7 enn 5 4 60 „ 6 * RR AR 9 kin 9 PP eee, * An die Zuͤrcheriſche Jugend, auf das Jahr 1823. Von der Naturforſchenden Geſellſchaft. XXV. Stuͤck. Da es der Zweck unſerer Geſellſchaft iſt, naturhiſtoriſche Kenntniſſe beſonders über vaterländiſche Gegenſtaͤnde zu verbreiten, fo fahren wir fort die Naturgeſchichte nüßs licher oder ſchaͤdlicher Thiere zu liefern. Die Reihe der Raubthiere, welche die Ruhe unſerer Alpen flören und den nützlichen Hausthieren gefaͤhrlich find, eröffnete der“ Luchs, dieſes Jahr beſchaͤftige uns ein anderer noch ſchlimmerer Gaſt, der noch immer ein Heimathrecht auf unſern Gebirgen hat und durch ſeine Größe und Staͤrke ſelbſt dem Menſchen gefaͤhrlich werden kann, es iſt der im Allgemeinen ſo ziemlich bekannte Baͤr. Nicht nur prangt dieſes Thier im Wappen des groͤßern Cantons der Eidsge— noſſenſchaft, ſondern es wird auch ſeit uralten Zeiten in dem dortigen Stadtgraben ein Paar oder mehrere unterhalten, und dieſe gewähren durch ihre Sprünge und Gauke— leyen dem Schauluſtigen manche Freude und vermehren ſich in der Gefangenſchaft. Der Baͤr gehoͤrt zwar allerdings unter die Raubthiere, und wie ſchon geſagt, unter die gefährlichen, aber dennoch iſt er unter allen eigentlichen Raubthieren das; jenige, welches am wenigſten an thieriſche Nahrung gebunden iſt, und im Nothfall ſelbſt mit Gras und grünem Getreide vorlieb nimmt. Wenn ein Thier dieſe oder jene Nahrung genießen ſoll, fo müſſen die Theile ſeines Mundes dazu eingerichtet ſeyn, dieſe Nahrung zu kauen und zur Verdauung vorzubereiten. Die Zaͤhne eines von Gras lebenden Thieres ſind anderſt als die Zaͤhne eines von Fleiſch lebenden. Der Naturforſcher kann daher ſchon am Bau der einzelnen Zaͤhne beurtheilen, ob das Thier, welchem die Zaͤhne angehören, mehr Fleiſch freſſend oder mehr Pflanzennahrung genießend ſey. Genießt es mehr Fleiſch, fo muͤſſen die Zaͤhne zum Zerreißen und zum Feſthalten der Beute dienen; genießt es aber mehr Pflanzen, ſo muß es dieſelben zermalmen oder vermahlen koͤnnen, und genießt es — 1 beyderley Nahrung, fo muß es auch mehrerley Arten Zaͤhne haben. Unter allen Raubthieren iſt das Katzengeſchlecht dasjenige, welches am meiſten ausſchließlich von thieriſcher Nahrung lebt, und kein Thier dieſer Gattung genießt im wilden Zuſtand irgend etwas aus dem Pflanzenreich, und wenn unſere Hauskatzen auch ſolche genießen, ſo iſt dieſe Speiſe eigentlich für ſie nicht natuͤrlich, ſondern ihr Genuß blos Folge der langen Hausgenoſſenſchaft. Die Gattung des Bären iſt hingegen der Katze gerade ent— gegengeſetzt, und waͤhlt ihre Nahrung eben ſo gut aus dem Pflanzenreich als aus dem Thierreich, und man kann einen zahmen Baͤren gar wohl mit Brodt allein erhalten. Der Baͤr gehoͤrt unter die Sohlengaͤnger, das heißt, er tritt beym Gehen mlt dem ganzen Fuß auf den Boden, und kann mit einiger Leichtigkeit auf den Hinter⸗ fuͤßen ſtehen. Auf jeder Seite der Kinnbacken oben und unten findet man drey ganz hoͤckerichte Backenzaͤhne; ein Beweis, daß fie pflanzenfreſſend find. Oben find überhaupt fünf, unten ſechs Backenzaͤhne. Vorn ſechs Vorderzaͤhne in jeder Kinnlade, und zwey ſtarke lange kegelförmige Eckzaͤhne oder Hauzaͤhne. Die Baͤren ſind ſtarke, etwas plumpe, ſtark behaarte Thiere, mit dicken Gliedern und kurzem Schwanz. Der Naſenknorpel iſt verlaͤngert und beweglich, der Geruch ſcharf. Sie graben geſchickt, und bringen den Winter groͤßtentheils ſchlafend zu, wenn ſie kalte Gegenden bewohnen. Die Arten ſind nicht ſehr zahlreich, und einander ſehr aͤhnlich. Es gab auch ſchon in der Vorwelt ſehr große Bären, von zweyerley Art, welche man, da man die Ueberbleibſel davon bisdahin nur in einigen Höhlen in Deutſchland, in Ungarn und den karpathiſchen Gebirgen gefunden hat, Höhlenbaͤren nennt. Dieſe Ueberreſte von Thieren einer fruͤhern Schöpfung findet man an ſehr vielen Orten, und von ſehr verſchiedenen Arten. Sie muͤſſen ſchon viele Jahrtauſende da begraben worden ſeyn, wo man ſie jetzt findet, zu einer Zeit wo hoͤchſt wahr— ſcheinlich noch keine Menſchen auf unſerer Erde lebten, und von welcher uns kein Buch irgend eine Nachricht geben kann, zu einer Zeit, wo unſere Erde eine ganz andere Geſtalt auf ihrer Oberflaͤche hatte, als ſie jetzt hat; wahrſcheinlich lange lange vor der Sündfluth durch eine uns ganz unbekannte Urfache, vermuthlich durch eine Waſſerfluth wurde dieſe Oberfläche der Erde ganz verändert und alle darauf lebenden Geſchöpfe giengen zugleich zu Grunde. Man findet von jener Zeit her die Ueberbleibſel von Elephanten, Nashörnern, Faulthieren, Hirſchen und noch vieler anderer Thiere, welche zum Theil weit größer als die jetztlebenden Thiere dieſer Art waren, über die ganze Erde zerſtreut. Und wer ſollte es denken, ſelbſt in unſerer unmittelbaren Naͤhe lebten damals Elephanten und Nashörner. Erſt in dieſem Jahre wurde ein ganzer Elephantenkopf in unſerm Steinkohlenbergwerke in Kaͤpfnach viele hundert Fuß tief unter der Erde gefunden, und andere Knochen, wahrſcheinlich von einem Nashorns a artigen Thiere, bey Elgg. Es muß alſo damals bey uns ganz anders ausgeſehen haben, als es jetzt iſt; vermuthlich wurden beym Untergang jener Geſchoͤpfe unſer Schnee- und Eisgebirge gebildet; unſer See, der mit dem Wallenſtatter-See zuſam— menhieng, durchbrach bey Baden den Jura und lief zum Theil ab, und ſo traten die ſchoͤnen Ufer desſelben, und die Ebene bis Baden aus dem Waſſer hervor und wurden bewohnbar. Dieſes iſt wahrſcheinlich der Zeitpunkt von welchem uns die heilige Schrift erzählt, wie Gott die Erde neu erſchaffen habe und mit Pflanzen, Menſchen und Thieren bevölkerte. 5 Doch wir kehren von dieſer Abſchweifung auf die Betrachtung der Thiere der jetzigen Welt zurück, und da finden wir dann die Gattung des Baͤren weit über die Erde verbreitet, aber weit mehr. über die kalten, nördlichen und über die gemäßigten Erdſtriche als uͤber die warmen, wie auch ſchon ihr warmer Pelz beweist. Wir wollen euch zuerſt etwas von den ausländifchen Arten erzählen, von denen die meiſten von Euch, beſonders die Aeltern, wohl ſchon einige lebend geſehen haben, wenn etwa fremde Thiere zu ſehen waren. | Zuerſt erwaͤhnen wir des Eisbären oder weißen Bären, Dieſer bewohnt die Küften des Eismeeres, und fo weit man bis jetzt gegen den Nordpol hat reifen können, hat man dieſes große Thier angetroffen. Er iſt mit ganz weißen, glaͤnzenden, langen, zotigen Haaren bedeckt und dadurch gut vor der Kalte geſchützt, welche in jenen öden und traurigen Gegenden faſt beſtaͤndig herrſcht. Man findet ihn auf Spitzbergen, an der Hutſonsbay, in Grönland, Labrader, Island, Neuland, in Neuſemlia und dem noͤrdlichſten Siberien. Den Winter durch wohnen fie in tiefen, im Schnee oder Eiſe gemachten Höhlen, und bringen da die lange nordiſche Nacht ſchlafend zu. Auf den ſchwimmenden Eisinſeln trifft man ſie oft weit vom Lande an. Sie ſchwimmen vortrefflich und laufen auch ſehr gut. Auf den Eisſchollen gehen fie den todten Wallfiſchen und den Seehunden nach, und greifen auch das Wallroß an, welches ihnen aber mit feinen Hauern kraͤftigen Wies derſtand leiſtet, ſo daß ſie oft abziehen müſſen. Sie greifen auch den Menſcken an und fuͤrchten ſich vor mehrern nicht, wenn ſie Junge haben, und unter allen Baͤren— arten iſt dies die einzige, welche ſich faſt ausſchließlich vom Fleiſch ernährt, da die Kaͤlte ihrer Heimath ihnen faſt keine Pflanzen anbietet. Auch Fiſche ſind ihnen ſehr lieb. Von ihrem Muthe ſind viele Proben bekannt, und die auf den Wallfiſchfang ausgehenden Schiffe kommen oft in Fall mit ihnen kaͤmpfen zu müſſen. Aus einem Boote, welches zu einem Wallfiſchfaͤnger gehörte, wurde nahe auf einen Bären geſchoſſen und derſelbe verwundet; das Thier lief ſogleich auf dem Eiſe nach dem Boot, und ſuchte, obſchon es von einem zweyten Schuſſe getroffen wurde, das Boot zu erreichen, und hatte ſchon eine Tatze auf den Rand desſelben geſetzt, als einer der Bootsleute ihm mit einer Axt in den Fuß hieb, worauf er natürlich wieder ablaſſen NA ra mußte. Das Boot nahm die Flucht und die Leute retteten ſich auf das Schiff, wohin auch der Baͤr folgte und dann vom Verdeck herab erſchoſſen wurde. Das Weibchen vertheidigt ſeine zwey Jungen, welche lange bey ihm bleiben, mit großer Treue und Muth und läßt ſich eher toͤdten, als daß es fie verlaſſen ſollte. Als die Fregatte Carcaſe, welche auf Entdeckungen gegen den Nordpol auslief, im Eiſe ſtecken blieb, meldete die Wacht auf dem Maſtkorbe eines Morgens, daß drey Bären ſehr ſchnell über das Eis gerade auf das Schiff zukämen, wahrſcheinlich durch den Geruch angelockt, der ſich von einem getödfeten Wallroß verbreitete, deſſen Fett man ſo eben uͤber dem Feuer ausließ: Es war ein Weibchen mit ſeinen Jungen, dieſe zogen einen Theil des Fleiſches aus dem Feuer und fraßen es begierig. Vom Schiffe herab warf man ihnen andere Stucke zu, welche die Baͤrin immer ihren Jungen zu ſchleppte. Die Mannſchaft ſah dieſem ſchoͤnen Schauſpiele eine Weile mit Vergnügen zu, aus Furcht aber die Baͤrin möchte auch auf's Schiff kommen, wurde geſchoſſen und zuerſt beyde Jungen getödtet, und die Mutter ſelbſt verwundet; dieſe that ſehr laͤglich und ſchleppte ein Stück Fleiſch zu ihren ſchon todten Jungen, beleckte die Wunden derſelben und ſuchte fie aufzurichten, wobey ſie ſo wehmuͤthig klagte, daß ſelbſt die rohen Matroſen Mitleid hatten. Sie lief fort, kam aber immer wieder zurück, und kehrte ſich endlich wuͤthend gegen das Schiff, und als fie durch einige Kugeln niedergeſtreckt wurde, beleckte ſie noch ſterbend die Wunden ihrer Jungen. Auch Maͤnnchen und Weibchen ſollen ſehr zaͤrtlich mit einander ſeyn. Das zFleiſch wird gegeſſen, und das Fell giebt vortreffliches Pelzwerk. Sie werden ſo fett, daß einer allein oft mehr als hundert Pfund Fett giebt. Gefangen freſſen ſie auch Brodt. N Der ſchwarze amerikanlſche Bar if größer als der unſrige, das Haar glaͤnzend ſchwarz, aber kürzer und ſtraffer als am gemeinen Baͤren, die Schnauze ſpitziger und kurzhaarig. Er wird ſehr groß und bis 7 Fuß lang. Er bewohnt ganz Nordamerika von Virginken und Carolina an bis zum Eismeer. Er ſcheint im Winter nicht zu ſchlafen, ſondern nach waͤrmern Gegenden zu wandern und kommt dann bis nach Louiſiana. Er zieht Pflanzennahrung aller andern vor, und frißt Gras, Getreide und Obſt, beſonders auch Zuckerrohr. Im Hunger faͤllt er jedoch auch andere Thiere an, auch frißt er gern Fiſche. Er thut in den Feldern am Zuckerrohr, Erdapfeln und Türkenkorn vielen Schaden, und durchwühlt die Felder, wie die wilden Schweine. Wenn er angegriffen oder verwundet wird, fo iſt er fuͤrchterlich und hat ſchon oft Menſchen umgebracht. Sein Fleiſch iſt ſehr zart und faſt ſo gut wie Schweinfleiſch, ausgenommen wann er viele Fiſche gefreſſen hat, dann ſchmeckt er fiſchartig. Man macht in Amerika Baͤrenſchinken „ welche den Schweinſchinken vorgezogen werden, und ſein Speck iſt feiner als der vom Schwein. Die Haut giebt ein gutes Pelzwerk, Zr BD Man findet in Nordamerika noch einen andern, viel größern grauen Bären , der wahrſcheinlich vom ſchwarzen eine verſchiedene Art ausmacht, aber noch nicht genau bekannt iſt. Wir kommen nun zu unſerm ſchweizeriſchen Bären zurück, und wollen feine Naturgeſchichte etwas naͤher durchgehen. Man glaubt es gebe von unſerm Baͤren zwey verſchiedene Varietaͤten, eine ſchwaͤrzere und eine braune, und giebt an, daß ihre Sitten gar ſehr verſchieden ſeyen, daß der rothbraune viel mehr Fleiſchnahrung liebe und viel raubgieriger, kecker und grauſamer ſey als der ſchwarze. Bis jetzt ſind uns keine andere zu Geſicht gekommen als braune, und es iſt zu vermuthen, daß nur Alter und andere zufällige Umſtaͤnde den einen Bären etwas dunkler machen als den andern, und beyde nur eine Art aus— machen; die nördlichen Baͤren ſollen dunkler ſeyn. Der Kopf iſt laͤnglich, hinten dick, der Scheitel glatt, zwiſchen den Augen etwas abhängig. Die Augen klein, mit ſchiefgeſpaltenen Augenliedern. Die Ohren klein und abgerundet. Die Naſe ſtumpf. Der Hals kurz und dick. Der Leib dick, mit gewölb— tem, gegen die Schultern geſenktem Ruͤcken. Die Beine nur mittelmäßig lang, die vordern nur wenig kuͤrzer als die hintern, alle viere ſtark. Da der Baͤr bey'm Gehen mit der ganzen Sohle auftritt, ſo iſt der Fuß glatt, aber kurz, die fuͤnf Zehen mit langen und ſcharfen Klauen bewaffnet, welche zum Anhecken und Klettern ſehr geſchickt ſind. Die Grundwolle des Fells iſt lang, die laͤngern Nackenhaare hart und glaͤnzend. Um das Geſicht, den Bauch und hinten an den Beinen iſt das Haar laͤnger und zotig, auf der Schnauze kuͤrzer. Die gewoͤhnliche Farbe iſt gelbbraun oder rothbraun, bis in's ſchwaͤrzliche uͤbergehend. Das Gewicht eines recht großen, fetten und ſtarken Baͤren kann auf mehr als 400 Pfund ſteigen. Dieſe Art iſt über den ganzen Norden ausgebreitet, und findet ſich in Nor— wegen, Schweden, Rußland, Pohlen und im ganzen nördlichen Aſien; in Amerika aber ſcheint er durch den ſchwarzen Baͤren erſetzt zu werden, und dort gar nicht vorzukommen. In ganz Deutſchland findet ſich der Baͤr ſelten, oder gar nicht mehr, aber auf unſern Alpen, fo wie auf den Tyroliſchen und Savojifchen iſt er immer noch, man könnte ſagen, nicht gar ſelten anzutreffen. So haͤufig als ehmals ſind ſie freylich nicht mehr, und in den niedern Waͤldern kommt er gar nicht mehr vor. In den aͤltern Zeiten lebten in ganz Deutſchland Baͤre, und der Name Bern ſoll daher entſtanden ſeyn, weil Berchthold von Zaͤhringen der Erbauer der Stadt, an dem Ort, wo ſſe jetzt ſteht, einen großen Baͤren erlegt haben ſoll. Auch zu unſers Conrad Geßners Zeiten, alſo in den Zeiten der Reformation, waren ſie noch gar nicht ſelten, und dieſer Naturforſcher ſagt: Der Baͤr ſey ein gemeines Thier. Heut zu Tage findet er ſich hauptſaͤchlich in Bündten, dem angrenzenden Veltlin und den wildern Nebenthaͤlern jener Gegenden, im Maſiner-Miſoxer- Malencher- im obern Terzier-Thal, im Thal Liorio, 6 Sei Ambria, im Bergell, im Teſſiniſchen Blennio- und Arbedo-Thale, im Mayn-Thal und Lavizzarer-Thal, durch ganz Wallis, im Berner Oberlande, ſeltener in den Thaͤlern und Gebirgen von Glarus, Uri und Unterwalden, und noch ſeltener im Jura. Im Auguſt 1811 wurden nur im Canton Teſſin 7 Bären geſchoſſen. Der Bär bewohnt nur die dickſten Waldungen, und verläßt fie nur des Nachts; am Tage trifft man ſie nur ſehr ſelten an, und nur wenn ſie ſehr hungerig ſind. Des Nachts aber iſt die gewohnte Zeit um ihre Streifereyen zu beginnen. Dieſe Zeit wählen überhaupt die meiſten Raubthiere, weil fie um fo eher ſich ihres Raubes bemaͤchtigen können, auch ſind die Augen derſelben vorzüglich dazu eingerichtet, jeden auch noch ſo ſchwachen Lichtſtrahl aufzufaſſen, daher ſehen ſie auch bey dunkler Nacht recht gut. Die Nahrung unſers Bären iſt bald aus dem Thierreich, bald aus dem Pflan; zenreich, je nach der Jahrszeit und der Gelegenheit, welche ſich om darbietet, andere Thiere zu uͤberfallen. Im Fruͤhjahr genießt dies Thier aufkeimendes Korn, Gras, und kommt des Nachts bis in die Ebenen auf die Rockenfelder; die Erdbeeren liebt es gar ſehr, und man hat Beyſpiele in Bündten, daß Bären den Kindern, welche Erdbeeren ſuchten, dieſelben aus dem Körbchen wegfraßen, ohne dem Kinde etwas leides zu thun. Dbft und Staudenfruͤchte find ihm ebenfalls ſehr angenehm. Gegen den Herbſt beſuchen fie in ſuͤdlichern Gegenden die Weinberge, die Tuͤrkenkornfelder und die Kaſtanien⸗ waͤlder, und thun an dieſen Pflanzungen großen Schaden. Die Ameiſenhaufen werden von den Baͤren begierig aufgeſucht, und die Ameiſen verſchlungen. Neben dieſer Nahrung aber verſchmaͤht der Baͤr es niemals, wenn er Thiere rauben kann; wittert er im Fruͤhjahr in den untern Alpenhuͤtten Vieh, fo ſucht er ſogar durch die Thüren in die Staͤlle einzubrechen, und dieſe muͤſſen gut verrammelt ſeyn, wenn er nicht durchkommen fol; ſobald aber in etwas ſpaͤtherer Jahrszeit das Vieh höher auf die Alpen kommt, fo zieht ſich der Bar auch dahin und paßt die Gelegenheit ab, über dieſe Hausthiere herzufallen. Da ſeine Sinne, beſonders Geruch und Gehoͤr, ſehr fein ſind, ſo ſoll er faſt allemal, ehe er auf Raub ausgeht, zuerſt auf einen hohen frey ſtehenden Baum ſteigen und ſich in der Gegend umſehen, ob ihm vielleicht der Wind den Geruch irgend eines Thieres zutrage; fein Geſicht iſt nicht ſehr ſcharf. Vermuthet er auf einer Seite Gelegenheit zum Rauben, ſo tritt er mit Anbruch der Nacht ſeine Streifereyen an, und eilt nach den Gegenden, wo ſich Vieh befindet. In ſolchen Alpen, wo das Vieh die Nacht über in Hütten eingeſchloſſen wird, ſucht er einen Ort nahe bey der Weide zum Hinterhalt aus, von wo er auf ein ſich von den andern entfernendes Stuͤck Vieh herfaͤllt, oder er bricht auch wohl in Abweſenheit der Hirten muthig in die Heerde, und jagt ſie ſo lange herum, bis ihm ein Stuͤck Vieh zu Theil wird, oder bis eins in einen Abgrund ſtuͤrzt, wie oft geſchieht, da die geaͤngſtigten a Thiere vor Schrecken nicht wiſſen, wo fie hinlaufen. Befinden ſich Ziegen auf der Alpe, die des Nachts nicht eingeſchloſſen werden, ſondern ſich meiſt um die Huͤtten herum lagern, ſo ſchleicht der Bar in aller Stille zwiſchen fie und die Hütte, ſchneidet ſie davon ab, und treibt ſie vor ſich her, wo ihm dann immer eine zur Beute wird, da die Thiere in der Nacht vor Schrecken und Angſt ſich nicht finden können, und in die unwegſamſten und höchſten Gebirge, oder in die Thaldörfer ſich flüchten. Merken aber die Ziegen den Bären frühe genug, fo flüchten fie auf die Dächer der Huͤtte, wo dann durch den entſtehenden Laͤrm die Sennen erwachen, und den Raͤuber verjagen. Wird das Vieh in der Nacht bey den Hütten an Ketten gebunden, wie es an einigen Orten gebraͤulich iſt, ſo kommt er ſelten zum Zwecke, denn die ihn witternden Thiere machen ein ſo furchtbares Geraſſel mit den Ketten, daß alles erwachen muß, und ſich zur Wehre ſtellen kann. Iſt der Baͤr recht hungerig, ſo kann er nur durch Schieß— gewehre vertrieben werden, und iſt oft fo verwegen vor Augen der Sennen ein Stuͤck Vieh anzufallen. Beym Angriff geht er ſehr vorſichtig zu Werke: er greift eine Kuh nicht von vorn an, ſondern ſpringt ihr von hinten auf den Ruͤcken, und ſchlaͤgt ſeine Klauen tief ein, und beißt ſie zugleich blutig, wodurch das arme Thier bald entkraͤftet wird und zu Boden faͤllt. Scheint es ihm aber gar zu ſtark, ſo jagt er es ſo lange, bis es ermüdet niederfaͤllt oder ſich todt oder wund ſtuͤrzt, dann erſt ſpringt er auf dasſelbe und zerreißt es. Zuerſt frißt er das Euter, dann die Nieren; glaubt er ſich ſicher, fo frißt er ſich ſatt und vergraͤbt den Reſt. Wird er geſtört, fo traͤgt er, was er mag, davon. Wenn er ein Stück einer Heerde zerriſſen hat, fo ſammeln ſich die übrigen um ihn und ſehen ihm zu, ohne ſich zu bewegen, und ſchnauben und bruͤllen, als wenn ſie ihn anfallen wollten, und nie greift er zum zweytenmal an. Bey Regen und dichtem Nebel kann er ſich oft unbemerkt in die Heerde ſchleichen und ein Stuͤck wegnehmen, da der Geruch durch die Naͤſſe geſchwaͤcht wird. Unter den Schafen und Ziegen wuͤthet er beſonders, und thut auf den Schafalpen großen Schaden; in kurzer Zeit erliegen ihm oft zwanzig bis dreißig Stuͤcke. Nur im größten Hunger packt er Pferde an, wenn ſie aber recht muthig ſind, muß er oft abziehen. Den Menſchen fuͤrchtet der Baͤr immer und greift ihn nie ungereitzt an; nur wenn er Junge hat, oder verwundet wird, wehrt er ſich gegen ihn. Oft kann ein Kind durch Geſchrey und Steine ihn verjagen; oft aber bedarf er auch der Waffen, Am Ende des Sommers iſt das Maͤnnchen am furchtbarſten, im Herbſt ohne Muth. Das Weibchen iſt, wenn es Junge hat, am grimmigſten. So plump das Ausſehen der Baͤren iſt, ſo ſchnell kann er laufen. Er klettert mit Leichtigkeit auf Bäume, beſonders jung, wobey er feine Klauen vorzüglich gebraucht, dem alten aber wird, ſeiner Schwere wegen, das Herunterſteigen beſchwerlich, weil er das Fallen fürchtet. Er ſteigt auf Bäume um Kaſtanien und Pl. Obſt zu naſchen, und um die Gegend auszuſpaͤhen. Wenn dle Baͤrin Junge hat und angegriffen wird, fo flüchten ſich die Jungen, wo immer möglich auf einen Baum. Schon der beruͤhmte Naturforſcher Linne hat dies bemerkt, und ein Fall der ſich in Bündten ereignete, beweist dieſe Wahrheit. Ein Jaͤger tödtete einen Baͤren und bemerkte dann ein Geräuſch auf einer nahen Tanne, auf welcher er zwey junge Baͤren ſah, welche er beyde glücklich herunter ſchoß. Beym Angreifen ſteht der Bär beſtaͤndig auf die Hinterbeine und geht aufrecht. In der Ebene oder Bergen laͤuft er ſehr ſchnell, bergabwaͤrts aber, weil die Vorderbeine Fürzer find, langſamer. Da er auf der ganzen Sohle geht, ſo gleicht ſeine Faͤhrte der eines Menſchen in etwas. Im Hornung haͤuten ſich ſeine Fuße, dann thut ihm das Laufen weh. Er macht große Schritte und iſt im Stande lange zu laufen. Oft durchſtreift er in einer Nacht eine Strecke von acht bis zehen Stunden. Im Herbſt ſteigt er oft vier bis fünf Stunden in die Thaͤler herunter, um Trauben zu freſſen, und geht vor Tage wieder zurück Hunger und Furcht treiben ihn oft weit umher, allein immer kehrt er bald wieder zu feinem alten Lager zuruck. Bey den zahmen Baͤren wenigſtens tritt die Zeit der Fortpflanzung im Anfang des Heumonats ein, und nach ſechs Monaten wirft die Baͤrin gewohnlich zwey, ſelten ein und noch ſeltener drey Innge, gewöhnlich gegen Weyhnachten. Meiſt machen die Jungen ein Paar aus, doch werden auch zuweilen zwey Männchen oder zwey Weibchen geboren. Die Mutter ſucht dann Gegenden auf, wo das Maͤnnchen nicht hinkommt, welches die Jungen ſonſt oft auffrißt, ja eine Baͤrin in Bern fraß einſt ihre Jungen, als unvernünftige Leute ſie ſehr plagten. Im Jahr 1575 warf eine Baͤrin im Baͤrengraben zu Bern zwey ganz weiße Junge. Sind einmal die jungen Baͤrchen einige Tage alt, ſo werden ſie von der Mutter zaͤrtlich geliebt, und mit eigener Gefahr vertheidigt. Die Jungen brauchen zum voͤlligen Wachsthum drey Jahre. Sie find ſehr poſirliche Geſchoͤpfe und ſpielen unermuͤdet wie die Katzen mit einander, klettern ſchnell und geſchickt auf Bäume, und machen eine Menge luſtige Sprünge. Man nimmt gewöhnlich an, der Bar verſchlafe den ganzen Winter durch ohne Nah— rung, und zehre dann von ſeinem Fett; in der That iſt der Baͤr wie alle im Winter ſchlafenden Thiere, im Herbſt ungemein fett, und im Fruͤhjahr mager, indem der Ueberfluß des Fettes zur Nahrung verwendet worden iſt. In eine wahre Erſtarrung wie das Murmelthier, verfaͤllt aber der Bar niemals, denn wenn ſie geſtört werden, ſo kommen ſie aus ihrem Neſte hervor, nur waͤhrend der ſtrengſten Kaͤlte bleiben ſie ruhig in ihrem Neſte ohne zu freſſen. Dieſes Neſt machen ſie in dichten Waldungen, in Felshöhlen oder unter den Wurzeln ſehr großer Baͤume, wo ſie ſich ein Loch ſcharren, und ſich ein Lager von Moos und Laub bereiten. Bey warmen Wintertagen aber kommen ſie auch wohl hervor und ſuchen Nahrung. Die Baͤren in Bern bleiben bey ſehr kaltem Winter gewoͤhnlich den ganzen Tag in ihrem Behaͤlter, werden aber — 9 — täglich gefuͤttert und kommen öfters um die Mittagsſtunde zum Vorſchein, wenn es nicht gar zu kalt iſt. Zahm werden ſie ſelten ſo, daß man ſich ihrer ohne Gefahr naͤhern darf, in Bern, wo ſie taͤglich Menſchen ſehen, wagt es doch nicht einmal ihr Waͤrter zu ihnen zu gehen, ſo fromm auch dieſe Baͤren zu ſeyn ſcheinen. Wegen des großen Schadens, den der Baͤr unter dem Vieh anrichtet, wird ihm ſehr nachgeſtellt. Entweder ſtellt man eine allgemeine Jagd an, aber dieſes nützt nur da, wo man das Thier in gewiſſe Paͤſſe zwingen kann, wo dann die Schützen anſtehen; öfters gehen aber einzelne Jaͤger, allein oder in kleinen Geſellſchaften auf eine ſolche Jagd. Es bedarf aber viel Muth und Unerſchrockenheit dazu; denn wird der Bar nur verwundet, fo geht er aufgerichtet und bruͤllend auf den Jäger los, und d ieſer kann nicht wohl entfliehen, und muß ſich nur zu vertheidigen ſuchen. Hat er eine Doppelflinte, ſo kann er ruhig warten, bis der Baͤr nahe iſt, oder er muß noch einmal zu laden ſuchen, was aber fo geſchwind nicht wohl möglich iſt. Kühne Jaͤger erwarten den Baͤren ruhig und ſuchen ihn zu umfaſſen, und immer den Kopf unter den ſeinigen zu bringen; ſo kaͤmpfen ſie mit ihm, bis einer ihrer unerſchrockenen Kameraden fie erlöst, oder fie ſich ſonſt losmachen können. Zuweilen rollen Bär und Jaͤger bergabwaͤrts; zuweilen gelingt es dem Jaͤger dem Baͤren ein Meſſer in den Leib zu ſtoßen und ihn ſo zu toͤdten. Freylich koſtet es den Jaͤger meiſt ein paar Monate Krankheit, theils der Wunden, theils auch des Schrecken wegen, der erſt nachher kommt. Ein guter Schuͤtze, der ſich auf ſein Gewehr verlaſſen kann und Faltblütig iſt, darf aber gar wohl den Kampf mit aufnehmen, und ſchießt den Bären ſo, daß er das Aufſtehen vergißt. Vor einigen Jahren trifft ein Glarner Gemſenjaͤger unvermuthet auf einen Bären, welcher ſchon lange in der Gegend Schaden gethan hatte, ſchnell iſt er gefaßt, und um den Baͤren aufzuhalten, ruft er ihm zu, he guter Freund, wie weit? Der Baͤr richtet ſich auf und ſieht, woher der Ruf komme, dies wollte der Jaͤger, er zielt auf den Baͤren gut, und ſchießt ihn durch den Kopf. Vor zwey Jahren ſieht ein Hirtenknabe im Schaͤchen-Thal, im Kanton Uri, in einem Felſenloche einen ſchlafenden Baͤren, er laͤuft ins Dorf, und der Baͤr wird gluͤcklich noch angetroffen und erlegt. Die Regierungen bezahlen gewöhnlich ein ſtarkes Schußgeld für einen getödteten: Baͤren, wobey entweder das Thier abgeliefert werden muß oder dem Schuͤtzen bleibt; dies Schußgeld beträgt 40 bis 8o Franken. Außer dieſem Gewinn reitzt den Jaͤger auch noch der Nutzen, den er vom Fleiſch und Fell hat, zur Jagd. Das Fleiſch wird gerne gegeſſen und theuer verkauft; es wird einige Tage in fließendes Waſſer gelegt und verliert dadurch feinen wildſüßen Geſchmack, oder es wird auch geraͤuchert. Das Fett wird in den Apotheken gebraucht, früher mehr als jetzt. Das Fell wird mit 16 bis 20 Franken bezahlt. 2 — 10 — Daß man den Baͤren zum Tanz nach der Muſik abrichten kann, iſt bekannt, man ſieht oft ſolche Baͤrenfuͤhrer, meiſtens Pollaken mit zahmen Bären im Lande herum ziehen; der Baͤr hat dann einen Maulkorb an und muß an einer Kette gehalten, feine Tanzkünſte um Geld zeigen. Zuweilen hat er einen Affen zum Geſellſchafter, und beyde beluſtigen die Zuſchauer durch ihre poſirlichen Stellungen. Die ſtarken Verfolgungen, welche er ſeines Schadens wegen erleidet, werden feine Art in unſern Gebirgen immer ſeltener machen, aber oft ſchadet ein folcher ungeſtraft Jahre lang, ehe es gelingt dies ſchlaue Thier zu toͤdten. * Un die Zuͤrcheriſche Jugend, auf das Jahr 1824 Von der Naturforſchenden Geſellſchaft. XXVI. GStüd, Wir fahren auch dieſes Jahr fort, euch mit der Naturgeſchichte unſerer inlaͤndiſchen Thiere bekannt zu machen, und ſo nach und nach eine vollſtaͤndige Geſchichte unſerer einheimiſchen Thiere euch in die Hand zu geben, worin das Fabelhafte und Ungewiſſe, was bisdahin in fo manchen Büchern über die Thiere geſagt wurde, berichtigt, und nur das angegeben wird, was wirklich wahr iſt. Dasjenige Thier, welches ung für dießmal beschäftigt, iſt zwar kein unbekanntes, ſondern vielen von euch wohl ſchon aus der lateiniſchen Grammatik längft dem Namen nach bekannt, und viele wiſſen, daß Lupus der Wolf heißt. Ob ihr aber von dieſem Raubthier und ſeinen Eigenſchaften viel mehr wißt, als ſeinen Namen, das iſt dann eine andere Frage, obſchon der ſchlimme Raͤuber noch immer in unſerm Vaterlande, und ſogar zuweilen in unſerer naͤchſten Naͤhe vorkommt. Der Wolf gehoͤrt, was ſchon ſein erſter Anblick zeigt, zu der Gattung des Hun— des, und hat alle ſchlimmen Eigenſchaften desſelben, dagegen keine einzige von ſeinen guten. Er heißt lateiniſch Canis Lupus. Die Gattung der Hunde iſt zahlreich und wird von unſerm Haushunde benannt, deſſen ſehr vielfache Varietaͤten wohl bekannt ſind. Der Fleiſcherhund, der Hirtenhund, der pommerſche Hund, der Hund der im hohen Norden zum Ziehen der Schlitten gebraucht wird, und der islaͤndiſche Hund, gleichen dem Wolfe am meiſten, und ihre Groͤße ſetzt dieſe Thiere in den Stand, es mit dem Wolfe aufzunehmen. Es iſt nicht ſehr leicht den Kopf eines großen Hundes und den eines Wolfs von einander durch das Gebiß zu unterſcheiden; nur ſcheinen die Zaͤhne des Wolfes noch ri GM j N. N. PDA a weiſſer, harter und feſter zu ſeyn. Der Zahnbau der Gattung zeigt, daß die Hunde allerdings zu denjenigen Thieren gehoͤren muͤſſen, welche am meiſten ſich von Fleiſch ernähren, und wenn unſer Haushund ſich auch von Pflanzennahrung erhalten kann, ſo iſt dieß eine Eigenſchaft, welche er ſich als Hausthler erworben hat. Der wilde Hund wird wohl, ſo wenig als die wilde Katze, je etwas von Pflanzennahrung genoſſen haben. Wir ſagen genoſſen haben, weil man den eigentlich wilden Hund gar nicht kennt, da der Hund von den alleraͤlteſten Zeiten her Hausthier geworden iſt und ſeiner Natur nach eine außerordentliche Anhaͤnglichkeit an den Menſchen hat. Man kennt daher den wilden Hund gar nicht, und wann es in einigen Laͤndern wilde Hunde gibt, ſo ſind es nicht urſpruͤnglich wilde Hunde, ſondern verlaufene herrenloſe Hunde, welche auch nicht einerley Geſtalt haben, ſondern nach ihren Stammraſſen verſchieden ſind. Vermuthlich ſind die großen Hunderaſſen ſchon von den aͤlteſten Zeiten her durch Ver— miſchung mit dem Wolf, dem Fuchs, dem Schakal (einer wilden Hundeart, welche in Afrika und Aſien angetroffen wird) und ſelbſt mit der Hyaͤne entſtanden, daher die außerordentliche Verſchiedenheit in der Geſtalt und in den Eigenſchaften der Hunde. Auf jeden Fall aber zeigt die ganze Geſtalt des Wolfes ſeine nahe Verwandtſchaft mit dem Hund. Der Wolf hat einen dicken und langen Kopf, eine ſpitzige Schnautze, und gleicht in allen ſeinen Verhaͤltniſſen am meiſten dem Fleiſcherhunde, nur iſt der Koͤrper etwas dicker, die Beine kuͤrzer, der Schaͤdel breiter, die Stirn glatter, die Schnautze etwas kuͤrzer und dicker, die Augenoͤffnung ſchiefer, die Augen kleiner und mehr von einander entfernt, die Ohren kuͤrzer und gerader, der Schwanz dick, lang behaart und gerade; er traͤgt ihn immer haͤngend, nicht aufgerichtet wie der Hund. Der Pelz tft graugelb und dicht mit langen Haaren beſetzt, welche an der Wurzel weiß find, dann abwechſelnd ſchwarz, brandgelb und weiß geringelt, an der Spitze aber wieder ſchwarz ſind; daraus geht eine im ganzen aſchgraue mit ſchwarz gemiſchte Farbe hervor. Die Seiten des Schwanzes und die innern Schenkel und Fuͤße ſind brandgelb. Laͤnge der Haare und Farbe aͤndert ſehr nach der Jahrszeit. Der Aufenthalt des Wolfes find dichte und große Wälder, wo er einſam lebt und daraus nur in der Nacht herausgeht um zu rauben. Er iſt das furchtbarſte Raubthier im noͤrdlichen Europa; man findet ihn aber von Egypten bis Lappland, auch ſcheint er nach Amerika uͤbergegangen zu ſeyn, und findet ſich in Groͤnland, ebenſo im kalten Aſten. Im hohen Norden fol er im Winter faſt weiß werden. In der Schweiz iſt er heut zu Tage zwar an den meiſten Orten eine ſeltene Erſcheinung, doch vergeht kein Jahr, wo nicht hier oder da einer geſchoſſen wuͤrde, und es giebt Jahre wo fuͤnf, ſechs und mehrere geſchoſſen werden. In den Bergkantonen ſind ſie ſeltener als in den ebenen, beſonders weſtlichen und noͤrdlichen; doch ſpuͤrt man auch in Graubuͤnden und = — 3 — Wallls zuweilen noch Woͤlfe. In der Waadt, Bern, beſonders im Pruntrutiſchen und im Kanton Baſel find fie am haͤufigſten, und noch im vergangenen Winter ſtreiften einzelne dem ganzen Jura nach. Schwerlich haben ſie im Sommer in der Schweiz irgend eine bleibende Staͤtte; dazu haben wir nirgends Waldungen, welche dicht genug waͤren. Allein aus dem benachbarten Frankreich und dem Elſaß ſtreifen ſie heruͤber, dort ſind ſie immer noch zahlreich genug, und richten nicht ſelten bedeutenden Schaden an; ja ſie fallen ſogar von Hunger getrieben Menſchen an, davon in der Schweiz in neuern Zeiten kein Beyſpiel bekannt iſt. In der Schweiz waren die Woͤlfe wohl nie ſehr haͤufig, es muͤßte denn ſchon in den früheften Zeiten geweſen ſeyn. Die in vielen Dörfern, beſonders in Wallis und Bern, noch vorhandenen Wolfsgarne zeigen aber doch, daß es ihrer zu allen Zeiten hatte, obſchon Stumpf in ſeiner Chronik vom Jahr 1564 ſagt: „Der Woͤlfe findet man in keinem Lande Europe weniger, dann im Alpengebirg und Helvetien, dann ſo fie etwa aus Lamparten (Italien) heraus, oder aus andern anſtoßenden Landen herein— kommen, ſind es ſelzſame (ſeltene) Gaͤſte, und werden vom Landvolk grimmiglich ver— folget, gleich als abgeſagte und ſchaͤdliche Feinde des Viehes. Wie bald man einen Wolf gewahr wird, ſchlaͤgt man Sturm über ihn, (das heißt, man macht ein allge meines Aufgebot). Dann empoͤret ſich eine ganze Landſchaft zum Gejaͤgt, bis er umbbracht oder vertrieben wird.“ Unſer treffliche alte Naturforſcher Geßner ſagt: „In den Orten ſo umb die Alpen herum liegen, und in der Eidsgenoſſenſchaft giebt es wenig Woͤlf; allein kommen ſie zu Zeiten aus der Lombardei uͤber das Gebierg, ſo bald man einen merkt, ſo ſtuͤrmt man von einem Dorf zum andern, und wird er alſo mit gemeinem Gejaͤgt gefangen.“ Indeſſen waren ſie doch zuweilen in ziemlicher Menge. Eſcher in feiner Beſchreibung des Zuͤrichſee ſagt: „Anno 1557 thaten die Woͤlfe großen Schaden, und waren ihre Biſſe ſo giftig, daß Menſchen, welche von ihnen gebiſſen wurden, wie die Woͤlfe heulen mußten und ſtarben. Im Jahr 1617 war eine ſo ſtrenge Kaͤlte, daß viele Leute erfroren, auch viele von den hungerigen Woͤlfen zerriſſen wurden. Ebenſo thaten die Woͤlfe großen Schaden nahe bey der Stadt im Jahr 1594, und es ward einer bey Hirslanden im Beyſein vielen Volks ge— fangen; denen verehrte die Obrigkeit zwanzig Kronen.“ Im Rheinthal und in Buͤnd— ten ſollen die Woͤlfe zu Geßners Zeiten beſonders haͤufig und ganz ſchwarz gefunden worden ſeyn. 2 Die Sinnen des Wolfes find ſehr gut, vorzüglich der Geruch, der bey allen Hundearten von außerordentlicher Feinheit iſt, wie wir am Haushunde taͤglich zu bes merken Gelegenheit haben. Nur durch den feinen Geruch unterſcheidet der Hund ſeinen Herrn; der Geruch leitet ihn auf die Spur desſelben, wenn er ihn verloren hat; der — — Geruch führe den Jagdhund auf die Spur des Wildes, und zeigt ihm den Weg, den dieſes genommen hat. Wenn nun aber der Hund, deſſen Sinne durch die Haus— genoſſenſchaft eher gelitten haben, dieſes alles bloß durch den Geruch thun kann, fo darf es uns gar nicht wundern, daß unſere europaͤiſchen wilden Hundearten, der Wolf und der Fuchs hierin dem Hunde nicht nachſtehen. Wie der Hund verfolgt er das Wild laufend und bis es ermuͤdet, wo es ihm dann leicht zur Beute wird. Dadurch unterſcheiden ſich Hunde und Katzen, denn dieſe letztern verfolgen nie ein Thier weit, ſondern alle Katzen, ſelbſt die groͤßten, fuͤrchterlichſten Arten, Löwen , Tiger, Panther, lauern bloß im Hinterhalt und fallen unverſehends uͤber das Thier her, welches ſich ihnen unvorſichtig naͤhert; dann ihr Geruch iſt zu ſtumpf, und ihr Lauf nicht ſchnell genug, um fluͤchtiges Wild zu erhaſchen. Der Wolf iſt ſehr gefraͤßig und beynahe unerſaͤttlich; daher auch das Spruͤchwort von einem Menſchen der einen ſehr ſtarken Appetit hat: Er ißt wie ein Wolf. Sein liebſtes iſt Fleiſch von vierfuͤßigen Thieren, Hunden, Schafen, Laͤmmern, Ziegen, Schweinen, vorzüglich Pferden. In Ermanglung dieſer frißt er Hafen, Maulwuͤrfe, Maͤuſe, Gaͤnſe, Enten, Huͤhner, kurz was er immer erhaſchen kann. Er iſt uͤbrigens toͤlpiſch, furchtſam, bedaͤchtlich, liſtig und mißtrauiſch, doch weniger liſtig als der Fuchs, ſein Veter. Nur der Hunger macht ihn dreiſt und fuͤrchterlich. Einzeln greift er ſelten Menſchen an, und dann wohl eher Weiber und Kinder als erwachſene Maͤnner. Iſt der Hunger aber groß, ſo wird er ſehr kuͤhn, und er wagt alles, trotzt allen Gefahren, da er ſonſt fuͤr ſein Leben ſehr beſorgt iſt. Gar oft gehen ein Paar Woͤlfe, Maͤnnchen und Weibchen mit einander auf den Raub aus, beſon— ders zur Begattungszeit, dann ſtellt ſich das eine an den Qrt, wo wahrſcheinlich das Wild vorbeykommen muß, das andere hingegen treibt ihm dasſelbe zu. Man will mehrmal bemerkt haben, das ein Wolf ſich einer Schafheerde naͤherte, und den Schaͤferhund dazu reitzte, ihm nachzulaufen, indem er ſogleich die Flucht ergriff; waͤhrend der Hund den Wolf verfolgte, fiel ein anderer Wolf, der ſich in der Naͤhe verborgen hatte, in die Heerde und eilte mit einem Hammel davon, den er nachher mit ſeinem Gefaͤhrten theilte. Erfahrne Schaͤfer laſſen daher ihre Hunde den Wolf, der ſich zeigt, nicht verfolgen. In kalten Wintern und bey großem Hunger ſollen ſogar, wider die Natur anderer Raubthiere, die Woͤlfe ſich in ganze Truppen verſammeln und gemeinſchaftlich Men— ſchen und Vieh anfallen. In Polen, Rußland und in andern Laͤndern, wo es noch viele Woͤlfe giebt, iſt es daher im Winter bey großem Schnee oft gefaͤhrlich zu reiſen, S und man hat viele Beyſpiele, daß Pferde vor den Schlitten angefallen und von den Woͤlfen zerriſſen wurden, und wo die Reiſenden ſelbſt dabey ungluͤcklich waren. Pferdefleiſch liebt der Wolf ſehr, und eines einzelnen Pferdes bemeiſtert er ſich noch ziemlich leicht, doch wird er ein ſolches nie von hinten angreifen, er fuͤrchtet das Ausſchlagen; und ſind mehrere Pferde beyſammen, ſo vertheidigen ſie ſich auch gemeinſchaftlich; ſo wie eine Heerde Ochſen ſich ebenfalls gemeinſchaftlich gegen ihn mit den Hoͤrnern ver— theidigt, und ſich in einen Kreis ſtellen, dem Angreifenden aber allenthalben die Koͤpfe darbieten; meiſt muß er dann unverrichteter Sache abziehen. Einſt ſoll ein Wolf einen angebundenen Mauleſel angegriffen haben, da dieſer aber immer hinten ausſchlug, ſo konnte er ihm nichts anhaben, da lief der Wolf in eine nahe Pfuͤtze und machte ſich ganz naß, kam dann wieder zum Mauleſel zuruͤck, naͤherte ſich ſeinem Kopf ſo viel er konnte, und ſpritzte, indem er ſich ſchuͤttelte, dieſem ſo viel Waſſer in die Augen, daß er fuͤr den Augenblick am Sehen gehindert wurde, dieſen benutzte er und er— würgte das Thier. Das Elendthier, eine große Hirſchart, welche im noͤrdlichen Deutſchland lebt, hat ſo viel Staͤrke in ſeinen vordern Hufen, daß es mit einem Schlage einen Wolf todtſchlagen kann. Auch das viel ſchwaͤchere Rennthier wehrt ſich mit ſchlagen der Vorderfüße gegen denſelben oft mit Glück. Rehe und Hirſche entgehen ihm nur durch ihre Schnelligkeit, und das wilde Schwein kann durch ſeine fuͤrchterlichen Hauzaͤhne ihn oft ſtark verwunden. Aber das Schaf, aller Verthei— digungsmittel beraubt, wird ſeine ſichere Beute; und wenn der Hund die Heerde nicht vertheidigt, ſo wuͤrgt er oft mehrere Schafe, und der Wolf hat ſo viel Staͤrke in ſeinen Nackenmuskeln, daß er mit einem Hammel im Munde leicht da— von laͤuft. N Seine Jagd in Truppen verrichtet der Wolf immer mit einem graͤßlichen Geheule, welches ſie uͤberhaupt oͤfter hoͤren laſſen, denn Bellen kann der Wolf nicht. In Ermangelung lebendiger Thiere behilft ſich der Wolf auch mit Aas, und ſein Magen iſt fo eingerichtet, daß auch Fleiſch, welches ſchon ganz faul iſt, ihm nichts ſchadet. In der groͤßten Noth fallen die Woͤlfe ſich wohl unter einander an und freſſen ſich auf, und wann einer von ihnen verwundet wird, ſo freſſen ihn die uͤbrigen. 5 f Der Geruch den der Wolf verbreitet, iſt ſehr ſtark und hoͤchſt unangenehm, be— ſonders wenn er Aas gefreſſen hat. Ein junger Hund, der noch keinen Wolf geſehen hat, ſchauert beym erſten An— blick desſelben, und der Geruch iſt ihm ſo zuwider, daß er zitternd zwiſchen die Fuͤße ſeines Herrn kriecht. Der Hirten- und Schaͤferhund hingegen ſtraͤubt das Haar, wenn er den Wolf ſieht, und geht mit unglaublicher Wuth auf ihn los. Siegt der Wolf, ſo verzehrt er den Hund, ſiegt aber der Hund, ſo laͤßt er den Wolf unberuͤhrt. — 6 — Beyde Thierarten ſind geſchworne Feinde, und wenn beyde zuſammen kommen, ſo gibt es erbitterte Kaͤmpfe, welche ſich nur mit dem Tod oder der ſchnellen Flucht des einen endigen. Es iſt daher um ſo merkwuͤrdiger, daß man viele Beyſpiele hat, daß Hunde mit Woͤlfen auf freundſchaftlichem Fuß lebten und Junge bekamen. In der Picardie, nicht weit vom Dorfe Duchi, kam eine Woͤlfin am hellen Tage aus einem nahen Gehoͤlze auf einen Hof, und lockte den großen Hofhund an ſich; dieſer folgte ihr und blieb zwoͤlf Tage abweſend im Walde. Zu gehoͤriger Zeit fand man im Walde vier junge Wolfshunde, von welchen nur einer auferzogen wurde, welcher in ſeinem Betragen mehr dem Hunde ähnlich war, und feinem Herrn treu anhieng; nur beym Freſſen zeigte er Wolfsnatur, war ſehr gierig und zerbiß die hartes ſten Knochen mit leichter Mühe, Man hat noch viele Beyſpiele aͤhnlicher Art. Solche Hunde verläugnen aber darin ihre Natur nicht, daß fie oft Schafe anfallen und die⸗ ſelben umbringen. Einige bellen auch nicht, ſondern heulen, und in Hinſicht ihrer Faͤhigkeiten ſtehen ſie den wahren Hunden immer nach. Der junge Wolf laͤßt ſich übrigens ſehr zahm machen, und bleibt es, fo lange er noch jung iſt, wird er aber alt, ſo wird er boͤſe und gefaͤhrlich. Im vorigen Jahre zeigte man bey uns einen jungen Wolf, der neben einem Schafe in einem Behaͤlter angebunden war, und den jedermann ohne Scheu beruͤhren, ja ſelbſt ihm die Hand in dem Mund legen konnte. Die Fortpflanzungszeit des Wolfes faͤllt in den Chriſtmonat, und dann gibt es unter den Maͤnnchen blutige Kaͤmpfe. Nach vierzehn Wochen wirft die Woͤlfin nach ihrem Alter drey bis neun Junge, in den dickſten Waͤldern in einem ſelbſt geſcharrten Loche unter Baumwurzeln. Die Jungen werden blind geboren, und bleiben zehen Tage blind. Die Mutter iſt ſehr ſorgſam für fie und ſaͤugt ſie fuͤnf bis ſechs Wochen, verbirgt ſie auch ſehr ſorgfaͤltig vor dem Vater, der ſie ſonſt auffreſſen wuͤrde. Die jungen Woͤlfe ſind weißröthlich und in zwey Jahren ausgewachſen. In Perſien ſoll man die jungen Woͤlfe tanzen lehren, und ſolche Woͤlfe werden dann, wenn ſie gut abgerichtet ſind, theuer verkauft, und dienen zu Volksbeluſtigungen. Ihr Alter erſtreckt ſich auf fuͤnfzehn bis zwanzig Jahre. Nur am Menſchen und am Hunde hat der Wolf gefaͤhrliche Feinde, andere Thiere fürchten ſich vor ihm und unterliegen meiſt feinen Angriffen. Der Menſch, dem der Wolf an feinem Hausvieh großen Schaden thut, und deſſen Leben er ſelbſt unter gewiſſen umſtaͤnden gefährlich iſt, iſt immer bemüht, dieſes ſchaͤdliche Raub⸗ thier zu vertilgen, und in den meiſten bewohnten Gegenden Europas iſt ſeine Art — 7 — ſehr beſchraͤnkt worden; in Suan iſt der Wolf ſeit vielen hundert Jahren ganz ausgerottet worden. Neben dem iſt der Wolf mehreren Krankheiten unterworfen, welche ihm oft das Leben rauben. Die vorzuͤglichſten ſind die Raude und die Tollheit. Dieſe letztere Krankheit hat er mit dem Hunde, dem Fuchs und dem Schakal gemein. Man kann ſich denken wie ſchrecklich es iſt, wenn Menſchen oder Thiere von einem tollen Wolfe gebiſſen werden. Wahrſcheinlich waren auch jene Woͤlfe toll, von welchen Eſcher ſagt, daß die davon gebiſſenen Menſchen wuͤthend geworden und geſtorben ſeyen. Da dieſe Krankheit, welche man die Wuth oder Tollheit nennt, ſo haͤuſig bey uns vorkommt, und an Hunden, Fuͤchſen und Katzen bemerkt wird, ſo iſt es hier vielleicht der Ort, davon etwas zu ſagen, da noch immer viele Menſchen ſind, welche die Gefahr nicht genug kennen, in welche ſie kommen, wenn ſie von einem ſolchen Thiere gebiſſen werden, und oft nicht zeitig genug die Vorbauungsmittel anz wenden, welche in den meiſten Faͤllen im Stande ſind ſie zu retten. Wuͤthend, toll oder waſſerſcheu nennt man einen Hund oder Fuchs oder Wolf oder Katze, wenn dieſe Thiere beſinnungslos umherlaufen und Menſchen und Thiere ungereitzt anfallen und beißen, dann aber ſogleich wieder davon laufen. Wenn z. B. ein Fuchs am hellen Tage aus einem Wald herauskommt, wohl gar in die Doͤrfer geht, mit den Hunden anbindet und ſich mit ihnen balgt, und ſie oder gar Men— ſchen und Thiere beißt, ſo iſt ein ſolcher Fuchs fuͤr toll zu betrachten, da der Fuchs ſonſt die Menſchen und die Hunde ſehr flieht, und ſich nur des Nachts aus ſeinen Schlupfwinkeln wagt. Oder wenn ein Wolf, in Gegenden wo es ſolche gibt, un— geſcheut ſich in die Dörfer begibt und beißt, ohne die gebiſſenen Thiere zu freffen. Oder wenn eine Katze, welche ungereitzt nie beißt, auf jemand hinſpringt und ihn packt und beißt, ſo ſind ſolche Thiere als toll anzuſehen, und die Wunden ſolcher Gebiſſenen muͤſſen mit beſonderer Sorgfalt behandelt werden, da uns die Erfahrung lehrt, daß, ohne eine ſolche aͤrztliche Behandlung, Menſchen und Thiere nach kuͤrzerer oder laͤngerer Zeit von derſelben Krankheit befallen werden, an welcher die Thiere litten. Dieſe Krankheit heißt die Waſſerſcheu, weil ſolche Menſchen beym Anblick des Waſſers Zuckungen und Kraͤmpfe bekommen und ungeachtet ſie oft ſehr duͤrſten, doch gar nicht trinkrn koͤnnen; und iſt einmal dieſe Krankheit da, ſo iſt keine Rettung mehr. Ein ſolcher Menſch bekommt den ſonderbaren Trieb in alles zu beißen, und faͤllt in heftige Anfaͤlle von Wuth und greift ſelbſt andere an, und ſchon nach einigen Tagen macht der Tod dieſem ſchrecklichen Schauſpiele ein Ende. Wenn man aber ſogleich nach einem verdaͤchtigen Biſſe die Wunde gehoͤrig auswaſcht und reinigt und a ein kleines Geſchwuͤr daraus bildet, indem man die gebiſſene Stelle ausſchneidet, und zugleich innerlich paſſende Mittel nimmt, fo kann dieſe ſchreckliche Krankheit wmeift verhuͤtet werden. Wenn daher jemand von einem ſolchen Thiere gebiſſen wird, ſo drücke er ſogleich die Wunde aus und waſche fie mit lauem Waſſer, noch beſſer iſt es mit etwas Lauge, die man in jeder Kuͤche machen kann, dann aber gehe er unge— ſaͤumt zu einem Arzt und unterwerfe ſich willig ſeiner Behandlung. Die Vernach— laͤſſigung dieſer Maßnahmen hat ſchon unendlich viel Schaden geſtiftet und vielen Menſchen das Leben auf eine ſchreckliche Art geraubt. Man kann daher nicht genug von dieſer Krankheit ſprechen, nicht genung Sorgfalt empfehlen (). Dieſe Krankheit befaͤllt uͤbrigens die Thiere zu allen Jahrszeiten und in jedem Alter, und ſelten nur etwa ein Thier in einer Gegend, ſondern mehrere Oefters entgehen auch Gebiſſene der Aufmerkſamkeit der Behoͤrden und ſo pflanzt ſich die Toll— heit fort. Man kennt die Urſachen dieſer Krankheit noch nicht gehoͤrig, dagegen hat man innerlich genug Kennzeichen, welche mit Beſtimmtheit ſchließen laſſen, ein ſolches Thier habe die Tollheit gehabt, und die Gebiſſenen muͤſſen daher mit aller moͤglichen Sorgfalt behandelt werden. Selbſt die Kennzeichen der Tollheit ſind noch nicht alle deutlich angegeben, da man nur in der letzten Zeit unzweydeutige Spuren davon hat. Wenn aber ein Hund der ſonſt munter war, traͤge, verdroſſen und biſſig wird, oder unruhig umherlaͤuft, ohne zu Freſſen oder Saufen, den Kopf und Schwanz haͤngen laͤßt, ſtark ſpeichelt, ſeinem Herrn nicht mehr folgt und mit andern Hunden ſich zankt und beißt, ſo iſt die groͤßte Wahrſcheinlichkeit die Wuth werde bald erfolgen. Von innerer Hitze geplagt, trinkt oft ein ſolches Thier anfangs noch ſehr viel, und ſpringt wohl gar ins Waſſer um ſich zu kuͤhlen, dann aber bricht ſchnell die Wuth aus, der Hund laͤuft mit haͤngendem Kopf und ſcheuem Blick gerade vor ſich, faͤllt Menſchen, Hunde oder andere Thiere an, beißt auch wohl in Holz, Steine und andere Gegenz ſtaͤnde, und heult zuweilen graͤßlich dabey, bellt aber nicht, dann hat die Krankheit den hoͤchſten Grad erreicht und der Hund laͤuft ſich tod, welches nach einigen Tagen ge— ſchieht. Beſonders flieht er in dieſem Zeitraum das Waſſer, kennt ſeinen Herrn nicht mehr und frißt und ſaͤuft gar nichts. In alten Zeiten wurde der Wolf auch zuweilen als eine Larve des boͤſen Geiſtes angeſehen, und wenn ſich ein ſolcher ſehen ließ, oder bey den Heerden Schaden an— () Wie glücklich man bey uns mit der Heilung oder vielmehr Verhütung dieſer ſchrecklichen Krankheit iſt, beweiſen die Jahrbücher unſers Spitals. Vom Jahr 1813 bis 1825 kamen 64 Gebiſſene dahin, nemlich 34 von tollen Hunden und 30 von tollen Katzen. Von allen dieſen ſtarb keiner. Von 13 von einem wüthenden Wolfe Gebiſſenen in Italien ſtarben 9 an der Waſſerſchen und nur 4 genaſen. " ; — 1 richtete, fo. wagte man es kaum, ihn anzugreifen, weil man ihn für etwas mehr als ein natürliches Thier hielt. Daher auch die ſonderbare Sage von den Waͤhrwoͤlfen, das heißt ſolche, vor denen man ſich zu gewahren hat. Man glaubte ſogar, die Men— ſchen verwandeln ſich zuweilen in Woͤlfe. Die Arzneikunde hat in den aͤltern Zeiten gar viel auf verſchiedenen Theilen der Thiere gehalten und ihnen große Kraͤfte zugeſchrieben. Es mag wohl beluſtigend ſeyn, was Konrad Geßner daruͤber ſagt: Zu dem Podagra wird gelobt ein lebendiger Wolf oder Fuchs in Oel geſotten. Sein Blut und das Koth demmend das Grimmen im Bauch. Die Wolfszaͤhne helfend den monſuͤchtigen Menſchen, und machend die jungen Kind ohne Arbeit Zahnen. Die Wolfslungen wird gebraucht zu den. Kychenden. Das Wolfsherz, ſo es aufbehalten wird, ſoll es uͤberaus einen ſtarken und an— genehmen Geruch bekommen. Gebrannt und geſotten vertreibt es die fallende Sucht. Die Wolfsleber wird maͤchtig gelobt in den Preſten der Leber, wird in etliche Arzneyen von verruͤhmten Aerzten geſetzt. Item zu dem Huſten und Waſſerſucht. Das Wolfskoth mit weißem Wein getrunken, oder ſonſt mit einem Riemen oder Band angehenkt, oder auf Lenden und Arm gebunden, iſt gut denen ſo das Bauch⸗ grimmen babend, Von allen dieſen unpaſſenden, ja wohl ſchaͤdlichen und laͤcherlichen Wolfsmitteln weiß man heut zu Tage nichts mehr, nur die Wolfszaͤhne werden etwa noch aufge— ſucht und, in Silber gefaßt, zahnenden Kindern gegeben, um darauf zu beißen, damit ſie deſto leichter Zahnen ſollen, jeder andere Knochen oder hartes Holz thut aber die gleichen Dienſte, indem der Reitz, den die durchbrechenden Zaͤhne machen, dadurch gemindert, und der Zahndurchhruch befoͤrdert wird. Mahler, Goldſchmiede, Kupfer⸗ ſtecher, Vergolder und Buchbinder, bedienen ſich der Wolfszaͤhne zum Polieren; aber auch hier iſt jeder andere Thierzahn oder harte glatte Koͤrper gut. Der Balg gibt ein vortreffliches und warmes Pelzwerk, vorzuͤglich der der nordi— ſchen Woͤlfe. Am meiſten wird der des ſchwarzen Worfes geſchaͤtzt, welcher aber eine andere Art iſt. Die Jaͤger ſpuͤren das Daſeyn eines Wolfes an der Faͤhrte, welche mehr lang und breiter als eine Hundsfaͤhrte if. Die Ballen des Wolfes find auch weit ſtaͤrker und breiter, weiter von den Zehen abſtehend, und drücken die Geſtalt eines Herzens mit drey ſichtbaren Gruͤbchen im Boden ab. Er ſchreitet weit regelmaͤßiger und feſter als irgend ein großer Hund, in einer Linie fort, und ſetzt den Hinterfuß gerade in die ö * Vorderfuͤße, wenn er aber trabet, fo feßt er die Hinterfaͤhrte immer drey Finger breit vor der vordern ab, und dieſe iſt weit groͤßer als jene. 5 Man jagt ihn mit großen Hunden, und die Schuͤtzen ſtellen ſich an die Orte, wo er vorbey muß. In aͤltern Zeiten ſuchte man ihn oͤfters in großen Garnen zu fangen. Solcher Wolfsgarne hat man noch, wie ſchon geſagt, immer viele in Doͤrfern, welche meiſt an den Gemeindhaͤuſern haͤngen, ein Beweis, daß ſie ehmals doch viel haͤufiger waren. Auch in Tellerfallen und Wolfsgruben wird er zuweilen gefangen. Geßner erzaͤhlt: Zu ſeiner Zeit habe einſt ein gewiſſer Gobler einen ſonderbaren Fang gemacht; er habe eine Wolfsgrube bereitet, und als er am Morgen ſeine Grube beſucht, habe er drey ganz ungleiche Gewilde darin gefunden. Erſtlich ein altes Weib, ſo aus dem Garten auf den Abend habe Zwibeln und Kraut holen wollen; zweytens ein Fuchs und drittens ein Wolf. Jedes habe ſich die ganze Nacht aus Furcht vor dem andern ſtill gehalten. Die alte Frau aber ſey vor Furcht halb todt geweſen. Als nun Gobler den wunderlichen Fang geſehen, habe er der Frauen zugeſprochen, welche endlich wieder zu ſich ſelbſt gekommen, dann ſey er in die Grube geſtiegen, habe den Wolf erſtochen, den Fuchs todtgeſchlagen, und die halbtodte Frau mit Huͤlfe einer Leiter aus der Grube gehoben und nach Hauſe getragen. An die Zuürcheriſche Jugend, auf das Jahr 1825. Von der Naturforſchenden Geſellſchaft. XXVII. Stuck. v EIITIIITISGIIG EST ISTST ISIS ISIS AI SS AM STATT ISIS ASIA ASIASAIAISIAIISISIASISIISAISH In mehreren Neujahröblättern haben wir uns bemüht, die merkwuͤrdigen Thiere unſers Vaterlandes naher zu beſchreiben, und dieſelben euch bekannter zu machen. Die Reihe dieſer Thiere iſt noch nicht geſchloſſen, und wir fahren fort, euch auf aͤhnliche Art zu unterhalten. Auch diesmal betrifft es ein Thier unſeres Vaterlandes, von dem wir ſprechen; aber eine Naturgeſchichte davon zu geben, waͤre darum ganz unmoͤglich, da dieſes Thier gar nicht mehr vorhanden iſt, ja nicht einmal ſeine Gattung noch irgend— wo auf dieſer Erde vorkoͤmmt. Ihr werdet euch wundern, was dann das fuͤr ein Thier ſey, welches ehmals bey uns gewohnt habe, und jetzt gar nicht mehr auf der Erde vor— handen feyn ſoll. Es hat damit eine ganz eigene Bewandtniß, welche die Sache nur um deſto merkwuͤrdiger macht und eine Gelegenheit giebt, manches lehrreiche zu ſagen. Nur ein Gerippe iſts, was wir diesmal zum Vorwurf des Kupfers gewaͤhlt haben, und zwar das Gerippe eines elephantenartigen Thieres. Was kann man uns wohl uͤber ein Gerippe merkwuͤrdiges ſagen, werdet ihr vielleicht fragen? Wir ſehen lieber Thiere mit Fleiſch und Haut, als ſo ein Gemaͤlde unſerer Sterblichkeit, und wie kommt man dazu, uns angeben zu wollen, ein elephantenartiges Thier habe einmal bey uns gelebt? giebt es ja in ganz Europa keine Elephanten, nicht einmal in den warmen Gegenden unſeres Welttheils, geſchweige dann in unſerer gebirgichten Schweiz; und ſtaunen wir nicht gar ſehr, wenn etwa einmal ein Elephant von Thierfuͤhrern zu uns gebracht wird? Ihr habt gar recht, ſo zu fragen, und demnach koͤnnen wir ſagen, daß ſolche Thiere, ja daß wahre Elephanten einſt da wohnten, wo wir jetzt wohnen, daß es eine Zeit gab, wo fogar neben dieſen Elephanten auch Nashörner, welche jetzt nur, wie jene in N Aſien und Africa vorkommen, an den Ufern des Zurichfeed und der Limmat wandelten, ja wo Crocodile und große Schildkroͤten in unſern naͤhern Umgebungen lebten. Frey— lich mag es damals ganz anders bey uns ausgeſehen haben, und noch waren die Ufer unſers Sees nicht ſo bebauet, wie jetzt; es wuchſen auch ganz andere Pflanzen daſelbſt als heut zu Tage, kurz es war ganz anders in jeder Hinſicht. Aber, wenn war denn dies 2 werdet Ihr abermals fragen, warum iſt es jetzt anders? durch welche Ereigniſſe ſind denn dieſe Thiere bey uns verſchwunden? hat man ſie vielleicht, wie in neuern Zeiten die Steinboͤcke, ausgerottet? Auf alle dieſe Fragen koͤnnen wir antworten, daß wir von dieſer Zeit gar nichts wiſſen, daß kein Buch uns daruͤber irgend etwas aufbe— halten hat; daß keine Geſchichte davon ſprechen kann, weil damals, als dieſe Thiere untergingen, noch keine Menſchen auf dieſer Erde lebten. Erſt in den neuern Zeiten hat man ſich mehr mit dem beſchaͤftigt, was in der Erde aufgefunden wird, und die verſchiedenen Koͤrper naͤher unterſucht, welche etwa zum Vor— ſchein kommen. Von Zeit zu Zeit fand man hier und da große Knochen von Thieren, welche man, da man ſie fuͤr menſchliche hielt, unbedenklich fuͤr Rieſenknochen erklaͤrte. Schon im Jahr 1577 wurden ſehr große Knochen bey dem Dorfe Reiden im Canton Luzern unter einer entwurzelten Eiche ausgegraben, welche der Sohn des gelehrten Walliſer Thomas Platter, Doctor Felix Platter, Stadtarzt und Profeſſor zu Baſel, nachdem er ſie mit menſchlichen Knochen verglichen hatte, fuͤr Rieſenknochen hielt. Noch jetzt ſollen dieſe Knochen in Luzern aufbewahrt werden, und man berechnete die Groͤße des Rieſen, dem ſie einſt gehoͤrt haben ſollen, zu neunzehn Fuß, und bildete wirklich dieſen Rieſen, gegen den der Rieſe Goliath etwa das Verhältniß gehabt hatte, wie der König David zu Goliath, an der Mauer des Rathhauſes ab, wo er noch zu ſehen iſt. Aber ſolche Rieſen gab es nie, weder bey uns noch in andern Laͤndern, ſon— dern dieſe vermeintlichen Rieſenknochen gehörten einem Elephanten an, der hier einſt gelebt hat. Solcher Elephantenknochen wurden nachher mehrere z. B. beym Schloſſe Uitikon, bey Bruck an der Aar, bey Art im Kanton Schwyz, und vorzuͤglich im Kan— ton Baſel gefunden, und in einigen Gegenden Deutſchlands, wie bey Stuttgart am Neckar, im Braunſchweigiſchen und am Rheine ſind eine ſehr große Menge ſolcher Ele— phantenuͤberreſte, zum Theil von ungeheurer Groͤße aus der Erde gegraben worden, wie denn in Stuttgart ein Stoßzahn von einem ſolchen Thiere aufbehalten wird, der nahe an fuͤnfzehn Fuß Laͤnge hat. Dasjenige Thier, wovon ihr auf dem Blatte ein Skelet ſehet, war aber kein Elephant, wie man fie jetzt in Aſien und Africa ſiehet, aber an Größe und dußerer Geſtalt mag es dem Elephanten ziemlich geglichen haben: ſolche Knochen aber fand man auch in neuern Zeiten viele. Ungefaͤhr vor drey Jahren fand man nehmlich beym Graben nach Steinkohlen, in dem Steinkohlenbergwerk bey Kaͤpfnach an unſerm See, 1 wohl 80 Fuß tief unter der Erde, den ganzen Kopf eines ſehr großen Thieres; leider aber wurde der Block, welcher etwa vier Fuß lang war, zerſchlagen, und der Zufall allein rettete die ſchoͤnen und merkwuͤrdigen Ueberreſte, welche eine Zierde unſerer Samm— kung ausmachen. Dieſe Ueberreſte beſtehen aus einem Stuͤck der Kinnlade, worin zwey Backenzaͤhne ſtecken; aus einem einzelnen ſehr ſchoͤn erhaltenen und ſehr großen Backen— zahn, und aus einem ſogenannten Stoßzahn, welcher unwiderleglich beweißt, daß das Thier, welchem er angehört hatte, dem Elephanten gar ſehr geglichen haben muͤſſe, wenn auch die uͤbrigen Zaͤhne davon ſo ſehr abweichen, daß man eine Zeit lang glaubte, es fen fleiſchfreſſend geweſen, bis durch genauere Unterſuchnngen das Gegentheil bewieſen wurde. Nach der Größe der Zaͤhne zu urtheilen muß dieſer Kopf von einem wenigſtens zehn Fuß hohen Thiere herkommen. So merkwuͤrdig dieſer Fund auch iſt, fo iſt es doch nicht das erſte Mal, daß Kno— chen in Kaͤpfnach gefunden worden ſind, und man hat ſichere Spuren, daß ſchon bey Eroͤffnung des Bergwerks und ſeitdem zu verſchiedenen Zeiten Bruchſtuͤcke von Zaͤhnen aufgefunden wurden, welche man aber, da man fie ihrer ſchwarzen Farbe wegen, für Eiſen hielt, nicht achtete. Es ſind ſolche Bruchſtuͤcke hier und da in Sammlungen in der Schweiz zerſtreut, und ſelbſt unſere Sammlung beſaß mehrere. Nicht bloß aber Zaͤhne, ſondern auch die Kinnbacken ſelbſt, worin ſie ſtecken, und andere Knochen dieſer großen Thiere hat man gefunden; allein ſie ſind gewoͤhnlich ſo muͤrbe, daß man ſie nicht von der uͤbrigen Kohle unterſcheidet; die Haͤrte der Zahnmaſſe hat dagegen bewirkt, daß dieſe ſich mehr erhalten haben. Aber auch ſie ſind nicht weiß, ſondern vollkommen ſchwarz und mit derſelben Maſſe durchzogen, wie die Steinkohlen ſelbſt. Der große Zahn, den ihr verkleinert auf der Kupferplatte erblickt, iſt 5 Zoll lang, 2 Zoll 10 Linien breit und mit 6 Hoͤckern verſehen, welche urſpruͤnglich in eben ſo viele Spitzen ausliefen, welche ſich aber durch das Kauen abgenutzt haben, wie man dieſes auch bey jetzt noch lebenden Thierarten findet.“) Aber, wie kann man angeben, wie das Thier ausgeſehen haben muß, dem dieſe Zaͤhne angehoͤrten, wie kann man wiſſen, daß dieſe Thiere nicht mehr auf der Erde leben, und doch, wie ſie geſtaltet waren? Wir wollen verſuchen, ſo viel es der Raum dieſer Blaͤtter geftattet, Euch darüber mögliche Belehrung zu geben; es wäre aber fo viel zu ſagen, daß noch Stoff genug übrig bliebe, bey ſpaͤthern Gelegenheiten darauf zuruͤck zu kommen, und die Sache zu behandeln. Unſere Erde war nicht immer ſo beſchaffen, wie ſie jetzt iſt, die Zeit hat große ) Im September des vorigen Jahres fand man abermals bey Elgg in den Steinkohlen Zähne eines Thiers, aus eben dieſer Gattung, welche aber einer andern kleinern Art angehört haben müſſen; fie find im Baue ſehr von den abgebildeten verſchieden, und die Lage, in wel— cher fie ſich fanden, zeigt, daß das Thier, dem fie angehörten, ſehr gewaltſam umkam. Fr 0" Veraͤnderungen auf derſelben hervorgebracht, wovon felbft unfere Berge und fogar inte: fere nächften Umgebungen Beweiſe genug geben. So ift es z. B. ſehr wahrſcheinlich, daß einſt das ganze Thal vom Wallenſtatterſee bis nach Baden hinab einen See gebildet habe, welcher dann durch den Durchbruch der Limmat bey Baden ſich ſo ſehr verklei— nerte, daß er auf den jetzigen Stand zuruͤckkam; wann aber dieſe Veraͤnderung ent— ſtand, und welches ihre naͤchſten Urſachen waren, das wiſſen wir nicht. Nicht nur in unſerm Thal, ſondern auch in den Thaͤlern der Reuß, der Aare, der Rhone, ſind nach ſichern Spuren aͤhnliche Veraͤnderungen vorgegangen, welche ſie ganz anders geſtalteten. In noch fruͤhern Zeiten muͤſſen aber ſogar faſt alle unſere Gebirge bis ans Hochgebirge, und namentlich auch die ganze Kette des Jura von Regenſperg bis auf Genf unter Waſſer geftanden und mit Meer bedeckt geweſen ſeyn; daher findet man auf allen dieſen Gebirgen die verſteinerten Ueberreſte einer großen Menge von Seethieren, Schnecken, Seeigel und andern, welche nie im ſuͤßen Waſſer leben, ſondern nur in den Meeren ſich aufhalten oder aufgehalten hatten, denn von vielen kennt man die Originale nicht mehr. Man fand in neuern Zeiten ſelbſt die Ueberreſte von Schildkroͤten und Crocodilen im Geſteine dieſer Kalkgebirge. Dieſe Thiere alle muͤſſen ehemals hier gelebt haben; aber wann dieſe Meere ſich verliefen, das wiſſen wir nicht. Erſt nachdem dieſes geſchehen war, konnteu auch größere Landthiere auf dem nun weiter gewordenen feſten Lande leben und ſich ernaͤhren, da nun die trocken gewordene Erde allerley Kraͤuter hervor— brachte, welche dieſen Thieren zur Speiſe dienten. Aber auch von dieſer Zeit, wenn ſie eingetreten, wiſſen wir nichts, eben weil der Menſch noch nicht da war, welches daraus hervorgeht, daß man unter den zahlreichen Ueberreſten von Knochen aus dieſem Zeitraume keine Spur von menſchlichen Gebeinen findet. Wie dieſe Thiere entſtuhnden, wann der Schoͤpfer ſie geſchaffen hat, das wird uns ebenfalls immer verborgen bleiben. Eben ſo unbekannte Urſachen ſcheinen aufs Neue Ueberſchwemmungen hervorgebracht zu haben, in welchen alle damals lebenden Geſchoͤpfe den Untergang fanden; ſowohl Pflanzen als Thiere. Aus den Ueberreſten der Pflanzen ſind wahrſcheinlich die Stein— kohlen entftanden: wenigſtens findet man in dieſen die Ueberreſte einer großen Menge von Pflanzen ganz in Kohlen verwandelt, und unter dieſen pflanzlichen Ueberreſten auch thieriſche. Dadurch wird es uns alſo deutlich, daß dieſe thieriſchen und e chen Ueberreſte aus einer unbeſtimmten Vorzeit ſtammen. Leben aber dieſe Thiere wirklich nicht mehr auf unſerer jetzigen Erde? Man kann dieſe Frage mit nein beantworten; und zwar darum, weil es unbegreiflich waͤre, daß ſo große Thiere den Augen von beobachtenden Reiſenden haͤtten entgehen koͤnnen, welche faft alle Weltgegenden durchreisten, und Thiere und Pflanzen mitbrachten. Aber in keinem Theile der Erde hat man ſolche gefunden; daher iſt es doch wohl anzunehmen, es ſeyen keine mehr lebend vorhanden. Dieſe Behauptung wird um ſo wahrſcheinlicher, ee da die Zahl der Thiere, von welchen man im Schooße der Erde Ueberreſte findet, und welche alle in der lebenden Natur nicht mehr aufgefunden werden koͤnnen, wohl auf mehr als achtzig Arten ſteigt, und gewiß noch mehr werden entdeckt werden; wie waͤre es möglich, daß Allen dieſe Beobachtungen hätten entgehen koͤnnen? Wenn aber noch die Moͤglichkeit, daß ſie noch lebend irgendwo vorhanden ſind, angenommen wuͤrde, ſo müßten fie doch gewiß ungemein weit von ihrem ehmaligen Wohnplage leben, und in einem ganz andern Clima; und dies allein wäre ſchon hoͤchſt wunderbar und unbe— greiflich. Aus allen dieſen Gruͤnden haben beynahe alle Naturforſcher die Ueberzeugung angenommen, es ſeyen dieſe verkohlten und verſteinerten Knochen, Ueberreſte von Thieren aus der Vorwelt oder Urwelt, und alſo unbeſtimmte Jahrtauſende im Boden vergraben. Da die abgebildete Gattung von Thieren durch ihren Zahnbau ſich zwar dem Ele— phanten naͤhert, aber doch ſehr von ihm verſchieden ſeyn mußte, indem die Backenzaͤhne, Kennzeichen, wodurch die Saͤugethiere ſich beſonders von einander unterſcheiden, ſehr verſchieden ſind, ſo hat man ihr auch einen andern Namen gegeben. — Zuerſt nannte man ſie Mammuthe oder foſſile Elephanten, weil man ſie mit den Ueberreſten von wirklichen Elephanten, welche ſehr haͤufig vorkommen, verwechſelte; dann ſogar fleiſch— freſſende Elephanten, weil man aus dem Bau ihrer Zaͤhne irrig ſchloß, fie haben fich von Fleiſch genaͤhrt. Da man am Fluſſe Ohio in Nordamerica das erſte ganze Thier dieſer Art fand, fo nannte man es auch Ohio-Thier. Herr Cuͤvier benannte dagegen dieſe Gattung Maſtodon oder Zitzenzahn. Man fand ſolche Ueberreſte zwar an den Fluͤſſen Ohio und Miſſiſippi in Suͤmpfen; aber nicht nur in Nordamerica, ſondern auch an ſehr vielen Orten in andern Welttheilen und ſelbſt in Europa an weit von einander ent— fernten Gegenden. Allein die europaͤiſchen Knochen, die man bis dahin gefunden hat, ſind von einer, von der in America gefundenen, verſchiedenen und etwas kleinern Art, ſo daß es ſcheint, die europaͤiſche Art ſey von der americaniſchen verſchieden geweſen. Nur von der americaniſchen Art hat man das ganze Scelet aufgefunden, aber die Bruch— ſtuͤcke der europaͤiſchen zeigen, daß, die Groͤße ausgenommen, welche immer etwas geringer erſcheint, kein weſentlicher Unterſchied Statt gehabt habe. Die Umgebungen, in welchen man die Ueberreſte der Maſtodonten der Vorwelt findet, ſcheinen anzudeuten, daß dieſe Thierart in ſumpfigen Gegenden oder in der Naͤhe von Seen und Fluͤſſen ge— wohnt habe. Nach dem Bau der Knochen zu urtheilen, iſt es hoͤchſt wahrſcheinlich, daß ſie gleich den Elephanten einen Ruͤſſel gehabt haben; ob aber dieſer Ruͤſſel ſo lange geweſen, und fo geſchickt hat gebraucht werden koͤnnen, wie beym Elephanten, das iſt eine Frage, welche natuͤrlich nicht beantwortet werden kann. In dem Steinkohlenbergwerke in Elgg wurden neben den Thieren aus dieſer Gat— tung, auch Ueberreſte von Nashoͤrnern aufgefunden; die erſten, welche in Kohlen vor— gekommen ſind. Dieſe beyden Thierarten haben alſo beyſammen und miteinander gelebt, und 8 kommen durch dieſelben Urſachen um. Die Maſtodontenzaͤhne in Elgg lagen 200 Fuß in perpendicularer Tiefe und 300 Fuß in horizontaler. Iſt es nun nicht hoͤchſt merkwuͤrdig, daß man die Ueberreſte von Thieren auffin⸗ det, welche viele taufend Jahre in der Erde vergraben lagen, ehe noch Menſchen lebten. Welche fuͤrchterliche Erdrevolutionen muͤſſen wohl damals die Erde betroffen haben, wenn ſie den Untergang aller lebenden Geſchoͤpfe herbeyfuͤhrten. Vielleicht ſind ſogar die Climate unſerer Erde bey dieſem Anlaß veraͤndert worden, wie viele Erſcheinungen vermuthen laſſen. Es waͤte zwar wohl möglich”, daß ſolche Thiere auch in unſern raus hern Gegenden hätten leben koͤnnen, daß ihre Hautbedeckung fie vor der Kalte beſchuͤtzt haͤtte; allein man findet zugleich in dieſen Steinkohlen oft deutliche Ueberreſte von Pflan— zengattungen, welche jetzt zuverlaͤßig nirgends in Europa wachſen; z. B. Palmen, wie koͤnnten dieſe zu uns gekommen ſeyn, wenn nicht damals unſere Gegenden wärmer. geweſen wären. Heut zu Tage wachſen die Palmen nur in den Ländern der warmen. Climate, in welchen man Elephanten und Nashoͤrner findet. Entweder muͤſſen alſo in fruͤhern Zeiten dieſe fremdartigen Gewaͤchſe auch mehr Kälte haben ertragen koͤnnen, oder es muß damals in unſern Gegenden waͤrmer geweſen ſeyn. Man findet Ueberreſte von Elephanten und Nashoͤrnern der Vorwelt in großer Menge fogar in Sibirien und laͤngs dem Eismeer zerſtreut; dies ſcheint doch wohl anzuzeigen, daß entweder die Ueber— reſte dieſer Thiere von ſehr entlegenen Laͤndern hergeſchwemmt worden ſeyen, daß unge— heure Fluthen die Erde von einem Pole zum andern uͤberſchwemmt haben, oder aber daß dieſe Thiere damals da lebten, wo man jetzt ihre Ueberbleibſel in ſo großer Menge finz det, daß ſogar ein bedeutender Handel mit dem Elfenbein dieſer foſſilen Zaͤhne getrieben wird. Das letztere iſt viel wahrſcheinlicher, obſchon jetzt dieſe oͤden und ſehr kalten Ges genden, die zum Theil faſt immer unter dem Eiſe begraben liegen, keine Pflanzen hervorbringen, welche ſo große Thiere haͤtten naͤhren koͤnnen, wenn auch wirklich die aͤußere Bedeckung ihrer Haut ſie faͤhig gemacht haͤtte, ein kaͤlteres Clima zu ertragen, als die Elephanten und Naͤshoͤrner der jetzigen Schöpfung. Man hat wirklich am Eis— meer den ganzen noch mit Haut und Haaren verſehenen Koͤrper eines ſolchen vorwelt— lichen Elephanten unter dem Eiſe des Fluſſes Lena gefunden, und daraus geſehen, daß das Thier mit mehr Haaren bedeckt war, als jetzt die Elephanten es find. Aber den- noch muß das Clima ſich gar ſehr geaͤndert haben, da jetzt in jenen Gegenden die Erde, kaum einige Zoll hohe Sträucher hervorzubringen vermag, von denen Elephanten und Nashoͤrner unmoͤglich leben koͤnnten. Man ſieht aus allem dieſem unwiderſprechlich, daß unſere Erde gar große und viel fache Veraͤnderungen erlitten haben muͤſſe, an welchen das Waſſer den groͤßten Theil nahm, und bey welchen die Waͤrme oder Kaͤlte der Laͤnder veraͤndert wurde, ſo daß es einſt vielleicht allgemein auf unſerer Erde viel waͤrmer als jetzt, und das Eis der 9 Pole noch nicht vorhanden war. Da nun jede Pflanze, jedes Thier einen gewiſſen Waͤrmegrad noͤthig hat, ſo muͤßte eine ſolche Waͤrmeveraͤnderung, wenn ſie ploͤtzlich ein— trat, nothwendig ſchon allein den Untergang der Thier- und Pflanzenwelt zur Folge gehabt haben, wenn auch keine Ueberſchwemmungen dazu gekommen waͤren. Daß aber auch letztere Statt hatten, davon it ſchon geſprochen worden. Man findet ganze Wälder unter der Erde vergraben, deren Staͤmme alle nach einer Richtung liegen, weil der Strom ſie alle auf einmal umriß; ſo trifft man zuweilen auch die Ueberreſte von Thie— ren in einem Haufen zuſammengeſchwemmt an, wie die fchon angeführten Benfpiele der Knochen am Neckar und im Braunſchweigiſchen zeigen. Selbſt die Steinkohlenlager ſcheinen Ueberbleibſel von ſolchen Ueberſchwemmungen zu ſeyn; kurz Alles deutet darauf hin, daß jene Vorwelt ihren Untergang durch Waſſer gefunden habe. Eine naͤhere Un— terſuchung der Ueberreſte einer unbekannten Vorwelt zeigt ſogar, daß nicht nur eine, fondern mehrere Schoͤpfungen einander gefo'gt find, daß alſo unſere Erde nicht nur ein Mahl, ſondern mehrere Mahle mit Pflanzen und Thieren bevoͤlkert war, und un— bekannte Urſachen jeder dieſer fruͤhern Schoͤpfungen, wahrſcheinlich immer durch unge: heure Ueberſchwemmungen, den Untergang brachten. Aber auch jedes Mahl trat die Erde ſchoͤner aus ihrem Grabe hervor; die Allmacht Gottes ſchuf aus der Zerſtoͤrung wieder eine neue Erdrinde und bevoͤlkerte dieſelbe mit Pflanzen und Thieren, bis es ihr wieder gefiel, ſie zu zernichten. Eine ſolche Zerſtoͤrung hatte unſere Erde erlitten, als die Zeit eintrat, in welcher fie ihre jetzige Geſtalt erhielt, wo nun auch der Menſch geſchaffen wurde, das vollkommenſte oder vielmehr das vorzuͤglichſte Geſchoͤpf; denn vollkommen iſt jedes Geſchoͤpf in feiner Art. Es kann aber dem Schöpfer gefallen, auch dieſe Schoͤpfung zu zerſtoͤren, und ſo den juͤngſten Tag aller jetzigen Gattungen und Arten der Thiere und Pflanzen berberzuführen. Dies kann eben fo gut bald, als erſt auch nach vielen Jahrtauſenden geſchehen; aber vorausſagen kann kein Menſch dieſen Zeitpunkt; daher ſind alle ſolche Prophezeyungeu eitel, und beurkunden nur die beſchraͤnkte Anſicht der Menſchen, welche nicht einzuſehen vermögen, daß unſer Verſtand zu ſchwach iſt, im Schickſal der Erde etwas vorauszuſehen. Unſere Vorfahren glaubten, daß Cometen und andere Erſcheinungen am Himmel Vorboten des nahen Weltuntergangs ſeyen; heut zu Tage aber hat dieſer ſonderbare Wahn wenig Anhaͤuger mehr: man erkennt in dieſen Geſtirnen himmliſche Körper, welche gleich andern, mit denen wir die nächtliche Bühne des Himmels geſchmuͤckt ſehen, ihren beſtimmten Lauf haben und ihren Kreis oft erſt nach Jahrhunderten vollenden, bald in unbekannten Raͤumen des Himmels ihre Bahn vollfuͤhren, dann aber der Erde ſich wieder annaͤhern, aber fo, daß fie immer in den bezeichneten Schranken blei— ben, und wir nicht befuͤrchten duͤrfen, daß die Erde von ihnen Schaden leide. Sollte aber auch unſere Erde wieder eine neue Revolution erleiden, ſollten auch alle Menſchen, alle Thiere und Pflanzen, welche jetzt vorhanden ſind, umkommen, = Bi fo ift damit die Erde noch nicht vernichtet, nur ihre Oberfläche hat gelitten, ihr Kern iſt feſt geblieben; und dieſelbe Allmacht, welche den Waſſern gebot in beſtimmte Ufer zuruͤckzugehen, und dann auf dem Trocknen Pflanzen, Thiere und Menſchen erſchuf und dieſen die ganze Erde zum Wohnplatz anwies, kann dies wieder thun, und die Erdrinde neu und herrlicher ſchmuͤcken. Dann werden die neuen Bewohner unſers Pla— neten, wenn ſie unſere Gebeine auffinden, eben ſo ſehr ſich verwundern, die Spuren einer fruͤhern Schöpfung aufzufinden, als es uns in Erſtaunen ſetzt, die Ueberreſte einer fruͤhern Vorwelt zu bemerken. Alles auf dieſer Welt Mt im ewigen Kreislaufe begriffen, und aus endlos ſcheinender Zerſtoͤrung kann der Schoͤpfer neue Ordnungen, neue Weſen erſchaffen. Um aber beſtimmen zu koͤnnen, zu welcher Gattung ein aufgefundenes Geſchoͤpf der Vorwelt gehoͤrt, ſind Sammlungen von Naturgegenſtaͤnden der jetzigen Schoͤpfung nothwendig. Dieſe allein ſetzen uns in den Stand, Vergleichungen anftellen zu koͤnnen. Auch wir haben eine ſolche, zwar noch kleine Sammlung, und ihr ſeyd freundlich ein— geladen, dieſelbe zu beſehen und euch mit den dort aufgeſtellteu Thieren bekannt zu machen. Es wird euch nicht blos Freude ſondern auch den Nutzen gewähren, euere Kenntniffe in jeder Hinſicht zu bereichern, euch von Vorurtheilen und falfchen Anſichten der Dinge zu bewahren, und euere Begriffe uͤber die ewige Ordnung der Dinge zu erweitern. Ihr werdet durch naͤheres Studium der Naturgeſchichte einſehen lernen, daß Nichts ohne Zweck gefchaffen iſt, daß der Schöpfer jedem Thiere, jeder Pflanze ihre Beſtim— mung angewieſen hat, und jedes Geſchoͤpf in ſeiner Art vollkommen iſt. | Unfere Sammlung zeigt euch beſonders auch die Thiere unſers Vaterlandes fo ziem— lich vollſtaͤndig aufgeſtellt; aber auch andere aus andern Claſſen ſind dort. Da dieſe Sammlung dem oͤffentlichen Unterricht, an dem jeder theilnehmen kann, gewidmet iſt, indem jaͤhrliche Vorleſungen uͤber Naturgeſchichte gehalten werden, ſo iſt Vervollſtaͤn— digung dieſer Sammlung unſer Hauptaugenmerk. Jeden Beytrag dazu iſt uns will— kommen und wird mit Dank angenommen. Oft ſtehen einzelne Naturalien irgendwo aufgeſtellt, welche als ſolche wenig Werth haben, mit einer Sammlung vereinigt aber derſelben zur Zierde und zum Nutzen gereichen. Oft kommen Jaͤger in den Fall, ſel— tene Voͤgel oder andere Thiere zu bekommen; wenn ſie ſolche der Anſtalt uͤbergeben wuͤrden, ſo wuͤrden ſie ſich ihren vorzuͤglichen Dank erwerben, und ihre Namen als Gutthaͤter in das Verzeichniß der Geſchenke eingetragen werden. Oft gehen junge Leute ins Ausland, und haͤtten Gelegenheit, ohne große Koſten Naturalien zu bekommen, welche fie in dieſer öffentlichen Sammlung zum Andenken an ihre Reife oder zum Dank gegen genoffenen Unterricht aufſtellen koͤnnten. Schon haben wir mehrere Geſchenke erhalten, wofuͤr wir den Gebern hoͤchſt dankbar ſind. Dieſe nuͤtzliche oͤffentliche Anſtalt, deren Beſichtigung im Sommer Jedem an gewiſſen Tagen offen ſteht, ſey daher der‘ Aufmerkſamkeit und der Beachtung unſerer fuͤr alle Gemeinnuͤtzigen immer bereitwilligen Mitbuͤrger beſtens empfohlen. Durch fie wird die große Luͤcke in unſern Unterrichtsan— ſtalten, wo keine Naturgeſchichte bisher oͤffentlich, außer fuͤr diejenigen, welche Me— dicin ſtudierten, vorgetragen wurde, endlich ausgefüllt und dieſem weſentlichen Mangel abgeholfen werden loͤnnen. \ A a 4 in E = >», u— An die Zuͤrcheriſche Jugend auf das Jahr 1826. Von der XXVIII. Stück. ri, 2 einer Reihe von unſern Blaͤttern haben wir Euch, liebe jugendliche Freunde, mit den merkwuͤrdigſten Saͤugethieren unſers Vaterlandes bekannt gemacht. Dies— mal wollen wir es verſuchen, einige Luftbewohner zu beſchreiben, und ihre Natur- geſchichte darzuſtellen, da ſie nicht weniger werth ſind, die Aufmerkſamkeit auf ſich zu ziehen, als die bisher angefuͤhrten Thiere. Wenn der Luchs, der Baͤr, der Wolf, wegen ihrer Raubgierde, Mordſucht und Staͤrke fuͤr die friedlichen Alpenbewohner eine ſchreckliche Erſcheinung ſind, und die Ruhe jener hohen Regionen ſtoͤren, ſo ſind die Bewohner der Luͤfte dem jungen Steinbock, der Gemſe, dem Murmelthier und dem Alpenhaſen nicht weniger gefaͤhrlich, ja noch gefaͤhrlicher, weil ſie aus weiter Ferne von oben herab, ihren Raub ins Auge faſſen und auf denſelben mit Blitzesſchnelle herabſtuͤrzen koͤnnen, ohne daß auch die ſchnelleſte Flucht hier etwas helfen koͤnnte. Wir waͤhlen diesmal zwey Voͤgel, welche zwar beyde unter die Raubvoͤgel gehoͤren, in ihren Sitten aber gar ſehr von einander abweichen. Der eine gehoͤrt ausſchließlich den hohen Gebirgswaldungen an, und iſt das ganze Jahr durch in den Alpen anzutreffen, der andre iſt ein Fremdling, der nur zuweilen aus dem warmen Afrika heruͤber ſich zu uns verfliegt, ohne hier ſich fortzupflanzen oder eine bleibende Wohnung aufzuſchlagen. Die beyden abgebildeten Voͤgel, von welchen wir ſprechen wollen, ſind der weißköͤpfige Geyer und der Goldadler. Beyde leben ausſchließend von Fleiſch, aber der eine, und zwar der groͤßere, iſt dennoch ein friedlicher Vogel, der keinem lebenden Geſchoͤpfe etwas zu Leide thut, der andere hingegen iſt zwar kleiner an — 2 — Koͤrper, aber gedrungener, und vorzuͤglich mit fuͤrchterlichen Klauen bewaffnet, mit welchen er alles, was er auffaſſen kann, kraͤftig zu ergreifen und feſtzuhalten im Stande iſt. 5 Wir werden uns indeß bemuͤhen, mehr die Naturgeſchichte der Gattungen, zu welchen dieſe beyden Voͤgel gehoͤren, als der einzelnen Art auseinander zu ſetzen. Die beyden Voͤgel ſind zwar dem Naturforſcher wohl bekannt, aber ihre Lebensart bietet ſehr viel Unterhaltendes und Belehrendes dar. Die Gattung Geyer unterſcheidet ſich von den uͤbrigen Raubvoͤgeln beſonders durch den nackten Kopf und Hals, der unten mit einem Federkragen, wie mit einer Palatine geziert iſt. Der Schnabel iſt ſehr ſtark, an der Wurzel mit einer ſogenannten Wachshaut bedeckt. Der Oberſchnabel iſt gerade, nur an der Spitze hackenfoͤrmig herabgebogen; der Unterſchnabel gerade, an der Spitze abgerundet; beyde Kinnladen mit ſcharfſchneidendem Rande. Die Fuͤße ſtark, mittelmaͤßig hoch, die Mittelzehe ſehr lang, die ſchwache aͤußere um die Hälfte kurzer, und die innerſte und hintere noch kuͤrzer. Die Krallen zwar ſtark aber mittelmaͤßig lang und ziemlich ſtumpf, wenig gebogen. Die Fluͤgel ſtark und ziemlich lang. Der Kopf klein, und wie der Hals mit kurzem duͤnne ſtehendem Flaum bedeckt; den letztern ziehen ſie ſehr ein und verbergen ihn im Federkragen. Der Koͤrper iſt dick und ſchwerfaͤllig. Der angefuͤllte Kropf tritt ſackfoͤrmig vor. Der Schwanz mittelmaͤßig lang, oft hinten abgenutzt. Die Fluͤgel in der Ruhe faſt haͤngend, mit langen Armknochen. Der Flug iſt ſchwerfaͤllig und langſam, ſie koͤnnen ſich aber zu einer uner— meßlichen Hoͤhe erheben. Sie ſteigen in einer Schneckenlinie auf, und laſſen ſich eben ſo herab. Ihr Geſicht iſt ſcharf, ſehr vollkommen aber der Geruch, ſo daß ſie das Aas unbegreiflich weit riechen. Ihr Aeußeres iſt traurig, ihr Betragen plump. Sie leben geſellig, oft in großen Schaaren. Ihre Hauptnahrung iſt Aas. Aus ihren Nasloͤchern fließt beſtaͤndig eine übel riechende Materie aus, und ihr Koͤrper hat einen ſehr unangenehmen Geruch. Es ſind Voͤgel, welche meiſt in warmen Laͤndern ſich aufhalten, nur zuweilen ſich zu uns und nach Deutſchland verirren. Sie niſten in unzugaͤnglichen Felſen, tragen ihren Jungen die Speiſen im Kropfe zu und ſpeien ſie ihnen vor. Alle wahren Geyer ſind in der alten Welt zu Hauſe. Es ſind nur etwa 6 oder 7 Arten bekannt, welche Afrika und Oſtindien bewohnen, und nur zwey kommen zuweilen aus Afrika nach Europa heruͤber. Dieſe Voͤgel ſind von der Natur angewieſen, todte Thiere zu verzehren, wo— bey ihnen ihre nahen Verwandten, die Aasvoͤgel, helfen, von welchen eine Art ebenfalls in Europa vorkommt. er — 3 — »Wenn man, ſagt Vaillant in feiner afrikaniſchen Reiſe, auch mit dem ſchaͤrf⸗ ſten Auge nirgends, ſo weit der Horizont reicht, einen Geyer gewahr wird, und man erlegt ein Thier, ſo vergeht keine Stunde, ohne daß ſich ſchon die Geyer ſehen laſſen und von allen Seiten angeflogen kommen, um das Aas zu verzehren.» Wie außerordentlich fein und ſtark muß der Geruch dieſes Vogels ſeyn, welcher ihm Meilen weit die Spur eines todten Thieres zutraͤgt, und ihn aus hoher Luft dahin leitet, wo er ſeine Nahrung findet. Es iſt merkwuͤrdig, daß die ori— entaliſchen Voͤlker und die Bewohner von Afrika meiſt ſehr unreinlich ſind, und das gefallene Vieh, ſtatt daſſelbe zu begraben, nur auf die Gaſſe werfen, wo es liegen bleibt, bis es verfault oder von den Geyern und Raubthieren verzehrt wird. Daher ſteht man in den morgenlaͤndiſchen Staͤdten, beſonders in Egypten, zahlreiche Schaaren von Geyern mit herrenloſen Hunden und Jakaln ſich um die herumliegenden Aeſer ſtreiten, und beſonders auch die Geyer furchtlos unter den Menſchen herum wandeln, welche ihnen nichts thun, und wenn ſie ſelbſt zu traͤge ſind die Leichname zu begraben, doch in dieſen Thieren die Wohlthaͤter erkennen, welche die Verpeſtung der Luft hindern. Dadurch wird der Geyer ein ſehr nuͤtz⸗ licher Vogel, der auch bey den rohen Bewohnern Schutz findet. Die Hacke ihres ſtarken Schnabels iſt ſo eingerichtet, daß ſie damit das Fleiſch von den Knochen ganz rein abnagen koͤnnen, wenn es auch fehr hart und vertrocknet waͤre. Die kleinen Knochen und die Felle kleiner Thiere frißt der Geyer mit, ja ſie ſcheinen dieſe letztern ſehr zu lieben. Mit den lebenden Thieren leben ſie im Frieden, es muͤßte denn der groͤßte Hunger ſie treiben, wie man denn auch einmal einen grauen Geyer auf einem niedergeſtoßenen kranken Schafe gefangen hat. Außer dieſem ſehr ſelten eintretenden Falle ſind ſie ſehr feige und traͤge Voͤgel, welche zwar ungemein viel freſſen, aber auch lange hun⸗ gern koͤnnen. Haben ſie ſich voll gefreſſen, ſo tritt ihr Kropf wie eine ſtarke Geſchwullſt hervor, und fie bleiben dann oft Stunden, ja halbe Tage lang, an einem Fleck faſt unbeweglich auf einem Beine mit haͤngenden Fluͤgeln ſitzen, und ſind dann ſo traͤge und dumm, daß man ſich ihnen naͤhern und ſie todtſchlagen, oder gar ergreifen kann. Oft aber, beſonders wenn ſie nuͤchtern ſind, ſind ſie ſehr ſcheu. Auf der Erde gehen ſie ſchrittweiſe, und weit lieber als andre Raub— voͤgel, mit horizontalem Körper und herabhaͤngendem Halfe, Da fie oft in unermeßliche Höhen ſteigen, und häufig auch auf hohe Berge kommen, auch da niſten, fo find fie für Hitze und Kälte ziemlich gleichguͤltig, und ein in Deutſchland gefangener ſchien eine Kaͤlte von 12 bis 15 Graden gar nicht zu bemerken oder zu fuͤhlen. , Ze Man hat an ſolchen gefangenen Geyern viele Verſuche gemacht, woraus man ſchließen ſollte, daß ſie ſich an keinem lebenden Thiere vergreifen. Elſtern, Raben, Kraͤhen, Tauben, Kaninchen, Haſen, welche man mit ihnen einſperrte, lebten ganz ruhig und unangefochten von ihnen, ja es ſchien eher der Geyer fürchte fie. Gab man dem Geyer eine todte Katze oder fo etwas, fo fiel er bald daruͤber her, allein er ergriff ſchnell die Flucht, ſobald ſich das Thier noch bewegte. Man band einen Bindfaden an ein ſolches Aas, und bewegte daſſelbe, wenn der Geyer anpacken wollte, furchtſam ſprang er davon, und wenn nach einiger Zeit der Hunger ihn wieder herbey lockte, ſo betrachtete er ſie von allen Seiten, that einen Hieb mit dem Fuße darnach, ſprang aber ſchnell wieder zuruͤck; dies wiederholte er oͤfters, bis er von dem Tode uͤberzeugt war. Ein lebender Haſe ſchien ihm mehr Furcht einzujagen, als er dem Hafen. Dies iſt um fo merfwürs diger, da ſein Schnabel und ſeine Fuͤße gute Waſſen ſind, mit welchen er tuͤchtig einhauen kann. Sie bedienen ſich des Schnabels zur Vertheidigung weit mehr als andre Raubvoͤgel. Die Naͤgel aber ſind zu ſchwach und ſtumpf, als daß ſie damit ein Thier ſtark anfaſſen, oder wohl gar forttragen koͤnnten. Freylich iſt es faſt unbegreiflich, wie ſolche Voͤgel in kultivirten Ländern, wie z. B. Deutfchs land iſt, auch nur einige Zeit leben koͤnnen, wenn ſie nichts als Aas freſſen, da ſolches gewiß ſelten dort herumliegt, und in der Noth moͤchten ſie wohl von ihrer Staͤrke etwa Gebrauch machen, oder wenigſtens dann mit Schnecken, Wuͤrmern, Reptilien und Maͤuſen vorlieb nehmen. Freilich leitet ihr wunderbar feiner Geruch ſie Meilen weit nach einem herumliegenden Aaſe, und die Faͤhigkeit lange zu hungern, hilft ihnen auf ihren Reiſen. Von den beyden Arten der großen europaͤiſchen Geyer iſt erſt eine, ſo viel wir wiſſen, zu verſchiedenen Malen in der Schweiz vorgekommen, und dies iſt der abgebildete weißkoͤpfige Geyer. Es iſt daher durchaus unrichtig, wenn einige ſehr verdiente Schriftſteller ſagen, man finde ſie nicht ſelten in den Schweizerge— birgen, dies iſt eine Verwechslung mit dem Laͤmmergeyer, einem ganz andern Vogel, der allerdings unſern Alpen eigen it. Im Sommer 1812 wurde ein ſolcher Geyer, der erſte von dem wir wiſſen, am Axenberge im Canton Uri geſchoſſen, und kam in die Sammlung des Herrn Cantonsrath Zieglers in Win— terthur, wo er noch ſich befindet. Es war ein Weibchen, und das Maͤnnchen ſoll ſich auch dabey befunden haben. Ein anderer Geyer dieſer Art wurde bey Morſee am Genferſee, da er eben in traͤger Ruhe ſeine Verdauung abwartete, von einem Hirtenjungen mit einem Stein getroffen und dann todt geſchlagen, er kam in die Sammlung der Herren Bonjour in Ouchy, und iſt jetzt in Paris. Dies ſind die einzig bekannten Beyſpiele. Wohl moͤchten mehrere Mahle ſolche — 3 m Fremdlinge gekommen ſeyn, aber ſie wurden entweder nicht bemerkt, oder nicht gefangen. Der erſte Vogel wog 20 Pfund, und hatte 8 ½ Fuß Fluͤgelausbrei— tung. Es ſoll aber noch viel groͤßere geben. Der Kopf und Hals iſt weiß, wollig ohne Federn. Die Halsfedern am Kragen des Unterhalſes, Ruͤcken, Deckfedern der Fluͤgel und Unterleib ſind ſchmutzig zimmetfarben, in der Mitte jeder Feder iſt ein hellerer Streif. Die großen Schwingen und der Schwanz ſchwarz. Er ſoll in Afrika auf ſteilen Ge— birgen niſten, und zwar geſellſchaftlich, mehrere Paare in geringer Entfernung von einander, und zwey bis drey weiße Eier legen. Man kann ihn leicht zahm erhalten, und er frißt dann friſches und faulendes Fleiſch, und verdauet ſelbſt Knochen in Menge. Fiſche frißt er nicht. Er trinkt oft und badet ſich auch gerne. Sein Koͤrper hat einen ſehr unangenehmen Geruch an ſich, der am Balge immer haͤngen bleibt, und ſich in einen Biſamgeruch verwandelt der nie vergeht. Er iſt ein ſehr nuͤtzlicher und ganz unſchaͤdlicher Vogel. N eben dieſem Geyer, gerade vor ihm über, iſt auf unſerer Kupfertafel ein anderer gewaltiger Vogel abgebildet, den man nicht ſelten bey uns lebend ſieht, da er ein eigentlicher Bewohner unſerer Alpen iſt. Es iſt der gemeine Adler. Man nennt ihn bald Stein- bald Goldadler. Unter der letzten Benennung vers ſteht man den alten Vogel, der durch das Alter eine hellere Farbe ange— nommen hat. Diieſer ſchoͤne Raubvogel gehört zu der großen Gattung des Geſchlechts der Falken. Er bildet mit vielen aus- und innlaͤndiſchen Arten eine eigene Abthei— lung der Falken, welche Adler oder Adlerfalken heißen. Dieſe Familie zeichnet ſich durch folgende Merkmale aus: Der Scheitel iſt platt, mit laͤnglichten ſpitzigen Federn ganz bedeckt. Der Schnabel von der Wurzel an gekruͤmmt, mit langer und ſehr ſcharfer Spitze. Die Fluͤgel lang und ſtark; der Koͤrper dick und ſehr fleiſchig; die Fuͤße ſtark, mittelmaͤßig lang, und die Zehen mit langen ſehr ſpitzigen und ſcharfen Naͤgeln bewaffnet. Sie ergreifen ihren Raub im Laufen oder Sitzen mit den Klauen, und tragen ihn in denſelben auch ihren Jungen zu. Sie fallen oft Thiere an, welche ihnen an Groͤße und Staͤrke weit uͤberlegen ſind, ſie ſind uͤberhaupt muthige und gefährliche Räuber, welche nur bey Mangel an friſchem Raube auch aufs Aas fallen. Der Steinadler, welcher auf unſerer Platte abgebildet iſt, iſt einer der größten Vögel aus dieſer Familie. Die Füße find bis an die Zehen befiedert. Die Wachshaut am Schnabel und die Zehen ſind ſchoͤn gelb: die Krallen ſehr groß, — 6 aͤußerſt ſpitzig und ſchoͤn gebogen, die innere Klaue im Bogen gemeſſen iſt 2 9 Zoll, die hintern faſt 3 Zoll lang. Die Hauptfarbe des Vogels iſt immer ein mehr oder minder dunkles Braun, je juͤnger der Vogel, deſto dunkler, ſo daß erſt jaͤhrige Voͤgel faſt ſchwarz ſind. Naher betrachtet find alle untern Theile, bis auf die lichtbraune Beſiederung der Fußwurzeln und die untern Schwanzdeckfedern, ſchwarzbraun, eben ſo die Federn des Ruͤckens und der Schultern, welche etwas hellere Sauͤume haben. Die Stirne iſt ſchwarzbraun; der Scheitel, Nacken und Oberhals aber iſt mit ſchmalen, ſtarren, ſehr ſpitzigen Federn bedeckt, welche roſtfarbe oft faſt ins goldfarbe übergehende Spitzen haben, ſo daß dieſe Theile roſtfarben erſcheinen, und zwar heller, wenn der Vogel alt iſt. Der Schwanz iſt an der Wurzel weiß, dann aſchgrau und ſchwarz bandirt und gefleckt, mit breiter ſchwarzer Endbinde und lichtbraͤunlichen, ſchmalen Spitzenſaͤumchen. Die Augen find nußbraun, bey recht alten faſt orangefarb. f Die Männchen find, wie bey den meiſten Raubvoͤgeln, kleiner als die Weib⸗ chen. Die Fluͤgelbreite der Männchen iſt gewoͤhnlich 7 Fuß, die der Weibchen 7 ıf2 Fuß. Dieſer Adler iſt in allen Gegenden vor Europa anzutreffen, wo es große Waldungen und waldige Gebirge gibt, auf unſern Alpen iſt er allenthalben ſehr gemein, und ein wahrer Alpenvogel, der ſich nie bis in unſre Gegenden verfliegt, wo es zwar auch bisweilen Adler, aber von einer andern noch groͤßern Art gibt, welche nur auf ihrem Zuge aus noͤrdlichern Gegenden zu uns ſich verfliegen, naͤmlich der Seeadler. ö Muth, Kraft, Raubgier, Gewandtheit und Klugheit ſind Eigenſchaften dieſes maͤchtigen Vogels, welcher daher auch den Namen des Königs der Voͤgel ſich erworben hat. Sein Flug iſt zwar mit oͤftern Fluͤgelſchlaͤgen begleitet, aber in den niedern Luftregionen ſchwimmend und ſchoͤn; er ſteigt ſo hoch uͤber die hoͤch— ſten Gebirge in die Luͤfte, daß er nur wie ein Sperling an Groͤße erſcheint, oder dem Auge ganz entſchwindet, daher nannte man ihn auch den Sonnenvogel, und die Alten nennen ihn den Vogel Jupiters. Sein ſchoͤnes, lebhaftes Auge liegt tief unter den vorragenden Augenbraunen, welche das zu ſtarke Sonnenlicht abhalten. 