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Merkwürdig feheint e8 zu fein, daß der Erdtheil, welcher fich mit Europa in die ganze Länge des Mittelländiichen Meeres von Welt nach Dit theilt, den rührigen Einwohnern des Ießtern Heute noch jo unbekannt geblieben, da fie doc von uralten Zeiten her mit demfelben in Verkehr geftans den haben. Die Europäer find vorerft an den äußern Rändern nah Norden zu, Zahrhunderte jpäter nach und nach rundum mit der Küfte in Berührung gefommen. Dreizehn Jahrhunderte lang genügten die Angaben PBtolomäus, hernach Berichte Arabifcher Schriftiteller, bis durch den Unternehmungsgeift der Portugiefen und Basco de Gama’s Umfhiffung des Caps neue Nege tamfeit mit erhöhtem geographifchen Berftändniß in weitere Kreife drang. Aus allen Nationen Europa’s gejellten fit) Männer von Stande und hervorragender Bildung den portugiefiichen Schiffern bei. Diefe haben jedody ihren Erwerb nad) und nad) verfcherzt. Es war nicht Gewalt, welche den neuen, reichen, weit reichenden Befiß befeftigen fonnte. Derfelbe ging ansandere über, welche e8 beijer verftunden Golonien zu gründen, und erft heut zu Tage erwartet Portugal Neger neration feiner entarteten Angehörigen bei ehr beftrittener Autorität, welche nur noch an ein paar Punkten im Weften und Dften Afrikas füdlich des Aequators ein Fümmerliches Dafein friften. Man darf — und Nitter hat gelehrt wie — aus der Configuration der Länder auf deren hiftorifchen Gang und weitere Beftimmung für die Entwidelung der menfchlichen Gefellihaft Schlüffe ziehen. Nun find wirklich, vergleihen wir die Geftalt unfers Erdtheiles mit der Afrikas, die europätfchen Formen dergeftalt gegliedert, daß wir die beweglichite Individualität neben der voll- fommenen Rundung des afrifanijchen Phlegmas in Schattenriffen zu erbliden glauben, wenn wir Fr Pa an Mus a. Er FR RY b ” War ’ # ar, ey u: . f EC En 3 rar 1155 a ie Year] beider Kartenbilder gegen einander halten. Guropa befist 3 Halbinfeln und daran liegende Eilande. Mit deren Hülfe hat e3 fchon früher vom Mittelländifchen Meere Befib genommen und Afrifa wußte nur dur die Waghalfigkeit der Piraten diefer Herrfchaft Eintrag zu tfun. Doch auch diefe reicht heute nicht mehr Hin. Soll aus dem Lande, deien Küften in Furcht gehalten werden, was Gutes fommen, jo muß dem Austaufch der Völfer ein gefunder Boden gefunden werden. Hiezu taugt ganz vorzüglid die elaftifhe Natur des Curopäers. Da er an Erfahrungen und Beobachtungen der Natur reich geworden, fo richtet er fihere Schritte nach unbekannten Fernen und bringt große Refultate zurüd. Nicht alle, die um der Wifjenfchaft willen hinausgezogen, famen zurüd. Unter den Reifenden finden wir auch Märtyrer; oder beffer vergleichen wir Diez jenigen, die in unbekannte Länder eingedrungen, den Helden, die ihr Leben im Ningen nad) Siegen einbüßten. Der Krieger Hat im Gefechte innere und äußere Anregungen, fein Muth fann meift in entjcheidenden Momenten durchgreifen. Der Reifende mug mit Muth und Energie Haushalten; bei ftetem Beobachten, bei ftündlichem Wechfel’neuer Gegenftände hat er drei Gefahren, die feind- liche Menfchen, wilde Thiere und flimatifche Einflüffe bringen, mit ruhiger Stimmung ausdauernd entgegenzutreten. Wahrlich, der Muth des Lekteren ift nicht geringer, die Auszeichnung, die dem erfolgreichen Reifenden werden foll, nicht weniger anzufchlagen als der Lorbeer des fiegreichen Soldaten. Beide find Eroberer, beide legen im Erfolg wichtigen Entfcheid in das Schidfal ferner Bölfer. Wer von beiden nachhaltiger wirfe, ift eine Frage, welche die heutigen Zuftände der menfchlichen Gejellichaft dem Neifenden zu bejahen überlaflen. Sedenfalls fann eine naturforfchende Gefellihaft nur diefen Standpunkt betonen. Derfelbe zeigt zugleich für Jedermann, wie nahe geographiiches Forichen dem naturwilfenichaftlichen Tiegt und wie nur durch Vergleichung der Standorte und der Entfernungen die richtigen Schlüffe gefunden und wahre NRefultate gewonnen werden fünnen. Noch weit ab find wir jedoch, um die Beobachtungen der Naturforfcher allerwärts und rund um die Erde am richtigen Zlede da einzeihen zu können, wo fie der fichere, geiftige Blid einft hauen wird, um das individuelle Leben im Allgemeinen vichtig zu deuten. Es ift darum wahr: fheinlich, daß wegen Mangel an genügenden Data’s aus der Weite der Ergründer des Unendlichen im Sndividyum die-großartige Bedeutung erlangt Hat, welche wir heute bewundern. Während dag Aftrolabium des Neifenden und Seefahrers noch an manchem Hemmniß ftille fteht, dringt das Mifrofeop ins Unendliche des Kleinen und beleuchtet vergangene Sahrhunderte in der Gefchichte der Natur aus dem Staubforn der Erdfrufte. — E8 ift fein Erdtheil fo fehr geeignet, fo wag anfchaulic zu machen und zugleih auf das Band, welches Geographie und Naturwiffenfchaft enge Enüpft, hinzumeifen, wie Afrifa — wo die jüngften Entdefungen nördlich vom Aequator hiftorifche Urkunden untergegangener Nationen und im Süden der Linie ein Pflanzen» und Zhierleben fanden, welche früheren geologischen Epochen cher entfprechen, als dem jegigen Begriffe vom Stadium heutiger Formationen. ka: ne 6 Allmälig wird der Menfch durd Hülfe der Naturwiffenichaften und ihrer Hülfszweige, der Einfiht in die Defonomie der Erdoberflähe theilgaftig. Wir dürfen in diefem Fortfchreiten fürohin einen ftetigen Gang vorausfegen. Der Materialien find allzuviele da, als dag ein Still- ftand zu fürchten wäre, wie jener von Ptolomäus bis auf Bartolomeo Diaz und Vasco de Gama. Na) diefen großen Schiffern verging ein Jahrhundert, bis ein Europäer fi) ing Innere des Afrikanifchen Gontinentes hineinwagte. Im Jahre 1588 erreichte der Engländer Thompfjon Tenda vom Gambiafluß aus. Im 17. Jahrhundert folgten ein Engländer und zwei Frangofen in ähnlicher Richtung. Das 18. Jahrhundert fah 14 Fühne Reifende ins Innere des Continents fih wagen, unter diefen fchon der Name Mungo Park. In unferm Sahrhundert flieg diefe Zahl noch höher, fo daß bis auf heute zwiichen 40 und 50 Engländer, 16 Franzojen, 8 Deutjche und 2 Schweden das geheimnißvolle Afrifa dem wißbegierigen Guropa aufzudeden beftrebt waren. — Leider find viele Opfer gefallen, Wenigen war e8 verliehen Kunde zu bringen. Was wir erfuhren, ift wichtig genug. Zwei Expeditionen, die Richardjons und die Livingftones find in unfern Tagen, jene befonders durdy Dr. Barth großes Werk fo erfolgreich geworden, daß die Europäer bald feiten Fuß an den zwei wichtigften Flüffen, dem Niger und dem Zambeft fallen und regelmäßigen Verkehr mit den zum Handel geneigten Eingebornen beginnen fönnen. Unfere Aufmerkjamfeit muß daher wefentlich auf die durd) Dr. Barth ung gegebenen Auffchlüffe gerichtet fein in Betreff der Länder im Sudan; dann auf Livingftones in Betreff feiner Entdelungen in Sid-Afrifa. Beider Neifen erwähnt man gewöhnlich als Gentral-Afrifanifche. Es entjpricht folches wohl nach dem mittleren Meridiane des Erdtheiles, nicht aber nad) deifen Breite. Das Eigentlihe Gentral-Afrifa liegt zwifchen den von den beiden berühmten Neijenden uns aufgefchloffenen Gebieten. Der Eine gelangte nicht viel jüdlicher als 90 N., der Andere nicht viel nördlicher ala 99 S. Breite, jo daß der ganze 189 breite Streifen, der durch den Aequator Halbirt wird, im Innern no unerforjcht und nur an dem öftlichen und wetlichen Küftenfaum einiger- maßen befannt ift. Noch mande Generation wird Neues aus Afrika erfahren. Es thut gut, heute fchon mit aufmerffamen Bliden zu verfolgen, was zu unferer Kunde kommt. Sebt jchon hängen die jpäteren Unternehmungen in vielen Stellen an den früheren, wie folches bei menjch- lihem Weitergehen immer gejchieht. Die Nichardfon’iche Expedition ift die Folge der Reifen von Dudney, Denham und Clapperton, welche in den Jahren 1822, 1823, 1824 ins füdliche Bornu und bis Sofoto vordrangen. Diefe Reife it aber Fortfegung derjenigen von Lyon, der 1818—1820 nicht viel über Tegerry (24° NB.) hinaus gelangte. Diefer fand (owie Nichard- fon in feiner erften Reife) bi8 Ghadamig 1845, 1846 in Zripoli und bei den Stämmen der Wüfte viel Anknüpfungspunkte und Aufichlüffe für jpätere Reifende. Wenn wir die Richardfon’fche Erpedition in den Vordergrund ftellen unferer Erzählung über die nördl. Afrifanifche Hälfte, To gejchieht es, weil durch diefelbe ein Zufammenhang geworden in den Ergebniffen faft aller früheren, theils weil fie die bedeutendfte der neueren Neifen, theils weil fie, noch ehe Barth in Europa Pa A zurüd war, unmittelbaren Einfluß auf andere Unternehmungen zur, Folge hatte. Wir Fönnen biebei nicht unterlaffen, der von Denham und Glapperton gemachten Berichte zu erwähnen, da Barth jehr oft auf diefelben fich beruft und defhalb Wiederholungen vermeiden will. Rafch erzählen diefe zwei Weberlebenden der Expedition von 1822 —1824 ihren Zug durch die Wüfte und Haben ung die erfte Kunde über den Tfad-Cee, dag Neich Bornu und feinen Herrfcher gebracht, von dejjen Hauptitadt Kufaua, gleichlam als von einem Standquartier, fie ihre Aus- flüge machen durften, nachdem fie das anfängliche Miftrauen des unternehmenden Mohamed el Kanemi bejeitigt hatten. Leider litt der Vertreter naturwiffenfchaftlicher Sammlungen, - Dr. Dudney, bald an Unmwoplfein. Sm Begleit des Scheif auf einem fogenannten Kriegszug gegen Murmur, farb er fchon am 12. Januar 1823. Eine Razzia nach Süden gegen die in den Mandarabergen wohnenden Zullah, Hatte Denham früher allein mitgemacht. Er entfam bei der völligen Niederlage des Bornuheeres durch die tapferen Bergbewohner, nachdem er nadt ausgezogen, vor wilden Thieren und Berfolgern auf einem Qamarindenbaum während einer Falten Nacht Zuflucht nehmend, zum fliehenden Theil feiner Befreundeten. Doch blieb ihm noch ein deutliches Bild jener Berge, Über deren Richtung er nichts Genaues zu fagen wagt, aber die Steinart als fortwährend glimmerjchiefrig bezeichnete und die Höhe der Berge zu 2500 Fuß über der Thalfoole Ichägte. Alle rundlichen Kämme und Ubhänge der Berge fah er durch viele Gruppen von Hütten belebt, auch erblite er nah Süden zu, wo er die Erhebung des Pifs nocd) um 1000 Fuß höher annahm, die höchfte jener Spigen, den Mindif. Barth hat diefen Berg auf feinem Zuge nah Adamaua ebenfalls gejehen und als die füdlichfte Gruppe des Mandaragebirges bezeichnet. Wenn irgendwo, meint Denham, die Mondberge der Alten in Inner» Afrika zu finden, jo müfjen es wohl die von Mandara fein. Nachdem Elapperton allein Sofoto befuht und dort für England ak dem Herrjcher des öftlichen Fellah-Neiches beftes Einvernehmen gepflogen und durch Sultan Bello die erbeuteten Tagebücher und Schriften Denhams zurüderhalten, fehrt er nach Kufaua zurüd. Während diefer Zeit Hatte der Iehtere die füdlich dem Tjad-See und bis an den Flug von Logone fih aus: dehnenden Gegenden bereit und theilweife vermeffen. Mit diefer Ausbeute mußten fich die Rei- jenden begnügen, weil ihr Vordringen von Sofoto weitlich bis an den Niger und Timbuftu von Sultan Bello als unmöglich erklärt wurde und auch dazumal im Dften des Tfad Krieg und Unruhe Herrichte. Im Januar 1825 waren fie wieder in Tripoli; Glappertons Empfang durch den Sultan von Sofoto und deffen Mittheilungen, welche fi) bis auf eine Karte von Gentral-Afrifa erftredten, waren derart, daß Sultan Bello in Europa nun fofort als ein König der Gerechtigkeit und ein Wunder von Herrfcherweisheit galt. Clapperton reiste 1826 wieder an deiien Hof. Uber diefer zweite Befuch traf in ungünftige Zeiten. Bornu und die Zellatah waren in neuem Krieg entbrannt und zwei bedeutende Männner fanden fich feindlich gegenifber. Ungeachtet Mahomed el Kanemi von der Fellah-Urmee 1826 faft gefangen ee re genommen und im Kriege nicht glücklich war, mußte Bello unruhig, aufgeregt und mißftimmt gewefen fein. Clapperton wohnte zwar bei deffen erftem Minifter (Gedado), mit dem er 1824 Freundjchaft gefchloffen und ftarb in deifen Haufe am 13. April 1827, aber nicht an Gift, womit man den Sultan (zwei Zahre früher wahrfcheinlich zu Hoch gepriefen) nun anflagt. Aliu, Bello’s Sohn und Herrfcher zur Zeit Barths, verfichert diefen von feines Vaters Schuldlofigfeit am Tode des englifchen Neifenden. Die fo wichtigen Ergebniffe diefer beiden Reifen Eönnen als Grundlage der Rihardion’ihen oder vielmehr der umfangreichern Barth’fchen Expedition angefehen werden. Bornu und deilen Hauptftadt Kufaua follten als Ausgangspunkt der Forfchungen gelten. E$ handelte fih darum: Ausdehnung, Lage und Wafferverbindung des Tfad-Sees zu beftimmen, zu unterfuchen, wo die Wafferfcheiden zwifchen dem Niger und diefem Waflerbeden liege, ferner den Handelsverfehr jener Gegenden zu beobachten, deren Produftionsfraft zu ermitteln, dann frühere Verbindungen zu erneuern, neue anzufnüpfen und endlich einen Weg irgendwie nach der DOftküfte zu finden. Schwerere Berlufte trafen die Expedition von 1850-1855, als jene von 1820— 1823. Rihardjon, durch welchen das ganze Unternehmen vorbereitet ward, unterlag jihon nach Sahresfrift, am 14. März 1851, in Ungurutua*) und Dverweg an den Ufern des Tjad- Sees in Maduari am 20. September 1852. Dieje drei Männer hatten fich in die Aufgabe getheilt. So wie der ältefte derfelben jchon mit dem Norden der Wüfte befannt, jo war e8 auch Dr. Barth durch feine Wanderungen durch das nordafrifanifche Küftenland (1845 — 1847). Während Rihardfon die Leitung mit maßgebender Berüdfichtigung der Anfichten feiner deutjchen Begleiter übertragen war und er officiell die englifche Regierung zu vertreten hatte, fiel Barth, dem Sprachkundigen, die etänographifche Aufgabe zu; Dvermweg, ald Geologe, war dems nach der Naturforfcher der Gejellichaft und ihm flelen auch die aftronomifchen Beobachtungen und Drtsbeftimmungen anheim. Alzubald mußten die chen fo raftlofen wie fühnen Reifenden die Wucht ihrer Aufgabe einfehen. Nachdem Barth Adamaua und Bagirmi, beide zufammen Kanem und Musgu befucht, Dverweg das Infelreic) der Budduma im Tfadfee befchifft und fartographifch vermeffen Hatte, fchrieb erfterer am 13. Zuli 1852 nad) London: „Bas find zweier Menfchen Arbeiten für diefe weite bejchwerliche und unbefannte Welt!” Ecyon ward die Bedeutung des Unternehmens mit günftigeren Augen angefehen als im Anfang. Der Mangel genauerer Snftrumente und die weitere Hülfe für aftronomifche Beobachtungen ward auffallend. Die englifche Regierung bevollmächtigte den bisher im Obfervatorium des Herrn Hind in London thätigen Eduard Vogel aus Leipzig, der eine fchöne und zufunftreiche Stellung dem fchweren Unter nehmen opferte, in Begleit von zwei Männern des englifchen Genie» Corps**), die afrifanifche *) Ein Drt, „wo viele Flußpferde” fid) aufhalten. =) Aus etwa 130 Freiwilligen in England und Malta wurden Corporal Church und Pionnier Maguire gewählt. Beide hatten fich fehnell zu richtigen meteorologifchen Beobachtern eingeübt. Bu N Commifiion im Sudan zu verftärken, indem fie diefelben aufs Freigebigfte mit aftronomifchen und phyfifalifchen Suftrumenten verfah. Am 19. Februar 1853 veiste derfelbe von Zondon ab. Am felbigen Morgen traf die Nachricht von Dr. Dverwegs Tode dort ein. DBogel richtete feinen Weg auf der befannten Carawanenroute durch Fezzan und Bilma nad) Kufaua. Die früheren Hatten ihren Weg zwar auch über Murzuf genommen, zogen dann aber weitlih nah Ghat und von dort dur) das Gebirgsland von Air nad Süden. 8 ift nothwendig, von den Erlebniffen und Beobachtungen derfelben im füdlihen Theil der großen Wüfte Einiges zu erwähnen. In Ghot, dem zwifchen zierlichen Dattelyainen gelegenen Wüftenort, Tamen unfere Reifenden mit den Herren der weftlichen Sahara in unmittelbare Berührung. Sie nennen fih JZmo-fharh (Singul: Amosfharh, Neutrum: Temasfhirt, daher legteres Wort für die Sprache der QTuareg gebräuchlich). Die Araber geben ihnen den Namen Zuareg, weil fie denfelben Verläugnung des Glaubens vorwerfen. Sie find mit ihren leichtfüßigen Kameelen (meharis) die Beherricher der wichtigften Straßen nad) Central-Afrifa und gutes Einvernehmen mit ihren Häuptlingen war von der größten Wichtigkeit. ES feheint aber, daß in Folge der Rathichläge des engliichen Gonfuls in Murzuf, Heren Gagliufft, diejes dort jchon vernachläffigt ward und mit dazu half, die geführ- liche Lage, in welche die Neifenden gerathen, wenn nicht zu veranlaffen, doch zu erjchweren. Die Unterhandfungen mit dem Smosfharh mußten in Ghat lange geführt werden, ohne einen befrie- digenden Schluß, bindende Verpflichtungen der Häuptlinge zu erzweden, während fie auf arabifche MWeife ihre Forderungen fehr Hoch zu fteigern wußten und ftarfe Borausbezahlung erpreßten. Ein Schu ward aber gewährt, doch nur fo weit, ald bi an die Gränzen von Air. In der Wüfte werden eigenthümlich fehnell die Neuigkeiten von Mund zu Mund verbreitet; e8 befamen alfo die weitlih der Straße herumziehenden nomadifhen Stämme Nachricht von der Karawane der Chriften. Diefes brachte vom 18. bis 26. Auguft 1850 die fehwierige Lage. Eine erite feind- fiche Bewegung gegen Ddiefelben war am 23. Auguft. Das Zufammenhalten ihrer Leute war anfänglich da, bald aber erklärte der Feind, er wolle e8 nur mit den Chriften zu thun haben und fomit Fam Spaltung in die Gefellfhaft, aus der nur Wenige treu an unfern Reifenden hielten. Unruhige Nächte, viel Pulverdampf und doch Feine Verwundeten, brashte die Aufregung, dafür deftomehr Löfegeld und Verminderung der Waaren-VBorräthe auf eine forgenerwedende Weife- Diefe Begebenheit fand beim Eintritt in das Gebirgsland Air ftatt, dort wo die Karawane Faum den erften bewohnten Ort verlaffen hatte. Dur Boten an den Sultan des Landes erlangte man neue Bededung. Wiewohl der 78 Zahre alte Annur nicht ungeneigt war, fie in feinem dama- ligen Aufenthaltsorte Tintelluft aufzunehmen, fo gefchah auc) diefes nicht ohne jchwere Gefchenfe und eine täglich fi) wiederholende Bettelei während des langen Aufenthaltes in der Nähe des Häuptlings, mit dem fih nah und nad) ein vertrauliches VBerhältnig anfnüpfte, ohne daß der Farge Mann ficd) je jo weit herbeiließ, auf das viele Empfangene und Geforderte ein Gegengefchenf von Werth zu machen. Vom 3. September bis 9. November blieben Nihardfon und Dvermweg ” a N unausgefeßt dort. Barth machte inzwifchen während dem Monat Detober einen Ausflug nad Agades, der Hauptftadt des Landes, einft in Blüthe und großer Marktort, jest im Verfall. Das Land Air ift eine hochgelegene Gegend und, wie Barth urtheilt, für Europäer Elima- tijch jehr gefund, Agades zumal behufs Anknüpfen von Handelsverbindungen höchft günftig gelegen. Auch Tintelluft’8 gefunde Lage wirkte wohlthätig auf die Reifenden. Sie bedurften der Stärfung; denn faum war die Aufregung, Folge der Nachftellungen, vorüber, mußten fie am 1. September die erfte Erfahrung mit tropifchen Regengüffen machen, welche den Wadi, in welchem fie ihre Zelte aufgefchlagen hatten, in wenigen Stunden aus einer trodenen gen Nord abfallenden Rinne zum Bette eines Stromes verwandelten, der entwurzelte Bäume mit fi forttrieb und die Neijenden felber in Gefahr fegte. Glüdlic war es, daß eine von Annur ausgefandte Escorte auf dem ent gegengejegten Ufer fich zeigte und fomit den Troft ficheren Geleites der ebenfo ermüdeten wie durchnäßten Karawane gewährte. Cine wirflihe Stärkung; denn es fehlte nicht an boshafter Schadenfreude unter einigen der Begleiter unferer. Europäer, welche, ehe noch die zur Beihüsung entgegenfommenden Leute erfannt waren, diejelben als abermalige Störefriede anfündigten. Almälig Fam der Zug von Norden her durd) die vorherrfchend fandige Wüfte, er überfchritt das Hochplateau, die Hammada, wo über circa 2 Breitengrade und eine mittlere Höhe von 1400 Fuß fait alles thieriiche und Pflanzenleben exrjtorben fiheint. YBom füdlichen Rand des Plateau (280 30° NB) gings auf, und ab bis in die Einfenfung der Dafe von Murzuf (26%). Von da war die Richtung durchaus Weit, durch bald in gewaltigen Bergen anfteigendes Terrain. Dort beginnt die fteinige Wüfte, die fandige hat ein Ende. Beide aber hahen das gemein von Zeit zu Zeit, wie e8 die Einfandungen des Bodens veranlaffen, mit Gras bewachfenen Stellen oder bloßen Waffergruben befprenfelt zu fein. Eine abfolute Sandfläche würde von vornherein alles Vorz dringen unmöglich machen und es ift fchlimm genug, wenn e8 jo ausficht wie Vogel an Nitter Bunfen vom Charakter des Tibbulandes fehreiben Fonnte: „auf 600 englifche Meilen auch nicht die geringfte Spur von Vegetation, nichts als Sand und fchwarze Steinfelfen.“ Ungeachtet bloß Lofaler Begetationsbefleidung in tiefen Ihaleinfchnitten und Seitenflüften, jo Eündigt fi durdy die bergigen Wüften in den Pflanzenformen fehon Sudanleben an. Wie die Karamanen den Airbergen fich näherten, zeigten fid) Gruppen jchöner Bäume, doch voraus der harakteriftiiche Baum der Wüfte, die Talha (mimosa ferruginea), fhon von imgeheurer Größe etwas jüdlih von 20° N. Noch ein Grad füdlicher trat die Dumpalme auf. -- Sm Thal von Zintelluft fand fich reichlich Weide für eine zahlreiche Heerde. Es ift auch dort, wo Annur während unferer Wintertage feine Saifon Hält. Diefer Häuptling wollte die Neifenden nicht nad) Süden ziehen laffen, bis er felber die jährliche Salzkarawane anführen würde. Diefes geichah aber erft am 12. December 1850. — Zwei Wochen fpäter hatten fie das Gebirgsland Air Hinter ih. Ein merfwürdiger Fled, wo auf einer Unterlage von mehr als 1000 Fuß — das Plateau von Agades jchägt Barth auf eine mittlere Höhe von 2500° — fih-im Norden Bergmaffen bis l Er gegen 6000° und im Süden bis gegen 5000° erheben. Südlich davon führte der Weg von 17 15’ N. big 150 45° N. über das unbewohnte wafjerlofe Wüftenplateau Ubadarjen, der Heimath von Giraffen, wilden Ochfen und Straußen, welch leßtere wenig Scheu vor der Karawane zeigten. Sihneidende Kälte war in den legten Tagen des alten Jahres auszuftehen. Nachdem die Weider gründe der Nomaden der Tagama einen halben Grad weiter ducchfchritten waren, zeigte fi, die an mittelmäßigen Pferden, aber hönen Rindern und Schafen reiche Landichaft Damergu und die erften Kornfelder. Dort regte fi) der Handelsgeift der Einwohner und jene Leichtfertige feit, die wir aus den Pilgerftationen“Arabiens fennen. Damergu’ift die Kornfammer von Air (Asben). Die angefehenen Asbenaua hielten dort den größten Theil ihrer Sclaven zum Betellen der Felder. Es war alfo bier wieder Aufenthalt von einigen Tagen, denn AUnnur hatte fi) vorz zufehen. Die ganze Kaflıa — aus circa 1500 Lafithieren, Kameelen und Ejeln beftehend — mußte fich überdas mit Getreideförnern verfehen, welche fie zum Austaufc des Salzes mit den Tibbus bedurften. In Taghelel, einem Dorfe Damergw’s, trennten fih Barth und Dverweg von Rihardfon (10. Zamuar 1851). Die beiden Deutfchen jehten nur wenige Tage ihren Weg gemeinfchaftlich fort und trennten fi ebenfalls am 14. Januar beim Dorfe Tihiraf. Der Engländer folgte Annurs Zug bis Sinder, wo fic) diefer, Gefchäfte halber, aufzuhalten hatte und fein eigen Dorf und Haushaltung befaß. Nichardfon fühlte fih in Bornu gefichert, denn Sinder ift die am meiften nad) Nord-Weft vorgefchobene Provinz diefes Reiches; auch waren die Leute Annurs und er felber jo gefügig geworden, wie er die Zuareg nur in Murzuf gejehen. Nur zwifchen diefen Punkten und vorzüglich der Gegend wetlich von der direkten Straße nad) Sinder fühlen fid) diefe Söhne der Wüfte recht zu Haufe und find dort übermüthig und gewaltthätig wie in mittelalterlichen Tagen jene Raubritter in Europa, welcdye von ficheren und wohlgelegenen Feften die Züge der Kaufleute feftnahmen, um ihnen Tribut abzuverlangen. Der Entfernung wegen und in Nüdfiht auf die Stimmung des Statthalters Sultan Zbrahim von Sinder fand es der Scheich von Bornu angemeffen, einen befonderen Nefidenten in Sinder zu halten in der Perfon des Scherifze-Faffi, defen Begegnung auf Richardion bedeutenden Eindrud machte, weil er einen Mann vor fih jah mit ganz europäifchen Zügen und einer weißen Haut, wie damals der Keifende Feine hellere hatte; auch die gewandte MWeije des Benehmensd war ungewohnt. Der Scherif, aus Maroffo gebürtig, hatte unter Abdzel-Kader in Algerien gegen die Franzofen gedient; von diefen gefangen genommen und jpäter frei gegeben, fand er am Hof von Kufaua Vertrauen und in Sinder einen politifhen Wirfungsfreis, demzufolge fein Einfluß groß war und dort Faum etwas zu erlangen war ald durd) ihn. Der Sultan, d. h. Statthalter, war damals ein Mann von 50 Sahren, Neger, aber voll Humor und guter Laune, früher Hausfclave de3 Herrjchers von Bornu und jhon lange Jahre in diefer hohen Stellung, in der er mit Energie und rüdjichtslofem Hinrichten fich befeftigte.. An deffen Hof fah Nichardfon zum erften Male die wegwerfende Sudandemuth des Geringen einem Großen gegenüber im Niederfallen und Staub a '& aufs eigene Haupt freuen. Der offizielle Dolmetfcher an jenem Hofe, der „Eleine Scherif,” war, obwohl Schwarzer, mit den Sitten der Nordfüfte befannt; derfelbe hatte als Matrofe die Süpdfüfte Europas gefehen und galt fomit ebenfalls als Givilifirter und war Mittelsperjon zwifchen dem Herrjcher und dem Gafte. Als jolcher ward der Engländer empfangen und fhon waren von Kufaua aus zehn Kameele zu feinen Dienften in Einder eingetroffen. In diefer Stadt von wohl zwanzig taufend Einwohnern *) war damals, der Salzfarawane wegen und in Folge einer Razzia des Statthalters, viel Leben und Bewegung; großer Markt zweimal der Woche. Ueberall wo der Reifende Hinfam, vom Eintritt bis zum Weggehen und fpäter nirgend in Bornu, hörte er den geringfchägenden Nachruf „Kafer“ (Ungläubiger). Die Ausfihten auf eine glücliche Fortjegung der Reife, Schug und Anerkennung von Perfonen und Eigenthum (vermöge der dargebrachten und verheigenen Gejchenke), einer Art Gliederung, die einer Negierung gleich, das Alles gab Richardjon neuen Muth und fchöne Hoffnungen. Er war aber fhon gefährlich angegriffen, als er eines Falten Morgens (11° R.) Sinder verließ. Eine ftellenweife befannte Gegend, fihöne Sluren, weidendes Vieh, große Bäume und eine zierliche Abwechslung der Landichaft, auch felfige Gegenden und Granitblöde liegen ihn den gefährlichen Gejundheitszuftand vergeffen. Gute Auf: nahme in den Quartieren waren für ihn allabendlich bereit. Er feste fein Tagebuch, welches mit wenigen Yenderungen jchon 1853 in London erfchien, Dis zum 21. Februar 1851 fort. Noch zwei Tagereifen muß er wohl weiter gefommen fein, als er am Morgen des 29. in Ngurutua ftarb. Dr. Barth, der auf feinem Wege zwifchen Kufaua und Kano rafch Kunde von dem Tode feines Neifegefäührten „Yakub“ erhalten hatte, lenkte feinen Weg von der eingefhlagenen Richtung etwas nördlich und fam den 27. März zur Grabesftätte, die er in geeigneter Weife ausgeftattet und pafjend umzäunt fand. Die Anwohner hatten lebhafte Theilmahme am Ereigniffe genommen, da fie tiefe Achtung vor Chriften hegen. ‚ Kehren wir nun znrüd zu dem Dorfe Tiehiraf. Bon dort wendete Dvermweg feine Schritte direft nah Weiten zu den unabhängigen Stämmen von Guber und Mariadi. Er fand aus: gezeichnete Aufnahme und Berirauen, befonders von Seite der Augenkranfen, da er au) hier wieder Medizin trieb, wie während feines Aufenthaltes in Tintelluft. Dort hatte er die Hauffa- Iprache fich eigen gemacht, darum Fonnte er mit den Leuten in Guber leicht verfehren. Zwei Monate blieb er bei denjelben, wendete fih darauf nah Sinder und dort jüdlih, in welcher Richtung er Majchena erreichte, dann aber wieder öftlich in die Nichtung von Barth; (Ubdzel- Kerim) einbog. Beide trafen in Kukaua Anfang Mai 1851 zufanmen. Alle Neifenden loben die Ichöne und fruchtbare Gegend des öftlihen Hauffa, wo Baumwolle, Indigo, Korn (Negerhirfe), fogar das Zuderrohr wächt; nicht minder loben fie die aufgewedten Hauffaua, die ihre Sprache *) Sn welcher zwar bei Tage die Geier, bei Nacht die Schafale Tas Amt der Strafenreiniger verfahen. 2 mit befonderer Eleganz zu Tprechen bemüht find und in derfelben einen Reichthum von Nedens- arten über die: eigenthümlichen Manieren des Nindes befiben,. jowie gefällige Ausdrüdfe für freund- liches und frögliches Grüßen.) Wis und Krämergeift ift diefem Volke eigen. Nicht mehr das Gleiche, fobald man das Land Bornu betreten hat. Kein Grüßender mehr auf der Strafe, beim weiblichen Gefhlecht breite, oft häßliche Gefichtsformen, [ehwerfälligen Körz perbau, nicht mehr jene regelmäßigen angenehmen Züge. Heiter, feurig ift der Haufjaua, gedrücdt von derbem Knechenbau der Kanori (Einwohner des Landes von Bornu). Huch ihre Sprachen find wefentlich verfchieden. Während in der Hauffa-Sprache die Befisiylbe am Unfange des Wortes fteht, folgt diefelbe in der Kanori-Spradhe am Ende des Wortes. Amtmann oder Bewohner oder Herr heißt in jener: maigari, in diefer billama. In allen Gentral-Afrifanijchen Sprachen lauten indeffen die Buchftaben bp, f ph gleih. — Die Umgebung der Stadt Kufa oder Kufaua (Kufa- Afenbrodbaum) ift weithin baumlos, zum Getreidebau tauglich und erfiheint in der heißen Jahreszeit wie eine dürre Dede. Celbft im Umfreis mehrerer Meilen findet fich fein Stamm von Adansonia, nad) welchem der Drt benannt ift. Barth fand die Annäherung an Kufaua am 2. April 1851 „düfter und einförmig.” Der lebhafte Bogel fchrieb im Zanwar 1854: „Die Gegend Hier ift über alle Begriffe entfeglich, nichts als die ungractöfe Aselepias gigantea, die Wälder beftehen meift aus Afazien, fein Baum oder Straud) ift ohne Dornen.“ Eine der erfien Schwierigkeiten, welche Dr. Barth; zu befeitigen hatte, war die Herausgabe von Richardfons Nachlaf. Von N’gurutua z08 deifen Dienerjchaft dorthin und der Scheich Tegte Hand auf Alles. — Das war fhwer, wiewohl Barth im Namen der englifchen Regierung feine Anforderungen ftellte. Die verfügbaren Waaren zu Gefchenken wurden ja in den Engpäffen von Air fehr verringert. Nun machte das Gefolge des Verftorbenen bedeutende Lohn: forderungen. Abdsel-Kerims Erfeheinen vor dem Palafte des Fürften war allerdings unangemeldet und fe, wie e8 die Situation verlangte, aber doc, nicht unerwartet. Auf dem Thron von Bornu faß num der ältefte Sohn von Mahomed el Kanemi, Scheich ’Dmer, ein Mann, damals 36 Zahre alt, wohlwollend, aufgewedt, aber ohne die Energie des Baters, welcher, jo lange er lebte, die Scheingröße der legten Sprößlinge der von ihm verdrängten Familie der Sfaefua in einem von ihm abficptlich erhöhten äuferen Glanze beftehen ließ, wiewohl er gleichzeitig den Titel von Scheid) fi) beilegte. Dmar, nah dem Willen feines Baters defjen Nachfolger, machte der bisherigen Dynaftie, welche feit dem 9. Jahrhundert unferer Zeitrechnung das Gefchid von Bornu in den Händen hatte, ein Ende (1835). Allein auch Omar überließ die Haupfforge der Regierung, feinem Bezir Hadj Beihir. Diefer, ein religiöfer Moslim, beherrichte gewiffermaßen den Scheich, wünfchte fehr den Handel mit Europäern, bewundert diefelben, nur fonnte er nicht begreifen, wie fie beraufchende Getränfe geniegen mochten. Er begriff fogar bis auf einen gemwiljen *) 3.8: Wie geht’? Ich Hoffe Du bit wohl. Wie Haft Du die Hiße des Tages ertragen? Te ‘we Grad das wiffenfchaftliche Intereffe der Neifenden und wollte nicht verhindern, daß die heilige Schrift ins Land gebracht und verfhenft würde. Uber verfaufen jolle man fie nicht dürfen, noch geiftige Getränke. In jeinen politischen Entwürfen ging der Vezir jo weit, zu wünjchen: es möchte die Türkei ihre Grenzen über Fezzan jüdlid bis Bornu erweitern, um dadurch fein Land nach Dften Hin gegen die Einfälle der Tuareg durd) die Verbündeten fhügen zu lafjen und um zugleich einen Stüßpunkt zu finden gegen die ftets wacjende Macht der Fullah, neben welcher erft in zweiter Linie das Reich von Bornu in Sudan gelten Fonnte. Während der glänzenden Beit der Sfaefua, unter dem gropen Könige Edrig Alaoma (1571-1603), erftredte fi Bornu im Weiten gegen Sofota, im Dften bis an Wadat. Heute (d. h. zur Zeit des Dr. Barth) hat die Zulbe-Macht die Provinz Hauffa zum größten Theil in Befis und ihr fallen die Vortheile zu, welche der ausgedehnte Handel von Mittel- Sudan bringt.o Das Alles jah der Scheic) wie der Vezir wohl ein und ihre Theilnahme ward gefeijelt durch) Barths Andeutungen über die Wichtigkeit einer Handelsftrage von Süden her, welche möglicher Weile größtentheils zu Waifer betrieben werden fünnte. Mittlerweile fand fich der Lektere bereit, Abd-elserim’s öfonomilche Berlegenheit durch ein Darlehen *) zu beben, auch ließ er für den Gaft eine geräumige Wohnung einrichten, das engliiche Haus oder fato inglisbe, worin fpäter Dr. Vogel ebenfalls gewohnt hat. Rafch war Barth in die neuen Verhältniffe Hineingelebt, blieb in faft täglichen Verkehr, bald mit dem Bezir, bald mit dem Scheif, welche Beide die Gejchenfe wohlwollend bei offiziellem Empfang entgegengenommen hatten. Don diefem Standpunkte aus machten die beiden Deutfchen zufammen und einzeln Reifen. Die Umgebung des Tfadjees wollten fie rundum fennen lernen. Sie überfohritten dephalb den Komadugu nahe feiner Mündung im Norden des Secs, famen nah Kanem, dem gegenwärtigen Grenzgebiete zwifhen Wadai und Bornu, wo der Schuß diefer Macht aufhört. VBordringen nach der Dftfeite und um die Südbucht des Wajferbedens war dephalb zu gefährlich; Aückehr auf demjelben Weg das einzig Mögliche. Gegenfeitig anerkannte Grenzen haben jene Sudan- ftaaten nicht, fondern find getrennt dur) einen mehr oder weniger breiten Streifen Landes, worauf die gegenfeitigen Feindfetigkeiten Rattfinden zum Zammer der Einwohner. Doc) leichter Sinn macht diefen Leuten Berheerung und Sclaverei auf eine Weife erträglic,, welche über europäifche Begriffe hinausgeht. Durch feine Neife nah Baghirmi lernte Barth den füdlichen Zufluß des Tfadfeeg, den Schari und feinen bedeutenden Arm, den Komadugu von Logone fennen. An den Ufern des *) In Fezzan zahlbaren Thalern zu 100b Kungena (Kauri in Hauffa auch) in Europa der mer= Fantilifche Name für die Mufchel cyprea moneta) gerechnet. In Kano, dem Geldmarfte des Eüdan, ift ver gewöhnliche Conrs des fpanifchen Thalerd 2500 Kawi. In Bornu zieht man, ungeachtet geringeren Metalle Werthes, den öfterreichifchen Thaler vor. Im Mebrigen beiteht für diefes Fand die Geldwährung in Baummwollftreifen „gabaga“ (1 Hand breit, 1 Borberam lang). u. EZ ES chari mußte er lange harren, um in die Haupttadt diefes Reiches eingelaffen zu werden; lebteres gefhah erft, nachdem er den mißtrauifchen Charakter der dortigen Regierung, für einige Stunden mit Ketten belaftet, erfahren hatte. Baghirmi, nicht Telbit ftarf genug fich zu halten, muß nad) Wadai Tribut zahlen und den Herrfcher von Born durch jährliche Gefchenfe begütigen. Smmer- hin war diefe Neife von Anfang März bis Ende Auguft für den Reifenden in vielfacher Beziehung von reichem Grfolg, befonders in ethnographifchen und Hiftorifchen Nejultaten. Als DB arth in Kufaua zurüd war, fand er Berichte aus Europa, Reifemittel und die offizielle Ernennung der englifchen Regierung (fignirt durch Lord Palmerfton) ald Haupt der Expedition mit völliger Freiz heit behufs geeigneter Schritte zu weiteren Entdedungen, jedoch mit einer Andeutung für Zwed- mäßigfeit einer Neife nah Timbuftu. Leider aber follte er nun bald ganz allein ftehen. Dverweg farb an dem Ufer des Sees, deffen Snfelwelt er mit dem aus Europa gebrachten Boote beihifft, vermeffen und die Heidnifchen unabhängigen Einwohner, die Budduma, Fennen gelernt Hatte. Als Barth am Morgen des 20. September 1852 nah Maduari Fam, trat ihm der Bruder des Dorfvorftehers weinend entgegen: Tabib fei todt, fie Alle werden ihn nie ver- geffen. Dverweg war'mehr ald Barth, wie diefer felber jagt, bei den Eingebornen populär; nie ift er gefund gewefen, fo lange er im Sudan war und feine Kräfte find durdy’8 Fieber allmälig aufgezehrt worden. Interefjant ift es, Die Driginanotizen feiner Beobachtungen durdy- zufehen; nadı und nad find jelbige undeutlicher gefchrieben und zuleßt Faum lesbar. Doverwegs fegte Neife war an die Südweltgrenze in das reiche Land von Gujeba und die Gebirge von Baber und Marght. Die wichtigfte Neife von Kufaua aus war die von Dr. Barth, die er fhon im Jahre 1851 vom Mat bis Zuli ausführte, nad Süden zu in der Richtung, wo er nady Heberfchreitung der Grenze von Bornu gen Dft das Hohe Mandaras Gebirge und den Berg Mindif annähernd in der Lage beftimmen fonnte und zugleich das intereffante Land der Marghi quer durchichritt, deifen Dftfaum Dverweg ein halbes Jahr fpäter befucht hatte. Barth war auf diefer Reife fo glüdlich jenen Strom zu überfireiten, über den er manigfaltige Erfundigungen eingezogen hatte und der, aller Wahrfcheinlichfeit nah), Feine andere Wafferader fein fonnte als jener groge Seitenarm des Kuorra (Niger), deffen unterfte Ufer Allen und Dfdfield fon im Jahre 1833 auf fait 1%, Breite-Grade nach Dften befchifft hatten; diefelben nannten ihn Tihadda. Barth fand ihn unter dem Namen Benue und glüclicher Weife dort, wo ihm der eiliger ftrömende Jaro zufließt. Ueber beide Ströme feßte er am 18., dann wieder am 27. Juli auf dem Nüdwege. Die Breite von jenem fhäßte ev auf 1200, diejenige von diefem auf 900 Schritte, die Höhe über Meer bei 800 Fuß. — Während der Furzen Zeit von neun Tagen ftieg der Benue einige Fuß. Der höchfte MWafferftand follte aber noch 30 bis 50 Fuß zunehmen und 40 Tage dauern (20. Auguft bis Ende September). Im Ueberfchwenmnungsbereih waren Sumpfpflanzen, aber außerhalb des: felben eine Parfähnliche Landfhaft. Der Baobab ift Vertreter dortiger Flora, Reisbau derjenige — 13 Yan = der Gultur. Alles ift auf Sclaverei eingerichtet. In der Hauptftadt Yola, der Provinz Adamaua, fand Barth feinen Erfolg. Sein Begleiter war eine politifhe Perfon von Bornu, mit deffen Herrfcher der Statthalter Mola’s über das zwifchen ihnen liegende Marghiland im Streite lag. Diefes, weil Heiden beherbergend, wollte von beiden erobert oder vielmehr als Sclavenjagdrevier ausfchlieglich betrieben werden. Es galt aljo die Zurüdweifung nicht dem Europäer, fondern dem Kanori-Amtmann. Genug aber hatte unfer Neifende gefehen, um wieder in Kufaua zurüd einen neuen maßgebenden Bericht nach London zu fenden. Diefer hatte die Folge der Ausjendung der Pleiade (das erfte Schraubenfhiff für äfnliche Ywede) den 20. Mai 1854 von Liverpool nach dem Niger und der Aufnahme des Benue unter dem ausgezeichneten M. D. Baifie, der als Gapitain und Arzt fein Ehiff ohne Verluft eines Menfchenlebens Mitte Februar nach England zurüdführte. Die Meberrafchung der anwohnenden Bevölkerung des Bene über die Erfeheinung des Dämpfers war groß, die Bereitwilligkeit zu Handelsverbindungen nicht geringer. Uugeachtet einiger belebter Marktorte Hatten die Leute auf Erport- Handel fih nicht verfehen und als merfantile Fahrt war die der Pleiade unergiebig. Die wichtigen Folgen Fünnen nicht ausbleiben. Die Bevölferung am Südufer ehien zum bleibenden Verkehr jehr geneigt. Die Eingebornen auf der Nordfeite wären es auch, aber die verheerenden Züge der Fullah halten jene weiten Gebiete in fteter Unficherheit und Furcht; es war darum aud für pajfend gehalten, die Day Spring (Morgenröthe) als Nachfolgerin der Pleiade im Sahre 1857 nach dem mittleren Niger (Dijoliba) Hinaufzufenden. Die dortigen Rerhäftniife, welche an den Benue zurüdwirfen, werden durch Barths Neife nah Timbuktu anfchaulid. Der Tod des legten Gefährten ereignete fih in dem Momente, wo die Ausfichten der Miffton fi günftiger geftalteten. Die Aufforderung Lord Palmerftons, die Länder zu bereifen, welche durch den mittleren Lauf des Niger ein befonderes Intereffe hatten, fam höcht erwünfcht. "Es lag ein beftimmter Zwed vor und dazu das Anregende, jener geheimnigvollen Stadt jelber anfichtig zu werden, welche ihre Ausdehnung, ihr Handel und ihre Schreden, durch immer noch ungenügende: Erzählungen Höchft anziehend machten. ES war bei diefer Abficht nicht ganz leicht, von feinen bisherigen Freunden und Befchügern in Bornu in gutem Vernefmen wegzufommen. Der Retjende bezwedte, nad) deren Auffaffung, ins Lager des Feindes tberzugehen. Deßhalb Hatte er eine Privat Abfchieds-AUudtenz beim Echeicdh, welcher einzig der Bezir beiwohnte. Da gelang es, die- felben zu überzeugen, daß, wenn es den Engländern gelänge, die großen Wafferftragen zu fried- lichen Berfehr zu öffnen, fie felber den größten Vortheil daraus ziehen würden. Barth follte ihnen verfprechen, nach feiner Rüdfunft von Timbuftu in Bornu zu bleiben. Etatt dejfen machte er ihnen Hoffnung, daß ein englifcher Conful in Kufaua refidiren follte. Aber auch diefes Project ward durch die bald darauf erfolgende Revolution Abdser-Rahma’s vereitelt. Immerhin blieb es ein Wagnif, nad Werten vorzudringen. Die Strafe nad Eofoto war durch Krieg gefährlich. Die verfügbaren materiellen Hülfsmittel, ungeachtet der Zufendung, die u Barth nad feiner Nüdkunft aus Baghirmi vorfand, fchon fehr redueirt. Eine Partie Waaren und neue Snftrumente follte er in Sinder erhalten; denn einmal diefen Ort im Rüden, war an weitere Zufendungen nicht zu denfen. Die Stimmung der fanatifchen Zulbe war mit in Anjchlag zu bringen und der gepriefene Scheich el Bakfay in-Timbuftu nur nah Hörenfagen ein edler Mann. Nicht blog die Stellung zu den Gewalthabern in Bornu hatte des Neifenden Aufenthalt in Kufaua wichtig gemadt. CS hielten fi damals mehrere bedeutende PBerfönlichkeiten dafelbit auf, die als erfahrne Neifende, als Gelehrte und auch um ihrer Nationalität willen zu interefjanten Unterhaltungen beitrugen. So erfuhr Barth durd einen derjelben von dem Manufeript der BornusGefhihte, von dem er in feinem zweiten Bande einen chronologifchen Auszug gibt. Darum jah er häufig einen einflugreichen und gewandten, aber ehrlojen Hofmann der früheren Dynaftie, dem e8 eben gelungen zwei jchöne Töchter, Die eine an den Vezir, die andere an deijjen Todfeind Abze-Rahman (Bruder des Scheich) zu verheirathen. Yerner fanden fich in feiner Gefellfhaft ein, ein junger edler und ftolzer Fulbe und ein in der Geographie Afrikas bewanderter Araber. Dur beider Anfprüche auf die Vorzüglichfeit der eigenen Nationalität, erfuhr der Doctor fehr viel, wichtig zumal für die nun zur Reife gekommenen Reifepläne: da gerade aus entgegengefeßten und mit Eifer vertheidigten Anfichten für den dritten das Urtheil gejchärft ward. Gr hörte in friedlicher Unterhaltung die Gegenfäge beider Nationen verfechten, die vom Senegal bis Timbufin im gegenwärtigen Kriege fich geltend machen. Nach dem Verlangen des Vezir jollte Barth die große Handelsftadt Kano auf feinem Wege nach dem Weften meiden. Er durfte fein Auffehen erregen bei dem großen Zufammenfluß von Menfchen in jener Zulbe-Stadt. Cs Hatte das Greigniß in den Bergen von Air bereits größeres Aufiehen im Sudan erregt, als die. Bez lagerung Sebaftopols damals in Europa. Ueberall fprady man von der englifhen Miffion. Aber gerade diefes verlangte von den Reifenden äußerfte Umficht und luges Benehmen, um gute Auf- nahme in Sofoto nicht zu verjcherzen. Am 25. November 1852 verließ er die-Stadt Kufaua. Ein erprobter Diener, Mahomed der Gatroner, den er mit dem Nachlag von Nichardfon heimgefchidt hatte, war wenige Tage zuvor eingetroffen. Diefer war Barth Leibdiener, den er nebit einem zweiten beritten machte ; dann waren noch drei andere Bedienftete, von denen ihm zwei freigelaffene Sclaven bis nad Europa gefolgt find*). Dazu 200 Thaler, 4 Pferde und 4 Kameele. Nach Karawanen Art hielt er für den Abend in geringer Entfernung von der Stadt. E8 folgte die Fältefte Nacht (19 R. bei Sonnenaufgang). Auf der Richtung nach Sinder feßte er über den Komadugu, defen trodenes *) Beide waren duch Dr. Overweg in Freiheit gefeßt. Der eine, Wbbega, ein Marghi, it am 24. November 1857 mit dem englifchen Portdampfer nach PMoruba abgegangen. Der andere, Dyrregu, ein Haufja, blieb unter Leitung des Miffionärs Schön in Ootha. a Bette er auf feinem Heimweg von NMourutua nah Kufa den 27. März 1851. kennen lernte. Am 2. December 1852 hatte derjelbe eine Breite von 180 bis 200 Schritten, in der Strömung 15 Fuß tief bei einer Schnelligkeit von 3 engl. Meilen in der Stunde. Dort herum breitete fi eint der Garten von Bornu aus und unweit der Fähre lagen die Ruinen von Ghafer Eggomo dem einftigen Birni oder der Hauptftadt Bornu’s, die, wie Denham jagt, früher eine Einwohnerzafl von 200,000 gehabt Haben joll. Aus den gebrannten Badfteinen der größern ehemaligen Gebäude darf man auf höhere Bildung und Gefittung jchliegen, als die in gegenwärtiger Hauptitadt vors handene, wo alle größern Gebäude mit fonnegebranntem Thon aufgeführt find. Nicht nur die Bauweife war in gewiffen Sinne großartig, jondern der unweit von Birmi gelegene See von Muggobi galt als eine der größten Zierden der Glanzperiode der Sfaefua (16. Jahrhundert). In jener Gegend ift zugleich auf eine Eigenthümlichfeit der Bodengeftaltung hinzuweifen. Noch) ehe der Neifende auf jenem Hiftorifch merkwürdigen Punkte eingetgoffen, nahmen die Bäume allmälig einen reicheren Charakter an und damit zeigte fich WohHlhabenheit und Behaglichkeit der Bewohner. Zugleich führte der Weg auf wiederholten Abfteig über fandige Hügelrüden der Scheidewand des Tjad und des Komadugu, welche den Strom nad) Nordoften drängend, der Ber- muthung Naum gibt, daß in früheren Zeiten bis dorthin eine Ausweitung des Tfadfees gegen zwei Breitegrade nach Werten zu ftattgefunden, was um jo mehr anzunehmen ift, als der Tfad mehr den Charakter einer Lagune hat, während der Regenzeit meilenweit feine fer ausbreitet, dadurch im Fahr 1854 am Nordufer das Dorf Ngegimi überfchwenmte und wenig Tüdlich von Kufaua die größte Stadt von Bornu, Ngornu, im gleichen Jahre faft ganz zerftörte. Nach diefem Nüdblid auf die große Depreiiion, deren Waiferfpiegel nicht volle 800 Fuß über Meer liegt, wenden wir unfere Aufmerfjamfeit ftetig gegen Weften, um über Land und Leute zu berich- ten, die gegen das Flußgebiet des Niger Hinliegen, von woher die bleibende Verbindung zwifchen Europa und dem Innern Nord-Afrikas möglich gemacht werden wird. In Sinder blieb Dr. Barth vom 25. December 1852 bis zum 30. Januar 1853. &$ Ibien ihm, daß die Stadt, die außer einigen Farbtöpfen feine Snouftrie hat, an Handelsthätigteit zuges nommen habe feit-die Unficherheit der directen Straße von Fezzan nad) Bornu größer geworden. Immerhin ift diefe Stadt für den Salzhandel im Innern und den Verkehr nach der Küfte Hin ein Thor des Sudans zu nennen. Unfere Neifenden hatten auch den alten Unnur wieder getroffen. Die Begegnung war Ffalt aus guten Gründen. Handelsgefchäfte waren nun die Aufgabe des Europäers. Glüdliher Weife fand er in einer Zuderfifte wohl verftet taufend Thaler; die größere Sendung, die für ihn beftimmt war, Fam aber wenige Tage nad) feinem Weggehen von Einder in die Hände des durch Nichardfon der Expedition befreundeten ScherifsesFaffl. Diefer jedoh, ald Anhänger Scheich Dmars, wurde in Folge der November» Revolution 1854, auf offener Etraße erdolcht und dadurdh war auch das Gigenthum des Europäers verloren. Etwas mehr als 2000 Thaler blieben als Neifemittel verfügbar. Dafür wurden 775000 Mufcheln P3 Br (258 fpanifche Thaler) eingethan, auch rothe Tuch » Bernufe, weiße Zurbane, Spiegel, Rafirmeffer, Nofenkränze und andere Waaren, die bei der eben von der Küfte eingetroffenen Kafla verhältnig- mäßig billig zu befommen waren. E8 ift zur Schägung der Leiftungen der Reijenden, nothwendig, auf diefe für’s Fortfommen unerläßlihen Dinge aufmerffam zu machen. Sie find um ihrer Fleinen Werthjumme wegen, gegenüber den langen Reifen, von großem Belang. Barth hatte Eile. Das ganze Grenzgebiet zwiichen Bornu und dem Fulbe(‘Pullo)-Reich war unfiher. Doch Fam er glücklich über den gewellten Boden, aus dem von Zeit zu Zeit Granitblöde hervortraten (3. Februar), nah) Gafaua, einer FZulbe-Stadt, deren Thal und Umgebung ihm gerade zwei Sahre früher befannt geworden. Auch jet wieder erjchien der afrifanifhe Stußer, der Sferfien-Turaua*) im allerbunteften Anzuge und war wieder überfliegend an gefälligen Ausdrüden in gewählten Hauffa. Nachdem Barth den Geden durch Gefchenfe befriedigt hatte, blieb ihm noch) die Zufriedenftellung von drei anderen angejehenen Leuten. Am folgenden Tage Ichon früh ging’s weiter auf befannter Straße durch Wald, mit geladenem Gewehr in der Hand, nad) Katjena. Dig zum 21. März mußte er dort aushalten. Er vermehrte feinen VBorraty an Mufcheln (bis auf 1'/; Million) und Waaren; unter diefen 75 Stüd Frauenkleider (Turfedis) u. a. drgl. Während diefer Zeit war der Krieg mit Gober ausgebrochen. Ungeachtet beide Friegführende Heere im feindlichen Lager befoldete Spione hatten, wußte man in Katjena lange nicht, welche Richtung die Goberauaarmee einfchlage. Glüdlih für Barth traf es fich, daß der Ghaladima (eriter Minifter) von Sofoto ih auch in jener Stadt befand und nad) der gleichen Richtung Hinftrebte. Das war ein einfacher, geradfinniger Mann und fonnte, indem er felber eine Escorte befehligte, Schuß gewähren, der von dem gewillenlofen Statthalter von Katfena nie zu erhalten gewejen wäre. Die Borzeichen der Regenzeit waren da. Der jüdliche Himmel mit Wolfen umhängt, abendliche Küh- lung und Nachts Wetterleuchten. Die Gegend anfänglich gut bebaut mit Tabak und Baumwolle in ausgedehnten Feldern, auch Indigo und die füße Kartoffel waren zu fehen. Die Frucht der Zamarinde hatte jhon in Sinder zu reifen begonnen; die Hadjilidj (der Araber, Addua der Hauffa Balanites aegypliacus) hatte Anfangs März angefangen, mit jungem Laub die Sprößlinge zu fohmüden. Die Doroa-Parkia, in ganz Bornu vergeblich gefucht, war nun die Hauptvertreterin des Pflanzenreiches. Die aus dem Samen diefer Mimofe bereiteten Kuchen (Dodoa), veranlajjen einen gewinnreichen Handel bis Sofoto. Eben entfalteten fie im fchönften Burpur ihren Blüthen- fhmud in lang herabhängenden Büfcheln. Dur die Grenzlandfchaft der fich befehdenden Heiden und Moslem war es nicht immer geheuer. Ein Gewaltsmarfh von mehr als 24 Stunden war zur Sicherheit erforderlich; er führte durch Fluren und länger durch dichten Wald wieder an bevölferten Städten vou 5—6000 Seelen vorbei. Deren gewerbfleißige Einwohner waren rafch *) MWörtlih :. „Here der Weißen ;“ ein Amt, welches oft in Sudan vorfommt und zur Aufgabe bat, den Zoll von den aus Norden fommenden Kaufleuten einzufordern. = MW dabei, Handel zu treiben. Im Lager unweit Wurno, der jegigen Hauptitadt vom öftlichen Fellatah-NReich (Sofoto), ward er beim Emir el Mumenin (Herren der Gläubigen) ein- geführt und gnädig empfangen. Die Gefchenfe für Aliu, den Sohn Sultan Bellos, waren zu deffen Befriedigung gewählt, zumal ein Baar Piftolen, jo daß die Gegengefchenfe in reichlichen Lebensmitteln für Mann und Thier nie ausblieben. Die Unterhandlungen, betreffend die Weiter reife, waren fchleppend. Aliu verbot dem Doctor nah Hamd Alahi (der Nefidenz des mäd- tigften Statthalters im weftlichen Fellani-Reich) zu ziehen, hingegen bewilligte er gern deifen Befud in Timbuktu und ließ fich herbei, den Wortlaut eines Geleitsbriefes und des Vertrags mit England jo lange zu ändern, bis Barth für fi und fpätere Reifende damit einverftanden war. Die Refidenz Alius, einem Mann von viel Gutmüthigfeit, einiger Einfiht und größerer Indolenz, fand er nicht reinlich, auch zu deutliche Spuren des Berfalles der Pullo - Macht. Sn Sofoto, der Stadt, welche dem öftlichen Reiche den Namen gibt, ward Barth von Modibo Ali, dem älteften Gliede der Familie und Neffe des Reformators Dtihman el Djihadi, gut empfangen. Er fand in ihm einen gemüthlichen Siebziger mit edlem Charakter, mit Fleinen feinen Zügen, von mittlerem jchmächtigen Wuchs, jo ganz das Gepräge reinen Zulbe-Stammes*. Die Stadt jelber aber war von ihrer früheren Bedeutung zurüdgegangen. Handwerker, Kaufleute, Mäkler, behaupten in den Gewerfen von Lederarbeiten (wie jchon im 16. Zahrkundert) jest noch eine Art Monopol. Hier traf Barth auf einen alten Bekannten, Freund und Reifegefährten von Nurzuf, bis und duch) die gefährlichen Airberge. Der „Agbedefiiche Fugger” Mohamed Boro war nicht nur in Air begütert, fondern befaß auch in Sofoto ein Haus und machte zwifchen Fezzan und dem Eudan große Handelsgefchäfte. Er war ein Fluger, gemäßigter Mann, der’ großen Einfluß auf politifhe, wie merfantile Angelegenheiten, auch in diefer Landichaft ausübte. Daß Eonjul Gagliufft die Bedeutung Boros zu gering angefchlagen, war mit ein Grund, daf die Fährlichfeiten vom 18 — 26. Auguft 1850 jo ernjt geworden. In Eofoto wäre noch) jchwierigere Stellung dem nördlihen Kaufmanne gegenüber für Barth geworden, wenn er nicht alle Behut- famfeit zu Rathe gezogen hätte, um von der au für Eofoto wichtigen Flußverhindung durch den Niger nur das Erforderliche anzudeuten, was die Regierenden erfahren jollten; fchon in Wurno ward Aliu zweifelsohne duch diefen merkantilen Einflug geläfmt, unbedingt in der Europäer Sdeen einzugehen. Ohne große Schwierigfeiten reiste Barth auf den nie von einem Europäer betretenen Pfaden dur die eben nicht ganz fihere Gegend, in neun Tagmärfchen nah Gand 0, der Hauptftadt des weftlichen Fulbereiches, deren Umgegend als Wiege desfelben anzufehen ift. Es war die erfte Zeit der Regen, Pflanzenwuhs eben beginnend, der Affenbrodbaum ganz vors berrjchend, nebft ihm die Dum- und die Deleb> Palme. Auch, zeigten fi hier Bananen (feit Adamanah nicht wieder), Reisfelder und, wie es dem Fulbe gemäß ift, große Viehherden. *) Bulbe, Bullo, Peul, Fullah, Namen gleicher Bedeutung. Ba Der Fürft EChalilu, mehr Mönd denn Herricher, ließ den Europäer nicht in feine Nähe. Daher wurden diefem erprefte Gefchenfe von Mittelsperfonen auferlegt, follte er nach zweiwöchent- lihem Aufenthalte für fih den Ferman und für alle Engländer einen theilweife befriedigenden Sreibrief erhalten. — Ungeachtet aller Strenge in Handhabung des Kuran, ift Fein Friegerifcher Geift im Bolfe, noch auch politifche Negfamkeit, Fein fröhliches Volfsleben in Gaudo. Der Juni war da und mit demfelben waren die ftarfen Negengüffe gefommen. Die Zeit drängte, follte der Reifende durch die wirren Zuflüffe und Hinterwafler des weiten Flußgebietes vom Niger bis Timz- buftu gelangen. Da war nicht allein die Witterung, auch noch mit Gleihmuth die Bladereien eines Menfchen zu ertragen, den er fich felber in Katjena aufgebürdet hatte. Sobald Alt el Wgeren in Gaudo bemerkt, daß fein Prinzipal Schwierigkeiten ausgefeßt war und demfelben die Alter: native: Nüdfehr oder vorwärts mit Gefchenf-VBermehrung geftellt war, fing aud) er an, neue Forz derungen zu ftellen. Dazu Fam noch, daß ihm fein beftes, in Katjena für 60000 Kurdi gefauftes Kameel gefallen, und GErfaß mur dur viel Höheren Preis zu erhalten war.*) Wie ift aber die Eriftenz der Neifenden anders ald dem Bild dortiger Gegend zu vergleichen? Zerftörung und wilder Hader dicht neben forgenlofem Leben in Fülle unter dem Laubzelt üppiger Bäume. Noch) waren nicht die fcehwierigften Partien zurücdgelegt, aber eine neue Sorge gefommen. Der Fana- tismus des jungern Islam ift groß; für den Chriften ward es lebensgefährlich, als folcher weiter zu erfcheinen. Dazu fam, dag an dem Niger eine Sprachgrenze liegt, die auch für Barth ein Hemmniß war. — Der Snfelftadt Sfai gegenüber fah er mit gehobenen Empfindungen den prachtvollen Strom**) ruhig dahin gleitend. Viele Menfchen Harrten, um übergefest zu werden. Nach den gemachten Erfahrungen war die Sonrhay-NRace die ungaftfreundlichite in ganz Sudan; dennoch war der Empfang beim Statthalter befriedigend ımd e8 verftand auch diefer, dem Inhalte des Zerman ein Genüge zu thun. Nicht das Gewirre der Flüffe und Bäche allein, fondern ein neuer Begleiter ward zum Hemmniß im Vorrücen jenfeits Sfay, für Barth; eine neue Befanntichaft, der Walater Ueled Wmumer. Dies war ein Menfh von einnehmenden Manieren und gejchidter Erzähler, *) Der Aufenthalt in dem düftern Gando war doch mit einem wichtigen Fund verbunden, auf welchen er in Sofoto aufmerffam gemacht wurde: das Manufeript der Gefhichte von Sonrhay, aus welchem in der Heberfegung Auszüge in der deutfehen morgenländifchen Gefellfyaft und in Barthe Keifewerk erfchienen find. **) Berbername: Neeghiren (Niger), d. h. Fluß, bei andern der große Strom: vd. h. Dhioliba oder Voliba oder Mayo (dev Fulbe), Goghirren (der Tuareg), Ja (Sonrhay) oder Kuara oder Bafionrua. Barth fand ihn im Suni 1853, 2000, im Juli 1854, 2400 Fuß breit. Sfai hatte damals circa 8000 Einwohner. Sie ift ala Marftplag heute fehon von Bedeutung; wird der Niger fohiffbar, dann fteigt fie zur bedeutendften feiner Uferftädte. = 19 welcher Arabifch, FZulfulde, Sonrhay, Moffi und das Bambara fließend fprach, ebenfo geläufig das Zemafchirt. Er felber nannte fih) Scheicho, obwohl er e8 nicht war; demgemäß Eleidete er fich in Ihwarzer Tobe, jchlang einen jchwarzen Shawl um den Kopf und ging in feierlichen Schritten umher. Diejes Individuum erfchien dem Doctor als erwünfchter Begleiter, weil er fih auf das Studium der Sonrhayfprache nicht verlegen, fondern die Sprache des herrichenden Stammes, das Sulfulde fh zueigen machen mußte. Nach einigen Tagen verftanden fie fich vertragemäßig; Barth gab Gejchenke in fehwarzen Kleidungsftiden, verfprah Geld für Timbuftu und machte den Walater beritten in Dore, einem nicht unbedeutend.n Marktplage. Dort war aber fein Forts fommen. Der Sohn Wmmers hatte feinen Kram noch nicht zu Ende und gab feinen Gefährten vor, daß die Lajtthiere der Stärkung bedürften. Das theure Futter von Dore war fo fchlecht, daß die Thiere noch fchlimmer dran ware beim Abgang als beim Kommen. Unfer Reifender lernte während diefer Wartzeit die Sonrhayfeute fennen, deren Hauptbefchäftigung Rauchen und Tanzen war. Die Anarchie der Gegend ließ fo viel dem unterworfenen Stamme zu, ungeachtet des Berbotes ihrer rigorofen Herren. Weite Veberfchwenmungen veranlaften zu langen Ummegen. Sie gelangten einft an eine fehwierige Stelle, wo Weg und Steg nicht mehr zu finden. Zwei Gel- hirten waren in der Nähe; man frug nad der guten Nichtung. Die Antwort war Alların. Plöglicy ftürzten gegen 200 Bewaffnete hervor, jchlanfgewachiene Männer, nur ein zerlumptes Zub um die Hüften und Speere zum Wurf bereit. Nach fprengte der Walater herbei, führte den Doctor als Scherif bei den Leuten ein nnd als Freund des Scheichs el Baday. Die Speere fenkten fih, die Männer umdrängten das Pferd von Barth und er hatte zum Segen die Hand auf alle die jchmusigen Köpfe zu legen. Das war ein Glüd, Nur mit Hülfe diefer Ga=bero, welche vom Markt in Aribinda Heimfehrten, Fonnten fie über den Fluß Bugoma jeken. Fußftapfen von Elephanten waren häufig und ein fehöner, für Schiffsbauholz geeigneter Baum (Marr oder Kai) zeigte fih rund um ein nahes Secbeden. Die Pferde litten fehr, nicht nur dur Mücden, aud) Blutegel hängten fih an; das Blut tiefelte von ihren Beinen. Mitunter famen auch tröftliche Momente. Schöne Viehheerden und im Walde reichliches Kraut; die Bornus Pferde waren erfreut Uber die befannte Sudan-Klette (Pennisetum distichum), welche fonft dem Neifenden zu großer Plage wird und die feit Sofoto nicht wieder bemerft wurde. Alles Korn der Felder war Negerhirfe (Pennisetum typhoideum). Schöne Saaten zeigten fich und Frauen im Uebermaß von Schmud. Die Sonrhay liefen ihrem Haß gegen die Fulbe vollen Lauf im Gejpräch. Ueberfättigt war die Luft mit Feuchtigkeit. Der Baobab ftand Ende Suli in voller Blüthe. Starker Thau jeden Morgen. Diefes waren Erfcheinungen, welche die Aufmerffamfeit des Beobachterg rege hielten. Da die Ueberfchwemmung reiche Ernte verfprah, waren die Bewohner darob entzüdt. Doch auch zu diefer Jahreszeit gab e8 anderwärts Stellen, wo man nach Regen fich fehnte und Barthe Fürs fpradhe in Anfpruh nahm. Noch trennten ihn die abjonderlich geformten Berge der Provinz a Hombori von der Rinne des Niger. Die Saat von Indifhem und Negerforn war beinahe reif, aber in jener Hügeligen Gegend traf er, wie früher, nur in Baghirmi Die große Plage des Landmanns, den fhmwarzen Wurm (termes fatalis?), der ungeheuren Schaden in den Saaten anrichtete. Diefe Ameifenart bildet in Mitte des Pfades lange ununterbrochene Reihen, welche in dichter Maffe gegen Dften vorrüdten. Der unebene Boden machte die Neifenden wegen Ueber: fällen behutfam. Sanddünen zeigten fih und Afazien traten auf, dann famen wieder belebte, malerifch ausfehende Sonrhaydörfer, deren Architektur bemerfenswerth if. Aehnlich mittelalter- lichen Städten zeigten jene afrifanifhen Ringmauern Thurm und Graben. Dazu paßten die ferne fihtbaren Zafen der Hombori- Kette. Auch Hütten und Kornjchober hatten völlig neue, aller Symmetrie baare Formen. Ein Bauftyl, der mit Einführung des Jslam dort herum Eingang gefunden. Bei dem vielen Neuen war die Begegnung mit Zulbe-Reifenden darum erquidlich, weil fie nach Hauffa- Weife mit „fofo” gar wohhwollend grüßten. Der Weg führte unfere Karawane in das Lager eines Tuareg-Stammes und bald darauf in die Fulbe-Stadt Bambara, wo der Walater früher anfäjfig gewefen und nur dur Gefchenfe an Vorgefegte und Bekannte alten Groll pariren fonnte. Dazu ward gefchiet Barth in Mitleidenfhaft gezogen. — Fünf Monate im Zahr ift ein Seitenarm des Niger biS zur Stadt fchiffbar. Noch zwei Tagereifen zu Land und Barth war abermals des fhönen, über taufend Schritte breiten Stromes in Sfarayamo anfihtig. Der Emir diefes Ortes, von fünftaufend Seelen, fteht diveft unter dem fanatifhen Sultan von Hamd-Allahi. Das war läftig. Die Einwohner find Zulbe, befisen große Rindvich- und Pferde heerden, pflanzen Reis in großen Mafjen. Er miethete ein Boot und Sonrhay-Schiffer, die mit 18 Zuß langen Stangen den Kahn der Strömung (mittl. 2 engliiche Meilen per Stunde) ent gegenfchoben. Herrlich war die Nigerfahrt! Hohes Schilfrohr am Ufer, weiße Wafferlilien (Nymphea Lotus) auf dem Waffer fhwimmend, fo auch zahlreiche Pelifane und andere Waflerz vögel. Sn der Ferne Dumpalmen, dann wieder fehwimmende Knaben, Häufig fogar Ichwimmende Rinder, als wie wenn in diefem Sumpfland, welches in der Regel drei Regenfälle jährlich erfahren foll, Menfchen und Vieh gleichviel zum Gehen und Ecdwimmen eingeübt wären. Aus dem Fluß angelte man einen großen Fifh (Gattung Cyprinus), der ein Föftliches Mahl gewährte. Die Nuhe des ftillen Fortgleitens am Tage, Nachts nicht große Plage von Müden, des Morgens frifihe Lüfte, wie mwohlthätig für den ermüdeten Neifenden! — Am 6. September war Kabara in Sicht. Nah der Ankunft ward Barth von Leuten der Stadt begrüßt. Ihm ward auf der Höhe des rundlichen Stadthügels eine Wohnung angewiejen. E$ dauerte nicht lange, jo nahm der Bruder El Badays, STidi Alauate, mit feinen Anhängern Befik von der Zerrafje des Haufes. Sfidi Aauate, der gerade Feine Autorität in Kabara befaß und in’s geheim von Dr. Barth erfahren, daß er ein Chrift jet, wollte nun wiffen, warum er denn eines befonderen Schubes des Sultans von Konftantinopel gewürdigt werde. Daß Barth nur einen Empfehlungs- brief vom Bafıha in Tripoli und einen früher in Egypten gebrauchten Ferman vorzumweifen hatte, U verfchlimmerte von vornhereim feine Lage. Diefes gab zu weiteren Intriguen dem Walater freies Spiel, bis daß durch den Geradfinn und die Freundfhaft El Bafays der boshafte Quälgeift entlarpt wurde. Am 7. September 1853 fam eine Schaar Leute aus der Stadt Timbuftu ent- gegen, um den Fremden willfommen zu heißen. Vor dem Haufe des abwejenden Scheihs wurden Ehrenfalven aus Piftolen dur, die Anfommenden abgefeuert. In der Nähe erhielt der Neifende in einem ebenfall$ El Bafay zugehörenden Haufe die Wohnung angewiefen. — Obwohl Timbuktu um der Lage willen große Bedeutung hat, obwohl diefe Stadt in der Blüthezeit des mächtigen Sonrhay-Neiches*) ein Sit mahomedaniicher Gelehrjamfeit war, jo ift doc nicht geichichtlich beftätigt, daß je ihre Bevölferung in die Hunderttaufende Hineinging und daß ihre politifche Bedeutung je größer war als ihre fommerzielle. Als fogar auch diefe beinträchtigt war und Maroffo den Handel der oberen Nigerlande an fich gezogen, fam AUgades in Aufichwung durch feine Verbindung mit dem untern Kuorra. — Noch fein Europäer hat diefe des Namens Medina” würdige Stadt in ihrem wahren Ganzen befchreiben können. Der unglüdlihe Major Zaing fam 1826 hin, ‚al3 die Felbe wenige Monate vorher die Stadt erobert hatten. Zwei Sabre fpäter der ausdauernde Cailke. Diefer aber Iebte fümmerlich und verachtet. Im Folge der Verftärfung der Fulbe-PBartei 1831 bewogen die Kaufleute von Ghadame den ältern Bruder E Bakays, feinen Sit nad) Timbuktu zu verlegen. Diefer Nachfolger des Scheih el Muchtar wußte 1840 ein Abkommen unter den um die Stadt fi Streitenden zu treffen, fo daß gegenwärtig in Timbuftu drei Gewalten fih in ihr Regiment theilen: die FZullah, als Herren ohne Garnifon aber mit Bezug der Abgaben (circa 25,000. Fr.), die Sonrhay und die Tuareg- Die Erfahrungen des eriten Tages bereiteten Barth auf ein volles Maß von Sorgen und Noth vor; der Scheich Hatte in einem der angefehenen Felbe in Hammadi einen vperfünlichen Feind, auch hing Sidi Alauate nicht feft an dem Bruder und ward lange zum Quälgeift des Europäers. Denn während die Felbe durh Hammadis Lärm: es fei ein Ehrift in der Stadt, aufgeregt wurden, wollte jih Alauate mit den ihm perfönlich überreichten Geichenfen nicht begnügen, obwohl felbige dem Werth von 1000 Thalern entiprahen. Am 13. September hatte EI Bafay den Gaft durch einen Brief erfreut. Ext am 26. September traf diefer in der Stadt ein. Am folgenden 27., dem Todestag Dverwegs, hatte Barth Die erfte Audienz. Er fah einen Mann über mittlere Größe vor fih, einen Fünfziger mit gemüthreichen, Elugen, beinahe *) Sintereffant, daß diefe abfolute Monarchie fait gleichzeitig den Höhepunkt erreicht, wie die durch einen Reichsrati gemilderte in Bornu. Der größte Herrfcher in Sonrhay war Gründer einer reinen Negerdynaftie. Nach heftigen Kämpfen um eine ufurpirte Krone regierte er fein Reich mit Gerechtig- feit und Billigfeit, daß überall Fülle und Wohlhabenheit war. Diefer Hadjt Mohamed Wsfai, 1491 — 1528, war um eine Generation vor Edriß-NAlaona. Beide lebten, als die Portugiefen ihre Golonien am Senegal gründeten und in Indien fich feitfesten. ENRR ı. Europäifchen Gefichtszügen und fhon gräufichem Bart, in der einfachen Kleidung einer Ichwarzen Tobe, Beinkleidern und einem Shawl lofe ums Haupt gewunden. Bon Anfang an war die Unterhaltung frei, für den Europäer überzeugend, er jehe einen Mann von geradem, männlichen Welen vor fih. Das hat El Bakay bewährt und das Gaftrecht gegen den Fremden jo vertheidigt mit breiter Waffe — was für einen Scheich felbft ungeziemend war. — Keinen Schritt allein, feinen Ausritt ohne im Gefolge El Bafays war für den Chriften möglich. Zweimal verliegen fie zur Sicherheit die Stadt, um am Saum der Wüfte unter Zelten zu leben und mußten einmal einem bewaffneten Ueberfall entgegentreten. Dort fonnte Barth den Scheich in deffen Familienverhältniffen beobachten. Er Iebt nur mit einer Frau, die jogar eines nicht geringen Einfluffes auf ihren Gatten fih erfreut. Wenn Etwas, welches unfer Neifender dem edlen Beichüger in höherem Grade gemwünfcht hätte, jo wäre es Energie gewefen- Immerhin war diefe groß genug, um den Guropäer zehn Monate lang zu fchüßen, zu beherbergen und fihere Schritte in die Weite zu gewähren. Anfang Juli 1854 fam Barth mit El Dafay nad) Gogo, etwa 3 Stunden flugabwärts am Ufer des großen Stromes. Am fiebenten jchiete er fi an, mit anfehnlichem Geleite bi$ Sfai zu fommen. Ende Auguft war der Reifende wieder in Sofoto und am 17. Detober desfelben Jahres in Kano. Ueber die ausgedehnten Handels- verhältniffe diefer Stadt (mit 60,000 Einwohnern während der Meife) hat Barth jehr weitläufig und höchft Intereffantes berichtet, auch in Vielem die früheren Berichte Glappertons beitätigt. Diefer Handelsplag ift für Tripoli was Timbuftu für Maroffo. Db die Berhiffung von Niger und Benue nicht den Auffhwung diefer Zulbe-Stadt beeinträchtigen werde, muß die Zeit Iehren; e8 gilt aber für Bornu zum Lofungswort, das blühende Emporium dafelbit zu lähmen. Der europäifche Handel wird dagegen feiner Zeit nichts einwenden, wenn er dabei feine Nehnung findet. In Afrika zerftört man rafch und baut dann eilig wieder auf. Wir würden der vorliegenden Aufgabe nicht voll genügen, wollten wir nicht auch) nod) von den wichtigen Ereurfionen einiges hinzufügen, welhe Dr. Vogel von Kufaua aus machte. Eine der erften war im Gefolge des Ufurpators (Barths Ausdrud) Abdse-Rahman auf einer Razzia nah Mandara; viel großartiger als jene, welcher Barth und Dverweg unter Hadj Beichir beigewohnt.*) Beide waren verhältnigmäßig von geringem Erfolg; 1851 begnügte man fich mit Gefangenen und Verheerung de3 Landes der fogenannten Feinde; d. h. der Heiden oder Moslim, weldhe man nicht als folche, behufs Scelavenraubs, anerkennen wollte. Im Jahre 1856 wurden die Gefangenen auf fcheußliche Weife getödtet, entweder niedergemacht oder jo zum Berbluten *) 1851. 1854. Keiter: 10,000. Keiter: 232,000. gafithiere : 10,000. Laitthiere: 15,000. Unter Auführung des DVezir. Unter Anführung Abd:e-Rahman. Ar pe: gebracht, dag man die Unglüdlichen am vechten Bein beim Knie und am linfen Arm beim Ellen: bogen verftümmelte. Beim Auszug 1822 war nur Kriegsvolf mit. Bei den Zügen unferer Zeit erhob fich jeweilen am Lagerplag ein ausgedehnter Drt in wenigen Stunden, an dejjen Seite die Zeltgeböfte der Großen und ihrer Harem wie Dörfer fih zeigten. Vergleicht man aber die Haltung - der Kanori im Zahre 1851 und 1854 mit derjenigen, die fie zur Zeit von Denham 1822 gezeigt, jo ift ein Nachlaffen in Muth und Energie, jowie eine Zunahme an Bequemlichkeit und graufamem Sinn bemerkbar. Allein aud die Fellatah haben, wenn man fich erinnert, wie Dr. Barth die Armee Alius in Wurno beurtheilt, feit 1822 gewaltig an Energie nachgelaffen, ungeachtet fteten Kämpfen um MWeiterjchreiten in Herrfchaft. Unfer Reifender fchreibt diefes dem Einfluß der Polyganie zu. Es ift alfo nicht bloß in Europa, wo man über Gntnervung zu Klagen hat. Dod um auf Vogels Reifen zurüdzufommen. Diefer raftlofe, lebhafte junge Mann hat ung eine jchöne Zahl genauer Ortsbeftimmungen übermittelt und dadurd) wichtige Firpunfte für fpätere Neifende gegeben. Als wefentliches Augenmerk galt für ihn, die Berbindungsglieder zwifchen den Elapperton’fchen und Barth’fhen Entdefungen zu finden. Er machte fih auf nad) SW. von Kufaua, in Begleit feines getreuen Sapeurs Maguire,*) befuchte das Land Bantichi und die um ihres Klima’s willen verrufene Hauptitadt Jakoba, obwohl in einer Höhe über Meer bei 2500 FZuß.**). Nach NW. lernte Vogel die Zuflüffe des Yeu oder des Komadugu fennen und diejenigen des Fluffes, welcher bei Salta (Zeg-geg) vorbei oberhalb Nabba in den Niger mündet. Nah Süden zu überfhritt er wiederholt einen großeu Zuflug des Benue und zweimal ging er über den legteren. Selbft während der Negenzeit durhforjchte er die Gebirge füdfich von, Bantfchi. Nachdem er Maguire frank zurüdlaffen mußte und binnen 10 Monaten 7 Pferde zu Tode gebraucht hatte, feste ev dennoch feinen Weg zu Fuß fort mit einem Begleiter, der auf dem Kopf einige 100 Kauri und weniges Gepäd zu tragen hatte. Die meiften Snftru= mente waren bei früheren Schwierigfeiten verloren gegangen. Nachdem Bogelin Jafoba über 40 Tage an Dyffenterie gelitten und wiederholte Fieberanfälle durch Falte Tücher abgewendet,***) *) Gorporal Church hatte fih mit Dr. Barth nad Europa zurücfbegeben und ward 1856, ala diefer mit der goldenen Medaille beehrt wurde, durch eine goldene Uhr bejchenft. *) Das weite Granit-Platenu fenft fih von allen Seiten nach der Stadt zu, daß zur Zeit des Negens mittelit Fünftlicher Waffergruben, in deren Innerem für Trocenlegung der Straßen geforgt wird, während fie draußen von einem großen Sumpfe umgeben ijt. Jene Gruben find aber nicht allein Waffers Halber zu graben, fie dienen and) als Depofit todter Sclaven. Glücklicher Weife fommt die Triebfraft der Natur zu Hülfe. Daß jenen Löchern nicht alle [hädlichen Dünfte entiteigen, überzicht eine dichte Dede von Pistia Stratiotes deren Oberfläche. *) Barth erprobte in Kranfheitsfällen Zwiebeln und die Frucht der Tamarinde. er fchreibt er dodh an den Bater nach überftandenen Mühen von Kufaua aus: das aus Tripoli mitgebrachte Kleid fei ihm zu enge geworden. Kein Wunder, daß er auf’3 Zuverfichtlichite davon träumte, über Waddai nad) dem Nilthal gelangen zu fönnen. Außer wichtigen naturwifjenfchaft- lihen Beobachtungen und aftronomifchen Beftinmungen fendet er audy die Befchreibung eines großen, in den Marfchen des Benue lebenden Fiihes nad) Europa (einer Species von Manati, die dort im Lande Ajuh*) genannt wird). Nah Waddai fam der feurige Mann; dort leider fand er Höchft wahrjcheinlih einen gewaltfamen Tod. Der Präfident der Londoner Geographiihen Gefelligaft, Sir Roderid Murdifon, fpendet demjelben in feinem Sahresberichte von 1858 verdientes Lob; aber er führt ihn unter den DVerftorbenen auf. Zwei andere Deutfche fuchten nady dem Süden vorzudringen; der Eine ift aber in Chavkum geftorben, der Andere, no nicht lange her, von Tripoli aus nad) dem Sudan aufgebrochen. — Glükliher Weife fand Barth, in Kufaua zurüd, die ihm befannte Drdnung der Dinge mit Sheid D’mar wiedergefommen, aber deifen befebende Seele war im Bezir Hadj Befdhir gemordet. Verlangen zum Beibehalten der freundfchaftlichen Berhältniffe war von diefer Seite groß, doc) zweifelte Vogel in Tripoli**) jchon an der glüdlichen Wahl des Diplomaten, welcher der Königin Victoria al8 Gefchenf von Seite de8 BornusFürften einen Elephantenzahn und einen Giraffenfhwanz zu überbringen hatte. Mit unverwandtem Auge blidt England nun von Weften her nach dem Snnern Afrikas. Die Day Spring fiheiterte oberhalb Rabba den 7. Detober 1857. Noch ehe die Nachricht von diefem Mißgefhide Dr. Baifies England erreichte, Hatte jchon der Liverpool ARheder Macgregor Laird einen neuen Dämpfer, die Sunbeam (Sonnenftragl) zum Auslaufen bereit. Für 5 Sahre ift die Nigererpedition mittelft Vertrag der englifhen Negierung durch diefen ausgezeichneten Mann gefichert. — Wichtigen Entdefungen im Diten geht jest Kapitän Burton entgegen, dort, wo von den Milfionären Krapf und Nebmann von einem jehr großen Binnen-See gehört wurde. Bis Ende November 1858 find von Burton Berichte da. Er Hatte das „große Waffer“ erreicht. Nicht minder wichtige Ergebniffe find durd die Neijenden im Süden des Uequators während den jüngften Jahren errungen worden. Der Name Wahlberg und der vor noch nicht drei Jahren erfolgte fchredliche Tod diejes fühnen Elephantenjägers zu Fuß. Die Reijenden von Delegorgue, von Galton, Wahlbergs Landsmann Anderfon, von Dswell um voraus derjenige von Livingftone find jo weit befannt, wie diejenigen der Sudan-Reifenden. Ein neues Bild tut fih ung auf-von 90% S.B. abwärts gegen die Südfpike des Continentes. *) Don Dven Manali Vogeli genannt. **) Brief den 13. April 1853 an Dr. Petermann. Ba we Zn Pflanzen und Gonftruction der Erdichichten aber wahrfcheinlich fehr große Analogien, die wir gegenüber der Novdhälfte eben erft amdeuten fönnen. Sogar eine Entwidelung der menjchlichen Gejellfhaft, doch Feineswegs die Hiftorifche Zeitigung, welche einigermaßen für den Sudan ange fangen. Nichts deftoweniger jchwarze Menfhen, minder und mehr Farbige, welche legtere auf die hellere, dem Milh-Kaffee ähnliche Hautfarbe fich zu Gute thun. Aber bei alledem deutliche Spuren "von Rechtsverhältniffen und Sitte neben wirflihem Sinn für Fortjchritt in Agricultur und Bich- zucht. Der fich vafch verengende Raum diefer Bogen erlaubt nicht viel Eingehens. Livingftones fo wichtige legte Neifen werden ung wejentlich beichäftigen. Nach) ernften und jehr wohl benußten Jugendjahren ging Livingftone als Mifftonär der Londoner Miffion nad) Südafrika, ftieg in Algoa Bay 1840 ans Land fürs Innere. Dort lebte fchon feit Jahren der fünftige Schwieger- vater Moffat, der die Bibel ins Bitfhuana überfegt hatte. Diefer Sprache ward Livingftone mächtig und wirkte in feinem Beruf zwifchen 28° und 20% füdlicher Breite inmitten des Gons tinentes, im Dften der KalaharisWüfe Bon nahhaltigen Folgen war die Freundichaft, die der Miffionär mit dem Häuptling Setfhele fhlog. — Eilf Jahre lebten fie in innigem Berhältnig und das Vertrauen, welches der weiße Europäer bei dem farbigen Manne gefunden, theilte fich bald weiteren Kreifen mit. So fehr, daß der Häuptling der Mafololo, Sebituane, denjelben zu fich ud, im Verlangen, den weißen Mann Fennen zu lernen. Zugleich jchidte er Gefchenfe an zwei, beiden befreundete Häuptlinge. 63 war bald, nachdem Livingftone und Dswell in Begleit der Familie des Erfteren den See MWgami zum erften Male gejehen. Livingftone ließ Frau und Kinder unter dem Schuge Setfheles und reiste mit feinem Freunde Dswell nad Norden.” Sebituane war ein ausgezeichneter Mann. Früher mit einem Stamm in der Nähe von Kolobeng (Station von Livingitone) wohnend, drang er nad) Norden und unterwarf mit einer Kleinen aber tapfern Schaar eine Menge anderer Stämme, welche die Neberwinder unter dem allgemeinen Namen von Mafalafa begreifen. Der Häuptling, indem er feine Sprache zur vorherrfehenden und die Glieder feines Namens zu einer Art Adel emporhob, behandelte die Unterworfenen milde und begmügte fid) mit mäßigem jährlichen Tribut an Rindern und Früchten. Er Hatte zu diefem Verfahren alle Urfache, weil e8 jeweilen den fehr Bedrängten möglid) war, nad) andern Wohnplägen zu entfliehen. Sehr ausgedehnt ift das Gebiet, welches Sebituane feiner Familie als Erbe Hinterlaffen. Imtereffant ift, daß fein Tod und feine Wünfche die Europäer bewog, aus der Hauptftadt Linyanti nah Norden zu gehen, auf welcher Reife die Legtern den Zambefi entdedten (Ende Juni 1851). Die günftige Stimmung des Makololo-Häuptlings gegen Livingftone ging zu diefes Gunften auf den Stamm über und auf den Sohn Sefeletu, nachdem die ältere Tochter der Würde entjagt. E8 lag Livingftone daran, bei dem Entgegenfommen der Eingebornen, eine gejunde Stelle für eine Milfions-Niederlaffung zu finden. Diefes war nicht leicht, weil die ausgedehnte Fläche, in welcher Linyanti zwifchen dem Zambeji und ‚feinem Zuflug Tichobe gelegen, den Webers 4 2 re fchwemmungen und alfo den Fiebern allzufehr ausgefebt it. Dazu Fam, "dap die Mambari, ein Stamm, der füdlih von Angola fich ausbreitet, bi8 in jene Gegend als Sclavenhändler reifen und daß diefe feit 1850 in folhem Gefchäfte unter den Mafalafa angefangen thätig zu fein. Es war alfo doppelter Grund vorhanden, ernjtliche Aufmerkjamfeit auf die den Mafololo unterworfenen Gegenden zu richten. Dahin wollte Livingftone feine Kräfte und feine Energie wenden. Er begab fich nach der Gapftadt, fendete Frau und Kinder nad) England und verkehrte mit dem dortigen Aftronomen Maclear behufs zu machender Drtsbeftimmungen. Inftrumente hatte ihm bereits die Fönigl. geographifhe Gefellfhaft in London verfhafft und andere fand er in der Gapftadt. Am legten Tage von 1852 war er fchon bei feinem Freund Setjchele, der mittlerweile dur die Einfälle der Boer und die Zerftörung von Kolobeng mit feinem ganzen Stamm jchwer gelitten Hatte. Bei diejer Gelegenheit gingen auc werthvolle Schriften und Eigenthum Livingftones zu Grunde. Im Anfang März durdizog der Miffionär die fchöne Gegend Unfu, wo er das Gras in ehren, die Bäume in Blüthe fand. Zwei Tage lang mußte er fich den Weg durch hohes Gras durchhauen. In der Hauptftadt Linyanti fand er den jungen Sefeletu in Allem fehr willfährig; bis an die Annahme des „Buches” und die Neigung zum Lefenlernen, wozu ihn aber fein Schwiegervater Motibe bewog, während Living: ftone ifm den freien Willen zuficherte. Bald Hatten die Mafololo dem Gafte einen Garten angelegt und denfelden mit Mais, Erdmandeln (Arachis hypogea), mit Holius Sorgeum, Manioe und dem Zuderrohr beftellt; Ieteres aber nur als Zierpflanze, Auf einer Reife nah den Liambye- Gegenden (oberer Zambefi) begleitete Livingftone den Häuptling. Mit 33 Kähnen und 160 Mann Begleitung fuhren fie von Linyanti ab, vorerfi im Tichobe, im Hauptfluß, dann auf der Berafahrt bis Naliele, der Refidenz von Ma-Sefeletu (Mutter des ©.) Von dort in Linyanti zurüd (September 1853), ward ein Pitjcho (Berfammlung) der Mafololo gehalten und 27 Freiwillige bezeichnet, welche Livingftone bis Loanda begleiten follten. Es Hatte fih auf der lebten Reife herausgeftellt, daß der Einfluß der Sclavenhändfer von Weften Her ftetig zunahm gegen Dften. Zugleich waren die Mafololo fehr geneigt für unmittel- bare Handelsverbindungen mit den Portugiefen;z fie Fannten die gierigen Zwifchenhändler. Nachdem Livingftone den Sefeletu beruhigt, e8 würden ihm, falls das Unternehmen feinen Tod zur Folge hätte, Feine Vorwürfe von den „Weißen“ Fommen, machte er feine möglichft einfachen Zurüftungen. Er hatte zwei Gewehre für fih, drei für feine Leute, den Nautical-Almanadı, LogaritimenTafeln und die Bibel, dann in einer Blechbüchfe von 15° I, ein Paar Hemden, eine Laterna magica, den Sertanten, Chronometer, Thermometer, Gompas, Fernrohr, 20 Pfund Glasperlen, ein Schafsfell und ein ganz Eleines Zelt mit einer Pferdedede. Für den Gaft war des Häuptlingg Boot hergerichtet und 16 Nuder. Am 11. November fagte man fi herzlich adieu. Bald war der Zug über die Stromfchnellen und die Gonye- Fälle Hinaus, abermals in dem außerordentlich fruchtbaren und zierlichen Barotfe- Thal, welches der obere Zambeft, dort ei Liambye genannt, bemäflert und jährlich durch Ueberfihwenmungen fruchtbar mact.*) Die zahl- reichen Heinen DOrtfchaften Ategen dephalb meift auf Fünftlichen Erhöhungen. Ungeachtet zahlreicher Bevölkerung und ungemein großer Heerden, welche die Mafololo Hintreiben, gilt dort das Sprid)- wort: „Man Fennt den Hunger nicht.” Der Neifende fah: reichen Filchfang, Rinder, Gewild und fchöne Gärten mit großen Quantitäten von Mais, jhönes Korn, Linjen, Yams, Zuderrobr, Manioc (Jatropha manihot und Jatropha utilissima) und füge Kartoffeln (Convolvulus batata). Bon Allem die Fülle. Im jenes gefegnete Thal ift die verheerende Zfetjefliege**) nicht einger drungen, wie fie in fo vielen fumpfigen Gegenden, au um die 7000 Einwohner zählende Stadt Linyanti fchredlich Haust und Viehzudt fat unmöglich macht. — Außerhalb des Einfluffes der Makololo liegen die bewohnten Drte zerftreuter, zwar immer noch fruchtbare Gegenden, fehöner Wald und reiche Zagd. Für diefe hatte Livingftone meift felbft zu jorgen, da die mit Feuergewehr Bewaffneten nicht daran zu gewöhnen waren, ohne Zuden loszudrüden. Er mußte einer noch fihwierigeren Aufgabe genügen: feine Leute zu discipliniren. Noch nie hatten diefelben die heimatliche Gegend verlaffen, außer auf Raub und Mord; fie waren allzugeneigt drein zu fahren und ihr Führer war, jenfeits der Wafferfcheide, mehr als einmal genöthigt, mit jchwerem Löfegeld Blutvergießen zu verhüten. Eine andere Schwierigkeit beftand darin, eine zwedimäßige Neijediät einzuführen. Auf der erften Tour mit Sefeletu war Nahrung da in Hülle und Fülle, allein die Effenszeiten jelten; denn wenn fih die Schaar Hinzugelagert Hatte , ward nicht Tobald gejchieden, bis jeweilen ein ganzer Dch8 ganz und gar verzehrt war. Wir fennen zwar aus unfern Alpenwanderungen den Vortheil, frühmorgend beim Berlaffen der Sennhütte einen wohlbeforgten Magen mitzunehmen, allein die Mafololo-Gapieität fürs Effen ift auch in den dünnen Luftfchichten der Alpen unbekannt. Für denjenigen, dem öfterer Genuß an Speijen Bedürfnig ift, führts zu herbem Hunger, wenn er die völlige Verdauungszeit jener braunen***) Leute mit abzuwarten hat. Sogar für Sefeletu war diefes zeitweife läftig, obwohl der Fürft fih?s zur Ehre dienen läßt, mit feinem Volk gemeinfchaftlich zu fveilen. Livingftone lieg daher für fih und Sefeletu vor jedem Mal ein Paar Portionen auf die Seite legen. Auf der Reife nad) Angola führte er eine regelmäßige Tages- nnd Lager-Drdnung ein und Alle lebten fich *) Bei den Gonyefällen (16% 40° S), wo eine Flußverengung, fteigt in der Regenzeit der Zambeft bis 60° oben im Barotfethal (nahe 149 S) 10 Fuß. *) Glossina morsitans. Ihr Stich tödtet Odhfen, Pferde, Hunde und ift unfchädlich dem Menfchen, dem Gewild, von denen fie fid) zumeift nährt, und ebenfo dem Saugfalb. Livingftone fagt voraus, daß mit dem Verfchwinden der großen Heerden von Elephanten, Rhinocervs, Antilopen u. dgl. auch die Tfetfe ausfterben müffe. “=, Der Achte Stamm der Mafololo ift milch:faffee-farbig. Sie thun fich darauf zu Gute und hauen mit Verachtung auf die Schwarzen aus den unterworfenen Stämmen. RE Be: freudig hinein. Bis 13% 40 S. wurden Kähne benubt. Dort ftiegen fie ans Land; es war das Gebiet von Nichte und Schwefter des Herzogs der Gegend mit Namen Schinti, der jelber unter dem großen Häuptling, Matiamvo, des Landes Londa fteht. Der gemüthliche Schinti freute fich jehr: den weißen Mann zu ‚grüßen. Offizieller Empfang fand ftatt. Mit Reden, Trommeln, Snftrumenten und gegenfeitigem Austaufch von Gefchenfen ward Freundichaft geichlofen, nachdem Schinti fehr geneigt fich gezeigt, in gutes Vernehmen mit dem Mafololo zu treten. E8 hatte fi) während Sahresfrift diefe Stimmung nicht vermindert. Auf rührende Weife wurde bei der Rücreife zwifchen den Erften der MafoloLlo und den Ungefehenen der Balonda Bruder: fchaft (Kafendi) gefchloffen und mit Blut beftegelt. - Livingftone Hatte einen Topf von Pflänzlingen für Sefeletu aus Angola mitgebracht. Dort bei Schinti (12° 40 S.) war jedoch jo Faltes Wetter eingetreten (5° R. früh Morgens bei 320 R. Mittagswärme im Schatten), daß er für jüdlichere Breiten um das Gedeihen der Seklinge beforgt wurde. Er legte einen Garten an, die Schoffe von Drange, Anona, Feige, Kaffee, Araca pomi- fera, carica papaya (Gonda beit Barth) und von Elais Guineensis (der Del-Balme), ftellte er Anfang, Zuli 1854 unter den Schuß jenes Häuptlings, auf einer Meereshöhe von nahe an 4000, Sp hoc wurde die nun bald erreichte Wafferfcheide zwifchen dem Zambefi und dem Kafat (Haupt: fluß des Congo) vermittelft dem Siedapparat berechnet. Die Natur umd die Menschen zeigten nachgerade eine andere Phyfiognomie*) auf der Wefthalde jenes großen Plateausfandes, welches in Folge der Regen alljährlih in ungemeffenen Weiten unter einer Wafferihicht verborgen Tiegt. Die Regen hatten in der That die vielen Zuflüffe vom Kafat und Congo jo fehr angejchwellt, dag vorwärts zu Fommen jehr jchwer ward; manche Brüde fand unter Wafler. Eine derfelben fo fehr, daß Livingftone, der fie dennoch zu paffieren wagte, mit feinem Dehfen in die Strömung getrieben ward. Neiter und Thier Eonnten fich durch Schwimmen retten. Der Gefahr anfichtig werdend, ftürzten fofort 20 der Mafololo in die Wellen, die nie, wie fie es fchon in Liambye gezeigt, Geiftesgegenwart verloren. Ein herzliches Begrüßen am jenfeitigen Ufer machte Durd- näffung der Kleider und des Nachtlagers vergeffen. Eine andere noch größere Plage fanden unfere Neifenden bei den dur Selavenhandel demoralifirten Stämmen: Zoll beim Durchgang durch "jedwedes Territorium der manchen Häupt- linge. Diefe hatten Feine anderen Weißen als Sclavenhändler Fennen lernen, welche gar jo gerne Zoll bezahlen, um Verlokung ihrer Waaren zu verhüten. Livingftone, bei ähnlichem Anfinnen, entgegnete: er fei nicht Kaufmann und wolle mır Durhpaß. Die dortigen Wilden find aber fhlau und wiffen, wenn das erfte Mittel zum Zwede nicht Hilft, Schwierigkeiten zu erheben auf *) Die Menfchen wilder und Habfüchtiger, der Boden durch tiefere Thäler gefurcht, die Bäume trugen, im Gegenfat zur Dftfeite, wenig Dornen; nur zwei Arten hatten welche: eine species von nux vomica und ein Fleiner Sassaparilla-Bufch. Su manigfache Art, 3. B. indem fie Gegenftände, die ihnen zugehören, „unachtfamer Weije zu Boden fallen laffen, dann wohl das Augenmerk Halten auf den Fremden, welcher das Verlorene gefunden, um ihn als Dieb zu qualifiziren. Bet einer jolhen Verwidlung war’s, daf Livingitones Truppe durch eine Ueberzahl mit Bogen und Speeren bewaffneter Eingebornen umzingelt ward; als Löjegeld für Durchpaß forderten fie einen Dchfen, einen Mann oder einen Elephantenzahn. Die Ochfen waren bis an wenige getödtet. Das Elfenbein gehörte dem Sefeletu und Einen der Shrigen zu verlaffen war unmöglich. Eher als diefes thun, erklärten Alle, würden fie Leib und Leben Iaffen. Solcher Ernft milderte der Feinde Hartnädigkeit, die ihre Forderungen während der Unterhandlungen fleigerten. Alle Hemden .Livingftones, ein Ochs und ein Zahn machten die Straße frei und die Wilden erklärten fih) nunmehr als Freunde und ald Zeichen jendete der Häuptling etwas Mehl und einige Pfunde Fleifh vom erpreßten Dihfen. Nachdem die fremde Schaar fi) verlaufen, fam erft Furcht in die Mafololo ‚gefahren. Sie hatten, wie e8 uns bei unerwarteter Gefahr befällt, den nachträglichen Schreden. Alle waren gewillt umzufehren, den Rüden zu wenden jenem treulofen Volk. Die beftimmte Erklärung ihres Führers: „daß er allein vorwärts gehen wolle ohne fie, fie mögen ihren Willen thun,” brachte vajch die Befinnung zurüd. Alle antworteten harmlos: „fie würden ihn nicht verlaffen, wären fie ja feine Kinder.” Bald darauf aber, als fie bei wiederholten Flugübergängen Fährlohn zu zahlen hatten, bejchlofien fie, wenn zu Haufe zurücd, würden fie den Dienft als Fährleute nicht wie bisher gratis üben. Die Banyeti müßten in Zukunft bezahlen. Bei ihrer lebhaften Theilnahme an allem Neuen bedauerten fie zugleich, daß jene Gegenden, wenn noch jo ergiebig an Feldfrüchten, doc) jo arm an Haug- thieren feien; wie viel herrliches Gras gehe nuylos zu Grunde aus Mangel an Rindern. Bon einer Anhöhe der Mofamba-Kette, die unmerflich erftiegen ift, aber fteil in das Thal des Eongo abfällt (1000 — 1200 Zu), Hatten fie den jhönen Anblid auf ein weites, fruchtbar bewäffertes Gelände, welches Livingftone dem Beden des Milfifippt vergleicht. Unten in der Thal- foole fetten fie über den 300 Fuß breiten, jehr tiefen und Eares Waffer führenden Strom; bald waren fie in Eaffange, der erften portugiefiichen Grenzitation mit 20-30 Häufern, wo Livingftone mit Empfehlung des in der Gapftadt refidirenden DBertreters diefer Nation aufs Befte aufgenommen und fammt feinen Leuten reichlich bewirthet ward. Am 16. April 1855 feierte er Auffahrt dafelbft. Eigenthümlich, bei fogenannten Ehriften, die von der Bibel nichts wußten und feine Idee hatten, was ein Mifftonär wäre. Doc beurfundeten fie einige Belejenheit. Die Duelle des Wifferis dortiger Portugiefen fihien eine Encyelopädie zu fein, die er im Haufe des Senhor Eypriano di Abren gefunden und darin nachgefchlagen hatte: „Ein Priefter jet ein - Mann, der zum Gewiffen Sorge trage.” Von nın an war das Zortfommen bis an die Küfte erleichtert" durch militärifche Drdonanzen und gebotene KHülfsleiftung von Seite portugiefiicher Unterthanen. — ELSE: BEN Aus dem Beden des Congo ftieg’8 wieder fteil am bis auf die Höhe des Tala Mogungo. Dann Fam man allgemady in das Flußgebiet de8 Coanza und endlich über die Höhen von Golungo alto über die flache fterile Niederung in die Hauptftadt von Angola, nah St. Baulo de Loandar) (31. Mai). Der englifhe Refident dafelbft, Herr Gabriel, that jein Möglichftes, den fieberfranfen Miffionär und feine Begleiter gut zu verpflegen und für nügliche Thätigfeit der Lebteren zu forgen. Zum Erwerb waren fie auch willig und fanden ihn theils dadurch, daß fie in der Umgegend der Stadt Holz fammelten und in Bündeln feilboten. Dann ward ihre Muskelfraft gar jehr eraiebig, fechs Wochen lang von Sonnenauf= bis Sonnen: niedergang beim Steinfoglenlichten aus einem englifchen Segler. Sie wurden mit Aasladen nicht fertig. Diefes erregte ihre Verwunderung höhlih; „Eine Stadt jei’s, Fein Boot,“ weinten fie. Gar fehr waren fie erftaunt ob englifchen vor Nhede liegenden Kriegs- Schiffen: „Auf Ded fei die fehönfte Kotla” behaupteten fie; d. h. der weite Pla vor jeder Häuptlingshütte der Dörfer ihres Heimathslandes, wo die Verfammlungen (Pitfcho) gehalten werden. Livingftone ftieg höher in den Augen der Mafololo, als fie fahen, wie achtungsvoll Dffiziere und Schiffsvolt ihm ent> gegenfamen. Auch dem Bilhof von Angola wurden fie vorgeftellt und von demfelben bei der Hbreife reichlich befhenkt. Senhor Soaquim Moreira Reis, zugleich Gouverneur der Provinz, vertrug fi) auch mit dem Milfionär aufs Befte, da nad) feiner Meinung die hriftlichen Eonfeffionen den Straßen feiner Stadt zu vergleichen jeien, welche alle nach dem Dome hinführten. Livingftones „Kinder“ Hatten während des langen Aufenthaltes in Zoanda fh vortrefflich benommen; mit einer einzigen Ausnahme. Die erfte Aufregung beim Anblide de3 Meeres hatte auf ihr feuriges Temperament nachhaltig gewirkt und die albernen Fabeln, welche ihnen Sclavenhändler fchon auf dem Hinwege in den Kopf gefegt, Fonnten fie nicht ganz vergeffen. Als dann ihr „Vater“ fie auf die Kriegsdämpfer bringen wollte, fand er nur ein Paar halb geneigt zu diefem Wagnif. Kaum hatte er diefe bewegen fönnen in’8 Boot zu treten, fo widerjegten fich die Uebrigen auf gewaltfame Weife. Da war nicht an Nöthigung zu denken und es brauchte Zeit für Einwilligung, bis die Erften auf die Ahede ruderten, denen dann zulebt die Uebrigen nach tagelangen Intervallen folgten. ALS fie wieder zurüd bei den Shrigen waren, blieb fteter Wieders holungsreim: „wir find am Ende der Welt gewefen,” die fie fi) ald eine unendliche Ebene vorz geftellt Hatten. Bon der Kaufmannfhaft Loanda’s wurden Gefchenke gefendet, beftehend in Muftern aller dortigen Handelsartifel. Bon dem Bifchof an Sefeletu befonders eine vollftändige Oberften- Uniform und ein Pferd, den Leuten Kleidungsftoffe. Diefe wollten aber auch ihren erworbenen Lohn in Waare umfegen und Fennzeichneten ihren richtigen Blid dadurh, daß fie unter den Baumwolltoffen nicht die bunten, fondern die ftärfften wählten. Sämereien und was fie nur *) Diefe Stadt zahlte 12000 meift farbige Einwohner. a ne glaubten zu Haufe müßlich einführen zu fönnen, wurden mitgenommen. Livingftone hatte fait die ganze Zeit über frank gelegen; wiederholte Fieberanfälle warfen ihn aufs Lager und es bedurfte der Pflege des Herin Gabriels und der medicinifchen Näthe des Schiffarztes, der ihm gerathen nah St. Helena zu fegeln, ftatt nad) dem Innern zurüdzufehren. Aber Livingftone hatte fein Wort gegeben und ohne ihn war an eine glüdliche Nüdkehr der Mafololo nicht zu denken. Er bewaffnete alle feine Leute und trat am 20. September wohl ausgerüftet den Nüdweg an. Es ging langfam, oft war Halt durch8 Fieber geboten, dem auch die meiften feiner Leute ausgejeht waren. Auf der Gränze von Angola gejellte fih ihnen ein Sclavenhändler für längere Zeit bei. Da hatte Livingftone Gelegenheit, Vergleihungen zu machen zwifchen feinen Mafololo, welche überall beobachteten und an Allem ein gemeinichaftliches Intereffe hatten, während die Angolefen des Senhor Pascal für nichts Theilnahme zeigten, wohl aber Schadenfreude, wenn durd) förrifhe Dehfen das Fortfommen erjhwert wurde. Zulegt nahm Livingftone den Vortritt; nur ein Mal noch war er genöthigt energiich feine Autorität aufrecht zu erhalten. Wie Schinti und fein Volk die Rückfehrenden begrüßten, haben wir oben angedeutet. Aber als fie erit in Libonta (oberhalb Naliele) eintrafen (27. Zuli 1855), fah Livingftone Neußerungen der Freude, die er nie gefehen. Gewöhnlich war e8 feine Sache, an’8 Volk zu fprehen. Diefes | Mal überließ er e8 dem getreuen Bitfane, welcher eine fundenlange Rede hielt; ihm antwor= - teten alte Männer, die jüngften Friegerifchen Ausfälle der Mafololo lebhaft tadelnd. Sie fchloffen ihre Bemerfungen mit der Bitte an Livingftone, fein „Herz gegen Sefeletu nicht zu verlieren.“ Das ganze Barotjethal hinunter derjelbe freudige Empfang. In Linyanti dankte Sefeletu öffentlich den Zurüdgefehrten. Als er darauf zur Dankfagungsfeier in Oberften-Uniform erfchien, waren aller Augen nur auf den jungen Häuptling gerichtet. Arm, wie fie gegangen, waren die Reifenden zurüdgefehrt, fogar das für Sefeletu beftimmte Pferd war gefallen. Bon Niemand hörte Livingftone ein Wort über enttäufchte Erwartungen. Sefeletu war ermuthigt, eine zweite Expedition nah Loando zu fenden und that Diefes auch, indem er Pitfane zum Chef bezeichnet Hatte.*) ) Livingitones Gedanken gingen in entgegengejeßte Richtung. Er hatte eine jchiffbare Waffer- ftraße gefunden auf 4 Breitengrade oftweftlih und zwar für einen Tiefgang bei Niederwafler, genügend den London-Themfe-Booten. Das war Grund genug, dem Zambefi bis ans indifche Meer zu folgen. Sefeletu rüftete abermals auf eigene Koften und noch forgfältiger als früher für diefe Expedition. Er felber begleitete den Freund mit 200 Mann, vielen Ochfen und Maffen von frifcher Butter und Honig, nebft dem erforderlichen Gelde in Elfenbein, nachdem er denjelben über die Detoberhige (bei Tage im Schatten 35—38°, Nachts 24%, Morgens 199 R.) zurüdgehalten: *) Dich Herin Gabriel Fam Nachricht nad London von deffen glücklicher Ankunft an der MWeftfüfte. re hatte. Am 27. October fiel der erfte anhaltende Negen; das war das Signal zum Aufbrud) für den 3. November. Im diefer Nacht überrafchte fie ein heftiges Gewitter und Kälte trat ein; um Livingftone vor Frieren zu fehügen, dedte ihn Sefeletu mit dem eigenen Mantel. Diefer hatte ihm als Chef der Mannfchaft (114 Köpfe ftarf) zwei vertraute Männer beigefellt: den Sefwebu und Kanyata. Der Erftere war in der Jugend von den Matebele geraubt worden und Fam auf den migratorifchen Zügen diefes Stammes bi8 Tete; ald einfichtsvoller und treu anhänglicher Mann war derfelbe auf dem Wege von gewichtigem Rath. Noch che fich Livingftone von Sefeletu getrennt, entdeckte er den merkwürdigen Waflerfall Mosi-oa-tunya (Rauch tönt Hier), den er »Falls of Vietoria« taufte. Auf den beiden Seiten des Stromes bilden niedrige Hügel die Ufer. Fünf mächtige Staubfäulen wirbeln auf eine Höhe, um auf fehs englifche Meilen weit fichtbar zu fein. Diefelben fteigen auf aus einer tiefen und engen Kluft, welche plöglich die ganze Waflermaffe verichlingt und feitwärts in enger Spalte weiter leitet. Ueppige und manigfaltige Vegetation umgibt die Ufer und der Wafferftaub befeuchtet den „englifchen" Grasteppicdy zweier Eilande mitten im Fluffe. Livingftone befuchte die felben, fand auf dem einen das mit vielen Glephantenzähnen umzäunte Grab eines Häuptlings und, was ihm merfwürdiger vorfam, Pflanzen und Bäume, verfchieden von denen am Ufer, fo daß durch die Hochwaffer Saamen vom oberen Zambefi heruntergetragen und auf den Snjeldhen niedergelegt worden find. Die Neifenden trennten fih von Sefeletu am 20. November. — €E$ war unmöglich dem Fluffe zu folgen. Der Weg führte durch Hochgelegene, gefunde Gegenden außer Bereich der Zfetfe, die fie anfänglich zum Nachtmarjch nöthigte. — Am 3. März 1856 war er in Tete. Bis auf S Mann ließ er alle feine Begleiter dort zurüd und nur Einer Ichiffte ich auf der Höhe von Kilimane (12. Zuli) mit ihm ein; es war Sefwehu. Schon war e8 diefem gelungen etwas englifch zu reden; in das Leben auf dem Schiffe fchien er, eingewöhnt. Dennoch war des Neuen zu viel, dag demfelben unbegreiflich erichien; er ward irre und beim Einlaufen in den Hafen von Mauritius (12. Auguft) fprang er ing Meer. Am 12. December 1856 betrat Livingftone den heimathlichen Boden. — Kaum find zwei Zahre verfloffen, jo erfahren wir deffen Einlaufen in den Zambefi auf der Ma-Robert, dem durh Mac Gregor Laird bejonders gebauten, lang geftredten Zlußdämpfer von geringem Tiefgang. Derjelbe trägt den Namen, unter welchem Livingftones Gattin den Eingebornen befannt und theuer geworden. Bon diefer neuen Erpedition find wichtige Auffhlüffe zu gewärtigen. Da Livingftone von Meer zu Meer gereist und naturwiffenfchaftliche Beobachtungen gemacht Hatte, jo beftätigte er, was 1852 fchon der Präfident der geographifchen Gefellichaft in London, Sir Roderid Murdifon, als Geologe über die Bildung des jüdafrifanifshen Bodens geäußert*): die Schichten zu beiden Seiten des Continentes heben fi Nandgebirgen ähnlich, inmitten liegt eine etwas gejenkte *) Hiezu das Profil unter dem Titelfupfer, welches die Gegend ob dem DBictoriafall darftellt. = Wi Hochebene. Der Bictoria-Wafferfall fei relativ neuen Urfprunges und eine dur vulfanifche Wirkung weitlich entftandener Abflug des Zambeft, der in früheren Perioden ald Gegenfag des Nil im Norden, direft gegen Süden den Ablauf gehabt Haben müfe. Die Plateau- umd Muldenbildung fcheint auch nördlich des Aequators in Afrika vorherrichend zu fein. Zwar hat Bogel Hochbergzüge überfehritten, aber dafür auf 2500 Fuß um Yakoba eine muldenartige Hochebene gefunden. Die Profile der Wüftenplateaur von Abadarjen und der Hamada, zwar durdy Gebirgsgruppen getrennt, entfprechen vollkommen der allgemeinen Bildung, fogar die Höhen der Atlasfette Eönnen in der. nordöftlich fich Hinziehenden Einfenfung, welche der obere Schelif quer durchfchneidet, diefen Charakter nicht ganz verläugnen. Wie wären fonft die weiten und durd den jährlichen Regen fich füllenden Lagunen zu begreifen, deren Eriftenz die Quellen der großen Flüffe bezeichnet und die Hypotheje von Schneebergen erfegt. Darin befteht wohl das eigenthümz- liche Wefen diefes geheimnifvollen Gontinentes; feine Individualität ift darum io verjchieden von den Welttheilen, wo Hohe Berge den Flußläufen ein beftimmtes Bette angewiefen. Und wie die äußeren Formen, fo ihre vegetabilifche Begleitung, wenn wir nad) den allgemeinften Zügen urtheilen dürfen — felbftverftändlich erweitert fich allerwärts der Kreis der Beobachtungen in dem Mafe, als man die Individualitäten Eennen lernt — au da eine gewille Analogie nördlich und jüdlich des Aequators. Wie man gegen den Saum des Sudand rüct, find Mimofen die vorherrichenden Bäume; Talha und wieder „„Mimosa ferruginea,** fhreibt Richardfon oft in fein Tagebuch, ift aber doch diejeg Baumes froh, die Sandwüfte in zu frifcher Erinnerung. Mimofen bilden auch im Süden den Uebergang zu den tropifchen Gewächjen. Am Drangefluß find fie die Repräfentanten der Baum Begetation. Im Betfhuanarkand traten die Acacia detinens und die Acacia horrida - in den Vordergrund. Die Palmengrenze fcheint in Südafrifa um 20% S. B. zu liegen. Do fcheinen diefe Pflanzen im Sudan beffer zu gedeihen. Nicht jo ganz, wie man früher glaubte, tritt die Eocos- Palme ausichlieglih auf, wo der Dattelbaum nicht mehr feinen fandigen und falzigen Boden hat. Dr. Barth fand diefe beiden mit der Deleb » Palme (diefe ift über ganz Binnen Afrika ausgebreitet) auf Einem Standpunkte beifammen. Der riefige Baobab, der vom Mgami-See nördlich als charakteriftifcher Baum fi zeigt, ift auch dominirend vom Senegal bis zum weißen Nil. Verfihieden und doc bezeichnend find zwei niedrige Pflanzen, welche dirres Erdreich beleben. Im Norden die Sudan-Klette (Pennisetum distichum), im Süden die Waffermelone Kenne (cucumis caffer), beide weite Flächen überziehend, beide nahrhaft und erquicdend für Menfchen und Thiere; diefe in der Kalahari-Wüfte, jene in den nad) dem Süden führenden Flächen. Zwar bringt die läftige Kavengia große Plage dem Reifen- den, dafür jo flärfendes Futter für feine Kameele und ihm felber, ‚wenn zubereitet, in ihrem - Saamen erfrifchenden Tranf. 5 Ne An Kulturpflanzen ift der große Gontinent fehr reich. Weniger laffen fich zwar zwifchen Nord und Süd desjelben Gegenfäbe finden; doch trafen die Neifenden von Tripolis in den Nord» halden der Ghurianberge Dlivenwäldhen, während bei den Betichuana nur noch Ueberrefte ehemaliger Wälder des wilden Delbaumes (Olea similis) fich vorfinden. In Nord und Sid des Nequators ift unfer Getreide nur auf gemäßigten Stellen zu finden, aljo in den Außenzonen. Dagegen zeigt überall der Mais auf gut befeuchtetes Land hin ud Durrha (Holeus Sorghum) ift hüben und drüben die Elimatifche Brodfrucht. Indigo findet fich quer über nicht jelten. Baummolle wird in der ganzen weiten Zone gefunden, ift in der nördlichen Hälfte jedoch beffer benugt. Ihr Anbau lohnt fich reichlih. Für unfere Zeit und zumal für unfer Land, wo man allgemein befürchtet, daß binnen wenigen Sahren ihr VBerbraud den Ertrag überfteigen wird, eine tröftliche Ausjicht und nicht das leßte Element, unfer Snterefje für Afrika rege zu halten. Diefe Betracptung führt ung dazu, einem andern vaterländifchen Sntereffe zu genügen und der Reifen des Herrn Werner Munzinger auf den Nordterraffen des Habejfinifchen Alpen- landes zwifchen dem rothen Meer und dem Nil, zwifchen 150 und 170 N. Br., zu gedenken, wenn fhon jene von unferm Landsmann erforfihten Gegenden auperhalb dem Kreife liegen, welchen die vorliegenden Seiten feizziren möchten. Werner Munzinger beendete feine orientalifchen Sprachftudien in Paris 1852 und reiste fofort nad) Negypten, wo er ein Zahr lang feiner Iinguiftifchen Aufgabe oblag. So lange geftatte- ten ihm die Zinanzen, nur Einem Zwede zu leben. Als diefelben nicht mehr ausreichten, trat er zu Alerandria in ein Handelshaus und ward bald als fähig befunden, einer commerziellen Expedition nach dem rothen Meere zu folgen (daher datiren die in Berlin veröffentlichten Briefe „vom rothen Meere“). Bei diejer Gelegenheit lernte er Maffua fennen und mochte wohl auch die Möglichkeit eingefehen Haben, auf eigene Rechnung eziftiren zu fönnen, d. H. jo: er treibt Handel zwifchen Abeffinien und Aegypten, reist bisweilen nad Cairo und Diedda in Gejchäften; darauf verweilt er in Keren. Diefer Ort ift Mittelpunkt einer bergigen Gegend, Hauptort de8 Stammes der Bogos, deren herzliches Vertrauen er erworben und die ihn auch durch die Magiftratur eines Nichters ehren. Von jener Gegend aus macht er dann, fobald der Erwerb diejes geftattet, Ausflüge bis an den Atbara'im Welten und auf verfchie- denen Wegen nach Dften zum rothen Meere. Wie er feine Zeit benußt, ift aus Folgendem Elar: Zum Drude bereit liegt ein Manufeript über die Bogos in Beziehung auf die geographifche Lage ihres Landes und die hiftorifche Stellung diefes Stammes, auf ihre Nechtsübungen und Sitten, auf ihre Sprache, das „Belen.” Auf ähnliche Weife ift er bereit, auf Grundlage reicher Materialien, das Land der Barca zu befehreiben u. a. m. Als geographifche Nefultate feiner Reifen und als Berichtigung der neueften Karten über die Weftküfte des rothen Meeres, in den von ihm bejuchten Gegenden ift die Beftätigung: 1) von der Exiftenz des nicht unbeträchtlichen, a2. De felbftftändigen Fluffes Ga fh, der nad N.-N.-öftl. Lauf und nad Aufnahme der Zuflüfe Mareb und Barca etwas füdlih von Suafin ing rothe Meer fich ergießt; 2) in dem nördlichen Abihluß der abyffinifhen Berge durch das Alpenplateau von Menza, aus welchem Munzinger den Schluß zieht: e8 gebe feine zufammenhängende Bergfette auf der Weitieite des rothen Meeres. — Die Bevölkerung jener Gegenden zerfällt in manche Stämme von jehr verfchiedener politifcher DOrganifation, von einer Art Republifanismus bis zum abfoluten Patriarchat. Als Marktpläbe befuchen Ale Maffua und Gaffala, die Hauptftadt von der ägyptifchen Provinz Tacca mit 30000 Einwohnern und 4000 Mann Garnifon. *) Her Munzinger hat in Bern naturwiffenfchaftliche Collegien gehört und zumal unter Prof. Studer Geologie getrieben, jo daß für Gebirgsbildungen fein Auge nicht theilnahmlos ift. Daß er auch für Mufcheln- und Pflanzenfammlungen arbeite, ermunterten ihn die Profefforen Mouffon und Heer in Zürich durch zugefendete Anleitungen. &$ ift für diefen feurigen jungen Mann und Hingebenden Neifenden ein Wirfungsfreis zu winfchen, der feinem Wiflen wie feiner Energie und Ausdauer gleich fehr entfpreche. Die legten Nachrichten von ihm (an feinen Bruder in Bern) find vom 20. Zuli 1858 aus Keren, noch ganz erfüllt vom Maffacre in Dijedda, dem er nur um wenige Tage enteilte. In Abeffinien fcheint die Drdnung auch nicht einfehren zu wollen, ungeachtet der großen Hoffnungen, welche man auf Negus Thodorog fekte. Wahricheinlich ift diefer gegen die Gallas zu fehr befchäftigt, um nach dem Tigre zu gehen und dann gelegentlih Maffua zu feinem Stapelplaß zu nehmen. *, Den Tert zu einer in Winterthur geftochenen Karte enthält das 7. Heft der „‚nouvelles annales des voyages.‘‘ Paris 1858. Die Materialien zu den vorftehenden Seiten finden fi in: Dr. Barty’3 Werk (1-5. BD.) Denham und Elapperton: Narrative. Journal of the Geogr. Society of London. Vol. XX—XXVI. Proceedings 55 59 5, 1856. 7. 8. Rihardfon: Travels in the great desert of Sahara. - —_ Central Africa. Dr. Betermann: Geographifhe Mittheilungen. Gotha. Zeitfprift für allgemeine Erdfunde. Berlin. Sutdinfon: Narrative of the Niger and Benu& Expedition. 2ivingftone: Missionary travels in South Africa. Galton: Tropical South Africa. Anderfon: Lake N’gami or Explorations in South Western Africa. Gaille: Journal d’un voyage A Temboctou et a Jenne. Malte-Brun, B. U: Resume historique de l’exploration faite dans l’Afrique centrale par le Docteur Edouard Vogel de 1853 a 1856. 8. Paris 1858. 10 10 ET Capverdische Mn. /Zort.) S. Atıtonio = Sal JFincentd eo B pen OBoavist 070 »Mayo RT C.Verdd | Ka blah fenbein Küste ”K AN usen von ae Saul | \ 9 v | | „Ascension \ | —___ Barth, Richardson & Üvermweg. D! Vogel im N. —— Livimgstone Pr (uslton 3m: L = Logsone M- Maduarı - Nghurutua AAbıaH 2 h 1 Ge Y u Där Fertit2 Noba ec 0 „/Där Bendart. i Er IR 80 2 Top- Anstalt v. J.Wurster u Corop in Winterthur 40000000 Trans Vaalsche Republik. Oranje Fluss Republik ıpuappsıoy w wargppup ad 6£8/ ZH mDasıyymn taßuızyaog unejaf] 214 1049490)9 !po], yaısıssıı(] adjezuıdg uıy Woyuapniejy] uoysaayag vahyasyjey Inygaaguıy u 5) 7 asp A yllT WEIS IE ggy amday 9, yamsıyaag won 2 hp ER | ch amlash Be N = % Pmpyvymn)" I .. - Ui 3 — - E EN En2 nz Ei: sig BR, ic m ati Ber Ra dc re 1 pe 0% uraHe rt A ki eh sit as a ok: Da BT Gar 5 Ber“ GR ee & . Sat Ab uf BD Ba dr wlan zundar Bj BR Br F ER BR zur Eaperaagn En PN ed + er et ER ı N De IT u An die zirheriihe Sugend auf das Jahr 1860. Von der Watnrforfchenden Gefellfchaft. Die Slariden. In der Regel wird fonft in diefen Blättern irgend ein Gegenftand von naturwillenihaftlichem Sntereife für die Sugend bearbeitet; diejes Mal joll diefelbe mit einer Gebirgsgegend näher befannt gemacht, und ihr die Erlebniffe, die auf Wanderungen in die Gebirge fi) darbieten, mitgetheilt werden. Gehört e8 doch zu den jchönften Genüffen, in der reinen Luft der Berge fih zu erlaben, und von ihren Hohen Zinnen in die Flächen hinunter zu bliden, und über Seen und weite, mit zahlreichen Dörfern und Städten überdedte, Ebenen und Hügelreihen den Blid ftreifen zu lafjen- Noch erhabener ift der Genuß, wenn die Thäler vor unfern Bliden verfchwinden, und wir in das ftille Gebiet der Hochalpen ung verfegt jehen, einzig von Felfen und Eis umgeben, wo nur das Tofen der Gletfcherbäche und der Sturz der Lawinen die Stille der Natur jtört, und wir mitten unter den mit Eis belafteten Berggipfeln uns über die ganze Welt erhaben fühlen. Ein folcher Ausflug in die Hochalpen ftärkt Geift und Körper, und verleiht neue Kräfte für die Arbeiten des Alltagslebens. Es ift daher erfreulich, daß unfere Jugend zu jolhen Wanderungen in unfere Scyweizerberge mehr und mehr Luft fühlt, ja daß fie fich nicht jcheut, jelbit in höhere Regionen fidy zu verfteigen, da bei gehöriger Vorficht folhe Wanderungen weniger gefährlich find, als Leute, die Feine Erfahrung in folhen Sachen haben, fich gewöhnlich vorftellen. &8 fol daher in diefen Blättern eine folhe Wanderung in die höhern Berge gemacht werden. Um aber dabei ganz vorfichtig zu Werke zu gehen, wollen wir ung vorerft zu diefer Wan- derung jorgfältig rüften. Zu einer jolhen Rüftung gehören vor allem aus ganz zuverläffige Führer, die mit den Gegenden, welche wir betreten wollen, genau befannt find. Dieje find nicht unter Bette denen zu fuchen, die fich bei den gewöhnlichen Bergtouren in Maffe als Führer anbieten, fondern bleiben auf die Gemsjäger beichränft, die Sahr aus, Jahr ein fich in den Bergen herum- tummeln, und daher nicht nur mit allen Einzelnheiten der Gegend befannt find, jondern auch die Gefahren Fennen, denen man bei folhen Wanderungen ausgejegt fein fann. Solche Gemsjäger finden fi in allen unfern Bergthälern, und der Pfarrer des Dres ift eher als der Wirth geeignet, genügende Auskunft über diefelben zu geben. Man fann übrigens aus den Zeugniffen, die fie vor- weiien, ebenfalls fi genau von ihren bisherigen Leiftungen unterrichten. Machen Mehrere zufams men eine folche Gebirgspartie, fo find auch mehrere Führer erforderlich, je höher e8 geht, defto mehr; da follten foviel Führer als Neifende fein, damit jeder einen beftimmten Führer zur Nadj- hülfe habe. Den Weifungen diefer Führer muß man fi) aber pünktlich unterziehen; man wird gleich an ihrem ganzen Benehmen fehen, daß man es mit Leuten zu thun Hat, die unfer volles Zutrauen verdienen. Denn nicht bloß um des Lohnes willen bieten fi Gemsjäger zu foldhen Dienften an, fondern weil fie felbft Freude und Intereffe an folhen Ereurfionen haben, namentlich wenn es fich um Reviere handelt, in denen fie jelbft noch nicht gewefen. Da läßt fie die Erfahrung, die fie in ihrem Zägerleben gefammelt, au) in ihnen unbefannten Gegenden leicht den Weg finden, ein ges wiffer Snftinft leitet fie dabei ganz ficher. Hat man fi zuverläffiger Führer verfichert, jo_ Handelt es fi) dann um die übrige Aus- rüftung. Da ift vor allem aus der Bergftod zu erwähnen. Diefer muß von flarfem, biegjamem, Holz, wo möglich Ahornholz oder Eberefchenholz fein, und aus einem jungen Stamme beftehen, nicht aus Brettern gefchnitten werden. Er darf nicht weit über die Achjelhöhe gehen, und muß eine ftarke Zwinge und geftählte Spike haben. Ein Gemshorn oder eine andere Verzierung if nicht nur überflüfftg, Tondern Hinderlich im Handhaben des Stodes, und fann leicht zu Verlegungen führen. Man muß aber mit dem Stode umzugehen wijfen, was leicht durch einige Mebung, und indem man auf die Winfe der Führer Horcht, zu erlangen if. So, wenn man an einem fleilen Abhange hinunterfteigt, darf man den Stod nicht gegen den Abhang auffegen, jondern muß gegen die Berg- Halde hin fich mit beiden Armen auf denfelben ftemmen, damit, wenn man ausglitfchen jollte, man hier einen Halt finde. Ueber einen Firn muß der Bergftod, wenn man ihn nicht zum Steigen braucht, ftetS wagrecht in der Hand gehalten werden, damit, wenn man in eine Spalte einfinfen follte, derjelbe quer über diefelbe zu liegen fomme, und man fi an ihm fefthalten könne. Coll ein Sprung über einen Bad) oder eine Schlucht oder einen Schrund mit dem Stode gewagt werden, fo find die Vorübungen auf dem Turnplage zwar ganz zweemäßig; nur ift zu bedenken, daß hier jeder Zoll abzumefjen ift, und nicht, wie dort, ein Fehljprung Feine nachtheiligen Folgen hat. Man laffe die Führer vorangehen, damit fie im Fall des Miplingens mit der Hand gleich zur Stelle find. Ein großer Zeitgewinn und zugleich unterhaltend ift eg, wenn man es verfieht, mit dem Bergftod über ein fteiles Schneefeld Hinunterzugleiten. Zt die Stelle auf einem Zirn, fo hat man fich vorher zu vergewiffern, daß Feine verborgenen Schründe vorhanden find, was die A Führer leicht beurteilen können; ift e8 ein gewöhnliches Schneefeld, fo darf diefe Uebung nur gewagt werden, wenn dasjelbe nach und nach ausläuft, und feine Felswände am Ende der Schnee- wand fich vorfinden, oder Felfen und Geröll aus derfelben hervorragen, denn leicht fünnte man, wenn man an diejelben anprallen würde, fich bedeutend verlegen. Geben daher die Führer die Zuftimmung dazu, jo femme man fich mit beiden Händen auf den Bergftok, drüde die AUbfäge in den Schnee, und gleite dann, den Körper rüdwärts Haltend, hinunter. E$ ift genau darauf zu achten, daß der Bergftod nicht aufrecht zu ftehen fomme, jonft fönnte man fich leicht überftürgen ; weit beifer ift e8, wenn man fich nicht mehr aufrecht zu halten vermag, man: laffe fih auf den Schnee nieder, und rutjche hinunter, mit dem Stoce die Richtung beftimmend. Auf folche Weife fann man Streden in einigen Minuten zurüdlegen, zu denen man Stunden zum SHinanfteigen brauchen würde. Aber es bedarf Geihik in Handhabung des Bergftodes, das man fih nur durdy vielfache Uebung erwerben fann ; am beiten beginnt man bei Eleinen, weniger fteilen, Schneefeldern, bis man fi auch an größere fteilere mit hartem Schnee wagen darf. Biele Gemsjäger haben ein jolches Gefchied in diefer Uebung, daß fie ohne Beihülfe des Stodes aufrecht ftehend die fteilften Schneefelder hinuntergleiten, jo jhnell, das der Schnee zu beiden Seiten auffprikt. Beim Ber ginn einer Bergreife jollte man den Bergftod öfters ins Waller tauchen, oder während einer Nacht in demjelben liegen laffen, damit das Holz auffchwelle, fonft läuft man Gefahr, Zwinge und Spige zu verlieren, und fo einen unbrauhbaren Stod zu haben. Neben dem Bergftod find gute ftarfe Schuhe ein Hauptbeftandtheil der Ausrüftung. Die: jelben müffen aus weichem Leder verfertigt fein, und genau anpaffen, daß man fich bequem in denjelben bewegt. Sie müffen mit Doppelfohlen verfehen fein, und diefe am Rand mit Kappen- nägeln, einer neben dem andern, bejegt, in der Mitte der Sohle Kopfnägel. Auch der Abjag, der nicht weit über die Sohle hervorftehen darf, muß ringsum mit Kappennägeln und in der Mitte mit Kopfnägeln befegt fein, und das Leder, das Sohle und Abjak verbindet, ganz fteif, damit, wenn man mit der Zußfpige auffteht, und der Abfab in der freien Luft ift, diefer fich wicht abwärts biege. Die Schuhe müffen alle Tage tüchtig mit Fett eingefchmiert werden. Man muß fi zwar an folhe Schuhe, die etwas fehwer find, gewöhnen, aber fie find unumgänglich nothwendig,-und können am Abend, um den Füßen Nuhe zu geben, mit leichtern vertaufcht werden. Gewöhnliche Schuhe mit runden Nägeln halten folche Strapagen nicht aus, fie find bald in dem iharfen Geftein zerriffen, zumal wenn fie vorher durch den nafjen Schnee aufgeweicht find. Neben jolchen Bergihuhen muß man aber aucdy mit Neberftrümpfen verfehen fein, bejonders wenn man längere Zeit durch weichen Schnee zu wandern hat. Sie verhindern, daß nicht Schnee in die Schuhe dringt, und geben überhaupt den Schuhen feftern Halt. Sie werden mit einem breiten, falbsledernen, Riemen befeftigt, inwendig mit zwei Knöpfen, auswendig mit einer Schnalle, daf man denjelben feit anziehen fann. Nägel und Riemen muß man im Borrath bei fi haben. Hans delt e3 fich um weite Wanderungen über Schneefelder, To ift eine dunfelblaue Brille unentbehrlich, ER hat diefelbe zwei Seitengläfer, fo ift da8 Auge noch) beffer geichüst. Gin blauer Schleier it neben der Brille entbehrlich; er Hindert den Umbli, und Hält zwar wohl die Sonnenftrahlen, aber auch die erfrifchende Luft ab. Ebenfo muß man bei Gletfcherwanderungen mit Wollftrümpfen verjehen jein, fonft läuft man Gefahr, die Füße zu erfrieren; und mit leinenen Handichulhen, theils wegen der Kälte, theils um die Hände vor dem Rüdprallen der Sonnenftrahlen zu fihügen; lederne Handjchuhe Kindern in der leichten Handhabung des Beraftodes. Ein leichter Hut ift einer Müge vorzuziehen, nur muß er befejtigt werden fünnen. Derfelbe jchüst bejjer vor den Sonnenftrahlen, und auch beim Regen ift man dur) einen folchen geficherter. Uebrigens, beiläufig gejagt, dürfen Gletfchertouren nur bei entjchieden gutem Wetter gemacht werden. So wie man einen Firn betritt, (auf dem Gletfcher ift dieß weniger nöthig, da die Schründe in der Regel offen daliegen), müffen alle an ein ftarfes, neues, Seil, auf das man fich verlaffen Fan, befeftigt werden. Das Seil wird Jedem um den Leib gebunden, dann 10-12 Schuhe Raum gelaffen, und der Zweite und Weitere auf gleiche Art an dasjelbe befeftigt. Es follten bei folhen Wan- derungen über Firne nie weniger als vier fein, ein Führer vorn und einer hinten. Beim Gehen muß man immer die Diftanz halten, damit, wenn der Bordermann in eine Spalte finft, man nicht zu nahe bei ihm jei, und daher nicht mit fortgeriffen werde. Handelt es fi) um das Hinanfteigen von fteilen Firn- oder Eishängen, fo fünnen Steigeijen gute Dienfte leiften. Es genügt aber, wenn die Führer jolche haben, da eine gewilfe Hebung dazu gehört, mit foldhen Eifen fiher auf- zutreten, und diejelben genau an den Fuß anpafjen müffen. Beffer ift e8, man fei mit einem Beil verjehen, und der vorderite Führer haue Tritte in den Firn oder das Eis ein, diefe bieten einen fihern Standpunkt, müfjen aber nach) einwärts fich fenfen, damit man nicht ausgleite. Man kann mit folhen Tritten die fteilften Eiswände überwinden, nur muß man feft im Knie fein, und feine Spur von Furt oder Schwindel haben. Was den Mundvorrath betrifft, fo ift der rothe Wein dem weißen vorzuziehen, er enthält zugleich nährende Beftandtheile, und verdirbt weniger den Magen. Auf je Zwei ift we- nigfteng Eine Flafche zu rechnen; Fehrt man wieder denfelben Weg zurüd, fo fann man hie und da eine Flafche zurüdlaffen, damit die Führer durd) das Gepäd nicht zu fehr beläftigt find, und man bei der Rüdfehr wieder eine Erfrifchung vorfinde. Neben dem Wein ift Käfe und Brod, hartgejottene Eier, und von Zleifchipeifen Würfte, Schweine oder Schaffleifch am beiten, Kalb- fleifch kann man nur mit Salz genießen, ohne Diefes ift e8 zu fade. Ehe man aus der Sennhütte aufbricht, muß man fich mit einem Kaffee, zu welchem man dag Pulver mitbringt, gehörig erwär- men; ein Napf mit Milch, in welche man Chocolade fchabt, leiftet die nämlichen Dienfte. Aber etwas Erwärmendes jollte man im Leibe haben, ehe man fich in die höhern Regionen wagt, Tonft ift man den Strapagen nicht gewachlen. Auch eine Zlafhe mit Kirfchenwafler und DVorrath von Zuder jollte man immer zur Hand haben. Eine Scholle Zuder, mit Kirfchenwafler gefättigt, ift eine Höchft angenehme Stärfung, nur muß man fich ihrer mit Maß bedienen, jonft wirft fie Se bei der reinen, zehrenden, Luft entfräftend auf die Füße, und macht fehlaftrunfen. Diefes find in Kurzem die Hauptbeftandtheile einer guten Ausrüftung für Wanderungen in die höhern Berge. Bir wollen nun, volltändig ausgerüftet, die Wanderung felbft antreten, und haben als Ziel derfelben den Gebirgözug der Klariden gewählt. Was die Schreibart betrifft, fo ift der Name ein Ro- manifcher, alfo urjprünglich mit & gefchrieben, an deffen Stelle im Deutichen dag K tritt. In der Gegend wird das Gebirge Chlariden genannt, daher die Schreibart Glariden (von Glarus) nicht wohl anwendbar ift, da das G in der BVolksfprache nie in Ch verwandelt wird, wohl aber das E und 8. Auch ift fein Grund vorhanden, gerade diefen Gebirgszug vorzugsweife als Glar- nerberge zu bezeichnen, was der Sinn von Glariden fein müßte, zumal derfelbe ftet3 dem Kanton Uri zugetheilt war. Wer von Zürich aus gegen den Tödi Hinblict, der wird vor demfelben einen langen, mit Zien bedediten, und mit mehreren Gipfeln gefrönten, Gebirgszug wahrnehmen, der fich vom Scheer: horn dftlich bis gegen den Bifertenftod Hinzieht, und über den fi) der Todi noch zirfa 2000 Fuß erhebt; es find diefes die Rlariden. Wollen wir diefelben etwas näher ins Auge faflen To gehen wir ind Stachelbergerbad, fleigen den Wafferfällen des Fetichbaches nach hinauf auf den Urnerboden, der zum Klaufenpap Kinführt, und find num unmittelbar am Fuße diejes Gebirgszuges. Che wir die Einzelnheiten desjelben näher jchildern, betreten wir mo das Gebiet der Sage, denn es fnüpfen fi mehrere Sagen an diefe Gegend. Unter den Alpen nämlich, die am Abhange der Klariden liegen, befindet fich audy die Klaridenalpe, von welcher der Berg den Namen Hat. Diefe ift feit undenklichen Zeiten ver- ichüttet, und die Urfache diefer Verfchüttung wird, wie auch an mehreren andern Drten der Schweiz, der fchlechten Aufführung eines Sennen zugefchrieben, der auf folhe Weife für feinen Uebermuth geftraft wurde. F. I. Scheuchzer im feiner Befchreibung der Naturgefchichten des Schweizer: landes, Zürich 1707, erzäglt die Sage fo: Es fol dafeldft vor Zeiten ein Senn eine leichtfer: tige Dirne unterhalten und in fo hohen Ehren gehalten haben, daß er ihr von der Sennhütte bis zum Käsgaden den fothigen Weg mit Käfen überlegt, damit fie ihre Schuhe nicht bejudfe- Da fei jeine arme Mutter zu ihm gefommen, um ihren Hunger mit Milh und Sufi zu ftillen, der gottlofe Sohn aber habe ihr unter die Milchipeifen Pferdeharn gemifcht, und fie dann abge- fertigt. Drauf habe das arme Weib ihrem verruchten Sohne alles Ungtüf über den Hals ger wünjcht, und Gott gebeten, fie zu rächen. Diefes fei auch) gefchehen, die Erde habe fich geöffnet, und diefen nichtsnügigen Menfchen mit feiner leichtfertigen Dirne verfchlumgen, zugleich jeien die obern Firne und Feljen eingefallen, und Hätten die vorher grasreichen und fetten Alpen jo uberdedt, daß fie jeit der Zeit ganz unfruchtbar feien, und nichts ertragen. Diefer Böfewicht foll, wen man ihn ruft, oder ihn herausfordert, fich Fund geben. So erzählte der Pfarrer in Unterjchächen Scheucdzer, er habe fi in feinen jungen Zahren in die Klaridenalpen verfügt, und an dem ag ae Drte, wo die Sennhütte geftanden, den mit Leib und Seele verfchlungenen Senn fühner Weije herausgefordert. Da fei die Erde in Erfihütterung gerathen, von der Höhe der Felien feien Steine mit großem Geräufhe zu feinem großen Schreden herabgefallen, er habe fich geflüchtet, und Gott gedankt, daß er mit dem Leben davon gekommen. Eine zweite Sage bezieht fich auf den Urnerboden. &8$ ift nämlicd) auffallend, daß die Grenze zwifchen Uri und Glarus nicht auf der Höhe des Klaufenpaffes ift, jondern weit jenjeits des= felben auf dem Urnerboden gegen Glarus hin. Die Sage, die darüber im Bolfe herumgeboten wird, Ein. RN. Wyß Idyllen und Volksfagen, Bern 1815, unter der Aufichrift: „Der Grenz freit“, poetifch behandelt, und erzählt den Borgang folgendermaßen: E38 war lange ein bitterer Streit über die Grenze zwifchen Uri und Glarus. Auf den Rath einiger älterer Männer wurde bejehloffen, um dem Streit endlicdy ein Ende zu machen, es follen bei Tag- und Nacht-Gleiche beim erften Hahnenruf zwei Männer, der eine von Glarus, der andere von Altorf zu Fuß auf brehen, und wo diefelben einander antreffen, da folle die Grenze fein. Das erfte Gejchäft war nun, zwei Eräftige Männer auszuwählen, die als gute Läufer befannt waren, der von Uri Aus- gewählte hieß Wolf; der von Glarus Diet. Nun ging e8 an die Auswahl eines Hahnes. Da mußte darauf Hingewirkt werden, daß der Hahn am Bormittag jo frühe als möglicd) Frähe, damit der Läufer feinen Gang antreten fünne. Es verftand fich von jelbit, daß feiner der Männer vor dem Hahnenruf aufbrechen werde; hingegen war e8 erlaubt, Mittel anzuwenden, um den Hahn vor der gewöhnlichen Zeit Frähen zu machen. Die Frauen, als in diefen Dingen bewandert, wurden zur Bera- thung beigegogen. Da fanden die von Uri, man komme am beften zum Ziele, wenn man den Hahn eins fperre, und ihn vorher Hungen und durften laffe; die von Glarus dagegen glaubten, ein gut gemäfteter Hahn werde um jo früher Frähen. Was geichah nun? Kaum war die erfte Helle des Tages am Himmel, jo Frähte der von Hunger und Durft geplagte Hahn in Altorf gar fürchterlich; rasch Bra Wolf von Uri auf, und dem Hahne wurde zur Belohnung für feine guten Dienfte reich- fiches Futter und Waffer dargereicht. Der gutgemäftete Hahn in Glarus dagegen fchlief ganz gemüth- lich, bis die Sonne weithin ihren Glanz verbreitete, und mit feinem Krähen mifchte fich der Gejang der übrigen Vögel. Exit jebt durfte Diet von Glarus aufbrechen. Er fuchte die verlorne Zeit fo gut als möglich einzubringen, aber vergebens. Wolf hatte fchon die Höhe des Klaufenpaifes überfchritten, glitt an den Gehängen desjelben mit Blißesfchnelle hinunter, und eilte über die Fläche des Urnerbodeng dahin, al$ Dies Faum die erfte Höhe über dem Linththale am Ufer des Fetfchbaches erflommen hatte. Nicht weit oberhalb derfelben trafen fie zufammen, Wolf voll Freude, daß er den Sieg errungen, Die niedergefchlagen liber die Niederlage feines Thales. Er wandte fi an die Großmuth feines Gegners, und flehte ihn an, ihm von feinem im Uebermaß ger wonnenen Antheil nur etwas Weniges abzulaffen, damit er nicht gar zu bejchämt daftehe. Diefer wollte fich vorerft nicht dazu verftehen, im Uebermuth des Sieges; auf das dringende Flehen des Dies aber ftellte er zuleßt die Bedingung, er folle ihn tragen, jo weit er. e8 vermöge, und das - a Land, das er mit diejer Laft überjchreite, Tolle feinem Thale angehören. Dies, voll Eifer für den Nugen feines Thales, war fogleich dazu bereit, nahm den Wolf, einen fchweren Mann, auf den Rüden und fchritt vorwärts, jo lange, bis er, plößlich erbleichend, wortlos nieders Tank, und jeufzend, aber mit heiterm Blide, die Seele aushauchte; er hatte ja, jo viel an ihm lag, die Ehre des Thales gerettet. An der Stelle, wo Dies hingelunfen, riejelt ein Fleines Bächlein durch die Matten, und das ift nun die Grenze zwilchen Uri und Glarus. Eine ähnliche Sage findet fich auch bei der Gemmi, wo die Wallifer Mit einem dur Wein beraufhten Hahne den Sieg über die Berner errangen. Betrachten wir num die Gegend, in welche wir unjere Streifereien vornehmen wollen, etwas näher, jchon aus dem Grunde, weil die Karten nur ganz ungenügenden Aufichluß geben, jo finden wir diejelbe Reihenfolge, wie allenthalben in den Bergen. Ueber den Gütern des Urnerbo- dens zieht fich, etwa eine Stunde breit, der Wald, der Wengiswald, dahin, vom Linththal bis gegen den Klaufen hin, oberhalb desjelben befinden fich die Alpen, und zwar gegen das Linththal hin die Glarnerifhe Rammeralp, dann die Urneralven, Orthalden, Gemichfayr (fo jchreibt Scheuchzer) und im Hintergrunde des TIhales in einer Firnjhlucht die verfchüttete Klaridenalp. Die Kammeralp erftredt fih bis zur Höhe des Kammerftodes, der als öftliches Ende des Klaridengrates fhroff gegen das Linththal abftürzt. Von feiner Spite weg zieht fih, oberhalb den Staffeln der Orthaldenalp der Orthaldengrat dahin bis zu einer Einfen- fung, wo ein Kreuz aufgerichtet if. Auch diefer Grat befindet fih nody in der Alpenregion. Von dem Kreuze weg fteigt die Gebirgsmaffe höher auf, die Alpen verfchwinden, an ihre Stelle treten Felfen und Gefchiebswände, und über denjelben breitet fich ein weites Firnfeld aus, das bei der Kapelle auf dem Urnerboden leicht überfchaut werden Fann, und in feinen verfchiedenen Theilen Gemfhfayrz, Breit» und Rothnofjenfirn genannt wird. Unterhalb liegt die Gemfchfayr- alp, daher trägt die Spie diefes Firngrates auch den Namen Gemihfayritod, wird aber gewöhnlicher DberortHaldengrat- und Stod genannt. Gegen Weiten jenkt er fich zu einem Firnjoh herab, e8 treten nun oberhalb der Klaridenalp einzelne fchwarze Felsfuppen aus dem Firnfeld hervor, die in dem Klaridenftod culminiren, fi dann weiter fortfegen, und in dem Klaridenhorn ihre höchfte Spige erreichen. Durch einen Grat damit verbunden erhebt fi weftlich die Firnkuppe des Kammliftodes, der in breitem FZirnfanım fich gegen den Klaufen- paß herabfenft, und die Gruppe der Klariden jchlieft. Zenfeits des Kammlifto des, durd den Scheerhornfirn davon getrennt, erhebt fih in derjelben Linie das doppelgezadte Scheer: born, an welches fih der Rukhi und die beiden Windgellen anfchliefen, und gegen das Reußthal abftürzen. Es ift alfo vom Kammerftod bis zur fleinen Windgelle derfelbe Gebirgszug in der Nichtung von Oft nad) Welt, und der Theil desfelben, der vom Kamm er- tod bis zum Kammliftod fich hinziet, oberhalb des Urnerbodens bis zur Höhe des Klaus: fenpafies, trägt den Gefammtnamen Klariden. N Damit ift aber die Schilderung der Klariden nocd feineswegs geichloifen, es ift diejes nur der nördliche Theil derfelben. Senfeits diefes Grates, auf der Südjeite desjelben, zieht fih, etwa eine halbe Stunde breit, der Klaridenfirn dahin, der in feinem untern Theile, wo der Dberorthaldenftod gegen DOften abftürzt, auch den Namen Gemsalpelifirn trägt, ex fteigt dem Klaridengrate entlang allmälig an, bis ev am Zuß des Klaridenhornes den böchften Punkt erreicht, und hier fid) in weitem Platenu gegen Weften und Süden ausdehnt; gegen Weften zieht er fich bei dem Kammliftod vorbei gegen das Scheerhorn hin, und jendet den Scheerhornfirn als Ausläufer in den Hintergrund des Schädhenthales herab, gegen Süden erftredt er fich bis zu der Firnkuppe des Katfcharauls, der in derjelben Linie mit dem großen und Fleinen Tödi liegt, und durch einen vergletfherten Grat mit dem Düffiftod im Hintergrunde des Maderanerthales in Berbindung fteht. Das Plateau diejes Firnfeldes ift nur wenige Schritte weit ganz flah, und fenkt fich jogleich gegen Weiten in breiter Firnmulde zwifchen dem Klaridengrate nördlich und dem bündnerifchen Grenz: grate füdlich zu den Südwänden des Scheerhornes und dem Düffiftod hinunter, zwifchen welchen er unter dem Namen des Hüfigletjchers in den Hintergrund des Madera- nerthales abftürzt. Diefe Firnmulde ift wohl 2—3 Stunden breit, und ebenjo lang, an ihrer Dftfeite ragen auf der Höhe des Plateau die Felskuppen des vordern und Hintern Spigalpeli aus dem Firn empor. Zwifchen dem vordern Spigalpeli und dem Kla- ridenhorn fenft fih gegen Dften der fchon genannte Klaridenfirn hinunter, an der Süpdfeite von dem Geispugiftod, Bediftod, Zutreibftod und Gemfijtod einge ichloffen, die die Nordfeite der obern und untern Sandalp eindämmen, und nur durch) dDiefe und den Sandfirn von dem Tödi getrennt find. Der Geispugifirn jenft fich als Gtletfeherzunge des Klaridenfirnes in die obere Sandalp hinunter. Es wird alfo der Ger birgszug der Klariden auf der Nordfeite von dem Urnerboden und dem Klaufenpaß begrängt, auf der Südfeite von der untern und obern Sandalp undden Sandfirn. Bei dem vordern Spitalpli bildet der Zug einen Icharfen Winfel, und ändert die Hauptrichtung nah Weften in die nach) Süden, was die Bildung der weiten Firnmulde zur Folge hat. Wir haben nun nod) die Abgränzung der Klariden gegen Dften ins Auge zu faffen, gegen das inththal und die untere Sandalp hin, die den Uebergang von der Dftrichtung zur S üdrid- tung bildet. Der Kammerftod, der öftliche Ausläufer der Klariden, ftürzt gegen Süden in ziemlich fteilen Wänden, die Spuren eines frühern Bergfturzes in häufergroßen Felsblöden zeigen, in ein Thal hinunter, das im Hintergrund von dem breiten Abfturz des Dberorthaldenftodegs ges fchloffen, und von dem Schreienbacdhe, der in Ihönem Falle in das Grogthal Herabitürzt, durch- ftrömt wird. Die hinterfte Alp in diefem Thale ift die urnerifche Fismattalp, daher hier auch der Dberorthaldenftod Fismattalpftod genannt wird. Weiter unten im Thale, durch eine Hede davon getrennt, die zugleich die Kantonsgränge andeutet, befinden fich die beiden Staffel Gern 2 der Bärenbodenalp, dieje wird unterhalb durch) einen Wald begrängt, durch welchen der Schrleien- bad dem Hauptthale zuftrömt. Diefe Thaljhlucht wird an der Südfeite durd das Käs- föcdli oder Altenorenftod, der durch) eine Zurfe mit dem Abfturz des Dberorthalden- ftodes in Verbindung fteht, eingefchloffen, von welchem aus fi ein Grat, der Malort, in das Hauptthal abjenft. Südlic, von dem Altenorenftod dehnen fich die obern Staffel der Aiten- orenalp aus, in deren Hintergrund die Gletfcherzunge des Gemsalpelifirnes fich abienkt. Die Altenorenalp wird auf ifrer Südfeite von einem Grate, der fich von dem obern Gem alpeli abzweigt, eingefchloffen; der Altenorenbacdy mündet in der unteren Sandalp in den Sandbad oberhalb dem Zufluß des Limmernbaches. Das obere Gemsalpeli dämmt den Klaridenfirn gegen Dften ein, fo daß er nur die Gleticherzunge, aus welcher der UI- tenorenbach ftrömt, entfenden Fan, und ift durch einen Grat mit dem Gemfiftod verbunden, zu deffen beiden Seiten das untere Gemsalpeli fich gegen die untere Sandalp abienft, und die Verbindung des Gemfiftodes mit dem Zutreibftod vermittelt. So bilden fidy zwifchen den beiden Neihen der Klaridenftöde als Abflug ihrer Gletiherbäche gegen Diten die beiden Thal- ichluchten von Fismatt und Altenoren. Nachdem wir ung Hinlänglich mit dem Revier, das wir betreten wollen, befannt gemacht, tre- ten wir die Wanderung felbft an, und benugen dabei ein Tagebuch, das über zwei Ereurfionen in diefe Gegenden in den Jahren 1858 und 1859 geführt wurde. Zugleich find wir durch Die Ge- fälligfeit der Herren Zeller-Horner von Zürich und Statthalter Studer von Bern in den Stand gefegt, unfere Schilderung mit zwei Anfichten zu begleiten, die geftatten, den Weg Schritt für Schritt zu verfolgen. Das erfte Blatt umfaßt die Wanderung über den Hüft- gletfher und Firn bis auf die Höhe des Klaridenfirnes, das zweite enthält die Fort- jegung von der Höhe des Klaridenfirnes bi zu dem Punkt, wo der Gemsalpelifirn fih in den Hintergrund von Altenoren abjenft. Das erftere ift von Hrn. Zeller im Jahr 1839 von der Höhe des Briftenftodes aufgenommen, das zweite von Hrn. Studer im Jahre 185% von dem Gipfel des Bediftodes, einem der füdlichen Klaridenftöde. Auf beiden zufammen tft die Wanderung von 1859 vollftändig enthalten, auf dem zweiten die von 1858 theilweife, da die- felbe auf der nicht fichtbaren Nordfeite des Dberorthaldenftodes begann, und erjt bei der Lücke weftlich diefes Stodes in den Bereich diefes Blattes fällt. Montag den 9. Auguft 1858 brach ich mit meinen Neifegefährten H. und den beiden Füh- tern Johannes Madug von Matt und Thomas Thut von Linththal um 5%, Uhr Vor- mittags aus dem Bade Stahelberg auf. Es galt den Kammerftod, den öftlichen Aus- läufer des Klaridengrates, zu erfleigen. Wir überfchritten den Fetich bach bei feinem unterften Falle, und fliegen dann dur) den Wald empor, im Vorbeigehen die Wafferfülle des obern Zetich- baches bewundernd. In drei Stunden hatten wir den obern Staffel der Kammeralp erreicht. Der Berg wurde nun rauber, doch waren e8 immer noc) Alpen, durd welche wir binanftiegen, 2 = und in einer Stunde, aljo im Ganzen in vier Stunden, flanden wir auf dem mittelften höchiten Gipfel des Kammerftodes. Derjelbe erhebt fih nämlich in drei Gipfeln, von denen der öftlichfte, unmittelbar oberhalb des Großthales, der niedrigfte ift, mit einem Steinmannli gekrönt. Von diefen drei Gipfeln zieht fich der Grat in langem Zuge fi allmälig abjenfend, und in feiner Fortfegung Orthaldengrat genannt, weftlich gegen den Dberorthaldengrat Hin, und ftufft fich gegen Norden allmälig ab, während er gegen Süden in fchroffen Geröllwänden gegen die Thalfchluht von Fismatt und Bärenboden abftürzt. Die Ausfiht ift ihrem Hauptcharakter nad) eine Berganficht. Man fieht nur dag Groß thal bis nah Mitlödi hinunter; alles. glänzte in hellem Sonnenfchein. Am Schluffe des Tha- {eg erhebt fih der Fronalpftod mit dem Schilt, über diefen vagt die Fahle gezadte Feld: wand des Mürtichenftodes hervor. Dann folgen die Berge in der Umgebung des Murg- und WeißtannentHales. Nehts vom Saasberg und Büsigftod entfaltet fich die breite Mafje des Kärpfftodes, über die Einfattelung des Nichetli jchimmern die Firnfelder des Sardona. Südlich vom Leiterberg und Borfteditod erhebt fich die Kuppe des Hausftodes. Dann breitet fi die Maffe des Nüchi aus, an feinem Fuße glänzt in hellem Grün die Baumgar- tenalp. Durch das Limmerntobel mit feinen Fahlen Seitenwänden blidt man auf den Lims mernboden hin, dann ftrebt unmittelbar vor dem Befchauer der Selbfanft empor, neben ihm der Bifertenftod und der Bündnertödi oder Frifalftod; an den Firnen des Urlaun zieht fich der Bifertengleticher wie eine Schlange dahin. Nun tritt die hehre Geftalt des Tödi uns entgegen, vor ihm feine Trabanten, der Gemfiftod, Zutreibitod, Bediftod, neben ihm weftlich fein Sohn, der fleine Tödi. Bor diefen Bergreihen zieht fih ein Grat dahin, der Bärenboden von Altenoren trennt, der Malort, der fih in dem Altenoren tod givfelt. Er ift der Lieblingsaufenthalt der Gemfen, da auf feinem Gipfel fid) eine weite Gras- fläche ausbreitet. Nun fteigt der Dberorthaldenftod empor, an welchen fid) der Kammli- od anlehnt. Ueber die Le des Klaufenpaffes erheben fih die Spannörter, der Titlis und der Schlofberg. Gegen Norden zieht fi) vom Märcherftödli und dem Glatten, hin- ter welhem die Shähenthalerwindgelle hHervorragt, die Felfenreihe des Zingel dahin, die mit dem Ortftode endigt, die Braunmaldalp und die Felsmafle des Glärnifch fhliegt die Rundfiht. Hr. Studer hat diefelbe mit feiner befannten Genauigfeit 1854 aufgenommen; fie ift nun in einer Gopie Hinter Rahm und Glas in dem Speifefaal des Stahelbergerbades aufgehängt. Mir hielten uns mehrere Stunden auf diefer Höhe auf, da unfer heutiges Ziel die Bären- bodenalp war. Nah 3 Uhr brachen wir auf. Wir hätten glei von unferm Lagerplage auf die Bärenbodenalp Hinunter fteigen fünnen, e8 zog fi) nämlich eine fteile Rift ins Thal hin- unter. Da uns aber nichts daran gelegen war, jeßt fhon in Bärenboden einzutreffen, jo z0= gen wir ed vor, dem Drthaldengrate entlang hinunter zu fteigen bis zu der Einfattelung, von a ME welcher an dann der Grat gegen Weiten wieder anfteigt. Auf dem Wege dahin Famen wir ober- halb der Alp Drthalden vorbei, und fahen ftets auf die Fläche des Urnerbodens hinunter, defjen näherer Theil zwar durch den Wald verdedt war; hingegen fchimmerten am Fuße der Fels: wände des Zingel mehrere Häufergruppen im Glanze der Abendfonne. Nach 40 Minuten hatten wir die Einfattelung, wo ein Kreuz fleht, erreicht. Wir waren nun oberhalb des Hintergrundes von Zismattalp. Weitlich neben ung erhoben fih die Felsmaffen des Dberorthalden- ftodes, auf deifen Nücen der Gletfher durch. den Nebel fihtbar war. Während nämlich der Urnerboden noch in den Strahlen der Sonne glänzte, Herrfihte in diefem Thale das düftere Grau des Nebels. Wir hielten uns eine halbe Stunde hier auf. Dann ging es der Abjenfung des Berges entlang oberhalb des Thalgrundes abwärts gegen den obern Staffel der Bärenbo- denalp. Die Alpe ift rau mit Steintrümmern. In einer VBiertelftunde Hatten wir die Hütte von Fismattalp erreicht. Sie war noch nicht bezogen. Nachdem wir die Hede überfchritten, famen wir bei gewaltigen häuferhohen Felsblöden vorbei, die von einem frühern Bergfturz am Kammerftod herrühren, und nad) einer halben Stunde, um 5 Uhr Abends, hatten wir den obern Staffel der Bärenbodenalp erreicht. Der Nebel hatte inzwifchen jo zugenommen, daß wir die nähere Umgebung der Alp und das tiefer liegende Thal nicht mehr genau unterfcheiden Fonnten. Die Alp wird von 33 Kühen nebft einigen Ziegen, Schafen und Schweinen befahren, und von einem Sennen mit drei Knechten beforgt. Wir richteten uns nun in der Sennhütte ein, und bereiteten ein Thee, jedoch auf jehr primitive Weife- Der Thee wurde auf einem Tuche ausgebrei- tet, und das heiße Wafler darüber Hin in einen hölzernen Napf gegoffen; dennoch fchmedte er föftlih. Um aber für den folgenden Tag Hinlänglich geftärkt zu fein, anerbot fi der Senn, ung ein Nidelbrot zu bereiten. Diefes befteht aus didem Rahm und eingebrodtem Brote. Beides wird über dem Feuer tüchtig gerührt, bis es fi) in einen Brei verwandelt, auf welchem die im Rahm enthaltene Butter fhwimmt. Es ift zwar ein etwas fettes Gericht, hält aber Leib und Seele zufammen, und ift ungemein fhmadhaft. In der reinen Alpenluft ift dasfelbe bald verdaut, in der Ebene möchte e8 etwas fehwerer auf dem Magen liegen; doc wäre dann der Rahm nicht fo did. Ich führe dieg mit VBorbedacht an, weil man fich mit jolhen Gerichten am beften auf einen tüchtigen Marjch vorbereitet, und die Aushülfe von Wein, Brot und Zleifch mehr während des Marfches jelbit nöthig hat. Wir begaben ung dann frühzeitig, natürlic) in den Kleidern, in dem Schlafgaden zur Ruhe, auf weiches Heu gebettet, je vier gegen einander über. Eine Dede, die nicht jo eben aus der Wäfche gekommen, fchügte ung vor Kälte. Dienftag den 10. Auguft 1858 brachen wir nach eingenommenem Kaffee, wozu wir das Pulver mitgebracht, bei etwas bewölftem Himmel, der fih aber nachher aufheiterte, um 5 Uhr Vormittags auf. Wir fliegen vorerft denfelben Weg hinauf, den wir geftern herabgeftiegen, zum Kreuz auf dem Grate, dag wir in drei Viertelftunden erreichten. Nun mußten wir ung gegen Weiten Halten, und unterhalb des Gletihers von Dberorthalden über die Felfen, die den- Pe : jelben umgürten, hinanklettern, bis wir an einer geeigneten Stelle den Gletfcher betreten fonnten. Die Zelfen find vielfach zerflüftet; e8 Haben fih Hin und wieder durch die Verwitterung famin artige Löcher gebildet, durch welche Kindurch man in den Hintergrund der Fismattalp fieht. Wir ftiegen Jo oberhalb der Alp Gemfhfayr in der Richtung der Kapelle auf dem Urnerboden über Felfen und Geröll empor. Eine einfame Ziege, die fich verftiegen, mederte uns entgegen; wir mußten das arme Thier feinem Schidjal überlaffen. Wir gelangten nun bald an den and des Gletfchers, und wanderten am Fuße der Firnwände gegen Weiten dahin, zuweilen über Schneer felder. Der Gletfher fenkte fi To fteil ab, daß wir nicht daran denken durften, denfelben jegt ichon zu betreten, ungeachtet uns eine breite Firnwand gleichjam dazu einzuladen fchien; aber bei näherm Nachjehen war diefelbe doch zu fteil. So jihritten wir immer dem Gletjcher entlang vor- wärts, bis eine fteile Schneefehle, die zwifchen Felfen fih in einen Abgrund fenfte, ung Halt gebot. Der Gleticher fenkte fih in runder Wölbung gegen diefelbe hinunter. Wir fanden e8 ger rathener, ftatt der Schneefehle, die zwar nur einige Schritte breit, aber beinahe jenfrecht war, die Wölbung des Hletfehers, die etwas weniger fteil war, zu überjchreiten. Thut trat bis zum nächften Zelskopf jenfeits Tritte in den Schnee, die er beim Zurüdfehren nod) vergrößerte, e8 mochten circa zwanzig fein, und nun überfehritten wir ganz gemächlic, diefe Stelle. Es war etwas nad 7 Uhr. Nun ging wieder das Klettern an, und nad einer Stunde hatten wir die Stelle erreicht, wo der Gletfcher betreten werden Fonnte. Es war diefelbe Stelle, von welcher aus au Hr. Studer 185% und 1857 den Firn betreten. Wir fanden nody Spuren feines Hier jeins in einer zerbrochenen Flafcye. Auch wir ftärften ung hier mit einer Flafche Wein. Die überfchüittete Klaridenalp hatten wir weftwärts in der Tiefe am Fuße des Kammliftodes. Rechts von dem Schloßberg fahen wir den Urirothftod und Bladenftod, und über das Schneefeld des Glatten die ausgefpisten Wände des Wajferberges. Wir rafteten eine gute Halbe Stunde Hier, dann galt e8, den Fin zu betreten. Es wurde das Seil vorgenommen, und alle vier an dasfelbe angebunden, die Führer vorn und hinten. Da der Firm Anfangs ziemlich fteil anftieg, und hie und da mit gefrorenem Schnee durchzogen war, liegen wir durch Madup, der voran ging, Tritte einhauen, und rüdten fo fehrittweife vorwärts. Als wir circa 50 Stu- fen hinangeftiegen, wurde der Firn flächer, und der Schnee tiefer, ja fo tief und weich, daß wir ftets bis zu den Waden, zuweilen bis an die Kniee einfanfen. Einmal ftürzte Madug fogar in eine Firnfpalte, Eonnte fi) aber fogleich wieder herausarbeiten, ohme weiterer Nachhülfe zu bedürs fen. Wie wir näher nachfahen, zeigte e8 fi, daß der Schrumd gerade jo breit war, um hinunter: gleiten zu fönnen. Wir hatten ung anfangs auf dem Firnwall öftlich gehalten, um allmälig auf- zufteigen; num wandten wir ung weftlich, und rüdten langfam aufwärts, ohne weitern Schwier rigfeiten zu begegnen. Etwas nach 10 Uhr, alfo im Ganzen in circa 5 Stunden, hatten wir die Höhe des Oberorthaldenftodes erreiht, und lagerten uns auf dem abern Boden, der aus Nummulitenkalf befteht. Das Wetter war prächtig, ganz hell, nur gegen die Ebene hinaus a N Wolken, und theilweife auch in den Bergen, die ung aber nicht Hinderten, die Ausficht vollftändig zu genießen. Es war jo warm wie in der Ebene, feine Spur von Wind. Die Ausficht gegen Norden fejlelte uns nicht befonders, es war ungefähr diefelbe, die wir beim Hinauffteigen gejeben, von dem Zürcherfee und der Ebene überhaupt jahen wir nichts; es war alles durch ein Nebelmeer verdedt. Linfs vom Glärnifch erhob fih der Neifelftod, uud über den Zingel ragte der Drusberg und weiter weftlih die Mythen empor. Die Ausficht gegen Süden, die ganz unverfchleiert vor uns lag, z0g ung mehr an. Zu unfern Füßen zog fich der Klaridenfirn dahin, gegen welchen eine fteile, wohl 600 Fuß hohe, Felswand, auf deren Spibe wir ftanden, abftürzte. Diefer Firn war gegen Diten von dem obern Gemsalpeli, neben welcdyem fich der Gemfiftod erhob, begränzt. Er mochte eine gute halbe Stunde breit jein, und ftieg allmälig zu einem Firnjodh an. Neben dem Gemfiftod breitete fih die Felsmalle des Zu- treibftodes aus, theilweife mit Schnee befprengt; an diejen reihten jich die Felsföpfe des Bedi- fodes, und dur eine Lücde getrennt, durch welche der Bedibach gegen die obere Sandaly abfließt, erhob fid) der Geispugiftod, der auf feinem Scheitel eine Firndede trägt, und nicht weit über den Firn emporragt, während die beiden andern Stöde ziemlich darüber erhaben find, ungeachtet fie eine geringere abjolute Höhe haben, weil der Firn gegen feinen Auslauf ziemlich fteil fich abjenkt. Weftlich vom Geispugiftod redt der Geispugigleticher, ein Ausläufer des Klaridenfirnes, feine Zunge gegen die obere Sandalp herunter. Bon hier an nimmt das Zirnplateau feine Richtung gegen Süden, da wo die fhwarzen Felsmaflen des vordern Spitalpeli aus demfelben Hervorragen, zieht fih zum Hintern Spißalpeli, und endigt in der Firnfuppe des Katfeharauls. Deftlich von diefem jchließt fih der Sandgrat an, ganz mit Schnee bededt, aus welchem der Kegel des Fleinen Tödi emporftarrt. Nun ragt in jeiner vollen Mächtigfeit der Koloß des Tödi gegen den Himmel, fo nahe, Faum eine halbe Stunde in gerader Richtung, daß man in alle feine Firnfchluchten Hineinbliden fann. Zwei gewaltige Glet- jcher entwideln fich aus feinem Firnplateau, das die drei Gipfel mit einander verbindet. Gegen Werften jenkt fih der Nufeingletfcher gegen den Sandfirn herunter, gegen Diten zieht fich der Bifertengletfcher an den Wänden des Urlaun, Frifalftodes und Biferten- ftodes dahin. In der Richtung gegen Welten, unmittelbar unter unferm Standpunfte, ober halb der Klaridenalp, Tenkte fih der Grat zu einem Schneejoh hinunter, über das wir jpäter binabftiegen. Zenfeits desfelben ragen einige fhwarze Felsitöde aus dem Schnee empor, von denen einer fich durch feine Maffenhaftigkeit auszeichnete, und noch etwas höher fein mochte als unfer Standpunft. Es ift diefes der auf dem zweiten Blatte als Klaridenftod bezeichnete Gipfel. Hinter diefem fahen wir die Felswände einer weitern Verzweigung der Klariden hervorragen; 68 waren dieß die Wände des höchften Punktes der Klariden, des Klaridenhornes. Der Kamm lifto® und das Scheerhorn waren dur diefe nähern Gipfel werdet. Ueber dem Firnjoch, füdlich vom Klaridenftode, ragte die Pyramide des Düffiftodes und des Briftenftodes IR? Dane empor; der Oberalpftod war im Nebel verhült. Was nun die Höhe des Dberorthalden- ftodes betrifft, jo läßt fih durch Vergleichung mit den andern Höhepunkten auf eine jolche von 9000 Fuß jhliegen. Der Sandgrat ift 8700 Fuß hoch, auf diefen blicdten wir hinunter; der Zutreibfiod, Bediftod, Geispusgiftod follen etwas zu 8000 Fuß Höhe haben, der legte circa 8500. Sie lagen tief unter ung, und die Felswand,. auf der wir fanden, mochte eine Höhe von 500—600 Fuß haben. Die Höhe des Firnjohes gegen das Maderanerthal wird gewöhnlich zu 9000 Fuß gerechnet. Wir fchienen in gleicher Höhe zu ftehen. MWährend wir die Ausficht betrachteten, hatten wir zugleich einige Stärfung zu ung genom- men, und rüfteten ung dann um 11 Uhr zum Aufbrud. Wir fliegen Hinter einigen Felsitöden über den Firn auf das Firnjod hinunter, und da dasfelbe fehr fteil gegen den Klaridenfirn fih binunterfenkte, fo fliegen wir eine Gejchiebswand hinunter, die zu einer tiefern Stelle führte. Beim Herunterklettern glitt dem Maduß der Bergftod aus den Händen, und ftürzte auf den Firn hinunter, wo er ihn dann fpäter wieder aufraffte. Wir fliegen num längs der Wand des Dber- orthaldenftodes den Klaridenfirn hinunter, und hätten im Borbeigehen ganz leicht den Gipfel de8 Geispugiftodes betreten fünnen. Da wir aber noch einen ziemlich ftarfen Marich vor ung hatten, liegen wir ihn liegen, fowie aud den Bediftod. Je tiefer wir auf dem Firn famen, defto weniger fanfen wir in den Schnee ein, da derjelbe nur in den höhern Regionen dichter lag. Dagegen mußten wir ung vor den Schründen in Acht nehmen. Indeifen wurden aud) diefe glüclich paffirt, ohne daß wir aud) nur mit einem Fuße einfanfen, und ein Biertel nad) 12 Uhr Hatten wir fehon das Ende des Firnes über einige unbedeutende Moränen gleich bei den Felswänden des Zutreibftodes erreicht. Wir betraten nun das obere Gemsalpeli, das theils den Klaridenfirn gegen Dften eindämmt, theils fich zwijchen dem Zutreibftod und Gemfiftod gegen die untere Sandalp herabfenkt. Wir gingen um einen Zelsvorjprung des: jelben herum, und vor uns lag nun der ifolirte vielfach gezadte Kegel des Gemfiftodes, deijen Gipfel wir in einer Heinen Stunde erreicht hätten. Wir rafteten einige Augenblide in einer Ein- fattelung zwifchen den Felgwänden des obern Gemsalpeli und des Gemfiftodes, von einem Negenfchauer überrafht, vor dem wir jedoch durd eine etwas überragende Felswand geihügt wa= ren. Don hier aus blieten wir auf die grüne Ebene des Bifertengrundes, die in den Gtrahr fen der Sonne glänzte, und fahen den Bifertenbacdh aus dem Abflurz des Gletjchers hervorz brechen, umd gegen die untere Sandalp herabftürzen. Sowie der Regen nachgelaifen hatte, rüdten wir wieder vorwärts, ließen den Gemfiftod rechts Liegen, und fliegen an der Yelswand des obern Gemsalpeli, die gegen DOften fi in die Gründe des untern Gemsalpeli herabjenkt, quer hinüber zu einer Lüde, über welche man in den Hintergrund von Altenoren gelangt; ein Grat, der fid) oftwärts von diefer Lüde gegen das Hauptthal Hinauszieht, jcheidet Altenoren von dem untern Gemsalpeli. Der Weg zu diefer Lüde führt über Geröll und Felsbänder; an einer Stelle aber trat der nadte Fels zu Tage, der nur wenig Haltpunfte für den a Fuß darbot, und fteil abftürgte. Indeffen handelte es fih nur um einige Schritte, und die Lüde war glüdlih erreicht. Vor ung erblidten wir die Wände des DOberorthaldenftodes, an deren Sübdjeite der Gemsalpelifirn mit einer Gletfcherzunge in den Hintergrund der Schlucht fidy herabzog. Etwas weiter gegen Dften ragte die Kuppe des Altenorenftodes empor, durch einen Grat, das Zurkeli, mit dem Dberorthaldenftod verbunden, über welchen man in den Hintergrund der Zismattalp gelangen fan. Es handelte ih nun darum, über eine fteile Ge- röllwand zu dem Altenorenbacde, der dem Gletfher entftrömt, Herabzufteigen. Das Geröll lag jehr lofe, jo daß man feinen feften Tritt Hatte, und der Fuß mit fammt den Steinen fih abwärts bewegte; indeffen war die Tiefe bald erreicht, der Bach wurde überfchritten, und wir wanderten nun das Thal hinaus, zuerft über rauhes Getrümm und Gefchiebe, dann zeigten fi nah und nach Grasinfeln, und zuleßt gelangten wir auf den Fahrweg der Alp imo das Vieh durchzieht) zu dem obern Staffel der Altenorenalp. Es war 2 Uhr 30 Minuten. Hier erfrifchten wir uns an einer herrlichen Quelle, und verzehrten zugleich den Reft unferes Mundvorrathes. Die DBaumgarten- und Nüfchenalp und der Selbfanftlagen unmittelbar ung gegenüber. Nach einer Fleinen Stunde wurde wieder aufgebrochen. Es ging über fchöne Alpen auf den untern Staffel hinunter, der mit zahlreichen Hütten befegt ift; den Altenorenbad ließen wir rechts liegen. Ueber mehrere Abjäge, mit prächtigen Ahornen bededt, den Ahornftaffel, gelangten wir zum Schreienbad, und labten uns an feinem föftlichen Wafler. Dann ging e8 unterhalb des Waldes, der die Bärenbodenalp unten umfäumt, und zwifchen Malort und Kammers tod liegt, durd die Krummlaui flets hinunter und hinunter durch Gebüfch, und auf einem Zidzadweg an die Ufer der Linth, wo eine Brüde über diefelbe führt. Durch die Auengüter Iritten wir auf Linththal zu, und um 6 Uhr Abends waren wir wieder glüdlich im Sta- helbergerbade eingetroffen. Wir hatten für die Ereurfion diefes Tages 13 Stunden gebraucht, von denen circa 3 Stunden auf die Raften fallen, und nun einen deutlichen Ueberbli über den öftli- ben Theil des Klaridengrates gewonnen, wozu die Befteigung des Dberorthaldens todes Hauptfächlic beigetragen hatte. Auh Hegetichweiler hat in frühern Zeiten mehrere Verfuche gemacht, eine nähere Kenntnif der Klariden zu erhalten, ift aber dabei immer durch eingetretenes fchlechtes Wetter geftört worden. Siehe feine Reifen in den Gebirgsftod zwifchen Glarus und Graubünden in den Jahren 1819, 1820 und 1822, Zürich, 1825, pag. 45 ff. Er nennt den Oberorthaldenftod Fismatt alp und Fennt bis zum Scheerhorn feinen weitern Gipfel. Ueber den Altenorenftod fcheint er auch anders berichtet worden zu fein. Er nennt die Felswand des obern Gemsalpeli, die fich gegen Dften gegen das untere Gemsalpeli abjenkt, und gleich weftlih vom Gemfiftod fich erhebt, Altenorenftod, während mir die höchfte Kuppe des Grates, der Altenoren von Sismatt und Bärenboden trennt, die auh Käsftödti genannt wird, ala Altenorenftod bezeichnet worden, und der Grat jelbft ald Malort. Der Weg, den wir vom Klaridenfirn DAIDIE ; Eau über das obere Gemsalpeli nah Altenoren mahten, ift nach feiner Angabe der |chwarze Pfad, den er aud) einmal zurüdlegte; ein anderes Mal fieg er dem Altenorenbade nad hinauf an den Geröllwänden zum Firm, und gelangte über diefen auf das obere Gemsalpelt. Weiter den Firn hinauf ift er nie gefommen; er ftieg beim Bediftod durch das Bedilod hinunter auf die obere Sandalp, fo daß er eigentlich nur einen Fleinen Theil diejes Nevieres Eennen lernte. Da mir dur diefe Ereurfion nur der öftlihe Theil des Klaridenzuges Elar gewor- den, wollte ich das Jahr darauf auch die weftliche Berzweigung desjelben erforjhen, und hatte im Sinne, von der obern Sandalp aus durch das Bedilocd hinauf den Klaridenfirn zu betreten, das Firnjoch zu überfchreiten, und über den Hüfifirn und Gletfher ins Ma- deranerthal hinunter zu fleigen. Der Umftand aber, daß die obere Sandalp no nicht von den Sennen bezogen war, jowie ein ftarfes Ungewitter, das ung in der untern Sandalp zurüdhielt, und für den folgenden Tag die Witterung ungewig machte, beftimmte mich, den Plan zu ändern, vorerft den Sandgrat zu überfchreiten, von Diffentis aus über den Kreuzlipaf zu gehen, und durch das Eslithal Hinunter Briften zu erreichen, um von da aus durch das Maderanerthal die Wanderung über die Gletjcher gegen die Sandalp zu unternehmen. Sch traf mit meinem Sohne und dem Führer Thomas Thut, den zur Aushülfe beim Tragen des Gepädes und Proviantes Albrecht Zweifel, der Sohn des Führers Gabriel Zweifel, begleitete, Sonntags den 17. Zuli 1859 Abends in der Kaplanei in Briften ein. Wir Hatten im Sinne gehabt, an diefem Tage noch in die Alp Guffern, im Hintergrunde des Madera- nerthales, zum Uebernachten zu gehen, um einige Stunden Vorfprung für den folgenden Tag zu haben. Da uns aber bereitwillig hier das Nachtlager angeboten wurde, jo entjchloffen wir ung, das Anerbieten anzunehmen, und bereuten e3 nachher nicht, ungeachtet ung für den folgen- den Tag ein flarfer March bevorftand. Thut Hatte nämlich diefen Weg noch nie zurüdgelegt, glaubte aber, wie ich audy, wir werden die Höhe des Firnjoches jchon erreichen fünnen, und ein: mal da angelangt, befinden wir uns auf befanntem Zerrain. Wir kannten die Schwierigfeiten niht,, die wir zu überwinden Hatten. Glüdlicher Weife traf Thut Abends im Dorfe den Franz Srei an, bei dem er fich näher über den Weg erfundigte, und von ihm erfuhr, daß derjelbe viel weiter jei, als wir nicht geglaubt, auch bedeutende Schwierigkeiten darbiete, und man ihn un- möglich finden Fönne, wenn man nicht mit der Gegend befannt jei- Thut berichtete mir diefeg, und als ich ihn fragte, ob fih Frei als Führer angeboten, und er mir diefeg verneinte, jo traute ich den Ausfagen des Frei um fo eher, und beauftragte den Thut, ihn für den folgenden Tag bis zu dem Bunfte zu beftellen, wo wir nicht mehr irre gehen Eonnten, wozu fich derjelbe jogleich bereit erklärte. Wir fahen erft den folgenden Tag, wie gut wir daran gethan, denn ohne die Lei- tung von Franz Frei Hätten wir unverrichteter Sache wieder umkehren müffen; e8 zeigte fich, daß alle feine Angaben völlig zuverläßig waren. A — 11 — Nachdem wir und für den Tagesmarfch mit Proviant verfehen, ung audy mit einem Kaffee erwärmt hatten, brach die Caravane Montag den 18. Zuli 1859 gegen 4 Uhr Vormittags auf. Wir mußten zuerft das ganze Maderanerthal durchwandern. E8 ift diejes, im Ganzen aufgefaßt, (einzelne Partien find nämlich feit 1834 vermüftet), eines der fchönften Alpenthäler. MWiefen und Wälder wechjeln in bunter Mifhung des herrlichiten Grün mit einander ab; im Rüden ftrebt die folze Pyramide des Briftenftodes gegen den Himmel, vorwärts hat man immer den nicht minder folzen Gipfel des Düffiftodes vor fih, zur Seite ftürzt der Kärfchelenbad in gewaltigen Waflerftürzen zu Thal. Das Thal ift nur fchmal, zu beiden Seiten ftreben die mit Wald be: Hleideten Hänge gegen die höhern Alpen Hinan, über ihnen thronen nordwärts die Selsmaffen der Fleinen und großen Windgelle und des Rudi oder Alpgnoferftodes, jüdwärts ragen die Zaden des Dberalpftodes über die Borberge hinaus. Wafferfälle ftürzen hie und da zu Thal. Gleich oberhalb Briften, wo das Thal eine Eleine Fläche bildet, fie Heißt im Thal, flürzt der Elibady rechts über die fchöne Terraffe der Herrenlimi hinunter, dann feigt man die Halde des Lungenftuges Hinan, fommt in die Aly Stäfeli, dann in die Aly Griefern, linfs davon, jenfeits des Baches, liegen die Häufer von Balmenwald; nun folgt die Alp Stöffi, hierauf Niederfäfern, jenfeits des Baches liegt Balmenbühl; etwas nad) 6 Uhr waren wir in der Alp Guffern. Hier ändert fi die Scene etwas. Man it in der Nähe des Hüfigletfchers, über denfelben Hin blickt man an die Felswände der hohen Kalkfichye und des Bodzingels, den Hintergrund fchliegen die Felsmaffen des Scheerhornes, das übrigens gegen Süden in feiner Form ganz verfchieden von der der Nordfeite ift. Der Theil des Thales oberhalb des Lungenftußes hat den Gefammtnamen in der Ruppleten, der untere Theil Heißt Kärfchelenthal, der Name Maderanerthal, von einem gewiffen Madrano ber, der im 16. Jahrhundert oben an der Windgelle nad Eifenerz grub, ift den Thalleuten weniger geläufig. In einer Hütte der Alp Guffern labten wir uns mit Mil, dann fehritten wir über den Stäuberboden beidem hübfchen Wafferfall des Stäu berg, des Abfluffes des Brunnigletihers, vorbei, auf den Hüfigletfcher zu. Diefer wird an feinem Ende durch einen gewaltigen Fels- blod eingedämmt, der den Maßftab für das Vorrüden oder Sichzurüdziehen des Gletfchers bildet. NRücdt der Gletfcher vor, jo wälzt er fich über denfelben Hin; diegmal reichte er gerade bis an denfelben. Der Gleticher fenkt fih in wohl 100 Fuß hohen glatten Eiswänden gegen Süden ab, und fönnte hier nur dur Einhauen von einer Menge von Tritten eritiegen werden, was jedoch zu nichts dienen würde, da er in der Mitte jehr zerichründet if. Wir gingen daher an feiner Südfeite dahin, überfehritten den Lammernbac, der ebenfalls einen fchönen Wafferfall bildet, und waren nun auf den Grasplanfen, genannt in der Riemeten. Wir fliegen die Graswände hinan, den Gleticher links unten laffend; über uns auf den Wänden jodelte ein Hirte mit hell tönender Stimme. &8 ging ziemlich fteil hinan, aber alles im Schatten, wir waren an den Wän- den des Hüfiftödlis, das fih) unmittelbar an den Düffiftod anlehnt; diejer erhob fih in 3 DE gewaltigen Maffen über ung. Der Gletfcher jan? immer tiefer Hinunter. Sn der Höhe diefer Graswände befindet fich noch eine Alpe, die mit Kühen befahren wird, das Hüfialpeli. Wir hielten ung etwas tiefer, als der Fahrweg dahin ift, weil wir den Gletfcher überfchreiten mußten. Sp jtiegen wir ungefähr zwei Stunden an. Als wir den Felswänden der hohen Kalkichye ge genüber gefommen waren, machten wir bei einer Quelle Halt, um etwas Mundvorrath zu uns zu nehmen, und fletterten dann über die Gras- und Geröllwände zum Gletfcher hinunter, um denjelben zu überjchreiten. Er ftürzte in glatten Eiswänden ab, doc führten ung einige einge hauene Tritte glüdlich auf feinen Rüden. Aber die vielen und gewaltigen Schründe, die ihn durchzogen, gaben ung viel zu Ichaffen. Wir mußten zuweilen über jehmale Gräte zwiichen Schrüns den hinfchreiten, einige Male auch wieder umfehren, da wir uns in einem Labyrinth von Schrün- den verloren. Endlich langten wir am jenfeitigen Ende des Gletfchers an; aber wie von demiel: ben ans Land fommen? Tiefe Abjtürze trennten uns von demfelben. Nach mehrfachen Berfuchen gelang es ung, über eine Moräne, die mit Eis durchzogen war, den feiten Boden zu erreichen; wir waren nun am Zuße der Felswände der Hohen Kalfihye, an weldye fich weiter oben die de8 Bodzingels aniihlogen. Wir Hatten beinahe eine Stunde über den Gletfcher gebraucht. E83 war 10 Uhr, aljo bereits 6 Stunden von Briften weg, und nur eine halbe Stunde ges raftet. Die Hälfte unjers Zagwerkes zum Hinanfteigen lag nun hinter uns, einen Theil der anz dern Hälfte jahen wir vor und, nämlid) bis zum Beginn des Firnes am Fuße des Scheerhor- nes. Wir mochten ungefähr in einer Höhe von 6—7000 Fuß fein. Der ganze Hüfigleticher lag nun vor ung ausgebreitet, eine Gletjchermaffe, wie ich fie nicht bald gefehen; der Niedglet- ber im Wallis läßt fih am beften damit vergleichen. Denke man ji einen Strom, eine gute Biertelftunde breit, diejer ftürzt über einen Abfturz von circa 1000 Zuß hinunter; denke man fid die Wirbel, die Hinz und herwogen, die Waffermaffen, die wieder aufiprigen, die Höhlungen, die fih im Gewirr der Fluthen bilden; denfe man fich dieß alles in Eis verwandelt, und man hat einen ungefähren Begriff von dem Anblid, der fich unjern jtaunenden Augen darbot. Ueber die- jem in Eis verwandelten grandiojen Walferfall jchimmerte die Firndefe des Klaridenfirnes, die ich zwifchen dem Scheerhorn und Düffiftod ausdehnte, und über welche das azurne Blau des Himmels dejto dunkler fich erhob. Von eben fo dunfelm Blau, wie das Himmelsgewölbe, jtarrten die Eisichluchten, die fid) in dem Gewirr der Giszaden gebildet, und durch die Sonne, welche ihre hellen Strahlen auf den Gletfcher warf, in ihren Tiefen nicht erreicht werden Fonnten. 