Wohlverleihblumen. Arnica montana. (Compositae Corymbiferae). — Europa. Die einzelnen dottergelbenBlütchen, teils weibliche, zungen- förmige Strahlblütchen mit dreizähniger Zunge, teils zwit- terige, röhrenförmige Scheibenblütchen, alle mit haar- förmiger, rauher, zerbrechlicher Feder kröne versehen. (Vgl. Fig. 390.) Der Hüllkelch mit dem Blütenboden ist zu entfernen. — Geschmack bitter, scharf; Geruch eigentümlich, zum Niesen reizend. Verwechslungen: Ähnlich gefärbte Blüten, wie von Calendula officinalis, Anthemis tinctoria, entbehren der Federkrone. Bestandteile: äther. Öl, Bitterstoff, Harz. Anwendung: Anregendes Mittel für das Nerven- und Gefäss- System, äusserlich als zerteilendes Mittel zu Tinktur. Flores Lavandulae, Lavendelblüten. Lavandula vera. (Labiatae). — Südeuropa. Die noch un aufgeschlossenen Blüten mit röhrigem, ge- streiftem, violettem, zottig behaartem, ungleich fünfzähnigem Kelche und zweilippiger, blauer Blumenkrone. — Geschmack und Geruch gewürzhaft. Bestandteile:, äther. Öl. Anwendung: Äusserlich zu Kräuterkissen, Räucherspezies, Bädern, Spiritus Lavandulae, Aqua und Spec. aromaticae. Flores Aurantii, Pomeranzenblüten. Citrus vulgaris. (Aurantiaceae). — Südeuropa. Kelch klein, fünfzähnig; Blumenblätter 5, länglich, drüsig punktiert, etwas fleischig, weiss; Staubgefässe zahlreich, mehrbrüderig; Stempel 1. Geschmackund Geruch sehr angenehm, verschwindet beim Trocknen. Bestandteile: äther. Öl. Anwendung: frisch zur Destillation von Aqua und Oleum fl. Aurantii. 592 ß) Gewürzlose Blüten. Flores Malvae vulgaris, gemeine Malvenblüten. Malva silvestris. (Malvaceae). Europa. — Kelch doppelt: der äussere dreiblätterig, der innere fünf- spaltig; Blume fünfblätterig , lilablau (im frischen Zustande rosenrot), viermal länger als der Kelch. Staubgefässe ein- brüderig. (Vgl. Fig. 457.) — Geschmack schleimig. Verwechslungen: Die Blumen von Mal va vulgari s (M. rotundifolia) sind höchstens doppelt so lang als der Kelch. Bestandteile: Schleim. Anwendung: Zu Gurgelwasser, Thee und dergl. Flores Malvae arboreae, Stockrosen. Althaea rosea. (Malvaceae). — Europa. Kelch doppelt: äusserer und innerer 5— 7spaltig; Blume fünf- blätterig, schwarzbraun, nicht selten gefüllt, gross (etwa 5 cm Staub- gefässe einbrüderig. (Vgl. Fig. 459.) — Geschmack schleimig, etwas herbe. Bestandteile und Anwendung: wie bei vorigen. b) Blütenknospen. Caryophylli, Gewürznelken. Eugeniacaryophyllata (Caryophyllus aromaticus). (Myr- taceae). — Ost- und "Westindien. Ein cylindrischer , fast vierkantiger Unterkelch, in vier Kelchzipfel endend, oft noch mit den kugelig geschlossenen, leicht abfallenden Blumenblättern versehen; von brauner Farbe, schwerer als Wasser, beim Drücken mit dem Fingernagel äther. Öl abgebend. — Geschmack und Geruch stark gewürzig. Verfälschung: Die bereits abdestillierten Gewürznelken sind leichter, schwimmen auf dem Wasser (quer, nicht mit dem Köpf- chen nach oben) und lassen beim Drucke mit dem Fingernagel kein ätherisches Öl austreten, sind aber häufig, des bessern Aus- sehens wegen, mit fettem Öl abgerieben („feuchte" Gewürznelken). Eingeschrumpfte Ware ist geringwertig. Bestandteile: äther. öl (mit Nelkensäure), Gerbsäure. Anwendung: Als Gewürz, zu Zahnmitteln; zu Oleum Car., eingehend in viele gewürzigen Auszüge. G. BlumenJcronen. Flores Verbasci, Wollblumen. Verbascum thapsiforme und V. phlomoides. (Scro- phularinae). — Europa. — 593 — Fast regelmässige, rad förmige, fünfspaltige, einen Zoll im Durchmesser messende, goldgelbe Blumen, denen fünf Staub- gefässe aufsitzen, drei kürzere, weisswollig behaart, die beid en längeren kahl und mit lang herablaufenden Staub- beuteln versehen (Tgl. Fig. 374). — Geschmack schleimig, süsslich^ Geruch schwach. Verwechslungen: Verbascum Thapsus und Y. Lych- n i ti s haben zwar auch weisswollige Staubfäden , aber nur halb so grosse Blumen, deren Staubbeutel nicht herablaufen. Bei V. nigrum ist die Staubfadenwolle violett. Bestandteile: Zucker, Gummi, Salze. — Man bewahrt die Blüten in Blech oder Glas. Anwendung: Als Thee gegen Husten, zu Species pectorales. Flores Primulae. Schlüsselblumen. Primula officinalis (Primulaceae). — Europa. Trichterige, zolllange Blumen, von citronengelber Farbe, innen im Schlünde vor den 5 Zipfeln mit 5 safrangelben Flecken; 5 Staub- gefässe tragend. — Geschmack süsslich ; Geruch honigartig, nach dem Trocknen fast verschwunden. Verwechslung: Primula elatior trägt gelbe Blumen mit flachem (nicht konkavem) Saume, ohne die safrangelben Flecken. Bestandteile: äther. Oel. Anwendung: als Thee für Brustkranke u. a. Flores Rosae, Rosen. Rosa Centifolia. (Rosaceae). — Europa. Verkehrt-eiförmige, ausgerandete , blassrötliche Blumenblätter. — Geschmack herbe; Geruch duftend. Bestandteile: äther. Öl, Gerbsäure. Anwendung: Getrocknet (in Blechbüchsen aufbewahrt) zu Mel rosatum, als adstringierendes Mittel. Flores Rhoeados, Klatschrosen. Papaver Rhoeas. (Papaveraceae). — Europa. Rundliche, bis 2 Zoll breite, frisch scharlachrote, getrock- net schmutzig purpurne, schwarzbenagelte Blumenblätter. — Ge- schmack schwach bitterlich; Geruch nach dem Trocknen verschwunden. Verwechslung: Die Blumenblätter von Papaver Argemone sind viel schmaler und von hellerer Farbe. Bestandteile: Farbestoff, Schleim. Anwendung: Frisch zu Syrupus Rhoeados. D. Narben. CroCUS, Safran. Crocus sativus. (Irideae). — Südeuropa; auch in Frank- reich (Gatinais bei Orleans) kultiviert. Etwa zolllange, fast rinnige, nach der Spitze zu verbrei- terte und gekerbte Narben, von dunkel orangeroter Schlickum, Apothekerlehrling. 38 - 594 Farbe, zu drei dem gelben Griffel aufsitzend (Fig. 524). Geschmack bitterlich; Geruch stark; beim Kauen färbt sich der Speichel gelbrot. — Man bewahrt den Safran in Blechbüchsen ; an der Sonne bleicht er. Sein Auszug (1 : 10) erteilt noch 10 000 Teilen Wasser eine gelbe Farbe. Verfälschungen: 1. Bereits ausgezogener Safran, kenntlich an schwächerem Geruch und ge- ringerem Farbevermögen; 2. zu starke Beimischung Fig. 524. des gelben Griffels (sog. Feminell); 3) Narben Crocus. ancierer Crocus- Arten, an den Spitzen zu er- kennen; 4) Kunstprodukte, z. B. fein zerschnittene Blumen- blätter des Safflors, Granatbaums u. a., beim Aufweichen in "Wasser leicht zu erkennen; 5) getrocknete Fleischfasern. Bestandteile: äther. öl; Farbestoff (Polychroit). Anwendung: Krampfstillen d7 zu Syrup und Tinktur, ein- gehend in Empl. oxycroceum, Tinct. Opii crocata u. a. m. Schlüssel zur Bestimmung der officinellen Blüten. B. I. Blütenköpfchen. A. Mit weissen Strahlblütchen. a) Blütenboden kegelig, hohl, nackt .... b) Blütenboden gewölbt, markig, spreublätterig a) Körbchen gefüllt ß) Strahl arrnblütig ohne Strahl, kahl, klein, geschlossen .... II. Blüten in Trugdolden oder Rippen. A. Blütenstiele dem Deckblatte aufsitzend . . . B. Blütenstand ohne Deckblatt. a) Trugdolde fiinfstrahlig, mit weissen Blüten Fl b) Rispe mit rötlichen, netzaderigen Blüten Fl, III. Blüten einzeln, ganz. A. Blume weiss, fünfblätterig FL B. Blume orangerot , teils zungenförmig , teils röhrig, klein, Pappus haarig Fl. C. Blume blau. a) Kelch violettblau, gestreift, walzenförmig b) Kelch doppelt, grün D. Blume schwarzpurpurn, Kelch doppelt . . IV. Blumen ohne Kelch. A. Gelbe, 5 Staubgef. tragende Blumen. a) Blume fünfteilig, mit sehr kurzer Röhre b) Blume walzenförmig, trichterig .... B. Einzelne Blumenblätter. a) Blume tiefrot Fl. b) Blume rosenrot Fl Fl. Chamomillae vulg. Chamomillae Rom. Millefoln. Cinae. Fl. Tiliae. Fl. Fl. Fl. Sambuci. Koso. Aurantii. Arnicae. Lavandulae. Malvae vulg. Malva arboreae. Fl. Fl. Verbasci. Primulae. Rhoeados. Rosae. 595 10. Die offizinellen Früchte (Fructus) und Fruchtteile. A. Trockene Früchte. a) Spaltfrüchte der Umbelliferen. S p al t f r ü ch t e , aus zwei S chli e s sf r üc h t en bestehend, welche an einem zweispaltigen, fädlichen Fruchtstielchen aufgehangen sind. In jeder Teilfrucht ist ein Same mit der, Fruchtschale verwachsen. Jede Teilfrucht zeigt 5Hauptrippen (costae), zwischen denselben 4 Furchen oder Thälchen (sulcus, valleculae), unter deren Oberfläche häufig Ölkanäle, sogen. Ölstrieinen (vittae), verlaufen und auf dem Querschnitte erkannt werden. Fructus Anisi vulgaris, Anis. Pimpinella Anis um. (ümbelliferae). — Europa. Kleine (2 mm grosse), eiförmige, grauflaumhaarige Spaltfrüchte, deren stumpfrippige Teilfrüchte gewöhnlich zusam- menhängen. — Geschmack und Geruch süss ge würz haft. Bestandteile: ätherisches Öl (in den Ölstriemen), fettes Öl (im Samen-Eiweiss). Anwendung: Zu Spec. pectorales und Spec. laxantes, sowie zu Oleum Anisi, welches eingeht in Liquor Ammonii anisatus und Tinct. Opii benzoica. Fructus Carvi, Kümmel. Carum Carvi. (ümbelliferae). — Europa. Längliche (4 mm lange), meist in ihre Teilfrüchte zerfallene Spaltfrucht mit weisslichen, fadenförmigen Rippen und brau- nen Furchen, in welchen je eine Ölstrieme liegt. — Geschmack und Geruch gewürzig. Bestandteile: äth. Öl (in den Ölstriemen), fettes Öl (im Samen). Anwendung: Zu Oleum Carvi. Fructus Foeniculi, Fenchel. Foeniculum capillaceum (F. officinale). (ümbelliferae). — Südeuropa. Längliche (4mm lange), grünliche oder bräunliche, meist in ihre Teilfrüchte zerfallene Spaltfrucht, mit hellen, scharfen Rippen. — Geruch und Geschmack ge würz haft. Bestandteile: äth. Öl (in den Ölstriemen), fettes Öl (im Samen). Anwendung: Als blähungtreibendes Mittel, zu Aqua, Oleum, Syrupus Foeniculi. Fructus Phellandrii, Wasserfenchel. Oenanthe Phellandrium. (ümbelliferae). — Europa. Längliche (4 mm lange), deutlich mit den Kelchzähnen 38* - 596 — gekrönte, stielrunde, meist nicht gespaltene, stumpfrippige, braune Spaltfrüchte. — Geschmack bitterlich, wie der Geruch unangenehm ge würz ig. Verwechslungen: 1. Cicuta virosa (Wasserschierling) hat grünliche, mehr kugelige Früchte. 2. Sium latifolium mit eiförmigen, grünen Früchten. Beide Pflanzen haben mit Oenanthe Phellandrium gleichen Standort. Bestandteile: äther. Öl (in den Striemen), fettes Öl (im Samen.) Anwendung: Gegen Husten. Fructus Petroselini, Petersiliensamen. Petroselinum sativum. (Umbelliferae.). — Europa. Kleine (1 — 2mm lange) einförmige, grünliche, meist in die Teil- früchte gespaltene Früchte, mit fädlichen, helleren Rippen und ein- striemigen Furchen. — Geschmack und Geruch stark gewürzig. Bestandteile: äth. Öl (in den Striemen), fettes Öl (in den Samen). Anwendung: als blähung- und urintreibendes Mittel, zu Aqua P. Fructus Coriandri , Koriander. Coriandrum sativum. (Umbelliferae.) — Südeuropa. Kugelige, gelbliche, sich meist nicht spaltende, innen hohle Früchte mit vielen schwachen Rippen. — Geschmack süsslich, wie der Ge- ruch gewürzig. Bestandteile: äth. Öl (in den Striemen) fettes Öl (in den Samen). Anwendung: als blähungtreibendes Mittel. b) Nussfrüchte. Fructus Cannabis, Hanfsamen. Cannabis sativa. (Urticaceae). — Europa. Eiförmige, etwas gekielte, kahle und glatte, glänzende grünliche, weissgeaderte einsamige Nüsschen. Die zerbrechliche Schale birgt einen öligen Kern von süssem Geschmacke. Bestandteile: fettes Öl, Zucker, Eiweiss (im Samen). Anwendung: zu Emulsionen. c) Hülsen. Fructus Ceratoniae, Johannisbrot. Ceratonia Siliqua. (Caesalpiniaceae). — Südeuropa. Flache, auf dem Querschnitt vierkantige, verlängerte, kastanien- braune, glänzende Hülsen, deren Mittelschicht fleischig ist und in Querfächern die Samen einzeln birgt. Samen sehr hart, glänzend braun. — Geschmack süss; Geruch nach Buttersäure. Bestandteile: Zucker (über 5 °/0 in der Mittelschicht), Buttersäure. d) Kapselfrüchte. Fructus Papaveris immaturi, Mohnköpfe. Papaver somniferum. (Papaveraceae). — Europa. Die unreifen, walnussgrossen, fast kugeligen Kapseln, gekrönt mit vielstrahliger, s childstieliger Narbe, unter der sie in Löchern aufspringen; blaugrün, kahl. Die vielen — 597 — kleinen Samen sitzen an zahlreichen , flügelartig in die Höhlung hineinragenden, wandständigen Samenleisten, — Geschmack wider- lich bitter; Geruch frisch schwach narkotisch. Bestandteile: Spuren von Opiumbestandteilen. Anwendung: Als beruhigendes, einschläferndes Kindermittel, zu Syrupus Papaveris. Fructus Vanillae, Vanille. Yanilla planifolia. (Orchideae). — Mexiko und nördliches Südamerika. Die noch nicht völlig reifen, etwas fleischigen, ver- längerten, dreiseitig zusammengedrückten, gestreiften Kap- seln von schwarzbrauner Farbe, oft mit kleinen, weissen Krystallen (Yanillin) bedeckt (beste Sorte !). Innen ist die Frucht mit einem dicken Mus erfüllt, welches von sehr angenehmem Geruch und Geschmack und aus unzähligen, winzigen, schwar- zen Samen gebildet ist, die durch eine dünne Balsamschicht aneinander kleben. Zu verwerfen sind die noch ganz unreifen , dünnen , sehr trocknen, sowie die völlig reifen und bereits zweiklappig aufge- sprungenen, auch die mit Perubalsam oder öl abgeriebenen Früchte. Von geringerem Werte sind die kurzschotigen Sorten, zu denen die Guayra- oder Pompona-Vanilla zählt, von stärkerem, aber weniger feinem Gerüche. Bestandteile: Vanillin*) (Riechstoff der Vanille), fettes Öl. Anwendung: Als Gewürz, sowie Aphrodisiacum, zu TincturaV. Fructus Cardamomi (minoris), (kleiner) Kardaniom. Elettaria Cardamomum. (Scitamineae). — Ostindien (Ma- labarküste.) Ovale, etwa 1 — 2 cm lange, stumpf dreikantige, gestreifte Kapseln mit strohgelber, papierartiger Fruchtschale, welche in drei Fächern etwa 5 — 6 kleine, stumpfkantige, runzlige, braune Samen birgt. (Fig. 525.) Nur die Samen besitzen einen stark gewürzigen Geruch und Geschmack. Verwechslungen: 1. Der runde Kardamom (von Amomum Cardamomum) aus Siam in Hinterindien , von der Grösse des kleinen Kardamom, aber rundlich, so breit wie lang. (Fig. 526.) 2. Der Javanische Kardamom (von Amomum inaximum), ist rundlich, von brauner Farbe und 2—3 cm gross. (Fig. 527.) 3. Der lange oder Zeylon-Kardamom (von Elettaria major) ist bis 4 cm lang, graubraun und samenreich. (Fig. 528.) *) Es ist geglückt, aus dem im Kambiumsafte der Fichten enthaltenen Coniferin durch oxydierende Mittel Vanillin künstlich darzustellen. — 598 Fig. 525. Kleiner Kardamom. Fig. 526. Runder Kardamom. Fig. 527. Fig. 528. Javanischer Kardamom. Langer Kardamom. Wegen dieser Verwechslungen dürfen die Samen nicht aus den Kapseln herausgenommen gekauft werden. Bestandteile: äther. und fettes Öl. Anwendung: Als Gewürz zu Electuarium Theriaca, Tinctura aromatica und Tinctura Rhei vinosa. Fructus Sabadillae, Sabadillsamen. Sabadilla officinalis. (Colchicaceae). Mexiko. Eine aus drei, oben klaffenden Karpellen bestehende Frucht mit papier- artiger, blassbrauner Fruchtschale, welche länglich gebogene, braunschwarze, etwa V2 cm lange Samen (Fig. 529 c) enthält. — Geschmack der Samen sehr bitter und an- B. Querschn. dexa., c Ein Same, haltend scharf; Geruch fehlt. Bestandteile: Veratrin, Sabadillin, fettes Öl, Harz. Anwendung: zur Darstellung des Veratrins. Fructus Anisi stellati, Sternanis. Illicium anisatum. (Magnoliaceae). — China und Cochinchina. Meist zu 8 sternförmig gruppierte Fruchtkarpelle, kahnförmig zusammengedrückt und an der oberen Naht (Bauchnaht) geöffnet, ein- samig. Die Aussenschale ist graubraun, runzelig; die Innenschale glatt; der Same kastanienbraun, glänzend, mit spröder Samenschale und öligem Kern. — Geschmack süsslich ; Geruch anisartig. Verwechslung: Die ganz ähnlichen , aber giftigen Früchte von Illicium religiosum in Japan , die sogen. Sikimifrüchte, schmecken nicht süss aromatisch, sondern bitterlich, etwas nach Kubeben. Bestandteile: äth. Öl (in der Fruchtschale), fettes Öl (im Samen). Anwendung: wie der Anis. Fig. 529. A Fruct. Sabadillae ; — 599 B. Fleischig-saftige Früchte. a) Saftlose Beeren. FructllS Capsici, spanischer Pfeffer. Capsicum an nimm und C. longum. (Solanaceae). — Tropisches Amerika, Kegelförmige, fingerlange, rote, glänzende, trockene Beeren, innen hohl und unvollständig 3 — 4fächerig, mit zahl- reichen, flachen, gelblichen Samen. Fruchtschale lederig, von stark brennendem Geschmack, gepulvert Niesen erregend. Verwechslungen: Der Cayennepfeffer (von Capsicum fru- tescens u. a. A.) ist ähnlich, aber nur zolllang. Bestandteile: Capsicin (scharfes Öl). Anwendung: Als starkes Eeizmittel für die Verdauungs- organe und Harnwege; äusserlich als Tinctüra Capsici gegen Prost und Zahnschmerzen. Fructus Colocynthidis, Koloquinten. Citrullus Colocynthis (Cucumis Colocynthis). (Cu- curbitaceae). — Syrien und Egypten. Apfelgrosse, kugelige Beeren, deren goldgelbe Aussenschale entfernt worden, mit schwammigem, trocknem, leichtem, weissem Fleische von sehr bitterem Geschmacke; mit zahl- reichen, flachen, gelblichen Samen an wandständigen Samenträgern. Da die Samen wenig wirksam sind, werden sie vor dem Gebrauche entfernt und die samenarmen, fleischreicheren Früchte vorgezogen (sog. egyptische Koloquinten). Bestandteile: Colocynthin (Bitterstoff), Harz. Anwendung: Als drastisches Mittel, zu Extrakt und Tinktur. b) Fleischfrüchte. Caricae, Feigen. Ficus Carica. (Urticaceae). — Südeuropa. Birnförmige, fleischige Fruchtbehälter, die im Innern zahl- reiche, kleine Steinfrüchtchen enthalten. Handelssorten: 1 Smyrnaer Feigen, in Schachteln ver- packt, gross, sehr fleischig und sehr süss. 2. Kranzfeigen, aus Morea, auf Bastbänder gereiht und platt gedrückt , weniger süss , aber haltbarer. Bestandteile: Fruchtzucker , womit sie sich beim Lagern über- ziehen. c) Steinfrüchte. Cubebae, Kubeben. Cubeba officinalis. (Piperaceae). — Java. Getrocknete, pfeffergrosse, fast kugelige, einsamige Stein- früchte, welche unten in einen % cm langen, die Frucht — 600 - anLänge übertreffenden Frucht- stiel auslaufen, welcher sich nicht ab- lösen lässt. Die Fruchtschale ist grau- braun, netzig runzlig. (Fig. 530.) — Geschmack brennend; Geruch gewürz- Fig. 530. Fig. 531. haft. _ a Kubebe; Kreuzdorn- Verwechslungen: 1. Eine verwandte bim Längsschnitt beeren. ^ Cubeba canina, trägt kleinere, weniger runzlige, kürzer gestielte, mehr anisartig riechende Früchte. 2. Die Kreuzdornbeeren (Fig. 531) ähneln entfernt, enthalten aber 4 Steine und tragen einen ablösbaren Stiel. Bestandteile: äther. Öl, Kubebensäure (der wirksame Be- standteil), Cubebin (dem Piperin ähnlich, kristallinisch, geruch- und geschmacklos). Anwendung: Gegen Gonorrhöe, zu ätherischem Extrakte. Fructus Rhamni catharticae, Kreuzdornbeeren. Rhainnus cathartica. (Rhamneae). — Europa. Kugelige, schwarze Beeren, von der Grösse der Schlehen, mit violett-grünem Safte und vier stumpf-dreikantigen Stein- kernen. — Geschmack süsslich bitter. Verwechslungen: Die ähnlichen Beeren von Rhamnus Fran- gula (Faulbaum) besitzen nur 2— 3 Steinkerne. Die Liguster- beeren, mit violettem Fleische, enthalten keine Steinkerne. Bestandteile: Farbstoff, Cathartin (der abführende Stoff der Sennesblätter), Zucker, Fruchtsäuren. Anwendung: Frisch und reif zu Syrupus Rhamni. Cerasa acida, Sauerkirschen. Prunus Cerasus, "Var. austera, die Morellenkirsche (Amarelle). (Amygdaleae). — Europa. Kleine Kirschen von dunkelroter Farbe, mit dunkel- purpurnem, bitterlich saurem Safte. Bestandteile: Zucker, Fruchtsäuren. Anwendung: Frisch zu Syrupus Cerasi. Fructus Lauri, Lorbeeren. Laurus nobilis (Laurineae). — Südeuropa. Ovale, kirscbgrosse , braunschwarz e Steinfrüchte, mit eingetrockneter, runzliger, dünner Fleischschicht, papier- artiger, braunroter Steinschale und einem leicht in beide fleischige Samenlappen zerfallenden Samenkern. — Ge- schmack bitter, ölig; Geruch gewürzhaft. Bestandteile: äther. und fettes Öl (im Samen). Anwendung: Als magenstärkendes Mittel. - 601 — Fructus Sambuci, Hollunderbeeren. Sambucus nigra. (Caprifoliaceae). — Europa. Schwarze, glänzende, kugelige Beeren , mit dunkel vio- lettrotem Saft und. 3 Samen auf fünfstrahliger Trugdolde. Geschmack süss-säuerlich ; Geruch eigentümlich. Verwechslung: Die ähnlichen Beeren von Sambucus E b u- 1 u s stehen auf dreistr ah liger Trugdolde. Bestandteile: Farbestoff, Zucker, Apfelsäure. Anwendung: zu Succus Sambuci inspissatus. d) Saftige Beeren. Fructus Juniperi, Wacholderbeeren. Juniperus communis. (Coniferae). — Europa. Kugelige, erbsengrosse , an der Spitze dreihöckerige (herrührend von den 3 verwachsenen Karpellblättern), schwarze, graublau bereifte, dreisamige Scheinbeeren. Samen hart, dreikantig, mit öldrüsen besetzt. — Geschmack süsslich bit- terlich; Geruch gewürzhaft. — Die noch unreifen, grünen, beim Trocknen grau oder rot werdenden Früchte sind zu verwerfen. Bestandteile: äth. Öl (in den Samen), Zucker (im Fruchtfleisch). Anwendung: Harn- und schweisstreibend; zu Räuche- rungen. Liefern Succus Juniperi inspissatus, Ol. und Spir. Juniperi. Poma acida, saure Äpfel, Holzäpfel. Pirus Malus. (Pomaceae). — Europa. Saure Äpfel, am besten von dem wilden Apfelbaum, sog. Holzäpfel. Bestandteile: Zucker, Äpfelsäure. Anwendung: Frisch zu Extractum Ferri pomatum. Fructus Rubi Idaei, Himbeeren. Eubus Idaeus. (Rosaceae). — Europa. Eine aus zahlreichen Steinfrüchtch en zusammengesetzte Beere, vom schwammigen Blütenboden sich leicht ablösend; von hellroter Farbe und eben solchem Safte. — Geschmack süss- säuerlich; Geruch duftend. Bestandteile: Zucker, äther. Öl, Fruchtsäure. Anwendung: Frisch zu Syrupus und Aqua Rubi Idaei. Fructus Aurantii immaturi, unreife Pomeranzen. Citrus vulgaris. (Aurantiaceae). — Südeuropa. Die unreifen, kugeligen, harten, runzligen, dun- kelgrünen Früchte, von der Grösse einer Erbse bis zu der einer Kirsche. Man verwendet die unreif vom Baume fallenden Pomeranzen. — Geschmack bitter; Geruch gewürzig. Bestandteile: Bitterstoff, äther. Öl. Anwendung: Als magenstärkendes Mittel, zu Tinctura amara. - 602 — Fructus Citri, Citronen. Citrus Limonum. (Aurantiaceae). — Südeuropa. Länglich ovale , an der Spitze spitzenförmig genabelte, 10 — 12fächerige Beeren, deren gelbe Fruchtscbale durch zahlreiche eingesenkte Öldrüsen runzlig erscheint und ein weisses, markiges Zellge- webe umschliesst. Die Fächer sind mit einem sehr sauren, lockeren, geruchlosen Brei erfüllt. Bestandteile: äther. Ol (in der gelben Schale), Citronensäure (im Fruchtbrei). Anwendung: frisch zu Succus Citri und Syrupus Citri. Fructus Myrtilli, Heidelbeeren. Vaccinium Myrtillus. (Ericaceae resp. Vaccineae). — Europa. Kugelige, erbsengrosse , durch den kreisrunden Kelchsaum gekrönte, glänzend schwarze, trocken runzelige, mehrsamige Beeren, mit blaupupurnem Fleische. — Geschmack säuerlich-süss, etwas herbe. Bestandteile: Farbstoff, Zucker, Fruchtsäuren. Anwendung: Gegen Durchfall. G. Fruchtschalen. Cortex fructus AurantÜ, Pomeranzenschale. Citrus vulgaris. (Aurantiaceae). — Südeuropä. Die in 4 elliptische Stücke gespaltene Aussen schale der reifen Pomeranzen, aussen von gelbbrauner Farbe, durch zahlreiche, eingesenkte Öldrüsen punktiert, innen mit einer weissen, schwammigen, geschmack- und geruchlosen Markschicht, welche vor dem Gebrauche abzuschälen ist. Alsdann heisst die gelbe Aussenschicht Cort. Fr. Aurantii expulpatus (Flavedo Aurantii). — Geschmack bitter; Geruch gewürzhaft. Verwechslungen: 1. Die grünen Cu rassao-S chal en, von einer in Westindien wachsenden Varietät des Pomeranzenbaumes, sind zwar vorzüglich, aber im Handel meist durch eine grün- schalige französische Spielart oder unreife Schalen ersetzt und daher nicht anzuwenden. 2. Die Apfelsinenschalen sind mehr orangerot und kaum bitter. Bestandteile: Bitterstoff und äther. Öl (in der gelben Schicht). Anwendung: Als verdauungsbeförderndes Mittel, zu Elixir Aurantii comp., Extractum Syrupus und Tinctura cort. Aurantii. Cortex fructus Citri, Citronenschale. Citrus Limonum (Aurantiaceae). — Südeuropa. Die in spiraligen Streifen abgeschälte Aussenschale der reifen Früchte, aussen gelb, durch zahlreiche vertiefte Öl- drüsen punktiert, innen weiss, schwammig. — Geschmack bitter; Geruch schwach. Bestandteile: äther. Öl, Bitterstoff. Anwendung: Als Geschmackscorrigens beim Zittmannschen Dekokt. Aus der frischen Schale wird in Italien Ol. Citri gepresst. — 603 — Cortex fructus Juglandis, grüne Walnuss-Schale. Juglans regia. (Juglancleae). — Europa. Die Fleischschicht der reifen Walnuss , aussen grün, innen weisslich, etwas schwammig, die Haut bräunend. — Geschmack säuer- lich, bitter, herbe; Geruch gewürzig. Bestandteile: Farbstoff, Salze. Anwendung: frisch zu Extractum nucum Juglandis. D. Fruchtmus. Pulpa Tamarindorum, Tamarindenmus. Tamarindus Indica. (Caesalpiniaceae). — Ostiadien. Ein braunschwarzes, mit papierartigen Querwänden und kastanienbraunen, glänzenden, harten, vierkantigen Samen unter- mischtes Fruchtmus, von einer krusten artigen Fruchtschale eingeschlossen, welche entfernt wird. — Geschmack sauer, etwas herbe; Geruch weinig. Handelssorten: 1 . Die ostindischen Tamarinden, die beste und ofüzmelle Sorte, von dunkler Farbe und stark saurem Ge- schmacke. — Zu verwerfen sind: 2. Die egyp tischen Tama- rinden, in braunen, flachen Kuchen; 3. die westindischen Tamarinden, schmierig, hellbraun, weiss, mit Zucker versetzt und dadurch oft in Gährung begriffen. Verunreinigung: mit Kupfer. Man weicht das Mus in Wasser auf, eine blanke Eisenklinge darf darin nicht kupferrot werden. Bestandteile: Zucker, Citronensäure, Weinstein. Anwendung: Als kühlendes und schwach abführendes Mittel, gereinigt als Pulpa Tamarindorum depurata, zu Electuarium e Senna und Serum Lactis tamarindin atum. Schlüssel zum Bestimmen der offlzinellen Früchte. (Einschliesslich der frisch gebrauchten.) I. Fruchtstände. Fleischfrucht, härtlicbe Früchtchen einschliessend Caricae. IL Aus einer einzigen Blüte hervorgegangene Früchte. A. Einsamige, samenähnliche Karpelle. 1. Frucht nüsschenartig , grünlich, glänzend . Fr. Cannabis. 2. Frucht in 2 Teilfrüchte zerfallend, rippig. a) Frucht länglich, etwa 4 mm lang. a) Frucht scbarfrippig, grünlichbräunlich Fr. Foeniculi, ß) Frucht braun, mit helleren Rippen . Fr. Carvi. y) Frucht braun , stumpfrippig , zu- sammenhaltend Fr. Phellandrii. b) Frucht einförmig, bis 2 mm lang. a) Frucht grün, mit helleren Rippen . Fr. Petroselini. ß) Frucht grau, flaumig, stumpfrippig . Fr. Anisi vulg. c) Frucht kugelig, hohl, stumpfrippig gelb Fr. Coriandri. — 604 — B. Einsamige Früchte mit fleischiger Aussenschale. 1. Einfache Frucht (Steinfrucht). a) Frucht kugelig, erbsengross, netzigrunzlig, gestielt Cubebae. b) Frucht oval, braun, glänzend, runzlig . Fr. Lauri. 2. Zusammengesetzte Frucht, aus sternförmig gruppierten Karpellen Fr. Anist stellatL C. Mehrsamige Früchte. 1. Schotenartige (hülsenartige) Früchte. a) Flach vierkantige, glänzendbraune, etwas fleischige Hülsen Fr. Ceratoniae. b) Dreiseitig, lang und schmal, dunkelbraun Fr. Vanittae. 2. Ovale oder kugelige Kapseln. a) Kugelig, blaugrün mit strahliger Narbe Fr. Papaveris. b) Oval, strohgelb, gestreift, dreikantig . Fr. Cardamomi. c) Eiförmig, bräunlich, aus 3 oben klaffen- den Karpellen bestehend Fr. Sabadillae, 3. Beeren oder fleischige Früchte. a) Trockene Beeren. a) Kirschgross, hart, dunkelgrün . . . Fr. Aurantii immat. ß) Apfelgross, geschält, innen schwammig Fr. Colocynthidis . y) Kegelig, glänzendbraunrot Fr. Capsici. b) Fleischige oder kugelige Beeren. a) Mit der Kelcbnarbe gekrönt, rot- saftig Fr. Myrtilli. ß) An der Spitze dreihöckerig, dreisamig, gewürzig Fr. Juniperi. y) Am Grunde mit kreisförmiger Scheibe, 4 steinig, violettsaftig Fr. Rhamni. cath. 11. Die offizinellen Samen (Semina). A. Eüveisshaltige Samen. Sie enthalten neben oder in dem Eiweisskörper einen kleinen Keim. a) Feingrubige Samen. Semen Colchici, Zeitlosensamen. Colchicum autumnale. (Colchicaceae). — Europa. Fast kugelige, kleine, sehr harte, dunkelbraune, feingrubigeT innen weissliche Samen, deutlich bespitzelt, etwas klebrig, aber nach längerer Aufbewahrung beim Zusammendrücken in der Hand nicht mehr aufeinanderhaftend. — Geschmack unangenehm bitter. Bestandteile: Colchicin, fettes Öl. Anwendung: Ein narkotisches Mittel gegen Rheumatismus; zu Acetum, Yinum, Tinctura Colchici. Semen Papaveris, Mohnsamen. Papaver somniferum. (Papaveraceae). — Europa. — 605 Kleine, nierenförmige, feingrubige, weissliche Samen, von süss-öligem Geschmack. Bestandteile: fettes Ol, Gummi. Anwendung: Zu Emulsionen. Semen Hyoscyami, Bilsensamen. Hyoscyamus niger. (Solanaceae). — Europa. Kleine, flache, fast nierenförmige, feingrubige, bräunliche Samen, von bitterem, öligem Geschmack. Bestandteile: fettes Öl, Hyoscyamin. Semen Stramonii. Stechapfelsamen. Datura Stramonium. (Solanaceae). — Europa. Flache, nierenförmige, feingrubige, schwarze, innen weisse Samen, von widerlich, bitterlichem Geschmack. Bestandteile: fettes Öl, Daturin. Anwendung: wie Stechapfelblätter, zu Tinktur. b) Glatte, glänzende Samen. Semen Lini, Leinsamen. Linum usitatissimum. (Lineae). — Europa. Eiförmige, flache, glänzende, kastanienbraune Samen, welche im Wasser schlüpfrig werden und Schleim abgeben. — Geschmack ölig, schleimig. Beimischung: Die Spelzenfrüchte von Lolium arvense (Un- kraut in den Leinfeldern) sind zu entfernen. Bestandteile: .fettes Öl (im Kern), Schleim (in der Schale). Anwendung: Ausserlich zu erweichenden Umschlägen. c) Behaarte Samen. Semen Strychni (Nuces vomicae), Strychnossamen (Krä- henaugen). Strychnos Nux vomica. (Strychnaceae). — Ostindien. Elache, scheibenför- mige, kreisrunde, zollbreite Samen, mit centralem Nabel und sehr dichter, seidenartiger, kurz angedrückter und nach dem Mittelpunkt gerichteter, gelb- lich grauer Behaarung; Fig. 532. von hornartiger Beschaffen- A Sem. Strychni; B im Längsschnitt; heit, innen weiss und mit einer c ü* Querschnitt, grossen Spalte. (Fig. 532.) — Geschmack höchst bitter. Bestandteile: Strychnin und Brucin, Igasursäure. Anwendung: In kleinen Gaben als Bittermittel zu Extrakt und Tinktur ; in grösseren Mengen Starrkrampfund Tod hervorrufend. - 606 B. Ehveisslose Samen. Der Samenkern besteht nur aus dem Keim, mit fleischigen Samenlappen, a) Über lKcm grosse Samen. Amygdalae dulces, süsse Mandeln. Amygdalus communis a) dulcis. (Amygdaleae). — Südeuropa. Eilängliche, etwas flache, braungelbliche, glanzlose Samen , mit weissem , ölig-fleischigem , aus zwei grossen Samen- lappen bestehendem Kerne, dessen Geschmack süss ölig ist. Mit Wasser zerrieben geruchlos. Bestandteile: Fettes Öl (45— 55°/0) Emulsin, Zucker. Anwendung: Zu Emulsionen ; zu Oleum und Syrupus Amygd. Amygdalae amarae, bittere Mandeln. Amygdalus communis ß) amara. (Amygdaleae). — Südeuropa. Den süssen Mandeln völlig ähnlich, aber von bitterem Ge- schmack und, mit Wasser zerrieben, nach Bittermandelöl riechend. Bestandteile: Fettes Öl (30 — 40%) Emulsin, Amygdalin. Anwendung: Als Zusatz zu Mandelemulsionen; zu Aqua Amygd. amar. Faba Calabarica, Calabarbone. Physostigma venenosum (Papili- onaceae). — Westküste Afrikas. Längliche, schwach nierenförmige, etwas flache, grosse, braune, etwas glän- zende, körnig runzelige Samen, einer- seits mit einer tiefen, randständigen Längsfurche (Nabelstreifen) versehen -r zwei weissliche, ovale Samenlappen ber- gend (Fig. 533.) Geschmack fade. Be standteile : Physostigmin (Eserin). " " Anwendung: als verengernd wirkend Fig. 533. auf die Pupille, Gegengift gegen Belladonna Calabarbohne, A von der Seite und Atropin. u. B vom Rande gesehen. b) Samen von 1/s — 1/2 cm Grösse., Semen Faeni Graeci, Bockshornsamen. Trigonella Faenum Graecum (Papilionaceae). — Europa. Vierkantige, rautenförmige, gelbbräunliche, sehr harte Samen, mit hakig gekrümmtem Keime, dessen Würzelchen — 6G7 - ausserlich deutlich hervortritt. — Geschmack bitter, schleimig; Geruch nach Honigklee (Melilotus). Bestandteile: Schleim, äther. Öl, Bitterstoff, Gerbsäure. Anwendung: Zu Viehpulvern, namentlich für Schafe. Semen Cydoniae, Quittensamen. Cydonia vulgaris. (Pomaceae). — Europa. Keilförmige, flache oder kantige, kastanienbraune, glanzlose Samen, welche im Wasser stark aufquellen und dasselbe schleimig machen. Sie kleben meist zu mehreren zusammen. — Geschmack fade, etwas nach bitteren Mandeln. Verwechslungen: Apfel- und Birnsamen sind glänzend, nicht zu- sammenklebend. Bestandteile: Schleim. . Anwendung: zu Mucilago, Cydoniae. c) Winzig kleine Samen. Semen Sinapis, schwarzer Senf. Brassica nigra. (Sinapis nigra) (Cruciferae). — Europa. Winzige, kugelige, feingrubige, dunkelbraun- rote, innen gelbe Samen, welche ein gelbgrünes Pulver geben und gekaut anfänglich bitterölig, darauf brennend scharf schmecken. Geruch des Samens erst beim Anrühren mit Wasser scharf. Verwechslungen: Die Rübsamen (von Brassica Rapa und Br. Napus), wie auch die Samen der schwarzsamigen Varietät des weissen Senfes (Sinapis alba), unterscheiden sich durch be- deutendere Grösse und Glätte. Auch entwickeln sie mit Wasser kein Senföl; ihr scharfer Geschmack rührt von Sinapin her. Bestandteile: Myronsaures Kali, Myrosin, fettes Öl. Anwendung: Zur Hautreizung als Sinapismus (Senfteig) und Senfpapier; zu Oleum Sinapis und Spiritus Sinapis. C. Samenkerne und Samenmantel. Semen Myristicae (Nuces moschatae), Muskatnuss. Myristica fragrans. (Myristicaceae). — Ostindien. Ovale, aussen netzig runzlige, weissbestäubte, innen blassbräunliche Samenkerne, deren bräunlicher Eiweisskörper von der dunkel pomeranzengelben, dünnhäutigen, inneren Samenhaut unregelmässig durchsetzt ist, sodass er auf dem Querschnitte heller und dunkler braun marmoriert erscheint. — Geschmack und Geruch stark gewürzig. Verwechslungen: Die längeren und grösseren sog. männ- lichen oder wilden Muskatnüsse (von Myristica fatua auf der Insel Bourbon) sind im Aroma schwächer. — 608 — Bestandteile: Fettes und äther. Öl. Anwendung: Als Gewürz und zu Oleum Nucistae, das man in Ostindien auspresst und in viereckigen, von Pisangblättern umwickelten Stücken nach Europa bringt. Macis, Muskatblüte. Der Samenmantel der Muskatnuss. Eine eiförmige, am Grunde verwachsene und mit einem Loch versehene, nach oben zerschlitzte, vielgestaltige Hülle, welche den Samen mantelförmig umschliesst ; pomeranzengelb, fettglänzend, hornartig zerbrechlich, dünn. — Geschmack und Geruch gewürzig. Bestandteile: Jettes und äther. Öl. Anwendung: Als Gewürz, zu Oleum Macidis, das in Ostindien destilliert wird. Semen Quercus (Glandes Quercus), Eicheln. Quercus pedunculata und Qu. sessiliflor a. (Cupuliferae). — Europa. Der aus der pergamentartigen Fruchtschale herausgenommene Samen- kern, aus zwei grossen, plankonvexen, hellbraunen, fleischigen Samen- lappen mit kleinem Keimling bestehend. — Geschmack zusammenziehend. Bestandteile: Gerbsäure. Anwendung: zu Sem. Quercus tostum (Eichelkaffee). Schlüssel zum Bestimmen der offlcinellen Samen. A. Winzig kleine Samen, nur 1 mm messend a) Kugelig, braunrot Sem. Sinapis. b) Flach, nierenförmig, feingrubig, a) Weisslich, süss Sem. Papaveris. ß) Graubräunlich, bitter Sem. Hyoscyamis. B. Mittelgrosse Samen, 2 — 6 mm messend. a) Braun. a) Kugelig bespitzelt Sem. Colchici. ß) Keilförmig, kantig Sem. Cydoniae. y) Flach, glänzend Sem. Lini. b) Gelb, vierkantig Sem. Faeni Graeci. c) Schwarz, flach nierenförmig Sem. Stramonii. C. Grössere Samen, 2 — 4 cm messend. a) Flach, oval, glanzlos braun. °0 Süss * Amygdalae clulces. ß) Bitter Amygdalae amarae. b) Flach, kreisrund, grauseidenhaarig . . . Sem. Stryehni. c) Oval oder länglich, nicht flach. a) Braun, glänzend, körnig , runzlig , einer- seits am Rande rinnig Faba Caldbarica. ß) Weiss bestäubt, netzigaderig .... Sem. Myristicae. 