8 Hoch in den Luͤften durchſchwimmt dieſer Vogel weite Laͤnderſtrecken, und ſpaͤhet mit ſeinen ſcharfen Augen nach Beute, die er von der groͤßten Hoͤhe herab entdeckt. Oft laͤßt er dabey ſein Geſchrey: hia, hiah, oder giijah ertoͤnen, welches man weit hoͤrt, und entdeckt er ein Thier, welches ihm zu uͤberwaͤltigen ſcheint, ſo laͤßt er ſich nach und nach tiefer herunter, und ſtuͤrzt mit Pfeilesſchnelle 3 auf daſſelbe herab, ergreift es, und ſchleppt es, wenn es ihm nicht zu groß iſt, mit fort durch die Luͤfte, traͤgt es auf einen Baum oder Felſen und verzehrt es. Rehe, junge Gemſen, Ziegen, Laͤmmer, Hirſchkaͤlber, Haſen, Kaninchen, Fuͤchſe, Hunde, aber auch Hamſter, Murmelthiere, Maͤuſe u. ſ. w.; dann alle Arten von Huͤhnern, Trappen und andre Voͤgel ſind es, worauf der Steinadler Jagd macht. Die gewoͤhnlichſte Beute auf den Alpen ſind Haſen, Murmelthiere, junge Ziegen und Gemſen. Saͤugethiere zieht er, wenn er ſie haben kann, den Voͤgeln vor, und verſchlingt die Stuͤcke mit dem Fell. Man findet daher gar oft ſeinen Magen und Vormagen ganz voll von Haaren, Fleiſch und kleinen Knochen, manchmal ſind dieſe Theile davon ganz ausgedehnt. Große Knochen hingegen verſchluckt er nicht, wie dies dagegen der Laͤmmergeyer thut, welcher die Knochen faſt dem Fleiſche vorzieht, und ganze Stuͤcke vom Schaͤdel, ganze Ribben, und fauſtgroße Stuͤcke Knochen, Gemſen- und Ziegenhufen, Haut und Haar, ganze Juchsſchwaͤnze ſogar herunter ſchlingt und zu verdauen ſcheint. Alle dieſe unverdaulichen Dinge, wie fuͤr den Adler wenigſtens Haare und groͤßere Knochenſtuͤcke ſind, werden durch eine eigene Einrichtung der Verdauungs— organe wieder weggebrochen. Man nennt einen ſolchen weggebrochnen Ballen Haare das Gewoͤlle. Wenn ſchon der Magenſaft beym Adler nicht ſo ſtark iſt, daß er Knochen verdauen kann, wie der Laͤmmergeyer, ſo iſt er dennoch ſehr ſcharf, und das im Magen vorhandene hat einen ſehr uͤbeln Geruch, der ſich auch dem Koͤrper mittheilt, und verbunden mit der Haͤrte und Zaͤhigkeit des Fleiſches, die Raubvoͤgel fuͤr den Menſchen und fuͤr alle uͤbrigen Thiere ungenießbar macht. Man erzaͤhlt ſehr viel von der Kraft und Gewandtheit des Laͤmmergeyers, und von Beyſpielen, daß dieſer Vogel ſogar Kinder geraubt habe, allein ein Theil dieſer Erzaͤhlungen ſcheint mehr auf den Adler anwendbar. Es iſt zwar kein Zweifel, daß der Laͤmmergeyer Laͤmmer, junge Ziegen, Gemſen, Fuͤchſe und Hunde raube, allein er ſcheint ſich mehr ſeiner gewaltigen Fluͤgel, womit er dieſe Thiere in den Abgrund ſtoͤßt, als ſeiner ſchwachen und ſtumpfen Klauen, welche ihn den Geyern naͤhern, zu bedienen, dagegen ſind die ungemein ſtarken Schen— kelmuskeln des Adlers, verbunden mit den fuͤrchterlichen Klauen, ganz gewiß eher geeignet einen Naub zu ergreifen und durch die Luft zu tragen. Er kann ſelbſt dem Menſchen gefaͤhrlich werden, wenn dieſer es wagt ſeinem Neſte ſich zu naͤhern und ſeine Jungen zu nehmen. So lange er es haben kann, geht er immer auf lebende Thiere aus, und frißt die erhaſchten oͤfters ſchon an, ehe er ſie toͤdtet, ohne ſich durch ihr jaͤmmerliches Geſchrey ſtoͤren zu laſſen. In Ermang— lung friſcher Nahrung, geht er auch aufs Aas, doch nur auf friſches. Einen Vogel im Fluge kann er nicht erhaſchen, dazu iſt er viel zu ſchwerfaͤllig, wohl aber ein auf der Erde laufendes Thier. Rebhuͤhner jagt er fo lange herum, bis ſie ermuͤdet ſeine Beute werden. Waſſervoͤgel ſuchen ſich durch Untertauchen zu retten, denn ins Waſſer geht er nicht, und frißt auch keine Fiſche, welche am andern Adlern große Feinde haben. Das Trinken kann der Adler entbehren, in ; der Gefangenſchaft trinkt er indeſſen zuweilen. Ohne Schaden kann er auch vierzehn Tage lang hungern, dann aber auf einmal wieder ungemein viel freſſen. Fruͤh im Fruͤhjahr, ſchon im Maͤrz oder Anfang Aprils beginnt der Bau des Neſtes. Maͤnnchen und Weibchen ſcheinen weiſt beyſammen zu leben, in dieſer Zeit aber ſieht man ſie faſt immer in Geſellſchaft in der Luft ſchweben und durch ſchoͤne Schwenkungen ſich beluſtigen, und bis zu einer unermeßlichen Hoͤhe uͤber die Wolken hinauf ſich erheben, oft aber ploͤtzlich wieder in die niedern Regionen herab ſteigen. Bruͤtet das Weibchen, ſo ſchwebt das Maͤnnchen oft hoch uͤber dem Neſt. In unſern Alpen wird das Neſt meiſt in den Spalten unerſteiglicher Felſen angelegt, ſo daß man nur ſelten es wagen darf dazu hinauf zu ſteigen. Indeß nicht auf den hoͤchſten Spitzen der uͤber den ewigen Schnee hinauf ragenden Felſen iſt es zu finden, ſondern im Mittelgebirge. Die Grundlage des Neſtes machen grobe Aeſte und Stecken, welche durch duͤrre Zweige durchflochten ſind. Auf dieſer Unterlage liegen trockne Pflanzenſtengel, Heu, Heidekraut, Wolle und Haare, aber faſt ganz flach, ſo daß die Eyer in einer kaum merklichen Berties fung liegen. Das Ganze iſt ſo feſt, daß es leicht das Gewicht beyder Alten und zwey bis dreyer Jungen, nebſt Knochen und Beute zu tragen vermag. Die Eyer, deren zwey bis vier ſind, ſind etwa ſo groß, wie die Eyer eines welſchen Huhns, aber viel runder und bauchiger, und haben auf blaulichweißem, oft auch milchweißem Grunde große und kleinere heller und dunkler kaſtanienbranne Flecken und Punkte, doch nicht dicht geſtreut. Selten kommen mehr als zwey Junge auf, ſehr oft nur eins, und die uͤbrigen Eyer ſind faul. Gefangene Adler legen zuweilen in der Gefangenſchaft Eyer, welche aber nie fruchtbar ſind. Wie lange das Bruͤten dauert, iſt nicht gewiß bekannt. Die Jungen find anfangs ganz mit weißer Wolle und Flaum bedeckt, und werden vo. den Alten mit allerley Wild⸗ pret geaͤzt, welches dieſe oft Meilen weit in Menge herbey ſchleppen, und auf den Rand des Neſtes oder auf dem benachbarten Geſtein zerfleiſchen. Sie freſſen ſehr viel, und die Alten ſind daher um dieſe Zeit viel raͤuberiſcher und dreiſter. Jedes Paar hat dann ſein eigenes oft Meilen weit gehendes Jagdrevier. Daß aber einer, wie Albertus erzaͤhlet, aus einem Adlerneſt, nach und nach drey hundert Enten, mehr als hundert Gaͤnſe und bey vierzig Haſen ausgenommen habe, mag glauben wer da will. — 98 — Die Jungen werden lange im Horſte oder Neſte gefuͤttert, und wenn ſie aus— geflogen find, von den Alten zum Rauben und Jagen unterrichtet. Gewöhnlich bezieht ein Paar mehrere Jahre daſſelbe Neſt. Die Jungen laſſen ſich leicht auf— ziehen, werden aber nie recht zahm, und ſind immer zu fuͤrchten. Es ſind ſehr ſcheue und vorſichtige Voͤgel, welche nur aus dem Hinterhalte erſchlichen und geſchoſſen werden koͤnnen. Haͤufiger fängt man fie in Fuchsfallen, ſogenannten Schwanenhaͤlſen, welche aus einem zuſchnellenden Eiſen beſtehen, auf deſſen Zunge ein Stuͤck friſches Fleiſch gelegt iſt, ſo daß, wenn der Adler daſſelbe wegnehmen will, das Eiſen zuſchnellt und ihn am Fuße packt. a Außer dem Menſchen hat dieſer Adler keine Feinde, er iſt allen Thieren zu mächtig. Die Kraͤhen verfolgen ihn zwar, koͤnnen ihm aber nichts anhaben. Laͤuſe und Eingeweidewuͤrmer findet man bey ihm oft in nicht unbedeutender Menge. Er iſt der Wildbahn, und beſonders auch den jungen Ziegen und Schafen ſehr ſchaͤdlich, und wird daher allenthalben ſehr verfolgt, kann aber nur ſelten erlegt werden. Zur Jagd wurde er ehmals, wie andre Falken, abgerichtet. Einen Nutzen hat der Menſch unmittelbar nicht von ihm. Man huͤte ſich aber wohl zu ſagen: dieſer Vogel ſey deswegen ganz ohne Nutzen; warum ihn denn auch wohl der Schoͤpfer geſchaffen habe? Kein Thier, kein Geſchoͤpf iſt umſonſt vorhanden. Die ganze Schoͤpfung bildet ein ineinandergreifendes Ganzes, und alle Geſchoͤpfe haben ihren Zweck, ihre ihnen angewieſene Stelle, ſie tragen alle zum Wohl des Ganzen bey, und ſelbſt diejenigen, welche zerſtoͤrend auf andre wirken, ſind nicht umſonſt da, ſind nur in unſern Augen ſchaͤdlich, weil der eitle Menſch glaubt, die ganze Natur ſey nur fuͤr ihn da; er urtheilt, was ihm, was ſeiner Oekonomie nachtheilig ſey, ſey ſchaͤdlich, muͤſſe vertilgt werden, und han— delt, dieſem Grundſatz folgend, gar oft gegen ſeinen eigenen Vortheil, da er freventlich das Gleichgewicht ſtoͤrt, welches die Natur allenthalben durch ihre Einrichtungen bezweckt hat. Man rechnet es einem Raubvogel zum großen Ver— gehen, wenn er ein Huhn oder eine Taube ergreift, welche wir fuͤr unſere Kuͤche beſtimmt haben, man zah,. wohl gar Premien für denjenigen, welcher ſolche Räuber toͤdtet. Aber man bedenkt nicht, daß eben dieſer Raͤuber mehr dazu bey— traͤgt, als keine Kunſt und Liſt des Menſchen vermag, die große Zahl der ſchaͤdlichen Maͤuſe zu vermindern, welche unſere Felder verderben, und ſogar Mißwachs erzeugen koͤnnen. Es iſt in den Augen des Jaͤgers ein unverzeihliches Verbrechen, wenn ihm ein Adler oder ein andrer Raubvogel zuvorkommt, und aus feinem Revier ein Haͤschen weghohlt, das er lieber ſelbſt geſchoſſen und * ee gegeffen hätte. Unerbittlich verfolgt er nicht bloß den Räuber ſelbſt, fondern ſeine ganze Verwandtſchaft mit ihm, und ſchont in ſeiner Wuth uͤber das began— gene Majeſtaͤtsverbrechen ſelbſt die unſchuldige Eule nicht, welche kaum einmal ein Voͤgelchen auf hundert Maͤuſe verzehrt. Als Siegeszeichen der verrichteten Heldenthaten, werden die armen Schaͤcher an Scheunen und Thore genagelt. Man bedenkt nicht, daß durch dieſe unbeſonnene Mordluſt viel mehr Schaden angerichtet wird, als dieſe Voͤgel nie haͤtten anrichten koͤnnen. Der Jaͤger lerne daher erſt den ſchaͤdlichen Raͤuber vor dem unſchaͤdlichen Thiere kennen, und morde nicht aus Mordluſt, ohne Unterſchied, Schuldige und Unſchuldige. Unſer oͤkono— miſche Vortheil, die zu unſerer Selbſterhaltung noͤthige Cultur, erfordern es, unſere Hausthiere vor den Gefahren zu ſchuͤtzen, welche Raubthiere ihnen bringen koͤnnen; es iſt uns erlaubt, die Vernunft anzuwenden, die Zahl derſelben zu mindern, und ſie dahin zu weiſen, wo die Natur ſie hingewieſen hat, in die von Menſchen gar nicht, oder wenig bewohnten Gegenden, wo ſie ihre Stellung ſchicklicher einnehmen. Aber es iſt uns nicht erlaubt, es iſt des ſittlichen Men— ſchen nicht wuͤrdig, ohne Noth und ohne Nutzen zu morden, und ſeine Mitge— ſchoͤpfe zu verfolgen. Dazu eben dient die Naturgeſchichte, daß wir das ganze Gebaͤude der Schoͤpfung in ſeinen einzelnen Theilen kennen lernen, daß wir die Materialien aus denen es beſteht, nach ihrer Beſtimmung ſchaͤtzen koͤnnen. Dann werden wir auch nicht ſo unbedachtſame Eingriffe in die weiſe Einrichtung der Natur thun. Unter den Raubvoͤgeln, welche in unſerm Vaterlande vorkommen, ſind einzig der Laͤmmergeyer, der Steinadler, der Seeadler, der Fiſchadler und der Taubenhabicht ſchaͤdlich zu nennen, alle uͤbrigen nuͤtzen uns unendlich mehr, als fie ſchaden, und fie ſollten geſchont werden. Wenn man ſie aber ſchonen ſoll, ſo muß man ſie auch kennen, und dazu dienen nicht ſowohl Buͤcher allein, als beſonders oͤffentliche Sammlungen, welche in geordneter Reihe uns dieſe Geſchoͤpfe zeigen, und mit einem Blicke uͤberſehen laſſen. Ihr ſeyd im vorigen Jahre eingeladen worden, unſre Sammlungen zu beſe— hen, die zwar nicht groß, aber dennoch lehrreich und unterrichtend genug ſind. An dem feſtlichen Tage, der Euch das vorjaͤhrige Blatt gab, war ein ſolches Zuſtroͤmen, daß eigentlich Keines etwas ſehen konnte. Kommt doch lieber an den zur oͤffentlichen Anſicht beſtimmten Tagen im Sommer, wo Ihr Zeit und beſſere Gelegenheit habt, und beſeht Euch dieſe Sammlung mit Ueberlegung, fragt uͤber das, was Ihr nicht wißt, man wird Eure Fragen beantworten und Eure Wiß— begierde gern befriedigen. Aber gerade dieſe Tage ſind groͤßtentheils unbenutzt geblieben, nur einzelne kamen, und die meiſte Zeit blieben die Saͤle leer; und doch hat dieſe Sammlung wieder manches ſeltene und merkwuͤrdige Stuͤck erhalten, — 1 u und kann nach wenigen Jahren ſich zu einer Stufe erheben, welche einer Stadt würdig iſt, in welcher die Wiſſenſchaften immer gebluͤhet haben, und in welcher die erſten Schweizeriſchen Naturforſcher, Geßner und Scheuchzer, lebten. Damit aber dieſe wuͤnſchbare Vollkommenheit erreicht werde, muͤſſen wir zur Gemein; nuͤtzigkeit unſerer Mitbuͤrger Zuflucht nehmen, welche bis anhin ſich immer ſo groß und ſchoͤn gezeigt hat, und in fo mancher herrlichen Anſtalt ſich unvergaͤng⸗ liche Denkmahle ſetzte. Auch in dieſer werden wir hoffentlich nicht hinter unſern vaterlaͤndiſchen Hauptſtaͤdten zuruͤckbleiben wollen, welche durch Beyhuͤlfe der Regierung und reicher Privaten ſchnell Muſeen empor bluͤhen ließen, welche vor wenigen Jahren kaum angelegt wurden. Zuͤrichs gemeinnuͤtzige Bewohner werden gewiß wetteifern, mit den Schweſterſtaͤdten unſers Vaterlandes, wenn ſie ſehen, wie mit wenigen und aͤußerſt beſchraͤnkten Huͤlfsmitteln ſchon ſo viel gethan iſt, ſie werden eine Anſtalt nicht in dem Zuſtande laſſen wollen, welche dem jetzigen Stande der Wiſſenſchaft noch lange nicht angemeſſen iſt, und welche ohne kraͤftige Beyhülfe nicht dazu gelangen kann, eine Zierde unſerer Vaterſtadt zu heißen. Der immer mehr, auch ins fernſte Ausland ſich verbreitende Handel, der die Produkte Schweizeriſchen Kunſtfleißes in Gegenden traͤgt, welche ihnen bisher verſchloſſen waren, macht es unerlaͤßlich, auch die Produkte jener fernen Welt— gegenden beſſer kennen zu lernen, damit unſere Juͤnglinge, wenn ſie der Zufall dahin traͤgt, dazu vorbereitet, nicht in ganz unbekannte Regionen treten, und mit den Erzeugniſſen jeden Klimas, jedes Himmelsſtriches gleichſam vertraut dort erſcheinen koͤnnen. Die Nothwendigkeit, ſaͤmmtliche Naturkoͤrper ſo viel moͤglich zu kennen, nimmt mit dem Steigen des merkantiliſchen Kunſtfleißes immer zu, und ſie iſt faſt allenthalben erkannt worden, daher dann auch die Natur- geſchichte in allen hoͤhern Lehranſtalten betrieben wird. Sie iſt nicht bloßes Spielwerk muͤßiger Phantaſie, ſie lehrt uns die herrliche Ordnung der Dinge, die Weisheit des Schoͤpfers kennen. Sie lehrt uns, nicht in den Tag hinein unſere Mitgeſchoͤpfe verfolgen. Sie allein ſetzt den Geſetzgeber in den Stand, vernuͤnf— tige Jagdgeſetze zu machen, wodurch nuͤtzliche Thiere erhalten, ſchaͤdliche vermin— dert werden. Sie erhebt unſern Geiſt, erhellet unſern Verſtand, gibt unſern Spaziergaͤngen und Reiſen Zweck und Anmuth, und kein Menſch, der auf Bil— dung Anſpruch machen will, ſollte darin ganz unerfahren erſcheinen. Aberglauben und Unglauben werden durch ſie eben ſo ſicher zerſtoͤrt, als durch jede andre philoſophiſche Lehre. Sie greift in alle Beduͤrfniſſe unſers Lebens ein, ins Kaufmaͤnniſche, ins Technologiſche, in die Geographie und in die Kunde uͤber unſere Erde uͤberhaupt, in die Landwirthſchaft, den Ackerbau, die Gartenkultur u. ſ. w. Dem Religions» lehrer in Landgemeinden gibt fie die vorzuͤglichſten Mittel an die Hand, feiner Gemeinde, auch ohne die eigentliche Seelſorge, welche ihm obliegt, nuͤtzlich zu werden, in vielen Faͤllen ſeinen Pfarrkindern mit nuͤtzlichen Raͤthen an die Hand zu gehen, ſie uͤber ihre Vortheile aufzuklaͤren, dem ſchaͤdlichen Aberglauben zu ſteuern. In ihren Mußeſtunden gibt ſie ihnen eine hoͤchſt angenehme und nuͤtzliche Nebenbeſchaͤftigung. Sie erhellet und erheitert das Leben mehr als jede andre Wiſſenſchaft, und reicht ihren Verehrern eine unendliche Menge der reinſten und edelſten Genuͤſſe dar. Wir muͤſſen es daher, auch auf Gefahr hin getadelt zu werden, wiederholen, es iſt eine weſentliche Luͤcke in unſern hoͤhern Lehranſtalten, daß keine Lehrſtelle ausſchließlich für Naturgeſchichte vorhanden iſt. In einigen Stunden kann dieſe Wiſſenſchaft nicht vorgetragen werden, wenn ſie mit philo⸗ ſophiſchem Geiſte beleuchtet, die hoͤhern Anſichten klar machen ſoll, welche durch ſie in die Seele gerufen werden. Sie iſt keine Schulwiſſenſchaft fuͤr niedere Schulen, ſondern gehoͤrt in dieſem Sinne nur den hoͤhern Lehranſtalten an. Sie zu verbreiten, iſt ein Hauptzweck unſerer Geſellſchaft, aber die Liebe dazu zu wecken, ſoll Vorwurf des Unterrichts der aufbluͤhenden Juͤnglinge ſeyn. Wir ſtehen darin noch weit zuruͤck, das wird niemand leugnen koͤnnen, der die Wahr⸗ heit ſprechen will und darf. Etwas iſt gethan worden, aber es muß noch viel geſchehen, wenn wir mit unſern Schweſterſtaͤdten Schritt halten wollen. Darum liebe aufbluͤhende Jugend, ergreife jede Gelegenheit, dich mit dieſer goͤttlichen Wiſſenſchaft bekannt zu machen, ſiehe dich in unſern Sammlungen um, fordere Belehrung, man wird ſie dir willig geben, und du wirft dich ſelbſt für deine Anſtrengungen belohnt finden, wenn deine Kenntniſſe Zuwachs erhalten, und mit dem Fortſchreiten wird dein Eifer zunehmen. An die Zuͤrcheriſche Jugend auf das Jahr 1827. Von der Naturforſchenden Geſellſchaft. XXIX. Stuck. Das letztjaͤhrige Neujahrsblatt hat eine Reihenfolge von Darſtellungen eroͤffnet, welche wir noch einige Jahre fortzuſetzen gedenken, um die Jugend mit vielen merkwuͤrdigen Naturgegenſtaͤnden bekannter zu machen, welche in unſerm lieben Vaterlande bald haͤufiger, bald ſeltener vorkommen, und unſere Aufmerkſamkeit verdienen. Im vorigen Jahre bemuͤhten wir uns, die Naturgeſchichte einiger Vögel näher aufzuklaͤren, von welchen der eine in unſern Alpen ſich fortwährend aufs haͤlt, der andere uns zuweilen beſucht, und wirklich wurden im abgelaufenen Sommer abermal zwei dieſer fremden Gaͤſte in der Schweiz geſchoſſen, welche der Zufall über die Alpen getrieben hatte. Beide gehören der Art des weißkoͤpfigen Geyers an, welcher auf dem vorjaͤhrigen Blatt abgebildet wurde, der eine wurde im Canton Uri am Fuße des Gotthards, der andere im Canton Bern geſchoſſen. Der erſte wenigſtens zeigte, daß der Hunger ihn geplagt habe, denn er hatte nichts als einige Schnecken im Magen. ; Das dießjaͤhrige Blatt zeigt abermals zwei nicht ganz unähnliche Vögel, welche beide Strichvoͤgel ſind, von welchen der eine aus Norden faſt alljaͤhrlich, der andere dagegen aus waͤrmern Gegenden ſich zuweilen zu uns verliert. Der eine von ihnen iſt wieder ein Adler, der andere ein Geyer; der eine lebt vom Raube lebender Thiere, der andere von Aas und thieriſchem Abgang. Beide gehoͤren zwar zu den Raubvoͤgeln, aber ihre Sitten ſind, wie bei den beiden im vorigen Jahr abgebildeten Voͤgeln, gar ſehr von einander verſchieden. — 2 — Der Adler aͤhnelt in etwas dem Steinadler, welcher im letzten Kupfer iſt vorgeſtellt worden, unterſcheidet ſich aber ſchon auf dem erſt Blick von demſelben. Es iſt der Seeadler (Falco albicilla). Der Schnabel iſt laͤnger und groͤßer, er biegt ſich nicht ſchon von der Wurzel an, ſondern geht erſt etwas gerade fort und kruͤmmt ſich dann an der Spitze. Schnabel, Wachs- haut und Fußwurzel ſind gelb. Die Beine ſind nicht wie beim Steinadler bis an die Zehen, ſondern nur bis etwas unter die Knie befiedert. Beim jungen Vogel iſt der ganze Koͤrper braun, Kopf und Hals tiefbraun, jede Feder mit einer hell graubraunen Spitze, Ruͤcken- und obere Fluͤgeldeckfedern dunkelbraun, wie hellge⸗ brannte Kaffeebohnen, gegen die Wurzel hin heller; die Schwungfedern der Fluͤgel ſind glaͤnzend ſchwarzbraun, die Schulterfedern am Grunde weiß, gegen die Mitte hellbraunlich, nach der Spitze kaffeebraun; Unterleib dunkelkaffeebraun und roſt— braun, mit einigen großen und kleinen weißen Flecken; Schenkelfedern kaffeebraun, am Grunde heller; Schwanz braun, an den Seiten hellbraun. Je aͤlter der Vogel, deſto heller wird das Federkleid, je juͤnger, deſto dunkler. Kopf und Nacken werden im Alter ſchmuzig gelblichweiß, und der ganze Schwanz weiß, nie aber wird der Kopf rein weiß. Die weißen Federwurzeln ſchimmern hin und wieder beſonders an der Bruſt hervor, und bilden weiße Flecken. Die Federn an Hals und Kopf ſind ſchmal, ſehr ſpitzig. Dieſer Adler iſt bedeutend groͤßer und noch plumper als der Steinadler; das Weibchen iſt größer als das Männchen, und die ausgebreiteten Flügel meſſen mit dem Körper über 8 Fuß, da hingegen der Steinadler nicht über 7 / erreicht. Der Steinadler iſt ein wahrer Alpenvogel, welcher die Alpen nur ſelten ver— laͤßt, doch auch hier und dort in großen Gebirgswaͤldern außer den Alpen ſich findet. Der Seeadler dagegen iſt ein nordiſcher Vogel, der wohl im Sommer ſelten oder nie bey uns angetroffen wird, es muͤßte denn ein alter verflogener Vogel ſeyn, der nicht mehr bruͤtet. Man findet ihn den ganzen Sommer durch an den Geſtaden der Nord- und Oſtſee, er iſt haͤufig in Schweden, Norwegen, Lappland, dem nördlichen Rußland und an den deutſchen und daͤniſchen Kuͤſten, ſelbſt in Island wird er noch angetroffen und niſtet dort. Faſt immer findet man ihn in der Naͤhe des Meeres, und am liebſten da, wo annoch große Fluͤſſe und Landſeen in der Naͤhe ſind, damit er, wenn das Meer ſtuͤrmiſch iſt, auf dieſen fiihen kann. Am Tage findet er ſich an erhabenen Orten der Kuͤſte, um von da aus alles um ſich her beobachten zu konnen. Die Nacht bringt er auf Baͤumen zu. Im Winter verlaͤßt er groͤßten Theils die noͤrdlichen Gegenden, und ſtreicht weit umher. Dann kommt er auch nicht gar ſelten zu uns, und wird an Seen und Fluͤſſen angetroffen, auch ſogar im Gebirge. So wurden in unſerer Gegend ein Paar auf der Aue gefchoffen, und uͤberhaupt kommt er hin und wieder vor, doch nie ſo haͤufig als der Steinadler. Er iſt ſehr traͤge, langſam, ſchwerfaͤllig; ader vorſichtig, ſcheu, und, wenn er angegriffen wird, ſehr muthig. Er ſitzt oft Stunden lang an einer Stelle, von wo aus er gut beobachten kann. Zuweilen ſteigt er ſehr hoch, und wenn er recht im Fluge iſt, ſchwimmt er ohne Fluͤgelſchlaͤge hoch in den Luͤften, doch nur bei ſchoͤner Witterung. Sein Geſchrey klingt rauh und tief: Krauh— krauh, und ſchallt weit. Angeſchoſſen oder verwundet muß man ſich ſehr vor ihm in Acht nehmen, damit man nicht verwundet werde, er greift dann ſelbſt ſeinen Verfolger an, und hat ein zaͤhes Leben. Ganz zahm iſt er ſchwer zu ziehen, doch wenn man ihn ganz jung faͤngt, gelingt es daß ihr Ernaͤhrer ſie angreifen darf. In der Gefangenſchaft betraͤgt er ſich unbaͤndig und plump, ſitzt oft wie ein großer Klum— pen da, auf Baͤumen und Zweigen ziemlich aufgerichtet, auf flachem Boden aber mehr in horizontaler Richtung. Er iſt geſellſchaftlicher als die andern Adler, man ſieht ihrer oft zwei, drei und mehrere beiſammen, welche dann gemeinſchaftlich mit einander jagen, ſich aber auch oft um die gemachte Beute zanken, und das Recht des Staͤrkern geltend machen. Die Nahrung iſt nach der Jahreszeit verſchieden, oder auch nach der Gegend, wo er ſich aufhaͤlt. Im Sommer geht er vorzuͤglich nach großen Fiſchen. Er ſchwebt deshalb langſam uͤber dem Waſſer, und ſtuͤrzt ſich, bei Erblickung eines zum Fang geſchickt ſtehenden Fiſches, mit angezogenen Fluͤgeln aus der Luft herab, und verfehlt ſelten ſeinen Raub, den er dann gewoͤhnlich auf eine Anhoͤhe traͤgt und da verzehrt. Zuweilen wagt er ſich an zu große Fiſche, welche ihn unter Waſſer ziehen und erſaͤufen, und man will Beiſpiele haben, wo man große Fiſche fing, welche noch die Klauen des Adlers in ihrem Koͤrper ſtecken hatten. Seine Fuß— ſohlen ſind unten ſehr rauh und mit ſcharfen Warzen verſehen. Auf dem Lande verfolgt er Hirſch- und Rehkaͤlber, junge wilde Schweine, Hafen und Kaninchen, junge Ziegen und Laͤmmer, nur im Hunger nimmt er mit Maͤuſen und Maulwuͤrfen vorlieb. Die Hafen find nach den Fiſchen feine Lieblings nah— rung. Auch große Voͤgel, Trappen, wilde Gaͤnſe und Enten und andere See— und Sumpfvoͤgel greift er gerne an, kann ſie aber ſelten bekommen. Er nimmt in Seeſtaͤdten oft das Hausgefluͤgel von den Haͤuſern weg. Aufs Aas geht er ſehr begierig, und wird daher auch zuweilen in Fuchsfallen gefangen, beſonders im Winter. Im Maͤrz wird das Neſt auf hohe unerſteigliche Felſen oder Baͤume angelegt. Es iſt ſo feſt, daß ein Menſch ohne Gefahr darauf ſtehen kann, die Unterlage beſteht aus armdicken Aeſten, welche die Alten in den Klauen zutragen; auf dieſe SE folgen duͤnnere Aeſte, und oben zarte, dünne Zweige, welche mitten eine geringe, mit einigen Flaumfedern der Mutter beſtreute, Vertiefung bilden, in welcher die zwei Eier liegen, welche verhaͤltnißmaͤßig klein, rundlich und ganz weiß ſind. Die Jungen werden von den Alten ſo lange gefuͤttert, bis ſie ſich ſelbſt ernaͤh- ren koͤnnen. Der Seeadler iſt ſchwer zu ſchießen, oder zu erlegen, weil er eine ſtarke Haut und dichte Federn hat, auch meiſt fett iſt. Von vorn geht ein Schrotſchuß gar nicht durch. Selten ſind ſie, ihrer Wachſamkeit wegen, zu beſchleichen. Nuͤtzlich wird dieſer Vogel durch das Aufzehren von Aas, welches an der See haͤufig iſt. Der Schaden an Fiſchen iſt ihm wohl nicht zum Verbrechen zu rechnen, denn er mag noch ſo viel verzehren, ſo gibt es Meerfiſche genug, und zwanzig Adler zuſammen verzehren in einem Jahr nicht ſo viel Fiſche, als eine Ladung Haͤringe oder Stockftſche enthaͤlt. Bey der Wanderung der Haͤringe ſieht man oft ſechs und mehr ſolcher Adler dem Zuge folgen. Feinde hat er außer dem Menſchen wohl keine. Alle großen Adler, welche je in unſerer Gegend geſchoſſen worden ſind, gehoͤren wahrſcheinlich zu dieſer Art. Ungeachtet der großen Reife, welche von der Nord- oder Oſtſee bis zu uns vor ſich gehen muß, kann man dieſen Vogel doch nicht einen Zugvogel nennen. Wir wollen einen Augenblick bei dieſem Ausdrucke verweilen und denſelben näher erklaͤren. Man theilt wohl die Voͤgel in Stand- Strich- und Zugvoͤgel ein, und verſteht unter Standvogel einen ſolchen, der das ganze Jahr, Sommer und Winter im Lande bleibt, wo er geboren iſt. Unter Strichvogel einen ſolchen, der in bedeutenden Landkreiſen umher zieht; und endlich unter dem Namen Zug— vogel einen ſolchen, der jaͤhrlich zu beſtimmter Jahrszeit ſeinen Geburtsort ver— laͤßt, und in weit entfernte Laͤnder, meiſt uͤber Meer hin zieht, um dort ſo lange zu bleiben, bis der Fruͤhling in ſein Vaterland zuruͤckgekehrt iſt, und ihm wieder Nahrung und Schutz gibt. Je kaͤlter ein Land iſt, deſto mehr hat es Zugvoͤgel, weil es ſeinen Bewohnern um ſo weniger im Winter Nahrung reichen kann, je wärmer es dagegen iſt, deſto mehr hat es bleibende Voͤgel, weil ſie das ganze Jahr durch Nahrung und Unterhalt finden. Es kann daher ein Vogel, der weit verbreitet iſt, an einem Orte Standvogel, am andern Strich— vogel, am dritten Zugvogel ſeyn. Der Seeadler aber iſt im hohen Norden ein Strichvogel, welcher immer ſo weit wandert, bis er offene Gewaͤſſer antrifft, oder Beute genug findet. In Island aber iſt er ſchon Standvogel und bleibt dort den ganzen Winter. Aus den uͤbrigen nordiſchen Gegenden an der Oſt- und Nordſee aber zieht er meiſt weg, und durchſtreift ganz Deutſchland, kommt Aueh len zu uns, ja er geht ſogar über die Alpen bis nach Italien. ee Das Daſeyn eines jeden organifchen Weſens iſt immer an das Dafeyn aus derer gebunden. Das eben beweist die Groͤße des Schoͤpfers, daß in ſeiner Schoͤpfung alles in einander greift, eines vom andern abhaͤngig iſt. Das Leben iſt ein in ſich ſelbſt zuruͤckkehrender Strom, ein ewiger Kreislauf. Alle Weſen bilden zuſammen eine unzerreisbare Kette, deren Glieder, wie unſcheinbar ſie auch ſind, nie zerriſſen werden koͤnnen, ohne dem Ganzen zu ſchaden. Alles iſt Urſache und Wirkung, ſelbſt in der lebloſen Natur, nicht blos in der belebten. Das Vorhandenſeyn einer gewiſſen Erdart bedingt das Entſtehen und Wachsthum gewiſſer Pflanzen, welche je nach dem Klima abwechſeln, von dieſen Pflanzen leben gewiſſe Inſekten, von dieſen Inſekten Fiſche, Amphibien, Voͤgel. Dieſe ernaͤhren wiederum ihrer Seits die Raubthiere. Das Daſeyn dieſer großen Reihe der Geſchoͤpfe aber bedingt das frohe Daſeyn und Wirken des Menſchen. Das Aufhoͤren dieſer Ordnung der Dinge muͤßte das Ende der irdiſchen Schoͤ— pfung zur Folge haben. Selbſt der hohe Norden beherbergt noch eine ſehr große Menge Geſchoͤpfe, wenigſtens im Sommer, welcher freilich nur hoͤchſtens drei Monate dauert. In Groͤnland verſchwindet der Schnee und das Eis erſt mit Ende Mai oder Anfangs des Juni. Dann aber, da die Sonne nun einige Wochen gar nicht mehr unter— geht, ſproſſen ſchnell und uͤppig mehrere Pflanzen hervor, welche bald bluͤhen und ſich wieder verſaamen. Auf dieſen Blumen finden ſich ſogar einige Schmetterlinge, und aus den aufgefrornen Pfuͤtzen erheben ſich eine ungeheure Anzahl von Muͤcken. Schoͤngehoͤrnte Rennthiere, langhaͤrige Biſamochſen, weiße Haſen weiden dieſes Gras ab, und ſind aus weniger nordiſchen Gegenden zuruͤckgekehrt. Die aufge— thauten Landſeen werden von Schwanen, Enten, Gaͤnſen und Tauchern bevoͤlkert, welche hier ihre Neſter anlegen und ihre Eier ausbruͤten. Wo noch kurz zuvor kaum das Bruͤllen des Eisbaͤrs oder das Geheul des Wolfes die traurige Stille ſtoͤrte, da iſt auf einmal, wie durch einen Zauberſchlag, aller von muntern Ge— ſchoͤpfen belebt. Die Meere werden vom Eiſe befreit, und ſogleich erſcheinen zahlloſe Scharen von Fiſchen, und Millionen kleiner Seegeſchoͤpfe, ſo daß ſogar der Rieſe der jetzigen Schoͤpfung, der Wallfiſch, ſich nur von dieſen kleinen Thieren ernaͤhren kann. Viele Tauſende von Meven, Seeſchwalben, Papageitau— chern, Taucherhuͤhner und Sturmvoͤgel; viele von dem langbeinigen Volk der Sumpfvoͤgel kommen von allen Seiten her in ihr Vaterland zuruͤck, und jede ins Meer hervorragende Klippe, jede ſich erhebende Sandkuͤſte oder Sandbank it mit bruͤtenden Voͤgeln bedeckt, deren Neſter oft fo nahe beiſammen ſtehen, daß man nicht zwiſchen durch gehen kann, ohne Eier zu zertreten. Viele Tau— ſende werden von den armen Bewohnern aufgeſammelt und gegeſſen. Es gibt 5 Vogelberge, z. B. in Island, wo jaͤhrlich blos von dem einzigen Eisſturmvogel zehn bis funfzehntauſend Eier weggenommen werden, und doch legt jeder dieſer— Voͤgel nur ein Ei. Aber ihre Zahl iſt ſo groß und ihre Neſter ſind oft in ſo unerſteiglichen Felſen, daß dennoch die Zahl ſich nicht vermindert, ſondern alle Jahre dieſelben Bruͤteplaͤtze wieder beſucht werden. Wird ein Wallfiſch gefangen, ſo zanken ſich die Meven und Sturmvoͤgel mit den Fiſchern um den todten Koͤr— per, und ehe man ſichs verſieht, tragen fie Stuͤcke Fleiſch weg. Oft ſieht man, beſonders in Norwegen, unſern Seeadler mitten unter einer ſolchen Colonie, an demſelben Felſen, den fo viele Vögel ſich zum Bruten gewählt haben, auch fein Neſt anlegen, wo er dann ſeine Jungen leicht mit den Jungen der um ihn her bruͤtenden Voͤgel ernaͤhren kann. So hat er dann vollauf Nahrung, da ihm auch das Meer Fiſche in Menge bietet. Aber wie ganz anders iſt es im Winter in dieſen Gegenden, die Meere ſind uͤberfroren, die Fiſche und andere Seebewohner haben ſich in die unergruͤndlichen Tiefen zuruͤckgezogen. Die Voͤgel ſind ſo weit gewandert, bis ſie hinlaͤnglich Nahrung erhalten koͤnnen, und ſo muß auch unſer Seeadler, der die Kaͤlte ſonſt ganz wohl aushalten koͤnnte, mit wandern. Seine un— gemeine Flugkraft macht es ihm leicht, weite Laͤnderſtrecken zu durchfliegen, und viele hundert Stunden weit, ſogar bis zu uns zu wandern, wo er dann feine ehemaligen Nachbarn aus Norden, oft wieder auf unſern Seen antrifft. Denn alle die vielen Voͤgel, welche im Herbſt bei uns durchwandern, die Waldfinken, von welchen viele Tauſende gefangen und verſpieſen werden, die Wachholder- und Weindroſſeln, die Schnepfen und viele andere Sumpfvoͤgel; die Enten und wilden Gaͤnſe, welche in zahlreichen Scharen unſere Seen bedecken, kommen aus Norden, wo ſie gebruͤtet haben, und uͤberwintern theils bei uns, theils ziehen ſie weiter nach waͤrmern Laͤndern uͤber die Alpen hinuͤber, bis nach Sardinien, Corſika, ja bis nach Afrika. Der kalte Norden iſt es alſo, wo eine Menge von Voͤgeln, welche als Leckerbiſſen von uns verzehrt werden, entſtehen. Die, welche den Ver— folgungen des Jaͤgers entgehen, wandern im Frühjahr wieder dahin zuruͤck, um zu brüten. Ein wahres Heimweh treibt fie nach ihrem Vaterlande hin, fo rauh und froſtig es auch ſeyn mag; wie den Schweizer das Heimweh auch aus den ſchoͤnſten Ländern der Erde, nach feinen heimathlichen Bergen zuruͤckbringt. Mit dieſen zuruͤckwandernden Voͤgeln geht auch allmaͤlig der Seeadler wieder nach Nor— den, und er iſt ſelbſt einer von denjenigen, welche fruͤher ſchon die Reiſe antra— ten, da die Meere ihm bald wieder Fiſche in gehoͤriger Menge darbieten. Zuwei— len jedoch bleibt auch wohl hier oder dort in großen Waldungen, nicht weit von großen Fluͤſſen, ein Paͤrchen zurück und bruͤtet. — 7 — Nicht alle Jahre kommt der Seeadler zu uns, wenn in Norden die Kaͤlte nicht groß iſt, ſo bleibt er immer dort, je groͤßer aber die Kaͤlte iſt, je fruͤher ſie eintritt, deſto eher verlaͤßt er die kaͤltern Laͤnder, und um deſto weiter treibt es ihn ſuͤdlich. \ Nach dem allgemeinen Naturgeſetz gehen die Herbſtwanderungen der nordi— ſchen Voͤgel nach Süden, und auf der ſuͤdlichen Erdflaͤche dagegen noͤrdlich, weil die Waͤrme dort gegen Norden zunimmt. Viel haͤufiger geſchieht es daher, daß ein noͤrdlicher Vogel, welcher gewoͤhnlich nicht ſo weit geht, in kalten Wintern ſich zu uns verliert, als daß im entgegengeſetzten Fall ein Vogel, deſſen Vaters land ein warmes Land iſt, nach Norden kommt. Von dieſen iſt der andere auf der Kupfertafel abgebildete Vogel jedoch ein Beiſpiel. Afrika, Spanien und der waͤrmſte Theil Europas iſt ſeine Heimath, und nur aͤußerſt ſelten verliert er ſich zu uns, da er aber in der Gegend von Genf nicht nur mehrere Male geſehen worden iſt, ſondern ſogar dort ſchon gebruͤtet hat, fo muͤſſen wir ihn als einen Schweizer— buͤrger anſehen, und geben eine Abbildung dieſes ſeltenen, aber eben nicht aus— gezeichnet ſchoͤnen Thieres. Es iſt der Aasvogel (Catharthes). Die aͤlteren Syſtematiker zaͤhlten ihn zu den wahren Geyern, und er iſt ihnen auch in Sitten und ganzen Lebensart ſehr nahe verwandt, und doch von ihnen verſchieden. Der Schnabel iſt ſchwach und lang, Geſicht und Kehle nackt; der Nagel der Mittelzehe lang und wenig gekruͤmmt, der der Hinterzehe groß und ſehr krumm; die Fluͤgel ſind braunſchwarz. Die Hauptfarbe des alten Vogels iſt weißgelb, des jungen dunkelbraun. Es iſt dies ein kleiner Raubvogel, und wohl der kleinſte aus der Abtheilung der Geyer, welche meiſt nur große und ſehr ſtarke Voͤ— gel in ihren Arten zaͤhlt. Die Laͤnge von der Schnabelſpitze bis zum Ende des Schwanzes, iſt ungefaͤhr 2 Fuß, die Breite der ausgeſpannten Fluͤgel 5 Fuß. Die Geſtalt dieſes Vogels hat etwas Auffallendes, und wenig Angenehmes. Der ſchwaͤchliche, faſt gerade und nur an der Spitze umgebogene Schnabel, die flache, geſtreckte Stirn, der kleine, kahle Kopf, und die plumpen Fuͤße, geben ihm ein eigenes Anſehen. Die Beine ſind bis unter das Knie nackt. Je juͤnger der Vogel iſt, deſto dunkler iſt er, je aͤlter deſto heller. Dieſe Verſchie denheit treffen wir beim Stein- und Seeadler, beim Laͤmmergeyer und bei vielen andern Raubvoͤ— geln an, und namentlich hat der amerikaniſche Koͤnigsgeyer beinahe durchaus die— ſelbe Farbenverſchiedenheit im Alter. Der Aasvogel iſt ein Bewohner der warmen und heißen Zone, Afrika ſcheint ſein eigentliches Vaterland zu ſeyn, er findet ſich in allen Theilen deſſelben mehr und minder haͤufig von Egypten an bis zum Vorgebirge der guten Hoffnung. In Egypten iſt er ſehr haͤufig bei den Pyramiden und in der Gegend der Stadt u 8 — Cairo, wo er auf den Straßen -herumläuft. Auch Syrien, Palaͤſtina und Ara— bien bewohnt er in Menge. In Europa bewohnt er am haͤufigſten Spanien, man findet ihn in den Pyrenaͤen, wo er Alimoche heißt; im ſuͤdlichen Frankreich, in Griechenland und in Unteritalien, wo er wahrſcheinlich alljaͤhrlich niſtet, z. B. in den Gebirgen Calabriens und Toskanas, auch auf Malta, Sardinien und Corſika. So viel uns bekannt, iſt er in der Schweiz nirgends geſehen worden, als im Canton Genf, wo er nicht ſehr ſelten ſeyn ſoll. Auf dem Berg Saleve, den man auf unſerm Kupfer im Hintergrunde erblickt, bruͤtete er ſchon einige Male, und es wurde einſt ein Neſt mit vier Jungen ausgenommen, und die jun— gen Voͤgel nach Genf dem Herrn Apotheker Goſſe, dem Stifter der ſchweize⸗ riſchen Geſellſchaft fuͤr die Naturwiſſenſchaften, uͤberbracht, und dort erzogen. (Einer von dieſen vieren ſteht ausgeſtopft in einer hieſigen Sammlung.) Dieſer Vogel hat alle Eigenſchaften mit dem wahren Geyer gemein. Er iſt ſchmutzig, das Gefieder meiſt abgerieben und unrein, aus der Naſe fließt ein uͤbelriechender Schleim, und der ganze Vogel hat einen aashaften Geruch, welcher wie der Biſamgeruch des weißkoͤpfigen Geyers, von welchem wir im letzten Jahre handelten, dem ausgeſtopften Balge bleibt, und viele Jahre nicht vergeht. Er iſt ein trauriger, traͤger Vogel, der, wenn er ſich ſatt gefreſſen hat, oft Stunden lang an einer Stelle ſitzt, und ruhig die Verdauung abwartet. Sonſt geht er auf dem Boden wie ein Rabe oder eine Kraͤhe in abgemeſſenen Schritten einher, und iſt auch im Fluge den Raben aͤhnlich. Seine Bewegungen ſind langſam und ſchwerfaͤllig, Geſicht, und vorzuͤglich der Geruch ſehr fein. In Afrika iſt er gar nicht ſcheu, und läuft vor den Menſchen ruhig herum, weil er da geſchont wird, und man ihn recht gerne ſieht, da er die Straßen vom Aas reinigt, und wirklich ganz unſchaͤdlich fuͤr die Oekonomie iſt. In Europa aber iſt er viel ſcheuer, beſonders wo er nur einzeln ſich verflogen hat. Er lebt paarweiſe, benimmt ſich aber nicht feindſelig gegen andere ſeines Gleichen, und man ſieht oft drei und mehr friedlich von einem Aaſe zehren; es gibt keine ernſtlichen Kaͤmpfe dabei. Als ein Vogel warmer Laͤnder ertraͤgt er die Kaͤlte nicht, und wandert wahrſchein— lich aus den europaͤiſchen gemaͤßigten Gegenden im Winter aus. Er ſitzt meiſt auf den Boden, ſelten auf einen Baum, daher ſein ſchmutziges und abgenutztes Gefieder. Sein Leben ſoll ſehr zaͤhe ſeyn. Er läßt ſich leicht zahmen, allein feine Traͤgheit und feine Unreinlichkeit machen ihn nicht angenehm, und nur an unrein— lichen Orten kann er von Nutzen ſeyn, indem er die Unreinigkeiten aufſucht und frißt. Er iſt gar kein Koſtveraͤchter, und wenn ſein Geruchsorgan auch ſehr fein iſt, fo iſt er doch nicht ekel, und der ſchrecklichſte Geſtank ſcheint ihm angenehm, und ein faulendes oder halb verweſendes Thier lockt ihn aus weiter Ferne. Aas — 9 — in jedem Zuſtande, friſch oder verweſend, iſt ihm angenehm, und er iſt ſo begierig darauf, daß er, wie ſchon angefuͤhrt, es ſelbſt in den Staͤdten aufſucht, wo er geduldet wird. Alles was von thieriſchen Ueberreſten vom Menſchen verſchmaͤhet wird, genießt er, ſelbſt die Exkremente von Menſchen und Thieren frißt er mit Heißhunger. Er waͤre daher ſchon in Italien und Frankreich, wo man dieſer Auswurfsſtoffe ſich oft auf den Straßen entledigt, wohl zu dulden, da er die menſchlichen Exkremente beſonders vorziehen ſoll. Wenn er kein Aas vorfindet, geht er auf den Miſt und ſucht ſich Wuͤrmer, oder genießt Schnecken, Froͤſche, Eidechſen und Juſekten. Größere Thiere aber greift er nicht an. Er verdaut ſchnell und iſt immer hungrig. Gerade die Eigenſchaften, welche dieſen Vogel zum unangenehmen Hausthiere machen wuͤrden, machen ihn zum ſchaͤtzbaren Straßenreiniger, und zu einem durchaus nuͤtzlichen Vogel. Er niſtet auf Felſen oder in Kluͤften, und ſoll drei bis vier Eier legen, man hat aber noch keine Beſchreibung weder ſeiner Eier, noch ſeines Neſtes; uͤberhaupt iſt die Naturgeſchichte dieſes Vogels noch ſehr unvollſtaͤndig bekannt. Nicht alle Geyer mit nacktem Halſe begnuͤgen ſich blos mit Aas, nur diejeni⸗ gen der alten Welt beſchraͤnken ſich darauf, und unſer Aasvogel hat auch einen Stellvertreter in Amerika, welcher aber, ſtatt weiß, ſchwarz iſt. Dagegen iſt auf den amerifanifchen Alpen ein Geyer mit nacktem Halfe, der gleich dem Laͤmmer⸗ geyer unſerer Alpen, ein gewaltiger Raubvogel iſt, und nicht blos Haſen und kleine Thiere, ſondern auch Füllen und Rinder angreift und überwältigt. Er heißt Condor oder Greifgeyer (Vultur gryphus). Er hackt ihnen die Augen aus, und frißt ihnen die Zunge aus dem Munde, dann frißt er beſonders gern die Eingeweide. Einer allein iſt indeß nicht im Stande einen Ochſen zu toͤdten, aber mehrere zuſammen koͤnnen ihm gefaͤhrlich werden. Uebrigens lebt auch dieſer Geyer, welcher indeß den Laͤmmergeyer an Größe nicht übertrifft, mehr von Aas als von lebenden Thieren, und man hat, wie vom Laͤm— mergeyer, die uͤbertriebenſten Beſchreibungen von ſeiner Groͤße und Staͤrke gemacht; man hat beiden eine Breite von 12 bis ſogar 15 Fuß mit ausgebreiteten Fluͤgeln gegeben, und ihnen eine ungeheure Staͤrke zugeſchrieben. Kuͤhnheit und Kraft ſind allerdings Eigenſchaften beider Voͤgel, und der eine iſt der Schrecken der Gemſen, Ziegen und Schafe unſerer Alpen, der andere aber vertritt ſeine Stelle in den noch viel hoͤheren Alpen Amerikas, und ſteigt oft weit uͤber die Hoͤhe des Chimborazo in die Luͤfte, ſo daß faſt unbegreiflich iſt, wie der Vogel in einer ſo duͤnnen Luft noch fliegen kann. Seine Fluͤgel klaftern, wie diejenigen unſers Laͤmmergeyers, etwa 9 Fuß und zuweilen noch einige Zoll mehr. Aber dieſe Groͤße iſt freilich noch weit entfernt von der des fabelhaften Adlers Roch, BR | > von welchem uns Marko Pole erzählt, er trüge einen Elephanten leicht durch die Luft weg, und ſeine Schwungfedern ſeyen 12 Schritte lang. Alle ſolche Uebertrei— bungen und Fabeln haben eine ſorgfaͤltigere Beachtung der Natur in ihr wahres Licht geſtellt. Die Drachen, die Greifen, die Lindwuͤrmer und andere Ungeheuer der Vorzeit, ſind zu Thieren gewoͤhnlicher Groͤße herabgeſchmolzen, wenn ſie wirk— lich exiſtiren, wie die Drachen, welche eine kleine unſchaͤdliche Eidechſenart, mit einer Flughaut verſehen, find. Der Wallfiſch iſt das größte Thier unſerer Schoͤ— pfung, und groͤßere gab es nur in einer Schoͤpfung, welche der jetzigen Geſtalt der Erde voraus ging. Da gab es allerdings Wallfiſche von 200 Fuß Laͤnge, Crocodille von 40 Fuß, Faulthiere von 12 Fuß Hoͤhe u. ſe w., allein wir ſpre— chen hier nicht weiter von ſolchen Dingen, deren Erwaͤhnung nicht hieher gehoͤrt, und wuͤnſchen dagegen, daß auch dieſes Blatt ſeinen Zweck erfuͤllen möge, Kennt⸗ niß vaterlaͤnd iſcher Naturkoͤrper zu verbreiten. Die Gelegenheit ſolche in und auslaͤndiſche Thiere in der Natur kennen zu lernen, wird immer guͤnſtiger, da unſere Sammlungen, welche den ganzen Som— mer durch der Anſicht des Publikums offen ſtehen, im abgewichenen Jahre aber— mals großen Zuwachs erhalten haben, und erhalten werden. Verſaͤume daher, liebe Jugend, nie einen Anlaß, der ſich dir zur Erweiterung deiner Kenntniſſe eröffnet; was du in juͤngern Jahren erlernt haſt, das wird dir auch im ſpaͤtern Alter zum Vortheil gereichen und Früchte tragen. Mit den verbefferten und fortſchreitenden Unterrichtsanſtalten ſoll ſich auch dein Fleiß mehren, damit du tuͤchtiger werdeſt, einft auf redliche Art dich zu naͤhren, und deinen Mitbürgern zu nuͤtzen. j 7 Da ya, . N 2- 7 An 8 e „ die Zuͤrcheriſche Jugend auf das Jahr 1828. Wen be Naturforſchenden Geſellſchaft. XXX. Stuck. Der Hauptzweck des Studiums der Natur geht wohl dahin, naͤhere Kenntniſſe uͤber die weiſe Einrichtung aller Dinge auf unſerer Erde, uͤber die Verkettung und enge Verbindung aller Weſen unter ſich zu erhalten, und unſere Begriffe uͤber die Allmacht des Schoͤpfers und Lenkers aller Naturkraͤfte zu veredeln. Durch die Kennt— niß der Naturgegenſtaͤnde ſelbſt, ihrer Entſtehung, ihrer Verbindungen und Beziehun— gen auf einander, ſind wir nach und nach auf die Erforſchung der Geſetze gekommen, welche die Natur in ihrem Wirken befolgt; und wenn der Sterbliche auch nie das Weſen der Kraft erkennen wird, welche alles lenkt und alles ordnet, welche die Entſtehung der Weſen, fo wie ihre Vergaͤnglichkeit herbeifuͤhrt, und aus Verwe— ſung neues Leben hervorruft, ſo iſt ihm doch vergoͤnnt das einmal Geſchaffene in ſeinen Fortſchritten, in ſeinen ſichtbaren Eigenſchaften zu belauſchen, und die Rei— henfolge der Erſcheinungen zu beobachten. Dadurch allein, durch genaues Forſchen, iſt er aber auch im Fall Irrthuͤmer aufzuklaͤren, welche Jahrhunderte lang fort beſtanden haben, und aberglaͤubiſche Meinungen, welche noch aus den finſtern Zeiten und durch Ammenmaͤhrchen ſich bis auf uns fortgepflanzt haben, durch Thatſachen zu wi: derlegen. — Zwar denkt mancher aufgeklaͤrte Mann ſich oft kaum die Moͤglichkeit, daß ſolche Maͤhrchen, ſolche auf nichts gegründeten albernen Sagen, noch immer Anhänger finden, noch fo haͤufig forterzaͤhlt und fo fortgepflanzt werden. Allein wer haͤufig mit dem Landmanne Umgange hat, wer die gemeinern Klaſſen der Staͤdter beobachtet, ja wer ſelbſt auf die ſogenannten gebildetern Klaſſen aufmerkſam iſt, der wird ob der Menge aberglaͤubiſcher Meinungen erſtaunen, welche bei Gelegenheiten geäußert werden, oft von Menfchen, von welchen man es am allerwenigften erwar: BR ER tet hätte. Das Studium der Naturgefchichte und Phyſik giebt uns die ſicherſten Schluͤſſel, die Raͤthſel zu loͤſen und die Nebel zu zerſtreuen, welche die Vernunft gefangen halten. 4 Der Aberglaube iſt immer ſchaͤdlich, er mag erſcheinen unter welcher Geſtalt er will, er ſchadet dem der daran glaubt, und ſchadet der guten Sache. Der Tag verſcheucht zwar die Geſpenſter, ſie haben nicht Beſtand vor dem Lichte der Sonne, aber die Nacht iſt keines Menſchen Freund, und der Aengſtliche, der Aberglaͤubiſche zittert vor Angſt, wenn er einſam durch den ſonſt ſchweigenden Wald dahingehen muß; jeder weißere Stock, jede ſonderbare Baumgruppe, jedes ferne oder naͤhere unbekannte Geraͤuſch, ſetzt ſeine Phantaſie in Thaͤtigkeit. Es iſt daher kein Wunder, daß von jeher die naͤchtlichen Raubvoͤgel, mit ihrem theils traurig wimmernden, theils laut und wie Spott und Ruf toͤnenden Geſchrei, viel Schrecken erregten und manche Sage hervorriefen, die, von Kindern zu Kindern fortgepflanzt, Jahr— hunderte lang die ſchwachen Menſchen in gewiſſen Gegenden aͤngſtigten. Wir hoffen zwar, daß ſolche albernen Sagen unter unſerer Stadtjugend wenig Eingang mehr finden werden, allein es ſchien uns dennoch nicht unpaſſend, durch die Naturge— ſchichte dieſer naͤchtlichen Raubvoͤgel der Jugend zu zeigen, wie ſolche haben entſte— hen koͤnnen, und wie nur genauere Beobachtung ſolche raͤthſelhafte Erſcheinungen, wie ſie ſich auch noch jetzt zutragen, aufzuklaͤren im Stande iſt. Daher waͤhlen wir, zum Gegenſtande unſers dießjaͤhrigen Neujahrsſtuͤcks die Naturgeſchichte der Eulen. Die meiſten Voͤgel ſind wahre Tagthiere, welche, ſobald die Nacht eintritt, ſich zur Ruhe begeben. Selbſt weitaus die meiſten Raubvoͤgel ſind Tagvoͤgel, ſie uͤber— fallen ihre Beute nur am Tage. Bey den Saͤugethieren iſt es gerade umgekehrt, die meiſten Raubthiere ſind naͤchtlich und uͤberfallen die Thiere, welche ihre Beute ausmachen, wenn dieſe ſchlafend ſich ihnen nicht durch die Flucht entziehen koͤnnen. Die zahlreiche Familie der Eulen aber iſt eben ſo naͤchtlich, ſie halten am Tage ſich in hohlen Baͤumen, Kirchthuͤrmen, Scheunen, alten Schloͤſſern oder an andern dunkeln Orten verborgen, und kommen erſt in der Abenddaͤmmerung aus ihren Schlupf— winkeln hervor, um auf den Raub auszugehen. Ihre Stimme, ihr leiſer, doch ge— ſchickter Flug, ihre leuchtenden großen Augen, und ihre ſonderbaren Geſtalten und Gewohnheiten haben etwas eigenes und geben ihnen ein ungewohntes Anſehen, und einige Arten find in den Ruf gekommen, durch ihre Erſcheinung Ungluͤck anzukuͤndigen. Die Eulen haben alle einen großen Kopf, große ſehr gegen das Licht empfind— liche Augen, daher ſie das Tageslicht nicht gut vertragen koͤnnen, obſchon ſie, wi— der die gemeine Meinung, am Tage dennoch gut ſehen; in recht dunkler Nacht aber koͤnnen ſie, wie alle Thiere, gar nicht ſehen. Sie ſchlafen den ganzen Tag, und 1 gehen nur in der Morgen: und Abenddaͤmmerung oder in mondhellen Nächten ihrer Nahrung nach. Unter allen Voͤgeln ſcheinen die Eulen das feinſte Gehoͤr zu haben. Ihre Ohren ſind ſehr merkwuͤrdig eingerichtet, indem ein ſchoͤner oft doppelter Federkreis um die Ohroͤffnung herum ſteht, die Haut bildet hier Falten, und eigene Muskeln koͤnnen die Oeffnung durch Zuſammenziehung dieſer Falten, wie mit Augenliedern, ſchließen. Sie haben ein Gefieder, ſo weich wie Seide; ſie fliegen zwar nicht ſchoͤn, aber ſehr leiſe, ohne alles Geraͤuſch, ſo daß man ſie gar nicht hoͤren kann. Ihre ploͤtz— liche Erſcheinung kann daher allerdings in Schrecken ſetzen. Der Schnabel iſt ſtark, hackenfoͤrmig, und zu beiden Seiten mit borſtenartigen Federn, welche uͤber die Nafenlöcher hingehen, fo bedeckt, daß man feine Wurzel gar nicht ſieht, und nur ſeine Spitze, wie eine Naſe vorragt. Die Augen ſind bei vielen ſehr ſchoͤn, hellgelb oder pomeranzenfarbig gefärbt, und gegen das Licht fo empfindlich, daß der Stern ſich bey jedem nur etwas ſtaͤrkern Licht zuſammenzieht. Die kleine aͤußere Zehe iſt beweglich, und kann vor und ruͤckwaͤrts geſchlagen werden. Die Eulen ſind uͤber die ganze Erde verbreitet, und einige Arten gehen ſelbſt bis uͤber den Polarkreis hinaus. Aber auch in den heißeſten Gegenden ſind die Arten zahlreich und ihr Gefieder faſt eben fo dicht, wie in den kalten Gegenden. Die Far: ben des Gefieders iſt niemals grell abſtechend, ſondern faſt immer braun, mit weiß, gelb und ſchwarz gemiſcht, bei einigen auch ganz weiß, niemals roth, gelb, gruͤn oder blau. Allein die Miſchung der Farben iſt meiſt ſehr angenehm, und bey einigen ſehr ſchoͤn, wozu das Seidenartige und Weiche der Federn ſehr viel beitraͤgt. Bei vielen findet man, als eine eigene Zierart, aufſtehende Federbuͤſche von mehrern laͤn— gern Federn, bald an den Ohren, bald ob den Augen, bald auf der Nafe, bald kuͤrzer, bald laͤnger; man nennt dieſe Eulen Ohreulen, obſchon dieſe Buͤſche mit dem Gehoͤr nichts zu thun haben. Die ſonderbare Lage der Federn um die Ohren und das Geſicht hat dieſen Federn den Namen des Schleiers erworben, daher heißen einige Eulen Schleiereulen. Diejenigen mit runden Koͤpfen, ohne eigentliche Schleier, heißen Kauze. Alle Eulen haben faſt dieſelbe Lebensart, alle ſind von der Natur auf thieriſche Nahrung beſchraͤnkt, und genießen durchaus nichts aus dem Pflanzenreich. Alle find naͤchtlich, doch die einen mehr als die andern. Läßt ſich bei Tage irgend eine Eule ſehen, und wird ſie von andern Voͤgeln bemerkt, ſo wird ſie von allen angegriffen und verfolgt. Selbſt die kleinen Voͤgel, Schwalben und andere, ſonſt ganz fried— liche Voͤgel, ſtoßen ſchreiend auf ſie, ohne ihr jedoch etwas thun zu koͤnnen. Am 3 meiften werden die großen Arten von den Kraͤhen verfolgt, und man kann ſich fehr leicht dieſes laͤrmende Schauſpiel verſchaffen, wenn man einen lebenden oder ausge— ftopften Uhu an einen offenen Ort hinſtellt. Die erſte vorbeifliegende Kraͤhe ſchlaͤgt Laͤrm, fliegt weg und benachrichtigt durch ihr Geſchrei andere, welche nun alle her— beikommen und mit großem Laͤrm auf die Eule ſtoßen, welche aber ihre Angriffe nicht ſehr fuͤrchtet. Ihre Heldenthaten beſtehen auch meiſt nur im Schreien, und nur wenige wagen es wirklich anzugreifen, doch ſetzen ihr die Tagraubvoͤgel zumei: len ernſtlich zu. Man benutzt daher die Eulen theils um andere Voͤgel, beſonders Kraͤhen und Tagraubvoͤgel anzulocken, um ſie aus dem Hinterhalt ſchießen zu koͤn— nen, theils um kleine Voͤgel zu fangen. In der italieniſchen Schweiz und in Ita— lien werden deßwegen die kleinen Eulen ſehr oft gezaͤhmt gehalten, und zum Vogel— fang gebraucht, indem man ſie in einer beſonders ausgeſuchten, waldigen Gegend 5 auf einen erhoͤheten Stock feſt macht, dann ringsherum theils an dem Stock, theils an den benachbarten Baͤumen Leimruthen hinſteckt, an welchen die herbeifliegenden Voͤgel haͤngen bleiben. Die andern Voͤgel verrathen aber auch dem Jaͤger den Auf— enthalt der Eulen, an welchen er fonft wahrſcheinlich unbemerkt vorbeigehen wuͤrde. Da wo man Faſanen im Freien zieht, muß man die Raubthiere ſorgfaͤltig von die— fen Gegenden abzuhalten ſuchen, beſonders auch die Kraͤhen und Raubvoͤgel, welche Eier und junge Faſanen verfolgen. Man haͤlt daher meiſt große Ohreulen an ſolchen Orten, welche man von Zeit zu Zeit an Stellen ins Freie bringt, wo der Jaͤger im Hinterhalt die Kraͤhen und Raubvoͤgel ſchießen kann, man nennt ſolche Stellen Kraͤhenhuͤtten. f Wenn ſchon die Eulen von der Natur auf thieriſche Nahrung beſchraͤnkt find, ſo kann man in Hinſicht auf unſere Oekonomie hoͤchſtens die großen Arten eines Schadens anklagen, da dieſe allein zuweilen Hühner, Hafen, ſogar junge Rehe wegnehmen, daher denn auch an vielen Orten ein Schußgeld fuͤr die Erlegung der Eulen bezahlt wird. Allein es beruhet auch dieß auf Unkenntniß der Naturgeſchichte dieſer Vögel, welche uns lehrt, daß die Hauptnahrung der Eulen die uns ſo ſchaͤd— lichen Maͤuſe ausmachen, die kleinſten Arten aber nur von Inſekten leben. Mag auch der Uhu etwa einmal einen Hafen rauben, oder einen Vogel tödten, fo iſt dieß wahrlich kein Schade für die Oekonomie der Menſchen, und wenn man dage: gen bedenkt, daß er auf einen Haſen vielleicht einige hundert Maͤuſe verzehrt, ſo wird man auch ihn eher unter die nuͤtzlichen als ſchaͤdlichen Voͤgel zahlen koͤnnen. Nur zur Bruͤtezeit wird der Uhu ſchaͤdlicher, und ſcheint beſonders auch die Rep— huͤhner zu verfolgen. Alle uͤbrigen Eulen aber vergreifen ſich nur ſehr ſelten an Voͤgeln, ſondern ſuchen ihre Nahrung in kleinen Saͤugethieren und Inſekten. Statt a daher fie zu verfolgen, follte es der Landmann für ein eben fo großes Gluͤck halten, ein Eulenneſt in ſeiner Scheune, oder in einem hohlen Baume ſeines Baumgartens zu haben, als ein Storchenneſt auf ſeinem Dache. Denn, unbeachtet von ihm, fangt das niſtende Eulenpaar in feinen Wieſen und feinen Aeckern, oder in feinen Scheunen, eben ſo viel oder noch mehr Maͤuſe als die beſte Katze, ohne auch nur den geringſten Schaden zu thun. Und doch ſchießt er die Eule herunter, wenn er ſie am Tage ſieht, und nagelt zum Zeichen ſeiner Schießkunſt, dieſe ſeine Wohl— thaͤterin an das Scheunthor oder uͤber die Hausthuͤre. Daß uͤbrigens, wenigſtens die großen Eulen, einen weiten Schlund haben muͤſſen, beweist der Umſtand, daß man ſchon in dem Magen eines Uhu ganze Stuͤcke eines Igels mit den Stacheln gefunden hat. Maͤuſe, Maulwuͤrfe, und andere ſolche kleine Thiere werden uͤbrigens immer ganz heruntergeſchluckt, allein das Unverdauliche, Haare, Federn, Knochen ſammelt ſich im Magen an, und wird durch Erbrechen in kugelartigen Maſſen, welche man das Gewoͤlle nennt, wieder ausgeſpeit. Nur die ganz kleinen Eulenar— ten, und es giebt ſolche, welche nicht groͤßer als Sperlinge ſind, koͤnnen die Maͤuſe nicht ganz freſſen; ſie ſuchen daher Inſekten zur Nahrung, Heuſchrecken, Miſtkaͤfer, Nachtſchmetterlinge und der gleichen, und find alſo auch wieder für unſere Land: wirthſchaft und Gartenbau ſehr nuͤtzliche Geſchoͤpfe. Alle Eulen, die aus- und inlaͤndiſchen, niſten an dunkeln und verborgenen Orten und bauen ſich keine Neſter. Felſenhoͤhlen, Mauerloͤcher, alte Thuͤrme, Kirchboͤden, hohle Baͤume, und einer Art, vielleicht mehrern, ſogar Erdhoͤhlen, bieten ihnen die Bruͤteſtellen dar, wo fie nur auf wenigen biegfamen durchflochtenen Baumreiſern, Strohhalmen, oder Heu, Blaͤttern u. ſ. w. ihre Eier hinlegen, deren oft nur zwei, aber auch wohl drei bis vier find. Einige niſten auch auf der Erde, und andere in verlaffenen Kraͤhen⸗, Elſtern-, wilden Tauben: oder Raubvoͤgelneſtern. Die Eier aller Eulen, wenigſtens der bekannten europaͤiſchen Arten, ſind rundlich, breit, und von Farbe weiß, ohne alle Flecken. Es iſt wahrſcheinlich, daß dieß auch bei den auslaͤndiſchen Arten der Fall ſey. Die Bruͤtezeit dauert 14 Tage bis drei Wochen, je nach den Arten. Die Jungen ſind ſehr ſonderbar und haͤßliche Geſchoͤpfe, fie find ganz rund: lich, wie ein Federball, ihre großen runden Koͤpfe, die großen, wie geſchwollene Augen, und ihre ſonderbaren Gebehrden geben ihnen ein widerliches und trauriges Anſehen. n Wir finden in der Schweiz zehn Arten von Eulen, von welcher wir zwei be: ſonders herausheben und auf unſerm Blatte haben abzeichnen laſſen, naͤmlich die große Ohreule (Strix bubo) und die mittlere Ohreule (Strix otus). Was von — ER beiden zu fagen ift, paßt auch mehr oder minder auf die übrigen, von welchen wir am Ende auch noch einige Worte ſagen werden. Die große Ohreule iſt die groͤßte aller bekannten Eulen und heißt auch uhu, oder Buhu, wodurch vorzuͤglich ihr Geſchrei bezeichnet wird. Die obern Theile ſind dunkelroſtgelb und ſchwarz geflammt, die Kehle weißlich, die Federn auf dem Kopfe find ſchwarz und haben hellbraune gefleckte und geſtrichelte Raͤnder. Gerade ob den Ohren erheben ſich zwel ohrenfoͤrmige Federbuͤſche von faſt ganz ſchwarzen Federn, welche beim Maͤnnchen viel laͤnger, als beim Weibchen ſind; die Federn an der Bruſt und dem ganzen Unterleib ſind in der Mitte ebenfalls ſchwarz, aber mit viel breitern Federraͤndern, und ſehr weich und zerſchliſſen. Die Fuͤße ſind bis zu den Naͤgeln befiedert, roſtfarb. Die Schwingen beſtehen aus braͤunlich ſchwarzen und roſtgelben, dunkelbraun beſpritzten Federn, die Schwanzfedern find ſchwarzbraun, mit ſchma— leu, durchbrochenen, gelbbraunen Querbaͤndern, die aͤußern dunkel roſtgelb, braun beſpritzt, mit neun gezackten ſchwarzbraunen Binden. Das Weibchen iſt bedeutend groͤßer als das Maͤnnchen, hat kuͤrzere Ohrfedern, und eine weißere Kehle. Der Schnabel iſt ſtark und gebogen; die Augen find unge— mein groß und wohl der ſchoͤnſte Theil des ganzen Vogels, da ſie vom reinſten Pomeranzengelb find, der Stern oder das Seheloch iſt dagegen tief ſchwarz. Bei jedem ftarfen Lichte wird es kleiner und zieht ſich zuſammen. Ein drittes Augenlied, welches durchſichtig iſt, zieht ſich oft uͤber das ganze Auge weg. Die Klauen ſind ſehr ſtark, ſehr ſpitzig und gebogen. Die Federn am ganzen Koͤrper ſtehen ungemein dicht und machen den Vogel viel groͤßer, als er wirklich iſt, denn er ſcheint wie die groͤſte Gans, gerupft aber iſt das Maͤnnchen nicht viel groͤßer als eine Kraͤhe. Die ausgeſpannten Fluͤgel des Weibchens meſſen 5 Fuß 3 bis 6 Zoll, und die Laͤnge des Vogels mit Er Schwanze ift 2 Fuß, woran aber der Schwanz allein 10 Zoll mißt. Dieſer Vogel iſt ſehr weit verbreitet, man findet ihn in ganz Europa, im mitt— lern und nördlichen Aſien, und mit ſehr wenig Abaͤnderung in Afrika und in Ame: rika. Er liebt felſige und gebirgige Waldungen, und iſt daher in unſern Voralpen gar nicht ſelten, vorzuͤglich wo in den Waldungen ſchroffe Felſen und tiefe Berg: ſchluchten ſind. Im Winter zieht er ſich den Staͤdten und Doͤrfern naͤher, und kommt alljährlich oft ganz nahe an unſere Stadt, oder an die Dörfer, und kein Jahr vergeht, wo nicht einige gefchoffen werden. In ruhiger Stellung ſitzend, iſt der Vogel ganz ſchmal und ſteif, und hat, da ſeine Federohren meiſt ganz aufgerichtet ſind, ein ganz ſonderbares Anſehen. Er ſieht einem Federklumpen nicht unaͤhnlich, und man bemerkt kaum Schnabel und Be a Fuͤße. Die ſchoͤnen Augen find ganz gefchloffen. Aber kaum hoͤrt er jemand, fo ſtraͤubt er alle Federn, hebt die Fluͤgel ſo auf, daß ſie halb verbreitet aber haͤngend ſind, den Kopf haͤlt er vorwaͤrts, hebt einen Fuß nach dem andern und tritt wieder mit auf, faͤngt an zu zittern, reißt die Augen ploͤtzlich weit auf, blaͤßt und pfauchet laut, und knackt mit dem Schnabel. Wird er boͤſe, ſo funkeln ſeine Augen wie ein Feuerrad, er blaͤßt die Federn noch mehr auf und faͤhrt nun wuͤthend auf den Feind los. Er iſt ein kuͤhner und beherzter Vogel, der ſelbſt den Kampf mit dem Adler aufnehmen fol. Mit feinen ſtarken Fuͤßen und ſpitzigen Klauen faßt er kraͤftig an, und laͤßt nicht leicht wieder los. Er iſt auch am Tage munter und ſieht ſehr gut, flieht daher auch meiſt ehe man ihm zum Schuß nahe kommt, und fliegt durch die dichteſten Baͤume ohne anzuſtoßen. Die dichteſten Baͤume find fein Lieblingsaufent— halt, auf dieſen ſetzt er ſich nahe an den Stamm, und legt alle Federn fo hart an den Körper, daß er ſehr ſchlank wird, und man ihn leicht uͤberſieht. Weit lieber aber verbirgt er ſich in Felſenkluͤfte; oder wo es alte abgelegene Ruinen giebt, da hauſet er am liebſten in dieſen. Kein Thier hat wohl ſo viel Stoff zu aberglaͤubiſchen Sagen und beſonders zu der bekannten Sage vom wilden Jaͤger gegeben als dieſe Eule. Dieſe Sage, welche Buͤrger ſo ſchoͤn beſungen hat, i auch bei uns noch nicht erloſchen, und in Doͤr— fern, in deren Naͤhe große Waldungen liegen, hoͤrt man die wilde Jagd zuweilen, und wer die Urſache dieſer Erſcheinung nicht kennt, kann daran wohl in Furcht ge— ſetzt werden. Dieſe wilde Jagd beſteht naͤmlich darin, daß man in der Stille der Nacht ploͤtzlich aus den Waͤldern her ein hohles, gedaͤmpftes, aber doch weit hoͤr— bares Rufen Puhu, Puhue, oft von mehrern Seiten her oft und ſchnell wiederholt hoͤrt, welches oft noch das Echo doppelt wieder giebt. Brauſend und ſchnaubend zieht der Zug durch die Gebuͤſche, und wenn man in der Naͤhe iſt, bemerkt man feurige und ſchnell umherfahrende Punkte. Bald ertoͤnt ein hoͤheres Hu, bald glaubt man ein ſchallendes Hohngelaͤchter zu hoͤren, bald das Heulen und Klaffen der Hun— de, bald das jauchzende Rufen der Jaͤger, und Weihern von Pferden zu vernehmen. Man denke ſich dazu das ſchauerliche des Ortes, alte Ruinen, dunkle Waͤlder und man begreift, wie leicht die Phantaſie ergriffen, noch manches zu hoͤren glaubt, das man eigentlich nicht hoͤrt. Dieſes Geſchrei kommt von dem Kriegen und Spielen der Ubus her, welche zur Begattungszeit ftatt haben, wo zuweilen ſich zehn bis zwan— zig verſammeln ſollen, und ſich unter jenem Geſchrei herumjagen. Das hohe Hu aͤhnelt dem ſtarken Jauchzen eines Menſchen, und ſcheint der Paarungsruf zu ſeyn, wo dann auch das Weibchen ein graͤßliches lauttoͤnendes Kreiſchen von ſich giebt. Das Pfauchen und Knappen mit dem Schnabel, welches das Thier, wenn es boͤſe 8 iſt, ſehr oft hoͤren laͤßt, wird untermiſcht ebenfalls gehoͤrt; die großen Augen phos— phoresciren wie bei den Katzen und andern naͤchtlichen Thieren. Wenn dann noch dazu kommt, daß die Hunde der benachbarten Doͤrfer, deren Gebell man in ſtiller Nacht weit hoͤrt, von dem hoͤlliſchen Laͤrm geweckt, zu bellen und heulen anfangen, ſo kann man ſich wohl denken, wie leicht, bei Aberglauben, Furcht und Schrecken verbreitet werden konnte. Schon das Geſchrei kleinerer Eulen, welches man in Waldungen oder an deren Rande oft hört, hat etwas Schauerliches und Unheimliches; befonderd in Gegenden, wo es viele alte Ruinen giebt, da rufen ſich die Eulen von einer Ruine zur andern zu, und antworten ſich. Man kann dieß beſonders in Buͤnd— ten oft hoͤren. Wer noch nie eine Eule gehoͤrt hat, wird ſicherlich getaͤuſcht, und glaubt das Jauchzen Betrunkener zu hoͤren. Wenn der Uhu bey Tage beſonders durch die Kraͤhen geneckt und geaͤngſtigt worden iſt, ſo raͤcht er ſich des Nachts oft auch wieder an ihnen. Er greift ſie, wenn fie ſchlafen, unverſehens an, und auch dadurch entſteht oft ſchon ein gewalti- ger Laͤrm. Zwar lebt der Uhu meiſt einſam in feinem Schlupfwinkel, aber die Begattungs— zeit lockt mehrere zuſammen, und ſo entſtehen dann eben Kaͤmpfe. Schon fruͤhe im Jahr hat dieſe Fortpflanzung ſtatt, und wenn der März nicht zu kalt iſt, wird ſchon am Ende dieſes Monats das Neſt bereitet, wozu Männchen und Weibchen gemein— ſchaftlich beitragen. Das Neſt wird entweder in einem Felſenloch, oder in dem Ge: mauer eines zerſtoͤrten einſamen Schloſſes, ſelten auf einem abgeſtutzten Baum, be— reitet. Es iſt groß, liegt immer auf, und beſteht aus vielen Stecken und duͤrren Reiſern als Unterlage, inwendig aber aus Laub und Geniſte ganz unkuͤnſtlich auf einander gelegt; manchmal liegen ſogar die Eier ohne Unterlage in einem bloßen Steinloche. Die zwei, hoͤchſtens vier, Eier haben die Größe der Huͤhnereier, nur find fie runder. Sie werden drei Wochen bebruͤtet und ſelten kommen mehr als zwei Junge aus. Die Jungen ſind mit ſehr zartem Flaum bekleidet, von ſchmutzig weißen und roͤthlich grauen, mit dunklern Punkten und Wellenlinien bezeichneten Federn. Sie bleiben fo lange im Neſte bis fie fliegen koͤnnen. Zu dieſer Zeit ſchleppen die Alten eine große Menge Nahrung herbei. Von Jemanden wurde ein junger Uhu in der Naͤhe eines Neſtes gefangen, welches nicht weit von dem Schloſſe, wo dieſe Per— ſon wohnte, entfernt war. Der junge Vogel wurde in einen offenen geraͤumigen Bauer geſperrt, und ſo geſtellt, daß die Alten ſein Geſchrei hoͤrten. Am andern Morgen lag ein friſch getoͤdtetes, noch warmes Rebhuhn vor dem Bauer, und mehr als vier— zehn Tage lang brachten die Alten faſt jede Nacht Wildpret, groͤſtentheils junge Rebhuͤhner, auch eine Auerhenne, faſt immer friſch. Zu dieſer Zeit muͤſſen ſie in 33 in der That einigen Schaden anrichten, und manches Haͤschen wird von ihnen etoͤdtet. f Gewöhnlich naͤhrt ſich der Uhu von Hamſtern, Waſſerratten, Maulwuͤrfen, Wald- und Feldmaͤuſen, aber ſogar Hirſch- und Rehkaͤlber, Hafen und Kaninchen werden von ihm angefallen. Auch die Kraͤhen genießt er gerne. In der Gefangen— ſchaft kann man ſie mit rohem Fleiſch aller Art fuͤttern und leicht erhalten. Nur muß man ihnen nicht zuviel auf einmal geben; ja es ſcheint beſſer, wenn man ſie einmal einige Tage hungern laͤßt. Sie koͤnnen ſehr viel auf einmal freſſen, aber auch ohne Schaden drei bis vier Wochen ohne Freſſen aushalten. Waſſer brauchen ſie gar nicht. Die zweite auf unſerem Blatte abgebildete Eule heißt die mittlere Ohreule (Strix otus), fie iſt noch nicht halb fo groß als der Uhu, gleicht ihr aber ſehr in der Farbe, doch iſt ſie im Ganzen beſonders auf dem Ruͤcken heller, und die Grundfarbe des Bauches iſt mehr weißgelb. An jedem Federbuſch zeichnen ſich vorzuͤglich ſechs Federn durch ihre Groͤße aus. Das Geſicht iſt mit einer ſchleierartigen weißlichen Federein— faffung bedeckt, und mit ſchwarzen und braunen Fleckchen punktirt. Die großen Ohrfedern ſind ſchwarz. Der ganze Vorderkoͤrper iſt hell roſtgelb, weiß gemiſcht, uͤberall mit dunkelbraunen Schaftſtrichen, welche zackicht ſind. Alle obern Theile bingegen haben zur Grundfarbe ein Gemiſch von roſtfarb und aſchgrau, mit dunkel— braunen Schaftflecken und Zickzacklinien, punktirten Wellenlinien und Punkten. Der Schwanz iſt dunkelroſtgelb, mit ſchwarzbraunen Querbinden durchzogen. Die Augen ſind auch bei dieſer Art groß und prachtvoll pomeranzengelb und glaͤnzend. Wegen dem ſtarken und lockern Gefieder gleicht ſie an Groͤße einer Kraͤhe, iſt aber wirklich am Koͤrper nicht groͤßer als eine Taube. Dieſe ſchoͤne Eule iſt weit verbreitet und ſoll in allen Welttheilen vorkommen. Auch bei uns iſt ſie in Waldungen allenthalben gemein, und verbirgt ſich am Tage meiſtens in dicken Nadelholzbaͤumen; viel ſeltener in Ruinen und Felſenſpalten. Im Winter trifft man ſie ſehr oft nahe an Staͤdten und Doͤrfern in Waldungen an. Sie iſt ſehr leicht zu zaͤhmen und ein Vogel, der durch ſeine abwechſelnden und fonder: baren Poſituren und wunderlichen Gebehrden, durch Aufblaſen der Federn, Ziſchen, Knacken und andere poſſierliche Bewegungen ſehr ergoͤtzt. Sie ſchlaͤft den ganzen Tag, iſt aber die Nacht uͤber ſehr munter. Sie iſt ſelbſt nicht ungeſellig und man trifft nicht ſelten, beſonders im Maͤrz und April, bis zu zehn und noch mehr beiſammen an. Sie fliegen ſehr leiſe und geraͤuſchlos, ſchwankend und langſam. Ihre Stimme läßt fie im Fruͤhlinge beſonders haͤufig hören, es iſt ein hohes gedehntes Huuk, oder Hoho, daher mag dieſe Eule durch ihr Rufen, beſonders wenn es mit dem Geſchrei des Uhu zugleich ertönt, viel zu den Schreckniſſen des wilden Jaͤgers beitragen. 2 E | DE Ihre Hauptnahrung befteht in Wald- und Feldmaͤuſen, Spitzmaͤuſen, Maul: wuͤrfſen, kleinen Froͤſchen und großen Inſekten, doch greift fie auch junge und alte Voͤgel an, welche ſie im Schlafe uͤberraſcht; ſelbſt Rebhuͤhner ergreift ſie im Winter. Sie kommt oft in die Dorfgaͤrten und nahe an den Doͤrfern liegenden Felder, beſucht aber auch entlegene Felder. Sie niſtet nicht in hohlen Baͤumen, ſondern in alten Kraͤhen⸗, Elſtern- und Eichhornneſtern, und bruͤtet ihre vier faſt runden, ſchoͤn weißen Eier in drei Wochen aus; aber nur das Weibchen, das Maͤnnchen bringt ihr dann Speiſe zum Neſt. Die Jungen ſind gar ſonderbare und haͤßliche Geſchoͤpfe. Auch dieſe Eule iſt ſehr nuͤtzlich und vertilgt eine große Menge ſchaͤdlicher Thiere; daher ſollte man ſie ſehr ſchonen. Außer dieſen beiden großen Eulen haben wir in unſerm Lande noch zwei Ohr— eulen. Die eine iſt eben ſo groß als die eben angefuͤhrte, hat aber ſehr kleine Ohren, und hellgelbe Augen, und die Grundfarbe iſt faſt weiß, ſie kommt nur im Herbſt und Winter zu uns, und findet ſich dann in Suͤmpfen, wo ſie oft ſelbſt am Tage auffliegt, oft wird ſie vom Huͤhnerhund aufgejagt. Die andere aber iſt ein ſehr niedliches Voͤgelchen, nicht ſo groß als eine Amſel, mit ungemein großen ſchwefelgelben Augen. Im Leben legt fie oft ihre Federohren nieder. Sie findet ſich in unſerer Gegend ſehr ſelten, viel haͤufiger in Buͤndten und der waͤrmern Schweiz in Felſen und alten Schloͤſſern, lebt beſonders von Maͤuſen und Inſekten. Sie laͤßt ſich leicht zaͤhmen und bruͤtet ſogar in der Gefangenſchaft. Sie ergoͤtzt ſehr durch ihre Artigkeit, Munterkeit und Poſſirlichkeit. In Italien wird ſie ſehr oft gezaͤhmt gehalten und vorzuͤglich zum Fang der kleinen Voͤgel ge— braucht, indem ſie auf eine Stange gebracht wird, welche mit Leimruthen umgeben iſt, an welchen ſich die auf ſie ſtoßenden Voͤgel fangen. Ihr Geſchrei toͤnt zwar nicht laut, aber dennoch erklingt es in den alten Ruinen und Felſen ſchauerlich. Mehrentheils rufen die nahe wohnenden einander. Unter den glattkoͤpfigen Eulen iſt die gemeine Eule die haͤufigſte, ſie iſt ziemlich groß und hat einen vorzuͤglich großen Kopf, ſchwarzblaue Augen, iſt aber daneben ein träger, fchlaffüchtiger und truͤbſinniger Vogel. Ob fie deßwegen zum Vogel der Minerva gemacht wurde, iſt nicht bekannt. Aber Kopfhaͤngerei und Schlaffucht fördert die Wiſſenſchaft nicht. Den ganzen Sommer durch wohnt er in Waͤldern, in hohlen Baͤumen; im Winter aber kommt er in die Doͤrfer, auch wohl in die Staͤdte und bezieht alte Gebaͤude, Thuͤrme, Scheunen, wo er Maͤuſen und Ratten nachjagt. Bei dieſer Gelegenheit ſitzt er auch wohl auf irgend ein Haus ab, und laͤßt ſein heiſeres Ku-Kuhitt, oder Giwit hören, dem oft im Fruͤhling ein hochklingendes Huhuhuhuhuhuhu nachfolgt. Dann ſagt der Aberglaube, die Eule habe das Haus bezeichnet, es werde bald Jemand darin ſterben. Allein das 11 Abſitzen der Eule iſt bloßer Zufall, und hat mit den Bewohnern des Hauſes gar nichts zu thun. Wie wollte die Eule errathen, daß Jemand in dem Haus ſterben werde, und was fuͤr Gewinn haͤtte ſie davon es anzuzeigen? Wenn der Zufall es wollte, daß etwa eine Eule gerade auf dem Hauſe abſaß, wo ein Kranker ſich be— fand, und der Kranke ſtarb nachher, ſo mußte die gute Eule es voraus angezeigt haben, und der Aberglauben hatte dadurch gewonnenes Spiel, weil das gleichzeitige Ereigniß als Urſache und Folge angeſehen wurde, die in keiner Beziehung mit einan— der ſtehen. So urtheilt der Aberglaube. Man kann uͤbrigens auch dieſe Eule zaͤhmen und fo gewöhnen, daß fie aus- und einfliegt und die Maͤuſe im Haus und Garten wegfaͤngt. Zuweilen ſtoßt ſie auch nach Voͤgeln, aber Maͤuſe machen ihre Haupt— nahrung aus. Mitten in den groͤßten Staͤdten, beſonders wo viele Thuͤrme und Kirchen ſind, wohnt eine Eule das ganze Jahr, welche man die Schleiereule nennt, weil ihr wun— derbares Geſicht, wie mit einem Schleier bedeckt iſt. Ihr ſeidenweiches, roſtgelbes mit grauen und ſchwarzen Punkten wie mit Perlen beſaͤete Gefieder, welches am Vorderkoͤrper oft faſt rein weiß iſt, hat ihr auch den Namen der Goldeule zugezo— gen. Auch ſie hat durch ihr Geſchrei, wenn ſie vom Thurme herab um Mitternacht ruft, oder auf dem Gottesacker daſſelbe ertoͤnen laͤßt ſchon manchen erſchreckt, dem es um Mitternacht an ſolchen Orten ſonſt nicht heimlich iſt. Er glaubte die Stimme zu hoͤren, welche von jenſeits heruͤber den Tod ihm ankuͤndige. Es iſt gerade als ob ein Menſch mit offenem Munde ſchnarche, und dieſe Toͤne geben ſie oft Stunden lang in denſelben Zeitraͤumen von ſich, und man glaubt es ganz in der Naͤhe zu vernehmen, obſchon es vom Thurme herabkoͤmmt; will man daher dem Schnarchen des Schlaͤfers nachgehen, ſo findet man ihn nicht, oder wird dabei wohl gar von einer leiſe fliegende Eule, wie von einem Schatten umſchwebt, waͤhrend die andere fortſchnarcht. Zuweilen kommt auch, doch außerſt ſelten, die ſehr große, ganz weiße Schnee— eule bis zu uns, obſchon ihr eigentliches Vaterland in den kaͤlteſten Laͤndern ſich fin— det, in Lappland, Norwegen und Groͤnland; ſie iſt aber bloß ein ſeltener Gaſt, der nicht lange bei uns bleibt, dann aber auch oft am Tage ſichtbar iſt. Endlich finden ſich in unſern Gebirgswaͤldern noch drei Arten kleinere Kauze, von welchen der kleinſte nicht größer als ein Sperling iſt. Sie leben von Mäufen, beſonders aber von Inſekten; bewohnen beſonders die Alpenwaldungen, und laſſen ihr Geſchrei aus Felskluͤften und Hoͤhlungen erſchallen, indem ſie des Nachts einan— der gleichſam zurufen. Dieſe naͤchtlichen Voͤgel ſind alſo ziemlich zahlreich und verzehren eine große 18 leietz Menge unſerer Oekonomie ſchaͤdlichen Thiere. In Jahren, wo die Maͤuſe fich fo vermehrten, daß ſie faſt zur Landplage wurden, ſah man auch die Eulen in ſolchen Gegenden ſich ſehr vermehren. So hat die Natur gegen jedes Uebel auch wieder das Gegentheil erſchaffen, und alles traͤgt dazu bei, daß das Gleichgewicht nie lange geſtoͤrt werden kann. Aber leider greift der Menſch ſo oft mit frevelnder Hand ein, und fchadet durch feine Mordluft feinem eigenen Intereſſe. Schon der Knabe haͤlt es für eine Großthat, wenn er bloß um feine Schießluft zu buͤßen, das erfte beſte Voͤgelchen tödten kann, wenn ſchon fein Tod ihn nichts nuͤtzt. Darum ſoll eine gute Erziehung uns auch darauf aufmerkſam machen, daß die Geſchoͤpfe, welche mit uns die Erde bewohnen, nicht bloß da ſeyen, um von uns verfolgt und vertilgt zu werden; ſondern daß auch das oft verachtete Geſchoͤpf eben ſo gut Anſpruch auf Schonung hat, als ein in unſern Augen ſchoͤneres; daß wir nicht berechtigt ſind, irgend ein Geſchoͤpf aus bloßem Muthwillen zu tödten. Dem Menſchen iſt es zwar erlaubt, ſich vor den Eingriffen in ſeine vermeintlichen Rechte zu ſchuͤtzen, und die ihm ſchaͤdlichen Thiere von ſeinem Eigenthum abzuhalten, oder auch die zur Speiſe dienenden zu fangen; aber er ſoll das Leben der Thiere nicht bloß zum Spiel ſeiner Laune machen; das iſt eben ſo unmoraliſch gehandelt, als wenn wir Menſchen, welche ſchwaͤcher als wir, oder uns untergeben ſind, bloß nach unſern Leidenſchaften behandeln. Beobachtet, liebe Freunde, den Haushalt der Natur, das Betragen eurer Mitgeſchoͤpfe, und ihr werdet edlere Menſchen werden, und von ihnen ſelbſt manche Lehre erhalten koͤnnen. GE * 7 * 14 Yn die Zuͤrcheriſche 3 u gend auf das Jahr 1829. Von der Naturforſchenden Geſellſchaft. 4 XXXI. Stück Das vorzüglichſte Beſtreben und der Hauptzweck einer naturforſchenden Geſellſchaft ſoll dahin gehen, die Erſcheinungen, welche die Natur uns darbietet, ſo viel möglich in allen ihren Beziehungen kennen zu lernen und die Geſetze aufzuſuchen, welche in der belebten und unbelebten Natur beſtehen, und denen die ganze Schöpfung unterworfen iſt. Die Liebe zum Wunderbaren, welche gleichſam dem Menſchen angeboren iſt, oberfläch- liche Forſchung und einſeitige Beobachtungen, haben fo manche Thatſache entftellt, ſo manche falſche Anſicht verbreitet und abergläubiſche Sagen von einer Generation auf die andere fortgepflanzt, daß es unmöglich iſt alle zu kennen und aufzudecken. Aber dem Belauſcher und Beobachter der Natur gelingt es doch öfter die Wahrheit aufzu— finden. Wir bemüheten uns in unſerem letztjährigen Blatte, der lernbegierigen Jugend die Naturgeſchichte jener nächtlichen Vögel aufzuklären, welche unter dem Namen der Eulen bekannt ſind, deren lichtſcheues und verborgenes Treiben ſo viele Vorurtheile, Aberglauben und Geſpenſtergeſchichten veranlaßten. Wir ſuchten zu zeigen, daß dieſe Thiere nicht ſtörend in unſere Oekonomie eingreifen, im Gegentheil uns ſehr nützliche Geſchöpfe ſeyen. Dießmal wollen wir die Naturgeſchichte eines andern Vogels etwas näher beleuchten, über welchen ebenfalls eine Menge Irthümer verbreitet ſind, die aber ſelbſt der Naturforſcher noch nicht alle vollſtändig hat aufdecken können. Wenn ihr in den erſten Frühlingstagen des Aprils die Mauern und engen Gaſſen der Stadt verlaſſet, und in unſern ſchönen Umgebungen euch des längern Tages und der angenehmen Zeit erfreut. Wenn ihr euere Schritte etwa nach dem romantiſchen — | 2 — 0 oder den beholzten Höhen des Zürichberges richtet, ſo hört ihr bald aus der ähe bald aus der Ferne, immer aber nur aus dem Gehölze, den lauten und ange⸗ nehmen Ruf eines Vogels, der ſeinen eigenen Namen ſehr deutlich ausſpricht. Seht ihr euch um, wo wohl der Rufer ſey, ſo iſt er nirgends zu erblicken, und folgt ihr dem Tone, fo lockt er euch triegeriſch in die nahe Buch- oder Eichwaldung, und glaubt ihr ihm endlich nahe zu ſeyn, und ihn ſehen zu können, ſo ruft er plötzlich hinter euch aus dem finſtern Tannenwalde, vom Gipfel der höchſten Tanne herunter, und ihr erblickt dort einen Vogel, faſt ſo groß wie eine Taube, der aber euere Annäherung nicht erwar— tet, ſondern ſchnell davon fliegt. Wenn ihr es aber verſteht, fo könnt ihr ihn doch in der Rähe ſehen. Ihr dürft euch nur in den Wald hinter einen großen Baum verbergen und mit dem Munde oder einem Inſtrumente ihn verſpotten und beym Namen rufen, ſo wird er ſich euch nähern, und macht ihr euere Sache geſchickt, ſo ſetzt ſich der Schreier wohl gar auf den Baum unter welchem ihr ſteht, da er euch für ſeines— gleichen hält. f Dieſer Vogel, der immer ſeinen Namen ruft, iſt der Kukuk, den jedermann kennt, und den doch ſo viele noch nie geſehen haben, oder erkennen, wenn ſie ihn ſelbſt ſehen. Seine merkwürdige Naturgeſchichte wollen wir dießmal zu unſerm Texte wählen. Er ift ein ſchlimmer Vogel, der feine Eyer in die Neſter anderer Vögel legt / und Fremden die Mühe überläßt für ſeine Nachkommenſchaft zu ſorgen. Die Abbildung auf unſerem Kupferblatte zeigt euch deutlich die Geſtalt und das Aeußere des Vogels, welches wir nicht weitläufig beſchreiben wollen. Nur müſſen wir auf Schnabel und Füße aufmerkſam machen, da dieſe deutlich zeigen, daß der Kukuk nichts weniger als ein Raubvogel iſt, wofür ihn ſo manche fälſchlich halten. Der Schnabel iſt kurz, ſchwach, die obere Kinnlade etwas gebogen, die Mundöffnung groß. Die Beine find kurz, bis zum Lauf ſtark behindert; die Füße mit vier Zehen, wovon zwei nach hinten und zwei nach vorn ſtehen. Die Nägel ſind kurz und etwas ſpitzig, aber zum Ergreifen völlig ungeſchickt. An den Schenkeln ſind ſtarke Federhoſen. Der Schwanz iſt lang, keilförmig zugerundet, indem die mittlern Federn am längſten ſind, die äußern dagegen ſtufenweiſe abnehmen. Die Farbe des alten Männchens iſt am ganzen Oberleibe an Hals und Bruſt blaugrau oder hell aſchgrau; Bruſt, Weichen, Schenkel und Bauch weiß, mit ſchmalen, ſchwärzlichen Wellenſtreifen durchzogen. Die Schwung⸗ federn ſchwarzgrau, mit grünlichem Glanze, und auf der innern Fahne mit 7 bis 11 weißen Querflecken. Die Schwanzfedern ſind matt ſchwarz, alle mit weißen Spitzen — — nee *) Ehmals fand ſich dieſer Vogel wohl auch in dem bekannten Sihlhölzchen, welches ihr vielleicht auf dem Blatte erkennt, allein ſeit dem dort die Trommler den ganzen Tag lärmen, iſt jeder Vogel dort verſchwunden. — 3 — und ſieben bis zehn weißen Flecken. Das ganz alte Weibchen iſt dem Männchen voll— kommen ähnlich. Das jährige Weibchen iſt dagegen ſo ſehr verſchieden, daß man bis jetzt immer zwei Arten aus dem Kukuk gemacht hat. Er iſt nämlich über den ganzen Oberleib rothbraun, mit ſchwarzen Querbinden; an den Schwungfedern der Flügel ſind ſtatt den weißen, rothbraune Flecken, und die Schwanzfedern find rothbraun, mit ſchwarzen Querbändern. Kehle, Wangen und Vorderhals ſind weiß, roſtgelb oder roſtröthlich angeflogen, mit ſchwarzbraunen Wellenſtreifen; Bauch und Aftergegend, fo wie die Federhoſen, weiß mit ſchwarzen Binden, wie am Männchen. Der Augenſtern iſt beim Männchen brennend rothgelb, beim Weibchen mehr ſchwefelgelb. Erſt nach der zweiten oder dritten Mauſer erhält das Weibchen die graue Farbe des Männchens. Manche Weibchen ſcheinen ſie gar niemals zu erhalten, ſondern immer roſtfarb zu bleiben, beſonders in den wärmern Gegenden unſers Erdtheils, wo man die rothe Abänderung viel häufiger findet als in den nördlichen Theilen. Auch bei uns iſt ſie gar nicht ſelten. Zuweilen hat auch das Männchen im erſten Jahre dieſe Farbe. Der Kukuk iſt etwas größer als eine Amſel; man trifft aber ſolche an, welche etwas kleiner ſind als andere. Derr europäiſche Kukuk iſt über einen großen Theil der Erde verbreitet, man findet ihn in ganz Europa, faſt bis zum Polarkreiſe, ebenſo in Aſien und in Nordafrika. In der Schweiz iſt er allenthalben, aber nirgends häufig, da dieſe Art zwar weit verbreitet, aber nicht zahlreich an Individuen iſt. Er iſt ein Zugvogel, der im April ankommt und uns meiſt mit Anfang Septembers wieder verläßt. Selten hört man ihn vor Ende der erſten Hälfte des Aprils, dann aber läßt er in allen Gehölzern fein Kukuk erſcha llen. Das jährliche Wegziehen vieler Vögel iſt eine ſehr merkwürdige Naturerſcheinung. Das Vaterland eines Vogels iſt immer da, wo er geboren wird; allein viele Vögel können in ihrem Vaterlande nur einen Theil des Jahres durch Nahrung erhalten, fie find daher genöthigt, im Winter dieſes Vaterland zu verlaſſen, und in ein Land zu fliegen, welches ihnen Nahrung genug darreicht. Alle Vögel, welche ſich ausſchließend von Inſekten nähren, finden ſolche in unſern und den noch kältern Gegenden nicht, daher wandern ſie im Herbſt aus. Je kälter ein Land iſt, deſto weniger bietet es den Thieren, welche dasſelbe bewohnen, in dem kalten Winter Nahrung dar, deſto mehr von dieſen Vögeln müſſen daher ausziehen, und umgekehrt, je wärmer ein Land iſt, deſto gleichmäßiger ſind ſeine Jahrszeiten, deſto mehr Produkte aus dem Thier- und Pflanzenreich liefert es, und kann ſeine Bewohner das ganze Jahr durch erhalten. Die Länder jenſeits der Polar— kreiſe, auf der nördlichen ſowohl als auf der ſüdlichen Halbkugel, haben vollkommen acht Monate Winter, während welchem der Boden immer mit Schnee und Eis bedeckt iſt, und ſogar die Meere gefrieren, daher verlaſſen im Winter alle Vögel ohne Ausnahme dieſe Länder und bringen denſelben in wärmern Gegenden zu. Zahlreiche Arten aber bewohnen im Sommer dieſe Gegenden und brüten da. Z. B. die großen Schaaren von Wald— . finken Wachholderdroſſeln, Weindroſſeln, Schnepfen, Enten, welche jährlich im Herbſte bei uns ankommen, ſind alle im Norden unſers Welttheiles geboren, und überwintern theils auf unſern Seen und in unſern Wäldern, oder ziehen weiters nach Italien, Siei⸗ lien, und bis nach Afrika. Aber auch bei uns brüten viele Vögel, welche im Winter keine Nahrung finden würden, und dieſe wandern dann im Herbſt alle aus, und zwar gehen die meiſten bis nach Afrika; dahin gehören die Störche, Schwalben, Rachtigallen, Grasmücken, Wachteln, wilden Tauben, der Staar, der Wiedehopf, der Kukuk und viele andere. Je kälter ein Land iſt, deſto mehr Zugvögel hat es, und umgekehrt, je wärmer, deſto mehr bleibende oder Standvögel. In den Ländern dieß und jenſeits der Linie oder zwiſchen den Wendekreiſen giebt es gar keine Zugvögel, alle dort gebornen Vögel bleiben das ganze Jahr. Dieſe regelmäßigen Wanderungen find eine fo merkwür— dige Erfcheinang, daß wir ein andermal vielleicht euch mit der nähern Geſchichte davon unterhalten können; jetzt nur ſo viel, daß auch der Kukuk unter die Vögel gehört, welche uns, und zwar ſchon frühe im Jahr, verlaſſen und regelmäßig im April wieder ankom⸗ men. Er fliegt bey ſeinem Abzug über das mittelländiſche Meer und überwintert in Afrika, namentlich in Egypten. Auf ſeinem Zuge wird er häufig in Italien bemerkt, und die Inſel Malta und andere im mittelländiſchen Meere berührt er zweimal im Jahr. Er zieht des Nachts einzeln oder höchſtens zu zwei bis drei Stücken zuſammen. Jedes Paar Kukuke nehmen eine beſtimmte Gegend in Beſitz, deren Grenze kein anderes Paar überſchreiten darf, ohne daß es Zank giebt. Solche Streitigkeiten erheben ſich alle Jahre, und das ſchwächere Paar muß dem ſtärkern weichen. Das Paar, welches den Stand zuerſt beſetzt hatte, kommt auch gewöhnlich im folgenden Jahr wieder dahin zurück, und kommt ihm ein anderes zuvor, ſo läßt es ſich nicht ganz aus dem— ſelben vertreiben, und bleibt Nachbar des erſten Paares. Da das Männchen ſeine An— kunft ſogleich durch fein Kukuk verräth, fo wird der allfällige Gegner ſogleich benach— richtigt, fliegt herzu, und der Streit beginnt. Dieſe Eiferſucht führt auch das ſonſt ſo vorſichtige und ſcheue Kukuksmännchen oft in die größte Gefahr, da der Jäger nur den Ruf geſchickt nachzuahmen und ſich zu verſtecken braucht, um den Kukuk in die Nähe zu locken, wo er ſeinen Gegner vermuthet. Nur das Männchen ſchreit Kukuk, das Weibchen niemals. Ein ſolches Revier hat in einem Walde, wo viele Kukuke wohnen, kaum eine Viertelſtunde in's Gevierte, in baumleeren Gegenden aber iſt es weit größer. Wird ein Kukukspaar eines Reviers weggeſchoſſen, fo kann es oft mehrere Jahre dauern, ehe wieder ein anderes ſich daſelbſt anſiedelt. Den Hauptſtandort hat dann das Männchen immer im dickſten Gebüſche und auf den höchſten Bäumen des Waldes, und beſucht von da aus alle Tage die Umgegend. Der Kukuk iſt ein unbändiger, ſtürmiſcher, wilder und ſcheuer Vogel, der ſich durch— aus nicht zähmen läßt. Er iſt flüchtig und gewandt im Fluge, und ſitzt ſehr ſelten auf der Erde ab, weil er dort wegen ſeiner kurzen Füße gar nicht gut fortkommen und 1 gehen kann, wobei er den Körper immer wagrecht trägt. Klettern kann er eigentlich auch nicht, ſetzt ſich aber häufig quer an die Baumſtämme, um Inſekten aufzuſuchen. Sehr gerne ſetzt er ſich ganz oben auf die Wipfel der Bäume, oder auf Stöcke, Pfähle Stangen, Zäune und andere erhabene Orte, von welchen aus er die ganze Gegend über— ſehen kann, theils um ſich vor Gefahren zu verwahren, theils um die Gegend auszuſpä— hen und die kleinen in der Gegend niſtenden Vögel zu beobachten, oder Nahrung aufzu— ſuchen. Er ſucht ſich aber immer zu verbergen, und traut den Menſchen niemals. Nie iſt er gefellig, und ſelbſt wenn auf den Wanderungen mehrere zuſammentreffen, fo fliegt, wenn ſie aufgejagt werden, jeder ſeinen eigenen Weg, und kein anderer Vogel hat Ge— meinſchaft mit ihm; im Gegentheil, ſie verfolgen ihn neckend, da er ſich auch nicht mit Kraft vertheidigen kann. Er fliegt ſchnell, geſchickt und leicht, ſchwingt die Flügel in ſchnellen Schlägen, in gerader Linie, oft ganz niedrig, ohne den Schwanz oft auszubreiten, und weißt in der größten Schnelligkeit durch die dichteſten Baumzweige durchzukommen, ohne anzuſtoßen. Da feine Geſtalt, fein Flug, Größe und Farbe, mit dem Sperber und Thurmfalken Aehnlichkeit hat, ſo iſt er mit dieſen Vögeln verwechſelt worden, und ſelbſt kundige Jäger können getäuſcht werden, wenn ſie ihn nur im ſchnellen Fluge beobachten, in der Nähe aber iſt er leicht zu unterſcheiden. Er fliegt faſt immer in Geſellſchaft ſeines Weibchens, dem einzigen Geſchöpfe dem er traut. Man hat durch ſorgfältige Beobachtungen gefunden, daß er ein ziemlich hohes Alter erreicht. Ein Männchen, welches durch einen von der gewöhnlichen Stimme ſehr abwei— chenden Ruf ſich kenntlich machte, wurde 25 Jahre nach einander in derſelben Gegend beobachtet, und fand ſich immer wieder ein. Eine andere Stimme als ſein Kukuk hört man von ihm ſelten, zuweilen ruft er auch Kukukuk. Das Kukuk wiederholt er des Tages zwanzig bis dreißig Mal, noch häufiger aber in der Nacht und Morgendämmerung, wo er auf demſelben Sitz oft mehr als hundertmal ruft. Zuweilen hört man auch ein heiſeres Hach oder Hachacha von ihm. Er ruft ſitzend und fliegend; ſitzend nie anders als mit geſenkten Flügeln und gehobenem und halbverbreitetem Schwanze, wie er abgebildet auf unſerer Tafel iſt; die Kehle bläst er dabei auf, und macht jedesmal am Ende des Rufs eine Verbeugung. Dieſe Töne giebt er von ſeiner Ankunft an bis zum Anfang Juli von ſich, dann ſchweigt er und man hört nichts von ihm. Das Weibchen ruft im Frühjahr Kwick wick wick wick, welches einem heiſern Gelächter gleicht, die Silben folgen äußerſt ſchnell auf einander, ſo daß ſie oft bis zwanzigmal ſich wiederholen. Wenn das Männchen Kukukuk Kukukuk ruft, ſo ruft auch das Weibchen Kwick wick. Nach der Fortpflanzungszeit hört man auch vom Weibchen keine Stimme mehr. Wenn man den Kukuk jung erhält, ſo gelingt es oſt ihn zu erziehen, allein er bleibt ein wilder und unbändiger Vogel, wird nie zutraulich, und zankt ſich mit allen — 6 — andern Vögeln. Dabei iſt er unreinlich und beſchmutzt und verſtößt fein Gefieder unauf— hörlich. Alt gefangen iſt er gar nicht zu zähmen und ſtirbt bald, da er keine Speiſe zu ſich nimmt. Als Stubenvogel kann er daher nie gehalten werden. Die Nahrung des Kukuks beſteht einzig aus Inſekten, doch freſſen die Jungen auch Beeren, namentlich die des Faulbaums. Seine Hauptnahrung aber ſind Raupen aller Art, ohne Unterſchied, glatte oder haarige, und es iſt merkwürdig, daß er die Raupen, welche die härteſten und ſteifſten Haare haben, den andern, wo nicht vorzieht, doch ſie eben ſo gerne und ohne Schaden frißt. Z. B. Bärenraupen, die ſchädlichen Raupen der Obſtbäume, Bürſtenraupen, kurz alle bekannten Arten. Von den Haaren dieſer Raupen iſt oft fein Magen ſo voll gepfropft, daß derſelbe wie haarig und mit einem Pelz bedeckt erfcheint, indem die mit Widerhäkchen verſehenen Haare in die Wände des Magens eindringen und ſich ſo anlegen, daß ſie wie zur Haut zu gehören ſcheinen. Daher man wirklich, durch dieſen Schein getäuſcht, behaupten wollte, der Unterſchied zwiſchen dem rothbraunen und grauen Kukuk beſtehe darin, daß erſterer einen mit Pelz verſehenen Magen habe, letzterer nicht. Alle andern Vögel würden durch dieſe Haare wahrſchein— lich getödtet werden, dem Kukuk ſchaden fie nichts. Da nun die Raupen in den erſten Sommermonaten häufig ſind, und der Kukuk ein ſehr gutes Geſicht hat und ſie von weitem entdeckt, ſo fehlt es ihm nie an Speiſe. Ueberdieß frißt er Maikäfer, Laufkäfer, Schmetterlinge und andere Inſekten. Er hat aber einen ſehr großen Magen und frißt ungemein viel, da er ſchnell verdaut. Die harten Köpfe, Augen, Haare, Flügel und Beine der Käfer verdaut er nicht, und giebt ſie, wie die Raubvögel, in einem Ballen zuſammengedrückt, durch den Schnabel wieder von ſich. Gegen den Herbſt hin, wenn er zu rufen aufgehört hat, ſieht man ihn oft auf Wieſen nach Heuſchrecken jagen, oder in Feldgärten die Kohlraupen abfreſſen. Dieſe Arbeit hält ihn, wo es viele ſolcher Thiere giebt, oft Tage lang zurück, wobey er ſehr fett wird. 8 Das merkwürdigſte am Kukuk iſt feine Fortpflanzung. Alle andere Vögel, welche man bis jetzt kennen gelernt hat, brüten ihre Eyer ſelbſt aus. Nur zwey Gattungen machen eine Ausnahme, die eine davon gehört zu den Hühnern, und lebt auf den großen Inſeln Borneo, Sumatra, und vielleicht auch in Neuholland. Sie legen ihre ſehr zahlreichen Eyer einzeln in den Sand, wo ſie von der Sonne ausgebrütet werden. Die andere Gattung iſt der Kukuk, welcher ſeine Eyer einzeln in die Neſter kleiner inſekten— freſſender Vögel legt und ſie von ihnen ausbrüten läst. Der Naturforſcher Linneus hat zu der Gattung des Kukuks ſehr viele Vögel gezählt, welche in ihrem Aeußern einige Aehnlichkeit mit einander haben. Allein nur wenige niſten nicht ſelbſt, daher hat man in neuern Zeiten nur diejenigen Arten Kukuke benennt, welche ihre Eyer in die Reſter anderer Vögel legen, und da begreift fie, fo viel bekannt, nur unſern europäiſchen Kukuk und einige afrikaniſche Arten. Unſer Kukuk wählt zu Pflegältern für feine Nach- kommenſchaft nur kleine Vögel aus den Battungen Sänger, Zaunkönig, Bachſtelzen — 7 — und Pieper, zuweilen auch der Lerchen; alles Vögel, deren Hauptnahrung aus Inſckteu beſteht. Nie fand man die Eyer in den Reſtern der Amſeln oder Droſſeln, obſchon auch dieſe beſonders von Inſekten leben, und von denen man denken ſollte, fie könnten viel leichter den jungen Kukuk ernähren, als der kleine Zaunkönig, dem der junge aus dem Ey kommende Kukuk faſt an Größe gleich kommt und ſehr bald weit übertrifft. Es iſt ſchon bemerkt worden, daß Männchen und Weibchen immer beiſammen find, Während der Fortpflanzungszeit ſind beide ſehr unruhig, und ziehen immer in ihren Revieren umher, wobey das Männchen ſehr eiferſüchtig iſt. Dieſe Zeit dauert ſechs bis ſieben Wochen, in welcher Zeit das Weibchen, nach ſichern Beobachtungen, nur vier bis ſechs Eyer in eben fo viel verſchiedene Nefter legt. Wir kennen keinen europäiſchen Vogel, welcher in fo langer Zeit und in fo langen Zwiſchenräumen nur fo wenig Ener legt. Die andern Vögel, welche eben ſo viel Eyer legen wie der Kukuk, legen dieſe Zahl entweder ſo, daß ſie täglich oder ein Tag um den andern jedesmal ein Ey legen, bis die Zahl voll iſt. In dieſem ſo ungemein langſamen Reifen der Eyer liegt höchſt wahrſcheinlich der Grund, warum der Kukuk nicht ſelbſt brüten kann, wenigſtens iſt dieſes der wahrſcheinlichſte; da die Eyer, wenn fie auskommen ſollen, unaufhörlich erwärmt werden müſſen, und zum Fortkommen der jungen Vögel iſt es nöthig , daß alle mit einander aus den Eyern kommen, damit ihre Ernährung den Aeltern leichter werde. Beym Kukuk müßte das erſte Ey ſchon lange faul ſeyn, wenn das letzte gelegt würde, wenn er die ganze Zahl ſeiner Eyer zuſammen legen ſollte, und zum Ausbrüten eines jeden einzelnen hätte er keine Zeit, da das Brüten und Ernähren eines jungen Kukuks wohl 6 Wochen dauert. Das Kukuksweibchen erſpähet nun die Neſter aller in ſeinem Reviere brütenden inſektenfreſſenden Vögel, um, wenn ein Ey in ſeinem Leibe reif geworden iſt, dasſelbe ſogleich in ein Neft legen zu können, in welchem noch ungebrütete Eyer fich befinden. Das Ausſpähen der Neſter iſt auch eine merkwürdige Kunſt des Weibchens, da man weißt, wie gut die Zaunkönige, Rothkehlchen und andere kleine Vögel, ihre Neſter zu verbergen wiſſen. Man hat nie bemerkt, daß das Kukuksweibchen ſo eigentlich die Gebüſche durchkrieche, fein außerordentliches Geſicht muß ihm daher manches Neft ſchon im Vorbeifliegen entdecken. Nur an offenen Orten, bei Mühlen oder Häuſern, wo etwa Bachſtelzen in der Nähe niften, bemerkt man den Kukuk zuweilen vorbeifliegend, und dann findet man etwa ein Ey von ihm in einem ſolchen Neſte. Die kleinen Vögel, denen der Kukuk verhaßt iſt, laſſen ihm auch fo wenig Ruhe, daß es ſehr wahrſcheinlich ift, er benutze nur ihre Abweſenheit um fein Ey einzulegen. Daß ſich die kleinen Vögel freuen und den Kukuk zwitſchernd empfangen ſollen, wenn er ihnen die Ehre anthun will feine edle RNachkommenſchaft anzuvertrauen, gehört unter die vielen unrichtigen Sagen, welche von dieſem Vogel erzählt werden. Im Gegentheil, das Weibchen kommt beim Nefte wie ein Dieb an und ſchleicht ſich als ſolcher wieder weg, um den Neckereien Se zu entgehen, welche ihm zwar nicht gefährlich aber doch unangenehm ſind. Erſt wenn es ein reifes Ey bei ſich hat, nähert es ſich dem Neſte, und iſt nicht immer im Fall ſein Ey ſo anzubringen, daß es auch ausgebrütet wird. So fand man ein friſches Ku— kuksey in einem Bachſtelzenneſte mit zwey ganz faulen Eyern, und andere Male ein friſches Ey neben ſchon ganz gebrüteten, wo dann das Kukuksey hätte zu Grunde gehen müſſen. Auch fand man ein Ey in einem friſchen kaum ausgebauten Nefte eines Heu— ſchreckenſängers. Gemeiniglich aber findet es ſich neben eben gelegten friſchen Eyern des Vogels der das Neſt gebaut hat, zuweilen nebſt der vollen Zahl der eigenen Eyer. Alles aber beweist, daß das Kukuksweibchen oft nicht ſorgfältig genug wählen kann, wenn es ein reifes Ey bey ſich trägt. Man ſoll, in ſehr ſeltenen Fällen, auch wohl zwey Kukuks— eyer in einem Neft gefunden haben, wahrſcheinlich wenn zufällig zwey Kukuksweibchen dasſelbe Neft gewählt haben. Naumann fand in einem Neft einen jungen Kukuk, und unter dem Neſte, neben den herausgeworfenen Eyern des Brutvogels, ein Kukuksey auf der Erde. Nie aber hat man zwey Kukuke in einem Neſte gefunden, es wäre auch den kleinen Pflegältern unmöglich zwey ſo gewaltige Freſſer zu erhalten. Da man meiſt noch mehrere Eyer des eigenen Vogels im Reſte findet, ſo ſcheint es nicht, als ob der Kukuk die Eyer der Vögel immer herauswerfe; doch geſchieht dieß wohl öfter, und man findet ſolche Eyer auf der Erde zerbrochen liegend, und wenn man mehrere Ever des Neſt— vogels neben dem Kukuksey findet, ſo ſcheinen fie erſt hinzugelegt, nachdem das Ku— kuksey ſchon im Neſte war, und dann werden alle ausgebrütet. Zuweilen aber wirft auch der Brutvogel das Kukuksey aus dem. Nefte. Gewöhnlich ſcheint das Kukuksweibchen ſich auf das Neft zu ſetzen und ſein Ey hineinzulegen. Allein zuweilen findet man Eyer in Neſtern, wo es unmöglich iſt, daß das Kukuksweibchen ſich darauf ſetzen konnte. Zwar kriecht es oft mit vieler Anſtrengung in ſo enge Löcher, daß es Mühe hat, ſich wieder herauszuarbeiten. Allein da, wo der Eingang gar zu enge iſt, legt es wahrſcheinlich ſein Ey auf die Erde und trägt es im Schnabel in das Reſt. Man hat wirklich einmal ein Weibchen geſchoſſen, welches ein Ey im Rachen hatte. Es find Beyſpiele bekannt, wo der junge Kukuk ſo ſchnell anwuchs, daß er nicht aus dem Reſte herauskommen konnte, da die Oeffnung zu klein war. Das Kukuksey iſt übrigens für die Größe des Vogels ſo klein, daß man wohl kein kleineres Ey im Verhältniß zur Größe des Vogels kennt. Es iſt kaum etwas größer als das Ey der weißen Bachſtelze oder eines Sperlings, da doch der Kukuk dieſe Vögel wohl vierfach an Größe übertrifft. Dieß iſt eine weiſe Einrichtung der Ratur, und ſehr nothwendig, weil die kleinen Vögel ein größeres Ey weder ausbrüten würden noch könnten, da ſie es nicht gehörig zu erwärmen im Stande wären. Eben ſo merkwürdig iſt es, daß dieſe Eyer in der Farbe ſehr abweichen. Die Schale iſt immer dünn und zart; glatt, ohne merklichen Glanz. Die Grundfarbe iſt bald blau grünlich weiß, bald ſchmutzig oder grauweiß, oder gelblich weiß. Sie find gefleckt, gepunktet, gefteichelt, mit brauner und grauer Farbe, bald mehr oder weniger in's Olivenbraune ziehend, bald nur hellbraun, bald aſchgrau, bald dünne, bald dicht mit Flecken beſäet, bald faſt gan; ungefleckt. Bei den meiſten bemerkt man noch zarte, ſchwarze Strichelchen und Punkte. Sie ſollen ſogar nach den Jahrgängen variren, in manchen gelbliche, in manchen nur grünliche Grundfarbe haben. Dieß mag von den Nahrungsmitteln herkommen, ob z. B. dieſe oder jene Raupenart häufiger oder ſeltener fey, indem ſehr wahrſcheinlich die Farbe der Ener oft von der Art der Nahrungsmittel abhängt. Der junge Kukuk kommt ſehr klein aus dem Ey, wächst aber ſchnell. Die Jungen der Pflegältern, wenn ſolche mit ihm ausgebrütet worden ſind, werden ſelten mit ihm groß gefüttert, weil ihnen theils der große gefräßige Stiefbruder alles vor dem Maule wegnimmt, oder ſie frühzeitig aus dem Neſte geworfen werden. Wer ſie aus dem Neſte werfe iſt nicht mit Beſtimmtheit zu ſagen, die Aeltern thun es nicht und der junge Kukuk auch nicht, da er in den erſten Tagen, wo dieß Herauswerfen meiſt geſchieht, noch, zu klein dazu iſt. Es iſt daher nicht ganz unwahrſcheinlich, daß es der alte Kukuk ſelbſt thue. Daß er aber die jungen Vögel auffreſſe, iſt eine Fabel, und man findet die herausgeworfenen Jungen gar oft todt unter dem Neſte. Wunderbar iſt es, wie die kleinen Stiefältern ſich alle Mühe geben den furchtbaren Freſſer zu erhalten. Man kann ſich denken, wie ſchwer dieß ihnen werden muß, da ſie bloß kleine Raupen, Käferchen und andere Inſekten ihm bringen können. Es ſieht ſehr poſſirlich aus, wenn der kleine Zaunkönig ſich dem weit aufgeſperrten Rachen des Kukuks nähert, der bereits viermal größer iſt als der Zaunkönig, und das ganze Vögelchen verſchlucken könnte. Dennoch erfüllen die Pflegältern die aufgenommene Verpflichtung faſt mit Aufopferung ihres Lebens. Man ſah ein Bachſtelzenweibchen ſpät im Herbſt noch als die andern Bachſtelzen ſchon weggereist waren, am Waſſer emſig Inſekten ſuchen und einem Kukuk zutragen, welcher in der Höhlung einer Eiche eingeſperrt war, da der Ausgang zu enge für den faft erwachſenen Vogel geworden war. Man mußte mit einem Beil den Gefangenen befreien. Die Bachſtelze war alſo bloß des Kukuks wegen zurückgeblieben. Es iſt ſonderbar, daß die Vögel es nicht merken, daß ſie nur ein Stiefkind ernähren. Zuweilen ſoll es jedoch geſchehen und der Kukuk muß verhun— gern; überhaupt bemerkt man zuweilen, daß die Pflegältern dem jungen Kukuk nicht ſo zugethan ſind, wie ihren eigenen Jungen, aber es liegt einmal in ihrem Naturtrieb, daß ſie das Pflegekind, wenn ſie es zu füttern angefangen haben, nicht mehr verlaſſen. Die Fütterung dauert noch überdieß lange, wohl gegen fünf Wochen. Seine Pflege— ältern folgen ihm noch Tage lang durch das Gebüſch, und er leitet ſie, wohin es ihm beliebt; da ſonſt die andern kleinen Vögel ihren Aeltern folgen. Im Nefte felbit bleibt er über 11 Tage, und iſt Anfangs ſehr unbehülflich. Will er das Reſt bald verlaſſen, ſo ſchreit er mit einer zwitſchernden Stimme Ziß, Zißſiß. - D 10 — Wenn er ſich mehr im Freien ſehen läßt, ſo verſammeln ſich nicht ſelten mehrere kleine Vögel um ihn, welche ihn ſchreiend betrachten. Daraus mag die Sage entſtan⸗ den ſeyn, daß alle kleinen inſektenfreſſenden Vögel ſich beeilen, ihm Nahrung zuzubrin⸗ gen. Allein mehrere und genaue Beobachtungen haben dieß wiederlegt. Man ſah etwa einen kleinen Vogel der gerade Inſekten im Schnabel hatte, in feiner Nähe, und ſchloß gleich daraus, daß dieſer Vogel den Kukuk füttere. Der Verfaſſer dieſes Reujahrſtücks hat mehrere junge Kukuke ſelbſt erzogen, und ſie im Freien beobachtet, wo viele kleine Vögel waren. Der Kukuk ſchrie, aber kein Vogel näherte ſich ihm, um ihm Nahrung zu bringen, außer feine Pflegeältern. Daß unter dieſen Umſtänden, wo ſo viele Gefahren die Eyer und Jungen bedrohen, die Kukuke ſich nicht ſehr vermehren, iſt zu begreifen. Manches Ey verunglückt, und mancher junge Kukuk wird den Raubthieren zur Beute, da er ſich durch ſein Geſchrei verräth. Daß die kleinen Vögel es nicht ſogleich bemerken, wenn ihnen ein Kukuksey in's Neſt gelegt wird, iſt aus dem Betragen der Vögel beym Brüten überhaupt ſehr begreiflich, da ein Vogel ein fremdes Ey ſo leicht ausbrütet als ſein eigenes, wie wir an unſern welſchen Hühnern oder Haushühnern ſehen, welche die Eyer von Enten, Faſa— nen, Pfauen, Perlhühnern ebenſo ausbrüten, wie ihre eigenen. Ja man hat oft den Verſuch gemacht, und die Eyer von Haushühnern durch Krähen und Elſtern ausbrüten laſſen. Die Vögel brüten ſogar auf ſteinernen Eyern ſo eifrig, wie auf natürlichen. Der Vogel bemerkt aber beym Kukuksey den Betrug um ſo weniger, als das Ey nicht groß und nicht ſehr verſchieden gefärbt iſt. Der alte Kukuk iſt feiner Schlauheit und Scheuheit wegen ſchwer zu ſchießen, nur ſeine Eiferſucht lockt das Männchen zuweilen in die Falle, und das Weibchen iſt, wenn es Eyer legen will, weniger ſcheu. Die Schnelligkeit und Gewandtheit des Fluges ſchützt ihn vor den Raubvögeln. Von den kleinen Vögeln, wenn ſie ihn auch ſchon necken, kann ihm keiner ſchaden. Aber der junge Kukuk wird von Füchſen, Katzen, Mardern, Wieſeln, Raben und Hehern verfolgt und aufgefreſſen. Der Kukuk iſt ein durchaus nützlicher Vogel für unſere Oeconomie, der auch nicht den geringſten Schaden anrichtet. Die Menge der ſchädlichen Baumraupen, welche er bei ſeiner großen Gefräßigkeit vertilgt, iſt ſehr bedeutend, daher iſt er den Obſtgärten beſonders nützlich, und verſchlingt noch überdieß eine Menge Mai- und andere Käfer. Im Herbſt iſt ſein Fleiſch vortrefflich, dann iſt er ſehr fett und zart, aber es iſt Schade dieſen nützlichen Vogel bloß deßwegen zu tödten, um ihn zu eſſen. Nach dieſer Naturgeſchichte des Kukuks laſſen ſich nun wohl leicht alle die Albern— heiten wiederlegen, die man noch ſo allgemein von ihm glaubt. Beſonders glaubt man auch noch bei uns, er verwandle ſich gegen den Herbſt in einen Sperber; ferner, er freſſe die jungen Vögel und ſelbſt ſeine Mitneſtgenoſſen, auch die Eyer anderer Vögel. Einige hören auf das Rufen des Kukuks, und zählen aus der Zahl ſeines Rufs hinter ER u einander, wie viele Jahre fie noch zu leben haben; fie wünſchen dann natürlich, daß er recht vielmal rufen möge, und ruft er wenig, ſo ſind ſie traurig. Dagegen zählen auch wohl Mädchen, die gerne bald heurathen möchten, feinen Ruf, nnd glauben, er könne die Zahl der Jahre oder Monate angeben, die ſie noch im ledigen Stande zubrin— gen müſſen; je weniger er ruft, deſto bälder wird ihr Wunſch erfüllt. So erklärt jeder feinen Ruf, den er auf ſich bezieht, nach feiner Phantaſie. Allein der Kukuk ruft ſei— nem Weibchen, und bekümmert ſich um die Schickſale der Menſchen eben ſo wenig, als er ſie errathen kann. Darum, liebe junge Freunde, freut euch, wenn der Kukuk ruft, er verkündigt euch auf jeden Fall, und noch ſicherer als das Sechſeläuten, den kommen— den Frühling und das Wiedererwachen der Natur. Er iſt zurückgekehrt aus einem wär— mern Lande, um ſeinen Geburtsort wieder zu ſuchen, wohin ihn ein unerklärlicher Trieb zurückführt, den wir beim Menſchen das Heimweh nennen würden, der aber bei den Zugvögeln das iſt, was wir Inſtinkt oder blinden Trieb nennen, der ſie dringt, das zu thun, was zu ihrer Erhaltung dient. Sein Gedächtniß iſt ihm treu, er findet den Ort wieder, wo er im vorigen Jahre ſich aufgehalten, und zieht ihn allen andern vor. So der Schweizer, der auch in den ſchönſten und angenehmſten Gegenden der Erde, ſein Vaterland, das des Guten und Schönen ſo vieles hat, nicht vergißt und ſich herz— lich freut, wenn er von Ferne wieder die beſchneiten Gipfel feiner Alpen, die lieblichen Seen und glücklichen Thäler erblickt. Gerne vertauſcht er den Aufenthalt der geräuſch— vollen Städte, wo er nur zu viel glänzendes Elend antraf, mit der beſcheidenen Hütte, in welcher er geboren ward, und wenn auch keine ſo glänzenden Palläſte in ſeiner Nähe ſind, wie dort, ſo findet er auch nicht jene elenden Hütten, welche Armuth und Elend verrathen. Kurz ſein Vaterland, in welchem er Eltern und Freunde findet, iſt ihm das liebſte, wenn es auch ſchon feine Unvollkommenheiten hat. 612 Wr 15 e 2 ri bel ue art de 1 5 1 en I nn u a 5 > i 0 3 * 3 Ha Dr Me W e | 2 ER N TEE 7 N | / t j 2 1 => Be ie 3 8 14 5 . Fr} URL His dien — u Pe 71 * e ru 4 N ? . eh Da 25 eu Mud ir N 1 5 18 FE. An u 05 1. 