35h mußte lächeln, wenn ich an die Touriften dachte, die mit Anftrengnng fi an den Fuß des Hüfigletjchers wagen, und nun nicht genug erzählen fünnen, was für ein prachtvoller- Glet- icher das jei. ES ift wahr, dev Hüfigleticher imponirt auch bei feinem Auslaufe, aber einige Stunden höher an der Stelle, wo wir ung befanden, da zeigt er fich erft in feiner ganzen Pracht. Kehrt man vom Auslaufe des Hüfigletfchers über die Alpgnof und Golzernalp flatt durch das Thal zurüd, jo befommt man einen ungefähren Begriff davon, ift aber zu weit ent- n ER, fernt, um die Ginzelnheiten unterfcheiden zu fünnen. Nad) diefer Schilderung ift leicht zu begreis ren, daß feine Rede davon war, über den Gletfcher hinauf das Ziel, die Höhe des Firnes, zu erreichen, fondern dag man an den Felswänden der hohen Schye, des Bodzingels und des Siheerhornes den Weg dahin fuchen mußte. Wir Eletterten aljo diefen entlang hinauf, ein- mal mußten wir über einen Bad) fegen, der vom Gletjdyer des Bod zingels abfloß, und Steine mitführte, die gleich Flintenfugeln an uns vorbeifchoffen, uns aber nicht trafen. Schon von wei- tem jahen wir, daß wir einer Stelle näher rüdten, bei der es fi fragen werde, ob wir diefelbe paffiren könnten, oder wieder umkehren müßten. Zu umgehen war fie nicht (bei a). Es war diefes die Rinne einer Schneelawine, die jährlich an derjelben Stelle von den Wänden des Skheerhors nes auf den Gletjcher herabftürzt. Die Schneetrümmer derfelben lagen am Fuße der Felswand, die in jchiefen Blatten anftieg. Im fchneereichen Jahren bleibt der Schnee bis weit in den Som- mer hinein auf den Blatten liegen; die Hite diefes Sommers hatte ihn aber völlig weggefchmolzen. Diefe Blatten nun mußten erftiegen werden, um zu einer Stelle zu gelangen, wo Geröllwände fi dann gegen die Höhe ziehen. Worerft mußte aber der Fuß der Felswand über die Trümmer der Lawine erreicht werden. E3 war diefes darum nicht jo leicht, weil die Schneemaffe durch die Hige fich gefpalten Hatte, und von vielen tiefen Schründen durchzogen war, die überfchritten oder umgangen werden mußten; überdieß trennte eine Kluft die Wand von dem Schnee. Wir fanden jedoch eine Stelle, die ung an den Fuß der Wand führte. Wir fliegen nun die Blatten hinan. Da diefelben aber immer fteiler wurden, eirca 30—40°, jo wurde die Sache etwas bedenflih. Glüd- licher Weile ftieg ein Felsfopf von circa 15—20 Fuß Höhe rechts von den Blatten Hinan; wir wandten und diefem zu, und fanden am Fuße desfelben gerade jo viel Raum, daß jeder für fich feften Tritt faffen, aber fich nicht von der Stelle bewegen fonnte. Frei band fih nun das Seil um den Leib, und verfuchte, den Felsfopf bhinaufzuflettern. Er war ganz jenfrecht, aus feinen Fugen gudten aber einige Grasbüfchel hervor; mit Hülfe diefer, und indem ihm Thut von Hinten nachhalf, gelangte er nach bedeutender Anftrengung auf die Höhe des Felskopfes. Hier jeßte er fich nieder, legte einen fehweren Stein vor fih hin, um die Füße daran zu flemmen, und lie dann das Seil zu und herunter. Jch band mir dasjelbe um den Leib, Frei zog an, ich fuchte mit dem Bergftod nachzuhelfen, Thut ftieß von hinten, jo weit er fonnte, und in einigen Sefun- den war ich glücklich oben. Auf diefelbe Weife wurden auch die andern Hinauf befördert, Zwei- fel mit einem Theil des Gepädes auf dem Rüden. Nun war nobh Thut allein mit dem andern Theil des Gepädes unten. Er war zu jchwer, um fich Hinaufziehen zu laffen, und wahrfjcheinlich wehrte es ihm auch fein Gemsjägerftolz, die Hülfe eines Andern in Anfpruch zu nehmen. Er ver: fuchte, das Gepäd auf dem Nüden, über die Blatten hinauf zu fommen. Zu diefem Behuf ftemmte er fich mit den Anieen auf den Boden, und rutjchte langfam vorwärts, indem er mit den Fingern in den Riten der Blatten einigen Halt fuchte. Der Derfuch gelang glüdlich, die Blatten wurden / weniger fteil, er konnte wieder aufftehen, und wir ftegen nun alle mit einander gegen die Wand RAR |» ee de8 Scheerhornes Hinan, vorerft über eine Geröllwand, dann ein Schneefeld hinauf, dann wieder eine fteile Geröllwand, und waren nun hart an der Felswand de8 Scheerhornes, die wir jo lange vor ung gejehen, und oberhalb des Hüfigletfchers, der ung zur Seite in die Tiefe ftürzte- Wir gingen an der Wand Hin, und famen endlich auf den Firn, jahen aber noch gar nichts von unferm weitern Weg, da wir noch ganz am Rande des Firnes, dem Düffifto dd gleich gegenüber waren, und der Firn fich in mehrern Terraffen in die Höhe zog. Wir ftiegen einen Firnmwall hinan, und hatten nun am Fuße einer Felswand des Scheerhornes einen Ueberblid über die ganze Umgebung und gegen das Firnjoch hin, das wir überfchreiten mußten. Es war etwas nad) 1 Uhr, und wir lagerten uns hier (bei b), den Proviant vornehmend. Das ganze Firnmeer lag vor ung aug- gebreitet. Gegen Diten hatten wir den Firnfamm, den wir zu erflimmen hatten, Hinter ung nördlich lag das Scheerhorn, vor uns jüdlich der Düffiftod, gegen SO. ragte ein Berg über den girnfamm hervor, den Frei als den Tödi bezeichnete, mit Recht, wie wir fpäter fahen. Vom Tödi bis zum Düffiftoc begrenzte ein Felsgrat mit mehrern Gipfeln das Firnmeer; e8 ift dieß der Grat, der die weitliche Fortfeßung des Sandgrates bildet, und im Hintergrund des Rufeinthales fih erhebt. Da wir nur nodh Eine Flafhe Wein Hatten, wurden die leeren Slajchen mit Schnee gefüllt, dann gerüttelt, bis Waffer Herausfloß, und dieß mit Zuder und Kirichenwafler gemifcht. Wie wir fo den Firn überblicten, und jenfeits desfelben den Gipfel des Hüfiftöcdlis neben demjelben Hervorragen fahen, ftieg in und die Frage auf, ob wir vielleicht nicht beifer gethan hätten, ftatt den Hüfigletfcher zu überfchreiten, weiter an den Wänden des Hüfiftöcli Hinaufzuflimmen, von feinem Gipfel aus den Firn zu betreten, und denfelben quer überfchreitend zu der Stelle zu gelangen, auf der wir uns lagerten. rei bemerfte aber, der zirn jei unmittelbar vor feinem Uebergang in den Gletfcher jo zerflüftet, daß es feine Möglichfeit jet, denjelben zu überjchreiten; von unferm Standpunkte aus fonnte man diefes nicht beurtheilen. Immerhin liege fich diefer Verfuch wagen, befonders vom Maderanerthale aus, da der Nüd- weg über die Graswände immer offen bleibt. Da nun der Weg bis zum Firnjoch deutlich vor ung lag, jo hatten wir Frei nicht mehr nöthig, und er verabfchiedete fi) von und. Wir hatten ihn als ganz zuverlägigen Führer Eennen gelernt; einen Beleg dazu lieferte beim Ab- ihied jeine Heußerung, wir werden nicht vor 6 Uhr Abends den Gleticher verlaffen fünnen; denn wirklich war e8 gerade 6 Uhr, als wir beim Bedilod ans Land traten. Er fhlug nun allein denjelben Weg ein, den wir hinaufgeftiegen, mußte aber natürlich ftatt der fchwierigen Stelle, über welche unmöglic, herabzufommen war, eine andere fuchen, die er wohl auch glüdlich ger funden hat. Um 2 Uhr brachen auch wir auf, alle vier ang Seil gebunden, Thut voran. Wir jchäkten die Entfernung bis zur Höhe des Firnplateau höchftens eine Stunde, wir täufchten ung aber gewaltig. Der irn flieg in mehrern Abfägen an, beim Hinauffteigen desfelben jah man nur die nächfte Höhe, jowie man aber diefe erreicht, lag wieder ein neuer Firnwall vor ung; die Wälle wollten fein Ende En N. nehmen, der Düffiftod war immer noch ganz nahe hinter uns. Dagegen offnete fi der Blid auf das Scheerhorn mit jedem Schritt. Es ift ein hübiches Bild, das für einen Maler Stoff darbieten würde. Oberhalb der Wand, an der wir ung gelagert, ragte aus dem Firn eine Feld- fuppe hervor. Bon diefer führte ein fchmaler langer Firnfamm, gleich) der Firft eines Kicchdaches, von ©. nah N. zu dem Felshorn, das die höchfte Spige des Scheerhornes bildet, nordweitlich von diefem trat die etwas niedrigere Firnfuppe des zweiten Gipfel de8 Scheerhornes hervor. Sowohl zu dem füdlichen Horne, als auch zu dem höchften Felshorn führten von Dften zwei ganz fteile Zirnwälle, die man bezwingen muß, um auf die Höhe zu kommen. Der Grat zwifchen beiden Hörnern ftürzt beinahe jenkrecht wohl 500 Fuß gegen den niederen Firn ab. Herr Hoffmann von Bajel, jiehe feine Wanderungen in der Gletfherwelt, Zürich 1843, pag. 114 ff., hatte bei jeiner Erjteigung des Scheerhornes von der Kammlialp aus über den Scheerhornglet- iher den jüdlichen Firnwall erftiegen, und dann über den wohl 5 Minuten langen Firngrat die böchfte Spige erreicht, eine Aufgabe, die nicht gerade zu den leichten gehören mag. Je weiter wir hinaufitiegen, defto mehr öffnete fich die Ausficht auf die Umgegend; e8 gab zuweilen einzelne Pla- teaurg, von denen aus der Firn dann wieder fteiler anftieg. Das Steigen wollte fein Ende nehmen. Dody war der Firn ausgezeichnet gut, fein einziger Schrund fichtbar, fondern alle durd) feiten Winterfchnee gededt, der etwas ausgefurchet war, in den man aber nicht tief einfanf. Um ung etwas von dem Rüdprallen der Sonnenftrahlen zu fchügen, hatten wir alle die Regenjchirme aus- gefpannt. Als wir das Scheerhorn hinter uns hatten, zeigte fich nun der Abfturz des Kamms liftodes, und links auf der Höhe des Firnplateau die Felswände des höchften Klariden- gipfels, des Klaridenhornes. Unmittelbar vor ung erhob fih über den Firnfamm die Maffe des Tödi, die ganz mit ihrer Weftjeite vor ung lag. Die Stöde des Grenzfammes vom Düffiftod bis zum Katjcharauls lagen ganz entwidelt vor ung. Wir fteuerten dem Klaris denhorn zu. Zwifchen diefem und dem Kammliftod lagerte fich ein felfiger Grat, der eben- falls zu den Klariden gehört. Das Steigen dauerte immer noch fort, wir mußten von Zeit zu Zeit till Halten, um Athem zu fchöpfen; endlich vagten über den Firnfamm öftlich vom Tödi noch andere Zaden in der Nähe des Bifertenftodes hervor, ein Beweis, daß wir der Höhe nahten, au) die Wand des Klaridenhornes näherte fih, und etwas nah A Uhr, aljo nad) gut zwei Stunden von unferm Lagerplate aus, hatten wir die Höhe des Plateau erreicht. Wir hörten an der Wand des Klaridenhornes eine Gemfe einen wimmernden Ton von fic) geben. Thut fagte, es fei eine junge, die ältern pfeifen; fehen fonnten wir fie nicht. Nun lag das ganze Firnmeer vor ung ausgebreitet. Es ift ein überaus erhabener Anblid. Ein weites Firn- plateau, das fidh jo zu jagen ganz flady gegen das hintere Spigalpeli und den Katiha rauls hinzieht und ebenfo flach an dem Klaridenhorn und Kammliftod vorbei zum Scheer: born. Es ift fehr fchwer, die Entfernung zu beftimmen, man hat feinen fihern Mafftab. Wir hatten zur Erfteigung des Firnwalles höchftens eine Stunde gerechnet, und mehr als zwei Stuns a den gebraucht; ich möchte daher die Entfernung bis zum Katjcharauls nicht unter zwei Stun: den rechnen, und ebenfo die bis zum Scheerhorn hin. Die ganze Breite des Firnfejlels vom Scheerhorn und Kammliftod bis zum Grenzgrat beträgt wenigftens 2—3 Stunden. Man fann fi) aljo denken, was das für ein gewaltiges Firnmeer ift. Rechts vom Klaridenhorn fahen wir ins Land hinaus an den Neifelftod, Glärnifh und andere Berge hin, die in blauem Duft vor ung ftanden, das flache Land verlor fid ing Graue. Unmittelbar vor und lag das Horn des vordern Spibalpeli, links von diefem jahen wir auf das Firnfeld hinunter, das fich bis zum Gemfifto d ausdehnt. Der Klaridenftod lag vor uns, etwas zur Linken, an diejen schloß fih der Dberorthaldenttod an. Zwifchen dem erftern und dem Klaridenhorn war ein ähnlicher Grat wie zwifchen dem Kammliftod und dem Klaridenhorn. Südlich vom Scheerhorn erhob fih der Ruchi oder Alpgnoferftod, eine jehlanfe Felsmafje mit Fien bedett. Wir fehritten gleich abwärts. Gleich unterhalb der Höhe zeigte fic) ein gewaltiger Schrumd, der aber größtentheils zugededt war, jo daß wir ihn mit einem Sprung überjchreiten fonnten; wir jahen aber deutlich in den Schneefurchen feine eigentliche Breite, wenigitens 12 Schuh. Wie wir vorwärts rückten, entwidelte fih ung im Rüden die Maffe des Klaridenhornes immer mehr; 28 gipfelt in einen hohen Firnfamm aus, der fih von Dit nah Welt hinzieht. Auf der Höhe des Plateau fieht man nur einen VBorjprung des Hornes. Sch möchte daher die Höhe des Klariden- - hornes nicht unter die des Scheerhornes ftellen, eher etwas darüber, zu circa 10200 Fuß, da die Höhe des Firnjohes circa 9000 Zuß beträgt. Wir näherten und dem Klaridenftod, und ließen das vordere Spibkalpeli rechts hinten; endlich hatten wir die Zurfe, die wir voriges Jahr paffirt, zur Seite, und waren nun in der Nähe des Geispugiftodes. Wir wanderten jebt auf befanntem Terrain, hielten uns aber mehr rechts gegen den Bediftod zu, da wir in der Nähe von diefem den Gletfcher verlaffen wollten. Er jenfte fich in jchwarze grauer Krufte gegen das Land ab. Wir befürchteten, es fei die Eis. Da wir aber näher faz men, zeigte e8 fich, daß nur die oberfte Krufte, die leicht einzutreten war, vereijet war, und wir ganz gut den Abhang hinabfteigen fonnten. Um 6 Uhr Abends hatten wir das Ende des Firnes beim Bediftocd erreicht, alfo in zwei Fleinen Stunden von dem Firnjo ch an. Zur Erfteigung der Höhe von Briften an hatten wir von 4 Uhr Vormittags bis nach 4 Uhr Abends gebraucht, aljo beinahe 121% Stunden, und nur eine gute Stunde geraftet. Auch Hier rafteten wir noch) big gegen 7 Uhr, alfo im Ganzen zwei Stunden. Wir nahmen den Net des ‘Proviantes vor, und da wir feinen Wein mehr hatten, tranfen wir Gletfherwailer mit Zuder und Kirfchenwaifer ge mifcht. Gletiherwailer allein zu trinken, ift nicht rathfam, da e8 zu hart ift, und leicht Unter: leibsfchmerzen verurfacht. Gegen 7 Uhr ftiegen wir durch dag Bediloc hinunter, Famen einige Male über Schnee, meiftens aber über Gras- und Geröllwände hinunter, und waren nad) 7Yg Uhr auf der obern Sandaly. Wir beeilten uns, fo viel ald möglich noch bei Tag in die un: tere Sandalp zu gelangen; aber troß alles Eilens konnten wir nur zwei Dritttheile der Dchfen- Zu a plante hinunterfteigen, als e8 ganz finfter wurde; wir mußten. daher im Finftern tappen, trafen aber ohne Unfall Abends 9 Uhr glücklich bei den Sennen in der untern Sandalp ein, wo wir ung mit einer Mil labten, und uns dann zur Ruhe begaben. Den folgenden Tag waren wir 9% Uhr in Stadelberg. Die Expedition war ganz gelungen, vom jchönften Wetter begüuftigt, und mir num die ganze Verzweigung der Klariden Elar. Aber etwas mühfam war die Arbeit, von Vormittags 4 Uhr bis Abends 9 Uhr, 17 Stunden, und von diefen nur zwei Stunden Raft. Man bewegt fich aber weit leichter in den Bergen, als in der Ebene, e8 findet eine beftändige Abwechslung ftatt, bald wird diefe, bald jene Muskel in Anfpruch genommen, und die Füße leiden nicht von dem Brennen der Landitrafe, da man immer auf Gras, Fels oder Schnee diefelben hinjegt. Man Fann fich übrigens beinahe 5 Stunden an dem Marfche erfparen, wenn man, ftatt wie wir, in Briften, in der Alp Guffern das Nachtlager nimmt, und nur bis zur obern Sandalp herunterfteigt. Wir mußten die untere Sandalp wählen, weil die Sennen die obere noch) nicht bezogen hat: ten, da e3 noch zu früh im Sommer war. Im Auguft erft wird die obere Sandalp befahren. Kann man von diefer den Marfch antreten, jo würde ich es vorziehen, von der Sandaly aus den Firn zu überfchreiten, da man von diefer Seite aus nur fünf Stunden bis auf die Höhe des Firnjocdhes zu fteigen hat, während von der Alp Guffern aus abht Stunden dazu erforz dert werden. Freilich ift das Hinunterfteigen an der Seite des Hüfigletfhers fehr jehwierig, noch) viel jehwieriger als das Hinauffteigen, und man müßte dann verfuchen, über den Fin das Hüfiftöcdli zu erreichen, und von dort ins Maderanerthal hinunterzufteigen. Auf der Höhe des Zirnjoches fünnte man, wenn man vom Maderanerthale her fommt, beim vordern Spitalpeli fi rechts wenden und auf das Hintere Spißalpeli und den Katjharauls zufchreiten. Man würde dann auf den Sandgrat gelangen, und über den Sandfirn die obere Sandalp erreichen. Ich glaube aber, e8 würde diefer Weg mehr Zeit erfordern, als der, den wir eingejchlagen, der ung in drei Fleinen Stunden in die obere Sandalp brachte. Immerhin ift diefes eine der großartigften Gletfcherpartien, die man machen fan; fehon das weite Firnfeld auf der Höhe, und ringsum die Gipfel diefer Bergfoloffe, dann aber befonders der prachtvolle Ab- Hurz des Hüfigletfchers find Bilder, wie man fie nicht häufig in diefer Erhabenheit in der Bergwelt fieht. Ueberblicen wir diefe Gleticherfahrt noch einmal, fo ift nicht zu läugnen, daß die Ueberjchrei- tung der Felsblatten am Rande des Hüfigletfchers zu den fchwierigen Partien gehört, und vor allem eines jchwindelfreien Blides bedarf, daß dagegen der übrige Theil des Weges von Jedem, der nur einige Grfahrung in folhen Bergwanderungen hat, zurücfgelegt werden fann. Die Hibe des verflofjenen Sommers hatte diefe Schwierigkeit bereitet. In gewöhnlichen Jahren wird die Schneelavine, die hier vom Scheerhorn auf den Hüfigletfcher berabftürzt, nicht jo bald mwegichmelzen, und daher diefe Blatten bis tief in den Sommer hinein mit Schnee bededt bleiben, ER wie diefes auch im Jahr 1839 der Fall war, da nach der Anficht des erften Blattes bei a, wo fich diefe Stelle befindet, noch Schnee vorhanden war. Ueber den Schnee hinauf, wenn er auch etwas teil fein mag, Fan man leicht die Höhe des Felsfopfes erreichen. Mebrigens find folche Gletfcherwanderungen nicht Sache der unreifen Jugend. E8 bedarf dazu einer Ausdauer und nachhaltigen Kraft, wie fie erft in den reifern Jahren fi ausbildet. Dage- gen Fan man fi in jüngern Zahren auf jolhe Wanderungen vorbereiten, von den leichteren zu jcehwereren fortichreiten, und nad und nad) in der Befiegung der vorfommenden Schwierigkeiten eine jolde Webung erlangen, daß man ohne Gefahr, aber natürlich nur im Begleit von ganz zu- verläßigen Führern, fi) auch am jehwierigere Partien machen fann. Dabei erwartet und ein Ge: nuß, dev zu den fchönften gezählt werden darf, die der Menjch auf diefer Erde fich verfchaffen Fan. ee Bun - 1 — retten serfranpae 09 of E77 or oz os or 9 0a ge ıss[r N TSSSSSSIIISII a NN N N “= :PLLI Pur] 20p ypwır nanpsypary 0991 put sq UOTNEISU aadnaop pun SHolVeld Ye NSEIESIHIS = TVNNNN sap SSTIpumagn pun Nunpsypanf RE 0, | Sr var Pr it “ An die zürherifge Jugend auf das Jahr 1861. Don der Naturforichenden Gefellichaft. LA. Stüd. Die Alineralguelle Pfäfers. er „sn Summa, auf und abwärts bin und wieder, wo man die Augen wendet, findet man nichts als Wunder = Werke.” Dr. Rheita, Hypdrophplar. Bon unferem Standpunkte aus, fowie von allen obern Höhen DdiefjeitS der Thur und der Murg fieht man bei heller Luft zwifchen Mürtfchenftod und Glärnifch eine ferne Gebirgsfette, deren höchite Spigen jchneebededt find. Die öftlichiten derfelben: Ningelfopf (10002° franz.), Triftelhorn (9595), Saurenftod (9048° franz.), Scheibe (8995) umgeben die Quellen der Tamina, deren reichite Zuflüffe Sommerszeit vom Sardona-Gletjher, dem öftlichen Mantel des Saurenftodes, herkommen. Dieje jchyöne, flahe Kuppe, nah Glarus fteil abfallend, ift von hier aus ohne bewaffnetes Auge zu erfennen, al3 Repräfentant jener wunderjcönen und eben jo merfwürdigen Gegend, welche wir unter dem Namen des St. Gallijhen Dber- landes verfiehen. Der Sardona, denn jo nennen die Angehörigen diefes Gaues den Glarners Saurenftof, trägt eine fchneeweiße Galotte, unter welcher, gegen Elm Hin, ein röthliches Band von Geftein fich zeigt, das in wagrechter Lagerung dem Kalffelfen auffigt. Diefelben röthlichen Maffen finden wir unten im Thale auch wieder und erfennen fie anderwärts in der Höhe. Es find die feuerfeften Melferblöfe von dem Geognoften Verucano genannt. Drüben in Galfeufen treten jelbige unter der Eismafle des Gletfchers nicht zu Tage, dagegen fpült die Tamina, wäh- rend der Schneefchmelze oder nach heftigen Regengüffen, fhwarzgrau gefärbt, den verwitterten Ab- u raum der Schieferwände dem Rheine zu. ine altbefannte Anzeige verborgener Schäbe im Schooße der Erde; doch, erit in den jüngften Jahren hat man Hinter dem Dorf Pfäfers auszu- beuten begonnen, was im Kleinthal von Glarus jeit Generationen in den dortigen Schieferbrüchen reihen Ertrag bringt. Ein anderer der dort verborgenen Schäge aber ift Beranlaffung zu gegen: wärtiger Befchreibung, die, wenn fie zwar zumeift von warmem Quellwaffer prechen will, doc die umgebenden Gebirge und ihre Schichten nicht unbeachtet lafjen fann. Denn, wenn wir den Aufjchlüffen, welche wir dur PBrofeffor B. Studer *) über jene 16 T-Stunden weite Gegend erhielten, folgen, jo müffen wir jene Verucano-Maffen in einer frühern geologifchen Epoche von Unten nad) Oben drängenden in lavaartigem Fluß ung voritellen, oder, wie die Schichten in Deningen, von denen PBrofeffor D. Heer **) ung lehrt, daß felbige den Ablagerungen einjtiger Schlammvulfane völlig entiprechen. Unverfennbar Haben gewaltige Grihütterungen jener PBlaneten-Stelle weit Hinein in die Erdrinde die Heutigen Verhältniffe vorbereitet. Dadurh, wie die Natur dort arbei- tete, hat fie des Menfchen Dafein nicht leicht gemacht. Die jchönen Alpentriften in Galz feufen und gegen die grauen Hörner, welche fette Weide für zahlreiche Heerden zur Sommerszeit liefern, find doch von Ende September bis Juni faft gänzlich aller lebenden Wefen baar, wenn wir nur an den Menfchen und feine Hausthiere denfen. Sauer wird es lebteren, aus des Thales Klüften die Höhen zu erflimmen, um des erften zarten Graswuchjes theilhaft zu werden; dort herum fehr, Faum anderswo mehr. So müffen die Hirten, welche die Alp Terjol ob Vättis befahren wollen, die Oft: und die Nordfeite des Monteluna fpiralförmig umgehen, dann in Gal- vina die Thiere über Schneeflächen treiben, einen Kamm von nahezu 7200° überjegen, um die Alphütten auf 6030 zu erreichen. Jene wilde Bergmulde hat nur für die Wajlerzüige eine felfige Shlugt zum Ausgange- Dort herum treibt bisweilen ein Rudel Gemfen in friedlicher Nähe zum weidenden Nindvieh. Die grauen Hörner, an welche die Alp Zerfol hinaufreicht, find diefer zterfichen Thiere Lieblingsfit. Jene Gruppe von Zinfen, Schnee, Gletiher-&is und Seen, find auch für den Menfchen, weldher diefelbe in der geeigneten Zahreszeit leicht überjchreiten Fann, voller Reize und Abwechslung. — Für unfere naturwiflenfchaftlihe Auffaffung erhält die graue Hörner-Maffe ein befonderes Sntereffe, gerade um des Gegenftandes unferes Neujahr- Blattes wegen. Zwijchen den Kämmen neben Gletiher und Firnen liegen bis an die Vegetations-Grenzen ‘hinab auf übereinander gereihten Stufen vier Fleine Seen: der Wildfee (7487 Meereshöhe), der Schottenfee (6939), der Schwarzfee (7987) und der Wangferjee (6776). Der erfte fendet fein Ueberwailer nach dem zweiten. Alle Haben zwar Abzugsrinnen, jedoch der Wang- ferfee allein feheint die Bilterfer Alpen mit regelmäßigen Zuflüffen zu bewäflern und fann oberfte *) Geologie ver Schweiz Ip. 421. **) Flora tertiaria III. 233. En Quelle der Saar benannt werden. Die drei andern Seen enden ihren Ueberlauf in die Seez, der Rinne des Weißtannen Thales, in den ausgewajcenen Mulden der Gafarra- und Gamidaur- Alpen; allein im Hocfommer verliert fih ihr Waller in den oberften Schutt» und Trümmer: Halden. Das wäre indeß höchft intereffant, wenn wir von dort feit Sahren gemachte Negenz, Schnee= und EisjhmelzeBeobahtungen befäßen. , Brofeffor A. Eicher von der Linth Hat näm- lich als Geologe gefunden, daß, zumal in Quellennähe, die nah Diten einfallenden Schichten von Klüften fenkrecht durchfegt find. Wenn nun eine derjelben, gleichviel ob jpaltenartig oder mit Berengungen und Höhlen, fo tief niederftiege, um dem Wärmeherde unferes Blaneten fih zu nähern, fo daß das darin enthaltene Waffer auf eine Temparatur von wenigftend 300 NR. gebracht würde, fih dann als Heber umböge, um das gewärmte Wafler irgendwo an die Oberfläche zu liefern, dann wäre die Therme zu Tage und müßte an der falten Luft in weißen Dämpfen vers dunften als Erfennungszeichen, daß Leute fich herbeilaffen, den Quell zur Pflege leidender Menfcy: heit zu nügen. Suchen wir nun in dem tiefen Thal der TZamina nach aufiteigenden Dünften. Wir fennen den Urfprung diejes wilden Stromes; ganz unpafjend feinem Tofen und Schäus men ift der Name; Mozart würde in der fügen Zauberflöte einer Hauptrolle den Namen gewedh- felt haben, hätte er je die Gicht im ‘Pfäfersbad zu vertreiben gehabt *). Bon der Hinterften Ede in Galfeufen läuft der Bad) von Welten nah Dften, jhwillt an, bis er im Dorf Vättig unter die Brüde fümmt. Dort nimmt er vom Kunfelspaß her den Görbsbad auf und das Waffer des Lawinen-Schnees vom alanda, wendet aber die Richtung mit 900 des Gompaffes und fchäumt dem Norden zu, abermals drei Stunden weit, bis er dem Nheine feine Wellen und feine Sedi- mente überträgt; dicht oberhalb, wo die Eijenbahn unfern berühmten Strom überbrüdt. So haben wir zwei Seiten de8 GrauhörnersStodes an deffen Fuße fennen lernen; die beiden andern liegen in der jumpfigen Niederung der Saar und in der Seez des Weiftannenthales; denn nur in ganz jchmaler Kante hängt derfelbe mit der Sardona-Gruppe zufammen **). Die Firnen über jenen vier Seen dominiren die Höhe (8764) und in ihrer ausnahmsweife nah Norden vorgerüdten Stellung die ganze Gegend. Monte Luna (7437), Bajönfopf (6265°) u. a. find nur Trabanten, fogar Salanda (8643‘) und Piz alun (4589) jenfeits der Zamina, wenn jchon diefe Punkte noch weitere Fernficht bieten. i Wir beichränfen unfere Aufmerffamkeit auf die zweite Hälfte der Tamina-Richtung, die fich nad Ablauf von zwei Stunden unter das Gewölbe einer Schlucht zehn Minuten lang verbirgt, und dort die Stellen überjprudelt, wo aufiteigende Dünfte das Dafein der Therme verrathen. *) In ganz alten Karten heißt fie: Caminus. **) Zur DVeranfhanlihung vdiefer Gegenden empfehlen wir das Zurhanpnehmen jever Schweizerfarte in einen Mapftabe von 1:400,000 und mehr, oder Blatt XIV. ver Dufour’fchen Karte, oder die 4 füolichen Blätter des topographb. Atlass vom Kanton St Gallen, nad weldem die im Tert gegebenen Details flizzirt find. ENG. Glen Diefe Ihalfpalte Hat mit ihrer Verlängerung, dem Görbsbach, bis in die jüngften Zeiten für na- turwiffenfchaftliche Beobachtungen viel Anhaltspunkte gegeben, jo daß auch wir davon Notiz neh- men müffen. Die Naturgefege laffen fich ja erft durch Bergleihung und Aneinanderreihen man nigfacher Thatfahen erkennen und zeitgemäß hierauf das Beobachtungstalent fih eimüben. Es fällt männiglih auf, daß die rechte Seite des Thales, vom Kunfelspaß bis Nagag faft jäh nach) den Höchften Spiten des Galanda-Kammes und deffen nördlicher Fortfegung aufiteigt, wäh. rend die linkjeitigen Berge mit Abdachungen bis in die Sohle fich jenfen; warum diefes? Da hat ung 9. &. Eicher von der Linth jihon vor Jahren die Erklärung gegeben: &8 feie der Galanda ein Glied des elliptifchen Ringes, gleich den Churfürften, der Alvier-Kette und dem Flä- Icher-Berg, welche die Kopfleiten ihrer Schichten fogar gegen die zufammenhängenden Gneismaffen der Berner Dberländer und weftlihen GraubündnersFirnen richten, welche B. Studer, nachdem er die weftlichen Glieder des Ringes in der Kette, die den Kanton Bern vom Wallis trennt, aufz gefunden, eine „Gentralmafje” nannte. Gentral-Maffen findet man alfo da, wo Friftallinifche zwifchen Sediment- Gefteinen Hinaufdrängen, diefe Hoben, zum berften brachten, fo daß die Steiljeiten der lettern gegen die Gentralmaffe gekehrt bleiben, während ihre Schichten von diefen abfallen. 9. B. de Sauffure hatte diefe Erfcheinung rund um den Montblanc wahrgenommen und darauf aufmerffam gemacht als auf eine allgemeine Negel des Verhaltens von Friftallinifchen Maffen zwifchen Schichtenbildungen. Diefe zeigt fi in der zur Beiprehung gewählten Gegend in ganz deutlichen Belegen im ZTaminathal. Man darf fi) aber nicht wundern, wenn andere Naturforfher dort no) auf andere einwirz fende Kräfte folgerten. Das vorliegende Exemplar ift bis in die Tiefe rein gehalten, wie wenn ein herfulifcher Konfervator dort gefegt hätte, denn die Felfenwände des rechtfeitigen Ufers find durchweg Jo fteil anftrebend und zufammenhängend, daß jelbft die Taminakluft nur als untergeord- nete Erfiheinung anzufehen ift. — Schon feit geraumer Zeit haben Beobachter nachgewiefen, daß bei direft Nord-Süd oder Süd-Nord laufenden Zlüffen, in Folge der Achjendrehung der Erde, das eine Ufer Hoch und fteil, das andere, wenn nicht ganz flach, jo doch weit fanfter zum Waffer: fpiegel niederfalle. Gelehrte Gefellfihaften, wie die Akademie in Baris und St. Petersburg, die Naturforichende Gefellfhaft in Bern haben diefe Erfcheinungen einläßlichen Befprehungen und Er: örterungen unterworfen. Rußland, in feinen ausgedehnten Flächen, die reichlich mit Flußadern durchfurcht find, gewährt auf Hunderte von Meileh Beobachtungspunfte, die, übereinftimmend, nicht (ofal erklärt, fondern auf eine Allgemeinurfache zurückgeführt werden müffen. Demnad) theilte s. E. v. Baer am 3. Februar 1860 der St. Petersburger Akademie Folgendes mit in feiner Ab- handlung über ein allgemeines Gefeg in der Geftaltung von Flußbetten, und fagt: „Das fließende Wajfer, wenn e8 vom Aequator gegen die Pole fich bewegt, bringt eine größere Rotationsgefchwin- digfeit mit, als den Höheren Breiten zufommt und drängt deghalb gegen die öftlichen Ufer, weil die Rotationsbewegung nah Dften gerichtet ift, alfo auch diefer Eleine Ueberfhuß, welchen das Te fließende Waffer aus niedrigen Breiten in höhere mitbringt. Umgekehrt wird ein fliegendes Wafler, das mehr oder weniger von den Polen nach dem Xequator fich bewegt, mit geringerer Rotationg- gefchwindigfeit anfommen und alfo gegen das weftliche Ufer drängen... Sn der nördlichen Halb- Fugel muß alfo an Flüffen, die mehr oder weniger nad) dem Meridian fließen, das rechte Ufer das angegriffene, fteilere und höhere, das linfe das überfchwemmte und deghalb verflachte fein“ *). E83 findet mm diefer allgemeine Sag feine Anwendung auf Flüffe der Niederung, Fann aber nicht ohne Vorbehalt allerwärts Geltung haben. Herr v. Baer fand allerdings, nachdem er feine erite Aufmerkfjamfeit dem mittleren und unteren Lauf der Wolga auf 400 deutiche Meilen weit gez richtet Hatte, für jenen Sag die volle Beftätigung, jo aud an deren Zuflüffen, welche theils von Süden, theils von Norden dem gewaltigen europätfchsafiatichen Strome zueilen. Damit nicht zu> frieden, gingen feine Beobachtungen mit gleichem Nejultat auf andere Flüffe über, und da Fonnte ihm beim Befuche der Quelle von Pfäfers eine abermalige Beitätigung nicht entgehen, obwohl, wie ihon gejagt, unterirdifche Kräfte vorert die Ninnen gefhaffen haben müffen und die Notationgge- ichwindigfeit, infoweit als fie die Waller der Tamina gegen das rechte Ufer drängt, Fonnte nur als herkulifcher Konfervator den Fuß der rechtjeitigen Felswände vom Gejchiebe theilweife rein wajchen. Gemäß diefer Annahme erklärt v. Baer **) die TaminasHöhle für nichts als eine enge Felsipalte, und behauptet, dag auch die Felfenwand, an welcher der Steg zur Quelle führt, dur die Reibungen des Waffers und feiner Gefchiebe mehr angegriffen fei, als die gegenüberliegende. Genau von Diftanz zu Diftanz gemeffene Profile diefer Höhle werden an mander Stelle diejes beftätigen, durchweg aber nicht, denn die linfjeitigen weiten Höhlungen fprechen dagegen. Profeilor Karl Ritter hielt dafür, e8 jeien dort, wo jegt Höhle, die Kalkmaffen dur) auffteigende Dünfte metamorphofirt worden, hätten deghalb, dem Wafferftrom geringeren Widerftand entgegenfegend, fid) leichter wegipülen laffen. Gewiß ift, daß bei Entftehung und langfamer Erofion fehr verfchiedene Kräfte da mitgewirkt haben. Se weiter die Forjchung den Gefegen nachfpürt, welche im Haushalt der Natur ihre Geltung haben, defto mehr müffen die verfchiedenen Disziplinen in einander greifen und gegenfeitig Rüdficht nehmen. So zählt Babinet 17 verfchiedene Einwirkungen der Achien- drehung der Erde auf. 9. H. Denzler fügt dazu drei von ihm beobachtete Hinzu, nachdem er jeit mehr als zwanzig Jahren darauf hingewiefen ward. Er äußert fich, übereinftimmend mit den obigen Sägen von Baer, folgendermaßen **): „Die Wirfung des fortlaufenden Seitenangriffs auf die Stromufer wird bei wechjelnden Gefhwindigfeiten und bei verjchiedener Schlamm und Ges Ichiebeführung verfchieden ausfallen. . . Gin in hohem Grade arbeitender oder Gejchiebe führender Strom läht darum fein Gefchiebe auf der nördlichen Halbfugel vorberrfchend rechts fallen, wodurd *) Bulletin de l’Acad&mie impe6riale des sciences de St. Petersbourg vom 3, Februar 1860. Th. I. S. 1. **) Dajelbft II. ©. 231. ***) Mittheilungen ver Naturforfchenden Gefellfchaft in Bern vom 14. Sanuar 1860. Pe gr feine Wafferadern bei Normal» und Niedrigwafler fo lange linfs gedrängt werden, bis eine obere Bildungsperiode rechts beginnen Fann. Im der Regel werden alfo auf der nördlichen Halbfugel die Delta nad rechts anfteigen, die Rinnfale und Häfen rechts wegen Verfchlammung verlaffen werden müffen; in der füdlichen umgekehrt. Dagegen find Teich- und Dammbrüche, jowie größere Berwüftungen auf der Seite des direften Angriffs zu erwarten und find aud; meiftens da vorge fommen +. Wenn wir diefe mit den früher gebrachten allgemeinen Beobachtungen zufammenftellen, fo müffen wir nicht vergeffen, daß der eine Beobachter in dem Mergelboden rufficher Steppenflüffe zumeift feine Belege fammelte, der Schweizer Hingegen, durch die Eriheinungen unferer Gebirgs- firöme aufmerffam gemacht ward. Zugleich liegt in der Vergleihung diefer beidfeitigen Ausfprüche das einfache Beifpiel, wie die gleichen Naturfräfte an verfchiedenen Drten verfchiedene Wirkungen haben fönnen, daß alfo allgemeine Säge nur dann gelten, wenn in ihnen mögftlic) viel thätige Faf- toren enthalten find. Darum arbeitet die Wiflenfhaft fort und fort, fämmtlicher Faktoren habhaft zu werden. Man darf fich hiezu weder Zeit noch) Mühe verdriegen laffen. Die Gejhichte unjerer Therme giebt hiefür aud) ein Beifpiel. Es it urkundlich überliefert, daß der Säger des Gottes- haufes Pfäfers Karl von Hohenbalfen**) zuerft Anno 1038 jene auffteigenden Dämpfe wahrs genommen und an Geilen fih bis zur Quelle hinuntergelaffen hat. Dann aber unbenußt geblie- ben, wurde fie gleichfam neu entdedt in der Zeit zwifchen 1210-1242 durd) die zwei Klofterjäger Bils und Thouli von Vilters. Außer diefen hatten wahrfcheinlih Männer der Familie Cars fett in Balens VBerdienfte um die Therme, da diefes Gefchlecht, wie die zwei aus Bilters, bade- frei war. Mir nehmen demnach an, die warme Quelle fei um 1240, unter Fürft-Ubt Hugo IL. von Billingen, als Bad in Anwendung gefommen ***), d. h. die Einrichtung zum Baden ohne Woh- nung, jo daß man mehrere Tage darin zu figen, darin zu effen und zu fchlafen pflegte, weil der Zugang Ihauderhaft und gefährlich war. Im Sabre 1382 waren erft Stube, Küche und Zimmer vorhanden, dicht neben der Quelle zwifchen den Felfenwänden, an Hundert Fuß über dem jchäus menden Strome und ftündlidy bedroht durch lodfere Felsblöde. Nichts deftoweniger hob jih das Bertrauen in die Heilkraft der Quelle durch immer weitere Kreife. Die Zahl der jährlichen Paz tienten ftieg, mußten fie auch auf fhwebenden Leitern zum Baden hinab fih wagen; die Schwinz *) Wenn, auf direft N-S, gezogenen Eijenbahnlinien, vie Zahl der Unfälle vurch Ausgleiten ver Züge aus ven Schienen nach recht8 und links, verglichen wird, jo gibt auch diefes eine Beflätigung obiger Eäße. *#) Diejer Name wurde im Graubündnerifchen Borver-Rheinthale auf die jchöne neue Brüde, am Ausgang vom Barkung-Tobel bei Difentis, wortgetreu übergetragen, ald vor wenig Jahren viejelbe zu Ehren des kürzlich verflorbenen Bifchofs von Chur fo benannt ward. ***) Mir verdanken viefe hiftorifhen Notizen ver Schrift: die Heilquelle zu Pfäfers, von Dr. 3. N. Kaifer. Neuefte, te Ausgabe, a delbehafteten Tieß man auf einen Seffel gebunden mit gefchloffenen Augen an Striden in die Tiefe. Anno 1543 ließ Abt Joh. Zaf. Ruffinger mit großen Koften an der öftlichen Feljens wand eine hölzerne Brüde anbringen, breit genug für zwei bewaffnete Männer und mit einem Geländer verjehen *). Diefer Fürft- Abt, von Rapperichwil gebürtig, war der Reformation Hold, fand mit Swingli in vertrautem Briefwechiel**), hatte die Meffe aufgehoben, Bilder verbrannt und flüc)- tete nach der Schlacht bei Kappel 1531 gen Maienfeld, von wo er, durch den Landvogt Aegidi Tichudi belangt, mit den fünf fatholiichen Drten fich auszuföhnen wußte. Diefe Zeiten fowie die vorhergegangenen der Schwabenfriege waren nicht geeignet, weder gute Haushalter für Klöfter, noch forgliche Directoren für Heilquellen zu bilden. Wenn die Abtei be- drängt war, litten die Badeanftalten mit. Im erften Biertheil des fiebzehnten Sahrhunderts erft, war e8 JZodofus Höslin aus Glarus, der als guter Haushalter feiner Abtei, auch der Therme feine Aufmerffamkeit fchenkte. Die dur aufiteigende Dünfte morjch gewordenen Balken Eonnten das eine der Badehäufer nicht mehr tragen, das andere war dur Gismaffen und Felstrümmer zerjtört worden. Nun-faßte FZodofus den Entfchluß die Quelle nach fiherem Drte zu leiten. Johann Mader von PBlÄR, der Gemeinde Pfäfers, ein Sechsziger, durchfuchte zuerft den Schlund im Jahre 1628 und empfahl die Stelle, wo Heute die geräumigen Häufer ftehen. Darauf durdh- wanderte der Bademeifter Johann Rifch, bei niedrigitem Wafferftande, im December, von der Suelle abwärts bis zu jener Stelle auf Stelzen die 680 Schritte lange Strede. Johann Zel- ler, ein berühmter Baumeifter aus dem Algäu, führte die ebenfo lange Wajlerleitung aus. In fünf Monaten waren Tragebalfen in die vechtfeitige Felfenwand getrieben, die Leitung gelegt, der Strom überbrüdt***). Am Pfingitfefte 1630 floß das warme Waffer in den Kanälen. Biel Volke *) Sp wie das Titelfupfer zeigt. **) Zwingli jhiete im Jahre 1523 den franfen Ulrih von Sutten mit Empfehlungen an ven Abt nach Pfäfers, wo die warmen Quellen fprudeln, um die Wirkung ter Waffer zu verjuchen. Der Verfuc mißlang: Mühe und Gefahr, jchreibt Hutten, waren vergeblich beftanden. Das Uebel war fhon zu tjef eingewurzelt, überhaupt durch Bäber allein nicht zu Heilen. Auch war jener Sommer befonvers ungünftig für die Cur. Unaufhörlicher Regen fiel und wilve Bäche ergofjen fidh von den Belfen. Dit meinte man, fie würven dag Heine an ven Feljen geklehte Bavehaus wegjchmernmen, und, was fhlimmer war, ihr Zufluß erfältete die Quellen. Alle Freunvlichfeit jedoch erwies dem Eran- fen Ritter der Abt NRuffinger. Er wollte ihn durchaus nicht fortlaffen, lud ihn erft ein, noch etliche Wochen als fein Gaft zu bleiben, und rieth ihm dann, wenigftens jpäter wiederzufommen, um jeine Gur von Neuem anzufangen, die bis jegt nur durch ven Zufluß der wilden Waffer vereitelt worden jei. Auf ven Weg gab er ihm Pferde und alle Reifebevürfnifje reichlich mit. So kehrte Hutten nach Zürich zurüd, wohin er indeß einen Brief an Zwingli mit ver Anfrage vorausfghidte: wo fie ihm nun ein Unterfommen bereitet haben? Ulrich von Sutten. Von D. $. Strauf. II. 309. 310. ***) Nun ift oberzähltes gefährliches Gebäu der Brüden, und vollfommener Wafferführung, in fünf Monaten ° dur die Enge des Tobels nicht ohne männiglicher Verwunvderung glüdlich vollendet worden, außer daß ein Zimmer Ian ei war beifammen, man intonirte den Palm ‚flavit spiritus ejus et fluent aquae. NRafch ftieg auch das Gebäude empor. FZodofus gab Berhaltungsregeln den Bewohnern und fegte für die Cur- zeit einen Badearzt ein. Dies war der erfte Schritt, der, einmal gethan, den Nachfolgern weis tere BVerbeiferungen auferlegte und leicht machte. Wenn auh der Mebte Iehter, der liebeng- würdige und umgänglihe Blacidus Pfifter aus Zuggen, jehr viel für Verbefferung der Eins richtungen und Bequemlichkeit der Patienten gethan, fo Hatte er mit der Zeit doch nicht Schritt gehalten, da unfere ‘Beriode in Allem, was Comfort und Badebedürfnig Heißt, wie Peter Schlemihl in Meilen-Stiefeln dahergeht, — freilich für Manchen mit Folgen begleitet, fchlimmer noch als der Berluft von Peter Schlemihls Schatten. — Wir wollen uns daher nicht wundern, wenn 1825 noch, in Hufeland’8 Journal von jenem Jahre ©. 89, ein gereister Arzt folgendes Epigramm einrüdte: Wie? — in fo efelhaft Shmusigen Hallen Thront Präfers Nymphe, die Fürftin von Allen, Sie, die mit Wunderfraft Stets neues Leben Ihafft! —- — — — Still Freund, man findet ja überall Spuren Bon großer Wirkung der Efelfuren. Im Anfang der Dreißiger Jahre hatte fih die Majorität der Conventualen für Auflöfung des Klofterd ausgefprochen. Der Landesherr, d. h. der Große Nath des Kantons St. Gallen bes fchloß Säcularifirung des Stiftes. Die Regierung machte fih nun ralch daran, das Klofterge- bäude, wohl auch im Sinne des Gründers, für Heilung franfer Gemüther einzurichten. Der Staat fundirte aus dem num weltlichen Vermögen eine SrrensAnftalt und nannte fie „Pirminss berg“. Der Therme wurde vorerft der leichtefte Zugang gewährt. Eine 15 Fuß breite Straße, für leichte Wagen fahrbar, wurde in den Jahren 1838 und 1839 in fanfter, gleichmäßiger Steigung vom Dorfe Ragab nad dem Bade geführt*). Von dort ift ftatt des frühern Planfen-Stikges theils auf Quadern, dann wieder durch Felfen gebrochen, ein ficherer Fußpfad gegenwärtig im Bau. Die “ inneren Einrichtungen der Häufer wurden verfchönert und ebenfo fümmtliche Bäder. Die Führung der Wirthichaft Fömmt jegt den Anfprüchen moderner Badegäfte und Touriften entgegen. Die Fres quenz des Bades, vielmehr aber die Zahl der Befuchenden, ftieg in den legten zwanzig Sahren von 2000 auf nahe an 7000. Dur die Fahrftrage ift der Genuß dortiger Naturwunder eben jo viel mann von einem herabfallenden Gisklogen zur Frühlingszeit ab vem Gerüft in ven Ba 30 Schub hoch geftürzt wor- ven, das linfe Bein zerbrochen, der doch aus vem Bad gezogen, und bernach wieverum zu feiner vorigen Gejundheit und Kräften gelanget if. 3.3. Sheudzer. II. 477. 478. *) Durch Ingenieur Adolph Naeff, zwifchen 1601° (Hof-Ragas) und 2108‘ (Bap) auf 7/, Stunden Länge. Der Gang zur Duelle wird unter Leitung von Bauinjpector Hefti ausgeführt. ee erweitert wie erleichtert, da während dem nur ein Stündehen dauernden Spaziergange der Abwechs- fungen an lieblichen Vorgründen, in fehauerlihen Zelfenpartien, an zierlichen Wafferfällen und ichönen Bäumen, dem Befuchenden in reicher Fülle geboten find. E8 gehörte dazu, das die St. Gallifhe Regierung die Beherbergung von zahlreichen Gäften nad) neueftem Styl berüdfichtigte. Hier bot die ftattliche Statthalterei, welhe das Klofter in Ragag bejaß, geeignete Lofalitäten. Das Thermalwafler wurde dahin geleitet*). Die Bäderzahl vermehrte fih im gleichen Verhältniffe wie dem urfprünglichen Haufe neue Gebäude angefügt wurden, was jährlich) bis auf heute **) der Fall war. Der „Hof-Ragag“ wurde zum Hotel erften Ranges und zum Stelldicein von Heiz fungsbedürftigen wie von Touriften und Lebemenfchen. Diefe Gegend zwifchen der Tardisbrüde, der Luzienfteig und Sargang, gegenüber dem Falfeis, dem Gonzen und Alvier, läßt in der Weis tung der flahen Rheinthalfohle den Athem friih und frei der Bruft entfteigen, die eben in der Taminafchluht fih beengt fühlte; fie gewährt die günftigften Standpunkte für Betrachtung der fhönen Bergformen, deren Mafjen in glüdlicher Jerne das Drohende von Gebirgslandichaften dem Bejucher eriparen. Wir verfchieben bi8 zum Schluffe fänmtlihe Mitteilungen wiffenfchaftlihen und technijchen Inhaltes, zu welchen die jüngiten Arbeiten an der Quelle Beranlaffung gaben; diejelben waren von Refultaten begleitet, welche zu neuen Erwartungen berechtigen, die wahrjcheinlih den bis- herigen ftetigen Aufjhwung der berühmten Therme noc) übertreffen werden. Doc; wir dürfen uns weder der Gegenwart freuen, noch uns in jhöne Träume der Zukunft wiegen laffen, ohne der Vergangenheit zu gedenken. Wir haben angedeutet, wie dies Curanten- Leben durch fünf Zahrhunderte hinab, vom Stadium des primitiven Badelebens, welches dazu mit perfönfichen Gefahren verbunden war, bis zum Comfort der zweiten Hälfte des 19ten Säculums fih entwidelte, Wie verhielt fih aber die Anfhauungsweife der Leute in den verjchiedenen Stadien? Biel- fache Mittheilungen aus verfchiedenen Epochen und eine reiche medicinijche Literatur find vor- handen. Der vielgenannte Philipp Aureolus Theophraftus Bombaftus Para: celfus von Hohenheim Hat, nady Haller, zuerft einläßlich darüber die Beichreibung gemacht. 6. €. v. Haller nennt es zwar „ein fchlechtes Büchlein” und doch führt er davon 9 Auflagen an. Wenn aljo nach diefem Literaturfundigen der Schweiz jene Suart-Schrift nicht viel taugt, fo *) In Sabre von 1839 auf 1840 durh Bau-Injpector Hartmann. nifprechende Beftlichkeiten fanden ftatt, ‚als die Quelle vraufen im Hof fprupelte. **) Noch che die Reiultate ver jüngften Arbeiten ander Duelle befannt waren, hatte Profejjor Semper, vom fcpweizerijchen Polytechnifum, jhon die Sofalitäten von Hof-Ragag und Umgebung befichtiget, behufs Aufnahme von Plänen zu neuen Bauten für Wohnungen und Gejellihafts-Räume, welche, wie wir hören, in genialen Formen gegen- wärtig zu Papier gebracht werden. 2 a) ET muß der befchrichene Gegenftand um fo größerer Aufmerkfamkeit werth gewefen fein. Bis 1785 find nach demfelben 39 andere Bejchreibungen erfchienen, dann Famen Ebel und das einläfliche Werk von Dr. Kaifer in vier Auflagen; das von Dr. Rüfch: „Das Bad Pfäfers in feiner neueften Geftalt”, 1849; das von Profeffor U. Bogt: der Kurort Hof-Ragak für Aerzte und Laien, 1857; und im abgewichenen Sahre Dr. MeyersAhrens in feinem Werfe über die Heilquellen der Schweiz, im 2ten Bande. Intereffant ift die Weberfchau der Unterfuchungsweifen der Therme aus den verfchiedenen Sahrhunderten mit den jeweiligen Stimmungen in der gelehrten und ungelehrten Welt. Der verdienftvolle 3. 3. Scheuchzer gewährt diefe in jeiner NatursHiftorie der Schweiz und theilt u. U. aus der InauguralDiffertation des Dr. Zacharias Damur, Nach- fiehendes vom Zahre 170% mit: Diefer habe mit dem Wafler folgende Experimente gemacht: 1. mit pulverifirten Galläpfeln; 2. mit Brafilienholzthee; 3. mit Ueberguß von Veilchenfyrup; A. mit Ammoniakfalz, Hirjchhorn und Weinftein; 5. mit Säuren und Bitriol; 6. mit Löffelfraut-Ertraft. Damur frägt dann: Quid igitur ex his omnibus tandem concludendum venit? „was ift daraus zu fihliegen?” — nun vermag der Weberfeger nicht weiter zu folgen, verfteht aber Scheuch- zers eigne ganz praftifche Anleitung: „a juvantibus et laedentibus optima sumitur indicatio, das ift, daß die gerechtefte Quantität der Mineralwafferen jei die Zolerantia, jo viel man mit gutem Willen und Luft ertragen Fann und mag.” Im dritten Neujahrkupfer der Gefellichaft zum jchwarzen Garten hieß e8 1810 noch, die Eur jei mühlam und befehwerlich, und heute trifft man neben Schwerleidenden den Webermuth moderner Blafirtheit. Gaftronomie ift auch dort zur Bes deutung gefommen und erwähnenswerth, daß der Dberfod in feiner Kunft zum Schriftfteller ges worden *). Wer je mit fiehem Körper einen Becher des Heilwaflers genoffen und feinen Leib big auf die Fußiohlen und in die Fingerfpisen mit wohltfuender Wärme übergoffen fühlte, der wird in Ger nefungshoffnungen neu aufleben, doc faum, wenn heil, zur Süngerfchaar des Kochfünftlers fich halten. Charakteriftifch für jede Therme find die Leiden, welchen fie Heilung zu bringen veripricht. Hier ftehen voran Krankheiten der Verdauungswerkzeuge und Nervenleiden. Wenn Bruftfranfe nach Pfäfers irre gingen, hat Dr. Kailer die Betreffenden anders belehrt; fein Werk enthält eine große Zahl Beichreibungen von Spezialfällen, welche den guten Beobachter und gewifjenhaften Urzt beurfunden. Die Heilungjuchenden machen fich dort in der Negel das Leben nicht jchwer; denn man weiß, daß auch die der Leber entjprungene Sypochondrie ihre in Heiterfeit überwallen- den Stunden hat; die nervöfen Naturen zumal find fenfitiv und voller Neizbarfeit. Daher war zu allen Zeiten der dortige Aufenthalt an „Lieben Bekanntfchaften“ und „zärtlichen Freundichaften” reich. Die romantifchefchauerliche Natur, die Dämmerung, der vier Stunden anhaltende Sonnen- *) 250 Recepte aus dem Gebiete ver Kochkunft. Zum Gebraude für alle Stände, von I. 9. Heer, Ko in Hof- Nagab. Ufter 1854. Ma = jchein, die Einfamkeit in der Kluft; dagegen, die fröhliche Stimmung draußen im weiten Thal, wo Südwinde den geiftigen „Rompleter” reifen. Welcher Stoff zu Gegenfägen in Verzagen und Hoffen, in Sehnjucht und Schmerz! Es war daher für die „innere Welt“ (oder wie Dr. Kaifer, Vater, zu fagen pflegte: „für die Leute drinn“) fehr paffend, daß ein Folioband im Gefellfhaftszimmer des Bades auflag, nicht, wie anderwärts, ein Defiderien-Bucd, fondern beftimmt zur Aufnahme poetifcher Ergüffe in verfchiedenen Sprachen. So viel wir uns erinnern, ift darin eine weiche, an Sentimentalität ftreifende Stimmung vorherrfchend, weniger Humor, der an Oftlüften ausges festen Lagen mehr zu Haufe ifl. Sicherlich Hat Fein anderer Kurort eine jo reiche Auswahl von Gelegenheits » Gedichten aufzuweifen. Dr. Kaifer’s Buch gibt eine Blumenlefe daraus. Diefe fängt lateinifch an mit einem langen Gedicht von dem franzöfifchen Botichafter in Graubündten (1604— 1614) Karl Pafhal *. Dann folgen Namen wie Ulyffes von Salis-Marfjcdh- ling, Ulrih Hegner, Salis-Seewis, 3. Hanhart, David Heh, X. Henne, umd zu wiederholten Malen 3. H. von Weffenberg, der im Juni 1840 noch die neue Kunftftrafie. befang: ALS die Kunft den Weg vollendet, Der Euch, Pilger! vielgewendet Durch des Bergftroms Schlünde endet, Sah die Quelle man fih fhmüden, Und ihr Auge voll Entzüden Feltes- Dank zum Himmel fchiden; *) In Fabarice Thermas. Der Eingang heißt: Est locus in Rhxstis vasto mira- bilis antro, Antrum musecosis introrsum rupi- bus horret; Umbrarum et noctis facies hic plurima sese Densat, et in tenebris volitant errantia spectra. Eine franzöf. Ueberfegung fam 4613 ans Cicht: Les bains de Fev- ver (vulgairement Feffers) en Suisse. Imitation d’un po&me la- tin et d’exeription d’iceux ä& Ma- dame de Castille: Parmi les monts chenus des Al- pes de la Suisse Est un antre effroyable autant que dire on puisse, Et sa grandeur le rend plus eft- royable encor, Par l’aspect seulement de son premier abord. Nun noch die deutjche Uebertra- gung ven 1793 dur Magifter S. ©. Ph. Thiele; Bon jeltner Gruft böblt ih ein Bündtner Fels, Ihr Gingang fihredt mit moosver- büllten Klippen: Hier bäuft fih Schatten reih und Luftgejtalten Bon Geiftern flattern ungefchent um- ber. So geht e8 fort Bid zum Troft auf das Verjchwinven des Zipperleins. Man hatte in ver Dichterei auch eine Zopfzeit wie in ver bildenden Kunft. Diefelbe hat fich, iporavifch, bis auf Heute wiederholt; da man Ungefhmad ver Mode auch fo nennen fann. Dem jei jedes Herz geweihet, Das den Weg zur Quell erfreuet, Die des Lebens Kraft erneuet. Berbefferungen und Erweiterungen der Gebäulichkeiten find jedoch nur dann von Nugen, wenn die Quelle in unverminderter Fülle gefaßt ift und anhält, oder neue Wafleradern beliebig wohin geleitet werden können. &8 war jeit langen Jahren her eine Thatfache, dag nicht alle Sommer gleihviel Waffer dem Felfen entfpringt, und, wie wir oben gefagt, lag der Gedanke nahe: die Therme werde durd atmosphärifche Zuflüffe genährt, welche dur) regelmäßig geführte Beobad)- tungen nachgewiefen werden fönnten. So gewonnene Belege fehlen, zumal aus den Ponaten, in denen die Waffermaffe der warmen Quellen fteigt und fällt; auch war nicht gehörig ermittelt, ob alle Winter diefelben gänzlich ftoen oder immer no, wenn aud in vermindertem Grade, fließen. Durch herabrollende Felsblöde und berftende Eisftüde wurde früher theils ‘Blanfenftieg, theils Röhrenleitung zerftört und die Quelle blieb eines geficherten Zuganges bar, bis im Frühjahr die Berbindungen wieder hergeftellt waren. Schon früher, 11. März 1680, ftürzten nad anhaltenden Thaumwetter Schnee» und Eismaffen mit Felsblöden in den Schlund und verfchütteten den Quell fo tief, daß es in Frage Fam, ob er nm wieder aufgededt werden fünne. Glüdlicherweife wurde im dritten Sahre der Regierung von Bonifaciusl. diefelbe zum Beften der leidenden Menjchheit entfchieden. Daß verfchiedene Wajferadern nad) außen fi entladen, war befannt, denn vorlängit entquoll der benuste Wafferftrahl der oberen, der „Herrenz Quelle" *. Bis heute war der etwas tiefer gelegene, aber bedeutend reichere „Keffel” die Hauptwafferader, heute noch) die einzig benußte; feit 1680 gefaßt und durh Sprengung mit Pulver erweitert. Eine dritte, der „Gum- pen“, ergoß fid) am Fuße des rechtjeitigen Felfens in das Taminabett. Wie man deren Waller habhaft werden Fünne, war längft die Aufgabe, welche bald mit Hülfe eines Pumpwerfes, bald durch eine Separatleitung gelöst werden wollte. So lange die Frequenz des Bades allein berüd- fihtigt wurde, jo lange war Feine dringende Veranlaffung einzugreifen; wie aber die Therme einer weit größeren Zahl von Kranken zur Hülfe werden follte, mußte mit Energie vorgejchritten werz den. E$ wurde von der St. Gallifchen Regierung in der Perfon des Kantonsbauinfpeftorg Hartmann eine „Direftion der Quellen“ beftellt, von welcher Beobachtungen gemacht wurden, die zu überfichtlichen Nefultaten führten, weil fie fih über alle Donate des Jahres erz fireten. Zugleid) wurden Experten berathen, um mit Hülfe wiffenfchaftlicher Unterfuchungen den Weg zu finden, nach dem man zu fuchen hatte. So war im Jahr 1847 Herr A. Eicher *) So benannt, weil vor mehr ald 200 Sahren das Herrenbad aus verfelben gefpeist wurde. Diejes hatte feine Balfenlage circa 36° quer über vem Taminabett. Man fehe das Querprofil in beigelegter Tafel, welches möglichft genau den Dimenfionen ver Qurllgegend entjpricht. Man wolle zugleich berüdfichtigen, daß die erftbenugten Quellen, fo wie die Leitung vechtfeitig, alfo dem öftlichen Ufer ver Tamina angehören. er von der Linth mit einer Expertife betraut, über deren Ergebniffe er in der Sigung vom 20. Dezember der naturforfchenden Gefellihaft in Zürich Mittheilung machte *). Dann waren die Herren Mouffon, Profeifor am jehweizerifchen Polytechnifum, und Inipeftor Hartmann im Mai 1856 für gemeinfchaftliche Unterfuhung an der Quelle *). Im verfloffenen Jahre war A. Eicher von der Linth abermals in der Schluht und am Quell, die dortigen durchgreifenden Urbeiten bejehend. Seinem Bortrage — gehalten am 12. September 1860 in der naturforfchenden Sefellihaft — folgen wir nun, indem wir zugleicy aus den untenbenannten Schriften Ergänzendes einreihen. Jene merkwürdige Gegend Fonnte, wie wir aus Scheudhzer u. Q. erfahren, nicht allzulange dem Naturforjcher verborgen bleiben, zumal mit der neueren Entwidelung der Geologie blieb fie ein fteter Gegenftand näherer Unterfuchungen. 3. Konrad Efher von der Linth entdeckte zuerft diejenigen Leitmufheln (Nummuliten, flache Müfchelchen von Franfenformat bis Rappengröße. Daher ihr Name von Nummus, d. i. furrentes Geld) bei der erften Thüre zur Quelle, wodurd er die dortigen Selslager als den unterften Gliedern der Tertiärformation angehörend erklärte ***. Dr. Arnold Eicher, der Sohn, Hat jene Gebirge noch näher erforscht und jagt, da deren Schichten von Süd-Weft gen Nord Dft ziehen (ftreichen +) und in einem Winkel von 30—410 Grad nah Süd- Dften fich jenfen (fallen). Zugleich find die aufeinanderliegenden Schichten von nahezu jenfrechten Klüften durchjeßt, welche die Richtung der Schichten rechtwinklig Freuzen, alfo von Süd-Weft gegen Nord-Dft gerichtet find. Sämmtliche warme Quellen nun entipringen eben folchen Quer- Flüften und gerade dort, wo diefe in einem 12-30 Fuß breiten Streifen zahlreich auftreten und nahe beifammen, einige Hundert Zuß hoch bis an den Tag, zu finden find +). Ja, die nähere Unterfuchung diefer Klüfte nad dem linffeitigen Taminaufer ließ im Bette des Stromes zwei neue und am linkjeitigen Fellen eine fechste Wafferader erfennen. Man hatte Länger jchon davon Kennt: niß gehabt, und deren Hervorfprudeln Winterszeit deutlich gefehen; aber da diefelben im Sommer von den Wellen des Stromes verfchlungen waren, jo fielen fie außer Berüdfihtigung. Sebt jollte mit allen Quellen das gefchehen, was 1680 am Kejfel (K) der Fall war. Wie fon gejagt, *) Aus den Jahren 1839—1847 finden wir Hartmann’s Beobachtungen, jowie Dr. Gjchers von der Linth Bericht in den Mittheilungen der naturforjchenden Gefellfchaft in Zürich, Nr. 19, März 1848. **) Dr. R. Wolf’s Vierteljahrsfchrift der naturforjchenden Gejellichaft. Zürich, I. ©. 162 f. ***) Dunfelgrau jhimmernder Schiefer mit untergeordneten Bänfen von dunfelblaugrauem Kaltitein. An ven Thermen liegen viefe Schichten wie im Nebengeftein aufeinander. VBerwerfungen find nicht nachgewiefen. 7 Genau gejagt: N. 55 Grad DO. — ©. 55 Grm W. Tr) Sie zeichnen fi aus durd roftfarbigen Eifenoder, welcher die Wände ver meift nur wenige Zoll von einander entfernten Riffe bevedt. a wurde damals jene Höhlung Fünftlich erweitert *), gegen den Flug zu mit einer Mauer geftaut und der Zugang durch eine Thüre gejperrt, ähnlich wie e8 jest noch zu fehen ift. Diefe innere Weitung des Felfens mißt in der Länge 18° bei einer abwechjelnden Breite zwifchen 4-6, einer MWölbung über Wafler von 10—12‘, einer Wajlertiefe von 7“. Während noch das Wafler der erft- benügten Herrenquelle (H) (nebft Ausläufen Hoc über diefer, welche unbenugt) über den Selfen riefelte, wurde 1850 der dicht am rechtfeitigen Felfen im mittleren Niveau des Stromes auf einer 4-5 langen Strede der Schichtfugen emporfteigende „Sumpen“ (G) von Infpektor Hartmann gefaßt, auf die Höhe (i) aufgeftaut und erhielt deffen Namen. 8 find unter diefer Quelle zwei Ausftrömungen verfanden, deren Stauröhren in der Zeichnung mit x, y bezeichnet find. Diefe Arbeit gab Heren Hartmann Gelegenheit zu Beobaytungen, wie das in der Tiefe aufquillende Thermalwaffer nad) oben zu ftauen fei, alfo über den Zufammenhang der verfihiedenen Yusläufe fimmtlicher Quellen Berfuche anzuftellen. Dadurch hatte er fich vergewiffert, daß die bei- den oberen, Herrenbad und Keffel, nur die Abflugmündungen des Ueberichußmwaflers der tiefften Quellen find. Eine weitere Beftätigung geben folgende Erfcheinungen: 1) ift die Temperatur aller Quellen ftets die gleiche, d. h. 29-300 N. bei viel und wenig Waffer; 2) zeigt eine Tabelle Hartmann’ über den Zuftand der 3 Quellen von 1839—1847, daß jeweilen bei Minderung des Thermalwaflers die oberen Ausflüffe zuerft geringer werden und troden liegen, wenn im unterften fiets noch Ausftrömung ftattfand. (Diefe Tabelle ift der oben citirten Mittheilung von U. Eicher aug dem Zahr 1848 beigegeben.) Alle die gemachten Beobachtungen gaben demnad) eben jo viele intereffante Winfe, dem Hauptziele nahe zu kommen, d- h. eines, innerhalb gewiffer Grenzen fon- ftant Taufenden Wafferftromes fiher zu werden, auf deffen Minimum die weiteren Pläne und Ber rehnungen gegründet werden Fönnten. Die Schägung diefes Minimums wurde zur dringenden Nothwendigfeit, als Mitte Mai 1856 der Keffel nicht nur nicht in die zwei Abzugsröhren (a. b.) fich entleerte, fondern unter der tieferen feinen Waflerftand hatte. Das war nahe dem doppelten Abftande des feit 1839 beobachteten Niveau **) des Keffels. Eine Expertife wurde demnach dringend und fofort in den Herren Moujfon und Hartmann beftellt mit dem Auftrag: 1) über den gegenwärtigen Zuftand der Quelle, 2) über die Möglichkeit einer Wafferabgabe an dritte Perfonen, 3) über Wahrfcheinlichkeit einer Mehrbeihaftung von Therz malwaifer, fi auszufprechen. Nun war e8 an der Zeit, alle Erinnerungen und Beobadhtungen betreff3 Ergiebigkeit der verfchiedenen Jahrgänge zufammenzuftellen. Dr. Kaifer erwähnt (©. 12%), die Therme *) Durch Pulver, Ein Unterfangen, das heute nicht mehr bei gleicher Nihtung der Bohrlöcher gewagt würte. Bei dem zerflüfteten und fchieferigen Gebirge ift jeder Zeit viefe Arbeit fhwierig. Betreff der Lofalitäten im Thermal- Streifen fehe man die Zeichnung am Schluß des Heftes. **) Traf ein im Dctober 1843. ee jei zur gewöhnlichen Zeit nicht erfchienen in den Zahren 1596, 1781, 1800, 1819. Neuere Berichte jagen: der Herrenquell fei ausgeblicben 8 Monate lang 1841, vom Detober 1842 big Suli 1844 und vom Auguft 1844 bis Mai 1846, jo das ganze Jahr 1848. Der Keffel hatte fi nicht zur gewöhnlichen Zeit gefüllt in den oben gemeldeten 5 Jahrgängen und wieder 1840, 1843, 1814, 1848, 1856. Nie ift derfelbe ohne Abflug gewefen während der Monate Juni, Zuli, Auguft und September. Die ausbleibende Therme entiprach trodenen, ihneearmen Wintern, die Waifer- fülle nafjen Jahren, 3. B. 1816, 1821. Die näheren Unterfuhungen der Experten gaben, weil aus Pfäfers feine Beobachtungen vorhanden find, noch diejenigen von PBrofeffor Hofmeifter über die atmosphärischen Niederjchläge in Zürich *) folgende Zufammenftellung als Mittel der 16 Sahre 1837—1852 über die durhichnittlidhe Zahl der Negen- und Schneetage, welcher als Sondervergleichung die entfprechende Aufzählung aus dem Jahre 1855—1856 gegenüber gehalten wird: Mittel aus: Nov. Dec. Jan. Febr. März April. Tage-Summen. 1837—52: 11,8. 103 4137 10 1237 131 71,6 1855/6: 3 7 11 5 4 9 39,0 1855/6: 1 3 2 1 2 10,0 (ftarf. eberfihtag) Die 6 Monate Nov. bis April 185%/5 umfchloffen nur 39 Regen- und Schneetage, ftatt jenen durchfchnittlichen 71,6. Die Waflermenge felbft ift noch entjcheidender, da die leßtgenannten Mo- nate nicht voll dem fünften Theil der Mittelzahl der früheren Zahre entipricht. Da liegt doch wohl der Beweis vor, daß das jährliche Wachfen und Schwinden des Wajlerandranges in Pfäfers von den Jahreszeiten bedingt ift, ähnlich wie bei andern Thermen; fie folgen, wenn aud) verfpätet, doc) zulegt ihrem Charakter. Ebenjo fam es im Sommer 1856, wo auf die mit Ende April ein= getretene Regenzeit die Quelle im Keffel wieder zu fließen begann und die darauf folgende Schnee= Ichmelze die Strömung unterhielt. Nachdem ein Zufammenhang der feuchten Niederichläge aus der Luft mit dem tiefverborgenen Waflerfammler der Therme dargethan, wird jehr wünfchbar, dag auch die Dauer von Näffe oder Trodenheit an der ausfliegenden Quelle erfennbar wäre. Diejes Fann gnnähernd bei Zahre Hindurch fortgefegten Beobachtungen ermittelt werden ; gegen- wärtig jhmwanfen die Ausfagen der Einen dahin, e8 fei diefe Wirkung jchon binnen jwei, nad Anderen erft in 6 Wochen bemerkbar. — Dieweil von den Experten Mouffon und Hartmann ein praftiiher Borfchlag verlangt wurde, jo lag denjelben ob, das wahrjcheinliche Quantum des Thermes-Waffers auszumitteln, welches zu faffen man noch hoffen fonnte, Bei dem niedrigen Win- terftand der Tamina bemerften fie, daß auf der ganzen Linie, wo die Thermalwaffer führende Kluft das Strombett durchfegt, eine Reihe anderer Adern mit dem Strom fi mifcht, und da die tiefen *) Programm der Kantonsfhule 1853 ©. 6. a A Quellen, gegenüber den oberen, Beftändigfeit voraushaben, mußte auf jene das Augenmerk gerichtet werden. Borauszufehen war, daß man ohne große Schwierigkeit diefer Adern fich nicht bemächtigen Tonne, alfo auch nicht ohne Koften, zumal dag Taminabett mit jchweren Geröfffteinen angefüllt war. Eine direfte Meffung der Quellen im Bette des Stromes war vorderhand unmöglich. Durch ingenidfe Anwendung des Thermometers und der Regel de Tri wußte Profeffor Moujjon auf jene Frage zu antworten*). Schon aus frühen Beobadtungen fannte man die Temparatur der Luft, der Tamina oberhalb der Schlucht und im Bereich der Therme, auch war die Waflermafle de8 Stromes annähernd ermittelt. Alle diefe Factoren, auf die in der Note angegebenen Weije berechnet, gaben das überrafchende Refultat, dag in jeder Minute zwifchen 10,500 und 12,500 Mat Thermalwaffer durch die Wellen des Stromes weggefpült werden; daß demnach das verlorene MWafferquantum fait dem fechhsfachen gleich fam, welches in dem wafjerreichen Sabre 1838 aus den drei älteften Quellen gemeifen ward. Hierin lag ein Sporn alle angehobenen Unternehmungen, behufs Mehrwaflergewinn fortzus feßen. Aber wie? Da lag ein Stein des Anftoßes. In die Tiefe dringen — aber in welcher Richtung? Die unterften Quellen feit Ichließen, um dag Thermalwaffer nach den oberen befannten Ausflüffen zu zwingen? — Aber mochten in den zerflüfteten und nur in Schieferlagern aufein- ander gethürmten Felfen nicht noch) andere verborgene Gänge vorhanden fein, in welchen das Wafler tieferen Auslauf fände als dort, wo man es den allbefannten Mündungen zuwenden möchte? Da: her waren Bohrverfuhe nicht anzurathen und Aufftauen nicht unbedingt zu empfehlen, wohl aber, um der Struftur des Gefteines willen, ein behutfames Vorgehen. &8 jchloß daher der Erperten- bericht von 1856, welchen Weg man einfchlage: „verbürgen läßt fih die Gewinnung von Wafler „nicht, wohl aber fprechen Gründe der MWahrfcheinlichkeit für einen günftigen Erfolg und das Her- „umtappen, wenn man jedes Unternehmen diefer Art jo nennen will, ift fein ganz biindes.“ Bon 1857 auf 1858 ward demnach verfucht das in der Tamina jelbit entjpringende Waifer an den Miündungen aufzufpüren und, wie man es aus Mouffon’s Rechnung erwarten durfte, hatte diefe Arbeit den glänzenden Erfolg, daß 18° unter dem Wafferipiegel der Tamina zwei Quellen entdest wurden, welche aus einer das ganze Flußbett quer durdhfegenden Kalfftein banf aufwirbelten und zwar niht aus Spalten, fondern aus Pundliden Löhern So groß auch ihre Waffermaffen, fehten fie jedoch nicht den oben in Zahlen ausge- **) 88 fei Q die MWafjermenge ver ZTamina, x die unbekannte Wafjermenge ver Therme, tt‘ T vie Temperaturen der Therme, jomwie der Tamina oberhalb und unterhalb ver Vermifhung. Dann ift: ıt-— T=Q(T —t) ‘ drücten Erwartungen zu entfprechen. E83 war dieje Entdedung ebenfo für die Therme von Wich- tigkeit wie für die wiflenfchaftliche Kenntniß der Gegend. Wilfenjcbaftliche und technifche Berathungen gaben der Faflung der Quellen in der Tiefe und Wegleiten des Waffers von da den Vorzug. Wegen der kurzen winterlichen Bauzeit und anderer Hemmniffe Sprach) fic) jedoch) die St. Gallifche Regierung für Aufftauung aus. Demnad) wurden die ein zelnen Quellen des Taminabettes gefaßt, ummauert und bis zur Höhe (i) aufgeftaut, von wo das Ueberwaffer einftweilen den wilden Wellen des Stromes wieder zufließt. Gleichzeitig wurde die finffeitige Quelle gefaßt und feparat auf gleiche Höhe geftaut, von wo ebenfalls der Ueberichuß unbenugt nad) der Tiefe dämpft *). Eine jener Schwierigkeiten veranlaßt die Sorge um Thermal- waffer für das Bad, wohin das Gefälle der Leitung von der Höhe i fnapp zugemefjen ift. Die Ausftrömung des im Taminabett gefaßten Waffers liegt nämlich 19° tiefer als die Brunnen der Trinfhalle im Bade. Die Stauhöhe i, 12° unter der Ginmündung im Keffel, geftattet auf die Entfernung von 1505‘ feine weitere Minderung des Gefälles für Zeuchellage nad) dem Bade. Noch liegt die Erledigung diefer Frage im Ungewiffen, nicht aber das raftlofe Suchen nad) neuen Zuflüffen. Reifliche Ueberlegung machte es rathfam, einen Stollen in das Gebirge hineinzutreiben, zwar nicht in der Tiefe, fondern ein Geringes unter der Höhe des Wafferjpiegels vom Keffel mehr Elufteinwärts, in der Richtung gegen die Felfenipalten Hin, in welchen die Wafferadern der Herrenz Suelle und der noch höher anfteigenden Ausflüffe fich finden liegen. Das gejchah im Spätfommer 1860 unter der Leitung von Bauinfpector Hefti. Kaum an zwei Klafter im angetriebenen Stollen zeigten fich leine Ausflüffe und vermehrte Temperatur. Mitte September ftanden die beiden Knappen in einem Eleinen Bache, weldyer aus den Adern der HerrenzQuelle floß. Eine derjelben wurde angefchnitten, nachdem der Stollen erft 3/4 der jegigen Länge hatte. Bei einer Temperatur von Blutwärme arbeiteten fie, während fprudelndes Ihermalwaffer ihnen den Schweiß von den Schultern fpülte. Gegen Ende September langte das Eifen in einen hohlen Raum. Noch ein Schlag, und aus demfelben dringt eine Wallermaffe hervor, welde die beiden Männer zur eiligen Flucht nöthiget. Derart nachhaltig blieb jedoch der Zuflug nicht und nach geeigneter Zeit Fonnte man die Deffnung aus dem Stollen nad jener Grotte erweitern. Man fand dort eine jchlauch- artige Höhle von ca. 10° Durchmeiler, bei einer Höhe von 40° über der Eohle des Stollens, nad Außen in einer Mündung (V) fih öffnend, wo über der Herren-Quelle im Sommer 1855 Ther- malwaffer den Abflug hatte. Bon nun an müffen der Herren-Quell und ihr ehemaliger Refervoir *) Nach ven gefälligen Mittheilungen von Herrn Infpector Hefti in St. Gallen konnten wir die Zeichnung für die Schluftafel diejes Heftes reduciren. Man fieht darin bei H, Herren-Quell, bei K, ven Kefiel, bei a. b. die Mün- dungen ver Teuchelleitungen nah vem Bad und nad Ragas. In x, y, z die Steigröhren der Hartmannsquelle. Bei 41° Höhe des geftauten Thermalwaifers, bei L, die linffeitigen Quellen, beiM, vie von Hefti 1859 im Taminabett gefap- ten Zuflüffe, bei T, T, den Stollen, welchen verjelbe Ingenieur im Spätjommer 1860 ausgeführt, bei G, Grotte, ebe- maliger Refervoir ver Herren:Quelle. 3 ee in die eben gefundene Grotte des Stolfens fi entleeren. Gleichzeitig find dort herum alle übri- gen MWafferäderchen verfihmunden. Es paßt, hier die Tabelle hinzufegen, welche nach) den Beobach- tungen von Snipector Hefti anfhaulich die gefundenen NRefultate entfprechender Tage in den Jahren 1859 und 1860 nad) den verjchiedenen Ausflüffen zeigt : Le Ga ge Obere | Nechtfeitige| Linkjeitige Stoffen, [Zylamnen, Quelle oder geftaute | geftaute Map in der Beobachtung. eo De Quellen. | Auellen. | Pafler- [4 Minute. 1859 | 6 | Mai 1090 = 600 71 “ 1761 | 14 | Suni 1720 = 70 | 88 _ 2578 128 | Zufi 1500 — 666 | 8 — 2250 | 21 | Detober 455 = 155 37 = 647 1860 6 Mai 158 = 128 51 » 937 2 uni 1725 2. 750 9 2 2566 28 | Suni 2828 353 857 115 —_ 4153 22 | Septemb.| 2333 166 855 110 1000 146% 9 | October 1500 ib, 640 so | 5320 7560 Die jüngften Kunftbauten jowohl als Lofalbefuch verfchtedener Naturforscher beftätigten nicht bloß den Zufammenhang jämmtlicher MWafferadern in Thermalftreifen, fondern führten zu wichtigen Ergebniffen über Die Naturgefihichte des Taminathales. Beim Ueberbliden der Gegend wurden anfänglich fehon unfere Gedanfen darauf gerichtet und fanden im allgemeinen Volksglauben den MWiederhall, dag in jenen Höhen ewigen Schnees, den vier fleinen Seen nahe, wohl der Haupt: vorrath für die Therme, wenn auch in flarren Formen aufgefpeichert liege, der dann aber zu feiner Zeit, von warmen Somnenftrahlen und lauen Lüften flüffig gemacht, den verjchiedenen Thermalaus- flüffen, gewärmt, zugute fomme. Wir können zwar in dag Innere der Berge mit unfern Bliden nicht eindringen, aber wenn dargethan ift, daß bei trodnen Zahrgängen die oberften Quellen aus- gehen und die unteren fließen, fo müffen doc wohl diefe Wafleradern von irgendwoher ihre Spei- jung erhalten. Wir können nämlich mit Zuverficht annehmen, daß wenn der ganze Gebirgsftod der Grauen-Hörner einen hohlen Refervoir gebildet und nur einmal fih zu entleeren gehabt hätte, diefes im Verlauf von Hunderten von Jahren [hon geichehen wäre. Die Tiefe der Taminafhludt *) Diefe Quelle erfchien 1860 vom 9. auf ven 10. Juni. Am 16. gab fie 187 Maaf pr. Minute. 2 as war fehon lange da. Daß diefelbe vorhiftorifhen Uriprung Habe, darauf deuten verfchiedene Indizien. Wir haben oben in gejperrter Schrift von jener Kalfiteinbanf gejprochen, welche nahe an zwanzig Fuß tief unter dem Taminas-Wafferfpiegel die Mündungen der dortigen Thermal-Quellen umgiebt. Die Abwefenheit von Querfvalten in diefer Kalfbanf verwehrt die Annahme: „es jei die Taminafchlucht eine Zerreigungsfpalte”, welches nod dadurch, befräftiget wird, daß auf ihrer oberen Fläche Spuren von anhaltender Reibung deutlicd, bemerkbar find, wie gefchiebreiche Flüffe an ihrem Zeljenbette gerade derart Spuren zurüdlaffen. Nun fanden fi) dort die unmittelbaren Zeugen des Gefchiebs reichlich vorhanden. Infpector Hefti hatte gewaltige Blöde bis 200, durchfchnittlich 20—50 Zentner fehwere Fündlinge, durch Pulver zu fprengen, hehufs Ausräumung des Strombettes*). Unzweifelhafte Spuren von ähnlicher Erofion gehen von unten bis zu oberft in der Schluchtwölbung, namentlich geben folhe Belege die Linffeitigen tiefeindringenden Grotten. Mehrere Zahrhunderte haben nicht genügt zum Ausreiben diefer tiefen Spalte. Fragen wir, um diefe Zeiten zu fchägen, nach dem Herfommen der Fündlinge, jo geben fie zur Antwort: „wir fommen von zu hinterft in Galfeufen, wir erinnern uns nicht genau, aber wahrfcheinlich Hat ung der Taminas (heute Sardonaz) Gletfcher Hierhergefihoben.” — Wir Andern müflen e8 zugeben, denn e8 fanden fich NRollteine bis Halbfuß- Durchmeifer in der Tiefe der Grotte (G), welche der Stollen (TT) ung aufgejchloffen hat. Dort liegt aber noch eine Maffe jolhen Gefchiebes. Alles auf den gleichen Urfprung mit den Fündlingen des Taminabettes hinweifend. Wir langen mit der Zeitrechnung nicht aus, wenn wir in Jahren angeben wollten, wie viele derjelben dies fremdartige Geftein in der Grotte aufbewahrt gelegen hat; das wiffen wir nur, daß zur Mündung (V) Hin- ein jene Steine gefommen, und jehließen ficher, wenn wir jagen: abermals ein Beweis der langen Grofionsarbeit des SardonaGletfherwaifers, welche allerwenigiteng 100 ‘ über dem jebigen Wafler- fpiegel begann und die Blodszeit der Geologen muß überdauert haben. Zu diefen mehr in’s Geficht fallenden Spuren fommen nod) andere, wohin die Aufmerkfam- feit des Naturforfchers näher bien muß. Es find die roftfarbigen Linien, welche nur im Ther- malftreifen zu beobachten find, die aber in den Nifjen der Klüfte bis Hochhinauf reichen und einen Niederichlag enthalten, der nach chemifcher Unterfuhung theild aus fohlenfaurem Kalk, theild aus Eifenomydhydrat zufammengefegt ift. Man findet die gleichen Betandtheile in dem dünnen Ueberzuge, welcher die Bohrlöcher von 1680 bededtt, in größerm Maße an den natürlichen Wänden fämmtlicher Spal- ten und Höhlungen, durd) die Thermalwafler auffteigen. Bedenken wir: das Wafler muß, um jeine Tem peratur zu erhalten, 2300-2500’ niederfteigen, und doch bringt e8 aus der Tiefe in 10,000 Gewichtstheis Ten nur 2,91 fete Maffe (darin 1, fohlenfauren Kalk). Alle, feit alten Zeiten bis heute gemachten Analyfen *) Mir jehen in der Profil- Zeichnung, wie fie hernad zum Schuß der Staubauten gegen die Strömung ver- wendet worden find. Wegen einer oberhalb angebrachten Schuswehr wird nunmehr bloß leichtes Gefchich den Flug hinuntergetrieben. ARM Var betätigen die Reinheit diefes Thermalwaflers. Es hat daffelbe, jchliegen wir noch, an fryftalliniz jhen Maffen fich gemwärmt und mußte nur auf eine furze Strede Sediment-Geftein durchdringen. Weldy’ jchönes Bild fürs Menfchenleben, unfere Therme: Im Innern von Mutter Natur Blut: wärme zu finden, draußen, an freier Luft nicht eines Deutes werth trübende Niederfchläge zu zeigen ! An die Zürderiide ISugend auf das Jahr 1862. —oB0rn— Bon der Maturforfhenden Gefellfhaft. LXIV. Stüd. Bus Ba PER : ö z Zr PT EEE ER 0 Hk "N r Ueberfiht der Geologie des Kantons Bürid. Die Landfchaft, in der man aufgewachlen ift, in welcher man täglich lebt und verkehrt, er- fcheint fo jehr als etwas natürlich und nothwendig Gegebenes, daß man nicht daran denkt, ihr eine bejondere Aufmerfjamfeit zu fcehenfen. Wir bliden auf die blauen FZlüffe und Seen, die grünen Hügel und Thäler in unferer Nähe als auch etwas Gewohntes und Alltägliches und fors chen weder nad) ihrem Zufammenhange, nody nad) den Eigenthümlichkeiten, wodurd fie fich aus- zeichnen, noch endlich nach den Urfachen, denen fie ihren jegigen Charakter verdanken. Und doc bat die genauere Kenntniß der äußern Geftalt und des innern Baues eines Landes ein mehrfaches Sntereffe, nicht bloß für den denfenden Menfihen, der feine Scholle als Theil eines großen zu- fammenhängenden Ganzen und den gegenwärtigen Zuftand als eine Stufe in einem langen Entwid- fungsgange betrachtet; ebenfojehr für den reinen Praftifer, dem daran liegt, die gegebenen Naturz verhältniife auf das Vortheilhafteite auszubeuten und fich dienftbar zu machen. So möge ung denn geftattet fein, unfere jüngern Freunde etwas näher mit den Haupterjchei- nungen des heimatlichen Bodens befannt zu machen, in der Meinung, daß fie unjere furzen Andeutungen auf ihren Spaziergängen und Wanderungen weiter verfolgen, den flüchtigen Rahmen durdy eigene Beobachtungen und neuen Thatfachen weiter ausfüllen möchten. Keine Stelle in Gottes Schöpfung ift fo eng, fo arm, fo leer, daß fie nicht mehrfache Belege für die gejeßmäßige Drdnung der Natur enthalten, nicht reichen Stoff zu neuen Beobachtungen und Entdelungen darbieten jollte. Hauptabfall des Landes. — Jede gute Karte*) ftellt ein Land jo dar, wie e8 dem aus großer Höhe freifchweifenden Blicke erfcheinen müßte. UWeberfchauen wir auf diefe Weife das Ge- biet unjeres Ländchens, jo erkennen wir fofort, daß e8 weder zu den zerriffenen Felsfimmen und *) Die einzige neuere Ueberfichtsfarte ve3 Kantons Zürich ift die 1858 bei Wurfter und Comp. in Winter- tbur erfchienene, welche unter Berugung der beiten Hülfsmittel das Land im Mafftabe von 1:125000 der wahren Größe wievergibt. > Als Specialfarte läßt die auf die „neueften Vermefjungen gegründete und von der Regierung publizirte topo- graphiiche Karte des Kantons Zürich" ficher nichts zu wünfben übrig. Der große Mapftab von 1 : 25000, — 32 Blätter erfordernd, von denen 20 bereits erfchienen find, — gewährt nicht allein Naum für die Hleinften Bäche, Wege und Höfe, fondern geftattet mit Hülfe der um 10 Met. abftehenven Horizontalen eine genaue Höhenbeftimmung aller Bunfte. 1 Zu Be ausgedehnten Weiden der Boralpen anfteigt, welche dem fchneebededten Hochgebirge zum Vorwalle dienen, noch auf der andern Seite fich in weite einförmige Ebenen verliert, wie fie das nördliche Europa häufig aufweist. Seiner ganzen Ausdehnung nad) ift der Kanton Zürich ein manigfaches Hügel» oder niederes Bergland, felten von Ebenen unterbrochen, vielfach von Thälern und Thälz ben durbichnitten, in deren Grund belebende Gewäffer fließen, allenthalben dunfel bewaldet oder mit frifehem Grün überfleidet, fruchtbar und ergiebig, wie e8 zum Wohnfige eines freien und tätigen, dem Landbau und der Induftrie lebenden Völkchens eignet. Suchen wir nad allgemeinen Zügen in der Geftalt des Bodens, jo jehen wir die jämmtlichen bedeutendern Thäler mit ihren Gewäffern einem ziemlich ähnlichen Laufe folgen; ihre Richtungen fallen alle in den Winfel, den die Neuß an der weftlichen und der Rhein vor Schaffhaufen an der nördlichen Grenze mit einander bilden und der etwa 60° umfpannen mag. Es ift dieß der Fall für die aus der Thalmulde von Einfiedeln einfam herabfließende Sihl, für die mächtige Lim- mat, die alle Gewäffer des Kantons Glarus zufammenfaßt und fih in weitem Thale zu dem 9 Stunden langen See ausbreitet, für die dem Hügelland entftammenden fleinern Flüpchen der Glatt und der Töß, endlich für die wafferreichere Thur, zu deren Quellgebiet der größere Theil von Thurgau und St. Gallen, namentlich auch das Toggenburg, gehört. Alle diefe Gemwäfler und noch manche andere von geringerem Belange fliegen, auf Zürcherboden wenigftens, nahe von Südoft nad Nordweft dem Rheine und dem Jura zu, und bezeichnen damit den Hauptabfall des Bodens. Gleich wie ein großer Theil der Kantone Luzern, Aargau, Bern und Freiburg gehört der Kanton Zürich zum DVorlande des höhern Gebirges, und bildet gleichjam den legten, Tanfteften Theil feiner nordöftlichen Gefammtabdachurtg. Die Hügel und Berge. — Diefelbe unbekannte Urfache, welche den Thälern ihre Hauptz richtung anwies, hat offenbar den Höhenzüigen, welche die breite Zone zwifchen der Reuß bet Diten- bad) und dem Rheine bei Diefenhofen durchziehen, ihre Haupterftredung und ihre Geftalt vorger zeichnet. Die Hügel des Anonaueramtes, der höhere fteil abfallende Rüden des Albis, im Uetliberg auf 2917‘, im Schnabel auf 2933’ fich erhebend, die fümmtlichen breiten Höhen, welche das Lim- matthal bis Baden einfaffen und im Pfannenftiel mit 2043° culminiren, die zahlreichen Rippen im obern Glatthal, dann im nördlichen Kanton die auf 2320° und 1913° anfteigenden Nücden des Irchel und Kohlfirit, fowie die flachen Höhen zu beiden Seiten des Thurthales — alle diefe Erbes bungen theilen jämmtlich eine um Südoften bis Nordweiten jchwanfende Richtung. Mit Ausnahme des fehärfer gezeichneten Nücen des Albis und Zchel befisen fie alle lange gerundete, oft abgeftufte, oft plateauartige Formen und fanfte Abhänge, die nur in Bacheinfihnitten und Querthälern fteiler abfallen. Allerdings erjcheinen dem Auge die Böfchungen oft ftärfer anfteigend; allein es ift dieß bloße Wirkung einer perfpeftivifchen Verfürzung, da auf richtig gezeichneten Durchfhnitten die Neigung derfelben felten 12 und 15° erreicht. In zwei Gegenden von entgegengejegtem Charakter verliert fih dagegen das Gejegmäßige der mr) ARE Höhenerftrefung: Einmal in den größern Niederungen, 3. B. in der von Riedern durchfegten Fläche zwiichen Kloten, Dielftorf und Eglisau, fowie in der niedern Gegend zwifchen Trüllifon und Dießenhofen; das Bodenrelief finkt zu fchwachen, unbeftimmt gerichteten Hügeln herab. Zweitens dann in dem bergigen Raume, der von der Kette des 3783° hohen Schnebelhorns und Hörnli (3783°) an, den Bachtel (3720%) und Ullmann (3617°) einfchliegend, nad dem Srchel am heine abfällt. Im Ganzen folgt zwar auch hier das nach Weften immer mehr zertheilte Terrain, — gleich wie die im tiefem Thal fich fortwindende Töß, — der vorherrfchenden Hauptrichtung; fie fehlt dagegen den Eleinern Nebenthälern, mit ihren von Wald und Wiefen bededten Zwifchenhöhen, und wird durch eine unregelmäßige Baumverzweigung erfeßt, wie fie in größerem Mafftabe das Em- menthal in der Umgebung des Napf aufweist. Ohne Zweifel hängt das Dafein diejes Höhern, und darum um fo tiefer eingefchnittenen Bodens mit der Gegenwart der Hörnlifette zufammen, die ald Schugmauer gegen alle von dem Hochgebirge fommenden Einflüffe wirkte. Tieffte Punkte des Landes. — E3 hat Intereffe, im Gegenfag zu den höchften Punkten eines Landes, auch auf die tiefften Stellen feiner Oberfläche zu achten. Die Punfte, wo bei Ditenbad) die Neuß, bei Detweil die Limmat, vor Kaiferftul der Rhein den Zürcherboden ver- lafjen, liegen in 1283‘, in 1276‘ und 1106° über dem Meere und find die tiefften Abflußftellen des ganzen Wafferreichthums des Kantons. Sie liegen bedeutend tiefer als die auf 2157‘, auf 1803 und 1463° ftehenden Spiegel des Türler-, Pfäffifer- und Greifenfees, tiefer vermuthlich fogar al8 der Grund diefer Seen, welde, wie die am Ende fih ausdehnenden Moorebenen an- deuten, ziemlich feicht find. Anders verhält es fich mit dem Zürichfee, deffen mittlerer Wafler- jviegel (3,4° über dem Mittelpunft des Pegels beim Stadthaus) 1362° über dem Meere liegt. Durch) zahlreiche Sondirungen fennt man vollftändig das muldenförmige, im Grunde flache Beden desjelben; exit unterhalb des feichten Theiles, der fi vom Dberfee bis Männedorf und Wädens- weil ausdehnt, gräbt es fih tiefer ein und erreicht feine größte Tiefe von 475° auf der geraden Linie zwifchen Herrliberg und Thalweil. Demnach) läge der tieffte Bunft des feften Seegrundes nocy immer 886° über dem Meere und 3431° unter dem böchiten Bunfte des Schnebelhorns. Grenzgebiete. — An der Grenze des Kantons, an zwei einander gegenüberliegenden Stellen, treten Höhenzüge auf, deren Richtung und Unfehen auf abweichende Berhältniffe und andere ger ftaltende Urfachen,, als welche fih durch das übrige Hügelland geltend machten, Bindeuten. Wir meinen einerjeits die Lägern, die als langer Felsfanım in unfer Gebiet eindringt, um bei Res gensberg ohne weitere Fortjegung in die Niederung zu verfinken. Ihre von Weften nah Often laufende Richtung, ihr fcharfer, zacdiger Felsfamm, an der Hochwacht auf 2853° fih erhebend, ihre nah Süden gleichförmigen, nad) Norden felfig abgeftuften Abhänge bezeichnen diefe Kette als einen äuferften Ausläufer des Suragebirges, das in weitem nad) Nordoften fich mehr entfernendem Bogen die Hochalpen umfchlingt. — Anderfeits ftößt man zunächit der Südweftgrenze des Kantons, fowohl am Hohen-Nohnen und in der Gegend von Bäh, als jenfeits des Sees in dem Raume ae zwifchen Rüti und Bolligen auf Höhenzüge und Fleine Rüden, die alle von Weftfüdweft nach Dit- nordoft ftreichen, welche alfo nahe jenkrecht ftehen zu der im ganzen Lande vorwaltenden Richtung und parallel mit der Haupterftrekung des Hochgebirges. Dffenbar waren in diefen beiden Gegenden Urfachen thätig, die im übrigen Kanton fi nicht offenbarten. Allgemeine Bemerkungen. — Die äußere Geftalt des Landes, von der wir oben einen flüchtigen Umrig gegeben, gewinnt indeß dann erit ihre richtige Deutung, wenn man auf den innern Bau des Bodens eingeht; denn aus ihm jchöpft man eine Borftellung von der urfprüng- lien Beichaffenheit der Oberfläche und jomit von den Veränderungen, welche fie im Laufe un- befannter Zahrtaufende erlitten Hat. An dem Endrefultate diejer Veränderungen, dem Einzigen, was uns vor Augen liegt, muß fih fowohl der Einfluß der Felsarten, woraus der Boden beiteht, als die Natur der Kräfte, die ihn zerarbeiteten und umgeftalteten, erkennen laffen. Doc) beichränft fich die Belehrung, welche das geologifche Studium des Bodens verheißt, nicht auf die Entitehungs- weife unferes Hügellandes allein; es öffnet ung überdieß einen Blid in jene noch ältere Zeit, da die urfprünglihen Felsichichten fih bildeten, und, Dank der Ueberrefte, weldye fie bergen, in eine untergegangene Schöpfung, die, lange vor dem Dafein des Menfchen, die Erdoberfläche fchmüdte und belebte. Obgleich auf unbekannte Zeiten fich beziehend, ruhen demnad) die der geo- logifchen Forfhung entnommenen Borftellungen auf feiner ganz unfihern Grundlage; denn man jchließt dabei vom Bekannten auf’3 Unbefannte, von der Gegenwart auf die Vergangenheit. Die Henderungen, welche Berwitterung, Schwere, Strömungen, chemijche Kräfte u. |. f. gegenwärtig veranlafjen, fünnen von denen, die fie einit zu Stande brachten, nur dem Mafjtabe und der Fort- dauer nach, nicht aber dem Wefen nach abweichen, und ebenjowenig kann die damalige organijche Schöpfung von den Lebensbedingungen und climatifchen Einflüffen, denen fie heute unterworfen it, unabhängig gewefen fein. — Charafter der Sedimentbildungen. — Duchforfcht man das Hügelland unfers Kantons auf feiner innern Beichaffenheit, jo erfennt man, dag es, die Lägern ausgenommen, durchgehende aus Sedimentbildungen beiteht, das Werk einer mehr oder weniger weit getriebenen Ber: trümmerung, deren die Gewäfler fih bemächtigten. Theile find es manigfache Lagen von Geröllen, Grien und Sand, ähnlich denen, welche die jebigen Ströme aus dem Gebirge herabführen und in den niedern Gegenden ihres Laufes anhäufen, theils feinere Mergelfandfteine, Mergel und Mergelkalfe, wie fie ruhende Wafler als legte Stufe der Zertheilung allmälig abjegen. Gegen- wärtig charafterifiren fih jolhe Ablagerungen durch zwei Merkmale: vorerft durch eine nahe hori- zontale, nur an bejchränften Stellen ftärfer geneigte Lage, indem Schwere und Wafter ftet3 nad) einer niveauartigen Ausbreitung hinzielen; dann durch ein langjames Ausgehen und Ausfeilen der verjchiedenartigen Maffen, Folge einer nur allmäligen Veränderung der die Trümmertheile führenden Kräfte. Beide Merfmale finden fih an den Schichten unferer Hügel vollftändig wieder, Br daher über den Urfprung derfelben fein Zweifel walten fann, obgleich die Gefteine felbit fi durch eine Dichtigkeit, eine Verfittung der Theile, eine Feltigfeit auszeichnen, die den lodern und ber weglichen Strom und Seeanhäufungen der Seßtzeit gewöhnlich abgehen. Wir jagen gewöhnlich, denn an einzelnen Stellen bilden fich Heute noch durch das Eindringen falfführender Waffer, fefte dem Hammer ftarf widerftehende Sandfteine und Conglomerate. Mit Grund hat man daher jene Abweichungen der Dichtigfeit dem langen Beftehen der Maifen, dem ftarfen Drude dur) die auf: gelagerten Bildungen, einer jpätern mechanijchen oder chemifchen Ausfüllung aller Lüden in Folge durchfikernder Waller zugefchrieben. h Unterfcheidung zweier Perioden. — Da die nämlichen Felsichichten, jo weit e8 an entblößten Stellen zu erkennen möglich ift, durchgehends an den beiden Wänden eines Thales und rings an den Abhängen eines Berges in wenig abweichender Höhe zu Tage treten, fo feßen fie nahe Horizontal, nur allmälig fih ummwandelnd oder ihre Höhe verändernd, dur das ganze Land fort. Daraus folgt zweierlei: Erjtens Fünnen die Schichten ihre urfprüngliche gegenfeitige Lage nicht wejentlich verändert haben. Sind fie Hebungen oder Senfungen ausgejeßt gewefen, wie die Geologie deren aus der Vorzeit viele nachweist und jelbft die Gegenwart foldhe, z. B. an der fhwedifchen Dftfeefüfte und an der Küfte des jüdlichen Chili, Fennt, fo haben diefelben den ganzen Boden auf gleiche Weife erfaßt und weder größere Umftellungen, nody Biegungen und Brüche der Lager zur Folge gehabt. Zweitens muß die Entftehung der Thäler, fowie die Sfoltrung der Hügel und Höhenzüge eine jpätere Erfcheinung fein, welche die urjprüngliche von den hohen Punkten des Hörnli, des Albis und Srchels angedeutete Bodenflähe bis auf dag gegenwärtige tiefe ungleiche Relief ausgegraben und weggejchafft hat, eine ungeheure Zerftörung,, wenn man an den Höhen: unterjchied des tiefen Seegrundes vom Gipfel des Hörnli (2451‘) dent. Hiernad) zerfallen die geologijchen Erjiheinungen unferes Bodens auf natürliche Weije in zwei Hauptklajfen, Diejenigen, welche ji auf die urfprünglichen Bildungen und auf die in ihnen begrabene Schöpfung beziehen, und zweitens die Erfiheinungen, weldye mit der Zerftörung derfelben anheben und in abnehmendem Maßjtabe ihren oberflächlichen Einfluß bis auf die Gegenwart fort- fegen. Für einmal befchränfen wir uns auf die erjte Klaffe von Erfheinungen und verfparen Die Beiprechung der zweiten auf ein anderes Jahr. Was die wichtigften Unterfuchungen der zürcheri- Ihen Geologen über die Befchaffenheit des urfprünglichen Bodens unfers Kantons mehr oder wer niger ficher ermittelt haben, findet man auf dem beiliegenden Kärtchen eingetragen. Um dasfelbe vollitändig zu verftehen, bedarf es nur einiger Bemerkungen, theils über die allgemeinen Verhält- niffe der vorwaltenden Bildungen, theils über einzelne befonders Lehrreiche Dertlichfeiten, die wir auf einer Rundreife durch den Kanton nacheinander befuchen wollen. *) *) Am meiften Aufichlüfje über ven Kanton Zürich findet man in folgenden Werfen: Der Kanton Zürich (Gemälve ver Schweiz. 2 Bv.). Geologifches von Arn. Efcber v. d. Linth. Zürich 1844. Geologie ver Schweiz von B. Studer. 2 Bd. Bern und Zürich 1853 Unterfugungen über vas Clima und die Vegetationsverhältniffe des Tertiärlandes v. Dsw. Heer. Wint. 1860. Rue I. Die urfprünglichen Sildungen. Der Rüden des Albis. — Der Albisrüden eignet fih wegen feiner fteilen Abhänge, feiner vielen Bachrunfen, feiner Abftürze, unter denen die Faletfche durdy ihre helle Farbe an dem dunfeln Abhange von weitem in die Augen foringt, ganz vorzüglich zum Studium der obern Bildungen des urfprünglichen Bodens. Troß der Giebelgeftalt des füdlichen Theiles diejes Rüdens erkennt man an dem mittlern Theile zwifchen der Albisftrage und der Baldern deutlich, daß er der Ueberreft einer hohen Bodenfläche tft, deren Schichtenlage in Feiner Beziehung zur Thalbildung fteht und die, von den beiden langen Thälern der Sihl und Reppifch her, mehr und mehr angegriffen wurde. Gin folder Angriff eines höhern Bodens beurfundet fid) namentlich durch zwei Formen der Abhänge, die man an vielen Stellen des Albis wieder findet. Erftens durch Ausbuchtungen in Geftalt offener Hafstrichter, in denen die Trümmer des höhern Abhanges in eine enge Schludht zufammenfommen, durch welche der bei Negen fich bildende Bad) fie herausichafft und außerhalb als mehr oder weniger deutlicher Schuttfegel ausbreitet. — Zweitens gejchieht e8 an fteilen Abhängen häufig, daB Siheiben der Wand, gleichjam große Splitter, fi ablöjen und mehr oder weniger weit herabgleiten, woraus Stufen entfiehen, welche die Schichtenreihe des obern Berge theiles wiederholen. Das Profil der Faletfehe. — Bon den oberften Gipfeln des Albisrüdens hinab zum Sihfbeete fann man auf eine Höhe von 1470° folgende Hauptichichtmaffen unterfcheiden. *) 260° Gine mächtige Maffe einer unausgebildeten Nagelflue mit weißgrauem loderem Sanpiteine wechfelnd, Die Gerölle, felten von Faujtgröße, find jtreifenweife nur balbgerundet, oft feiter verfittet, oft von Lücken unterbrochen, woher der Name löcherige Nagelflue. Gie be ftehen aus Sand» und Kalkfteinen verjchiedener Art, weißen Quarzen, Falfıgen Gneißen, Graniten von gleihförmigem Korn, wenigen jehwarzen Mandelfteinen und grauen Bor- phyren u. |. w. Diefe Maffe bildet die nach 3 Seiten abfallende Felszinne des Wetliber ges, wie es jcheint auch den Gipfel des Schnabel. Bedeutende Lüde. An der Balderen und von da nad) Süden eine andere ächte Nagelflue in Linien und wenig anhaltenden Bänfen dichte Molaffe durchziehend, die alle Zwifchenräume volftändig er= füllt. Die Gerölle find vothe, ind Braune und Gelbe ziehende Sandfteine, dunfelgraue, bräunliche und gelbliche Kaffe, von erdigiplittrigem Bruch, beide jehr vorwaltend; dann fpär- licher ausgezeichnete rothe und rothbraune Hornfteine, undeutlich enttwidelte Granite mit zer feßtem Glimmer, eigenthüimfiche Granitporphhre und wahre rothe Porphyre. Wo die leßten Gerölle vorwalten, heißt man das Geftein wohl bunte Nagelflue. 280° Gine lange Folge von fandigen und mergeljandigen Schichten an der oberen Faletjhe und an der großen Albisftrape nach Riedmatt befonders gut aufgededt. Wiederholt werden - 90 *) Die Angaben über Höhe und Mächtigfeit ver Schichten beruhen nicht auf genauen Mefiungen, fondern auf Schätungen des Auges. =. = fie mergeliger mit helfen marmorirten gelblichen, bräunlichen, bläufichen und violetten Farben, der helle bunte Mergel. Mehrere ftarfe Bänke von gemeiner Molajje, maffig und wenig abgefondert. Dabin fcheinen auch die homogenen Molafjelager mit Schnüren von Nagelflue zugehören, welche man über ben Kolbenhof und Friefenberg wahrnimmt. An der Albisitraße halten diefe Lager Pflanzenabdriide, 360° Zi der untern Hälfte der Faletjche werden mergelige Schichten ganz vorwaltend. Ziwifchen den jandigen Mergeln, wohl 8 bis 9 Mal, entwicdeln. fi brödelnde oder jchiefernde bitu- mindfe Mergel, in mehrern Schichten mit Land» und Sißwajferichneden (Helix und Planorbis), an einer Stelle mit 2 oder 3 dünnen Koblenftreifen. Andere Lager werden beller und Falfiger zu einen mergeligen Süßwajferfalf. Starke Lager einer ziemlich weichen Molaffe, darunter noch eine Schicht bituminöfer Mergel. Lüde. 80‘ Weiche gemeine Molajje, oberhalb Leimbad an der reiten Sihlfeite in mehreren Brüchen al jchlechter Bauftein gebrochen. 4° Bunte und jandige Mergel. - 30 - 15 Die Unterfcheidung zweier Nagelflnearten. — In diefem Profil der obern Bildun- gen verdienen die beiden Nagelfluearten einer befondern Beachtung. Die obere fcheint dem wahren Körper des Berges fremdartig aufgefegt und fleigt mit loderen Sandfteinen an einigen Stellen wie eine äußere Verkleidung an den Abhängen herab. Ihrer Natur nach ftanımen die Gerölle zum größten Theil aus den Bor- und Hochalpen der Kantone Graubündten, Glarus, Schwyz und Uri; einige find den unterliegenden Molaffebildungen entlehnt. Berüdfichtigt man ferner das un- gleiche, löcherige, unfertige Anjehen diefer Maifen, fo wird man auf die Anfiht geführt, daß fie nicht zum urfprünglichen Boden gehören, fondern einer jüngern Zeit ihren Urfprung verdanken, als die Hauptzüge des Bodenreliefs jchon gezeichnet waren. — Anders verhält e8 fich mit der zweiten dicht im Sandftein eingebetteten Nagelflue. Sie geht, wie die Mergel und Sandfteine, durch das Innere des Berges, obgleich ihr ein ftetiges Fortfegen, wie die Geröllbänfe der heutigen Ströme, fehlt. Die Gefihiebe haben meift einen fremdartigen Charakter: die Sandfteine erinnern an den in den VBogejen verbreiteten bunten Sandftein, der die Grundlage des Jura bildet; die Kulfe, deren hellere Abarten wohl mit oberem Surafalf verglichen worden find, ftimmen mit dem Liasfalf überein, wie er mit Einjchlüffen von ähnlichem Hornjtein im Voralberg auftritt; die Granite und ‚Sranitporphyre finden fich nirgends in den nahen Alpenketten. Man hat es aljo mit Trümmern zu thun, über deren Abftammung das vorliegende Hochgebirge feinen Auffchluß gewährt und die einer verjchiedenen älteren Zeit als die Löcherige Nagelflue angehören. Die Dberfläche der Gerölle bietet noch bejondere Merkmale zur Unterfcheidung der beiden Nagelfluearten dar. Durcgeht man eine größere Zahl Gerölle der ächten Nagelflue, fo trifft man manche, welche deutliche Spuren eines fehr ftarfen Drudes tragen: einzelne derfelben find von andern zerfpalten und gleichfam zerqueticht; fie zeigen oberflächliche Rutfchflähen und gerundete u Bertiefungen ohne vorftehende Ränder, die fi genau nach benachbarten Geröllen abmodeln, welche oft felbft wieder Eindrüde tragen. Diefe Eindrüde im ganz harten Stein find eine räthfelhafte Erfheinung, da das innere Gefüge nicht gelitten hat und man nicht einfieht, was aus der fehlen- den Maffe geworden ift; fie fommen indeß einzig bei den Kalfgeröllen vor, und jcheinen daher die Wirkung eines andauernden flarfen Drudes auf eine nicht ganz widerftehende Maffe zu fein. Der löcherigen Nagelflue fehlen fie; wogegen einzelne Gerölle der Tegtern, wenigiteng auf einzelnen Punkten, oberflähliche feine und jcharfe Zurchen zeigen, auf deren Bedeutung wir fpäter fommen, welche aber nie an der wahren Nagelflue beobachtet wurden. Das Profil des Mathales. — Zur Fortlegung der Schichtenfolge muß man wegen Manz gel an Anbrüchen bis an den Abhang wandern, welcher, vom Aabach tief eingejchnitten, von Boden bis zu dem dur) feine Braunfohlen befannten Käpfnach und zum See herabfteigt. Die Höhen über Boden beftehen alle aus Maffen, deren abweichende Lagerung und veränderliche Befchaffenheit auf ein jüngeres Alter Hinweifen. Unterhalb beobachtet man auf einer Höhe von 600° folgende von Lüden unterbrochene Schichtenreihe: 120° Sm Waldabhang Spuren von gemeiner Mergelmolaffe und hellerm Mergel. Lücde, Gemeine und helle Mtolaffe. 42° Auf der Horger-Allmend, an der Straße zur Horgeregg und jenfeits am Weg von Nüti nad Mittelort wird ein heller mergeliger Süßwafferfalf zum Brennen ausgebeutet, der zwifchen einem MWechfel fandiger und bunter heller Mergel eingelagert ift. Der Kalk it fnaurig abgefondert, in den einen Brüchen in zwei Lager zertheilt, in einem anderen ober- flächlich wie zerfrejfen von Fiefeligen Durchfeßungen. 8’ Schiefrige und mergelige Miolafie. Lücke, 30° Homogene Mofaffelager, im Aathal am Abhange hinfaufend md vermuthlih den Schluß einer fandig= mergeligen Schichtenmajje bildend. 37° Eine Folge mergeliger und fchiefriger Schichten mit nicht fowohl bunten als grauen und bläulichen Farben. Eine Kleine Schicht enthält ecige Stückchen eines gelben auswitternden Mergels. Dazwiichen fandige Schiefer. Nah unten eine Schicht dunfeln brödeligen Wtergelz, das taube Flödz. Am Schluffe ein jehr veränderliches Lager emer auffallend weißen Mio- Yaffe, das Dach des Kohlenflözes. 6—8' Das Kohlenflöz nimmt den obern Theil einer Mergelmafje ein und beiteht aus Fleinen Lagern von glänzender Braunfohle und jchwarzem Mergelichiefer. In dem einen Theil der Grube ftreicht zwifchen der Kohle ein dünnes Lager von gelbem Stinffalt mit Eleinen PBalu- dinen. Anderswo fieht man unter dem Dache von Sandftein eine ungleiche jchwarze thonerdige Schicht, welche Pflanzen und Mufchelrefte, namentlich aber Knochen und Zähne grogßer Mammiferen geliefert hat.”) *) Die folgenven nähern Angaben über vie Gruben von Käpfnach find theild vem „Regierungsräthlichen Be- richte für 1860”, theils authentifchen Mittheilungen,, die nicht veröffentlicht find, entnommen. Di 60° Unter dem Flöz im Bach folgt gemeine und halbjchiefrige Molaffe; dazwifchen mergelige wenig bunte Zwifchenfchichten. Diefe Maffe, ftellenweife Broden gelben Mergel3 in bläufichen Mergeneitern enthaltend, wird in einem Bruch an der Seejtraße zu Bruchfteinen gebrochen. Das Kohlenflöz. — Vergleicht man an verfchiedenen Stellen der Gruben das Profil des die Kohle Haltenden Flözes, jo überzeugt man fih, daß dasfelbe eine jehr veränderliche Beichaf- fenheit hat. Beiipielsweife wollen wir die einzelnen Schichten herjegen, die in zwei Profilen unter dem Sandftein des Dacjes beobachtet wurden. Staatögrube Stollen I. Ginsberger Grube. 30" Mergelichiefer. 2”,0 Schwarzer Mergeljchiefer. 2° Fohlige Schiefer. 0,5 Dachkohle. 6” gute Kohle, 1,0 jchwarzer Mergelichiefer. 2” Fohlige Schiefer. 1,0 Koble, 2° jchiefriger Mergel. 5,0 jandiger Schiefer, Schramm. 6“ gute Kohle, 2,0 jchiwarzer Mergelichiefer. 30" Mergelichiefer. 1,5 Kohle. 2,5 jchiwarzer Mergelichiefer. Sn dem eriten Profil Hat das ganze Flöz eine Stärfe von 18”, die Kohle von 12; in dem ’ zweiten 15,6 und 3”,0.- Sm Mittel von 10 verfchiedenen Profilen des Ginsberger Stollens jeßt fi) das Flöz zufammen aus Reine Kohle . » . . 5,76 oder 35,53 Procent; Sandige graue Schiefer 4,55 „ 36,39 Bitumindfe Schiefer . 5,90 „28,08 Zufammen 1621 ,„ 100,00 Das Kohlenflöz, das vom See, hinter Horgen, fanft anfteigt, läuft erft an ver linfen Wand des Nathales hin, ihneidet defien Boden 144’ über dem See, und läßt fi dann wieder auf der rechten Thalwand verfolgen. Abgebaut wird gegenwärtig das Flöz: 1) vom Staate in 3 anftoßenden Nevieren, deren abgebaute Gefammtfläche 60 Jucharten beträgt, und die mittelft vreier Hauptftollen befahren werden; 2) auf ver rechten Nafeite durch eine den Serren Streuli und Ginsberg concevirte Grube, die ein Grubenfeld von 27777 Eubifflafter umfaßt. Die Mundöffnung des Stollens III ver Staatögrube liegt 37,41 über dem See; die gemeinfame Deffnung der Stollen I und 1I 82,73, die des Ginsberger Stollens 142,68. Der größte horizontale Durchmefjer des abgebauten Theiles der Staatögrube von der Deffnung III bit zur Deffnung ves Wetterftollens im Aathal beträgt 2760”. Im Jahre 1860 arbeiteten 88 Mann: 1 Oberfteiger, 1 Steiger, 51 Kohlenhauer, 18 Vörberer, 15 Klauber, 2 Taglöhner. Es wurden 487410 Gubikklafter abgebaut, die 124390 Gtnr. Kohlen Tieferten (109221 qute Stüdfohle und 15169 Koblenkfein), aljo 253/4 Etnr. per Klafter, was einer Mächtigkeit ver Kohle von 8/4" entipricht. Die 124390 Etnr. guter Kohlen haben gleichen Heizwerth mit 6700 Klafter Navelholz (von 108 Eub.-Fuf) oder 270000 Ernr, Schie- ferfohlen , oder 70000 Gtnr. wahre Steinkohle. Der Reingewinn des Staates betrug 10807,96 Frf. In der Ginsbergergrube wurden 1860 558 Gubikflafter abgebaut, die 8571 Gtnr. (7179 Stüdfohle, 1392 Rein- tohle) Tieferten oder 15,35 Etnr. per Klafter, beveutend weniger als in ver Staatsgrube. 2 Fa ee Dabei variirt die Zahl der Kohlenfchichten von 2 bis 5; und ihre Mächtigfeit von 3",0 auf 12“, Ebenfo ändert fi ihre Entfernung, und nicht weniger ihre Natur, von einer reinen Glanzkohle bis in eine erdige dünnfchtefrige Kohle mit Blättern zerdrüdter Planorben. Die homogene Glanz fohle wird von ebenen AUbfonderungen durchfekt, die fich mit einem Blättchen von Spath oder von Schwefelfies, vermuthlich das Produkt der Zerfegung eines fchwefelfauren Salzes (Eifenvitriol) durch die Kohle belegt. Diefer Sıhwefelgehalt, beim Verbrennen das Eifen angreifend, jchadet der Benugung der fonft guten, nur etwas fchladenreihen Kohle zu gewiffen Zmeden. Die Süfwafferbildung des weftlichen Kantonstheiles. — So weit der Bau in den Boden vordringt, zeigen die Schichten eine faft ebene Erftrefung mit einem gleichmäßigen nördlichen Fallen von 2° bis 3%, wodurch es geichieht, daß das Flöz etwas nördlicher unter den Seejpiegel einfchneidet und die Mundöffnung des neuften Stollens IH. tiefer angelegt werden fonnte. Den Beweis für das regelmäßige Fortfegen des Flözes durch) die ganze Maffe der Hor- geregg liefert deifen Wiedererfcheinen nahe auf der nämlichen Schichtenebene, jenfeits im Sihl- thal, in dem Fleinen Graben von Steinfratten (1860°), wie es fcheint mit ganz ähnlicher Beichaftenheit wie bei Kipfnac. Vielleicht find auch die fchwarzen Mergel mit Helix und Planorbis, die beim Schweithof, unweit der Sihlbrüde, unter Sandftein zu Tage fommen, dem gleichen Niveau unterzuordnen. Bei ihrem nördlichen Cinfallen gehen diefe Echichten ver- muthlic) unter dem Profil bei Leimbach durch, dejfen unterer lacuftrifcher Theil, gleich wie das Borfommen von Süßwaflermergeln mit dünnen Kohlenfchichten über Adlifchweil, der Bildung der HorgersAllmend entiprechend, Höher läge. E$ fiheinen in diefer ganzen Gegend zwei län: gere Perioden geherricht zu haben, in welchen die Nuhe der Gewäffer die Entwicklung des orga- nijchen Zebeng geftattete; die jüngere, in der Faletfche und der Horger-Allmend bloßgelegt, fhuf, neben einer mehrfachen Wiederholung von Mergel mit unbedeutenden Kohlenftreifen, vor= züglich mergelige Süßwafferfalfe; die ältere, erft in Käpfnadh und im Steinfratten fichtbar auftauchend, zeichnete fich durch größeren Kohlenreihthum und ein Zurüdtreten des Kalfes aus. Freilich fehlt e8 an beftimmten Beweifen für die Beftändigfeit diefer Merkmale. In dem ganzen Hügelland jenfeitS der Albisfette fehlt es an ausgedehnten Unbrüchen und daher an Mitteln, die da und dort entdeckten lacuftrifhen Spuren in Berbindung zu feßen. Die Mergel mit Helix und Planorbis, die an der Baarburg, und von Kohlentheilen gefärbt bei Heifch, unweit Haufen, gefunden werden, fcheinen dem höhern Süfßwafferniveau von Adli- Ihmeil und der Faletfche zuzugehören. Dadurch wird es wahrfcheinlich, daß die 8-10” ftarfen fohligen Schiefer des Heugfter- und Mühleberges (beim Niethof), längs des Reppifch- thales, auf welche in älterer Zeit wenig erfolgreiche Bauverfuche unternommen wurden, gleichfalls eine Fortjegung desfelben find. Aehnlihe Spuren wiederholen fih am Hügel über Reppiich- thal, im Häderli, eine halbe Stunde nordweitlih von Birmenftorf, und im Tierlitobel; vermuthlich find auch die Spuren lacuftrifher Mergel auf der Stufe des Egelfees am Hajen- Pr: RR berg dahin zu zählen. Dann freilich müßte das Flöz, das eine Zeit lang unweit Spreitenbad in 2— 6“ ftarfen Schichten zwifchem jehwarzem Schiefer abgebaut wurde, feiner tiefern Lage wer gen eher der Käpfnacherbildung gleichgeftellt werden.*) Die Bildungen bei Wädensweil. — Kehren wir zu dem füdlichen Theile des Sees zurück, um wo möglic die Schichtenfolge, deren Anfang die Faletfche und deren Fort fegung das Aathal offen legte, noch durch ältere Glieder zu vervollftändigen. Leider befteht die ganze Gegend von Käpfnah bis Wädensweil aus bebauten Abhängen, die nur in wenigen beichränften Bacheirfchnitten anftehenden Fels entdeden laffen. Zudem fchneidet die Strafe ziemlich fehief durch die fanft NNW fallenden Lager, jo dag man ftets in ähnlichen Sandfteinen und Sand- fhtefern, wie die bei Käpfnacı erwähnten, bleibt. Die Anbrüche hinter den erften Häufern von MWädensweil entblößen endlich eben: 20’ wechleinde und auslaufende Bänke ächter Nagelflue zwifchen halbfeiter Molaffe. 45‘ gemeine und fehiefrige Molaffe, mit bläulichen mergeligen Nejtern unter der Nagelflue. 6° bunte helle und Inollig=Falfige Mexgel. Bon Wädensweil nah Richtersweil verjchwinden vollends alle Spuren des innern Bos dens unter jüngern Bildungen. Die malerifhen Ruinen von Altfehloß und die jenfeits des Einfhnittes des Niedbaches befindliche Eihmühle ftehen auf rauhen, fchichtweife auggewitterten Nagelfluefelfen, wohl von 60 Zus Mächtigfeit. Doch läßt die löcherige Struktur, die Natur und unvollfommene Abrundung der Gerölle, die Abwefenheit aller Eindrüde bald erkennen, daß man bier feine wahre, Tondgpn eine löcherige Nagelflue, ähnlich derjenigen der Albisfuppen, vor Augen habe. Die richtige Deutung der löcherigen Nagelflue war ein wichtiger Fortfchritt in dem Ver: ftändniß der Geologie unjers Kantons, denn ihre an fein Niveau gebundenes Auftreten, bald auf der Höhe, bald in der Tiefe des Bodenreliefs, fpottete jeder Einordnung und hinderte die Feftftel- lung der Schichtenfolge der Molaffebildung. Ginmal mit diefem anomalen Auftreten vertraut, wird man faum anftehen, auch das Gonglomerat und den Sandftein der ifolirten Au =» Halbinfel der gleichen Klaffe jüngerer Bildungen beizuzählen. Die aufgerichteten Lager von Bäch. — Weiter nad) Süden wandernd ftößt man in den Steinbrüdhen von Bäch, befannt für die vortrefflichen Platten und Lagerquadern, die fie liefern, auf anftehenden Zeld und betritt zugleich das früher erwähnte Gebiet, in welchem alle Höhenzüge eine Richtung von WSW nad) ONO annehmen. Die Bächenau, die beiden Snfeln der Ufenau und Lüselau, der Schloßhügel von Rappersweil bezeichnen einen erften, der Höhenzug von Wollrau nah Sreienbad, der jenfeit3 in dem Hügel der Kirche von Jona fortfegt, einen zwei- ten folhen Rüden. Dffenbar hängt das VBorwalten diefer dem Streichen der Schichten entiprechenden ’ *) Die Angaben über da3 Borfommen ver Braunfohle find meift dem „Berichte über bie Berritungen ver phroteßpnifchen Gejellichaft. Zürich 1840" enthoben. are Richtung von der auf 45° bis 50° anfteigenden Aufrichtung der Lager ab; die widerftehenden fefteren Maffen bilden die Rüden, die weicheren veranlaßen die Thälchen. Das nördliche Fallen, bis Wädensweil nur fhwah, nimmt bei Bäd farf zu und erreicht etwas füdlicher, auf einer Linie, die von Feufisberg, zwifchen Pfäffifon und Liedweil dur, gegen Heilige Kreuz hinter Uznad) gerichtet ift, die vertifale Stellung. Nun beginnt giebelartig, oder umger fehrt fächerförmig, ein füdliches Fallen, das auf einer zweiten parallelen Linie, von Altendorf nah Kaltbrunn gehend, bald wieder durdy’s Horizontale in’s nördliche umfchlägt, um einen neuen Giebel zu bilden, dejjen füdlicher Abfall, die mächtigen Nagelflueberge des Nigi, Noß- berges und Speeres umfaffend, bis zu der erften eigentlichen Alpenfette reicht, die, obgleich älter, fich fcheinbar Darüber Lehnt.*) Wie nachgewiefen worden, haben die beiden Anticlinal- oder Giebellinien, getrennt durd) die dazwifchenliegende Synelinal- oder Muldenlinie, die eine wenigiteng, eine jehr weite Erftredung längs der alpinifchen Borberge und beweifen, da die Schichten jo unmöglich entitehen fonnten, daß gewaltfame Hebungen und Zufammenfhiebungen, vermuthlich fogar in die Tiefe reichende Zerreigungen, den Molaffeboden zerrütteten: Bewegungen, die mit der Haupterftvedung der Alpenfette und ihren neueften Hebungen in Beziehung ftehen müffen. Die marine Bildung vor Bäch. — Kehren wir aber zu den Brücen von Bäch zu: rüd, deren Gefteine von allen denen der bisherigen Schichtenfolge bedeutend abweichen. Von den eriten Brüchen im Norden, den Heinen Rüden hinanfteigend und gegen Fretenbac hinabgehend, - beobachtet man mit einer Mächtigfeit von etwa 250° die folgenden Schichten: 40° die Plattenfandfteine der Außern Brüche. 100° Lücke 15° Sanpfteine in welligen Platten von 42 — 2” Dide. 8° gelbliche Schiefermergel, Yo” dünne Lagen; auch jandig. Lüde. 20° unregelmäßig plattiger Sanpftein. 410° Sandfteinplatten von Y— 1’, mit Mergeßwifchenlagen. 4‘ feiner Sandftein, grüne Pünktchen, Ähnlich dem fogenannten Mufchelfanditein. 2° maflige Sandfteinihicht. Rüde. 15° Bruchfteinplatten, mit oberflächlichen Ablofungen. 10° Schöne Sandfteinplatten. 6° Platten zu Bruchfteinen, mergelige Ablofungen. 2° Graulihe Mergel und Sandfteine. Wellige Schiätflähen, graulihe Körner. Mufchelreite von Cardium , Ostrea, Trochus. *) Ueber viefe Stellungsverhältniffe ver Schiegten gibt ver Auffag des Herrn Prof. Kaufmann: „Unterfuhungen über vie mittel= und oftfchweizeriiche jubalpine Molaffe“ (Denkiepr. der fehweiz. naturf. Gefellichaft. 1860) vie voll- fändigften Aufichlüffe. 1° Lager von Sanbftein. 7/2’ Sandjtein und gelbgraue Mergel wechjehrd. 10° Lüde, 4° maffiger Sanbdfteinn. Diejfe Sandjteine find vorerft weit dichter und fefter, an Farbe weniger im’s Gelbliche und Bräunliche, mehr in’s Bläuliche und Grünliche ziehend, als es bisher der Fall war. Man fönnte eritered dem Drude bei der Aufrichtung, legteres einer geringern atmofphärifhen Einwirkung zur Umwandlung des Eifenoryduls in Drydhydrat zufchreiben, kämen nicht weit wefentlichere Unterjchiede hinzu. Statt zus und abnehmender, in einander greifender, wechjelnder Bänke, wie die jämmtlichen höhern Sandftein- und Nagelfluelager, als Zeichen einer Ablagerung von ftrö- menden hinz und herichweifenden Gewäflern, fie darbieten, fieht man hier regelmäßigit fortfegende . Schichten und Bänfe von wenigen Zollen mit der Ebenheit eines Tifches auf 25 Fuß und mehr anhalten. Dft ift die Dberfläche vollfommen rein, mit plattliegenden Glimmerblättchen befäet, oder wie in einer Richtung gefegt; oft runzelt fie fich zu Eleinen Wellenlinien, in deren Bertie fungen Kohlentheilhen fich fammeln; oft erjcheint fie von unebenen runden Fleden überfireut, die man ald Wirkungen von NRegentropfen oder von zerplagten Schlammblafen gedeutet hat; oft endlich bedeckt fie fich mit unbeftimmt geftalteten warzigen Erhöhungen, von denen einzelne wegen ihrer linearen Anordnung an die Fährten eines Eleinen Thieres erinnern, während andere mehr von weichen organifchen Theilen herzurühren fcheinen. Man glaubt einen fandigen Meeres- ffrand vor fich zu haben, den die ermatteten Wellen allmälig erhöhten und hier und da mit or= ganischen Theilen befäeten. Und dieg beftätigt fich durch eine andere entfcheidende Thatfache, das Vorkommen bejtinmmt marinifcher Mufcheln, freilih in Eleiner Zahl, in einer der vorgenannten Schichten, nahe dem Kamme des Nüdens. Während die ganze höhere Schichtenfolge, bis auf die Höhe des Albis, ausihlieglich terreftrifche und lacuftrifche Produkte bot, tritt nun plöglich eine Meeresbildung auf, die wejentlich verfchiedene Naturverhältniffe vorausfegt. Db das Thäldhen, das Hinter dem Nücen der Steinbrüche gegen den Hüttenfee fortjegt und eine weichere Bildung verräth, marinifcher Natur ift, läßt fich nirgends entdeden; die Ge- genwart großer Palmaciten auf den Platten von Bäch felbit beweist immerhin die Nähe von Land. Dagegen hat das marine Schichtenniveau auf der Nichtung des Streichens eine größere Ausdehnung. Genau auf gleicher Richtung wurden im Winfel, wo die Sihl nad) Norden fi wendet, zwijchen Buchmatt und Finfterfee, Sandplatten gleich) denen von Bäch gefunden; und ebenjo hat öftlich, wieder auf der gleichen Linie, der Eleine Hügelzug der Kirche von Jona, nad) dem Pfarrhaufe Hin, eine Mergellage mit Turritella, Corbula u. . f. dargeboten, die man indeg im nahen Eijenbahndurchfchnitt, wo unter 35° Neigung quarzreiche und falfarme Nagelflue auf fcharfgeichichteten Sandfteinen ruht, vergeblich jucht: Noch weiter nach Weiten und Diten, immer im Gebiete der erften Schichtenaufrichtung und auf dem gleichen geologifchen Niveau, ges “ ur PREH . E langt man einerjeits nah Luzern, anderfeits nah St. Gallen, beides Gegenden, wo eine ungemein reiche marine Zauna, umfchlofien von grauen Mergeln, begleitet von plattigen Sand- fteinen und bededt oder unterbrochen von Nagelflue, zum VBorfchein fömmt. Die tieferen Süßwajjerbildungen. — E$ verdrängen diefe Thatfachen jeden Gedanken an eine locale oder anomale Bildung bei Bädh. Merfwürdig aber bleibt die relativ geringe Mäch- tigkeit der Meeresbildung; denn der HohesRohnen, dejfen oberer Theil bunte Nagelflue aufweist, gleich wie der Hügelzug von Bolligen, mit feinen weißen, groben und feften Sanödftei= nen, find fihon wieder durch mannigfache Blätterabdrüde und Fächerpalmen befannt; und ebenfo haben die weiter folgenden Mergel, Sandfteine und Nagelfluemaffen der zerrütteten fubalpinen Zone, theilweije tiefern Lagern zugehörend, nur feltene Spuren terreftrifchen und lacuftrifchen, nie aber marinen Urjprunges aufgewiefen. Den Charakter diejer tiefern Süßwaflerbildung beweist am voll fändigften das an Blattabdrücen fehrreiche Kohlenflöz, das von Hintertann (Kant. Zug) her durch die jüdlichfte Ede des Kantons Zürich nach der Hütten-Egg ftreicht und außen auf den End: punkten, in den Gruben von Greith, zum Wurf und im Sporen, mehr oder weniger anhaltend, abgebaut worden ift. Die Schichten, bereits jenfeits der erften Giebellinie liegend, haben ein füdliches Zallen von 26 -— 28° und zeigen im Graben der HüttenzEgg von oben nad unten folgendes Profil: 6‘ PBlattiger feiter Sandftein. 8° Lücfe durch Schutt. 11° Fefter Sandftein. 1’ Mergeliger Sandftein und jandiger Schiefermergel. 1° Feite Sandfteinbanf. 6’ Blaugrauer Schiefermergel ohne Pflanzen mit einzelnen 1 diden Kohlenjtreifchen, die früher bi5 3° betrugen und Nefte von Mammiferen enthalten haben follen. 4° Bitumindfer, dunkler Kalkfchiefer mit Eleinen Planorben; grau anwitternd. a" Kohle, 6° Feite Sanditeine, oben wellige Oberfläche; dazwifchen etwas Nagelflue. 4 Wechfel von Sandftein und Nagelflue, aus Granit, Gneif, Quarz, Porpbyr, aber Feine Kalfjteine, von Nußgröße. Die Mergel von Greith waren die reichften an Blattabdrücken, während die andern Anbrüche deren nur wenige lieferten. Das Profil von Jona nah NRüti. — Bon Jona hinauf nah Rüti bat die Eifen- bahn eine Menge Einfchnitte nöthig gemacht, welche für die Kenntniß der auf der marinen Bil- dung liegenden Schichtmaffe von um fo größerer Wichtigkeit find, als fie die Lüce des jenfeiti- gen Profils bei Richtersweil, wo Feine Beobadhıtungen möglid; waren, ausfüllen. Unmittelbar auf den Hügel der Jonenfirche folgt zuerft eine Unterbrechung dur die Thalbildung und durd) jüngere Maffen, jo daß man erft jenfeits der Brüde, zuerft in das Streichen, nachher in den Querfhnitt der Molaffebildung tritt.) Bis zum Tunnel bei Ferrah hinauf durhfchneidet man * a m: nicht weniger als 4 Eleine mit Wald befegte Rüden, die, von entiprechenden Thälchen geichieden, dem Streihen der Schichten folgen. Das Fallen bei Jona 35° nimmt ganz allmälig bie 5° und 6° ab, wie man es überhaupt auf der ganzen Zone der erften Schichtenaufrichtung beobachtet. Die Nüden beftehen aus feftern Nagelfluemaffen, eine Verbindung bald Fleinerer, bald größerer, mit Gindrücfen verjehener Gerölle durch Halbfefte Molaffe; fie wechleln mit Streifen und Lagern von Sandftein und enthalten an der Trennung einzelne Nefter von glänzender Braunfohle. Biermal Hinwieder am Rande der Thälhen, die meift einen moorigen Grund haben, fieht man unter o®er iber den Sandfteins und Nagelfluemaffen Lager heller Mergel und Fnaurigen, zu ans Haltenden Bänfen fih verbindenden Mergelfalfes, der auf mehren Punkten ald Wetterfalf gewonnen wird, zu Tage fommen. Schnedenfpuren find felten, dennoch Fann über die lacuftrifche Natur diefer Kalfe Fein Zweifel walten. In diefem Profile, das nach Länge und Neigung zu urtheilen,, eine Mächtigfeit von 12— 1400“ und mehr betragen muß, haben aljo 4 Mal ruhigere Niederichläge Raum gefunden, und wurden ebenfo oft durch Stromeinbrühe mit Sand und Ge vöflen überdedt, wobei allerdings, im Gegenfab zur Mächtigkeit der betreffenden Maffen, jene Zeiten der Nuhe lange, diefe der Bewegung relativ furze fein mochten. Bon Bubikon über Hombredhtifon nah Langenried auf Feldbach Herabfteigend zäplt man 5 Wiederholungen von Mergeln und Kalfen;, ‚getrennt dur Sandfteine und Nagel- fluemaffen. Das oberfte Lager feheint höher zu liegen als die Süßwafferfalfe des Eijenbafnprofils und fcheint als das oberflächlichfte in der Gegend von Rüti und Bubifon am öfterften abgebaut zu werden. Diejer Maffe, wenn nicht einer noch höhern, dürften aud) die mergeligen und Falfigen Lager angehören, die als Theile eines ziemlich verbreiteten Niveaus nördlicher zu Tage fommen. So bei Ringweil, im Nordoften von Hinweil, bei Balm über Wesifon, bei Adetichweil, bei KRilbbühl, endlih bei Schönau, in der Gegend von Hittnauu. 1. f. Die Nagelilue von Hüllenftein. — Bejondere Erwähnung verdient aus der Gegend von Rüti eine eigenthümliche Nagelflue, die bei Hüllenftein, ihrer großen Härte wegen, zu Wehrfteinen, Schwellen, Brunnentrögen verarbeitet wird. Sie befteht faft ganz aus wenig geruns deten, oft edigen Stüden jchwarzen Kalfes, mit wenigen Quarzgeröllen, breccienartig zufammens gefittet. Man kann dieie fchon über Feldbach beginnende Nagelflue, die von den Steinfchneidern in Züri Appenzeller- Granit genannt wird, auf Richtung der Höhenzüge, bei Laupen und hinter dem Schnebelhorn dur bis Herisau und weiter, als zufammenhängenden Streifen verfolgen. Daß fie wirklich zur Molafje und nicht zu den jüngern Bildungen gehört, beweist ihre Ueberlagerung weftlih von Ferrah durd ein ftarfes Lager Süpwafferfalf und Mergelichichten mit Heliceen und Planorben, fowie das Vorfommen von Eindrüden an den Kalfftüden. Sie im Eifenprofil, wo fie nothwendig durchichnitten wird, nicht wieder zu finden, ift allerdings auffallend ; doch Fann fie ftellenweije loderer fein und eben der Schichtenmaffe entiprechen, die unter der Aus- maurung des Tunnel verborgen if. - Ze Die Höhen der rechten Seefeite. — Mit der Gegend von Bubifon beginnen die breiten Höhenzlige, welche die rechte Seite de3 See- und Limmatthales bilden. Von Feldbadı bis Zürich follte fich das ganze Schichtenprofil von Wädenfchweil über Käpfnad) nad) der Faletiche wiederholen; allein die Spärlichfeit und Beichränftheit der entblößten Stellen verhin- dert jede fihere und vollftändige Vergleihung. Die Sandftein- und Nagelfiuebänder bei Schir- menfee, Stäfa und Uetifon fiheinen mit den Wädenfchweilerlagern parallel zu gehen- Ein erdiger Süßwafferfalf, der über Meilen zu Wetterfalk gebrochen wird, fowie der bituminöfe Mergel mit Helix und Planorbis im Erlenbachtobel, können bei dem jchwachen nördlichen Fallen dem ähnlichen der Horger-Allmend gleich geftellt werden. Deolaffe mit bunten Mergeln fommt bei Herrliberg, der Schipfu. 1. f. vor und enthält, in leßtern wenigfteng, nicht jelten undeutliche Kerne von Helix. Eine von Schaaltrümmern (Planorben und Limneen) durchwirkte Bank von Falfig bituminöfem Mergel fest unter der Eierbrecdht durch das Stödentobel, über: det von einer langen Folge von gemeiner und fchiefriger Molaffe und bunten Mergeln. Aud) der Tunnel von Derlifon hat nur gemeine und mergelige Molaffe, fowie Mergel mit terreftri- hen und lacuftrifchen Spuren zu Tage gefördert. Die vollftändigite Kenntniß diefer Maffen gewinnt man jedodh aus den vier fleinen anfteigend aufeinanderfolgenden Anbrüchen der Ziegelei Hinter Shwamendingen. Bon unten nad) oben beobachtet man: 16° weiche Molafie. Lüde, 4° heller Süpwafferfalf, zum Brennen abgebaut. 411° Wechfel von dunkeln und fandigen bunten Mergeln mit Schaaltritmmern von Limneen, Heliceen, Melanien, Baludinen. Lüde, 40° Gemeine und weiche Molajie, 7‘ Wechjel dunkler und bunter Mergel. 42° Weihe Mofaffe. Bermuthlich Hat man Hier die untern Maffen der Faletfche vor Augen, aus denen aljo die Bafis der nördlichen Höhenzlige zwifchen Limmat und Glattthal beftehen. Die höhere Schichten- folge ermangelt befonderer Merkmale bis auf die Baldernnagelflue, die fih in mehrern Geröll- lagern der For und des Bfannenftils wieder findet. Anders verhält e8 fih mit den niedern Höhen, welche das Glatt- und dag Kemptthal trennen. Bon dem Aathale oberhalb Ufter in ihrer Breite durchfchnitten, beftehen fie größten- tHeils aus einer mächtigen, wohl 400 Zuß ftarken Sand» und Geröllablagerung von loderer und löcheriger Befchaffenheit, fagenweife fefter zufammengefittet, über deren jüngere Natur man gegen- wärtig unmöglich im Zweifel fein fann. Sie paßt auch nirgends in unjere, ziemlich vollftändig feftgeftellte Schihtenfolge. Immerhin Hat fie eine bedeutende Verbreitung über alle Höhen diefer Gegend, bis Seebad, deffen Bruch dazu gehört, und no) weiter hin. Pan Die Schichtenfolge der Hörnlifette. — Zur Prüfung der Bergmaife des Hörnli und des höhern von ihr nad dem Jrchel abfallenden Bodens muß man fih an das tief einge Ichnittene Thal Halten, das, durchfloifen vonder 'obern Sonen und andererjeits vonder Töf, faft eben von Wald über Fifhenthal, Bauma und Wila nah Turbenthal führt Bei Lip: perfchwendi liegt der Thalgrund 1443° unter dem Hörnlifignal, was ungefähr die Mächtige feit der: bier. aufgejchloffenen Schichtenmaffe ift, da, fi die Lagerung, entfernter von der Linie der Aufrichtung, dem Horizontalent nähert. Der uriprüngliche Boden diefer Gegenden ift weniger vollftändig zerftört und weggeführt: als im Limmatthal, doc) hat er nur in’ einzelnen Gipfeln jeine Höhe bewahrt und ftellt ein Gerippe: von Bergrüden zwifchen tief eingegrabenen Thälern dar, deren Nichtung Feine: Beziehung zur Lagerung zeigt. "An den Abhängen und durdy die Nebenthälchen hinauf hat man vielfach Gelegenheit, freilich nirgends ofne bedeutende Lücken, die Sihichtenfolge zu unterfuchen. Da immer ähnliche Gefteine und mit ähnlichem Wechjel zu Tage treten, jo mögen beifpielsweife zwei folche Profile genügen, das eine vom Hörnligipfel (3783*) über die Stufe von Sternenberg (3090°) hinab nah Bauma (2123°); das andere nördlicher vom Habergfopf bei Sigberg (2850°) hinab nad Wila (1900). Profil von Hörnli - Baumas Profil von Sigberg - Wila, (1660 umpfufjend.) (920° umfaffenv.) 550° Lüden und Nagelflue. 180° Lüden und Nagelfiue (Habergkopf). 50° Nagelflue. 30° Nagelflue. 20° Sandige Mergel. 20° Sanpftein, fnaurig. 50° Nagelflue. 50° Nagelflıe, 25° Mergel, belle, mit Troll. Kalf. 100° Mergelund Sandftein mit Kalflager (Helix, Bulim.) 50° Iagelflue (Sternenberg). 40° Nagelflue, 40° Gelblicher Mergel (Helix, Bulim.) Lüde, 80’ Vagelflue. 65° Nagelflue (Breiten = Landenberg). 30° Bunter Mergelu. Süßwafjerfalf(Schindlet.) 80’ Liidke, 35° Nagelfhue. 30° Sandftein und Mergel, 15° Mergel und Enoll. Kalt, 12° Mergel und Enoll. Ralf. - Lüde, 10° Nagelflue, 3’ Mergel und Mergelfalf, Mergel und Lüde, 50° Sanpjtein und. Nagelflue. 24° Bituminöfer Mergel mit Helix, Wetterfalf, 80’ Mergel und Sanpfteine, 35° Nagelflue mit Sandmergeln. (Die Lücken betragen 280°.) 10° Sandftein und bumte Mergel. (Die Lücken betragen 200°) Die Berhältnifje der Nagelilue. — Was dieje Schichtenfolge vor derjenigen des Albis und von Käpfnach, mit welher fie, nad ihrer Entfernung von der marinen Bildung zu urtheilen, gleichen Alters fein muß, auszeichnet, ift die Einfhiebung zahlreicher und mächtiger _ Sandfteins und Nagelfluemaffen zwifchen die dünnern Lager lacuftrifcher Mergel und Kalfe., An den heutigen Stromablagerungen dient die Größe der Gerölle ala Mapitab für die Gejchwindigfeit 3 ep. der Strömung. Daher fünden die wachlenden Dimenfionen der Gefchiebe und die wachiende Zahl ihrer Bänfe die Annäherung zu dem Stammorte derjelben an oder wenigitens zu der Gegend hin, aus der fie fih in die Niederungen ergoffen. Entfernter von diejer Gegend treiben die mehr aus: gebreiteten langjameren Gewäfler nur noch Grien und Sand und nocd weiter mır Staub noch), deffen Anhäufungen fich mit den Niederfchlägen des ganz ruhigen Waffers vermifchen. Eben foldhe Berhältniffe ftelen im Großen die Trümmeranhäufungen unfers Kantons dar, wenn man die Hörnlifette, gleichfam das Vorwerk der noch mächtigeren Nagelfluefette des Speer (6520), als die Gegend anfieht, durch welche die Hauptverbreitung der Gefchiebe über das Land einbrach. Sn dem weftlichen Albisprofile bezeichnen fandige Mergel und wahre Molafje die bewegteren Zeiten und trennen auf feine auffallende Weife die bunten und bituminöfen Schiefer der ruhigern Ger wäfler; nach Dften entwideln fih) in ihnen erft einzelne Schnüre von Geröllen, dann unftete wechjelnde Schichten, endlich mächtige zufammenhängende Bänke grober Nagelflue, die in den obigen Profilen 9 und 10 Mal wiederkehren, 5—6 Mal von entfchieden lacuftrifchen Kalfen und Mergeln getrennt. Und diefe Ergüffe von Sand und Gefchieben, fletS von der gleichen Seite eindringend, beginnen, wie die Schichtenfolge unterhalb Rüti lehrte, mit ganz ähnlichen Wechjeln gleich von der marinen Epoche an. Freilich muß man bei all? diefen Folgerungen von der jeßigen Geftalt des Bodens vollftändig abfehen, fich rein an die innere Beichaffenheit desjelben Halten. Doc; macht die Gegenwart der feften Sandftein und Nagelfluebänfe e8 begreiflich, daß die jpätern zerftörenden und auswühlenden Kräfte nicht an der gleichen Stelle, jondern zur Seite derfelben ihr Hauptfächliches Bett gruben. Was die Steinarten betrifft, woraus die Nagelflue der Hörnlifette befteht, jo find e3 wefentlich die nämlichen wie an der Baldern: rothe Sandfteine und Conglomerate, mit denen von Sernft nicht zu verwechfeln; graue und gelbliche Kalfe, denen des Lias im Vorarlberg ähnlich, eine Aehnlichkeit, die durch die Entdefung des charakteriftiichen Ammonites Regnardi in einem Gerölle noch erhöht wurde; rothe Quarze und Hornfteine; Gneiße mit weißem Glimmer; weiße und röthliche Granite; rothe Granitporphyre und wirkliche Porphyre u. |. f. Die Kalfgeichtebe zeigen die bezeichnenden Rutjehflichen, Quetjchungen und Eindrüde. Cine gefegmäßige Anord- nung der verfchiedenen Gerölle läßt jich nicht erfennen, doch fcheinen überhaupt die Kalfe und Sandfteine etwa im Berhältniß von 9 zu 1 vor den übrigen Steinarten vorzuwalten. Verbreitung der Kalke und Kohlenmergel. — Db die Zwifchenzeiten, da Mergel und Kalfniederfchläge fich bildeten, allgemein Herrfchende waren, mit andern Worten, ob die Kalf- lager der verschiedenen Profile auf beftimmte, durch das ganze Land fortfegende Niveaus zurüdzus führen find, oder nicht vielmehr, nach Art der heutigen Vorgänge, Zeiten ruhigen Waffers in der einen Gegend mit folhen ftarfer Geröllbewegung in einer andern zufammenftelen, läßt fich noch) nicht entjcheiden. Immerhin feheinen fih einige Kalklager dur) ziemlich weite Streden an den Abhängen der Thäler Hin verfolgen zu laffen. Ein Niveau von mehrfach ausgebeutetem Wetter: Pi KE kalt: verbreitet fich 3. B. von Wald über Saaland nab Schaldhen und Gündisau in 2260‘ Höhe und ift vielleicht die Fortfegung des Lagers bei Hittnau und Hinter JZlinau. Ein weit höheres Kalfniveau (2970°) verbindet Sternenberg mit Sigberg und dem Schauberg, füdlih. von Elgg. Bituminöfe Mergel mit unfteten Kohlenipuren ftreihen über Wila, am Schläppli über dem Steinenbadh bei Tablat, bei Frafmünd, unterhalb Sigberg (2300°). Eine, wie e8 fcheint, tiefere Majie bituminöfer und fohliger Mergel läßt fih bei Fifchenthal, Seuzadh und im Schlößlibähli bei Lipperfhwendt verfolgen und fteht vielleicht in Ver: bindung mit den weiter niederwärts entdedten Kohlenfpuren von Kohlbrunn und Häfenthal, unterhalb Kyburg, vielleicht jogar mit den noch entferntern ifolirten Punkten von Embrad, Rath, unweit Seuzad, endlich mit der Gegend von Elgg, wo im Schneit und im Bir- menjtall in älterer Zeit einige Gruben auf Braunfohlen im Betrieb waren, die in den leht- verfloffenen Jahren aufgegeben werden mußten. Man beobachtet da folgende Schichten: Nagelflue. 1Y—2’ Graublauer Thon. Ia—2' Schwarze Schiefer mit Streifen Kohle, Nhinocerosrefte und Schildfröten enthaltend, bei Birmenftall fich ausgleichend. 6° Nagelflue. 3’ Bunte Kalfmergel. Nagelflue. Ale diefe Kohlenfpuren, da fie weder Beftändigfeit noch Mächtigfeit haben, bleiben ohne technifche Wichtigkeit; fie bezeichnen indeß ein weitreichendes Schiefer- und Kohlenniveau, dag vermuthlich mit dem Käpfnaherflöz in Berbindung gefeßt werden darf, was für den ganzen Kanton eine dem Pflanzen» und Thierleben günftige Periode andeuten würde. Man darf nicht vergeffen, daß auf trodenem Lande der Rüdftand von Hundert Jahren, in Folge der zerfegenden und wegführenden Urjachen, auf wenige Linien zufammenfchwindet und fich bei den fchlammigen Niederichlägen ruhigen Waffers auf wenige Zoll.comprimirt, während die Zufuhr fremder Beftand- theile durch fliegende Waffer in wenigen Tagen Erhöhungen von ebenfo viel Zußen zu Stande bringt. Das Profil des Trchels. — Sehen wir unfere Wanderung der Töß entlang fort, fo durchjchneiden wir das Hügelland von Winterthur, wo weiche und mergelige Molafje, bunte helle Mergel und ein anhaltendes Kalflager zu beiden Seiten des Flüßchens beobachtet werden: Schichten, welche durdh die Nefte von Landihildfröten und prachtvollen Maftodontenreften merf- würdig geworden find. — Wir erreichen den Srhel, an deifen Fuß in tiefem Bette der Rhein fließt. Dieje Gegend hat für das Studium der Schichtenfolge ein doppeltes Sntereffe: fie legt diefelbe, weil entfernter von der Hörnlifette, freier von den eingefchobenen Nagelfluemaffen, daher einfacher und gedrängter auseinander, und dedt fie bei der Tiefe des Aheinbettes und der Hori- zontalität der Lagerung bis auf ihre tiefften überhaupt fichtbaren Glieder auf. Der waldige Ir hel kehrt befonders nach Weiten und Süden gegen Rorbas, Teufen und den Khein, weni- ee "ae ger'nördlich, gegen $laadh, fteilere Hänge, die etwas zufammenhängende Beobachtungen 'geftatten. Bom Gipfel: (2257) bis Norbası (1200) auf eine Höhe von 1057° ve man folgende Schhichtmaffen: | | 200° Nagelflue, aus den Beitandtheilen der Hörnlinagelfhre, oben mit jehr vorwaltenden ig völlen, mit Eindrüden. Dazwifchen Sandfteine. | 450° Gelblihgrane, meift: feite Miolajfe, mit Sandiciefer. 10’ Bunte Mergel und Sandmergel, vorwaltend helfe gelbliche Farben. 4—5' Schwarze Mergel mit Helix unb Planorbis; mergeliger Ralf (Gräglifon). Lüide. 200° Graugelber Sand (Teufen) zu Duadern gebrochen und mit feften Enaurigen Partien. Lüde. 5° Mergel und. Kalklager (Freientein). 60’ Fefte und feinförnige Sandjteine, theilmweife fnaurig, mit Kobfenneftern und. Reiten von Ostrea. 20’ Nach unten fefte bläuliche Platten mit Cardien und andern marinen Mufcheln (Berg, Flaach, Norbas). 6° Sanpdftein. 8’ Bunte Mergel, dunfler, mehr ins Rothe ziehend als die höhern Miergel. (Die Lücen betragen 350 bi3 400°.) E3 kann faum einem Zweifel unterliegen, daß der ganze obere Theil diejer Schichtenfolge die Hörnlifette zufammenfaßt, aus welcher der größere Theil der zahlreichen und mächtigen Na- gelflueeinlagerungen, mit Ausnahme der joberjten weitverbreiteten Maije, weggefallen: ift. Uehnlich gleichfalls, wie sam dem Albis entwideln. fi) tiefer. vorzüglich Sandfteine und jandige Schiefer, getrennt von. bunten und. bituminöfen, Mergeln mit Süßwaiferfalfen. Sene, je mehr nach Norden oder je entfernter vom Hochgebirge, verlieren, dejto mehr ihr. feites, Dichtkörniges, mafliges Aniehen und ‚verwandeln fih in einen jhwac, zufammenhängenden gelblichen Sandftein mit entfärbtem Slimmer, wie er jenfeits Stein dominirt. Der Kalklager zähltman am Frchel zwei, vielleicht drei, in 2000, 1630. und. 1530‘ Höhe etwa-fortftreichend, das tiefite. bei Geltendbühl und Luffigen. Eine einzige marine Bildung. — Als: intereffanteftes Glied der Reihe ericheint mit einer Dächtigfeit von etwa 200-250‘ und in einer Höhe von 1400° eine marine Bildung, aus gezeichnet durch ihre, fejten Sandfteinplatten, ihre aus Quarz, Hornftein und Schaalftüdchen oft feft verfitteten und: von erdigen grünen Körnchen durchitreuten groben Sandfteine, Mufchelfand- fein genannt, ‚endlich; durch eine ziemliche Mannigfaltigfeit mariner Refte, Haififchzähne und Mufcheln, die, an eine Strandbildung erinnern. Wenn man die Lage diejer marinen Schichten unter den zufammenhängenden Sandfteinen und Nagelfluen des mittlern Kantons ins Auge faßt, fowie die Aehnlichkeit einiger Gefteine und einiger organifchen Nefte, jo wird man unmwillführlic) darauf geführt, fie mit der am jüdöftlichem Ende des Kantons auftauchenden Bildung von Bädh) in. Verbindung zu feßen und beide alsıdas Ausgehende eines in der Tiefe durchgehenden zujamz menhängenden muldenförmigen Horizontes anzufehen, der am Rhein durch die Tiefe der Thalbils ar A dung, im Südoften durch ’die Aufrichtung der Schichten’zw Tage gebracht wird. Mar hat beide Bildungen trennen wollen, weil auf den marinen Reften von Bäch und Jona, die Profile von Rüti und des Hörnli zufammengefaßt, eine Gebirgsmafle von mehr als 3000° aufgelagert ift, während fie am Jrchel faum 900° beträgt; allein nad) den frühern Bemerkungen über das Auf- treten der Nagelflue darf ein folcher Unterjchied nicht befremden. Die aufgelagerte jüngere Maffe hätte nämlich die Geftalt eines Tiegenden Keiles, deifen Winfel bei der Entfernung von 7 Stun den zwijchen Rüti und dem Jribel nicht 19 betrüge. "Die abjoluten Höhen der Mieeresbildung (obere Grenze), am Jrchel1370° über dem Meere, am Hörnli, wenn man vom Gipfel 3000 nach der Tiefe rechnet, 783% weichen nurum 5— 600° ab; die abjolute Höhe der Gipfel oder der jüngern Uuflagerungen um 1526‘. Man darf daraus fchliefen, daß, während der marine Boden nach feiner Bildung fich im Diten weniger hob als im Weften, obgleich genug, um troden gelegt zu werden, die Dberflähe der jüngern Bildungen im Diten umgefehrt'rafcher erhöht wurde als im Welten, entfernter von den Stromeinbrüchen. Unter der marinen Bildung beobachtet man in beiden Gegenden übrigens eine zweite jandige und mergelige Schichtenfolge, die mur terreftrifche und lacuftrifche Ueberreite aufgewiefen hat: Sn den Borbergen der Alpen mag fie, gleichfalls in Folge einer gewaltigen Entwiclung von Sands fein und Nagelflue, eine Mächtigfeit von 3 — 4000° erreichen; am Rheine beim Stöhel reduzirt fie fi auf 500° über dem Strombette, und zufolge den nuslofen Sulzbofrungen, welde 1823 bei Eglisau ausgeführt wurden, auf 750° unter demfelben, zufammen 1270°% Zwei andere Bohrlöcher, weitlih im Wehnthal getrieben, haben jchon in 435 und 476° Tiefe Spuren von Bohnerz oder die Vorläufer des Jurafalfes entdeden laffen. Bon der obern lacuftrifchen Molaffe unterjcheidet fi) die untere in der Gegend des AhHeines durch eine größere Sleichformigfeit, durch dunklere, röthliche Färbung namentlich der Mergel, dur das Zurüctreten der bituminöfen Schie- fer, wovon nur jhwache Spuren vorkommen, die Abwefenheit fortjegender Süßwafferfalflager, endlich durch feitere fnaurige Schichtbänder. Die Verbreitung des Mufchelfandfteines. — Die Verbreitung der Meeresbildung oder vielmehr die Linie ihres Zutagefommens läft fih, Danf ihrer deutlichen Abtrennung und ihrer fcharfen Merkmale leichter ermitteln, als 68 bei den Gliedern der Süfwaifermolaffe möglich, ift. Dan verfolgt fie von Rorbas und Freienftein, über die untere Stufe der Abhänge weg, bis Berg und Flaacı. Nach einer Unterbrehung bei Andelfingen, in Folge des Anbaues und der geringen Erhebung des Bodens, trifft man fie wieder bei Trüllifon, wo der fogenannte Glasjand dazu gehört, ein befonders reiner, jchwach verbundener Quarzjand, der in Elgg zur Glasfabrikation benutt worden fein foll. Sie zieht jid) dann am Kohffirft Hin, über Wildeng- bud, Benfen gegen Feuerthalen hin, wo fie wieder von hellen gelblihgrauen Sandfteinen und zu oberft von Nugelflue überdeckt wird. Es ift immerhin möglich, jogar wahricheinlich, daß dieß letere Geftein, dem die bezeichnenden Eindrüce und eigenthümlichen Serölle abgehen, nicht der En: ächten, fondern den neuern Gonglomeraten beigezählt werden müffe, die auch in der Gegend von Glattfelden und Weiad die Höhen frönen. Nicht weniger conftant find die Verhältniife der Bildung des Mufchelfandfteing nah Weiten und Südweiten. Am Haarbud ftreicht derielbe gegen 500° über dem Rheine von Buchegg nah Wyler und bildet auch weiter im Badiichen, an den Höhen von Dettighofen und Bal- tensweil, ein zufammenhängendes Niveau, oben von einer ächten Brafwafferbildung begrenzt. *) Senjeits des Nheines findet man den Mujchellandftein am Kreuzweg unweit Glattfelden, am Ratherberg, an den Hügeln von Seew, Hört und Ried ftet3 ungefähr eine gleiche abjolute Höhe von 1430 bis 1440° behauptend. Gr vertheilt fi dann auf beide Seiten der Lägernfette, auf der einen Seite nah Ehrendingen und Längnau, wo er am erften Drte den Fuß des Hi: gels des Steinbud bildet, am zweiten, auf Jurafalf liegend, einen wahren Seegrund darfteilt. Auf der Süpdfeite fieht man ihn über Mettmenhasli und am Herenftein, dann gegen Bonpelzen und nad mehrern Thalunterbrehungen an beiden Seiten des Limmatthales bei Geroldswyl und Kilwangen, wo die Bildung fanft nah Süden unter jüngere Schichten verfinft. Die Stein: brüche von Würenlos, in einer Anichwellung feften Mufchelfandfteins angelegt, find für ihre prachtvollen Baufteine und einen großen Neichthum, freilich meift zertrümmerter , Betrefakten bez rühmt. Man beobachtet da im weltlichen Brud: 45° Gelben Sand. 11% Dunfelgrauen, feiten, feinförnigen Sandftein, 40° Maffiger Mufchelfandftein, jehr jchön entwidelt, in ftarfen, wenig he jtelfenmweife Ihiefrigen Lagern. Befanntermaßen fest der Mufchelfandftein mit gleichen Merfmalen auf einer der Sura parals felen Zone weiter dur die Schweiz. Der Einfluß des Jura. — Wie jchon bemerft worden, ftreit der Jura nur den lebten Ausläufer feiner erften Kette bei Negensberg in das Zürchergebiet und darf daher als ein Fremdling unfers Bodens in der gegenwärtigen Schilderung übergangen werden. Es genügt zu fagen, daß die Lägern eine flappenartig gehobene Schichtenfolge, den Rüden nah Süden, die fteilabgebrochenen Köpfe nah Norden fehrend, darftellt und zu oberjt aus hellgelben feften Kalf- lagern befteht, die den zadfigen Kamm bilden, darunter aus verfchiedenen immer dunflern Mergeln und Kalfen, zu unterft bei Chrendingen aus der die Gypebrüche enthaltenden Keuperbildung. Ale diefe Gefteine und felbit ihr jüngites Glied, das auf dem hellen Kalk unregelmäßig vertheilte Bohnerz, find weit ältern Urfprunges als alle bieher betrachteten Glieder der Molaffe, dennoch hat ihre legte Erhebung, — wie in den Ulven, mögen deren mehrere zu verjchiedenen Zeiten voran gegangen fein, — al8 eine jüngere Ummwälzung, wenigftens die tiefern Lager derjelben mits betroffen. Auf einer Zone, die jüdlich der Lägern parallel läuft, leider aber durch die Thalbildung *) Man vervanft Herrn 8. 3. Würtenberger in Dettighofen ein recht hübfches Rürtchen diefer Gegend. a RR großentheild der Beobahtung entzogen wird, zeigt die Molaffe Aufrichtungen, die in Hleinerm Mapftabe vollftändig an die bei Bäch erwähnten und von den Alpen abhängigen erinnern. Bei Boppelzen fteigen die Mujcheljandfteine und untern Mergelfandfteine parallel an Abhänge hinauf unter Winfeln, unter denen fie fidı nicht wohl bilden fonnten. Im Limmatthal, gegenüber von Wettingen, durchfchneidet die Eifenbahn erft longitudinal, dann transverjal eine Reihe von Sand: ftein und bunten Mergelfchichten, die mit 40° nördlich fallen, näher aber, wie es fcheint, durchs horizontale ins Südliche umfhlagen. Dagegen theilt die höher liegende löcherige Nagelflue des Teufelsfellers dieje anomalen Schihtftellungen nicht, was einen neuen Beweis ihres ent- fchieden jüngern Alters ift. Noch auffallendere Umwälzungen hat die Molaffebildung auf der andern Seite der Lägernkette erlitten. In geringer Entfernung von den Gypsgruben von Ehrendingen fieht man am Hügel des Steinbud gut entwidelte Mufchelfandfteine mit grünen Punkten, Oftreen und Haififch;ähnen, der mit 60 und 70° gegen die überhängenden Kalklager des Grates anfteigt. Vielleicht gehören die noch fteiler aufgerichteten legten Schichten im Bashgraben, der von den Gypsgruben kommt, gleichfalls zur untern Molaffe, die fich in diefer Gegend als ein weicher und fihiefriger Sandftein mit feften Enau- tigen Einlagerungen darftellt. Die Stellung und die Folge jüngerer und älterer Schichten find in diefer Gegend jo anomal, daß fie ohne gewaltjame Zerrüttungen und Verfchiebungen fich nicht erklären lajjen. Sedenfall8 darf ald erwiejen betrachtet werden, daß, wie auf Seite der Alpen; die Molaffe jchon da war als der Jura feine legten Erhebungen erlitt. Auffallend bleibt es aber, erfteng, wie wenig weit von der Kette die Aufrichtungen der jüngern Bildungen fi) erftreden und daß, zweitens, das Berfinfen der Lägernfette bei Dielftorf ohne Einfluß auf die weiterfol gende Molajje geblieben it, gleich als würde die Kalffette auch in der Tiefe nicht fortfeßen. Rückblick, — Wir haben Hiermit unfere Nundreife durch den Kanton Zürich beendigt. Bon dem Albisrüden ausgehend wanderten wir über Käpfnab nah Bäch, durchichritten jenjeit8 die gehobenen Schichten von Jona bis Rüti, von wo der Blid über dag rechte See: ufer jchweifte; drangen durd) den hohen Boden der Hörnliabdahung und erreichten, dem Laufe der Zöß folgend, die Gegend des Rheins, von wo uns das weitliche Hügelland nad) dem Limmatthal zurüdführte. Auf diefem Wege: unterfuchten wir die ganze Schichtenfolge der Molafjebildung, jo weit fie auf zürcherifchem Boden aufgededt ift, und erfannten, da fie fih in zwei jehr mächtige Land» und Süfwafferbildungen, getrennt durch eine weit fehwächere Meeres: , bildung, eintheilen lajfe; wir verfolgten die Veränderungen, welche die gleichen Schichtmaffen von der Peripherie gegen die Gegend der Hörnlifette hin erleiden und die befonders mit dem Einfchie- ben von Sandftein und, Geröllbänfen zufammenhängen, deren Urfprung, dem nähern Alpengebirge fremd, das einftige Dafein einer nun verfchwundenen Kette anzudeuten fcheint; endlich jahen wir den Alpen und Zuraketten entlang, dort in größerem, hier in Fleinerem Mafftabe, die Lager fih —. DE aufrichten, als Beweis, daß die, legten Bewegungen beider ‚Gebirge neuer find als die Molaffe felbft. Zur Vollendung des Bildes des urfprünglichen Bodens bleiben und nur noch einige Worte über die organifche Schöpfung, deren Ueberrefte in der Molafje begraben liegen, beizufügen. ı Die Kenntniß derfelben eignet Tfih bejonders dazu, die Stellung unferer Bildungen in der ganzen Reihe der Flözichichten, aus denen die Erdfrufte befteht, feitzuitellen und uns zugfeich ein Urtheil über die Naturverhältniffe und das Elima jener entfernten Zeiten, verglicen mit den heutigen, zu verfchaffen. *) Die Flora der Molajje. — Während man vor 50 Jahren wenig Anderes als die aller- dings wunderbar erhaltenen Blattabdrüde von Deningen, umweit Stein am Rhein, fannte, find in neuerer Zeit durch die ganze Schweiz mehr als 80 Fundorte binjugefommen, welche zur Kenntuig von nahe an 1000 Pilanzenarten, manche freilich in unvollitindiner weile, geführt haben. Meift bleibt man auf Kenntniß der Blätter befhränft und muß aus der Zoım und Stellung derz felben, ganz vorzüglich aber aus ihrer ehr cyarakteriftiichen Nervation auf die ganze Pflanze zur rüdjchließen; doch Hat die fpätere Entdedung mancer Blüthen und Früchte die frühern Schlüffe als richtig bewährt. Nach Analogie mit den gleichen Familien der heutigen Flora der Schweiz, die 2131 Arten zählt, fennt man gegen Ys der Gejammtvegetation jener Zeit, die bedeutend reis cher war als die jeßige unferes Landes. Da befonders die Theile der baumz und flrauchartigen Gewärhfe es find, die ihrer größern Zähigfeit willen der Zeritörung widerftanden, jo erhält man damit ein ziemlich vollitindiges Bild der großen Vegetation, welche das Land bekleidete. Eine nicht geringe Zahl gleiber Arten, Yır der Gejammtzahl, verbreitet fic) zwar Durch die ganze Schichtenfolge der Molajje,**) woraus die enge Berfnüpfung derfelben erwiejen wird, dennoch aber ändert fih durch das Hinzufommen der einen Formen und das Wegfallen anderer der durchiihnittlihe Charakter der PBilanzenwelt, und man wird darauf geführt, übereinitimmend mit den Hauptabtheilungen der Schichtenfolge, 4 aufeinanderfelgende Stufen unterjcheiden. 1. Stufe. Die untere Braunfohlenbildung. — Der untere Theil derjelben *) Die folgenden Angaben find jämmelich dem Flaiifchen Werfe nes Herrn Brof. Seer „Flora tertiaria. 3. Vol. Winterthur 1860" entomimen, das die Bıloungen ver Schweiz, zu denen ver Kanton Zürich gehört, in erjchöpfender Meite behanvelt. **) Die wichtigten gemeinfamen Arten, Leitpflangen für vie yanze Molaffebiloung, find: Chara Meriani A. Br. Dryandroides lignitum Ung. „ Escheri A. Br. Diospyros brachysephala A. Br. Taxodium dubium Stb. Acer trilobatum Stb. Glyptostrobus europaeus A. Br. „ angustilobium H. Arundo Goepperti Münst. „ deeipiens A. Br. Phragmites oeningensis A. Br. Sapindus faleifolius A. Br. Typha latissima A. Br. Berchemia multinervis A. Br. Liquidambar europaeum A. Br. Juglans acuminata A. Br. Planera Ungeri Ett. “ bilinica Ung. Cinnamomum polymorphum A. Bı. Cassia phaseolites Ung. n Scheuchzeri Heer. n lignitum Ung. Pe fehlt dem Kanton und fommt erjt näher der Alpen zu Tage. Dem oberen Theile dagegen werden die Braunfohlen der Hoben=-Rohnen zugetheilt, wo die in Greith vorfommende Schicht dicht: gepreifter Blätter allein 413 Arten, mit dem Charakter einer feuchten Wald» und Sumpfvegetation, geliefert Hat. I. Stufe. Der graue Süßwafjerfandftein. — Diefe der Meeresbildung voraus: gehende Mafje ift arm an Pflanzenreften, doch gehören dazu die Sandfteine von Uznach mit eini- gen Sumpfpflanzen und die von Bolligen mit Fächerpalmen. II. Stufe Die marine Molafje. — Eigenthümliche Meerpflanzen find menige bes fanni; die Ueberrefte rühren daher vom benachbarten Lande her. IV. Stufe Die obere Braunfohlenbildung. — Sie umfaßt die ganze höhere Schichtenfolge, nämlich 1) die bituminöfen Mergel mit Kohlen, vermuihlih der Nücdftand eines moorigen Bodens, alfo die Drtichaften Räpfnah, Mühleberg, Faletihe, Schwamen- dingen, Elgg u. f. f.; 2) einen von Blättern unregelmäßig durchwirften Sandftein, der an fandige Strombänfe erinnert, Albis, Neftenbadh, Srhel in Knauern, Ehrendingen; 3) end- lic) als jüngftes Glied die ausgezeichneten feinen und hellen Kalfmergel von Deningen, in denen bisher 465 Arten, meift einer Waldvegetation zugehörend, entdedt wurden. Auf diefe 4 Stufen vertheilen fih die Arten nach Prozenten der Gefammtzahl, wie folgt: Artenzahl. Eigenthümlic). Gemeinfam mit Stufe nn in I u IH IV I. Stufe 336 186 550% 100 31 11 24 I. Stufe 211 38 27 54 100 23 41 IH. Stufe 92 26 30 44 38 100 45 IV. Stufe 566 390 68 14 15 39 100 Zede Stufe hat ihre eigenthimlichen Leitpflanzen*) und andere Arten, welche fie mit andern Stufen theilt, am meiften jedoch verbältnigmäßig mit den ihr nächftliegenden. *) 2118 Leitpflanzen ver Stufe I. fünnen gelten: Aspidium dalmaticum A. Br. Dryandroides hakexfolia Ung. Ptzris pennzformis H. e > l®vigata H. Podocarpus eocenica Ung. Zizyphus Ungeri H. Quereus fureinervis Rossm. Juglans Ungeri H, } Dryandra Schrankii Ung. Paleolobium Sotzkianum Ung. Leitpflanzen ver Stufe II find: Terminalia Radabojensis Ung. Apeibopsis Laharpii H. Apeibopsis Gaudini H. Stufe I und II haben gemeinfam : Sequoia Langsdorfii A. Br. Sygodium Laharpii H. Woodwardia Rössneriana Ung. = arostichoides H. Sygodium Gaudini H. Sabal major Ung. = acutangulum H. Cyperus Chavannesi H. u Es Die am beiten befannten 736 Phanerogamenarten gehören zu 89 Familien, im Mittel 8 per Familie, während jest 22 per Familie, was wiederum auf die größere Manniafaltigfeit der Mo- faffeflora hinweist. Die Artenzahl der wichtigiten diejer Familie verteilt fih wie folgt auf die verfehiedenen Stufen. Stufe m ru — Familie der Mrtenzabl. 1. 1. I. IV. (736) (280) (184) (85) (455) Zayfengwähle - » - nn. 18 z 8 Giräfetar 4 ae ner I ern 7 3 3 20 Niedgrälet > > 7 nenn 39 19 16 — 14 Beides 7 16 b} 17 Behdgean 0. 2 te a rn 23 12 4 23 Kiga. och ie een 12 6 2 5 Remberraii:. Ale Zi are Fe 17 13 5 17 Protenceen (neuholl. Formen) . - „35 20 7 7 17 Ditteln arte ee er _ _ _ 21 Uhse ertkine ie mr et 7 4 2 18 Malnußbäume - - - = =. 0.086 7 ar 1 s Schmetterlingsblüthen - -» . . . 117 26 16 13 86 Sumpfpflagen - » » 0... BB 5 7 5 2 Eine genaue Vergleichung der Arten mit denen der heutigen Schöpfung führt auf das wich. Cyperus reticulatus H. Dryandroides banksixfolia Ung. Carpinus grandis Ung. Grewia crenata Ung. Laurus primigenia Ung. Rhamnus Gaudini H. Cinnamomum spectabile H. Rhus Meriani H. Banksia longifolia Ung. „ Brunneri F. O. Stufe III hat nur Banksia Deikeana H. eigen. Stufen II, IH und IV haben gemeinjam: Populus balsamoides Ung. Fieus tiliefolia A. Br. Myriea salieina Ung. Robinia Regeli H. Stufe IV zeichnet fich aus durd: j Potamogeton genieulatus A Br. Colutea antiqua H. Populus mutabilis H. Dalbergia nostratum Kov. Carpinus pyramidalis Gp. Podigonium Knorri A. Br. latifolium H. Lyellianum H. constrietum H. campylocarpum H. obtusifolium H. s Ulmus minuta H. » Braunii H. Laurus princeps H. Persea Braunii H. Dex berberidifolia H. ee er | ar tige Ergebniß, daß zwar die Mehrzahl der Familien und Gattungen fih noch heute auf der Erde finden, allein daß feine Art mit den jest lebenden ganz übereinftimmt. 42 Arten ftehen beftimmten jegigen Arten jo nahe, daß man wohl an eine allmälige Herausbildung diefer aus jenen glauben möchte; 30 Haben eine etwas entferntere Aehnlichfeit, die übrigen erlauben feine Bergleichung. 6 Gattungen fogar, mit 16 Arten, find der jegigen Schöpfung, jo weit man fie fennt, durchaus fremd.*) Die Molafjebildung birgt aljo eine eigenthümliche, ganz oder theilweie abgefchloffene Pilanzenwelt, die jedoch von der Vegetation der noch ältern Bildungen, der Kreide, des Zura u. |. f. ungleich weiter entfernt ift, ald von derjenigen der Seßtzeit. Hinwieder fhließen fi alle jüngern Bildungen unjers Landes jo innig an die jegige Schöpfung an, daß fie dem Geologen mit ihr als ein Ganzes erfcheinen, deijen Naturverhältniffe von denen der Molaffezeit wefentlich abweichen. Blidt man auf die Familien der Molaffeflora, auf die zahlreichen Lorbeeren, Feigenbäume, die immergrünen Eichen, die Platanen, Tulpenbäume, Copreifen, Campher und Zimmetbäume, die Feder= und Fücherpalmen u. j. f., To deuten fie auf ein bedeutend wärmeres Clima als das gegenwärtige des gemäßigten Europa. In der That gehören 85 Arten der heifen oder tropifchen Zone an, 266 der warmen Zone, in welche gegenwärtig das füdlichfte Europa fällt, und nur 131 der gemä- Bigten. Von den 42 Arten, deren verwandte Formen noch heute leben, fallen 6 auf Europa, 18 auf Amerifa, 5 auf Afien, 2 auf Neuholland, die übrigen auf die atlantiichen Injeln oder mehr rere Gontinente. Ueberhaupt weist die DVerwandtichaft der Formen und Typen feineswegs auf das jegige Europa; die Cypreifen, Feigen- und Amberbäume, Stehpalmen, Ahorne, Nußbäume, Palmen, Farren und Schilfarten ähneln vielmehr auffallend denen des füdlichen Nordamerifa, der Staaten Florida, Louifiania, Neus Georgien und Carolina und verrathen marfchige Niederungen, von artenreiheu Waldungen und Sümpfen überdedt. Man möchte beinahe glauben, da zu jener Zeit die Trennung des Altlantiihen Ozeans nicht jo wie heute beftand, und eine Landesverbin- dung zwilchen dem alten und neuen Gontinent vorhanden war, die am Ende der Molafjezeit, da au) die jüngften Hebungen von Alpen und Jura eintraten, verfchwand. Bon der tiefern Süßwajferbildung zu der obern fortfchreitend bemerft man jedoch eine Ab- nahme der Wärme. Die untere Molaffe zählt etwa 15% der tropiichen, 70% der warmen, 15% der gemäßigten Zone; die obere Molafje 7% tropiiche, 18% .gemäßigte, die übrigen der warmen Zone. Die Nifhung der tropifchen und gemäßigten Vegetation läßt auf die Gegenwart milder Winter und nicht zu Heißer Sommer jchliegen, eine Annäherung an ein Snfelclima, wie es in New-Orleans oder Tunis getroffen wird. Die untere Molaffe entipricht einer Jahrestemperatur von 20—21° Louifiana, Canarien, Nord-Afrifa, Sid» China); die obere 18-199 (Mavdera, Malaga, Meifina, Savannah), während die mittlere Temperatur der Schweiz, abgefehen von der Meereshöhe und dem *) 3 find vie Gattungen: Physagenia, Calamopsis, Najadopsis, Laharpia, Apeibopsis, Podogonium. a erfältenden Gebirge gegenwärtig 119,8 fein wird, was aljo eine um 8%,7 und 6°,7 höhere Zemperas tur bezeichnet. Während der Molaffeperiode, die viele taufende von Jahren umfatlen mochte, Fühlte fih die Erde um etwa 2° ab. Damals fchon, das hat die Vergleihung der Pflanzenrefte, welche man im nördlichen Europa bis nad Island hinauf gefammelt hat, außer Zweifel gefeßt, fand eine Abnahme der Wärme vom Aequator nad dem Bole ftatt; die tropifchen und füdtropiihen Pflan- zen treten entfchieden neben denen der gemäßigten Zone zurüd, indeß fcheinen die Differenzen geringer als heute gewefen zu fein, und namentlich war die Berfnüpfung Islands mit dem Feftlande eine innigere ald gegenwärtig. Bon einer folchen elimatifchen Beränderung nad) Zonen haben die ältern Epochen der Kreide und des Jura noch Feine bejtimmten Beweife geliefert. Die Thierwelt. — Was auf diefe Weife die forgfältige Prüfung der relativ fehr zahlrei= hen Pflangenrefte gelehrt, findet feine Beltätigung in der Natur der minder zahlreichen Nejte der Thierwelt. Man befist folhe Nefte namentlich aus den Klaffen der Mollusfen, der Infekten und der Wirbelthiere. Bon den erften waren e3 die Schaalen der Schneden und Mufcheln, die bei der Zerfegung der weichen Theile zurüdblieben; von den Snfeften erhielten fich unter bejon- ders günftigen Umftänden die hornartigen Theile, bei den Wirbelthieren widerftanden die Knochen, vorzüglich aber die befonders harten Zähne der Zerftörung. Unter den Mollusfen Hat man die terreftrifchen und lacuftrifchen von den marinen Arten zu unterjcheiden. Iene, obgleich fie ale Steinferne in den bunten und jandigen Mergeln, oder als erhaltene und zerdrüdte Schaalen in den bituminödfen Mergeln in Menge vorkommen, find nur noch) unvollfommen beftimmt, gehören aber großentheils Arten an, die von den jegigen abweichen. Während die Helilceen an diejenigen des füdlichen Europas erinnern, haben die Limneen Aehnlich- feit mit indifhen Formen und weifen die Melanien und gefalteten Unio’8 auf Nordamerifa.