609 12. Offizinelle kryptogamische Gewächse. A. Blattarüge Trieblager. Liehen Islandicus, Isländisches Moos. Cetraria Islandica. (Lichenes). — Nordeuropa. Ein blattartiges, zerschlitztes, am Rande franziges, schwach rinnen förmiges Trieblager, mit brauner, glänzender Oberfläche, blasser und grubiger Unterfläche, im trocknen Zustande starr und zerbrechlich, feucht zähe und weichlederig. Mit Wasser gekocht liefert es beim Erkalten eine Gallerte. — Geschmack bitter, schleimig. Bestandteile: In der Markschicht Pflanzengallerte (sog. Flech- ten stärke oder Lichinin), in der Rinden schiebt Cetrarsäure (bitter). Anwendung: Gegen Brustleiden als Gallerte Liehen Islandicus ab amaritie liberatus ist das durch Mazeration mit kohlensaurer Kalilösung von der bitteren ,Cetrarsäure befreite isländische Moos. B. Stengelige Trieblager. Carrageen, Irländisches Moos. Chondrus crispus und Gigartina mammillosa. (Algae). — Küsten des atlantischen Ozeans. Ein gabelästiges Trieblager, mit linealen oder keil- förmigen Zipfeln, im trocknen Zustande knorpelig, gelb- lichweiss, im Feuchten aufquellend und erweichend, mit Wasser gekocht beim Erkalten gelatinierend. Das Lager der letztgenannten Art ist rinnig, das der ersteren flach. — Geschmack schleimig, etwas salzig. Bestandteile: Gallerte (die Zellwände bildend). Anwendung: Als Gallerte (Gelatina Carrageen) gegen Darm- katarrh und Lungenschwindsucht. Lamlnaria, Riementang. Laminaria Cloustoni. (Algae). — Meeresgestade. Sehr lange, fingerdicke, stielrunde, grob gefurchte und runzlige, braune Stengel, von hörn artiger, kaum elasti- scher Beschaffenheit , in Wasser bis zum Vierfachen aufquellend und grün werdend. In den tieferen Furchen oft mit weissem Seesalz überzogen. Bestandteile: Gallerte (die Zellwände bildend). Anwendung: Mechanisch als Sonde, zum Verstopfen oder Erweitern von Öffnungen und Kanälen des Körpers. Schlickum, Apothekerlehrling. 39 610 G. Pilzlager. Secale cornutum, Mutterkorn. Claviceps purpurea*). (Fungi). — Europa. Stumpf dreikantige, 2 — 3 cm lange, etwas gekrümmfe, matt schwarzviolette, innen weissliche Körper. An der Spitze befindet sich ein weiches , schmutzig weisses Anhängsel {sog. Mütze) , welches aber meist abgefallen ist. — Geschmack schwach, unangenehm; Geruch eigentümlich. Man bewahrt es, wegen Eanzig- werden des Öles, in Blech oder Glas- gefässen auf und sammelt es, wenn möglich, alljährlich frisch. Das Pulver wird mittelst Äther entölt, wobei es ca. 30°/0 an Gewicht verliert. Bestandteile: Ergotin und Ecbolin (zwei Alkaloide) , Sclerotinsäure, Zucker (sog. Muköse), fettes Öl (V3 Teil). Anwendung: Gegen Blutungen, zur Verstärkung der Wehen, als Extrakt und Tinktur. Fungus Laricis (Agaricum) , Lärchen- schwamm. ig. 5o4. . Polyporus officinalis. (Fungi). — m -i -i trischen Punkte. (Fig. 542.) 2. Die Tapioka- oder Cassava-Stärke (von Manihot utilissima), aus Brasilien, besteht aus zusammenhängenden Körnchen, die beim Trocknen sich trennen und paukenförmig (einerseits kugelig , andrerseits flach) erscheinen , mit konzentrischen Schichten und einem centralen Punkte. (Fig. 543.) 3. Die Kartoffelstärke besteht aus eiförmigen Körnchen mit konzentrischen Schichten und einem excentrischen Punkte nach dem schmäleren Ende hin. (Fig. 544.) — 614 Fig. 541. Marantastärke, vergr. Fig. 542. Curcumastärke, vergr. Fig. 543. Fig. 544. Cassavastärke, vergr. Kartoffelstärke, vergr. Schüttelt man das Arrow-root mit 10 Teilen verdünnter Salzsäure, so scheidet sie sich wieder grösstenteils unverändert ab; Weizenstärke und Kartoffelstärke geben damit eine Gallerte, die bei letzterer nach frischen Bohnen riecht. Anwendung: zur Nahrung kleiner Kinder. Schlüssel zum Bestimmen der mikroskopischen Pflanzengebilde. A. Pulver weiss, ohne Geruch und Geschmack, durch Jodlösung blau werdend. a) Körnchen eiförmig oder oval, geschichtet Amylum Marantae. b) Körnchen scheibenförmig, undeutlich ge- schichtet Amylum Tritici. B. Pulver heller oder dunkler gelb. a) Geschmack und Geruch fehlen .... Lycopodium. b) Geschmack und Geruch gewürzig . . . Gland. Lupuli. C. Pulver ziegelrot, geschmack- und geruchlos . . . Kamdia. IV. Offizinelle Pflanzenprodukte ohne zelligen Bau. A. Erhärtete Sekrete und Milchsäfte. Produkte der Umbildung grösserer Zellpartien (im Baste der Gewächse), aus Bissen uud Einschnitten der Rinde fliessend und an der Luft erhärtend. a) Zuckerarten. In Wasser völlig löslich und süss. Manna. Manna. Fraxinus Ornus. (Oleaceae). — Italien. Handelssorten: 1. Röhren-Manna(.Mflm»m canellata seu electa)1 — 615 — dreikantige oder rinnige Stücke, welche weisslich oder gelblich, trocken, nur wenig klebrig und von rein süssem Ge- schmacke sind. 2. Gemeine Manna (Manna Geracina seu communis), zu- sam menklebend e, w eissliche oder bräunliche Klumpen von süssem, schwachkratzendem Geschmacke. 3. Die (im Oktober gesammelte) fette Manna (Manna pinguis seu de Puglia), eine schmierige, bräunliche, verunreinigte oder gährende Masse von kratzendem Geschmacke, ist zu verwerfen. Bestandteile: Mannit, Zucker, Gummi. Anwendung: Als mildes Abführmittel, zu Syrupus Mannae, und Infus. Sennae comp. b) Gummiarien. In Wasser zu einem Schleime löslich. Gummi arabicum, arabisches Gummi. Acacia Senegal. (Mimosaceae). — Nordafrika (am oberen Ml). Kugelige Stücke, welche leicht in zahlreiche, scharf- kantige, glas glänzende Stücke zerbrechlich, farblos oder schwach gelblich, durchscheinend und von muscheligem Bruche sind. Sie lösen sich in "Wasser völlig und klar auf. Geschmack schleimig, fade. Verwechslung: Das Senegalgummi aus Senegambien, ist glanzlos, in Wasser gallertig löslich, zerbricht nicht in kleine Stückchen und schmeckt sauer. Bestandteile: Arabin, an Kalk (3%) gebunden. Anwendung: Zu Mucilago Gummi arabicum (1 : 2), Mixtura und Pasta gummosa, Pulvis und Syrupus gummosus. Tragacantha, Tragant, Astragalu s verus u. a. Arten dieser Gattung (Papilio- naceae). — Kleinasien, Armenien, Persien. Handelssorten: I. Smyrnaer Tragant aus Kleinasien, bald flache, rundliche, spiralige oder halbmondförmige Platten mit verdickten, konzentrischen Schichten — sog. Blät- tertragant (aus Kleinasien); bald dünne, schmale, schnecken- förmig gewundene Streifen — sog. faden- oder wurm förmig er Tragant, beide von weisser oder weisslicher Farbe, glanzlos^ schwach durchscheinend. 2. Syrischer und persischer Tragant, in knolligen oder traubenförmigen Stücken, von hellgelber bis rötlicher Farbe und etwas glänzend. Der Tragant besitzt hornartige Beschaffenheit, lässt sich schwierig pulvern, quillt in Wasser langsam auf, ge- pulvert bildet er mit 50 Teilen Wasser einen gallertigen Schleim. — 616 — Verwechslungen: Der M orea-Tragant, aus Griechenland, ist bräunlich und sehr unrein. Bestandteile: Bassorin. Anwendung: Zu Schleim als Bindemittel für Pillen, Pastillen. c) Gummiharze. Bestellend aus einem harzigen, in Weingeist löslichen, und einem gummiartigen, in Wasser löslichen Bestandteile; in Weingeist nur teilweise löslich, mit Wasser eine Emulsion gebend. a) Aus der Familie der Umbelliferen. Ammoniacum, Ammoniakgummi. Doremaimmouia cu m. (Umbelliferae.) — Persien , Turkestan. K, un d lieh e , erbsen- bis walnussgrosse Körner {A. in granis) oder eine bräunliche Masse, in welcher derartige Körner eingebettet liegen (A. in mussis); gelb bis bräunlich, auf dem muscheligen Bruche o pal artig milch weiss fettglänzend ; kalt spröde, in der Handwärme erweichend. — Geschmack bitter, kratzend; Geruch eigentümlich. Zu Ammoniacum d e p u r a t u m wird es entweder der Prostkälte ausgesetzt oder über Kalk ausgetrocknet, dann gepulvert und gesiebt. Bestandteile: äther. Öl, Harz, Gummü Anwendung: Äusserlich als zerteilendes Mittel, zu Emplas- trum Ammoniaci und anderen Pflastern. Galbanum, Mutterharz. F e r u 1 a galbaniflua und F. r u b r i c a u 1 i s. (Umbelliferae.) — Persien. Erbsen- bis haselnussgrosse, rötlich- oder bräunlichgelbe Körner {Gr. in granis), oder grünliche bis b las s braune Massen, in denen solche Körper eingebettet liegen (Cr. in massis); auf dem muscheligen Bruche opalartig gelblich, fett- glänzend. In der Kälte spröde, in der Handwärme erweichend, klebrig. Übergiesst man das Gummiharz mit Salzsäure, so färbt sich dieselbe allmählich rot; mit "Wasser übergössen und mit einem Tropfen Ätzammoniak versetzt, erzeugt es ein bläuliches Schillern. — Geschmack bitter, brennend; Geruch balsamisch. Zu Galbanum d epuratum wird es entweder der Frostkälte ausgesetzt oder über Kalk ausgetrocknet, dann gepulvert und gesiebt. Bestandteile: äther. Öl, Harz, Gummi. Anwendung: Zu Emplastrum Galbani crocatum und anderen Pflastern. Äsa foetida, Stinkasant, Teufelsdreck. Ferula Scorodosma und Ferula N arthex. (Umbelli- ferae.) — Persien und Afghanistan. — (517 — Das aus der Wurzel quellende Gummiharz kommt teils als rundliche, haselnussgrosse Körner (A. f. in granis), teils als bräunliche Massen, in denen solche Körner eingebettet liegen {A. f. in massis) zu uns; auf frischem Bruche opalartig weisslich, fettglänzend, bald purpurrötlich anlaufend, schliesslich braun. Kalt spröde, in der Handwarme erweichend und klebrig. — Geschmack bitterlich, Geruch widrig, knoblauch- ähnlich. Zu Asa foetida depurata wird es entweder der Frostkälte ausgesetzt oder über Kalk ausgetrocknet, gepulvert und gesiebt. Bestandteile: äther. Öl, Harz, Gummi. Anwendung: Als krampfwidriges, die Darmbewegung an- regendes Mittel in Emulsion; äusserlich als verteilendes Mittel; zu Empl. foetidum, Aqua foetida antihysterica, Tinct. Asae foetidae. ß) Aus der Familie der TereMnthaceen, Myrrha, Myrrhe. Balsamea (Balsamodendron) Myrrha. (Terebinthaceae.) — Südwest-Arabien und Ostspitze Afrikas (Somaliland). Rundliche Stücke von verschiedener Grösse, aussen be- stäubt, gelblich bis rötlich-braun, auf dem Bruche wachs- glänzend , nur in Splittern etwas durchscheinend. Betupft man die Myrrhe zuerst mit Weingeist und hernach mit Salpetersäure, so nimmt sie eine violett rote Färbung an. — Geschmack bitter; Geruch stark balsamisch. Verfälschungen: 1. Das B d e 1 1 iu m (ein Harz von Balsamoden- dron africanum) ist dunkelbraun und ohne die oben angegebene Farbenreaktion mit Salpetersäure. 2. Kirsch- oder Pflaume n- gummi, sowie dunkle Stücke Senegalgummi, sind durchschei- nender, befeuchtet klebrig und in Wasser zu einem gallertigen Schleim löslich. Bestandteile: äther. Öl, Harz, Gummi (über 50°/0). Anwendung: Innerlich als anregendes Mittel, zu Extrakt; äusserlich zu Mund- und Zahnmitteln, als Tinktur. Oübanum (Thus), Weihrauch. Boswellia sacra. (Terebinthaceae). — Nordostspitze Afrikas (Somali- land), von wo das Gummiharz über Ostindien nach Europa gelangt. Rundliche, aussen bestäubte, weissliche, bräunlichgelbe oder rötliche Körner von verschiedener Grösse, auf dem Bruche wachsartig, kaum durchscheinend. Beim Erhitzen schmelzen sie mit balsamischem Dufte. — Geschmack und Geruch balsamisch. Verfälschungen: Fichtenharz (Thus communis) löst sich in Weingeist völlig auf und verbreitet beim Schmelzen einen Terpentingeruch. Sandarak ist auf dem Bruche glasglänzend und durchsichtig. Bestandteile: äther. Ol, Harz, Gummi. Anwenduno-: Zusatz zu einigen Pflastern. 618 y) Aus der Familie der Guttiferen. Gutti, Gunrmigutt. Gar ein ia Morella. (Guttiferae). — Hinterindien (Siani). Cylindrische, aussen bestäubte Stücke (Röhrengutti), oder Klumpen und Kuchen ohne bestimmte Form (Kuchen- oder Schollengutti) j und von geringerer Güte, oft mit Holzstückchen verunreinigt; pomeranzengelb, gepulvert citronengelb, hart, spröde, mit glattem, wachsgiänzendem , breitmuscheligem Bruche. — Geschmack süsslich, zuletzt brennend; Geruch fehlt. Bestandteile: Gummi, saures Harz. Anwendung: Drastisch abführendes Mittel. d) Harze. In Weingeist, nicht in Wasser löslich, beim Erhitzen schmelzend. a) Aus der Familie der Coniferen. Resina Dammar, Dainmarharz. Dammara alba und D. orientalis, sowie Hopea micrantha und H. splendida. (Coniferae). — Ostindische Inseln. Farblose oder weissliche, durchscheinende, spröde, un- förmliche Stücke ohne Geruch, in Wasser untersinkend, erst bei 180° schmelzend. Anwendung: Zu Empl. adhaesivum ; technisch zu Lack. Colophonium, Geigenharz. Das bei der Terpentinöl - Destillation aus dem Terpentin zu- rückbleibende Harz (sog. gekochter Terpentin) wird durch Schmelzen wasserfrei gemacht. Heller oder dunkler gelbe, aussen bestäubte, durchsich- tige, sehr spröde Stücke, auf dem flachmuscheligen Bruche glasglänzend, ohne Geschmack und Geruch, in der Handwärme schwach terpentinartig riechend ; leicht löslich in Weingeist, Äther. Bestandteile: Kolopholsäure (Anhydrid der Abietinsäure). Anwendung; Als Konsistenzmittel vieler Pflaster und Salben. Resina Pini, Fichtenharz, Burgunderharz. Pinus silvestris und P. Pinaster. (Coniferae). — Europa. Das zur Winterzeit ausfüessende Harz erscheint teils als gelbliche, oft etwas zähe, durch Wassergehalt undurchsichtige Klumpen (weisses Harz) oder als gelbbraune, spröde, durchscheinende, auf dem Bruche glänzende, in der Handwärme erweichende Stücke (Burgunder- harz), mehr oder weniger von terpentinartigem Gerüche und fast voll- kommen in Weingeist löslich. Bestandteile: ein saures Harz (Abietinsäure), welches mit Alkali- lauge Harzseife bildet; etwas Terpentinöl. Anwendung: zu Ceratum Resinae Pini, Pflastern und Salben. - 619 — Succinum, Bernstein. Pinus succinifera. (Coniferae), — ein vorzeitlicher Baum, dessen Harz an der preussischen Ostseeküste teils gegraben, teils aufgefischt wird. Ein gelbes oder gelbbraunes, mehr oder weniger durchsichtiges, sprödes, auf dem muscheligen Bruch glänzendes, in Weingeist, Äther und Ölen kaum lösliches, geruchloses Harz, dessen unansehnliche Bruchstücke zur Verwendung gelangen. -Auf glühenden Kohlen oder heissen Platten mit Wohlgeruch schmelzend. Bestandteile: Harz, Bernsteinsäure. — Beim Schmelzen des Bern- steins destilliert das tiefbraune Oleum Succini als Teer über, Acidum succinicum sublimiert, und im Rückstand bleibt ein Harz (Colopho- nium Succini), welches zu Bernsteinfirnis dient. Durch Rektifikation des Oleum Succini mit Wasser gewinnt man das dünnflüssige, gelbliche oder farblose Oleum Succini rectificatum. Sandaraca , Sandarak. Callitris quaHrivalvis. (Coniferae). — Nordafrika (Atlas). Citronengelbe, langgestreckte, weissbestäubte, durchsichtige, auf dem Bruche glas glänzende Körner, welche beim Kauen sich pulvern, ohne zu erweichen; in heissem Weingeist und in Terpentinöl völlig löslich. — Geschmack bitterlich, Geruch beim Schmelzen balsamisch. Anwendung: zu Lackfirnissen, Empl. Mezerei canth. (5) Aus der Familie der Terebinthaceen. Mastix, Mastix.*) Pistacia Lentiscus. (Terebinthaceae). — Orient (Insel Chios). Blassgelbe, aussen bestäubte, erbsengrosse, rundliche Körner, auf dem Bruche glasglänzend, durchsichtig, spröde, beim Kauen zu einer wachsähnlichen Masse erweichend, in Weingeist teilweise lös- lich. — Geschmack harzig gewürzhaft; Geruch beim Schmelzen balsamisch. Bestandteile: Harz, Masticin. Anwendung: zu einigen Pflastern und Zahnkitten. Elemi, Elemi. Icica Abilo. (Terebinthaceae). — Philippinen. Feste oder halbweiche, kaum durchscheinende Massen von citro- nengelber Farbe, mit einem Stich ins Grünliche; leicht schmelzbar und in siedendem Weingeist löslich. — Geschmack bitter gewürzig; Ge- ruch balsamisch, an Fenchel erinnernd. Bestandteile: Harz, äther. Öl. Anwendung: zu Unguentum Elemi. y) Aus anderen Familien. Benzoe, Benzoe. Styrax Benzoin. (Styraceae). — Hinterindien und Sumatra. Handelssorten: 1. Die Siam-Benzoe, in braun- oder röt- lich-gelben, innen milchweissen, wachsglänzenden Kör- nern (B.in granis) , die auch wohl zu rotbraunen, auf dem *) Mastis von masticare (kauen), weil die Orientalen das Harz kauen zur Verbesserung des Athems und Zahnfleischs. — 620 — Bruche porösen, harzglänzend e n Massen mit zahlreichen eingestreuten, helleren Körnern (B. in niassis) verklebt vorkom- men. — Geruch fein vanilleartig. 2. Die Sumatra- oder Penang-Benzo e, in hellbräun- lichen, glanzlosen Massen mit vielen grossen, weisslichen Mandeln (B. amygäalöides) von Storax-Geruch. Bestandteile: Harz, Benzoesäure (in der Sumatra-B. mehr oder weniger durch Zimtsäure vertreten). Anwendung; Zu kosmetischen Zwecken (Tinctura Benzoes) und Bereitung der Benzoesäure. Resina Guajaci, Guajakharz. Guajaeum officinale. (Zygophylleae). — Westindien. Formlose Massen (R. G. in massis), seltener tropfenförmige, hasel- bis walnussgrosse Körner (R. Q. in tac?,imis), mehr oder weniger dunkelbraun, mit einem grünlichen Pulver bestäubt, am Rande durchscheinend, spröde, auf dem Bruche glänzend, uneben; in Wein- geist, Alkalilaugen und Äther, nicht in Ölen löslich. — Geschmack kratzend ; Geruch schwach, beim Anrauchen vanilleartig. Bestandteile: drei saure Harze, Guajaksäure. Dem einen Harze verdankt das Guajakharz die Eigenschaft, an der Luft, sowie durch oxydierende Mittel grün oder blau zu werden, wie auch sein Pulver bei der Aufbewahrung grünlich wird. Anwendung: als anregendes und schweisstreibendes Mittel gegen Rheumatismus, Skrofeln und Syphilis. Resina Draconis (Sanguis Draconis), Drachenblut. Calamus Draco. (Palmae). — Ostindien. Entweder fingerdicke, mit Palmfiedern umwickelte Stangen oder Kuchen, auch wohl erbsen- bis haselnussgrosse Körner, bräunlich rot, undurch- sichtig, spröde, auf dem Bruche matt, fast ohne Geschmack und Geruch, völlig löslich in Weingeist, teilweise in Äther und Ölen. Giebt auf Papier einen feuerroten Strich. Bestandteile: rotes Harz, etwas Benzoesäure. Anwendung: zu Zahnpulvern ; meist technisch, zu roten Lacken. e) Eingetrocknete Milchsäfte. Sie lösen sich zufolge ihres Kautschukgehaltes nur unvollständig in Wasser, Weingeist, Äther. Opium (Laudanum, Meconium), Opium. Papaver somniferum. ( Papaveraceae ). — Kleinasien. Der durch Anritzen der unreifen Kapseln gewonnene und nach dem Eintrocknen zu Kuchen geknetete Milchsaft kommt als levantisches Opium teils über Smyrna, teils über Kon- stantinopel nach Europa. Dasselbe stellt etwas flache, rundliche Kuchen dar, aus einer rotbraunen, innen aus kleinen Körnern, sog. Thränen, zusammengekneteten, noch etwas weichen Masse, aussen mit Mohnblättern umhüllt und mit Ampferfrüchten bestreut. — Geschmack bitter; Geruch narkotisch. - 621 - Verwechslungen-. Das egyptische Opium (Opium the- baicum) ist innen gleichförmig, zwar auch in Mohnblätter gehüllt, aber nicht mit Ampferfrüchten bestreut und morphinärmer. Das persische Opium ist in Europa selten und bildet Stangen. Alles in Ostindien produzierte Opium wird in Asien (China) verbraucht. Bestandteile-, Morphin (7—1 5°/0), Narkotin (6 — 10%), Codein (bis % %) u. a., Mekonin (Bitterstoff], Mekonsäure, Gummi, Kautschuk. Das Opiumpulver soll mindestens 10 % Morphium enthalten ! (Vgl. S. 303.) Anwendung: Als beruhigendes, schlafmachendes und stopfen- des, in grösseren Dosen betäubend giftiges Mittel (zumal bei Kindern), zu Extractum und Tinctura Opii simpl. und crocata (10 % Opium!). Lactucarium, Giftlattichsaft. Lactuca virosa. (Compositae). — Europa. Formlose, erbsengrosse, gelbe oder bräunliche, feste Stücke, auf dem Bruch wachsartig, in der Wärme erweichend, ohne zu schmelzen, in Wasser trübe und vollständig löslich. — Geschmack bitterlich; Geruch eigentümlich, narkotisch. Verwechslungen: Das fr an z ö sisch e Lac tucarium, sogen. Thridax, von Lactuca sativa, stellt bald ein braunes Extrakt, bald braune, in Wasser lösliche Kuchen oder Platten dar, Bestandteile: Lactucon (Harz, c. 50 %), Lactucin (Bitterstoff), Lactucasäure, Gummi. Anwendung: Als reizmilderndes Hustenmittel. Euphorbium, Euphorbium. Euphorbia resinifera. (Euphorbiaceae). — Marokko. Der beim Anritzen aus dem fleischigen Stengel austretende und an den Stacheln desselben eintrocknende Milchsaft kommt als gelbliche, erbsen- bis haselnussgrosse, kuglige oder eckige, meist zw ei hörnige Klümpchen zu uns, die mit 1 bis 3 Löchern versehen sind oder noch die Stacheln umschliessen ; aussen be- stäubt, oft verunreinigt durch Stacheln, dreiknöpfige Früchte u. a. — Geschmack anfangs milde, später heftig brennend. Bestandteile: Harz, Euphorbon (scharf), Gummi. Anwendung: Äusserlich zu Hautreizen, als Zusatz zu Empl. Cantharidum perpetuum, Empl. Picis irritans, Unguentum acre. Gutta pörcha, Guttapercha, Dichopsis Gutta. (Sapotaceae). — Ostindien (Malakka). Der Milchsaft kommt als rohe Guttapercha nach Europa und wird daselbst durch Auflösen in Schwefelkohlenstoff oder Chloroform gereinigt. Weissliche, öfters rot marmorierte, dünne Stängelchen, wenig elastisch, in heissem Wasser (65 — 70°) erweichend und knetbar, in — 622 — siedendem Wasser schmelzend. Nicht in Wasser, kaum in Wein- geist, wenig in Äther und kaltem Terpentinöl (darin aufquellend), völlig in Schwefelkohlenstoff und Chloroform löslich. Da sie an der Luft brock - lich wird, bewahrt man sie unter Wasser auf und gebraucht sie zu Zahnkitt. Dünn ausgewalzte Guttapercha stellt das Guttaperchapapier, Percha lamellata dar, welches man vielfach (zu Verbänden, Eisbeuteln u. a.) gebraucht. B. Eingekochte Fflanzensäfte (Extrakte). a) Bittere Extrakte. Aloe, Aloe. Aloe spicata, A. ferox, A. vulgaris und A. Lingua. (Liliaceae). — Capland. Der durch Auspressen der fleischigen Blätter gewonnene und eingekochte Saft bildet Stücke von dunkelbrauner Farbe mit einem Stiche ins Grünliche, in der Masse undurchsichtig, aber in Splittern und am Rande braun durchscheinend, auf dem muscheligen Bruch glas glänzend. Das Pulver ist grünlich gelb. Kaltes Wasser löst sie nur teilweise; sieden- des "Wasser nimmt sie trübe auf, beim Erkalten Harz abscheidend; Weingeist löst sie völlig und klar. — Geschmack sehr bitter; Geruch (zumal beim Anhauchen) widrig. Verwechslungen-, Die Leb er- AI oe (Aloe hepatica), aus Ostindien und Arabien, ist leberbraun, auf dem Bruche matt und in Splittern undurchsichtig. Ähnlich die schwärzliche west- indische Aloe: Dagegen ist die im Handel kaum mehr vor- kommende Socotora-Aloe (von Aloe socotrina auf der Insel Socotora im indischen Ocean) von gleicher Güte und Beschaffenheit wie die Cap-Aloe, aber mehr gelbbraun und gepulvert rötlich gelb. Bestandteile: Aloebitter (löslich in Wasser), Harz (in einer Lösung des Aloebitters, nicht in reinem Wasser löslich). Anwendung : Als drastisches Abführmittel, zu Extrakt, Tinktur und Zusatz anderer Extrakte und Tinkturen. b) Gerbstoffreiche Extrakte. Catechu (Gutta Gambir), Katechu. Uncaria Gambir. (Rubiaceae). — Sumatra. Grössere Würfel von dunkelbrauner Farbe, innen matt erdfarbig; unter dem Mikroskop sich als ein Haufen werk kleinster Kiy ställchen (Catechin) darstellend. — Geschmack sehr herbe. Wasser löst das Gambir nur teilweise, Weingeist voll- ständig. Das Palnien-Katechu (aus den Samen von Areca Cate- chu) in flachen, scheibenförmigen Kuchen, innen dunkelbraun und glänzend, aussen mit Reisspelzen bestreut, kommt nicht in den europäischen Handel. Das Pegu -Katechu (Terra japonica) von — 623 — Acacia Catecbu in formlosen Stücken von dunkelbrauner Farbe, auf dem Brucbe porös glänzend, gleichfarbig und unter dem Mikroskop nicht kristallinisch. Bestandteile: Katechugerbsäure, Katechin (Katechusäure). Anwendung: Tinctura Catecbu, als adstringierendes Mittel. Kino, Kino. Pterocarpus Marsupiuni. (Papilionaceaej. — Ostindien. Eckige, dunkelbraune, glänzende, undurchsichtige, jedoch am Rande rubinrote, durchscheinende, spröde Stückchen, welche in kaltem Wasser aufquellen, in heissem Wasser sich trübe, in Weingeist klar und mit tiefroter Farbe lösen. — Geschmack sehr herbe. Bestandteile: Kinogerbsäure, Gerbsäureabsatz. c) Süsse Extrakte. Succus Liquiritiae crudus, Lakriz. Glycyrrhiza glabra. (Papilionaceae). — Südeuropa. Der aus der frischen Wurzel ausgepresste Saft wird nach dem Eindampfen mit Stärke, Erbsenmehl u. dergl. versetzt und in Stangen gerollt. Cylindrische, dunkelbraune, auf dem Bruche schwarz glänz ende Stangen, in der Kälte spröde, in der Wärme weich und in Wasser nicht vollständig löslich. — Geschmack sehr süss, kaum kratzend. Verfälschungen: Zusätze von Thon , Gips u. dgl. bringen den Aschengehalt auf mehr als 6°/0 ; zu viel Mehl ist vorhanden, wenn der Rücktand bei der wässerigen Extraktion getrocknet über 25 °/'0 beträgt. Bestandteile: Glycyrrhizin, Zucker, Stärkemehl (10— 15 °/0 Anwendung: Als versüssendes, reizmilderndes Mittel, zu Suc- cus Liquiritiae depuratus und Elixir e Succo Liquiritiae. C. Teige (Pastete) Man bereitet die nachfolgenden aus gepulverten Samen. Pasta Cacao (Massa Cacaotina), Kakaomasse. Theobroma Cacao. (Buettneriaceae). — Westindien und nördliches Südamerika. Die aus den gerösteten, geschälten und in der Wärme zu einem zarten, unfühlbaren Teige angestossenen Samen dargestellte Masse wird in Tafeln geformt und ist dunkelbraun, in der Kälte zerbrechlich, in der Wärme erweichend. ■ — Geschmack bitter: Geruch eigentümlich. Bestandteile-, fettes Öl (53°/0), Theobromin (Alkaloid), Stärke- mehl. Anwendung; Zu Schokolade, als Excipiens für Pastillen. Das fette Ol, Oleum Cacao, ist ein weissliches, starres Öl von schwa- chem Geruch, in gelinder Wärme schmelzend. — 624 — Pasta Guarana, Guarana. Paullinia sorbilis (Sapindaceae). — - Brasilien. Die gepulverten und mit Wasser angerührten, dann an der Sonne oder im Rauche getrockneten Samen liefern eine harte, schwarzbraune Masse, meist zu Stangen geformt, seltener in Kugeln oder Kuchen, auf dem Bruche flach, etwas glänzend und häufig noch Samen ein- schliessend. — Geschmack herbe, bitterlich; Geruch eigentümlich. Bestandteile: Gerbsäure, Coffein. Anwendung: gegen Migräne. D. Farbstoffe. Lacmus (Lacca Musci), Lackmus. Lecanora tartarea Ach., Roccella tinctoria u. a. (Lichenes.) — Holland, Frankreich. Die Flechten werden unter Zusatz von Urin und Kalk der Gährung überlassen, schliesslich mit Kreide vermengt und geformt. Dann stellen sie "Würfel von hellblauer Farbe vor, welche an Wasser ihren blauen Farbstoff leicht abgeben, kohlensauren Kalk zurücklassend. — Dieser Auszug wird durch Säuren rot. Bestandteile: Flechtensäure (rot, durch Alkalien sich bläuend). Anwendung: Zu Lackmustinktur (wässeriger Auszug), Charta exploratoria coerulea und rubra. Indicum, Indigo. Iudigofera tinctoria (Papilionaceae). — Ostindien. Die der Gährung überlassenen Blütenzweige scheiden den Indigo ab, den man dann trocknet. Tiefblaue, matte und undurchsichtige, gerieben kupferrot glänzende, zerbrechliche Stücke, unlöslich in Wasser und Weingeist, in rauchender Schwefelsäure mit dunkelblauer Farbe (zu Indigoschwefel- säure) löslich. Diese Lösung liefert mit Soda das dunkelblaue indig- schwefelsaure Natron (Indigkarmin). Verfälschung: das sehr ähnliche Berlinerblau hinterlässt beim Glühen auf Platinblech rotes Eisenoxyd, während Indigo in violetten Dämpfen sich völlig verflüchtigt. Bestandteile: Indigoblau (bis 56%)) Indigrot (in Ölen löslich), In- digbraun (in Alkalien löslich). Anwendung: zu Indiglösung, technisch zum Blaufärben. E. Balsame. Auflösungen von Harz in ätherischem Öle; daher mit Wasser nicht mischbar und nur mittelst arabischen Gummis emulgierbar. Sie fliessen freiwillig oder aus Einschnitten der Stämme aus. Baisamum Copaivae, Kopaivabalsam. Copaifera officinalis und C. Guianensis. ( Caesal- piniaceae.) — Westindien, Brasilien, Ein dicklicher, zähflüssiger Balsam, durchsichtig, gelb oder bräunlich, yon bitterlichem, scharf kratzendem Geschmack und starkem, eigentümlichem Geruch. - 625 — Verfälschungen: 1. Terpentin, kenntlich am Terpentinöl- geruch beim gelinden Erwärmen des Balsams. 2. Fette Öle, kenntlich an dem schmierigen Rückstand, den der Balsam beim Abdampfen hinterlässt; reiner Balsam hinterlässt ein sprödes Harz. o. Der Gurjunbalsam ist dunkler, grünlich schillernd, etwas trübe; seine Lösung in Schwefelkohlenstoff färbt sich durch Schwefelsäure mit rauchender Salpetersäure violettrot. Bestandteile: äther. Öl, saures Harz (Copaivasäure). Anwendung: Gegen Tripper, unvermischt oder in Pillen (ent- weder mit t/2 Teil gelbem Wachs geschmolzen oder durch Zusatz von 10°/0 Magnesia usta nach längerem Stehen erhärtet). Balsamum peruvianum, Perubalsam. Toluifera (Myroxylon) Pereirae. (Papilionaceae.) — Cen- tralamerika (San Salvador). Ein dicklicher, zähflüssiger, undurchsichtiger und nur in dünnen Schichten rötlich durchscheinender, dunkel- brauner, nicht eintrocknender Balsam, von saurer Reaktion, scharf kratzendem Geschmack und vanilleartigem Geruch. Spez. Gewicht 1,14. Löslich in Weingeist, nur wenig in Benzin. Verfälschungen: 1. Fettes Öl (Ricinusöl), kenntlich an dem schmierigen Rückstand beim Vermischen des Balsams mit konz. Schwefelsäure; reiner Balsam liefert nach dem Auswaschen ein sprödes Harz. 2. Kopaivabalsam erzeugt beim Vermischen mit der konz. Schwefelsäure schwefligsaure Dämpfe. 3. Kolophonium, kenntlich an der Gallerte, die Ätzammoniak mit dem Balsam er- zeugt. 4. Ätherische Öl e lassen sich mittelst Wassers ab destillieren. Bestandteile: Zimtsäure, Cinnamein (zimtsaures Benzyl), Stryacin (zimtsaures Cinnamyl). Anwendung: Gegen Wunden und Hautkrankheiten. Balsamum tolutanum, Tolubalsam. Toluifera Balsamum. (Papilionaceae). — Nördliches Südamerika, (bei Tolu). Ein dickflüssiger, durchscheinender, gelber, terpentinähnlicher Balsam, welcher mit der Zeit bräunlich wird und erhärtet, von vanille- artigem Geruch und gewürzigem Geschmack. Verhält sich zu Lösungs- mitteln wie Perubalsam. Bestandteile: Zimtsäure, Toleu (äther. Öl), Harz. Styrax liquidus, flüssiger Storax. Liquidambar Orientale. (Balsamifluae.) — Kleinasien, Syrien. Ein durch Auskochen der Rinde gewonnener, sehr dick- flüssiger Balsam, durchsichtig, graubraun, mannigfache Unreinigkeiten und Wasser enthaltend, löslich in Weingeist; von benzoeartigem Geruch und saurer Reaktion. Bestandteile: Zimtsäure, Styracin (zimtsaures Cinnamyl)Styrol. Anwendung: Äusserlich gegen die Krätze. Schlickum, Apothekerlehrling. 40 — 626 — Tereblnthina (communis), gemeiner Terpentin. Pinus Pinaster und P. Laricio. (Coniferae.) — Europa. Ein zähflüssiger, undurchsichtiger, gelblicher Balsam, welcher in der Ruhe eine körnige Schicht absetzt. — Ge- schmack bitter; Geruch eigentümlich. Bestandteile: äther. Öl (Ol. Terebinthinae), Harz (ResinaPini). Anwendung: Konsistenzmittel für Pflaster und Salben. Terebinthina laricina, Lärchenterpentin. Larix decidua. (Coniferae). — Europa. Ein zähflüssiger, klarer, durchsichtiger, gelblicher oder grün- gelblicher, gleichförmiger Balsam. — Er löst sich völlig in Weingeist and Benzin auf. Geschmack bitter; Geruch angenehmer wie beim vorigen. Bestandteile: äther. Öl, Harz. Anwendung: innerlich in Pillen (mit l/5 gelbem Wachs zusammen- geschmolzen) und Emulsion. F. Ätherische Öle.*) Sie werden durch Destillation der betreffenden Pflanzenteile mit Wasser, seltener durch Sublimation oder durch Auspressen gewonnen. In Wasser nur wenig, in Weingeist leichter, in Äther und fetten Ölen leicht löslich. Camphora, Kampfer. Cinnamomum Camphora. (Laurineae.) — China, Japan. Der durch Sublimation aus den Zweigen gewonnene Kampfer kommt in Form rötlicher, bröcklich körniger Massen (Roh kämpf er) nach Europa, wo er in kurzhalsigen Kolben oder in Töpfen mit gewölbtem Deckel umsublimiert wird. Er stellt dann weisse, durchscheinende, oberseits konvexe, unterseits konkave Kuchen dar, auf dem Bruche blätterig und glänzend. Mit Wein- geist besprengt zerreiblich, beim Erhitzen schmelzend, dann sich verflüchtigend und mit leuchtender, rauchender Flamme verbren- nend; nicht in "Wasser, leicht in Weingeist, Äther, Ölen, Chloro- form und konzentrierter Essigsäure löslish. — Geschmack küh- lend; Geruch stark aromatisch. Anwendung: Als krampfstillendes Mittel in kleinen, als nerven- erregendes in grösseren Gaben; äusserlich zu Linimentum ammo- niato- und saponato-camph. ; Oleum, Spiritus, Yinum camph. Oleum Cajeputi, Cajeputöl**). Melaleuca Leucadendron. (Myrtaceae.) — Molukken. Ein grünliches, dünnflüssiges, in jeder Menge Weingeist lösliches, flüchtiges Öl, von stark gewürzigem, kampferartigem Geruch und kühlendem Geschmack. Die grüne Farbe rührt häufig von Chlorophyll her, häufig aber auch von Kupfer (in diesem Falle wird das Öl beim Schütteln *) Es finden hier nur diejenigen eine Stelle, welche nicht bereits bei anderen Droguen erwähnt wurden. **) Cajeputi vom malaiischen Caju-Puti (weisser Baum.) — 627 - mit salzsäurehaltigem Wasser sich entfärben, und letzteres dann durch Ferrocyankaliumlösung sich braun trüben), welche letztere Verunreinigung durch kupferne Flaschen veranlasst wird. Anwendung: Gegen Zahnschmerzen, Magenkrampf u. a. m. Oleum Rosae, Rosenöl. Rosa damascena. (Rosacea e.) — Auf den Südabhängen des Balkans (bei Philippopel) kultiviert. Das aus den Blüten destillierte Öl wird über Konstantinopel in den Handel gebracht und stellt ein schwach gelbliches und dickliches, bei 12° krystallinisch gefrierendes, flüch- tiges Öl von sehr starkem Rosengeruch dar. Verfälschungen: Das Rosen-Geraniumöl (Ol. Palmae Rosae), aus den Blüten von Pelargonium roseum besitzt einen rosenähn- lichen, aber schärferen Geruch, ist dünnflüssig und reagiert sauer. Anwendung: Zu Aqua Rosae. Gr. Fette Öle*) Man gewinnt sie durch Auspressen aus Samen u. dg]. Oleum Olivarum, Olivenöl, Baumöl. Olea europaea. (Oleaceae.) — Südeuropa (Provence). Das aus der dunkelgrünen Steinfrucht, der Olive, gepresste Öl kommt in zwei Sorten zu uns: 1. Oleum provinciale, dasPro venceröl, durch kalte Pres- sung frischer Oliven, blassgelb, von mildem Geschmack und Geruch. 2. Oleum Olivarum commune seu viride, gemeines oder grünes Baumöl, durch heisse Pressung auf Haufen geschich- teter Oliven, grünlich, von etwas scharfem Geruch. Das Olivenöl erstarrt wenige Grade über Null zu einer kör- nigen, weisslichen Fettmasse; es trocknet nicht an der Luft ein. Anwendung: Das Provenceröl als reizmilderndes Mittel (in Emul- sionen), sowie für feinere Salben das grüne Baumöl zu Emplastra. Oleum Ricini, Ricinusöl. Ricinus communis. (Euphorbiaceae.) — In Amerika, Ober- italien kultiviert. Ein dickflüssiges, in der Kälte erstarrendes, farbloses oder etwas gelbliches, mild-schmeckendes , fettes Öl, welches sich in "Weingeist leicht und klar auflöst. Anwendung: Als mildes Abführmittel. Oleum Crotonis, Krotonöl. Croton Tiglium (Euphorbiaceae.) — Ostindien. Ein etwas dickes, bräunlich gelbes, fettes Öl von un- *) Es finden hier nur diejenigen eine Stelle, welche nicht bereits bei anderen Droguen erwähnt, wurden. 