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Der Anblick des wohlgerathenen und treuen Bildes wird ſogleich den Storch ins Gedächtniß rufen, der zwar in unſern unmittelbaren Umgebungen nur felten ge— ſehen wird, aber noch auf manchem Kirchendache unſers Cantons ſowohl als der an— gränzenden Cantone niſtet und jährlich bei uns durchzieht. Es iſt ein zutraulicher, mit den Menſchen in Freundſchaft lebender Vogel, der ſeinerſeits auch von den Men— ſchen, zwar mehr aus Vorurtheil und Aberglauben, als aus genauer Kenntniß ſeiner Sitten und Lebensart gefchont wird. Bei der Bekanntſchaft mit der Geſtalt des Thieres, und nach der treuen Darſtel— lung des Kupfers, wollen wir uns mit der Beſchreibung des Vogels ſelbſt ſehr kurz faffen. Wir haben die beiden Arten, welche in unſerm Erdtheile vorkommen, den weißen und den ſchwarzen Storch abbilden laſſen. Der letztere iſt aber ungleich ſel— tener, und namentlich bei uns ein ſehr ſeltener Vogel, der nie in Dörfern oder Städten niſtet, ſondern im Walde, und bei uns nur auf dem Zuge vorkommt, übri⸗ gens aber in ſeinen Sitten dem weißen Storch ganz ähnlich iſt. Bemerkenswerth und auffallend ſind die langen, dünnen rothen Beine und der ſtarke, ziemlich lange und ſpitzige Schnabel. Die langen Beine deuten auf die Lebens⸗ ER art des Vogels, der beſonders die naſſen Wieſen, die Sümpfe und das hohe Gras der Wäſſerwieſen liebt, und in Bächen und Teichen leicht herum waden kann. Die Familie, zu welcher der Storch gehört, iſt diejenige der Sumpfvögel, welche von ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsort, den Sümpfen, den Namen erhalten haben, und fein ſpitziger und ſtarker Schnabel deutet dahin, daß er ſich von thieriſcher Nahrung erhalte. Der Naturforſcher Linneus hat den Storch mit den Kranichen und Reihern in eine Gattung gebracht, allein er muß von dieſen getrennt werden, und bildet eine eigene Gattung, welche ſich durch folgende Kennzeichen auszeichnet. Schnabel lang, ſtark, ſeitlich zuſammengedrückt, ſpitzig; der Unterſchnabel biegt ſich etwas aufwärts; die Naſenlöcher ſind länglich; die Gegend um die Augen, und bei einigen das Geſicht und ein Theil des Halſes nackt; die Beine lang, die vordern Zehen durch eine Haut an der Wurzel verbunden; die Flügel mittelmäßig lang. Von dieſer Gattung ſind acht Arten bekannt, von denen nur der weiße und ſchwarze bei uns vorkommen; noch eine dritte Art iſt amerikaniſch, ſoll ſich aber zuweilen auch nach Europa verirren. Der weiße Storch iſt am ganzen Körper weiß, Flügel und Schwanz ſchwarz; der Schnabel, die Gegend vom Schnabel bis zu den Augen und die Beine ſind bei alten Storchen ſchön roth, bei ganz jungen grauſchwärzlich. Der ſchwarze Storch iſt am ganzen Körper, Flügel und Schwanz ſchwarzbraun, bei recht Alten ins Violete ſchillernd, der Bauch iſt weiß, der Schnabel, die Augen— gegend und die Beine ſind bei Alten lebhaft roth. Das Schwarzbraune iſt bei Jungen chocoladebraun. n Der weiße Storch iſt über ganz Europa verbreitet, doch geht er nicht weiter nach Norden als Schweden, und ſoll in England nicht angetroffen werden. In fumpfigen oder mit vielen naſſen Wieſen verſehenen Gegenden ſind ſie am öfterſten anzutreffen, ſo ſind ſie z. B. in Holland in großer Menge, aber auch in vielen Gegenden der Schweiz. Am häufigſten in einigen Dörfern des Cantons Argau, wie z. B. in Grä— nichen, Entfelden, Suhr, Köllikon. In unſerm Canton haben ſie ſich ſehr vermindert, und weder in der Nähe der Stadt noch am See und an der Limmat findet ſich ein Storchenneſt; ehemals ſoll ein ſolches auf dem Haus zum Streit geſtanden haben. Das nächſte ſteht auf der Kirche zu Baſſerſtorf, und noch ſollen in den Dörfern Diet— likon, Pfeffikon, Dielſtorf, Kloten, Bänken und im Städtchen Bülach Storchenneſter ſich finden. Ehemals waren ſie auch bei uns, wie in andern Orten der Schweiz viel häufiger, haben ſich aber aus unbekannten Urſachen ſehr vermindert. Es iſt ſehr merkwürdig, daß, wo einmal ein Storchenneſt in einer Gegend iſt, dasſelbe alljährlich von dem gleichen Paar wieder beſucht und bewohnt wird, ohne daß die Jungen mit den Alten wieder kommen und ſich ſelbſt ein neues Neſt bauen. Die Störche gehören unter die Zugvögel welche unfere Gegenden jedes Jahr mit Ende Auguſt oder Anfangs September verlaſſen, aber ſchon im Hornung wieder zurück kommen. Schon mit Ende Juli verſammeln ſich oft die Störche einer Gegend auf Dächern oder in Sümpfen und Wieſen, ohne uns jedoch ſogleich zu verlaſſen, und: u man will Beifpiele haben, daß fie zuweilen erſt mit Ende des Herbſtmonats fortſtogen. Der Schreiber dieſes zählte einſt, bei einer Durchreiſe durch das Dorf Köllikon, in den letzten Tagen des Juli über vierzig alte und junge Störche. Es war ein ſehr unter— haltendes Schauſpiel, faft auf jedem Hauſe zwei bis vier Störche auf der Dachfirſte zu ſehen, welche meiſt friedlich neben einander ſaßen oder klapperten. Viel häufiger aber verſammeln fie ſich auf einer großen Wieſe, und es ſieht ganz fonderbar aus, wenn man dieſe weiß und ſchwarzen Thiere ganz grovitätiſch hin und her ſchreiten ſieht, als ob ſie philoſophirten, bald fängt einer an zu klappern, als ob er der Ver— ſammlung dadurch etwas anzeigen wollte, und die andern antworten ebenfalls durch klappern. Es iſt überhaupt in dem Benehmen der Störche etwas ernſtes und gravitä— tiſches. Wenn ſie wegziehen wollen, ſteigen ſie hoch in die Luft, ſo daß das menſch— liche Auge ſie kaum mehr ſehen kann, und ſo ziehen ſie meiſt in weſtlicher Richtung. Nach allen Nachrichten ziehen ſie nach Egypten, und bleiben den Winter dort an den Ufern des Nils. Ihre Wiederkunft im Frühjahr geſchieht nach dem Kalender auf Petri Stulfeier, allein dieſe Zeit iſt nicht ſo beſtimmt, und meiſt kommen ſie ſpäter. Die Ankunft der Störche, als Zeichen des wiederkehrenden Frühlings; wurde ehemals in vielen Gegenden als ein Feſt gefeiert, wie dieß unſer ſelige Herr Martin Uſteri ſo wunderlieblich im Almanach der Alpenroſen in einem luſtigen Liede beſchrieben hat. Unſere Alten hielten gar viel auf ſolchen Dingen, und noch im verfloſſenen Jahrhun— dert wurde in mehrern Städten Deutſchlands die Ankunft des erſten Storchs den Be— wohnern feierlich durch die Stadttrompeter, die damals in fröhlichen und traurigen Ereigniſſen eine wichtige Rolle ſpielten, angekündigt, wogegen ſie einen Trunk zu beziehen hatten. Beim Ertönen dieſes Zeichens, ungefähr wie beim Sechſeläuten, lies alles die Arbeit liegen und lief den Storch zu ſehen. Von dem Trompetenlärm erſchreckt, Ein jeder den Kopf aus dem Fenſter ſteckt, Und fragt, was ſoll das Tratata? Da heißt es dann, der Storch iſt da. Kaum hören den Lärm die Schulerbuben Stürzen ſie aus der Marterſtuben, Laſſen den Lehrer rufen und ſchrein, Sind ſchon auf der Gaß und er ſteht allein. Der Greis verläßt den Ofenſitz, Und freut fi) der kommenden Sommerhitz. Dort bringt ein Mägdlein hocherfreut, Zum Lüften hervor ihr Sommerkleid. Großmütterlein wankt auch herfür, Ihr Enkelein führt ſie vor die Thür. Es weckt der lärmende Muſikus, a ZU Der Rückerinnerung Vollgenuß, In ihrer Seele mit Innigkeit Erzählt ſie, wie ſie ſich als Kind gefreut. Und überall, wohin man fieht, - . Die Freude in jeglichem Auge glüht. Kurz die Ankunft des Storchs, als Bote des nahenden Frühlings, veranlaßte Feſte, wie unſer Bechtoldstag oder Sechſeläuten, wo man auch nur auf freudige Ge— ſichter ſtößt. Man hat die Verſammlung der Störche im Herbſt wohl auch das Siorchengericht geheißen, weil man erzählt, ſie hielten über einen aus ihnen Gericht, und brächten ihn dann um. An dieſem Gerichthalten iſt nichts, aber es liegt doch eine Thatſache zum Grunde, welche zu dieſer Sage Anlaß gegeben hat;, man hat nämlich geſehen, daß zuweilen abziehende Störche einzelne Kameraden durch eine Menge von Schnabelbiſſen tödteten, und ſo hat man ſogleich daraus gefolgert, dieſer Mord geſchehe in Folge einer Art von Gericht, weil die Urſache eines ſolchen Mordes bei ſonſt friedlichen Vögeln nicht leicht zu erklären iſt. Wir werden aber ſpäter ſehen, daß dieſe Friedfertigkeit große Ausnahmen leidet. Die Zahmheit des Vogels, der mitten unter uns wohnt, und in Städten und Dörfern ſein Neſt bereitet, hat ihm überall das Wohlwollen der Menſchen erworben, und er wird allenthalben, wo er ſich einfindet, nicht nur geduldet, ſondern ſehr gerne geſehen und gleichſam heilig gehalten. Selbſt der Aberglauben hat dazu beigetragen, den Storch zu ſchonen, denn man glaubt, das Haus, auf welchem ein Storchenneſt ſey könne nicht vom Blitz getroffen werden, und die Störche bringen den Bewohnern Glück. Selbſt die Türken betrachten den Storch als einen Freund der Muſelmänner und als Lieblingsthier des Propheten; jeder auf deſſen Dach ſich dieſer ein Neft baut, geräth in Entzücken, und wehe dem unglücklichen Fremden, der, ſey es auch aus Un— wiſſenheit, denſelben tödten würde; er müßte es mit ſeinem Blute bezahlen. Auch bei uns würde ſich derjenige, der einem Storch etwas zu Leide thut, großen Unannehm— lichkeiten ausſetzen. Schon im hohen Alterthum wurde der Storch gleichſam für heilig gehalten, und er als Beiſpiel kindlicher Liebe gegen die Eltern aufgeſtellt, weil man fagte, die jungen Störche ernähren ihrerſeits die alten, wenn dieſe nicht mehr ſich ſelbſt Nahrung ver— ſchaffen können. Allein dieß iſt durchaus unrichtig, denn die jungen Störche kommen nicht mit den alten zurück, und haben überhaupt keine Gemeinſchaft mehr mit ihren Eltern, wie dieß bei allen Vögeln der Fall iſt. Die intellektuellen Fähigkeiten dieſes Vogels ſind ſehr groß, und man bemerkt überhaupt bei dieſer und verwandten Gattungen, wie z. B. bei den Kranichen, ſehr merkwürdige Eigenſchaften, welche unſere Aufmerkſamkeit und Bewunderung in hohem Grade verdienen. Es iſt höchſt unterhaltend, die Sitten einer Storchenfamilie in der Nähe beobachten zu können, und noch beſſer kann man es bei gezähmten thun. Es — — 5 — iſt eine irrige Meinung, wenn man glaubt an zahmen Thieren könne man ihre Natur— triebe nicht gehörig beobachten. Sie entwickeln im Gegentheil noch weit mehr ihre ähigkeiten und zeigen ſie in einem andern Lichte. Gerade weil ſie ihrem urſprünglichen tandpunkte entrückt find, ſind ſie gezwungen, ſich in die neuen Verhältniſſe zu fügen, ihre Handlungen und Begriffe werden verwickelter, und die Leichtigkeit, mit welcher ſie ihre Handlungen nach den Umſtänden ändern, bezeichnet ihre größern oder geringern Fähigkeiten. Sobald ein Thier einer Vervollkommnung fähig iſt, ſteht es auch höher auf der Stufe der belebten Weſen und nähert ſich um ſo mehr dem Menſchen, der dieſe Eigenſchaft im höchſten Grade beſitzt. Der Storch hat ein vortreffliches Gedächiniß, er lernt bald die Handlungen und ſogar die Worte der Menſchen verſtehen. Wie der Hund kennt er die Bewohner des Hauſes, und zeigt dem einen Abneigung, dem andern Anhänglichkeit. Der Verfaſſer dieſes beſaß viele Jahre durch zahme Störche. Es bedurfte wenig Mühe ſie zahm zu machen, wenn ſie nur jung gefangen wurden, wenige Tage reichten hin, fie an einen Stall, an ein Haus und an die darin wohnenden Perſonen zu gewöhnen. Sobald der Fütterer in den Garten trat oder ſich zeigte, fo kam der Storch alsbald mit ſchnellen Schritten herbei, legte ſeinen Kopf zurück, fieng an zu klappern, breitete die Flügel aus, und ſchlug mit dem Schwanz ein Rad, alles Zeichen der Freude und Freundlichkeit. Durch Klappern zeigt der Storch alle ſeine Bedürfniſſe und Leidenſchaften an, er bezeigt damit ſeine Freude, wenn andere Störche zu ihm kommen, bedeutet ſeinen Jungen was ſie thun haben, oder zeigt damit die Annäherung der Gefahr. Das Klappern entſteht durch ein ſtarkes und ſchnelles Zuſam— menſchlagen der Schnabelladen auf einander, und kann weit gehört werden. Es iſt eine beredte Sprache, welche vielfach angewendet wird. Den ihm gegebenen Namen kannte er fo gut wie ein Hund, rief man ihm, ſo eilte er ſchnell von Ferne herbei, ſogar / wenn er fliegen konnte, lies er ſich hoch aus der Luft hernieder. Zur Zeit der Maikäfer, welche er ſehr gerne fraß, begleitete er ſeinen Herren wie ein Hund, von einem Baume zum andern, um die herabgeſchüttelten Käfer zu erhaſchen, und forderte durch ſeine Gebärden ihn gleiſam auf, die Bäume zu ſchütteln. Regen— würmer, Mäuſe und Fiſche fraß er ſehr gerne. Nahm jemand eine Schaufel zur Hand, ſo eilte er ſogleich herbei, und ſtellte ſich neben den Grabenden, um ſogleich jeden Regenwurm oder ein ſich zeigendes Inſekt zu erhaſchen. Man hatte zuweilen kleine Fiſche gefangen um ſie ihm zu geben, ſo wie er nun ſah, daß man eine Angel— ruthe zur Hand nahm, kam er in größter Eile herbei, und folgte dem Fiſchenden allenthalben nach. Im Felde folgte er dem Pfluge und haſchte Mäuſe und Engerlinge weg. Ehe er recht fliegen konnte, hatte er ſein Nachtlager auf einem Holzſtoß in einem Holzbehälter, ſobald die Dämmerung einbrach eilte er an ſeinen Platz, den er immer beibehielt. Als er nachher fliegen konnte und auf dem Lande war, hatte er ſich das Scheunendach zu ſeiner Wohnung gewählt, und nun kam er jeden Abend bei guter Zeit vom Felde nach Hauſe, ſtieg erſt hoch in die Luft und machte dann, indem er immer tiefer heran kam, einige ſehr ſchöne Schwänkungen um die Scheune, ſetzte ſich u auf die Firſte, klapperte einige male und fchlief dann, auf einem Beine ſtehend, ein. Die ſtärkſten Stürme warfen ihn nicht herunter, nur wandte er immer die Bruſt gegen den Wind, damit der Wind die Federn nicht ergreife. Er zog Stundenweit umher und kam immer regelmäßig wieder. Zuweilen kamen fremde Störche zu ihm, und ſuch— ten ihn mitzunehmen, aber er wies ſie ſpröde ab und gieng nicht mit. Den erſten Winter, der zufällig ſehr kalt war, flog er nicht fort, da man ſeine Flugkraft etwas durch Beſchneiden eines Flügels geſchwächt hatte, doch ſo, daß er ſein Scheunendach immer beziehen konnte. Hier blieb er, bis der Schnee ſo hoch fiel, daß er nicht mehr mit den Füßen auf das Dach kommen konnte, und man wies ihm nun einen Holz ſchuppen zum ſchlafen an, allein er gieng ungerne hinein, und öfters übernachtete er am Ufer der Limmat, im Waſſer ſtehend. Oft aber begegnete es, daß er des Morgens eingefroren war und die Schiffleute, die ihn kannten, das Eis aufſchlagen mußten, damit er wieder loskommen könne. Den Haushund und die Katzen kannte er ſehr gut und lebte mit ihnen, wie mit den Hühnern im Frieden, kamen aber fremde auf den Hof, ſo verfolgte er ſie mit großer Wuth. Gegen manche fremde Perſonen hatte er einen Groll und fiel ſie wüthend an. Einſt wurde er von muthwilligen Knaben geneckt, und da dies wiederholt wurde, ſo griff er an, und einer der Knaben ſtieß ihm ein Meſſer in den Hals, er fiel um, und ſchien ſterben zu wollen, bald aber flog er auf fein Scheunendach, blieb einige Tage ohne etwas zu freſſen, und heilte vollkommen wieder. Den folgenden Herbſt verſchwand er, und wurde für verloren gehalten. Allein zum Erſtaunen aller kamen im folgenden Frühjahr mehrere Störche mit einander auf das Gut, einer davon ließ ſich fangen, flog auf das Scheunendach und zeigte feine alten Gewohnheiten, lief auch auf den Ruf den Perſonen nach, fo daß nicht zu zmel- feln war, daß er der nämliche ſey, der im Herbſt fortgeflogen. So lange der Auf— enthalt der Störche im Lande dauert, bleiben ſolche zahme Störche auch ruhig, und zeigen keine Luft, weiter zu gehen, allein ſobald die Zeit des Wegziehens heranrückt, fo ſind ſie nicht mehr zu halten, eine große Unruhe treibt ſie, und wenn ſie nicht fliegen können, ſo laufen ſie immer herum, und dies dauert einige Wochen, vielleicht ſo lange ihre Kameraden reiſen, dann werden ſie wieder vollkommen ruhig. Wenn man ihr Betragen in der Freiheit betrachtet, ſo hat es wieder viel Eigenes. Sie wandern zwar unbeſorgt in den Wieſen herum, doch laſſen ſie die Menſchen nicht ganz nahe kommen, ſind nicht ſcheu, aber auch nicht zutraulich. Gar bemerkenswerth iſt die Art, wie ſie ihre Jungen unterrichten. Die Eltern halten eine gute Zucht unter den Jungen; durch klappern ſuchen ſie ihren Willen ihnen verſtändlich zu machen, ſie lernen ſie fliegen, indem fie ihnen den Flug vormachen, die ungehorſamen beſtrafen fie mit Schnabelhie— ben und man möchte ſagen, eine ſolche Familie ſey das Vorbild einer guten Haus— haltung, wo Eltern und Kinder ſich gut verſtehen. Die Ruhe der Familien wird aber zuweilen auf eine ganz ſonderbare Art geftört. Es giebt nämlich zuweilen herumziehende heimathloſe Störche, welche nicht brüten und dagegen auf den Mord ihrer Gattungsverwandten ausgehen. Herr Pfarrer Steinmüller #4 = erzählt davon einige merkwürdige Beiſpiele. Auf dem Kirchendach zu Rheineck brütete ein Storchenpaar, im Jahr 4824 im Juni erſchienen ein Paar fremde Störche, und kreisten über das mit vier faſt ausgewachſenen Jungen beſetzte Neft, und griffen mit Wuth die Jungen an, die Eltern eilten hinzu und es entſpann ſich ein heftiger Kampf; in welchem die Federn allenthalben herum flogen, zweimal wurden die fremden An— greifer verjagt, aber jedesmal erneuerten fie ihren Angriff wieder, und zwar galt die— ſer nur den Jungen, und ſie ruheten nicht eher, bis alle vier Junge getödtet waren, dann zogen ſie ab und kamen nicht wieder. Die Alten hatten Anfangs gar keinen Begriff vom Tode ihrer Jungen. Sie bemühten ſich, dieſelben aufzuwecken, klapperten und ziſchten, wie wenn ſie ſie ätzen wollten, und wiederholten dieſe Verſuche auch noch am zweiten Tage, dann aber ſaßen fie traurig auf dem Kranze des Neftes. Die ſchon faulenden Jungen wurden von einem Maurer aus dem Neſte genommen, und waren ganz zerhackt. Noch einige Tage blieben die Alten da, zogen dann fort und kamen auch das folgende Jahr nicht wieder. Zwar kam einer allein zurück, beſſerte Anfangs das Reſt aus, flog aber dann für immer weg. Zu gleicher Zeit wurden in Gams die jungen Storchen ebenfalls ermordet, und in Schan und Bauren jenſeits des Rheins geſchah dasſelbe, und die Reſter an dieſen Orten blieben verlaſſen. Man wird wohl ſchwerlich in der Thiergeſchichte etwas ähnliches finden, und ſollte dieſes bei den Stor— chen wohl am wenigſten erwarten, da ſie ſonſt keine andern Vögel anfallen. Die Storchenpaare ſind ſich in der Regel ſehr getreu, und verlaſſen einander nicht. Folgende Geſchichte iſt ein ſprechender Beweis davon. Im voralbergiſchen Flecken Dorrenbiren blieb ein alter Storch drei Jahre lang im Winter zurück, und ſuchte an Quellen und Bächen Nahrung; während der grimmigſten Kälte ſuchte er unter den Stalldächern Schutz. Jedes Jahr kam der andere Gatte zurück, und fie brüteten wie gewöhnlich. Das zuerſt zurückbleibende war das Weibchen. Im vierten Herbſt blieb nun auch das Männchen bei ſeinem Weibchen über Winter und dies drei Jahre hinter einander, bis beide von böſen Menſchen getödtet wurden, wo es ſich dann ergab, daß das Weibchen durch eine früher erhaltene Wunde an ſeiner Flugkraft geſchwächt war, und die Reiſe nicht hatte machen können. Man hat aber auch das Gegentheil geſehen, daß nämlich ein fremder Storch ſich mit dem einen der Gatten verband und dann vereint beide den andern umbrachten. Man hat mehrere Male auch geſehen, daß wenn im Herbſte die Störche abzogen, ſie ſich bemühten, zahme Störche von den Höfen mit ſich zu nehmen, und wenn dieſe uicht wollten oder nicht konnten, dann dieſelben angriffen und ermordeten. Der Storch nährt ſich blos aus dem Thierreich und frißt gar nichts aus dem Pflanzenreich. In der Freiheit nährt er ſich von Fröſchen, Eidechſen, Schlangen, Fiſchen, Mäuſen, Maulwürfen, Regenwürmern und Inſekten aller Art. In der Ge— fangenſchaft nehmen ſie mit allen Abgängen aus der Küche verlieb, Eingeweide von Fiſchen, Vögeln, kleine Knochen, Stücke von Fleiſch, ſind ihnen gleich angenehm, auch wenn ſie ſchon etwas angegangen ſind. Auch ſieht man ſie, wenn ſie hungerig E 3 find, nach dem Pferdekoth gehen und dasſelbe verſchlingen. Fiſche wenn fie zu groß find, zerhacken fie durch einige Schnabelhiebe. Lebend genießen fie nichts, alles wird zuerſt mit Schnabelhieben getödtet uud dann erſt verſchlungen. Mäuſe verſchlucken ſie mit den Haaren, Vögel mit den Federn. Größere Fiſche, beſonders breite, geben ihnen ſehr viel zu thun, ſie müſſen erſt ordentlich weich gehackt werden, ehe ſie herunter gehen. Selbſt bei kleinern Fiſchen müſſen ſie dieſelben oft lange wenden, ehe ſie recht mit dem Kopf zuerſt durch den Schlund gehen. Schlangen werden erſt mit dem Schnabel auf den Kopf gehackt und durch Schnabelhiebe auf dem Rückgrath gelähmt, ehe ſie ver— ſchluckt werden. Hängen den Gegenſtänden Unreinigkeiten an, Sand oder Erde, und es iſt Waſſer vorhanden, ſo ſpült der Storch erſt dieſe ab, indem er den Gegenſtand ins Waſſer taucht und gleichſam abſchwänkt. Ein zahmer Storch fraß auch ſehr gerne Käſe, Brod wollte er aber nicht berühren. Sie haben große Geſchicklichkeit, Dinge mit dem Schnabel aufzufangen, wirft man einem zahmen Fiſche zu, ſo ſchnappt er ſie in der Luft auf, eben fo ſchnappen fie auch Inſekten weg. Nicht ſelten ſieht man fie auch mit Spänchen ſpielen, die ſie in die Luft werfen und mit dem Schnabel auffangen. Dies thun ſie gewöhnlich wenn ſtürmiſche Witterung eintreten will. Die Störche pflanzen ſich nur in ihrem Vaterlande fort, und brüten in ihrem Winteraufenthalt ſo wenig als andere Zugvögel. Das Heimweh und der Brütetrieb ſcheinen mit zu den Haupturſachen zu gehören, welche die Zugvögel bewegen aus den warmen Klimaten, wo ſie überwinterten, zurückzukehren. In jenen Klimaten iſt nun der Sommer eingetreten, viele Thiere, welche ihnen in der kühlern Winterzeit zur Nahrung dienten, ziehen ſich vor der Hitze zurück, und das Federkleid dieſer Vögel, auf ein kälteres Klima berechnet, giebt ihnen zu warm, daher beginnen ſie den Rück— zug. Jedes Storchenpaar bezieht ſein altes Reſt wieder, und die erſte Sorge nach der Ankunft iſt Ausbeſſerung deſſelben. Dieſes Reſt ſteht auf Kirchdächern, Kaminen, Thurmdächern oder auch auf Bäumen. Im letzten Fall wählen fie dazu Baumſtrünke von hohen Weiden und andern Bäumen, doch geſchieht dies bei uns ſelten. Das Neſt hat eine Unterlage von Reiſern und Aeſten, auf dieſe flechten ſie Stroh, Grashalmen, Moos und andere weiche Materialien, nicht künſtlich aber doch feſt. Inwendig füttern ſie daſſelbe mit alten Lumpen, Büſcheln Garn und andern weichen Stoffen aus, welche fie in der Nähe der Häuſer finden. Da das Reſt alle Jahre ausgebeſſert wird, ſo erhalten dieſe Neſter mit der Zeit oft eine ungemeine Größe und Breite, ſo daß man ſie an ihren erhabenen Orten von Weitem ſieht. Zuweilen niſten an den Seiten ſol— cher Neſter Sperlinge in Menge. Da man die Neſter gerne auf den Häuſern hat, ſo wird gar oft von den Bewoh— nern der Dörfer ein Wagen- oder Pflugrad auf das Dach angebracht, und dies bewegt die Störche, darauf zu niſten. In dieſes Neft legt das Weibchen vier bis fünf weiße Eier, faſt von der Größe der Gänſeeier, und brütet ſie, abwechſelnd mit dem Männ— chen, in etwa 28 Tagen aus. Die Jungen werden mit außerordentlicher Sorgfalt gepflegt) und mehr als zwei Monate mit großer Mühe gefüttert. Die Beobachtung — 9 — einer ſolchen Familie iſt ſehr merkwürdig. Im Anfange bleibt faſt immer ein Alter im Hefte, der andere fliegt aus und ſucht Fröſche, Blindſchleichen, Mäuſe, welche er verſchluckt. Kommt er nun zurück, ſo klappert der zurückgebliebene dem ankommenden freundlich zu, die Jungen bilden einen Kreis um denſelben, und nun ſpeit er ihnen die Nahrung vor. Sind die Jungen größer, fo verlaſſen beide Alte das Neſt und bringen Rahrung. Die Jungen ſtehen Anfangs lange nicht auf den Füßen, ſondern hocken auf den Knien, indem die Unterſchenkel vorwärts geſtreckt werden. So wie ſie größer werden, wird das Reſt erweitert und am Rande: fo erhöht, daß es oft ſechs bis ſieben Fuß im Durchmeſſer hat, ſo daß die Jungen nicht herabfallen können, was aber dennoch zuweilen geſchieht, dann ſchlafen die Alten entweder auf dem Rande des Neftes oder auf dem nahen Dache, oder Kamin. Endlich fangen die Jungen an, auf— recht auf den Füßen zu ſtehen, und ihre Flügel zu prüfen, erſt machen ſie einige Sprünge, dann erheben ſie ſich flatternd über das Neſt, und laſſen ſich wieder hinab, dann fliegen fie auf die nahe Dachfirſte, nachdem die Alten es ihnen vorgemacht haben, dann beſuchen ſie die benachbarten Dächer, wobei die Alten durch ihr Klappern ſie auf— zumuntern ſcheinen, und zuletzt gehen ſie mit den Eltern auf die Wieſen. Anfangs haben fie graue Beine und Schnäbel, und erſt im zweiten Jahre werden diefe ſchön roth. Schon im erſten Jahre vereinigen ſie ſich mit den Alten, um fortzuziehen. Man ſollte denken, wenn jährlich jedes Paar drei bis fünf Störche ausbrütet, fie. müßten in einer Gegend ſich ſehr vermehren, allein dieß geſchieht nicht indem die Jungen mit den Alten uicht wieder zurück kommen, ſondern faſt immer nur das Paar dem das Neſt gehört. Meiſt kommt das Männchen einige Tage früher an als das Weibchen, und dieſes kommt dann zuweilen gar in Geſellſchaft eines dritten, der aber nicht lange verweilt und dann weiter zieht. Die Storchenneſter in den Dörfern bleiben daher meiſt einzeln, und man will Beobachtungen haben, daß ein ſolches Reſt hundert Jahre bewohnt wurde. In einigen Gegenden findet man freilich ebenfalls ſeit ſehr langer Zeit mehrere Nefter in einer Gegend, in einem Dorfe, ja auf einem Dadıe; welche aber in 20 und 30 Jahren ſich nicht vermehrten, zuweilen aber auf andere Häuſer gebaut wurden, ſo hat das Dorf Suhr bei Arau 10 Neſter, Köllikon 8, letzteres Dorf hatte lange Jahre nur zwei, und man vermehrte fie dadurch, daß man mehrere Räder als Anlagen zum Neſt auf Dächer brachte, dagegen hatten fie ſich in Entfelden von 15 auf 2 vermindert. Werden die Jungen in einem Reſte getödtet, fo kommen die Alten nicht wieder. Wo bleiben aber im gewöhnlichen Falle die Jungen, warum kommen fie nicht mit den Alten zurück? Dieſe Frage bleibt bis jetzt unbeant- wortet. Man hat im Brandenburgiſchen den Verſuch gemacht und alle jungen Störche zwei Jahre hinter einander eingefangen und mit einem Ringe an den Füßen bezeichnet, und hernach in den Zeitungen ausgeſchrieben, daß man Nachricht geben möchte, wohin dieſe bezeichneten Störche wieder gekommen ſeyen, allein es giengen keine Nachrichten darüber ein, wahrſcheinlich weil man ſie nirgends mehr ſah. Wenn alſo die Störche im Herbſt in Geſellſchaft reiſen, ſo kommen ſie im Frühjahr einzeln oder höchſtens Paarweiſe wieder, und vermehren ſich in einer Gegend nicht, es ſtehen wirklich viele Reſter in der Schweiz ſeit vielen Jahren leer oder find ganz verſchwunden. Zuweilen ſah man im Frühjahr auch andere Störche mit den eigenthümlichen Erbauern des Heftes ankommen, wobei dann ein Zank um den Beſitz des Neftes entſtand, welches dem ſtärkern überlaſſen wurde. Ob aber die mit zurückkehrenden die Jungen des Paares waren, kann nicht ausgemittelt werden. Gewöhnlich wird in der Naturgeſchichte eines Thiers auch fein Nutzen oder Scha- den angegeben. Allein, wie wir auch ſchon bemerkt haben, wir beurtheilen dieſen nur einfeitig , in Beziehung auf unſere Oekonomie. Wir nennen ein Thier nützlich, wenn es gutes Fleiſch hat, wenn es als Hausthier uns durch Milch, Eier, Federn, Leder, oder als Zugthier u. ſ. w. nützlich ift, oder wenn es unſerer Oekonomie ſchädliche Thiere tödtet und vermindert: Schädlich, wenn ein Thier unſern Hausthieren nach dem Leben ftellt; unſere Ernten verwüſtet, unſere Bäume zernagt und dergleichen. Allein dieß iſt nur der eigennützige Maasſtab der Menſchen, nachdem er die ihm vermeintlich ſchädlichen zu vermindern, die nützlichen zu vermehren ſucht. In der freien, ſich ſelbſt überlaſſenen Natur iſt alles fo eingerichtet, daß das Gleichgewicht des Ganzen nicht ge— ſtört wird, und alſo immer eines das andere beſchränkt, daher alle Geſchöpfe an ihrer Stelle, keines als überflüſſig erſcheinen muß. Fragen wir aber nach den relativen Be— griffen der Menſchen nach dem Nutzen oder Schaden des Storches, ſo läßt ſich ſagen, ſein Schaden möchte dem Nutzen das Gleichgewicht halten. Man hat ihn dafür ge— rühmt, daß er Fröſche, Eidechſen, Schlangen, Kröten tödte, allein alle dieſe Thiere ſind unſerer Oekonomie nur nützlich und gar nicht ſchädlich. Zwar wird man ſagen, wie, die Schlangen ſollten nicht ſchädlich ſeyn? Rur die giftigen können ſchädlich werden, aber ſolche haben wir in der Schweiz ſehr wenige, und am wenigſten in Gegen— den wo viele Störche find; die Nattern und Blindſchleichen dagegen find ungemein nützliche und durchaus unſchädliche Thiere, wenn ſchon mancher ſich der Heldenthat rühmt, er habe ſchon viele dieſer Beſtien umgebracht. Solche Aeußerungen beweiſen, wie nöthig es wäre, daß alle Volkslehrer ſich auch mit der Naturgeſchichte bekannter machten, wie viel könnten ſie dann auch in Hinſicht auf ſchädliche Vorurtheile durch deren Ausrot⸗ tung durch Belehrung auf ihre Gemeinden wirken, ſtatt durch ſolche Aeußerungen und Handlungen ſie zu verbreiten. Wird es noch lange währen, ehe man auch bei uns einſieht daß Sprach- und geſchichtliche Kenntniſſe allein noch nicht den guten Land— geiſtlichen bilden, und daß Kenntniſſe in der Naturlehre und Naturgeſchichte keine Nebenſachen und dem Volkslehrer höchſt nöthig und anſtändig ſeyen. So mancher Schlendrian iſt in unſern Zeiten in eine beſſere Methode verändert worden, auch hier wird Licht werden. Wenn die Lehrer erſt erleuchtet ſind, dann werden wir keine ſolche albernen Aeußerungen mehr hören. Die Eidechſen, Fröſche und Kröten, deren Tödtung dem Storch zum Verdienſte angerechnet wird, ſind eben ſo nützlich als er ſelbſt. Wie viele unſern Gärten und Wieſen ſchädliche Inſekten, und beſonders auch die ſchädlichen nackten Schnecken werden — 41 von dieſen Thieren vertilgt; welche in unſern Gegenden, wie die Nattern ohnehin nicht im Ueberfluſſe ſind, und noch von andern Thieren Verfolgungen genug leiden. Fiſche frißt der Storch ſehr gerne, und er hat, wenn man von gezähmten ſchließen darf, im Fiſchen faſt ſo viel Geſchicklichkeit als der Reiher, und manche, welche glau— ben, die Fiſche ſeyen allein für unſern Gaumen geſchaffen, hätten ihn gewiß auch für einen ſchädlichen Vogel ausgegeben, wenn ſie ſeine Fiſchluſt gekannt hätten. Allein wir ſind weit entfernt, aus dem angeführten den Storch für ſchädlich zu erklären, eſſen wir doch bei einer Mahlzeit mehrere Dutzend Froſchſchenkel, und kleine Fiſche, oder ſogenannte Heuerlinge bei mehrern Hunderten, ſo wollen wir den guten Storch darum noch keinen Räuber nennen, daß er mit uns theilt und auch ſein beſcheidenes Theilchen mit nimmt. Dagegen ſpazieren in Maikäferjahren viele hundert Maikäfer und andere Male Heuſchrecken, Regenwürmer und Mäuſe in ſeinen Magen, ſo daß er dadurch der allzugroßen Vermehrung dieſer unſerer Oekonomie ſo ſchädlichen Thiere kräftig entgegen arbeitet. Man hat ihn auch beſchuldigt Bienen zu freſſen, allein es laffen ſich dagegen noch erhebliche Gründe aufſtellen, daher mag dies dahingeſtellt ſeyn. Das ſchöne und ſonſt friedliche Thier, welches ſich dem Menſchen ſo traulich und ohne Scheu nähert, und ein halbes Hausthier genannt werden darf, mag ferner auf unſern Schutz Anſpruch haben. Der Menſch lebt ohnehin mit ſo vielen ſeiner Mit— geſchöpfe oft im ungerechten Kriege. Der Anblick eines Storchenneſtes in einem Dorfe, das muntere Treiben der jungen Familie auf dem Dache, das Klappern der Alten, und ihr gravitätifches Umherſpazieren auf unſern Wieſen, hat fo etwas anziehendes, und wie man ſagt heimeliges, daß wir eher eine Vermehrung und weitere Verbreitung dieſer langbeinigen Herren wünſchen dürfen, als eine Verminderung. Der ſchwarze Storch hat ganz dieſelben Sitten und Gewohnheiten, ganz dieſelbe Lebensart, aber er iſt viel ſcheuer, und niſtet nicht in der Nähe der Wohnungen, ſondern nur in ſumpfigen abgelegenen Wäldern auf Bäumen. Zu uns kommt er nur ſelten auf ſeinen Zügen, mehr im Frühjahr als im Herbſt, ſonſt brütet er in vielen Gegenden des nördlichen Deutſchlands. * ö 2 A hr 9 Well ade N Ei W RE 2 . hen It Ar! ven ER. 87 1 . 5 Bi a e ki jr es e er ee b e BE 4 en, eee e e Seeaben We Ee ene een Mr wa 2 a N91 eben Se 19 7 ti f imb 70 zu b { a N ue e ; | FR re bag eh Aa * RR En n ln d eee Be a rag e vn e We 1 Jud * 15 he ann einen urline ae 150 wi 8 Re vet u a r i Wu ec dee . BEE i S bi abe a ap een ee a ens e mes ja eee tent 11 ng n and ne e nan Tun ter Nen Bu ag wur N AT e egi ee W en Ba reg a re enen M nah . 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Diesmal wollen wir verſuchen, etwas von dem verſäumten nachzuholen, und einige Züge aus der allgemeinen Naturgeſchichte der Vögel ausheben, welche die Auf— merkſamkeit jedes denkenden Menſchen in hohem Grade verdienen, nämlich die Ge— ſchichte der Wanderungen. Unſer diesjähriges Blatt ſtellt euch eine Familie von Vögeln vor, welche, wie die Störche, faſt zu den Hausvögeln gehören, und freundliche Mitbewohner unſerer Häuſer find, ohne daß wir jedoch ihnen etwas zu geben brauchen, oder für fie im geringſten ſorgen müſſen. Auch ſie ſind angenehme Boten des Frühlings, und wenn auch das Sprichwort ſehr wahr iſt, eine Schwalbe bringt den Frühling noch nicht, ſo zeigt doch ihre Ankunft das Herannahen beſſerer Tage an, und wenn auch noch kalte Wit— terung eintritt, ſo iſt ſie doch nicht von Dauer, und muß bald der Sonne weichen, welche mit wenigen ſchiefen Strahlen unſere Gegenden belebt. Die Schwalben ſind es, mit welchen wir diesmal euch zu unterhalten gedenken. Mancher wird ſagen, dieſe kennen wir ja ſchon, wer wird nicht die Schwalben kennen, ſie treiben ja ihr Weſen mitten unter uns, und in mancher Dachkammer, an manchem Haufe ſehen wir ihre gemauerten Reſter, wie fie ihre Jungen ausbrüten und für ſie ſorgen. Und doch wir wenige, welche ſo ſprechen, könnten uns ſagen, wohin gehen ‘ Lu die Schwalben im Herbfte, woher kommen fie im Frühjahr, warum verlaffen fie das Land, wo ſie geboren ſind? und warum kommen ſie wieder aus Ländern wo es gar nicht kalt macht, in nnfer rauhes Klima zurück, und bleiben nicht dort, wo fie Nah— rung vollauf haben können, und keine kalten Lüfte ſie dem Hunger und dem Verfrie— ren ausſetzen? ö N Zugvögel oder Wandervögel nennt man alle Vögel, welche im Herbſt und Frühe jahr viele geographiſche Breitengrade durchziehen. Man hat wohl die Vögel in Stand— vögel, in Strichvögel und in Zugvögel eingetheilt, aber dieſe Eintheilung iſt darum durchaus unrichtig, weil derſelbe Vogel in einer Gegend Standvogel, in der andern Strichvogel und in der dritten Zugvogel ſeyn kann. Standvogel nennt man nämlich einen Vogel, der das ganze Jahr da wohnt, wo er geboren iſt; Strichvogel, der im Herbſt und Winter in einer Gegend umherzieht, ohne jedoch das Land ganz zu ver— laſſen. Der Zugvogel dagegen zieht über Länder und Meere in andere Klimate. Wenn nun ein Vogel das ganze Jahr durch Nahrung an einem Ort hat, ſo bleibt er da; hat er Mühe dieſe zu finden, fo muß er weit umherſtreichen, um fie zu ſuchen; mans gelt fie aber ganz , fo muß ee wegziehen. Nun kann ein Vogel über weite Länderſtre— cken verbreitet ſeyn, von welchen ihm die kälteſten im Winter gar keine Nahrung geben, dann iſt er genöthigt, dort wegzuziehen; in den wärmſten Gegenden aber hat er genug Nahrung und Wärme und bleibt das ganze Jahr. Wir wollen annehmen, ein Vogel bewohne ganz Europa, von Norwegen an bis nach Spanien, fo wird er in Norwegen aus Mangel an Nahrung auswandern, und das Land ganz verlaſſen; in Deutſchland wird er nur weiter umherſtreichen müſſen, um ſich genug Nahrung zu verſchaffen, und in Spanien wird er bleiben können. So iſt er nach dem Lande Zug-, Strich— und Standvogel. Das Vaterland eines Vogels iſt immer dasjenige, worin er geboren worden. Je kälter ein Land iſt, deſto weniger wird es die Thiere, welche darin leben, immer ernähren können, deſto mehr werden ſie daher genöthigt ſeyn auszuwandern, wenn nicht die Natur auf eine andere Art für ihre Erhaltung ſorgt. Die Säuge— thiere und die Reptilien können nicht fliegen, und ſind daher genöthigt im Lande zu bleiben. Die im Norden oder auf hohen Bergen lebenden fallen daher, wenn ſie nicht Nahrung genug finden könnten, in eine Art von Erſtarrung, welche fo lange dauert, bis die Sonne wieder warm genug wirkt, um die zur Rahrung nöthigen Produkte hervorzubringen. Beiſpiele geben uns unter den Säugethieren die Murmelthiere, Ham⸗ ſter und Schlafmäuſe; unter den Reptilien die Fröſche, Eidechſen, Schlangen, welche alle im Winter erſtarren, und keine Nahrung zu ſich nehmen. Run aber hat die Natur den Vögeln ein wärmeres Blut gegeben, als ſelbſt die Säugethiere haben, fie können daher nicht in eine Erſtarrung verfallen. Aber die Natur gab ihnen Flügel, durch welche ſie mit der größten Schnelligkeit weite Länderſtrecken überfliegen und über ganze Erdtheile wegreiſen können. Die nördlichen Länder Europa's, Aſien's und Amerika's, ernähren im Sommer, fo kurz er auch ift, eine unglaubliche Menge von Vögeln, welche alle dahin gehen, a um zu brüten. Aber fchon mit Ende Auguſt naht wieder der Winter, mit Ende September fangen die Meere an zu gefrieren, und alle dort ſich aufhaltenden Vögel ſind genöthigt, ihr Geburtsland zu verlaſſen, welches, unter Eis und Schnee begra— ben, ihnen keine Nahrung mehr geben kann. So fängt dort der Zug an, und die Vögel ziehen ſüdweſtlich wärmern Gegenden zu; diejenigen aus dem nördlichen Europa ziehen über Deutſchland bis nach Italien und Afrika; die aus dem nördlichen Aſien gehen über Sibirien bis nach Perſien und weiter; die Bewohner Grönlands, Labra— dars und anderer Länder von Nordamerika gehen über die vereinigten Staaten nach Louiſiana, Florida bis Mexiko. Zum Theil in unzählbaren Heeren wandern dieſe Kinder des kalten Nordens den wärmern Tropenländern entgegen, wo nie des Winters kalter Hauch das Pflanzenleben ganz erftickt, und ihnen immer Nahrung geboten wird. Schon in unſerm Lande haben mehrere das Ziel ihrer Wanderungen erreicht, und bleiben den Winter über bei uns, wie die Bergfinken, die Wachholderdroſſeln (Reckol— dervögel) und ſehr viele Enten, welche letztere im Winter unſere offenen Gewäſſer be— decken. Andere ziehen durch, wie die Weindroſſeln (Rebvögel), Schnepfen, Strand— läufer, und eine Menge kleiner Vögel, deren Zug großen Theils unbemerkt vorüber— geht. Die Feinzüngler und Gutſchmecker unter uns denken wohl ſelten daran, daß die Finken, Droſſeln, Schnepfen, Enten u. ſ. w., welche auf den Tafeln als vortreff— liche Braten aufgeſtellt werden, viele hundert Stunden, oft aus dem hohen Norden herkommen, um ſich bei uns fangen zu laſſen, und daß in jenen traurigen und uns Wanken Gegenden jene Leckerbiſſen entſtehen. Je mehr wir uns den ſogenannten Tropenländern, wo ein immerwährender Som— mer und Frühling herrſcht, nähern, deſto weniger wandern die daſelbſt brütenden Vögel aus, und näher gegen die Linie giebt es gar keine Zugvögel mehr, wohl aber noch Strichvögel, welche je nach dem Reifen gewiſſer Früchte, oder nach dem Aus— trocknen oder Anſchwellen der Sümpfe umherziehen. Die Aequinoectial oder Tropenländer, oder die Länder innert den Wendekreiſen, ſind alſo das Ziel der wandernden Vögel. Allein da auf der ſüdlichen Halbkugel unſerer Erde es gegen den Südpol hin eben ſo kalt, ja noch kälter iſt, als gegen den Nordpol, ſo wandern auch dort die Vögel aus, und nähern ſich der Linie, nur in der ganz entgegengeſetzten Jahrszeit, weil dort der Frühling beginnt, wenn wir Herbſt haben, und der Sommer eintritt, wenn wir Winter haben. Wenn daher im Herbſt bei uns die Vögel gegen Süden ziehen, ſo wandern die dortigen Vögel ebenfalls gegen Süden zurück, wo nun der Frühling beginnt. Die Länder zwiſchen den Wendekreiſen ſind alſo das Ziel der Wanderungen von beiden Polen her, und kein Vogel der auf der nördlichen Halbkugel brütet, geht je in die ſüdliche über, und umgekehrt. Beetrachten wir nun aber dieſen ſonderbaren Trieb zur Wanderung. Wer ſagt dem Vogel des Nordens, daß es Länder gebe, wo er im Winter nicht friere, und wo er Nahrung erhalte, und wer zeigt ihm den Weg über ungeheure Länderſtrecken hin, über ee Wälder, Flüſſe, Seen und Meere. Wo iſt die Karte oder der Compaß, der ihm die Richtung anzeigt, die er nehmen muß. Das iſt jener innere, unerklärliche Trieb, den man Inſtinkt nennt. Iſt der Wandernde aber dort angekommen, ſo findet er Nah⸗ rung und Wärme, und man ſollte denken, da es ihm da ſo wohl gehe, ſo werde er nicht wieder zurück ins rauhe nordiſche Vaterland ziehen. Aber ſo wie der Schweizer in den herrlichen Gefilden Italiens, in dem geſegneten Klima Braſiliens, oder wo er nur immer in den warmen Ländern ſich aufhalten mag, das Heimweh nach den rauhen mit ewigem Schnee bedeckten Geſilden ſeines Vaterlandes bekommt, und ſich dahin zurückſehnt, wo ihm die erſten Tage feines Lebens lachten, wo er feine fröhliche Jugend zubrachte, fo ſehnt ſich auch der Vogel wieder in das Land zurück, wo er das Licht erbtickte. Jener unerklärliche Trieb, der ihn nach Süden trieb, treibt ihn jetzt auch wieder nach Norden. In den Gegenden, die ihm zum Winteraufenthalt dienten, iſt ſtatt der mäßigen Wärme eine ſengende Hitze eingetreten, die Sümpfe vertrocknen, die Gewäſſer verſiegen, die Grasdecke, welche vom erfriſchenden Regen des dortigen Winters getränkt, üppig emporſproßte, verwelkt, und die öde Dürre bietet ihm nun auch nicht mehr genug Nahrung. Die Inſekten verſchwinden, die Reptilien verkrie— chen ſich, und ſo findet er ſich um ſo weniger mehr behaglich, als ſein warmes Feder— kleid, ein Bedürfniß der kältern Zone, ihm größere Kühle erwünſcht macht. So beginnt er wieder den Rückzug, und nimmt denſelben Weg den er gekommen iſt, oder ſucht in einer andern Richtung den Geburtsort wieder zu erreichen. Viele Vögel näm⸗ lich ziehen im Herbſt und Frühjahr nicht ganz denſelben Weg, und dennoch finden ſie, wunderbar! immer wieder ihr Brüteort. Unſer Kupfer ſtellt uns die Familie der Schwalben in ihren bekannteſten Gliedern vor Augen. Betrachten wir den Zug dieſer Vögel, fo werden wir uns auch von den Wanderungen der übrigen einen Begriff machen. Wenige ſind ſo allgemein verbreitet, und wenige machen alljährlich ſo ungeheure Reiſen wie dieſe Vögel, welche aus den heißen Gegenden von Nubien und Abyſſinien ſich über ganz Europa bis nach Schweden, Norwegen, Lappland, ja bis nach Kamtſchatka verbreiten. Den Anfang des Zuges, im Frühjahr, macht die Rauchſchwalbe, welche ihr auf dem Baumſtämmchen ſitzend erblickt; ihr folgt nach wenig Tagen die Hausſchwalbe, ihr gegenüber links ſitzend; dann kommt die Uferſchwalbe, die ihr unter der Nauchſchwalbe erblickt, und endlich ſchließt den Zug die Spyrſchwalbe, die auf dem Mauervorſprung ſitzend, abgebildet iſt. Betrachtet dieſe Vögelchen etwas genauer; ihre ſchlanken Körper, ihre langen ſpitzigen Flügel und ihre kurzen Füße bezeichnen vortreffliche Flieger aber ſchlechte Gänger. Es ſind die Schwalben Luftvögel, welche den ganzen Tag fliegend zubringen, wenn nicht das Geſchäft des Brütens fie im Nefte zurückhält, oder die nach Speiſe rufenden Jungen ſie dahin locken. Nach allen Seiten durchfliegen ſie die Luft, bald hoch, bald niedrig, je nachdem die Witterung oder Jahrszeit es mit ſich giebt, um Inſekten, ihre Nahrung, zu erhaſchen. Nur zur Zeit des Reſtbaues ſieht man fie zuweilen am Boden, an Goſſen und feuchten Stellen der Straßen, indem ſie da weiche a Erde und Koth aufleſen, welchen fie zum Bau ihres Neftes bedürfen. Ja die Spyr⸗ ſchwalbe kann ihrer langen Flügel wegen gar nicht auf den Boden kommen, da ſie dann nicht mehr auffliegen kann. Bringt der Zufall ſie auf den Boden, ſo muß ſie mühſam fortkriechen, bis ſie an einer Mauer ſich anklammern und ſo wieder in die Höhe kommen kann, wo ſie dann, indem ſie ſich fallen läßt, wieder Luft fängt. Nur im Herbſt, wenn die Zeit der Abreiſe nahet, ſieht man die Schwalben ſich in großen Haufen ſammeln, und auf Bäumen, Dächern, oder den Dräthen der Blitzableiter ſich ſetzen. Dann aber verſchwinden ſie bald. Die Ankunft und das Wegziehen der Schwalben geſchieht in umgekehrtem Ver— hältniß. Diejenigen, welche zuerſt ankommen, gehen zuletzt wieder weg, und die zuletzt ankommenden, nämlich die Spyrſchwalben, zuerſt, fie verſchwinden ſchon im Auguſt unvermerkt. Um die Mitte des Septembers ſieht man die Haus- und Rauchſchwalben ſich in größern Geſellſchaften zuſammenhalten, und nach einigen Tagen abziehen. Dann ſieht man oft mehrere Tage keine einzige mehr, aber plötzlich iſt alles wieder voll Schwalben. Es find dieß durchziehende, welche aus Norden kommen, und dann ein oder ein paar Raſttage bei uns halten, ehe ſie weiter ziehen; dabei ſind ſie immer gefellig, und fliegen meiſt nahe an der Erde oder über dem Waſſer herum. So geht es fort, bis Anfangs Detober, wo noch die letzten Schaaren durchkommen. Der Zug geht ſüdweſtlich gegen das Mittelmeer hin, und über dasſelbe nach Afrika; allein in Egypten bleiben ſie noch nicht, ſondern gehen bis nach Nubien und bis zum Senegal, wo die erften ſchon anfangs October ankommen. Auf ihren Reiſen ſchlafen fie nicht auf den Häuſern, ſondern im Rohr der Flüſſe, Seen und Teiche, und in Italien werden ſie hier in großer Menge gefangen und geſpeist. Sehr häufig ſetzen ſie ſich auch auf das Tackelwerk und die Segelſtangen der Schiffe, wenn ſie ermüdet ſind. Sie reiſen alſo nicht in einem weg, ſondern machen hie und da einen Aufenthalt. Bei einfallender kalter Witterung bemerkt man bei uns die Durchreiſenden oft mehrere Tage, weil ſie wahrſcheinlich die Reiſe über die Alpen fürchten. Die Reiſe geht aber dann wieder ſehr ſchnell; man rechnet, daß eine Schwalbe in einer Minute eine Strecke von 1500 Schritten oder eine Viertelſtunde überfliegt. Die Abreiſe iſt ziemlich beſtimmt, — die Ankunft dagegen ſehr ungleich. Oft ſieht man einzelne ſchon im März. Die Hauptmaſſe aber kommt erſt gegen die Mitte des April an. Bei anhaltender Kühle ziehen ſie ſich dann nach den Waſſern, welche ſie fliegend oft berühren, wahrſcheinlich um kleine Inſekten zu erhaſchen. Oft aber verſchwinden ſie auch wieder für einige Tage; es ſind dieß wahrſcheinlich auch wieder durchziehende Haufen, und die Einge— bornen kommen zuletzt an. Höchſt merkwürdig wi es, daß jedes Paar wieder fein altes Reſt bezieht, und richtig wieder findet; die Jungen allein bauen ſich neue. Man beobachtete, daß dies ſelben Paare, die man bezeichnet hatte, zehn und mehr Jahre nach einander immer wiederkehrten. Was aber leitet ſie wohl, ihren Weg nicht zu verlieren, und über ſo ungeheure Länder- und Meeresſtrecken hin die Heimath wieder zu finden? Das iſt — 6 — wohl nicht zu beantworten, und wenn man ſagt, der Inſtinkt oder der blinde Naturtrieb, ſo hat man wohl ein Wort ausgeſprochen, aber damit noch keine Erklärung gegeben. Die Unmöglichkeit, dieſes zu erklären, hat wahrſcheinlich zu der Sage Anlaß gegeben, ſie ziehen gar nicht fort, ſondern verſchlafen den Winter im Schlamme, oder gar im Waſſer. Eine Meinung, welche, obſchon lange behauptet, doch durchaus falſch und der Natur dieſer ſehr warmblütigen Thiere ganz zuwieder ift. Die Schwalben niſten in den Gegenden ihres Winteraufenthalts niemals, ſo wenig als dies irgend ein anderer Zugvogel thut. Sobald fie aber zurück gekommen find, beſuchen fie ihr altes Neft, und beſſern aus, was etwa der Winter und die Zeit daran verdorben hat. Die europäiſchen Arten machen jährlich zwei Bruten, jede von vier bis ſechs Eiern; die größere Zahl Eier hat jedoch immer die erſte Brut. Die meiſten Arten bauen nahe zuſammen, und find ſehr geſellig. Wenn auch die Nefter nicht unter die ſehr künſtlichen gehören, ſo gehören ſie doch unter die ſehr merkwürdi— gen. Die meiſten ſind nämlich gemauert, und beſtehen aus harten und feſten Mate— rialien, welche zuweilen, wie mit einem Schleime oder Gummi überzogen, hart, brü— chig und glänzend ſind. Einige ausländiſche Arten der warmen Zone bauen ſich aus einer noch nicht ganz bekannten ſchleimigen halb durchſichtigen Materie Neſter, welche ſie feſt an die Felſen ankleben. Dieſe Materie iſt im Waſſer auflöslich, und die Chi— neſer eſſen fie als beſonders koſtbare und nahrhafte Speiſe in einer Art Suppe. Man ſammelt dieſe Neftchen daher in großer Menge an den Felſen der indiſchen Meere, und verkauft ſie in China ſehr theuer. Die Neſter unſerer inländiſchen Arten beſtehen aus Erde und Stroh oder Grashalmen, welche gleichſam in die Erde eingeknettet ſind, wie etwa die Hafner unter den Lehm ſolche Materien miſchen, damit der Lehm härter und feſter werde. Dieſe Materien ſammeln ſie an den Landſtraßen, an den kleinen Waſſer— graben und den feuchten Rinnen derſelben, und tragen fie im Schnabel zum Reſte. Die Rauchſchwalbe (Hirundo rustica) baut immer im Innern der Häuſer, an Balken der Decken, der Gänge und der Dachkammern der Häuſer, unbekümmert ob Menſchen in dieſen Kammern ſchlafen, oder über die Gänge unter ihnen weg ein- und ausgehen. Das Neſt iſt oben frei und offen, jedoch ſo angebracht, daß er von obenher durch die Zimmerdecke beſchützt iſt. Es iſt feſt am Balken angeklebt, ſehr hart, und inwendig mit feinern Halmen ausgelegt, auf welchen die Eier liegen. Dieſe ſind weiß, mit einer Menge kleiner rother Düpfchen. Die Hausſchwalbe (Hirundo urbica) baut dage— gen nie ins Innere der Häuſer, ſondern immer außen daran, an die Mauern und Dachbalken unter die Dächer der Häuſer, wo man oft Neſt an Neft ſieht. Das Neft iſt ähnlich gebaut, aber bis auf ein Einſchlupfloch ganz zugemauert. Die Eier ſind ganz weiß. Die Uferſchwalbe (Hirundo riparia) baut ſich nur ein höchſt unkünſtliches Reſt aus Strohhalmen und Federn, allein das Verbergen desſelben iſt um fo ſonder— barer und merkwürdiger. Dieſer kleine Vogel ſucht ſich nämlich ſteile Ufer an Flüſſen und Seen, oder auch ganz ſteile Abhänge und Mauern aus, und kratzt ſich mit ſeinen Füßen ein Loch horizontal in den Boden, wohl zwei Fuß tief. Der hintere Theil der 0 Höhle iſt erweitert, und liegt etwas höher, und hier liegen die ſechs weißen Eier auf dünner Unterlage. Man ſieht oft eine Reihe Löcher neben einander, an ſchwer zugäng— lichen Orten. Man findet ſolche an der Limmat bei Dietikon, ſehr häufig aber an der Mauer des Schanzengrabens, wo die Schwalbe zwiſchen die Ritzen der Mauer einge— drungen iſt. Die Spyrſchwalbe (Hirunda apus) endlich macht ihr Neſt unter die Dächer der Häuſer auf Balken, oder in Mauerlöcher der Thürme, Kirchen, Schlöſſer. Es beſteht aus etwas Koth und Strohhalmen oder Federn, iſt ganz platt und unkünſt— lich. Die Eier ſind ganz weiß, und ſehr länglich. Dieſes Neſt, ſo wie das der großen Alpenſchwalbe, iſt oft wie mit Schleim überzogen. Dieſer ſoll nach der Meinung einiger Naturförſcher der Speichel des Vogels ſeyn. Es iſt ganz feſt, hart, und manchmal fo glänzend, als ob eine Schnecke darüber gekrochen wäre. Papierſchnitzel, Federn u. ſ. w. ſind ganz feſt aufgeleimt, und die Eier liegen auf dieſer harten Unterlage. Die Spyrſchwalbe meldet ihre Ankunft, welche immer zwiſchen dem 20. April und erſten Mai geſchieht, durch durchdringendes Gefchrei ſrii ſrii; welches laut durch die Lüfte tönt, welche ſie unaufhörlich in pfeilſchnellem Fluge, meiſt hoch, durchfliegt, einzeln oder in Schaaren von zehn bis zwölf. In ſtern- und mondhellen warmen Nächten hört man fie oft mitten in der Nacht. | Die Schwalben find ſämmtlich ſehr nützliche Vögel, durch Vertilgung von Schna— ken, Fliegen, kleinen Käfern, Bremſen, Ameiſen und anderer läſtiger und unangeneh— mer Inſekten, deren ſie eine große Menge verzehren. Sie fliegen zwar nicht mit offenem Schnabel, aber ihr Mund iſt ſehr weit geſpalten und groß, daher iſt es ihnen leicht die Inſekten im Fluge zu fangen, oder an Mauern und Bäumen im ſchnellſten Vorbeifluge wegzuſchnappen. Ihr ſcharfes Auge entdeckt ſie allenthalben, und verfolgt ſie bald hoch in den Lüften, wenn ſchönes Wetter vorhanden iſt; bald fliegen ſie tiefer, wenn auch die Inſekten ſich näher an der Erde oder am Waſſer aufhalten, wie bei regnichtem und trübem Wetter. Auch über die Saatfelder ſieht man ſie oft hinſtrei— chen, wo fie Schnaken wegfangen, deren Larven dem Getreide nachtheilig find. Ihres Nutzens wegen duldet man die Schwalben auch gerne, und hält es an manchen Orten faſt für ſündlich eine Schwalbe zu tödten. Merkwürdig iſt auch ihr Haß gegen Raubvögel; bemerkt eine Schwalbe eine Eule, ſo fliegt ſie ſchnell davon, und als ob ſie es andern ſagen könnte, kommt ſie dann ſchnell in großer Zahl wieder, und der ganze Schwarm umkreist ſchreiend den Feind. So ſchnell aber auch die Schwalben fliegen, fo werden fie doch einigen Raubvögeln zur Beute, welche ſie im Fluge fangen, wie der Baumfalke; allein den meiſten ſind ſie zu ſchnell. Keine Schwalbe läßt ſich zahm machen und als Stubenvogel halten, da ſie nur fliegend leben können, und die Inſekten, von denen allein ſie ſich nähren, im Fluge erſchnappen müſſen. Alle haben ein heiſeres Geſchrei, und ihr Geſang iſt ſehr unbe— deutend. Noch am beſten ſingt die Rauchſchwalbe, doch iſt auch ihr Geſang leiſe und er kreiſchend; daher wird wohl niemand in Verſuchung gerathen, die häusliche Erziehung der Schwalben zu verſuchen. Sie ſind auch ſehr zärtlich, und ſterben bald. Das Fleiſch der Schwalben ſoll gut ſeyn und angenehm ſchmecken; aber wenigſtens in Deutſchland werden ſie nicht gegeſſen; wohl aber in Italien, wo alles, was Federn hat, gefangen und gegeſſen wird. Man betrachtet die Schwalben als ſichere Wetterverkündiger, indem man auf ihren Flug acht giebt. Dieſer richtet ſich nach dem Aufenthalt der Inſekten. Iſt die Witte rung ſchön, oder will ſchön werden, fo ziehen viele Inſekten hoch in die Luft, und die Schwalbe fliegt hoch; am höchſten die Spyrſchwalbe. Will es aber Regen geben, oder iſt die Witterung kalt und feucht, ſo halten ſich auch die Inſekten nahe an der Erde auf, und die Schwalben fliegen tief. Ueber den Waſſern finden ſich immer viele Inſektrn; daher ſtreichen auch die Schwalben über die Gewäſſer hin. Sie zeigen alſo durch ihren Flug mehr die Feuchtigkeit oder Trockenheit der Luft an, als das Wetter, welches kommen ſoll. Es bleibt uns alſo noch übrig, von den abgebildeten Arten eine kurze Beſchreibung zu geben. Die Rauchſchwalbe, Hirundo rustica, zeichnet ſich durch den ſehr ſtark gega- belten Schwanz aus, indem die äußerſte Schwanzfeder zu beiden Seiten 2 Zoll länger iſt als die folgende, und ſehr ſpitzig zulauft. Der ganze Oberkörper, Hals und Bruſt ſind dunkel ſtahlblan; Stirn und Kehle roſtroth; Unterleib weiß, gelblich überlaufen; Flügel und Schwanz ſchwarz, an letzterm auf jeder Feder, die beiden mittelſten ausge⸗ nommen, ein weißer Fleck. Sie iſt in ganz Europa anzutreffen, und niſtet im Innern der Häuſer. Die Hgusſchwalbe, Hirundo urbica, (oben auf der Mauer ſitzend abge⸗ Gilden) iſt kleiner; auf Kopf und Rücken ſtahlblau; Unterrücken, Deckfedern des Schwan- zes und ganzer Unterleib rein weiß. Schwanz weniger gegabelt und, wie die Flügel, ſchwarz. Füße bis auf die Zehen befiedert, weiß. Niſtet außen an den Häuſern, kommt etwas ſpät an. Iſt auch weit verbreitet. Die Uferſchwalbe, Hirundo riparia, (unter der Rauchſchwalbe). Noch klei— ner als die vorige; hat nackte Füße, iſt oben ganz einfärbig grauröthlich, unten weiß, an der Bruſt ein grauröthliches Halsband. Schwanz wenig gegabelt. Niſtet in Mauern und an ſteilen Ufern in Erdlöchern, und iſt weit verbreitet; auch in Amerika. Die Spyrſchwalbe, Hirundo apus. Mit ungemein langen Flügeln, ſtark gegabeltem Schwanze und ganz ſchwarzgrauer Farbe. Die Jungen ſind heller, und die Kehle iſt weiß, wie in der Abbildung. Die Zehen ſtehen alle vier nach vorn. Füße befiedert. Sie iſt weit verbreitet, doch geht fie weniger weit nach Norden, kommt am ſpäte— ſten an, zieht am früheſten weg, fliegt am ſchnellſten, und hat das lauteſte Geſchrei. ——— . D 1 5 47 An die Zürcheriſche Jugend auf das Ha 1832. Von der Naturforſchenden Geſellſchaft. XXXIV. Stuck. . N Wir haben ſeit mehreren Jahren geſucht, in dieſen Blättern, mit der Naturgeſchichte jener befiederten Geſchöpfe die lernbegierige Jugend zu unterhalten, welche durch ihre Schönheit, durch ihren angenehmen Geſang, durch das harmoniſche Gemiſche ihrer Farben unſere Aufmerkſamkeit auf ſich ziehen, unſere Gärten und Gebüſche beleben und auf mehrfache Art in unſere Haus- und Feldwirthſchaft eingreifen. Noch lange würde derſelbe Stoff hinreichen, dieſe Art der Belehrung fortzuſetzen; allein für dießmal wählen wir einen andern Gegenſtand, über welchen beſonders noch viele Dunkelheit im allgemeinen zu herrſchen und ungemein viele Vorurtheile und irrige Meinungen zu walten ſcheinen. Es iſt die Geſchichte einiger Reptilien oder Amphibien, welche wir ausheben. Die Furcht und der Abſcheu, welchen fo viele Menſchen vor dieſen kalten Geſchöpfen haben, ſollte uns freilich davon abſchrecken und wir müſſen fürchten, ſchon der Anblick des Kupfers möchte wohl bei einigen Perſonen einen Aberwillen erregen, und den Ausruf erzeugen, wie man ſich doch mit ſolchen garſtigen und giftigen Thieren unterhalten möge. Wir bitten aber, für einige Augenblicke den Grauſen zu über— winden, und zu prüfen, ob wir nicht mit zu vielen Vorurtheilen auch gegen dieſe ö Geſchöpfe befallen ſeyen, und ob nicht auch ſie Weſen ſeyen, der Aufmerkſamkeit der denkenden Menſchen würdig. Die Furcht vor den Schlangen ſcheint in der Natur zu liegen, da nicht nur der verzärtelte und civiliſirte Menſch, ſondern auch die rohen Kinder der Natur damit befallen find, und viele Perſonen eher einem Löwen, als einer Schlange ſich nähern. e dürfen. Seit dem unſere Urmutter Eva, von einer Schlange verführt, den Apfel der Erkenntniß gekoſtet, und dafür mit ihrem Manne aus dem Paradies vertrieben wurde, ſcheint der Haß der Damen gegen alles was kriecht entſtanden zu ſeyn. Da aber nicht bloß unſere Urmutter für ihren Vorwitz geſtraft wurde, ſondern auch die Schlange eben deßwegen kriechen muß, ſo iſt auch ſie für ihre Berführungskunſt genug geftraft, und verdient unſer Mitleiden. Abſcheu und Furcht vor dieſen kalten und zum Theil giftigen Thieren hat von jeher die Einbildungkraft ergriffen, und wohl auch die Fabeln und Hirngeſpinnſte von Drachen, Baſilisken und Lindwürmern hervorgebracht, welche niemals in der jetzigen Schöpfung gelebt haben. Wenn die Alten ſchon die Entdeckungen unſerer Tage, nach welchen es in der Vorwelt Thiere gab, welche einen langen, in beiden Laden mit Zähnen berſehenen Schnabel hatten, und welche überdieß lange, den Flügeln der Fle— dermäuſe ähnliche Flügel beſaßen, gekannt hätten, ſo ſollte man denken, ſie hätten ihre Drachenſiguren nach dieſem Thiere gezeichnet. Allein dieſe Thiere waren nur klein, und nicht einmal ſo groß wie unſere großen Fledermäuſe, daneben aber in ihrer Bildung wirklich den ſogenannten Drachen ähnlich. Auch in den Gewäſſern der Vorwelt gab es ungeheuer große, mehr Crocodil ähnliche Thiere, mit außerordentlich langem Halfe und einem mit Zähnen verſehenen Crocodilkopfe, mit vier, aber nur zum Schwimmen nicht zum Gehen eingerichteten, kurzen Füßen, welche in ihrer Form den Vorſtellungen der Lindwürmer in etwas entſprechen; es waren Thiere von vielleicht 50 bis 60 Fuß Länge. Man findet ihre Ueberreſte unter dem Namen des Ichthyosaurus in mehreren Gegenden Deutſchlands und Englands und im Petersberge bei Maſtricht. Allein ſie lebten in einer Zeit, wo der Menſch noch nicht auf der Erde war, und da ſie erſt in neueren Zeiten aufgefunden wurden, ſo konnten ſie unmöglich zur alten Sage von den Lindwürmern Anlaß geben. Die alten Sagen erwähnen aber fo viel von Lindwürmern und Drachen, daß man allerdings glauben ſollte, es hätten ſolche wohl einſt gelebt. Die griechiſche Mythologie erwähnt des Drachen Python, des Drachen den Jaſon in Kolchis erlegt hatte, und anderer. Auch die chriſtliche Mythe erwähnt des heiligen Georgs als Beſieger eines Drachen, und Schiller hat bekanntlich ſehr ſchön, in feiner Ballade vom Lindwurm, die Tapferkeit eines chriſtlichen Ritters beſungen. Ja ſelbſt in unſerm eigenen Vater— land ſoll es der Sage nach Drachen gegeben haben. Beſonders berühmt iſt derjenige geworden, welcher in Unterwalden hauſete, und endlich von Struthan Winkelriedt getödtet wurde. Die Alpenroſen von 1827 und 1828 haben darüber Gedichte geliefert. Wagner in feiner historia naturalis Helvetiae curiosa, Tiguri 1680 widmet den Drachen ein eigenes Capitel, und führt darin an, daß es einſt in der Schweiz Drachen gegeben habe, und noch jetzt, das heißt zu jener Zeit, gebe, wovon die Jahrbücher und die tägliche Erfahrung zeuge. Er theilt ſogar die Drachen ein, in geflügelte und in ſolche mit und ohne Füße, und ſagt, daß von allen dieſen in der Schweiz gefunden e erzählt dann zur Bewahrheitung folgende Gefchichten : ‘ „ In frühern Zeiten wohnte ein häßlicher Drache und ſcheußlicher Lindwurm in Unterwalden, nahe beim Dorfe Wyler, welcher Menſchen und Vieh tödtete, und ſo große Verheerungen anrichtete, daß dieſe Gegend ganz entvölkert wurde, nud man das Dorf Oedwyler nannte. In dieſer Noth trat ein Mann auf, von adeligem Gefchlecht, Struthan Winkelriedt, der eines Todtſchlags wegen das Land meiden mußte, und verſprach den Drachen zu tödten, wenn ihm die Rückkehr ins Vaterland erlaubt würde. Dieß wurde ihm freudig gewährt; er beſiegte auch glücklich den Drachen zur größten Freude des Volks. Allein ihm war das Blut des getödteten Drachen an den Arm geſpritzt, vergiftete ſeinen Körper und brachte ihm ſchnell den Tod. Unweit Stanz ſteht jetzt noch ein Capelle zum Andenken, und die vorgebliche Höhle, worin der Drache gehaust haben ſoll liegt an einer Felswand des Schwandenbergs. Der Name Dra— ckenriedt iſt in unſeren Zeiten durch den tapfern Widerſtand aufs Neue berühmt ge— worden, den die Unterwaldner hier im Jahr 1798 den Franzoſen geleiſtet hatten, von welchen mancher dort ſeinen Tod fand. Der Name Oedweiler iſt vergeſſen. Was an dieſer Sage ſey, müſſen wir dahin geſtellt ſeyn laſſen, aber ein Drache oder Lindwurm war es gewiß nicht, vielleicht ein wüthender Wolf, der durch ſeinen Biß den Ritter ver— giftete, obſchon dieſer den Wolf beſiegte hatte. Wagner erzählt ferner, doch ohne weitere Angabe, es ſey einſt auch bei Burgdorf ein Drache getödtet worden. Weiter: Johannes Tinner von Frumſen bei Sax, ein zu Wagners Zeiten lebender, glaubwürdiger Mann, habe ihm erzählt, daß er einige Wochen vorher, auf dem Frumſerberg, eine ungeheure ſchwarzgraue Schlange geſehen, welche armsdick und wenigſtens 7 Fuß lang geweſen ſey. Sie habe einen Kopf wie einen Katzenkopf gehabt, und den Kühen die Milch ausgefogen, und fein Bruder habe fie nachher erſchoſſen. Dieß war wahrſcheinlich eine Ringelnatter von der Größe, wie ſie vielleicht jetzt noch vorkommen könnten, da man ja nicht weiß, welches Maaß hier gemeint fey, und die Einbildungkraft wohl noch ein Paar Fuße möcht dazu geſetzt haben. Dieß wird um ſo wahrſcheinlicher, als er von ihr ſagt, daß ſie den Kühen die Milch ausgeſogen habe; ein Mährchen, welches man jetzt noch von den Nattern erzählt, welche aber gar nicht ſaugen können. Ein gewiſſer Doctor Andreas Rodüner ſoll auf dem Wangſerberg bei Sargans auch einen ſcheuslichen Drachen geſehen haben, der zwei Füße, und ſogar einen drei Ellen langen Schwanz gehabt habe. Sein Rücken und Kopf ſey mit Haaren beſetzt, auf letzterm ein Kamm, und der Leib gelb geſtreift geweſen. Rodüner mußte ein herzhafter Mann, oder der Drache ungewöhn— lich zahm geweſen ſeyn, daß er den Schwanz mit dem Maaßſtabe ausmeſſen konnte. Auf dem Berge Kamor ſoll ein gewiſſer Johannes Egerter einen gewaltigen Drachen unter einem Felſen geſehen haben, der mit geſpaltener Zunge ihn anziſchte; er habe etwa 1 Fuß hohe Beine und einen langen gerunzelten Schwanz gehabt. Endlich noch erwähnt Wagner eines gewiſſen Jakob Büeler von Sennwald, der einen großen vier— beinigen Drachen von ſchwarzer Farbe, mit einem Kamm auf dem Kopfe, auf dem Flumſerberg geſehen habe. Dieſe Gegend muß alſo ſehr reich an Drachen und Lind— . würmern aller Art geweſen ſeyn; jetzt aber iſt dieſe liebenswürdige Familie dort ganz ausgeſtorben, denn man hat keine Spur mehr von ihnen. wegn Schon dieſe verſchiedenen Angaben der Farben, der Füße, des Kopfes u. ſ. w. zeigen, daß wenn alle dieſe Erzählungen nicht reine Mährchen ſind, die Einbildungs— kraft aus gewöhnlichen, nur etwas großen Schlangen dieſe Ungeheuer allein erſchaffen hat. Was nun aber vollends Cyſat und Scheuchzer von feurigen Drachen erzählen, welche vom Pilatus gegen den Rigi geflogen ſeyen, von welchen einer einen Stein habe fallen laſſen, ſo wird man darin nichts anders als ein ſogenanntes Feuermeteor erkennen, wie fie öfters vorkommen, und wenn der berühmte luzerniſche Drachenftäin wirklich bei dieſem Anlaß gefunden wurde, ſo iſt es ein Meteorſtein, deren man fo viele und an ſehr vielen Orten, in allen Welttheilen hat aus der Luſt herunterfallen ſehen, wobei ähnliche Feuererſcheinungen ſich zeigten. Dieſer Drachenſtein wurde ſehr hoch gehalten und von ſeinen Beſitzern in Geldverlegenheit für bedeutende Summen verſetzt. Ob er noch vorhanden iſt, und wer ihn gegenwärtig beſitze, iſt unbekannt. Es wäre ſehr merkwürdig, ihn unterſuchen zu können; von einem Drachen aber kommt er auf keinen Fall, und mit der größten Beſtimmtheit kann man behaupten, es habe niemals ſolche Drachen weder bei uns noch anderswo gegeben. Wohl giebt es noch jetzt gewaltige Schlangen von 25 bis 30 Fuß Länge, und eben ſo große Crocodile, aber dieſe leben nur in den warmen Gegenden von Amerika, Aſien und Indien, und ſind durchaus nicht giftig, wohl aber durch ihre Größe furchtbar. Van den Rieſenſchlangen hat der Menſch nach allen Nachrichten nichts zu fürchten, wohl aber von den Crocodilen. Es kann aber viel weniger auffallen, wenn in jenen Ländern jene furchtbaren Thiere durch die Einbildungskraft wirklich zu Drachen geſtempelt wurden. Beſonders hat die indiſche und chineſiſche N viel mit Drachen und gewaltigen Schlangen zu thun. Nur eine Sage, welche ſich bis auf unſere Zeiten in einigen Thälern des berner— ſchen Oberlandes und des Jura erhalten hat, verdient unſere Aufmerkſamkeit und nähere Prüfung, da es wenigſtens nicht unmöglich ſcheint, daß ihr etwas Wahres zum Grunde liegen könne, wobei indeß die Einbildungskraft auch hier die Sache vergrößert hätte. Es ſoll nämlich dort eine Schlangen- oder Eidechſenart geben, von einer Länge von 3 bis 6 Fuß, verhältnißmäßig ſehr dick, und vorn ſoll ſie zwei kurze Füße haben. Dieſe Schlange nennen ſie den Stollenwurm, da ſie eine Schlange einen Wurm, und einen kurzen dicken Fuß einen Stollen nennen. Von Drachen nnd Lindwürmern gehen dort keine Sagen, wohl aber glauben fie alle an das Daſeyn der Stollenwürmer, und ſehen ſie für eben ſo natürliche Weſen an, wie andere Schlangen und Eidechſen, gegen welche ſie übrigens einen unüberwindlichen Abſcheu fühlen, und alle ſolche Thiere für ſehr ſchädlich und giftig halten. Mehr als ein glaubwürdiger Mann, Leute von ge— reiftem Verſtande und unbeſcholtener Redlichkeit, verſicherten auf das beſtimmteſte, ſolche Stollenwürmer geſehen und wohl gar getödtet zu haben. Auch auf dem Jura verſicher— ten mehrere Landleute, ganz ähnliche Thiere geſehen zu haben, und geben an, ſie ſeyen 9 ae" zwar felten, und kommen nur bei anhaltender Trockenheit, beſonders wenn dann das Wetter ändern wolle, zum Vorſchein. Allein ungeachtet aller Verſprechungen von anſehnlichen Belohnungen demjenigen, der einen ſolchen Wurm lebend oder todt ein— bringe, iſt noch keiner eingebracht worden, fo daß man alle Urſache hat zu glauben, die Einbildungskraft habe wohl dieſen guten Leuten Schlangen für ſolche Stollenwürmer anſehen laſſen. Wer ſolche Angaben von Landleuten über neue ihnen unbekannten Ge— genſtände kennt, den kann es nicht wundern, wenn ſolche Angaben von Leuten gemacht werden, welche nicht im geringſten betriegen wollen; ſey es, daß die Furcht ſie Dinge ſehen läßt, die nicht ſind, oder daß ſie andere Leute ſo in Erſtaunen ſetzen wollen, wie ſie ſelbſt waren. Eine gemeine Natter wird zum ellenlangen Ungeheuer, ihr unſchuldiges Ziſchen und Züngeln zum furchtbaren Angriff, und ihre lebhaften Augen, womit ſie mit ſchnellen Bewegungen des Kopfs aus Furcht allenthalben ſich umſieht, ſprühen Feuer. Sitzt etwa vom Häuten her noch ein Stück Haut am Halſe der Schlange oder am Kopfe, ſo wird daraus eine gekrönte Schlange, ein Schlangen— könig gemacht. Auf ähnliche Art ſind wohl auch die Füße des Stollenwurmes nur Gebilde der Einbildungskraft. Leute, die den Stollenwurm geſehen haben wollen, ſagen ganz naiv, es ſey ſie ſo ein Grauſen angekommen, daß ſie, nach oberländiſchem Ausdruck, daraus geſtellt haben, das heißt, vor Furcht davon gelaufen ſeyen. Zwar giebt es allerdings ein ſchlangenartiges Thier mit zwei Füßen vorn, und zwar in den Gegenden des Caucafus und in Perſien, welches Scheltopuſik heißt, aber nicht giftig iſt, und unter den Verſteinerungen von Oeningen am Bodenſee, welche nur Süßwaſſerthiere enthalten, findet fi) ein Molch von der Größe und Geſtalt, wie etwa der Stollenwurm beſchrieben wird. Unſere Sammlung beſitzt einen ſolchen Kopf, den unſer ſonſt ſo gelehrte Doctor Scheuchzer, in ſeiner Idee daß alle Verſteinerungen von der Stindfluth herkommen, für Ueberreſte eines verſteinerten Menſchen hielt, und homo diluvii testis nannte. » Eine einzige dieſer Angaben verdient mehr Aufmerkſamkeit, und es iſt unbegreif— lich, daß man die Sache nicht genauer unterſuchte. Vor einigen Jahren, etwa im Jahr 1827 oder 1828 fand ein ſolothurniſcher Landmann, der nach Biel gehen wollte, an einem einſamen Orte, in einer vertrockneten ſumpfigen Stelle ein todtes Thier, welches nach ſeiner Angabe mit einem Stollenwurme Aehnlichkeit hatte, da es einige Fuß lang und mit kurzen Vorderfüßen verſehen geweſen fen; er dachte gleich daran, das Thier nach Solothurn zu Herrn Profeſſor Hugi zu bringen, und legte es bis zu ſeiner Rückkunft auf die Seite, wo er glaubte, daß es niemand finden werde. Bei ſeiner Rückkehr iſt es aber von Krähen halb verzehrt; doch bringt er den Seelet nach Solothurn, wo man ihn unterſucht; aber nicht klug daraus werden kann, und daher das Ganze zu näherer Unterſuchung nach Heidelberg ſandte. Von daher iſt es noch nicht zurückgekommen, ſey es, daß man etwas gemeines darin fand, oder im Gegentheil eine Seltenheit, welche man nicht gerne mehr zurückſenden wollte. Wir ſind daher ſo klug als vorher, da man in Solothurn nicht einmal eine Abbildung Pe ta davon machte. So lange man aber keinen Stollenwurm einbringt, fo lange kein Raturforſcher einen ſolchen geſehen hat, müſſen wir fein Daſeyn bezweifeln. Die wahrſcheinlichſte Erklärung aller Sagen über Drachen und Stollenwürmer, oder wie man dieſe Thiere auch heißen mag, iſt wohl die: Es gab in unſerm Vater— lande niemals ſolche Thiere, aber es gab ehemals in unſern Mittelgebirgen mehr Schlangen als jetzt, wegen der ſteigenden Bevölkerung, welche ein bedeutendes Alter und ſo auch eine nicht unbeträchtliche Größe erreichten, vielleicht Rattern von 6 Fuß Länge oder noch größere, welche Einbildungskraft, Furcht oder Uebertreibung viel vergrößerte, und für giftig erklärte, die aber niemals Schaden thun konnten; denn eine Natter, und wenn fie auch 8 Fuß erreichen würde, kann niemals irgend einen Schaden anrichten, da ſie nicht beißt, und unſere wenigen Giftſchlangen ſind höchſtens 2 Fuß lang. Zwar erzählt Scheuchzer die Geſchichte eines Kampfes zwiſchen einem Herrn Landvogt zu Greifenſee und einer großen Schlange, aus welchem Kampfe aber der tapfere Mann ſiegreich hervor ging, und nicht verwundet wurde, was wohl am beſten beweist, es ſey keine gefährliche Schlange geweſen. Schlangen nennt man alle kriechenden Thiere, mit rothem Blut und wahren Lungen, welche einen langen, walzenförmigen, mit einer ſchuppigen Haut bedeckten Körper und keine Füße haben. Nur drei Gattungen finden ſich in der Schweiz und überhaupt in Europa, nämlich die Blindſchleiche, die Rattern und die Vipern. Nur die letztern ſind ſchädlich, weil ihr Biß giftig iſt, die andern ſind für unſere Oekonomie höchſt nützliche Thiere wie alle andern inländiſchen Amphibien oder Reptilien. Europa beherbergt überhanpt nur wenige Schlangen, da es zu den gemäßigten Erdtheilen gehört. Durch ihre Nahrung ſind die Reptilien mehr an warme Länder gebunden, da die kleinern meiſt nur von Inſekten oder ganz kleinen Thieren leben, von welchen die Länder der gemäßigten Zone immer weniger haben, als die der warmen. Innert dem Polarkreiſe findet ſich gar kein Reptil, aber ſchon nahe dabei findet man Fröſche und bald auch Schlangen und Eidechſen, deren Zahl ſich immer mehrt, je mehr man ſich den wärmern Gegenden nähert. Schon das ſüdliche Europa hat mehrere Arten als Deutſchland, aber ihre Menge vermehrt ſich gar ſehr in den heißen Klimaten der Tropenländer, wo die wahre Heimath dieſer Thiere ift, worüber wohl Wenige fie beneiden werden. Wenn auch unſer Land keine fo majeſtätiſchen Wälder, keine Palmenhaine mit herrlichen Früchten beladen, keinen ewigen Sommer, keine rrächtigen Colibris und ſo viel anderes herrliches zeigt, ſo ſind wir doch ſicher vor Seorpionen und giftigen Spinnen, vor blutſaugenden Fledermäuſen, vor Schwärmen ſtechender Inſekten, welche jede Racht im Schlafe ſtören, vor Crocodilen und Rieſen— ſchlangen, und vor jenen giftigen Schlangen, deren Biß faſt auf der Stelle tödtet. Furchtlos dürfen wir Feld und Wälder durchlaufen, furchtlos im kühlen Schatten des Waldes auf weichem Moſe uns lagern, es lauert da kein giftiges Thier, und wenn auch in einzelnen Gegenden nur ſelten eine giftige Schlange ſich zeigte, ſo flieht ſie uns fo ſehr, als wir fie fliehen, und wenn fie, von uns gereizt, auch beißen ſollte, fo LEE | de iſt doch ihr Biß nicht tödtlich. Da indeß doch mehrere Beiſpiele bekannt find, daß auch in der Schweiz Perſonen von Vipern gebiſſen worden, ſo wird eine Darſtellung der nicht» giftigen und der giftigen Schlangen, welche in unſern nächſten Umgebungen vorkommen, ſchon darum vielen erwünſcht kommen, damit fie die Vorurtheile und die irrigen Meinungen beſtreiten können, die über dieſe Thiere ſo allgemein verbreitet ſind. Wir haben für dießmal zwei der nicht-giftigen abbilden laſſen, über die viel ſeltenern giftigen werden wir im folgenden Jahre vielleicht ſprechen. Die Schweiz, dießſeits der Alpen, ernährt nur drei nicht-giftige Schlangen, und drei Vipern; zu den erſtern kommen im Teſſin und Wallis noch drei oder vier andere hinzu, aber keine giftigen. Die Blindſchleiche, welche fo allgemein bekannt iſt, da fie häufig auf trockenen Wieſen vorkommt, wird gewöhnlich nicht als eine Schlange angeſehen, und doch iſt fie gar nichts anders als eine ſolche, aber gar eine unſchuldige, welche höchſtens eine Heuſchrecke verzehren kann. Sie heißt auch Bruchſchlange, weil ſie die ſonderbare Eigenſchaft hat, ſich, wenn man ſie berührt, ſo ſteif zu machen, daß der Schwanz abbricht, welcher jedoch wieder, zwar nur unvollkommen, nachwächst. Die Blind— ſchleiche erreicht eine Länge von höchſtens 1% Fuß. Der ganze Oberleib iſt kupfer— roth, mehr oder minder ins Gelbe übergehend, an den Seiten aber ins Braune. Der Unterleib aber iſt blaulich ſchwarz, und wie der ohere Theil glänzend. Der ganze Körper iſt mit gleich großen Schuppen bedeckt, welche wie Ziegel feſt auf einander liegen und eine die andere decken; nur auf dem Kopfe ſind fünf größere Schilder. Die Augen ſind klein aber ſehr lebhaft, der Kopf klein und vom Halſe an Dicke gar nicht verſchieden, der Mund ebenfalls klein und kann nicht, wie bei den andern Schlangen, weit geöffnet werden. Sie hat allerdings kleine Zähne im Munde, allein fie find fo klein, daß wenn ſie auch beißen follte, man dieſe Zähne kaum ſpürt. Es iſt aber ſchwer, ſie zum Beißen zu bringen, und ihr Biß hat auch nicht das geringſte ſchädliche. Ihre Bewegungen ſind langſam. Im Winter verbirgt ſie ſich in Schlupflöcher in der Erde, kommt aber im Frühjahr wieder daraus hervor. Ihre Nahrung beſteht in Inſekten, Schnecken und Regenwürmern. Sie nützt uns alſo durch ihre Nahrung und thut nicht den geringſten Schaden. Das Weibchen wirft jährlich ſieben bis zehen lebende Junge. Sie hat an Katzen, Störchen, Krähen und Raubvögeln Feinde, und iſt daher nirgends ſehr häufig. Die ganz junge Blind— ſchleiche iſt oben weißgelblich, mit einem ſchwarzen Streif über den Rücken. Die auf der Kupferblatte abgebildeten Schlangen find die einzigen, welche neben der Blindſchleiche in unſerm Canton vorkommen, und nicht giftig ſind. Es ſind die gemeine Ringelnatter und die braune Natter. Die gemeine Ringelnatter, Coluber natrix, iſt in ganz Europa anzutreffen. Sie erreicht eine Länge von höchſtens 5 Fuß. Das Hauptunterſcheidungszeichen dteſer Art beſteht in den beiden weißgelben Flecken am hintern Kopfrand, welche man bei allen antrifft. Die Farbe des obern Körpers iſt dagegen ſehr verſchieden. Man findet „ ſolche, welche ſchwarzgrau ohne alle Flecken ſind; andere ſind olivengrün mit ſchwarzen Flecken, und noch andere grüngrau mit dunkeln Flecken, der Unterleib iſt immer weiß, mit ſchwarzblauen viereckigen Flecken. Der Kopf iſt faſt dreieckig und der Hals iſt deutlich dünner. Der Kopf iſt oben mit breiten eckigen Schildern bedeckt, welche in beſtimmter Figur neben einandes liegen, und die Kinnlade zu beiden Seiten einfaſſen. Der ganze Oberleib iſt mit lanzetförmigen Schuppen bedeckt, von welchen jede in der Mitte einen erhöhten Längsſtreif hat, der Unterleib dagegen iſt mit viereckigen in Reihen neben einander liegenden Schildern bedeckt. Die Zunge iſt lang und gabel— foͤrmig in zwei Theile geſpalten, ſehr ſpitzig und gar ſehr beweglich; das Thier ſtreckt ſie alle Augenblicke hervor, wenn man es reitzt. In der obern Kinnlade ſtehen zwei Reihen Zähne, die eine oben am Gaumen, die andere am Nande der Kinnlade, in der untern eine Reihe. Die Kinnladen ſind, wie bei allen wahren Schlangen, nicht feſt eingelenkt und können, wenn die Schlange ein größeres Thier freſſen will, fo ausgedehnt werden, daß ſie einen dickern Körper verſchlucken kann, als der ihrige iſt, welcher ſich dann aber ausdehnt. Man findet dieſe Schlange in ganz Europa, nur in den kälteſten Gegenden nicht, doch noch in Schweden und Schottland. Sie iſt in unſern Gegenden eben nicht fehr häufig, doch trifft man ſie an einigen Orten öfters an. Sie liebt trockene Gegenden, und verkriecht ſich unter Laub und Gebüſchen, oder unter Steinhaufen und in ver— fallenen Gebäuden, Ställen und Kellern. Sehr häufig aber trifft man ſie auch an Waſſern an, und ſie kann vortrefflich ſchwimmen, daher iſt ihr Name natrix, Schwim— merin. Oft trifft man fie mitten auf unſeren Seen an, und es iſt ſonderbar, wie dieſes Thier ohne Füße ſich ſo leicht auf der Oberfläche des Waſſers erhalten, und durch dieſelben Bewegungen wie auf dem Lande ſchwimmen kann, den Kopf hält ſie dabei immer in die Höhe. Sie taucht aber auch und kann ſehr lange ſich unter dem Waſſer aufhalten, ſo daß man ſie am Boden herum kriechen ſieht. Auf dem Lande kriecht fie ziemlich ſchnell und geſchickt, und kann auch auf Bäume gelangen, fo bald ſie dieſelben mit dem Körper umſchlingen kann. Sie iſt ſehr ſcheu und furchtſam und flieht ſogleich, wenn ſie einen Menſchen gewahrt. Reitzt man ſie aber und kann ſie nicht weiter, ſo hält ſie Kopf und Hals hoch auf, denn ſie kann wenigſtens den halben Leib erheben, und ſchießt mit dem Kopf nach dem Feinde, wobei ſie gewaltig ziſcht und die Zunge unaufhörlich ausſtreckt, ſo daß man in der That glauben ſollte, ſie würde beißen, aber dieß geſchieht durchaus nicht, und noch weniger ſticht ſie mit der Zunge, denn dieſe iſt ganz weich. Man kann ſie faſt gar nicht zum Beißen bringen, wenn man ihr nicht mit Gewalt den Finger in den Mund ſtößt. Im Winter verbergen fie ſich in tiefe Löcher, unter Hecken und Mauern, oder in Maul- wurfslöcher, und bringen da dieſe Jahrszeit ganz erſtarrt zu. Ihre Nahrung beſteht in Maulwürfen, Ratten, Mäuſen, jungen Vögeln, Frö⸗ ſchen, Kröten, Eidechſen und allerlei Inſekten. Erwachſene freſſen in der Gefangen⸗ ſchaft durchaus nichts, ſie können aber viele Monate ohne Nahrung zubringen. Jung — 9 gewöhnen fie ſich an die Menſchen ſehr leicht, und freffen dann auch, wenn man ihnen etwas giebt. In der Nähe der Häuſer, in Scheunen oder Ställen find fie ſehr nützliche Thiere und freſſen viele Mäuſe weg; man thut daher wohl fie zu ſchonen und nicht zu vertilgen. An einigen Orten hält man es für ein Glück, wenn dieſe Schlangen ſich den Häuſern nähern, und die Kinder ſpielen mit ihnen. Man darf ſie auch ohne alle Gefahr anrühren. In der Furcht aber geben ſie eine gelbe Materie aus dem After in Menge von ſich, welche einen unausſtehlichen Bocksgeruch ver— breitet. Sie legen Eier, welche ganz häutig ſind und eines am andern durch ein häutiges Weſen befeſtigt iſt, ſo daß ſie zu zwanzig und dreißig an einander hängen. Dieſe Eier werden am öfterſten in Miſt, oder auch in die Sägeſpähne der Sägemühlen gelegt, und einzig durch die Wärme der Jahrszeit entwickelt. Die ganz kleine Schlange, welche daraus hervorkommt, nährt ſich anfangs von Inſekten. Sie häuten ſich alle Sommer wenigſtens einmal, wobei die ganze Haut wie ein Strumpf ſich ablöst; die Landleute nennen dieſe Häute Natternhemder. Selbſt die Haut der Augen geht mit weg. Einige Tage vor dem Häuten iſt daher das Auge trüb und die Schlange blind, nach abgezogener Haut aber ſind die Augen ſehr hell, und die neue Haut viel ſchöner und lebhafter als die alte. Da die Haut am Kopfe oft etwas länger bleibt und davon abſteht, mag dieß zur Sage von gekrönten Schlan- gen Anlaß gegeben haben. Vorurtheile hat man über dieſe Schlangen ſehr viele. Am ungereimteſten iſt die Sage, daß ſie den Kühen in den Ställen die Milch ausſaugen. Dann daß der Biß giftig ſey, und noch anderes mehr. Die andere abgebildete Natter iſt die Fleckennatter oder öſtreichiſche Rat— ter, Coluber austriacus. Sie ift viel kleiner und wird höchſtens 2 Fuß lang. Der Hals iſt weniger deutlich; die Farbe iſt oben röthlich grau, der Scheitel roth— braun beſprengt und am Hinterkopf zwei größere rothbraune Flecken, über den Rücken aber lauſen zwei unregelmäßige Reihen von Flecken. Die Grundfarbe iſt bald mehr braun, bald mehr olivenfarb, je nach der Häutung, da nach derſelben die Farben immer lebhafter ſind; überhaupt variren ſie ſehr in Hinſicht der Flecken; auf dem Kopf hat ſie große Schilder, und am Bauche iſt die Farbe ganz einfärbig rothgrau. Sie iſt viel ſeltener als die Ringelnatter; man findet ſie in Gebüſchen und in der Nähe alter Mauern. Sie iſt ſehr ſanft und beißt ſelten, wenn ſie aber auch beißt, ſo bemerkt man es kaum, da die Zähne ſehr klein ſind. Sie wirft lebende Junge, und nährt ſich beſonders von kleinen Eidechſen. Der für dieſe Blätter beſtimmte Raum geftattet nicht, für dießmal weiter in der Naturgeſchichte unſerer Schlangen fortzufahren. Künftiges Jahr werden wir die Giftſchlangen behandeln und die Unterſcheidungszeichen angeben, durch welche fie leicht zu erkennen ſind. Ka, a as Ba e 10 5 18 Jen. A 18 N er 2558 Dünn we A * 70 Nd Wien e e *. en 9 7 nad 2 . . N W 1 ee ren. r Kae 9 g N Be de we e eee ae 3 W N A Be ii ind Neu Air s nn ee un u d.h * 506 1 I ae Mun 5 750 Br ur 1 D ee 120 115 7 50 U gi a Bd e an wre 5 „ | 2 ö ade KR Bi u Am md. e. 1750 A e TE 2: 3 ehe 2 * RLE "ag gu; An I . ne BE 0 Ae 11 ne 2 e a 1 5 art 118 ER ee Cet gen Wan WB Be 1a U ** Nil eu ar N a enen une N e en e a n e e e Er N. RE Kr eee e ee Erf e . 1 N ieee r. 1 15 N re 0 u, a 4 15 ya „ wg wi rer 2 RN 408 . M auen ai AT eg ah 15 . e Ta e ene wid 1 n ; AR RE eee 135 WN d Tr. ee e 73 * ; an Pr nen e 1 Jen: e J Win ect Mic e EEE 0 W . . An die Zuͤrcheriſche Jugend auf das Jahr 1833. Von der Naturforſchenden Geſellſchaft. XXXV. Stüc. Es kommt uns vor, als hätten wir erſt geſtern die fröhlichen Schaaren unſerer jugendlichen Freunde in unſerer Sammlung herumwandeln ſehen, um die dort auf— geſtellten Naturſchätze zu betrachten, und doch mögen die mehreren ſchon wieder den Gegenſtand vergeſſen haben, mit welchem wir fie am letzten Neujahrsfeſte zu unter— halten ſuchten; da aber derſelbe dennoch vielfache Unterhaltung gewährt und eine Thierklaſſe betrifft, deren Nutzen oder Schaden nicht unerheblich ift, fo wagen wir es, nach der Ankündigung die Fortſetzung desſelben zu liefern. Wir ſprachen im letzten Stück von den Sagen von Schlangen und Drachen, welche einſt in viel frü— hern Zeiten auch bei uns gewohnt haben ſollten, wir erwähnten der gutartigen Schlangen, welche noch jetzt, wie wohl ſelten, bei uns vorkommen, und wollen nun auch einige Worte über die giftigen Schlangen ſprechen, welche ebenfalls in unſerm Vaterlande leben. Lange waren wir der Meinung, es gebe in der Nähe unſerer Vaterſtadt nur moraliſch giftige Schlangen, dieſe gehören aber nicht der Naturgeſchichte an, fie ſtammen von jener Schlange her, welche ſchon die erſten Menſchen verführte, und die wir nicht näher bezeichnen wollen, ſie bezeichnen ſich dem aufmerkſamen Beobachter von ſelbſt. Aber es giebt wirklich auch phyſiſch giftige Schlangen, deren Biß ſehr gefährliche, ja tödtliche Folgen haben kann. Glücklicher Weiſe ſind dieſe nicht ſo häufig, und es ſind furchtſame Thiere, welche den Menſchen ungereizt nicht angreifen und ihm aus dem Wege gehen. Nur wer unbeſonnen ſie reizt, oder aus Unachtſamkeit ſie angreift; hat von ihnen zu befürchten. Wird man x - } „ aber einmal gebißen, ſo iſt alle Vorſicht und Sorge nöthig, um ſchnell den Folgen vorzubeugen. Viele von euch, liebe Jünglinge, beſuchen vielleicht einſt Länder, wo es noch mehr ſolcher Thiere giebt, und es iſt gut, wenn ihr vorher ſolche kennen und unterſcheiden lernt. Alle europäiſchen Giftſchlangen unterſcheiden ſich ſchon von Außen von den nicht giftigen durch einen über den ganzen Scheitel mit kleinen Schuppen bedeckten Kopf, da hingegen die nicht giftigen große eckige Schilder auf demſelben haben. Wir haben auf der Kupferplatte die Köpfe beider zeichnen laſſen, wo der Unterſchied ſehr deutlich zu bemerken iſt. Fig. 3. iſt der Kopf einer Giftſchlange. Fig. 4. der einer nichtgiftigen. Das beſte Merkmal, welches man aber eben nicht ſieht, wenn man der Schlange nicht in den Mund ſehen kann, wo es dann meiſt zu ſpät iſt, ſind die Giftzähne. Dieſe Zähne ſind von einer ganz eigenen Beſchaffenheit, und verdienen eine nähere Beſchreibung. Alle Schlangen haben Zähne, welche aber bei den kleinern Arten und den nicht giftigen ſehr klein ſind, womit ſie auch keinen bedeutenden Schaden thun können. Die Zähne ſtehen in einer dreifachen Reihe, nämlich eine in der untern Kinnlade am Rande derſelben, eine zweite am Rande der obern Lade, und eine dritte im Gaumen. Dieſe Zähne ſind aber bloß zum Feſthalten der Beute, gar nicht zum Kauen eingerichtet. Bei den Giftfchlangen findet ſich nur die Zahnreihe in der untern Kinnlade und die Zahn— reihe am Gaumen; am Nande der Oberkinnlade zu beiden Seiten ſtehen die Giftzähne. Dieſe ſtehen auf einem ganz kurzen, ſehr beweglichen Knochen, Fig. 5. der Abbildung, der nichts als dieſe Giftzähne trägt, welche in einer Aushöhlung desſelben ſtehen. Sie übertreffen alle andern weit an Größe, nur einer auf jeder Seite iſt ausgebildet, aber hinter ihm ſtehen einige kleine im Wachsthum begriffene Giftzähne, welche dazu . ſind, den großen Giftzahn zu erſetzen, wenn derſelbe ausfällt oder verloren geht. Im Winter ſcheint ein ſolcher Zahnwechſel ftatt zu finden. Die Spitze der Giftzähne ſteht; wenn die Schlange nicht beißen will, oder den Mund geſchloſſen hat, nach hinten, und eine häutige Scheide überzieht ihn bis an die Spitze. Will aber die Schlange beißen, fo öffnet fie den Mund, der bewegliche Knochen tritt oben einwärts und der Zahn dringt aus der Scheide hervor und ſteht drohend da. In jedem Gift— zahn iſt ein Kanal, welcher der Länge nach durch den Zahn geht und ſich nahe an der Spitze Öffnet, unten aber an der Seite iſt der Eingang in den Kanal und eine Drüſe, welche das Gift abſöndert. Durch die Bewegung des Zahns und ſeines Kno— chens wird auch die Drüſe gereizt und entleert ihr Gift, welches in den Zahnkanal gelangt. Beißt die Schlange, ſo dringt das Gift ſogleich in die Wunde, und die Wirkung desſelben beginnt ſchnell. Bei Fig. 6. iſt ein ſehr vergrößerter Giftzahn abgebildet. Die Giftſchlangen zeichnen ſich nicht durch Größe aus, im Gegentheil die euro⸗ päiſchen wenigſtens, find klein und kurz, und haben aber alle eine mehr oder n aufgeworfene Raſe. Ve ae In der Schweiz finden ſich zwei oder drei Arten Giftſchlangen, von der dritten Art iſt es nämlich nicht gewiß, ob ſie eine eigene Art oder nur eine Abänderung der gemeinen Viper ſey. Man nennt nämlich die Giftſchlangen Vipern (eigentlich Vivi— paren) lebendig gebärende, weil ſie lebende Junge zur Welt bringen. Es ſind auf unſerer Tafel die beiden Arten abgebildet, welche man am häufigſten findet und die wir nun etwas näher beſchreiben wollen. 