*) Größer it die Mannigfaltigfeit der marinen Yauna, ungeachtet fie eine viel geringere Mäch- tigfeit der Schichten einnimmt. Berfchiedene Punfte der nördlichen Zone, mehrere leider nicht voilftändig ausgebeutet, vor allen Niederhasli und Rorbas, haben 145 Arten geliefert, von denen nahe die Hälfte, 75 Arten, der Gegenwart fremd fcheinen, die übrigen ihre nahen Berwandten oder wirflihen Vertreter in den jeßigen, etwas füdlichen Meeren, namentlich auch in dem Mittelz meere haben.**) Einige diefer Arten verbreiten ji dur) die ganze Eritrefung des Mufchelland- fleing und finden fich gleichfalls in den marinen Sandfteinen und Mergeln der füdlichen Zone, während andere mehr lofal auftreten. *), Nahe vem Kanton Zürich, aus der Gegend von Deningen, werden folgende Arten genannt: : Helix sylvestrina, Limnzus pachygaster, Planorbis solidus, Ancylus, Paludina tentaculata, acuta ? Melania Escheri, Melanopsis pr&rosa, Unio Mandelslohi Dkr., Margaritana Wetzleri Dkr. **) Mir geben ald AUnbang das Verzeichniß, das aus den genauen Vergleichungen des Herrn E. Mayer hervor- gegangen ift. Darin findet fich. vie Häufigkeit ver Art, fomwie ihre Uebereinitimmung over Nichtübereinftimmung mit den jegigen Formen angemerft. —. Wi Ebenjo harakteriftifch, wenn nicht noch charakteriftifcher für den Mufchelfandftein, find aber die Refte von Haien und Rochen, die in großer Zahl das damalige Meer bevölkert haben müffen.*) Die weichen Knochen diefer Filche, deren man 18 Arten erkannt hat, zerfielen, während die har- ten Zähne fich fat unverjehrt erhielten. Abdrüde von Süßwafferfifchen finden fi oft mit faft unverfehrtem Scelett in den Deningerfchiefern aufbewahrt, die freilich aber außer unferem Kanz tone liegen. Man bat deren 32 Arten, zu 13 Gattungen und 6 Familien gehörend, unterjchieden; fpäter noch einige weitere Arten. Nicht weniger als für feine Pflanzen und Fifche ift aber Deningen durd feine früher ver- nachläßigten, in neuerer Zeit immer zahlreicher entdeckten Injekten berühmt geworden. **) Bon den 1328 aus der Molaffezeit überhaupt befannt gewordenen Infekten hat Deningen allein deren 84%, die übrige Schweiz 312 geliefert, und zwar in folgendem DVerhältnig der Snjeftenordnungen: Deningen. Ber Deningen. oe Coleopteren . . 518 26 Lepidopteren . . 3 _ Orthopteren . . 20 Dipteren . » .. 6 Neuropteren . . 27 2 Hemipteren . . . 133 3 Hymenopteren . 80 —_ Dieje Zahl Fann faum %/5 der ganzen damaligen Snjektenwelt betragen. Die Coleoptern allein, wie man fieht, bilden 5 der fämmtlichen Arten und zeigen ein Verhältnig der Pflanzenfreffer zu den Raub- und Aasfäfern wie 4,6 zu 1, was eine Annäherung des DVerhältnijies des jegigen Europa (3 zu 1) zu denen der Tropen (9 zu 1) andeutet und eine reichere Vegetation als die gegenwärtige vorausfeßt. Bon 32 Arten hat man fogar die Pflanzen ermittelt, auf welchen fie *) Agaffiz gibt vie folgenden Arten an: N. — Nieverhasli, 8. —= Sem, R. — Rorba3, E. = Embrad B. — Benfen, Beh. — Bid. Die Zahlen 1—4 bezeichnen vie Häufigkeit. N. S. R. E. B. Bch. N. S. R. E. B.Bch Notidamus primigenius Ag. 2 2 2 — 2 — Oxyrhina hastalis Ag. 81..18) 3a ar Hemipristis serra Ag. ..:.3 2 2 — — — » leptodon Ag. . 2 2 a DE Galeocardo aduneus Ag... .3 2 2 — — — - Desori Age... .2 — — 22 — = minor Ag. ..2 — — — — — Lamna elegans Ag. EB ER AB on Carcharodon megalodon Ag. 1 — — — — — = cuspidata Ag. Br Eee rt = polygyrus Ag... 2 222 — — — eontortidens Ag. 2 2 2 2 2 — # targidus Ag. 2 — — — — — ADAC 3 — = turicensis Mr. . 1 — — — — — Aetolatis armatus Ag. . 1 — — — — — “ helveticus Mr. — — — — 2 — Zynobates Studeri Ag... 2 2 2 — — — **) Man verdankt Herrn Prof. Heer die wichtigfter Arbeiten über vie Infektenfauna der Molaffe in folgen- den Auffäßen: 1. Die Infeftenfauna der Tertiärgebilve von Deningen und Radaboj. Denkjchrift der allg. fchweiz. Gejelljch. 3b. VII. XI. XII. 2. Zur Gefcichte der Infeften. Verb. ver jchw. naturf. Sefelljch. 1818. 3 Ueber vie Nhyncoten ver Tertiärzeit. Zürh. Mittb. 1853. 4. BRecherches sur le climat et la v&g£tation du pays tertiaire. Winterthur 1861. = febten. Die Wafferfäfer waren zahlreich, 32 allein lebten von Fifchlaich; darunter der größte be- fannte Wafferfäfer. Merfwürdig ift, daß 4 der Galeopterngattungen dem alten und neuen Con- tinente zugleich angehören, während dieß gegenwärtig nur für 1/5 der Fall if. Nur 17 Gattunz gen, meift Formen der Mittelmeerländer, fehlen in Amerifa, während 27 bejonders amerifanifche gefunden werden Die meiften Infektengattungen find noch) jest vorhanden; doch müffen #4, mit 140 Arten, als eigenthümlich betrachtet werden. 90 Arten find jehr analog mit jegt in der Schweiz lebenden; die Mehrzahl deutet auf eine Mittelmeerfauna; doch haben die Injeften mit unvollfon- mener Verwandlung einen füdlichern, fremdländifchern Charafter als die Caleoptern. Sehr zahl- reich waren die Ameifen mit mehrern ganz füdlichen Termitenarten, die Müden aller Art, die Fibellen, Singeicaden, vor allem die Wanzen mit tropifchen Typen. Im Mittel hat die Infekten- fauna ein etwas weniger fudliches und weniger amerifanifches Unfehen gehabt als die Flora, wo- bei jedoch zu Femerfen, daß der größte Theil derjelben fich auf das jüngfte Glied, die Bildung von Deningen, bezicht. Auch hier deutet die VBermifchung mit tropifchen Formen auf ein gemil- dertes Inielelima, das dem jegigen innern Europa fehlt. Der Fifche wurde bereits erwähnt. An Reptilien war die Molafjebildung nicht arm, obgleich die fonderbaren und riefenmäßigen Formen der Altern Zurabildungen verjebwunden find und von Fami- lien und Typen der jebigen Schöpfung erfeßt werden. Man fennt bereitS 2 Grocodile, 15 Arten von Echildfröten,*) wovon 6 aus der Molaffe unjers Kantons und von Deningen, einige Krötenz arten, 2 Proteusarten, 3 Schlangen, endlich den berühmten Niefenfalamander, den Scheudzer ald homo diluyii testis von den Worten begleitete: Betrübtes Beingerüft von einem alten Sünder, Erweihe Stein und Herz der neuen Bosheit Kinder; und der heutigen Tages in Japan feinen nahen Verwandten hat. Sehr felten find Bögelfnochen. Dagegen fteigen die bisher aufgefundenen Säugethiere bereits =) Die wichtigiten Arbeiten über vie Reptilien der Molaffe find: Herm. v. Meyer „Zur Fauna der Vorwelt." Frankfurt a. M. 1845, und 8. 3. Bietet und A. Sumbert „Monographie des Cheloniens de la Molasse Suisse.* Geneve 1858. Aus vem Kantun Zürich und feiner Nähe werven genaunt: Grocodile. - Pelophilus Agassazii Tsch. — Deningen. Crocodilus butikonensis v. Myr. — Butifon. Palzophrynos Gessneri Tsch. — Deningen. si spec. — Steinerberg (a. Rhein). = dissimilis v. Myr. — Deningen, Scilvfröten. Salamanver. Testudo Escheri P. u.H. — Winterthur, Steineregg, Andrias Scheuchzeri Tsch. — Deningen. Herdern, Clay. Proteusarten. Emys Wittenbachi Bourdt. — Yarau. Orthophyla longa v. Myr. — Deningen. „ Fleischeri v. Myr. — Yarau. r solida v. Myr. — Deningen. „ seutella v. Myr. — Deningen. Schlangen. Chelydra Murchisoni Bell — Deningen. Coluber Owenii v. Myr. — Deningen. Tröfhbe und Kröten. Pr Kargii v. Myr. — Deningen. Latonia Seyfriedii v. Myr. — Deningen. = armatus v. Myr. — Deningen. Pro pn auf 54 Arten, von denen der Kanton Zürich und feine nahen Umgebungen 28 zählt, nämlicd) 11 Diehäuter, darunter 2 Maftodonten, 2 Nhinoceroffe, 1 Tapyr, 6 Wiederfauer, 6 Nager, 5 Fleifchfreffer.*) Alle Arten ohne Ausnahme find ausgeftorben. Die großen Diehäuter, der Tapyr u. f. f. deuten auf die heifie Zone; ein in der untern Molaffe aufgefundenes Beutelthier trägt den brafilianifhen Typus. Das ftarfe Vorwalten der Herbivoren über die Garnivoren, 49 Arten im Ganzen auf 5, findet fih nur in Gegenden einer fehr mannigfachen und üppigen Vegetation. Schlufbenterfungen. — Aus diefer furzen Durchficht der Thierwelt der Molaffebildung geht eine Beftätigung deifen hervor, was auf eine fchärfere Weife die Pflanzenwelt gelehrt Hatte. Unfere Gegenden, und überhaupt das mittlere Europa hatten entfchieden ein Klima, wie die warme und füdz *) Solgendes ift ein Auszug aus der Zufammenftellung, welche Herr Prof. Heer in feinen „Recherches sur le elimat ete. 1861“ gegeben hat. 1. Getaceen. I. Stufe. U. Stufe II Stufe IV. Stufe. Halitherium Schinzii Kaup. _ Lindenbühl. Aargau, _ 2. Bahyvermen. Mastodon angustidens Cuv. u £indenbühl. _ Deningen, Veltheim, Käpfnad. je tapiroides Cuv. _ — Eglisau. lag. Lophiodon minimus Cuv. 5. Rhonen. = — _ Tapirus helveticus Myr. 5. Rhonen. _ Aargau. Käpfnad. Rhinoceros ineisivus Cuy. 9. Nhonen. _ —_ &lgg- - Goldfussi Kaup. 5. Rhonen. _ — Zürich, Meiv. Palaeoterium Sehintzii Myr. Bolligen. _ - —_ Anchitherium aurelianense C. _ _ — @lgg. Hyotherium Soemmeringi Myr. = — _ Elgg. 5 Meissneri Myr. _ _ _ Kapfnad. . medium Myr. — _ - Käpfnad. Chalicotherium antiquum Kp. 9. Rhonen. = _ — 3. Wievderfauer. Cervus lunatus Myr. E= _ _ Käpfnach, Veltheim. Palaeomeryx Scheuchzeri Myr. _ _ Eglisau. Käpina, Stein, Elgg. n eminens Myr. _ _ - Deningen. E medius Myr. 9. Rhonen. _ _ Käpfnadı. Dorcatherium Naui Kp. - _ — Elgg. Orygotherium Escheri Myr. En _ _ Känfnadı. 4. Nager. Titanomys weissenauensis Myr. _ — >= Glgg. Lagomys Meyeri Tsch. _ ; _ _ Deningen. © oeningensis Myr. _ _ - Deningen, Chalicomys Jaegeri Kp _ En _ Kärfnad. 2 minutus Myr. _ _ _ Elgg. Seiurus Bredai Myr. hm _ _ Deningen. 5. Garnivoren. ; Amphicyon intermedius Myr. 5. Rhonen. — = = Galeeynus palustris Myr. _ _ _ Deningen. Stephanodon bombacensis Myr. _ _ _ Elgg. Trochictis carbonaria Myr. _ _ _ Käpfnad. > Pa tropifche Zone der Septzeit, doch mit geringeren Gegenfägen de8 Sommers und Winters, als die größern Gontinente fie gegenwärtig zeigen. Land und Wailer hatten vermuthlic eine andere Vers theilung. Ihrer ganzen Belchaffenheit nach) ftellt fi die Molaffeichöpfung als ein jelbitftändiger Vorläufer der jegigen Natur dar; fie enthält eine ganze Reihe Formen und Typen, die heute noch dominiren, vermifcht mit anderen, die völlig verfcehwunden find. Biel weiter aber ift die Kluft, welche die Molaffezeit von der Kreide und dem Jura trennt, namentlich durch das Auf- treten zahlreicher Säugethiere und das große Webergewicht der Dicotyledonen-Gewähe. Der Geologe nennt die lange Periode, zu der unjere Molaffe gehört, die Tertiärzeit, und theilt die Bildungen, welche während derfelben entftanden, in drei große Abtheilungen: 1) die älteften oder eocenen Bildungen; 2) die mittleren oder miocenen, endlich 3) die jüngften oder plio- cenen. Zene erften Bildungen Fommen in der Schweiz unter der Molafje nirgends regelmäßig zu Tage, dagegen fpielen fie, durdy ältere Bewegungen der Alpen gehoben, auf den Kämmen und Abhängen der erften Ketten derfelben eine wichtige Nolle. Die miocene Abtheilung umfaßt alle im Borigen befchriebenen Bildungen unfers urfprünglichen Bodens und wird, gemäß den bereits angedeuteten Stufen, nah Lyell’s Borjchlag, eingetheilt in 1) das Untermiocen (untere Braunkohle, Hohe Nhonen), 2) Mittelmiocen (graue Sandftein und marine Bildung), und 3) Obermiocen (obere Braunkohle und Deningerbildung). Die plivcenen Bildungen endlich, anderwärts bedeutend entwidelt, fehlen, wie es fcheint, in unferm Lande und dürften einer Zeit entfprechen, da im Bereiche von Alpen und Jura gewaltfame Umwälzungen Statt hatten, die rings herum einer ruhigern Entwidlung den nöthigen Spielraum verfagten. Wir werden ein anderes Zahr auf die Spuren und Folgen diefer wechfelvollen Zeiten zurüdfommen, mit welden die gegenwärtige Schöpfung, die durch das Erjeheinen des Menschen fich vollendete, begonnen hat. Menn e3 uns in den vorftehenden Blättern gelungen ift, unfern jüngern Freunden eine richtige Vorftellung von der Befchaffenheit des urfprünglichen Bodens zu geben, auf dem fie leben; ihnen | einen Bid in die vielen wiffenfhaftlihen Fragen zu öffnen, wozu das Studium eines jeden Landes die Gelegenheit bietet; endlich fie zum weitern Studium auf diefem Gebiete und zu neuen Forfchungen zu ermuntern: fo haben fie ihren Zwed vollfommen erfüllt. A Aubang. Derzeichnig der Gondylien des Mufchelfandfteins des Kantons Zürich. — &8 bezeichnen N — Nieder: hasli, S= Semw,R = Rorbas, E = Embrah, B = Benken, Be = Bid. — Serner 1 felten, A jehr häufig. Cardium abunda tissimum Mr. |4 discrepans Bast. . Dujardini Mr. indicum Lam.? multicostatum Brcec. papillosum Poli. . Cardita antiquata L.? » » calyculata Linn.. » » Jouanneti Bast. . Murex Partschi Haernes . Lasseignei Bast. . sublavatus Bast.. ventricosus Haernes Burdigatensis Defr. . . fasciolarinus Grat. . . glomoides Bell... . - marginalus Duj.. - rostratus Oliv. Valeneiennesi Grat. » virgineus Grat. . Pirella rusticula Bast. Ficula clava Defr.. . - » ». condita Brgn.. Pleurotoma gradata Desm. . granulato eincta Münst. intermedia Brn. . obeliscus Desm. . ramosa Bast, . vermicularis Grat. . vulgatissima Gral. . Cancellari» cancellata Lin. . » » contorta Bast. Arca helvelica Mr. » » Turonica Duj. Pectunculus cor Lam. Nucula laevigata Sow. » » nmucleus Linn. Pecten cypris d’Orb. . Hermanseni Dkr. opercularis Linn. palmatus Laın. Teredo norvegica Spglr. Pholas cylindrica Sow. Solennensis Lin. » » vaginae Lin. . Ceratisolen legumen Lin. Corbula gibba Olivi . » » revoluta Bree. . Lutraria elliptica Boissy Mactra artopta Wood Basteroti Mr. constricta Wood ovalis Sow. solida Lion. . stultorum Linn. . triangula Broce. . truncata Mont. Syndosmya obovalis Wood. » » fabalis Wood. Tellina depressa Gm. . lacunosa Ch. - planata L.. . .. senegalensis Haul. . zonaria Lam.. . lucidus Eichw. transversus Desh. helvetica Mr. vetula Bast. Basteroli Desh. Brochii Desh, coturnix? Duj. . ovata Mont. Cytberea minima Mont.. » » multilamella Lam. , » » rudis? Poli Dosinia Basteroti Ag. » » exoleta Linn. Lucina Agassizi Michtti. » » dentata Bast.. » » Michelotii Mr. » ornata Ag.. » spuria Gmel. . FERE B Be VoV--NDPUDODNDNKDBDUN “LO CM = Ce SE oe SE sU RO KO Co Co Co Co Om OO Co S t a Dr Te Dr a Dr A u Ta Be u nn ende een EIER .NXDuEmeBl wid DC DV WDrOUBD- BRD WnD - ij f t | | | Pecten turicensis Mr. Leda semistriata Wood. . Avicula? peregrina Mr... ' Ostrea caudata Münst. » » virginiana Gm. . » » canadensis Lam. » » . molassicola Mr.. . Anomia burdigalensis Bast. Dentalium entalis Gm. » » incrassatum Sow. Serpulus arenarius Lm.. Fissurella italica Defr. Crepidula unguiformis Lam. Galyptrea chinensis Linn. » » deformis Lam. . . Sigaretus clatbratus Recl. . Natica helicina Broce. » » intricata Donar. . . » » Josephinae Risso » » millepunctata Lam. . » » neglecta Mr. . » » redempta Mich. . » » tigrina Defr: . Nerita Piutonis Bast.. Turritella bicarinata Eichw. » » Riepeli Partsch. . » » subangulata Broc » » turris Bast. Turbo muricatus Duj. | Solarium carocollatum Lam. » » millegranum Lam. . Xenophora turicensis Mr. DE N Sg SEE ars BESTE SEES ESCHE ESTER EST SEC TE OR OR | wol d 6 Fer sirleiB|g -/-/-|-/-] Trochus fanulum Linn. . -| 2|- - -1 » » palulus Broce. . . -/2:-/-|-| Pyramidella plicosa Bronn. . !-/-!2|-$ Auriculina buccinea Broc. . -/-/2)2 -$| Ranella marginata Mrtini. . . -/|-/2)- -f » » serobiculata Kien. . . —i- 4 -1-12f Tritonium elathratum Lam. , -/-|j-,-)-f Cancellaria serobiculata Hrn. . -/-/-/-!-f » » varicosa Broc. . -/-|-|--} Columbella Borsoni Bell. -|j-j-/|--] » » seripta Lin. . . ='-|- - -$ Mitra serobieulata Broc. - -/-,-)-|-}-Cassis sulcata Lam. 2|-|- |-,-}# Buccinum baccatum Bast. k | | i='-/- -I- » » Felicitatis Mr. I-I-!_1-# » » Hoeeri Mr.. nA - -/- -$ » » primalicum Broc. . I=- -/-,-# » » Turonense Beyr. I- -/-!-] Terebra acuminata Bors. . |---)-j Conus antediluvianus Bre. . -'-'-/- -I-. » « avellana? Lam: . -!-!-!-/-# » » Brochii Bronn e -|-'1-|-/-$ » » ccanaliculatus Broe. . - -!-!-!/-5 » » Mercati Broc ? -!-/-|-/-# » » ventricosus Bronn.. -/-|-|- -} Oliva clavula Lam. . -|-|-|-,-} Cypraea amygdalum Broe. . -/-|-'- -{ Planorbis solidus Thomae - -- | -/-} Helix Moguntina Desh. . -|-)-/-/-5.» » turicensis Mr. == 1-'-|-4 Balanus Holgeri Gieb.?.. . go — — | IBBDNDDENDDW-IDID EN IIıwieı8| 26 o Farbenerk ER en 7 | Molasse. Pbere Sun | Molasse . (Ob. Sussıo, mit Kalk Re Marine A Untere Sau 1|Molasse m = bunter Ni Kohlenlay = — Giebel - od. | | = I | baden] Ani. bes I nn 2 SBohlangen Farbenerklarung Gebildr jünger als dıe Molasse Obere Sussmassenr Molasse en Vrrhapıra hohmwart 7 ad © mit Nagelfüuhlagen X 7 1 2 08.Süssmunsser Mol > Da | | ka mit Kalksteinlagen I Br) Marine Molasse Untere Sussmuasser Molasse mil Lagen " Inınter ‚NugelfTuh | ——— Kohlenlagen in d. Molusse Giebel od Antiklinal Linie I Jura Gesteine PO Kalzgrlelde No Hiptmangen Hase ORTEN | ingen / ı 2 \ re ; Q © : g x W ragen q kängen ( { AN 7 N - { Oi: x ch En its u m E er 5 erUunr Zarasehas \ ET DR: nlgreh S SREIOR {+} a en erde \e Neilariten ah 4 Iron tu \ x \assaw, | En Ottikor Seht Nirxelhöhe Aberarhd ac Schönenberg J | ? Pb. Riti ) Hütten “4 g Suhl nr f Rhonen Ar; ‚St WoBpang Bıher horals Albııs (euyster Bg (Burglenahu Morgen Wenn! Pfinnerstiel Varsilon { Sicht Türich Ser Ltitliker Sr Huschwanden Grerlem See Reuss Jonen Türlersee Winterthur J.Wurster & (omp A: öeb. 30 März 1777 auf das Bahr 1863. Bon der Waturforfcpenden Gefellfchaft. AARAAIAHIAIIIIAannnannnannnn LXV. Stüd. eh Crohn Ins Ungewohnter Weife zeigt das vorftehende Blatt uns nicht irgend einen Gegenjtand aus i dem weiten Gebiete der Natur und ihrer Wiffenfhaft, fondern das Bild eines Mannes, der eine lange Reihe von Jahren eben die Arbeit über fih genommen hatte, welche dem Berfafjer der gegenwärtigen obliegt. Nicht weniger als ein Bierteljahrhundert lang hat Schinz das Al Neujahrsftük für die zürcherifche phyfifaliihe Gefellihaft abgefaßt. Wenn wir nichts als dieh Einzige von ihm wüßten, fo ließe fih daraus gewiß Shon mander Schluß auf feinen Charakter und auf feine Kenntniffe mahen. Wer jo oft einem, mit einer gewilfen Bemühung verbundenen Gefhäfte fich unterzog, der muß unftreitig von Liebe zur Arbeit und Thätigfeit, aber aud) von Liebe für den, zu deflen Gunften er es that, erfüllt fein, und wohl aud einer ungeftörten Gefundheit fih zu erfreuen haben, und wer immer wieder Gegenftände zu finden wußte, welche zu dem beabfichtigten Zwede fi eigneten, dem läßt fich ebenfo wenig ein reicher Borrath von Kenntniffen abjprehen, und wenn endlich ein wifjenfchaftlicher Verein fo lange Fahre feine Bertretung vor dem Publiftum Jemandem überläßt, jo it man wohl anzunehmen berechtigt, jener habe fich dadurch befriedigt gefunden. Aus einer furzen Schilderung des Lebens und der Thätigkeit des Verftorbenen wird fih nun ergeben, ob folche vorläufige Schlüffe richtig jeien oder nicht. - . Fe re Heinrih Rudolf Schinz ward geboren in Zürih den 30. März 1777, als einziges Kind des fomwohl um die Kenntniß verfchiedener Theile der Schweiz, namentlid) des italienischen Gebietes derfelben, ale um PBerbreitung nübliher Renntniffe in der Yandmwirthichaft, um Ein- führung des Kleebaus u. a. m. wohl verdienten Joh. Kud. Schinz, Pfarrers in Uetifon, einer Filiale nahe bei Zürih. Den erften Unterriht genoß der Knabe in den öffentlichen Schulen jeiner Baterftadt, fcheint aber gleih von Anfang an von der damals faft einzig eingeführten Beichäftigung mit den alten Sprachen und von der Art und Weife, wie der Unterricht darin ertheilt wurde, weniger angefprodhen worden zu fein, als von der Beihäftigung mit der Natur und den mannigfaltigen Exricheinungen und Gegenftänden yerfelben, wozu er namentlich aud durch feinen Vater auf zahlreihen Spaziergängen und frühzeitig auf feinen und auch größern Fußreifen felbit in entferntere Theile der Schweiz angeregt wurde und die erwünfchte Anleitung erhielt. Yeider hatte er bereits im Jahr 1790 das Unglüd, den Bater durch den Tod zu ver- (teren, nachdem die Mutter ihm fchon # Jahre früher geftorben war. Der Knabe fand eine liebevolle Aufnahme bei der Schweiter feines Vaters, der Gattin des nachherigen Antiftes Heß. Auch hier hatte er Gelegenheit, einen ziemlichen Theil feiner Zeit für feine fon angedeutete Piebhaberei zum Sammeln von Naturgegenftänden, Infeften, Schmetterlingen, Pflanzen u. f. f. und für die dazu nöthigen Ausflüge in die Umgebungen Zürihs zu verwenden, da fein Oheim durd Amts- und literarische Thätigfeit von näherer Beauflihtigung des Neffen und feines Treibens abgehalten wurde. Doch war Pebkterer bei feinen Lehrern immer ein wohl gelittener Schüler. Es modhte auch die beivegte Zeit, in welche nod ein Theil feiner eriten Studienzeit fiel, nicht gerade einem regelmäßigen ununterbrochenen Arbeiten zuträglich fein. Bom Gymnafium ging Schinz an das zürcherifche medieinifche Imititut über, und machte an demfelben, noch ziemlich jung, im Laufe einiger Jahre den damals gewöhnlichen medicinifchen Studienfurs durd und wir finden ihn dann im Sahr 1797 als Student auf der Univerfität Sena, nachdem er bereits einige Semefter in Würzburg zugebradt hatte. Dort fchloß er fich namentlih auh an Dr. Schmußiger von Aarau und den nahherigen Apothefer Piluger aus Solothurn an, eine Freundschaft, welche erft dur den Tod, bei dem erftern fchon vor einer Reihe von Jahren, bei dem leßtern exit im Fahre 1860 aelöst wurde. Sn den Borlefungen, welche er anhörte, bejchränfte er fich feineswegs bloß auf die eigentlich medicinifchen, fondern ichenfte dem Gefammtgebiet der Naturwiflenschaften feine volle Aufmerkfamfeit. Yn Sena erwarb er fih den Doftorgrad und gina von hier nad) Varis, wo er einen etwas längern Aufenthalt machte und von da etiva in dem Jahr 1798 in feine Baterftadt zurüdfehrte. Hier begann er den Beruf des praftifchen Arztes auszuüben. Dodh mochte diefe Art der Thätigfeit feinen Sinn theils weniger angefprodhen haben, theils er von Anfang an nicht jo, wie es ihm erwünfcht gewefen, in Anfprud genommen worden fein. Smmer mehr wandte er fih, zumal feine öfonomifhen Berhältniffe ihm dieß geftatteten, der Naturwilfenfchaft, und zwar vorzugs- Pe weife der Naturgefchichte, und in diefer, wenn au nicht ausfchliegend, der Zoologie zu, und machte die Bearbeitung derfelben zum Hauptgegenftand feiner Thätigfeit. Nach der Weife feiner Zeit beichränfte er fi bei feinen Unterfuchungen hauptfählih auf die äußere Oberfläche der Gefhöpfe und fühlte fi auch bei dem fpätern immer vorherrfchender werdenden Uebergange faft aller wifjenfchaftlihen Forihung zu den innern Theilen, d. h. zur anatomischen Zergliede- rung, nicht mehr geneigt und befähigt, mit eigener Thätigfeit daran Theil zu nehmen, wenn ihon er den Erfcheinungen diefer Richtung feine Aufmerkfamfeit au nicht entzog. Ein Beweis feines frühzeitig anerfannten Eifers, wie feiner Thätigfeit auf dem Gebiete der Naturwilfenfchaften liegt wohl darin, daß er bereits im Jahr 1800 ala Sekretär der zür- cherifchen phylifaliichen Gefellfchaft fungirte und dann im Anfang des Jahres 1801 förmlich an diefe Stelle gewählt wurde, welde fchon jein Vater 12 Jahre lang beffeidet hatte und der er jelbit die gedoppelte Zeit, alfo nicht weniger als bis in’s 24. Jahr, bis 1823 vorftand. Mit welcher Ausdauer und Hingebung dieß geihah, zeigt fi gewiß daraus, daß er während diefer langen Reihe von Yahren faft in feiner einzigen Situng, welches doc wöchentliche waren, gefehlt hat: eine Ausdauer, welcher er au nad feinem Abtreten von der Stelle nicht untreu wurde, fo daß er im feiner Feitrede zum Jubiläum der Gefellfhaft im Jahr 1846 wohl Necht hatte, wenn er fih äußerte, er glaube jagen zu dürfen, daß während der 47 Jahre, während welcher er der Gefellihaft angehört, er faum A Male den Sigungen nicht beigewohnt habe, ein nahahmungs- werthes Beifpiel und ein würdiges Gegenftüd zu feiner oben erwähnten unermüdeten Thätigfeit in Abfaffung der Neujahrsitüde. E8 war wohl aud hauptfählic fein Eintritt in den oberften Gerichtshof des Kantons gewejen, welder ihn vermochte, jene ihm Lieb und fo zu fagen zur Ge- wohnheit gewordene Gecretariatsftelle niederzulegen. Diefe Gewohnheit hatte ihn indeh befähigt, die Hauptfache, d. b. die Abfaffung der Protofolle, fih jo zu erleichtern, daß er während der Sigung und des Bortrages jelbjt im Stande war, dasfelbe niederzufchreiben, wobei zwar für fein vortrefflihes Gedähtnig immerhin Anhaltspunkte genug fih ergaben, für andere freilich es ichmwerer fein mochte, fih daraus ein Bild des Inhaltes zu machen. Aber nicht bloß auf diefe Weife war er für den ihm am Herzen liegenden Berein thätig, jondern durh, man Fann faft jagen im Laufe der Zeit unzählige Vorträge und Arbeiten trug er ebenfalls zur Erhaltung der Thätigfeit desfelben bei. Abgefehen von den eigentlich durch ihn vorbereiteten und anerbotenen Mittheilungen, zeigte fih Schinz, wenn Mangel an einem Bor- trage war, immer bereitwillig, in die Püde zu treten und mußte aus feinem reichen Schaße von Kenntniffen oder aus dem von ihm eifrig durchforfchten Gebiete der neuen Literatur oder aus der von ihm bejorgten zoologifhen Sammlung etwas herauszuheben, was zwar gerade nicht als Bereicherung für die Wiffenfchaft oder als erfchöpfende Behandlung des Gegenjtandes anzufehen war, darauf aber auch Feine Anfprüche machte, indeß doch für die Zuhörer meift etwas Neues und, Intereffantes, oft nur in Notizen beftehend, darbot und nicht felten zu a ges manden nicht minder intereffanten Keflerionen und Beleuhtungen Beranlaffung aab. Bald waren e8 eine oder mehrere verwandte und fich gegenüberftehende merfwürdige Species aus den verfchiedenen Klaffen der Thiere, bald eine Bereiherung des zoologifhen Mufeums, bald ein merfwürdiges Naturereigniß oder auch nur eine literarifche Neuigkeit, Abbildung, Keife- bericht, welche er zum Vorwurf feiner Mittheilungen machte, und der Leichtigkeit und Schnellig- feit, mit welcher ihm beftändig etwas zu Gebote ftand, fonnten fi gewiß nicht viele Mitglieder erfreuen, fomwie feine Willfährigfeit, fih fo vielfältig zum Lücenbüßer herzugeben, gewiß großer Anerkennung werth ift und faum Jedermanns Sade geiwefen wäre. Hehnlich verhielt es fi mit der fchon mehrfach erwähnten Abfaffung des Neujahrsftüde. Nach der Natur des Inftitutes war cs hier nit um eine wiffenfchaftlihe Abhandlung zu thun, jondern um einen fürzern Auffaß, beftimmt theils zur allgemeinen Belehrung des Bublifums, vorzugsweife der Jugend, theils zur Belebung des Sinnes für Naturwiffenfchaft überhaupt, und gerade diefe Art der Behandlung hatte ihm von jeher zugefagt. Für Aushebung einzelner Gegenftände, Zufammenftellung von bemerfenswerthen, für’s Yeben nugbaren, wenn aud nicht im engften Zufammenhange ftehenden Notizen fand er in feinem mannigfaltigen Borrathe von Kenntniffen immer eine reichlich fließende Quelle und Tieß ihn ftets etwas Wiffens- und Mit- theilungswürdiges darin entdeden. Verbreitung naturwiffenfhaftliher Kenntniffe, als e8 damit in feiner frühern Zeit bei uns noch Schlecht beftellt war, Aufklärung der Menfchen über mande Borurtheile, Berichtigung von irrthümlihen Bolksanfichten machte er fich fait bis in die fpäteren Jahre, als das VBerürfniß weniger mehr vorhanden, gleihfam zur Aufgabe feines Lebens. Bom Jahr 1801 an bis zum Jahr 1844 hat er gerade 25 Neujahrsftüde verfaßt, wie oben ihon gefagt. Die Gegenftände, welche er darin befpradh, waren faft ausfchließend zoologifcher Natur, vor Allem aus der Klaffe der Vögel und Säugethiere, doch einzelne auch au8 derjenigen der Amphibien und Fıfche, eines den vorweltlihen Thieren, eines der Botanik angehörend. Bon 1835 an, al® unfer zoologifhes Mufeum für die in jener Zeit neu errichtete Sohfchule und für den gleichzeitig in den untern Lehranftalten eingeführten Unterricht in den Naturwiffenfchaften mehr Wichtigkeit gewonnen hatte und von den Staatsbehörden unterftüßt wurde, verband er mit einer fürzern Behandlung einer Thiergattung Berichte über den Stand und die Bereicherungen des Mufeums, wobei er nicht unterließ, der freigebigen Schenker ehrenvoll zu gedenken und gefchikt den Wetteifer, um nicht zu fagen die Rivalität, in folder Großmuth für fein geliebtes Schoogfind anzuregen weiß, indem er die Sammlungen anderer Schweizerftädte und ihre Reich- thümer befonders in Folge ähnliher Gaben von Mitbürgern aufzählt. Namentlih in den Fahren 1841—1844 führt er den Lefer vor die mit den Merkwürdigkeiten und Seltenheiten ge= füllten Schränfe und gibt Furze nicht unintereffante Ueberblide. Dabei ift nicht zu verfennen, wie fi) mit der Zeit fein Gefichtsfreis erweitert und er in lebendiger, faft begeifterter Weife, Schilderungen des hohen Genufles und der erhebenden Wirkung der Naturforfchung für den — 9 Menfchen, forwie des praftifhen Nußens für das gefellfchaftliche Leben zu geben weiß. Dabei fehlt etwa auch nicht ein Hleinerer oder größerer Ausfall gegen die fogenannten Bhilologen, deren Suprematie im Unterrichte gegenüber den Naturforfhern ihm von jeher ein Dorn im Auge gewefen, und feine Freude über die Einführung des leßtern Unterrichts in die Zürcher Schulen bei der neuen Organifation derfelben im Jahr 1833 fpradh er am Neujahr 183% fehr lebhaft aus, wobei aud; feine politifhe Anfiht, ein Mittelftandpunft, aber mit der vollften Yiberalität in Bezug auf alles, was zur Unterftügung und Förderung der Wifjenfchaft dienen fann, hervortritt. Noch, bleibt feine erfte Arbeit diefer langen Reihe zu erwähnen, ganz ver- fchiedener Art von den bisher betrachteten, das Neujahrsftüf von 1801, in welhem er feinem Bater ein Denkmal jeßt, und in der die Pietät de8 Sohnes gegenüber dem Bater mit der Beicheidenheit, welde einem dem Hingegangenen fo nahe Stehenden gegenüber dem Publikum gebührt, auf eine feltene Weife vereint fich findet, und die beiden, dem Gefchilderten wie dem Schildernden, zur hohen Ehre gereicht. Nachdem er weniger die Lebensumftände als den edlen Charakter und die vielfachen Leiftungen des Berftorbenen dargeftellt, fährt er gegen den Schluf alfo fort: „Manches, was ic hätte herausheben und ihm zum befondern Berdienfte anrechnen „Lönnen, ift in diefem Auffage nur faum berührt. Jüngling, verwundere Dich darüber nit. „Du hörft den Sohn von feinem Bater erzählen. Wie gerne er aud) von feines Vaters Tu- „genden fpricht, fo gebührt es fich do, daß er davon mit Befcheidenheit fprehe.” Und aud) die folgende Stelle fann ich mich nicht enthalten, weiter herzufegen: „Lerne immer mehr Eltern „und Lehrer hohfhäßen, au wo fie Schwachheiten haben. Die Verftorbenen behalt in treuem, „tebevollem Andenken. Ehrerbietig gegen Lehrer und Eltern ift die Grundlage derjenigen „Ahtung gegen Alter, Würde und Verdienft, mit welder felbft das Wohl des gemeinen We- „Tens fteigt und fällt, wie unfere Nevolution e8 beweifet (er fpricht im Jahr 1800). Wie oft „mußte da der Sohn an feinen nod vor ihrem Ausbruche in eine beffere Welt hinübergegangenen „Dater denken. Was hätte der nach feiner edleren umd fittlichern Freiheitslicbe dazu gejagt, „wenn er folde Herabwürdigungen alles ehemaligen Verdienftes der Väter und der Pehrer „erlebt Hätte? — Doc fo ift er über alle diefe Ummwälzungen nun erhaben und fennt ein Ba- „terland, wie e8 auf Erden feines gibt. Denk, o Jüngling, oft an das Höhere und Höcfte, „an das Ziel Deiner Beftimmung.* Worte, welche, infoweit fie Grundfäße für das Handeln enthalten, gegenwärtig nad) mehr als einem halben Jahrhundert und unter andern VBerhält- niffen nicht weniger wahr und beherzigenswerth find und die man jeßt noch wie damals den Yünglingen zurufen und an’s Herz legen fann. An die Berdienfte um die züccherif—he naturforfchende Gefellfchaft in den angedeuteten Rid)- tungen reiht fi noch feine Funktion al® Vorftand derfelben an, mwelhe Stelle im Jahr 1834 ihm übertragen und von ihm bis in’s Jahr 1846, bis nad der Feier des 100 jährigen Zubis läums, beibehalten wurde, fo daß er alfo während 36 Jahren, mehr als ein Menichenalter lang, A WA in den beiden wichtigen Aemtern ihr einen Theil feiner Zeit mit Luft und Freude gewidmet hat, ungerechnet die Fahre 1831 bis 183%, während welchen ihm ald Vizepräfident und Duältor das mit mandhem nicht gerade angenehmen Detail verbundene und feinem WBejen weniger zu> jagende Kechnungswefen der Gefellichaft obgelegen hatte. Wem das Loos zufiel, Vorgängern, wie Uftert und wie Horner, nadhzufolgen, hatte Feine leichte Aufgabe vor fih. Schinz hat fie nicht ohne Berdienft während einer Reihe von Jahren gelöst. Doc nad jenem feierlichen An- laffe, bei weldhem, an der Spite feiner geliebten Gefellfehaft, ihr noch ein Denkmal zu jeßen, . längft ein Lieblingsgedanke für ihn gewefen war, zögerte er nicht, jüngern Kräften, welche bereit waren, an feine Stelle zu treten, Bla zu machen, nadhdem er das fiebziafte Lebensjahr beinahe zurüdgelegt hatte. Durh fein Berhältnig zur züurherifchen naturforfchenden Gefellfhait wird man faft unmillfürlid) auf dasjenige zum fchweizerifchen entiprechenden Vereine geführt. Die eigentliche Gonftituirung diefes legtern datirt befanntlich vom Jahr 1815. Allein unferm nie ermüdenden, emfigen und fundigen Foriher auf dem Gebiete fchweizerifcher Naturforfhung (Prof. R. Wolf) ift e8 gelungen, die erften Anfänge oder wenigfteng Gedanken zum Anfange bis in die eriten Sahre diefes Jahrhunderts hinauf zu verfolgen und den Antheil, den die Zürcher und Scinz daran hatten, zu entdedken. In den Mittheilungen der naturforfchenden Gefellihaft in Bern vom Jahr 1847, ©. 86 erwähnt er einer Correfpondenz von Pf. Wyttenbah in Bern, in welcher derfelbe unfern Schinz auf die Wünfchbarfeit einer foldhen jhmweizeriihen Gejellfchaft aufmerffam macht, und diefer antwortet nun unter dem 3. April 1802: „Schon lange war „eine folche Gefelfhaft der fehnlichfte Wunsch unferer hiefigen Freunde der Naturgefchichte, und „ich bin wirklich daran, den Plan zu einer folhen Gefelihaft zu entwerfen und ihn dann „meinen Bekannten zur Einfiht mitzutheilen u. |. f." Am 30. Juli d. 38. fchreibt Schinz wieder an Wyttenbah: „Was den Plan zur allgemeinen naturforfchenden Gefellfchaft betrifft, „lo haben wir Zürcher bereit etiwas darüber zufammengetragen, welches ausgearbeitet werden „Sol, um dann Ihnen und den Bernerfchen Liebhabern der Naturgefchihte zur Unterfuchung „vorgelegt zu werden.“ Demnad zeigte fih Schinz, nod ein junger Mann von 25 Jahren, als ein Hauptbeförderer des Werks und der Ausführung einer Fdee, welche damals der Ungunft der Zeiten, der Kriegsereigniffe im Vaterlande und der politifchen Verhältniffe wegen nicht zu Stande fam. Ein im Jahr 1811 auf’8 Neue verfaßter Entwurf, deffen Schinz in feiner Er- öffnungsrede vor der fhweizerifhen Gefellfehaft 1841 erwähnt und den er jelbit dem fel. Witeri mitgetheilt habe, blieb ohne weitere Folgen. Abgehalten, dem erften Aufrufe von Goffe zur Zufammenfunft im Dftober des Jahres 1815 in Genf Folge zu leiten, war Schinz aber doch unter der Zahl derjenigen Männer, welche, wenn fehon nicht aniwejend, dod comme devant appartenir par leurs connoissances & cette societe unter die Stifter der Gefellihaft auf genommen wurden. Das Jahr 1817 fah ihn dann an der Berfammlung in Zürich als Seeretär z _— 7 ee bei der Ausarbeitung der Statuten unter Ufter’s Leitung thätig, worüber er felbit in der eitirten Nede 1841 fi ausfpriht: „Dem edlen Wyttenbah und dem fchöpferifhen Baul Ufteri war e3 vorbehalten, dem begonnenen Unternehmen Beftehen und Kraft einzuflößen, ihm einen beftimmten Lebensgang vorzuzeihnen.” Im Yahr 1826 zum Mitglied des zuerit General- Seeretariat, fpäter Central-Comite genannten leitenden permanenten Ausschuffes aewählt, blieb er bis zu feinem Tode als foldes in demfelben, anfangs in verfchiedenen Deziehungen thätig, in den legten Jahren freilich durch körperliche Hinderniffe daran gehemmt, aber fein unge- ihwädhtes, lebhaftes Intereffe an dem Wohle und dem Gedeihen der Gefellichaft immerfort an den Tag legend. Das Jahr 1841 gewährte ihm die hohe Freude, die Gefellfchaft als deren Präfivent in Zürich zu begrüßen, ihre Verhandlungen zu leiten und die anmejenden Freunde und Genofjen in Vaterland und Wiffenfchaft feiern zu fönnen. Es waren jhöne Stunden für ihn, deren Erinnerung ihm langen und reichen Genuß gewährte. Die damals vor 20 Jahren aus der Fülle des Herzens von ihm gefprodhenen Worte, fie hatten ihre vollfommene Geltung, haben diejelbe jeßt und werden fie hoffentlich nad wieder 20 und abermals 20 Yahren eben jo aut haben: „Alle, welche wie ich das Gtlüd hatten, unfern Berfammlungen öfters beizumohnen, „werden der erheiternden, lehrreihen Stunden, des reinen geiftigen Genuffes, der herzlichen „brüderlihen Theilnahme, welche der Gefellfchaft in allen Kantonen, wohin fie wanderte, zu „Theil ward, nimmer vergeffen. Was fann dem Menschen reinere Breude gewähren, als all- „Jährlich mit gleichgefinnten Freunden, den Mitftreitern aufdem Felde der Wifjenfchaft, zufammen „zu fommen, von ihnen mannigfache Belehrung zu empfangen, mit ihnen das Andenken der „Berftorbenen, die zu früh dem Baterlande und der Wifjenfchaft entriffen wurden, zu feiern ? — „Wo die Gefellfchaft hinfam, im paradiefiihen Lugano, wie bei den ehrwürdigen Vätern auf „dem St. Bernhard, dem hödhften Wohnfie Europa’s, an den Grenzen des Vaterlandes, wie „im Mittelpunfte desfelben, allenthalben fanden wir eidgenöffifchen Sinn für Sreundfchaft und „Wiffenihaft.“ Und weiterhin drüdt er fih aus: „Wir wollen nicht vergefien, daß die Haupt- „wirkjfamfeit unfers Vereins eben nicht in der gründlichen Erörterung weitläufiger Abhandlungen, „Jondern in der vielfeitigen Wedung und Förderung naturwiffenfchaftlicher Beitrebungen befteht, „ein Zwed, der im freundfchaftlichen Gefprädhe, beim heitern Meahle, auf gemeinfamen Aus- „Fügen in der freien Natur vielleicht ficherer als in langen ermüdenden Situngen erreicht wird. „Die Schweizerische Wiffenfchaft trägt, wie der Charakter unfers Bolfes es mit fich bringt, eine „ar verjtändige, heitere, praftifche Färbung, wodurd) fie fih fowohl von den tief gelehrten als „den leicht beweglihen Formen unferer größern Nachbarn unterfcheidet. Halten wir aud in „diefer Hinficht an der Weife feft, die uns eigenthümlich ift und in welder wir ung bisher „wohl gefühlt haben.“ Wenn irgend Jemand, jo hatte Schinz das Reht, von dem Glük zu fprechen, häufig an den Berfammlungen der Gefellichaft Theil genommen zu haben. Kaum ein anderes Mitglied DSL, Ser fann fi deffen in gleihem Maße rühmen. Mit Stolz bliete er darauf zurüd, daß von der erften Zufammenfunft des wirklich conftituirten Vereines im Jahr 1816 bis zum Jahr 1852, alfo im Berlaufe von 36 Jahren, er nur Ein Mal nicht beigewohnt habe, mit Bedauern, daß dieß gerade auf dem großen St. Bernhard habe fein müffen. Neben einer glüdlichen, unab- hängigen, äußern Stellung und einer ungeftörten Gefundbeit bedarf es gewiß eines lebhaften Intereffes zu einer folden nie ausfeßenden Theilnahme, einem entfprechenden Bendant zu feiner Affiduität für die zürcherifche naturforfhende Gejellihaft. Seiner oft gethanen Aeußerung werden aber gewiß mande aus Erfahrung beiftimmen, daß eben die vieljährige Theilnahme ihm die Berfammlungen lieber und genußreicher, ja fait zum Bedürfnig gemacht habe. Möchten viele Mitglieder eben dahin gelangen und fi) bewogen finden, nicht in jedem Heinen Hinderniffe einen Abhaltungsgrund zu erbliden; dann werden aud) ihnen die Zufammenfünfte zu wahren Feften werden. Schon allein fein regelmäßiges Erfcheinen gäbe ihm einen gerechten Anfpruc auf die anerfennende Erinnerung von Seite feiner Collegen, und von der ältern Generation werden gewiß viele fein Andenken in dankbarer, wohl Alle in freundlicher Erinnerung behalten. Denn wenigen von denen, welhe in dem erften Vierteljahrhundert einige oder aud nur ein Mal den Verfammlungen beigemohnt haben, wird der Name Schinz und die frifche Verfön- lichkeit mit jugendlicher Aührigfeit und lebendiger Theilnahme an Allem unbekannt geblieben fein. Do nicht bloß durch perfönlihe Gegenwart legte Schinz fein Intereffe an den Tag. Wenn wir die Namen derjenigen, welche Vorträge gehalten, durchgehen, fo finden wir faum einen Namen häufiger als den jeinigen. Bon 1823 his 1827 fehlt der feinige nie, dann eine PBaufe bis 1833, und von hier an wieder beinahe ununterbrochen bis 1847 oder 1848. Begreiflich, daß fat ohne Ausnahme die Zoologie und Petrefaktenfunde das Gebiet war, auf mweldes er feine Meittheilungen befchränfte, bald nur einzelne Species betradhtend, doc auch allgemeinere Themata behandelnd, wie 3. B. die Synopsis mammalium, den Nußen einer Fauna helvetica, Beiträge zur Kenntnif der Sitten der Vögel, über Syftemfucht, weldher Auffaß vielleicht rich- tiger betitelt würde: über die Zerfplitterungsfucht vieler neuern Naturforicher, bejonders der Zoologen, d. hd. Sudt, die Gattungen in eine Unzahl von Species zu zerfplittern. Hier wie in manchen andern feiner Titerarifchen Arbeiten liefert er neben dem vollftändigen Beweife einer umfaffenden Kenntniß in diefem Theile der Naturgefchichte und eines feltenen, treuen Gedädht- niffes jein Glaubensbefenntniß über die Syfteme in der Naturgefhichte, weldhe er hauptfächlich dazu beftimmt hält, die Gegenftände in einer gewiffen Drdnung zufammenzuftellen, und die er um jo höher fehäßt, je mehr fie das Auffinden der Dinge erleichtern, daher es ihm aud ziemlich gleichgültig erfcheint, welches Syftem man befolge, und darum eben ift ihm die Gat- tungsmacherei jowie das Berfertigen neuer Namen verwerflich, weil dadurd jenes nur erfchwert wird. Berichiedene VBorfchläge, welche er zur Abhülfe diefer Uebelftände madht, find allzufehr auf Fügfamfeit und Nachgiebigkeit der Menfhen, und zwar der Gelehrten berechnet, um auf einen praftiihen Erfolg hoffen zu dürfen. Auch der Todten und ihrer Berdienfte hat Schinz vor der Gefellfchaft aedaht, in Nekro- logen das Andenken Hs. Cafp. Horners, des Weltumfeglers, des Neffen Yudw. Horner, des Keifenden auf Java und Borneo, Dürler’s, des erften Befteigers des Tödi, gefeiert. Endlich, wie wenn er in der oben citirten Schilderung der Wirkfamfeit und des Charakters der Schwei- zerifchen Naturforscher und ihrer Zufammenfünfte fi jelbft zum Borbilde genommen, darf in einem Bilde von ihm als Theilnehmer an den Verfammlungen, wenn e$ wahr und vollftändia fein foll, die Heiterkeit, der Frohfinn, das Behagen nicht fehlen, welches fi) in jeinem ganzen Sein und Wefen abfpiegelte. Selten in den Jahren feiner Kraft ging ein Feltmahl vorüber, an dem er fich nicht, das Glas in der Hand, zu einem Trinffprude erhob, und wenn aud nicht gerade ein fchwungvoller Nedner, rig doc wiederholt das Driginelle und Treffende feiner Kede die Hörer zu ftürmifhem Applaus hin. Wenn wir bisher den Berftorbenen in feinem Verbältnig zu den beiden naturwifienidhaft- liben Bereinen, dem Schweizerifhen und dem Zürderiichen, betrachtet haben, wobei natürlich das Meifte auf feiner unmittelbaren perfünlichen Thätigfeit beruhte, mit ihm dahin ging und nad feinem Abtreten nur nod in der Erinnerung beftand, fo hat er fich dagegen ein bleiben- des Denfmal unermüdeter und verftändiger und wohl berechneter Arbeit in der Zürcherifchen zoologishen Sammlung geitiftet. Sie war bis auf eine gewiffe Zeit fein Werk, er hat fie aus Nichts, man möchte fait jagen mit Nichts geihaffen, wenigftens nad dem Berhältnif -des Vor bandenen zu den Mitteln, die ihm officiell zu Gebote ftanden. Noch aus dem vorigen Fahrhundert hatten fih in der der naturforfchenden Gefellfchaft angehörenden fogenannten Naturalienfamme lung aud) einzelne Stüde aus dem Thierreiche befunden, und aus den erften Decennien diefes Sahrhunderts liest man in den Rechnungen von 20, 30, A0 Franfen, welche in einzelnen Jahren zu gelegentlihen Anfäufen neuer fi darbietenden Stücke verwendet wurden. Sebt von den Zwanziger Jahren an wußte fein beharrlicher Eifer und eine gewilfe daraus hervorgegangene, übrigens ganz uneigennüßige Zudringlichkeit von feiner Seite das Interefje einzelner generöfen Privaten und auch verfchiedener Vereine zu weden, daß zu Gunften des zoologiihen Mufeums Schenkungen bald in natura, bald in Geld zu freier Verfügung für ihn gemadt wurden. Scdinz war ein gewandter Sammler, hatte überall feine Verbindungen, verftand den Taufch- handel aus dem Fundament, war allgemein aud als Käufer befannt, fo daß ihm von nah und fern dergleihen Saden zugebraht wurden, und es ihm gelang, im Laufe von etiwas mehr als 12 Jahren eine Sammlung berzuftellen, weldhe damals mit allen in der Schweiz rivalifirte, wo nicht die meiften in Mancem übertraf. Na) dem von ihm gegebenen Berzeichniffe beftand die Sammlung bereits im Jahr 1833 aus 1490 Wirbelthieren und über 4000 wirbellofen Thieren. Unzählbar find gewiß die Stunden, welche er aus freien Stüden, von feiner Piebhaberei v 3 Pe zur Sadhe getrieben, für Herftellung und Imftandhaltung der Sammlung aufgewendet hat. Bis zum Jahr 1835 war das Meifte von ihm eigenhändig ausgeftopft worden, und erft jebt ward e3 möglih, daß ihm eine helfende Hand beigegeben wurde, und e8 darf bei Anlaß des Zürderifhen zoologishen Mufeums gewiß mit vollem echt des tüchtigen Beiftandes hier ge- dacht werden, welcher ihm durch den feit jener Zeit bis gegenwärtig noch an der Anftalt ange ftellten Gehülfen, E. Widmer, für diefelbe zu Theil wurde. Die aufrihtige, treue Anhänglichkeit, welche diefer während der langen Neihe von Fahren ihres Zufammenarbeitens unferm Scinz und auch dann nod, als Tehteres aufhören mußte, immerfort, bis an feinen Tod und darüber hinaus bewahrt hat, fpricht eben fo fehr für die Güte, mit welder Scinz feine Un tergebenen behandelte, als die Achtung, mit welcher Herr Widmer der Thätigfeit und der Arbeiten feines Borgefeßten aud jeßt no bei in mander Beziehung fortgefchrittener Fertigkeit und Gefhieflichfeit gedenft, einen fprehenden Beweis für den Eifer und die Kenntniffe von Schinz abgibt. Nah Errichtung der Hochfchule traten für das Mufeum beffere Zeiten in Bezug auf die darauf zu verwendenden Geldfräfte ein, in Folge eines jährlihen Beitrages von Seite der Erziehungsbehörde, bis endlih im Jahr 1837 die naturforfchende Gefellfihaft das ganze z00lo- oihe Mufeum an den Staat um die Summe von 4000 Fr. abtrat, nadhdem wenige Jahre vorher die faft vollftändige, aus mehr als 700 Stüden beftehende Sammlung inländifcher Bögel, Nefter und Eier, welche unfer Schinz aus eigenen Mitteln im Laufe vieler Jahre, wohl feit Anfang des Jahrhunderts an, zufammen gebraht und jet der Gefellfchaft zum Kauf angetragen hatte, um mehr als 4500 Fr., zum großen Theil aus freiwilligen PBrivatbeiträgen angefauft und dem Mufeum einverleibt worden war. Die Beforgung behielt Schinz ale Confervator no) eine lange Reihe von Fahren bei, dem Smftitute, als feinem Liebling und Kleinod, einen nicht geringen Theil feiner Zeit widmend und dabei des immerwährend fröhlichen Gedeihens und Blühens feiner Pflanzung fich freuend. Sammeln war feine Liebhaberei, und wie er hier die conereten Gegenftände in langen Keihen und geräumigen Kaften zufammen zu ftellen und zu ordnen fich freute, fo verhielt es fih gleihfam aud auf dem abftraften Gebiete des Willens, und Schon vielfach ging aus dem Mitgetheilten hervor, welch’ einen faft unerfhöpflihen Schaf der mannigfaltigften Kenntniffe aus dem gefammten Gebiete der Naturwifjenfchaften er ih in feinem Gedächtniffe angefammelt, um fie aucd) dort zu gelegener Zeit hervor zu holen, wie er es mit den auf den Repofitorien neben einander gereihten ausgeftopften Thieren fo häufig mit Freude und Stolz gethan hat. Bon feinen Kenntniffen fing er frühzeitig an vielfachen Gebraud zu literarischen Arbeiten zu maden. Mehrere derfelben haben im Laufe der Zeit eine nicht unbeträdhtlihe Ausdehnung gewonnen und waren zu ihrer Zeit als wirflid großartige Unternehmungen zu betrachten. Zuerft gab er im Jahr 1809 in Verbindung mit ‚dem Botaniker Römer eine Naturgefchichte Zi a der in der Schweiz einheimifchen Säugethiere heraus (für Kenner und Liebhaber beftimmt); im Fahr 1815 mit Prof. Meißner „die Vögel der Schweiz“; 1819 begann er die Beichreibung und Abbildung der fünftlichen Nefter und Eier der in der Schweiz und Deutfchland brütenden Vögel, welche aber, wie er im leßten Hefte felbit fagt, nur wenige Abnehmer fand und degtwegen aufgegeben werden mußte, aber doch bis auf jene Zeit die vollftändigite Sammlung war und bis auf fehr wenige (3) Ausnahmen aus lauter Driginalen beftand. Im Jahr 1829 erfchien das Lehrbud der Naturgefchichte für Schulen, und im Jahr 1834 die zweite Auflage davon ald Handbud) der Naturgefchichte. Daran jchließt fi, der Tendenz und der Bearbeitung nad), die im Jahr 1842 herausgegebene Beichreihung des Kantons Zürich unter dem Titel: „Der Kanton Zürich in naturwiffenfchaftliher und landwirthichaftlicher Beziehung dargeftellt. Ein Handbud für Schulen fowie zur Belehrung und Unterhaltung für jedes Alter.“ Sein Ziwed geht eben, wie er ih in der Borrede ausspriht, dahin, die Naturprodukte und ihre Beziehungen zu unfern Bedürfniffen Fennen zu lehren, täglich vorfommende Naturereigniffe zu beleuchten und fo Aber- glauben und Borurtheilen, welche noch weiter verbreitet und tiefer eingewurzelt bei uns feien, al® man nicht glaube, entgegen zu arbeiten. Dazu ift insbefondere in der legt genannten Schrift ein eigener Abjchnitt, betitelt: Aberglauben, beftimmt. Mit dem Bolfe und feiner Anfchauungsweile befannt, weiß er fi im einfacher, leicht verftändlicher Weife feinen Lejern anzupaljen und fie zu belehren, ohne fie durch fyftematifch vollftändige Behandlung des Gegen- Standes zu ermüden. In beiden Schriften tritt dann nod neben der Mannigfaltigfeit feines Willens im theoretifchen Theile der Naturwifjenfchaften aud) feine Kenntnif in einem praftifchen Bade, in der Landwirthichaft, zu Tage. Freilich hatte er fich diefelbe auf eigene Unkosten durch) mehrjährigen Betrieb eines Gutes in der Nähe der Stadt Zürich erfauft, welcher begreiflicher Weife fein gewinnbringender gewefen war. Als eine, dem Laien wenigitens auffallende, viel- leicht nad) 20 Jahren wohl nicht mehr paffende Bemerkung von ihm, mag folgendes hier einen Plaß finden, daß die Pandwirthichaft im Kanton Zürih noch ziemlich zurüd fei, und zwar vorzugsweile da, wo fie den Hauptnahrungszweig ausmadhe, gegenüber den Gegenden, wo zugleich Fabrifdienft ftattfindet. Schon vorher, vom Jahr 1824 an, hatte er Abbildungen aus der Naturgefhichte für den Schul» und Privatunterricht mit 29 Tafeln für das Thierreih) und 12 Tafeln für das Pflanzenreich angefangen herauszugeben; 2. Aufl. 1840, und gleichzeitig dann fein großes Kupferwerf: Naturgeihichte und Abbildungen der Menichen, Säugethiere, Vögel, Amphibien und Fische mit faft 500 Abbildungen in 5 Bänden folio, von denen einzelne 2 und 3 Auflagen, man jollte denfen zum großen Vortheil jowohl des Berfaffers als des Berlegers, erlebt haben. Doch fchon der wiederholte Wechjel des Iehtern läßt das Gegentheil vermuthen, und das Ganze fol nicht ohne beträchtliche öfonomifhe Einbuße des erftern zu Stande ges fommen fein. Daß von den mehr eigentlih wifjfenfchaftlid gehaltenen Monographien der Säugethiere mit Abbildungen nah der Natur und den vorzüglichften wifjenschaftlihen Werfen Neue . re nur etwa 13 Hefte erfcheinen Fonnten, 1845—1852, doc mit mehr als 60 Tafeln, ift begreiflich, und daß fie ihm manden Berluft und viel Berdruß bradten, außer Zweifel. Alle die angeführten Arbeiten follten, wie fhon der Titel zeigt, fämmtlic) dazu beitragen, die naturgefhihtlihen Kenntniffe allgemeiner zu verbreiten, fie gleihfam zum Gemeingute zu maden. E8 find degmwegen auch mit jehr wenigen Ausnahmen Feine jelbitiftändigen Bearbei- tungen der Wiffenfchaft auf Bereicherung und Förderung derfelben berechnet, fondern das Bor- handene in eine Form gebradht, in welcher es dem Publikum nicht bloß verftändlih, fondern angenehm und unterhaltend zu werden geeignet fei. Daß er den Ton und eine richtige Auswahl zu treffen wußte, dafür fpricht wohl das Erfcheinen mehrfaher Auflagen, jomit der bedeutende Abfaß, welchen die Kupferwerfe gefunden haben mußten. Mit jenem Beftreben den bis dahin zurüdgefegten naturgefhichtlihen Unterriht in die Schulen eingeführt zu fehen, war dann, wie fhon oben gefagt, eine Art Geringfhäßung der claflifhen Studien verbunden, deren überwiegende Begünftiguna in den frühern Unterrihtsplänen der zürdherifhen Schulen gar oft den Gegenftand feines Tadels ausmahte und ihn wiederholt zu etwas Tebhaften Heußerungen feiner Mißbilligung und dadurd zu Collifionen oder Conflitten mit den Huma- niften führte. Diefes Thema wurde von ihm mehrfach öffentlid; befprodhen, wie 3.8. in feiner Kede bei Eröffnung des Curfes am tehnifhen Inftitute im Jahr 1830, in der Feltrede im Jahr 1846, auch in Neujahrsitücden, und zwar mit einer Wärme, welde an Animofität ftreifte. Die erwünfchtefte, nicht gefuchte, fondern offieielle Gelegenheit bot ihm jene Eröffnungsrede dar, und er fchildert daher auch dort mit großer Ausführlichfeit und in manderlei Detail eingehend die Vortheile, weldhe aus der Kenntniß der verschiedenen Naturwiffenfchaften, der Phyfif und der Chemie und befonders der Naturgefhichte (diefer göttlihen Wilfenichaft, wie er fie irgendwo nennt) für die technischen Berufsarten in allen Richtungen hervorgehen und wie fie die mannig- fachlte praftifche Anwendung finden. Obfchon er aber bei der Erwerbung von Kenntniß der Natur hauptfählich den praftifchen Nußen und die Anwendung derjelben aufs Leben im Auge hatte, wußte er diefelben doch auch aus einem höhern Gefichtspunfte aufzufaffen. So in der erwähnten Rede am Jubiläum der naturforfchenden Gefellihaft 1846. Nachdem er Haller’s Worte: „In’s Innere der Natur dringt Fein erichaffener Geift“, eitirt hat, Ichließt er: „Das „Horfchen nach) ihren Geheimniffen hebt den Geift empor zu dem ewigen Urquell der Dinge, „denn es enthüllt uns die Wunder der Schöpfung,” und ähnlich an andern Stellen. Bon rein wiffenfhaftliher Natur, aber doch in eigenthümlicher Nicytung waren zwei nod) zu erwähnende Werke von Schinz: Europäifhe Fauna, oder Berzeihnig der Wirbelthiere Europa’s, 2 Bde, Stuttgart 1840; und: Syftematifches Verzeihnig aller bis jet befannten Säugethiere, oder Synopsis mammalium nad dem Cuvier’ihen Syfteme, 2 Bde, Solothurn 1844 u. 1845. Vorausgegangen diefen Arbeiten war die Ueberjegung des Werfes von Euvier: Das Thierreich eingetheilt nach dem Bau der Thiere, mit vielen Zufägen verfehen, in & Bänden, Pa Bes Stuttgart 1821—1824, und im Jahr 1837 in den Denffichriften der allgemeinen Schweizerifchen Gefellfchaft für Naturwiffenfchaft eine Fauna helvetica, oder Verzeihniß der in der Schweiz vorfommenden Wirbelthiere.. Der Sammler, feine Piebhaberei für da8 Sammeln, und das Beitreben, diefes möglichft zu erleichtern, fpricht fi darin unverholen aus: nad welhem Sy- fteme man die Dinge zufammenftelle und namentlich das Neue einrangire, fei ziemlich gleich gültig, wenn man nur das Neue fenne, und je mehr das Spftem Leichtigkeit gewähre, die Saden zu finden, deito vorzüglicher fer es. E8 gehörte gewiß nicht geringer Fleiß dazu, ver- bunden mit umfaffender, durch unausgefeßtes Studium erworbener und durch forafältige Beadh- tung aller neu erfcheinenden MWerfe unterhaltener Kenntniß, um Werfe, wie die angeführten, je in 2 $ahren zu vollenden. Er thut fich auch in der Vorrede etwas darauf zu aqute und fürchtet feineswegs eine billige Kritif, fordert fie gleichfam heraus. Neben mehreren Auffäßen in den Denkichriften und Verhandlungen der genannten Gefellichaft erwähnen wir noch einer Fleinen Arbeit von ihm aus früherer Zeit, der einzigen, fo viel uns befannt, in diefen Gebiete: Etwas über anftedende Krankheiten und das Nervenfieber insbefondere, Zürich 1814. PVeranlaft durch die damals in Zürich herrfchende Krankheit und zu allgemeiner Belehrung und Beruhigung beftimmt, ift fie nicht als woiffenfchaftliche, fondern al populäre Arbeit zu betrachten. Begreiflich ift nach dem mehrfah Gefagten, daß bei feiner innigen Ueberzeugung von den Dortheilen und der Nothiwerrdigfeit der Verbreitung der Naturfenntniffe, zumal durch Unterricht in den Schulen, er auch) felbjt fich bemühte und die Gelegenheit fuchte, auf diefenn Wege dem von ihm angeftrebten und erfehnten Ziele näher zu fommen, und wir wollen ihn nun no in feiner Thätigfeit als Lehrer betrachten. Schon im Jahr 180%, bei einer KReorganifation des medicinifchen Inftitutes, war er unter die Zahl der Fehrer desjelben aufgenommen und aud) zugleich mit dem Sefretariate betraut worden, welch leßteres er bis zum Jahr 1810, in dem ihm das Präfidium übertragen worden, verfah. Ununterbrochen bis zur Aufhebung der Anftalt im Jahr 1833 hielt er Vorträge an demfelben und zwar fortwährend über Naturgefchichte und eine lange Keihe von Yahren über PVhyfiologie. Die vielfah noch bis in die fpäteften Jahre fi) aussprechende danfbare Anhänglichfeit feiner Schüler zeigte unverkennbar, daf fie fih von ihm und feinem ganzen Wefen angefprohen und durd die erhaltene Belehrung befriedigt fühlten, und wenn die Aufgabe des Lehrers eben fo fehr diejenige ift, anregend auf die Zu- hörer einzuwirfen, fie zu eigenem Denfen und Forfchen anzuregen, als gerade die Wiflenfchaft in möglichiter Vollftändigfeit und möglichlt fyitematifcher Form und Folgerichtigfeit gleich dem Buche darzuftellen, fo war Schinz nad damaliger Zeit. und Umftänden feiner Aufgabe ge wachen, und wenn e8 cben fo, wichtig ift, beim Schüler Eifer für das Studium zu weden, als ihm gerade alle Einzelnheiten vorzuführen, fo war die unverfennbare Liebe des Lehrers zur Sade in Verbindung mit einem getwinnenden, Zutrauen erregenden Benehmen unftreitig dazu geeignet und feine Erfolge in- diefer Stellung recht erfreuliche. Auf Mittheilung neuer For- —ı ME [chungen und auf Erweiterung der Wilfenfhaft machte er feinen Anfpruch, aber mit den Fort- fcohritten und Bereicherungen derfelben verfäumte er nicht fich felbft und feine Zuhörer befannt zu maden. Nur kurze Zeit, bloß wenige Jahre, etiwa 1806 bis 1807, hatte Schinz an der hiefigen Töchterfchule naturgefhihtlihen Unterricht ertheilt, und es ift für den, welcher feine Indivi- dualität Fannte, leicht begreiflih, daß er aud) das Intereffe eines folchen Kreifes von Lernenden in Anfpruc) zu nehmen vermochte, fo daß no mande diefer Schülerinnen in jpätern Fahren fich deffen, was er fie gelehrt, mit Vergnügen erinnerten. Mit dem Aufhören des medieinifchen Inftitutes und der Errihtung der Hodhfchule ging er als außerordentliher Profeffor der Naturgeichichte über an die pbilofophifche Facultät der (eßtern und übernahm zugleich die Stelle als Lehrer der Naturgefchichte an der obern Induftrie- fhule und am obern Gymnafium. Doc dies leßtere war nicht das geeignete Feld für feine Art und für feinen Sinn, wohl aud nicht mehr für fein Alter, das den 60en entgegen rückte. Es widerftrebte ihm durch ftrengen Ernft und ftraffes Anziehen der Zügel diejenigen im Geleife zu erhalten, deren allzu jugendlicher Sinn fie aus demfelben hinaus trieb, und fo trat er im Sahr 1837 wieder von diefer Stelle zurüd. Bis zu feinem Tode hingegen verblieb er in der Keihe der Profefforen der Hodhichule al8 ehrwürdiger Senior derfelben. Zwar nicht als Lehrer, doc als Mitgied der Vorfteherfchaft hatte er auch dem technifchen Snftitute feit deffen Errichtung im Jahr 1826 angehört, im Jahr 1830 das Amt eines Präfi- denten befleidet und den Eurs diefes Jahres mit der oben erwähnten Kede über die Bortheile oder vielmehr die Nothwendigfeit der naturwiffenfhaftlihen Kenntniffe für die einfchlägigen Berufsarten eröffnet. Als mit dem Jahr 1833 an die Stelle diefer Privatanftalt die obere Snduftriefchule trat, nahm jene Stellung natürlid ebenfalls ein Ende. Ebenfalls nicht als Lehrer, aber doch als Leiter und Beauflichtiger brachte ihn fein Beitritt zu den Auffehern der fogenannten Knabengefellfehaft mit dem jüngern Gefchledhte in Berührung, und auch hier bewährte fich theils fein Talent mit jungen Leuten auf freundliche Weife umzu- aehen und ihre Anhänglichfeit zu gewinnen, theils feine Gefälligfeit, Freundlichkeit und Ge- neigtheit, an jugendlichen Spielen nod Theil zu nehmen, feine Gefchidlichfeit, die Aufmerk- famfeit derfelben dur Mittheilung intereffanter Notizen und Erzählungen aus feinem Lieb- fingsfah zu feffeln, fein Beftreben, die Freude an der Natur und ihren Gegenftänden zu weden, fo daß die Theilnehmer an jenen Gefellfhaftsabenden ihm aud jet ein Liebreihes Andenfen fchenfen. Als Beweis der mannigfachen Peiftungen, zu welden Sching geneigt war und befähigt gehalten wurde, mag anzufehen fein, daß er vom Jahr 1816 bis 1823 die Stelle eines Bezirks- arztes des Bezirkes Zürich bekleidete, an welche freilich damals nod} geringere Anfprüce gemacht wurden, und diefelbe zur Befriedigung feiner Oberbehörde verfah. Sie machte für ihn gleichjam den Uebergang in eine Sphäre, welche mit feiner gewohnten und mit feiner Lieblingsthätig- keit einen bedeutenden Contraft bildete. Im leßtgenannten Jahre trat er nämlid in den höchften Gerichtshof des Kantons, in’s Obergeriht, ein, trat damit natürlih von feiner Bezirksarztftelle zurüd und ohnehin mußten die neuen und ungewohnten Verhältniffe und Be- Schäftigungen des erlangten Amtes feine Zeit gar fehr in Anjprud nehmen. Doc die ftreng geregelten Formen, in welchen die Jurisprudenz fih zu bewegen hat, und die logifhe Confe- quenz in den Schlußfolgerungen, an welche fie gebunden ift, mochten feinem Wefen weniger zufagen und wollten ihn aud) nie recht geläufig werden, fo daß er gewiffermaßen nicht ungern im Jahr 1833 wieder ausfchlieglich zu denjenigen Gegenftänden zurüdfehrte, mit denen er fich von jeher befchäftigt und die er zur Aufgabe feines Lebens gemacht hatte, zur Natur und ihrer Wiffenfchaft. Ihr blieb er von da an ohne Unterbruch getreu. Nur wenige Jahre war er noch, wie oben bemerkt, in amtlicher Stellung als Lehrer der Naturgefhichte an der Kantons- fchule thätig, und als das Jahr 1837 ihn aud) diefer enthoben hatte, fo blieb ihm vom 60Often Yahre an bei fo ungefhwächten Kräften, wie es jelten dem Sterblichen in diefem Alter vergönnt ift, freie Muße, fich jenen naturwiffenfhaftlihen Studien zu widmen. Die Honorar-Profefjur an der Hohfchule nahm ihn nicht fehr in Anfprud und ftand mit diefer Thätigfeit in nächftem Zufammenhange. Die bereits erwähnten literarifhen Arbeiten waren die Früchte derfelben und die Bejorgung des zoologifchen Mufeums nahm einen andern Theil feiner Zeit in Anfprud, fo daß es ihm nie an erwünfchter Beichäftigung fehlte. Außerdem wurden viele feiner Stunden durch zahlreiche anderweitige Stellungen, wie Theilnahme an wiffenfchaftlihen, gemeinnüßigen, wohlthätigen, allgemein Schweizerifhen und cantonalen, aud bloß aefelfchaftlichen Vereinen, an ftaatlihen, politifhen und firchlichen Bezirfs- und Gemeindsbehörden, zu denen ihn das Bertrauen feiner Mitbürger berufen hatte, ausgefüllt. Ichätigfeit war ihm angeboren und bis in fein hohes Alter fonnte man ihn fhon am frühen Morgen in feinem Garten, wenn aud) nicht feinen Kohl bauen, doch feine Pflanzen und Blumen beforgen, begiegen, aufbinden, be- baden und dral. erbliden; und umgekehrt, wer fpät in der Nacht bei feinem ländlich freundlich gelegenen Wohnhaufe vorbeiging, hätte nit felten noch das einfame Licht Shimmern gefehen, bei deffen Schein er oft bis gegen Mitternacht feine Pectüre emfig fortzufegen die Gewohnheit hatte. Während des Tages war es ihm eine angenehme Unterhaltung und zugleich erwünfchte Gelegenheit zur Beobahtung, Thiere (Vögel u. a.) in feinem Zimmer um fi zu haben und fich felbft ihrer anzunehmen und fie zu füttern u. f. f. Neben der Thätigkeit war auch Gefelligfeit ein Hauptzug in feinem Charakter. Daher fchlug er es faum ab, wenn er aufgefordert wurde, Theil an Vereinen zu nehmen, trat von freien Stüden einer nicht geringen Zahl derfelben bei und zwar fehr verfchiedener Natur und nicht bloß dem Namen nad. E8 madte ihm Freude, den Zufammenkünften beizumohnen, er liebte e8, Bekanntfchaften zu machen, zu pflegen, zu erneuern, und bewegte fi) mit Luft in a ' er diefem Kreife von Freunden und Gleihgefinnten. Er fette daher die Theilnahme an foldhen Berfammlungen fogar no fort, als die abnehmenden förperlichen Kräfte eg mehr oder weniger bedenklich erjheinen ließen. Bon jeher der Freiheit des Denkens zugethan, gehörte er zu denen, welche aud im bür- gerlichen Leben einer vernünftigen Freiheit huldigten, und eben fo fehr war es die Gleichheit aller, welche er fefthielt und aud ausübte. Abhold blieb er den Vorrechten irgend welchen Drtes oder irgend welcher Glaffe von Perfonen, mochte er auch felbjt den früher Bevorzugten angehören und fich felbft und feinen Genoffen durd Befolgung jener Grundfäße fcheinbaren Nachtheil zufügen. Vor manden feiner Meinungsgenofjen hatte er dann die ehrenwerthe Ger finnung voraus, daß er die von ihm und für fi verlangte Freiheit au andern zu geftatten unbefangen genug war, daß er abweichende Anfichten ertragen konnte, und bei aller Lebendigkeit, bei allem Feuer, das ihm durhdrang, fih doch nit zu Geringfhägung oder zum Zivange gegen andere verleiten ließ. Diefer Enthufiasmus trat noch befonders in zwei Richtungen zu Tage; erftens in einem begejfterten Patriotismus für fein gefammtes theures Vaterland und für \ alles, was dasfelbe betraf. Wenn er in ganz früher Zeit von Jena aus, als er das Vaterland bedroht glaubte, gegen einen Altersgenoffen auf einer andern deutfchen Hodhjchule feinen Ent- fchluß ausfprad, mit den Waffen dem bedrängten Heerde zu Hülfe zu eilen und den Yandsmann zu gleichem Unternehmen anzufeuern verfuchte, jo wäre er auch fpäter für Achnliches bereit agewefen. Nicht minder war Fortfchritt gleichjam ein Lofungswort von ihm. Das Neue hatte für ihn einen ausnehmenden Reiz, und feine lebhafte Phantafie malte ihm die Wichtigkeit und die dadurch zu gewinnenden Vortheile fo aus, daß er darüber die Kritif etwa in den Hinter- grund treten ließ. Erwerbung neuer Kenntniß, Bekanntichaft mit neuen Entdedungen und Erfindungen, aber nicht weniger praftifhe Benußung und Anwendung derjelben war fein Streben und fein Bemühen. — Eine fpecielle Aufzählung defen, was er in anderer als natur- wiffenfchaftlicher Aihtung geleiftet, gehört nicht hierher, bloß eine allgemeine Charakteriftit feiner geiftigen Natur, welche hier wie dort feinem Thun zum Grunde lag. Cine bemerfens- werthe Eigenthümlichfeit mag bier nicht unerwähnt bleiben, daß nämlid einer Drganijation, deren Auge für das Ebenmaß der Formen und die Schönheit und Harmonie derfelben jo viel Empfänglihfeit befaß, dagegen der Sinn für die Harmonie der Töne verfagt war. Mufif ließ ihn mindeftens gleichgültig, wenn er fi dadurch nicht fogar unangenehm berührt fühlte. Smpfänglid, wie er war, für die Schönheiten der Natur fowohl im Großen als im Kleinen, gehörten Spaziergänge in den herrlichen Umgebungen feines I. Zürid zu den an- genehmften Erholungen für ihn, und nody bis über die 70 hinaus war das Befteigen des Uetli- berges kaum als eine Strapaße für ihn zu betrachten. So fam das Jahr 1819 heran und im Laufe desjelben ein unverfennbarer, wenn aud) fchwacher apoplektifher Anfall. Mit einer Faffung, mit einen Gleihmuth, wie man fie felten EEE N findet, betrachtete, ja fcherzte er über denfelben, er, der Arzt, er, deilen Gefundheit während 7 Decennien faum je getrübt worden war, von dem man mit Recht jagen konnte, er fei immer der gleiche, er werde gar nicht alt. Doc) feine trefflihe Conftitution bewährte fi) aud) hier: er erholte fi, was die Bewegung betrifft, wieder faft vollitändig, fo daß der liebe Uetliberg noch einige Male ohne großen Anftoß aufs Neue beitiegen, das Iekte Mal freilich nur mit großer Anftrengung, Mühe und Befhwerde heruntergeftiegen werden fonnte. Den Berfamm- lungen der Schweizerifchen naturforschenden Sefellfchait hat er 1850 und 1851 in Aarau und Glarus beigewohnt, ja felbjt 1852 Tief er fi von derjenigen im fernen Sitten nicht zurüd- halten, und vieleicht noch fpäter mag er an den im Kanton abgehaltenen Eongrefjen der Zür- herifhen mediziniichen Gefellfchaft Theil genommen haben. Aber das Loos des Altwerdeng batte num aud) ihn und zwar mit ziemlich rafhem Schritte ereilt. Namentlich vom Yahr 1854 an nahm die Fähigfeit der Bewegungen mit den untern Ertremitäten, das Gehen, in einem Make ab, daß der, welcher den greifen Freund, beide Hände feft auf den Tifch geitüugt, mit hödhfter Anftrengung langfan einen Fuß vor den andern Ihiebend und fchleppend, erblickte, fich mehr beängftigt und beflommen fühlte, als der Leidende jelbft, welcher jene Berfuhe zu wiederholen nicht entmuthigt wurde und mit einer gewifien Hartnädigfeit lange Zeit auch hierin nod möglichite Selbftftändigfeit und Unabhängigkeit zu behaupten beftrebt war, mochte dieß aud etwa mit einem feinen Unfall oder Umfall erfauft fein. Er verfchmähte die Hülfe und Unterftüßung, welche ihm mit findlicher Zuvorfommenheit nicht nur anerboten war, fondern melde ihm aus leicht begreiflicher Aenaftlichkeit zu eigener Beruhigung faft aufzudringen feine Angehörigen fi nicht enthalten fonnten. Denn wenn er aud) bereits in dem Jahre feines eriten Anfalles von Apoplerie das Unglüf gehabt hatte, feine natürlichite und liebevollfte Pflegerin, eine treue, bi8 ganz nahe an die goldene Hochzeitsfeier mit ihm verbundene Lebeng- gefährtin durd den Tod zu verlieren, fo fprad fih doc in feinen nächften häuslichen Umge- bungen (Tochter und Tochtermann) nur das lebhafte Bedauern aus, daß der Vater das, was man fid) freuen würde zu leiften, zurüdmweife. Noh lange, nahdem ihm der Gebrauch der Füße fchon verfagt war, ließ er fih nod bisweilen nad) der Stätte feiner vieljährigen Thätig- feit, dem zoologiichen Mufeum hintragen, um fi) wenigfteng an dem Anblid zu erfreuen, fich dabei und darüber mit feinem treuen Gehülfen unterhalten und für Ordnung, Einrichtung, Anschaffung feinen Kath und Aufträge ertheilen zu fünnen. Dod noch hatte die Borfehung Schwereres über ihn befchloffen. Allmälig wurden die Be- wegungen der Zunge mühfamer und fchwieriger, fie gehorhte dem Willen nicht mehr und die Zöne und Laute wurden fo unartieulirt, daf fie nur den alltäglich mit ihm Umgehenden nod einigermaßen verftändlich blieben und fo wurde der Verkehr mit den Menjchen für ihn immer bejhränfter, zuleßt faft ganz aufgehoben. Allein es follte auch die Aufnahme des Aeußern in’s Innere großen Theils abgefchnitten werden. Das Licht der Augen begann fich zu verdunfeln, 3 er und nun wurde auch das, was lange Zeit hindurch die Bitterfeit feiner einfamen Stunden wenn auch nicht verfüht, doch weniger fühlbar gemacht hatte, die Lectüre, zur Unmöglichkeit. Und wie ertrug unfer viel geprüfte Freund al’ dieß Ungemah? Wir wollen die Antwort mit den Worten feines treuen Schwiegerfohnes geben, weldhem der Anbli täglich, ja ftündlich vor Augen ftand, da er-fih mit der hingebenden Tochter in die Pflege des theuren Vaters getheilt hatte: „Lähmung und Erblindung feffelte ihn an’s Zimmer; Bereinfamung wurde fein 2008, „in das er ohne Klage fich fügte; ein hartes Gefhik für den Mann, der während fieben Jahr- „zehenden fo heiter und froh fich bewegt, feine Störung der Gefundheit erfahren hatte. — Ein „ruhiges, fait unmerflihes Einfchlafen zahlte der Natur den legten Tribut.“ Am 8. März 1861 furz vor vollendetem 8%. Jahre. Angereiht hat er fich, einer der leßten den ihm voranges gangenen Stiftern des Schweizerischen Bereins für Naturwilfenfchaften, von denen er 20 Jahre vorher gejagt hatte: „Sie find dorthin gegangen, wohin das Schidfal jeden Sterblihen ruft, „dorthin, wo wir nad den Lehren unfers Glaubens und nad der Stimme unfers Innern „hoffen dürfen, die für das Auge des Sterblichen verhüllten Gefege des Weltalls zu Schauen.“ Möchte es diefer Schilderung des Lebens und Wirkens eines zu feiner Zeit weit im Vater: land befannten Mannes gelungen fein, die Verdienfte desfelben, dem das feineswegs beneidens- werthe Loos gefallen, fhon beim Leben den Augen und damit aud) dem Geifte der Zeitgenofjen entrüdt worden zu fein, wieder in bleibendes Andenken gerufen und in’3 rechte Licht gefekt zu haben. Leicht fer ihm die Erde; denn allerdings fchwer hat der Drud des irdifhen Urfprungs feiner fterblihen Hülle vor dem Scheiden auf ihm gelaftet, jo daß man verfucht fein fünnte, den alten Saß darauf anzuwenden: „Preife den Tag nicht vor dem Abend.“ Werfen wir aber unfern Blid auf den ganzen langen, wenn aud) nicht gerade ereignigreichen Lebenslauf zurüd, fo darf wohl entjchieden dieß verneint werden. Wem das Geftirn des Tages von früh an bis an die eierftunde fo mit mildem, heiterem Schein zum Tagewerf geleuchtet, wer im Laufe diefer Zeit nad) dem Maße der ihm von Gott verliehenen Kräfte diefelben mit Eifer zur Arbeit fo verwendet, und hinwieder die ihm gebotenen Freuden mit Maß jo genofjen hat, wie Schinz, der darf mit Befriedigung auf die erftere, wird mit Dank auf die zweiten zurüdbliden, und mag dann aud die lefte Stunde des Entichlafens etwas länger auf fid warten laffen, man bat in einem foldhen Leben den Gleichmuth gewinnen können, ruhig abzuwarten, bis jener Stlodenihlag eben ertönt (ausgeblieben ift er noch bei feinem), und als fehwere Träume mag das zuleßt Vorgegangene zu betrachten fein, aus denen das Erwachen um jo wohlthuender und erquidender ift. An die sürcherifche Jugend auf das Yahı 1864. Bon der Maturforschenden Gefellfchaft. LAVI. Stüc. Meber die Jägern. Kr Ein Beitrag zur Geologie des Kantons Zürid. Der Kanton Zürich gehört faft ganz dem tertiären Mittellande der Schweiz an. Ueberall wird das Relief feines Bodens durd den Molaffen-Sandftein und durd eine denselben erjeßende oder bededende Nagelfluh gebildet. Spätere Schuttanhäufungen der Schwemm- und Gletfcherzeit haben nur geringen Einfluß auf die Bodengeftaltung im Großen und Ganzen ausgeübt, während fie allerdings eine Menge Einzelnheiten hervorgebracht haben, die für die Eleinern Formen der Pandichaft nicht ohne Wichtigkeit find. Nur an der äußeriten Nordgrenze des Kantons treten Gebirge auf, welde in Yormen und Felsmaffen von den übrigen gänzlich abweichen. Zwar bemerkt man aud an den Bergen der Südgrenze auffallende Verhältniffe, die legten Spuren alpiner Gebirgsbildung. Allein dieje befhränkt fih dort auf die eigenthümliche Lage der tertiären Schichten; wirklich alpine Gefteine, wie das Hochgebirge fie aufweist und fpätere Waflerfluthen fie in unfere Gegend rollten, finden jih nirgends anftehend. Die Nordgrenze wird vom zweiten Gebirgsiyiteme der Schweiz, von dem Jura berührt. Aber dort bleibt der Einfluß des Gebirges nicht auf die Yagerung befhränft, aud feine charaf- teriftifchen Gefteinsarten fchiebt der Jura in unfer Gebiet. Und nicht abgeihwäht treten die 1 al ee Eigenthümlichfeiten des Gebirges bei ung auf, wie man es wohl von den leßten Ausläufern eines Gebirgszuges vermuthen fünnte; fie ericheinen am Gefteine und in der Yagerung mit aller Schärfe, nur in größerer Einfachheit, in minder verwidelten Berhältniffen al8 im Innern. Eben defhalb aber ift eine foldhe Gegend befonders geeignet, in die Kenntnig und das Ber- ftändniß des Ganzen einzuführen; einfachere Geftaltungsformen müffen auch die Faktoren leichter erkennen laffen, durch welche fie Hervorgebradht worden find. Es joll alfo hier eine Schilderung des juraffiihen Gebietsantheils unfers Kantons verjucht werden, um jodann wo möglich aus der Kenntniß des gegenwärtigen Beitandes zu einiger Einfiht in die Vorgänge zu gelangen, welche denjelben hervorgebracht haben *). Weil alles in der Natur beftehende eine confequente Bildung aus dem Borangegangenen ift, jo fann es zur Entzifferung des vormaligen Zuftandes und des verändernden Vorganges dienen. Alles Seiende hat ein doppeltes Prophetenamt; in ihm Tiegt die Zukunft als Keim und die Vergangenheit als Wurzel verborgen. Der zum Sandftein erhärtete Schlamm der tertiären Meere erfüllt das ganze Mittelland der Schweiz und von Süddeutfchland, was zwijchen dem Donauftrome und dem Hochgebirg der Alpen liegt. Als fchmale Meerengen müfjen die damaligen Gewäffer im Süden zwijchen Gentral= Franfreih und den grauen Alpen, im Dften zwifchen den Gebirgen Deitreihs und den böhmifchen Urfelfen ich durchgedrängt haben, denn eben diefelben Meeresabjäße, auf denen unfere Städte blühen und unfere Saaten reifen, begleiten die Ahone dur die Provence an das Mittelmeer und die Donau durd die ungarischen Ebenen bis in das jüdruffifche Tiefland. Bergebens aber würden wir fie, wenigitens zufammenhängend und in weiter Ausdehnung, am Laufe des Aheines auffuchen. Nachdem derjelbe in der Gegend von Eglifau die Sandfelfen des Zchels und Buchberges durchbrochen hat, trifft er auf feinem weiten Yaufe faft nur nod ältere Gefteine. Es ift der Jura, der auf feiner ganzen Ausdehnung von Lyon bis Coburg die Nordgrenze des tertiären Landes bildet. Die Ahone und die Donau führen die Gewäfler des tertiären Bedens um die Enden des Gebirges herum, der Ahein aber durchbricht es, oder vielmehr er fließt über dasjelbe weg. Mährend es nämlid) von Often her ftreichend no auf der Grenze des Aargaus gegen Solo- thurn eine Höhe von 1000” behauptet, und im Norden des Aheines, im Kanden, wieder nahe zu 1000” anfteigt, finfen feine oberften Felsmaffen zwifchen Kaiferftuhl und Zurzad) fait auf 300” hinunter. Diefe auffallende Depreffion des Gebirgszuges benußt der Rhein als Durd- brud. Demfelben Punkte, welchem ex jelbft von Often her zueilt, Itrömt die Aare von Weften entgegen, Keuß und Limmat fliegen ihm in geradem Wege von Süden zu, To daß wir der *) Ganz den gleichen Gegenitand behandelte jchon 1840 Herr PBrofeffor Moufjjon in feiner aus: gezeichneten „Geologiichen Skizze dev Umgebungen von Baden“. ar auffallenden Thatjache begegnen, daß die Gewäfler von vier Fünftheilen der Schweiz auf allen Richtungen fih an dem bezeichneten Bunkte fammeln, um dafelbft das weite Befen des fchmwei- zeriihen Molafien-Pandes für immer zu verlaffen. Mit diefer Einfenfung des Jurazuges hängt die Yägern, der hauptfächlichite Aepräfentant diejes Gebirges in unferem Gebiete, durch ihre Page und ihren Bau unmittelbar zufammen; Aare, Reuß und Yimmat durchbrechen fie von Wildegg, Birmenftorf und Baden an in drei eigentlichen Elufen, die bloß, entiprechend der geringeren Gebirgshöhe und der größeren Waf- jermaffe, weniger enge und tief, und darum minder romantifh find, als die gewöhnlichen Elufen des Jura. Die andern beiden Punkte, an denen der Yura den Kanton Züri nod) berührt, der Griesgraben bei Weiadh und der Rbeinfall bei Schaffhausen, gehören jener Des prejjion ebenfalls an, find aber ihrer Ausdehnung und ihrer aeologiihen Bedeutung nad viel weniger wichtig als die Pägern. Zum Berftändniffe eines Gebirgszuges gehört zweierlei: 1. Die Kenntnif des Materiales, aus dem er gebaut ift; 2. Die Art der Verwendung diefes Materials. Ich behandle demgemäß in einem erften Abjchnitte die Schihtenfolge, in einem zweiten will ich die Yagerungsverhältniffe bejprehen, und in einem dritten gedenke ih die Folgerungen zufammenzuftellen, welche fich für die Entftehung des Gebirges daraus ergeben. l. Die Scdiditenfolge. Der Jura der Schweiz legt fih von Bafel bis an die Nordgrenze von Schaffhaufen auf den Schwarzwald oder deffen füdliche und öftliche Ausläufer; Himmwieder finkt er felbft überall unter das fchweizerifche Mittelland ein. Der Schwarzwald,*) welcher demnad) die Grundlage bildet, beiteht aus Urgebirg: Granit, Gneif und Porphyr, alfo aus den tiefften Gebirgsmaffen, welche wir fennen. Das fchweizerifche Mittelland wird ausjhlieglic dur tertiäres Gebirg zufammengefeßt, gehört aljo den oberften und jüngften Sedimenten an, welche nod wirkliche Berge zu bilden vermochten. Der Jura liegt zwifchen beiden, feine Gefteine entiprechen diefer Page, fie gehören jämmtlih den mittleren geologifchen Epochen an: der Triag- und der Sura= zeit. Xeltere Formationen fommen bis zum Urgebirge feine vor; es jehlen alfo jämmtliche Uebergangsbildungen, das Kohlengebirge und die Dyas; das Urgebirge hat bloß als Grund- lage unjers Gebietes für uns Bedeutung. Bon jüngeren Bildungen fehlt die Kreide; die ter- tiären Ablagerungen dagegen greifen fo mädtig in dasfelbe ein, daß wir auch fie in den Kreis der gegenwärtigen Betrachtung ziehen müffen. *) Siehe darüber P. Merian: Geognoftifche Ueberficht des füdlihen Schwarzwaldes. Bafel 1831. A. Die Trias, Sie ift befanntlich zufammengefegt aus buntem Sanpftein, Mufcelfalf und Keuper. Gruppe des bunten Sandfteines. Zwar tritt der bunte Sandftein zwifchen Hare und Ahein fchweizerischerfeits nirgends zu Tage, doch gleich über dem Grenzfluffe wird er bei Waldshut als Mühlftein gebrochen. m untern Nargau und in Bajel findet er fich auch diesfeits des Aheins und wurde bei den Bohrverfuhen auf Salz im Kanton Schaffhaufen unter dem Mufchelfalfe getroffen ; es bleibt jonad) gar fein Zweifel, daß er aud) die Grundlage unferer Trias ausmadt. Der Stein befteht bei Waldshut aus groben Quarzförnern, welche entweder unmittelbar oder durch eine weiße, bisweilen mehlige Thonmaffe (Kaolın) verfittet find. Die Körner find weiß, gran oder röthlih und meift edig, nicht abgerundet. Einzelne derfelben zeigen jehr deutliche Kryitallflähen, häufig Tchimmern in HSanditüden eine Menge zugleih, jo daß fie die unterbrochenen Flächen eines einzigen SKryftall- Individuums dar- jtellen, wie man e8 bisweilen an fjogenannten zerfreifenen Bergfryitallen fieht. Daraus geht hervor, daß man fich die Entitehung folder Sanditeine mehr auf hemifhem, als auf mechanifhen Wege zu denken hat. Im jüdöftlihen Schwarzwalde, wie in der Bleiche bei Waldshut, bei Aichen oder Nöggenihwyl, Jiegt der Sanpditein unmittelbar auf Urgebirg, meilt einem grobflafrigen, in Zerjegung begriffenen Granit oder Gneiß; oft beginnt er jelbit mit einer compacten Page reinen Quarzes. ad oben folgt ihm eine Reihe grauer oder bunter Thone, welche den Uebergang in die Gruppe des Mufchelfalfes vermitteln. Die Mächtigkeit des bunten Sandfteines betrug im Bohrloh bei Schleitheim 30 Fuß. Berfteinerungen finden fih darin feine. Hie und da wird er eigenthümlid fledig, an andern Orten enthält er in Drufenräumen jhöne Duarze, Kalt- und Flußipathkryitalle. Gruppedes Mufdhelfalfes. (1.) Hier treffen wir feine Spur mehr von Sand- jteinen, indem fehüttige Thone, Dolomite und Kalfe in der Sohle liegen, bedeutende Gnpslager die Mitte einnehmen und fehr mächtige Kalklager den Schluß bilden. Die Wellenbildungen, weldhe fich auf die Thone des bunten Sanditeines legen, bejtehen in ihrem unteren Theile aus dolomitifhen Thonen, welche leicht zerfallen und zu Lehm fih auflöfen; es find die Wellendolomite. Sie enthalten viele Verfteinerungen, unter denen Lima lineata und Myophoria cardissoides am beiten leiten. Den obern Theil bilden harte, rauchgraue, in dünne, aber unebene Plätthen abgefonderte Kalfe, die Wellenfalfe, deren Ver: jteinerungen nicht bloß jeltener, fondern auch innig mit dem Gefteine verwacdjen find. Am meiften finden fit Avicula socialis und Myophoria vulgaris. Da aud die Wellenbildungen in'der Yägernfette noch nicht anftehen, fo beginnt die aufgefchloffene Schichtenreihe erit mit dem Snpfe des Mufchelkalte. Salzayps. Man hat bis jeßt angenommen, die tieffte entblößte Yage der Kette jei der DE Hauptmufcelfalf. Daß indeffen der Gyp8 von Schinznadh unter dem Mufcheltalt liege und keineswegs dem Keuper angehöre, wie fhon Hr. Prof. Mouffon ganz richtig bemerkt hat, geht deutlich aus feiner Lagerung hervor. Die Schihtverhältniffe finden fih in Fig. 1. Tab. 1 dar: geftelt. Die Habsburg fteht auf Mufchelfalf, der dafelbft mindeitens eine Mädhtigfeit von 100° hat. Darüber liegt auf der Süpdfeite des Grates der Keuper, deffen Gypfe in mehreren nunmehr verfchütteten Gruben abgebaut worden find. Auf der Nordfeite fteigt man über die Schichtenköpfe des Hauptmufchelfalfes und der darunter liegenden Dolomite und Mergel in die untern Gypsbrüde hinab. Alle Schichten, mit Einfluß des Gypfes, zeigen völlig übereinftim- mende Lagerung; von einer Störung, wie man fie auf der Nordfeite wohl trifft, ift feine Spur. Tiefer liegende Gefteine, welche weiteren Aufihluß geben könnten, find feine mehr erfichtlich. Vergleihen wir diefe Verhältniffe mit denen der fraglichen Abtheilung in benahbarten Pofali- täten, etwa bei Waldshut oder im Wutachthale, jo ftellt fi eine völlige Uebereinitimmung heraus. Im der Gegend von Schleitheim find beide GHpslager dur Bergbau genau aufge= ihloffen und gefannt. Hier wie dort find fie durch etwa 100° Hauptmufchelfalft und 40—50° Dolomite und Mergelfalfe getrennt. Die Ergebniffe der Pagerung werden durch die mineralo- gifche Verfchiedenheit der beiden Gypfe beitätiat. Der tiefere bildet eine compacte, weißgraue Maffe, in welcher Alabafter und Faferaypg meift, die haracteritiichen rothen Mergel des Keuperappfes immer fehlen. Diejes Gypslager unter dem Mufchelkalte ift inde nicht bloß jeines Alters wegen merk würdig. In ganz Südveutfchland liegt in diefen Gnpfen und Anhydriten das Steinfalz einge- ihloffen. Auch die fchweizerifhen Salinen im Wargau und in Basel fommen aus denselben Lagen. Diefe weite und gleihförmige Verbreitung beweist, daß der Gyps nicht in Stöden auftritt, fondern in regelmäßigen Lagen erfcheint, wie die andern Hlößgebilde. Eher mag das eingefchloffene Steinfalz nefterweife vertheilt fein, denn nicht nur an der Habsburg, jondern an vielen andern Orten fehlt e8, während es in benadhbarten wieder ericheint. Eine jolche Vertheilung des Salzes ftimmt ganz gut mit unferer Anfiht von deffen Ablagerung durd austrodnende Salzladhen; dennoch rührt an vielen Lofalitäten fein Mangel erit von fpäterer Auslaugung her. Wenn gleich nun der Salzayps der Fägern feine Steinfalzlager mehr ein- ihließt oder nie eingefchloffen hat, jo fommen doc darin, wie in den Keuperappfen, no jeßt Alkalifalze vor, fchwefelfaures Natron (Glauberfalz) und ihwefelfaure Magnefia (Bitterfalz), die an den Wänden der Gruben häufig ausblühen. Da diefe Salze, neben Shlornatrium (Kochfalz) und fohlenfaurem und fchmwefelfaurem Kalk, die Hauptbejtandtheile der Heilquellen von Baden und Schinznadh ausmaden, fo Liegt der Schluß nahe, daß die genannten Thermen fich erit, unmittelbar ehe fie zu Tage treten, in den Gypfen der Trias anreichern, während fie wohl die Wärme aus größeren Tiefen mitbringen. Ueber dem Gnps folgen 20—30° feinbfättrige, graue Thone, welde zur Bereitung von Be ne Steingut abgebaut werden; ebenfoviel weiße Dolomite im Dace, welche anderwärts häufig Hornfteinlagen enthalten, fchliegen die Gruppe des Anbydrites; fie liegen unmittelbar unter dem Hauptmuschelfalt. Der Hauptmufdeltalf bildet das felteite Majfiv der Trias. 100 bis 150 Kalt- bänke liegen meift ganz fatt aufeinander. Unten und oben find fie dünnjchichtig, blog 2—5* mächtig, in der Mitte dagegen fommen folhe von 2—3‘ vor. Der Kalk ift völlig compact, ipröde, mufchlig fpringend und von gleihförmig vaudgrauer Farbe, nur die erdigen Abände- rungen find heller. Durd Verwitterung wird Die Dberfläche jtets gelblich weiß. Einzelne Bänke find fpäthig gefledt, ale auf den Schihtflähen uneben und wulftig. Betrefatten finden fi) nicht häufig, find dazu meilt jchlecht erhalten und fchwer aus dem Gefteine herauszubringen. Bezeihnend und faft überall zu treffen find indejfen Terebratula vulgaris, Avicula socialis, Lima striata und Encerinus liliiformis, deflen Stielglieder bisweilen einzelne Bänke faft ausfhlieglih bilden. Sonft find etwa no zu nennen: Pemphix Sueurii, Nautilus bidor- satus, Ceratites nodosus, Pecten laevigatus und discites, Lima striata, Myophoria vulgaris, einige Myaeciten und Melania Schlotheimi; aud Stylolithen fommen bisweilen, befonders in den höheren Lagen vor. Na oben jchließt die Gruppe mit 20— 30° gelben, zer- ipaltenen Dolomiten, welche feine Berjteinerungen enthalten. Der Hauptmufcelfalf wird feiner Feltigfeit wegen überall gebroden, wo er leicht zugänglich it. Aus demfelben Grunde bildet er audy einen aus den übrigen Schichten meilt hervorragenden Hügel. Von der Habsburg ann er über den Lindhof, die Schambelen, den Letten und die Gebenftorfer Schluht bis an die Limmat verfolgt werden; am obern Raufchenbadh erjcheint er zum legten Male. Um Coblenz ift er das ausjchlieglihe Geftein; jeine harten Felsplatten bilden, wo fie unterhalb Nietheim über den Ahein fesen, die Stromjchnelle des Coblenzer- Paufen. Sottenfohlengruppe. Diefe fehr wechjelnde Gruppe, die in Suüddeutichland bis- weilen über 100° mächtig wird, fehlt uns aud nicht ganz, ift aber an der Pägern nur fhwad vertreten. Die einzige Stelle, wo fie entblößt it, neben der Gypsmühle in der Schambelen, enthält feine Pflanzenüberrefte, wohl aber Thierverjteinerungen. Da dieje die gleichen oder jehr nahe Verwandte derjenigen des Mufchelkalfes, ferner die Gejteine den vorhergegangenen weit ähnlicher find, als den nachfolgenden, jo reihe ich die in allen Beziehungen unbedeutende Gruppe nad) dem Borgange Quenftedts hier noch dem Mufchelfalfe an. HZhre Berhältniffe joll Fig. 2 Taf. 1 veranfhauliden. Ueber den gelben Dolomiten des Hauptmufcelfalfes folgen graue, jandige Dolomite, welche an vielen Stellen einen Anfang äußerft feiner Poren zeigen. Sie enthalten nicht jelten PBetre- faften, befonders häufig und groß Avicula socialis, jodann Mytilus eduliformis und Myb- phoria Goldfussi; audh Zähne von Reptilien und Fiihen, jowie Schuppen und dergleichen A We fehlen nicht. Die Schicht ift wichtig als leicht fenntliher Horizont; an der Wutah frönt fie den fteilen Abfturz des Thales von Degernau über Stühlingen bis nad) Blumega. Weiter folgen in der Schambelen wie bei Schleitheim 3—4* blaue fchüttige Mergel, die fih in dünne Schieferhen abblätteln. Dben darin Fiegen einige Zolle gelbe fandige Dolomite, abermals voll Zähnden und Schuppen, und hierauf wenige graue Mergel, ganz erfüllt mit Bactryllium ca- naliculatum, Heer. Fernere 3—4 Fuß Mächtigfeit gehen auf 6—7 dolomitifche, hellaraue Bänke, welde in den untern Lagen compact find, oben aber eine Menge erbjengroßer, mit Ditterfpath ausgefleideter Hohlräume aller Formen enthalten. Den Schluß bildet eine früher benußte Thonjhicht; fie Liegt unmittelbar unter dem Keupergyps; im nahen Bergwerfe fahren fie rechts an die Dolomitwände auf. Auch die oberften Bänke enthalten no Keite von Sau- vieen und Fihen, fo daß diefelben die ganze Gruppe hindurd anhalten. Der Salzayps kann 60%, die folgenden Thone und Hornfteindolomite 40-50%, der Sauptinufchel- falf jammt dem gelben Dolomit 120—130° und endlich die Pettenfohle 8—10° Mächtigfeit erreichen. Gruppedes Keupers. (2) Während der bunte Sandftein ganz und der Mufchelfalf dem größten Theile nah aus feftem Meateriale befteht, welches den Einflüffen des Waflers erfolgreichen Widerftand entgegenfeßt, bilden den Keuper unferer Gegenden faft ausschließlich weiche und wenig feite Sedimente. Defhalb finden wir ihn auch nicht felten verruticht, zerdrüct oder gewunden, was befonders die Gypslager desfelben bisweilen als Produkte oder Antheil- haber plutonifcher Einwirkungen erfcheinen ließ. Eine forgfältige Unterfuhung der Verhältnifie verbunden mit der Bergleihung minder abnormer Gegenden widerlegt diefe Anficht jedoch als- bald, jo daß der Keuper- wie der Mufchelfalfayps in die Reihe der ganz gewöhnlichen Sedi- mentbildungen zurüdtreten. Am aeeignetften zu einer foldhen Vergleihung find wiederum die Abhänge des benachbarten Randens, wofelbit zwifchen dem äußeren Auftreten diefer Abtheilung und der andern triafiihen oder juraffifchen nicht der geringfte Unterfchied bemerfbar it. Auf die aud dort nur unbedeutende Gruppe der Pettenfohle folgt bei Schleitheim unmittelbar der „Dbere“ Gyp8, dann die maffigen rothen und grauen Sandfteine, hierauf die bunten Keuper- mergel nnd endlich die weißgelben Dolomite und Kiefelfandfteine. Diefelben Abtheilungen fünnen wir an der Lägern ebenfalls nachweisen. KeupergHyps. Im den GhpSsgruben von Ehrendingen (Fig. 3 Tab. 1) bildet ein grauer oder röthlicher Letten, welcher wohl geichichtet, (eicht jpaltbar, aber nicht ausgezeichnet fchüttig it, die Hauptmaffe. Seine Lagen werden unterbrochen, bisweilen faft verdrängt, durd grauen, weißen oder rothen GHyps, der ebenfalls aefchichtet if. Häufig ericheint ausgezeichneter Fafer- AHpS, der oft eine Menge wohl ausgebildeter Gypskryitalle einfchlieft. In den oberen Theilen bilden zahllofe Gypsfchnüre ein eigentliches Netwerk, in deifen Mafchen die rothen Mergel- theile liegen. Allmälig verliert fi der Gyps nad) oben, e& bleiben etwa 18° Mergel übrig, welde die legte zufammenhängende Ghnpslage, die fogenannte Federfluh, über der Mitte durd)- Be et fchneidet. Mit den obern Mergeln Ichließe ih die Abtheilung des Keupergppfes und beginne mit der folgenden fußdiden Schicht eines braunen, fehr löcherigen. Dolomites voll Bitterjpath- und Gypstrpftällhen Die Sandfteinzone Sie befteht zwar immer nody aus dunfeln Mergeln, dennoch enthält fie 5—6 Bänke grünliden bis jchwärzlihen Sanditeines, der nad) oben ins meiß- fiche übergeht. Sie endigt mit einer Bank von 112‘ eines weißen, jehr feinförnigen Sand- jteines, der in dünne Blätter abgejondert ift. Bunte Mergel. Ueber diefem weißen Sandfteine folgen 10—15° leicht Tenntliche grelle Keupermergel. 40 — 50 fehr dünne Schichten find durd wechfelnde, jcharf begrenzte Farben in eine Menge grüner, weißer, grauer, vother und jhmwarzer Bänder zertheilt, aus deren Mitte ein 2° ftarkes Band brödelnder Mergel hervorftiht, weldhe ganz das Ausfehen von aefodhtem Bluter haben; in den unteren Lagen fällt eine grüne jehr oolithiihe Schicht auf. KReuperdolomit. Auf diefen unverfennbaren bunten Mergeln ruhen 9—10° gelbe dolomitifhe Mergel- und Kalfihichten; die untere größere Hälfte fieht in der nördlichiten Grube, welche die genannten Abtheilungen am beiten zeigt, wie eine aus gebrannten Ziegeln aufgeführte Mauer aus, die Mitte ift eine Art Nagelfluh oder Breceie, aus edigen Kalkitücfen zufammengefittet, den Schluß mahen 2—3 oolithiiche Kalkiteine. Die genannten 4 Abtheilungen entipredhen den füddeutichen des Seupergypfes, des Schilf- jandfteines, der buntfchäcigen Mergel und des Stubenjandfteines. Die Gleichheit des eriten und dritten Gliedes beider Gegenden ift unverkennbar; feinförnige vothe und weißlihe Sand- fteine fommen beiderfeits nur in der zweiten vor; die obern Dolomite und Kalfe gehen jchon am Kanden in einen grobförnigen Kiefelfandftein und fchließlih in den Stubenfandftein über. Die rothen Mergel mit Zanclodon laevis (Belodon Plieningeri) und die Täbinger Sandfteine mit den Betrefaften der Kontorta-Schicht hat man fo wenig auffinden fünnen als das Bonebed. Die Goypfe des Keupers werden in der Schambelen und bei Birmenftorf unter Tag abgebaut und liefern an beiden Orten Bitterwaffer. Offene Gruben finden fi bei Habsburg, neben dem Steurmeyerhof und bei Ehrendingen; am heine bei Rietheim. Petrefakten enthält der Keuper unferer Gegend gar feine; jenfeits des Aheines, bei Kadelburg, findet man jedod im Schilffandfteine bisweilen Calamites arenaceus und Equisetum columnare. Rechnen wir auf den Keupergyps 150%, auf die Sandfteingone 15° und auf die bunten Mergel und oberen Dolomite je ebenfoviel, fo erhält der Keuper eine Gefammtmädtigfeit von etwa 200‘. Hiermit ift die Betrachtung der Trias zu Ende. Sie hat uns gezeigt, daß diefe Formation an der Lägern eine fo genaue Uebereinftimmung mit derjenigen Süddeutichlands- zeigt, ald nur von Sedimentbildungen erwartet werden fann, die in größeren Entfernungen und unter all den mannigfaltigen Wechfeln abgejeßt worden find, welche verfchiedene Tiefen und Uiergeltal- tungen eines beträchtlihen Meeres darbieten. | . { B. Die Juraformatioı. Die Juraformation, welche ihren. Namen von dem Gebirge erhalten hat, das fait gänzlich aus ihr befteht, zeigt nicht bloß eine beinahe doppelt fo ftarfe Mächtigfeit, als die Trias, fondern auc einen größeren Wechjel der Gefteine. Bor allem aber it fie ausgezeichnet durch einen Reichthum organifcher Weberreite, wie ihn feine vorangegangene Periode aufzuweilen hat. Der Strom des Lebens macht augenicheinlich feinen planlojen Kreislauf, fondern it in fteter Er: weiterung und Vertiefung begriffen; vom Jura ab gewinnt er durch die tertiäre Periode hindurch in allen Beziehungen an Ausdehnung, aber den größten Reichthum und die fchönite Harmonie entfaltet ev exit in der Menjchenzeit. Wie die Trias, jo zerfällt auch der Yura naturgemäß in 3 Gruppen: den Pins, den braunen Jura und den weißen. Gruppe des Pias (3). Der Lias bdeiteht zum größten Theile aus dunteln Miergel- ihiefern. Darin gleicht ex dem vorhergehenden Seuper, mit dem er deghalb auch faft immer den gleichen orographiichen Einfluß theilt. Man hätte in diefer Beziehung die beiden Gebilde wohl beifammen lafjen fünnen, Allein die Betrefakten des Yias find jo vollitändia von denen des Keupers verjchieden, daß fie eine günzliche Trennung exheifchen. Dennoch legen fih die Niederichläge des Lias ohne die geringite Störung auf den Keuper und verbannen damit jeden Gedanken an eine ftürmifche jogenannte Aevolution zwijchen den beiden Epochen, welche der einen das Grab und der andern die Wiege bereitet hätte. Die großartige Aenderung im Leben des Erdganzen vollzieht jih in aller Kuhe und Stille. Aber gerade bei dielem entjcheidenden Schritte aus einer Epoche in die andere dürfen wir dennoch nicht an eine „Entwicelung dur natürliche Züchtung “ denken, weil wir auch nicht die Spur der nothivendigen Mittelglieder zu entdeden vermögen. Nicht bloß die Anfänge der menschlichen Geichichte find für die Forfchung in undurchdringliches Geheimnig gehüllt; fie theilt diefes Schiefal mit den Uranfängen aller Dinge, namentlicd auch mit denjenigen des Lebens überhaupt und des bewußten insbejondere. Unterer Lias: Infektenshicht. Der Lias beginnt in der stette der Pägern mit einer bedeutenden Keihe blaufchwarzer, dünnschiefriger Mergelihichten (Fia. # Tab. 1), welche Nic unmittelbar auf die Seeuperdolomite legen (35°). Sie enthalten Meercondylien, Landpflanzen und befonders HIufekten. Diefe Mifhung von Meer- und Landgeichöpfen deutet auf Brad- - bildung, wohl in gefchügter Bucht an der Mündung eines Fluffes*). Hiezu bot, wie fi im Verlauf herausstellen wird, das nahe Feltland des Schwarzwaldes Gelegenheit genug. Bon den Übrigen Betrefakten will ich bloß noch Ammonites angulatus und Perna infra- *) Siehe darliber: Zwei geologijche Vorträge von D. Heer und A. Ejcher von der Kinth. 1852. 2 ae er liasica nennen, weil fie anderwärts auh im unteriten Yias vorfommen und jomit über die Stellung der Infektenfhichten im Süfiteme Anhaltspunkte geben. Arceuaten-Ralke Während die vorige Abtheilung, wenigitens ihren PBetrefakten nad, mehr lofalen Charakter trägt, veicht dagegen diefe faft joweit, als man den Yias fennt. Es find blaue, Fryftalliniiche, ehr harte Kalkbänfe, welche durch Berwitterung und Auslaugung ein äußerjt rauhes und Tandiges Ausjehen erhalten, an manden Stellen fonar, wie bei Ehren- dingen, zufammengebadenen Trümmern gleihen. Nach oben liegen die Bänke nicht mehr jatt aufeinander, fondern find durch Ihwarze Sandmergel getrennt. An der Yägern haben fie wohl 20° Mächtigfeit. Ihren Namen erhielten fie von der bäufigften Leitmufchel, der Gryphaea arcuata, welche indeffen bei uns nicht ächt vorfömmt. Schon die tiefften gleichen jehr der höheren Gryphaea obliqua. Die Stalte heigen auch ArietensKalfe, weil fie faft die ausschließliche Heimat jener meilt viefigen Ammonsbörner find, welche neben ihrem jcharfen Aücenfiele zwei markierte Furchen tragen (A. Bucklandi, bisulcatus [multicostatus], rotiformis, CGonybeari). Außerdem verdienen noch genannt zu werden: Nautilus aratus, Belemnites brevis, Rhyn- chonella variabilis, Spirifer Walcotti und tumidus, Ostrea rugata, Lima gigantea und Hermanni, Cardinia conceinna, Pentacrinus tuberculatus. Die Areuaten-Kalfe findet man in der Schambelen, am Raufchenbah, in den Ehrendinger Gypsaruben, bei Klingnau und in der Deznau. Turneri-Thone Schon zwifchen die obern Bänke der vorigen Abtheilung drängen fi jandige Merael ein; wo die Kalfe ganz verfchwinden, bleibt eine Reihe von 20 —25, ihwärzlicher, rauher Schiefer übrig, die ihrer Yage nad den deutfchen TurnerisThonen entfprechen. Betrefakten kenne ich in unferer Gegend Feine daraus, anderwärts enthalten fie an ihrem obern Ende Ammonites capricornus, bifer und oxynotus, Mittlerer Pias: Numismalis-Mergel. Schwarze jandige Kalfe, welche den oberen Pagen der Arieten- Bänke noch jehr gleichen, beginnen den mittleren Yias. Ueberall find es ein paar Schiehten von 3-4’ Mächtigfeit, welche die Gryphaea obliqua in großer Zahl enthalten. Daneben liegt an der Lägern ein Ammmonite von 1° Durchmeffer, der ganz einem viefigen raricostatus gleicht. Nunmehr folgen einige wenig mächtige, helle Kaltbänfe ; die untern brechen erdig uneben, die obern glatt mufchlig und zeichnen fih dur eigenthümliche lecken aus. Im jenen liegt oftwärts gerne Ammonites Jamesoni, in diejen überall Ammo- nites lineatus, maculatus und Davoei. Die einzelnen Bänfe find durch gelbliche Yettenfchichten getrennt, welche eine jolhe Menge von Belemniten enthalten, daß man fie nicht unpafjend Belemniten-Schlachtfelder genannt hat. Die Mächtigkeit diefer Abtheilung wechjelt bedeutend, faft noch mehr aber die Zahl der einzelnen Schichten; doc fehlt es nie an leitenden Petrefaften, aus denen hervorzuheben find: Ammonites Jamesoni, Am. Davoei, Am. lineatus, Am. maculatus,, Am. centaurus, Belemnites paxillosus, Bel. clavatus, Bel. compressus; Rhynchonella rimosa, Rh. cal- cicosta, Terebratula numismalis, Spirifer verrucosus; Gryphaea obliqua; Pecten tex- torius, Pecten priscus; Pholadomya decorata; Pentacrinus basaltiformis und sub- angularis. Amaltbeen-Thone Der mittlere Yias endiget mit etwa 15° fhwarzen Thonen, zwifchen denen 2—4 dünne Kalkbänfe liegen, welche viel Aehnlichkeit mit den tieferen haben. Sie zerfallen wie jene in fubifche Stüde oder runden ji) dur VBerwitterung ab; indeffen zeigen fie die Fleden der tiefern nicht mehr. Unten liegt nicht felten Ammonites amaltheus, oben nod häufiger Ammonites costatus; wenige Zoll höher beginnen die Bofidonien-Schiefer. Man findet darin ferner Ammonites striatus und fimbriatus, Belemnites paxillosus, Rhyncho- nella variabilis, Spirifer rostratus, Pecten aequivalvis, Limea acuticosta, Plicatula spinosa. Sn der ganzen Lägernkette, jowie zwifchen Nare und Ahein kenne ich den mittleren Lias einzig aus den Ehrendinger Ghpsgruben und auc dort ilt er mur fehr mangelhaft entblößt; indefjen veicht der Aufriß zu der Beobadtung bin, daß von einer Entwidlung, wie wir fie noch an der Nordgrenze der Schweiz finden, feine Rede mehr it; er hat im Ganzen nicht mehr als 15 — 20°; doc ift die Zahl der Betrefaften groß aenua, um die Abtheilungen aenügend zu erkennen. Dberer Pias: Bofidonien-Sciefer. Den oberen Yias findet man an der Yägern vollends gar nirgends aufgededt; dagegen bietet die Beznau ein ganz bübjches Profil. Nur verfteckt treten oberhalb der Fähre auf dem rechten Aarufer einige Bänke der Arcuaten - Kalfe zu Tage. Exit 30° höher folgen die oberiten Yagen der Turneri-Thone und die Bänte der Gry- phaea obliqua. Die Numismalis- Mergel und Amaltheen-Thone bleiben bededt; mit den Bofidonien- Schiefern beginnt der Aufriß wieder umd jeßt fort bis in die Surenfis- Mergel hinein (Fig. 5. Tab. 1). Ueber der legten grauen Kalkbant der Amaltheen-Thone folgt ein erdig brödelnder Schiefer mit Belemniten. Hier liegt am Kanden das Seearas, Chondrites Bollensis und Sphaero- coceites granulatus. Weiter folgen 25“ lederige, trodne, elaftiihe Schiefer, welde in papier- diinne Blättchen fpalten; fie deet der erfte bituminöje Stein, dem ** höher ein zweiter folgt. Zwifchen beiden Liegt in der Beznau ein mittlerer dünmer Streifen Stein, wie Quenjtedt es von manden Brühen Würtembergs angiebt*). Die beiden Steinbänte laffen fich leicht jpalten und zerfallen in vollfommen gradflähige, icharfwinklig-rhomboidale Stüde. Sie enthalten gar nicht jelten Eleine Yijche (Leptolepis Bronni). Erjt zwijchen ihnen wird der Schiefer compact, erdig Schwarz, an der Oberfläche blau; fein Delgehalt verräth fi durd) den auffallenden Gerud ; denn es find die Schichten über und unter dem zweiten Steine, aus denen in Schwaben *) Jura pag. 208. das Scieferöl gewonnen wird, zu deilen Herleitung wohl weder die wenigen vorkommenden Pflanzen, noch die häufigeren, wenn aud) riefenhaften Saurier genügen, die in den Schiefern begraben liegen. Hie und da findet man als Seltenheit wohl einen Wirbel derfelben, aber ganze Scelette, wie die Sammlungen von Tübingen, Stuttgart und Münden fie in beträchtlicher Zahl aufweifen, fan man nur da erwarten, wo irgendweldhe Industrie größere Streden des Schiefers zu bearbeiten genötbigt ift. Die dünne Monotis- Platte (Monotis substriata), welche noch bei Bengingen in den obern Schiefern liegt, Tcheint in der Beznau zu fehlen. 12° über dem oberen Stein wird der Schiefer wieder lederig, enthält neben vielem Schwefelfies nochmals Belemniten und Aınmoniten und hört dann plößlid auf. Außer den schon aenannten Sauriern (Ichthyosaurus, Teleosaurus,, Plesiosaurus) fommen eine Menge Fifche, Srebfe und Tintenfifhe vor. Die Ammoniten (serpentinus, communis, Bollensis, Waleotti, crassus) jind meilt platt gedrückt. Bezeichnend find ferner Belemnites acuarius und Lripartitus, Pecten contrarius, Posidonia Bronni, Orbicula papyracea , Inoceramus gryphoides und Monotis substriata. Jurenfis-Mergel. 14° über dem obern Steine ericheint plößlich eine graue Kalt- bank, welche denen des mittleren Yias auffallend aleiht. Sie it der Anfang der Jurenfis- Mergel. 8S—10 härtere Bänfe von 3—4" Mächtigfeit und jehr unebner Dberfläche find durd) ebenfo viele gleich die, weichere Schichten getrennt. In den zähen Knollen, zu denen die Kalkbänte zerfallen, finden fi) häufig Ammonites radians. und jurensis, jowie Belem- niten. Die legten Schichten, welde jedodh in der Beznau nicht zu Tage treten, find wo fie vorkommen, bejonders ver) an Kleinen jchönen Sahen. Sn feiner Abtheilung des Jura find die Steinkerne von einer Jolhen Menge auffiender Thierchen bedeckt, wie hier. Hervorzuheben find nod: Ammonites Aalensis, insignis, hireinus, Nautilus jurensis, Belemnites exilis, Tro- chus duplicatus, Pleurotomaria zonata, Rhynchonella jurensis, Peeten velatus und Pentacrinus jurensis. Gruppe des braunen Jura (4. Die mittlere Abtheilung der juraffiichen Yors mation hat ihren Namen von der roftrothen Yarbe, welche viele ihrer Schichten wegen des itarfen Eifengehaltes zeigen, der ihr eigenthüimlich ift; eine nicht geringere Eigenthümlichfeit find die Dolithe, welche jehr beftändig in den vier Sorizonten des Ammonites Murchisonae, Humphriesianus, Parkinsoni und macrocephalus ganze ager erfüllen. Ueber ihr Wefen hat man nicht viel mehr als Bermuthungen. Dpalinus-Thone Gleichwohl beginnt der braune Jura mit einer langen Reihe ihwarzer Thone, welche den liafifchen theilweife völlig leihen; an Mächtigfeit übertreffen fie allein den ganzen Pia zufammengenommen. Um ihre große Entwidlung kennen zu lernen, muß man die Mergelgruben in der alten Schambelen betrachten, welche ganz in diefen Thonen ee liegt, ohme ihr unteres Ende zu erreichen. (Den obern Rand der Grube nehmen die braunen Kaltfchichten des Ammonites Murchisonae ein.) Im der Beznau haben fie am rechten Ufer der Nare eine Mächtigkeit von 150° Die Mergel find unten rein, wei und fett, nad) oben werden fie fandig und glimmerig; alsdann fcheiden fi blaue, harte Kiefelfalfe aus, auf deren Dberflähe man eigenthümlihe zopfartige Wülfte neben fingersdiden Calamiten- Stengeln be- merkt; diefes find die-fogenannten Zopfplatten. Die Mergel jeßen nodh 20— 30° höher fort, bis fie endlid von den braun angelaufenen, inwendig aber immer no blauen Kaltbänken verdrängt werden. Im diefen Mergeln und blauen Kalfbänfen liegt Ammonites opalinus, welcher der Abtheilung den Namen gegeben hat. Ueberdieß finden ji) darin Ammonites sub- insignis, Belemnites breviformis, Trochus duplicatus, Trochus anglieus, Lima gigantea, Posidonia minuta, Nucula Hammeri und elaviformis, Pentacrinus pentagonalis. Murchisonae-Schidhten. Ueber den mächtigen, verhältnigmäßig armen Opalinus- Thonen fällt ein Compler von 30— 40° braunen Kalkiteinen auf, die bald fandig und in- wendig dunkel, bald völlig fpäthig und durchweg heil braun, bald auch oolithiich find. Meiit find fie leer an erfennbaren Betrefaften, obwohl einzelne Lagen fehr viele Trümmer enthalten. Die fleine Monotis elegans fehlt jdoh nie ganz, hie und da erfcheint fie fogar nefterweile, das graue Gefteinsmittel alsdann falt ganz verdängend; aud Pecten personatus und Pecten demissus fommen bisweilen vor und Ammonites Murchisonae fehlt wenigitens nicht aanz. Noch 10° unter dem fandigen braunen Kalkitein trifft man eine Bant von 3° Mächtigfeit, die zuweilen oolothifsh und immer veih it an organiihen Einfchlüffen. Sie enthält in Menge Ammonites Murchisonae, Belemnites spinatus, Pecten personatus, Trigonia striata und dergleichen. Die Monotis-Kalfe, welhe ohne Zweifel den braunen Sandfteinen Würtembergs entiprechen, werden neben den Gypsgruben von Ehrendingen gebrochen; fie liefern jedoch nur einen geringen Bauftein. Much dort liegt die vorhin genannte Banf mit Ammonites Murchisonae darunter. Nach oben jhließt die Abtheilung mit einer dünnen Schicht rother, Tebr feinförniger Oolitbe, welche bejonders jhön am Nordabhang. der Pägern, in den Nutichen neben den Gypsgruben, anfteht, von denen die öftlichite das befte Vrofil diefer Abtheilung bietet (Fig. 6 Tab. 1). In der Beznau verurfachen diefe Kalkiteine, wo fie über die Nare feßen, den fogenannten Paufen. Mit den blauen Sandfalfen zunäcdft unter der Murchisonae-Schicht beginnen die merk- würdigen Wedel zu erfcheinen. Es find das eigenthümliche Zeichnungen verichiedener Formen, die ausjehen, al$ ob man mit einem Bejen über den noch weichen Stein gefahren wäre. Es jollen Bflanzenblätter fein; man hat ihnen den Namen Zoophycos gegeben. Wie dem auch fei, jo bleiben fie immer fehr charakteriftifch für die Schichten des Ammonites Murchisonae und die folgenden der fogenannten blauen Kalte (Quenftedvts Gamma); in den Humphriesi- anus= Schichten habe ich fie nicht mehr getroffen. Für diefe Abtheilung find alfo bezeichnend: el ee Ammonites Murchisonae, ferner Ammonites Staufensis Op. (Ammonites discus Quen- jtedts, welcher befonders im Kanton Schaffhaufen häufig vorfommt), Belemnites spinatus und breviformis, Inoceramus fuscus, Pecten personatus, Trigonia striata. Mittlerer brauner Jura: Shidten des Ammonites Sowerbyi und des Ammonites Sauzei. (Blaue Kalfe Duenftedts.) Der mittlere braune Zura ift an der Yägern felbjt nur jehr mangelhaft aufgededt; einige Bunfte in den vorhin genannten Kutfchen und ein Kleiner Fahrweg oberhalb Niederwenigen jind die einzigen Stellen, an denen man ihn beobachtet. Defto jchöner zeigt ihn die Beznau; ich Halte mich deghalb an diefes Profil (Fig. 7 Tab. 1). Ueber den braunen Sandfteinen des vechten Ufers, das Iharf um die Eden der oberften Bänke herabbiegt, folgen jchwarzblaue Mergelihichten, weldhe in den Würenlinger Nietgruben abgebaut werden. Gleih in den un- terften Lagen fondern fid blaue jandige Kalkbänke aus, die mit den eben genannten Wedeln überdeckt find. Im diefen Bänfen liegt Ammonites Sowerbyi; jonft find Petrefatten nicht häufig, jehr jelten ift Ammonites Sauzei (Quenftedt zeichnet ihn als Gervillei), der am obern Ende der Abtheilung liegt; ich habe ihn bloß jenfeits des Aheines gefunden. Noch auf dem rechten Ufer erfheinen über den jandigen Mergeln mit Schwefelkiestnollen einige rothbraune Kalkbänte mit Oolithen; es find fhon die Humphriesianus- Schichten. Mean fieht fie indeR viel fehöner am Tinten Narufer. Auch dort bilden die Fellen einen oberen VBorjprung in den Fluß, aber es find nicht mehr die Monotis- Kalte (diefe bilden den tieferen), jondern zwei blaue Bänke von Sandkalf, zufammen 4° mädhtig, nur durdy einige Zolle jandiger Mergel getrennt. Auch diefe Bänke find noch mit Wedeln bededt; unter ihnen liegen die blauen „Nieten “ etwa 20° bis auf die Oolithe der Murchisonae -Yager hinunter. Darüber aber folgen nod) 6 * blaue Mergel mit zwei blauen, gelblich) hervorftechenden Kalkbänten von je 3%. Sie enthalten Lima proboscidea und Belemniten. Bis hieher lafje ich die Sowerbyi-Sauzei-Schichten gehen. Humphriesianus-Schidhten. Unmittelbar auf diefen Mergeln liegt die erte braune jandige Kalkbanf mit Dolithen, welche von hier aus 8—10° anhalten. Am obern Ende diefer oolithifhen Lagen findet fid eine Menge von Betrefaften, befonders Ammonites Humphriesianus, Belemnites giganteus, Belemnites canaliculatus, Rhynchonella quadri- plicata und spinosa, Terebratula perovalis, Ostrea Marshi, Lima proboscidea, Modiola plicata, Pholadomya fidicula und Murchisoni, Trigonia costata und clavellata. Dieje Lagen find nicht überall fo reich oolothifh wie hier; an anderen Orten find fie mehr Tandig oder erdig, einige der genannten Betrefakten enthalten fie jedodh immer. Weber den Dolithen folgen 50° fchivarze fandige Mergel, von Zeit zu Zeit dur eine härtere Kalkbanf unterbrochen; fie trennen den mittleren vom Dberen braunen Jura. Unmittelbar darauf leat fih eine beträchtlihe Schicht eigenthümlicher Dolithe. Die groben Körner liegen in Schwarzen Mergeln oder ebenfolchen ale Kalten. Am Wetter werden fie bald weißlih. Cs find das die erften oolithifchen Yagen der Parfinfoni-Shihten. An der Pägern findet man fie nirgends anftehend. Höher be- ginnt eine lange Reihe matter, grauer Kalkbänfe, immer mit Mergeln wechlelnd. Sie enthält Ammonites Parkinsoni gigas (Neuffensis Op.) in Menge. Am Nordabhange der Lägern ift fie nur in der mittleren Autfche zu fehen, den Gppsgruben gegenüber. Dafelbit find aber nicht mehr als 10 bis 12 Bänke entblößt, welche neben dem genannten Ammoniten nody Dys- | aster analis (Collyrites) und Rhynchonella quadriplicata enthalten. Diejer Wechfel hat jedenfalls 10° Mächtigfeit. Darüber folgen nunmehr in der weitlihen Autiche (Taf. 1 Fig. 8) graue Mergel und Thone mit Ammonites Parkinsoni planulatus, Belemnites canaliculatus, Rhynchonella varians, Monotis Munsteri und befonders Serpula tetragona. Auch finden ji: Haifiih- und Saurierzähne darin. Weiter abwärts enthalten fie neben einer verfiesten Heinen Bivalve (Isocardia) von der Größe einer Exrbfe auch Dentalien (Parkinsoni); fie ent- Iprehen Quenftedts Dentalien-Thonen. Auf diefe Thone und Mergelfalte lenen fich Ihwarze Mergel und Kalfe mit Ammonites polymorphus (Parkinsoni inflatus) und Parkinsoni planulatus (ferrugineus), denen weitere 4° Mergel mit Dysaster analis und Rhynchonella varians in größter Menge folgen; diefe Schichten ‚geben denjenigen der Terebratula lagenalis am Randen parallel. Die folgenden braunen Kalfbänfe von 5‘, welche Ammonites funatus Op. (triplieatus Q.) häufig enthalten, ebenfo Terebratula bullata und carinata, Ostrea Marshi und Knorri, jchliegen an diefer Stelle den braunen Jura; nur fehr geringe Spuren von Eifenoolithen oder Knollen von Eijen- orpohhdrat deuten hier wie in der Schambelen die Macrocephalus- und Drnaten-Schichten an. An andern Stellen, wie bei Dangitetten, Dfterfingen, Siblingen, Blumbera, folgen auf die zulegt genannten Kalfbänfe mit Ammonites funatus, welche faft immer fehr fandig find, eine Keihe vother feiner Dolithe, in denen Ammonites macrocephalus jtets zu finden: ift. Am Naffenberg unterhalb Billigen werden fie auffallend mächtig, enthalten jedod) den genannten Ammoniten nit. Auch die Broden von Eifenorydhydrat, die hier darüber liegen, finden fich nicht allenthalben. Man bemerkt fie in den Weinbergen des Hertenfteines, oberhalb Birmen- ftorf und hinter dem Hundsbude, zufammen mit den tieferen Schichten. Da fie an einigen Drten den Ammonites ornatus enthalten, jo müffen fie, wenigftens theilweife, das Aegqui- valent der Drnaten-Thone fein. Am Randen fehlen fie aanz, dagegen ftellen fich über den vothen Eifenoolithen Schwarze Mergel ein, welche den jhmwäbischen oder franzöfifhen Ornaten- Thonen gleihen, aber bloß Belemnites semihastatus rotundus (hastatus Blainv.) enthalten. Aus den vielen Betrefakten der Ießten Abtheilung des braunen Jura find als bezeichnend zu nennen Ammonites Parkinsoni planulatus, inflatus und gigas, Ammonites anceps, fu- natus, convolutus, fuscus, hecticus, macrocephalus, Belemnites canaliculatus, semi- hastatus, Pleurotomaria maerocephalus und arniata, Terebratula bullata, emarginata, Sir carinata, Rhynchonella varians und triplicosa, Ostrea Knorri und Marshi, Lima gib- bosa (helvetica Op.), Modiola alata, Trigonia costata, Pholadomya Murchisoni, Am- phidesma recurvum, Posidonia Buchi, Dysaster analis, Holectypus depressus, Mespi- locrinus ee Die Schichten des braunen Jura findet man an der Cägern oberhalb Ehrendingen, hinter dem Hundsbude, bei Birmenftorf und in der Schambelen; viel jhöner und zufammenhängender aber find fie in der Beznau und in der Gegend von Klingnau zu jehen. Im Allgemeinen ent- ipricht ihre Gliederung in unferer Gegend derjenigen in Süddeutjchland genau; nur die legte AbtHeilung der Drnaten-Thone fehlt entweder ganz oder ericheint, wo fie vorhanden ift, als bloßes Anhängjel an die Mafrocephalus-Dolithe, oder zufammt diejen an die Parkinfoni- Thone. Bom Großoolith, der wenig weiter weitwärts auftritt, ift noch nichts zu entdeden, wogegen die Barfinfoni- Schichten zu ungewöhnlicher Meächtigkeit anfchwellen. Gruppedes weißen Jura (5 und 6). Dieje Abtheilung it die majjigite des Ge- bivges; dennoch it ihre untere Hälfte, wie beim braunen Yura, ebenfalls eine Mergelbildung, nur die obere befteht aus den befannten weißgelben Zuralalfen, Birmenforfer Shidten (Taf. 1 Fig. 8 und 9.) Unmittelbar auf die oberiten Bänfe des braunen Jura legen fidd unebene fnollige Kaltfhicyten von hellgrauer Farbe, die jelten 1° die find, auch zufammen nicht mehr als 8—10° Mächtigfeit Haben. Dabei enthalten fie einen größen Reihthum an Petrefatten, welche zum Theil mit jpäter folgenden ident find. Lange Zeit wurde deßhald diefe Abtheilung mit höheren Schichten zufammengeftellt, obwohl auch hierin Hr. Brof. Moujffon bereits das Richtige geiehen hatte. Hr. Möjch hat jodann in feinem „Flößgebirg des Kantons Aargau“ die Lage deutlih hervorgehoben und fie untere Pacunofen= Schicht genannt. Später gab man ihr den Namen Birmenftorfer Schicht, hat fie über den Ahein hinaus verfolgt und endlich nahgewiefen, daß fie auh in Schwaben vorfomme und daß ihr die Jundftellen am Böllert und an der Yochen, die man fonit in Gamma ftellte, zugetheilt werden müffen. Damit trat fie in die Reihe der regulären Abtheilungen des Syitems. Die wichtigjten ihrer Vetrefakten find folgende : Ammonites biarmatus, transversarius, Constantii, flexuosus, canaliculatus, den- tatus, plicatilis, biplex (rund), colubrinus, alternans, cordatus, Lamberti, Henrici; Belemnites semihastatus, hastatus, pressulus; Terebratula nucleata, loricata, pectun- culus; Rhynchonella lacunosa; Gryphaea dilatata; Cidaris laeviuscula, filograna, spinosa; Diplopodia subangularis; Pseudodiadema Langi; Magnosia decorata; CGollyrites capi- strata; Eugeniacrinus caryophyllatus, nutans, coronatus, compressus; Solanocrinus serobiculatus; Pentacrinus eingulatus; Ceriopora radieiformis und andere, Scyphien, befonders obliqua, Gnemidten, Tragos, zum Theil vecht groß. Diele Schichten findet man in den Weinbergen bei Birmenftorf und Haufen, in der Schambelen, oberhalb Ehrendingen in ST den Nutichen, auf: den Höhen öftlich won Döttingen, jenjeits des Nheines bei Danajtetten, Ofterfingen, Siblingen, Schleitheim, Beggingen, Füßen, Blumberg und Acdorf. Effinger Shihten. Ueberall an der Lägernkette folgen auf die wenig mächtigen Birmenftorfer Schichten wohl 100— 150° graue Mergel, die nach oben regelmäßig mit Merael- falfen wechfeln und endlich in völlig ecompacte Kalke übergehen. Die Mergel werden in der Schambelen als hydrauliihe Kalte abgebaut, zeigen fih fhön bei der Fähre von Birmenftorf (wo fie noch Ammonites biarmatus, Dysaster granulosus und große Blanulaten enthalten), oberhalb des Dorfes und in den Weinbergen am Betersberge, ziehen von da über die Maüferen nad Baden, und find unter dem Wirthshaufe auf dem Schloßberg deutlich und ihön aufgededt. Dort findet ji ebenfalls eine reihe Schicht Sceegras (Fig. 10 Tab. 1) Fucus Hechingensis (Nulliporites nad Hr. Prof. Heer). Die Schicht it injofern von Wichtigkeit für die Geologie der Yägern geworden, als fie der erite Anftog war zur fiheren Parallele des Badener weißen Jura mit demjenigen Schwabens. Dieje Parallele, nunmehr wohl feft ftehend, wird exit bei der Vergleihung der jüddeutichen und franzöfifchen Facies der oberen SJurabildung als noth- wendiges Mittelglied ihre Bedeutung erhalten. Außer den genannten Betrefaften fommen an der Yägern nur noch jehr wenige vor: Ammonites striolaris, Rhynchonella triloboides, Gryphaea dilatata, Pholadomya clathrata, Collyrites pinguis Des. (am Martinsberae) und Balanverinus subteres. Birmenftorfer und Effinger-Schichten fallen zufammen in die Imprefla- Thone Quenitedts, die Nulliporiten= Schicht begrenzt fie nad) oben; darüber liegen die wohlaefchichteten Kalfe. Tunneljhidhten. Auf dem Mergelbande mit Nulliporiten liegt der mächtige Compler weißer, bläulier oder röthliher Kalke, weldhe den Schloßbera von Baden zufammenjeßen. Der Eifenbahntunnel durchjchneidet fie genau; am Nordende ftreicht die Nulliporiten - Schicht über die Bahnlinie, während unmittelbar über dem Südausgange die folgende Abtheilung be- ainnt. Wegen diejer genauen Abgrenzung erjcheint der aewählte Name paifend. Betrefatten jind in diefer Abtbeilung jowohl bei Baden jelbft als längs des ganzen Pägernzuges jelten; planulate Ammoniten, einzelne Terebrateln (indentata, bisuffarcinata) und Belemniten find jaft alles, was man findet. Die Steinbrüdhe am Martinsberge, in Ennetbaden und oberhalb Kegenjperg aehören hieher, nicht aber diejenigen von Dielitorf. Die Abtheilung entipricht Duenftedts,.wohlgeibichteten Kalfen und hat wie fie eine ungefähre Müächtigfeit von 80 100%, TZunnelwand-Schidhten. Ueber dem jüdlihen Eingang des Tunnels it bei Baden. eine Scichtflähe aufgedekt, welhe eine große Menge von Berfteinerungen geliefert bat. Fol: gende find die hHauptjächlichiten : Belemnites hastatus, Ammonites polyplocus , polygyratus, striolaris, anceps albus, involotus flexuosus, pictus costatus (tenuilobatus), inflatus, alternans, dentatus, Reineckianus, Terebratula nucleata, pectunculus, substriata, loricata, reticulata (Kurri), 3 Ba ee Rhynchonella lacunosa, Hemithiris senticosa, Perna mytiloides, Isoarca transversa und texata, Pholadomya clathrata, Cidaris coronata, filograna, Rhabdocidaris prin- ceps und nobilis, Collyrites carinata; daneben Nautilus, Aptychus , Trochus, Dysaster, Holectypus, Eugeniacrinus , Apiocrinus, Scyphien, Spongiten und dergleichen. Unter diefen find es vorzüglid Ammonites polyplocus, polygyratus und inflatus, welche diefe Stufe von den Birmenftorfer Schiehten unterfcheiden. Hinter der Schadenmühle find in den oberen Lagen derfelben Abtheilung einige Brüche eröffnet, welhe im Ganzen die gleichen Betre- faften enthalten, wie die Tunnelwand; neu möchte bloß Monotis lacunosae fein. Mehr fällt die beginnende Derfiefelung auf, welche bejonders gerne die glatten Terebrateln ergreift. Im den Autichen bei der Schartentrotte finden fich diefelben Verhältniffe; an einzelnen dort vor- fommenden Stüden fünnen mit Salzfäure die innern Organe bloß gelegt werden (Terebratula bisuffarcinata). Das Gefteinsmittel ift ein grauer, aut gefchichteter, mufchliger Kalt, wohl auch fnollig und raub, gelblich gefärbt und voll grüner Pünktchen. Es fann feinem Zmeifel unterliegen, daß unfere Tunnelmand-Schihten Quenftedts Gamma entfprecen. Kheinfall-eSchihten. Der weiße Jura der Oft-Schmweiz fchliegt mit einer Kalfmaffe, welche fih meist durch große Reinheit auszeichnet. Sie findet fih bei Negenfpera über den Dielftorfer Brüchen (welche zu den Tunnelwand-Schichten gehören); in der Gegend von Kaiferftuhl bildet fie die am Nheinufer hervortretenden Felfen, alfo auch diejenigen im Griesgraben bei MWeiah; ganz befonders gehören ihr alle Schichten an, welhe am Kheinfall auftreten, weßhalb der Name Rheinfal-Schichten wohl geeigneter ift als CEidariten - Schichten. Leider ift die Abgrenzung gegen die Tunnelmand-Schichten jehr unficher ; die gleichen Betre- fakten ericheinen, wenn aud) vereinzelt, doch alle wieder, am häufigften die in Kalffpath umge- wandelte Rhynchonella lacunosa als var. amstettensis, Fraas; Terebratula bisuffarei- nata, Ammonites inflatus und flexuosus, große Cidariten (coronata, princeps und nobilis) und Schwämme aller Formen und Größen; neu find vielleicht nur die nicht häufigen Profopon- Krebschen. Die Kiefelfäure, welche fih in der vorigen Abtheilung ausfchlieglih an die Schalen einzelner Betrefakten hielt, ericheint jett überdieß auch für fi als Feuerfteinfnollen, die in allen Hormen, jedoch befonders gerne al® Kugeln auftreten; fie bilden mit ein Kennzeichen der Ab- theilung, welde wohl fiher Quenftedts Delta entipricht. Gleich hier ol noch des Bohnerzes erwähnt werden, da es fih immer an die oberften Lagen des weißen Kalkes hält, obwohl es nicht zu den Bildungen der Suraformation gehört. Am Kheinfall, oberhalb Rieden, hinter Gebenftorf und unter dem Lindhof legen fich bedeutende Mafjen des rothen Eifenthones und der befannten Knollen aus thonigem Eifenorydhydrat (bi8 zu Fauftgröße) auf die oberften Zurafhichten; an der Tunnelwand erfüllen fie auch deren Klüfte und Spalten und fchliegen nicht felten Berfteinerungen des weißen Kalfes ein, aber immer gelblihveiß gebleicht und zerreiblich, wie wenn fie ausgelaugt wären. Wo tertiäre Bil- 19 dungen fich darauf legen, da theilt das Bohnerz die Lage des weißen Kaltes (Gebenftorf) und nicht der Tertiärbildungen. Yenfeits des Aheines beutet man feine Lagen und Nefter noch jeßt zur Bereitung eines vortrefflichen Eifens aus. Folgendes mögen die Mächtigkeits-Berhältniffe der Juraformation fein: 2ias: SInieften-Schidten 35‘ Arcuaten = Kalfe 20% Turneri=Thone 20—30‘, Numismalis- Mergel 20‘, Amaltheen-Thone 10‘ Pofidonien- Schiefer 25 — 30‘, Jurenfis-Mergel 15— 20”, Brauner Jura: DOpalinus-Thone 150° Murchisonae-Ralfe 50 Sowerby-Sauzei- Schichten 30, Humphriesianus-Schihten 40-50‘ Barfinfoni= Schichten (mit macrocepha- lus und ornatus) bi8 150‘. Weißer- Jura: Birmenftorfer Schichten 10—20‘, Effinger Schichten 150% Tunnel- Schichten 80 — 100% Tunnelwand - Schichten 50° und Rheinfall - Schichten 50—100°; zufammen gegen 1000 Fuß. Bei der Aufzählung der juraffiihen Gebilde find die Quenftedtiichen Abtheilungen feitge- halten worden, weil fie nit nur dem Anfänger die Sache erleichtern, jondern aud für dieje- nigen von bleibendem Werthe jein werden, welche dem Zufammenhange zwifchen Orographie und Geologie ihre Aufmerkfamfeit jchenfen. Zudem dürften wir nod; ziemlich weit davon fein, die Lage jedes einzelnen Petrefafts genau genug zu fennen, um jeiner Zone ficher zu fein. Drdnet man aber bloß nad vorhandenen Syitemen, jo jeßt man voraus, was erjt unterfucht und bejtimmt werden fol. Das Dafein der wichtigiten Zonen läßt fih übrigens auch aus den Gruppen herausleien. ©. Das Tertiürgebirge und das PDilnvinm. Ueber dieje Abtheilung fünnen wir uns furz fafjen, da ihre. Berhältniffe im Neujahrsblatt 1862 dargeftellt worden jind. Sie follen alfo hier bloß jomweit berüdfichtigt werden, als fie. für die geologischen Berhältniffe der Lägern Wichtigkeit haben. Auf der Karte wurden untere und obere Süßmwaffermolafje (7 a und b), Meeres- Molafie (8), Nagelflub (9) und Diluvium unterjchieden. Die Gruppe der Meeres-Molafsie it das fenntlichite Glied der ganzen For- mation, weil fie faft überall genügend durch Petrefakten charakterifiert wird; faft nirgends fehlt ein Haififhzähnden, eine Aufter oder eine andere Meermufhel (Pecten, Cardium etc.) Mineralogiih wechjelt die Stufe bedeutend ; bald find es fefte, graue Sandfteine, die ihr grobes Korn, eigenthümlihe grüne Punkte und eine Menge Mufchelfragmente Fennzeichnen (Mufchel- fandftein von Würenlos, Neuhof, Killmangen, Naffenwyl, Steinbuf, Hafelbuf, Gebenftorf 2.) ; anderwärts tritt fie als ein Lofer grobförniger Sand auf, in dem hie und da fremdartige Gerölle von gelben und weißen Quarzen, Feldfteinporphyren und dergleichen erfcheinen (Nieder- BEE wenigen); noch an andern Orten fommen diefe Gerölle mafienhaft vor, lofe oder durch einen groben, bunten Sand zu Nagelfluh verfittet. Immer liegen darin große, meift abgeriebene Auftern: Ostrea undata, flabellula, callifera ete. (Aufternagelfluh von Dtelfingen, Boppelfen, Piederwenigen, Steinbuf, Stadel, Baldingen). An den meilten Orten wechjeln dieje verfchie- denen Formen venellos, doch Scheint im Allgemeinen die Aufternagelflub die oberen Yagen ein- zunehmen. Gruppe der oberen Süßwajfer-Molaffe. Darüber liegt ein weicher, jehr feinförniger grauer oder gelbliher Sandjtein mit vielem Glimmer, der häufig. zähe Knauer enthält, in denen überall an der Lägern Blätter angetroffen werden. Nach der Beltimmung durch Hrn. Brof. Heer find es neben einigen weniger fihern befonders Cinnamomum Scheuch- zeri und polymorphum, Daphnogene Ungeri und Podogonium Knorri (Nußbaumen, Stadel, Niederwenigen, Schöffliitorf und Aheinau), von denen das leßtere für die obere Süh- waifer -Molafje (Deninger - Stufe) enticheidend it. Bei Niederwenigen liegen über den Blättern auch nod) Helices. An der Südfeite der Yägern trifft man auf der Greppe bei Wettingen und auf der Breitlen bei Boppelien die Bänfe eines feinförnigen Sandfteines, zwifchen denen Schwarze Mergel vor- fommen, die häufig Blanorbis, Heliv und Chara-Samen (Ch. Meriani)- enthalten, ganz wie in den Umgebungen Zürids. Nagelflub. Auf diefe obere Süfwaifer-Meolaffe folgt überall eine mächtige Nagelflub. Sn den Gefchieben, welche fie zufammenfeßen, findet man die Quarze und Borphyre der Mer- ves-Molafje nicht mehr; fie icheint aus lauter alpinen Geröllen zu bejtehen, doch fehlen ihr die Sernftgefteine noch, welde exit im Diluvium häufig werden. Wenn fie, wie es wahricheinlid) it, das Aequivalent der jurafjiihen Nagelfluh des Nandengebietes bildet, jo it der Mangel der meiften jurafliichen Felsarten, befonders aber des Großoolithes auffallend. Obgleich fie hie und da Hohlräume bat, jo ift fie doch bisweilen jo feit, daß fie geiprengt und ale Bauftein benugt wird, wie zwiichen Wattwyl und Sigliftorf. Gruppe der untern Süßwafjer-Molaffe. Unter der Meeres - Molaffe liegend, alfo den Grund der tertiären Formation bildend, trifft man, wie beim Dorfe Wet- tingen, loje Sande oder nod) tiefer, wie beim gleihnamigen Kloster und am Steinbud, bunt gefärbte Mergelbänder, über denen graue oder gelblihe Sanditeine liegen von feinem Korn und durchzogen von denjelben Kinauern wie die obere Süßwaflerbildung. Obwohl fie an der Lägern feine Vetrefaften zu enthalten jcheinen, find fie doch dem bisherigen Gebraude aemäk als untere Süßwafler-Molaffe von den unzmweifelhaften Meeresbildungen der folgenden Gruppe abgetrennt worden. Sn den tertiären Bildungen bietet übrigens die jchharfe Abarenzung ver einzelnen Stufen weit mehr Schwierigfeiten ale im Jura, da die Veriteinerungen viel feltener find und der Geiteinscharafter weniger wechielt. Wo nicht gerade Betrefatten vortommen, bleibt man daher über die Grenzen der Abtheilungen häufig im Zweifel. Defwegen fanı die Mächtigfeit der- jelben aud nur jehr unficher beftimmt werden. Die untere Süßmwaifer-Molaffe mag 100° haben, die Meeres-Molafie 150 200%, die obere Süßmwafferbildung 300° und die Naaelfluh 200 — 250’, Zu den Diluvial- Gebilden gehören die erratifchen Blöde und alten Gletichermoränen, fo wie die höheren Uferterrafien der früheren Flußbette, Die leteren finden fih an der Aare, KReuf und Pimmat; fie bilden die Hohe Ebene von Königsfelden, der Gebenftorfer Kirche, des Hügels gegen Turgi und die Fläche des Sigaenthales, ebenfo das Badener Feld und die Naaelflub- Terraffen über den fleinen Bädern. Der Hügel, auf weldhem die Würenlofer-Trotte fteht, iit eine ausgezeichnete Moräne; das Feld zwifchen Tättwyl, der Yindmühle und Birmenitorf liegt voll der jhönften Gotthardgranite; am Meartinsberg findet man Borphyr von der Windaelle und am Nordabhang der Lägern in einer Höhe von 696” große Blödfe Schrattenfalf voll Hieroalypben (Caprotina ammonia und Hippuriten). Die jekigen Flußgeichiebe (Alluvium) halten fich immer in der Tiefe. 11. Die Sagerung. Die Yägern it nicht bloß ihren Gefteinen, jondern auch ihrer Gebirgsform nad eine fremd- artige Erfheinung in der fie umgebenden Landichaft. Als ein Icharfer Rüden zieht fie in nabezu gerader Pinie von Negeniperg bis Baden fait genau von Dften nah Weiten. Am eriten Orte taucht fie in einer Meereshöhe von 445” aus dem fumpfigen Tiefland des Glattthales auf, fteigt Schnell in der Hohmwacht zu 858 und im Burahorn zu 862” auf, um in ungefähr aleicher Entfernung bei Baden zum Bett der Pimmat herabzufinfen, 'wo fie nicht mehr höher liegt als 360”. Alle übrigen Höhen füd - und nordwärts von ihr haben jene Gratform feinesweas; ' e8 find ganz eigentliche Hocebenen, nur von einzelnen Thälern durchichnitten und getrennt. So bilden die Egg, der Schneifinger Berg und die Berge über dem Siagenthal mit dem Brugger Berg und dem Gebenftorfer Horne eine vollfommen ebene Hochfläche. Die gleiche Ericheinung, wenn fchon mehr zerriffen und zeritört, zeiat fich auch im Süden, zwiichen Seagelbof, Kreuzli: berg, Greppe und Buchjer Berg. Südabhang der Fägern. Bei Negenjperg fteigen nur exit die feiten Kalte des weißen Jura aus der Thalfohle auf, aber fie zeigen gleich fhon im Anfange diejelbe Stellung, welche jie im ganzen Zuge beibehalten; mit 30—40° fallen fie nah Süden ein, von einer mantelförmigen Aufblähung oder Umbiequng der Schihten bemerkt man feine Spur. Bei Diel- itorf bricht man die Tunnelwand-Schichten, tiefere Pagen treten noch nicht zu Tage, den Fuß dedt ein ‚reiches Diluvial- Gerölle (Taf. 2 Fig. 1). Schon neben Regenipera bildet die Be Nordfeite des Berges eine auffallende Terraffe; das Städtchen fteht auf Aheinfallfalfen, welche zunächft gegen Norden einen teilen Abfturz bilden; die mehr mergeligen TZunnelwand-Schichten haben die Bildung einer Heinen Fläche ermögliht, während die Köpfe der Tunnelichichten abermals jehr fteil abfallen. Den Fuß bilden die oberften regelmäßigen, blauen Kalklagen der Sffinger- Schihten,, welche im dritten, weftlihen Bruce abgebaut werden. Auf der gleihen verhältnigmäßig breiten Terraffe fteigt man neben Regenfperg durch Wiejen und Wald auf die Hohwadht. Nechts am Wege liegt ein alter Steinbruch in den TZunnelfchichten, deffen Bänfe mit 53 — 65° nad Süden einfinfen; Petrefakten enthalten fie feine. Links davon liegen die grauen Mergel der Tunnelwand; im Tußmwege felbft fammelt man die PVetrefakten des jhwäbifhen Gamma: Ammonites polyplocus, inflatus ; Rhynchonella lacunosa; Terebratula nucleata; Collyrites carinata; Eugeniaeriniten und dergleihen. Endlich legt jich füdwärts der fefte, maffige Kalk darauf, deifen fahle Wände hinter Boppelfen zu Tage treten; e8 find die Aheinfallfalte mit Rhynchonella amstettensis. Diejelbe Aufeinanderfolge der Schichten und diefelbe Lage findet ih auf der ganzen Südfeite bis gegen Wettingen bin. Dort gewinnt fie einen unerwarteten Wechfel, die glatte Schichtwand unterbricht jid) plößlid), ein großer Theil der oberften Dede ift in die Tiefe gerutiht, daher die abgebrochene Felienlage beim Gugel und die auffallenden Terraffen der Dideren und des Bußberges. In den Trümmern des Nutfches fammelt man bei der Wettinger Ziegelei die großen Gidariten (coronata, Rh. princeps und nobilis) am jchönften. Wo die Fleine Hochfläche des Bußberges ih an den Berg lehnt, finden fi in den wenigen offenen Stellen die Berfteinerungen der Tunnehvand, welche fi in allen Autfchen bis Baden wiederholen. In der Nähe der duräbredhenden Ge- wäfler find die oberften Kalfe verfchwunden; rechts und links von der Pimmat bilden die Tun- nelwand-Schichten die Dede; NheinfallsKalte legen fich erft in einiger Entfernung darauf. Bemer- fenswerth ift ein Fled Süßwaffer- Molaffe mit Knauern, die fih am die herabgerutichte Seite des Bußberges hängt. Rordabhbang. Während die Südfeite des Berges von oben bis unten dur eine und diefelbe Schihtfläche gebildet wird, befteht die nördliche Abdahung aus fämmtlihen Schichten- föpfen aller Bänke, welche den Berg zufammenfegen. Bon. den Tunnelwand-Schichten der Hoh- wacht fteigt man gegen Ehrendingen über die Effinger- und Birmenftorfer Pagen hinunter, jammelt in einzelnen Abtheilungen des braunen Jura mandes Petrefakt, überfchreitet hierauf den Pins und trifft fchlieglih am Fuße den gut aufgefchloffenen Keuper. Dabei fallen alle Schihten unter gleihen Winkeln (10--50°) nad) Süden; nirgends it ihre Reihenfolge unter- brohen, die Yagerung nirgends im Geringften geftört, der Südjchentel (wie man dieje nad) Süden fallenden Schichten genannt hat) zeigt in allen Beziehungen vollftändige Kegelmäßigfeit. Nun legt fih aber, wie aus der Karte und den Profilen erfihtlih it, am den meiften Drten der oberfte weiße Jura auch auf den Nordabhang. Schon bei Sünifon (Tab. 2 ig. 2) findet fih ein Steinbrud darin, deifen mergelige Kaltwände zwar das Streihen des ganzen Zuges (h. 6) zeigen, aber mit 63° nah Norden fallen. Steigt man oberhalb Dadsleren (Taf. 2 Fig. 3) am Bade den Berg hinan, fo trifft man zuerit auf einen Molaffen- Hügel, deffen oberfte Yagen im Walde zu Tage gehen. Auf diefen Sandftein legt fih der weiße Jura mit 45° Süpdfall. Die Einwohner des aenannten Dorfes fchreiten über feine Schichtenköpfe wie auf einer fteinernen Treppe in ihre Wiefen und Nietgruben hinauf und haben dermwegen den Abhang paflend Steinftegen genannt. Gleich oberhalb des Kalfes befindet man fich wieder im regelmäßigen Südfchenkel; es folgen die Opalinus-Thone, in denen die Mergelaruben liegen, die Murchisonae- Schicht, die Monotis=- Kalfe, die Sowerby - Schiht u. j. f. Derfelbe weiße Kalk hält nad Weiten an; vielleicht det feine Fortiegung in den Steinbud nur das reiche Diluvium, auf dem die Straße von Niederwenigen in die Gnpsgruben führt. Diefe Gypsgruben von Ehrendingen bringen neue und ganz eigenthümkliche VBerwidelungen. Zwar auch dort folgen die Schichten des Gebirges vom oberiten weıgen Jura am Burghorn regelmäßig aufeinander bis hinunter zu dem Keupergypfe; nirgends finden wir an der Pägern beffere Aufichlüffe im braunen Jura, Lias oder Keuper. Aber nun fommt auf den füdfallenden GHyp8 zuerit nordfallender, dann Dpalinus-Thone, hierauf die Murchisonae- Schicht und braune Sandfteine, ferner die Effinger Schichten und endlih am Steinbud die weißen feiten Kalte, alles mit Südfall. Unter diefen Kalkiteinen hindurch dringen tertiäre Ablagerungen tief in die Schlucht hinein, unzweifelbafter Mufchelfandftein, Aufternagelflub und zulegt Knauer- Molaffe in Berührung mit füdwärts geneigten Effinger Schichten. Im Allgemeinen fällt die Molaffe mit 15—20° nad) Norden; nur in der Streihungslinie des vajch abgebrocdenen und etwas nah Süden umbiegenden Kalfes zeigt fie jogar 43° Nordfal. Es ift diefes die fteilfte Molaffe, welche unmittelbar an der Lägern fich findet (Taf. 2 Fia. %. Die Berhältniffe des Hertenfteines (Taf. 2 Fig. 5) find aus dem BVrofile deutlih erjichtlic. Dort ftehen die weißen Kalfe nahezu jenfrecht, behalten auch dieje Stellung bis zum Höhdal. Am legten Drte find jedoch die nahe an der Straße liegenden Bänke jo zerbroden und zerflüftet, daß felbit die großen Breceifen, den Arbeitern entihlüpfend, in den Pöchern ich verlieren fünnen. Den Südabhang des Hertenfteines, die goldene Wand, bildet brauner Jura; er jcheint ih) unmittelbar an den Keuper anzulegen, aus dem die warmen Quellen entipringen. Eine beträchtliche Maile diluvialen Gerölles det im Thälchen von Ennetbaden den Nordabhang der Lägern. Es find zwei deutliche Terraffen ; die obere wird duch eine ziemlich feite Nagelflub ge- bildet, welche die neue Straße hoch über der „Trotte“ aufgededt hat; die tiefere ift die Urfache des Steilhanges neben der Kirche und der Schlucht des Fleinen Badıs. Tertiärbildungen des Nordabhanges. Den nördlichen und jüdlihen Abhang der Pägern begleiten zwei Thäler, das Wehnthal und dasjenige von Dielftorf. Das erftere tritt anfänglih unmittelbar an den Bera; erft bei Dachsleren und Niederwenigen legt fich 207 ae Molaffe an. Daß diefelbe bei Ehrendingen unter den Steinbud bis ins Innere des Gebirges dringt, it fjoeben gejagt worden. Bei Niederwenigen liegt Meeres-Molafje mit Auftern und den charakteriftifhen Geröllen in der Thalfohle; darüber folgen mädtige Lager von SKnauer- Molaffe mit den angegebenen Blättern, alfo unzweifelhafte Süßwafferbildung; fie Iehnt fich unmittelbar an den Bergabhang. Daraus folgt das wichtige Ergebniß, das. wir übrigens nodh mehrmals zu fonftatieren Gelegenheit haben werden, daß die tertiären Schichten fi) nicht concordant, jondern übergreifend an den Jura legen. . Tertiärbildungen des Südabbhanges. Biel ausgedehnter und mannigfaltiger jind die Molaffe-Bildungen im Süden, im Thale von Dtelfingen. Beginnen wir beim Klofter Wettingen, jo jehen wir dajelbit durch einen Kanal die bunten Mergel der untern Süßwafjer- Molafje jehr gut aufgefchloffen; fie fallen mit 10— 15° nad) Süden; aud die fteilen Sand- jteinufer im Norden des ehemaligen Gotteshaufes zeigen dasjelbe Fallen; jüdwärts jeßen fie neben der Brücde fort, Jind aber in der weiten Ebene des Wettinger Feldes vom Diluvium zugededt. Beim Dorfe Wettingen wid der Fuß des Sulzberges duch wohl aufgeicloffene Sande mit gefärbten Mergellagen gebildet, welche zur untern Süßwaifer- Molafje geitellt worden Ind; fie fallen, wie in dem dafigen Bierkeller genau zu ermitteln war, mit 5° nad) Süden (Taf. 2 Fig. %. BZwifcben PFägern und Sulzberg trifft man auf dem Wege zur Greppe den Mufhelfandftein und die Aufternagelflub in balber Höhe, die auffallende Spige wird dur obere Süßwafler- Molafje gebildet, welde Helir, Blanorbis und Chara=- Samen (Ch. Meriani) enthält. An einem einfamen Waldivege, der vom Achenbühl gegen die Yägern hinan und zum Dielfinger Bierfeller führt, finden fich unten viele Austern in den fremdartigen Geröllen von Quarz, VBorphbyr und dergleichen; weiter folgen maffige Sande, die wohl denen in den Würen- lofer Steinbrücden entjprehen. Das Thälhen von Boppelfen ift ganz in den Sandjtein ein= gegraben ; der zerfallene Stollen, welcher auf Badwafjer getrieben worden it, joll Meeres- Molafle durchfahren Haben Mouffon a. a. D. pag. 114). Bei der Ziegelei liegt ungweifel- bafter Mufchelfandftein mit 20° Südfall, an der Straße nad) Buchs enthält er in einem Kleinen Bruce die harakteriftiihen Gerölle, Auftern und Yamna- Zähne Auf eben diefen Schichten wubt der anjebnlihe Hügel Breitlen, deifen oberfte Xagen denfelben Sanditein und diejelben mergeligen Zwifchenlager mit Helir und PBlanorbis zeigen, die wir an der Yaletfche bei Zürich finden; es it alfo unzweifelhafte obere Süßwailer- Molajfe. Im Hintergrunde des Thäldhens von Boppelfen haben die Gewäfler alle tertiären Gebilde weggefpült; in geringer Höhe bildet der entblößte Jurafalf die Thalmand. Aber zwiichen diefem Drte und Regenjperg find die Molaffe- Bildungen wie die Stüßpfeiler eines gothischen Baues jtehen geblieben und bilden den gegen Buchs und den Kabenfee vorfpringenden Hügel (Taf. 2 Fig. 1 und 2). Den Fuß nehmen die Meerfanditeine ein, die bei Boppelfen 20°, bei Naffenwyl 15° a,” Me Südfall haben. Dann folgt die obere Sühwaflerbildung, deren Schichten man von Adliton gegen das ehemalige Waifenhaus überfchreitet; fie it befonders deutlih an der neuen Straßen- forreftion zwijchen Regeniperg und Boppeljen zu erfennen. Ebendafelbft findet man die Nagel- lub; an manden Stellen, wie am Hünggeler, bilden diluviale Ablagerungen die Dede. Wo, wie bei Regeniperg und Dielitorf, die Molafje fih unmittelbar auf den Kalkitein legt, zeigt er leider fo wenig Schihtung, daß man über die Lagerung nicht ins Klare fommen kann. Südwärts des Dtelfinaer Thales tritt der Mujchellanditein in dem Bergzuge, mwelder die vechte Zimmatjfeite begleitet, noch bei Detweil und Geroldfhwyl zu Tage und jinft dann unter das Niveau der ;ZThaljohle ein. Zwiichen Kegenitorf und Weiningen findet man bloß nod die immer mächtiger anfchwellende obere Süßwafler- Molafle, welche längs des Zürichjees Höhen von über 1000° zujammenfeßt. 3 Die nördlide Juramulde Anders verhält es jih im Norden der Yägern. Der weiße Jurafalf, weldher vom Hertenftein ber jeine Steilheit ziemlich vajch verlierend fich bei Rieden ganz allmälig verfläht und beim Kreuze vor Nußbaumen unter die diluviale Dede einfinft, taucht bei Siggenthal wieder auf. Seine Schichtenföpfe bilden die fteile Ahyflub, welche vom Giggenthaler Steinbrud über Würenlingen nah Endingen ziebt und hierauf ein ganz ähnliches Band über Tägerfelden und unter Baldingen bindurdh bis an den Rhein bildet. Zwifchen Sedingen und Katferftuhl jeßt es über den NAhein und erhebt jihb bei Hohenthengen und Lienheim gegen den Berghof, ftreicht über Küffenbura an den Nappbera, bildet die Höhen um DOfterfingen und jchliegt endlihb bei Schaffhaufen an den Randen an. Es ilt eine flache Mulde des weißen Jura, Schritt für Schritt verfolgbar, welche die Tertiärbildungen zwijchen der Lägern und dem heine trägt. Diefe Mulde reicht weitwärts bis an den Bözberg und das Fridthal und oftwärts bis in die Gegend von Scaffbaufen. Der Nordrand derjelbgı ift indeß feineswegs auf das aenannte Kalkband des weißen Jura beichränft. Gebt man von Baldinagen auf der Höhe gegen den Achenberg vorwärts und von da hinunter nad) Coblenz, jo überfchreitet man genau die leihen Schichten wie am Nordabhang der Yägern. Den Schluf macht der Mufchelfalf, über den der Rhein im Eoblenzer Yaufen jeßt. Weiter nad) Norden reichen die Glieder der Juraformation nicht, während die Trias die gegen den Schwarzwald anfteigenden Höben frönt und fi unmittelbar auf das Urgebirge legt. In der Umgegend von Klingnau zeigt fih der Südrand der Mulde fehr deutlih. Von der Höhe des Achenberges jinfen die einzelnen Stufen des braunen Jura mit 15— 20° nad Süden; an der unteren Surb haben fie bereits die Thalfohle erreicht; zwiihen der Beznau und Siggenthal verlieren fie fi in die Tiefe, um am Hertenitein wieder zu Tage zu treten (Taf. 1 Fig. 11). Die Tertiärbildungen, welde diefe Mulde trägt, find äufßerft einfach gebaut. Die Tiefe nehmen untere Süßwafjer-Mergel und Sande ein, die am Ichönften an den Ufern des Aheines aufgeichlofien find (bei Rheinsfelden und Eglifau). Darauf legt jih ein breites Band von 4 er pet Meeres: Molaffe, deflen Rand längs des ganzen Siggenthales, an beiden Seiten des. Surb- thales und am Nordrand des Wehnthales verfolgt werden fann. Bon Niederwenigen geht es in der Thalfohle bis nah Steinmaur, biegt mit dem Berge um nad) Stadel und ftreicht über MWeiah an den Ahein und hinaus auf die Höhen über dem Kafzer Feld und um Dettifofen. Bon Zeit zu Zeit zeigt ein Steinbrud fein Dafein; Oftreen, Peeten, Cardien oder Haififdh- zähne finden ji überall. Am Nordrande des Bedens, in den Umgebungen von Endingen und Baldingen, legt es fi unmittelbar auf den Aand der Juramulde. Ebenfo regelmäßig findet fi über diefer Meeresbildung, an den Abhängen immer als fanfte Terraffe auftretend, wie im Siggenthal, bei Schneifingen oder Schöffliftorf, die obere Süßwafferftufe, deren KRnauer itellenweife voll Blätter find. Ueber den fanfteren Gehängen diefer oberen Molaffe bilden die fteilen Abftürze der Nagelfluh häufig die romantische Krone. So ift es in den Höhen um Freienwpl, ebenfo an der Egg, am Stadler Berge und am Stein bei Weiadh ; die Nagelfluh bildet die Fläche der oben genannten Hochebene. In der Mitte und gegen den Nordrand des Bedens werden ihre Felsmaffen immer mädtiger, fo daß im Thäl- hen von Wattivyl die obere Sandfteinbildung faum mehr an den Thalgrund heraufreicht; der Silberbrunnen bringt mit dem feinen Schreibfande au die weißen Glimmerblättchen zu Tage, welche ihm feinen Namen eingetragen; aber die hohen Thalgehänge beftehen rundum aus der feften Nagelflud. Auch im Badhıfer Thale erfüllt fie die unteren fteilen und engen Theile ganz, während die flache, weite Geftaltung des Bodens um das Dorf Badhs bloß durd die Lage in den oberen Sanden ermöglidt wird. Auf dem Wege von Bahs nad) Stadel trifft man Feine Nagelfluh mehr. Die Höhe, in der ein Keller gegraben ift, gehört der oberen Süßwafler-Mo- (affe an (mit Podogonium Knorri); der Eleine Steinbrudy oberhalb Stadel und der genen die Kicche vorfpringende Hügel liegt in der Meeresbildung (mit Ostrea undata). Rügernzug zwifhen fimmat und Reuf. Perfolgen wir nunmehr den Ge birgszug über die Limmat nad) Welten, fo begegnet uns ganz die gleiche Geftaltung. Freilich hat das Gebirg in der Hochflähe der Müferen den fceharfen Grat verloren; tertiäre Gewäfler find nicht bloß an ihm geftanden, wie an der LFägern, fondern haben ihn überfluthet. Die Dede der Müferen ift jung tertiären Urfprungs und überall geblieben, wo nicht das jinfende Waffer, wie Chronos feine eigenen Kinder verzehrend, die Abhänge abjpülte und die ältern Bildungen abdedte. Aber die Schichtenlage und die Schichtenfolge bleibt diefelbe. Bon Baden unter der Baldegg durd bis nad) Birmenftorf ftreiht der weiße Kalk unausgefeßt verfolgbar ; an beiden Durdbrüden, an der Neuß wie an der Limmat, folgt darunter die ganze Reihe der juraffiihen Gebilde, nur taucht an der Müferen unter dem Keuper allenthalben aud der Mu- fchelfalf hervor und bildet eine leicht erfennbare Erhöhung über der ganzen Fläche weg. Im Sebenftorfer Thal wird er wie auf den Höhen gegen Birmenftorf gebroden ; er bildet den Boden, auf dem die Neben beim Steurmeyerhof ftehen, überfchreitet den untern Raufchenbady oben und 2, den obern ganz am unteren Ende, indem feine compacten Felsmafjen einen beträchtlihen Waf- ferfall bilden. Ueber die Limmat fegt er nicht fihtbar. Seine Schichten haben conftant 50— 70° Südfall (Taf. 2, Fig 7 und 8). Diefes Einfallen und die concordante Lagerung zum Nord- ichenkel bejtätigt den an der Lägern gefundenen Sag, daß die nah Süden fallenden Schichten überall eine völlig regelmäßige Lage und Aufeinanderfolge haben. Was dagegen von juraffischen Schichten nordwärts des Mufcelfalfes liegt, zeigt ebenfo beftändig unterbrocdene Folge und unregelmäßige Lagerung. Im Gebenftorfer Thälhen folgt am Nordfchenkel auf den Mufchelfalt unmittelbar brauner Jura (Dpalinus=Thone), jodann weißer Jura, Bohnerz und Sandfteine. Wie an die Lägern, lehnen fid) die tertiären Ablagerungen nord= und füdwärts in dis- conceordanter Lagerung an die Hochfläche der Müferen an. Beim Tättwyler Hofe ift Meeres- Molafje, beim Sehelhof wahrjheinlid oberer Süßwaffer-Sandftein, unter der Baldegg un- zweifelhaft die Nagelflub (Taf. 2 Fig. 7). YIenfeits des Thälhens, in dem die Straße nad) Mellingen führt, wiederholen fich die gleihen Gebilde in gleicher Lage. Den Grund des Kreuzli- berges bildet die untere Süßwafler- Molaffe vom Klofter Wettingen. Die beiden von der Zürderftraße angefchnittenen Felmaffen neben demfelben zeigen zwar fehr abnorme Lage. Indeffen verdienen fie zum Berftändniffe des Ganzen feine Beahtung; fie find augenscheinlich bloß herabgeftürzte Maffen, die von dem anprallenden Wafjer des Fluffes unterwafchen und zu Fall gebeacht worden find. Normale Schichten dagegen trifft man, wo der Fußweg zum Zeufelsfeller von der Straße abbiegt. Sie nähern fih jchon fehr der Meeresbildung, welche die Mitte des Abhanges einnimmt, oberhalb Neuhof und bei Killtwangen abgebaut wird und am legten Orte wie bei Würenlos unter die Thalfohle verfchwindet. Die obere Molaffe ift nirgends wohl aufgeichloffen, dagegen haben Erofionen die fteile Nagelfluhfrone mehr als ge- wöhnlic zernagt, zum Sturze gebradht und dadurd den romantischen Teufelskeller erzeugt, wo ihre ungeheuren Blöde in wilder Unordnung durcheinander liegen. Ganz gleiche Urfahe und ähnliche Beihaffenheit hat die Spaltenfluh bei Wattrwyl. Nordwärts ift am Gebenftorfer Horn die Yagerung noch auffälliger. Gleich Hinter der Baldega geht man auf gelbem tertiärem (oder quaternärem) Sande; bei Münzlishaufen folgt die Nagel- flu, die in völlig gleicher Fläche bis in die Spige des Hornes fortfeßt. Die große Fluh gegen Unterwpl beiteht aus Meeres - Molaffe, theils Geröl und Sand, theilg Mufchelfandftein mit 20° Neigung nad) Norden, wie im Steinbruche oberhalb des Dorfes. Am Abhang gegen Gebenftorf folgt auf die Nagelfluh obere Süßwaffer - Molaffe, welche bei den hinterften Häufern das fenkrecht jtehende Bohnerz und die weißen Kalfe berührt. Tiefer liegend erjcheint gegen das Dorf aud nody der Mufchelfandftein nahezu wagrecht liegend. Zwifhen Aare und KReuf. Am Durdhbruch der Neuß liegt unterhalb Mülligen die Schambelen (Taf. 2 Fig. N. Neben der Gypsmühle fällt der Mufchelkalt in offener Wand mit 70° nah Süden. Diefelbe Lage haben die jühwärts folgenden Schichten der Lettenfohle, IT a die unter Taq abgebauten Keupergypfe und die Snfettenmergel der untern Kietgruben (Taf. 1 Fig. 2 und 4). Die Opalinus-Thone und Murchisonae-Kalfe der alten Grube, die im Walde offenen Barfinfoni- und Birmenftorfer-Schichten, fowie die hydraulifchen Kalke der Eiffinger- Stufe legen fich allmälig flacher, die weißen Kalfe des Eitenberges fallen noch mit 30° füd- wärts. Der Siüdfchenkel ift völlig regelmäßig, der Nordfchenfel ift auch hier zerdrüdt; man erfennt den braunen Sura, die Tunnel-Kalfe und das Bohnerz; fie fallen nördlich ; bei Königs- felden liegt wagrechte Auftern-Molaffe. Die Verhältniffe der Habsburg find oben angedeutet (Taf. 1 Fig. D; der Mufchelfalf bei Schinznadh hat 40° Süpdfall. III. Seologiide Srgebniffe. Die einzelnen Schihten, welche die Trias und Juraformation, jowie die terfiären Bildun- gen zufammenfeßen, find unzmweifelhafte Nieverichläge aus Wafler; ibr Material, ihre Form und die eingefchloffenen Berfteinerungen beweilen e3 umviderfprehlic. Diefe leteren find die Hefte der einftigen Bewohner der Erde; ihre Betradhtung lehrt uns das Leben der damaligen Welt fennen; die Umftände, unter denen wir fie jeßt begraben finden, find die Irfinden der Zuftände, in denen fte gelebt haben. Sp anziehend e8 auch fein möchte, den Spuren diejes längft erlofchenen Yeßens nachzu- - gehen, jo wollen wir do am gegenwärtigen Orte einen Bunft zur Sprache bringen, der ganz ausschließlih an unfer Gebiet fich nüpft, während eine Betrabtung im vorerwähnten Sinne nur dann zu einem einigermaßen vollftändigen Refultate führen fann, wenn fie, auf breiterer Bafıs ruhend, alle oder möglichit viele der verfchiedenen Formen und Bedingungen umjpannt, unter denen das Leben auf Erden fich zu vollziehen pflegt. Deßhalb werden wir uns bier bloß mit der Entitehung des Gebirges befhäftigen: Wie ift die Yägern entftanden? und wann ift fie entftanden ? — das find die beiden Fragen, die wo möglich beantwortet werden jollen. Wie ift fie entftanden? Wenn die Schichten des Gebirges Abfäge aus einftigen Ser= oder Meeresbeden find, fo müflen fie unter den gleichen Verhältniffen und Bedingungen entftanden fein, unter denen jet noch folhe Bildungen entitehen, denn es ift von felbit Elar, dah das Waffer Schon ehemals den gleichen Gefegen unterthan war, denen es noch heute ge- borcht; auch hat die Schwere ihre Rechte an den damaligen Körpern ebenfo ausnahmslos geübt, wie fie das jeßt no thut. So wird es gerechtfertigt ericheinen, von Sedimentbildungen im Allgemeinen eine wagrechte Yage zu fordern. Nur wo fie auf eine geneigte Grundlage nieder- fielen, mußten fie, derfelben folgend, gleih von Anfang an eine gegen den Horizont geneigte Richtung annehmen. Aber auch in diefem Falle werden fie im Verlaufe der fortjchreitenden Aufhäufungen dem Wagredhten fih immer mehr nähern, indem die einzelnen Schichten gegen das tiefer fiegende Ende hin nothwendig an Mächtigfeit zunehmen müffen. -edenfalls ift fopiel AR 2 Har, daß maffenhafte Niederfchläge in offenen Meeren nicht in fenfrechter Yane jich bilden fönnen. Wo wir fie gegenwärtig in folder Stellung finden, müffen wir uns fragen, wodurd fie in diefelbe aefommen feien. Hiefür ift aber Feine andere Möglichkeit gedenkbar, als daß fie am einen Ende gehoben wurden, oder am andern Ende gefunfen find oder beides zualeich. Es gab eine Zeit, wo Niemand an das erite dachte; darnad) folate eine Zeit, da Niemand an-das Zweite denken durfte; gegenwärtig fordert es der Standpunkt der Wiffenjchaft, daf man beides gleich eingehend prüfe. Gediegene Forihungen haben nicht nur großartige Senfungen einzelner Theile des Erdbodens und des Meeresgrundes nachaerwiefen, fondern auch den He- bungen einen großen Theil ihrer Berechtigung und leichten Verwendbarkeit entzogen, jeit der gründlichite Forjcher über chemische und phyfifalifche Geologie es für unbegreiflich erflärt hat, daß die Kraft von Dämpfen im Erdinnern je habe Gebirge heben und im leeren Raume ichwebend erhalten fönnen. „Es waren fühne, wiffenfchaftlich nicht geprüfte Gedanken.“ *) Gleich- wohl anerfennt Bischof audy Hebungen, aber nur folche, welche durch chemische Vrozefle er- folgen, die das Bolumen irgend eines Gefteines vergrößernd das darüber liegende in die Höhe drüden müffen. So fteht der Forfcher wieder auf neutralem Boden. Hebung und Senfuna find gleichberechtigte Möglichkeiten, das eimläßlichite Detailftudium wird in jedem gegebenen Falle für die eine oder andere zu enticheiden haben. Unfere Trias und Juraformation liegen unter fo janften und fich gleichbleibenden Winkeln auf dem Schwarzwalde, daß e8 nicht geradezu nöthig it, an eine nachherige Veränderung ihrer Lage zu denken. Wenn der Schwarzwald zur Triaszeit vorhanden war, jo mußten die damals jich bildenden Schichten genau jo um das Gebirge fih herumlegen, wie fie es jet thun. Daß er damals aber wirklic vorhanden war, zeigt der Mangel jeglichen Suragebildes auf feinen Höhen. Das flache Gebirge hätte bei einer allfälligen Hebung eine urfprüngliche Juradede unmöglich abfchütteln fünnen; auch ift e8 nicht denkbar, daß fpätere Wafferfluthen die maffenhaften, in der Höhe liegenden Schichten weageipült hätten, während fie die ihnen zugänalicheren in der Tiefe unverjehrt ließen. Der Schwarzwald war alfo zur Trias- und Jurazeit vorhanden; feinen Sid- und Djt- juß umfpülten die damaligen Meere; auf feinen nad Süden und Often einfinfenden Abhängen ihlugen fih mit gleicher Lage die Abfäge der aenannten Formationen nieder. Diefe Schichten bilden den jogenannten Tafeljura, der im Bafelbiet und Hargau den nördlichen Theil des Ge: birges einnimmt und in Süddeutichland ausschließlich vorkommt. Ihm gehört in unferem Gebiete die Juramulde nordwärts der Lägern an. Eine ganz andere Geftalt als diefes Tafelland haben die füdlich gelegenen Theile des Zura, und zwar nicht bloß in unferem Gebiete, fondern ebenfo in den Kantonen Aargau, Solothurn *) Bifchof, Lehrbuch der hemifchen und phofifaliichen Geologie. 