40* — 628 — angenehmem Geruch, welches auf der Haut Rötung und Pusteln erzeugt. (Die Schärfe beruht auf der flüchtigen Krotonsäure.) — Geschmack brennend, gefährlich! Anwendung: Äusserlich zu Hautreizen, innerlich mit Ricinusöl verdünnt, als drastisches Abführmittel. Oleum Cocos, Kokosöl. Cocos nucifera. (Palmae.) — Ostindien, Südamerika. Ein weisses, körniges, in derKälte festes, in mitt- lerer Sommerwärme flüssiges Fett, von eigentümlichem Gerüche. Anwendung: zu Salben, technisch zur Seifenbereitung. Schlüssel zum Bestimmen der pflanzlichen Produkte. I. Teste Stoffe. A. Gleichartige Massen. 1. Formlose Stücke. a) Mehr oder weniger durchscheinende Harzrnassen. a) Von weisser Farbe Resina Dammar. ß) Von gelber oder braungelber Farbe. aa) Geruch in der Handwärme terpentinartig. aa) Harz trübe durchscheinend Resini Pini burgundica. ßß) Harz bestäubt, durchsichtig Colophonium. bb) Geruch vanilleartig .... Balsam, tolutanum. cc) Geruch fenchelartig, Masse zähe Elemi. dd) Geruch fehlt Succinum. y) Farbe dunkelbraun, grünlich bestäubt. aa) Geruch schwach benzoeartig . Resina Guajaci. bb) Geruch eigen, Geschmack bitter Aloe. b) Undurchsichtige Massen. a) Farbe gelblich, Geruch narkotisch . Lactucarium. ß) Farbe dunkelrot (schwärzlich) . . Kino. y) Farbe tiefblau Indicum. 2. In Stangen, Kuchen oder Würfel geformt. a) Fettstoffe. a) Durchsichtig, blätterig-krystallinisch, Camphora. ß) Undurchsichtig, weisslich, geruchlos Oleum Cacao. y) Undurchsichtig, gelb, oft marmoriert Ol. Myristicae. b) Harzmassen. a) Farbe pomeranzengelb Gutti. ß) Farbe zinnoberrot Resina Draconis. c) Extraktartige Stoffe. a) Braune, krümlich - körnige Kuchen von narkotischem Geruch .... Opium. ß) Bräunliche, harte, herbe Stangen . Pasta Guarana. y) Braunschwarze, süsse Stangen . . Succ. Liquiritiae. 3) Würfel von blauer Farbe .... Lacmus. s) Braune, erdige Würfel Catechu. 3. Dreikantige, rinnige Stücke, weiss, süss . Manna electa. 4. Platten oder Bänder, weiss, hart .... Tragacantha. 5. Rundliche Körner. a) Durchscheinend, Bruch glasglänzend. a) In Wasser schleimig löslich . . , Gummi arabicum. — 629 - ß) Harze. aa) Beim Kauen erweichend, kugelig Mastix. bb) Beim Kauen sandig, länglich . Saadaraca. b) Undurchsichtig, trübe. a) Etwas weich, süss Manna. ß) Harte Körner. aa) Weisslich - gelblich, bestäubt. aa) Geruch schwach .... Olibanum. ßß) Geruch vanilleartig . . . Benzoe. bb) Braun, rotbraun Myrrha. cc) Gelb, zweihörnig, mit Dornen gemischt Euphorbium. B. Ungleichartige Massen mit eingesprengten, weisslichen Körnern (Mandeln). 1. Von angenehmem Geruch, rötlichbraun . Benzoe. 2. Von unangenehmem Geruch, braun . . . Asa foetida. 3. Schwach riechend, gelblich. a) Bruch milchweiss Ammoniacum. b) Bruch gelblich Galbanum. IL Flüssigkeiten. A. Stark riechende, dickflüssige, harzreiche Balsame. 1. Durchsichtig, gelblich. a) Geruch terpentinartig Terebinthina laricina. b) Geruch eigeutümlich Bals. Copaivae. c) Geruch vanilleartig Bals. Tolutanum. 2. Fast undurchsichtig. a) Schwarzbraun, wohlriechend .... Bals. peruvianum. b) Graubraun, benzoeduftend, steif . . . Styrax liquidus. c) Gelblich, körnig absetzend Terebinthina. B. Nichtflüchtige , fette Öle, einen dauernden Fettfleck erzeugend. 1. In gewöhnlicher Temperatur halbweich; a) Grün Ol. Lauri. b) "Weiss Ol. Cocos. 2. In gewöhnlicher Temperatur flüssig. a) In der Kälte körnig gestehend. aa) Gelblich, dünnflüssig . ... Ol. Olivarum. bb) Farblos, dicklich Ol. Ricini. b) In der Kälte nicht erstarrend. aa) Geruch unangenehm . ... Ol. Orotonis; Ol. Lini. bb) Ger. schwach, Gesch. milde. Ol. Papaveris, Amygdalarum. C. Flüchtige Öle, starkriechend und dünnflüssig. 1. In der Kälte erstarrend oder verdickend. Ol. Anisi, Rosae, Chamomülae. 2. Nicht erstarrend in der Kälte. a) Auf Wasser schwimmend. a) In gleichviel Weingeist klar löslich: Ol. Carvi, Foeniculi, Rosmarini, Thymi, Lavandulae, Menthae crisp. und pip., Sabinae, Ol. flor. Aurantii, Calami, Majoranae, Valerianae, Beroanwttae. Cajeputi. ß) In gleichviel Weingeist trübe löslich: Ol. Citri, Juniperi, Macidis, Terebinthinae. b) In Wasser untersinkend: Ol. Caryophylli, Cinnamomi. Sinapis. - 630 B. Die Droguen des Tierreichs. Man hat das gesamte Tierreich in zwei grosse Abteilungen und eine jede derselben wieder in mehrere Klassen eingeteilt: I. Abteilung. Wirbeltiere (Vertebrata). Tiere mit einer Wirbel- säule und rotem Blut. 1. Klasse. Säugetiere (Mammalia). Mit rotem, warmem Blut, durch Lungen atmend und lebendige Junge gebärend, die- selben säugend. 2. Klasse. Vögel (Aves). Wie vorige, aber Eier legend. 3. Klasse. Amphibien (Amphibia). Mit rotem, kaltem Blut, durch Lungen atmend, ohne Flossen. 4. Klasse. Fische (Pisces). Mit rotem, kaltem Blut, durch Kiemen atmend, mit Flossen. II. Abteilung: Wirbellose Tiere (Bvertebrata). Tiere ohne Wirbelsäule mit meist weissem Blut. A, Tiere mit gegliedertem Körper. 5. Klasse. Kerftiere (Insecta). Mit drei Körperabschnitten, zwei Fühlern und drei Fusspaaren. 6. Klasse. Spinnen (Arachnoidea). Mit zwei Köi perabschnitten, vier Fusspaaren, ohne Fühler. 7. Klasse. Krustentiere (Krebse) (Crustacea). Mit vielen Körperabschnitten und Fusspaaren. 8. Klasse. Ringelwürmer (Annulata). Ohne Füsse. B. Tiere mit ungegliedertem Körper. 9. Klasse. Eingeweidewürmer (Entozoa). Walzenförmige, schmarotzende Tiere. 10. Klasse. Weichtiere(Mollusca). Schleimige Tiere m. Kalkschale. 11. Klasse. Strahltiere (Radiata). Mitsternförm. strahligemKörper. 12. Klasse. Quallen (Acalepha). Blasen- oder scheibenförmige Wassertiere mit Fangarmen. 13. Klasse. Polypen (Polypi). Strahlige Tiere, an einem Kalk- gerüste gesellig lebend. 14. Klasse. Aufgusstiere. (Infusoria). Mikroskopisch kleine Tiere, in Flüssigkeiten lebend. Die Säugetiere (Mammalia). Man teilt die Säugetiere in folgende Ordnungen ein: A. Füsse mit Krallen oder Plattnägeln. a) Gebiss fast oder ganz vollständig, a) Mit zwei Händen und zwei Füssen 1. Zweihänder (Bimana). ß) Mit vier Händen 2. Affen (Quadrumana). Y) Mit vier Füssen: aa) Füsse mit Flughaut 3. Fledermäuse (Chiroptera). bb) Am Bauch einen Beutel für die Jungen 4. Beuteltiere (Marsupialia). cc) Eckzähne stark 5. Raubtiere (Ferae). dd) Eckzähne den Vorderzähnen gleich 6. Insektenfresser (Insectivora). — 631 - b) Gebiss unvollständig. a) Ohne Eckzähne; Vorderzähne meisselförmig 7. Nagetiere (Glires). ß) Ohne Sehneidezähne, zuweilen ganz zahnlos 8. Zahnlose (Edentata). B. Füsse mit Hufen. a) Zehen in einen einzigen Huf verschmolzen 9. Einhufer (Solidungula). b) Zehen in 2 Hufe verschmolzen 10. Zweihufer (Bisulca). c) Drei bis fünf Hufe 11. Vielhufer (Multungula). C. Füsse mit Flossen. a) Füsse ver kürzt m. Schwimmhaut 12. Robben (Phocae). b) Vorderfüsse in Flossen, Hinterfüsse in einen Schwanz verwandelt 13. Wale (Cetacea). Castoreum (canadense), Bibergeil. CastorAmericanus, Biber. (Nagetiere, Glires.) — Kanada, wo das Tier die Flussufer bewohnt, an denen es grosse Bauten errichtet. Zwei zusammenhängende Beutel, welche sich bei beiden Ge- schlechtern am Bauche, zu beiden Seiten des Afters, finden und Drüsensäcke unter der Haut darstellen. Der Bibergeilbeutel ist 5 — 8 cm lang, dunkelbraun, kahl, und besteht aus vier Häuten, von denen die beiden äusseren derb, die inneren dünn und zart sind. Die äusseren Häute lassen sich nicht ablösen. Im Inneren des Beutels befindet sich die Bibergeilmasse, frisch eine salben- artige, später trockene, zerreibliche, dunkelbraune Masse, die auf der Schnittfläche glänzend erscheint und einen eigentüm- lichen Geruch besitzt. Bestandteile: Harz, äther. Öl, Gallenfett, Castorin. Anwendung: Als ein nervenanregendes Mittel, zu Tinktur. Castoreum sibiricum. Sibirisches Bibergeil. Castor Fiber. — Sibirien, daselbst selten geworden. Diese Beutel sind den kanadischen sehr ähnlich, unterscheiden sich jedoch dadurch von ihnen, dass die Aussenhäute sich leicht abziehen lassen; die Bibergeilmasse ist auf der Schnittfläche glanzlos, mehr von erdiger Beschaffenheit und von viel stärkerem Gerüche. Bestandteile und Gebrauch wie beim vorigen. Moschus, Bisam. Moschus moschiferus, Moschustier. (Zweihufer, Bisulca.) — Hochebenen Tibets und Chinas. Ein Beutel am Bauche des Männchens , dicht vor dessen Bäte; 3 — 4 cm gross, auf der dem Bauche zugewendeten Seite flach und kahl, auf der nach aussen gekehrten Seite gewölbt und mit dicken, steifen, gelblichen Haaren besetzt, die nach der Mitte gerichtet, meist aber kurz abgeschnitten sind. Diese konvexe Seite besitzt zwei Öffnungen : die Beutelöffnung und eine durch die Muskelhaut verlaufende für die Rute. Die Wandung — 632 — des Beutels ist doppelt , die äussere muskulös , die innere dünn ; letztere umschliesst die Moschussubstanz, frisch eine salbenartige, trocken eine krümliche, dunkelbraune, fettglänzende Klümp- chen enthaltende Masse von höchst intensivem Gerüche. Bestandteile: eigentümliche Stoffe. Anwendung: Als kräftig anregendes Mittel; zu Tinktur. Verwechslung: An Stelle des offizinellen sog. tibetanischen Moschus darf nicht der russische oder kabardinische Moschus verwendet werden, der aus der Mongolei stammt, in Gestalt platter, aschgrau behaarter Beutel, deren Masse einen schwä- cheren, mehr urinösen Geruch besitzt. Cetaceum, Walrat. Physeter macrocephalus, Pottwal. (Wale, Cetacea.) — Ein fischartiges Säugetier in der Südsee. In Höhlungen des gewaltigen Schädels befindet sich ein flüs- siges Fett, welches nach dem Tode des Tieres den Walrat als eine feste, krystallinische Fettmasse ausscheidet. Er stellt ein rein weisses, glänzendes, auf dem Bruche blätteriges Fett dar. Bestandteile: palmitinsaures Cetyl. Ambra grisea. Grauer Amber. In den Eingeweiden des Potwals findet man den Amber als eine Art Gallenstein, eine graue, wachsartige Masse von sehr angenehmem Gerüche. Sie wird auch häufig von dem Tiere ausgeworfen und auf dem Meere schwimmend gefischt. Man benutzt sie zu Tinktur. Adeps suillus, Schweineschmalz. Sus Scrofa, Schwein. (Vielhufer, Multungula.) — Ein Haustier, dessen Fett an Netz und Nieren beim Ausschmelzen das Schweineschmalz, als butterweiche, sehr weisse Fett- masse liefert. Sebum ovile, Hammeltalg. Ovis Aries, Schaf. (Zweihufer, Bisulca.) — Ein Haustier, dessen Fett an Netz und Nieren durch Ausschmelzen den Talg, als feste, weisse Fettmasse, liefert. Die Fische (Pisces). Man teilt die Fische ein: Av Knochen knorpelig 1. Knorpelfische (Chondracanthi). B. Knochen fest, beinhart (Grätenfiscl;e): a) Rückenflosse nicht stachelig 2. Weichflosser (Malacopterygii). b) Rückenflosse stachelig 3. Stachelflosser (Acanthopterygii). Oleum Jecoris Aselli, Leberthran. Gadus Morrhua, Kabeljau. (Weichflosser.) — Ein Fisch des atlantischen Ozeans, der zur Laichzeit in grossen Zügen — 633 — die norwegischen Küsten aufsucht und im Frühling daselbst ge- fangen wird. Der Leberthran ist das Fett der Leber und wird aus der- selben durch gelinde Erhitzung mittelst Dampf gewonnen. Zuerst fliesst der sog. hell blanke Thran ab, ein Öl von blassgelber Farbe und eigenem, mildem, fischartigem Geruch und Geschmack. Geringere Handelssorten: 1. Der braunblanke Leberthran, aus länger gelagerten Lebern, von dunklerer Farbe, zwar noGh klar, aber von bitterlichem Geschmacke und saurer Eeaktion. — 2. Der braune Leberthran, durch Auskochen der rückständigen Lebern gewonnen, trübe, dunkelbraun, beim durchfallenden Lichte grünlich, übelriechend und scharfschmeckend. Colla piscium. (Ichthyocolla). Hausenblase. Acipenser Huso (Hausen) und A. Sturio (Stör), zwei Fische in den russischen und polnischen Flüssen. (Knorpelfische.) Die Schwimmblase dieser Fische wird aufgeschnitten, ausgebreitet, abgeschabt und getrocknet. Sie kommt meist in dünnen, flachen, weiss- lichen und durchscheinenden Platten, seltener zu Ringen gedreht, in den Handel. Man benutzt sie, in heissem Wasser gelöst, zu Emplastrum anglicum. Die Kerftiere (Insecta). Man teilt die Insekten folgendermassen ein: A. Vollkommene Verwandlung mit 2 Vorstadien: Larve, Puppe. a) Vorderflügel hornartig (Flügeldecken) 1. Käfer (Coleoptera). b) Vier häutige Flügel 2. Haut flügler (Hymen optera). c) Zwei häutige Flügel 3. Zweiflügler (Diptera). d) Vier mit Schülferchen besetzte Flügel 4. Schmetterlinge (Lepidoptera). B. Unvollkommne Verwandlung mit 1 Vorstadium: Larve. a) Vier gleiche, netzartige Flügel 5. Netzflügler (Neuroptera). b) Vorderflügel pergamentartig 6. Geradflügler (Orthoptera). c) Vorderflügel unten hornartig 7. Halbflügler (Hemiptera). Cantharides, spanische Fliegen. Lytta vesicatoria, Pflasterkäfer. (Käfer, Coleop- tera.) — Südeuropa, zuweilen auch in Deutschland, auf Eschen, Liguster u. a. Ein Käfer (Fig. 545) mit hornartigen Yorderflügeln, welche fast von der Länge des Lytta vesicatoria ganzen Hinterleibes, in Form in nat. Grösse. eines Rechtecks lindgrün goldig schimmernd sind. Fig. 545. — 634 — Verwechslungen: Der ähnlich gefärbte Ro sen- oder Gold- käfer ist mehr quadratisch, der Laufkäfer oval. Bestandteile: Die blasenziehende Wirkung verdankt der Pflasterkäfer dem Cantharidin (Cantharidenkarnpfer). Anwendung: zu Empl. ordin. u. perpetuum, Tinctura und Ungt. Cantharidum. Mel, Honig. — Cera flava, Wachs. Apis mellifica, Biene. (Hautüügler, Hymenoptera.) Die geschlechtlosen Arbeiterinnen sondern zwischen den Ringen ihres Hinterleibs das gelbe Wachs, Cera flava, aus, womit sie die Waben aufbauen, innerhalb deren sie den von ihnen aus den Blumen gesammelten Honig aufspeichern. Durch Auspressen und Erwärmen lässt man letzteren aus den Waben ausfüessen; anfänglich ein klarer, gelber Syrup, gesteht er bei der Aufbewah- rung, zufolge der Auskrystallisierung des Traubenzuckers, zu einer körnigen, undurchsichtigen Masse. Die vom Honig entleerten Waben werden mit Wasser ausgekocht, wobei das gelbe Wachs sich über dem Wasser ansammelt. Durch Bleichen im Sonnen- lichte entfärbt man das gelbe Wachs zu dem härteren, spröderen, etwas schwerer schmelzbaren weissen Wachs, Cera alba. Formicae. Ameisen. Forinica rufa, Waldameise. (Hautüügler, Hymenoptera.) Ein rotbraunes Insekt, ohne Flügel, mit schwarzem Hinterleib, bis 7 mm lang vorzugsweise in Nadelwäldern zu finden. Fig. 546. Man sammelte die geflügelten Geschlechtlosen (Arbeiterinnen), welche in einer Drüse am Hinterleib Ameisensäure absondern, und bereitete aus ihnen Spiritus und Tinctura Formicarum. ab c Fig. 546. Formica rufa, in nat. Grösse, a Männchen, b Arbeiterin, c Weibchen. Coccionella. Kochenille. Coccus Cacti. (Halb flügler, Hemiptera.) Mexiko, wo das Insekt auf einer Cactusart (Opuntia coccinellifera), nach Art I fn 1P ^er Blattläuse lebt. Man kultiviert daselbst die Weibchen und tötet sie auf heissen Platten oder mit Wasserdampf. Körnchen - ähnliche Insekten, oberseits bläulichrot, weiss bereift und querrunzelig, unterseits weisslich, •Fi 547- mit den Resten der Beine; flügellos. Fig. 547. Weibl.Coccus Bestandteile: (Carmin, Farbestoff). Cacti, vergr. - 635 — 1° tr~\ i a o ~ cz— - ~\ r o O ~""J Ringelwüriner (Annulata). Hirudines, Blutegel. Sanguisuga medicinalis und S. officinalis. (Glatt- würmer, Apoda.) In Teichen des mittleren Europa. Würmer, die sich vom Blute höherer Tiere nähren, welches sie mit Hilfe des Mundes, der mit drei zahnartigen Kiefern bewaffnet ist, saugen. Am hinteren Körper- ende tragen sie einen Saugnapf, jedoch ohne Öffnung. Beide Arten besitzen einen olivengrünen, mit (3 rostroten, schwarz- punktierten Längsstreifen gezierten Kücken. Der deut- sche Blutegel, (Sanguisuga medicinalis) ist körnig rauh, unterseits grünlichgelb, schwarzgefleckt; der unga- rische Blutegel, (Sangui- suga officinalis) ist glatt, unterseits olivengrün, nicht ge- fleckt ; mehr im östlichen Europa. Fig. 548. Verwechslungen: DerRoss- es;ei (Haemopis Sanguisorba), zum Saue-en we«-en seiner FiS- 548, Sanguisuga officinalis. Z,ULU OdUgeil we&t;il bümei n. Vorderes Körperende, mit den Augen. Stumpfen Zähne Untauglich, HI. Mundöffnung mit den drei Zähnen. unterscheidet sich durch einen unregelmässig gefleckten, aber nicht gestreiften, dunkelgrünen Rücken. Häufig in Gräben. Die Weichtiere (Mollusca). Conchae. Austerschalen. Ostrea edulis. (Muscheln). — Ost und Nordsee, an deren Küsten sie gesellig lebt, unter Wasser Bänke bildend. Die Schalen sind rundlich, aussen graubraun, innen glatt, rnilch- weiss, perlrnutterglänzend, und zeigen konzentrische Schichten. Mit Wasser ausgekocht, abgebürstet, getrocknet und gepulvert, darauf ge- schlämmt, stellen sie die präparierten Austerschalen, Conchae jwaeparatae, dar. Bestandteile: kohlensaurer und etwas phosphorsaurer Kalk. Os Sepiae. Sepia officinalis, Tintenfisch. (Kopffüssler.) — Mittelmeer. Im Rücken beitzt das Tier ein plattes, eiförmiges Schalenstück, welches ein weisses Pulver liefert (kohlensauren Kalk). V. Abteilung. Spezielle Pharmazie.") A. Die pharmazeutischen Zubereitungen. (Defektur.) 1. Die Zubereitung der Droguen. § 486. Vom Einsammeln der Vegetabilien. Die einheimischen vege- tabilischen Droguen werden vielfach von den Apothekern selbst eingesammelt und getrocknet. Die Zeit der Einsammlung ist für die Kräuter, Blätter und Blüten im allgemeinen diejenige, in welcher die Pflanze aufzublühen beginnt. Ausnahmen hiervon giebt die Pharmacopoea besonders an; so lässt sie Salbei- und Rautenblätter vor dem Aufblühen einsammeln. Andere Fälle bestimmen sich von selbst; wenn nämlich zur Blütezeit die Blätter noch nicht entwickelt sind, wie beim Huflattich, dem Walnussbaum, fällt das Einsammeln der Blätter nach der Blütezeit. Beim Einsammeln der Kräuter und Blüten achte man auf sonniges, trocknes Wetter, anderenfalls dieselben missfarbig werden. Zumal er- fordern die Wollblumen und Hollunderblüten warmen Sonnenschein beim Sammeln, um möglichst trocken gepflückt zu werden. Man streut die gesammelten Kräuter, Blätter und Blüten zum Trocknen in dünner Schicht auf den zuvor reingefegten Hausboden aus, wo man sie lufttrocken werden lässt, um sie dann ohne Verzug auf Hürden an einem lauwarmen Orte — im Son- nenschein oder Trocken schrank — vollständig auszutrocknen und dann in die Vorratsbehälter zu bringen. Bei sonnigem Wetter genügt für manche Kräuter der Hausboden zum völligen Trocknen. Diejenigen, welche in Blechkästen aufbewahrt werden sollen, bedürfen jedoch künstlicher Wärme, da sie bei Rückhalt selbst *) Näheres findet sich in dem von mir herausgegebenen „Taschen- buch der pharmazeutischen Receptur und Defektur." Leipzig, Ernst Günthers Verlag". — 637 — geringer Feuchtigkeit in den festverschlossenen Gefässen schimmeln. Holz- kästen erlauben immer noch ein nachträgliches Austrocknen. Die Binden werden bei Beginn des Frühlings von jungen Stämmen oder nicht zu alten Asten geschält. Die Wurzeln und Wurzelstöcke gräbt man vorzugsweise von den dreijährigen Gewächsen entweder zu Anfang Frühlings oder Ausgang Herbstes ; von zweijährigen Krautgewächsen, z. B. Klette, Engelwurz, werden sie im Frühling des zweiten Jahres gesammelt. Man säubert die Wurzeln von der anhängenden Erde durch Bürsten, seltener durch Waschen, schneidet dann die morschen Teile ab, spaltet die dickeren Wurzeln der Länge nach und trocknet sie zunächst auf dem Hausboden , schliesslich im Trockenschranke. Gewisse Wurzeln werden vor dem Trocknen geschält, z. B. Eibisch-, Kalmus-, Alant-, Farn wurzel. Früchte und Samen werden zur Zeit ihrer Reife gesammelt, welche in den September oder Oktober, bei der Zeitlose in den Mai und Juni fällt. Jährlich frisch einzusammeln, und nach einjähriger Aufbe- wahrung zu beseitigen, sind Folia Digitalis, Glandulae Lupuli und Rhizoma Filicis. § 487. Vom Schneiden der Vegetabilien. Das Zerkleinern der Ve- getabilien geschieht durch das Messer, seltner durch den Stossmörser. Wurzeln und.dgl. zerschneidet man mit dem Schneidemesser, Kräuter, Blätter und Blumen mit dem Wiegemesser, Rollmesser oder Stampfmesser (im Stampftrog). Um die Bruchstücke in an- nähernd gleicher Grösse zu erhalten , trennt man die gröberen Teile durch ein Speciessieb ab und bringt sie nochmals unter das Messer; die feineren Teile entfernt man durch ein Sieb für grobe Pulver. Der Speciessiebe giebt es mehrere: zwei für gröbere Species, mit der Maschenweite von 6—4 iw, das weitere für Kräuter, das engere für Wurzeln, ebenso zwei Siebe für feinere Species, mit der Maschenweite von 3-2 mm. Bsp. Die weiteste Nummer (Nr. 9) für Folia Sennae conc, die nächst engere (Nr. 8) für Rad. Althaeae conc, die folgende (Nr. 7) für Species aromaticae und die engste Nummer (Nr. 6) für Cortex Chinae contus. Harte, holzige Rinden und Wurzeln, wie Chinarinde, Brech- wurzel u. a., werden zu feinerer Zerkleinerung nicht mit dem Messer ge- schnitten, sondern im Mörser kontundiert. § 488. Vom Pulvern. Das Pulvern geschieht im kleinen durch Zerstossen im Stossmörser, im grossen auf eigenen Pulverisier- anstalten durch mannigfache mechanische Hilfsmittel, vorzugsweise in rotierenden Trommeln mittelst eiserner Kugeln. Dem Pulvern geht in den meisten Fällen ein Trocknen -der Substanz voraus, welches stets mit Vorsicht und in nicht zu — 638 — hoher Temperatur geschehen soll. Bei den Gummiharzen wird statt dessen Frostkälte zur Hilfe genommen, wobei sie sich leicht pulvern lassen. Übrigens gelingt dies auch im Sommer, sofern die Gummiharze frei von hygroskopischer Feuchtigkeit sind, was man durch längeres Lagern derselben über gebranntem Kalk erzielen kann. Man unterscheidet grobe und feine Pulver. Jene dienen vorzugsweise in der Yeterinärpraxis und zu mancherlei Ansätzen. Man bedient sich dabei zweier Siebe; teils eines feineren Draht- siebes (Nr. 5) , teils eines Pferdehaarsiebes (Nr. 4) , jenes für ölreiche Samen und Früchte (Anis, Fenchel u. dgl.), dieses für "Wurzeln u. dgl. Die feineren Pulver lassen sich unterscheiden in mittel- feine und höchstfeine (alkoholisierte). Für erstere hat man zwei Siebe aus Pferdehaar, ein gröberes (Nr. 3) für Zucker, Salze und ähnliche lösliche Stoffe, ein feineres (Nr. 2) für ölhal- tige Yegetabilien , Gummiharze, Weinstein u. dgl. Die höchst- feinen Pulver erfordern ein Flor sieb (Nr. 1) aus ungebleichter, weisser oder strohgelber Seide, und werden aus ölfreien Vegeta- bilien dargestellt. Die drei feineren Siebe bestehen aus je drei Teilen: dem eigentlichen Siebe, dem Boden und dem Deckel ; die beiden letzte- ren sind mit Schafleder überzogen. § 489. Vom Präparieren. Für die mineralischen Stoffe giebt es ein höchst feines Pulver, welches man präpariert nennt. Man zerreibt die Substanz nach dem Pulvern im Mörser, portionen- weise mit kräftigem Drucke in der Reibschale. Statt des Ab- siebens bedient man sich dabei besonderer Methoden; die unlös- lichen Körper werden geschlämmt, die löslichen gebeutelt. Das Schlämmen oder Lävigieren, welches man beim Kalomel, den Austerschalen u. a. m. anwendet, besteht darin, dass man die feinzerriebene Substanz in der Reibschale mit vielem "Wasser anrührt, letzteres nach wenigen Momenten in ein Gefäss abgiesst und den Bodensatz der weiteren Präparation unterwirft. Was das abgegossene Wasser absetzt, ist das gewünschte Pulven Beim Beuteln hängt man ein Stück glatte, dichte Leinwand in ein weites Gefäss oder eine Blechbüchse, bindet es am Ge- fässrand fest, füllt es mit der präparierten Substanz, tektiert das Gefäss mit starkem Papier oder setzt einen dichtschliessenden Deckel auf, und schüttelt anhaltend hin und her. Dabei schlägt der Beutel gegen die Gefässwand an und lässt das Feinste der Substanz durch seine Poren durchgehen. Jede Substanz erhält ihr eigenes' Beuteltuch. 639 - 2, Destillierte Wässer, Aquae destillatae. § 490. Wie gewinnt man die destillierten Wässer? Mau stellt die destillierten Wässer aus Arzneikörpern dar, welche ätherisches Öl enthalten; sie sind daher als wässerige Lösungen ätherischer Öle zu betrachten. Obwohl man sie daher durch Schütteln von (lauwarmem) Wasser mit geringen Mengen des betreffenden äthe- rischen Öles (1000 : 1) erhalten kann, bereitet man sie doch besser durch Destillation der Pflanzenteile mit Wasser resp. Wasser- dampf, so das Fenchelwasser aus den Fenchelfrüchten, das Zimt- wasser aus der Zimtrinde, das Pfefferminzwasser aus den Pfeffer- minzblättern. Ausser diesen rein wässerigen Destillaten stellt man einige spirituöse Wässer durch Zusatz von Weingeist dar, z. B. spirituöses Zimtwasser (Aqua Cinnamomi spirituosa). Auch das Bittermandel wasser zählt zu denselben. § 491. Darstellung über freiem Feuer. Die ältere Methode der Gewinnung destillierter Wässer ist die Destillation über freiem Feuer. Man nimmt sie in kupfernen Destillierblasen vor , die nur bis zur Hälfte , höchstens zu zwei Drittel mit den Ingredienzien gefällt werden dürfen , da in den meisten Fällen die Mischung bei Beginn des Siedens stark aufschäumt. Die zer- schnittenen Wurzeln, Kräuter, Blumen, die zerstampften Samen, Früchte, Binden werden mit so viel Wasser in die Blase gegeben, dass die Mischung nach dem Abzug des zu gewinnenden Destil- lates auch flüssig bleibt und nicht anbrennt. In manchen Fällen geht der Destillation eine Maceration zu- vor, wie beim konzentrierten Himbeerwasser, Schlagwasser u. a. Nach dieser Methode lassen sich alle destillierten Wässer dar- stellen; sie ist für manche die ausschliessliche geblieben, z. B. für Aqua Lauro-Cerasi, Aqua foetida antihyst., ebenso für die kon- zentrierten Wässer. § 492. Darstellung durch Dampfdestillation. Die neue reMethode ist die Gewinnung der destillierten Wässer durch Dampfdestil- lation aus dem Beindorfschen Dampfapparate. Sie lässt sich in den meisten Fällen anwenden und vereinigt viele Vorteile. Ein Anbrennen ist unmöglich, die Reinigung der Blase sehr leicht, auch zeichnen sich die Wässer durch guten Geruch und Reinheit aus. Man bringt die zerkleinerten Vegetabilien in der Regel trocken auf den nötigenfalls mit Leinwand bedeckten Siebboden des zinnernen Einsatzkessels , nachdem das Dampfzuleitungsrohr bereits eingefügt worden ; dann setzt man den Helm auf und be- ginnt die Destillation. — 640 — Soll ein destilliertes Wasser weingeisthaltig sein, so bringt man den Weingeist in das Wasser des äusseren Kupferkessels oder kann auch die Vegetabilien damit besprengen. Yon manchen, an sich schwach riechenden oder wenig halt- baren Wässern, wie Aqua Chamomillae, Melissae, Sambuci, Tiliae, u. a., stellt man konzentrierteWässer dar, indem man zu- nächst durch Dampfdestillation ein einfaches Wasser gewinnt und dieses dann nach einem Zusätze von Weingeist für sich abermals der Destillation aussetzt, wobei man nur den zehnten Teil des ersteren übergehen lässt. Dieses konzentrierte Wasser ist beim Gebrauche auf das Zehnfache zu verdünnen. rä§B| Bei vielen Wässern erhält man zugleich fpflff mehr oder weniger ätherisches Öl, z. B. bei Aqua Foeniculi, Menthae piperitae u. a. Diese =^i fangt man in eine sog. Florentinerflasche (Fig. 560) auf, in welcher sich (bei a) das ätherische Öl sammelt, während das Wasser durch das Ausüussrohr (b) abfliesst. Ist die Destillation beendigt, so leitet man das äthe- rische Öl mit Hilfe eines kleinen Dochtes oder ^s, eines Päuschchens Watte in ein angehängtes ^W^ Gläschen über. Grössere Mengen kann man in '^^^ij^ einen verschlossenen Trichter abgiessen und lässt * "~7" nach einiger Ruhe das Wasser vom abgeschie- iig. 54J. denen Öle abfliessen. (Scheidetrichter.) Der Weingeistgehalt der Spirituosen destillierten Wässer er- höht deren Lösungsvermögen zum Öle; daher scheiden solche kein äthe- risches Öl ab. 3. Medizinische Spiritus. §493. Was sind die medizinischen Spiritus ? Die medizinischen Spiritus sind farblose, weingeistige Lösungen ätherischer oder ätherisch - öliger Stoffe , seltener anderweitiger Körper (wie der Ameisen- und Seifenspiritus). Man stellt die medizinischen Spiritus dar: a) Durch Mischung einer Flüssigkeit mit Weingeist; so den Ätherweingeist (Spiritus aethereus) aus 1 Teil Äther und 3 Teilen Weingeist, den Senfspiritus (Spiritus Sinapis) aus 1 Teil Senföl und 50 Teilen Weingeist. b) Durch Auflösung eines Arzeneikörpers in Weingeist, z. B. den Kampferspiritus (Spiritus camphoratus) durch Auflösen von 1 Teil Kampfer in 7 Teilen Weingeist und Verdünnung der klaren Flüssigkeit mit 2 Teilen dest. Wasser. c) Durch Destillation von Yegetabilien mit verdünntem Weingeist, z. B. Spir. Cochleareae von frischem blühenden Löffel- kraut , Spir. Juniperi von zerstossenen Wacholderbeeren , Spir. — 641 — Lavandulae von Lavendelblüten, Spir. Rosmarini von Kosmarin- blättern , Spir. Serpylli vom blühenden Quendel , Spir. Angelicae comp, von zerschnittener Engelwurzel , Baldrianwurzel und zer- stossenen Wacholderbeeren. Man kann diese Destillation zwar auch über freiem Feuer ausführen , aber in der Kegel benutzt man den Beindorfschen Dampfapparat, in dessen zinnernen Einsatzkessel (nach Heraus- nahme des Siebbodens) die Mischung gebracht und , ohne das Dampfzuleitungsrohr einzufügen, aus dem Wasserbade abdestilliert wird. (Eine Mischung aus gleichen Teilen Weingeist und Wasser lässt, im Wasserbade erhitzt, verdünnten Weingeist von 0,89 spez. Gew. überdestillieren.) 4. Tinkturen und Elixire, §494. Was sind die Tinkturen? Die Tinkturen, Tincturae*), sind farbige, weingeistige Auszüge vegetabilischer und tierischer, seltener chemischer Arzneistoffe. Geschieht die Extraktion durch Ätherweingeist, so nennt man die Tinktur eine ätherische; wendet man Wasser an, mit geringem Weingeistzusatz, so heisst sie eine wässerige Tinktur, z. B. Tinct. Rhei aquosa; wendet man Wein (Xereswein) an, so erhält man eine weinige Tinktur oder einen medizinischen Wein, z. B. Tinct. Rhei vinosa, Yinum Colchici u. a. Die Mehrzahl der Tinkturen wird mit verdünntem Wein- geist bereitet: dessen Gewichtsmenge in der Regel das Fünffache, bei stark wirkenden Arzeneimitteln das Zehnfache der zu extrahieren- den Ingredienzien beträgt. Harze und harzähnliche Körper (Aloe, Myrrha, Benzoe u. a.), sowie harz- und ölhaltige Arzeneistoffe (Castoreum, Cantharides u. a.) erfordern un verdünn ten Wein- geist, Man übergiesst die zerkleinerten Stoffe — zerschnittene Wurzeln und Kräuter, zerstossene Früchte und Samen — in einer weithalsigen Flasche mit dem Weingeist, ohne dass jedoch das Gefäss sich völlig damit anfülle, tektiere dann die Mündung mit befeuchteter Blase oder Pergamentpapier und stecke eine Stecknadel in dieselbe, um der Dampfspannung etwas Ausweg zu lassen. Nach achttägiger Einwirkung, welche in der Kegel eine Maceration in mittlerer Sommertemperatur ( 1 5 — 20° C) ist, während deren die Mischung öfters umgeschüttelt werden muss, wird der Weingeist abgegossen, der Rückstand ausgepresst und die Tinktur nach mehrtägigem Absetzenlassen filtriert. Schliesslich seien die wenigen Tinkturen erwähnt, welche durch Auflösen von Extrakten und anderen Stoffen gewonnen *) Tinctura von tingo (färben.) Schlickum, Apothekerlelirling. 41 — 642 - Averden, wie Tinct. Cannabis indicae aus Extr. Cannabis ind., Tinct. Ferri pomata aus Extr. Ferri pom., Tinct. Chinoidini aus Chinoidin, Tinct. Ferri chlorati aus Eisenchlorür, Tinct. Jodi aus Jod. §495. Elixire. DieElixire, Elixiria*), sind dunkelfarbige, meist undurchsichtige, auch wohl trübe Extraktlösungen, wie Elixir amarum, e Succo Liquiritiae, oft mit einem Auszug verbunden, wie Elixir Aurantii comü. 5. Extrakte, Extraeta, §496. Die Extrakte im allgemeinen. Die Extrakte, Extraeta, sind eingedickte Auszüge vegetabilischer Stoffe, welche die arzeneikräftigen Bestandteile derselben enthalten. Nach ihrer Kon- sistenz unterscheidet man 1. dünne Extrakte, von der Dicke des frischen Honigs; 2. dicke Extrakte, welche vom Spatel kaum mehr abfliessen und sich mit demselben in Fäden ziehen lassen; 3. trockne Extrakte von pulveriger Beschaffenheit. Während die dicke Extraktform als die gewöhnliche zu bezeichnen ist, wird die dünne nur in wenigen Fällen, nämlich beim Ein- dampfen ätherischer Auszüge harz- und ölreicher Substanzen (Cina, Cubeba, Filix mas, Mezereum) gewählt, die trockne Form dagegen in solchen Fällen, wo wegen eines Gehaltes an Gummi, Schleim u. dgl. das dicke Extrakt leicht dem Schimmeln unter- worfen ist, z. B. bei Opium, Colombo, Myrrha, Ratanha, Strychnos. Man bewahrt die steifen Extrakte an einem trocknen, aber nicht zu warmen Orte auf. § 497. Bereitung der Extrakte. Man unterscheidet bei der Extrakt- bereitung 1. Extraktion, 2. Eindampfen des Auszugs. Im allgemeinen benutzt man die getrockneten Vegetabilien zur Extraktion ; bei den einheimischen narkotischen Gewächsen verwendet man dazu das frische Kraut. Betrachten wir zu- nächst die allgemeine Methode, so hängt das Extraktionsverfahren von der Beschaffenheit der Substanz und der Wahl des Ex- traktionsmittels ab. Letzteres kann sein: a) -Reines Wasser; b) Wasser mit Weingeist; c) reiner Weingeist; d) Weingeist mit Äther; e) reiner Äther. Je nachdem das eine oder das andere dieser Extraktions- mittel zur Anwendung gelangt, bezeichnet man das Extrakt als ein wässeriges, spirituös-wässeriges, spirituöses, äthe- risch-spirituöses oder ätherisches Extrakt. *) Elixir von elicio (herauslocken, herausziehen). — (343 - § 498. Wässerige Extrakte. In allen Fällen, wo die wirksamen Bestandteile eines Vegetabils nur in Salzen und Bitterstoffen be- stehen (wie bei Carduus bened., Gentiana Centaurium , Dulca- naara, Quassia, Taraxacum, Trifolium fibrin.), oder in Zucker und ähnlichen süssen Stoffen (wie bei Rhiz. Graminis, Liquir.), oder in Gerbestoffen (wie bei Ratanhia, China), bedient man sich des Wassers als Extraktionsmittels. Dasselbe sei möglichst frei von Kalk, daher destilliertes oder Regen wasser. Von der Art des wirksamen Prinzipes, sowie von der äusse- ren Beschaffenheit des Yegetabils hängt es ab, in welcher "Weise die Extraktion stattfinden soll. Im allgemeinen befolgt man das Verfahren , die zerschnittene oder zerstossene Substanz mit der 4— 6 fachen Menge siedenden Wassers zu übergiessen, das Ganze einer sechsstündigen Digestion (bei lauer Wärme) zu überlassen, dann auszupressen und die Extraktion mit der halben Wassermenge nochmals in gleicher Weise zu repetieren. So ver- fährt man beispielsweise bei Extr. Cardui bened., Dulcamarae, Graminis, Strychni aquosum. Holzige Substanzen , wie Campecheholz , erfordern ein mehr- stündiges Kochen, indem man sie mit der achtfachen Wasser- menge abkocht, bis die Hälfte des Wassers verdampft ist. Von der heissen Extraktion wird in gewissen Fällen Abstand genommen und eine 1— 2tägige Maceration der Substanz mit der 4 — 6 fachen Menge kalten Wassers angewendet. Dies geschieht wegen der harzigen Bestandteile , bei Opium , Aloe, Myrrha, bei Gentiana wegen des Pektingehaltes, beim Lakriz und Süssholz wegen des Stärkemehls, bei der Ratanha wegen des Gerb- säureabsatzes. Würde man solche Substanzen mit siedendem Wasser behandeln, so erhielte man trübe, dickliche, nicht zu klärende Brühen und kaum lösliche Extrakte. Entweichende Körper, wie den Lakriz, schichtet man mit ge- schnittenem Stroh in Dekantirtöpfe , aus deren seitlichen Offnungen die klaren Brühen abgezapft werden; eine Pressung findet dabei nicht statt, vielmehr wiederholt man mehrmals die Extraktion mit frischem Wasser. Die vermischten , durch Absetzen und Kolieren geklärten Brühen werden ohne Zeitverlust im Dampfbade eingedickt. Da ein längeres Kochen wohl zu vermeiden ist, empfiehlt sich nicht ein Abdampfen über freiem Feuer. Man benutzt zinnerne oder porzellanene Schalen, jedoch keine aus Eisen oder Kupfer, welche das Extrakt verunreinigen würden. Man dampft die Brühe bis etwa zum dritten Teile ein , stellt sie dann kurze Zeit an einen kühlen Ort und koliert sie vom abgeschiedenen Bodensätze ab. Gewisse Extrakte, wie Extr. Taraxaci, Graminis, scheiden schwerlös- liche Salze ab, weshalb man sie nach dem Eindampfen zur Syrupkonsistenz einige Zeit stehen lässt, darauf nochmals in der vierfachen Menge kalten Wassers löst und die filtrierte Flüssigkeit zum steifen Extrakte einengt. 