1. Die gemeine Viper, Vipera berus, auch wohl Otter oder Kreuzotter genannt. Sie wird höchſtens 2 Fuß 3 Zoll lang. Die Grundfarbe iſt nach dem Alter und der Jahrszeit ſehr ungleich. Beim Männchen ift fie weißbräunlich, beim Weibchen anfangs blaßgrau, zieht aber immer mehr ins Röthliche, im Alter ſchmutzig grau. Von der Mitte des Oberkopfs läuft nach jeder Seite des Hinterkopfs eine dunkle ſichelförmig gebogene Linie, zwiſchen dieſen Linien beginnt am Hinterkopf eine dunkle Zickzacklinie, welche über den ganzen Rücken bis zum Schwanze fortläuft. Auf jeder Seite des Körpers bilden kleine, runde, dunkle Flecken eine Reihe. Am Bauche herrſcht die ſchwarze Farbe vor. Man findet kaum zwei Exemplare, welche ganz gleich in der Farbe wären. Man findet dieſe Viper in unſerm Canton, ſo viel uns bekannt, nur jenſeits dem Albis, auf der Allmend bei Kappel und bis nach Baar hinunter. Dagegen findet ſie ſich auch auf den Alpen und zwar bis ſehr hoch hinauf. Wir haben Exemplare von der Grimſel und von den Ölarneralpen geſehen, welche in einer Höhe von 5 bis 6000 Fuß hoch angetroffen wurden. Daſelbſt findet man auch eine glänzend ſchwarze Viper, von welcher man ungewiß iſt, ob es nur eine Abänderung der Kreuzotter oder eine eigene Art ſey. Die eigentliche Wohnung der Viper iſt eine Höhle, welche ſie aber nie ſelbſt gräbt, das kann keine Schlange, ſondern ſie wählt dazu Mäuſe- oder Maulwurfs— löcher oder auf den Alpen die Klüfte der Steinhaufen; auch trifft man ſie in alten Baumſtrunken an. Sie kommen aber nur am Tage zum Vorſchein und ſonnen ſich gerne, an regnichten kühlern Tagen wird man ſie nicht ſehen, wohl aber nach den— ſelben, wenn die Sonne wieder ſcheint. Sie bewohnt daher am liebſten ſonnige Berg— abhänge, welche gegen Morgen oder Mittag liegen. Sie iſt überhaupt in der ganzen Schweiz nicht häufig, daher auch ſelten Menſchen oder Thiere von ihr gebißen werden. In ſehr vielen Gegenden Deutſchlands iſt fie viel häufiger. Nie ift fie dießſeits des Albis angetroffen worden. Im Frühjahr bei ſchönen warmen Tagen paart ſie ſich. Die Zahl ihrer Eier ſteigt von 6 bis 12. Dieſe Eier werden ganz wie bei andern Schlangen gelegt, aber ſo zu ſagen im Augenblicke des Abgangs dehnt ſich das darin befindliche Junge aus, zerreißt ſeine Eiſchale, kriecht hervor, bleibt einige Stunden liegen und ſchleicht dann, völlig ſich ſelbſt überlaſſen, davon. Sie find vom erſten Augenblicke an grimmige, böſe und bißige Thiere, und beim Auskriechen etwa 7 Zoll lang, und ſchon jetzt find ihre Biße giftig, doch nur für ganz kleine Thiere, wie Mäuſe und Vögel, tödtlich. Die Nahrung befteht in den erſten Tagen und Monaten aus Inſekten, foäter dann aber faſt nur aus Mäufen, vielleicht auch aus jungen auf der Erde niſtenden Vögeln. Sie iſt in dieſer Hinſicht ein nützliches Thier. Die Schlange liegt ruhig auf einem Fleck und wartet geduldig, bis der Zufall ihr eine unvorſichtige Maus zuführt; dieſer giebt ſie mit Blitzesſchnelle einen Biß, und folgt nun, ſo ſchnell ſie kann, ihrem Schlachtopfer, welches zwar noch einige Sprünge thut, aber, von der ſchnellen Wir— kung des Giftes ermattet, bald unfähig wird weiter zu gehen und ſo ihr zur Beute wird. In der Gefangenſchaft werden die Mäuſe, welche man zu den Dttern fperet, gebiſſen und getödtet, aber nie gefreſſen, da eine gefangene Viper niemals etwas frißt, ſondern ſich zu Tode hungert. Sogar ſpeit ſie die kürzlich genoſſene Mahlzeit ſogleich aus, nachdem fie gefangen wird. Wie alle Schlangen, kann aber eine ſolche Viper den ganzen Sommer durch ohne Nahrung leben. Auch in der Freiheit ſcheint ſie wenig Nahrung nothwendig zu haben, und wenn ſie einmal eine Maus gefreſſen hat, keine mehr zu ergreifen, bis die erſte faſt oder ganz verdaut iſt, was viele Tage dauert. Auch unter der Erde frißt fie Mäuſe, und man findet oft genz junge in ihrem Magen. Nur junge Vipern ſcheinen Eidechſen zu freſſen, die alten bekümmern ſich wenig um ſie. Im Herbſt verkriecht ſich die Viper, ſo bald kühle Tage kommen, in ein Loch und bleibt da den Winter über erſtarrt und ohne alle Nahrung. So böſe und bißig die Viper auch iſt, ſo greift ſie doch ungereizt den Menſchen nie an, ſondern fürchtet ſich vor ihm; reizt man fie aber , fo funkeln ihre Augen, fie bläst ſich auf, zifcht, ſtreckt die gabelförmige Zunge aus, richtet ihre Zähne auf, zieht den Hals zurück, und ſchießt nun mit dem Kopfe vor, in alles mit blinder Wuth beißend, was man ihr vorhält. Der Umſtand, daß ihre Zunge ſo ſpitzig iſt, und ſie diefelbe, wie alle Schlangen, fo oft vorſtreckt; hat die ungegründete Meinung erzeugt, fie ſteche mit der Zunge. Dieſe iſt ein ganz unſchuldiges, weiches Organ, mit dem fie nicht verletzen kann; nur die Zähne find furchtbar. Sie beißt aber oft fehl, woran ihr ſchlechtes Geſicht ſchuld ſeyn mag. ö Alle Unglücksfälle, welche durch die Vipern geſchehen, entſtehen zufällig, wenn man unverſehens auf eine Viper trittet, oder fie mit der Hand anfaßt, was beim Sammeln von Laub oder kleinem Holze leicht geſchehen kann. Mit einiger Vorſicht hat man alſo auch in Gegenden, wo es Vipern giebt, nichts zu fürchten. Wir wollen erſt auch noch die zweite Art unſerer Vipern beſchreiben, und dann vom Biße ſelbſt und ſeinen Folgen ſprechen. Die Rediſche Viper, Vipera Redii (Fig. 2. unſerer Platte), hat ebenfalls einen ganz ſchuppigen Kopf, feine Geſtalt iſt herzförmig, der Hals iſt dünne, die Grundfarbe iſt grau, bis ins ſtark Kupferrothe, ja faſt ins Orangenfarbe übergehend, über den ganzen Rücken laufen vier Reihen brauner, ablang viereckiger Flecken, die Flecken der beiden Mittelreihen fließen zuweilen beinahe in einander, die Seitenflecken ſind kleiner; der Bauch iſt fleiſchfarbig. Dieſe Flecken bilden niemals ein Zackenband, wie bei der K 0 Kreuzotter. Zuweilen trifft man ſolche an, welche gar keine Flecken haben. Dieſe Viper iſt ſehr gemein im Jura, von Schinznach an bis nach Genf, dann aber auch im Wallis. Man findet ſie beſonders an ſteinigten Orten, an ſonnigen Bergabhän— gen, beſonders auf der Südſeite. Sie ſcheint nicht ſo hoch im Gebirge vorzukommen als die Kreuzotter. Ihre Lebensart iſt übrigens ganz dieſelbe, und ſie beißt eben ſo wenig als die andere ungereizt und unberührt. Der Biß unſerer Giftſchlangen iſt zwar ſelten tödtlich, aber immer hat er ſehr fatale Folgen, welche oft lange anhalten und unter gewiſſen Umſtänden gefährlich ſeyn können. Wenn eine Schlange beißt, ſo iſt die dadurch entſtehende Wunde ſo klein, daß man ſie kaum ſieht, wie etwa ein feiner Nadelſtich. Es kommt ein Tröpfchen Blut aus der Wunde hervor, und es entſteht auch meiſt ſogleich ein brennender Schmerz, wie von einem Weſpen- oder Horniſſenſtich. Das Gift iſt durchſichtig, gelblich, etwas kleberig. Wenn man in Italien reist oder in Gegenden wohnt, wo es Vipern in Menge giebt, ſo hört man oft von den ſchrecklichen Folgen erzählen, welche dieſe Biße haben ſollen, aber die Sache wird meiſt übertrieben. Ebel erzählt vom Berge Salvador , an deſſen Fuß das Städtchen Lugano im Canton Teſſin liegt, es habe daſelbſt ein Haus deßwegen verlaſſen werden müſſen, weil es ſo viele Vipern dafelbft gäbe, daß niemand ſicher wäre. Ein Mitglied unſerer Geſellſchaft verfügte ſich ſelbſt an Ort und Stelle, und beſtieg mehrmals den Berg zu allen Tagszeiten, hörte auch ſo viel von der Menge der Vipern und von geſchehenen Unglücken, daß er bald ſich ſelbſt nicht mehr für ſicher gehalten hätte. Allein er fand auch nicht eine Viper. Er beſtellte bei einem Schlangenfänger ſolche, und bekam nicht lange nachher 15 Stück Schlangen in einem Gefäß mit Branntwein, mit der Aufſchrift: alle giftig,. und es war auch nicht eine einzige Giftſchlange darunter, ſondern alles unſchädliche Nattern. Mit Gewißheit konnte er auch nicht einen Fall in Erfahrung bringen, daß Jemand im Teſſin an einem Vipernbiße geſtorben ſey. Ueberhaupt ſind vielleicht in vielen Jahren in der Schweiz kaum ein Dutzend Fälle aufzuweiſen, wo Leute gebißen wurden, und immer war es Unvorſichtigkeit. Wir führen nur zwei Fälle aus dem Canton Waadt an, welche bezeichnend für ſolche Verwundungen find. Im Jahr 1818 wollte ein gewiſſer Pillou, bei Vevey wohnhaft, Kirſchen in feinem Garten pflücken, als er am Fuße der Leiter eine Viper erblickte, welche ſich unter einen Steinhaufen verſtecken wollte, aber ſich nur ſo weit verkroch, daß ein Theil ihres Körpers noch ſichtbar blieb. Der Mann ergriff ſie, warf ſie heftig gegen den Boden, trat dann auf fie, und bekam, da ihr Kopf noch frei blieb, einen Biß in den Fuß. Der Schmerz war ſogleich ziemlich heftig und er konnte ſich nicht anders von der Viper losmachen, als indem er ihr mit einem Steine, während ſie ſich am Fuße feſtgebißen hatte, den Kopf zerſchlug. Faſt ohnmächtig ſank er nun nieder, alle Kräfte waren dahin, und zu gleicher Zeit fühlte er, wie ein Gefühl von Hitze mit Blitzesſchnelle den ganzen Körper durchzuckte und Schauder erregte. Dieſer Zuſtand dauerte etwa eine halbe = = Stunde, worauf er ſich fo weit erholte, daß er um Hilfe rufen und fich nach Haufe tragen laſſen konnte. Hier fing er an ſich zu erbrechen. Der ganze Körper war ſteif und kalt, mit einem kalten klebrigen Schweiße bedeckt; ſeine Geſichtszüge waren ent⸗ ſtellt, die Augen vorgetreten, der Blick ſtarr; feine Farbe war dunkelgelb, die Kinn— laden krampfhaft geſchloſſen, Sprechen und Schlucken ſehr ſchwierig. Der gebißene Fuß war wenig geſchwollen, aber das Bein oberhalb ſehr ſtark. Brech- und ſchweiß— treibende Mittel brachten bald heftiges Erbrechen und Schweiß hervor, wodurch dann Erleichterung erfolgte. Doch dauerte es volle 14 Tage, ehe die Geneſung vollſtän- dig war. ! Im Juli 1822 wurde ein 14jähriges Mädchen in der Nähe von Lauſanne von. einer Viper in die Ferſe gebißen. Sie fühlte anfangs kaum etwas Schmerz, und. glaubte es ſey nur ein Fliegenſtich, als ſie aber die Schlange erblickte, erſchrack ſie ſehr, ließ ihr Körbchen fallen, und rief um Hilfe. Schon nach einigen Minuten fühlte ſie in dem verwundeten Bein eine Art von Betäubung, dann eine Hitze, welche ſchnell durch den Körper bis in den Kopf und die Zunge drang. Es entſtund ein: brennender Durſt, gänzliche Ermattung, Zittern des Körpers und Kraftloſigkeit. Die Zunge ſchwoll auf, wurde braunſchwarz und das Sprechen ſehr erſchwert. Die Zunge wurde bald ſo dick, daß ſie der Mund nicht mehr faſſen konnte, und ſie hervortrat. Es entſtund Schmerz, Uebelkeit, Erbrechen und Ohnmacht. Man glaubte ſie werde ſterben. Beim Beſuch fand ſie der Arzt ganz ſchlaftrunken, gleichgültig gegen alles, was fie umgab, daher auch ruhig und ohne Zuckungen. Man ſuchte ihr ein ſchweiß— treibendes Mittel beizubringen, was nur mit Mühe geſchah. Das Erbrechen ließ bald nach, aber die Schlaftrunkenheit blieb, und kaum konnte fie einige Worte ſtammeln. Sie fiel wirklich in einen Schlaf, regte ſich aber bald wieder, und forderte zu trinken. Durch Hollunderthee und andere ſchweißtreibende Mittel wurde bald ein Schweiß be— wirkt, worauf Erleichterung folgte. Am 10. Juli entſtunden am ganzen Körper röth— liche Flecken, welche aber am 11. ſich auf ein Brechmittel verminderten und ſo wurde ſie nach etwa 10 Tagen ganz hergeſtellt. Die Wunde ſelbſt wurde immer mit Aez—- mitteln behandelt. Ganz ähnliche Zufälle entſtunden bei allen in der Schweiz gebiße— nen Perſonen, und waren bald mehr oder weniger heftig, keine aber ſtarb daran. Der Biß der Kreuzotter ſcheint noch gefährlicher zu ſeyn, als der Biß der Jura— Viper, da aus Deutfchland viele Beiſpiele bekannt find, wo Leute daran ſtarben. Es würde uns aber zu weit führen, wenn wir alle Fälle anführen wollten, welche uns bekannt ſind. Schnelles Behandeln der Wunde mit Höllenſtein oder Aezſtein, oder in Ermanglung desſelben mit Oel, und wenn es ein Finger oder ein anderer leicht unterbindbarer Theil iſt, Unterbindung mit einem Schnupftuch oder Band, zerſtört das Gift örtlich, oder hemmt wenigſtens ſeine Wirkung. Iſt ſie aber eingetreten, ſo ſind Brechmittel und ſchweißtreibende Arzneien die Hauptſache. f Das Gift ſelbſt aber iſt in ſeiner Wirkung nicht immer gleich heftig. Je heißer die Tage, deſto gefährlicher iſt das Gift; und umgekehrt. Die Monate Juni, Juli . und Auguſt ſind diejenigen, wo die Schlangen am lebhafteſten, ihr Biß am wirkſam— ſten iſt. Im Frühjahr nach dem Erwachen aus dem Winterſchlafe und im Herbſt bei kühlern Tagen hat er weit weniger zu bedeuten; ebenſo bei jungen Thieren. Im Winter verkriechen ſich die Vipern in ihre Löcher und erſtarren darin, bis im Frühjahr die Wärme ſie wieder weckt. Dann iſt die Schlange überhaupt nicht zu fürchten. Dagegen bleibt das Gift auch bei todten Thieren ſehr lange wirkſam, und ſogar bei Giftſchlangen, welche man Jahre lang im Weingeiſt aufbewahrt hatte, muß man ſich ſorgfältig vor einer Verletzung in Acht nehmen. Schon im wärmern Europa iſt der Biß der Vipern gefährlicher. So hat Unteritalien und Dalmatien die Sandviper (Vipera ammodytes), deren Biß ſehr gefährlich iſt. Andere Welttheile haben aber viel mehr und weit gefährlichere Giftſchlangen, deren Biß oft in wenig Stunden, ja noch ſchneller den Tod bringt. Sehr bekannt iſt als eine der gefährlichſten Schlangen, die in ganz Amerika vorkommende Klapperſchlange, die ihr Daſeyn durch das Geräuſch anzeigt, welches ſie mit ihrem wunderbaren Schwanzende machen kann. In Egypten und in Oſtindien lebt die eben ſo furchtbare Brillenſchlange und das ſüdliche Amerika hat neben der Klapperſchlange noch mehrere Arten ſehr giſtige Schlangen, durch deren Biß jährlich viele Menſchen umkommen. So lebt in den Zuckerfeldern der Inſel Martinique eine kleine grünliche Viper, durch deren Biß viele Menſchen ſterben, und da ein einziges Weibchen jährlich 30 bis 40 Junge wirft, ſo kann man ſich denken, wie ſchnell ſie ſich in ſolchen Feldern vermehren, welche jährlich nur abgeſchnitten und nicht umgeackert werden. Unſere Sammlung enthält eine bedeutende Zahl Gift— ſchlangen aus allen Gegenden, welche zu ſehen die jungen Freunde freundlich einge— laden ſind. Merkwürdig iſt die Erfahrung, daß das Schlangengift nur dann gefährlich iſt, wenn es durch eine Wunde ins Blut kommt, innerlich genommen und verſchluckt hat es nicht die geringſte Wirkung, daher kann man die Wunde von einem Schlangenbiß ohne alle Gefahr ausſaugen und dadurch die Zufälle ſehr vermindern, ja wenn auf der Stelle eine ſolche Wunde ausgeſogen wird, ſo kann faſt jede Wirkung aufgehoben werden. Selbſt das Fleiſch der Giftſchlangen kann ohne die geringſte Gefahr genoſſen werden, und noch vor wenigen Jahren wurden in allen Apotheken Vipern gehalten, und beſonders im Frühjahr Vipernkuren gemacht, da man glaubte, das Fleiſch und die Brühe von Vipern ſeyen beſonders nahrhaft, und ſolche daher abzehrenden Per— ſonen ſehr anrieth. Der Handel mit Vipern, welche beſonders in Italien gefangen wurden, war daher ſehr bedeutend. Man kochte nämlich jeden Morgen eine oder zwei Vipern, denen man den Kopf abgehauen und die Haut abgezogen hatte, und will davon ſehr gute Wirkungen geſehen haben. Selbſt die Klapperſchlangen werden gegeſſen. Jetzt iſt dieſer Gebrauch der Viperkuren mit Recht ziemlich aus der Mode gekommen, und man hält in den Apotheken keine Vipern mehr. Das Wahre iſt, das Fleiſch der Reptilien iſt überhaupt ſehr nahrhaft und geſund, aber die Vipern haben nichts beſonderes hierin, und man kann mit Froſchſchenkeln denſelben Zweck erreichen. — 8 Nach Allem, was wir nun über die Naturgeſchichte der inländiſchen Vipern geſagt haben, geht hervor, daß wir vor denſelben nicht unnöthige Furcht haben dürfen, da man mit einiger Vorſicht in Gegenden, wo es ſolche hat, jede Gefahr leicht aus— weichen kann. Die Viper ſelbſt aber iſt neben dieſem, wie alle Schlangen, ein ſehr nützliches Thier, welches beſonders eine Menge Mäuſe vertilgt. Es iſt überhaupt nicht zu fürchten, daß die Schlangen bei uns ſich zu ſehr vermehren werden, da neben dem Menſchen ſie noch eine große Menge Feinde haben, welche ſie allenthalben verfolgen. Solche ſind der gemeine Buſſard, bei uns Moosweihe genannt, ein ohnehin ſehr nützlicher Vogel, welcher hauptſächlich von Mäuſen lebt. Mit einigen Schnabelhieben zerſpaltet er den Kopf der Schlange und verzehrt ſie mit großem Wohlbehagen. Der Eichelheher (Hezler), der Storch, und wahrſcheinlich die meiſten größern Raubvdgel greifen die Vipern, wie andere Schlangen an, und wiſſen ſich ihrer ohne Gefahr zu bemeiſtern. Unter den Säugethieren iſt der Igel ein großer Schlangenfeind, und nach beſtimmten Erfahrungen ſoll ihm der Biß nicht im geringſten ſchaden. Ebenſo ſoll auch, nach den Verſuchen des Herrn Doktor Lenz, der Vipernbiß dem Iltis nichts ſchaden, daher dieſes Thier auch ein großer Feind der Schlangen ſeyn. Die Verſuche, welche man dagegen mit vielen andern Thieren machte, zeigten, daß ſie ſtarben oder doch eine längere oder kürzere Zeit krank wurden, wenn ſie gebißen wurden. Beſonders ſchnell ſterben Vögel und Mäuſe, wenn ſie gebißen werden. Wenn Vipern einander oder ſich ſelbſt beißen, ſo ſchadet es ihnen nichts. Das Gift dient der Schlange theils zu kräftiger Vertheidigung, theils und vor— züglich zur Erhaſchung ihrer Beute. Langſam und träge, wie die Viper von Natur ift, würde fie ihre Hauptnahrung, Mäuſe, gar nicht erhalten können, wenn fie den— ſelben nachjagen müßte, ſo aber erwartet die Viper ganz ruhig, bis ſich die Maus ihr nähert und ein gelungener Biß lähmt ſie augenblicklich, ſo daß ſie nicht mehr entfliehen kann, da eine große Kraftloſigkeit ſogleich die Folge der Wirkung des Giftes iſt. Die größere Menge der Giftſchlangen und die Gefährlichkeit ihres Bißes iſt eine der vielen Unannehmlichkeiten, welche das Reiſen in heißen Ländern hat, aber auch in dieſen kommen die Unglücksfälle viel ſeltener vor, als man glauben ſollte, da die Schlange niemals auf den Angriff losgeht, wenn ſie nicht gereizt wird. Wir haben auch in dieſem Jahre wieder eine Menagerie lebender Schlangen gu geſehen, unter denen aber keine giftig war. Beſonders konnte man aber an dieſen großen Schlangen die Ari beobachten, wie fie große Thiere verſchlingen, da wirklich die eine davon zwei junge Ziegen verſchluckte. Die Ausdehnbarkeit der Kinnladen iſt eine wunderbare Eigenheit dieſer Thiere. Die untere Kinnlade iſt nämlich gar nicht eingelenkt, ſondern mit einem verlängerten Stiel am Kopfe befeſtigt, und kann ſich von demſelben ſehr entfernen. Auch beſteht die Kinnlade aus zwei Stücken, welche vorn von einander gehen. So iſt es möglich, daß die Schlange ein Thier, welches dem Anſchein nach dicker iſt als fie felbft, verſchlucken kann. Es geht aber ſehr langſam zu, und der Mund zieht ſich über das Thier ungefähr ſo hinein, wie man Me ha einen Strumpf über das Bein zieht. Das Athmen kann die Schlange auch lange entbehren, und ſo erſtickt ſie nicht, auch wenn der Biſſen lange im Mund bleibt. Iſt er aber eingnal im Halſe, fo ſchlüpft er leicht hinunter. Die Zähne, welche alle nach hinten gerichtet ſind, helfen nachſtoßen, und laſſen nichts zurückgehen; ſo wie aber das Thier verſchluckt iſt, geht der Mund wieder in ſeine vorige Lage zurück und man kann es kaum mehr begreifen, wie es möglich war, daß ein ſo großer Biſſen durch den kleinen Mund eingehen konnte. Man hat auch behaupten wollen, die großen Schlangen, welche bis auf 30 Fuß lang werden, verſchlucken Menſchen. Die Mög- lichkeit, daß ſie ſolches thun könnten, iſt nicht zu bezweifeln, aber es iſt davon kein Beiſpiel bekannt, ſo viel man auch davon gefabelt hat. Unſere Sammlung hat das vergangene Jahr einen beſonders großen Zuwachs an Reptilien erhalten, von denen wir im nächſten Jahre wahrſcheinlich euch ein Ver— zeichniß mittheilen werden. Ueberhaupt hat die Sammlung ſo viel neues und ſchönes erhalten, daß es euch gewiß Freude machen wird, wenn ihr dieſelbe öfters beſeht, wozu ihr freundſchaftlich eingeladen ſeyd. 1 Erklarung der Kupfertafel. Fig. 1. Iſt eine männliche Kreuzotter, Vipera berus, zum Beißen bereit. „ 2. Eine weibliche Jura-Viper, Vipera Redii, „ 3. Iſt der Kopf der Kreuzotter. „ 4. Kopf einer Natter oder nichtgiftigen Schlange, wo die großen Schil⸗ der zu bemerken ſind. , „ 5. Zeigt den Giftzahn mit dem Knochen, auf welchem er ſteht, in na⸗ türlicher Größe. „ 6. Derſelbe Zahn ſehr vergrößert, mit ſeiner Höhle. de , a 2 1 5 Alain h Due nl en LM een 2 2 8 Br 1 985 1 0 ih riet | | g vor 1 N An u 3 * w | ' We 5 * e g ng WERE 55 1 95 N NZ 1 120 I DK OD To = A Da, durch großmüthige Beiträge vieler unſerer lieben Mitbürger, die Naturalienſammlung der Naturforſchenden Geſellſchaft im verfloſſenen Jahr eine ſehr bedeutende Vermehrung erhalten hat, ſo iſt es Pflicht, über dieſe Sammlung und über die Verwendung des erhaltenen Geldes dem Publikum, welches dazu beigetragen hat, Rechenſchaft zu geben. Schon bald nach der Entſtehung der naturforſchenden Geſellſchaft, welche ſich vor 80 Jahren durch Freunde der Naturkunde und der Wiſſenſchaften bildete, wurde das Bedürfniß lebhaft gefühlt, eine Sammlung von Naturalien zu beſitzen. Der Plan, eine Sammlung der Naturproducte unſers Vaterlands anzulegen, ward entworfen. Es wurden Pflanzen, Inſeeten, ſeltene Vögel und Mineralien geſammelt, und ſo der Anfang einer kleinen Sammlung gemacht, welche aber bald ſich durch Geſchenke und Umftände über die Gränzen der Schweiz ausdehnte. Durch Herzn Pfarrer Schinz wurde eine ziemliche Anzahl Fiſche, Krebſe und andere Seethiere von den Küſten Reapels nach Hauſe gebracht, und der Sammlung einverleibt. Das Schickſal hatte zwei Aerzte und Mitbürger, einen Herrn Wernli nach Surinam, und einen Herrn Waſer nach dem Cap geführt; beide waren ihrer Vaterſtadt eingedenk. Der erſte ſandte eine Sammlung von Schlangen, der zweite einige Hörner von Antilopen, als Andenken an die Geſellſchaft ein. Ein Chirurgus Fries brachte ſeine letzten Tage im Spital zu, und vertrieb ſich die Zeit mit Verfertigung von Seeleten kleiner Thiere, welche ebenfalls der Geſellſchaft zukamen. Endlich wurde auch die kleine Sammlung von Naturalien, welche auf der Stadt-Bibliothek aufbewahrt worden war, theils der Geſellſchaft, theils der anatomiſchen Sammlung übergeben. So bildete ſich eine Sammlung ſehr verſchiedener Gegenſtände, von welchen das Einzelne allerdings alle Aufmerkſamkeit verdiente, aber alles ohne Zuſammenhang war, und daher auch zum Zweck des Unterrichts nie gebraucht werden konnte. Auch das Zimmer ſelbſt, worin die Sammlung aufbewahrt werden mußte, war dazu als dem Verſammlungszimmer der Geſellſchaft nicht geeignet, und viele Gegenſtände gingen im Staub zu Grund. Alle Bemühungen, etwas Zweckmäßiges einzurichten, waren umſonſt, und doch — aut verlangte das Fortſchreiten der Wiſſenſchaft, die Ehre der Geſellſchaft, und das Bedürfniß des Unterrichts dringend eine zweckmäßigere Anordnung, welche durch die Verpflanzung der Sammlung in das jetzige Local allein möglich war. Dieſes wurde uns endlich durch die Hohe Regierung überlaſſen, und die erſten Unkoſten der Einrichtung durch einen Zuſchuß des lobl. kaufmänniſchen Direetoriums von fl. 500 beſtritten, und neue Naturalien angeſchafft, wodurch aber auch dieſe Summe erſchöpft wurde. Wenn wir daher fortſchreiten wollten, ſo mußte man ſich um fernere Quellen umſehen, und dieſe fanden ſich in der Großmuth unſerer Mitbürger, welche durch ihre Beiträge abermals eine Summe von faſt fl. 500 zuſchoßen. Durch Verwendung eines Theils dieſer Summe wurde es noch möglich, die Sammlung ſo zu vermehren, daß ſie der allgemein ſchweizeriſchen naturfor— ſchenden Geſellſchaft vorgezeigt werden durfte, und nun als Anfang einer Natura— lienſammlung angeſehen werden darf, welche einſt unſerer Vaterſtadt zur Ehre gereichen kann, welche noch nie in rühmlichen Anſtalten hinter andern Schweizer— ſtädten zurückblieb, und hoffentlich ihren Ruhm ferner behalten wird. Allein um dieſen Zweck zu erreichen, müſſen wir ferner die Beihilfe der Regierung und des Publikums in Anſpruch nehmen, da die Geſellſchaft ſelbſt zu wenig thun kann; und für ſich allein wohl zur Unterhaltung des Ganzen, nicht aber zur Erweiterung beizutragen im Stande iſt. Durch Correſpondenz und Tauſch gelang es, im Laufe dieſes Jahrs abermals eine Vermehrung von 26 Säugethieren und etwa 120 Vögel zu erhalten, und durch Verwendung von etwa fl. 300 Gegenſtände, deren Werth, nach den Preisanſchlägen von Frankfurt und Berlin, auf mehr als fl. 750 fteigt, anzuſchaffen. Wer uns mit Beſuchen an den öffentlichen Tagen beehrte, und die Sammlung im Frühjahr und dann wieder im Herbſte ſah, der wird gewiß dieſe außerordentliche Vermehrung bemerkt haben. So wächst auch dieſe Anſtalt freudig auf, und blüht bald zum Nutzen, zur Ehre und zum Segen unſers engern Vaterlandes. Denn nicht nur wird wochent— lich in fünf Stunden die Naturgeſchichte am medieiniſchen Inſtitut vorgetragen, ſondern auch die Schüler der politechniſchen Anſtalt benutzen die Sammlung. Erſt durch eine Sammlung kann der Trieb zu dieſem ſo reizenden, und in allen Lebensverhältniſſen ſo nützlichen und erhebenden Studium, geweckt und befriedigt werden. Vom März bis zum Detober iſt jeden Donnerſtag Nachmittag die Samm— lung für jedermann offen, und Studierende können ſie unter Aufſicht auch zu andern Zeiten benutzen. Wir freuen uns, wenn die Anſtalt oft und von recht vielen beſucht wird. Sie enthält zwar nur Gegenſtände aus dem Thierreich, da die Sammlung auf der Stadtbibliothek die Mineralien enthält, aber ſie enthält an Thieren nicht bloß viele ſehr ſchöne, ſondern auch ſehr ſeltene und merkwürdige Thiere. Die Säugethiere belaufen ſich auf mehr als 200 Arten. Darunter befin- a a den fich ein junges Männchen und ein Weibchen des fenegalifchen Löwen, ein ganz junger neugeborner Löwe, ein Jagdpanther aus Oſtin dien, der Luchs, die wilde Katze, der egyptiſche und zwei andere Arten Ichneümons, die Genetkatze, mehrere Arten Beutelthiere aus Amerika und Neuholland, das Schuppenthier aus Java, das langſchwänzige Schuppenthier aus Afrika, der große Ameiſenfreſſer und ein kleiner aus Amerika, der Zwerghirſch aus Java, das Schnabelthier aus Neu- holland, das Känguruh aus Neuholland, der Axishirſch aus Bengalen, ein Faul— thier, ein Gürtelthier; zwanzig verſchiedene Affenarten aus Aſien, Afrika und Amerika, und beinahe alle kleinern europäiſchen Säugethiere. Faſt 500 Vögel aus allen Welttheilen, Colibris in einer ſchönen Reihenfolge, meiſt als Geſchenk von einem unſerer Mitbürger; 25 Arten Papageyen, der Caſoar von Neuholland, der Pfauenkranich, der Pinguin, zwei Paradiesvögel, eine Reihe von Eisvögeln, der Ibis u. ſ. w. Etwa 200 Reptilien oder Amphibien, darunter prachtvolle Schlangen und Eidechſen aus Amerika, 3 Crocodille, Schildkröten, die Piva, den Chamäleon. Die meiſten europäiſchen See- und Flußfiſche, und etwa 200 Meerfiſche; mehr als 3000 Inſecten aus Europa und andern Welttheilen. Eine Sammlung inländiſcher Conchylien und Meerweichthiere, nebſt den ſehr merk— würdigen Verſteinerungen von großen Säugethieren von Käpfnach und Elgg, und eine Menge Köpfe und Scelete. Schon jetzt alſo gewährt dieſe Sammlung eine belehrende Ueberſicht, und wenn wir ferner unterſtützt werden, wird ihr Zweck immer mehr erreicht werden können. Möge ein reger Eifer uns antreiben, auch hierin nicht zurückzubleiben, und unſerer Vaterſtadt Ehre zu machen. Einer väterlichen Regierung, und den edeln Bürgern der Vaterſtadt und des Cantons, ſey dieſe werdende Anſtalt ferner beſtens empfohlen. Beiträge an Geld und an Naturalien werden uns immer willkommen ſeyn, und die Namen der Geber nicht vergeſſen werden. Beſonders werden auch die Herren Jagdliebhaber erſucht, ſeltene Thiere, welche ihnen vorkommen, uns gütigſt zu überlaſſen. Sie werden dort als Denkmal ihrer Freigebigkeit immer aufbewahrt werden, und als Zierde der Samm— lung dienen. Wir glauben, der beßte Dank gegen die bisherigen großmüthigen Beförderer könne durch Vermehrung und Verſchönerung der Sammlung und durch Benutzung derſelben erſtattet werden. Dieſen Zweck zu erreichen werden wir keine Mühe erſparen. Es bedarf dazu keiner außerordentlichen Beiträge; durch kleine Anſtrengungen, welche niemandem wehe thun, kann vieles erreicht werden, wenn man die Wege kennt, durch welche Naturalien zu erhalten ſind, und gute Gelegenheiten nicht vorbeigehen läßt. So allein kann es uns möglich werden, jenen gut fundirten, und vom Staate kräftig unterſtützten Sammlungen in Genf, Lauſanne, Bern, uns an die Seite zu ſtellen, und neben ihnen mit Ehren zu erſcheinen. Die Zeit iſt vorbei, wo man ſolche Sammlungen blos als Curioſitä— ten anſah, die aber weiter keinen großen Rutzen gewähren könnten. Man hat den u U ee Werth der Naturkunde für Bildung des Geiſtes und höherer moraliſcher Gefühle anerkennt, und die immer weiter gehenden Verbindungen, welche der Handel anknüpft, welche bereits auch für unſer Vaterland ſich in andere Welttheile erſtrecken, zeigen die Rothwendigkeit, nicht bloß die Producte unſers Vaterlandes oder Europas, ſondern auch diejenigen aller Welttheile kennenn zu lernen. Dieß iſt der Zweck, den wir zu erreichen hoffen dürfen, und dem wir entgegen ſtreben. Wir glaubten dieſen kurzen Bericht dem Publikum ſchuldig, und werden von Zeit zu Zeit von der Vermehrung der Sammlung Nachricht geben. Die Sammlung ſteht unter der Direction einer eigenen, von der naturforſchenden Geſellſchaft aus ihren Mitgliedern gewählten Commiſſion, und dieſe giebt der Geſellſchaft, von welcher fie abhängt, jährlich Rechnung, und von Zeit zu Zeit Bericht über den Fortgang und Beſtand der Sammlung, den ſie jetzt auch dem Publikum mitzutheilen die Ehre hat. .. . — Ba I EN ah “ ES Sie N SE be N An die Zuͤrcheriſche Jugend auf das Jahr 1834. Von der Naturforſchenden Geſellſchaft. XXXVI. S tuͤck. Das Jahr 1833 iſt in den Jahrbüchern unſerer Vaterſtadt und unſers Cantons eines der denkwürdigſten und in ſeinen Folgen wichtigſten. Nicht nur ſind die Erziehungs— und Bildungsanſtalten zu einem zuſammenhängenden Ganzen geordnet worden, ſondern eine Hochſchule iſt entſtanden, welche, wenn auch ſchon für den Augenblick ihr ungün— ſtige Umſtände drohen, und fie mit Feinden von Innen und Außen zu kämpfen bat, dennoch aufblühen und Segen über unſer ganzes Vaterland verbreiten wird. Ehre dem großen Rathe, der mit einer an Einmuth gränzenden Mehrheit den hochherzigen Schluß gefaßt hat, dem Erziehungsweſen einmal die Sorge zu widmen, die ihm ſchon lange gebührt hätte. Mag man auch im erſten Eifer etwas zu weit gegangen ſeyn und für den Augenblick manche Verfügung drückend und manches überſpannt ſcheinen, der gehörige Ton wird fich gewiß, durch Erfahrung geleitet, nach und nach finden , und die Erfahrung, wenn ſie weiſe benutzt wird, auf den rechten Mittelweg leiten. Schweigt einmal der aufgeregte Partheigeiſt und macht ruhigerer und kälterer Ueberle— gung Platz; ſind die Unbilden vergeſſen, welche eine ſchonendere Hand allerdings hätte vermeiden und ohne Schaden des Ganzen, ja zum Gedeihen desfelben, unterlaffen können, und hat die Alles mildernde Zeit über das Gehäſſige einen Schleier gezogen; prüft man dann mit unbefangenem Gemüthe das Erſchaffene und durch Erfahrung Geleitete und Verbeſſerte; ſo wird das Jahr 1833 ein geſegnetes und bis in die ſpätere Zukunft, welche die Geburtswehen nicht mehr fühlt, geprieſenes werden, und Manches, was jetzt nach dem Wahne Mancher in Trümmer gefallen ſcheint, wieder aufblühen und wie der fabelhafte Phönix neu aus ſeiner Aſche entſtehen. Mit Dank wird man erkennen, a. in daß die Erziehungsanftalten den wahren Vereinigungspunkt geben, um Stadt und Land wieder zu einem Ganzen und zu einem ſchönern Ganzen zu vereinigen, als es vielleicht nie war. Jetzt noch ſehen beide Partheien durch ein Vergrößerungsglas, die Einten glauben Alles im ſtrahlenden Lichte, die Andern im untergehenden Glanze zu ſehen, und beide ſehen falſch. Nur durch Euere thätige Mithülfe, geliebte Mitbürger, kann die Saat gedeihen, welche das Jahr 1833 ausgeſtreut hat; fie wird dann gewiß Früchte bringen, welche unſerer Jugend zum Segen gereichen werden. Ver— geſſet das Mißtrauen, und wenn es auch gerecht wäre, und tragt ferner großmüthig dazu bei, unſere Sammlungen zu äuffnen, ſtellt fie aber auch zum Gebrauch frei, denn ſonſt find es Schätze, welche die Schaben und der Roſt freſſen, und das Verdienſt, fie zufammengelegt zu haben, iſt dahin. Man unterſuche nicht ängſtlich, wer hat dazu geſteuert? wer hat ſie zuſammengebracht? ſondern, was iſt ihr Zweck? und dieſer iſt Licht und Aufklärung zu verbreiten; dadurch könnt Ihr Feinde zu Freunden machen, wenn Ihr ſie edelmüthig Theil nehmen laſſet; dadurch prallen die Pfeile des Reides ab, die auf Euch gerichtet werden. Um unſere Sammlung gemeinnütziger zu machen, und um die gütigen und groß— müthigen Beförderer beſtändig in den Stand zu ſetzen, die Fortſchritte zu beurtheilen, hat ſich die Geſellſchaft vorgeſetzt, die merkwürdigſten Gegenſtände der zoologiſchen Sammlung herauszuheben und zu beleuchten. An Stoff zu den Neufahrsblättern ſollte es daher eine lange Reihe von Jahren nicht fehlen, und dieſe eine Art von. Chronik abgeben, worin die Geſchichte der Sammlung, ihre Entſtehung und Fortbil— dung aktenmäßig aufbewahrt wird, und als öffentliches Protokoll dienen kann, durch welches ihre Verhältniſſe außer allen Zweifel geſetzt werden.“ Da gegenwärtig in allen Schulen und Collegien Naturgeſchichte gelehrt wird, ſo iſt es um ſo wichtiger, den Inhalt der Sammlung und ihren Werth genau zu kennen, damit dieſelbe benutzt werden könne, denn in der Benutzung liegt die Wichtigkeit derſelben, und die möge lichſt leichte und allgemeine Benutzung bedingt allein ihren Zweck, ſollte auch dadurch hin und wieder ein Schaden entſtehen, ſo wird er nicht unerſetzlich ſeyn, und das Publikum ſelbſt, deſſen Intereſſe es iſt die Anſtalt zu erhalten, wird wachen, daß dies nicht geſchehe. 5 Jedesmal wird die Abbildung irgend eines intreſſanten und weniger bekannten Gegenſtandes gegeben werden, ohne jedoch ſich daran zu binden, eine weitläufigert Erläuterung desſelben gerade in demſelben Neujahrsſtück zu liefern, da dieſes vielleicht erſt in der Folge ſchicklich geſchehen kann. Das diesjährige Neujahrsblatt ſoll blos als Einleitung zur Geſchichte der ſchweizeriſchen Sammlungen überhaupt dienen. Erſt ſeit Anfang dieſes Jahrhunderts hat man in der Schweiz die Nützlichkeit der Naturalienſammlungen zum Unterricht mehr eingeſehen und gewürdigt, und es iſt beſonders ein Verdienſt der allgemeinen ſchweizeriſchen Geſellſchaft für Naturwiſſen— fhaften , zur Anlegung ſolcher Sammlungen einen kräftigen und wirkſamen Antrieb gegeben zu haben. Allerdings waren ſchon im vorigen Jahrhundert in manchen u Städten der Schweiz, und namentlich auch in Zürich, bedeutende Naturalienſamm— lungen vorhanden, allein ſie dienten mehr für Befriedigung einer edeln Liebhaberei und zum Privatſtudium als zum öffentlichen Unterricht, und waren daher als todtlie- gende Capitalien zu betrachten. In früheren Zeiten wurden neben den Bibliotheken auch ſogenannte Naturalien- und Kunſtkammern angelegt, wo, ohne Auswahl und beſtimmten Zweck, allerlei Curioſa niedergelegt wurden. So hingen noch in den 80 Jahren des vorigen Jahrhunderts an der Decke der Waſſerkirche ein Crocodil, ein großer Sägefifch, und ein paar ungeheure Schildkroten, und in einem Kaſten waren einige andere Gegenſtände, z. B. das Horn eines Nashorns, der Zahn eines Narr— walls, die Rippe eines Wallfiſches aufbewahrt, aber Niemand konnte, wenigſtens die an der Decke hangenden, Gegenſtände genau ſehen. Sie wurden daher theils auf die Anatomie abgegeben, theils der naturforſchenden Geſellſchaft überlaſſen, und ſind noch vorhanden. Wie es in andern Städten der Schweiz war, iſt uns weniger bekannt, allein auch in Zürich wurden einige nicht unbedeutende Sammlungen von Privaten angelegt, von welchen diejenigen des berühmten Doctor Johann Jakob Scheuchzer im Anfang des vorigen Jahrhunderts eine der bedeutendſten war. Sie beſtund großentheils aus Mineralien und Verſteinerungen, von denen einige ſehr ſchön und noch vorhanden in den Händen ſeiner Erben ſind. Er ſtarb im Jahr 1733. Seine Sammlung enthielt beſonders ein Stück, welches großes Aufſehen machte, und über welches viel geſchrieben wurde. Es kam aus dem Steinbruche bei Oeningen, in der Nähe von Stein, und ſollte nach Scheuchzer's Meinung, der Ueberreſt eines vorſündfluthlichen Knaben ſeyn, daher überſchrieb auch Scheuchzer dieſes Stück, Homo diluvii testis (der Menſch ein Zeuge der Sündfluth). Allein dieſer vermeintliche Menſch iſt nach neuern ſehr gründlichen Unterſuchungen nicht weniger als ein Menſch, ſondern es iſt der Ueberreſt eines großen Molches. Leider befindet ſich dieſes merkwürdige Stück nicht mehr in der Sammlung, ſondern wurde um die Summe von 250 Gulden im Anfange dieſes Jahrhunderts nach Holland verkauft. Wo es jetzt iſt, wiſſen wir nicht. In der Stadtmineralienſammlung befindet ſich jedoch noch ein anders ähnliches kleineres Stück, und ganz neuerlich wurde in Oeningen wieder eines gefunden. Der Stifter der hieſigen naturforſchenden Geſellſchaft, der Chorherr Johannes Geßner, legte eine andere bedeutende Sammlung von Verſteinerungen, Mineralien und Conchilien an, welche nachher der ſelige Herr Chorherr Rahn kaufte und zum Grunde ſeiner Sammlung machte, welche er ſehr vermehrte. Dieſe Sammlung iſt diejenige, welche nachher von unſern Mitbürgern um eine ſehr bedeutende Summe gekauft und der Stadt geſchenkt wurde, und den Grund zur Stadtmineralienſamm— lung legte. Zu derſelben Zeit, als Johannes Geßner lebte, ſammelte ein Herr Hein— rich Schultheß in Hottingen die Thiere unſers Vaterlands, und legte eine ſehr bedeu— tende Sammlung von Vögeln, Inſekten, Sceleten, Verſteinerungen und Mineralien an. Die meiſten dieſer Gegenſtände find ganz zu Grunde gegangen, da fie mehr als Rare Nele 20 Jahre in engen feuchten Zimmern aufbewahrt wurden und ohne von Jemanden geſehen zu werden, vermoderten. Im Jahr 1745 wurde die naturforſchende Geſellſchaft von Dr. Johannes Geßner geſtiftet. Dieſe Geſellſchaft machte bald den Plan, die naturbiftorifchen Gegenſtände unſerer Gegend zu ſammeln, allein derſelbe kann nur zu einem ſehr kleinen Theil in Ausführung, es mangelte theils an Platz, theils an Arbeitern, die verſchiedenen Thiere auszuſtopfen und die Kunſt ſie zu erhalten war damals ſo viel als unbekannt, wodurch dann auch die Sammlung des Herrn Schultheß zerftört wurde. Dieſe Samm— lung beſtand bis zum Jahr 1820 nur aus etwa 1000 Inſekten von Herrn Caſpar Füßli geſammelt, einigen Dutzend Sceleten von einem im Spitale verſorgten Chirurgus Heinrich Fries; einer nicht ganz unbedeutenden Zahl amerikaniſcher Schlangen, geſam— melt von einem Herrn Chirurgus Werndli von Zürich in Surinam und Berbice; vielen Fiſchen, Krebſen und Weichthieren an dem Meere von Neapel, geſammelt von Herrn Pfarrer Rudolf Schinz, alles Geſchenke von Werth, aber das Ganze für unſere Zeit und die Fortſchritte der Wiſſenſchaften ſehr unbedeutend. Nichts deſto weniger aber gebührt den edeln Gebern der wärmſte Dank, ſie legten den Grund zur jetzigen Sammlung, welche man aber damals noch nicht eine öffentliche nennen konnte, da die Lage des Zimmers und Mangel an anderweitiger Unlerſtützung keine weitere Aus— dehnung und Benutzung geſtatteten. Auch an andern Orten in der Schweiz hatte man keine öffentlichen zoologiſchen Sammlungen von irgend einer Bedeutung, felbft Baſel, die alte Univerfitätsftadt, hatte Mangel daran und eine unbedeutende öffentliche Sammlung. Wohl aber waren an mehreren Orten beträchtliche Privatſammlungen, wie in Baſel diejenige des Herrn Bernoulli, in Genf die der Herren Jürine und Boiſſi, in Bern die der Herren Pfarrer Sprüngli, Studer und Wittenbach. Sprüngli beſaß die größte und vollſtändigſte Vogelſammlung in der Schweiz, welche ihn nach ſeinen Rechnungen 14/587 Schweizer— franken koſtete. Erſt nach feinem Tode wurde dieſe ſchöne Sammlung im Jahr 1804, größtentheils aus freiwilligen Beiträgen patriotiſch geſinneter Berner, um 4000 Kronen angekauft und der Stadt zum Geſchenk gemacht. So entſtand das ſchöne Berner Muſeum, in welchem außer den Vögeln auch noch die Säugethiere der Schweiz aufbewahrt werden, das erſte größere und öffentlich in der Schweiz, dem auch noch die Sprüngliſche Corallenſammlung und die Verſteinerungen einverleibt wurden. - Als Genf wieder mit der Schweiz vereinigt wurde, ſäumten die Wiffenfchaft liebenden und in allen ſolchen Anſtalten mit muſterhaftem Beiſpiele vorangehenden Genfer nicht lange, ebenfalls eine öffentliche Sammlung anzulegen, welche bald durch reiche Beiträge der edeln Bürger dieſes Staates zur größten in der Schweiz anwuchs und mit großer Thätigkeit vervollkommnet wird. Genfs Reichthum und die Beiträge, welche im Auslande lebende Mitbürger von allen Seiten ſandten, machten es hier leichter als in andern Cantonen, große Fortſchritte zu machen. Ein wackerer Geiſtlicher in Solothurn, Herr Profeſſor Hugi, legte ſich mit großem — TE Eifer auf das Studium der in den Steinbrüchen in Solothurn fo häufig vorkommenden und äußerſt merkwürdigen Verſteinerungen, und breitete durch ſeine Entdeckungen ein neues Licht über die Jura-Formation aus, welcher ſelbſt der große Cuvier alle Aufmerk— ſamkeit würdigte und vervollſtändigte. Auch in andern Fächern der Naturwiſſenſchaften ſammelte Herr Hugi, und die Regierung Solothurn's erkannte feinen Eifer, kaufte dieſe reiche Sammlung, indem fie dem Beſitzer eine lebenslängliche bedeutende Penſion zuſicherte, welche der edle Mann faſt nur zur Aufnung derſelben verwendet, da er die Früchte ſeiner jährlichen naturhiſtoriſchen Reiſen dahin abliefert. So hat dieſe Sammlung, welche jetzt in einem ſehr ſchönen und geräumigen Locale aufgeſtellt wird, durch die im vorigen Jahre unternommenen Reiſen nach Algier, Sizilien, Calabrien und Neapel, großen Zuwachs erhalten;, und wird noch mehr erhalten, da Herr Hugi's Eifer und Beiſpiel die in neapolitaniſchen Dienſten ſtehenden Solothurner Offiziere ſo zu beleben wußte, daß ſie monatlich von ihrem Gehalte etwas auf die Seite legen und dafür die Producte des reichen neapolitaniſchen Meerrs ſammeln und dem vaterländiſchen Muſeum zu ſchicken. Ein bei demſelben Regiment befindlicher Arzt und eifriger Raturforſcher, Weber aus Wallis, ſammelt die Gegenſtände und beſorgt ihre Verpackung. Dreimal ſchrieb dieſer Mann an feine Cantonsregierung nach Sitten und auch an die dortigen Jeſuitenvorſteher, und bot ihnen an, die Producte Italiens unentgeldlich zu ſammeln, und zu ſenden aber dieſe elenden Pfaffen gaben ihm nicht einmal Antwort, und ſo widmet er feinen Eifer dem weitern Vaterland, da das eigene ungebildete ihn verſchmähete. Aber wohl darf dieſes edle Benehmen der neapolitaniſchen Offiziere allgemein bekannt werden, zum Beweiſe, daß fremde Kriegsdienſte die Vater— landsliebe nicht unterdrücken und dieſe Männer nicht mit den Verfinſterern im Bunde ſtehen. Nach Solothurn trat Neuenburg auf, und bildete ein Muſeum, welches zwar ſchön reich und groß iſt, aber bis jetzt noch nicht gehörig aufgeſtellt werden konnte, da ihm ein herrliches und wirklich prachtvolles Local, welches erſt dieſen Sommer ausgebaut wurde, angewieſen wird. Großmüthig den regen Eifer eines jungen erſt angeſtellten Profeſſoren unterſtützend, kaufte die Stadt im Laufe dieſes Jahres von dieſem die ausge— zeichnete Sammlung von Fiſchen, ohne ſie geſehen zu haben, um den jungen Mann in den Stand zu ſetzen, ein Werk herauszugeben, welches ihn unſterblich machen wird, und zu welchem ſeine öconomiſchen Kräfte ohne dies nicht hingereicht hätten. Es iſt dies Herr Profeſſor Agaſſitz aus Orbe, Canton Waadt, welcher in Zürich ſich der Zoologie und den Naturwiſſenſchaften mit großem Eifer widmete, dann in Heidelberg, München und Paris ſeine Kenntniſſe vervollkommnete, und kaum 20 Jahre alt, in München ein Werk über die braſiliſchen Fiſche herausgab, welches ihm den Beifall aller Natur- forſcher gewann. Nächſtens wird ein Werk von ihm erſcheinen, wie die Schweiz und Deutſchland noch keines aufzuweiſen hat, über die foſſilen Fiſche, eine Arbeit, der ſelbſt Cuvier ſeinen höchſten Beifall zollte, und zu welcher er ſeine Beihülfe leiſtete. Unter ſolcher Leitung wird das Muſeum wohl gedeihen und ſchnell aufblühen. — 8 Endlich ſoll auch in Lauſanne ein Muſeum für Zoologie entſtehen, wie es ſchon ein ſolches für Mineralogie durch die Sammlung des Herrn Lardy hatte. In den letzten Tagen ſoll nemlich die große Sammlung des verdienten Herrn Profeſſor Cha— vannes für 12000 Franken durch Actien angekauft worden ſeyn, und wird jetzt im Schloſſe aufgeſtellt. Es iſt eine ſehr reiche Sammlung, aber meiſt nur Vögel, von europäiſchen und väterländiſchen fehlen noch viele. Auch Aarau und Luzern rüſten ſich, Muſeen für Naturgeſchichte zu errichten, erſteres hat ſchon Vieles geſammelt, und hat an dem trefflichen Herrn Frei Heroſe einen eifrigen Zoologen, und in Luzern ſammelt Herr Profeſſor Baumann ebenfalls fleißig. Die Regierungen haben aber dort noch wenig gethan. Die Privatſammlung des Herrn Frei von Aarau iſt für die europäiſchen Thiere eine der vollſtändigſten. In der öſtlichen Schweiz iſt dagegen gar nichts von öffentlichen Sammlungen vorhanden, St. Gallen hat einige wenig ausgedehnte Privatſammlungen, der Herren Dr. Zollikofer, Zylli, Profeſſor Scheitlin und Antiſtes Steinmüller, die letzte iſt die reichſte; Thurgau keine, und in den kleinen Cantonen hat einzig Herr Dr. Schläpfer in Trogen eine zoologiſche Sammlung. Nun fragt es ſich, was hat Zürich bisher für die Naturgeſchichte gethan? zu welchem Range in der Schweiz haben ſich ſeine Sammlungen erhoben? wozu dienten ſie bis dahin? wofür ſollen ſie fernerhin dienen? Die naturforſchende Geſellſchaft konnte ihre Sammlung nur unbedeutend vermehren, da ihr es theils an Platz, theils an Geld gebrach; durch Beihülfe einiger hieſiger Bürger wurden einige in einer durchrei— ſenden Menagerie verunglückle Thiere, namentlich ein paar Löwen gekauft und aufge— ſtellt; durch dieſe und einige andere neue Anſchaffungen wurde der ohnehin dürftige Platz ſo ſehr beengt, daß es unmöglich war dieſe Sammlung länger in den Zimmern der Geſellſchaft aufzubewahren, zumal da auch die Bibliothek immer mehr Platz erfor— derte. Bei Verſetzung des mediziniſchen Inſtituts in das Hinteramtgebäude, gelang es endlich der Geſellſchaft, von der Regierung einen unentgeldlichen Platz zu erlangen, wo die Naturalien zweckmäßiger aufgeſtellt und zum öffentlichen Unterricht benutzt werden konnten. Nun begann ein regeres Leben für die Sammlung, man ſah ſich nach Bei— trägen um, und die nie ermüdliche Großmuth unſerer Mitbürger und einige andere Quellen, ſetzten die Geſellſchaft in den Stand, dieſe Sammlung fo zu vermehren, daß wir ohne Ruhm ſagen dürfen, diejenige in Genf ausgenommen, iſt ſie jetzt die größte in der Schweiz. Das gegenwärtige Local iſt ihr zu klein geworden, ungeachtet erſt vor zwei Jahren ein neuer Anhang hinzugekommen war. Sie enthält jetzt 232 Arten Säugethiere in 250 Exemplaren, 780 Arten Vögel in 820 Exemplaren, 165 Arten Reptilien in ungefähr 200 Exemplaren, 150 Arten Fiſche in etwa 180 Exemplaren, etwa 4000 Inſecten, 100 Arten Weichthiere, eine ſchöne Sammlung foſſiler Knochen aus der Schweiz und Deutſchland, und eine bedeutende Menge Seelete. Nach einer mit dem Erziehungsrath getroffenen Uebereinkunft wird der Staat der Sammlung ein erweitertes Local anweiſen, und für die Benutzung zum Unterricht der Geſellſchaft a eine jährliche Zulage zur Erweiterung der Sammlung geben, wobei aber diefelbe unbe: dingtes Eigenthum der naturforſchenden Geſellſchaft bleibt. Dieſe Geſellſchaft wird ferner nach ihren Kräften beitragen, die Sammlung zu unterhalten und zu vervoll— ſtändigen. Sie darf dann aber auch hoffen, in Zukunft gütige Beiträge von ihren Mitbürgern zu erhalten, da dieſe Sammlung in jedem Fall Eigenthum unſerer Vater— ſtadt verbleiben wird, und beſonders, da noch eine große Lücke auszufüllen iſt, indem die vaterländiſchen Vögel faſt alle fehlen, aus Gründen, welche in der Beilage zum vorjährigen Reujahrsſtück angegeben ſind. Die Geſellſchaft wird es ſich dann aber auch zur Pflicht machen, der Vaterſtadt den möglichſt freien Gebrauch zu verfchaffen, und ſich freuen, wenn das Publikum an den öffentlichen Tagen zahlreich ſich einfindet. So viele unſerer Mithürger haben dieſe Sammlung noch nie beſehen. Sie werden gewiß befriedigt werden, wenn ſie ſich einmal einfinden, und ihren Beſuch wiederholen. Auch wird die Geſellſchaft ſich Mühe geben, die Jugend mit allen Merkwürdigen, was die Sammlung ſchon enthält und noch erhalten wird, bekannt zu machen, wozu dieſe Blätter den Anlaß geben werden. Der Hauptzweck aber, wozu die Sammlung beſtimmt iſt, iſt nicht blos das Anſchauen derſelben und das Vergnügen, welches dadurch dem Publikum verſchafft wird, ſondern Belehrung für Junge und Alte, beſonders aber die Benutzung zum Unterricht der Jugend. Dieſer Zweck wird hauptſächlich verfolgt werden, wobei natürlich mehr auf Gegenſtände, welche anderweitige Belehrung geben können, als auf bloßen Glanz und Schönheit geſehen werden kann, da Schönheit wohl vorzüglich dem Auge gefällt, aber auch das weniger Schöne, das Häßliche fogar, ja das von Vielen mit Abſcheu betrachtete, eben fo merkwürdig iſt. Glücklicher Weiſe kann aber ſehr oft auch das ausgezeichnet Schöne in anderer Hinſicht, als nur des Glanzes wegen, merkwürdig ſeyn, und gehört in die Sammlung. Oeffentliche Benutzung iſt daher Zweck der Sammluug, und jemehr ſie beſehen wird, deſto mehr erreicht ſie ihren Zweck, Anreizung zum Studium. Es iſt gewiß erfreulich, daß endlich auch die Naturgeſchichte bei uns die Rechte erhalten hat, welche derſelben in andern Staaten ſchon längſt ſind eingeräumt, und ihre Wichtigkeit anerkannt worden. Denn leider war es bis dahin auch in der Schweiz nicht ſo, wie Oken in der Iſis von 1834 glaubt, auch bei uns wurde die Naturgeſchichte von den Philologen bisher aus der Schule geworfen, und es war dies ebenſo wie anderswo, die Folge der dünkelhaften Herrſchaft der Philologen, die einen Ruhm darein ſetzen nur Eines zu wiſſen, und alles Andere für Tand und Svielerei halten, als ob man von lateiniſchen und griechiſchen Brocken leben könnte. Sie bedenken gar nicht, oder begreifen es nicht, daß das Studium der Naturgeſchichte großen Einfluß auf die Culturgeſchichte der Menſchheit hat, wie z. B. die Geſchichte der Hausthiere mit der Geſchichte der Civiliſation der Menſchen und ihre Verbreitung auf der Erde zuſammenhängt, wie ſie über den Werth alter Sagen, über Erſchaffung und Alter der Erde, über die ſogenannte Sündfluth und die Veränderungen, welche die Erde erlitt, über eine Menge Gegenſtände der Mythologie, über die Sitten und Lebensart der 1 Völker und über die Verhältniſſe, unter welchen ſich der Menſch vom Stande der Wildheit zum Stande der Cultur erheben konnte, Nachweiſungen giebt. Sie zeigt uns, welche Veränderungen der Menſch und die Thiere in den verſchiedenen Climaten erleiden, wie die Geſchöpfe auf der Erde verbreitet ſeien, nach welchen Geſetzen dieſe Vertheilung geſchehe; wo man jedes natürliche Product aus den verſchiedenen Reichen zu ſuchen habe, wo es am beſten vorkomme. Die Zoologie beſonders findet ihre An— wendung auf die Naturgeſchichte des Menſchen, auf die Geſundheitserhaltungskunde, auf die Heilmittellehre, da mehrere ſehr wirkſame Heilmittel auch von den Thieren kommen, auf die Landwirthſchaft und Viehzucht, auf die Kenntniſſe der nützlichen und ſchädlichen Thierarten, über welche oft ſo ſonderbare Begriffe herrſchen, auf die Forſtwirthſchaft und endlich auf Handel und Gewerbe. Kurz, ſie greift viel tiefer in's menſchliche Leben ein, als man gewöhnlich glaubt. Auch iſt das Studium der Naturgefchichte von großer Wichtigkeit, um rein religiöſe Anſichten zu verbreiten und die Weisheit und Allmacht des Schöpfers recht anſchaulich zu machen; fie bringt den Menſchen zu der beſcheidenen Anſicht, daß man viel wiſſen müſſe, um einzuſehen, wie wenig man wiſſe. Darum freue ſich auch unſere Jugend der aufblühenden Anſtalt, ſie iſt, wie ſo vieles Andere, ein Erforderniß einer Zeit, wo keine Vorrechte mehr gelten, und jeder Menſch in ſeine Rechte einzutreten ſtrebt, welcher er aber nur dann zu genießen würdig ift, wenn höhere Bildung ihn dazu tüchtig machen. Die Menſchen mehren ſich, die Mittel zur Erhaltung werden ſchwieriger aber auch vielfacher, um dazu zu gelangen. Alle Klagen über den Zeitgeiſt find eitel; denn wer kann ihn leiten? wer ihm Still— ſtand gebieten, er geht deſpotiſch vorwärts, und nur das Fortſchreiten mit ihm kann ihn milder machen; wer dem Strome entgegen ſchwimmen will, geht unter. Aus dieſem Geſichtspunkte muß man unſere Inſtitute, unſere neuen Anſtalten beur— theilen, und man wird ihre Nothwendigkeit, ihren Nutzen einſehen, ſie lieb gewinnen und unterſtützen, ſtatt ihnen entgegen zu arbeiten. Alle unſere Schweizerſtädte, alle Cantone ſehen dies ein, und wer am ſchnellſten vorwärts ſchreitet, erreicht auch das mögliche Ziel am früheſteu. Bei der ſteigenden Bevölkerung können unſere jungen Leute nicht vorausſehen, daß fie alle im Vaterlande bleiben werden, viele find ſchon im weiten Anslande, in Rordamerika, in Mexico, Buenes Ayres, ſelbſt in Indien, und wenn man auch allen unſern Jünglingen den Spruch einprägen wollte: wo unſer Vaterland iſt, da ſoll es uns auch wohl ſeyn, und nicht jenen wo mir wohl iſt, da iſt auch mein Vaterland, ſo ſoll dies nicht ſagen: du ſollſt dein ganzes Leben im Vaterlande zubringen; der Jüngling muß hinaus in das Treiben der Welt, ee muß erringen, um ſelbſtſtändig werden zu können, wohl ihm, wenn die Anſtalten ſeines Vaterlandes dazu ihn in den Stand ſetzen, er wird es dann nie vergeſſen, daß er dem Vaterlande Alles zu verdanken hat, und ihm dankbar dafür ſeyn, ſeie es unter welchem Himmel und Breiten— grade er Lebe, und feine Dankbarkeit am beſten darin zeigen, daß er auch aus der Ferne zur Unterſtützuug der Bildungsanſtalten beiträgt, die ihn zum nützlichen Manne gemacht haben. 9 5 Der Raum, der dieſen Blättern anberaut iſt, geftattet nicht, jetzt noch weite r ein— zutreten. Es mag für diesmal genug ſeyn, im Allgemeinen über unſere Sammlungen geſprochen zu haben; die Erfahrung wird ihren Nutzen zeigen. Selbſt über das Kupfer, welches dieſem Neujahrsſtück beigegeben iſt, dürfen wir nur kurz ſeyn; es wird ſchon Gelegenheit geben über dieſen und andere Gegenſtände im Verfolg weiter einzutreten. Es ſtellt unſere Kupferplatte des wohlgetroffene Bild des Alpenhaſen vor, der in allen unſern Hochgebirgen angetroffen wird, aber auch im hohen Norden ſich findet, während er bei uns die Alpen nie verläßt. Er hat das eigen, daß er im Winter das reinſte weiſſe Kleid anzieht und dadurch ein Schutzmittel hat, ſich den Augen der Men— ſchen und Thiere zu entziehen, im Mai ändern ſich ſeine Haare, und er wird Anfangs filbergrau, dann aber mit vorgerückter Jahrszeit röthlich grau, im October aber wieder weiß, nur die Spitzen der Ohren bleiben immer ſchwarz. Seine Füſſe find viel breiter, ſeine Zehen länger und ſeine Fußſohlen viel ſtärker behaart, als bei unſerm gemeinen Haſen, damit er einerſeits, wann er ſeine Zehen ausbreitet, nicht in den oft lockern Schnee einſinke und anderſeits auch bei heftiger Kälte nicht friere. Er iſt zwar fcheu und furchtſam, wie fein Vetter, der gemeine Haſe, aber fein Betragen iſt doch kecker und argliſtiger; es iſt, als ob ſeine luftige und hohe Heimath auch auf ſeine intelleetuelen Kräfte wirke. Der Thalhaſe liebt niedrige Gebüſche oder Felder, der Berghaſe bewohnt Felſenhöhlen, oder ſucht Schutz zwiſchen Steinhaufen, und liegt bei Sonnenſchein oft auf dem Schnee, wo ihn das geübteſte Auge oft nicht entdeckt. Mit dem gemeinen Hafen miſcht er ſich nicht. Nur die große Kälte und der tiefe Schnee treibt ihn im Winter in die Holzregion des Mittelgebirges hinunter; er wühlt ſich auch oft unter den Schnee ein und ſucht ſich da ſeine Nahrung oder geht dem Heu an den ſogenannten Heugaden nach, wo das Heu im Winter auf den Alpen auf— bewahrt wird, und findet er ein Loch, wodurch er hineinkriechen kann, ſo legt er ſich wohl ſelbſt auf den Heuſtock, wo er warmes Lager und einen immer gedeckten Tiſch findet, aber auch durch ſeine Exkremente oft viel Heu verderbt und ſo Schaden anrichtet, ſobald aber der Winter milder wird, ſteigt er wieder in die Höhen, welche er im Sommer nicht verläßt. Schnell ſpringt er Berg an, ungeſchickter Berg ab, weil ſeine kurzen Vorderfüſſe und langen Hinterfüſſe das Steigen leichter macht. Er vermehrt ſich ſtark und wirft jeden Sommer mehrere Male zwei bis vier Junge, für welche er aber nicht ſehr zärtlich iſt. Wird er aufgejagt, ſo ſucht er ſich eher zu verbergen, als weit zu fliehen. Mit Hunden wird er ſeltener gejagt, am meiſten vom Jäger ausge— fährtet, das heißt, der Jäger geht ſeiner Spur auf dem Schnee nach, welche ihn zum Lager des Haſen leitet, und findet ihn da oft ſchlafend, wo er ihn dann leicht ſchießen kann, denn ganz darf er ſich ihm nicht nähern, ſonſt erwacht und entflieht er. Fleiſch und Haut ſind gut, letztere aber ſoll weniger brauchbar ſeyn, als die des gemeinen Haſen, daher iſt der Balg auch wohlfeiler. Soviel über dirſes Alpenthier, welches nicht ſelten auf unſern Märkten vorkommt. e Kr J Y 09 a N 15 7 ga: 7 un aan sr 11 als et 21 7 e I t mi ab n al di n N N = * BR 10 . DE 22 m 12700 Alg e N . An a WI ED Fu oh Kr 15590, 17 s =: a ee TE 1 1 Aid MAR: DR a we inn n an 2er a W 1 8 n ane eh 9% R et sun 1 ei 2, a Nes e { 3 N 2 Da 2] iR 10 e 11 cn 2840 7 Nn eh un Niall en 2 BR Mee N RER zn 27 1884 ER RL . er, 2 i har, un 61 n 101 20 0 11 0 1 N Reese Re Me WER N Ni NN 1005 rain DENN Ho 1 e ee. 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Dieſe Blätter ſcheinen uns vorzüglich geeignet, als eine Art Wegweiſer denen zu dienen, welche dieſe Sammlung beſehen, ſie können als Annalen derſelben angeſehen werden, welche ſür die Geſchichte der Anſtalt nicht unwichtig ſeyn dürften. Höchſt anſehnlich iſt die Vermehrung, welche im vorigen Jahre dieſe erhielt. Geſchenke und Anſchaffungen trugen dazu ſo viel bei, daß es unmöglich iſt, alles das Neue in dem jetzigen Local aufzuſtellen. Es iſt daher höchſt nöthig, daß die längſt ſchon projectirte und bereits beſchloſſene Baute einmal beginne, wozu wirklich die beſtimmte Zuſicherung vorhanden iſt. Dann erſt wird ſich der Reichthum entwickeln, welchen die Sammlung enthält. Das vorzüglichſte Geſchenk von hohem Werthe erhielt die Anſtalt durch einen unſerer Mitbürger, der ſeit mehreren Jahren in der Stadt Buenos-Ayres am Silberſtrome in Südamerika als Kaufmann ſich aufhält. Es beſtand aus 150 Stück der ſchönſten Vögel jenes Welttheils, wovon wenigſtens 50 unſerer Sammlung ganz fehlten, andere nur ſchlecht vorhanden waren. Möchte dies edle Beiſpiel andere unſerer Mitbürger, welche in Brafilien, Mexiko, in den vereinigten Staaten und anderswo leben, anſpornen, ähnliche Geſchenke zu ſenden. Eine ſolche, zwar geringere, Schenkung erwarten wir aus Perſien von einem unſerer Cantonsbürger, welcher dort lebt. Schon jetzt iſt die Sammlung ſo groß, daß ein Spaziergang durch dieſelbe uns lange nicht alles zeigen kann, und erſt eine nähere und genauere Betrachtung, die Menge und Verſchiedenheit der Gegenſtände zeigt. Die Tage, an welchen dieſe Sammlung im — 2 — — Sommer offen ſteht, wurden zwar von Mehreren benutzt, aber doch war der' Beſuch bei weitem nicht ſo zahlreich, als es wünſchbar wäre, um allgemeine Theilnahme dieſer, der naturforſchenden Geſellſchaft ausſchließlich gehörenden, Anſtalt ſo zu wecken, wie es zur zweckmäßigen Ausſtattung nöthig wäre. Bei dem Beſuch möchte es Manchem auffallen, die Zahl der Vögel zu der der Säu— gethiere ſcheinbar außer Verhältniß groß zu finden, daß kein Verhältniß zu ſeyn ſcheint. Aber eines Theils iſt die Anſchaffung der Vögel weniger koſtbar, und die Unterhaltung und Aufbe— wahrung leichter; auf der andern Seite aber iſt das Mißverhältniß nur ſcheinbar, indem man nur etwa 1000 Säugethiere und dagegen 5000 Vögel kennt; nun beſitzen wir 250 Arten Säugethiere und 900 Arten Vögel, alſo von den erſten etwa den vierten Theil der bekannten, von den andern den fünften Theil. Dasſelbe Verhältniß hat auch bei den Amphibien ſtatt, dagegen ſind wir viel ärmer an Fiſchen, deren bekannte Artenzahl auch auf mehr als 4000 fteigt, und was vollends die Infekten betrifft, fo beſitzen wir kaum den zehnteſten Theil von der bekannten Menge der Arten, welche man auf 40,000 ſetzen kann. Allein die Sammlung, und beſonders die Erhaltung derſelben, hat ſehr große Schwierigkeiten, und viele bieten nur für den eigentlichen Sammler und Kenner Intereſſe, da ſie theils zu klein ſind, theils ihre Naturgeſchichte weniger Wichtiges und Beſonderes hat. Von den merkwürdigſten und in die Augen fallendſten, haben wir doch viele und faſt genug für den Unterricht. Bei der allgemeinen Einführung der Raturgeſchichte in allen unſern Schulen, werden die Sammlungen immer wichtiger und nöthiger, und es vergieng keine Woche, wo die Sammlung nicht von dieſer oder jener Abtheilung unſerer Stadt- und Cantonsſchulen beſucht worden wäre, und kaum ein Tag, wo ſie nicht bei den Vorträgen an der Hochſchule benutzt wurde. Eine Anführung in's Einzelne würde weit mebr Raum einnehmen, als dieſen Blättern gewidmet werden kann, aber das Vorzüglichſte, das Wichtigſte, werden wir nach und nach ausheben, und vorzüglich auf ſolche Gegenſtände aufmerkſam machen, welche auf unſere Oeconomie bedeutenden Einfluß haben, wobei wir nicht darauf ſehen können, ob der Vorwurf, den wir jedesmal wählen, ſich durch Glanz oder Größe, oder beſondere Geſtalt auszeichne, ſondern lediglich, wie wichtig es für unſern unmittelbaren Schaden oder Nutzen ſey. Und in dieſer Hinſicht heben wir diesmal eine Abtheilung von Säugethieren aus, welche meiſt nur kleine Thiere enthält, allein in Hinſicht auf die Vortheile und Nachtheile, welche wir daraus ziehen, wichtig genannt werden muß, da viele von ihnen mit uns unſere Häuſer bewohnen, unſere Gärten und Felder beſuchen, andere aber durch ihren Pelz in anderer Beziehung im Handel ſehr wichtig ſind. Es iſt dies die zahlreiche Familie unter den Säugethieren, welche unter dem Namen der Nagethiere bekannt ſind, die alle die Eigenſchaft gemein haben, daß ſie ihre Speiſe erſt mit ihren Vorderzähnen zernagen müſſen; daher der Name Nager. Sie haben zu dieſem Behufe oben und unten zwei ſehr lange, vorn meiſelförmig geſchärfte Zähne, welche — 3 — ſehr ſeſt im Kiefer ſtehen, ſehr lange Wurzeln haben und wenn ſie abbrechen immer wieder nachwachſen; außer dieſen vier Zähnen haben ſie nur noch zwölf oder ſechszehn Backenzähne ganz hinten an jeder Kinnlade, welche ſie zum Kauen brauchen, und zwiſchen den Vorder- und Backenzähnen iſt ein großer Raum ohne Zähne. Durch dieſe Einrichtung können ſie mit ihren Vorderzähnen furchtbar beißen und noch beſſer nagen. Sie zernagen nicht nur leicht das härteſte Holz, ſondern ſogar auch Kalk, und ſind daher im Stande ſelbſt Mauern zu durchfreſſen; die Hinterfüſſe ſind bei den meiſten viel länger als die vordern, daher können ſie nicht bloß laufen, ſondern auch ſpringen; viele können auch graben und machen ſich Löcher in die Erde, worin ſie ſich verbergen; andere haben ſehr lange Schwänze, welche ihnen beſonders zum Klettern dienen, wenn fie mit ſteifen kurzen Haaren bedeckt und ſchuppig find, oder als Balancirorgane, wenn der Schwanz lang und ſtark behaart iſt, da dieſe Arten klettern und von einem Baum bis zum andern ſpringen, oder um beim Sprunge die Gewalt des Falls aufzuhalten, bei denen, welche ſehr ſtarke Sprünge machen. Der Pelz iſt immer dicht mit Haaren beſetzt, welche bald äußerſt fein, kurz oder lang, bald aber ſo grob ſind, daß ſie bei einigen in förmliche Kiele und ſehr lange Stacheln übergehen. Einige klettern ſehr leicht und mit der größten Schnelligkeit auf Bäume, wo ſie faſt immer wohnen, andere laufen auf der Erde mit eben ſo großer Schnelligkeit, andere dagegen ſind weniger ſchnell; dieſe aber graben Löcher, in welche ſie bei Gefahr flüchten. Einige ſchlafen den ganzen Winter und freſſen dann gar nichts, andere ſchlafen oft im Winter, einige Tage oder Wochen lang; wenn ſie dann erwachen, freſſen ſie. Dieſe legen ſich Wintermagazine an; noch andere aber ſind den ganzen Winter munter. Sie find meiſt ſehr gefräßig, nähren ſich aus dem Pflanzenreich, viele aber genießen auch Fleiſch und Fettigkeiten aller Art, und ſind überhaupt keine Koſtverächter. Die meiſten ſind ſehr fruchtbar und vermehren ſich in kurzer Zeit oft ſo, daß ſie zur Landplage werden können, um ſo mehr, als die Jungen ſchon im erſten Jahre ihres Lebens ſich wieder fortpflanzen. Glücklicher Weiſe werden ſie nicht alt und haben außer⸗ ordentlich viele Feinde. Nur ein Beiſpiel ihrer ungeheuern Vermehrung: In Penſyl— banien in Nordamerika, hatten ſich die Eichhörnchen fo ſehr vermehrt, daß fie die Mais⸗ oder Welſchkornpflanzungen ganz verwüſteten, ſo daß man einen Preis von drei Pfenningen für die Einlieſerung eines Eichhorns ausſetzte. Im Jahr 1749 wurden in Folge dieſer Verordnung 8000 Pfund Sterling (über 80,000 Gulden) ausbezahlt, welches die Zahl von 1,280,000 Eichhörner ausmacht, Die Pelzhandelgeſellſchaft in der Hudſons⸗Bai in Amerika, führte in einem Jahr 80,000 Biberfelle aus. Zu dieſer großen Abtheilung gehören die Gattungen des Bibers, der Zibetmaus, der Feldmaus, der Stachelratte, der Schlafmaus, der Schwimmaus, der Hamſtermaus, der Springmaus, der Blindmaus, der Sandmaus, des Hüpfers, des Murmelthiers des Eichhorns, des fliegenden Eichhorns, des a Stachelſchweines, des Hafen, der Haſenmaus, des Capivara, des Meer— ſchweinchens, des Aguti, des Paka. Die mit größern Lettern gedruckten Gattungen befinden ſich alle in unſere Sammlung. - Wir wollen diesmal befonders die Geſchichte zweier Thiere aus der Gattung „Maus“ herausheben, welche für unſere Oeconomie oft ſehr bedeutenden Schaden thun. Es ſind zwar, beſonders die erſte, allgemein bekannte Thiere, aber dennoch iſt ihre Naturgeſchichte wahrſcheinlich nicht fo allgemein bekannt, als man glauben ſollte, und die zweite Art iſt bei uns glücklicher Weiſe noch nicht bekannt; allein es iſt mehr als wahrſcheinlich, daß ſie nur zu bald ſich auch einfinden werde, da ſie in ſehr naher Nachbarſchaft, nur wenige Stunden von uns, ſchon eingetroffen iſt. Es iſt die Hausratte und die Wanderratte, welche unſer Blatt vorſtellt. Die Gattung Maus, zu welcher ſie gehören, zeichnet ſich durch Folgendes aus: Sie haben einen langen, ſchuppigen, mit kurzen Stachelhaaren bedeckten Swanz; in jeder Kinnlade auf jeder Seite nur drei Backenzähne. Die Vorderzähne ſind ſtark und ſehr ſcharf, und ſie können damit gewaltig beißen und nagen. In unſerer Gegend haben wir zu dieſer Gattung gehörend, die Hausmaus, die Hausratte, die Wanderratte und die Waldmaus; alle find nebſt zwei andern in Deutſchland vorkommenden Arten, der Brandmaus und Rüſſelmaus, in unſerer Sammlung. So unangenehm dieſe Tbiere den meiſten Menſchen ſind, fo iſt doch ihre Ratur— geſchichte ſehr merkwürdig. Ohne Grund fürchten ſich viele Leute gar ſehr vor dieſen Thieren, da ſie dem Menſchen ſelbſt niemals etwas thun, als wenn man ſie angreift und ſie nicht ausweichen können, und viele, beſonders Damen, möchten wohl die alten Römer und Griechen beneiden welche dieſe Thiere gar nicht kannten, da die Geſchichte uns nachweist, daß dieſe beiden Rattenarten noch nicht ſehr viele Jahrhunderte in Europa ſich eingefunden haben. Die Hausratte, welche noch vor wenigen Jahrzehnten in ganz Europa vorhanden war, gehört unter die wandernden Mäuſe, da deren urſprüngliches Vaterland unbekannt iſt. Sie ſcheint erſt im Mittelalter nach Europa gekommen zu ſeyn. Einige glauben ſogar, ſie kommen aus Amerika, allein ſchon Geßner, der doch nicht lange nach der Entdeckung Amerika's lebte, kannte die Hausratte und ließ ſie gut abbilden. Dagegen iſt es gewiß, daß dieſes Thier durch europäiſche Schiffe faſt in alle Länder gebracht worden iſt. Auf den Inſeln der Südſee kannte man ſie nicht, jetzt hat ſie ſich daſelbſt ſehr vermehrt, dagegen iſt dieſe ſchwarze Hausratte im größten Theile Deutſchlands gar nicht mehr zu finden, was ſehr erwünſcht wäre, wenn nicht ſtatt ihrer die viel größere und gefräßigere Wanderratte, von welcher wir auch noch ſprechen wollen, eingewandert wäre, wodurch die Bewohner jener Gegenden, wie das Sprüchwort ſagt, vom Regen unter die Traufe gekommen ſind. Jedermann bei uns kennt die Ratte; was die Hausmaus im Kleinen, das iſt die — 5 — Ratte im Großen und Groben. Die Farbe iſt dunkel ſchiefergrau, das Haar ſehr grob, der Schwanz lang und ſchuppig aber nichts weniger als kahl. Die Schuppen liegen in Ringen und der ganze Schwanz iſt mit kurzen, ſteifen Haaren, zwar nicht dicht, bedeckt wodurch er ganz rauh wird, fo daß man nicht ohne Widerſtand von der Schwanzſpitze gegen den Leib hin mit den Fingern fahren kann. So unbedeutend dies beim erſten Anblick ſcheinen mag, ſo wichtig iſt dieſe Bildung für die Lebensart des Thieres; denn durch dieſe Steifigkeit der Haare können die Mäuſe, und beſonders die Hausratten, an Mauern, unebenen Hölzern und Stricken, ziemlich ſchnell klettern und ſo in die Höhe gelangen; verlieren ſie den Schwanz, ſo müſſen ſie am Boden bleiben. Man findet nicht ganz ſelten, doch ſeltener als bei den Hausmäuſen, ganz weiße Ratten, mit rothen Augen, welche aber nichts ſind, als von der Weißſucht befallene Thiere, wie man ſie bei faſt allen Arten von Säugethieren und Vögeln, ja ſelbſt bei Menſchen findet. Da die Hausratte ſich an unreinlichen Orten, neben Abtritten, Miſtſtätten, in Kellerlöchern und feuchten Mauergängen aufhält, ſo verbreitet ſie einen unangenehmen, moderigen Geruch, der an den Händen hängen bleibt, wenn man eine Ratte berührt. Vielleicht rührt dieſer Geruch auch von dem Urin her, welcher faſt ber allen Gattungen der Nagethiere ſehr ſtark und widerlich riecht. Ein ganz anderes Thier iſt die braune Wanderratte; ſie iſt viel größer als die Hausratte, auch viel gefräßiger und kühner, daher auch viel ſchädlicher. Dieſe Ratte iſt wandernd, daher ihr Name, und man kann ihre Wanderungen geſchichtlich nach— weiſen. Ihr wahres Vaterland iſt höchſt wahrſcheinlich Perſien oder Indien. Erſt im vorigen Jahrhundert wurde ſie in Europa bekannt, Linneus kannte ſie noch nicht. Sie kamen wahrſcheinlich über Sibirien nach Rußland, und verbreiteten ſich langſam, aber immer vorwärts wandernd, über Europa. Im Jahr 1738 bis 1740 hat man ſie zuerſt in Paris bemerkt; man glaubte, ſie ſeyen durch ein Schiff nach der Provence gebracht worden. In England bemerkte man ſie 1730, in Pommern erſt 1784. Ihre Wanderungen in Deutſchland giengen vom Harz aus nach Oſten an die Saale und Elbe. Seit wenigen Jahren ſind ſie auch in die Schweiz eingewandert, und in den Cantonen St. Gallen, Thurgau und Schaffhauſen angekommen und ſo hart an unſere Gränzen. Wo ſie hinkommen, wandern die ſchwarzen Hausratten vor ihnen aus, und verſchwinden. Daher iſt die Hausratte in einem großen Theile Deutſchlands gänzlich verſchwunden, und ihre Bälge werden für Sammlungen bereits ziemlich theuer verkauft. Wo die Wanderratte hinkommt, bemerkt man bald ihre Verwüſtungen durch ihre Gefräßigkeit. Das Wandern der Mäuſe iſt übrigens mehreren Arten gemein und gehört unter die merkwürdigſten Erſcheinungen. Berühmt iſt in dieſer Hinſicht der norwegiſche Lemming und die ſibiriſche Wurzelmaus, welche in unbeſtimmten Zeiten, in ungeheurer Anzahl, Millionenweiſe auswandern, wobei ſie immer gerade ausgehen, und alle Furcht a vor den Menſchen verlieren. Selbſt unſere Feldmäuſe wandern zuweilen, und vor einigen Jahren war ein deutſcher Naturforſcher, aus Mainz, Augenzeuge, daß mehrere tauſend Feldmäuſe bei Koſtheim über den Rhein ſchwammen. Doch dieſe Wanderungen geſchehen auf einmal und nicht nach und nach, wie bei der Wanderratte. Vielleicht haben wir ein andermal Gelegenheit, von dieſen Wanderungen mehr zu ſagen. Der Aufenthalt beider Arten Ratten iſt im Ganzen derſelbe, Scheunen, Keller, Ställe, beſonders Pferdeſtälle, Heuböden, zwiſchen dem Täfelwerk der Häuſer, vorzüglich in den in die Erde gehenden Abtritten und den dazu führenden Gängen. Die Wander— ratte zieht die Gegenden am Waſſer vor, und findet ſich am liebſten in der Nähe der Mühlen unter deren Wuhrungen. Durch ihr Nagen machen fie oft Löcher in die Mauern, und nicht ſelten haben ſie Gänge durch ganze Straßen alter Häuſer, und man hat Beiſpiele, daß Mauern durch ſie endlich einſtürzten. Die Wanderratte iſt um ein Drittel größer als die Hausratte; am ganzen obern Theil des Körpers iſt ſie rothbraun, am Bauche weißlich; das Männchen iſt größer als das Weibchen und viel kühner und frecher; die Vorderfüße haben vier Zehen; die hintern fünf; ſie ſind durch eine kurze Schwimmhaut mit einander verbunden, daher können dieſe Thiere auch vortrefflich ſchwimmen. Die ſchwarze Hausratte geht nicht gerne ins Waſſer, obſchon ſie auch gut ſchwimmt; die Wanderratte dagegen thut dies ſehr gerne, taucht ſogar, und kann auf dem Boden des Waſſers weglaufen. Im Sommer geht ſie häufig in die Gärten und ſogar auf die Felder, was die Hausratte nicht thut. Wir wollen überhaupt eine vergleichende Ueberſicht über die Lebensart beider Arten zuſammenſtellen, aus welcher ſich ergeben wird, daß die Plage, welche die Hausratte bringt, viel geringer iſt, als der Schaden, welchen die Wanderratte anrichtet. Die Nahrung beider Arten beſteht in allem was der Menſch genießt. Die eigentliche Nahrung der Hausratte iſt Korn und Getraide, und man ſieht ſie oft des Nachts bei Mondenſchein über die Dächer nach den Kornböden ziehen. Sie freſſen nicht bloß das Korn, ſondern tragen es auch in ihren Haaren weg. Sie ſträuben nämlich unter einem Haufen Korn oder Hafer das Haar, und laſſen die Körner hinein— fallen, ſchließen dann das Haar wieder, laufen in ihre Löcher und ſchütteln ſich. In Pferdeſtällen freſſen ſie den Hafer aus der Krippe und beißen oft die Pferde vom Freſſen ab. Man hat geſehen, daß fie den Pferden den Huf annagten und den Schweinen Löcher in den Speck fraßen. In Kellern und Vorrathskammern freſſen fie Milch, Fleiſch, Speck, Butter, Käſe, Wurzeln, Obſt, beſonders Unſchlitt und Oel. Man hat mehrere Beifpiele, wo Brände in Häuſern und Ställen dadurch entſtanden, daß die Ratten brennende Lichter, die man hatte ſtehen laſſen, fortſchleppten. Sie wiſſen das Oel aus den Gefäßen, auch wenn ſie enge ſind, ſehr gut zu bekommen: ſie ſtrecken die Schwänze hinein und ziehen fre dann durch den Mund. Zuweilen freſſen fie den Fi Tauben in den Taubenhäuſern Junge und Eier. In den Gärten klettern fie auf die Bäume und freſſen Aepfel und Birnen, beſonders aber an den Spalieren, Pfirſiche und Weintrauben. An Kutſchen und Wagengeſchirr freſſen ſie das mit Oel getränkte Lederzeug an. Sie freſſen ſich durch hölzerne Wände ſchnell durch, und ebenſo durch— brechen ſie nach und nach Riegelwände. Die Wanderratte genießt alles dieſes auch, iſt aber viel gefräßiger und liebt mehr Fleiſch; ſie laſſen, wo ſie ſolches haben können, das Getraide liegen. In den Gerbereien zerfreſſen ſie gegerbtes und ungegerbtes Leder; nagen friſch geſtärktes Linnenzeug und unreine Wäſche an; in den Papiermühlen nagen ſie an der Papiermaſſe; in den Ställen ſind die fetten Schweine nicht vor ihnen ſicher; man hat Beiſpiele, daß ſie den Pferden die Schwänze abgefreſſen, und ſogar, daß ſie junge Lämmer in den Ställen auffraßen. Sie würgen brütende Hühner und freſſen ſie ſammt den Eiern; junge Hühner, Gänſe und Enten tödten ſie ebenfalls. Fetten Gänſen freſſen ſie zuweilen Brüſte und Flügel ab; ja ſelbſt Kinder in der Wiege ſind nicht vor ihnen ſicher; ſie freſſen Fiſche und Krebſe, und in einzelnen Fällen haben fie ſchon ſchlafende oder kranke Menſchen angefallen. Ihre Gefräßigkeit übertrifft Marder, Iltis und Fuchs. Die Hausratte wirft jährlich dreimal, jedesmal vier bis ſieben Junge. Die Wanderratte wirft ebenfalls dreimal im Jahr, aber ſelten unter zwölf auf einmal, und auch nicht ſelten achtzehn bis ein und zwanzig, und die Jungen vermehren ſich ſchon im erſten Jahre wieder. Ihre Jungen werfen ſie immer unter der Erde, und die Mutter vertheidigt ſie mit großer Kühnheit und Muth. Der Schaden, welche dieſe beiden Mäuſearten in unſerer Oeconomie errichten, iſt, wie Jedermann von der Hausratte wohl weiß, gar nicht unbedeutend; der von der Wanderratte aber iſt viel größer, und man kann ſie mit Recht unter die Landplagen zählen; denn ſie verderben nicht nur weit mehr in Feldern und Gärten, als die Hausratte, ſondern ſind auch in Häuſern und Scheunen viel verderblicher, da ſie nicht bloß durch ihr Freſſen, ſondern auch durch Unterminiren viel mehr verderben. Ihre außerordentliche Fruchtbarkeit und der Umſtand, daß ſie geſellſchaftlich beiſammen leben, vermehrt ihren Schaden, und macht es ſchwer, die Mittel aufzufinden, ſich ihrer zu entledigen. Die Ratten haben glücklicher Weiſe viele Feinde, welche uns mithelfen, ihre Anzahl zu vermindern. Hunde und Katzen gehen auf die Hausratten und beißen ſie todt, doch gehen nicht alle Katzen auf ſie. Der Hausmarder und der Iltis tödten ſie ebenfalls, am meiſten aber das große und kleine Wieſel, letzteres beſonders iſt der größte Feind beider Arten der Ratten, und obgleich kleiner als ſie, müſſen ſie ihm doch unterliegen. Die Wanderratten werden von den Katzen nicht angegriffen, welche ſich vor ihnen zu fürchten ſcheinen, auch Hunde gehen ſelten auf ſie; im Felde werden zuweilen einige von Raubvögeln erhaſcht, allein dies hilft bei ihrer großen Vermehrung nicht viel. — 8 — K Man iſt daher auf eine große Menge Mittel gefallen, ſie zu fangen und zu tödten. Jedermann kennt die gewöhnlichen Rattenfallen, allein es iſt kaum der Mühe werth, ſie zu ſtellen, denn da wo ſie in großer Menge ſind, will der Tod Einiger wenig ſagen; in dieſem Falle wird für die Hausratten ein anderes Mittel vorgeſchlagen. Man läßt ſich einen vier Fuß langen Kaſten machen, der inwendig in viele Fächer getheilt iſt, welche mit einander Verbindung haben, ſo daß die Ratten von einem Fach ins andere kommen können. An beiden Enden iſt ein Loch zum Ein- und Auslaufen angebracht, welches man verſchließen kann. In dieſen Kaſten ſtreut man kurzes Stroh und etwas Werg, und ſtellt ihn an einen Ort, wo die Ratten ihren Hauptlauf haben. Bald finden fie ſich hier ein, und da fie weiche Materialien finden, fo niſten fie darein; wenn man nun merkt, daß viele darin ſind, verſchließt man die Ein- und Ausgänge, trägt den Kaſten an eine gut verſchloſſene Kammer und hebt den Deckel ab, fo findet man oft zwanzig, dreißig und mehr, Alte und Junge darin, die man leicht tödten kann; oder wenn die Ratten außer einem Hauſe ſind, ſo vermacht man die Eingangslöcher, und hebt den Deckel ſo auf, daß er nur durch einen Pflock unterſtützt wird, an welchem eine Schnur zum Wegziehen befeſtigt iſt, welche in ein angränzendes Gebäude geht. In dieſen Kaſten ſtreut man nun Korn oder Hafer, und läßt ſie dieſen einigemal ausfreſſen, ſo werden ſie ſich gewohnt, darein zu gehen. Merkt man nun, daß viele darin ſind, ſo zieht man den Pflock weg, und alle die im Kaſten ſind gefangen. Jemand fieng in einer ſolchen Falle auf einmal vier und ſechszig. Bei Paris liegt der Ort Montfaucon, wo die alten oder verunglückten Pferde geſchlachtet werden, deren man täglich im Durchſchnitt fünf und zwanzig zählt, hier haben die Wanderratten ſich auf eine buch— ſtäblich unzählige Menge vermehrt. Läßt man ein todtes Pſerd liegen, ſo iſt am folgenden Tage alles Fleiſch rein verſchwunden, daher muß man hier gegen dieſe Ratten zu den härteſten Maßregeln greifen. Man mauert einen verhältnißmäßigen Raum ein, in welchen von Außen Schlupflöcher führen, welche man auch von Außen vermachen kann; in dieſen Raum wirft man nun die Cadaver von zwei oder drei Pferden. Mitten in der Nacht nun kommt der Herr mit einigen Knechten leiſe heran, ſtopft die Löcher, und ſteigt, in der einen Hand eine Fackel, in der andern einen Prügel haltend, hinein, und nun beginnt eine gräßliche Niederlage. Rirgends iſt für die Ratten ein Ausweg und alle müſſen unterliegen. Da man dieſe Operation alle paar Tage wiederholt, ſo hat man ſchon in einem Monat über 16,000 Ratten getödtet, einmal 2650 in einem Tag, und doch ſcheinen ſie nicht abzunehmen; und man kann wohl 100,000 Ratten auf Mont⸗ faucon rechnen. Alle Mauern werden untergraben und ſtürzen oft in kurzer Zeit ein. Der ganze Erdboden iſt unterwühlt, ſo daß der Boden unter den Füßen wankt. Der bekannte Naturforſcher Magendie holte ſich einmal ſelbſt zwölf Ratten, welche er in in einer Schachtel nach Hauſe trug; zu Hauſe angekommen, fand er nur noch drei, ſie — 9 — hatten ſich unter einander aufgefreſſen und nur noch die Schwänze und wenig Reſte übrig gelaſſen. Räuchern mit Spähnen von Pferdehuf vertreibt die Ratten auch aus einem Haufe, fie gehen aber in ein anderes, wenn man ſie dann aber auch da vertreibt, ſo kann man ſie aus der ganzen Gegend vertreiben. Auch der Dampf von Agtſteinſalz vertreibt ſie. Ein etwas grauſames Mittel iſt auch folgendes: Man ſperrt einige lebende Ratten an einen Ort, wo ſie nicht fort kommen können, z. B. in einen kupfernen Keſſel, und gibt ihnen nichts zu freſſen. Nun freſſen ſie einander auf, und die letzte läßt man laufen. Dieſe an das Rattenfleiſch gewöhnt, fällt andere Ratten an und vertreibt ſie. Giftkügelchen in ihre Löcher gebracht, thun auch gute Dienſte, ſind aber gefährlich. Beſſer und ſicherer iſt es Bitterkalk mit Mehl und Zucker zu miſchen und in Scherben herum zu ſtellen. Katzen und andere Thiere freſſen es nicht, allein die Ratten ſehr gerne. Kommt nun aber der Kalk in den Magen, ſo braust er auf und erregt großen Durſt, die Ratte ſäuft nun Waſſer, dadurch entſteht Magenentzündung, welche ſie tödtet. Gegen die Wanderratten ſind dieſe Mittel viel weniger anwendbar, beſonders das erfte, weil fie unter der Erde niſten. Gift iſt bei dieſen das beſte Mittel, es wird aber nicht immer gefreſſen. Die Ratten ſind nächtliche Thiere, kommen aber wohl auch am Tage zum Vor— ſchein, wo es ſtill und ruhig iſt. Den Menſchen fliehen ſie, ſind ſie aber in Noth und können nicht entfliehen, ſo ſpringen ſie nach der Hand, und können tüchtig beißen. Sie pfeifen wie die Mäuſe, aber ſtärker. Von einem ſchnell erſcheinenden Lichte werden ſie geblendet, und können dann leicht erſchlagen werden. Da ſie gut klettern können, ſo iſt es ſchwer, etwas vor ihnen zu ſchützen, ſie können an rauhen Mauern und Stricken hinaufklettern, wenn ihr feiner Geruch irgendwo eine Lieblingsſpeiſe verräth. Man kann ſie zähmen, und ſogar abrichten. In Paris ſah man eine abgerichtete Ratte, welche mit einem Hund, einer Katze und einem Vogel aus einer Schüſſel fraß; keines dieſer ſonſt feindlichen Thiere that dem andern etwas. Von den Ratten kann der Menſch bei uns keinen Nutzen ziehen, da ihr Balg, wegen dem groben Haar und übeln Geruch nicht gebraucht wird. In einigen Ländern ißt man ſie, z. B. in China, wo Hunde, Katzen und Ratten zu Markte gebracht und gegeſſen werden. An Stangen mit ausgeſtreckten Beinen gehängt und ſchön abgezogen, werden ſie auf den Markt gebracht und verkauft. Viele halten ſie für giftig und glauben, ihre Berührung oder wenigſtens ihr Harn, verurſache Hautkrankheiten, was aber nicht wahr iſt. Im Gegentheil brauchten die Alten in der Mediein Blut, Fett und Koth der Ratten, beſonders letzteres unter dem Ramen Muscerda gegen mancherlei Krank— heiten bei Menſchen und Vieh. Allein alle ſolche unſi innigen und eckelhaften Arzneien ſind glücklicher Weiſe ſchon lange außer Mode gekommen; dagen man ſogar einſt das Hundskoth unter dem Namen album graecum. 2 T Die Hausmaus iſt gleichſam nur eine verkleinerte Hausratte, ihr in der Lebensart gleich, aber viel niedlicher, zarter und zärtlicher, als ſie. Reinliche nette Thiere ſind beſonders die weißen Mäuſe, welche blendend weiß ſind, und rothe Augen haben, und oft zum Vergnügen in Zimmern gehalten werden. Sie werden ſehr zahm, vermehren ſich im Zimmer, und wären noch viel anmuthiger, wenn nicht der fatale Geruch ihres Harns ſie unangenehm machte, da man denſelben auch mit der größten Reinlichkeit nicht vertreiben kann. Nur die furchtbare Vermehrung und ihr beſtändiges Nagen, machen die Mäuſe zu ſchädlichen Thieren. Allein die Katzen ſind ihre Todfeinde und können ihrer Vermehrung großen Inhalt thun. Auch viele Hunde gehen auf die Mäuſe, und oft kann ſchon ein ſolcher Hund ſie aus einem Hauſe treiben. Sie ſind auch leichter in Fallen zu fangen oder durch Gift zu vertilgen. Oft verſchwinden ſie auch faſt plötzlich aus einem Hauſe, ohne daß man einen Grund finden kann, oft aber auch erſcheinen ſie eben ſo plötzlich. Glücklich find die Gegenden, wo die Wanderratten hausten, aber wieder abgezogen ſind, ſolche ſind nun frei von Hausratten und Wanderratten. Merkwürdig aber iſt dieſer Trieb zu wandern, der ſie oft auch da ait wo ſie genug Nahrung haben, und daher um ſo unerklärlicher iſt. In einem künftigen Blatte wird es Gelegenbeit geben, auch die andern merkwür⸗ digen Thiere zu beſchreiben, von denen beſonders die Feldmaus in dem vergangenen Jahr in Deutſchland unglaublichen Schaden angerichtet und ſich ſo ungeheuer vermehrt hatten, daß die Felder wie ein Sieb ausſahen. Schon befürchtete man ihre noch größere “= Vermehrung auf diefes Jahr; allein eine anſteckende Krankheit raffte fie zu Laufenden weg, und das Gleichgewicht wurde ohne Zuthun der ängſtlichen Menſchen wieder 8 hergeſtellt. Die Natur bietet immer ſelbſt Mittel dar, wenn irgend ein Thier ſich zu ſehr vermehrt, ſie vermehrt zugleich auch die Vertilgungsmittel. Schlechte Witterung bringt Krankheiten, oder die Feinde der Art vermehren ſich und vermindern ſie, kurz, wo ein Gift iſt, ſchuf die Natur auch ein Gegengift, und ſo iſt für die Erhaltung des Ganzen geſorgt, und der Menſch ängſtigt ſich ohne Grund für die Zukunft. Dies lernt uns beſonders die Naturgeſchichte, fie zeigt uns den Zuſammenhang und die Ordnung, welche in der ganzen Schöpfung immer herrſcht. An die Zuͤrcheriſche Jugend auf das Jahr 1836. Von der Naturforſchenden Geſellſchaft. XXXVIII. St ü c. 9 —— —.NVᷣ.—38——— Wir haben ſchon in frühern Neujahrsblättern darauf hingedeutet, daß ſie zweckmäßig dazu dienen können, dem Publikum über die Fortſchritte unſerer Sammlungen Rechen— fchaft zu geben, und dieſen Zweck werden wir fortan befolgen. Die Sammlung im jetzigen Univerſitätsgebäude hat im vergangenen Jahr ebenſo großen Zuwachs erhalten als im frühern, und wenn auch die Zahl der neu erhaltenen Stücke vielleicht nicht größer iſt, ſo wiegt die Seltenheit und Schönheit mancher derſelben die Zahl auf. Geſchenke unſerer Mitbürger haben uns auch im vorigen Jahre bereichert. Wenn wir im Jahre 1834 von Herrn Conſul Sprüngli in Buenos Aires ſehr ſchöne Thiere erhielten, fo bekamen wir im Jahr 1835 von Herrn Däniker, welcher nach zwanzig— jähriger Abweſenheit feine Vaterſtadt wieder beſuchte, eine Sammlung von mehr als 150 auserleſenen, ſchönen brafilifche Inſekten, welche er bei feinem Aufenthalt in Rio Janeiro ſammelte. Eben dieſer Mitbürger beſchenkte auch die Mineralienſammlung mit einigen Goldſtufen aus Brafilien, und macht Hoffnung bei feiner Rückkehr dahin ferner unſer zu gedenken. Selbſt an den fernen Gränzen Perſiens, in den Schluchten des Caucaſus, lebt einer unſerer Mitbürger, der unſerer eingedenk iſt, Herr Hohnacker von Walliſellen, der dort ſeit vielen Jahren als Miſſionair lebt; er ſchickte uns als Geſchenk eine geſtreifte Hyäne, einen Steppenfuchs und einen Geier, und die Samm— lung hat aus jenen Gegenden nach mehrere Gegenſtände zu erwarten, welche zu den größten Seltenheiten gehören. Auch durch Kauf und Tauſch ſind viele ſehr ausgezeichnete Stücke in die Samm— lung gekommen, ſo ein Paar wilde welſche Hühner aus Nordamerika von großer Schönheit, und mehrere andere Thiere aus verſchiedenen Klaſſen vom Prinzen von Wied, der ſie von ſeiner letzten Reiſe aus Amerika mitbrachte, und wir hätten aus 3 dieſer Quelle nach viel zu erwarten gehabt, wenn nicht dieſer treffliche Mann das ſchmerzliche Schickſal erſahren hätte, daß ſeine ſchönſten und ſeltenſten Sammlungen, welche er im Felſengengebirge, weit von den vereinigten Staaten entfernt, geſammelt hatte, auf dem Miſſiſippi mit einem Dampfboot verbrannten. Von ſeinem Neiſe— gefährten, dem geſchickten Maler Bodmer von Eßlingen, in unſerm Kanton, erhielten wir einen canadiſchen Luchs geſchenkt. Seine Sammlung von indianiſchen Kleidern und andern Merkwürdigkeiten, welche er ſeinem Bruder hinterlaſſen hat, ſollten [wohl nicht von Zürich wegkommen, man ſollte ſuchen ſie anzukaufen. Als eine der ſchönſten Zierden der Sammlung konnten auch ein Paar der wunderſchönen Argusfaſanen aus Indien angeſchafft werden, wodurch die Sammlung von Thieren aus der Familie der Hühner wieder einen ſchönen Repräſentanten erhielt. Neue ſehr wichtige Geſchenke und Sendungen ſind noch ausſtehend, werden aber in den erſten Monaten des Jahres eintreffen. Dem größten Zuwachs aber wird die Sammlung durch die Beifügung einer Privatſammlung erhalten, welche alle in der Schweiz vorkommenden Vögel und beinahe alle in Europa vorkommenden Arten in mehr als 700 Exemplaren enthält, fo daß nun durch fie auch die vaterländiſchen Thiere wohl faſt vollſtändig repräſentirt ſeyn werden, die Inſekten ausgenommen, deren ungeheure Zahl eine nur annähernde Vollſtändigkeit ſehr ſchwierig macht. Alle dieſe Bereicherungen aber haben die Sammlung ſo ausgedehnt, daß ſie aus Mangel an Platz unbenutzbar würde, wenn nicht der glückliche Umſtand einträfe, daß derſelben ein ſehr geräumiges Lokal im Univerſitätsgebäude im Laufe dieſes Jahres wird eingeräumt werden. Wir freuen uns im Voraus unſern Mitbürgern dieſe ſchöne Sammlung beſſer geordnet eröffnen und Sie zum Genuſſe einladen zu können. Der Staat wird die Einrichtung übernehmen und ſo ein neues Denkmal der wiſſenſchaft— lichen Fortſchritte unſerer Zeit entſtehen. Ein fernerer Zweck unſerer Blätter iſt aber auch Bekanntmachung von merk— würdigen Gegenſtänden aus der Naturgeſchichte des Vaterlandes. Wir heben für diesmal die Naturgeſchichte einer Thiergattung aus, welche für unſere ökonomiſchen Verhältniſſe nicht ganz unwichtig iſt. Es iſt die Gattung des Wieſels aus der Ordnung der Raubthiere. Unſere Sammlung beſitzt aus dieſer Gattung eine ſchöne Reihenfolge von Exemplaren, und diejenigen, von welchen wir ſprechen wollen, ſind Thiere von denen mehrere zuweilen mit nus unter einem Dache wohnen und deshalb unſere Auf— merkſamkeit in höherm Grade verdienen, als viele andere. f Die Gattung Wieſel befaßt zwar nur kleine, aber kühne und blutdürſtige Raub— thiere, welche oft in unſern Hühnerſtällen und Taubenhäuſern große Riederlagen anrichten und ſorgſamen Hausmüttern großen Verdruß machen. Dieſe Gattung iſt zahlreich und über die ganze Erde zerſtreut, in kalten Ländern häufiger als in warmen, und ihres Pelzes wegen als Handelsartikel nicht unwichtig. Unſere Sammlung beſitzt ER davon den Hausmarder, den Edelmarder, den Iltis, das große und kleine Wieſel, und von den ausländiſchen das Frett, das ſibiriſche Wieſel, den Zobel, den Tigeriltis, den kanadiſchen Marder, den Viſon und den Zorill oder afrikaniſchen Iltis. Ihr Gebiß zeigt dem Forſcher ſogleich die Abtheilung, zu welcher ſie gehören, und daß ihre Hauptnahrung das Fleiſch anderer Thiere ſeyn muß. Sie haben ſechs Vorderzähne in jeder Kinnlade, zwei ſpitzige lange krumme Eckzähne, recht zum Faſſen und Beißen geeignet; oben ſind fünf, unten ſechs Backenzähne, weniger zum Kauen als zum Zerreißen eingerichtet. Alle ſind ſchnell, haben einen gleich dicken ſchlanken Körper, kurze Beine und kleinen Kopf, klettern leicht auf Bäume; der Pelz iſt im Winter lang behaart und ſchön weich. Sie nähren ſich von kleinen Thieren, Mäuſen, Ratten, Kaninchen, Eichhörnchen, von Vögeln und ihren Eiern. Sie geben uns ein theures, warmes, geſchätztes Pelzwerk, wozu indeß nur der Winterbalg gebraucht wird, der um ſo ſchöner und theurer iſt, als das Thier in kalten Ländern lebt. Daher Nordamerika und Sibirien die koſtbarſten Pelze liefern, da die Kälte den Haarwuchs der Thiere befördert, der ſie hinwieder vor derſelben ſchützt. Der Zobel gibt von dieſer Gattung den koſtbarſten Pelz, indem ein ſchöner Winterbalg dieſes ſibiriſchen und nordamerikaniſchen Thieres, welches an Größe unſerm Edelmarder kaum gleicht, mit 40 und mehr Rubel (ungefähr eben ſo vielen Franken) bezahlt wird, daher das Pelz— werk dieſer Thiere der Krone eingeliefert werden muß. Zu dem Fang derſelben werden nicht ſelten nach Sibirien Verbannte verpflichtet, und müſſen jährlich eine gewiſſe Zahl einliefern. Eine ſchreckliche Verpflichtung, da der Zobel in den furchtbar kalten Wild— niſſen Sibiriens wohnt, und der Fänger mitten in dieſen kalten Wildniſſen wohnen muß, um ſie zu fangen. Auch bezahlen mehrere am Eismeere lebende Völker ihre Abgaben in Zobelfellen. Durch dieſe Verfolgungen ſind dieſe Thiere immer ſeltener geworden, ſo daß die Ruſſen beſonders ihrentwegen, ſo wie des noch koſtbarern Meer— otters, in den kalten Gegenden von Nordweſtamerika eine Kolonie angelegt haben, welche hauptſächlich aus ſogenannten Pelzjägern beſteht; aber nicht nur dieſe, ſondern auch andere Pelzthiere, Bären, Füchſe, Vielfräße und andere verfolgt. Die Reiſe um die Erde, welche der Lieutenant Kotzebue befehligte, hatte neben andern auch den Hauptzweck, Gegenden aufzuſuchen, wo Seeotter und Zobel noch in Menge aufzu— finden ſeien, und jährlich gehen mehrere ruſſiſche Schiffe auf ſolche Entdeckungen aus, da der Handel mit Pelzwerk hauptſächlich nach China und der Türkei ſehr einträglich betrieben wird. Alle Thiere dieſer Gattung ſind nächtlich, ſcheuen den Menſchen, ſind räuberiſch, blutdürſtig, ſchnell. Sie leben entweder an einſamen Orten, mehrere aber auch mitten unter uns, aber ſo verborgen, daß man ſie wohl öfters hört, aber ſelten zu ſehen bekommt. Sie machen ſich aber durch ihre Räubereien in Hühnerſtällen und Tauben— ſchlägen nur zu bemerkbar, entgehen aber durch ihre Liſt und Schnelligkeit meiſt den Nachſtellungen der Menſchen, wenn ſie auch mitten unter ihnen leben. 