1. (2. Auflage) Baq. 338 u. 349. Bey apa Bafel und Bern. Nirgends zeigen die füdlihen Theile jene tafelförmige Lagerung, viel- mehr beftehen fie aus’ lauter parallelen, von Dften nab Welten ziehenden Ketten, deren Yorm und innerer Bau am einfachften mit Wellen verglichen werden fünnte, die durd übereinander gebogene Schichten gebildet wären. Diefe Doppelgeltaltung in Ketten- und Zafeljura zeigt fich ebenso deutlich in Neuenburg, Waadt und Genf, als in den genannten Kantonen, nur hat fi die urfprünglihe Oft-Wet-Rihtung der Ketten allmälig in eine folhe von Südmelt nad Nordoft umgebogen. Die Landesgrenze bildet im meftlihen Jura die ungefähre Trennungslinie des weftlichen Tafellandes vom öftlichen Kettengebirge. Es ift jehr merkwürdig, daß der Schwei- zer-Jura allentHalben da, und nur da, Kettenbildung zeigt, wo er fi dem tertiären Beden nähert. Die Ketten umfäumen das Ufer desfelben, die entfernteren Theile zeigen ftet8 Tafel- fand. Daher liegt es nahe, die Bildung diejer Ketten abhängig zu machen von dem Berhältniß zu den nadhjuraffifchen Meeren, an deren Rand fie ji, ftets finden, und nicht von den vorjuraf- fiihen Feftländern oder nadhherigen Hebungen, wie vom Schwarzwalde, von denen fie nur in möglichiter Entfernung auftgeten. Auf ‚welche Weife aber Waflerbeden Beranlaffung zu Ge- birgsbildung mit fteiler Schichtenftellung geben fünnen, ob durch Hebung oder durh Senkung, liegt auf der Hand. Die Lägern gehört dem Kettenjura an; jie ift das Ende einer Hauptfette, die von Pruntrut bis nad Regenfverg unausgefegt verfolgbar ift. Betrachten wir nunmehr ihren Bau, Taf. 2, fo kann es ung feinen Augenblid zweifelhaft fein, einerfeits daß die gleihartigen Schichten, welche jeßt auseinander geriffen find, einft zufammenhiengen, und anderfeits daß die jegt theil- weife ehr fteilen Schichten urfprünglich die Lage des Tafellandes hatten, d. h. fanft nad) Süden geneigt waren. Damals hieng alfo der weiße Kalk des Nordfchenkels mit demjenigen der Yägern ufammen; fie bildeten eine weite, faft mwagrechte Dede, unter welder alle älteren Gebilde ver- borgen lagen, wie noch heute die Kalkplatten des Randens und der Alb alles deden, was älter ift als fie felbft, wo nicht die nagenden Gemwäffer oder der nachgrabende Menicd die verborgenen Geheimniffe verrathen haben. Wir haben oben gefunden, daß der. Südjchenkel der Yägern allenthalben eine durhaus gleihförmige Lagerung und eine lüdenlofe Entwidlung zeigt. Weberall ftreiht er ungefähr h 6 und fällt mit 30 —50° nah Süden ein. Gegen die Tiefe fcheinen die Schichten eine flächere Lage anzunehmen, jo daß die einzelnen Blätter concav find. Ueberall zeigen ferner die Köpfe des Riffes die regelmäßige Folge der Schichten, die ein Schnitt durch die ganze aufge- führte Neihe bloß legen müßte. Der Nordfchenfel dagegen entfaltet ein fürmliches Bild der Zerrüttung. Bei Sünifon fallen die weißen Kalfe mit 63° nad Norden, bei Dahsleren mit 35° nad Süden, am Steinbud liegen fie ungefähr ebenfo, während fie am Hertentein jenfrecht ftehen, am Martinsberg mit 30° nad Norden fallen, die jenkrechte Tage bei Gebenftorf wieder annehmen, um neben der Habsburg nohmals in Südfall umzufchlagen. Ebenfo unbeitändig a | a ift die Schichtenfolge, alles fcheint zerdrüdt und zerrüttet. Diefer verfhiedene Zuftand der beiden Schenkel feßt mit Nothwendigkeit verfchiedenes Geihid voraus. Nehmen wir nun an, irgend eine hebende Kraft, gleichviel welcher Art fie gemweien jei, habe den jeßigen Zuftand der Kette hervorgebradt, jo müßte fie auf die beiden Schenkel jedenfalls fehr verfchieden gewirft haben, d. h. mit verfchiedener Stärke oder mit verfchiedener Richtung. Wenn fie fenkreht, oder in gleicher Richtung gewirkt hätte, fo bliebe der verfchiedene Zuftand der beiden Schenkel unerflärt. Wirkte die hebende Kraft füdmwärts, fo fonnte fie wohl den Südfchenkel höher heben, aber nicht die fteileren Lagen des Nordfchenfel® hervorbringen ; wirkte fie nordwärts, fo konnte fie wohl den Nordfchenkel fteiler aufrichten und mehr zerrütten, aber nit den Südfchenfel 200” höher heben, wie doc beides der Fall ift. Hat die hebende Kraft aber auf beide Schenkel mit ungleicher Stärfe gewirkt, und war die Südwirfung die intenfivere, warum ift alsdann der Nordichenfel mehr zerarbeitet und fteiler? oder fie war die fchrwächere, wo- her fommt alsdann die höhere Lage des Südfchenfels? Die ftärfere Zerrüttung des Nordichentels und feine fteilere Schichtenftellung bei durchgehends tieferer Lage, und die höhere Lage des Nardfchenkels bei völliger Kegelmäßigkeit bleiben durd eine Hebung unerflärt. Zudem hätte diefe hebende Kraft es beim Nordichenkel am einen Orte nur zu einer fchiefen, am andern big zur jenfrechten Stellung gebracht, ohne daß hiefür ein Grund einzufehen wäre, namentlid) dann nicht, wenn jolde Lofalitäten in fehr geringer Entfernung auftreten, wie der Martinsberg und der Hertenftein, welche bloß dur die Limmat getrennt find (Taf. 2, 5 und 6). Wo eine Ueberfippung Statt haben follte, wie am Steinbude, da liegen die unterteufenden Gebilde nicht auch umgekehrt, wie e8 der Theorie zufolge fein follte, das jüngfte am tiefften, das ältefte zu oberft, fondern normal, die älteren in der Sohle, die jüngeren im Dade, was am Keuper und braunen Zura volllommen fiher ermittelt werden fann. Am Steinftegenbadh ift für einen umgekehrten Nordfchenfel nicht einmal Raum; der weiße Kalf Ichnt fih an die völlig regelmäßigen Opalinus-Thone des Südfchenfels und liegt auf der an den Rand heran- dringenden Molafje (Taf. 2 Fig. 3). Am Hertenftein (Taf. 1, 115 Taf. 2, 5) haben wir das deutlichite Profil des ganzen Zuges. Dafelbft geht der Nordfchenfel augenfcheinlih in das ZTafelland über. Auf welche Weife aber joll eine Hebung diefe Geftaltung erklären? Wie die hebende Kraft aud gewirkt haben möge, das gehobene Stüd, hier der Südfchenfel, mußte dabei eine Radialbewegung um den Punkt machen, an welchem die Bewegung anfieng. Daraus folgt, daß der Rif fi) nad) oben jeden- falls erweitern mußte, fo daß es nicht möglich war, daß einzelne fich hebende Schichten ftehen gebliebene des Nordfchenfels in die Höhe nahmen. Da ferner die gebogenen Schichten des Hertenfteines auf den regulären des Südfchenfels aufliegen, fo ift auch nicht abzufehen, wie eine hebende Kraft Raum finden fonnte, die über der Berührungsftelle fenkrecht aufgebogenen Schichten in ihre jekige Lage zu bringen. Wäre irgend ein Material vorhanden, von dem Se he ET vermuthet werden fönnte, es fei in dem Riffe aus der Tiefe hervorgepreßt worden, jo fönnte man einem folchen die Zitrücbiegung des Nordfchenkels zufchreiben. Aber hievon ift Feine Spur. Die tiefften Schichten find ftets die normal liegenden Gruppen des Mufchelfalfes oder KReupers in Südjchenkel. Diefelben Berhältniffe zeigen die Brofile bei Gebenftorf und in der Schambelen, nur daß wir den Nordfchenkel dafelbft nicht fo deutlich verfolgen fünnen, wie am SHertenftein. Auch dort, alfo für den ganzen Nordfchenkel vermag eine Hebung den Thatbeitand nicht genügend zu erklären. Menden wir uns nunmehr zu der Unterfuhung, ob Sentungen die vorhandenen Formen deutlih machen fünnen, fo erfcheint uns von diefem Standpunkte aus der Grat der Kette von Hegeniperg bis Schinznady al8 eine großartige VBerwerfungsfluft. In einer urjprünglid dem Horizentalen nahen Ebene entfteht ein Ri; der eine oder beide der getrennten Theile beginnen fich zu fenten. Da an der Lägern feiner der beiden Theile feine urfprüngliche Yage haben fann, müffen fich beide gejentt haben. Am Südfchenkel braucht diefes natürlid nur auf der Südfeite geichehen zu fein, während der Rand längs des Kiffes ungefähr in der urfprünglichen Höhe iteben blieb. Diefer Vorgang erklärt die Geftaltung des Südfchenfels vollfommen. Db man wohl eine Veranlaffung zu einer folhen Senfung zu erkennen vermag? Nod in verhältnißmäßig neuer Zeit wogten im Süden des jeßigen Suragebirges weite Meere; an jeinen Rändern und in feinen Tiefen nagten die Waffer und laugten mächtige Gypsflöße und Salzlager aus, Grundes genug zum Zufammenfinfen der überlagernden Schichten, wenn aud) feine anderen Urfachen mehr denfbar wären. Wie mußte fi der Nordfchenkel geftalten? Nach der Entitehbung des Kilfes lagen die Schichten anfängli no in der urfprünglihen Höhe. Nun begann auch er ich zu jenten. Hiebei mußte e8 fich je nach der Entfernung von der Berwerfungslinie und der Tiefe des leeren Raumes geben, daß die niederfinfende Fläche Nordfall erhielt wie am Martinsberge, oder unter eigenem und aufliegendem Gewichte fich niederbiegend, eine jenfrehte Stellung annahm, wie am Herten- jtein und bei Gebenftorf, oder auch wohl überfippen fonnte. Ueberall mußte der Jinfende Nord- ichenfel fih an den Schichtenföpfen des Süpjchenfels ftogen und genau die jeßigen Formen erzeugen. Bei Gebenftorf und in der Schambelen liegt zwar die Form des Nordfchentels weniger deutlich vor Augen als am Hertenftein. Die fenkrecht ftehenden Schichten jcheinen jih ins Un- befannte zu verlieren. Daß er aber dennocd die gleihe Geftaltung hat wie an der Pimmat, zeigen ung die weißen Jurafalfe bei Brugg, die unzweifelhaft die Fortjeßung des Nordichenkels find. Sie fteigen bei Lauffohr in die Höhe gegen Kein, wie diejenigen des Hertenfteines an der Ahyfluhd. Im Geißberg haben fie die Höhe des Tafeljura erreicht, wie jene bei Baldingen und am Blißberge bei Klingnau. er: Auf diefe Weife erklärt eine doppelfeitige Senkung unfere Gebirgsgeftaltung, wie feine Hebung e8 vermag, nicht einmal eine mit gefpannten Dämpfen fpielende, gefchweige denn eine auf bemifcher Bolumenvergrößerung beruhende, von der wohl einzufehen ift, wie fie ganze Yand- ichaften heben oder domförmige Geftalten, nicht aber wie fie geradlinige Riffe erzeugen follte. Es ift der Vorzug der Senkungstheorie, daß fie den Unterfchied von Tafel- und Slettenjura begreifen lehrt, jenen in der Nähe des alten Feltlandes, diejen ITtets in der Nähe der jpäteren Wafferfluthen. Auc) die der Geraden ji) nähernden Bergformen ergeben fi) mit Nothwendig- feit daraus, da eine beidfeitig fich jenfende Ebene eine gerade fortitreihende First erzeugen muß. Endlid wird eine in fi zufammenfinfende Fläche mit genügender Feftigfeit nur in parallele Falten Fich werfen fünnen, alles Yormen, die feine Zufälligfeiten, jondern Gharafterformen des Jura find, folglid) auch mit Nothiwendigfeit aus deifen Bildungsmodus hervorgehen mülffen. Bann ift die Fägern entitanden? Haben uns die Schichten der Jura= und Triasformation Antwort gegeben auf die Frage nach der Art der Entitehung, jo jollen uns nunmehr die jüngeren Bildungen auf die Frage nad der Zeit antworten. Jede Yormation it das Werk und damit der Kepräfentant einer beitimmten Epoche der Erdgefhichte. Iede Schicht derjelben entjpricht einem beitimmten Theil diejer Zeit. Wie wir von einer Yiasbildung oder einer tertiären Formation reden, jo fünnen wir aud von einer Yiaszeit oder einer Tertiärpe viode fprechen. Auf diefe Weife ergiebt fi eine in ihrer Aufeinanderfolge ganz fichere geolo- aiihe Chronologie; die Dauer der einzelnen Zeiten in Jahren oder Jahrhunderten anzugeben, it eine unfihere, auf bloßen Hypothejen beruhende Sad. Es ift Elar, daß alle diejenigen Gebilde, welde nahweisbar von einer Yıiveaus-Beränderung betroffen worden find, zur Zeit diefer Veränderung vorhanden jein mußten, mithin älter find als die Veränderung; oder umgekehrt, dag die fraglicde Veränderung jünger jein muß als die betroffenen Gebilde. Könnten wir alfo nachweisen, daß die Senkung 5. B. den Mufchelfand- jtein noch mitbetroffen, dagegen die obere Süßwajjer - Molaffe nicht berührt habe, jo wäre dar- gethan, daß jene Senkung zwijchen die Mufchelfandftein- und obere Süßwafferzeit fallen müßte. ‚ndefjen aud) hierin haben wir feine genauen und jharfen Grenzen. Wenn die Sedimente urfprünglid immer eine völlig wagrehte Lage hätten, jo wären wir freilih im Stande, die vorliegende Frage jtets mit aller Betimmtheit zu enticheiden. Da fie indeR gleih von Anfang an geneigt fi niederfchlagen können, da ferner ein beitimmter Neigungswinfel für die urfprüng- liche Lage nicht feftzufegen ift, jo müffen wir auch hierin mehr oder weniger mit Wahrfchein- lichkeiten rechnen. Am ficheriten leiten uns allfällige Winkel der Disconcordanz, weil abwei- ende Lagerung ohne vorherige Veränderung gegen die Horizontalebene nicht denkbar ift. Es ift Eingangs von der merfwärdigen Thatfahe die Rede geweien, daß in der Gegend von Brugg - Eglifau - Waldshut ji die Gewäfjer von allen Himmelsgegenden fammeln, um dafelbit das Juragebirge zu überfchreiten. Diejes zeigt nämlich dort eine auffalende Einjenkung. - Ebenfo ift fhon angedeutet worden, daß in jener Einfenkung tertiäre Bildungen bis über den Nordrand des Jura vordringen. In der That legen fi von der Aare bei Siggenthal bis über den Ahein hin (über Endingen, Baldingen, Lienheim) Tertiärbildungen der Art auf dem Sura, daß fie ftellenweife wenigftens den weißen Jurafalt dem Auge ganz entziehen. Diele aufßerordentlihe Erfheinung findet fih im ganzen Jura nicht wieder. Wenn aud einzelne Tertiärablagerungen bie und da ins Innere des Gebirges eindringen, nirgends vermögen fie feine oberften Höhen zu erreichen oder wie hier ganz zu bededen. Diele Thatfahe ift nur durch eine Depreffion erflärbar, weldhe jhon vor der Tertiärzeit vorhanden war, weil fonit tertiäre Bildungen darin fich ebenfowenig hätten ablegen Fünnen, al® dieß auf dem übrigen oberften Sura, in Yargau, Solothurn, auf dem Nanden oder auf der Alb geichehen ıft. Auch für diefes Faktum ift eine Erklärung durd jpätere Hebung der beiden Seiten und nadhherige Wegwafhung der tertiären Sedimente unftatthaft. Es war aljo vor der Tertiärzeit in der Gegend Brugg-Ealifau - Waldshut eine Einjenkung des Juragebirges vorhanden, die einem Bufen des tertiären Meeres die Ablagerung feiner Gebilde geftattete und zwar gleich Icon der erften (nämlich unferer Gegend), denn die Herren Würtemberger in Dettifofen haben bei Balterfchtwyl eine reihe Flora unserer untern Süßwalferzeit, auf den Rheinfallfalfen und Bohn- erzen liegend, gefammelt *). Diefe tertiären Bildungen ziehen fih von der Gegend um Bühl über den Ahein in unfer Gebiet und erfüllen eben jene bejprochene Mulde zwijchen der Kägern (vom Hertenftein an) und dem Bande weißen Jura von Würenlingen, Endingen, Baldingen, KRedingen u. |. f. Weitwärts liegen fie auf der Fortfegung der Mulde über GSebenftorf, Brugg, Kein und Geifbere. Zwifchen Möhnthal, Effingen und Bilnaderen endiget fie; ihre Wafler vermochten hier im Welten die oberften Höhen des Gebirges jo wenig mehr zu erreichen als oftwärts um DOfterfingen oder am Nanden. Aber nicht bloß diefe Mulde war zur Tertiärzeit vorhanden, aud die Yägern war in ihrer wefentlihen Form fhon da. Betrachten wir die Profile und die Karte, fo finden wir, daß die tertiären Sedimente den Grat der Pägern nirgends erreihen. Am Siüdabhang halten fie ih, die Nagelfluh eingerechnet, auf einer Höhe von ungefähr 650”; bleiben aljo mehr als 200 ” unter dem höchiten VBunkte zurüd. YZurahöhen, welche die angegebene Erhebung überftei- gen, haben fänmtlich feine tertiären Ablagerungen mehr; fo die Yägern, der Geißberg, Napp- berg, Randen, wogegen was unter diefer Höhe zurüdblieb, von den tertiären Yluthen nad befpült und überlagert werden fonnte, wie der Kaltwangen bei Bühl, der Noßberg bei Dfter- fingen, Lohn und Wiechs am Kanden, der Böberg bei Brugg. Yiemit haben wir den Ent- fcheid gewonnen, daß beim Beginne unferer tertiären Ablagerungen nicht nur die Suramulde im Norden, fondern auch die Kette der Yägern im Süden fchon fo weit vorhanden waren, daß *) Zahrbuch für Mineralogie zc. 1862, pag. 719. a > jene, die in der Tiefe lag, vom Waifer bededt, diefe die in der Höhe war, davon nicht erreicht werden fonnte. Damit ftimmt vortrefflih, daß zwifchen den juraffifhen und den tertiären Schichten im Allgemeinen eine Disconcordanz von 10—- 25° vorhanden it. Fragen wir uns nunmehr, ob nad diefer Zeit nod eine weitere Senfung zur Erzeugung der jetigen Geftaltung nothwendia gewefen jei, jo fann der Entfcheid hierüber nur von den Neigungswinfeln der tertiären Schichten hergenommen werden. Nun ift aus den beigegebenen Brofilen erfihtlih, daß der weiße Jura des Süpdfchenkels durhfchnittlih ein Einfallen von 35—60° Süd hat. Die tertiären Ablagerungen dagegen haben alle bedeutend weniger: die tiefften Schichten der untern Süßwaffer-Molaffe beim Klofter Wettingen haben 10 — 15°, im Bierfeller des Dorfes Wettingen 11%; der Mujchelfandftein und die Aufternagelflub bei Wü- . renlos jehr wechfelnd höchftens 20°, ebenfo bei Neuhof; bei Dtelfingen, wo die Nufternagelfluh fi an die Yägern Ichnt 5—10°, bei Boppeljen 20°, bei Naffenwyl 14--15°, natürlich alles nah Süd. Die obere Molafle und die Nagelfluh find an der Greppe, auf der Bleihe und bei. Regenfperg faft oder ganz horizontal. Keiner diefer Winfel erreicht eine Größe, die eine nahherige Aenderung der Lage mit Nothiwendigkeit fordern würde. Auch hieraus ergiebt fich der Schluß, daß die vor der Tertiärzeit beftandene Geftaltung der Lägern wefentlich diefelbe war, wie fie no) jeßt ift. Die Niederfchläge der Tertiärzeit legten fih an das vorhandene Gebirge, indem fie gegen Süden, alfo gegen die tiefere Mitte des damaligen Meeres nicht blof tiefer finfen, fondern auch mächtiger werden mußten. Daher treffen wir von Weiningen bis Zürich weder untere Süßmwaffer- nody Meeres-Molaffe mehr zu Tage gehend, wohl aber außer- ordentlich mächtige obere Süßwafferabfäge. Hiemit fol nun aber feineswegs gefagt fein, daß das Tiefland im Süden der Pägern während oder nad der Tertiärzeit aar nicht mehr gefunfen feiz vielmehr ift es wahrscheinlich, daß die Senfungen, die man fi jehr langfam zu denken hat, ihren Fortgang hatten, jo lange Meere im Süden des Gebirges lagen; nur einen ent- iheidenden Einfluß auf die Geftaltung des jegigen Terrains konnten fie nicht mehr ausüben. &s ift oben gefagt worden, daß die beiden Terraffen des Bußberges und der Dideren un- zweifelhaft durch Abrutfchung der oberften Zurafchichten entitanden feien. Nun legt fi an den Au- Benrand des Bußberges Molafje in einer Weife an, wie fie erft nad) der Abrutfhung ftatt haben fonnte. Um abrutjchen zu fönnen, mußten aber die Jurafchichten Schon eine beträchtliche Nei- gung haben, woraus abermals folgt, daß die Fägernfchichten ihre fteile Lage jchon vor der Bildung jenes Sandfteines haben mußten. Etwas anders geftaltet fi) die Antwort für den Nordfchenkel. Dort finden wir nämlich weit beträchtlichere Neigungswinkel der Molaffe, als auf der Südfeite, aber aud) zum Theil fo verwidelte Berhältniffe, daß deren Entwirrung fehr fhwer wird. Soviel ift indeß fiher, daß die nordwärts an den Lägernzug fi anlehnenden, durhaus tertiären Bildungen der Siggen- thaler Berge und des Gebenftorfer Hornes im Allgemeinen wagrecht liegen, oder in fanften — 6 — Winkeln nad Süden fallen. Auf der Limmatfeite des eritgenannten Berges und an einer offenen Stelle gegen Freienwyl kann man fi) leiht davon überzeugen. Ebenfo liegt der Mufcdelfand- itein im Thälchen hinter Gebenftorf und bei Königsfelden deutlich wagreht. Nähern wir uns aber dem Lägernzuge fo fehr als möglich, fo treffen wir am Steinbud und bei der Ziegelei im Höhthal ebenfalls Mufchelfandftein, am erften Orte mit 43°, am andern mit 30 — 40° Nordfall. Dberhalb Kieven jheint Süßwafler-Molaffe mit 50 —60 und hinter Gebenftorf ebenfolche mit nahezu gleichviel Graden nah Süden einzufinfen, unmittelbar neben fenfrecht Itehendem Bohnerz und weißem: Jurafalfe. Da im Allgemeinen die Jurafchichten der nördlihen Mulde von Anfang an wenig geneigt waren, jo fonnten fih die tertiären Abfäge mit geringerer Abweichung niederfchlagen als auf der Süpdfeite. Dennodh ift nicht zu verfennen, daß die genau beftimmten Neigungswinfel der Meeres-Molaffe am Stein- und Hafelbuf bedeutend größer find, als alle auf der Süpfeite der Lägern vorfommenden. Da nun nicht abzufehen it, warum die Schichten im Norden ur- jprünglid Schon fteiler gewejen wären, als die jüdlichen, vorausgefeßt, daß der Boden, uuf den fie fielen, aleiche Neigung hatte; da ferner aud) nicht einzufehen fein wird, wie geneigte Schichten an jenfrechten Wänden fich abjegen fünnen, jo it man gendthigt, den Südrand der Mulde fih nod zur Zeit der Molaffe fenken zu laffen. Es it jchon gejagt worden, daß man jich diefe Senfungen durchaus nicht als plößliche, fondern nur als hödhjit allmälige vorftellen dürfe. Die tertiären Bildungen am Nord- und Südabhang der Yägern liegen im Großen und Ganzen gleih Hoch, jo weit diefes bei den verwifchten Abgrenzungen der terfiären Abtheilungen zu beftimmen möglich ift. Deßhalb fonnte eine foldhe Senkung aud nicht jehr beträchtlich fein. Da fie aber die ganze tertiäre Zeit hindurd anhielt, fo konnte ihr Fortjchreiten nur jo gering jein, daß es wahrjcheinlich felbjt direften Beobachtungen, wenn fie hätten angejtellt werden fönnen, unzugänglic geblieben und nur in größeren Zeiträumen meßbar gewefen wäre. Diefer Vorgang genügt indeffen zur Erklärung des vorhandenen Thatbeitandes vollfommen. Der fi) ienfende Nordrand der Mulde ftaute fih an den Schichtenföpfen des Südrandes, bog fich auf und drüdte die aufgelagerten Sanpfteinjchichten in fteilere Stellungen. Hierbei mußten fi, je nad) den Berfchiedenheiten der einzelnen Bunfte, ganz verjchiedene Kombinationen ergeben, denen die gegenwärtige wechfelvolle Geftaltung des Nordfchenkels entipricht. Nur der Steinbud will fih auf diefer Erflärung nicht fügen. Der weiße Kalk jegt in der Tiefe beftimmt nicht fort; der Sandftein dringt unter ihm hindurch und berührt die Effin- ger- Schichten unmittelbar (Taf. 2 Fig. 5); ferner ift der braune Jura des jogenannten Nord- -fchentels ficher nicht überfippt, wie er fein follte; die Murchisonae-Scdicht füllt, wie an der Pägern, unter die braunen Kalffteine mit Monotis elegans; endlich neigen auch die leßten Gypslager (Taf. 1 Fig. 3) nicht nad Süden, fondern nad Norden. Alles das macht es wahr- icheinlih, daß der Steinbud, wie feine Fortfegung an den Steinftegenbah und weiter nad) 37° — Dften, durd die tertiären Gewälfer unterwafchen, vom rate der Yägern berabrutichte, als der übrige Nordfchenkel feine jeßige Geftaltung bereits hatte. Dadurch wird zugleich das auf- iallende, fonft im ganzen Nordichentel nicht wieder vorkommende Einfallen nah Süden erklärt. Die wenigen Jurafchichten im Griesgraben bei Weiad gehören wie die Helfen des Ahein- falls der oberften Abtheilung des weißen Jura an. An beiden Orten find es die lebten zu Tage gehenden Felfen der Formation. Unmittelber daneben verliert fie fih unter die tertiären Ablagerungen, ganz wie am Südfuß der Yägern, nur nicht in fteiler Stellung. An beiden Orten liegen die Sandbildungen nahezu horizontal darüber. Die kahlen Abhänge der Rhein tallhalde, zwiichen Laufen und Flurlingen, haben fie recht gut aufgefchloffen. ee url Fi LES # „ « * ” 4. .r AN » Perern ENG % nd g Kikaes IT BEE DI 067 BR N BIT HORRRDER TE y Br? a ag HA. en ”” ao f 1 Fi ? ! ’ ; ß 1 ” OH var 14443 . un NIUR ’ rau PETE ’ 7 F MblZiegelei Ge ologise DER Effinger u:Birmenst:SchL_0] Diluvium. E FE er, 7 um fenmühle 364 \ \\ / 9 x 7° 2 Bea N u \ - ur, \ Rolyeu, £n ; ä & En j a Re \ i SR TORE? \ ' R ko isdor Koni ı N I X N chärtentrott = \ Hoele& REN \ a BI & > ee F Trübenbach Heil. Kreu: Be > ER Steinhaf) Gerswies de N IR. IR i UT] Muschelkalke. LE] Yünet-Rheinfull sch Untere w obere _ —— Keuper Sufsnrasser-Molasse — ; R ? 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Be Klingnau ( ae 480, Br Ben Werlheum gg a Y q a 506 2" ; EB. 14 Eu de ziccherifche Iugend auf das Jahr 1865. Bon der Uaturforichenden Gefellfchaft. LXVII. Stüd, Zur Gefdichte der Biene und ihrer Bud. Don N. Menzel, Profefjor. y oe en # nA } 1. Alter der Honigbiene, Wie die Mehrzahl der Hausthiere und Kulturpflanzen, fo tritt uns fchon in den älteften Zeiten die Soninbiene als Begleiter des Menfchen entgegen. Die frühelten Urkunden fpreden von ihrem Vorfommen in den Küftenländern und auf den Infeln des mittelländifchen und fhwarzen Meeres, fie fprechen aber auch von ihrer faft allgemeinen Verbreitung tiefer land» einwärts in die Continente von Europa, Alien und Africa, foweit der Handel, die Reifen und Kriegszüge der Alten reichten, fo in Gallien, Germanien, Thracien, Schthien ze. Allenthalben fand fi übrigens die Honigbiene im Altertfum fehon einheimifh und nirgends wird uns von einer Berpflanzung derfelben von Land zu Land dur den Menfchen berichtet. Weiter zurüd in den Uranfängen der Gefchichte, zum Theil in dunkler Sagenzeit, werden wir auf die Biene hingewiefen dur die Kunde vom Honig, dem Producte des Sammelfleißes der Bienen, welcher, füß und gewürzig und dem Menfchen ein Labjal, mit der Mild von jeher als Merkmal gefegneter Länder (Ranaan) und glüdliher Zuftände des Menfhengefhlehts (goldenes Zeitalter) galt. Bienen fpielten in der Göttergefhichte wie im Götter-Kultus der Römer, Griehen und Negypter eine nicht geringe Nolle und es ift für die tiefen Beziehungen 1 ae diefer drei Kulturvölfer zu einander fiher nicht ohne Bedeutung, daß der allgemeine Glaube die Diene wieder und wieder aus den verwefenden Leihen von Stieren entftehen ließ, ja daß der Name des heiligen Stier8 der Aeaypter in der römischen Bezeichnung mit dem Worte Apis verewigt ift. Auch die erften Spuren der Bienenwirthichaft reihen überall in die Sagen- zeit zurüd. In Hifpanien schrieben die in der Gegend von Tarteffus wohnenden Cuneten die Entdekung der Honiggewinnung ihrem uralten Könige Gargoris zu, während die Griechen und Römer diefes Berdienft wie dasjenige der Faflung der Bienen in dargebotene Wohnungen Göttern oder doh Nahfommen von folhen vindieiren, fo dem Dionyfos oder Bachus, dem Sohne des Zeus und der Semele, oder dem Ariftaios, dem Sohne des Apollon und der Nymphe Kyrene und diefe Entdeungen in dem heiligen Lande Theffalia gefchehen Laffen. Wohl abermals weiter zurüd, in der vorgefchichtlihen Zeit, aus der nicht fchriftliche Urkunden uns von beftimmten Namen und Ereigniffen berichten, wohl aber Kefte von Waffen und Ge- räthen, von Bauten und Baumaterial, von Bekleidungsmitteln und Nahrungsftoffen aus der Pflanzen und Thierwelt, von thierifhen und menjhlihen Knochen 2c. uns über menschliche Zuftände belehren, finden wir wenigftens Andeutungen, welche die Annahme des Vorfommens der Biene zu rechtfertigen vermögen. Aus der Steinzeit der helvetifchen Pfahlbauten find in mehr oder weniger gut erhaltenen Zuftand durchlöcherte Gefäße von Thon auf uns gefommen, welche, nach der Anfiht des Heren ©. v. Ejcher von Berg, mit Honigwaben erfüllt und über nicht dDuchbrochene Gefäße gefeßt, wies in einzelnen Gegenden der Schweiz noch jebt gefchieht, zum Abjeihen des Honigs aus jenen dienen mochten, während fie von Andern als Mittel zur Käfebereitung gedeutet wurden. Die an den gleichen Fundorten zu Tage geförderten organischen RKefte weifen ebenfo entjchieden auf diefelben Pflanzen und Thiere hin, welche noch heute zu dem Haushalt und Leben der Biene in inniger Beziehung ftehen. (Siehe A. Menzel „die Biene in der helvetifhen Vorzeit“ in den Mittheilungen des Bereins fehweizerifcher Bienen- wirthe, 1863, &©. 169—170 und ©. 185— 186.) Und nod) weiter zurüd, in Zeiträumen der Entwidelungsgefchichte der Erde, die der Hebung der Alpen vorhergehen und durd ihre abweichenden organifhen Kefte auf ein fubtropiiches Klima der Schweiz mit einer mittlern Temperatur von 184,0 E, hinweifen, in der obern Miocene, tritt uns im verfteinerten Zuftand neben mandherlei Reften von Blüthenpflanzen, neben andern bienenartigen Thieren, neben honigerzeugenden und honigliebenden Infecten, neben verjchiedenen Feinden der Biene und ihres Haushalts aus andern Klaffen des Thierreihs aud die Honigbiene entgegen in derjenigen Gattung, unter deren & Arten auch heute noch nur eine als Honigbiene gehalten wird, nämlid in der Gattung Apis. — Das einzige bis dahin be- fannte Eremplar der Honigbiene im foffilen Zuftande ftammt aus der Infektenfhicht der Stein- brühe Deningens, wurde von Herrn Profeffor Heer nach dem Flügelgeäder und andern Merk malen zuerit als eine Apis erfannt und mit dem Namen Apis adamitica belegt (fiehe = — A. Menzel „die Honigbiene, ein Zeuge der Vorwelt“ in den Mitth. des Ber. jchweiz. Bienenw., 1863, ©. 25—27). Uebrigens weicht fie in fpecielleren Merkmalen des Flügelgeäders und geringerer Größe von Apis dorsata Fabr., dagegen durch bedeutendere Größe von Apis indica Fabr. und Apis florea Fabr. ab und fliegt fih auf's Innigfte an die vierte Art diefer Gattung, die Apis mellifica L., welche eben die ausfhlieglih vom Menjchen gehaltene eigentliche Honig- oder Hausbiene ift und dürfte demnah mit Recht als Stammthier der le- tern anzufpreden fein. So finden wir denn die Honigbiene Jahrtaufende vor dem Erjcheinen des Menfchen- aefhlehts Ihon als Bewohner der Erde und ficher, wie jeßt, fhon in geordnetem Staantswejen zu Einem Ziele vereint wirfend, ihr wundernolles Leben in allen feinen intereflanten Bezie- ziehungen führend, mit allen Tugenden des Fleifes, der DOrdnungsliebe und Keinlichfeit, der treuen Hingabe an ihre Pflichten gegen die Königin, die Brut und die Stodgenofjen des heimifhen Staatsverbandes, — wie jest mit fröhlihem Summen in den taufendfältigen Chor der Töne erzeugenden Wefen einftimmend, Freude und Schmerz empfindend und äAußernd, wahjam und muthig im Kampf gegen Räuber und Feinde und in Kefpect ich fegend durd den giftigen Stich ihres Stadhels, — wie jegt aud foftbaren Seim für fih und andere Wefen auffpeihernd in funftvoll gefertigten zelligen Waben aus felbit bereitetem Wache. — Denn Nichts berechtigt ung wohl zu der Annahme einer Aenderung ihrer Sitten und Gewohnheiten, Neigungen und Triebe und dem entiprechend ihres Körperbaus, da dieje alle wenigftens in dem Zeitraume von 22 Jahrhunderten feit Ariftoteles diefelben geblieben, jhon damals allge- mein diejelben waren und aud jest allenthalben im Wefentlihen als die gleichen erfcheinen, wie bei uns, fei’s unter dem immer milden Himmel der Tropenländer, fei’s in der Nähe des eifigen Norden. 2. Bienenfunde der Griechen zur Zeit des Ariftoteles. Wie frühe die Griechen fih fhon mit der Pflege der Bienen beichäftigt, wie günftig Hellas für die Bienenzucht gewefen, wie fehr der aufgewedte Sinn feines Volkes aus allen Schichten und in allen Ständen zu ihrer Hebung und Bergeiftigung beitrug, wie mächtig fie durd die Neigung zu leiblihem und geiftigem Genuffe, durdh Kultus und Mifterien, duch Willenfchaft und Kunft, durdy Handel und Gewerbe gefördert wurde und wie fehr unter allen Staaten wieder Attifa mit feinem hochgebildeten Athen mit gutem Beifpiel voranging, dafür liefern uns in verhältnigmäßig fehr früher Zeit Belege die Mittheilungen eines Hefiod (800 v. Chr.) und Aristoteles, die au auf die Bienenzucht, 3. B. auf die Wanderbienenzudt, Bedacht nehmende Zu a Gefeßgebung Solong (600 dv. Chr.), nad welcher neue Bienenftände 300 Fuß vom ältern Stande des Andern und unter fi) aufzuftellen waren, ferner die Verherrlihung des Bienen- ftaats durh Dichter, Philofophen, Politiker und Pädagogen, der ausgedehnte Gebraud von Honig und Wahs im Haufe, bei Malen, Opfern, Feten, Orafeln, Begräbniffen ac. und die nicht unbedeutende Ausfuhr von „Bienengut“ nah Ahodus, Cypern uud den füdöftlichen KRüftenländern des Mittelmeers, unter dem der Honig des Hymettus eine vorragende Stelle einnimmt. Schon Homer erwähnt des Honigs als eines ganz gebräuchlichen Lebensmittels bei Malzeiten, als eines Tranfes, den man dem Gafte bei feiner Aufnahme darbot; Hefiod berichtet über gewölbte Honigförbe und fannte die verfchiedenen Individuen im Bienenftaate, die wichtigften Functionen der Arbeiter, forwie die Verfolgung der trägen, wehrlofen und nur von fremdem Gute zehrenden Drohnen durch Tebtere. Geradezu erftaunlih und von einer großen Beobadhtungsgabe zeugend find die Beweife Harer Begriffe und vielfeitiger Kenntniffe im Allgemeinen und einzelner Bienenzüdhter im Befondern, welde uns Ariftoteles, geboren 384, geftorben 322 v. Chr., in verfchie- denen feiner Werke, namentlih in feiner Thiergefhihte und in feiner Thierzeugung überliefert hat. Die danfbare Anerkennung diefer Aufzeihnung ihrer großartigen Leitungen in der Bienen- funde, welcher ih durch nachfolgende Zufammenftellung der widtinften ihrer Erfahrungsfäße und Anfihten Ausdrud zu geben mich verpflichtet fühle, würde von Seite der heutigen Bienen- züchter nody entfchiedener fein, wenn der große Naturforscher, dem wir übrigens trefflihe Zufäße und Bemerkungen verdanken, durd eigene Anfhauung und Beobadtung, durd, Berfuhe und Unterfuhungen fich jelbft ein ficheres Wiffen hätte erwerben und dadurd) die erft jpäter zu be= fprechenden unklaren und verworrenen, wunderlichen und unrihtigen Anfichten der meiften Bienen- wirthe feiner Zeit hätte prüfen, corrigiren und aus dem Gemenge ausscheiden fünnen; freilich eine Aufgabe, zu deren voller Löfung erft das 22te Jahrhundert nad ihm oder das 19te nad) Chr. in den Belt der erforderlihen Grundlagen und Hilfsmittel gelangt ift. ; Die Bienen leben in Gefellfchaften, welche aus einem Weifer, Führer oder König, 7yeuwv oder Saosdevg, den Drohnen oder großen Bienen, 27 Yprves, und den Arbeitern, Werfbienen, feinen oder quten, nüßlichen Bienen, weirrras oder xonorar, bejtehen. Der Weiler, innig verbunden mit dem Bolfe und eben fo wenig ohne diefes wie diefes nicht ohne ihn eriftenz- fähig, ift, obwohl er nicht arbeitet, das bindende Glied des Bienenftaats und wird als folches von den Bienen geliebt und gepflegt. Erfranft er, fo trauert das Volk; ftirbt er (ohne Mög- Yichfeit des Erfaßes), fo erftarıt es in trägem Schmerze; mit ihm ftirbt Freude, Muth und Drdnung, die Arbeiter nehmen an Zahl ab, während die Drohnen verihont bleiben und ver- mefjen fich zu erheben beginnen; der Stod aber geht unaufhaltfam feiner Auflöfung entgegen. Mit den Arbeitern, von denen er fid) durch beträchtlichere Yänge, befonders des Hinterleibes, unterfcheidet, ftimmt er im Befite eines Stacdels, den er jedoh zum Stehen nicht (oder doc) u nur in Ausnahmsfällen) gebraucht und durch weiblihes Gejchleht überein; mit Drohnen aber oder männlichen Bienen begattet er fih und wird zur Mutter des ganzen Bienenvolfs, der Arbeiter, Weifer und Drohnen; und außer dem Schwärmen (die Begattungsausflüge der jungen Weifer waren den Griechen nicht befannt) verläßt er den Stod niemals. — Die Droh- nen, an einzelnen Stellen fälfhlih auch Diebe, Yopss, genannt) find unter allen Gliedern des Bienenftaates die größten, ftachellos und männlid. Sie verrichten feinerlei Arbeit, find au fonft träge und bleiben meijt im Stode; wenn fie ausfliegen, fteigen fie fehaarenweife in die Luft empor, freifen in derjelben herum, fehren dann wieder zurüd und thun fih in dem Stode gütlih an den von den Arbeitern gefammelten Borräthen. In großer Menge find fie dem Stode Ihädlih; in befcheidener Anzahl dagegen eher nüßlih, da die durd fie bewirften Berlufte die Arbeiter zu erhöhter Thätigfeit anfpornen. Nah dem Scluffe der Schwärme- zeit, oft auch bei drohendem Trahtmangel früher, werden fie von den Arbeitern aus den mit Borräthen gefüllten Räumen verdrängt, gejagt, ergriffen und Iebendig verftoßen oder abge- ftohen aus dem Stode gefchafft und es deutet diefer Vorgang (die Drohnenihladht, bei der au die Drohnenbrut aus den Zellen geriffen und aus dem Stode aefchleppt wird) auf die Güte des Stodes. — Die Arbeiter oder Werfbienen find die Eleinften, aber zahlreichiten Glieder der Gefellihaft und Bolksftärfe ift eine der erften Bedingungen zum Gedeihen des Bienen- ftaates; denn wie fie die Nührigfeit mehrt im Ausfluge und in der Heimfehr, fo fteigert fie auch den Eifer im Innern des Stods und die Kampfluft. Den Werfbienen fallen alle Ar- beiten zu, wie die Herridtung der Wohnung, der Bau der Waben und Zellen, die Pflege der Brut, die Einfammlung der Bedürfniffe, die Abwehr von Eindringlingen und Feinden 2c. ıc. Die Größe der Wohnung muß der Volfszahl entiprehen. Die Arbeiter verfitten die unpaffenden Spalten des Stodes und bereiten, wenn der Wald blüht, Wachs, #700» , welches fie zum Bau der Waben verwenden, daher es auch zu diefer Zeit gerathen ift, ihnen Bau zu nehmen, weil fie denfelben fofort wieder erfeßen. Wie fie diefe Arbeit verrichten, hat man nicht gefehen; doch weiß man, daß fie den Bau am Dade des Stodes beginnen, nad unten fortführen und um jede Wabe zwei Wege für die eine und ausgehenden- Bienen laffen, daß fie die Waben auf beiden Flächen ebnen, ihre Seitenränder am Stode befeftigen und Waben, welche zufällig zu ftürzen drohen, vom Boden her dur gewölbte Pfeiler ftüßen. Erft bauen fie Waben mit Heineren Zellen für die Arbeiterbrut, dann, wenn die Honiatradht reich) werden zu follen fcheint folche mit größern Zellen für die Drohnenbrut, beide Zellenarten nahezu quer liegend, fo daß fie auf den entgegengefegten Wabenflähen fich öffnen; fchließlih aber feßen fie unten an den Waben herabhängende große Zellen an, 6-8 an Zahl, in denen Weifer erbrütet werden, „Er- zeugniffe des Volks, in der Nähe der Bolkshäufer (Arbeiterzellen) entitanden, aber aus beflerer Nahrung, in ausgezeihnetem Aaume, in der reichten Brutzeit“. (Offenbar find darunter die Schwarmweiferzellen gemeint und der meift auf den Flächen errichteten Nahichaffungs-Weifer- Be zellen Feine Erwähnung gethan; auch hatten die griehifhen Bienenzühter fiher feine Ahnung von der möglichen Aufzucht junger Weifer aus Arbeiterbrut.) — Arbeiter und Drohnenzellen (oft neben einander auf der gleihen Wabe vorfommend und dur die Uebergangszellen in einander übergehend) fünnen au zur Anfammlung von Honig, were, benußt werden und es aefchieht das namentlich an den hinterften (vom Flugloh entfernteften) Waben; übrigens fönnen fih in der leihen Wabe Honig (oben) und Brut (unten) finden. — Lebt in einem Stode der Weifer, fo rührt alle Brut von ihm herz; insbefondere aber die Arbeiter brut, die nie ohne (befruchteten) Weifer entfteht; im mweiferlofen Stode fann zwar aud Brut erzeugt werden, aber nur Brut der Drohnen, weldhe fih dann ftolz vorthun und nicht mehr abgetrieben werden; Teßtere rührt dann aud ohne Begat- tung von Arbeitern ber, die Eier in Arbeiterzellen legen, und die daraus ent- wicelten Drohnen find böfer (fhädlicher). Die jungen Bienen find erit Eier, dann werden fie weiße Würmer, oxwAnxes (Larven), weldhe von den Bienen gefüttert und erwärmt werden und Koth in fich führen, fo lange fie Fein find quer (und zufanmengebogen) in den Zellen liegen, fpäter fich aufrichten (und ftreden), aber wenn fie zu ihrer Umbildung, duervnwors, gelangen, da fie Nymphen, vuapaı (Buppen), genannt werden, feine Nahrung zu fich nehmen, auch feinen Koth in fich führen, fondern ein- geichloffen und ohne Bewegung liegen, bis fie ausgebildet find; dann aber durchbrechen fie das, womit die Wadhszelle beftrihen war (den Dedel) und gehen heraus und am dritten Tage, nachdem fie ausgebrütet (ausgelaufen), an die Arbeit. Der Brutanfag (gegen Ende des Winters beginnend und bis in den Herbt fortdauernd) wird gefördert dur eine der Bolfsftärfe an Größe entfprechende und wohl verfittete (warme haltige und zugfreie) Wohnung, durd Bolfsreihthum und genügende Wintervorräthe, durch frühen Eintritt des Frühlings und feuhtwarme Witterung während desfelben und da, wie fpäter, durch gehörige Honigtradht, bei welcher die befte Brut, oxadoves, eingefchlagen wird; bejhränft aber wird fie durch entgegengefeßte Umftände, namentlid) aber durd üppige Honig- trat. — Wenn die Mittheilung, daß bisweilen Brut aus dem Stode gefhafft wird, von einfaher Beobadhtung zeugt, fo dürfte man nad folgendem Sate des Ariftoteles: „Nimmt man den jungen Bienen, ehe fie Flügel befommen (den ausgewadfenen Larven) den Kopf, fo werden fie von den alten Bienen begierig ausgefreffen (ausgefaugt)“, zu dem Schluffe bered- tigt fein, daß die beffern griehifchen Bienenzüchter bereits auch einzelne Berfuche machten (Köpfen der Drohnenbrut ?). — NReiher Brutanfaß, verbunden mit großen Borräthen, ftimmt die Bienen freudiger, daher fie in der ftärkften Brutzeit auch am ftärfften braufen, am fleißigften arbeiten und beim Vorhandenfein befetter Weiferzellen Shwarmluftig werden. Die Schwärmzeit reiht vom Aufgang der Plejaden, 10, Mai, bis zur Sonnenwende und während derjelben jhwärmt ein jeder Stod wiederholt, fogar 8-10 Mal. Wenn fich die u Bienen vor den Stod aneinander hängen, fo ift das ein Zeichen, daß fie ausziehen wollen; aud hört man (bei Nahfchwärmen, welche die Griechen nidt von den Borihwärmen unter- fchieden) einen eintönigen Laut (das Tüten und Quafen) und 2—3 Tage vorher fliegen einige wenige um den Stod herum. Die Beranlafjung zum Schwärmen geht vom Weiler aus, um den fich die Bienen beim Auszuge halten, nach welchem fie, wenn er jih von ihnen getrennt, mittelft des Geruches fpüren, bis fie ihn gefunden und nad deflen Berluft der Schwarm, &owos, vergeht. Beim Fallen galt als Grundfaß: „wer den Führer hat, hat au das Volk“ und man bediente fich zum Ab» und Eintreiben der Schwärme des Kaudhs. Haben jich die (ischwärmenden) Bienen gefammelt (angefeßt), fo fliegen fie (wenn fie nicht gefaßt werden) fort; auch find (bisweilen gefahte) Schwärme zum Durcdaehen geneigt, daher fie von den Züchtern gefüttert oder, fobald fie fich vorlegen, beiprengt werden. Gelingt e8 jedem Fürftchen (Weifer), einen Theil der Mannjchaft (des Volkes) fortzuführen, fo gehen die Muttervölfer zu Grunde, mit andern Worten: allzuvieles Schwärmen vernichtet den Mutterftod. Defter begleiten einen Schwarm (Nahiehwarm) mehrere Weifer oder es fhwärmen gleichzeitig mehrere Stöde und es jeen fi dann die Bienen entweder in mehreren getrennten oder in dicht neben einander befindlichen, Shlieglih zufammenlaufenden Haufen an, in wel Ieterem Falle der Weijer des Heinern (zulaufenden) Schwarmes, wenn er. diefem nadhfolgt, von den Bienen getödtet wird; auch werden die überflüffigen Weifer fammt der Weiferbrut getödtet, lebtere aus den Zellen gerifien, aus dem Stode geworfen und die Weiferzellen abgetragen, wenn das Schwärmen durch befondere Umftände (längere Zeit hindurch) vereitelt wird. Hat ein Schwarm feine neue Wohnnng bezogen, jo bauen die Bienen Waben; der Weifer befeßt die Zellen derjelben mit Brut (Eiern), die Bienen aber bringen in diefe (wenn die Larven aus den Eiern gefchlüpft find) Nahrung und füllen andere mit Honig (und Bienenbrot) im Sommer und Herbit. Bemerfenswerth ift jowohl nah dem Schwärmen als überhaupt die Theilung der Arbeit, welche die Werfbienen fo unter fi) vertheilen, daß die einen den häuslichen Gefchäften, wie dem Berfitten der Spalten, dem Bauen, der Brutpflege und dem Wachen fi) widmen, die andern aber unreine und fremde Dinge, Abfälle und Leichen fortichaffen oder (als Tradhtbienen) die Feldarbeit beforgen und aud) bei diefer wieder verfchiedene Gefchäfte verrichten, indem fie entweder Waffer oder Honigfäfte oder Bienenbrot, 2pvdaxn, xmgıvdog, oavdapaxn (nad unferm heutigen Wiffen Blüthenftaub) oder endlih Stopfwadhs und Schmierwahs oder Kitt- barz, #70@oıs und werv, jammeln und eintragen. Das Waifer, deffen Bedarf befonders dann groß ift, wenn fie Junge aufzuziehen haben, und deffen fie fi aud zum Löjen und Berdünnen des Honigs bedienen, holen fie ftetS von beftimmten Stellen an nahe gelegenen Flüffen, Teichen und Quellen, indem fie es vermittelft der Zunge aufnehmen und im Leibe heimtragen. Auf gleiche Weife verfahren fie mit den Honigfäften, die fie daheim in die Zellen ausjpeien. Als wichtigfte, vielleiht einzige Honigquelle, galt den Zeitgenoffen des Ariftoteles (nicht der Blüthen- u neftar, aud) nicht das Obft, obwohl fie wußten, daß die Bienen füße Säfte lieben, fondern) der Honigthau, welcher nad) der Frühlingsnactgleiche, nicht aber vor dem Aufgang der Ple- jaden fich einftellt, im Herbfte mehr und mehr fpärlich erfcheint und endlich ganz ausbleibt. Innerhalb der genannten Zeitgrenzen erfcheint er befonders beim Aufgang der Sterne und wenn fi der Aegenbogen gezeigt hat (alfo nad Regen in kühlen, fternhellen Nächten) oft in folder Menge, daß er in Thränen von den Bäumen trieft und in 1-2 Tagen ganze Waben mit Honig gefüllt find. Trodene Frühlingswitterung ift der Anfammlung des Honigs gün- ftiger, weil die Bienen bei Earem Wetter ununterbrochen im Freien arbeiten. Der Honig dient ihnen das ganze Jahr hindurh, auch im Winter, zur Nahrung und es übt daher die Menge des Honigvorraths auf fie einen bedeutenden Einfluß, fo daß fie bei zu viel Innengut weniger fleißig find, bei geringerem Vorrathe muthlos werden, bei wirflihem Mangel endlich während des Winters verhungern oder bei günftigerer Witterung vor Eintritt diefes Yoofes (als Hunger- fhwärme) ausziehen. Uebrigens find die Bienen nad) Honig begierig und fpüren denfelben vermöge ihres fcharfen Geruces oft in weiter Entfernung, namentlih aud) in fremden Stöden auf, dringen in diefe ein, wenn fie (wegen Bolfsfhwädhe, ungenügender Berproviantirung, Drohnenbrütigfeit oder Weiferlofigfeit) Shleht bewacht und vertheidigt find und berauben die- felben ihrer Vorräthe; fie werden zu Dieben oder Näubern, Yopes, aber in diefem unredlichen Gefhäfte freilich aud, wenn fie an den Unrechten fommen, häufig ergriffen und nicht felten getödtet. Die Zeidelung wurde im Jahr 2-3 Mal verrichtet, namentlich im Frühling und Herbft, dort nah Aufgang des Siebengeftirns (um den 7. Mai), da e8 vorher feinen (reichlichen) Honig (Honigquellen) gebe. Im Frühling galt als wohlgeeignete Zeit für die Zeidelung die, wenn die Bienen ihre Stöde gefüllt und ihre Waben vermehrt haben, wenn fie innerlich ein Gebraufe erheben, an den Fluglöchern zittern und der Honig fich verdichtet Hat. In einmaliger Zeidelung (im Herbfte) gewann man durdfchnittlich eine Maaf, xovs (etwa 10 Pfund), vom Stode, jeltener drei halbe (15 Pfd.), nur von wenigen drei Chous (30 Pfund). Mebrigens ift der Ertrag theils nach der Bolfsftärfe, theils nad der Beihaffenheit der Tracht verfchiedener Gegenden verfchieden und es wird daher zur Mehrung des Brutanfabes und des Honigertrags die Anpflanzung von Tradhtpflanzen empfohlen, wie der Bohnen, Erben, des Steinflee, der Mandeln, der Myrthen und des Thymian. Beim Zeideln bediente man fi des Raudes, um die Bienen zu befänftigen und um zu verhüten, daß fie fih nicht über den flüffigen (un- gededelten) Honig hermaden und mit demfelben vollfaugen; und es war Kegel, den Bienen im Verhältniß zur Volkszahl einen gehörigen Wintervorratd an Honigwaben zu laffen. Se nad) der Zeidelung unterfehied man Frühlings-, Sommer- und Herbfthonig und empfahl den Honig aus Stöden mit neuem Bau und in frifh ausgenommenen Waben zum unmittelbaren Genufje; der übrige aber wurde ausgelaffen. Der ausgelaffene Honig mußte einige Tage in u offenen Gefäßen ftehen bleiben, damit er fühle, abgähre und gereinigt werden fönne, worauf er anfängt fich zu verdichten und mit einer dünnen Haut zu überziehen. Der Frühlingshonig galt als angenehmer, weißer und im Allgemeinen beifer als der Herbithonig, welcher indeß ebenfalls gerühmt wird. * Bienenbrot (Blüthenftaub) und Kittharz tragen fie (in Form von Höschen) an den Schrägen (Schienen) der Hinterbeine ein, indem fie die Pflanzen jhnell mit den Borderbeinen berühren, diefe an den mittlern und Iehtere am ausgebreiteten Theile der hintern, r« BAarora (dem Körbchen), abitreifen. Beim Sammeln des Bienenbrotes befliegen die Bienen jeden Tag nur gleichartige blühende Pflanzen, wie Beilhen und Beilhen; daheim aber bringen fie das Gefammelte wie die Honigfäfte in Zellen, oft beide zugleid) den Honig darüber), verwenden e8 als Nahrung und brauchen es namentlih bei Aufzucht von Brut. Das Kittharz, deijen fie fih zum Schließen von Spalten in ihrer Wohnung, zum Anheften und Stüßen der Waben, zur Verkleinerung des Fluglohs, zum Ueberziehen fremdartiger Stoffe ze. bedienen, holen fie von Hebrigen Theilen und von den Thränen verfchiedener Bäume, wie der Weide und Ulme. Die Bienen find fleißig, genüglam, haushälteriih und vorforglid, reinlih, wahjam und muthig. Ihr Fleiß hängt von dem Wohlergehen des Volks und des Weifers, von der Wärme der Luft und von der Gelegenheit, Nahrung zu finden, ab, it am größten im Frühling und zur Zeit der beiten Honigtradt, wo fie im Innern mit Vergrößerung des Werfbaues und mit der Brutpfleae, draußen aber bei günftiger Witterung unabläflig mit Sammeln beihäftigt find, dabei die Flügel abnugen und eine jhwarze, gleihjam verjengte, Yarbe erhalten. Ihre Ge- nügjamfeit bewähren fie dadurd, daß fie die anfommenden Fradtgüter unberührt laffen, ihr haushälterifhes Wefen und ihre VBorjorglichfeit daducdh, daß fie Verihwender und Schlemmer, Faule und Unthätige, wären fie auch Könige (wohl altersihwadhe, dem Tode nahe Weifer) ausjtogen, wie fies in großartiger Weife mit den Drohnen thun. Bon ihrer Keinlichkeit zeugt, daß fie fih außerhalb ihres Stodes ihres Unraths entledigen, Yeihen von Bienen nnd andern Thierem, die fie im Innern des Stodes getödtet haben, wie jene, die dur ihr Geipinnit den Bau verderben (die Raupen der Wahsmotten), herausichaffen. Ihre Wadhlamfeit und ihren Muth endlich beweijen fie durd) Anhalten aller Eindringlinge bei Tag und bei Naht, durch Angriffe auf alle-Ruheftörer der Stöde und auf alle verdädhtigen oder durd) ftark oder übel- riehende Stoffe (Salben 20.) mißbeliebige Wejen, die fie in den Umgebungen der legteren treffen. Bei diefen Angriffen bedienen fie fih als empfindlicher Waffe des Stadhels und find im Stande, dur die Stiche jelbit große Thiere, wie Pferde, zu tödten, büßen in Folge des Stihes aber auch felbit das Leben ein, da fie den Stachel mit den anhängenden Eingeweiden zurüdlafien und jo wenig zu erfegen im Stande find, wie abgeriffene Flügel oder andere ver- lorene Theile. Bon der Schärfe ihres Geruches iit jchon oben die Kede gewejen; hier mag nod) erwähnt 2 2 ee werden, daß fie nicht an DVerfaultes oder an Fleisch geben, vor dem Kauce des Storar und de3 Hirihhorns fliehen und durd den Geruch brennenden Schwefels getödtet oder zu Grunde gerichtet werden; für einen feinen Gejhmad Spricht ihr Wohlbehagen an fühen Stoffen; ob fie hören, ift nicht ausgemacht, obwohl fie Lärm, wie Klingen und Schlagen an Thongefäße, zu lieben oder zu fürchten fcheinen; ihr Geficht ift in der Dunkelheit fhwach; das Gefühl hat feinen Sit theils im ganzen Körper, theils und befonders im Munde; Ungeftüm des Wetters verfünden fie zuverläfftg, wenn fie bei noch heiterem Himmel fich eilig vor dem Stodfe umher: treiben. Daß die Bienen fchlafen, dürfte daraus hervorgehen, daß fie ruhen, in der fpäten Nacht zu fummen aufhören und am Morgen ftille find. Sie ruhen etwa von der Weinlefe bis in den Frühling und halten während der fälteften Tage, vom Untergang der Plejaden (den 21. Nov.) bis zum Frühling, eine Art von Winterfchlaf. — Durch einen auf den Kopf gebraten Deltropfen werden fie getödtet. Die Dauer eines Bienenfhwarms oder Bienenftods (bedingt durch wiederholte Aufzucht junger Weifer und ftete Verjüngung des Volksbeftandes) fann 6-10 Zahre betragen, fofern nit durch Feinde, Krankheiten und befondere Unfälle diefe Frilt abgekürzt wird. Unter den eriteren werden als SHonigliebhaber erwähnt der Bär‘, dpxrog, und das Frettchen, irrig, als Berderber der Bienenweide das NAind, Boös, und das Schaf, zeoßerov, [efteres auch dadurd jchädlich, weil fih die Bienen in deffen Wolle verwideln, als Berzehrer der Biene die Schwalbe, xerıdwr, deren Ankunft in die erfte lebhaftere Flugzeit fällt, die Meife, aiyida- os, und der Bienenfreifer, wegow, deffen Nefter der Eier und Jungen beraubt werden follen, der Frofcd, Adroaxos, welcher die Bienen beim Wafferholen wegfchnappt und die Kröte, wvo- Sog, ferner die Horniffe, drdeyvn, und Wefpe, opry&, die ihnen befonders im Herbft, vom Auguft an, nadhtellen (die Bienenpfleger fiengen leßtere in einer Schale, worein Fleifch gelegt war und die fie, wenn fich viele darin gefammelt hatten, mit einem Dedel fhloffen und über Seuer ftellten) und die Spinne, dpaxvy. Endlich find ihnen fhädlih der vom Blüthenftaube des Borre lebende Immenfäfer, rgaooxovgıs (der Maiwurm ?) und der die Waben zerfref- fende und verjpinnende Wurm, xA7005 (die Naupe der Wahsmotte), vielleicht gleichbedeutend mit dem Bohrwurm, 7707dwv. Der Brutanfaß wird in trodenen Frühlingen vermindert dur Mehithau, der aud die Tollfrankheit, zoavon, erzeugen foll, bei der die Bienen mit aufge triebenem Hinterleib niederftürzen. Zu den befondern Unfällen gehören die Weiferlofigfeit und die Näuberet, bei welch’ Teßterer der Bienenzüchter feinen angegriffenen Stöden durd Zödten der Räuber zu Hülfe fam (zu deren Erfennung am eigenen Stode vielleicht das Beltreuen der Räuber mit Mehl am beraubten Stodfe diente, was nicht unwahrscheinlich ift, da Beltreuen mit Mehl von den Griehen aucd angewendet wurde, um die Bienen auf der Weide zu erfennen). Scälieglid mag noch erwähnt werden der von wilden abftamınenden Bienen, welde fid durch dichtere Behaarung, geringere Größe, höhern Fleiß und größere Stehluft von denen unterfcheiden, die von zahmen abitanımen, forwie zweier muthmaßlich neben einander gehaltener Bienenracen, fofern die Hinweifung des Ariftoteles auf zweierlei Weifer, beffere von röthlicher Varbe und fchledhtere, weldhe Shwärzer und bunter feien, fowie diejenige auf verfchiedenartige Bienen diefe Deutung zuläßt. Haben wir in Vorftehendem das richtigere Willen, die richtigeren Begriffe und Anfichten der Zeitgenoffen des Ariftoteles ausgehoben und dabei gejehen, daß auch er feinem Grundjaße: „man muß der Beobadtung mehr Glauben fchenften als den Gründen und dDiefen nur dann, wenn fie zu dem gleihen Resultate führen wie die Erjdei- nungen“ treu geblieben, jo müfjen wir nunmehr, um mit der Gejchichte nicht in Widerfprud zu fommen, aud deren minder richtige, ja falihe Anfchauungen folgen lafien. In einer reichen Phantafie und dichterifchen Auffaflung wurzelnd, entiprachen fie dem Charakter und der An- fhauungsweile der Zeit und des Bolfes und in bunter Mannigfaltigfeit jene durchwebend und vielfach die Lücken der Beobadhtung ergänzend, verbanden fie jich mit ihnen gewiffermaßen zu einem Spiteme, welches, allgemein anfprehend und befriedigend, fich gewiß einer großen Ber- breitung erfreute, durd) Mittheilung von Generation zu Generation vererbte und erweiterte, mit zunehmendem Alter, aber in gleihem Grade abnehmendem Forichensdrang an Autorität gewann und zu einer Art von Slaubensiyitem ji ausbildete, das erit nah Nüdffehr der freien Forihung, nad Sicherung ihrer Kefultate durh Mehrung der Hülfsmittel und Methoden fi gezwungen fah, freilih nur im fteten Kampfe Schritt um Schritt, von dem Gebiete feiner Herrichaft Theil um Theil an die fiegreihe Madht der neu erftandenen Wiffenihaft abzutreten. Der Annahme von zweierlei Weifern ift Erwähnung gefchehen; fie werden beifere und ichledhtere Weifer genannt und gehören, wenn jene Bermuthung unftatthaft it, hierher, gleich den drei Arten von Bienen, weldhe außer den Drohnen als 1. fleine, runde und bunte, 2. große wie Anthrena und 3. fhwarze, breitbaudige oder Diebe, Yoges, aufgezählt werden. Die Heinen Bienen jeien arbeitfamer als die großen, und während jene die Spuren ihrer Thätig- feit am Körper zeigen, feier die andern jhön und glänzend gleich müßigen Frauenzimmern. Ueber den Ursprung der Bienen walteten verjchiedene Anfihten. Den Einen galten fie als reine feufche Wejen ohne geihlehtlihe Unterjchiede und Triebe, weldhe im lieblichen Lenz aus dem Thaue auf Blättern entitehen, oder auf Pflanzen, in faulenden Stoffen, in Fleifch, in Samenförnern. Nah andern waren auch fie, entiprechend dem allgemeinen Naturgejebe, geichlehtlich verihieden, aber die Deutung der Geichlechter war, abgejehen von einer Anfidt bei Aristoteles, nach welher Weiler und Arbeiter das männliche und weiblihe Gejchleht in fi) verbinden, demnach Zwitter fein jollen, nur bezüglich der Arbeiter, welche Allen als weibliche Thiere galten, übereinftimmend, bezüglich des Weifers dagegen und der Drohnen verfchieden. DR Wer Bald nämlid betrachtete man den gefelligen Verein der Bienen als ein großartiges Harem mit einem einzigen Manne, dem Weifer, weldem die Bienen wie Hennen dem Hahne, wie Weiber dem Manne folgen und dem, diefer Stellung entiprechend, die Natur aud beträchtliche Größe, Lebenskraft und Ausdauer zugetheilt habe; bald wies man die männliche Rolle, die Wahrheit ahnend, den Drohnen zu, hielt die Drohnenfchlacht für einen Ausfluß der Tugend der Keufchheit, vindieirte dem Weifer das Amt des Herrfchers oder Königs, des Führers im Kampfe und beim Auszuge zur Begründung von Colonieen. Nach beiden Anihauungsweifen war e8 zur Genüge erflärt, daß der Weifer feinen Nebenbuhler neben fih dulden fonnte ; aufs fallender ift die Behauptung Einiger, daß er gleich der Drohne ftahellos jei. Sn mehr oder weniger inniger Beziehung zu den vorftehenden Anfichten ftehen diejenigen über die Brut. Bald follten die Bienen fämmtliche Eier oder Brut aus den Blumen des Callyutrum oder aus denen eines Rohrgewächles oder aus den Blüthen des Dlivenbaumes eintragen und man glaubte für die leßtere Anficht einen Beweis darin zu finden, daß die Bienen am meiften jhwärmen, wenn die Dlivenernte veich ei; bald aber follte nur die Drohnenbrut von den genannten Ge> wächfen eingetragen, die Arbeiterbrut dagegen von dem Weiler geboren werden. Zum Eins tragen der Brut, jowie zum Abjegen derjelben an die Wandungen der Zellen mußte den Arbeitern der Mund dienen; von der Brut der Könige glauben einige, daß fie abweichend von derjenigen der Arbeiter und Drohnen nicht erft wurmförmig und weich jei, jondern fogleid » eine Biene werde, röthlihe Farbe habe und an Zartheit didem Honig gleihe. Die jchlehten Weiler, zahlreiche Drohnen und die Diebsbienen ließ man von den großen Bienen abjtammen, welche zum Unterfchiede von den Heinen Bienen unebene Kuchen bauen, diefe ohne allen Schluß und ohne die übliche Ordnung mit Brut und Vorräthen verfehen, übrigens aber ehr wenig oder gar feinen Honig eintragen follten (es hält hier nicht fhwer zu erfennen, daß verfchtedene abnorme Erfheinungen, welche in weiferlofen Stöcden mit eierlegenden Arbeitern auftreten, den großen Bienen zugefchrieben wurden). Man ließ zum Beginnen und Einftellen der Arbeit Zeichen geben, die Bienen Wachs eintragen, bei bevorftehendem Honigmangel Drohnenfuhen zerftören, zuw Sicherung des Fluges bei ftarfen Winden einen Stein als Ballaft tragen; man (ieh die Diebsbienen die Wahsfuhen ihres eigenen Stodes verderben; man fprad) allen Schwärmen mehrere fie begleitende Weiler zu und glaubte, der Schwarm verderbe, wenn fich nicht genug Weifer finden, nicht gerade aus Mangel an Negierung, fondern weil jie zur Ers zeugung der Bienen beitragen; man fieß die Drohnen ihre eigenen Waben bauen, ja am Bau aller Waben Theil nehmen und glaubte, wenn man eine Drohne mit abgeriffenen Flügeln am Stode frei laffe, dann beißen die Bienen aud) den übrigen die Flügel ab; man wies den ältern Arbeitern die häuslichen Gefhäfte zu; man feßte die Yebensdauer der einzelnen Bienen wohl im Allgemeinen der Lebensdauer ihres Staatswefens glei 2e. 2c. 13 — 3. Bienenzudt der Römer, Bon Griechenland aus verbreiteten fih die Kenntnilfe einer geordneten Bienenzucht nad den Colonieen, insbefondere nah Sicilien (foftbarer Honig des Hybla) und von diefen weiter über die benachbarten Länder. Bei den Nömern, die in den frühern Zeiten glei) den übrigen Stalern wohl faum einen geordneten Betrieb fannten, und fi) vorzünlih mit den Produeten der in Bäumen, Felshöhlen 2. angefiedelten Bienen begnügten, fcheint die Bienenzudht fhon im zweiten punifchen Krieg Eingang gefunden, durch diefen aber einen großen Rüdfchlag erlitten zu haben, während fie nach demfelben und namentlich nad) dem dritten punifchen Kriege einen ungewöhnlichen Auffhwung erhielt, der fi bis in die Zeiten des Auguftus ftetig vermehrte, aber auch in der jpätern Kaiferzeit in einer gewiffen Blüthe erhielt. Der Gebraud) von Honig und Wachs fteigerte fih zu einer ungewöhnliden Höhe und es trugen hiezu die allmälig zu höherer Geltung gelangende Genuß und Brunffucht der reihen, mädhtigen und ftolzen Welt: beherrfcher wefentlich bei. Honig wurde den Göttern geopfert, dem Gönner, dem Freunde, den Geliebten gefchenft, dem Gaftfreunde aufgeftellt, fehlte, tHeils in Waben, theils ausgelaffen, nirgends beim Male, wurde, öfter unter Zufaß von Mil, zu manderlet Speifen verwendet, dem Weine zugejeßt, diente zur Darftellung von Wein, Meth und Effig, ward für fi oder in Verbindung init andern Stoffen als Arznei gebraudht, ja felbit zur Aufbewahrung der Leihen geliebter Berfonen verwendet. Eine gleich bedeutende Rolle fpielte das Wachs theils für die einfahen Bedürfniffe des Haushalts und der Landwirthichaft, theils für die Anfor- derungen des Lurus und Schaugepränges im Privat» und öffentlichen Leben, wie namentlich auch beim Eultus der Götter und e8 verdienen in leßtern Beziehungen die Schaugerichte aus Wahsfrühten, die Wahsfiguren von Thieren und Menfchen, Büften Lebender und Abgefchie- dener, Wahsbilder, Bolituren, Kerzen und Fadeln einer befondern Erwähnung; jonft fand es Berwendung zur Aufnahme von fhriftlihen Notizen mittelft des Griffels auf Wadhstafeln, in der Heilkunde, Kosmetif und Gymnaftif. Kem Wunder, daß diefem Bedarf die heimische Production nicht genügte, daß vielmehr alle Yänder zu demfelben, fer’s durdh Handel, fer’s dur Tribut und Zinspflichtigfeit beifteuern mußten, namentlich Griechenland, das füdmeltliche Alien und das nördliche Africa. Kein Wunder, daß nicht blos die Producte, fondern aud das produeirende Thier und feine Pflege fammt Allem, was fich auf diefelben bezoa, einer auf- merkfamen Beadhtung fi) erfreute und zur Befriedigung gefteigerter Anforderungen an das Leben beitragen mußte. Zur einfachen landwirthichaftlichen Bienenzucht gefellte fich der Turu- riöfe Villenbetrieb mit feinen Spürern oder Bienenfängern und Bienenwärtern, mit feinen Honigfammern, foftbaren Bienenftänden, Wärter- und Wächterhäufern, mit feinen mannig- fahen, meift transportabeln aber auch feftitehenden Bienenwohnungen aus verfchiedenen Stoffen (aus Holz, Ainden, Geflehten von Zweigen, gebranntem Thon 20.) gefertigt und von ver: fchiedener Form (runde und vieredige, Stände und Lager) und Conftruction (theilbare und untbeilbare, unveränderliche oder durd ein Scheivebret der Verkleinerung oder Vergrößerung fähige) bis zum eleganten Beobadtungsftod, der dur dünne Hornplatten oder durh Marien- alas hindurch einen Blid in das innere Getriebe geftattete, mit feiner Berüdfihtigung der für Bienenftände geeigneten Lage, mit feinen Pflanzungen von honigenden Gewächjen, mit der Haltung verfchiedener Bienenracen (der gemeinen Schwarzen, der goldgelben oder italienischen und der ceeropifchen) 20. Und wie die Bienenwirthihaft zum guten Ton gehörte, jo aud) das Studium von Bienenfchriften und die Unterhaltung über apiftiihe Gegenftände beim reichen wie beim ländlihen Male. Biel mag die praftifhe Bienenzudt den Römern verdanken; die wiffenfchaftlihe Pflege der Bienenfunde aber begnügte fih mit Sammeln, Erhalten und An wenden des anderwärts, befonders von Griechenland Empfangenen. Die widhtigiten Nadrichten über römische Bienenzuht und Bienenfunde verdanfen wir Varro (De re rustica), Balla- dius (De re rustica), Columella (De re rustica), Birgil (Georgica IV), E. Blinius Secundus (Historia naturalis). Als äußerst brauchbare und fleifige, von mir vielfady be nußte Zufammenftellung Deffen, was wir aus dem Hlaffischen Altertpum über die Biene be- fißen, ift endlich zu nennen Magerftedt „die Bienenzudt und die Bienenpflanzen der Römer“, Sondershaufen 1863. Die Grundlage der römishen Bienenzucht bildeten theils domeftieirte, theils wilde Bienens völfer und zwar Mutterftöde und Schwärme, examina, und die wichtigiten Mittel zu ihrer Erwerbung und Mehrung waren der Kauf, die Erhaltung der eigenen Schwärme, zufällige Erwerbung herrenlofer oder wilder Völker und das Bienenjpüren oder die Bienenjagd; fonft famen die Bienen auch durd) Verfchenktung oder Vererbung, wohl aud) durch Unredlichkeit und Diebftahl in andern Befik. Der Kauf jheint nicht felten gewefen zu fein und es galten für ihn folgende Hauptregeln : 1. nur gefunde und volfreihe Stöde zu wählen, 2. die Lolalität, in welcher die Stöde bis da- hin geftanden, wohl in’s Auge zu fallen, 3. den Transport auf den neuen Stand mit Borficht und Schonung auszuführen. Um über den Gefundheitszuftand und Bolfsreihthum eines Mutterftodes in’s Klare zu fommen, wurde der Einblif in’s Innere der ungefehrten Woh: nung, außerdem aber aud) Beobahtung des gefammten Berhaltens der Bienen angerathen. Dort fah man auf einen glatten ebenen Bau, ficherlih aud auf deilen Bollftändigkeit und geringeres Alter, auf die Stärfe der Belagerung der Waben und auf Ausdehnung und Zus ftand der Brut; hier achtete man, wenn die Bienen in Thätigfeit waren, auf deren glänzendes (ob fhönes und rüftiges ?) Anfehen, auf lebhaften Aus» und Einflug, auf zahlreihe Wade vor dem Flugloh und auf ftarfes Summen im Innern; waren fie aber in Nube, jo jhloß man aus dem ftärfern oder fhmwächern Aufbraufen nah einem kräftigen Einhaudhen durd’s Fluglod hinein auf Volkszahl und Zuftand. — Der Ort, wo die Bienen bisher geftanden, zu — follte weder zu nahe, nod zu fern von dem für fie beftimmten neuen Stande liegen, aud) in Himatifcher Hinfiht von diefem nicht allzufehr abweihen. — Beim Transporte, mweldher aud bei der etwaigen Wanderzucht in Betracht fam, fofern die Wanderung nicht wie auf dem Padus zu Schiffe aefhah, war das Flunloch geichloffen und forgfam mußte Stoß und Nütteln ver- mieden werden, theils um Schädigung des Baues, theils um Neizung der Bienen zu verhüten ; daher durfte er nur bei Nacht gefchehen; die Bienen mußten dabei getragen und während der Tagesraft zeitweile durh Eingiegen Heiner Honiggaben beruhigt werden. Die Aufitellung der Stöde in der neuen Heimat und deren Eröffnung gefhah exit nah Eintritt der Naht und Schwärme, welhe man ebenfo behandelte, mußten, um das Durchgehen zu verhüten, drei Tage lang fcharf im Auge behalten werden. Die Schwärme oder die naturgemäß erfolgten, von einem oder mehreren Weifern begleiteten und zeitweife heimatlofen Abzweigungen eines überfhüffigen Theiles der Bevölkerung eines Bienenftofes waren au den Römern als Begründer von Colonieen, jomit al$ die eigent- lihen Mehrer der Bienenftaaten wichtig. Zur Schwarmzeit hatten die Bienenwärter mit allem auf die Behandlung der Schwärme Abzielenden wohl vorbereitet, fich ftets in der Nähe der Stände aufzuhalten, forgfam auf die Vorzeihen des Schwärmens jowie auf die Erjchei- nungen und Vorgänge während defjelben zu achten und diefen entfprechend zu handeln. Sie ftellten zu diefer Zeit Stöde auf, welche mit den gewürzigen Blättern der den Bienen lieb- lihen Meliffe oder des Apiafter, des Eppih, der Cerinthe oder des Delbaumes ausgerieben oder mit Honig oder Honigwaijer ausgeftrichen oder befprengt waren, und faßten die Schwärme, wenn die Bienen, die Füße an einander aeflammert in Form einer hangenden Traube fi angehängt hatten, in aleich behandelte Stöde; aus Schwärmen, die von mehreren Weifern begleitet waren und darum in mehrere Trauben oder Haufen fi angelegt hatten, ent= fernten fie mitteljt der, wie oben bei den Stöden Erwähnung geichehen, gewürzten Hände die überzähligen und fuchten durh Näudhern das Einziehen in unpafiend gewählte Höhlen zu verhüten. Um das Anfegen der Schwärme im Schatten und an zum Fallen günjtigen Stellen zu erleichtern, pflanzte man in den Umgebungen der Stände niedere Bäume. Uebrigens war das Schwärmen nicht unter allen Umftänden erwünfcht, namentlih nicht das häufig wiederholte; daher Ihon die Römer dafjelbe öfter zu verhüten und den abgefhwärmten Mutterftöcken, wenn die Bollsarmuth auffallend wurde, aufzuhelfen juchten; jenes erftrebte man durdy Tödten der Weifer innerhalb und außerhalb der Weiferwiegen, diefes durch Ein- feßen von Brutwaben mit Weiferzellen, weldhe volfreihen Stöden ausaejchnitten wurden. Die Bienenjagd gefhah durd die jogenannten Spürer, meilt Hirten und Bauern, feltener fadh- und ortsfundige Städter. Die Spürer mußten früh am Morgen in die Nähe von Gewäflern fih begeben, wo die Wildbienen Waiffer zu holen pflegten. Hier beftreuten fie die wäljernden Bienen mit Mehl oder berührten. diefelben auf dem Rüden mit einem Stabe, .‘- 1 — welcher in dünnbreiig gemachten Aöthel getaucht war; dann verfcheuchten fie diefelben und warteten auf ihre Rückkehr, welche je nad) ihrem frühern oder fpäteren Eintritt auf geringere oder größere Entfernung ihrer Wohnung hinwies. Um diefe aufzufinden, achteten fie genau auf deren Flugrichtung, welche dort leicht, hier dagegen nur dadurd) zu ermitteln war, daß der Spürer fih in den Befiß einer größern Anzahl die Trinkftelle befuchender Bienen verfeßte und, der muthmaßlihen Richtung entgegengehend, bier und dort einige derjelben entlich, dabei auf die jedesmalige neue Fluglinie achtete und in diefer fortfchritt, bis er die Wohnung traf. Die zu diefem Zwede dienenden Bienen hatte er an der Wäfferftelle durch Honig oder Kodhmoft in ein Rohrftüd geloct, weldes, fo zugefchnitten, daß e8 mit zwei Knoten endete, an der einen Knotenwand in hinreihender Weite durhbohrt war und, fobald die gewünjchte Anzahl von Bienen fi drinnen befand, hier mit dem Daumen verdedt und dann nur auf einen Moment eröffnet wurde, wenn Bienen entlaffen werden follten. War nun die Wohnung der Bienen gefunden, jo wurden dieje durch Einbringen von Rauch aus jener getrieben und fobald fie fich an einem Straud) oder Baum gefammelt, in einen bereit gehaltenen Stod gefaßt; oder e8 wurde der die Wohnung der Bienen enthaltende Stamm über und unter derjelben durchjägt, der bevölferte Rumpf aber mit Tühern umhüllt. Die in dem dargebotenen Stode oder in dem umhüllten Rumpfe befindlihen Bienen wurden dann nad den oben mitgetheilten Bor- fohriften na dem Ort ihrer Beltimmung gebradt und nad) Gutfinden aufgeitelt. In bienen= reihen Wäldern wurden zur Schwärmzeit mit den erwähnten gewürzigen oder füßen Stoffen behandelte Stöde, befonders in der Nähe von Quellen, zum Anloden der Schwärme ausge- jeßt, ganz in ähnlicher Weife, wie es beim gewöhnliden Schwärmen in der Nähe der Stände geihah. Die Aufftelung der Stände und Stöde gefhab der Sicherheit und Bequemlichkeit wegen und um die Bienen an den Menichen zu gewöhnen und dadurd Tanfter zu maden, am fiebften bei oder in der Nähe der menschlihen Wohnungen an einem gefhüsten jhattigen Orte in möglihft gefunder, reinlicher und ruhiger Lage mit nahem Waffer, unter Vermeidung von Berfehrswegen, Straßen und von Bieh begangenen Weiden und Triften; als Richtung des Fluglohs bevorzugte man Südoft, verwarf wegen der Stürme die weltliche, wegen der Winters fälte die nördliche und wegen der Sommerhige die rein füdliche. Stände und Stöde wurden rein gehalten, am leßtern etwaige Spalten mit Thon und vertrodinetem Rindermilt, beide durch- einander gefnetet, verftrihen. Außer dev Schwarmpflege war das wichtigfte Gefchäft der Bienen- wärter das Beideln, welches zweimal, jelten dreimal im Jahre vorgenommen wurde, ftets mit der Borficht, daß die Bienen im Befige des nöthigen Vorraths verblieben; bei der Frühlings- zeidelung (im Juni) ließ man ftarken und wohl verfehenen Völkern zwifchen Ye und ?/s des Sunengutes, bei der Herbitzeidelung, Ende September und Anfang Dftober, wenigitens Y/s, während Schwache, wenn nicht geradezu gefüttert wurden, doc von der Ernte verfchont blieben. Auf die Zeidelung hatten fich die Bienenwärter gehörig vorzubereiten, fo durd vorherige Wä- a gung und Zurihtung der Stöde, durd Neinigen der zur Aufnahme der Ernte beftimmten Ge: fäße, durch Bereithalten der Meffer, Rauhmittel (Kohlen, Gabanum, trodenen Rindermifts), und Rauchtöpfe, dur Enthaltung vom Genuffe fcharf riechender Speifen und Getränfe, durd Wachen des eigenen Körpers ec. So ausgerüftet giengen fie in den Morgenftunden an’e MWerf, nahdeın fie fih) vorher an allen bloßen Körpertheilen mit befänftigenden Stoffen be- ftrihen und Heine Maffen von joldhen in den Mund genommen hatten. Erft wurden die Bienen dur etwa "2 Stunde lang einwirfenden Nauc, der indeR nicht im Uebermaaß ange: wandt werden durfte, von der zu bejchneidenden Partie des Baues (nad Umständen von der hintern oder vordern) vertrieben und dann ward mit Ruhe und Schonung, Sorgfalt und Umfidht unter Einhaltung des gehörigen Maafes das Meffer gehandhabt. Die ausgefchnittenen Waben, Honigtafeln und leere Scheiben, insbefondere auch die alten, geihwärzten, Ichimmeligen, ver: unreinigten, jhad- oder fonft fehlerhaften wurden gleich nad ihrer Ausnahme fortirt, nad ihren befondern Eigenfchaften in befondere Gefäße gelegt und diefe fofort nad dem vorher forgfam vermachten und verdunfelten Honiggemahe getragen, in deilen Vorraum zur Ber- fheuhung zudringlicher Bienen überdieg NRaud entwidelt wurde. Im Honiggemahe wurde der nicht in Wabenform zu verwendende Honig alsbald ausgelaffen oder ausgepreft und man erhielt dort 1. den aus den fehönften Scheiben ablaufenden Yungfernhonig oder Scim und 2. den aus den zerbrödelten minder Shönen Scheiben durd Seihen von Fledhtwerf, Faferzeug oder Yeinwand in untergeftellte Gefäße ablaufenden geläuterten Honig, bier aber aus den von Neuem durchgearbeiteten, ausgedrüdten und ausgepregten Rüdjtänden jener beiden Honigforten die geringere Sorte des Prefhonigs; durh Wafhen und Abfpülen der beim Zeideln und Auslafien gebrauchten Geräthe erhielt man das zur Darftellung von Effig braudbare Honig- fpülwaffer. Schlieglich famen die auserlefenen Honigwaben und die verfchiedenen Honigjorten zur Aufbewahrung in die Honigfammer. Zur Wahsgewinnung wurden die leeren und ent- leerten Waben fowie die ausgewafchenen, gejpülten und dann wieder getrodneten Pregrüd- ftände in reinen Gefäßen mit Waffer übergoffen und am Feuer erhigt; nachdem die geihmol- zene Wachsmafje durch Körbe, Stroh oder Binfen gefeiht und dadurch geläutert war, fochte man diefelbe zum zweiten Male in Waffer und go fie dann in ein reines Gefäß ab, deilen Boden zum Verhüten des Anhaftens beim Abkühlen und zur Erleichterung des Herausnehmens der erftarrten Mafje mit etwas Faltem Waffer überdeft war. Das fo gewonnene gelbe Wadhs wurde zu bejfonderen Zweden gebleiht und dann bisweilen noch verichiedentlic gefärbt. — Nach dem Zeideln wurden die bejchnittenen Stöde, wenn fie beweglih waren, gedreht; an unbeweglihen Wohnungen aber wurde die Schnittitelle bezeichnet, um die nädhjftfolgende Zei- delung fiher da vornehmen zu können, mwo die fehte den Bau unberührt gelaffen, oder aud um bei der nädhjften Ernte nur frische Tafeln auszufchneiden. Nach der Herbitzeidelung fam die Einwinterung, die etwa erforderliche Fütterung, die Meberfiedelung und die Bereinigung in 3 ee. Betraht. Ber der Einwinterung jorgte man durh Einfhieben des Sciebebrettes bis zum Baus, durd Berftreihen der Kiten und Spalten und durd) Bededen der Stöde mit Stroh oder Zweigwerf 2c. für ein warmes, trodenes Winterlager der Bienen; die Fütterung machte man gern dadurd entbehrlih, daß man den Bienen gehörige Wintervorräthe ließ; war fie aber nicht zu vermeiden, fo geichah fie unpaffender Weife meist an den Fluglödhern in Fleinen Krippen, welche mit der geeigneten Nahrung (in Wafler erweihten und rohen aeftoßenen Feigen oder Kofinen, Kohmoft oder Kofinenwein) gefüllt und über diefer mit einer Page von Wolle bededt waren, um das Einfinken und Ertrinfen der Bienen zu verhüten; fie geihah jeßt und unter Umftänden aud im Winter und Frühling; bei der Ueberfiedelung in eine neue Wohnung wurde diefe mit Meliffe ausgerieben und in der Nähe des Fluglohs mit Honigfheiben befegt; vereinigt endlich wurden je zwei oder drei Bienenvölfer, wenn man beforgte, fie möchten ein- zeln, fei’8 wegen Bolfsfhmwäde, fer’s wegen Weiferlofigfeit, fer’s wegen Nahrungsmangel ein- zeln für fi den Winter nicht überleben. 4, Die Biene uud die Bienenwirthihaft im alten Germanien und im Mittelalter. *) In Germanien fiheint die Biene vor Eintritt der Römer ziemlich allgemein verbreitet, zum Theil auch gepflegt gewefen zu fein. Potheas berihtet vom Honiggebrauh aus dem Bernfteinlande im hinterften Winkel der Ditfeefüfte; von unheilverfündenden Bienenfhwärmen wird geredet bei Gelegenheit der Kunde der Niederlage der Nömer unter Barus im ZTeuto- burger Wald und ihres Sieges unter Drufus bei Arbalo zwifchen der Lippe und Wefer; und Strabo erzählt von dem Wadhs- und Honigreihthum der Gebirge von Norieum und Carnien. Üehlen uns hier auch genauere Angaben über wirflihe Betreibung der Bienenzucdht, fo dürfte doch die angeblih 8 Fuß lange germanifhe Bienenwabe, die Plinius gefehen, auf Bienenzudt in Kloßbeuten hindeuten, während am Ahein der Anpflanzung italifcher Honigpflanzen um die Bienenhäufer herum Erwähnung gefchieht. Manches mag in den den Kömern unterwor- fenen Pändern durch diefe für Hebung der Bienenzudht geihehen fein, Mandes anderwärts vielleicht auch durch einzelne römische Söldner nad ihrer Aüdfehr aus dem römischen Kriegs- dienft. Die Völkerwanderung mit ihrer gewaltigen Erfehütterung aller gefelligen und ftaat- lihen Berhältniffe traf mit vernichtendem Schlage auch die Ihönern Schöpfungen des römischen *) Bezliglich diefeg und des folgenden Kapitel? bringe ich Heren Profeffor Ofenbrüggen für freund: liche Unterftügung durdy umfafjendes Material und vielfache Belehrung meinen verbindlichen Dant. NR Waltens, fomit au die Segnungen der Landwirthihaft, die Bienenkultur inbegriffen. All mälig aber geftaltete fih das Chaos: der germanifhe Geift, eben noch mächtig im Zerftören verrotteter Zuftände, verfuchte fih im Aufbau; und in den neubegründeten Staaten, geiftlihen und weltlihen Herrfchaften, wie im Verlaufe in den ftädtifchen Gemeindewefen wird eine mehr volfsthümliche und darum aud feitere und entwidelungsfähigere Drdnung begründet. Wir verdanfen diefe Umgeftaltung zum Belfern dem umfihtigen Walten der Kirche und Klöfter, der Weisheit und Ihatkraft einzelner Fürften, unter denen Karl der Große als hellleuchtendes Geftirn vor Alleın hervorragt, ferner den gefeßgeberifchen Arbeiten, deren freilich oft harte Be- ftimmungen als nothwendige Folge der Nohheit der Zeit fi) erweifen und endlid der rührigen Handels- und Gewerbsthätigfeit in den allmählig aufblühenden Städten. — Die widtigiten Auffhlüffe über die gefeßlihe Stellung wie über die merfantilifche und gewerbliche Bedeutung der Bienenzucht und Bienenwirthihaft im Mittelalter geben uns folgende Werfe: I. Jacob Grimm, Deutfche NechtsaltertHümer. 2 Ausg. Göttingen 1854. I. Jacob- Grimm, Weisthümer. 4 Theile, von denen befonders der dritte (Göttingen 1842) das betreffende Material enthält. I. Ferd. Walter, Corpus juris germaniei antiqui. Berlin 1824, IV. ©. 2. Maurer, Stadt: und Landrehtsbuh Auprehts von Freifing. Stuttgart und Tübingen 1839. V. % 2. Bufd, SHandbuh des heutigen in Deutfhland geltenden Bienenredhte. Arns ftadt 1839, VI. 8 D. Hüllmann, Städteweien des Mittelalters. 2 Bände. Bonn 1826. Die Kirche hatte die hohe Schäßung und ausgedehnte Verwendung des Honigs und Wahfes aus dem heidnifhen Eultus in den riftlihen Gottesdienft herübergenommen und damit dem producirenden Thiere felbit in gewilfen Grade eine Art von Verehrung gefichert; und die Klöfter, alg Erhalter und Pfleger der Wiffenfchaften, Künfte und Landwirthicaft, nahmen fi auch der Zucht der letern an. Milh und Honig galten für die erfte Speife des Kindes und für eine heilige, daher fie in der älteften hriftlihen Kirche unmittelbar nach der Taufe angewendet wurden; und ein Tropfen einer diefer Flüffigfeiten ficherte dem Kinde das Peben, wenn es nad) einem aus dem rohen Heidenthume ftammenden Vaterrechte ausgefeßt werden follte. — Nicht minder geheiligt war der Gebrauch des Wachles, deilen Verwendung in Ker- zenform bei allen feierlichen Anläffen des firhlichen, ftaatlihen und Privatlebens bis auf die Freilaffung des Knechtes herab ausgedehnte Verwendung fand, und deffen fih die Kirche im Berlaufe der Zeit befonders mit bediente, um dem Bolfe durch Glanz zu imponiren und da= durch ihrer Einwirkung und Betheiligung auf Alles und bei Allem Nahdruf und Geltung zu verschaffen. Weldher Lurus übrigens bei Feftlichfeiten der Heichen getrieben wurde, das ergiebt fih (auh mit Bezug auf den Wahsverbraub) aus einem Erlaffe der Marfeiller Behörde, er welche zwar 30 einheimische Gäfte bei Hochzeiten geltattete, aber verbot, die Braut mit feidenen Kleidern zu befchenfen und mit Wachsfadeln VBerfhwendung zu treiben. Schon vor Karl dem Großen jcheint wenigftens Abgabe von Wachs bei Dienftpflich- tigen oder Hörigen geiftlicher Stifte, die Lichter in Menge verbrauchten, beftanden zu haben; fpäter Fam, wiewohl feltener als von Wachs, auch jolhe von Honig vor. Die zum Honigzing Berpflichteten hießen Honiggelter, die zum Wahszins Verpflichteten wahszinfig (meitphälifch waftinfig), wachspflidtig, jpottweile Wadhsbeutel, cerarii, cerecensuales, fpäter cerocen- suales, aud; luminarii. Wadhszinfig wurden gewöhnlich aus härterer Knehtichaft Freige- faffene, tabularii (wenn die Freilaffung öffentlich und mit firhliher Feier, bei welcher Kerzen angezündet wurden, ftattgefunden), chartarii (wenn die Freilaffung einfach gegen bloße Ur- kunde erfolgt war.) Wahspflichtigfeit trat übrigens auch unter andern Berhältnifjen ein. Nach den Hofrechten zu Eifel in Weftphalen, um 1500, wurde eine nicht zum Hofe gehörige Frau, melde einen Hörigen deffelben heirathete, dem Hofe wahspflichtig fammt allen ihren Kindern, mit Ausnahme des eriten, welches hörig wurde; und wadhspflichtig wurde aud das außerehelige Kind eines dem Hofe gehörigen Knechtes und einer freien Magd. In der Schweiz wird in den älteften Urbarien, 3. B- im Kiyburgifhen aus dem 13. Jahrhundert fchon des Wahszinfes erwähnt, fo auch vorübergehend bei Strafbeftimmungen, 3. B. in einer Urfunde von Trub, in welcher ein Ritter verpflichtet wird, zur Sühne für einen Todtihlag Wade in eine Kirche zu vergaben. Für den Kanton Zürich gehören dorthin die in den Gefchichten der Kirchengemeinden Glattfelden von Arn. Näf und Oberglatt von Heinr. Diener mitgetheilten Urkunden aus den Sahren 1303 und 1381, aus denen wir erfahren, daß Wadspflichtigfeit von Höfen oder hörigen PVerfonen (hier Frauen) in Folge von Bergabung der eriteren oder von Austausch der leßtern fih auch gegenüber dem neu erworbenen Herrn (hier Klöftern) erhielt. Neben den Wahszinfen, deren Maaß in den meilten betreffenden Urkunden genau nad) dem Gewichte beftinnmt ift, forwie neben den Abgaben in Honig und bevölferten Bienenftöden finden wir öfter auch des Zehenden erwähnt, welcher von den feßtern, die Schwärme inbegriffen, zu entrichten war. — Schon zu den Zeiten der fränkischen Könige aenoffen die Bienen eine be- fondere Wartung, ja e8 war diejelbe denen, welche föniglihe Billen als Minifterialen inne hatten, befonders zur Pflicht gemacht, indem fie fo viele Yeute (deputatos homines) halten mußten, als zur Beforgung der Bienen nöthig waren. Karl der Große aber verordnete, daß auf jedem feiner Güter ein befonderer Zeidler fein, Honig und Wachs reinlich bearbeitet und die Manfurier (Hüfner) folhe Zinfen, hier an die Höfe, dort an die Klöfter und Kirchen geben follten. Die Bauern mußten fih mit der Zucht abgeben, weil Adel und Geiftlichfeit deren Erträge ald Emphyteufe (Erbzins) mitforderten. — Aus der Schweiz find mir feine betref- fenden Angaben zu Gefiht gefommen; doch dürfte fid) annehmen lafjen, daß es auch hier fi ähnlich verhielt; das ältefte auf Bienenwirthfchaft bezügliche Document dürfte eine St. Galler = ME R% „Urkunde vom 26, DeiY 531 fein, ausgeftellt zu Urlau (Oberamt Leutkirch, Königreih Würtem- berg), nad welcher ein Sutsbefiter in Grünenberg (Oberamt Wangen, Hönigr. Würtemberg) dem Klofter St. Gallen nebit Grundftüden und Vieh aud) VII examina apium, d. h. 7 Bie- nenftöde vergabte. — Endlih mag noch der eigenthümlichen Verwendung Erwähnung gefchehen, welhe Honig und Wadhs im Strafrechte fanden und zwar jenes bei einer bejondern Form der Todesftrafe und einer Art des Ehrenverluftes, diejes bei oder nad gewiffen Arten des Feuer: urtheils beim Gottesurtheil. Es wurden nämlid in einzelnen Fällen Verbrecher mit Honig beftrihen, um, in brennender Sonne den Stihen der Fliegen ausgefeßt, zu Tode gemartert oder um, unmittelbar naher in Federn gewälzt, dem Bolfe zur Schau vorgeführt und dem allgemeinen Spotte preisgegeben zu werden. Im Wahshemde mußte nad einigen Sagen der Berurtheilte durch den entflammten Holzitoß gehen, auch wurde ihm wohl das leßtere, wenn’s am Leibe faß, an verichiedenen Stellen angezündet und es galt als Zeihen der Schuld, wenn er dabei verlegt wurde; mit einem Wadhstuche endlich wurde den zum Tragen geglühten Eifens zum Gottesurtheil Berurtheilten nad der Erecution die Hand verbunden und verfiegelt, um fpäter befchaut zu werden. In den alten Volfsrehten und im Schwäbischen Landrechte, welches auch für den öftlichen Theil der Schweiz gültig war, wurde die Bienenzudt faft allgemein, in den Weisthümern hier und da berücdjichtigt und zwei der leßtern, nämlich „Freiheit der Zeidler im Reihswald zu Nürnberg“ und „Rechte der Zeidler“ find ihr ausfchlieflih gewidmet. Gerade diefe beiden leßteren geben uns ein Flares Bild von der Ausdehnung der Bienenwirthihaft und von der Bedeutung, welche man derfelben beilegte und die fie in der That haben mußte, wenn fie, wie es geichah, fi befonderer Begünftigung und Unterftügung des Yandesherrn erfreuen und durd) feite, gefeglihe Beltimmungen gefihert und geregelt fein folltee Schon in früheren Urkunden Dito’s II. aus den Jahren 993, 995 und 100% und Heinrihs I. aus dem Jahre 1007 ge- fchieht bei Schenkungen und Belisbeftätigungen von Land und Landgütern mit Wäldern, Dielen, Weiden und Jagden ausdrüdlih auch der Zeidelweide, Zidelweida, compascua sive apium pascua, Erwähnung, ebenjo in einer Urkunde Heinrihs V. vom Jahr 1112 bei Ber- leihung des Zehnten an Bäumen und am Werthe der Wildfhweine auch des Bienennußens. Das Brivilegium Kaifer Karls IV. „Freiheiten der Zeidler“, erlaffen im Jahre 1350, beftätigt den Zeidlern die von lange her beitandenen Nechte bezüglich der Zeidelaüter auf dem Keichs- mwalde bei Nürnberg. Nah ihm genofjen diefelben in allen Städten des Reihe Zollfreiheit und hatten darnadh nur ihrem Zeidelmeilter zu Feucht Neht zu halten; fie durften nad) ein- geholter Erlaubnig des Waldftromers (Dberforjtmeiiters) und Foritmeifters und gegen eine Gabe von zwei Hallern an denjenigen Forfter, in deflen Hut der Schlag aeichah, alles für die Zeidelgüter erforderliche Zimmerholz aus dem Keihswalde nehmen, was fie zu Bauten be- durften, hauen, überdieß wöchentlich jeder zwei Fuder Stöde und Rannen aus dem Reihs- BR RR walde führen und, wenn fie wollten, verfaufen, waren aber von forftrehtlichen Abgaben befreit. Außer dem Stromer und Forftmeifter (und den Forftern auf ihrer Hut, aber nicht darüber hinaus) war nur ihnen, den geerbten Zeidlern, das Bienenhalten geftattet. Alle „verfagte Vin“ auf des Kaifers und Reihe Walde jollten in des Keihs „Bingarten“ gehören und Niemand, denn ein geerbter Zeidler, durfte im Keichswalde bei Nürnberg „als ferre der Pinfreyß ges reichet, feinen Schwarm aufheben, nod) fid) unterwinden“. Sie hatten das Recht zu pfänden an Linden, Salden und Spurfeln um ein Pfund Haller und von diefem Pfande, welches dem Stromer zu übergeben war, gebührte dem Zeidler, welcher die Uebergabe gemadt, ein Schilling Haller. Wollte ein Zeidler von dem Zeidelgut fahren, jo hatte er dem Zeidelmeilter 13 Haller zu geben und, wenn diefer e8 abjchlug, über die Thüre des Haufes, das er verlaffen wollte, zu legen, worauf er fahren durfte als ein Gerechter; und wer auf das Zeidelgut fuhr, der hatte dem Zeidelmeifter einen Schilling Haller der Kurzen zu geben. Der Zeidelmeifter wurde vom Raifer und Neich belchnt und hatte, wenn er das Zeidelgeriht nicht befißen wollte, einen andern an feine Stelle zu feßen nad dem Kathe und Willen der Zeidler. Bei Niederhauen von Beuten oder bei Abhauen gewipfelter oder bezeichneter Bäume bezog er vom Thäter eine Geldbuße, von welcher im letteren Falle dem Eigenthümer des Baumes ein Antheil zufam, weshalb die Zeidler ihn zweimal im Jahre zu mahnen befugt waren ; entiprad er dem Auf- trage der Zeidler nicht, jo Fonnten fie fih beim Keichspfleger beklagen und diefer hatte dann ihren Auftrag zu beforgen. Als Gegenleiftung für die erblichen Zeidelgüter und Nehte mußten die Zeidler das Honiggeld entrihten und waren dem Kaifer und Neiche zwifchen den vier Wäldern zu dienen verpflichtet und zwar mit fehs Armbrüften, zu denen man ihnen die Pfeile nah Bedarf liefern, aud vom Hofe Wägen und Koft geben mußte, widrigenfalld fie des Dienstes ledig waren; der Zeidelmeifter aber mußte ihnen im Dienfte des Neiches vorfahren und erhielt um diefen Dienft außer Koft und den üblichen Rechten auch feinen Weißpfennig. — Die „Rechte der Zeidler“ wurden 1398 von Johann, dem Burggrafen zu Nürnberg, erlaffen für deffen Reihsforfte, welche im Fichtelgebirge, nämlich in den Nemtern Weißenftadt, Wuns fiedel, Hohenberg, Kichenlamit, Regnit, Hof, Mündberg und Schauenftein lagen, und ftimme ten wohl im Wefentlichen überein mit den Verordnungen, die für deflen Forfte zu Goslar am Harze fhon vorher beftanden hatten. Durch fie wurden die Zeidler ermächtigt, nad) einer vor dem Zeidelgerihte gefchehenen Bewerbung, Eidleiftung und Entrihtung eines Schillings Heller in befonders bezeichneten Neviertheilen oder Zeidelweiden der herrjchaftlihen Forte unter Auf- ficht des Forftmeifters Bienen zu halten, auf Anweifung desfelben geeignet ericheinende Bäume durch Lohen und Wipfeln zur Aufnahme von Bienen herzurihten und zu verwenden und zum Schuße ihrer Rechte zu pfänden. Dabei wurden fie in der Ueberwachung der Zeidelweid von den Forftfnechten unterftüßt, gegen deren Ausfage dem auf einem Vergehen Erariffenen fein Peugnen half, hatten an der den Zeidlern aus der Zeidelweid zufallenden Hälfte der Gerihte- al, en oefälle ihren entjprechenden Antheil und wurden bezüglic ihrer außer der Zeidelweid ftehenden Bienen gehalten, wie wenn diefe innerhalb derfelben fi befunden hätten. Diefes Net, eben- falls Zeidelweid aenannt, blieb gegen den jährlichen Zins eines Nöffel® Honig von je 2 be- feßten Bienenftöfen, friih gefallene Schwärme ausgenommen, fo lange es nit unter Beady- tung der betreffenden gefeßlichen Beltimmungen aufgegeben oder in Folge wiederholter Ver- fäumniß der Zeidelgerichte oder Vernadläffiaung der Zeidelweid verwirft war, in Kraft und vererbte fih mit der Befuanig des Verkaufs, der Vergabung und Verfhikung auf die Kinder der Zeidler. Alle in der Zeidelweid gefallene Schwärme mußten in ihr verbleiben, alle an das Hegholz von außenher gefommene in fie verfeßt werden. Liegende Beuten durften ohne Wilfen des Forftmeifters nicht aufgehoben und die angewiefenen Bäume mußten, wenn fie nidyt einem Andern zufallen jollten, recht gelocht, dagegen fonnten die Wipfler (Bäume, die zum Gebrauce für die Bienenzucht bezeichnet waren) ohne Einfprade derer, die fie gewipfelt hatten, irgend Einem zugetheilt werden. *) — Das Zeidelgericht, zu deifen Befudh jeder Zeidler verpflichtet war, beftand aus dem als Richter vorfißenden Forftmeifter und den von ihm beftellten Zeidlern, aus denen jener die Vorfprecher nehmen und fordern ließ, verfammelte fidy zweimal jährlich in Weißenftadt, nämlich 14 Tage nah dem DOftermontag und am Montag nad) Michaelis, be- fchäftigte fih) mit allen die Zeidelweid betreffenden Fragen und dürfte wohl aud durd gegen- feitigen Austaufch der Zeidler zur Erweiterung ihrer Kenntniffe und Fertigkeiten in der Bienen- pflege und in der Behandlungs- und Verwendungsweife der Produfte der Bienenfultur, na= mentlich aber zur Beförderung ihres Abfates wefentlich beigetragen haben. Ueber die Gewerbsthätigfeit und den Handel mit den Producten der Bienenzudt hat Hüllmann im Städtewefen des Mittelalters das Wichtigfte zufammengeftellt. Honig vertrat die Stelle des Zuders und der füßen Obftfrüchte, Meth neben dem Biere meift diejenige unferer übrigen geiftigen Getränfe, während das Wachs noch nicht durd) die zahlreichen Sur- rogate der heutigen Tage zurüfgedrängt war. Nad Meth oder Honigtrant, Medum, Medo, Aqua meletta, Hydromeli, fchon in den alten germanischen Sagen dem Getränke der Götter und Helden, war in der ganzen nördlichen Hälfte Europas, namentlih von Seite der wohl- babenden Städtebewohner viel Nahfrage, zumal fi derfelbe zu den fchmweren Speifen des Nordländers als jehweres Getränf auch befonders eignete und darum auch heute noch in Scan- dinavien und Dänemark ein allgemein aebräuhlihes geiftiges Getränk ift, wo es an Yahr- märften auf offenem Plaße in Flafchen verfauft wird. Gleich) dem Biere ward er in den nörd- fihen fränfifchgermanifchen Ländern auf den Landhöfen der weltlichen und geiftlihen Herr- _ *) Nah Ulman Stromer mußten die Zeidler die gewipfelten Bäume im demfelben Jahr aus: wirken, widrigenfalls fie weiter zu denfelben fein Necht haben follten. ae, . ek fchaften von dem Gefinde bereitet und von den Gutsunterthanen als grundherrlide Abgabe geliefert. Senes gefhah 3. B. in dem nördlichen Franfreih und in den Niederlanden bereits im Ablaufe des achten Jahrhunderts, diefes zu Anfang des zwölften Sahrhunderts in Bayern. Wie bedeutend müffen im Jahr 1015 die Borräthe an der Ober-Elbe gewefen fein, wenn in Meilen, aus Mangel an Waffer, ein Feuer damit gelöfcht werden konnte, das feindfiche Völker angelegt hatten. In Ulm legten fi) Biele auf deffen Berfertigung, auch) in verfchiedenen Städten an den Küften von PLiefland und Preußen wie zu Danzig und Riga waren Methbrauereien- In Münden, dem heutigen Eldorado des Bieres, jcheint nah Franz Auers Stadtreht von Münden Methbrauerei und Metheonfum nicht unbedeutend gewefen zu fein; nad) Art. 408 diejes Stadtrehts mußte der Meth vor dem Ausfchenfen zweimal, oder wenigitens einmal abgezogen, aber nicht filtrirt fein und nad Art. 339 wurde volles Maaß beim Ausfchenfen verlangt, nämlid ein rechtes halbes Pfund in das Glas. — Wie viel man aber im Meth- trinfen zu leiften vermochte, ergiebt fi) aus einem alten Weisthum vom Aheine, nad weldhem den Schöffen an ihrem ©erihtstage ein Eimer Meth vorgefeßt werden foll, fo voll, daß eine Fliege am äußersten Rande trinken fünne. Ein Beifpiel von dem Humor endlich, der in den mittelalterlihen Verordnungen hier und da zu Tage tritt, gibt uns folgende Beitimmung aus dem Dinghof zu KHuenheim: Seder, der das Seelgut hat, joll geben Wein und Brot und Andres, was dazu gehört. Wollten aber die Theilnehmer nicht vorlieb nehmen, fo joll er Wahs in einen Bienenkorb fhütten, welcher in diefem Jahr einen Immen enthalten und fol das unter einander „empfahen“: das foll der Meth fein. Und fol Waffer durch eine Haber- garbe gießen: das foll das Bier fein und damit follen fie fih begnügen. — Schmadhafter und fünftliher als anderwärts war die Bereitung des Methes in den Niederlanden, namentlich zu Brügge und Gent, in welch Iehterer Stadt fammt der umliegenden Gegend der Methbrauer Safob von Arteveld einen fo gewaltigen Einfluß gewann, daß er in einem Kriege, der zwischen Tranfreih und England auszubrehen drohte, e8 wagen fonnte, aufrührerifch gegen feinen Fürften mit einem großen Anhang die englische Bartei zu ergreifen und mit Eduard II. lan= desverrätherifche Unterhandlungen anzufnüpfen. — Die Production der ausgedehnten Bienen- zudht, welche befonders im nördlichen Franfreih (Honig war ein bedeutender Handelsartifel auf den Märkten zu St. Denis) und in den Niederlanden, in Bayern und in den Forften und KReichsforften des BurggrafentHums Nürnberg, auf der württembergifhen Alp und im Schwarz- wald hervorgehoben wird, genügte bei Weiten nicht dem Bedarf, daher das Fehlende von außen her bezogen werden mußte; und der Bezug von Honig und Wahs gefhah vorzüglich aus Polen und Litthauen auf der einen und von Wads aus Ungarn auf der andern Geite, wie die Waarenverzeichniffe jener Zeit wenigftens für dort nadhmeilen. Honig, Meth und Wahs bildeten einen nicht unbedeutenden Beftandtheil des damaligen See und Binnenhandels, jener aus den nordifhen Seepläßen nad) den weitlichen und über diefe hinaus durd) die Hanfa rn vermittelt, diefer in zweien feiner drei Hauptgebiete, dem mittlern (mit Augsburg, Nürnberg, Frankfurt a. M., Cöln) und im öftlihen (mit Negensburg, Wien, Breslau und Prag) Honig und Wachs herbeiziehend und Sendungen von Meth in dem Teßtern auf der Donau durd Niederöfterreih herab wahriheinlih nah Byzanz (Conftantinopel) und weiter nah Syrien und Paläftina liefernd. Aus dem weftlihen Hauptaliede (mit Troyes, Genf, yon und Beau- eaire) fehlen Angaben. Unter den unmittelbaren und mittelbaren Abgaben, jowie unter den außergewöhnlichen Steuern, mit weldhen damals die eriten Lebensmittel in den Städten belegt wurden, werden aud joldhe auf Honig und Meth genannt. So bezog Augsburg auf Meth eine dem fiebenten Theile des Werthes gleihfommende Abgabe, hier und da aber, wie nament- lih in einzelnen Städten Niederdeutfhlands, Franfreihs und Englands wurden die Getränfe zweimal befteuert, einmal als folche in ihrer Bedeutung als Producte der Gewerbsthätigfeit (Meth), vorher aber Schon in den Stoffen, aus denen fie bereitet wurden (Honig). — Bezüg- ih des Kleinverfehrs mit Honig und Wahs verdient Erwähnung das fiher aus dem Mit- telalter ftammende und noch vielfach in der Schmeiz, befonders im Kanton Bern verbreitete Inftitut der Zwifchenhändler mit oder der Auffäufer von Bienenproduften. E8 giebt deren zweierlei: 1. Imbeli- oder Beiimannen und 2. Waben- oder Trooftmannli; die erftern beforgen den Bienenhaltern im Volke die Bienen, reifen gegen Ende Auguft oder Anfang September mit der Zanje oder dem Täusli (der Bütte) auf dem Küden oder dem Zuber auf einem Wägelchen im Lande herum, um gegen Entjhädigung die Zeidelung vorzunehmen und das ausgefchnittene Bienengut, leere und mit Honig gefüllte Waben, wohl aud; gefeimten Honig oder ausgelaffenes Wahs aufzufaufen, und Tiefern dann die geläuterten Vroducte an größere Händler oder fie verfaufen den Honig en detail, mit dem Täusli auf dem Küden von Ort zu Ort ziehend und in jedem haufivend. Die lektern, meift ärmere Leute aus demt&mmenthal, ziehen mit einem Sad auf den Schultern im Lande herum, Faufen Wabentrefter und Ieere Waben auf und drüden die leßtern, um fie leichter unter= und fortbringen zu fönnen, fofort zufammen. Endlich mögen aus den Pan- und Bergtaidingbüchern in Defterreich unter der Enns nod) zwei Beltimmungen mitgetheilt werden, nad) deren erfter, einer Marktordnung für Mölf, diefe beiden Artikel nebft mehreren andern nicht über den Markttag hinaus behalten werden durften, e8 wäre denn, daß Einer „Sambfhauff den YBurgern wollt verfhaufen“, während nach der andern beide nebit Vieh und Leinwand Niemanden angefailt, zu Kauf angetragen, werden durfte, ehe dieß gegenüber dem Berwalter (des Gotteshaufes Erla Clofter) gejhehen war. Bezüglich der Bienenzuht nur folgendes Wenige. Noch lange Zeit jcheint die urfprüngliche Erwerbungs- und Gewinnungsweife des Honigs und Wadhies von wilden Bienen, die gelegentlih oder in Folge gefliffentlihen Auffuchens in hohlen Bäumen, Felfen und Steinen 2c. gefunden wurden, zum Theil die ausfhliehlihe, zum Theil die vorherrfchende gewefen zu fein; fpäter aber hat fie fi neben den verfchiedenen Formen des eigentlihen Betriebs, nämlich der Bienenhaltung, 4 2 der Bienenwirthfhaft und der Bienenzuht in mehr oder weniger bedeutendem Grade (unter Umftänden und vereinzelt fogar bis auf die jeßige Zeit) erhalten. Unter den eigent- fihen Betriebsformen finden wir im ganzen Mittelalter wohl nur die beiden eritgenannten vepräfentirt, jene durch die Befiger von Bienen („Wer Immen hat“), diefe durch die dem ge vegelten Erwerbe aus der Bienenpflege fih befonders widmenden, in der Bejorgung der Biene und den damit verbundenen Geihäften ihren Lebensunterhalt juchenden, zum Theil vielleicht felbftftändigen und vereinzelten, zum Theil angeftellten oder befonders beauftragten, zum Theil auch privilegirten und zu Corporationen verbundenen Zeidler, eidelarii. Nach der Beihaffenheit der Gegend war die Bienenzudt Haus-, Wald- und Heidebienen- zudt, die erfte betrieben in Häufern, Gärten und auf Wiefen, die zweite in Wäldern, Peuthen, die dritte in Heidegegenden ; nad befondern Tradhtverhältniffen 2c. war fie aber wieder Stand» oder Wanderzucht. Als Bienenwohnungen werden genannt: 1. hohle Bäume a) im unver- änderten Zuftand, b) entwipfelt, Wipfler; 2. Beuten, Beuten, Peunten, Büten oder Yutten, piutta, urfprünglic wohl diejenigen Ausichnitte hohler Stämme, welche die Bienenwohnung enthielten, fpäter gefliffentlih ausgehöglte und zugehauene Stammftüde, entjprechend den nod heute hier und da vorfommenden Kloßbeuten, aud im Sinne von Bienenwohnung überhaupt; 3. Gefäß, Faß, Impvas, vas, eine Bezeihnung von mehr allgemeiner Bedeutung, begreifend die Beuten, Bienenwohnungen aus Bretern, Rinden und Zweigen, oben bisweilen mit einem abnehmbaren Dedel verfehen, unten dagegen wie unfere heutigen Steohförbe offen; 4. Beicher, Baydhar, wohl von gleich umfaffender Bedeutung wie Gefäß, vielleiht auch die noch heute im Kanton Züri Beicher genannten Strohwohnungen, mit welchen 5. der Korb identijch fein dürfte. — Bei der Hausbienenzuht mochten die Stöde meift auf Geftellen an den Gebäuden, jeltener in befondern Bienenhäufern, Ständen oder Hütten aufgeftellt worden jein; als bejon- dere Art der Aufftellung und zwar wahrjceinlih in der Heide möchte diejenige im Dienen- zaune, Immethun, anzufprehen fein, deren im Gerichte zur Wißenmühle Art. 13—15 Ermwäh- nung gefhieht, wo aud) von dem den Immenzaun umfchliegenden Grünhage, knick, gefprodhen wird. Als Colleetivname für die gruppenweife Aufftellung von Bienenftöden fcheint die Ber zeihnung „Immenftätte“,, Bienenftelle, gegolten zu haben. Die Aufftellung geihah meift auf den eigenen, bisweilen au auf fremden Bienenftätten leßteres wohl in Folge bejonderer Er- (aubniß oder auch, wenn Mehrere fih zu gemeinfamem Bienenhalten vereinigt hatten. — Die Bienenfunde befhränfte fih auf die Unterfcheidung der dreierlei im Bienenftaate vorfonmenden Individuen, der Königin (fälihlih König genannt und für ein männliches Thier gehalten) den Drohnen oder Drähnen, deren männlihes Gefchleht indeß nicht beftimmt gefannt war, und den Bienen oder Arbeitern. Bon Iegtern wußte man, daß fie bisweilen andere GStöde berauben, Herger oder Hörger werden. Die Wichtigkeit der Shwärme (Imb, Beie oder Bayı, Bogel) für Erhaltung und Vermehrung des Beltandes der Bienenftöde kannte man gar wohl, a > ebenio den höhern Werth der Borfchrwärme und der früh gefallenen Nahfhmwärme; man kannte die gewöhnlichiten Erfcheinungen und Borfälle beim Schwärmen, die mwidhtigften NAegeln be- züglich des Faflens und Austreibens derfelben, forwie des Trennens von zufammengeflogenen oder Sammelihwärmen; man erhielt und unterftüßte die Bienen unter Umftänden durd Füttern, befaß die erforderlichen Kenntniffe und Fertigkeiten zum Ernten, Sondern und Päutern von Honig und Wahs und wußte bereits von Honigverfälihung,, für welches Vergehen der Schuldige nad dem Stadt- und Landrehtsbuh Nuprehts v. Freyfing dem Kicdter 60 Pfund Pfennige zu geben oder mit dem Berlufte einer Hand zu büßen hatte, 5. Bienenreht im Mittelalter. Das mittelalterliche Bienenreht, auf germaniihem Boden erwahien, tritt uns nit als aeichloffenes Ganzes, auf gleihartiger Anfhauung gleihartig Entwideltes und gleihmäßig Gültiges entgegen, Tondern in vielfach zerftreuten Beltimmungen, welde durdfchnittlih mehr focalen Bedürfniffen entiprungen find und darum eine bunte Mannigfaltigfeit zeigen, immerhin aber im großen Ganzen der germanifhen Anfchauungsmweile entipreden. Das Recht zum Bienenhalten fcheint überall und zu allen Zeiten unbegrenzt gewefen zu fein und nicht blos dem Grundbefißer, fei’s Adeliger oder Freier, fondern auch deffen Sohn, Knecht oder Magd zugeftanden zu haben, während das Recht für den Betrieb der Bienenzudht und die Steigerung des aus ihm refultirenden Erwerbs befondere landes- oder gutsherrlide oder bäuerliche Privilegien zu benugen, nur den angeftellten oder den aeihwornen und erb- lihen Zeidlern oder den Gliedern beftimmter Bauernfhaften zufam, weldes Iegtere aus fol- gender Beftimmung im Recht der Sieben Freien Hagen, Art. 30 erhellen dürfte: Was foll der junge Bauer in der Bauerfchaft gänzlich zu genießen haben? Salz, Malz, Holz, Waffer in der Weide, das Honig in der Heide. Kücfichtlih der Aufftellung der Bienen wurde fchon frühe zur Sicherung von (Menfchen und) Thieren gegen Angriffe dur Bienen, fowie zum Schuße der leßtern gegen Schädigung dur Thiere, endlich wohl auch im Snterefle der Bienenweide gefehlihe Beltimmungen erlaffen über den Ort der Aufftellung, die Art des Schutes und die Entfernung der Bienenftätten von einander. Bei den gejeglihen Beltimmungen über das Befigreht an Bienen herricht häufig Unflar- heit über feßhafte Bienenvölfer und über Schwärme und bei den Ießtern vermiffen wir all- gemein den fcharfen und für die Beurtheilung der Rechtmäßigkeit der Befiganfprüde wichtigen Unterfchied zwijchen den eben ausgezogenen und nur vorläufig zum Behuf der Sammlung angejeßten und den durchaegangenen, auf der Wanderung anhaltenden Schwärmen. DE > Ueber das Befigreht an Hausbienen walteten, fo lange diefelben in ihren Stöden aus- und einflogen, wohl niemals abweihende Anfichten; fie gehörten demjenigen, welcher fie recht- lid erworben und an einem unbeftreitbar ihm zuftändigen Orte aufgeftellt hatte, als unantaft- bares Eigenthum zu. — Dagegen treffen wir rücjichtlich des Befißrechtes auf folhe Bienen, welche im wilden Zuftande, insbefondere au im wilden Walde gefunden wurden und fomit gewiljermaßen als herrenlos oder als Wild erfhienen (nad) dem Keihsiprühworte „die Biene ift ein wilder Wurm“), auf verfchiedene Anfchauungen, indem die einen Rehtsurfunden dem Finder, die andern den Beligern des Grund und Bodens oder den Herren den Befit ie Iprechen, die dritten beiden einen Antheil zuerkennen. Dod) ftehen im Allgemeinen die Ansprüche de8 Bodenbefißers denen des Finders vor, wenigftens bezüglich des Honigs (nah dem Redts- fprühmwort „Honig folget nicht den Bienen“). Bezüglih des Befibrehtes an Schwärmen trat wegen der Ylüchtigfeit und zeitweifen Heimatlofigfeit und, dem entfprechend, wegen der Unficher- heit des Habhaftwerdens die Berechtigung einer Auffaffung der Bienen als Fahrhabe, Wild, herrenlofes oder „gemeines" Gut fchärfer hervor; auch waren die Beziehungen verwidelter, da zu den Anfpüchen des Finders und Grumdeigenthümers noch diejenigen des Herin der Mutter ftöde, denen die Schwärme entftammten, jofern er ihnen nachfolgte, fowie die des fremden Nadı- folgers, bisweilen fogar aud des Anzeigers, fich gefellten und in zweifelhaften Fällen Beweis- und jelbjt Eidleiftungen nöthig wurden. — Schwärme, angelegt auf dem eigenen Grund und Boden des Befigers der Mutterftöce oder auf dem rechtlich zur Bienennußung ihm angewiefenen Gebiete, gehörten unbeftritten jenem an. — Begab fih aber ein Schwarm auf fremden Grund und Boden, jo ftand dem Befiger des Mutterftods zur Wahrung feines Befibanfprudes in der Kegel das Recht der Verfolgung zu, an welches fih das der wirklichen Befigergreifung anfchloß, der felbft wieder das der Berfeßung des Schwarms in feiner neuen Wohnung auf die von Jene ihm zugewiefene Stelle folgte. Innerhalb diefer drei Richtungen galten inde eine Menge verfchiedenartiger Beftimmungen, Bedingungen und Beihränfungen theils über- haupt, theils für befondere Fälle nach verfhiedenen Gegenden 0. — Beim gemeinen oder herrenlofen Schwarm galt im Allgemeinen der Grundfaß: „Wer ihn findet, def ift er.” Ward derfelbe auf feiner Flucht bemerkt, jo trat das Necht der Verfolgung, Befikergreifung und Ver: fegung für Fremde ein, abermals unter verfchiedenartigen Beftimmungen 2c. — Nach einläß- licher Prüfung der zahlreichen rehtlihen Beftimmungen über die Schwärme dürfte fih zunädhjft bezüglich des Verhältniffes zwifchen dem Befiger der Mutterftöde, von denen jene ausgezogen und dem Eigenthümer des fremden Grund und Bodens, auf den fie fi) begaben, heraus- ftellen, daß im Allgemeinen die Nechtsanfprüche des Exftern denen des Lehtern vorgehen, indem jelbft im fähftihen Weichbilde, welches dem Bodenbefiker ein näheres Anrecht auf einen folhen Schwarm zuerkennt, die Berfolgung und Befigergreifung durch Senen nicht völlig ausgefhloffen und der von ihm bereits eingefangene Schwarm ihm Ffeineswegs zu Gunften Diefes ftreitig g = Me gemacht wird. Beim herrenlofen Schwarm trat zwar der fremde Verfolger oder der Finder in die Nechte des Herren des Mutterftods, doch neigt fich hier die Wage fhon etwas auf die Seite des Bodenbefigers. Somit dürfte fih als lehtes Nefultat bezüglich des Befigredtes an Bienen für die germanifhe Anihauung des Mittelalters ergeben, daß 1. längere Zeit fhon angefiedelte Bienen vorzugsweife dem Gigenthümer des Grund und Bodens, 2. gemeine Schwärme, mochten fie noch frei hängend oder erft vor Kurzem eingezogen fein, vorzugsweife dem Finder, 3, vom Befiger der Mutterftöde dagegen verfolgte Schwärme vorzugsweife diefem zuzufprechen feien (in beiden lelten Fällen wenigftens mit billiger Berüdfihtigung des Erfaßes für den Schaden, den der Befier des Bodens bei der Befigergreifung auf diefem erlitt), — eine Anfhauungsweife, die dem gefunden Sinne der Gefehgeber des Mittelalters alle Ehre macht. In inniger Beziehung zu diefen drei Richtungen fteht e8, daß nad der erften, abge- fehen von betreffenden Schenkungen, Befibeftätigungen, Zehntenverleihungen und Ertheilungen des Privilegiums der Zeidelweide die Waldbienen und der Ertrag ihrer Thätigfeit dem Wald- eigenthümer zugehörten, weldhem, wie jede fonftige freie Benußung des Waldes, 3. B. die Jagd und die Weide, auch die Bienennußung zuftand und daß in einzelnen Verordnungen dem Lan= desheren das ausschließliche oder vorherrfhende Befikreht auf die Waldbienen feines Gebietes zugefprohen wird. Ebenfo erklärt fih nad der zweiten die Wahrung der Priorität des Fundes, in den beiden andern aber die Wahrung des Deeupationsrehts durch Bezeichnung der Fundftätte und in Fällen, in denen fi die Ansprüche nahe berührten, die Theilung der Bienen zwifchen dem Herrn des Mutterftods, dem Finder und dem Eigenthümer des Bodens, refp. Baumes, eine Theilung, melde an den Obftüberfall erinnert und auf ähnlichem Grunde beruht. Der Bienenbefiß war gegen den jedenfalls häufigen Diebftal (Noffedieb und Bienendieb erfcheinen im Mittelalter als aangbare Epitheta und ziemlich glei gravirend, obwohl der Bienendiebftal zu den Heinern Bichdiebftälen gerechnet wurde) wie gegen trüglihe Berlodung der Schwärme, gegen Beraubung der Stöde und gegen böswillige Schädigung möglichft ge fhüßt. Im falifhen und fähfifhen Nechte finden wir bereits fharfe Grenzen gezogen zwifchen Diebftal an Stöden, welche innerhalb der Were (des Berfchluffes oder der Umzäunung) qe= ftolen wurden; in jenem wird nody die Aufftellung unter Dad berüdfihtigt und unter jedem der beiden Haupttheile find in demfelben wiederum Unterfchiede feitgeftellt, theils nad) der Zahl der geftolenen Stöcke, theils nach dem Umftande, ob außer jenen no andere zurüdge- blieben waren. Das weftgothifche Aecht unterfcheidet dabei zwifchen Diebitalverfuch und wirk- lihem Diebital und in beiden Fällen wieder, ob das Vergehen von einem Freien oder von einem Knechte begangen war. — Die gefehlihen Strafen beftanden nad) dem falifhen Nechte außer dem Schadenerfaß und dem Lohn für die Anzeige, delatura (von welhem Worte wohl noch heute die in den zürcherifchen Gefegen übliche Bezeihnung des Anzeigers als „Laider“, = delator, abzuleiten fein dürfte) in Geldbußen, welche 15—45 Solidi zu 40 Denaren, alfo 600 bis 1800 Denare, nad dem longobardifhen Recht 12 Solidi oder den Werth diefer Summe betrugen. Ueber Lebteres fpricht fih Hüllmann in feinem Städtewefen des Mittelalters, Bd. 1, ©. 401 folgendermaßen aus: „In den fränfifchen Gefegen, Staatsverfügungen und Bolksrehten waren die Solidi nur eine Redhnungsmünze, worin der Werth der landwirthe hhaftlihen Erzeugniffe ausgedrüct wurde, die als Straffumme für einzelne Vergehungen oder Berbrehen geleiftet werden follten. — Bei den Sadhien war unter einem Solidus zu vers ftehen ein jähriger Ochs, wie er von der Weide in den Stall gebracht wird; bei den Bewohs nern des mittäglichen Theiles der Pandfchaft (Bortrini, Bortrenses) waren unter andern 20 Scheffel Roggen (Sigale, Secale) oder 1%, Sifeln (Siela, Siclus) Honig einem Golidus oefeßlich aleichaeftellt. Nach dem Nipuarifchen Rechte vertrat eine gefunde Kuh die Stelle eines Solidus. Bildlid) werden folche, in Erzeugniffen der Wirthfchaft beftehende, Zahlungsmittel auch wohl fchlehtweg Solidi genannt." — Das weltgothifhe Necht beftrafte den Diebitals- verfuch an Bienen beim Freien mit einer Buße von 3 Solidi und mit 50 Sieben, beim Knnechte mit 100 Hieben, den wirflihen Bienendiebftal bei jenem mit der Verpflichtung zu Machen Erfaß und 50 Hieben, bei diefem mit der Forderung des Kfahen Erfaßes und verpflichtete bei der Weigerung feines Herrn, Genugthuung zu leiten, diefen zur Ueberlieferung des Knechtes in den Dienft des Gefhädigten. — Nady dem fähfiihen Nechte wurde der Bienendieb, wenn er fein Verbrechen innerhalb der Umzäunung verübt hatte, zum Tode, wenn’s aber außerhalb derselben gefchehen war, zum Ifachen Erfae des Werthes verurtheilt. Auch das Stadt und Sandrehtsbuh Auprehts von Freyfing verhängte über den Dieb von Bienen mit den Stöden oder ohne diefelben oder des Honigs aus denfelben den Tod durd den Strang, während in den Rechten der Zeidler der Diebftal an jedem bevölferten Stod mit 30 Schilling Haller, an jedem Schwarm mit 5 Pfund und 5 Schilling Haller gebüßt wurde. — Dem eigentlichen Bienendiebftal wurde das Aufftellen von Lodkhuven oder Locftöden, unbevölferten Stöden mit den Bienen angenehmen Stoffen, Würze, vielleicht auch mit Wahsbau zum Anloden fremder Schwärme, gleich geachtet, daher die alten Gefete der Schweden und Gothen denjenigen, welcher in einem Walde beim Tragen von Würze in einem Gefäße zum Anloden der Bienen ergriffen wurde, mit drei Mark büften, während nad dem Wefterwold’fchen Landrechte die Strafe für das Aufftellen von LFochuven der Tod war. Der Erbreder von Bienenftöden follte nad den Kechten der Zeidler aleich einem Kirchenbreher beftraft werden. — Bielleiht zu den Raub- verfuchen, vielleicht aber auch zu den Berfuchen böswilliger Schädigung wurde in den Rechten der Zeidler das Erfteigen der Beuten gerechnet. Das Erfteigen leerer Beuten wurde auf und ab mit einer Buße von 10 Pfund Haller, dasjenige befegter Immen dagegen, fofern der Schul- dige darunter blieb, mit 60 Pfund Haller, wenn er aber dazu oder darüber fam, mit dem Ber- fallen von Leib und Gut an die Herrfhaft gebüßt. Außerdem gehörte zu den Schädigungen eu das Umftürzen von Beuten und das Fällen von Wipflern (Buße 5 Pfund und 5 Schilling Haller), das Verhauen oder Umftürzen eines Bienftods (Buße ebenjoviel), das Abhauen von Trahtbäumen, wie Linde und Sader oder Salheim (Buße 10 Bund Haller), das Aufreißen und Dernichten der Anfaat von Trachtpflanzen für die Bienen auf verfoppeltem Lande (Buße 10 Pfund Haller). — Diefen Schädigungen wurde, wie vielfah aud heutzutage noch, in Folge von Unfenntniß des Bienenhaushalts und der Neigungen der Bienen, die Beraubung einzelner Bienenvölfer um ihre Honigvorräthe durch Bienen anderer Stöde, die fogenannte Näuberei, ohne Prüfung und Beichränfung beigefellt und die allermeiit ganz fchuldlofen Beliger der Raubbienen, Herger oder Hörger, verantwortlid gemadt und gebüßt für die Berlufte, welche andere Bienenhalter meilt in Folge eigener Fahrläffigkeit oder zwechwidriger Behandlung der beraubten Stöde erlitten hatten. Nah dem Stadt und Yandrehtsbuhe Nuprehts von Frey- fing hatte der Geichädigte Mehl auf die Käuber zu ftreuen, um fie auf dem Stande, dent fie angehörten, jofort zu erfennen, zur Fetitellung des Beweifes zwei Mann mit fich zu nehmen und den ihm zugefügten Schaden eidlih anzugeben; der Befiger des Raubftodes aber hatte den Schaden doppelt zu erfeßen und mußte überdieg dem Nichter eine Buße von 63 Pfund Pfennige zahlen. 6. Veränderungen im Stande der Bienenwirthihaft nad dem Mittelalter. Die großartigen Umgeftaltungen, welche, durd die Kreuzzüge, die Hervorbildung der ftädtifhen Gemeindewejen 2. vorbereitet, jeither auf allen Gebieten des menjchlichen Lebens, in Staat und Kirche, in Handel, Induftrie und Landwirthihaft, in Kunft und Wiflenfchaft bald jtürmifch, bald auf dem Wege ruhiger Entwidelung, immerhin aber in gegenfeitiger inniger Derfettung eingetreten find, fonnten auch die Bienenwirthichaft und Bienenfunde nicht unberührt lafjen. Die Reformation, auf Innerlichkeit des Glaubens’ gegenüber der bis dahin allzufehr vor- herrfchenden Aeußerlichkeit im Kultus dringend, verzichtete auf den blendenden Pichtglanz der Wahsferzen, verminderte in den proteftantifchen Ländern den Bedarf an Wahs und wirkte dadurd etwas bejchränfend auf deren Bienenkultur. Gleichzeitig gab fie durch Aufhebung der Klöfter in ihrem Gebiete. die VBeranlaffung unmittelbar zur Ablöfung der Bienen-, Honig- und Wahszinje und der betreffenden Zehnten an die geiftlihen Stifte, mittelbar zu derjenigen an die adeligen Grumdherren, regte dadurdh die Ablöfung der Zinfe und Zehnten überhaupt an und gab damit den eriten Anftoß zur Löfung der Hörigfeit und Peibeigenfchaft, wozu auch die Bauernfriege das Ihre beitrugen, wenn fchon diejelben mit der Niederlage der Aufftändifchen endeten. Mebrigens wiederholte jih die Aufhebung der Klöfter aus humanen und focialen, Era ee politifchen und dynaftifhen Rüdfichten auch in Fatholifchen Ländern mit ähnlichen Erfolgen, fo unter Zofeph I. in Defterreich, während der Aevolution in Frankreich, während der Napoleo- nifhen Herrfchaft über Europa und feither aud) anderwärts. ine mehr direete Beihränfung erlitt die Bienenwirthichaft durch die verfchiedenen dynaftifhen, Keltgions- und Revolutions- fümpfe, namentlich dur) den die deutfchen Yänder bis ins Mark verheerenden und auf lange Zeiten empfindlich nahmwirkenden dreißiagjährigen Krieg. Langfamer, aber nicht minder intenfiv, wirkten die Umgeftaltungen im europäischen Handel. Während die frühern Handelswege von den Küftenländern der Nord- und Dftfee und von denen des mittelländifhen Meeres nad dein Binnenlande und dur dasselbe in Folge der Ausbreitung der mufelmännifchen Herrichaft, der Religionskriege im Herzen Europa’s, der Begründung mädtiger Staaten im Welten, Norden und Dften eine durchgreifende Veränderung erlitten, wurden durd) die Entdefung Amerifa’s, die Auffindung des Seewegs nad Dftindien und durch die Erdumfegelungen dem Handel neue Bahnen eröffnet; neue Yänder und Bölfer betheiligten fih an Handel und Perfehr und gefellten fid zu den bisher in diefer Beziehung thätigen oder traten an deren Stelle; endlich wurde in unfern Tagen durd Dampfichifffahrt und Eifenbahnen, durd) Handelsverträge und Freihandel der innigfte Wechfelverfehr zwischen allen Bölfern der Erde angebahnt. Entipredend diefer Bewegung des Handels traten zu den frühern Handelsproducten und den induftriellen Erzeuaniffen aus jolchen in ftets fi mehren- der Jule und Meannigfaltigkeit entiprehende aus andern Kichtungen oder neue, von denen mande im Laufe der Zeit jene mehr oder weniger erfeßten oder auch verdrängten. So gefhah’s mit dem Wache, welches jpäter aus andern Yändern in namhaften Mengen eingeführt, allmälig aber auch durch andere, theils nahe verwandte Stoffe, wie die Pflanzenwadhfe von Palmen und Sageln (und aus dem Milchfafte des Kuhbaums), theils auch durd andere nur in einzelnen Beziehungen dem Wachs entfprechende Surrogate, wie Harze, Kautfhuf und Guttaperda, Vette, Wallrath, Stearin und Baraffın, verfchtedenartige fette und ätherifche Dele, namentlich Steinöl, Leuchtgas 20. erfeßt wurden. Mit dem Handelsverfehre verbanden fi die Verfude, werthvolle Pflanzen (und Thiere) über ihre engern urfprünglichen Berbreitungsbezirfe hinaus in geeigneten Lagen anzufiedeln, möglihft im Großen zu fultiviren, zum Theil aud die von ihnen gewonnenen Producte in Erzeugniffe umzuwandeln, welde eine für die Spedition gün- ftigere Form darboten. So geihah e8 mit dem Zuderrohr, welches von Aiten her über Aegypten, Cnypern, Sicilien, Malta, die fanarifchen und antillifchen SInfeln nad dem füdfihen Theile Nordamerica’s, nah Südamerika 20. verbreitet ward und dur den aus ihm erzeugten Kohrzuder bald dem Honig und den aus ihm hbergeftellten Erzeugniffen em- pfindlihe Coneurrenz machen follte. Vermehrt wurde die Concurrenz mit heimifchem Honig und Meth durch die ftetig fi mehrende Einfuhr von Südfrüchten, geiftigen Getränfen, Kaffee, Thee und Gacao, abgefehen von dem fremdländifhen, befonders überfeeifchen ea Honig; gleichzeitig aber entwidelte fih eine foldhe felbft in dem engern Gebiete derjenigen Länder, in denen bisher die Bienenwirthfhaft in Blüthe geftanden und die mit ihrer Mafje von Honig und Meth zum großen Theile den eigenen und fremden Bedürfniffen im Haufe und im gefelligen Leben genügt hatten, dur) die Vermehrung des Wein, Obit- und Getreide: baues, durd Obft, Obftfäfte und Confitüren und dureh die Darftellung von Wein, Cider, Bier und gebrannten Waffern, endlich noch dur die Runfelrüben- und Kartoffeleultur, erftere zur Fabrication des Aunfelrübenzuders, Tektere zum Theil zur Gewinnung des Traubenzuders aus Kartoffeln und zu derjenigen des Kartoffelbranntweins. Zu diefen Umgeftaltungen, welche das nahezu gänzlihe Eingehen der Methbrauerei veranlafte, gefellten fih in Folge des Be- völferungszumadhfes und in Folge vielfadher induftrieller Unternehmungen, der Dampfidiff- fahrt, Eifenbahnen 2, größerer Holzverbrauh und Beihränfung des Waldareals zu Gunften landwirtdichaftliher Zwede, insbefondere des Akferbaus und der Biehzuht, Torgfältigere Be- nüßung, intenfivere Bearbeitung und Berbefferung des Bodens durch Zuziehung der Weiden, Aufgebung der Brade und Einführung der Wechfehwirthihaft, Herbeiziehung neuer Futter, Nahrungs-, Del-, Gefpinnft- und Färbepflanzen, Verbreitung der Öartenceultur, Drainirung der Sümpfe 2c., wodurd insbefondere die Bienenweide, namentlid) mit Bezug auf die Dauer der Tracht vielfach geändert, die Waldbienenzucht aber und das auf fie begründete Snftitut der erblihen und gefhworenen Zeidler aufgehoben ward. — Uebrigens entzogen alle diefe Umge- Haltungen der Bienenwirthfhaft vielfach die nöthigen Kräfte, die nöthige Beachtung und Une terftüßung, bewirkten eine Minderung des Beftandes an Ständen und Stödfen, befhränften die Zahl der Bienenwirthe, erzeugten zum Theil bei den legtern felbft ein Srrewerden in Be- urtheilung der Berhältniffe, eine Gleichgültigfeit gegen die Sortjchritte in der Kulturmethode, Bequemlichkeit, Rückjchritt im Wiffen und Können und in Folge von dem Allem Minderung des Ertrags, dadurh aber Miftrauen in die Ertragsfähigkeit. Wenn fi die Bienenwirthichaft troß dem erhalten, neuerdings in Europa einen merflichen Auffhwung genommen (die Schweiz zählt jeßt über 160,000 Bienenftöge) und neben größerer Beadhtung au Fräftigere Unterftüßung erworben, in. andern Gontinenten aber Einführung oder weitere Verbreitung gefunden hat, fo rührt dDieß von verschiedenen Umftänden her. Immer nod war die Nahfrage nah Honig und Wade in gewilfem Maafe geblieben, ja fie hat fich), wohl in Folge der gefteigerten Anfprühe an Lebensgenuß fowie in Folge mannigfaherer Ver: wendung diefer Stoffe, beträchtlich vermehrt; es ergiebt fih das daraus, daß außer dem heimi- fchen Honig jährlich bedeutende Mengen (in der Schweiz allein über 3000 Zentner) von außen her eingeführt und daß überdieß namhafte Quantitäten von Habrifhonig, vorherrfhend aus Zuder und Waffer unter Zufat von etwas Honig (und Wahs) erzeugt und (in der Schweiz unter dem Namen Appenzeller Honig) theils in Gaftz, theils in Brivathäufern abgefeßt werden (ein Mißbraud, welhem nur duch das Verlangen nad) Honig in Waben gründlic abgeholfen 5 a werden fann); und daß auch beim Wachfe Vermengung mit Surrogaten verfchiedener Art nicht jelten ift. Für den Abfat diefer Vroducte, welcher bei fporadiich gewordener Bienen wirthfchaft ziemlich erfchtvert und bei der vorherrfchenden Vermittlung durh SImbelimannen und Trooftmannli nicht eben vortheilhaft war, gewinnt man allmälig fichere Abzugsfanäle; dem eigentlihen Handel aber fommen die zahlreichen neuen Verkehrsmittel trefflih zu Statten. KRüdfihtlih der Ertragsfähigfeit hat fich ergeben, daß die Bienenwirthfchaft mit derjenigen der ergiebigiten Erwerbsquellen fi Ted meffen darf, vorausgefeht, daß diefelbe den veränderten Berhältniffen und der Natur der Bienen entiprehend umfichtig und thätig betrieben wird, da die Korbbienenzucht unter diefen Bedingungen einen Neingewinn von 25 %,, die Bienenzudt in Stöden mit beweglihem Bau beträchtlih mehr abwirft. In nationalöfonomifcher Hinficht hat fie fih befonders dadurch Beadhtung erworben, daß fie geringe Kapitalanlage und Unter: haltungsfoften, wenig Pla und unbedeutende Zeitopfer verlangt, daher fie fich, was befonders betont werden muß, auch für den minder Bemittelten, ja Aermeren, eignet und für diefen einen glücklichen Nebenerwerb bildet, der in Fleinerem Maaße betrieben feinem Berufe die Arbeits- fräfte entzieht. Als befonders beachtenswerth hat fich ferner herausgeftellt, daß der Betrieb der Bienenwirthichaft, weit entfernt, irgend welche Kulturen zu beeinträchtigen, durd; Wermitte lung der Blüthenbefruchtung von Seiten der Bienen den Ertrag des Obitbaues und des Anz baues von Pflanzen, welche der Frucht oder des Samens wegen cultivirt werden, erhöht und daß ihr eigener Ertrag auf Ausbeutung einer unerfhöpflihen und zu gewiffen Zeiten geradezu im Uebermaaße hervorsprudelnden Segensquelle der Natur beruht, welche ohne die Biene dem Menjchen fpurlos verloren gienae. Weiter hat man mit Neht das volfsthümlich bildende und moraliihe Moment der Bienenwirthichaft hervorgehoben, da man die Erfahrung gemadt, daß fie in ihren Pflegern Luft und Liebe erwedt, Belehrung zu Juchen und zu bieten, bei ihren reihen Beziehungen ein auch nad andern Kichtungen brauchbares Wilfen und Können be> gründet, zum Denfen, zu plans und zwedfmäßigem Handeln erregt, den Blid fihert, die Geiftes- gegenwart übt, an Drdnung und Keinlichkeit, Geduld und Ausdauer, Selbitbeherrfihung und Thätigfeit gewöhnt, den Sinn für Gefeglichfeit und Schönheit pflanzt, zu Häuslichkeit und Genügfamkeit führt und das Bedürfnif reinerer, inhaltsvollerer und nachwirfender Freuden gründet. — Da aber der Gegenftand ihrer Pflege von ungemeinem und unerichöpflihen In= tereffe ift, fo erklärt fich zur Genüge die Thatfahe, daß ih Männer (und Frauen) aus allen Schichten der Gefellihaft, von allen Berufsrichtungen und VBermögensumftänden, fowie von allen Bildungsftufen aus den verfchiedenartigiten Beweggründen mit ihm befhäftigen, mande fogar im eigentlichen Sinne de3 Wortes ihm das Leben weihen, daß mande Zeitichriften aus: {chlieglih der Bienenfunde und Bienenpflege dienen und daß zahlreihe Vereine beide zu heben und zu verwerthen juhen, — woraus fid) nothwendig die großartigen Fortichritte in Theorie und Praris ergeben, nah denen das Leben der Bienen und ihre Beziehungen zur Natur ern. ee fonnenflar zu Tage liegen und ihre Behandlung durd eine der Gründe und der Ziwede fi bewußte Methode geregelt, erleichtert und gefichert it. Schon vor 72 Jahren wurden diefe Fortichritte in beiden Richtungen in großartiger und umfafjfender Weife angebahnt; das Licht aber , welches in das vorher für undurddringlih gehaltene Dunfel gebracht ward, verdanfen wir vor Allen einem Erblindeten, welder durh Wilfensreihthbum und Gemüthstiefe, durd lebendige Phantafie und Fritiihen Verftand, durd Wahrheitsfiebe und Willenskraft fi gleich- jehr auszeichnete, als Beobadter und Forfcher, Erfinder und Erperimentator einen hervor- ragenden Ruf fidh erwarb, dabei aber eine adhtunggebietende Gerechtigkeit in Anerkennung der Berdienfte Anderer „und eine liebenswürdige Beicheidenheit in Würdigung der feinigen bemwahrte. drangois Huber von Genf, geboren den 2. Zuli 1750, gejtorben den 22. Dec. 1831. „Neue Beobahtungen über die Bienen“, dieß ift der Titel des Werkes, welhes Huber’s Namen verewigen und für weitere Fortichritte in der Bienenfunde und Bienenzudt eine fefte Grundlage werden jollte. Die Befruchtung der Königin fowie die wichtigften Züge aus dem Bienenleben und der Bienenznht bilden den Inhalt des eriten Bandes, welcher, in Form eines Briefwechfels mit Bonnet, 1792 zu Genf, von einer furzen Abhandlung über die Bienenzudt aus der Feder eines Ungenannten begleitet, 1796 zu Paris erfchien. Die Unterfuhungen über den Zebenbau und phyliologifhe Beobahtungen über die Bienen nebft einer foldhen über den Todtenfopf erfchienen 180% erit für fih als zwei befondere Abhandlungen in der Biblioth. britann. (Sc. et arts XIV. et XXVIL), jpäter aber, Genf 1814, wurden fie, erweitert, umge- arbeitet und mit neuem Stoffe bereichert, der zweiten Auflage der „Neuen Beobadytungen“ an- geichloffen und bildeten deren zweiten Band. Die Verfolgung des Inhalts diefes merfwür- digen Buches von feinem Anfang bis zu feinem Ende "gewährt einen eigenthümlihen Genuß und es dürfte auch für die Lefer diefes Neujahrsblattes nicht ohne Sntereffe fein, denfelben mit mir zu verfolgen, um fich ein richtiges Urtheil von deffen Bedeutung zunädhit für die Bienenkfunde, weiter aber für die Naturfunde überhaupt zu verfchaffen. Als Huber feine Beobadhtungen über die Bienen anftellte, war er blind und dennod wagte er fich, geftügt auf das gründliche Studium der hervorragendften Werke über diefe Thiere, fo namentlich der trefflichen Arbeiten Smammerdam’s, Reaumur’s, Bonnet’s u. W., an die Löfung von Fragen, welche vor ihm von ausgezeichneten fehenden Forfchern vergeblich verfucht worden war. Er fonnte dieß mit vollem Rechte; hatte er do in die Zeit des dichten Dunfels, weldes feine Augen verhüllte, eine folide wifjenichaftlihe Grundlage, die Liebe zu den Wiffen- a ichaften und den Drang zu wiffenschaftlihen Forschen gerettet; hatte er dody in feinem treuen Grancois Burnens, der allmählig vom einfahen Diener zum Vorlefer , fpäter zum Se- eretär und endlich zum Mitarbeiter und Freunde Huber’s fi) emporgearbeitet, fich gewiffer- maßen ein zweites Ich herangebildet, welches mit hellfehenden Augen, glükliher Faffungs- gabe, fcharfem Berftande, gefchiefter Hand und begeifterter Theilnahme 15 Jahre hindurch ge- meinfam mit ihm der Erforfchung deifen fi) hingab, was ıhm felbft am Herzen lag und durd unermüdlihe Ausdauer, gewandte Behandlung, Furchtlofigkeit und Geiftesgegenwart, Klarheit in Auffaffung und Darlegung wie in Wahrheitsliebe fid) folches Vertrauen erworben, daß Huber auf Das, was Burnens gefehen, bauen zu dürfen gewiß war; ftand ihm doch der ausgezeichnete Naturforfher Bonnet mit Anregung, Belehrung und Kath fürdernd bei. Um bei feinen Beobahtungen möglichtt richtige Nefultate zu erhalten, conftruirte Huber auf Bonnet’3 Anregung feinen flahen Stod, beitehend aus einem einzigen Rahmen mit einer in ihn gefaßten Wabe, abjchliegbar zu beiden Seiten durd eine Glastafel, auf welder jede einzelne Biene, jede einzelne Zelle betrachtet werden fonntee Huber aber blieb dabei nicht ftehen. Um den Bienen den natürlih ihnen zufommenden parallelen Wabenbau zu bieten, feßte er aus einzelnen Rahmen mit eingefeßter Wabe feinen Budh- und Blätterftod zufammen, verband die Kahmen durch Eharniere fo, daß der Stod zwifchen je zwei beliebigen Rahmen aufgefhlagen, zugleih auch jeder NHahmen herausgenommen, durd einen andern erjeßt oder durh Einfchaltung eines oder mehrerer neuer Nahmen von feinem urjprüngliden Nadbar entfernt werden fonnte. Der Seitenfhlußg mit Glastafeln blieb wie beim flahen Stod. Mit dem Budftode war der beweglihe Bau, mit dem Einfaß der Waben indefjen Kahmen die Ausftattung deffelben mit Vorbau gegeben und die Anftellung gründlicher Beobahtungen und Forfchungen ermöglicht. Außer dem flahen und Budhitode, welche oft neben einander zur fihern Controle und Ergänzung derfelben gebraucht wurden, verwendete Huber im Laufe der Zeit je nach der Berfchiedenheit der Zwede Glasgloden oder eigens conftruirte und mit befondern Vorrihtungen ausgeftattete Wohnungen, bevölferte fie und ließ die Beobachtungen 2e. je nad) der Natur des zu erzielenden efultates bald vor dem Stode und durch die Glaswände, bald im Innern deffelben zwiihen den aufgejchlagenen Kahmen oder in befondern Fällen in eigens conftruirten Stöden mit abnehmbarer Dede (die entweder ganz aus Glas oder aus abwechlelnden und von einander trennbaren Stüden von Glas und Holz beftand) von oben herab oder (durd) Glas) von unten herauf, bald an den einzelnen herausgehobenen oder emporgefehraubten Waben anftellen 2e., öfter wurden die Bienen von einem Stod in einen andern verfeßt und in verfchiedenen Fällen gefchah dieß in der Weile, daß Biene nad) Biene ergriffen und erft nach genauer Unterfuhung in den andern gebracht wurde und vielfach wurden aud nur die Königin oder die Drohnen zur Söfung beitimmter Fragen unter den Bienen ausgefucht, entfernt oder verjeßt. vn Huber’s Beobadtungen und Unterfuhungen find bezeichnet durch die forgfamen Vor: ftudien des fchon vorhandenen Materials, dur die umfichtige Weberlegung und fcharffinnige Yeititellung der zu treffenden Vorbereitungen und des bei denfelben einzufchlagenden Ganges, dur die Beitimmtheit der geftellten Aufgaben, durd die Ein- und Umficht bei deren Löfung, durch die Borfiht beim Ziehen der Schlüffe aus den beobadteten Thatfahen und durd das ftete Beftreben, den richtigen Zufammenhang in der Mannigfaltigfeit der Erfcheinungen zu er mitteln und eine höhere und allgemeinere Anfhauung zu gewinnen. Nirgends findet fi eine Spur, daß er mit vorgefaßter Meinung an feine Arbeiten gieng und häufig tritt fichtlich feine große Freude zu Tage, wenn es ihm vergönnt war, die Richtigkeit der Forfchungsergebniffe Anderer nadhzumeifen; erit nad) Wiederholung der von Andern gemachten Verfuche lieh er fih, falls er noch Zweifel hatte, zu eigenen Berfuhen beftimmen, vermied dabei ängitlih alle die Umstände, welche geeignet waren, Zrugihlüffe zuzulaffen und ganz in der gleichen Weife verfuhr er da, wo er auf vorher unbetretener Bahn fi) befand. Was aber feine Arbeiten in hohem Grade belehrend und für alle Zufunft maßgebend madht, das ift die genaue lebendige Schilderung feines Gegenftandes, des Gedankenganges, defjen enticheidender Act der Verfuh war, jowie des leßtern in der juccefjiven Entwidelung durdh alle Einzelnheiten hindurd bis zur Seftitellung der aus ihnen gezogenen Refultate. Dadurd find wir in den Stand gefeht, beim Lejen des Werkes uns jederzeit eine Hare Vorftellung von dem Mitgetheilten zu maden und, wo es uns nöthig erfcheint, den Berfuch in gleicher oder abgeänderter Weife zu wieder: holen. Was fie aber befonders anregend und zum erhebenden Beifpiele geftaltet, das ift die Beharrlikeit bei allen Schwierigfeiten und Hinderniffen und die findlihe Freude über jede neue Entdedung, die für ihn felbjt wieder die Bafıs und den Antrieb für neue Yorfhungen bildete. Die in dem Werfe mitgetheilten Vorarbeiten und Beiträge Anderer übergehend, be- fchränfe ih mich einzig auf einen furzen Ueberblid der Huber’shen Arbeiten jelbit. Die Reihe der Beobahtungen und Yorjhungen beginnt Huber mit der Befrudtung der jungen Königin und er fommt hier zunädjft in der wichtigen Entdefung, daß diefelbe außer: halb des Stodes, wenn gleichzeitig Drohnen fliegen, durd eine folhe in der Luft aefchieht, daß leßtere von den Befrudhtungsausflügen fchlieglih mit mehr oder weniger deutlihen Ans zeichen des Erfolgs zurücfehre und dann nad etwa zwei Tagen (nad) 46 Stunden) die Eier- lage beginne. Er fand dabei, daß die Königin nur duch frühzeitige Befruchtung befähigt werde, auch Eier zu legen, aus denen fich Arbeiter entwideln fönnen, während eine über einen beftimmten Termin (über den 21. Tag) hinaus verzögerte Befruchtung in folder Weife um- ftimmend auf diefelbe einwirkt, daß aus fämmtlihen Eiern nur Drohnen fid entwideln. Die rechtzeitig befruchtete Königin legt im aleihen Jahre (gewöhnlich) nur Arbeitereier, die zu jpät befruchtete fofort Drohneneier und nur foldhe, eritere jeßt ihre Eier auf den Boden, leßtere an den Seitenwandungen der Zellen ab, erftere wählt zur Ablage einer jeden befondern Art von BAR Eiern befondere Zellen, leßtere befeßt mit ihren Drohneneiern nit etwa bloß die ihr zu Ge- bote ftehenden Drohnenzellen, fondern ebenfo Arbeiter und füniglihe Zellen und die Arbeiter beforgen die daraus hervorgehende Drohnenbrut jo, als ob fie dem verfchiedenartigen Charafter der Zellen entipräche, in denen fie fih befinden. Huber lieferte jodann den Nachmeis für die Kichtigfeit der Schiradh’fchen Entdedung, daß die Bienen nad) Verluft ihrer Königin und zu einer Zeit, da Arbeiterbrut im Stode vor- handen ift oder wenn foldhe ihnen geboten werden fann, aus Arbeiterlarven Königinnen (Wade fhaffungsföniginnen) zu erziehen vermögen und wirklich erziehen. Sie erreichen dieß durd Darreihung reihliheren und befjeren Futterfaftes und durh Aufbau einer geräumigen, im Innern drehrunden, jchlieglih abwärts gerichteten und didwandigen Zelle Nahichaffungs- weiferzelle) um jede der zur fpecifiihen Aufzucht gewählten Larven herum. Zur Aufzucht felbft folte nah Schirad ein Alter der Larven von 3 Tagen, von ihrem Ausfchlüpfen aus dem Eie gerechnet, erforderlich fein; Huber dagegen fand, daß diefelbe Schon mit einigen Stunden alten Arbeiterlarven gelingt. Ebenfo bewies Huber die Richtigkeit der Kiem’fchen Entdekung, daß in einzelnen Bienenftöden Arbeiter auftreten, welche zwar entwidelungsfähige, aber (wie bei zu fpät befruch- teten Königinnen) nur zur Entwidelung von Drohnen führende Eier legen. Sm diefen eier- legenden Arbeitern fand Burnens je zwei Eierftöcde, wie bei der Königin, aber in einem viel weniger entwidelten Zuftande und namentlid aus viel weniger röhrigen Eifträngen zufammen gefeßt. Bon drohnenbrütigen Königinnen unterfheiden fi diefe Aftermütter, abgejehen von den Abmweidhungen im Körperbau, befonders dadurd,, daß fie gewöhnlid in Mehrzahl, nicht wie jene in der Einzahl im Stode auftreten und ihre Eier ausfhlieglid in Drohnenzellen und nur bei Mangel an foldhen in Arbeiter- oder königlichen Zellen abjeßen; aud erfcheinen fie nur in weijerlofen Stöden, in welchen Königinnen erzogen wurden und gehen da ftets aus Arbeiterzellen hervor, welche in der nächlten Umgebung der Weiferzellen liegen, woraus Huber Ichließt, daß fie als Larven etwas föniglihes Futter erhalten und dadurd einen höheren Grad der gefchlehtlihen Ausbildung erlangt haben. So war denn erwiefen, daß nicht eine urfprüngliche Differenz im Wefen, fondern eine einfahe, aber normale Abweihung ftoffliher und räumlicher Einwirkungen bei der Erziehung dort zur Entwidelung einer fruchtbaren, einzig zum Eierlegen befähigten Mutter führt, hier zu derjenigen eine3 zwar no ammenartig zur Brutpflege, nicht aber zur Fortpflanzung des Ge- fchlechtes befähigten weiblichen Wefens führe, welches indeß für diefen Verluft reichlich ent= Ihädigt wurde durd eine Organifation, die es zu Kunftfertigfeit, Sammelthätigfeit und man- hen andern auf das Wohl der Gefammtheit abzielenden Berridhtungen gefhidt madt; und weiter hatte Huber Grund anzunehmen, daß abnorme, einfeitig ftofflihe Einwirfungen bei der Erziehung zu der Entwidelung jener Aftermütter führen, weldhe im Widerfprudhe mit ihrer a — äußern Organifation und den diefer entfprehenden Functionen einen gewilfen Grad von Fort: pflanzungsfähigfeit erlangen, ohne indeß, und darin ftimmen fie mit den zu fpät befruchteten Königinnen überein, diefe Aufgabe in ihrem ganzen Umfange erfüllen zu können. War bei ihnen der weibliche Charakter durch die Auffindung der Eierftöde auch anatomisch nachgewiefen, fo war immer nod diefer Nachweis auch bei den gewöhnlichen Arbeitern zu leiften. Aud) diefe Lücke follte erfüllt werden. Schwarze, fiher durch Verfolgung, am Bruftitüde haarlofe Bienen, jedenfalls Aftermütter, waren e8, welche zeitweife aus einem fonft weiferrichtigen Stode vertrieben, Hubers Aufmerkfamfeit erregten. Die Unterfuhungen aber, von diefen auf die normalen Arbeiter ausgedehnt, führten fchlieglih zu dem Refultate, daß alle Arbeiter Eier: ftöde, freilich von äußerft geringer Entwidelung, zeigen und wurden ausgeführt von Fräulein Zurine, der Tochter eines verdienten Naturforfchers, welche, mit Hubers Haufe befreundet, mit liebenswürdiger Bereitwilligfeit demfelben ihre Kenntniffe und Gefchidlichfeit wiederholt zur Verfügung ftellte. Im zweiten Abfchnitt fpriht Huber von der tödtlihen Eiferfuht der Königinnen gegen einander fomwie gegen die in Weiferzellen der Keife zufchreitende föniglihe Brut, von den Kämpfen der ausgebildeten Königinnen unter fih und von dem Verhalten der Bienen bei den- felben, fowie von der übeln Aufnahme von Königinnen, welche ihnen beigefeßt werden, ehe das Gefühl des Berluftes der angeftammten Königin allgemein empfunden und deren Erfen- nungsmerfnale gewiffermaßen vergeffen find. Er berichtet dann von dem Loofe der Drohnen welches denfelben alljährlich durch die Arbeiter bereitet wird, wenn die Befruchtung der jungen Königinnen im Allgemeinen erfolgt ift, jene daher entbehrlich geworden find und dem Haushalte durch fernere Zehrung an den eingefammelten VBorräthen nur fhädlih zu werden vermögen. Er verbreitete fih dann über die Eierlage der Königin, die Dauer des Eizuftandes und die Entwidelungsdauer der Arbeiter, Drohnen und Königinnen vom Ausfhlüpfen der Larpe aus dem Ei an bis zum Dedeln der Brutzelle und von diefem Vorgange bis zum Auslaufen der jungen Bienen aus den Zellen; er berichtet über das Verhalten der Bienenlarven beim Spin- nen ihrer Cocons in der gededelten Zelle, über die fchichtenweife Uebereinanderlagerung diefer Ge- fpinnfte bei jedesmallger Benüßung der Zelle zu neuer Aufzucht von Bienen und über deren Folge, die allmälige Verengerung der Zelle und fchliegt daran eine Betradhtung über den Ein- fluß der Größe der Zellen auf die Größe der in ihnen auferzogenen Bienen. E8 folgt nun= mehr eine einläßlihe Schilderung über die Bildung der Schwärme. Wenn die Bienen eines Stodes im wärmern Frühlinge in Ueberzahl fich vermehrt haben und die Königin die Drohnen- eierlage begonnen hat, dann legen die erftern an den Rändern der Waben, bejonders unten, BWeiferzellen (Schwarmweiferzellen) an, welche die Königin mit je einem Eie bejeßt. Die Königin, welche nunmehr die Eierlage einstellt, und allmälig dünnleibig und zum Fluge ge- ihiet wird, geräth, bei Herannahen der Keifezeit der füniglihen Brut, da fie von den Bienen u ae verhindert wird, die Weiferzellen aufzureißen und die darin befindlichen Nebenbuhlerinnen zu tödten, in große den Bienen fi) mittheilende Aufregung, in deren Folge die Wärme im Innern unerträglih wird und verläßt Shlieglih mit einem Theile flugfähiger Bienen für immer den Stod, Mutteritod, um eine neue Kolonie zu begründen. Diefer Schwarm, der Borfhwarm, wird von der alten fruchtbaren Mutter begleitet und fammelt fih vorläufig zu einer Traube, ehe er feiner neuen Wohnung zufliegt. Nach Abgang des Borfhwarms fann fi das Schwärmen wiederholen und die Nahfehwärme find jtets im Belike junger noch unbefruchteter Königinnen; wird das Schwärmen eingeftellt, fo werden die überzähligen jungen Königinnen nicht mehr von den Bienen gefhüßt und alle bis auf eine fallen der gegenfeitigen Eiferfucht zum Opfer. Weiter fpriht Huber über das gänzlich veränderte Benehmen von Königinnen, die man beider Fühler beraubt hat und über das gleichzeitig in gewiffem Grade veränderte Verhalten der Bienen gegen diefelben und fchliegt mit praftifchen Anmeifungen über die Bienenzudt in feinen Budftöcken bezüglich des Einbringens von Schwärmen, der Bildung fünftliher Schwärme (dur Theilung und Beranlaffung der Bienen zur Erziehung von Nahfchaffungsköniginnen), der Beranlaffung der Bienen zum Wahsbau 2c. Bezüglich des zweiten Bandes find folgende Bemerkungen nöthig. In der Zwischenzeit bis zum Erfcheinen der zweiten Auflage hatten fih Hubers DVerhältniffe mefentlich geändert. Bonnet, der fo viel zu feiner Ermunterung und Unterftüßung gethan, war gejtorben, ebenfo Senebier, der ihm Bonnets Berluft einigermaßen erjegen zu follen fhien; der treue Burnens aber war in den Schooß feiner Familie zurüdgefehrt und war bald darauf, dur das ehrenvolle Vertrauen feiner Mitbürger dazu berufen, einer der eriten Beamteten eines ziemlich beträchtlihen Diftrifts geworden. Unter folhen Umftänden war es ein Glüd für Huber, zur Fortfegung feiner Arbeiten durch die getreue Unterftügung feiner Gattin (fie war ihm Borlefer und Schreiber und ftellte für ihn Beobadhtungen an) und feines Sohnes Pierre befähigt zu werden. Lebterer trat bezüglich der Vorliebe für das Studium der Naturgefchichte in die Fußftapfen des Vaters und gab durd; fein gefeiertes Werk über die Sitten der einhei- mifhen Ameifen, Baris und Genf 1810, fowie durd) fein Memoire sur la chenille du hamac und weitere Mittheilungen über Bienen, Hummeln 2c., einen erfreulihen Beweis feiner treff- lihen Beobadhtungsgabe. Diefer beforgte denn aud im Auftrage feines Baters die Heraus- gabe des zweiten Bandes, nahdem er fi mit dem Gegenftande und der Methode feiner Bes handlung völlig vertraut gemaht und dabei reife Gelegenheit gefunden hatte, die Burnen$- fhen Beobahtungen aufs Glänzendfte beftätigt zu feben. < Wohl vorzüglich mit Bezug auf die erfte Abtheilung des zweiten Bandes, die vom Wadhs- und Zellenbau handelt, vernehmen wir von dem Sohne die bemerfenswerthe Thatiadhe, daß feinem Vater aus Thon gefhidt gebildete Modelle die Lüden ergängten, welche die mündliche Kede laffen mußte. ur — Huber felbft berichtet zunächft über den Abfonderungsapparat der Wahsblättchen (eine Bergliederung der Wadhstafchen, herrührend von Fräulein Jurine, folgt im fpäteren Verlaufe des Werkes), über die Bedeutung des Honigs für die Wahsabfonderung (des Vollen für die Ernährung überhaupt und für die Bereitung des Futterfaftes zur Aufzucht der Brut insbe- fondere), über die Aushebung der Wahsblättchen aus den Wahstafhen, deren Bearbeitung im Munde der Biene und über die Verwendung des Wadhsbandes zur eriten Anlage der Wachsleifte, welde, fucceffive von nahfolgenden Bienen nad abwärts zu einer Art von Blod vergrößert, die erfte Grundlage der Wabe bildet. Dann verbreitet er fi) über die Arciteftonif der fertigen Waben und wendet fih, auf diefe Grundlage fid® ftüßend, zu den Arbeiten der Bienen jelbft. Die Beobahtung derfelben ward dadurd möglich, daf die Bienen veranlafßt wurden und fi darein ergaben, ftatt abwärts aufwärts zu bauen, wobei fie nicht im Stande waren, durd) ihre zum dichten Plumpen vereinten hängenden Ketten den entftehenden und fortfchrei- tenden Bau zu verdeden. Beim Wabenbau theilen fih die Bienen in die Arbeit; die einen bereiten das Wachs, legen die Grundlage zum Wahsblod und vergrößern denfelben allmälig; die andern höhlen in denfelben Gruben aus, die weiter zum rhomboedrifhen Boden und der auf deffen Rändern fitenden jechsfeitigen Zelle umgeftaltet werden und das in fo beftimmter Ordnung, daß fchließlidh das Wunder von Baufunft vollendet vor unfern Augen liegt; nur die erite Reihe bildet dabei eine Ausnahme, indem ihre Zellen 5edig find und Böden befißen, die nit blos von denen der übrigen Zellen, fondern fogar auf beiden Seiten der Mittelwand von einander abweichen. Auch der Barallelismus der Waben und der Uebergang des Arbeiter: wachjes in Drofnenwahs und umgefehrt nebft den dabei vorfommenden Unregelmäßigfeiten nimmt feine Aufmerffamfeit in Anfprud. Weiter machte er die Entdefung, daß die Bienen befonders die Winkel und Mündungsränder der Zellen mit Klebharz oder VBropolis verftärken, ihre Wandungen damit wie mit einem Firnif überziehen und dadurd den Waben jene Ge- fchmeidigfeit und Biegjamkeit erteilen, welde fie frifh gebaut nod) nicht befigen; auch fand?er, daß die zum Anheften der Waben an der Dede und an den Seiten, oder wenn fie geftürzt find aud am Boden und an den benadhbarten Waben verwendete Maffe vorzüglid aus einem Ge- menge von Wads und Propolis und nur in denjenigen Fällen, wo Iettere nicht zur Ver- fügung ift, aus Wachs allein befteht. Dei den vorherrfchend phyfiologifchen Studien, deren Refultate im zweiten Abfchnitt des zweiten Bandes mitgetheilt werden, betheiligte fi der Phnfiologe Senebier, namentlich bei denen über die Athmung. Aus ihnen ergab fi, daß die Bienen, ihre Eier, Larven und Pup- pen (wie die höhern Thiere) Sauerftoff verzehren und Kohlenfäure erzeugen, daß fie in un- athembaren Gafen erftiden, in giftigen getödtet werden und daß eine Erneuerung der Luft im 6 a m . Innern des Stods nicht blos nöthig fer, fondern au erfolge. *) Lebteres geichieht mittelft der Ventilation, welche die Bienen dur Flügelfhwingungen bewirken, Huber aber nicht bloß nahmies, fondern fogar nahahmte. Bei Beitimmung des Sites der Sinne war er bezüglid desjenigen des Geruhes (im Munde) minder glüklih; dagegen find feine Beobadhtungen über den Gebrauch der Fühler bei einigen complieirten Berrichtungen der Bienen, wie bei der Er- fennung ihrer Königin und ihrer Stodgenoffen, bei den gegenfeitigen Mittheilungen, beim Drientiren im Dunfeln, befonders während der Arbeiten 2c., wieder von Bedeutung. — Den Schluß des zweiten Theiles und des ganzen Werfes bildet der Bericht über einen neuen Bienenfernd, welcher, wie auch neuere Beobadhtungen entjchieden nahagewiefen haben, des Honig- raubes wegen in die Stöde eindrinat, nämlich über den Todtenfopfihmwärmer. Huber’s Arbeiten erregten von ihrem erften Bekanntwerden an aufßerordentlihes Auf- fehen. Die Umftände, unter denen fie ausgeführt, die Ausdauer, mit der fie verfolgt worden waren, die Sicherheit, Beitimmtheit und unbezweifelbare Wahrhaftigkeit feiner Unterfuchungen und die unerwarteten Kefultate, die fie zu Tage förderten, fowie der meilt zierliche, angenehm und plaftifhe Styl in der Darftellung prägten ihnen den Charakter des Außergewöhnlichen, ja Wunderbaren auf, gewannen ihm aber auch die Anerkennung der ausgezeichnetiten Natur= forfcher feiner und fpäterer Zeit und machten feinen Namen durd) ganz Europa berühmt, fo daß Academien (fo diejenige zu Paris) und andere gelehrte Gefellfhaften es fih zur Ehre anrechneten, den großen und vorurtheilsfreien Naturphilofophen unter ihren Mitgliedern aufzählen zu dürfen. — Hierzu ftand freilih das Gebahren der Bienenzühter, denen Huber’s Thätigfeit doch zunächft zu Gute fam und die aus ihr unberehenbare VBortheile ziehen fonnten, im grelliten Eontrafte und diefem Gebahren ift es namentlich zuzufchreiben, daß fie, wie Baftor Kleine in feiner, von trefflihen Zufäßen begleiteten, Weberfeßung des Huber’ihen Werkes, Einbed 1859, bes zeihnend fagt, für wie Bienenwiffenfchaft und Bienenzudt falt ganz verloren gieng. Hören wir Kleine weiter: „Wie auffällig das au fcheinen mag, fo erklärt e8 fi) doch leicht daraus, daß eben unwiffenfhaftlihe Männer, die man um einiger praftifchen Fertigkeiten willen al® die Choragen der Bienenzüchter anzufehen fi gewöhnt hatte, die fich aber in der Beihränktheit ihrer vorgefaßten Meinungen nicht zu den Fichten Höhen der Huber’fhen Anjhauungen zu erheben vermochten, fih über den blinden Forfcher zu Gericht feßten und das vernichtende Ber: *) In inniger Beziehung zu den Unterfuchungen über die Aihmung ber Bienen ftehen au Hubers und Senebiers „Memoiren über den Einfluß der Luft bei der Keimung der Samen. Genf 1801“, bei denen merfwürdigerweife Senebier die Verfurche bezeichnete, Huber diefelben ausführte. Gie er- wiefen die Unentbehrlichkeit des Sauerftoffs und die Bildung von Koblenfiure bei diefem Vorgang und wurden, wenigftens zum Theil, in bevälferten Bienenftöcen ausgeführt. dammungsurtheil über ihn ausfpradhen, und der oroße Haufe demfelben beiunftlos bei- ftimmte.” — Die Wahrheit aber hat gefiegt; Huber’s Berdienfte find feit 1844 Schritt für Schritt in’s hellfte Licht geftellt worden und feit man auf die von ihm vorgezeichnete Bahn der wahren Forfchung zurücgefehrt, „it für die Bienenzudt eine Glanzperiode eingetreten, die in den Annalen ihrer Gefchichte für alle Zeiten Epodhe machen muß.“ Es fer mir nod) geftattet, in furzen Zügen zu fchildern was fi vereinigte, um Huber zu diefen Peiftungen zu befähigen, und was er war. Zuvor aber jei e8 mir erlaubt, bezüglich des getreuen und wohlgelungenen PVortraites und der Biographie Hubers vor Allem Herrn Profeffor M. Thury in Genf und, in Folge feiner gefälligen Vermittlung, der Tochter und dem Enfel Hubers, Madame und Herren Ingenieur de Molin in Laufanne, meinen wärmften Dank abzuftatten für die großen Opfer und wertvollen Beiträge, mit denen fie meine Arbeit auf die zuvorfommendfte Weife unterftügten. Bei meiner Schilderung halte id) mid) an die trefflihe Huber’ihe Biographie aus der Feder des berühmten W. B. de Candolle, einzig mir erlaubend, nad) den mir gewordenen Notizen einige dort vorfommende Srrungen zu be richtigen und eine und die andere empfindliche Füce in der Charakterfchilderung zu ergänzen. Das Geihleht der Huber ftammt nad den genenlogifhen Notizen 3. X. Galiffe’s von Dehningen. Bon hier aus begab fich der zuerft Genannte nah Schaffhaufen, wo er fih etablirte und in den Schwabenfriegen 1509 eine militärifhe Rolle fpielte. Ein Nahfomme defielben, Roland Huber von Schaffhaufen, begab fih nah yon und vermälte fich fpäter mit einer Genferin, Katharina Morlot; in der Folge aber wandte er fich nach Genf, wo er oder feine Kinder fich bleibend niederliegen. Sein Sohn, Jacob Huber-Colladon, wurde am 24. Nov. 165% in’3 Genfer Bürgerreht aufgenommen und 1661 Mitglied des Naths der 200, eine Ehre, welche 1688 aud) einem feiner beiden Brüder, Barthelemi, 1693 feinem Sohne, Sean Jaques Huber-Calandrini, und 1728 einem Sohne des Iehtern, Jacob Huber Bafferot zu Theil ward. Unter den fünf Gefhwiltern des Iehtgenannten wurde einer der vier Brüder, der geiftreihe Jean FJaques, dur feinen Webertritt zum fatholifhen Glauben befannt (derfelbe war fpäter Abbe und franzöfifcher Gefchäftsträger in Turin), eine feiner beiden Schweftern aber als Berfafferin myftifher Werke. Er felbft aber hatte zwei Kinder, eine Zochter, Frangoife und einen Sohn, Jean Huber, welcher 1722}in Genf geboren wurde, den 2. Det. 1747 fih mit Marie Louife Alleon vermälte und 1786 zu Pau- fanne ftarb. Während feines Mannesalters ward derfelbe wegen feiner hervorragenden Eigen- haften theils als Bürger (1752 wurde er Mitglied des Haths der 200), theils ald Menich allgemein geachtet; in der wiffenjchaftlichen und Fünftleriihen Welt wurde er durch feine Unter: fudungen über den Flug der Raubvögel, dur feine lebenvollen Thierzeihnungen und Gemälde (Hunde, Pferde und Vögel), feine Jagdftüfe und Vortraits befannt; in gefelligen Kreifen aber war er wegen feiner rafchen und wißigen Antworten, wegen feines originellen Wefens und zu. Men feines fprudelnden Humors beliebt, den er vielfach in launigen Zeichnungen und in frappanten Ausfhnitten verewigte. Voltaire, mit dem er gegen 20 Jahre verkehrte, erflärte eines Tages offen, niht um ihn, fondern um Huber zu fehen, fomme man nad) Ferney. In der That war's au Voltaire, der Huber auffuchte, indem der Teßtere zu Ienem Feinerlei Zuneigung befaß, vielmehr denselben oft zum Gegenftand feiner Carricaturen und Scherze machte, jo daß er eines Tages fih darüber befchwerte und Huber abzulaffen bat. Bei diefer Gelegenheit reichte Teßterer feinem Hunde einen Schnitt Käfe zum Benagen, fertigte darnad) eine fraßen- hafte Silhouette (nicht eine Büfte, wie de Candolle angiebt) von beluftigender Aehnlichfeit mit Voltaire und zeigte diefelbe dem Patriarchen von Ferney. Er war beliebter Mufifer, machte Verfe, die felbft zu Ferney gepriefen wurden, und leitete außer in der Malerei au in der Bildhauerei mehr ale Gewöhnliches. — Nicht minder beahtenswerth ift Hubers Mutter, eine der ausgezeichnetiten Frauen ihres Jahrhunderts, deren Salon, von den Herren Neder, Germany, Mallet du Jan und fpäter von dem Grafen Fofeph de Maiftre befucht, die hervorragendften Perfönlichkeiten des verflojfenen Jahrhunderts vereinigte und deren Por- trait, ein wahres Meifterftüd, von dem lettgenannten hinterlaffen wurde. Die waren die Eltern und Erzieher unfers Francois, der am 2. Juli 1750 zu Genf das Licht der Welt erblidte, eines Bruders, des fpäter als aefchieter Thiermaler befannten Zean Daniel Huber-Ludovifi (Vaters des eidg. Oberften Huber-Saladin) und einer Schwefter Madelaine Bon Francois erften Kinderjahren ift mir Nichts befannt; da= gegen wiffen wir, daß die Beobadhtungen, Bibliothek und Sammlungen des Vaters, fowie der geiftige und gemüthlihe Verkehr mit der Mutter fchon frühzeitig die Anlagen des Knaben, feine gewiffermaßen angeborne Liebe zur Natur und feinen Trieb zu felbitftändiger Thätigfeit in folhem Maaße zur Entwidlung bradte, daß er in einem Alter, da andere Knaben no mit den Elementen fih abmühen, bereits einen Schaf pofitiver Kenntniffe und große Beobs ahtungsgabe befaß und daß er diefe in Sauffure’s Vorträgen über Phyfif wie in dem La= boratorium eines alten Anverwandten, der beim Suchen nad dem Stein der Werfen feine Bermögensverhältniffe zerrüttete, mit Erfolg fortbildete. Bei feinem Wiffensdrange genügten unferm Huber nit die Tage; Nachts las er bei dem Shwahen Lichte einer Lampe und, als diefe ihm entzogen wurde, bei Monpdfchein. Die ift vielleiht die wichtigste Veranlaffung zu feiner jpätern Blindheit. Schon vom 15. Altersjahre nahm fein Gefiht ab und gleichzeitig ftellte fih ein Sinfen feiner Körperfräfte ein. Sein Bater bradte ihn nad Paris, wo der berühmte Trondhin mit beftem Erfolge feinem förperlihen Verfall entgegenwirkte, indem er ihn aufs and fchiekte, hier frei von allen Gemüthserregungen leben und fih mit Tandwirthichaft- lien Arbeiten befhäftigen ließ. Huber bradte von da eine dauerhafte Gefundheit, eime freundlihe Erinnerung an Perfonen und Zuftände und eine Liebe zum Aufenthalt auf dem Lande zurüd;. auch erhielt er hier die erfte Anregung zu feiner fpätern gründliden Befchäf- ww = tigung mit den Bienen. — Minder glüdlic war er bezüglich feiner Augenfhwähe; der Augen- arzt Wenzel erflärte fein Augenleiden für unheilbar, weigerte fih, an demjenigen Auge, welches vom grauen Staar ergriffen war (das andere litt am fchwarzen Staar), die Operation vorzunehmen und ftellte die traurige Brognofe wahrfcheinlich bevorftehender gänzliher Erblin- dung, welche fi denn auch nach feiner Aüdkehr in die Vaterftadt bei aller erdenflihen Scho- nung nur etwas verzögern, nicht verhüten ließ und in feineng 19ten Lebensjahre wirklich eintrat. Ein Glüf für Huber, daß er jebt wie fünftig in den günftigiten Bermögensumftänden fi befand und ftets von mitfühlenden Menfhen umgeben war, die es fi zur Aufgabe machten, jede herbere Berührung mit dem Leben fern von ihm zu halten, ihm die Sorgen für den Haushalt zu erfparen, ihm zu Gefallen zu leben und ihn bei feinen Neigungen nad Kräften zu unterftüßen. Befonders gilt das von feiner damaligen Verlobten und fpätern Lebensge- fährtin, der hodhherzigen Marie-Aymee Lullin. Bei den freundfhaftlihen Beziehungen der Familie Huber und Yullin hatte fih fchon in zartefter Jugend (nicht bei einem Tanz- eurfe, wie de Candolle mittheilt) zwifchen beiden gleichalterigen Kindern eine gegenfeitige Zuneigung entwidelt; das Unglüd aber, weit entfernt, die Herzen zu trennen, hatte diefelben in inniger Liebe verbunden. Als daher Marie’s Bater, weldher es bedenklih fand, das große Bermögen, das er feiner einzigen Tochter hinterlaffen mußte, einem Blinden zu vertrauen, die Einwilligung zu ihrer Berbindung mit Huber verfagte, entihloß fie fih, den Termin ihrer Majorennetät (damals feftgefeßt auf das 25. Lebensjahr) abzuwarten. Huber dagegen, in fteter Angft vor dem möglichen Berlufte des theuerften Wefens, fuchte, folang dies angieng, feine fortfchreitende Erblindung zu verbergen, wobei ihm feine lebhafte Einbildungsfraft treff- lih zu ftatten fam, weldhe nah Anhaltspunften vom Hörenfagen, aus feiner Erinnerung, aus dem Tone der Stimme 2c. combinirte und fi nicht felten are Bilder von fhönen Ausfihten, von Gegenftänden und Perfonen entwarf; und nahdem er im 19ten (nicht 17ten) Lebensjahre, während er bei blendendem Schnee Plainpalais durdhfchritt, plößlich erblindet war, da that er’3 fpäter auch öfter mit feiner Blindheit und es wird uns aus Beidem erflärlih, daß er in der Unterhaltung, in feinen Briefen und Büchern zu fagen pflegte: „ich habe gefehen, habe mit meinen Augen gefehen.“ Fräulein Lullin widerftand inzwischen allen Berfuden, fie von der Berbindung mit Huber abzubringen, ftandhaft und energifh ; und als der erfehnte Tag ihrer Majorennetät nad fiebenjährigem Harren herangefommen war, fohritt fie (den 28. April 1776), begleitet von ihrem Oheim und einer Jugendfreundin (der Mutter de Candolle’s) zur Kirche, an der Seite des Mannes, den fie in den Tagen feines Glüdes und Glanzes gewählt und dem fie nun im Unglüd ihr Leben widmen wollte. — „Ein großer Geift in einem Heinen Körper“, wie Huber von ihr fagte, forgte fie bis zu ihrem Lebensende vierzig Jahre hindurd wnabläffig aufs Zärtlichfte für die Bevürfniffe des blinden Gatten, der nod im hohen Alter — RR dankbar anerkannte: „So lange fie lebte, habe ih das Unglüd, blind zu fein, nicht gefühlt.