41* — 644 — Trotzdem kann es bei gerbstoff haltigen Extrakten nicht verhütet werden, dass sie sich später trübe in Wasser lösen, da der Gerbstoff sich beim Abdampfen durch Sauerstoffaufnahme in schwerlöslichen Gerbsäureabsatz umwandelt. Solche Extrakte lassen sich, wie leicht ersichtlich ist, durch abermaliges Auflösen und Eindampfen nicht verbessern. § 499. Spirituöse Extrakte. Beruht die arzneiliche Kraft in aro- matischen Stoffen, flüchtigen Ölen, Harzen u. dgl., so bereitet man ein spirituöses Extrakt. Die Beimischung solcher Substanzen, welche wässerige Lösungsmittel erfordern, z. B. von Bitterstoffen, macht es nötig, den Weingeist mehr oder weniger mit Wasser zu verdünnen. Hiernach verwendet man beim Wermut, Kalmus. Alant, Baldrian, den Pomeranzenschalen, Kamillen, Sadebaumspitzen eine Mischung aus 40 Teilen Weingeist und 60 Teilen Wasser. Dieselbe Mischung nimmt man bei Rhabarber und Co- lombowurzel, um nicht die gummösen und schleimigen Bestandteile der- selben aufzulösen. Verdünnten Weingeist (von 0,89 spezif. Gew.) ver- wendet man in derselben Absicht bei China, Colocynthis, Faba Calabarica, Scilla. Sind dagegen die Bestandteile mehr harziger Natur, so extrahiert man sie mit unverdünntem Weingeist, z. B. Cannabis indica, Mezereum. Die zerschnittenen oder zerstampften Vegetabilien werden mit dem verdünnten oder unverdünnten Weingeist maceriert. Nach dem Auspressen unterzieht man den Rückstand der näm- lichen Behandlung mit einer neuen Flüssigkeitsmenge. Die ver- mischten Auszüge werden nach dem Absetzen filtriert und ein- gedampft. Hierbei ist es gestattet, den verwendeten Weingeist im Dampfbade abzudestillieren. Man bringt die klare Extraktbrühe in den zinnernen Einsatzkessel des Beindorfschen Dampfapparates und destilliert für sich, so lange noch etwas übergeht; darauf giesst man den Rückstand in eine flache Schale und engt ihn im Dampf bade zum Extrakt ein. Der übergegangene Wein- geist besitzt gewöhnlich den Geruch der Drogue und ist zur Gewinnung des nämlichen Extraktes, auch in gewissen Fällen zur äusserlichen An- wendung, recht wohl geeignet. Nach Yerjagung der geistigen Flüssigkeit erscheint die Ex- traktbrühe meist trübe, wegen des nun vorherrschenden Wasser- gehaltes, und erfordert beim Eindampfen beständiges Umrühren. §500. Ätherische Extrakte. Einige Droguen liefern ätherische Extrakte, indem sie mit einer Mischung aus gleichen Teilen Äther und Weingeist (wie die Kubeben und Zittwerblüten) oder mit reinem Äther (wie der Wurmfarn) drei Tage lang maceriert, dann ausgepresst, filtriert und eingedampft werden. Der ange- wandte Äther lässt sich durch Destillation wiedergewinnen; man setzt den Auszug in einem Kolben heissem Wasser oder Dampf aus, nachdem man zuvor eine Glasröhre, welche in eine Vorlage hineinreicht, luftdicht angefügt hat. Den Rückstand dampfe man zum dünnen Extrakte ein. — 645 — § 501. Extrakte aus frischen Kräutern. Die einheimischen nar- kotischen Kräuter, wie Belladonna, Digitalis, Conium, Chelidonium, Hyoscyanius, Lactuca virosa, Stramonium , unterliegen einer be- sonderen Extrahierungsmethode. Man zerschneidet sie im frischen, blühenden Zustande, zerstampft sie im Steinmörser mit ^o Wasser und presst stark aus , den Rückstand unter abermaligem Wasserzusatz derselben Operation unterwerfend. Die gemischten Brühen erhitzt man nahe zum Sieden, wobei Gerinnung ihres Eiweissgehaltes erfolgt, koliert und engt sie im Dampf bade auf ein Zehntel des angewendeten Krautes ein. Der Rückstand wird mit gleichviel Weingeist gemischt, nach einem Tag von dem schleimi- gen und gummösen Absatz koliert, letzterer abgepresst, nochmals mit verdünntem Weingeist ausgewaschen und abermals gepresst. Die vereinigten weingeistigen Auszüge werden nach der Filtration dem Eindampfen unterworfen , wobei sich der Weingeist durch Destillation wiedergewinnen lässt. § 502. Trockne Extrakte. Die trocknen Extrakte gewinnt man durch stärkeres Einengen der Extraktbrühe, bis die steife Masse selbst im warmen Zustande sich in Fäden ziehen lässt, worauf man sie in dünne Schichten und Bänder ausbreitet und auf flachen Porzellantellern an einem massig warmen Orte völlig austrocknet. Sowie sie spröde erscheint, wird sie in einem an- gewärmten Mörser zerrieben und sofort in ein trocknes, erwärm- tes, mit Korkstöpsel wohl zu verschliessendes Gefäss gebracht. Um die steifen narkotischen Extrakte in trockne Form zu bringen und auch für Pulvermischungen geeignet zu machen, trocknet man sie mit Süssholzpulver in gelinder Wärme aus und zerreibt die pulverige Masse, unter Zusatz von so viel Süssholz- pulver, dass das Ganze doppelt so viel wiegt wie die ange- wendete Extraktmenge. Bei der Dispensation wird ein doppeltes Quantum abgewogen, als verordnet ist. Die betreffenden Stand- gefässe erhalten die Aufschrift : sumatur duplum. 6. Syrupe, Syrupi. § 503. Bereitung der Syrupe. Die Syrupe, Syrupi, sind dick- liche Zuckerlösungen, gewonnen aus weissem Zucker und einer wässerigen Flüssigkeit, deren Yerhältnis in der Regel wie 60 : 40 angenommen wird. Sie dienen zum Versüssen der Mix- turen und führen kleine Mengen aromatischer und anderer arzenei- lich wirksamer Stoffe. Beim weissen Syrup wird destilliertes Wasser, beim Althaesyrup ein Althae-Aufguss, beim Himbeersyrup vergohrener Himbeersaft, beim Mandelsyrup eine Mandel-Emulsion — 646 - zur Lösung des Zuckers benutzt. Man bringt die Zuckerlösung zum einmaligen Aufkochen, wobei der Eiweissgehalt gerinnt und , alle Unreinigkeiten mit sich reissend , zur Klärung des Syrups wesentlich beiträgt. (Man unterlässt dieses Aufkochen nur beim Mandelsyrup.) Nach dem Aufkochen wird der Syrup geschäumt, durch Wasserzusatz auf sein Gewicht ergänzt und noch heiss durch weissen Stramin koliert, aber erst nach völligem Erkalten in die möglichst trockenen Gefässe gebracht. Die Fruchtsäfte, welche man zu Syrupen benutzt, sind: Kirschsaft (von den sauren, rotsaftigen Morellenkirschen), Him- beersaft, Kreuzbeerensaft, Maulbeersaft (von den schwarzen Maul- beeren). Man gewinnt sie, indem man die Früchte zerquetscht, einige Tage in mittlerer "Wärme stehen lässt, dann auspresst (zwi- schen Holzplatten) und den Saft filtriert und mit Zucker im Ver- bältnisse wie 65 : 35 verkocht. § 504. Honig und Sauerhonig. Den Syrupen schliessen sich der gereinigte Honig, sowie die Sauerhonige an. Das Reini- gen des Honigs bezweckt die Abscheidung der albuminösen Beimengungen ; sie wurde früher durch Zusatz gewisser Abscheide- mittel (Gerbsäure, Galläpfelpulver, Magnesia, Thonerde, Holzkoh- len u. a.), jetzt ausschliesslich durch einstündiges Erhitzen des verdünnten Honigs nahe zum Siedepunkt, jedoch ohne Kochen, bewirkt, wobei das Eiweiss gerinnt und den Honig klärt. Nach der Filtration dampft man ihn zur Syrupkonsistenz ein. Verdünnt man den gereinigten Honig mit einem ßosen- blätteraufguss , Essig oder Meerzwiebelessig, und dampft wieder zur Syrupkonsistenz ein, so erhält man Mel rosatum, Oxymel simplex, 0. scilliticum. Man erfährt den Konzentrationspunkt am besten durch die Wage, indem man bis zum Gewicht des an- gewendeten Honigs eindampft. 7, Linimente und medizinische Seifen. § 505. Opodeldok. Die Linimente sind dickliche oder gela- tinöse Mischungen zum Einreiben, wie das Linimentum ammo- niatum, das sog. flüchtige Liniment, eine Mischung aus 4 Teilen Öl und 1 Teil Salmiakgeist. Von den Linimenten wird im Laboratorium vorzugsweise der Opodeldok, Linimentum saponato-camphoratum, angefertigt. Derselbe ist eine Seifen- gallerte, eine heissbereitete Auflösung von medizinischer Seife in Weingeist, welche beim Erkalten gesteht. Zumal die Talg-Natron- seife (Hausseife) veranlasst ein Gelatinieren der weingeistigen Lösung, während die Ölnatron seife (spanische Seife) und Ölkali- seife in verdünntem Weingeist flüssig bleibt (Spiritus saponatus). — 647 — § 506. Medizinische Seifen. Abgesehen von Sapo medicatus, oleaceus und viridis, über welche bereits in der Chemie das Nähere mitgeteilt wurde, kommt hier Sapo jalapinus und terebinthinatus in Betracht Die Jalappenseife bereitet man aus medizinischer Seife und Jalappenharz durch Auflösen in verdünn- tem Weingeist und Eindampfen zur Pillenkonsistenz ; die Terpen- tinseife durch Mischen gepulverter spanischer Seife mit fein- zerriebenem kohlensaurem Kali und Terpentinöl. 8, Salben, gekochte Öle und Cerate. § 507. Salben. Von den in der Offizin vorrätigen Salben wird ein Teil durch Verreibung fester oder flüssiger Arzneistoffe mit Schweineschmalz oder einer Fettmischung dargestellt. Un- lösliche mineralische Körper werden zunächst gepulvert und dann mit etwa dem gleichen Volum des Fettes in einer Reibschale aufs feinste verrieben, bevor man die übrige grössere Menge des Fettes zumischt. So bei JJngt. Cerussae, Zinci, sulfuratum. Das Verreiben muss so lange fortgesetzt werden , bis man beim Streichen einer Probe auf den Fingernagel keine festen Partikel fühlt, noch sieht. Ungt. Hydrargyri cinereum erfordert ein so lange fortgesetztes Verreiben (Töten) des Quecksilbers mit alter Quecksilbersalbe , bis man beim Ausstreichen einer Probe keine Metallkügelchen mehr wahrnehmen kann. Man kann diese Operation , welche bei der Quecksilbersalbe gewöhnlich mehrere Stunden anhaltenden Reibens erfordert, sehr beschleunigen, wenn man der Masse die gehörige Weichheit giebt, d. i. bei kälterer Temperatur gelinde erwärmt. Ein Terpentinzusatz fördert in gleicher Weise das Töten des Metalles. Lösliche Körper, z. B. Jodkalium zu Ungt. Kalii jod., werden in der möglichst geringen Wassermenge aufgelöst und dann die Fettmenge untergearbeitet. Eine grössere Reihe von Salben erfordert Schmelzen. Einfache Fettmischungen sind : Ungt. basilicwm,, cereum, Elemi, Eosmarini comp., Terebinthinae. Man schmilzt die Fette in einer Porzellan- oder Zinnschale im Wasserbad. Bei einigen Salben findet eine Extraktion durch Fett statt; so digeriert man zu Ungt. Cantharidum die gepulverten Canthariden mit Öl, zu Ungt. flavum die Curcuma mit Schweineschmalz. Beim Erkalten einer aus mehreren verschiedenen festen Fetten zusammengeschmolzenen Salbe ist in den meisten Fällen fleissiges Umrühren geboten, damit das festere Fett sich nicht von dem weicheren ausscheide, so bei den mit Wachs oder Walrat be- reiteten Salben, z. B. Ungt. cereum, Cantharidum. — 648 — Andere derartige Fettinischungen , in denen Terpentin oder ein Harz eingeht, lässt man ohne Umrühren erkalten, da durch dieselben die ungleichflüssigen Bestandteile sich enger verbinden. So bei TJngl. basüicum, Elemi, Rosmarini comp. § 508. Gekochte Öle. Gewisse Vegetabilien wurden früher im frischen Zustande mit Öl oder Schweinefett in einem kupfernen Kessel auf gelindem Feuer so lange gekocht, bis die wässerige Feuchtigkeit verdampft war. Den richtigen Zeitpunkt erkannte man daran, dass die anfänglich stark schäumende und hoch- steigende Masse zusammensinkt , aufhört Blasen zu werfen und beim Umrühren einen raschelnden Ton abgiebt. Diese Öle und Fette besitzen stets eine dunkelgrüne oder braune Färbung. Durch Einführung des Dampfbades in das pharmazeutische Laboratorium hat auch die Methode der Darstellung der ge- kochten Fette eine Änderung erlitten. Man besprengt die ge- trockneten und zerschnittenen Vegetabilien mit Weingeist, lässt sie im verschlossenen Gefässe einige Stunden (zur innigeren Durchdringung) stehen und digeriert sie dann mit dem Fette in einer zinneren Schale im Dampf bade so lange, bis der Weingeist sich völlig verflüchtigt hat, was sich an der Klarheit des Fettes erkennen lässt. Hierauf presst man aus und koliert resp. filtriert (durch zuvor getrocknetes Papier!). In dieser Weise gewinnt man aus Schweineschmalz mit Leinkraut Ungt. Linariae , mit Meiran Majoranae , mit Pappel- knospen Ungt. Populi; aus Olivenöl mit Kamillen Oleum Chamo- millae infüsum, mit Bilsenkraut Ol. Hyoscyami infusum (coctum), § 509. Gerate. Die Cerate, Cerata, bestehen zur Haupt- masse aus Wachs, besitzen daher eine spröde, harte Konsistenz. Man gewinnt sie durch Zusammenschmelzen von Wachs mit Walrat (Ceratum Cetacei) , Muskatbutter (Ceratum Myristicae), Talg, Fichtenharz und Terpentin (Ceratum Bes. Pini), teilweise unter Zusatz gepulverter Körper (Grünspan zu Ceratum Aeruginis). Die geschmolzene Mischung wird in Papierkapseln ausgegossen und nach dem Erstarren in Täfelchen abgeteilt. 9. Pflaster, Emplastra. § 510. Bleipflaster. Die Pflaster, welche ölsaures und marga- rinsaures Bleioxyd zur Grundlage haben, werden aus Öl resp. Schweineschmalz mit Bleiglätte, wie Empl. Lithargyri Simplex, oder Mennige, wie Empl. fuscum, gekocht. Das einfache Bleipflaster, aus gleichen Teilen Olivenöl, Schweineschmalz und Bleiglätte bereitet, kann auf doppeltem Wege — 649 - gekocht werden: auf freiem Feuer oder im Dampf bade. In jedem Falle ist aber ein Wasserzugang nötig, um Glycerin zu bilden. Die Kochmethode über freiem Feuer beendigt sich in mehreren Stunden, beansprucht jedoch eine gewisse Übung und grosse Vorsicht. Man schmilzt das Fett in einem geräumigen, zuvor ausgescheuerten kupfernen Kessel, fügt die feinzerriebene, klümpchenfreie Bleiglätte unter Umrühren bei, giebt l/4 Pfd. Wasser hinzu und kocht bei gelinder Feuerung, die schäumende und steigende Masse mit einem Holzspatel wohl umrührend, damit die Glätte sich nicht am Boden festsetze. Sehr zu beachten ist, dass es niemals an Wasser fehle und die Masse stets im Kochen bleibe, weshalb man, sowie dieselbe aufhört zu schäumen und zusammensinkt, eine Portion Wasser beizugeben hat. Dieser Wasserzusatz ist bis zur Be- endigung der Pflasterbildung öfter zu wiederholen. Sobald die Glätte sich völlig gelöst hat, beginnt die Masse weiss zu werden und nimmt den eigentümlichen Pflastergeruch an. Von Zeit zu Zeit hat man dann zu prüfen, ob die Pflasterbildung vollendet ist, indem man einige Tropfen in kaltes Wasser giesst und knetet; sobald die erkaltete Probe hart er- scheint, nicht mehr schmierig oder klebrig, ist das Pflaster fertig. Dieselbe Operation nimmt im Dampfbad einige Tage in Anspruch, gewährt aber bei geringerer Übung mehr Sicherheit, da ein Anbrennen des Pflasters nicht stattfinden kann. Man füllt eine Zinnschale mit der Fettmasse an, giebt, sobald sie geschmolzen ist, die Bleiglätte mit etwas Wasser bei und hält das Ganze im vollen Dampfbad, öfters umrührend, damit die. Glätte sich nicht am Boden festsetze, auch den Wasserzusatz von Zeit zu Zeit wiederholend. Letzterer ist nicht in der Menge nötig, wie bei ersterer Methode, da eine viel geringere Verdampfung stattfindet. Wenn das Pflaster die Gare erlangt hat, knetet man es unter kaltem Wasser, in welchem sich das Glycerin auflöst. Das durch hinreichendes Kneten (Malaxieren) ausgewaschene Pflaster wird schliesslich auf einem sauberen Brette in Stangen ausgerollt. Das Mutterpflaster wird aus 1 Teil Mennige und 2 Teilen Olivenöl gekocht. Man trage in das im geräumigen kupfernen Kessel über gelindem Feuer erhitzte Öl die feinpräparierte, knöll- chenfreie Mennige unter Umrühren ein und fahre mit dem Um- rühren unablässig fort, bis die Mennige sich aufgelöst hat, was unter Schäumen und Steigen der Masse geschieht. Ein Wasser- zusatz findet nicht statt. Das Glyzeryl entweicht hierbei als Akrol in stechenden Dämpfen. Man kocht nach Auflösung der Mennige das sich schwärzende Pflaster, bis eine Probe auf kalter Metallfläche zur festen, nicht mehr schmierigen Masse erstarrt. Man giebt dann gelbes Wachs in das Pflaster und nach einigem Abkühlen Kampfer, mit Öl angerieben, worauf die Masse in Papier- kapseln ausgegossen wird. § 511. Gemischte Pflaster. Die gemischten Pflaster wer- den aus Wachs, Harz, Öl, Terpentin, Talg u. s. w. zusammen- geschmolzen, oder sie besitzen als Grundlage das Bleipflaster. Einfache Mischungen von Wachs , Talg und gepulverten Herzen sind beispielsweise Empl. aromaticum, Ammoniaci, foetidmn, — 650 — Galbani croc. , oxycroceum u. a. Man mischt der geschmolzenen Fettmasse die klümpchenfreien Harzpulver zu und rollt das halb- erkaltete Pflaster in Stangen auf einer mit Öl befeuchteten Fläche aus. Gummiharze (Ammoniak , Mutterharz , Stinkasant) erweicht man mittelst des Dampfbades (oder über sehr gelindem Feuer) in Terpentin, bevor man sie dem etwas verkühlten Fettgemenge zusetzt. Viele derartige Pflaster enthalten Kräuterpulver, die man der geschmolzenen Wachsmischung unterrührt. Hierhin gehören Empl. Belladonnae, Cantharidum, Conii, Meliloti. Um ihr Schimmeln zu verhüten , müssen die vegetabilischen Pulver zuvor getrocknet werden. Auch diese Pflaster rollt man mit Öl aus. Gemischte Pflaster mit Bleipflaster als Grundlage sind: Empl. adhaesivnm — Bleipflaster mit Wachs, Dammarharz, Geigenharz und Terpentin; Empl. Hydrarg yri — Bleipflaster mit einer Yer- reibung von Quecksilber mit Terpentin ; Empl. saponatum — Blei- pflaster mit Seifenpulver, welches man innig dem geschmolzenen Pflaster beimischt; Empl. Lythargyri compositum - — Bleipflaster mit Ammoniak- und Galbanum-Gummiharz, welche in Terpentin mittelst des Dampfbades erweicht und dem geschmolzenen (nicht zu heissen !) Pflaster beigefügt werden. Diese Pflaster kann man mit Wasser ausrollen. § 512. Englisches Heftpflaster. Eine besondere Art Pflaster ist das englische Heftpflaster, ein mit Hausenblase über- zogener Seidentaffet. Letzteren wählt man in mehreren Farben (schwarz, rot, weiss), spannt ihn angefeuchtet über einen vier- eckigen Holzrahmen und überzieht ihn in wiederholten Auf- strichen mit einer Hausenblasenlösung. Schliesslich netzt man die Kückseite des Taffets mit Benzoetinktur. Ahnlich wird Empl. Mezerei cantharidatum angefertigt, indem man Seidentaffet zuerst mit einer Hausenblasenlösung und nachher mit einem Essigäther -Auszug aus spanischen Fliegen und Seidelbast, worin etwas Sandarak, Elemi und Geigenharz aufgelöst wurde, überzieht. — 651 - B. Die Bereitung der Arzneien. (Receptur.) a) Arzeneien zum innerlichen Gebrauche, a) Flüssige Arzeneien. 1, Mixturen, Mixturae. § 513. Mischung flüssiger Arzneistoffe. Bei der einfachen Mischung mehrerer Flüssigkeiten sind folgende Regeln zu beobachten: 1. Alle Ingredienzien sind auf der Wage (Tarierwage) in das zuvor tarierte Glas abzuwägen. Nur wenn eines oder mehrere derselben ausdrücklich in einer gewissen Tropfenzahl zugesetzt werden sollen, darf man sie abtröpfeln. Auch ist es nicht gestattet, Flüssigkeiten dem Masse nach zu bestimmen (zu mensurieren). Es soll alles nach Gewicht angegeben und genommen werden. Man darf sich für grössere Mengen u. dgl. wohl vielfach der Mensuren bedienen, jedoch sollen dieselben nicht die Wage ersetzen, vielmehr nur im allgemeinen die anzuwendende Flüssigkeitsmenge bestimmen. Das Ab- tröpfeln kleiner Mengen scheint zwar bequemer und genauer als das Ab- wägen derselben auf einer grossen Tarierwage; jedoch ist das Tröpfeln unsicher und die Grösse des einzelnen Tropfens nicht allein nach der Natur der ver- schiedenen Flüssigkeiten, sondern auch nach dem Rande der jeweiligen Stand- flasche verschieden. Je dünnflüssiger ein Mittel, um so kleinere Tropfen bildet es; je breiter der Geiässrand, um so grösser fallen die Tropfen aus.*) 2. Beim Abwägen beginne man mit der kleinsten Menge und schreite stufenweise zu den grösseren fort. Man ist nicht an die Reihenfolge, wie sie das Rezept zeigt, gebunden. Dies ist darum geboten, weil die Wage eine um so grössere Empfind- lichkeit besitzt, je weniger sie belastet ist. Es lassen sich 1 — 2 Gramm recht exakt in ein leeres Glas einwägen, aber mit viel geringerer Genauig- keit in ein solches, welches bereits 100 — 2C0 Grm. Flüssigkeit enthält. Abzutröpfelnde Mittel sind stets zuerst ins leere Glas zu bringen. Beispiele: R(ecipe). Acidi hydrochlorici 1,0 R(ecipe). Tincturae Opii simpl. gutt. 20 (gramma unum) (guttas viginti) Aquae destillatae 150,0 Aquae Lauro-Cerasi 10,0 (gram, centum quinquaginta) (grammata decem) Syrupi Rubi Idaei 30,0 M(isce). D(etur). S(ignetur): Nach Be- (grammata triginta). rieht zu nehmen. M(isce). D(etur). S(ignetur): Stündlich einen Esslöffel. *) Die Taxbestimmung, dass für 1 Grm. 20 Tropfen Tinktur, fettes Öl, 25 Tropfein wässerige Flüssigkeit, äther. Öl, Chloroform, Essigäther, Atherweingeist , sowie 50 Tropfen Äther berechnet werden sollen, bezieht sich nicht auf ein Tröpfeln statt des Wagens, sondern nur auf die Taxie- rung tropfenweise verordneter Mittel. — 652 — Ausnahmen von dieser Regel: 1. Sehr flüchtige, sowie starkriechende Arzneimittel müssen zuletzt eingewogen werden. Würde man Äther, Chlorwasser oder Salmiakgeist in erster Reihe einwägen, so verbreitete sich ihr Dunst in die nachfolgenden Standüaschen. Man setzt sie also der fertigen Mischung zu. ' Bsp.: R. Aquae chloratae 20,0 „ destillatae 100,0 Syrupi simplicis 15,0. M. D. S. ad vitrum nigrum. 2. Werden durch gewisse Bestandteile Niederschläge hervor- gerufen, so sind dieselben zuletzt beizumischen. Wenn durch Zusatz eines Mittels ein Niederschlag oder eine Aus- scheidung hervorgerufen wird, z. B. durch Zumischen von Kampferspiritus zu einer wässerigen Flüssigkeit, von Opiumtinktur zu Bleiwasser, so ist dieses Mittel zuletzt beizugeben, damit der Niederschlag in einer möglichst verdünnten Flüssigkeit entstehe und recht locker ausfalle. Dass dabei das Ganze wohl umgeschüttelt werde, ist ausserdem zu beachten. Bsp.: R. Liquoris Plumbi subacetici 1,0 Tincturae Opii crocatae gutt. 20 Aquae Rosae 100,0. M. D. S. Augenwasser. 3. Beim Mischen ungleichartiger Flüssigkeiten ist die Folge des Abwägens so zu treffen, dass das Gleichartige zuerst mit ein- ander gemischt und der ungleichartige Bestandteil zuletzt bei- gegeben werde. Bsp.: R. Spiritus Aetheris nitrosi 5,0 Aquae destillatae 120,0 Olei Menthae piperitae gutt. 5 Syrupi corticis Aurantii 30,0 M. D. S. Bei diesem Rezept ist zuerst der Salpeteräther ins Glas einzuwägen, dann das Pfefferminzöl zuzutröpfeln und in jenem zu lösen, bevor der Syrup und schliesslich das Wasser beigegeben wird. § 514. Anreibungen. Unter einer Anreibung versteht man die feine Verteilung unlöslicher oder nur teilweise löslicher Sub- stanzen in Flüssigkeiten. So reibt man vegetabilische Pulver (von Wurzeln, Kräutern u. dgl.), Pulpen (z. B. Tamarindenmus), Latwergen und schwer- oder unlösliche mineralische Stoffe (z. B. Weinstein, Goldschwefel) mit wässerigen Flüssigkeiten an. Auch zählt hierhin die Bereitung des Tragant- und Salepschleims, durch Anreiben des Pulvers mit kaltem resp. heissem Wasser. Bsp.: R. Radicis Ipecacuanhae pulveratae 2,00 Aquae destillatae 30,0 Oxymellis Scillae 20,0 M. D. S. Gut umgeschüttelt alle zehn Minuten einen Löffel voll zu nehmen, bis Erbrechen erfolgt. - 653 — Die Anreibung bezweckt den betr. Körper in möglichst feine Ver- teilung zu bringen. Daher ist ein Verreiben zum zartesten Breie oder die Anwendung des feinsten Pulvers geboten, welches man bald im Glase mit der Flüssigkeit zusammenschüttelt, bald im Aufgussmörser damit anrührt. Ersteres ist bei nicht klümpernden Pulvern, z. B. Ipecacuanhae, gestattet, aber zu beachten, dass man das Pulver nicht ins leere Glas, sondern in ein Mehrfaches der Flüssigkeit schüttet, um etwaiges Festsetzen an den Gefässboden zu vermeiden. Der Tragant schleim wird stets im Mörser bereitet, indem man das Tragantpulver mit der 15 fachen Wassermenge anreibt und den ent- stehenden Schleim mit mehr Wasser verdünnt. Am leichtesten gelingt das Anreiben des Tragantes, wenn man ihn zuvor mit der mehrfachen Menge Zucker oder mit dem etwa zugleich verordneten Syrup vermischt und dann die nötige Wassermenge portionenweise zugiebt. Den Salepschleim bereitet man im Glase durch Schütteln von 1 Teil Salep-Pulver mit 90 Teilen kochenden Wassers, nachdem man zuvor das Pulver mit 10 Teilen kalten Wassers zerrührt hat, um das Klümpern zu vermeiden. Anreibungen sind Schüttelmixturen, d. h. sie erfordern vor dem jedesmaligen Gebrauche sorgfältiges Umschütteln. § 515. Auflösungen. Man unterscheidet vornehmlich zweierlei Auflösungen: Salzlösungen und Extraktlösungen. In beiden Fällen benutzt man Mixturmörser, doch kann man bei sehr leicht löslichen Salzen und ähnlichen Stoffen (Zucker u. a.) die Lösung im Glase vornehmen. Unklare Salzlösungen erfor- dern eine Eiltration; bei unklaren Extraktlösungen ist eine solche nicht gestattet, wenn die Trübung durch Substanzen, die wesentliche Bestandteile des Extraktes bilden, hervorgerufen wird. So löst sich ein spirituöses oder ein wässerig spirituöses Extrakt wegen der harzigen Bestandteile unklar in Wasser, ein wässeriges Extrakt wegen seiner salzigen oder gummösen Bestandteile un- klar in einer Tinktur. R. Extracti Hyoscyami 1,0 R. Cupri sulfurici 0,25 (centigrammata Vini stibiati 30,0. viginti quinque) S(olve). D. S. Zweistündlich zwanzig Aquae destillatae 30,0. Tropfen zu nehmen. S(olve). D. S. Augentropfen. "Wenngleich bei den meisten Salzen und Extrakten gemeines Wasser die gleichen Dienste thut wie destilliertes, so ist doch stets destilliertes Wasser anzuwenden zur Lösung von Natrum bicarbonicum , Argentum nitricum, Plumbum aceticum, Cuprum sulfuricum , Tartarus stibiatus , Hydrargyrum bichlo- ratum, teils wegen der zersetzenden Wirkung des im gemeinen Wasser enthaltenen kohlensauren Kalkes (auf das Natriumbikarbonat und die Quecksilber-, Blei-, Kupfer- und Antimonsalze), teils wegen des ebenfalls nie fehlenden Kochsalzes (auf die Silbersalze). In gewissen Fällen ist heisses Wasser anzuwenden, z. B. bei der Manna, bei schwer löslichen Salzen, wie Kali chloricum und sulfuricum, — 654 — Alumen u. a. Jedoch darf in letzterem Falle die Menge des Salzes sein Löslichkeits-Verhältnis zum Wasser nicht übersteigen. Reicht das Lösungs- mittel nicht hin zur Auflösung der ganzen Menge des Salzes, so würde, wenn man die Lösung nicht durch Wärme erzwänge, die Flüssigkeit beim Erkalten einen Teil des Salzes krystallinisch ausscheiden. In solchen Fällen pulvert man das Salz fein und bereitet eine Schüttelmixtur. Wenn ausser den zur Lösung verordneten Ingredienzien noch andere Mittel als Zusätze beigegeben werden sollen , so ist die Lösung für sich zu bereiten, und erfolgen dann die Zusätze. Leicht lösliche Salze kann man jedoch der fertigen Mixtur zugeben. R. Ammonii chlorati 5,0 R. Natri bicarbonici 5,0 Elixir e Succo Liquiritiae 2,50 Extracti Cardui benedicti 3,0 Aquae destillatae 150,0. Aquae Menthae piperitae 150,0. M(isce) s(olvendo). D. S. M(isce) s(olvendo). D. S. Im ersten Beispiele kann der Salmiak recht gut zur fertigen Mischung beigegeben werden; im letzten Beispiele muss zunächst mit der Hälfte des Pfefferminzwassers im Glase die Lösung des Natriumbicarbonates bewerk- stelligt werden, worauf man die mit der anderen Wasserhälfte im Mörser oder auch in der Mensur dargestellte Extraktlösung beimischt. Wenn dabei durch ein Zusatzmittel eine Präcipitation oder ander- weitige Zersetzung der Auflösung hervorgerufen wird, so ist dieses Mittel erst der vollständigen Mixtur beizufügen, damit die Zersetzung bei mög- lichster Verdünnung vor sich gehe. Bsp.: Der Zusatz von Opiumtinktur zu einer Bleizuckerlösung hat zuletzt und zwar zur verdünnten Lö- sung zu geschehen. Ein Gleiches ist zu beobachten beim Auflösen zweier sich gegenseitig unter Fällung zersetzender Salze, wie Plumbum aceticum und Zincum sulfuricum; beide Salze sind für sich zu lösen und ihre ver- dünnten Lösungen zu mischen.*) Ist nicht Wasser, sondern Weingeist (etwa eine Tinktur) oder ein Ol das Lösungsmittel, so ist auch diese Lösung zuerst und für sich zu bereiten, ehe etwaige andere Zusätze beigefügt werden dürfen. Bsp.: R. Chinini sulfurici 0,30 Tincturae corticis Aurantii 30,0 Elixiris Aurantii compositi 15,0 S(olve). M. D. S. Hier ist das Chininsalz zuerst in der Tinktur zu lösen. Der Phosphor wird in Öl gelöst, indem man ihn durch Einstellen des Gefässes in heisses Wasser ^schmilzt, bis zum Erkalten des Öles schüttelt, und nach dem Absetzen das Öl vom ausgeschiedenen Phosphor abgiesst. *) Derartige gegenseitige Zersetzungen finden statt zwischen: Magnesia-, Schwermetall- , Alkalo'idsalzen mit ätzenden oder kohlen- sauren Alkalien, z. B. Bitterzalz mit kohlensaurem (auch phosphorsaurem) Natron, Eisensalz mit doppeltkohlensaurem Natron, Morphiumsalz mit. Atzammoniak (auch Liquor Ammonii anisatus!); Eisen- , Blei- , Kupfer- , Alkalo'idsalzen mit Gerbsäure oder gerbstoff- haltigen Auszügen wie Aufgüssen und Extrakten von Rhabarber, China- rinde, Fingerhut u. a. ; Blei-,Silber-,Quecksilberoxgdulsalzen mit Chlor-, Brom-unäJodmetallen . ; Bleisahen mit schwefel-, phosphor-, weinsauren Salzen, Borax u. a. •, Alkalo'iden mit Jodtinktur. — 655 — 2. Saturationen, Saturationes. § 516. Was ist eine Saturation? Saturationen sind kohlen- säurereiche Mixturen, bereitet durch Sättigung eines kohlen- sauren Alkalis mit einer vegetabilischen Säure. Als Alkalien wendet man an: neutrales und saures kohlensaures Kali resp. Natron, seltener kohlensaure Magnesia oder kohlensaures Ammoniak, Als Säuren: Citronensäure. Weinsäure, Citronensaft, Essig, sowie angesetzte- Essige (Acetum Digitalis, Scillae u. a.). Bsp.: R. Kali carbonici puri 5,0 Aceti q. s. (quantum sufhcit) ad perfectam Saturation em. M. D. S. Die Reaktion einer Saturation soll rnöglichstneutral sein ; blaues Lackmuspapier darf nur vorübergehend gerötet werden (durch die freie Kohlensäure). Andrerseits muss aber die Flüssig- keit möglichst reich an Kohlensäure sein, soweit dies ohne Schaden für Glas und Stopfen geschehen kann. Potio Riveri ist eine Saturation aus 4 Teilen Citronen- säure, 9 Teilen kryst. kohlensaurem Natron und 190 Teilen Wasser. § 517. Wie wird eine Saturation bereitet? Bei der Bereitung einer Saturation ist erstes Erfordernis: Säure und Alkali müssen sofort in derjenigen Menge abge- wogen werden, in welcher sie sich genau neutralisieren. Man muss daher die Sauerheit resp. Alkalität der Ingredienzien zu- vor genau kennen, sei es durch Anwendung reiner fester Stoffe oder durch vorhergegangene Säurebestimmung' mittelst Versuche. Wollte man erst bei Anfertigung der Saturation durch Lackmuspapier ihre Neutralität feststellen und probieren, so würde mittlerweile weit mehr Kohlensäure abbrausen, als nötig ist. Auch reagiert die genau gesättigte Flüssigkeit, so lange sie noch freie Kohlensäure hat, schwach sauer. Zweites Erfordernis ist: Es sollen bei Anfertigung einer Saturation möglichst wenig Gefässe und Operationen zur Anwendung kommen , auch darf das Schütteln das notwendigste Minimum nicht überschreiten. Man bereitet daher die Saturation im Glase , worin sie dis- I pensiert wird , und schwenkt dasselbe nur gelinde um , ohne- ; stärker zu schütteln. Weder Mixturmörser , noch Trichter und j Filter dürfen gebraucht werden. Zuerst wird die Säure abgewogen, mit der vorgeschriebenen I (kalten) Flüssigkeitsmenge gemischt resp. darin gelöst, dann zur Lösung nach und nach die nötige Alkalimenge zugegeben und unter sanf- \ tem Umschwenken des geöffneten Glases in Lösung übergeführt, worauf | letzteres sofort verschlossen werde. Dabei entweicht das Übermass der | Kohlensäure , und nur so viel bleibt in der Flüssigkeit zurück, dass sie I reichlich damit gesättigt ist. — 656 — Soll die Saturation anderweitige Zusätze erhalten, so sind dieselben der Säure, vor dem Alkalizusatze , beizugeben. Auch sind der Saturation keine heissen Flüssigkeiten zuzumischen. Wollte man Salze, Zucker, Syrupe u. dgl. der fertigen Saturation zumischen, so wäre infolge des notwendigen Schütteins ein Verlust an Kohlensäure unausbleibliche Folge. Deshalb giebt man solche vor der Sättigung zur Säure. Auch ist hierbei zu beachten, dass die Säure zuerst abgewogen werde — nicht umgekehrt, weil eine Einwirkung des Alkalis auf die anderweitigen Zusätze zu befürchten steht, wenn man zuerst das Alkali mit den übrigen Ingredienzien mischte und schliesslich mit der Säure sättigte. Bsp.: R. Natri bicarbonici 30,0 Succi Citri q. s. ad perfectam saturationem , adde Elaeosacharii Citri 5,0. M. D. S. In diesem Beispiele ist die notwendige Menge Citronensaft zuvor fest- zustellen, mit dem Ölzucker zusammen ins Glas zu geben und schliesslich mit dem Natriumbikarbonat zu sättigen. Da Hitze der Absorption von Gasen entgegenwirkt, so darf die Sa- turation weder mit heissem Wasser bereitet, noch derselben ein heisser Zusatz beigegeben werden. 3, Emulsionen, Emulsiones. § 518. Samen-Emulsionen. Stösst man ölreiche Samen, z. B. Mandeln, Mohnsamen, Hanfsamen u. dgl., mit "Wasser an, so ent- steht eine milchartige Flüssigkeit, eine Samen-Emulsion. Der nie fehlende Pflanzen schleim bildet das Binde- mittel zwischen dem fetten Öle des Samens und dem ange- wendeten "Wasser. Der Same wird im Emulsionsmörser (aus Porzellan, Marmor oder auch wohl Messing, nicht aber Eisen) zuerst für sich fein- zerstossen, und zwar am besten unter Zusatz einer ganz kleinen Wassermenge , damit das fette Öl nicht unverbunden aus dem Samen austrete. Den zarten Teig rührt man dann unter por- tionenweissem Zusätze des Wassers zur Emulsion an und kotiert schliesslich durch ein weisses, wollenes, nicht zu dichtes Tuch, unter Anwendung gelinden Druckes. Mandeln bedürfen vor dem Anstossen des Schälens, was durch Über- giessen mit heissem Wasser und geeigneten Fingerdruck leicht von statten geht. Wenn nähere Bestimmungen fehlen , so nimmt man auf 10 Teile Emulsion 1 Teil Samen. R. Seminis Papaveris 30,0 R. Emulsionis Amygdalarum 300,0 Aquae destillatae 150,0 Aquae Laurocerasi 5,0. F(iat) emulsio. D. S. Syrupi simplicis 30,0. M. D. S. — (557 — § 519. Öl-Emulsionen, Die Öl-Emu lsionen werden durch Emulgierung fetten Öles mit "Wasser, unter Beihilfe arabi- schen Gummis bereitet. Die eigentliche Emulgierung geschieht entweder durch allmähliches Einrühren des Öles in einen kon- sistenten Gummischleim oder durch gleichzeitiges Mischen des Öles und Gummis mit Wasser. Man rechnet auf 2 Teile Öl 1 Teil Gummi und 2 Teile Wasser. Hiernach kann man also eine der nachstehenden Methoden befolgen: 1. Man rührt im Porzellanmörser (mehr weit als hoch) 1 Teil arabisches Gummi mit 2 Teilen "Wasser an und giebt unter starkem Umrühren die 2 Teile Öl im langsamen Strahle hinzu. 