1 Die in unſerer Gegend lebenden und vorkommenden Arten ſind: der Hausmarder, der Edelmarder, der Iltis und das große und kleine Wieſel. Jedes dieſer Thiere hat ſeine Eigenheiten, welche wir kurz berühren wollen. Unſere Tafel ſtellt zwar nur den Hausmarder, den Edelmarder und das große Wieſel vor; wir wollen aber über alle Thiere dieſer Gattung, welche bei uns vor— kommen, sprechen. Man unterſcheidet Marder und Iltiſe. Die Marder haben einen plattern Kopf und eine ſpitzigere Schnauze; bei den Iltiſen iſt der Kopf kürzer, rundlicher, die Schnauze ſtumpfer. Faſt alle Arten dieſer Gattung, und wenigſtens alle inländiſchen, ſondern in eigenen Drüſen eine ſehr ſtark riechende Materie ab, welche ihren Geruch dem ganzen Thier mittheilt. Beim Marder iſt dieſer Geruch biſamartig, und theilt ſich ſelbſt dem Koth mit, den man dadurch ſehr leicht erkennt, und ſo dem Thiere auf die Spur kommen kann; beim Iltis iſt der Geſtank abſcheulich, faſt erſtickend; bei den Wieſeln ebenfalls ſehr heftig und unangenehm, doch eher auszuhalten. Wir ſprechen zuerſt von den beiden Mardern. Der Hausmarder, Mustela Foina, Linn., iſt oben ſchön braun grau— röthlich; die Kehle und der Vorderhals rein weiß; der Schwanz lang und buſchig. Dieſer Marder heißt mit Recht Hausmarder, da er meiſt mitten in Städten und Dörfern wohnt, und die größten Städte nicht ſcheut. Er verbirgt ſich am Tage in alten Thürmen, Stadtmauern, in Heuboden, Magazinen, Zeughäuſern und in unbewohnten Gebäuden; nie wird man ihn am Tage ſehen, wenn man nicht zufällig ihn aus ſeinen Schlupfwinkeln verjagt. Er iſt kleiner und niedriger als der Edel— marder; der Kopf iſt platt, faſt dreieckig und daher geeignet, ſich durch ſehr kleine Oeffnungen durchzudrängen; die Ohren ſind kurz, abgerundet; die Augen groß, vorſtehend und ſchwarz. Dieſes Thier iſt der größte und gefährlichſte Feind unſers Hausgeflügels, der Hühner, Tauben und Enten; auch den Kaninchen iſt er gefährlich und tödtet ſie. Er klettert mit der größten Leichtigkeit auf Bäume, auf die Firſten der ſteilſten Dächer, läuft über die ſchmalſten Stangen und Geländer und ſpringt weit von einem Dach zum andern; fällt er auch von einer beträchtlichen Höhe herab, ſo braucht er ſeinen buſchigen Schwanz als Balancirſtange, um auf die Beine zu fallen, und lauft dann unbeſchädigt davon. Durch eine ſehr kleine Oeffnung, welche man unbeachtet ließ, da man ſich kaum die Möglichkeit dachte, daß ein Marder durchkommen könne, drängt er ſich durch; wo nur ſein Kopf eindringt, kommt auch der Körper nach. Iſt er im Stalle und hat Zeit, ſo würgt er was Leben hat; die Hühner ſchreien aber vor Schreck laut, wodurch er oft vor dem Morde aller entdeckt und zur Flucht gezwungen wird. Am liebſten ſäuft er das Blut der Thiere, läßt das Fleiſch meiſt liegen oder ſchleppt doch nur etwa ein oder ein Paar von den Getödteten mit ſich in ſeine Schlupfwinkel, und genießt nun auch das Fleiſch; beſonders thut er dieß im Winter. — 3 Nur in hellern Nächten bemerken ihn die Hühner und ſchreien; in dunkeln Ställen würgt er alle wehrlos im Schlafe, ohne daß eines warnen kann. Meiſt läßt er ſeinen wohlriechenden Koth zurück, und Hühner und Tauben wollen nicht mehr im Stalle bleiben, bis er wieder ganz gereinigt iſt. Durch Sorgfalt kann man indeß dem Unglück vorkommen, ſeine Hühner zu verlieren, wenn nur die Magd oder Hausfrau den Stall des Nachts zu rechter Zeit verſchließt. Der Marder nimmt dann oft Mäuſe und Ratten ſtatt der Hühner, oder aber er kommt auch wohl zu den Eiern, trägt ſie im Munde in ſeine Wohnung, ohne ſie zu zerbrechen, und trinkt ſie aus, indem er ein kleines Loch mit ſeinen Eckzähnen darein macht. Weniger kann man ſich vor feinem Appetite ſchützen, den er durch Beſteigung der Pflaumen-, Aprikoſen- und Herzkirſchenbäume oder des Rebgeländers, an dieſen Früchten befriedigt. Man findet oft von einem mit Zuckerpflaumen beladenen Baume am Morgen nur noch die Steine am Boden. Auch dem Honig und Hanfſamen geht er nach. Alles dieſes geſchieht nur des Nachts. Sein Gang iſt ein Galopp mit gekrümmtem Rücken. Auf den Dächern läuft er immer nur auf der Firſte, um ſich bequem auf beiden Seiten umſehen zu können. Da er aber auch mit ſeinesgleichen im Kriege lebt, ſo gibt es oft ein Gefecht auf dem Dache, wenn zwei einander begegnen; keiner will weichen, und unter unerträglich widrigem Gekreiſche beißen ſie einander, wobei oft einer vom Dache herunter muß. Im Winter hält er gewöhnlich zwei Wander— perioden, von 9 bis 10 und von 2 bis 4 Uhr; außer dieſer Zeit bemerkt man ihn ſelten. In ſchönen Sommernächten aber ſcheint er die ganze Nacht herumzuſchwärmen. Zwei Marder, welche ſich zufällig nahe beiſammen in einer Schlinge fingen, ſo daß ſie einander erreichen konnten, biſſen ſich gegenſeitig ſo, daß beide am Morgen ganz zerriſſen todt gefunden wurden. Ganz jung und noch blind eingefangen, läßt ſich der Hausmarder ſehr . machen und ſeinen Herrn kennen. Er iſt gegen ihn ſehr zutraulich, liebkoſend, leckt ihn, folgt ſeinem Ruf, ſpringt an ihn hinauf und iſt ſehr gutmüthig; aber meiſt nur gegen ihn, von andern läßt er ſich nicht gerne berühren. Beſonders muß man ihn im Schlafe nicht ſtören, oder mit der Hand in ſeinen Schlupfwinkel greifen, wenn man nicht einen Biß haben will. Nur durch Güte wird er zahm erhalten; ſchlägt man ihn, ſo wird er böſe, ſeine Freundſchaft hat ein Ende und kehrt ſelten wieder. Man kann ihn frei herumlaufen laſſen. Er nimmt mit allem vorlieb, wie ein Hund oder eine Katze, Fleiſch und Gemüſe, gerne beſonders frißt er friſches Obſt. Hat er einmal das Blut der Vögel gekoſtet, ſo greiſt er ſie immer an und wird dann wild. Ein zahmer gefangener Marder lebte ſechs Jahre und lief nicht vom Hauſe weg, kroch aber in alle Löcher und ſchlief faſt den ganzen Tag, beſonders im Winter, kannte aber auch die Eſſenszeit und kam in die Küche, wo er etwas erhielt, dann entfernte er ſich wieder ganz ruhig. Ihr häßliches Geſchrei laſſen ſie beſonders zur Fortpflanzungszeit im Februar a hören, und kreiſchen dann oft mit den Katzen um die Wette, da fich die Männchen wacker herumbeißen und bekämpfen. Man findet zwar vom Frühjahr bis zum Herbſt Junge. Die Mutter wirft nach 9 Wochen 4, ſelten 5 oder gar 6 blinde Junge, auf einem Heuboden oder einer Scheune, oder unter dem Dach eines Hauſes auf Moos, Wolle oder Federn, mit welchen Materien ſie das Neſt ausfüttert, wobei auch ihre eigenen Haare ſind, welche um dieſe Zeit ausfallen. Beunruhigt trägt ſie die Jungen im Munde weg, wie die Katzen. Der Schade, den der Marder anrichten kann, iſt nicht unerheblich, daher wird ihm ſehr nachgeſtellt; aber er iſt ſchwer zu fangen, da er ſehr liſtig iſt, und man fängt oft Katzen ſtatt Marder. Am beſten kann man ihn durch vergiftete Eier tödten, indem man in ſolche Eier ein Löchelchen macht und Arſenik hineinbringt, aber dann findet man oft das todte Thier erſt, wenn es durch Fäulniß ſich verräth, und verliert den Nutzen, den man von ſeinem Balge ziehen kann, der im Winter doch immer mit ein oder zwei Gulden bezahlt wird. Durch Vertilgung von Mäuſen und Ratten leiſtet er indeß einigen Rutzen für unſere Oeconomie. Der Edelmarder, Tannenmarder oder Baummarder, Mustela mar- tes, iſt ſchön kaſtanienbraun; die Kehle dottergelb; Füße und Schwanz fchwarz, letzterer huſchig. Er iſt etwas größer als der Hausmarder, die Ohren etwas kürzer, das Anſehen wilder, kräftiger, und die Augen lebhafter, ſie funkeln im Dunkeln wie Feuer. Man findet ihn nie in Häuſern, ſelten nahe an Dörfern, ſondern meiſt in einſamen dunkeln Tannen- und Fichtenwäldern, beſonders wenn Eichen- und Buch— wälder daran ſtoßen. Er bewohnt hohle Bäume, oder Felſenſpalten, oder wilde Tauben-, Eichhörnchen- oder Raubvogelneſter, welche er zu feiner Wohnung einrichtet, nachdem er die Erbauer vertrieben oder aufgefreſſen. Meiſt hat er mehrere ſolcher Wohnungen und bezieht eine andere, wenn er ſich in der erſten nicht ſicher glaubt. Mehr Tagthier als der Hausmarder, trifft man ihn an ſtillen Orten oft am Tage an, wenn er den Eichhörnchen nachgeht; dann macht er oft weite Streifereien in der Umgegend. Dennoch verſchläft er die meiſte Zeit des Tages in ſeinem Neſt. Er klettert mit unbegreiflicher Leichtigkeit, und verfolgt das ſchnelle Eichhorn wie im Fluge von Baum zu Baume, bis es ermüdet ihm zur Beute wird. Selten kommt er für längere Zeit auf die Erde, flüchtet ſich aber in Gefahr ſogleich wieder auf Bäume, wo er ſich dann, wenn etwa der Baum einzeln ſteht und er nicht weiter fliehen kann, der Länge nach auf einen Aſt hinlegt und ſich ganz ſtille hält, ſo daß nur ein ſcharfes Auge ihn erblicken kann. Sieht ihn der Jäger, und hat keine Flinte bei ſich, ſo darf er nur einen Stock in die Erde ſtecken und ruhig ſeine Flinte holen, er wird den Marder nach mehrern Stunden an demſelben Orte antreffen. Da er in weiten Sätzen ſpringt, und ſobald er kann auf Bäume geht, fo verlieren die Jagdhunde feine Spur ſehr leicht und jagen unter ihm weg. Bei friſch gefallenem Schnee führt ſeine Färthe — 7 — zu ſeinem Aufenthalt, daher wird er dann am öfterſten geſchoſſen. In den waldigen Ge— genden unſers Kantons iſt es gar nicht ſelten, und jeden Winter werden mehrere erlegt. Obgleich an Schnelligkeit und Wildheit den Hausmarder übertreffend, läßt er ſich ganz jung eingefangen, noch leichter und beſſer zähmen, als dieſer, und iſt dann ein nettes, reinliches und munteres Thier, welches ſehr gerne ſpielt, ſeinen Herrn nnd die Hausgenoſſen leicht kernen lernt, und mit jedermann freundlich iſt. Man hat Beiſpiele, daß man ſolche zahme Marder ganz frei herumlaufen laſſen konnte, daß ſie ſogar ihre Mordluſt ganz verläugneten, und keinem Thiere etwas zu leide thaten; nur durſte man ihnen keinen Hunger laſſen, indem der erſte Mord, den ſie aus Hunger begingen, nun viele folgende herbeiführte und die Natur ihre Rechte behauptete. Aber ſie verlangen gute Behandlung, Schläge machen ſie wüthend, und ſie verlieren dadurch ganz ihre Zahmheit. Sie ſind ſehr reinlich und beſchmutzen das Haus nie. Kleine Hunde find ihre liebſten Geſellſchafter, fie ſpielen ganze Stunden mit ihnen. Gegen die Katzen ſind ſie gleichgültig. Sie lernen alles freſſen, was Hunde und Hauskatzen genießen. In der Freiheit aber ſind es arge Räuber, ſie freſſen Erd- und Feldmäuſe, Eichhörnchen, Haſelmäuſe, auch junge Haſen; beſchleichen die Vögel, welche auf der Erde brüten oder ſchlafen, Auerhühner, Birkhühner, Haſelhühner, Faſanen, und freſſen fie und ihre Eier. Vogelbeeren lieben fie fehr, und nehmen im Herbſte auch die gefangenen Krametsvögel aus der Schneuſe, graben Hummelneſter aus und freſſen den Honig. Das Weibchen wirft ſeine vier bis fünf Junge, in einem Eichhorn- oder wilden Tauben- oder Krähenneſte, welche es nach ſeinem Bedürfniſſe mit Federn, Moos und den eigenen ausfallenden Haaren ausgefüttert und ſie ſehr treu beſorgt, auch bei jeder anſcheinnenden Gefahr in ein anderes Neft trägt. Sie ſoll dann nicht in der nächſten Gegend rauben, um das Neſt nicht zu verrathen, was man auch vom Hausmarder ſagt. Er wird bei uns meiſt gefchoffen , oft aber auch in ſogenannten Tellerfallen gefangen, welche man in der Gegend wo man ihn bemerkt aufſtellt. Als Köder dient ein angebundener Vogel, oder ein Stück friſches Fleiſch oder gebratene Pflaumen. Da ſein Pelz koſtbarer iſt, als der des Hausmarders, wird ihm auch mehr nachgeſtellt. Man bezahlt einen guten Winterbalg mit vier bis fünf Gulden, je nachdem das Tragen von Pelzwerk mehr oder minder Mode iſt. Der Iltis, Mustela putorius, Der Kopf des Iltis iſt runder, die Schnauze ſtumpfer als beim Marder; er hat zwei Backenzähne weniger. Der Mund und die Ohrenränder ſind weiß; die Ohren abgerundet und kurz; der Schwanz bedeutend kürzer und viel weniger behaart, als bei den Mardern. Die Augen groß und vor— ſtehend. Die Farbe ſchwarzbraun; die kürzern Haare oder Wollhaare ſind an der Wurzel gelb, an der Spitze braun, zwiſchen ihnen aber ſtehen dunkelſchwarzbraune lange Haare, wodurch das ganze Thier eine dunkelbraune Farbe erhält. Eine Drüſe 3 ſondert eine furchtbar ſtinkende Materie ab, welche dem Balg lange anhängt und ihm ſeinen Werth benimmt. Der Iltis bewohnt, wie der Hausmarder, Städte und Dörfer, allein im Sommer ſtreicht er umher und findet ſich in Feldern und Wäldern, in Thälern und auf den höchſten Bergen bis zur Schneeregion; im Winter zieht er mehr den Dörfern zu, bewohnt aber ſeltener Häuſer oder Scheunen, ſondern verbirgt ſich eher in Stein— und Holzhaufen, in hohlen Bäumen und unter den Wurzeln derſelben, hinter Stangen u. ſ. w. Nicht ſelten legt er ſeine Jungen auf Heuböden und in Scheunen. Seine Lebensart gleicht ſehr der des Marders, er klettert aber weniger geſchickt, als dieſer, ſein Geruch und Geſicht ſcheint weniger gut, als beim Marder, daher geräth er viel häufiger in Fallen. Er kann ebenſo gut durch die kleinſten Löcher kriechen. Seine Art zu rauben iſt die, daß er den Thieren die Köpfe abbeißt; und ſie davon trägt, doch würgt er weniger furchtbar als der Marder, und tödtet nicht alles, ſondern ergreift das erſte beſte Huhn, beißt es todt und ſchleppt es davon. Im Sommer ſtreicht er in Feldern und Wäldern umher und nährt ſich von Vögeln, Mäuſen, Fröſchen und wohl auch von Inſekten. Er iſt den auf der Erde brütenden Vögeln ſehr gefährlich. Wo es wilde Kaninchen gibt, da iſt er ihr größter Feind, dringt in ihre Höhlen ein, erwürgt fie und wählt dieſe für ſich zun Wohnung, und wo Hamſter wohnen verfolgt er auch dieſe und kriecht in ihre Löcher. Die Eier der Hühner trägt er nicht weg, wie der Marder, ſondern leert ſie auf der Stelle aus, ohne eins zu zerbrechen, da er ſie durch ein feines Löchelchen ausſaugt. Die Fortpflanzungszeit fällt in den Februar, die Männchen beißen ſich um dieſe Zeit ſehr und laſſen dabei ihre knurrende Stimme hören. Das Weibchen wirft nach 9 Wochen 4 bis 5 Junge, gewöhnlich in einem Reiſighaufen. Die Jungen laſſen ſich zähmen, ſind aber nie ſo zutraulich, wie die jungen Marder. Die Mutter raubt nicht in der Nähe, und es iſt ein Beiſpiel bekannt, wo ein Iltisneſt in der Nähe eines Hühnerſtalls war, ohne daß den Hühnern etwas geſchah. Ihr Balg iſt weniger geſchätzt als der der Marder, beſonders des übeln Geruchs wegen, der ihm ſo lange anhängt. Noch erwähnen wir unter den inländiſchen Thieren der Wieſelgattung des Her— melins und des kleinen Wieſels, beides Thiere welche mitten uns leben, wo nur Gärten, Wieſen oder Felder in der Nähe ſind. Da das Hermelin viel weniger ſchüchtern iſt als Marder und Iltis, ſo ſieht man dasſelbe auch häufig am Tage, zwar immer nur auf Augenblicke, da es nie lange ruhig iſt, und jedermann beinahe kennt er unter dem Namen Wieſeli (Mustela erminea). Die Farbe iſt im Sommer braunröthlich, faſt leberfarben, unten weiß, im Winter ſehr ſchön glänzend weiß, nur iſt die Spitze des ziemlich langen Schwanzes Sommer und Winter ſchwarz. Im hohen Norden iſt fein Pelz viel länger behaart und feiner, und liefert das ſchöne Pelzwerk, welches unter dem Namen des Hermelins bekannt iſt. Man läßt die ſchwarze Schwanzſpitze ſtehen, daher iſt der Hermelinmantel immer ſchwarz gefleckt. RE. Das Wieſel bewohnt Zäune, Steinhaufen, Löcher in alten Mauern, Maulmurf- löcher, Fels- und Erdklüfte; beſonders findet man ſie an den Ufern der Flüſſe und Bäche, auch in hohlen Bäumen. Im Winter nähert es ſich mehr den Wohnungen, im Sommer zieht es umher, und man hat es ſogar auf Gletſchern angetroffen. Es iſt ein äußerſt lebhaftes, niedliches, ſchnelles Thierchen; ſein Bau iſt ſehr ſchlank, der Körper allenthalben gleich dick, und der Kopf nicht vom Halſe abſtehend. Daher kriecht es noch weit leichter durch die kleinſten Löcher, als der Marder; es klettert auch leicht auf Bäume. Roch find die Naturforfcher nicht ganz einig, ob alle großen Wieſel im Winter weiß werden oder nicht, aber noch nie iſt uns im Sommer ein weißes, im Winter ein braunes Wieſel vorgekommen, und ſollte man auch im Sommer ein weißes finden, ſo iſt es eine weiße Varietät, wie wir dieſe bei ſo manchen Säugethieren und Vögeln finden. Dieſe Farbenveränderung gibt oft zu unbegründeten Sagen Anlaß, ſieht man etwa im März ein weißes Wieſel, ſo prophezeit der Landmann, es werde noch kalt, aber das Weißſein beweist nur, daß es noch nicht Frühling iſt, daß das bisherige Wetter noch nicht ſo warm war, um die Farbenveränderung zu bewirken, aber nicht, daß es erſt jetzt noch kalt werde; das kann zwar wohl ſeyn, aber das weiße Wieſel hat es nicht vorher geſagt. Man ſieht dieſe Thierchen oft bei Monden— ſchein in Wieſen und Gärten einander jagen und ſpielen, da ſie, wider die Natur anderer Raubthiere, paarweiſe leben. Es iſt ein artiges Schauſpiel, das fünke Thier— chen aus einem Mauerloch hervorkommen zu ſehen, es ſtellt ſich dann meiſt auf die Hinterfüße und ſieht ſich einige Augenblicke um, ob es auch ſicher fey, macht dann einige Sprünge, verſchwindet wieder und kommt abermal zum Vorſchein. Mit kleinen gefangenen Thieren, z. B. mit Mäuſen, ſpielt es wie eine Katze, läßt ſie los und fängt ſie wieder. Sie werden oft von Krähen verfolgt, deren Angriffen ſie zuweilen unterliegen, da die Schnabelhiebe dieſer zu ſtark ſind. Jung gefangen laſſen ſie ſich leicht zähmen und wären ganz allerliebſte Thiere, wenn nur der Geruch, den ſie von ſich geben, nicht ſo höchſt unangenehm wäre. In Sardinien gibt es eine Art Wieſel, die von dem unſrigen wenig verſchieden iſt, welche häufig gezähmt wird, und ein fo ungemein artiges Benehmen zeigen foll, daß es von Damen ſehr oft als Lieblingsthierchen in den Zimmern gehalten wird. So niedlich aber das äußere des Thieres iſt, ſo blutdürſtig iſt das wilde Wieſel; ſeine Hauptnahrung beſteht in Mäuſen, Ratten, Wanderratten, Kaninchen, jungen Haſen und Maulwurfen. Ebenſo verfolgt es Vögel und ihre Eier, es ſoll ſelbſt das ſtarke Auerhuhn überfallen und ſeiner Meiſter werden. Die Wanderratte, vor welcher viele Katzen ſich fürchten, greift es muthig an und bemeiſtert ſich ihrer. Bechſtein erzählt, daß es ſogar junge Rehe zuweilen angreife. Das Weibchen trägt etwa fünf Wochen und wirft im April oder Anfang Mai, drei bis ſechs Junge, in einem hohlen Baume oder Maulwurfsloche, auf einem von 2 1 Federn, Moos und Wolle zubereiteten Lager, die Jungen ſind 9 Tage blind, und bleiben mehrere Monate bei der Mutter welche ſie zum Rauben anführt. f Dieſes Thier iſt mehr nützlich als ſchädlich zu nennen, da es vorzüglich Mäuſe frißt, doch ſind auch Tauben und Kaninchen nicht vor ihm ſicher. Der Balg unſers Hermelins hat gar keinen Werth, wohl aber der Winterbalg des ſibiriſchen. Der kleine Wiefel, Mustela nivalis, iſt viel kleiner, der Schwanz viel kürzer und hat nie eine ſchwarze Spitze; es iſt zu allen Jahrszeiten graubräunlich, im Sommer etwas röther. Das ganze Thierchen mit dem Schwanze iſt kaum 8 Zoll lang und etwa 1½ Zoll hoch. Es bewohnt weit mehr Häuſer, Scheunen, Ställe, alte Gebäude als das große Wieſel, im Sommer gehen ſie zwar auch auf die Felder, aber nie weit von den Häuſern entfernt. Seiner Kleinheit ungeachtet, iſt es ſo raubgierig wie das große, und nährt ſich von denſelben Thieren. Die Wanderratte, die dreimal größer und ſtärker iſt, greift es an und überwindet fie leicht, ſpringt ihr ins Genick und beißt fie todt. Es ſoll auch Blindſchleichen und Eidechſen freſſen, iſt aber auch jungen Tauben und Hühnern gefährlich, ſaugt ihnen das Blut aus und trägt ſie fort, auch ſoll es dem Honig nachgehen. Gezähmt muß es ein gar nettes Thierchen ſeyn. Es iſt nicht ſelten, iſt aber ſchwer zu fangen, da es zu klein, zu ſchnell und liſtig iſt, denn keine Maus übertrifft es an Schnelligkeit. Das Weibchen wirft meiſt fünf Junge an verborgenen Orten, ſo daß man ſie ſelten findet. Die Feinde beider Arten ſind beſonders die Hunde, welche ſie zwar nur todt beißen, aber, wahrſcheinlich ihres ſtarken Geruchs wegen, niemals freſſen, deßwegen ſcheinen auch die Katzen nicht auf ſie zu gehen. Zum Aberglauben gehört, daß man ein geſchwollenes Geſicht bekomme, wenn man von einem Wieſel angehaucht werde, und daß ſie den Kühen die Milch ausſaugen. Auf unſerm Blatte iſt der Edelmarder abgebildet wie er ein Reſt ausnimmt, der Hausmarder und das Hermelin dagegen ſtehen am Boden. CE Sr * Su Me EN x 7 1 N WR 1 Un die Zuͤrcheriſche Jugend auf das Jahr 1837. Von der Naturforſchenden Geſellſchaft. XXXIX. St u c. ae e Ausflug nach dem Laͤgernberg. Wir wiſſen, liebe Knaben! daß ihr es für den höchſten Genuß haltet, an ſchönen Sommertagen Ausflüge in unbekannte Gegenden zu machen. Zuweilen ſehen wir euch große Strecken Landes durchziehen, um auf dem Gipfel eines Berges den weiten Kranz der majeſtätiſchen Alpen, oder nie geſehene Thäler mit ihren glänzenden Seen und Flüſſen und ihren freundlichen Dörfern zu überſchauen. Ein ander Mal ſind euere Schritte nach einem durch die Geſchichte merkwürdigen Orte gerichtet. Da ſucht ihr am Ufer der klaren Limmat die in dickem Geſträuch verborgenen Ringmauern des Städtchens Glanzenberg auf und freut euch, daß es dem herrlichen Grafen Rudolf gelang, die Bosheit der Feinde Zürichs zu ſtrafen, oder ihr fragt, nachdem ihr jene ehrwürdige Kirche zu Cappel mit den Gruften der Geßler, der Hünenberge und den prachtvollen Glasgemälden betrachtet, nach den Feldern und Matten, die durch euerer Väter Unglück berühmt wurden, und tretet mit bewegtem Gemüth an die Stelle, wo der edelſte Eidgenoſſe durch die Hand der Eidgenoſſen fiel. Sollte euch aber einmal in den Sinn kommen, in den lieblichen Tagen des Juni oder Juli zu Gunſten euerer Pflanzen-, Mineralien- oder Inſekten-Sammlungen einen Streifzug zu unternehmen, ſo ſchlagen wir euch vor, wofern am Abend vor dem feſtgeſetzten Tage die untergehende Sonne einen ſchönen kommenden Morgen verkündigt, ohne lange Berathung, den fernen Lägernberg zum Ziel euerer Wanderungen zu machen. Fürchtet nicht, daß die Reife für euere jungen Glieder zu ſchwer, und daß es unmöglich ſey , nach der Eltern Vorſchrift bei guter Zeit des Abends zu Hauſe einzutreffen. Wenn ihr unſern Rath befolgt, ſo ſtehen wir euch für das Gelingen des Unternehmens gut. Bringt — 2 — nur ſogleich Alles, was ihr mitnehmen wollt, in Ordnung; oder wenn es euch gefällt, dieß Mal den Grund zu einer neuen und ſehr intereſſanten Sammlung zu legen, fo laßt mit Ausnahme der Karten der Kantone Zürich und Aargau und einiger Schachteln alles ſonſtige Geräthe zu Hauſe, verſeht aber deſto reichlicher euere Reiſe— taſchen mit Mundvorrath und vergeßt das Weinfläſchchen nicht. Wir ſagen euch nämlich zum Voraus, daß vor 3 Uhr des Nachmittags keiner von euch an einen vom Schreiner gemachten Tiſch ſich ſetzen wird. Um 4 Uhr brechet ihr auf und legt, noch ehe die Sonne über den Zürichberg herüberblickt; den ſtaubigen Weg bis zum wohlbekannten Käferhölzli zurück. Hier fingt euch das ſchon lang erwachte befiederte Volk aus den kühlen Schatten des Waldes einen freundlichen Morgengruß zu, während der ſchillernde Schmetterling, der euch ſchon oft hieher gelockt, ſich noch im Gebüſche verſteckt hält. Gerne möchte jetzt, wenn ihr an den Kreuzweg gelangt, der eine oder andere von euch im Vorbeigehen dem Kakenfee einen Beſuch machen und dort ſeltene Pflanzen und Waſſerinſekten ſich holen. Laßt das nicht geſchehen; dieß Mal iſt die Zeit zu kurz. Daß auch keiner zu den Trümmern des alten Schloſſes Regenſperg hinaufklettere und verlange, ſeine Gefährten ſollen auf ihn warten. Nein, vorwärts müßt ihr euere Blicke richten nach dem langen Rücken des Lägernbergs und ſeine eigenthümliche Geſtalt wohl ins Auge faſſen. Erſt wenn ihr am Fuß desſelben ſteht, dürft ihr Halt machen und an den ſonnigen Abhang gelagert den Inhalt euers Weidſackes hervorziehen. Habt ihr bis etwa 8 Uhr geraſtet und euere Bürde um ein gutes leichter gemacht, ſo heißt es: Eile mit Weile! den Berg hinan. Ihr ſeid nicht auf der Turnfahrt, alſo wird keiner ſich in den Sinn kommen laſſen, es den anderu im Steigen zuvor— zuthun. Ueberdieß fängt hier euere Aufgabe an, ihr habt auf die Steinarten, die ihr am Wege antreffet, Acht zu geben und nachzuſehen, ob ihr nicht eine neue, die in der Umgegend von Zürich nirgends zu finden iſt, bemerkt. Bald werdet ihr die Beobachtung machen, daß das Pflafter der Straße nicht aus Kieſelſteinen, wie bei ung, fondern aus Stücken von weißgelbem Kalkſtein angelegt iſt, und ſeid ihr vollends beim Städtchen angekommen, ſo könnt ihr euch überzeugen, daß der Fels, worauf es ſteht; eben fo ausſieht und das Material zum Bau der Häuſer und Ningmauern geliefert hat. Obgleich die prachtvolle Ausſicht von dieſem Abſatze des Lägernbergs euch in Verwunderung ſetzt, ſo dürft ihr doch nicht zu lange verweilen; der höchſte Theil des Berges muß jetzt langſamen Schrittes erſtiegen werden. Ihr habt zwar das Feld, wo ihr die Gegenſtände für euere neue Sammlung finden könnt, ſchon längſt betreten; jetzt aber iſt es Zeit, eifrig ans Werk zu gehen. Sobald ihr auf dem Rücken des Berges angelangt das Hochwacht-Häuschen vor euch erblickt, ſo mögt ihr den Pfad verlaſſen und rechts und links an den vom Raſen entblößten Stellen und den jähen Halden nach den auf der zweiten Kupferplatte abgebildeten verſteinerten Schnecken — 3 — ſuchen. Nur nicht zu weit gelaufen, ſondern jede Stelle, ehe ihr ſie verlaſſet, recht durchgeſehen! Wer iſt der Glückliche, der zuerſt ein Ammonshorn oder ein ſchönes Exemplar der Terebratel in der lockern Erde entdeckt? Ehe noch der Ton der Mittagsglocke, der das verabredete Zeichen der Wiedervereinigung fein ſoll, aus den nahen Dörfern zu euch empordringt, haben alle, die Fleiß und Geſchicklichkeit bewieſen, ihre Schachteln gefüllt. Freudig werdet ihr eure geſammelten Schätze betrachten und nachdem ihr im Schatten eines Baumes oder Felsblockes euern Hunger mit den Reſten euers Proviantes geſtillt und der wohlverdienten Ruhe gepflegt, fo wird es euch angenehm ſein, folgende für dieſen Anlaß euch mitgetheilten Bemerkungen durch einen aus euerm Kreiſe vorleſen zu hören. Wenn ihr, liebe Knaben! auf dieſem herrlichen Standpunkte euere Blicke nach Mittag richtet, ſo ſeht ihr ein weit ausgedehntes reizendes Land zu euern Füßen. In der blauen Ferne treten bedeutendere Berge hervor und hinter dieſen thürmt ſich die mit Eis bedeckte Kette der Alpen auf. Vom Säntis im Canton Appenzell bis zu den gewaltigen Pyramiden des Berner-Oberlandes ſtehn ſie mit ihren Hörnern und Kuppen vor euch. Rechts von Weſten kommt ein zweites Gebirg herangezogen, das nirgends ſo ſeltſam ausgezackt iſt, ſondern meilenweit in ganz gleicher Höhe fortläuft, und weil es niedriger iſt, keine Eisfelder und Gletſcher trägt. Es iſt das Juragebirg, das füdlich von Genf ſich von den Alpen lostrennt und in einem weiten Bogen durch die Schweiz bis in die Mitte von Deutſchland ſich erſtreckt. Ihr könnt es durch die Cantone Solothurn und Aargau verfolgen. Den Berg ſelbſt, auf dem ihr ſteht, kann man als das Ende einer kürzern Jurakette betrachten, die beim Städtchen Regensberg plötzlich abfällt und ſich unter die gegenüberſtehenden Sandſteinhügel verliert. Das Juragebirg hat überall dieſelbe Form, es gleicht einem ſteil zulaufenden Dachgiebel, und ſein Grat iſt oft, wie gerade einige 100 Schritte vor euch, ſo ſcharf, daß man nicht ohne Gefahr darauf hinwandeln kann. Es enthält auch, wie ihr euch überzeugt habt, eine große Menge Verſteinerungen und überall, wo es immer erſcheint, dieſelben Arten. Aber woher, werdet ihr fragen, kommen denn dieſe Gegenſtände, die als Muſcheln und Gehäufe von verſchiedenen Waſſerthieren leicht zu erkennen find, und was iſt die Urſache, daß ſie in Stein verwandelt und ſogar auf die Höhe eines Berges verſetzt worden ſind? Ehe wir euere Fragen beantworten, müſſen wir euch mit der über— raſchenden Thatſache bekannt machen, daß die ſcharfſinnigſten Naturforfcher durch Vergleichung dieſer verſteinerten Gehäuſe mit allen ſolchen, die man jetzt im Meere und im ſüßen Waſſer findet, ausgemittelt haben, daß alle dieſe Conchylien im Jura— Kalkſtein von Arten herrühren, die einſt das Meer bewohnten, und zweitens, daß gegenwärtig von allen dieſen Arten auch nicht eine einzige ganz gleiche 1075 im Meere anzutreffen iſt. BR! SEILER So höchſt ſonderbar dieſe Behauptungen der Naturkundigen auch find, möcht nun mancher euch antworten, fo iſt dennoch nicht ſchwer, von der Weiſe, wie dier Dinge hieher gekommen ſein müſſen, eine genügende Erklärung zu geben. Sie ſind nämlich vor undenkbarer Zeit, noch ehe Europa von Menſchen bewohnt war, be irgend einem gewaltigen Naturereigniſſe, wo das Meer über feine Ufer trat und das Land überſchwemmte, hieher und bis auf die Höhe des Berges geworfen worden. — 1 Ihr werdet aber kaum dieſer Erklärung euern Beifall geben. Denn einerſei nicht nur in lockerer Erde Verſteinerungen gefunden, ſondern eine große feſtem Fels eingeſchloſſen geſehen und euch vergebens bemüht, fie mit euerm Taſchen = meſſer herauszuarbeiten; anderſeits ſind ja die meiſten fo ſchön erhalten und beſitzen noch ihre ſcharſen Ränder und feinen Spitzen, daß fie unmöglich fo weit über das Land hingerollt worden ſein können. Es bleibt alſo, wenn man einen Transport dieſer Gehäuſe nicht annehmen darf, nichts übrig als zu glauben, der Lägernberg ſelbſt und alles Land umher fer einſt vom Meere bedeckt geweſen uud die Mufcheln haben ſich bei ruhigem Meere in den Schlamm, welcher nach Ablauf des Waſſers hart und zu Fels wurde, abgeſetzt. So wahrſcheinlich auch dieſe zweite Annahme zu fein ſcheint, fo werdet ihr doch bei einigem Nachdenken auch gegen fie Einwen— dungen machen müſſen. Wie iſt es möglich, daß im Meere, das ſo oft von Stürmen bewegt wird, ein Berg mit ſo ſcharfem Rücken und jähen Wänden wie das Juragebirg, das noch überdieß aus weicher Maſſe beſtanden haben muß, ſich erhalten konnte? Ihr werdet anführen, daß, ſo weit ihr noch in den kleinen Nachen auf dem Zürcherſee herum rudertet, nirgends wo der Boden weich war, bedeutende Unebenheiten, geſchweige denn ſo ſteile Erhebungen ſichtbar waren; ſondern daß im Gegentheil der Grund an ſolchen Stellen mehrentheils ganz flach erſchien. — Da in der That keine dieſer Erklärungen, wie ihr ſelbſt urtheilt, befriedigend iſt, fo wollen wir, da ihr die richtige kaum ſelbſt finden würdet, euch das Räthſel löſen helfen, müſſen euch aber vorerſt ins Gedächtniß zurückrufen, was euch über feuerſpeiende Berge und ihre Wirkungen in der Schule erzählt worden iſt. Ihr habt gehört, daß die Vulkane, von denen drei jetzt noch thätige euch in Europa bekannt ſind, nicht nur Aſche, Steine und Lava in ganz ungeheuren Maſſen von Zeit zu Zeit auswerfen, ſondern daß ihre Ausbrüche faſt immer von heftigen Erdbeben begleitet ſind, wodurch oft weite Strecken Landes erſchüttert und ſogar umgeſtaltet werden. Ihre Gewalt reicht hin, um Berge blaſen— förmig auszudehnen und auseinander zu ſprengen. So wurde am 22. Novbr. 1819 die Küſte von Chili bei einem heftigen Erdbeben in einer Länge von 50 Stunden um 3 — 4 Fuß in die Höhe geſtoßen und unzweideutige Merkmale am dortigen Meereg- rande beweiſen, daß ſie in frühern Zeiten wohl 50 Fuß über ihre urſprüngliche Lage emporgetrieben worden iſt. Kein Ereigniß aber kann uns eine beſſere Vorſtellung von der Ausdehnung der bei Erdbeben wirkſamen Kräfte geben, als dasjenige, das ſich im 3 Jahr 1789 zu Mexiko zugetragen. Dort wurde in der Nacht vom 28. — 29. Sept. ein ebener Landſtrich von 3 — 4 Quadratmeilen unter Bebungen, Flammenausbruch und Ausſchleuderung ſeuriger Maſſen in Geſtalt einer Blaſe bis zu 760 Klaftern emporgetrieben., Als dieſe zerſprang, ſtieg aus der Spalte der große Vulkan von Korullo bis zu 4000 Fuß empor. — Ueberhaupt könnt ihr als ausgemacht anſehen, daß faſt alle Berge, wenigſtens alle, die ihr von dieſem Standpunkte aus ſehet, ſelbſt die hohen Alpen, freilich in verſchiedenen Zeiten, durch vulkaniſche Kräfte emporge— hoben worden ſind. Natürlich wurden dannzumal die urſprünglich wagrecht liegenden Schichten der Erde mehr oder weniger aus ihrer Lage gebracht, ja oft ſenkrecht aufgerichtet, wie ihr gerade an dem Berge, auf dem ihr ſteht, deſſen Schichten auf beiſtehende Weiſe geneigt ſind, beobachten könnt. Daß ſolche gewaltſame Zerſtörungen Würenlos VB N ee RR y der Erdrinde in oder nahe am Meere von heftigen Bewegungen desſelben begleitet waren, iſt einleuchtend. Die erdigen Stoffe, mit denen die Gewäſſer ſich miſchten, verbunden mit den vulkaniſchen, die von unten hervordrangen, führten den Untergang aller Meerbewohner herbei und bildeten, als das Meer wieder ruhig wurde und ſich zu läutern begann, einen Riederſchlag, (Bodenſatz) in dem die todten Geſchöpfe begraben wurden. Man findet wirklich an mehrern Stellen der Erde, beſonders da, wo zu jener Zeit Vulkane thätig geweſen ſein mußten, deutliche Spuren, daß die Thiere, die ſich dort verſteinert finden, auf gewaltſame Weiſe umgekommen ſind. Weit der größere Theil ſolcher Ueberreſte rührt aber von Geſchöpfen her, die eines natürlichen Todes geſtorben ſind. Der ganze Jura z. B. enthält ſogar in ſeinem Innern Thiere, womit, noch ehe er ſich empor hob, ſeine Maſſe, bis auf viele 100 Fuß Tiefe angefüllt war. Dieſe Erſcheinung erklären die Naturforſcher auf folgende Weiſe: Das Meer enthielt zu jener Zeit eine kalkige Subſtanz in ſich aufgelöst, die ſich an den auf dem Grunde des Waſſers zerſtreut umher liegenden Muſcheln anſetzte, ſie mit einer Kruſte überzog und endlich ganz bedeckte. Ihr ſeht auf gleiche Weiſe, wie in den meiſten Bächen, die vom Zärichberg herabfließen, die Steine in ihrem Bette und alle zufällig hineingeführten Gegenſtände, wie Pflanzenreiſer, mit einem dicken weißgelblichen Ueberzug, der beſtändig zunimmt, bedeckt ſind. Im Meere geſchah dieß vielleicht ſchneller, oder mag Jahrtauſende gedauert haben. Kurz ihr findet im Jura eine a Menge Schichten verſteinerter Muſcheln übereinander, bei denen keine Spuren ihrer Bewohner mehr zu bemerken ſind, und deren Inneres ebenfalls mit Kalkſtein angefüllt iſt. Wir könnten euch noch viel über den frühern Zuſtand der Erde, auf deſſen Unterſuchung die Naturforſcher gegenwärtig den größten Fleiß verwenden, erzählen. Mit Erſtaunen würdet ihr hören, wie die Erde nach dieſer Zerſtörung von neuem mit Pflanzen und eigenthümlichen Geſchöpfen bekleidet wurde, die von den vorigen verſchieden waren. Wir würden euch beweiſen, daß die Geſchichte der Erde viele ſolcher Umwälzungen zeigt, die mit Zuſtänden der Ruhe beſtändig wechſelten, aus welchen dann jedesmal die Erde mit zahlreichen vollkommnern Geſchlechtern ausgeſtattet hervorging. Da ihr aber hieher gekommen ſeid, die Verſteinerungen des Juragebirges kennen zu lernen und zu ſammeln, ſo wollen wir euch dieſe näher beſchreiben, und damit ihr von den größern Geſchöpfen, mit denen damals die Erde bevölkert war, euch einen Begriff machen könnt, haben wir auf dem Titelkupfer die merkwürdigſten derſelben zuſammengeſtellt. Links erblickt ihr ein Thier, das die Naturforſcher Megalosaurus heißen. Wenn irgend ein Thier rieſenhaft zu nennen iſt, ſo iſt es dieſes; denn es hat an Größe die größten Crocodile übertroffen, und iſt einem Wallfiſche nahe gekommen. Es war ein Meerbewohner, konnte aber auch außer dem Waſſer leben. Nach der Form der Zähne zu urtheilen, muß es ein gefräßiges und räuberiſches Thier geweſen ſeyn. Viel abweichender noch in Abſicht auf Bildung des Körpers von den jetzigen Geſchöpfen, ſind die beiden großen Eidechſen mit floſſenartigen Gliedmaßen, die im Meere umher ſchwimmen. Am meiſten fällt euch das Thier mit den ungeheuren Augen, Ichthyosaurus genannt, auf. Sein Kopf, der den vierten Theil der ganzen Länge mißt, iſt demjenigen eines Krokodils ähnlich; ſein Rachen iſt mit ſcharfen Zähnen verſehen. Die beiden großen Augen, die von vielen kleinen Knochen umgeben ſind, müſſen dem Thier ein ſonderbares Ausſehen gegeben haben. Es athmete Luft und war genöthigt, von Zeit zu Zeit an die Oberfläche des Waſſers zu kommen. Seine Bewegungswerkzeuge ſind ganz denen der Schildkröten ähnlich, nur zum Schwimmen beſtimmt, und es konnte ſich vermittelſt derſelben nicht nach Art der Seekälber am Ufer hin- und herbewegen, ſondern wenn es ſtrandete, blieb es wie die Wallfiſche liegen und ſtarb. Ein wahres Ungeheuer iſt das Thier mit dem Schlangenhalſe, das die Natur— forſcher Plesiosaurus nennen. Sein Kopf iſt klein, der Mund mit vielen ſpitzigen und gebogenen Zähnen beſetzt. Seine Ruderfüße ſind wie die des vorigen Thieres gebaut. In ſeiner Bewegung und Geſtalt muß es der Schiltkröte ähnlicher geweſen ſein, als irgend einem andern Thiere, wofern man ſich dieſelbe von ihrem Panzer entkleidet denkt. Durch die Schnelligkeit und Gewandtheit ſeines Angriffes mag es die in der Nähe ſeines außerordentlich langen Halſes vorbeiſchwimmenden Thiere leicht erbeutet 3 haben. Das ſonderbarſte Weſen aber und dasjenige, das, wenn man es lebend erblickte, am meiſten der jetzigen Schöpfung fremd erſcheinen würde, iſt das Thier das ihr herumfliegen ſeht. Es iſt ebenfalls ein Reptil, aber ſeiner Bildung nach ein Vogel. Nach Art der Fledermäuſe iſt es mit einer Flughaut verſehen, beſitzt aber zugleich Klauen, mit denen es kletterte. Das Thier konnte alſo in den Lüften ſchweben, an Felſen ſich anklammern, auf der Erde umherkriechen, auch wohl mit ſeinen Flughänden auf der Waſſerfläche herumrudern. Sein Körper ſcheint mit einem Pelze bedeckt geweſen zu ſein, der an mehrern Stellen federartig war. Der Bau des Rachens zeigt, daß es ſich wahrſcheinlich von Mollusken, vielleicht auch von kleinen Fiſchen genährt und die Speiſe ganz verſchluckt hat. Zur Rechten kriechen einige Krokodile und Schildkröten herum, an denen die damalige Welt ſehr reich war und von denen ihr vielleicht einſt, wenn Ihr auf einer Ferienreiſe Solothurn beſuchet, eine Sammlung ganz vorzüglich ſchön erhaltener in den nahen Steinbrüchen des Jura gefundener Exemplare, mit Verwunderung betrachten werdet. Das Meer wimmelte von Fiſchen, krebsartigen Thieren, Würmern, beſonders ſehr vielen Arten von Conchylien, deren Formen außerordentlich zahlreich waren. Von Säugethieren hat man bisher nur ein einziges Geſchlecht entdeckt. Ueberhaupt ſo lebendig es im Meere ausſah, wo die gefräßigen Ungeheuer beſtändig Jagd auf einander machten, ſo öde und traurig war der Anblick des nicht ſehr ausgedehnten feſten Landes. Die Pflanzenwelt war auf wenige Kieferarten und einige farrenkraut— ähnliche Gewächſe beſchränkt und in Vergleichung mit der gegenwärtigen und einigen frühern Schöpfungen äußerſt arm. Jetzt aber, ihr muntern Wanderer, iſt es Zeit, an den Rückzug zu denken, und wir ſchlagen euch den ſo angenehmen Weg längs der Limmat vor. Dicht am Fuße des Berges liegt das Dorf Wärenlos, deſſen berühmte Steinbrüche ihr im Vorbeigehen beſuchen müßt. Im Herunterſteigen werdet ihr zwar viele Stücke für euere Samm— lung aufheben, hier aber erſtaunt ihr über die außerordentliche Menge von Conchylien, die dieſes Geſtein euch darbietet. Ihr ſeht, daß der Fels, den man zu verſchiedenen Zwecken in großen Stücken bricht, keine der oben und an der Seite des Berges vor— kommenden Arten in ſich ſchließt, ſondern wie dort Ammonshörner und Terebrateln ſo häufig waren, finden ſich hier Conus- und Jakobsmuſcheln in ganzen Lagern bei— ſammen. Die Bewohner des Meeres, von dem dieſes Geſtein euch Ueberreſte zeigt, waren nicht jene ſeltſamen eidechſenartigen Ungeheuer, ſondern Haififche, wie man jetzt noch ähnliche ſieht. Mit leichter Mühe kann man Zähne dieſer Raubthiere in dem Fels auffinden, und von den Arbeitern, die ſie Steinzungen heißen, um ein Trinkgeld herausmeißeln laſſen. Merkt euch aber, daß dieſe thieriſchen Ueberreſte einer ganz andern und viel neuern Schöpfung angehören als die Verſteinerungen des Jura. Sie ſind in einer Erdſchichte enthalten, die zu gleicher Zeit mit dem Albis erſchien, 8 und auf der die Kohlen von Käpfnach liegen, in denen man Theile von Palmbäumen und jenes große in einem frühern Neujahrsſtück abgebildete elephantenartige Thier gefunden hat, das die Naturforfcher Mastodon heißen. Habt ihr auch in dieſer Fundgrube euch mehrere intereſſante Gegenſtände erworben und die Lage der Schichten betrachtet, ſo iſt alles, was in dieſem Theil des Cantons im Laufe eines Tages zu unterſuchen war, erforſcht. Wir ſind mit euch für euere Bereitwilligkeit und euern Eifer zufrieden, und ihr, wir ſind es verſichert, wiſſet uns Dank für den guten Rath und die reiche Ausbeute. Im nahen Wirthshauſe mögt ihr noch die nöthige Erquickung euch verſchaffen und dann unter fröhlichem Geſpräch und Geſang den Weg nach der Heimath antreten. Erklärung der zweiten Kupfertafel. Verſteinerungen vom Lägernberg. 1. und 4. Seeigel (1. Spatangus 4. Echinus). 3. Stachel eines Seeigels. 2. Serpula an ein Bruchſtück einer Auſterſchale angewachſen. 5. und 6. Terebrateln. 7. Gryphit. 8. Ammonshorn 9. Belemnit. 10. Enkrinitenſtiel. 13. Durchſchnitt eines Enkrinitenſtiels. 12. Jakobsmuſchel. 16. Seeſchwamm. Verſteinerungen vom Würenloſer Sandſtein. 11. Haifiſchzahn (Stein⸗ oder Vogelzunge). 14. Conus. 15. Herzmuſchel (Cardium). Un die Zürcherische Iugend auf das Jahr 1838. Von der Uatur forschenden Gesellschaft. XL. Stück. Seit Menſchengedenken haben in kein einzelnes Jahr ſich ſo viele außerordentliche Naturerſcheinungen zuſammengedrängt und die Beobachter je nach dem Stande ihrer Bildung entweder in Schrecken oder freudiges Erſtaunen geſetzt, wie in dem verfloſſenen. Nordlichter, ein in unſern Gegenden ſo ſeltenes Phänomen, haben uns zu wiederholten Malen durch ihren milden Schein ein herrliches Schauſpiel gewährt; Feuerkugeln ſind, einen gewaltigen Schweif nach ſich ziehend, über unſere Berge weggeflogen, und haben durch ihr blendendes Licht die Nacht in Tag ver— wandelt. Zwei Male iſt von ausgebreiteten Erdbeben unſer Land heftig erſchüttert und auch der Freund erhabener Naturſcenen durch die Ungewißheit des Ausganges in Bangigkeit verſetzt worden. Der Glaube des Volkes hat alle dieſe Erſcheinungen nicht nur in einen räthſel— haften Zuſammenhang gebracht und unter ihnen eine Verbindung gefunden, die bis jetzt die ſcharfſinnigſten Naturforſcher nicht zu entdecken vermochten, ſondern in jedem auch ein Vorzeichen künftiger Witterungsverhältniſſe erblickt. Ohne allen Zweifel ſeid auch Ihr, liebe Jugend! auf dieſe Ereigniſſe aufmerkſam geweſen, und habet begierig Allem zugehört, was darüber geſagt wurde. Vieles iſt Euch nicht klar geworden oder unbegreiflich vorgekommen, und Ihr wünſchtet nähere Auskunft zu erhalten. Wir glauben Euch deßhalb einen nicht unangenehmen Dienſt zu erweiſen, wenn wir in dieſen Blättern Euch die Anſichten derjenigen Naturforſcher mittheilen, welche ſeit längerer Zeit dieſe Erſcheinungen zum Gegenſtand ihrer ſorgfältigſten Unterſuchungen machten. Für diefes Mal müſſen wir uns jedoch auf 'die Beſchreibung einer derſelben beſchränken. a Wenn man in heitern Nächten den geſtirnten Himmel eine Zeitlang beobachtet, ſo ſieht man irgendwo einen kleinen hellen Punkt hervorglänzen, der mit bedeutender Geſchwindigkeit ſich fortbewegt und plötzlich wieder verſchwindet. Man heißt dieſe Erſcheinung Sternſchnuppe, weil das gemeine Volk ehemals ſonderbarer Weiſe der Meinung war, daß eine leuchtende Materie von den Sternen ausgeſchneuzt werde, die es in der ſchleimigen Subſtanz, die man zuweilen im Herbſte auf feuchten Wieſen antrifft, zu finden glaubte. Selbſt die Naturlehrer haben noch im vorigen Jahrhundert über das Weſen dieſes Phänomens die ſeltſamſten Anſichten aufgeſtellt. Die Einen vermutheten, die Sternſchnuppen möchten unverdaute Theile von Fröſchen oder Fiſchen ſein, die hoch in der Luft von Reihern und andern Vögeln ausgeſpieen würden und unter phosphoriſchem Glanze auf die Erde herabfielen. Die Andern hielten ſie für ſchwefliche Dünſte, die ſchnell in der Luft herumführen, oder für eine Art Irrlichter, deren Entfernung vom Erdboden ganz unbedeutend wäre. Die meiſten dieſer leuchtenden Punkte erſcheinen uns wie kleine Sterne, zuweilen aber kann man an ihnen eine Scheibe erkennen, die derjenigen der Planeten Jupiter oder Venus gleichkommt. Die größern unter dieſen Meteoren, von denen wir nachher ausführlicher reden werden, bezeichnet man daher mit dem Namen Feuer— kugel, und wirklich haben genaue Unterſuchungen dargethan, daß zwiſchen den einen und den andern Erſcheinungen durchaus kein Unterſchied vorhanden iſt. Erſt in neuern Zeiten hat man über die Sternſchnuppen fortgeſetzte Beobach— tungen angeſtellt, und ihre Größe, ihre Entfernung von der Erde, ihre Geſchwin— digkeit, ihre Bahn, die Zeit und den Ort ihres Vorkommens zu beſtimmen geſucht. Was die Größe dieſer Meteore betrifft, ſo iſt es nicht leicht, dieſelbe mit irgend einer Beſtimmtheit anzugeben; indeſſen hat man berechnet, daß ihr wahrer Durch— meſſer etwa 80, 400 bis 120 Fuß betrage. Nicht minder ſchwierig iſt es, die Höhe, in der dieſe Lichtmaſſen ſchweben, zu finden. Den zuverläſſigſten Angaben zufolge bewegen ſie ſich in ſehr verſchiedenen Entfernungen von der Erde, erſcheinen aber ſelten in einem geringern Abſtande, als eine Meile, und überſteigen faſt nie eine Höhe von 100 Meilen. Die meiſten fallen in den Raum von ſechs bis zwanzig Meilen. Die Geſchwindigkeit, womit ſich die Sternſchnuppen bewegen, iſt ebenfalls ſehr verſchieden. Gewöhnlich legen fie in einer Sekunde einen Weg von 4—8 Meilen zurück und beſitzen alſo eine Schnelligkeit, die derjenigen der Himmelskörper gleich kommt. Der Weg, den ſie nehmen, geht bald aufwärts, bald niederwärts; zuweilen fliegen ſie auch horizontal über die Erde dahin. Ihre Bahn iſt nicht immer eine gerade Linie; man hat einige geſehen, die in einer krummen Linie zuerſt der Erde ſich näherten und dann wieder aufwärts fuhren; andere bewegten ſich ſchlangenförmig. Dabei hat man, betreffend die Himmelsgegend, nach der dieſe Meteore hinziehen, bemerkt, daß, obgleich ſie regellos nach allen Richtungen hin zu gehen ſcheinen, die Richtung nach Südweſt vorwaltet. Die 8 — Ster nſchnuppen erſcheinen in allen Klimaten, unter dem Aequator ſowohl als in den Polargegenden, ſowohl bei Tag als bei Nacht, und zu jeder Zeit des Jahres. Man ſchätzt die Zahl der Sternſchnuppen, die während einer Stunde erſcheinen, auf acht. Es giebt indeſſen Zeiten, wo ſie häufiger, als gewöhnlich, ja in ganzen Schwär— men auf ein Mal vorkommen. So beobachtete man in der Nacht vom 6. auf den 7. December 1798 auf einem Raume, der nicht den fünften Theil des Himmels betrug, in jeder Stunde über 100 Sternſchnuppen, und berechnete, daß damals über 2000 über dem Horizonte ſichtbar geweſen ſein mochten. Eine der merkwür⸗ digſten Erſcheinungen dieſer Art war diejenige, welche der berühmte Naturforſcher Humboldt am 12. November 1799 in Südamerika wahrnahm. Früh Morgens vor Sonnenaufgang ſtiegen während vier Stunden Tauſende von Sternſchnuppen und kleinen Feuerkugeln über der merikanifchen Küſte empor. Da alle einen langen Lichtſtreif, deſſen Glanz eine Zeit lang fortdauerte, hinter ſich zurück ließen, ſo ſchien der Himmel gleichſam zu brennen. Dieſes merkwürdige Phänomen wurde zu derſelben Zeit auch in Nordamerika und in vielen Gegenden von Europa geſehen. In Grönland ſcheinen damals dieſe Meteore der Erde am nächſten gekommen zu ſein, und leuchteten dort mit einem Glanze, der die Nacht in Tag verwandelte. Eine faſt eben ſo große Zahl von Sternſchnuppen wurde am 13. November 1833 in vielen Gegenden der Vereinigten Staaten beobachtet. Auch ſeither hat man an verſchiedenen Orten in Europa eine außerordentliche Menge dieſer Meteore geſehen. Wenn die Sternſchnuppen in die Nähe der Erde kommen, in welchem Falle ſie den Namen Feuerkugeln erhalten, ſo erſcheinen ſie, gleich derjenigen, die am Morgen des 5. Januars 1837 ſich über Süddeutſchland und die Schweiz hinbewegte, oft von der Größe des Vollmondes und einem Glanze, der denjenigen dieſes Himmels— körpers weit übertrifft. Während ihres Fortganges brechen Funken und Rauch aus ihnen hervor, und ſie ziehen einen langen, feurigen Schweif nach ſich. Zuwei⸗ len erlöſchen ſie ohne Geräuſch; meiſtentheils aber zerplatzen ſie mit einem heftigen Getöſe, wobei Häuſer wie durch ein Erdbeben erſchüttert werden und Thüren und Fenſter aufſpringen. Die einzelnen Stücke der zerſprungenen Kugel fallen dann entweder auf die Erde herab, oder fahren „bis ſie ebenfalls zerſpringen, eine Zeit lang durch die Lüfte dahin. Obgleich uns ſchon das Alterthum Erzählungen von Steinregen überliefert hat, ſo iſt es doch erſt ſeit Anfang dieſes Jahrhunderts als erwieſen betrachtet worden, daß von Zeit zu Zeit feſte Maſſen vom Himmel herabfallen. Dr. Chladni, der durch mehrere intereſſante Entdeckungen in der Phyſik berühmt geworden iſt, hat ſich dadurch ein großes Verdienſt erworben, daß er in einer im Jahr 1794 herausge- gebenen Schrift die Aufmerkſamkeit der Naturforſcher wieder auf dieſen Gegenſtand hinlenkte und das Vorkommen von Steinfällen als unumſtößliche Wahrheit darthat. Gewöhnlich findet man die Bruchſtücke der zerplatzten Kugel, Aerolithen, Be Meteorſteine genannt, über ein großes Stück Land zerſtreut und, in Folge der Höhe, aus der fie herabfielen, tief in die Erde eingeſenkt. Sie find bei ihrer Ankunft gewöhnlich ſehr heiß, meiſtens glühend und verbreiten anfangs einen ſtarken Schwe— felgeruch. Aeußerlich ſind ſie einander dadurch ähnlich, daß ſie mit einer dünnen ſchwarzen Rinde überzogen ſind, die bald mehr, bald weniger glänzend iſt und durch Fluß im Feuer entſtanden zu ſein ſcheint. Auch in Abſicht auf innere Beſchaffenheit zeigt ſich eine gewiſſe Uebereinſtimmung, und zudem eine Aehnlichkeit mit manchen der auf unſerer Erde vorkommenden vulkaniſchen Produkten, von denen ſie ſich jedoch ziemlich leicht unterſcheiden laſſen. Sie haben alle eine grauliche Farbe und erſcheinen als ein Gemenge verſchiedener Erdarten, in welchen metalliſche Körner eingeſprengt ſind. Die chemiſche Zerlegung hat gezeigt, daß ſie ihren Hauptbeſtand— theilen nach aus Eiſen, Kieſelerde und Talkerde beſtehen; aber außer dieſen Stoffen noch Kalk, Thonerde, Schwefel und mehrere andere enthalten. Obgleich man die Meteorſteine meiſt nur in kleinen Stücken auffindet, ſo hat es doch ſolche gegeben, die ein ſehr bedeutendes Gewicht beſaßen; ſo wog unter den früher entdeckten der zu Enſisheim im Elſaß im Jahr 1492 niedergefallene und jetzt noch in der dortigen Kirche aufbewahrte Stein urſprünglich 270 Pfund. Im Jahr 1807 fiel in Connecticut eine Meteormaſſe herab, die 225 Pfund wog und, nach ihrer Geſtalt zu ſchließen, doch nur einen unbedeutenden Theil der ganzen Kugel gebildet haben konnte. 1821 flel bei Juvenas in Frankreich ein Stein von 220 Pfund nieder. Von dem Augenblicke an, da ſich die Naturforſcher überzeugt hatten, daß wirklich zuweilen Steine aus der Luft herabfallen, fingen ſie ernſtlich an darüber nachzudenken, wo etwa dieſe Steine entſprungen ſein möchten, und ſtellten hierüber hauptſächlich dreierlei verſchiedene Meinungen auf. Da die Steine aus der Luft herabfallen, ſo lag es am nächſten, ihren Urſprung in dieſer zu ſuchen und anzu— nehmen, daß ſie aus den in der Atmosphäre enthaltenen Beſtandtheilen gebildet ſeien. Bei genauer Unterſuchung des Regenwaſſers hat es ſich in der That gezeigt, daß ihm oft verſchiedenartige, fremde Stoffe beigemiſcht ſind, die ſich von der Erde verflüchtigt hatten und durch die Regentropfen wieder herabgebracht wurden. Man nahm alſo an, es ſei in der Luft eine bedeutende Quantität von Beſtandtheilen der Meteorſteine vorhanden und dieſe treten unter gewiſſen Umſtänden durch irgend einen uns unbekannten chemiſchen Prozeß zuſammen und vereinigen ſich. Dieſe Anſicht läßt aber eine Menge Schwierigkeiten unerklärt. Denn erſtens hat man einige der Hauptbeſtandtheile, wie Eiſen und Kieſelerde, nie im Regenwaſſer ange— troffen, und es läßt ſich nicht gedenken, daß dieſe Stoffe überhaupt fi) ver flüchtigen und in der Luft ſchwebend erhalten können. Ferner kommen die Erſcheinungen in einer Höhe vor, wohin bei der außerordentlichen Dünne der Luft unmöglich ſolche Theile ſich erheben, oder in ſo großer Menge, als für die Bildung einer großen feſten Maſſe erforderlich iſt, vorhanden ſein können; zudem läßt dieſe Anſicht die a Bewegung dieſer Meteore, ihr Fortſchießen durch die Luft aufwärts und abwärts völlig unerörtert. Auch die Vermuthung, daß ſie von Vulkanen auf unſerer Erde ausgeworfen würden, bewährte ſich nicht, ſowohl wegen der großen Entfernung der Orte des Falles von Vulkanen, als wegen der Verſchiedenartigkeit der gewöhnlichen vulka— niſchen Produkte und der Meteorſteine. Man gab alſo dieſe Anſicht als unftatthaft auf, und nahm, wie ſchon im Alterthum behauptet wurde, an, daß dieſe Steine von einem andern Weltkörper ausgeworfen würden. Der Mond ſteht uns unter allen Weltkörpern am nächſten, und iſt der beſtändige Begleiter der Erde. Da er in verſchiedenen Beziehungen unſerer Erde gleicht, ſo iſt er vielleicht auch in ſeiner natürlichen Beſchaffenheit nicht ſehr von ihr verſchieden, und es können die nämlichen Stoffe, aus denen die Erde beſteht, ſich auch auf ihm finden. Die uns zugewandte Seite desſelben (er kehrt uns nämlich, wie bekannt, immer dieſelbe zu) iſt, wie man vermittelſt Fernröhren ſich überzeugen kann, voller Höhen und Berge, unter denen auch vulkaniſche zu ſein ſcheinen. Man bemerkt nämlich auf ihnen Vertiefungen, die den Kratern unſerer feuerſpeienden Berge ganz ähnlich und von außerordentlicher Größe ſind. Mit guten Fernröhren kann man ſogar in dieſelben hineinfehen und unterſcheiden, daß die eine Hälfte der Innenſeite beleuchtet und die andere beſchattet iſt, während der Rand glänzend hervorſteht. Wenn aber die Kraft, womit die Vulkane des Mondes Steine auswerfen, eben ſo groß iſt, wie diejenige der unſrigen, ſo müſſen die vom Monde ausgeſchleuderten Gegenſtände ſich viel weiter von ihm entfernen, als die Auswürflinge unſerer Vulkane von der Erde. Denn erſtens hat der Mond, nach dem Zeugniſſe der Aſtronomen, entweder gar keinen Luftkreis, oder, wenn er wirklich von einer Art Atmosphäre umgeben iſt, ſo iſt ſie von außerordentlicher Feinheit und einer verhält— nißmäßig viel geringern Höhe als die unſerer Erde. Die Vulkane des Mondes werfen alſo ihre Produkte in den luftleeren Raum, wo ihnen kein Hinderniß, wie auf unſerer Erde die Luft, entgegenſteht und ſie zum Stillſtehen zwingt. Ferner iſt die Schwerkraft auf dem Monde viel geringer, als auf unſerer Erde, und zudem die Grenzlinie der Anziehung zwiſchen Mond und Erde ſehr nahe an jenem. Man hat daher berechnet, daß die Kraft der Mondvulkane nicht übermäßig groß ſein müßte, um einen Stein ſo weit zu werfen, daß er, anſtatt nach dem Monde zurückzukehren, auf unſere Erde herabfiele. Würde ein Stein von den Mondvulkanen in der erſten Sekunde 8000 Fuß weit fortgetrieben, ſo würde ſich dieſer Fall wirklich ereignen. Eine Kanonenkugel fliegt ſchon mit der Geſchwindigkeit von 2000 Fuß in der erſten Sekunde, und eine vierfach ſo große Kraft läßt ſich von den ungeheuren Mondvulkanen unter den angegebenen Verhältniſſen ſehr wohl erwarten. Dieſe Erklärung wird noch dadurch beſtätigt, daß die herunter gefallenen a Maſſen unter ſich in Anſehung ihrer Bildung und Beſtandtheile ganz ähnlich find, mithin auf denſelben Urſprung hinweiſen. Obgleich alſo, gegen die Möglichkeit, daß ein von einem Mondvulkane ausge— worfener Gegenſtand auf unſere Erde gelange, nichts einzuwenden iſt, ſo iſt es doch nicht wahrſcheinlich, daß die Feuerkugeln dieſen Urſprung haben. Seitdem man die Geſchwindigkeit kennt, mit der dieſe Maſſen in unſere Atmosphäre eintreten, iſt durch Rechnung dargethan worden, daß die Meteorſteine, anſtatt mit der früher angegebenen Schnelligkeit von 8000 Fuß in der Sekunde, mit einer urſprünglichen Geſchwindigkeit von 140,000 Fuß vom Monde ausgeſchleudert werden müßten, was die Aſtronomen für durchaus unmöglich halten. Schon der früher erwähnte Naturforſcher Chladni hat die Anſicht aufgeſtellt, daß ſie im Weltraum herumziehende Maſſen, vielleicht auch Trümmer eines zer— ſtörten Himmelskörpers ſein möchten, welche in zahlloſer Menge den Planeten und Kometen gleich um die Sonne laufen, und nur dann uns ſichtbar werden, wenn ſie in unſern Dunſtkreis eindringen und darin erglühen. Durch eine Menge von Erfahrungen iſt wirklich das Daſein ſolcher im Welt— raum ſich bewegender Maſſen faſt außer Zweifel geſetzt. Auch das Zerſpringen eines Weltkörpers iſt nicht nur möglich, ſondern nach der Anſicht ausgezeichneter Aſtronomen iſt es ſogar wahrſcheinlich, daß ein ſolches Ereigniß in unſerm Sonnen— ſyſtem ein Mal Statt gefunden habe, und zwar an einem zwiſchen Mars und Jupiter vorhanden geweſenen Planeten, von dem allem Anſehen nach die vier kleinern Planeten Ceres, Pallas, Juno und Veſta Bruchſtücke ſind. Von ſolchen kleinen, im Weltraume herum irrenden Bruchſtücken werden, wie man vermuthet, zuweilen einige durch die Erde angezogen und fallen auf ſie herab; der größte Theil aber ſetzt, nachdem er die Atmosphäre der Erde durchflogen hat, wieder, wie zuvor, ſeinen Weg um die Sonne fort. Wenn nun dieſe Maſſen bei ihrem Falle gegen die Erde auf den Luftkreis der— ſelben treffen, ſo finden ſie, wie ein Stein, den wir mit großer Gewalt gegen das Waſſer werfen, einen Widerſtand, welcher Urſache der Bogenſprünge iſt, die man häufig bei dieſen Meteoren bemerkt. Meiſtentheils prallen ſie vom Luftkreiſe wieder ab und gehen abermals in den Weltraum hinaus; treten ſie jedoch in den erſtern ein, ſo verurſacht die außerordentliche Schnelligkeit ihrer Bewegung eine bedeutende Zuſammendrückung der Luft, wodurch ſie ſelbſt zum Glühen, ja ſogar zum Schmelzen gebracht werden. Zu gleicher Zeit entwickeln ſich durch dieſe außerordentliche Hitze im Innern der Kugel Dämpfe, welche die äußere zähe Hülle nicht zurückhalten kann, und die Kugel zerplatzt unter heftigem Getöſe, wobei, unter Hervortreten von Rauch und Dampf, die einzelnen Stücke der Kugel zu Boden fallen. So viel im Allgemeinen über dieſe Erſcheinung, die zu den prachtvollſten und intereſſanteſten gehört, die wir wahrnehmen können. Es iſt nicht zu läugnen, daß . ſich auch bei der letzten Anſicht, der die Mehrzahl der ausgezeichnetſten Phyſiker huldigen, nicht jeder das Phänomen begleitende Umſtand ganz genügend erklären läßt. Sie gewinnt indeſſen durch die genauern Beobachtungen, die jetzt über dieſe Meteore angeſtellt werden, von Tag zu Tag an Wahrſcheinlichkeit, und darf daher, nach dem gegenwärtigen Grade unſerer Kenntniß einer ſo merkwürdigen Erſcheinung, als die beſte empfohlen werden. Erklärung der Kupfertafel. Figur 1. iſt die Abbildung eines Stückes von einem den 26. April 1803 zu Aigle in der Normandie gefallenen Steine, welcher unter die größten gehört, von denen ſich in der Geſchichte Nachricht findet. Der berühmte Naturforſcher Biot, welcher die Sache an Ort und Stelle ſelbſt unterſuchte, theilte darüber fol— genden Bericht mit: Der Himmel war, einige unbedeutende Wölkchen ausgenommen, an jenem Tage völlig heiter. Nachmittag gegen 1 Uhr ſah man eine Feuerkugel, die ſich ſchnell von S. O. nach N. W. bewegte. Einige Augenblicke darauf hörte man in einem Bezirk von mehr als dreißig franzöſiſchen Meilen Durchmeſſer eine heftige, 5 — 6 Minuten dauernde Exploſion, die 3—4 Kanonenſchüſſen und darauf folgendem Kleingewehrfeuer ähnlich gefunden ward. Das Meteor, welches ein ſo ſchreckliches Getöſe verurſachte, erſchien wegen der Verdeckung durch den aus— brechenden Rauch und Dampf, nicht als eine Feuerkugel, ſondern als eine Dunſtmaſſe. In der ganzen Gegend, über welche daſſelbe ſchwebte, hörte man ein Ziſchen, wie von Steinen, die mit der Schleuder geworfen werden. Es fielen nach und nach (denn das Meteor zerplatste nicht in einem Augenblicke) ungefähr 2000 Meteorſteine nieder, von denen der größte 17½ Pfund wog. Die Rinde derſelben iſt ſchwarz und nicht ſo glänzend, wie bei den Fig. 2. abgebildeten. Die Hauptſubſtanz des Innern iſt weißlich grau; bei den einen bemerkt man Körner von gediegenem Eiſen mit metalliſchem Glanz, bei den andern dunkelbraune Flecken von Eiſenroſt. Die chemiſche Unterſuchung zeigte, daß er aus Kieſelerde, Eiſenoryd, Magneſia „Nickel und Schwefel beftand. Figur 2. ſtellt ein auf der Stadtbibliothek aufbewahrtes Stück eines den 22. May 1808 Morgens zwiſchen 47 und 6 Uhr zu Stannern in Mähren gefallenen Meteorſteines vor. Mehrere Augenzeugen gaben über dieſes Ereigniß folgenden Bericht: Bei heiterem Himmel und plötzlich eingetretenem Nebel, der wahrſcheinlich nichts anders als der Dampf des Meteors geweſen iſt, hörte man einen heftigen Knall, nach dieſem mehrere ſchwächere Schläge und ſodann ein ſtarkes Rollen, Brauſen und Pfeifen, welches ungefähr 8 Minuten anhielt; eine heftige Lufter⸗ ſchütterung erfolgte und es fiel eine Menge Steine nieder. Der unterdeſſen ent- ſtandene Nebel dauerte 4 Stunden lang. Die Feuerkugel ſah man zu Trieſch, eine — A Meile weſtlich von Stannern, von der Größe des Mondes, funkenſprühend, mit einem kettenartigen Schweife. Ihre Richtung ſchien von N. O. nach S. W. zu gehen. Nach dem Zerplaken des Meteores ſchlugen mehrere herabfallende Stücke desſelben 20 — 24“ tief in die Erde. Dieſe Meteorſteine find in ihrem Innern ſehr feinkörnig und von einem ſandſteinartigen Anſehen. An manchen Stellen zeigen ſich metalliſch glänzende Theile. Wird ein Stück ins Waſſer gelegt, fo ſaugt es daſſelbe begierig ein und ſtößt Luftbläschen aus. Die Rinde iſt kohlſchwarz, ſieht nicht metalliſch, ſondern pech— artig aus, iſt ſehr uneben, voll äſtiger und ſtrahliger Adern und Erhabenheiten. Daß ſie anfangs weich und klebrig geweſen iſt, ſieht man daraus, daß die Steine beim erſten Anfaſſen die Hand ſchwarz färbten und die Schwärze an den Fingern wie Wagen— ſchmiere klebte. Ihre Hauptbeſtandtheile find Kieſelerde, Kalkerde, Thonerde, Eifenoryd. Figur 3. ſtellt ein Stück des ſogenannten Pallasſchen Eiſens vor. Man hat nämlich in verſchiedenen Gegenden der Erde Maſſen von gediegenem Eiſen gefunden, von denen es zwar nicht hiſtoriſch erwieſen iſt, daß ſie aus der Luft herabgefallen ſeien, die aber nach dem Dafürhalten vieler Naturforſcher wahrſcheinlich dieſen Urſprung haben. — Eine der bekannteſten derſelben iſt diejenige, welche Pallas im Jahr 4774 in Sibirien kennen lernte, und welche die Tartaren als ein vom Himmel gefallenes Heiligthum anſahen. Sie wog 1400 Pfund. Im Saroſſer Comitate in Ungarn wurde 1814 eine ſolche Eiſenmaſſe gefunden, die 194 Pfund wog. Der ſogenannte verwünſchte Burggraf von Elbogen war ein Meteorſtein, der ein Gewicht von faſt 200 Pfund hatte. Eine Maſſe, die man am Vorgebirg der guten Hoff— nung entdeckte, war etwa 300 Pfund ſchwer. Sehr große Stücke von Meteoreiſen kommen auch am Senegal vor, wo ſie durch die Neger verarbeitet werden. In Mexiko find ebenfalls bedeutende Maſſen gefunden worden, von denen eine vielleicht 20 Zentner wog; ebenſo bei Otumpa in Süd-Amerika, in Braſilien, bei Neu— Orleans, an der Baffins-Bay u. ſ. w. Bei dieſen Maſſen findet man gewöhnlich das Eiſen voller Höhlungen, in denen ſich mehr oder weniger vollkommene Kryſtalle einer Steinart, Olivin genannt, befinden. Figur 4 und 5. ſtellt die den 23. Juli 1762 Abends 10 Uhr in Sachſen und in Bran— denburg beobachtete Feuerkugel vor, von welcher Silberſchlag viele geſammelte Nach— richten nebſt Berechnungen der Bahn weitläufig mitgetheilt hat. Sie ward zuerſt ſenkrecht über der Gegend zwiſchen Leipzig und Zeitz in Geſtalt eines kleinen Sternes ſichtbar, nahm an Größe zu und erſchien anfangs wie ein zackiger brennender Klumpen, nachher aber mehr kugelförmig mit einem Schweife, in welchem ſich mehrere kleinere Kugeln bildeten; fie ging von S. S. W. nach N. N. O. über Wittenberg und Potsdam und zerſprang etliche Meilen hinter letzter Stadt, mit einem furcht— baren Knall und darauf folgendem ſchrecklichen Getöſe; ſie ſoll auch während des Laufes geziſcht haben. Das Licht war ſehr weiß und dem Blitze ähnlich; ſpäterhin ward es roth und erleuchtete einen Umfang von wenigſtens 60 deutſchen Meilen. Ueber Potsdam drehte ſie ſich um ihre Achſe, ehe ſie zerplatzte. Das Krachen hat man 20 deutſche Meilen weit gehört. f f An die Bürherifhe Jugend auf das Jahr 1839. Von der Natur forſchenden Geſellſchaft. F. Kue. XII. Stück. . Die meiſten Blätter, welche die naturforſchende Geſellſchaft bis jetzt herausgegeben hat, ſind der Naturgeſchichte gewidmet und enthalten Beſchreibungen europäiſcher Säugethiere Vögel, Inſecten u. ſ. w. Das vorliegende Heft ſoll eine Reihe von Mittheilungen uͤber phyſikaliſche Erſcheinungen eröffnen, die den Alpen oder doch den Gebirgsländern eigen- thümlich und bisher weniger beachtet worden ſind. Zu dieſer Wahl veranlaßte uns theils die Bemerkung, daß bei uns ſeit einigen Jahren Bergreiſen, ſo wie ſie es verdienen, allen andern Erholungsmitteln vorgezogen werden, theils die Überzeugung, daß dem wißbegie— rigen Menſchen die Erforſchung feines Vaterlandes, beſonders, wenn es, wie die Schweiz, eine ſo große Menge intereſſanter Erſcheinungen darbietet, am nächſten liege und am meiſten Genuß verſchaffe. Die Erſcheinung, die wir erläutern und der Aufmerkſamkeit der Reiſenden empfehlen möchten, zeigt ſich im ebenen, auch im hügeligen Lande nicht, iſt aber im Hochgebirge fo häufig, daß wohl kaum ein Thal in den Alpen zu finden iſt, wo ſie nicht in mehr oder weniger auffallendem Grade vorkommt. In der Schweiz iſt ſie faſt überall unter dem Namen der Wetterlöcher oder Windhöhlen bekannt. Jeder Freund erhabener Naturſcenen kennt jene Terraſſe, die etwa 600 Fuß über dem Vierwaldſtätterſee am Nordabhange des Niederbauenſtockes liegt, auf der ſich ein kleiner See, das Schloß Beroldingen und das Dörfchen Seelisberg befinden. Steigt man von der Kirche dieſes Dörfchens, um nach der Kapelle Maria Sonnen- berg zu gehen, zum Hohlwege „Thor“ genannt hinan, ſo entdeckt man unten an der Felswand mehrere aus dem Tannenwald hervorblickende Steinhüttchen, welche die Hirten Milchhäuschen nennen, da ſie in ihnen während des ganzen Jahres ihre vorräthige Milch — — und andere Nahrungsmittel aufbewahren. Erkundigt man ſich dann, warum dieſe kleinen Speicher von den Wohnhäuſern entfernt an den Bergabhang hingebaut ſeien, ſo erfährt man, daß an dieſer Stelle während des Sommers ein eiskalter Wind aus dem Boden hervordringe, der das Hüttchen ganz kühl erhalte, und Milch und Fleiſch während eines Monats und Kirſchen ein ganzes Jahr lang vor Sauerwerden und Fäulniß ſchütze. Wer Neugierde bemerken läßt, wird von den gefälligen Leuten etwas weiter in den Hohlweg hinauf geführt, wo zur rechten Seite hart an dem mit großen Steinen gepflaſterten Sträß⸗ chen aus den Spalten der moosbedeckten Felstrümmer derſelbe kalte Luftſtrom heraustritt. Ein Thermometer, das im nahen Pfarrhauſe zu finden iſt, ſinkt, in eine dieſer Spalten geſchoben, wenn die äußere Luft 18 — 20° R. warm iſt, zu 4 — 6° hinab und giebt mithin einen Unterſchied von 14° an. Am meiſten aber überraſcht wird der Reiſende, wenn er beim Eintritt in die Milchhüttchen, wobei übrigens wegen der darin herrſchen— den Kälte die gröſte Behutſamkeit erforderlich iſt, an der dem Berge zugekehrten Seite, wo der Wind herausfährt, mitten im Sommer ein großes Stück Eis angelagert ſieht. Auf die Frage, ob der Luftzug in den verſchiedenen Tags- und Jahreszeiten Veränderun— gen erleide, erhält man von den Beſitzern der Hüttchen die bezeichnende Antwort: „Im Sommer beim beſten Schon (trockenes Wetter) iſt der Blas der ſtärkſt, im Winter iſt es lange Zeit warm im Hüttchen, und man ſpürt keinen Blas; der Gletſch (die Eismaſſe) entſteht im Lanzig.“ Dem Umſtande, daß der Luftzug beim ſchönen Wetter ſtärker, beim regneriſchen ſchwächer weht, verdanken die Windhölen den Namen Wetterlöcher und den Ruf untrüglicher Witterungsanzeiger. Sie ſind indeß, wie wir nachher ſehen werden, gleich vielen Wettergläſern, nicht als Barometer, ſondern eher als Thermometer und Hy— grometer zu betrachten. Zum Beweiſe, wie häufig dieſe Erſcheinung in unſerer Nähe vorkommt, wollen wir einige Orter aufzählen, wo ſich Windlöcher, mit und ohne Hüttchen, befinden. Am Fuße der Felswand oberhalb Seelisberg, die ſich gleichlaufend mit dem Vierwaldſtätterſee nach Weſten zieht, giebt es unzählige kleine Windhöhlen und 11 jener Gemeinde zugehö— rige Milchhäuſer. Ferner am Nordabhange des Niederbauens, unmittelbar am Ufer des Seelisberger— ſees, wo mehrere Hüttchen ſtehen. Auf der Alpe Emmeten, wo 10 Milchkeller errichtet find, und am duͤrren (ausge trockneten) See. N Im kleinen Iſenthal: unter der Fluh und an der entgegengeſetzten Seite des Thales; in der Muſenalp; am Eingang des Kleinthals im Mättli; bei den Häuſern iu der Halde; hinter der Sägemühle; im Gärtli; im Groß Iſenthal in der Schloffe; im Schattenberg; auf der Alpe Wilderbutz am großen Schlieren, über dem Holzwuchs. Im Schächenthal in großer Menge. Hier heißen die Milchhüttchen Nidleren. In Ob⸗ und Nidwalden ſind ſie ſehr zahlreich. Auf der Blummatt am nordweſtlichen Abhang des Stanzerberges ſind Windhöhlen een mit Eiskellern; andre zu Hergiswyl, am Fuß des Pilatus, nebſt 10 Milchhauſern. Am linken Ufer des Wallenſtatterſees bei Quarten. Bei Seerüti am Klönthalerſee u. f. w. An allen dieſen Orten trifft man die Windlöcher, wie wir uns im verfloſſenen Som⸗ mer überzeugt haben, am Fuß einer mehr oder weniger hohen Schutthalde an, die ſich meiſtens an eine ſteile Felswand anlehnt und von deren Verwitterung herrührt. Das Geſtein hat in dieſer Beziehung keinen Einfluß, ſie finden ſich an den Granit⸗Kalk⸗ und Nagelfluhbergen. Man erkennt die Stellen, wo ſich Windlöcher befinden, leicht an dem ſparſamen Pflanzenwuchſe; der Boden iſt um die Mündung herum meiſtens mit Moos bekleidet, das ein ſchwärzliches Ausſehen hat und nur leicht aufliegt. Wenn auch die Luftquellen nicht wie die Waſſerquellen durch eine eigenthümliche Vegetation bezeichnet ſind, ſo verräth doch alles, was da wächst, die große Kälte des Bodens. In der Höhe dienen die Windlöcher nicht ſelten den Murmelthieren zum Eingang in ihren Bau. — Die Milchhäuschen werden dann mit der Rüdfeite in die Felstrümmer hineingebaut, ſo daß aus dem Bergabhang ſelbſt oder aus den Zwiſchenräumen der vor ſie geſtellten, mörtelloſen Mauer die kalte Luft in das Innere tritt. Die Temperatur war an den meiſten Orten im July nicht über 9 und nicht unter 3 Grad. Wo man aber das Thermometer in eine Felsſpalte einſenken konnte, ergab fi, wohl in Folge von Eis, das zwiſchen den Steinen verborgen liegt, eine Temperatur von 4,3, 1 k. | 5 So häufig und ſo intereſſant auch dieſe Erſcheinung iſt, ſo hat doch vor Sauffüre, dem großen Phyſiker von Genf, kein Naturforſcher dieſelbe einer genauern Unterſuchung gewürdigt. Cyſat, der Beſchreiber des Vierwaldſtätterſees, hat zuerſt auf dieſelbe auf⸗ merkſam gemacht; Scheuchzer kannte mehrere Windhöhlen dies -und jenſeits der Alpen und maß ihre Temperatur, verſuchte aber nicht, den Grund der Erſcheinung anzugeben. Sauſſüre hatte auf ſeinen Reiſen nach Italien Gelegenheit, die berühmten Wind⸗ grotten und Gewölbe am Monte testaceo zu Rom, auf der Inſel Ischia, am Hügel bei San Marino, bei Ceſi im Kirchenſtaat, bei Chiavenna, bei Caprino unweit Lugano zu beſuchen, in denen allen eine winterliche, durch einen Luftzug hervorgebrachte Kälte herrſcht, und freute ſich dann, zu vernehmen, daß es auch dieſſeits der Alpen, nämlich zu Her⸗ giswyl, am Vierwaldſtätterſee, Keller gebe, die ihrer Natur nach mit jenen die gröfte Ahnlichkeit hätten. Er ging Ende Juli 1783 hin, ftellte Beobachtungen an und machte ſeine Anſichten über die Natur dieſer Erſcheinung in ſeinen Alpenreiſen bekannt. Seit⸗ her hat ein anderer Naturforſcher von Genf, Profeſſor Pictet, die Eis- und Windhöhlen des Jura unterſucht und ſeine Beobachtungen im Jahr 1822 der ſchweizeriſchen naturfor⸗ ſchenden Geſellſchaft vorgeleſen. Wir wollen die Reſultate der Forſchungen der beiden Genfer Phyſiker mittheilen, halten es aber für zweckmäßig, vorher eine Thatſache in Erinnerung zu bringen, die in neuerer Zeit ausgemittelt worden iſt. Die Oberfläche der Erde iſt, ſo wie die auf ihr ruhende Luftſchichte, wegen der Ein⸗ wirkung der Sonnenſtrahlen einem täglichen und jährlichen Temperaturwechſel unterwor⸗ Eh fen. In einer gewiſſen Tiefe aber, die zu etwa 60 Fuß beſtimmt worden iſt, und wohin weder das Sonnenlicht feinen Einfluß erſtreckt, noch das Regen- und Schneewaſſer dringt, herrſcht Jahr aus Jahr ein ganz dieſelbe Temperatur, die der ſogenannten mittlern des Ortes entſpricht, d. i. ungefähr derjenigen, die zwiſchen der höchſten Kälte und der höch— ſten Wärme, welche die Luft an einem gegebenen Orte zeigt, in der Mitte liegt. Unter⸗ halb dieſer Schichte nimmt die Temperatur der Erde nach dem Innern zu. Die mittlere Temperatur nun, die auch die aus einer bedeutenden Tiefe hervortretenden Quellen zei gen, iſt natürlich nach der geographiſchen Lage und der Höhe der Orte verſchieden, und nördliche oder hochgelegene Gegenden haben eine tiefere mittlere Temperatur, als füdliche oder tiefgelegene. So beträgt die mittlere Temperatur von Zürich ungefähr 7° R., und die ſtärkern Quellen, ſowohl der großen als der kleinen Stadt, beſitzen da, wo ſie zu Tage kommen, genau dieſe Temperatur. Auf dem Gottshardshoſpiz iſt ſie faſt einen Grad unter Null, zu Mailand 102°, zu Petersburg weniger als 4%. Eine Quelle zu⸗ nächſt den Windhöhlen zu Seelisberg zeigte 7 R. Nach dieſer Vorbemerkung wenden wir uns zur Erklärung der Windhöhlen. Es iſt bekannt, daß, wenn im Minenbau am Abhang eines Berges ein ſenkrechtes Loch (Schacht) zu einer beliebigen Tiefe abgeſenkt ae und unten mit einem horizontal zu Tage führenden (einem Stollen) ob in Verbindung geſetzt wird, in dieſem Rohr, das einen Winkel im Innern des Berges bildet, ein beſtändiger Luftzug bemerkt wird. Nebs men wir nämlich an, daß im Berge die Temperatur das ganze Jahr ſich gleich bleibe, oder mit andern Worten, die mittlere Temperatur daſelbſt herrſchend ſei, ſo kühlt ſich während der warmen Jahreszeit die im Rohr befindliche Luft an der dannzumal kältern Erde ab, — 0 — wird dadurch ſchwerer als die äußere warme Luft und fällt unten zur Muͤndung des Rohres heraus. Andere Luft tritt natürlich an ihre Stelle. Dieſe erkältet ſich bald nach ihrem Eintritte ins Rohr ebenfalls, fällt, während fie durch neue erſetzt wird, auch her» aus, und es dauert das Herunterfinfen der Luftſäule, mithin der Luftzug, fo lange fort, als die Wärme der äußeren Luft die Wärme der unterirdiſchen überſteigt. Umgekehrt ver— hält es ſich im Winter, wo die äußere Luft kälter iſt als die Wände des Rohres. Wäh— rend dieſer Zeit wird die eingeſchloſſene Luft eine höhere Temperatur beſitzen, als die äußere, und wie in einem erwärmten Schornſtein aufwärts ſteigen, fo daß eine Bewe— gung in entgegengeſetzter Richtung entſteht. Bei der untern Oeffnung iſt jetzt ein Ein— ſtrömen bemerkbar. Ruhe kann nur dann Statt finden, wann die Temperatur außerhalb und innerhalb dieſelbe iſt, was im Frühling und Herbſt eintreten muß. Am ſtärkſten wird die Strömung aufwärts und abwärts Statt finden, wenn der Unterſchied der Tem⸗ peratur und des Gewichtes der innern und äußern Luft am bedeutendſten iſt. In Uebereinſtimmung mit der im Bergbau beobachteten Erſcheinung zeigt ſich auch wirklich das Verhalten des Luftzuges im Windloche. Die Beſitzer der Milchhüttchen verſichern, daß in den heißeſten Tagen des Sommers der Wind als herausſtrömend und in den Fäl: teſten des Winters als einſtrömend am fühlbarften ſei. Am Anfang und Ende des Win- ters ſei keine Bewegung bemerkbar. Im Frühling, wenn der Boden „aber“ (ſchneefrei) werde, zeige ſich anfangs vor der Mündung des Windloches ein lichtgrauer Nebel, und man könne ſich durch das Hineinhalten der naſſen Hand von dem Herausſtrömen der Luft überzeugen. Ganz entſprechend der Vorausſetzung eines ſenkrechten Durchganges iſt auch die Bes ſchaffenheit des Gebirges an den Stellen, wo die Windhöhlen vorkommen. Wir haben ſchon bemerkt, daß die Luftzüge in ſehr zerflüftetem oder vielmehr in loſe übereinander liegendem Geſtein, das ſich an eine ſteile Felswand anlehnt, wahrgenommen werden. Es verſteht ſich, daß wir nicht an ein ſchachtähnliches Rohr in dieſer Schutthalde denken: wir ſtellen uns vielmehr vor, es beſtehen zwiſchen den Felsblöcken eine unzählige Menge von leeren Räumen, desgleichen eine große Zahl kleiner Verbindungskanäle, die alle zu— ſammen den Gang bilden, der das Entſtehen der Erſcheinung bedingt. Oben, wo die Schutthalde ſich an die Fluh anlagert, bei dift, wie leicht zu begreifen, an einen luftdich⸗ ten Schluß nicht zu denken. Den Grund aber, weß halb in der Mitte (bei e) keine Seitenöffnung, hingegen unten an der Schutthalde bei f wieder ein Kanal vorhanden iſt, glauben wir in der Bildung dieſer Schutthalden zu finden, indem bei der anfängli⸗ chen Verwitterung der Felswand zuerſt eine Menge Blöcke ſich am Fuß derſelben ausbrei⸗ ten, auf weiche dann, wie die Zeichnung darſtellt, die nachkommenden Stücke mit der flachen Seite ſich ziegelartig in einer ſchiefen Ebene übereinander hinlegen, ferner darin, daß die vom Berg herabfallende Erde oder kleinere Theilchen der Steine und Staub die Zwiſchenräume ausfüllen. Wenn nun nach unſerm Dafürhalten der Grund der Erſcheinung auf die angegebene 1 Weiſe im Allgemeinen erklärt iſt, ſo tritt aber noch ein anderer Umſtand hinzu, der, wie ſchon Sauſſüre bemerkt hat, die vollſtändige Erklärung erſchwert. Es zeigt ſich nämlich, daß bei verſchiedenen Windhöhlen die im Sommer herausſtrömende Luft nicht die mitt⸗ lere Temperatur des Ortes, ſondern eine bedeutend tiefere zeigt, die ſich im Laufe des Sommers und ſogar innerhalb weniger Tage ändert. So iſt z. B. von Dr. Ebel die Temperatur des Windes in den ſogenannten Cantinen zu Lugano anfangs Juli 23° R., Ende Auguſt 44%, Ende Septembers 9 befunden worden, während die der äußeren Luft im erſten Mal 21°, im zweiten 18°, im dritten 16“ betrug. So haben wir die Seelisberger Höhlen den 15. Juli bei hellem Himmel etwas kaͤl⸗ ter, als den folgenden Tag bei Regenwetter gefunden. Dieſe unter die mittlere Temperatur hinabgehende Erkältung erklärte ſchon Sauſſüre, obgleich er die Haupturſache der Erſcheinung nicht richtig aufſaßte, durch die Annahme, daß die Luft während ihres Laufes durch die Schuttmaſſe mit dem beſtändig durch die Erdoberfläche hinabſickernden Tagwaſſer in Berührung komme, welches dann durch ſein Verdunſten der durchſtrömenden Luft Wärme entziehe, und ſie erkälte. Es iſt nämlich eine bekannte Thatſache, daß Waſſer um zu verdampfen ein gewiſſes Maß von Wärme in ſich aufnehmen muß. Beim Sieden wird ihm dieſelbe künſtlich beigebracht, beim langſamen Verdunſten an der Luft muß dieſe letztere die nöthige Wärme hergeben. Im einen oder andern Falle aber iſt zur Verdunſtung eines gewiſſen Quantums Waſſer daſſelbe Maß von Wärme erforderlich. Dieſe Erkältung der Luft durch Verdunſtung des Waſſers, worauf z. B. das Abküh⸗ len heißer Zimmer durch Ausſpannen von naſſen Tuͤchern beruht, war zwar ſchon längft bekannt. Um aber zu erfahren, wie viel die Erkältung der Luft durch das verdunſtende Waſſer betrage, bediente ſich Sauſſüre folgender Vorrichtung. Er füllte eine etwa einen Zoll weite Glasröhre mit naſſen Steinchen und trieb vermittelſt eines großen Blaſebalges die Luft durch. Dieſe zeigte vor ihrem Eintritt in die Glasröhre eine Temperatur von 180 und bei ihrem Austritt nur noch 15. Die durch Verdunſtung des Waſſers hervor⸗ gebrachte Erklärung der Luft betrug alſo 3° R. Ein an der Kugel mit naſſer Leinwand umwickelter Thermometer, gegen den die Luft getrieben wurde, fiel um 4%. Wurde aber die Thermometerkugel mit einem naſſen Schwamm umwunden und ſchnell in der Luft geſchwungen, fo betrug das Sinken deſſelben ſogar 9%. Die Kugel kommt nämlich auf dieſe Weiſe fortwährend in Berührung mit friſcher Luft, und dieſe nimmt mit Begierde die Feuchtigkeit auf. Es iſt alſo dem Geſagten zu Folge durchaus nicht gewagt, wenn man annimmt, daß die Luft, die im Berge eine Temperatur von 5 — 7° erhält, durch die Verdunſtung des eben ſo kalten Waſſers bis auf den Grad abgekühlt werde, den wir bei ihrem Herausſtrömen bemerken. Je feuchter die in den Berg eintretende Luft iſt, deſto geringer wird natürlich die Verdunſtung ſein. Noch ehe alſo das Wetter ſich ändert, be⸗ merken die, welche täglich die Hüttchen beſuchen, an der „geringen Friſche des Blaſes“ den bevorſtehenden Regen, nnd der Wind ift für ſie ein zuberläffiger Wetteranzeiger. Zr Wir haben ſchon mehrere Male angeführt, daß in einigen Milchhuͤtten ſich eine klei⸗ nere oder größere Eismaſſe befinde, welche dann gegen das Ende des Sommers wieder wegſchmilzt. In andern Hütten bemerkt man Eis, wenn man einige Steine aus der der Fels- wand zugekehrten Mauer herausbricht und mit einem Stocke die Erde aus den Zwiſchen⸗ räumen des Geſteines herausarbeitet. Nach der Verſicherung der Hirten friert es im Winter in den Hüttchen lange nicht; Boden und Seitenwände des Hüttchens behalten nämlich noch eine geraume Zeit, während die äußere Luft unter den Gefrierpunkt erkältet iſt, eine höhere Temperatur. Friert es aber einmal, ſo geſchieht dieß wegen des einwärts gehenden Luftzuges ſowohl in dem Hüttchen als in den Klüften an der Mündung des Windloches viel heftiger, und das Hüttchen und Geſtein hinter derſelben bleibt noch unter dem Gefrierpunkte, während im Frühling die äußere Temperatur ſchon mehrere Grade über Null ſteht, und der Schnee ſchon ſchmilzt. Ja die Kälte in demſelben wird noch dadurch erhalten, daß in den meiſt fühlen Nächten des Frühlings der Zug aufwärts geht, während er zur Tageszeit, wo die Luft vielleicht 6— 7 beſitzt, wegen des geringen Unterſchieds der innern und äußern Wärme, ſtehen bleibt. Die Folge davon iſt, daß das durch die Felſenritzen träufelnde und in die Hütte fallende Schneewaſſer ſich in Eis verwandelt und in wenigen Tagen der früher erwähnte Gletſch entſteht, welcher ſich, wegen des bald nachher eintretenden abwärts gehenden kalten Luftzuges mehrere Monate, oft das ganze Jahr durch, erhält. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß ſich auf ähnliche Weiſe, wie das Eis in den Windhütten, auch dasjenige in den Eisgrotten des Jura und der Alpen erzeugt. Pictet beſchreibt zwei natürliche Eisgrotten, die ſich weit unterhalb der Schneelinie befinden. Die eine heißt la Baume (die Balm) und liegt fünf franzöſiſche Meilen von Befancon, in der Nähe der Abtei Gräce Dieu, die andere am Juraabhang auf der waadtländiſchen Seite gegen die Stadt Rolle. Zwei andere Eishöhlen befinden ſich in den Bergen des Faucigny, eine am Berge Brezon, in geringer Entfernung ſuͤdlich von Bonneville, eine andere an der ſüdöſtlichen Seite im Repoſoirthale bei Cluſe. Die Baume iſt 384 Fuß lang, 132“ breit und 60 — 90 hoch. Ihr Boden, der ſich bergeinwärts ſenkt, iſt, einige mit Waſſer angefüllte Vertiefungen ausgenommen, ganz mit Eis bedeckt. Im Hintergrund der Höhle erheben ſich mehrere durch herabfallende Waſſertropfen gebildete Eispyramiden. Die Verdunſtung des Eiſes erzeugt faſt das ganze Jahr hindurch einen Nebel, der im Winter aus der Mündung der Höhle heraustritt. Der Beſitzer derſelben hat die Beobachtung gemacht, daß, je wärmer der Sommer iſt, deſto mehr Eis ſich in der Grotte befindet. Im Jahr 1727 ließ der Herzog von Levi auf einer Menge Karren, welche täglich kamen, alles Eis aus der Balm herausſchaffen; im Jahr 1743, wo ſie ein Ingenieur von Beſancon beſuchte, war ſie wieder voll Eis, zum deutlichen Beweiſe, daß die Urſache des Gefrierens auch in Abweſenheit von Eis vors handen iſt. Die 2562 frz. Fuß über dem Genferſee erhabene Eishöhle von St. Georges, die ee er während des Sommers die Gegend von Rolle in einem Umkreiſe von 2 Meilen und, wiewohl ſelten, auch Genf mit Eis verſieht, liegt auf einem Abſatze der vorderſten Jura⸗ kette, von der man den ganzen Genferſee und die ſavoyſchen Gebirge mit dem Mont⸗ blanc überſieht. Sie iſt 75“ lang 40“ breit und enthält etwa 1950 Ctr. Eis, welches von dem Pächter derſelben in Quaderſtücken ausgehauen und in Tragkörben auf Wagen ge⸗ bracht wird. Auch während des Sommers dauert hier die Eisbildung fort, wie man deutlich daraus ſieht, daß Blöcke, die ſich berühren, zuſammenfrieren. Die Höhle am Brezon liegt 2772 franz. Fuß über dem Genferſee in einem Stein- walle, aus dem an vielen Stellen kalte Luft herausfährt, am Fuß einer ungeheuren Schutt⸗ halde. Ihre Ausdehnung iſt gering. Auch in dieſer hat man das Gefrieren zur Some merzeit beobachtet. Die Eishöhle im Repoſoir-Thale, vielleicht gegen 4000“ über dem Genferſee, nicht weit von einer ſehr geräumigen Grotte, worin kein Eis gefunden wird, hat einen pracht— vollen bogenartigen Eingang von 43“ Weite und iſt in ihrem tiefern Theile ganz mit Eis erfüllt. In dem warmen Jahr von 1822, wo ſie Pictet beſuchte, war anfangs nur Waſſer von ziemlicher Tiefe in ihr vorhanden, das fi aber bis zum Juli deſſelben Zah- res in Eis verwandelte. Die ſchönſte aller bekannten Eisgrotten iſt wohl das ſogenannte Schafloch am Thu— nerfee. Sie ift vor einigen Jahren von Herrn Regierungsrath Hirzel in Zürich beſucht worden. Indem wir bedauern, daß uns dieſer vortreffliche Gebirgsforſcher die Fortſetzung ſeiner Alpenwanderungen vorenthält, theilen wir aus einer Schilderung der Rothhornkette, die er der naturforſchenden Geſellſchaft in Zürich vorgetragen hat, folgende Beſchreibung des Schafloches mit: „Auf der öſtlichen, ſteil abgeriſſenen Seite des Rothhorns befindet ſich etliche hundert Fuß unterhalb der Kuppe der Eingang zu der merkwürdigen Felshöhle des Schafloches, die im 21. Bande der Bibliotheque universelle von Herrn Obriſt Dufour von Genf be— ſchrieben worden iſt. — Eingetretenes Regenwetter hielt mich nicht ab, in der nächſten Sennhütte mich mit einem Führer und den fuͤr dieſen Zweck dort bereit liegenden Fackeln zu verſehen und den nicht gefahrloſen Weg zur Höhle anzutreten. Das Erklettern der 1500 Fuß hohen Felswand iſt keine leichte Arbeit und erfordert einen ſchwindelfreien Kopf. Der Eingang zur Höhle befindet ſich, wie mir der Barometer zeigte, 5604 frz. Fuß über dem Meer. Nach dem Berichte des Herrn Obriſt Dufour genießt man bei hellem Wet: ter hier einen prachtvollen Anblick der höchſten Berge des Berner Oberlandes, beſonders der Jungfrau und der beiden Eiger. Die Mündung der Höhle iſt ungefähr 50° breit und 25° hoch und dient bis zu einer Tiefe von 100 Fuß bei ſtürmiſcher Witterung oder brennender Sonnenhitze einer Anzahl von 800 — 1000 Schafen, die auf den nahen Alpen weiden, zum Zufluchtsorte. Nach 30 Schritten vom Eingang verläßt die Höhle ihre anfänglich nördliche Richtung und geht in eine weſtliche über; zugleich erweitert ſie ſich beträchtlich und ſteigt abwärts. Große ſcharfkantige Kalkſteinblöcke, die vom Deckge— „ur A woͤlbe herabgeſtürzt find, machen das Fortſchreiten beim Fackelſchein ſehr beſchwerlich. Sechzig Schritte vom Eingang hört man den leiſen Wiederhall fallender Waſſertropfen und bemerkt an denjenigen Stellen, wo fie den Boden berühren, anfangs kleine, tiefer in der Höhle aber ſich jo weit ausbreitende Eisflächen, daß am Ende nur noch die grös ſten Felsblöcke zwiſchen denſelben hervorragen. Iſt man 200 Schritte vorgedrungen, ſo vermag der matte Fackelſchein die 80 — 100 Fuß breite, 50 — 60 Fuß hohe Halle nicht mehr zu erleuchten. Hier fängt die Eisfläche an, ſich in tropfſteinähnlichen Gebilden über den Boden zu erheben, die mit hellerem Scheine, Phantomen gleich, aus der Finſterniß hervortauchen. Die meiſten dieſer Eisfiguren find koniſch, von 2“ — 6“ Höhe und & bis 3 Fuß Durchmeſſer. Auf die abgeſtumpfte Spitze derſelben, auf der ſich eine ſchalenähn⸗ liche, mit dem reinſten Waſſer angefüllte Vertiefung befindet, fällt in Zwiſchenräumen von 5 — 10 Sekunden aus der zerklüfteten Decke der Höhle hervorquellend der die Eis⸗ bildung unterhaltende Tropfen. Der wegſpritzende Theil deſſelben dient zur Vergrößerung der Säule, der bleibende füllt die Schale. Unter den verſchiedenartigen Eisgeſtalten zog beſonders eine meine Aufmerkſamkeit auf ſich. Auf mehreren Eisſäulen ruhte eine Kuppel, die bis zur Decke der Höhle emporſtieg und dort angefroren war. Einen wunderbaren Effect machte bei der Dunkelheit, die in der Höhle herrſchte, das Halten mehrerer Fackeln in die grünliche, durchſcheinende Wölbung dieſes kleinen Tempels, worin etwa 4 — 5 Mann in gebückter Stellung Platz fanden. Dreihundert Schritte von der Mündung befin⸗ det man ſich auf einer gegen die dunkle Tiefe der Höhle geneigten ſehr ſchlüpfrigen Eis⸗ ſohle, wo man ſich durch beſtändiges Einſchlagen der Alpſtöcke vor dem Hinabglitſchen ſchützen muß. Bei jedem Schritte vermehrt ſich die Zahl der grotesken Eisfiguren, und bald kommt man an den Rand einer Stufe des Eisbodens, die 6 — 7 Fuß tief in eine von den Fackeln nur ſchwach erleuchtete untere Abtheilung der Höhle führt. An dieſer Stelle fanden wir viele von frühern Beſuchern herrührende abgebrannte Fackeln, auch bemerkten wir einige Spuren eingehauener Tritte. Herr Obriſt Dufour meldet in ſeiner Beſchreibung, daß er, an dieſer Stelle angelangt, von dem Gedanken durchdrungen, ein Militär müſſe ſich durch keine Gefahr abhalten laſſen, vorzudringen, nebſt feinen Beglei⸗ tern den Sprung in die unſichere Tiefe gewagt und unten noch viel weitere und viel ſchönere Hallen gefunden habe. Obſchon ich äußerſt begierig war, die fernern Merkwür⸗ digkeiten dieſer Eisgrotte, die wohl einzig in ihrer Art iſt, zu ſehen, fo fühlte ich doch bei meinem niedrigern militäriſchen Range keinen ſo hohen Muth in mir, und da mein Begleiter gar kein Militär war, ſo zeigte er noch weniger Luſt zum Sprunge; ja es wan⸗ delte uns in dieſer Gegend ein empfindliches Froſtgefühl an, welches, vereint mit dem bevorſtehenden Erlöſchen der Fackeln, uns bewog, nach einem halbftündigen Verweilen in der Grotte wieder an das Tageslicht zurückzukehren. — Ich bemerke noch, daß ein ſchwa⸗ cher Luftzug von dem Innern gegen die Mündung der Höhle fühlbar war.“ — * 1 In, £ EZ Matterdend Wan ch. 295 5 Rad Arp, e .de et . unser eic e al G e i 1 a 21 . vögel sit Aw, ide: | ' m „arlıhd Wld, Hg 218. mad dd 1 5 505 a ee ee . ge mit unte, zich, eee zu bi N rd 5% RR aid ut Kamen „ & gi. m 9 W . ’ | eee eg ae met g . u and nd a, e 8 n ee aich bag rt 1 0 | ad bit tene 15 l A Ana ad 7 571 Win ei ane ba dit eee id. 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Der gemeine Mann heißt ſie mit Rückſicht auf ihr Ausſehen oder ihren Ge— brauch Kugelſteine, Kieſelſteine, Gaſſenſteine. Den Namen Geſchiebe oder Gerölle hat ihnen der Gebirgskenner gegeben, weil ſie nach ſeiner Behauptung durch ſtrömendes Waſſer zu irgend einer Zeit von den Gebirgen in die Thäler herausgeſchoben und gerollt worden find. Er macht ſich auch anheiſchig bei Betrachtung der einzelnen Bruchſtuͤcke die Berge, von denen ſie herrühren, mit ziemlicher Sicherheit anzugeben. Beim Durch— wandern eines Hochalpenthales ſieht man wirklich mit Erſtaunen, was für eine gewaltige Maſſe von Felſen ſich jährlich von den Seiten der Berge lostrennt und in die flächern Gegenden zum Nutzen oder Schaden ihrer Bewohner durch die Gießbäche und Fluͤſſe hinausgeführt wird. Man überzeugt ſich, daß die Natur, wie ſie in der lebenden Schöpfung einen ſteten Wechſel der Formen verlangt, ſo auch in der lebloſen eine all— a mälige Umgeſtaltung ihrer Oberfläche beabſichtigt. Der Gedanke einer zwar langſam fortſchreitenden, aber endlich eintretenden Zerſtörung und Abebnung der Gebirge drängte ſich dem bekannten Naturforſcher Ebel mit folder Macht auf, daß er *) eine durchaus treue Abbildung der Formen und Geſtalten, der Beugungen und Spitzen der Gebirgskette entwarf, in der Abſicht, nach einer langen Reihe von Jahren bei Vergleichung dieſer Aufriſſe mit der Alpenkette leicht und beſtimmt die Veränderungen bemerken zu können, welche durch alle zerſtörenden Kräfte in den Formen ihrer mannigfaltigen Felſen bewirkt ſein würden. Das Verwittern der Berge zeigt ſich zwar an ſteilen Wänden ſo auffallend, daß es den Reiſenden, deſſen Weg häufig über Schutthalden hinführt, bald mit Verwun— derung, bald mit Schrecken erfüllt; eine nicht minder überrafchende Erſcheinung iſt aber auch die Zerſtörung, die das Geſtein auf den Kuppen und Gräten der Berge erleidet, wo die Elemente mit ungezähmter Kraft auf die einer ſchützenden Pflanzendecke beraubten Felſen losſtürmen. Wir haben uns aus dieſem Grunde vorgenommen, in den folgenden Blättern den Freund der Alpenwelt auf eine eigenthümliche und ſonderbare Verwitterungs— art des Kalkſteins aufmerkſam zu machen, die, obwohl unter dem Namen Schratten— oder Karrenbildung den ſchweizeriſchen Naturforſchern bekannt, doch in Betreff ihrer Natur und Entſtehungsweiſe bisher noch nicht genauer unterſucht und beſchrieben worden iſt. Hirzel in ſeinen Alpenwanderungen entwirft da, wo er ſeine Erſteigung des Räder— tenſtockes im Kanton Schwyz erzählt, ein anſchauliches Bild einer Karren- oder Schrat— tenfläche. „Die Karrenfelder“, ſagt er, „ſind weit ausgedehnte Strecken von nackten ganz durchfurchten Kalkfelſen, oder enge an einander gereihten Felsgräten, auf deren oft meſſerſcharfen Kanten oder Rücken man balancierend fortſchreiten muß, und wobei es vieler Uebung bedarf, wenn man ſich nicht zerſchellen oder der Gefahr ausſetzen will, ein Glied zu brechen. Die Zwiſchenräume ſind, ſo wie die Gräte ſelbſt, ſehr ungleich, oft ſo ſchmal und enge, daß man ſich den Fuß darin einklemmen kann, oft aber ſo weit, daß kleine Häuſer darin Platz hätten, und von einer ſolchen Tiefe, daß ſie eigentliche Höhlen und Schächte bilden, in denen man hineingeworfene Steine lange rollen hört. Ein ſolches Karrenfeld iſt einem ganz außerordentlich durchfurchten Gletſcher nicht unähn— lich. Wirklich ſtellt ſich auch von Zürich aus geſehen die Karrenfläche am Rädertenſtock und auf der Höhe der Silbern im Kanton Schwyz zur Zeit, wo ſie mit Schnee bedeckt, oder an Gewittertagen von Streiflichtern grell beleuchtet iſt, ganz täuſchend als ein ſchrundiger Gletſcher dar.“ **) Der erſte unſerer einheimiſchen Naturkundigen, welcher der Schratten erwähnt, iſt *) Siehe feine Anleitung die Schweiz zu bereiſen, 2te Aufl. Bd. II Seite 235. **) Anmerkung. Die Kupfertafel ſtellt das Karrenfeld auf der Höhe der Silbern mit dem Riſeltſtock und Faulen im Hintergrunde dar. Worte und Pinſel ſind indeſſen unfähig, demjeni— gen, der nie die Gebirge bereist hat, von Karrenfeldern oder Gletſchern einen richtigen Begriff zu geben, da das Detail ſo unendlich mannigfaltig iſt. a Scheuchzer. Sauffüre, in feinen Alpenreifen $. 1508, 1510, 1512 bemerkt mit wenigen Worten, daß die Oberfläche der Felfen im Thal Ollioules und bei den Städtchen Cujes und Gemenos in Südfrankreich vom Waſſer auf eine eigenthümliche Weiſe durchfurcht und zerſchnitten ſei. Schneider von Wartenſee in ſeiner Geſchichte des Entlibuches führt die nach ihnen benannte Schrattenfluh im Entlibuch an. Profeſſor Studer, Vater, in Bern, hat das Verdienſt, zuerſt genauer nach der Urſache dieſer Erſcheinung geforſcht zu haben, deren Ermittlung jedoch nach ſeinem eigenen Geſtändniß ihm nicht gelang. Eſcher von der Linth erklärte die Karren (wenigſtens diejenigen, die ſpäter in dieſer Abhandlung als die erſte und vierte Hauptform aufgeführt ſind) durch Waſſer entſtanden, das vom ſchmelzenden Schnee auf den unter demſelben liegenden Kalkſteinfelſen abtröpfle. Ebel (in ſeiner Anleitung, Art. Gemmi) und neuerlich Charpentier ſiehe Bibl. univ., ſind der Anſicht, daß die Felspartien, wo Karren ſich zeigen, früher von Gletſchern bedeckt geweſen ſeien, und daß das Schmelzwaſſer derſelben dieſe Furchen im Kalkſtein hervor— gebracht habe. Hirzel, in der oben genannten Stelle, findet den Grund dieſer Bildung in mehreren zuſammenwirkenden Urſachen, nämlich in der bedeutenden Höhe der Felſen über Meer, in ihrer geringen Neigung, in ihrer aufrechten Schichtenſtellung und eigen— thümlichen Verwitterungsart. Profeſſor Studer, Sohn, in Bern, weist in feiner Geo— logie der weſtlichen Schweizeralpen die große Verbreitung der Karrenbildung nach und zeigt, daß ſie einen bezeichnenden Charakter der höhern Kalkgebirge der Schweizeralpen ausmache. Zugleich berichtigt er die Behauptung, daß eine ſenkrechte Schichtenſtellung der Felſen eine Bedingung für das Entſtehen der Karren ſei. Die Karrenbildung iſt keine den Gebirgen der Schweiz eigenthümliche Erſcheinung; ſie zeigt ſich aber in der Alpenkette wegen der Höhe und der daher rührenden Kahlheit der Gebirge ausgebildeter als irgendwo. Sie iſt ferner an keinen Kalkſtein ausſchließlich gebunden. Wir finden ſie, mit Ausnahme der Jurakette, in jeder Art Kalk, ſowohl in dem ſogenannten ältern als in den jüngſten Formationen, wiewohl in verſchiedenem Maße, deutlich ausgeprägt. In den öſtlichen Schweizeralpen z. B. treffen wir ſie an: auf dem Säntis, den Kuhfirſten (oberhalb Ammon), dem Kerenzerberg, dem Riſeltſtock, der Karrenalp, der Silbern, den Muottathalerbergen, der Schächenthaler Windgelle, den Weggithalerbergen, dem Fluhbrig, der Fronalp, dem Bauen, dem Sätteliſtock, Rigidalſtock, Wellenſtock, dem Brünig, dem Kaiſerſtock, der Lidernen u. ſ. w.; in den weſtlichen Alpen an dem Faulhorn, der Gemmi, dem Ravil, dem Sanetſch, der Tour d’Ay, der Tour de Mayen u. ſ. w. Unter den ſehr verſchiedenartigen Kalkſteinen aber, woraus unfere Gebirge beſtehen, zeigt beſonders einer die Verwitterung, die wir hier betrachten wollen, in größter Vollkom⸗ menheit. Er zeichnet ſich dadurch aus, daß er einige wenige, ſehr mächtige Bänke bildet, die in ihrem Innern ſtellenweiſe ganz mit Muſchelſchalen angefüllt ſind. Zerſchlägt man kleine Stücke dieſes Geſteins, ſo ſpringt er mit einem ſplitterigen oder muſcheligen Bruche. Einige ſchweizeriſche Gebirgskenner haben dieſem Kalkſteine den Namen Hippuritenkalk 1 gegeben, weil die Muſcheln, die am häufigſten in demſelben vorkommen, Hippurites genannt werden. Che wir indeſſen unſere Anſicht von der Bildung der Schratten aus— einander ſetzen, ſcheint es nicht unpaſſend, über die Natur des Hippuritenkalkes und die Entſtehung der Kalklager überhaupt, wie auch über die Bedeutung der Ausdrücke Schich— tung, Zerklüftung, Abſonderung einige Worte vorangehen zu laſſen. Wie über viele Dinge, ſind auch über die Bildung des Kalkes die Naturforſcher ſehr verſchiedener Meinung. Einige betrachten ihn als einen Niederſchlag ſtaubartiger, erdiger Theilchen, die ſich langſam aus dem Waſſer ausſchieden und erſt ſpäter zu dich— tem Fels verhärteten. So viel iſt gewiß, daß der Kalk in parallelen Schichten ſich ab— ſetzte, die wie die Blätter eines Buches horizontal auf einander liegen, gleich den verſchiede— nen Schichten ſandiger und erdiger Theile, die man im Grunde unſerer Seen und Flüffe mit einander abwechſeln ſieht. Jede gleichartige Maſſe oder Schicht iſt von parallelen Flächen begrenzt, welche eine kürzere oder längere Unterbrechung im Bildungsgange des Geſteins bezeichnen. Denkt man ſich nun eine auf die angegebene Weiſe geſchichtete Felsmaſſe durch unterirdiſche Kräfte in die Höhe gehoben und auf mannigfache Weiſe gekrümmt, ſo müſſen nothwendig in gewiſſen Richtungen, beſonders an den Stellen ſtar— ker Biegung, Sprünge entſtehen. Noch gegenwärtig ſieht man in Gegenden, die Erd— erſchütterungen ausgeſetzt ſind, Mauern, Felsmaſſen und ſelbſt den Boden von Riſſen durchzogen, die je nach der Richtung oder Bewegung ſo oder anders, aber ſtreckenweiſe mit einander parallel laufen. Dieſe Riſſe werden Zerklüftungen genannt. Sie mußten ſich bei der Entſtehung der Gebirge natürlich in großer Zahl bilden und zeigen ſich jetzt bald kaum ſichtbar, bald als offene Spalten, ſehr häufig auch mit Kalkſpath und erdi— gen Theilen angefüllt. Eine andere Art von Spalten oder Klüften, die oft dicht neben einander und in ganz unbeſtimmten Richtungen den Kalkſtein kreuz und quer durchſchnei— den, erzeugten ſich dann, als dieſes im Waſſer entftandene und anfänglich davon durch— drungene Mineral ſich bei ſeinem allmäligen Austrocknen an der Luft zuſammenzog und völlig erhärtete. Noch andere Abſonderungen der Felsmaſſen, deren Urſprung verſchieden und nicht immer leicht zu erklären iſt, haben meiſtentheils eine beſtimmte Lage zu einan— der, ſo daß durch ſie das Geſtein in regelmäßig geſtaltete Blöcke getheilt wird. Nach dieſer Abſchweifung kehren wir zu den Karren zurück. Wenn man längere Zeit der Betrachtung dieſer Gebilde widmet und die an ver— ſchiedenen Orten vorkommenden Karren mit einander vergleicht, ſo wird man auf jedem Schrattenfelde, das dem Auge anfänglich als ein Chaos von Gräten und Spalten ſich darſtellt, folgende fünf am häufigſten wiederkehrende Verwitterungsformen herausfinden. Die erſte Hauptform entſteht da, wo der Fels nach ſeinen Abſonderungen vom Regen- und Schneewaſſer zerſägt wird. Ob dieſe Einſägungen eine Folge der mechani— ſchen oder der chemiſchen Einwirkung auf das Geſtein ſei, wollen wir einſtweilen unent— ſchieden laſſen; doch werden wir ſpäter auf dieſen Gegenſtand zurückkommen. Nehmen wir an, ein Kalkfelſen im Gebirge dache ſich unter einem geringen Winkel ab und liege PERS WER von aller Vegetation entblößt gleichſam in urfprünglicher Kahlheit da. Der erſte Regen⸗ tropfen, der auf eine gewiſſe Stelle desſelben fällt, irrt durch ſeine Schwere nach der Tiefe gezogen, jede Erhöhung umgehend und jeder Vertiefung zueilend, über den Abhang herunter, indem er überall einen etwelchen, wenn auch unendlich kleinen Theil des Steines - wegführt. Der zweite und die nachher kommenden Tropfen verfolgen die Bahn des erſten. Fließt das Waſſer längs einer Abſonderung, ſo gräbt es ſich hier bald ein blei— bendes Rinnbett aus, weil die Spalte dem Waſſer das Eindringen in die Tiefe erleich— tert, und anderſeits, weil die Abſonderungen häufig mit Stoffen von weicherer Natur ausgefüllt ſind. Es erſcheinen allmälig auf derſelben Abſonderungslinie kleine Einſchnitte, die ſich im Laufe der Zeit mit einander vereinigen und einen fortgeſetzten Runs bilden. Iſt einmal ein Einſchnitt vorhanden, ſo trägt das in die Abſonderung eindringende Waſſer durch ſein öfteres Gefrieren während der Herbſt- und Frühlingszeit nicht wenig zur Tieferlegung und Erweiterung der Rinne bei. Je nach der Stellung der Abſonde— rungsflächen laufen die Einſchnitte oft ſenkrecht über den Abhang herunter oder quer an demſelben hin, und treten in vertikaler oder ſchiefer Richtung in das Gebirg hinab. Nicht ſelten find die Schratten tiefe Klüfte, in denen das Waſſer verſiegt. — Geſetzt es bilden ſich nun in der Entfernung von 8— 12 Zoll von einander mehrere gleichlaufende Schratten, ſo ſtellen ſich bei ihrem Entſtehen die Höhen der ſie trennenden Scheidewände, da ſie Theile der Ebene ſind, als kleine länglichte Flächen dar. Bald aber finden am Rande dieſer Rücken die Regentropfen von oben und von der Seite her Angriffspunkte zur Zerſtörung der ſcharfen Kante und die anfangs ſchroff abfallende obere Fläche (ſiehe Fig. 1, die, wie die zwei folgenden, als Durchſchnitte zu verſtehen find) rundet ſich ab (Fig. 2) und geht nach und nach in einen feilartig zulaufenden Grat über (Fig. 3), der an Schärfe der Schneide eines Meſſers gleichkommt. Die eben beſchriebene Art der Karren iſt bei weitem die gewöhnlichſte. Bricht der Kalkſtein zu Folge ſeiner Abſonderungen in kleine Maſſen, und beſitzt er zu gleicher Zeit eine bedeu— tende Härte, ſo erſcheint die Oberfläche des Felſens von engen, kreuz oder quer durch einander laufenden Rinnen durchzogen, und die von ihnen eingeſchloſſenen Flächen ſind Quadrate oder Rauten. Freiſtehende Blöcke zeigen (ſiehe Fig. 4) die Schratten eben ſo wohl an der Seitenfläche, als an der obern. 