“ Für den tief innerlihen Charakter diefer Berbindung zeugt der Umftand, daß derfelben wieder: holt durch berühmte Federn, fo durch diejenige von Boltaire und der Frau von Stael, rühmende. Erwähnung gefhah ; e8 zeugt davon insbefondere die Liebe der drei Kinder, melde diefer Ehe entiproffen, Jean Huber-Chapuis (des PVaters von Paul Ayme Huber und Madame Marguerite Gauffen), Anna Marie (der nahherigen Madame de Mo- lin) und Pierre Huber-Burnand, melde in der Erheiterung des blinden Vaters ihre bödhjfte Freude fanden. Wir willen von feinem Sohne Pierre (geb. 1777 zu Vverdon), daß er ihn ftetS auf feinen einfamen Spaziergängen begleitete und leitete, daß er feine Erfindungs- gabe befonders dazu gebrauchte, um feinem Vater ftets neue Quellen der Zerftreuung und des PBergnügens zu eröffnen (unter anderm dienten diefem Zmwede algebraifhe Zeihen aus ges branntem Thone, welche erfterer für leßtern gefertigt hatte und die diefer mehr als 15 Jahre lang benüßte). — Das Beifpiel der Yamilienglieder wirkte übrigens auf immer weitere Kreife nad. Dom treuen Burnens it fhon früher berichtet; hier möge erwähnt werden, daß Huber, um fidh felbitftändig mit abwefenden Freunden unterhalten zu fünnen, durd) feinen Diener Claude Ledhet, einen für Mechanik begabten Kopf, eine Druderei anfertigen Tieß, mittelft deren er die von ihm felbit gefeßten Briefe drudfte, worauf er diefelben eigenhändig zufammenlegte und fiegelte. Er bediente fich diefer Preffe fehr Tange; ein Beweis dafür feine im Befiße der Madame de Molin befindlichen Briefe, welche ihr nad des Vaters Tode von den Adreflaten überlaffen wurden. — Der rege geiftige Verkehr mit vorragenden Perfonen, wie er im elterlichen Haufe Statt gefunden, ward im eigenen fortgefeßt; er erhielt ihn ftets in inniger Derbindung mit den geiftigen Fortfchritten der Menfchheit, erweiterte feinen Wiffens: und Anfhauungsfreis, übte feinen Schönheitsfinn und brachte feinen religiöfen und fittlichen Bedürfniffen reihlihe Nahrung; indem er ihm unmittelbar Freuden und Genüffe verschaffte, erwarb er ihm neue Freunde und Gönner, während die alten ihm nah wie vor zugethan blieben und von feiner Seite forgfam erhalten wurden. Seine eigenen Beobadtungen, Unter- fuhungen und Arbeiten wurden für ihn eine trefflihe Schule zu weitern Erfolgen. Inden er Andere zur Unterftüßung feiner Beftrebungen veranlaßte, Mitarbeiter heranbildete und ins ftruirte und darauf angewiefen war, mit gefpannter Aufmerkfamfeit deren Berichte anzuhören, fi felbft bis in’s Eleinfte Detail far zu mahen und nad allen Seiten zu prüfen, das Zu- fammengehörige methodisch zu ordnen und nad feinen eigenen Begriffen zum fprechenden. Bilde zu geftalten, gelangte er in Allem, was ihm dargeboten wurde, zum lichten Verftändniß, wäh- rend feine eigenen Worte im mündlichen Berfehr, in Briefen und Werfen jene plaftifhe Form erreichten, deren bereits Erwähnung gefhah. Die Liebe, die ihn allenthalben umgab, die Rüd- fiht für fein Leiden, die ehrenvolle Anerfennung feiner Leiftungen durch competente Richter, denen allen gegenüber felbft der Neid nicht hervorzutreten wagte, erhob ihn, fteigerte fein an= 1 Bl, cn gebornes Wohlwollen zur bleibenden Eigenfhaft, machte ihn felbit freundlih und theilnehmend gegen Jedermann; und feine Blindheit, früher tief gefühlt, erfchien ihm in einem mildern Lichte, vielfach wohl gar als die Urfache feines Glüdes, daher wir es begreifen fönnen, daß er fpäter, al8 die Fortichritte der Nugenheilfunde eine erfolgreihe Operation geftattet hätten, auf deren Vornahme verzichtete. Seine Nefignation war vollftändig; nie fprad er zuerft von feinem Berlufte und gerne lenkte er von diefer etwa berührten Saite ab; nie beflagte er fich, vielmehr fehien er fih Bewahrung voller Heiterkeit zur Pflicht gemacht zu haben. Einen mäd- tigen Einfluß auf diefe kräftige und muthvolle KRefignation wie auf fein ganzes Wefen übte, wie Herr Ingenieur de Molin in feinen Mittheilungen als mefentlihen Zug im Charafter feines Großvaters hervorhebt, deffen „warıne, kindliche und Tiebreihe Frömmigfeit, welche in Allem ein höheres Walten und einen höheren Plan erfannte, in der Harmonie der Natur den Schöpfer bewunderte, fi felbit zu diefer Anfhauungsweife in innigfte Beziehung feßte und dem entiprehend häufig fagte: „Meine Blindheit hindert mich nicht, Gott wandeln zu fehen.“ Die Menschen betrachtete er gewöhnlich von der beten Seite, die Frauen als blühend und lie benswürdig; befonders aber fühlte er fi zu der Jugend hingezogen, deren Zuneigung er in hohem Grade zu gewinnen wußte und der er bis zu feinem Lebensende freudig als - Lehrer und Freund zur Seite ftand. Yür wilfenshaftlihe Beftrebungen und Fortichritte hatte Huber bis zu feinem Tode die lebhafteite Theilnahme; daher finden wir ihn aud mit feinem Sohne Pierre in der Reihe der 36 Männer (7 Berner, 8 Waadtländer und 21 Genfer), die, duch Wyttenbad und na> mentlih dur) Goffe angeregt, am 5. Det. 1815 zu Genf die fehweizerifche naturforfchende Sefellichaft begründeten. Befondere Liebe aber bewahrte er für die Bienenkunde, melde er aud; ferner pflegte und über die vielleiht noh mandes Werthvolle in feinen und PBierre’s binterlafjenen Papieren zu finden fein dürfte. Die Entdefung ftahellofer Bienen (Melipona Latr.) in den Umgebungen von Tampico durh apitain Hall, erfüllte ihn mit Intereffe und er hatte eine lebhafte Freude, als fein Freund, PVrofeffor Brevoft, zuerft einige Individuen, dann einen ganzen Stod diefer Infekten für ihn erwerben fonnte; .e8 war dieß die leßte Huldigung, die Huber den Bienen bradte. Mit gleicher Theilnahme erfüllten ihn die Künfte, die er freilich für die bildenden, für melde in Hubers Familie eben fo allgemein verbreitete Anlage und Borliebe wie für die Naturwiffenfchaften erblih zu fein feheint, nicht verwerthen konnte; da- gegen Tiebte er die Poefie und insbefondere die Mufik, für deren Pflege er ausgezeichnete An- lage nebjt einer angenehmen Stimme befaß. Bon Jugend auf in die Schönheiten der italieni- fhen Mufif eingeweiht und durch das Studium des Contrapunfts zu einem gefhidten Ton- feßer herangebildet, erlernte er ebenfo originell, wie felbftthätig und leicht die Weife eines ge gebenen Stüdes, wobei er Biel der gefälligen Beihilfe feiner Schweiter zu bergen hatte. Sri 5 In der Unterhaltung, jagt de Candolle, war er liebenswürdig und freundlich; er fherzte mit Leichtigkeit, war in feinem Gebiete Fremdling und erhob fih gerne zu den ernfteften und wichtigiten Sdeen, fowie er aud zum vertraulidhiten Spaffe herabftieg; er war nicht gelehrt im gewöhnlichften Sinne des Wortes, aber gleich einem gefchikten Taucher berührte er die Tiefe jeder Frage mit einer Art von Tact und einem Scharffinn des Geiftes, welche das Wiffen erfeßten. Sprady man ihm von Gegenftänden, die feinen Kopf oder fein Herz intereffirten, fo belebte fich feine Schöne Geftalt in eigenthümlicher Weife und die Lebhaftigfeit feiner Phyfio- gnomie fchien durch eine geheimnigvolle Magie felbjt die feit fo langer Zeit zum Dunkel ver: urtheilten Augen zu befeelen. Seine Stimme hatte dann etwas Feierlihes. „Ich habe nun begriffen“, fagte mir eines Tages ein Mann von Geift, der ihn zum erftenmal gefehen hatte, „ich habe begriffen, daß die alten Völker in ihrer Jugend mit Freuden der Blindheit den Auf einer übernatürlihen Eingebung eingeräumt haben.“ Huber bradte feine legten Lebenstage zu Laufanne zu, gepflegt von feiner Tochter, Ma dame de Molin. Bis an’s Ende blieb er im Befike feiner Geifteskräfte, bis an’s Ende be- wahrte er feine Liebenswürdigfeit und Liebe, feine Zärtlichkeit und Dankbarkeit, feine Refig- nation und Heiterkeit. In einem Alter von 81 Jahren, am 22. Dee, 1831, hauchte er, ohne Schmerz und ohne Todesfampf, in den Armen feiner Tochter den Leßten Athemzug aus. Es jei mir nod) geftattet, die Worte beizufegen, mit denen der große de Candolle feine treffliche, aus dem eigenen Verkehr mit Huber gefhöpfte, Biographie fließt: „I habe immer den Scharflinn feiner Unterfuhungen, die Ausdauer feines Willens, feine Wahrheitsliebe, feine fanfte und zugleid ftoifiche Refignation bewundert. Ich habe feine lie benswürdige Unterhaltung und feinen wohlwollenden Charakter geliebt. Bei feinen Lebzeiten habe ich feinen Namen der danfbaren Anerfennung der Naturforfcher geweiht, indem ich ihn einer Oattung zierliher Bäume (Huberia laurina aus der Familie der Melaftomaceen) Bra- filien® beilegte: heute habe ich verfuht, feinem Andenken die legte Huldigung darzubringen ; ih würde glüdlich fein, wenn diejenigen, welche ihn geliebt und gefannt Haben, fein Vortrait getreu fünden, wenn die Jugend aus diefem DBeifpiel erfähe, was Beharrlichkeit in der Nidh;- tung und Coneentration der Arbeit vermag, und vorzüglich, wenn die Unglüdlihen, weldhe vom gleihen Schikfal heimgefught find, nah Hubers Beifpiele fih dur) ihre Lage nicht entmuthigen liegen, fondern feine wunderbare Philofophie nahzuahmen Ternten.” TU ELLE IFITIL AI E ’ “ u. OOO Rn ,. © » 0090 N 10t.b. 10. b. cal 9. 6 ® () e) ep 100 IRB 2 on. oe Gedr.v.J.Lier. zu. ogr.Y. P.Beugien. An dte zircheriihe Dugend auf das Jahr 1866. Bon der Woatarforfchenden Gefellfchaft. LX.VIH. Stüd, DIA ee eeerhned s Die Pflanzen der Vfahlbaufen. Seit der Veröffentlihung der Unterfuhungen des Hrn. Dr. $. Keller über die Pfahl- bauten dürfte e8 Jedermann befannt fein, daß die älteften, bis jeßt befannten Bewohner unferes Landes an den Seen gelebt und in einiger Entfernung vom Ufer im feidhten Grunde ausgedehnte Bauten aufgeführt haben. Mögen auch diefe Wafferdörfer nicht die alleinigen Wohnitätten, fondern vielleiht nur Seefeftungen gewefen fein, welche gegen Menfchen und Thiere ein mehr gefichertes Unterfommen darboten, fo unterliegt doc feinem Zweifel, daß fie für längere Zeit bewohnt waren, daher feineswegs nur zu Aufbewahrung der Vorräthe gedient haben fönnen. E3 geht dieß aus der großen Maffe von KRüchenabfällen hervor, welche man im Schlamme zwifchen den Pfählen gefunden hat. Außerdem entdedte man auf dem alten See- boden eine Menge Gegenftände, welche theils zufällig, theils bei Zerftörung diefer Dorf- fchaften in den Schlamm des See’8 gelangten und fpäter duch Bildung eines mehrere Fuß diden Torflagers, welhes nun die Eultur-Schieht überfleidet, vor dem Berfhwenmmen geihüßt wurden. Aus diefen mit großer Sorgfalt gefammelten und unterfuhten Reiten wurden die alten Piahlbauten geiftig wieder aufgebaut, fo daß wir ein deutliches Bild von denjelben uns 1 DS ee verichaffen fönnen. Wir fünnen die Pfähle, welche zu Taufenden noch zu fehen find, in Ges danken wieder mit dem Holzboden überziehen, denn e8 liegen uns an verschiedenen Stellen no einzelne Mufter vor; wir fönnen auf diefelben die Hütten errichten, von deren geflochtenen und mit Lehm überzogenen Wänden einzelne Kefte aus dem Schlamme gezogen wurden. Wie die Möbel diefer Holzhäufer ausgefehen haben, willen wir freilich nicht genauer (wir kennen erft hölzerne Bänke und Haken zum Aufhängen der Kleider), doch zeigen die jchön ge- flochtenen, aus Baft und Stroh gefertigten Matten, welche wahrfcheinlih zur Bekleidung der Stühle, vieleicht auch der Wände und des Yußbodens gedient haben, daß ihnen ein gewifler Comfort nicht gefehlt hat. Waren aud den PVfahlbauern der eriten Zeit die Metalle nod) unbefannt, jo wußten fie fi) dod aus Stein, Horn, Knoden und Holz manigfadhe Geräthe und Waffen zu verfertigen, welche zur Bertheidigung und zu Beihaffung und Aufbewahrung der Nahrung, zum Bau der Wohnung und zu Herftellung ihrer Kleider gedient haben. Hat man ja jelbft von den Webftühlen, welche zur Fertigung der leinenen Gewebe dienten, einzelne Beftandtheile aufgefunden. Die Anfänge unferer Induftrie reihen daher bis in diefe fernen Zeiten hinauf. Diefe fegen Biehzuht und Aderbau voraus, von denen uns die Pflanzen- und Thierrefte unzweifelhafte Kunde bradten. Wohl mag das Yand nody großentheils mit Urwald bedeeft gewefen fein, dody weideten an ausgerodeten Stellen zahlreihe Herden von Hornvieh, von Ziegen und Schafen. Die Wohnung bewadhte fhon damals der treue Haushund, doc ertönte noch Fein Hahnenruf auf diefen Wafferdörfern und den einfamen Gehöften des Landes, denn das Federvieh war nod) nicht befannt. E38 ift diefe Thierwelt von Hrn. Prof. Rütimepger aus den zahlreihen Knochenreften in meifterhafter Weife ermittelt worden #), während die ausgezeichneten Arbeiten des Hrn. Dr. %- Keller**) durd Darftellung einer überrafhenden Fülle von Gegenftänden aller Art uns mit der Kultur und Pebensweife diefes merkwürdigen Volkes bekannt gemacht haben. So wichtig und umfaffend auc) diefe Arbeiten find, bleiben doc nody vicle Fragen ungelöst. So willen wir nody nicht, woher diefes Volk gefommen, mit welchen Bölfern es in Verkehr geftanden und in welche Zeitepohe feine Entwidlung einzureiben fei. Es müffen daher alle Dokumente, welhe dazu dienen fünnen, Licht in diefes Dunkel zu bringen, forgfältig gefammelt werden, indem man durd) ein umfichtiges Zufammenftellen derfelben nah und nad) der Löfung diefer Shwierigen Fragen näher fommen wird. in foldes Document, weldes zur Zeit nod *) Rütimeyer Unterfuchung der Thierrefte aus den Pfahlbauten der Schweiz. Zürich 1860. Die Tauna der Pfahlbauten der Schweiz. 1861. **) Mittheilungen der antiquarifchen Gefelljhaft. IX. II. 3. 1854. XII. 3. 1858. XIIL 3. 1860. XIV. 1. 1861. XIV. 6. 1862. Diefen Arbeiten reihen fih an: Fr. Troyon, habitations lacustres. Laufanne 1860 und zahl: reiche Abhandlungen von Morlot, Defor, Lubbod, Gajtaldi, Strobel, Pigorini u. a. = 7 nicht genügend berücfichtigt worden it, bilden die Pflanzen der Pfahlbauten, daher wir eine ©dilderung derjelben verfuchen wollen, fo weit fie fich aus den Keften beurtheilen laffen, welde uns aufbewahrt wurden. Sie liegen theils im Seefhlamme, theils unter einer mehrere Fuß mädtigen Torfihicht begraben. Hier müffen fie aus einem weichen, dunfelfarbigen Schlamme, welher den alten Seeboden (die fogenannte ulturihicht) bildet, hervorgefuht werden. Steine und Scherben, Hausgeräthe und Holzkohle, Getreideförner und Knochen liegen hier bunt durcheinander. Dodh find fie feineswegs über den Boden aleihmäßig vertheilt, fondern finden fich nicht Selten neiter- weife beifammen. Die Stellen, wo viele Knochenreite, wo die Samen von Himbeeren und Brommbeeren, die Frucdtiteine von Schlehen und Kirfchen zu ganzen Haufen beifammen find, be- zeichnen wahrscheinlich die Stellen, wo Deffnungen im Holzboden fich befanden, durch welche die Abfälle in den See gelangten, während die Vunfte, an welchen verfohlte Früchte, Brod, Geflehte und Gewebe fih fanden, auf Vorrathsfammern weten, weldhe an jener Stelle der Pfahlbaute fich befanden, als fie dur Brand zerftört wurde und dort in’s Waffer fielen. Die verfohlten Früchte und Samen rühren daher unzweifelhaft aus der Pfahlbautenzeit und find zum Scheil vortrefflih erhalten, indem der Berfohlungsprozeh ihre Form nicht wefentlich verändert hat. E8 gilt dieß von den Aepfeln, wie den Getreidearten, bei welch’ Ießtern die Kindenfhicht meiftens weder aufgefprungen, noch zufammengefhrumpft ift. Biele Pflanzen: reite jind indejfen auch im unverfohlten Zuftande uns erhalten worden. Da aber beim Heraus: ziehen derjelben aus dem Schlamm der Kulturfchicht leicht Vflanzenreite und Gejäme des um- gebenden Ufers fich beimifchen fönnen, bedürfen diefelben einer forgfältigen Sichtung. Glüdliher Weife haben wir ein Mittel, um die alten Samen und Früchte von denen der Veßtzeit zu unterfcheiden. Das Innere des Samens (Keim und Eiweiß) ift nämlich bei den eritern verihwunden und nur die aus verholzten Zellen gebildeten Samenjchalen oder Frudt- oehäufe find geblieben, daher alle Berfuche, fie zum Keimen zu bringen, nußlos find. So find die Samen der Himbeeren, Melden, Seerofen u. f. w. inwendig hohl und nur ein braunes Pulver bezeichnet zuweilen noch die Nefte des frühern Inhaltes; dasjelbe gilt von den Frudt- fteinen der Kirschen und Schlehen, von den Hafelnüffen, dem Cornel, den Laichkräutern u.a. m- Die meiften Früchte und Samen hat KRobenhaufen (am Pfäffifer See) geliefert. Wir verdanken diefelben fämmtlich den eben jo eifrig als einfihtig und gaewiffenhaft betriebenen Nahagrabungen des Hrn. FZakob Meffifomer in Wesgifon*), welhem die Wilfenihaft viele wichtige Junde zu verdanken hat. Aus der Vfahlbaute Moosfeedorf bei Müncenbuchiee, Kanton Bern, hat mir Hr. Dr. Uhlmann eine fehr werthvolle Sammlung von Pflanzen- *) Eine vollftändige Sammlung jolcher Pflanzenreite befist das botanifche Mufjeum des Poly: technifums, PR ee reften zur Unterfuchung anvertraut, aus den Niederlaffungen vom Bieler- und Murtnerfee und von Wangen find mir von den HS. Dberftt Schwab, Gillieron und Löhle gefammelte Gegenftände zugefommen. Moosjeedorf, Wangen und Greing (am Murtnerfee) gehören der älteften, der fogenannten Steinzeit an; Robenhaufen wird ebenfalls noch zu diefer gerechnet, doch Yiegt die oberfte Niederlaffung (es werden dafelbit drei übereinanderfolgende unterfchieden) an der Grenze des Bronze-Zeitalters, dem Meilen, Montelier (am Murtnerfee) und die meiften Pfahl- bauten am Neuchätellerjee, wahriheinlih aud die Fundftätte der Getreidearten der Betersinfel, ferner Caltione bei Barma angehören. Die Vfahlbaute von Marin (am Neuchätellerfee) wird al® die jüngfte betradhtet, indem fie durd) ihr Eifengeräthe und gebrannten Ziegel auf eine ipätere Zeit weist und zeigt, daß in der weftlichen Schweiz an einzelnen Stellen die Gewohnheit, die Wohnungen über dem Waffer aufzufchlagen, fich viel länger, vielleiht bis in die helvetifch- römische Zeit hinab, erhalten. hat. m Oanzen find bis jegt 115 Pflanzenarten aus den PBfahlbauten uns befannt geworden, weldhe wir nad ihren Beziehungen zum Menjchen zufammenftellen wollen. 1. Die Getreidenrten und der Kornbau der Pfahlbauern. Berfohlte Getreideförner gehören zu den häufigften Vorfonımniffen der Pfahlbauten. Die MWeizenförner find frei, wogegen die Gerite meift noch von den innern Spelzen umgeben ift. Selten find die Körner nod in den Aehrchen vereinigt und noch feltener haben ganze AXehren ih erhalten. Docd haben wir von den meilten Arten fo große Aehrenftüde befommen , daß wir die Form der ganzen Aehren daraus ermitteln fünnen. Der vorliegende Holzfchnitt ftellt die wichtigiten Getreidearten unferer Pfahlbauten in diefer Weile vervollitandigt und in halber natürlicher Größe dar. Wir erbliden da zwei Sorten Gerite, drei Weizen und zwei Hirfearten ; fügen wir denfelben nod das Einforn, den Binfelweizen und die zweizeilige Gerfte hinzu, fo erhalten wir ein vollftändiges Bild der Schon zur Steinzeit angebauten Getreidearten. Es ift gewiß fehr beachtenswerth, daß Schon in fo früher Zeit zehn verfchiedene Formen von Brod=- früchten in unferm Lande angebaut wurden und läßt uns nicht zweifeln, daß der Aderbau fhon damals in großem Umfang und mit Sorgfalt betrieben wurde. Die beiden Hauptgetreidearten find die Feine fechszeilige Gerfte (Fig. 3) und der Feine Pfahlbauweizen (Fig. 1). Wir finden diefe in faft allen Pfahlbauten theils in einzelnen Körnern, theils zu großen Klumpen vereinigt. Troß der Kleinheit der Körner müffen fie fehr beliebt geweien fein, denn wir treffen fie nicht allein in den älteften Bralbauten der Steinzeit, Sondern auch im Zeitalter der Bronze, und den fleinen Pahlbauweizen, felbit bis in die gallo-römische Zeit, während fie fpäter verihmwunden find. Wahrfcheinlich hat der Mehlreihthum der Körner ihre geringe Größe aufgerwogen, denn N! "N \\ | \ ) m If au) Getreide-Arten der Pfahlbanten ans der Steinzeit. 1/5 natürlicher Größe. 1. Kleiner Rfahlbaumeizen (Triticum vulgare antiquorum). 2. Dichte fechszeifige Gerfte (Hor- deum hexastichum densum). 3. Kleine fechszeilige Gerfte (H. hexastichum sanctum). 4. Xeguptifcher Weizen (Tritieum turgidum L.). 5. G&mmer (Tr. dicoccum Schr.) 6. Rifpenhirfe (Panieum milia- ceum L.) 7. Kolbenhirfe, Fennich (Setaria italica). Pe = wir wiffen, daß in der Seßtzeit der ähnlichfte Heine Sommermweizen ein fehr hartes und Mehl- reiches Korn giebt. Eine Sorte mit fehr dichter, unbegrannter Aehre ift als Binfelmweizen befannt und wird noch jet in der weftlihen Schweiz gebaut, weil er bei furzer Aehre einen fteifen Halm hat, der Wind und Wetter leichter widerfteht, daher auch bei ungünftiger Witterung niht lagert. Die Körner und Aehrchen des mittelgroßen Pfahlbautenweizens (Taf. Fig. 19) ftimmen am beften zu diefer Sorte, daher diejelbe Schon damals bei uns gebaut wurde. Wir haben fie von Wangen, Robenhaufen, von Montelier und der Petersiniel erhalten, daher fie auch fehr verbreitet gewefen fein muß. Nur fehr jelten tritt dagegen der aeayptifche Weißen (Triticum turgidum L.) auf; daß derfelbe aber Ichon zur Steinzeit (in Wangen und Robenhaufen) erfcheint, ift um fo merfwürdiger, da derjelbe gegenwärtig nur in Aegypten, in einigen Mittelmeerländern und in einigen Gegenden Englands im Großen angebaut wird. Da er durch große Körner und diefe Aehren fi) auszeichnet, läuft zwar von Zeit zu Zeit durch) unfere Zeitungen die Nahricht, daß eine neue Weizenart aus Aegypten gefommen, die einen überaus großen Ertrag geben foll und zu um fo höhern Erwartungen beredtigt, wenn fie unter dem vielverfprechenden Namen Mumien- und Wunderweizen empfohlen wird. Da fie indeffen unfere Winter nicht gut erträgt und auh al Sommerfrudt nidt felten migräth, hat fie fih nie auf längere Zeit halten fönnen. Wie e8 fich aber mit der Neuheit diejer Getreideart verhält, erzählt uns die fchöne Achre aus der Piahlbaute von Kobenhaufen (Fig. 20); fie fagt uns, daß fhon die Pfahlbauern foldhe Berfuche angeftellt haben, daß fie aber fon damals nicht fonderlich geratyen find, fonft würden wir ficherlih diefe großen Weizenförner viel häufiger in den Pfahlbauten antreffen und fie würden die Hleinförnigen Arten verdrängt haben. Es ift dieß zugleich ein Fingerzeig, daß diefe Leute Feineswegs jo abgeihloffen von aller Welt auf ihren Wafferdörfern gelebt haben, wie man fich dieß oft vorftellt. Der Spelt (Triticum spelta L. Fäfen, Korn) ift in den ältern Pfahlbauten nirgends nachzumeifen; ex tritt erft in fpätern Zeiten auf, wogegen der Emmer (©. 5. Fig. 5) und das Einforn in Wangen gefunden wurden; doc ift diefes die einzige Pofalität, wo dieje beiden Getreidearten zum Vorfchein famen, daher fie von untergeordneter Bedeutung find. Der Roggen fehlt den Schweizer-Pfahlbauten gänzlih und der Hafer tritt in einer fleinförnigen Form zuerft im Bronze- Zeitalter auf. Dagegen waren zwei Hirjearten, die KRifpenhirfe (S.5.Fig.6) und der Fennid (©.5. Fig. 7) fehr verbreitet und erfcheinen fhon zur Steinzeit. Wir haben demnad die Eleinförnige fehszeilige Gerfte und den Eleinen PBfahlbaumeizen als die älteften und wichtigsten, allgemein angebauten Mehlfrüchte unferes Landes zu bezeichnen ; ihnen reihen fih zunächft der Binfelweißen und die arößere fechszeilige Gerfte nebit den beiden Hirfearten an; der aegyptifche Weizen, Emmer und Einforn, wie die zweizeilige Gerfte, wurden wohl nur verfuchsweife oder an einzelnen Stellen gebaut und der Spelt, der gegen- we wärtig unfere wichtigfte Brodfrucht bildet, und der Hafer wurden erit im fpätern Bronze-Zeit- alter eingeführt, während der Roggen den Pfahlbauern unbefannt war. Die Hirfen find unzweifelhaft Sommergewädhfe, aber auch” fämmtlihe übrigen Getreide: arten fcheinen Sommerfrucht gewejen zu fein. Es ift dies fiher für den Binfelweizen und jehr wahricheinlich für den Eleinen Pfahlbaumeigen, da er diefem am nädjlten fteht und aud eine fehr dichtgedrängte Aehre bildet, weldhe die Sommerweizen-Sorten gegenüber den Winter: weizen auszeichnet, bei denen die Spindel länger ift und die Aehrchen daher Toderer geftellt find. Der negyptifche Weizen, der Emmer und Einforn treten ald Sommer- und Wintergetreide auf, daher fie für unfere Frage nichts entfcheiden; die jehszeilige und zweizeilige Gerite dagegen find Sommerfrugt und diefe allein finden wir in den Pfahlbauten, wogegen die Wintergerite, bei der die Körner in vier Zeilen ftehen, denjelben gänzlic) fehlt. Es haben fonad) die Pfahl- bauern im Frühling, nicht im Herbit, das Feld bejtellt und angefät und das Getreide wurde fpäter, wahrfcheinlich erft Ende Sommer eingeheimst und feine Nahfrucdt gezogen. Es lafjen fi verfchiedene Gründe für diefe Art des Feldbaues denken. PVielleiht war es jchwer, die Winterfaat zu hüten oder die aus füdlihen Gegenden eingeführten Getreidearten ertrugen den Winter nicht und erit nad langer Kultur wurden Sorten erzielt, die an das raubere Klima gewöhnt waren. E8 ift dieß wahrfcheinlicher, als daß der Winter damals fälter geweien, als jeßt und aus diefem Grunde fein Wintergetreide hätte gebaut werden fönnen. Ueber die Werkzeuge, mit welchen das Feld beftellt wurde, wilfen wir leider wenig. So manigfah auch die aus Stein, Horn, Knohen und Holz gefertigten Geräthe find, melde uns fchon aus der Steinzeit überliefert wurden, find dod) nur wenige gefunden worden, welche ung über die Art und Weife, wie der Ader bearbeitet und das Getreide eingefammelt wurde, Auffchluß geben. Den Bflug fcheinen fie nicht”angewendet zu haben ; der Boden wurde wahrfcheinlich durch fcheibenförmige, in der Mitte mit einem Stiel verfehene Schaufeln und durd aus Hirihhorn gefertigte zmweigablige Kärfte, welhe Hr.Dr. Keller neuerdings nahgewiefen hat, umgegraben. Daß er gedüngt wurde, ilt jehr wahriheinlih. Auf der Pfahlbaute Robenhaufen wurde neuerdings fchs Fuß tief unter dem Torf ein Lager verfohlten Ziegendüngers gefunden; an einer andern Stelle war er unverfohlt, und die zahlreichen dazwifchen liegenden Zweige der MWeißtanne *) zeigen ung, daß diefes Material zur Streuung verwendet worden ift; nahe dabei muß ein Schafftall geftanden haben, zu deflen Streue Laubblätter gedient haben, die nun zwifchen den Schafbohnen liegen. Selbft die zahlreihen Buppen=Hülfen der Fliegen, welche fih im Dünger eingeniftet hatten, blieben erhalten und fagen uns, daß man diefen Dünger längere Zeit im Stalle liegen ließ, daher ohne Zweifel für die Düngung der Felder aufbewahrt *) Die Apfelferne und Kernhaus von Aepfeln, die mitten im Dünger drin liegen, zeigen, daß die Ziegen jhon damalz, wie e3 jet gejchieht, mit den Abfällen der Küche gefüttert wurden. We hat, weil nur im alten Dünger Fliegenpuppen fih anfammeln fünnen. Wahrfcheinlih ift an diefer Stelle der Boden desStalles durchgebrocdhen und jo der Inhalt desfelben auf den Seegrund gelangt. Diefer Fund beweist, daß man das Vieh auf der Pfahlbaute untergebradt und den Dünger für den Feldbau verwendet hat. Wie das Korn eingefammelt wurde, wifjfen wir nit. Auf alt-italifhen Münzen ift ein Schnitter dargeftellt, welcher die Halme unmittelbar unter der Aehre abichneidet, während er auf aegyptifchen Bildwerfen die Sichel in der Mitte anfeßt. Daß die Pfahlbauern niht nur die Achren abgeriffen oder abgefchnitten, fondern au das Stroh mitgenommen haben, erfehen wir aus dem vielen Unfraut, welches mit dem Getreide auf die Prahlbauten gefommen ift, was nicht der Fall fein fünnte, wenn fie nur die Aehren abgerauft hätten. Wahrfcheinlich wurde dur Austreten das Weizenforn von den Hülfen befreit, hat e8 ja bei ven Römern davon den Namen (Triticum von triturare, austreten) befommen. Auf der Pfahlbaute wurde e8 dann gereinigt, wozu vielleicht fchon das Sieb und zum Schroten der Gerfte eine Keule verwendet wurde. E3 erfcheint nämlid auf metapontifhen Münzen die Keule neben andern Adergeräthen und fie fann wohl ebenjo gut oder nod bejjer al8 Schrotgeräth,, denn als Her- fulesfeule gedeutet werden, obwohl Herfules befanntlih eine dide Keule trägt und zum Landbau, als das Land von wilden Thieren reinigender Heros, in befondern Beziehungen fteht. Sole KReulen hat man in Robenhaufen gefunden, denen id) obige Deutung geben möchte. Das Sefäm der Unfräuter wurde fammt allem Abfall natürlich in den See geworfen und findet fi) jeßt bei dem übrigen Kehridt in großen Maffen dort vor. Da liegen nun Millionen von winzig fleinen Shwarzen Meldenfamen, dann die Samen von Labfraut, Kornraden, Xeimfraut und von Lichtnelfen unter der Torfdefe vergraben und erzählen ung, an’s Licht gezogen, von den Un- fräutern, welche mit den Getreidearten aus dem fernen Morgenland eingewandert find und mit denen fih der Bfahlbauer und die Pfahlbäuerin geplagt haben wird, gerade wie das Landvolf unferer Tage; zum Dank dafür haben fie aber fhon damals das einförmige Kornfeld mit bunten Blumen gefhmüdt. Das Stroh, weldhes man auf diefe Weife gewann, wurde, wie es fcheint, nicht zur Streue, wohl aber zu verfchiedenen anderweitigen Zweden verwendet; es wurden Strohgeflechte gemacht, vielleicht auch die Hütten damit gedeet, wenigftens trifft man verfohltes Stroh nicht felten in den Pfahlbauten. Nachdem das Getreide gereinigt, wurde e8 gemahlen. Die freilih fehr rohe Mahlein- rihtung fennen wir aus den zahlreihen Mühlfteinen, welche in den Pfahlbauten gefunden wurden. E3 find zwei glatte Steine, zwifchen welchen die Körner zerquetfcht wurden, was aber fehr un- vollftändig gefhah und große Mühe verurfahen mufte*). Die Kleie wurde natürlich nicht ges *) Auf diefelbe Weife wird dag Getreide noch jebt in manchen Gegenden Südafrifa’3 zubereitet. Die Brüder Livingftone geben in ihrer Neijebeichreibung (marrative of an expedition to the a trennt und wohl faum verichiedene Mehlforten gewonnen. Dod) wurden dreierlei Brode be- reitet, was zeigt, daß man fhon damals eine gewille Mannigfaltigfeit in diefe wichtigite Pflan- zennahrung zu bringen wußte. Bei den in Robenhaufen und Wangen am häufigiten verfohlt, vorfommenden Broden find die Körner großentheils zerqueticht, nur hier und da fieht man einzelne ganze oder halbe Körner, die ung zeigen, daß das Brod aus Weizen bereitet wurde. Bei diefem gewöhnlichen Weizenbrod wurden daher die Körner ftark zerrieben, dann mit Waifer ein Teig angemadht und diefer auf einen heißen Stein gelegt und wahricheinlich mit Afche zugededt, wie dieß bis auf den heutigen Tag die Araber zu machen pflegen. Die eine, dem Stein auflies oende Seite wurde daher glatt, die andere dagegen uneben. Bei einigen find indefjen beide Seiten ziemlich gleid) und diefe fcheinen zwischen zwei Steinen gebaden zu fein. Auf der Rinde find zuweilen die Spelzen eingedrüdt, au Halmftüde, wohl von der Spreuer herrührend, die zuweilen auf die zu badfenden Brode geftreut wurde. E8 waren diefe Brode rundlic, aber ganz nieder; fie hatten nur eine Höhe von 15 big 25 Millimeter, befamen alfo mehr die Form von Kuchen oder Zelten, wie man in manden Gegenden foldhe flahe Brode nennt. Bei einer zweiten Brodforte find die Weizenförner fait alle ganz geblieben, es entipricht daher diejelbe am meiften dem weftphälifhen Bumpernidel, der freilih aus Noggen beiteht. - Diejer Pfahlbau-Bumpernicdel ift bedeutend höher als das gewöhnliche Pfahlbaubrod, aber auch auf der innern, dem Stein aufgelegenen Seite glatt, auf der äußern voller Unebenheiten. Das bei dem Schönen Stüd der antiquariihen Sammlung (das 55 Millimeter hoc ilt) der Stein, auf dem e$ gebaden wurde, hoch gewölbt war und das Brod dadurd unten eine ganz concave Horm erhielt, mag zufällig fein. Die dritte Brodart befteht aus Hirje, ift alfo ein Hirfen- brod, dem aber einzelne Weizenförner und Leinfamen eingeftreut find. Diefe leteren mögen durch ihr Fettes Del dein Brod einen befondern Wohlgefhmadf gegeben haben; es jind dies wohl die „Anfewecdli” der Pfahlbauern aewefen. Ein jehönes, verfohltes Stüc, weldes die Sammlung des Polytehniftums von Robenhaufen bejitt, hat diefelbe Form wie die vorhin befprochene Sorte, ift auch auf der einen, glatten Seite hohl, hat aljo hier dem heifen Stein aufgelegen, während die andere Seite ganz unregelmäßig runzlicht iff. Die Hauptmafje be= fteht aus Fennich; es ift alfo ein Fennichbrod. Da aber wahrscheinlich die Rifpenhirfe ebenfalls dazu genommen ivurde, thun wir befjer den allgemeinen Namen Hirfenbrod dafür zu wählen. - &s wurden jonad nur Weizen und Hirfe zur Brodbereitung benugt, wenigftens ift uns bis jeßt noch nie Gerftenbrod zu Gefiht gefommen. E38 frägt fih daher, in welder Form wurde die jo häufig fultivirte Gerfte genofjen. E83 haben fihon die alten Aegypter aus der Gerite ein geiftiges Getränf bereitet, ob aber den Pfahlbauern die Bierbereitung bekannt ge= Zambesi, London 1865, ©. 544) eine Abbildung diefer Mahliteine, welche fait genau auf die unferer Prahlbauten paßt. 2 u We wefen, it zweifelhaft; vom Hopfen ift noch Feine Spur bei ihnen gefunden worden. Sie mögen die Gerfte gefotten und Geritenfuppe bereitet haben; nocd wahrfcheinlicher ift aber, daß fie aeröftet und fo gegefjen wurde. Die fehszeilige Gerfte ift mit fehr fharfen Grannen bewaffnet und die Hüllen haften fehr feit am Kern; es muß daher die Entfernung diefer Hüllen jehr jchwer gewesen fein. Durch das Nöften aber werden die Grannen und Hüllen fo brüdig, daß fie, jo weit fie den Genuß der Körner erfchweren, leichter entfernt werden Fünnen. Man hat daher wahrscheinlich zuerft die Gerfte durch Nöften geniegbar gemaht und geröftete Gerfte dürfte zur älteften Bflanzennahrung gehören. Das ift wohl der Grund, warum die geröftete Gerfte im Altertum eine jo große Nolle fpielte. Wir finden die geröftete Gerfte in der Bibel *) mehrfach erwähnt und bei den Griechen fand fie als heiliae Gerfte bei allen Opfern Berwendung. Wie die Opfernden in feierliher Stille, nad Entfernung aller Uneingeweihten, an den Altar herantraten, nahmen fie heilige Gerfte und beitreuten das DOpferthier und den Altar, und erft nachdem fie zu den Göttern gefleht und die heilige Gerfte geftreut, wurde das Opfer verrichtet (Ilias 1. 449 und II. 410. 420. — Ddyff. II. 444. 445.) Herodot vergißt nicht zu erwähnen, welche Völferfchaften die heilige Gerfte beim Opfer verwenden und aud) bei den landwirthichaft- *) Ih glaube das Wort Kalt (Ruth IL 14. —1 Cam. XVH. 17. — 2 Sam. XVII. 28. — 3 Mof. XXIN. 14) jo deuten zu jellen. ES bezeichnet allerdings zunächft nur „Geröftetes”, allein der Zu- jammenbang, in dem c8 evjcheint, weist an allen jenen Stellen auf geröftetes Getreide, daher auch mein Lehrer Gefenius, wie andere Lericographen «8 fo liberjegt haben. Wir wiffen von dem Weizen und Spelt, daß ev gemahlen und daraus Brod gebaden wurde, e3 find alfo nicht diefe Brodfrüchte, jondern die Gerfte, welche diefes geröftete Getreide darftellt, das neben dem Brod erwähnt wird, und wie wir Kali mit „geröfteter Gerfte“ überfegen, befommen obige Stellen einen befjern Sinn. Die Gejchichte von Nuth fpielt zur Zeit der Geritenernte und e3 wird ihr geröftete Gerfte (Kali) gereicht. David bringt feinen im Feld Tagernden Brüdern Brod md geröftete Gerfte (Kali) und dem vor Abfalon fliehenden David wird Weizen, Gerfte, Mehl, geröftete Gerfte (Kali), Bohnen und Linfen gebracht und von legtern wird ausdrücdlich gejagt, daß fie auch geröftet gewefen feien. — Geröftete Gerfte wird jeßt noch im einigen Gegenden 1mferes Landes (jo im Unterengadin) wie Brod gegeffen. Sehr be- achtenzwerth it, daß die Mreinwohner der canarifchen Injeln das Getreide in befonder3 dazıı herge- richteten Defen gevöftet, dam zerrieben md in Schläuchen von Ziegenfellen aufbewahrt haben md daß diefer Gofio, wie man dies fo zubereitete Getreide nennt, noc) jeßt da3 Brod des gemeinen Volkes jener Infeln bildet. Gerade jo wurde in homerifcher Zeit in Griechenland in Iederne Schläuche ver: wahrtes Gerjtenmehl ftatt des Brodes auf die Neife genommen (Ddyff. II. 355. 380.) Telemac)os befiehlt der Einykleia in wohlgenähete Leder-Schläuche zu thun: „eitoci Ö’Esrn uerga uvAnpdrov dApirov &ueng“, was Voß umrichtig mit Kernmebl überfest hat, denn &Apırov bezeichnet die von den Hüllen befreite Gerfte. Nach einer freundlichen Mittheitung des Herm Prof. Burfian beftand in Athen eine Verordnung Solon’3, wornah jede junge Frau bei ihrer Verheirathung ein Gefäß zum öften dev Gerfte (ein PoDVYerg0v) mitbringen follte. In den Pfahlbauten haben vielleicht die nod) räthfelhaften duvchlöcherten Töpfe dazu gedient, en: u lihen Bolfsfeiten zu Eleufis jpielte die Gerite eine wichtige Rolle. Es it nun fehr beachtens- werth, daß diefe heilige Gerite des AltertHums unjere Biahlbaftengerite it. Glücklicherweiie befigen wir vortreffliche Abbildungen diefer Gerite auf altsitaliichen Silbermünzen, welche eine genauere Bergleihung geftatten. Die mir bis jet zu Gefiht gefommenen Silbermünzen von Metapontum bei Tarent in Süpditalien, wie die zahlreichen Abbildungen, welche in dem Werf von Carelli*) von Münzen von Metapont, Baeltum, Arpi, Aubi und Butuntum befannt gemacht wurden, ftellen ausfchlieglih nur die jehszeilige Gerste und zwar die Jorm mit der dicht gedrängten, Eurzen Aehre dar, die wir in den Pfahlbauten haben. Sie iteht jhon vortrefflich charakterifirt auf den älteften Münzen Metaponts, die nur auf einer Seite ein Gepräge haben und aus dem fechsten Jahrhundert vor Chrifto ftammen (Fig. 10), noch feiner gezeichnet auf denen des folgenden fünften Jahrhunderts (Fig. 11 und 12). Sie wird immer in der Weife dargeftellt, daß drei Zeilen von Körnern gejehen werden ; bei der jedhs- zeiligen Gerfte ftimmt die Zahl der Körner in den Seitenreihen immer mit derjenigen der Mittelreihe überein und wir jehen daher je drei Körner in einer Duerreihe, während bei der vierzeiligen Gerfte die Seitenreihen eine doppelte Körnerzahl haben, da hier die Körner zweier Keihen übereinander greifen. Diefer Charakter der fehszeiligen Gerfte ift num immer treu wieder: aegeben **) und auch die Stähelden der Grannen fehlen nit, ja zuweilen (Fig. 12) find auch die Rippen der Spelzen gezeichnet. Die Grannen der mittlern Körner wurden offenbar nur weggelaffen, weil fie jich überdedt hätten; daß fie vorhanden waren, jehen wir aus den oberften Körnern , die fie immer befigen, weil fie bei diefen dargeftellt werden fonnten , ohne das Gefammtbild zu ftören. Auf manden diefer Münzen fißt an der Aehre (Fig. 11) die Wanderheufchrede (Acridium migratoriumL.), auf dem Kevers aber ift Apollo mit dem Lor- beerzweig, der das Gerftenfeld von diefer furdtbaren Heufchredenplage bewahrende Gott; eine andere Münze ftellt neben der Gerftenähre die Maus dar (Fig. 12) und auf der Küdjeite ift die Befchüßerin der Felder, die Ceres, in deren Haar die Aehren derjelben Geritenart ge- *) Franeisei Carellii numorum Italiae veteris tabulas CCII ed. C. Cavidonius. Lips. 1850. Auf einer jüdifchen Münze von Antiohus find drei Fleine zweizeilige Achren abgebildet, welche vielleicht das Hordeum distichum darftellen follen; doch find fie zur fichern Beftimmung zu undeutlih. Dasjelbe gilt von den altjpanifchen Münzen von Carmo und Ituei, welhe Boudard in feiner numis- matique iberienne abgebildet hat. Taf. V Fig. 5 ftellt wohl den Fennich dar. ==) Daß im der Aehre nur 7 bis 9 Körner in einer Zeile ftehen, während bie jechzzeilige Gerite der Prahlbauten deren 10 bis 13 bat, rührt wohl daher, daß auf den älteften Münzen, auf welchen die Aehre weniger ftarf verkleinert ift, al3 auf den jpätern, die ganze Achre nicht Plat gehabt hätte, daher am Grund ein paar Querreiben weggelaffen wurden (Fig. 10); als man Später die Aebren fleiner darftellte, behielt man die frühere Zahl dev Körner bei, BB flohten find. *) Auch der Sperling ##), diefer Ttete Begleiter des Getreides, fehlt nicht, ja Telbit die Getreidemüde ift neben der Gerftenäbre fenntlich dargeftellt. ***) Wir erfahren daraus, daß fleine Gallmüden, welche gegenwärtig zu den größten Feinden des Kornbaues gehören und in Amerika als Heffenfliegen (Gecydomya destructor), in Enropa als Getreidernüden (C. Tritici) gefürchtet find, Shon im Alterthum als jolche befannt waren. Im diefer finnigen Darftellung der größten Feinde, wie der Beihüber und Schirmer der heiligen Gerfte, fpiegelt fih ein merfwürdiges Stüd alt italifchen Voltslebens. Diefe heilige Gerfte des AltertHums haben ung alfo unsere Pfahlbauten aufbewahrt. Aus den metapontifhen Münzen ift nicht zu enticheiden, welche der beiden Formen fechszeiliger Gerfte, die wir aus den Pfahlbauten fennen, dargeitellt fei, da diefe nur durch die Größe der Körner fih unteriheiden und die Achren auf den Münzen verkleinert find. Auf den Münzen von Peontinon (Fig. 13), einer altsfieiliihen Stadt, find aber neben dem Löwenfopf nur die einzelnen Gerftenförner abgebildet und dieje ftimmen in Größe genau mit denen der Eleinen Pfahlbautengerite (vol. Fig. 6 und 7) überein und maden es daher wahrfheinlih, daß die Fleine fehszeilige Pfahlbautengerite (S. 5 Fig. 3) der Urtypus der heiligen, auf den Silbermünzen dargeftellten Gerite fei. Anfangs wurde wohl nur diefe Gerfte gebaut und erft fpäter trat der Weizen hinzu; wo wir beide Getreidearten beifammen treffen, muß fchon eine lange Kulturepohe vorausgegangen fein. Da wir in den Pfahlbauten der Steinzeit nicht nur Gerfte und Weizen, fondern Diele ihon in verfchiedenen Sorten entfaltet treffen, beweist die, daß diefem Volke jchon eine lange Kulturgefchichte vorausgegangen oder daß e$ wenigitens mit Bölfern in Verbindung ftand, bei denen dieß der Yal war. Nach diefen allgemeinen Bemerkungen wollen wir uns die verichiedenen Getreidearten unferer Pfahlbauten noch etwas genauer anfehen. 1) Die Eleine Pfahlbautengerjte (Hordeum hexastichumsanetum). Fig. 1 bis 8, vervollftändigt ©. 5 Fa. >. Die Fig. 1, 2 und 3 von Robenhaufen abaebildeten Gerftenähren zeigen, daß die häufig vorfommenden Heinen Gerftenförner (Fig. 4—6) in jehs Zeilen geordnet find und eine Furze (44 Mill. lange und 11 Mill. dide) dichtaedrängte Aehre bilden, bei weldher 10 bis 13 *) Selbft in dieje Heinen Achren, wie die fait ebenfo Feinen auf campanifchen Münzen (neben dem Nofopf) wußte der Künftler den Charakter der heiligen Gerfte zu legen, während auf modernen Münzen, jo denen der franzöfiichen Nepublif von 1848, Fein Menfch zu unterfcheiden vermag, ob Gerjte, oder Weizen, oder Noggen dargeftellt fer foll. **) Die Nımismatiker haben nach meinem Darfürhalten diefen Vogel unrichtig als Taube gedeutet. Gr ift in Garellis Werk abgebildet auf Taf. CXLIX. Fig. 45 und CL. Fig. 69. +) Sie ift in Garellis Werft auf Taf. CLIIT. Fig. 154 abgebildet. u Körner in einer Zeile jtehen. Die einzelnen Körner find in der Mitte am didften und nad) beiden Enden verdünnt, daher etwas fpindelförmig ; fie find meift von der Spelze no ganz oder theilweife umgeben. Bon derjelben befreit, haben fie eine Länge von 6 bis 7 Mill., bei einer Dide von 3 bis 4 Mill. Die fünf Rippen der großen äußern Spelzen und die mit feinen Städelchen bewaffneten Grannen (Fig. 1, b) find in den Aehren (Fig. 1-3) nod) theilweife erhalten. 2) Die dichte fechszeilige Gerfte (Hordeum hexastichum, densum). fig. 9. Sie hat diejelben dichten jehszeiligen Achren, wie vorige, aber die Körner find bedeutend größer (7/10 bis 3/2 Mill. lang und 3°/ı bis 4°/ Mill. breit), daher auch die Aehre beträcdht- fi dider wird. Sie jtimmt mit der Sorte überein, welde als Furze fechszeilige Sommer- gerite *) bezeichnet wird. Bei dem wohl erhaltenen Aehrenftüd von Robenhaufen treten an der aroßen Spelze die fünf Pängsrippen fehr deutlich hervor; die Grannen find zwar großen- theils zeritört, doch fieht man, daß fie ftark gewefen und mit fehr feinen Zähnden bejegt find. Es fommt diefe Form viel feltener vor, als die vorige. Sch habe fie nur von Robenhaufen, Montelier und Barma. 3) Sweizeilige Gerfte (Hordeum distichum L.) Diefe durch ihre großen Körner und zweizeiligen Aehren ausgezeichnete Art bildet gegen- wärtig die beliebtefte, befonders von den Bierbrauern viel verwendete Sommergerfte. Daß fie ihon zur Steinzeit in unfere Gegenden fam, zeigt ein Aehrenftüf, das ich von Wangen ge- fehen habe, das aber leider fpäter verloren ging. Sie muß Sehr jelten geweien fein. 4) Der Fleine Pfahlbautenweizen (Triticum vulgare antiquorum m.). ig. 14—18 und ©. 5 io. 1. Hat eine furze, dicht gedrängte, Hlein- aber viel-förnige, grannenlofe Aehre mit fehr Scharf aefielten Spelzen und weit vom gewöhnlichen Weizen ebenfo weit ab, wie der Wunder- und Hart-Weizen, ftellt daher eine fehr ausgezeichnete und wie es fcheint untergegangene Weizen- form dar. Sie unterjcheidet fih vom gewöhnlichen Weizen nit allein durch die Kleinheit der Körner, fondern auch durd den fcharf vorftehenden Rüdenkiel der Spelzen und daß je 3 bis 4 Körner in jedem Aehrchen fih ausbilden, während beim gaewöhnlihen Weizen nur 2 bis 3. In der Bildung der Spelzen nähert fie fih mehr dem Hart-Weizen, von dem fie freilich durd) die gar viel Eleinern, namentlich fürzern Körner und den Mangel der Grannen jehr abweicht. *) Man findet hier und da die Angabe, daß dieje jechszeilige Gerfte Winterfrucht fe. Megger (vgl. feine europäifchen Gerealien &. 41) hat aber nachgewiefen, daß diefe Angabe auf Jrrtbum umd zum Theil Verwechslung mit der wierzeiligen Gerfte berube. Bei feinen Ausfaaten im Herbit ging fie durch den Froft zu Grunde und gedieh mur als Sommerfrucht, während die vierzeilige Gerfie eine Winterfrucht ift. Du © Wal Die ganze Achre hatte wahrfcheinlich eine Länge von etwa 44 Mill., bei einer Die von 10 Mill., die einzelnen Aehrchen aber find 6 bis 7 Mill. Hoh und 9 bis 10 Mill. breit (Fig. 16) die äußere Hüllfpelze aber hat 5 Mill. Länge. Sie befitt einen fehr jharfen, vom Grund ausgehenden Rüdenfiel und eine furze, etwas eimwärts gefrümmte jcharfe Spite (Fig. 16. b vergrößert) ; neben dem Nüdenfiel tritt jederfeits noch ein mehr oder weniger deutlicher Yängs- ftreifen hervor. Die äußere Dedipelze ragt beträchtlich über die Hüllfpelze hinaus und endet au in eine furze gefrümmte Spiße, befist daher feine Granne. Das Korn ift dDurchichnittlich 5 Mill., zuweilen aber aubh nur 4 Mill. lang und hat eine Die von 3. Mill. Es it ftumpf zugerundet, tief gerinnt, auf der Nücenfeite ftarf gewölbt. Die dreis bis vierfamigen Aehrhen (Fig. 16) ftehen ungemein dicht beifammen (Fig. 15) und überdeden die Spindel vollftändig. Durch die furze, dicht gedrängte, grannenloje Aehre fteht er in der Tradt dem Binfelweizen am nädjlten. Es ift dieß wahrfcheinlich die ältefte Weizenart , welde in allen ältern Pfahlbauten das vorberrfhende Getreide bildet, aber auch in der helvetifh-römischen Zeit noch angebaut wurde, wie die in Buchs gefundenen Körner beweifen. 5. Der Binfelweizen (Triticum vulgare compactum muticum). ig. 19. Bon diefem Weizen find mir nur einzelne Körner und Aehrchen zugefommen, welche jo ganz mit dem Binfelweizen übereinftimmen, daß fie wohl demjelben zugerechnet werden dürfen, worüber indeffen mit Sicherheit exit entfchieden werden fann, wenn größere Aechrenftüce ge funden werden. Die Aehrchen befigen drei reife Früchte und jcheinen unbegrannt gemwejen zu fein; die Körner haben eine Länge von 6-7 Mill., bei 3 bis 4/5 Mill. Dide, find auf dem Küden hod gewölbt. Der Binfelweizen hat fteife Halme, eine furze, dicht gedrängte grannenloje Aehre und wird als Sommerweizen noh hier und da in den Kantonen Waadt und Freiburg angebaut. In den Pfahlbauten der Steinzeit ift er viel feltener als der vorige, dod in Wangen, Robenhaufen und Moosfeedorf gefunden worden ; häufiger ericheint er in der jpätern Prahlbauzeit, jo bei ung in Montelier, auf der Betersinfel (Fig. 19. g h), in Buchs (Fig. 19 d e); in Stalien bei Parma (Fig. 19. 1). 6. Der ägnptifche Weizen *) (Triticum turgidum L.). Engliiher Weizen, Fig. %, ©. 5, Fig. 4. Die fhöne von Hrn. Meflifomer in Robenhaufen entdedte Achre (Fig. 20 ) hat diejelbe *) Bon den vielen Namen, welche diefer Weizen trägt (englifcher, Äguptiicher, arabijcher, Smyrnatjcher, Wunderweizen u. f. w., babe den obigen gewählt, weil ev feit mralter Zeit in Aegypten am bäufigften fultivirt wird, 15 — e Dide wie der ägyptiiche und Bartiweizen (Tr. turgidum et durum), und zeichnet fich dadurd nicht nur vor den beiden vorigen Heinförnigen Sorten, fondern aud allen übrigen Formen des gemeinen Weizen (Tr. vulgare) aus. Der ägyptische Weizen unterfcheidet fich von dem Bart- weizen durch die fürzeren breitern Hüllfpelzen und die dideren mehr gewölbten Samen. Da die Aehre von Robenhaufen fehr deutlich diefe Merkmale zeigt, gehört fie unzweifelhaft zu diefer Art. Sie fteht der Form am nädjiten, weldhe als Tunefer, au als rother englifher Sammt- weizen (Tr. turgidum rufum velutinum Mebager, Cerealien, Seite 16) bezeichnet wird, doc) ift die Aehre noch dicker und die Aehrchen find dichter zufammengedrängt, in leßterer Beziehung mehr zum rothen, glatten, enaliihen Weizen ftimmend, daher er in feine der jeßigen Varietäten des ägyptiichen Weizens eingereiht werden fann. Die Aehre hat eine Breite von 17 Mill, ift aber nicht in ihrer ganzen Länge erhalten; fie enthält auf jeder Seite der Spindel acht Aehrchen, während Tr. turgidum etwa 11 hat; es fehlen daher wahrjcheinlih etwa drei Mehrchen in der Keihe, wie man denn in der That auf der rechten Seite jehr Schön den Ausihnitt der Spindel (Fig. 20) fieht, aus welhem das Hehrchen ausgefallen ift. Die Achrchen enthalten meiit drei, einige aber zwei Samen. Die Hüll- ivelzen find breit, bedeutend fürzer als die Dedipelzen, und haben von Grund aus eine fcharf vorftehende Rüdenfante, die in eine furze, etwas gefrümmte Spige ausläuft; neben derfelben ift die Spelze etwas ausgerandet (Fig. 21 d) und zur Seite mit einem ziemlich ftarfen Längsnerv verjehen. Die äußere Dedipelze ift vorn in eine Granne verlängert, die allerdings nur am Grund erhalten ift; man jieht aber deutlih, daß fie abgebrochen ift. Die Samen (Fig. 21) bilden die, ftumpfe, am Rüden ftart gewölbte Körner von 7° Mill. Länge und 5 Mill. Breite. Die Fig.20 abgebildete verfohlte Aehre ift ein Unicum der botanischen Sammlung des Poly: tehnifums, aber auc einzelne Körner find nur fehr felten in Robenhaufen und Wangen gefunden worden. 7. Der Spelt (Triticum Spelta L.). Fig. 22. Bon Spelt (Fälen, Dinkel, Korn) find einzelne, nody von den feft anhängenden Spelzen dicht umfchloffene Achrhen und zahlreihe Körner auf der Vetersinfel aefunden worden. Er fcheint den Pfahlbauern der Steinzeit nicht befannt gemwefen zu fein. 8. Der Pfahlbauten-Emmer (Triticum dieoecum Schranf). Fig 3. Dbwol die in glänzende Kohle verwandelte Aehre von Wangen (Fig. 23), welche in unferer antiquariihen Sammlung aufbewahrt wird, in mehrere Stüde zerbroden ift, läßt fich ihre Form doch leicht wieder herftellen. Sie ift platt, daher fie bei einer Breite von 14 Mill. nur eine Dide von 6 Mill. hat (Fig. 23). Die zweifamigen Achrchen ftehen fehr dicht bei- jammen und find dachig übereinander aeleat, vorn gewölbt, auf der innern Seite dagegen ziem- == 16 ze lich flah. Die Hüllipelzen find vom Grund aus feharf gefielt, vorn aezahnt und Fürzer ale die Dedfpelzen, welche in eine furze Spiße auslaufen, daher die Aehre unbegrannt war. Stimmt in allen wefentlihen Merkinalen mit dem Emmer überein, und ftcht durd die dicht gedränate Hehre dem dichten röthlihen Sommeremmer und dem jchwarzen Winteremmer (Mebaer Gerealien ©. 34) am nädften, weiht aber von diefen, wie allen befannten Barietäten durch die noch diefere Aehrchenftellung und den gänzlihen Mangel der Grannen ab, stellt alfo eine eigenthümliche, wie e8 jcheint, erlofchene Form diejer Getreideart dar, welche uns zur Zeit nur aus der Pfahlbaute Wangen befannt ift. Wir fünnen fie als Bfahblbauten-Emmer bezeichnen. 9. Das Einforn (Triticum monococcum L.). Bom Einkorn befaß die antiquarifhe Sammlung zu Zürih eine jehr Ihöne Aehre von Wangen, welche leider verloren gegangen ift, daher nicht unterfucht werden fonnte. Die flache Hehre beftand aus jehr dicht beifammenstehenden, einfamigen, begrannten Aehrcen. 10. Der Noggen (Secale cereale L.). Fig. 25. Wir haben Ichon früher erwähnt, daß den Pfahlbauten der Schweiz der NKogaen gänzlich) fehlt, dagegen habe ich diefe Getreideart von Hrn. Prof. Setteles von Dlmüß erhalten. Nach feiner Verficherung fand er ihn unmittelbar neben Bronzegeräthen und den Knochen des Pfahl- bauten-Schweines, woraus er fchließt, daß er der Bronzezeit angehöre. Bon derfelben Stelle fandte er mir auch den Eleinen Pfahlbautenweizen (Fig. 18 h). Es ift dieh das ältejte be- fannte Borfommniß des KRoggens. Daß er zur römischen Zeit in der Schweiz angebaut wurde, zeigen einige Körner, welche 1849 in Buchs (Kt. Zürich) nebft Weizen, Hafer und ennid, am Herde eines römischen Gebäudes (wohl etwa aus dem zweiten Jahrhundert n. Chr.) gefunden wurden. Sch fah auch Noggenförner neben Weizen und der charafteriftifchen Eleinen Bohne bei Getreide, das in einer römischen NAuine Ungarns (bei Grädistia) entdeit wurde. Es ilt daher fein Grund vorhanden den Griechen und Nömern der fpätern Zeit die Kenntniß diefer Setreiveart abzufprechen. Die Briza Galens, welche nad feiner Angabe in Thracien und Macedonien angebaut wurde und ein fehwarzes fchlechtes Brod gebe und die Secale des PBlinius bezeichnen wahrscheinlich den Noggen. 11. Der Hafer (Avena sativa L.). Fig. 24. Die Fig. 4 abgebildeten Haferförner beweifen, daß der Hafer im Zeitalter der Bronze in unferm Lande Eingang gefunden hatte. Die Körner Fig. 24 d, e find von der Beters- infel, e von Montelier und a, b aus einer römischen Auine von Buchs. Alle diefe Körner timmen in Größe und Form überein (find 6% Mill, lang bei 2 Mill. Breite), haben auf der Bauchfeite nur eine Ichwahe Kinne und find auf der Nücenfeite fhwach aewölbt, beim EN. Keim zugefpigt, am andern Ende dagegen zugerumdet. Sie find etwas Meiner als bei dem jeßt bei uns cultivirten Hafer, mit welchem aber die von Dr. Lifh in Wismar in Medlenburg aufgefundenen Körner (Fig. 24 f) übereinftimmen. 12. Die Nifpen=Hirfe (Panicum miliaceum L.) Fig. 26, 27, Seite 5, Fig. 6. Die Hirfe wird gegenwärtig nur felten mehr bei uns gebaut, fie wurde wie mandje andern Sommergewächfe von der Kartoffel von den Nedern verdrängt. Früher aber wurde fie fehr viel gepflanzt, Ende April gefäct und im Auguft geerntet. Der Hirfenbrei war ein fehr be- liebtes Geridht. Daß fie Shon den Pfahlbauern befannt war, zeigt ein großer Klumpen von verfohlten Hirfeförnern, welder in Wangen gefunden wurde. Sie find theilweife no von den äußern Hüllblätthen umgeben, deren zahlreiche Längsftreifen fehr deutlich hervortreten (Fig. 6 b). Hier und da fieht man aud nod die dünnen, langen Stiele, an welchen die Früchte befeftigt find und welhe uns die Nifpenhirfe mit Sicherheit erfennen laffen. Diefe Früchte find (ohne die äußern Epelzen) fehr furz oval, nähern fid) der Kugelform (Fig. 27), 3 Mill. lang; fie find von der umgefchlagenen Ded- Spelze umfchloffen und ganz glatt, glänzend. Ganz diefelben Körner erhielten wir von Hr. Oberft Schwab aus der Pfahlbaute von Montelier am Murtnerfee. Diefe find unverkohlt, aber doc glänzend fchrwarz gefärbt und vortreffli erhalten. Da es eine Ihwarzförnige Form der Rifpenhirfe gibt, hatten fie wahr: Iheinlid au im frischen Zuftand diefe Farbe und würde die Bfahlbauten-Kifpenhirfe zu diefer FormYgehören. Es ift dieß das Milium der Nömer, welches von Indien hergeleitet wird, wo e8 nod) wild wachfend gefunden wird. Die Hirfe verlangt guten Boden und gibt nur fo weit der Wein gedeiht, einen reichlichen Ertrag. Die Kultur der Hirten zur Pfahlbautenzeit beweist, daß das Klima damals nicht wejentlih von dem jebigen verfhieden war. 13. Die Kolbenhirje, Fennich (Setaria italica L. sp.) Fig. 28, 29. ©. 5, Fig. 7. Die Kolbenhirfe ift, wenn man ganze Blüthen oder Fruchtitände vor fi bat, fehr leicht don der vorigen zu unterfcheiden, indem die nur Furz geftielten Aehrchen in dichten Maffen bei- fammenftehen und von feinen Borften umgeben find. Biel fhwerer hält es die einzelnen Früchte zu erkennen, da fie faft diefelbe Form haben und in gleicher Weife von den innern Spelzen umfchloffen find. Allerdings find fie durchfchnittlich Fleiner und noch mehr fuglicht, aber viel fiherer als diefe immerhin wandelbaren Merkmale unterfcheidet fie ihre Sculptur. Mit der Loupe bemerft man nämlich auf der der großen Spelze gegenüberliegenden Seite ein breites Längsband, das äußerft fein und zierlih punftirt ift, während diefe Wartie bei der Rifpenhirfe ganz glatt und glänzend ift. Körner nun, die diefes Merkmal fehr Schön erhalten haben und aud in der Größe (fie Haben 3 Mill. Durchmeffer) und Form mit dem Fennich übereinfommen, 3 Be erhielten wir von der Bronze-Pfahlbaute Montelier und aus der helvetosrömishen Niederlaffung bei Buhs (Cant. Zürich), an welch’ Teßterm Drte eine große Maffe folcher verfohlter, fhmwarzer Körner beifammen lag. Site war aber fhon zur Steinzeit bei uns angebaut, wie die in Kobenhaufen entdeften Hirfenbrode beweifen, von denen wir fchon früher aefproden haben. Es ift dieß das Panicum der Römer, welches Wort allmählig in Pfennih und Yenni verwandelt wurde, unter welchem Namen dies Getreide früher bei uns befannt war. Da es felbit Drtichaften den Namen gegeben hat, wie uns Fällanden (Fennicdlanda der Urkunden)zzeigt, muß jeine Kultur einft von großer Bedeutung gewefen fein. Gegenwärtig wird es nur nod als Vogelfutter gepflanzt. Es ftammt ebenfalls aus Indien und fordert zu gutem Gedeihen einen warmen Jahrgang. 2, Die Unkränter der Neder, Die Unfräuter, welche auf dem Hulturboden fich einfinden, haben jehr verfchiedene Heimat. Wir fünnen fie darnadh in drei Klaffen theilen. Es find theils Landesfinder, welchen der ge- locderte und aedüngte Boden der Meder zufagt und die daher von demfelben Befig zu nehmen fuchen, theils aber Fremdlinge, welche mit den Kulturpflanzen eingefchleppt wurden, indem ihre feinen, häufig mit feinen Städhelhen bewaffneten Samen denfelben fi anhängen (fo den Ge- treideförnern) und mit ihnen ausgefäet werden. Diefe finden wir bei uns immer nur an ful- tivirten oder doch in der Nähe menfchliher Wohnungen liegenden Stellen. Den einen fagt das Klima zu, fie werden zu bleibenden Anfäßen oder Niedergelafjenen, während andere nicht auf die Dauer fich zu halten vermögen und fomit nur vorübergehende Aufenthalter find. Alle drei Klaffen erfheinen fhon unter den Unfräutern der Vfahlbauten. Der friehende Hahnene fuß und die Klette find einheimische Pflanzen, welche die Aderränder befegen und zuweilen auch in’s Innere des Feldes eindringen, die Lichtnelfen, die Kornrade, die Melden, der Loldh, die blaue Kornblume und das Hletternde Labkraut find bleibende Niedergelaffene, während das fretifhe Leimfraut nur als feltener vorübergehender Saft zu bezeichnen if. Es fam ohne Zweifel aus Südeuropa und ftand im Flachsfed. Auch die andern bleibend angefiedelten Unfräuter ftammen wahricheinlih aus den Mittelmeerländern und dem Drient, doch haben fie jeßt eine fo allgemeine Verbreitung, daß fih dieß nur bei wenigen nad weifen läßt. Wir fönnen die Unfräuter aus den Früchten und Samen ermitteln, welche in der Kulturfchicht der Pfahlbauten fich finden. inige derfelben find verfohlt und lagen ohne Zweifel beim Ge- treide, al8 die verbrannte, die meisten indeffen find unverfohlt. Diejfe tönnen zur Zeit der Pfahlbauten durch den Wind und Wafler, alfo rein zufällig, an jene Stätte gefommen fein. Die kann bei folhen der Fal fein, die nur felten gefunden werden, diejenigen dagegen, die in großer Zahl im Sclamme drin liegen, welcher den Boden der Pfahlbauten bildet, müffen durd ee den Menfhen dahin gefommen fien. Sie wurden nad den Reinigen des Getreides ala Ab- fall in den See geworfen. 1. Giftlolch (Lolium temulentum L.) Fig. 42 zweimal vergrößert, Fig. 42, c. 4'/; Mill. lange, 2 Mill. breite, auf der einen Seite tief nerinnte, auf der andern aber ihwad gewölbte, elliptifche, verfohlte Samen von Nobenhaufen, fheinen mir am beiten zum Giftlolh zu paffen; bei einem ähnlihen Stüd von Moosfeedorf ift die Ainne fhmäler und weniger tief als beim Giftlolh und diefe Beltimmung ift daher no nicht genügend gefichert. Es fommen bei der Gerfte und Weizen zuweilen verfümmerte Körner vor, die mit dem Gift- (of verwechfelt werden fünnen, welche aber eine viel jhmälere Rinne haben. 2. Die weiße Melde (Chenopodium album L.) Fig. 20. Winzig Fleine, alänzend fhwarze, linfen= und nierenförmige Samen gehören zu den bäufigiten Borfommniften im Schlamme des Pfahlbaubodens von Robenhaufen und erfcheinen audy in dem von Moosfeedorf. ES find dieß die von den fie feltumhüllenden Kelhen durh Maceration befreiten Samen der weißen Melde oder Gänfefuß, welche demnach eines der gemeiniten Un- fräuter der Aeder der Pfahlbauern geweien fein muß. Die Samen haben 1. Mill. Durd- meffer, find anfcheinend ganz alatt, zeigen aber unter dem Miceroscop jehr feine radiale Streifen ohne beitimmte Ordnung, und auf dem Rüden eine fhwade, ftumpfe Kante, wo die Samen- fchale aufgeiprengt werden fann. Keim und Eiweiß find verfhmwunden. E8 gibt zwar viele ähnlihe Samen bei den Melden und Amaranten, aud bei den Kefeden, Fumariaceen und Alfineen (Moehringia); doch läßt eine mieroscopifhe Unterfuhung fie mit Sicherheit unter- fcheiden und diefe zeigt eine völlige Uebereinftimmung mit denen der weißen Melde. 3. VBielfamige Melde (Chenopodium polyspermum L.). Die glänzend Shwarzen Samen find von derfelben Größe, wie bei voriger Art, haben aber auf dem Nüden feine Kante, fie find fehr fein punftirt. Sit felten in Robenhaufen. 4. Rothe Melde (Chenopodium rubrum L.) Die 1° Mill. breiten Samen find unter dem Microscop am Nabel fein gepunftet. Bon Robenhaufen nur in ein paar Samen uns zugefommen. 5. Gejftreiftfamige Melde Fia. 4. Die Samen ftimmen in Form und Farbe mit den vorigen überein, jie find aud Ihmwad) nierenförmia, aber viel Heiner (nur 1 Mill.) und durh ihre Sculptur ausgezeichnet. Unter dem Mieroscop fieht man zahlreihe radiale Streifen, weldhe fehr dicht beifammen ftehen und ftellenweife unterbroden find. Sie find mit einem fhmalen Rand verfehen. In Größe ftimmen fie völlig zu den Samen des Wau (Reseda Luteola L.), find aber etwas breiter und haben eine andere Sculptur, indem bei dem Wau die Samenjcale ganz glatt ift. Unter den Melden ftimmt fie in Größe der Samen am beiten mit Chenopodium glaucum, diefem Samen fehlt aber die Streifung, wogegen fie fein gepunftet find. Es ift mir bis jest noch nidt gelungen, die Pflanze zu finden, welher diefe in Robenhaufen nicht feltenen Samen angehört haben. Wahrfcheinlih ift es eine Melde. 6. Die große Klette (Lappa major L.). Fig. 36. Die Kletten fiedeln fih zuweilen an Weg- und Aderrändern an und hängen fi) mit ihren hafig zurüdgefrüummten Borjten des Hüllfelhes Teiht an fremde Gegenftände an. E8 fanden fih in Robenhaufen die platten, von vier Fängsfanten durchzogenen, gegen den Grund zu verfchmälerten Früchte diefer Pflanze, welche mit denen der Lappa major L. übereinftimmen. 7. Die Kornrade (Agrostemma githago L.). Fig. 32 zweimal vergrößert Der verfohlte Same wurde in KRobenhaufen gefunden. Er ift ftarf nierenförmig gebogen, hat einen flachen, breitgewölbten, dicht mit fat ftahelfürmigen Wärzchen befegten Rüden und flache Seiten, die viel feinere Wärzchen tragen. 8 Die Abend-Lichtnelfe (Lychnis vespertina L.). Fig. 33 zweimal vergrößert. Die zierlihen Eleinen Samen find au nierenförmig und mit feinen fpißigen Wärzchen dicht bejegt, welhe in regelmäßige Reihen geordnet find. Sie erfcheint nit ganz felten in Kobenhaufen. Die äußert zierliche, aus einer Shwarzen Zidzadklinie gebildete Einfaffung der Wärzchen, welde die frifhen Samen unter dem Microscop zeigen, ift bei denen der Pfahl: bauten nicht erhalten. 9. Das Eretifche LeimFfrant (Silene cretica L.). Fig. 30 u.31.Same dreimal vergrößert. Eine wohl erhaltene, noch mit dem kurzen Fruchtträger versehene, verkohlte Kapfel von 7'/a Mill. Länge und am Grund 5% Mill. Dide zeigt die meifte Uebereinftimmung mit der Frudt der Silene cretica L., S. coarctata und Sil. gallica L.; fie ift am Grunde ftärfer bauchig aufge- trieben, als bei S. gallica und ftimmt gerade in diefer Beziehung zu S. coarctata, von der fie aber durdy die etwas weniger verlängerte Spiße fich unterfcheidet und fo fih am nädjlten an die Frucht der S. cretica L. anfchließt. Sie ift wie bei diefer fait Fuglicheeiförmig, nad oben ftarf verengt, mit Eleiner von furzen Zähnen umftellter Deffnung, von welden Zähnen vier erhalten, zwei aber abgebrochen find. Außen it fie mit feinen Querrunzeln befegt, wie die Kapfel der S. cretica L. Wir dürfen fie um fo eher diefer Art zuzählen, da außer diefer Kapfel in Kobenhaufen auch die Samen diefer Art nicht ganz felten gefunden wurden (Fig. 3D). Sie find nierenförmig und gewähren unter dem Microscop einen jehr zierlihen Anblid. Der flad) ges bogene Rüden ift mit 4—5 Neihen von fpigigen Wärzchen befeßt, die fehr dicht beifammen ftegen, und ebenfo ift die Seite mit zahlreihen und dicht ftehenden fpigigen Wärzchen gefhmüdt, welche vier, nicht jcharf getrennte Neihen bilden. Bei dem Samen der lebenden Pflanze ift jedes Wärzchen von einer Ziczadlinie eingefaßt, die au bei denen der Vfahlbauten zu erfennen ift (Fig. 31 c.). Die frifhen Samen find braun, die der Pfahlbauten fhwarz ; fie haben einen Durdmefier von 1% Mill. Bei der S. gallica und coarctata find die Samen Eleiner und haben eine andere Skulptur, indem die Wärzchen ganz ftumpf find. Die Silene gallica L. erfcheint bei uns und in Deutichland hier und da zeitenweife auf Ackern, wogegen die S. coarctata Lag. bis jeßt nur aus Spanien befannt ift. Die S. ceretica it über alle Mittelmeerländer verbreitet. Sie findet fih in Peinädern*) in Griechenland, Stalien, Südfranfreih und. den PVyrenien. In der Schweiz und Deutichland fehlt fie, daher ihr Borfommen in den Pfahlbauten von großem Sntereffe ilt. 10. Die Sternniere (Stellaria media L. sp.). Die Sternniere (Hennendarm) gehört zu den gemeinften, falt über die ganze Erde ver- breiteten Unfräutern. Ihre Eleinen nierenförmigen Samen haben flahe mit feinen, ziemlid ftumpfen Wärzchen befeßte Seiten und einen flahen, breitgewölbten Nücen, der mit fünf Zeilen fleiner Wärzchen befegt ift. Es find mir bis jeßt erit ein paar Samen diefer Art von Roben= haufen zugefommen. 11. Der Spörgel (Spergula pentandra L.). Sig. 38. Unter dem Gejäme von Robenhaufen fand ic etwa ein Duzend jehr fleiner, ganz flacher , freisrunder Sämden, welde von einem etwas verdidten Ning umgeben und zuweilen mit ihmwarzen Börftchen gewimpert find. Sie ähneln jehr denen des Spörgels und die Borften müßten dann von den Strahlen des dünnen Flügels herrühren, welder bis auf diefe ver: fhwunden wäre. 12. Quendelblättriges Sandfrant (Arenaria serpyllifolia L.). Fig. 34 dreimal ver- größert. Bom Heinen Sandfraut, das häufig in unfern Aedfern vorfommt, hat fih in Moosfeedorf eine Heine KRapfel erhalten, deren fehs Kleine Zähne geblieben find. 13. Das8 Fletternde Labfrant (Galium Aparine L.). Fig. 35. Gehört zu den lältigften Unfräutern, deften fuglichte, mit Heinen hafenförmigen Börftchen befeßte Früchte gar häufig in der Gerfte und Hafer vorfommen (die fogenannten Katten). Daß dich Ichon bei den Pfahlbauern der Fall war, zeigen die verfohlten Früchte, die mir von Montelier zufamen und völlig mit denen der Seßtzeit übereinftinmen. 14. Der Friechende Hahnenfuß (Ranunculus repens L.). Fig. 39. Er niftet fih befonders an den Aderrändern ein, doch wucert er auch in’3 eigentliche Kornfeld hinein und ift feiner vielen Ausläufer wegen fchwer zu vertilgen. Einzelne Früdtchen treten in KRobenhaufen und Moosfeedorf auf. *) j. Grenier und Godron, Flore de France I. ©. 215. ze 15. Der Fleinfte Schneckenflee (Medicago minima L.). Die Fleinen fchnefenförmig aufgewundenen, fugelichten Früchte find für diefe Art bezeichnend, do find die Stächelhen, welche die lebende Frucht in zwei Reihen befegen, großentheils abge- fallen. Nobenhaufen, felten. 16. Die Kornjlocdenblume (Centaurea cyanus L.). Fig. 37 etwas vergrößert. Bon der blauen Kornblume wurde die Frucht in Nobenhaufen gefunden. Sie ift von feinen Pängsftreifen durchzogen und oben, da wo die Krone aeftanden, etwas eingezogen. Diefe Pflanze wähst nah Guffone in Siceilien an trodenen Bergabhängen wild und hat bier daher ihre uriprüngliche Heimat. Sie ift aber frühzeitig in das KRornfeld eingewandert und ift dann mit dem Getreide über ganz Europa verbreitet worden. Da fie fih fchon im Kornader der Pfahlbauern einfand, bezeichnet fie den Weg, weldhen ihr Getreide bei feiner Berbreitung genommen hat. 3. Gemije. 1. 2. Paftinaf (Pastinaca sativa L.). Fig. 43 und Möhre (Daucus carota L.). Für die Steinzeit der Pfahlbauten laffen fib mit Ausnahme der Erbfen feine Gemüfe- pflanzen mit voller Sicherheit nachweifen. Indelfen ift es beachtenswertb, daR die Frucht des Baftinafs, die in der Form, in ihren Rippen und Delgängen, völlig mit der lebenden überein- fommt, im Pfahlbauboden von Moosjeedorf zum Borfchein fam. Da fie unverfohlt, kann fie zufällig dahin gelangt fein, indem diefe Pflanze bei uns häufig wildwachlend getroffen wird; fie fann aber auch fultivirt worden fein, willen wir ja, daß Te noch jet in vielen Gegenden angebaut wird und im Altertfum als Gemüfe ehr beliebt war. Dasfelbe gilt von der Möhre von Robenhaufen, dagegen ift uns von den Kohlarten, Näben, von Kraut und all’ den verfchiedenen Gemüfen, welche jeßt in der Küche eine aroße Rolle fpielen, no feine Spur zugefommen. 3. Die Eeltifche Swerg-Ackerbohne (Faba vulgaris Mch. var. celtica nana.). Fig. 44—47. Wir erhielten diefe von Hrn. Oberft Schwab aus der Pfahlbaute von Montelier am Murtnerfee, von Hrn. Gillieron von der Vetersinfel und von Hrn. Brof. Strobel von Parma; genau diefelbe Form findet fih aus einer römischen Niederlaffung Ungarn’s im In= duftriemufeum von Laufanne. Sie tritt an allen diefen Stellen in einer auffallend Fleinen Form auf, wie fie meines Wiffens nirgends mehr getroffen wird. Die fleine Ader- oder Pferdebohne, welche in unferer Gegend angebaut wird, hat eine Pänge von 10 bis 12 Mill., während die größten Stüde der Pfahlbauten 9 Mill. lang find, die Eleiniten aber nur 6 Mill. Sie ftellen eine eigenthümlihe erlofchene Kace dar, die man als feltifhe Zwergbohne bezeichnen Tann. —-— 23 — Mit Ausnahme der Größe ftimmt fie übrigens wohl mit der lebenden überein. Montelier gehört der Bronzezeit an, ebenfo au die Vfahlbaute von Barma und darnadh wird auch die Fundftätte der Vetersinfel, wo Hr. Gillieron diefe Bohne entdedt hat, wahrfcheinlich diefer Zeit zuzutheilen fein. Es ift diefe Bohne wahrfheinlih aus Stalien in unfere Gegend gefommen und zwar fange vor der hefvetifch-römifchen Zeit, wie die Fundftätte von Mon- telier beweist. Daß man in Kom großen Werth auf die Hülfenfrüchte legte, zeigt der Umftand, daf mande Gefchlehter von ihnen ihren Namen erhalten, fo die Vabier von der Bohne (Faba), die Pifonen von der Erbfe (Pisum), Cicero von der Kichererbfe (Cicer) "und Lentulus von der Linfe (Lens). 4. Erbfe (Pisum sativum L. var.). fig. 48. Mit obiger Zwergbohne zufammen wurde auf der Petersinfel die Erbfe und die Linfe gefunden und zwar au in einer auffallend Heinen Form, die aud aus der Prahlbaute Moos- jeedorf mir zulam ; diefe find in Folge der Verfohlung meift aufgefprungen. Diefe Erben gehören zu Pisum sativum L., indem die Samen fugelrund find, während fie bei der Ader- erbje (P. arvense L.) mit Eindrüden verfehen und etwas eig find. Sie ftellt aber eine eigenthümliche, wie es fcheint erlofchene VBarietät dar, welche der Heinen, weißen Felderbfe am nädhjften zu ftehen fcheint. Die meiften. haben nur einen Durhmeffer von 4/s Mill., die Heinften aber nur 3% M.; ein Stüd aber, das freilich aufgefprungen ift, hat 5 Mill. und erreicht nahezu die Größe der Fleinen, weißen Felderbfe. Link hat es bezweifelt *), daß die Alten die Erbfe aefannt haben und hat dem Bifum der Römer eine andere Deutung geben wollen. Das Borfommen der Erbje in den Pfahl- bauten muß aber diefe Zweifel zerftreuen. 5. Zinfe (Ervum Lens L.). Fig. 9. Es gehören die verfohlten, Kleinen Linfenfamen der Betersinjel zu der Abart, welche man als Feine oder „eldlinfe (Ervam Lens microspermum) bezeichnet hat. Die Samen find platt, und auf beiden Seiten flach gewölbt. Schlechter erhalten find einige Stüfe aus der römischen NAuine von Bude. Da die erwähnten Bohnen, Erben und Pinfen nur in verfohltem Zuftand auf uns ge- fommen find, könnte man vermuthen, daß ihre auffallende Kleinheit eine "olge der Berfohlung fei. Allein dieß ift nicht der Fall, wie mir die Berkohlung von foldhen frifhen Samen gezeiat bat. Sie find dadurch um nichts Fleiner geworden, nur die Bohnen theilweife aufgefprungen. *) Ueber die ältere Gefchichte der Hüffenfrüchte. Abhandlungen der Berliner Afademie. 18%, ©. 7. BEER 4, Ohft: und Beerenfrüchte, 15 a 16 b Obft- und Keerenfrüchte der Pfahlbanten. Fig. 1. 65 4. Holzapfel, a. Kerne, ec. Stiel. Fig. 5. 6. Kultivirte Uepfel. Fig. 7. Holgbirne. Fig. 8. a. Erdbeerfame, vergrößert. Fig. 8. b. Wafler-Ranumfel, vergrößert. Fig. 9. Same der Himz beere, viermal vergrößert. Fig. 10. der Brombeere, vergrößert. Fig. 11. Kern der Weinbeere, a. b. natürliche Größe, e. vergrößert. Fig. 12. Cornel. Fig. 13. Felfenfirfche (Prunus mahaleb). a. b. von Caftione bei Parma, ec. d. von NRobenhaufen. Fig. 14. Ahlkirfche (Prunus Padus), a. b. mit runden Stein von Robenhaufen, e. mit länglichem Stein von Concife. Fig. 15. Schlehenftein. Fig. 16. Pflaumenftein, a. Bauchfeite, b. Breitfeite, ce. Nüdenfurche. Fig. 17. 18. Rirfchenfteine. Das Kernobit ift in den Vfahlbauten verfohlt und in diefem Zustand fehr fhön erhalten geblieben, jo daß man Kelh- und Kernhaus fleifchige Bartie und Schale leicht unterfcheiden fann ; die Stein und Beerenfrüchte dagegen find unverfohlt, daher nur der Stein und die harten Samenhüllen geblieben find. Es haben dieje den Nahrungsfanal der Pfahlbauleute paffirt und liegen nun mit den Knodhenreften und andern Abfällen nefterweife auf dem alten Seehoden, nämlih an allen den Stellen, wo (vielleicht durch Fallthüren verfchliegbare) Deffnungen in dem Holzboden fich fanden, durch welche die Abfälle in den See gelangten. 1. Aepfel (Pyrus malus L.). ©. 4. Fia. 1-6. Sie find meift in zwei Stüde gefchnitten, felten in drei, in der Weife, daß die mittlere en Bartie mit dem Kernhaus ein Stüf bildet. Die Hleinften ließ man meift unzertheilt, daher auch ganze Aepfel unter den zerftücdelten liegen. Kelch und Kerngehäufe wurden nicht ausge- ichnitten, ebenfowenig die Schale abgefhält; nur die Stiele feheinen entfernt worden zu fein, wenigftens fehlen diefe immer. Die jauren, mit didem Kernhaus und Kelch verfehenen Holz- äpfel werden eine rauhe, wenig Shmadhafte Speife geweien fein; die Pfahlbauleute haben e8 aber damit nicht fo genau genommen, und daß diefe Nahrung für fie von großer Bedeutung war, zeigt das häufige Vorkommen diefer Früchte und die weite Verbreitung derjelben im Gebiete der Pfahlbauten. Die innere Schnittfläche diefer Aepfel wie die Außenfeite ift meist tief runzlicht, in ähnlicher Art wie beim gedörrten Dbft. Werden frifche Aepfel verfohlt, bleibt die Schnitt- fläche alatt und aud die Schale legt fih nicht in folhe NKunzeln zufammen. Dieß zeigt uns, daß die Aepfel der Pfahlbauten nicht frifh, fondern getrodnet (al8 fogenannte „Stüdli“) vers fohlt wurden und daß man fehon damals PVorräthe an getrodnetem Dbft angelegt hat. Bei einigen Stüden (S. 24. Fig. 5) haben wir indejjen eine glatte Schale, und diefe find wahr- fcheinlic im frifchen Zuftande verfohlt worden. Außer den verfohlten Aepfeln findet man ziemlid) häufig die unverfohlten Apfelferne und die harten Partien des Kernhaufes. Wir fönnen zwei Sorten von Pfahlbau-Xepfeln unterfcheiden: a. Den EHleinen Holzapfel. (S. 4. Fig. 1-4.) Er ift faft fugelrund, nur etwas breiter als hoch, indem fein Pängsdurdhmefjer 15-4 Mill. beträgt, während der Querdurchmefjer um etwa 3 Mill. größer ift. Beim Stiel und Keld it er Stumpf zugerundet oder doch nur wenig vertieft. Das runde Kernhaus hat einen großen Durdhmefjer (bis 13 und 15 Mill), nimmt daher einen bedeutenden Theil der Frucht ein, fo daß nur eine fleine fleifhige Partie übrig bleibt. Fedes Fruchtfach enthält in der Negel zwei Samen (Fig. 5 a), wird aber zuweilen durd Verfümmerung eines Stüdes einfamig. Ir allen diefen Verhältniffen ftimmt diefe Sorte vollfommen mit dem Holzapfel unferer Wälder überein. Das Fig. 3 abgebildete Stüf fieht in Größe und Form den Früchten eines Holz- apfelbaumes, der an den Nagelfluhfelfen unter der Kuppe des Uetliberges fteht, fo ähnlich, al8 wäre es von diefem Baum genommen. Diefe Eleine Sorte ift mir von Wangen, Robenhaufen, Moosfeedorf und Concife zuge: fommen; von Wangen fah ich auc Apfelftiele, die wahricheinlich diefer Sorte angehören; fie find ziemlih lang und am Grunde verdikt. (Fig. c.) b. Den größern, runden PBfahlbauapfel. (S. 4. Fig. 5. b.) In Robenhaufen wurde, neben den Heinen Holzäpfeln, eine beträchtliche Zahl von größern Aepfeln gefunden, welche fehr mwahrfcheinlih einer andern fultivirten Sorte angehören. Die Form ift zwar diefelbe, fie haben aber eine Höhe von 29-32 Mill. und einen Querdurd- mefjer, der bis zu 36 Mill. anfteiat. Das Kerngehäufe und die Samen (Fig. 5. 6.) find zwar auch etwas größer, aber nicht in demfelben Verhältnig, daher der fleifchige Theil mehr vor- 4 a waltet und auf Kultur jchliegen läßt. Um den Stiel herum ift er etwas ftärfer vertieft (Fig. 9.) und mit einigen ftrahlenförmig auslaufenden Streifen verfehen, auch der geichloffene Kelch Liegt in einer Einfenfung, welche Shwahe Rippen zeigt (Fig. 6.). Db der Apfel jüß oder jauer gewefen, fann nicht entfchieden werden, daher die Ausmittlung der ähnlichiten lebenden Sorte faum möglich fein wird. Da nur feine Größe, und zwar voraus die Vergrößerung des Frucdtfleifches, ihn von dem Holzapfel unterfcheidet, it er wahrjceinlich aus diefem hervorgegangen und als eine aus diefem durd Kultur erzielte und daher wohl jfaure Sorte zu betradten. Er dürfte wohl die Urforte der überaus zahlreihen Apfelforten bilden, welche gegenwärtig unfere Pomo- logen befchäftigen. Herr Seminarlehrer Kohler, welcher unfere Obitforten am beiten fennt, hält den Fleinen Campaner für den ähnlichiten Apfel der Yebtzeit. 2. Birne (Pyrus communis L.). ©. 4. fig. 7. Die Birne muß fehr felten gewefen fein. Es find mir nur ein paar Stüde von Wangen und Robenhaufen befannt geworden. Sie jtellen halbirte (28 Mill. Hohe und 19 Mill. im Duerdurchmeffer zeigende) Birnen dar, mit einem fehr großen geförnten Kernhaus und EFleiner fleifchiaen Partie. Es war daher eine Holzbirne, welche gegen den Stiel zu verfchmälert war. Man unterfcheidet zwei Formen von Holzbirnen, erftens mit Früchten die am Grunde zuge= rundet und fugliht (den Pyraster), und zweitens die am Grund in den Stiel vorgezogen find (die Achras). Die Vfahlbautenbirne gehört zu leßter Sorte. 3. Mebhlbeerbaum (Pyrus aria L.). Fig. 50. Dar die Pfahlbauleute die Meehlbeeren des Waldes nicht verfhmäht haben, zeigen einige Kerne, welhe in Wangen und Kobenhaufen zum Borfchein famen. Es wädhst diefer Baum in Gebirgsgegenden, wo die rothen Beeren häufig von den Knaben eingefammelt und gegelfen werden. Da er au am Uetliberg getroffen wird, fann er gar wohl einft auf den Hügeln bei Webifon und am Schienerberg bei Wangen geftanden haben. Die Kerne find bedeutend Fleiner als die des Holzapfels (nur 6 Mill. lang), und öfters mit tiefen, von fharfen Kanten einges faßten Yängseindrüden verjehen. 4. Kirfche (Prunus avium L... ©. 4. Fig. 17. 18. Kirfchenfteine find bis jeßt erft in Robenhaufen gefunden worden und zwar ein einziges Mal. Es find zwei SteinsFormen zu unterjcheiden, die einen find faft fugelrund, halten 7’/ bis 8 Mill. im Durchmeffer (Fig. 18.), die andern aber find furz eiförmig (Fig. 17), indem der Fängsdurdmeffer 8-10 Mill., der andere aber nur 6—7'/. Mill. beträgt. Sie find ganz glatt und haben auf dem Rüden nur eine fhwad) vortretende, zuweilen ganz verwilchte Yängs- linie. Daran erkennen wir, daß fie zu ven Süßfirfhen (Prunus avium L.) gehören, indem bei den fauren Kirfhen (Prunus cerasus L. Emmer, Weihjel), deren Stein jonft dies felbe Korm und Größe hat, eine fcharf vortretende Rüdenlinie vorhanden ift. Die Steine find etwas Kleiner, als bei unfern Fultivirten füßen fhwarzen Kirfhen. Das Auftreten von zwei Steinformen, die au bei unfern jeßigen Süßfirfchen fich finden, dürfte darauf hinweifen, daß fhon damals zwei Sorten von foldhen Kirfchen beitanden, die aber noch wenig verbreitet waren 5. Yilaumen. (Prunus insititia L.).. ©. %4. Fig. 16. Die Zwetfchge (Pr. domestica L.) war den Pfahlbauleuten nicht befannt, wogegen die Pflaume in dem Fig. 16 abgebildeten, in Robenhaufen entdedten Steine nicht zu verfennen ift. Sie fteht der Form am nächften, welhe unter dem Namen der Haberjchlehe (Pr. insititia avenaria Tab.) befannt if. Die fuglichte Frucht ift der Schlehe ähnlich abet Doppelt jo groß. Die Steine von KRobenhaufen find platt, mit einer tiefen Rüdenfurde (Fig. 16. c.) und mit denjelben flahen Aunzeln verjehen, welche die Pflaumenfteine auszeichnen. Diefe viel weniger fcharf hervortretenden Runzeln und die Sharfen Kanten, welche die Rücenfurde einfallen, laflen diefe Steine von den fehr ähnlichen Schlehenfteinen unterfcheiden. Der Fig. 16. abgebildete Stein hat eine Fänge von 12 Mill., bei einer Breite von 10 Mill. und einer Die von 5 Mill. Die Bauchnaht ift von tiefen Furchen eingefaßt, an der Rücennaht ftehen die Ränder in jcharfen Kanten hervor. 6. Schlehe (Prunus spinosa L.). ©. 25. Fig. 15. Die Früchte des Schwarzdornes wurden von den Pfahlbauleuten eingefammelt, wie die Steine zeigen, die in Wangen, Robenhaufen, Moosjeedorf und Greing erhalten blieben. Sie find runzlih und haben eine Bauchnaht mit dien, breiten Rändern und eine gefurdte Hüden- naht. In KRobenhaufen (Fig. 15.) und Wangen finden fi) Steine, welche in Größe und Yorm (fie find bald faft fuglich bald aber etwas platt) völlig mit unfern Schleheniteinen übereins fommen, indem fie eine Länge von 10 Mill., bei einer Breite von 8 Mill. haben. Häufiger aber als dieje fommen in Kobenhaufen Steine vor, die nur 72-9 Mill. lang find und jo auf bedeutend Hleinere Früchte jchliegen lafjen. Sie haben auch eine ziemlich tiefe Nücenfurde und ftimmen in der Yorm, in der diden Bauchnath und in der Art der Aunzelbildung mit den Schlehenfteinen überein, eine Kleinfrüchtige Abart darftellend, welche mir nur aus Gebirgsgegenden befannt it. Ih jammelte fie leßten Herbit in Chamounie (mit 8. Mill. langen Steinen) und erhielt fie von Hr. Chr. Brügger von Churwalden; diefe haben 8 Mill. lange Steine. 7. Traubenfirfche, Ahlfirfche (Prunus padus L.). ©. 24. Fig. 14. Die Fruchtiteine diefer Art ähneln jehr denjenigen der Fleinern Schlehenjorte, fie find aber fleiner (haben nur 6-7 Mill. Länge) und find mit einer Shwachen, öfter verwiichten Rüdenfurche versehen. Wie zur Sebtzeit tritt fie in den Pfahlbauten in zwei Formen auf. Eritens nrit runden, faft fuglichten oder doch nur wenig flahen Steinen; fie haben ziemlich tiefe Grübchen. Fig. 14 jtellt einen der größten Steine dar, die meilten find beträchtlich Eleiner. Hit häufig in Roben- haufen; ferner in Wangen, Moosjerdorf und Greing. Zweitens die Steine find am einen Sr Ende zugerundet, am andern aber zugejpigt (Fig. 14 c.), zeigen aber diejelbe Skulptur. Sit in Robenhaufen etwas feltener al8 vorige Form, findet fi aber auch in den Pfahlbauten des Neuchätellerfees. Das häufige Vorfommen diefer Steine beweist, daß die Pfahlbauern die Ahlkirihen in Menge genofien haben; wie Hr. Brügger verfichert, werden fie noch gegenwärtig in Bündten (wo fie Laufas heißen) eingefammelt und gegeffen, do taugt dazu nur die Jorm mit den runden Steinen. Im Bündtneroberland werden fie eingemaht und als Abführungsmittel ver- wendet. Auch im Norden (Schweden, Lappland und Kamtfchafa) werden diefe Kirihen benußt. 8 SFelfenfirfche (Prunus Mahaleb L.). ©. 4. ig. 13. Die fleinen auf Fig. 13 abgebildeten Frudtiteine find in Robenhaufen (Fig. 13 ce. d.) wie anderfeits in den Pfahlbauten von Barma (Fig. 13 a. b.) gefammelt worden. Sie haben eine Länge von etwa 7 Mill. bei 6 Mill. Breite, find etwas platt und glatt, meiltens aufges fprungen, mit einer fehr fehmalen, aber fcharffantigen Aüdennaht. In Größe ftimmen fie mit den Fruchtfteinen von Prunus Mahaleb, find aber flaher, daher e8 mir noch zweifelhaft ilt, ob fie diefer Art einverleibt werden dürfen, welche gegenwärtig dem Kant. Züricd) fehlt, aber am Wallenfee nicht felten ift. Die Schwarzen Beeren haben einen bittern Geichinad. 9, Weinrebe (Vitis vinifera L.). ©. 24. Fig. 11., vergrößert 11 c. In der Pfahlbaute von Eaftione bei Parma fand Prof. Strobel Weinkerne, welde voll- fommen mit den Samen der wilden blaubeerigen Weinrebe übereinfommen. E8 ftanden mir folhe von Ber zur Bergleihung zu Gebote. Der Kern ift eiförmig und mit einer fehr furzen Spite verfehen, während bei allen mir befannten fultivirten Sorten*) der Kern in eine längere Spite ausgezogen und verhältnigmäßig fchmäler ift. Im Bronze-Beitalter fand fi daher in Mittelitalien die wilde Weinrebe, deren Beeren eingefammelt wurden. Für die Schmeizer- Pfahlbauten ift fie noch nicht feftgeftellt worden. E8 wurden mir zwar einige Traubenferne von Wangen zugefchiet, doch fcheinen diefelben jüngern Urfprungs zu fein und fimmen in der Form mit unfern fultivirten Sorten überein. 10. 11. Himbeeren und Brombeeren (Rubus ideus L. und Rubus fruticosus L.). ©. %4. Fig. 9. 10., viermal vergrößert. Die Kerne der Him- und Brombeeren find an den tiefen Grübchen, welche fie bededen, feicht zu erfennen, dagegen hält es Schwer, die der Himbeeren von denen der Brombeeren zu unter- fcheiden, und bei den überaus zahlreichen Formen, in welchen die legtern auftreten, dürfen wir faum hoffen in den Samen Scharfe und durchgreifende Unterfchiede zu finden. Die einzigen, die ich bis jet ermitteln konnte, find, daß die Brombeerfamen etwas fürzer und dider find und die *) Ich habe verglichen: die Kerne des Fendant, weißen Eljäffer, blauen Clevner, Baharacher, Mosler. — 29 Rippen, welche die Grübchen umgeben, etwas weniger fcharf hervortreten, als bei denen der Himbeeren. Die meiften Samen der Pfahlbauten von Wangen, Meilen, Robenhaufen, Moos- feedorf und Greing Stimmen zu den leßtern, daher ich fie zu diefen bringe (Fig. 9), doch find in Robenhaufen, Wangen und Moosfeedorf auch einzelne Brombeerfamen den andern beige: mischt (Fig. 10). Sole Himbeerfamen gehören zu den häufigften Vorfommniffen unferer Pfahlbauten. Sie paffiren den Nahrungsfanal ohne weitere Aenderung zu erfahren, als daß fie von den weichern Partien vollftändig befreit werden. Da die Himbeeren wohl nur friih genoffen wurden (wie man denn nie verfohlte Samen findet), find die Stellen, wo fie maifen- baft angehäuft find, im Sommer abgelagert worden. 12. Erdbeere (Fragaria vesca L.). ©. %4. Fig. 8 a, viermal vergrößert. Die Samen der Erdbeeren fißen befanntlih außen an dem fleifhigen Fruchtboden. Sie find jehr Elein (etwa 1 Mill. lang), am Rüden gewölbt und ganz glatt, und fünnen daran von den äußerst ähnlichen Früchtchen des Wafjerranunfels unterfchieden werden. Sie find bis jeßt mir jelten und evit von Robenhaufen zu Geliht gefommen. 13. Hagenbutten (Rosa canina L.). Taf. Fig. 51, vergrößert. Die rothen Fruchtfeldhe der wilden Rofen (die fog. Hagenbutten) haben, wenn der Froft über fie ergangen, einen füßen Gefhmadf und werden von Kindern zumeilen gefammelt und gegeflen. Daß die Piahlbauleute fie benußt haben, geht aus den Kernen hervor, welche Moosjeedorf und Kobenhaufen uns aufbewahrt haben. Sie ftimmen in Größe und Form mit denen der Hunde: oje überein. 14. Hollunder (Sambucus nigra L.). Taf. Fig. 52, vergrößert. Beim fhwarzen Holder haben wir länglihovale, 5 Mill. lange und 2 Mill. breite, platte, dicht mit Fleinen, in Querrunzeln geordneten Wärzchen bedekte Samen. In Robenhaufen und Moosjeedorf fommen Samen, die genau mit diefen übereinftimmen, nicht felten vor und lafjen nicht zweifeln, daß die Pfahlbauern die Schwarzen Holderbeeren gefammelt und al® Nahrung benußt haben, wie fie denn nod) jet bei uns in manchen Gegenden ein beliebtes Gericht (den „Holderprägel“) bilden. Da fie roh faum genießbar find, zeigt dieß zugleih, daß fie die Früchte gefocht haben, was wohl aud beim Kern-Obft der Fall war. Freilich fommt dabei in Frage, ob ihre Töpfe, die aus einem weichen ungebrannten Material beftanden, zu Kohgeichirr geeignet waren. 15. Uttich (Sambucus Ebulus L.). Zaf. Fig. 53, zweimal vergrößert. Beim Attih find die Samen bei jelber Breite (von 2 Mill.) viel fürzer als beim Schwarzen Holder, indem fie durhichnittlih nur 3 Mill. Länge haben. Dabei jind fie am Aüden jtärfer aewölbt, ftimmen dagegen in der eigenthümlichen Skulptur völlig mit denen des Schwarz- holders überein. Merkwürdigerweiie find in Robenhaufen und Moosjeedorf diefe Attihjamen BAT. : ges faft ebenfo häufig als die des Schwarzholders; man muß daher aud) diefe Beeren verwendet haben, während dieß gegenwärtig nicht der Fall ift. Früher waren fie offreinell, indem das dar- aus bereitete Muß ähnliche fchweißtreibende Eigenfchaften, wie das Holdermuß hat. Da die Beeren einen widerwärtigen Geruh und unangenehmen fäuerlihen und bitterlih-fügen Ge- fhmad Haben, wurden fie wohl ihrer leßtern Eigenfchaften wegen kaum als Nahrung ver: wendet. Pielleiht wurden fie au zum Blaufärben der Zeuge gebraucht, da fie einen blauen Varbitoff enthalten. 15. Heidelbeere (Vaccinium myrtillus L.). Taf. Fig. 54, vergrößert. Hr. Dr. Ehrift erwähnt die Fragmente der Frucht mit Samen von Kobenhaufen. Mir find diefe fehr fleinen, fein geftreiften Samen nur fehr felten von dort voraefommen. Gie finden fich bei den Samen des Mohns und der Himbeeren. 17. SBreifjelbeere (Vaccinium vitis idea L.). Wurde wie es fcheint von den Pfahlbaufeuten nicht gefammelt, wenigftens find ihre Samen nicht nachgewiesen, aus Moosfeedorf fah ich aber ein Blatt diefer Pflanze, an weldhem nod) die zerftreuten fhmwarzen Punkte zu fehen find, daher fie Schon damals in unfern Wäldern ges wejen fein muß. 18. Der Eornel (Cornus mas L.). ©. 4. Fig. 12. Bom Eornel oder Thierlibaum find in Kaftione bei Barma zahlreiche Fruchtiteine gefunden worden, welche völlig mit denen des lebenden Baumes übereinftimmen. In unfern Pfahl- bauten fehlen fie, daher diefer Baum damals in unferem Lande, jo viel wir wilfen, noch nicht fultivirt wurde. 19. Wolliger Schneeball (Viburnum Lantana L.). Taf. Fig. 59. Die ovalen, ganz platten und auf der einen Seite von zwei, auf der andern von drei tiefen Pängsfurhen durchzogenen Samen find in Robenhaufen und Moosfeedorf gefunden worden, daher die Beerenfrüchte diefes Strauches wahrscheinlich irgend eine Verwendung gefunden haben. In Bündten und Schwaben werden diefelben, wie mich die Herren Eh. Brügager und Kohler verfihern, von Kindern gefammelt und gegeffen. In Nordamerifa werden die Beeren von ein Paar Arten in ähnlicher Weife verwendet. 5. Nüfje, 1. Hafelnufß (Corylus avellana L.). Taf. Fig. 56. Die Hafelnuß der Biahlbauten tritt in zwei Formen auf, mit furz eiförmigen Nüffen, die wenig länger als breit und did find (Corylus avellana ovata Willd.), und mit längern, läng- fih ovalen, etwas flahgedrüdten Früchten. Die erftere Form haben wir von Moosjeedorf, von re Kobenhaufen (Taf. Fig. 57) und von Parına (Fig. 58) gejehen; die Ießtere ift in Roben- haufen (Fig. 56) und Wangen häufig. Beide Formen finden fich ihon in unfern diluvialen Schieferfohlen (vgl. Urwelt der Schweiz ©. 491. Fig. 343 und 344), wie anderfeits in unferer jebigen Flora. Es bewohnt daher diefe Straudart mit ihren beiden Srucdhtformen feit uralter Zeit unfer Land. Die Nüffe der Prahlbauten haben zuweilen ftarf gerippte Schalen, die im Uebrigen vortrefflich erhalten, während die Kerne verfhmunden find. Bon Greing und von Montelier am Murtnerfee fah ich indeffen verfohlte Nußferne. Daß aud) Doppelnüfje (Glüds- nüffe) vorfamen, wie jeßt, zeigt das (Fig. 59) abgebildete Stüd. Mande Nüffe haben runde Heine Löcher (Fig. 57), wie fie die Parve des Nupfäfers (Balaninus nucum L.) macht, und rühren ohne Zweifel von diefem Thiere her. Bon Moos- feedorf, Greing und Kobenhaufen jahen wir Nüffe, deren Schalen offenbar von Mäufen durd;- freffen waren (Fig. 60), deren Anwefenheit auf den Pfahlbauten dadurch beurfundet wird. Am häufigiten fommen gebrodhene Schalen vor, welche ohne Zweifel mit dem Kehricht in den See geworfen wurden. In Moosfeedorf fand Hr. Dr. Uhlmann Hafelzweige, an welden fchwarze Pilze (die Tubercularia) fißen und wohl erhaltene Blätter. Wir haben ein Ffeines zierliches Stüd (Fig. 61) abgebildet. 2. Buchnüfe (Fagus sylvatica L.) Taf. Fig. 62. 63. Wir haben von Moosfeedorf und Robenhaufen die Früchte (Fig. 62), die aufgefprungenen Fruhtdeden (Fig. 63) und von leßterem Orte ein fehr fchön erhaltenes Blatt der Bude, welche völlig mit den entfprechenden Organen diefes Baumes übereinftimmen. In Wangen lagen an einer Stelle große Maffen der Fruchthülfen beifammen und weifen darauf hin, daß die Nüßchen da mafjenhaft enthülst wurden. Sehr wahrfcheini(h wurden die Buhnüßchen als Nahrung verwendet, vielleicht au Del aus denjelben gepreßt. 3. Die Baumnuß (Juglans regia L.) Wurde nirgends in der Schweiz beobadtet, wohl aber ein Stüd in der Pfahlbaute von dontinellato in der Gegend von Parma entdedt.*) Diefe gehört in die Eifenzeit. Sit die Angabe von Plinius, daß die Baumnuß zuerft zur Zeit der Könige aus Perfien nad Italien gefommen **), richtig, fo hätten wir hier ein wichtiges Dofument für die Zeitbeftimmung *) Qgl. L. Pigorini, le abitazioni palustri di Fontinellato dell’ epoca del ferro. Parma 1865. p. 10. **) Et has (nuces) e Perside a regibus translatas, indicio sunt graeca nomina optimum quippe genus earum Persicon atque Basilicon vocant. ef. Plinius hist. natur. Lib. XV. cap. 22. Er diefer Niederlaffung, welche jedenfalls einer viel jpätern Zeit angehört, als die Pfahlbauten der öftlihen Schweiz. Indellen it auf diefe Angabe von Plinius fein großes Gewicht zu legen, da er nur aus dem Namen „der königlihen Nuß“, womit fie bezeichnet wurde, jchlieft, daß fie von den Königen eingeführt worden je. Dagegen ift Berfien (wie ferner die Gebirge des Hımalaya und des Caucajus) allerdings die Heimat der Baumnuf. 4. Die Wailernuß (Trapa natans L.) Taf. Fig. 64. Gehört zu den auffallendftien Fruchtiormen der Bfahlbauten, welche jeßt aus unferer Gegend aanz verfchwunden ift und in der Schweiz nur nod) in einem Eleinen Teich bet St. Urban gegen Koggweil hin (Kanton Luzern) getroffen wird. In Robenhaufen und Moosfeedorf muß fie einst häufig gewefen fein. Wahrjcheinlich hat man ihren mehlreihen Kern gegeffen, wie dieß jegt noh in DOberitalien der Fal it. In Thibet und in China fommen die Früchte einer verwandten Art häufig auf den Markt. Die Waffernüffe der Vfahlbauten ftimmen in Größe und Form jehr wohl mit denen der Seßtzeit überein; wie bei diefer, find die obern Stadelipigen bald mehr, bald weniger fcharf abgefegt und nad vorn aerichtet. 6b, Delpflanzen. 1. Der Gartenmohn (Papaver somniferum var. antiquum L.) Taf. Fig. 65. 66. Der Fig. 65 abgebildete Mohntopf von Robenhaufen hat die Größe der Fruchtfapfel des Ader- mohns (Papaver rhoeas L.), zu dem ich ihn anfangs gerechnet habe. E8 hat diejer in der Pegel eine verfehrt eiförmige Frucht, dody aibt e8 aud Fürzere, am Grunde ftumpfer zuge: rundete Formen, wie bei der verfohlten Kapfel von Robenhaufen. Eine genauere Vergleihung hat mich aber überzeugt, daß wir es hier mit einer no) unreifen Frucht des Gartenmohns zu thun haben. Beim Adermohn und allen diefem verwandten Arten (P. dubium L., P. arge- mone L., P. polytrichum Boiss., P. Decaisnei Hochst.) haben wir eine fehr große Narbe, welche meift einen ebenfo großen Durchmeffer hat, wie die Kapfel; beim Gartenmohn dagegen ift die Kapfel oben ftark zufammengezogen und wird dadurch fait fuglicht, die fchildförmige Narbe breitet fi nie über die ganze DOberfeite der Frucht aus und ift im Berhältnig zu der- felben viel Eleiner. Im diefer Beziehung ftimmt die Kapfel der Pfahlbaute völlig zum Garten- mohn, indem fie oben und unten fi jtumpf zurundet und dadur fuglicht wird ; ihre Narbe ift zwar am Rand etwas abgeitoßen, man fieht aber aus der Zurundung der Kapfel, daß fie Hein gewesen ıft. Auffallend ift allerdings die Sleinheit der Frudt. Sie hat nur eine Länge von 12 Mill. und einen Querdurchmeffer von 10 Mill, ift daher viel fleiner, als beim Garten- mohn. Durd das Deffnen der Kapfel erhielt ich die verfohlten Samen ; dieje find jehr Klein (/% Mill. lang) und ftart zufammengefchrumpft, doch erfennt man das Negwerk, welches mit u 3 feiner Form mit dem des Gartenmohns übereinftimmt; es find daher diefe Samen nidt reif gewejen und daraus it ihre Kleinheit und ihr Zufammenfhrumpfen zu erflären. Der ver- fohlte Mohnkopf von Robenhaufen ift daher fehr wahriheinlih eine junge Frucht des Garten- mobns, von dem fie aber durch die geringere Zahl der Narbenftrahlen abweidt ; Me hat nämlich nur abt Strahlen, während der Gartenmohn 13 bis 14. Zu diefem Gartenmohn gehören ferner die Mohn-Samen, weldhe in der Kulturfhicht von NRobenhaujen gefunden werden (Fig. 66). Sie find zu Taufenden in das Gefäm einge- ftreut, das man dur Auswajchen des Schlammes erhält, werden aber ihrer Kleinheit wegen leicht überfehen. Sie find matt Schwarz, Ichwad) nierenförmig gebogen, 1 bis 1 %Yı0 Mill. lang und mit einem zierlihen Negwerf befleidet, das aus 5- bis 6ecdigen Mafchen befteht. Die- felben Samen fand id aud in der braunfhwarzen Erde der Kulturfhicht von Moosjeedorf. Außer diefen fo mafjenhaft vorfommenden lofen Samen wurde legten Herbit in NRobenhaufen ein ganzer Kuchen von verfohltem Mohn-Samen entdedt, welcher aus Taufenden jolh’ Eleiner Körnchen befteht, die zu einer Mafje zufammengebaden find und in Größe und Seulptur ganz zu den übrigen paflen‘, nur treten die Gräthe der Mafchen no jhärfer hervor, jo daß man fie von bloßem Auge fieht. In Größe ftehen diefe Samen in der Mitte zwiichen denen des Aders und Gartenmohns. Bei eriterm find fie ”/ıo bis %ıo Mill. lang, während beim Ießtern durdhfchnittlih 1Y Mill. Die Größe kann es daher zweifelhaft lafjen, zu welcher Art fie zu bringen feien, die Sculptur aber entjcheidet für den Gartenmohn. Bei diefem haben wir nämlich verhältnigmäßig große, fünf und fehsedige Mafchen *), welche in feine regelmäßigen Reihen geordnet find; beim Ader- mohn find diefe Mafchen viel Fleiner, vier- oder fünfekig und mehr reihenweife geftellt, befonders am Rüden des Samens. Nod dichter und regelmäßiger ftehen die vieredigen Mafchen bei P. argemone beifammen, während fie bei P. dubium etiwas größer find. Sm diefer Mafchen- bildung ftimmen die Samen der Pfahlbauten völlig zum Gartenmohn, indem die Mafchen größer find, al& bei P. rhoeas und Verwandten, und 5—6=edige, fcharf abgefegte Felder bilden. Da die Velder diejelbe Größe haben, wie beim Gartenmohn, während die Samen fleiner find, befißt ihr Neßwerf weniger Felder, und dieß mit der geringern Größe des Samens und der adht-ftrahligen Narbe zeigt uns. daß der Pfahlbautenmohn nicht völlig mit dem Gartenmohn der Sehtzeit zufammenfällt. Wir haben ihn als eine befondere Sorte zu bezeichnen. Das Baterland des Gartenmohns ift nicht befannt, es fommt aber in Südeuropa eine Mohnart vor (Papaver setigerum Dec.), welche ihm jo nahe fteht, daß fie von vielen als feine Mutter- pflanze betrachtet wird. Leider ftanden mir von diefer feine reifen Samen zur Bergleihung zu *) €3 flanden mir nur weiße und graue (jogen. blaue) Mohn-Samen zur Verfügung. E3 giebt aber nod, eine Sorte mit jhwarzen Samen, welche jhen Plinius erwähnt (NX. cap. 18). 5 Po... Gebote. Die Kapfel ift verfehrt eiförmig und am Grunde verfcehmälert, die breite Narbe von 8 Strahlen durchzogen ; in Tebterer Beziehung ftimmt die Frucht von Robenhaufen mit dem P. setigerum, in der Form dagegen zum Sartenmohn, an welchen fie fih auch durd die ihmälere Narbe enger anfchliekt. Die Pfahlbauleute haben aus den Mohnfamen wahrfheinlih Del gepreßt, vieleicht fie auch aegeffen oder dem Brode eingeftreut, wie dieß bei den Aegyptern und PVerfern Sitte war. In Rom wurde der Mohnfamen geröftet und mit Honig zum Nachtifch genoffen und im Öfterreichifchen Gebirg foll er noch jeßt als Speife zumandherlei Mohngerichten Mohnnudeln u. a.) dienen. Der in Kobenhaufen entdedte Mohnfuchen läßt auf eine ähnliche Verwendung Ichließen. Das überaus häufige Borfommen des Mohnjamens in der Kulturfhicht lieh mich anfangs vermutbhen, daß er vom Adfermohn herrühte und mit den übrigen Abfällen des gereinigten Getreides in den See gefommen fei, bis eine genaue Unterfuhung mic überzeugte, daß dieß nicht der Fall gewesen und er von einer fultivirten Pflanze fomme, die eine wichtige Rolle gefpielt haben muf. Der Gartenmohn gehört zu den älteften Kulturpflanzen. Er erfcheint neben der Gerfte auf fleinafiatifchen und jüditalifchen Münzen und Homer fagt von dem tödtlih getroffenen Sohne des Priamus (Jlias VII. 305) : So wie der Mohn zur Seite das Haupt neigt, welcher im Garten Steht, von Wuchs belaftet und Kegenfchauer des Srühlings : Alfo neigt er zur Seite das Haupt, vom Helme befehweret. 3. Der Hartriegel (Cornus sanguinea L.) fig. 67. Die Fugelrunden, inmwendig zweifächrigen, harten Fruchtfteine des Hartriegels find in den Pfahlbauten fo verbreitet (ich erhielt fie von Wangen, Robenhaufen, Niederweil, Moosfecdorf und Parma), daf fie auf Denukung der Früchte diefes Strauds fchließen laffen. Die Kerne enthalten fettes Del, das ausgepreßt werden fann. Bielleiht wurde diejeg benußt. 7, Gewürze, Db die Pfahlbauern Salz gehabt haben, dürfte kaum zu ermitteln fein, dagegen ift es wahricheinlich, daß fie fhon die Samen der Dolden zum Würzen der Speifen benußten. Man findet nämlich unter dem Gefäm von Robenhaufen aud) den Kümmel (Carum carvi I): obwol allerdings felten, der aber zu folcher Bermuthung berechtigt. Doch darf ich nicht ver- Ihweigen, daß diefe Samen unverkohlt und daher vielleicht nur zufällig auf die Pfahlbaute gelangt find. a 8, Bat: und Gefpinnftpflanzen, 1. Der Flachs (Linum angustifolium Huds.) Fig. 68 bis 77. Der Flahs war für die Pfahlbauern von fehr großer Bedeutung, denn er lieferte den Stoff zu mannigfadhen Gefpinnften, Geflehten und Geweben, welche zur Kleidung und mannigfadhen häuslihen Zweden verwendet wurden. Es find in Wangen und Kobenhaufen zahlreiche Muiter gefunden worden, welde Hr. Dr. Keller in feinem vierten Berichte über die Pfahl: bauten bejchrieben und abgebildet hat. Die Samen und Früchte, weldhe in Wangen, Kobenhaufen und Moosjeedorf gefunden wurden, laffen uns die Pflanze näher beitimmen, welche diefen Spinnftoff geliefert hat. Sie zeigen uns, daß wir es hier nicht mit unferm gemeinen Flahs zu thun haben. Bon diefem find gegenwärtig zwei Jormen in Kultur, eine mit höherm Stengel und Kleineren, geichloffenen Kapfeln (dieß der Schließlein, Drejchlein, Linum usitatissimum vulgare) und eine zweite mit niedrigern, mehr verälteltem Stengel und größeren, aufipringenden Früchten (der Springlein, L. usitatissimum humile), der vorzüglich des Samens wegen angebaut wird. Bon diefem einjährigen Flahs, und zwar auch dem Schlieflein, weicht der VPfahlbautenlein durch die fleinern, fürzer Euglichten Kapfeln und Eleinern Samen ab, und ftimmt in Form und Größe der Kapfeln zu den Peinarten mit ausdauerndem Stengel. Bon diejen ftehen fich Linum perenne und L. austriacum L. jo nahe, daß fie an den Kapfeln nicht zu unterfcheiden find, wogegen beim Alpenlein (L. alpinum L.) die Früchte etwas größer und die Samen fhärfer gerandet find. Die Früchte der erftern zwei Arten ftimmen in Form und Größe ganz mit dem Pfahl: bautenlein überein, aber die Samen find größer, flaher gerandet und ihr fpiges Ende ift Ichärfer abgejeßt, ein Feines Schnäbelchen bildend. Da der jchmalblättrige Yein (Linum an- gustifolium Hude.) in der Form und Größe der Kapjeln ebenfalls mit obigen Arten ftimmt, dabei aber Fleinere, weniger flach gerandete, mit einem ftumpfern Ende verfehene Samen befigt, und fomit au) in diefen mit der Art der Vfahlbauten übereinfommt, darf er als die Mutter- pflanze des fultivirten Prahlbautenleins bezeichnet werden.*). Das Linum angustifolium Huds, it in den Mittelmeerländern von Griechenland und Dalmatien weg bis zu den Pyre= näen zu Haufe. In Griehenland wähst es nad) Fraas häufig in Dlivenwäldcden und an Flußufern. Ob die Aegypter diefe Art oder den gemeinen Fladhs (Linum usitatissimum) *) Das Linum austriacum L. foll an der Nordweitfüfte Amerifa’s als Geipinnjtpflanze fultivirt werden (vergl. Dierbadh öfon.:technifche Botanik II. 499), und da L. perenne L. ift wiederholt zur Kultur empfohlen worden, joll aber einen groben Flachs liefern; vb das L. angustifolium gegenwärtig irgendwo benußt wird, ift mir nicht befannt. E3 ift aber fehr zu wünfchen, daß feine Fafer mit der de3 Prahlbautenleines verglichen werde. = Bu angebaut haben, ift nicht befannt, fann aber vielleicht noch ausgemittelt werden. Gegenwärtig wird in Abyffinien und Südperfien nad Eremplaren, die ih von Hın.Dr. Kotfchy erhalten habe, der gemeine Flahs angebaut und dasjelbe fheint zu Plinius Zeit (hist. natur. XIX 1.) in Aegypten und Italien der Fall geweien zu fein. Hätten die Aeaypter den vom L. angusti- folium abftammenden PVfahlbautenfein gehabt, fo wurde fich feine dortige Einführung nicht fchwer erklären lajfen, indem diefe den Meittelmeerländern angehörende Pflanze vielleiht aud in Aegypten heimisch war und jedenfalls dort leicht befannt werden fonnte. Die urfprünglide Heimat des gemeinen Flachjes ift nicht ermittelt*) und fann in Frage fommen, ob er nicht die dur lange Kultur veränderte Form des jchmalblättrigen Leins fe. Wie das einjährige Ackerveilhen in den Alpen zwei- und mehrjährig wird, fo fann umgekehrt eine mehrjährige Pflanze, in ein wärmeres Klima verjeht und der Kultur unterworfen, zur einjährigen gewor- den fein. Sollten weitere Unterfuhungen diefe Annahme beftätigen, wäre damit aud) das Baterland des gemeinen Flachfes gefunden. Daß die Pfahlbauleute ihren Flahsfamen aus dem füdlihen Europa bezogen haben, fagt uns das fretiihe Leimfraut, welches in den Flahsfeldern von Robenhaufen ftand (©. 20). Es hat denfelben PVerbreitungsbezirf wie der fehmalblättriae Lein und fam offenbar mit ihm aus einem wärmern Klima, vermochte fih aber in unferm Lande nit zu halten, und wird jeßt nirgends mehr bei uns gefunden. &3 fommt der Flahs in Robenhaufen meilt verfohlt vor. Die Kapfeln find in beträdt- liher Zahl gefammelt worden und waren wohl in der Mehrzahl noch nicht ganz reif, woraus jich ihre geringe Größe (4/25 Mill. Höhe und zirfa A Mill. Breite) und ihr Gefchloffenfein erklären dürfte. Aber auch die aufgefprungenen und daher reifen Kapfeln find flein und von derjelben Form. Glüclicherweife haben wir auch unverfohlte Kapfeln, und Samen von Ro benhaufen und Moosfeedorf erhalten, welche zur Controlle dienen fünnen. Diefe haben eine Höhe von 6Y% Mill. (Fig. 72). Die Fructflappen laufen oben in eine feine Spite aus welche etwas länger ift als bei L. perenne und L. austriacum und genau zum jchmal- blättrigen Lein paßt. Es fpringt die Kapfel in 5 Stüden auf; über jedes läuft eine Mittel- fante, welche bei den verfohlten Kapjeln ftärfer hervortritt, als bei den unverfohlten, aber aud bei diefen noch deutlicher ift als beim gemeinen Sein. Es trennt fih die Klappe längs der- jelben weiter in zwei Hälften, doch ift dieß bei den verfohlten Kapfjeln nicht der Fal und aud) bei den unverfohlten hängen fie etwas fefter zufammen, als dieß bei den lebenden Arten der Hall ift. *) Ledebour und Hohenader geben ihn in Südrußland und am Gaucafus al$ quasi spontaneum an, womit aber nur gejagt ilt, daß er dort bier und da verwildert vorfomme (vergl. A. Decandolle geographie botan. II. 834). = MB = Der unverfohlte Same (Fia. 73, 74) hat eine Länge von 3Y. Mill., bei einer Breite von 2 Mill. und ift daher beträchtlich Eleiner al der vom gemeinen Flahs (diefer hat 4/5 Mill.) und aud) fleiner als bei L. perenne und austriacum, wogegen er ganz zum jchmalblättrigen Pein ftimmt und aud wie diefer feinen fo jeharfen Nand und feine jo fcharf ‚abgefegte Spiße bat wie die andern Arten. Die unverfohlten Samen von NRobenhaufen (Fig. 73 b, vergrößert) ftimmen ganz mit denen von Moosieedorf (Fig. 74 e, vergrößert) überein. Durd das Berfohlen haben die meiften Samen eine bedeutende Veränderung erlitten. Sie wurden wohl in Folge des Deles, das verbrannt ift, theilweife baudig aufgetrieben und find dider und fchmäler ge- worden (Fig. 75 bei d, b vergrößert). Außer den Kapfeln und? Samen find auch die verfohlten Stengel des Leines (Fig. 77) nicht felten. Sie find dünn und fchlanf. Ich jah weldhe von 8 bis 12 Cent. Yänge mit zarten aufgerichteten Aeften (Fig. 77 e, D.— Daß von diejen Stengeln der Baft abgezogen und ver- arbeitet wurde, unterliegt feinem Zweifel, aber auh die Samen jcheinen verichiedene Verwen- dung gefunden zu haben. Wir haben jchon früher gefehen, daß fie einer Brodforte eingeftreut wurden. Don Kobenhaufen erhielten wir ferner ein Täfelhen, das aus zahlreihen ganz und halb verfohlten zu einer Mafle verbundenen Flahsfrühten und -Samen befteht und wohl eine Art Flahsktuhen darftellt (Fig. 76), wie denn jeßt nod in Abyifinien der geröftete Fladhs- famen gegeffen wird. In Pacedämon foll er eine Speife der Heloten geweien fein und nad) . Blinius wurde er zu feiner Zeit au in Oberitalien jo verwendet. 2.3. Linden Fig. 78, 79, 80. Es fommen in Robenhaufen nicht felten Baft und Baftgeflechte vor, welcher wahrscheinlich von der Linde gewonnen wurde. Daß diefe den Pfahlbauten befannt war, zeigen die Fig. 78- 80 abgebildeten Früchte. Sie find in der Größe variirend und find wohl in Folge langen Liegens im Waffer zum Theil in 4-5 Klappen aufgefprungen. Die einen haben dünne Wandungen und Ihiwad vortretende Kanten, andere aber find diderholzig und befien rippenartige Pängs- fanten. Dieje gehören zur Sommerlinde (Tilia grandifolia Ehrh.), jene dagegen zur flein= blättrigen Linde (T. parvifolia Ehrh.) Fig. 78—80. 9, Farbpflanzen, Da in Wangen und KRobenhaufen die Flahsfultur und Peineninduftrie jehr Ihmwunghaft betrieben wurde, ift es wahricheinlih, daß man auch das Färben der Faden und Zeuge ver- ftanden hat. Doch fönnen wir zur Zeit noh von feiner Pflanze'mit voller Sicherheit jagen, daf fie zu diefem Zwef von den Pfahlbauleuten verwendet wurde. Wahrfcheinlih ift indeflen, daß der Wau (Reseda luteola L.) zum Gelbfärben diente. Es wurden in Robenhaufen von Er er den ungemein EFleinen, glänzenden, glatten, nierenförmigen Samen diefer Pflanze ein paar Stüce gefunden (Fig. 81 ftarf vergrößert). Sie findet fih gegenwärtig in jener Gegend nicht, fommt aber in andern Theilen des Kantons vor, fann daher zur Zeit der Pfahlbauten am Pfäffifer- jee gelebt haben und ihre Samen zufällig in die Kulturfchiht gerathen fein. Sollten fi aber mit der Zeit ihre Samen häufiger und aud auf andern Vfahlbauten finden, würde es jehr wahricheinlich, daß fie Ihon damals als Farbflanze gedient hat. Die Eelten follen fie zu diefem Zwed viel verwendet haben und ihr franzöfifcher Name (God), der gelb bedeutet, aus jener Zeit herrühren. 10, Die Waldbänme und Stränder, Wir lernen diefe aus den Früchten, Samen und Blättern fennen, welde in der Kultur- fchicht begraben liegen, wie aus den Hölzern, die zu Bauten, Werkzeugen und Gefchirren dienten. Mit Ausnahme der Ulmen und PBappeln find alle wichtigere Bäume unferer jeßigen Wälder nachweisbar, es fcheint daher in der Zufammenfeßung unferer Waldflora , foweit fie aus Holzpflanzen befteht, feine wejentliche Nenderung in den leßten 2 bis 3 Jahrtaufenden vor fi gegangen zu fein. Während in Dänemark die Buche zur Steinzeit gefehlt hat und erft viel Später an die Stelle der Nadelholzwälder trat, erjcheint fie bei uns fchon in den älteften Pfahlbauten und hat fih daher von Mitteleuropa aus allmählig nad) Norden verbreitet. Die einzige erhebliche Aenderung, welche fich in der Waldflora fund gibt, befteht in dem fpätern Zurüdtreten der Bergföhre Diefe war zur Zeit der Pfahlbauten noch über das Tiefland verbreitet, wenigftens finden wir ihre Zapfen in Robenhaufen, während fie jeßt auf das Gebirg fich zurüdgezogen hat. Da fie indeffen am Uetliberg bis zur Maned hinabfteigt, ift diefe Aenderung nicht fehr Hoch anzufchlagen und nur infofern von Bedeutung, als fie mit einer allgemeinen Erfheinung, nämlid dem Aüdzug der Gebirgsflora aus dem Tieflande, in Ver: bindung fteht. Außer den fchon in andern Abichnitten erwähnten Holzpflanzen find folgende nachzuweisen. 1. Die gemeine Yöhre (Pinus sylvestris L.). Fig. 82. Neben der gewöhnlichen Zapfenform mit flachen Schildern der Schuppen, finden wir in Kobenhaufen au die Form mit einem dünnen, etwas gefrümmten Hafen, welcher der Mitte der Schuppe auffigt (Fig. 82 b); eine Form, die gegenwärtig bei uns in einigen Torfmooren (jo am Kagenfee), aber aud an trodenen Abhängen (fo beim Eingang ins Nicolaithal im Wallis) gefunden wird. Ganze Zapfen find felten, dagegen fommen die Samen ziemlich häufig vor und auch Holz und Ninde find nachzuweifen. Ma 2. Die Bergföhre (Pinus montana Mill.) Fig. 83, Die Zapfen von Robenhaufen find unfymmetrifch ; auf der einen Seiten find die Schuppen- ichilder flach, während fie auf der andern ziemlich ftark entwidelte Hafen haben, die von einem breiten Grund ausgehend, nad) unten gekrümmt find (Fig. c). Der Samenflügel ift etwas mehr al8 doppelt fo lang als der Kern (dig. 83 b). Ob diefe Föhre im Moor geftanden oder auf der nahen Hügelfette, ift nicht zu ermitteln. Sie war mit der gemeinen Föhre fhon zur Zeit der Scieferfohlenbildung in diefer Gegend (vgl. Urwelt der Schweiz ©. 493). 3. Die Fichte, Rothtanne (Pinus Abies L.). Es war die wie nod jeßt der häufigfte Nadelholzbaum unferes Landes, denn die meiften Prähle und Holzwerfe von Robenhaufen beftehen aus Fichtenholz. Auch die Zapfen und Samen find nicht jelten und ftimmen völlig mit denen der Seßtzeit überein, ebenfo die Nadeln, welde in Menge in der Kulturfchicht liegen. Es ift daher mit diefem Baum feit Sahrtaufenden nicht die geringfte Veränderung vor fi gegangen, um fo mehr, da er fich in der lebenden Form nicht nur in den Pfahlbauten, jondern au in den Schieferfohlen von Wesifon, Dürnten und Ußnad findet. 4. Die Weißtanne (Pinus picea L.). ig. 84. Die Nadeln diefes Baumes, welde an der Ausrandung an der Spiße zu erfennen find, werden in Robenhaufen und Moosfeedorf in großen Maffen gefunden und zwar meift mit Heinen Zweigen zufammen. Es Iheint, daß fie viel als Streue für's Vieh benußt wurden, wohl aud zu Bekleidung der Hütten, indem fie durch ihre ziveizeilig angeordneten Blätter dazu beffer fich eignen, als die Fichtenzweige. Die Zapfen der Weißtannen find dagegen fehr felten, wohl weil fie im völlig reifen Zuftand auseinanderfallen. Indeffen erhielt ich von oben- baufen ein fehr fchönes Stüd, das völlig mit denen des lebenden Baumes übereinftimmt. >. Der gemeine Wachholder (Juniperus communis L.), dig. 85. Diefer Baum ift nur durch ein Zäpfchen beurfundet, das aber über die Beltimmung feinen Zweifel läßt. 6. Der Eibenbaum (Taxus baccata L.). ®ig. 86 a, b, vergrößert c. Schon die Pfahlbauern Fannten die Trefflichfeit des Eibenholzes zu Sertigung von Bogen und Meflern, wie die in Robenhaufen gefundenen Öegenftände zeigen. Aud die Nüfchen (Fig. 86) find nicht felten -und in ihrer Form nicht von denen des [ebenden Baumes zu unterfcheiden. Die Beeren wurden vielleicht gegeffen, wie dieß noch jet in einigen Gegenden der Fall ift, obwohl der Baum, wenigftens in den Blättern, giftige Eigenschaften befikt. 7. Eiche (Quercus Robur L.) Fig. 7-9, Aus Eihenftämmen wurden Boote gezimmert, fo befteht ein großer Einbaum, welder auf der Petersinfel ausgegraben und ins Mufeum nad) Neuchätel gebracht wurde, aus einem ie Me s Eihenftamm, während ein folder von KRobenhaufen einer Fichte angehört. Die Früchte habe ich verfohlt von der Petersinfel (Fig. 88. 89), von Greing und von PBarına (Fig. 90) gejehen, und Fruchtbeherhen (Fig. 87) von Kobenhaufen. Wahrfheinlih wurden die Eicheln zur Schweinemaft auf die Prahlbauten gebracht und find da beim Brande verfohlt. Stark macerirte Blattrefte hat Moosfeedorf geliefert. 8. Sainbuche (Carpinus Betulus L.j %ig. 9. E8 fommen die Früchte in Robenhaufen und Moosfeedorf vor. Durd langes Liegen im Waffer ift die äußere Haut weggefault und dadurd find die im frifchen Zuftand jcharfen Pänasrippen ftumpf geworden. 9, Die Schwarzerle (Alnus glutinosa L.) Bon Kobenhaufen haben wir Rinde und Holz, in Moosjeedorf aber wurde ein Zweig- ftücf mit mehreren daran befeftigten Zapfen entdedt. 10. Die Weißbirfe (Betula alba L.) Weiße Aindenftüde der Birken, wie Holz, fommen nicht felten vor. Lebthin fand Herr Meffiflomer aber aud) die Blätter, weldhe in einer Tiefe von 10 Fuß in großer Zahl über- einander lagen. Ste fomımen in Form, Bezahnung und Nervatur mit denen unferer Weiß- birfe überein. 11.12. Weiden. Bon Weiden fammelte Hr. Dr. Uhlmann in Moosjeedorf die Blätter der Fleinen friechenden Weide (Salix repens L.), die nod) jet häufig in Mooren lebt, ferner eine Art mit größern Blättern, wie bei Salix cinerea, welche aber zur fihern Beltimmung zu Schlecht erhalten find. Manche diden Geflechte jheinen aus Weidenzweigen gefertigt zu fein. 13. Efche (Fraxinus excelsior L.) Bon der Eiche fand Herr Uhlmann die Frucht, in Kobenhaufen aber wurde eine aus Ejchenholz aefertigte Keule entdeckt, in welche das Steinbeil eingelaffen war. 14. Die Miftel (Viscum album L.). Fig. 92. Die Miftel galt bei ven Eelten als heilige Pflanze; es ift daher beachtenswerth, daß in Moosfeedorf Zweigitüfe (Fig. 92) und Blattrefte vorfommen, welche zeigen, daß man diefe Pflanze auf die Pfahlbauten brachte, ohne daß freilih ihre Beltimmung zu ermitteln ift. 15. Die Stechpalme (Iex aquifolium L.). Im Innern der Deere treffen wir vier engverbundene Steinen, weldhe zu einem ovalen Körper zufammenfchliegen. Solde find in Moosfeedorf und Kobenbaufen zum Borjchein gefommen. 16. Spindelbaum (Evonymus europaeus L.). Es find erit einzelne Fruchtrefte in Moosfeedorf aufgefunden worden. 18. Der glatte Wegdorn (Rhamnus frangula L.) Man trifft gegenwärtig diefen Straud) mit dem gemeinen Kreuzdorn häufig am Nande der Sümpfe und Moore, daher das Borfommen feiner Samen in Moosfeedorf uns nicht überrafchen fann. 17. Ahorn. Es wurden in Robenhaufen mehrere geichnikte Gefhirre gefunden, welche aus Ahornhol; gefertigt zu fein fcheinen. 19. Eberefche (Sorbus aucuparia L.). Ein Baar Feine, braune Samen von Robenhaufen zeigen große Uebereinftimmung in ihrer Gorm mit denen der Eberefche. 11, Moofe und Farren. Berfchiedene Moosarten haben fih an der Torfbildung, welche den Rulturboden der Bfahl- baute KRobenhaufen dedt, weentlich betheiligt; in der Kulturfchicht felbft aber finden wir andere Moofe. Mit Ausnahme des Eurhynchium praelongum L. sp., das an Ort und Stelle ge wachen fein fann, ftammen alle aus dem Walde und find offenbar von den Pfahlbauleuten dort gefammelt und in ihre Wohnungen gebradht worden. Sie dienten wahrfcheinlih zum Ber- ftopfen der Löcher ihrer Hütten und wohl au zum Polftern. Es find uns bis jett folgende Arten, die zu diefen Waldmoofen zu rechnen find, befannt geworden*): Antitrichia curtipen- dula Dill. sp., Neckera complanata und crispa Dill., Thuidium delicatulum L. sp., Anomodon viticulosus Dill., Leucodon sciuroides Dill. und Hylocomium brevirostre Ehrh. Die leßtgenannte Art ift mit den Nederen in Robenhaufen und Moosfeedorf häufig, während die übrigen Arten bis jet nur in Moosfeedorf gefammelt wurden. Der Anomodon beffeidete wahricheinlich die alten Eichen, die Antitrichien aber bildeten große hängende Nafen, während die Nederen, die Hylocomien und Thuidien ihre weichen Polfter über den a, und die Baumrinden ausbreiteten. Bon Farrenfräutern ift uns bis jet erft der Adlerfarrren (Pteris aquilina L.) von Moosjeedorf befannt geworden, wo fchöne Blattfiederhen gefunden wurden. *) Ich verdanfe die Beftimmung derjelben dem Herin Prof. BP. Schimper in Straßburg. 6 m 12, Pilze zum Yeneranmaden. Bei der großen Leichtigkeit, mit der gegenwärtig Feuer gemacht werden fann, denft man felten daran, daß diefe Operation in der metalllofen Zeit mühlam gewefen fein muß. Wahr- fcheinfich haben die Pfahlbauern Kiefelfteine aneinandergefchlagen, die Funfen mit dem Schwamm aufgefangen und diefen in eine Handvoll trodenes Heu gelegt und in der Luft gefhmungen. Dadurd) wurde das Heu entzündet und mit Spänen in Verbindung gejeßt fonnte Feuer ge- madht werden. Den Schwamm bereiteten fie aus Pilzen, wie dieß aus dem zahlreihen Vor- fommen der Feuerfchwämme hervorgeht. Fait auf allen PBfahlbauten (Wangen, Robenhaufen, Meilen, Moosfeedorf, Barma) wurde der gemeine Feuerfhwamm (Polyporus igniarius L.) gefunden; alfo diefelbe Art, von der bis in unsere Zeit der Feuerfhwamm bereitet wurde. Dazu fommt für Moosfeedorf, Kobenhaufen und Parma nody die Daedalia quercina L. Es ift fehr beadhtenswerth, daß diefe Pilze, troß ihrer weichen Beichaffenheit, vortrefflich erhalten find. 15. Wafjer- und Sumpfpflanzen, Faft alle Pflanzen, welche wir bis jegt befprochen haben, bewohnen das trodene Land, und die meiften find durdh Menfchen an ihre jeßige Yundftätte gefommen. Ihnen find aber zahl- reiche Refte von Moor- und Wafferpflanzen beigemifht, weldhe in der Umgebung der Pfahl- bauten gelebt haben. Der Charakter diefer Pflanzen zeigt uns, dag wir es, wenigftens in Kobenhaufen, von woher wir die meiften fennen, nit mit einem tiefen und Flaren Seegrund zu thun haben, fondern mit einem feichten, fchlammigen, mit Begetation überzogenen Boden. Auf demfelben hatte fih ein ganzer Wald von Armleudhtern (Chara vulgaris) angefiedelt, deren winzig fleine Samen nun in unendlid großer Zahl im Schlamme drin liegen; ihnen war der Wafferhbahnenfuf (Ranunculus aquatilis L.), das Sornblatt (Ceratophyllum) und zahlreihe Paichfräuter beigefellt und haben wohl nad und nad den jeichten Grund mit Pflanzenftoff aufgefüllt; auf der Waflerfläche breiteten gelbe und weiße Seerofen ihre großen Blätter und jhönen Blüthen aus; wo aber die Torfbildung begonnen, was jedenfalls längs des Ufers der Fall gemwefen fein muß, da hatte fi eine Moorvegetation angefiedelt, welche allmählig immer weiter in den See hinaus rückte Diefe Torfbildung fünden unzweifelhaft der Fieberflee, deffen Samen in Menge fi) finden, die Heine Wafferfhüffel (Hydro- cotyle vulgaris) und die Sheudhzeria an. Die Scilfrohre, die Binfen, Seggen, die Schwertlilien, der Frofchlöffel, das Yäufetraut und die Sumpflabfräuter werden das ihrige zur Bekleidung der moraftigen Umgebung der PVfahlbauten beigetragen haben. Bon diefen Pflanzen finden wir noch jeßt die meisten im Torfmoor von Robenhaufen; drei indeffen find verfhwunden, nämlich die früher erwähnte Waffernuß (die Trapa natans), ein Yaichfraut (Potamogeton compressus L.) und die ffeine gelbe Seerofe (Nuphar pumilum). — m "ir Doch betradhten wir diefe Vflanzen no etwas näher. 1. Der gemeine Armleuchter (Chara vulgaris L. foetida A. Br.). In Moosjeedorf find die Samen fohlihwarz, während die von Robenhaufen theils ihwarz, theils weiß find. Site zeigen unter dem Meierofcop fehr icharf vortretende Winpungen. 2. Gemeines Schilfrohr (Phragmites communis L.). Es fommen Blatt- und Rohritüde nicht felten vor. ch erhielt auch welche von Barma. 3. Die Seebinfe (Scirpus lacustris L.). Taf. Fig. 9, vergrößert. Die hwarzen dreiedigen, am Grund etwas verjchmälerten Früchte find in Robenhaufen gemein und finden fih aud in Moosjeedorf. 4. Seggen. (Carices). Kleine dreiedige Sengenfrücdhte, zum Theil noh von dem Schlaud) umgeben, find häufig und in mehreren Arten vertreten. 5. Die Scheuchzeria (S. palustris L.). Taf. Fig. 105, zweimal vergrößert. Die anfehnliden, länglih ovalen Samen haben die Größe und falt aud die Form der Samen der fleinen gelben Seerofe, aber eine viel ftärfere Samenfhale und find am Grund nicht birnförmig verdidt. Es wädhst diefe feltene Pflanze noch jest häufig im Torfmoor von Kobenhaufen und gehört zu jenen Arten, welde wahrjcheinlich zur Diluvialzeit aus dem Norden in unfere Gegenden gefommen find. Die Samen der Pfahlbauten find meilt aufgeiprungen und ausgebleidt. 6. Die gelbe Schwertlilie (Iris pseudacorus L.). Bon dem großen flahen Samen ift nur die braune Schale geblieben, während die Höhlung zumeilen mit fremden, eingefhwemmten Gegenftänden (fo Himbeerfamen) ausgefüllt ift. Roben- haufen. 7—12. Laichfräuter. Fig. A. 3. Die ausgeblaften und von der weichern äußern Partie befreiten Früchte find in Robenhaufen und Moosjeedorf häufig. Die gemeinite Art ift Potamogeton perfoliatusL. (Fig. 94, vergrößert). Die flachfeitigen Carpellen find ftark zufammengefrümmt, die Rüdenfante ift ziemlih Ttumpf und vom Rüden jpringt nicht felten eine Peiite Flappenförmig auf. Diejelbe Größe haben die Früchte des P. compressus (Fig. Y), deren Rüdenfante aber mit jcharfen Wärzchen befeßt it. Größer ift die Frucht bei P. natans L., welche eine zwar deutlich vortretende, doch jtumpf- lihe Rüdenfante hat; viel fchärfer tritt diefe beim P. fluitans Roth hervor. Früchte beider Arten find in Robenhaufen gefunden worden. 13. Das Hornfraut (Ceratophyllum demersum L.) ig. 96. Die flahen, ovalen Früchte find an den drei langen Dornen, welde von denfelben aus- laufen, leicht zu erfennen ; freilich find fie felten vollitändig erhalten. NRobenhaufen. ur Be 14. Der Frofchlöffel (Alisma Plantago L.). Die Heinen platten Fruchtitücde find in Robenhaufen ziemlich häufig. 15. Der Wajlerpfeffer (Polygonum Hydropiper L.). Hat Shark dreifantige braunfhwarze Früchte, weldhe mir von Robenhaufen zufamen. 16. Das Sumpflabfraut (Galium palustre L.). Fig. 97 natürl. Größe, b vergrößert. Fig. 98 ftärfer vergrößert. Die fugelrunden, äußerft fein runzlichen Früchte diefer Art find in Kobenhaufen ungemein häufig und liegen ftellenweife zu Taufenden beifammen, fo daß man fat glauben follte, fie feien für irgend einen Zwed gefammelt worden. Sie haben einen Durchmeffer von 1° Mill, zeigen an der Stelle, wo jie am Stiel befeitigt gewejen, bald nur eine Narbe (Fig. 98 b), bald aber find fie dort tief eingedrüdt und werden dadurch öfter Ffaft halb fuglicht (Fig. 98 c). 17. Der Fieberflee (Menyanthes trifoliata L.). Fia. 99, vergrößert. Die flach linfenförmigen mit ziemlich diefer Schale verfehenen Samen find bald glänzend braun oder Schwarz, oder auch ausgeblaßt und matt weißgrau. Sie gehören mit den vorigen zu den gemeinften Samen in Robenhaufen und find auch in Moosfeedorf. 18. Das Sumpfläufefraut (Pedicularis palustris L.). #ig. 100, vergrößert. Die Heinen, länglihovalen mit zahlreichen feinen Pängsitreifen verfehenen Samen des Läufe- frautes find in Robenhaufen häufig; fie find auf einer Seite von einer Längsrinne durdhzogen. 19. Die Waflerfchüflel (Hydrocotyle vulgaris L.). ig. 108, zweimal vergrößert. Eine der eigenthümlichften Pflanzen der Torfmoore, die durch ihre Fchildförmigen Blätter und platten Eleinen Früchte jih auszeichnet. Lebtere hat uns Nobenhaufen aufbewahrt. 20. Sumpfbaarftrang (Peucedanum palustre L.). Die flachen, von drei Shmalen, Iharfen ARüdenrippen durchzogenen Halbfrüdte fommen in Kobenhaufen nicht felten vor und diejenigen, bei denen die Samen verfhmwunden find, ftamınen ohne Zweifel aus der alten Zeit. 21. Die weiße Seerofe (Nymphzxa alba L.). ig. 103. 104, vergrößert. Die glänzend braunen oder braunfchwarzen, ovalen Samen, weldhe am leichteften an ihren zierlihen Punftftreifen zu erfennen find, begegnen uns in Nobenhaufen und Moosfeedorf häufig und zwar find zwei Formen zu unterfcheiden. Die einen find fehr Klein (Fig. 104.) nur 2%/ıo bis 2% Mill. lang, die andern aber größer 3Y Mill. lang) und gehören zu der Forn, welhe Brof. Cafpary cocarpa genannt hat (Fig. 103). Diefe großfamige Form ift häufiger als die Eleinfamige, während gegenwärtig das Umgefehrte der Fall ift. 22.23. Gelbe Seerofen. Fig. 101 und 102. Die Samen der gelben Seerofen find größer, birnförmig, ‚glänzend glatt, mit einer ftarf =. WM = vortretenden Naht und am fchmäleren Ende einer von einem Wall umgebenen Deffnung (Fig. 102). Es fommen in Robenhaufen zwei Formen vor, die einen find 6 Mill. lang (Fig. 101), die andern aber nur 3'/ bis 4 Mill. (Fig. 102). Die erfternftimmen völlig zur gewöhnlichen gelben Seerofe (Nuphar luteum L. sp.) unferer Seen, während die Helnere ganz zur 3wergjeerofe (Nuphar pumilum Sm.), welche gegenwärtig in der Schweiz nur nod an zwei Stellen gefunden wird, nemlich im Hüttenfee und dem Heinen See der Kräppeleralp Kt. Appenzell. Wir dürfen indeffen nicht verfchweigen, daß bei Nuphar luteum zuweilen einzelne Samen Heiner bleiben und dann fchwer von N. pumilum zu unterfcheiden find, daher das Borkommen der Zwergfeerofe in Robenhaufen nicht ganz gefichert it; doch tritt bei der leßteren die Bauchnaht der Samen etwas weniger ftarf hervor und es ftimmen aud darin die Samen von Robenhaufen ganz zu denen von Hütten, fo daß dod mit großer Wahrfcheinlichkeit das Vorfommen der Zwergfeerofe in der Kulturfchicht der Vfahlbaute angenommen werden darf. Die großen und die fleinen Samen find theils glänzend braunfhwarz, theilg matter gelbbraun gefärbt. 24-27. Hahnenfuf. Fig. 106. 107. Die häufigfte Art ift der Wafler-Nanunfel (Ranunculus aquatilis L.) ©. 4. fie. 8 b, deffen 1% Mill. lange Frühtchen in Robenhaufen zu Taufenden im Schlamm der Kulturfchicht liegen und auch in Moosfeedorf erfcheinen. Sie haben die Größe und Horm der Garpellhen der Erdbeeren, find aber von einem weitmafchigen Negwerf überzogen, da® aus mehr oder weniger hervortretenden und fi verbindenden Kippchen befteht. Bei einzelnen Srüchtchen treten diefe Rippen ftärfer hervor und fie ftehen dichter beifammen als bei den vorigen. Diefe gehören zum epheublättrigen Ranunfel (R. hederaceus L.), der am Ufer wähst (Fig. 107, ver: größert). Größer find platte Kanunfelfrüchtchen (fie haben 22/ Mill. Länge), die fein punftirt find und zu Ranunculus flammula L. (Fig. 106, dreimal vergrößert) gehören, und nod) etwas größer find die von R. lingua L., die ein fcharfes Schnäbelhen haben. Sie find von Robenhaufen. Aükblik. Nachdem wir hier eine Ueberficht der bis jet in den Pfahlbauten gefundenen Pflanzenrefte gegeben haben, wollen wir noch einige Ergebniffe unferer Unterfuhung zufammenfaffen. 1. Das Bol der Pfahlbauten fheint in Feiner nähern Beziehung zu den Völkern Oft- europa’8 geftanden zu haben. Diefe bauten wenigfteng zur Bronzezeit Aoggen und diefer müßte den Pfahlbauleuten befannt geworden fein, wenn fie mit ihnen in Verkehr geftanden ” — 46 — hätten. Dagegen weifen alle Kulturpflanzen auf eine Verbindung mit den Mittelmeerländern. Alle Getreidearten haben fie von daher erhalten. Wir haben gefehen, daß die Pfahlbauern nicht nur diefelbe Gerftenart, fondern diefelbe Barietät fultivirt haben, wie die Bewohner Süd- italiens. In Aegypten erfcheint die Gerfte nah) Vifering Ihon auf den Denfmälern der Pha- raonen frühefter Zeit und gehört zu den häufigften Einfhlüffen der Mumien. Wir haben ferner gefehen, daß eine Weizenart, die in Aegypten noch jet häufig angebaut wird und fchon in fehr alten Mumienfärgen gefunden wurde, wenigftens zeitenweife bis in unfere Gegenden fam. Die indifchen Hirfearten haben fehr wahrfcheinfih aud diefen Weg genommen; fie wurden in Aegypten viel gebaut und der Fennid ift fchon in einem Grabe Nameffes Sethos und in El-Kab abgebildet. Die Vfahlbauleute hatten alfo diefelben Brodfrühte wie die Aegypter. Sie Eleideten fi aber aud in diefelben Stoffe, denn au in Aegypten fpielt der Flahs die Hauptrolle unter den Gewebepflanzen. Alle Mumien find in Leinen eingewidelt und die Priefter durften nod zu Herodots Zeiten nur leinene Keider tragen. Eine der von Jchovah über Aegypten ver- hängten Blagen beftehtin der Zerftörung des Flachies und der Gerfte durd Donner und Hagel (2. Mof. IX. 31). Die Ernte des Leins und die Art des Webens der Leinfafer ericheint öfter auf ägyptifhen Wandgemälden *), während der Hanf als Gewebepflanze unbefannt war und aud den Pfahlbauten gänzlich fehlt. Der Garten-Mohn ift zwar auf ägpptifchen Denf- mälern nirgends dargeftellt, dagegen erfcheint er auf einer alten Münze von Smyrna neben der Gerftenähre, und dasselbe ift der Fall bei einer Münze von Metapont, und aud für die Pfahlbauern muß er von großer Bedeutung gewefen fein, da er ihnen wahricheinlid das Del geliefert hat. Nehmen wir nun zu diefen Kulturpflanzen, welche der Menfd aus dem fernen Morgenlande nad) unfern Gegenden gebradt hat, no die Unfräuter hinzu, die wider feinen Willen ihm gefolgt find und von denen ein Baar (namentlich die Centaurea eyanus und Silene cretica) ebenfalls auf füdlihe Gegenden weifen, werden wir faum ans ftehen fönnen zu erklären, daß diefe Kultur vom Mittelmeerbeden aus nad unjern Gegenden gefommen fei und das jo räthfelhafte Vorkommen der Nephritbeile in unfern PBfahlbauten reiht fi in eine ganze Zahl von andern ähnlichen Erfcheinungen ein. Das Borfommen des edlen Nephrites, den man nur aus dem Drient fennt, ift in der That nicht fremdartiger al3 das Auftreten des änyptifhen Weizens, des fretifchen Leimfrautes, des Delmohnes und der in Wauweil gefundenen Glaskoralle, ägyptifchen oder phönizifhen Ursprungs. Wenn wir hier wiederholt von Aegypten gefprochen haben, fo denfen wir natürlih nit an einen direkten Berfehr der Pfahlbauern mit diefem Lande, fondern wollen damit nur fagen, daß dort der Herd für eine im Altertfum weit verbreitete Rulturform zu fuchen fei. Wahrfcheinlid hat ih von *) Wilkinson, manners and customs of the ancient Egyptiens III. ©. 134, 135, 138. - 1 — a Aegypten und Phönizien aus die Kultur über die Mittelmeerländer verbreitet und drang von den Colonien aus, welche die leßtern gegründet, auch tiefer ins Pand ein, fo daß von jenen Hauptftätten der damaligen menfhlichen Kultur wohl einzelne, wenn aud) gebrochene Strahlen bis zu unfern PBfahlbauern gelangten. 2. Zt diefe Annahme richtig, fo dürften wir auch für die Beitbeftinmung. einige Andeu- tungen erhalten. Wenn wir aud nichts von den Geräthen, nihts von dem Mangel an Me- tallen in den ältern Vfahlbauten wüßten, müßten wir ihnen dod fhon wegen der Kultur- pflanzen ein hohes Alter beimeffen. Der Mangel des Wintergetreives, der meiten Gemüfe- arten und des Hanfes, wie ferner des Haushuhnes, weifen auf eine Zeit, die weit vor den Anfang der Chriftlichen Zeitrechnung zurüdreiht. Die Griehen und Römer hatten Winterge- treide, fultivirten den Hanf und von Gemüfepflanzen hatten fie eine große Auswahl. Bom Haushahn finden wir bei Homer und Hefiod nod) feine Spur, wogegen er zu Perifles Zeit als perfiiher Vogel erwähntwird und in Italien auf Münzen (von Neapolis), die etwa 100 Jahr vor Chr. geprägt wurden, erfcheint. Dazu fommt, daß die römischen Schriftfteller der Pfahl- bauten mit feinem Wort erwähnen und mit Aecht erinnert Prof. Defor daran, daß gerade Plinius in einer Gegend fein Landhaus hatte, die zahlreiche Vfahlbauten aufweist, welche aber fo völlig aus dem Gedähtnif des Volkes verfhmwunden waren, daß er feine Ahnung von diefen alten Sandesbewohnern gehabt zu haben feheint. Andrerfeits geht man nad) meinem Dafür- halten zu weit, wenn man das Alter der Pfahlbauten auf 6000—7000 Yahre Ihäßt, wie dieß von Hrn. Morlot gefhehen if. Die große Zahl von Getreidearten, welche fhon zur Stein- zeit ung begegnet, dann der ausgedehnte Flahsbau und die Leineninduftrie, weldhe auf den- felben fi) gründete, wie denn überhaupt der ganze Kulturftand diefes Volkes, wie er fih in den big jeßt nachgewiefenen Ueberreften fpiegelt, hat uns fchon früher zu dem Echlufje geführt, daß diefem Bolfe eine lange Entwiklung vorangegangen fein müffe. Berfeßen wir uns um 3000 Jahre zurüd, etiva in die Zeit Homer’s oder David’s, jo begegnen uns im Morgenland diefelben Kulturpflanzen. Im Homer wird der Gerfte und des Weizens oft erwähnt, ebenfo der Ader- bohnen und des Mohnes, nirgends aber des Noggens und Hafers. Im Buche Nuth, das wahricheinlih zu Davids Zeiten gefehrieben wurde, da es eine Familiengefhichte des königlichen Haufes erzählt, ift gar viel von Gerfte und Weizen die Rede und der Auth wird von den Schnittern des Boas „Geröftetes“ dargereiht. Alfo etwa 1100 Jahre vor Chr. waren Gerfte und Weizen die Haupt-Getreidearten PValäftinas. Sie werden aber mit dem Spelt fehon viel früher, nemlich fehon in der Genefis erwähnt, wie denn fie in Aegypten unzweifelhaft fhon in viel früherer Zeit die Grundlage der dortigen Kultur gebildet haben. Aus David’s Zeit (2. SamuelXVI.28) werden aud Bohnen und Finfen unter den gewöhn- lihen Lebensmitteln erwähnt, wie anderweitig der Spelt, während der Noggen und Hafer nirgends erfcheinen. Wir haben hiermit die Getreidearten und Hülfenfrüchte, welche in den der Bronze: zeit angehörenden Pfahlbauten der weitlifhen Schweiz gefunden wurden. Zu jener Zeit fheint bei den Drientalen und Griechen die Bronze nod das am häufigsten verwendete Metall ge- wefen zu fein, das auch im Homer häufig erwähnt wird. Mit Berüfjihtigung der fehr lang- famen Verbreitung der Kultur in jener Zeit dürfte die Annahme nicht zu gewagt erfcheinen, daß die Pfahlbauten, die Bronze enthalten, ungefähr in jene Zeit fallen mögen. Aelter aber müffen die Bfahlbauten der Steinzeit fein, doch Schließen fie fih durch Robenhaufen und andrerfeits Meilen fo nahe an das Bronzgzeitalter an und zeigen aud in ihren älteften Nieder- laffungen (fo Wangen und Moosfeedorf), in ihren Kulturpflanzen und Hausthieren fo viel Uebereinftimmendes mit den übrigen, daß feine feharfe Grenze zu ziehen ift, und fie wohl nicht um viele Jahrtaufende höher hinaufgerüdt werden dürfen. 3. Die Pfahlbauten waren während des ganzen Jahres bewohnt und e3 wurde aud) das Bieh auf denfelben untergebraht. Für leßteres fpriht der Dünger, den wir in der Pfahlbaute Kobenhaufen nahgemwiefen haben (S. 7); für eriteres die unverdauten Kefte der Nahrungs= mittel; die Kirfchenfteine weifen mit großer Wahrfcheinlichkeit auf den Juni, die Kerne der Himbeeren und Brombeeren auf Mitte und Ende Sommer, die Schlehen und Hagenbutten aufden Spätherbft oder Anfang Winter, denn diefe Früchte werden erft genießbar, wenn ein Froft über fie ergangen ift; die Hafelnüffe und Budhnüffe auf den Herbit und Winter; ebenfo die Unfrautfamen des Aderfeldes, welche nad) dem Reinigen des Getreides in den See geworfen wurden. 4. Aus Rütimeyers Unterfuhungen der Thiere der Pfahlbauten geht hervor, daß zur ältern Steinzeit die wilden zur Nahrung verwendeten Thiere bei weitem die Zahl der Hausthiere überwogen haben, daß die Jagd alfo mehr Fleifhnahrung lieferte als die Viehzucht, in der Bronzezeit aber verändern fi diefe VBerhältniffe fehr zu Gunften der zahmen Thiere. Die großen wilden Odhylen, der Ur und der Wifent, verfhwinden und es tritt eine ganze Zahl von neuen Hausthierracen auf (vgl. Rütimehyers Fauna der Pfahlbauten ©. 256). Bei den Pflanzen läßt lich zwar eine Zunahme der fultivirten Arten ebenfalls nahweifen, allein fchon in den älteften befannten PBfahlbauten (Moosfeedorf und Wangen) haben wir manigfadhe Ge- treidearten und den Flahsbau und fomit unzweifelhaft den Aderbau; in KRobenhaufen tritt die Kultur des Obftes und in dem Zeitalter der Bronze der Anbau der Hülfenfrüdte hinzu. So vielfadh auch die wildwahlenden Früchte benußt wurden, fcheinen dod von Anfang an die fultivirten Gewächfe die hHauptfächlichfte Pflanzenkoft geliefert zu haben. 5. Wenn aud) die Altersbeftimmung unferer Pfahlbauten nod zweifelhaft ift, jo Fünnen wir do das mit voller Beftimmtheit fagen, daß fie über XOO Jahre alt find, und mit einer gewiffen Wahrfcheinlichfeit, daß fie um 1000 bis 2000 Jahre v. Chr. zurüdreihen. Die Pflan- zenrefte derjelben haben daher jedenfalls ein fehr hohes Alter und eignen fih zur Erörterung — 49.— E der Frage, ob eine Umänderung der Pflanzenarten in biftorifcher Zeit vor fih gegangen fei. Wir müffen dieß für die wildwachlenden Pflanzen verneinen. Die genauefte Unterfuchung derfelben zeigt uns eine überrafchende Uebereinftimmung mit den lebenden Akten und felbft feine Formabweihungen haben fi) erhalten, wie wir dieß bei der Scerofe, bei der Yöhre, bei der S©chlehe, der Ahlfirfche und der Safelnuf nadhgewiefen haben. Zu demfelben Refultate ift audh Prof. Unger durch Unterfuchung der altägyptifchen Pflanzen gelangt. Anders verhalten fi) aber die Kulturpflanzen; wenn auch bei einigen (fo dem Dinfelweizen und der dichten fechs- baben die alten allmälig verdrängt. Diefe Ießteren haben wir daher als die eigentlichen Stammformen zu betrachten, von denen jene ausgegangen find. So ift wahrfcheinfich die Fleine jechszeilige Gerfte der Prahlbauten die Urform, von welcher die bierzeilige entfprungen ift. Durd die Kultur hat fih die Aehren- fpindel verlängert, die Achrhen find weiter auseinander gerüdt, daher die feitlichen Reihen nun übereinander greifen. Wir erhalten fomit nur vier Zeilen an der Achre und damit die 3eilige Gerfte (H. distichum L.), bei furzer Spindel aber die Keisgerfte (H. Zeocriton L.). Sch betrachte demnach) diefe jämmtlichen erftenformen nur als Racen Einer Art, weldhe in der That au zuweilen Uebergänge zeigen. Aehnlich verhält e8 fih mit den Weizenarten. entftanden find, da fie alle fih fehr nahe ftehen und feine wichtigeren durchgreifenden unter- fcheidenden Merkmale zu finden find *). *) Wir Hätten fie dann in folgender Weife zufammenzuftellen: Triticum vulgare vill, Vierfeitige Achre, Achrehen mit 2—4 zur Zeit der Reife ausfallenden Früchten, Spindel nicht gerbrechlic,. 7 . re E83 verfündigt uns daher die Flora der Pfahlbauten, daß alle Pflanzen, welche des Menichen Hand berührt, bis auf einen gemwiffen Grad umgewandelt werden und fo der Menfch mit Theil nimmt an dem großen Umbildungsprozeffe der Natur, während die wild- wachfenden Pflanzen, die ung jeßt umgeben, noch in denjelben Formen fich bewegen, wie vor dreis big viertaufend Jahren und nicht die geringite Aenderung erkennen laffen. a. Tr. antiquorum m. Kleiner Pfahlbaumeizen. Aehre grannentos, Furz, mit dichtgedrängten, Fleinen, ftarf gewölbten Körnern; Aehrehen mit 3—4 reifen Früchten; Hülffpelze auf dem Nücden vom Grund aus fcharf gefielt, fürzer als die Dedfpelze, in einen Furzen Zah ausgehend. b. Tr. sativum Lam. &ewöhnlicher Weizen. Achre begrannt oder unbegranntz; Aehrchen mit 2—3 reifen Körnern, Hülfpelze fait von der Länge ber Dedipelze, nur vorn gefielt. Früchte länglich oval, ftumpf. c. Tr. durum Desf. Der Hartweizen. Achre gegrannt, Aehrehen mit 3-4 Körnern, Hüllfpelze jchmal, von der Länge der Dedipelze, vom Grund aus jcharf gefielt, in einen breiten gebogenen Zahn ausgehend. d. Tr. turgidum L. Megyptifcher Weizen. Aechre gegrannt, Aehrehen mit 2-3 Körnern; Hülfpelze aufgeblafen, breit, fürzer al3 die Dedfpelze, am Rüden fcharf gefielt, in einen Furzen Zahn ausgehend. Früchte groß, hoch gewölbt, eirund. Diefe Nacen zerfallen dann wieder in zahlreiche Unterracen. Srklärung der Figuren der Tafel. | Fig. 1-8. Kleine Pfahlbaugerfte (Hordeum hexastichum, sanctum). „1.2.3. Achren von Robenhaufen ; Fig. 2 u. 3 die Achre jo geftellt, daß man die drei ” ” ” Körner, welche in einer Aushöhlung der Spindel ftehen, fieht. Die drei Zeilen von Körnern, die man fieht, gehören daher der einen Seite der Spindel an, während die andere mit ihren drei Zeilen auf der gegenüberliegenden Seite liegt ; Fig. 1 gibt eine in der Länge vollftändig erhaltene Aehre in anderer Anfiht, indem die erfte und zweite Zeile, von linfs gerechnet, den beiden Seiten der Aehre angehören und in der obern am vollftändigiten erhaltenen Bartie vier Zeilen gefehen werden. 4 einzelne Körner ; a. und d. von der Außenfeite mit dem Keim, b. ec. von der Innen- feite. Fig. 5 von Wangen. Fig.6. a. b. e. f. von der Betersinfel; c. d. von Mon= telier. Fig. 7. Korn nod) von den beiden Hüll-Spelzen umgeben. Fig. 8. Spindel, von welcher die meilten Körner abgefallen; fie zeigt die Einfügungsitellen der Aehrchen und ihre fehr dichte Stellung. 9. Die dichte fehszeilige Gerfte (Hordeum hexastichum, densum). Fig. 9 Hehrenftüd von Robenhaufen ; Fig.9. b. c.d. einzelne Körner von Baud) und Rüdenfeite. 10—13 alt italifhe Sibermünzen. Fig. 10. Münze aus dem 6ten Yahrhundert v. Chr. von Metapont mit der jechszeiligen Gerfte. Fig. 11 von Metapont aus dem fünften Jahrhundert mit der Wanderheufchrede; Fig. 12 eben daher, mit der Maus. Fig.113. Münze von Leontinon mit vier Gerftenförnern, bei welchen auch die zwei borften- fürmigen Hüll-Spelzen und in der Ainne des Korns der Keim (der von der Rüden feite auf die Bauchfeite herübergenommen wurde) angegeben find. 14—18. Kleiner Pfahlbaumeizen (Triticum vulgare antiquorum m.). Fig. 14. Aehrenftüd von Robenhaufen ; Fig. 15 ein zweites Stüd von der Innenfeite, welches die dichte Stellung der Aehrchen zeigt. Fig. 16. Ein einzelnes Aehrehen mit vier Körnern. Fig. 16. b. Spelzen bedeutend vergrößert. Fig. 17. Achre vervollitändigt. Fig. 18. Einzelne Körner; a. b. c. e. f g. von Robenhaufen, a. a. von Moosfeedorf, d. von Montelier, h. von Olmüb. 19. Binfelweizen (Triticum vulgare, compactum muticum). 19 a. Aehrchen mit drei Samen; b. c. von Kobenhaufen, f. aus einem Brode; d. e. von Bude; 8. h. von der Petersinfel; i. von Parma. Fig. 20. 48. a Aeayptifher Weizen (Triticum turgidum L.), ganze Aehre von Nobenhaufen ; Fig. 21. Körner aus diefer Achre, a. Bauchjfeite, b. Nücenfeite mit dem Keim, c. Durhiähnitt. d. Spelzen. Spelt (Triticum Spelta L.) von der Betersinfel; a. Achrchen mit den Spelzen, b. e. d. e. Samen. Pfahlbau-Emmer (Triticum dieoccum Schranf) von Wangen; ganze Aehre, 23. b. Seitenanficht eines Theiles derfelben. Hafer (Avena sativa L.) Fig. 24. a. b. von Budhs; c. von Montelier, d. e. von der Betersinfel, f. von Wismar in Medlenburg. Joggen (Secale cereale L.) von Dlmüß. b. c. Rüdenfeite mit Keim, a. Baucdhjeite, d. Durhichnitt. Rifpenhirfe (Panicum miliaceum L.) von Wangen; b. Spelze vergrößert. .a. b. c. Einzelne Körner von Montelier vergrößert. KRolbenhirje (Setaria italica L.) von Montelier. Zwei Körner vergrößert. a. b. von Bude. Kretifhes Leimfraut (Silene cretica L.). Kapfel von Robenhaufen. Samen diefer Pflanze von da, a. vergrößert. b. Rüden des Samens, c. einige Wärzhen ftarf vergrößert. KRornrade (Agrostemma githago L.) von Robenhaufen. Abendlidhtnelfe (Lychnis vespertina L.); zweimal vergrößert, von Nobenhaujen. Sandfraut (Arenaria serpyllifolia L.), vergrößert; von Moosfeedorf. Labfraut (Galium Aparine L.). a. b. von Montelier. Große Kette (Lappa major L.) von Robenhaufen. Flodfenblume (Centaurea cyanus L.) von Nobenhaufen ; vergrößert. Spörgel (Spergula petandra L.) von Robenhaufen; vergrößert. Kriehender Hahnenfuß (Ranunculus repens L.); zweimal vergrößert. Weiße Melde (Chenopodium album L.). a. natürl. Größe, b. c. vergrößert. d. ftärfer vergrößert; e. Nüdenanfict. Seftreiftfamige Melde. a. dreimal vergrößert, b. ftarf vergrößert. Giftlfold (Lolium temulentum L.). a. b. natürl. Größe, ©. vergrößert. Baftinaf (Pastinaca sativa L.). a. Außenfeite der Frucht; b. dreimal vergrößert. c. Snnenfeite vergrößert ; von Moosjeedorf. Keltiihe Akerbohne (Faba vulgaris celtica m.) von Montelier. Fig. 45. 46. von der Vetersinfel. Fig. 47. von Caftione bei Parma. Erbfe (Pisum sativum L. var.) von der Vetersinfel. ER Fig. 49. Zinfe (Ervum Lens L.) c. NRüdenanficht. PVetersinfel. 50. Mehlbaum (Pyrus aria L.). Same von Robenhaufen. 51. Hundsrofe (Rosa canina L.). Same vergrößert ; von Robenhaufen. 52. Schwarzer-Holder (Sambucus nigra L.). Same vergrößert, von Robenhaufen. 53. Attich (Sambucus Ebulus L.). Same zweimal vergrößert, von Rabenhaufen. 54. Heidelbeere (Vaccinium myrtillus L.). Same vergrößert, von Robenhaufen. 5. Wolliger Schneeball (Viburnum Lantana L.), von Robenhaufen. 56—60. Safelnuf (Corylus avellana L.) dig. 56. C. avellana L. und Fig. 57. C. avellana ovata W. vom Nußfäfer ange- bohrt von Robenhaufen; Fig. 58 von VBarma; Fig. 59. Glüdsnuß. Fig. 60. Nuf von einer Maus angefreffen, von Moosfeedorf; Fig. 61. Blatt von Moosfeedorf. 62. Buhnüßchen (Fagus sylvatica L.). von Moosfeedorf. 63. Fruchtdede der Buche von Kobenhaufen. ; 64. Waifernuf (Trapa natans L.), von Robenhaujen. 65. Gartenmohn;z verkohlte junge Frucht von Robenhaufen; a. von oben; b. von der Seite. 66. Samen; a. natürl. Größe, ein fleines Stüf des Mohnfudhens; b. Mohn=- Same viermal vergrößert, von Kobenhaufen. 67. Hartriegel (Cornus sanguinea L.). a. Nüfchen ; b. Durhfchnitt. Robenhaufen. 68—77. Biahlbauflahs (Linum angustifolium Huds.) Fig. 68—71 verfohlte Kapfeln ; 69 von unten; 68 von oben; Fig. 70-71 Seiten- anfiht; Fig. 72 Unverfohlte Kapfel, von Robenhaufen. 73. Same aus diefer Kapfel, b. vergrößert. 74. Unverfohlter Same von Moosfeedorf; a. b. natürliche Größe; c. zweimal vergrößert. 75. Berfohlte Samen von Kobenhaufen; b. und d. zweimal vergrößert. 76. Stüd eines Leinfuhens von KRobenhaufen. 77. 2einftengel; & untere Partie; c. d. oberer Theil mit Aftanfäßen; e. f. mit dünnen Zweigen, an weldhen wahriheinlich die Kapfeln befeftigt waren. 78-80. Lindenfrüdte. Fig. 78 mit vier Carpellen: Fig. 79 mit fünf, Fig. 80 in fünf Klappen gefpalten; von Tilia parvifolia Ehrh. 8. Wau (Reseda luteola L.), jehr ftark vergrößert. Robenhaufen. 82. Föhre (Pinus sylvestris var.). b. einzelne Schuppe, Seitenanfiht. Robenhaufen. 8. Bergföhre (P. montana Mill.) von Robenhaufen. ec. Schuppe, Seitenanfidt ; b. Same. 8. Weiftanne (Pinus picea L.). a. b. Nadeln von Robenhaufen. 5. Wadholder (Juniperus communis L.). Zäpfchen von Robenhaufen. a (Bi Fig. 86. Eibenbaum (Taxus baccata L.). a. b. Same in natürl. Größe; c. vergrößert. KRobenhaufen. T—R. Eicheln (Quercus Robur L.) 91. 92. 3. 94. 9. %. 7. 9. 100. 101. 102. 103. 104. 105. 106. 107. 108. dig. 87° Becherhen von Robenhaufen; Fig. 88. 89 PVerfohlte Früchte von der PBetersinfel; Fig. YO Berfohlte Frucht von Barma. Sainbucdhe (Carpinus Betulus L.), Fruht von Baud- und Rüdenfeite. a. b. Miftel (Viscum album L.). Atitüd. Moosfeedorf. Binje (Seirpus lacustris L.), von Robenhaufen; vergrößert. Durhwadhfenes Laidhfraut (Potamogeton perfoliatus L.), von Robenhaufen ; vergrößert. Zufammengedrüdtes Yaihfraut (P. compressus L.), von Robenhaufen. Hornfraut (Geratophyllum demersum L.), von Robenhaufen. Sumpflabfraut (Galium palustre L.). a. natürl. Größe; b. ce. vergrößerte. Fig. 8. Stärfer vergrößert. Nobenhaufen. Sieberflee (Menyanthes trifoliata L.). a. b. c. fchtwad) vergrößert. Nobenhaufen. Sumpfläufefraut (Pedicularis palustris L.). Same vergrößert. Gelbe Seerofe (Nuphar luteum L.). Robenhaufen. Kleine gelbe Seerofe (Nuphar pumilum Sm.). c. von oben vergrößert. Kobenhaufen. Weiße Seerofe (Nymphaea alba oocarpa); zweimal vergrößert. Nobenhaufen. Weiße Scerofe mit Fleinen Samen ; zweimal vergrößert. Robenhaufen. Scheudzeria (S. palustris L.); zweimal vergrößert. Nobenhaufen. Feigwurzelartiger Hahnenfuß (Ranunculus flammula L.); dreimal ver- größert. Epheublättriger HSahnenfuß (R. hederaceusL.); vergrößert. Nobenhaufen. Wafferfhüffel (Hydrocotyle vulgaris L.) zweimal vergrößert. Nobenhaufen. Kat SU HRREN Ad DER is RE Ei > abe Hi ee Br en 7 HaR: ge ee ” Ei ar a % RE an 3 Ice es) r ee e \ R- Mu UBS 2Te; 2 r; ee: a2‘) De r Ba = 4 # Y ee ee ee Haren LM > Rau Bar Er AIR A m KR, I AR a Bl Fer \ al, Bat „fi i Vo N N IR eh eR ge ne ne u Re Br : Be KR 2 Ko ae DR ah et 7 RN RR 52 E EE en. DREH ice ul Ba wenl ‚ ı Ku mt.) on GR; 4 R,; arte B ER ” e ein en ak Tr = a ra RN Kir RAR E N. £ rn ni A ee Yu Er ie REN 1 ze | Fa ur 1 (2 MN We 2) A £ x ic‘ N Geologische Beschreibung Umgebungen von Brugg mit Karte und Profilen. 0. MOESCH. jene uf. —— ie ATI —— Zürich, In Commission bei S. Höhr. 1867. 2 Spmudionozed wi EIN rc Einleitung. N Den Gegenstand des diesjährigen Neujahrsblattes bildet die geologische Beschreibung der Umgebungen von Brugg, d. h. die Beschreibung der Gebirgs- schichten, welche den dortigen Boden zusammen setzen. Das vorliegende Spezialkärtchen, im Massstabe von 1:25,000, wurde im Auf- trage der für die geologische Karte der Schweiz aufgestellten Commission beson- ders bearbeitet, um neben dem topographischen Blatte Nr. III des Dufour-Atlasses. dessen geringerer Massstab sich nieht zum Eintragen sämmtlicher Gebirgsfor- mationen und deren Unter-Abtheilungen eignet, als spezieller Führer in der geologisch so merkwürdigen Gegend zu dienen. Der beigegebene Text ist mehr oder weniger ein Auszug aus dem so eben erschienenen Bande der » Beiträge zur geologischen Karte der Schweiz « desselben Verfassers, als Beschreibung des im Blatte III geologisch aufgenommenen Terrain der Kantone Zürich und Aargau, nebst besonderer Berücksichtigung der Malm- formation der Cantone Schaffhausen und Baselland. Das Blatt Brugg umfasst ein Gebiet von ungefähr zwei Quadratstunden und enthält eine solche Menge von Gesteinsarten und sedimentären Bildungen auf dem verhältnissmässig kleinen Raum zusammengedrängt, wie wohl keine andere Gegend Europa’s. Man findet die mittleren und oberen Triasglieder, den Lias, den braunen und den weissen Jura, die tertiären Niederschläge und die neueren Bildungen in aus- gezeichneter, selbst für Fachleute lehrreichen Entwieklung und überall leicht zugänglich. Der östliche und südliche Theil dieses Kartengebietes lieferte schon vor sechs und zwanzig Jahren den Stoff für eine höchst anziehende geologische Abhand- lung *) und bietet zur Stunde noch hinlänglich Gelegenheit zu neuen Entdeckungen. Wenn wir zuweilen genöthigt sind, uns im Verlaufe der Beschreibung über die engen Grenzen des Kärtchens hinaus zu bewegen, so geschieht es wesentlich, damit das geologische Bild durch Zuzug weiteren Materials ein vollständigeres und übersichtlicheres werde. Versuchen wir also, das scheinbare Labyrinth in dem engen Rahmen des knapp zugemessenen Raumes an der Hand petrographischer und palaeoutologischer Merkmale zu durchforschen. *) A. Mousson, geologische Skizze der Umgebungen von Baden, 1840. er Sedimente. In der zweiten Hälfte des verflossenen Jahrhunderts kamen die deutschen Forscher Lehmann und Füchsel, nach Vergleichung der Resultate ihrer Bohrungen, welche sie unternommen hatten um sich über das Vorhandensein von Steinsalz, Steinkohle und Eisen zu vergewissern, auf die Vermuthung, dass die Gebirgs- arten nach einem bestimmten Gesetze auf einander lagern. Sie fanden nämlich bei ihren Bohrversuchen, die sie in einem gewissen Distrikte und an verschiedenen auseinanler liegenden Punkten unternommen hatten, immer dieselbe bestimmte Reihenfolge der abgelagerten Gebirgsschichten (Sedimente, Niederschläge) und bemerkten zugleich mit Erstaunen das regelmässige Wiedererscheinen gewisser Arten Versteinerungen in solchen Schichten, die mit einander übereinstimmten. Weitere Versuche steigerten die Vermuthung zur Gewissheit. Dieselben Erfahrungen machte nachträglich der Engländer William Smith, und damit war die erste Grundlage für die Lehre einer regelmässigen Altersfolge von Gebirgsformationen gelegt. Wir werden im Verlaufe unserer Abhandlung die Wichtigkeit dieser Erfah- rungen zu würdigen verstehen. Die praktische Anwendung verlangt aber nicht nur eine genaue Bekanntschaft mit den Versteinerungen und der Gesteinsbe- schaffenheit, sondern fast noch mehr eine gewissenhafte Berücksichtigung der Lagerungsweise einzelner Schichten und ganzer Formationsglieder. Die Sedimente sind entweder Meeres- oder Süsswasserabsätze, welche nach ihrem Verhärten entweder die ursprüngliche horizontale Lage beibehielten und jetzt das Tafolland (Plateau) bilden, oder aus der horizontalen Lage im Form von Gewölben und Rücken gehoben wurden, wodurch dann die Bergketten (Ketten- Jura) entstanden; die darin vorkommenden Versteinerungen sind die. Reste der Thiere, welche während der Zeit, als die Niederschläge sich bildeten, in den Gewässern gelebt haben. Diese organischen Reste sind für den Geologen oft der einzige Anhalt für die Altersbestimmung der Niederschläge; wir werden daher diese Denkmünzen der verschiedenen Perioden am geeigneten Platze so viel wie möglich berück- sichtigen. Selbstverständlich gehören zur allgemeinen wie zur praktischen Geologie auch chemische, physikalische, zoologische und botanische Kenntnisse. Im Vereine mit diesen Hülfsmitteln wird vor dem Auge des Forschers der starre Boden zu 2... durchsichtigem Glas; er sieht mit derselben Klarheit in die Tiefen der Erde, wie das bewaffnete Auge des Astronomen in die schrankenlosen Räume des Firmamentes. $ Wir sehen hieraus, dass nicht allein das Menschengeschlecht seine wechsel- volle Geschichte, sondern auch die Erde eine Vergangenheit, eine Gegenwart und eine Zukunft hat; die Vergangenheit in Beziehung auf den kleinen Fleck Erde unserer vorliegenden Karte kennen zu lernen, um dadurch uns Rechenschaft geben zu können über desselben gegenwärtigen Zustand, ist unser vorgestecktes Ziel. Beide, Vergangenheit und Gegenwart, bieten Schlüsse für die Zukunft. I. Trias. Jenseits des Rheinstroms treten am Rande des Schwarzwaldgebirges die Sedimente des Uebergangs- und Steinkohlengebirges auf; sie lagern auf ‘dem granitischen und gneisigen Grundgebirge. Näher gegen unsere Grenzen folgen elden, Zuzgen, Mumpf, Säckingen und Laufenburg. Seine Niederschläge bei Waldshut liefern die bekannten weissen Mühlsteine, und diejenigen bei Rheinfelden (Herthen und Degerfelden) werden u Schleifsteinen verarbeitet und massenhaft nach der Schweiz geliefert, Der bunte Sandstein ist, wie sein Name sagt, ein Sandstein von wechselnder Färbung, vorherrschend braun und ziegelroth, bei Waldshut mehr weiss und grau. Seine oberen und unteren Schichten werden nicht selten von violetten, blauen und rothen Mergeln begleitet. Er liefert gute und dauerhafte Bausteine, aus seinen oberen Bänken sind die in gothischem Style ausgeführten Dome von Basel, Freiburg und Strassburg erbaut. Von Mineralien enthält er blutrothen Carneol. Kupferalaun, Malachit, Flussspath, Schwerspath, Gelbbleierz, Blei- Von Petrefacten kennt man Schilderstücke von Sauriern aus der Gegend von Basel (Riehen), krokodilartige Reste und Fische bei Rheinfelden ‚auf deut- schem Gebiet. A. Der Muschelkalk besteht aus der Wellenbildung, der Anhydritgruppe, dem Hauptmuschelkalk und dem oberen Dolomit. Sein tiefstes Glied: 1. Die Wellenbildung, ist ebenfalls nur im Rheinthal entwickelt und wurde bis jetzt weder im Innern unseres Juragebietes, noch in den Alpen nachgewiesen. Man hat die Stufe in zwei petrographisch von einander unterscheidbare Zonen getrennt: die tiefere Abtheilung als W ellendolomit, die höhere als Wellenkalk. Die erstere ist reich an Thierresten, namentlich an zweischaligen Muscheln, von denen eine Anzahl auf diese Zone beschränkt ist. Der Wellenkalk enthält noch einzelne Muschelreste des Wellendolomites, aber in weit geringerer Anzahl. Die ältesten krokodilartigen Saurier der Schweiz wurden in dieser unteren Stufe bei Schwaderloch, Etzgen, Laufenburg, Eiken, Stein, Zuzgen und Augst in Gesellschaft von Fischresten aufgefunden. Als Hauptleitmuscheln stellen wir voran: Myophoria laevigata, Schloth.. var. cardissoides; Lima lineata, Schloth.; Holopella Schlotheimi, Qu. sp.; Panopaea Albert, Voltz. sp. und Gervillia socialis, Schloth. sp. var. minor. Weniger zahlreich sind folgende, ebenfalls an den genannten Localitäten vor- kommende Versteinerungen: Pentacrinus dubius, Goldf. Cidaris grandaevus, (&oldf. Aspidura scutellata (Asterites), Blumenb. Terebratula vulgaris(Waldheimia),Scliloth. Rhynchonella deeurtata (Terebrat.),Girard. Spiriferina fragilis (Tevebratulites),Schloth. Diseina discoides (Patellites), Schloth. Lingula tenuissima, Bronn. Östrea spondyloides, Schloth. „ erista difformis, Schloth. „„ subanomia, Mü. Hinnites Schlotheimi (Spondylus), Merian, Pecten diseites, Schloth. var. tenuistriatus. „ laevigatus, Schloth. Gervillia costata (Mytulites), Schloth. Lima striata, Schloth. Mytilus eduliformis, Schloth. Nueula Goldfussi, Alb. Myophoria orbieularis, Goldf. vulgaris, Schloth. Corbula gregaria (Nucula), Mü. Astarte triasina, Roe. Thracia mactroides (Myacites), Schloth. Lucina Schmidü, Geinitz. Pleuromya ventricosa (Myaecites), Schloth. Anoplophora impressa, Alb. s musculoides, Schloth. u Fassaensis(Myacites). Wissm. Dentalium laeve, Schloth. Holopella obsoleta (Turritella), Schloth. Pleurotomaria extracta (Natica). Berger. Goniatites Buchü, Alb. Nautilus bidorsatus, Schloth. Krebsreste, Fischzähne. Ichthyosaurus atavus, Qu. Wirbelkörper und Rippen. Nothosaurus mirabilis. Längs gestreifte Knochen, an Flugfinger von Pterodactylus erinnernd. ) Die blaugrünen Gesteine der Wellenbildung sind in dünnen, oft schiefrigen wellenförmigen Bänken auf einander geschichtet, bald von bröckelnder, bald här- terer Masse; sie unterscheiden sich in obigen Kennzeichen leicht von älteren und jüngeren Sedimenten. 5 > Im Schwarzwald und bei Zuzgen im Friekthal werden sie zur Bereitung von Gement ausgebrochen. Für Bauzwecke sind sie untauglich. Die qualitative Ana- Iyse ergibt: Kohlensauren Kalk, kohlensaure Bittererde, Eisenoxydhydrat, Quarz und Thon. 2. Die Anhydritgruppe. Sie enthält in ihrer unteren Abtheilung: aa. Salzthon, Steinsalz und Gyps. Der Salzthon lagert unmittelbar auf Wellenkalk; er wurde bis jetzt nur bei Rheinsulz und südlich und östlich von Augst zu Tage aufgefunden. Er besteht aus fettem blaugrauen Thon, worin Gyps- und Salzkrystalle ein- gebettet liegen. Das Steinsalz. Der erste gelungene Bohrversuch auf Steinsalz erreichte bei 420 Fuss Tiefe ein 30 Fuss mächtiges Lager von massig abgelagertem reinem Salzfels bei Schweizerhall, nachdem eine Reihe von Bohrungen bei Schleitheim, Eglisau, am Nordfusse der Lägern, bei Kienberg, Wiedlisbach u. s. w. miss- glückt waren. Bald nachher wurden bei Augst, Rheinfelden und Ryburg ebenfalls mächtige Steinsalzlager erbohrt. Die aargauischen Salinen produziren jährlich über 256,000 Zentner reines Kochsalz; alle schweizerischen Salinen zusaınmen etwa eine halbe Million Zentner, während der Gesammtbedarf für die Schweiz über 700,000 Zentner beträgt: es werden somit noch beiläufig 200,000 Zentner fremdes Salz eingeführt. Ein Bohrversuch bei Felsenau (Aarmündung in den Rhein) traf bei ungefähr 450 Fuss Tiefe Höhlungen mit stark gesalzenem Wasser; es waren offenbar ehe- malige Lagerstätten von Steinsalz. Eine auf Kochsalz reagirende Quelle entfliesst im Sulzthal der Anhydritgruppe. Man benutzt seit einigen Jahren die Soole in Rheinfelden mit Erfolg zu Heilbädern; die Frequenz der Patienten steigert sich von Jahr zu Jahr. Der Gyps des Muschelkalks gehört zur Salzgruppe; er hegleitet stets das Steinsalz; aber nicht immer finden sich Salzlager beim Gyps. Er zeichnet sich durch seine weisse Farbe von dem höheren Keupergyps aus und wird für feinere Arbeiten dem letzteren vorgezogen. Nur an wenigen Loca- litäten geht er zu Tage, einmal bei Reuenthal an der neuen Rheinstrasse, dann bei Laufenburg und am Steinerberg bei Stein im Frickthal. ee Oft verunreinigt der Gyps die Salzsoole und verursacht beim Sieden derselben die lästigen Pfannensteine. bb. Zellenkalk und Mergel, unterer Dolomit und Feuerstein. Sie bilden zusammen die mächtigsten Niederschläge in der Muschelkalkgruppe. Der Zellenkalk lagert unmittelbar auf den Gypsstücken oder, wo diese fehlen, auf Salzthon; er zeichnet sich durch seine grobzellige maschenartige Poro- sität, sowie durch seine lichtere Färbung von allen andern Niederschlägen aus. Dolomitisch, wie diese porösen Kalke sind, geht ihnen die Dichtigkeit der reinen Kalkbänke ab; man braucht sie daher nirgends für technische Zwecke. Werthvoller sind die in den Zellen enthaltenen Mergel; sie werden in der Gegend von Donaueschingen für die Hornberger Fayence-Fabrikation gewonnen. Der Zellenkalk ist das älteste in unserem Kartengebiete anstehende Sediment. In dem Aufrisse, welchen der Muschelkalk zwischen dem Bad Schinznach und dem Miseren-Plateau verfolgt*), brechen die Zellenkalke bei Gebensdorf auf kurze Erstreckung zu Tage (Ma. in Profil Nr. 11). Nördlich und westlich von unserer Karte findet sich derselbe in ansehnlicher Verbreitung. Ueber der schon genannten Gypsgrube bei Reuenthal erhebt er sich als lokales Gewölbe; bei Schwaderloch tritt er neben der Strasse über den Wellen- bildungen auf; im Sulzthal erhebt er sich zwischen Leidikon und dem Rheinthal; zwischen Laufenburg und Augst begegnen wir den Niederschlägen bei Stein, Zeiningen, Rheinfelden, Olsberg und am Rheinufer oberhalb Augst. Im Ketten-Jura steht der Zellenkalk um Densbüren und in den Bergen östlich und südlich von Wölfliswyl an. (Grenzprofil Nr. 20.) Nun folgen darüber: Dolomite mit Feuerstein. Erstere setzen dünne bröckelnde Bänke von aschgrauer Färbung zusammen und enthalten in verschie- denen Niveaux regellos eingelagerte Schnüre und Schichten von grauem und schwarzem Feuerstein. Bei Rheinfelden, am » Augster-Stich« und bei Laufen- *, Im Neujahrstück Nr. LXVI., „Ueber die Lägern*, sagt der Verfasser auf Seite 6 von der Verbreitung des Muschelkalks: „Von der Habsburg kann er über den Lindhof, die Scham- belen, den Letten und die Gebensdorferschlucht bis an die Limmat verfolgt werden; am oberen Rauschenbach erscheint er zum letzten Male.