2. Man mischt die 2 Teile Öl mit 1 Teile arabischem Gummi und rührt 2 Teile "Wasser auf einmal kräftig ein. Ist die Emulgierung beendet, so wird die übrige Wasser- menge portionenweise untergemischt. Beim Mangel näherer An- gaben rechnet man auf 10 Teile Gesamtgewicht der Emulsion 1 Teil fettes Öl. Beim Rizinusöl braucht man weniger Gummi und rechnet auf 2 Teil Rizinusöl 1/2 Teil arabisches Gummi, die man mit l1/^ Teil Wasser emulgiert. Soll die Emulsion noch andere Zusätze erhalten, z. B. Syrup, Salze, Extrakte u. dgi., so sind dieselben erst der fertiggestellten (verdünnten) Emulsion beizugeben. Würde man Zucker, Salze u. dgl. in der nicht hinreichend verdünnten Emulsion auflösen, so zersetzte sich dieselbe wieder in Ol und Wasser. Überhaupt wirken Salze, zumal kohlensaures Alkali, ungünstig auf Emul- sionen ein; ebenso weingeistige Flüssigkeiten (Tinkturen). Soll die Emulsion mit Tragantschleim bereitet werden, so mische man 1 Teil Öl mit einem aus i/2 Teil Wasser und 7 25 Teil Tragantpulver im Mörser angeführten Schleim kräftig, unter Zugabe von noch 1j2 Teil Wasser. Darauf verdünne man mit Wasser. Bsp.: R. Olei Amygdalarum 20,0 Tragacanthae q. s. F(iat) emulsio (ponderis) 120,0. D. S. Auch Eidotter dient häufig zur Emulgierung, anstatt des arabischen Gummis. Man zerrühre den Eidotter im Mörser zu- nächst für sich , arbeite dann das Öl in dünnem Strahle unter und mische endlich das Wasser nach und nach hinzu. Man rechnet auf 15 Gramm Öl einen Eidotter. § 520. Gummiharz-Emulsionen. Die Emulsionen der Gum- miharze (Asa foetida, Ammoniacum, Galbanum, Myrrha, Gutti) lassen sich mit und ohne Bindemittel anfertigen. Man zerreibt die Gummiharze zunächst für sich im Mörser möglichst fein, giebt dann einen kleinen Teil des Wassers bei und portionenweise das Schlickum, Apothekerlehrling. 42 — 658 - Übrige. Wenn sich das Gummiharz wegen angezogener Feuchtig- keit nicht fein zerreiben lässt, so erweiche man es im Dampf- bade und emu]giere es mit lauwarmem Wasser. Ein Zusatz von 1/j Teil Gummi oder einem Eidotter macht die Emul- sion haltbarer. Man mischt dieselben dem feingeriebenen Gummiharze vor dem Wasserzusatze bei. Bsp.: R. Asae foetidae 20,0 Aquae destillatae 200,0. F(iat) emulsio ope vitelli (unius) ovi. D. S. § ;521. Harz-, Balsam- und Kampfer - Emulsionen. Die Harz- Emulsionen werden wie die der Gummiharze augefertigt, unter Zusatz von */2 Teil arabischem Gummi , welches man mit dem Harze (Guajakharz, Jalapenharz) zuvor fein verreibt, worauf man das Wasser in kleinen Portionen untermischt. (Jalapenharz lässt sich auch durch Anstossen mit süssen Mandeln emulgieren). Die Balsam-Emulsionen ähneln den Öl-Emulsionen; gewöhnlich verwendet man jedoch gleiche Teile arabisches Gummi und Balsam, die man mit eben so vielem Wasser kräftig mischt. Eine gleiche Behandlung erfordern die harzreichen ätherischen Extrakte, z. B. Extr. Eilicis, Cubebae, sowie der Kampfer. Man mischt sie mit der mehrfachen Menge arabischen Gummis oder mit etwas Tragant oder einem Eigelb (je nach der Ver- ordnung) und rührt das Wasser portionenweise zu. Eine der- artige Emulsion ist der Yinum camphoratum, aus je 1 Teil gepulvertem Kampfer und arabischem Gummi und 48 Teilen Weisswein. Ätherische Öle verreibt man mit Zucker und giebt das Wasser allmählich bei. Bsp.: R. Olei Terebintliinae rectificatae 2,0 Aquae destillatae 120,0 Elaeosacchari Citri 10,0. M. D. S. 4, Aufgüsse, Infusa. § 522. Die Aufgüsse, Infusa, wurden in früherer Zeit durch Aufgiessen siedenden Wassers auf zerschnittene resp, kontundierte Yegetabilien, und Kotieren nach dem Er- kalten dargestellt. Vorzugsweise werden solche Stoffe infundiert, welche flüchtige Öle und stärkemehlreiches Gewebe enthalten, um die Öle nicht zu verjagen, noch das Stärkemehl in Kleister zu verwandeln. Man bereitet daher Infusa von Baldrian wurzel, Kalmus, Pfefferminze, Salbei, Kamillen, Lindenblüte, Fenchel, Anis, Rhabarber, Althäwurzel, Sennesblätter u. a. Jetzt gewinnt man die Aufgüsse mittelst des Dampf- — (359 — b ad es, "indem man die zu infundierende Substanz in einer zin- nernen oder porzellanenen Büchse mit der zehnfachen Menge (im Falle nicht anders vorgeschrieben) siedenden Wassers übergiesst, 5 Minuten lang verschlossen im kräftigen Dampf- bad stehen lässt, dann nach völligem Erkalten durch ein Tuch aus ungebleichter Leinwand unter Ausdrücken koliert. Da in der verschlossenen Büchse weder Aufkochen noch Verdampfung- stattfindet, so ist kein Verlust an flüchtigen Bestandteilen zu befürchten. Bevor das Infusum abgegeben wird, lasse man die kolierte Flüssigkeit kurze Zeit absetzen und giesse vom abgeschiedenen Bodensätze möglichst klar ab. Wurzeln, Kräuter, Blätter und Blüten wendet man zu Auf- güssen zerschnitten , Früchte und Samen zerquetscht an. Sind Salze, Manna, Extrakte u. dgl. zugleich verordnet, so werden sie nicht mit infundiert, sondern in der Kolatur aufgelöst. B. Foliorum Sennae 15,0 R. Infusi Foliorum Sennae 150,0 infunde cum aqua fervida q. s. (ex 15,0 parati) ad colaturae 150,0 Mannae 20,0. adde Syrupi Cerasorum 80,0. Magnesia sufuricae. M. D. S. Syrupi Cerasorum ^T (ana) 83,0. M. D, S. Ein konzentrierter Aufguss (Infusum concentratum) wird aus l1^ Teil Substanz auf 10 Teile Kolatur, ein höchst- konzentrierter Aufguss (Infusum concentratissimum) aus 2 Teilen Substanz auf 10 Teile Kolatur bereitet. Bei narkotischen Vegetabilien muss das anzuwendende Quantum stets vom Arzte verordnet sein ! 5, Abkochungen, Decocta, § 523. In früherer Zeit bereitete man die Ab kochungen, Decocta, durch ein längeres Kochen der Ingredienzien mit Wasser, Abkolieren und Absetzenlassen. Vorzugsweise werden harte, holzige Vegetabilien ohne riechende Bestandteile abgekocht, z. B. Chinarinde, Kolombowurzel, Quassienholz, Hauhechel. Jetzt werden die Abkochungen im Dampfbade bereitet, ähn- lich den Aufgüssen, nur dass man die Substanz mit kaltem Wasser übergiesst, eine halbe Stunde lang ins Dampfbad setzt und sofort noch warm koliert. R. Corticis Chinae Calisayae 25,0 R. Decocti corticis Chinae Calisayae coque ad colaturae 200,0 200,0 (ex 25,0 parati) adde Vini rhenani 50.0 Vini rhenani 50,0 Syrupi corticis Aurantii 30,0. Syrupi corticis Aurantii 3,00. M. D. S. M. D. S. 42* — 660 — In Bezug auf die anzuwendenden Spezies gilt das bei den Aufgüssen Gesagte; auch die Bestimmungen über die Menge der Kolatur. Bei einer konzentrierten Abkochung (Dec. con- centratum) verwendet man auf 10 Teile Kolatur 1% Teile Sub- stanz, bei einer höchstkonzentrierten (Dec. concentratissimum) 2 Teile Substanz. Zuweilen soll mit einer Abkochung ein Aufguss verbunden werden; solche Decocto- In fusa bereitet man durch Zugabe der zu infundierenden Substanz gegen Ende der Abkochung (sub finem coctionis), worauf man bis zum Erkalten bei Seite setzt. Bsp.: R. Radicis Colombo 150,0 coque ad colaturae 15,0 sub finem coctionis adde Rad. Rhei 2,0 colaturae adde Aquae Cinnamomi 30,0 Syrupi siniplicis 20,0. M. D. S. .. Wenngleich ältere Arzte Decoctum Althaeae vorsclrreiben , ist die Althäwurzel stets zu infundieren; auch gebraucht man nicht selten den Ausdruck Decoctum Salep für Mucilago Salep. 6, Macerationen und Digestionen. § 524. Unter einer Maceration versteht man die Ein- wirkung einer wässerigen oder geistigen Flüssigkeit auf eine Substanz in gewöhnlicher Temperatur (15 — 20° O); unter einer Digestion eine solche in lauer Wärme (35 — 40° C). Man lässt ihr gewöhnlich 24 Stunden Zeit, wenn nicht anders verordnet ist. Ein kalter Aufguss (Infusum frigidum) ist eine zweistündige Maceration. ß) Dickliche und halbflüssige Arzneien. 7, Schleime und Gallerten. § 525. Schleime, Mucilagines, sind dickliche, faden- ziehende Flüssigkeiten; teils blosse Lösungen, wie der Mucilago Gummi arabici, den man am klarsten aus unzerstossenem arabischen Gummi durch Aufgiessen der doppelten Wassermenge und Aufquellenlassen bereitet; teils heisse Aufgüsse, wie Muci- lago Salep, über welchen bereits oben gesprochen wurde; teils kalte Auszüge, wie der Mucilago Cydoniae, den man durch halbstündige Maceration der unzerstossenen Quittensamen mit der 50 fachen Menge Rosen wasser bereitet. Über den Tra- gantschleim vgl. § 514. — 6(51 — § 526. Die Gallerten, Gelatinae, sind Abkochungen schleim- oder leimreicher Substanzen, welche beim Erkalten ge- latinieren. Hauptsächlich verwendet man nur noch isländisches Moos und Karrageen, auch wohl Hausenblase oder Gelatine. Die zerschnittene Substanz wird mit Wasser, dessen Menge ein Yielfaches der verlangten Gallerte betragen muss, abgekocht, die klare Flüssigkeit koliert, bis zum vorgeschriebenen Gewichte abgedampft, worauf man sie noch warm mit den übrigen Zusätzen versieht und ruhig erkalten — gelatinieren — lässt. Bsp.: R. Lichenis islandici 30,0 coque cum aque quantitate sufficienti ad gelatinae 100,0 adde Syrupi corticis Aurantii 30,0. M. D. S. 10 Teile Gallerte lassen sich aus 1 Teil Carrageen, sowie aus 3 Teilen isländischen Mooses bereiten; jenes wird mit 40 Teilen, dieses mit 100 Teilen Wasser abgekocht. 1 Teil Hausenblase reicht hin für 25 Teile Gallerte, 1 Teil Gelatine für 50 Teile Gallerte; man löst sie in heissem Wasser, koliert und lässt erkalten. 8, Latwergen, Electuaria. § 527. Latwergen sind Gemenge vegetabilischer Pulver mit Honig, Syrup oder einem eingedickten Fruchtsafte, in solchem Verhältnisse, dass eine breiartige Masse entsteht. Man mischt zunächst die Pulver mit einander und giebt die nötige Menge Zuckersaft portionenweise hinzu. Leichte, voluminöse Pulver erfordern gewöhnlich ihre dreifache; salzige, lösliche nur ihre doppelte ; schleimige, aufquellende sogar ihre fünf- fache Menge Zuckersaft. Soll Lycopodium zur Latwerge verarbeitet werden, so ist ein Reiben desselben unter stärkerem Drucke notwendig, um es fähig zu machen, sich mit dem Safte zu benetzen. Plsp.: R. Plorum Cinae pulveratorum 25,0 Radicis Valerianae pulverata.e 5,0. Mellis depurati q. s. ut fiat electuarium. D. S. y) Feste Arzneien. 9. Pillen, Pilulae. § 528. Die Bereitung der Pillenmasse. Man bereitet die Pillen- masse im Pillenmörser (aus Eisen, Porzellan, auch wohl Messing) durch Anstossen pulveriger Substanzen mit einem Bindemittel , welches in den meisten Fällen aus Extrakten, zuweilen aus Zuckersaft, Honig, Tragant- oder Gummischleim besteht. Eine gute Pillenmasse muss plastisch, d. i. bildsam, weder zu weich (schleimig), noch zu hart (bröckelig) sein. — 662 — Wenngleich zum Anstossen einer Pillenmasse sich kaum allgemeine Regeln geben lassen, so merke man sich doch folgendes: 1. Vegetabilische Pulver lassen sich mit 2/3 — 3/4 Teilen Extrakt zur guten Pillenmasse anstossen; schleimreiche, aufquellende dagegen, wie Althäa-, Rhabarberpulver, erfordern eine gleiche' Menge Extrakt. R. Radicis Rhei 7,5 R. Extracti Cardui benedicti 5,0 Extracti Chelidonii 5,0 Flavedinis corticis Aurantii 3,0 „ Taraxaci q. s. (2,5). Rhizomatis Calami q. s. (3,0). M(isce) f(iat) m(assa), e qua formentur M. f. m. e qua formentur pilulae pon- pilulae No. (numero) CL. (Con- deris decigrammatis unius. Con- sperge lycopodio.) D. S. sperge Rhizomate Calami. D. S. Ist zu wenig Extrakt verordnet, so lässt sich die Masse durch einen genügenden Zusatz von Gummischleim, Succus Liquir. dep. oder auch Aqua destillata plastisch machen. Ein Zusatz von Zuckersaft oder Honig ist weniger ratsam. — Bei einem Übermasse an Extrakt setze man die ge- nügende Menge Althäa- oder Süssholzpulver zu. Bei grossem Extrakt- Überschuss dient ein kleiner Zusatz von Salep - Pulver , dessen Verdickung eine kleine Weile abzuwarten ist, besser als eine grössere Menge Althäa- pulver, durch welche die Pillen nach einiger Zeit hart werden. — Macht medizinische Seife einen Bestandteil der Pillenmasse aus, so ist ein Extrakfc überflüssig, da die Seife schon mit etwas Wasser oder verdünntem Wein- geist eine plastische Masse bildet. Jedoch ist bei diesem Wasserzusatze grosse Vorsicht geboten. 2. Gummiharze und Harze erfordern die Hälfte ihres Gewichtes an Extrakt, lassen sich aber auch mit etwas verdünntem (bei Harzen unver- dünntem) Weingeist zur plastischen Masse anstossen. Man tröpfele den Weingeist aus einem Löffelchen und mit Vorsicht zu, da schon ein kleiner Überschuss desselben das Plattdrücken der fertigen Pillen veranlasst. Harzige Massen erscheinen gewöhnlich anfänglich zu trocken und nehmen erst nach kräftigem Anstossen Plasticität an. Bsp.: R. Asae foetidae 7,5 Extracti Valerianae 3,5. M. f. m. e qua formentur pilulae No. XC. Consperge Rhizomate Iridis. D. S. Hierhin gehören die Pilulae aloeticae ferratae, aus gleichen Teilen Aloepulver und entwässertem schwefelsauren Eisenoxydul bestehend, die mit wenigen Tropfen Weingeist auf 10 g Masse angestossen und ohne Streupulver formiert Averden. Dabei nehmen sie eine schwarze Farbe an, auch Glanz, wenn man sie beim Rollen anhaucht oder die fertigen Pillen in einer schwach mit Weingeist befeuchteten Schale umschwenkt. 3. Lösliche Salze werden am besten mit Tragant- oder Althäa- pulver und etwas Wasser zur Pillenmasse angestossen. Unter allen Um- ständen sei man mit dem Wasserzusatze sehr vorsichtig, um keine zu weiche Masse zu erhalten. Arabisches Gummi eignet sich weniger gut für salzreiche Pillenmassen. Bsp.: R. Ferri sulfurici Kali carbonici puri ^ 15,0 Tragacanthae q. s. (3). M. f. m. e qua formentur pil. No. C. Consperge Cortice Cinnamomi. D. S. Bei dieser Pillenmasse muss der Zersetzung wegen das reine Salzge- menge zuerst mit etwas Wasser angestossen werden zu einem Teige, der — 663 — alsdann durch den Tragant — oder Althäwurzel — plastisch gemacht und ohne Zögern schnell ausgerollt werden muss. Sehr empfindliche, leicht zersetzbare Salze, wie Argent. nitric, Hy- drargyr. bichlor., stösst man nicht mit vegetabilischen Pulvern, sondern mit Argilla alba oder Mica panis (getrocknete und gepulverte Semmel- krume) und etwas dest. Wasser. R. Argenti nitrici 0,2 R. Hydrargyri bichlorati corr. 0,25 Argillae albae 2,5. Micae panis 2,5. M. f. pilul. No. XXX. M. f. pilul. No. XXV. 4. Balsame und fette Öle erfordern gewöhnlich eine Verdickung durch Wachs, bevor sie mit vegetabilischen Pulvern zu Pillen verarbeitet werden. Man schmilzt sie mit l/3 — 1/.2 Teil gelbem Wachse in gelinder Wärme zusammen. Terpentin lässt sich, ohne Wachszusatz, mit Althä- pulver (l1/^ Teil) verarbeiten; Copaivabalsam auch wohl mit gebrannter Magnesia (l1/2 Teil), wobei man aber gelinde erwärmen oder einige Stunden stehen lassen muss. R. Baisami Copaivae 10,0 R. Baisami Copaivae 10,0 Cerae flavae 5,0 Magnesiae ustae q. s. (15,0). liquefactae et refrigeratae massae M. f. m. e qua formentur pilul. No. CC. adde Consperge pulvere Cubebarum. Cubebarum pulv. q. s. (2,5). M. f. pil. No. CC. Ätherische Öle lassen sich wohl in sehr kleinen Mengen einer Pillenmasse unterarbeiten , in grösserer Menge verordnet, aber nnr mittelst konsistenten Tragantschleims oder gelben "Wachses, das man geschabt im gelind erwärmten Pillenmörser mit ihnen verreibt. Die Pilulae odontalgicae sind auf diese Weise aus Mandel-, Caje- put- und Nelkenöl mittelst Schmelzens mit gelbem Wachs bereitete Pillen. § 529. Die Formierung der Pillen. Die Formierung der Pillen geschieht auf der Pillenmaschine, welche gewöhnlich aus Eisen, für bestimmte Fälle (bei leicht zersetzbaren Salzen) aus Holz besteht. Es lassen sich je 30 Stück zugleich auf ihr abteilen. Es ist fürs erste die Gesamtzahl der Pillen festzustellen. Der Arzt bestimmt entweder diese Zahl oder das Gewicht der ein- zelnen Pille. In letzterem Falle wird dieses Einzelgewicht in das Gesamtgewicht der Pillenmasse dividiert, woraus dann die Zahl der anzufertigenden Pillen resultiert. Ist die Gesamtzahl der Pillen bekannt, so teilt man die Piiienmasse in so viele gleiche Teile, als 30 in der Gesamtzahl enthalten sind, entweder auf der Wage oder mittelst der Pillen- maschine selbst. Die erhaltenen Teile Averden alsdann zu einem gleich dicken Strange ausgerollt und abgeteilt, worauf man die einzelnen Pillen mit Daumen und Zeigefinger abrundet oder sie zu 30 unter einem Rollbrettchen abdreht. Gewöhnlich werden die fertigen Pillen mit einem Streupulver — 664 — versehen d. i. konsp er giert. Ist kein besonderes Pulver ver- ordnet, so greift man zum Lycopodium. Sollen die Pillen versilbert resp. vergoldet werden, so schüttelt man die nicht konspergierten Pillen mit etwas Blattsilber resp. Blatt- gold in einer hohlen Hornkugel. Sollen die Pillen mit Gelatine über- zogen werden, so taucht man sie einzeln an einer Nadel oder einem zu- gespitzten Holzstäbchen in eine konsistente, erwärmte Gelatinelösung und lässt sie dann an der Luft abtrocknen. 10. Pastillen, Pastilli, Trochisci. § 530. Die Pastillen sind runde, 1 g schwere Scheib- chen, aus Zucker oder Kakaomasse bestehend, mit einem medi- zinisch wirksamen Zusatz. Früher bereitete man sie nach Art der Pillen, durch Anstossen der Zuckermasse mit etwas Tragantschleim zur plastischen Masse, die man auf der Pillen- maschine abteilte und formierte, worauf die einzelnen Kügelchen durch einen Stempel plattgedrückt und an einem lauwarmen Orte getrocknet wurden. Jetzt bereitet man die Pastillen durch Ausstechen der ge- nügenden Menge mittelst des sog. Pastillen Stechers, einer metallenen Röhre mit scharfem Rande, Die Zuckermasse wird mit 15— 20°/0 verdünntem Weingeist befeuchtet, mittelst einer Nudelwalze auf einem weissen Brette gleichdick ausgewalzt und mit dem Pastillen Stecher ausgestochen. Man benutzt häufig einen Pastillen Stecher mit federndem Kolben, dessen Unterseite ein Zeichen trägt, welches sich der Pastille aufprägt. Die aus- gestochenen Pastillen werden auf einem Papierbogen gesammelt und an der Luft getrocknet. (Nach älterer Darstellung:) (Nach neuerer Darstellung:) R. Natri bicarbonici. R. Natiü bicarbonici, Sacchari albi S 100,0 Sacchari albi ^ 100,0 Olei Menthae pip. 1,0 Olei Menthae pip. 1,0 Tragacanthae q. s. (2,0). Spiritus diluti q. s. [30.0). M. f. pastilli No. CC. M. f. pastilli No. OC. Die aus Kakaomasse bereiteten Pastillen werden nicht ange- feuchtet, Man erweicht die Kakaomasse in sehr gelinder Wärme, mischt die übrigen Ingredienzien bei, rollt sie auf einer Blechtafel mit einer Walze aus und sticht mit einer Blech- röhre die einzelnen Pastillen ab, welche sich nach dem Erkalten leicht von der Blechtafel ablösen lassen. Bsp.: R. Ferri reducti 10,0 Massae cacaotinae Sacchari albi äa 45,0 M. f. pastilli No. C. 065 — IL Tkeemisclmngen, Spezies, § .531. Die Spezies sind Mischungen mehr oder weniger gröblich zerschnittener Vegetabilien , Blätter, Kräuter, Blüten, "Wurzeln, Früchte u. dgl. Man wendet Früchte und Samen zer- quetscht (kontundiert), Wurzeln und Wurzelstöcke feiner, Blätter und Blüten gröber geschnitten an. Mineralische Stoffe, z. B. Salze, kommen grobgepulvert hinzu. Nach der Feinheit und der Anwendung unterscheidet man: a) Eigentliche Theespezies (Species ad infusum), von mittlerer Feinheit, durch Absieben vom feineren Pulver be- freit. Bsp.: Species pectorales, ad decoct. lignorum. b) Kräuterkissenspezies (Species ad f Omentum), kleiner zerschnitten als vorige. Bsp.: Spec. aromaticae. c) Breiumschlagspezies (Species ad cataplasma), ein gröbliches Pulver. Bsp.: Spec. emollientes. Bei den Theemischungen werden die kleineren Mengen zuerst abgewogen und gemischt, bevor man die grös- seren Quantitäten zusetzt. Soll die Mischung in eine Anzahl gleicher Teile abgeteilt werden, so ist ein exaktes Mengen zumal geboten; bei sehr ungleichartigen Teilen, wenn z. B. Salze,. kontundierte Samen u. dgl. zu groben Spezies verordnet sind, empfiehlt es sich jedoch, von diesen feineren Arzneistoffen die Dosen für sich abzuwägen und den abgeteilten Portionen bei- zumischen. ü. Radicis Althaeae (concisae) 25,0 R. Fol. Sennae 5,0 Floruni Malvae vulg. (concisorum) 8,0 Fruct. Coriandri (contusi) 2,5 Fructus Foeniculi (contusi) 5.0. Natri sulfurici 5,0. M. f(iaut) sp(ecies). D. S. M. f. sp. Dentur tales doses No. VI. 12, Pulvermischungen, Pulveres. § 532. Bereitung eines gemischten Pulvers. Man unterscheidet gröbliche und feine Pulvermischungen, je nachdem die Ingredienzien gröber oder feiner zerteilt sind. Die Mischung geschieht im Pulvermörser und wird so lange fortgesetzt, bis keine Verschiedenheit zwischen den einzelnen Teilen des Pulvers mehr wahrzunehmen ist. Als Hauptregel beim Pulvermischen merke man sich: Man beginne mit den kleinsten Gewichtsmengen, denen der Eeihe nach die grösseren beizufügen sind. Sehr häufig ist von einer stark wirkenden Substanz nur eine sehr kleine Quantität abzuwägen und mit einer verhältnismässig grossen Menge Zucker oder eines anderen indifferenten Mittels zu mischen. In solchen Fällen -verreibe man jene kleine Menge zuerst mit wenig Zucker und setze dessen — 666 - übriges Quantum, später zu. Dies bat man besonders bei Calomel zu be- achten, dessen hohes spezifisches Gewicht die an sich kleine Gewichtsmenge noch kleiner im Volum erscheinen lässt. Sulfurat und andere, durch Fällung oder Krystallisation , nicht durch Präparation gewonnene Arznei- stoffe bedürfen dabei einer mit Druck ausgeführten Verreibung mit Zucker. Bsp.: R. Stibii sulfurati nigri 5,0 Sulfuris depurati 10,0 Sacchari albi 20,0. M(isce) f(iat) p(ulvis). D. S. Eine besondere Schwierigkeit bieten Mischungen sehr leichter, volu- minöser Pulver mit schweren. Soll z. B. kohlensaure oder gebrannte Magnesia mit Zucker resp. einem vegetabilischen oder Salzpulver verrieben werden, wie zu Pulv. Magnes. c. Rheo, so füge man dem letzteren anfänglich ein ihm gleiches Volum der Magnesia zu, und erst nach vollendeter Mischung die übrige Menge der letzteren. (Durch Schütteln in einer Holz- büchse oder Pappschachtel, unter Beigabe einiger eisernen Kugeln oder Gewichtsstücke, bewerkstelligt man in ganz kurzer Zeit derartige Mischungen der Magnesia.) Soll ein steifes Extrakt einer Pulvermischung beigegeben werden, so verreibe man dasselbe zuerst mit dem verordneten Zucker oder einem vege- tabilischen Pulver. Grössere Extraktmengen müssen dagegen im Wasser- bad zuvor eingetrocknet werden. Ätherische Extrakte lassen sich, mit den übrigen Ingredienzien gemischt, an der Luft trocknen. Ätherische Öle lassen sich leicht mit Zucker verreiben. Man nennt eine solche Mischung Ölzucker,Elaeosaccharum, und rechnet auf je 2 g Zucker einen Tropfen des ätherischen Öles. Die Ölzucker müssen für sich angefertigt und dann den übrigen Ingredienzien beigegeben werden, wenngleich es auch angeht, das Öl zur fertigen Mischung zuzutröpfeln , im Falle die letztere vorzugsweise aus Zucker besteht. Grössere Partien zu mischender Pulver, z.B. Pulvis Liquiritiae comp., lassen sich schnell bewältigen, wenn man sie durch ein Haarsieb schlägt. § 533. Division von Pulvern. Soll eine Pulverinischung in eine gewisse Anzahl gleicher Teile abgeteilt werden, so geschieht dies mit der "Wage — nicht nach Abschätzung mit dem Löffel! Die einzelnen Teile kommen alsdann in Pulverkapseln, welche man aus geglättetem Papier anfertigt. Bei flüchtigen Ingredienzien, wie Kampfer, Ölzucker, sowie zerfliesslichen oder feuchtwerdenden Salzen, wie essigsaurem Kali, Jodkalium u. a., sind Kapseln aus Wachspapier oder Pergamentpapier geboten. In neuerer Zeit sind Oblaten in Anwendung gekommen, zumal für stark- oder bitterschmeckende Pulver. Zwei konkave, genau auf einander passende Oblaten (capsulae aniylaceae) werden, nachdem die untere mit dem Pulver gefüllt und die obere am Rande befeuchtet ist, mittelst eines Stempels zusammengeklebt und verschliessen den Inhalt nahezu luftdicht. Der Patient ver- schluckt sie, nachdem sie in Wasser getaucht worden. — 667 — Mit der Division eines Pulvergenienges in eine Anzahl glei- cher Teile ist die vervielfältigte Abgabe einer Einzeldosis gleichbedeutend. Man hat im letzteren Falle die angegebenen Gewichtsmengen mit der Zahl der Dosen zu multiplizieren und die dabei resultierenden Grössen zu mischen, worauf die Abtei- lung in die verlangten Dosen erfolgt. R. Hydrargyri chlorati mitis 0,05 R. Hydrargyri chlorati mitis, 0,50 Sacchari albi 0,50. Sacchari albi 5,0. M(isce) f(iat) p(ulvis). Dentur tales M(isce) f(iat) p(ulvis). Divide in partes doses No. X. S. aequales X. D. S. 2. Arzneien zum äußerlichen Gebrauch. 13. Linimente, Linimenta. § 534. Linimente sind halbflüssige, dickliche oder gela- tinöse Mischungen zum Einreiben oder zu Umschlägen. Man kennt solche Linimente aus Öl und ätzenden Alkalien resp. Bleiessig, aus Seife und "Weingeist. Das flüchtige Liniment, Linimentum ammonia- tum, eine Mischung aus 4 Teilen Olivenöl und 1 Teile Salmiak- geist, wird durch kräftiges Schütteln im Glase dargestellt. Das Kampfer-Liniment, Linimentum camphorato-ammo- niatum, verwendet Kampferöl statt des Olivenöls. Sollen zu diesen Linimenten Zusätze gegeben werden, so geschieht dies zum fertigen Linimente. Spirituöse und ölige Flüssigkeiten lassen sich ihnen leicht zumischen, Extrakte dagegen oder feste lösliche Körper be- dürfen zuvor der Auflösung in etwas Wasser. Ätherische Öle, Phosphor, steife Salben werdeu aber zuvor in dem Öle aufgelöst. R. Linimenti ammoniati 30,0 R. Linimenti ammoniati ölei Crotonis 3,0 Unguenti Hydrargyri cinereiS 15,0 M. D. S. Zum Einreiben. M. D. S. Während das Crotonöl dem fertigen Linimente beigegeben wird, ver- reibt man die Quecksilbersalbe zuerst mit dem Baumöl des Linimentes (12 Grm.) und mischt den Salmiakgeist (3 Grm.) schliesslich zu. Zu den Seifenlinimenten gehören der Opodeldok, Lini- mentum saponato-camphoratum, eine gelatinierte Auf- lösung von Seife in Weingeist, sowie das flüssige Seifen - liniment, Linimentum saponato-ammoniatum, eine Auflösung von Seife in verdünntem Weingeist, mit Salmiakgeist. Mit dem Opodeldok lassen sich nicht leicht andere Arzeneimittel mischen: Salben oder Fette unter schwachem Drucke im Mörser, Tinkturen Salze u. dgl. durch Auflösung im geschmolzenen Opodeldok, der beim Er- kalten wieder gelatiniert. § 535. An die Linimente reiht sich der Umschlag, Cata- plasma, ein weicher Brei aus gepulverten Yegetabilien oder - 668 — anderen pulverigen Substanzen mit Wasser, welcher auf Lein- wand gestrichen aufgelegt wird. Eine derartige Kräutermischung, Species emollientes, dient zur Anfertigung erweichender Umschläge im Hause des Patienten. — Der Senfteig, Sina- pismus, wird noch häufig in der Apotheke verlangt, weicht aber immer mehr dem Senfpapiere; man zerrührt gleiche Teile ge- pulverten Senfsamen und lauwarmes Wasser. Zu den Umschlägen gehört auch Plumbum tannicum pulti forme (Cataplasma ad decubitum), ein Niederschlag, den man in einer Abkochung von Eichenrinde (Lohe) durch genügenden Zusatz von Bleiessig erzeugt und nach dem Abtropfen mit etwas Weingeist vermischt. 14, Salben, Unguenta. § 536. Die Salben, Unguenta, sind halb weiche Fett- mischungen, deren Hauptmasse meist aus Schweineschmalz besteht. a) Ist eine Salbe nur aus Fetten zusammenzumischen, so lässt sich dies im Mörser (Salbenmörser) , häufig auch im Topfe, worin man die Salbe dispensiert, vornehmen. Man beginne mit den kleineren Quantitäten und mische denselben der Reihe nach die grösseren bei. Man ist deshalb nicht an die Keihenfolge auf dem Rezepte gebunden. Im Falle die Fette eine verschiedene Konsistenz haben, ist das festere Fett zuerst im Mörser für sich zu zerreiben und dann das weichere Fett portionenweise beizumischen. R. Unguenti Plumbi 10,0 R. Ung. Hydrargyri cinerei 7,5 „ Zinci 20,0 Olei Hyoscyami cocti 15,0. M(isce) f(iat) unguentum. D. S. M. f. ungt. D. S. Harte Fette, wie Wachs, Walrat, Kakaoöl, Talg, werden vorher in gelinder Wärme geschmolzen und alsdann mit den übrigen Ingredienzien gemischt. b) Ist eine Fettmischung mit Zusätzen nicht fettiger Art verordnet, so ändert sich die Operation je nach dem Zusätze: 1. Wässerige oder weingeistige Flüssigkeiten, wie Bleiessig , Tinkturen , lassen sich nur in beschränkter Menge Fetten beimischen, wenn die Flüssigkeit sich nicht herausdrücken soll. Fette nehmen in der Regel nur */5 ihres Gewichtes an wässeriger, und nur l/6 — 1/8 weingeistiger Flüssigkeit auf. Bsp.: R. Unguenti Rosmarini compositi 25,0 Mixturae oleoso-balsamicae 5,0. M. f. ungt. D. S. Hierbei ist zu beachten, dass das Fett vor dem Zusätze der Flüssigkeit im Mörser zu verreiben ist, da es demselben nicht mehr adhäriert, wenn er zuvor mit der Flüssigkeit benetzt worden ist ; auch wird die Salbe durch das Verreiben weicher und nimmt den Zusatz leichter auf. Übersteigt die Menge der beizumischenden Flüssigkeit obige Grenze, - 669 — so gelingt die Salbe dennoch häufig, wenn das Fett sehr weiche Konsistenz besitzt. Härtere Fette verdünne man daher in solchem Falle mit etwas Olivenöl. Eine Salbe mit übermässigem Wassergehalte und rahmartiger Beschaffenheit ist Ungt. leniens; die geschmolzene Mischung aus Wachs, Walrat und Mandelöl wird beim Abkühlen mit dem Rosenwasser kräftig umgerührt und zum Schlüsse schaumig geschlagen. 2. Extrakte und leicht lösliche Salze, z. B. Jod- kalium, Argentuni nitricuni, müssen vor dem Zumischen des Fettes in der möglichst geringen Menge Wassers aufgelöst werden, wobei die oben angegebene Grenze, bis zu welcher die Salben solche Flüssigkeiten annehmen, wohl zu beachten ist. Trockne Extrakte, wie Opiumextrakt, bedürfen ebenfalls der Lösung in Wasser. Kampfer verreibt man dagegen mit etwas Olivenöl. Löst sich der Körper, z. B. Veratrin. weniger in Wasser als in Weingeist, so wende man letzteren an. Würde aber die Wassermenge zu gross werden gegen die Fettmenge, so stehe man von einer Lösung ab und zerreibe das Salz aufs feinste für sich oder mit etwas Öl. R. Argenti nitrici 1,0 R. Unguenti cerei 20,0 Adipis suilli 80,0. Extracti Opii 0,50. M. f._ ungt. D. S. M. f. ungt. D. S. Hierhin zählen die zu extemporierenden Salben der narkotischen Ex- trakte, z. B. Ungt. Belladonnae, Conii, Digitalis, Hyoscyami, Mezerei, Sabinae. 3. Feste, nichtlösliche Körper, z. B. Schwefel, Zink- oxyd, Quecksilberoxyd, Bleiweiss u. a., bedürfen einer höchst feinen Präparierung. Man zerreibe den Körper im Mörser für sich oder unter Beigabe von etwas Wasser resp. Olivenöl aufs feinste, so dass man zwischen den Fingern keine rauhen Partikelchen mehr wahrzunehmen vermag; alsdann mische man das Fett portionenweise bei. Eine solche Salbe darf auf dem Strich keine festen Körnchen zeigen. Hierhin: Ungt. Hydrargyri albi und rubrum, Tartari stibiati. 15. Pflaster, Emplastra. § 537. Mischung von Pflastern. Die Pflaster, Emplastra, sind in gewöhnlicher Temperatur harte und feste, in der Hand- wärme erweichende und klebende Arzneimittel, welche auf Lein- wand oder Leder gestrichen der Haut appliziert werden. Man unterscheidet: 1. Bleipflaster, 2. Wachs- und Harzmischungen, oft Gummiharze, Balsame oder vegetabilische Pulver enthaltend. Ist ein Pflaster mit einem anderen Pflaster oder sonstigen Zusätze zu mischen, so wird es zuvor in gelinder Wärme ge- schmolzen, sofern es von harter Konsistenz ist; z. B.: R. Emplastri Lithargyri compositi, „ oxycrocei ^ 20,0. M(isce) f(iat) emplastrum. D. S. — 870 — oder, sofern sich dies bewerkstelligen lässt, erweicht man sie durch Kneten in der Hand (Malaxieren) z. B.: R. Emplastri Conii 10,0 Meliloti 15,0, M. f. empl. D. S. Häufig gelingt ein halbes Schmelzen durch Übergiessen des Pflasters mit heissem Wasser — was man selbstverständlich nicht anwenden darf, wenn die Pflastermasse lösliche oder ausziehbare Bestandteile enthält. Mit fetten Ölen lassen sich die Bleipflaster nicht vollkommen mischen, es gelingt die Mischung überhaupt nur dann, wenn man das Ganze nur sehr gelinde erwärmt, wodurch das Pflaster halbflüssig wird. Beisp. : Ungt. diachylon Hebrae. Ist die Pflastermischung' in der einen oder anderen Weise vollzogen , so wird sie auf einem reinen Brette mit Wasser zu einer Stange ausgerollt. Zusätze, wie Harze, Yegetabilien, Seifen, mineralische Pulver, setzt man in feingepulvertem Zustande der geschmolzenen oder erweichten Pflastermasse zu. Kampfer wird mit etwas Öl, Ex- trakte, Opium, leichtlösliche Salze mit etwas Wasser, Jod mit Weingeist angerieben und beigemischt. R. Emplastri fusci 30,0 R. Emplastri Cerussae R. Emplastri saponati Baisami peruviani 2,0. 