8 Die zweite Karrenform (ſiehe den Grundriß derſelben Fig. 5) hat ihren Urſprung mit der vorigen gemein. Sie findet ſich häufig in ſolchem Geſtein, deſſen Abſonderungs— ſpalten ſtellenweiſe mit härtern und weichern Subſtanzen, als der Kalk iſt, z. B. mit erdigen Stoffen, und wieder mit Kalkſpath angefüllt ſind. Das atmosphäriſche Waſſer löst die weichere Materie leicht auf, ſpült ſie heraus und bohrt ſich im Laufe der Zeit ein Loch in den Fels hinein, in dem es ſich verliert. Der Schacht erſtreckt ſich oft bis zur näch— ſten Schichtungsfläche, wo das Waſſer ſich zwiſchen den La— gern durch einen Weg bahnt. Gewöhnlich entſtehen dieſe Höhlen da, wo zwei Abſonderungen ſich quer durchſchneiden. Die Mündung derſelben hat dann anfangs eine kreuzförmige (ſiehe Fig. 6) nach längerer Auswitterung aber eine rundlichte Geſtalt. Die flammen— artige Form dieſer Schratte rührt daher, daß auch, nachdem der Trichter ſich gebildet hat, die von oben her auf ihn zulaufende Abſonderung fortwährend der Erweiterung unterworfen iſt. Bald trifft man Flächen, die ziemlich regelmäßig zerſchnitten ſind, bald nahe dabei ſolche, in denen die eben beſchriebenen Löcher meiſtens in geradliniger Folge und unzähliger Menge vorkommen. Die dritte Form entſteht, ſo weit unſere Beobachtung reicht, unabhängig von den Abſonderungen und Zerklüftungen des Geſteins, bloß durch die Einwirkung des fließen— den Waſſers. Kleine Sprünge, die ſich unregelmäßig verbreiten, mögen wohl anfänglich die Bildung dieſer Schratten begünſtigt haben. Sie zeigen ſich, wie die nächſtfolgende Art, häufig an der Abdachung großer Schrattenriffe, nicht ſelten an Stellen, wo das Waſſer quer über die Abſonderungen hinläuft, und unterſcheiden ſich alſo weſentlich von der erftan- geführten Art dadurch, daß ſie ſtets der Tiefe in gerader Linie zulaufen. Wie jene bilden ſie ein Syſtem neben einander liegender Kanäle, und ſind durch Scheidewände getrennt, deren Gräte ebenfalls meſſerartig zugeſchärft find. Dagegen beſitzen fie die Eigenthümlich- keit, daß ſie nach der Tiefe ſich beträchtlich erweitern, und in ein halbkreisförmiges Rohr ausgehen, ſo daß, wenn die 7 Wände am Eingang 4“ — 20“ auseinander ſtehen, ihre Ent— fernung unten das Doppelte beträgt (ſiehe den Durchſchnitt bei Fig. 7 und 8). Der Grund der Erweiterung des Rinn— bettes unterhalb iſt offenbar darin zu ſuchen, daß das in demſelben herabfließende Waſſer auch ſeitwärts ſeine Kraft 8 äußert, was immer Statt finden muß, wenn nicht eine Spalte demſelben das Einſchneiden nach der Tiefe erleichtert. Eine Folge dieſer ſeitwärtsgehenden Einwirkung des Waſſers ſind die vielen Löcher, die man an den Seiten der Schei— BEN dewände wahrnimmt. Dieſer Umſtand führt auch, wofern er nicht früher ſchon durch das Gefrieren des ſich darin ſammelnden Waſſers geſchehen ſollte, endlich ihren Sturz herbei. Man findet daher auf den Schrattenfeldern nicht ſelten Stücke Stein in der Form von Schwertern, Lanzetten, rundlichten und vieleckigen Scheiben, von deren Entſtehung, da ſie am Rande, mit Ausnahme eines einzigen oft kaum merkbaren Punktes, ſcharf zu— laufen, auch der Naturkundige, dem die Schrattenbildung nicht genauer bekannt iſt, kaum eine Erklärung geben könnte. Ueberhaupt geſtaltet ſich dieſe Art der Verwitterung äußerſt grotesk und wunderbar. Bedenkt man ferner, wie langſam dieſe Auswaſchung in einem Fels, auf den kaum während vier Monaten im Jahre Waſſer in flüſſiger Geſtalt herab— fällt, vor ſich geht, und bemerkt man überdieß, daß auf den Karrengräten Belemniten und andere Verſteinerungen, die einſt von Geſtein umſchloſſen waren, oft zollweit hervorragen, ſo wird man über das Alter dieſer Gebilde in Erſtaunen verſetzt, und überzeugt ſich, daß ſich die Zeit, welche die Natur auf dieſe Arbeit verwendet hat, verglichen mit derjenigen, die die Geſchichte der Menſchen umfaßt, wie ein Jahrtauſend zu einem Tag verhält. | PER Auch die vierte Karrenform ſteht mit den Klüften und Abſonderungen des Geſteins in keiner Verbindung, und bil— 9 det ſich gleichfalls meiſt am Grate oder der Abdachung ſchon ausgebildeter Karrenwände. Sie zeigt ſich als eine Reihe von Kanälchen (ſiehe Fig. 9, welche den Gegenſtand von der Seite und Fig. 10, die ihn von oben geſehen darſtellt) oder Hohlkehlen, die ſich in ihrem Fortgange nicht erwei— tern, ſondern ſtets mit einander parallel der Tiefe zulau— N 1 fen. Zuweilen verzweigt ſich, wo der Raum es geſtattet er oder die Form des Steines es verlangt, eine Rinne in zwei oder drei Theile, welche übrigens dann von ihrer Wurzel an unter ſich ſelbſt und mit allen andern gleich laufen. Die Entſtehung dieſer merkwürdigen Rinnen läßt ſich vielleicht auf folgende Weiſe erklären. Iſt durch Verwitterung des Geſteins eine aufwärts gerichtete Kante entſtanden, ſo findet ſich wohl auf derſelben irgendwo ein kleiner Gegenſtand, etwa ein Kieſeltheilchen oder ein Muſchelfragment, das härter als der Kalk iſt, der Zerſtörung widerſteht, und während die ihn umgebenden weichern Stellen mit der Zeit ſich erniedri— gen, als eine Erhöhung hervortritt. So bald dieß geſchehen iſt, entwickelt ſich von jenem Punkte aus, nach allen Seiten ſich verbreitend, ein ganzes Syſtem von Rinnen. Es ſpalten ſich nämlich die auf die Hervorragung fallenden Regentropfen, wie das Waſſer an einem Brückenpfeiler und gleiten auf beiden Seiten an ihr herab. Die gerade unter— halb liegenden Theile des Steins bleiben, auch wenn ſie von Natur weich ſind, unter dem Schutze des Vorſprunges unverſehrt ſtehen. Auf die Bahn des ſo getheilten Waſſers fällt aber eine gewiſſe, dieſer Stelle zukommende, Zahl von Regentropfen, deren auf— löſende Wirkung ſich mit derjenigen der erſtgenannten vereinigt, und hier einen ſtärkern a Angriff auf den Fels und eine rinnenartige Vertiefung zuwege bringt. Wie das erſte und zweite Bett entſtanden iſt, hat auch bereits ein drittes und viertes ſein Daſein erhalten. Der erſten Hervorragung gegenüber müſſen ſich rechts und links als entgegen— geſetzte Ufer der Gräben neue Vorſprünge erheben, wobei es gleichgültig iſt, ob der Stein hier aus hartem oder weichem Material beſteht. Die Regentropfen theilen ſich an dieſen wie an dem erſten, fließen an den Seiten der Höcker herab, indem ſie den ſonſt dieſen Ort treffenden Regen im Abſchroten und Auflöſen des Felſens unterſtützen, und es ſchließt ſich rechts und links von den beiden erſten und faſt gleichzeitig mit ihnen ein neues Paar von Rinnen an. So ſchreitet die Bildung der Rinnen fort, bis der Fels an dieſer Stelle ganz damit bedeckt iſt. Die Weite einer Rinne iſt bedingt durch die Breite eines zer— platzten Regentropfens. Je nachdem nämlich die Neigung der Fläche größer oder geringer iſt, beſchreibt der auffallende Regentropfen eine mehr rundlichte oder länglichte Figur und die Rinne muß dem zufolge enger oder weiter werden. Nimmt der Fels eine ſenkrechte oder horizontale Lage an, ſo verſchwinden die Rinnen gänzlich. An einer Abdachung von 60 —- 65 Neigung, die für das Entſtehen dieſer kleinen Karren am günſtigſten zu fein ſcheint, beträgt ihre Weite 6— 7“ Par. Die Linie von einem Grate zum andern bildet fo ziemlich genau einen Kreisabſchnitt und hat eine Tiefe von 1— 2“ Par. Auch die Länge der Rinnen iſt je nach der Neigung des Felſens verſchieden. Sie beträgt nur wenige Zoll bei geringer Senkung, weil unter dieſem Verhältniſſe die Geſchwindigkeit des Falles durch die Unebenheiten im Geſtein geſchwächt und die gleichmäßige Ausbreitung des Waſſers bewirkt wird. d Iſt einmal eine Reihe ſolcher Rinnen ausgebildet, ſo geht ſie zu keiner Zeit wieder unter, wenn ſchon, wie hervorſtehende Petrefacten beweiſen, der Stein niedriger geworden, mithin die härtern Theilchen, die einſt die Aushöhlungen veranlaßten, längſt verſchwunden ſind. Es iſt daher wahrſcheinlich, daß, wie der flache Fels unter der Einwirkung des atmosphäriſchen Waſſers ſchichtenweiſe verſchwindet, ſo auch der dieſe Rinnen an ſich tragende ſchichtenweiſe abnimmt, und daß das ganze Syſtem derſelben allmälig durch den Fels hinabſteigt. Dieſe Art der Einkerbung, die der Cannelirung an Säulen ſehr ähnlich iſt, bringt da, wo ſie auf Karrengräten Reihe an Reihe ſich zeigt, durch ihr zierliches Schattenſpiel bei günſtiger Beleuchtung eine höchſt angenehme und überraſchende Wirkung hervor. Bei dem härtern, mehr Kalkſpath und Quarztheile enthaltenden Greenkalk, zeigt ſich dieſe Karrenform in einer veränderten Geſtalt. Hier ſpült der Regen an den Ecken und Kanten des Geſteins die weichern Theile heraus, vermag aber die härtern nicht zu entfernen. Es bilden ſich ſodann Grübchen von unregelmäßiger Form, die durch Kalk— ſpathäderchen von einander getrennt ſind, und von den Hirten, da ſie den Oeffnungen der Honigwaben gleichen, nicht unpaſſend „Steinwaben“ genannt werden. Merkwürdig iſt es, daß dieſe „gewabeten“ Stellen, die ſich meiſtentheils nur auf wenige Zoll von der Kante erſtrecken, von dem Thalus einer Lecidea, auf welcher ſich noch Parmelien und 4 97 und Gyrophoren anſiedeln, ſchwarzviolet ſind, während die übrigen Theile des an ſeiner Außenfläche verwitterten Felſen eine weißgraue Farbe beſitzen. Eine fünfte Art von Karren verdankt ihren Urſprung bald den kleinern Spalten, die regellos das Geſtein durch— ziehn und entweder beim Austrocknen des Kalkes oder beim Bruche der Schichten dieſes Minerals durch Erderfchütterungen und Erhebungen entſtanden ſind, bald dem Umſtande, daß faſt aller Kalk, beſonders aber der Verſteinerungen in ſich ſchließende aus einer Miſchung härterer und weicherer Theile beſteht. Hier folgen die Auswaſchungen entweder den Sprüngen, vorzüglich denjenigen, die bergabwärts laufen, (ſiehe Fig. 11) oder den weichern Stellen des Geſteins, (ſiehe Fig. 12). Die Auskerbungen find oft nicht größer als die in den nebenſtehen— den Figuren dargeſtellten, oft kommen ſie in viel größerm Maßſtabe vor. Sie geben dem Felſen ein Ausſehen, als ob er von Würmern zerfreſſen wäre, und bilden ein Labyrinth von in= und auseinander gehenden Rinnen. Die Richtigkeit der Angaben über die Entſtehungsweiſe dieſer Karren kann man auf folgende Weiſe prüfen: Beſitzt man ein Stück Karrenfels von der erſterwähnten Art, ſo läßt man die ausgefurchte Seite, die man in Gyps abgegoſſen hat, ſchleifen und ſo glatt wie möglich poliren. Bei Ver— gleichung des Abguſſes mit der polirten Fläche wird man ſich überzeugen, daß die Riffe im Gips, die den Vertiefungen im Kalkſtein ent- ſprechen, genau die Richtung und relative Lage haben, wie die Sprünge, die man auf dem polirten Kalkſteine bemerkt, daß folglich die Einkerbung des Geſteins längs den Sprüngen Statt fand. Um die Bildung der zweiten Art der ſo eben angeführten Furchen zu beobachten, darf man nur ein geſchliffenes Stück, von deſſen Rinnenſeite man einen Abguß gemacht, in eine ſehr verdünnte Säure legen. Nach Verlauf einiger Monate werden an denſelben Stellen, wo früher Vertiefungen waren, neue erſcheinen. Wollten wir auch die ſeltener vorkommenden Verwitterungsarten berückſichtigen, ſo wäre es leicht, eine fünfte und ſechste Form aufzuzählen. Es gibt Felsflächen, die von Kalkſpathbändern durchzogen, andere die ſtellenweiſe mit Verſteinerungen, andere die mit Quarztheilen, noch andere, die mit Schwefelkies angefüllt ſind. An ſolchen Stellen zeigt ſich die Verwitterung bald in ſtreifen- bald in muſchelartigen Vertiefungen, bald in un— regelmäßiger Durchlöcherung, wobei keine Spur von Regelmäßigkeit bemerkbar iſt. In vielen Thälern der Kalkalpen ſieht man, bald einige hundert Fuß über der Ebene, bald ganz am Fuße der Berge, wie z. B. im Kanton Schwyz bei Brunnen am — 1 Fuß der Fronalp und bei Seewen am Urmiberge, lange verwitterte Karrengräte, die urſprünglich den oben beſchriebenen völlig ähnlich waren, aus dem Raſen hervorſtehen. Was dieſen Karren ein beſonderes Intereſſe gibt, iſt der Umſtand, daß ſie in der ſub— alpinen Region vorkommen und mit einer dicken Humusſchichte bedeckt ſind, auf welcher ſich das üppigſte Gras und die ſchönſten Tannenwälder erheben, an einem Orte, wo zu keiner hiſtoriſchen Zeit der Fels dem Einfluſſe des atmosphäriſchen Waſſers bloß gelegen hat. Die Betrachtung dieſer Gebilde führt unwillkührlich zu der Annahme, daß die Karren ſogleich nach dem Entſtehen der Kalkgebirge, wo die Seiten der Berge noch gänzlich nackt und der zernagenden Wirkung des Waſſers preisgegeben waren, ihren Anfang genommen habe. Bei genauerer Unterſuchung ſolcher Karren wird man, wenn man Karren von der oben angeführten dritten Form, nämlich ſolche die ſonſt dem Abhang zulaufen, jetzt in anderer Richtung findet, zu dem Schluſſe geleitet, es möchten einige Karren älter ſein als die gegenwärtige Lage der Kalkbänke. Bei der Aufzählung der verſchiedenen Karrenformen haben wir im Allgemeinen be— hauptet, daß das Regen- und Schneewaſſer Urſache der Verwitterung ſei, und uns nicht darum bekümmert, ob dieß auf mechaniſchem Wege Statt finde durch Reibung des Waſſers und Wegſchwemmung kleiner Theile oder auf chemiſchem durch Auflöſung des Geſteins. Wir wollen dieſe Frage hier kurz erörtern. Gegen die Bejahung des erſten Theils der Frage nämlich, daß das Waſſer durch Reibung, Schlag, Stoß hier einwirke, wird Niemand eine Einwendung machen, da unzählige Erſcheinungen darthun, wie fortgeſetzter Stoß des Waſſers und aller tropfbar flüſſigen Körper auf noch viel härtere Subſtanzen als Kalk iſt, Eindrücke hervorbringt. Schwieriger iſt die Entſcheidung, ob auch ein chemiſcher Proceß anzunehmen ſei. Die Chemie lehrt, daß die kohlenſaure Kalkerde in reinem Waſſer nur wenig auflöslich ſei (ſiehe Roſe's analytiſche Chemie, vierte Auflage, II. S. 21, und Gmelin's Chemie, dritte Auflage, I. S. 643.) Indeſſen hat wie bekannt das atmosphä— riſche Waſſer, auch dasjenige, welches auf den höchſten Gebirgen fällt, einen obwohl geringen Inhalt von Kohlenſäure, wodurch die Löslichkeit des Kalks noch ſehr ver— mehrt wird. Der wiſſenſchaftliche Ausdruck, geringe Lösbarkeit, bezieht ſich übrigens, wie Leonhard in ſeiner Geologie ſagt, nur auf den kaum merkbaren Gewichtsverluſt, den gewiſſe Subſtanzen durch Einwirken des Waſſers erleiden, wobei man nicht vergeſſen darf, daß wenn die in Labaratorien während eines kurzen Zeitverlaufs und mit geringer Waſſermenge angeſtellten Verſuche nur eine unbeträchtliche Verminderung der Subſtanzen zeigen, der Einfluß dennoch ſehr bedeutend wird, wo die Einwirkung in einem ſo unend— lich großen Maßſtabe, ſowohl was Zeit als was die Menge des Auflöſungsmittels betrifft, Statt findet. . Sehr häufig erfcheinen bei den Karrenfeldern jene trichterförmigen Einſenkungen des Bodens, in denen das Regen- und Schneewaſſer ſich ſammelt und verſiegt. Dieſe Trich— ter, deren man am Rädertenſtock im Wäggithale, auf der Karrenalpe im Kanton Schwyz und auf vielen andern Kalkbergen eine große Zahl antrifft, ſind oft nur klein, oft haben fie einige hundert Fuß im Umfange, mit einem Loch in der Mitte, das ſich als Schacht in den Berg hinabzieht, oder mit Steinen und Schnee ausgefüllt iſt. In der Nähe von Weiden werden ſie von den Hirten mit einem Zaun von tannenen Scheitern umgeben, damit das Vieh, wenn es bei Gewittern ſcheu umherirrt, an dieſen Stellen nicht verun— glücke. Solche kraterartige Vertiefungen ſind eine nothwendige Folge der ſich vergrößernden Karrenſchächte. Man ſieht bei mehreren derſelben die Spalten des umliegenden Geſteins nach dem Loch in der Tiefe wie nach einem Mittelpunkte hinlaufen, ein Beweis, daß bei zunehmender Aushöhlung des Bodens die Geſteinsmaſſen manchmal zuſammenſtürzen. In welchem Maße von den Karrenſpalten und Trichtern das atmosphäriſche Waſſer verſchlungen wird, zeigt der gänzliche Mangel an Quellen auf den Schrattenfeldern. Es gibt zwar ſolche, die bis zu einer Höhe von 5000 Fuß ſtellenweiſe mit Alproſen und Wachholdergebüſch bewachſen ſind; höher oben jedoch, wo ſonſt den reichlich bewäſſerten Berghalden die bunteſten Blumen entſprießen, hört hier alles Pflanzenleben auf, und die traurigſte Felswüſte liegt vor dem verwunderten Blicke. Vergeblich ſucht hier der Gems— jäger oder der ermattete Alpenwanderer nach Waſſer, um den Durſt zu löſchen, der durch die Hitze des Bodens und die vom blendend weißen Felsboden abprallenden Sonnen— ſtrahlen auf einen unerträglichen Grad geſteigert wird. Am Fuße der Karrenberge dagegen ſprudeln ſowohl regelmäßige als periodiſche Quellen von außerordentlicher Waſſerfülle hervor. Um einige Beiſpiele anzuführen und zugleich den unmittelbaren Zuſammenhang dieſer Quellen mit den Karrenfeldern nachzu— weiſen, machen wir auf die Bäche aufmerkſam, die im Wäggithale, im Kanton Schwyz, an der Oſtſeite des Thales aus Felſen hervortreten, und Fläſchenbach und Hundsbach genannt werden. Der erſtere ſchwillt, wenn es auf die Karren am Zindelnſtock anhaltend regnet, oder der Schnee dort ſchmilzt, bedeutend an und erſcheint in dreifacher Stärke. Der Hundsbach, der bei trockener Witterung völlig ausbleibt, hat ſeinen Urſprung, wie der Anblick der Gegend aufs deutlichſte zeigt, in den Karrentrichtern der Rädertenalpe. Das von ihnen verſchlungene Regen- und Schneewaſſer zieht ſich durch die Klüfte des Berges hinab und vereinigt ſich in einem großen Sammler, der einen kleinen unter— irdiſchen See bildet, deſſen Zugang beim ſogenannten Hundsloch, einer tiefen Felsgrotte, eine halbe Stunde von der Kirche zu Hinter-Wäggithal, zu ſehen iſt. Bei ſtarkem Regen— wetter nun tritt durch eine Spalte des Berges das Waſſer unter furchtbarem Gebrüll — eine Wirkung der eingeſchloſſenen und zuſammengepreßten Luft — in die ſonſt zugäng— liche Grotte und ſtürzt aus dieſer in ſolcher Maſſe ins Thal herab, daß es nicht ſelten große Verheerungen anrichtet. — Einen zweiten Beweis der direkten Verbindung dieſer Quelle mit der Oberfläche der Erde iſt die Temperatur derſelben zur Zeit der Schnee— ſchmelze. Sie erhebt ſich nämlich alsdann 1˙— 2 über Null, während die in gleicher Höhe in dieſem Thale hervortretenden Quellen um 5— 6° wärmer find. Ein nicht weniger auffallendes Beiſpiel für die angeführte Thatſache liefert die — a — große Quelle im Muottathale, die am Fuße des Waſſerbergs zu Tage kommt, und dieſem ſeinen Namen gibt. Die Höhe des Berges iſt ein ausgedehntes Karrenfeld. Eine andere merkwürdige Erſcheinung, die freilich ſelten an Karrenbergen vorkommt, ſind Windlöcher, ähnlich denen, die im erſten Hefte dieſer Sammlung beſchrieben worden ſind. Die Urſache iſt hier dieſelbe, nur zeigt ſich die Wirkung in vergrößertem Maßſtabe. Die obere Oeffnung beſteht unzweifelhaft in einer Karrenſpalte oder einem Karrentrichter, unterhalb befindet ſich eine ähnliche Kluft. Die untere Mimdung des Rohres iſt an einigen Orten, wie z. B. im Wäggithale in den Geißwällen neben den Räderten unten am Schwalmenkopf ſo groß, daß dieſelbe bis tief in den Sommer hinein mit Schnee und Eis angefüllt bleibt. Die aus dem Felfen heraustretende Luft wird an der Mun— dung, wo ſie mit dem Schnee in Berührung kommt, erkältet, und ihr Waſſergehalt in Dampfform umgewandelt. So erklärt ſich die den Hirten geheimnißvolle Erſcheinung eines aus dem Innern des Berges hervorſteigenden Rauches. 7 Sera * ER) An die Zürcheriſche Jugend auf das Jahr 1841. Von der Naturforschenden Gesellschaft. A. N. Sehens af XLIII. Stück. Die zoologiſche Sammlung. Beinahe alle Zweige der Wiſſenſchaften ſind in unſerm Jahrhundert auf eine ſo hohe Stufe der Ausbildung gekommen, daß man denken ſollte, ſie könnten kaum mehr ausgedehnt und ver— vollkommnet werden. Unter die Wiſſenſchaften, welche auf das bürgerliche Leben den größten Einfluß haben, gehören beſonders die Naturwiſſenſchaften, zu welchen wir die Mathematik, die Phyſik, die Chemie und die Naturgeſchichte rechnen. Keiner dieſer Zweige kann des andern ent- behren; alle müſſen ſich mit einander vereinigen, um ein vollſtändiges Ganzes zu bilden. Ein langer Friede hat die Menſchen in Europa vermehrt, und mit dieſer Vermehrung wachſen auch die Bedürfniſſe, wahre oder erkünſtelte. Das Leben iſt viel genußreicher geworden und ein Streben nach Höherm, wenn auch oft nur eingebildet Höherm, hat alle Stände durchdrungen. Ob der Menſch dadurch wirklich glücklicher werde, das iſt ſehr zu bezweifeln; aber es iſt dies eine Frage, welche nicht hieher gehört. Dieſes Streben iſt da; wer will es hindern? welche Macht kann die Fortſchritte des menſchlichen Geiſtes hemmen? aber, wer kann auch die Folgen 3 ermeſſen und berechnen, welche dieſe Fortſchritte noch haben werden? Nehmen wir nur die Wunder, welche aus der Anwendung der Kraft des Dampfes hervorgegangen ſind. Ein durch die Kraft des Dampfes zerſprungener eiſerner Topf zeigte die Größe dieſer Kraft; aber es be— durfte mehr als ein Jahrhundert, um dieſe Kraft zur Fortbewegung anwenden zu können. Einmal dieſe Anwendung erfunden, hat ſie Rieſenſchritte gemacht und wenige Jahre reichten hin, die Verhältniſſe der ganzen irdiſchen Welt zu verändern. Als Vasco de Gama den Weg um das Vorgebirge der guten Hoffnung nach Indien fand, als Kolumbus Amerika entdeckte und die Meere mühſam und gefahrvoll durchſchifft wurden, wer hätte daran gedacht, daß einſt eine Zeit kommen werde, wo eine Reiſe um die Erde faſt nur eine Spazierreiſe ſein werde? Und doch haben wir den Zeitpunkt erlebt, wo dies bald eintreffen kann. Der Dampf hat alle Entfernungen genähert, man möchte ſagen, aufgehoben. In weniger als drei Monaten kann man von der Schweiz aus nach Amerika reifen, mit Bequemlichkeit und Windesſchnelligkeit den ungeheuern Raum der Vereinigten Staaten durchfahren, ſeine Geſchäfte abthun und wieder nach dem Vaterlande zurückkehren. Wenige Jahre vielleicht, und wir reiſen in ein Paar Tagen nach Paris, nach Hamburg, nach Holland und durcheilen wie im Fluge die weiten Räume, welche uns von dieſen Orten trennen. Durch dieſe wunderbaren Veränderungen aber iſt auch die Nothwendigkeit entſtanden, daß jeder Menſch mehr Kenntniffe ſich erwerben muß, wenn er mit Ehre und Vortheil in der Welt fortkommen ſoll. Die engen Grenzen der Länder genügen nicht mehr. Ein Jeder iſt gewiſſer— maßen mehr Weltbürger geworden. Der Jüngling muß hinaus, in die weite Welt. Er muß dort zu erringen ſuchen, was er früher im Vaterlande ſelbſt erringen konnte. Dazu muß er aber mit Kenntniſſen aller Art ausgerüſtet ſein, um ſich an jedem Orte, den er ſich wählt, in jedem Lande, in jedem Klima bald einheimiſch zu machen und die Produkte, die jedes Land ihm darbietet, ausbeuten zu können. Unfer Kanton gehört zu denjenigen, deſſen Boden allein die immer ſich mehrende Bevölke⸗ rung, auch bei der höchſten Stufe, welche die Landeskultur erreichen kann, lange nicht zu er— nähren im Stande iſt. Daher entſtanden die Fabriken; daher iſt uns ausgedehnter Handel, große Betriebſamkeit, wachſende Induſtrie durchaus nothwendig, und wenn auch ihre Folgen vielleicht bedenklich ſind, wir können ſie nicht hemmen, die eiſerne Nothwendigkeit zwingt uns zum Fortſchreiten und zur Anwendung aller unſerer Kräfte, um einerſeits den Landbau mög⸗ lichſt zu heben, anderſeits aber auch der Jugend Gelegenheit zu verſchaffen, alles das zu lernen, was zum Fortkommen in der Welt nöthig iſt. Um dies thun zu können, wurde die techniſche Schule von Privaten gegründet und ſpäter ihre Unterhaltung bei Errichtung der Induſtrieſchule vom Staate übernommen. In dieſer Schule nimmt der Unterricht in den Naturwiſſenſchaften die größte Zeit weg. Um dieſen Unterricht verſtändlich zu machen, gehören Sammlungen ſehr verſchiedener Art dazu. Anter dieſe gehören die zoologifchen, die mineralogiſchen und die botaniſchen Sammlungen. Wir denken, es werde Ru, 7,9 dem Publikum willkommen fein, die Einrichtung, fo wie die Fortſchritte, welche dieſe Samm— lungen machen, näher kennen zu lernen. a 5 So kann in einer Reihe von Jahren eine lehrreiche Geſchichte von der Entſtehung und Ver— vollkommnung dieſer Sammlungen, es können gleichſam Annalen derſelben geliefert werden. Die Zoologie befaßt die Lehre von der Zahl, der Beſchreibung und der Naturgeſchichte der verſchiedenen Thiere, ihrer Nutzen oder Schaden für unſere Oekonomie, und die zoologiſche Sammlung ſoll dazu dienen, die einzelnen Thiere uns kennen zu lehren und uns zugleich einen allgemeinen Ueberblick zu gewähren. Aber auch hierin hat dieſer Zweig der menſchlichen Kennt— niſſe einen ſolchen Umfang erhalten, daß es keinem einzelnen Menſchen möglich iſt, alle Klaſſen der Thiere mit gleicher Gründlichkeit zu umfaſſen und zu kennen. Dieſes mag ſich aus der Bahl der jetzt bekannten Thiere ergeben, welche man natürlich nur annähernd in runden Zahlen angeben kann. Dieſe ſind: Säugethiere, 1200 Arten; Vögel, 6000; Amphibien oder Repti⸗ lien, 12,00 :; Fiſche, 6000; Inſekten, 40,000; übrige Thierklaſſen, wenigſtens 4000, nämlich: Weichthiere, Würmer, Eingeweidewürmer und Infufionsthiere. Welcher Menſch nun hätte die nöthige Zeit, Leben und Gedächtniß genug, um dieſe Ge— ſchöpfe kennen zu lernen und zu unterſcheiden. Man hat berechnet, daß wenn Jemand alle In- ſekten beſchreiben wollte, welche jetzt bekannt find, er dreißig Jahre in unaufhörlicher Arbeit zubringen müßte, und wenn die Zahl der Entdeckungen ſich jo anhäufte, wie in den legten Jah— ren, ſo würde er nach dieſer Zeit wieder ebenſo viel neue Arten zum Beſchreiben vorfinden, als man jetzt kennt. Unfer kleines Vaterland mag uns ebenfalls einen Maßſtab geben. Im Jahr 1775 gab Herr Kaſpar Füßli von Zürich ein Verzeichniß der ihm bekannten ſchweizeriſchen Inſekten heraus, wozu er auch noch die Spinnen, Milben, Krebſe zählte, welche jetzt von den Inſekten getrennt werden. Die Zahl der von ihm beſchriebenen Inſekten beläuft ſich auf 1205 Arten, und er gibt zu, daß es vielleicht noch einmal ſo viele geben dürfte. Die Allgemeine Schweizeriſche Geſell— ſchaft für die geſammten Naturwiſſenſchaften bemühet ſich gegenwärtig, ein neues Verzeichniß der Inſekten unſers Vaterlandes verfertigen zu laſſen. Dieſes Verzeichniß aber möchte wenig— ſtens 5000 Arten enthalten und mehrere Tauſende werden noch zu entdecken bleiben. Herr Pro— feſſor Heer kennt bereits 2500 Käferarten. Die Zahl der Zweiflügler iſt gewiß nicht geringer und die andern Ordnungen liefern ebenſoviele. Daraus ſchon erſehen wir, wie das Studium eines einzigen Zweiges des Thierreiches die Kräfte eines Menſchen ganz in Anſpruch nimmt und es dem fleißigſten Manne unmöglich wird, alle zu umfaſſen. Aus der angegebenen Zahl der Thiere ergibt es ſich, daß gar keine Sammlung vollſtändig fein kann. Möglichſte Vollſtändigkeit muß zwar jede Sammlung zu erlangen ſuchen, auch wenn die Ueberzeugung da iſt, Vollſtändigkeit ſei nie zu erhalten. a Der Zweck der Naturalienſammlungen kann immer nur dahin gehen, möglichſt viele Repra- ſentanten der Hauptformen zuſammenzubringen, um denen, welche näher in das Studium ein⸗ 2 gehen wollen, eine allgemeine Ueberſicht zu verſchaffen und dem denkenden Menſchen einen Be⸗ griff von der Mannigfaltigkeit und Zahl der Geſchöpfe zu geben. Dieſen Zweck hat unſere Sammlung, ſo klein ſie iſt, ſchon jetzt erreicht. Sie erleichtert das Studium und macht auch auf den ganz Ungebildeten einen großen Eindruck. Wie oft ſchon hörten wir den einfachen Land— mann ausrufen: „Ach! wie groß ſind doch die Wunder der Schöpfung! Ich habe mir ſie nie „ſo gedacht. Wer kann, wenn er dies ſieht, am Daſein Gottes und ſeiner Allmacht zweifeln?“ Lächeln mußte man freilich, wenn derſelbe fragte, ob es wohl auch noch Thiere gebe, die nicht da aufgeſtellt ſeien. Erklärte man ihm dann den Zweck ſolcher Sammlungen, indem man ihn aufmerkſam machte, wie nur durch die nähere Kenntniß eines Thieres ſein Nutzen oder Schaden auf unſere Haus- und Landwirthſchaft ergründet und die Mittel gegen den Schaden entdeckt werden können, ſo verließ er um ſo mehr belehrt die Sammlung. Selbſt Gebildetſeinwollende belächeln oft den eifrigen Inſektenſammler, der auch das kleinſte Inſekt mit eben dem Entzücken betrachtet wie den glänzenden Kolibri. Sie bedenken nicht, daß eben dieſe kleinlich ſcheinenden Unterſuchungen es ſind, die uns die Feinde unſerer Obſtgärten, unſerer Felder, unſerer Gärten und Waldungen, ſo wie die Mittel, ihren Verheerungen Einhalt zu thun, kennen lehrten. Hätte der Landmann beſſere Begriffe von der Naturgeſchichte der ſchädlichen oder nützlichen Thiere ſeiner Umgebung, wie viel könnte er ſich nützen, wie oft ſich vor Schaden bewahren! Natürlich würde darüber außerordentlich viel zu ſagen ſein, wenn es der Raum, der dieſen Blättern angewieſen ift, geſtatten würde. Es mag genug fein, zu zeigen, wozu ſolche Samm- lungen benutzt werden ſollen. Vorzüglich ſoll eine Sammlung darauf bedacht ſein, alles zu ſammeln, was die Oertlichkeit hervorbringt, damit Jeder ſehen könne, welche Geſchöpfe in ſei— ner nächſten Umgebung leben, die er noch gar nicht kannte. In dieſer Beziehung, beſonders was die größern Thiere betrifft, iſt die Sammlung ſehr vollſtändig und beſitzt alle Thiere, welche in der Schweiz vorkommen, in ausgezeichneten Exemplaren. In den niederern Klaſſen, den Inſekten und Würmern, fehlt dagegen noch viel, ſo eifrig auch geſammelt wird. Zu meb- rerer Vollſtändigkeit könnten jüngere Sammler von Inſekten viel beitragen, wenn ſie ſeltenere, welche ſie finden, an die Sammlung abträten. Machen wir einen Gang durch die Säle, ſo finden wir, daß Thiere aus allen Klaſſen vor⸗ handen ſind. Wir bleiben für dies Mal im erſten Sale, der die Säugethiere und Vögel ent— hält. Von den erſten ſind gegen 500 Exemplare vorhanden, von den Vögeln aber über 2000. Für jetzt betrachten wir nur den Inhalt von zwei oder drei Kaſten, welche die vierhändigen Thiere und die wiederkauenden enthalten. Der erſte Kaſten begreift die Affen, welche man vierhändige Thiere nennt, weil ſie auch ihre Füße als Hände brauchen können. Alle Affen ſind Bewohner der warmen Erdſtriche von Aſien, Afrika und Amerika. Jeder dieſer Welttheile hat aber ſeine eigenen, in einem andern nicht vorkommenden Gattungen und Arten. Die Sammlung enthält gegenwärtig 13 Gattungen, von welchen 7 der ſogenannten alten Welt, das heißt, Aſien und Afrika, und 6 der neuen „ Jae“ oder Amerika angehören. Arten find 37 vorhanden und Exemplare 42, von welchen 22 Aſien und Afrika, die übrigen Amerika angehören. Es fehlen uns allerdings die beiden menſchenähnlichſten Affen, nämlich der berühmte Orang⸗ Utan aus Sumatra und Borneo, und der Schimpanſe aus dem weſtlichen Afrika, welche wir ihrer Seltenheit und Koſtbarkeit wegen noch nicht erhalten und anſchaffen konnten. Von beiden Gattungen iſt in der Schweiz noch nie ein lebendes Exemplar geſehen worden und beide fehlen in allen ſchweizeriſchen Sammlungen. Dagegen bemerken wir vier Arten von den dem Menſchen eben ſo ähnlichen Langarmaffen, welche ſämmtlich dem warmen Aſien angehören. Sie zeichnen ſich durch die ſehr langen Arme, kurzen Schenkel und durch den gänzlichen Mangel des Schwanzes aus. Der ſyſtematiſche Name iſt Hylobates. Der graue Langarm (Hylobates leueiscus), der vorn im Kaſten ſteht, iſt auf Java zu Hauſe. Von dieſem ſchreibt unſer leider zu früh (in Padang, auf der Inſel Sumatra, wo er ſich als Naturforſcher aufhielt) verſtorbene Mitbür⸗ ger, Herr Doktor Ludwig Horner, deſſen eigene Worte wir anführen: „Ich hielt dieſen Affen über drei Monate lebendig. Wegen ſeines Geſchreies heißt er „Wuwu; die Einwohner nennen ihn aber richtiger Ua-Aa. Ihm mangelt gänzlich der das „Affengeſchlecht ſonſt charakteriſirende Vorwitz, Leichtſinn und Unbeſtand. Seine Bewegungen „ſcheinen alle aus Ueberlegung hervorzugehen, ſind aber über alle Begriffe mannigfaltig und „gelenkig, außerordentliche Muskelkraft verrathend. So ſah ich den meinigen öfters an einem „Arme an einem Bambusrohr hängend, in der diagonal entgegengeſetzten Hinterhand einen „wohl halbpfundſchweren Büſchel Bambatas (Früchte) halten, dieſelben aber mit der andern „freien Hand eine nach der andern pflücken und gemächlich verzehren. Aus allen ſeinen Ma⸗ „nieren zeigt ſich Intelligenz. Das Mienenſpiel hat etwas ſanft Sinniges. Es iſt nicht der „ſcharfe, energiſche Blick der geſchwänzten Affen der alten Welt. Das Geſicht iſt im höchſten „Grade menſchenähnlich, weit mehr als das des Orang-Utan, deren ich mehrere ſah. Manche „Gründe laſſen mich die Langarme noch höher oder wenigſtens ebenſo hoch ſtellen wie den „Orang-Utan. Sie kommen ſehr ſelten auf die Erde und gehen auf den Hinterfüßen, mit „ſtark vorgebogenen Knieen. Wild ſind ſie nie, werden aber auch nicht anhänglich an den „Menſchen. Oft ſaß der meinige neben mir unter dem Fenſter, wo wir zuſammen Früchte „ſpeisten. Wollte ich ihn aber liebkoſen, fo ſtieg er ſachte langs dem Fenſterladen hinauf in „ſein Bambushäuschen. Sie leben in großen Truppen in dichten Wäldern. Auf meiner Reiſe „hatte ich Gelegenheit, das fürchterliche Spektakel zu hören, welches ſie mit ihrem gellenden „Ua⸗Ua beim Aufgang der Sonne verurſachen.“ So weit Herr Horner. Neben dieſem enthält die Sammlung auch noch den Langarm mit zuſammengewach— jenen Fingern (Hylobates syndactylus), und den veränderlichen (Hylobates variabilis ), beide aus Sumatra; dann den weißhändigen (Hylobates albimanus), aus Oſtindien. Die ungeheuer langen Arme zeichnen dieſe Affen ebenſo ſehr aus als ihre menſchenähnlichen Geſich⸗ au ter. Neben ihnen ſtehen die indiſchen Schlankaffen, ihrer ſchlanken Geſtalt und langen Glieder wegen ſo geheißen, mit ſehr langen Schwänzen. Unter ihnen befindet ſich auch ein junger Na⸗ ſenaffe aus Borneo, ſo genannt wegen der ſehr langen und menſchenähnlichen Naſe. Dann folgen Meerkatzen mit langen Schwänzen, alle in Afrika zu Hauſe, deren man viele Arten kennt. Von dieſen beſitzen wir nur drei: die grüne Meerkatze (Cercopithecus sabaeus), den Mohraffen und den rothen Affen (Cercopithecus fuliginosus und Patas). Es find mun- tere, neckiſche Thiere, die man häufig in Menagerien zeigt. Neben ihnen ſteht ein junger vier— fingeriger Affe, den man, da ihm der Daum der Vorderhand fehlt, Stummelaffe (Colobus) nennt. Er kommt in Afrika, aber ſelten, vor. Hinten, in demſelben Kuften, ſteht der Man— drill, mit rother Naſe und himmelblauen Backen, und ein afrifanifher Pavian. Den er— ſten nennen die Thierführer gewöhnlich Waldmenſch; ein Name, der ihm weder ſeinem Aeußern, noch feines Naturells wegen zukommt. Auch der gewöhnliche Pavian und der Drill, der aus— ſieht, als ob er eine ſchwarze Maske trüge, in ſeinem Charakter aber dem Mandrill ähnlich iſt, befinden ſich da. Man hat dieſe Affen ihrer Kopfbildung wegen Hundskopfaffen (Cy- necephali) genannt. Es ſind die Hundsköpfe wilde, häßliche und ungezogene Thiere. Ihre Heimath iſt Afrika. b Etwas weniger wild und zähmbarer, doch eben nicht angenehmer, ſind die Makaks; ſehr lebhafte Thiere. Man zählt dazu auch den gemeinen Affen. Nur dieſe Art lebt in Afrika und ſogar in Europa, bei Gibraltar in Spanien. Die andern Arten ſind alle aſiatiſch. Es ſind diejenigen Affen, welche am häufigſten nach Europa gebracht und von Savoyarden und Bären— führern gezeigt, auch wohl zu Affenkomödien abgerichtet werden. Von dieſen ſtehen in dem Kaſten der gemeine Affe, der Makak, der Schweinſchwanzaffe und die ſogenannte Chineſermütze, da ſein Haar eine Art von Hut oder Mütze auf dem Kopfe bildet. Alle übrigen Affen in dem Kaſten ſind amerikaniſch und ebenſo verſchieden in ihrem Aeu— ßern wie in ihrem Charakter. Vorerſt bemerkt man zwei ſchwarze, langbärtige, ernſthafte Ge— ſichter, welche ein böſes Thier zu verrathen ſcheinen. Sie haben lange ſogenannte Greifſchwänze, deren ſie ſich wie einer fünften Hand bedienen können, um ſich feſtzuhalten. Es ſind, wie faſt alle Affen, Baumthiere, welche nur ſehr zufällig einmal auf den Boden kommen und ſich in den amerikaniſchen Urwaldungen auf den höchſten Bäumen aufhalten, von deren Blättern und Früchten ſie ſich nähren. Da dieſe Wälder, durch Schlingpflanzen verbunden, faſt ein Ganzes ausmachen, indem dieſe Pflanzen von einem Baum zum andern mit ihren Ranken gehen, ſo brauchen dieſe Thiere nie auf die Erde herunterzuſteigen, ſelbſt nicht einmal, wenn ſie trinken; ſie hängen ſich dazu mit dem Schwanze nur an die unterſten Aeſte der am Waſſer ſtehenden Bäume. Ihre Jungen tragen fie auf dem Rücken. Man hat dieſe Affen Brüllaffen (Myceles), auch 5 wohl, ſonderbar genug, Predigeraffen genannt, weil ſie ein lautes Gebrüll, welches man ſehr weit hört, ausſtoßen, wobei einer gleichſam als Vorbrüller anfängt, die andern im Chor ein— fallen. Es ſind aber nichts weniger als furchtbare oder böſe Thiere; ſie ſind träge, gutmüthig, Te melancholiſch, nicht fo poſſierlich und munter wie die andern Affen. Man hält fie daher felten lebendig, da ſie zu langweilig ſind. Da ſie aber ein ſchönes, bald glänzend ſchwarzes, bald goldgelbes Fell haben, ſo jagt man ſie des Felles wegen und die Amerikaner eſſen auch ihr Fleiſch. Es ſind zwei Arten in der Sammlung: der goldgelbe Bärenbrüllaffe und der langbärtige. Beide kommen in Braſilien vor. In der Lebensart ihnen ähnlich, aber ſchlanker und munterer, find die Klammeraffen (Ateles), an deren Vorderhänden nur vier Finger ſtehen, deren langer Greifſchwanz aber ſo eingerichtet iſt, daß ſie damit kleine Dinge ergreifen und aus Ritzen und Löchern herausnehmen können. Sie hängen ſich daran ganz frei und können lange ſo ſchweben. Selbſt von einem Schuſſe tödtlich verwundet, bleiben ſie noch am Baume hängen, bis der Tod die Muskelkraft erſchlaffen macht. Von dieſen merkwürdigen Thieren, welche in Braſilien und Peru leben, aber ſehr ſelten lebend nach Europa gebracht werden, iſt nur eine Art vorhanden, der graue Klammeraffe (Ateles hypoxanthos). Die kleinen amerikaniſchen Affen mit Wickelſchwänzen heißen Rollſchwanzaffen oder auch Kapuziner. Von dieſen ſind vier Arten vorhanden. Es ſind ſehr muntere, lebhafte, aber auch oft boshafte und tückiſche Thiere, von vieler Intelligenz. Das Geſicht iſt alt und häßlich. Man kann ſie leicht zahm machen. Sie geben weinerliche oder zwitſchernde Töne von ſich, weßhalb die Thierführer ſie wohl auch, doch unpaſſend, Nachtigallaffen nennen. Sie halten bei uns oft viele Jahre lebend aus. Neben dieſen ſieht man ein halbes Dutzend kleiner, niedlicher Aeffchen, einige nicht größer als Eichhörnchen, mit löwenartiger Mähne und angenehmer Geſtalt. Man nennt ſie Eichhornaffen, weil ſie, wie dieſe, Baumthierchen ſind und in ihrem Vaterlande die Stelle der Eichhörnchen vertreten, welche dort mangeln. Es iſt ſchade, daß dieſe Thierchen ſel— ten lebend zu uns gebracht werden und dann nicht lange aushalten; fie wären niedliche Haus- thierchen. Von einem derſelben, dem Titi vom Orenoko oder Saimiri (Callithrix seiureus), jagt der als Naturforſcher berühmte Humboldt: er ſei in beſtändiger Bewegung, in allen ſei—⸗ nen Handlungen ſei Leichtigkeit und Anmuth; er werde nie böſe, ſpiele immer und hüpfe um⸗ her, um Inſekten zu haſchen, beſonders Spinnen, welche er ſehr gerne freſſe; die Phyſiognomie habe viel Aehnlichkeit mit der eines Kindes: derſelbe Ausdruck von Unſchuld, dasſelbe Lächeln, derſelbe ſchnelle Uebergang von der Freude zur Traurigkeit; er weine ſogar, wie ein Kind, wenn er Verdruß habe oder Schmerz fühle, und ſeine großen Augen füllen ſich mit Thränen; er habe die ſonderbare Gewohnheit, den Menſchen, wenn ſie reden, ſteif in den Mund zu ſehen, und wenn er auf ihren Schultern ſitze, mit ſeinen niedlichen Fingerchen Zähne oder Zunge des Redenden leiſe zu berühren; Inſektenſammlern ſei er gefährlich: man möge die gefangenen In— ſekten noch ſo gut verwahren, er entdecke ſie gewiß und wiſſe ſie von der Nadel zu nehmen, ohne ſich zu verletzen. Ein Pärchen, welches Humboldt mit ſich führte, unterſchied Abbildun⸗ gen von Inſekten ſehr genau, obſchon ſie nicht illuminirt waren, und ſuchte ſie zu erhaſchen. Ein anderer, welcher bei einer Indianerhütte zahm gehalten wurde, ritt jeden Morgen auf ei— — nem Spanferkel, welches auf die Weide ging, ſpazieren, und kehrte dann wieder, auf ihm reitend, zur Hütte zurück. ; Gehen wir nun weiter, fo ſehen wir in dem großen Kaften gegen dem Fenſter eine bedeu- tende Zahl größerer Thiere, alle aus der zahlreichen, wichtigen und für den Menſchen ſo nütz⸗ lichen Ordnung der wiederkauenden Thiere. Voran prangt die Gattung Hirſch in mehreren ſehr ſchönen Arten. Der Edelhirſch, einſt ein Bewohner unſers Vaterlandes, jetzt nur noch in den Stadtgraben von Bern und Luzern; der Damhirſch, im Sommer- und Winterkleide, und eine weiße Varietät; der Axishirſch aus Indien, Männchen, Weibchen und Junges; der virginiſche Hirſch, mit ſchönem Krongeweih, Männchen und Weibchen (ein herrliches Ge— ſchenk von Herrn Kaſpar Meyer, der ſich in St. Louis am Miſſouri, in Nordamerika, auf⸗ hält); ein prachtvoller weißer Rennhirſch, der auf unſerm Kupfer vorgeſtellt iſt, mit ſtatt⸗ lichem Geweihe; ein ſchöner Rehbock mit ſeinem Jungen; das ſibiriſche Biſamthier, von welchem der koſtbare Biſam kommt, ein Männchen mit langen Hauzähnen; das kleine Bi⸗ ſamthier, aus Java. Aus der zahlreichen Gattung Antilope oder Gazelle ſteht voran die Gemſe unſerer Alpen und die Pyrenäengemſe, beide Arten im Sommer und Winter; neben ihnen die große Gazellenantilope (A. gazella); die ſchwarzöhrige Antilope (A. melanotis); die weißrückige (A. Euchore); die gemeine Gazelle (A. dorcas); der Guib (A. scripta); der Prunkbock (A. pygarga); die Zwerggazelle (A. pygmaea); die Waldgazelle (A. sylvieultrix); die Sfabellgazelle (A. Isabellina); die Steinbock ga— zelle (A. tragulus); der Klippſpringer (A. orcotragus). Alle aus Afrika. Die feinen, elaſtiſchen Schenkel, der ſchlanke und zierliche Bau der Antilopen zeigen die Schnelligkeit und Leichtigkeit, womit dieſe Thiere die Ebenen ihres Vaterlandes durchirren und an den Rändern der Wüſte die ſparſamen, oft verdorrten Pflanzen in weiten Räumen aufſuchen, von Raub- thieren und Menſchen verfolgt, da ihr Fleiſch und ihre Haut ſo nützlich ſind. Sonderbar nimmt ſich, durch gerade entgegengeſetzten, plumpen und unangenehmen Bau, ein neugebornes Kameel aus, welches, mit weißer Wolle bedeckt, ſchon von Manchem für ein Lama angeſehen wurde. Noch ſtehen in dieſem Schrank, als beſondere Zierde, die Steinböcke mit ihren ſtattlichen, ſchweren und ſtarken Hörnern. Der ehemals vaterländiſche, jetzt nur noch in Savoyen lebende Steinbock iſt in drei Exemplaren vorhanden: ein Bock und eine Ziege im Sommerhaar und ein Bock im Winterkleide. Neben ihnen ſteht der plumpe ſibiriſche Steinbock und ein gro— ßer, ſtarker Steinbock mit mächtigen Hörnern, aus den ſpaniſchen Pyrenäen, mit einem nied⸗ lichen jungen Böckchen. Endlich befindet ſich noch in demſelben Kaſten ein Paar wilde Schafe, die ſogenannten Mufflons, aus Sardinien. 5 Die nähere Angabe der zahlreich vorhandenen Raubthiere, worunter ein prächtiger Tiger, Bären, Luchſe, Hyänen, ferner der Beutelthiere, Nagthiere, Fledermäuſe u. ſ. w. wollen wir — auf ein ander Mal verſparen und dagegen noch etwas über das auf der Kupferplatte abgebildete Rennthier ſagen. Das Rennthier gehört zur Gattung der Hirſche (Cervus, Cerfs). Die Hirſche zeichnen ſich vorzüglich durch ihr Geweihe aus. Geweihe unterſcheiden ſich von den Hörnern dadurch, daß ſie aus unebenen, mit Zacken verſehenen, knochigen Stangen beſtehen, welche alle Jahre abfallen und durch neue erſetzt werden. Die Hörner dagegen ſind auswendig glatt oder gerin— gelt und bilden eine hornartige Scheide, welche inwendig großentheils hohl iſt und auf einem aus der Stirn des Thieres wachſenden Knochenzapfen aufſitzt und nie abfällt. Bei den Hirſchen haben aber meiſt nur die Männchen Geweihe, die Weibchen nicht. Je älter die Männchen wer⸗ den, deſto größer werden ihre Geweihe, deſto mehr Zacken oder Enden, wie man in der Jä— gerſprache dieſe nennt, haben ſie. Beim erſten Ausbruch iſt das Geweih glatt und ohne En- den, und das Thier heißt ein Spießer. Mit jedem neuen Wachsthum (Aufſetzen, nach der Jägerſprache) wächst an jeder Stange ein Ende mehr, und man nennt den Hirſchen, nach der doppelten Zahl der Zacken, ein Sechsender, ein Zehnender, ein Zwölfender; man hat ſogar einen Edelhirſchen geſehen, welcher vierundſechzig Enden hatte. Bei den Damhirſchen werden die Geweihe an der Spitze breit, ebenſo beim Elennhirſchen. Beim Rennthier haben beide Geſchlechter Geweihe von großem Umfange, nur ſind ſie bei der Kuh kleiner und leichter. Am Ende bildet das Geweihe eine Schaufel, womit das Rennthier den Schnee wegſchaufeln kann. Die Geweihe dienen dem Hirſchen als kräftige Waffen. Das Rennthier iſt das einzige Thier aus der zahlreichen Hirſchgattung, welches wirklich zum Hausthier geworden iſt und zum Tragen, Ziehen, ja ſogar zum Reiten gebraucht wird. Es iſt aber nicht überall gezähmt, ſondern auch noch wild. Viele Völker wiſſen es nicht zu zähmen, oder könnten die gezähmten nicht erhalten. Die Geſtalt des Rennthiers brauchen wir nicht weitläufig zu beſchreiben, da ſie auf unſerm Blatte gut dargeſtellt iſt. Die Farbe iſt ſehr verſchieden: weiß, grau, dunkelbraun, oder gar ſchwarz, doch ſelten; aber dieſe Verſchiedenheiten findet man nur bei den gezähmten Rennthieren, da nur dieſe, wie alle Hausthiere, die Farben auf mehrfache Art verändern. Die Rennthiere in Spitzbergen ſollen graugelblich ſein; die ſibiriſchen im Sommer dunkelmäuſegrau, im Winter weißgrau; die grönländiſchen im Sommer dunkelbräunlich, am Bauch weiß, im Winter ganz weißlich. Das in unſerer Sammlung aufgeſtellte iſt weiß, nur an der Naſe etwas röthlich grau. Das Haar iſt ziemlich fein, dicht und am Halſe und Bauch länger und herabhängend. Die Geweihe des männlichen Hirſches werden ſehr groß und ausgedehnt und haben mehrere ſchau— felförmige Zacken oder Enden; beim Weibchen find fie kleiner und ſchmächtiger. Der Hals iſt ſtark, der Leib geſtreckt, die Beine nicht ſehr hoch, die Hufe aber beſonders breit, wodurch das Einſinken in den Schnee gemindert wird. Auch die Größe iſt verſchieden. Die wilden Rennthiere ſind größer als die zahmen. Die 2 ze Länge von der Schnauze bis zum Schwanze fpielt zwiſchen 5 ½ und 6 Fuß; die Höhe be- trägt 3 ½ Fuß. t Das Vaterland des Rennthiers iſt der hohe Norden von Europa, Aſien und Amerika. Wild finden ſich die Rennthiere auf Spitzbergen, in Grönland und andern Theilen des nördlich— ſten Amerika, in Aſien längs dem Eismeer bis Kamtſchaka. Die wilden machen alle Jahre weite Reiſen. Im Sommer nämlich, der aber nur etliche Monate dauert, ziehen die Renn⸗ thiere bis zum höchſten Norden; in Grönland z. B. bis nach dem durch Roß bekannt geworde— nen Lande, welches er Boothia Felix nannte, dem äußerſten Lande, wo der Menſch noch leben kann, wo kein Strauch von mehr als vier bis fünf Zoll Höhe, geſchweige dann ein Baum an- getroffen wird. In dieſe öden Gegenden kommen noch einzelne Rennthiere und Biſamochſen; allein bald nöthigen ſie Kälte und Schnee, wieder mehr ſüdwärts zu ziehen. Nach Neu-Semlia und Spitzbergen kommen ſie auf dem Eiſe, verlaſſen aber auch dieſe Länder bald wieder. Da der Winter dieſer Gegenden ihnen keine Nahrung verſchaffen könnte, ſo können die Grönländer auch keine zahmen Rennthiere halten. Dies iſt nur in weniger kalten Gegenden möglich, da das Rennthier feine Nahrung ſelbſt ſuchen muß und der Menſch keine Vorräthe für dasſelbe ein- ſammeln kann. In Grönland findet man das Rennthier daher niemals gezähmt; dagegen im nördlichen Norwegen und Schweden, in Lappland und längs den Geſtaden des Eismeeres in Aſien, bei den Lappen, Oſtiaken, Samojeden, Koräken, Tunguſen und Kamtſchadalen. Alle Verſuche, die Rennthiere in weniger nördlichen Gegenden zu ziehen, ſchlugen fehl. Selbſt der weniger kalte Theil von Norwegen und Schweden iſt ihnen zu warm. Man machte in England Verſuche; allein auch ſie mißlangen. Es iſt dieſes der Grund, warum niemals Rennthiere in Menagerien zu ſehen ſind und ſelbſt in Sammlungen nicht häufig vorkommen. Keine jetzt lebende Hirſchart hat im Verhältniß zum Körper ſo große Geweihe wie das Rennthier. (Es gab aber eine ausgeſtorbene Hirſchart, welche viel größere Geweihe hatte.) Sie wachſen, wenn einmal das Rennthier ausgewachſen iſt, alle Jahre in gleicher Form und Größe. Sie ſcheinen ihm hauptſächlich zur Wegſchaufelung des Schnees, um zu ſeinem Futter zu gelangen, gegeben zu ſein; denn zur Vertheidigung braucht es ſie nicht, wohl aber zu Käm— pfen mit Seinesgleichen. Allein es kann ſie auch als Schneeſchaufel nur kurze Zeit brauchen, da fie ſchon im Dezember oder Januar abgeworfen werden und erſt im Auguſt wieder ganz er— ſetzt ſind, alſo gerade im Winter mangeln. Die Nahrung der Rennthiere beſteht im Sommer aus faſt allen den Kräutern, welche in nördlichen Gegenden wachſen; auch freſſen ſie Schwämme und unter dieſen ſelbſt den giftigen Fliegenſchwamm, der ſie zwar berauſcht, aber nicht tödtet. Dieſer Schwamm geht meiſt un⸗ verdaut wieder ab, theilt aber ſeine berauſchende Eigenſchaft dem Urin mit. Die Koräken, die gerne geiſtige Getränke genießen, denen es aber an Materialien fehlt, ſolche zu bereiten, fan— gen den Harn der Rennthiere auf, welche Fliegenſchwamm gefreſſen haben, trinken ihn und berauſchen ſich damit. Die Rennthiere ihrerſeits trinken gerne den Urin des Menſchen, wahr— bien: A 4 ſcheinlich der Salztheile wegen, welche darin ſich finden, und laufen fogleich hinzu, wenn Je— mand harnt. Die Koräken ſammeln daher ihren Urin in eigenen Gefäſſen und theilen ihn ihren Rennthieren in kleinen Portionen mit, wodurch ſie ſehr zahm werden. Die Hauptnahrung des Rennthieres im Winter beſteht beſonders in ſogenannten Flechten oder Moosarten, welche auch in den kälteſten Gegenden unter dem Schnee wachſen. Dahin gehören die Rennthierflechte und die isländiſche Flechte, welche auch bei uns in Wäldern und auf den Alpen wachſen und ſo viel nahrhafte Theile beſitzen, daß man ſie oft als nährende Arznei für den Menſchen gebraucht und in Zeiten des Mangels und der Hungersnoth ſogar das ſogenannte isländiſche Moos unter das Brot zu miſchen empfohlen hat. Daher iſt es ſehr begreiflich, daß die Rennthiere bei die— ſer Nahrung, die weit mehr nährende Subſtanz als das Heu in ſich hat, nicht nur leben, ſon— dern ſogar ſehr fett werden können. Sie find deswegen im Herbſt meiſt magerer als im Früh— jahr, wenn der Winter nicht gar zu ſtrenge iſt und zu viel Schnee fällt, ſo daß ſie nicht genug Nahrung finden können. Die zahmen Rennthiere kommen nie in einen Stall, ſondern bleiben immer im Freien. Der Menſch gibt ihnen keinerlei Nahrung; ſie müſſen ſich ſelbſt dieſe auf— ſuchen. Da die Heerden der Rennthiere oft ſehr groß ſind, ſo daß ein einziger Beſitzer oft viele Tauſende, ja bis 10,000 Stück beſitzt, ſo könnten dieſe Heerden nie erhalten werden, wenn der Menſch ihnen Vorräthe für den Winter anſchaffen und ſammeln müßte. An den Geſtaden des Eismeeres ſind ungeheure Strecken mit dieſen Flechtenarten bewachſen und liefern den Thie— ren genug Nahrung, welche ſie unter dem Schnee hervorſcharren. Im höchſten Norden aber liegt der Schnee zu tief und iſt zu hart gefroren; daher können die Grönländer keine Rennthiere halten. Merkwürdig iſt, daß die Rennthiere in Island nicht gehalten werden und daſelbſt ganz mangeln. Das Rennthier erſetzt dem Nordländer jedes andere Hausthier, von welchen keines mehr in den Gegenden fortkommt, in denen das Rennthier lebt, ausgenommen der Hund, der noch weiter nach Norden geht und zum Theil, wenigſtens den Eskimos, ſeine Stelle erſetzt. Das Rennthier iſt das einzige zahme Thier, dem der Menſch gar nichts zu geben braucht, welches ihm dagegen den größtmöglichen Nutzen gewährt. Die Rennthiere, zahme und wilde, leben geſellig in größern oder kleinern Heerden und ver— theidigen ſich gemeinſchaftlich gegen die Wölfe. In Grönlaud und im hohen Norden findet man aber nur Truppen von vier bis zwanzig Stücken; in Aſien dagegen wilde Heerden von mehre— ren Hunderten. Der Charakter des Rennthieres iſt ſanft. Es iſt gegen den Menſchen ſehr zutraulich, folg— ſam, reinlich, beſchmutzt ſich nie, hat einen feinen Geruch und ſcharfes Gehör. In der Ge— ſchwindigkeit des Laufes übertrifft es das Pferd und hält länger aus. Sein Lauf iſt ein ſchnel— ler Trab, wobei es weit vorgreift und ſeiner breiten Klauen wegen leicht über Eis und Schnee wegeilen kann. Bemerkenswerth iſt, daß beim Laufen die falſchen Hufe des Thiers ein ſtarkes Geräuſch hervorbringen, ähnlich dem Tone, der beim Knacken der Nüſſe entſteht. Man hört Ze dieſes ziemlich weit und ſchon, wenn das Thier ſich nur ſchüttelt oder wenn man einen Fuß aufhebt. Sie ſchwimmen leicht über Flüſſe und kleine Seen und tauchen dabei nicht tief unter. Sie vertheidigen ſich gegen Wölfe und Hunde durch Schlagen mit den Porderfüßen, womit fie einen Wolf tödten können, theils auch mit den Geweihen, wobei ſie von oben herabſchlagen. Die männlichen Hirſche kämpfen auch oft mit einander und verwickeln ſich dabei leicht mit den Geweihen, ſo daß fie nicht mehr von einander kommen können und die wilden verhungern müſ⸗ fen. Auch zahme Rennthiere find zuweilen launiſch und ſchlagen gegen den Menſchen aus. Ge⸗ ſchieht dies, wenn fie vor den Schlitten geſpannt find, jo wälzt der Fahrende den Schlitten um und läßt das Thier mit den Füßen trommeln, bis es ausgetobt hat, was nicht lange dauert; dann geht es wieder ruhig fort. Die Stimme iſt eine Art von Grunzen. Sie harnen ſehr oft und kommen leicht um, :venn man fie daran hindert. Die Koraken haben daher einen beſondern Ruf, ſie zum Harnen zu reizen, wie unſere Fuhrleute die Pferde durch Pfeifen rei⸗ zen. Das Alter erſtreckt ſch auf fünfzehn bis achtzehn Jahre und das Wachsthum dauert bis ins vierte Jahr. Die Rennthierkuh wirft jährlich nur einmal, meiſt nur ein, ſeltener zwei Junge, welche ungefleckt zur Welt kommen. Es gibt immer mehr weibliche als männliche Rennthiere. Das Rennthier iſt dem Menſchen von ungemein großem Nutzen. Sein Fleiſch hat einen vortrefflichen Geſchmack, iſt ſaftig und nahrhaft. Die Milch iſt ſehr fett, viel fetter als Kuh⸗ milch, wie Milch mit Eiern; ſie wird daher meiſt mit Waſſer gemiſcht. Die Butter iſt zwar nicht übel, doch etwas thraniger als Kuhbutter. Die Haut gibt ein vortreffliches, weiches Le⸗ der und, mit den Haaren gegerbt, ein weiches, warmes Pelzwerk, aus welchem man Seltdecken, Betten, Kleider, Mäntel, Beinkleider und Strümpfe verfertigt, welche ihrer Warmgebung we⸗ gen ganz für das Klima paſſen und, neben Hunds⸗ und Wolfsfellen, als Hauptbekleidung der Nordländer dienen. Die Haare werden zum Ausſtopfen von Polſtern und Kiſſen gebraucht; ie Sehnen zu Zwirn; die Gedärme zu Stricken; die Harnblaſe als Beutel. Die Geweihe wer⸗ den, wenn ſie noch jung und weich ſind, gegeſſen oder zu Leim gekocht; die erharteten und die Knochen dienen zu allerlei Geräthe. Kurz, alles iſt brauchbar. Wichtig iſt auch die Benutzung des Nennthieres als Zugthier. Dafür werden meiſt kaſtrirte Hirſche gebraucht. Vor einen leichten Schlitten wird immer nur ein Hirſch geſpannt und ſo angelegt, daß er mit der Bruſt zieht. Die Fahrt auf guter Bahn geht ſehr ſchnell und das Thier läuft ſechs bis ſieben Meilen hinter einander. Ein guter Hirſch ſoll in einem Tage bis zwanzig deutſche Meilen machen können. Auch zum Tragen werden die Rennthiere beſonders im Sommer gebraucht, ſehr ſelten zum Reiten. Ihre Hauptfeinde find der Wolf und der Vielfraß. Zuweilen werden ſie auch dem Eisbã⸗ ren zur Beute, vor welchem ſie aber ihr ſchnelles Laufen meiſtentheils rettet. Sie haben einen andern, kleinen, aber nichtsdeſtoweniger oft lebensgefährlichen Feind. Dieſer iſt eine Fliege, ungefähr jo groß als eine Schmeißfliege, ganz haarig. Sie heißt Rennthierbremſe, iſt aber f — 13 — nicht zu verwechſeln mit unſern gewöhnlichen Viehbremſen (Bremen). Sie ſticht nicht und ſaugt kein Blut, wie dieſe, ſondern plagt das Rennthier auf eine ganz eigene Art. Ihre Larve oder Made (ſo nennt man die Fliegenwürmer, welche keine Füße haben, wie die Larven der Stuben- und Schmeißfliegen) lebt nämlich unter der Haut des Rennthieres. Die Geſchichte dieſer merkwürdigen Fliege iſt folgende. Die weibliche Fliege hält ſich ſchwebend in der Luft gerade über dem Rennthier und verfolgt es oft viele Stunden lang. Von Zeit zu Zeit läßt ſie ein Ei auf den Rücken desſelben fallen. Dieſes Ei iſt kleberig und bleibt am Haare hängen. Die Made kommt nach wenigen Stunden aus und bohrt ſich unter die Haut des Rennthieres, wo ſie ſich aufhält, bis ſie erwachſen iſt und ſich in eine Puppe verwandelt. Durch den Reiz, den ſie verurſacht, entſteht ein Geſchwür und ein Knoten mit einer Oeffnung. Drückt man an dem Knoten, ſo ſchlüpft die Larve oder Puppe heraus und nach vollendeter Verwandlung kriecht die Fliege aus ihr hervor. Da nun ein Rennthier oft vier, fünf und noch mehr ſolcher Geſchwüre hat, ſo iſt begreiflich, daß es an Kräften verliert und ſogar an Abzehrung ſterben kann. Der große Naturforſcher Linne bemerkte dieſe Thiere zuerſt auf feiner Reiſe in Lapp— land. Dieſelbe Fliege verfolgte oft das gleiche Rennthier einen ganzen Tag unermüdet und hielt beſtändig ein Ei bereit, um es auf den Rücken des Thieres fallen zu laſſen; ſelten fiel eines neben hin. Die Rennthiere kennen ihren Feind und wollen daher immer gegen den Wind ge: _ hen, weil die Fliege dem Luftſtrom nicht widerſtehen kann, ſondern fortgetrieben wird. Die Lappen ſind dieſer Feinde wegen gezwungen, im Sommer mit ihren Heerden in die Schnee— gebirge zu flüchten, wo die Fliege nicht hinkommt. Die Rennthiere aber drängen ſich in den Rauch der Hütten, da die Fliege denſelben flieht. Selten findet man Rennthierfelle, welche nicht mit kleinen runden Löchern durchbohrt ſind. Durch Aufmerkſamkeit könnte man allerdings die Rennthiere von dieſen Maden befreien, aber die Lappen beachten die Fliegen nicht. Das Rennthier iſt es aber nicht allein, welches den Verfolgungen der Fliege ausgeſetzt iſt. Solche Fliegen verfolgen auch die Hirſche und die Rinder auf der Weide, ja man hat ſogar an Menſchen, in Ländern, wo ſie oft nackt gehen, ſolche Knoten bemerkt. Da man bei uns das Vieh meiſt in den Ställen hält, ſo iſt es ſelten, daß man ſolche Bremſenbeulen findet und auf den Alpen ſcheint die Bremſe wenig vorzukommen. Dagegen gibt es eine Bremſe, welche ihre Eier auf den Maſtdarm der Pferde legt, wenn das Pferd miſtet; dieſe werden dann in den Maſtdarm eingezogen, entwickeln ſich darin und die Maden kommen bis in den Magen des Pferdes, wo ſie viele Beſchwerden, ja ſelbſt den Tod verurſachen können. Bei der Verwand— lung kriechen die Maden durch den Maſtdarm heraus, fallen zur Erde und verwandeln ſich da in eine Puppe und Fliege. Glücklicherweiſe ſind ſie ſelten. Es wäre wohl lehrreich, wenn wir von allen den Thieren, welche in unſerer Somiligg befindlich find, ähnliche Nachrichten geben könnten, wie vom Rennthiere; allein dazu fehlt uns der Raum und die Zeit. Dieſe naturhiſtoriſchen Nachrichten ſind eben Gegenſtand des Schul— unterrichts. Wir hoffen indeß, die Durchwanderung unſerer Sale, welche wir in künftigen ee I Jahren fortzuſetzen im Sinne haben, werde uns Stoff genug zu angenehmer und lehrreicher Unterhaltung an die Hand geben, um ſo mehr als die Sammlung ſich durch Anſchaffungen und Geſchenke immer vermehrt und viele unſerer Mitbürger, welche die Leichtigkeit zu reiſen in entfernte Weltgegenden verſetzt hat, ſich eine Freude daraus machen, ſie zu beſchenken. Eben damit die anwachſende Jugend einſt mit um ſo größerm Nutzen ſich in fernen Welttheilen um— ſehen könne, iſt es gut, wenn ſie ſich in unſern wiſſenſchaftlichen Anſtalten recht heimiſch macht. Die Landſchaft auf unſerer Platte iſt keineswegs nur aus der Phantaſie gewählt. Es iſt eine Gegend aus dem traurigen Vaterlande des Rennthieres in Nordamerika, aus der Reiſe des Engländers Fränklin nach den Ländern der Eskimos, am amerikaniſchen Eismeere. Sie zeigt einen Theil des Marderſees, der ſich in den Kupferminenfluß ergießt. Die ganze Gegend iſt nur mit einigem Birkengeſträuch bewachſen, da in dieſen hochnordiſchen Ländern kein anderes Holzgewächs mehr fortkommt, als etwa noch zwergige Tannen. 0 0 Druck von Zürcher und Furrer. 4 u 5 7 . . N. 1 - An die Zürcheriſche Jugend auf das Jahr 1842. Von der Maturforſchenden Geſellſchaft. XILIV. Stück. Die zoologiſche Sammlung. Wir haben in unſerm vorjährigen Neujahrsblatt geſucht, die Jugend mit unſern natur⸗ hiſtoriſchen Sammlungen näher bekannt zu machen. Wir fahren damit fort, die Aufmerkſamkeit auf das Merkwürdigſte in derſelben zu richten. Die Menge der vorhandenen Gegenſtände machte es ſchwer, fie alle gehörig zu ordnen, um die Ueberſicht und Benutzung zu erleichtern. Dieſe gänzliche Anordnung iſt nun im Laufe des vorigen Jahres vollendet worden. Erſt jetzt iſt Jeder in den Stand geſetzt, den Reichthum oder die Lücken derſelben beurtheilen zu können. Aber wenn auch ſehr viel mangelt und der Natur der Sache nach immer mangeln muß (denn vollſtändig kann keine Sammlung fein), jo dürfen wir doch, ohne unbeſcheiden zu ſein, in dieſer Beziehung mit allen vaterländiſchen Sammlungen in die Schranken treten, ſelbſt mit der von Genf. Allein auch Waadt, Bern, Neuenburg, Baſel, Solothurn und 1 N. S Si WERE Aargau haben reihe Sammlungen, und wenn wir nicht zurückbleiben wollen, fo müſſen wir alle unſere Kräfte anſtrengen, um mit dieſen Schweſterſtädten in demſelben Range zu verblei— ben. Je mehr die geographiſchen und phyſiſchen Kenntniſſe Fortſchritte machen, je mehr durch ſchnelleres Reiſen, durch Benutzung der phyſiſchen Kräfte, die Verbindung aller Erdtheile erleichtert, die Kenntniſſe erweitert, die Transportmittel vervielfältigt werden, deſto größer werden die Forderungen, welche man an die Bildungsmittel, welche die öffentlichen Anſtalten enthalten ſollen, machen darf. Nie mehr, als in unſern erfindungsreichen Zeiten, bewährt ſich der Satz: „ſtille ſtehen heißt rückwärts gehen“; die Entdeckungen reihen ſich ſo ſchnell an ein— ander, daß, wer ein Jahr ſtille ſteht, nie mehr das Verſäumte einbringen kann. Sammlungen von phyſikaliſchen Apparaten, von chemiſchen Produkten, von Naturkörpern aus allen drei Reichen, ſind der jetzigen Bildung eben ſo nöthig als Bibliotheken; ſie ſtellen uns dieſelben ſinnlich dar, was die Bücher, wenn ſie auch noch ſo gut geſchrieben ſind, nicht thun können. Der Ueberblick einer reichen Sammlung berichtigt in wenigen Stunden, was die Phantaſie ohne Anſchauung niemals naturgemäß auffaſſen kann. Gerne würden wir einen Ueberblick, eine Rechenſchaft über alle unſere Sammlungen und Anſtalten geben und ihre jährlichen Fortſchritte berichten, wenn der Raum, der dieſen Blät— tern geſtattet wird, es zuließe. Daher bleiben wir für einmal bei einer einzigen dieſer Anſtalten ſtehen, und dieſe iſt die zoologiſche Sammlung. Je reicher aber dieſe Sammlung. wird, deſto mehr müſſen wir uns ſelbſt hier jährlich auf eine einzelne Abtheilung beſchränken. Daß unſere Sammlung ſich auch im Jahr 1841 bereichert hat, das mag die Anſicht derſelben beweiſen. Schon faſſen die Kaſten, von deren Inhalt wir vor einem Jahre ſprachen, die dahin gehörigen Gegenſtände nicht mehr; es ſind viele höchſt merkwürdige Thiere hinzu— gekommen, von deren Naturgeſchichte wir gerne ſprechen würden, wenn wir Raum hätten. Wir können daher nichts Anderes thun, als das Publikum einladen, die Tage zu benutzen, wo die Sammlung Jedem unentgeltlich geöffnet iſt. Außerdem ſteht ſie Jedermann zu allen Zeiten gegen eine kleine Entſchädigung für den Abwart offen. Im vorigen Jahre beſchäftigte ſich unſere Darſtellung mit den Thieren aus den Familien der Vierhänder und der Wiederkauer. Dieſes Mal wollen wir von den ſogenannten Nage— thieren ſprechen, deren zahlreiche, wiewohl meiſt kleine Arten einen großen Kaſten anfüllen. Ihrer Kleinheit ungeachtet ſind ſie, in Hinſicht unſerer Oekonomie und ſelbſt für den Handel, ſehr wichtige Geſchöpfe. Nagethiere nennt man die Säugethiere, welche ihre Nahrungsmittel, nach einer ganz eigenen Einrichtung ihrer Zähne, nur durch Zernagen genießen können. Nicht bloß aber zer— nagen ſie damit alles, was ſie genießen, ſondern ſie dienen ihnen zugleich als furchtbare Waffen, mit welchen ſie gefährlich beißen, als Mittel, wodurch ſie ſich aus der Gefangenſchaft befreien, wodurch ſie auch in unſern Häuſern, an unſern Geräthſchaften bedeutenden Schaden anrichten a können, da fie Holzwerk, ſelbſt Mauerwerk, Papier, gewobene Stoffe, Leder und Anderes da- mit zerſtören können. Ebenſo ſchaden wieder viele Nagethiere durch ihre Gefräßigkeit, in Häuſern, Feldern und Waldungen. Viele von ihnen aber ſind durch ihr feines Pelzwerk wichtige Han⸗ delsartikel geworden. Ihre Gattungen und Arten ſind über die ganze Erde verbreitet und ſehr zahlreich. Es gehören dahin die Biber, Ratten, Mäuſe, Hamſter, Schlafmäuſe, Eiche hörnchen, Murmelthiere, Stachelſchweine, Haſen und noch viele ausländiſche Gattungen. Der Hauptcharakter iſt leicht aufzufaſſen. Sie haben alle in der obern und untern Kinn⸗ lade zwei Vorderzähne, welche meiſtentheils ſo groß ſind, daß ſie von den Lippen nicht ganz bedeckt werden, ſondern ſichtbar vorſtehen und der Schnauze eine abgeſtumpfte Geſtalt geben. Sie paſſen auf einander; ihre Schneide iſt ſcharf und meiſelförmig, ſchneidend, aber breit und gleichförmig abgeſchnitten. Hinter dieſen Zähnen folgt ein großer, zahnloſer Raum, und erſt hinten in jeder Kinnlade ſtehen 3 bis 5 Backenzähne, zum Zermahlen des durch die Vorder⸗ zähne Bernagten eingerichtet. Die Hinterbeine find bei den meiſten viel länger, und ebenſo ſetzen ſich die meiſten beim Freſſen auf die Hinterbeine und bedienen ſich der kürzern Vorder⸗ füße zum Feſthalten deſſen, was ſie zernagen wollen. Sie ernähren ſich hauptſächlich aus dem Pflanzenreiche; ſehr viele freſſen aber auch thie⸗ riſche Stoffe und wirkliches Fleiſch und Fettigkeiten; ja mehrere freſſen ſich, wenn ſie Hunger haben, unter einander ſelbſt auf. Die Lebensart der meiſten iſt nächtlich. Sie laufen ſchnell, ſind furchtſam und ſcheue. Manche klettern geſchickt und halten ſich auf Bäumen auf; andere graben ſich Gänge in der Erde und legen unterirdiſche Wohnungen an. Sie vermehren ſich ſehr ſtark, oft mehrere Male im Jahr, und können daher leicht zur Landplage werden. Allein die Natur hat dafür geſorgt, daß das Gleichgewicht nicht lange geſtört bleibt, da ſie eine Menge Feinde haben, welche ſie unaufhörlich verfolgen und ihre Zahl mindern, ja einige ſcheinen faſt bloß da zu ſein, um andern Thieren zur Nahrung zu dienen. Einige Arten machen weite Wanderungen, wenn ſie ſich an einem Orte zu ſehr vermehren, und auf dieſen Wanderungen kommen ſehr viele um. Faſt alle haben ein kurzes Leben, und ſind überhaupt ſo zart gebaut, daß ſie leicht umkommen. Oft auch herrſchen Krankheiten unter ihnen, welche viele tödten. Ihre Intelli— genz iſt nicht groß; ſie ſtehen in dieſer Beziehung ziemlich tief. j Wir heben als Beiſpiel ein Thier aus dieſer Familie hervor, welches durch ſeine Lebens⸗ art und vorzüglich durch ſeine Kunſttriebe eine gewiſſe Berühmtheit erhalten hat. Es iſt dies der Biber (Castor Fiber). Die Gattung des Bibers unterſcheidet ſich leicht vor allen andern Nagern durch die unge⸗ mein großen, breiten, ſtark aus dem Munde vorragenden Vorderzähne, durch vier große, oben abgeriebene Backenzähne auf jeder Seite, oben und unten, alſo in allem 20 Zähnen; durch einen kleinen, rundlichen Kopf, breite, aufgeſchwollene Backen, kleine Augen, ſtumpfe Naſe, Be kleine, abgerundete Ohren; durch einen ſtarken, gedrungenen, etwas kurzen, aber fleiſchigen Körper. Die vier Füße haben fünf Zehen; die vordern ſind geſpalten und mit ſtarken Klauen zum Graben verſehen; die Hinterfüße ſind breit und die Zehen durch eine dicke Schwimmhaut verbunden. Wie bei den meiſten Nagern ſind die Hinterſchenkel länger als die Vorderſchenkel, und bedeutend ſtärker und dicker. Vor Allem aus aber unterſcheidet den Biber der platte, eiförmige, mit einer ſchuppigen Haut bedeckte, unförmliche und unbehaarte Schwanz. Man kennt nur eine Art. Der Pelz iſt rothbraun, bald etwas dunkler, bald heller, immer aber unten heller. Die Haare ſind von zweierlei Art; die Grundhaare ſind weich, wollig, fein und bedecken den ganzen Körper dicht; zwiſchen ihnen ſtehen längere, etwas ſtärkere Haare, welche die Wollhaare bedecken; ſie ſind rothbraun, fein und glänzend; die Wollhaare dagegen ſind grau. Der Schwanz iſt ganz platt, an den Seiten ſchneidend, und mit harten, kleinen, runden, mehr lederartigen als hornartigen Schuppen bedeckt, zum Schwimmen ſehr geſchickt. Beim Gehen auf der Erde ſchleppt ihn der Biber ſcheinbar mühſam nach. Die Lippen bedecken die Zähne nicht ganz, ſo daß dieſe, deren Farbe lebhaft rothbraun iſt, ſehr ſichtbar ſind. Es gibt falbe, olivenbraun überlaufene, ganz ſchwarze, ganz weiße und gefleckte Biber. Die Länge eines recht großen Bibers iſt von der Spitze der Schnauze bis zur Schwanz— wurzel 2½ Fuß, der Schwanz 1 Fuß lang und über 4 Zoll breit. Das Gewicht 50 bis 60 Pfund. Der Biber war ehemals faſt in ganz Europa anzutreffen, und auch in unſerm Vaterlande; allein bei uns iſt jede Spur des Thieres verſchwunden. Dagegen wurde erſt noch im vorigen Jahr ein Biber in der Rhone, in Frankreich, gefangen. In Deutſchland findet er ſich ſehr ſelten am Rhein, häufiger an der Donau, von Linz bis zu ihrem Ausfluſſe ins ſchwarze Meer, an der Elbe und Weſer, vielleicht auch an der Oder. In Aſien bewohnt er die Flüſſe Sibi— riens, und ganz Nordamerika, vom nördlichen Kanada an, vom 30 bis zum 60 Grade: alle Flüſſe der Vereinigten Staaten, bis zu den Quellen des Miſſouri, Miſſiſippi und jenſeits des Felſengebirges, den Kolumbiaſtrom und andere Flüſſe, welche ſich ins ſtille Meer ergießen. Ehemals war er in allen dieſen Gegenden ſehr häufig; aber die ſtarken Nachſtellungen haben ihn in allen bewohntern Gegenden ſehr gemindert und aus ihnen faſt ganz verdrängt. Noch iſt er häufig in den Flüſſen außer dem Gebiete der Vereinigten Staaten, wird aber auch da bald ſeltener werden, da ſein Fang ein Hauptgegenſtand des Pelzhandels ausmacht und ganze Geſellſchaften ſich mit dieſem Handel ſo beſchäftigen, daß unaufhörlich eine Menge von Jägern ganz Nordamerika durchſtreifen, theils ſelbſt Biber fangen, theils von den Eingebornen Biber— und andere Pelzfelle einhandeln. Dieſer Handel beſchäftigt mehrere tauſend Menſchen. Bloß dieſes Pelzhandels wegen ſind, bis weit hinauf am Miſſouri und Miſſiſippi, und in Kanada, eine Menge ſogenannte Forts errichtet, d. h., Niederlaſſungsplätze, in welchen die Beamten en; Be der Pelzkompagnien wohnen, wo die Jäger und Voyageurs (jo heißen die Agenten der Kom— pagnien) ihre Zuſammenkünfte und Vereinigungsplätze haben und die Eingebornen ihr gewon⸗ nenes Pelzwerk hinbringen und verkaufen. Seit mehr als ſechzig Jahren beſteht die Hudſons— baikompagnie, oder eine Vereinigung von Aktionnärs, welche dieſen Handel betreiben. Ein gewiſſer Aſtor, ein Deutſcher, hat eine andere ſolche Kompagnie für die Vereinigten Staaten geſtiftet und iſt dadurch einer der reichſten Amerikaner geworden. Dieſen Kompagnien und ihren Voyageurs und Jägern hat man großentheils die Kenntniß des Innern von Nordamerika zu verdanken. Sie drangen über das Felſengebirge vor und jenſeits bis zum ſtillen Meer. Nicht ſelten gibt es zwiſchen den Jägern und Voyageurs der verſchiedenen Kompagnien Streit, der oft blutig endigt, und die Pelzjäger ſelbſt, abgehärtete und rohe Menſchen, unterliegen häufig den Mühſeligkeiten und kommen um, oder gerathen in Streit mit den Eingebornen, von welchen viele getödtet werden. Wer ſich einen Begriff von dieſem Handel und den Mühen und Gefahren desſelben machen will, der leſe das Buch Aſtoria, welches in zwei Bänden vor drei Jahren herauskam. Einen Begriff von der ehemaligen Menge der Biber kann man ſich machen, wenn man liest, daß in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die Hudſons— bai⸗Pelzkompagnie in einem Jahre 80,000 Biberfelle nach Europa ſchickte, und noch viel mehr von der Biſamratte, einem dem Biber in Geſtalt und Sitten ähnlichen, kleinern Thiere, welches unſere Sammlung auch beſitzt. Schon als Handelsgegenſtand iſt alſo der Biber ein wichtiges Thier; allein noch eine andere Eigenſchaft hat ihn gar ſehr berühmt gemacht, nämlich ſein Kunſttrieb, vermöge deſſen er allerdings bewundernswürdige Gebäude aufführt, in welchen eine Kolonie ihre Wohnung aufſchlägt. Allein die Erzählungen davon übertrieben Alles ſo ſehr, daß die Begriffe, welche man ſich von dieſen Gebäuden gewöhnlich macht, ganz falſch ſind. Wir glauben daher es nicht unangemeſſen, die Abbildung einer Biberwohnung zu unſerm Kupfer zu wählen, welche nicht etwa nur nach der Einbildungskraft entworfen, ſondern an Ort und Stelle von einem unſerer geſchickteſten Künſtler, Herrn Karl Bodmer, von Eßlingen, Gemeinde Egg, gemacht worden iſt und die ganze Umgebung genau darſtellt ). Da der Biber durch den Bau ſeiner Wohnung ſo viele Kunſtfertigkeit zeigt, ſo glaubt man gewöhnlich auch, er ſei ein ſehr kluges und intelligentes Thier; allein darin irrt man ſich ſehr. Man verwechſelt Kunſttrieb mit Intelligenz oder den höhern geiſtigen Fähigkeiten der Thiere. Aber dieſer Kunſttrieb iſt ganz etwas Anderes und kann mit ſehr niedrigen * Herr Bodmer bereiste Nordamerika als Zeichner des Prinzen von Wied und zeichnete alle die Skizzen zu dem ausgezeichneten Reiſewerke dieſes Prinzen, wovon unſere Abbildung die Vignette zum 17. Kapitel ausmacht. 0 Fähigkeiten verbunden ſein. Wir ſehen im Gegentheil, daß die intelligenteſten Thiere keinen Kunſttrieb beſitzen. Die Affen, die Hunde, der Elephant beſitzen nicht den mindeſten Kunſt⸗ trieb, während dagegen ihre Handlungen das Gepräge der Ueberlegung und des Handelns nach den Umſtänden haben. Der Menſch, das höchſte aller Geſchöpfe, hat gar keinen Kunſt⸗ trieb; aber er hat Vernunft, durch deren Anwendung er alle Künſte erlernen kann; ein ein⸗ facher Kunſttrieb hätte ihm nicht genügt. Der Kunſttrieb iſt dem Thiere anerboren; es erlernt ihn nicht. Die Beutelmeiſe, der Schneidervogel, der Kolibri, die Goldamſel, der gemeine Fink und ſo viele andere Vögel bauen ſich, wie man in unſerer Neſterſammlung ſehen kann, ſehr künſtliche Neſter, welche uns in Erſtaunen ſetzen, ja wir können dieſe Neſter nicht einmal künſtlich genau nachmachen. Aber jene Vögel haben dieſe Kunſt nicht erlernt. Das junge Vogelpaar, welches das erſte Mal ein Neſt baut, hat nie geſehen, wie ſeine Eltern das ihrige bauten; denn fie waren damals noch nicht da; und doch bauen ſie es gerade jo wie jene. Eben dies ſehen wir bei den Inſekten, bei Bienen, Ameiſen, Spinnen, u. ſ. w. Alle dieſe Thiere aber ſtehen daneben auf einer tiefen Stufe der Intelligenz. Unter den Säugethieren gibt es wenige Neſtkünſtler, und dieſe namentlich unter den Nagethieren. Das Eichhörnchen baut ſich wirklich künſtliche Neſter; auch das kleine Haſelmäuschen baut ein ſolches; und dennoch ſtehen alle Nager auf einer tiefen Stufe höherer Fähigkeiten. Der Kunſttrieb iſt alſo kein Beweis derſelben, und der Biber, mit ſeinem künſtlichen Bau, iſt ein ziemlich dummes Thier und ſteht weit hinter dem Hunde, Fuchſe, Affen, Elephanten, u. ſ. w. Doch wir wollen die Lebensweiſe des Bibers etwas näher betrachten. Er wohnt immer in der Nähe größerer Flüſſe und Seen; im Sommer vereinzelt in Erdhöhlen, welche er ſich am Ufer der Gewäſſer ſelbſt gräbt; im Winter in Gebäuden, welche von ganzen Kolonien gemeinſam gebaut worden. Da, wo es nur wenige Biber gibt, bleiben ſie auch im Winter nur einſam oder paarweiſe, und eigentliche Biberbaue kommen da nicht vor. Doch beſteht eine Kolonie an der Weſer, welche geſchont wird, und auch an der untern Donau könnten vielleicht ſolche vorkommen, da es dort viele einſame Gegenden giebt. In der Schweiz ſollen noch vor etwa hundert Jahren Biber gelebt haben. Im ſechszehnten Jahrhundert gab es, wie Konrad Geßner ſagt, viele Biber an der Aar, Reuß, Limmat und am Rhein. Ihre gänzliche Ausrottung in England ſoll ſchon auf das Jahr 1188 fallen. Auch einzelne Biber zeigen den Trieb zu bauen. Man hielt in Paris mehrere zahme Biber, die man vorzüglich mit Weidenzweigen ernährte, von welchen ſie die Rinde fraßen. Sobald die Sweige geſchält waren, zerbiſſen ſie dieſelben in kleine Stücke und häuften ſie am Gitter ihres Behälters auf. Da man in dieſem Benehmen die Neigung zum Bauen zu bemerken glaubte, gab man ihnen Erde, Stroh und Baumäſte. Den folgenden Tag waren alle dieſe Materien vor dem Gitter des Behältniſſes ſo angehäuft, daß ſie dasſelbe zum Theil verſchloſſen. Sie ſuchten vorerſt alle Oeffnungen zu vermachen, durch welche Luft und Licht eindringen konnte. Auf einem = SELie Erdhaufen ſitzend, warfen ſie mit dem Munde und den Vorderfüßen die Erde und die damit gemiſchten Holz- und Strohſtücke hinter ſich, nach der Seite, wo ſie ſie haben wollten, oder ſie trugen ſie auch im Munde dahin und drückten, ohne weitere Ordnung, alles mit dem Schwanze in einen Brei zuſammen, wodurch eine ziemlich feſte Maſſe entſtund. Man bemerkte auch zuweilen, daß ein Biber einen Stab quer in den Mund nahm und ihn mit Kraft in die Wand einzudrücken verſuchte, ohne dabei einen andern Zweck zu haben, als den, ſo zu verfahren, wie dies bei größern Biberbauen geſchehen muß. Man ſah ſie auch ſolche Stöcke und Reiſer mit den Tatzen faſſen, mit welchen ſie ſelbſt kleine Dinge ergreifen können. Wenn die Stöcke zu lang waren, wurden ſie ſogleich abgebiſſen. Hatten ſie zufällig Brot oder an— dere ihnen angenehme Dinge mit in die Maſſe verflochten oder verknetet, ſo ſuchten ſie ſolche nachher wieder hervor und fraßen ſie. So ſehr die gefangenen Thiere in ihren Bemühungen beſchränkt und beengt waren, fo gibt uns doch ihr Benehmen Winke zur Beurtheilung ihrer Handlungen beim Bau ihrer Wohnungen. Nach den ältern übertriebenen Berichten ſtellt man ſich die Biberwohnungen als halbe Paläſte vor; allein, obſchon fie allerdings künſtlich und merkwürdig genug ſind, ſo ſind ſie doch bei weitem nicht ſo groß und geräumig, als man ſich dieſelben denkt. Der abgezeich— nete Bau fand ſich am obern Miſſouri, zwiſchen den Mündungen des Zitterfluſſes und Milch⸗ fluſſes. Er beſtand in einem etwa 5 Fuß hohen Haufen von Reiſern und Prügeln, und hatte wie gewöhnlich, ſeinen Eingang unter dem Waſſer. Inwendig beſtand er aus Erde und Latten mit Stücken Holz, aus mehreren Kammern oder Abtheilungen, in welchen die Biber trocken über dem Waſſer liegen. Vom Lande führte nach dem Reiſigkegel hin eine Erdbrücke, welche auch etwas Holz enthielt. Aber nur an reißenden Strömen bauen die Biber ſolche leichte Wohnungen. Diejenigen, welche an Landſeen, Teichen, ſtillen Flußarmen liegen, ſind größer und ſtärker, und die trockenen Wohnungen liegen wohl 8 Fuß über dem Waſſer, ſind geräumig und die Zahl der Kammern richtet ſich nach der Zahl der darin wohnenden Thiere. Sie ſind mit ſtarken Dämmen verſehen. Sie wählen immer ſolche Stellen, welche auch im ſtärkſten Winter nicht bis auf den Grund einfrieren. Sie fangen damit an, einen Damm zu bauen, an welchem Bau die ganze Kolonie gemeinſchaftlich arbeitet. Er hat auf der dem Strome entgegengeſetzten Seite eine konvexe Geſtalt, iſt am Grunde 10 bis 12 Fuß breit und beſteht aus zuſammengeflochtenen Zweigen, deren Zwiſchenräume mit Steinen und Schlamm angefüllt und das Aeußere mit Schlamm überzogen iſt. Seine Ausdehnung iſt oft bedeutend und nach einigen Jahren iſt er meiſt mit Grün bedeckt, da das Holz, woraus er gebaut iſt, aus Erlen, Weiden und Pappeläſten beſteht, welche Wurzeln ſchlagen und ſo ſelbſt bis zu Bäumen anwachſen, wodurch der Bau natürlich um vieles feſter wird. Sobald der Bau beendigt iſt, trennen die Biber ſich in Familien, von welchen jede aus einem alten Männchen, einem Weibchen und einigen Jungen beſteht. Dieſe Familie baut ſich nun ihre Kammer ganz a aus. Die Form der Biberbaue ift ſehr unregelmäßig. Die einzelnen Wohnungen find am Damme angelehnt und ſtehen unter einem gemeinſamen Dach, welches oft auch mit Schlamm überworfen iſt, wie die Wände der Kammern es immer ſein ſollen. Inwendig werden alle Vorragungen der Aeſte platt abgebiſſen; die Zahl der Abtheilungen iſt ungleich und ſcheint zufällig. Dieſe Wohnungen haben keinen andern Eingang als unter dem Waſſer; durch dieſen entflieht auch die Familie bei Gefahren. Die Wohnungen ſelbſt aber ſind trocken. In dieſen Wohnungen bringen die Biber den ganzen Tag ſchlafend zu. Da ſie nur des Nachts ihrer Nahrung nachgehen und auch nur des Nachts an ihren Wohnungen arbeiten, ſo kann man ihnen dabei nicht zuſehen, um ſo weniger, als ſie den Menſchen ſehr fliehen. Sie ſind ſehr reinlich, beſchmutzen nie ihre Wohnungen mit ihrem Koth oder Urin und putzen ſich ſehr oft mit den Vorderpfoten. Die Baumaterialien ſind alſo Holz, Erde, Lehm oder Schlamm und kleine Steine. Die Organe, welche ſie dazu gebrauchen, ſind der Mund, die Vorderfüße und der Schwanz. Die Zweige oder gröbern Reiſer zum Baue beißen ſie mit ihren ſtarken Zähnen ab; ſie ſind im Stande, ein zolldickes Reis rein von einander zu beißen. Dickere Stücke aber durch— nagen ſie nach und nach, welches aber ſchnell geſchieht. Wenn man behauptet, ſie durchnagen die dickſten Bäume, indem fie anfangs einen Kreis um denſelben abnagen und dann immer um denſelben herumlaufen, einer ſeine Zähne in die Rinne des Vorigen ſetzend, ſo iſt dies ein abgeſchmacktes Mährchen; denn erſtens müßten ſie rückwärts laufen, da die benagte Stelle nach vorn am wenigſten tief iſt; zweitens geht das Nagen nicht ſo wie bei einem Drechsler; die Zähne des Bibers ſind zwar wie Dreheiſen und ſcharf, aber der Baum ſelbſt müßte ſich drehen. Ein Eichhorn, welches eine Nuß aufbeißt, ſetzt ſeine Zähne an und dreht die Nuß ſchnell; aber das kann der Biber nicht mit dem Baume thun, der feſt ſteht; wohl mit einem ſchon abgebiſſenen, dünnen Aſte. Der Biber frißt auch wie das Eichhorn und die meiſten Nager, indem er auf den Hinterbeinen ſitzt und den Gegenſtand, den er benagt, mit den Vorderpfoten hält. So kann er höchſtens einen / Fuß dicken Baum abnagen und ihn zer— ſtücken. Große Stücke läßt er ins Waſſer fallen oder ſucht ſie dahin zu rollen. Aber er bedarf ſolcher nicht. Er ſcheint ſo zu verfahren, wie man bei eingeſperrten beobachtet hat. Er häuft am Grunde des Waſſers Schlamm auf oder ſucht weiche Stellen, beißt dann etwa zolldicke Aeſte ſo ab, daß ſie unten ſpitzig werden, faßt ſie mit den Vorderzähnen und ſtößt ſie mit der Spitze in den Grund, bis ſie feſt ſtehen, und ſchiebt noch mehr Schlamm zu. Hat er eine Reihe ſolcher Pfähle feſt eingerammelt, ſo flicht er ſie mit dünnern Reiſern zu einer Art Hürde, deren Räume er wieder mit Erde oder Schlamm anfüllt und ſo den Grund des Dammes bildet. Daß ſein Schwanz nicht bloß zum Schwimmen, ſondern wohl auch zur Befeſtigung des Schlammes diene, zeigt das Benehmen der gefangenen Biber. Das Flechten geſchieht mit dem Munde und den Vorderfüßen. Die Materialien trägt er im Munde zu. — WM Die fogenannten Eichhornhütten oder Neſter beſtehen auch aus geflochtenen Reiſern; die Elſter flicht über ihr Neſt eine Dornenkrone mit dem Schnabel; und der kleine Zaunkönig bildet ſein backofenförmiges Neſt aus feinen Tannreiſern. Das Flechten iſt alſo eine Kunſt, welche viele Thiere verſtehen. Man ſah die Webervögel, eine Art Finken, das Drahtgitter ihres Käfigs mit Seiden- oder Wollenfäden, die man ihnen gab, ganz verweben, indem ſie die Drähte als Zettel, die Faden als Eintrag benutzten. Mit allem dieſem behanpten wir nicht, daß die Gebäude der Biber nicht bewundernswürdig und künſtlich ſeien, aber wir zeigen durch die angeführten Beiſpiele, daß viele Thiere ähnliche Arbeiten machen können, und daß in den frühern Angaben gar Vieles ſehr übertrieben ſei. Alle Arbeiten der Biber geſchehen des Nachts und mit merkwürdiger Schnelligkeit. Sie machen aber nicht jedes Jahr neue Wohnungen, ſondern kehren jeden Herbſt wieder in die ſchon gebaute zurück und beſſern aus, was die Zeit daran verdorben hat. Im Frühjahr zer— ſtreut ſich die Kolonie, kommt aber im Herbſt wieder zuſammen. Die Nahrung des Bibers beſteht hauptſächlich in Baumrinden und Wurzeln. In Amerika frißt er die Rinden der Pappeln, Weiden, Erlen, Eſchen und des Biberbaumes oder der Magnolia, auch die Wurzeln der Kalmus; in Europa und Aſien, die Rinden der zuerſt angeführten Bäume und die Wur— zeln der Seeroſen und mehrerer Schilfarten. Von dieſen Pflanzentheilen legen ſie in ihren Wohnungen Wintervorräthe an, ſo daß ſie dieſelben nicht alle Tage verlaſſen müſſen. Sie ſind aber den ganzen Winter durch munter und nicht in einen Winterſchlaf verfallen. Der Biber iſt ein wahres Waſſerthier. Er ſchwimmt und taucht vortrefflich, wozu ihm ſein Schwanz und ſeine mit Schwimmhäuten verſehenen Hinterfüße beſonders dienen. Er läuft auch auf dem Boden des Waſſers fort, und wenn er immer kann, verläßt er mit den hintern Theilen des Körpers das Waſſer nicht. Lange kann er aber nicht unter Waſſer ſein, ohne wieder Luft athmen zu müſſen; daher kommt er oft oben auf und ſtreckt die Naſe aus dem Waſſer. Wenn man angiebt, daß er auch Fiſche und Krebſe freſſe, ſo iſt dies eine Verwechs— lung mit dem Fiſchotter; des Bibers Nahrung ſoll ſich nur auf Pflanzen beſchränken. Die hintern Körpertheile des Bibers und ſein Schwanz ſollen einen Fiſchgeruch haben. Das Waſſer iſt ſein Element; auf dem Lande iſt er ziemlich unbeholfen. Sein Lauf iſt ſo langſam, daß ihn ein Menſch leicht einholen und erhaſchen kann. Er ſetzt ſich zwar zur Wehre, wennd er nicht durch die Flucht ſich zu retten im Stande iſt, und beißt furchtbar um ſich; aber dadurch kann er ſich gegen den Menſchen nicht vertheidigen, da dieſer ihn leicht todtſchlagen kann. Seine Sinne ſind gut, aber ſeine Vertheidigungsmittel ſchlecht; daher werden ſo leicht viele gefangen. Ihre Lebensart iſt durchaus nächtlich, und am Tage trifft man äußerſt ſelten einen Biber an. Das Weibchen wirft im März zwei bis drei blinde Junge, welche nach vier bis ſechs Wochen ſchon Rinde benagen und jung eingefangen ganz zahm werden. 