“ Diese Angabe ist in- sofern unrichtig, als der Muschelkalk, östlich über Gebensdorf hinaus, nirgends zu Tage geht. Der Verfasser hat offenbar die untern Kalkschichten des weissen Jura am Rauschenbach mit dem Muschelkalk verwechselt. (S. Profil Nr. 10.) Et burg am Ebneberg findet man in den Feuersteinknollen Holopella Schlotheimi mit wohlerhaltener Schale. Die Mächtigkeit der Dolomite erreicht 60 bis 70 Fuss. Die untere Trias ist bei Rheinfelden durch eine ‘quer durch den Rhein setzende Spalte gestört. (Holzschnitt Nr. 3.) 3. Der Hauptmuschelkalk. (Rauchgrauer Kalk, Merian; Friedrichshaller Kalk, Alberti.) Auf die feuersteinreichen Dolomite folgt der Hauptmuschelkalk in Bänken von sehr wechselnder Mächtigkeit. Er liefert äusserst dauerhafte Bausteine und ist zu diesem Zwecke in zahlreichen Steinbrüchen erschlossen. Man bemerkt auch in dieser Abtheilung eine gewisse constante Reihenfolge von Niederschlägen, welche sich petrographisch und palaeontologisch auszeichnen. Die tiefsten Schichten bestehen aus bräunlichen oder auch aschfarbenen Thon- kalkbänken. Darüber folgen drei von einander geschiedene Lagen mit Glieder- stücken des Encrinus liliiformis durchschwärmt;; der Horizont*) ist unter dem Namen »Encrinitenkalk« bekannt als vorzügliches Baumaterial. Wir finden die Schichten bei Gebensdorf, in der Schambelen und unter den Mauern westlich der Habsburg. Die Encrinitenkalke treten in den Muschelkalk- bergen des Rheinzuges von Koblenz bis Rheinfelden und in den Ketten des Jura „wischen Schinznach und Kienberg an vielen Stellen zu Tage. Vollständige Kronenstücke von Enerinus liliiformis kennt man aus dem aargauischen Muschelkalke erst in etwa 15 Exemplaren; zahllos aber finden sich die tonnenförmigen Gliederstücke aus den Schichtenflächen ausgewittert. Die Plattenkalke des Hauptmuschelkalkes zeichnen sich durch ihre dünnen Bänke über den Enerinitenkalken aus. Sie sind die Lagerstätte von Cera- tites nodosus und des nicht häufigen Krebses Pemphix Sueurü. In den verticalen Klüftungen findet man krystallisirten und derben Kalkspath, Mondmilch und Arragonit. Die Plattenkalke gehen in dem Bergzuge zwischen Gebensdorf und der Reuss zu Tage, auch anderwärts sind sie allenthalben über den Enerinitenkalken entwickelt, *) Horizont heissen bei den Geologen Niederschläge, welche sich von anderen, jüngeren oder älteren Niederschlägen, durch bezeichnende Versteinerungen unterscheiden. 4. Oberer Muschelkalkdolomit mit Feuerstein. Er folgt über den Plattenkalken, besteht aus sandigem norösem Gesteine, ist gelbbraun, liehtgelb bis aschgrau, mit Bitterspathdrusen erfüllt und von dunkeln und hellen Feuersteinen in Schnüren und Lagen durchzogen, ähnlich wie im untern Dolomite. Sein Reichthum an Schalthierresten, namentlich von Myophoria Goldfussi macht ihn leicht erkennbar. Man findet ihn anstehend bei Kaisten, Sulz, Augst und auf dem Bergrücken östlich von der Habsburg. In der Schambelen ist der obere Dolomit ärmer an Versteinerungen, als in der Umgebung von Kaisten In den Feuersteinbänken bei Eiken sind die Schalen der Conchylien prächtig erhalten, während im Dolomite selbst nur Steinkerne und Abdrücke der Schalen vorhanden sind. Die Muschelkalkgruppe bedeckt im Aargau ein (ebiet von circa 3 Quadrat- meilen und bietet im Rheinzuge für das Studium ihrer Unterabtheilungen an vielen Stellen treffliche Aufschlüsse; aber das schönste Profil in der Muschelkalk- gruppe hat die Felsenau aufzuweisen. Von bisher im aargauischen Hauptmuschelkalk aufgefundenen Versteinerungen enthält die geologische Sammlung des Polytech- nikums: Prionastrea polygonalis (Ostrea), Mich. Corbula gregaria (Nucula), Mü. Pentacrinus dubius, Goldf. Thracia mactroides (Myacites), Schloth. Encrinus lilüformis, Schloth. Lueina Schmidii, Geimitz. Terebratula vulgaris, Schloth. Pleuromya ventricosa (Myacites), Schloth. Spiriferina fragilis(Terebratulites),Schloth. Anoplophora nıusculoides (Myaeites), Schl. Lingula tenuissima, Bronn. Natica pulla, Goldf. Ostrea erista difformis, Schloth. Holopella obsoleta (Bueeinites). Schloth. Pecten laevigatus, Schloth. E Hehlii (Chemnitzia), Ziet. „. diseites, Schloth. Ceratites nodosus, de Haan. Hinnites Schlotheimi (Spondyl.), Merian. Nautilus bidorsatus, Schloth. Gervillia socialis, Schloth. Rhyncholithes avirostris, Schloth. Lima striata, Schloth. * hirundo, Faure Biguet. „ lineata, Schloth. Pemphix Sueuri, Desm. Mytilus eduliformis, Schloth. Fischschuppen, Gräte, Wirbel. kleine Perna vetusta, Goldf. Zähnchen. Myophoria vulgaris, Schloth. Placodus 4ndriani, Mü. ” laevigata, Schloth. Nothosaurus mirabilis, Mü. Aus dem obern Muschelkalkdolomit: Pecten laevigatus, Schloth. Gervillia subcostata, Goldf. Gervillia socialis, Schloth. de costata, Schloth. Lima striata, Schloth. Anoplophora musculoides (Myac.), Schloth. Mytilus Mülleri, Giebel. Trigonodus Sandbergeri, Alb. „ eduliformis, Schloth. Holopella Hehlü (Chemn.), Ziet. Nucula Goldfussi, Alb. “ scalata (Strombites), Schloth. Myophoria Goldfussi, Alb. Natica pulla, Goldf. Pe rotunda, Alb. „ gregaria, Schloth. Bi vulgaris, Schloth. Pleurotomar'a Atbertiana, Wissm. Lugina Schmidü, Gein. Nautilus bidorsatus, Schloth. Anoplophora Münsteri (Unionites), Wissm. Pemphix Sueuri. Desmar. (Sehr selten.) B. Die Keupergruppe. 1. Lettenkohle. Im Jahr 1856 wurde zuerst darauf hingewiesen, dass die blauen Schiefer und der untere Gyps in der Schambelen, welche zum Keuper gerechnet wurden, mit grösserer Wahrscheinlichkeit in die Lettenkohlenformation einzureihen seien*). Zwei Jahre später wurde diese Ansicht durch die Entdeckung von Estheria minuta, des leitenden Petrefactes für die Lettenkohle, in einer wenige. Fuss unter dem Gyps anstehenden Schicht noch weiter unterstützt. Diese Stufe der Triasbildung trägt ihren Namen insofern mit Unrecht, als darin bis zur Stunde im Aargau noch keine Kohle gefunden wurde. Ihre Ver- breitung ist ziemlich beschränkt und wäre nicht ihr Gyps von einiger Mächtig- keit, so würden die übrigen Niederschläge leicht übersehen. Die Lettenkohlenbildung steht von den Bitterwasserschächten bei Birmens- dorf weg über die Schambelen bis an den Habsburgerberg im Zusammenhange, setzt aber ohne Zweifel von dort noch weiter westlich fort, da am Fusse der Wolf- halde gegen den Benkenpass die Bildung wieder zu Tage tritt. Der weisse Gyps bei Wölfliswyl, Kienberg und an der Habsburg gehört ebenfalls zur Lettenkoble. In der Schambelen ist die Lettenkohlenbildung mit etwa 70° aufgerichtet, mit einer Gesammtmächtigkeit von beiläufig 40‘; man unterscheidet darin folgende Glieder von oben nach unten: a) Weisser Gyps mit Krystallen von Bittersalz und Glaubersalz. b) Grauer dolomitischer Sandkalk zu Fayence benutzt. c) Bröckelnde gelbbraune Dolomite. *) C. Moesch, das Flötzgebirge im Aargau, pag. 20. Denkschriften der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft. FM ai d) Graue dolomitische Schieferkohle mit Bactryllium canaliculatum. e) Rauchgraue Dolomitbank. f) Koprolithenlager mit Knochen, Schuppen und Zähnen von Fischen und Sauriern. 9) Blaugraue Alaunschiefer, voll Estheria minuta und Lucina Romani. h) Gelber dolomitischer Kalk mit vielen Muscheln, Knochen und Zähnen von Ceratodus Kaupii. Darunter: Oberer Muschelkalkdolomit und Hauptmuschelkalk. Bittersalz und Glaubersalz werden hier und bei Birmensdorf aus dem Gyps «a ausgelaugt und unter dem Namen »Mülliger- und Birmensdorfer Bitterwasser « in den Handel gebracht. Der Besitzer der Schächte von Birmensdorf verkaufte davon im Jahr 1864 über 40,000 Flaschen. Der dolomitische Kalk 5 wurde früher von Hrn. Scheller im Schooren bei Zürich zur Bereitung von Fayence- Geschirr benutzt; in neuerer Zeit bezog derselbe seinen Bedarf aus den gleichen Lagen vom Habsburgerberg. Im Schiefer d liegen die Bactryllien*), eine Versteinerung, in welcher Hr. Professor Heer eine Stückelalge vermuthet, die bis jetzt sonst nirgends in der Schweiz gefunden worden. f) Ein Koprolithenlager im dolomitischen Sand mit zahllosen Bruchstücken von Knochen nebst Fischschuppen und Zähnen von: Saurichthys Mou- geotti und acuminatus, Ag.; Amblypterus deeipiens, Giebel; Acrodus Gaillardotti und A. lateralis, Ag.; Palaeobates angustissimus, H. v. M. Mastodonsaurus Jaegeri, Alb.; Nothosaurus mirabilis. In den hlaugrauen Schiefern g finden sich zahllose Abdrücke von Lucina Romani, Alb.; Anoplophora lettica, Qu.; Lingula tenuissima; Estheria minuta (Posidonia), Goldf. Die dolomitischen Kalke % enthalten: Gervillia socialis; Myophoria vulgaris und Goldfussi; Lucina Schmidii; Koprolithen; Saurichthys Mougeotti und acumi- natus; Acrodus Gaillardotti und lateralis; Hybodus sublaevis und plicatilis, Ag.; Palaeobates angustissimus; Ceratodus Kaupii; Nothosaurus mirabilis; Mastodon- saurus Jaegeri. In den Profilen an der Habsburg, Bärenhalde (am Wolf) und bei Augst (am Violenbach) findet man neben Estheria minuta und Lucina Romani undeutliche *) Heer, Urwelt der Schweiz, pag. 57. un. Pflanzenfragmente, an der Bärenhalde und an der Staffelegg Fisch- und Saurierreste wie in den Schambelen. Kohle, wie bei St. Jakob an der Birs, kommt im Aargau nicht vor. 2. Keuper. Wie in der Lettenkohle, so lassen sich auch im Keuper eine Reihe mineralo- gisch von ein einander verschiedene Bildungen abtrennen. Die wichtigsten da- von sind die Gypsstöcke und grünen Sandsteine, welche letztere sich im Feuer vorzüglich halten. Der Gyps ist durch eine Reihe von Gruben erschlossen, man möchte sagen in ununterbrochener Folge von Olsberg über Magden, Wegenstetten, Schupfart, Frick und Gansingen bis Rietheim, unweit Zurzach. Von da setzt er über den Rhein durch den Klettgau und dem Randen entlang nach dem Donauthal. Die gliederreichste Entwicklung erreicht der Keuper im Kettenjura zwischen der Schambelen und der Malzhalde bei Ehrendingen, westlicher nur an der Staffel- egg und am Passwang. In der Schambelen führt der südlicher gelegene der beiden Stollen am Reuss- ufer in den mit bunten Mergeln stark verunreinigten Keupergyps. Ueber dem- selben folgt eine dolomitische Kalkwand als Grenze zwischen dieser Formation und den Insektenmergeln des Lias. Bei Birmensdorf und südlich von Gebensdorf treten die bunten Mergel und gelben Dolomite zu Tage; am nordwestlichen Miserenabfall gegen den Kappeler- hof wurde früher Gyps in einem abgerutschten Stücke durch Stollenbau gewonnen, am darüber liegenden Plateaurande der Miseren stehen die bunten Mergel und gelben Dolomite an. In der Malzhalde an der Lägern findet man die Glieder des Keupers in folgender Reihe unter dem Lias: Dolomitischer Kalkstein ! i Ä ; ca. 2 Fuss. Bunte Mergel e , - ; : 3 e 1 Grüner Sandstein mit Mergel ; : i ä en EL m Gyp . : x : } . R ; 2 =. 410 772° Bei Baden wurde unweit des Limmatufers der Keuper schon wiederholt in wenigen Fuss Tiefe angegraben. Ihm zunächst entspringen die heissen Thermen daselbst. In keiner Abtheilung unserer sämmtlichen Gebirgsglieder wechseln die Nie- derschläge derselben Gruppe so unregelmässig in ihrer Reihenfolge wie im Keuper. Erst wenn man viele Profile zusammenstellt, erkennt man eine gewisse An- ordnung im petrographischen Wechsel, woraus sich folgendes General-Tableau als Regel aufstellen lässt: | ae...) | Lias. Bomebed mit rohen age. 0,00 “Bunte Mergel oder dolomitische Kalke, letztere mit oder ohne Petrefacten. | 5,10— 14,40 | a Sandstein (mit oder ohne Pflanzen) oder bunte Mergel, oder beide zusammen. 0,50 — 34,50 | ® Gyps und bunte Mergel, oder Gyps und dolomitische Kalke. SE 6,00— 106,50 "Sandstein mit Pflanzen (Hemmikn. nn 23,10 Mergel in variabler Mächtigkeit. Su, iR: ? Total: 179,40 Das Bonebed zunächst unter dem Lias fehlt dem Aargau, dagegen finden wir dasselbe an der Ergolz bei Liestal in rothe Mergel eingebettet. Die Loca- lität ist durch Gressiys Fund riesiger Knochen und Schilder von Gresslyosaurus ingens bekannt geworden. Die rothen Mergel fehlen beinahe nirgends an der oberen Keupergrenze; tiefer folgt mehr Farbenwechsel in den Mergeln, oder wo sie ganz fehlen, tritt an ihre Stelle ein dolomitischer armer oder auch petrefacten- reicher Kalk. Versteinerungen enthalten die dolomitischen Kalke über den Sandsteinbrüchen von Gansingen und Sulz; man kennt daraus folgende Arten: Avicula Gansin- gensis, Alb.; Myophoria vestita, Alb.; Corbula elongata, Alb.; Anoplophora du- bia, Alb.; Natica; Turbonilla Gansingensis, Alb. Diese Schichten wurden von Alberti als »dolomitischer Kalkstein von Gansingen« beschrieben*). Unmittelbar darunter folgen grüne oder rothe Sandsteine, mit Pfianzenabdrücken (Equisetum und Pterozamites) bei Gansingen und an der Staffelegg; an andern Localitäten finden sich die Sandsteine ohne Pflanzenreste. Nun folgt darunter ein grauer mit Mergeln verunreinigter Gyps, stockweise in bunte Mergel gehüllt, oder auch von gelben dolomitischen Kalklagen umgeben. Der dolomitische Kalk erreicht bei Frick und Hemmiken eine Mächtigkeit *) Alberti, Ueberblick über die Trias, pag. 24, Stuttgart 1864. — 13 - von mehr als 300 Fuss; er verwittert langsam und bildet ein lehmiges Erdreich, welches sich eher für Rebbau, als für Pflanz- oder Wiesland eignet. Der Sandstein bei Hemmiken in Baselland, bekannt als ausgezeichnetes Bau- material, ist der reichste bekannte Fundort von. Pflanzenabdrücken im schweiz. Keuper ; er gehört wahrscheinlich einem tiefern Horizonte der Gruppe an, als der- jenige von Gansingen. In Schwaben will man drei verschiedene Alter von Keuper-Sandstein kennen, der höchste weisse Sandstein wird dort Stubensandstein genannt und kommt auch am Randen vor; er soll aber, wie der Verfasser des LXVI. Neujahrsstückes auf pag. 7 angibt, auch an der Malzhalde vorkommen — wofür jedoch keine ge- nugsamen Beweise vorliegen*). Wir setzen zum Schlusse noch das Längsprofil des triasischen Rhein- zuges bei, um die kurze Skizze über ihre Niederschläge durch ein Bild zu ver- anschaulichen, im Höhenmassstabe von 1: 25,000, Länge: 1: 100,000. Profil Nr. 1. Tunnel. Riethein. Coblenz. Aare. Ronenthal, iLeibstatt. Wandluh. Schwatterloch. Etzgen. ' 1 el j ! ! j | N Rn | ee N NETT AN en Rhein. j Heuberg. Rheinsulz. Ebneberg. Laufenburg. Kaisten. Wart. ' ' ‘ er x u Fe ee er ei € EZ HK $ en I DE, A ee ee Rhein. Eiken. Münchwylen. Stein Mumpf.- heiningen. . Möhlin. | BR H Y een SI: Pal sad! ; rer P Ni H a er = FB > re Pr 1 er ZEN er Se 2 re ee a en BEN Rhein. *) In der gleichen Arbeit (Stück LXVI) werden die Lettenkohlen- und Keupergypse der Scham- belen zusammen gezogen. Rheinfelden. KBBEN ve lie Bei Laufenburg und Mumpf taucht der bunte Sandstein (Bs) hervor. Die Wellenbildung (W) erscheint bei Schwatterloch, Etzgen, Rheinsulz, Laufenburg, Eiken, Stein und Zeiningen; darüber folgt die Anhydritgruppe (A), endlich der Hauptmuschelkalk (HK), dann der obere Dolomit des Muschelkalks (D) bei Leibstatt, Kaisten, Eiken und Stein. Hierauf folgt der Keuper (X), dann der Lias (L) uud darüber in normaler Folge am Sonnenberg bei Zeiningen der braune Jura (BJ). Bei Laufenburg erhebt sich ein Gmeis-Riff (@) über den dasselbe umlagern- den bunten Sandstein. Es fehlt auch nicht an Störungen in diesem Zuge; am östlichen Theile bemerken wir langgestreckte Wellen, welche gegen das westliche Ende kürzer werden und dann durch Thalspalten unterbrochen sind; die letzteren verursachten sogar eine Abrutschung des jüngeren Hauptmuschelkalkes bei Zeiningen. Schutt. INT.29* d a. Südlich einfallender bunter Sandstein. FE b. Wellenkalk. y \ 3 Anhydri GES Ss e. Anhydritgruppe. EL n_ = __d. Hauptmuschelkalk BEN \ d. Hauptmuschelkalk. Zeiningen. Nachstehender Holzschnitt zeigt das Triasprofil von Rheinfelden bis Augst mit der Querspalte durch den Rhein, welche den Muschelkalk vom bunten Sand- stein trennt: .. Kaiseraugst. Ne; Höhlen u. Eiusenkungen. dm HAMM M ME zu DE MR nammarn TEUNIIT \ N \ Mm ANNULLNN)] (N an pa , \\ I IN N IN N RN RR e a nn I | ui ii N DS a. Bunter Sandstein. e. Höhlen und Einsenkungen. b. Wellendolomit. f. Hauptmuschelkalk. c. Anhydritgruppe. g. Steinsalz. d. Gyps. Saline Augst. Ergolz. Ian II. Der Jura. Ueber den Keupergliedern erscheint eine Ablagerung von Schichten, welche nicht allein durch ihre petrographischen Merkmale ein anderes Meer bekundet, indem die Niederschläge einen neuen bisher unbekannten Gesteinscharakter zeigen, sondern auch durch die organischen Reste, welchen wir im Gegensatz zu den soeben verlassenen Bildungen Schritt um Schritt — oft in erstaunenswerther Fülle — be- gegnen Nicht ein einziges Müschelchen der Keuperformation geht in die neue Schöpfung über, welche nun auf eine unberechenbare Zahl von Jahren die Herr- schaft gewinnt und sich in ihrer gleichmässigen Verbreitung über die Schweiz, Deutschland, Frankreich, England, Amerika, Afrika und Asien vor unsern Augen als ein ungeheures und reichbewohntes Meer entfaltet. Man hat dieser Bildung den Namen des Gebirges beigelegt, welches als mächtige Kette die Schweiz von Frankreich trennt, und auf sämmtliche Gebirgs- glieder dieser Niederschläge zwischen Kreide und Trias in allen Ländern über- getragen, in denen sie sich als gleichzeitige erwiesen*). Die Juraformation zieht als mächtige Gebirgskette mit W.O. Richtung von Genf herüber in unser Gebiet und wenn sie in den Gegenden, welche wir speziell zu betrachten haben, nicht mehr zu den ansehnlichen Höhen von 5,000 Fuss ansteigt, wie zwischen Genf und Solothurn, so bieten sie dafür um so inter- essantere Spezialprofile in ihrer Schichtenfolge mit verhältnissmässig reicheren zoologischsn Schätzen, welche mehr befriedigen und einen erhabenern Blick ge- statten, als die Rundschau, welche von jenen Höhen das Auge entzückt. C. Der Lias oder untere Jura. Wir haben bereits auf den raschen Wechsel der Gesteins- und Thierbildungen zwischen Keuper und Lias in dieser Gegend hingewiesen; wir wollen aber, um eine eigene Anschauung zu gewinnen, den berühmtesten Punkt, die in unserem - Kartengebiete gelegene »Schambelen« besuchen. Seite 11 wurde bemerkt. dass die Keupergruppe in der Schambelen mit einer vertical aufgerichteten Dolomitwand nach oben schliesse. Unter dem gleichen Winkel aufgerichtet folgt daneben ein fester schwarz- grauer Mergelschiefer, hart an den Keuperdolomit angepresst; er gehört dem *) Jura hat daher eine orographische und eine geologische Bedeutung, wesshalb man in letzterer von Jura (Juraformation) im Juragebirge wie in den Alpen, Schwarzwald, Vogesen u. s. f. spricht. SER ee tiefsten Gliede der Liasperiode an, welches durch seine von Hrn. Prof. Heer entdeckten Einschlüsse von Insektenresten den Namen »Insektenmergel« erhalten hat. Unterer Lias. 1. Insektenmergel. Der Gesteinsbeschaffenheit nach bestimmen wir sie als schwarzblaue harte Mergelschiefer mit härteren Zwischenlagern von schwefelkiesreichen Bänken, bei Luftzutritt faulig zerfallend. Das Profil, welches Hr. Prof. Escher nach eigenen Forschungen und An- gaben der in den Gruben beschäftigten Arbeiter aufnahm, zeigt folgende Lager von oben nach unten: & Nr. 4 | e Arietenkalk. } ER Y ri ERUNEN | Petrefactenarme Mergel. 9 | j _ Mergel mit Seesternen. a u Kiesreiche rauhe Mergel mit Lima gigantea. DEE IRRE RR Zn Weiche Mergel mit Insekten. HH Be 3 _ Kiesschicht mit Lima pectinoides. 16 7 _ Mergel ira N es mr Buzz Petrefaetenarme Mergel. IT IETER T | Bei: | _ Kieshaltige Schichten mit Krebsen und | Insekten. SER HEART FEN REG, > re | Faulige Mergel. ik = BE | Hauptlager der Insekten. De ee 1 5%) _ Kiesschicht. Re ll Ta 51.5. en | _ Mergel mit Krebsresten. SE LT DEE TR 1} Kiesbank mit Pentaerinus angulatus, a I SS Untere Insektenschicht mit Ammonites planorbis. NE RE NET Kiesbank mit Fischschuppen. 5 Mergel mit Diademopsis Heeri. Ben er 1 9% | Harte Kiesbank mit Lima pectinoides. a; Nee 5 Kan Mergel mit Ammonites angulatus. ul v| | Seesternlager. > 5 I Leere Mergel. Eh Dolomitische Kalkbank des Keupers. — 17 Die Insektenmergel sind nicht auf die Schambelen allein beschränkt, ihre Verbreitung ist bis an die Ergolz bei Liestal nachgewiesen. In der Fortsetzung des Schambelenzuges gegen "Ost begegnen wir ihnen zu- nächst nördlich vom Bollrain bei Birmensdorf uud eine Andeutung derselben trifft man noch bei Münzlishausen. Bis an den Nordfuss der Lägern scheinen sie nicht vorzudringen; dagegen lassen sie sich gegen West leicht verfolgen. Man trifft sie zwischen Holderbank und Birrenlauf, bei Oberflachs, Schinznach, an der Staflel- egg, am Zeiher-Homberg und Asper-Strychen. Gegen den Hauenstein verschwinden sie, bevor der Liaszug die solothurnische Grenze erreicht. Im jurassischen Tafelland wurden die Insektenmergel bei Rietheim und in dem nach W. fortsetzenden Liaszuge bei Hättenschwyl, Wyl, Gansingen, Sulz, auf dem Heuberg bei Laufenburg, bei Ittenthal, Frick, Gipf, Schupfart und Wegenstetten nachgewiesen. Pflanzenversteinerungen fanden sich darin bei Gan- singen und auf Killholz am Zeiher-Homberg. Insektenreste lieferten ausser der Schambelen die Mergelgruben an -der Staffelegg. Die reichste Localität für Thierreste bleibt bis heute die Schambelen. Hr. Prof. Heer*) beschreibt die Schambelengegend sehr einlässlich und ver- zeichnet neben Land- und Meerpflanzen eine Anzahl von Meerthieren, als: Strahl- thiere, Weichthiere, Krebse, Fische und Amphibien. Von Landthieren nennt er zahlreiche Insekten, als: Gradflügler, Gitterfiügler, Käfer u. s. w. Die nicht selten in den Mergeln erscheinenden Exemplare von Ammonites planorbis und A. angulatus beweisen genügend, dass die Insektenmergel nichts weiter als gleichzeitige, unter sehr günstigen Umständen entstandene Niederschläge der auch in der übrigen Schweiz, Deutschland, Frankreich und England bekannten Angulatus-Zone sind. An verschiedenen Localitäten des Rheinzuges ist die obere Grenze der In- sektenmergel durch einige starke Kalkbänke markirt, worin neben Ammonites angulatus zahlreiche Exemplare von zweischaligen Muscheln liegen. Die gleiche Lage ist in der Schambelen durch eine kümmerlich entwickelte Bank angedeutet. Diese Grenzschicht zeichnet sich bei Schinznach, Thalheim, auf der Staffel- egg, am Asper-Strychen bei Münzlishausen, Hättenschwyl, Gansingen, Ittenthal, am Heuberg bei Laufenburg, bei Frick und Magden durch eine grosse Anzahl von Cardinien nachfolgender Arten aus: *) „Urwelt der Schweiz“, pag. 62 u. folg. GE Cardinia Lysteri, Ag.; ©. hybrida, Ag.; ©. coneinna, Sow; C. Moeschi, May. (C. eoneinna, Ag. von Sow); C. cuneata, Stutschb.; C. crassissima, Ag.; C. erassiuscula, Ag.; C. elliptica, var. elongata, Ag.; ©. securiformis, Ag. ; C. copides, de Ryckh. und C. similis, Ag. 2. Arieten- oder Gryphitenkalk. Eine neue Thierzone folgt über den Insektenmergeln, 5 bis 20 Fuss mächtig. Die älteren Geologen nannten sie Gryphitenkalk nach der darin heimischen Gryphaea arcuata; die späteren Autoren gaben ihr den Namen Arcuatenkalk aus dem gleichen Grunde. Die Arietenkalke haben in der Schweiz, Deutschland, Frankreich und Eng- land eine bedeutende Verbreitung. Sie zeichnen sich sowohl durch ihre eigen- thümlichen Thierreste als auch durch die merkwürdige Beständigkeit der Gesteins- beschaffenheit aus. . Neuere Bearbeiter der Liasbildungen haben nach den Lagern verschiedener Thierreste eine Anzahl von Unterabtheilungen geschaffen, wovon wir einige auch auf unsere schweizerischen Niederschläge überzutragen berechtigt wären, wenn dadurch nicht die Uebersichtlichkeit für Nichtfachleute erschwert würde. Es mag daher genügen, wenn wir hier beifügen, dass wir unter dieser Ab- theilung die Oppelschen*) Zonen des Ammonites Bucklandi, des A. geometricus, die Bank des Pentacrinus tuberculatus, die Zone des Ammon. obtusus und des A. raricostatus verstehen. Die Arietenkalke erhielten ihren Namen von einer Familie Ammoniten, deren Formen auf diese Schichten beschränkt sind. Das Gestein ist von bedeutender Härte und bildet starke Lager, unten von dunkler, oben von hellerer Färbung, es wird bei Verwitterung durch seinen Eisen- gehalt braun gefärbt und liefert einen guten Baustein. In der Schambelen sind die Arietenkalke südlich von den Insektenmergeln vertical aufgerichtet, 5 bis 6 Fuss mächtig und nach dem beschriebenen Charakter leicht kenntlich. Die jüngeren Schichten deuten uns durch das Vorkommen von Pentacrinus tuberculatus die Oppelsche Tuberculatus-Zone an. Man findet in der Schambelen: Rhynchonella plicatissima, Qu. Terebratula arietis, Opp. ” variabilis, Schloth. j r perforata, Piette. r Buchi, Chap. & Dew. * Cor, Delongch. *) Prof. Oppel: Die Juraformation Englands, Frankreichs ete. Stuttgart 1856—1858. Terebratula Rehmanni, Buch. Cardinia similis, Ag. Spirifer verrucosus, Buch. Pholadomya Woodwardi, Opy. E Walcotti, Sow. ke. glabra, Ag. Gryphaea arcuata, Lam. ? ‚ Heberti, Terg. = obliqua, Goldf. Pleuromya striatula, Ag. Pecten textorius, Schloth. e liasina, d’Orb. „ Hehlü, d’Orb. Pleurotomaria similis, Sow. Lima pectinoides, Sow. Ammonites laevigatus, Sow. Unicardium cardioides, d’Orb. n Bucklandi, Sow. Cardinia erassiuscula, Ag. H Birchi, Sow. Nach der Lägernrichtung fortsetzend geht die Zone bei Birmensdorf am Bollrain, bei Münzlishausen auf den Miseren und nördlich davon am Rauschen- bach, an mehreren Stellen am Nordfuss der Lägern zu Tage. Von der Schambelen westlich fortsetzend trifft man Anbrüche bei Holder- bank, Killholz, am Ostfuss des » Würz«, am Nordfuss der Gisulafluh, auf der Staffelegg, auf Benken und im Rinnthal bei Trimbach. Mächtiger entwickelt und reicher an Petrefacten sind die Arietenkalke des Tafellandes. Die Niederschläge begleiten den Keuperzug nach der beschriebenen Richtung und enthalten besuchenswerthe Petrefacten-Fundorte bei Hättenschwyl (W. v. Leuggern), bei Gansingen, Sulz, am Heuberg, bei Laufenburg, bei Itten- thal, Frick, Gipf, Hemmiken und Magden. Ausser den aus der Schambelen genannten Petrefacten sind an obgenannten Localitäten folgende Arten gesammelt worden: Astrea favoides, Qu. Goniomya Sinemuriensis, Opp. Acrosalenia cf. minuta, Buckm. sp. Pleuromya Dunkeri, Terg. Pentacrinus tuberculatus, Mill. Pleurotomaria polita, Goldf. Rhynchonella Deffneri, Opp. Chemnitzia Zenkeni, d’Orb. belemnitica, Qu. Ammonites Bucklandi, Sow. Terebratula Sinemuriensis, Opp- $ bisulcatus, Brug. a ovatissima, Qu. r Bodleyi, Buckm. “ Causoniana, d’Orb. n Sinemuriensis, d'Orb. E Pietteana, Opp. z Sauzeanus, d’Orb. Spirifer rostratus, Schloth. R Kridion, Hehl. Ostrea semiplicata, Mü. £ Conybeari, Sow. Avicula Sinemuriensis, d’Orb. e rotiformis, Sow. Lima suceincta, Schloth. 2 geometricus, Opp. „ gigantea, Sow. E Scipionianus, d’Orb. Pinna Hartmanni, Ziet. Bonnardi, d’Orb. Hippopodium ponderosum, Sow. Nautilus strialus, Sow. Cardinia hybrida, Ag. Belemnites acutus, Mill. 2 latiplex (Citherea), Goldf. Reste von Ichthyosaurus. Bezeichnend für die obere Arietenzone sind nachstehende ebenfalls an obgenannten Lokalitäten gesammelte Arten: Terebratula punctata, Sow. Ammonites Ziphus, Ziet. ; cf. arietis, Opp. E planicosta, Dow. " cornulta, Dow. A bifer, Qu. Cor, Lam. A oxynotus, Qu. Spirifer verrucosus, Buch. " raricostatus, Ziet. Gryphaea obligua, Goldf. 3 liasieus, d’Orb. Ammonites muticus, d’Orb. h Birchü, Sow. 5 subplanicosta, Opp. obtusus, Now. Boucaullinus, d'Orb. Belemnites acutus, Mill. Mütierer Lias. Der mittlere Lias besteht aus den Numismalisschichten (Numismalismergel, Qu.) und den Margaritatusschichten (Amaltheenthone, Qu.). Diese Gruppe könnte man durch Einschieben einer 3. Abtheilung, der Da- voei-Zone (mit A. capricornus) vermehren; wir erleichtern jedoch die Uebersicht- lichkeit, indem wir Ammonites Davoei und capricornus noch zu den Numismalis- schichten ziehen, mit welchen sie petrographische Verwandtschaft haben. 3. Numismalisschichten. Sie lagern als hellgraue, leicht verwitterbare Thonkalke, eirca 6 bis 7 Fuss mächtig, mit zahlreichen Versteinerungen unmittelbar auf den Arietenkalken. Dem Sammler empfehlen wir ihre Niederschläge am »Kilchacker« bei Ittenthal, der Zäunlematt bei Frick, im Rebberg zwischen Frick und Gipf, auf Killholz nördlich von Thalheim, auf Erfenmatt bei Hemmiken, im Rinnthal am Hauen- stein, an der Gisulafluhmatt, auf Staffelegg am Schenkenberg und innerhalb unsers Kartengebietes, trotz der geringern Mächtigkeit, die Localität auf dem Miseren- plateau über dem oberen Rauschenbach. Folgende Arten stammen aus den genannten Localitäten: Cotylederma lineati, Qu. Terebratula numismalis, Lam. Pentacrinus punctiferus, Qu. 5 Heyseana, Dunk. Rhynchonella tetra&dra, Sow. a Waterhousi, Dav. R- eurviceps, Sow. ee cornuta, Sow. ei rimosa, Buch. * quadrifida, Lam. Buchü, Roe. Pietteana, Opp. Thalia, d’Orb. Gryphaca obliqua, Goldf. caleicosta, Qu. = gigas, Schloth. variabilis, Schloth. Pecten priscus, Schloth. fureillata, Theod. „ textorius, Qu. Spirifer Münsteri, Dav. „ subulatus, Goldf. „ rostratus, Schloth. Limea acuticosta, Goldf. 3; Walcotti, Sow. Mytilus numismalis, Opp- „ verrucosus, Buch. Arca; mehrere Species. Terebratula punctata, Sow. Unicardium Janthe, d’Orb. Pleuromya uniodes (Venus), Roe. Ammonites hybrida, Opp. N navis, Moesch. Re Henleyi, Sow. Pholadomya decorata, Goldf. E ‚fimbriatus, Sow. = Hausmanni, Goldf. a Lynx, d’Orb. R cf. obliquata, Phill. 2 Davoei, Sow. glabra, Ag. : Mauganesti, d’Orb. C yprieardia neullate, d’Orb. > Jamesoni, Sow. a eingulata, Golaf. } 5 submuticus, Opp. Solen Uasinu, Opp. a capricornus, Schloth. Pleurotomaria expansa, d’Orb. 3 armatus, Sow. = solarium, Dunk. Belemnites umbilicus, Blainv. a anglica, Goldf. “ clavatus, Schloth. Trochus imbricatus, Sow. & elongatus, Miller. Ammonites globosus, Ziet. < pazillosus, Schloth. = cenlaurus, d’Orb. 4. Margaritatusschichten. Ihre Verbreitung ist nicht bedeutend und dem Verfasser war es seiner Zeit nicht leicht, ihr Vorkommen nachzuweisen. Die Farbe des Gesteins ist ein characteristisches Aschgrau, der Kalk hart, in knauerigen Bänken von einer zwischen 4 und 6 Fuss wechselnden Gesammtmächtigkeit. Innerhalb den Grenzen des Kärtchens von Brugg fehlt die Zone. In der Betznau folgt sie am Ende des Steilprofiles am rechten Aarufer, wenige Hundert Schritte ausserhalb der Karten- grenze. Eine schwache Spur dieser Niederschläge trifft man am Nordfuss der Lägern. Besuchenswerthe Aufschlüsse finden sich nur in der Winterhalde und am Wollberg bei Frick. Der » Wulf« auf Staffelegg enthält an seinen Nordab- hängen zahlreiche » Steinmaden« mit Petrefacten dieser Zone; aber anstehende Profile sind dort nicht bekannt. In der »Buchmatt« am Grund bei Thalheim und bei Veltheim unweit Schinznach tauchen die Schichten des Ammonites margaritatus an mehreren Rutschen unter der Vegetationsdecke hervor. Ihre Petrefacten sind mit dem Gesteine verwachsen und es erfordert eine ge- wisse Uebung, die Einschlüsse unbeschädigt bloszulegen. Das Petrefacten-Register dieser Zone beschränkt sich im Aar- gau auf folgende Arten: Diastopora liasica, Qu. Spirifer Münsteri, Dav. Pentacrinus basaltiformis, Mill. 2 rostratus, Schloth. Ar anslıa Thalia, d’Orb. Terebratula subovoides, Roe. Buchi, Roe. es punctata, Sow. fureillata, Th3 R Heyseana, Dunk. caleicosta, Qu. nr cornuta, Sow. Amallhei, Qu. Gryphaea cymbium, Lam. variabilis, Schloth. Plicatula spinosa, Lam. Pecten tumidus, Ziet. Trochus imbricatus, Sow. Philenor, d’Orb. Chemnitzia undulata, Mü. sublaevis, Phill. Ammonites Zetes, d’Orb. „ aequivalvis, Sow. N Carusensis, d’Orb. Inoceramus substriatus, Goldf. = Normanianus, d’Orb. Limea acuticosta, Goldf. a spinatus, Brüg. „ punctata? Sow. re margaritatus, Montf. Mytilus, sp. ind. es centaurus, d’Orb. Myoconcha, sp. ind. ;s armatus, Sow. Arca Münsteri, Goldf. 3 Henleyi, Sow. Unicardium Janthe, d’Orb. fimbriatus, Sow. Cardium truncatum, Sow. Nautilus intermedius, Sow. Opis Carusensis, d’Orb. Belemnites lagenaeformis, Ziet. Astarten; mehrere Species. B crassus, Voltz. Pleuromya unioides, Ag. 5 elongatus, Mill. Pholadomya Jdea, d’Orb. ; breviformis, Ziet. R ambigua, Sow. 5 compressus, Stahl. n decorata, Hartm. © umbilicatus, Blainv. Solen liasinus, Opp. cn clavatus, Schloth. Pleurotomaria expansa, Sow. paxillosus, Schloth. : anglica, Goldf. Saurierknochen. Oberer Lias. Die Margaritatusschichten sind von einer thonreichen dunkelfarbigen Kalk- schieferbildung überlagert, welche in Deutschland eine ungeheure Zahl von Fischen, Krebsen und riesigen krokodilartigen Sauriern enthalten, neben einer Menge von Pflanzen- und Muschelresten. Die Stufe ist unter dem Namen »Liasschiefer« bekannt. Darüber folgt die jüngste liasische Ablagerung, in welcher ein post- hornartig aufgewundener Ammonit mit blattförmig zerschnittenen Loben, der Ammonites jurensis, besonders zahlreich vorkommt. 5. Liasschiefer. Die auffallend schieferige Structur der Schichten gab schon im Jahr 1837 dem Geologen Mandelsloh Veranlassung, für die Zone den Namen » Liasschiefer « einzuführen, und da sie auch neben den Arietenkalken die grösste Mächtigkeit liasischer Ablagerungen erreichen, so gehören sie mit jenen zu den bekanntesten Gesteinsbildungen des unteren Jura. Wir finden sie bei niederem Wasserstande am Reussufer in der Schambelen wenige Schritte südlicher als die Insectenmergel der unteren Grube anstehend. Nach längerer Unterbrechung begegnen wir ihnen erst wieder an der Miseren in der Richtung gegen den oberen Rauschenbach. In ansehnlicher Mächtigkeit stehen sie am rechten Aarufer in der Betznau zunächst unserer äusseren Karten- grenze an und gegenüber von dieser Localität am Schmidberg bei Böttstein. re —. An beiden Stellen findet man Fischabdrücke, Saurierreste, Belemniten mit goldglänzendem Kiesharnisch, zahlreiche Ammoniten und eine Menge Schalthierreste. Bei Rietheim liegen sie in der Bachschlucht gegen den Achenberg entblösst, von da zieht sich die Zone über Klingnau, Hättenschwyl und Oedenholz, wo sie unbedingt die prächtigsten Profile bieten. Westlicher kommen sie noch vor bei Gansingen, Büren, Sulz, Frick, Gipf und Wegenstetten. Im Kettenjura enthält das Thälchen am Nordfuss der Habs- burg ein auf wenige Zoll zusammengedrücktes Profil; nicht viel bessere Auf- schlüsse findet man bei Holderbank; erst bei Schinznach, an der Staffelegg und am Benkenpass erreichen die Schiefer wieder eine ansehnlichere Mächtigkeit. An Versteinerungen kennt man aus den genannten Localitäten: Chondrites Bollensis, Ziet. Ammonites cornucopiae, Young. En divaricatus, F. O. E concavus, Sow. Fucoides Moeschi, Hr. = 3 Iythensis, Young. Diademopsis erinifera (Cidaris), Qu. . elegans, Sow. Discina papyracea (Patella), Mü. ° serpentinus, Rein. Plicatula spinosa, Sow. S bifrons, Brug. Ostrea subaurieularis, d’Orb. a striatulus, Sow. Pecten inerustans, Defr. Belemnites tripartitus, Schloth. Estheria Bronni, Voltz. 2 irregularis, Schloth. Inoceramus dubius, Schloth. $ acuarius, Schloth. a einctus, Goldf. . Aptychus sanguinolarius, Schloth. A undulatus, Ziet. } lythensis, Buch. Avicula substriata, Ziet. ÖOnychites runeinatus, Qu. Mactromya Bollensis, Qu. Leptolepis Bronni, Ag. Goniomya rhombifera, Ag. Lepidotus Elvensis, Blainv. Ammonites subplanatus, Opp. Belonostomus acutus, Ag. 5 communis, Sow. Ichthyosaurus-Reste, Rippenstücke. Wir- 3 costula, Rein. belkörper, ete. 6. Jurensisschichten. Aschgraue Mergelschichten von härteren Knauern in Schnüren durchzogen, selten mehr als 7 bis 12 Fuss mächtig werdend,, nach oben mit einem Belem- nitenlager schliessend, wie man sich am Schmidberg (Scheitelpunkt der Strasse) bei Böttstein überzeugt. Uebereinstimmend mit dieser Stelle finden sich die Niederschläge um Gansingen, bei Hättenschwyl, Oedenholz, am Kaistenberg, in der Winterhalde bei Frick, ferner bei Gipf, Schupfart, Wegenstetten und Magden. Weniger schöne Profile bieten sich an der Nordseite der Staffelegg und am Benkenpass. Das Liasprofil der Betznau (rechtes Aarufer) ist interessant, weil dort der Contact dieser Zone mit der früheren blosgelegt ist. Auf dem Gebiete der Karte von Brugg ist die Zone nieht vertreten. Versteinerungen der Jurensisschichten: Fucoides Moeschi, Hr. Diastopora liasica, Qu. Pentacrinus jurensis, Qu. Rhynchonella jurensis, Qu. Schuleri, Opp. Spirifer vostratus, Schloth. Ammonites Comensis, Buch. striatulus, Sow. Thouarsensis, d’Orb. ecostula, Rein. undulatus, Ziet. radians, Rein. Terebratula Lycetti, Dav. 5 concavus, SoW. Östrea subauricularis, d’Orb. R depressus, Buch. Pecten tumidus, Ziet. discoides, Ziet, Inoceramus einetus, Goldf. Nautilus semistriatus, d’Orb. Lima Gallica, Opp. 5 Toarcensis, d’Orb. Ammonites Germaini, d’Orb. Belemnites pyramidalis, Mü. E hirzinus, Schloth. x exilis, d’Orb. sublineatns, Opp. e tripartitus, Schloth. Jurensis, Ziet. 5 trieanaliculatus, Ziet. lythensis, Sow. longisulcatus, Voltz. insignis, Schübl. Serpula tricristata, Goldf. R variabilis, d’Orb. Von sämmtlichen Schichten des Lias werden mit Ausnahme des Arietenkalks und einzelner bituminöser Bänke (Stinkstein) des Liasschiefers keine zu Bau- zwecken verwendet. Die Liasbildungen gehören zum fruchtbarsten Terrain des Juragebietes, vor- züglich die Insektenmergel, welche allenthalben, wo sie vorkommen, eifrig als Düngmittel für Aecker und Wiesen gebraucht werden. - D. Brauner oder mittlerer Jura (Dogger). Der braune Jura ist aus Thonmergel und Kalkablagerungen eines weitver- breiteten Meeres zusammengesetzt. Bis auf die mittlere Abtheilung dieser grossen Periode weist der schwäbische Jura dieselbe Reihenfolge auf, welche wir zu durchforschen haben. Zwischen dem Rheine und der Reuss setzt allmälig der Hauptrogenstein als neues Glied ein und erreicht in seiner Fortsetzung gegen West bald den Character, welchem die Bezeichnung Oolithgebirg entlehnt ist. Da wir bei Auf- zählung der einzelnen Niederschläge diese Verhältnisse näher erörtern werden, so wenden wir uns wieder zur Betrachtung der Gebirgsbildungen nach ihrer Reihenfolge. Unterer brauner Jura. 1. Opalinusschichten. Auf der Jurensiszone liest eine Schichtenfolge lettig bröckeliger glimmer- reicher Schiefermergel von beiläufig 150 Fuss Mächtigkeit, welche nach dem = 5 häufig darin vorkommenden Ammonites opalinus benannt sind. Die Verwandt- schaft dieses Ammoniten mit den radiansartigen Formen der vorhergehenden Zone ist ein Hauptgrund für die französischen Geologen, diese Niederschläge noch zum Lias zu zählen. Die deutschen Forscher haben jedoch nachgewiesen, dass die grössere Verwandtschaft desselben mit höher liegenden Formen (A. Murchisonae) ein triftigerer Grund sei, die mittlere Juraperiode mit des Opa- linusschichten zu beginnen. Die Opalinusschichten erscheinen mehrmals auf unserer Karte. Ihre grösste Entwicklung erreichen sie in der Betznau und am Schmidberg gegenüber von dieser Localität; sie sind daselbst seit Jahren durch grosse Mergelgruben er- schlossen, um als Dünger für die Verbesserung der Felder zu dienen. Zum gleichen Zwecke werden sie in der Schambelen gegraben; die Arbeiter nennen diese Schürfe » Nietgruben«. Nördlich vom »Nettel« bei Birmensdorf, in der Richtung gegen die Bitterwasserschächte trifft man noch mehrere Gruben, in welchen zahlreiche Bruchstücke von Ammonites opalinus vorkommen. Die Zone setzt durch die Miseren über das Baldinger’sche Hofgut bei Baden und durch den Gebirgsaufriss am Nordfusse der Lägern fort, wo sie ebenfalls stellenweise östlich von den Gypsgruben ausgebeutet wird. Unweit südlich von Gebensdorf sind sie unter dem Muschelkalkgrat hervor- gequetscht und durch Grabungen aufgeschlossen. Man findet sie noch am Nord- fusse der Habsburg und südlich vom Bade Schinznach in alten Brunnenschächten anstehend. Zwischen Birrenlauf und Holderbank lassen sie sich von der Strasse bis nach der Berghöhe verfolgen. Weiter westlich setzen sie zwischen den Ketten bis in den Hauenstein fort. Im Frickthal, Sulzthal und über Gansingen nach Mandach bilden sie den mit Grasboden bewachsenen Fuss der Oolithberge, Im tieferen Theile der Opalinusschichten scheiden sich schwefelkiesreiche Kalkplatten aus, auf welchen Equisetum veronense, Gyrochorten, Pentacriniten und andere organische Reste reliefartig hervortreten. Versteinerungen der Opalinusschichten: Gyrochorte vermicularis, Hr. Rhynckonella eynocephala, Rich. comosa, Hr. Pecten Dewalquei, Opp. e ramosa, Hr. Inoceramus secundus, Mer, Equisetum veronense, Zign.? Avicula elegans, Mü. Diastopora compressa, Qu. Lima semieireularis, Mü. Thecocyathus mactra (Cyathoph.), Goldf. Arca liasina, Roe. Pentacrinus Württembergicus, Opp. Pronoe trigonellaris, Ag, Lingula Beani, Phill. Trigonia costellata, Ag. | | Astarte Voltzi, Hön. Ammonites torulosus, Schübl. Nucula Hammeri, Deir. Belemnites Quenstedti, Opp. Pleuromya unioides opalinus, (u. 8 brevis, Blainv. Pholadomya cincta, Ag. a subelavatus, Voltz. Cerithium armatum, Goldf. Aptychus opalinus, Moesch. Ammonites opalinus, Mandelsl. Estheria Suessi, Opp. 2. Murchisonaeschichten. Sie beginnen mit dunkeln Sandkalkbänken, welche einige Fuss höher die braune Farbe des Eisenhxydoydrates annehmen. Sie treten über den Opalinus- schichten als weithin kennbare, nackte Mauern und Bänder an den Gehängen hervor. Neben den lohnenden Profilen, welche die eisenoolithischen Murchisonae- schichten des Frickthales bieten, gehört ihre Entwicklung in der Betznau in Be- zug auf Mächtigkeit und Petrefacten-Reichthum zu den interessantesten Nieder- schlägen der nördlichen Schweiz. In der Lägernkette sind sie durch alte Anbrüche zwischen den Gypsgruben und Ehrendingen erschlossen; in der Richtung über Baden nach der Schambelen entziehen sie sich den Blicken unter einer Schuttlage bis unweit von Birmens- dorf, wo sie streckenweise zu beiden Seiten des Muschelkalkzuges wieder zu Tage treten. In der Schambelen bilden sie eine Steilwand südlich neben der Niet- grube und am Nordfusse der Habsburg stehen sie vertical aufgerichtet im Thälchen an. Südlich von der Burg enthalten die Felder unweit von der Bahn- station zahlreiche Bruchstücke des leitenden Ammonites Murchisonae. Auch im » Ettenriedberg « bei Birrenlauf erhebt sich die Zone südlich neben den Opalinus- schichten, setzt über die Aare nach dem Nordhange der Gisulafluh und von da noch weiter gegen W. fort. Ausser den genannten Localitäten trifft man die Murchisonaeschichten am Sonnenberg bei Maisprach, am Thiersteinberg bei Schupfart und Gipf, bei Hor- nussen und am Frickberg bei Frick und Ittenthal. Versteinerungen der Murchisonaeschichten: Zoophycos scoparius (Chondrites), Thioll. Inoceramus secundus, Mer. Diastopora compressa, Qu. = fuseus, Qu. Terebratula Argoviensis, Moesch. Avicula elegans, Mü. ae Du Di Lima ee oh Chap. strea calceola, Qu. „ semieircularis, Mü. Gryphaea sublobata, Desh. Mytilus Sowerbyanus, d’Orb. Pecien Saturnus, d’Orb. Arca oblonga, Goldf. „ diseiformis, Schübl. „ liasina, Roe. ‘ pumilus, Lam. „ eancellata, Phill. Gervillia subtortuosa, Opp. Isocardia Aalensis, Qu. Inoceramus amygdaloides, Goldf. Pachyrisma bebeta, Qu. Cardium substriatulum, d’Orb. Trigonia tubereulata, Ag. striata, Ag. Astarte elegans, SoW. „ excavata, Sow. „ detrita, Sow. Quenstedtia oblita, Morr. & Lye. Tancredia Rollei, Opp. Nucula Hammeri, Defr. Pholadomya fidieula, Sow. caudata, Qu. Frickensis, Moesch. Goniomya Knorri, Ag. Gresslya major, Ag. 4 anglica, Ag. > abducta, Ag. Pleuronya ferrata, Qu. Trochus ef. duplieatus, Sow. Ammonites Murchisonae, Sow. opalinus, Mandelsl. opalinoides, May. 5 pinguis, Roe. . Langi, May. 1 Staufensis, Opp. Edouardianus, d’Orb. Sieboldi, Opp. Nautilus lineatus, Sow. Belemnites brevis, Blainv. 2 rhenanus, Opp. a Giengensis, Opp. 5 Quenstedti, Opp. R Blainvillei, Voltz. a spimatus, Qu. Moeschi, May. Dentalium elongatum, Mü. Serpula flaceida, Mü. Pleurotomaria actinomphala? Desl. A lumbriealis, Schloth. N pietaviensis, d’Orb. Krebs- und Saurier-Reste. 3. Sowerbyischichten. Ein Niederschlag von geringer Mächtigkeit enthält eine kleine Anzahl von Thierarten, wovon sich besonders die Ammoniten von denjenigen der Murchisonae- schichten unterscheiden ; an der Spitze stehen: Ammonites Sowerbyi, A. Sanzei und A. Bernoullei. Die Gesteine des neuen Gebildes bestehen aus grauen Sandkalkbänken; nur am Frickberg haben sie zum Theil die braune Farbe der vorgenannten Zune bei- behalten. Die Sowerbyischichten sind in der Schambelen und am Nordfuss der Lägern über den Murchisonae-Schichten entwickelt; nirgend aber so vollständig wie an den beiden Ufern der Aare in der Betznau. Man könnte die kaum 2 Fuss mächtigen Niederschläge leicht übergehen. wenn nicht das palaeontologische Interesse über dem orographischen stände. Im Ganzen schliesst sich die Zone enger an die älteren als an die jüngeren Bildungen an. Versteinerungen der Sowerbyischichten: Ceriopora verticillata, Mich. Montlivaltia trochoides, Haime. Rhynchonella quadriplicata, Ziet. costata, d’Orb. Gervillia subtortuosa, Opp. Terebratula Meriani, Opp. Lima semieireularis, Mü. Argoviensis, Moesch. „ peetiniformis, Schloth. Gryphaea calceola, Qu. Mytilus Sowerbyanus, d’Orb. Ostrea flabelloides, Lam. Myoconcha crassa, Sow. Hinnites abjectus, Morr. & Lye. Pecten ambiguus, Goldf. „ pumilus, Lamm. Fimbria Davoustana, d’Orb. Ammonites jugosus, Sow. Trigonia costata, Park. “ Sauzei, d’Orb. Opis lunulata, Desh. M| Bernoullei, Merian. Anatina undulata (Sanguinolaria), Sow. Mi Brocchi, Sow. Pleuromya Zieteni (Panopaea), d’Orb. Nautilus lineatus, Sow. Panopaea Jurassi, d’Orb. Belemnites Giengensis, Opp. Gressiya gregaria (Lutraria), Roe. e cognatus, May. Pholadomya fidieula, Sow. € spinatus, Qu. Fi Heraulti, Ag. nd Blainvillei, d’Orb. .. reticulata, Ag. r giganteus, Schloth. Purpurina ornata, d’Orb. 4 Trautscholdi, Opp. Ammonites Sowerbyi, Mill. Serpula flaccida, Mü. “ deitafalcatus, Qu. . eonvoluta, Goldf. 4. Humphriesianusschichten. Auf den Sowerbyischichten folgt zunächst im Gebiete der Karte eine Zone dunkeln bituminösen Kalkes, welcher sich durch den Mange] an charakteristischen Ammoniten auszeichnet. A. Sowerbyi geht nicht mehr in diese Schichten hin- auf und A. Humphriesianus tritt noch nicht so tief auf; offenbar aber weisen die hier vorkommenden Petrefacten darauf hin, dass die etwa 20 Fuss mächtige Zone mit den vielen Pflanzenwedeln (Zoophycos) eher zu den höheren Humphrie- sianuschichten als zur Sowerbyi-Etage gezogen werden müssen. Wir wollen diese in der Betznau zum Mergeln der Felder aufgeschlossenen Niederschläge als Vorläufer der Humphriesianusschichten die »neutrale« Zone nennen. Der untere Theil repräsentirt ohne Zweifel die durch Quenstedt bekannt ge- wordenen » Giganteusthone «, während der obere mit den zahlreichen Austern die » Östreenkalke « vertritt. Darin, dass hier Belemnites giganteıs noch sehr selten vorkommt, liegt übrigens ein bemerkenswerther Unterschied gegenüber den von Quenstedt durch- forschten schwäbischen Niederschlägen. Die neutrale Zone enthält in der Betznau inihren unteren Schichten: Millepora straminea, Phill. Pecten Saturnus, d’Orb. Pentacrinus nodosus, Qu. Perna isognomonoides (Ostraeites), Stahl. Rhabdocidaris anglosuevica (Cidaris), Opp. Avicula Münsteri, Bronn. Rhynchonella spinosa, Schloth. Lima pectiniformis, Schloth. Plicatula, Qu. Jura, Tab. 59, Fig. 17. Panopaea Jurassi, d’Orb. Ostrea cf. sandalina, Goldf. Pholadomya Heraulti, Ag. „ explanata, Goldf. Ammonites jugosus, Schloth. Gryphaea calceola, Qu. Belemnites giganteus, Schloth. Die oberen Bänke der neutralen Zone, welche den eigentlichen Hum- phriesianusschichten zu Grunde liegen, enthalten in der Betznau: Diastopora compressa, Qu. Thracia lata (Sanguinolaria), Goldf. Pentacrinus eristagalli, Qu. Gresslya gregaria (Lutraria), Roe. Rhabdocidaris anglosuevica, Opp. Pholadomya Heraulti, Ag. Terebratula Meriani, Opp. triquetra, Ag. Rhynchonella spinosa, Schloth. Pleuromya Zieteni (Panopaea), d’Orb. Ostrea explanata, Goldf. Panopaea Jurassi, d’Orb. „ fabelloides, Lam. Purpurina ornata, d’Orb. Pecten Saturnus, d’Orb. Ammonites Gervillii, Sow. Perna isognomonoides (Ostraeites), Stahl. Belemnites giganteus, Schloth. Lima peetiniformis, Schloth. Serpula lumbricalis, Schloth. „ semicireularis, Mü. B gordialis, Schloth. Trigonia costata, Park. Darüber folgen als braune eisenoolithische Kalkbänke die Lager des Am. Humphriesianus und seiner formenreichen Verwandtschaft. Die Schichten treten häufig ähnlich wie diejenigen des Ammonites Murchi- sonae in steilen Mauern und vorspringenden Bändern an den Bergprofilen heraus. Innerhalb unseres Kartengebietes enthält die Schambelen eine geringe An- deutung der Zone; im » Nettel« bei Birmensdorf ist sie grossentheils durch Wies- land bedeckt. Schöne Aufschlüsse bieten dagegen die beiden Aarufer in der Betznau, deren Reichthum an Versteinerungen an’s Unglaubliche grenzt. Geringere Anbrüche enthält das nördliche Steilprofil der Lägern und deren Nordschenkel näher gegen Ehrendingen. Westwärts von der Schambelen enthält die Zone eine reiche Fauna bei Birrenlauf, Schenkenberg und am Asper-Strichen. Im Tafeljura verdient ihre Entwicklung am Wessenberg, Laubberg, Kreis- acker, Schynberg, Friekberg, Thiersteinberg und am Sonnenberg bei Maisprach erwähnt zu werden. Die Humphriesianusschichten des nordöstlichen Jura enthalten folgende Arten Versteinerungen: Diastopora verrucosa, Edw. Terebratula carinata, Lam. compressa (Aulopora), Goldf. P2 Phillipsi, Morr. Millepora straminea, Phill. . perovalis, Sow. Spongites mammillatus, Qu. =“ Waltoni, Dav. Pentaerinus eristagalli, Qu. ? homalogaster, Hehl. Geisingensis, Opp. Bi Württembergica, Opp- Rhabdoeidaris anglosuevica, Opp- $ emarginata, Sow. Rhynchonella costata, d’Orb. sphaeroidalis, Sow. 5 acuticosta, Hehl. Anomya Dietzi, Moesch. x crassicosta, Moesch. Ostrea explanala, Goldf. n quadriplicata, Ziet. „ fabelloides, Lam. = subtetraädra, Dav. Gryphaea sublobata (Ostrea), Desh. spinosa, Schloth. Hinnites abjectus, Morr. & Lye. Terebratula Meriani, Opp. Pecten Saturnus, d’Orb. Pecten Renevieri, Opp. Pleuromya striato-punctata (Lutr.), @oldf. Dewalquei, Opp. Cerithium muricato-costatum, Mü. ambiguus, Goldf. Pleurotomaria Ebrayana, d’Orb. diseiformis, Schübl. R Actaea, d’Orb. Perna isoynomonoides (Ostracites), Schloth. ” Palemon, d’Orb. Inoceramus ef. fuscus, Qu. 3 elongata, d’Orb. Avicula Münsteri, Br. Ditremaria affinis, d’Orb. Lima semicireularis, Mü. Turbo Davousti, d’Orb. „ pecliniformis, Schloth. Purpurina ornata, d’Orb. „ tenuistria, Goldf. e% Belia, d’Orb. „ Auplicata, Morr. & Lyc. Ammonites oolithicus, d’Orb. Mytilus elatior (Modiola), Merian. r subradiatus, Sow. „ euneatus, d’Orb. er Gervillii, Sow. Pinna Buchi, Koch. & Du. ” Brognarti, Sow. Arca oblonga, Goldf. Ai ceycloides, d’Orb. Unicardium depressum, Morr. & I = deltafalcatus, Qu. Fimbria Mayeri, Moesch. He Romani, Opp. \ Trigonia signata, Ag. * Tessonianus, d’Orb. costata. Park. x Humphriesianus, Sow. Asta’le maxima, Qu. e linguiferus, d’Orb. „ subtrigona, Mü. x Braikenridgi, d’Orb. Thracia lata (Sanguinolaria), Goldf. a Bayleanus, d’Orb. Goniomya Dubois, Ag. * subcoronatus, Opp. Mactromya mactroides, Ag. Y Defranci, d’Orb. Pholadomya Heraulti, Ag. Brocchi, Sow. 5 siliqua, Ag. Nautilus lineatus, Sow. £ fidieula, Sow. Belemnites giganteus, Schloth. (Gresslya latirostris, Ag. = canalieulatus, Schloth. 5 gregaria (Lutraria), Roe. Serpula gordialis, Schloth. Panopaea subovalis, d’Orb. „ lumbriealis, Schloth. e Jurassi, d’Orb. „ eonvoluta, Goldf. Pleuromya Zieteni (Panopaea), d’Orb. (ilyphaea, sp. ind. 5. Blagdenischichten. Dunkelblaue und blaugraue Kalkbänke folgen an vielen Stellen unmittelbar auf den eisenoolithischen Humphriesianusschichten; aber nur an wenigen Locali- täten erreichen sie eine beachtenswerthe Mächtigkeit. Ihre Entwicklung in der Betznau (am linken Aarufer) genügt kaum zur Ueberzeugung, dass das Formationsglied im Profile anstehe. Desto mächtiger sehen die Niederschläge am Fusse des Achenbergs neben der Staffeleggstrasse zu Tage; ihre Bänke werden daselbst zu Bauzwecken gebrochen, sie enthalten eine Menge grosser Exemplare von Ammonites Blagdeni; darüber folgt die Hauptrogen- steinzone. Eine ebenso reiche und nicht weniger mächtige Ablagerung war früher in einem Bruche nördlich von Mandach, am Wessenberg, aufgedeckt. Man kennt die Blagdenischichten auch bei Oberfrick (am Feuerberg) und am Thiersteinberg bei Wegenstetten. Ausser dem leitenden Ammonites kommen noch Stacheln von ZW Echiniden und einige Myarier in der Zone vor, welche jedoch auch schon in den vorgenannten Niederschlägen auftreten. Mittlerer brauner Jura. 6. Hauptrogenstein. Sämmtliche bisher genannten Gesteinsbildungen (vielleicht mit Ausnahme der Insektenmergel) lassen sich bis tief nach dem schwäbischen Jura hin verfolgen. In ähnlicher Stufenfolge sind sie auch im westschweizerischen Jura bekannt. Anders verhält es sich mit dem Hauptrogenstein. Er fehlt dem schwäbischen Jura und auch dem nördlichen Theile unseres Kärtchens, ist aber im Lägernzuge und in der Schambelen durch die mittleren Schichten (Meandrinaschichten) an- gedeutet, während die unteren und oberen Bilduugen des Hauptrogensteins erst westlicher auftreten und sehr rasch zu bedeutender Mächtigkeit anschwellen. Statt der in der Betznau fehlenden Hauptrogensteinglieder sind die schwäbischen Parkinsonischichten zwischen die Blagdeni- und Variansschichten eingeschoben. Eine Stunde weiter westlich in der Richtung über Mandach und Gansingen fehlen die Parkinsonischichten vollständig; an ihrer Stelle entwickelt sich der Haupt- rogenstein immer mehr, bis er in geringer Entfernung westlich von seinem ersten Auftreten schon über 300 Fuss mächtig wird (Schynberg, Frickberg). Wir theilen den Hauptrogenstein des nordwestlichen Aargaus in folgende drei Hauptgruppen und Unterabtheilungen: a. Unterer Hauptrogenstein. Er besteht aus schieferigen Thonkalkbänken mit eingestreuten Oolith-Körnern, von dunkler bis hellbrauner Farbe. Die Niedeischläge sind in den Bergen des Sulz- und Frickthales und in den Ketten um Aarau, am Hauenstein u. s. w. verbreitet. Die Ostrea acuminata, welche eine wichtige Muschel der Hauptrogen- stein-Zone ist, tritt hier noch sparsam auf; ebenso selten sind: Gresslya gregaria, Belemnites giganteus und einige Rhynchonellen. b. Mittlerer Hauptrogenstein. Mit Ausnahme der Gegenden westlich nnd nordwestlich von Brugg sind die Niederschläge der mittleren Abtheilung nirgends stark entwickelt. Ihre tiefsten Lagen zeichnen sich durch zahlreiches Vorkommen der Homomya gibbosa aus; Gressly nannte sie daher aa. Homomyenmergei. Darüber folgen sehr grobkörnige rauhe Oolithbänke, bald kreideweiss, bald gelblich bis dunkelbraun gefärbt, je nach ihrem Eisengehalt. Wir nennen sie: bb. Sinuatusschichten. Weil nur hier die Reste des Ölypeopygus sinuatus vorkommen. Diese Nieder- schläge werden bis 30 Fuss mächtig und lassen sich von Les Rangiers im Berner- Jura bis an den Wessenberg bei Mandach verfolgen. Nachgenannte Versteine- rungen dieser Abtheilung wurden hauptsächlich in der östlichen und südlichen Umgebung von Hornussen, am Kornberg bei Frick, bei Waldenburg und bei Lörrach im Wiesenthal gefunden. Im vorliegenden Kärtchen fehlen die Sinua- tusschichten. Ihre Versteinerungen: Isastrea tenuistriata, Edw. & Haime. Pecten Saturnus, d’Orb. Microsolena porosa, Lmx. .„.. Renevieri, Opp. Lasmophyllia retorta, d’Orh. . ambiguus, Goldf. Pentacrinus Nicoletti, Thurm. „ Dewalquei, Opp. Clypeopygus sinuatus (Clypeus), Leske. Avicula Münsteri, Goldf. Echinobrissus Renggeri, Des. „ echinata, Sow. Holecetypus depressus (Echinites), Leske. Trigonia costata, Park. Stomechinus Caumonli, Des. Lima cardiiformis, Sow. Hemieidaris Lueiensis, d’Orb. „ duplicata, Morr. & Lye. Rhynchonella acuticosta, Hehl. „ semicireularis, Goldf. -£ obsoleta, Sow. Limea duplicata, Mü. Terebratula maxillata, Sow. Pinna Buchii, Koch & Du. ornithocephala, Sow. Astarte rhomboidalis, Morr. & Lye. er Cadomensis, Desl. Homomya gibbosa, Ag. Ostrea costata, Sow. Pholadomya bucardium, Ag. acuminata, Sow. Pleuromya elongata, Ag. Knorri, Ziet. Belemnites giganteus, Schloth. explanata, Goldf. = Württembergieus, Opp- gregaria, Sow. Serpula soecialis, Goldf. „ fabellvides, Lam. „ Naceida, Goldf. Pecten laminatus, Sow. „ eonformis, Goldf. cc. Meandrinaschichten. Da die vorgenannten Stufen des Hauptrogensteins am » Sackhölzli« (Nord- schenkel der Lägernkette) bei Ehrendingen nicht entwickelt sind, lagert diese Zone daselbst unmittelbar auf den Humphriesianusschichten. Genau dieselbe Lage nehmen die Meandrinaschichten in der Schambelen ein; sie treten hart unter der Stirnkante der Steilwand zu Tage, welche gegen Mülligen hin die Nietgruben der Opalinusschichten begrenzt. a = Am Laubberg bei Gansingen, am Kornberg bei Frick, bei Waldenburg und an der Sissacher-Fluh (Baselland) überlagern sie die Sinuatusschichten. An der Gisulafluh ist ihre Unterlage durch Waldboden dem Auge entzogen. In der Schambelen und bei Ehrendingen ist das Gestein spathig, an den übrigen Localitäten oolithisch, überall bräunlich. Eine Ausnahme von dieser Kegel macht die Gesteinsfacies an der Gisula- fluh. Hier bildet die Zone den Grat des Berges als kreideweisse dolomitisch sandige Mauer voll Corallen, besonders Astreen und Lithodendren, namentlich in den oberen mastigen Bänken. L. v. Buch erklärte diese Kalke den schweiz. Naturforschern bei ihrem Aus- fluge von Aarau geradewegs für Corallien des oberen Jura (Diceratien). Die- selben Arten von Corallen kommen auch bei Ehrendingen und am Thierstein- und Kornberg bei Frick vor in Gesellschaft der nie fehlenden Cidaris meandrina Ag. (Cid. Schmidlini, Des.). Die Zone ist in andern Gegenden der Schweiz noch nicht untersucht, man kennt daher ihre Parallelen über die Grenzen der nächsten Gebirgszüge hinaus noch nicht. Versteinerungen der Meandrinaschichten: Pinastrea Langrunensis, d’Orb. Prionastrea limitata, d’Orb. Microsolena porosa, Lmx. Isastrea tenuistriata, Edw. & Haime. Lithodendron Zollerianum, Qu. Pentacrinus cf. nodosus, Qu. Hemicidaris Luciensis, d’Orb. Cidaris meandrina, Ag. glandifera, Goldf. ‚, Courtaudina, Cott. Rhynchonella obsoleta, Sow. ÖOstrea acuminata, Sow. „ . costata, Sow. Exogyra reniformis, Goldf. Peceten Dewalquei, Opp. „ ambiguus, Sow. Lima cardiiformis, Sow. bellula, Morr. & Lye. semicireularis, Goldf. „ duplicata, Morr. & Lye. Mytilus striolaris, Mer. Natica, sp. ind. c. Oberer Hauptrogenstein. Er unterscheidet sich wesentlich durch die dünnen plattenartigen und zugleich klein-oolithischen Schichten von den älteren Niederschlägen. Das Gestein ist weiss, an abgewitterten Bänken bräunlich. Der innere Kern der Bänke grau bis in- tensiv blau; als gesuchtes Baumaterial ist die Zone in zahlreichen Steinbrüchen erschlossen. Die Gesammtmächtigkeit des obern Hauptrogensteins beträgt mindestens 100 Fuss. Er fehlt unserem Kartenkomplexe, dafür bieten die Berge um Ueken (Steinbrüche zunächst der Heerstrasse), der Friekberg, Kornberg und Thierstein- .) Br Ne berg, der Zeiher-Homberg, der Brunnen- und Achenberg um Küttigen, die Wasser- tluh, der Königstein und eine Reihe anderer Berge gegen die westliche Kantons- grenze die schönsten Aufschlüsse in dieser Zone. Nirgends fehlen die Mumien von kleinen Gasteropoden, noch auch die unzähligen Exemplare von Ostrea acu- minata. In glücklichen Fällen findet man auch Exemplare von Ammonites Parkinsoni in diesen Niederschlägen. Das Vorkommen dieser Ammonitenart im Hauptrogen- stein spricht ganz dafür, dass die schweizerischen Oolithe als gleichzeitige Nieder- schläge der in demselben geologischen Niveau abgelagerten Parkinsonischichten der östlichen Gegenden betrachtet werden müssen. Versteinerungen des oberen Hauptrogensteins: Exogyra reniformis, Goldf. Pholadomya texta, Ag. Ostrea acuminata, Sow. Pileolus laevis, Morr. & Lye. Avicula echinata, Mü. e plicatus, Sow. Trigonia costata, Park. Monodonta Lyelli, Arch. Astarte minima, Sow. Purpurina ornata, d’Orb. „ detrita, Goldf. Delphinula discoidea var.. Morr. & Lye. Opis lunulata, Desh. Nerita minuta, Sow. Cardiun semicostatum, Lye. Nerinea Basileensis, Th. Lima duplicata, Morr. & Lye. „ acieula, Arch. „ Pbectiniformis, Schloth. „ Dufrenoyi, Morr. & Lye. Arca Pratti, Morr. & Lye. „ $trieklandi, Morr. & Lye. „ eancellina, d’Orb. Ammonites Parkinsoni, Sow. sublaevigata?- d’Orb. Serpula socialis, Goldf. %. Parkinsonischichten. An beiden Flussufern in der Betznau ist vom eigentlichen Hauptrogenstein keine Spur aufzufinden; an seiner Stelle lagern hier und bei Zurzach und bei Birmensdorf und Holderbank mehr oder minder mächtige dunkle Mergel, zuweilen von härteren Kalkbänken durchzogen, in welchen öfters oolithische Textur be- merkbar ist. In der Betznau lagern die Parkinsonischichten auf den Bänken des Ammonites Blagdeni. Die tiefsten Bänke enthalten zahlreiche Bruchstücke von Belemnites giganteus und darüber etwa in der Mitte ihrer Entwicklung; tritt die reiche Familie der Parkinsonier auf. In Schwaben werden die Parkinsonischichten nach oben durch die Lager der Rhynchonella varians begrenzt. — Die gleichen Grenzen haben auch die Haupt- rogensteine der Schweiz, so weit man sie kennt, mit dem Unterschiede jedoch, dass Ammonites Parkinsoni selbst noch in die schweizerischen Variansschichten hinauf geht, was in Schwaben nicht der Fall zu sein scheint. Sehen wir ganz ab von den palaeontologischen Einschlüssen, so finden wir IE. uns weit besser zurecht, wenn wir die petrographischen Merkmale berücksichtigen. Die hellen Oolithe zwischen den Lagern der Rhynchönella varians und Ammonites Blagdeni bezeichnet man als »Hauptrogenstein «, die dunkeln Thonkalke mit Am- monites Parkinsoni an Stelle der Hauptrogensteine mag man mit den schwäbischen Geologen »Parkinsonischichten« nennen. Am Schlusse des braunen Jura finden sich die zwei Profile einander gegenüber gestellt. $. Variansschichten. Unter dieser Bezeichnung sind sämmtliche Niederschläge, in welchen Rhyn- chonella varians vorkommt, zusammengefasst. Für diese Zone ist das nördliche Gebiet des Kärtchens von Wichtigkeit; wir finden nämlich in jenen Gegenden eine neue Zone petrefactenarmer Bänke zwischen die Variansschichten hinein geschoben, welche nur im nördlichen Aargauer-Jura entwickelt ist; wir bezeichnen sie nach ihrer späthigen Textur mit dem Namen » Spathkalke«. Sie liefern die einzigen brauchbaren Bausteine aus der Varians- Zone. Die Spathkalke folgen auf den tiefsten Lagern, in welchen Rhynch. varians auftritt. Sie bestehen aus rostfarbigen oder auch grünlichen dünngeschichteten mehr oder weniger eisenreichen*) krystallinisch-spathigen Bänken. Zuweilen bemerkt man zwischen den spathigen Bänken einzelne Sorten mit Neigung zur Oolithbildung. Ihre Verbreitung reicht in einer langgezogenen Ellipse von Ueken (im Frickthal) bis in den Zurzacher-Achenberg. Die besten Profile findet man südlich von Böttstein am Böttenberg und bei ganz tiefem Wasserstand am linken Aarufer in der Betznau, dann am Nassen- berg und Rothenberg bei Villigen, am Wessenberg bei Mandach und in den nächsten Umgebungen von Ueken und Bözen. Ihre organischen Einschlüsse können der schlechten Erhaltung wegen kaum berücksichtigt werden. Hauptvariansschichten (Discoideenmergel, Merian). Sie bestehen aus zernagten, mergelig-ruppigen Bänken von strohgelber, brauner und grauer Farbe, zuweilen so eisenreich, dass sich Göthit in den Schalen der Versteinerungen ausscheidet (Linnberg gegen Vor-Rohr), oder dass selbst ganze Gehäuse in Brauneisenstein verwandelt wurden (Nettel bei Birmensdorf). *) Ihr Gehalt an reinem Eisen beträgt am Böttenberg bei Böttstein 35 — 40°. N 2 Ein dünnes Band der Varians-Zone überlagert in der Schambelen die mehr- genannte Steilwand neben der Nietgrube. Von hier östlich fortsetzend erscheint die Zone wieder als Stirnkante über dem Rebgehänge des » Nettel« bei Birmens- dorf, verschwindet sodann unter den Geröllschichten der Miseren und tritt beim »Eichthalhof« als Kern des südlich von Münzlishausen gelegenen Rebhügels wieder zu Tage. Am Nordhange der Lägern erscheinen die Schichten nochmals ob der Malzhalde, um nach kurzer Erstreckung wieder unter der Vegetations- decke zu verschwinden. Ihrer westlichen Fortsetzung begegnen wir am Nordfusse der Habsburg und an den steilen Wänden des Linnberg gegen » Vor-Rohr«. Ein anderer Aufriss hat die Variansschichten im Rebberg bei Holderbank blosgelegt. Westlich von Brugg sind die Plateaux des Zeiher-Hombergs und des Korn- bergs bei Frick, sowie die Felder um Wölfliswyl und Kienberg wegen ihres Reich- thums an Echiniden, seltenen Gasteropoden und Brachiopoden bekannt. Ebenso werden die Rebberge zwischen Hornussen und Elfingen, die Felder des Kreisacker, die östlichen Gehänge des Wessenbergs und der Achenberg bei Zurzach von den Sammlern niemals vergeblich besucht. In den Variansschiehten lassen sich bestimmte Muschellager in sehr constanten Niveaux unterscheiden; zu unterst das Lager der Gervilla Andreae, darüber die Schichten des Mytilus bipartitus und ganz oben die Gasteropodenschichten. Petrefacten der Variansschichten: Alect0 dichotoma, Lmx. Microsolena porosa, Lmx. Lasmophyllia subtruncata, d’Orb. Bidiastopora Michelini, Edw. Diastopora vorrucosa, Edw. Montieulipora pustulosa, d’Orb. Ceriopora ramosa, d’Orb. Polytrema pyriformis, d’Orb. Pelagia clypeata, Lmx. Anabatia orbulites, d’Orb. Theeophyllia numismalis, d’Orb. decipiens, Edw. & Haime. Cyelolithes Langi, Qu. Mespilocrinus macrocephalus, Qu. Cidaris Mülleri, Des. Pseudodiadema Parkinsoni, Des. F Wrightü, Cott. homostigma (Diadema),Ag. Aecrosalenia spinosa, Ag. ni granulata (Hemicidaris), Mer. Hemipedina elegans, Des. Holectypus depressus (Galerites), Leske. Collyrites analis, Desm. „ Tingens, Desm. Disaster Moeschi. Des. Hyboclypus gibberulus, Ag. Echinobrissus elunieularis (Nucl.), Blainv. PR amplus (Nucleolites), Ag. Ciypeus rostratus, Des. Solodurinus, Ag. Clypeopygus quadratus (Nucleolites), Mich. 55 Hugiü (Clypeus), Ag. Pygurus Michelini, Cot. Theeidium triangulare, d’Orb. ee varians (Terebr. ), Sehloth. spinosa (Terebr.), Schloth. obsoleta (Terebr.), Sow. concinna (Terebr.), Sow. costata, d’Orb. acuticosta (Terebr.), Hehl. Rhynchonella triplicosa (Terebr.), Qu. a Badensis, Opp. .n Triboleti (Terebr.), Mer. Morieri, Dav. Terebratula globata, Sow. sphaeroidalis, Sow. bullata, Sow. Etheridgii, Dav. maxillata, Sow. Fleischeri, Opp. cf. hybridae, Des]. coarclata, Park. 37 subbuceulenta, Chap. & Dew. alveata, Qu. emarginata, Sow. diptycha, Opp. Bentleyi, Morr. lagenalis, Schloth. ornithocephala, Sow. Mandelslohi, Opp. carinata, Lam. Phillipsi, Morr. intermedia, Sow. Ostrea Marshi, Sow. explanata, Goldf. costata, Sow. acuminata, Sow. Knorri, Ziet. Sowerbyi, Morr. & Lye. obseura, Sow. Plicatula fistulosa, Morr. & Lye. = Parkinsoni, Qu. ? robusta, Moesch. Pecten annulatus, Sow., var. obscurus. Luciensis, d’Orb. hemicostatus, Morr. & Lyec. ambiguus, Goldf. Dewalquei, Opp. Bouchardi, Opp. laminatus, Sow. Saturnus, d’Orb. Renevieri, Opp. Rhetus, d Orb. vagans, SOow. Rypheus, d’Orb. Perna thermarum, Moesch. Posidonomya Buchü, Roe. Avicula costata, Sow. „ echinata, Sow. „ Münsteri, Br. Lima pectiniformis, Schloth. „ Auplicata, Morr. & Lye. „ Helvetica, Opp. Limea duplicata, Mü. Gervillia Andreae,. Thurm. Mauile ‚helvetieus, Opp. Sowe rbyanus, d’Orb. imbrieatus, Morr. & Lye. bipartitus, Sow. cuneatus, Sow. gibbosus, Sow. striolaris, Mer. Argoviensis, Moeschı. Lithodomus inclusus, Phill. Myoconcha crassa, Sow. Pinna Buchi, Koch. & Du. Arca cueullata, Mü. sublaevigata, d’Orb. texturata, Mü. minuta, Sow. Eudesii, Morr. & Lye. Stockari, Moesch. Isocardia minima, Sow. Cardium citrinoideum, Phil. subtrigonum, Morr. & Lyec. Unicardium varicosum, Morr. & Lye. impressum, Morr. & Lye. : parvulum, Morr. & Lye. Lueina despecta, Morr. & Lye. „ Jurensis, d’Orb. Sphaera Madridi, Morr. & Lye. Opis lunulatus, Desh. Trigonia costata, Park. En interlaevigata, Qu. clavellata, Qu. non Park. Cypricardia rostrata, Morr. & Lye. Astarte depressa, Mü. Quenstedtia Morrisi, Opp. y laevigata, Morr. & Lye. Nucula suevica, Opp. „ . variabilis, Sow. Anatina pinguis, Ag. Thracia lens (Corimya), Ag. „ alta (Corimya), Ag. Ceromya eoncentrica, Morr. & Lye. en plicata, Ag. Goniomya proboscidea, Ag. a6 angulifera (Mya), Sow. Pleuromya te.uistria, Ag. 7 elongata, Ag. Gresslya lunulata, Ag. peregrina (Unio), Phill. gregaria (Lutraria), Roe. Panopaea brevis (Arcomya), Ag. sinistra (Arcomya), Ag. Jurassi (Myopsis), Ag. 2 Agassizi, d’Orb. % ensis (Arcomya), Ag. ’. ERRTANTER lyrata (Cardita), Sow. Ammonites microstoma, d’Orb. Schuleri, Opp. e Gervillii, Sow. Bucardium, Ag. A orbis, Giebel. ovulum, Ag. = Waterhousiü, Morr. acuticosta, SoW. er bisculptus, Opp. siliqua, Ag. x biflexuosus, d’Orb. deltoidea (Cardita), Sow. 3 subdiscus, d’Orb. Pleurotomaria Bessina, d’Orb. i: diversus, May. 4 Palemon, d’Orb. $ aspidoides, Opp. Blandina, d’Orb. 5 discus, Sow. Trochus Belus, d’Orb. R Moorei, Opp. Trochotoma obtusa, Morr. & Lye. iR funatus, Opp. Solarium varicosum, Morr. & Lye. RL Backeriae, d’Orb. Turbo Calliope, d’Orb. er arbustigerus, d’Orb. „ subpyramidalis, d’Orb. . aurigerus, Opp. Davousti, d’Orb. PD gracilis, Buch. „ Hamptonensis, Morr. & Lye. .“ Wagneri, Opp. Purpurina Belia, d’Orb. = subeontractus, Morr. & Lye. Alaria trifida, Phill. ir contrarius, d’Orb. armata, Morr. & Lyc. e bifurcatus, Ziet. „ cochleata (Rostellaria), Qu. 5 Württembergieus, Opp. Ceritella acuta, Morr. & Lye. a Neuffensis, Opp. Acteonina Frickensis, Moesch. 5 ferrugineus, Opp- Natica Zetes, d’Orb. Parkinsoni, Sow. „ Zelima, d’Orb. Belemnites canaliculatus, Schloth. Verneuillii, d’Arch. 5 giganteus, Schloth. Chemnitzia Neptuni, d’Orb. A Beyrichi, Opp. vittata, d’Orb. ” Württembergieus, Opp. Niortensis, d’Orb. Serpula convoluta, lumbricalis, socialis, Phasianella latiusceula, Morr. & Lyc. triearinata, flaceida, quadrilatera, ver- nuciformis, Morr. & Lye. tebralis, tetragona. acutiuscula, Morr. & Lye. Eryma compressa, Desl. Ancyloceras annulatus, d’Orb. », Greppini, Opp. Ammonites bullatus, d’Orb. Saurier-Reste. Morvisi, Opp. Oberer brauner Jura. 9. Callovien (d’Orbigny). (Kellowaygruppe.) Mit dem Aussterben der Rhynchonella varians treten wir in einen neuen Horizont, in die Kellowaygruppe, welche ebenso bestimmt durch ihre Organismen, wie durch ihre Gesteinsbeschaffenheit charakterisirt ist. Die Mächtigkeit der Nieder- schläge ist nicht von Bedeutung und dennoch gehört die Gruppe zu den be- kanntesten des ganzen Juragebietes. Sie ist so reich an vielgestaltigen Thier- formen wie keine andere Juraabtheilung; beinahe alle ihre Arten beschränken sich auf die Bildung, deren Verbreitung durch Deutschland, Frankreich, England und die Schweiz den constantesten Horizont in der Jura-Geologie markirt. zu Das Callovien wird in zwei Abtheilungen getrennt, in die untere oder Ma- erocephalusschichten und in die obere oder Ornatenschichten. a. Macrocephalusschichten. Nach einer Familie von Ammoniten benannt, deren Verbreitung sich auf diesen Horizont beschränkt. - Die Macrocephalusschichten finden sich innerhalb unserer Kartengrenze nir- gends entwickelt. Dagegen treffen wir sie in der geringen Mächtigkeit von kaum 1!’ Fuss am Wessenberg, über den Variansschichten, als gelber bröckelnder Thon- kalk. Wenden wir uns in das benachbarte Frickthal, so finden wir in den Um- gebungen von Elfingen die Zone als gelblichbraunen Sandkalk von beiläufig 6 Fuss Mächtigkeit mit zahlreichen grossen und kleinen Exemplaren von Ammonites macrocephalus. Die Niederschläge lassen sich von hier ohne Unterbrechung über Bötzen, Ueken und Herznach bis nach Wölfliswyl verfolgen mit unverändertem Gesteinscharakter. Ein schöner Aufschluss liegt in den Aeckern südlich neben der Kirche von Bötzen ; die Ornatenschichten und die Birmensdorfer-Zone stehen darüber an. In dreifacher Mächtigkeit stehen die Niederschläge auf dem Kornbergplateau bei Frick an; ihre Bänke werden hier in stark betriebenen Gruben zu Platten, Fenster- und Thürgestellen u. s. w. verarbeitet. Auf der genannten Verbreitung wurden folgende Petrefacten gesammelt: Eudea lycoperdoides, d’Orb. Pentacrinus pentagonalis, Goldf. 2 Fürstenbergensis, Qu. Millerierinus macrocephalus, Qu. Cidaris Guerangeri, Cott. Hemipedina elegans, Des. Collyrites ringens, Desm. Disaster Moeschi, Des. Holectypus Ormoisianus, Cott. Ithynchonella Fürstenbergensis. Qu. (Gresslya peregrina (Unio), Phill. Turbo serratus, Qu. Pleurotomaria Cypraea, d’Orb. Ancyloceras Calloviensis, Morr. Ammonites macrocephalus, Schloth. Herveyi, Sow. tumidus, Rein. mierostoma, d’Orb. Bombur, Opp. Orion, Opp. spathica, Sow. fe triplicosa, Qu. Terebratula Julü, Opp. subcanalieulata, Opp. pala, Buch. Lithodomus inelusus, Phill. Isocardia tener, Sow. Triyonia elongata, Sow. (Goniomya trapezicosta (Lutraria), Pusch. Pholadomya Württembergica, Opp. 2 carinata, Goldf. «Fraasi, Opp. Rehmanni, Opp. modiolaris, Lhwd. Calloviensis, Sow. funatus, Opp. Nautilus Calloviensis, Morr. Belemnites latisuleatus, d’Orb. Pr subhastatus, Ziet. % Calloviensis, Opp. Glyplıaeen u. Fischzähne (Strophodus). A pe: b. Ornatenschichten. Sie stehen kaum einige Zoll mächtig über dem mehrgenannten Profile öst- lich von den Nietgruben in der Schambelen an. Die Niederschläge sind ein gelber Thonkalk mit wenigen organischen Resten. Nicht viel mächtiger treten sie am Böttenberg und Wessenberg und am Achenberg bei Zurzach auf. Mächtiger wird die Zone am Kreisacker und von Elfingen bis Wölfliswyl. Bei Ueken ver- wandeln sich ihre oberen Schichten in ein wahres Linseneisenerz; die Stufe hält von hier bis westlich über Wölfliswyl hinaus diesen petrographischen Charakter fest. Ihr Reichthum an Ammonitenarten, von denen nur wenige schon in den unter- lagernden Stufen auftreten, und weniger noch die oberen Grenzen der Zone über- schreiten, ist besonders auffallend. — Der Name dieser Zone ist von den Ornaten Ammoniten hergeleitet. $ Nachfolgende Versteinerungen fanden sich in den Ornatus- schichten des Kant. Aargau: Mespiloerinus macrocephalus, Qu. Ammonites Lalandeanus, d’Orb. Holectypus Ormoisianus, Cott. he viator, d’Orb. Collyrites elliptica, Desm. : Dunkani, Sow. Diplopodia Calloviensis (Diadema), d’Orb. + denticulatus, Ziet. Rhynchonella Fischeri, Rouill. n sulcatus, Hehl. Ceromya elegans, Desh. R Constanti, d’Orb. Nucula variabilis, Qu. e: oculatus, Bean. Pholadomya carinalta, Goldf. F microstoma, d’Orb. Natica Calypso, d’Orb. e Pollux, d’Orb. Zangis, d’Orb. r ‚Jason, Rein. „ Crithea, d’Orb. ee athleta, Phill. Turbo Cassius, d’Orb. , coronalus, Brug. „ ef. ornatus, Qu. A Fraasi, Opp. Trochus granarius, Heb. Des! e% anceps, Rein. Alaria trochiformis Qu. 8 Orion, Opp. Pleurotomaria N; .a, d’Orb. RE eurvicosta, Opp. Niobe, d’Orb. % suleiferus, Opp. Cypraea, d’Orb. R Lamberti, Sow. Cypris, d’Orb. is Brishti, Pratt. Cytherea, d’Orb. % bieostatus, Stahl. (sermaini, d’Orb. a bunula, Ziet. Cydippe, d’Orb. s; punctatus, Stahl. culminata, Desl. B heeticus, Rein. Nesea, d’Orb. a Rehmanni, Opp. Menden papillata, Heb. Desl. 5 Greppini, Opp. Ditremaria globulus, d’Orb. e Babeanus, d’Orb. Helicion Calloviensis, Moesch. 5 biarmatus, Ziet. Ammoniles refractus, Rein. 4 Moorei, Opp. flexispinatus, Opp. R Backeriae, ‚Sow. pustulatus, Rein. 3 Arduennensis, d’Orb. ornatus, Schloth. E tortisuleatus, d’Orb. Mittlerer brauner Jura. Unterer brauner Jura. 41 Ammonites cordatus, Sow. ” Calloviensis, Sow. arthriticus, SOW. Sutherlandiae, Murchis. Mariae, d’Orb. heterophyllus ornati, Qu. auritulus, Opp. convolutus, Schloth. Eugenii, Rasp. Ammonites Zygnodianus, d’Orb. Nautilus aganiticus, Schloth. sinuatus, d’Orb. Calloviensis, d’Orb. Pe hexagonus, d’Orb. Belemnites hastatus, d’Orb. „ ” Flossenstachel von Hay. Oxyrhina ornati, Qu. Localprofile im braunen Jura. Betznau an der Aare. Frickberg (Westseite). Nr. 5 Nr. 6. I 1} Pe 2 Zone. | Zone. ae RE tn ya Ammonites Parkinsoni; Belem- Ammonites Parkinsonj; Er Bale DRE snle Peansene, Balem- | nites un ; Rhıynehon. nites nd Rhynchon. | varians; ynch. spinosa; varians; Rhynch. spinosa; | | Holectypus depressus; Pho- = | Holeetypus depressus; Pho- | ‚arians | JadomyaBucardium ; Mytilus er ladomya Bucardium ; Mytilus | gibbosus; Terebr. interme- gibbosus; Terebr. interme- dia; Terebr. ornithocephala; | dia; Terebr. ornithocephala; Clypeus Osterwaldi; Colly- | Clypeus Solodurinus; Colly- rites ringens. rites ringens. Ammon. Parkinsoni; A. Würt- Ammon. Parkinsoni; Nerinea R tembergieus; A. Neuffensis; || Oberer Basileensis; Avieulaechinata; g Serpula tetragona; Belemn. |; Ostrea acuminata. R=] giganteus; Belemn. canali- = 3 eulatus; Avicula echinata; = | Belemnites Ben; Mytilus Bi Mytilus striolaris; Gresslya 5 striolaris; Terebr. ornitho- | gregaria. E2 & cephala; "Holect. depressus; ° g a Cidaris meandrina; Clypeo- E g pygus sinuatus; Echinobr. S Renggeri. E Bu) sg Br FEN era Belemn“ giganteus; Gresslya gregaria; Ostrea acuminata. En Ammonites Blagdeni. ee Ammonites Blagdeni. Aumphr- | Ammonites Humphriesianus. Humphr-- | Ammonites Humphriesianus. Neutrale | Zoophyeos seoparius. Neutrale | Zoophycos scoparius. Sawerbyi- | Ammonites Sowerbyi. Sowerbyi- | Ammonites Sowerbyi. en Ammonites Murchisonae. ee Ammonites Mvrchisonae. n- Ammonites opalinus. Sn Ammonites opalinus. | Lias. Lias. = iD ae E. Oberer oder weisser Jura (Malm). Die braune bis dunkle Färbung der Schichten des mittleren Jura bleibt zurück mit dem Ersteigen der letzten Ornatenbank. Wenn zuweilen im oberen Jura noch Spuren von dunkleren Thonen oder einem blauen Kerne in gewissen Bänken vorkommen, so gehört dies zu den Ausnahmen; der Charakter des Ge- steins bleibt weiss, oder gelblich oder aschfarbig. Schon hierin läge eine Recht- fertigung für die Abgrenzung einer Epoche, auch wenn nicht die durchaus neue Thierschöpfung des weissen Jura jeden Zweifel über eine nähere Verwandtschaft mit dem mittleren Jura zerstören würde. Die Thierzonen bleiben auch in diesen mächtigen Niederschlägen unsere sicheren Führer; nirgends erscheint dem Geologen der Werth einer Leitmuschel in hellerem Lichte, als in diesem Labyrinthe von Kalkbänken, welche sich petro- graphisch so wenig von einander unterscheiden. Unterer weisser Jura. Oxfordstufe. 1. Birmensdorferschichten. Einem Gusse von grauem Mörtel gleich, schmiegt sich die tiefste Schicht der Birmensdorfer-Zone an die braunen oder gelben Kalke der obersten Ornatenbank. Man kann die scharfe Grenze mit der Hand bedecken und dennoch liegen die Reste der beiden Faunen unvermischt. Die neue Thierschöpfung besteht vorherrschend aus Zoophyten, Echinodermen, Crinoiden, Brachiopoden und Cephalopoden. Davon gehen gewisse Arten bald mehr bald weniger hoch durch die nachfolgenden Zonen; aber weitaus der grösste Theil bleibt auf die Birmensdorferschichten beschränkt. Wir haben zur Unterscheidung der verschiedenen oberjurassischen Stufen die Namen der Ortschaften gewählt, in deren Nähe die Niederschläge typisch entwickelt sind, wie denn für diese Zone schon vor langer Zeit der Name Bir- mensdorferschichten unter den Geologen geläufig war. Man hielt früher die Zone für Ablagerungen eines auf enge geographische Grenzen beschränkten Meeres, bis vor kurzer Zeit der gelehrte Prof. Oppel von München ihre Verbreitung auch über Deutschland und Frankreich nachwies. Die Birmensdorferschiehten bestehen aus aschgrauen, mergelig-ruppigen Kalk- bänken, nach ihrer oberen Grenze mit raschem Uebergang in thonreichere Schichten, worin in-grosser Menge die Reste von Nulliporiten vorkommen. 43 — Der Rebberg im »Nettel« bei Birmensdorf geniesst unter den Sammlern schon lange den wohlverdienten Ruf eines reichen Pretefaetenfundortes; mit ihm können sich nur die auf der Karte verzeichneten Localitäten zwischen dem Geiss- berg, Rothenberg und Nassenberg messen, sowie die ausser unsern Grenzen liegenden Niederschläge bei Büren an der Strasse nach Remigen. Wir geben hier das instruktive Profil vom Nassenberg bei Villigen. AL r Nr. 7. Effingerschichten. Schieferige graue Mergel a@ > Effingerschichten. ca. 30,00oM. b. Kalkschicht mit Nullip. Hechingensis „ 0,18. ce. Mergelschieht mit Nullip. Hechingensis „ 0,30 „ | d. Ruppige Bänke mit Scyphien, Crinoiden, 7 Birmenstorferschichten. Echinodermen ımd Ammoniten ete.. Te e. Harte Kalkbank mit Zoophyten u. Am- moniten BR HE IT RER 0,80 Ornatenschichten, f. Duukelgraue Thonschicht mit Rhynch. N Variansschichten. Arolica und Cidaritenstacheln . 2, g. Knollige eisenschüssige Bank mit Am- | monites hectieus Me. nn 084, -, Spatlikalke. h. Holectypus Mandelslohi, Clypeopygus | Hugii, Am. Parkinsoni, Terebr. inter- - media, Rhynch. spinosa, Rh. varians . „ 2,70. i. Eisenschüssige Spathkalke mit kalk- Parkinsonischichten, reichern Schichten wechselnd . rlo.5005 k. Dunkle Mergelschichten, wechselnd mit harten Knauerbänken. Am. Truellei . „ 12,00 . f l. Unterbrechung des Profils durch Diluvialschutt. Die östliche Wessenbergspitze, der Eisengraben auf dem Kreisacker, die höheren Rebberge um Bötzen, Ueken, Wölfiiswyl und Auenstein enthalten eben- falls zahlreiche und seltene Versteinerungen. der Schambeln über den dortigen Ornatenschichten. Versteinerungen der Birmensdorferschichten; Nulliporites Argoviensis, Moesch. 3 Hechingensis (Fuscus), Qu. Alecto corallina, d’Orb. Tetrapora suevica, Qu. Ceriopora radieiformis, Goldf. a Birmensdorfensis, Moesch. Weniger reich ist die Zone in Chrysaora striata (Ceriopora), (oldf. Hippalimus bipartitus (Scyphia), Qu. Diastopora orbieulata (Cellepora), Goldf. a gregarius (Scyphia), Qu. marginatus (Manon), Goldf. verrucosus (Scyphia), Goldf. elegans (Scyphia), Goldf. eylindrieus (Scyphia), Goldf. — 44 Hippalimus rugosus (Seyphia), Goldf. 5 milleporaceus (Seyphia), Goldf. Porospongia impressa (Manon), Mü. R marginata (Manon), Mü. = Peziza (Manon), Goldf. Cribrospongia obliqua (Seyphia), Goldf. 5 clathrata (Seyphia), Goldf. 8 Lochensis (Spongites), Qu. 5 reticulata (Scyphia), Goldf. A subtexturata, d’Orb. Forospongia acetabulum (Tragos), Goldf. Cupulospongia pezizoides (Tragos), Goldf. h rimulosa (Onemid.), Goldf. patella (Tragos), Goldf. Amorphospongia radieiformis (Seyphia), oldf. Chenendopora rugosa (Tragos), Mü. Pentagonaster jurensis (Asterias), Mü. » tabulatus (Asterias), Goldf. 5 punctatus (Asterias), Goldf. Plicatocrinus hexagonus, Mü. Comatula serobieulata (Solanocrinus), Mü. > aspera (Solanoerinites), Qu. Eugeniacrinus Moussoni, Des. 4 cidaris, Goldf. 5 Hoferi, Mü. a4 compressus, Goldf. B caryophyllatus, Goldf. e nutans, Goldf. Tetracrinus moniliformis, Mü. Pentacrinus pentagonalis, Goldf. a Argoviensis, Moesch. % subsulcatus, Mü. n granulosus, Mü. s eingulatus, Mü. Balanocrinus subteres (Pentacrinus), Goldf. Mespilocrinus areolatus, Moesch. Problematicum Quenstedti, Moesch. (Qu. Jura, 81. 8). Cidaris filograna, Ag. „ eoronata, Ag. „ propinqua, Mü. „ Cartieri, Des. „ Hugii, Des. „ vallata, Qu. „ iulticeps, Qu. „ oceulata, Ag.? „ Abichi, Moesch. „ Sehloenbachi, Moesch. „ Psammosa, Moesch. „ spinosa, Qu. „ spinosa, Ag. „ Gmembeli, Moesch. » histrieoides, Qu. Cidaris Oppeli, Moesch. Courtaudina, Cott. Rhabdoeidaris Cartieri, Des. 5, Remus, Des. x eylindrica (Cidarites), Qu. Hemipedina pisum, Des. 4 Stutzi, Des. Diplopodia subangularis, M° Coy. Pseudodiadema areolatum, Des. Disaster granulosus (Nucleolites), Mü. Collyrites capistrata (Spatangus), Goldf. Magnosia decorata (Eucosmus), Ag. Thecidea antiqua, Gold£f. Crania suevica, Goldf. „ porosa, Goldf. „O armata, Goldf. Terebratella Fleuriausa, d’Orb. 2, lorieata (Terebr.), Schloth. Megerlea pectuneulus (Terebr.), Schloth. Terebratulina substriata (Terebr.), Schl. Rhynchonella Arolica, Opp- a strioeineta (Terebr.), Qu. E\ triloboides (Terebr.), Qu. 5 strioplicata (Terebr.), Qu. Terebratula Kurri, Opp. 2 fallax, Bachm. er gutta, Qu. 5 Birmensdorfensis, Escher. M nucleata, Schloth. 2 orbis, Qu. n bisuffareinata, Schloth. Ostrea Ungula, Mer. „ rastellaris, Goldf. Exogyra auriformis, Goldf. Hinnites velatus (Spondylus), Goldf. & tenuistriatus (Spondylus), Goldf. Peeten subspinosus, Schloth. „ subpunctatus, Mü. „ subtextorius, Mü. Lima Escheri, Moesch. Streitbergensis, d’Orb. „ notata, Goldf. Isoarca Lochensis, Qu. „ Schilli, Opp. Isocardia subspirata, Mü. Mytilus tenuistriatus (Modiola), Mü. Arca aemula, Phill. Nucula Dewalquei, Opp- »„ Quenstedti, Moesch. Cypricardia gracilis, d’Orb. Petricola lamellosa (Venerupis), Mü. Pholadomya acuminata, Hartm. Nerita jurensis, Mü. Pleurotomaria suprajurensis, Roe. Pleurotomaria Buvigneri, d’Orb. Ammonites Hiemeri, Opp. = tornata, d’Orb. Gmelini, Opp. % alba, Qu. Bachianus, Opp. x bijuga, Qu. callicerus, Opp. E sublineata, Goldf. Gessneri, Opp. Zignodianus, Opp. Anar, Opp. Manfredi, Opp. tortisuleatus, d’Orb. Theobaldi, Moesch. lophotus, Opp. Erato, d’Orb. cerenatus, Brug. tenuiserratus, Opp. alternans, Buch. hispidus, Opp. subelausus, Opp. trimarginatus, Opp. canaliculatus, Buch. stenorhynchus, Opp. Serpula eingulata, Goldf. „ subrugulosa, Qu. Deshayesi, Goldf. planorbiformis, Goldf. Spirolinites, Mü. trochleata, Goldf. Delphinula, Goldf. prolifera, Goldf. limata, Goldf. gordialis, Goldf. nodulosa, Goldf. Filaria, Goldf. flaccida, Mü. Apty chi; mehrere Species. Awmmonites plieatilis, Sow. 3 BER TE Te Be a DE er » Martelli, Opp. Arolieus, Opp. 3 Schilli, Opp. Nautilus giganteus, d’Orb. R Birmensdorfensis, Moesch. £ Ärduennensis, d’Orb. 3 Meriani, Opp. aganiticus, Sehloth. E Collini, Opp. Belemnites hastatus, Montf. x Christoli, Bond. = Argovianus, May. R Chapuisi, Opp. 2 Sauvannaui, d’Orb. “ Iransversarius, (Qu. " excentralis, Young & Bird. & semiplanus, Opp. - Coquandi, d’Orb. B Oegir, Opp. pressulus, Qu. 2 Rotari, Opp. Brachyurus Quenstedti, Moesch. > Hyacinthus, Opp. Sphaenodus longidens, Ag. 2. Effingerschichten. Mächtiger als jede andere ober-jurassische Ablagerung in unserer Karte sind die hellaschfarbenen seltener blaugraugefärbten Mergel, Thone und Thonkalke der Effingerschichten, welche zugleich ein ihrer Mächtigkeit entsprechendes Gebiet im aargauischen Jura bedecken. Die tiefsten Lagen an der Grenze gegen die Bir- mensdorfer-Zone hestehen vorherrschend aus Mergeln, zuweilen von fussdicken Kalkbänken durchzogen; gegen die Mitte folgt ein constanter Wechsel von dünnen Thonkalkstraten und Mergelschichten, hier haben die nicht häufigen Petrefacten der Zone ihre Lager; nach der oberen Grenze bleiben die Mergel ganz zurück und an ihrer Statt entwickeln sich regelmässige thonreiche Kalkschichten. Die Gesammtmächtigkeit der Bildung erreicht bei Effingen, wonach die Zone benannt wurde, circa 300 Fuss. Der bekannte Aarauer-Caement wird aus diesen Gesteinen fabrizirt, welche bei Erlinsbach gebrochen werden. Dasselbe Gestein wird bei Reckingen und Mülligen zum gleichen Zwecke gebrannt. 46 — Ihre Lager bedecken das Südgehänge des Jura von Küttigen bis in die Nähe von Villnachern. Von der Habsburg her begleiten die Effingerschichten den Gebirgszug in zwei Strängen nach der Lägern. Der eine geht über Hausen, Gebensdorf und durch die Miseren nach dem Steinbuck; der andere von Birrenlauf über Mülligen, Birmensdorf und Baden (das Belvedere steht auf dieser Zone) nach dem Nord- gehänge der Lägern. Im Tafeljura setzen sie ohne Unterbrechung von Reckingen über Tägerfelden, Villigen, Mönthal, Effingen und Ueken bis über Wölfliswyl fort. In Schwaben sind sie ebenfalls weit verbreitet, sie enthalten dort, ebenso häufig wie bei uns selten, die Terebratula impressa. Quenstedt nannte die Nieder- schläge danach »Impressathone «, oder auch »weisser Jura Alpha«, indem man die Stufe bis in neuester Zeit für die tiefste des weissen Jura hielt. Versteinerungen der Effingerschichten: Nulliporites Hechingensis. Nucula Quenstedti, Moesch. Turbinolia impressa, Qu. » Dewalquei, Opp. Pentacrinus pentagonalis, Goldf. Isocardia jmpressae, Qu. = astralis, Qu. Pterocera subbicarinata, d’Orb. Balanocrinus subteres (Pentacrin.), Goldf. Genicularia annulata, Qu. Apiocrinus impressae, Qu. Ammonites Oegir, Opp. Pentagonaster impressae (Asterias), Qu. 3 plicatilis, Sow. : jurensis (Asterias), Mü. 3 Arolicus, Opp. Disaster granulosus (Nucleolites), Mü. 3 alternans, Buch. Collyrites capistrata (Spatangus), Goldf. a erenatus, Brug. Terebratula impressa, Bronn. (Sehr selten.) 2 stenorhynchus, Opp. & fallax, Bachm. Aptychus laevis, v. M. © bisuffareinata, Schloth. 2 latus, v. M. Plicatula semiarmata, Etall. X lamellosus, Park. e impressa, Qu. Belemnites pressulus, Qu. Pecten subeingulatus, d’Orb. 2 v hastatus, Blainv. subtextorius, d’Orb. . Argovianus, May. Lima Streitbergensis, d’Orb. r semisulcatus, Mü. 8. Geissbergschichten. Die strohgelben Kalkbänke, welche wir am Geissberg beiläufig 100 Fuss mächtig über den Effingerschichten entwickelt finden, haben in neuerer Zeit die Aufmerksamkeit der Geologen und Palaeontologen erregt. Man hat sie noch vor 12 Jahren ihrer artenreichen, dem westschweizerischen Kimmeridgien verwandten Fauna wegen für die jüngsten jurassischen Niederschläge (Portlandien) gehalten. Erst neuere Untersuchungen wiesen dieser Zone die richtige Stellung im Systeme an; danach gehören die Geissbergschichten in die Oxfordgruppe und sind = ARE die Stellvertreter der Myarierkalke, welche in der Westschweiz die Basis des Terrain-äA-Chailles bilden. Die Geissbergschichten erreichen ihre grösste Entwicklung im Geissberg selbst und in den westlich fortsetzenden Bergen, dem Bützberg, Bötzberg und Brem- garten bis Zeihen. Weniger günstige Profile enthalten die Rhyfluh zwischen Würenlingen und dem Siggenthal, die Steinbrüche bei Lauffohr, der Mülliger- und Scherzberg, der Ebneberg bei Birrenlauf, der Felsgrat, welcher vom Linnberg nach der Habsburg und von da über Hausen und Gebensdorf nach der Miseren streicht und der Brauneggzug über Wildegg, Auenstein, Biberstein bis in den Hungerberg bei Aarau. Die Gesteinsbeschaffenheit macht sie geeignet für Bauzwecke, die dickeren Bänke namentlich werden zu Quadern und Ecksteinen verarbeitet. Ihre Versteinerungen gehören im Allgemeinen noch zu den Seltenheiten; die vollständigste Serie besitzt die geologische Sammlung des Po- lytechnikums, deren bis jetzt bestimmte Arten wir hier aufzählen: Zamites formosus, Hr. Arca lineata (Cucullaea), Goldf. Nulliporites Hechingensis (Fucus), Qu. Hecabe, d’Orb. Ostrea Caprina, Mer. „ duriuscula, Bean. » gregaria, Sow. Exogyra reniformis, Goldf. - spiralis, Goldf. Gryphaea dilatata, Sow. Pecten demissus, Bean. „ lens, Sow. solidus, Roe. subeingulatus, d’Orb. artieulatus, Goldf. subfibrosus, d’Orb. subspinosus, Schloth. inaequicostatus, Phill. Dionysius, Buv. Hinnites velatus (Spondylus), Goldf. 333 3 3 3 3 3 spondyloides (Avicula), Roe. Perna mytiloides, Lam. Ancella impressa, Qu. Gervillia avieuloides, Sow. ® Mayeri, Moesch. Lima rigida, Desh. Mytilus solenoides, d’Orb. »„ amplus (Pinna), Sow. „ Villersensis, Opp. Myoeoncha perlonga, Etall. re Caprina, Moesch. “ gigantea, Moesch. Pinna lanceolata, Sow. „ lineata, Roe. Arca coneinna, d’Orb. Nucula elliptica, Phill. »„ Dewalquei, Opp. Cardium intextum, Mü. Unicardium globosum, d’Orb. Lucina Wabrensis, Buv. Trigonia elavellata, Sow. n monilifera, Ag. Cyprina cornuta, d’Orb. Astarte vocoetica, Moesch. » papyracea, d’Orb. „ Integra, Mü. Anatina versicostata, Buv. # antica (Cercomya), Ag. Panopaea Meriani, Moesch. Thracia pinguis (Corimya), Ag. Goniomya litterata (Mya), Sow. » constrieta, Ag. 5 trapezina, Buv. Pholadomya tumida, Ag. canaliculata, Roe. cingulata, Ag. parcicosta, Ag. Cor, Ag. Pleuromya recurva, Ag. Helicion varians, Moesch. Pleurotomaria Münsteri, Roe. Phasianella striata (Melania), Sow. Turbo Meriani, Goldf. „ subnodosus (Natica), Roe. Natica cf. Dejanira, d’Orb. ER} Chemnitzia Heddingtonensis (Mel.), Sow. BER: Sn 4. Crenularisschichten (Terrain-ä-Chailles z. Th). Die aargauischen Crenularisschichten zeigen, mit Ausnahme ihrer obersten Bänke, starke Neigung zur Oolithbildung; aber schon in der Umgebung von Olten wird das Gestein spathig und kreideweiss, während unsere oolithischen Nieder- schläge röthlich gefärbt sind. Die Crenularisschichten sind die Reprasentanten des westschweizerischen Terrain- a-Chailles; sie sind erst seit einigen Jahren im Aargau nachgewiesen. Die Schichten enthalten unter der grossen Zahl von Versteinerungen eine Reihe von Echiniden, die einzig aus dieser Zone bekannt sind. Wir nennen davon Körper und Stacheln des Hemicidaris crenularis, Stomechinus perlatus, Collyrites bicordata und Diplopodia Annonä. Die erstere Art gab Veranlassung zur Be- nennung der Zone, man fand Körper und Stacheln davon an der Rhyfluh bei Siggenthal, Lauffohr und Auenstein. In den obersten Schichten zeichnen sich die verschieden geformten Stacheln von Rhabdocideris caprimontana aus. Diese oberen Lagen sind am Lägernausläufer zunächst bei Baden und in den Stein- brüchen am Fuss des Hundsbuck entwickelt. Sie kommen auch im Scherzberg und Ebneberg bei Scherz und in den Steinbrüchen von Braunegg, Wildegg und Auenstein vor; immer über den eigentlichen Crenularislagern, aber zur Gruppe gehörig. In der Umgebung von Aarau kennt man sie in den Brüchen hinter den Ziegelfabriken und westlich davon in der Wöschnau; ferner am Hungerberg, Kirchberg und in den vom Homberg absteigenden Felsbändern. Bei Auenstein, am Geissberg und Bötzberg enthalten sie in den Lagen mit Rhabdoc. caprimontana eine eigenthümliche Seyphienbank, deren Vorkommen bisher nur noch in den Umgebungen von Baden nachgewiesen ist. Nr. 8. Das Scyphienlager der Crenulariszone bei Auenstein, a. Mergelige Kalkschiefer; Scyphienlager und Rhabdoe. caprimontana. b. Oolithische feste Kalkbänke mit Hemicidaris erenularis; Stomechinus perlatus ; Collyrites bicordata und Ammon. bimammatus. e. Geissbergschichten; gelbe Kalkbänke mit Ostrea caprina. mn... (2: Die Mächtigkeit der Zone erreicht in diesen Gegenden 6 bis 10 Fuss; be- deutend mächtiger wird sie am Engelberg und um Olten, rasch bis auf 50 Fuss und bei Wangen, westlich von Olten, sogar bis auf 110 Fuss anwächst. Ganz schwache Andeutungen dieser Niederschläge irn Randen bekunden die Aus- dehnung des Meeres über unsere östlichen Grenzen hinaus. Neuestens hat Prof. Oppel das Aequivalent unserer Zone auch in Schwaben nachgewiesen; dagegen gelang es ihm nicht, neben den leitenden Ammoniten auch die Echinodermen der Stufe aufzufinden. Wenn die Abnahme der Zonenmächtigkeit von 110 Fuss bei Wangen bis auf 6 bis 10 Fuss nach dem Rheine hin schon auffällig ist, so muss die Ver- änderung der Fauna innerhalb dieser geringen Ausdehnung noch viel merkwürdiger erscheinen. Wir finden nämlich die Crenulariszone vom Rhein bis Aarau mit zahlreichen Arten von Ammoniten und Tellerschwämmen durchzogen, wogegen um Olten diese Fauna vollständig fehlt und an ihrer Statt, mit Ausnahme der Echiniden und Bivalven, eine neue Fauna auftritt. Einlässlichere Studien über diese merkwürdigen Verhältnisse sind vom Ver- fasser in einer grösseren Schrift niedergelegt. wo sie Versteinerunsen der Crenularisschichten im Aargau: Oo Parendea astrophora calopora (Scyph.), Qu. ceylindrica (Seyphia), Goldf. intermedia (Sceyphia), Goldf. n semicineta (Scyphia), Qu. Re calopora (Scyphia), Goldf. gracilis, Etall. Cribr ospongia Lochensis (Spongites), Qu. reticnlata (Scyphia), Goldf. subtexturata, d’Orb. cancellata (Scyphia), Goldt. (oniospongia tenuistriata (Seyphia),Goldf. Cnemidium lopas (Spongites), Qu. r parvum, Etall. Cupulospongia rugosa, d’Orb. Hippalimus rugosus (Seyphia), Goldf. Eudea propinqua (Scyphia), Gold£f. Chrysaora angulosa (Ceriopora), Goldf. Ellipsosmilia Thur manni, Etall. Pentacrinus ornatus, Moesch. Balanocrinus subteres (Pentacrinus), Goldf. Pentagonaster jurensis. r scutatus (Asterias), Goldf. Eugeniacrinus Hoferi, Goldf. Millerierinus echinatus (Encrinites), Schl. 5 Milleri (Apiocrinus), Goldf. Cidaris cervicalis, „Ag. Cidaris Parandieri, Ag. histrieoides, Qu. coronata, Goldf. monilifera, Goldt. propinqua, Mü. elegans, Mü. vallata, Qu. Rhabdoeidaris nobilis (Cidaris), Mü. caprimonlana, Des. inermis, Des. semispinosa, Des. Heniicidaris crenularis (Cidaris), Lam. = intermedia, Forbes. Diplopodia bipunctata, Des. x Annonü, Des. Pseudodiadema Langi, Des. Stomechinus perlatus (Echinus), Desm. Holectypus Argoviensis, Des. Collyrites bicordata (Spatangites), Leske. r brevis, Des. Echinobrissus Icaunensis, Cott. Disaster granulosus, Ag. : gran. var. ampla, Cott. Rhynchonella inconstans (Terebr.), Sow. pectunculoides, Etall. pinguis (Terebrat.), Roe. 7 — 50 Rhynchonella triloboides (Terebrat.), Qu. spinulosa, Opp. Megerlea peetuneuloides (Terebr.), Schl. Terebratella Fleuriausa, d’Orb. Terebratula subeoaretata, Moesch. Moeschi, May. bisuffareinata, Schloth. bicanaliculata, Schloth. insignis, Schübl. Bauhini, Etall. Delemontiana, Opp. elliptoides, Moesch. Ostrea gregaria, Sow. „ nodosa, Mü. „ Cypraea, d’Orb. „ Roemeri, Qu. Exogyra spiralis, Goldf. Gryphaea dilatata, Sow. Pecten subspinosus, Schloth. „. subfibrosus, d’Orb. articulatus, Schloth. subtextorius, Mü. solidus, Roe. demissus, Bean. Gervillia aviculoides, Sow. > Mayeri, Moesch. Lima rigida, Desh. perrieida, Etall. peetiniformis (Ostracites), Schloth. aciculata, Mü. Oltenensis, Etall. alternieosta, Buv. Mytilus solenoides, d’Orb. subpectinatus, d’Orb. = Villersensis, Opp. Myoconcha perlonga, Etall. Pinna mitis, Phill. Arca aemula, Phill. 5, lineata, Goldf. „ trisuleata, Mü, Cardium intextum, Mü, Trigonia suprajurensis, Ag. = raricostata, Moesch. Cyprina Argoviensis, Moesch. Astarte vocoetica, Moesch. Opis fragilis, Moesch. Leda Argoviensis, Moesch. Anatina antica (Cereomya), Ag. „c versicostata, Buv. Thracia pinguis (Corimya), Ag. Goniomya litterata (Mya), Sow. trapezina, Buv. Helvetica, Moesch. Pholadomya orbienlata, Roe. canaliculata, Roe. eingulata, Ag. similis, Ag. paueicosta, Roe. Panopaea latissima (Arcomya), Ag. e Meriani, Moesch. Pleuromya recurva, Ag. Bulla elongata, Phil. Pleurotomaria Münsteri, Roe. $ galathea, d’Orb. ” clathrata, Mü. suprajurensis, Roe. Turbo princeps, Roe. = ,,. Meriani, Goldf. Cerithium ceingendum (Turritella), Sow. 5 eorallense, Buv. Phasianella striata (Melania), Sow. Trochus echinulatus, Buv. Delphinula muricata, Buv. Neritopsis Moreauana, d’Orb. Natica Danae, d’Orb. „ subspirata (Ampullaria), Roe. grandis, Mü. „. .allıca, d’Orb. Chemnitzia Heddington. (Melania), Sow. Serpula Deshayesi, Mü. spiralis, Mü. gordialis, Schloth. turbiniformis, Mü. alligata, Etall. Ammonites bimammatus, Qu. hypselus, Opp. cf. Edwardsianus, flexuosus, Buch. semifalcatus, Opp. tortisuleatus, d’Orb. alternans, Buch. stephanoides, Opp. biplex bifureatus, Qu. Streichensis, Opp. eolubrinus, Rein. virgulatus, Qu. Vicarius, Moesch. Nautilus aganitieus, Schloth. eiganteus, d’Orb. ‚‘plychus Tamellosus crassicauda, Qu. e laevis obliquus, Qu. Belemnites unicanaliculatus, Mü. Royierianus, d’Orb. Suichei, d’Orb. semisulcatus, Mü. hastatus, Montf. d’Orb. Eryma cf. ventrosa, H. v. M. Lepidotus gigas, Ag. Strophodus retieulatus, Ag. Plesiosaurus-Wirbel, Zähne u .Knochen. subretieulatus, Ag. Mittlerer weisser Jura. 5. Wangenerschichten (Corallien, Diceratien). Diese Stufe kennzeichnet sich durch die auffallend weisse Farbe des Gesteins und die darin vorkommenden neuen Thierarten. Mit dem Uebersteigen der letzten Bank der vorgenannten Zone beginnt der petrographische Wechsel des Gesteins. Die kreideweissen dicken Kalkbänke folgen sich in steilen bröckelnden Mauern und Abstürzen, durchsetzt von Klüften und Spalten, welche Frost und Regen verursachten. Der Kalk ist beinahe thonfrei und liefert nebst dem oberen Hauptrogenstein den besten fetten Kalk der Jurabildungen. Als leitendes Petrefact ist der leicht kenntliche Ammon. lingulatus mit löffelförmigem Ohr hervorzuheben. Pholadomya seutata und Pleuromya sinuosa sind ebenfalls wichtige Vorkommnisse; sie gehören vorzüglich der aargauischen Facies an, während der Ammonit bis tief nach Schwaben die Zone festhält. Sämmtliche Petrefacten zeichnen sich durch ihren vortreffllichen Erhaltungs- zustand aus. Am Geissberg sind die Wangenerschichten durch den Fahrweg von Villigen nach dem Besserstein angeschnitten ; der Punkt verdient, seiner zahlreichen Ver- steinerungen wegen, besucht zu werden. Von da lässt sich die Zone rings um den Geissberg durch den Steilrand verfolgen. Am Bötzberg trifft man gegen Eftingen und Kästhal mehrere Aufschlüsse. Von Würenlingen durch das Steilprofil der Rhyfluh finden sich zahlreiche natürliche und künstliche Anbrüche. Bei Rein treten sie in den alten Brüchen am Fusse der Kirche und N.W. vom Dörfchen zu Tage. Bei Brugg bilden die Wangenerschichten den tieferen Theil der steilen Aarufer; beistehendes Profil zeigt die Schichten der Zone mit den überlagernden Letzischichten am Freudenstein, W. von Brugg: a. Letzischichten. Harte dichte Kalkschichten, vielfach zerklüftet mit Balanoerinus subteres, Pholadomya Cor, Goniomya Studeri, ete. b. Bröckelnde weisse Kalke der Wangenerschichten mit zahlreichen Exemplaren von Pholad. seutata, Panop. punetifera, Thracia suprajurensis, etc. Am Scherzberg, Ebneberg und bei Braunegg folgt die Zone in den Stein- brüchen über den anstehenden Crenularisschichten. Westlich von Aarau bietet die Wöschnau mehrere schöne Profile. In den Umgebungen von Olten wieder- holt sich dasselbe schnelle Anwachsen der Wangenerschichten, wie wir solches von den Crenularisschichten bemerkten. Ihre grösste Entwicklung erreichen sie erst bei Wangen und Öberbuchsiten; an der ersteren Localität, wonach die Zone benannt ist, steigt ihre Mächtigkeit auf 60 Fuss. Mit dem Anschwellen hält die Entwicklung der Fauna Schritt und ändert zugleich den Gesteinscharakter; anstatt der abfärbenden Kalke, wie wir sie in circa 10 bis 12 Fuss Mächtigkeit im Aargau kennen, werden die Bänke massiger, durch und durch spätig und liefern vorzügliche Hausteine, Brunnen- tröge ete. Bei Oberbuchsiten verwandeln sich die Bänke in ächte Oolithe und enthalten zahlreiche Arten von Gasteropoden, namentlich Nerineen, wovon weiter östlich noch nichts vorhanden war. An der Lägern ist die Zone kümmerlich ent- wickelt, dagegen findet man sie am Randen, namentlich an der Siblinger-Steig N Die Vertheilung der Thierarten: und unweit von Bargen reich an lingulaten Ammoniten; die Myarier aber dringen nicht bis zum Randen vor. Ammoniten im Aargau, Corallen um Olten, Nerineen bei Oberbuchsiten, erlauben uns das Bild jenes alten Meeres vor unsern Augen zu entrollen. - Versteinerungen der Wangenerschichten: Aargauer Jura: Parendea callopora. ” eylindrica. Amorphospongia radieiformis (Sceyph.), Gf. Porospongia impressa (Manon), Goldf. Balanocrinus subteres (Pentae.), Goläf. Pentacrinus ornatus, Moesch. = alternans, Roe. Apioeriniten u. Millericriniten. Pentagonaster jurensis (Asterias), Mü. =, seutatus (Asterias). Goldf. Eugeniaerinus nutans, Goldf. Hoferi, Mü. Cidaris "monilifera, Goldf. „ $Suevica, Des. filograna, Ag. propinqua, Mü. elegans, Mü. tuberculosa, Qu. ceoronata, Goldf. eylindriea, Qu. Rhabdoeidaris nobilis (Cidaris), Mü. e Spatula, Ag. Disaster granulosus. Collyrites capistrata (Spatangus), Goldf. Rhynchonella inconstans (Terebr.), Sow. = triloboides (Terebr.), Qu. Terebratula humeralis, Roe. N Moeschi, May. = bisuffareinata, Schloth. 2 Kurri, Opp. insignis, Schübl. Terebratella lorieata, Schloth. Fleuriausa, d’Orb. Terebratulina substriata (Terebr. ),Schloth. Exogyra subnana (ÖOstrea), Etall. Ostrea gregaria, Sow. Gryphaea alligata, Qu. Hinnites velatus (Spondylus), Goldf. = coralliphagus (Spondylus), Goldf. Pecten oclocostalus, Roe. globosus, Qu. „ subspinosus, Schloth. Umgebungen von Olten u. Oberbuchsiten: Parendea cylindrica. Montlivaltia elongata, Edw. & Haime. 5 subeylindrica, E. & H. Clausastrea parsa, Etall. Pentacrinus alternans, Roe. Cidaris forigemma, Phil. Rhabdocidaris verrucosa, Des. Rhynehonella pinguis, Roe. = inconstans, Sow. £ Asteriana, d’Orb. Terebratula humeralis, Roe. S bieanalieulata, Schloth. Moeschi, May. e bisuffareinata, Schloth. Kurri, Opp. insignis, Schübl. Terebratulina substriata (Terebr.),Schloth. Ostrea gregaria, Sow. Hinnites velatus (Spond.), Goldf. Pecten solidus, Roe. octocostatus, Roe. ‚. articulatus, Schloth. „ subtextorius, Mü. Lima rigida, Desh. „ aciculata, Mü. „ eostulata, Roe. Myotoncha perlonga, Etall. Pinna Saussurei, Desh. Mytilus amplus (Pinna), Sow. Arca bipartita, Roe. „ Janira, d’Orb. „ subtexata, Etall. Cardium semiseptiferum, d’Orb. Trigonia Bronni, Ag. 25 Meriani, Ag. Opis semilunulata, Etall. Pleuromya sinuosa (Lutraria), Roe. Pholadomya acuminata, Hartm. 3: scutata, Ag, truncata, Ag. Cor, Ag. canalieulata, Roe. 54 Aargauer Jura: Pecten lens, Sow. solidus, Roe. demissus, Bean. biplex, Buv. subeingulatus, d’Orb. articulatus, Schloth. subtextorius, Mü. Beaumontinus, Buv. Avicula Argoviensis, Moesch. Lima tumida, Roe. rigida, Desh. aciculata, Mü. alternicosta, Buv. Virdunensis, Buv. Myoconcha perlonga, Etall. Mytilus amplus (Pinna), Sow. Arca Laufonsis, Etall. bipartita, Roe. subtexata, Etall. terebrans, Buv. eoneinna? Phill. Cardium semiseptiferum, Lucina globosa, Buv. „ Wabrensis, Buv. Trigonia Bronni, Ag. Astarte dorsata, Roe. Opis semilunulata, Etall. Psammobia subrugosa (Lavignon), d’Orb. Anatina striata (Cercomya), Ag. Thracia suprajurensis, Leym. Panopaea punctifera, Buv. Goniomya Studeri, Moesch. Pleuromya sinuosa (Lutraria), Roe. Pholadomya acuminata, Hartın. scultalta, Ag. truncata, Ag. Cor, Ag. canaliculata, Roe. antica, Ag. paueiecosta, Roe. decemeostata, Roe. Bulla 'vocoetica, Moesch. „ depressa, "Moesch. Cerithium limaeforme, Roe. Pleurotomaria Antoniae, Etall. millepunctata, Desl. = clathrata acuta, Qu. Serpula Deshayesi, Goldf. alligata, Etall. gordialis, Goldf. Ammonites Streichensis, Opp. Achilles, d’Orb. polyplocus, Rein. „ d’Orb. „ Ammonites Marantianus, d’Orb. falcula, Qu. lingulalus, Qu. tortisuleatus. Altenensis, d’Orb. corona, Qu. Nautilus aganiticus, Schloth. Aptychus lamellosus erassicauda, Qu. „ „ „ Mr latus, v. M. Belemnites semisuleatus,. Mü. Krebsreste. Strophodus subretieulatus, Ag. Umgebungen von Olten u. Oberbuchsiten: Pholadomya antica, Ag. paueicosta, Roe. decemeostata, Roe. Helioeryptus pusillus, A’Orb. Ditremaria discoidea, Buy. Chemnitzia Clio, d’Osb. e athleta, d’Orb. Nerinea Roemeri, Etall. - Bruntrulana, Thurm. contorta, Buy. Ursicina, Etall. sexcoslala, d’Orb. Castor, d’Orb. fusiformis, d’Orb. strigillata, Credener. Deshayesi, Goldf. gordialis, Goldf. Ammonites Achilles, d’Orb. Belemnites semisulcatus, Mü. Strophodus subretieulatus, Ag. : reticulatus, Ag. Gyrodus umbilieus, Ag. Pyenodus eranulatus, Mü. Typodus splendens, Qu. Sphaerodus gigas, Ag. Lepidotus giganteus, Ag. Asteracanthus ornatissimus, Ag. Zähne u. Knochenreste von Sauriern. Serpula Oberer weisser Jura. Kimmeridgegruppe. 6. Letzischichten (Unteres Kimmeridgien). Der Gesteins- und Fauna-Uebergang von den Wangenerschichten in die neue Zone ist ein successiver, weit weniger scharf als zwischen den bis anhin be- trachteten Stufen. Die obersten Bänke der Wangenerschichten färben sich nach und nach gelblich, dann bräunlich, wobei sie mit der intensiveren Färbung gleich- zeitig an Härte zunehmen; endlich erscheinen dünnere plattenartige Bänke und damit beginnt die Zone der Letzischichten. Das Gestein erscheint nun stark gebräunt, ist klingend hart, dicht, ohne Korn, an scharfen Kanten durchscheinend. Man hat noch in neuester Zeit die geschliffenen Platten von der » Letzi« auf dem Bötzberg mit Vortheil zum Lithographiren benutzt. Die Zone ist durch den ganzen Aargau über den Wangenerschichten nach- weisbar und fehlt auch dem Randengebirge nicht; dagegen ist sie bis jetzt um Olten noch nicht bekannt. Eines der schönsten Profile ist folgendes von der Rhyfluh: Nr. 10, a. Letzischichten; dünne harte Kalkschichten mit Balanoerinus subteres, Pholadomya Cor, Ph. complanata, Pleuromya donacina, Anatina magnifica, Goniomya Studeri, Krebs- reste, etc, b. Mergelige Knollenschicht. Obere Grenze der Wangener- schiehten. Seyphien, Rhabdoeidaris Suevica, Rhabdoeid. nobilis, Cidaris tubereulosa, Terebratula bisuffarcinata, Gryphaea alligata, ete. c. Wangenerschichten. Weisse kreidige Kalkbänke; Peeten solidus, Lima acieulata, Pholadomya seutata, Ph. paueicosta, Ph. canalienlata, Am. Achilles, A. lingulatus, A. faleula, etc. d. Obere Crenularisschichten. Gelbe mergelreiche Kalkschiefer mit Rhabdoe. caprimontana. e. Untere Crenularisschichten. Oolithische braune Schichten mit Hemicid. erenularis, Diplopodia Annonii, Collyrites bicordata, Plioladomya tumida, Am. semifalcatus, Am. bimammatus, etc. f. Geissbergschichten. Gelbliche dieke Kalkbänke mit Ostrea caprina, Phol. pareicosta, Ag., Phasjanella striata, ete. g. Schutthalde. = ee Zu den zahlreichsten organischen Resten dieser Niederschläge gehören die (sliederstücke von Balanocrinus subteres; einige Bänke der oberen Grenze sind damit förmlich durchspiekt. Man vermuthet daher wohl mit Recht, dass die unteren Bänke der schwäbischen Gamma-Schichten an der Geisslinger-Steig, welche sich gleichfalls durch ihre Balanoerinitenreste auszeichnen, als die Fortsetzung unserer Zone zu betrachten seien. Wir halten die Letzischichten für das Aequivalent des westschweizerischen unteren Astartien, mit welchem sie eine Anzahl von niederen Thierarten gemein haben. Für gewisse Krebse, Myen und Pecten haben wir keine auswärtigen Parallelen; diese Arten scheinen sich ganz auf die aargauischen Letzischiehten zu beschränken. Die Mächtigkeit der Zone erreicht beiläufig 30 Fuss Mächtigkeit. Register der Petrefacten aus den Letzischichten: Balanocrinus subteres (Pentac.}, Goldf. Astarte dorsata, Roe. Pentaerinus ornatus, Moesch. „ communis, Z. & @. Eugeniacrinus Hoferi, Mü. Nucula Menkei, Roe. Pentagonaster jurensis (Asterias), Mü. Anatina versieostata, Buv. Rhabdoeidaris semispinosa, Des. „ decurtata, Moesch. nobilis (Cid.), Mü. Ihraeia incerla, Desh. Argoviensis, Des. Goniomya sinuata, Ag. Rhynchonella spinulosa, Opp. Pholadomya complanata, Roe. = triloboides, Qu. 4 Cor, Ag. Terebratula Moeschi, May. > seutata, Ag. & bisuffareinata, Schloth. be striatula, Ag. Lingula Sigfridi, Moesch. . echinata, Ag. Pecten subeingulatus, d’Orb. 5 recurva, Ag. „ solidus, Roe. obliqua, Ag. Gervillia tetragona, Roe. Pleuromya donacina, Ag. Lima astartina, Thurm. Natica vieinalis, Thurm. Pinna Barrensis, Buv. Ammonites tortisuleatus, d’Orb. Arca cf. Mosensis, Buv. a Lingulati, sp. ind. „ texta (Cucullaea), Roe. Flexuosi, sp. ind. Lucina lithographica, Moesch. Nautilus aganitieus, Schloth. Trigonia suprajurensis, Ag. Belemnites "semisuleatus, Mü. cf. Suevica, Qu. Eryma cf. radiata, Opp. Astarte Altica, Ctj. Mecochiren und Glyphaeen. 7. Badenerschichten (Weisser Jura, Gamma, Qu.). Den weitverbreiteten Ruf, welchen die Lägern seit Lang und Scheuchzer bei Freunden der Palaeontologie geniessen, verdanken sie dem Petrefactenreich- thum der Badenerschichten. Von den Letzischiehten unterscheiden sich die Nieder- schläge durch ihre eigenthümliche Fauna und ihr vorherrschend mergeliges Ge- stein, welches öfters sehr bunte Färbung zeigt. Aus solchen thonreichen Kalken besteht ein grosser Theil der am Kamme =, und Südabhange der Lägern entblössten Schichten. Am Steinbuck und an der goldenen Wand bilden sie das Gerippe des beinahe vertical aufgerichteten Grates. In diese Zone gehören auch die Mergel, welche in dem Steinbruche zwischen Rieden und Nussbaumen auf den Letzischichten liegen. Zunächst bei Baden setzt die Zone von den Lägern her in der Richtung nach dem Hundsbuck fort, sie enthält auf dieser Erstreckung einige künstliche Anbrüche, von welchen derjenige über der östlichen Mündung des Tunnels durch seine zahlreichen Versteinerungen der bekannteste ist. In den Umgebungen von Endingen fand man früher die Zone an verschiedenen Punkten aufgeschlossen; seit aber die Brüche ausser Be- trieb stehen, sind die Versteinerungen seltener geworden. Die Badenerschichten bedecken auf dem Geissberg den östlichen Theil des Plateau und bilden am Besserstein einen Theil der steil abfallenden Fluh. Bei Braunegg liegen sie am südlichen Fusse der Burg entblösst, folgen von da unter der Schuttdecke dem Südgehänge des Berges bis in die Nähe von Mö- riken. Die letzten Punkte, an welchen sie mit dem Typus der aargauischen Badenerschichten auftreten, liegen zwischen Wöschnau und Schönenwerth bis südlich von der Kirche des letzteren Dorfes und endlich noch über den Stein- brüchen »im Löchli« bei Dänikon. Auf dieser Verbreitung bleibt die Fauna bis nach Schönenwerth hinauf ziem- lich unverändert, am zahlreichsten finden wir das Geschlecht der Ammoniten, worunter sich als typisch für die Zone auszeichnen: Ammonites Lothari, poly- plocus, tenuilobatus und die inflaten Arten: Ammon. eircumspinosus, acanthicus und iphicerus; dann von Brachiopoden und Echiniden: Rhynchonella lacunosa, Terebratula suprajurensis, Callyrites trigonalis und Holectypus Mandelslohi. Die erste Veränderung, welche mit der Fauna vorgeht, bemerkt man in den Niederschlägen westlich neben der Kirche von Schönenwerth. Hier nämlich ver- misst man die Rhynchonella lacunosa und an ihrer Statt erscheint zum ersten Male Pholadomya Protei, eine Myarierart, welche in der Westschweiz als Begleiterin von Pterocera Oceani und Pt. Thirriai bekannt ist und dort in grosser Anzahl auftritt. Gehen wir westlich über Olten hinaus, so finden wir über den Steinbrüchen der Wangenerschichten bei Wangen eiu mergeliges Gestein mit zahlreichen Exem- plaren von Ammonites Lothari, polyplocus und iphicerus; ferner Terebratula suprajurensis, Collyrites trigonalis, Holectypus Mandelslohi und Pholadomya Protei; aber mit diesen typischen Arten der Badenerschichten zugleich: Terebratula humeralis; Exogyra Roemeri; Pinna Banneiana; Cardium eduliforme; Cyprina parvula; Trigonia suprajurensis; Arca texta; Ceromya orbieularis und globosa ; 8 BR: WERE Psammobia rugosa; Anatina helvetica und robusta; Goniomya sinuata; Pholadomya Protei und orbiculata; Phasianella striata; Natica trochlita und turbiniformis; Pterocera Thurmanni und anatipes und endlich noch Serpula medusida, also lauter Arten, welche für das westschweizerische untere Kimmeridgien (Astartien) typisch sind. Dieser Fund bei Wangen setzt die Parallele der Badenerschiehten mit der westschweizerischen Astartenzone ausser allen Zweifel. Hier liegt der Verknüpfungs- punkt der beiden Faunen. Im schwäbischen Jura hat sich Prof. Quenstedt um die Erforschung der Gammaschichten (Badenerschichten) verdient gemacht, von dort tritt die Zone über das Randengebirg und durch die Klettgauerberge nach dem östlichen Aargauer-Jura. Versteinerungen der aargauischen Badenerschichten: Nulliporites Hechingensis (Fucus), Qu. Diastopora orbieulata (Cellepora), Goldf. Chrysaora angulosa (Ceriopora), Goldf. R striata (Ceriopora), Goldf. Amorphospongia cancellata(Scyph.), Goldf. radieiformis (Sceyph.), Gf. Cupulospongia texata (Scyph.), Goldf. rugosa (Scyph.), Goldf. rimulosa (Cnemid.), Goldf. acetabulum (Tragos),Goldf. patella Ce Goldf. pezizoides (Tragos), Goldf. Stellispongia rotula (Cnemidium), Goldf. Chenendopora reticulata (Seyph.), Goldf. 2 radiata (Tragos), Goldf. Forospongia acetabulum (Tragos), Goldf. Parendea calopora (Seyph.), Goldf. r eylindrica (Scyph.), Goldf. ns propinqua (Seyph.), Goldf. Hippalimus verrucosus (Scyph.), Goldf. a rugosus (Scyph.), Goldf. e sregarius (Scyph.), Goldf. AR bipartitus (Spongites), Qu. Be intermedius (Scyph.), Mü. Bronni (Seyph.), Mü. Cnemidium costatum (Seyph.), Goldf. ® lamellosum, Goldf. Goniospongia piriformis (Seyph.), Goldf. ® striata (Sceyph.), Goldf. Porospongia marginata (Manon), Mü. Cribrospongia parallela (Scyph.), Goldf. = reticulata (Sceyph.), Goldf. texturata (Scyph.), Goldf. Cribrospongia cancellata (Sceyph.), Goldf. 5 pertusa (Seyph.), Goldf. Synastrea rotata (Agaricia), Goldf. Turbinolia (Montlivaltia?) lamina, Qu. Pentagonaster jurensis (Asterias), Goldf. ß tabulatus (Asterias), Goldf. scutatus (Asterias), Goldf. 5 punectatus (Asterias), @oldf. Plicatocrinus hexagonus, Mü. Tetracrinus moniliformis, Mü. Comatula scrobieulata (Solanoe.), Mü. Eugeniacrinus piriformis, Mü. nutans, Goldf. % caryophyllatus, Goldf. a Hoferi, Mü. Problematicum Quenstedti, Moesch. Pentaerinus eingulatus, Goldf. Balanocrinus subteres (Pent.), Goldf. Millerierinus astartinus, Thurm. 7 perechinatus, Etall. Apiocrinus similis, Des. N Meriani, Des. annulatus, Qu. rosaceus? Goldf. sutus, Qu. Cidaris filograna. ” eoronata, Goldf. 5 propinqua, Mü. „ elegans, Mü. „ tubereulosa, Qu. „ vallata, Qu. „ Buevica, Qu. „ histrieoides, Qu. ” „ Rhabdoeidaris nobilis (Cid.), Mü. a semispinosa, Des, 2 asperrima, Des. r inermis, Des. inaxima (Cid.), Mü. 3: Orbignyana (Cidarites), Ag. Pseudodiadema Langi, Des. 14 laevi-colle, Des. Hemicidaris fistulosa (Cid.), Qu. Hemipedina Nattheimensis, Des, Magnosia nodulosa (Eehinus), Mü. Collyrites trigonalis, Des, 4 thermarum, Moesch. E capistrata (Spatangus), Goldf. Disaster granulosus (Nucl.), Mü. Holectypus Mandelslohi, Des. Iihynchonella lacunosa (Terebr.), Schloth. > spavsicosta, Opp. dichotoma (Terebr. lac. dich.), Qu. triloboides, Qu. strioeineta, Qu. strioplicata, Qu. n spinulosa, Opp. Terebratula suprajurensis, Thurm. Moeschi, May. pseudolagenalis, Moesch. nucleata, Schloth. pentagonalis, Bronn. & Kurri, Opp. Terebratulina substriata (Terebr.),Schloth. Megerlea pectuneulus (Terebr.), Schloth.: Ostrea hastellata, Schloth. „ gregaria, Sow. „» Quenstedti, Moesch. Exogyra subnodosa, Mü. Spondylus coralliphagus, Goldt. Peeten subspinosus, Schloth. subpunctatus, Mü. „ subtextorius, Mü, „ subsolidus, Moesch. „ subeingulatus, d’Orb. „ eardinatus, Qu. „» Subarmatus, Mü. Himnites velatus (Spond.), Goldf. Mytilus tenuistriatus (Modiola), Mü. ima substriata, Mü, „ notata, Goldf. » Peectiniformis, Schloth. „ rigida, Desh. » Quenstedti, Moesch. „ ovatissima, Qu. Isoarca cordiformis, Langius sp. » Lochensis, Qu. Isocardia subspirata, Mü, Arca Hecabe, d’Orb. Nueula Dewalquei, Opp. » Menkei, Roe. Goniomya ornata (Lysianassa), Mü. Pholadomya acuminata, Hartm. 2 pectinata, Ag. nr Protei, Brogn. Pleuromya donacina, Ag. Natica Georgeana, d’Orb. Nerita jurensis, Mü. Neritopsis Beaumontina, Buv., Turbo tegulatus, Mü. Pleurotomaria suprajurensis, Roe, nr sublineata (Troch.), Goldf. Chemnitzia Danae, d’Orb. Serpula Filaria, Goldf. „ Deshayesi, Goldf. gordialis, Goldf. Ilium, Goldf. planorbiformis, Goldf. „ Delphinula, Goldf. Aptychi; mehrere Species. Ammonites tenuilobatus, Opp. Weinlandi, Opp. canaliferus, Opp. Frotho, Opp. Strombecki, Opp. Fialar, Opp. flexuosus, Mü. compsus, Opp. trachinotus, Opp. Holbeini, Opp. Graenackeri, Moesch. thermarum, Opp. Balderus, Opp. Kapffi, Opp. alternans, Buch. Eudoxus, d’Orb. mutabilis, d’Orb. Moeschi, Opp. Heeri, Moesch. desmonotus, Opp. striolaris, Rein. lepidulus, Opp. irimerus, Opp. stephanoides, Opp. ne platynotus, Rein. ” Galar, Opp. Schmidlini, Moesch. A ceyclodorsatus, Moesch. dentatus, Rein. r Guembeli, Opp. e bidentosus, Qu. Ammonites tortisuleatus, d’Orb. Ammonites Guentheri, Opp. ; nimbatus, Opp. Tiziani, Opp. eircumspinosus, Opp. H colubrinus, Rein. acanthicus, Opp. 2 Lothari, Opp. iphicerus, Opp. = Doublieri, d’Orb. Altenensis, d’Orb. biplex, Sow. Lallierianus, d’Orb. Nautilus aganiticus, Schloth. involutus, Qu. Belemnites” semisulcatus, Mü. polyplocus, Rein. F astartinus, Etall. polyplocus parabolis, Qu. Krebsreste und Fischzähne. Strauchianus, Opp. Mittleres Kimmeridgien. $. Wettingerschichten. Mit den Wettingerschichten treten wir in die mittlere Stufe der Kimmeridge- Niederschläge im Aargau. Sie bedecken den Rücken des Lägernausläufers von Regensberg bis in die Steinbrüche von Sünikon hinunter. Bei Wettingen liegen sie als herabgerutschter Schuttkegel am Fusse der Lägern; näher gegen Baden steigen sie beinahe bis an den Grat des Berges hinauf. Von Rieden ziehen sie als steile Mauer nach dem Hertenstein, verlieren sich gegen Ehrendingen unter den Mollassebildungen und erheben sich erst wieder im Steinbuck. Auf dem Geissberg ist die Zone zwischen dem Besserstein und » Güllenholz « verbreitet. Im Thal zwischen Lengnau und Endingen tauchen sie unter der Mollasse hervor und brechen in dem Gewölbe gegen Baldingen an verschiedenen Stellen zu Tage. Auf Wettingerkalken steht das Schloss » Schwarzwasserstelz « im Rhein bei Kaiserstuhl; jenseits des Stromes verbreiten sie sich am Ufer zwischen Lienheim und Hohenthengen. Bei Umiken (im Kalofen) und bei Braun- egg treten sie in geringer Mächtigkeit zu Tage. Nach längerer Unterbrechung finden wir sie wieder über dem Steilprofil zwischen Wöschnau und Schönenwerth. Bei Regensberg erreichen sie mit 80 bis 100 Fuss Mächtigkeit ihre grösste Entwicklung. Sehr wahrscheinlich haben diese Niederschläge ein Aequivalent von ver- änderter Facies in den Kieselkalken von Nattheim im schwäbischen Jura; von dort her lassen sie sich über das Donauthal durch den Hehgau über den Randen, Rheinfall, Dettighofen, Hohenthengen und Kaiserstuhl, mit stellenweiser Unter- brechung, verfolgen. Soweit wir die Zone kennen, erscheint sie überall mit übereinstimmendem Gesteinscharakter: Dieke weisse Kalkbänke, welche kartoffelförmige Feuerstein- knollen einschliessen, oder ihre Kieselerde an die Versteinerungen abgetreten u haben. Ihre Lager sind nicht selten von Spalten, Höhlen und Triehtern durch- zogen, worin buntgefärbter Bolus oder braune Bohnerze liegen. Die Versteine- rungen sind gewöhnlich prachtvoll erhalten, namentlich die verkieselten; sie be- schränken sich jedoch auf nur wenige Arten, deren grösster Theil schon tiefer vorkommt. Rhabdoecidaris maxima, Cidaris propingna» elegans und coronata; Am- monites Eudoxus und mutabilis kommen zwar schon tiefer vor, aber doch weit seltener als in den Wettingerschichten. Unemidium corallinum ist zahlreich und scheint sich ganz auf diese Zone zu beschränken. Eine ähnliche Umwandlung, wie die vorgeschriebenen Stufen der Malmfor- mation, erleiden die Wettingerschichten auf ihrem Vordringen nach dem west- schweizerischen Jura. Bei Aarburg, am Born und bei Oberbuchsiten finden wir noch Rhabdoeid. maxima, Ammonites Eudoxus und mutabilis; aber schon in sehr untergeordneter An- zahl neben den neu auftretenden Formen wie Pygurus tenuis, Nucleolites Avellana, Pholadomya Protei, Ceromya excentrica, Nerinea Orbignyana u. s. w., welche die Pterocera-Stufe bezeichnen. Diese Vermischung zweier Faunen in denselben Niederschlägen berechtigt uns für beide das gleiche Alter anzunehmen. Versteinerungen der Wettingerschichten zwischen dem Rhein- thal und Aarburg: Goniospongia artieulata (Seyph.), Goldf. s piriformis (Seyph.), Goldf. Chrysaora angulosa (Ceriop.), Goldf. Cribrospongia texturata (Seyph.), Goldf. Rhabdoeidaris nobilis (Cid.), Mü. ; trilatera (Cid.), Qu. trispinata (Cid.), Qu. maxima (Cid.), Mü. ” paradoxa (Scyph.), Goldf. Hemieidaris fistulosa (Cid.), Qu. e obliquata (Spong.), Qu. i conoidea (Cid.), Qu. Pygurus tenuis, Des. 5 clathrata (Scyph.), Goldf. n Schweiggeri (Scyph.), Gf. 7 psilopora (Seyph.), Goldf. Porospongia impressa (Manon), Mü. 2 perforata (Spongites), Qu. Hippalimus rugosus (Seyph.), Goldf. Siphonia radiata, Qu. Nucleolites Avellana, Des. Holectypus Meriani, Des, Pachyelypus semiglobosus (N ucl.), Mü. Rhynchonella Amstedtensis, Fraas. a strioplicata (Terebr.), Qu. Terebratula suprajurensis, Thurm. Cnemidium corallinum, Qu. = Goldfussi, Qu. Pentagonaster seutatus (Asterias), Goldf. m Jurensis (Asterias), Goldf. Eugeniacrinus Hoferi, Mü. Pentacrinus Sigmaringensis, Qu. Cidaris coronata, Goldf. » Suevica, Qu. Parandieri, Ag. „ elegans, Mü. » Propinqua, Mü. Moeschi, May. n pseudo-lagenalis, Moesch. Terebratulina substriata (Terebr.), Schl. Terebratella loricata (Terebr.), Schloth. Megerlea pectunculus (Terebr.), Schloth. Fr peetuneuloides (Terebr.), Schl. Östrea hastellata, Schloth. /„ gregaria, Sow. pulligera ascendens, Qu. Gryphaca alligata, Qu. Spondylus coralliphagus, Goldt. Pecten subspinosus, Goldf. Ammonites orthocera, d’Orb. Lima substriata, Goldf. Br Cartieri, Moesch. Pleuromya Voltzi, Ag. , trachinotus, Opp. Ammonites Eudoxzus, d’Orb. Nautilus aganiticus, Schloth. mutabilis, d’Orb. Aptychus imbricatus, H. v. M. i“ nimbatus, Opp. Belemnites semisulcatus, Mü. Oberes Kimmeridgien. 9. Plattenkalke (Virgula-Stufe). Noch ein Wort über eine Zone, welche weder das vorliegende Blatt berührt, noch auch wegen ihrer geringen Verbreitung an der Lägern auf dem Blatte IM des Dufour-Atlasses*) eingetragen werden konnte. Es ist die Zone des Ammo- nites steraspis (Opp.), das Aequivalent für die » Solenhofer-Kalke« im fränkischen Jura und wahrscheinlich auch für das mächtig entwickelte Virgulien des westschweizerischen Jura. Wir treffen sie in einem kleinen Steinbruche circa 1000 Fuss westlich von Regensberg an dem aufsteigenden Lägernrücken. Die Kalke verdienen hier den Namen » Plattenkalke« weniger als im Hehgau, von wo sie über Schafthausen noch in bedeutender Mächtigkeit auf das linke Rheinufer zwischen Feuerthalen und Flurlingen übertreten, während sie am rechten Ufer bis über Neuhausen hinaus (Steinbruch im Durstgraben) fortsetzen. Die Zone muss von Regensberg noch weiter westlich über die Lägern verbreitet gewesen sein, da das leitende Petre- fact » Ammonites steraspis« ganz in der Nähe von Wettingen in einem gut er- haltenen Exemplare aufgefunden wurde. Damit schliessen wir die Betrachtung über die Niederschläge der Jurameere, um die darüber folgenden Bildungen noch flüchtig zu durchwandern. Zwischen der Jurazeit und der Bohnerzbildung folgt in der Westschweiz die Kreideepoche in so mächtiger Entwicklung, dass ihre Niederschläge kleine Ge- birgszüge zusammensetzen. Während der Bildung jener Periode war der ost- schweizerische Jura von Biel weg über die Gewässer des Kreidemeeres erhoben, unsere Gegend war ein Festland. Erst in einer weit späteren Periode drangen die eocaenen Gewässer in unsere Juraberge und liessen uns als Zeichen ihrer ehe- maligen Herrschaft die Bohnerze zurück. *) Als Theil der von der schweizer. naturforsch. Gesellsch. herausgegebenen geologischen Karte der Schweiz. a III. Bohnerzbildung. Wer sollte im Jura den rothen, gelben und grünlichen Bolus nicht kennen. welcher in Spalten und Höhlungen des weissen Jura bald in stärkerer, bald ge- ringerer Mächtigkeit abgelagert ist und von erbsen- bis faustgrossen Kügelchen und Knollen begleitet wird, deren Eisengehalt so vielfach zu Spekulationen reizte! Das Erz war im östlichen Jura nur selten bauwürdig zu finden, desto häufiger im Bernerjura; seit sich aber die Holzpreise steigerten und die fernen eisen- reichen Länder mittelst der Eisenbahnen näher gerückt sind, hat die Coneurrenz diesen Erwerbszweig beinahe vollständig erdrückt, obschon das schweizerische Bohnerz ein vorzüglicheres Eisen lieferte als die auswärtigen Länder. Eisenarme durch Thon verunreinigte Bohnerze findet man am Süd- und Nord- schenkel der Lägern, beim Kappelerhof unweit Baden, bei Lauffohr, Brugg, Ge- bensdorf, am Reussufer zwischen Windisch und Birmensdorf, beim Lindhof N.W. von der Schambelen und an vielen andern Localitäten. Auf dem Bötzberg trifft man noch jetzt zahlreiche Haufen von Schlacken aus tragbaren Oefen, welche die römischen Cohorten zum Schmelzen des Erzes benutzten. Mit dem Bohnerz kommt am Hungerberg bei Aarau und an den Juraab- hängen bei Lengnau unweit Solothurn ein weisser Kieselsand vor, welcher unter dem Namen »Hupererde« zur Bereitung von Schmelztiegeln gewonnen wird. Die Bohnerzablagerungen enthalten bei Egerkingen und Obergösgen reiche Lager von Knochen und Zähnen ausgestorbener Säugethiere. Hr. Pfr. Cartier hat sich durch das Sammeln der aufgefundenen Reste bei Egerkingen sehr verdient gemacht. Die näher gelegene Localität bei Obergösgen wurde erst vor wenigen Jahren auf’s Neue entdeckt, nachdem diese Stelle seit mehreren Jahrzehnten in Vergessenheit gerathen war. Beifolgender Holzschnitt gibt die Ansicht, welche diese Lagerstätte im Jahr 1857 bei der neuen Entdeckung bot. 1. Gelber reiner Bolus mit wenig und kleinen Bohnerzkügelchen. 2. Reiner gelblicher Kieselsand. 3. Grobe dunkle Bohnerze mit Knochen und Zähnen vermischt; die Thier- reste gewöhnlich von dunkeln Thonen mit kohligen Beimischungen umhüllt. Lagerstätte eocaener Thierreste im Bohnerz bei Obergösgen. Beide Lagerstätten lieferten ein sich gegenseitig ergänzendes Material für die Kenntnisse der eocaenen Thierwelt. Es gehört nicht zu den geringsten Ver- diensten des ausgezeichneten Gelehrten, Prof. Rütimeyer in Basel, die Gestalten der aufgefundenen Thierarten restaurirt vor unsere Augen geführt zu haben*). Er nennt von Obergösgen: Hufthiere: Palaeotherium magnum, Cuv.; P. medium, Cuv.; P. latum, Cuv.; Palaeotherium crassum, Cuv.; P. eurtum, Cuv.; Propalaeotherium par- vulum, Rütim.; Anaplotherium commune, Cuv. Carnivoren: Viverra, verwandt mit Viverra parisiensis, Cuv.; Pterodon dasyuroides, Blainv. IV. Mollassebildung. Die Tertiärbildungen unseres geologischen Gemäldes sind Ablagerungen von Süsswasser-Seen und von marinen Gewässern; sie tragen den Charakter von Strandbildungen, welche die höheren Gräte des Gebirges nirgends erreichten, woraus man schliessen darf, dass diese Gräte als Inseln aus den Molassemeeren hervor ragten. *) Dr. L. Rütimeyer: Eocaene Säugethiere aus dem Gebiete des schweizer. Jura. (Denk- schriften, Bd. XIX.) A 1. Untere Süsswassermollasse. Auf den Bohnerzen, oder wo diese fehlen, folgen auf den obersten Jura- kalken rothe, violette, grüne und graue Mergel, wechselnd mit grauen Sandstein- bänken, welche selten bedeutende Widerstandsfähigkeit zeigen; tritt aber dieser ausnahmsweise Fall ein, dann liefern die Sandsteine ein vortreffliches Baumaterial. Wir haben ein solches Beispiel in den neuen Steinbrüchen bei Mellingen, unweit von unserer Kartengrenze. Ueber den Mergeln beobachtet man öfters Ausscheidnungen von harten kalk- und kieselreichern Knauern, welche an Halden und Steilprofilen treppenartige Vorsprünge bilden. Die Zone umschliesst in Nord, Ost und Süd die Lägernkette, bis in die Nähe des Limmatdurchbruches bei Baden auch auf der Westseite. Vom Kappeler- hof bis Turgi ist sie von der Limmat angeschnitten, ebenso auf der Erstreckung zwischen dem Kloster Wettingen und der Stadt Baden. Sie isolirt den Heiters- berg auf der Ost- und Nordseite, erfüllt das Querthal von Baden bis an die Reuss zwischen Mellingen und der Lindmühle und setzt jenseits des Flusses unter dem Geröllen bis Scherz und Braunegg fort. Zwischen Rein und Brugg folgt die untere Süsswassermollasse dem Fusse des Bruggerberges in geringer Mächtigkeit, bis gegen Umiken hin, ohne jedoch das Dorf zu erreichen. Bei Biberstein steigt die Zone bis auf eine Höhe von mehreren Hundert Fuss am Südhange des Jura hinan. Versteinerungen sind selten, man findet bei Wettingen verdrückte Planorben und Helieiten, oder auch Reste kohligen Holzes; am Hungerberg bei Aarau, unweit östlich von der Stelle an welcher der Erzbach den Wald verlässt, Reste von Unionen und Schildkröten. Die Gewässer, aus welchen sich diese Sedimente absonderten, bedeckten nicht nur das schweizerische Mittelland bis an den Fuss der Alpen, sondern sie ver- breiteten sich noch weit über die bayrische Hochebene hinaus. 2. Mainzerstufe. Nach Ablagerung der Süsswasserbildung trat eine Senkung des Bodens ein, welche die Rheingegenden, einen Theil Frankreich’s, sammt der nordwestlichen Schweiz und das östliche Deutschland umfasste. Marine Gewässer erfüllten diese Vertiefungen und hinterliessen auch unweit unserer Kartengrenze ihre Spuren als röthlicher harter Kalkstein bei Ueken, Herznach und Wöltliswyl mit zahlreichen 3 theilweise mit Schalen erhaltenen Versteinerungen, wovon sich die gewöhnlichsten auf folgende Arten vertheilen: Nerita Plutonis, Bast.; Nerita Moeschi, May.; Natica helicina, Broc.; Mo- dulus Escheri, May.; Trochus magus, Don.; Conus Mercati, Broc.; Murex cristatus, Broc.; Melanopsis citharella, Mer.; Cerithium Zelebori, Hoern.; C. papaveraceum, Bast.; Turritella turris, Bast.; Calyptraea Chinensis, Lin.; Vermetus intortus, Lam.; Arca barbata, Lin.; Ostrea caudata, Mü. 3 Muschelsandstein. Ueber der Mainzerstufe folgt eine zweite marine Ablagerung, welche sich palaeontologisch und vorzüglich petrographisch von der genannten Zone unter- scheidet; es ist der bekannte » Muschelsandstein«, dessen Bänke an gewissen Punkten ein ausgezeichnetes Baumaterial liefern. Im Plateaujura beschränken sich seine Niederschläge auf eine geringe Ent- wicklung an der Letzi (Bötzberg); im Kettenjura ist er mit Ausnahme der Um- gebungen von Umiken und Villnachern unbekannt, desto bedeutender entwickelt in der Nähe der Juraausläufer zwischen Zofingen und Würenlos. Auf dieser Linie finden wir den Muschelsandstein in den Bergen von Safenwyl, Lenzburg, Othmar-. singen, Mägenwyl, Neuenhof, Würenlos, Niederhasle u. s. w. Die Niederschläge wachsen oft zu bedeutender Mächtigkeit an; die diekeren Bänke finden sich gewöhnlich in der Mitte, sie liefern gesuchte Brunnentröge, Quader, Ecksteine, Fenster- und Thürgestelle etc. Oben und unten herrschen plattige dünnere Bänke vor. Das Muschel-Conglomerat hält die Mitte zwischen Sandstein und Kalkstein, ist von grauer oder ölgrauer Farbe und von bedeutender Festigkeit. Zahlreiche oliven- und smaragdgrüne Körner liegen zwischen den Schalen-Trümmern und hellen Quarzkörnern eingestreut. Die Niederschläge bei Villnachern (Kalofen am Bötzberg) sind ausnahms- weise röthlich gefärbt, durch Eisenoxydhydrat. Mehrere lange Stollen, welche das Gestein im Berge durchschneiden, zeugen von der Thätigkeit der alten Be- wohner von Vindonissa; der Muschelsandstein dieser Localität wurde von ihnen zu Mühlsteinen verarbeitet. Eine andere Facies trägt die marine Bildung an den Localitäten, wo ihnen das Kalkcement fehlt, wie bei Ehrendingen, im Siggen- thal, bei Gebensdorf, Oberburg, am nördlichen Fuss der Habsburg, bei Wallbach (gegenüber vom Bad Schinznach) Umiken, Brugg und Rein. Diese letztere Facies unterscheidet sich durch ihre geringere Härte, durch den Mangel an Muschelresten und durch eine gleichmässige graue oder grünliche Färbung; sie enthält ebenfalls die grünen Körner eingestreut wie das rauhe Muschelconglomerat. Fischzähne, von den Landleuten » Vogelzungen« genannt und Austerschalen sind in dieser Facies beinahe die einzigen organischen Reste, während das Muschel- conglomerat beinahe aus lauter Schalthierresten, Knochentrümmern und Fisch- zähnen besteht. Bei Umiken und Siggenthal enthält die Zone einige Bänke reiner Nagelfluh, mit welchen zugleich zahlreiche Schalen von Austern vorkommen. Bei Endingen liegt die marine Mollasse im Contact mit dem oberen weissen Jura, dessen Bänke von den Pholaden des Tertiärmeeres an vielen Stellen angebohrt sind. Die gewöhnlichsten Versteinerungen des Muschelsandsteins sind: Natica helicina, Broc.; Trochus patulus, Broc.; Conus canaliculatus, Broec.; Conus Brocchi, Bronn.; Cassis sulcosa, Lam.; Ficula clava, Def.; Ficula condita, Brong,; Auricula buceinea, Broc.; Turritella turris; Bast.; Proto cathedralis, Brong.; Pholas rugosa, Broc.; Mactra triangula, Broc.; Tapes helvetica, May.; Tapes vetula, Bast.; Pectunculus insubrieus, Broc.; Cardium multicostatum, Broc.; Cardium commune, May.; Pecten ventilabrum, Goldf. ; Pecten palmatus, Lam.; Ostrea virginica, Gmel.; Ost. palliata, Goldf.; Ost. undata, Lam.; Scutella Paulensis, Ag. Die höheren Thierreste gehören folgenden Arten an: Halianassa Studeri, H. v. M.; Delphinus canalieulatus, H. v. M.; Tapirus helveticus, H. v. M.; Mastodon und Palaeomeryx. Fischreste der Arten: Carcharias, Lamna, Galeus, Notidanus, Hemipristis und von Aetobatis. Man findet vom Festlande eingeschwemmte Seeigelstacheln, Apioeriniten, Zoophyten und Belemniten vermischt mit obigen Resten. 4. Obere Süsswassermollasse. Die mächtigen Ablagerungen der obertertiären Süsswassergebilde unterscheiden sich in ihrer Zusammensetzung kaum von der untern Süsswassermollasse. Graue Sandsteine, bunte Mergel und stellenweise ausgeschiedene Kalkbänke treten ın regellosem Wechsel übereinander auf. Für die bunten Mergel kennt man bis jetzt noch keine Verwendung, auch der Sandstein ist nur in seltenen Fällen von der nöthigen Festigkeit, um für Bauzwecke benutzt werden zu können; dagegen liefern die Kalksteine einen ge- suchten Wetterkalk. re Die organischen Reste sind strich- oder nesterweise ausgeschieden, sie bestehen im Sandstein vorzüglich aus Pflanzenabdrücken, während die Süsswasserconchilien zahlreicher in den Kalklagen vorkommen; die Pflanzen erscheinen im Kalke nur an wenigen bevorzugten Stellen. Höher organisirte Thiere wie Insekten, Fische, Schildkröten, Eidechsen, Mastodonten u. s. w. gehören zu den Seltenheiten. Einzelne Schmitzen von Braunkohle kommen allenthalben vor, sind aber nur in seltenen Fällen bauwürdig. Die Süsswasserzone überlagert am Bruggerberg den austerreichen Muschel- sandstein, sie setzt durch das Thal unterbrochen im Plateau zwischen Siggenthal und Endingen fort; sie bildet die Höhen zwischen dem Wehnthal und Rhein und diejenigen, welche zwischen Habsburg und der Limmat in die Flussthäler vor- springen. Südlich und östlich von unserer Karte erreichen ihre Niederschläge bis an Tausend Fuss Mächtigkeit, selbst noch bei Siggenthal bilden sie eine an- sehnliche Terrasse bis an das Plateau hinauf. Der Siggenthalerberg bildet eines der interessantesten Mollasseprofile. Wir sehen daselbst die Tertiärbildungen noch mächtig entwickelt. Zu unterst kommen die bunten Mergel der untern Süsswassermolasse an der Reuss bei Turgi zu Tage, bis gegen Kirchdorf hin tritt durch die Flussterrasse eine Unterbrechung des Profiles ein. Oestlich vom Dorfe erhebt sich die marine Zone am Bergabhange in welligen Terrassen bis zu sechzig Fuss über die Ortschaft; darüber folgt lockerer glimmerreicher Sandstein der oberen Süsswasserzone, von unreinen Kalklagen durchzogen, dann folgt ein lockerer von harten Knauerbänken durch- spickter Sand bis zur Höhe des bewaldeten Plateau. Wenige Fuss über den genannten unreinen Kalklagen, welche viele Planorben, Heliciten und auch Reste von Schildkröten enthalten, geht ein 4 Zoll dickes graues Kalkbändchen zu Tage, welches eine Menge von Pflanzenblättern und Früchten enthält. Dieses Bändchen, in welchem der Abdruck einer Käterflügeldecke sich vorfand, scheint seinem Inhalte nach ein mit dem Oeningerkalk übereinstimmendes Alter zu haben. Beistehender Holzschnitt veranschaulicht das Mollasse-Profil bei Siggenthal: ZU 2: Nr. 12. a. Gletscherschutt. b. Lockerer Sandstein der oberen Süsswassermollasse 27,00 M. e. Kalkband mit Pflanzen u. Insekten . 0,12 d. Lockerer Sandstein der oberen Süss- j WARSENIO ABB en 9,00 e. Sandstein mit eingelagerten Kalkbän- dern, voll Limneen, Planorben u. Heli- ceiten (obere Süsswassermollasse) . . 10,00 Fa f. Mariner Sandstein, von härteren Platten durehzogen, mit Ostreen . . . . . 12,00 9 9. Nagelfluh mit Ostren . . . . . . 7,00 h. Knauersandstein der untern Süsswasser- plan rs 24,00 Ion NERIIFERNEHENEM HH 5 en AESÄUSATERE N. Das Kalkbändchen e lieferte bis heute folgende Reste: Podogonium Lyellianum, Hr.; Podog. Knorri, Hr. (Früchte und Blätter); Cinnamomum lanceolatum , Ung.; ©. Scheuchzeri, Hr.; Populus mutabilis ovalis, Hr.; Pop. mutabilis, Hr.; Acacia Oeningensis, Hr.; Salix Lavateri, Hr.; Salix angusta, A. B.; Potamogeton Eseri, Hr.; Melolonthites Moeschi, Hr. (Käferflügeldecke) Fischschuppen und Gräten. Nahe verwandte Blätter sind durch die ganze Zone, namentlich in den Knauern der Sandsteine, verbreitet. Der tiefere Süsswasserkalk e enthält: Limneen, Planorben, Neriten, Melanien, Paludinen und Helieiten nebst Asseln von Schildkrötpanzern. >. Juranagelfluh. Die Tertiärformationen enthalten zuweilen einzelne Bänke von Nagelfluh oder zerstreute Gerölle zwischen dem Sandstein eingestreut. Diese Gerölle sind fast alle von unbestimmter Herkunft, jedenfalls sind sie den Jurabildungen fremd. Die Juranagelfluh enthält von diesen Fremdlingen höchstens ein bis zwei Pro- zente, während die übrigen 98 aus jurassischen Gesteinen des rings anstehenden Gebirges bestehen. Ihre Gerölle erreichen selten Kopfgrösse, gewöhnlich sind sie nicht grösser als eine Faust; sie liegen eng aneinander durch sandiges Cement er 2 zu harten Bänken verbunden, ohne hohle Räume oder Löcher zwischen sich zu lassen. Feinere Sandstraten, ebenfalls fest verkittet, durchziehen die Nagelfluh an vielen Stellen und liefern auf dem Bötzberg gesuchte Platten für Treppen, Mauer- deckel ete. Die Gemengverhältnisse der verschiedenen Kalkgerölle wechseln mit den Localitäten; wo weisser Jura in der Nähe ansteht, herrschen ihre Kalke in der Nagel- fluh vor; wo brauner Jura daneben vorkommt, liefert dieser die Hauptbestandtheile. Die Nagelfluh des östlichen Bötzberg-Plateau enthält folgende Gemengtheile: Gerölle der Letzischichten . ; : a ea. 60 %. von fremden Gesteinen . 5 R le: der Geissbergschichten . £ SE RT; der Wangenerschichten . > ’ a des Hauptrogensteins E \ : BREI... der Variansschichten B E ; RD Die Juranagelfluh lagert aut dem Locale, auf welchem sie durch stark be- wegte Gewässer gebildet wurde. Vor Ablagerung der Nagelfluh scheint der nörd- liebste Grat des aargauischen Jura als niederer Wall aus den Fluthen geragt zu haben und vom Tafellande durch eine Mulde getrennt gewesen zu sein. Jn dieser Mulde zwischen einem Berggiebel und dem Tafelland wurden die Gerölle abgelagert; nach ihrer Verkittung schob sich sodann bei einer späteren Hebung der angrenzende Gebirgswall über einen Theil der Juranagelfluh in der Weise, wie wir solehes in den Profilen von Linn bis Wölfliswyl gezeichnet finden. Ausser Fragmenten von Stoss- und Backzähnen eines Mastodonten, welche kürzlich zwischen Villnachern und Umiken gefunden wurden, kennt man keine organischen Reste aus der Juranagelfluh. Diese Nagelfluhbildung bedeckt den ganzen Bötzberg und zieht sich von da zwischen der nördlichsten Kette und dem Tafelland über Zeihen, Densbüren, Herznach und Wölfliswyl bis in die Nähe von Kienberg. Grössere Verbreitung hat sie auf dem badenschen Gebiete zwischen der Küssaburg und dem Klettgau. 6. Helicitenmergel. Als jüngste Niederschläge der Tertiärepoche sind die rothen plastischen Mergel zu betrachten, welche auf dem Bötzberge und von da bis nach Wölflis- wyl stellenweise, bald in grösseren oder kleineren Fetzen auf Juranagelfluh lagern. Sie sind ebenfalls ein Süsswasserprodukt und zeichnen sich durch ihre Unfrucht- barkeit als öde Strecken Landes zwischen den gesegneten Wiesen und Waldungen aus. Zr An vielen Punkten enthalten sie zahllose Steinkerne von Landschnecken, wo- von wir Helix moguntina und Helix expansilabris, Sandb. hervorheben. Mit den Helicitenmergeln schliesst die grosse Tertiärepoche, deren manigfaltige Gliederung dem Naturforscher zahlreiche Räthsel bietet. V. Quartärbildungen. (Gletscherzeit). - Diluvium. Wir haben bis jetzt die geschichteten Gebirge stufenweise von den ältesten bis zu den jüngsten Niederschlägen durchwandert und haben gesehen, wie eine Epoche der andern folgt, und wie sich in jeder derselben eine eigene Thier- oder Pflanzenschöpfung entfaltet. Mit den Quartärbildungen treten wir in eine Epoche, welche sich für die Auf- nahme des Menschengeschlechtes vorbereitet. Die stehenden Gewässer haben sich zurückgezogen, überall erblickt man Festland; aber was für ein Land, nichts als Schnee und Eis, aus denen sich trübe schuttbeladene Flüsse wälzen. 1. Uetliberg-Conglomerat. Auf den Ebenen des Bruggerberges, des Gebensdorfer-Horns und des Heiter- bergs, in den Schluchten des Teufelskellers bei Baden, auf dem Uetliberg und Irchel lagern grosse Massen von hart verkitteten Geröllen. Zuweilen findet man zwischen der Nagelfluh schichtenartige Ablagerungen von Sand, oder man trifft Höhlen, wie am Gebensdorfer-Horn, welche sich durch Auswittern der Sandlager gebildet haben. Man hält diese Geröllablagerungen für dasjenige Material, welches zur Zeit der allgemeinen Eisherrschaft in unserer Ge- gend sich in den Gletscherflüssen bildete. 2. Fündlinge aus der Gletscherzeit. Die erratischen Blöcke auf der Staffelegg-Höhe (alpine Kreide) die Glimmer- sehieferhlöcke im Bette der Sisser oberhalb Frick, die mächtigen Granit- und Sernfblöcke auf dem Bruggerberg oberhalb dem Dörfchen Rein sind alle auf dem Rücken der Gletscher, welche damals von den Alpen bis in die Thäler jenseits der Juraketten reichten, an die Lagerstellen getragen worden, an welchen sie jetzt gefunden werden. Die Schuttwälle voll ungerollter Blöcke am Lägern- Se fuss bei Sünikon und bei Würenlos, die Wälle im Reussthale zwischen Birmens- dorf und Mellingen und die Steinmaden auf dem Siggenthalerberge sind Reste alter Moraenen, welche am Rande des schmelzenden Gletschers abgesetzt wurden. 3. Löss. Der gelbe glimmerweisse Löss, welcher aus einem Gemische von Sand und Lehm grosse Anhäufungen im Rheinthale zwischen Basel und Mainz bildet und durch seine zahlreichen Einschlüsse von Knochenresten des Rhinoceros und Mam- muthelephanten bekannt ist, soll der Schlammsand des Gletscherbodens sein, welcher beim Furchen und Schleifen während des Vorrückens auf dem Unter- grunde entstand. Wir sehen heute noch die trüben Gletscherbäche mit ähnlichem Materiale beladen, so dass die Ansicht eine Berechtigung haben mag. Wir kennen den Löss in der Nähe unserer Kartengrenze nur in der Wöschnau bei Aarau abgelagert; er enthält die bekannten Lössschnecken, welche sich auch im Rhein- thal finden: Helix arbustorum, Helix hispida, Pupa muscorum und Suceinea oblonga. 4. Klussterrassen. Die Thäler des Rheins, der Aare, Limmat und Reuss waren in einer Zeit bis zu einer gewissen Höhe mit alpinen Gesteinen erfüllt, deren Transport in die Thäler aus der Gletscherzeit stammt. Ueber diese Schuttmassen wälzten sich langsam die Gewässer und ebneten deren Bett. Da aber bei einem langsamen Ab- fliessen das Wasser nicht die nöthige Stosskraft hat, um sich ein tiefes Bett zu graben, wie die heutigen Flüsse solche besitzen, so kam man zur Annahme, dass eine Continentalhebung stattgefunden haben müsse, die den Flüssen und Strömen ein rascheres Abfliessen nach den Meeren ermöglichte. Wenn wir aber annehmen, dass die Kraft des Wassers in gleichen Verhältnissen zunahm wie die Belastung desselben durch Schutt, Schlamm, Geröll, Sand u. s. w. sich verminderte, so kommen wir ebenfalls zu einer Erklärung für die Terassenbildung. Wir haben drei Terrassen in der Karte verzeichnet; die höchste muss folge- richtig das älteste Flussbett sein, sie liegt circa 150 Fuss über dem jetzigen Wasserspiegel. Unter dieser tritt eine zweite näher gegen die Flüsse vor; die jüngste bildet die Ufer der heutigen Bette. Wir müssten nun zur Erklärung derselben nach der vorgenannten Theorie drei Continentalhebungen voraussetzen, was immerhin seine Schwierigkeiten haben dürfte. Nehmen wir dagegen an, dass die Flüsse nach langer Nässe wieder stark belastet nach den Thälern flossen und ihr altes Bett erhöhten, und dass nach — 73 ihrer Entlastung auch die Stosskraft wieder zurückkehrte, so ist dies eine Erklä- rung, welche für die Verhältnisse unserer Gegenden näher zu liegen scheint. 5. Gold in den Flussterrassen. Wie lange die Goldwäscherei in die Geschichte zurück führt, ist uns unbe- kannt; nur so viel ist gewiss, dass sie nie in grossem Massstabe betrieben wurde. Die Blüthezeit derselben fällt in die Jahre zwischen 1825 und 1835; seit- dem kam sie sehr in Abnahme, da der Ertrag mit den Preisen für den Lebens- unterhalt in keinem Verhältnisse mehr steht. Das Gold wurde hauptsächlich m den Klingen und Schächen zwischen Aarau und Waldshut ausgewaschen. Dasselbe liegt mit Magneteisensand zwischsn Fluss- sand und Geschieben als feine Flimmerchen vertheilt. Greift der Fluss die alten Schächen an, so trägt er den leichteren Sand weiter als den schwereren. Diese Ver- hältnisse kennt der Goldwäscher und sucht für seine Wäsche stets solche neu angelegte Klingen in der Nähe der angegriffenen Ufer. Um sich ein Urtheil über den Gehalt zu verschaffen, greift er mit der Wurfschaufel in den neu an- geschwemmten Sand, schwingt die Schaufel unter dem Wasser mit geübter Hand und untersucht den Rückstand, welcher auf der Schaufel liegt. Findet er 10 bis 20 Goldflimmerthen, so beginnt er mit dem Waschversuche. Der Apparat, dessen er sich zum Waschen des Sandes bedient, ist sehr ein- fach. Ein 4 bis 5 Fuss langes Brett mit Seitenrahmen und vier Beinen, deren zwei hintere etwas höher gestellt werden als die vorderen, wird mit Flanell belegt; über dem erhöhten Brettende hängt ein Weidenkorb — einer Schaukel ähnlich — welcher dazu dient, den zu waschenden Sand aufzunehmen. Ist der Stuhl am Wasser aufgestellt, so wird der Korb mit dem Waschsand mittelst einer Wurfschaufel gefüllt und Wasser nachgegossen; dadurch schwemmt das Wasser den feineren Sand auf das Tuch und bleibt so nach dem spezifischen Gewichte auf dem Tuche liegen. Begreiflich bleibt der schwerere Sand in der Nähe des Korbes liegen, während der leichtere durch das Wasser vom Tuche weggespült wird. Hat der Goldwäscher eirca 10 Kubikfuss auf diese Art durch- waschen, so hebt er das Tuch vom Brette und spült den goldhaltigen Sand in ein hölzernes Gefäss. Mit einigen rotirenden Bewegungen wird der leichtere Sand nochmals fortgeschafft und das Gold bleibt nebst Magneteisensand, Granaten, Zirkon, Beryll, Quarz und andern schweren Mineralien im Gefässe zurück. Durch Hinzugiessen von Quecksilber wird das Gold als Amalgam erhalten, bleibt nach dem Verdampfen des Quecksilbers als graue poröse Masse zurück und 10 SIE = wird in dieser Gestalt in den Handel gebracht. Ein fleissiger Goldwäscher ver- dient jetzt höchstens einen Taglohn von Fr. 2.50, während vor dreissig und vierzig Jahren, nach lange anhaltendem Hochwasser, acht bis zwanzig Franken per Stuhl, mit zwei Mann Bedienung, täglich verdient wurden. Der Erlös für das reine Gold beträgt per Gran 14 bis 15 Centimes; man kann daher annehmen, dass 70 Kubikfuss Sand 16 bis 17 Gran Gold enthalten. Nach einem Waschversuche, welcher zur Ermittlung der Verhältnisszahlen ge- 32 Gold a 10,000,000,000 Rohmaterial. glänzenden Schüppchen und stammt offenbar aus zerstörter alpiner Nagelfluh und ihren Cementen. Das Gold erscheint in feinen macht wurde, ergaben sich 6. Lehm. Der Lehm ist das Zersetzungsprodukt, welches sich aus der Verwitterung der Sedimente und der Gesteine des Grundgebirgs fortwährend bildet, wesshalb er ebensowohl dem Diluvium als dem neuern Alluvium angehört. Wir finden in Thälern und auf Höhen vereinzelte Lehmablagerungen, jedoch meist nur in sehr beschränktem Umfange. Alluvium. (Neueste Bildung.) Mineralische Produkte, welche sich vor unsern Augen fortwährend durch Einfluss von Wasser erzeugen, sind: Kalktuff, Morasterz und Torf. 1. Die Kalktuffablagerungen sind Niederschläge aus kohlensäurehaltigem Wasser. Dieser feine Kalkschlamm lagert sich auf Blätter, Sträucher, Steine u. s. w. und erzeugt einen naturgetreuen Abdruck von seiner Unterlage. Die rindenartigen Kalktuffablagerungen nennt man Stalaktiten, im Gegensatz zu den Stalagmiten, unter denen die zapfen- und säulenförmigen Bildungen verstanden werden. In grösseren Ablagerungen liefert der Kalktuff ein vorzügliches Baumaterial, wie z. B. bei Mülligen an der Reuss und östlich davon bei der Lindmühle. 2. Morasterz oder Raseneisenerz findet sich am Bötzberg auf altem Waldboden, besonders Lehm- schichten, wo das Wasser sich in Tümpeln sammelt. Morasterze sind Niederschläge von Eisen, welches aus den Gebirgsarten durch organische Säuren gelöst war. En 3. Torf finden wir auf unserem Blatte nur in geringer Qualität bei Nussbaumen. Der Torf entsteht durch chemische Umwandlung gewisser Pflanzen in Humussäure und Kohle. E 4. Quellen. Im innigsten Zusammenhang mit den orographischen Verhältnissen der Gebirge und Thäler stehen die Quellen; sie dürfen daher bei der geologischen Beschreibung einer Gegend nicht unberücksichtigt bleiben. Unser Gebiet enthält zweierlei Arten von Quellen, deren Verschiedenheit und Werth ganz von den Gebirgskon- struktionen abhängig ist. Wir unterscheiden kalte Quellen und Thermen. Die kalten Quellen liefern das Trinkwasser und die Thermen unsere Heil- quellen; dem Ursprunge beider Arten liegen die gleichen Bedingungen zu Grunde. Quellen bilden sich im geschichteten Gebirge, indem das Tagwasser als Regen, Thau, Nebel und Schnee eindringt, sich in Klüften und Gesteinsspalten vorerst zu Tropfen sammelt, dann zu Fäden vereinigt, aus denen endlich, durch Zusam- menfluss vieler Fäden, eine Quelle entsteht, welche so lange nach der Tiefe geht, als die Gebirgsverhältnisse gestatten. Wird die Gesteinsbeschaffenheit für das Wasser undurchdringlich, so folgt es dieser Unterlage so lange, bis sich ihm ein Ausweg an den Bergabhängen oder in den Thälern öffnet. a. Kalte Quellen, Die dem Südhange der Juraketten entfliessenden Quellen liefern ein gleich- mässigeres Wasserquantum als die Quellen des Tafellandes. Die vielen Schichten- faltungen der Ketten sind ganz geeignet, das Wasser lange zurückzuhalten, was bei den gleichmässig fallenden Schichten der Plateaux weniger möglich ist. Im Tafelland dringt das atmosphärische Wasser nur in geringem Quantum in das Gebirge, der grösste Theil fliesst rasch auf den sanftgeneigten Schichten nach den Thälern und dem Stromgebiete des Rheines zu; daher rührt das schnelle Steigen und Fallen der Bäche und Flüsse in den Thälern des Tafellandes, der Wassermangel in trockener Jahreszeit und die Ueberschwemmungen nach einigen Regentagen. Das geringe Quantum Wasser, welches von der Erde aufgenommen wird, findet bei seinem Einsinken Widerstand an Mergellagen, Schieferbildungen und thonreichen Kalken. Die Ermittlung dieser wasserdichten Schichten ist dess- halb beim Aufsuchen von Quellen von grösster Wichtigkeit. Auch die Lehmlager, welche dem Diluvialgerölle gewöhnlich zu Grunde liegen, sind vortrefflliche Quellen- sammler. Auf diesen treten die Mühlbäche bei Mülligen und bei der Lindmühle Er an der Reuss zu Tag. Auf den Mergeln der Mollasse erscheinen die Quellen des Bruggerberges, des Siggenthals, der Umgebungen von Lenzburg, Zofingen u. s. w. Im Kettengebiet und im Tafelland sammelt sich das Wasser vorzüglich auf den Effingerschichten, auf den Opalinusthonen, Liasschiefern, auf den Keuper- mergeln und den Wellenbildungen. b. Warme Quellen. Die warmen Quellen bilden sich aus tiefer in die Erde eingedrungenem atmosphärischem Wasser als die kalten Quellen; dasselbe nimmt die höhere Tem- peratur des Bodens an und tritt durch Spalten aufsteigend zu Tage, während umgekehrt die kalten Quellen an den tiefsten Stellen ihres Laufes aus den Bergen treten. Die Thermen von Baden und Schinznach entfliessen den Triasbil- dungen, die ersteren dringen wahrscheinlich auf einer Thalspalte, welche die Auf- risslinie des Gebirgszuges schneidet, zu Tage. Der Thalkessel von Baden wurde schon von Hın. Prof. Mousson in einer Skizze erläutert; beifolgendes Profil ist nur eine Wiederholung jener Darstellung. Die normale Schichtenfolge beider Gewölbeschenkel zeigt: i Nr. 13. Lägern. Hertenstein. 1 S ı \ i h ' ' l f ' ' f N r f {} 1 ' ' INN) N a. Mollassesandstein. e. Brauner Jura. b. Wettingerschichten. f. Lias. c. Oberer u. mittlerer weisser Jura. g. Keuper. d. Unterer weisser Jura. h. Muschelkalk eingeschaltet. u Der Wärmegrad der Thermen von Baden beträgt 47° C. Nach dieser Tem- peratur zu schliessen und nach den bisherigen Erfahrungen über die Zunahme der Bodentemperatur gegen das Erdinnere muss das Mineralwasser von Baden aus einer Tiefe von mehr als ein Tausend Meter aufsteigen, also aus Gebirgsschichten, welche mindestens dem Alter des bunten Sandsteins angehören. Die Therme von Schinznach liegt auf dem gleichen Gebirgsaufrisse, wie diejenige von Baden. Ihre Temperatur schwankt zwischen 28,5 ° C, und 34,8°C. Sie entfliesst einer Spalte des Muschelkalkes und scheint sich eben- falls auf dem Kreuzungspunkte zweier Gebirgsrisse zu erheben. Zur Vergleichung mit den Gebirgsverhältnissen um Baden setzen wir das (ebirgs-Profil der Umgebung von $chinznach bei. Nr. 14. 2 E ER ü 7] (2 — VDE NN / n Süd. 7 ; —_ 9% En Mi b F a j 2 H h i \ 3 ae j i I H = S 24 7 > ‘ \ R @ 22, e d € a, Muschelkalk (über die jüngeren Bil- e. Birmensdorfer- und Effingerschichten. dungen geschoben). f. - Geissberg- und Crenularisschichten. b. Keuper- und Lettenkohlegruppe. 