25,0 50,0 M. f. empl. D. S. Camphoare 1,0. Jodi 0,50. M. f. empl. D. S. M. f. empl. D. S. § 538. Streichen der Pflaster. Man streicht die Pflaster auf Schaf leder (aluta oder coreum), Leinwand (linteum) oder Taffet (pannum sericeum oder bombycinum). Dem Streichen muss das Erweichen des Pflasters (Malaxieren) vorhergehen, indem man es zwischen den Händen knetet und mit dem Daumen aufstreicht. Harte Pflaster werden in gelinder Wärme geschmolzen und mit dem Pflasterspatel aufgetragen. Auch kann man sie auf dem Leder selbst schmelzen, durch Aufdrücken mit dem erhitzten Pflasterspatel und Ausstreichen. Nicht klebende Kräuterpflaster, die mit einem Heftpflasterrande versehen werden, kann man direkt auf gestrichenes Heftpflaster auftragen, ringsum Rand lassend. In der Regel streicht man das Pflaster in der Dicke eines Messer- rückens auf. Heftpflaster, sowie Bleipflaster und dessen Mischungen werden dagegen sehr dünn aufgestrichen. Letzteres Pflaster trägt man gewöhnlich mittelst einer Pflaster streich- Maschine auf, deren Konstruktion, im ein- zelnen verschieden, darin übereinstimmt, dass ein Streifen Leinwand oder Shirting am Boden eines Behälters durchgezogen wird, der mit der flüssigen Pflastermasse gefüllt ist. Solche gestrichene Pflaster nennt man Sparadrap. Mit der Zeit verlieren sie ihre Klebkraft, die sie jedoch durch Befeuchten mit etwas Terpentinöl oder durch Erwärmen wiedergewinnen. In Gestalt und Grösse eines gestrichenen Pflasters hat man sich nach der ärztlichen Ordination zu halten. Entweder giebt der Arzt die Grösse der bestrichenen Stelle, oder die Menge des zu verbrauchenden Pflasters an. 671 — Für je 10 qcm kann man 1,5 g Pflastermasse, von Blei- pflastermischungen aber 2 g berechnen. Man unterscheidet runde, ovale und viereckige Formen. Runde Formen wählt man für kleine Pflaster z. B. von der Grösse eines Guldens (florini), Thalers (thaleri) u. s. f. Für grös- sere Mengen passen besser ovale Formen, wie die Grösse des Handtellers (magnitudine volae manus oder palmae manus minoris); oder der ganzen Hand (magnitudine palmae manus majoris). Yi er eckige Formen sind beispielsweise: von der Grösse einer Spielkarte (chartae lusoriae), eines Oktav- oder Quartblattes (schedae octonariae, quaternariae), eines Papierbogens (plagalae chartae). Ausserdem giebt es für Ohrenpflästerchen eine Halbmondform (forma semilunaris.) E. Emplastri Canthariduin ordinarii R. EmplastriCantharidumperpetui0,5. q. s. (7.5). Extende super pannum sericeum Extende super coreum (alutam) (bombycinurn) formae semilunaris. magnitudine palmae manus mi- Detur in duplo. S. Ohren- noris. D. S. Zugpflaster. pflästerchen. Man findet den Flächeninhalt einer viereckigen Form durch Multiplikation der Länge mit der Breite; den einer runden Form durch Multiplikation des Halbmesserquadrats mit 22/7; den einer ovalen Form durch Multiplikation zunächst der halben grossen Axe mit der halben kleinen Axe, dann mit 22/7. Hiernach berechnet sich der Flächeninhalt eines Guldens auf etwa •5 qcm, eines Thalers auf 9 qcm, des Handtellers auf 30 — 60 gern (je nach der Grösse der Hand), der Handfläche auf 75 — 100 qcm, der Spielkarte auf 40 qcm, eines Ohrenpflästerchens auf 9 qcm. 16, Bougies und Stuhlzäpfchen, § 539. Bougies, Cereoli, sind konisch zulaufende, bis 30 cm lange , federkieldicke Cylinder aus Leinwand , die mit Wachs getränkt worden. Um sie anzufertigen, schneidet man ein Stück Leinwand in 30 cm lange, 3 — 5 cm breite Streifen, ähnlich einer abgestumpften Messerklinge, zieht sie durch ge- schmolzenes "Wachs und rollt sie dann auf einer glatten Fläche, von der längeren Seite aus, in einen konischen Cylinder zusammen, mit einem Brettchen in derselben Richtung feststreichend. Auch kann man Darmsaiten benutzen, welche, fest angezogen, mit einem wachsgetränkten wollenen Läppchen bestrichen werden. Übrigens haben die Bougies aus Kautschuk die eben beschriebenen verdrängt. § 540. Stuhlzäpfchen, Suppositoria, sind 3—4,5 cm lange, unten 1,2 — 1,3 cm breite Kegel aus Seife, Kakao-Öl, einer Pflastermasse oder einer festen Pillenmasse. Man formt sie mit — 672 — der Hand resp. dem Messer, oder giesst sie, im Falle einer Kakao-Ölmischung, in kegelig gerollte Papierhüllen. Schliesslich werden sie mit etwas Mandelöl bestrichen und in Wachspapier dispensiert. R. Olei Cacao 50.0 R. Natfi sulfurici sicci 10,0, Cerae 5,0 Saponis oleacei 20,0, leni calore liquefacta in modulos Mellis q. s. ad suppositoria effundantur. M. f(iant) suppositoria V. D. S. Fiant suppositoria X. D. S. Sollen dem Kakao-Öle Zusätze gemacht werden, z. B. Tannin, AloeV Opium, Morphin u. a., so mischt man sie im feingepulverten Zustande dem geschmolzenen Fette bei. Extrakte wendet man auch, wenn irgend mög- lich, als trocknes Pulver an. Mischungen von Arzneikörpern mit Kakaoöl lassen sich auch ohne Schmelzen zu Suppositorien verarbeiten. Man zer- stösst das Kakaoöl in einem Mörser, mischt das übrige hinzu und giebt dann etwas Öl oder Wachssalbe (nicht mehr als 1/5 — 1/6 des Kakao-Öles) hinzu, dass die Masse knetbar wird, die man in eine Stange ausrollt, ab- teilt und mit der Hand in Kegel formt. Gefährliche Arzeneistoffe und Mischungen. § 541. Gefährliche Arzeneistoffe. Von den zahlreichen Arzeneistoffen erfordern viele eine gewisse Vorsicht bei ihrer Handhabung, teils in Rück- sicht ihrer Giftigkeit, teils wegen Feuergefährlichkeit, Zersetzbarkeit u. a. Wegen der starkätzenden Wirkung auf die Haut muss man sich bei der Dispensation von Acidum sulfuricum concentratum, Acidum aceticum concentr., Acidum carbolicum, li'reosotum, Acidum nitricum crudum und fumans, Oleum Crotonis u. a. m. vor Benetzung der Hände und Kleider hüten. Bei der Abgabe von Aether, Aether Petrolei, Benzinum, Carboneum sulfurat.um, Spiritus aethereus u. a. achte man auf die Feuergefährlichkeit ihres Dunstes und halte jedes Licht in der nötigen Entfernung. Beim Abwiegen und Verreiben von Rhisoma Veratri pulv., Veratrinum, Atropinum , Cantliarides pulv., Euphorbium pulv. vermeide man jegliches Stäuben und halte Augen und Nase, wegen der höchst gefährlichen Wir- kung selbst des geringsten Staubes, in einiger Entfernung. Ein Gleiches ist dringend anzuraten bei Bromum und Aqua clilorala, deren Gase in hohem Grade gesundheitsgefahrlich sind, auch wegen ihrer korrodierenden Wirkung die Metallfiächen der Wage angreifen. Den Phosphor fasse man nie mit blossen Händen au, schneide ihn stets unter Wasser mit einer Schere und vermeide, dass geschmolzener Phosphor in Berührung mit der atmosphärischen Luft gelange, da er dann sofort in Flammen gerät. § 542. Gefährliche Mischungen. Wenn bei der chemischen Wirkung zweier Körper auf einander ein Übermass von Wärme frei wird, so ge- hört die Mischung derartiger Stoffe zu den gefährlichen. Die konzentrierte Schwefelsäure, macht beim Vermischen a) mit Wasser oder Weingeist, b) mit vielen ätherischen Ölen, namentlich Terpentinöl, eine solche Erhitzung, dass es stets gefährlich ist, solche Stoffe zur konz. Schwefelsäure zu fügen — vielmehr mache man es sich zur strengen Regel: — 673 — Die konzentr. Schwefelsäure ist dem Wasser resp. dem Weingeist in kleinen Portionen, unter kräftigem Umrühren und (bei grösseren Quantitä- ten) unter Abkühlen durch Einstellen in kaltes Wasser beizugeben. Hie und da soll nach alten Veterinär-Rezepten Terpentinöl mit Vitriolöl (konz. Schwefelsäure) gemischt werden; gewöhnlich gehen noch einige andere Öle, Leinöl und Steinöl, in dieselbe Mischung ein. Da sich nun die Schwefelsäure mit den fetten Ölen, wie auch mit Petroleum ohne Be- denken mischen lässt, so verdünnt man zuerst das Terpentinöl mit den fetten Ölen und giebt dann portionenweise, unter Einstellen des Glases in kaltes Wasser, das Vitriolöl bei. In ähnlicher Weise kann eine Mischung von Salzsäure mit Salpeter- säure, das sogenannte Königsrvasser , gelährliche Erhitzungen erzeugen, wenn ihr Weingeist oder ein weingeistiger Auszug (Tinktur) zugefügt wird. Die Zersetzung ist hier keine augenblickliche, sie tritt gewöhnlich erst nach einer Viertelstunde oder später ein und veranlasst, wenn die Mischung in einer verschlossenen Flasche sich befindet, deren Zertrümmerung. Zu den leicht explodierenden Mischungen zählen vorzugsweise solche von brennbaren Materien (zu denen auch alle organischen gehören) mit Acidum chromicum , Kali chloricum , Kali hgpermanganicum und anderen sauerstoffreichen und leicht reduzierbaren Substanzen. Was vom chlorsauren Kali S. 172 gesagt wurde, gilt auch wörtlich für das übermangansaure Kali. Mischungen desselben mit oxydierbaren Stoffen haben stets eine chemische Zersetzung zur Folge; bei brennbaren Körpern tritt Entzündung ein. Übermangansaures, wie chlorsaures Kali entzündet sich z. B. mit Glycerin. Eine Mischung von Chlorkalk mit Terpentinöl erhitzt sich bei'' grösseren Mengen sogar bis zur Entzündung des Öles. Mit Salmiak und Wasser erzeugt der Chlorkalk den explosiven Chlorstickstoff. Ebenso bedenklich sind Mischungen von Jod oder Jodtinktur mit wässerigem Salmiakgeist oder solchen Medikamenten, die denselben ent- halten, z. B. flüchtiges Liniment, Opoldeldoc u. a. Zumal ist eine Ver- reibung des festen Jod mit einem dieser Linimente explosiv, wie z. B. bei der Vorschrift: Jod 2,0 Linirnenti camphorati — saponati ^ 60,8. Sehlickuui, Apothekerlehrlmg. VI. Abteilung. Amtliche Bestimmungen. 1. Die Vorbildung, Lehrzeit und Prüfung der deutschen Apothekerlehrlinge. (Bekanntmachung des Bundesrate« vom 13. November 1875.) § 1. (Prüfungsbehörde.) Die Prüfungsbehörden für die Gehilfen- prüfung bestehen aus einem höheren Medizinalbeamten oder dessen Stellvertreter als Vorsitzendem und zwei Apothekern, von denen mindestens einer am Sitze der Behörde als Apothekerbesitzer an- sässig sein muss. Der Sitz der Prüfungsbehörden wird von den Centralbehörden der einzelnen Bundesstaaten dauernd bestimmt. Der Vorsitzende und die Mitglieder werden für drei Jahre von dem Vorsitzenden derjenigen Behörde ernannt, welche die Aufsicht über die Apotheker an dem Sitz der Prüfungsbehörde führt. Für die Prüfung von Lehrlingen, welche bei einem der Exa- minatoren gelernt haben, ist ein anderer Apotheker zu bestellen. § 2. (Prüfungstermine). Die Prüfungen werden in den Monaten Januar, April, Juli und Oktober jeden Jahres an den von dem Vor- sitzenden der im § 1 bezeichneten Aufsichtsbehörde festzusetzenden Tagen abgehalten.*) Die Anträge auf Zulassung zur Prüfung sind seitens des Lehr- herrn dei dem gedachten Vorsitzenden spätestens bis zum 15. d38 vorhergehenden Monats einzureichen; spätere Meldungen können erst für die nächste Prüfung berücksichtigt werden. *) Dieser Absatz wurde durch das Reskript des preussischen Kultus- ministers vom 19. Dezember 1878 dahin abgeändert: Die Prüfungen werden in der zweiten Hälfte der Monate März, Juni, September und Dezember jeden Jahres an den von dem Vorsitzenden der im § 1 bezeichneten Aufsichtsbehörde festzusetzenden Tagen abgehalten. Hiernach müssen also auch die Anmeldungen zur Prüfung bis spätestens zum Ende des vorhergehenden Monats (Ende Februar, Juni, August, No- vember) eingereicht werden. — 675 — § 3. (Erfordernisse zur Zulassung der Prüfung; Vorbildung, Dauer der Lehrzeit.) Der Meldung zur Prüfung sind beizufügen: 1. das Zeugnis über den im § 4 No. 1 der Bekanntmachung vom 5. März 1875 geforderten Nachweis der wi ssensc haftlichen Vorbildung; (Dieser § 4 Nr. 1. lautet: „Der Nachweis ist zu fähren -durch das von einer als be- rechtigt anerkannten Schule, anf welcher das Latein obliga- torischer Lehrgegenstand ist, ausgestellte wissenschaftliche Qualifikationszeugnis für den einjährig freiwilligen Militärdienst. Ausserdem wird zur Prüfung nur zugelassen / wer auf einer anderen als berechtigt anerkannten Schule dies Zeugnis er- halten hat, wenn er bei einer der erstgedachten Anstalten sich noch einer Prüfung im Latein unterzogen hat und auf Grund derselben nachweist, dass er auch in diesem Gegen- stande die Kenntnisse besitzt, welche behufs Erlangung der bezeichneten Qualifikation erfordert werden." *) 2. das von dem nächstvorgesetzten Medizinalbeamten (Kreis- physikus, Kreisarzt u. s. w.) bestätigte Zeugnis des Lehrherrn über die zurückgelegte, vorschriftsmässige , dreijährige oder, für den In- haber eines zum Besuche einer Universität berechtigten Zeugnisses- der Reife**), zweijährige Lehrzeit, sowie über die Führung des Lehrlings während der letzteren. Ist bei der Meldung die Lehrzeit noch nicht vollständig abgelaufen, so kann die Ergänzung des Zeug- nisses nachträglich erfolgen***); 3. das Journal, welches jeder Lehrling während seiner Lehrzeit *) (Ministerial-Reskr. vom 30. Nov. 1878.) .... Demgemäss dürfen nur solche junge Leute als Apothekerlehrlinge angenommen werden, welche das von einer als berechtigt anerkannten Schule, auf welcher das Latein obligatorischer Lehrgegenstand ist, ausgestellte wissenschaftliche Quali- fikationszeugnis zum einjährig freiwilligen Militärdienst besitzen, oder dieses Zeugnis auf einer anderen, als berechtigt anerkannten Schule er- halten, alsdann bei einer der erstgedachten Schulen sich noch einer Nach- prüfung im Latein unterzogen haben und auf Grund derselben nachweisen, dass sie auch in diesem Gegenstande die Kenntnisse besitzen, welche behufs Erlangung der bezeichneten Qualifikation erfordert werden. **) Die Bekanntmachung des Reichskanzleramtes vom 25. Dezember 1879 gestattet die zweijährige Lehrzeit den Inhabern des Reifezeugnisses sowohl eines deutschen Gymnasiums, als auch einer Realschule erster Ordnung mit obligatorischem Unterrichte im Lateinischen. ***) Ziffer 2 wurde durch das Minist.-Reskr. vom 19. Dez. 1878 dahin um- geändert: Das von dem nächstvorgesetzten Medizinalbeamten (Kreisphysikus, Kreisarzt u, s. w.) bestätigte Zeugnis des Lehrherrn über die Führung des Lehrlings, sowie darüber, dass der letztere die vorschriftsmässige drei- jährige — für den Inhaber eines zum Besuche der Universität berechtigen- den Zeugnisses der Reife, zweijährige — Lehrzeit zurückgelegt hat oder doch spätestens mit dem Ablauf des betreffenden Prü- fungsmonats zurückgelegt haben wird. 43* — 676 — über die im Laboratorium unter Aufsiebt des Lehrherrn oder Ge- hilfen ausgeführten pharmazeutischen Arbeiten fortgesetzt führen, und welches eine kurze Beschreibung der vorgenommenen Operationen und der Theorie des betreffenden chemischen Prozesses enthalten muss (Laborationsjournal). § 4. (Prüfungsgebühren.) Nach Empfang der Zulassungsverfügung, in welcher auch der Termin der Prüfung bekannt gemacht wird, hat der Lehrherr dafür Sorge zu tragen, dass die von dem Lehrlinge zu entrichtenden Prüfungsgebühren im Betrage von 24 Mark an den Vorsitzenden der Prüfungsbehörde eingezahlt werden, und den Lehrling gleichzeitig dahin anzuweisen, dass er sich vor Antritt der Prüfung mit der Zulassungsverfügung und der Quittung über die eingezahlten Gebühren noch persönlich bei dem Vorsitzenden zu melden hat. § 5. (Einteilung der Prüfung.) Die Prüfung zerfällt in drei Ab- schnitte : I. die schriftliche Prüfung, II. die praktische Prüfung und III. die mündliche Prüfung. § 6. (Die schriftliche Prüfung.) I. Zweck der schriftlichen Prüfung ist, zu ermitteln, ob der Lehrling die ihm zur Bearbeitung vorzulegenden Materien, soweit dieses von ihm gefordert werden kann, beherrscht und seine Gedanken klar und richtig auszudrücken vermag. Der Lehrling erhält drei Aufgaben, von denen eine dem Gebiete der pharmazeutischen Chemie, eine dem der Botanik oder Pharma- kognosie und die dritte dem der Physik entnommen ist. Die Aufgaben werden aus einer hierzu angelegten Sammlung *) *) In der Bekanntmachung vom 1. Mai 1876 stellte der preussische Minister folgende Themata für die Aufsätze zur Benutzung der Prü- fungskommissionen zusammen : I. Pharmazeutische Chemie. 1. Äther. — 2. Alkohol. — 3. Alkaloide. — 4. Aluminium und dessen Salze. — 5. Antimon. — 6. Arsenik. — 7. Benzoesäure. — 8. Blausäure, Bittermandelöl, Bittermandelwasser. — 9. Bleiglätte, Bleiweiss, Mennige. — 10. Borsäure und Borax. — 11. Brom und seine Salze. — 12. Calcium und seine Salze. — 13. Karbolsäure und Kreosot. — 14. Chlor und Chlorwasser. — 15. Chloroform und Jodoform. — 16. Eisen und dessen Salze. — 17. Essigsäure. — 18. Glycerin. — 19. Jod und seine Salze. — 20. Kalium und seine Salze. — 21. Kohle. — 22. Kupfer und seine Salze. — 23. Magnesia und ihre Salze. — 24. Natrium und seine Salze. — 25. Pflaster. — 26. Phosphor und Phosphorsäure. — 27. Quecksilber und seine Salze. — 28. Reagentien. — 29. Salicylsäure. — 30. Salpetersäure. — 31. Salzsäure. — 32. Schwefel und Schwefelsäure. — 33. Seifen. — 34. Volumetrische Lösungen. — 35. "Weinstein und Weinsteinsäure. — 36. Wismut und seine Salze. — 37. Zink und seine Salze. — 677 - •durch das Loos bestimmt und sind sämtlich so einzurichten , dass je 3 von ihnen in 6 Stunden bearbeitet werden können. Die Bearbeitung erfolgt in Klausur, ohne Benutzung von Hilfs- mitteln. § 7. (Die praktische Prüfung.) II. Zweck der praktischen Prüfung ist, zu ermitteln, ob der Lehrling das für den Apotheker- gehilfen erforderliche Geschick sich angeeignet hat. Zu diesem Behufe muss er sich befähigt zeigen: 1) 3 Rezepte zu verschiedenen Arzeneiformen zu lesen, regelrecht anzufertigen und zu taxieren; 2) ein leicht darzustellendes galenisches und ein chemisch-phar- mazeutisches Präparat der Pharmacopoea Germanica zu bereiten; 3) 2 chemische Präparate auf deren Reinheit nach Vorschrift der Pharmacopoea Germanica zu untersuchen. Die Aufgaben ad 2 und 3 werden aus je einer hierzu ange- legten Sammlung*) durch das Los bestimmt, die Rezepte zu den II. Botanik und Pharmakognosie. 1. Adeps und Sebum. — 2. Amylum und Dextrin. — 3. Castoreum. — 4. Cortex Chinae. — 5. Cortex Frangulae. — 6. Cortex Granati. — 7. Crocus. — 8. Flores Arnicae. — 9. Flores Chamomillae. — 10. Flores Cinae. — 11. Flores Koso. — 12. Flores Sambuci. — 13. Flores Tiliae. — 14. Flores Verbasci. — 15. Folia Digitalis. — 16. Folia Juglandis. — 17. Folia Menthae crispae und piperitae. — 18. Folia Sennae. — 19. Fructus Anisi. — 20. Fructus Foeniculi. — 21. Fructus Juniperi. — 22. Gummi arabicum. — 23. Herba Ab- sinthii. — 24. Herba Conii. — 25. Herba Hyoscyami. — 26. Herba Violae tricoloris. — 27. Lycopodium. — 28. Manna. — 29. Moschus. — 30. Oleum Amygdalarum. — 31 Oleum Jecoris Aselli. — 32. Oleum Olivarum. — 33. Oleum Ricini. — 34. Opium. — 35. Radix Althaeae. — 36. Radix Gentianae. — 37. Radix Ipecacuanhae. — 38. Radix Liquiritiae. — 39. Radix Rhei. — 40. Radix Sarsapa- rillae. — 41. Radix Senegae. — 42. Radix Valerianae. — 43. Rhi- zoma Calami. — 44. Rhizoma Filicis. — 45. Rhizoma Iridis. — 46. Rhizoma Zingiberis. — 47. Saccharum. — 48. Seeale cornutum. — 49. Semen Lini. — 50. Semen Sinapis. — 51. Semen Strychni. — 52. Tubera Jalapae. — 53. Tubera Salep. — 54. Vina medicinalis. III. Physik. 1. Thermometer. — ■ 2. Barometer. — 3. Wage. — 4. Spezifisches Gewicht. — 5. Freier Fall der Körper. — 6. Elektrizität. — 7. Magnetismus. — 8. Wärme. — 9. Adhäsion, Cohäsion, Attraktion. — 10. Mikroskop. — 11. Dampfmaschine. — 12. Luftpumpe. — 13. Aggregatzustände der Körper. — 14. Polarisation. — 15. Apparate zur Massanalyse. *) IV. Galenische Mittel. 1. Aqua Cinnamomi. — 2. Cuprum aluminatum. — 3. Electuarium e Senna. — 4. Elixir amarum. — 5. Elixir e sueco Liquiritiae. — . 6. Emplastrum Cantharidum ordinarium. — 7. Emplastrum Can- tharidum perpetuum. — 8. Emplastrum Conii. — 9. Emplastrum Lithargyri compositum. — 10. Linimentum saponata-camphoratum. — 678 — Arzeneifonnen von den Examinatoren unter thunlichster Benutzung der Tagesrezeptur gegeben. Die Anfertigung der Rezepte und Präparate, sowie die Unter- suchung der chemischen Präparate geschieht unter Aufsicht je eines der beiden als Prüfungskommissare zugezogenen Apotheker. § 8. (Mündliche Prüfung.) III. Zweck der mündlichen Prüfung, bei welcher auch das während der Lehrzeit angelegte Herbarium vivum vorgelegt werden muss, ist, zu ermitteln, ob der Lehrling die rohen Arzeneimittel kennt und von andern Mitteln zu unterscheiden 11. Liquor Animonii anisatus. — 12. Mucilago Gummi Arabici. — 13. Mucilago Salep. — 14. Oxyrnel Scillae. — 15. Pilulae aloeticae ferratae. — 16. Potio Riveri. — 17. Pulvis aerophorus. — 18. Pul- vis Magnesiae cum Rheo. — 19. Spiritus camphoratus. — 20. Spi- ritus saponatus. — 21. Syrupus Althaeae. — 22. Syrupus Anryg- dalarum. — 28. Syrupus Mannae. — 24. Tinctura Cannabis Indici. — 25. Tinctura Jodi. — 26. Tinctura Rhei aquosa. — 27. Ungu- entum Glycerini. — 28. TJngnentnm Kalii jodati. — 29. Unguentum leniens. — 30. Unguentum Paraifini. — 31. Unguentum Sabinae. — 32. Unguentum Zinci. — 33. Vinum eamphoratum. — 34. Vinum stibiatum. V. Chemisch-pharmazeutische Präparate. 1. Acidum benzoi'cuni. — 2. Aciduni carbolicum liqueiäctum. — 3. Acidum sulfuricum dilutum. — 4. Ammonium chloratum ferratum. — 5. Aqua chlorata. — 6. Aqua hydrosulfurata. — 7. Calcium phos- phoricum. — 8. Ferrum chloratum. — 9. Ferrum jodatum saccha- ratum. — 10. Hydrargyrum bijodatum. — 11. Hydrargyrum jodatum. 12. Hydrargyrum oxydatum via humida paratum. — 13. Hydrargyrum praecipitatum album. — 14. Kalium sulfuratum. — 15. Liquor Ani- monii acetici. — 16. Liquor Kali acetici. — 17. Liquor Kali ar- senicosi. — 18. Liquor Plumbi subacetici. — 19. Sapo kalinus. — VI. Chemische Präparate zur Prüfung. 1. Acidum aceticum. — 2. Acidum benzoi'cum. — 3. Acidum boricum. - — 4. Acidum citricum. — 5. Acidum hydrochloricum. — 6. Acidum nitricum. — 7. Acidum phosphoricum. — 8. Acidum salicylicum. — t Acidum tannicum. — 10. Acidum tartaricum. ■ — 11. Aether. — 12. Aether aceticus. — 13. Aqua Amygdalarum amararum. — 14. Aqua chlorata. — 15. Balsamuni peruvianum. — 16. Bismuthum subni- tricum. — 17. Calcaria chlorata. — 18. Chininum hydrochloricum. — 19. Chininum sulfuricum. — 20. Chloralum hydratum. — 21. Chlorofoimium. — 22. Ferrum pulveratum — 23. Glycerinum. — 24. Hydrargyrum bijodatum. — 25. Hydrargyrum chloratum. — 26. Hydrargyrum jodatum. — 27. Hydrargyrum praecipitatum album. — 28. Kalium bromatum. — 29. Kalium carbonicum. — 30. Ka- lium chloricum. — 31. Kalium jodatum. — 32. Kalium nitricum. — 33. Magnesia usta. — 34. Morphinum. - 35. Natrium bicar- bonicum. — 36. Natrium bromatum. — 37. Natrium nitricum. — 38. Natrium sulfuricum. — 39. Stibium sulfuratum aurantiacum. — 40. Strychninum nitricum. — 41. Sulfur praecipitatum. — 42. Tartarus depuratus. — 43. Tartarus natronatus. — 44. Tartarus stibiatus. — 45. Zincum oxydatum. — 46. Zincum sulfuricum. — 679 — weiss, ob er die Grundlehren der Botanik, der pharmazeutischen Chemie und Physik inne hat, ob er die erforderlichen Kenntnisse in der lateinischen Sprache besitzt und sich hinlänglich mit den gesetz- lichen Bestimmungen bekannt gemacht hat, welche für das Verhalten und die Wirksamkeit des Gehilfen in einer Apotheke massgebend sind. Zu diesem Behufe 1. sind dem Examinanden mehrere frische oder getrocknete Pflanzen zur Erkennung oder terminologischen Bestimmung, und 2. mehrere rohe Droguen und chemisch -pharmazeutische Prä- parate zur Erläuterung ihrer Abstammung, ihrer Verfälschung und ihrer Anwendung zu pharmazeutischen Zwecken, so wie bezw. zur Erklärung ihrer Bestandteile und Darstellungen vorzulegen; 3. hat derselbe zwei Artikel aus der Pharmacopoea Germanica in das Deutsche zu übersetzen; 4. sind von ihm die auf die bezeichneten Grundlehren und die Apotheker-Gesetze bezüglichen Fragen zu beantworten. § 9. (Zeitdauer der Prüfung, Anzahl der Examinanden.) Für die ge- samte Prüfung sind zwei Tage bestimmt. In der Regel dürfen nicht mehr als vier Examinanden zu einer mündlichen Prüfung zugelassen werden. § 10. (Prüfungs- Protokoll.) Über den Gang der Prüfung eines jeden Examinanden wird ein Protokoll aufgenommen, welches von dem Vorsitzenden und den beiden Mitgliedern der Kommission unter- zeichnet und zu den Akten der in § 1 bezeichneten Aufsichts-Behörden genommen wird. § 11. (Zeugnis.) Für diejenigen Lehrlinge, welche in der Prüfung bestanden haben, wird unmittelbar nach Beendigung der Prüfung ein von den Mitgliedern der Prüfungsbehörde unterzeichnetes Prüfungs- Zeugnis angefertigt*) und dem Lehrherrn zur Ausstellung des vom nächstvorgesetzten Medizinal-Beamten (Kreisphysikus, Kreisarzt u. s. w.) mit zu unterzeichnenden Entlassungs-Zeugnisses zugestellt. § 12. (Nichtbeetehen der Prüfung.) Das Nichtbestehen der Prüfung hat die Verlängerung der Lehrzeit um 6 bis 12 Monate zur Folge, nach welcher Frist die Prüfung wiederholt werden muss. Wer nach zweimaliger Wiederholung nicht besteht, wird zur weiteren Prüfung nicht zugelassen. Über das Nichtbestehen ist von der Prüfungs-Behörde ein Ver- merk auf der in ^ 3 Ziffer 1 genannten Urkunde zu machen. *) Im Prüfungszeugnis ist das Gesamtergebnis durch eine der Cen- suren: „sehr gut", „gut", „genügend" zu bezeichnen. (Bekanntmachung des Bundesrats vom 23. Dezember 1882.) — 680 — § 18. Vorstehende Bestimmungen treten mit dem 1. Januar 1876 in Kraft. § 14. Lehrlinge, welche vor dem 1. Oktober 1875 in die Lehre getreten sind, sind zur Prüfung auch dann zuzulassen, wenn sie den Nachweis der erforderlichen Vorbedingungen nach Massgabe des § 22 der Bekanntmachung vom 5. März 1875 führen. Die Vorlegung des Laborations-Journals fällt bei den Lehrlingen, welche vor dem Inkrafttreten dieser Bekanntmachung in die Lehre getreten sind, für die Zeit, welche sie bis zum Inkrafttreten der Be- kanntmachung in der Lehre zugebracht haben, da weg, wo nach den bisherigen Vorschriften die Führung eines Laborations-Journals nicht gefordert wurde. Berlin, den 1 3. November 1875. Der Reichskanzler. In Vertretung: (gez.) Delbrück. 2. Gesetzliche Vorschriften über den Geschäfts- betrieb in der Apotheke. (Auszug aus den Apothekerordmmgen der Deutschen Staaten mit Hinzuziehung' Österreichs.) I. Allgemeine Pflichten eines Rezeptars. Zu den mannigfachen Erfordernissen, die an einen gewissenhaften Apotheker zu stellen sind, gehören ausser den ausreichenden Kenntnissen gewisse Charakter-Eigenschaften ; vornehmlich : 1. Gewissenhaftigkeit — vor allem dem Apotheker not- wendig, da das Publikum auf seine Beellität volles Vertrauen zu setzen gezwungen ist, von ihr auch häufig das Wohl und Wehe des Patienten abhängt. — Diese Gewissenhaftigkeit erheischt, bei der Annahme eines Kezeptes, dasselbe ohne Verzug, selbst zur Nachtzeit, anzufertigen. Besonders gilt dies von den als dringlich bezeichneten Rezepten, welche vor den andern anzufertigen sind. J) Die Anfertigung der Rezepte geschehe regula artis! ') Preussen. Apothekerordnung (1801) Tit. III, § 2 f. In gleiche Strafe soll derjenige Apotheker genommen werden, welcher die ihm zu- geschickten Rezepte, es sei bei Tag oder bei Nacht, nicht sogleich ohne Aufenthalt anfertigt, den Handverkauf vorzieht und die Patienten ohne Not auf die Medizin warten lässt. Besonders sollen diejenigen Rezepte, die mit cito bezeichnet werden, sogleich bereitet und die Arzneien den Boten, welche die Rezepte einhändigen, mitgegeben werden. — 681 — Die Substituierung eines verordneten, wirksamen Arzneimittels, sei es ein veraltetes , sei es ein ganz neues , durch ein anderes, vielleicht minderwertiges, ist streng zu unterlassen. In fraglichen Fällen muss der Rezeptar Rücksprache mit dem ordinierenden Arzte nehmen. Unleserlich geschriebene Rezepte erfordern vor- herige Anfrage beim Arzte; ebenso, wenn der Apotheker einen Irr- tum vermutet.2) 2. Reinlichkeit — in der Apotheke nicht weniger nötig, wie in der Küche. Nicht allein vermeide der Rezeptar jedes Übergiessen, Zerbrechen von Gefässen, er halte auch den Rezeptier- tisch stets frei und rein,- die Standgefässe sauber, die Extrakt- und Salbentöpfe innerlich rein u. s. w.3) Auch schone man das Handtuch nach Möglickeit, wische damit keine Flüssigkeiten, Bayern. Apothekerordnung (1842) Tit. III, § 59. Der Apotheken- vorstand oder ein Gehilfe muss in der Regel von Morgens 6 bis Abends 10 Uhr in der Offizin und ausser diesen Stunden doch in deren Nähe sich befinden, sodass er von den Arzeneisuchenden mittelst eines Glockenzuges jederzeit herbeigerufen werden kann. — § 62. 2. Bei Konkurrenz mehrerer Rezepte sind vor allem die als dringend ausdrücklich bezeichneten, so- dann die für entfernt wohnende Kranke bestimmten , und hierauf die übrigen nach ihrer Priorität, zu dispensieren. Baden. Apothekerordnung (1806) § 47. Von den einlaufenden Re- zepten sind zuerst die vom Arzt als eilig oder dringlich bezeichneten, dann die für Landpatienten bestimmten anzufertigen. Ahnliches schreibt die Medizinalordnung von Hessen (1861 § 54), die der thüringischen Staaten (Sachsen-Weimarsche M.-O. von 1858 § 17), sowie die Österreichische Apoth.-Instr. von 1834, § 15 vor. 2) Preussen. Ap.-O. III, § 2 i). Sollte es sich zutragen, dass ein verschriebenes Ingredienz nicht vorrätig oder sogleich nicht anzuschaffen sei, so darf der Apotheker nicht willkürlich ein anderes dafür substituieren oder etwas hinweglassen , sondern er hat solches sofort dem Arzte anzu- zeigen und es diesem zu überlassen, an dessen Statt ein anderes Mittel von gleicher Eigenschaft zu verordnen. Bayern. Ap.-O. III, § 62 4. Wenn ein Rezept einen in der Offizin nicht verfügbaren Stoff enthält, so ist mit Unterlassung jeder Substitution mit dem ordinierenden Arzte sich zu benehmen. Österreich Ap.-Instr. § 21 bestimmt dasselbe. — § 22 u. 23 ver- ordnen die Rücksprache mit dem Arzte bei Unleserlichkeit resp. Irrtum. 3) Preussen. Ap.-O. III, § 2 b. Bei der Rezeptur muss die strengste Genauigkeit, Ordnung und Reinlichkeit herrschen. Sämtliche Gefässe und Instrumente müssen stets rein und sauber, auch Wagen und Gewichte im akkuraten Zustande gehalten werden. Auch das Reinhalten der iSeihetücher zu Dekokten und Infusionen ist nicht zu vernachlässigen u. s. f. Baden. Ap.-O. § 59. Seine Gehilfen und Lehrlinge muss' der Apo- theker überhaupt zur Sittlichkeit erziehen, so insbesondere dazu anhalten, dass sie sich aller unreinen und ekelhaften Angewohnheiten, z. B. des Ausstreichens der Gefässe mit den Fingern, des Ableckens der Gefässe, des Anhauchens der Pillen, des Kauens der Stöpsel u. dergl. enthalten. Österreich. Ap.-Instr. § 7. Allenthalben muss die grösste Ordnung, Genauigkeit und Reinlichkeit beobachtet werden. — 682 — am wenigsten Öl ab, kaue die Korkstopfen nicht weich, blase nicht, namentlich in Gegenwart des Publikums, in die Pulver- kapseln u. s. f. 3. Gesittetes Betragen gegen das Publikum, verbunden mit Freundlichkeit , am wenigsten ein grobes oder hochmütiges Auftreten, selbst nicht bei zudringlicher Inanspruchnahme seitens der ungebildeten Klasse. Andrerseits enthalte sich der Rezeptar jeder ungebührlichen Vertraulichkeit, unziemlicher Spässe, ge- statte auch nicht , dass in der Offizin Zuschauer ihn stören und Veranlassung zu unangenehmen Szenen geben. Wie das Publi- kum gebeten wird, das Tabakrauchen in der Offizin zu unter- lassen, darf es sich auch der Apotheker selbst nicht gestatten, im Apothekenlokal zu rauchen.4) 4. Yorsicht. "Wegen der steten Gefahr, durch Unacht- samkeit grosses Unglück anzurichten, kann dem Rezeptar nicht genugsam minutiöse Aufmerkamkeit und Yorsicht anempfohlen werden. Nicht allein hat er die Rezepte beim Empfange auf- merksam zu überlesen, sondern beim jedesmaligen Gebrauch eines Arzeneimittels hat er sich vor dem Abwägen nochmals das Rezept 4) Preussen. Ap.-O. I, § 18. Übrigens wird von jedem konditionie- renden Apotheker vorausgesetzt, . . . dass er sich vorzüglich auch eines guten, moralischen Wandels befleissige, gegen jedermann höflich und be- scheiden sei, aller ausschweifenden, verführerischen Gesellschaften sich enthalte, keine unnötigen und unanständigen Besuche in der Offizin an- nehme und überall in der Erfüllung seiner Pflichten den ihm unterge- ordneten Lehrlingen mit musterhaftem Beispiele vorangehe. III, § 2a, . . . Damit auch derjenige, welcher am Rezeptiertisch die Medikamente zusammenmischt, nicht gestört werde, so soll ausser den in die Offizin gehörigen Personen niemand zu solchen zugelassen werden. Nach dem Minist.-Reskr. v. 11. Nov. 1820 und v. 26. Juli 1860 ist festgestellt, dass für den Ausschank geistiger Getränke, wie künstlicher Mineralwässer ein besonderes Lokal benutzt und derselbe .nicht von Ge- hülfen oder Lehrlingen besorgt werde. Baden. Ap.-O. § 59. Seine Gehülfen und Lehrlinge muss der Apo- theker dazu anhalten . . ., dass sie sich mit denen, die Arzeneien abholen, nicht in unnötige Unterredungen einlassen, noch weniger ein unanständiges Ausfragen der Abholenden sich zu Schulden kommen lassen, oder gar un- ziemliche Scherze treiben, vielmehr sich schleunige Förderung und freund- liche, wohlgefällige Behandlung bei Tag und Nacht eigen macht. — § 60. Weniger noch ist zu gestatten, dass der Arzeneisaal zu einem gesellschaft- lichen Zusammenkunftsort missbraucht werde, . . . wie denn auch weder er selbst, noch einer seiner Gehülfen und Lehrlinge jemals mit einer brennenden Tabakspfeife im Arzeneisaal oder Laboratorium sich betreffen lassen soll. Baiern. Ap.-O. III, § 60. Alles, was irgend auf den Geschäftsbetrieb störend einzuwirken geeignet ist, darf in den Geschäftslokalen, namentlich in der Offizin nicht geduldet werden. Es versteht sich hiernach von selbst, dass unnütze und zerstreuende Gespräche, gesellschaftliche Zusammen- künfte, Trinkgelage, Tabakrauchen und sonstige derlei Excesse daselbst in keiner Weise Platz greifen können. — 683 — anzusehen, um sich des Mittels und der vorgeschriebenen Gewichts- menge zu vergewissern, nach Anfertigung der Arzenei wiederholt das Eezept durchzugehen , dass kein Bestandteil vergessen und alles richtig geschehen sei; auch hat er die Signatur mit dem Rezepte zu vergleichen, um etwa vorgefallene Irrtümer oder Ver- wechslungen (z. B. äusserlicher mit innerlichen Signaturen) noch rechtzeitig zu verbessern.5) Beim Abholen der Arzneien sei der Rezeptar doppelt vor- sichtig und lasse sich von dem Abholenden stets den Namen des Patienten deutlich angeben. Niemals verlasse er sich auf sein Gedächtnis , auch nenne er nicht selber den Namen , sich mit dem schnellen Ja des Boten begnügend. Bei starkwirkenden Arzneien erteile man stets Belehrung und Warnung.6) Um Irrtümer zu verhüten, gewöhne sich der Rezeptar, ein Rezept ohne Unterbrechung anzufertigen; auch ist es höchst bedenklich und thunlichst zu vermeiden, dass eine Arznei von einem anderen beendet werde, als der sie begonnen.7) 5. Verschwiegenheit. Durch die Rezepte wird der Apotheker häufig Vertrauensmann der Patienten; auch machen ihm die Überbringer manche vertraulichen Mitteilungen; daher darf er niemals Rezepte jemandem zeigen, noch von dem ge- wonnenen Wissen anderwärts Gebrauch machen.8) Zumal gilt dies anderen Ärzten gegenüber. Das deutsche Strafgesetz- buch bedroht (§ 300) Apotheker und ihre Gehilfen, »wenn sie unbefugt Privatgeheimnisse offenbaren , die ihnen kraft ihres 5) Preussen. Ap.-O. III, § 18. Bei der Rezeptur hat er (der Apo- thekergehilfe) alle Behutsamkeit und Genauigkeit in Dispensierung der verschiedenen Arzneimittel anzuwenden. Zu dem Ende rnuss er die Vor- schrift des Rezeptes nicht nur zuvor mit Aufmerksamkeit überlesen, sondern auch das angefertigte Medikament nicht eher aus der Hand stellen, bevor er nicht das Rezept nochmals mit Bedacht gelesen und von der ge- schehenen richtigen Anfertigung und Signatur sich überzeugt hat. 6) Sachsen-Weimar. Min.- Verf. v. 15. Juli 1858. § 20. Bei Ab- holung von gefährlichen Arzeneien aus der Apotheke hat derjenige, welcher sie aushändigt, dem Empfänger thunlichst geeignete Belehrung und Warnung zu erteilen. 7) Bayern. Ap.-O. III, § 62. 8. Die angefangene Fertigung eines Re- zepts soll so wenig als möglich durch andere Arbeiten unterbrochen werden. Baden. Ap.-O. § 45 . . . und ist dabei fest darauf zu halten, dass jeder, der ein Rezept zu verfertigen angefangen habe, solches auch vollende. y) Preussen. Ap.-O. III, § 2. a) . . . Sowohl die Apotheker, als deren Gehilfen und Lehrlinge sind verbunden, . . . die Arzeneien nebst den Rezepten so wenig während der Anfertigung, als nachher jemandem vor- zuzeigen, noch weniger Abschriften davon zu geben oder nehmen zu lassen. Baden. Ap.-O. § 55 und 56 verfügt Ähnliches. Österreich. Ap.-I. § 19. Nie darf ein Apotheker über ein Rezept oder über den Arzt, der dasselbe verordnete, gegen die Personen, welche die Arzneien abholen, sich Bemerkungen erlauben. — 684 — Standes und Gewerbes anvertraut sind, mit Geldstrafe bis zu 1500 Mark oder mit Gefängnis bis zu 3 Monaten. Die Ver- folgung tritt nur auf Antrag ein.« Das österreichische Straf- gesetzbuch (§ 499) belegt in solchen Fällen den Apotheken vor- stand mit 5—50 Gulden, den Gehilfen mit 1 — 4 Tagen Arrest. II. Besondere Vorschriften bei Anfertigung von Rezepten. 1. "Welche Rezepte dürfen angefertigt werden? Im allgemeinen haben sämtliche Mediziiialordnungen bestimmt, dass nur solche Rezepte, welche von approbierten Ärzten, Wund- und Tierärzten verschrieben und unterzeichnet sind, in den Apotheken angefertigt werden dürfen.9) Zu dem Zwecke hat das Rezept die Unterschrift des verordnenden Arztes zu tragen; auch ist von ihm das Datum und der Name des Patienten auf das Rezept zu vermerken. Unter gewissen Verhältnissen darf der Arzt von der Nennung des Patienten Abstand nehmen und statt dessen NN schreiben.10) 9) Preussen. Ap.-O. III, § 2. k) Da auch verlauten will, dass noch hier und da unbefugte Personen sich mit innerlichen und äusserlichen Kuren befassen, so wird den Apothekern hiermit anbefohlen, sich der Ver- fertigung solcher Rezepte, die von dazu nicht qualifizierten Personen ver- schrieben worden, zu enthalten, am wenigsten aber Medikamente von heftiger und bedenklicher Wirkung, als Drastica, Vomitoria, Mercurialia, Narcotica, Emmenagoga, namentlich auch Resina und Tinctura Jalapae, von der Hand, ohne ein von einem approbierten Arzt verschriebenes Re- zept verabfolgen zu lassen. Bayern. Ap.-O. III, § 62. 1. Nur Rezepte berechtigter .... ärztlicher Individuen dürfen angefertigt werden. Baden. Ap.-O. § 41. Rezepte von nicht approbierten Personen sind zurückzuweisen und dem Physikat anzuzeigen. Hessen. Med.