2 aa ER Es ift der Biber ein Thier von ſanfter Gemüthsart, welches mit andern Thieren und mit Seinesgleichen friedlich lebt. Gezähmt iſt er ein ruhiges, aber etwas trauriges und melan— choliſches Thier, ohne heftige Leidenſchaften. So ſehr er das Waſſer liebt, ſo kann er in der Gefangenſchaft auch ohne dasſelbe leben; giebt man ihm aber Waſſer, ſo kann man ſehen, mit welcher Geſchicklichkeit er ſchwimmt und taucht. Wie bei allen Nagern muß ſein Behälter wohl mit Eiſen beſchlagen ſein, wenn er nicht ausbrechen ſoll, da er leicht alles Holzwerk durchnagt. Man ißt wohl das Fleiſch des Bibers; es ſoll aber, beſonders von alten, eben nicht ſehr gut ſchmecken, weil es etwas thranartig iſt. Die Haupturſache, weßwegen man die Biber ſo ſehr verfolgt, iſt ihr Fell oder Pelz, da dieſer einen bedeutenden Werth hat und theils als Pelzwerk, theils zur Verfertigung feiner Kaſtorhüte gebraucht wird. Noch jetzt mögen jähr— lich, nur in Amerika, gegen 50,000 Biber gefangen werden. Je dunkler die Farbe, deſto mehr wird der Pelz geſchätzt. Man fängt ſie in Tellereiſen oder eigenen Biberfallen, oder mit ſtarken Netzen im Waſſer, oder ereilt ſie auf dem Lande. Nahe am After ſammelt ſich, in einem eigenen Beutel, worin mehrere Drüſen ſich be— finden, ein gelbliches, zähes, ſchmieriges Weſen, von unangenehmem, ſtarkem Geruch und ekelhaftem, bitterm Geſchmack, welches man Bibergeil (Castoreum) nennt. Dieſe Materie wird von den Aerzten als ein krampfſtillendes Arzneimittel gebraucht. Wozu es dem Thiere ſelbſt dient, iſt unbekannt. Neben dem Menſchen hat der Biber noch Feinde an mehreren Raubthieren, beſonders am Wolf und Vielfraß. Unſere Sammlung beſitzt aus der Familie der Nager folgende Thiere: Die Moſchus- oder Biſamratte (Fiber zibethicus); aus Nordamerika. Sie macht Baue wie der Biber, nur kleiner, und ihr Balg iſt ſehr geſchätzt. Die große Flußmaus (Myopotamus bonariensis); aus Südamerika, wo ſie den Para— guay und Silberſtrom bewohnt und zu Hunderttauſenden gefangen und als Pelzwerk, wie der Biber, verkauft wird. Von der Gattung des Eichhorns (Seiurus) beſitzt die Sammlung: Das gemeine Eichhorn. Roth, ſchwarz, weiß und gelbgrau. Das ſibiriſche Eichhorn, bei den Kürſchnern Veh oder Petit gris genannt, aus Sibirien. Das graue, das roſtfarbene und das ſchwarze Maskeneichhorn (8. cinereus, ferrugineus el capistratus); aus Nordamerika. Das braſiliſche (S. aestuans); aus Süd— amerika. Das zweifärbige (S. bicolor). Das Raffleſiſche (S. Rafflesii). Das Palm- eichhorn (S. palmarum). Das malabariſche (S. malabaricus). Das ſchwarzohrige — |! Nanceniı (S. melanotis). Das gezierte (S. insignis). Das geſtreifte (S. Plantani). Alle aus Aſien. Das borſtige (S. setosus); aus Afrika. Das nordamerikaniſche und das ſibiriſche Erdeichhorn (Tamias Lysteri und striala). Das große fliegende Eichhorn (Pteromys mitidus), aus Sumatra, und das kleine (Pt. volucella), aus Nordamerika. Murmelthiere (Arctomys). Das Alpenmurmelthier (A. marmotta). Der Monax und der Empetra (A. monax und empetra); aus Nordamerika. Der Biefel (A. eitillus); aus Oſteuropa. Der rothgelbe und Fränkliniſche Zieſel (&. fulvus und Fränklini); aus Sibirien und Nordamerika. Schlafmäuſe (Myoxus): Der Siebenſchläfer (M. Glis). Die große Haſel— maus (M. nitela), und die kleine Haſelmaus (M. muscardinus). Alle aus der Schweiz. Hamſter (Cricetus): Der gemeine Hamſter (C vulgaris); aus Deutſchland. Der ſongariſche und der Schwertelhamſter (C. songarus und lagurus); aus Sibirien. Stachelratte (Echymys), aus Südamerika: Die zimmetfarbene und Blain— villiſche (E. einnamomeus und Blainvillii). Maus (Mus): Die ſchwarze Haus ratte (M. raltus). Die Wanderratte (A. decumanus). Die Dachratte (. lectorum). Die Wal dmaus (M. sylvaticus). Die Rüffelmaus (M. sorieinus). Die Brandmaus (M. agrarius). Die röthliche Maus (M. rutilus). Alle aus Europa. Außerdem drei nordamerikaniſche Arten. Feldmaus (Hypudaeus): Die Waſſerratte (H. amphibius). Die Feldmaus (H. arvalis). Die Erdmaus (H. terrestris). Die unterirdiſche (H. subterraneus). Die röthliche (H. ruſescens). Der Lemming (H. Lemnus). Aus Europa. Die hudſoni— ſche und penſylvaniſche (H. hudsonius und pensylvanicus); aus Nordamerika. Ohrmaus (Otomys): Die kapiſche (O0. capensis). Afrika. Springmaus (Dipus): Die ägyptiſche DP. aegyptius). Die haarfüßige (D. hirtipes), und zwei kleinere Arten (D. decumanus und spiculum). Aus Afrika und Sibirien. Schenkelmaus (Meriones): Die lybiſche (M. Iybicus); aus Afrika. Blindmaus (Spalax): Der Zokor (S. typhlus). Ganz blind, ohne äußere Augen; Griechenland. Hüpfer (Pedetes): Der kafferiſche (P. cafer); vom Kap. So groß wie ein Haſe. Sandgräber (Bathyergus): Der Sandmoll (B. maritimus). Der kapiſche (B. capensis). Beide aus Afrika. Beutelmaus (Ascomys): Die amerikaniſche (A. bursarius). Stachelthier (Hystrix): Das Stachelſchwein (H. eristata); Europa, Afrika. Der Gelbſtachel (H. insidiosa). Der Cuandu (H. prehensilis). Beide aus Braſilien. Haſenmaus (Lagostomus): Die Viskacha (L. viscacha); von Buenos-Ayres. Die Chinchilla (L. chinchilla); aus den höchſten Gebirgen Chilis. Das feinſte Pelzwerk. Haſe (Lepus): Der gemeine Haſe (L. timidus). Das wilde und zahme Kanin— chen (L. cuniculus). Der Alpenhaſe (L. variabilis). Der amerikaniſche Haſe (L. virginianus). Der Sumpfhaſe (L. palustris). Dieſe aus Nordamerika. Der ſchwarz⸗ halſige Haſe (I. nigricollis); aus Sumatra. Der kapiſche Haſe (L. isabellinus); aus Afrika. Pfeifhaſe (Lagomys). Der Alpenpfeifhaſe oder das Schoberthier [weil er vor feiner Höhle Heuſchober aufhäuft] (L. alpinus); aus Sibirien. Meerſchweinchen (Cavia): Das zahme (C. cobaja). Das ſüdliche (C. australis). Das Felſenmeerſchweinchen (C. rupestris); alle aus Braſilien. Aguti (Dasyprocta): Der gemeine Aguti (P. aguli); aus Braſilien. Paka (Coelogenys): Der braune (C. paca); Braſilien. An die Zürcheriſche Jugend auf das Jahr 1843. Von der Maturforſchenden Geſellſchaft. — . Se 8 N N ! G BARS MXV. Stück. ug Die zoologiſche Sammlung. Was bedeutet das Zuſtrömen von Alt und Jung, von Landbewohnern und Städtern, in dieſe den Gegenſtänden der Natur gewidmeten Säle? Was zieht die Menge dahin? Doch wohl der Wunſch, die hier zuſammen geſtellten Thiere zu ſehen. Seid uns willkommen, wenn nicht bloße Neugierde euch hierher bringt. Zum genauen Betrachten iſt aber dieſer Tag nicht geeignet und eben jo wenig die Jahreszeit. Wenn ihr euch mit den Gegenſtänden der Samm— lung näher bekannt machen wollt, ſo kommt im Sommer, wo euch jeder Donnerſtag Nach— mittag der Zutritt geöffnet iſt. Dann könnt ihr ruhig alle die hier geſammelten Gegenſtände betrachten. Auf der einen Seite die Vögel mit ihren anziehenden Geſtalten und herrlichen Farbenpracht des Gefieders. Hier den mächtigen Greifgeier der amerikaniſchen Anden, neben dem Adler und dem räuberiſchen Lämmergeier der heimiſchen Alpen mit der ganzen Familie 3 der Tagraubvögel und der nächtlichen Eulen; dort die ganze Schaar der Schwimmpögel, vom Pelikan und dem Schwane an bis zu den Enten, Möven und Pinguinen; in einem andern Kaſten die Hühnerarten, den Pfau mit dem glänzendſten Gefieder, den Goldfaſan, den indi— ſchen Argus und das glänzende Prachthuhn des Himalaja; weiterhin das Heer der ſanften Tauben mit lieblichen Farben; die Paradiesvögel Neuguinea's, den Leierſchwanz Neuhollands, die bunten Papageien, die beſcheidene Nachtigall und die mit den Farben aller Edelſteine prangenden Colibri's. Dieſen kleinſten Vögeln im Gegenſatze die Strauße und Caſoare Ame— rika's, Neuhollands und Aſiens, die langbeinigen Flamingo's und Reiher. Wollt ihr ſie alle kennen lernen, ſo müßt ihr oft kommen. Wendet ihr euch auf die andere Seite, ſo ſeht ihr Säugethiere aus allen Ländern der Erde. Das Rennthier und den Polarbär friedlich neben der flüchtigen Antilope der afrikani— ſchen Wüſte, die menſchenähnlichen Langarmaffen und die häßlichen Paviane, die Beutelthiere Amerika's und Neuhollands, das ſonderbare Schnabelthier und die munteren Eichhörnchen. Alles in buntem Gewimmel und doch geordnet, wie der Platz es geſtattet. Im Sommer könnt ihr auch die andern Säle beſuchen und die Schlangen, Fiſche und Conchilien betrachten. Zu etwas näherer Betrachtung wählen wir für diesmal die beiden Gattungen der Katzen und Hunde aus, und begleiten euch bei der Wanderung durch den Saal. Rechts an der Wand ſtehen die großen Katzenarten. In die Augen fällt ſogleich ein Lö— wenpaar. Zwar iſt dieſer König der Thiere noch nicht mit ſeinem merkwürdigen Haarſchmuck verſehen, jener Mähne, welche dem männlichen Löwen ein eben ſo furchtbares als ehrwürdi— ges Anſehen gibt; dieſe kommt erſt im Alter hervor, und unſer Männchen iſt noch jung und die Mähne erſt im Keimen; aber ſchon bemerkt man leicht deu Abſtand zwiſchen ihm und der Löwin. Neben dieſem Paar iſt auch ein junges von kaum einigen Tagen, welches ganz gefleckt iſt, was ſich nachher verliert. Erlaubte es der Raum, der dieſen Jahresblättern zugemeſſen iſt, wie Vieles könnte man über dieſes merkwürdige Thier erzählen, welches durch ſeine Größe, ſeine Stärke und ſeinen Muth von jeher die Aufmerkſamkeit der Menſchen auf ſich zog und als Sinnbild der Stärke aufgeſtellt wurde. Wer den Löwen bezwang, wurde als ein Gott verehrt. Einſt bewohnten Löwen ſelbſt die wärmern Theile Europa's; Macedonien und Grie⸗ chenland nährten Löwen und Aſien hegte ſie in Menge; Simſon und David waren Löwen⸗ bezwinger, wie der heidniſche Herkules. Jetzt iſt er nur noch ein Schrecken der afrikaniſchen Wüſten; die Feuerwaffen haben ihn von den menſchlichen Wohnungen entfernt und ſeltener gemacht. Nicht weit von ihm, in der andern Ecke des Kaſtens, ſteht der geſtreifte aſiatiſche Königstiger Eben ſo mächtig und kräftig, als der Löwe, aber tückiſcher und blutdürſtiger, als dieſer, iſt er das Schrecken und die Plage Aſiens; er fürchtet weder Menſchenblick noch Menſchenwaffen. Immer hungrig, lebt er in ewigem Kriege mit der ganzen Thierwelt. Von Hinterindien, von den Ufern des Ganges und Indus, durch ganz Oſtindien, vom Himalaja bis Mo zum Kaukaſus, in Perſien und China, auf Java, Sumatra, Borneo und Zeilon iſt er allent- halben zu Hauſe, und verbreitet Verderben und Tod um ſeine Wohnung, die er immer ver— ändert. Er macht Straßen ungangbar, fällt in die Dörfer ein und raubt da Menſchen und Hausthiere. Vor feinem Gebrülle erzittert ſelbſt der mächtige Elephant, durch deſſen Hülfe jedoch ſeine Jagd am wenigſten gefährlich wird. Nie iſt er in Afrika gefunden worden, wo an ſeiner Statt der für den Menſchen weniger gefährliche Leopard gefunden wird, von wel- chem die Sammlung ebenfalls ein ſchönes Exemplar enthält. Gleich dem Tiger wüthet im wärmern Amerika der ſchön gefleckte Jaguar; von Patagonien bis Mexiko verbreitet, iſt er der Tyrann der Wälder, greift Menſchen und Hausthiere an und beſiegt leicht den unbewaff⸗ neten Menſchen. Das ſchöne Exemplar unſerer Sammlung iſt ein Geſchenk unſers Mitbür⸗ gers Herrn Blaß in Rio⸗Janeiro. Noch enthält derſelbe Kaſten andere kleinere Katzenarten aus verſchiedenen Welttheilen, den Ozelot, den Jaguarundi und die braſiliſche Tigerkatze aus Amerika, die wilde Katze aus Europa, die Hauskatze und die angoriſche Katze, den Sumpfluchs aus Aſien und die Stamm⸗ raſſe unſerer Hauskatze aus Afrika. Auch im folgenden Kaſten ſtehen noch mehrere Katzen, ein Paar große Luchſe aus unſern Alpen, wo dieſe Thiere noch immer vorhanden ſind, der kanadiſche Luchs und der Puma oder amerikaniſche Löwe, der aber den Menſchen nicht anfällt. Noch müſſen wir auf den Jagd⸗ panther aufmerkſam machen, der leicht zähmbar iſt und zur Jagd auf Antilopen gebraucht wird. Er ſteht neben dem Tiger. Alle dieſe Katzen, groß oder klein, bunt gefleckt oder einfärbig, haben daſſelbe Naturell; alle freſſen in der Freiheit nichts, als Fleiſch, oder nähren ſich vom Blut; alle greifen nur aus dem Hinterhalte an und verfolgen nie, wie die Hunde, die fliehenden Thiere. Geſicht und Gehör ſind ihre feinſten Sinne; der Geruch iſt dagegen ſchwach. Ihre Klauen ſind die furchtbaren Angriffswaffen, vermittelſt deren ſie auch die Bäume beſteigen. Sie ſind über die ganze Erde verbreitet; die großen Arten finden ſich aber nur in den wärmern Theilen. Sie haben nie einen fixen Wohnſitz, ſondern ſchweifen umher; wo ſie aber Beute finden, hauſen ſie länger. Ein folgender Kaſten enthält die Thiere aus der Hundegattung, von welcher die Samm- lung auch mehrere Repräſentanten hat. Man rechnet dazu den Haushund, den Wolf, die Arten der Schakale und Füchſe. Wie die Katzen ſind die Hunde über alle Theile der Erde verbreitet. Der Haushund iſt, wie der Menſch, ein wahrer Weltbürger; wo der Menſch lebt, kann auch der Hund fortkommen, eine Eigenſchaft, welche kein anderes Thier hat. Im höchſten Norden iſt er das einzige Hausthier des Menſchen, da ſelbſt das Rennthier aus Mangel an Nahrung hier nicht mehr gehalten werden kann. Mit außerordentlich dichtem Pelze bedeckt, trotzt er der furchtbarſten Kälte, und iſt bei der ſparſamſten Nahrung, aus Zr gefrornen Fiſchabgängen beſtehend, munter und ftarf genug, den Schlitten zu ziehen. Hier kommt er mit dem Eisbären in Berührung, während ſeine Kameraden mit dem Löwen und der Hyäne Afrika's, mit dem Tiger Aſiens und dem Jaguar Amerika's zu kämpfen haben. Allenthalben iſt er der kluge und treue Gefährte des Menſchen, vertheidigt Haus und Hof gegen Räuber, beſchützt die Heerden vor dem Wolfe und der Hyäne. Sicher leiten ſeine fei— nen Sinne den reiſenden Eskimo durch Nebel und Schnee. Kommt er um, ſo dient der Pelz dem Herrn zur Kleidung, das Fleiſch zur Speiſe. Mit außerordentlicher Schnelligkeit geht die Reiſe vor ſich, und unermüdet werden weite Strecken zurückgelegt. Schlägt der Herr ſein Zelt auf, ſo lagern ſich ſeine Hunde, wenn ſie ihr elendes Mahl verzehrt haben, neben ihn und wärmen ihn mit ihrem in dichten Pelz gehüllten Körper. Im Sommer erhalten ſie von dem Herrn nicht einmal Nahrung, ſondern ſchweifen herum und freſſen, was das Meer etwa an Fiſchen auswirft, oder was ſie etwa an Thieren erhaſchen können. Kommt der Winter, ſo kehren ſie zu der Wohnung des Herrn zurück. Ohne den Hund wären dieſe nordiſchen Länder völlig unbewohnbar, und eben ſo die afrikaniſchen Wüſtenränder. Auf zehn und mehr Stunden von allen Nachbarn entfernt, bewachen Schaaren von großen Hunden die Wohnung des Koloniſten und ſeine Heerden vor Räubern in menſchlicher und thieriſcher Geſtalt. Mit Muth, Stärke, Klugheit und den feinſten Sinnen begabt, iſt der Hund zu jedem Dienſte brauchbar; er entdeckt das Wild und bringt es ſeinem Herrn zum Schuſſe. Umſonſt verbirgt ſich die Schnepfe im dichten Gebüſche, oder das Rebhuhn auf dem Felde, der Hühnerhund ſpürt ſie mit ſeiner feinen Naſe doch auf. Der Haſe mag noch ſo ſehr ſich verſtecken, ſeine Fährte durch Umwege zu verbergen ſuchen, der Jagdhund findet ihn doch. Selbſt der liſtige Fuchs iſt vor dem Hunde, der doch ſeiner eigenen Gattung angehört, nicht ſicher. Der Schä— fer darf ruhig ſeine Heerde dem Schäferhund anvertrauen; dieſer hält die Schafe beiſammen, während ſein Herr ruhig ſchläft; er läßt keines ſich von der Heerde entfernen, und verſteht jedes Wort, jeden Wink ſeines Herrn. Der Wolf, lüſtern nach einem Schafe, wagt es nicht, ſich der Heerde zu nähern, da der wachſame Hund ſeine Nähe bald riecht und die Gefahr dem Herrn anzeigt. Der erfahrne Schäfer läßt ihn aber den Wolf nicht verfolgen, da er weiß, daß nicht ſelten ein Paar Wölfe mit einander gemeine Sache machen, indem der eine ſich der Heerde nähert und ſich vom Hunde jagen läßt, während der andere die Entfernung benutzt, ſich ein Schäfchen holt, welches nachher beide mit einander theilen. Zur Menſchenaufſpürung kann der Hund auf mancherlei Weiſe angewendet werden; zur Auffindung Verirrter in Wäldern, oder ihrer Leichname, wenn ſie verunglückten. Dazu werden bekanntlich die Hunde auf dem St. Bernhard und auf dem Simplon angewendet. In den Annalen der Menſchheit verdient das Andenken Barry's, des berühmten Bernhardshundes, der allein über vierzig Menſchenleben rettete und deſſen Hülle im Muſeum zu Bern aufbewahrt wird, eine Stelle. Im umgekehrten Sinne jene Bluthunde, welche die Spanier einſt auf die armen Ureinwoh— A ner Amerika's besten, um fie zu erwürgen, da diefe Hunde, wenn ſie ſich einmal eingebiffen haben, nicht mehr loslaſſen, ſo lange ihr Schlachtopfer lebt. Später und noch jetzt werden ſolche Hunde zur Aufſuchung entlaufener Negerſklaven, von Menſchen, die ſich Chriſten nen- nen, gebraucht. Die Natur hat aber jeder Hunderaſſe eigene Triebe und Geſchicklichkeiten gegeben; der Spitz, der Hirtenhund, die Dogge, der Mops taugen nicht zum Jagen, der Jagdhund nicht zum Bewachen des Hauſes und der Heerden. Der Pudel läßt ſich zu Allem abrichten, und eignet ſich beſonders als Apportirhund bei der Waſſerjagd, um geſchoſſenes Wild aus dem Waſſer zu holen oder verlornes aufzuſuchen. Der Neufundländer iſt ein wah— res Waſſerthier, taucht unter und wird an Fähren oder an den Ufern der Flüſſe und des Meeres gebraucht, um Menſchen, welche ins Waſſer fallen, zu retten oder ſchwimmende Ge— genſtände ans Ufer zu bringen. Der Windhund ereilt den Haſen im Laufe und bringt ihn ſeinem Herrn lebendig, kann ihn aber nicht aufſuchen, ſondern muß vom Jagdhunde unter— ſtützt werden. Der Spitz iſt der Hund des Fuhrmanns und der Freund der Pferde. Der krummbeinige Dachshund kann mit ſeinem langen und niedriggeſtellten Körper in die engen Höhlen der Füchſe und Dachſe einkriechen. Der Saufänger, eine dem Fleiſcherhunde ver- wandte Raſſe, hängt ſich dem wilden Schweine an die Ohren, fo daß es dem Jäger nicht ent- kommen kann. Aehnliche Hunde benutzt man zum Auffinden des Löwen, des Tigers, des Jaguars, des Leoparden, aber nie einzeln, ſondern in Meuten, da einzelne leicht von dieſen großen Katzen getödtet würden, während mehrere ſie beſchäftigen, und ſo dem Jäger Zeit geben, ſicher auf das Raubthier anzulegen, welches auch wohl vor den Hunden ſich auf einen Baum flüchten muß und herabgeſchoſſen werden kann. Denn das Sprüchwort, viele Hunde ſind des Haſen Tod, läßt ſich auch auf Löwen und Jaguare anwenden. Nicht ſelten findet man vor den Thüren afrikaniſcher Koloniſten am Morgen von den Hunden getödtete Hyänen, oder ihre Hunde gehen gemeinſchaftlich auf die Jagd, erlegen eine Antilope, freſſen ſie aber nicht, ſondern einer kehrt nach Hauſe und meldet ſeinem Herrn den Fang, den die andern in der Zwiſchenzeit vor Hyänen und Geiern bewachen, und dann mit den Eingeweiden vorlieb nehmen, welche ihnen der Herr überläßt, während er den Braten für ſich behält. In Frank— reich richtet man die Hunde ab, durch ein Tretrad den Bratſpieß in der Küche oder den Blaſe— balg eines Schmiedes zu treiben, wo dann, wenn die Arbeit anhaltend iſt, mehrere Hunde einander ablöſen; jeder weiß die Zeit, welche ihm zu arbeiten obliegt, und ſtellt ſich ordentlich ein, wird aber nie für den andern eintreten. Wie viele Menſchen, welche von Räubern an— gefallen, vor Kälte oder durch Trunk in Ohnmacht fielen, oder ſonſt verunglückten, ſind nicht ſchon durch treue Hunde gerettet worden, während freilich ſchon andere, aus mißverſtandenem Eifer, die Rettung erſchwerten, da ſie Niemand geſtatten wollten, den Verunglückten zu be— rühren, als ihnen bekannte Perſonen. Doch von der Treue, dem Gedächtniß, der Klugheit der Hunde ſind ſchon ganze Bücher geſchrieben worden, und wir ſprechen davon nur, um Ba eine Vergleichung zwiſchen den Eigenschaften eines andern Thieres aus der Hundegattung zu veranlaſſen, nämlich des Fuchſes. Der Urſprung der verſchiedenen Hunderaſſen iſt unbekannt; man weiß nicht, wie viele es ſolche urſprüngliche Raſſen gab. Man weiß aber, daß die Alten Hunderaſſen hatten, die wir nicht mehr kennen, und andere noch vorhandene wohl ausſterben könnten. Es iſt daher für die Naturgeſchichte dieſer Thiere nicht unwichtig, in Sammlungen die verſchiedenen Hauptraſſen aufzuſtellen, damit man ſie leicht unterſcheiden könne, da viele nicht häufig vorkommen. Wir beſitzen bis jetzt nur einige, den Windhund, Hühnerhund, den Bologneſer und die däniſche Dogge, werden uns aber bemühen, nach und nach auch die an⸗ dern beizubringen. Neben einem Wachtelhunde, in ſeinem Leben eines der treueſten Thiere, wie ſelbſt ſein ehrliches Geſicht noch jetzt zu bezeugen ſcheint, ſteht ein tüchtiger Wolf, deſſen falſcher Blick ſchon die böſe Natur dieſes Thieres anzeigt, welches zwar ſeit einem Jahrhunderte aus unſerer unmittelbaren Nähe verſchwunden iſt, aber noch alljährlich die Kantone Bern, Baſel, Waadt, Wallis, Teſſin und Bünden beſucht, ſelten aber bedeutenden Schaden anrichtet, da man bald auf ihn Jagd macht. Häufig dagegen iſt der Fuchs, deſſen treues Bild das dies⸗ jährige Blatt gibt. Der Fuchs iſt ein Raubthier, deſſen Arten in allen Gegenden der Erde ſich vorfinden. Die Füchſe ſind zwar in Hinſicht ihrer Lebensart und ihres Zahnbaues wahre Hunde, unter— ſcheiden ſich aber von den Hunden, Wölfen und Schakalen durch einen ſpitzigern Kopf, nied— rigere Beine, längern und viel dichter behaarten Schwanz und ſchlankern Körper. Der Pelz der Füchſe iſt ſchön, weich, dicht behaart und gibt ein warmes und geſchätztes Pelzwerk. Die— ſes Pelzwerk iſt um ſo ſchöner und geſuchter, je kälter das Klima iſt, in welchem der Fuchs lebt. Die afrikaniſchen Füchſe haben das ſchlechteſte, die nordamerikaniſchen und nordaſiati⸗ ſchen Füchſe das beſte und geſuchteſte. Der ſchwarze amerikaniſche Fuchs liefert neben dem Seeotter und dem Zobel das theuerſte Pelzwerk. Unſere Sammlung beſitzt den europäiſchen rothen oder gemeinen Fuchs und den jogenann- ten Kohlfuchs, welche beide unſere Tafel vorſtellt, den nordamerikaniſchen rothen Fuchs, den Blaufuchs oder Iſatis, der im Winter meiſtens ganz weiß wird, den bengaliſchen Fuchs und den braſiliſchen Fuchs. Wenn der Hund unter den intelligenten Thieren neben den Elephanten und einigen Affen die oberſte Stelle nach dem Menſchen einnimmt, ſo ſteht ihm der Fuchs an Intelligenz, Liſt und Verſchlagenheit ſo wenig nach, daß ſeine Liſt zum Sprichwort geworden iſt, indem man bekanntlich einen liſtigen Menſchen einen Fuchs nennt. Bei ältern und neuern Fabeldichtern ſpielt der Fuchs eine bedeutende Rolle. Im Königreiche des Löwen iſt der Fuchs der Kanzler und wird zu diplomatiſchen Geſchäften vorzüglich gebraucht. Ein ganzes, ziemlich großes, lau- niſch⸗ſatyriſches Gedicht heißt Reineke der Fuchs, und iſt voll ſeiner liſtigen Gaunerſtreiche, a Mi bei welchen er aber immer den Ehrlichen und Unfchuldigen zu ſpielen weiß. Jeder Jäger weiß vom Fuchſe und ſeinen Liſten noch jetzt viel Wahres zu erzählen, aber auch, wie man es den Jägern nachſagt, Manches zu erdichten. Da Füchſe im ganzen Kanton häufig ſind, und ſich, ſo lange die Schanzen noch vorhanden waren, gar nicht ſelten dort aufhielten, ſo hat man Gelegenheit genug, dieſen Gauner zu beobachten. Oft wird dem Marder ein Hühner— raub zugeſchrieben, den der Fuchs verſchuldet hat. Suchen wir das Wahre aus dem vielen Fabelhaften heraus, ſo wird noch genug übrig bleiben, wodurch der Fuchs ſich als ein mit Intelligenz hoch geſtelltes Thier darthun wird. Der Fuchs (Canis vulpes) hat in ſeinem Aeuſ— ſern mit gewiſſen Hunderaſſen viele Aehnlichkeit, unterſcheidet ſich aber auf den erſten Blick durch den langen, runden, zottigen Schwanz (in der Jägerſprache, welche Alles anders be— nennt, heißt der Schwanz Standarte, Stange, Ruthe, Lunte), den er im Gehen mit der Spitze auf dem Boden ſchleppt, im Laufen aber ausſtreckt. Der Körper iſt lang und ſchlank, die Beine kürzer, als bei ähnlichen Hunden. Der Kopf iſt bei der Stirne glatt und lauft in eine lange Schnauze ſpitzig aus. Die Ohren ſind dreieckig, ſtehen aufrecht und ſind oben zu— geſpitzt. Die Naſe iſt wie beim Hunde vorſtehend und der Geruch ſehr fein. Die Augen liegen etwas ſchief, die Regenbogenhaut iſt braun, der Stern bläulich. Sie funkeln im Dun⸗ keln. Das Gebiß iſt zwar in Hinſicht der Menge der Zähne wie beim Hunde; es beſteht nämlich aus ſechs Vorderzähnen, neben welchen oben und unten auf jeder Seite ein Eckzahn ſteht, welcher koniſch, ſpitzig, lang und ſehr ſchlank iſt; Backenzähne befinden ſich auf jeder Seite oben ſechs, unten ſieben. Die langen Eckzähne ſind die furchtbaren Waffen, mit wel— chen die Raubthiere ihren Raub faſſen und tiefe Wunden machen können; die Vorderzähne und Backenzähne dienen nur zum Kauen. Der Kopf des Fuchſes gleicht im Gebiß am meiſten dem des Windhundes, aber die Eckzähne ſind noch ſpitziger und die Stirne iſt breiter und viel flacher. Das Geſicht des Fuchſes zeigt recht den Ausdruck von Liſt und Schalkheit, der ihm eigen iſt. Die Länge eines ſtarken Fuchſes beträgt 2 Fuß, die Höhe 1 Fuß, die Schwanz⸗ länge 1 Fuß 1 bis 2 Zoll. Die Farbe des Kopfes, der Schultern und der Hälfte des Rückens iſt roſtfarbig oder braunroth mit gelbem Grunde; der übrige Theil iſt etwas heller und die Seiten ſind noch heller rothgelb, unter gewiſſem Lichte ſchön ins Goldrothe ſchimmernd; daher nennt man ſolche Füchſe auch Goldfüchſe. Die Schenkel ſind außen wie die Seiten. Der untere Theil des Geſichts, der Hals, das Innere der Schenkel und der Bauch iſt weiß; aber nur die Haar— ſpitzen find weiß, die Haarwurzeln grau. Die Vorderfüße haben vier, die hintern fünf Zehen, und alle vier Beine ſind vorn ſchwarz. Die Ohren ſind hinten ſchwarz, inwendig weiß. Der Schwanz hat die Farbe des Rückens, aber eine weiße Spitze. Je älter der Fuchs, deſto mehr Graues miſcht ſich ein, aber deſto weißer werden die untern Theile. Im Dezember und Januar iſt die Behaarung am ſchönſten und der Pelz am meiſten geſucht. Im Sommer da— gegen iſt er ſchlecht und hat keinen Werth. 5 Unter dem Schwanz hat der Fuchs Drüſen, welche eine unerträglich ſtinkende Feuchtigkeit abſöndern; auf dem Schwanze aber liegt eine andere kleine Drüſe nahe an der Wurzel, welche eine nach Veilchen riechende Materie abſöndert, die die umſtehenden Haare gelb färbt. Neben dem Goldfuchs findet ſich in unſerer Gegend, zwar ſeltener, noch eine andere Art oder vielleicht nur Varietät des Fuchſes, welche unſere Jäger Kohlfuchs nennen. Er iſt klei— ner, als der Goldfuchs, und auf unſerer Tafel ebenfalls abgebildet. Geſicht, Scheitel Nacken und Seiten des Halfes find roſtroth, Nacken, Rücken, Seiten und Oberſchenkel auswendig faſt eiſengrau; die Grundwolle iſt rothbraun, die längern Haare ſchwarz, die Spitzen weiß— lich, die Schwanzwurzel roſtroth, der übrige Schwanz wie der Körper, aber viel mehr ſchwarz, beſonders unten, wo er ganz ſchwarz erſcheint, weil alle längern Haare ſchwarz ſind; Spitze weiß; Lippen, Kehle und der Hals bis zur Bruſt weiß, aber durch ein ſchwarzes Halsband, welches von der Schulter herkommt, getheilt; Unterhals und Bruſt aber rußſchwarz, Hinter— bauch weiß, alle vier Beine vorn ſchwarz, Hinterſchenkel außen ſchwarzgrau; vorn aber vom Knie an lauft ein weißer Streif, der ſcharf vom ſchwarzen getrennt iſt. Die Ohren ſind aus— wendig ſchwarz, am Rande und inwendig weißgelb. Die Jungen des Goldfuchſes ſind ein— färbig röthlichgrau, Füße ſchwarz, Schwanzſpitze weiß. Die Stimme des Fuchſes hat einige Aehnlichkeit mit dem Kläffen einiger kleiner Hunde— raſſen. Er läßt ſie beſonders im Winter und bei Veränderungen des Wetters hören. Es iſt daher allgemeiner Glauben auf unſerm Lande, daß wenn die Füchſe nach dem Neujahr ſtark bellen, ſo werde es noch recht kalt. Allein dieſes öftere Bellen hat wenigſtens noch einen andern Grund, als Vorempfindung der Kälte. Der Januar und Februar iſt nämlich die Fortpflanzungszeit, und da billt der Fuchs, um ſich der Füchſin bemerkbar zu machen. Der Fuchs lebt eigentlich nicht im Freien und nicht in Gebüſchen und Wäldern, obſchon man ihn öfters da antrifft, ſondern in Höhlen unter der Erde in ſogenann— ten Fuchsbauen, die er entweder ſelbſt gräbt oder andern Thieren, beſonders Dächſen, abjagt. In unſeren ehemaligen Schanzen mag er wohl öfters in den Kaſematten ge— wohnt haben; darum gab es da immer Füchſe. Nicht ſelten werden auch ſolche Baue in der Nähe von Bauernhöfen angelegt, wo es etwa Hühner oder andere Hausthiere zu erhaſchen gibt. Iſt der Fuchs genöthigt, ſich ſelbſt einen Bau anzulegen, ſo thut er es entweder in einem Gebüſche auf dem Felde, oder in einem Vorholze, oder am Abhange eines Hügels oder Berges. Am liebſten gräbt er ſich unter Baumwurzeln ein, weil die Erde hier nicht nachfällt und das Nachgraben ſchwer iſt. Ein ſolcher Bau hat oft 50 Fuß im Um- fang und eine Tiefe von 5 bis 6 Fuß. Die äußere Oeffnung führt in eine geräumigere Höh— lung, welche ſeine eigentliche Wohnung ausmacht, durch mehrere ſich kreuzende Gänge. Ir— gendwo, meiſt nahe an der Wohnung, geht ein Gang faſt gerade in die Höhe und öffnet ſich in einem dichten Buſche. Durch dieſen flüchtet er bei Gefahr, wenn er Ausgraben befürchtet, = ins Freie, oder wenn er gejagt und verfolgt wird. Junge Füchſe bauen zuweilen in ebenen Kornfeldern. Solche Baue nennt man Nothbaue. Trifft der Fuchs eine Dachshöhle an, ſo ſucht er den Dachs durch beſtändiges Necken zu vertreiben und richtet ſich nun in der fremden Wohnung nach ſeiner Bequemlichkeit ein. Hat eine Füchſin Junge, ſo erweitert ſie den Keſſel oder die Kammer, worin ſie mit den Jungen ſich auf hält. Der Fuchs genießt mancherlei aus dem Thier- und Pflanzenreich. Er frißt Eier, Milch, Käſe, Honig, Enten, Gänſe, Hühner, Haſen, Kaninchen, Ratten, Mäuſe, Igel, Katzen und junge Lämmer. Die auf der Erde brütenden Vögel, Auerhühner, Birkhühner, Haſel— hühner, Nebhühner, Wachteln, Lerchen entdeckt ihm ſein Geruch; er beſchleicht ſie auf dem Neſte und frißt Alte, Junge und Eier. Einen angeſchoſſenen Hafen treibt er fo lange herum, bis er ihm zu Theil wird. Sieht er einen Haſen kommen, ſo drückt er ſich und ſucht ihn zu erhaſchen. Trächtige Häſinnen kennt er am ſchwerfälligen Gange, ſtellt ihnen beſonders nach und überfällt ſie. Auch die Jungen ſind ihm ein Leckerbiſſen. Da, wo es wilde Kanin— chen gibt, ſtellt er dieſen gerne nach, und gräbt ſich, nachdem er die Bewohner gefreſſen hat, in ihre Höhlen ein. Den Igel plagt er ſo lange, bis er ſeine Stachelkugel öffnet, wo er ihn dann ſchnell beim Kopf packt. Man ſagt, er piſſe ihn ſo lange an, daß er vor dem Geſtank genöthigt werde, ſich zu öffnen. Nur wenn er nichts anders hat, frißt er Ratten, Mäuſe, Maulwürfe, Eidechſen, Schlangen und Fröſche, ſogar Heuſchrecken und Käfer. Weintrauben liebt er ſehr und naſcht auch wohl abgefallenes Obſt. Die Humelneſter ſcharrt er aus und frißt den Honig, der ſich darin findet. Es iſt begreiflich, daß ein ſolcher Räuber, der ſich erfrecht, dem Jäger ins Handwerk zu greifen und Haſen und Hühner frißt, auch viele Feinde auf ſich ladet. Daher ſind die Füchſe den Jägern ſehr verhaßt, und wirklich iſt der Schade in einem Lande, wo es ohnehin faſt kein Wild mehr gibt, nicht unwichtig, und die Jagd auf Füchſe ſollte das ganze Jahr erlaubt ſein; allein ſie würde dann oft mißbraucht, da die Haſen ſo wenig geſchont würden, als die Füchſe. Der Fuchs erſetzt aber den Schaden doch auch in etwas, da er viele ſchädliche Thiere, wie Mäuſe und Inſekten, verzehrt. Dennoch iſt es gut, wenn ihre Zahl möglichſt vermindert wird, was aber nicht ſo leicht iſt, da ein jeder Jäger weiß, daß die Fuchsjagd eben nicht immer gelingt. Bei feinen Räubereien ſowohl als bei der Jagd zeigt ſich feine Intelli- genz. Zwar muß man nicht Alles glauben, was die Jäger von ihm erzählen. So iſt es 3 B. ein Mährchen, daß er ſich der Flöhe dadurch entledige, daß er einen Büſchel düeres Gras oder Moos in den Mund nehme, dann rückwärts ins Waſſer gehe, ſo tief, bis er nur noch die Schnauze aus dem Waſſer ſtrecke, wo dann die Flöhe alle ſich auf das trockene Gras gezogen haben, welches er nun dem Waſſer überlaſſe. Eben ſo wenig iſt es wahr, daß er Krebſe dadurch fange, daß er den Schwanz ins Waſſer ſtecke, wo dieſe dann ſich daran hän— 2 is gen und herausgezogen würden. Seine Lebensart ift zwar meiſt nächtlich, aber an ſichern Orten geht er auch am Tage auf Raub aus. Behutſam nähert er ſich im Getreide oder hohen Graſe den Bauernhöfen, wo er Hühner bemerkt hat, beſchleicht eines und geht mit ihm ſchnell davon. Wie der Marder, raubt er nicht leicht in der Nähe ſeiner Wohnung, da— mit er dieſe nicht verrathe. Bei ſogenannten Treibjagden, wie ſie in Deutſchland zuweilen gehalten werden, wo eine Menge Menſchen durch Geräuſch das Wild auftreiben, horcht er ſehr vorſichtig auf den Schall, und richtet ſich aufs Genaueſte darnach. Er hebt die Füße hoch und tritt ganz leiſe auf, immer den Kopf nach der Seite gerichtet, wo er die Treiber vermuthet. Es geſchieht aber oft, daß er dann vergißt, auch nach der andern Seite zu ſchauen und ſo dem Jäger auf dem Anſtand zum Schuſſe kommt. Wird er verfolgt, ſo läuft er nie gerade nach ſeinem Bau, damit er dieſen nicht verrathe, ſondern läßt ſich weit jagen. Bei Schnee und Kälte, wenn er Hunger hat, ſucht ihm der Jäger auf andere Art beizukom⸗ men. Man ſchleppt ein todtes Thier, z. B. ein verrecktes Stück Vieh, nach einer gewiſſen Stelle im Walde, neben welcher man auf einem nahen Baume ein hölzernes Häuschen ange— bracht hat, wo der Jäger verborgen bleiben kann, aber beim Mondſchein auf das todte Aas ſieht. Das Schleppen der todten Thiere geſchieht, damit die Spur verſtärkt werde, ſo den Fuchs, der ſie wittert, anlocke und ihm den Weg zeige. Da man ſolche todte Thiere auch Luder nennt, ſo nennt man dieſes Ludern. Das Häuschen auf dem Baume aber nennt man die Jägerkanzel. Der vom Hunger getriebene Fuchs geht nun der Fährte nach, welche ihn zum Luder führt. Den über ihm ſtehenden Menſchen kann er weder riechen noch ſehen. Er ſchleicht ganz ſtill heran, geht aber nicht gleich zu, ſondern macht einen weiten Kreis um das Aas, nähert ſich nur nach und nach, macht verſchiedene Sprünge links und rechts, und ſieht zu, ob ſich nichts bewege. Bleibt alles ruhig, ſo beißt er an und kann ſo vom Jäger ge— ſchoſſen werden. Oft geht er weg, kommt nach einiger Zeit wieder, und wenn noch Alles unverändert iſt, ſo greift er erſt zu. Kurz, er braucht ſo viel Vorſicht, daß der lauernde Jäger lange Zeit bekommen kann, aber geduldig warten muß, wenn er nicht umſonſt geharrt haben will. Es iſt auch nicht leicht, den Fuchs in Fallen zu fangen; er bewährt auch da ſeine Liſt. Die Falle beſteht in einem zuſchnellenden Eiſen, deſſen Arme glatt auf der Erde und verbor⸗ gen liegen. In der Mitte des Raumes wird an einer Zunge der Köder feſtgemacht. Will der Fuchs denſelben wegnehmen, ſo ſchlagen die Arme zuſammen und klemmen den Fuchs ein; trifft es ihn an einem Fuß, ſo frißt er ſich oft denſelben ab und geht auf drei Beinen davon. Bei Aufſtellung des Eiſens muß daſſelbe mit dem reinſten Gänſefett geſchmiert werden, und der Jäger muß Handſchuh und Socken tragen, damit der Fuchs ihn nicht wittere. Hat ſich zufällig ein anderes Thier gefangen, ſo geht der Fuchs ohne Furcht zu und frißt daſſelbe. Die in den ſogenannten Schneußen gefangenen Krametsvögel oder Schnepfen löst er geſchickt aus und läßt dem Vogelſteller das Nachſehen. re Beiſpiele find nicht ſelten, wo ein angeſchoſſener Fuchs ſich todt ſtellt, und wenn der Jäger ihn aufnehmen will, davon läuft. Er hat ein zähes Leben und kann lange ohnmächtig fein und doch wieder erwachen. Ein hieſiger Jäger hatte einmal einen geſchoſſenen Fuchs, den er für todt hielt, ſchon über die Achſeln gehängt, als dieſer plötzlich erwachte und ihn tüchtig biß. Alte Füchſe ſind nicht zu zähmen; ſehr jung eingefangene aber können ganz zahm werden. Man hat Beiſpiele, daß ſie mit ihren Herren auf die Jagd gingen und ſogar apportiren lern— ten. Meiſtens aber lernen ſie nur ihren Herren kennen und fürchten ſich ſehr vor andern Leuten. Der Schreiber dieſes hatte mehrere Jahre einen ſolchen zahmen Fuchs, der ihm wie ein Hund nachfolgte, ſeinen Ruf kannte, ihn leckte und liebkoſete. Mehrere Male entkam er des Nachts von der Kette und blieb mehrere Tage weg. Er hatte dann ſeine Wohnung in den Kaſematten aufgeſchlagen, wo jetzt der botaniſche Garten iſt. Sein Herr durfte nur hingehen und ihm rufen, er kam ſogleich hervor und ließ ſich heimtragen. Da er fo übel roch, ſo wollte er ſeiner los ſein. Er nahm ihn mit ſich in einen Wald, um ihn laufen zu laſſen, allein er ging nicht. Da aber das Thier vorher immer angebunden war, ſo wurde es ſo müde, daß es nicht mehr fortkommen konnte und endlich zurück blieb. Raubthiere kann man nur durch Hunger zähmen, wenn ſie ganz jung eingefangen werden. Dieſer Fuchs war anfangs ungemein biſſig und böſe. Sein Herr ließ ihn einen Tag hungern, dann ſtellte er ihm Speiſe hin, und ging nicht eher weg, bis er in ſeiner Gegenwart fraß. Dieſes einige Tage wiederholt, machte ihn ganz zahm; bald ſprang er ſeinem Wohlthäter entgegen und wurde ihm ganz anhänglich. Rur Güte kann ſolche Thiere zähmen; Schläge nützen nichts und machen die Zähmung unmöglich. Obgleich Hunde und Füchſe ſo nahe verwandt ſind, daß man ſogar Baſtarde von beiden erhalten hat, jo find fie doch gewöhnlich einander todtfeind. Der Hund fürchtet den Fuchs nicht, wohl aber der Fuchs den Hund. Die Hunde jagen daher ſehr gerne auf Füchſe; beide ſind aber im ſchnellen Laufe und im Aushalten einander gleich, und ohne Verwundung holen die Hunde nicht leicht einen Fuchs ein, ausgenommen Windhunde. Zuweilen bemerkt man, daß männliche Hunde einer Füchſin nichts thun, ſondern wenn ſie eine ſolche eingeholt haben, alle Feindſchaft vergeſſen und mit ihr freundlich ſind; daher das Sprüchwort: er will den Fuchs nicht beißen. Der Fuchs vermehrt ſich ſtark. In der Mitte Aprils oder Anfangs Mai's wirft die Füchſin 3 bis 9 blinde Junge, nie unter drei. Die Jungen liegen im Bau auf dem weichſten Mooſe, auf welches noch die Mutter von ihrer eigenen Wolle ſich ausgerauft hat. Der Vater hilft mit, die Jungen zu pflegen. Da ſie nach vier Wochen ſchon andere Nahrung als Milch genießen, ſo ſchleppen ihnen die Alten lebende Mäuſe oder Vögel zu, womit ſie wie Katzen ſpielen. Vor dem Bau ſonnen ſich dann Vater und Mutter mit den Jungen und ſpielen mit ihnen gemeinſchaftlich auf die poſſirlichſte Art. Dieſes Spielen hat den Zweck, die Intelligenz der Jungen zu wecken und fie für ihre Lebensart abzurichten. Anſere Zeich⸗ nung ſtellt ein Paar Junge vor, wie ſie in unſerer Sammlung zu ſehen ſind. Die Mutter iſt für die Jungen äußerſt beſorgt und trägt ſie bei Gefahr ſogleich in einen andern Bau. Im dritten Monat begleiten die Jungen die Alten, und treiben die luſtigſten Sprünge nach Heuſchrecken, oder ſchnellen gefangene Mäuſe in die Luft und fangen ſie wieder auf. Erſt in zwei Jahren iſt der Fuchs ganz erwachſen. Die Jungeu trennen ſich aber ſchon nach vier Monaten von den Alten und leben für ſich. Die Füchſe würden ſich allzu ſehr vermehren, obſchon der Jäger viele ſchießt oder aus⸗ gräbt und in Fallen fängt, wenn ſie nicht vielen Krankheiten unterworfen wären, welche oft die Füchſe ganzer Gegenden wegraffen. Eine davon iſt die Räude, welche ſie oft im Som— mer befällt, wobei ihnen faſt alle Haare ausfallen; mancher kommt dabei ums Leben. Eine andere Krankheit beſteht in einer Art von epidemiſchem Fieber, wobei ſich die Tollheit nicht ſelten, wie bei den Hunden, entwickelt. Ein ſolcher Fuchs verliert alle ſeine Intelligenz, fängt mit Hunden Zank an, geht auf Menſchen und Thiere los und beißt ſie. Oft kommen ſolche Füchſe auf die Höfe oder in die Dörfer und laſſen ſich leicht todtſchlagen. Kommt im Holze ein Fuchs auf einen Menſchen zu, oder weicht ihm nicht aus, ſo hat man ſich vor ihm in Acht zu nehmen. Der Biß iſt eben ſo gefährlich, als der Biß wüthender Hunde; doch ſcheint die Krankheit nicht immer wahre Tollheit zu ſein, da nicht immer jene ſchlimmen Folgen auf den Biß bemerkbar ſind. Bei uns iſt dieſe Krankheit ſchon oft bemerkt worden, und ganze Bezirke wurden von Füchſen entvölkert, welche aber bald wieder durch andere er— ſetzt wurden. Wenn aber Jemand von einem ſolchen Fuchſe gebiſſen wird, ſo muß er ſich auf der Stelle an einen Arzt wenden, um ſo eher, als bei dem ſcharfen Gebiſſe die Wunde oft tief geht. Gebiſſene Hunde müſſen weggeſchafft oder angeſchloſſen und lange beobachtet werden. Da man um dieſe Zeit auch zuweilen wüthende Katzen bemerkt hat, ſo muthmaßt man, es möchten ſolche von Füchſen gebiſſen worden ſein, da es noch ungewiß iſt, ob Katzen von ſelbſt die Wuth bekommen. Anſer Fuchs wird in ganz Europa, dem nördlichſten Theil ausgenommen, auch in Aſien und in Nordamerika angetroffen. Er iſt aber nicht mit dem nordiſchen weißen Fuchs oder Iſatis zu verwechſeln, welcher auch in unſerer Sammlung aufgeſtellt iſt. Wir wollen über dieſen auch noch einige Worte anführen. Der weiße Fuchs heißt auch Blaufuchs, weil er im Sommergewand eine blaugraue Farbe hat und nur im Winter weiß wird. Nicht alle aber werden weiß, und man will auch im Winter graue angetroffen haben. Bei den Kürſchnern iſt der Blaufuchs ein beliebtes pelzwerk. Dieſer Fuchs geht fo weit nach Norden, als der Menſch, und kann die größte Kälte aushalten. Er iſt kleiner, als der gemeine Fuchs, aber eben ſo liſtig und dabei viel 13 — frecher. Steller, ein Reiſender, welcher, durch Schiffbruch an die nordiſche Beringsinſel ver— ſchlagen, daſelbſt einen ganzen Winter zubringen mußte, gibt uns davon eine ſehr intereſſante Beſchreibung. Die Füchſe waren dort in unglaublicher Menge, drangen bei Tag und bei Nacht in die Wohnungen ein, welche die Schiffbrüchigen errichtet hatten, und trugen alles weg, was ſie fortbringen konnten, ſelbſt Dinge, welche ihnen unnütz waren, Meſſer, Stöcke, Kleider u. ſ. w. Sie wußten unbegreiflich künſtlich ſchwere Steine von den Proviantfäſſern wegzu— wälzen und daraus zu ſtehlen. Wurde etwas vergraben und mit Steinen beſchwert, ſo hal— fen ſie einander, dieſe wegzuwälzen und ſcharrten die Erde auf. Legte man etwas auf einen Pfahl, ſo untergruben ſie denſelben. Sie beobachteten das Betragen der Mannſchaft. Wurde ein Thier ausgezogen, ſo ſuchten ſie das Fleiſch unter dem Meſſer wegzuſtehlen, ſo daß oft einer dabei erſtochen wurde. Trafen ſie einen Matroſen ſchlafend, ſo berochen ſie ihn, und hielt er den Athem an und ſtellte ſich todt, ſo wollten ſie ſchon anbeißen. Die Biberfelle, auf welchen die Leute ſchliefen, riſſen ſie ihnen unter dem Leibe weg, und friſch getödtete Biber konnte man faſt gar nicht vor ihnen bewahren. Man konnte nicht einmal ſeine Noth— durft ruhig verrichten; ſie griffen ſogleich an. Man hatte Mühe, ſie von den Kranken abzu— halten; den Todten fraßen ſie Finger und Zehen weg, während man das Grab grub. Sie waren oft ſo hungrig, daß man ihnen mit der einen Hand ein Stück Fleiſch vorhalten, mit der andern ſie erſchlagen konnte. Man war aber beſtändig mit ihnen im Krieg und tödtete ihnen eine ſolche Menge, daß man nicht einmal mehr ihre ſchönen Felle abziehen mochte. Da ein ſolcher Fuchs jährlich neun bis zehn Junge wirft, ſo darf ihre Menge nicht in Er— ſtaunen ſetzen, da das Land von Menſchen nicht bewohnt iſt. Unter den Fellen, welche die Pelzhändler aus Norden beziehen, ſei es aus Sibirien, Rußland oder Nordamerika, machen die Fuchspelze eine bedeutende Zahl aus; die weißen ſind die wohlfeilſten, die ſchwarzen die theuerſten. Ehemals glaubte man vom Fuchſe einige wichtige Arzneimittel gebrauchen zu koͤnnen; allein dieſe ſind mit Recht gänzlich in Vergeſſenheit gerathen. So ſollte das Fuchsfett das Seitenſtechen heilen, gebrannte Fuchslunge die Schwindſucht kuriren u. ſ. w., Vorurtheile, welche wohl die Jäger, um davon Vortheile zu ziehen, verbreiteten und nährten. Möglich iſt, daß man das Fuchsfett, welches einen eigenen Geruch hat, dazu verwenden kann, die Stämme junger Obſtbäume zu beſtreichen, um die Haſen abzuhalten, welche bei hohem Schnee gerne die Rinde derſelben abſchälen. Fuchsfleiſch wird nur ſelten gegeſſen, da der üble Geruch jeden Appetit verdirbt. In den Hungerjahren 1816 und 1817 wurden aber viele Füchſe gegeſſen und dem Jäger, nachdem er den Balg ausgezogen, unter der Hand weggenommen. Der Balg iſt der Hauptnutzen, den wir vom Fuchſe ziehen, da er ein warmes, weiches Pelzwerk abgibt. Im Sommer gilt er wenig oder gar nichts, im Dezember bis Februar zwei bis drei Gulden. 1 Der Fuchs, wie alle Hundearten, greift ſeinen Raub immer offen an und ſucht das Thier durch Jagen zu ermüden; er jagt daher den Haſen, wie der Hund, bis er ihn einholen kann. Findet er ihn aber im Lager, ſo überfällt er ihn. Beim Aufſuchen iſt der Geruch ſein Leiter. Die Lebensart der Hundearten iſt daher der der Katzen eutgegengeſetzt. Die Katze überfällt nur aus dem Hinterhalt, der Hund greift offen an. 0 . rh e . Ro berratt: ee. a RE e ee, t * n — L WW 5 N * Ne e wor 7 . 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Dieſe alle kündigen ſich als Naturforſcher und Sammler an, ſo daß man denken ſollte, es wären längſt alle Naturprodukte unferer Alpen bekannt und es ſei unmöglich in allen drei Naturreichen noch etwas Neues zu entdecken. So kann aber nur derjenige urtheilen, welcher die Beſchaffenheit der Hochgebirge nicht kennt und die Schwierigkeiten nicht begreift, welche ſich dem flüchtig Reiſenden für Auffindung ſolcher Gegenſtände entgegenſtellen. Die meiſten dieſer Fremolinge verlaſſen die gebahnten Straßen nur ſelten, da dieſe ihnen die ſchönſten Anſichten ohne große Beſchwerlichkeit vor Augen ſtellen. Aber zur tiefern Kenntniß ſolcher Gebirge, aus welchen die Zentralkette unſerer Alpen beſteht, iſt Zeit, Muth, Entſchloſſenheit in Ertragung von Mühſeligkeiten und ein ſchwindelfreier Kopf durchaus nothwendig: Eigenſchaften, welche nicht 1 8 jeder in gleichem Grade hat und auf einer ſchnellen Durchreiſe nicht erlernt. Das genauere Erforſchen der Alpenwelt erfordert Beobachtungen und Unterſuchungen, welche Wochen und Monate fortgeſetzt und in allen Jahreszeiten angeſtellt werden müſſen, wenn ſie wichtige Reſultate liefern ſollen. Noch jetzt iſt die Geologie der Alpen in ihrer Kindheit, noch iſt Alles, was über das Alter, die Entſtehung, die innere Beſchaffenheit der Gebirge überhaupt aufgeſtellt wurde, nicht mehr als mehr oder minder wahrſcheinliche Hypotheſe, ebenſo wie die Meinungen über die Entſtehung, ehemalige Ausdehnung, Bewegung und den zukünftigen Beſtand der Gletſcher. Zwar iſt es der Kühnheit unſerer Sauſſure, Eſcher von der Linth, Hugi, Heer, Dürler, Studer, Agaſſiz und ihrer Gefährten gelungen, die höchſten Gebirgsſtöcke faſt alle zu erſteigen und Blicke auf ihre geognoſtiſche Beſchaffenheit und die Bildung und Aus— dehnung der Gletſcher zu werfen, welche manche unwiderlegliche Thatſache enthüllen. Häufig iſt der Montblanc erſtiegen worden, mehrmals die Jungfrau; Finſteraarhorn, Schreckhorn, Tödi ſind nicht unerreichbar geblieben. Faſt alle Theile des großen Eismeeres, welches der Aletſchgletſcher in feiner faſt 14ſtündigen Länge einſchließt, ſind unterſucht und bekannt ge— worden. Keine Gefahr, keine Mühe ſchreckte die muthigen Naturforſcher ab. Agaſſiz und ſeine Gefährten ſtiegen ſogar in die Eisſpalten und begaben ſich unter das Gletſchereis, um die Bildung deſſelben und feine innere Beſchaffenheit näher kennen zu lernen. Die Haupt- reſultate der geologiſchen Unterfuchungen find wohl die, daß unſere Hochgebirge nicht, wie man ſo lange behauptete, von Anfang der Schöpfung unſerer Erde an da waren, ſondern erſt ſich aus dem Innern der Erde erhoben, als ſchon dieſelbe mit Meerthieren bevölkert war, und daß einſt eine Zeit war, wo die Gletſcher unendlich weiter reichten, als gegenwärtig, und einen großen Theil der Erde mit Eis bedeckten. Deutliche und unverkennbare Spuren ehe— maliger Gletſcher finden ſich ſelbſt in der unmittelbaren Nähe unſerer Stadt, wo wir Hügel antreffen, deren innere Beſchaffenheit zeigt, daß ſie einſt Gletſcherwälle waren. Während die Geologen ſich mit den Unterſuchungen der Fundamente und Eingeweide un— ſerer Gebirge beſchäftigten, waren Botaniker und Zoologen nicht weniger thätig, die Pro— dukte des Pflanzen - und Thierreichs alle kennen zu lernen. Hier ſcheinen die Arbeiten leichter zu ſein: es muß kein Schnee weggeräumt, keine Reiſe unter das Eis unternommen werden, und doch wird man auch hier kaum jemals ganz zum Ziele gelangen; jedenfalls weit eher mit den Pflanzen, als mit den Thieren; denn erſtaunenswerth iſt die Mannichfaltigkeit der or— ganiſchen Formen, welche von hundert zu hundert Fuß Erhöhung abwechſeln. Doch geht dieß nicht weiter als bis zur Schneegrenze; denn jenſeits derſelben hört das Leben auf: von Schnee und Eis kann keine Pflanze, kein Thier leben. Aber wo nur irgend der Schnee noch ſchmilzt, beginnt das Daſein von Pflanzen und Thieren, und jeder Fels, der noch etwas Erde trägt und nur einige Zeit vom Schnee entblößt wird, ſteht er auch ganz von Schnee und Eis um— geben, iſt belebt und trägt Pflanzen und Thiere. Es iſt jedem Bergbeſteiger bekannt, daß ei an vielen Stellen in den Alpen man den einen Fuß auf Eis, den andern auf Blumen ſetzen kann. So ſehr auch die Botaniker und Zoologen ſich Mühe geben, jede Felſenritze zu durch— ſuchen, jedes Moosplätzchen zu durchſpähen, keine Flechte am trockenen Fels unbeachtet zu laſſen, jede Höhe zu erklimmen, jeden Stein aufzuheben, unter welchem ein Inſekt oder ein Pflänzchen verborgen ſein könute, ſo entgeht immer manches ſelbſt dem bloßen Auge noch Sichtbare, und der fleißige und geübte Sammler geht niemals leer aus. Aber die Stille der Gletſcher- und Firnfelder wird nur durch den Sturz der Lawinen oder das Fallen von Stei— nen oder das Krachen des berſtenden Eiſes unterbrochen. Selbſt die Gemſe betritt nur höchſt ungerne dieſe Gegenden und nur, wenn ſie vor dem Jäger flieht und keinen andern Ausweg findet, oder ein etwa noch ſchneefreies Plätzchen ſie lockt. Schmetterlinge, Bienen, Mücken liegen hin und wieder erſtarrt umher, welche der Sturm aus tiefern Gegenden entführte. Sie deuten dem Wanderer, daß die Kälte eine Feindin des Lebens ſei und warnen ihn, ſich der Gefahr nicht unbedachtſam auszuſetzen. Pflanzen und Thierreich ſind immer aufs Innigſte mit einander verbunden. Kaum iſt der Schnee zerronnen, fo erhebt die blaue Alpenſoldanelle ihre gefransten Glöckchen, ſchnell folgen ihr andere Pflänzchen nach“), und wo noch vor wenigen Tagen ein weißer Schleier den Bo— den bedeckte, ſchwärmen nun emſige Bienen von Blume zu Blume, braune Schmetterlinge ſchwingen die Flügel und tanzende Mücken glänzen im Sonnenſchein. Kleine Käfer kriechen am Boden; aber ſogleich ſtellen ſich auch ſchon Raubinſekten ein und lauern auf fie, um auch ihrerſeits wieder eine Beute der Vögel zu werden. Der Schneefink, die Flühlerche, der Wieſen— und Waſſerpiper finden gedeckten Tiſch und bezeigen ihre Freude mit fröhlichen Liedern. Die ſcheinbare Menge der Thiere in dieſen Höhen iſt aber nicht ſehr groß, da die meiſten in die ſtille Klaſſe der Inſekten gehören; die Zahl der Vögel iſt gering, und nur hier und da erblickt oder hört man einzelne, oder ſieht eine kleine Geſellſchaft, oder ſtößt auf ein flüchtiges Schnee— huhn oder Steinhuhn. Das Leben hier iſt mehr ein ſtill waltendes und intenſives. Es iſt ganz verſchieden von demjenigen, welches den Sommer an den Küſten Islands, Norwegens und anderer hochnordiſchen Gegenden bezeichnet. Obgleich auch hier der Sommer erſt mit Ende Mai beginnt und ſchon im September wieder Kälte eintritt, fo herrſcht ein fo reges Leben, wie in den warmen Zonen, indem Millionen von Seevögeln brüten und auf den in die See vorragenden Klippen Neſt an Neſt ſitzt, ſodaß die ab- und zufliegenden und ſchreien— den Vögel ein überraſchendes Gemälde bilden. Auch wird der Grönländer und Lappländer Im botaniſchen Garten blühen jedes Jahr eine große Zahl Alpenpflanzen, welche auf der Nordſeite des großen Walls beiſammen ſtehen und unter der Beſorgung des vortrefflichen Herrn Ober⸗ gärtners Regel, der ſich um dieſe ſchöne Anſtalt, ſowie Herr Heer, große Verdienſte erwirbt, vor⸗ trefflich gedeihen. Die Alpenroſe blüht hier ſo ſchön, wie auf den Alpen, und neben ihr die Soldanelle und ſehr viele andere, ſelbſt auf den Alpen ſeltene Arten. u ebenfo von Schwärmen von Stechmücken geplagt, wie der Bewohner ſumpfiger Gegenden der heißen Länder. Unſern Hochalpen fehlen dieſe großen Maſſen von Individuen. Aber von den Küſten entfernt herrſcht im Norden Oede und Einförmigkeit. So weit der Blick reicht, wird das Auge durch nichts erfreut, und eine troſtloſe Stimmung bemeiſtert ſich des Gemü— thes, ſo daß der Reiſende, welcher aus weniger rauhen Gegenden kommt, ſich nie dahin zu— rückſehnt. Auf unſern Alpen bietet dagegen die Gletſcherwelt und ihre ſtillen Umgebungen, die aus den Firnfeldern aufſteigenden gigantiſchen Hörner und Felspyramiden, mit der Aus— ſicht auf die nahe liegenden grünen Weiden, vom harmoniſchen Schall der Glocken des wei— denden Viehes belebt, der Blick auf die ferner liegenden, blühenden Thäler, jenes wunderbar anziehende Gefühl ſtillwaltender Natur, welches wir Heimweh, Sehnſucht nach den Alpen nennen. Es ergreift uns eine Wonne, welche uns über das Irdiſche erhebt und der Gottheit näher zu bringen ſcheint. Die nähere Beobachtung und Beſtimmung der Pflanzen und Thiere, wie ſie von Höhe zu Höhe abwechſeln, iſt die Aufgabe der Naturforſcher. Ueber die Inſek— ten hat unſer unermüdliche Entomologe, Herr Profeſſor Heer, ſich beſonders verdient gemacht, indem er durch eine unendliche Zahl mühſamer Beobachtungen jedem Inſekt die Stelle anweiſen konnte, in welcher es vorkommt und gedeihen kann. Dieſe Arbeit kann, verbunden mit der Pflan— zenkunde der Alpen, um welche ſo viele edle Männer, ſeit Scheuchzer und Haller die Bahn ge⸗ brochen, ſich verdient gemacht haben, zu einer Menge von Schlüſſen führen, auf welche die Geſetze ſich ſtützen, nach welchen Thiere und Pflanzen in den Alpen vertheilt ſind. So viel aber auch in dieſer Beziehung geſchehen iſt, ſo viel bleibt noch zu thun übrig. Je kleiner die Geſchöpfe ſind, deſto zahlreicher ſind ſie, und nur der Zufall kann ihre Entdeckung herbeiführen, da manche Thiere ſo verborgen leben, daß nur ge wiſſe zufällige Umſtände fie dem Auge ent— decken laſſen. Die Erfahrung lehrt aber, daß dieß ſelbſt auf größere Thiere Bezug haben kann. Es können ja in unſern Städten und Dörfern, in unſern eigenen Häuſern Thiere Jahre lang ſich aufhalten, ohne daß wir es gewahr werden, bis ein von ihnen angerichteter Schaden ſie verräth. Erſt wenn er die Hühner oder Tauben geholt hat, wiſſen wir, daß ein Iltis oder Marder in der Nähe war, und erſt durch die angefreſſenen Aepfel oder durch Löcher im Speck verräth ſich das Daſein von Mäuſen und Ratten. Ruhig bietet ſich die Pflanze dem Sammler dar; kennt er einmal ihren Standpunkt und die Zeit ihres Daſeins, jo darf er nur hingehen, ſie zu pflücken. Nicht ſo das Thier, welches im Dunkeln lebt, ſeinen Wohn— ort alle Augenblicke ändern kann und, ſelbſt entdeckt, uns erſt noch entwiſcht. So wurde vor einigen Jahren eine für die Schweiz ganz neue Fledermaus“) zwiſchen den Fenſterladen des Zimmers unſerer zoologifhen Sammlung entdeckt und ſeitdem in der Schweiz nicht mehr ge— ) Verpertilio discolor. a funden. So entdeckte im Jahr 1842 Herr Profeſſor Pictet, in Genf, ſelbſt eine für Europa ganz neue Hausratte. Beide Thiere ſind gewiß nicht erſt zu uns gekommen; aber ſie wurden von Kundigen nie beobachtet, da der Zufall ſie allein ihnen in die Hände liefern konnte. Iſt es aber, hätte vielleicht vor 20 Jahren Mancher gefragt, wohl der Mühe werth, ſolche Entdeckungen bekannt zu machen? haben wir nicht in unſern Wieſen, Aeckern, Gärten, Kel- lern, Ställen und Mühlen ſolches Ungeziefer mehr als genug, wir wollen keine neuen kennen lernen? Der beſſere Schulunterricht unſerer Tage ſollte wohl ſolche Fragen nicht mehr zu— laſſen. Dieſer ſoll eben uns lehren, daß die Natur kein lebendes Weſen gleichſam aus bloßer Laune oder um uns zu ſchaden geſchaffen hat; daß nur genaue Kenntniß ſelbſt der unſchein— barſten Pflanze, wie des kleinſten mikroskopiſchen Thieres, uns über Nutzen oder Schaden, den ſie auf unſere Oekonomie haben, belehren kann. Nur dadurch lernen wir dieſen Einfluß vermindern, wenn er ſchädlich, vermehren, wenn er nützlich iſt. Schon dieſes iſt ſehr wichtig, aber doch für den Weiterdenkenden nur Nebenzweck. Der moraliſche Nutzen, den ihm die genauere Kenntniß der Schöpfung gewährt, iſt weit der wichtigere. Dadurch allein wird ihm klar, daß kein Weſen umſonſt da ift, daß wie in einem Uhrwerk jedes Stück, aus dem es beſteht, zum Gange nöthig iſt, in der Schöpfung jedem organiſchen Weſen ſeine Stellung an⸗ gewieſen iſt, auch wenn es uns unmittelbar zu ſchaden ſcheint; daß daher der Menſch nicht unüberlegt zerſtören darf. Seine Ideen erhalten durch dieſe Einſicht einen höhern Schwung, feine religiöfen Anſichten bekommen einen ſicherern Haltpunkt, mancher Wahn verſchwindet und ein ſolcher Menſch tritt mit ſeinen Umgebungen in ein freundlicheres und angenehmeres Verhältniß. Dieſe Ideen ſind es, welche die Naturforſchung ſo anziehend machen, welche den Forſcher ſo begeiſtern, daß er darüber Mühe, Beſchwerden und Gefahren vergißt. Er er- klimmt muthig die höchſten Gipfel der Alpen, er durchſchifft die ſtürmiſchen Meere von einem Pole zum andern; ihn erſchrecken nicht Afrikas Wüſten, nicht die eiſigen Gefilde Grönlands; er durchſtreift die öden Gegenden Auſtraliens, wagt ſich in die Urwälder Amerikas, beſteigt die Gipfel der Anden, wie die Joche des Himalaya und durchzieht die Prairien Nordamerikas bis zum ſtillen Meere. Nicht Gold oder Silber ſucht er zu ſammeln, ſondern die Natur in ihren Werken zu beobachten. Die Entdeckung eines noch unbekannten Käfers, eines mikroskopiſchen Inſekts, einer neuen Eidechſe oder Maus belohnt ihn reichlich für Alles. Der Tod ſeiner Vorgänger erſchreckt ihn nicht. Auch uns hat dieſer Forſchungsgeiſt theure Opfer gekoſtet. Herr Dr. Horner unterlag den Mühſeligkeiten feiner geologiſchen Forſchungen auf Sumatra; Herr Dr. Otth von Bern ſtarb an der Peſt zu Jeruſalem auf einer Reiſe, welche zoologifhe Sammlungen zum Zwecke hatte; Herr Dr. Rengger an den Folgen feiner An- ſtrengungen in Paraguay; Burkart von Baſel fiel als ein Opfer des afrikaniſchen Klimas. Glücklicher war Herr Dr. Tſchudi von Glarus, der neulich aus den unbekannten Urwäldern * 3 Perus zurückkehrte und jetzt an der Bekanntmachung ſeiner Erfahrungen und Beobachtungen arbeitet. Doch wir kehren zu den Entdeckungen, welche auf unſern Hochalpen gemacht worden ſind, zurück. Die Schneegrenze, das heißt der Punkt, wo der Schnee auch bei der größten Som— merwärme nicht mehr ſchmelzt, iſt in den verſchiedenen Gegenden der Erde ſehr ungleich: gegen die Pole hin ſteigt ſie bis auf die Meeresfläche herab; unter dem Aequator beginnt ſie erſt auf Höhen von 15,000 Fuß über Meer; am Himalaya, aus örtlichen Urſachen, ſteigt fie bis zu 16,000 Fuß; auf unſern Gebirgen beginnt ſie zwiſchen 8000 bis 8500 Fuß; auf der Nordſeite der Alpen etwas tiefer, auf der Südſeite etwas höher, da die wärmere Luft die an den tiefer eingeſchnittenen Thälern der Südſeite herrſcht, auf die obern Luftſchichten einwirkt. Nur wer die höhern Alpen bewohnt, oder häufig, in verſchiedenen Jahreszeiten, die Gegen- den beſucht, wird näher mit den Bewohnern bekannt. Der Senne oder der Hirtenknabe achtet nur der Gemſe oder des Murmelthiers; höchſtens unterſcheidet er den Adler vom Läm⸗ mergeier, erkennt die Alpenlerche und das Schneehuhn. Was aber nicht jagdbar und eßbar iſt, oder ihm nicht ſichtbaren Schaden thut, darum bekümmert er ſich nicht. Auch ſelbſt größere Thiere als Inſekten ſind ihm unbekannt geblieben. In An der Matt, im Urfernthale, wohnt ein eifriger Naturalienſammler, Herr Franz Joſeph Nager. Ihm haben wir die Entdeckung mehrerer bisher ganz unbekannter Alpen— thiere zu verdanken. Er hat eine Sammlung von Vögeln und Säugethieren angelegt, welche auf dem Gotthard vorkommen. Es iſt jedem Reiſenden, welcher Freude an Naturgegen- ſtänden hat, zu empfehlen, wenn er nach An der Matt kommt, Herrn Nager zu beſuchen, der nebenbei auch eine Sammlung von Mineralien hat. Er wird erſtaunen, ſo viele Thiere hier beiſammen zu finden, welche er auf einer ſolchen Höhe anzutreffen nicht erwartet hätte. Beſonders reich iſt die Sammlung an Zugvögeln, welche auf ihrer jährlichen Reiſe in wär— mere Gegenden über die Gebirge ziehen; man trifft ſelbſt ſolche dort an, welche diesſeits der Alpen eine große Seltenheit ſind. Dieſer aufmerkſame Forſcher entdeckte bereits fünf Säuge⸗ thiere, wovon eine Art nur für die Schweiz neu, die andern ganz unbekannt waren. “) Es iſt allerdings wahrſcheinlich, ja von der erſten Art ganz gewiß, daß dieſe dem Gott⸗ hard nicht allein eigen, ſondern auch auf andern Alpen angetroffen werden, aber bis dahin nicht bemerkt wurden. Nur die Hoſpize auf dem Gotthard, der Grimſel und dem St. Bern⸗ hard liegen höher als Urſern und ſind das ganze Jahr bewohnt; aber außer auf dem St. Bernhard ſind die Bewohner zu ſolchen Beobachtungen nicht gebildet genug, um ähnliche Ent⸗ deckungen zu machen, wie Herr Nager. ) Für die Schweiz neu iſt eine Fledermaus, Vespertilio Nattereri, welche im Thale vorkommt; ganz neu eine Spitzmaus, Sorex alpinus, und die drei abgebildeten Feldmäuſe. 8 Die drei abgebildeten Arten ſind zwar ihrer Lebensart nach Nagethiere und den eigentlichen Mäuſen ſehr nahe verwandt; allein die neuern Naturforſcher haben ſie von dieſen getrennt und ihnen den Namen Feldmäuſe oder Wühlmäuſe gegeben, indem ſie ſich durch einen etwas verſchiedenen Zahnbau, durch kürzere, meiſt im Pelz verſteckte Ohren, durch eine kürzern, mehr behaarten als nackten Schwanz und verſchiedene Eigenheiten in der Lebensart unter— ſcheiden. Sie haben oben und unten 3 Backenzähne auf jeder Seite, welche an Größe von vorn nach hinten etwas abnehmen. Dieſe Zähne haben keine Wurzeln, und ihre Krone oder Oberfläche iſt mit Zacken verſehen. Die Vorderzähne ſind an ihrer äußern Oberfläche glatt und etwas gewölbt, und ihre Schneidenränder konkav. Sie haben alſo im Ganzen nur 16 Zähne. Sie leben nie in Häuſern, ſondern auf Feldern und Wieſen unter der Erde, auf Bergen und in Thälern und finden ſich zahlreich in faſt allen Erdtheilen. Sie nähren ſich von Getreide und andern Sämereien, Gras und Wurzeln, und legen Magazine für den Winter an, den ſie nie in Erſtarrung zubringen. Die abgebildeten neuen Arten ſind folgende: 1. Die Schneefeldmaus. Hypudaeus nivicola. *) Aſchgrau⸗ſchwärzlich, hellbräunlich angeflogen an allen obern und Seitentheilen des Körpers. Die Haare find an der Wurzel ſchiefergrau, an der Spitze braun; an der aus— geſtopften Haut geht die Farbe nach einiger Zeit mehr ins Graue über. Untere Kinnlade, Vorderhals und alle untern Theile, auch das Innere der Schenkel dunkel aſchgrau, etwas ſilberglänzend, da die Haare weiße Spitzen haben. Die Augen ſind klein; die Ohren kurz abgerundet, aber aus dem Pelze vorragend und ſichtbar. Die Beine kurz, die Füße zart, die vordern vierzehig mit einer Warze ſtatt des Daums, die hintern fünfzehig, die Nägel, be- ſonders die vordern, etwas ſtark und krallend, die Farbe der Füße oben weißgrau. Der Schwanz halb ſo lang als der Körper, mit kurzen, anliegenden Haaren bedeckt; an der Spitze bilden ſie einen kurzen Pinſel; die Farbe deſſelben iſt oben braun, unten grau. Die Schnurr⸗ haare an der Schnauze mittelmäßig lang, weißgrau. Die Naſe etwas vorſtehend und fpigig. Das Fell iſt dicht und weich. Die Länge von der Spitze der Schnauze bis zur Schwanzwurzel iſt 6 Zoll, des Schwan⸗ zes 2½ Zoll. Dieſe Maus ſcheint alle höhern Alpen zu bewohnen, nicht bloß der Schweiz, ſondern auch der ganze Zentralkette. Auf dem Gotthard beobachtete ſie Herr Nager faſt von der Thalfläche des Urſernthales an bis zu den oberſten Sennhütten am Oberalpſee, wo er die *) Hypudaeus supra nigrescente cinereus , fusco lavatus, subtus intense cinereus; auriculis rotundatis, conspicuis; vibrissis mediocribus canis, cauda dimidium corporis superante. 8 erſten fand. Faſt zu gleicher Zeit, wo Herr Nager ſie entdeckte, beobachtete ſie ein Herr Dr. Martin auf dem Faulhorn, wo ſie in der Nähe des Wirthshauſes, welches in einer Höhe von 8280 Fuß überm Meer liegt, höher als das Hoſpiz auf dem St. Bernhard vorkommt. Schon oft haben Reiſende auf ſolchen Höhen Mäuſe beobachtet, aber nie die Art beſtimmt. Montblancführer erzählten Herrn Pictet, fie hätten Mäuſe auf den iſolirten Felſen, genannt die großen Mauleſel, welche aus den Firnfeldern an den Montblancabhängen vorragen und meiſt ſchneeleer ſind, daher den Reiſenden zum Nachtlager dienen, geſehen. Herr Hugi beobachtete Mäuſe auf einer Winterreiſe nach dem Grindelwaldgletſcher auf der Stieregg, einem Schafberge, wo ganz nahe am Gletſcher noch einige Hütten zum Schutze der Hirten im höchſten Sommer erbaut ſind. Als man nach weggeräumten Schnee durch das Dach in eine dieſer Hütten ſtieg, flohen etwa 20 Mäuſe, wovon man mehrere fing, welche hernach nach Grindelwald gebracht, aber vergeſſen wurden. Auch auf dem Zäſenberg, auf derſelben Höhe mit der Stieregg und ungefähr mit dem Faulhorn, finden ſich nach Ausſage der Schaf— hirten ſolche Mäuſe khäufig. Eſcher, Studer, Heer fanden Mäuſe auf ähnlichen Höhen; aber von keinem wurden ſie näher unterſucht und beſtimmt. Dieſe Maus bewohnt alſo das ganze Jahr hindurch Höhen, welche ganz nahe an der Schneegrenze und den Gletſchern liegen, daher der Name Schneemaus ihr wohl mit Recht zukommt. Das Faulhorn iſt wenigſtens 9 Monate mit Schnee bedeckt, ſelten iſt es vor Ende Juni von demſelben befreit, und von da an bis zum Oktober ſchneit es dort faſt jede Woche, aber der Schnee bleibt nicht. Selten herrſcht Windſtille, und oft liegen dichte Nebel hier viele Tage durch feſt. Dieſe Thiere müſſen alſo wenigſtens 8 oder gar 9 Monate unter dem Schnee leben, obſchon fie nicht erſtarren wie die Murmelthiere, ſondern immer wach ſind, und man kann faſt nicht begreifen, wovon ſie ſich dieſe Zeit durch ernähren; allein noch wachſen ziemlich viele Pflanzen hier (Dr. Martin gibt für das Faulhorn 118 Arten an, ohne die Flechten und Mooſe), ſo daß dieſe Thiere nicht nur während den drei Monaten des Sommers genug Nahrung finden, ſondern auch einen hinlänglichen Vorrath von Wur— zeln und Gräſern auf den Winter ſammeln können Nach den Beobachtungen, welche Herr Nager über die Schneemaus auf dem Gotthard machte, frißt ſie auch noch Anderes, wenn ſie es erhalten kann. Dort findet ſie ſich, wie angeführt, faſt von der Thalfläche des Urſernthales bis zu den oberſten Sennhütten; im Thal ſelbſt iſt ſie aber nicht. Wo Sennhütten ſind, wohnt ſie gerne in deren Nähe, dringt in dieſelben ein und geht der Milch, dem Käſe und dem Zieger nach. Wo verfallene Hütten, altes Gemäuer oder Steingerölle iſt, da iſt ſie am liebſten, nur aus Mangel an ſolchen in Erdlöchern. Auch die Heuſtöcke beſuchen ſie, und ganze Haufen zernagtes Heu verrathen ihr Daſein. Bei den höchſten Hütten beſuchen ſie im Winter ſogenanntes Staffelland, das heißt, die Stellen, wo im Sommer das Vieh übernachtet und durch ſeinen Koth den Boden düngt. a Da wächst auch unter dem Schnee fettes Gras, zu welchem zu gelangen ſie weite Gänge im Schnee aushöhlen. In ihren Löchern findet man im Herbſt fein zernagtes Gras, jedoch mehr. zerſtreut als in Haufen. Aus ſolchen Gräſern beſteht auch ihr Neſt für die Jungen. Herr Nager fand mehrere ſolche Neſter in Mauerlöchern verfallener Sennhütten; in jedem lagen jedesmal vier Junge, ſo daß dies wahrſcheinlich die gewohnte Zahl iſt. Wenn man auch nicht beſtimmt weiß, ob ſie Magazine für den Winter anlegen, ſo iſt dieſes doch ſehr wahrſchein— lich, da dieß faſt alle bekannten Feldmäuſe thun. Man ſieht ſie ſehr ſelten am Tage. Sie ſcheinen auch wenig Intelligenz zu haben, da man ſie ſehr leicht mit Käſe, Zieger, Brod oder Nußkernen, nicht aber mit Speck, fangen kann. 2. Die Nager'ſche Maus. Hypudaeus Nageri. *) Die Ohren find breit, faſt unter dem Pelze verborgen, doch etwas vorragend, abgerundet, der Kopf dick, der Schwanz mittelmäßig lang, die Augen klein. Die Farbe iſt auf dem Rücken, dem Hinterhals und Scheitel ſchön kaſtanienbraunroth, die Haare an der Wurzel ſchwarzgrau, an den Spitzen braunroth, die Seiten mäuſegrau; die untern Theile hell afch- grau; die Füße weißlich. Der Schwanz kurz behaart, am Ende mit einem kleinen Pinſel, oben ſchwärzlich, unten weißlich. Die Vorderfüße vierzehig, die hintern fünfzehig. Schnurr⸗ haare mittelmäßig, weißgrau. Die Länge von der Schnauze bis zur Schwanzwurzel 4“ 5%, des Schwanzes 2“ 1“, Es iſt dies eine ſtarke, dicke Maus, welche den wahren Mäuſen etwas ähnlich iſt; die Füße ſind klein, die Klauen ſchwach, die Vorderzähne klein, die obern ſehr kurz und gelb. Sie iſt, wie die Schneemaus, eine Bewohnerin der hohen Alpen; ob ſie weit verbreitet iſt, iſt eben ſo unbekannt, als ihre Lebensart. Herr Nager fand ſie einzig am Fuße der Unter⸗ alp in dem ſogenannten Hölzli, einer ſchattigen Lawinenmatte, nur in ſehr wenigen Exempla⸗ ren, welche alle in der gleichen Sennhütte gefangen wurden. Nie wurde ſie auf der freien Alp oder anderswo bemerkt. Sie war, im Gegentheil der Schneemaus, ſchlau und ſchwer zu fangen. Dieß iſt Alles, was man von ihrer Naturgeſchichte weiß. Sehr wahrſcheinlich findet fie ſich auch auf andern Alpen, aber immer über der Gegend des Holzwuchſes. 3. Die braunröthliche Feldmaus. Hypudaeus rufescente fuseus. Alle obern Theile ſind einfärbig braun, etwas röthlich angeflogen, alle untern dunkel aſchgrau, von der Farbe der obern Theile ziemlich ſcharf geſchieden; die Ohren abgerundet, ) Dieſe Maus iſt Herrn Nager, ihrem Entdecker, zu Ehren fo genannt worden und kann fo charakterſirt werden: Hypudaeus dorso rufo fusco aut castaneo rufo, lateribus murinis, gastraeo laete cinereo; auriculis latis, rotundatis, vix conspicuis, mystacibus longiusculis; cauda mediocri, supra nigrescenti, subtus albescenti ; oculis minutis. * im Felle verborgen; die Augen klein; Schnauze ſtumpf, der Kopf ſelbſt aber ſchmal; der Schwanz kurz, dünn, oben braun, unten dunkelgrau. Die Vorderzähne ſind ſchwach, gelb. Der Körper iſt ſchlank und lang, die Beine kurz, die Füße klein.“) Die Schnurrhaare kurz. Die Länge von der Schnauze bis zur Schwanzwurzel iſt 4“ 2, des Schwanzes 11“. Dieſe Maus iſt im Arſernthal ſehr häufig in den Thalwieſen, geht aber nicht bis zu den Sennhütten hinauf. Sie bewohnt nur die Wieſen, geht nie in die Häuſer, oder altes Gemäuer, und nährt ſich im Sommer von Wurzeln, im Winter aber von den im Herbſt geſammelten Zwiebelgewächſen und Wurzeln, von welchen ſie ſich neben ihrer Wohnung unter der Erde, in einer eigenen Kammer, einen Vorrath ſammelt. Auch ihre Jungen wirft ſie unter der Erde. Wenn ſchon dieſe Maus nicht ſo hoch wohnt, wie die beiden andern, ſo dauert die Zeit, welche ſie unter dem Schnee zubringen muß, nicht viel weniger lang, da das Urſernthal ſchon 4300 Fuß über dem Meere liegt und der Winter gewöhnlich 8 Monate dauert. So lange entbehren ſie daher Luft und Licht. Von der Kälte leiden alle dieſe Alpenmäuſe nicht mehr, als unſere Feld- und Waldmäuſe, da die Erde unter der Schneedecke immer die gleiche Wärme behält, und im Gegentheil, je tiefer der Schnee liegt, deſto weniger auch eine größere Kälte eindringen kann. Unter dem Schnee aber machen ſie weite Gänge und können ſich hinlänglich bewegen. Ihre Magazine geben ihnen immer Nahrung und wenn dieſe ausgeht, ſo können ſie nach Wurzeln graben. Auf der höchſten Höhe des Gotthardspaſſes wohnt noch eine andere, dieſer letzten ähn— liche Wühlmaus, welche leicht mit ihr verwechſelt werden kann. Genaue Unterſuchungen einer ſolchen, welche etwa 200 Schritte unter dem Hoſpiz gefangen wurde, haben gezeigt, daß fie von der auf nnferer Ebene vorkommenden gemeinen Feldmaus nicht zu unterſcheiden iſt. Es iſt gewiß höchſt merkwürdig, daß dieſelbe Art die Felder der ebenen Schweiz und Deutſchlands, wo ſie vorzüglich von allen Arten von Getreide und Sämereien der Ebenen ſich nährt, und zugleich die höchſten Punkte der Alpen, nahe am ewigen Schnee, bewohnen ſoll. In den letzten Tagen des Juli 1832 verfolgte ein Reiſender über den Gotthard die alte Straße vom Hoſpiz des Gotthards diesſeits, über den kahlen, nur von einigen Zoll hohen Zwergweiden bewachſenen Abhang. Kaum 50 Fuß tiefer lag von einer Lawine her noch ſo tief Schnee, daß er eine gangbare Brücke über die Reuß bildete. Ganz nahe oben daran bemerkte er eine Maus, welche er glücklich fangen konnte. Sie wollte ſich in einem Reſt von Grashalmen verbergen, welches zwiſchen den kurzen Weiden verſteckt lag; es war eben dieſe Feldmaus. Nahe an dieſer Stelle fand ſich auch ein Vorrath von kleinen Wurzeln und Sämereien. Alſo bewohnen dieſe Thierchen noch Höhen von 6700“, wo ſie nichts vor den ) H. supra fuscus, rufescente lavatus, subtus intense einereus, cauda abbreviata, tenui auriculis rotundatis, vellere absconditis, mystacibus brevibus; oculis minutis. Au eifigen Winden ſchützt, die auch in den wenigen Wochen oft wehen, in denen der Boden ſchneefrei iſt. So merkwürdig dies iſt, ſo ſind dieſes doch nicht einzige Thatſachen; es leben Nagethiere allenthalben nahe an der Schneegrenze, ſelbſt im höchſten für den Menſchen noch bewohn— baren Norden Grönlands, wo die Kälte noch ſtärker iſt, als auf den Hochgebirgen wärmerer Länder. So fand der engliſche Seefahrer Roß im äußerſten Grönland noch eine Wühlmaus in ſo großer Menge, daß ſich die Eisfüchſe und Schneeeulen von ihr nähren. So lebt auf den hohen Anden Chilis, in der Höhe unſers Montblanes, bei 14,000 Fuß, eine Kanin⸗ chenart, die Chinchilla, welche das feinſte Pelzwerk liefert, welches unſere Kürſchner haben. Ganz gewiß finden ſich auf ähnlichen Höhen am Himalaja und auf den Gebirgen Sibiriens noch ſolche uns großentheils unbekannte Nagethiere. Allenthalben herrſcht daſſelbe Geſetz: wo das Pflanzenleben gedeiht, gedeiht auch das thieriſche Leben; aber auf der andern Seite iſt es eben ſo wahr: mit der Wärme wächst die Sahl der Pflanzen und mit ihr mehren ſich die Thiere. Die warmen Zonen ſind am meiſten belebt, die Formen am vielfachſten. Aber auch in dieſen Zonen giebt es eine Grenze, über welche hinaus die Natur eben ſo leblos erſcheint, wie auf den Gletſchern oder den ewig beſchneiten Polargegenden. Trockene Hitze und Kälte ſind beide gleich dem Leben feindlich. Die afrikaniſchen Sandwüſten beherbergen weder Thiere noch Pflanzen; nur an ihren Rändern ſind ſie, gleich der Schneegrenze, belebt; dort weiden Heerden von Antilopen, wie hier Gemſen und Steinböcke; dieſe Letzten finden wir aber auch auf den Pyrenäen, den ſibiriſchen und aſiatiſchen Alpen in ähnlichen, nur etwas verſchiedenen Formen. Wie in den Alpen mitten in den Schneefeldern doch noch Punkte ſich finden, wo der Schnee eine Zeit lang ſchmilzt, Pflanzen wachſen und Thiere leben, ſo liegen mitten in den Wüſten, wie Inſeln im Meere, fruchtbare Oaſen mit Organismen aller Art belebt. Das Leben durchſtrömt die ganze irdiſche Schöpfung und erſcheint uns als ein Hauptzweck derſelben. Daher können wir uns auch die Geſtirne des Himmels nicht ohne von belebten Weſen bewohnt zu ſein denken. Die unbelebte Maſſe iſt zwar ohne Vergleich die größte; aber ihre Formen ſind beſchränkt: unerſchöpflich und zahllos dagegen die Formen des Lebens, jede für ſich beſtehend, für ihren Zweck vollkommen, aber vom Ganzen abhängig und das Daſein der einen das Daſein der andern bedingend. a0 . r e eee 1 MEN: 4 904. e] 2 Bi N * dt; * ” 2 = 5 en ana ah | K 8 5 1 167 ea ie e nt 5 des Mag e wee ien “= ee 8 DI u a den dus von n urn us zur, 11 der gay IR ot N 5 * * ie u NT ae 5 DAT 51 90 Bi * NNW i ass vu Le a: er Be Ay an 5 2 % N 15 mu 10 wire BR NE l AR vr 2 Er e ** Er IE. ear vag f BR T Du be 2 RR x wur ann ener ae Andan 100 77% J. Ne eng n Mey \ N len; asd. ge re e in den wine" Schweizer Alpen. Von 5 Bu Dr. Oswald Heer, Profeſſor in Zürich. e 2 2 9 * Z ür i ch, in Commiſſion bel Meyer und Zeller. An die Zürcheriſche J ugend auf das Jahr 1845. Von der Uaturforſchenden Gefellfchaft, XLVII. Stück. Ueber die oberſten Gränzen des thieriſchen und pflanzlichen Lebens in unſeren Alpen. Nr r — Die ebneren Theile, ſelbſt der nördlichen Schweiz, ſind während des Winters nur zeiten— weiſe von Schnee überdeckt, während alle unſre Berggegenden vom Spätherbſt bis zum Früh— ling in einen dicken, glänzend weißen Schneemantel gehüllt ſind. Erſt im Frühling zieht die Erde dieſen Mantel ab, zuerſt am Fuße der Berge und an ſonnigen Halden der Thalgründe, dann aber immer weiter und weiter hinauf; erſt im hohen Sommer iſt indeſſen die Schnee— gränze bis in die Region unſerer oberen Alpenweiden zurückgewichen und in noch höheren Gegenden tritt der Winter wieder ein, ehe der Frühling, der dem Zurückweichen des Schnees auf dem Fuße folgt, bis zu ihnen vorgerückt iſt. Hier haben wir daher nur Winter; nie mehr wird hier der Schneemantel von der Erde hinweggenommen und alles Leben daher 1 Ze von kaltem Eiſesſchauer erdrückt. Dieſe Region des ewigen Schnees ift übrigens nach unten zu keineswegs ſcharf und gleichmäßig begränzt. An Schattenſeiten reicht der Schnee tiefer herab, als an Sonnenſeiten, in Thalſchluchten, muldenförmigen Vertiefungen der Alpen (den ſogenannten Schneethälchen) viel tiefer herab, als an frei liegenden Abhängen; es iſt daher der Schneemantel, welcher alles flachere Land der höheren Alpen überkleidet, nach unten zu ausgezackt, aber auch oben iſt er an manchen Stellen zerriſſen. Es ſtehen einzelne Felſen— kuppen und Berggräthe aus demſelben hervor, die zu ſteil ſind, als daß der Schnee an denſel— ben in großen Maſſen ſich anſetzen könnte, oder an denen der Wind dies nicht zuläßt. Hier ſchmilzt daher der Schnee, wenigſtens im Sommer, auf ein paar Wochen weg, und es bilden ſich ſo, auch inmitten ausgedehnter Eiswüſten, einzelne ſchneefreie Plätze, welche Oaſen gleich, in dieſen ſchauerlich kalten Schneemaſſen drin liegen. Gelangen wir nach langen, ein— ſamen Gletſcherwanderungen zu einer ſolchen Inſel, bemächtigt ſich unſer ein ähnlich Gefühl, wie wenn wir nach langer Waſſerfahrt wieder das feſte Land gewinnen. Wie die Pflanzen und Thiere iſolirter Inſeln für uns von größtem Intereſſe ſind, da ſie uns die wichtigſten Aufſchlüſſe über die Verbreitung der Gewächſe und Thiere geben, ſo ſpannt in ähnlicher Weiſe auch die Natur jener Inſeln, die aus dem ewigen Eiſe unſerer Alpen herausragen, nicht wenig unſere Erwartungen, nicht etwa, weil wir da viele oder fremdartige Formen finden, wohl aber, weil die Heimath dieſer Weſen uns die ſchwierige Aufgabe zu löſen vor— legt, wie in ſolch unwirthlichen Gegenden noch pflanzliches und thieriſches Leben möglich ſei, weil es uns antreibt, nachzuſehen, was für Pflanzen- und Thierformen an ſo geringe Lebens— bedürfniſſe gebunden ſeien und in welchen Beziehungen ſie zu der übrigen Schöpfung unſeres Landes ſtehen. Zu dieſem wiſſenſchaftlichen Intereſſe, das wir an dieſer Pflanzen- und Thier— welt der Gletſcherinſeln nehmen, tritt noch ein anderes, ich möchte ſagen gemüthliches, hinzu, welches uns zu Erforſchung derſelben antreibt. Jeder, der unſere Alpen durchwanderte, weiß, daß es vornämlich die wunderſamen Gegenſätze ſind, welche denſelben dieſen unaus— ſprechlichen Reiz verleihen und in uns Gefühle erwecken, die wir zu den ſchönſten, wie eigenthümlichſten unſeres Lebens zählen. Es ſind dieſe Contraſte zwiſchen dem Land unter uns, über welches ein eigenthümlicher Zauber ausgegoſſen und der wilderhabenen Natur, die uns unmittelbar umgiebt, zwiſchen den gähnenden Schlünden und ſchauerlichen Felſentrümmern, die uns rings umſtarren, und den lachenden, dunkelgrünen Alpenweiden, über welche die Blumenwelt die bunteſten Farben ausgeſtreut hat. Das Hervorſproſſen des jungen, friſchen Pflanzenlebens, das Geſumſe von Frühlings-Inſekten, welche die eben erſt aufgeſchloſſenen Blüthenkelche umkreiſen, wie das melodiſche Geläute der weidenden Viehheerde, das gar wun— derſam in dieſe ſtille, einſame Natur hinaustönt, durchwehen uns mit wonnigen Frühlings— gefühlen und bringen uns im Angeſicht jener Schrecken des Todes und der Zertrümmerung immer wieder aufs Neue zum Bewußtſein, daß Leben und überall Leben Zweck der N Schöpfung ſei. Anders ift aber der Eindruck auf jenen Eiswüſten der Hochalpen; hier ſcheint alles Leben erſtorben, wir ſind nur von ſtarren, lebloſen Maſſen umgeben, die in ſolcher allgewaltigen Größe uns gegenübertreten, daß ſie uns kleine, armſelige Menſchen faſt erdrücken. Finden wir eine Stelle, welche der Schnee verlaſſen, ſehen wir uns mit einer gewiſſen Aengſtlichkeit nach lebenden Weſen um, und freuen uns über alles, was nur Leben und Bewegung zeigt. Ein Pflänzchen, das dort aus dem Felſen hervorgrünt, ein Schmetter— ling, der ſeine Blüthen umflattert, oder eine Spinne, die aus ihrem Schlupfwinkel hervor— ſpringt, haben dort oben eine ganz andere Bedeutung für uns, als hier unten im Thale, wo wir von einem ſo bunten Gewimmel von Thieren umgeben ſind. Da dieſe letzten Spuren organiſchen Lebens in unſeren Alpen daher einigen Anſpruch auf allgemeines Intereſſe machen dürfen, wollen wir hier eine kurze Ueberſicht des Pflanzen- und Thierlebens, wie es ſich in unſeren höchſten Alpen offenbart, zu geben verſuchen, und uns dabei auf die Pflanzen und Thierformen beſchränken, welche bis jetzt in unſeren Alpen in Höhen überhalb 8500 F. ü. M., alſo in der Region, die man ſich gewöhlich ganz in Schnee und Eis vergraben denkt, beobachtet worden ſind. Die erſten Pflanzen, welche unſere nackten Felſen dem Leben wieder zugänglich zu machen ſuchen, ſind die Flechten, deren Leben an die wenigſten Bedürfniſſe gebunden iſt. Sie ſind es, welche alles organiſche Leben in unſern Alpen beſchließen, und in Höhen, wo alle übrigen Gewächsformen längſt verſchwunden ſind, noch eine, freilich ſehr ärmliche, aber mannigfaltig gefärbte Decke über das öde Geſtein zu bilden ſuchen. Die oberſten Spitzen des Montblanc, des Mt. Roſa, des Finſterahorn und der Jungfrau ſind noch von Flechten bekleidet, daher ihre obere Gränze wohl über unſere Berge hinausreicht. Auf ſie folgen die Mooſe und die Blüthenpflanzen. Erſtere haben im Haushalte der Natur dieſelbe Bedeutung wie die Flechten, indem auch ſie vornämlich zu Bekleidung der Felſen und Bäume beſtimmt ſind. Die Mooſe ſpielen daher in der Gletſcherregion eine wichtige Rolle, indem ſie zwar nur mit wenigen Arten, aber in einer Maſſe von Individuen auftreten und, wie die Flechten, nicht ſelten ganze Strecken Landes mit einem weichen Polſter überziehen. In dieſes Moospolſter ſind häufig die Blüthenpflanzen eingebettet, von welchen die erſten, die auftreten, eine moosartige Tracht haben. Am höchſten ſahen wir die zierliche Androsace pennina; “) ſie ift gleichſam der obere Gränzwächter der Blüthenpflanzen in den öſtlichen Alpen, da ſie überall an die äußerſte Gränze des Wachthums dieſer Gewächſe geſtellt iſt. Sie kommt allein noch vor auf der oberſten Spitze des Piz Linard (10,700 F. ü. M.), und in ähnlicher Höhe auf den Schreckhörnern, ſie allein noch auf der oberſten Spitze ) Fig. 14 und 15 unſerer Tafel ſtellen ein Pflänzchen dar, welches zunächſt mit dieſer ver— wandt iſt. 3 des Hausſtocks (9780 F. ü. M.) Bald aber geſellen ſich zu ihr mehrere andere Pflanzen. Herrlich dunkelblaue Raſen bildet ein Enzian (Gentiana bavarica imbricata), brennend rothe das ſtengelloſe Leimkraut (Silene acaulis), über welche die Alpen-Wucherblume (Chrysanthe- mum alpinum), der Gletſcherranunkel (Ranunculus glacialis) und das Gletſcher-Hornkraut (Cerastium latifolium glaciale) ihre weißen Blüthen erheben. Aus Felſenſpalten grünen ein paar Steinbrecharten (Saxifraga oppositifolia und bryoides) ein Hungerblümchen, wie die Cherlerie, hervor, während zwiſchen zerbröckeltem Geſtein eine Grasart (Poa laxa) kümmer⸗ lich hervorbricht, aber vergebens ſich beſtrebt, gleich ſeinen Familiengenoſſen des tiefer liegen— den Landes, den Boden mit einer grünenden Raſendecke zu überkleiden. Dieſe ſämmtlichen Blüthenpflanzen ſind in den rhätiſchen Alpen auf Firneninſeln, welche von 10,000 F. bis 10,700 F. ü. M. liegen, gefunden worden. Tiefer nach unten, von 10,000 F. bis 9000 F. ü. M. hinab, wird die Pflanzenwelt dieſer Firneninſeln ſchon reicher, und namentlich treten die Blüthenpflanzen nicht nur in mannigfaltigeren Formen, ſondern auch in größerer Individuenzahl uns entgegen. Alle obengenannten Gewächſe finden ſich auch hier; es treten aber in den rhätiſchen Alpen noch 50 neue hinzu, ſo daß hier die Flora aus etwa 60 Arten beſteht, welche zu 19 verſchiedenen Familien gehören. Die mit kopfförmigen Blüthen, die ſteinbrechartigen, kreuzblüthigen, die Gräſer, die Hornkräuter, die primeln— artigen und Roſaceen geben zu dieſer Flora die meiſten Arten; einige Steinbrecharten und die Androsace pennina ſind aber auf den Urgebirgsalpen, Steinbrecharten und einige Kreuz— blüther auf den Kalkalpen am allgemeinſten verbreitet. Verfolgen wir die Pflanzenwelt weiter bis zu 8500 F. ü. M. herunter, werden wir alle Gewächſe, die höher oben leben, auch hier wiederſehen, dazu aber noch 46 Arten, welche bis jetzt nicht über 9000 F. gefunden wurden. Die Flora der Schneeregion, alſo der Gebirgsgegenden, welche von der oberen Gränze des Pflanzenwuchſes bis zu 8500 F. ü. M. hinab ſich erſtrecken, beſteht demnach in den rhä— tiſchen Alpen noch aus 105 Blüthen-Pflanzenarten, welche auf 23 Familien ſich vertheilen. Auch dieſe ſo hoch gelegenen Gegenden, die man ſich gewöhnlich als gänzlich dem Schnee und Eis verfallen denkt, bieten daher noch einer ziemlich mannigfaltigen Pflanzenwelt die Lebens— bedingungen dar. Es ſind dies ſämmtlich ausdauernde (perennirende) Gewächſe, denn einjährige oder ſogenannte Sommergewächſe können hier nicht mehr leben, da zu oft Störungen in der Samenbildung vorkommen; die Mehrzahl hat zierliche, viele herrlich ſchön gefärbte Blüthen; die meiſten bilden mehr oder weniger große Raſen, die oft weit hin das Geſtein überkleiden. Alle ſind klein und breiten ihre Blätter, manche auch ihre Stengel, über die Erde aus; ja die zwei ſtrauchartigen Pflanzen, welche bis zu dieſen Höhen ſich verſteigen, verſtecken ihre Stämme und Aeſte faſt ganz in die Erde, um in dieſer Schutz gegen die Unbill des Klimas zu finden. Es ſind Weidenarten, welche an die Gränze der holzartigen Gewächſe geſtellt ſind 3 und fo auch der Schneeregion die Buſchform zu geben ſuchen; kaum vermögen fie aber ihre Stengel und Aeſte ein paar Zoll hoch über die Erde zu treiben, ſo daß der Wanderer mühe— los über dieſe nivalen Geſträuche wegſchreitet.“) Selten werden wir auf den Schneewüſten unſerer Alpen eine Inſel beſuchen, ohne auf derſelben wenigſtens einige Spuren pflanzlichen Lebens zu finden, nach Thieren dagegen wer— den wir uns meiſtens vergebens umſehen. Das thieriſche Leben iſt ſchon complieirter, als das pflanzliche und an mannigfaltigere Bedingungen geknüpft, es hört daher früher auf und ver— mag in dieſer oberſten Gletſcherregion nur einige wenigen Formen zu zeugen. Zu den Thieren dieſer Region rechnen wir übrigens diejenigen nicht, welche nur durch Zufall in dieſelbe hinaufgetrieben wurden, ſondern nur diejenigen, welche aller Wahrſcheinlichkeit nach da— ſelbſt ihren dauernden Wohnſitz aufgeſchlagen haben. Durch den Wind werden nicht ſelten geflügelte Thiere, namentlich Schmetterlinge und Florfliegen, aber auch Käfer und Fliegen aus dem Tieflande bis in die oberſten Alpen hinaufgetrieben und finden, auf die Schneefelder ver— ſchlagen, da ihren Tod. Jeder, der unſere Gletſcher und Firnen bewandert hat, hat gewiß auf denſelben ſolche, ihrer Heimath entführten, erfrorenen Thierchen geſehen. Erwähnens— werth iſt aber, daß Zumſtein am Mt. Roſa noch bei 13,900 F. ü. M. ein dem Perlmutter⸗ ſchmetterling ähnliches Thier (wahrſcheinlich Argynnis Pales) halb erſtarrt auf dem Schnee fand, ja ſelbſt auf der Zumſteinſpitze, 14,022 F. ü. M., einem der höchſten Hörner des Mt. Roſa, ſah er einige todte Mücken auf dem Schnee, während ein roth gefärbter Schmet— terling über denſelben wegflatterte; bekannt iſt ferner, daß der ſel. von Dürler auf der ober— ſten Spitze des Tödi (1,144 F. ü. M.) einen weißen Schmetterling fand. Auf gleiche Weiſe, wie dieſe Schmetterlinge, werden auch Blätter zuweilen bis über die höchſten Alpen weggetrieben, ſo fand z. B. Arn. Eſcher von der Linth ein Kaſtanienblatt auf den Gletſchern des Zoporthornes, welches über die höchſten Felſengräthe, aus der italieniſchen Schweiz, herüber— getragen ſein mußte. Jene aus der Tiefe heraufgewehten Thiere ſind alſo für die Schnee— region Fremdlinge, welche auf dem Eiſe untergehen, oder wenn ſie ein glücklicher Zufall auf eine Gletſcherinſel bringt, dort dem rauhen Klima bald erliegen müſſen. Andere Thiere Eom- men wohl freiwillig in dieſe Hochlande, allein ihre wahre Heimath iſt nicht da, ſie ſind nur vorübergehende Gäſte, ſo die Gemſe, welche indeſſen nur ſelten, und wohl nur von Jägern gedrängt, in dieſe höchſten Regionen hinaufkömmt, der Alpenrabe, von dem zuweilen ein— zelne Trupps die höchſten Felſengräthe beſuchen, während der Lämmergeier nur vereinzelt und wohl höchſt ſelten bis in ſolche Höhen hinaufkreiſt. Zuweilen werden die Vögel, ähnlich wie jene früher erwähnten Schmetterlinge, in die Eiswüſten der Hochgebirge verſchlagen Eine dieſer hochalpigen Weiden ſtellt Fig. 12 unſerer Tafel dar. U 5 6 5 und finden da ihren Tod, ſo ſah ich am Bernina nach ſtundenlangen Wanderungen auf den Paludgletſchern, auf einer kleinen Firneninſel, bei 11,000 F. ü. M., einen todten und ganz ausgetrockneten Schneefinken. Ob die Schneemaus und die rothbauchige Eidechse, die in den Alpen nicht ſelten ange— troffen werden, in der Schneeregion das ganze Jahr hindurch wohnen, oder aber da nur vor— übergehende Gäſte ſind, läßt ſich gegenwärtig nicht entſcheiden. Geſehen wurde die Schnee— maus fogar auf dem Felſen des Grand Mulet am Montblanc, bei 10,640 F. ü. M., auf einer Firneninſel, und wie Hugi angiebt, am Finſterahorn gar bei 12,000 F. ü. M. Dieſe Thiere verbringen, wie es ſcheint, den Winter im wachen Zuſtande in der Erde und leben von Pflanzenſtoffen; in ſolchen Höhen würden ſie aber unmöglich genügſam Nahrung finden, um für den ganzen Winter ſich damit verſehen zu können. Sehr wahrſcheinlich wohnen ſie daher den Winter über tiefer unten in den Alpen und ziehen nur für den hohen Sommer auf die höchſten Bergkämme hinauf. Wir ſchreiben demnach den Schneemäuſen eine ähnliche Verlegung ihrer Wohnungen zu, wie ſie bei den Murmelthieren vorkommt, welche gewöhn— lich in der Region der Alpenweiden überwintern, im Sommer aber öfter ihre Wohnungen in die höheren Regionen, ſogar bis zu 8000 F. ü. M., verlegen.“) Auch die rothbauchige Eidechſe (Zootoca pyrrhogastra) möchte wohl kaum als Thier der Schneeregion aufzuführen ſein. Sie wurde zwar auf dem Umbrail, auf einem von Firnen umgebenen, 9129 F. ü. M. gelegenen Felſenkamm gefunden; aber ſo ſchwer es auch iſt, zu begreifen, wie ein Thier der Art ſo große Wanderungen, ſelbſt über Schneefelder, zu unternehmen fähig iſt, ſo möchten wir dies doch noch wahrſcheinlicher finden, als einen dauernden Aufenthalt in ſolcher Höhe, denn auf jener Firneninſel haben wir, trotz langen Suchens, außer der Eidechſe kein anderes Thier, als die Schneemilbe (den Rhyncholophus nivalis) finden können. Von Thieren, die aller Wahrſcheinlichkeit nach das ganze Jahr in der Schneeregion zu— bringen, ſind bis jetzt 32 Arten beobachtet worden. 18 Arten gehören zu den Inſekten, 13 zu den Spinnenthieren, eine Art zu den Schnecken. Dieſe, wie ſämmtliche Inſekten, gehen nicht über 9000 F. ü. M., während dagegen von Spinnenthieren 5 Arten noch von 9000 bis 10,000 F. ü. M. leben, ja eine Art ſogar auf der oberſten Spitze des Piz Linard (10,700 F. ü. M.) ſich vorfand. Es bildet dieſes Thier, wie es ſcheint, die Gränze alles thieriſchen Lebens in unſeren Alpen. Es iſt eine Weberknechtſpinne, oder wie man ſie hier nennt, ein *) Eine ausführliche Beſchreibung der Sommer- und Winterwohnungen (letztere werden im Glarner- land Schübene genannt) der Mürmelthiere findet man in unſerm Neujahrsblatt vom J. 1808, S. 3. Die daſelbſt vorkommende Angabe, daß die viel künſtlicher gebauten und geräumigeren Winterwohnungen gewöhnlich in einer tieferen Berggegend liegen, als die Sommerwohnungen, iſt auch durch ſpätere treue Beobachter beſtätigt worden. ie Fe Zimmermann (Opilio glacialis), welche nur an die höheren Alpen ſich hält und nirgends unter 7000 F. ü. M. hinabſteigt; neben dieſer finden wir auf den Firneninſeln über 9000 F. ü. M. eine zierliche rothe Milbe (Rhyncholophus nivalis), die, in kleinen Geſellſchaften unter Steinen lebt, und drei eigentliche Spinnen (Lycosa blanda var., Melanophora oblonga und Textrix torpida). Weiter nach unten, von 9000 F. bis 8500 F. ü. M. hinab, treten zu dieſen noch 4 Weberknechtſpinnen und 4 eigentliche Spinnen, 13 Käferarten, 3 Schmetterlinge, eine Holzlaus, eine Schlupfweſpe und eine Schnecke (Vitrina diaphana). Die zwei letzt genannten Thiere ſcheinen nur den unterſten Theil unſerer Region zu berühren, indem ſie am höchſten auf der Scaradra (8550 F. ü. M.) geſehen wurden, während die Holzlaus noch auf der oberſten Spitze des hinteren Glärniſch (8880 F. ü. M.), die Käfer an ſehr verſchiedenen Stellen, und der Mehrzahl nach bis zu ſelber Höhe. Die Mehrzahl dieſer Thiere der Schneeregion find kleine, flügelloſe Geſchöpfe, welche daher keine weiten Wanderungen unternehmen und jedenfalls, wenigſtens die flügelloſen, nicht über den Schnee und Eis wegkommen können. Von Schmetterlingen haben wir nicht nur die ausgewachſenen Thiere, ſondern auch die Raupen, von ein paar Arten, noch in dieſen Höhen geſehen. Ueberall, wo wir dieſe Thiere daher auf Firneninſeln antreffen, müſſen fie, wenigſtens die flügelloſen Arten, ſo lange daſelbſt ihre Wohnung aufgeſchlagen haben, als die dortigen Firnen beſtehen. Doch wir fragen nun weiter, wie iſt auf ſolchen Localitäten, die nur auf kurze Zeit der Winter verläßt, noch pflanzliches, ja ſelbſt thieriſches Leben möglich? Aus den Beobachtun— gen, welche auf dem Faulhorn (8263 F. ü. M.) angeſtellt wurden, ergiebt ſich, daß ſelbes eine mittlere Jahrestemperatur von — 2,33 C. hat, der Juni eine mittlere Temperatur von + 2,50, Juli von +4, Auguſt + 3,50, September + 1,5 C., der Boden aber bei 18%⅝300 Mtr. Tiefe + 2,60 C. In einer Höhe von 10,000 F. ü. M. wird daher die mittlere Jahrestem— peratur wenigſtens auf — 6° C. herabſinken und die Oberfläche des Bodens nur auf ſehr kurze Zeit entfrieren, wie ſie ja auch auf den Firneninſeln nur auf kurze Zeit vom Schnee befreit wird. Daß Flechten und Mooſe unter ſolchen Bedingungen noch leben können, darf uns nicht befremden, ſind ja dieſe Gewächſe auch im Tieflande mitten im Winter noch friſch und lebenskräftig und in ihren Lebensbedürfniſſen ſo genügſam, daß Luft und Waſſer zu ihrer Ernährung hinreichen. Die Flechten, welche die ſteilen Felſenwände unſerer Hochalpen, an denen ſich kein Schnee anſetzen kann, bewohnen, werden, wie die Sonne die Felſen beſcheint und das Waſſer aufthaut, ihren Lebensproceß fortſetzen können. Schon ſchwerer wird uns zu erklären, wie Blüthenpflanzen in ſolch unwirthlichen Gegenden der Kälte und Eis zu wie— derſtehen vermögen. Es ſind dies aber alles Pflanzen, welche ihre Entwickelung ſo raſch durchlaufen, daß einige Wochen zum Austreiben ihrer Blätter, Blüthen und Früchte genügen, daher ſie, ins Tiefland verſetzt, gleich nach Wegſchmelzen des Schnees ihre Blüthen treiben, . dann aber durch die lange Dauer der warmen Jahreszeit, welche ihre Kraft erſchöpft, getödtet werden; ſie ſind ferner gegen die Fröſte ſo wenig empfindlich, daß, wenn ſie auch mitten in der Blüthenperiode von Froſt überfallen werden und zufrieren, ſie doch, aufgethaut, wieder fröhlich fortblühen, wie dies namentlich bei den Pflanzen beobachtet wurde, welche wir, als die oberſte Gränze der Blüthenpflanzen bildend, bezeichnet haben. Ueberdies gehen dieſe Pflanzen, wenn fie auch an der Bildung der Blüthen und Früchte gehindert werden, darum nicht aus, da alle Gewächſe der höheren Alpen perennirend ſind, und oft genug mag der Winter für ſie kommen, ehe ſie ihre Früchte gereift haben, ja zuweilen mag wohl der Frühling für ſie ganz ausbleiben, ſo daß ihr Leben für ein paar Jahre lang von Schnee und Froſt gebunden iſt, ohne daß fie darum abſterben. In den Jah— ren 1818 und 1819 ſind zwar allerdings in unſeren höheren Alpen an vielen Stellen die Raſen todt zum Vorſchein gekommen, als der Schnee, mit dem ſie eine Reihe von Jahren bedeckt waren, wegſchmolz; allein auf der anderen Seite hat man beobachtet, daß auch tiefer unten in den Alpen zuweilen Pflanzen während mehreren Jahren unter dem Eiſe ihr Leben zu er— halten vermögen. Auch die Thiere, welche dieſe hochgelegenen Lande bewohnen, müſſen ſolche große Lebenszähigkeit beſitzen und auch ſie müſſen wohl zuweilen einen mehrjährigen Winter— ſchlaf zu ertragen vermögen, da in kalten und naſſen Sommern jene Firneninſeln nie auf— thauen. Am räthſelhafteſten muß bei dieſen Thieren ihre Entwicklung bleiben. Alle Käfer kriechen als kleine Würmchen aus dem Ei, leben eine Zeitlang in dieſem Zuſtande, verwan— deln ſich dann in Puppen, aus welchen die Käfer hervorgehen. Da es nicht denkbar iſt, daß ſie während einigen Wochen dieſe ganze Entwicklung durchlaufen können, müſſen ſie wohl als Würmchen überwintern. Sie verharren vielleicht während 11 Monaten in einem winterſchlaf— artigen Zuſtande, um dann im künftigen Jahre während eines Monates die frühere Ent— wicklung fortzuſetzen, welche wahrſcheinlich mehrere Jahre dauert; auch ausgewachſen, ſcheinen ſie mehrere Jahre zu leben, wenigſtens überwintern viele in dieſem Zuſtande, indem wir nicht ſelten unter Steinen, um welche eben erſt der Schnee aufzuthauen beginnt, ausgebildete Käfer antreffen. Wahrſcheinlich verbringen daher dieſe Thiere ½ des Jahres in Erſtarrung und da ihr wacher Zuſtand in jedem Jahrescyelus nur fo kurze Zeit dauert, dehnt ſich ihr Leben auf eine größere Reihe von Jahren aus. Lebt auch ſolch ein Gletſcherthier 6 bis 8 Jahre, iſt ſeinem wachen Leben doch nicht mehr Zeit zugetheilt, wie demjenigen Inſekt des Tief— landes, welches in 6 bis 8 Monaten feinen Lebenscyelus durchläuft. Da der Lebensproceß hier daher ſo ſehr verzögert wird, brauchen dieſe Thiere nur wenige Nahrung, und in der That muß es uns räthſelhaft erſcheinen, woher ſie ſelbe nehmen. Von jenen 32 Schneethieren ſind 24 Raubthiere, welche von anderen Thieren ſich nähren. Wenn auch die Mehrzahl der— ſelben, nämlich ſämmtliche Spinnenthiere, ſich unter einander bekriegen, iſt es doch nicht wahrſcheinlich, daß ſie nur auf die eigene Ordnung angewieſen ſeien; noch weniger iſt dies 9 9 3 bei den Inſekten der Fall. Es müſſen daher wohl die Thierchen, welche zufällig aus den tieferen Regionen in dieſes Schneeland verſchlagen werden, ihnen mit zur Nahrung dienen, da jene früher erwähnte Schnecke, über 8000 F. ü. M., nur höchſt ſelten vorkommt, ſelten auch überhaupt alle von Pflanzen lebenden Thiere. Da auch in Mitte des Sommers die Nächte in den höheren Alpen froſtig und kalt ſind und nur durch die Sonnenſtrahlen die Luft ſich erwärmt, muß es ſehr auffallen, daß von den Spinnen 5 Arten, nämlich die Weber— knechtſpinnen, zu den nächtlichen Thieren gehören, welche nur des Nachts auf Raub ausgehen und unter dieſen auch die Art, welche am häufigſten auf Firneninſeln vorkommt und an die oberſte Gränze thieriſchen Lebens geſtellt iſt. 1 Vergleichen wir die Pflanzen und Thiere dieſer Hochgebirge mit denjenigen des tiefer unten liegenden Landes, wird uns zunächſt auffallen, daß ſie zwar nicht verſchieden ſind von denjenigen, welche die zunächſt folgenden Alpenregionen bewohnen, großentheils verſchieden dagegen von denen des Tieflandes. Das Klima derſelben iſt ſo ganz anders, als in der ebneren Schweiz, daß der Schöpfer für daſſelbe größtentheils andere Thiere und Pflanzen ſchaffen mußte, da er nur wenige ſo organiſirt hat, daß ſie allen Klimaten zu trotzen ver— mögen. Eine je niedrigere Stufe übrigens die Pflanzen und die Thiere einnehmen, deſto mehr iſt dies der Fall; je höher ſie organiſirt ſind, deſto mehr mußten die Formen umgebildet werden, um ſie dem Klima anzupaſſen; ſo ſind z. B. von den Mooſen, welche noch die Schnee— region der Glaneralpen bewohnen, Ys nicht verſchieden von denen unſerer Ebenen, und von den Flechten ſogar /. Mehrere Arten, die hier unten an Felſen und Steinen kleben, treten uns noch auf den höchſten Bergſpitzen entgegen, ſo z. B. die Parmelia murorum miniata noch auf der Spitze des Kärpfſtockes, ja ſelbſt der Jungfrau und des Finſterahorns, die Parmelia deeipiens und P. Ehrhardtiana auf den oberſten Felſen des Hintern-Glärniſch, und die Parm polytropa Sch. ſogar auf der Spitze des Montblanc. Ganz anders verhält ſich die Sache bei den Blüthenpflanzen, ſchon über der Bäumgränze ſind die größere Zahl von Ebenenpflanzen verſchwunden, und es überwiegen durchaus die Alpenformen; wenn auch einzelne Arten bis zu 8000 F. ü. M. hinaufreichen; ſo ſind doch aus der Flora der Schneeregion alle, bis auf ein paar Arten, verſchwunden; ſie iſt faſt ganz nur aus alpinen Formen zuſammengeſetzt; ja es beſchränkt ſich die Umwandlung nicht allein auf die Arten, ſondern dehnt ſich ſelbſt auf die Gattungen aus, deren mehrere nur die Alpen bewohnen. Manche von jenen alpinen Formen ſtehen indeſſen ſolchen des Tieflandes ſo nahe, daß ſie wohl nur durch das Alpenklima umge— wandelte Ebenenpflanzen ſein möchten. Dies mag etwa mit 14 Arten der Schneeregion der Fall ſein, immerhin machen aber dieſe nur einen kleinen Theil der Geſammtzahl aus. Wie bei den Pflanzen, ſo geht auch bei den Thieren bei den unteren Klaſſen nur eine langſame, bei den oberen dagegen eine viel raſchere Veränderung der Formen, nach den Alpen zu, vor ſich, und wie bei ihnen beſchränkt ſich bei den niedriger organiſirten die Umwandlung nur 2 1 auf die Arten, während ſie bei den Wirbelthieren theilweiſe auch die Gattungen ergreift. Von dieſen Wirbelthieren wohnen wohl keine mehr das ganze Jahr hindurch in der Schnee— region, wir finden nur noch Gliederthiere und ein Weichthier; von erſteren gehören, bis auf eine Art, alle Inſekten den Alpen an, während dagegen von den Spinnen 3 auch im Tief— lande wohnen, wo auch jenes Weichthier zu Hauſe iſt, daſelbſt aber nur im Spätherbſt und Winter zum Vorſchein kommt. Da 3/, der Thiere der Schneeregion nicht von Pflanzenſtoffen leben, ſteht die Mehrzahl in keiner näheren Beziehung zur Pflanzenwelt ihrer Umgebung, nur etwa inſofern, als fie ihnen zum Anterkommen dient. Dieſe Gewächſe ſind daher nur zur Ernährung von ſehr wenigen Thieren beſtimmt, die Mehrzahl der dort wohnenden Thiere aber zu ihrer Beſchützung. In dem Tieflande hat die Pflanzenwelt in üppiger Fülle ſich entfaltet und bietet Millionen und Millionen von Thieren reichliche Nahrung dar; in den höheren Alpen dagegen ſtehen der Entwicklung der Pflanzen ſo große Hinderniſſe entgegen, daß daſelbſt die Pflanzenwelt keine große Zahl von Thieren zu ertragen vermöchte. Es nehmen daher die Thiere nach den Höhen viel raſcher ab, als die Pflanzen, und nur einer geringen Zahl hat der Schöpfer die Hochlande zur Wohnung angewieſen. Von dieſen ſind überdies nur einer auch verhältnißmäßig weit kleineren Zahl, als im Tieflande, die Pflanzen zur Nahrung beſtimmt. Je höher wir in die Alpen hinaufkommen, deſto mehr herrſchen die Raubthiere vor, welche die der Pflanzenwelt ſchädlichen Arten vermindern ſollen, alſo dieſe Hüter und Beſchützer des Gewächsreiches. Nach dem Plane des Schöpfers ſoll die Vegetation auch die Alpenwelt überkleiden, auch über fie einen bunten Blüthenteppich ziehen; da fie aber hier mit fo großen klimatiſchen Hemm— niſſen zu kämpfen hat, wurde fie großentheils von den ihr ſchädlichen Thieren verſchont und diejenigen, welche noch vorkommen, werden ſo ſehr von Raubinſekten, welche ihnen zur Seite geſtellt wurden, in Schranken gehalten, daß wir auch in den unteren Alpengegenden niemals von bedeutenden Inſekten- oder Schneckenverheerungen was hören, die doch im Tieflande alljährlich wiederkehren. In der Schneeregion ſind aber vollends, wie es ſcheint, die pflanzen— freſſenden Thiere, bis auf einige wenige Formen, verſchwunden, die zudem nur in geringer Individuenzahl auftreten. Alle Blüthenpflanzen und weit die Mehrzahl der Thiere der Schneeregion gehen alſo nicht bis an den Fuß der Berge, nicht bis in die Thäler und Ebenen hinab, ſondern halten ſich nur an die Alpen; in dieſen ſind aber dieſelben weit verbreitet, da in dem höheren Ge— birge eine viel größere Gleichartigkeit der Natur ſich offenbart, als im Tieflande. Vergleichen wir z. B. die Gebirge unſerer nördlichen Schweiz mit denjenigen der ſüdlichen, ſo werden wir am Fuße derſelben in Pflanzen- und Thierwelt große Verſchiedenheit wahrnehmen, je höher wir aber hinaufſteigen, deſto mehr verſchwindet das Ungleichartige, bis endlich in der oberſten Region eine faſt völlige Uebereinſtimmung der geſammten Natur eintritt; jo finden . ſich z. B. alle Pflanzen, welche der Kanton Glarus in ſeiner Schneeregion beherbergt, auch in derſelben Region Bündens, während doch die tieferen Gegenden des Landes manche Pflan— zen beſitzen, die dort fehlen; ebenſo ſind jene Gletſcherſpinne und Schneemilbe im Kanton Glarus, wie im Kanton Bünden den höchſten Regionen zugewieſen. Der Hauptunterſchied der Natur dieſer verſchiedenen Gebirgszüge in ihren oberſten Kämmen liegt nicht in der Verſchiedenheit der ſie bewohnenden Weſen, ſondern in den Höhenunterſchieden ihres Vorkommens. In den nördlichen Alpen erſtirbt das Leben viel früher, als in den ſüdlichen, wie ja auch die Schnee— decke in erſteren viel tiefer hinabreicht; daher haben die gleich hohen Punkte weniger Pflan— zen und weniger Thiere. Während wir aus der Schneeregion der ſüdlichen Alpen 105 Blüthen— pflanzen kennen, konnten wir bis jetzt in gleichen Höhen im Kanton Glarus nur 24 auffinden; während ſich dort Ein Thier ſogar bis zu 10,700 F. ü. M. hinauf verſteigt, haben wir auf dem Hausſtock (9770) lange, aber vergebens uns nach Thieren umgeſehen und das letzte auf dem Hintern-Glärnifh (8880 F. ü. M.) gefunden. Dieſe Gleichartigkeit der Natur in allen unſeren Hochgebirgen, dieſe nach oben zu wachſende Zuſammenſtimmung findet nicht nur in unſeren Gebirgen Statt, ſondern dehnt ſich auch auf diejenigen fernliegender Lande aus. Die Pflanzenwelt am Fuße der Pyrenäen hat einen ganz anderen Charakter, als die— jenige unſerer Gegenden, auf den höheren Bergſpitzen treten aber wieder unſere Pflanzen— formen, ja theilweiſe unſere Alpenarten hervor, und gerade ſo verhält es ſich am Caucaſus; es finden ſich ſelbſt auf den armeniſchen und ſibiriſchen Alpen, ja ſelbſt dem Himalaja eine Zahl von Pflanzenarten, welche mit denen unſerer Gebirge übereinſtimmen. Hier ſpricht ſich daher dieſe Tendenz zu Bildung gleichartiger Formen in den Hochalpen ſogar durch gleiche Arten aus, während in den Gebirgen der neuen Welt wenigſtens durch Bildung gleicher Gat— tungen. Wie die Verſchiedenheit der Natur von den Bergſpitzen nach dem Tieflande hin zu— nimmt, fo auch vom Norden nach Süden. Im hohen Norden leben zum großen Theil die- ſelben Pflanzen in Amerika, Europa und Aſien, während nach dem Süden zu die Natur dieſer Länder ſo ſehr auseinander geht. Der hohe Norden entſpricht alſo unſeren höheren Alpen, und in der That findet zwiſchen ihnen hinſichtlich der Pflanzen- und Thierwelt eine überraſchende Uebereinſtimmung Statt. Von den Blüthenpflanzen unſerer Schneeregion leben eine nicht geringe Zahl an der Baffins-Bay, in Grönland, Labrador, Spitzbergen, den Mellwilleinſeln u. ſ. w., und etwa ein Dutzend am Meeresufer der hochnordiſchen Lande um den ganzen Pol herum. Von den Thieren der Schneeregion, welche den Alpen eigenthümlich ſind, ſind freilich bis jetzt noch keine im hohen Norden beobachtet worden, faſt alle waren bis jetzt unbekannt, mehrere möchten aber wohl auch noch dort aufgefunden werden, da von In— ſekten unſerer Alpen ſo manche Arten auch Lappland und das nördlichſte Rußland bewohnen. Da der Schöpfer unſere Alpen zum Theil mit denſelben Pflanzen bekleidet hat, wie die hochnordiſchen Ebenen, zum Theil auch durch die gleichen Thiere belebt, iſt die Frage von — 11 vielfachem Intereſſe, ob bei den Thieren die gleiche Nahrung dieſelben Formen bedinge, ob alſo, wo dieſelben Thierarten im Norden und in unſeren Alpen ſich finden, ihre Nährpflanzen beiden Landen angehören, und wo