9. Mollasse. e. Lias. h. Thermalquelle. d. Brauner Jura. Die Temperatur des Wassers weist für den Ursprung der Schinznach-Quelle eine Tiefe von mindestens 700 Meter; damit erreichen wir wie bei Baden die Formationen, welche der ältesten Trias angehören, vorausgesetzt, dass wirklich der bunte Sandstein hier und bei Baden unter dem Muschelkalke folgt und nicht etwa schon Gneis oder gar ältere Bildungen darunter anstehen, worüber man keine . Gewissheit hat; denn im Ketten-Jura tritt die Unterlage der Muschelkalk-Formation weder irgendwo zu Tage, noch ist dieselbe durch den Bohrer ersenkt worden. ae Der Mineralgehalt ist nicht etwa ein ausschliessliches Vorrecht der Thermen, es gibt bekanntlich eine Reihe von kalten Quellen, welche reich beladen sind mit löslichen mineralischen Bestandtheilen, während warme Quellen vorkommen, wie etwa Pfäfers, welche das reinste destillirte Wasser liefern; im Allgemeinen aber kann man annehmen, dass die Thermen mehr lösliche Stoffe führen als die kalten Quellen. Erläuterungen über die Grenzlinie zwischen dem Ketten-Jura u. dem Tafelland. Ein kleines geographisches Gebiet, wie das vorliegende, kann unmöglich aus- veichenden Stoff liefern für eine abgeschlossene vrographische Beschreibung der Gebirgsformen, deren Lage, Erstreckung, Höhe, Stratigraphie, Cultur- und Vege- tationsverhältnisse, der Beziehung zu den Thälern und Ebenen und was sonst noch zur Orographie eines Landes gehört, — dies alles hervorzuheben, würde uns viel zu weit führen; wir wären gezwungen, ein grosses Gebiet, weit über unsere Grenzen hinaus, in unsere Betrachtungen mit zu verflechten. Wir beschränken uns daher auf die Erklärung der Verhältnisse der Grenzlinie zwischen der nörd- lichsten Kette und dem anstossenden Tafellande, indem wir auf die zwanzig Profile der vier zur Erläuterung angehängten Tafeln verweisen. Wir sehen auf einem Theile der angehängten Durchschnittsprofile zweierlei Gebirgsbildungen:: diejenige des Tafellandes und diejenige der Ketten. Das Plateau oder Tafelland bildet eine durch Thäler unterbrochene Hochebene, welche sich wiederum in zwei über einander liegende Terrassen scheidet, deren Niveaux-Unterschiede zwischen 550 und 700 Meter schwanken. Das gesammte Tafelland reicht vom Schwarzwald bisan die Mont-Terrible-Kette. Das Vorplateau erhebt sich mit sanftem Südfall über die Rheinterrassen; in sein Gebiet gehören die Höhen, welche zunächst mit ihren steilen Schiehten- köpfen ins Rheinthal blicken. Dahin zu rechnen ist beinahe die ganze Trias nebst etwas Lias und braunem Jura zwischen dem Rhein und einer zwischen Wegen- stetten und Böttstein gedachten Linie. Diese merkwürdige Trennungslinie (Spalte) verbunden mit Verwerfung im Tafelland steht im Gegensatz zu den Gewölben, welche wir im Ketten-Jura nach- weisen zu können glauben. Das Hochplateau, nach Süd durch die Ketten begrenzt, nach Nord durch die Spalte des Vorplateau, bildet die zweite Terrasse; sie fällt etwas steiler süd- lich ein als das Vorplateau und überragt letzteres nahezu um 200 Meter. Die ‚bedeutendsten Höhen dieses Plateau sind: Geissberg und Kreisacker 701 M., Schynberg 730 M., Thiersteinberg 707 M. (über Meer). Von diesen Punkten aus senkt sich das Hochplateau südlich gegen die Kette hin, so dass die Südgrenze des Plateau am Bötzberg bei Linn, wo es die Kette berührt, auf 580 M. niedersinkt. Die Uebergangslinie vom Tafelland zur Kette zeigt eine so verwickelte Schichtenstellung und Schichtenfolge, dass über die Art des Verlaufs derselben sich mehrere einander ganz widersprechende Ansichten über die Gebirgsconstruc- tion geltend zu machen suchten. Vorerst war es Hr. Prof. A. Müller in Basel, welcher mit der Ansicht auf- trat, dass die Grenzkette am Plateau, welche von Merian, Thurmann und Gressly als Mont-Terrible-Kette beschrieben wurde, über den Jura hinüber geschoben worden sei. Ja er lässt sogar einzelne isolirte, aus Hauptrogenstein zusammen- gesetzte Berge stundenweit über alles ältere Gebirge hinweg gleiten (den Sonnen- berg bei Möhlin); er construirt seine Profile in einer Weise, als ob gar keine Gebirgsgewölbe vorhanden wären und sagt ausdrücklich, dass im Aargau die Nordflanke der Wiesenbergkette (Mont-Terrible-Kette) fehle, während er bei Bretzwyl auf eine vorhandene regelmässige Nordflanke aufmerksam macht. Für seine. Construction nimmt er eine Reihe von Hebungsspalten an, über welche hinweg die südlich von den Spalten gelegenen Stücke gehoben und dann über ihre nördliche Fortsetzung weggeschoben worden seien. Ich habe mich im Gebiete jener Gebirgsgruppen, von welchen Hr. Müller ausserhalb des aargauischen Jura Profile publizirte, weniger mit den orographischen Verhältnissen beschäftigt und beschränke mich daher ganz auf die Gebirgsbil- dungen meines Gebietes. Hier aber kenne ich keine einzige Ueberschiebung im Sinne Müller’s, son- dern lauter entweder geschlossene, oder aufgerissene Gewölbe, von denen aller- dings ein grosser Theil sich so übergelegt hat, dass beide Flanken im Allge- meinen mit Südfall gegen das Plateau und die nördlichste Kette auch über das- selbe zu liegen kommt. Es sind eben nur überstürzte Gewölbe, wie sie auch HHr. Prof. Studer, Escher und Gressly aufgefasst haben. Wenn Gressly den früheren Plateaurand der Grenzkette vom Burgberg bei Wölfliswyl durch eine Faille abbrechen lässt, so hat er nicht minder Unrecht als Hr. Müller, welcher an jener Stelle die Muschelkalkschichten abgebrochen, höher gehoben und auf das Plateau geschoben denkt. ei Müller nimmt somit an, dass jede neue Hebung auf Kosten der Südgrenze des Plateaurandes statt fand, wonach die nördlichste Kette die jüngste, und die südlichste die älteste wäre. Wir erhielten nach dieser Ansicht für jede Kette ein besonderes Alter; also vier, wo nicht fünf Hebungsepochen der Ketten. Dass diese Vorstellung meinerseits nicht vertheidigt werden kann, wird aus nachstehenden Profilen verständlich werden. Bekanntlich bildet das östliche Ende der Lägern bei Dielsdorf auch das östliche Ende der Mont-Terrible-Kette. Dieser Schlusspunkt zwischen Dielsdorf und Sünikon für sich betrachtet, ohne Rücksicht auf die westlich fortsetzende Lägernkette, bietet das Bild einer schwachen antiklinalen Hebung, deren Nord- schenkel steiler von der Axe wegfällt als der südliche. Das Gewölbe ist noch bis in die Badenerschichten geschlossen, nur die jüngsten Kalkschichten der Jura- bänke und die Mollasse sind aufgebrochen. (Fig. 1 der Grenzprofile.) Folgt man dem schnell ansteigenden Berge gegen West, so findet man, kaum einige Minuten westlich von Regensberg, schon den nackten Berggrat mit steilem Nordabfall; der weisse Jura ist bis auf die Wangenerschichten hinab blosgelegt. Diesem steil einfallenden Südschenkel entspricht tief unten der Nord- schenkel des gesprengten Gewölbes, welcher unter der Mollasse hervortaucht. Die jüngsten Schichten (Badenerschiehten) des Nordschenkels sind bei Sünikon beinahe vertical aufgerichtet. Die Wettingerschichten sind in der Tiefe unter der Mollasse zurückgeblieben. Die Mollasse, auf welcher Sünikon steht, bildet den Anfang des nördlichen Jura-Plateau’s. (Profil Nr. 2.) Am Abhange zwischen den beiden aus einander gerissenen Gewölbehälften sind die tieferen Juraschichten durch Grasboden bedeckt; aber ohne Zweifel liegen darunter noch die Oxfordkalke als ungebrochenes Gewölbe. Eine halbe Stunde westlicher ist das Gewölbe schon bis auf die Opalinus- schichten aufgerissen. Die Südhälfte der Kette, welche von nun an bis Baden ohne Unterbrechung den steilen Grat der Lägern bildet, weist ein vollständiges Profil bis auf den untersten braunen Jura hinab. (Profil Nr. 3.) An das Gewölbe der Opalinusschichten schliessen sich die Murchisonae-, Humphriesianus- und Variansschichten der Nordflanke. Der untere weisse Jura dieser letzteren ist durch Wiesland bedeckt, dagegen tauchen näher gegen Schöfflisdorf hin die Badenerschichten als steile Fluh aus den Matten hervor. An sie schmiegt sich die Mollasse, steil gehoben im Con- taete mit den Jurafelsen, aber gegen das Thal hin flach nach Nord auslaufend. > Im nächstfolgenden Profile Lägern-Steinbuck (Fig. 4) bricht der Keuper mit seinem Gyps zu Tage. Der Nordschenkel zeigt seine regelmässige Schichten- folge, aber in Folge des mächtigen Druckes sind die Bänke des braunen Jura unregelmässig gebogen. Am Steinbuck dringen nun auch die Effingerschichten hervor und lehnen sich mit dem oberen weissen Jura und dem Bohnerzthone an die ebenfalls ver- tical gehobene Mollasse. Die Effingerschichten, welche sich sogar mit 65° Süd- fall an die Badenerschichten lehnen, lassen vermuthen, dass auch die Schichten- köpfe der letzteren, vor ihrer Erosion, über die Mollasse unter ähnlichem Winkel übergebogen waren. Das nächste, wenige Minuten westlicher erschlossene Profil Nr. 5 zeigt noch stärkere Störung des braunen Jura im Nordschenkel der Kette. Sämmtliche Schichten fallen zwar nördlich, aber die Köpfe der Murchisonae-, Sowerby- und Humphrie- sianusschichten biegen sich local (am Fahrweg nach der Gypsgrube) gegen Süd. Die Art der Schichtenstellung am Steinbuck und an letztgenannter Localität hat Hr. U. Stutz*) zu einer andern Darstellung der Lägernorographie benutzt. Die Störungen der Schichten des braunen Jura sind auch noch durch die drei folgenden Profile 6, 7 und 8 im Nordschenkel vorhanden. Im Profil Lägern-Hertenstein Nr. 9 und dem folgenden Profile Nr. 10 sind die Schichten des weissen Jura stärker gebogen und geknickt als diejenigen des Dogger. An der » goldenen Wand « sieht man die Badenerschichten rechtwinkelig aufgebogen; ebenso sind am Rauschenbach die Effingerschichten auffallend gestört und in sonderbaren Biegungen eingeklemmt. Das Profil Nr. 10 von der Ziegelei bei Baden bis zum Gebensdorfer Horn ist auf eine gerade Linie projieirt, nach den am linken Berggehänge des Limmat- thales zu Tage tretenden Formations-Abtheilungen. Bis hieher ist der Keuper die älteste zu Tage gehobene Gebirgsbildung **). Im folgenden Profile (Nr. 11) Dättwyl-Gebensdorf bricht der Muschelkalk mächtig zu Tage. Die beiden Schenkel desselben erheben sich zu einem gemein- *) An die zürcherische Jugend auf das Jahr 1864. Von der zürch. naturforsch. Gesell- schaft. Nr. LXVI. **) In obiger Schrift hat Hr. Stutz Muschelkalk vom obern und untern Rauschenbach ange- führt; er hat sich durch die dunkle Färbung der Effingerschichten täuschen lassen; Muschel- kalk ist am Südhange der Miseren entschieden nicht vorhanden, ebenso wenig auf dem Plateau der Miseren. 11 = Ben samen Bergrücken; auf dem Grate des Berges steht zwischen den Berührungs- flächen der beiden Schenkel der Zellendolomit an. Die Nordflanke des Muschelkalks lehnt sich auf Opalinusschiehten ; die übrigen Glieder des braunen Jura, des Lias und Keuper sind in der Tiefe geblieben. Sämmtliche Schichten fallen mit 60° nach Süd, sammt der daneben anstehenden Mollasse; aber schon wenige Minuten nördlich beginnt der normale nördliche Fallwinkel der Mollasseschichten und am untern Ende des Dorfes, gegen die Reuss hin, liegt die Mollasse schon horizontal. Es wurde behauptet, dass hier und in der Schambelen nur der Südschenkel des gepressten Muschelkalkgewölbes aufgetaucht sei; aber auch diese mit aller Gewissheit aufgestellte Behauptung ist unrichtig; wer überhanpt die Muschel- kalkglieder kennt, findet sofort heraus, dass jene Schichten des Nordschenkels, welche an die Opalinusschichten grenzen, zum oberen Muschelkalkdolomit gehören, ebenso diejenigen Schichten des Muschelkalks, welche gegen den Keuper der Südflanke grenzen. Steigt man über den ersten Grat des Berges hinüber, so findet man beinahe in Mitte des Rückens den Zellendolomit, theilweise noch mit Gypsausfüllungen, als augenscheinlichen Beweis, dass das gequetschte Gewölbe bis auf die älteste Muschelkalkbildung aufgebrochen wurde. Im nächsten Profile (Nr. 12) Birmensdorf-Oberdorf sind der braune Jura und die Etagen des untern weissen schon in besserer Entwicklung zu Tage gehoben, obschon die Entfernung bis zum vorigen Profile kaum 10 Minuten beträgt; Lias und Keuper sind auch hier noch zurückgeblieben. Die nächste Figur (Nr. 13) gibt die Gebirgsreihenfolge zwischen Mülligen und dem Bruggerberge, über die Schambelen. Auch hier macht sich noch entschieden der Südfall aller Schiehten bis selbst in das mit dem Bruggerberg beginnende Plateau bemerklich. Keuper, Lias und brauner Jura der Nordflanke sind unter Diluvialgeröllen verborgen; aber einzelne Brocken der letzteren Bildungen auf der Streichungslinie kommen doch nicht selten vor und in der Nähe von Hausen treten, neben dem obern Muschelkalk- dolomit des Nordschenkels, auch die bunten Keupermergel zu Tage. Nördlich vom Lindhofe stehen Effinger-, Geissberg- und Crenularisschichten an, letztere die Bohnerze und Mollasse überlagernd. Eines der schönsten Profile bietet der Wülpelsberg mit der alten Habsburg auf dem Rücken. (Fig. 14.) Der Südschenkel, sowie der Nordschenkel des Aufrisses, liegen hier tiefer 2. als der Muschelkalkgrat, welcher die Habsburg trägt; zugleich folgen bis in den weissen ‚Jura sämmtliche Bildungen in umgekehrter Ordnung *). Vom Ebneberg her, welcher aus den Abtheilungen des mittleren weissen Jura besteht, gelangt man auf eine mehr als 40 Meter mächtige Diluvialablage- rung glacialer Gerölle und Geschiebe, welche hier die Wasserscheide zwischen dem Reussgebiet und dem Aarthal bilden. Tiefer im Aarthal, neben der Bahnlinie, stehen die Effingerschichten an, welche den mittlern weissen Jura des Ebneberges unterteufen; zwischen der Eisen- bahnstation Schinznach und dem Bade gehen die Variansschichten des braunen Jura zu Tage. Näher dem Bade wurden vor Zeiten durch einen Brunnenschacht Lias-Petrefacten und Keupermergel zu Tage gefördert; unweit davon hebt sich der Muschelkalk (Abtheilung Friedrichshaller- und Enerinitenkalk) als Rücken mit 50° Südfall aus dem Boden, durchschneidet einen Theil der rechten Seite des Aarthales, steigt langsam als Grat mit W.-O.-Streichen in die Höhe und bildet den Wülpelsberg. Südlich vom Fuss der Ruine Habsburg stehen als älteste Schichten des hier auftauchenden Muschelkalks die Enerimitenbänke an; am nörd- lichen Fuss der Burg, da wo der Fels eine steile Fluh bildet, finden wir den muschel- reichen oberen Dolomit. Steigt man über die Muschelkalkfluh hinunter, so findet man die Alaunschiefer der Lettenkohle mit Posidonomya minuta; darunter die rauhsandigon Dolomite derselben Formation und noch tiefer deu Gyps der Lettenkohle. Unter dem Gyps haben wir bunte Keupermergel, dann Keupersandstein und fast in der Sohle des Thälchens finden wir die Schichtenköpfe des Arietenkalks anstehen. Weiter nördlich sehen wir Opalinusschichten und im Contacte mit ihnen treten die Variansschichten aus dem Boden; die dazwischen- gehörigen Abthei- lungen des braunen Jura sind in der Tiefe zurückgeblieben. Neben den Variansschichten folgen die Birmensdorferschichten in verticaler Aufriehtung, dann die Effingerschichten, deren obere Bänke nach und nach nörd- lich einfallen, und endlich darüber die Geissbergschichten, auf welche sich die Mollasse lagert. Die Tertiärformation setzt als Mulde unter dem Aarbette durch gegen den Bötzberg und bildet den Anfang des Tafellandes. Am Wülpelsberg selbst ist vom südlichen Gewölbestück nichts zu entdecken; erst am Ebneberg finden wir dasselbe wieder, es ist an diesem Punkte noch *) Vergl. das Profil Nr. 1, Tab. 1 im Neujahrstück LXVI. er weiter von der Aufrisslinie zurückgetreten als auf dem Birmensdorfer - Profile. Näher gegen Hausen, am untern Waldsaume, ragen einzelne Bänke des obern Muschelkalkdolomites mit starkem Südfall aus dem Boden, welche ausserhalb der Axe des Gewölbes liegen, daher mit Recht als die wieder auftauchende Südflanke des Muschelkalks angesehen werden dürfen. Im Profile Nr. 15 vermissen wir den Nordschenkel des Muschelkalkgewölbes; Keuper und Lias sind durch die Pressung von Seite des Muschelkalks auf wenige Meter zusammengeschrumpft. Der braune Jura, als Nordflanke des Gewölbes, steht zum ersten Mal in normaler Entwicklung an, ebenso die Birmensdorfer-, Effinger- und Geissbergschichten. Letztere stehen mit dem Mollassesandstein und der Juranagelfluh in verticaler Aufrichtung hart neben dem Plateaurande an. Der Druck der Kette gegen das Plateau des Bötzberges war so mächtig, dass die Mollassegebilde bis tief unter das Aar-Niveau spitzwinklig zusammen- gepresst wurden. Im Verfolgen der Geissbergschichten, von Linn bis gegen den Homberg hin, finden sich bald die Bänke dieser Etage, bald diejenigen der Effingerschichten herausgequetscht, aber immer in einem detritusartigen Zustande. Im nächstfolgenden Durchschnittsprofile (Nr. 16) zeigen sich neben einander laufend nicht weniger als drei orographische Thäler auf einer Linie von höch- stens 30 Minuten, zwei im weissen Jura; das dritte repräsentirt wieder die Falte in der Mollasse am Rande zwischen Kette und Plateau. Der beinahe vertical gehobene Muschelkalk, welcher die Jurabildungen des Homberg gegen das Plateau überbog, ist doppelt gefaltet und bis auf 725 Meter gehoben. Eine Reihe von Etagen blieb in der Tiefe zurück. In den folgenden vier Grenzprofilen biegt sich der Muschelkalk successive immer stärker gegen den Plateaurand, die Schichten sind mehr und mehr gefaltet und endlich schiebt sich die Muschelkalkschlinge immer höher und höher, bis sie sich zuletzt in der Burghalde bei Wölfliswyl (Profil Nr. 20) weit auf das Plateau hinüber legt. „Das sind keine Hebungs-Spalten im Sinne meines verehrten Freundes Müller, es sind Gewölbe, wie sie die HH. Escher, Studer, Thurmann, Mousson und zum Theil auch Gressly annahmen. Es beweist dieses die Schichtenfolge des Muschelkalks; wir sehen den oberen Muschelkalkdolomit immer im Contacte wit jüngeren Bildungen, lege sich das Gewölbe wie es immer wolle, und an den Punkten, wo dasselbe (Muschelkalk- gewölbe) gesprengt ist, kommen die tiefsten Stufen des Gebildes, die Zellendolomite, zum Vorschein; an den obern Dolomit reihen sich jüngere Bildungen, zu beiden ME "RS Seiten des tiefsten Gewölbes, wie wir dies am Wülpelsberg (Habsburg) gesehen haben. Eine merkwürdige Schlinge, wie solche an Profilen von grösserer Mäch- tigkeit kaum in den Alpen zu finden sind, fällt an der Burghalde zwischen ‚Wölfliswyl und Kienberg auf (Prof. Nr. 20). Steigt man vom St. Lorenzenbad der Geissfluh entlang gegen den Saalpass, so gelangt man bald an einen aus den Viehweiden auftauchenden Grat von Muschelkalk; die Schichten stehen beinahe vertical aufgerichtet am Fuss der Geiss- fluh an; sie streichen von W. nach O0. Bald bemerkt man auch rothe Keuper- mergel; höher gegen die Saalhöfe folgen Lias und brauner Jura in normaler La- gerungsfolge. Hat man die Saalhöfe, welche auf Keuper stehen, hinter sich, so steht man am obern Muschelkalkdolomit, welcher mit ca. 45° gegen Süd einfällt. Verfolgt man den Waldpfad weiter über den Burgberg, so treten, obschon man immer höher steigt, nach einander mehr und mehr die älteren Muschelkalkschichten zu Tage. Im tiefsten Theile der Undulationen, welche der Bergrücken zeigt, erscheinen regelmässig die Zellendolomite des Muschelkalks. Der Bergrücken dacht sich nun gegen das nördliche Ende wieder ab, auch der Zellendolomit folgt dieser Senkung und bricht mit dem Steingefälle an der Burgfluh ab. Ueber den Steilabbruch hinunter führt ein schmaler gewundener Pfad noch ein Stück Weges über Zellen- dolomit; dann folgen darunter Plattenkalke, endlich oberer Muschelkalkdolomit und am Fuss desselben bräunlich schwarze Mergel mit weissem Gyps. Dieser Gyps gehört nicht dem Muschelkalke an, sondern der Lettenkohle, wie ich schon früher in diesen Blättern bemerkte. Unter dem Gyps folgt grüner Keupersand- stein und unmittelbar unter diesem ein weisser tertiärer Süsswasserkalk, so dass letzterer an dieser Stelle unmittelbar von den 'triasischen Bildungen überlagert wird. Folgt man dem linken Berghange des Wölfliswylerthales gegen Oberhof, so trifft man überall dieselben Lagerungsverhältnisse wieder. Tiefer gegen die Thalsohle von Wölfliswyl erscheint wieder die normale Stufenfolge: zuerst Süss- wasserkalk, welcher hier als Falte gedacht werden muss, darunter die Mainzer- stufe, dann die Effinger-, Birmensdorfer-, Ornaten- und Variansschichten ete. Der Plateaurand ist hier als Falte unter die Kette hinunter geschoben. Gressly hat seiner Zeit dasselbe Profil gezeichnet, aber er kannte den Keuper unter dem Muschelkalk nicht, wahrscheinlich auch uicht den Süsswasserkalk, welcher sich unter der Trias bis über Oberhof hinaus fortzieht; den Lettenkohlen- gyps hielt er für Muschelkalkgyps; er construirte das Profil in der Weise, dass ee N er neben dem Muschelkalkende gegen das Plateau eine Faille einzeichnete und das Plateaugebirge erst von dieser Unterbrechung an sich fortsetzen liess. Hr. Stutz, welcher in seiner mehrgenannten Arbeit über die Orographie der Lägernkette spricht, will von einer mantelförmigen Aufblähung oder Umbiegung der Schiehten nichts wissen, während doch schon zwischen Sünikon und Dielsdorf Gewölbe in ausgezeichneter Weise vorkommen. Factisch bleibt, dass alle Formationsglieder am Lägernaufriss einander in concordanter Lagerungsweise folgen, dass also nur von einem aufgerissenen Ge- wölbe gesprochen werden kann und folgerichtig weder von Auswaschungen noch Senkungen oder Abrutschungen etwas auf diesem Zuge nachzuweisen ist. Die Lagerungsverbältnisse am Lägernaufriss in der Malzhalde bei Ehren- dingen sind viel einfacher als wie sie im LXVI. Neujahrstück gegeben sind: Neben dem braunen Jura folgt der weisse Jura, und zwar ganz regelrecht, wie dies bei gesprengten Gewölben der Fall ist; näher dem braunen Jura folgen die Effingerschichten (die Birmensdorferschichten sind bedeckt oder zurückgeblieben), dann eine durch Pressung unkenntlich gemachte Abtheilung des weissen Jura, welche aber ohne Zweifel den Crenularis- und Wangenerschichten angehört; nörd- lich davon erheben sich die Badenerschichten, dann die Wettingerschichten, letztere ganz senkrecht aufgerichtet; an diese schmiegen sich, mit gleicher Lage, die Bohnerzthone und schliesslich die Mollasse, welche in ihresn Contacte mit dem Bohnerz ebenfalls vertical ansteht und deren Schichten erst nach und nach, mit Zu- nahme der Entfernung vom Jura, eine horizontale Lage annehmen und den Anfang des Tafellandes bilden. Uebrigens hat Hr. Prof. Mousson schon vor mehr als 25 Jahren den Stein- buck ganz richtig als Nordflanke der Lägern gezeichnet und beschrieben; ich ver- weise gerne auf diese gründliche Arbeit eines scharfsinnigen vorurtheilsfreien Forschers. Die Ketten sind gehobene Gewölbe. welche bis auf mehr oder weniger be- Jdeutende Tiefe aufgerissen sind. Sie haben ihre Hebung einem Drucke zu ver- danken, welcher entweder von der Tiefe aus in der Richtung ihrer Axe wirkte, oder von einer Seite her, wie vielfach angenommen wird. Ob der Druck nun von Dämpfen, Gasen, chemischen Umwandlungen oder durch eine Volumenzunahme des Gesteins oder endlich von einem mechanischen Seitendrucke abzuleiten sei. mögen spätere Untersuchungen nachweisen; auch diese Räthsel werden ihre Lösung finden. Wir haben bei Besprechung der Trias die Rheinspalte bei Rheinfelden ver- folgt bis nach Zeiningen. Betrachten wir die Karte*), so finden wir, dass die Spalte im Allgemeinen ihre Richtung von West nach Ost einhält wie die Verwerfung zwischen Frick und Böttstein; man möchte daraus schliessen, dass deren Ent- stehung im Zusammenhang mit einer Bewegung des Schwarzwaldmassivs stehe, vielleicht in der Weise, dass diese Spalten die Grenzen des Massivs bezeichnen. während südlich davon die Secundärgebirge mächtiger entwickelt bis in grössere Tiefen fortsetzen und von der Bewegung nicht mehr ergriffen wurden. Wäre diese Hypothese richtig, so dürfte bei einem Versuche auf Steinkohlen die Hoft- nung auf ein Resultat südlich von der Spalte gerechtfertigter erscheinen als bei einem Versuch zwischen dem Schwarzwald und der Spalte. Eine andere merkwürdige Störung der Schichten ist die vom Born über Aar- burg gegen Safenwyl laufende Gebirgsaufrichtung. Die von der Störung ergriffenen oberjurassischen Schichten sind hart neben den sanften Gewölben des Born und Engelbergs an den Grenzen der Tertiärformation vertieal aufgerichtet und biegen sich theilweise noch mit ca. 70° über die untere Süsswassermollasse. Leider war bis jetzt der östliche Verlauf der Erhebung gegen Safenwyl nicht genau zu er- mitteln, dass daraus klar geworden wäre, ob und in welcher Weise dieselbe mit den Gewölben im Zusammenhang steht. Die Ketten des argauischen Jura” sind Ausläufer der Mont-Terrible-, der Hauenstein- und der Weissensteinkette. Die erstere geht mit der Lägern zu Ende, die zweite setzt bis Braunegg fort, die dritte endet mit dem Engelberg. Die Verfolgung der Schichtenstörung bei Aarburg gegen West gelingt nur bis in die Nähe von Bonningen, wo sie am westlichen Fuss des Born unter Schutt- geröllen sich weitern Untersuchungen entzieht; aber es scheint nicht ganz unmög- lich die Faille zwischen Solothurn und dem Weissenstein mit der gedachten Störung am Born in Verbindung zu bringen. — Die Steinbrüche von Solothurn würden demnach als Ausgehendes der Seekette zu betrachten sein. *) Geologische Karte, Blatt III des Dufour-Atlasses. Bemerkung. Da diese Abhandlung zugleich als Neujahrsblatt der naturforschenden Gesellschaft in Zürich herausgegeben wird — welches dies Mal einen etwas ungewohnten Umfang erlangt hat — und desshalb auch solchen Lesern zu Gesicht kommt, die, mit der Geologie weniger vertraut, dennoch gerne über den vorliegenden Gegenstand sich zu belehren wünschen, sind einige Be- merkungen als Erläuterung angebracht worden, die in einer für Fachmänner allein bestimmten Arbeit eher hätten wegbleiben dürfen. 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I. Der Peale’s Fluss und der See Vai-Kalau. Durch die zahlreichen maritimen Expeditionen von Cook an bis zu den neue- sten Zeiten hm sind die Küsten der meisten Südseeinseln genau bekannt geworden. Weniger jedoch ist dieses der Fall mit den innern Landestheilen der grössern Inseln. Theils war die Erforschung derselben für den Seefahrer zunächst weniger wichtig und theils bietet die Bereisung von der Küste entfernt liegender Punkte mitten unter den. wilden Eingeborenen bis zum heutigen Tage oft nicht unbe- deutende Schwierigkeiten dar. Namentlich ist dieses der Fall bei den grössern Inseln der Viti*) oder Fidschigruppe:: Viti-Levu und Vanua-Levu, von denen die 54 englische Meilen breite und 87 Meilen lange Insel Viti-Levu das meiste Festland umfasst. Vermittelst Flussfahrten auf dem Vai-Levu oder Peale’s Fluss durch die Officiere der verschiedenen Kriegsschiffe, welche die Viti-Gruppe erforschten, wurde ein kleiner Theil des östlichen Gebietes von Viti-Levu zur näheren Kennt- niss gebracht. Indessen genügten dieselben nicht, einen Begriff von den geo- graphischen Verhältnissen des Innern von Viti-Levu zu geben, wie ein Blick auf die von Admiral Wilkes herausgegebene Karte von Viti-Levu zeigt. Unter den Colonisten, we!che seit langer Zeit die Küsten dieser Insel bewohnen, herrschten die verschiedensten Ansichten über die Gestaltung des Inlandes, welche sie aus den Erzählungen der Eingeborenen geschöpft hatten. Die meisten verlegten eine Hochebene, eine Art Tafelland, in die Mitte der Insel, andere einen grossen See u. 8. w. Das grösste Hinderniss für die Reisen im Innern des Landes lag in dem feindlichen Benehmen der Eingeborenen unter sich, sowie theilweise auch gegen die Fremden. *) Der Name Viti ist auf den Inseln der gebräuchlichere. a Im Jahre 1860 bereisten Colonel Smythe, Dr. Seemann und der englische Consul Pritchard den südlichen Theil von Viti-Levu, indem sie den Duba Fluss hinauf nach Namosi, dem Sitze des kriegerischen Häuptlings Kuruduadua gingen. Colonel Smythe sowohl wie Dr. Seemann schrieben über ihren Aufenthalt in Viti und auch über die Reise nach Namosi. Letztgenannter Ort wurde schon früher von dem Officier eines englischen Kriegsschifis, von Dr. Maedonald, besucht, sowie später von einem Engländer Namens Kern, welcher den Vai-edina-Fluss hinab nach Reva zurückreiste. Alle diese Reisen wurden namentlich durch den Umstand begünstigt, dass sich in Namosi seit längern Jahren ein in Freundschaft mit dem Häuptlinge lebender Engländer Namens H. Dunford aufhielt. Die Sprache und Sitten der Eingeborenen dieses Landestheiles genau kennend, leistete er als Führer dieser Fxpeditionen wesentliche Dienste. Im Jahre 1862 besuchte ich zuerst von den Schiffer-Inseln aus die Viti- Gruppe und hielt mich längere Zeit zum Zweck einer naturhistorischen Erfor- schung des Landes in Viti-Levu auf. Von dem Küstenorte Reva aus hatte ich damals Gelegenheit, mit einem Amerikaner, Namens Dyer, welcher seit 20 Jahren in diesem Lande wohnte, mehrere früher noch nicht von einem Europäer besuchte Gegenden im Innern des Landes zu bereisen. Meine erste Excursion dieser Art trat ich in Gesellschaft eines in Nukumotu, Reva-Distrikt, wohnenden deutschen Gärtners Namens Stork an, welcher früher Assistent Dr. Seemann’s gewesen war und vieles zur Kenntniss der Flora Viti’s beigetragen hat. Wir schifften uns den 16. Sept. in einem kleinen Boote in Reva mit drei Eingeborenen ein. Der Peale’s Fluss, den wir hinauf fuhren, wird von den Eingeborenen Vai-Levu, das grosse Wasser, genannt; von Wilkes erhielt er zu Ehren des die Expedition begleitenden Naturforschers Peale den obigen Namen. Derselbe hat eine bedeu- tende Breite und schliesst mit seinen zahlreichen Armen ein grosses Deltagebiet ein, welches in der Nähe des Meeres ausgedehnte Mangrovedickichte, weiter landeinwärts aber das fruchtbarste Land enthält. Es ist auffallend, dass trotz dieser ausgedehnten Mangrovesümpfe, die hier und an vielen andern Orten, sowohl in Viti als in der Samoa-Gruppe die Flussmündungen begleiten, doch keine Fälle von intermittirenden Fiebern auf diesen Inseln vorkommen, welehe in andern tropischen Gegenden diesen Mangrovesümpfen namentlich zugeschrieben werden. Indem wir durch die aufsteigende Fluth begünstigt rasch den Fluss hinauf fuhren, hatten wir Gelegenheit in Musse die prachtvolle Scenerie der Ufer zu bewundern. Grosse majestätische Feigen- und Kassienbäume, behangen mit zahl- Ar dl Nur reichen Winden (Ipomaea), deren grüne Guirlanden voll weisser und blauer Blumen bis zum Spiegel des Flusses herabhingen, wechselten mit hohem Schilf- gras, über deren wehenden Blüthenrispen sich die zierlichsten aller Pflanzen- formen, die Farrenbäume (Alsophila excelsa), mit ihren graciösen straussfeder- artigen Fiedern erhoben. Hie und da zeigten sich Gruppen der schlanken Buleito- und Niu-sava-Palme (Kentia exorrhiza W.), beide den Cocos-Palmen äusserst ähnlich, doch: letztere durch die aufrechtstehende junge Blätterknospe am Gipfel des Baumes schon von weitem zu unterscheiden. Bei den Hütten der Eingeborenen des Dorfes Nausori fangen die Ufer des Flusses an sich zu näheren und höher zu werden. In zahlreichen Windungen geht es nun zwischen Hügeln an dem Dorfe Kasavu vorbei. Bei dem nächsten Eingeborenendorfe Naikorokoro übernachteten wir und wurden in der Hütte des Häuptlings dieses Ortes sehr gastfreundlich aufgenommen. Den folgenden Tag verliessen wir Naikorokoro und ruderten den Krümmungen des Flusses folgend weiter. Bei Naitasiri, dem Sitze des Häuptlings dieser Gegend, beengen den Fluss geschichtete Felsmassen aus einer Art Sandstein bestehend; gelbliche Mergelbänder, die zwischen diesem Sandstein liegen, enthielten undeutlich erhal- tene Pflanzenreste. Die Lagerung der Sandsteine ist eine horizontale. Es bekleideten diese felsigen Ufer die Büsche der Lindenia vitiensis, Seem. mit ihren herrlich duftenden weissen Blüthen. Bei Viti stiegen wir ans Land und besahen die Hütten, welche wie überall in diesem Theile von Viti-Levu aus vierseitigen, längsgegiebelten, mit Zuckerrohrblättern gedeckten einfachen Bauten bestehen. Die Seitenwände der Hütten sind aus Schilfrohr verfertigt und mit Blättern bedeckt, so dass nur durch zwei Thüren oder vielmehr Thüröffnungen dem Tageslicht der Eintritt gestattet ist. In einer Ecke der Hütte umgrenzen vier Pfosten den Raum, welcher dem Kochfeuer angewiesen ist. Grosse irdene Töpfe von runder Gestalt mit weiter Oefinung hingen an Schnüren von Quer- hölzern herab, welche über die vier Pfosten gelegt sind. Da kein Kamin vor- handen ist, so ist das Innere der Hütten schwarz geräuchert und hässlich. Der Boden der Hütte ist mit Heu bedeckt und darüber sind Matten gelegt, die aus den Blättern des Paudanus oder Schraubenbaumes verfertigt sind. In der Mitte des Dorfes war ein mit losen Steinen ummauertes Grab eines Häuptlings. Unser Führer Dyer erzählte, dass bei der Beerdigung des noch jungen Häuptlings zwei seiner Frauen strangulirt und mit begraben wurden. Er konnte dieses, obgleich er gerade anwesend war, nicht verhindern und nur mit Mühe sei es ihm gelun- gen, den Säugling einer dieser Frauen zu retten. Dieser barbarischen Sitte liegt u hier ebenfalls die Idee einer Fortdauer nach dem Tode zu Grunde und es ist mir von mehreren Seiten mitgetheilt worden, dass die Frauen sich oft freiwillig dem Opfertode darbieten und dass selbst Streit unter den zahlreichen Frauen eines grossen Häuptlings ausbricht, um die Ehre zu erhalten, ihrem Gebieter nach dem Tode folgen zu können. Da fast alle Bewohner des Dorfes der Feldarbeit wegen abwesend wären und wir daher nichts zum Essen erhalten konnten, schifften wir uns wieder ein. Hinter den auf dem linken Ufer gelegenen Hütten von Natoika biegt der Fluss auf einmal nach SSW um. An dieser Stelle begegneten wir einem Cano& mit drei Eingeborenen; einer derselben zeigte an seinem Körper ausgedehnte Narben wie von Schnittwunden herrührend. Auf meine Frage nach der Ursache dieser Narben erzählte mir der Führer Dyer, dass derselbe beim Schwimmen über den Fluss nahe diesem Orte von einem Hai angegriffen und verwundet worden sei. Es ist hier in Viti allgemein bekannt, dass Haifische sich weit im Lande in den grösseren Flüssen aufhalten, doch ist es mir nicht gelungen, durch den Augen- schein zu entscheiden, ob diese Haie specifisch verschieden von den meerbewoh- nenden Haien sind. Nachdem wir die von vielen Orangenbäumen beschattete Ortschaft Matai- ni-mate passirt hatten, sahen wir von SO einen bedeutenden Fluss, den Vai- edina einmünden. Dieser Fluss ist als der Hauptarm des bei Reva ausmündenden Peale’s-Flussse anzusehen, indem er eine grössere Wassermenge und ein tieferes Bett als der von Norden kommende Arm hat. Es liegt die Quelle des Vai- edina in dem Grunde des Gebirgthales, worin das Inlanddorf Namosi liegt. Auf einem Hügel gegenüber der Einmündung des letztgenannten Flusses steht ein prachtvoller Baum, die Dammara vitiensis, Seemann, ein tropisches Nadelholz, das ein feines Harz liefert. Wir verfolgten den nordwestlichen Arm des Flusses, dessen Ufer immer höher und steiler abfallend wurden, namentlich bei dem Dorfe Tau-sa. Hier wie an andern Stellen stehen am Ufer einzelne Cocospalmen, doch sahen dieselben kränklich aus und bringen nur wenige kleine Nüsse hervor, ja bleiben zuweilen ganz unfruchtbar. Es ist dieses eine Erscheinung, welche in ganz Viti-Levu stattfindet und es scheint die Bodenbeschaffenheit, einige günstige Küstenplätze ausgenommen, der Kultur dieser überaus nützlichen Palme leider nicht zuzusagen. Nachdem wir beinahe drei Meilen weiter gerudert hatten, erreichten wir die volkreiche Ortschaft Veria, auf einem Hügel zur rechten Seite des Flusses höchst malerisch gelegen. . Ali A w- AR re Die Hütten liegen zerstreut zwischen Baumgruppen meist von Pallisaden umgeben und ist das Versammlungshaus oder der Bure eines der höchsten und grössten, das ich in Viti-Levu gesehen habe. Wir quartirten uns in der Hütte eines Candavu-Eingeborenen ein, welcher uns sehr gastfreundlich empfing. Der- selbe war getauft und, obgleich allein unter der noch heidnischen Bevölkerung die Gebräuche der christlichen Kirche aufrecht erhaltend, als geschickter Zimmer- mann von dem Häuptling Tokenabure geschützt und gern geduldet. Hier will ich noch bemerken, dass die unter dem Einflusse der Missionäre gestandenen Einwohner sich vortheilhaft von den andern unterscheiden, was sonst nicht immer der Fall ist. Da der Fluss über Veria hinaus mit Booten nicht mehr weit zu befahren ist, so wurde beschlossen, dass unser Führer Dyer mit dem Boote nach Reva zurückkehren und mit einem geräumigen Cano&ö wieder flussaufwärts nach Veria kommen sollte. Die Zwischenzeit bis zur Ankunft des Cano&'s wurde von Herrn Storck und mir zum Sammeln naturhistorischer Gegenstände in der Umgegend von Veria benutzt. In dem nahegelegenen Walde hörte ich zum ersten Male den eigenthüm- lichen Ruf der Chrysoena luteovirens H. und S. genannten kleinen Taube, welcher täuschend ähnlich dem fernen Bellen eines Hundes ist. Herr Storck, ein geschickter Schütze, konnte erst nach langem Suchen in den Wipfeln eines wilden Feigen- baumes mit gelblichen Blättern den Beller entdecken. Auf den Schuss kam ein wunderschönes goldgelbes Täubchen herab mit eigenthümlich schmalen Federchen am Halse und Vorderbrust. Es war der männliche Vogel, welcher allein bellt, während der weibliche Vogel stumm ist. Wir fanden das Nest desselben auf den Aesten eines Baumes aus kunstlos zusammengehäuften Reisern bestehend; dasselbe enthielt ein weisses länglichtes Ei. Von einem jener riesenhaften Banian- bäumen, deren weissliche Aeste hoch in den’ Himmel ragen, flog eine Reihe anderer kleiner Taubenarten mit buntem, grün, weiss und rosenroth gefärbtem Gefieder (Ptilinopus fasciatus, caesarinus Hart.) ab und zu. Wir schossen eine Anzahl derselben und fanden ihren Kropf mit den rothen Feigenfrüchten dieses Baumes gefüllt. Auch diese Taubenarten lassen einen starken tiefen Bassruf hören, der indessen lange nicht so ähnlich dem Gebell eines Hundes ist, wie bei der Chrysoena-Taube. Das gleiche gilt von einer grossen Taube, der Columba vitiensis, welche unserer wilden Baumtaube am ähnlichsten ist und von den Ein- geborenen Sogi genannt wird. Die Chrysoena nennen sie Vunice und die Ptili- nopus-Arten Sokulu. Von andern Vogelarten Viti's, die hier vorkamen, erwähne a ich ferner den Artamus mentalis, den ich zuerst im Fluge betrachtet für eine Schwalbe hielt, getäuscht durch die langen schmalen Flügel und die schwarz und weisse Schwalbenuniform. Indessen bemerkte ich bald auch im Fluge Verschie- denheiten; während die Schwalben meist in fortwährender Bewegung durch die Luft fliegen, sieht man diesen Vogel mitten im Fluge halten und minutenlang auf derselben Stelle schwebend, wobei er einen hellen pfeifenden Ton hören lässt. Meistens sind drei bis vier dieser Vögel beisammen und sie lieben die Nähe menschlicher Wohnungen, auf welchen sie häufig ihre Nester bauen. So viele Aehnlichkeiten dieser Vogel mit dem Schwalbengeschlechte darbietet, so sehr zeigt er wieder Abweichungen und ich war erstaunt, eine ganz verschiedene Schnabelbildung bei demselben zu finden; diese erinnert entfernt an das Krähen- geschlecht, die Füsse an die Würgerfamilie, wie auch der verhältnissmässig dicke Kopf. So vereinigt oft die Natur die Charactere verschiedener Thierfamilien, um durch Combinationen derselben die Mannigfaltigkeit der Thierformen zu vermehren. Gegen Abend, wenn schon alle andern Vögel ihr Nachtquartier aufgesucht haben, kömmt regelmässig aus dem Walde eine kleine bunte Finkenart, Ery- thrura Pealii, Hart., auf die Bäume im Dorfe zu fliegen, einen hellen scharfen Lockton ausstossend. Es ist dieser Vogel auf diesen Inseln der einzige Vertre- ter seiner Familie, zu welcher eine grosse Zahl unserer Vögel und die besten Sänger in Europa gehören. Von den Fischen, welche den Fluss hier bewohnen, erhielt ich mehrere Aale (Anguilla marmorata, Q. und G.) und Gobioden. Letztere, von dem Geschlechte Eleotris, sehen wie unsere Grundeln aus, welche zu der gleichen Fischfamilie gehören; es war namentlich eine Art Eleotris Hoedtii, Blk., durch ihre Grösse und schwarze Färbung mit kleinen grünen Punkten ausgezeichnet. Im Ganzen genommen finden sich aber, so weit ich bis jetzt beobachtet habe, wenige Fischarten in den süssen Gewässern Viti's, aber merkwürdigerweise einige Arten, die sonst dem Meere angehören, wie die erwähnten Haie und einige Lethrinus-Arten. Von Reptilien lebt hier eine Unzahl buntgefärbter kleiner Eidechsen (Lygo- soma), die bei jedem Schritt, den man macht, sich eiligst flüchten. Eine Froschart, die Halophila vitiana D. und B., deren Geschrei ich aber nie vernommen, so dass ich sie für stumm halte, ist ziemlich häufig in kleinen Wasserlachen anzu- treffen und wird von den Eingeborenen gegessen Von Insekten, deren ich hier eine ziemliche Anzahl fand, erwähne ich einen ausgezeichneten 14 Centimeter langen Bockkäfer aus der Familie Lamiidae. Die Larve dieser und einer kleineren Art hält sich in vermoderten Baumstämmen auf, wo sie von den Eingeborenen aufgesucht und dann geröstet verspeist werden. Die Bewohner des Inlandes von Viti-Levu, denen die Seethiere fehlen, die auch wenig Schweine und Hühner halten, ziehen fast alle Landthiere in den Bereich ihrer Mahlzeiten. Der Küchenzettel dieser guten Leute sieht daber, was die animalischen Speisen betrifft, sehr bunt aus und ist für Europäer nicht einladend. Er lautet: Schweine, Hühner, Katzen, Hunde, alle Vögel, Tauben mit sammt den Eingeweiden; verschiedene Eidechsenarten; Baumschlangen (Enygrus Bibroni D. B.), eine grosse Delikatesse für die Häuptliuge; Land- und Süsswasserschnecken, als: Helix-, Melania-, Batissa-Arten, aus letztern kochen sie eine wohlschmeckende Suppe; Larven von Bockkäfern; verschiedene Heuschreekenarten; Land- und Süss- wasserkrebse und schliesslich — Menschenfleisch. Jedenfalls hat der Mangel an grösseren Säugethieren auf diesen und andern Südseeinseln wesentlich dazu bei- getragen, dem Cannibalismus eine so grosse Ausdehnung zu geben, wenn er nicht Folge desselben ist. Viele Schriftsteller haben dieses geläugnet und die Men- schenfresserei als das Resultat der Rachsucht dargestellt; allein es lässt sich daraus schwer erklären, warum vor Einführung der Mission die Häuptlinge von Bau und Taviuni ihre Kriegsgefangenen öfters nach einzelnen Inseln: Vokaia, Moturiki u. s. w. brachten, daselbst sich ansiedeln liessen, um nach Belieben Generationen hindurch ihre cannibalischen Gelüste befriedigen zu können. Eben so wenig kann Rachsucht als das Motiv der Sitte betrachtet werden, dass oft weit von einander entfernte, durch Verwandtschaft der Häuptlinge befreundete Ortschaften sich mit den Körpern getödteter Feinde gegenseitig beschenken, wobei oft der Fall stattfindet, dass diese Schlachtopfer mit dem Stamme, dem sie geschenkt werden, in keiner Berührung standen. Ganz roh wird hier nichts gegessen, indessen wird das zwischen erhitzten Steinen gebackene Fleisch oft nur halb gar. "Kleinere Thiere werden einfach über Kohlenfeuer geröstet und sogleich verzehrt, wobei es mit dem Garwerden auch nicht sehr genau genommen wird. Die vegetabilische Nahrung ist jedoch die Hauptsache. Dahin gehören Yamswurzeln (Dioscorea) und Dalowurzeln (Col- locasia antiquorum L.), Brotfrucht, Bananen, Cocosnüsse, wo solche vorkommen, Zuckerrohr und verschiedene Gemüse: Farren, Solaneen und Malvaceen. Um auf die Insekten zurückzukommen, welche sich hier in Veria besonders auszeichnen, erwähne ich zwei leuchtende Käferarten. Der eine ist ein grosser Springkäfer von der Gattung Pyrophorus, welcher an den Hinterecken seines Brustschildes zwei gelbe Punkte zeigt, woraus Nachts ein so intensives Licht 2 BR ausstrahlt, dass man dabei, den Käfer an die Zeilen haltend, lesen kann. Der andere dieser Leuchtkäfer ist eine kleine Lampyris-Art ähnlich unserm Johannes- wurm. Von grossen Heuschrecken, namentlich von den langgesireckten stab- förmigen Bacterien leben verschiedene Arten auf Palmen. Wenige, aber schön gefärbte Tagfalter mit blau schillernden Flügeln, ähnlich unserm Schillerfalter, beleben die sonnigen Fluren, während der Wald mit seinem dichten Schatten von Tagschmetterlingen gemieden wird. Das Heer der kleineren Insekten hat nur für den Entomologen ein Interesse. Während die meisten tropischen Länder von einer Menge bösartiger und giftiger Insekten wimmeln, finden sich in den Viti-Inseln nur wenige derselben. Zwei kleine Simulia-Arten (Mosquitos), welche der Küste entlang namentlich zur Regenzeit etwas lästige, jedoch nicht bösartige, nie stark aufschwellende Stichwunden verursachen, finden sich höchst selten hier in Veria und überhaupt im gebirgigen Theile der Insel. Ein Seolopender und grosse Spinnen, die häufig in den Häusern zu finden, sind mehr widerliche als durch Biss schädliche Insekten. Ich bin selbst mehrmals von grossen Seolopen- dern im Bette gestochen worden, habe aber ausser leichtem Jucken keine nach- theiligen Folgen empfunden. Von den Eingeborenen wird ein gigantischer Julus, 20—25 Centimeter lang, sehr gefürchtet, indem derselbe bei Berührung einen ätzenden Saft aus seinen Seitendrüsen fliessen lässt, welcher ein brennendes Jucken auf der Haut erzeugt. Dieser Julus findet sich nur auf den beiden grössern Inseln Viti-Levu und Vanua-Levu. Während dieser Jagdexcursionen in der Umgegend war eine Woche vergan- sen, als endlich unser Führer mit dem Cano&, das zwei seiner eingeborenen Frauen ruderten, in Veria ankam. Nachdem wir unserm gastfreundlichen Matai, so heisst der Zimmermann in Viti, für unsere Verpflegung ein entsprechendes Geschenk gegeben hatten, setzten wir unsere Fahrt flussaufwärts weiter fort. Anfangs war der Fluss noch ziemlich breit (100 ‘) und tief und das Ufergelände in niedrigen Hügeln bestehend. Wir kamen an einer Reihe Dörfer der Einge- borenen vorbei, die unter dem Namen Tavaea bekannt sind. Hinter denselben wird der Fluss aber rasch enger, Kiesbänke treten auf und das Wasser erhält ein stärkeres Gefäll. An mehreren Stellen mussten wir unser Cano& mühsam über seichte Stellen hinwegziehen. Endlich kamen wir gegen Abend an den Landungsplatz, der zu dem Dorfe Vai-top führt. Der Weg dahin war eine englische Meile lang und führte über niedrige mit Schilfgräsern bewachsene Hügel, bis wir zuletzt einen höheren ziemlich steilen Hügel erkletterten, auf dessen Gipfel die Hütten von Vai-top standen. Nach Viti-Sitte wurden wir nach = 41 = der Empfangsceremonie, welche im Ueberreichen einiger Cachelot-Zähne und der Verkündigung unseres Reisezweckes besteht, in den Bure-ni-sa geführt. Diese Häuser sind ausschliesslich für Gäste gebaut und enthalten meist einen mittlern Gang, und der Raum auf beiden Seiten desselben enthält abwechselnd Feuer- und Lagerplätze, die durch Pfosten und Querhölzer getrennt sind. Der Bure hier in diesem Dorfe war einer der elendesten, den ich gesehen habe, und glich mit seinem Pfostenwerk einem Pferdestall. Um unsere Lage in der rauchigen Hütte noch unangenehmer zu machen, trieb die Neugierde Männer, Weiber und Kinder der Eingeborenen massenhaft herbei, die Hütte füllend und belagernd. Die Kinder und Frauen, die noch nie vorher Weisse gesehen hatten, denn wir waren die ersten, die so weit flussaufwärts vordrangen, zeichneten sich besonders durch ihre Zudringlichkeit aus. Als ich ihnen einige kleine Geschenke für gebrachte Naturalien gab, wurde das Gedränge so unerträglich, dass der Häuptling seinen Leuten den Befehl geben musste, den Platz zu räumen. Nachdem wir während der Nacht noch leidlich geschlafen hatten, traten wir am Morgen früh unsern Weg zu dem zurückgelassenen Canoö an. Am Landungsplatze angekom- „izden brachten mir die Eingeborenen ein Paar sehr hübsche wilde Tauben, die sie lebend eingefangen hatten. Diese Taube, Peristera erythroptera Sm., gehört zu den am Boden gleich den Hühnern lebenden Tauben, wie auch der in Samoa lebende Diduneulus strigirostris, der jedoch mehr auf Bäumen lebt. Das Männ- chen von Peristera erythroptera hat ein prachtvolles Gefieder; während nämlich der Körper am Kopf, Rücken und Unterleib, so wie auch die Flügel von metallisch glänzendem Karminroth sind, findet sich die Brust von einem weissen Schilde mit röthliehem Anflug bedeckt, was den Vogel ganz besonders ziert. Die schön- sten Papageien gleichen abgeschmackten Harlequinmasken mit ihren grell von einander abstechenden Farben, während in der Taubenfamilie eine schöne Har- monie in der Färbung des Gefieders vorherrscht. Nachdem wir wieder unsere Plätze auf dem Cano& eingenommen hatten, ging es bald rudernd, bald mit Stangen stossend, bald bei einer grossen Kiesbank gar nicht mehr vorwärts. Ueber diese ergoss sich ganz seicht der Fluss und wir gingen daher zu Fuss weiter, während das Cano& von Eingeborenen über den Kies geschoben wurde. Hohe Felswände begrenzten theilweise den Fluss, dann wieder mehr niedriges Hügelland, aber immer war die Richtung, von der er herabfloss, NNW. Machmittags, nachdem wir ungefähr 4 englische Meilen geraden Wegs zurückgelegt hatten, kamen wir zu dem Landungsplatz des Dorfes Nai-soro-vaha-valu, wo ein kleiner Bure stand, in welchem wir uns einquartirten. Nachdem auch hier dem Häuptling die üblichen Cachelotzähne übergeben und unsere Absicht, weiter flussaufwärts zu gehen, mitgetheilt worden war, eröffnete uns derselbe zu unserm grossen Leidwesen, dass es ihm nicht möglich sei, uns ein ferneres Geleit zu geben, da er mit dem nördlich gelegenen Stamme in Fehde liege. Dahingegen versprach er uns den folgenden Tag an einen Süsswassersee zu führen, der Vai-kalau heisse. Das Benehmen der wild aussehenden Bewohner dieses Ortes war anfänglich scheu und misstrauisch, doch wurden sie bald freund- licher, als ich ihnen für Insekten, Schneckenschalen u. s. w. Geschenke von rothem Pigment, Feuersteinen u. s. w. versprach. Die Vorliebe, sich mit rothem Farbpulver das Gesicht zu beschmieren, ist über ganz Viti verbreitet, verschwindet indessen etwas, wo niedergelassene Europäer und Missionäre Civilisation verbreitet haben. Baumwollene weisse und gefärbte Zeuge, die an den von Europäern mehr berührten Orten, namentlich von den christianisirten Stämmen sehr begehrt sind und zu den besten Handelsartikeln gehören, werden von den heidnischen Vitia- nern nicht gesucht. Dagegen sind Messer, Aexte,.Hobeleisen, Fischangel, Flinten und Zubehör sehr geschätzte Gegenstände. Die Race ist hier rein erhalten und zeigt keine Beimischung von Tongisen, wie auf den meisten kleinern Inseln und den Küstenplätzen. Die Häuptlinge und angesehenen Krieger trugen alle das Haar zu der ungeheuren Perücke aufgestutzt, welche diese Race auszeichnet und ihnen ein ganz eigenthümliches Gepräge verleiht. Die Männer trugen den Maro, eine Art Suspensorium aus dem Baste des Papiermaulbeerbaumes verfertigt und um die Haarperücke den Sata, ein Stück sehr dünnen Bastzeuges, gewickelt, wodurch die Männer wie mit einem grossen Turban bekleidet aussehen. Die Weiber tragen als einzige Kleidung den Liku, eine Binde aus geflochtenen Bast- streifen bestehend mit daran herabhängenden Fransen aus schmalen Baststreifen. Diese wenig mehr als handbreite Binde wird um die Hüften gebunden und ist mit Pflanzenfarben roth, gelb und schwarz gefärbt. Bei feierlichen Anlässen tragen zuweilen die Männer einen Gürtel mit langen schwarzen und glänzenden Fasern, die bis zum Knie herabhängen. Diese Fasern werden aus einer in moderndem Holze schmarotzenden Alge (Rhizomorpha) gewonnen, indem dieselben im schwarzen Mergel begraben und hernach auf Steinen polirt werden. Knaben und Mädchen gingen ganz nackt umher und das Haar war ihnen bis auf kleine Büschel abgeschoren. Ich fand bei diesen Lenten eine Menge von europäischen Manufacturwaaren, namentlich Flinten, Messer u. s. w., was für einen starken Verkehr mit der Küste vermittelst des Flusses spricht. a Nach einer in dem Bure schlaflos zugebrachten Nacht kam der Häuptling des Morgens mit einer 30 Mann starken Eskorte, alle mit Gewehren, Speeren und Keulen bewaffnet, um uns an den See Vai-kalau, d. h. göttliches Wasser zu führen. Nach einem Marsche von 7 englischen Meilen über ein niedriges, zuweilen sumpfiges Hügelland mit unabsehbaren Schilffluren, kleinen Baumgrup- pen, aber keinem eigentlichen Walde, erreichten wir die Ufer des See’s nahe seinem westlichen Anfangspunkte. Er hatte daselbst mehr das Aussehen eines Flussarmes mit flachen Ufern; weiter nach Osten aber wurde das südliche Ufer von einer steil abfallenden Hügelkette gebildet und bier hatte der See eine grössere Breite und tiefes blaues Wasser. Da die. Eingeborenen ängstlich waren und stets nach Feinden aussahen, so konnte ich den See, der viel länger als breit ist, nicht umgehen, um die Frage nach dem Zufluss und Abfluss desselben zu entscheiden. Den Angaben der Eingeborenen zufolge hat er weder das eine noch das andere, allein man kann denselben nicht immer Glauben schenken. Da ausserdem der Himmel sich bedenklich bewölkte, so beschlossen wir umzukehren, und kaum hatten wir die Hälfte unseres Weges zurückgelegt, als ein so heftiger Platzregen erfolgte, dass im Augenblicke die Pfade in rauschende Bäche verwandelt wurden und wir gänzlich durchnässt einen Zufluchtsort in dem Dorfe Nobi suchen mussten. Den folgenden Tag nahmen wir Abschied von Nai-soro-vaka-valu und seinem gutmüthigen Häuptling, der uns bis an den Fluss zu unserm Cano& begleitete. Unsere Rückreise den Peale’s-Fluss abwärts ging schnell von Statten, so dass wir in zwei Tagen unsern Ausgangspunkt Toga erreichten, wo ich meine kleine Menagerie lebender Papageien, Tauben und Falken, die ich auf der Reise erhal- ten hatte, bei meinem Freunde Storck in Nukumotu unterbrachte. 2. Der Vai-edina-Fluss und der Buke-Levu-Pik. Einige Wochen’ nach meiner ersten Excursion den Peale’s-Fluss hinauf rüstete ich mich abermals, um eine zweite Reise in Begleitung des stets willigen R. Dyers nach dem Inlande anzutreten. Dieses Mal sollte der Buke-Levu-Berg bestiegen werden, welcher von Veria aus sichtbar ist und für einen der höchsten Gipfel von Viti-Levu gilt; wesshalb ich die Hoffnung hegte, von ihm aus den grössten Theil von Viti-Levu übersehen zn können. Es ging wieder im Cano& den schönen Peale’s-Fluss hinauf, bis wir an die Einmündung des Vai-edina- Flusses gelangten, in welchen wir nun einbogen und etwa zwei Meilen hinauf- =. Me ruderten. Bei dem auf einem Hügel gelegenen Dorfe Nagali zur rechten Seite des Flusses verliessen wir das Cano& und gingen in südwestlicher Richtung landeinwärts. Es besteht hier die Gegend aus hohen Hügeln, theilweise ‘mit Wald, theilweise mit hohen Gräsern und Bambus bewachsen. Hie und da sieht man Yams- und Dalopflanzungen oder kleine Zuckerrohrfelder zur Seite des Weges liegen. In dem grossen Bure des Dorfes Nakoloba, das wir nach sieben- stündigem Marsche erreichten, blieben wir über Nacht. Die Eingeborenen die- ses Ortes, sowie die am Vai-edina-Flusse und Peale’s-Flusse oberhalb Reva wohnenden gehören zu demselben grossen Stamm, der sich Solira-Stamm nennt. Auf diese Soliras haben bis jetzt die christlichen Missionen keinen Einfluss gehabt und es hat einer der mächtigsten Häuptlinge in Naitaviri durch den Uebertritt zur: christlichen Religion den grössten Theil seiner Macht verloren, die auf den in Veria residirenden Häuptling Tokenabure übergegangen ist. Die langsamen Fortschritte der Mission hängen zum Theil auch von der geringen Anzahl der Missionäre ab, denn es sind nur zwei in Reva. Diesem an ihren alten Gebräuchen festhaltenden Solirastamm muss ich aber das Lob spenden, dass sie zu den besten, arbeitsamsten und ehrlichsten Vitianern gehören. Da die Leute in Nakoloba den Glauben haben, dass eine Seelenwanderung in die Aale stattfinde, so werden dieselben von ihnen nicht gegessen, aber doch einge- fangen und ich erhielt von ihnen für wenig rothe Farbe eine ziemliche Anzahl derselben, die wir beiden Europäer uns wohl schmecken liessen, wobei wir die Aalseelen hoch leben liessen. Die Priester sollen sich indess im Geheimen der Aalkost auch erfreuen. Den folgenden Tag verliessen wir den Ort Nakoloba und gingen über nied- rige Berge zu der nächsten Ortschaft Vacadua, wo wir den Fluss Vai-edina wieder erreichten. Dieses ganze Südufer des Flusses zeigt viel eultivirtes Land und nur wenige sehr lichte Waldungen. Wir durchwanderten viele kleine Nieder- lassungen der Eingeborenen, die ich aber hier nicht nennen will, da sie oft wieder verlassen oder im Kriege zerstört werden. In dieser Art von Wanderung der Ortschaften liegt der Grund, dass man so viele lichte Waldungen und offene, mit Gras oder Schilf bewachsene Stellen weit von den gegenwärtigen Nieder- lassungen antrifft. Das Aufgeben der Ortschaften wird nicht bloss durch die Kriege veranlasst, sondern auch durch die allmählige Erschöpfung des Bodens, obgleich die Einwohner beim Feldbau die Brache anwenden. Von Vacadua aus fuhren wir im Cano& eine Meile wieder abwärts, betraten alsdann das gegenüberliegende linke Ufer und schlugen unsern Weg in nordwest- licber Richtung über einen bewaldeten Berg ein. Dann ging es wieder abwärts in ein weites Thal, das von einem Flusse durchströmt wird. Demselben entlang wandernd kamen wir in eine Gebirgslandschaft von besonderer Schönheit, die manchen von unsern schönen Gebirgsscenerien in der Schweiz völlig an die Seite gesetzt werden kann. Aus einem engen Thale, das sich zwischen hohen Berg- ketten hinaufzieht, fliesst ein schäumender Gebirgsbach, an dessen Ufer das kleine Dorf Raravatu liegt. Gleich über den Hütten desselben erhebt sich der Buke- Levu-Berg mit seinem domartig gewölbten Gipfel. Der Schatten, den die Berge in das Thal werfen, sowie das strömende kalte Gebirgswasser, die ausgedehnten Waldungen der Berghalden bewirkten namentlich Morgens und Abends eine so kühle Temperatur, dass ich mich den Tropen entrückt glaubte. Nachdem uns der Häuptling des Dorfes, ein bejahrter Mann, willkommen geheissen und eine Musquete als Geschenk erhalten hatte, um uns seine Leute zum Wegbahnen auf den Berg mitzugeben, wurde in dem Bure der übliche Agona-Trank bereitet. Die Wurzel des Macropiper methysticum wird zu diesem Behufe gekaut und in einer grossen hölzernen Schale mit Wasser infundirt. Gesänge mit Hände- klatschen ‚nach der Weise dieser Eingeborenen begleiten dessen Zubereitung. Das grünliche trübe Getränk wird alsdann in polirten Cocosnussschalen verabreicht, wobei wieder allerlei Ceremonien beobachtet werden. Die Raravatu-Leute, welche noch keinen Weissen in ihrem Dorfe gesehen hatten, waren durch ihre übergrosse Neugierde sehr lästig, indem sie den Bure, der ohnediess nicht gross war, voll- ständig füllten. Um daher der erstickend heissen Luft im Hause zu entgehen, wanderte ich hinaus, dem Gebirgsbache entlang nach Thieren und Pflanzen suchend. Als ich so an dem lustig über sein Kiesbett dahinrieselnden Bergwasser entlang ging, konnte ich mich lebhaft in meine ferne Heimat zurück denken. Die Abend- sonne vergoldete mit ihren Strahlen die Bergesgipfel und tiefer Schatten lag über dem Thale. Allein die Ankunft der mich aufsuchenden schwarzen Gestalten der Vitianer, der unmelodische Ton der grossen Holztrommel, des Lali, welche zu Ehren unserer Ankunft geschlagen wurde, weckten mich bald aus meinen hei- matlichen Träumereien, und führten mich in die Wirklichkeit zurück. An den Steinen in dem Bache fand ich zuerst eine eigenthümliche Wasser- schnecke, die der Gattung Ampullacera ähnlich, von Professor Mousson in Zürich den Artnamen Ampullacera maculata erhalten hat. Von dieser und einer Physa- Art (sublata Mousson) hatte ich unter Beihülfe der Eingeborenen, die unter Gelächter mein Treiben unterstützten, bald eine hinlängliche Anzahl beisammen. Die Felsen, welche den Bach einengen, sowie die Gerölle im Flusse bestehen aus den über ganz Viti verbreiteten Basalte mit zahlreichen Augitkristallen. Den folgenden Tag brach ich mit meinem Führer Dyer und 50 Eingeborenen nach dem Gipfel des 3750 Fuss hohen Berges auf. Der Fuss desselben ist mit vielen losen Felsblöcken besäet, zwischen denen sich der Weg hinaufwindet. Nach viertelstündigem Steigen kamen wir auf eine Art Plateau, von dem sich der eigentliche Gipfel des Berges steil aber doch dicht bewaldet emporhebt. Diese Waldung, durch welche wir uns hinaufwanden, hatte ein eigenthümliches nordi- sches Aussehen, namentlich hervorgebracht durch die vielen Moose, welche die Stämme bedecken und von den Zweigen in langen Bärten herabhängen. Die vielen Farren von den baumartigen bis zu den kleinen auf den Bäumen schma- rotzenden Arten, riesenhafte Lianen, kennzeichnen aber wieder die tropische Vegetation. Die grosse Feuchtigkeit, welche durch die oft an diesen Berggipfeln hängenbleibenden Wolken hervorgebracht wird und dass der Wald selten von Menschen betreten wird, wodurch er Urwald geblieben ist, verleihen demselben eine so luxuriöse Vegetation mit einem merkwürdigen Reichthum an Kryptogamen. In dem Dunkel, welches unter den Kronen gigantischer Bäume herrscht, gedeiht eine überraschende Menge der verschiedenen Farren und Lycopodiaceen, wohl mehr als 100 Arten. Von den haarfein verzweigten Wedeln der Trichomanes- und Todea-Arten bis zu den ledrigen ganzrandigen Ophioglossum, welch’ ein Reichthum, welche Mannigfaltigkeit graciöser Formen bringt hier die Naturkraft durch die Combiriation der Elemente einer einzigen Pflanzengruppe hervor! Ausser den Farren sieht man Moose und Orchideen mit bunten Blüthen, rankende Schraubenbäume (Freycinetia), Aroideen u. s. w. die Stämme alter Bäume bedecken, so dass sie eine Säule mit Pflanzenguirlanden umwunden darstellen. So kräftig und reich die Pflanzenwelt sich hier entwickelt zeigt, so arm ist das Thierreich; kaum hört man eine bellende Taube oder sieht einen Papagei in seiner Einsamkeit erschreckt davon fliegen. Eidechsen und Insekten sind hier seltner als im Thale; ebenso finden sich nur wenige Mollusken. Es scheint, dass die übergrosse Feuchtigkeit, welche selbst unter den Pflanzen nur den Krypto- gamen willkommen ist, die Thierwelt beinahe ausschliesst. Nach einigen äusserst steilen Partien, wobei wir an dem Wurzelwerk der Bäume wie an einer Leiter hinauf kletterten, gelangten wir auf die kleine Platt- form des Gipfels. Hier legten wir uns in das weiche Farrenkraut, womit die von Bäumen freie Spitze bewachsen ist und genossen mit Musse die herrliche Aussicht, welche sich hier vor unsern erstaunten Blicken entfaltete. Nach Süden = Wi - und Südosten schweifte der Blick über lange geschlängelte grüne Thäler hinans bis in das Meer mit den zahlreichen Inseln als Bega, Nuhulau u. s. w. Nach .Norden und Westen begrenzt den Horizont ein Labyrinth hoher Berggipfel, unter denen die Pyramide des Voma und des Korobasabasaga, der flache Rücken des Tagaria, der zweigipfelige Devo und der Nalukia besonders in die Augen fallen. Nach Osten hin dehnt sich ein grünes Hügelland mit zahlreichen Thälern aus, in denen man stellenweise den blinkenden Wasserspiegel des Peale’s-Flusses sah. Wahrscheinlich würde man noch mehr gesehen haben, hätte nicht ein weisslicher Dunst den ganzen Horizont umlagert und enger begrenzt. Es soll jedoch dieser feine Nebel nach der Aussage Dyers und der Eingeborenen fast stets auf diesen hohen Bergen beobachtet werden. Obgleich ich mich nach allen Seiten hin umsah, um den Spiegel eines See’s oder eine grössere Ebene zu erblicken, gelang mir jedoch keins von beiden. Selbst den See Vai-kalau konnte ich in der bekannten Richtung nicht auffinden, weil wahrscheinlich die vorliegenden Hügel mir den Anblick desselben entzogen. Nur Gebirgszüge mit zahlreichen Gipfeln, von denen aber keiner die Höhe des Buke-levu bedeutend zu überragen schien, nach allen Richtungen sich ausbreitend und zahlreiche Thäler einschliessend, konnte 'ich sehen. Das niedrigste Land schien das nach Osten hin liegende, das Gebiet des Peale’s-Flusses zu sein. Nachdem ich eine kleine Skizze der Gebirgsscenerie entworfen hatte, wurde ein grosses Feuer angezündet mit den Aesten der Bäume, die ich der freieren Aussicht wegen hatte fällen lassen. Auf der kleinen Platt- form, auf welcher wir lagerten, war eine eigenthümliche Vegetation, bestehend aus den sonneliebenden Gleichenien, einer Lomaria und Lycopodium cernuum. Ferner noch Myrtengebüsch (Eugenia). Nachdem ich mich sattsam umgesehen hatte, wandten wir uns wieder berg- abwärts und stiegen mühsam den steilen Weg hinab. An einer frischen Quelle machten wir einen kurzen Halt und ich erhielt hier von den Eingeborenen eine kleine graue Schlange mit weissgelbem Mondfleck auf dem Kopfe, welche von denselben als giftig erklärt wurde. Dieses Reptil, welches ich nach Europa sandte, wurde als eine neue Art erkannt und von Professor Peters in Berlin unter dem Namen ÖOgmodon vitianus beschrieben. Die Vitianer nennen die Schlange Bola und es scheint dieselbe ausschliesslich den Gebirgen Viti-levu’s anzugehören, wo sie sich unter alten Baumstämmen aufhält und nach der Aus- sage der Eingeborenen von Insekten lebt. Ausserdem fand sich noch ein eigen- thümlicher Gecko vor und die grosse Baumschlange, Enygrus Bibroni, zwischen den Aesten hoher Bäume geringelt. Am Fusse des Berges angekommen, wo 3 DE Sn man in das liebliche Thal von Raravatu hinabsehen kann, wurde abermals eine kleine Rast gehalten, um unsere Truppe zu sammeln. Hier wurde mir die Freude, das Ei eines der schönsten grossen Papageien, des Platycercus splendens, zu erhalten, welches einer der Eingeborenen in einem Baumloch gefunden hatte. Ob zwei derselbeu darin gewesen waren, wie gewöhnlich bei den Papageien der Fall ist, konnte ich nicht herausbringen. Es ist das Ei von rein weisser Farbe und etwas rundlicher Form. Dieser Papagei hält sich am liebsten in den grossen Mangrovesümpfen und den Flüssen entlang auf, sowie eine zweite eben so grosse Art derselben Gattung, grün mit schwarzen Stirnfiecken, der Platycercus personatus. Beide tragen viel zur Belebung der Scenerie in Viti-Levu bei sowohl durch ihr lautes kreischendes Geschrei als durch das prachtvolle Gefieder, wenn ‚sie im Sonnenschein zwischen den Bäumen sich paarweise herumjagen. Diese Papageien kommen nur auf den vier Inseln Viti-Levu, Vanua-Levu, Vuna oder Taviuni und Candavu vor. Nachdem wir in das Dorf Raravatu zurückgekehrt waren, welches beim Dunkelwerden stattfand, schien der alte Häuptling sehr erfreut, uns wieder zu sehen. Indem er mich begrüsste, trug er mir den Berg als Geschenk an in der Meinung, dass mir wahrscheinlich viel daran gelegen sei, weil ich mir die Mühe genommen hätte, denselben zu besteigen, was noch kein Papalagi oder Fremder vorher gethan. Natürlich nahm ich das Geschenk der Höflichkeit wegen an, war aber in der That verlegen, was ich mit diesem compendiösen Geschenke mitten im Lande anstellen sollte. Müde wie ich war, erschien mir der kreisende Agona-Becher ein Bierhumpen und die steife Pandanusmatte am Boden des Bure ein weiches Bett, auf dem ich bald einschlief. Den folgenden Tag verliess ich Raravatu mit dem ansehnlichen Gefolge von sechszig Eingeborenen, von denen sich Jeder eines wenn auch noch so kleinen Gepäckstückes zu bemächtigen suchte, um nur mitgehen zu dürfen. Man muss jedoch diese scheinbar sehr freundschaftliche Handlung nicht zu hoch anschlagen, denn eine grosse Neugierde und die Hoffnuug, ein Geschenk zu erhalten, sind die Triebfedern derselben. Durch ein längeres Verweilen unter den Eingeborenen dieser und der benachbarten Inseln habe ich beinahe allen Glauben verloren, dass dieselben irgend einer wahren herzlichen Zuneigung fähig sind. Ein Rei- sender, der nur flüchtig mit denselben verkehrt, lässt sich leicht täuschen und nimmt die an ihm geübte Gastfreundschaft und dargebotene Dienstleistungen für Zeichen der Freundschaft an. Die obige Ansicht theilen alle Europäer, die MR länger mit den Wilden in Verkehr standen, und solche, die mit eingeborenen Frauen gelebt haben, sind ihre ärgsten Ankläger. Im langen Zuge die schmalen Fusspfade verfolgend, kamen wir nach einigen Stunden an den Vai-edina-Fluss, wo wir ein Cano& erhielten, uns von unserer Leibgarde verabschiedeten und nur einige Ruderer mitnahmen. Mit diesem für die Flussschififfahrt so günstigen leichten Fahrzeuge schossen wir rasch strom- abwärts. Grosse Schilfgräser mit dazwischen stehenden Farrenbäumen und ein- zelne Palmen sind die vorherrschende Vegetation der Ufer, denen wir entlang fuhren. Hier und da breitete eine stattliche Myrte, überschüttet mit Blumen-, sträussen, ihre Schatten verbreitenden Aeste über den Wasserspiegel aus oder es ragten die knorrigen Aeste eines majestätischen Ivi-Baumes (Inocarpus edulis) über die Ufer hinaus, Als wir bei einer Biegung des Flusses uns etwas aufhiel- ten, habe ich zum ersten Male die von den Eingeborenen mir mitgetheilte That- sache, nämlich den Gesang einer Habichtsart (Aceipiter rufitorques Peale, iden- tisch mit Astur cruentus, Fould) bestätigt gefunden. Der Gesang war nicht ohne Melodie und glich dem, welchen der grosse Würger (Lanius) bei uns in Europa hören lässt. Der Habicht, ausgezeichnet durch sein stahlgraues Gefieder und die röthliehbraune Brust, sass dabei ganz still auf dem obersten Aste eines abge- storbenen Baumes. Als Ursache dieses merkwürdigen Gesanges wird von den Eingeborenen die Anlockung kleiner Smgvögel angegeben, doch konnte ich dieses nicht selbst beobachten. Gegen Abend erreichten wir die Flussgabelung bei Tausa und schon am nächsten Tag waren wir wieder in Toga. Mit dieser Exeursion musste ich damals meine Reisen in Viti-Levu ab- schliessen und ich verliess die Vitigruppe, um nach Samoa zurückzukehren. 3) Die Colonisation des Peale’s-Flusses durch die Baumwollencultur in den Jahren 1864—1865. Im Jahre 1865 besuchte ich zum zweiten Male die Viti-Gruppe und liess mich für einen längern Aufenthalt in Levuka in Ovalau nieder, von welchem Punkte aus ich abermals Viti-Levu besuchte. Zuerst ging ich wieder nach dem Reva- Delta, wohin man in kleinen Booten fährt und das man hinter der Landspitze von Koba betritt. Durch einen der zahllosen Flussarme, die mit ihren sumpfigen Ufern und undurchdringlichen Dickicht herrliche Laubgänge bilden, gleitet das Boot von der Flut hinaufgetrieben rasch in den Hauptarm des Peale’s-Flusses. Das erste Reiseziel war die Flussinsel Nukumotu, wo ich meinen früheren Reise- = a Ze gefährten und Freund Storck besuchte. Ich fand seine Baumwollenpflanzung ausserordentlich vergrössert, so dass sie jetzt etwa 50 Acres bebautes Land um- fasste, und im blühendsten Zustande. Die Baumwollensträucher standen in regelmässigen Reihen und waren zur Zeit voller Blüthen, indem die grösste Ernte in die Monate August und September fällt. Um das zwischen den Pflanzen aufwachsende Unkraut zu beseitigen und zu gleicher Zeit den Boden zu verbessern, wandte er zum ersten Male in Viti den Pflug an, der von zwei stattlichen Ochsen gezogen wurde. Ausser der Baumwollenpflanzung hatte Storck eine grosse Anzahl Kaffeebäume, von denen der älteste einen Stamm von vier Zoll Durchmesser hatte und voll Blüthenknospen war. Nach seiner Meinung sollte die diessjährige Ernte genügen, alle Kolonisten in Viti mit Kaffeesamen zu versehen ; in den folgenden Jahren hoffte er grössere Quantitäten auf den Markt bringen zu können. Mehrere Bäumchen von Mokkakaffee hatten ein sehr günstiges Aussehen und waren eben- falls voll Blüthenknospen. Einige Vanillepflanzen, auf grosse Ivibäume gepflanzt, wuchsen ebenfalls kräftig auf und versprachen das Beste für eine günstige Kultur dieser auch schon in Tahiti acclimatisirten Gewürzpflanze. Ich darf es aber nicht verschweigen, dass dieser blühende Zustand hauptsächlich durch die ungemeine Thätigkeit von Storck hervorgebracht wurde, welcher in diesem warmen Klima den grössten Theil der Arbeiten selbst ausführte und nur unwesentliche kleinere Arbeiten den Eingeborenen überliess. Da indessen dieses jetzt seine Kräfte und Zeit zu sehr in Anspruch nimmt, so hat er einen Europäer als Gehülfen ange- stellt. Das Ganze der eultivirten Insel mit ihren zierlichen Gartenanlagen machte einen sehr guten Eindruck auf mich und zeigte, was der fruchtbare Boden in Viti-Levu hervorzubringen im Stande ist. Von Nukomotu ging ich im Boote flussaufwärts bis nach Tausa und war erstaunt über die Veränderungen, welche die vor drei Jahren noch öden Ufer erlitten hatten. Zu beiden Seiten des Flusses waren vielfach Häuser aufgerichtet und Colonisten der verschiedensten Nationen waren damit beschäftigt, den früher brach liegenden Boden zur Kultur vorzubereiten. Hier und da sah man das dunkle Grün der Baumwollensträucher die Gestade des Flusses bekränzen oder weite Landstrecken entholzt und zur Aufnahme der Saat bereit. In Tausa war die letzte Anpflanzung der Europäer, aber es werden wohl schon dieses Jahr noch weitere Landeinkäufe in der Nähe Veria’s stattfinden. Das schnelle Aufblühen der Baumwollencultur längs des Peale’s-Flusses hat seinen Grund in den hohen Preisen der Baumwolle, dem billigen Ankaufspreis der Ländereien (1—2 Thlr. der englische Acre), in hinlänglichen nicht theuren Arbeitskräften der Eingebo- a renen und endlich in der leichten Verbindung mit dem Meere durch die natür- liche Wasserstrasse. Der von Dr. Seemann der englischen Regierung gegebene Bericht über die der Baumwollencultur günstige Lage von Viti wird hierdurch als richtig bestätigt und die in wenigen Jahren sicher bedeutend werdende Ausfuhr wird dieses noch glänzend beweisen. Diese Inseln werden für den Handel von grosser Wichtigkeit werden, da die grosse Trockenheit des tropischen Australiens ein wesentliches Hinderniss für das rechte Gedeihen der Colonialproducete ist, während die Südsee- inseln hierzu ganz geeignet sind. Diese Inselgruppen werden in der Zukunft im stillen Ocean die westindischen Inseln des atlantischen Meeres vertreten. 4. Eine Reise durch das Innere von Viti-Levu. Schon seit Beginn dieses Jahres hatten wir, nämlich der englische Consul, Capitän Jones, ein hier wohnender angesehener Bremer Kaufmann, R. Hennmgs, und ich eine Reise in das Innere der Insel Viti-Levu besprochen, aber verschie- dener Umstände wegen war die günstige Zeit dazu erst gegen das Ende des Monats Juli 1865 gekommen. Freitag den 21. July verliess unsere kleine Reisegesellschaft, zu welcher noch ein Engländer von Sidney, Namens Woid, gekommen war, in einem geräumigen Wallfischfängerboote Levuka. In dem ruhigen Wasser zwischen der Küste und seinem aussen liegenden Rifle segelten wir der malerischen Insel Ovalau entlang. Der Insel Moturiki gegenüber gingen wir durch die Riffpassage hinaus und bald schaukelte unser Boot auf der hoch- gehenden See. Während wir den Ausgang ans dem schäumenden Korallenrifl passirten, sahen wir eine Anzahl grosser Seeschildkröten (Chelonia imbricata L.) auf dem Wasser schwimmen. Nach kurzer Zeit hatten wir wieder das schützende Rif, das sich weit vor der Küste Viti-Levu’s ins Meer hinauszieht, erreicht und segelten an dem mit Cocos-Palmen gekrönten kleinen Eiland von Toberua vorbei. Es war eben Ebbezeit und der Grund des Meeres mit seinen vielen bunten Korallen, den darin spielenden farbigen Fischen, wetteiferte in Schönheit mit den blühenden Gärten der Küste. Ein günstiger Wind brachte uns bald an die Landspitze Viti-Levu’s, wo sich das Dorf Koba befindet. Dieser entlang segelnd erreichten wir einen der Flussarme des Peale’s-Flusses, den landwärts hinauf- rudernd und dann einen andern Nebenarm hinab dem Meere zu wir zur Insel Nasuata gelangten. Diese vor dem Delta des Peale’s-Flusses gelegene Insel erreichten wir bei einbrechender Nacht. Der Besitzer von Nasuata, Herr Davis, = MM = ein alter, ehrwürdig aussehender Mann, nahm uns gastfreundlich auf, und machten wir hier die Bekanntschaft mit unserm Führer für die Inlandsreise, des schon in einem frühern Briefe erwähnten H. Danford. Es hatte sich derselbe erst vor kurzer Zeit von einer schweren Krankheit erholt, in welcher Davis ihn sehr uneigennützig gepflegt hatte, und wir fürchteten daher anfänglich, dass der von Natur kleine, nicht musculöse Mann die kommenden Reisebeschwerden nicht werde ertragen können; allein diese Befürchtung ergab sich in der Folge als grundlos, indem sich Danford als tüchtiger Fussgänger erwies. Samstag den 22. Juli verliessen wir Nasuata, vom schwellenden Segel rasch nach Suva gebracht. Hier ist eine sehr weite und grosse Bucht, welche nach allen Untersuchungen für den besten Hafen in der Vitigruppe gehalten wird. Das umgebende Ufer, namentlich die lange Landspitze im Osten gewähren vor- trefflichen Schutz und der schwammige schwere Meeresboden guten Ankergrund. Da wir hier die Fluth abwarten mussten, um beim Weiterfahren längs des Ufers über die Bänke kommen zu können, benutzten wir die Zeit, uns den Hafen von Suva näher anzusehen. Eine kleine felsige Insel im Grunde der Bucht, von der man diese ganz übersehen kann, gewährte uns den besten Standpunkt. Von da nach dem Dorfe Suva der Eingeborenen zurückkehrend, wurde dem östlichen Ufer entlang gerudert und dasselbe sehr flach, sumpfig und mit ausgedehnten Mangrovedickichten bekleidet gefunden. Das gegenüberliegende westliche Ufer hingegen ist sehr hoch und steil abfallend. Sollte die Baumwollen- und Kaffee- kultur in Viti bedeutender werden, wie es jetzt den Anschein hat, so wird bald Nachfrage nach einem Hafen dieser Insel entstehen. Alsdann würde jedenfalls die Suvabucht den Vorrang haben, allein die erwähnte Uferbildung ist etwas ungünstig, namentlich für Anlegung von Werften, Baustellen für Häuser u. s. w. Es ist daher eine mit grossen Mitteln ausgestattete Gesellschaft erforderlich, um Suva zu einem trefflichen Hafenorte umzugestalten. Von diesem Orte, der ausser seinem Hafen durch grossen Fischreichthum in Viti bekannt ist, segelte unser Boot nach Nagara, einer kleinen Insel an der Südküste Viti-Levu’s, wenige Meilen von Suva. Dem Ufer des Festlandes ziehen sich niedrige Bergketten mit dichter Vegetation bedeckt entlang, hinter welchen man die höheren Bergspitzen des Inlandes hervorragen sieht. So zeigte sich namentlich klar und hoch die Pyramide des Vomaberges, welcher im Thale von Namosi, unserm ersten Reiseziele, steht. Abends spät erreichten wir das kleine Eiland von Nagara, das Besitzthum des schwedischen Majors von Egerstroem. Wir wurden sehr gastfreundlich in dem kleinen niedlichen Hause desselben aufgenommen, wo ich eine nicht unbeträcht- 2a liche Bibliothek bemerkte. Major Egerstroem beklagte sich bei dem Consul Capitän Jones über die Eingeborenen des nahe gelegenen Küstenstriches, welche beständig seine einsame Lage fern von den übrigen Ansiedelungen benutzten, um freche Diebstähle auf seiner Insel auszuführen. Der Consul versprach ihm eine Genugthuung durch das nächste Kriegsschiff, das die Gruppe besuchen würde. Dieses wurde auch bald nach unserer Rückkehr durch den gerade eintreffenden Kriegsdampfer Esk gut besorgt, indem dieser den schuldigen Häuptling von Serua in Ketten nach Ovalau brachte. Dieser Häuptling wurde dort für diese und eine Reihe anderer Missethaten, die er an Weissen verübt hatte, zu einer beträcht- lichen Strafzahlung in Naturalien verurtheilt. Den folgenden Tag verliess unsere Reisegesellschaft das gastliche Dach des schwedischen Majors in Nagara und erreichte in einer Stunde die Mündung des Flusses Vai-ni-loba, von wo aus unsere Landreise beginnen sollte. Indem das Boot um eine kleine Insel, ein Felsblock mit Buschwerk gekrönt, bog, kam es in eine kleine Bucht mit tiefem Wasser, dessen Ufer mit Mangrovedickicht besetzt war. Der Fluss war an der Mündung breit, verengerte sich aber bald nachdem wir eine Strecke weit hinaufgerudert waren. Der dichte Wald, der sich hier längs der beiden Ufer erstreckte, war zusammengesetzt aus den brakisches Wasser liebenden Bäumen des Tiri (Terminalia Mollucana), des Dogo (Rhizophora mucro- “nata L.), des Sagali (Lumnitzera coccinea Wil.), des Vilau (Casuarina nodiflora), dessen nadelförmiges Laub an Fichten erinnert. Durch den dunkeln und kühlen Schatten, den dieser Wald über den Fluss warf, fuhren wir aufwärts, und das Plätschern der Ruder die Stille unterbrechend jagte einzelne Papageien mit buntem Gefieder aus ihren einsamen Sitzen auf, von denen sie mit kreischendem Geschrei in den dichtern Wald flogen. Hier und da überraschten wir einen fischenden Reiher (Ardea sacra L.), der seine langen Beine ausstreckend im eili- gen Fluge sein Heil in der Flucht suchte. Geräuschvoller Taubenflug, der sich in den dichten Laubkronen hören liess, verkündigte die Anwesenheit auch dieses Vogels. Mit der wachsenden Entfernung von der Mündung des Flusses wurde der Uferwald lichter, die Sumpfbäume verschwanden allmälig andern landliebenden Platz machend, namentlich den hohen Grasarten und Farrenbäumen. Der Fluss erhielt etwas mehr Gefäll, wurde enger und es traten stellenweise Kiesbänke auf. Nach ungefähr einer Stunde konnte das Boot nicht mehr weiter und wurde als unnütz für die weitere Reise nach Levuka zurückgesandt. Unsere Reisegesell- schaft beschloss am Ufer ein Lager aufzuschlagen, ferner sogleich einen Mann nach Namosi an Kuruduadua abzusenden, damit derselbe eiligst eine Anzahl seiner Leute zu uns herabschieke, um unser nicht unbeträchtliches Gepäck nach Namosi hinaufzutragen. An dem Orte, wo wir unser Lager aufschlugen, standen früher die Hütten eines Dorfes, welches dem Häuptling in Namosi zugehörte. In einer Fehde mit dem Häuptling von Serua wurde dieses Dorf, als gerade alle Männer abwesend waren, überfallen, ein Gemetzel unter den wehrlosen Frauen und Kindern angestellt und die Hütten verbrannt. Dieses geschah vor etwa drei Jahren und seitdem haben die Feindseligkeiten zwischen diesen beiden Häuptlingen nicht mehr aufgehört. Auch wir mussten insofern darunter leiden, als wir nieht den kürzeren und bequemeren Weg, den Navua- oder Vai-koroi-luba-Fluss hinauf nach Namosi einschlagen konnten, indem er durch das feindliche Gebiet führte. Diese Kriege unter den Häuptlingen entstehen fast immer aus Streitigkeiten über den Besitz von Weibern, indem von den zahlreichen Häuptlingsfrauen häufig einige entfliehen und bei dem nächsten Häuptlinge Schutz und Aufnahme suchen und finden. Die Weigerung der Herausgabe führt alsdann leicht zum Kriege. Zahlreiche Melonenbäume (Carica papaya L.), Brotfrucht- und Pompelnuss- bäume (Citrus decumana), wildrankender Yams und Dalo zeugten von der frühe- ren Anwesenheit des Dorfes und waren dessen letzte Spuren. Die üppige Vege- tation der tropischen Zone vernichtet schnell die Werke des Menschen; es war da alles wild bewachsen und kaum konnten wir ein kleines Plätzchen für unser Lager am Flusse auffinden. Eingeborene, welche wir von Suva mitgenommen hatten, fingen nun sogleich an, Yamswurzeln auszugraben, die übliche Kochgrube mit Steinen auszulegen und Feuer anzufachen, andere errichteten ein Dach, indem sie aus zugeschnittenen jungen Baumstämmen ein Gerüst verfertigten, über welches sie Bananenblätter legten. Unter diesem schief ablaufenden Dache wurden weiche Farrenwedel ausgebreitet, auf welche Jeder seine wollene Decke legte und sein Mosquitonetz darüber ausspannte. Dieses sollte unser Nachtlager sein, wie wir es im Laufe der Reise noch öfters hatten. Um das flackernde Feuer sitzend, plaudernd und rauchend und unser am Lagerfeuer gekochtes Abendessen einneh- mend, war die Nacht eingebrochen. Mit ihr erschien die Plage der Mücken- schwärme in so heftiger Form, dass wir eiliest unter die Gazenetze krochen. Herr Hennings, welcher heldenmüthig am Feuer seine Pfeife rauchend ausharren wollte, wurde zuletzt durch die Ueberzahl der Mücken, welche in die Ohren, Nase und Mund eindrangen, zum Rückzuge unter die Netze gezwungen. Den folgenden Morgen, wo wir die Gepäckträger aus Namosi erwarteten, brachte Jeder nach seiner Weise zu. Ich botanisirte in der Umgegend und suchte auch nach Land- und Süsswassermollusken. Von letztern fand ich in dem Kiesgrunde des Flusses eine Batissa-Art, die mir von der im Peale’s-Flusse vor- kommenden verschieden schien; überhaupt variirt keine Thierart so sehr je nach der Localität, wie die interessante Familie der Unioniden. Von Landschnecken war eine hübsche Helicina vorhanden, jene Schneckenart tropischer Gegenden mit dem meist bunten zierlichen kleinen Gehäuse, das ein Deckel verschliesst. Ausser- dem lebten unter modernden Baumblättern einige interessante Pupa-Arten und Naninen. Die Gegend enthielt verschiedene seltene Farrenkräuter und andere Pflanzenarten, von welchen ich hier eine Melastoma-Art hervorheben will, deren röthlich-weisse saftige Blüthentrauben meist aus der grauen Rinde des Stam- mes hervorbrechend einen eigenthümlichen Anblick gewähren. Endlich stiessen Nachmittags die Eingeborenen von Namosi, zwölf an der Zahl, zu unserer kleinen Truppe und nun ging es rüstig den Fluss Vai-ni-loba entlang vorwärts. Nicht weit von unserm Lagerplatze wurde der Fluss verlassen, und indem wir denselben auf einem Baumstamm überschritten, geriethen wir am jenseitigen Ufer in einen wahren Schlammpfuhl. Unsere Gesellschaft bot hierbei manche komische Position dar und erhielt den Vorgeschmack und die Taufe für die zu erwartenden Reisemühseligkeiten. Dann ging es eine Auhöhe hinauf durch den Wald, in welchem viele Bäume einer tropischen Nadelholzart, des Kausolo (Podocarpus), unserer Weisstanne im Habitus ähnlich, standen. Ueber Anhöhen steigend, durch Schluchten uns weiter windend, kamen wir wieder zu dem kleinen Flusse Vai-ni-loba, der über ein Kiesbett rieselte.. Da die Nacht schon bevor- stand, so wurde an einem freien Platze am Flusse Halt gemacht und ein Nacht- lager aufgeschlagen. Da wir jetzt 15 Eingeborene bei uns hatten, so bot das Lager mit seinen zwei grossen Laubhütten und den zwischen den Lagerfeuern sich bewegenden kräftigen Gestalten der Namosi-Leute eine lebhafte malerische Scene dar. Unter den Speisen, welche die letzteın für sich kochten, befand sich auch eine verwilderte Hauskatze, welche einer ihrer Hunde eingefangen hatte. Der- selben wurden einfach die Haare über dem Feuer abgesengt, die Eingeweide ausgenommen und dann das edle Wildprett mit essbaren Farrenkräutern (Lito- brochia sinuata) zusammen in Blätter eingewickelt und zwischen glühend gemach- ten Steinen gebacken. Frösche und grosse Käferlarven bildeten Nebengerichte. Müde von der Tagesanstrengung sanken wir bald in Schlaf, der nun niemals wieder durch -Mückengesumm gestört wurde, da diese Inseeten im Gebirgslande von Viti-Levu fast ganz fehlen. Dienstag den 25. Juli brachen wir am frühen Morgen auf und marschirten in nördlicher Richtung weiter. Anfangs ging es eine Strecke im Flusse watend 4 FE weiter. An den Ufern desselben stand eine lichte Waldung aus schlanken Bäumen und wenigem Unterholze bestehend, so dass man sich leicht in die Scenerie einer europäischen Gebirgslandschaft versetzen konnte, wenn nicht hier und da die dazwischen vorkommenden üppigen Formen der Farrenbäume, namentlich der Marattia- und Angiopteris-Arten an die Tropen erinnerten. Nach einigen Stun- den Marsch, wobei wir einen Fluss Namens Vai-droki überschritten, ging es stark aufwärts den Berg Vunikoro hinauf, immer im Schatten der Waldung, in welcher ich verschiedene noch niemals von mir gesehene Farren fand, namentlich grosse Wedel einer Schizoloma-Art. Dann führte der Weg thalabwärts und durch das Flüsschen Vai-na-sina, eines Nebenflusses de Vai-ni-loba. In diesem Thale, das eine vollständige Wildniss darbot, war früher das Dorf Natu gewesen. Nach- dem wir dem Thale einige Zeit gefolgt waren, stand wieder eine Steigarbeit, der . Berg Tagaria, vor uns. Ueber Baumwurzeln, Felsen und Schlammpfützen uns hinaufarbeitend kamen wir endlich auf dem hohen Gipfel des Berges ziemlich erschöpft an. Die ganze Gesellschaft machte daher einen längern Halt nnd empfing mit Freuden ein gutes Mittagsessen, aus gekochtem Schweinefleisch und Dalowurzeln bestehend, welches uns Kuruduadua gastfreundlichst gesendet hatte. Leider waren die beiden hohen Gipfel des Vunikoro, sowie des Tagariaberges dermassen bewaldet, dass sie nur spärliche Durchblicke auf das Meer und die landeinwärts gelegenen Berge gestatteten. Nachdem wir bis gegen Abend dem Berggrat entlang und zuletzt hinabsteigend uns nach Norden weiter geschleppt hatten, empfing uns ein kleines Hochthal, das ein Gebirgsbach Vai-na-katama durchfloss. Hier schlugen unsere Leute das dritte Nachtlager im Freien auf und Jeder fühlte sich nach der ungewöhnlich starken Anstrengung unter dem schützenden Laubdach recht behaglich einquartirt. Der Thee und anderer Reise- proviant, welchen Capitän Jones in gütiger Vorsorge für die Gesellschaft mitge- nommen hatte, erfrischte uns wieder. Hennings hatte sich leider eine tiefe Schnittwunde an der Fusssohle zugezogen und Woid war so ermüdet, dass er unter einem Baume gleich wie wir angekommen waren, einschlief. Mir hatte das beständige Auf- und Niederklettern ein schmerzhaftes Kniegelenk zugezogen. Capitän Jones allein entwickelte seine militärische Tüchtigkeit im Marschiren und war der am wenigsten Angegriffene von uns. Es könnte vielleicht überflüssig erscheinen, dass ich solche Dinge hier erzähle, aber ich führe dieses in der Absicht an, um die höchst beschwerlichen und unpraktischen Wege der Einge- borenen dadurch zu kennzeichnen. Diese Wege ziehen sich nämlich meistens nicht den Thälern entlang und suchen nicht die niedrigsten Bergpässe als Ueber- er _ gänge, sondern gehen gerade im (tegentheil über die höchsten Gebirgspunkte. Der Grund dieser Erscheinung liegt in den ewigen Fehden der Eingeborenen, indem sie auf diesen Wegen ihre Feinde besser beobachten können und weniger einen Ueberfall von denselben zu fürchten haben. Unter den Geröllsteinen des Baches, die wir untersuchten, um über die Gebirgsformation Aufschluss zu erhal- ten, fanden sich schöne Stücke eines rothen Jaspis. Als die Nacht einbrach, wurde die Temperatur in diesem Hochthale so niedrig, dass sich der Athem sichtbar verdichtete und Jeder sich sorgfältig in seine wollene Decke hüllte. Nach dem Morgenthee griffen wir zum Wanderstabe und bestiegen eine Bergkuppe, auf deren Höhe uns die schöne Aussicht in das Thal von Namosi überraschte. Zu unserer Linken erhob sich die imposante Basaltkuppe des Voma, ihm gegenüber im Thale stand eine ganze Reihe hoher Berge und zogen sich . Seitenthäler nach allen Richtungen hinab. Die hervorragendsten Berge waren, am südlichen engen Thalausgange: der Nai-ribi-ribi mit zwei Felshörnern,, die steile Felswand des Mata-ni-siga, die Kette des Korobasabasagaberges mit seinem sägenförmig gekerbten Grate u. s. f£ Nach Norden erweitert sich das Thal, durch dessen grüne weite Fluren der Fluss Vai-edina in zahlreichen Krümmungen sich windet und an dessen Ufern zwischen Baumgruppen die Hütten von Namosi liegen. Das Ganze gewährt einen höchst malerischen Anblick. Ueber die letzten Bergesausläufer hinabsteigend kamen wir in das Dorf und traten unter dem Zu- lauf der neugierigen Namosier in das kleine Haus des eingeborenen Missionärs. Hier begrüsste uns der Häuptling Kuruduadua, ein kräftig gebauter Mann in den Vierzigen und mit einer Physiognomie, aus welcher Intelligenz und Schlauheit blickte. Als die gewöhnliche Empfangsceremonie mit beschliessendem Agonatrank vor sich ging, zog er sich an Kopfschmerzen leidend in einen kleinen Verschlag zurück. Wir erhielten die eine bessere Hälfte des Hauses, dessen ganzer Raum ein mit Matten belegtes Gestell beinahe ausfüllte, auf welchem wir bequem und weich unser Lager herrichten konnten. Im übrigbleibenden Winkel wurde unser Gepäck aufgestellt und die übrige Hälfte des Hauses war öffentlicher Salon. Die Wände uuserer Wohnung bestanden aus doppelten Rohrgeflechten; auch war gegen die Sitte der Eingeborenen ein kleines Fensterloch in dem abgegrenzten Schlaf- raume angebracht. Auf diese Weise ganz bequem eingerichtet, hatten wir alle Gelegenheit, uns während eines dreitägigen Aufenthaltes zu erholen uud die Gegend zu erforschen. Capitän Jones machte den folgenden Tag eine Exeursion auf den Korobasabasagaberg, dessen Gipfel er mit mehreren Eingeborenen er- reichte. Nach seinem mündlichen Berichte war die Aussicht nicht so günstig, +’ u 8 als wir erwartet hatten; es war dort ein wahres Chaos von Bergen zu sehen und viele Flüsse, die nach Süden abliefen. Capitän Jones hatte mir von diesem Berge einige seltene Farrenarten, sowie einen Sturmvogel (Puffinus), der in Höhlen nistet, und dessen Ei mitgebracht. Es ist eigenthümlich, diesen auf dem Meere lebenden Vogel so weit im Lande nistend zu finden; es beweist dieses die ausser- ordentliche Flugkraft dieses Vogels, indem er bei der Fütterung der jungen Brut jedesmal zum Meere und wieder zurückfliegen muss, welches ein Weg von bei- nahe 50 englische Meilen ist. Dem Kapitän, welcher sich immer für alles Auf- fallende in der Natur interessirte, verdanke ich auch bei dieser Besteigung ein Paar eigenthümliche grasgrüne Lumbrieiden oder Regenwürmer, die wahrschein- lieh diesen Gebirgen eigenthümlich sind. Mir gelang es mit Hülfe der Einge- borenen ebenfalls eine Reihe Acquisitionen zu machen. Namentlich der das Thal durchfliessende Vai-edina bot eime merkwürdig zusammengesetzte Thierbevölke- rung dar, die ich hier aufzählen will. An Fischen fand ich mehrere Süsswasser- aale, im Ganzen drei Arten, die beiden gewöhnlichen Anguillae und eine kleine Art, nicht viel dieker als ein Pfeifenstiel, von grünlich grauer und an der Unter- seite von gelblich weisser Färbung, die ich bis jetzt nirgends weiter in Viti beobachtet habe. Sehr auffallend ist das Vorkommen einer .ächten Muraenaart, welche Aalgattung sonst nur im Meere lebt. Es hat dieser Süsswasser bewoh nende Meeraal, von den Eingebornen Tantarikai genannt, einen seitlich zusammen- gedrückten Körper, einen kleinen spitzen Kopf und eine schwärzliche Färbung mit bräunlichgelben Flecken. Mehrere keine Eleotrisarten schienen ebenfalls von denen, die ich in andern Flüssen Viti-Levu’s beobachtet hatte, verschieden zu sein. Unter den Mollusken fand sich die Physa sublata, Mousson, in sehr grossen Exemplaren, eine Melania und Navicula, so wie die eigenthümliche Süss- wasserschnecke Ampullacera maculata, Mousson. An Krebsen und Insekten sind erwähnenswerth eine wahrscheinlich noch unbeschriebene, nur in Gebirgsflüssen vorkommende Palaemon-Art mit grosser, breiter Scheere und zwei andere weniger characteristische, überall die Süsswasser Viti's bewohnende Arten der gleichen Gattung. Es ist eine Eigenthümlichkeit dieser Inseln, mehrere sonst nur im Meere lebende Thiergeschlechter,, wie Lethrinus, Muraena, Palaemon hier in besondern Arten im Süsswasser zu beherbergen. Grosse Gyrinus oder Taumel- käferarten tummelten sich wie unsere einheimischen Arten in Kreisen auf dem klaren Wasser umher. An Landthieren konnte ich, was die Vögel und Säuge- thiere betrifft, ausser einer hellbraunen Ratte, die von den Eingeborenen gegessen wird, keine von der Küstenfauna verschiedene Arten beobachten. Die von mir EM schon früher entdeckte Schlange Ogmodon vitianus, Peters, war hier ziemlich häufig und ich war erstaunt über die Keckheit, mit welcher einige Knaben diese für giftig gehaltene Schlange behandelten. Ausser Halophila vitiana, Günther, lebt hier noch eine andere Froschart von bräunlicher Farbe, eine Hyla oder Laubfroschspecies, die erste, welche ich bis jetzt in Viti gefunden. Schmetter- linge und Käfer schienen sehr sparsam in der Umgegend vorzukommen und erhielt ich nur wenige Arten. Im gleichen Verhältniss wie auf diesen Inseln die arme Landthierwelt zur reichen Pflanzenwelt steht, war auch meine botanische Ausbeute weit ergiebiger als die zoologische und zwar um so mehr, da von Dr. Seemann belehrt die Ein- geborenen gleich eine Menge derselben brachten. Es würde mich indessen zu lange aufhalten, alle die Arten aufzuzählen, die hier vorkommen und die der Botaniker in dem Werke von Dr. Seemann fast alle aufgezeichnet findet. Von einem Baume mit gefiederten Blättern, ähnlich in Form und Geruch unserm Nussbaum, mit kleinen fleisehigen Früchten, gewinnen die Eingeborenen ein wohl- riechendes, campherähnliches Harz; es wurde auch das Harz von der Dammara vitiensis, Seem. in grosser Menge gebracht. Auf Danfords Aufforderung brachte man mir ferner Stammstücke, gegliederte Rohre .darstellend, und grosse Flieder- blätter, deren Rachis oder Hauptstiel mit Dornen besetzt war und einem mono- cotyledonischen Gewächse angehörten. Obgleich ich die Blüthen und Früchte nicht zu Gesichte bekam, glaubte ich doch in den vorhandenen Theilen eine Rotangpalme (Calamus) erkennen zu können, deren Anwesenheit in Viti indess Dr. Seemann nicht beobachtet und auch mir nicht weiter zu Gesicht gekommen ist. Die Bewohner von Namosi, welche mir alle diese Thiere und Pflanzen brachten, um dafür kleine Geschenke an Perlen, rother Farbe u. s. w. zu erhal- ten, zeigen gegenwärtig ein merkwürdiges Gemisch von alten heidnischen und neueren christlichen Sitten. Da die Missionäre das Tragen von Zeugen um die Lenden anstatt des blossen Maro geboten haben, dieses arme Volk aber nicht in den Besitz derselben gelangen kann, so behelfen sich die Männer mit dem Schamgürtel (Liku) der Frauen, welchen sie über dem Maro tragen. Die einen ‚haben ferner die Haare noch zu der grossen Perücke aufgestutzt und in dem Nacken herabhängende Haarzöpfe, die oft falsch sind, und die andern tragen ihr Haar wie in den Missionen kurz geschnitten. Es ist hier nur von den äus- serlichen Veränderungen die Rede, denn geistige Veränderungen kann man in so kurzer Zeit nicht erwarten, da in Namosi die Mission erst vor einem Jahre ein- geführt wurde und auch anderwärts dieselben nicht hoch anzuschlagen sind. Es I ist dieses namentlich dem Verfahren der Missionen zuzuschreiben, das sich darauf beschränkt, den Eingeborenen die Bibel zu erklären, sonst aber weiter keine Kenntnisse unter das Volk verbreitet. Die Missionen würden einen viel grössern Erfolg haben, wenn sie Lehrer und Handwerker zur Hand hätten, um zuerst das Volk zu bilden. Nur dadurch könnte der Grund zu einem Glauben gelegt wer- den, zu dessen Verständniss eine höhere Ausbildung gehört. So ist aber Alles nur mechanisch erlerntes Religionsceremonienwesen und es hat vielfach die Mission nur deshalb Eingang in Viti gefunden, indem sie Schutz und materielle Vortheile gewährt. Uebrigens kann nicht geleugnet werden, dass trotz der einseitig reli- giösen Richtung der protestantischen Missionen durch diese doch ein Fortschritt herbeigeführt wurde. Das Beispiel, welches das geregelte Familienleben des Missionärs darbietet, das Nachdenken, welches das Lesen der poesiereichen Bibel hervorruft, verbunden mit den vielen aufopfernden, liebevollen Handlungen der Missionäre, sowie ihrer eingeborenen Schüler haben vieles dazu beigetragen, mil- dere Sitten herbeizuführen und den Aberglauben zu dämpfen. Die Einwohner von Namosi stehen übrigens jetzt noch im Verdachte des Cannibalismus und wahrscheinlich nicht mit Unrecht. Wenn auch in dem Orte Namosi selbst kein Bokalo-Fest mehr gefeiert wird, so haben die Einwohner in angrenzenden Dör- fern desselben Stammes, wo noch keine Mission eingeführt ist, hinlänglich Gele- genheit ihren Lüsten nachzugehen. Dass der Cannibalismus in früheren Zeiten hier in ausgedehntem Massstabe stattfand, beweisen die vielen Knochen, nament- lich die grossen Bündel von Schenkelknochen, die zwischen den Aesten der grossen Pompelnussbäume liegen, auch schrecklich zerträmmerte Schädel und Beckenknochen paradiren als Triumphstücke auf den Bäumen im Orte. Ganze Dörfer sind nach der Erzählung Danfords zur Strafe für Widersetzlichkeit Fa- milie nach Familie in langen Zeiträumen abgeschlachtet und gegessen worden. Bei dem Essen des Bokalo, d. h. eines todten Feindes, bedienen sich die Vitia- ner hölzerner Gabeln, während sie sonst nur die Finger gebrauchen, auch dürfen die Lippen den Bissen nicht berühren, sondern es wird dieser bei weit geöffne- tem Munde mit der Gabel gleich in den Schlund gebracht. Da die Weiber und Kinder nie mit den Männern zugleich essen, so erhalten sie nur die Ueberreste des Mahles. Doch ich wende mich von diesen die Menschheit so erniedrigenden Bildern weg zu der schönen Umgebung Namosi’'s. Als die Morgensonne im Thale auf- ging, die Bergesgipfel vergoldend, lag im Thale ein leichter Nebel ausgebreitet. Mit dem Steigen der Sonne zerriss derselbe und zog sich in allerlei phantasti- ei schen Gestalten den Bergen entlang, um endlich ganz zu verschwinden. Der Voma- pick mit seinen grauen Felswänden, den grünen Zinnen und die grünen Fluren im Thale mit einzelnen Cocospalmgruppen am rasch dahineilenden Flusse ge- währten einen wunderbaren Anblick. Nach allen Seiten hin konnte man übri- gens schöne Aussichten finden, wie eine (rebirgslandschaft in den Tropen sie nur bieten kann. Freitag den 28. Juli waren endlich Abends die Verträge und Vorbereitungen zur Weiterreise zum Abschluss gekommen. Durch namhafte Geschenke hatten wir Kuruduadua bewogen, uns seinen Sohn und eine Anzahl seiner Leute his nach Tavua mitzugeben. Da wir wegen der in Aussicht stehenden höchst be- schwerlichen Wege nur das nothwendigste Gepäck mit uns nehmen konnten, so musste ich meine Sammlungen hier lassen und dem guten Willen Kuruduadua's anvertrauen, der sie an die Küste senden sollte. Noch habe ich zu erwähnen. dass während unserer Anwesenheit in Namosi Kapitän Jones den Eingeborenen das Schauspiel eines kleinen Feuerwerkes gab. Das grosse Erstaunen und das ganz unbändig ausbrechende Jubelgeschrei der Namosier beim Platzen der Schwär- mer und namentlich dem Steigen einer Rakete zeigte uns, dass die nächtliche Stille in diesem Thale noch nie durch ein solches Schauspiel unterbrochen wor- den war. Samstag den 29. Juli setzten wir unsere Reise weiter fort, obgleich der bedeckte Himmel uns nichts Gutes zu versprechen schien. Der Pfad führte anfangs dem Vai-edina-Flusse entlang durch ein enges Thal, indem hier steile Felswände das Flussbett begrenzen. Nach einem viertelstündigen Marsche wand- ten wir uns westwärts über einen hohen Hügel steigend. Während dessen fing es an stark zu regnen und der thonreiche Boden so schlüpfrig zu werden, dass jeden Augenblick einer von uns ausgleitend zu Boden fiel. Namentlich ein steiler Abhang, welcher uns in ein anderes Flussthal hinabführte, wurde selbst für die leichtfüssigen Namosier zu einer schwierigen Aufgabe. Im Thale angelangt eröffnete sich unsern Blicken eine malerische Scene, indem der Fluss Vai-koroi- luba in zahlreichen Wasserfällen zwischen Felsen hinabstürzend nur einen schma- len Weg an der Seite übrig liess, auf dem unsere lange Reisecaravane mühsam sich fort bewegte. Zwischen den musculösen schwarzen Gestalten der Männer mit ihrem grotesken perückenähnlichen Haarputze bewegten sich die nackten Gestalten der Frauen mit unserm schwersten Gepäck beladen so geschiekt und leicht, dass es unsere Bewunderung erregte. Diese armen Geschöpfe sind hier wie fast bei allen wilden Völkerschaften zu Lastthieren herabgewürdigt. u, 7 Dem Flusse entlang wandernd kamen wir zu dem Dorfe Natabua, wo wir bei strömendem Regen einen kleinen Halt machten. Dann ging es über den Fluss und dessen Ufern folgend durch eine sumpfige Niederung, die mit einem diehten Rasen von Equisetum, unserm Sumpfschachtelhalm sehr ähnlich, bewach- sen war. Nach kurzem Marsche von ungefähr einer englischen Meile kamen wir zu einem stark befestigten Platze Lase-Lase genannt, dessen Entfernung von Namosi wir auf sechs englische Meilen schätzten. Die Befestigungen der Dorf- schaften in Viti bestehen allgemein aus einem ringsum laufenden Graben und einer Pallisadenmauer mit einem oder zwei Ausgängen. Hier in Lase-Lase waren dieselben zu beiden Seiten mit Bambnsgeflechten und Fussangeln versehen. Die Geflechte von gespaltenem Bambusrohr sind derart gebildet, dass wer in dasselbe geräth, was bei den nächtlichen Ueberfällen leicht geschieht, von aufschnellenden scharfkantigen Rohrstücken schwere Schnittwunden davonträgt. Die Fussangeln. vor welchen uns unsere Führer aus Namosi fortwährend warnten, bestehen aus tiefen Gruben, in deren Grunde sich ein zugespitztes Stück Bambusrohr befindet und die mit dünnen Aesten und Laub leicht bedeckt werden. Wehe dem unbe- kleideten Fusse des Eingeborenen, der in eine solche Grube hinabtritt, denn das scharfe Bambusmesser durehbohrt ihn und hält ihn gefangen. Hinter diesen Befestigungen liegen die wenigen Rohrhütten der Eingeborenen ziemlich dicht beisammen. Eine der grösseren derselben wurde uns und unserm Gefolge gastlich eingeräumt. Nachdem. wir bei loderndem Fener die nassen Kleider mit trocknen vertauscht hatten, streckten wir die ermüdeten Glieder auf die Matten aus und rauchten behaglich unser Pfeifehen. So ärmlich, räuche- rig und schmutzig diese Hütten auch sind, die als Ruhestätten nur einige am Boden ausgebreitete Matten darbieten, so war ich doch jedesmal nach einem ermüdenden Tagemarsche bei schlechtem Wetter beim Anblick derselben eben so erfreut, als ein Tourist in unsern Alpen beim Eintritt in ein stattliches Hotel. Indessen war die Umgebung unseres Gasthauses nicht sehr einladend zu nennen, indem verschiedene Bäume mit Menschenknochen beladen uns an den Canniba- lismus der Vitianer erinnerten. An einem Schenkelknochen waren noch Sehnen und Muskeln vorhanden und es war derselbe ein Ueberbleibsel eines erst vor vier Tagen stattgefundenen Bokalo-Festes. Diese Cannibalen betrugen sich jedoch uns gegenüber ganz zufriedenstellend, indem sie uns nicht durch übergrosse Neugierde belästigten. Die Anwesenheit ihres Häuptlings Kuruduadua mochte wohl dazu beigetragen haben. Gegen Abend ertönte aus einem ihrer Bure's eine eigenthümliche Musik und Gesang. Die Musikanten hatten grosse Bambus- z. 9. — rohre, die sie im Takte auf den Boden niederstiessen, wodurch Töne, die an Glockengeläute erinnern, hervorgebracht wurden. Der Gesang, von einer grossen Anzahl Männer ausgeführt, war oft höchst eigenthümlich, indessen kaum wohl- klingend zu nennen. Der Text dieser Gesänge behandelte meist ihre alten abgeschmackten Göttergeschichten, in welchen sich die rohe Phantasie der Race getreu abspiegelt. Der Gesang der Vitianer, die sonst schöne Bässe aufweisen, wird namentlich durch das fortwährende Einfallen mit Händeklatschen heein- trächtigt, wobei sie aber grosse Sicherheit und Taktfestigkeit zeigen. Bis tief in die Nacht dauerte zu unserm Verdruss dieses Concert, denn es war vergebens, während desselben den uns so nöthigen Schlaf zu finden. Am Sonntag den 30. Juli blieben wir wegen des strömenden Regens noch in Lase-Lase und wir benutzten diese Zeit, die nächste Umgebung zu betrachten. Das Thal, in welchem das Dorf liegt, ist schmal und es erheben sich beiderseits steile Hügel, auf welchen sich einzelne kleine Hüttchen für Beobachtungsposten befinden. Das Gestein einer Felswand zur rechten Seite des Dorfes bestand nicht aus dem gewöhnlichen schwarzen Basalt, sondern hatte ein gneisartiges Aussehen. Der Fluss, der hinter dem Dorfe nach Süden fliesst, der Vai-koroi-luba, oder Duba oder Dumba, wird bald zu einem ziemlich breiten Flusse, auf dem grössere Boote fahren können, so dass man von der See aus diesen Fluss aufwärts bis eine kleine Tagereise von Namosi gelangen kann. Es wird diess vielleicht in spätern Zeiten für den Verkehr mit dem fruchtbaren Thale von Namosi von Wichtigkeit werden. Eine sehr kleine Nanina (mieroconus, Mouss.) fand sich in Menge unter den grossen abgefallenen Blättern des Brodfruchtbaumes; so auch einige Zonitis-ähnliche Heliceen. Grosse Exemplare einer Cycas zierten die um- stehenden Hügel. Für Flinten und Pulver boten uns vielfach die Eingeborenen ihre Weiber zum Verkauf an. Montag den 31. Juli brachen wir, des Zuwartens müde, trotz dem regneri- schen Wetter von Lase-Lase auf, den Fluss aufwärts verfolgend. Unser Gefolge bestand aus nicht weniger denn 50 Eingeborenen, zum Theil als Gepäckträger, zum Theil als bewaffnete Schutzwache dienend; ihr Anführer und unser Geleits- mann war der Sohn des Häuptlings von Namosi. Der Gebirgsstrom war äusserst klar und nicht sehr tief und höchstens hundert Fuss breit. Seine Ufer waren bald von niedrigen Hügeln mit Schilf und hohem Bambusgestrüpp bewachsen, bald von höheren Bergen mit steilen, waldigen Abhängen begrenzt. Da es schwer war, den letztern entlang zu klettern, so mussten wir öfters den Strom durchwaten, um das entgegengesetzte weniger steile Ufer zu gewinnen. So ging b) ar u | es den ganzen Tag’ theils durch morastige Niederungen kniehoch im Schlanim oder im kalten Flussbette mit schlüpfrigem Basaltgerölle vorwärts. An den felsigen Ufern wuchs häufig die schöne Lindenia vitiensis, Seem. mit ihren wohl- riechenden oleanderähnlichen weissen Blüthen und schöne Myrtenbäume, deren abgefallene Blüthen den Boden weithin bedeckten. Nachdem wir in nordwestlicher Richtung bis 4 Uhr Nachmittags weiter gewandert waren, kamen wir an einem zuckerhutförmigen, steil aufgerichteten Basaltberge vorbei, auf dessen Gipfel die Hütten des Dorfes Vai-edai überaus malerisch lagen. Es ist dieses Dorf eine natürliche Festung und ein Beweis von den fortwährenden Feindseligkeiten, in welchen die Bewohner Viti’s leben. Alle Lebensbedürfnisse müssen zu diesem Dorfe mühsam hinaufgetragen werden. Ungefähr eine Meile von da stand am Flussufer eine kleine Hütte oder Bure, wo wir unser Nachtlager aufschlugen. Die gutmüthigen aber neugierigen Einwohner von Vai-edai brachten uns viele Nahrungsmittel und unter andern ein kleines schon gekochtes Schwein und grosse Yamswurzeln. Trotz unsers schlechten Lagers in der feuchten Hütte versenkte uns die Ermüdung des Tagemarsches bald in einen festen Schlaf. Dienstag den 1. August setzten wir in demselben Flussthale unsere Reise weiter fort, jedoch mehr in nördlicher Richtung. Die Gegend war ähnlich der gestern durchwanderten, doch walteten sumpfige Niederungen vor. Wir fanden an verschiedenen Stellen die Spuren von Dorf- schaften, die, wie unser Dolmetscher aussagte, im Kriege mit Namosi zer- stört wurden. Der Häuptling von der Herrschaft Coroduadua war es, der hier nit Feuer und Keule gehaust und viele Schlachtopfer zu cannibalischen Festen nach Namosi geschleppt hatte. Noch standen die Brodfruchtbäume, Papaga’'s und Bananen um die alten verkohlten Hauspfähle als Zeugen einer früheren Bevölkerung in dieser jetzt menschenleeren Einöde. Der Fluss, dem wir stets gefolgt waren, wurde immer kleiner und bot nur noch das Bild eines Waldbaches dar, als wir immer höher an den Gebirgsstock hinauf kamen, dem er seinen Ursprung verdankt. Wir verliessen das Bett des- selben und erkletterten den Kamm des bewaldeten Berges, Na-ivi-dra genannt. Als es Abend wurde, machten wir an einer etwas lichten Stelle Halt und schlugen die gewöhnlichen Waldhütten auf. Während die Eingeborenen hiemit beschäf- tigt waren, durchsuchte ich die nächste Umgebung nach meinen Lieblingen, den Landmollusken. An einer Palme, mit Areca verwandt, fanden sich unter den mächtigen Blattscheiden zahlreiche Exemplare des schönen Viti eigenthümlichen Buli- mus fulguratus, Tay, sowie dessen grosse runde Eier, die eine dünne weisse Kalk- u A schale besitzen. Es gehört diese Schnecke zu den arborealen, d. h. nur auf Bäumen lebenden Arten, wie viele andere in diesen tropischen Gegenden. Kleine Nanina- und Helix-Arten fanden sich unter alten liegenden Baumstämmen, Moos u. 8. w. Der interessanteste Fund war aber der einer cylindrischen Schnecken- schale, die ich zu keiner andern Gattung zählen kann als zu Truncatella, einer Molluske, die sonst nur am Meeresstrand gefunden wird. Wie kommt aber eine Art, die sonst die Nähe des Meeres, ja das Seewasser selbst liebt, hier in das Innere von Viti-Levu hoch im Gebirge? — Die hereinbrechende Nacht liess mich bald zum Lager zurückkehren, wo bereits grosse mit Waldbananenblättern bedeckte Hütten standen und an dem kühlen regnerischen Abend mit lodernden Lager- feuern zur angenehmen Rast einluden. Unsere Vitianer hatten sich eine grosse Sehlange als Delikatesse mitgebracht. Es war dieses eine eigenthümliche, mir noch unbekannte Art, beinahe 5 Zoll breit, aber nur zwei und einen halben Fuss lang. Die Farbe war schwärzlich mit einer rothbraunen Ziekzackbinde über den Rücken, wie bei unserer Viper; sie gehörte zu den unschädlichen Arten, nahe mit der Gattung Enygrus verwandt, wenn nicht zu derselben gehörend. Leider konnte ich dieselbe, nicht aufbewahren, da ich keinen Weingeist mehr bei mır hatte und so sah ich zu meinem Verdruss diese naturhistorische Seltenheit unter den weissen Zähnen der schwarzen Gesellen verschwinden. Nachdem auch wir unsere Vorräthe hervorgeholt und unsern Hunger gestillt hatten, legten wir uns auf das frische duftende Farrenlager nieder. Wir konnten aber keinen Schlaf finden, indem es die ganze Nacht hindurch regnete, so dass zuletzt das schützende Bananendach bedenklich zu lecken anfing und sich bald an dieser, bald an einer andern Stelle kleine Wasserfälle bildeten, die unsere bereits feuchten Decken und Kleider vollends einweichten. Nicht ohne Freude sahen wir daher den Morgen des 2. August heranbrechen, um unsere durch die nasse Kälte steif gewordenen (lieder durch Bewegung wieder erwärmen zu können. Wir stiegen von dem Bergkamm wieder hinab zu einem kleinen Waldbach, um dann abermals eine hohe bewaldete Bergkette zu erklimmen. Der schmale Fusspfad lief auf dem Grate derselben hin, stets den Einsenkungen und Erhe- bungen folgend, ohne jemals zur Seite auszuweichen. Öbgleich ein dunkler Wald mit schönen Farrenkräutern als Unterwuchs diese wilden Höhen bedeckte, fiel mir indessen doch die geringe Dicke und Höhe der meisten Bäume in dieser zu den Tropen gehörenden Gegend auf. Auf einem der höchsten waldlosen Gipfel. den wir mit grosser Mühe dem schmalen Berggrate entlang erkletterten, erfreute uns eine schöne Aussicht auf das umgebende Land. Wir sahen ein Chaos wil- u der, bewaldeter Gebirgszüge vor uns, deren Einsamkeit keine Hütte, kein See- spiegel unterbrach, um dem Auge einen Anhaltspunkt zu gewähren. In dem weichen Farrenrasen, der meist solche freie Bergspitzen bedeckt, uns lagernd, suchten wir unter den vor uns liegenden Bergspitzen diejenigen zu finden, die wir von Namosi aus gesehen hatten; wir konnten uns aber durchaus nicht orien- tiren. Da jedoch unsere Begleitung zum Aufbruch drängte, so wandten wir unsere Schritte wieder weiter zwischen den dicht mit Moosen, Flechten und Orchideen behangenen Bäumen des Waldes hindurch und zwar bergab zu dem nächgten nach Norden gelegenen Thale. Das Rauschen eines Waldstromes zeigte uns nach halbstündigem Abwärtssteigen, dass wir den Grund des Thales erreicht hatten. An dem Ufer dieses ziemlich breiten Bergwassers, das zwischen hohen schwarzen Basaltblöcken in nördlicher Richtung hinabfloss, machten wir einen kleinen Halt. Die Sonne schien hier warm und hell, was auf uns, die wir durchnässt und ermüdet waren, äusserst wohlthuend einwirkte. Während ich so am Boden liegend ausruhte, sah ich unter einem Stein einen Käfer hervorkommen, der in seiner ganzen Gestalt den uferliebenden Laufkäfern, Carabieiden, glich, wie ich dieselben oft in der Schweiz beobachtet habe. Es ist sehr merkwürdig, dass an so entfernten Punkten unserer Erde, aber an ähnlichen Lokalitäten, wie hier au dem sandigen und steinigen Ufer eines Waldstromes auch die analogen thierischen Bewohner sich einfinden. Es ist dieses eine von den vielen Thatsachen, die schwer zu erklären sind, da ihr Grund in den uns so fern liegenden Zeiten der Schöpfung liegt, über deren Geschichte wir erst in neuerer Zeit durch Darwin einiges Licht erhalten haben. Der Waldstrom soll sich nach Angabe der Ein- geborenen bei Nadroga an der Südwestküste Viti-Levu’s ins Meer ergiessen, folglich muss er, da wir ihn hier nördlich fliessen sahen, eine grosse Krümmung machen. Nachdem die Eingeborenen Abgesandte nach dem nächsten Dorfe geschickt hatten, wandten wir uns links vom Flusse ab und stiegen über zwei hohe Hügel, von denen der eine grosse Dammarabäume trug, zu dem Berge hinan, wo am Fusse einer vor uns liegenden hohen Felswand die nächste Sta- tion, das Dorf Vunivatu sich befand. Unsere letzten Kräfte zusammenrafiend erkletterten wir auch diesen Abhang, der baumlos und kahl abwechselnde Schich- ten von Basalt und mergelähnlichen weichen Tuffen zeigte. Bereits brach die Dämmerung an, als wir zu den ersten Hütten Vunivatu’s (d. h. die Wurzel der Steine) gelangten. Diese Hütten zeigten eine von den im östlichen Viti-Levu gesehenen Behausungen verschiedene Bauart. Die Dächer hatten keine Längsgiebel, sondern liefen kegelförmig spitz zu, dem. Ganzen. eine Te bienenkorbförmige Gestalt gebend. Da ein schneidend kalter Wind wehte, so begaben wir uns in das Innere eines dieser Häuser und liessen, um unsern Durst zu stillen, ein Gefäss voll Cava aus der Wurzel von Macropiper methisticum bereiten. Endlich nach langem Warten kamen unsere drei Häuptlinge aus Namosi im festlichen Anzuge aus einer der Hütten hervor. Wir konnten uns über die äussere Veränderung unserer Namosifreunde kaum des Lachens enthalten, denn sie hatten sich Gesicht und Oberkörper ganz mit schreiend rother Farbe bestri- chen und um ihre Lenden eine Unmasse Tapa-Zeug, von dem Maulbeerbaume verfertigt, gewickelt, so dass sie dadurch einen gewaltigen Leib erhielten. Auf diese Weise schritten sie stolz auf die Schönheit ihres Anzuges voran und wir folgten ihnen zur Empfangsfeierlichkeit den Hügel weiter hinauf bis vor die grosse Hütte des Häuptlings oder den Bure-ni-sa. Eine Menge grosser Felsblöcke lagen überall über einander gethürmt herum von einem früheren Bergsturze, der sich von der steilen Felswand hinter dem Dorfe abgelöst hatte, herrührend. Zwischen diesen Felsblöcken lagen malerisch die einzelnen Hütten der Eingebo- renen ähnlich wie im Dorfe Goldau beim Rigi in der Schweiz, während die fast senkrecht sich erhebende Felswand, deren Gipfel mit Wald gekrönt war, einen schönen Hintergrund bildete. Eine prachtvolle Aussicht eröffnete sich unsern Blicken, als wir die Plattform betraten, die sich vor dem erhöhten Bure aus- breitete. Die Sonne ging eben hinter den grünen Bergketten unter, Alles in rothe Abendgluth tauchend. Nachdem die Eingeborenen unter dem Häuptling von Vunivatu sich versammelt hatten, wurden die landesüblichen Cachelotzähne zur freundlichen Begrüssung übergeben. Diese hatten die Häuptlinge von Namosi zwischen die Windungen ihres Tapa-Gürtels gelegt und sie entledigten sich der- selben unter fortwährendem Drehen ihres Körpers, bis sie zuletzt ganz nackt mit Ausnahme ihres Maro dastanden. Die lange Tapabinde und die Zähne wurden unter Reden dem Häuptlinge, einem ansehnlichen gutmüthig aussehenden Mann, überreicht und von dem letztern in feierlicher Rede der Dank dafür ausgespro- chen, wobei wir alle in Vunivatu willkommen geheissen wurden. Da der kalte Wind, der uns auf dieser Berghöhe umsauste, nass und müde, wie wir vom langen Marsche waren, durchaus nicht angenehm war, so kam uns das Ende der Ceiemonie nicht ungelegen, da wir jetzt in die Hütte eintreten konnten, die von eigenthümlicher solider Construction war. Auch hier waren zwischen den Lager- stätten durch Querhölzer abgegrenzte Feuerplätze und es war uns das in densel- ben lodernde Feuer sehr willkommen. Die Eingeborenen, welche sich in grosser Menge um uns versammelt hatten, glichen in ihren Physiognomien, Haarputz u. s. w. ir tr denen von Namosi, auch der singende Dialekt war der gleiche. Die übliche Ceremonie des Uava-Bietens wurde unter grossem Zulauf vorgenommen und nach- dem wir durch unsere Feldküche gestärkt waren, lagen wir bald Alle in den Armen des Schlafes. Donnerstag den 3. August. Wir hatten an diesem Morgen beim Sonnen- aufgang wieder ein schönes Panorama vor uns. Die lang gezogenen Bergketten, bei welchen eine hohe pyramidenförmige Spitze, Tulotu genannt, namentlich in die Augen fiel, waren von den ersten Strahlen des aufgehenden Gestirns beschie- nen, während in den Thälern noch dichter Nebel wogte. Dieser wich jedoch bald den einwirkenden Sonnenstrahlen und zog sich in lange Streifen zerfallend weg. Die Landschaft hatte hier ein ganz verschiedenes Aussehen als die, welche wir bisher durchwandert hatten, indem alle Hügel und Berge unbewaldet waren. Hier durch Vunivatu ging gerade die Trennungslinie zwischen dem bewaldeten und waldlosen Theil von Viti-Levu. Ein Berg zu unserer Linken war zum Theil noch bewaldet, während sein nach Westen liegender Theil ganz holzlos nur mit grünem Rasen bedeckt erschien. Ob diese Erscheinung von verschiedener Boden- beschaffenheit oder von Zerstörung durch Feuer oder von einer früheren Cultur herrührt, konnten wir nicht entscheiden und die Eingeborenen konnten ‚auch darüber keine Auskunft geben. Mit Hülfe der Bestimmung der Wegrichtung vermittelst des Kompasses und der Schätzung der Distanzen glaubten wir Vunivatu in die Mitte von Viti-Levu setzen zu müssen. Bei einer spätern Excursion des Capitäns Jones, wobei em Herr Trusten mit den Theodoliten einige Messungen machte, ergab sich ein etwas anderes Resultat, nach welchem dieser Punkt weiter nach Westen und Norden zu liegen kommt. In der vor uns ausgehreiteten Landschaft war ein ziemlich breiter Fluss bemerkbar, der in vielen Krümmungen in nordwestlicher Richtung durch die Thäler floss. Derselbe mündet an der Südwestküste von Viti-Levu ins Meer und wir hörten von den Eingeborenen, dass ein Amerikaner, welcher in Nadroga wohnt, in einem Boote bis in die Nähe dieser Gegend gekommen sei, um mit den Eingeborenen Handel zu treiben. Während Capitän Jones den hinter dem Dorfe gelegenen Berg mit der steilen Felswand erstieg, um die Gegend besser übersehen zu können, benutzte ich die Zeit unseres Aufenthaltes in Vunivatu, die Fauna und Flora dieser Gegend zu untersuchen. Vor Allem erwähnenswerth war das Vorkommen einer grossen Landschnecke, dem Bulimus fulguratus, Tay. in Gestalt und Färbung ähnlich, aber viel grösser und zwar die grösste Landschneckenschale, die ich bis jetzt in a Viti gesehen habe. Eine andere Bulimus-Art, die Dr. Seemann in Cantavu eht- deckte, gehört ebenfalls in diese Gruppe und man ist bei Betrachtung solcher ganz nahe verwandten Arten, die nur eine enge geograshische Verbreitung haben, geneigt, a priori zu schliessen, dass dieselben durch Variirung einer Art sich von derselben abgezweigt haben. Das Studium der Landschnecken mit ihren leicht zu verfolgenden engen Verbreitungsbezirken ist jedenfalls für die Entstehungs- geschichte der Arten von grosser Wichtigkeit und ich widme daher diesen Thieren meine besondere Aufmerksamkeit. Die Truncatella-Art, von der ich oben schon sprach, war auch hier zu finden, weiter indess nach Norden hin habe ich die- selbe nicht melır angetroffen. Unter Holz und Gestein im Walde ist hier eine Scorpionart anzutreffen, die von der gewöhnlichen schwarzen in Viti und Samoa vorkommenden Art verschieden ist und einen langgestreckten Körper von gelblicher Farbe besitzt. Sein Stich wird von den Eingeborenen sehr gefürchtet und behaupten d’eselben, dass der Schwanzstachel in der Wunde stecken bleibe. Eigenthümliche Bewohner der feuchten Waldplätze sind kleine Würmer, welche sonst dem Wasser angehören, aus der Familie der Strudelwürmer, mit bunten Farben geziert, längliche, schlei- mige, äusserst zarte Thiere. Auffallend war auch hier die Armuth an Landvögeln, nur hier und da vernahm man das Gurren der wilden Taube (Columba vitiensis, Peale) oder das Zwitschern kleiner honigsaugender Vögel (Zosterops und Ptilotis). Die grossen bunten Papageien waren hier sehr selten. Die Küstengegenden und namentlich die Ufer des grossen Reva-Flusses sind viel belebter von Vögeln als das mehr nach Westen gelegene Innere von Viti-Levu. Die Pflanzenwelt dieser Gegend würde bei längerem Aufenthalte manches Interessante darbieten; das Thal von Namosi ist jedoch viel reicher an verschie- denen Arten. Einige mir noch unbekannte Farrenkräuter, sowie verschiedene Myrten fanden sich in der Nähe des Dorfes. Während meiner Excursionen wurde ich auf Schritt und Tritt von Eingeborenen begleitet und beobachtet, eine sehr lästige Gesellschaft. Wie dieselben aussagten, thaten sie dieses zu meiner Sicher- heit, indem die umliegenden Stämme mit Vunivatu in Fehde lägen und daher die Umgegend nicht sicher sei. Wenn die Weiber des Dorfes in den Wald gingen, um Holz zu holen, waren sie stets von bewaffneten Männern begleitet. Durch seine übergrosse Aengstlichkeit und Sorge für unsere Sicherheit zeichnete sich besonders ein alter drolliger Mann aus, der sich unserer bestens annahm und uns sehr gewogen war. Am Abend dieses Tages liessen wir einiges Feuer- werk auf dem freien Platze unten im Dorfe abbrennen. Bei dieser Gelegenheit = Ms fiel es uns aber auf, dass die Eingeborenen niemals freudige Erstaunensrufe hören liessen, sondern sich äusserst furchtsam und still zeigten. Jedenfalls hatten die- selben noch niemals ein solches Schauspiel genossen und so waren sie über die zischend herumfahrenden Schwärmer und die sprühenden Sonnen eben so erschrocken wie erstaunt. Nachdem endlich die Vorbereitungen für unsere Weiterreise beendigt waren, verliessen wir Samstag den 5. August Vunivatu, von dessen Häuptling und vielen seiner Leute begleitet, und gingen weiter zur Nordküste Viti-Levu’s. Wir kamen zunächst über eine Hügelreihe, die theils leicht bewaldet, theils mit hohem Gras und Farren bewachsen war. Gegen Mittag kamen wir in die Nähe eines Dorfes Namens Nasau, dessen Bewohner uns gern gesehen hätten. Capitän Jones weigerte sich aber dem Häuptling von Vunivatu gegenüber entschieden, diesen Besuch zu machen, da er wegen Ankunft eines Kriegsschiffs in Lefuka die Vollendung unserer Reise zu beschleunigen wünschte und die übrigen Mitglieder der Expedition gaben seinem Wunsche nach. Ueber hohe ganz kahle Hügel stiegen wir in ein Thal hinab, das von einem breiten und schönen Flusse durch- strömt wurde. Wir hielten hier eine kurze Rast und stärkten uns durch Baden in dem krystallhellen Wasser, in welchem wir grosse Fische beobachteten und dessen Oberfläche von Entenschaaren belebt war. Diesem Flusse entlang wan- derten wir weiter und fanden hier in basaltischen Geschiebsmassen viele opal- ähnliche rundliche Mineralien eingesprengt. Der Pfad wandte sich rechts vom Flusse ab über hohe schattenlose Hügel, bis wir spät am Abend auf einem der- selben die wenigen Hütten des Dorfes Delavatu antrafen. Diese ganze Gegend ist so entblösst von baumförmiger Vegetation, dass man sich nicht in einer tro- pischen Gegend zu befinden glaubt. Rings erheben sich hohe Hügel oder Berge von 500 oder 1000 Fuss Höhe mit sanft gerundeten Kuppen, deren Oberflächen weite Grasflächen oder kleinere ganz kahle Stellen enthalten. Nur in den Schluchten, die sich an den Abhängen herabziehen, sieht man einigen dürftigen Holzwuchs und grössere Gesträuche. Um die Häuser von Delavatu herum lagen einzelne grosse Felsblöcke aus einer eigenthümlichen Gesteinsart bestehend, näm- lich aus einem Conglomerat kleiner schrotförmiger Körner wie beim Oolith- gestein. Proben davon habe ich mit mir genommen, um sıe nach Europa zur näheren Prüfung zu senden. In der umfangreichen hohen Hütte des Häuptlings, der aber mit seinen Leuten abwesend war, brachten wir die Nacht zu. An dem Pfosten über der Thür befand sich ein kleines osteologisches Cabinet, nämlich die Kieferstücke, nr Rückgratwirbel und ganze Schädel von Fischen, Schlangen, Vögeln u. s. w. Es scheint ein Vergnügen vieler Vitianer zu sein, diese Reste als Trophäen ihrer Jagd aufzustellen. Den 6. August schieden der Häuptling von Vunivatu, sowie der Sohn des Kuruduadua von uns, um in ihre Heimat zurückzukehren. Dem ersteren können wir ein einstimmiges Lob spenden für sein bescheidenes und stets freundliches Betragen gegen uns und wir hätten demselben gern ein grösseres (Geschenk gegeben, wenn nicht unser Vorrath an Aexten, Messern und (Gegenständen dieser Art erschöpft gewesen wäre. Mit vier Namosileuten, die bei uns blieben, wan- derten wir den steilen Hügel hinauf, auf dessen Gipfel das grosse Dorf Numbe- tau-tau liegt. Die letzte Strecke vor Erreichung der Verschanzungen des Ortes war ausnehmend steil und ist die Lage des Dorfes für einen Angriff von dieser Seite zur Vertheidigung sehr günstig gewählt. Die zahlreichen Hütten, an wel- ehen wir vorbei kamen, hatten dieselbe Bauart wie die in Vunivatu und es ist Numbe-tau-tau jedenfalls die grösste Ortschaft, die wir auf unserer Reise ange- troffen haben. Doch war der Bure-ni-sa, in welchen wir gewiesen wurden, eine kleine schlechte Hütte. Kaum hatten wir uns und unser Gepäck daselbst unter- gebracht, als ein starker Regen eintrat, der den ganzen Tag anhielt. Als sich das Wetter mit Anbruch der Nacht etwas besserte, wurde vor dem Hause der letzte Rest des Feuerwerkes abgebrannt, aber mit demselben Erfolge wie in Vunivatu, mehr Schrecken als Freude bereitend. Am 7. August, nachdem wir den Chef von Numbe-tau-tau, Kataneimos, gewonnen hatten, uns bis Tavua zu geleiten, versammelten wir uns zur Weiter- reise. Bei der Vertheilung des Gepäcks an die Leute weigerte sich ein alter Mann, seinen Theil anzunehmen, allein der Häuptling, ein langer hagerer Mann von energischem Aeussern, schlug ohne Weiteres sein Gewehr auf ihn an, worauf er sich grollend in sein Schicksal ergab. Von dem Hügel hinter dem Dorfe sah man zuerst in weiter Ferne das Meer im Norden von Viti-Levu. Unsere Reise führte in nördlicher Richtung über kahle Berge und Hügel, bis wir gegen Mittag in ein kleines Thal gelangten, in welchem ein klarer Bach, der dasselbe durch- rieselte, zur kurzen Rast einlud. Hier traf ich zum ersten Male in Viti deutliche versteinerte Pflanzenreste in einem bläulichen Gestein an, doch konnte ich aus diesen Fragmenten keinen Schluss über die Zeitepoche der Bildung derselben ziehen. Nachdem wir noch einen hohen kahlen Berg Namens Nagueli hinauf- gestiegen waren, erreichten wir Abends spät eine Schlucht mit lichter Waldung, wo wir die Nacht bei grossen Lagerfenern zulrachten. Kataneimos erklärte, dass 6 a dieses Thal von jetzt an den Namen: das Thal der Fremden oder der Papalagi erhalten sollte. Den 8. August bestiegen wir zwischen sumpfigen Wiesen, mit hohem Schilf und Farren bedeckt, einen Berg, dessen Gipfel die einzige grössere Waldung bedeckte, die wir von Vunivatu bis Tavua angetroffen haben. In einer Lichtung dieses Waldes, von schönen Dammara-Fichten umstanden, uns lagernd, erschienen die Eingeborenen von einem nahe gelegenen Dorfe und brachten nebst einigen Lebensmitteln die Nachricht, dass die feindliche Armee der Bau-leute (d. h. von der Insel Bau) nicht weit von hier stehe und dass alle Dörfer bis zur Tabua- küste verheert oder verlassen wären. Diess schien auf unsere Leute von Numbe- tau-tau einen schlimmen Eindruck zu machen, und ihr Häuptling Kataneimos bestand darauf, trotz unserer Einreden, indem wir ihm in unserer Begleitung jeglichen Schutz versprechen konnten, sogleich umzukehren. Indessen hatte er noch so viel Rücksicht, einige seiner Leute mit uns gehen zu lassen. Leider hatten gerade zur Zeit unserer Excursion die zur Mission gehörenden Vitianer unter der Anführung des Sohnes des Königs von Viti, der in Bau, einer kleinen Insel an der Ostküste Viti-Levuw’s, residirte, einen Kriegszug nach der Nordküste von Viti-Levu unternommen. Die bis dahin stets der Mission abgeneigten Stämme namentlich an der Ba genannten Küste sollten mit Waffen- gewalt eines Besseren belehrt werden. Den Vorwand zum Kriege bildete die Ermordung eines eingeborenen Missionärs oder vielmehr Agenten der Mission. In wie weit die wesleyanischen Missionäre das Kriegsfeuer geschürt haben, kann man nicht wissen, aber immerhin war es für den Fortschritt der Civilisation in Viti günstig, dass diese den Weissen immer feindlich gesinnten unabhängig lebenden Stämme der Nordküste von Viti-Levu die Macht des der Mission und Civilisation ergebenen Vunivalu, des Beherrschers des grössten Theiles von Viti, fühlen lernten. Indem wir auf unserer Weiterreise den Abhang des Berges hinabstiegen, sahen wir in der Waldung die ganze Bevölkerung eines Dorfes mit ihren Koch- geräthen, Schweinen. und Federvieh gelagert. Es war ein panischer Schrecken in die Leute gefahren und obgleich, wie wir später sahen, der Feind schon meilenweit entfernt war, glaubten sie doch noch nicht mit Sicherheit in ihr Dorf zurückkehren zu können. Unsere Anfrage, was die Bau-leute ihnen zugefügt hätten und ob sie mit ihnen im Gefecht gewesen wären, beantworteten sie ver- neinend. Sie hätten nur in der Ferne einige Bau-krieger gesehen, doch sei bei ihrer Flucht ein junges Mädchen verschwunden und wahrscheinlich ermordet 43 = worden. Es ist kein Beweis für die Tapferkeit dieser Leute, dass sie gleich davon gelaufen sind, wenn auch zu ihrer Entschuldigung gesagt werden kann, dass sie sonst keine Gewehre und Munition besassen, während die Missionsarmee reichlich damit versehen war. Diese Armen in ihrer Bestürzung hinter uns lassend, gelangten wir bergabwärts in das verlassene Dorf Coimbra, welches auf einem kleinen Plateau des ziemlich steilen Bergabhanges gebaut war. Nur ein Mann hatte so viel Muth gehabt, darin zurückzubleiben, aber aus Vorsicht eine Tapa-Schürze um die Lenden gelegt. Letztere wird nämlich als das äussere Erkennungszeichen der christlichen Bekehrung angesehen, indem die unabhängi- gen heidnischen Vitianer bloss den Maro tragen. Zu diesem vor Schrecken zu Kreuze gekrochenen Coimbraner passten aber die vielen menschlichen Schädel und Knochen auf den umstehenden Bäumen schlecht und waren dieselben ein Beweis, dass die Bewohner des Dorfes mehr den alten Sitten als der Bibel ergeben waren. Bis hieher hatten unsere Numbe-tau-tau-Leute noch standhaft ausgehalten, aber jetzt wurden auch sie von der Panik ergriffen und trotz Bitten und Dro- hungen brachten wir sie nicht weiter von der Stelle. Unsere vier getreuen Namosier nahmen daher sämmtliches Gepäck, das die Ausreisser liegen gelassen hatten, auf ihre kräftigen Schultern und so ging es munter den Berg vollends hinab, bis wir nach langem Marsche eine fruchtbare hügelichte Gegend erreich- ten. Daselbst fanden wir einen kleinen Fluss, an dessen Ufern wir unser Lager aufschlugen Den 9. August gingen wir über den Fluss und setzten unsern Weg nach Tavua über hügelichtes kahles Land fort. Wir kamen an einem verlassenen Dorfe vorbei und sahen überhaupt auf dem ganzen Wege keinen Menschen. In- dessen kannte einer unserer Namosileute den Weg nach Tavua, so dass wir schon vor Mittag aus der Hügelgegend heraustretend die weite Ebene von Tavua sowie den blauen Meeresspiegel mit Freudengeschrei begrüssen konnten. Nach einigen Stunden Marsch dem breiten Flusse entlang, der die Tavua-Ebene durch- fliesst, welche grösstentheils Eigenthum des Herrn Henning ist, kamen wir an die Küste. Hier liegt in dem Deltaland des Flusses in einem meilenweit in's Meer sich erstreckenden Mangrovedickicht die Ortschaft Tavua. Die Eingeborenen daselbst waren sehr erstaunt, dass wir quer durch die Insel zu ihnen gekommen waren, indem sie selbst wegen ihrer ewigen Kriege sich selten weit in das Innere des Landes wagen können. Aus diesem Grunde wird man selten einen Einge- borenen finden, der von Küste zu Küste durch die Insel gereist wäre. Wenn PO: u auch Botschaften diesen Weg gehen, so geschieht dieses nicht durch eine einzelne Person sondern durch Uebermittlung von Ortschaft zu Ortschaft. In dem grossen geräumigen Bure von Tavua uns lagernd wurden wir hier gastfreundlich bewirthet. Unter den vorgelegten Speisen befanden sich gekochte zweischalige Muscheln, die bei uns in Europa in den naturhistorischen Samnılungen als eine Seltenheit betrachtet werden, nämlich die Linguatula genannten Mollus- ken. Sie kommen hier in Viti nur in Mangrovesümpfen vor, wo sie im Schlamme an Steinen festsitzend gefunden werden. Es schmeckte diese Muschel übrigens gar nicht schlecht und sie wurde mit Fischsuppe, die die Vitianer gut zu bereiten wissen, gereicht. Von dem alten Häuptling von Tavua, der erst spät gegen Abend eintraf, wurde nur mit grosser Mühe ein Canoö erlangt, womit wir sogleich unsere Weiter- reise nach Ovalau und Lefuka antraten. Den vielen Windungen des Flusses fol- gend kam unser grosses Canoö oder Pirogue, an den mit üppiger Vegetation des Sumpfwaldes bedeckten Ufern vorbei, in der Nacht an die Mündung desselben in das Meer. Die eintretende Ebbe liess uns aber in dem seichten Wasser nicht weiter und wir gingen daher an das Ufer, wo wir in der engen höchst misera- beln Hütte eines Weissen, der sich mit dem Biche de mer oder Holothurienfang für den chinesischen Markt abgiebt, die Nacht vollends zubrachten. Den folgenden Tag gelangten wir der Küste von Viti-Levu entlang segelnd gegen Abend nach dem Orte Korovatu, der am Fusse eines characteristischen hohen Basaltkegels liegt. Hier trafen wir die ganze aus vierzig Uano@'s beste- hende Flotille der Bau-Armee an. “Dieselbe war schon längst von Tavua abge- gangen, als wir die Bewohner von Coimbra in grosser Bestürzung antrafen. Die Bau-Krieger hatten auf ihrem Feldzuge grosse Beute an Waffen, Tapa, Schweinen und Geflügel gemacht. Sie hatten einige wenige Verwundete bei sich, für welche sie mich eonsultirten, und hatten im Ganzen nur fünf Todte, von denen drei zu cannibalischen Mahlzeiten von der Inlandbevölkerung in Ba weggeschleppt worden waren. Die Leute waren sehr erfreut, uns hier zu sehen und erstaunten eben- falls nicht wenig über unsere vollendete Reise. Der Sohn des alteu Vunivalu, der die Truppe commandirte, lieh uns bereitwilligst zwei leichtere Cano@’s nebst Bemannung, damit wir rasch nach Lefuka kommen könnten. Nachdem wir die Nacht in Korovatu zugebracht hatten, brachen wir den folgenden Tag mit der Nachmittags eintretenden Fluth nach der kleinen Insel Nananu auf, wo wir den daselbst einsiedlerisch mit seinen Schafherden lebenden Besitzer Namens J. Swainson mit unserm Besuch überraschten. Diese hohe Insel en 15 = wie auch die in der Nähe nach Westen liegende Malaki sind von ganz eigen- thümlicher Beschaffenheit. Ihre zerrissenen Basaltfelsenmassen, aus denen sie bestehen, sind nur mit spärlichem Graswuchs und dem Pandanus oder Schrauben- baum bekleidet. Nur in den Einsenkungen und der Küste entlang, wo diese nicht steil in das Meer abfällt, finden sich Stellen, wo Cocospalmen und Brod- fruchtbäume wachsen. Die Schafe sind erst vor einigen Jahren von Australien hieher gebracht worden wie auch nach der Insel Malaki; sie haben sich bis jetzt nicht stark vermehrt, da eine eigenthümliche Krankheit, in ihren Symptomen der Drehkrankheit ähnlich, dieselben deeimirt. Bei der genauesten anatomischen Untersuchung eines solchen erkrankten Schafes, das ich zu diesem Zwecke mit nach Lefuka gebracht hatte, habe ich indessen weder im Gehirn noch im Rückenmarke, noch in den Eingeweiden Parasiten oder pathologische Veränderungen finden können. Es scheint, dass entweder eine giftige Planze oder die eigenthümlichen Boden- und Klimaverhältnisse diese Nervenkrankheit erzeugen. Auf der Insel Vokaya hält ein Amerikaner Dr. Brauer mit dem besten Erfolge Schafe, so dass jedenfalls das Klima der Zucht dieser Thiere in den Viti-Inseln nicht schädlich ist, obgleich wahrscheinlich die Wolle an Feinheit und Ergiebigkeit mit der Zeit verlieren wird. Es ist für das rasche Gedeihen der Colonisation in Viti von Wichtigkeit, wenn die Schaf- und Viehzucht namentlich in den von uns durchwanderten Distrikten und dem Westen von Viti-Levu mit ihren ausge- dehnten Weideplätzen auf keine solche Hindernisse stösst. Wir erstiegen die Höhen von Nananu und erfreuten uns an der grossartigen schönen Aussicht auf das Meer und die nahe Küste von Viti-Levu. Von dieser Insel Nananu aus versuchten wir am folgenden Tage direkt nach Ovalau über- zusetzen, mussten aber ungünstiger Winde wegen abermals zur Nordküste von Viti-Levu zurück, um derselben entlang fahrend so weit zu kommen, dass wir mit dem Passatwinde die Insel Ovalau erreichen konnten. Nach einer raschen Ueberfahrt erreichten wir die südwestliche Küste dieser Insel und mussten als- dann noch sieben Meilen wandern, bis wir end’'ich nach der Hafencolonie Lefuka gelangten. Nach so manchen Beschwerlichkeiten und Entbehrungen begrüssten wir mit Freuden die aufblühende Colonie mit ihren Häusern am Strande und den Schiffen, die im Hafen vor Anker lagen. Wenn auch kein europäischer Comfort uns in den Häusern in Lefuka erwartete, so ist der Abstand zwischen dem Leben der weissen Uolonisten der bessern Classe und dem der Eingebornen, von deren Hütten wir kamen, ein so grosser, dass die Segnungen der Civilisation von Jedermann, auch von den Feinden derselben anerkannt werden müssen. Möge daher diesen schönen Eilanden, wo Tausende von Aeckern unbebaut liegen, der Handel und die Colonisation diese Segnungen bringen! Unter solchen und ähnlichen Gefühlen schied ich von meinen Reisegeführten, um meine in Lefuka zurückgebliebene Familie freudig überraschen und begrüssen zu können. Erklärung der Tafel. Fig. 1 und 2. &raeffea purpuripennis Brunner. Fig. 1 Weibchen, 1. a. Fühler vergrössert. Fig. 2 Männchen, 2.-a. Die ersten Fühlerglieder vergrössert. Von Samoa. Herr Brunner erhielt dieselbe Art auch von den Viti-Inseln und aus Neu-Caledonien (durch Herrn Deyrolle in Paris). Herr Brunner von Watteuwyl, Direktor der k. k. Staats-Telegraphen in Wien, theilt uns über diese neue, von ihm aufgestellte Gattung der Familie der Phasmodeen folgende Beschrei- bung mit: g : Graeffea Br. Ulerque sexus alalus, alis abbreviatis. Antennae marium femoribus anticis breviores, feminarum illorum dimidiam parlem allingentes. Femora omnia laevia. Articulus primus larsorum anlicorum celeros omnes aequans. Mares graciles, lamind Supra anali compressä, subemarginald, cercis lanceolatıs, ad insertionem valde approximatis, deflectis, laminad sub- genitali planiusculd, oblusd. KFeminae cerassiores, lamind planiusculd, apice subacuminald, cercis lamind supraanali longioribus, lanceolatis, horizontaliter productis, lamind subgenitali longa , naviculari, acuminald; laminis inferioribus vaginae selaeformibus , superiores non superanlibus, his lerlid lanlum parte fissis. Ova doliformia, non carinala. Dieses Genus würde von Westwood (Catalogue of orthopterous insects etc. part I. Phas- midae, London 1859) zu Anophelepis gestellt werden, welches alle mit verkürzten oder voll- ständig rudimentären Flügeln versehene Phasmodeen von länglicher Gestalt umfasst und gleich anderen Gattungen dieses Autors aus Arten sehr verschiedener natürlicher Gattungen zusam- mengesetzt ist. — Von denselben gehört An. Periphanes Westw. in das neue Genus. Gr. purpuripennis Br. — Tota laete viridis. Campo posleriore alarum purpureo, pronolo lined longiludinali medid el alterd transversä impressis crucialo, mesonolo granulato, lined longitudinali medid elevatd et duabus lateralibus longitudinalibus subconvergentibus impressis ornalo. Elytris suborbicularibus, alis maris segmentum primum abdominale supe- rantibus, feminae segmenli primi dimidiam parlem vix allingentibus d ?. ER: Longitudo. maris. feminae. corporis 68—70 Mm. 105—116 Mm. pronoti 4,5 6—-6,5 ınesonoti 13,5 20—21,5 alarum 18—20 10—12 femorum antic. 24 31—33 »„. post. 18 23—25 Der Charakter der Species besteht in den angeführten Grössen-Verhältnissen und der derben Gestalt des Weibchens. Besonders hervorzuheben ist die zarte smaragdgrüne Färbung, welche beim Männchen ins Bräunlich-gelbe variirt. Während das lederartige Vorderfeld des Unter- flügels die lichte smaragdgrüne Färbung des ganzen Thieres theilt, ist das zarte Hinterfeld in dem reinsten, intensiven Purpur gefärbt, mit jenem matten Sammet-Hauche, wie er nur auf den zarten Membranen der Hinterflügel einer Reihe von Phasmodeen Asiens und Australiens vorkommt. Die Füsse sind nicht besonders scharfkantig und glatt, mit Ausnahme der Mittel- und Hinterschenkel, welche gegen die Spitze der äusseren Unterkante 3 bis 5 ganz kleine Säge- zähne tragen. Die Form der Genitalien ist bei der Charakteristik des Genus angegeben. Die relative Länge und Form jener Platten, aus welchen die Legescheide zusammengesetzt ist, bildet einen wesentlichen Charakter für die Eintheilung der Phasmodeen und ist daher für die Diagnose des Genus wichtig. Die Eier gehören zu den tonnenförmigen, nicht gerippten, mit eingesetztem Deckel: eben- falls ein Merkmnl für grössere Gruppen-Eintheilung. Von den Viti-Inseln stammt eine zweite Species, welche ich @r. minor nenne und die durch die bedeutend kleineren Dimensionen, die schwächere Granulation des Mesonotum und die durchgehends gelblich-braune Färbung sich auszeichnet. Fig. 3. Macrotoma heros Hr. Von den Viti-Inseln. Dieser riesenhafte Bockkäfer gehört in die Familie der Prioniden, welche in Indien meh- rere sehr grosse Arten, so den Enoplocerus armillatus L. sp., besitzt. Er stimmt in den mei- sten Merkmalen mit Macrotoma Serv. überein, weicht aber in dem an den Seiten gerundeten, fast halbmondförmigen Vorderrücken von den bekannten Arten ab und bildet so durch die abweichende Form der Brust eine besondere Gruppe unter den Macrotomen. Er hat eine Länge von 144 Millimeter; der Kopf ist 27 Mill. lang (die Oberkiefern 11 Mill.); der Vorderrücken 21 Mill. lang und 37 Mill. breit; beide Flügeldecken haben eine Breite von 45 Mill., ihre Länge beträgt 94 Mill. Die Oberkiefer sind auf der Innenseite stark gezahnt. Die Fühler von der Länge des Körpers, das erste Glied auswärts keulenförmig verdickt, das zweite sehr kurz, das dritte so lang als die zwei folgenden, das 3—8te Glied sind mit einer Reihe von Dornen besetzt. Der Vorderrücken ist am Grund fast grade abgeschnitten, an den Seiten der Art gerundet und nach vorn verschmälert, dass er fast halbmondförmig wird ; die Seiten sind mit zahlreichen sehr genäherten Dornen besetzt. Die Beine haben starke Schenkel, die wie die Schienen dicht mit Warzen besetzt sind. Die Vorderbeine sind grösser als die mittlern. Das zweite und dritte Fussglied sind viel breiter als das erste, das dritte verkehrt herzförmig. Die grossen, hinten zugerundeten Flügeldecken sind vorn dicht mit Warzen besetzt, die sich aber weiter hinten verwischen; dort treten die Längsrippen etwas deutlicher hervor. Fig.4, 5 und 6 sind Prachtkäfer (Buprestiden) der Viti-Inseln, welche zur Gattung Chal- cophora gehören und zwar in die Gruppe mit hinten stark verschmälerten und gezahnten Flügeldecken, welche in Indien und auf den Südseeinseln eine grosse Verbreitung hat. Fig. 4. Chalcophora helopioides Boisd. Ein oben und unten goldglänzendes T'hier, dessen nach vorn stark verschmälerter Vorder- rücken von 5 tiefen Längsfurchen durchzogen ist. Die nach hinten verschmälerten , dort am Rand gezahnten Flügeldecken haben’ 3 solcher breiter Furchen. Die erste reicht längs der Naht bis gegen die Deckenspitze, die zweite dagegen hört bei ”/s Länge auf, während die dritte wieder bis zur Spitze reicht. Die Furchen sind durch starke und ziemlich scharfe Rippen von einander getrennt. Die Fühler sind gelb, der äusserste Rand der Flügeldecken schwarz. Fig. 5. Chaleophora prasina Hr. Fig. 5. a. Fühler vergrössert Oben lebhaft grün, unten goldfarben, der Rand der Flügellecken feurig geröthet. Fühler blassgelb. Der nach vorn verschmälerte Vorderrücken ist tief punktirt und mit einer Mittel- furche versehen. Die Flügeldecken sind nach hinten stark verschmälert, am Rand hinten fein gezahnt, gleichmässig punktirt gestreift. Fig. 6. Chalcophora flaviventris Hr. Oben dunkel erzfarben , jederseits mit einem breiten, gelblichen Saum; die Unterseite ebenfalls von einem gelblichen Staub gefärbt, nur die Mittelparthie des Hinterleibes und der Rand der Bauchsegmente sind kahl und bläulichschwarz. Fühler und Füsse gelb. Der nach vorn verschmälerte Vorderrücken ist tief runzlich punktirt, mit Mittelfurche. Flügeldecken tief punktirt gestreift, nur am Rande mit glatter (gelber) Furche. Hinten sind die Decken scharf gezahnt. Fig. 7. Euploea Graeffiana Hr. Die dunkelfarbigen weissgefleckten Euploen sind in mehreren Arten in Indien (namentlich den Sundainseln) zu Hause, so die E. Pione, E. Eleusine und E. Cora Hbst. Die von Herrn Dr. Graeffe auf Samoa entdeckte Art hat oben braunschwarze Flügel, die vor dem Saum mit einer Reihe weisser, ovaler Tupfen versehen sind, ein kleinerer breiter Fleck ist weiter innen nahe dem Flügelrand. Die Unterseite zeigt dieselbe nur etwas blassere Farbe. Kopf und Brust sind mit kleinen weissen Punkten besetzt. ’ — a I FE — — NA3T-ILIA wos 3L4UVv NeBAN "NASTT- II OA addnsspsug ar “punsıp e.njog Ep - pum]sB.ıng sepopJr uaquN a LES [02 o BAD oy-Y +OLTJS1Pp - ed vapsımuobn], ap güypezwag OR Gedr.v.J.Lier Brusier R. Jach.d Nat. u. auf Stein $ez.v. Gedr. y. J.Lier. DIE BIER) in ihren Beziehungen zur Kulturgeschichte und ihr Leben im Kreislaufe des Jahres. AUGUST MENZEL, Prof. er = | Zürich. Druck von Zürcher und Furrer. 1869. DIE BIENE in ihren Beziehungen zur Kulturgeschichte und ihr Leben im Kreislaufe des Jahres. *) mm Ära I. Beziehungen der Biene zur Kulturgeschichte. Die Bienenkultur zeigt eine merkwürdige Verknüpfung mit dem Entwicke- lungsgange des menschlichen Kulturlebens, besonders desjenigen im Volke. Ihr jeweiliger Stand ist ein treues Spiegelbild seiner Bildungsstufe und seiner An- schauungen, seiner Beobachtungsgabe, Denk- und Ausdrucksweise, seines Ge- müthslebens und Charakters, seiner Sitten und Gewohnheiten. Sie besitzt ihre eigene Sprache in Wort und Satz, in Reim und Sprichwort; sie hat ihre Mythen, Sagen und Legenden, ihre Glaubenssätze, ihren Wunder- und Aberglauben; sie erfreut sich ihrer Symbolik und eines tief in ihrem Wesen begründeten Rechts- bewusstseins und Rechts und wechselt ihre Begriffe mit dem Wechsel der Zeiten, zwar langsamer oder rascher, unvollständiger oder durchgreifender, je nach der Bewegungsintensität in letzteren. *) Vergleiche unser Neujahrsblatt von 1865, zu welchem vorliegende Abhandlung die Fort- setzung bildet. Der Inhalt desselben war der folgende: 1. Alter der Honigbiene . . - ; : £ . Seite 1— 3 2. Bienenkunde der Griechen zur Zeit a Kae R h si 3—12 3. Bienenzucht der Römer e ö „ .13—18 4. Die Biene und die enairthuchaft im hen REN ind im Mittelalter . - . e 2 3 ; . f E > „ 18-27 5. Bienenrecht im Mittelalter E „ 27—31 6. Veränderungen im Stande der ira N in Mittelalter »„ si 7. Frangois Huber „ 30—48 ee ke Il. Die Biene in den Mundarten der deutschen Schweiz. Der Gegensatz zwischen der Bevölkerung eines Stockes als Gesammtheit und ihrer als Vielheit oder als einzelne Individuen aufgefassten Glieder wird fast allenthalben scharf unterschieden, indem man die erste im Sinne des ganzen Volkes der Imb, Imbd, Imd (Zürich), Imp, Imme (Luzern und Schaffhausen), Beie (Bern), die zweite die Ima (Appenzell), Imme oder Vögel (Zürich), Beie oder bei (Bern), die dritten das Imbli, Immeli, Imeli, Impl, Beü, Beieli, Beili, Biel, Byli (Schwyz) *] wennt und unter diesen letztern Bezeichnungen vorzüg- lich die Arbeitsbiene versteht. Die Brut in allen ihren Entwickelungsstadien, Eier, Larven (Würm), Puppen und Bienen im imbeeillen Zustand heisst Fasel. Die Wörter Imb etc. werden besonders auch mit Bezug auf und für den Schwarm gebraucht, daher folgende Zusammensetzungen allgemein üblich sind: Alter und junger Imb = Mutter- und Tochterstock, Vor- und Nachimb = erster und späterfolgender Schwarm, Jumpferenimb = Schwarm von einem Tochter- stock und Faselimb = Zuchtstock. Der Imbetruube, Imbetrübel, Imba-lrüppel = der angesetzte Schwarmklumpen. Als Diminutivum in der Bedeutung eines kleinen Schwarms gebraucht man häufig Imbl. Nicht selten wendet man das Wort Imb u.s. w. zur Bezeichnung von Volk, Bau, Vorräthen und Wohnung an und spricht denn wohl von einem schweren oder lechten Imb. Auch in andern Zusammen- setzungen werden die Wörter Imdb und Deie häufig angewendet, so zur Bezeichnung der Bienenwohnung der Imbe-, Beiestock; Imme-, Beie-, Bychorb; die Imbe-, .Beie-, Bytrucke (soviel als Truhe, Kasten), das Bychleid (Schwyz), Imefass oder Imag’fäss (Appenzell, in Solothurn schlechtweg Fass), der oder das Imbebeicher oder Byli- beicher, letztere als Pleonasmus, da Beicher, Dinkter oder Dinkert [aus Bienkar] (Schaffhausen), Imabecher (Appenzell) von Bei = Biene, und Char = Gefäss, ohnediess schon Bienenwohnung bedeutet. Eine von Waldbienen bezogene Beute heisst der Immer. Mit Immi-, Imbe- oder Beiemaa, Imbler oder Impler be- zeichnet man den Bienenwärter, wohl auch den Aufkäufer von und den Händler *) Bezüglich der Gebrauchsvertheilung der Wörter Imme oder Biene oder der ihnen ver- wandten Bezeichnungen sammt deren Zusammensetzungen lassen sich in der deutschen Schweiz dreierlei Gegenden unterscheiden, nämlich solche, in denen entweder 1. die erstern, 2. die zweiten ausschliesslich, oder 3. beide neben einander gebräuchlich sind. In die erste Kategorie fällt z. B. das Berner Oberland, in die zweite fallen die nördlichen Theile des Kantons Bern, in die dritte dagegen viele Gegenden der östlichen Schweiz. Eine genauere Ermittlung der speciellen Grenzen ist bis dahin noch nicht in genügender Weise erzielt, wäre aber jedenfalls nicht ohne Bedeutung. mit Produkten der Bienenzucht (in letzterem Sinne heisst er auch » Hungmaa«; der Bienenzuchtbetrieb als Erwerbszweig heisst in Appenzell Imag’werb; im her- absetzenden, spöttelnden Sinne bedient man sich bisweilen des einfachen oder doppelten Diminutivums Imbelömaa oder Imbelimännli, während die Bezeichnung Imme- oder Beievatier hier und da wohl auch Meister oder gar Immechüng ge- wöhnlich für den sachkundigen, geschickten, eifrigen und sorgsamen Bienenzüchter gilt. Mit Imbeg’stell, der Immebank, Imbehuus, Byhusli (Schwyz) bezeichnet man den geschützten oder besonders hergerichteten Standort der Bienenstöcke, mit Imme- oder Beiechappe die während des Operirens am bevölkerten Stock vom Bienenwärter aufgesetzte Schutzdecke des Kopfes etc. Die Bienenkönigin heisst da der Chüng, dort der Meister, in Schwyz der Wyser, in Solothurn das Weisel, die Drohne, Drähne, Trenna, der Drähmel, Träm- mel, Trohler (Tröler) oder das Drehbyli, wohl auch Brachimbli und Bruetimbli. Der Stachel der Arbeitsbiene und der Königin wird der Angel, das Stechen Angle, Hecke oder Bicke, der Stich der Bick oder das Bicki genannt. Der Honig heisst durchschnittlich das Hung, wohl auch » Bylihung«, der an der Sonne ausgelassene Jumpferehung, der in der ÖOfenwärme ausgelassene Mettehung (Schwyz), vielleicht so viel als Methhonig (als geringere Sorte), der mit Honig bindig gemachte Blüthenstaub, das sogenannte Bienenbrod, wird vom Unkundigen bisweilen für verdorbene Brut gehalten und dann mit dem Namen Stockbrut belegt. ‚Die beim Auslassen des Wachses bleibenden Rückstände, Trestern, heissen im Kanton Bern Troost, die Kleinhändler, welche Trestern, Wabenabfälle etc. mit einem Sack auf dem Rücken das Land durchwandernd, aufkaufen und ver- werthen, Troostmännb. Unter den Bezeichnungen der von den Bienen ausgeführten Handlungen oder dieselben betreffenden Zustände, wie der am Bienenstock vorkommenden Erschei- nungen, sind folgende hervorzuheben: der Imb bartet oder liegt use = die Bienen legen sich oder liegen vor; der Imb stösst oder läht = der Schwarm ist im Auszug begriffen, fängt an zu schwärmen; der Imb hat g’stösse oder g’laah = schwärmt eben in der Luft; der Imb sitzt & oder sitzt —= der Schwarm setzt sich an oder hat sich angesetzt; der Imb gäht üs und drüs —= sucht das Weite; der Imb gäht hei = der Schwarm kehrt zum Mutterstock zurück; der Imb puhpet —= der Bienenstock, welcher geschwärmt hat, lässt aus seinem Innern das Tüten der freien Königin, vielleicht auch das Quacken noch in den Weiselzellen befind- licher Königinnen vernehmen; der Imb sümmelet, summet, surret, bruus’t, jömeret u = lässt aus dem Stocke ein sanft, mässig oder stark summendes, brausendes Geräusch, klagende Töne vernehmen; der Imb schweret oder löüchtet = nimmt an Gewicht zu oder ab; der Imb strdt —= das Bienenvolk geht in allen seinen Gliedern zu Grunde. Bezüglich der einzelnen Biene verdienen noch Erwähnung die Ausdrücke: Flötterle (St. Gallen) statt des sonst üblichen »Steisseln« oder »Sterzen«, vielleicht auch des einfachen » Fächeln«, bei welchem die Bienen in stehender Stellung, gesenktem Kopf und Hinterleib rasche Schwingungen mit den Flügeln ausführen, während sie bei jenem den Hinterleib strecken, stark erheben und nur die äus- serste Spitze straff abwärts richten; Wetze, Schlüfe oder Hoble, wenn die stehende Biene bei anliegenden Flügeln den Kopf über die Unterlage, die ihr zur Stütze dient, vor- und rückwärts gleiten lässt; Schüttle, wenn sie bei aufliegenden Flü- - geln in tänzelnder Bewegung schreitend den Körper schüttelt; Schütteltanz, wenn zwei mit den Köpfen gegen ein gemeinsames Centrum, meist auch gegen einander gerichtet um jenes Centrum unter Schütteln und Tänzeln sich kreisend bewegen. Unter den Bezeichnungen der Einwirkungen des Bienenwärters auf die Bienen verdienen Erwähnung: der Imb usjäge = die Bienen aus ihrem Stock (in einen andern) treiben; im Imb räspe = die schwärmenden durch Schläge auf hell- tönende (metallene) Körper zum Herabkommen und Absitzen bestimmen wollen; der Imb räspe oder rispe = den angesetzten Schwarmklumpen in eine bienen- leere Wohnung bringen; der Imb oder mit dem Imb späse, kirte, fuettere oder im Imb z’ässe gä = dem Bienenvolk Honig oder Honigsurrogate als Nahrung geben; im Imb nä oder der Imb ushaue = den Bienenstock zeideln; der Imb tödte, schlachie = das Bienenvolk abschwefeln. 2. Die Bienenzucht und die Biene in der Volksanschauung. a. Die Bienenzucht im Volksreime und Sprichwort. Ueber die Ertragsfähigkeit der Bienenzucht herrschen im Volke die wider- sprechendsten Ansichten. 1. Nach den Einen ist sie mühelos und einträglich ; 2. nach den Zweiten unzuverlässig; 3. nach den Dritten von Bedingungen ab- hängig; 4. nach den Vierten unter allen Verhältnissen verwerflich. 1. Immen und Schäf Nähren im Schläf. 2. Bienen, Schafe und Fische im Teich Machen dich sicher bald arm und bald reich. an Man hat schnell viel, schnell aber auch wenig Bienen. (Waadt.) Geht’s gut, so geht's gut; Geht’s schlecht, so geht's schlecht. (Waadt.) 3. Wenn die Heerde dir gedeiht, Friede hält mit dir dein Weib, Wenn dir deine Bienen schwärmen, Brauchst du nimmer dich zu härmen. 4. Wer imblet, fischt und jagt, Kommt um Alles, was er hat. (Zürich.) Wer will sein Geld sehn flieh’n, Der halte Tauben und Bien’. Im Allgemeinen hält es das Volk mit der dritten dieser Ansichten und ver- folgt die specielleren Bedingungen des Gedeihens oder Missrathens der Bienen- zucht weiter. Dieselben beziehen sich auf 5. den Wärter, 6. den Volksbestand, 7. den Jahrgang, 8. die Witterung, 9a. beim Schwarm auf die Zeit seines Aus- zuges, 9b. bei der einzelnen Biene auf die Jahreszeit. 5. Bi Tuben, Imben und Schäf Leg di nieder und schläf, Aber nid z’lang, Uf dass dir der G’'wünn nid entgang. (Allenthalben in der deutschen Schweiz.) Wie der Imbler, so der Stand. (Solothurn.) Die Biene lässt nicht mit sich spielen und künsteln, Je mehr man sie hätschelt, um so weniger gedeiht sie. (Solothurn und Waadt.) Die Bienen wollen nicht beobachtet sein, In einem Glaskorb verderben sie. (Tyrol.) Anm. Ist die Glasglocke mit einem diekwandigen Strohkorbe bedeckt, welcher den Zutritt des Lichts abhält und die Wärmestrahlung verhütet, so können sie in derselben recht wohl gedeihen. Hunger und Unreinlichkeit richten die Bienen zu Grunde. (Zürich.) Man gewinnt mehr Bienen mit Honig als mit Essig. (Waadt.) Anm. Ist der Bienenhalter in der Besorgung seiner Pfleglinge nachlässig, indem er z. B. das etwa erforderliche süsse Futter lange stehen und dadurch sauer werden lässt, so wird er die Vermehrung der Bienen, resp. deren Gedeihen eher hemmen als fördern. ee er 6. Für en starchen Imb hand 8 Täg meh Werth als für en schwachen 8 Woche. (Zürich.) 7. Viel Oepfel und Bire, viel Immen und Hung. Zürich.) Truube gnueg, bringt d’Immen in Zug, Oehmd und Heu sind ene treu. (Zürich.) Les anndes du bon vin Mettent les abeilles en train; Foin et regain Leur sont gain. (Waadt.) In Honigjahren finden die Bienen Honig auf den Blättern (Honigthan). (Zürich.) Viel Finsternisse, wenig Honig. (Zürich.) Anm. Bezieht sich wohl mehr auf herrschende trübe Witterung, als auf wiederholte Sonnen- finsternisse im gleichen Jahr, Feissi Wespi, mageri Byli. (Zürich.) Die Wäspi sind fässt, es ged ke guets Imajähr. (Appenzell.) Anm. Deutet wohl auf die frechen Angriffe der Wespen auf das Leben und die Vorräthe der Bienen, wie auf den Schaden, den sie bei massenhaftem Auftreten den letztern zufügen. 8. Schneesonne bringt die Bienen um, Wind, Frost und Hitze thun ihnen weh. (Waadt ) Hagel im April hilft den Imblene uf d’Bei. (St. Gallen.) Anm. Einem solchen folgt gewöhnlich noch ein kräftiger Trieb, oft mit Honigthauen einhergehend Wenn’s im Mai hagelt und rieselt, so braucht man =. keinen Honighafen zu kaufen. (Solothurn.) 9a. En Aprilenimb gilt es Rind, En Imb im Mai es Fueder Heu, En Imb im Jun’ es fettes Huhn. En Imb im Jul’ kein Weberspuhl. (Zürich.) En Maien-Imb ist so viel werth dass es Äugste-Füchli, d. h. als ein im August geworfenes Pferdefüllen. (Bern.) Anm. Je früher der Schwarm fällt, desto mehr kann er’s vorwärts bringen. 9b. Im Früehlig ist es Imbli ein Rappe werth, im Herbst zwei. (Zürich.) Anm. Weist hin auf die Bedeutung einer jeden einzelnen Biene für die Frühlingsarbeiten und namentlich für eine gute Ueberwinterung, mit anderen Worten auf die Wichtigkeit des Volksreichthums im Bienenstaat für dessen Gedeihen. N. 2 Dem Volksglauben, dass ein Bienenstock im Laufe seiner Existenz nur einmal schwer zu werden, d. h. grosse Honigvorräthe aufzuspeichern vermöge und dass man, wenn dieser Fall eingetreten, denselben eingehen lassen müsse, um die volle Ernte zu gewinnen, ist in nachstehendem Volksreim Ausdruck gegeben: En Imb und a Gaiss Wird nu einmal feiss. (Zürich.) b. Die Biene im Volksräthsel. Es fliegt wohl über hohe Berg und Zäun, Es hat kein Fleisch und hat kein Bein, Es hat kein Federn und kein Hut — Und ist doch für alle Kaufleut gut. (Tyrol und Vorarlberg.) Viel hundert, viel Vieh Gehnt oft zu eim Scherben; Schau fleissig dazu, Lass’s nicht verderben. (Tyrol und Lichtenstein.) ec. Die Biene als Wetterprophet und ihr Verhalten zu Erschei- nungen und Vorgängen, die sich auf die Witterung beziehen. Nach Beobachtungen und Anschauungen der Bienenhalter aus dem Volk. Gleich den Spinnen, Wespen und Ameisen gilt auch die Biene im Volk als einer der untrüglichsten Wetterpropheten; sie verkündet 1. schlechtes und gutes, rauhes und mildes Wetter, Gewitter, Regen und Sturm; sie verheisst 2. bestän- dige oder unbeständige Witterung, zeigt 3. den frühen oder späten Eintritt der "einzelnen Jahreszeiten an, verspricht 4. gesegnete Ernten, oder droht mit Miss- wachs, Theurung und Hungersnoth; nebenbei sagt sie durch ihr Benehmen 5. die später eintretenden Zustände in ihrem eigenen Haushalte voraus, insbe- sondere wie sich’s verhalten werde mit dem Maasse des Schwärmens und der Honigausbeute. Manche dieser Voraussagungen beruhen in den zeitigen Zuständen wie in dem natürlichen Entwicklungsgange und verhalten sich wie Folge und Grund, Wirkung und Ursache, ohne indess in diesen Beziehungen zu klarem Be- wusstsein gelangt zu sein; Manches liegt im Bereiche der Wahrscheinlichkeit oder doch Möglichkeit, Manches aber ist Wahn oder abergläubische Deutung. Dass die Biene gegen die Einwirkungen der atmosphärischen Zustände empfindlich ist, und bei ihrem lebhaften Verkehr mit der Aussenwelt die Art dieser Einwirkungen auf sie durch ein eigenthümliches Benehmen kund zu geben, und dadurch auf nächst bevorstehenden Witterungswechsel hinzudeuten vermag, dürfte keinem 2 u Zweifel unterliegen; aber die Hindeutungen beschränken sich sicher nur auf kurze Zeiträume; ob sie für länger gestreckte Werth beanspruchen können, ist eine Erage, die in der Mehrzahl der Källe zu verneinen ist. Wenden wir uns aber zu der Darlegung selbst. 