-O. § 54. Nur solche Arzneivorschriften, welche von approbierten Ärzten, Wund- und Veterinärärzten vorgeschrieben und unter- zeichnet sind, dürfen in Apotheken verfertigt werden Arzeneivor- schriften von Unbefugten sind dem Kreisarzt zu überliefern. Österreich. Ap.-Instr. § 18 besagt dasselbe. — § 27. Kuren inner- licher oder äusserlicher Gebrechen zu unternehmen, ist dem Apotheker unter keinen Umständen erlaubt. 10) Preussen. Ap -0. III, § 2. a) Sobald ein Rezept zur Bereitung in die Apotheke gebracht wird, auf welches der Arzt das Datum, die Jahreszahl, den Namen des Patienten und, wenn dem Apotheker dessen Hand nicht bekannt ist, auch seinen eigenen Namen geschrieben haben muss, so ist der Apotheker verpflichtet, es ... zu verfertigen. Sachsen-Weimar. Min.-Verf. v. 15. Juli 1858. § 13. Kein Rezept, welches ein Mittel enthält, in dessen Handverkauf der Apotheker gesetz- lich nicht völlig unbeanstandet ist, darf angefertigt werden, wenn es nicht zugleich die Unterschrift einer zu der Verordnung berechtigten Medizinal- person, das Datum, den Namen des Kranken und die zur Verhütung von etwa zu besorgenden Personen- Verwechslungen noch erforderlichen näheren Bezeichnungen des Kranken enthält. Jedoch ist auch die Anfertigung solcher Rezepte erlaubt, welche statt des Namens und sonstiger Bezeichnung des Kranken die Worte: „für einen Ungenannten" enthalten. (385 — Seit Freigabe des ärztlichen Gewerbes (nach der deutschen Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869) konnte an dieser Vorschrift nicht mehr in aller Strenge festgehalten, vielmehr musste ge- stattet werden, Rezepte unbefugter Personen dann anzufertigen, wenn in ihnen kein giftiges oder starkwirkendes Mittel (Tab. B. und C. der Pharm. Germ.) enthalten ist.11) Einige Staaten, z. B. Bayern, Braunschweig, haben bestimmt, dass Cito-Rezepte auch dann von dem Apotheker angefertigt werden müssen, wenn nicht sofort Bezahlung erfolgt. l2) 2.WelcheRezepte dürfennichtrepetiert(reiteriert) werden? Die Repetition von Rezepten, welche giftige oder starkwirkende Medikamente (Tab. B und C der Pharm. Germ.) enthalten, erfordert die Anweisung einer approbierten Medizinal- person. Zumal gilt dies für die Fowlersche Arseniklösung.13) ") Preussen. Min.-Reskr. v. 8. März 1870: Rezepte, welche von nicht approbierten Ärzten oder Wundärzten verschrieben sind, sind Apo- theker nur dann anzufertigen berechtigt und verpflichtet, wenn die ver- schriebene Arzenei lediglich aus solchen Mitteln besteht, welche im Hand- verkauf abgegeben werden dürfen. Ausgeschlossen sind hiervon insbe- sondere die in der Tab. B und C der Pharmacopöe aufgeführten Medika- mente und Gifte. — Der Min.-Erlass v. 3. Juni 1878 macht diejenigen Mittel namhaft, welche nicht ohne ärztliche Verordnung im Handverkauf zu verabfolgen sind. Bayern. Kgl. "Verordn. v. 25. April 1877. § 19. 3. Die Apotheker sind verpflichtet. Rezepte, welche solche Mittel enthalten, die in der Tabelle B und C der Pharm. Germ, aufgeführt sind, uur dann zu fertigen oder fertigen zu lassen, wenn der Name des verordnenden Arztes, das Datum der Verordnung, sowie die Gebrauchsanweisung deutlich geschrieben sind. Baden. Ap.-O. V. § 40. Giftige und drastische Stoffe dürfen ... in der Rezeptur nur auf Verordnung eines bekannten approbierten Arztes oder Tierarztes abgegeben . . . werden. 1S) Baiern. Kgl. Verord. v. 25. April 1877. § 19. 2. Die Apotheker sind verpflichtet, jede Arzenei nach ärztlicher Ordination unweigerlich zu bereiten und abzugeben, und zwar auch an Personen, welche mit der Be- zahlung von früher bezogenen Arzeneien im Rückstand sind, wenn die Ab- gabe vom Arzte als dringend bezeichnet wird. Braun schweig. Med.-O. § 88. Die Abgabe einer mittelst Rezepts verordneten Arznei darf aus dem Grunde vom Apotheker nicht verweigert werden, weil nicht sofort Bezahlang erfolgt, wenn schleunige Anfertigung der Arznei vom Arzte gefordert wird. 13) Preussen. Ap.-O. III, § 2. g) Übrigens sollen solche, von appro- bierten Ärzten und Wundärzten einmal verschriebenen und verfertigten Rezepte, welche Drastica, Vomitoria, Menses et Urinam moventia, Opiata u. a. dergl. stark wirkende Medikamente enthalten, ohne Vorwissen und Bewilligung des Arztes zum andernmale nicht wieder gemacht werden. Ministerialreskr. y. 28. Okt. 1810. Solutio arsenicalis darf nur auf Rezepte approbierter Arzte in der Quantität von 6 Gramm und in ver- siegelten Fläschchen abgegeben werden. Die Rezepte dürfen nicht zurück- gegeben werden, sondern müssen als Giftscheine aufgehoben werden. Eine Reiteratur derselben darf nicht stattfinden. — 686 — Für Preussen untersagt das Ministerial - Reskript vom 3. Juni 1878 durchaus, ohne ärztliche Ordinierung zu repetieren : 1. Brechmittel; 2. Mixturen zum innerlichen Gebrauch, Augenwässer, In- jektionen, Inhalationen und Klystiere, welche direkte Gifte (Tab. B der Pharm. Germ.), gewisse betäubende Mittel (Chloralhydrat, Äthylenchlorid, ButylchloralJ, gewisse Corrosiva (Krotonöl, Senföl) sowie Mutterkorn enthalten; 3. Morphiuminjektionen ; 4. Un vermischtes Chloroform. Für die Tinkturen und Extrakte der narkotischen Gewächse (Aconitum, Belladonna, Cannabis indica, Colchicum, Colocynthides, Conium, Digitalis, Hyoscyamus, Lactuca virosa, Pulsatilla, Stra- monium, Strychnos, Toxicodendrum und Opium), für Morphin und Codein, sowie Jodtinktur gestattete obige Min. -Ter. die Repetition von inneren Arzeneien, Augenwässern, Klystieren, Inhalationen, sofern die in der Arznei enthaltene Menge des Narkoticums nicht grösser ist, als die für die Einzelgabe in Tab. A der Pharm.Germ. angegebene Maximaldosis beträgt. Für Bayern beschränkt ^die Kgi. Yerordnung vom 25. April 1877 (§ 19, 4) ebenfalls die Repetition von Brechmitteln, Atropin- lösungen, Morphium-Injektionen, stärkeren Morphiumarzeneien und Chloralhydrat auf schriftliche, ärztliche Anordnung. Für Sachsen verbietet die Yerordnung vom 16. August Bayern. Ap.-O. III, §62. 8. Repetitionen drastisch wirkender Arze- neien dürfen nur auf ausdrückliche Anordnung des betreffenden ärztlichen Individuums vollzogen werden. Würtemberg. Min.-Ver. v. 30. Dezember 1875. § 7. Repetitionen von Rezepten dürfen, wenn diese die in der Anlage aufgeführten Stoffe und Präparate zur innerlichen oder einer dieser gleichkommenden Ver- wendung, wie Klystieren, Inhalationen oder subkutanen Injektionen, sowie besonders stark wirkende Stoffe desselben Verzeichnisses zum äusserlicben Gebrauch enthalten, ohne ausdrückliche schriftliche Anordnung des ur- sprünglichen Verfassers oder einer anderen hierzu ermächtigten Medizinal- person nur in unverdächtigen und dringenden Fällen ausgeführt werden. Wo sich in dieser Beziehung irgend ein Anstand oder Zweifel erhebt, ist vor der Abgabe des Arzeneimittels die ordinierende Medizinalperson oder nötigenfalls der Oberamtsarzt zu befragen. Baden. Ap.-O. V, § 40. Giftige und drastische Stoffe enthaltende Rezepte dürfen nicht ohne den Willen des Arztes repetiert werden. — § 41. Alle übrigen Arzeneien dürfen ohne neue Verordnung, auf Wieder- zurückgabe der Signatur, aber nicht auf blosse mündliche Bestellung hin angefertigt werden. Sachsen- Weimar. Min.-Ver. v. 15. Juli 1858. § 14. Rezepte, in welchen sich ein giftiges oder sonst heftig oder bedenklich wirkendes Mittel verschrieben findet, dürfen nur auf jedesmalige schriftliche, mit Datum und Namensunterschrift versehene Anordnung des Verfassers oder einer anderen dazu befugten Medizinalperson wiederholt bereitet werden. — (387 — 1876 olme ärztliche Genehmigung die Repetition von Arzeneien mit direkten Giften (Tabula B der Pharm. Germ.) sowohl für den inneren, als für den äusserlichen Gebrauch (gestattet ist die Repe- tition von Salben mit rotem und weissem Quecksilberpräzipitat und Yeratrin), sowie von Digitalin und Chloroform. — Arzeneien, welche Mittel der Tab. C der Pharm. Germ, in solcher Quantität enthalten, dass ihre Einzeldosis den fünften Teil der in Tab. A der Pharm. Germ, aufgeführten Maximaldosis nicht über- schreitet, ebenso Arzeneien mit Chloralhydrat, wenn die Maximal- dosis von 4,0, solche mit Mutterkorn oder dessen Extrakt, wenn die Maximaldosis von 0,6 resp. 0,3 nicht überschritten wird, sind auch ohne ärztliche Ordination zu repetieren gestattet, in gleicher Weise Santoninmittel. 3. "Welche speziellen Regeln sind bei der An- fertigung der Rezepte zu merken? Sobald ein Rezept angenommen wird, hat der Rezeptar das- selbe aufmerksam zu überlesen und sich zu vergewissern, dass auf demselben keine wesentlichen Bestimmungen fehlen, noch gegen die betreffenden amtlichen Anordnungen Verstössen. Ent- hält es Gifte oder starkwirkende Stoffe, so ist auf deren Dosierung besonderes Augenmerk zu richten. Man findet die Dosis durch Division der verordneten Menge mit der Anzahl der Gaben. Bei einer Mixtur gewinnt man die Zahl der Gaben, wenn man ihr Gesamtgewicht durch das Gewicht der Einzelgabe teilt. Dabei kann man annehmen : 1 Esslöffel 12 g, 1 Theelöffel 3—4 g, 1 Kinderlöffel 6 „ 20 Tropfen 1 „ B eispiele: 1. R. Infusi Althaeae 200,0 g Ammon. chlor. 5,0 Extr. Hyoscyarni 1,0 Succ. Liquir. dep. 8,0 M. D. C. Stündlich 1 Esslöffel v. z. n. Für diese Mixtur berechnen sich 124/12 d. i. nahezu 18 Gaben, in jeder der- selben ist mithin 1,0/18 = 0,055 g Extr. Hyoscyarni enthalten. Nimmt der Patient täglich 12 Löffel voll von der Mixtur, so berechnet sich die Gesamtdosis für den Tag auf 0,66 g Extr. Hyoscyarni. 2. R, Morph, hydrochlor. 0,10 g Aqu. Amygd. amar. 25,0 M. D. Beim Anfall 20 Tropfen z. n. Hier beträgt die Einzelgabe 20 Tropfen = 1,0 g die Gesamtzahl der Gaben ist = 25, daher in jeder Gabe 0,10/25 = 0,004 g Morph, hydrochlor. enthalten ist. 3. R. Santonini 1,0 g afe§ Sacch. alb. 7,5 M. s. p. Divide in part. aeq. No. XV. D. S. Morgens und Abends 1 Pulv. z. n. Die Einzeldosis beträgt hier für das Santonin 1,0/15 = 0,066. die Tagesdosis 2 X 0,066 = 0, 132 g — 688 — Im Falle der Arzt die in Tab. A der Pharm. Germ, vorge- schriebene Maximaldosis, ohne ein ! beizusetzen, sei es in der Einzelgabe, sei es in der Tagesgabe, überschritten oder sonst- wie einen Fehler gemacht (etwa durch Versetzen des Komma in der Gewichtsangabe) oder etwas wesentliches zu bemerken vergessen hat, ist der Rezeptar nicht berechtigt, selbst Änderungen auf dem Rezepte vorzunehmen (es müsste denn der Fehler durch- aus klar und seine Korrektur eine selbstverständliche sein). Viel- mehr ist er gehalten, das Rezept dem verordnenden Arzte per- sönlich oder in verschlossenem Kouvert, mit dem Gesuch um Kor- rektur zurückzustellen. Ist dies in Kürze nicht möglich, so kann er sich beim Kreisphysikus resp. Oberamtsarzte die nötige An- weisung erbitten ; in dringenden Fällen mag es gestattet sein, die Gewichtsmenge des betreffenden Arzneimittels auf die gesetz- liche Maximaldosis zurückzuführen, den Arzt jedoch alsbald da- von in Kenntnis zu setzen. 15) I5) Preussen. Ap.-O. III § 2. h) Wenn dem Apotheker in den ver- schriebenen Rezepten ein Irrtum oder Verstoss von der Art, dass davon. ein Nachteil für den Patienten zu besorgen sei, bemerklich werden sollte, so hat er sogleich dem Arzte, welcher das Rezept verschrieben, seine ße- denklichkeit und seine Zweifel bescheiden zu eröffnen. Wenn der Arzt den Verstoss nicht anerkennt und auf Anfertigung des Rezeptes nach seiner Vorschrift besteht, so kann es der Apotheker zwar anfertigen, doch hat er zu seiner eigenen Rechtfertigung den Fall sogleich dem Physikus, oder wenn dieser das verdächtige Rezept verschrieben hätte, dem kompetenten Collegio Medico anzuzeigen. Bayern. Ap.-O. III § 62. 4. Wenn ein Rezept undeutlich geschrieben ist, einen in der Offizin nicht verfügbaren Stoff enthält oder andere irgend erhebliche Umstände darbietet, so ist mit Unterlassung jeder Substitution oder sonstigen eigenmächtigen Vorschreitens mit dem ordinierenden Arzte sich zu benehmen. 5. Geringfügige, das Datum oder den Namen des Kranken betreffende Mängel können in der Apotheke selbst nach Thunlichkeit berichtigt werden, desgleichen der Mangel der Gebrauchsformel bei nicht heroischen Mitteln im Falle, wenn das Benehmen mit dem ordinierenden Arzte Schwierigkeiten unterliegt. Königl. Verordn. v. 25. April 1877. § 19. 5. Im Falle ein Arzt grössere Gaben eines Arzneimittels, als die im Anhange zur Pharm. Germ. (Tab. A) als die höchsten aufgeführten ohne Hinzufügung des Zeichens ! verordnet, hat sich der Apotheker über die Zulässigkeit der Abgabe der Arznei zunächst mit einem anderen Arzte zu benehmen. Baden. Ap.-O. V. § 44. . . . Sollten in Rezepten Worte oder Zeichen unleserlich geschrieben sein, oder nicht verstanden werden, oder der Apotheker Grund finden zu vermuten, es möchte die Gabe unrichtig oder sonst ein Fehler im Rezept untergelaufen sein, so soll er nicht selbst ändern, aber auch nicht gleichgiltig dabei bleiben, sondern von dem Verfertiger der Vorschrift Erläuterung oder, wenn dieser über Land wohnte, von dem Physikus Weisung seines Verhaltens wegen fordern, und nur wo auch dieser nicht anzutreffen und ihm ein Schreibfehler klar wäre, mag er für sich ändern, muss es aber zugleich dem verschreibenden Arzte melden. — 689 — Bei Anfertigung des Rezeptes hat der Apotheker alle Medi- kamente abzuwiegen, nicht aber dem Masse nach oder nach Augenschein und Gutdünken zu nehmen , was speziell bei der Division von Pulvern gilt.16) Beim Abwägen stark wirkender und giftiger Mittel ist besondere Vorsicht anzuwenden und nicht zu^verabsäumen, die eigens dafür dienenden Wagen und Gerät- schaften in Anwendung zu ziehen. Sind die Gewichtsmengen noch nach dem Unzen Systeme verordnet, so hat sie der Rezeptar nach der amtlichen Reduktions- tabelle in Gramme umzusetzen und diese Umänderung auf dem Rezepte selber zu notieren. (Preuss. Min.-Ver. v. 29. Aug. 1867.) Überlässt der Arzt die Quantität eines Mittels dem Er- messen des Apothekers, indem er ein q. s. (quantum satis) bei- fügt, so darf der Rezeptar nicht unterlassen, die verbrauchte Menge auf dem Rezepte zu bemerken. Dies geschieht häufig bei Pillen, Saturationen, gestrichenen Pflastern. Wichtig ist die Notierung sowohl wegen des Preises, wie auch wegen etwaiger Repetition, damit nicht der reiterierende Apotheker die Pillen dicker oder dünner mache, das Pflaster kräftiger auftrage u. s. f. Überhaupt ist bei Repetition en doppelte Aufmerksamkeit Das Gleiche ist seine Pflicht, wenn etwa einer der verschiedenen Stoffe nicht vorhanden, noch schnell zu bekommen wäre. Sachsen- Weimar. Min.- Verf. v. 10. Oktober 1872. § 3. Rezepte, auf welchen ein Mittel der Tab. A. der Pharm. Germ, ohne ein Ausrufungs- zeichen verschrieben ist, sind dem Arzte zurückzusenden. Ist derselbe nicht zu erlangen, so hat der Apotheker mit Genehmigung des Kranken oder dessen Angehörigen das Rezept dem Amtsphysikus, eventuell einem andern Arzte zur Abänderung zu unterbreiten. Österreich. Ap.-Instr. § 23. Vermutet der Apotheker in der Vorschrift des Arztes einen Irrtum, der dem Leben des Kranken nachteilig werden könnte, so hat er seine Meinung vor der Verfertigung des Rezeptes dem verordnenden Arzte allein in Freundschaft zu eröffnen. Wäre dieses aber wegen zu grosser Entfernung oder Abwesenheit des Arztes für jetzt un- möglich, und hat der Apotheker die Überzeugung, dass in der Vorschrift des Arztes ein Irrtum unterlaufen sei, der dem Leben des Kranken nach- teilig sein könne, und kann er sich nicht mehr mit dem verordnenden Arzte beraten, so muss er sich noch vorerst, wenn es möglich ist, mit einem anderen Arzte hierüber beraten; wäre aber auch dies unmöglich, so ist es ihm erlaubt, ja es ist ihm Pflicht, das Rezept so abzuändern, dass es den gewöhnlichen Verordnungen vernünftiger Arzte entspreche. Der Apotheker wird aber dieses, sobald es nur möglich ist, dem Arzte, von dem die Verordnung herrührte, auf eine geziemende Art und ohne Auf- sehen zu erregen bekannt machen. ■16) Preussen. Ap.-O. III. § 2. c. Bei Dispensierung der Arzneimittel soll nichts gemessen, viel weniger nach dem blossen Augenmasse genommen, sondern alles ordentlich und genau abgewogen werden. — Sollten auch noch Arzte im Gebrauch haben, Vegetabilien manipulweise zu verschreiben, so sollen diese dennoch gewogen, und statt eines Manipuls bei Kräutern eine halbe Unze, und bei Blumen drei Drachmen nach Gewicht genommen werden. Schlickum, Apothelccrle'hrliDg. 44 — 690 — vonnöten, um zu vermeiden, dass die Arzenei ein verändertes Aussehen, anderen Geschmack u. dg-1. erhalte.17) Zur Yergewisserung der Person, welche ein Rezept fehlerhaft angefertigt, verfügt die Preuss. Min. -Ter. v. 2. August 1872, dass der Rezeptar seinen Namen deutlich und leserlich auf dem Re- zepte vermerke, gleichviel, ob es sich um eine einmalige oder wiederholte Anfertigung einer Arznei handle. Der Signatur hat der Rezeptar sein volles Augenmerk zu- zuwenden, nicht allein durch gewissenhafte Wiedergabe der ärzt- lichen Ordination, sondern auch durch leserliche Schrift.18) Zahlen sind bei den Bestimmungen der Gabe und Zeit des Einnehmens in Buchstaben zu schreiben , nicht in Ziffern. Für Signaturen innerer Arzeneien dient weisses, für äusserliche Medizinen rotes oder blaues Papier. Schliesslich ist der Taxpreis in arabischen Ziffern auf dem Rezepte zu notieren. Bei Rezepten, die von öffentlichen 17) Preussen. Ap.-O. III. § 2. e) Da noch die Erfahrung gelehrt, dass öfters diejenigen Arzeneien, welche die Patienten auf Verordnung ihres Arztes zürn zweiten oder öfteren Male machen lassen, nicht vollkommen gleich, sondern in Farbe, Geschmack und Geruch verschieden sind und hierdurch den Patienten verdächtig werden, so soll derjenige Apotheker, in dessen Offizin dergleichen Nachlässigkeiten erweislich gemacht worden, in 5 Thaler Strafe verfallen. Damit man aber wisse, wer den Fehler bei der Reiteratur begangen, so soll derjenige, der solche verfertigt, jedesmal seinen Namen auf die Signatur schreiben. Bayern. Ap.-O. III. § 61. . . . Die Repetition einer Arzenei soll, wenn thunlich. dem früheren Rezeptator übertragen werden. 18) Preussen. Ap.-O. III. § 2. d) Zu mehrerer Verhütung, dass keine Verwechslung der Medikamente sich zutragen möge, soll in der Apotheke jedesmal der Name des Patienten, welcher auf dem Rezept steht, ingleichen der Name des Apothekers, bei welchem das Rezept verfertigt worden, nebst dem Dato, auf der Signatur bemerkt werden. Auch soll auf der Signatur die auf dem Rezept bestimmte Gabe und Zeit des Einnehmens nicht mit Ziffern bezeichnet, sondern jedesmal mit Buchstaben deutlich und leserlich geschrieben werden. Bayern. Ap.-O. III. § 62. b) Die der gefertigten Arzenei beizufügende Signatur ist, je nachdem erstere zu innerlichem oder äusserlichem Ge- brauche dient, auf weisses Papier zu schreiben, und niuss den Namen des Kranken, die Gebrauchsformel und das Datum — und zwar bei Re- petitionen sowohl das Datum der Ordination als das der Repetition — enthalten, auch ihrem Inhalte nach den minder gebildeten Abnehmern überdies mündlich noch genügend erklärt werden. Ebenso ist der Signatur am Rande der Name des Rezeptators beizufügen. Sachsen-Weimar. Min.-Ver. v. 15. Juli 1858. § 18. Jede nach einem Rezept bearbeitete Arzenei ist ohne Verzug genau mit der vorge- schriebenen Signatur und mit dem Namen des Anfertigers, oder, falls eine besondere Anfertigung nicht stattgefunden hat, des Verabreichers ... zu bezeichnen. . . . Für Mittel zum innerlichen Gebrauch ist die Signatur auf ein weisses, für äusserliche Mittel auf blaues Papier zu schreiben. — 091 — Kassen bezahlt werden, muss zur Erleichterung der Revision der Preis in seinen einzelnen Faktoren spezifiziert werden.'9) 4. Wer ist zur Anfertigung der Rezepte befugt? Ausser dem Apotheker ist in Deutschland wie auch in Österreich jeder Apothekergehilfe, welcher in deutschen Landen sein Gehilfenexanien bestanden hat, zur Anfertigung der Rezepte befugt.20) Der Bundesrat beschloss am 7. Februar 1874, dass der Grundsatz der gewerblichen Freizügigkeit innerhalb des ge- samten Bundesgebiets nunmehr auch auf die Apothekergehilfen ausgedehnt werde , welche in einem Bundesstaate die Gehilfen- prüfung bestanden haben.21) 10) Preussen. Ap.-O. III. § 2.d) Alinea 2. Ebenso muss die Taxe der Medikamente auf den Rezepten, wenn sie bei erfolgender Bezahlung zurückgegeben werden, mit deutlichen Ziffern bemerkt sein. Bayern. Ap.-O. III. § 62. 7. Bei alsbaldiger Bezahlung der Arznei ist deren Preis auf dem Rezepte in arabischen Zahlen deutlich zu bemerken und dabei, wenn die Abnahme für eine öffentliche Adresse geschieht, nach seinen einzelnen Faktoren genau zu spezifizieren. Baden. Ap.-O. V. § 46 ... . und muss der Preis gleich nach der Vollendung (zumal wenn das Rezept zurückverlangt wird) , oder bei über- häuften Geschäften doch längstens noch am nämlichen Tage auf das Rezept mit leserlichen Zeichen annotiert werden, das Arzeneimittel mag gegen baar oder auf Rechnung abgegeben sein. -°) Preussen. Ap.-O. I. § 18. . . . Als solcher (Apothekergehilfe) übernimmt er in der Apotheke, bei welcher er sich engagiert, eben die allgemeinen Verpflichtungen, unter welchen der Prinzipal, dem er sich zugesellt, zur öffentlichen Ausübung dieses Kunstgewerbes von Seiten des Staates autorisiert ist. — Reglement v. 11. August 1864. § 16. . . . Der Apothekenbesitzer darf dem Gehilfen das Dispensieren von Arzeneimitteln in der Offizin (das Rezeptieren) und die Anwendung von pharmazeutischen Präparaten im Laboratorium (das Defektieren) selbständig überlassen, ist aber für die Arbeiten des Gehilfen verantwortlich. Während kurzer, zufälliger Abwesenheit des Apothekenbesitzers ist der Gehilfe dessen Stellvertreter. Bei längerer Entfernung vom Geschäft (Reisen) aber ist der Apotheker, falls sein Gehilfe nicht bereits die Approbation als Apotheker erlangt haben sollte, verpflichtet, einen approbierten Apotheker als seinen Stellvertreter anzunehmen und dies dem Kreisphysikus anzuzeigen. Österreich. Min.-Erlass vom 16. Febr. 1860 hebt das Verbot, aus- ländische Gehilfen in österreichischen Apotheken zu verwenden, für die deutschen Bundesstaaten auf und gestattet den aus Deutschland kommenden Apothekergehilfen, welche daselbst ihr Gehilfenexamen mit gutem Erfolge bestanden haben, in Österreich zu konditionieren. 21 ) Eine ähnliche Bekanntmachung ist die der Düsseldorfer Regierung vom 28. Januar 1877: Nachdem jetzt die Erlangung der Approbation als Apotheker auf Grund des § 29 der Gew.-Ordn. für sämtliche Bandes- staaten des deutschen Reiches gleichmässig geordnet worden und im An- schluss hieran betreffs Prüfung der Apothekergehilfen durch Beschluss des Bundesrats vom 13. Nov. 1875 ebenfalls für sämtliche Bundesstaaten gleichmässige Bestimmungen getroffen worden sind, sind jetzt deutsche Apothekergehilfen in jedem Bundesstaate zu servieren berechtigt. — 692 — Ausländische Gehilfen haben sich, wie auch früher, zuvor einer Prüfung vor der Gehilfen-Prüfungs-Kommission zu unterwerfen. Über die Lehrlinge hat der Apothekenvorstand oder sein Ge- hilfe stets sorgsam zu achten; die Anfertigung von Rezepten ist den Lehrlingen nur unter spezieller Aufsicht zu gestatten.22) III. Vorschriften über den Handverkauf. Für den Handverkauf in den Apotheken gilt im allgemeinen die Yorschrift , nach wel- cher ihm alle giftigen , gefährlichen und scharfwirkenden Stoffe entzogen sind. Vorzugsweise sind dies die Arzeneimittel der Tab. B und C der Pharm. Germ., mit Ausschluss weniger Medikamente, die altbekannte Handverkaufsartikel sind und ohne Bedenken als solche abgegeben werden dürfen, z. B. Bleiwasser, Goulardsches Wasser, Theriak, Senfspiritus u. a. m. 23) Dem Handverkauf unter allen Umständen entzogen sind Hessen. Min.-Ver. v. 10. Jan. 1872. Der Eintritt als Gehilfe in hessische Apotheken ist jedem Pharmazeuten gestattet, der sich durch Vorlage eines von einer Früfungskommision des deutschen Reiches aus- gestellten Prüfungszeugnisses legitimiert. Über die Zulässigkeit von Zeug- nissen, die nicht von Prüfungskommissionen, oder die von ausserdeutschen Prüfungsbehörden ausgestellt sind, entscheidet in jedem Einzelfalle das Ministerium. 22) Preussen. Ap.-O. III. § 2. a) Sobald ein Rezept zur Bereitung in die Apotheke gebracht wird, ... so ist der Apotheker verpflichtet, es entweder selbst zu verfertigen, oder einem tüchtigen Gehilfen, allenfalls auch einem Lehrlinge, welcher aber wenigstens 3 Jahre in der Lehre ge- standen, und sich wohl appliziert haben muss, zur Bereitung zuzustellen. (Da jetzt die Lehrzeit auf 3 resp. 2 Jahre herabgesetzt ist, muss obige Bestimmung entsprechend modifiziert werden.) Baden. Ap.-O. V. § 45. Wo der Apotheker oder Verwalter mit Gehilfen und Lehrlingen arbeitet, da soll er alle drastischen Mittel, in- gleichen alle jene, welche in anderer Hinsicht eine vorzügliche akkurate Bearbeitung der Mischung fordern, wenn er sie nicht selbst verfertigt, nur an Hauptgehilfen .... niemals aber an blosse Lehrlinge abgeben. . . . Sachsen-Weimar. Min.-Ver. v. 15. Juli 1858. § 16. Lehrlinge dürfen Rezepte nur unter spezieller Aufsicht des Apothekers oder eines Gehilfen anfertigen. Österreich. Ap.-I. § 24. Lehrlingen soll die Verfertigung heftiger Arzeneimittel nie überlassen werden. 23) Preussen. Der Min.-Erlass v. 3. Juni 1878 führt in einem Ver- zeichnisse diejenigen Mittel an, welche nicht ohne ärztliche Ordination, also auch nicht im Handverkauf verkauft werden dürfen. Bemerkenswert ist. dass sich in demselben nicht vorfinden, also im Handverkauf zu- lässig sind: Carbolsäure und Kreosot, Salzsäure, Salpetersäure und Schwefelsäure (Vitriolöl), Grünspan, Bleiweiss, Bleiglätte und Mennige, Höllenstein, Bleiwasser und Goulardsches Wasser, Bleizucker, sowie Blei- essig, Canthariden, Collodium, Kupfer- und Zinkvitriol, Theriak, Jod und Jodtinktur, Bromkalium, Ätznatronlauge. Zahnpillen, Santonin, Senfspiritus und graue Quecksilbersalbe. Österreich. Ap.-Instr. § 16. Gelinde wirkende, unschädliche Arznei- mittel dürfen im Handverkauf aus der Apotheke abgegeben werden. — G93 - speziell die Brechen erregenden und die Wehen treibenden Medi- kamente, die drastischen Purgier- und Band Wurmmittel, sowie die Krätzesalben (in Preussen).24) Gewisse, zum technischen Gebrauche dienende Mittel können unbeanstandet an Gelehrte, Künstler oder Handwerker, unter den nötigen Yorsichtsmassregeln abgegeben werden und, wenn nötig, mit mündlicher Belehrung über die Schädlichkeit resp. Gefährlich- keit des Mittels nebst der Gebrauchsanweisung. Zu solchen Mitteln zählen : Salzsäure, Salpetersäure (Scheidewasser), englische Schwefelsäure (Vitriol) , Kupfervitriolöl , Zinkvitriol , Höllenstein; Bleiweiss, Mennige, Bleizucker, Kleesalz u. a. Die Dispensatiort geschehe in geeigneten Gefässen,-6) die mit deutlicher Signatur zu versehen sind. Auch werde niemals ein solches Mittel an Kinder oder unzuverlässige Boten abgegeben. IV. Über den Giftverkauf. Dem Verkauf der direkten Gifte (Medikamente der Tab. B der Pharm. Germ.) ohne ärztliche Ver- ordnung sind sehr enge Schranken gezogen. Es dürfen zunächst von den verschiedenen Giften nur solche, sei es in reiner Sub- stanz, sei es in Vermischung mit anderen Stoffen (Zucker, Mehl,: Weizen, Fleisch u. dgl.) abgegeben werden, welche zur Vertilgung -von Ungeziefer , schädlichen Tieren (Mäusen , Ratten , Füchsen, Mardern u. a.) dienen sollen. Hierhin zählen: Arsenik, Phos- phor, Strychnin. Diese Gifte dürfen nur an ganz unverdächtige, sichere Per- sonen abgegeben werden, welche für diesen Zweck einen Gift- schein als Quittung des erhaltenen Giftes abliefern müssen, worin die Art und Menge, wie der Zweck des Giftes anzugeben 24) Preussen. Ap.-O. III. § 2-. k) . . . so wird den Apothekern an- befohlen. . . . am wenigsten aber Medikamente von heftiger und bedenk- licher Wirkung, als Drastica, Vomitoria, Mercurialia, Narcotica, Emmenagoga, namentlich auch Resina und Tinctura Jalapae, von der Hand, ohne ein von einem approbierten Arzte verschriebenes Rezept verabfolgen zu lassen. Min.-Reskr. v. 21. Jan. u. 11. März 1817, v. 20. Aug. 1818, v. 26. Sept. 1828, vom 21. Aug. 1827, u. v. 8. Nov. 1880 untersagen im Handverkauf zu dispensieren: Purgier- und Brechmittel, Schwefel- oder Krätzsalbe, Mohn- köpfe, das Chinin, wie auch die Chinarinde unter den Namen Chinapulver, Bandwurmmittel, Kusso, Gort. rad. Granatorum, Rad. Filicis und andere zu diesem Zweck verlangte Medikamente. Österreich. Ap.-I. § 17 verbietet in ähnlicher Weise den Hand- A^erkauf von heftig wirkenden Stoffen (Brechmittel, starke Purgiermittel, Quecksilberpräparate, Opiate, fruchtabtreibende Mittel), sowie aller der in der Arzneitaxe mit einem Kreuze bezeichneten. -5) Preussen. Min.-Reskr. v. 27. Okt. 1876. Die Verwendung von Mineralwasser- und Licpieurflaschen , welche in ihrer Glasmasse die Be- zeichnung ihres ursprünglichen Inhaltes enthalten, ist zur Abgabe von Plüssigkeiten in der Rezeptur wie im Handverkaufe untersagt. — Ö94 — und vom Empfänger nebst dessen Unterschrift eigenhändig zu bescheinigen ist. Diese Giftscheine sind in der Apotheke aufzubewahren und über dieselben ein Giftbuch zu führen, auf dessen obrigkeitlich paraphierten Seiten in getrennten Kolumnen das Datum, der Name und Stand des Empfängers, Wohnort desselben, Art und Menge des Giftes, sowie dessen angeblicher Gebrauch von der Hand des Apotheken Vorstandes eingetragen werden muss. Personen , welche dem Apotheker kein völliges Vertrauen einflössen oder ihm unbekannt sind, haben von ihrer Ortsbehörde ein Beglaubigungsattest beizubringen. Die v4 Dispensation des Giftes muss in geeigneten Gefässen (nicht in .Papierhüllen) geschehen , deren Signatur die Art des Giftes deutlich angiebt und der weiteren Sicherheit halber mit drei Kreuzen über einem Totenkopf und der Bezeichnung „Giftu versehen sein muss. (Gift Signatur!) Über den Giftverkauf, der allein dem Apothekenvorstand untersteht, bestehen überdies in jedem Bezirk spezielle Vor- schriften der Behörden. Register. A. Abies 466. Abkochungen 659. Absorption S. Acacia 522. Aceton 314. Acetum 256. — plumbicum 216. — pyrolygnosum 314. Achaenium 395. Achillea 500. Acbr oniatischeLinsenö 6. Acidimetrie 341. Aciclum aceticum 258. — arsenicosuin 229. — benzoicum 294. — boricum 162, 163. — carbolicum 316. — chromicum 200. — citricum 279. — formicicum 260. — hydrochloricum 148. — laeticum 307. — nitricum 137. — — fumans 138. — oxalicum. 280. — ■ phosphoricum 142, 143. — - pyrogallicum 283. — salicylicum 295. — succinicum 293. — sulfuricum 133. dilutum 134. — tannicum 282. — tartaricum 276. — valerianicum 260. Acipenser 633. Aconitin 302. Aconitum 536. Acorus 456. Acotyledones 444. Acrol 273. Adeps 632. Adhäsion 7. Ähre 373. Äpfelsäure 279. Äquivalent 93. Ärugo 220. Äther 262. — aceticus 264. Ätherschwefelsäure 264. Äthyl 255. Äthylenchlorid 269. Affinität 110. Aggregatzustände 5. Agropvrum 455. Alant "500. Alantwurzel 550. Alaun 197. Albumen 402. Albumin 305. Alburnuni 422. Aldehyd 257, 261. Algae 447. Algarotpulver 225. Alkalimetri 342. Alkalien 165. Alkaloide 297. Alkanna 481. Alkannawurzel 547. Alkohol 251. — sulfuris 157. Alkoholometer 21. Allium 459. Allotropie 107. Aloe 459, 622. Alpinia 462. Alsineae 523. Althaea 538. « Alumen 197. — ustum 197. Alumina hydrata 198. Aluminium 195. — sulfuricum 198. Amalgame 234. Ambra 632. Ameisen 634. Ameisensäure 260. Amentum 373. Ammoniacum 616. Ammoniak 181. Ammoniakalaun 197. Ammonium bromatum 183. — carbonicum 184. — — pyrooleosum 184. — chloratum 183. — — ferratum 207. — oxalicum 281. — phosphoricum 185. Ammoniumsulfhydrat 185. Ampelideae 526. Amygdalae 606. Amygdaleae 514. Amygdalin 291. Amygdalus 516. Amylium nitrosum 265. Amylnitrit 264. Amylum Marantae 247, 613. - Tritici 247, 613. Anacardium 526. Anacyclus 500. Andira 521. Anemone 535. Aneroid-Barometer 28. Angiospermia 438. Anilin 318. eye Anis 595. Anode 80. Anthemis 500. Anthera 387. Antidotum Arsenici 230. Antimon 224. Antimon chlorür 225. Antimoniumcrudum 224. Antimonoxyd 225. Antimonsäure 225. Antimonsulfid 227. Antimonsulfür 227. Antimonwasserstoff 225. Antirrhineae 490. Apetalae 444. Apis 634. Apomorpkin 299. Apothecien 449. Aqua Amygdalarum 290. — Calcariae 188. — chlorata 144. — hydrosulfurata 128. — phagedaenica 236. - Plumbi 216. Aquifoliaceae 484. Arabin 248. Araeometer 21. Araliaceae 512. Archangelica 508. Arctostaphylos 492. Areca 458. Argentuni foliatum 241. — nitrieum 241. Argilla 196. Arillus 403. Aristolochia 477. Aristolochiaceae 476. Arnica 500. Aroideae 456. Arrak 253. Arrow-root 613. Arsen 229. Arsenicum album 229. — citrinum 231. — rubrum 231. Arsenige Säure 229. Arsenik 229. Arsensäure 280. Arsensulfid 231. Arsensulfür 231. Arsenwasserstoff 231. Artemisia 498. Arum 456. Asa foetida 616. Asarum 477. Asbest 192. Asclepiadeae 482. Asparageae 459. Asparagus 460. Asperula 502. Aspidium 452. Asplenium 452. Astragalus 520. Atmosphärische Luft 116. Atom 91. Atomgewicht 92. Atropa 478. Atropin 302. Aufgüsse 658. Auge 66. Aurantiaceae 538. Auripigment 231. Auro-Natriuni chloratum 244. Aurum foliatum 243. Ausdehnbarkeit 2. Ausdehnung 1. Ausläufer 351. Austerschalen 635. Avena 455. B. Bacca 398. Bärentraube 492, 584. Bärlapp 452. Bärlappsamen 611. Baldrian 504. Baldriansäui'e 260. Baldrianwurzel 552. Balsamea 524. Balsamifluae 470. Balsamodendron 524. Balsamum Copaivae 624. — peruvianum 625. - tolutanum 625. Barometer 27. Barosrna 524. Baryt 194. Baryum 194. — ■ chloratum 195. — nitrieum 195. Bassorin 248. Bast 419, 422. Baumöl 627. Be«herhülle 398. Beere 398. Beharrungsvermögen 1, 2. Beifuss 498. Beifusswurzel 556. Benzin 315. Benzoe 619. Benzoesäure 294. Renzol 315. Berberideae 526. Berberis 526. Berlinerblau 287. Bernsteinsäure 293. Bertramwurzel 546. Biber 631. Bibergeil 631. Biberneil 508. Bildungsgewebe 417. Bilsenkraut 478, 574. Bilsenkrautsamen 605. Bismuthum subnitricum 222. Bittermandelöl 290, 291. Bittersalz 193. Bitterwässer 121. Blatt 359. Blattgold 243. Blattgrün 431. Blatthäutchen 360. Blattscheide 360. Blattsilber 241. Blattstiel 360. Blattzüngelchen 360. Blauholz 567. Blausäure 286. Blei 213. Bleiessig 216. Bleiglätte 214. Bleiglanz 213. Bleioxyd 214. Bleipflaster 274, 670. Bleisuperoxyd 214. Bleiwasser 216. Blei weiss 215. Bleizucker 216. Blitz 71. Blitzableiter 72. Blüte 372, 378. Blütenboden 878. Blütenhülle 360. Blütenköpfchen 373. Blütenkolben 373. Blütenscheide 360. Blütenstände 372. Blütenstaub 387. 