die Thierarten verſchieden ſind, dies auch bei den Gewäch— ſen, auf denen ſie leben, der Fall ſei. Leider iſt die Raturgeſchichte der nordiſchen, wie der alpinen Thiere noch zu wenig bekannt, um dieſe Frage auf eine genügende Weiſe zu beant- worten. Das läßt ſich indeſſen ſchon jetzt nachweiſen, daß hier wie dort, in manchen Fällen wenigſtens, dieſelben Thiere den gleichen Pflanzen entſprechen; ſo finden wir, um nur ein Beiſpiel anzuführen, mehrere Blattkäfer (wie Chrysomela collaris, alpina, affınis) in Lapp⸗ land auf zwerghaften Weidenarten, dieſe leben auch in unſern Alpen und auf denſelben Weidenarten; umgekehrt ſchmücken unſere unteren Alpen verſchiedene prachtvoll gefärbte Chrysomelen und ſind ihnen, im Vergleich mit dem Norden, eigenthümlich (ſo die Chrysomela alpicola und C. tristis), welche auf dem Petasites leben, der dem Norden fehlt; allein auf der anderen Seite dürfen wir nicht verhehlen, daß dem hohen Norden wie unſeren Alpen manche eigenthümliche Arten zugetheilt ſind, welche auf Pflanzen leben, die dort wie hier ſich finden. Es iſt wohl unzweifelhaft, daß die Pflanzen- und Thierſchöpfung aller Lande mit einander harmoniren; allein weder die Pflanzenwelt kann allein die Thierſchöpfung bedingen, noch das Thierreich die Pflanzen. Beide Reiche werden von Einer unſichtbaren und unfaßbaren Hand getragen, die in manchen Fällen für die gleiche Pflanze überall dieſelben Thiere geſchaffen, oder auch nur analoge, oder auch ganz verſchiedene Formen, und uns immer wieder aufs neue zu Gemüthe führt, daß die Natur wohl unendlich reich und mannigfaltig, daß aber ihr inne- res Walten in tiefes Dunkel gehüllt ſei und es wohl dem Sterblichen nie verliehen wird, die Schöpfungsgedanken Gottes zu erfaſſen, die dieſes wunderſame Leben geſchaffen, das in un— zähligen Formen zerſplittert ſcheint, ſich aber dem geweihten Auge zu einem ſtaunenswerthen harmoniſchen Ganzen vereint! Defchreibung der abgebildeten Gegenſtände. Es ſtellt unſere Tafel eine neue Pflanze und neue Thierarten unſerer Hochalpen dar; die in Fig. 1, 2, 3, 4, 7, 8, 9 und 10 abgebildeten Arten bewohnen die Schnee⸗ region, die übrigen das zunächſt an dieſe angränzende Alpengebiet. Fig. 1. Rhyncholophus nivalis Hr.: oval, hinten ganz zugerundet, ziegelroth, mit blaßgelben, langen, dünnen, eylindrifhen Beinen. Länge 1%, Lin. Breite / Lin. Körper vorn zugeſpitzt, oval, wo das zweite Beinpaar befeſtigt iſt, etwas ausgerandet, ebenſo wo das dritte und vierte Beinpaar mit einer ſchwach geſchweiften Einſchnürung; nach hinten ſich zurundend; Oberſeite mit feinen Härchen bekleidet; Unterſeite braun mit 4 kreuz⸗ weiſe geſtellten, gelbrothen Flecken. Beine fadenförmig, die beiden hinteren etwas länger als die zwei vorderen, das dritte Paar etwa ſo lang wie der Körper, das vierte etwas länger; die erſten zwei Glieder kurz, die folgenden lang, drehrund; bei den zwei erſten alle Glieder bis zum letzten mit braunen Börſtchen beſetzt, das letzte aber ganz dicht, bürſtenartig, mit äußerſt feinen kleinen Härchen bekleidet; die übrigen Beine ziemlich gleichmäßig borſtenhaarig; das letzte Glied bei allen etwas erweitert und außen mit zwei äußerſt kleinen Klauen verſehen. — Lebend hell ziegelroth, in Weingeiſt aufbewahrt dunkelbraun mit gelbrothen Beinen, Taſtern und drei gelbrothen Flecken, einen in der Mitte des Körpers und einen zu jeder Seite; ge⸗ trocknet Beine und Taſter weißgelb, Leib ſchwärzlich, ganz runzlicht, mit weißen Flecken in der Mitte, die Haut weiß. Gehört in die zweite Abtheilung der Gattung Rhyncholophus und ſteht dem Rh. regalis Koch. am nächſten. Dieſe zierliche Milbe lebt geſellig unter Steinen in unſeren höchſten Alpen. Sie wurde gefunden auf dem Bündnerberg, im Kanton Glarus, auf der oberſten Spitze des P. Levarone, im Engadin (9580 F.) und auf der Spitze des Umbrail 9100 F. ü. M. Fig. 2. Opilio glacialis Hr.: hellgrau, auf dem Rücken mit einem gelblicht grauen, leierförmigen Flecken; Seiten des Leibes grauweiß; Bauch gelblicht weiß; Beine hellgelblicht; vor jedem Gelenke mit einem breiten ſchwarzbraunen Fleck. Länge 3 bis 3½ Lin.; Breite 1%, Lin.; erſtes Beinpaar 8 Lin., zweites 14 Lin., drittes 8½ Lin. und viertes 11 Lin. lang. 8 Leib oval; erſter Leibring grauweiß; Augenhügel ziemlich hoch, hinter demſelben zwei etwas hervorſtehende, braune, ſehr ſchmale Kanten; Rückenfleck groß, auf der vorderen Leib— hälfte rundlicht und dort mit dunkleren Gränzlinien, zwei hellere Querſtreifen, die zwiſchen den braunen Kanten vorlaufen, umfaſſend, auf der hinteren Leibhälfte ausgezackt und ſammt— artig, dunkel gelbgrau, in mehreren Nuancen, Leibſeiten hell grauweiß, mit einzelnen dunkle⸗ ren Flecken. Beine alle ſehr lang und dünn; die letzten zwei ſehr dünnen, haarförmigen Glieder dunkelbräunlich, die übrigen ſchön ſchwarz geringelt, ebenſo auch die Taſter; die erſten drei Glieder der vorderſten Beine ſind dicker, als die entſprechenden der hinteren Beine. — Das Männchen iſt etwas kleiner als das Weibchen, der warzenartige Anhangſel des Taſters, wie die zwei folgenden Glieder ſind dicht bebartet, haarbürſtenartig; die erſten Glieder mit ſtarken Dornen bewaffnet. Iſt, wie es ſcheint, durch die ganze Alpenwelt verbreitet und geht von allen Spinnen am höchſten; ſie bewohnt eine Höhenzone von 7000 F. bis 10,700 F. ü. M.; gefunden wurde fie in Glaneralpen, z. B. dem Panixerpaß; am Gotthard, fo am St. Anna-Gletſcher; in den Bündneralpen, z. B. auf der La Greina, Scaradra, Levarone und auf der oberſten Spitze des Piz Linard (10,700 F.) im Unteren Engadin. Fig. 3. Lycosa blanda Koch. var. obscura Hr. Hat ganz die Geftalt der L. blanda, welche Koch in den Salzburger Alpen entdeckt hat, weicht aber durch die braunen Beine und die dunklere Färbung des Leibes von derſelben ab. Beine braun, ſtark behaart, die erſten Glieder mit dunkleren ſchwarzbraunen und hellen weißhaarigen Ringen, Wurzel der Beine und äußerſte Glieder viel heller braun; Rücken der Bruſt grau braunſchwarz, dicht behaart, mit einer helleren, weißlichen Längslinie über den Rücken; die Seiten des Bruſtrückens aber ohne weiße Streifen; Hinterleib dicht gelblicht, grau behaart, mit zwei unterbrochenen, vorn und hinten ſich vereinigenden ſchwarzen Längsſtreifen; die Parthie, welche von denſelben umfaßt wird, weiß behaart, auf der vorderen Seite derſelben zwei dunkelſchwarze Flecken. Länge 3 Linien. Iſt die häufigſte Spinne in unſeren höheren Alpen und findet ſich von 6000 F. bis 10,000 F. ü. M. Sie lebt in Erdlöchern und unter Steinen; die Weibchen ſchleppen große, weißgelbe Eiſäcke mit ſich herum. Sie erſcheint gleich nach dem Wegſchmelzen des Schnees und macht fo, kaum ſelbſt aus dem Winterſchlummer erwacht, auf die übrigen, vom Winter— ſchlaf ſich erhohlenden Thiere Jagd. Beobachtet habe ich fie in den Glarner, Urner, Walliſer und Bündner Alpen. Wahrſcheinlich gehört die Erdſpinne, die Baron von Velden ), als am Mt. Roſa bei 9300 F. ü. M. lebend und die Gränze des Thierreiches dort bildend, angiebt, hierher. ” Monographie des Mt. Roſa, S. 68. * Fig. 4. Mieryphantes Kochii Hr.: Beine, Taſter, Bruſt braunlich gelb, Leib hell graulich olivenfarben, dicht behaart. Länge 1¼ Lin. Kinnbacken groß, vorſtehend, hellgelb; Taſter ziemlich lang; der Bruſtrücken länger als breit, hinten gerade abgeſtutzt, vorn zugerundet, Seiten ebenfalls gerundet; er iſt bräunlich gelb; die Augen klein, glänzend ſchwarz; Hinterleib oval, ſehr ſtark gewölbt, breiter und be— deutend länger, als die Bruſt, hell graulich olivenfarben und dicht mit Haaren beſetzt; die vorderen zwei Beine länger, als die übrigen, ſie haben wenigſtens die Länge des ganzen Leibes, die hinteren zwei reichen gerade bis zur Spitze des Hinterleibes; Unterſeite gefärbt, wie die obere. Auf dem oberſten Grathe der Scaradra (8550 F. ü. M.) Dem Herrn Forſtrath C. L. Koch in Regensburg, welcher die Spinnenthiere auf fo ausgezeichnete Weiſe bearbeitet hat, gewidmet. Fig. 5. Macaria chlorophana Koch. in lit.: Bruſtrücken dunkel röthlichbraun, ein⸗ farbig; Hinterleib dunkelgrün, mit eigenthümlichem Goldglanz; Beine und Taſter rothgelb, das letzte Taſterglied dunkelbraun. Länge 2 Lin. Bruſtrücken oval, nach vorne zu etwas verſchmälert und dort ſtark gewölbt, vorn und hinten abgerundet, ganz glatt und kahl; die 8 Augen deutlich in 2 ſchwach gebogenen Reihen; Hinterleib ſo lang, aber kaum ſo breit, als der Bruſtrücken, länglich oval, gewölbt, dunkel— grün, ganz dicht mit kurzen feinen Härchen überdeckt, welche ihm einen eigenthümlichen grün⸗ goldenen Metallſchimmer geben; an der Seite ſchimmern die Haare regenbogenfarben; die Unterfeite des Hinterleibes ift vorn zu ½ braunſchwarz, zu % aber herrlich ſchön kupfer⸗ farben; die Beine lang und ſtark, die vorderen vier bedeutend länger, als die vier hinteren, ſie ſind länger als der Körper, während erſtere etwa von derſelben Länge ſind. Dieſe niedliche neue Spinne wurde auf dem Panixer-Paſſe, im Kanton Glarus, bei 7400 F. ü. M., gefunden. Sie lebt in Erdlöchern, unter Steinen. Man kennt 6 Arten von Macaria, von welchen allen ſie ſich leicht durch ihre Färbung unterſcheiden läßt. Fig. 6. Lithobius alpinus Hr.: Glänzend braun; Beine und Fühler weiß gelblicht; der zweite und dritte Rückenſchild bedeutend größer, als die übrigen, vier, fünf und ſechs un⸗ gefähr gleich groß, der ſiebente wieder länger; die Zwiſchenglieder deutlich hervortretend. Länge 4% Lin. Kopf kreisrund, glatt; jederſeits 12 ſehr kleine ſchwarze Augen, hinter den Fühlern; dieſe ſind verhältnißmäßig dick und dicht fein behaart; die Glieder ſind ſehr kurz und cylin⸗ driſch; die klauenförmigen Taſter (eigentlich das zweite Paar Bruſtfüße) ſtark und dick; das erſte Thoraxſegment ganz verborgen, das zweite als eine ſchmale Leiſte hinter dem Kopfe her⸗ vorſtehend, das dritte (das gewöhnlich als erſtes Leibſegment beſchrieben wird und den erſten Rückenſchild bildet) ſo breit wie lang und nach hinten etwas verſchmälert; Leibſegmente 14, er mim das erfte ſehr klein, als ſchmale Leiſte erſcheinend, das zweite und vierte lang, parallelo- grammiſch, doppelt fo lang, als das dritte Thoraxſegment, 6, 7 und 9 ziemlich gleich groß und faſt quadratiſch, hinten an den Ecken gerundet, das elfte bedeutend länger, doppelt ſo lang, nach hinten ſich etwas verſchmälernd und dort ausgebuchtet, das dreizehnte faſt eben ſo lang und nach hinten noch mehr verſchmälert, das Endſegment klein, hinten ſich zuſpitzend; die Segmente 1, 3, 5, 8, 10, 12 bilden ſogenannte Zwiſchenſegmente, ſie erſcheinen auf der oberen Leibſeite nur als ſchmale Leiſten zwiſchen den größeren Schildern, doch treten alle auch da deutlich hervor; zwiſchen dem ſechsten und ſiebenten Leibſegment iſt kein Zwiſchenſegment, daher auch kein Beinpaar; es bilden daher das letzte Segment des Thorax und das Segment 2, 4, 6, 7, 9, 11 und 13 des Hinterleibes die ſogenannten Rückenſchilder, deren wir daher 11 haben; alle dieſe ſind fein gerändert; unten ſind alle Leibglieder gleich lang; Beine ſind (die 2 Paar umgewandelte Beine an den verkümmerten Thoraxſegmenten nicht gerechnet) 15 Paare; ſie ſind behaart und mit feinen kleinen Klauen verſehen, ziemlich dick und ſind etwas länger als die doppelte Leibbreite; das letzte Paar (die Schleppbeine) iſt bedeutend länger, als die übrigen. Dem Lith. forficatus L. zwar ſehr ähnlich, aber viel kleiner, und die Leibſegmente ganz andere relative Größenverhältniſſe zeigend. Auf dem Panixerpaß (7400 F. ü. M.) und in den Bündneralpen. Fig. 7. Larve der Nebria Germari Hr. Fühler und Beine blaßgelb; Thorax und Kopf hellbraun, glänzend; Hinterleibsſegmente gelblich grau mit braunſchwarzen Schildern auf dem Rücken; Schwanzborſten lang, knotig, mit ſehr langen Borſten beſetzt. Ein paar, wohl ziemlich ausgewachſene, Exemplare 5 Lin. lang. Kopf von der Breite der Bruſt, ziemlich quadratiſch, doch mit abgerundeten Ecken, ſchwach behaart; Fühler viergliedrig, das dritte Glied das dickſte, das vierte ſehr ſchmal und klein, borſtenförmig, mit einigen ſehr langen Haaren beſetzt; Kinnbacken ſichelförmig gebogen, ſehr ſcharf, mit einem ſpitzigen ſcharfen Zahne; unterer Kinnladentaſter viergliedrig, die drei erſten Glieder kurz, verkehrt kegelförmig, das letzte das längſte, länglich oval, die inneren zweigliedrig; das erſte Segment des Vorderrückens etwas länger als breit, mit abgerundeten Ecken, das zweite und dritte breiter als lang, an den Seiten gerundet, die folgenden Seg— mente allmählich nach hinten zu ſich verſchmälernd, breiter als lang, das dritte an der Unter- ſeite mit einem kegelförmigen Schieber, an der hinteren Seite mit zwei ſehr langen Anhäng— ſeln, dieſe etwas warzig und mit wenigen, aber ſehr langen Borſten beſetzt; Beine mit einer eingliedrigen, aber langen, behaarten Tarſe und einem kurzen Schienbein. Ich ſah dieſe Larve an dem Paſſe vom Valſerthal nach der Zaportalp (dem Canal⸗ paß) in Geſellſchaft mit der Nebria Germari, zu welcher ſie ohne Zweifel gehört. a Fig. 8. Nebria Germari Hr.: ſchwarz oder kaſtanienbraun; Vorderrücken herzförmig, vorn am breiteſten, mit⸗ſcharfen Vorderecken, runzlich; Flügeldecken verkehrt länglich eiförmig, 2 Nr geſtreift, die Streifen nur ſehr fein punktirt; die Fühler und Beine find gewöhnlich roth— braun; ſelten Fuͤhler und Schenkel grauſchwarz, Schienheine braun. — Länge 4 bis 4½ Lin. In Glarner, Bündner und Walliſer Alpen bis zu 8600 F. ü. M. Man vergl. Hr. Fauna coleopterorum Helvetica I., S. 37. Fig. 9. Nebria Escheri Hr.: ſchwarz, Vorderrücken kurz, herzförmig, etwas vor der Mitte am breiteſten, glatt; Flügeldecken länglicht eiförmig, punktirt geſtreift; Fühler, Beine und Taſter rothbraun. — Länge 4 Lin. — Herrn Eſcher-Zollikofer gewidmet. Selten in Urner und Bündner Alpen bis zu 8700 F. ü. M. Fauna col. Helv. I. 7. Fig, 10. Nebria Chevrierii Hr.: braun, Vorderrücken ſchmal, fo lang wie breit, ſchwach herzförmig, etwas vor der Mitte am breiteſten; Flügeldecken länglicht oval, geherbt geſtreift; Taſter, Fühler und Beine blaß roſtfarben. Länge 3½ bis 4/, Lin. — Nach Herrn Chevrier in Genf benannt. Findet f ch vorzüglich auf den Alpen um die Quellen des hinteren Rheines, und da bis zu 8700 F. ü. M. — Man vergl. Fauna col. Helv. I. 37. Fig. 11. Chrysomela (Oreina) melancholica Hr.; länglich oval, kohlſchwarz, mit gelbrothem Hinterleibsrücken; Kopf, Bruſt und Flügeldecken nv tief runzlich punktirt. Länge 4 Lin. Kopf klein, kohlſchwarz, tief punktirt; Fühler faſt zur Hälfte der Leiblänge hinabreichend, ſchwarz, die letzten 6 Glieder ſtark grau behaart; Vorderrücken kurz, bedeutend breiter als lang, vorn und hinten ziemlich gleich breit, Vorderecken ſpitzig und ſtark hervorſtehend; Hinter— ecken ſehr klein, aber ſpitzig und rechtwinklig; Oberſeite tief runzlicht punktirt; Flügeldecken lang, mit ziemlich parallelen Seiten; hinten ſtumpf zugerundet, tief und unregelmäßig runz— lich punktirt, kohlſchwarz, ſo auch die Beine, deren Fußglieder breit und fein behaart ſind. Der Chr. melanocephala Dft. (Ch. Peyrolerii Bassi) aus nächſten verwandt. Sehr ſelten in den Alpen des Kanton Glarus, ſo beim Bergliſeeli 6750 F. ü. M. und in Savoyen auf dem Mt. Joly. Fig. 12. Chrysomela (Phaedon) Salieina Hr.: kurz eiförmig, ftarf gewölbt, dunkel⸗ blau oder dunkelgrün; Vorderrücken dicht, aber fein punktirt; Flügeldecken punktirt geſtreift, zwiſchen den Streifen dicht mit feinen, aber deutlichen Punkten bedeckt. Länge 1¾ L. Br. 1½ L. Kopf klein, dicht fein punktirt; Fühler kurz, nach außen zu ziemlich ſtark ſich verdickend, ſchwarz; Vorderrücken vorn ausgeſchweift, kurz, breit, mehr als noch einmal fi ſo breit als lang, ſtark gewölbt, die Hinterecken rechtwinklich und ſcharf, doch nicht vorſtehend, die Vorderecken vorgezogen, aber ſtumpflich; dicht fein punktirt, fein und ſehr ſchmal gerändert; Flügeldecken am Grunde jederſeits mit einem tiefen Längseindruck, ſtark gewölbt, nach hinten ſich zurun— dend, punktirt geſtreift, die Punktſtreifen bis über die Mitte herab ſehr deutlich, dann aber gegen die Spitze zu allmählich ſeichter werdend und ſich an der Spitze mit den übrigen Punk⸗ 3 — ten vermiſchend; die Zwiſchenräume zwiſchen den Streifen allfeitig ſehr dicht, aber fein punktirt. Der Chrys. Cochleariae F. und Chr. parvula Meg. Dft. ſehr nahe verwandt; hat dieſelbe Form und Färbung; von erſterer unterſcheidet fie ſich vornämlich durch die viel tieferen Punkt⸗ ſtreifen auf den Flügeldecken und überhaupt die tiefere Punktur; von letzterer durch den Mangel einer erhabenen Längslinie auf dem Vorderrücken. Iſt, wie es ſcheint, durch die ganze Alpenwelt verbreitet, und lebt auf der Salix retusa L. von 6000 bis 8000 F. ü. M. Fig. 14, 15 u. 16. Androsace Charpentieri Hr.: Blätter feſt, in eine ſehr kurze Rosette zuſammengeſtellt, verkehrt lanzettlich eiförmig, ſtumpflich, dicht mit äußerſt kurzen, gabeligen Haaren beſetzt; Blüthen einzeln, meiſt lang geſtielt, Kelchzipfel ſtumpflich, etwas länger, als die Blumenröhre; Blumenkrone ſchön carmoſinroth mit gelbem Schlund. Der Andr. pennina Gaud. ſehr nahe verwandt, läßt ſich aber von derſelben unterſcheiden 1) durch die kürzeren Aeſte, und daher ſehr kurzen, gedrängten Blattroſetten, ſie tragen nur wenig abgeſtorbene, dagegen einen Büſchel freudig grüner Blätter; 2) dadurch, daß die Blätter feſter und ſteifer und vorn ſtumpflich ſind, auch die Kelchblätter ſind breiter und ſtumpfer; 3) die viel längeren Blüthenſtiele und 4) die lebhaftere rothe Färbung der Blumen; bei der A. pennina find die Blumen weiß oder blaß roſenroth, bei dieſer dagegen lebhaft carmoſinroth. Sie iſt bis jetzt in 2 Formen beobachtet worden; zuerſt wurde ſie 1833 auf der Spitze des Mt. Camoghe im Teſſin (7034 F. ü. M.) gefunden, dieſe hatte ſchmale, vorn ausge— randete Blumenblätter; im Sommer 1843 wurde ſie auf dem Mt. Legnone, von 6500 F. an bis zur Höhe des Berges (8150 F. ü. M.), geſammelt; dieſe ſtimmt ganz mit derjenigen des Mt. Camoghe überein, nur ſind die Blumenblätter etwas breiter und nicht ausgerandet, aber von derſelben lebhaften rothen Färbung. Die Form vom Mt. Camoghe iſt von Hegetſchweiler (Flora S. 190) als A. brevis beſchrieben worden, die Färbung der Blume iſt aber daſelbſt nicht richtig angegeben worden. Als Kurioſum iſt zu erwähnen, daß dieſe Pflanze für eine einblüthige Form der Andro- sace obtusifolia gehalten worden iſt, von der fie durch die rothen Blumen, durch den Mangel der Deckblättchen unterhalb der Blume, durch ihre Behaarung u. ſ. w. mit größter Leichtig— keit unterſchieden werden kann. Erklärung der Tafel. Fig. 1. Rhyncholophus nivalis. a Unterfeite des Kopfes, ſtark vergrößert. Fig. 2. Opilio glacialis. Weibchen. a Taſter des Männchen, ſtark vergrößert. Fig. 3. Lycosa blanda var. obscura. Weibchen, mit ſeinem Eiſacke. Fig. 4. Micryphantes Kochii. Weibchen. Fig. 5. Macaria chlorophana. Männchen. Fig. 6. Lithobius alpinus; die Fühler find außen abgebrochen. a Schwanzglieder mit den hinterſten Beinen, von der Unterfeite, ſtärker vergrößert. Fig. 7. Nebria Germari, Larve. à Fühler, ſtärker vergrößert. Fig. 8. Nebria Germari. Männchen, in einer dunkel gefärbten Abart. Fig. 9. Nebria Escheri. Weibchen. Fig. 10. Nebria Chevrierii. Weibchen. Fig. 11. Chrysomela melancholica. Fig. 12. Chrysomela Salicina auf ihrer Nährpflanze, der Salix retusa. Fi g. 13. Flügeldecken der Chrysomela Salicina, ſtark vergrößert. Fig. 14. Androsace Charpentieri vom Mt. Camoghe. Fig. 15. Androsace Charpentieri vom Legnone. Fig. 16. Dieſelbe Pflanze im Fruchtſtande; a ein Blatt vergrößert. Fig. 12, 14 und 15 ſind in natürlicher Größe, alle übrigen vergrößert; die Linie links neben jeder Figur giebt die natürliche Größe an. e ene Gar 8 1 von ſe ; 2 eren ke ern Nägele i Ferch a e Wanne eee beet den | Mogel eirler 3 Cagi df m ah | N. wie pe ee | ee eee ee 3 ese edge Be 8 e dn e eee N * ya 8 k 7 — 1 r Eli Da K { 1 RE, er 7 2 9 a Sr 2 1 « SCH CHEZ, HOT Med:D.Phvs: et Matlı: Prof: Stifter der Naturforschenden Gesellschuff in Zurich. An die Zürcheriſche Jugend auf das Jahr 1846. Von der naturforſchenden Geſellſchaft. XLVIII. Stück. . Johannes Geßner. * * N — / — Lei. Bald iſt ein halbes Jahrhundert abgelaufen ſeit Zürichs naturforſchende Geſellſchaft ſich der ſchönen Sitte anſchloß, der Jugend lehrreiche Neujahrsgeſchenke zu bieten. Meiſtens wählte ſie für die dazu beſtimmten Blätter naturhiſtoriſche Gegenſtände, und nur ausnahms— weiſe erlaubte ſie ſich hin und wieder einmal in denſelben einem heimiſchen Naturforſcher ein beſcheidenes Denkmal zu ſetzen. Wenn aber das Letztere je geſchehen durfte, ſo darf es vor Allem in dieſem Jahre geſchehen, wo die Geſellſchaft die hundertjährige Jubelfeier ihrer Stiftung zu begehen hat. Weſſen ſollte man da lieber gedenken als des Stifters, — als des Mannes, der bis in's höchſte Greiſenalter ihr Vorſtand und ihre Zierde war, — als Johannes Geßners. Johannes Geßner wurde den 18. März 1709 geboren. Sein Vater Chriſtoph, damals Pfarrer in Wangen, war ein Nachkomme von Zunftmeiſter Andreas, dem Oheime des, als deutſcher Plinius, verehrten Conrad Geßner. Nachdem er ſeinen Johannes bis in's ſechste Jahr ſelbſt unterrichtet hatte, ließ er ihn die öffentlichen Schulen Zürichs beziehen. Schnell entwickelten ſich da die geiſtigen Kräfte des lernbegierigen Knaben, und glücklich entging er mit Hülfe feines ältern Bruders Johann Jacob!) der Gefahr, in welche einſt beim Baden in der Limath ſein junges Leben gerieth. 1) 1787 als Profeſſor der hebräiſchen Sprache in Zürich verſtorben, und namentlich als numis— matiſcher Schriftſteller bekannt. 2 Geßners Liebe zu den Naturwiſſenhaften erwachte ſehr früh. Schon als eilfjähriger Knabe begleitete er Wegelin von Dießenhofen 2), der in Zürich Medizin ſtudirte, auf feinen botaniſchen Excurſionen, und kletterte nach ſeltenen Pflanzen an die gefährlichſten Stellen. Ja ſogar wenn im Spitale eine chirurgiſche Operation vorgenommen wurde, durfte er nicht fehlen. Kaum zwölfjährig wirkte er durch dringendes Bitten die Erlaubniß ſeiner Eltern aus, ſich auf mediziniſche und naturwiſſenſchaftliche Studien vorzubereiten, und während er im Collegium humanitatiss) den alten Sprachen obzuliegen hatte, benutzte er zugleich mit dem größten Fleiße den Privatunterricht, welchen der berühmte Johann Jacob Scheuch— zer“) in allen Theilen der Medizin bereitwillig ertheilte. Zur Erholung dienten häufige Excurſionen auf den Uetliberg, die Lagern und an den ſchon durch Conrad Geßner berühmt gewordenen Katzen-See. 1723 wurde Geßner in's obere Collegium aufgenommen, wo Scheuchzer die Mathematik, Muralts) die Phyſik und Naturgeſchichte vortrug. Nebenbei benutzte er fortwährend Scheuch— zer's Privatvorträge, und übte ſich in verſchiedenen Apotheken in der Zubereitung der Arz— neien. Auch unternahm er in dieſem Jahre ſeine zwei erſten Schweizerreiſen, von denen ihn die Eine auf den damals noch ziemlich unbekannten Rigi führte, — eine Freude, die ihm theuer genug zu ſtehen kam, indem er auf dem Rückwege am obern Albis ſtürzte und den Arm brach, Doch ſchreckte ihn dies nicht im Mindeſten, ſondern im Gegentheile gab er in den Jahren 1724 und 1726 feinen Alpenreiſen noch größere Ausdehnung, und brachte große 2) Johann Georg Wegelin, als Leibarzt des Fürſten von Salm früh verſtorben. 3) Eine 1602 errichtete Uebergangsanſtalt von den unteren in die oberen Schulen. 4) Scheuchzer, ſeit 1710 Lehrer der Mathematik an den obern Schulen, war nicht nur äußerſt gelehrt, ſondern ein in allen Beziehungen freiſinniger und aufgeklärter Mann, welcher auf ſeine Schüler den glücklichſten Einfluß ausübte, aber gerade darum den Chorherren, ſeinen Collegen, nur um fo verhaßter war: „Herr Doktor Scheuchzer,“ ſchrieb (nach Meiſter) Landſchreiber Gwerb 1714 an Land vogt Füßli, „hatte eine weiße Krähe, die flog ihm aus. Der Doktor ſtieg ohne Schuhe auf „das benachbarte Dach und holte fie ein, jedoch nicht ohne Gefahr des Lebens. Man jagt, wenn er „todt gefallen wäre, ſo hätten die Chorherren der Krähe ein Leibgeding geordnet.“ Siehe über Scheuchzer: Horner im Programme der Zürcheriſchen Cantonsſchule für 1844. 5) Johannes von Muralt aus Zürich (1645 - 1733), ein für feine Zeit ſehr bedeutender Bota— niker und Anatom. Siehe über ihn das 5öfte Neujahrsblatt der Geſellſchaft auf der Chorherrenſtube, wo wie in anderen Schriften Muralt's Tod auf 1733 geſetzt wurde, während Johann Geßner in einem von 1732 datirten Briefe Hallern Muralt's Tod anzeigte (ſ. Note 20). Herr Chorherr Kramer hatte nun die Güte, im Todtenbuche des Großmünſters nachzuſchlagen, und fand dort den 15. Januar 1733 als Begräbnißtag Muralt's, — ſo daß ſich alſo Geßner bei jenem Briefe in der Jahrzahl verſchrieb, wie es übrigens noch heut zu Tage hin und wieder im Anfange eines Jahres zu geſchehen pflegt. — ._.. Ausbeute in Pflanzen und Foſſilien mit, — ſeiner Barometermeſſungen und anderweitigen phyſikaliſch-geographiſchen Beobachtungen nur nicht zu gedenken. Ja, ſein wohlgeordnetes Herbarium zählte in letzterm Jahre ſchon gegen 3000 Pflanzen, unter denen ſich viele ſehr ſeltene, ja vor ihm gar nicht bekannte Erzeugniſſe der Hochalpen fanden“). In allen Theilen der Mathematik, Naturwiſſenſchaft und Medizin theoretiſch und prak— tiſch vorbereitet, trat er im Herbſt 1726 in Begleitung feines älteſten Bruders Chriſtoph?) die Reiſe nach Leyden an, wo er in dem ſpäter ſo berühmt gewordenen Albrecht von Haller einen Studiengenoſſen und bald auch einen innigen Freund fand. Beide hatte Boerhave's Ruhm in die ferne Muſenſtadt gelockt, und ſie fanden noch mehr als ſie erwartet hatten. Wie gut unſer Geßner die Vorträge des großen Lehrers auffaßte, zeigten ſeine Hefte, deren ſich ſpäter Haller bei Herausgabe der Praelectiones Academicae Hermanni Boerhaave vorzugsweiſe bediente). Aber auch Boerhave's perſönliche Zuneigung wußte er ſich zu erwerben; Garten und Bibliothek ſtanden ihm offen, und als er ihm das nicht unbe— deutende, geſetzliche Honorar entrichten wollte, wurde er mit den Worten abgewieſen: Der hippokratiſche Eid verbindet den Arzt, die Söhne ſeiner Lehrer umſonſt zu unterrichten. Ich verehre aber Conrad Geßner als einen wahren Lehrer, — wie ſollte ich von würdigen Enkeln des großen Mannes Belohnung annehmen können!). Schnell war an Geßner die Zeit vorbeigeeilt, die ihm für Leyden anberaumt war, wo damals auch der berühmte Anatom Albinus und der bekannte Phyſiker Graveſande lehrten. Nachdem er noch die merkwürdigſten Städte Hollands beſucht hatte, reiste er nach Paris, wohin er von Boerhave an Juſſieu, Bignon ꝛc. empfohlen war. So ſehr er ſich aber darauf gefreut hatte, an dieſem Brennpunkte der Wiſſenſchaften ſeine Studien fortzuſetzen, ſo übel wurde ihm daſelbſt mitgeſpielt. In einem Ballhauſe auf einen Freund wartend, traf ihn ein Ball an einen Backen, und in Folge der durch eine ſtarke Geſchwulſt bedungenen Ope— 6) Hirzel, Denkrede auf Johann Geßner, Pag. 30. 7) Den 10. Juli 1741 als Poliater in Zürich in Folge feiner Berufstreue bei einem namentlich in Albisrieden graſſirenden epidemiſchen Fieber verſtorben. Geßner ſchrieb am 13 Juli ſeinem Haller unter Anderm: „Tristissimum sui desiderium uxori amantissimae, liberis, parentibus, fratribus, so- »rori, affinibus et aliquot mille aegris, quos feliciter restituit, reliuquens: postquam enim »praxi medicae valedixi, nos omnes ejus auxilio, indefesso labore, salutaribus medicamentis »in morbis nostris juvabamur, vivebamus una conjunctissimis animis; in maximo aetatis vigore »et affluentissima benedictionis divinae copia inopinato nobis ereptus est; quod quantum nos „ejus jactura affecerit, dici non potest. « 8) Zimmermann, Leben des Herrn von Haller, Pag. 174. 9) Hirzel's Denkrede, Pag. 35. 11 ration ſtellten ſich ſehr ſchlimme Fieberanfälle ein, denen man durch übertriebene Blutentzie— hungen zu begegnen ſuchte; bereits glaubten ihn die Freunde dem Tode verfallen, als ihn ſein Bruder Chriſtoph, der auch nach Paris gefolgt war, in Behandlung nahm, und die Freude hatte, den üblen Folgen nach und nach ſo begegnen zu können, daß er wagen durfte die Rückreiſe in's Vaterland anzutreten ©). Ganz erholte er ſich jedoch nie mehr 1). In Baſel traf Geßner nach Abrede ſeinen Freund Haller, und begann an deſſen Seite neuerdings ſeine Studien. Wie Boerhave beide nach Leyden gezogen hatte, ſo zog ſie Johann Bernoulli nach Baſel. Wenn Boerhave ſich rühmen konnte, der Lehrer der bedeutendſten lebenden Aerzte zu ſein und durch ſeine gelehrten Arbeiten in der Medizin Epoche gemacht zu haben, ſo war Johann Bernoulli damals das allverehrte Haupt der Mathematiker. Die von Leibnitz und Newton entdeckte Differenzialrechnung war in ſeinen Händen, namentlich, nachdem er ihr die Integralrechnung zur Seite geſtellt hatte, das fruchtbarſte Werkzeug zur Löſung der Probleme der höhern Geometrie und mathematiſchen Phyſik geworden, — unter ſeinen Schülern befanden ſich die Euler, Hoſpital, Varignon, Maupertuis, König, — ſeine drei Söhne nicht zu vergeſſen, von denen Daniel ſchon damals mit dem Vater wetteiferte. Mit dem größten Eifer hörten ihn die beiden Freunde, und es mag hinreichend zeugen, wie ſehr er ſie für ſeine Wiſſenſchaft zu begeiſtern wußte, wenn man ſeine Lehren als mehrjäh— rigen Hauptgegenſtand ihres, nach Haller's Entfernung von Baſel, beginnenden eifrigen Briefwechſels findet ), — ja liest, daß der Sänger der Doris ſogar an feinem Trauungs— tage eine Aufgabe der Differenzialrechnung löste !“). Nebenbei vervollkommneten ſie ſich unter Zwinger und Mieg auch in den mediziniſchen Wiſſenſchaften, und Geßner wußte ſich das Zutrauen des Letztern in ſo hohem Grade zu er— werben, daß er ihm, dem noch nicht zwanzigjährigen Jüngling, während einer ſchweren Krankheit ſämmtliche Amtsverrichtungen übertrug. Ferner wurde noch 1728 von Baſel aus 10) Börner, Nachrichten von jetzt lebenden Aerzten. III. 11) Faſt kein Jahr verging, ohne daß ihn kleinere oder größere Krankheiten überfielen und ihm eine Badekur (gewöhnlich in dem nahen Baden, 1735 aber in Leuck, bei welcher Gelegenheit Haller beſucht wurde) nöthig wurde. 1745 ſchrieb er an Haller: „Meam valetudinem multum debilitatam »sentio, cum ex eo tempore bis gravioribus accessibus febrilibus laboraverim, qui me per ali- „quot hebdomadas lecto affigebant et ab exoptatissimis in Botanicis laboribus impediverunt, — und ähnliche Klagen wiederholten ſich alle Augenblicke. 12) Noch jetzt finden ſich auf der Berner Stadtbibliothek mehr als 600 lateimiſche Originalbriefe Geßners an Haller, aus denen manche der gegenwärtigen Mittheilungen entnommen ſind. Eine große Anzahl derſelben nahm Haller in die 6 Oktavbände haltende Sammlung der Epistol. ab erud. viris ad A. Hallerum script. auf. 13) Zimmermann, Haller's Leben, Pag. 53. - re eine Reife in die weſtliche Schweiz unternommen’) , — von Geßner zur Vervollſtändigung ſeiner Sammlung von Schweizerpflanzen, — von Haller, der erſt am Geburtsorte der Bau- hin im Umgange Stähelin's 5) und Geßner's die Botanik recht lieb zu gewinnen begann, um unter ſeiner Anleitung eine ſolche anzufangen. Es war dieſe Reiſe, welche Haller zu ſeinem Gedichte über die Alpen begeiſterte, und welche die beiden Freunde auf den Gedanken brachte, vereinigt eine Pflanzengeſchichte Helvetiens zu ſchreiben, hiefür einander die Mittheilung ihrer Entdeckungen gelobend. Vicq d’Azyr erzählt von derſelben 186): „Un jour apres „avoir épuisé leurs forces dans une herborisation tr&s-penible, Mr. Gesner tomba de fati- »„gue et s’endormit au milieu d'une atmosphere glacée. Mr. de Haller vit avec inquiétude „son ami livre A un sommeil que le froid auroit pu rendre funeste. Il chercha comment il »pourroit le derober à ce danger; bientöt ce moyen se présenta à sa pensée ou plutöt à „son coeur. II se dépouilla de ses vètemens, il en couvrit Gesner et le regardant avec com- „plaisance, il jouit de ce spectacle sans se permeltre aucun mouvement dans la crainte »d’en interrompre la duree. Que ceux, qui connoissent le charme de l’amilie, se peignent „le reveil de Gesner, sa surprise et leurs embrassemens ; que l'on se représente enfin au „milieu d'un désert cette scene touchante et si digne d'avoir des admirateurs.“ Im Sommer 1729 verließ Haller Baſel, um in feiner Vaterſtadt als Arzt auf- zutreten; Geßner dagegen blieb, um zu promoviren. Im November ſchrieb er an Haller, daß er ſeine Diſſertation beendigt, und bereits ſeinem Bruder nach Sürich zur Durch— ſicht geſandt habe, und am 19. Dezember ging die Diſputation glücklich vorüber, ſo ſehr ihm auch bei ſeiner natürlichen Schüchternheit davor bange geweſen war. Stähelin, König “) ꝛc. waren feine Opponenten. Der gelehrte St. Galler Arzt Giller 15) ſchrieb bald 14) l. c. Pag. 54—78. 15) Benedict Stähelin von Baſel (1695 — 1750), ein Freund Hallers und Geßners, von dem man ſich namentlich für Phyſiologie ſehr viel verſprechen durfte. Aber in den kräftigſten Jahren umwölkte ſich ſein früher ſo heller Geiſt, und als ihn Haller auf einer Durchreiſe in Baſel be— ſuchen wollte, fand er ihn beim Kinderſpielzeuge. Tief erſchüttert, ſtand er ihm weinend gegenüber. Da kam Stähelin, wie durch eine mächtige Rückwirkung, auf einige Augenblicke zur Beſinnung und brach in die Worte aus: „Nicht wahr, Haller, es iſt traurig, wieder ein Kind zu werden.“ (Siehe Huber, Eröffnungsrede der Verf. ſchweiz. Naturf. 1821. Pag. 57.) 16) Eloges lus dans les seances publiques de la Société Royale de Médecine, Paris, 1778. 4. 17) Emanuel König aus Baſel (1698 - 1752), ſpäter Profeſſor der Medizin, — auch ein Freund von Geßner und Haller. 18) Peter Giller von St. Gallen, 1703 geboren, Studiengenoſſe von Geßner und Haller in Leyden, 1764 als Stadtarzt und Unterbürgermeiſter in ſeiner Vaterſtadt verſtorben. An ihn iſt eines der Haller'ſchen Gedichte gerichtet. 8 nachher an Haller: „Tai reeu les theses de M. Jean Guessner Neo-Doctor, de Exhalatio- »num causis et effeclibus. La maliere est curieuse, scavanle el digne de l'autheur.« Nachdem Geßner noch eine Inauguralrede über den Nutzen der Mathematik in der Arz- neikunſt gehalten, kehrte er in ſeine Vaterſtadt zurück, und begann ſogleich ſeine erworbenen Kenntniſſe fruchtbar zu machen. Kaum drei Wochen nach ſeiner Ankunft (den 9. Febr. 1730) ſchrieb er an Haller, daß er Arzneien miſche, ſeiner mediziniſchen Praxis nachgehe, einigen Schülern in verſchiedenen Theilen der Medizin und Mathematik Unterricht gebe, die Ber— noulliſchen Collegienhefte ausarbeiten wolle, um ſie ihm zu ſchicken, und die übrige Zeit an— wende, ſeine Bücher, Pflanzen und Verſteinerungen zu ordnen. Die ihm im Frühjahr 1731 von Boerhave angetragene Profeſſur der Botanik in St. Petersburg ſchlug er damals wegen ſeiner ſchwachen Geſundheit und aus Rückſichten für ſeine Eltern aus, — aber faſt hätte er es ſpäter bereut, da an ihm, wie an Haller, das Sprichwort wahr werden zu wollen ſchien, daß der Prophet ſich in feinem Vaterlande nicht recht geltend machen könne: Seine medizi— niſche Praxis erhielt nicht die gewünſchte Ausdehnung, — feinem Unterrichte ſtanden viele Hinderniſſe entgegen, da damals kein botaniſcher Garten, kein anatomiſches Theater, ja nicht einmal freier Zutritt zu den Kranken im Spitale vorhanden war, und für anatomiſche Uebungen ein Leichnam oft nur mit Gefährde der bürgerlichen Ehre erhalten werden konnte, — ſeine Schüler fand er unvorbereitet, und nur mit ſeltenen Ausnahmen, unter welche der nachmals jo berühmte Johann Georg Sulzer aus Winterthur) gehörte, mit dem wahren Eifer ausgerüſtet, — bei Beſetzung ärztlicher und anderer Stellen wurde er übergangen 2“), — 19) K. 1777 als Direktor der philoſophiſchen Klaſſe der Berliner Academie verftorben. 20) Im Oktober 1732 ſchrieb Geßner an Haller: „D. Poliatrum Muraltem juniorem prae- »terito mense obiisse, te forsan non latet. Vices Poliatri jam tenet Cel. Scheuchzerus, stipen- „dio vero medico auctus est D. Landolt, medicus omnium nostrorum natu minimus. Vides inde, »quaenam spes praemii aut honoris animos ad scientiam excitet,“ und am 24. Januar 173(2)3 hinwieder: „D. 13. Januarii obiit D. De Muralt, Prof. Physices, Cauonicus et Archiater, »eujus vices in D. Scheuchzerum delatae sunt. Quisque existimabat vacuam tum fore cathe- »dram mathematicam, sed et hanc idem Scheuchzerus ambiens me eo addueit, ut suadentibus »amicis nil quicquam moverem. Quae vero hujus rei ratio sit paueis habe. Inde a 100 fere »annis Professores electi sunt duo Physicam unus, alter Mathematica docentes. Priores Cano— »nicorum numero adscribebantur. Antea vero duo tantum electi fuerunt, unus qui Physicam »alter qui Mathesin alternis horis exponeret. Anno vero eireiter 1640 D. Lavaterus duplex »munus atque ejus commoda a Senatu reporlavit, nescius vero studii mathematici id plane »negligebat, ita ut Senatus Professionem constituerit mathematicam extraordinariam. (Siehe Wolf in Nr. 54 der Mittheilungen der Bern. Naturf. Gefellfchaft.) Ast Scheuchzerus noster (in »alium forte haec derivaturus) Senatui nostro de non necessaria professione extraordinaria »talia proposuit, ut plane sit abolita, Scheuchzero jam Physices et Matheseos Professore — 3 zudem kränkelte er fortwährend. Zu gutem Glücke hatte er ſich durch ſeine Gelehrſamkeit und fein liebreiches Weſen unter den angeſehenſten feiner Mitbürger einige Freunde erwor- ben 21), die ihn auf verſchiedene Weiſe aufmunterten; und zu gleichem Zwecke halfen auch wiederholte Alpenreiſen 22), jo wie wiſſenſchaftlicher Verkehr mit auswärtigen Freunden 2), — ſonſt hätte er ſeinen Mißmutb nicht meiſtern können, auf den Haller in ſeiner 1733 an ihn gerichteten Ode hindeutet, wenn er ſagt: Nein, lege deinen Unmuth ab. Des Pöbels niedriger Verſtand, Der macht ſich aus der Welt ein Grab, Bemüht um eigne Plag und Tand, Der ihre Luſt nicht will genießen: Mag ein zu edles Gut verachten; Wär unſer Herz von Eckel leer, Wie aber kann ein freier Geiſt, So würde bald ein Wolluſtmeer Der aus des Wahn's Gefängniß reißt, Aus jedem Hügel in uns fließen. In dieſem Paradieſe ſchmachten? »ordinario electo, insolito plane his in casibus exemplo. Seis vero quam ineptus ego sim „adulator, nescius veritatem dissimulare. Habes sufficientem rationem silentii mei, ne dicam »taedii, quod studium theoreticum aflert.“ 21) Namentlich Johannes Eſcher im Seidenhof (1697 — 1734), der ein bedeutendes Natu— ralien-Kabinet angelegt hatte, zu deſſen Aeuffnung er 1733 aus königlicher Hand ſämmtliche Foſſile Sachſens und Polens erhalten ſollte, und welches fein 178% ledig verſtorbener Sohn Johannes (früher Oberſt in k. franzöſiſchen Dienſten) nachher fortgeführt haben ſoll. Geßner ſchrieb im No— vember 1734 an Haller: »De botanieis et historia naturali nunc non sine dolore ad Te seribo, „propter obitum summi et unici in hoc genere Maecenatis mei D. Escheri in Seidenhof, qui »ante octiduum febri Erysipellacca obiit aetatis 35 summo omnium honorum moerore; in eo „homine eximia virtus et incomparabile de omnibus bene merendi studium erat; indefessus in „historiae naturalis thesauris comparandis, in instruenda bibliotheca plurimos sumtus impen- „debat meosque conatus omni studio fovebat.« 22) Siehe die unten aus Hallers Enumeratio mitgetheilte Stelle. 23) Seine in diefem Zeitraume an Haller geſchriebenen Briefe find ſehr zahlreich, und betreffen ſowohl eigene als fremde mathematiſche und botanifche Arbeiten, feine Alpenreiſen, Bereicherungen ſeiner Naturalienſammlungen, Perſonalien, ja alles Mögliche, — wie es bei ganz vertrauten Freun— den zu erwarten iſt. So z. B. ſchrieb er im November 1731: »Haberem ultra 50 gramina »Scheuchzeri agrostographiae addenda, quorum quaedam a nemine descripta sunt.“ Und im gleichen Jahre: „In vulgatissimis plantis plerumque haesito, cum aut male deseriptus aut false »addita synonyma reperio, praecipue in opere Tournefortiano.« Am 18. Dezember 1732: „Praeterita die lunge incendium partis meridionalis nosocomii nostri circa mediam fere noctem »ineipiens, universam urbem nostram in summum conjecit terrorem. Eo homines periere „(grave dietu) XXIV. duo, qui vitam saltu servare contendebant fregere jugulum et cervicem: »reliqui XXII. mediis in flammis interiere. D. T. O. M. suas poenas clementer a nobis avertat.“ Am 25. Februar 1733: „ Proprius et aliorum morbus me ad Te saepius scribere conantem impedivit.« etc. etc. ihn dann jo ſchön aufmuntert: Du! deſſen Geiſt mit ſich'rer Kraft, Den Umkreis mancher Wiſſenſchaft, Mit einem freien Blick durchſtrahlet, Du haft, o Geßner, in der Bruft, Ein grenzenloſes Reich von Luſt, Das Silber weder ſchafft, noch zahler. = * * Bald ſteigeſt du, auf Newton 's Pfad, In der Natur geheimen Rath, Wohin dich deine Meßkunſt leitet: O Meßkunſt, Zaum der Phantaſie! Wer dir will folgen, irret nie; Wer ohne dich will gehn, der gleitet. * — * Bald ſuchſt du in der Wunderuhr, Dem Meiſterſtücke der Natur, Bewegt von ſelbſt geſpannten Federn: und ihm am Schluſſe mit den Worten: O könnt ich mit dem ſtarken Geiſt, Den noch die Welt am Maro 25) preist, Ein ewig Lied zur Nachwelt ſchreiben: ſo herzlich ſeine Freundſchaft verdankt 27). Du ſiehſt des Herzens Unruh' gehn, Du kennſt ihr Eilen und ihr Stehn, Und die Vernutzung an den Rädern. * * * Bald eilſt du, wo die Parze droht, Und ſcheineſt in der nahen Noth, Wie in dem Sturm Helenens Brüder 23), Dein Anblick hebt die Schwachen auf, Ihr Blut beſänftigt ſeinen Lauf, Mit dir kömmt auch die Hoffnung wieder. * * * Bald lockt dich Flora nach der Au, Wo tauſend Blumen ſtehn im Thau, Die auf dein Auge buhlend warten; Auch auf der Alpen kühlen Höh' Liegt für dich unterm tiefen Schnee Ein ungepflanzter Blumengarten. So ſollteſt du und Stähelin, Bis zu den letzten Enkeln hin, Ein Muſter wahrer Freunde bleiben 2°). 24 Kaſtor und Pollux, namentlich von Schiffern im Sturme angerufen. 1 5) Virgilius Maro, der berühmte Dichter der Aeneide. 1 26) Wie lieb Geßner ſeinen Haller hatte, zeigen viele ſeiner Briefe. Ermahnungen, wie 4: B.: „Iu vero si me amas, Te cura diligenter, et nimia animi in studiis contentione vires non »eonsume, quo diutius tua amicitia suavissima fruamur,« — Wünſche, wie: »Deus omnipotens »remediis benedicat, kehren häufig wieder. Der gewöhnliche Schluß feiner Briefe iſt: „Vale et »me amare perge,“ — bei der ihn ſehr bemühenden Abreiſe Hallers nach Göttingen aber: » Plura „addere dolor prohibet. Vale cum carissimis Tuis, me ama, Deus T. O. M. tuas res secundet »et Te felicem brevi in Patriam reducat. Iterum vale ! 4 27) Geßner ſchrieb hinſichtlich dieſes Gedichts im Juli 1733 an Haller: »Exoptatissimas tuas »summa cum voluptate perlegi, tenerum vero, quem literis et opere saepissime testatus es, »tuum erga me amorem egregio carmine luculentissime confirmatum videre quantae mihi fuerit „obleetationi, dicere vix possum. Tanto vero majores Tibi gratias debeo, quod his carmini- „bus me amicorum tuorum ordini adseriptum immortalitatem nominis consequi posse mibi vi- „dear. Laudes quas mihi impertis, potius tuae in me voluntati, quam meritis meis tribuo.« - oo Doch unerwartet ſchnell ward Alles anders. Am 24. Juni 1733 ſchrieb Geßner ſeinem Haller: „Praeterita Lunae die inter 3 et % noctis horam maximo suorum et eivium et ami- »eorum luetu obiit Cel. noster Scheuchzerus, postquam per quatuordeeim dies febri decubuit „continua remittente.“ In Folge deſſen gieng die Profeſſur und das Canonicat auf Johannes Scheuchzer ?), damals Landſchreiber in Baden, über. Geßner aber erhielt den Lehrſtuhl der Mathematik und trat ihn ſofort mit einer Rede von dem Nutzen der Mathematik für die chriſtliche Religion, die Wiſſenſchaften und die Bequemlichkeiten des Lebens an. Auch Scheuchzers Stelle vertrat er längere Zeit, und als dieſer 1738 ſeinem Bruder ins Grab folgte, wurde er ſein Nachfolger, — nicht nur auf dem Lehrſtuhle der Phyſik, ſondern auch in dem anſehnlichen Canonicate, das ſeit Bullinger nie mehr einem ſo jungen Manne zugefallen war. Nun war er unabhängig, konnte die ihm läſtige medizi⸗ niſche Praxis beſeitigen, durfte ſich ganz ſeinen Lieblingsſtudien widmen, und beſaß die Mittel, ſeine verſchiedenen Sammlungen weiter zu führen. Sein Glück zu krönen, fand er in der Tochter Junker Landvogt Eſchers eine Frau, die ihm bis in die ſpäteſten Tage liebe⸗ voll und hülfreich zur Seite ſtand 25). Als Lehrer war Geßner unermüdet; oft ließ er ſogar, wenn er krank war, ſeine Schüler vor fein Bett kommen. In jeder Wiſſenſchaft, die er zu lehren hatte, diktirte er kurze Ueberſichten, welche von den ſchwächern Schülern zwar oft nur mit großer Mühe aufgefaßt wurden, — während ſie dagegen den Eifrigern zu einer Ueberſicht und Klarheit verhalfen, die ihnen ſpätere Studien zum angenehmen Spiele machten 3). Für Präparationen und Experimente beſaß er eine ſeltene Handfertigkeit, und wußte ſie mit großer Deutlichkeit zu erklären. Um die durch öffentlichen und Privatunterricht unter ſeinen Mitbürgern nach und nach verbreitete Liebe zu den Naturwiſſenſchaften auf längere Zeit hinaus zu erhalten und zu beleben, ließ ſich Geßner durch Rahn 8) und Heidegger ) zur Stiftung der naturforſchenden 28) Johannes Scheuchzer (1684-1738) war der jüngere Bruder Johann Jakobs, und hatte ſich durch ſeine Unterſuchung der bis auf ihn ſehr vernachläſſigten Familie der Gräfer bekannt gemacht. 29) Wie vergnügt nun im Allgemeinen Geßner war, zeigt folgende Stelle eines Briefes, den er Ende 1742 an Haller ſchrieb: »Caeterum beatissime vivo cum carissima mea conjuge, prole »licet adhuec destitutus, stipendium professionis meae satis amplum est, et aedes commodae, »nec hortulus et villa desunt, fruor etiam amicis, paucis vero qui Medica aut Physica ament.“ 30) Hirzels Denkrede, S. 80, u. ſ. f. 31) Heinrich Rahn aus Zürich (1709 - 1786), practifcher Arzt und ſpäter Rathsherr. Er be begabte die phyſikaliſche Geſellſchaft nicht nur mit intereſſanten Arbeiten (S. die gedruckten Abhand⸗ lungen derſelben), ſondern auch mit anſehnlichen Geſchenken an Büchern und Inſtrumenten. 32) Hans Conrad Heidegger aus Zürich (1710-1778) ; einer der vorzüglichſten Staatsmänner ſeines Vaterlandes und in ſpätern Zeiten deſſen Oberhaupt. BE m Geſellſchaft in Zürich ermuntern. Auf ihre Bitte hin, feine Mitbürger dafür durch einen Curs der Experimentalphyſik vorzubereiten, bereicherte er fein bereits ſchönes phyſikaliſches Kabinet durch neue Anſchaffungen 3), und hielt dann vom Oktober 1745 bis Ende 1746 bei hundert Vorleſungen, welche er durch viele Verſuche belebte ). Hierauf conſtituirte ſich die Geſellſchaft, wählte Geßner einſtimmig zum Präſidenten, und als ſie ſich Anfang 1747 zum erſten Male in dem ihnen von Hrn. Quartierhauptmann Schultheß eingeräumten Locale in der Limmatburg verſammelte, zählte ſie bereits 80 Mitglieder, von denen ſich 20 zu Vorträgen verpflichtet hatten. Geßner wußte die Geſellſchaft in dem regſten Leben zu erhalten; es wurde eine Bibliothek angelegt, Naturalienſammlungen errichtet, eine Sammlung mathe matiſcher und phyſikaliſcher Inſtrumente veranſtaltet, auf dem Karlsthurme des Münſters eine aſtronomiſche Warte erbaut, ein botaniſcher Garten eröffnet, ja ein nicht unbedeutender Capitalfond geſammelt, um aus deſſen Binfen alle dieſe Inſtitutionen zu erhalten und da⸗ durch ein feſtes Band um die Geſellſchaft zu legen. Der gelehrten Welt machte ſich dieſelbe durch drei Bände von Abhandlungen bekannt, die in den Jahren 1761 bis 1766 erſchienen. Da⸗ neben veröffentlichte ſie eine Menge kleinerer Schriften, durch welche namentlich die heimiſche Landwirthſchaft gehoben werden ſollte, zu welchem Zwecke auch Preisfragen ausgeſchrieben wurden. Mit Freuden ſah Geßner, wie die Geſellſchaft immer mehr Anklang und Wirk⸗ ſamkeit fand, und widmete ihr gerne, was er mühevoll errungen hatte: „Die größte Zierde unſers geſammelten Vorraths“, ſagt Hirzel in ſeiner 1757 gehaltenen Rede von dem Nutzen naturforſchender Geſellſchaften *), „macht die Sammlung ausgetrockneter Kräuter aus, welche „aus 36 Bänden in groß Regal-Folio beſtehet, deren jeder 200 Blätter enthaltet, und daher „auch an der Zahl der Pflanzen wenig ihres gleichen hat, ſo wie ſie ſich in der gründlichen „und geſchickten Einrichtung beſonders ausnimmt. Es iſt dieß die Frucht einer faſt dreißig⸗ „jährigen Bemühung und beſten Seitvertreibs unſers theuerſten Hrn. Vorſtehers.“ Sie iſt unter dem Titel: Hortus siecus Societalis Physicae tigurinae, collectus et Linnaeana me- 33) Brief an Haller vom 20ſten April 1745, in welchem er auch, in Beziehung auf Haller's Wahl in den Bernerſchen Rath der Zweihundert, unter Anderm ſagt: »Mihi vero et amicis maxima »inde laetitia nata est, quum non vana spes nos alat, Te Patriae et nobis redditum iri, et »veteri more amicitiam nostram frequentiori literarum commercio et collocutionibus amicis „posse diligentius excoli.“ 34) Stähelin ſchrieb an Haller: „Mr. Gessner has written to me on the Electricall expe- riments which he made this summer.“ 35) Brief an Haller vom 17. Februar 1747, in welchem Geßner beifügt: „Et generatim amor »studii physici magis magisque apud nostrates increscere videtur, ut ex par vis his initiis ali— „quando majora et utilia b. c. D. sperem.“ 36) Abhandl. d. Naturf. Gef. I, 176. N !hodo dispositus a Joanne Gessnero. A. 1751 noch jest”) für die Kenntniß des Linneiſchen Syſtems wichtig, da Geßner viele Pflanzen von dieſem großen Botaniker ſelbſt erhalten hatte. Geßner's gelehrte Sammlungen, welche er von Jugend auf bis in's höchſte Alter durch Excurſionen, Tauſchverkehr und Ankauf 3) zu äuffnen ſuchte, waren überhaupt ſehr bedeu- tend. Seine Bibliothek zählte ſchon 1763 bei 11,000 Bänden, unter welchen ſich viele der werthvollſten und ſeltenſten mathematiſchen und naturwiſſenſchaftlichen Schriften fanden”). And 1787 ſchrieb er an Höpfner 6“) unter Anderm: „Sie verlangen ein Verzeichnis der in „meiner Bibliothee befindlichen Schriftſtellern über die Mineralien der Schweiz. Die⸗ „jenigen ſo ich beſitze hat Herr von Haller in ſ. Helvetiſchen Bibliothee alle angezeigt und „es wäre vor ſie unnöthiger Aufwand, und für mich eine mühſame Arbeit ſolche aus dem „alphabetiſchen Cataloge ſo mehr als 8 große Bände anzuzeichnen und durch einen Copiſten „ſchreiben zu laſſen.“ Seine Sammlungen von Mineralien, Verſteinerungen, Conchylien, Inſekten, ꝛc. zogen viele Naturforſcher auf Zürich, zumal bald bekannt wurde, mit welcher Gefälligkeit, ja mit welcher innigen Freude er ſeine Schätze aufſchließe, — Geheimnißkrä— merei und gelehrter Wucher waren ihm ganz fremde. Andrea ſchreibt unter Anderm *): „Den hieſigen Chorherrn und Profeſſor, Hrn. Johannes Geßner, habe ich nunmehr die „Ehre perſönlich zu kennen; eine höchſt verpflichtende Begegnung hat er mir wiederfahren „laſſen, dieſer wohlwollende ebenſo ſchätzbare Menſchenfreund, als großer Gelehrte! ... 37) Nach dem urtheile des gelehrten Botanikers, Hrn. Prof. Wydler, dem hier öffentlich für feine gütige Hülfe der wärmſte Dank ausgeſprochen wird. 38) So z. B. ſchrieb er 1743 an Haller: „Ego inde amplam collectionem mineralium, pe- »trefactorum, couchyliorum, plantarum, fructuum et seminum redemi, quae a D. D. Muralto »colligebatur. Numerus plantarum ad 3000, fossilium ad 1900, marinorum ad 700, fructuum ad 400 surgit.“ 39) Der 1798 ausgegebene Auctionscatalog von Geßner's Bibliothek zählt, obſchon er nicht mehr das Ganze umfaßt, nur für Mathematik und Naturwiſſenſchaften 133 eng gedruckte Octav— ſeiten, und wenn von dieſen auch nur 30 auf die Mathematik fallen, ſo zeigen ſie doch, daß Geßner auch in dieſer Wiſſenſchaft mit großer Litteraturkenntniß ſich die beſten und ſeltenſten Schriften zu verſchaffen wußte. Namentlich muß die Zerſtreuung ſeiner Bibliothek für die Culturgeſchichte der Schweiz bedauert werden, da ſich in ihr eine große Menge von Werken Schweizeriſchen Urſprungs vereinigt fand, welche man jetzt mit der größten Mühe kaum mehr zuſammenbringen kann. Rahn (ſ. Note 95.) that ſein Möglichſtes, Bibliothek und Cabinet nach Geßner's Tode vor Auflöſung zu bewahren, und da es nicht gelang, ſo kaufte er den größten Theil des Letztern für ſich, und ſein nach und nach auch durch andere Ankäufe, wie z. B. die Inſektenſammlung Johann Kaſpar Füßli's, ſehr reich gewordenes Muſeum ging dann ſpäter mittelſt freigebiger Unterzeichnungen an die Stadt über (ſ. uſteris Denkrede auf Rahn). 40) Herausgeber des Magazins für die Naturkunde Helvetiens, ꝛc., 1813 zu Bern verftorben. 41) Andrea, Briefe aus der Schweiz nach Hannover geſchrieben, 1763, XI. 1 „Die Sammlung der natürlichen Merkwürdigkeiten des Herrn Geßner iſt von einem allge- „meinern Inbegrif, als alle, die ich bisher geſehen, als alle vielleicht in der ganzen Schweiz find. Doch was dünket Sie, mein Herr, war es nun, da ſieben ganzer Stunden „über der Betrachtung dieſes Musei verſtrichen waren, wol nicht die höchſte Zeit, der Neu— „begierde ein Ziel zu ſetzen. . ... Dieſer Mann, dieſer wahrhaft große Mann, — nein! „er hat nicht bloß meine Verehrung: er hat auch meine Liebe!“ Johann Gmelin jagt‘): »Ti- „guri Gesnerum invisi et miratus sum Viri humanitatem, eruditionem, modestiam et diligen- »liam. Vidi herbarium ejus, fossilia, mineras, insecta, seminum collectionem, marina, et „quid non?“ Und Wilhelm Core): »The curiosity of the naturalist will be amply gratified »by a view of the library and cabinet of Mr. John Gessner, professor of physics, and canon „of the cathedral, who inherits the zeal for natural history which characterized his great »ancestor Conrad Gessner.“ Endlich berichtet Lazaro Spallanzani in feinem Viaggio alla Svizzera unter dem Artikel Zurigo: Comincio dai gabinetti di storia naturale, e segnatamente da quello del celeberrimo Sig. Canonico Giovanni Gessner, soggetto che a un fondo ineredi- bile di sapere nella storia naturale unisce una eguale umiltä e generositä. Questo e senza dubbio il primo gabinetto di Zurigo, per essere piu completato di tutti. La biblioteca di questo leterato ascenderä a 30000 volumi. Dem Drucke übergab Geßner im Verhältniſſe zu ſeiner Gelehrſamkeit nur ſeht wenig, — theils aus Beſcheidenheit, theils weil er nichts publieiren wollte, ehe er es längere Zeit im Pulte liegen und immer wieder neu durchgearbeitet hatte. Namentlich aus dem letztern Grunde kam er nie zum Ziele, da er theils durch eigenes Nachdenken, theils durch neu er— ſcheinende Werke, ꝛc. immer wieder zu verbeſſern fand. So erhielt er auch ſowohl auf ſeinen Reiſen, als durch ſeinen gelehrten Verkehr immer neue Schweizerpflanzen, und verſchob deß— wegen die Ausarbeitung ſeiner Geſchichte derſelben, bis ihm Haller, dem er fortwährend über feine Beobachtungen Rechenſchaft gab“), zuvorkam, ihm zwar auch jetzt wieder an— tragend, dieſes Werk gemeinſchaftlich mit ihm zu publieiren. Geßner ſchrieb ihm darüber am 13. Juli 1741: „Maxime cum jam accedat ad innumera tua in me beneſicia, quod immor- „talibus scriptis tuis nominis mei memoriam immortalitati quoque tradere cupis. Ego quam- „quam talia et insignia beneficia rependere nunquam possim, eſſiciam tamen quicquid po- „tero, ne in me immerentem tanta benefacta collata dici possit,“ und am 24. Februar 1742: „Historiae Plantarum Helvetiae specimine tam quoad dispositionem, quam elaborationem et „Ieonum praestantiam, nil pulcrius aut praestantius unquam vidi, et nihil magis optandum, 42) Brief an Haller vom 15. Juli 1748. 43) Travels in Switzerland I, 95. 44) So z. B. ſchrieb er 1740 an Haller: „Loca plantarum rariorum natalia ex meis collec- „taneis exerpta proxime ad Te mittam.“ = Mu „quam ut brevi lumen adspiciat; id imprimis in magna felieitatis parte numerandum est „Helvetis, quod tantum opus tam dignum in Te authorem invenerit, quo nullus alius fuis- „set, qui majori diligentia, accuralione, acumine et eruditione tale opus perficeret, et quem „omnia impedimenta, quae alias haec opera habere solent, immensi sumptus et plura alia, „nunquam impediverunt. Mihi sat gloriosum erit, si vel exiguam aliquam particulam ei „atulero.“ Haller gab nun feine Enumeratio methodica stirpium Helvetiae indigenarum, Gottingae 1742, fol. heraus und gedachte in der Einleitung feines Freundes in folgenden Worten: „Johannes Gesnerus Tigurinus ex magni Conradi stirpe natus, mirabili studio in „prima juventute iu plantas, el in alias historiae naturalis partes, quasi avita incitatus glo- „ria exarsit. Vix septem decim annos natus per Albulam Rhaeticam Clavennam iter moli- „tus, per Spelugam M. et Elmenses alpes Rhaetis et Glaronensibus communes rediit in pa- „triam, onustus pulcherrimis plantis, rarissimo v. g. Ranunculi genere, praeterviso nuperis „Rapunculo Bellidis folio, etc. Idem vicinos urbi suae agros, lacum Felinum et Uetliacos „colles late populatus, ita dives plantis Belgas adiit, ut pene puer a Boerhavio in familia- „rilatem receptus fuerit. Post iter Parisinum Basileam redux, ubi conjuncti audivimus Jo- „hannem Bernoullium, magno mecum itinere Helvetiae partem oceidentalem peragravit, quo „montes Basileensis episcopatus, Salevam, Gemmium, Jugumque superavimus. Deinde anno „1729 per Glaronensium alpium maximam partem, iter fecit. Sequente anno 1731 alpes „Abbatiscellanas, Gamor, etc. rarissimis stirpibus divites perlustravit. Anno 4733 Fractum „et Regium M. petiit. Anno 1735 cum valetudinis curandae gratia Thermis uteretur Vale- „siis, montem glacialem, qui ad oceidentem pago thermali adjacet, utut debilis ex morbo, „conscendit tamen. Idem anno fere 1732 cum primum muscos et gramina legere cepissem „(nam prioribus annis absterruerat animum et legendarum, et enodandarum harum mi- „nuliorum stirpium diffieultas) plurima minimarum plantarum specimina dono mihi dedit „posterioribus vero annis et nuperrime, desideratas stirpes ad perficiendum opus meum „eo liberalior concessit, quod solus mittere poterat. Ipse molitus fuerat opus, quod „nunc edo, cui facile par fuisset, deinde parlitis viribus idem susceperamus, donec „fracta valetudo Eum ab anno 1735 fere ab omnibus botanieis laboribus ad literatum „ocium depulerit.“ Im Werke ſelbſt erſcheint Geßners Name ſehr häufig, namentlich in den Zuſätzen, wo auch Haller feiner noch beſonders mit den Worten erwähnt: „Er „quidem Johannes Gesnerus, pro suo in me amore, loca natalia stirpium rariorum misit, „ex quibus aliquas novas cives primum didici, chm desideratarum non paucarum specimi- „nibus.“ Mr. le comte d’Albon ſagt “), nachdem er Hallers mit dem größten Lobe gedacht hatte: „Mr. Gesner sait allier les qualités du coeur aux connoissances les plus vastes. C'est 45) Discours politiques, historiques et critiques, Neuchätel, 1779. 8. 0 „a lui que Haller devoit presque toute sa gloire en Botanique, je veux dire, la plus grande „partie de ses lumieres et de ses ouvrages m&me. Mr. Gesner lui preta ses Manuserits; „Haller en fit usage, du consentement de l’auteur qui eut la grandeur d’äme de les lui „sacrifier, sans vouloir que son nom fut mis à cöl& du sien; héroisme rare et peut-etre „unique parmi les Savants à qui la fortune a procuré une honnéte aisance! Qu’il en coüle „de faire taire les murmures de l'amour propre, jusqu'à renoncer à des travaux dont l’eru- „dition et P'utilité attirent l’applaudissement des Nations et assurent l’estime des siecles!“ Schwerlich hätte je (etwa die Doktor-Diſſertation ausgenommen) eine Schrift von Geßners Hand die Preſſe verlaſſen; aber er mußte von Amtswegen jährlich eine Abhandlung behufs der Diſputirübungen der Kandidaten des Predigtamtes drucken laſſen, und ſo entſtand eine nicht unbedeutende Sammlung von Abhandlungen über mathematiſche, phyſikaliſche und naturhiſtoriſche Gegenſtände, ausgezeichnet durch Klarheit und Gründlichkeit. Ferner ließ ihm die Phyſikaliſche Geſellſchaft keine Ruhe, bis er einige ſeiner gehaltenen Vorträge in die Sammlung ihrer gedruckten Abhandlungen aufzunehmen erlaubte. Auf dieſe Weiſe entſtand doch nach und nach folgende Reihe von Publikationen: 1729 De exhalationum natura, causis et effeetibus. Bas. 4. 1734 Meditationes de frigore. Tig. 4. 1740 De partibus vegetationis. Tig. 4. 1741 De partibus fruetificationis. Tig. 4. „Dieſe beiden letztern Diſſertationen enthalten eine kurze Erläuterung der Fundamenta „botanica des berühmten Linne. Nach einer kurzen Einleitung und nachdem er eine Definition „der Pflanze vorausgeſchickt, geht Geßner zur Beſchreibung der einzelnen Organe über, die „er ſowohl nach ihrer äußern Geſtaltung als ihrem innern Baue nach beſchreibt. In der „Erſten folgt nach einander die Aufzählung der Wurzel, des Stammes, der Blätter. Ueber— „all zeigt er eine genaue Kenntniß der Schriftſteller. Seine Gewährsmänner ſind haupt— „ſächlich Gren, Malpighi, Loewenhoeck, Hales, Wolf, ete. In der zweiten Abhandlung be— „ſchäftigt er ſich mit der Lehre von der Fructification. Er beſpricht zuerſt die verfchiedeneu „Arten der natürlichen und künſtlichen Fortpflanzung im Allgemeinen, nämlich durch Wur— „zeln, Stolonen (Ausläufer), Stecklinge, Abſenker, Knoſpen, Zwiebeln, Propfreiſer; er „erwähnt der merkwürdigen Fortpflanzung der Gewächſe durch Blätter, wie ſie damals durch „Mirandola, Agricola und Thümming bekannt geworden war, — darauf kommt er zur Be- „ſchreibung der eigentlichen Fructificationstheile, wohin er als weſentlichſte Theile das Pflan— „zenei oder den Samen und den Blüthenſtaub (Pollen) rechnet. Es iſt ferner die Rede von „der Trennung der Geſchlechter in dieliniſchen, von ihrer Vereinigung in hermaphroditiſchen „Blüthen. Er gibt aus Kämpfer und Ludwig die Beweiſe für die Nothwendigkeit der Be— „fruchtung durch den Pollen, indem er die in Japan und Afrika gebräuchliche künſtliche Pal— = a. „menbefruchtung anführt. Dann ſpricht er von der Blume, deren Theile er mit Linne als „die Generationsorgane betrachtet. Er vertheidigt hier die Anſichten Linne's gegenüber den „Gegnern Pontedera und Siegesbeck. Es werden kurz die Theile der Blüthe und die Blü— „thenſtände durchgenommen; er erwähnt vorübergehend der berühmtern auf die Blüthe und „Frucht gegründeten Pflanzenſyſteme, und zeigt (aus Tournefort), wie der Zürcher Conrad „Geßner durch Bildung von Gattungen den Weg zur Syſtematik gebahnt. Er kommt dann „auf die Frucht im Allgemeinen zu ſprechen, auf ihre äußern Formen, endlich auf den Samen „ſelbſt, ſeine Hüllen und den weſentlichſteu Theil deſſelben, den Keim. Er beſchreibt die „Keimung des Samens und zeigt, wie ſich darnach die Pflanzen in zwei große von dem be— „rühmten Ray aufgeſtellte Abtheilungen bringen laſſen, nämlich in Mono- und Dicotyledo- „nen, je nachdem der Same mit 1 oder 2 Samenblättern keime. Er ſpricht dann noch von „der Lebensdauer der Pflanzen und ſchließt mit einigen Betrachtungen über den vielfältigen „Nutzen, den der Menſch aus der Kenntniß der Gewächſe ziehen kann. Die ganze in Theſen „abgefaßte Schrift iſt ein Commentar zu Linne's Fundamenten, und auf jeden Fall gehört „J. Geßner zu den erſten Vertheidigern des Linne'ſchen Sexualſyſtems, während Haller „dieſem Syſtem nicht huldigen wollte, und veranlaßte, daß einer feiner Söhne ſelbſt öffent- „lich dagegen auftreten mußte.“ )“ 1742. De principiis philosophiae naturalis. Tig. 4. 1743-1745. De prineipiis corporum I. II. III. Tig. 4. 7) 1746. De corporum motu et viribus. Tig. 4.8) 1746. Unterſuchung vom Kornregen gegen das Ende des Brachmonats 1746. 4. „Es waren die Knöllchen des Feigwarzenkrautes (Ranunculus ficaria, Lin.), welche haupt— „ſächlich vertrocknet einige Aehnlichkeit mit Getreidekörnern haben, und wahrſcheinlich durch „heftige Platzregen aus der Erde hervorgeſchwemmt worden waren.“) 46) Wydler. — Dieſe beiden Abhandlungen wurden 1743 zu Leyden und 1753 zu Halle nach gedruckt und den Schriften Linne's beigefügt. Geßner ſchrieb Haller Anfangs 1744, daß es ohne ſein Vorwiſſen geſchehen ſei, anſonſten er vieles ergänzt und verändert hätte. 47) Die 4 Abhandlungen De principiis finden ſich in den Göttingiſchen Zeitungen von gelehrten Sachen 1745, ©. 541 angezeigt, mit der Bemerkung: „Ueberall hat der Verfaſſer die Erfindungen „der beſten Naturkenner und feine eigenen Erfahrungen auf eine lehrreiche Art angebracht.“ 48) Gött. Zeit. 1746, S. 504. — Geßner ſchrieb Haller im Mai 1746: „Misi nuperi disser- „tationem de Motu et viribus, in qua experiri conatus sum quomodo Mathematica et Alge- „braica ab nostris hominibus aceipiantur.“ 49) Wydler. — Haller ſchrieb diefe anonym erfchienene Abhandlung im 2ten Theile feiner Bib- liotheca botanica, wo er auch von Geßners Differtationen aus den Jahren 1740, 41, 53, 59, 60, 62-68 ſpricht, feinem Freunde zu. — u 2 1747. De effectibus, qui a virium compositione producuntur. Tig. 4.50) 1748. De termino vitae. Tig. 4.5!) 1749. De motibus variatis. Tig. 4.52) 1750. De motibus variatis supplementum in quo vires centrales exponuntur. Tig. 4.85) 1751. De natura et viribus fluidorum. Tig. 4. 1752. De petriſicatorum differentiis et varia origine. Tig. 4. 1753. De ranunculo bellidifloro et plantis degeneribus. Tig. 4.50 — Disputationes ab anno 1729 ad annum 1753. Bas. et Tig. 4.85) 1754. De hydroscopiis constantis mesurae. Tig. 4. 56) 1755. De thermoscopio botanico. Tig. 4. 7) 50) Gött. Zeit. 1748, S. 932. 51) Gött. Zeit. 1748, S. 941 ſagt, Geßner habe in dieſer Abhandlung, in welcher er nament— lich zeige, wie man für jedes Jahr des menſchlichen Lebens die Hoffnung der in mittelmäßigen Um— ſtänden noch zu erwartenden Lebensdauer beſtimmen könne, die Mathematik mit der Arzneikunſt auf eine glückliche Weiſe verbunden. — Die praktiſche Wichtigkeit dieſer Schrift für Rentenanſtalten, ꝛc. bewirkte, daß fie in dem Excerpto Litterat. Bernens. nachgedruckt wurde, und 1761 zu Florenz in Italieniſcher Ueberſetzung mit Anmerkungen erſchien. 52) Gött. Zeit. 1749, S. 359. 53) Gött. Zeit. 1750, S. 568. 54) Handelt von einer Mißbildung, bei deren Unterſuchung leicht eine Täuſchung eintreten könnte. Wurde im Excerpto Litterat. Bernens. nachgedruckt. 55) Auch noch in ſpätern Jahren dachte man daran, Geßner's Diſputationen geſammelt her— auszugeben. So ſchrieb 1778 der bekannte Zürcheriſche Entomologe Johann Kaſpar Füßli an ſeinen Freund Wyttenbach (der 8 Jahre ſpäter die Berneriſche naturforſchende Geſellſchaſt ſtiftete und nach weiteren 30 Jahren die Schweizeriſche Naturforſchende Geſellſchaft, von der er neben dem Genfer Gosse ein Hauptgründer war, bei ihrer erſten Verſammlung in Bern präſidirte): „Sie fragen, ob „es noch Niemand in den Sinn gekommen ſey, unſers Geßners Diſſertationen wieder aufzulegen? „Freilich iſts mir auch ſchon in den Sinn gekommen, und ich habe würklich mit Geßner ungefähr vor „einem Jahr davon geſprochen. Er glaubte, das wäre ein ſehr unwichtiges Unternehmen; wenig— „ſtens wären nicht alle ſeiner Diſſertationen einer zweyten Auflage werth, — endlich verſprach „er mir bey müßigen Stunden alle ſeine Diſſertationen durchzuſehen, und zum Abdruck zu ordnen, ꝛc. „Bis dahin haben ihm nun freylich dieſe müßigen Stunden gemangelt — da er jetzt aber zu Gunſten „feines Neveu des Hrn. Dr. Schinz, fein Profeſſorat niedergelegt, fo hoffe ich, er werde fein Ver— „Iprechen erfüllen.“ Es ſcheint aber nie geſchehen zu fein. 56) Erſchien 1771 zu Wien unter dem Titel: Phyſiſch mathematiſche Unterſuchung von der Richtigkeit des Maßes und dem Nutzen der Hydroscopien aus einer lat. acad. Schrift des Hrn. Joh. Geßner überſetzt. Die Gött. Zeit. ſagt darüber: „Der Ueberſetzer iſt einer von den Wienern, die noch „kein Deutſch können und die Sache verſteht er auch nicht. Es iſt ſchade, daß dieſe Schrift einem ſo „abſcheulichen Ueberſetzer in die Hände gefallen iſt.“ 57) Eine weitere Auseinanderſetzung von Micheli du Crest: Description de la methode d'un thermometre universel. — Sie findet ſich im 16. Bande des Hamburgiſchen Magazins deutſch, und eine franzöſiſche Ueberſetzung erſchien zu Baſel. — S. auch Gött. Zeit. 1755, S. 395. 1 — 17 1756. De petriſicatorum variis originibus, praecipuarum telluris mutationum testi— bus. Tig. 4 „In diefer Abhandlung werden mit vieler Einfiht und Mäßigung die verſchiedenen „Quellen auseinandergeſetzt, aus welchen die Verſteinerungen hervorkommen.“ “) 175758. De triangulorum resolutione, primario Matheseos ad Physicam applicatae fundamento. I. II. Tig. 4. Dieſe Abhandlungen enthalten gründliche Anweiſungen zur ebenen und ſphäriſchen Tri— gonometrie und einige Anwendungen der letztern auf Probleme der Nautik und ſphäriſchen Aſtronomie. Wie die meiſten der Geßner'ſchen Abhandlungen, ſo zeichnen ſich auch dieſe beiden durch ihren Reichthum an Citaten und hiſtoriſchen Bemerkungen aus, und haben ſomit für die Geſchichte der Wiſſenſchaft ein ganz beſonderes Intereſſe. 1759. Phytographia sacra generalis. Tig. 4. „Handelt hauptſächlich von der Ernährung und der Vegetation des Stammes, der Blätter, „Blüthen und Früchte. Spricht ſich für das Pflanzengeſchlecht aus, und entgegnet den Ein- „wendungen des Engländers Alston.“9) 1760. Phytogr. sacra gener. pars practica I. Tig. 4. „Viele Gewächſe, deren möglichen Nutzen man ſonſt nicht kennt, lernet man hier nach „ihren, dem menſchlichen Leben leiſtenden Dienſten kennen.“ 9) 1761. De variis annonae conservandae methodis earumque delectu. Tig. 4.6) — Von der Lage und Größe der Stadt Zürich. In dieſer, den 9. Januar 1747 der Naturf. Geſ. in Zürich vorgeleſenen und in den erſten Band ihrer Abhandlungen aufgenommenen Arbeit, gibt Geßner nach Scheuchzer's Beobachtungen die Breite von Zürich zu 47° 22° und die Länge von Paris zu 287 in Zeit an, — die Höhe des Zürcherſees über dem Meere aber zu 1196 Fuß.“2) Dabei findet ſich die ihn ganz charakteriſirende Note (von 1761): „Sint dieſer Zeit hat uns Hr. Brander 58) Haller in Gött. Zeit. 1756, S. 559. — Dieſe Abhandlung wurde nebſt der von 1752 zu Leyden 1760 nachgedruckt. 59) Wydler. — Gött. Zeit. 1759, S. 888. 60) Haller in Gött. Zeit. 1760, S. 943. 61) In dem Excerpto Litterat. Bern. nachgedruckt, und deutſch in dem erſten Bande der Ab— handlungen der Naturf. Gef. in Zürich. — Gött. Zeit. 1762, S. 720 62) Feer fand in den 9oger Jahren i 47° 22“ 13“ nördl. Breite Oh 24° 49% öſtl. Länge v. P. und Eſchmann in den 30ger Jahren (fär die Sternwarte auf dem Walle bei der ehem. Kronenporte) 470 22, 30% 3 n. B. oh 24, 51,13 öſtl. L. v. P. Die Höhe des Sees über dem Meere aber beſtimmt Eſchmann zu 1362,6 Fuß. me Me „in Augſpurg einen vortrefflichen Azimuthalquadrant und andere zu den Obſervationen dien— „liche Inſtrumente verfertigt, mit denen wir ſchon verſchiedene Beobachtungen angeſtellt „haben; wir wollen ſie aber lieber öfters wiederholen, als mit der Bekanntmachung derſelben „zu voreilig fein.” Im weitern wird von der phyſtkaliſchen Beſchaffenheit des Bodens, von den klimatiſchen Berhältniſſen, von der Anzahl der Gebäude und Einwohner, 2c. geſprochen. Die mittlere Barometerhöhe wird hiebei zu 26 Zoll und die jährliche Regenmenge zu 32 ½ Zoll angegeben. 1762. Vorrede zu Sulzer's Kennzeichen der Inſekten. 1762-67, Phyt. s. gener. pars practica II- VII. Tig. 4. „Der zweite Theil handelt von den Arzneikräften der Pflanzen; der dritte von ihrem „Nutzen als Kleidungsſtoffe; der vierte vom Nutzen der Pflanzen als Nahrung für den „Menſchen und vom Torfe; der fünfte von den Schatten gebenden Pflanzen, und von denen, „die zur Anlegung von Hecken tauglich find; im ſechsten werden die Pflanzen als Bauma⸗ „terial betrachtet, vom Alter des Ackerbaues geſprochen, von den Bäumen, welche die Alten „benutzten, und von der Zeit des Holzfällens; der ſiebente endlich handelt von dem Nutzen, „welchen die Pflanzen der Natur und ſich gegenſeitig gewähren, vom Einfluſſe der übrigen „Natur auf die Pflanzen, — vom Feuer, der Luft, von den Inſekten, von welchen die Be— „fruchtung der Pflanzen und die Baſtardzeugung abhängt — vom Einfluſſe der Menſchen „auf das Gewächsreich.“ 9 1766. Entwurf von den Beſchäftigungen der phyſikaliſchen Geſellſchaft. In dieſer den 18. Weinmonat 1746 der Naturforſchenden Geſellſchaft in Zürich vorge— leſenen und in den dritten Band ihrer Abhandlungen aufgenommenen Arbeit, gibt Geßner als „Haupttheile der künftigen Bemühung“ der Geſellſchaft: 1) Naturlehre, 2) Naturhifto- rie, 3) Mathematik, 4) Arzneikunſt, 5) Technik. 1768, 69, 73. De phytogr. speciali I, II, III. Tig. 4. 1771. Theses physicae. Tig. 4.6) 1772. Theses physico-mathematicae. Tig. 4. 1774. Aphorismi physico mathematiei, institutionibus philosophiae naturalis praemittendi. Tig. 4. Eine kurze Ueberſicht der nothwendigſten mathematiſchen Begriffe und Lehrſätze, — Differentialrechnung, Integralrechnung und Mechanik miteinbegriffen. 63) Wydler. — Gött. Zeit. 1763, S. 544 und 1764, S. 872. 64) In der Bibl. anatom. II. 358 ſpricht Haller von Geßners Publicationen aus den Jahren 1748, 62 und 71. Ueberdies ſagt er: „Select. Francof. III, Nr. 1 excusatur Stahlius quod ana- „tomen visus sit spernere. In Comm. Litt. Noric. 1743 hebd. 8 de monstro agit. gemellorum „eirca pectus coalitorum.« 2 1775. De corporum compositione et resolutione. Tig. 4. Eine Menge größerer Werke blieb entweder unvollendet oder wenigſtens ungedruckt. Vor Allem müſſen ſeine phytographiſchen Tafeln erwähnt werden, auf die er ſehr viel Zeit und Geld verwandte, und welche den Hauptgegenſtand vieler Briefe an Haller bilden, auch von Andrea und Coxe “s) mit dem größten Intereſſe beſprochen werden. Haller, deſſen Urtheil wohl jedem Andern vorgezogen werden muß, ſagte darüber ſchon 1759:%) „Ein Werk des Hrn. Cano— „nici und Profeſſor J. Geßner, an welchem er ſeit verſchiedenen Jahren mit dem größten Fleiße „gearbeitet, und dazu einen eigenen Kupferſtecher, Namens Geißler, im Hauſe gehalten hat, „verdient die beſten Wünſche aller Freunde der Natur. Der Zweck iſt, die Linneiſchen Ge— „ſchlechter nach der natürlichen Methode in Claſſen zu bringen, und die Kennzeichen der Ge— „ſchlechter auf dem Kupfer vorzuſtellen, wozu gar öfters mehr als eine Gattung gebraucht „wird. Dieſe Kupfer haben alſo mit den Tournefort'ſchen eine Aehnlichkeit, ſind aber un— „endlich reicher und vollkommener, indem ſie nicht nur alle Theile der Blüthe vorſtellen, da „Tournefort hauptſächlich nur auf das Blumenblatt ſeinen Fleiß gewandt hat: ſondern ſie „ſind auch durch und durch in den kleinſten Theilen viel genauer. Wir haben wirklich die „Claſſe der Gräſer vor uns liegen, und die Schoten-Gewächſe mit vierblättrigen Blumen. „Die letztern, die zugleich lebendige Farben aufgetragen haben, ſind von einer außerordent— „lichen Schönheit. Auch in jenen ſind die minder in die Augen fallenden Kennzeichen mit „der größten Sorgfalt ausgedruckt. Wir wiſſen, daß ein gar großer Theil des Werkes fertig „iſt und wünſchen, daß der verdiente Beifall der Kenner, ſammt der billigen Unterſtützung „von Seiten der gelehrten Welt überhaupt, eine ſo vortreffliche Arbeit bald zum Lichte beför— „dern möge.“ — Ja 1768 ſchrieb Haller: 7) „Wir können nicht länger aufſchieben, ein vor- „treffliches Werk bekannt zu machen, deſſen ſchwerſter Theil würklich fertig iſt, und deſſen „völlige Ausgabe wir in einer geringen Entfernung vor uns haben. Wir reden von 80 „Kupferplatten, worauf in etlichen tauſend Figuren Chorherr Johann Geßner die natürlichen „Kennzeichen der Linneiſchen Geſchlechter vorſtellt. Wir glauben nicht, daß es hier auf die „Richtigkeit der Claſſen ankomme, worüber einige Zweifel übrig ſeyn möchten, es iſt genug, „daß die Kennzeichen in den Blumen und Früchten unendlich genauer als in Tourneforts 65) Siehe die früher erwähnten Werke. Andreä ſchließt daſelbſt ſeine Notiz über die Tafeln mit dem Ausrufe: „O daß der Himmel dieſem würdigen Manne Geſundheit und Leben ſchenke, damit er „zugleich dies fein unvergleichliches Werk völlig zu Ende bringen und ſelbſt dem Publikum noch mit- „theilen möge.“ 66) Gött. Zeit. 1759, S. 172 u. ſ. f. — Das auf der Berner Stadtbibliothek befindliche Exem⸗ plar dieſer gelehrten Zeitung hat den Vorzug, daß die von Haller herrührenden Artikel mit H be— zeichnet ſind. 67) Gött. Zeit. 1768, S. 195 u. ſ. f. a „Tafeln, mehrentheils nach der Natur, oder wo dieſes in Indiſchen Gewächſen nicht möglich „geweſen nach den beſten Originalien vorgeſtellt werden. Dieſe Kennzeichen können in allen „andern Kräuterordnungen dienen, und wenn etwa die Linneiſchen Geſchlechter unbeſtändig „oder nicht genug beſtimmt ſeyn ſollten, ſo wird ein jeder Kenner die hier nicht nach der „Hypotheſe, ſondern nach der unwandelbaren Natur abgezeichneten Blumen und Früchte zu „brauchen wiſſen. Hin und wieder hat doch Hr. Geßner die allzu unnatürlichen Trennungen ge- „hoben, und z. E. die verſchiedenen Geſchlechter zuſammengeſetzt, in welche L. den Hünerdarm „zerſchneidet. Wir ſehen alſo der wörtlichen Erklärung mit Verlangen entgegen, und er— „freuen uns, daß bei einer von Jugend auf zarten Geſundheit der Herr „Chorherr ein ſo wichtiges Werk dennoch zu Ende gebracht bat.“ Aber in einem Briefe von Geßner, den er am 31. Dezember 1768 an Andrea ſchrieb, wird die Her— ausgabe mit folgenden Worten aufgeſchoben: „Ich gedachte zwar mit dieſem Jare meine „Tabulas phytographicas dem Drucke zu übergeben, wie beigebogener Conspectus operis zeiget; „ich bin aber ſo wenig meiner Zeit Meiſter, ſondern werde immer von Geſchäften, wie in „einem Strome, hingeriſſen, daß ich mir nicht getraue, eine Zeit zu beſtimmen; und die ge— „neigten Vorurtheile, die ich in ihren Briefen, in des erlauchten Herrn von Münchhauſen „Hausvater, und dem 36ften Stück der Gött. Zeit. davon geleſen, machen mich noch mehr „ſchüchtern, damit zu erſcheinen.“ Und in der That behielt Geßner ſein Werk noch immer zurück, obſchon er von da an noch mehr als 21 Jahre zu leben hatte. Zwar gab fein wür— diger Schüler und Neffe Salomon Schinz !“) einen kleinen Theil deſſelben unter dem Titel: „Erſter Grundriß der Kräuterwiſſenſchaft aus den charakteriſtiſchen Pflanzentabellen des Hrn. Dr. Joh. Geßner gezeichnet. Deutſch und Lateiniſch. Mit 2 illum. Tafeln. Zürich 1775. fol.“ 69) bei feinen Lebzeiten heraus; aber das ganze Werk erſchien, obſchon 1778 Füßli an Wytten— bach ſchrieb: 70) „Wiſſen Sie ſchon, daß man Hoffnung hat, Geßner's großes botaniſches 68) Geßner verlor, ehe ein Jahr ſeit dem Tode ſeines Bruders Chriſtoph (ſ. Note 7) verfloſſen war, in Zeit von 10 Tagen auch beide Eltern in Folge bösartiger Fieber: „summo cum nostro »luctu et moerore d, ſchrieb er an Haller, „qui Parentes pios, fideles, nostri amantissimos et „studiosissimos amisimus. Deus Opt. Max. sit nobis parentum loco, et ad beatam cum his »vitam nos bene praeparet.« Selbſt kinderlos, ſorgte er nun für die Erziehung der Kinder des Bruders, und freute ſich väterlich, als ſich ſpäter die ältere Tochter mit dem unter feiner Leitung zum tüchtigen Naturforſcher und Arzte gewordenen Salomon Schinz (1734 geb.) verband. Wie vä⸗ terlich er auch ſpäter für Letztern ſorgte, wird die Folge zeigen. S. über Schinz das 24ſte Neujahrs- blatt der Geſ. auf der Chorherrenſtube. 69) Gött. Anz. 1775, S. 1016. 70) S. Note 55. — Es mag hiebei bemerkt werden, daß das Archiv der Schweiz. Naturforſch. Geſellſch. welches überhaupt ſchon viele werthvolle Autographen beſitzt, auch die ganze naturwiſſen— 12 „Werk, und zwar die erſte Decas bald, edirt zu ſehn,“ — erſt lange nach ſeinem Tode, durch ſeinen noch lebenden Großneffen Chriſtoph Salomon Schinz unter dem Titel Johannis Gessneri Tabulae Phytographicae, analysin generum plantarum exhibentes, cum comment. edid. Chr. S. Schinz. 2 Vol. c. tab. aen. piet. 1—64.71) Turici 1795— 1804. fo1.72) zu einer Zeit und unter Umſtänden, welche nicht mehr die günſtige Aufnahme erlaubten, welche dasſelbe bei Geßners Lebzeiten zu erwarten gehabt hätte. Was aus ſeiner ebenfalls lange erwarteten Deseriptio Musaei Gessneriani 73) ſchaftliche Correſpondenz Wyttenbachs durch die Güte ſeines Enkels Herrn M. Iſenſchmied, Arzt in Könitz, erhalten hat. 71) Unter 59 dieſer Tafeln ſteht Geissler pinx. et sculps. Die 5 übrigen ſind anonym, und wenn auch ſie noch von Geßner herrühren ſollten, ſo würden doch immer noch von den 1768 vorhan⸗ denen 80 Tafeln 16 fehlen. Herr Shuttleworth, gegenwärtiger Präſident der Berneriſchen Natur⸗ forſchenden Geſellſchaft beſitzt in ſeiner reichen (namentlich auch ſeltene Druckwerke, Mss von Johannes und Johann Jakob Scheuchzer, ꝛc. enthaltenden) naturwiſſenſchaftlichen Bibliothek ein 1796 Hrn. Pfar⸗ rer Tobler zugehörendes Exemplar von Geßner's Tafeln: Es enthält Taf. 1-70 von Geißler und Taf. 71-76 von J. G. Sturm geſtochen. Ferner eine Supplementtafel zu den Gramineen ohne Name des Kupferſtechers. Ferner 3 analytiſche Tafeln (Wurzel, Stamm, Blätter) mit den Buchſtaben a, b, c von Geißler. Endlich eine 1768 auf ein Blatt geſtochene Claſſification der Tafeln. Anderer Text findet ſich nicht dabei. 72) Der nachmalige Zürcheriſche Bürgermeiſter Paul uſteri zeigt in ſeinen Annalen der Botanik (Stück XV 109 u. f.) das Erſcheinen des erſten Fascikels an und ſagt unter Anderm: „Endlich bleibt „uns noch der Text des Commentars zu den Tafeln. zu betrachten übrig. Er rührt von dem Her⸗ „ausgeber her, und wir können allerdings mit demſelben nicht genug bedauern, daß ſich ſo ganz und »gar kein Geßner'ſcher Text vorgefunden hat. Nichts als ein Exemplar, welchem die Linneiſchen Tri⸗ »vialnamen von Hrn. Geßners Hand beigeſchrieben waren, fand Hr. S., — nicht einmal die Anzeige, „woher die entlehnten Figuren genommen und welche entlehnt wären? Dies iſt Rec. wahrhaft un⸗ »erklärlich, ſelbſt im Andenken der Geßneriſchen arbeitſamen Sorgfalt, ja ſogar mühſamen Genauig⸗ „keit im Zuſammentragen, Vergleichen, Citiren, c. Wie viel fhägbare Beobachtungen und Berich— „tigungen hätte man bei der Gelegenheit nicht erwarten und hoffen ſollen? Dieſen Werth vermißt „nun das Werk.“ — Dieſes nicht Auffinden des Textes iſt in der That ſehr merkwürdig, wenn man damit die obige zweite Anzeige Hallers vergleicht, und das aus Geßners Briefe mitgetheilte Bruchſtück liest, — ja in Andreäs 11tem Briefe (von 1763) die Stelle findet: „Bis ſo weit iſt dieſe Arbeit ein „opus absolutum, und ſelbſt die Beſchreibung zwar auch fertig, aber noch in zerſtreuten Papieren -enthalten, und bedarf alſo noch in die gehörige Folgeordnung gebracht zu werden.“ Wohl muß ein unglückliches Verhängniß über Geßners Manuſcripten gewaltet haben, denn auch von ſeiner Corre— ſpondenz und mehrerem Andern will Niemand etwas wiſſen. 73) Holzhalb, Suppl. zu Leu sub Geßner; Haller, Bibliothek der Schweizergeſchichte, I, 339. MR geworden ift, für welche wahrſcheinlich die von Schellenberg bereits in Kupfer geftochenen Abbildungen feiner Inſekten, und die mehrere Bände haltende Sammlung der von Schellen berg und Geißler in groß Folio gemalten Mineralien, Verſteinerungen und Conchylien,“) beſtimmt waren, bleibt ungewiß. Ebenſo wenig weiß man von dem Schickſale der 1) Oratio de variis physices et matheseos fatis in Collegiis et Scholis Turicensibus. 1774.7) 2) Oratio de praeclaris Helvetiorum meritis in Mathesin. 1733. 75) 3) Synopsis methodica Lapidum, Plantarum et Animalium Helvetiae.’7) 4) Catalogus Stirpium Horti Botanici Tigurini. 73) 5) Ichthyologia Helvetica. 79) der von Geßner verſprochenen s“) Beſchreibung feiner 1723—1735 unternommenen Bergreifen nur nicht weiter zu gedenken. Eine bedeutende Wirkſamkeit Geßner's bethätigte ſich in ſeinem ausgedehnten Briefwech— ſel, in welchem er eine Menge von Beobachtungen niederlegte und ſo manche ſeiner Arbeiten fruchtbar machte, welche ſonſt bei ſeiner bereits beſprochenen Abneigung gegen eigene Publi— cationen ein todtes Capital geblieben wäre. Von feiner Correſpondenz mit Haller 31) mag nachträglich nur noch angeführt werden, was dieſer ſelbſt ?) bei Publication des erſten Bandes der an ihn gerichteten lateiniſchen Briefe ſagt: ) „Sehr viele Briefe in dieſer „Sammlung ſind vom Chorherrn Joh. Geßner in Zürich, dem älteſten und liebſten „Freunde des Hrn. v. H. Sie find ſehr oft mit botaniſchen, praetiſchen und phyſiſchen „Wahrnehmungen bereichert: man ſieht auch daß ſchon in der erſten Jugend der Hr. v. H. „an der Geſchichte der Helvetiſchen Gewächſe gearbeitet und Herr Geßner auf's neid— „loſeſte feine Entdeckungen dazu beigetragen hat, daß auch beide Freunde „die Mängel der Botanik eingeſehen, und eine beſſere Einrichtung geſucht haben.“ Ein 74) S. Monatliche Nachrichten 1790 und Andreäs Briefe, der unter Anderm darüber ſagt: „Hier ſiehet man eine Menge Conchylien, ꝛc., Marmor, Achate, Verſteinerungen, ꝛc., ja gar Erden, „auf das ſchönſte ausgedrückt.“ 75) Hallers Bibl. d. Schweizergeſch. II, 30. 76) Haller 1. c. II, 103. — Iſt nach einem Briefe von Geßner zu ſchließen mit feiner Rede beim Beginne des mathematiſchen Lehramtes identiſch. 77) Holzhalb 1. e; Haller 1. c. I, 315. 78) Holzhalb 1. e.; Haller 1. c. I, 518. 79) Holzhalb 1. c. 80) Haller 1. c. I, 267. 81) S. z. B. Note 12 und 23. 82) S. Note 66. 83) Gött. Anz. 1773, S. 554. re zweiter Correſpondent Geßners war der berühmte Lambert.) Ihre perſönliche Bekannt— ſchaft ſtammte aus dem Jahre 1759, wo ſich der letztere einige Zeit in Zürich aufhielt und im Anfange feiner ſeltſamen Kleidung wegen 35) zum Geſpötte der Jugend wurde, bis man endlich ſah, wie ihn der Bürgermeiſter und die höchſten Perſonen der Stadt ehrten. Er war damals viel bei Geßner, ſtellte mit ihm aſtronomiſche Beobachtungen an, und wurde zum Mitgliede der phyſikaliſchen Geſellſchaft ernannt. Vorher hatte Lambert bei Ueberſendung ſ. traité sur la route de la lumière 1758 aus Chur an Geßner geſchrieben: %) »Le goüt que „vous avez pour les Mathématiques ne me laisse pas douter d'un accueil favorable pour le »pelit traité ci-joint, que j'ai l’honneur de vous offrir, comme un tribut dü ä vos mérites „que tout le monde me dit étre supérieurs «, und ihn erſucht ihm entweder für feine Photo— metrie oder feine Perfpective in Zürich einen Verleger zu fuchen.7) Nachher ſetzte ſich dann dieſer Briefwechſel mehrere Jahre fort, ſich meiſtens auf neu erſchienene Schriften und na— mentlich auf ihre eigenen Publicationen beziehend. So z. B. ſchrieb Lambert 1761: 88) „Ich „habe die mir überſandten Diſſertationen mit Vergnügen geleſen, und zweifle im geringſten „nicht, man werde der Phytographia sacra eben die Gerechtigkeit wiederfahren laſſen, ſie, „wie das thermoscopium botanicum der Welt in mehreren Sprachen vorzulegen und ſie da— „durch gemeinnütziger zu machen. Unterricht, Nutzen, Vergnügen und Erbauung paaren „ſich bei den Leſern in gleich hohem Grade, und erwecken ein ſehnliches Verlangen nach der „Fortſetzung.“ — Außerdem correſpondirte Geßner noch mit Boerhave in Leyden, Linne in Apſala, Juſſieu in Paris, den Gmelin in Petersburg und Tübingen, Gronov in Leyden, Brander in Augsburg, Jallabert in Genf, Johann II. Bernoulli in Baſel, Sulzer in Berlin, Van Royen in Leyden, Schreiber in Petersburg, Bertram in Penfylvanien, 3%) Ehrhard in Memmingen, Ludwig in Leipzig, Samuel König aus Bern,) Stähelin in Baſel, ꝛc., ꝛc. Wie ſehr Geßner's Verdienſte von ſeinen Zeitgenoſſen anerkannt wurden, bezeugt ſeine Aufnahme in eine Menge gelehrter Geſellſchaften. S. z. B. wurde er 1742 in die Academie zu Upſala, 1746 in die Academia naturae curiosorum (als Acarnanus II) 84) Johann Heinrich Lambert, 1728 in dem der Schweiz zugewandten Mühlhauſen geboren, 1777 als Academiker in Berlin verſtorben. S. Huber: Johann Heinrich Lambert. Baſel, 1829. 8. 85) Er trug gewöhnlich einen ſcharlachrothen Rock, hellblaue Weste und ſchwarze Beinkleider. 86) Bernoulli, Lamberts Deutſcher Briefwechſel, II, 174. 87) Die Heideggerfche (nachmalige Orelliſche) Buchhandlung übernahm die Perfpective. 88) Bernoulli 1. c. II, 183. 89) Er erhielt durch ihn Geſchenke von dem berühmten Franklin. 90) S. Note 92. 1747 in die Academie zu Stockholm 9), 1748 in die botaniſche Geſellſchaft zu Florenz, 1751 in die Academie zu Berlin, 1755 in die Academie zu Göttingen, 1761 in die Academie zu Petersburg, 1773 in die Societas Georgica zu Pavia, 1776 in die Geſellſchaft der Naturforſchenden Freunde zu Berlin, 1785 in die k. Böhmiſche Geſellſchaft der Wiſſenſchaſten aufgenommen; vieler anderer Schweizeriſcher, Deutſcher und Italieniſcher Geſellſchaften nicht zu gedenken. Endlich darf nicht vergeſſen werden, wie ſich Geßner die größte Freude daraus machte, jungen Naturforſchern bei ihren Arbeiten an die Hand zu gehen, ſie in die gelehrte Welt einzuführen, ihnen bei Bewerbung um Stellen behülflich zu ſein, ?) die Verbreitung ihrer Werke zu befördern, ꝛc., — ja dieſe hingebende Liebe pflanzt ſich ſogar auf die Hinterlaſſenen gelehrter Freunde fort, indem er ihnen zum Verkaufe des gelehrten Nachlaſſes behülflich war, und ſogar oft bei Freunden und Bekannten für ſie Geldbeiträge ſammelte, wenn ſeine eige— nen Kräfte zu ihrer Unterſtützung nicht ausreichten.“) So lebte Geßner bis in's hohe Alter unermüdet ſeinem Berufe und den Wiſſenſchaften; aber als er 1777 ſeinen Haller verlor, — als er im gleichen Jahre jüngere Freunde, wie Sulzer und Lambert, in's Grab ſinken ſah, — als im folgenden Jahre ſein großer Gönner 91) Gött. Zeit. 1747, S. 428 wird geſagt, daß dieſe Academie ſonſt keine auswärtigen Mit glieder gehabt, jetzt aber Juſſieu, Gmelin, Geßner, Haller und einige Andere dazu ernannt habe. 92) So z. B. empfahl er den unglücklichen Samuel König (ſ. Wolf in Nr. 43 u. f. der Mit⸗ theil. d. Bern. Nat. Geſ.), von dem er ſchon 1743 an Haller geſchrieben hatte: „Te plurimum salutat D. Bodmerus, et Tibi commendat Eruditiss Mathemat. D. Sam. Koenig vestratem, qui »otiosae vitae pertaesus in Academia quadam Mathematica aut Philosophica publice docere »cuperet; et certo scio eum cum laude et fructu hoc facturum, cum in hoc genere scientiarum »sit exercitatissimus. Ipse quidem de ea re nihil ad me scripsit, quamvis literas aliquando ab „ipso acceperim d, nach deffen Verbannung aus Bern auf's Wärmſte nach Holland. König ſchrieb auch im Juni 1744 aus Frankfurt an Haller: „Avant mon départ de la Suisse j'ay fait un tour »a Zurich, ou j'ay eu le plaisir de rencontrer Mr. Gessner et Staehelin, Vos amis, qui m'ont »combles de politesses, et m'ont donnes des lettres tous les deux pour Leurs amis d'Hollande; »je me felicite vrayement d'avoir fait Leur connoissance. La bienveillance de trois Pylades, „comme Vous et eux, repare au delä de ce que je pourrois demander, le mal que la haine „de mes ennemis m'a cru faire; je negligerai rien pour m’assurer la continuation de cette »faveur.“ 1 93) Hirzels Denkrede, S. 113. * 1 25 eg Heidegger“) ſtarb, — da fing auch er an, ſich mehr mit dem Tode zu beſchäftigen. Im Jahre 1778 legte er ſeine öffentlichen Stellen nieder, um wo möglich ſeinen ſchon erwähnten Neffen Schinz noch ſelbſt als ſeinen Nachfolger begrüßen zu können. Dieſe Freude ward ihm, indem nicht nur Schinz einſtimmig dazu erwählt wurde, ſondern ſich auch ſeinem neuen Berufe mit Liebe und Erfolg hingab, — nur wurde ſie zu bald in eben ſo großen Schmerz verwandelt, denn ſchon 1784 entriß ihm der unerbittliche Tod dieſe Stütze feines Alters. Wohl freute es ihn, daß auf feine Empfehlung hin Dr. Heinrich Rahn,“s) einer feiner lieb— ſten und ausgezeichnetſten Schüler, ſein zweiter Nachfolger wurde, und nichts verſäumte, ihn die Lücke vergeſſen zu machen. Aber die Freude am Leben und die Luſt an der Arbeit be— gannen zu ſchwinden, “) und als er 1788 auch noch feine Frau verlor, mit der er 50 Jahre in der glücklichſten Ehe gelebt hatte, da brach ſeine Kraft völlig, und langſam fing ſein Licht an trüber und trüber zu werden, bis es am 6ten Mai 1790 ſanft auslöſchte.“)) Die phyſi⸗ kaliſche Geſellſchaft verſammelte ſich am 8ten Mai, um die Anzeige vom Tode ihres Stifters und Vorſtehers zu empfangen, und wählte am 10ten Mai Herrn Rathsherr und Stadtarzt Hirzel ®) zum Nachfolger des Verſtorbenen.“) Am 5ten Juli aber vereinigte fie ſich, das 94) S. Note 32. 95) Johann Heinrich Rahn aus Zürich (1749 - 1812), dem ſpäter Churfürſt Karl Theodor den Titel und die Rechte eines Comes palatinus verlieh; dem das ehemalige chirurgiſche Inſtitut in Zürich, die Helvetiſche Geſellſchaft correſpondirender Aerzte und Wundärzte und andere gemeinnützige Anſtalten und Vereine ihren Urſprung und ihre zeitweiſe Blüthe verdankten (S. das 58ſte Neujahrs- blatt der Gef. auf der Chorherrnſtube und uſteri's Denkrede auf ihn). 96) In dem oben erwähnten Briefe von 1787 an Höpfner findet ſich auch die Stelle: „Was „mir von dem Geſchlechte der Diſteln bekannt ware, habe an den großen Herrn v. Haller zu ſeiner „Historia plantarum communicirt. Sinthar mus ich die unterſuchung der Pflanzen den jüngeren „Herrn überlaſſen. In einem Alter von 78 Jahren iſt man zu Herborisationes und Zergliederung „der Blumentheilen nicht mehr geſchickt, und weicht Zerſtreuungen aus, iſt mehr auf das disce mori „bedacht.“ 97) Hirzel ſagt in ſeiner Denkrede, S. 147 u. f.: „Ich ſah ihn im Anfange dieſes Jahres das „legte mahl, aber leyder! fand ich meinen großen Lehrer nicht mehr ganz. Ich ſah Trümmer feiner „ehemaligen Größe, die mich bis zu Thränen rührten. Er unterhielt ſich mit mir über das Intereſſe „unferer Geſellſchaft, die ihm immer ſehr nahe am Herzen lag, aber fein Gemüth war durch eine „ihm ganz ungewohnte Aengſtlichkeit und Jammern über fein Schickſal, verfinſtert. Von mir nahm „er auf das Zärtlichſte für ewig Abſchied, in Thränen ſchwimmend. Er empfahl mir ſeine Geſellſchaft „und tröftete ſich und mich mit der Hoffnung des Wiederſehens in einem ſeligen Leben.“ 98) Hans Caſpar Hirzel (1725 — 1803), durch viele landwirthſchaftliche Schriften und nament— lich durch feine Wirthſchaft eines philoſophiſchen Bauers (Kleinjogg) weit bekannt. 99) Die Naturforſchende Geſellſchaft in Zürich hatte das ſeltene Glück ihr erſtes Jahrhundert - 4 u, E Andenken des Seligen feierlich zu begehen, und hörte nun von ihrem neuen Präſidenten eine Denkrede auf Geßner, welche hier vielfach benutzt worden iſt, und ſowohl den Gefeierten als den Redner ehrte. Einer die Feier erhöhenden Trauermuſik hatte der berühmte Lava ter einen Text unterlegt, in welchem er unter Anderm von Geßner ſagt: 100) Dich, der Weisheit Lieblingsſohn! Luſt war's Weiſen, Dich zu hören; Der Natur vertrauter Kenner! Und des Wiſſens Herrlichkeit Ehrer der Religion! Krönte die Beſcheidenheit. Freund und Lehrer großer Männer Dich auch, unſern Führer, riß Auf der Weisheit höchſten Höh'n Weg des Grabes Finſterniß! Standſt Du mit der Demuth Miene! Euler's, Haller's und Linne'n, Tag und Nächte forſchteſt Du! Boerhavens und Albine — Lernteſt täglich mehr im Lehren! Sahſt Du, — ſtrahlend über Dir! Arbeit war Dir Luſt und Ruh! Sah'n an Deiner Seite Wir. „Ich nenne“, ſagte damals Hirzel, /) „einen Mann groß, der ſich durch ausnehmende „Talente und eine weiſe Anwendung derſelben in der Welt oder wenigſtens in ſeinem Va— „terlande auszeichnet und ſo wichtig macht, daß ſeine erworbenen Verdienſte einen immer „fortdauernden Einfluß in das wahre Wohl ſeiner Nebenmenſchen oder ſeiner Mitbürger „erhalten; daß in dem Zeugniß hievon ſeine Mitlebenden übereinſtimmen und begründet hoffen „laſſen, daß auch die unpartheiiſchen Nachkommen zuſtimmen werden.“ „Ein folder Mann“, jo möge ſich dieſe Skizze mit den Worten des ſel. Paul Uſteri 2) ſchließen, „ein ſolcher Mann war unſtreitig Johannes Geßner, der Stifter der Geſell— „ſchaft und durch 45 Jahre ihr Vorſteher, welcher mit nie ermüdendem Fleiß und Eifer ſein „langes Leben der Beobachtung der Natur und der Erforſchung ihrer Erſcheinungen wid— „mete; der durch große Gelehrſamkeit und reiche, in allzuſeltenen, aber um ſo gehaltreichern „Schriften erprobte Einſicht und Kenntniſſe, ſich unter den erſten Naturforſchern feines Zeit: unter ſechs Präſidien durchzuleben, die mit einander an Verdienſten um Vaterland und Wiſſenſchaft wetteiferten: 1746 1790 Johannes Geßner, 1790 - 1803 Hans Caſpar Hirzel, 1803 - 1812 Johann Heinrich Rahn, 1812-1830 Paulus Uſteri, 1830 - 1834 Joh. Caſpar Horner, 1834 1846 Rudolf Schinz. 100) Hirzels Denkrede, S. 157 u. f. 101) J. c. S. 13 u. f. 102) Denkrede auf Rahn, S. VI u. f. —, — „alters unbeſtrittenen Rang erwarb; der durch öffentlichen und Privatunterricht, ſowie durch „gefälligſte Aufſchließung und Mittheilung ſeiner koſtbaren Sammlungen, was ſein berühm— „ter Lehrer Jakob Scheuchzer begonnen hatte, rühmlichſt fortſetzt, indem er die Liebe für „das Studium der Naturwiſſenſchaften und der Meßkunſt unter ſeinen Mitbürgern und unter „den vorzüglichern Jünglingen des Gymnaſiums mehr und mehr anfachte, und ihren für— „dauernden Beſtand durch die Stiftung eben dieſer Geſellſchaft und die Gründung des Pflan— „zengartens ſicherte; der endlich durch den edelſten und liebenswürdigſten Charakter, durch „Tugend, Weisheit des Lebens und ausnehmende Beſcheidenheit, den Gelehrten und Unge— „lehrten ein vorleuchtendes Beiſpiel ward.“ / 4 Ne el, I bor 5 24 NOV 1880 ane ** von Mi 2 R me 50 . 85 ann EEMUTER 2 m 1 0 — nig ch on arte Kl wing dane maß Pr! eee ae s kan Sr e ehe . fi 5 SA ee ne an Bat 51 mals twee „gn A* Ye n Pig) bl ee ee ah. \ ö 1 „ a N * * „* * < _ u > m . * „ „ % f . 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