097 — Blütenstiel 372. Blume 381. Blumenkrone 381. Blut 304. Blutegel 635. Blutfarbstoff 305. Blutkuchen 305. Blutlaugensalz 286, 287. Blutwasser 305. h Bockshornsamen 606. Bolus 196. Bor 160. Boragineae 480. Borago 480. Borax 179. Boretsch 480. Borfluorwasserstoffsäure 163. Borsäure 162. Boswellia 524. Bougies 669. Bractea 360. Brandharze 313. Brandöle 313. Branntwein 253. Brassica 529. Braunstein 199. Brayera 514. Brechungsexponent des Lichtes 55. g Brechweinstein 226. Brechwurzel 547. Brennhaare 368. Brennpunkt 54, 63. Brille 67. Brom 151. Bromkalium 178. Bromum 151. Bromwasser 151. Bromwasserstoff 153. Brucin 301. Brückenwage 17. W, Brunnenwasser 120. Bryonia 512. Bürette 345. Buettneriaceae 540. Bulbotuber 358. Baibus 357. - Scillae 565. Burgunderharz 616. Buttersäure 260. Buxbaum 473. c. Cadmium sulfuricum 213. Caesalpiniaceae 521. Caesium 187. Cajeputöl 626. Calabarbohne 606. Calamus 458. Calcaria chlorata 190. - usta 187. Calcium carbonicuml89. — phosphoricum 190. — sulfuricum 190. Callitris 466. Calomel 237. Calorie 36. Calyx 381. Cambium 417. Campanulaceae 502. Campecheholz 567. Camphora 476, 626. Cannabis 472. Cantharides 633. Capillarität 7. Capillarröhrchen 7. Capita Papaveris 596. Capitulum 873. Caprifoliaceae 504. Capsicum 480. Capsula 396. Caramel 249. Carbo 155. Carb olsäure 816. Carbolschwefelsäur e 3 1 6 . Cavboneum sulfuratum 157. Carex 456. Caricae 599. Carlina 496. Carrageen 609. Caruni 508. Caryophylleae 528. Caryophylli 592. Caryopsis 395. Cassia 521. Castor 631. Castoreum 681. Catechu 622. Caulis 352. Cellulares 444. Cellulose 246. Centaurea 496. Centimeter 3. Centrifugalkraft 3. Centrifugalmaschine 3. Cephaelis 504. Gera 634. Cerata 648. Ceratonia 521. Cereoli 671. Cerussa 215. Cetaceum 632. Cetraria 449. Chalaza 404. Chelidonium 530. Chenopodeae 474. Chenopodium 474. Chinarinde 570. Chinin 300. Chino'idin 301. Chlor 144. Chloraethyl 267. Chloral 267. Chloralhydrat 268. Chlorammonium 183. Chlorbaryum 195. Chlorcalcium 191. Chlorhydrat 144. Chlorige Säure 146. Chlorkalk 190. Chlornatrium 175. Chloroform 268. Chlorophyll 431. Chlorsäure 146. Chlorstickstoff 184. Chlorwasser 144. Chlorwasserstoff 147. Chlorzink 212. Chondrus 448. Chrom 200. Chromalaun 200. Chromeisenstein 200. Chromoxyd 200. Chromsäure 200. Chrysarobin 296. Chrysophansäure 295. Cichoraceae 495. Cicuta 510. Cinchona 502. Cinchonaceae 502. Cinchonin 301. Cinchoninum sulfuricum 301. Cinnabaris 239. Cinuamoinum 476. Citrone 602. Citronenschale 602. Citronensäure 279. 698 — Citrullus 510. Citrus 540. Claviceps 450. Cnicus 496. Codein 299. Coccionella 634. Coccus 634. Cochenille 634. Cochlearia 530. Cocos 458. Codeinum 299. Coffea 504. Coffein 302. Cognak 254. Cohäsion 5. Colchicaceae 458. Colchicum 459. Colla piscium 633. Collodium 247. Collophonium 618. Complementärfarben 61. Compositae 494. Compressionspumpe 32. Conchae 635. Coniferae 464. Coniin 302. Conium 510. Constante Kette 77. Conus 400. Convolvulaceae 481. Convolvulus 481. Copaifera 521. Copaivabalsam 624. Coriandrum 510. Corolla 381. Coiiex Cascarillae 567. — Chinae 570. — Cinnamomi 568. — — Zeylanici 568. — Condurango 568. — Frangulae 569. — fructus Aurantii 602. Citri 602. - Juglandis 003. - Granati 568. — Mezerei 570. — Quercus 569. Corymbus 373. Cotyledo 404. Cremocarpium 397. Cremor Tartari 277. Crocus 460, 593. Croton 473. Cruciferae 528. Cubeba 470, 599. Cubus 12. Cucumis 510. Cucurbitaceae 510. Cuprum aceticum 220. — aluminatum 220. — oxydatum 219. — sulfuricum 219. — — ammoniatum 220. Cupula 398. Cupuliferae 466. Curcuma 462. 561. Cyan 284. Cyankalium 286. Cyansäure 284. Cyanwasserstoff a 286. Cydonia 516. Cyma 374. Cyperaceae 455. D. Dammara 446. Danimarharz 616. Dampfmaschine 33. Daphne 476. Datura 480. Daucus 510. Decimalwage 17. Deckblätter 360. Deklinationsnadel 83. Decocta 659. Dekandria 435. Delphinium 536. Destillation 45. — trokene 312. Dextrin 248. Diadelphia 435. Dialyse 2. Diamant 155. Diandria 435. Dichte 3, Dicotyledones 444, 464. Didynamia 435. Diffusion 7. Digestionen 660. Digitalis 490. Digynia 438. DiU 506. Dimorph 15. Dioecia 435. Dispersion des Lichtes 59. Dithionige Säure 131. Dodekandria 435. Dolde 373. Doldengewächse 505. Doldentraube 373. Donner 71. Dorema 510. Dorsch 674. Dost 486. Drachenblut 620. Drachme 4. Druckpumpe 29. Drüsenhaare 370. Drupa 398. Duramen 422. E. Ebenstrauss 373. Eberwurzel 546. Ebur ustum 155. Ecballion 512. Echo 51. Ehrenpreis 490. Eibe 465. Eibisch 538. — blätter 584. — wurzel 548. Eiche 468. Eicheln 608. Eichen 391. Eichenrinde 568. Eisen 201. Eisenalaun 197. Eisenchlorid 207. Eisenchlorür 207. Eisenhut 536. Eisenjodür 208. Eisenoxyd 205. Eisenoxydul 203. Eisensalmiak 207. Eisensäuerlinge 205. Eisenvitriol 204. Eisenzucker 206. Eiweiss 305, 402. Elaeosaccharum 666. Elaeopten 289. Elaphomyces 450. Elastizität 2. Electuarium 661. Elektrisiermaschine 721 Elektrizität 68. Elektrolyse 80. Elektromagnet 84. Elektrometer 73. 6UD Elektromotor 76. PJlektrophor 72. Elektroskop 73. Element, chemisches 77, 88. — galvanisches 76. Elemi 619. Elettaria 462. Elixir 642. Embryo 403. Emplastrum 648, 669. - Cerussae 274. — fuscum 274. — Lithargyri 274. Emulsionen 656. Endocarpium 394. Endogenae 444. Endosmose 4. Engelwurzel 545. Enneandria 435. Enzian 481. Enzianwurzel 549. Epiblema 424. Epicarpium 394. Epidermis 424. Epithelium 424. Equisetaceae 452. Erdbeere 514. Erdrauch 532. Ericaceae 492. Ervthraea 481. Essig 256. Essigäther 264. Essigsäure 256. Eucalyptus 517. Eugenia 517. Eukalyptusblätter 582. Euphorbia 473. Euphorbiaceae 472. Euphorbium 621. Exogenae 444. Extractum 642. — Camis 306. — Ferri pomatum 279. F. Faba Calabarica 606. Fallgesetze 23. Farben 58. Farnkräuter 451. Faulbaum 526. Faulbaumrinde 569. Federkrone 383. Feigen 599. Fei Tauri 309. Feldspat 196. Fenchel 506, 595. Fernrohr 65. Ferridcyankalium 287. Ferrocyankalium 286. Ferrocyanzink 286. Ferrum carbonicum 205. — chloratum 207. — citricum 280. — dialysatum 207. — jodatum 208. — lacticum 308. — oxydatum 205. — — saccharatum 206. — phosphoricum 206. — pulveratum 202. — pyrophosphoricum 206. — reductum 202. — sesquichloratum 207. — sulfuricum 204. Ferula 510. Fette 270. Feuerschwaram 610. Fibrin 305. Fichtenharz 618. Ficus 472. Fieberklee 585. Filices 451. Fingerhutblätter 583. Flechten 447. Fleischextrakt 306. Fliegen, spanische 633. Florentiner Flasche 640. Flores Arnicae 591. — Aurantii 591. — Benzoes 294. — Chamomillae Rom. 589. — — vulg. 588. — Cinae 589. — Koso 590. — Lavandulae 591. — Malvae arboreae 592. vulg. 592. — Millefolii 589. — Primulae 593. — Rhoeados 593. — Rosae 593. — Sambuci 590. — Sulfuris 126. — Tiliae 591. Flores Verbasci 592. — Zinci 210. Flos 372. — compositus 374. Flügelfrucht 398. Fluor 151. Fluorbor 162. Fluorescenz 60. Fluorkiesel 162. Fluorwasserstoff 154. Flusssäure 154. Focus 54, 63. Foeniculum 506. Folia Althaeae 584. — Aurantii 582. — Belladonnae 582. — Digitalis 583. — Eucalypti 582. — Farfarae 585. — Jaborandi 586. — Juglandis 586. — Lauro-Cerasi 584. — Malvae 584. — Melissae 581. — Menthae crispae 581, — — piperitae 581. — Millefolii 585. ■ — Nicotianae 582. — Rosmarini 582. — Rutae 585. — Salviae 581. — Sennae 586. — Stramonii 583. — Trifolii über 585. — Toxicodendri 585. — Uvae Ursi 584. Foliolum 356. Folium 369. — compositum 366. Formicae 634. Fowlersche Tropfen 685. Fragaria 514. Fraxinus 484. Freisamkraut 577. Frucht 394. Fruchtknoten 391. Fruchtschale 394. Fruchtzucker 249. Fructus 394. — Anisi stell. 598. — — vulg. 595. — Aurantii immaturi 600. — Cannabis 596. — 700 — Fructus Capsici 599. — Cardamomi 597. — Carvi 595. — Ceratoniae 596. — Citri 602. — Colocynthidis 599. — Coriandri 596. — Foeniculi 595. ■ — Juniperi 600. — Lauri 600. — Myrtilli 602. — Papaveris 596. — Petroselini 596. — Phellandrii 595. — Rhamni cath. 600. — Rubi Idaei 600. — Sabadillae 598. — Sanibuci 600. — Vanillae 597. Frutex 353. Fuligo 155. Fumaria 532. Fumigationes Chlori 146. Fungi 447. Fungus Chirurgoruni 610. — laricis 610. Fuselöl 254. G. Gadus 632. Gährung 252. Galbanum 616. Galeopsis 488. Galgant 560. Gallae 611. Galläpfel 611. Galle 309. Gallusgerbsäure 282. Gallussäure 293. Galmei 209. Galvanische Kette 76. Galvanismus 76. Galvanometer 84. Galvanoplastik 80. Garcinia 540. Gefässe 410. Gefässbündel 417. Gef ässkryptogamen 451 . Geigenharz 618. Gelatinae 661. Gemma 356. Gemmae Populi 579. Gentiana 481. Gentianeae 481. Gerbsäure 281. Germen 391. Geum 514. Gewicht 3. — spezifisches 19. Gewürznelken 592. Gewürznelkenbaum 517. Giftlattich 573. Giftsumach 585. Gigartina 448. Gips 190. Glandes Quercus 608. Glandulae Lupuli 612. Glas 161. Glaubersalz 176. Gleichgewicht 8. Glycerin 272. Glyceryl 271. Glycocholsäure 309. Glycose 249. Glycoside 250. Glycyrrhiza 520. Glycyrrhizin 250. Gnaphalium 498. Gold 243. Goldchlorid 243. Goldschwefel 227. Gonolobus 482. Gossypium 538. Gottesgnadenkraut 575. Gräser 454. Gramineae 454. Gramm 4. Gran 4. Granatrinde 568. Graphit 155. Gratiola 490. Grauspiessglanzerz 224. Griffel 391. Grossularieae 512. Grünspan 220. Grubengas 156. Guajacum 524. Guajakharz 620. Guajakholz 566. Guarana 624. Gummi 248. — arabicum 615. Gummigutt 618. Gummiharze 293. Gusseisen 201. Guttapercha 621. Gutti 618. Guttiferae 540. Gymnospermia 438. Gynandria 435. H. Haar öhrchen- Anziehung 7. Haematoxylon 521. Hagenia 514. Halbstrauch 353. Halm 352. Hammeltalg 632. Hammerschlag 203. Hanf, indischer 578. Hanfsamen 596. Harn 310. Harnsäure 311. Harnstoff 310. Harnzucker 249. Harze 292. Haselwurz 554. Hauhechel 518. Hauhechelwurzel 544. Hausenblase 633. Haustorium 352. Hebel 15. Heber 26, 28. Hedera 512. Hefe 252. Heidelbeere 494, 602. Helichrysum 498. Helleborus 536. Helminthochorton 448. Hernieder 14. Hepar Sulfuris 173. Heptandria 435. Herba 352. — Absinthii 572. — Cannabis indicae 578. — Cardui benedicti 573. — Centaurii 575. — Chelidonii 577. — Chenopodii ambro- - sioidis 578. — Cochleariae 576. — Conii 576. — Galeopsidis 574. — Gratiolae 575. — Hyoscyami 574. — Lactucae 573. — Linariae 576. — Lobeliae 575. — Majoranae 574. 701 Herba Meliloti 577. — Polygalae 578. — Pulsatillae 577. — Serpylli 573. — Spilanthis 573. — Thymi 574. — Violae tricoloris 577. Herbstzeitlose 459. Hexaeder 12. J Hexandria 435. Himbeere 514, 601. Hippursäure 294. Hirschbrunst 450. Hirschhorngeist 318. Hirschhornöl 318. Hirschhornsalz 184, 318. Hirudines 635. H Öhrrohr 52. Höllenstein 241. Hohlspiegel 54. Hohlzahn 574. Hollunder 504. — beeren 601. — blurnen 590. Holzessig 314. Holzgeist 314. Holzkohle 155. Holzstamm 352. Holzteer 315. Honig 634. Honigklee 518. Hopfen 472. Hopfenmehl 612. Hüllkelch 374. Hülse 396. Huflattich 585. Humulus 472. Hundskamille 498. Hundspetersilie 506. Hutpilze 450. Hydrargyrum 233. — bichloratum 236. — bijodatum 238. — chloratum 237. ■ — cyanatum 287. — jodatum 238. — nitricum 235. — oxydatum 236. — praecip. alb. 238. — sulfuratum 239. Hydrothionammonniak 185. Hydrostatische Wage 21. Hydroxyde 102. Hymenomycetes 450. Hymenoptera 634. Hyoscyamus 478. Hypericum 540. Byphonrycetes 450. I. Jaborandiblätter 586. Jahresringe 422. Jalape 564. Jateorrhiza 536. Ignatiusbohnen 482. Ikosandria 435. Illicium 536.. Imperatoria 510. Indicum 624. Indigo 624. Indigofera 521. Induktionsapparat 86. Infusa 658. Ingwer 561. Inhalationsapparat 29. Inklinationsnadel 83. Inula 500. Inulin 247. Involucrum 360. Jod 151. Jodblei 214. Jodkalium 173. Jodoform 269. Jodschwefel 153. Jodstärke 151. Jodstickstoff 184. Jodtinktur 151. Jodum 151. Jodwasserstoff 153. Johannisbrot 596. Johanniskraut 540. Ipomöa 481. Irideae 460. Iris 460. Isolator 69. Isomerie 107. Isomorph 15. Juglans 468. Juniperus 465. K. Kabeljau 632. Kadmium 213. Käfer 633. Kältemischungen 39. Käsestoff 306. Kätzchen 373. Kaffeebaum 504. Kaffem 302. Kakao 623. Kalabarbohne 606. Kali 169. — causticum fusmn 171. Kalihydrat 171. Kalilauge 171, 174. Kalisalze 171. Kalium 168. — aceticum 172. — bicarbonicum 170. — bichromicum 200. — bromatum 173. — carbonicum 170. — chloricum 171. — ferricyanatum 287. — ferro cyanatum 286. — hyperoxydatum 169. — jodatum 173. — nitricum 171. — rhodanatum 288. — permanganicum 199. — sulfocyanatum 288. — sulfuratum 173. — sulfuricum 171. — tartaricum 278. Kalk 187. Kalkhydrat 188. Kalksalze 189. Kalkspat 189. Kalkstein 189. Kalkwasser 188. Kalmus 456. Kalmuswurzel 559. Kalorie 36. Kalorimeter 39. Kamala 612. Kamille 498, 588. Kampfer 626. Kampferbaum 476. Kandis 249. Kapillarität 7. Kapsel 396. Kardobenediktenkraut 573. Kardamom 597. Karpellblätter 390. Kartoffel 478. Kasein 306. Kaskarillrinde 567. Katechu 622. 702 Kathode 80. Kautschukbaum 473. Keil 24. Keim 403. Keimblätter 403. Keimpflänzchen 403. Kelch 381. Kelp 151. Kernobst 516. Kesselstein 120. Kiefer 465. Kiefersprossen 579. Kienruss 155. Kiesel 160. Kieselfluorwasserstoff- säure 163. Kieselsäure 160. Kilogramm 4. Kino 623. Kirschlorbeerblätter 584. Klammerwurzel 352. Klatschrose 530, 593. Kleber 431. Klee 520. Kleesalz 280. Kleesäure 280. Klette 496. Klettenwurzel 547. Klinorhombische Säule 13. Knallgas 122. Knochenasche 190. Knochenkohle 155. Knolle 358. Knospe 356. Kochsalz 175. Königswasser 149. Köpfchen 373. Kohäsion 5. Kohl 529. Kohle 154. Kohlenhydrate 246. Kohlenoxyd 156. Kohlensäure 157. Kohlensulfid 157. Kohlenwasserstoff 156. Koloquinte 599. Kokosöl 628. Komplementärfarben 61. Kompressionspumpe 32. Konstante Kette 77. Kopaivabalsam 624. Korbblütler 494. Koriander 596. Kork 424. Krameria 584. Krauseminze 581. Kreatin 306. Kreatinin 306. Kreide 189. Kreosot 316. Kreuzblütler 528. Kreuzdorn 526. Kreuzdornbeeren 600. Krotonöl 627. Kryptogamen 447. Kryptogarnia 435. Krystalle 10. Krystallisation 10. Kry s tallsy steme 1 1 . Krystallwasser 11. Kubeben 599. Kubus 12. Küchenschelle 535, 577. Kümmel 595. Kupfer 217. Kupferalaun 220. Kupferkies 217. Kupferoxyd 219. Knpferoxydul 218. Kupfervitriol 219. Kusso 590. L. Labiatae 485. Lackmus 624. Lackmuspapier 323. Lactuca 496. Lactucarium 621. Lärche 466. Lärchenschwamm 610. Lagerpflanzen 447. Lakriz 623. |§t Laminaria 448, 609. Lappa 496. Lapis divinus 220. — infernalis 241. Larix 466. Larvenblütler 488. Latente Wärme 38. Latex 423. Latwerge 661. Laurineae 474. Laurus 476. Lavandula 488. Lavendel 488, 591. Lebensbaum 579. Leberthran 632. Lederkork 425. Legumen 396. Leidener Flasche 73. Leinkraut 576. Leinsamen 605. Levisticum 508. Leuchtgas 317. Liehen islandicus 609. Lichenes 447. Licht 52. — elektrisches 79. Liebstöckel 508. — wurzel 545. Lignum campechianum 567. — Fernambuci 567. — Guajaci 566. — Quassiae 566. — Sassafras 566. Ligula 360. Liliaceae 459. Linaria 490. Linde 540. Lindenblüten 591. Lineae 523. Linimentum 646, 667. Linsen, optische 62. Linum 524. Lippenblütler 485. Liquidambar 470. Liquor Aluminii acetici 198. — Ammonii acetici 185. — carbonici 184. — caustici 182. — succinici 294. — sulfurati 185. — Ferri acetici 206. — — ■ oxychlorati 207. - — sesquichlorati207. — — sulfuricioxyd. 204. — hollandicus 269. — Kalii acetici 172. — — arsenicosi 23ü. -~ — carbonici 170. — Kali caustici 171, 174. — Natri caustici 178. — Plumbi subacetici 216. Liquor Stibii chlorati 225. Liter 3. 703 — Lithargyrum 214. Lithium 187. — carbonicum 187. Lobelia 502. Lobeliaceae 502. Löffelkraut 530, 576. Löwenzahn 496. — wurzel 547. Lorbeer 476.* Lorbeeren 600. Lorbeeröl 271. Luft, atmosphärische 116. Luftdruck 26. Luftpumpe 30. Lungenkraut 481. Lupe 64. Lupuli n 612. Lycopodiaceae 452. Lycopodiurn 452, 611. Lytta 633. M. Macerationen 660. Macis 608. Magisterium Bismuthi 222. gnesia 192. usta 192. Magnesit 194. Magnesium 192. — carbonicum 194. — citricum 280. — sulfuricum 193. Magnet 83. Magnetismus 82. Magnetnadel 83. Magnoliaceae 536. Mallotus 473. Malva 538. Malvaceae 536. Malvenblätter 584. Malvenblüten 592. Mandelbaum 516. Mandeln 606. Mangan 199. Mangansuperoxyd 199. Manganum sulfuricum 199. — superoxydatum 199. Manna 614" Manna-Esche 434. Mannit 250. Manometer 34. Maranta 462. Marantaceae 462. Margarinsäure 271, 274. Mariotte's Gesetz 6. Mark 418. Markscheide 422. Markstrahlen 422. Marrubium 488. Marsh'scher Apparat 232. Mastix 619. Matricaria 498. Medicinalgewicht 4. Meerrettig 530. Meerwasser 121. Meerzwiebel 565. Meiran 574. Meisterwurz 510. Meisterwurzel 557. Mel 634. Melaleuca 517. Melasse 249. Melilotus 518. Melis 248. Melissa 486. Melissenblätter 581. Menispermeae 536. Mennige 215. Mentha 486. Menyanthes 482. Metalle 163. Metamerie 107. Metaphosphorsäure 142. Meter 3. Methylalkohol 255, 314. Mikroskop 62. Milch 306. Milchsäure 307. Milchsaft 423. Milchzucker 249. Mimosaceae 522. Mineralwasser 121. Mineralwasserapparate 158. Minium 215. Mistel 476. Mixtura sulfurica acida 264. Mixturen 651. Mohn 530. Mohnköpfe 596. Mohnsamen 604. Mohrs Wage 21. Moleküle 2, 92. Molekulargewicht 93. Molekulartheorie 94. Molken 307. Monadelphia 435. Monandria 435. Monocotyledones 444. 454. Monoecia 435. Monogynia 438. Monopetalae 444. Moos, irländisches 609. - isländisches 609. Morphin 299. Moschus 631. Mucilago 660. Muskatblüte 608. Muskatnuss 607. Muskatnussbaum 476. Muskatnussöl 645. Mutterkorn 610. Myristica 476. Myristiceae 476. Myronsaures Kali 291. Myroxvlon 520. Myrrha 617. Myrtaceae 517. N. Nachhall 51. Nachtschatten 478. Nadelhölzer 464. Naphtalin 318. Narbe 391. Narcotin 300. Natrium 175. — aceticum 180. — benzoicum 294. — bicarbonicum 178. — bromatum 176. — carbonicum 177. — chloratum 175. — jodatum 176. — nitricum 179. — phosphoricum 179. — pyrophosphoricum 179. — salicylicum 295. — sulfuricum 176. Natron 175. Natronhydrat 175. Natronlauge 175. Nebenblatt 359. 704 - Nebenblume 383. Nebenstaubgefässe 383. Nektar 382. Nelkenwurz 514. Nicotiana 478. Nicotin 302. Niesswurz 536. Niesswurzel 554, 560, Nitrocellulose 251. Nitroglycerin 276. Nitruni 171. Nuces vomicae 642. Nuss 398. Nux 398. — moschata 607. — vomica 605. 0. Oberhaut 423, 424. Objektivlinse 65. Oktaeder 11. Oktandria 435. Okularlinse 65. Ölbaum 482. Öle, ätherische 288. — fette 270. Olgas 157. Ölsäure 274. Önänthe 506. Olea 482. — aetherea 288. Oleaceae 482. Olein 271. Oleum animale 318. — Cajeputti 626. — ■ Cocois 628. — Crotonis 627. — Jecoris Aselli 632. — Olivarum 627. — phosphoratum 140. — Ricini 627. — Ilosae 627. — Rusci 317. Olibanum 617. Olivenöl 627. Ononis 518. Operment 231. Opium 620. Orangen 538. Orchideae 460. Orchis 460. Origanum 486. Os Sepiae 635. Ostrea 635. Ovarium 391. Oxalium 280. Oxalsäure 280. Oxydation 116. Oxyde 100. Oxygenium 118. Ozon 140. P. Paeonia 536. Palmae 456. Palmitinsäure 271, 274. Panicula 373. Papaver 530. Papaveraceae 530. Papilionaceae 517. Papinscher Topf 38. Pappel 468. Pappelknospen 579. Pappus 383. Paracorolla 383. Paraffin 316, 317. Parakresse 573. Parastemones 383. Parenchyma 408. Pasta Cacao 623. — Guarana 624. Pastillen 664. Pedunculus 372. Pendel 25. Pentagondodekaeder 12. Pentagynia 438. Pentandria 435. Pepo 398. Pepsin 309. Pericarpium 394. Periderma 425. Perigonium 381. Perubalsam 625. Petala 382. Petersilie 566. Petersiliensamen 596. Petiolus 360. Petroleum 315. Petroleumäther 315. Petroselinum 506, Pfaffenröhrchen 496. Pfannen stein 120. Pfeffer 470. Pfeffer, spanischer 599. Pfefferminze 581. Pfingstrose 536. Pflaster 648. Phanerogamen 454. Phenol 316. Phenolphthalein 342. Phosphor 139. Phosphorige Säure 141. Phosphorsäure 141. Phosphorsalz 185. Phosphorwaserstoff 141. Photographie 242. Physeter 632. Physostigma 521. Physostigmin 303» Picraena 524. Pillen 661. Pilocarpin 303. Pilocarpus 524. Pilze 447. Pimpinella 508. Pinus 465. Piper 470. Pipetten 348. Pirus 516. Pistacia 524. Pistillum 390. Pix liquida 315. — navalis 317. Plantago 485. Platin 245. Platinchlorid 245. Platinmohr 245. Platinschwamm 245. Platinum bichloratum 245. Plumbum aceticum 216,. — jodatum 214. Plumula 403. Podophyllus 526. Polarisation 54. Polarisationsapparat 56, Pollen 387. Polyadelphia 435. Polyandria 435. Polygala 534. Polygamia 435, 438. Polygoneae 473. Polygonum 473. Polygynia 438. Polypetalae 444. Polypodium 452. Polyporus 451. Polystichum 452. Poma acida 601. Pomaceae 516. 705 Pomeranze 540. Pomeranzen, unreife 601. Pomeranzenblätter 582. Pomeranzenblüten 591. Pomeranzenschale 602. Pomuni 399. Populus 468. Porosität 1. Porzellan 196. Pottasche 169. Potentilla 514. Potwal 632. Primula 482. Primulaceae 482. Prisma 11. Prosen chyma 410. Prote'instoffe 305. Protoplasma 408. Prunus 516. Psych otria 504. Pterocarpus 520. Pulmonaria 481. Pulpa 399. - Tamarindorum 603. Pulver es 665. Punica 517. Pupille 66. Putamen 398. .Pyknometer 20. Pyrogallussäure 283. Pyrometer 44. Pyrophosphorsäure 142. <}• Quarz 161. Quassia, 524, 566. Quecke 558. Quecksilber 233. Quecksilberchlorid 236. Quecksilberchlorür 237. Quecksilberjodid 238. Quecksilberjodür 238. Quecksilberoxyd 236. Quecksilberoxydul 236. Quecksilberpräcipitat 238. Quecksilbersublimat 236. Quecksilbersulfid 239. Quellwasser 120. Quendel 573. Quercus 468. Quitte 516. Quittensamen 607. R. Racemus 373. Radicula 403. Radix 349. — Alkannae 547. — Althaeae 548. — Angelicae 545. — Arnicae 553. — Artemisiae 556. — Asari 554. — Bardanae 547. — Belladonnae 549. — Calinae 546. ■ — Colombo 550. — Gentianae 549. — Helenii 550. — Hellebori viridis 554. — Ipecacuanhae 547. — Levistici 545. — Liquiritiae 543. — Ononidis 544. — Pimpinellae 545. — Pyrethri 546. — Ratankia.e 544. ' - Rhei 551." — Saponariae 547. — Sarsaparillae 555. — - Scammoniae 549. — Senegae 546. — Serpentariae 553. — Taraxaci 547. — Turpethi 549. — Valerianae 552. Ranunculaceae 534. Raphanus 530. Raps 529. Rautenblätter 585. Realgar 231. Receptaculum floris 378. Reflexion des Lichtes 54. Regenbogen 59. Regenwasser 120. Reibung 2, 36. Repulsivkraft 5. Resina Dainmar 618. — Draconis 620. — Guajaci 620. — Pini 618. Resonanzboden 50. Schlickum , Apothekerlehrling. Rettig 530. Rhabarber 551. Rhamneae 526. Rhamnus 526. Rheum 474. Rhizoma 351. — Calami 559. — Caricis 558. — Chinae 562. — Curcumae 561. — Filicis 562. — Galangae 560. — Graminis 558. — Iniperatoriae 557. — Iridis 559. — Tormentillae 558. — Veratri 560. — Zedoariae 561. — Zingiberis 561. Rhodankalium 288. Rhombendodekaeder 12. Rhombische Säule 13. Rhomboecler 14. Rhus 526. Ribes 512. Ricinus 473. Ricinusöl 627. Riedgräser 455. Riementang 609. Rispe. 373. Rittersporn 536. Rohrzucker 248. Rosa 514. Rosaceae 512. Rosen 593. Rosenöl 627. Rosmarinblätter 582. Rosmarinus 488. Rottlera 473. Rubiaceae 502. Rubidium 187. Rubus 514. Rum 254. Ruta 524. Rutaceae 524. S. Sabadilla 459. Sabadillsamen 598. Saccharum 248. Saccharum lactis 249. Sadebaum 578. 45 706 Safran 598. Sal Ammoniaci 183. — Cornu cervi 184. — duplicatum 171. — Glauberi 176. — Tartari 170. — volatile 184. Salbei 581. Salben 647, 668. Salep 568. Salicin 250. Salicineae 468. Salicylsäure 295. Salix 468. Salmiak 183. Salmiakgeist 182. Salpeter 171. Salpetersäure 136. Sal via 488. Salzäther 267. Salzsäure 147, 148. Samara 398. Sambucus 504. Samen 402. Samenkern 402. Samenlappen 404. Samenschale 402. Samenträger 391. Sandaraca 619. Sanguis Draconis 620. Sanguisuga 635. Santonin 296. Sapo medicatus 273. Saponaria 523. Sarmentum 351. Sassafras 476, 566. Sattelwage 18. Saturationen 655. Säuerlinge 121. Sauerkirschen 600. Sauerstoff 118. Saugheber 28. Saugpumpe 28. Saugwurzel 352. Scapus 372. Schachtelhalm 452. Schafgarbe 500, 585, 589. Schaft 372. Schalfrucht 395. Schall 48. Scheeles Grün 230. Scherbenkobalt 229. Schierling 576. Schiessbaumwolle 247. Schiesspulver 171, Schirmtraube 373. Schizocarpium 397. Schlämmen 638. Schlangenwurzel 553. Schliessfrüchte 395. Schlippesches Salz 228. Schlüsselblumen 593. Schmalz 632. Schmarotzerpflanzen 352. Schmetterlingsblütler 517. Schnellwage 18. Schöllkraut 530, 577. Schössling 351. Schote 398. Schraube 25. Schwammkohle 156. Schwammkork 425. Schwämme 449. Schwärmfäden 452. Schwefel 125. Schwefelalkohol 157. Schwefelammonium 185. Schwefelarsen 231. Schwefelcyankalium288. Schwefeleisen 130. S chw ef elkalin m 173. Schwefelkies 126, 201. Schwefelkohlenstoff 157. Schwefelleber 126. Schwefelmilch 126. Schwefelsäure 131. Schwefelwässer 121. Schwefelwasserstoff 128. Schwefelwasserstoff- wasser 128, 130. Schweflige Säure 131. Schweineschmalz 682. Schweinfurter Grün 230. Schwerkraft 8. Schwerpunkt 8. Schwerspat 195. Schwertlilie 460. Scilla 459. Scitamineae 462. Scrophularineae 488. Sebum 684. Seeale cornutum 610. Sehweite 67. Sehwinkel 67. Seidelbast 570. Seife 278. Seifenkraut 523. Seifenwurzel 547. Semen 402. — Cardui Mariae 510. — Colchici 604. — Cj^doniae 607. — Faeni graeci 606. — Hyoscyami 605. — Lini 605. — Myristicae 607. — Papaveris 604. — Quercus 608. — Sinapis 607. — Stramonii 605. — Strychni 605. Senf 529, 607. Senföl 290. Senfteig 668. Sennesblätter 586. Sepia 685. Serum lactis 307. Sicherheitsventil 33. Siebe 638. Silber 240. Silberoxyd 241. Sileneae 523. Silicium 160. Silicula 397. Siliculosa 438. Silikate 160. Siliquosa 438. Silyburn 496. Simarubeae 524. Sinapismus 668. Skrupel 4. Smilax 459. Smirgel 196. Soda 177. Solaneae 477. Solanum 478. Solidago 500. Solutio arsenicalis 230. Spadix 373. Spaltfrüchte 397. Spaltöffnungen 424. Spanische Fliege 633. Sparatrap 670. Spatha 860. Spektralanalyse 60. Spektralapparat 61. ■ Spektrum 59. Spermophorum 391. Spezies 665. Spezifisches Gewicht 19. TUT Spezifische Wärine 39. Sphaerococcus 448. Spica 373. Spicula 373. Spiegel 53. Spiessglanz 224. Spiessglanzbutter 225. Spilantlies 498. Spiralfaserzellen 411. Spiralgefässe 413. Spiritus 252. - Ätheris chlorati 267. — — nitrosi 265. Splint 422. Spodium 155. Sporangien 452. Sporen 449. Spritznasche 29. Sprosse 356. Stabeisen 202. Stärkemehl 247. Stahl 202. Stahlwässer 205. Stamina 386. Stamm 352. Stannum chloratum 224. Statisches Moment 16. Staubbeutel 387. Staubgefässe 386. Staubpilze 478. Stauden 353. Stearin 272. Stearinsäure 271, 274. Stearopten 289. Stechapfel 480. Stechapfelblätter 583. Stech apfelsamen 605. Stechheber 26. Steinfrucht 398. Steinklee 577. Steinöl 315. Steinobst 514. Steinsalz 175. Stellatae 502. Stempel 390. Sternanis 598. Stibiuni sulfuratum au- rantiacum 227. — — nigrum 227. rubeum 227. Stickstoff 135. Stickstoffoxyd 138. Stickstoflbxyclul 138. Stisnna 391. Stinkasant 616. Stipites Dulcamarae565. Stipula 359. Stockrose 538, 592. Stöchiometrie 93. Stör 633. Stolones 351. Stomata 424. Storax 625. Strauch 353. Strobilus 373, 400. Strontian 195. Strontianit 195. Strontium 194. Strychnaceae 482. Strychnm 301. Strychnos 482. Stuhlzäpfchen 671. Stylus 391. Styraceae 485. Styrax 485. Styrax liquidus 625. Suber 425. Sublimation 45. Succinum 619. Succus Liquiritiae 623. Süssholz 543. Suffrutex 353. Sulfur auratum 227. — depuratum 126. — jodatum 153. — praecipitatum 128. — sublimatum 126. Summitates Sabinae578. — Thujae 579. Sumpfluft 156. Suppositoria 671. Syconium 400. Symphytum 503. Syngenesia 435. Syrupi 645. Syrupus Ferrijodati208. T. Tabak 480. Tabaksblätter 582. Talg 634. Talk 192. Tamarindenmus 603. Tamarindus 521. Tanacetum 496. Tange 447. Tannin 282. Taraxacum 496. Tartarus boraxatus 279. — depuratus 277. — natronatus 278. - stibiatus 226. Taurocholsäure 309. Tausendgül denkraut 575. Taxus 465. Teer 313. Teilbarkeit 1. Telegraphie, elektrische 84. Telephon 85. Terebinthaceae 524. Terebinthina 626. Terpentin 626. Tetradynamia 435. Tetraeder 14. Tetrandria 435. Tetrathionsäure 131. Teufelsdreck 616. Thalamus 378. Thallophyta 444, 447. Thallus 349. Theemischungen 665. Theobrama 540. Thermometer 42. Thon 196. Thonerde 195. Thonerdehydrat 198. Thuja 465. Thymelaeae 476. Thymian 574. Thymol 289. Thymus 486. Thyrsus 374. Tierkohle 155. Tilia 540. Tincturae 641. Tinctura Fem chlor. aether. 267. — Jodi 151. Tollkirsche 480. Tollkirschenblätter 582. Tollkirschenwurzel 549. Tolubalsam 625. Toluifera 520. Tormentille 514. Tormentillwurzel 558; Tragacantha 615. Traganth 615. Traube 373. Traubenzucker 249. 708 — Triandria 435. Trieblager 349. Trigonella 520. Trigynia 438. Triticuin 435. Trochisci 664. Trugdolde 374. Truncus 352. Tuber 358. Tabera Aconiti 465. — Jalapae 564. — Salep 563. Turio 356. Turiones Pini 579. Tussilago 500. Typentheorie 109. U. Übermangansaure 199. Ulmus 472. Umbella 373. Umbelliferae 505. Uncaria 504. Undurchdringlichkeit 1. Unguenta 647, 668. Unter chlorige Säure 146. Unterchlorsäure 146. Untersalpetersäure 138. Unterschweflige Säure 131. Unze 4. Urticaeeae 470. V. Vacciniurn 494. Vagina 360. Valeriana 504. Valerianeae 504. Vanilla 462, 597. Vasa 412. Vasculares 444. Veilchen 532. Veilchenwurzel 559. Veratrin 302. Veratrum 459. Verbascum 492. Verbena 492. Verdunstung 38. Veronica 490. Verstärkungsflasche 73. Verwesung 117. Verwittern 11. Viola 532. Vitis 526. Vitriol, blauer 219. — grüner 204. — weisser 211. Vitriolöl 132. Voltasche Säule 78. W. Wacholder 465. Wacholderbeeren 601. Wachs 634. Wärme 36. Wärmekapazität 39. Wärme, latente 38. Wärmeleitung 40. Wärmestrahlung 40. Wage 17. Walnussblätter 586. Walrat 632. Wasser 120. — destilliertes 121, 639. Wasserfenchel 595. Wasserstoff 128. Weihrauch 617. Wein 253. Weingeist 251. Weinsäure 276. Weinstein 277. Weinstock 520. Weizenstärke 613. Wermut 572. Wickel 874. Wiederhall 51. Wismut 221. Wismutoxyd 222. Wohlverleihblumen 591. Wolfsmilch 473. Wollblume 492, 592. Würfel 12. WundschwaEim 610. Wurmfarn 562. Wurmsamen 589. Wurzel 349. Wurzelblätter 359. Wurzelhaube 350. Wurzelstock 351. Z. Zapfen 373, 400. Zeitlose 459. Zeitlosensamen 604. Zelle 408. Zellkern 408. Zimt 568. Zimtsäure 295. Zincum aceticum 212. — chloratum 212. — ferro cyanatum 287. — lacticum 308. — oxydatum 210. — sulfocarbolicum 316 — sulfuricum 211. — valerianicum 261. Zingiber 462. Zink 209. Zinkblende 209. Zinkoxyd 210. Zinkvitriol 211. Zinkweis s 210. Zinn 223. Zinnchlorür 224. Zinnober 239. Zinnoxyd 223. Zinnoxydul 223. Zitwerwurzel 561. Zitwersamen (bluten) 589. Zucker 248. Zuckerrohr 455. Zündmachine 124. Zwiebel 357. Zwiebelknolle 358. Zvgophylleae 524. Dr. Hermann Hagers Werke. Manuale pharmaceuticum. Vol. I. Proinptuarium , quo et praecepta notata digna pharmacopoearum variarum et ea, quae ad paranda medicamenta in pharma- copoeas usitatas non recepta sunt etc. Editio quinta. gr. 8. 1878. M. 15. — Manuale pharmaceuticum. Vol. II. Adjumenta varia chemica et pharmaceutica atque snbsidia ad parandas aquas minerales. Editio tertia. gr. 8. 1876. 15. — Manuale pharmaceuticum. Suppl. Pharmacopoeae recentiores, Die haupt- sächlichsten Pharmacopoeen des In- und Auslandes. Xeue Aufl. in Vorbereitung. Anleitung zur Fabrikation künstlicher Mineralwässer und der Brausegetränke, wie der mnssirenden Limonaden und Weine, nebst Beschreibung der dazu er- forderlichen Apparate und Maschinen, gr. 8. Mit zahlreichen Holzschnitten. Zweite umgearbeitete, stark vermehrte Auflage. 1876. 4.50. Pharmacopoea homoeopathica nova universalis. Medicamenta homoeopathica et isopathica omnia ad id tempus a medicis aut examinata aut usu recepta. 3. — Oskar Schlicknms Werke. Atlas , pharmaceutischer. Bildliche Darstellung der pharmaceutisch wichtigen Gegenstände: Apparate, Instrumente, Droguen, arzneiliche Gewächse und Thiere in Holzschnitten. Lex.-8. 1876. 9.— Der chemische Analytiker. Die qualitative chemische Analyse in Fragen und Antworten. Nebst abgekürzten Methoden zu pathologisch- und gerichtlich- chemischen Untersuchungen, sowie zur Prüfung der Chemikalien, natürlichen "Wasser und der Ackererde. 2. Aufl. 1875. 3. — Der junge Chemiker. Gründliche Einführung in das Studium der Chemie durch Experimente. Mit einer kurzen Darlegung der neuesten chemischen Theorie und einem physikalisch-chemischen Wörterbuch. 2. Aufl. 1875. 3. — ■ Exkursionsflora für Deutschland. Kurze Charakteristik der im Deutschen Reiche wildwachs, u. häufiger kultivirten Gefässpflanzen ; nebst e. Anh. : Bestimmung d. Gattungen nach leicht erkennb. Merkmalen, für Pharmaceuten, Mediciner u.Freunde d. Botanik. Reich ill. 1881. InTaschenf. 5. — , In handl. Lwdbd. 6. — Special-Wörterbuch, lateinisch -deutsches, der pharmaceut. Wissenschaften nebst Erklär, d. griech. Ausdrücke, sowie e. Autoren-Register d. Botanik. Z. Gebr. bei sämtl. Pharmacopoeen, dem Hagerschen Manuale pharm, u. a. pharm, u. botanischen Schriften u. Floren. 1879. 10. — . In eleg. Halbfrz. geb. 12. — Taschenbuch der Receptur und Defektur. Mit zahlr. Holzschnitten. 1874. 3. — Taschenwörterbuch der botanischen Kunstausdrücke nebst kurzer Charakteristik der einheimischen und pharmaceutisch wichtigen ausländischen Pflanzen- gattungen. Mit zwei systemat. Tabellen. 2. Ausgabe. 1875. 3. — Ambühl, Dr. G. , Lebensmittelpolizei. Anleitung zur Prüfung und Beurthei- lung von Nahrungs- und Genussmitteln. 1883. 3. — . Cieszynski, T., Der polnische Apotheker. Polnisch-latein. Wörterbuch, enthaltend die in polnischen Gegenden gebräuchl. Namen der Arzneikörper. 1880. 3. RÖSSig, G., Convolvulaceae in medicinisch-pharmaceutischer Beziehung. 1876. 1.50 Sendner, Dr. med. H, Die Normaldosen d. Arzneimittel nach Unzen- u. Grammengewicht. Nebst Bemerk, üb. Bereit., Zusammensetz. u. Bestandtheile d. Arzneimittel. 1.50, Stromeyer, W., Handverkaufs-Taxe für Apotheker, gr. 8. 3. — (Für alle Zeiten, Länder und Verhältnisse passend.) Darwinistische Schriften. Nr. 1. Haeckel, Ernst, Das Protistenreich. Eine populäre Übersicht über das Formengebiet der niedersten Lebewesen. Mit einem wissenschaftlichen An- hange: „System der Protisten". Mit zahlr. Holzschn. 1878. M 2.50 Nr. 2. Jaeger, Prof. Dr. G., Seuchenfestigkeit und Konstitutionskraft und ihre Beziehung zum spezifischen Gewicht des Lebenden. 1878. M 3.— Nr. 3. Kühne, Dr. H.,Die Bedeutung des Anpassungsgesetzes für die Heil- kunde. 1878. M 2.— Nr. 4. du Perl, Dr. Carl, Psychologie der Lyrik. Beiträge zur Analyse der dichterischen Phantasie. 1880. M 3.— Nr. 5. Würtenberger, L., Studien über die Stammesgeschichte derAmmo- niten. Mit 4 Stammtafeln. 1880. M 8.— Nr. 6. Darwin, Ch., und Krause, E., Dr. Er asmus Darwin und seine Stellung in der Geschichte der Descendenz-Theorie. Mit Portrait. 1880. M 3.— Nr. 7. Allen, Grant, Der Farbensinn, sein Ursprung und seine Entwicklung. Ein Beitrag z. vergleich. Psychologie. Mit e. Einl. v. Dr. E. Krause. 1880. M 5.— Nr. 8. du Prel, Dr. Carl, Die Planetenbewohner und die Nebularhypothese. Neue Studien zur Entwicklungsgeschichte des Weltalls. 1880. M 3.— Nr. 9. Beichenau, W. von, Die Nester und Eier der Vögel in ihren natürlichen Beziehungen betrachtet. 1880. M 2. — Nr. 10. Schultze, Prof. Dr. Fritz, Die Sprache des Kindes. Eine Anregung zur, Erforschung des Gegenstandes. 1880. " M 1. — Nr. 11. Schultze, Prof. Dr. Fritz, Die Grundgedanken des Materialismus und die Kritik derselben. 1881. M 2 — Nr. 12. Büchner, Prof. Dr. Ludw., Die Macht der Vererbung und ihr Einfluss auf den geistigen Fortschritt der Menschheit. 1882. M 2.— Nr. 13. Elfeid, C. J., Die Religion u. der Darwinismus. Eine Studie. 1883. M 2.— Nr. 14. Philipp, S.,Ursprungu. Lebenserscheinungen der tierischen Organismen. Lösung des Problems über das ursprüngl. Entstehen organ. Lebens. 1883. M 3. — Nr. 15. Schultze, Prof. Dr. Fritz, Die Grundgedanken des Spiritismus und die Kritik derselben. 1883. M 5.— D m. i „ t> + ••+ "1 vorzügl. Photographie in Visite M 1.— arwin, Charles, Portrat I B ° * in Cabin M 2 _ (letzte Aufnahme) f " in Gross.Foiio M 6._ du Prel, Dr. Carl, Entwicklungsgeschichte des Weltalls. Versuch einer Philosophie der Astronomie. Dritte verm. Auflage der Schrift „Der Kampf ums Dasein am Himmel". 1882. M 6. — Schultze, Prof. Dr. Fritz, Philosophie der Naturwissenschaft. Eine philosophische Einleitung in das Studium der Natur und ihrer Wissenschaften. 2 Bände. 1882. M 18.— DRUCK VON EMIL HERRMANN SEN., LEIPZIG. ■•"'•■;; / v "" ~*#4 jta* .- ^m i ^ ' i*%£ V ^. ^■,v1n- -c -*