1. Häufiges Vorspiel zu ungewöhnlicher Zeit, ausnahmsweise starker Flug vor den Stöcken herum und Abgang vieler Schwärme in einer bestimmten Lage während eines kurz gedrängten Zeitraums deutet auf Aenderung des Wetters im Sinne der Verschlimmerung. — Ebenso steht Aenderung des Wetters bevor, wenn die Bienen hastig Blüthenstaub eintragen (Solothurn). Lebhafter Flug der Bienen vor dem Sonnenaufgang an einem Sommertage verkündet »Plaast« — Platzregen im Verlaufe desselben ; spätes Erwachen der Bienen bleibend gute Witterung. D’Imme stönd spot uf, s’Wetter blibt (Appenzell); zeigen sich die Bienen sehr unruhig und gehässig, verfolgen sie Jeden ohne besondere anderweitige Veran- lassung hartnäckig und sind dabei stechlustig, so gibt es Gewitter, ebenso wenn sie beim schönsten Sonnenschein heimkommen und nicht mehr fort wollen, oder wenn sie ausser der Schwärmezeit stark vorliegen. »Hat der Imbe en grosse Zapfe, so stösst er bald oder es gibt »en Plaast«.*) Fliegen sie stark über Mittag und stechen gerne, so steht Regen bevor; bald wird dieser kommen, wenn sie hoch in die Luft sich erheben, Quand les abeilles volent en haut, Bientöt nous aurons de l’eau. (Waadt.) oder wenn sie matt und nieder fliegend heimkehren (Solothurn). Verdunkelt eine Wolke plötzlich die Gegend, tritt eine Sonnenfinsterniss ein, oder rollt der Donner in der Ferne, so suchen die Bienen rasch ihren Stock zu gewinnen. Kehren sie bei Sonnenschein und ängstlich in Schaaren zurück und laufen dicht gedrängt durch das Flugloch ein, so ist Gewitter, heftiger Regen oder Sturm wenigstens binnen einer halben Stunde zu gewärtigen. Lebhafter Ausflug bis spät in den Abend deutet auf Eintritt rauher Witterung: D’Ima stürmid lang, es ged ruch Wetter. (Appenzell.) Fliegen aber die Bienen nach einem sanften Regen oder am Abend eines reg- nerischen Tages fröhlich aus, so deutet’s auf Rückkehr schönen und milden Wetters und insbesondere darauf, dass der folgende Tag heiter sein werde. *) Früher Ausflug, Unruhe, hässiges Wesen, Stechlust, niederer und schwerfälliger Flug bei der Heimkehr und Absitzen in der Nähe des Stands kommt übrigens auch bei reicher Honigtracht, namentlich bei Honigthauen vor. => MM = 2. Wenn die Bienen die Drohnenbrut unreif ausreissen, so deutet’s auf Sturm oder Regen, besonders auf den Eintritt nasskalter Witterung, thun sie’s mit der Arbeiterbrut, so wird diese anhaltend sein. (Solothurn.) 3. Frühe Brut verheisst einen baldigen Frühling. ’ (Zürich.) Je früher die Drohnenschlacht, um so früher tritt der Winter ein. (Zürich.) 4. Frühe Brut deutet auf ein fruchtbares Jahr, Hungerschwärme auf Misswachs und Theurung. (Zürich.) 5. Viel Bruet im Früehlig, viel Imben und Hung. (Zürich.) Hungerschwärme im Frühling deuten auf Missrathen der Biene im Sommer, Hungerschwärme im Herbst auf schlechte Ueberwinterung. Im Maie schwer — im Augste leer (Bern); d. h. anhaltend trockener und schöner Mai lässt einen nasskalten Sommer, daher Aufzehren der gesammelten Vorräthe ohne Ersatz derselben befürchten. Schaffen die Bienen schon im Brachmonat die Drohnen ab, so gibt's ein schlechtes Honigjahr (Solothurn) nach dem Volksreim: Frühe Drohnenschlacht — schlechte Honigtracht. (Zürich.) Vorzeitiges Ausreissen der Drohnenbrut, mehr noch Ausreissen der Arbeiterbrut deutet auf ein schlechtes Honigjahr. (Zürich.) 3. Die Biene und die Producte ihrer Thätigkeit in ihrer Beziehung zu Mythe, Sage, Legende, Voiks-, Wunder- und Aberglauben. Im griechischen und römischen Mythus erscheinen die Bienen als göttliche Wesen, in welchen nach Virgil ein Theil des göttlichen Geistes wohnt, als Pfleger, Freunde und Lieblinge der Götter. Auf Kreta, der Ursprungsstätte der Biene, ward der daselbst von der Rhea geborne Zeus nach einer Sage von den Töchtern des Königs Melisseus, Amalthea und. Melissa, mit Ziegenmilch und Honig genährt, nach einer Variation dieser Sage aber die Ernährung des Götterkindes und Göttervaters mit Honig’ durch die Bienen unmittelbar, daher Zeus, mit unwan- delbarer Zuneigung für seine Nährerinnen erfüllt, über deren Geschlechte wacht und denselben alle guten Gaben verleiht. Sie sind die Lieblingsthiere der De- meter oder Ceres, der Artemis oder Diana, und der Persephone oder Proserpina, deren Priesterinnen desshalb Melissen oder Bienen hiessen, wie die Priesterin zu “ BI FOREN Delphi delphische Biene hiess. — Sie besitzen Sinn für Musik und Gesang, sind nach Varro die Vögel der Musen, daher sie beim Schwärmen mittelst des An- schlagens an klingende Instrumente aus der Luft herab angelockt und zum Ab- sitzen bestimmt werden können. *) In gleicher Weise lieben sie den Wohlklang in Rede und Dichtung, sind Freunde der Pfleger dieser Künste und künden das künftige Schaffen der Meister in ihnen dadurch an, dass sie sich solchen Lieb- lingen der Musen in der Kindheit auf die Lippen setzen und ihnen gewisser- massen den göttlichen Geist ihrer Kunst einhauchen. — Auch werden Dichter und Redner oder Geschichtschreiber mit den Bienen verglichen oder gar »Biene« genannt, wie Xenophon die »attische Biene«. Tiefen Sinn und reiche Beziehungen zeigen auch die indischen und nordischen Sagen; einzelne unter ihnen erfreuen ebenso wie die alten christlichen Legenden und Volksglauben oft durch ihren frischen Humor oder Innerlichkeit, während die aus dem spätern Mittelalter und aus der neuern Zeit oft als Ausfluss des crassesten Aberglaubens sich darstellen. Ueber den letzten Ursprung der Biene oder ihre Erschaffung finden wir aus den ältesten Zeiten Andeutungen, dass sie von Göttern geschaffen, somit göttlichen Ursprungs sei. Nach einem christlichen Volksglauben hat Christus die Bienen aus Hölzchen geschaffen, die er in einen Korb warf, während durch Petrus, der es seinem Meister und Herrn nachthun wollte, die Wespen ins Da- sein gerufen wurden (Tyrol). Die fernere Entstehung derselben, soweit sie nicht auf natürlicher Fortpflanzung beruht, sollte aus den Leichen von Stieren (Apis, die Biene; Apis, der heilige Stier der Aegypter) geschehen. Die Bedingungen für die Existenz der Bienen waren bei ihrer Erschaffung gegeben. So vernehmen wir nach der altnordischen Lehre, dass von der hei- ligen Esche, dem Weltbaum Yggdrasil, welcher Himmel, Erde und Hölle in Ver- bindung setzt und der heiligste aller Bäume ist, ein bienennährender Thau, der Hunängsfall (Honigthau) trieft. Eine bemerkenswerthe schwäbische und schwei- zerische Sage, nach welcher der Biene sogar die Wahl zwischen ihren Neigungen und der Zugänglichkeit besonderer Nahrungsquellen gelassen wird, ist folgende: *) Anm. Noch heute glaubt man, dass gewisse Töne den Bienen wohlgefallen, während sie von andern übel berührt werden. Allgemein verbreitet ist das Dängeln der Sense und das Anschlagen an frei schwebende dünne Metallgeräthe während des Schwärmens; — dagegen „können die Bienen das Wetzen von Messern und Sensen nicht leiden und stechen den, der es ausführt“. (Tyrol.) 7 »Wollt ihre — so sprach der himmlische Vater zu den Bienen, deren Fleiss er mit Wohlgefallen ansah — »wollt ihr gleich dem Menschen, meinem Ebenbilde, alle Blumen des Feldes und alle Blumen des Waldes euch zu nutze machen, so müsst ihr auch Sabbath halten gleich dem Menschen; thut ihr diess nicht, so müsst ihr meiden die nektarreiche Blume des rothblühenden Dreiblatts; denn eine Schranke muss jedem Geschöpfe gesetzt sein.«e Die Bienen konnten sich in die Haltung des Sabbaths nicht finden und verzichteten lieber auf das rothblühende Dreiblatt bis auf den heutigen Tag. — Der Inhalt dieser Sage ist um so auf- fallender, als der Name der Biene ganz zu dem des rothen Blüthenköpfchens des Wiesenklee stimmt; jene heisst Hergotts- oder Maienvogel, dieser Hergotts- oder Frauen-, wohl auch Johannisbrot. Ihrer Bestimmung nach ist sie Sendbote und Diener der Gottheit, Freund und Berather des Menschen, Verkünder der Zukunft, Spender göttlichen Honigs und heiligen Wachses. Ihre Verwendung als Gottes Bote erhellt aus folgender walachischen Sage. Bei Anfang der Schöpfung (die Biene existirte darnach schon vor derselben) sendet Gott die Biene zum Teufel, um ihn fragen zu lassen, wie viel Sonnen geschaffen werden sollten. Sie setzt sich auf des Bösen Haupt und lauscht dort seiner Berathung. Als der Teufel diess bemerkt, schlägt er sie mit einer Peitsche über den Leib; davon wurde sie, die ehemals weiss war- (sie heisst jetzt noch Albina), schwarz und erhielt ihre jetzige eingeschnittene Gestalt. Nach einer an- dern Sage aber, welche freilich nieht gut zu ihren gepriesenen Eigenschaften passen will, sofern man nicht an das Abschaffen altersschwacher Königinnen und an die Drohnenschlacht denkt, rührt ihre jetzige Gestalt und Farbe davon her, dass Petrus sie im Zorn über Ungehorsam und Streit derselben mit ihren Eltern mit der feurigen Himmelsgeissel, dem Blitze, schlug. Als Diener Gottes im christlichen Sinne sind die Bienen zugleich dessen Lobpreiser und Verherrlicher. Als jene werden sie durch einen waadtländischen Volksglauben bezeichnet, nach welchem sie am heiligen Abend des Weihnachts- festes um Mitternacht in ihrem Stocke singen. Als Künstler, welche durch ihr Werk die Gottheit verherrlichen, erscheinen sie in den Legenden, welche sie um eine absichtlich von Frauen oder Klosterbrüdern ihnen dargebotene oder um eine aus einer gestohlenen Monstranz von dem Diebe weggeworfene und dann von ihnen im Freien, zwischen 3 Aehren, gefundene Hostie eine herrliche Kapelle sammt allem Zubehör aus Wachs bauen lassen. Nach einer dieser Legenden wurden die Bienen von dem Frevler mit Wasser getödtet, worauf derselbe, während er Pr : RR das Innerste der Waben durchwühlte, die er für sich zurücklegen und bewahren wollte, den aus der Mündung gefallenen Leib des Herrn in die Gestalt eines wunderschönen, wie eben neu gebornen Knaben verwandelt zwischen den Waben und dem Honig liegew sah. Dieser Schluss der Legende erinnert einestheils an den indischen Mythus von dem Unsterblichkeit verleihenden Milchmeer (resp. Honigmeer) der Surafi, die ihre Entstehung dem Weltenschöpfer verdankt, theils an den Sagenkreis von Glaukos, der aus dem Honigfass oder aus dem Meere neu belebt, ja zum Gott erhoben, hervorging, theils an die im goidenen Zeitalter spielende Schweizersage von dem jungen in der Milch untergegangenen Hirten, dessen Leichnam dem schäumenden Rahme entsteigt. Der aus dem Honig, dem Meere, dem Milchmeer Gestiegene und Fortlebende, für den die Bienen den Wachspalast gebaut, ist ein Gott; ist er ein Bienengott, wie der litthauische Bybylus, der lettische Uhsinsch? ist er dem Vishnu verwandt, der selbst als blaue Biene dargestellt wird, dem vorgeahnten Christus, dem guten Hirten, dem gleich Glaukos leuchtenden? — Eine von Ruswyl, Kanton Luzern, herrührende Wundererzählung aus neuerer Zeit lässt um ein ihnen von einer Frau in den Stock gebrachtes Hostienstück statt der Kapelle eine Monstranz aus Wachs er- stellen; sie ist wohl nur eine Version der Sage, dass die Biene auf Geheiss des hl. Antonius von Padua um eine in den Koth (Kelch) geworfene Hostie eine Monstranz von Wachs formen. Das Verhältniss zwischen dem Menschen und der Biene, wie es vom Volke aufgefasst wird, wird im Allgemeinen einigermassen durch den Satz bezeichnet: »D’Ima thüend nüt ala Lüta guet« (Appenzell) und ist im Specielleren anschaulich in nachstehenden Worten Magerstedt’s geschildert: »In manchen Gegenden sind leise, vom Volke geschonte Spuren einer Verehrung der Bienen erhalten; eine Biene todt zu schlagen, gilt als Unrecht, als sittliche Rohheit; man liebt sie schmeichelnd »Bienchen« zu nennen und traut ihnen ein Gefühl für Schlecht und Recht und die Fähigkeit zu, Gute und Böse, Bekannte und Unbekannte zu unterscheiden; demgemäss sollen sie ihren Wärter kennen, schonen und sich von ihm am liebsten behandeln lassen. Nicht jeder ohne Aus- nahme darf zu ihnen treten; die Nähe mancher Leute stört, ängstigt, verletzt sie, denn sie dulden nicht Jeden um sich, verfolgen vielmehr den Einen hart- näckig, den Andern schonen sie immer aus unbegreiflicher Ursache. Gegen Kinder überhaupt sanft, schonend, lassen sie sich selbst deren nahes Spiel gefallen, er- bittern sich andererseits gegen den, der schwitzt, nach Branntwein oder Bock riecht; geschminkten und parfümirten Mädchen sind sie ausserordentlich feind, ingleichen Apothekern und Todtengräbern.« a Als Schirmer der Wahrheit sitzt sie dem indischen und persischen Mithras, dem Gotte des Lichts, der Wahrheit und Treue auf der Lippe. Sie erkennt den Lügner und bezeichnet ihn durch ihre rächenden Stiche, zwar meist noch am selbigen Tag, an dem die Lüge geschehen, daher Eltern in ihren Kindern, wenn diese zum Lügen geneigt sind, die Furcht vor der Strafe der Biene zu erregen suchen. Als Freundin sittlicher Reinheit und Frömmigkeit fühlt sie sich wohl bei guten Menschen und gedeiht ihnen, und ein von Herzen kommendes Beten er- wirbt ihre Gunst ; der heilige Gallus und Niclaus v. d. Flühe verdanken den Bienen ihren Lebensunterhalt; auch zu andern Heiligen stehen sie in Beziehung, daher einige von ihnen, wie der hl. Ambrosius, welchem einst in der Wiege die schwär- menden Bienen durch den Mund ein- und ausgingen, den Bienenkorb als Abzeichen führen, andere von den Bienen begleitet werden, wiederum andere die- selben unter ihren beständigen Schutz nehmen, wie das im Alterthum und bei spätern heidnischen Völkern mit Göttern der Fall war, — Der Mensch, der unter schwärmenden Bienen stehend, von diesen mit Stichen verschont wird, gilt ge- wöhnlich für einen guten Menschen. — Die Bienen können tugendhafte Frauen von ‚leichtsinnigen unterscheiden und stechen gerne die letztern. „Wer flucht, wer schwört beim Bienenstand, Den sticht die Biene in die Hand.“ (Zürich.) Wer aber über den empfangenen Bienenstich flucht, bei dem wird die Entzün- dung schmerzhafter und die Geschwulst grösser. (Z.) Die Bienen werden unruhig, ziehen aus oder missrathen ihrem Besitzer und gehen zu Grunde, wenn in dessen Familie oder Haus Zank und Streit oder sonst Laster herrscht und es gilt als Zeichen des Unfriedens in jener oder in diesem» wenn dem Bienenhalter die Bienen nicht gedeihen wollen. Halten zwei gemein- schaftlich Bienen und bricht unter ihnen Streit aus, betrügt insbesondere Einer den Andern, so leiden darunter die Bienen. — Wer Bienenstöcke durch Kauf oder Tausch erwirbt, dem gedeihen sie so lange nicht, so lange nicht der ver- einbarte Gegenwerth entrichtet ist. — Wer Bienen gestohlen hat, dem gedeihen dieselben nicht, auch weicht von ihm das Glück überhaupt; ebenso aber verliert auch derjenige alles Bienenglück, der auf seinem Stande bestohlen worden ist. Bienendiebstahl gilt noch heute als abscheuliches Verbrechen (noch gegen Ende des vorigen Jahrhunderts wurde er in Appenzell mit dem Tode bestraft) und die mündlich gemachte Zulage: »Imaschelm oder Imadieb!« als tiefe Kränkung oder schwerer Vorwurf. Dem Geizigen versagt die Biene ihre Dienste; wer dagegen bei a der Honigernte oder zur Zeit der Noth, dem Nachbar, dem Armen oder Kranken gerne von seinem Vorrathe spendet, dem ersetzt sie seine Gabe mit Zinsen; wer aber Kindern ein Honigflädchen versagt, der versündigt sich an der heil. Maria und dem Herrn Jesus. Magerstedt sagt ferner: »Die Bienen werden als zum Hause gehörig angesehen; der gemeine Mann denkt sie als Glieder der Familie, als solche sehr empfindlich, selbst »übelnehmisch«. Leise Andeutung dieses Ver- hältnisses gibt schon die Sprache, welche den Züchter, zumal den mit ihrer Be- handlung wohlbekannten, in die Geheimnisse ihres Lebens eingeweiheten Züchter als »Bienenvater« bezeichnet, ein Ausdruck, der für den Züchter anderer Haus- thiere unerhört sein möchte. Sie wollen aber von demselben als Gegenstände von Werth behandelt sein; er darf wohl Stöcke verkaufen, keinen aber verschenken. Wer Bienen verschenkt, wäre es auch der Vater an den Sohn, verschenkt sein Glück. — Uebrigens dürfen Bienen bei Begründung des Standes nicht als blosse Geldwaare betrachtet werden. Wer sie kauft, soll nicht einzig in Münzen, son- dern auch etwas in Früchten bezahlen, und wer im Frühjahr beschaffte Stöcke fortbringen will, muss diess am Charfreitage thun, weil sonst weder der Käufer noch der Verkäufer Glück hat. Soll eine Anlage gedeihen, so muss man mit der Dreizahl beginnen, zwar so, dass der eine der Stöcke ein gefundener, der zweite ein gekaufter, der dritte ein geschenkter ist.« Unter allen Umständen aber soll der erst gefallene Schwarm, als glückbringend, dem Hause des Besitzers ver- bleiben, da schon beim Verkauf anderer die, welche übrig bleiben, im Werthe mehr und mehr sinken und endlich ganz zu Grunde gehen (Waadt). Die Zahl der Stöcke aber, bis auf welche der Bienenhalter seinen Stockbestand ausdehnen kann, soll jedenfalls die hundert Stöcke nicht erreichen, da bei Annäherung der- selben an diese Summe die Bienen nicht ferner gedeihen wollen, sondern ge- wöhnlieh zu Grunde gehen (Waadt). — Um das Gedeihen der Bienenstöcke zu fördern, wird dem Bienenhalter angerathen, Salz unter das Flugloch zu bringen, während ihnen dagegen Leichen und Leichengeruch, die sie durchaus nicht er- tragen sollen, verderblich seien, daher sie aussterben sollen, wenn ihnen ein Nagel von einem Sarge in die Stöcke gelegt werde. Selbst die Beziehung der Bienen zu einem Todten ist verhängnissvoll: „Vo-ma Verstorbna mos-ma ke-n Ima chauffa, sie thuend nüd guet.“ (Appenzell.) Die Verehrung, welche die Biene in der Schweiz an manchen Orten findet, wird durch folgende Mittheilung aus Elgg (Zürich) ersichtlich: Manche entblössen das Haupt, wenn sie beobachtend vor ihren Stöcken stehn, und Bauern, welche u HEN En sonst roh sind, erlauben sich, wenn sie mit ihren Bienen umgehen, keine rohen Ausdrücke. — In vielen Gegenden der Schweiz aber bedient man sich statt der sonst bei Thieren gebräuchlichen Worte: »fressen, saufen, verenden oder gar verrecken« für die Bienen der edleren Synonyme: »essen, trinken, sterben.« Als Scehutzgeist bewahrt sie das Haus ihres Pflegers vor dem Einschlagen des Blitzes (Zürich). — Bei Hochzeiten wurden in Westphalen die Neuvermählten den Bienen vorgestellt und letztere gebeten, die junge Frau nicht zu verlassen, wenn sie Kinder bekomme (da für diese der Honig als die erste und als hei- lige Nahrung galt); in einigen Gegenden Belgiens und Frankreichs befestigte man bei diesem Feste als Anzeige des fröhlichen Ereignisses an die Bienenstöcke Stücke rothen Tuches. Die Bitte der Bienenhalter an die Bienen, sie nicht zu verlassen, kehrt für Westphalen wieder in zwei Bienensegen, von denen der eine beim Schwarmauszuge, der andere während des Schwärmens in der Luft gespro- chen wird; im erstern wird die Bitte damit motivirt, dass die Bienenhalter des Rathes der Bienen bedürfen, nach dem zweiten sollen ihnen diese Wachs für die Heiligen, Honig für ihre Kinder bringen. In andern Bienensegen geschieht der Kinder nicht mehr Erwähnung; Honig wie Wachs werden für den Altar des Herrn oder für Kirchen und Klöster bestimmt; noch in andern endlich sollen sie Honig und Wachs für ihren Herrn eintragen oder doch demselben nichts ver- tragen. In Cornwallis ruft man beim Schwärmen den Schutzgeist Browny an, weil man glaubt, der Ruf »Browny, Browny« werde die Rückkehr der schwär- menden Bienen in ihren frühern Stock verhüten, vielmehr dieselben zum An- setzen und zur Begründung einer neuen Colonie bestimmen. — Ob solche oder ähnliche Gebräuche und Bienensegen auch in der Schweiz vorkamen oder noch vorkommen und wo, konnte ich nicht ermitteln; doch dürfte es im Hinblick auf das Nachstehende nicht gerade unwahrscheinlich sein. Von Rieden (Zürich) ver- nehme ich: Will ein Schwarm durchgehen und versucht man, denselben durch Besprengen mit Wasser oder durch Nachwerfen feuchter Erde zum Anhalten zu bestimmen, so darf diess nur mit der linken Hand geschehen, da es, mit der Rechten ausgeführt, nieht helfen würde. — Noch mehr dürfte dafür folgende, fast allgemein in der Schweiz herrschende Sitte sprechen, welche sicher nicht ursprünglich als blosses Orientirungsmittel für die in eine neue Wohnung ge- brachten Bienen betrachtet wurde; man verziert nämlich den mit einem Schwarm besetzten Bienenstock mit einem aus den schönsten Blumen gebundenen Kränz- chen, welches man über dem Flugloche befestigt, und schmückt und bewillkommt den erstern so gewissermassen wie das Brautpaar beim Hochzeitsfeste oder wie 3 En A sehnlich erwartete aus der Ferne zurückkehrende liebe Angehörige. Endlich hat sich auch in der Schweiz ein Gebrauch erhalten und ward mir aus allen Kan- tonen vielseitig mitgetheilt, welcher durch ganz Europa verbreitet zu sein scheint. Stirbt nämlich der Besorger der Bienen, so sind dieselben sofort über den Todes- fall und den Abschied ihres Herrn, sowie über den Uebergang ihrer Pflege an einen neuen Wärter zu benachrichtigen, dabei die Stöcke sanft anzuklopfen oder anzuschlagen, zu heben, umzukehren, zu schütteln oder zu versetzen. In West- phalen, sowie in verschiedenen Gegenden Belgiens und Frankreichs geschieht das beim Hinschied eines jeden Familienglieds und der Stock wird mit einem schwarzen Tuche behängt. Im erstgenannten Lande erfolgt die Anzeige an die Bienen mit folgenden Worten: Ime, din Här es dot, Verlatt mi nit in miner Noth. Hier und anderwärts verspricht man ihnen, dass man sich gegen sie eben so freundlich bezeigen wolle, wie es der frühere Besorger gethan, und hält diess auch gewöhnlich, da man glaubt, vererbte Bienen fliegen weg, wenn der Erbe nichts taugt, gerade so wie Bienen verfliegen oder sterben, an welche die Todes- anzeige nicht geschehen. Das Versetzen der Bienenstöcke nach dem Tode ihres Besitzers steht aber keineswegs isolirt da, da in einem solchen Fall wohl auch Vogelkäfige und Blumengeschirre verstellt werden. Uebrigens soll das Versetzen der Bienenstöcke hie und da schon bei Bevorstehen des Todes oder bei dessen Eintritt oder während die Leiche ausgetragen wird, stattfinden. Noch ist zu erwähnen, dass an einzelnen Orten der Glaube herrscht, der Bienenwirth werde bald sterben, wenn dessen Bienen fortziehen, oder es werde im Hause ihres Be- sorgers ein Todesfall eintreten, wenn die Waben in der Mitte nicht verbunden sind; die Bienen des Hauses aber sollen zu Grunde gehen, wenn sich ein Ster- bender noch im Tode mit ihnen beschäftigt. — Als Rücksicht für die Bienen kann auch betrachtet werden der abergläubische Gebrauch, nach welchem man weder sich umsehen, noch ein Wort sprechen, noch einem Grüssenden danken soll, wenn man einen bevölkerten Bienenstock über die Strasse trägt; Zuwider- handeln würde das Fortfliegen der Biene zu Folge haben. — Beim Tödten der Biene glaubt man dieselben versöhnen und sich gegen deren Stich durch den sogenannten Bienenbann schützen zu können: Imben, ich beschwöre dich, dass du nicht heckst noch stechest mich, so wenig ein ungerechter Richter in das Reich Gottes eingeht. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes! (Bachenbülach-Zürich.) ee Der Bienenbann wird übrigens von den Abergläubischen nicht bloss beim Tödten, sondern überall gesprochen, wo man mit den Bienen näher umzugehen und darum ihren Stich zu fürchten hat. Als Verkünder wichtiger Ereignisse gelten von der mythischen Zeit des Alter- thums bis auf heute die Schwärme, wenn sie an aussergewöhnlichen Orten sich niederlassen, und sie verheissen, je nach Stelle und Umständen, an oder unter denen es geschieht, Glück oder Unglück, meist aber das letztere. Wo auf die Art der Entscheidung noch eingewirkt werden kann, sind sie in beiden Fällen Berather und Warner; wer den Rath oder die Warnung beachtet, richtig deutet und die passenden Mittel zur Abwehr des Verderbens wählt, dem wandelt sich das drohende Unheil in Heil um (Drusus bei Arbalo) oder umgekehrt, wie das mit Herzog Leopold von Oesterreich bei Sempach der Fall war. Die für die Vorbedeutung des Schwarms bezeichnende Stelle aus dem Sempacher Liede Halb- suters lautet folgendermassen: Str. 2. Es kam ein Bär gezogen Str. 3. „Das dütet frömbde geste“: gen Willisow in die statt; so redt der gemeine man. do kam ein Imb geflogen, Do sach man, wie die veste in d’linden er gnistet hat: dahinter z’Willisow bran. He ans hertzogen waffen er flog, he sie redtend uss übermut: als do der selbig hertzog „Die Switzer wend wir tödten, wol für die linden zog. das jung und alte blut.“ Als Verkünder des Todes heissen die Schwärme auch Leichenvögel; hängen sie sich an Häuser, so ist's eine Vorbedeutung von Feuersbrunst. Die ungünstige Vorbedeutung der Bienen wird sogar für die Träume berbeigezogen ; wer von Bienen träumt, wird Zank haben — und wer einen Bienenschwarm im Traume sieht, sterben. Auch auf das Räuchern, die Räuberei und die Raufereien der Bienen bezog sich der Aberglaube. Zum Dämpfen der Stöcke oder Schwärme ist Wermuth von Gräbern der beste und zur Abhaltung fremder Räuber eignen sich gewisse Kräuter nur dann, wenn sie auf einem Kirchhof gewachsen sind. Der Habsüchtige oder Boshafte könne seine Bienen zu Räubern machen, wenn er sie nur durch ein im Flugloch befestigtes Stück von der Luftröhre eines Raubthiers ein- und auslaufen lasse oder unter Anwendung eines Geheimmittels in beson- derer Richtung den Frittbohrer drehe. Auch sollen die Schwärme, welche am Pfingstsonntag abgehen, Raubstöcke werden. — Kriegerische Zeiten sollen ein- treten, wenn Bienen einander verfolgen und tödten, und Krankheiten sollen in’s Land kommen, wenn die abgehenden Bienenschwärme hoch fliegen oder hoch sich ansetzen. Die Notiz, dass von den Schamanen finnischer Völkerschaften die Biene angerufen werde, um gute Heilmittel anzuschaffen, führt uns zu einer Reihe spä- terer oder noch vorkommender abergläubischer Ansichten und Uebungen, welche sich auf die Königin und auf das Wachs, wie auf die Annahme von Wunder- wirkungen dieser beiden beziehen. Hatte eine Hexe, bevor sie ergriffen wurde, eine Bienenkönigin gegessen, so sollte sie der Tortur widerstehen können und es mag hiebei noch erwähnt werden, dass man den Hexen die Macht vindieirte, Milch und Honig aus dem Hause des Nachbars in das ihre ziehen zu können. Vom Wachs, welches seines kirchlichen und anderweitigen Gebrauches wegen in so hohem Ansehen stand, dürfen wir uns nicht wundern, dass es auch zu allerlei abergläubischem Spuck Verwendung fand, während das mit dem Honige nicht der Fall zu sein scheint. . Es spielte und spielt eine Rolle bei der absichtlichen Erkundung der Zukunft oder dem sogenannten Wundern, Loosen oder Christo- pheln, beim Schatzgraben, bei Vorbedeutungen, bei Bitten, Gelübden oder Dank an Götter oder Heilige um oder für Befreiung von Leiden oder Uebeln, aber auch bei der Absicht, auf abwesende Personen in gewinnendem oder verfolgendem Sinne einzuwirken, es ihnen anzuthun oder sie zu bezaubern. Zu diesen Zwecken diente es bald ohne besondere Form, bald in Form von Lichtlein oder Kerzen, bald in Form von Körpertheilen oder Gliedern, bald auch in Form ganzer Figuren. Um es einer Jungfrau anzuthun, d. h. deren Huld zu erwerben, sollte man ihren und den eigenen Namen auf Jungfernpergament schreiben, dieses in Jung- fernwachs winden und an den Leib hängen. — Beim Wundern oder Loosen goss man in der Christnacht in eine tiefe Schüssel Wasser, setzte Wachslichtlein, welche man anzündete, in zwei Nussschaalen, deutete die eine auf die Person, nach deren Besitz man sich sehnte, die andere auf sich selbst und liess sie nun schwimmen; liefen sie zusammen, so sollte die Heirath gelingen, gingen sie aber aus einander, so sollte nichts aus ihr werden. Zum Christopheln und Schatz- graben etc. missbrauchen Protestanten und Katholiken geweihte Kerzen und stehlen. dieselben bisweilen aus Kirchen und Kapellen (Solothurn). — Erlosch das Licht auf dem Altar von selbst, so verkündete das des Priesters Tod. — Am St. Blasientag hielt der Pfarrer zwei brennende Wachskerzen ins Kreuz; Alt und Jung ging hin, hielt den Kopf zwischen die Kerzen und lies sich segnen; das sollte vor Kopf- und Halsweh bewahren das ganze Jahr hindurch. — Wie schon im Alterthum liessen und lassen schwer Leidende oder Genesene oder deren Angehörige eine Form des kranken Körpertheils in (Metall, Holz oder) Wachs anfertigen, dieselben an geeignet erscheinenden Orten, z. B. an Bäu- men, in Tempeln, Kirchen, Kapellen, an Altären etc. aufhängen, theils um ee Genesung bei der Gottheit oder den Heiligen zu erflehen, theils um den Dank für die erfolgte Genesung zu beurkunden; wahrscheinlich dienten später solche Glieder auch zum Behexen Gesunder, denen man übel wollte und ein Leid zuzu- fügen beabsichtigte, zu welchem Zwe@ke aber besonders ganze Figuren, Kobold oder Atzmann genannt, dienten. Diese Atzmännchen, welche man bisweilen förmlich taufte, wurden in die Luft gehängt, ins Wasser getaucht, am Feuer gebähet oder, häufig mit Nadeln durchstochen, unter die Thürschwelle vergraben, in dem Wahne, dass derjenige, auf welchen es abgesehen war, in dem einen Fall dem Urheber hold werde, in dem andern aber alle die Qualen, welche dem Bilde ‚angethan wurden, empfinde, verletzt oder sogar getödtet werde, eine Bosheit, welche, entdeckt und nach Ausfindigmachung von Gegenmitteln, freilich nicht mehr wirken sollte, indem vielmehr die Gefahr auf den Urheber zurückfalle und den Zauberer selbst treffe. 4. Die Biene in der Symbolik, in Vergleichungen, Gleichnissen und Namen. Den alten Aegyptern galten die Bienen, da sie in geordnetem Staatswesen mit monarchischer Verfassung leben, als Zeichen der Monarchie, des königlichen Amtes und der königlichen Macht, persönlich des Königs selbst und, da dieser als Repräsentant des höchsten Wesens, der Gottheit, auf Erden galt, und im letztern Sinne als Serpens uraeus bezeichnet wurde, als Sinnbild der Gottheit selbst. In dieser Bedeutung aufgefasst, ist sie in den ältesten Hieroglyphen bis 4000 Jahre vor unserer Zeitrechnung sehr kennlich abgebildet mit gesenktem Kopf und er- hobenen Flügeln. Ebenso wurde sie wegen des vermeintlichen Entstehens aus Stierleichen *) als Sinnbild der Unsterblichkeit betrachtet. Allgemein ist ihre Be- zeichnung als Sinnbild des kräftigen und einträchtigen Zusammenwirkens und des Fleisses, der Ordnung und Reinlichkeit, der Zucht und sittlichen Reinheit, der Häuslichkeit und Sparsamkeit, der Vorsorglichkeit und Woblthätigkeit, der Pflicht- treue und Aufopferung, des Muths und der Ausdauer, der Wachsamkeit und *) Ganz verschieden von dieser Auffassung dürfte nach Magerstedt die biblische Erzählung (Richt. 14,8) zu deuten sein, nach welcher Simson in dem Gerippe des von ihm zerrissenen Löwen später ein Bienenvolk mit dem von ihm gefertigten Bau nebst den in diesem enthaltenen Honig fand, von letzterm ass und auch seinen Eltern mittheilte, Hier „liegt die Möglichkeit vor, dass das Gerippe unter der grossen Hitze Kanaans, ganz abgesehen von Füchsen (Ps. 63, 11), Raubvögeln und Würmern, in weniger als Monatsfrist so von Fleisch entblösst und ausgetrocknet war, dass sich nicht der geringste üble Geruch, der Abscheu der Bienen, äusserte, der den Schwarm hätte abhalten können, hier seine Wohnung zu nehmen (Bochart. Hieroz, U. 4; 10)". ei u Klugheit, der Plan- und Zweckmässigkeit, des Geschmacks und der Kunstfer- tigkeit. Für das Familienleben galt sie als Sinnbild des häuslichen Friedens, der Rührigkeit, des Glücks und des Wohlstands daher der von verschiedenen Orten des Kantons Zürich mir mitgetheilte’Spruch: » Immevatter — Huusvatter« ; im weitesten Sinne endlich als Sinnbild des Schönen und Guten überhaupt. Aus allen diesen Gründen wird sie oder auch der Bienenkorb mit vorspie- lenden Bienen als Sinnbild und Gleichniss im engern oder weitern Sinne, in freier oder gebundener Rede, in Schrift und Druck, in Bild und Verzierung, gezeichnet und-gemalt, gravirt und sculpirt, gestanzt und geprägt, aufgenäht und gestickt etc. verwendet. Erwähnung verdienen die Bienen auf dem französischen Kaisermantel und der Bienenstock mit den vorspielenden Bienen auf den meisten jener 45 ver- schiedenen Silbermünzen, welche die Stadt Bern bei jährlichen Schulfeiern an fleissige Schüler vertheilen liess, *) sowie die Bienenstöcke in den Wappen der Familien von Büren und Büttiker in Solothurn. Bezüglich der erstern war man der Meinung, dass die sogenannten Lilien auf dem französischen Königsmantel eigentlich Bienen gewesen und missbräuchlich entstellt worden seien und dass Napoleon I. sich veranlasst gesehen habe, die Bienen in bestimmter Form auf dem Kaisermantel restituiren zu lassen. Die erstere dieser Meinungen ist aber entschieden irrig, da die sog. Lilien nichts anderes sind als besonders gestaltete Spitzen eines Speeres, der fränkischen Waffe framea. Es mochten daher jene Speerspitzen auf dem französischen Königsmantel das Sinnbild der Wehrhaftig- keit und der auf ihr begründeten königlichen Machtherrlichkeit sein und Napo- leon I dürfte wohl kaum ihre Bedeutung verkannt haben. Die Wahl der Biene zur symbolischen Zierde des Kaisermantels hatte gewiss andere Motive als die Correetur einer für irrig gehaltenen Meinung. Sie beruhte nach meiner Ansicht in der vieldeutigen Symbolik der Biene, welche die Wehrhaftigkeit des Volkes und die Machtherrlichkeit des Herrschers nicht ausschloss, die von der Vorsehung verordnete Berufung des letztern aber gar wohl zuliess. Zur Bezeichnung eines lebhaften jungen Menschen bedient man sich in So- lothurn der Vergleichung: »Du bisch e rechts Beyi.« **) In humoristischem Sinne wird aber wenigstens die Bienenwohnung zu Vergleichungen herbeigezogen: »Er het e Nase wie ne Beicher.« (Appenzell.) *) Eine dieser Münzen, vor etwa 100 Jahren geprägt, zeigt auf der mit dem Bienenkorb bezeichneten Seite die Umschrift: Labor omnibus idem. und die Unterschrift: Praem. dilig. **) Auch im Niederdeutschen findet sich die Vergleichung eines jungen Menschen mit der Biene: „He is so flügge as n imme.“ Als Gleichniss möge hier Folgendes stehen: »Die Biene und die Spinne gehen auf giftige Blüthen, aber jene nimmt nur Honig und Blüthenstaub, diese das Gift (Solothurn).« Dasselbe bezieht sich auf die Einwirkung der Lectüre auf den Leser je nach dessen Individualität, beson- ders bei schlechten Büchern, und ist verwandt mit dem Sprichworte: »dem Reinen ist Alles rein.« Es kann nach dem Vorstehenden und Frühern nicht auffallen, dass »Biene« als Name von Personen erscheint oder in Namen von solchen auftritt, wie in Deborah — Biene, Beowulf = Bienenwolf, Beowina — Bienenfreund, Beowa —= Bienenaar gleichbedeutend mit Picus, Specht, und es verdient Beachtung, dass der Erzieher des Romulus Picus hiess. Sonst ist Biene, vielleicht statt derselben die Himbeere, jedenfalls aber die Bienenwohnung in der Benennung von Häusern und Häusergruppen, z. B. Weilern und grössern Ortschaften, Gegenden etc. betheiligt, wie in Immenberg und Im- menreich (Thurgau), Immenfeld und Immensee (Schwyz), Immerich und Beicher (Zürich); ebenso in Familien- oder Geschlechtsnamen, wie in Immefelder, Im- menhauser, Zeidler ete. In symbolischer Beziehung ist bezeichnend, dass viele Vereine, gemeinnützige Anstalten und Verkehrsmittel (wie Sparkassen, Schiffe ete.), Zeitschriften ete., die mit der Biene und ihrer Zucht nicht im Entferntesten zu schaffen haben, mit dem Namen »Bienes belegt wurden. II. Leben der Biene. Die Biene steht in der Natur nicht abgeschlossen für sich da, sondern tritt zu den das Naturleben bedingenden und regelnden Agentien wie zu verschiedenen lebenden Wesen in vielfache Beziehungen, daher auch die Erscheinungen in ihrem eigenen Leben einen hohen Grad von Mamnigfaltigkeit zeigen. Um uns inmitten der letzteren zurecht zu finden, müssen wir die Erscheinungen successive nach verschiedenen Gesichtspunkten verfolgen, wo möglich von den nächstliegenden und beständigsten Thatsachen, sowie von den einfachsten Verhältnissen ausgehen und erst nach und nach dies minder Naheliegende, minder Beständige und minder Einfache in unsere Betrachtungen aufnehmen. 5. Die Biene im Kreislaufe des Jahres und Tages. Zur Beobachtung der Bienen am Stocke ist es gerathen, sich stets zur Seite des Flugloches aufzustellen, dieselben nicht durch Anhauchen und Athmen zu belästigen und eine völlig ruhige Haltung zu bewahren. BEN ER Treten wir im Januar *) an einen bevölkerten Bienenstock heran, welcher im vorigen Jahr während der wärmeren Zeiten einen lebhaften Ein- und Ausflug der Bienen zeigte, dann bemerken wir gar häufig keine Spur von Lebensäusserung ; wir sehen weder eine Biene, noch vernimmt unser Ohr, vor das Flugloch gehalten, den leisesten Ton. Alles ist ruhig, scheinbar wie ausgestorben. Klopfen wir aber an die Wandungen des Stockes an oder blasen wir kräftig zum Flugloche hinein — plötzlich braust’s dann im Innern auf und gibt uns Gewähr, dass da drinnen Leben ist, wenn schon ohne Mani- festation gegen aussen. Schon im Anfang des Februar **) vernehmen wir, am Flugloch horchend, oft ein sanftes, andauerndes Summen, welches der Bienenzüchter mit dem Beiworte »behaglich« belegt. Auf das Anklopfen am Stocke oder auf das Einblasen durchs Flugloch bleibt es nicht immer bloss beim Aufbrausen im Innern stehen; die eine oder die andere Biene kommt wohl zum Flugloch heraus, um sich nach dem Störer ihrer Ruhe umsusehen, kehrt aber alsbald, von der kühlen Luft berührt, in’s Innere des Stockes zurück. Aber nach der Mitte des Monats, in der wärmsten Stunde des Tages, namentlich, wenn die Sonne das Flugloch bescheint, kommen erst einzelne Bienen mit vollem gespanntem Hinterleibe zum Flugloch hervor, dann mehr und mehr, erheben sie sich summend in die Luft, schweben mit gehobenem Vorderkörper, den Kopf dem Stocke zugekehrt, vor demselben auf und nieder, beschreiben in dessen nächsten Umgebungen kleinere und grössere Bogen und Kreise, setzen sich wohl auch zeitweise vereinzelt auf dem Boden, oder auf Gegenständen in der Nähe des Stockes oder an diesen selbst ab und entledigen sich dabei ihres Unrathes, welcher in Tropfenform ausgeworfen wird und auf dem blen- dend weissen Schnee auffallend abstechende Flecken von gelbbräunlicher Färbung ver- ursacht. Darauf nun kehren sie, schlanker und behender, als wie sie den Stock ver- lassen, nach und nach in diesen zurück, während manche von ihnen flügelschwingend und den Hinterleib erhebend, noch länger vor dem Flugloch verweilen, so lange in un- unterbrochenem Auszuge immer neue hervorkommen und in der Luft sich herumtummeln, bis auch diese allmälig wieder hinter dem Flugloche im Stocke verschwinden. Dies ist das erste Vorspiel oder der Reinigungsausflug, mit welchem die Bienen die Reihe deutlicher Lebenserscheinungen im Freien eröffnen. Das nächste Geschäft ist die Säu- berung der Wohnung; die Bienen schleppen nämlich Bienenleichen, Wachsstückchen und sonstige Abfälle aus dem Stocke heraus, tragen dieselben im Fluge fort, lassen sie *) Wir nehmen in diesem Abschnitte an, unsere Beobachtungen geschehen bei heiterem Himmel, ruhiger Luft und festem trockenem Boden. Für Zürich, an welches wir zunächst un- sere Betrachtungen anschliessen und das bei einer Erhebung von 410 Metern über Meer unter 47°,22‘ nördl. Breite und 26°,12° östl. Länge liegt, zeigt dieser Monat im Mittel eine Tages- länge von 8 Stunden 59 Minuten, am Thermometer —1,28° C., am Barometer 723,833 Millim. und eine Gesammthöhe der in Wasser verwandelten Niederschläge von 71,37 Millim. Bei den folgenden Monaten beziehen sich die angegebenen Mittel gleichfalls auf Zürich. **) Der Februar zeigt im Mittel eine Tageslänge von 10 Stunden 13 Minuten; am Ther- mometer -- 0,73° C., am Barometer 724,397 Millim., und eine Gesammthöhe der Niederschläge von 60,50 Millim. zb — in einiger Entfernung von jenem aus der Luft herab, fallen oder senken sich aus dieser mit ihrer Bürde auf den Boden herab, entledigen sich derselben und kehren darauf zum Stocke zurück, um das gleiche Geschäft fortzusetzen. An dieses Geschäft reiht sich als zweites das Herbeiholen und Eintragen von Lebensbedürfnissen. Zu diesem Zwecke fliegen die Bienen emsiger und auf weitere Entfernungen aus. Die Zeit, welche auf die Aus- flüge verwendet wird, beträgt durchschnittlich 4 Stunden. Die zurückkehrenden Bienen sieht man theils mit verschiedenfarbigen, die einzelne Biene aber stets mit gleichfarbigen und gleichgrossen Ballen an den beiden Hinterbeinen, mit Hös’chen, beladen, theils ohne solche Belastung mit mehr angeschwollenem Hinterleibe dem Stocke zufliegen und durch das Flugloch einlaufen. Streift man einer der ersterwähnten Bienen einen solchen Bal- len ab und zertheilt ihn, so bemerkt man, dass er aus lauter kleinen Körnchen besteht, die sich, unter dem Mikroskope betrachtet, als lose verbundene Blüthenstaub- oder Pollen- körner erweisen; drückt man dagegen einer der zweiten den Hinterleib stark zusammen, so tritt aus dem Munde ein kleiner Tropfen; reisst man ihn aber, anstatt ihn zusam- menzudrücken, von der Brust los, so bleibt hier und da, aus dem Hinterleib hervor- kommend, an jener ein gestieltes Bläs’chen, der Saugmagen, hängen; jener Tropfen aber und der Inhalt des Saugmagens erweist sich bei genauerer Untersuchung als Wasser. Blüthenstaub und Wasser sind daher die ersten Gegenstände der Tracht und sie bleiben es beide bis in den September. Im März *) steigt die Zeit für die Trachtausflüge durchschnittlich auf 61g Stun- den an, daher sich die letztern entsprechend vermehren; aber auch die Zahl der am Trachtgeschäft sich betheiligenden Bienen vergrössert sich; in gleicher Weise werden die Vorspiele häufiger. Schon im ersten Dritttheil des Monats halten sich ausser der Dauer der Vorspiele einzelne Bienen auf dem Anflugbrette vor dem Flugloch im Sonnen- lichte auf; die einen ohne besonders auffallendes Benehmen, andere dagegen fächeln oder ventiliren; wieder andere steisselm oder sterzen. Die Fächler stehen ge- wöhnlich, den Kopf gegen das Flugloch gerichtet, in Reihen, welche sich nach einwärts durch das letztere in’s Innere des Stockes fortsetzen. Gegen Ende des ersten Dritttheils im Monate sieht man aber auch die Umgebungen des Flugloches häufig von scheu, flüchtig und unstät fliegenden Bienen umkreist, welche nicht beladen und nicht direkt in der Richtung des Flugloches anfliegen und einlaufen, sondern augenscheinlich unbe- achtet in den Stock einzuschlüpfen suchen. Aber gewöhnlich gelingt ihnen dieses Vor- haben nicht, sondern sie werden von den auf dem Anflugbrette und im Flugloche sich aufhaltenden Bienen, der Wache, streng beobachtet und angehalten; und nun entsteht zwischen der festgehaltenen Biene und einem der Wächter oder auch mehreren der letz- tern eine Balgerei, welche zunächst darin sich äussert, dass jene, entweder an den Beinen oder an den Flügeln gepackt und festgehalten, bei dem Versuche sich zu entfernen, den oder die Angreifer nachschleppt und zeitweise durch plötzlich unternommene wie rasch und kräftig ausgeführte Bewegungen derselben sich zu entledigen und dann sofort zu entfliehen sucht, — weiter auch darin, dass der oder die Wächter dem Eindringling * ) Der März zeigt im Mittel eine Tageslänge von 11 Stunden 49 Minuten (am 20. beträgt dieselbe 12 Stunden) am Thermometer 3,57° C., am Barometer 722,913 Millim. und eine Höhe der Niederschläge von 64,42 Millim. 4 a er auf den Leib rücken und dessen Rücken besteigen, — und endlich darin, dass Angrei- fer und Angegriffene sich, Bauch gegen Bauch gekehrt, mit den Kiefern packen, mit den Beinen umklammern, Hinterleib gegen Hinterleib biegen, bald dessen Spitze zum Stiche ausholend, bald dieselbe zum Beibringen des letztern rasch annähernd, und dabei, auf der Seite liegend, wie ein Kreisel auf dem Anflugbrett oder Boden herumwirbeln. Manchmal gelingt es der gepackten, wohl auch der schon umklammerten Angegriflenen sich loszureissen und das Weite zu suchen, wenn nicht eine andere Biene der Angreiferin zu Hilfe kommt; gar häufig aber trifft der verhängnissvolle Stachel der einen Kämpferin eine weichere Stelle am Körper der andern und dringt durch dieselbe in’s Innere vor; danhı erscheint die getroffene Biene zunächst an dem gestochenen Theile gelähmt, schleppt diesen, der in Folge des Stiches steif und bewegungslos geworden, nach und sich selbst mühsam herum, dabei die Hinterleibsspitze nach abwärts krümmend, bis der bald ein- tretende Tod dem hilflosen Zustand ein Ende macht. — Werden in einer Gegend Bienen verschiedener, durch abweichende Farbe und Zeichnung leicht unterscheidbarer Rassen gehalten, so überzeugt man sich bald, dass jene unstät, flüchtig und scheu das Flugloch umkreisenden und das Eindringen versuchenden Bienen der Bevölkerung eines andern Stockes angehören, den man gewöhnlich auch ausfindig zu machen vermag. — Kümmern wir uns aber vor der Hand weiter nicht um das’ letztere, sondern verfolgen wir die Erscheinungen an unserm ursprünglich beobachteten Stocke weiter. Waren es nur wenige Fremdlinge und wurden diese mit Erfolg abgewiesen, so kehrt die frühere Ruhe bald zurück. Waren es dagegen mehr, schlüpften wirklich einzelne ein, wurden sie erst im Stocke bewältigt, und dauert das unheimliche Treiben derselben aussen noch fort, dann drängen sich auch mehr Bienen zur Verstärkung der Schutzwache heraus, halten die ankommenden Bienen an und gestatten denselben erst dann den Eintritt, wenn sie be- laden von aussen her angekommen oder als zugehörig erkannt sind. Konnten dagegen ein- zelne der Eindringlinge, den bei der Ankunft leeren Saugmagen mit Honig erfüllt, ent- kommen (man erkennt dies an dem Austritt von Bienen mit angeschwollenem Hinterleib und an dem süssen Inhalt ihres Saugmagens, wenn sie, ergriffen, in der angegebenen Weise gedrückt oder zerrissen wurden) und nach ihrem eigenen Stocke gelangen, so er- scheinen bald Fremdlinge in grösserer Zahl, und, gelingt es auch diesen, mit Honig erfüllt heimzukehren, dann strömen die Fremdlinge nach und nach massenhaft zu, be- lagern förmlich den Stock und das Anflugbrett, werden zudringlicher, durchbrechen mit Ungestüm die hervorgequollenen Schaaren der Vertheidiger und es entbrennt nun allent- halben ein erbittertes Kämpfen, Herumwirbeln und Morden, welches nur in Folge des Siegs, sei’s der ursprünglichen Bevölkerung, sei’s der Fremdlinge, sein Ende erreicht. Siegen die erstern, so geschieht’s mit bedeutenden Opfern, siegen die letztern, dann ist es jenen beschieden, die Existenz ihres eigenen Staatswesens zu verlieren. — Man nemnt die fremden Eindringlinge im Stadium der scheuen Anfangsversuche Näscher, woll auch Spione, und im Stadium des kecken Kampfs um die Honigbeute Räuber, Raub- oder Heerbienen, den Kampf selbst aber die Räuberei. Die Neigung zur Räuberei, meist gegen Ende des ersten Dritttheils im März begonnen, setzt sich allgemeiner noch durch das erste Dritttheil des April *) fort, gegen dessen *) Der April zeigt im Mittel eine Tageslänge von 13 Stunden 32 Minuten, am Thermo- meter 8,55 ° C., am Barometer 720,789 Milliın. und eine Höhe der Niederschläge von 78,28 Millim. Zu Me £ üinde die Honigtracht beginnt. Die Zeit für die Trachtausflüge steigt durchschnittlich auf 9 Stunden, in der zweiten Hälfte auf? 12 an. Zu den früher erwähnten Lebens- erscheinungen gesellt sich merkliche Zunahme der Volkszahl, das Eintragen von klebrigem Kittharz in Hös’chenform, und gegen die Hälfte des Monats nach Eintritt der Däm- merung während der ersten Stunden der Nacht ein ununterbrochenes munteres Brausen im Innern der Stöcke, welches schon in einiger Entfernung von denselben vernehmlich ist. An milden Abenden bis in die Nacht hinein verweilen einzelne Bienen, summend und fächelnd unter dem Flugloche oder auch vor demselben und halten gelegentlich Wache. Gegen Ende des Monats aber, seltener schon früher, erscheinen in den wärmsten Stunden nach Mittag in und vor dem Flugloche grosse, plumpe Bienen, die Drohnen, welche mit lauterem, tieferem Summen in die Luft sich erheben, nie aber beladen zu- rückkehren und keinen Stachel besitzen, daher man sie ohne Scheu ergreifen kann. Allgemein aber erscheinen die Drohnen im Maö*), in welchem die tägliche Flug- zeit durchschnittlich über 13 Stunden beträgt. Die Stöcke stehen nun in bedeutender Volksstärke da und diese mehrt sich von Stunde zu Stunde. Es ist ein ausserordentlich reges Leben in allen Richtungen den ganzen Tag bemerklich. Hastig stürzen die Trachtbienen aus, pfeilschnell fliegen sie auf die Weide; schwer beladen mit vollen Hös’chen oder strotzend den Hinterleib erfüllt mit Nectar, oft mit beiden zugleich, kehren sie langsam und schwer- fällig heim; besonders der letztere wird in so reichlichem Maasse herbeigetragen, dass Massen von nectarstrotzenden Bienen müde und matt in der Nähe des Stocks auf den Boden herabsinken oder an jenem sich niederlassen, um erst durch längeres Ausruhen neue Kräfte zu sammeln, ehe sie die letzte Strecke zum Flugloch zurücklegen und mit dem Segen ihrer Arbeit einzulaufen vermögen. Bei solch üppigem Nectarfluss in der freien Natur nimmt das Gewicht der Stöcke merklich zu, ein Beweis, dass Vorräthe aufgespeichert werden; zugleich aber schwindet die Neigung der Bienen zum unredlichen Annexions- gewerbe stärkerer Völker auf Kosten der schwächern, sowie die Noth, welche einzelne zum gänzlichen Verlassen der heimischen Wohnung zwang, mit andern Worten, Spionen- wesen, Näscherei und Raub auf der einen Seite und das Ausziehen von Nothschwärmen auf der andern hören auf oder werden abnorme Erscheinungen. Zu dieser Freigebigkeit der Natur gegen die Bienen steht endlich in innigster Beziehung das bis tief in die Nacht vernehmbare beständige Brausen im Stocke. Dem Auftreten der Drohnen aber, dem entferntern Vorzeichen des Schwärmens folgen bald andere auffallende Erscheinungen, welche zwar hie und da schon im April sich einstellten, am häufigsten im Mai bis Mitte Juni statt haben, ausnahmsweise sich aber auch bis in den Juli fortsetzen. Es sind das die nähern Vorzeichen des Schwärmens und das letztere selbst. Jene stellen sich in nachstehender Reihenfolge ein: 1. Die Vorspiele erfolgen nicht mehr wie sonst in den wärmsten Stunden nach Mittag, sondern werden früher, bisweilen sogar in Vormittagsstunden abgehalten. 2. Die Bienen häufen sich ausserhalb des Stockes in der Nähe des Flugloches an, vorzugsweise am Anflugbrett, von dem sie oft in grossen traubenförmigen Klumpen oder *) Der Mai zeigt im Mittel eine Tageslänge von 14 Stunden 56 Minuten, am Thermometer a Br am Barometer 722,416 Millim. und eine Gesammthöhe der Niederschläge von ‚30 Millim, u Zapfen mit wogender Bewegung herabhängen, oft auch an der vordern Wandung des Stocks, welche in starker Lage dicht mit ihnen besetzt ist, ebenfalls Bewegung zeigt, zu den Seiten des Fluglochs mit dem Zapfen zusammenhängt und ebenso mit einer Lage von Bienen, welche vom Flugloche bis zu dem Zapfen reicht. Man nennt diese Er- scheinung, sofern sie von den Bienen ausgeht, das Vorlegen, sofern sich die Bienen in dem dieselbe charakterisirenden Zustand befinden, das Vorliegen, in der Schweiz auch, in activem und neutralem Sinne, das Darten. Das Vorliegen der Bienen wieder- holt sich bisweilen mehrere Tage hinter einander ohne weitere Folge; bedeutsam aber wird’s, wenn es schon am Morgen zwischen 9 bis 11 Uhr in aufiallender Stärke beginnt; (ein schwächerer Zapfen hat hie und da vielleicht sogar im Freien übernachtet!), wenn die Drohnen schon gegen 11 Uhr ausfliegen, die aus dem Stocke hervorgequollenen Bienen, statt abzufliegen, dem Klumpen sich anschliessen, das Volk plötzlich im Fluge nachlässt, die besonders mit Blüthenstaubhös’chen beladen heimkehrenden Bienen, statt einzulaufen, unmittelbar den vorliegenden sich zugesellen oder, eingelaufen, mit ihrer Last aus dem Stocke zu dem Klumpen zurückkehren, — wenn einzelne Bienen sich schütteln und dabei einzeln oder paarweise den Schütteltanz aufführen, namentlich aber, wenn einzelne Bienen aus dem Flugloch hervorstürzen, sich auf die vorliegenden begeben, schüttelnd und flügelschlagend, hierhin und dorthin sich wendend, den Haufen durch- kreuzen, wenn dieser zuletzt sich enthäuft und dessen Bienenmasse nun eiligst in den Stock zurückstürzt. — Kaum geschehn, stürzen sie wieder in wirrem Gewühl, sich viel- fach überwälzend durch das Flugloch hervor über das Anflugbrett, sofort in die Luft sich erhebend, in ununterbrochenem Zuge von herausquellenden Massen, allmälig aber von leichter werdenden Schaaren, endlich von vereinzelten Nachzüglern in hastiger Eile gefolgt, bis der Stock von den zu Hause befindlichen flugfähigen Bienen entleert und am Flugloch, dem Stock und dem Anflugbrette völliger Bienenmangel eingetreten ist. Dies ist der Schwärmauszug oder schlechtweg der Auszug, dessen Vorgang der Schweizer mit dem bezeichnenden Ausdrucke belegt: Der Imb stosst oder laht. Alle am Schwärmauszug betheiligten Arbeitsbienen zeigen einen angeschwollenen Hinterleib und der Saugmagen der untersuchten zeigt als Inhalt Honig. — Draussen kreisen, in wirrem Durcheinander ihre Bahnen durchkreuzend, Tausende und aber Tausende von Bienen, sammt den etwa mitgezogenen Drohnen und der Königin mit eigenthümlich brau- sendem Summen, dem Schwarmton, in der Nähe des Stockes herum, sie schwärmen ; der Schwarm (»der Fahrum«, der »Unstäte«) ist los. Das dauert einige Zeit; dann wenden sich einzelne Bienen einem bestimmten, meist über dem Boden befindlichen Ge- genstand zu, sei es ein Strauch oder Baum, ein Zaun, eine Hecke, ein Pfahl, eine Stange, der Vorsprung eines Dachs oder die Wand eines Hauses zu, setzen, immer den Schwarm- ton vernehmen lassend, als Klümpchen sich an und geben so der übrigen Masse das Zeichen zur Sammlung. In demselben Maasse aber, in welchem die schwärmenden Bienen dem Sammelorte zufliegen und ebenfalls den Schwarmton 'erzeugend, zum an- wachsenden Klumpen sich häufen, wird das Umhertreiben und Brausen in der Luft schwächer und schwächer und hört endlich ganz auf. Da hängt er nun der stattliche Schwarm, der Imb oder Bien, er hat sich angelegt, und hält auf kürzere oder län- gere Zeit Ruhe. Wird er nicht vom Menschen in einen leeren oder mit Waben aus- a gestatteten Stock gebracht oder, wie man sagt, gefasst, hier zu Land gerispet, so ent- häuft er sich schliesslich, erhebt sich in die Luft und fliegt, sich zusammenhaltend, einer vor dem Auszuge oder während des Anhängens auskundschafteten Wohnung zu. — Im einen wie im andern Falle hält er am neuen Standort zunächst ein Vorspiel, säubert dann die Wohnung von vorstehenden Splittern und andern störenden Dingen und richtet sich schliesslich daselbst für die Dauer häuslich ein; seine Arbeiter und Drohnen machen von nun an Aus- und Einflüge, jene kehren beladen zurück, oder fächeln und sterzen vor oder in dem Flugloch und aus dem Innern des Stockes vernimmt man im ersten Theile der Nacht das übliche Brausen. Er heisst nun Schwarm-, Tochter- oder junger Stock; der Stock aber, von dem er ausgezogen, wird Stamm-, Mutter- oder alter Stock genannt. Zu diesem kehren nach Ablauf des Schwärmens die während desselben im Freien beschäftigten oder die Trachtbienen zurück, so dass er ausser einer zeitweise entsprechenden Abnahme der Volksmasse und des Fluges keine besondern Veränderungen kund gibt. Der Schwärmaet mit seinen Vorzeichen kann sich bei einem Stock nur einmal einstellen oder wiederholen; im letztern Falle heisst der erste Schwarm Vor- oder Erstschwarm, jeder folgende Nach- oder Tütschwarm, weil man einige Zeit vor seinem Abgange aus dessen Innerm hervor Töne wie »Tüt Tüt« vermimmt. Gehen mehrere Nachschwärme ab, dann werden sie nach der Reihenfolge ihres Auszugs Zweit-, Drittschwärme u. s. w. genannt. — Während der Schwärmperiode haben wir öfters Ge- legenheit, neben den Arbeitsbienen und Drohnen die dritte Art von Gliedern des Bienen- stockes kennen zu lernen, die durch verlängerten Hinterleib ausgezeichneten, sonst aber im Allgemeinen den Arbeitern ähnlichen Königinnen. Dann und wann nämlich finden wir dieselben auch todt vor Mutterstöcken, auch vor Stöcken, welche Nachschwärme: enthalten; seltener wird uns das Glück zu Theil, während des Vorspiels der Bienen und des Fluges der Drohnen aus einem solchen Stocke die Königin ausfliegen und in denselben zurückkehren zu sehen. Auch sie schwebt zum Unterschied von den Drohnen, die gewöhnlich sofort abfliegen, erst eine Zeit lang mit erhobenem .Vorderkörper, den Kopf gegen den Stock gerichtet, vor diesem auf und nieder, macht dann erst kleinere, dann immer grösser werdende Kreise, entfernt sich zuletzt aus dem Gesicht und führt bei ihrer nach längerer oder kürzerer Zeit erfolgenden Rückkehr die gleichen Bewegungen, nur in umgekehrter Ordnung aus, ehe sie auf das Ausflugbrett sich niederlässt und durch das Flugloch ein- läuft; das Vorspiel der Bienen aber dauert in diesem Falle wenigstens bis zum Momente des Einlaufens der Königin fort. Noch ist bezüglich des Schwärmens eine auffallende Erscheinung zu erwähnen. Stehen auf einem Stande bienenleere Wohnungen, denen zu andern Zeiten, sei’s vorher oder nachher, von keiner Biene Beachtung geschenkt wird, so bemerken wir nun während der Schwärmzeit nicht selten mehrere Tage hinter einander ein Ein- und Auslaufen von Bienen, welches allmälig so stark wird, dass der Stock einem bevölkerten gleicht; doch ist es bezeichnend, dass er nur im Laufe des Tages besucht wird, dagegen während der Nacht bienenleer erscheint. Auch sehen wir dann die Bienen nur mit Entfernung von Stroh-, Holz- oder Wachstheilchen, keineswegs aber mit Eintragen von Pollen oder Honig beschäftigt. Hat dieser Besuch einige Tage gedauert, so kommt hier und da einmal zu dem so ausnahmsweise behandelten Stocke plötzlich zu einer derjenigen Stunden, in denen gewöhnlich das Schwärmen geschieht, ein Schwarm, läuft in voller Masse allmälig durch’s Flugloch ein, nimmt von ihm Besiiz, hält sein Vorspiel, beginnt alsbald das Sammelgeschäft und denkt nicht daran, denselben zu verlassen. Daraus erhellt nun, dass die Bienen, welche auf das Schwärmen sich vorbereiteten, schon geraume Zeit vor Ein- tritt desselben sich nach einer zur Aufnahme des Schwarms geeigneten Wohnung um- sahen, sie aufspürten, zurichteten und schliesslich, nachdem sich der Schwärmact ab- gespielt, ohne dass das Fassen der Schwarmtraube geschah oder trotz dieser Fürsorge des Menschen, die selbstgewählte Wohnung wirklich bezogen, um sich in ihr bleibend anzusiedeln. Man nennt aber die Bienen, welche das Aufspüren und Herrichten der zur Aufnahme eines bevorstehenden Schwarms dienenden Wohnung besorgten, die Spur- bienen; der Schwarm aber, für den dies Aufspüren geschah, erweist sich als Vorschwarm. Der Juni*) stimmt in der Mamnigfaltigkeit der Erscheinungen, in der Fülle der Tracht und in der Fortsetzung des Schwärmens mit dem Mai überein. Die Flug- zeit dauert im Juni gegen 15 Stunden während des Tages. Zwei seltener wahrnehm- bare Erscheinungen, welche übrigens schon im Mai bemerkt werden konnten und wenig- stens noch durch einen Theil des Juli bemerkt werden können, mögen hier noch Erwähnung finden. Es sind dies das Büschel- oder Hörner-Tragen und das Hobeln, Schleifen oder Wetzen. Das erstere zeigen nur heimkehrende Trachtbienen und es ist dadurch charak- terisirt, dass einzelne Bienen besonders am Kopfe mit zwei kleinen gestielten Kölbchen aus körniger Substanz, Pollen, so besetzt sind, dass die Stielchen an demselben ankleben ; das zweite führen nur einzelne vor dem Flugloche stehende Bienen aus, indem sie mit dem untern Theile des Kopfes über das Anflugbrett hin- und hergleiten, wie wenn sie das- selbe zu glätten versuchten. Auch ist noch eine besondere Form des Vorliegens zu nennen, welche sich von der unter den Vorzeichen des Schwärmens aufgeführten Art durclı grössere Ruhe der Bienen und geringere Beweglichkeit im Klumpen unterscheidet, an den heissesten Tagen der wärmsten Monate (bis gegen Ende des August) bei bedeutender Volkszahl und Schwere des Stockes eintritt, von Ueberfüllung und Hitze des Innern zeugt und mit Einstellung der Thätigkeit im Freien verbunden ist. Sieht man ab von dem eigenthümlichen Verhalten der Bienen in der Schwärm- periode, so bemerkt man im grössten Theile des Jul **), in welchem die tägliche Flug- zeit durchschnittlich 14 Stunden beträgt, bei denselben keine wesentliche Veränderung im Benehmen. Um so auffallender wird dies gegen Ende des Monats oder im Anfange des August***), in welchem die tägliche Flugzeit durchschnittlich 11!/e Stunden begreift. Zu dieser Zeit werden erst einzelne, dann allmälig mehrere Bienen gegen die Drohnen *) Er zeigt im Mittel eine Tageslänge von 15 Stunden 44 Minuten, (am 21. beträgt die- selbe 15 Stunden 52 Minuten), am Thermometer 18,08 0 C., am Barometer 724,172 Millim. und eine Gesammthöhe der Niederschläge von 125,02 Millim. **) Der Juli zeigt im Mittel eine Tageslänge von 15 Stunden 21 Minuten, am Thermometer 18,78°C., am Baroıneter 724,566 Millim. und eine Gesammthöhe der Niederschläge von 139,91 Millimeter. ***) Der August zeigt im Mittel eine Tageslänge von 14 Stunden, 6 Minuten, am Ther- mometer 17,91 ° C,, am Barometer 724,572 Millim. und eine Gesammthöhe der Niederschläge von 126,55 Millim. Er gehässig, vertreten ihnen den Weg, wenn sie in den Stock einlaufen wollen, verfolgen dieselben auf dem Anflugbrett, packen sie an den Flügeln und Beinen und hängen sich ihnen an, besteigen wohl auch deren Rücken und beissen dieselben an der Einlenkungs- stelle der Flügel. Endlich theilt sich die Gehässigkeit der ganzen Bevölkerung der Ar- beiter mit. Allgemein wird jetzt das Drängen und Treiben, das Rennen und Reiten, das Angreifen und Verfolgen, das Packen und Beissen, das Ziehen und Schleppen. Was von Drohnen im Innern des Stockes sich befindet, das muss heraus, sei’s ausgebildet oder in Entwicklung begriffen, frisch oder matt, gesättigt oder verhungert, beweglich oder erstarrt, lebendig oder todt; was aber von Aussen herbeikommt, darf nicht hinein. Widerspenstige werden flügellahm gebissen oder sonst verstümmelt, im Nothfall auch wohl mit einem Stiche abgefertigt; was nicht über den äussersten Rand des Anflugbrettes herabgeworfen werden kann, wird im Fluge fortgetragen und in einiger Entfernung vom Stocke abgesetzt. Der Boden vor diesem ist dann mit Leichen und Verstümmelten be- deckt; hier und da schleppt sich auch eine und die andere Drohne auf demselben mühsam dahin. Suchen aber einzelne dieser Thiere vor den Verfolgungen im heimischen Stocke eine Zuflncht in fremden, dann erwartet sie auch hier das gleiche Loos der Vernichtung; denn die Drohnenschlacht erfolgt in allen gut bestellten Stöcken derselben Gegend nahezu in der gleichen Zeit und es gilt als Regel, dass vom August bis in den April die Drohnen verschwunden sind. Nach der Drohnenschlacht, welche ohne die vorläufigen Anzeichen eintretender Ge- hässigkeit der. Arbeiter gegen die Drohnen 1—2 Tage, mit diesen S—10 Tage dauert, kehrt Ruhe und Ordnung am Bienenstocke zurück und die Arbeiten nehmen, wenn schon während derselben einigermassen gestört, ihren gewöhnlichen Verlauf durch die Monate August und September, *) in welchem die tägliche Flugzeit durchschnittlich 8a Stunden beträgt. Schon im August haben die Bienen allmälig aufgehört, vorzuliegen, jetzt ver- zichten sie auf das Eintragen des Wassers und später stellen sie auch das Herbeiholen von Kittharz ein. Das Fächeln und Sterzen wird seltener und das Brausen im Innern der Stöcke beim Eintritt der Nacht hat nahezu aufgehört; dagegen stellen sich wieder wie im März und April die Neigung zu naschen und zu rauben, sowie alle dazu in Be- ziehung stehenden Vorgänge und Folgen ein. Auch muss hier einer, wiewohl selteneren, doch in den Perioden der Räuberei öfter eintretenden Erscheinung erwähnt werden, welche schon dort ihren Platz hätte finden sollen, da sie im Frühjahre häufiger ist; wir sehen uns aber durch die Rücksicht auf Ermöglichung des Verständnisses veranlasst, deren Betrachtung bis hierher zu verschieben. Es ist diese neue Erscheinung das Auftreten der Noth- oder Hungerschwärme. Der sorgsame Bienenzüchter hat kaum die Gele- genheit, von einem seiner eigenen Stöcke einen Nothschwarm ausziehen zu sehen, da- gegen sieht er bisweilen einen solchen bei einem seiner Stöcke ankommen; aber nicht bei einem leeren oder bloss mit leeren Waben besetzten, sondern stets bei einem be- völkerten und zwar meist einem volksstarken; auch kommen die den Nothschwarm bil- * ) Der September zeigt im Mittel eine Tageslänge von 12 Stunden 29 Minuten (am 22. beträgt dieselbe 12 Stunden) am Thermometer 13,86° C., am Barometer 724,257 Millim. und eine Gesammthöhe der Niederschläge von 97,89 Millim. Pre. are denden Bienen nicht mit Honig erfülltem Hinterleib an, beim Versuche, in den bevöl- kerten Stock einzuziehen, werden sie feindlich empfangen gleich Räubern, obwohl sie “ nicht wie diese mit Beute beladen den Stock zu verlassen suchen. Gelingt es, den Ort zu ermitteln, an dem sie aus ihrem eigenen Stocke den Auszug hielten und über diesen selbst Erkundigungen einzuziehen, so vernimmt man, dass der Auszug ohne alle Vor- zeichen geschah und von keinem Schwärmen, Ansetzen, Sammeln und Ruhen nach der Sammlung gefolgt war, sondern dass sie sofort in zusammenhängendem Zuge und in be- stimmter Richtung fortflogen. Das Loos des Nothschwarms ist in der Regel Vernich- tung; freilich leidet gewöhnlich auch das Volk, auf den er sich geworfen, in Folge des entstandenen Kämpfens und Mordens erheblich; bisweilen geht auch das letztere nach Bewältigung des Nothschwarmes allmälig zu Grunde. Das Erscheinen von Nothschwärmen fällt mit der Neigung zur Räuberei im Herbste in den September und in das erste Dritt- theil des October *), in welchem die tägliche Flugzeit durchschnittlich 5 Stunden be- trägt. — Die Aus-undEinfl üge sind von nun an minder lebhaft und waseingetragen wird, sind nur noch süsse Säfte und Blüthenstaub, erstere überdies etwa nur noch bis gegen die Mitte des Monats. Im November **), in welchem die tägliche Flugzeit durchschnittlich noch 3 Stunden beträgt, hört auch allmälig das Eintragen von Blüthenstaub auf, nur in höchst seltenen Fällen dauert es in die wärmsten Tage des December ***) fort, in welchem die tägliche Flugzeit auf ein kaum bestimmbares Minimum redueirt ist. Die einzige Aeusserung des Bienenlebens im Freien beschränkt sich schliesslich noch auf einzelne Vorspiele und behagliches Summen, durch das Flugloch vernommen, bis auch jene ver- schwinden und wie im Januar die tiefste Ruhe eingetreten ist. I. Periodischer Gang des Bienenlebens. A. Abschnitt des regen Bienenlebens. BR : Grenzmarken z R Zeiträume und Perioden. und Erscheinungen. | Durchschnittsdaten. I. Zeitraum: Erwachen des Bienen- lebens. Erstes starkes Vorspiel bis 1. Periode: Ruhe- und Thätigkeits- | zum Eintritt des allgemei- wechsel. nen Fächelns u. Sterzens. | 17, Febr. bis 9. März. A; : Frühlingsräuberei und | Erstes Fächeln und Sterzen Nothschwärme. bis zum ersten abendli- chen Brausen. 10. März bis 10. April. Bahr; : Entfernte Vorzeichen | Erstes abendliches Brausen des Schwärmens. bis zum ersten Erscheinen der Drohnen. 11. April bis 19. April. *) Der October zeigt im Mittel eine Tageslänge von 10 Stunden 48 Minuten, am Ther- mometer 9,040 C., am Barometer. 723,553 Millim. und eine Gesammthöhe der Niederschläge von 91,83 Millim. **) Der November zeigt im Mittel eine Tageslänge von 9 Stunden 22 Minuten, am Ther- mometer 3,910 C., am Barometer 722,562 Millim. und eine Gesammthöhe der Niederschläge von 80,27 Millim. ***) Der December zeigt im Mittel eine Tageslänge von 8 Stunden 34 Minuten (am 22. beträgt dieselbe 8 Stunden 25 Minuten), am Thermometer — 0,07 C., am Barometer 724,383 Millim. und eine Gesammthöhe der Niederschläge von 61,58, u Fre I. Periodischer Gang des Bienenlebens. A. Abschnitt des regen Bienenlebens. Grenzmarken und Erscheinungen. Durchschnittsdaten. Zeiträume und Perioden. II. Zeitraum: Volle Entfaltung des Bienenlebens. 4. Periode: Nähere Vorzeichen des | Erstes Erscheinen der Droh- Schwärmens. nen bis zum Beginne des Schwärmens. 20. April bis 7. Mai. 5. „ : Frühes Schwärmen. | Allgemeines Erscheinen der Drohnen bis zu deren gröss- “ ter Zahlenentwicklung. 8. Mai bis 4. Juni. 6. „ : Spätes Schwärmen. Grösste Zahlenentwicklung der Drohnen. 5. Juni bis 30. Juni. III. Zeitraum: Zurücksinken des Bienenlebens. 7. Periode: Unmerkliches Zurück- | Fortbestand des Drohnen- sinken. reichthums bis zur Droh- nenschlacht. 1. Juli bis 31. Juli. : Merkliches Zurück- | Drohnenschlacht bis zum sinken. Einstellen des abendlichen Brausens. 1. Aug. bis 31. Aug. : Herbst -Räuberei und | Einstellen des abendlichen Nothschwärme. Brausens bis zum Einstel- len des Fächelns und Sterzens. 1. Sept. bis 10. Oct. B. Abschnitt des latenten Bienenlebens. IV. Zeitraum: Zurücktreten des Bienenlebens. 10. Periode: Thätigkeits- und Ruhe- | KurzeTrachtausflüge , . häu- ‚wechsel. fige Reinigungsvorspiele. | 11. Oct. bis 12. Nov. 41. „ : Vorwinterliche Reini- | Oeftere und längere Reini- gungen. gungsvorspiele. 13. Nov. bis 14. Dee. -12. „» : Tiefere Winterruhe. |Seltene kurze und schwache Reinigungsvorspiele. 15. Dec. bis 16. Febr. Diess die wichtigsten Erscheinungen des Bienenlebens am Stock und in dessen nächsten Umgebungen. Beobachten wir nun auch die Biene in einer geringern oder grössern Entfernung vom Stocke auf der Weide im Freien. Ze a 2 6. Benehmen der Bienen beim Sammeln. Um uns aber einen vorläufigen Begriff über das Benehmen der Bienen beim Sammeln oder Trachtgeschäfte zu verschaffen, wollen wir denselben durch zwei leicht anzustellende Versuche zunächst Gelegenheit bieten, uns ihr Verhalten beim Saugen und bei der Hös’chen- bildung in den allgemeinsten Zügen zu bieten. Bringen wir zu ersterm Zwecke einen oder einige Tropfen flüssigen Honigs auf ein Brettchen und halten wir dieses vor das Flugloch eines bevölkerten Stockes, so werden alsbald einige Bienen herbeikommen und vor dem Honig sich niederlassen. Um aber nicht eine allzugrosse Menge derselben herbeizulocken und dadurch die Beobachtung zu stören, wollen wir uns sofort mit dem Brettchen und den darauf sitzenden Bienen in ein Zimmer des Hauses zurückziehen. und Thüre und Fenster schliessen, welche wir nach dem Versuche wieder öffnen. Die Bienen lassen sich dabei in ihrem Sauggeschäfte keines- wegs stören und setzen dasselbe, auch im Zimmer angelangt, fort. Da fällt uns denn vor Allem auf, dass sie über die Unterseite des Kopfes heraus einen vorher unter die Brust zurückgeschlagenren dünnen verlängerten Theil, den Rüssel, hervorgestreckt und dessen freies, heller gefärbtes und fadenförmiges Ende, die Spitze der Zunge, etwas in den Honigtropfen versenkt haben. Die Zunge nun verlängern sie bald, bald verkürzen sie dieselbe, bisweilen biegen die Bienen deren Spitze wohl auch nach rechts oder nach links, etwas nach auf- oder abwärts. Dabei erweitern und verengen sie abwechselnd und in schnellem regelmässigem Tempo den Hinterleib, wie wenn sie rasch athmen oder gleich einem saugenden Blutegel ihren Leib vollpumpen würden. Saugen mehrere Bienen an den aufgefallenen Tropfen, so verkleinern sich diese bald, und in dem gleichen Maasse, wie sie sinken und besonders am Rande schwinden, rücken die Bienen, die Zungenspitze in den verschiedensten Richtungen bewegend, wie tastend dem Honige nach, bis dieser verzehrt ist. Hat eine Biene so viel gesogen, als sie aufzunehmen vermag, dann ist ihr Hinterleib, der während des Saugens allmälig sich vergrössert hat, strotzend erfüllt; sie stellt nun das Saugen von selbst ein und versucht nach einiger Zeit der Ruhe, empor- springend und die Flügel schwingend, fortzufliegen, was indess nur schwerfällig und langsam geschieht, bisweilen auch eine Zeit lang gar nicht gelingen will. Diese Saugbewegungen führt nun die Biene bei Aufnahme des Wassers wie beim Nektarsammeln aus und es wird uns bei genauerem Zusehen nicht schwer sein, dieselben wieder zu erkennen, wenn schon die Beobachtungsstelle oft unbequem, das Saugen gewöhnlich von kürzerer Dauer und durch andere Bewegungen mehr oder weniger verdeckt ist. Unser zweiter Versuch bestehe darin, das wir an einem warmen Tage ein Stückchen Kittharz, welches wir von jedem ächten Bienenzüchter zu erhalten vermögen, auf einem Brettchen, sei’s in der Nähe des Fluglochs, sei’s etwas entfernt von und vor dem Bienenstock, der Einwirkung der Sonnen- strahlen aussetzen. In der Regel wird dann, sobald das Harz erweicht und bildsam geworden, eine oder die andere Biene herbeikommen und das Geschäft der Hös’chenbildung vor unsern Augen beginnen. Zuerst kneipt sie Harzstückchen mit ihren kurzen Oberkiefern ab, knetet dieselben eine Zeit lang zwischen den letztern, übergiebt sie dann mittelst der Vorderfüsse blitzschnell den Mittelfüssen, bringt sie mittelst dieser an die Hinterbeine und zwar aussen an den Endtheil der Unterschenkel in die dort befindliche Vertiefung des = ww = Körbehens, und drückt sie schliesslich fester in dieses ein. Indem sie dann Stückchen um Stückchen abkneipt und in gleicher Weise behandelt, häuft sie in jedem Körbchen allmälig ein Harzklümpchen, das Harzhös’chen, an und fliegt, wenn beide Hös’chen ihrem Ermessen entsprechende und gleiche Grösse erlangt haben, mit ihrer Ladung dem heimatlichen Stocke zu. Dieselben höselnden Bewegungen führt die Biene bei der Befrachtung mit Pollen aus, freilich mit einer solchen Geschwindigkeit und gewöhnlich mit jenen Be- wegungen noch andere so combinirend, dass man sich ohne Vergegenwärtigung der geschil- derten Fundamentalbewegungen kaum zu orientiren im Stande sein dürfte. 7. Successiver Verlauf der Wasser-, Pollen- und Nektartracht im Kreislaufe des Jahres. Unser erster bald nach dem Reinigungsausflug zu warmer Stunde unternommener Ausgang führt uns vielleicht schon nach wenigen Schritten an einer Stelle vorüber, wo in windstiller Lage und den Sonnenstrahlen zugänglich Wasser dahinrieselt oder auch in nicht strömendem Zustand angesammelt ist. Dort windet es s’ch zwischen Kies und Geschieben hindurch oder bespült die Grundtheile der aus dem seichten Bette hervortretenden Stengel und Blätter einzelner Pflanzen; hier breitet es sich bis zu dem sanft aus dem seichten Grunde hervortretenden trokenen Boden aus. Und gerade an jenen Grenzstellen, welche einestheils ein Absitzen im Trockenen gestatten, anderntheils aber die Oberfläche des Wassers mit dem Rüssel erreichen lassen, sehen wir einzelne Bienen ruhig sitzen, mit Wasseraufnahme, Wässern, beschäftigt, während andere theils herzufliegen, theils abfliegen, jene um sich mit Wasser zu versorgen, diese um dasselbe heimzutragen. Wir haben im Laufe des Tags wohl noch öfter Gelegenheit, solche Wässerstellen anzutreffen und werden dabei vielleicht die Erfahrung machen, dass unsere sonst doch so reinlichen Thiere bezüglich der Art des Wassers im Nothfall gar nicht so wählerisch sind; denn saugen sie schon am liebsten an der reinsten und durchsichtigsten Quelle, so verschmähen sie es doch nicht von der trübsten und unsern Begriffen nach ekelhaftesten Jauche ihren Wasserbedarf zu beziehen. Uebrigens entnehmen sie denselben im weitern Verlaufe nicht blos Sammelbehältern, sondern in den wärmern Monaten wässern sie auch wohl zerstreut an Pflanzen bald von den funkelnden Tropfen des Thaues, bald nach einem Regen von den noch anhangenden Regentropfen. Wasser sammeln die Bienen bis gegen Ende der Hundstage. Auf unserm weitern Gange treffen wir einen blühenden Haselstrauch, (das Aufblühen erfolgt im Mittel am 17. Febr.) reich behangen mit schlanken Kätzchen, von denen beim Anklopfen an die Zweige eine dichte Staubwolke sich verbreiten würde. Er ist umschwärmt . von summenden Bienen und lockt beständig neue herbei, während andere abfliegen. Die herbeifliegenden kommen im_ raschesten Fluge an, umkreisen den Strauch, fassen ein Kätzchen ins Auge, lassen sich auf demselben nieder, laufen wie prüfend auf und ab und herum, bleiben dann sitzen, versenken die Spitze des Kopfes zwischen die Schuppen und sind mit dem Mund und den Beinen äusserst geschäftig; die wechselnden Bewegungen der letztern geschehen mit grosser Behendigkeit. Das Resultat dieser Thätigkeit ist die Ent- stehung und allmälige Vergrösserung schwefelgelber Hös’chen an den Hinterbeinen; übrigens bemerken wir, dass es der Biene zur Anfertigung beider Hös’chen nicht an den Pollen von den Blüthen nur eines einzigen Kätzchens genügt, sondern dass sie von Kätzchen zu Kätzchen schweift, von jedem einen Beitrag sich holt und erst nach längerer Zeit, mit dem Maass ihrer Belastung zufrieden, sich zur Heimreise anschickt; dabei ist freilich die Schnellig- keit des Fluges bei weitem geringer als bei der Ankunft. — Für den Februar habe ich in fünfjährigem Zeitraum 7 wichtigere Trachtpflanzen aus unserer Gegend in meinem Journale notirt. Nehmen wir unsere Beobachtung der Trachtausflüge der Biene nach Unterbrechung durch einige Wochen, welche inzwischen eine grössere Anzahl blühender Pflanzen gebracht haben, um den 10. März wieder auf. Der Kornelkörschenbaum hat sich zu dieser Zeit über und über mit gegenüberstehenden gelben Döldchen bedeckt, ‘die noch kurz zuvor zusammengedrängt und verkürzt in dem engen Raume gleich vieler Knospen geschlummert hatten, und auch jetzt vor den Blättern erschienen sind, nachdem sie die umgebende Hülle zersprengt am Grunde ihrer Stiele zurück gelassen haben, und schirmförmig sich ausbreitend hervorgetreten sind. Jedes der Döldchen besteht aus einer Menge kleiner gestielter Blüthen mit einer ringförmigen Scheibe um den Griffel. Letztere ist an ihrer Oberfläche mit einer glänzenden Lage flüssigen Nektars bedeckt; und gerade diese Nektar- schicht ist's, welche die Bienen vorzüglich herbeilockt. Wenig zwar bietet die einzelne Blüthe; aber deren grosse Anzahl in jeder der Dolden und die Menge der letztern lassen schliesslich dann doch die besuchenden Bienen ihre Saugmägen erfüllen und dem heimischen Stock einen namhaften Beitrag zu seinem Bedarfe einbringen, zumal sich der Nektar nach jedesmaligem Aufsaugen, bis die Fruchtbildung beginnt, allmälig wieder ersetzt und somit eine zweite, dritte und noch öftere Aufsaugung gestattet; eine Erscheinung, die sich übrigens bei allen honigenden Blüthen wiederholt. Einzelne Bienen sammeln übrigens von der Kornelkirsche auch Blüthenstaub und das erhöht deren Werth für den Bienen- staat. Das Benehmen der Bienen an der Pflanze ist übrigens ähnlich demjenigen am Haselstrauch; nur verweilen sie minder lang an dem Döldchen wie am Kätzchen und wenden sich ebenso rasch von einer Blüthe zur andern. Aus dem März finden sich 30 wichtigere Trachtpflanzen aufgezeichnet. Lassen wir vier weitere Wochen vorüber gehen, ehe wir der Biene auf ihren Trachtausflügen einen neuen Besuch machen. Diessmal sind es der Stachelbeerstrauch und das Pfaffen- röhrlein, an denen wir ihr Benehmen etwas genauer beobachten wollen. Jener hat durch- schnittlich am 11. April mit dem Aufblühen begonnen, dieses aber, noch im März einzelne seiner goldgelben Blüthenkörbehen eröffnend, fährt damit rüstig fort, schmückt auf diese Weise das saftige Grün der Wiesen, während auch sonst ein immer regeres Leben sich entfaltet. Die Blüthen des Stachelbeerstrauchs machen sich, wenn schon beträchtlich grösser als die der Kornelkirsche, doch bei weitem weniger bemerklich, da sie immerhin noch zu den kleinen Blüthen gehören, keine lebhaft gefärbte Blumenkrone besitzen und einzeln, zu zweien oder dreien zwischen dem dichten Laube an den ruthenförmigen dornigen Zweigen sitzen. Abwechselnd mit den fünf zurückgeschlagenen Lappen des Kelchsaumes und mit den fünf Staubgefässen stehen die fünf kleinen, aufrechten, schmutzig weissen Blumenblätter auf dem Schlunde der Kelchröhre, welche mit dem Fruchtknoten verwachsen ist und den zweispaltigen Griffel aus demselben hervortreten lässt. In der u en Kelchröhre findet sich nun Nektar in ergiebiger Menge angesammelt; die Bienen haben ihn daher aus der Tiefe zu holen und es kommt ihnen dabei ihr verlängerter Rüssel vortrefflich zu statten. In der That tragen sie auch viel Nektar von den Stachelbeer- blüthen ihrem Stocke zu; bei weitem minder reichlich fällt an denselben die Pollentracht aus. Geradezu im Gegensatze zu den Stachelbeerblüthen stehen in dieser Beziehung die Blüthenkörbchen des Pfaffenröhrlein oder der Kettenblume, Auch diese sind jetzt das Stelldichein für unzählige Bienen, welche von einem Körbchen zum andern fliegen, zwischen den unzähligen Blüthen im Innern desselben sich munter herumtummeln und dabei mit dem gelben Blüthenstaube ihrer Staubgefässe über und über gepudert werden, da die Behaarung des Bienenkörpers das Abfallen der Pollenkörner verhindert; aber die Biene weiss, mit Ausnahme weniger Stellen an jenem, gar wohl dieselben mittelst der Beine abzustreifen und in die Form rothgelber Hös’chen zu bringen, und kehrt mit diesen be- laden, nichts destoweniger gewöhnlich noch mit Pollen gepudert, nach Hause, was übrigens, wenn schon in der Regel in viel geringerem Grade, doch einigermassen auch beim Pollensammeln in Blüthen anderer Pflanzen der Fall ist. Die Nektarausbeute aus dem röhrigen Grunde der bandförmigen Blümchen ist, verglichen mit der Pollenausbeute von den Staubbeutelröhren der einzelnen Blüthen, wie bereits angedeutet, gering. Von der Blütheneröffnung des Stachelbeerstrauchs bis zu derjenigen des Körschlaums, welche durchschnittlich bei uns den 19. April statt hat, und den allgemeinen Blühreigen der Obstbäume einleitet, ist es zwar nur eine kurze Zeit, aber gerade in dieser Zeit hält der Frühling seinen Einzug; es kleidet sich die Pflanzenwelt in Feld und Flur, in Wald und Busch in vollen Blüthenschmuck und allenthalben prangt’s und duftet’s, singt’s und ruft's. Auch die Biene nimmt an dieser Begrüssung des herrlichen Lenzes theils ge- niessend, theils in den allgemeinen Jubelruf mit einstimmend, lebhaft ihren Antheil. Sieh dort den stattlichen Kirschbaum mit der glänzenden Rinde, den schlanken aufstrebenden Aesten und Zweigen, dem zarten röthlich grünen und glänzenden Laube junger Blätter und mit dem wie von der Abendröthe feurig angeflogenen Blüthenschnee von tausend und aber- tausend zierlichen Röschen. Welch’ volles, harmonisches Summen tönt uns bei unserer Annäherung entgegen und welch’ emsiges Schwärmen bemerken wir, wenn wir dabei sind. Unablässig kommt’s und geht's vom Morgen bis zum Abend, ununterbrochen um- giebt eine Wolke schwärmender Bienen die Krone; immer und immer fliegt’s von Dolde zu Dolde, von Blüthe zu Blüthe; keine wird vergessen; denn jede birgt in dem napf- förmigen Grunde des Kelches eine Fülle des süssesten Nektars und in den rothbraunen Beuteln der zahlreichen Staubgefässe eine Fülle von Pollen; die Bienen erfüllen mit weingelbem Nektar bis zum Bersten den Saugmagen und belasten mit rothbraunen Pollen- hös’chen die Körbchen. Jetzt verstehen wir auch ihr massenhaftes Abfallen in den Um- gebungen des Stockes und an demselben, ihr eiliges Hervorstürzen zum Ausflug und ihr geschäftiges Gedränge zum Einzug während dem Blühen des Kirschbaumes.. — Aus dem April habe ich 30 wichtigere Trachtpflanzen verzeichnet. Der Mai ist angebrochen; überall hat sich blendendes oder matteres Weiss, hier und da mit sanft röthlichem Anflug, oder ein zartes Rosenroth über die Kronen der Stein- und Kern-Obstbäume verbreitet, die Bienen zur Vertheilung nach jeglicher Richtung veranlasst und wenn dadurch ihr Treiben an einzelnen Punkten im Freien auch minder u zu auffallend geworden, so liefert doch ihr Verhalten am Stand und in dessen nächster Umgebung zur Genüge den Beweis, dass die Tracht üppiger geworden und die Arbeit für die fleissigen Thiere sich beträchtlich vermehrt hat. Gegen den siebenten Mai, denn da beginnt durchschnittlich allgemein das Aufblühen des Repses, stellt sich wieder auf den mit diesem bestellten in intensivem Dottergelb leuchtenden Aeckern eine Concentration der Bienen, ihres fröhlichen Summens und der Zeichen ihrer Thätigkeit auf engere Räume ein, und die Gegenstände, auf die sich ihre eifrigen Trachtgeschäfte beziehen, sind ein wasserklarer Nektar und citronengelber Blüthenstaub. Der Nektar sammelt sich über vier warzenförmigen Vorsprüngen an, von denen die beiden grössern am Grunde des Blüthenbodens, je zwischen dem Stempel und einem der beiden kurzen Staubgefässe, die beiden kleinern aber je zwischen einem Paar der vier längern Staubgefässe und einem flachen Kelchblatte stehen; besonders sind es die erstern, über denen der Nektar sich massenhaft ansammelt und sie sind es auch, denen die Blüthen gar vieler Kreuz- blümler ihren Reichthum an Nektar verdanken. Die Repstracht dauert etwa 14—16 Tage und ist um so nachhaltiger wirkend, da sie noch zum Theil mit der Tracht der Obstbäume und Heidelbeeren zusammenfällt und von einer reichen Auswahl anderer Trachtpflanzen begleitet ist; mein Tagebuch notirt von solchen für den Mai 100 wich- tigere Arten. Der Eintritt des Juni, in welchen bei uns die Heuernte mit der ihr folgenden, für die Bienenzucht ungünstigen Wiesenblösse fällt; wird weniger hier als an andern Orten eingeleitet durch die allgemeine Blüthenentfaltung der Esparsette, welche bei uns durchschnittlich am 5. Juni beginnt und gegen den 18—20. endet. Leider gedeiht diese kostbare Honigpflanze, welche einen kalkhaltigen Boden liebt, nicht allent- halben, so auch nicht besonders in Zürich, wo nur selten ein mit derselben bestellter Acker zu finden ist; und wo sie gedeiht, kommt sie doch gewöhnlich den Bienen nur wenig zu gut, weil sie der Sense fällt, ehe die Blüthen sich in reicherem Maasse ent- falten konnten. Da wo sie am Bestande höher: gelegener Wiesen theilnimmt, gestaltet sich’s besser. Die Esparsette wird von den Bienen eben so stark beflogen wie der Reps und liefert denselben sehr süssen gelblichen Nektar und lederbraune Hös’chen. Der Nektar wird bei der Esparsette, wie bei allen schmetterlingsblüthigen Pflanzen mit zweibrüdrigen Staubfäden, so namentlich bei den wegen des Blüthennektars von den Bienen ebenfalls sehr stark besuchten Robinien (Akazien) mit ihren grossen hängenden Blüthentrauben rings um den Grund des Stempels abgesondert und der Zugang zu dem- selben wird unter der Fahne der Blumenkrone durch zwei Löcher vermittelt, welche zwischen der Brüderschaft der 9 verwachsenen Staubfäden und dem freien Staubfaden zu den Seiten des letztern sich finden. — Von wichtigeren blühenden Trachtpflanzen habe ich im Juni 120 verzeichnet. Unter diesen verdienen besonders hervorgehoben zu werden die verschiedenen Arten der von den Bienen des Nektars wegen besuchten Or- chideen, weil deren Blüthenstaub, an Stielehen zu Massen gehäuft, in paarigen Kölbchen, zufällig aus den beiden Staubbeutelfächern herausgehoben, mit dem klebrigen Grunde der Stile an den Kopf der Biene sich anheftet und diese dadurch zur Büschel- oder Hornträgerin macht. Mit der Blüthenentfaltung der Linden (im Allgemeinen vom 1.—15. Juli) treten wir in den Juli ein. Die Linden liefern den Bienen zwei Sorten von Nektar, Blüthen- ee nektar und Honigthau. Jener sammelt sich in reichlicher Menge an den Innenseiten der Kelchblätter in Vertiefungen an, die von einer Schuppe bedeckt sind, ersetzt sich, Wenn er aufgesogen ist, rasch wieder und zeichnet sich durch kräftigen, angenehm aromatischen Geschmack aus; dieser bedeckt in der wärmern Jahreszeit nach kühlen sternhellen Nächten die Blätter oft in so bedeutender Menge, dass er von denselben auf den Boden herabtropft und da in Vertiefungen sich ansammelt; er ist in den frühern Morgen- stunden oft in üppiger Fülle vorhanden, wird dagegen später, wenn bei Einwirkung der Sonnenstrahlen sein Wassergehalt verdunstet, zu einem klebrigen glänzenden Ueberzug und geht dann, wenn er nicht durch einen sanften, aber nur kurz andauernden Sprüh- regen wieder gelöst wird, für die während des Blühens und des Honigthaues die Pflanze ungemein stark besuchenden Bienen ebenso verloren, wie wenn er durch eintretenden allzustarken Regen abgewaschen wird. Ohngefähr gleichzeitig mit der Linde blüht, auf Aeckern in dichten Mengen gezogen oder in Gärten mehr vereinzelt, der Gartenmohn, mit seinen zahlreichen Staubgefässen, welche graue Staubbeutel besitzen, den urnen- oder flaschen- förmigen Stempel umgeben, selbst aber von der grossen vierblättrigen Blumenkrone um- schlossen werden. Die Bienen befliegen die Pflanze sehr stark, wühlen oft zu mehrern, bisweilen neben sonderbar schnarrenden Hummeln, in den Staubgefässen herum und be- frachten sich rasch mit schmutzig weissgrünen Hös’chen, von denen sie grosse Mengen in ihren Stock tragen. — Aus dem Juli habe ich 150 wichtigere Trachtpflanzen notirt, welche sich aber durch Blüthenreichthum, Individuenzahl, Massenwuchs ober dicht- gedrängtes Beisammensein keineswegs in der Weise hervorthun, wie wir es bei den Obstbäumen und bei der Heidelbeere, beim Reps und der Esparsette wahrgenommen haben. — In einigen wenigen ebeneren Gegenden der westlichen und östlichen Schweiz, hier z. B. im Rheinthale, besonders so weit es Graubünden angehört, eultivirt man den als Nektarpflanze gerühmten, leider nicht allenthalben, namentlich nicht in den Umge- bungen Zürichs, honigenden Buchweizen oder das Heidekorn, welches im Juli und August, bisweilen noch im September blüht und sich unter den Kulturpflanzen fast unmittelbar an die Esparsette, wie diese an den Reps, anreiht. Wo er honigt. liefert er eine ausserordentlich ergiebige‘ Nektartracht, zugleich aber auch Pollen. Der Nektar, sich ansammelnd über 8 gelben Warzen, die aus dem Grunde der Blüthe zwischen den 8 Staubgefässen hervortreten, hat eine schwach bräunlich gelbe Farbe, ist aber durch- sichtig und besitzt einen kräftig gewürzhaften Geschmack ; die Pollenhös’chen sind hell- gelb. — In denjenigen Gegenden, wo der Buchweizen fehlt, kann die Nektartracht wegen der vielen sonst blühenden Trachtpflanzen immerhin ergiebig ausfallen, besonders aber kann diess geschehen durch Honigthaue, welche schon seit, April an verschiedenen Pflanzen sich einstellend, mit zunehmender Wärme sich gerne vermehren und bis in den September, ja in den Oktober hinein vorkommen. — Unter den Wiesenkräutern ist für uns von besonderer Bedeutung der gemeine oder falsche Bärenklau, hier zu Lande auch Schärletz genannt, mit seinen grossen doppelten Dolden weisser strahlender Blümchen, welcher schon im Juni seine kleinen Blüthen entfaltet, bis in den September stetsfort solche eröffnet und auf der fleischigen Scheibe, aus der die beiden Griffel hervortreten, mit einer dünnen Lage flüssigen Nektars bedeckt ist. In den Anfang des August fällt durchschnittlich die allgemeinere Blüthenentfaltung in . Di des Roseneibisch, der Stock- oder Herbstrose, mit ihren hohen aufrechten Stengeln, ihren handlappigen Blättern und ihren fast sitzenden Blüthen. Als nektarliefernde Pflanze muss besonders die Varietät mit purpurschwarzer Blume (daher schwarze Malve genannt) auf weisslicher fünfeckiger Basis hervorgehoben werden. Von den mit der Staubfaden- röhre zusammenhängenden 5 Blumenblättern lassen je zwei gegen ihren Grund hin eine Spalte zwischen sich, welche von unten und innen her noch je von einer vorspringenden, am Grunde überwimperten Schuppe verengt wird, während die Seitenränder der die Spalte bildenden Blumenblätter und der freie Rand der Schuppen mit einem Filze feiner verlängerter Haare von weisser Farbe in der Weise besetzt sind, dass der Zugang in den Kelch verdeckt scheint. Zieht man die Zipfel der letztern von der Seite her nach abwärts zurück, so macht sich unter den Blumenblättern eine von Nektar triefende fleischige Scheibe von höckerigem Umfang bemerklich und oft findet man rings um dieselbe im Grunde des Kelches eine bedeutende Lage flüssigen Nektars. Die Bienen, oft über den ganzen Körper mit den grossen weisslichen Pollenkörnern bestreut, dringen, nicht selten in Mehrzahl, bis zu den im Grunde der Blume befindlichen Spalten vor, mit ihrem Rüssel durch den Filz der convergirenden Randwimpern in die mit Nektar reichlich gefüllte Rinne des Kelchgrundes und füllen in Kurzem ihren Saugmagen voll- ständig an. Leider wird diese, bis tief in den Oktober blühende Nektarpflanze bei uns nirgends cultivirt, obwohl deren Blumen als Heil- und Färbemittel Verwendung finden können und in manchen Gegenden Deutschlands desswegen einen geschätzten Handels- artikel bilden. Neben dieser Pflanze verdient ein Strauch besonderer Erwähnung, welcher auf unfruchtbaren Heiden und an trockenen Stellen in Torfmooren vorkommt, eine Höhe von Ya —1 Fuss, seltener darüber erreicht, mit kurzen anliegenden nadelartigen Blättchen vierzeilig besetzt ist und von Juni bis Ende September seine zahlreichen Trauben roth violetter Blüthen entfaltet, von Anfang August an aber zum allgemeinen Blühen gelangt. Es ist das die gemeine Hede, welche in mehrern Gegenden den Bienen eine überaus üppige Weide, vorzüglich Blüthennektar, weniger Pollen, darbietet. Die zwar kleinen, aber ungemein zahlreichen Blüthen haben im Grunde eine mit Nektar bedeckte Scheibe, an deren Rande die 8 Staubgefässe entspringen, während auf deren Mitte der Stempel sich erhebt. Der Nektar ist licht braungelb und von kräftigem, angenehm aromatischem Geschmack. — Aus dem August habe ich 85 Arten blühender Trachtpflanzen notirt; ausserdem ist bemerkenswerth, dass mit ihm allgemeiner eine neue Tracht beginnt, von welcher wir bis dahin nicht sprachen, nämlich die Tracht süsser Fruchtsäfte, die schon im Juli mit den Himbeeren beginnt, im August mit den Aprikosen und frühen Pflaumen sich fortsetzt, im September besonders von Zwetschgen und saftigen Birnen genährt wird und Mitte October und darüber hinaus mit den Weinbeeren endet. Die letzte für den jährlichen Kreislauf des Trachtgeschäfts bezeichnende allgemeine Blüthenentfaltung ist diejenige des Epheu im Beginn des September und fortdauernd bis in den October und darüber hinaus. Die zu Dolden gruppirten Blüthen der genannten Pflanze liefern den Bienen weingelben Nektar und Pollen zu schwefelgelben Hös’chen. Der erstere überzieht eine breite über dem Fruchtknoten befindliche Scheibe oft in reich- licher Menge. Die von mir aufgezeichneten wichtigeren Trachtpflanzen erreichen noch die Zahl 55. EEE Der October bringt keine neue Trachtpflanze mehr. Dagegen giebt es einige, welche aus frühern Monaten die Blüthezeit in diesen herüber fortsetzen, und auch da noch stark besucht werden, so besonders die wohlriechende Reseda, welche seit dem Juli den Bienen eine ergiebige Weide darbot. Sie liefert denselben dunkel orangefarbige Pollen-Hös'chen und farblosen Nektar, welcher über einer horizontalen, flachen und eckigen Scheibe sich ansammelt. Ebenso werden noch zwei andere bis in diese späte Jahreszeit blühende, äusserst geschätzte Trachtpflanzen von den Bienen besucht, der Boretsch und der Bucharaklee. — Aus dem October habe ich noch 15 Trachtpflanzen notirt, während der November nur deren fünf und zwar meist spärlich besuchte dufzuweisen hat, der December dagegen nur vereinzelte, aber nicht mehr beflogene Blüthen zeigt. Wir haben im Vorstehenden, um einen Begriff von dem Gange der Tracht im Kreislauf des Jahres zu gewinnen, nur wenige Pflanzen als Repräsentanten der Nektar- und Pollentracht hervorgehoben, dabei aber verschiedene beachtungswerthe Verhältnisse unberührt gelassen und diejenigen, welche die Kitttracht betreffen, ganz übergangen. Füllen wir nunmehr diese Lücke im Wesentlichen aus. 8. Pollen, Nektar und Kitt als Trachtobjecte. Der blüthenstaub, Pollen, ist eine trockene, feinkörmnige, allermeist lose, bisweilen massig verbundene Substanz, welche bald reichlich, bald spärlich in den Staubbeuteln erzeugt wird, in der Regel leicht, bisweilen auch schwer aus deren Fächern entnehmbar ist oder austritt und damach als Trachtobjeect für die Biene Bedeutung verlangt oder bald mehr, bald ganz ausser Betracht fällt. Er wird entweder für sich allein oder gleichzeitig mit dem flüssigen Nektar, dann aber gewöhnlich nur nebenbei gesammelt und bedarf zur Bildung der Hös’chen immer eines klebrigen Bindemittels.. Als solches dient der Honig, welcher von der Zunge in der erforderlichen Menge dargeboten wird, daher denn auch die Pollenhös’chen dunkler gefärbt sind als der lose Blüthenstaub und einen süssen Beigeschmack haben. In grösster Menge wird der Blüthenstaub im Frühling und Sommer eingetragen und entweder mit den Kiefern aus den Staubbeuteln gepresst oder beim Herumtummeln in oder auf den Blüthen an den behaarten Körper abgesetzt. In beiden Fällen verschafft sich die Biene den allmälig in Hös’chenform gebrachten Blüthenstaub nur von Blüthen der gleichen Art; die Hös’chen aber werden theils beim Sitzen und Kriechen, theils im Fluge gebildet, letzteres besonders in dem Falle, wenn der Körper mit Pollenkörnern bepudert ist. Nektar nennen wir jede von der Natur der Biene dargebotene und durch sie in Honig umsetzbare zuckerhaltige Flüssigkeit. Nektar spenden den Bienen, wie wir bereits vernommen, Blüthen, Blätter und Früchte, nicht selten aber auch, wollen wir nun hinzufügen, Stämme und Stengel nebst deren Verzweigungen. Magere Blüthen geben in der Regel mehr Nektar als saft- strotzende, sie sondern denselben an den verschiedensten, doch für bestimmte Pflanzen stets auch bestimmten Blüthentheilen oder besondern Gebilden ab, so am Kelch, an der Blume (und Nebenkrone), an Staubfäden oder spornartigen Anfängen der Staubbeutel, am 6 Me Blüthenboden, an scheibenförmigen Ausbreitungen oder verschieden gestalteten, meist warzenförmigen, oder schuppigen Vorsprüngen, Nektarien; oft auch sammelt sich Nektar in vortretenden sack-, sporn- oder kaputzenförmigen Anhängen, besonders der Blumen- blätter, oder in dem röhrig verwachsenen Grundtheile der letztern an und es ist in diesen Fällen bemerkenswerth, dass die Bienen, ausser Stande von der Mündung her die tief liegende Nektaransammlung zu erlangen, öfter diese Gebilde mit den Kiefern durch- kneipen und nun mit dem Rüssel von aussen her durch das eigens bewirkte Loch zu dem Nektar im Innern vordringen. Die Absonderungsstätten des Blüthennektars sind häufig nackt, d. h. nicht von der Haut bedeckt; die Absonderung selbst aber geschieht gegen den Zeitpunkt der Blütheneröffnung, setzt sich durch die Dauer der Verstäubung bis zur Einleitung der Frucht- und Samenentwickelung in Folge des Befruchtungsactes fort und wird, wie diese letztern Vorgänge, befördert durch mehr trockenwarme, vermindert durch mehr feuchtwarme Witterung, welche das Wachsthum der Pflanze in Stamm und Laub begünstigt; gestört oder ganz aufgehoben wird dieselbe durch andauernd nasskalte oder umgekehrt trockenheisse, ausdörrende Witterung. Die Absonderung ist abgesehen von den vorstehenden begünstigenden Momenten um so ergiebiger, je grösser der Blüthen- reichthum, je länger die Blüthenzeit, je tiefer oder je geschützter gegen den Luftzutritt die Lage der Absonderungs- und Ansammlungsstätten. Der Blüthennektar bietet den Bienen die sicherste, gleichmässigste und nachhaltigste Nektartracht, zeichnet sich wegen der gleichzeitig statthabenden Absonderung ätherischer Oele mehr oder weniger durch Aroma, sonst aber durch Süsse und Reinheit aus, ist übrigens ausserordentlich verschieden in Geschmack und Geruch, Farbe und Consistenz, je nach den verschiedenen Blüthenarten, nach der Sammelzeit, nach der Localität und dem Boden, auf dem die blühenden Pflanzen sich befinden. Dem Blüthennektar reiht sich als fremdartiges, einem parasitischen Gebilde ange- hörendes Absonderungsproduct an, dessen Süssigkeit durch einen widerlich salzigen Bei- geschmack charakterisirt ist, der Mutterkornhonig. Derselbe wird in den Blüthen ver- schiedener Gräser, besonders des Roggens, während der Entwickelungszeit jenes sonderbaren Gebildes, welches man Mutterkorn nennt, oft in bedeutenden, honigthauartig abtropfenden Massen abgesondert und soll von den Bienen aufgesaugt werden. Das Mutterkorn aber ist ein körperlich sich darstellendes, in Form eines vergrösserten Getreidekornes erscheinendes, an der Oberfläche schwärzlich gefärbtes Pilzlager, welches sich auf Kosten der sonst dem Stempel zu gut kommenden Nahrungssäfte aus Pilzsporen entwickelt. Hat dasselbe seine vollkommene Ausbildung erreicht und gelangt nun in die feuchtwarme Erde, so treibt es aus seiner Oberfläche hervor kleine aus Strunk und Hut bestehende Pilze, welche jene Sporen erzeugen, die die Entwickelung des Mutterkornes einleiten; während der letztern aber tritt in dem parasitischen Wesen Bildung und Absonderung von Pilz- zucker und Mannit ein, welche beiden Stoffe noch in dem ausgebildeten Mutterkorn gefunden werden. Auch andere Pilze scheinen hie und da Nektar abzusondern. Der an Blättern sich findende Nektar ist verschiedenen Ursprungs und stellt sich entweder als Saftaustritt aus der Pflanze oder als Safterguss auf dieselbe dar. Dorthin gehören eine normale Nektarabsonderung und zwei (?) Arten durch äussere Einwirkungen, nämlich durch starke und rasche Temperaturwechsel (?) oder durch Verwundung gelegentlich verursachten Be we Säfteaustritts; hierher dagegen gehört die Benetzung durch die zuckerhaltigen Auswurfs- stoffe verschiedener auf den Pflanzen schmarotzender Blattilöhe, namentlich aber Blatt- und Schildläuse. Die drei (oder zwei) letztern Arten von Auftreten des Nektar, wohl auch mit demjenigen des Pilzhonig, nennt man Honigthau oder Honigfluss. Normale Nektarabsonderung findet zur Blüthezeit verschiedener Arten der zu den Schmetterlings- blümlern gehörenden Gattung Wicke in einer Aunkelgefärbten Grube an den Nebenblättern dieser Pflanze statt, so namentlich bei der Saatwicke und Saubohne, und veranlasst dann den Besuch durch Bienen. — Rasche und starke Temperaturerniedrigung scheint in jungen saftigen Trieben entweder unmittelbar Säfteaustritt oder zunächst Rücktritt, Stockung und Stauung der Säfte mit gleichzeitiger Zucker- oder Gummibildung zu bewirken, während die wiederkehrende Wärme im letztern Falle schnelle Ausdehnung und Strömung der Säfte, namentlich nach den von der Kälte unmittelbar vorher am stärksten berührten und säfteleersten peripherischen Theilen veranlassen dürfte; die schnelle Ausdehnung und Strömung aber möchte dann bisweilen ebenfalls zum Austritt oder Erguss zuckerhaltiger Säfte führen. Es wird die Annahme dieser Art von Säfteaustritt noch vielfach angezweifelt und bekämpft und es bedarf daher noch weiterer Belege über das häufigere Vorkommen desselben. Vielleicht dürfte sich, wenn es nachgewiesen wird, gleichzeitig ergeben, dass noch andere wechselnde Einwirkungen auf die Pflanze als diejenige der Temperatur, oder Combinationen solcher mit der letztern gleiche oder ähnliche Erscheinungen hervor- zurufen im Stande sind. So viel ist sicher, dass Ueberfülle zuckerhaltiger Säfte in den Zweigen bei solchen Temperaturwechseln nicht selten durch Thränen aus den Gefäss- bündelspuren der Blattnarben, iind dass unter gleichen Verhältnissen Ueberfülle an gummi- haltigen Säften an jungem Laube, z. B. der Rebblätter, sich durch thauartiges Hervortreten von Tropfen am Rande, besonders an den Spitzen von Zacken, in denen Gefässbündel auslaufen, sich äussert. Jedenfalls lassen sich manche Formen von Honigthau oder Honigfluss nicht auf Verwundungen oder äussere Benetzungen durch zuckerhaltige Aus- wurfsstoffe zurückführen, daher auch die Forschungen über den Honigthau noch keineswegs ihren Abschluss gefunden haben dürften. Auch die Verwundungen dürften öfter, als man glaubt, zum Ergusse zuckerhaltiger Säfte führen, welcher von den Bienen ausgebeutet wird. Dass an angebohrten Birken zur Zeit des stärksten Säfteflusses ausser andern nektarliebenden Insekten auch Bienen an den fliessenden Wunden sich einstellen, ist bekannt; ebenso weiss man, dass bisweilen durch den Blattfrass der Maikäfer an den Blättern der Eichen Nektarausfluss erfolgt und Alefeld, dessen werthvoller Bienenflora bezüglich unserer Kenntnisse über Tracht und Trachtpflanzen wir Vieles verdanken, wies nach, dass auf der gleichen Pflanze ein kleiner springender Rüsselkäfer, Orchestes quercus, durch Anbeissen der Blattrippen und Belegen der Wunde mit seinem Ei im Mai einen reichlichen Nektarfluss verursacht. Ich selbst machte im ebenverflossenen Sommer nach einem am 29. Juli ziemlich unsanft hausenden und darum nicht geringen Schaden verursachenden Hagelwetter die Beobachtung, dass alle jungen halbgewachsenen Hülsen mehrerer ausgedehnter Bohnenpflanzungen, sofern sie von Hagelkörnern getroffen waren, einen zuckerhaltigen Saft aus den Wunden ergossen hatten. — Einen sehr bedeutenden Beitrag zu den Honigthauen liefern endlich die drei oben genannten Familien der Pflanzenläuse durch ihren süssen Auswurfsstoff, den T’hier- = a nektar. Alle hierher gehörigen Arten sind kleine weiche Geschöpfe, welche mit ihrem Schnabel zarte Pflanzentheile anstechen, und deren Säfte als Nahrung saugen, besonders wenn sie im üppigsten Triebe stehen und diese daher reich an Zucker sind. Bei den Schildläusen sondern nur die flügellosen weiblichen Thiere, welche unbeweglich fest- sitzend mit ihren schild- oder beerenförmigen Körpern die zahlreichen röthlichen oder tief rothen. Eier bedecken, Honig, Nektar, Schildlaus- oder Coccushonig aus, doch nur während einer kurzen, etwa Stägigen Frist. Unter ihnen kommt mit Absicht auf Er- zeugung von Honigthau besonders die Fichtenquirl-Schildlaus in Betracht, welche von Ende Mai bis in den Juli an Rothtannen, selten an Weisstannen vorkommt und in Form bräunlicher Blasen an den Astquirlen erscheint. Vielleicht liefern zum Coceushonig auch die Ueberwallungsschildlaus der Eiche, ferner die Eichen-, Ulmen-, Haselnuss-, Hainbuchen- und Weidenschildlaus ihren Beitrag. — Die Dlattläuse, deren Weibchen gleich denen der Blattflöhe auch nach dem Ablegen der Eier herumlaufen und bisweilen geflügelt sind, sondern in allen Lebensaltern und in beiden Geschlechtern Honig, Blattlaushonig, ab und bilden schon darum, mehr aber desswegen, weil sie gewöhnlich in grossen Gesellschaften beisaramen leben, ausgedehnte Verbreitung haben und bei einzelnen Arten im gleichen Jahre durch eine Reihe von 10 bis zu 17 Generationen auftreten, nicht blos ein umfassendes, sondern zugleich ein nachhaltiges Contingent, welches dem ent- sprechend die häufigsten und üppigsten Honigthaue erzeugt. Besonders wichtig sind als Honigthauerzeuger die auf Bäumen und Sträuchern, weniger die auf Kräutern lebenden Arten und unter letztern wieder hervorzuheben die Bewohner von Kräutern mit höherem Stengel. Die am häufigsten vorkommenden und für Erzeugung von Honigthauen be- deutsamsten Arten, für welche hier die Monate, in denen sie gewöhnlich in grösserer Menge auftreten, mit den ihnen entsprechenden Zahlen in Klammern beigesetzt werden mögen, sind folgende: Die Traubenkirschenblattlaus (3—9), verschiedene Arten von Kiefern-, Fichten- und Tannenbaumläusen, besonders die schwarze Kiefernbaumlaus (4 — 9), die Rosenblattlaus (5—10), die Sahlweidenblattlaus (5—9), die Weidenspitzblattlaus (5—8), die Weissdorn-, Kreuzdorn- und kurzröhrige Ahornblattlaus nebst der Rindenlaus des rothen Hartriegel (5,6), die Schneeballblattlaus (6— 10), die Mohn- und Lindenblattlaus (6—8), die Bandweiden- und Pappel-, die Pfirsich-, Schlehen-, Kirsch-, Apfel-, Vogel- beer- und Johannisbeerblattlaus (6,7), die grosse Eichenbaumlaus (7 —9), die Pflaumen- blattlaus (7 —8) und die längliche Birkenblattlaus (8). — Unter den Blattflöhen, welche gewöhnlich Flügel besitzen, zu springen vermögen und nur in frühern Entwicklungs- perioden Honig aussondern, ist mir bis dahin als Honigerzeuger aus eigener Erfahrung nur der Birnbaumsauger bekannt geworden, der vom Frühling bis in den Herbst auf Birnbäumen, besonders Spalieren lebt, mit seinem süssen Auswurf junge Zweige und Blattstiele bespritzt und jedenfalls von geringerer Bedeutung für die Bienen ist. — Das Eintreten der von Thierhonig gebildeten Honigthaue oder Honigflüsse hängt zunächst ab von der massenhaften Vermehrung der Pflanzenläuse. Bedingungen der letziern aber sind: 1. Andauernde feuchte schwüle Wärme, 2. eine gewisse Gleichmässigkeit der Temperatur ohne extreme Wechsel oder lange Unterbrechungen, 3. Vorkommen der Thiere und ihrer Nährpflanzen in milder zugfreier Lage, wie in lichtem Gehölze an Bergabhängen, welche mehr nach Ost und Süd gerichtet sind, in umzäunten Landstücken, 4. Saftfülle = MM in den Gewächsen, die den Schmarotzern als Nahrungspflanzen angewiesen sind, theils erzeugt durch fruchtbaren Boden, theils einer geringern Pflauzenmasse zu Gute kommend in Folge vorausgegangenen Schnittes oder Abstutzens, oder in Folge anderweitiger Ver- letzungen vor Eintritt des Safttriebes oder während desselben, 5. Saftfülle und Zartheit der Pflanzentheile, an denen sie saugen. — Das jedesmalige Eintreten solcher Honigthaue wird begünstigt durch sanft milde Regen bei warmer Luft mit nachfolgender gesteigerter Hitze während des Tags und erfolgt darauf während der Nacht, besonders wenn diese mit heiterem Sternenglanz, Kühle und Windstille, daher auch mit befruchtenden Thauen, einhergehen. — Bemerken wir unter den genannten Umständen schon am Tage unter den mit Blattläusen besetzten Pflanzen, z. B. Linden und‘ Ahornen, nicht selten einen Sprühregen süsser Flüssigkeit, ausgespritzt in unzähligen Tröpfchen von den Pflanzen- läusen, resp. Blattläusen, welche meist an der Untenseite der höher sitzenden Blätter saugen, so finden wir nach Tagen und Nächten, wie sie eben beschrieben wurden, oft die tiefersitzenden Blätter mit einer zusammenhängenden Lage der klebrigen Süssigkeit überzogen, ja diese an Rändern und Spitzen zu grossen Tropfen sich sammelnd und in dieser Form massenhaft und wiederholt von Blatt zu Blatt herabfallend, bis sie von den untersten auf die Pflanzendecke des Bodens oder auf diesen selbst gelangt und hier bisweilen in kleinen Lachen sich ansammelt. — Sowie der Morgen graut, stellen sich an solchen Orten ausser Zügen von Ameisen bald auch Bienen und andere honigliebende Insekten in Menge ein, gefolgt von Schaaren insektenfressender Vögel und es entsteht ein tausendfältiges Summen und Schwirren und Locken, welches so lange dauert, bis entweder durch trockene Hitze eines sonnigen Tages Verdunstung des wässrigen Lösungs- mittels in dem zuckerreichen Thierhonig oder bis durch stärkere Niederschläge eines regnerischen Tages Abschwemmen des letztern erfolgt ist. So lange diess aber nicht geschehen, so lange ziehen unablässig Schaaren von Bienen, immer und immer von neuen ersetzt, herbei, befrachten sich mühelos rasch und reichlich mit dem so plötzlich und in uner- schöpflicher Weise dargebotenen Nektar und fliegen dann schwerbeladen und ununterbrochen sich folgend der heimischen Wohnung zu, welcher gleichzeitig, vom Sammeltriebe gespornt, unablässig Bienen um Bienen entstürzen. Während der Dauer des Honigflusses aber achtet die nektarlüsterne Biene nicht des in vielfacher Richtung vertheilten und in zerstreuten Gaben sich darbietenden, wenn schon kostbarern Blüthennektars, sondern sie holt nur da, wo Masse sich findet, bis das Versiegen’ der Massenquelle die Rückkehr zum eigentlichen Sammelgeschäfte verlangt. — Der Thierhonig steht, wie die Substanz der Honigthaue überhaupt nebst dem Nebenblattnektar, in Güte durchschnittlich dem Blüthennektar weit nach, zeichnet sich besonders durch geringeres oder mangelndes Aroma aus, ist aber selbst wieder verschieden nach den erzeugenden Thieren, deren Nahrungs- pflanzen etc. — Wenn er, wie das bei seinem Auftreten an oberflächlichen Stellen gar oft geschieht, durch Verdunstung seinen Wassergehalt verliert, so bildet er einen glänzenden, klebrigen und süssen Ueberzug auf den Blättern, welcher durch Eintreten eines kurz andauernden sanften Sprühregens wieder in Honigthau übergeführt werden und dann aufs Neue die Bienen herbeilocken kann. — Die Tracht auf Thierhonig und Honigthaue überhaupt tritt, weil auf der Bedingung besonders günstiger Complicationen beruhend, nicht regelmässig in allen Jahrgängen, ja im Ganzen nicht gar häufig ein, daher ist Br: sie unzuverlässig und meist auf enge Zeitgrenzen beschränkt. Aussicht auf Eintreten derselben ist vorhanden, wenn Frühfröste oder frühe Hagelwetter Rücktritt der wässrigen Säfte aus den weichen Theilen, und Schädigung oder Vernichtung der letztern somit zeitweise eine Beeinträchtigung und Sistirung der Pflanzenentwickelung hervorrufen, welcher später, nach Rückkehr der Wärme Zuckerentwickelungim Innern und durch den lebhaften Früh- lingstrieb bedingt, ein rascher Ersatz und eine üppigere Entfaltung folgt; umgekehrt rauben Spätfröste und spätere Hagelwetter diese Aussicht; nasskalte Witterung aber vernichtet, wenn sie längere Zeit andauert, selbst die massenhaft schon entwickelten Pflanzenläuse, da diese zarten Thiere gegen Kälte und Nässe äusserst empfindlich sind. — Alle Arten von Honigthauen sind den dieselben unmittelbar oder mittelbar liefernden Pflanzen nach- theilig, sei’s durch den bedeutenden Säfteverlust, den sie erleiden, sei’s durch Erregung eines dauernden Reizzustandes, sei’s durch Störung des Trans- und Respirationsprocesses, durch welche mangelhafte Ernährung, Erkrankung oder Tod, namentlich durch Erstickung, in Folge des Verschlusses der Spalt- oder Athmungsöffnungen herbeigeführt werden kann, sofern nicht im letztern Fall durch Ablecken des klebrig werdenden Saftes oder durch Abwaschen desselben die Athemwege alsbald wieder geöffnet werden. Kittharz findet sich zu gewissen Zeiten an verschiedenen Pflanzen- und Pfllanzen- theilen als zähes, bildsames und klebriges Ab- oder Aussonderungsproduct, welches, im Wasser nicht oder nur zu geringem Theile löslich, an der Luft und in kühler Tem- peratur erhartet, bei Einwirkuig höherer Wärme aber seine zähe, bildsame und klehrige Eigenschaft wieder erlangt. Das Kittharz erweist sich als ächtes, im erwärmten Zustande Fäden ziehendes Harz, wie das im Sommer gesammelte Sommerharz, oder als hartes und steifes Gummiharz, wie das im Herbste gesammelte Herbstharz, nie aber als wirkliches Gummi. Dasselbe stellt sich in der Natur ein als firnissartiger Ueberzug von Knospen verschiedener Holzpflanzen (wie Pappeln, Birken, Erlen und Rosskastanien, des Epheu und der Nadelhölzer) oder von Blättern (wie der Schwarz-Erle) oder als klebriges Ab- sonderungsproduet von jungen Trieben und Zweigen, von Drüsen und Drüsenhaaren (wie der Nadelhölzer, einiger Robinien, Lichtnelken und Leimkräuter, verschiedener Salbeiarten, Nachtschattengewächse und Wegeriche, oder als Ausfluss aus der gehorstenen Rinde und aus Wunden verschiedener Bäume (Nadelhölzer). Die lebhafteste Tracht auf Kittharz, statt dessen übrigens die Bienen nicht selten von zufällig sich darbietenden Asphalt-, Baum- wachs- und Wagenschmiermassen ete. eintragen, fällt in die Monate Juli und August. 9. Trachtpflanzen. Die Zahlbestimmung der Trachtpflanzen eines gegebenen Trachtgebietes wird zwar stets nur als annähernde Schätzung gelten können, immerhin aber nicht ohne Werth sein. Alefeld hat eine solche, auf Grund seiner Beobachtungen in seinem Ortsgebiete zu Oberramstadt bei Darmstadt für dieses und in weiterer Schlussfolgerung für die deutsche Flora gegeben. Nach diesen Beobachtungen findet sich derselbe veranlasst, die Glieder der Flora seines Ortsgebietes in 28 gleiche Theile zu zerlegen, von diesen 16 als zur Tracht nicht beitragend anzunehmen, 12 dagegen als Trachtpflanzen anzusprechen, 2 darunter ‚ausschliesslich für die Pollentracht, 4 für die Pollen- und Nektartracht, 6 aus- BP schliesslich für die letztere; als Kittharz liefernde Pflanzen, welche übrigens schon unter den sonstigen Trachtpflanzen in dieser oder jener Beziehung figuriren, erscheinen etwa.der 20ste Theil. Nehmen wir zur Zahlbestimmung der zürcherischen und schweizerischen Tracht- pflanzen den Alefeld’schen Maassstab an und schlagen wir dabei die Zahl der heimischen Phanerogame mit denen, deren Heimatrecht nicht ganz sicher ist, nebst den bei uns eultivirten und in Anlagen gezogenen Pflanzen für Zürich auf 840, für die Schweiz auf 2520 an, so erhalten wir folgende Zahlen: Phanerogamen in Zürich in der Schweiz 840 2520 Der 28. Theil 30 90 Ausser Betracht fallen 480 1440 Trachtpflanzen 360 1080 Ausschliesslich Pollen liefern 60 180 Pollen und Nektar liefern 120 360 Ausschliesslich Nektar liefern 180 560 Kittharz liefern 30 90 Werden die Phanerogamen, je nach der Reihenfolge ihres Aufblühens, ihrer Blühens- dauer und ihres Verblühens durch die einzelnen Monate des Jahres geordnet, so entsteht die Grundlage für den Blüthenkalender *), welcher des Raummangels wegen hier keine Berücksichtigung finden kann. Nur darauf muss ich aufmerksam machen, dass die Blüthezeit verschiedener Phanerogamen eine verschiedene Dauer hat, daher manche nur in einem Monat, manche mehrere, einige die meisten Monate hindurch an dem Bestande der blühenden Pflanzen sich betheiligen. Daraus ergiebt sich eine bedeutende Differenz zwischen den Zahlen, welche die für jeden Monat verzeichneten neu oder gleichzeitig blühenden Pflanzen bezeichnen. Es mag diess aus den beiden nachfolgenden Zahlenreihen erhellen, von denen die zweite dadurch gebildet ist, dass je der vierte Theil der im vorstehenden Monat blühenden Pflanzen auf den gegebenen Monat übertragen und zu dessen neu blühenden Pflanzen gezählt wurde. Als Grundlage für beide Zahlenreihen wählte ich die in Koch’s Taschenbuch der deutschen und Schweizerflora beschriebenen Phanerogamen. Im Februar erblühen 14, blühen im Ganzen 14 Phianerogamen. » März blühen neu 94, » By 97 » » April » » 295, » » » 319 » » Mai » » 781, » » » s61 » » Juni » » 949, » » » 1164 » » Juli » » 1253, » > » 1524 PR ». August » » 88, » » » 469 » » September » » 9, » » » 126 » *) Vorläufige Beiträge zu einem Blüthenkalender der Bienenpflanzen habe ich in dem Vortrage niedergelegt, den ich 1863 den 2. September vor der XII. Wanderversammlung deutscher Bienenwirthe in Karlsruhe gehalten habe. S. Eichstätter Bienenzeitung 19. Jahrgang No. 23 und 24. Seite 242—249. re blühen im Ganzen 36 Phanerogamen. Im October blühen neu 4, » November » » 0, » » » ) » » December » » 1; » » » 3 » » Januar » » 0, « » » 1. » successiv | Phanero- gleichzeitig Summa der | blühenden gamen 3428, der blühenden 4628. Für die Schweiz und einzelne Gegenden derselben bleibt natürlich eine eigene Fest- stellung der Zahlenverhältnisse bei den successiven oder gleichzeitig blühenden Phanero- gamen überhaupt und bei den für die Bienenwirthschaft in Betracht kommenden insbesondere noch vorbehalten. Es kann dieselbe indess nur auf dem Wege direkter Beobachtung, keineswegs durch blosse Berechnung ermittelt werden, es darf aber besonderer Erwähnung verdienen, dass die Zahl der ersten Frühlingspflanzen, namentlich die des Februar dabei keine namhafte Reduction erfahren wird. Fragen wir nach der Vertheilung der Trachtpflanzen unter die 118 Familien der Schweizerflora, so fällt von letztern nahezu der dritte Theil, weil ohne Trachtpflanzen, mit 38 Familien gänzlich weg und damit etwa 280 in ihnen enthaltene Arten, also der 9. Theil sämmtlicher Phanerogamen der Schweiz. Von den übrig bleibenden 80 Familien, von denen die einen wenige, die andern mehr Trachtpflanzen einschliessen, wollen wir nur die bedeutendsten mit den wichtigsten Arten hervorheben, bei diesen die Blüthezeit mit den den Monaten entsprechenden Zahlen angeben und die Trachtobjecte sowie das Maass der Ergiebigkeit in abgekürzter Form bezeichnen, zwar so, dass K. Kittharz, P. Pollen, Dr. Blüthennektar, Nn. Nebenblattnektar, W. Wundfluss, Hf. Honigfluss ohne äussere Verwundung, St. Schildlaushonigthau, Bit. Blattlaushonigthau, Fl. Blattflohhonigthau, Fr. Fruchtsäfte und ®. viel bedeutet. Unter den Monocotyledonen sind zu nennen: 1. Die Melanthaceen mit der Herbstzeitlose (8—10. Bn.); 2. die Likaceen mit der Kaiserkrone (4,5. Bn.), der Türkenbund-, Feuer- und weissen Lilie (6,7. P.), ver- schiedene Laucharten, wie Schnittlauch, Lauch, Zwiebel und Jakobszwiebel (6—8. Bn.), der Hyacinthe (3—5. P.), der traubigen Muskathyacinthe (4,5. Bn., P.); 3. die Ama- ryllideen mit dem Schneeglöckchen, der Frühlingsknotenblnme: und der gelben Narzisse (3—5. P.); 4. die Irideen mit dem Frühlingssaffran (3,4. P.); 5. die Orcilien mit den meisten ihnen zugehörenden Arten (5—7. Bn.) (Eine Art von Ophrys , Ragwarz, ward wegen der Form ihrer Blüthe die bienentragende O. apifera genannt). Unter den nacktsamigen Dicotyledonen kommen fast alle heimischen Nadelhölzer oder Zapfen- bäume in Betracht und zwar wohl allgemein wegen des Kittharzes; insbesondere dann die 1. Abvetianeen mit den Kiefern (4.5. P.und Bn.), der Lärche (4.5. P.), der Fichte oder Rothtanne (5,6. St.), der Weisstanne (5.6. P., 8—10 Bt.); 2. die Cupressineen mit dem Wachholder (4,5. Bn., P.); 3. die Taxineen mit der Eibe (3,4., Bn.) Unter den bedecektsamigen Dicotyledonen begreifen die blumenlosen und frei- blumenblättrigen die nachstehenden Familien mit Trachtpflanzen, 1. die Beiulaceen mit den Erlen (3,4. P. und K.) und Birken (4,5. K. Bt. W.); 2. die Cupukferen mit den Haselsträuchern (2—4. v. P.), der essbaren Kastanie (7. Bn. und P.), den Eichen Be N > (4,5. Bt. 5—7, W. 5., H£f. ?); 3. die Salieineen mit den Weiden (3—5. Bn., Bit. P.), besonders der Sahlweide (3,4) und Pappeln (3,4 Blt. P. K.), besonders der Zitterpappel (3,4); 4. die Juglandeen mit dem Wallnussbaum (4,5. Bn. Bit. P.); 5. die Papi- lionaceen mit dem Besenstrauch (6—8, P. Bn.), dem Färbeginster (6,7. Bn. P.), dem Goldregen (4—6. Bn.), dem Schootenklee (5—7. Bn.), der Luzerne (7—9. Bn.), dem Hopfenschneckenklee (5— 3. Bn.), dem Steinklee, besonders dem Bucharaklee (7 —9.v. Bn.), dem kriechenden Klee oder Immenklee (5—9. v. Bn.), dem Bastardklee (5—9. Bn.), dem fleischrothen oder Incarnatklee (7 —9. Bn.), bisweilen auch dem rothen Wiesenklee (6—10. Bn. P.), den Bohnen (6—9. Bn.), der Sau- und Saatwicke (6—8. Bn. Nn.), der Saaterbse (5,6. Blt.), der gemeinen, klebrigen und rothblühenden Robinie (6,7. Bn.), der Esparsette (5,6. Bn. P.), dem Hufeisenklee (5—7. Bn. P.); 6. die Pomaceen mit dem Weissdorn (5,6. Bn. Blt. P.), der Quitte (5,6. Bn. P.), dem Birnbaum (4,5. Bn. P. St. Ft. Fr.), dem Apfelbaum (4—6, Bn. P. St. Blt.), dem Vogelbeerbaum (5—7, Bn. Blt.); 7. die Rosaceen mit verschiedenen Rosen, besonders der Hundsrose (6,7. P. Bit.); 8. die Dryadeen mit der Erdbeere (4—6. P. Bn.), der Himbeere (5,6. P. Bn. Blt.), den Brombeeren (6—8. Bn. P.); 9. die Spiräaceen mit der Sumpfspierstaude oder Immenkraut (6—8. P.) u. a.; 10. die Amygdaleen mit dem Mandelbaum (2—4. Bn. P.), dem Pfirsichbaum (4. Bn. St. Blt. P.), der Aprikose (3,4. Bn. P. Fr.),. dem Schwarzdorn (4,5. P.), der Pflaume und Zwetschge (4,5. Bn. Bt. P. Fr.), der Süss- und Sauerkirsche (4,5. Bn. P. Blt.), der Traubenkirsche (5,6. Bn. P. Blt.); 11. die Rhamneen mit dem Kreuzdorn und Faulbaum (5,6. Bn. P. Blt.); 12. die T’hymeleaceen mit dem Seidelbast (3,4. Bn. P.); die Oenothereen mit den Fuchsien (7—9. Bn.); 13. die Lythrarieen mit dem Weiderich (7—-9. Bn.); 14. die Cucurbitaceen mit der Zaunrübe (6—8. Bn.) und der südamerikanischen Phyllogyne suavis (8,9. v. Bn.), der Gurke (6—9. Bn.) und dem Kürbis (6—9. Bn. P.); 15. die Corneen mit der Kornel- kirsche (3,4. Bn. P.) und dem rothen Hartriegel (6. Bn. Blt.); 16. die Araliaceen mit dem Epheu (8,9. Bn. P. K.); 17. die Umbellferen mit dem Kümmel (4—6. Bn.), dem gemeinen Bärenklau (6—9. Bn. Blt.) u. a.; 18. die Rrbesiaceen mit der Stachel- beere’(4,5. Bu. P.) und Johannisbeere (4,5. besonders Bit.) u. a.; 19. die Phila- delpheen mit dem Pfeifenstrauch (5,6. Bn. P.) und verschiedene Deutzien (5—7. Bn. P.); 20. die Crassulaceen mit der knolligen und scharfen Fetthenne (6—8. Bn.); 21. die Caryophyllinen mit dem Ackerspark (6,7. Bn.), dem Hühnerdarm (3— 10. Bn.), der Bartnelke (7”—9. Bn.), dem nickenden Leimkraut (5—7. Bn. und K.), der Kukuks- und Pechlichtnelke (5,6. Bn. K.) und a.; 22. die Polygoneen mit dem Buchweizen (7,8. v. Bn.); 23. die Cannabineen mit dem Hanf und Hopfen (7,8. P. Blt.); die Moreen mit der schwarzen und weissen Maulbeere (5. Bn.); 24. die Celtideen mit den Ulmen (3,4. Bn. P.); 25. die Ranunculaceen mit der Waldrebe oder Niele (6— 8. Bn.), akeleyblättrigen Wiesenraute (5,6. Bn. P.), dem Leberblümchen (3,4. Bn. P.), der grossen und kleinen Küchenschelle (3,4. P. Bn.), dem Buschwindrös’chen (3—5. Bn. P.), ver- schiedenen Arten von Hahnenfuss (3—8. P. Bn.), der Sumpfdotterblume (4—6.P. Bn.), der Trollblume (6—9. Bn. P.), dem sternblüthigen Winterling (3—5. P. Bn.), dem gemeinen Schwarzkümmel (7—9. Bn.), der Akeley (5—7. P. Bn.), dem Feldrittersporn (6—8. Bn.) und verschiedenen Eisenhutarten (7,8. Bn.); 26. die Berberideen mit dem 7 ie Sauerdorn (5,6. Bn.); 27. die Papaveraceen mit dem Gartenmohn (7,8. v. P. Blt.); 28. die Oruciferen mit den Levkoyen oder Strassburgern (4—10. Bn.), dem Goldlack (5,6. Bn. und P.), dem Barbarakraut (4—6. Bn.), dem Wiesenschaumkraut (4—6. Bn.), dem Gemüsekohl, Reps und Rübkohl (4—6. Bn. P. und Blt.), dem Ackersenf (6—9. Bn. P.) und weissen Senf (6,7. Bn. P.), dem Löffelkraut (4,5. Bn. P.), dem Hellerkraut (5—9. Bn.), dem Ackerrettig oder Hederich (6—10. Bn. P,); 29. die Violarzeen mit dem wohlriechenden Veilchen (3,4. Bn.); 30. die Staphyleaceen mit der Pimpernuss (5,6. Bn.), die Ampeldeen mit dem Weinstock (6,7. Fr. 9.10); 31. die Acerineen mit dem spitzblättrigen Wald- und Feldahorn (4—6. Bn. P. Bit. Hf.); 32. die Hiöppo- castaneen mit der Rosskastanie (4,5. Bn. P. K.); die Anacardiaceen wit verschiedenen Sumacharten z. B. dem Perückenbaum (6. Bn.); 33. die Rutaceen wit der gemeinen Raute (6,7. Bn.); 31. die Geraniaceen mit dem blutrothen Storchschnabel (6—9. Bn.); 35. die Balsamineen mit der Gartenbalsamine (6—9. Bn.); 36. die Malvaceen wit verschiedenen Arten von Malven und Eibisch (6—10. Bn.); 37. die Tiliaceen mit den Linden (6,7. Bn. Blt. Hf.) Unter den bedecktsamigen Dicotyledonen mit verwachsen - blättriger Blumenkrone sind besonders bemerkenswerth: 38. die Oleaceen mit der Esche (4,5. P. Blt.), dem Flieder (5,6. Bn. P.) und der Rainweide (6,7. Bn.); 39. die Ericaceen mit eer gemeinen Heide oder Bienenheide (7”—10. Bn.); 40. die Vaccinieen mit der Heidel- beere (4,5. Bn.); 41. die Rhododendreen mit den Alpenrosen (7,8. Bn.); 42. die Primnulaceen mit der hohen Schlüsselblume (4,5. Bn.); 43. die Labiaten, meist reich an Blüthennektar, mit verschiedenen Münzen (6—9), dem Günsel (5—7), dem Gamander (7—9), dem Lavendel (7,8), dem Dosten und Majoran (7—10), der Gundelrebe (4— 6), der Ballote (6—9), dem geraden und Wald-Ziest, letzterer auch Immehüetli (6—10), der gefleckten und purpurnen Taubnessel oder Bienensaug (4,5), dem melissenblättrigen Immenblatt, dem Feld- und Gartenthymian, auch Immenkraut genannt (5—9), der Melisse, ebenfalls Immenkraut genannt, (7,8), dem Garten-, Wiesen-, Quirl- und klebrigen Salbey (5—7. K.) und dem Rosmarin (4,5); 44. die Verbenaceen mit dem gemeinen Eisenkraut (6—10. Bn.); 45. die Plantagineen mit dem grossen, mittlern und lanzett- blättrigen Wegerich (4—10. P.); die Bignoniaceen mit dem Trompetenbaum (6—8. Bn. P.); 46. die Scrophularineen mit der Königskerze oder dem Wollkraut (7,8. P.), dem gemeinen Leinkraut (7—9. Bn.), verschiedene Ehrenpreisarten (4+—9. Bn.), Wachtel- weizenarten (6—8. Bn.), dem Hahnenkamm (6—9. Bn.), dem Zahntrost (5,6. Bn.) und Augentrost (7,8. Bn.); 47. die Solaneen mit der Tollkirsche (6—8. Bn.), dem Bocks- dorn (6,7. Bn.), dem Bauerntaback (7—9. Bn.); 48. die Doragineen mit dem Boretsch (6—11. v. Bn.), der Beinwurz (5—9. Bn.), dem Natternkopf (6—10. v. Bn.); die Hydrophylleen mit der rainfarrnblättrigen Phacelie (7,8. v. Bn.); 49. die Convolvulaceen mit der Zaunwinde (6—9. Bn. P.); die Asclepiadeen mit der syrischen Seidenpflanze (7—10. Bn.); 50. die Apocyneen mit dem kleinen Sinngrün (4,5. Bn.); 51. die Caprifo- liaceen mitder Schneebeere (6— 8. v. Bn.), dem Schneeball (5,6. Blt.) und verschiedenen Geiss- blattarten (4—6. Bn. Blt.); 52. die Dipsaceen mit der Waldkarde (7”—10. Bn.) und den Scabiosenarten (6— 10. Bn.); 53. die Compositen oder korbblüthigen Pflanzen mit dem hanf- artigen Wasserdost (7,8.Bn.), dem gemeinen Huflattich (3,4. Bn. P.), der Dahlie (8— 10. Bn.), Ei. u den Zinnien, Rudbeckien und Gaillardien (7 —9. Bn.), der jährigen Sonnenblume (7,8. P. Bn.), der Blüthennektar und Pollen liefernden Flockenblumen besonders der Kornblume (6,7), der Berg- und scabiosenartigen (7,8) und der gemeinen Flockenblume (6—9), den Kratzdisteln, besonders der kohlartigen (7,8. Bn.), den Disteln mit der nickenden (7,8. Bn.), der gemeinen Wegwarte (7 — 10. Bn.), dem Wiesenbocksbart, auch Bienennest genannt (5— 7. Bn. P.), dem Herbstlöwenzahn (7—10. Bn. P.) und dem Pfaffenöhrlein (3—5. v. P. Bn.). Nach der successiven Vermehrung oder Verminderung der Trachtpflanzen wechselt während des jährlichen Kreislaufes in entsprechendem Maasse die durch das Gewicht der Stöcke mehr oder weniger bestimmte Ergiebigkeit des Sammelgeschäfts, doch so, dass durch das allgemeine Aufblühen und die Fruchtreife bestimmter Haupttrachtpflauzen die Sammelzeit in einzelne Zeiträume, jeder der letztern aber wieder in einzelne Perioden zerfällt. Es ergibt sich darnach für Zürich folgende, nach dem Charakter der Jahr- gänge mehr oder weniger abändernde, im Durchschnitt aber maassgebende Uebersicht als II. Periodischer Gang der Tracht. A. Abschnitt der Trachtzeit. | Durchschnitts- Tagen. Zeiträume und Perioden. | Grenzmarken. | re! | | daten. 3:|&8 | es Sz | I. Zeitraum: Vortracht. | 1. Periode: Spärliche Vor- | Aufblühen des Haselstrauchs bis tracht. zum Aufblühen der Komelkirsche. | 17. Febr. bis9. März | 21 2. „ : SteigendeVor- | Aufblühen der Kormelkirsche bis tracht, zum Aufblühen des Stachelbeer- strauchs. 10.Märzbis 10. April | 32 3. „ : Höchst ge-| Aufblühen des Stachelbeerstrauchs steigerte Vor- bis zum Aufblühen des Kirsch- | tracht. baums. Beginn der Honigtracht. | 11.Aprilbis19.April | 9 II. Zeitraum: Volltracht. = 4. Periode: Anbrechende | Aufblühen des Kirschbaums bis zum Volltracht. Aufblühen des Repses. 20. April bis 7. Mai Bi | PP „ : Ueppige Voll- | Aufblühen des Repses bis zum Auf- | tracht. blühen der Esparsette. 8. Mai bis 4. Juni 28 6. „ : Abnehmende | Aufblühen der Esparsette bis zum | Volltracht. Aufblühen der Linden. 5. Juni bis 30. Juni ”|, 2 III. Zeitraum: Nachtracht. | | I: 7. Periode: Ergiebige Aufblühen der Linden bis zum Auf- Nachtracht. blühen des Roseneibisch. 1. Juli bis 31, Juli | 31 8. „ : Schwindende | Aufblühen des Roseneibisch bis zum | | Tracht. Aufblühen des Epheu. 1. Aug. bis 31. Aug. a 9. „ : Spärliche Aufblühen des Epheu bis zur Wein- ge Nachtracht. lese. Ende der Honigtracht. 1. Sept. bis 10. Oct. | 40 1102 Dauer der Trachtzeit. Pas | mE = II. Periodischer Gang der Tracht. B. Abschnitt der Trachtruhe. Durchschnitts- Zeiträume und Perioden. Grenzmarken. Tagen, daten. Perio- IV. Zeitraum: Trachtruhe. 10. Periode: Erlöschen der | Weinlese bis zum ersten Schnee. 11. Oct. bis 12. Nov. | 33 Tracht. 1% „ : Entschiedene | Erster Schnee bis zum Einschneien. | 13. Nov. bis 14. Dec. | 32 Trachtruhe., 12: „. : Vollendete Einschneien bis zur Blüthe des Trachtruhe. Haselstrauchs. 15. Dee. bis16. Febr. | 64 Dauer der Trachtruhe. Es fallen demnach in Zürich auf die Trachtzeit etwa zwei Dritttheile, auf die Tracht- ruhe etwa ein Dritttheil des Jahres und dort wieder etwa 2 Monate auf die Vortracht, 2!/a Monate auf die Volltracht und 3!/g Monate auf die Nachtracht.*) Uebrigens ist die Tracht vorzüglich Frühtracht, da sie im der abnehmenden Volltracht durch die Wiesen- blösse unterbrochen und die Periode. der ergiebigen Nachtracht nur in günstigen Fällen hier von Bedeutung ist, die Perioden der schwindenden und spärlichen Nachtracht aber, bloss in ausnahmsweise warmen Herbsten, vorzüglich durch süsse Fruchtsäfte nennens- werthe Ausbeute gewähren. In den Zeiträumen der Vor- und Nachtracht bietet die Natur den Bienen die wichtigsten Lebensbedürfnisse in spärlichem oder bescheidenem, dort in allmälig sich steigerndem, hier in allmälig sich minderndem Maass, in dem Zeitraum der Volltracht aber in mehr oder minder üppiger Fülle. In den verschiedenen Perioden der Vor- und Nachtracht, namentlich in derjenigen der steigenden Vor- und der schwin- denden Nachtracht, stellen sich unter gewöhnlichen Verhältnissen Räubereien und Noth- schwärme am häufigsten ein. Regelmässige Nectartrachten werden nur von den Blüthen geboten, die Haupttrachten unter denselben in Zürich durch diejenigen der Obstbäume und des Reps; treten zu jenen noch aussergewöhnliche Nectartrachten durch irgend welche Formen des Honigtliaues, seien dieselben vereinzelt durch Masse oder fortgesetzt durch längere Dauer einer Form, oder wiederholt durch Häufigkeit verschiedener Formen ergiebig, so wird das Gewicht der Stöcke ausserordentlich gesteigert, jedoch meist ohne gleichzeitige Vermehrung, ja nicht selten mit erheblicher Verminderung der Volkszahl. Das Gewicht der Bienenstöcke schwindet im Allgemeinen vom Januar oder Februar an, namentlich aber vom ersten Reinigungsausflug bis zum Aufblühen des Kirschbaums rasch *) Die Pollentracht dauert noch etwa 33 Tage in den Zeitraum der Trachtruhe hinein, im Ganzen etwa 269 Tage, die Honigtracht dagegen 86 Tage weniger lang, somit im Ganzen etwa 153 Tage; die Kitttracht, welche etwa mit dem 11. April beginnt und mit dem 15. Sept. ab- schliesst, dauert etwa 158 Tage. Die Wassertracht endlich beginnt gegen den 20. Februar und endet gegen den 31. August, dauert demnach im Ganzen etwa 193 Tage, wird aber vom 11. April an grossentheils durch den Wassergehalt des dünnflüssigen Nektar ersetzt und ist desshalb scheinbar vermindert. — Fa. und in bedeutendem Maasse, nimmt durch den Mai, weniger in der Regel durch den Juni hindurch beträchtlich zu, steigt gewöhnlich im Juli wieder stärker, bleibt dann im August sich ziemlich gleich und schwindet meistentheils vom September an allmälig bis zum Januar oder Februar in geringerem, erst fast unmerklichem Grade. Die Ursachen dieses Gewichtswechsels haben wir in Vorgängen und Zuständen zu suchen, welche im Innern der Stöcke stattfinden und vorkommen. 10. Der unbevölkerte Stock im Innern. Die Wolmung eines Bienenvolks bestelt in einem Behälter mit soliden Wandungen und ist bis auf eine einzige Oefinung, das Flugloch, überall geschlossen, indem die Bienen alle sonstigen Oefinungen und Spalten von Innen her mit Kittharz verstopien. Die durch Menschenhand gefertigten Bienenwohnungen haben wohl ohne Ausnahme ihr Flugloch unten und sind entweder für unbeweglichen oder durch verschiebbare Wa- benträger für beweglichen oder Mobilbau (daher Mobilstöcke) eingerichtet und im erstern Falle wiederum untheilbar oder theilbar, im letztern aber durch Einschieben oder Aus- ziehen eines Schiebebretts oder durch Auflegen oder Abheben besonderer Deckbretter über den Wabenträgern, wohl auch durch Anwendung beider Vorrichtungen der Verengerung und Erweiterung seitlich oder oben im Haupte des Stockes fähig. Die hier zu Land gebräuchlichste Bienenwohnung ist der zu den Stöcken mit un- beweglichem Bau gehörende, einen mehr oder minder tiefen Napf darstellende Strolhkorb, der in Appenzell schlechtweg Gefäss, im Kanton Zürich Beicher (Bei-char = Bienen- gefäss) genannt wird. Derselbe ist bald untheilbar, bald durch untersetzte Strohringe theilbar geworden. In jenem Falle ruht er, im bevölkerten Zustand, mit seinem weiten Mündungsrand auf dem Flugbrett; oben, im Haupt, ist er ganz, bisweilen aber auch von einem ziemlich grossen, mittelst eines Holzzapfens gewöhnlich verschlossenen Loche durchbohrt, unten hat er oft im Mündungsrand einen als Flugloch dienenden Ausschnitt, seltener ist der Mündungsrand ganz und das Flugloch wird dann durch eine schief nach Innnen an- steigende Rinne im Flugbrett gebildet. Der Strohkorb hat meist eine Raumcapaeität von 21600 bis 32400 Cubikcentimeter —= 500—1200 schweiz. Kubikzoll; bei theilbaren Stöcken mit unbeweglichem Bau und bei Mobilstöcken beträgt die Raumcapacitäit manchmal 43200 — 54000 Cubikcentimeter — 1600—2000 schweiz. Kubikzoll und darüber. Kehren wir einen ausgebauten, aber bienenleeren Strohkorb um, so bemerken wir in seinem Innern kuchenförmige, aus Wachs gefertigte Scheiben, die Waben, Rosen oder Tafeln, von denen in der Regel die eine in der Richtung eines Durchmessers, die an- dere parallel mit jener, in der Richtung von Secanten verlaufen. Dieselben hängen, wenn der Stock mit dem Mündungsrand auf dem Flugbrett aufsitzt, senkrecht von dessen Decke (dem Haupte),, herab und sind an diese gewöhnlich auch beiderseits an der Sei- tenwand befestigt, unten aber erreichen sie das Flugbrett nicht, sondern lassen zwischen ihm und ihrem abgerundeten freien Rand einen Zwischenraum von etwa 15—18 Millim. (5—6‘‘‘ schw.) Höhe. Ihre eigene Höhe hängt von derjenigen des Stockes, ihre Breite von der Länge des Durchmessers oder der Secante ab, die ihnen zur Richtung dient, ihre Dicke aber misst bald 23, bald 26—28 Millimeter, während ihr gegenseitiger Abstand 11,5 a Millim. beträgt. Durch diese Einrichtung wird der Bau zu einem regelmässigen Fach- werk von Waben und Gassen, welche letztere unten in einen gemeinsamen, mit dem Flugloch in Verbindung stehenden Vorplatz einmünden. Noch viel complicirter als das Fachwerk der Waben und Gassen ist dasjenige, wel- ches in der einzelnen Wabe gegeben ist. Je nach der grösseren oder geringeren Ent- fernung vom Flugloch folgen sich leere Waben, Honigwaben, Waben, welche mit Bienen- brot und Honig und endlich solche, welche mit Brut und Honig erfüllt sind. Betrachten wir eine aus einem Strohkorb genommene leere Wabe, so unterscheiden wir zunächst die drei durch das Ablösen mehr oder weniger verletzten Anheftungsränder (den obern und die seitlichen), von dem unverletzten und abgerundeten freien Rand, dem untern, und zwei mehr oder weniger ebene, unter sich parallele Flächen, auf deren eine die Wabe beim Ablegen zu liegen kommt. Diese beiden Flächen haben das Ansehen eines tüllartigen Netzwerks mit regelmässig sechseckigen Maschen, von denen jede weiter von den Rändern entfernte von sechs andern so umschlossen wird, dass sie in drei unter Winkeln von 60 ° sich schneidenden Richtungen zwischen je zwei mit einer Seite sie berührende Maschen zu liegen kommt. In der Verlängerung dieser drei Richtungen reiht sich Masche neben Masche von einem Rand der Wabe bis zu einem andern, während zu beiden Seiten jeder Maschenreihe in die von den Ecken der Maschen gebildeten Vor- und Einprünge eine derselben parallel verlaufende Maschenreihe mit ihren Ein- und Vor- sprüngen eingreift, um auf gleiche Weise einer folgenden Parallelreihe von Maschen zur Anlage zu dienen ctc. Die drei Richtungen, in welchen Maschenreihen über die Wabe ver- laufen, sind ‘gewöhnlich eine quere, eine schief nach rechts und eine schief nach links ansteigende. Nach der Grösse der Maschen unterscheiden wir zwei Hauptformen von Waben, kleinmaschige und grossmaschige; an diese schliesst sich als dritte Form die gemischtmaschige an, bei welcher ein und dieselbe Wabe sowohl kleine als grosse regel- mässig sechseckige Maschen besitzt, die durch mehr oder weniger unregelmässig gestaltete und ungleich grosse Maschen, Uebergangsmaschen, in einander übergehen. Die klein- maschigen Waben haben die geringste Dicke 23 Millim., die grossmaschigen die grösste, 28 Millim., die gemischtmaschigen haben in der Regel auch an verschiedenen Stellen ihres Verlaufes verschiedene Dicke. Jede einzelne Masche auf den beiden gegenüberliegenden Wabenflächen ist die Mün- dung einer sechsseitigen, in fast horizontaler Richtung nach einwärts gegen die Mitte der Dicke vordringenden Höhle oder Zelle, welche hier mit einem besondern Wachsboden endet, ringsum aber von sechs dünnen Seitenwänden aus Wachs begrenzt wird. Wären die Böden der Zellen eben und genau in der Mitte der Dicke gelegen, so würden sie sich bei der im Stocke hängenden Wabe zu einer ebenen, senkrecht von oben nach unten verlaufenden gemeinsamen Mittelwand verbinden; da aber der Boden der einzelnen Zelle eine- stumpf rhomboedrische, von drei Wachsrauten (stumpfer Winkel — 109 °) begrenzte Grube bildet, welche mit ihrer tiefsten Stelle gegen die andere Wabenoberfläche vor- springt, so wird die Mittelwand bei beiden zu einer im Ganzen zwar ebenfalls senk- rechten, aber abwechselnd durch rhomboödrische Gruben und Erhöhungen bezeichneten Scheidewand, an welcher die Umfänge der Gruben in Form, Maass und Lage den Maschen an den beiden Oberflächen der Wabe entsprechen, während zwischen je drei benachbarten Gruben einer Wabenseite eine rhomboödrische Erhöhung vorspringt, die einer Grube der entgegengesetzten Wabenseite entspricht. An der Bildung der letz- tern betheiligen sich demnach die drei, den zusammentreffienden 3 Gruben gemeinschaft- lichen innern Rauten und es erweist sich daher, dass die sechs Kanten, welche den Umfang dieser drei Rauten bezeichnen, auf der entgegengesetzten Seite der gemeinsamen Mittelwand die Anheftungslinien für die sechs Seiten einer horizontalliegenden Zelle mit ihrer rhomboödrischen Grube in der Tiefe der Wabe bilden. An den Zellen des untern freien Randes endlich nehmen die auf der gemeinsamen Mittelwand errichteten Seitenwände der einzelnen Zellen von beiden Flächen her ziemlich gleichmässig an Höhe ab, so dass der Uebergang von einer zur andern über die Mittel- wand hin in sanfter Rundung geschieht. Bezüglich der Farbe und Consistenz unterscheiden wir nahezu farblose, weissliche, in hohem Grade durchscheinende und weniger oder mehr intensiv rein gelb gefärbte, einzig aus Wachs bestehende — neben bräunlichen, braunen bis schwärzlich-braunen, bei denen die Wachswandungen der Zelle, je nach der Tiefe der Färbung mit einer oder mehrern einander bedeckenden häutigen Gespinnstlagen belegt sind. Setzt man in der wärmern Jahreszeit Waben der erwähnten beiden Hauptgruppen der intensiven Einwirkung des Sonnenlichtes aus, so zerschmelzen die weisslichen und reingelben gänzlich, während bei den dunkel- und missfarbigen Waben nur die die ursprüngliche Form bedingende Wachsmasse schmilzt, die häutigen Gespinnstlagen dagegen Form, Lage und Consistenz beibehalten, so dass man, so lange die Wabe warm ist, nicht allein die beiden durch die Mittelwand geschiedenen Zellschichten, sondern in jeder Schicht wieder die einzelnen Zellen von einander abheben und isoliren kann. So leicht verletzbar und hinfällig die Waben der ersten Kategorie bei höherer Wärme sind, so sehr zeichnen sie sich bei niederer Temperatur durch ihre Sprödigkeit und Zerbrechlichkeit aus, während die miss- farbigen Waben auch bei dieser zähe und derb erscheinen. Ausserdem sind bei den weisslichen und gelben Waben Seiten, Kanten und Ecken scharf und die Flächen matt, bei den braunen dagegen sind jene abgerundet und diese, namentlich im Zellengrunde, glänzend. Wir finden die beiden ersten Wabenarten vorzüglich bei Bienenvölkern, welche erst vor Kurzem als Schwärme eine leere Wohnung bezogen hatten; diese setzen nament- lich solche Baue zusammen, welche längere Zeit von den Bienen benutzt wurden, und es lässt sich der Uebergang von den gelben Waben zu den verschiedenen Nuancen der braunen leicht verfolgen. Die Bräunung der Wabe beginnt in der untern Partie derselben, verbreitet sich von der Mitte aus allmälig nach den Rändern hin uud erreicht erst zuletzt den Wabengrund im Haupte. Je näher dem Flugloch, desto früher erleiden die Waben diese Veränderung und die dunkelsten Waben finden sich in seinem unmittelbaren Bereiche. Die dunkle Missfärbung der Wabe hat übrigens nicht blos in den häutigen Gespinnstauskleidungen der Zellen ihren Grund, sondern auch in einer Missfärbung des Wachses selbst. Die Frage, woher diese häutigen Gespinnstauskleidungen der Zellen rühren, wird uns später beschäftigen; hier haben wir nur noch Einiges über die Füllungsmassen anzuschliessen. Wo der Honig nicht die ganze Wabe erfüllt, ist er in den obern oder Grundpartieen a der Wabe in grösserer oder geringerer Ausdehnung der ganzen Breite nach aufgespeichert und damit diess in recht reichlichem Maasse ermöglicht werde, sind hier die Zellen weniger oder mehr verlängert, daher die Waben selbst verdickt, die Gassen entsprechend verschmälert. — Sobald die Zellen völlig mit Honig erfüllt sind, werden sie von den Bienen mit flachen, gegen die Mitte sogar etwas eingesunkenen Deckeln aus Wachs ver- schlossen, welches bei schönen Waben rein und hellfarbig, bei unscheinbaren dagegen dunkler und missfarbig, immer aber mehr oder weniger durchscheinend ist. Mit Blüthenstaub werden fast ausschliesslich kleinzellige Waben, jedoch fast immer nur zum Theil, die Zellen überdiess höchst ungleich und höchstens bis zu 2, 5—3 Millim. unter den Mündungsrand erfüllt; der freie Raum über dem Pollen ist bald leer und offen, bald mit einer Honiglage bis zum Rande bedeckt und dann mit einem Wachs- deckel verschlossen. Il. Der bevölkerte Bienenstock und die zur Beobach’'ung und zur Untersuchung seines Innern geeignetste Construction. a. Allgemeine Wahrnehmungen am Strohkorb. Hebt man einen bevölkerten Bienenkorb im tiefen Winter auf und schaut von unten in denselben herein, so bemerkt man, dass die ganze Bevölkerung in dichtem Haufen und ruhendem Zustande zwischen wenige benachbarte Waben zusammengedrängt, gehäuft, ist; geschieht es aber zu andern Zeiten, so bemerkt man eine um so weiter schreitende Vertheilung und Beweglichkeit der Bienen auf die und den ferner liegenden Waben, je mehr wir uns vor- oder rückwärts dem Nachfrühling und Vorsommer annähern. Immer aber giebt es auch dann eine Gegend im Stocke, wo die Volksmasse am dichtesten erscheint und von wo aus dieselbe in geradem Verhältniss mit der successiven Entfernung abnimnt, wenn anders nicht Uebervölkerung des Stockes sich eingestellt hat. Es zeigt sich nämlich auch bezüglich der Bevölkerungsstärke eine Bewegung von einem Mininum bis zu einem Maximum und umgekehrt, genau entsprechend den oben genannten Zeiträumen, unter denen derjenige des Nachfrühlings und Vorsommers oft zur Uebervölkerung und zur Nothwendigkeit des Abgangs von Colonieen oder Schwärmen führt. Von Anfang Mai bis Ende Juli erscheinen dem Volke Drohnen beigemengt, welche im übrigen Theile des Jahres gewöhnlich fehlen, während man die Königin nur in höchst seltenen Ausnahms- fällen zu Gesicht bekommt. Bei der Befestigung der senkrecht herabhängenden, parallelen und geich weit von einander entfernten Waben an der Decke und den Seiten des Stockes ist nur eine Beobach- tung der untern Wabenränder, höchstens noch bei leeren Gassen der Wabenseiten möglich, der Einblick in das Innere der fast horizontalliegenden Zellen aber, namentlich bis auf deren durch die Mittelwand bestimmten Grund unmöglich. — Zur Untersuchung jeder einzelnen Wabe und Zelle eignen sich daher unsere napfförmigen Strohkörbe nicht, und eben so wenig ist das der Fall bei viereckigen Holzkästen mit horizontalliegender Decke und offenem Boden. Es führt aber auch dann nicht zur Erleichterung der Untersuchung, wenn der Strohkorb oder der Holzstock aus übereinander liegenden Ringen oder Rahmen mit einem horizontalen Deckel über dem obersten zusammengesetzt, d. h. theilbar wird. = We b. Der theilbare Stock. if Günstiger gestaltet sich’s, wenn man die Ringe oder Rahmen des theilbaren Stocks statt über-, neben einander stellt, sofern es sich einrichten lässt, dass die Waben den Mündungen beider parallel laufen, wobei man der einen Decke, jetzt senkrechten Thüre, gegenüber eine zweite am entgegengesetzten Ende und in einer dieser Thüren oder in einem der Ringe oder Rahmen ein Flugloch anzubringen hat. Dadurch wird der Stock zerlegbar. Die Zerlegbarkeit aber ermöglicht nur dann die Untersuchung jeder einzelnen Wabe und Zelle, wenn die Breite des Rings oder Rahmens gerade nur der Dicke der Wabe = 23 Mm. und zweimal der halben Weite einer Zwischenwabengasse 2 X 5,75 = 11,5, Summa 34,5 Mm. entspricht. Für Holzrahmen ist diess der Fall bei dem Franz Huber’schen Blätterstock. c. Der Mobilstock. Eine so weit gehende Zerlegbarkeit des Stockes hat aber für dessen Solidität als Ganzes wie für die Sicherheit des Operirens und für die Schonung des Lebens der Bienen bei dem letztern ihre erheblichen Schwierigkeiten, daher sie den Anforderungen des rationellen Bienenzüchters nicht genügen konnte, sondern diesem die Aufgabe stellte, einen Stock zu construiren, welche mit der Anforderung der Ganzheit diejenige der Zer- legbarkeit des Baues verbände. Die Lösung dieser combinirten Aufgabe verdanken wir dem Erfindungsgenie eines der grössten Bienenkenner und Bienenzüchter in unserm Jahrhundert, dem Pfarrer Dzierzon (sprich: Dscherson) in Karlsmarkt bei Brieg in Preussisch-Schlesien. Dzierzon eonstruirte einen parallelopipedischen Holzstock mit zwei parallelen Decken, von denen die äussere eine ganze, feststehende und dicke Grenzwand bildet, während die innere in verschieb- und ausziehbare Stücke von 34,5 Millim. Breite zerlegt ist, die eben dick und stark genug sind, um je eine gefüllte Wabe zu tragen, daher sie auch Wabenträger genannt werden. Dieselben ruhen in Nuthen oder auf Leisten, welche längs der Seiten- wände verlaufen und sind zur Erleichterung ihrer Trennung vorn und hinten im grössten Theile ihres Längenverlaufes bis auf Wabendicke = 23 Millim. ausgeschweift, an einzelnen Stellen aber, meist an den in den Nuthen oder auf den Leisten ruhenden Enden mit vorspringenden Backen versehen und hier 34,5 Millim:. breit. Wegen dieser Construction der Wabenträger bildet aber die innere Decke einen Rost, welcher zum Abschluss gegen die äussere Decke hin mit besonderen Brettchen, den Deckbrettchen, belegt wird. — Mit der Zerlegbarkeit des Baues verbindet sich ein weiterer Vortheil, nämlich die Möglich- keit einer successiven Erweiterung oder Beschränkung des Baues, je nach der Bewegung der Bevölkerungsstärke, welche Erweiterung oder Verengerung wieder vervollständigt wird durch das Anstossen eines senkrechten verschiebbaren Brettes, des Schiebebrettes, an den äussersten Wabenträger oder statt dessen auch verschiebbare Glasfenster. Ausserdem besitzt der Dzierzon’sche Stock, welchen man wegen der Beschaffenheit seines Baues den Stock mit beweglichem Bau oder Mobilstock nennt, 1 oder 2 äussere Einsatzthüren, am einen oder beiden Enden, im erstern Falle aber statt der Einsatzthüre eine fest- stehende Endwand. Je nach der vorherrschenden Höhe oder Länge ist der Stock, Ständer 8 = Me oder Lager, jener fast nothwendig für mehrere Wabenreihen, Etagen, über einander, dieser oft für eine einzige eingerichtet. Das Flugloch aber ist unmittelbar über dem fest- stehenden Boden entweder in einer der Seitenwände oder in der feststehenden Endwand angebracht; im ersten Falle geschieht der Ein- und Auslauf der Bienen senkrecht zur Richtung der Waben, im zweiten dagegen wenigstens zum Theil in der Richtung der- seiben; dort wird der Bau warmer genannt, weil der Wechsel von Luft und Wärme in den Gassen minder rasch zu geschehen vermag, hier kalter, weil er schneller geschieht, was besonders im Winter von Belang werden kann; den Uebergang vom warmen zum kalten Bau bildet der schiefe. d. Stäbchen und Rähmchen. Die Wabenträger in der einfachen Construction, welche ihnen Dzierzon gegeben, nach ihm auch Stäbchen genannt, dienen nur zum Tragen, keineswegs zum Schutz der an ihnen befestigten Waben auch von der Seite und von untenher und letztere müssen beim Operiren, ehe sie mit ihrem Träger verschoben werden dürfen, erst durch das Messer von ihrer Verbindung mit den Seitenwänden des Stockes gelöst werden. Diesen Um- ständen half ein anderer hervorragender Bienenzüchter unseres Jahrhunderts, August Baron v. Berlepsch in Seebach in Thürıngen durch Construction des Rähmchens ab, indem er am Wabenträger zwei seitlich herablaufende Schenkel anbrachte, welche am untern Ende durch ein dem Wabenträger paralleles Querstäbchen verbunden werden, und machte so das Operiren am Bienenstock noch sicherer und leichter, letzteres namentlich dadurch, dass man die ausgehobene Wabe, wenn die Zeit drängt, ohne Bedenken abstellen kann, wiewohl es gewöhnlich vorzuziehen ist, dieselbe Wabe in der Ordnung, in der sie aus- gehoben wurde, in einen Kasten oder einen sonstigen Behälter von gleicher Weite einzu- hängen, um sie nachher in derselben Ordnung und Flächenrichtung wieder in den Stock zu bringen. 12. Einige Beobachtungen der Bienen im Stock durch das Glasfenster. Die Beobachtung der Bienen durch das Glasfenster nach Entfernung der äussern Thüre liefert zwar spärliche und nur in seltenen Fällen solche Resultate, welche von besonderem Belange sind, da wir durch dasselbe nur Eine Wabe überblicken und von dieser blos die dem Fenster zugekehrte Fläche. Nichts desto weniger ist sie, vielfach wiederholt, werthvoll und hier und da mit den günstigsten Erfolgen belohnt, da die Bienen, weil kein Eingriff in ihren Haushalt geschieht, insbesondere kein rascher und starker Luft- und Temperaturwechsel statt hat und vor wie nach derselben durch Vor- legen der Thüre Dunkelheit herrscht, sich bald an das helle Licht gewöhnen und unbefangen ihren Geschäften nachgehen; übrigens kann wegen der trennenden Scheidewand diesen Einblick auch der Furchtsamste wagen und dann immerhin einige Belehrung gewinnen. Im tiefen Winter bemerken wir an dieser Wabe keine einzige Biene, wir erkennen nur deren Bau, wenn sie leer ist, und sie erscheint uns als solide Wand, wenn sie erfüllt ist, indem dann sämmtliche Zellen mit flachen Wachsdeckeln verschlossen sind; öfter auch. bemerken wir beide Zustände zugleich, und in diesem Falle sind gewöhnlich N die obern Zellen geschlossen, die untern offen. Die geschlossenen Zellen sind mit Honig erfüllt; die offenen gewöhnlich leer, bisweilen aber auch bei kleinzelligen Waben ver- einzelt mit verschiedenfarbigem Bienenbrot erfüllt. Mit Eintritt der wärmern Monate erscheinen erst einzelne, dann mehr und mehr Bienen, welche wohl unter unsern Augen die Wachsdeckel eröffnen, durch die Oefnung ihren Rüssel in den Honig einsenken, und von diesem schlürfen oder in Bienenbrotzellen ihren Kopf einsenken, von diesem kostbaren Stoffe Partieen wegnehmen und dann sich entfernen, während sie von andern Bienen abgelöst werden. Dieser Ab- und Zugang wird den Bienen, ohne nöthig zu haben, um den untern Rand der Wabe herum zu laufen, dadurch erleichtert, dass namentlich an den Seitenwänden, seltener unter dem Wabenträger oder in der Mitte der Wabe, kleine Löcher gelassen sind, durch welche dieselben von einer Wabenseite zur andern gelangen. Noch etwas später wird die dem Auge zugekehrte Wabenseite mehr und mehr von Bienen bedeckt und es wird schwieriger die Wabe selbst zu sehen. Da bemerkt man vielleicht an einzelnen Stellen früher gefüllte Zellen gänzlich entleert oder ofiene vorher leere Zellen mit einer wie Wasser das Licht zurückwerfenden Flüssigkeit in der Tiefe: es ist Honig; hier die Füllung beginnend, dort fortgesetzt, bis endlich der Rand erreicht ist; in diesem Falle sieht man nicht selten die Bienen mit dem allmäligen Füllen der Zellen und endlich mit deren Verschliessen beschäftigt. Bisweilen bemerkt man wohl auch Bienen mit Pollenhös’chen, welche von andern denselben stückweise mit den Kiefern abgenommen, in kleine Zellen gebracht und hier allmälig aufgespeichert und festgedrückt werden. Beim Aufspeichern des Honigs uud des Blüthenstaubes, wie bei der bald zu erwähnenden Brut, dringen die Bienen mit dem Kopfe voran in die Zelle ein, ziehen sich bald aber aus derselben zurück und führen während ihres Verweilens in der Zelle verschiedene Bewegungen aus. Hier und da sehen wir auch wohl eine ihrer Last entledigte Biene in eine leere Zelle schlüpfen und hier länger in völlig unbeweglicher Lage verharren, nämlich ausruhen. — Gegen Ende April oder Anfang Mai erscheinen zwischen den Bienen auch einzelne Drohnen, welche gelegentlich aus den Honigzellen Honig schlürfen. In besonders günstigen Fällen sieht man auf einer solchen Wabe im Spätfrühling und Vorsommer auch wohl die Königin, umgeben von einem Geleite von Bienen, welche ihr auf Tritt und Schritt folgen, sie belecken, betasten und streicheln und ihr von Zeit zu Zeit den Rüssel entgegen halten, von dem sie die mittelst des- selben dargebotene flüssige Nahrung mit dem eigenen Rüssel ableckt. Die Königin aber schreitet von einer leeren Zelle zur andern, versenkt in jede ihren Hinterleib und belegt sie mit einem Ei, wobei sie bisweilen von der Arbeit ausruht, um sie nachher wieder rüstig fortzusetzen. — Die Eier sind mittelst eines klebrigen Stoffes auf dem Boden der Zelle befestigt, in den kleinen Zellen gerade in der Mitte der rhomboödrischen Grube, und mit ihrem freien Ende der Zellenmündung zugekehrt; sie sind milchweisse durch- scheinende drehrunde Körperchen von gestreckter Gestalt und nierenförmiger Biegung, an beiden Enden abgerundet, am freien stumpfer. Gegen Ende des dritten Tages wechseln sie die aufrechte Lage mit der liegenden und nach Ablauf von drei Tagen bemerkt man im Grunde einer jeden belegt gewesenen Zelle, von einem milchweissen Brei umflossen, statt des Eies eine kleine, bogenartig gekrümmte, fusslose Larve mit dickerem, stumpfem Vorder- und dünnerem spitzem Hinterende in Querlage zur Zelle. Die Larve ist die = ME junge Biene in wurm- oder madenförmiger Gestalt, der Brei, Futterbrei, die ihr von Arbeitsbienen dargebotene Nahrung, welcher jene unter langsam vollzogener spiraliger Bewegung (sie macht in etwa 2 Stunden einen Umgang) nachgeht und die in gleichem Maasse, wie sie verzehrt wird, durch Arbeitsbienen Erneuerung findet. — Das Wachs- thum der Larven ist ein auffallend rasches, indem in der wärmsten Jahreszeit die in den kleinen Zellen befindlichen schon nach 5, die in den grossen Zellen gepflegten schon nach 612 Tagen gezwungen sind, die gekrümmte Lage mit der geraden zu vertauschen und dabei das stumpfe Leibesende der Zellenmündung zuzurichten, worauf die letztere von Arbeitsbienen mit einem Wachsdeckel verschlossen wird, der bei den grossen Zellen viel höher gewölbt erscheint als bei den kleinen. Die Anfertigung der gewölbten Brut- zellendeckel beginnt, wie diejenige der flachen Honigzellendeckel, am Mündungsrande und geschieht durch Ansatz von Wachsstreifchen an diesen; an die dem Mündungsrand angesetzten Wachsstreifehen werden weiter nach einwärts wiederum solche befestigt, so dass die Mündung immer enger und endlich nur noch als kleines Loch erscheint, welches schliesslich mit einem Wachsblättchen verschlossen wird. Nach diesem Vorgange müssen wir uns gegen zwei Wochen gedulden, ehe wir an den gedeckelten Brutzellen neue auffallende Erscheinungen durch die Glasscheibe wahrnehmen. Zuerst stellen sich solche etwa am 13. Tage nach dem Verschluss an den Deckeln über den kleinen Zellen ein, indem diese von Arbeitsbienen eingetragen werden, worauf bald die in ihnen erzogenen Thiere als vollkommen ausgebildete Arbeitsbienen hervorschlüpfen; die in den gros- sen Zellen erzogenen erscheinen nach gleicher Behandlung der Deckel etwa 3 Tage später, also etwa am 16ten Tage nach dem Verschluss, und sind Drohnen, daher die kleinen und grossen Zellen auch Arbeiter- und Drohnenzellen, die ausschliesslich aus jenen oder diesen gebildeten Waben Arbester- oder Drohmenwaben, wohl auch Arbeiter- oder Drohnenwachs, genannt werden. — Die eben ausgeschlüpften Bienen erscheinen in den zwei ersten Tagen nach ihrem Austritt aus der Brutzelle als imbeeill und in diesem Zustande blasser gefärbt, stärker behaart und minder gestreckt, unbeholfen in ihren Bewegungen, der Fütterung durch Arbeitsbienen bedürftig und ausser Stande, sich bei den Arbeiten zu betheiligen. Nach Ablauf dieser zwei Tage aber sehen wir gerade die jungen, an ihrer starken Behaarung kenntlichen Bienen mit der Pflege der Brut und Imbecillen, wie der Königin beschäftigt, sofern dieselbe wieder auf diese Wabenseite gelangt und leer gewordene Zellen auf’s Neue belegt. Sonst werden die leer gewordenen Zellen wohl auch zur Honig- oder Pollenaufspeicherung verwendet. — Gegen Ende des Juli oder Anfang August zeigt uns unsere beobachtete Wabenseite eine Anhäufung von Drohnen und Arbeitern, jene von diesen verfolgt, hier und da an den Beinen gepackt, auf dem Körper bestiegen, an den Flügelwurzeln mit den Kiefern ergriffen, und von den Honigzellen verdrängt und wir schliessen aus diesem Verhalten, dass die Drohnenschlacht begonnen hat und bis zur Entfernung oder Vernichtung sämmtlicher Drohnen durchgeführt wird. Ist diese vollendet, so bemerken wir auf der Wabe höchstens noch mit dem Unterbringen von Vorräthen beschäftigte Bienen, aber je später um so weniger, bis zuletzt alle für längere Dauer verschwunden sind. — 13. Beobachtung der äussersten Wabe als bewegliche behandelt. Die Eröffnung des Stocks, dessen Bau wir uns aus Waben in Rähmchen zusammen- gesetzt denken wollen, resp. die Entfernung des Glasfensters, setzt uns mit den Bienen in direkten Verkehr und deren Angriffen und Stichen aus, da dieselben einen Eingriff in ihren Haushalt nicht ohne Widerstand dulden. Es handelt sich daher vor Allem darum, die Bienen von vornherein durch die sie belästigende Einwirkung des Rauches nnr für ihr eigenes Wohlergehen besorgt zu machen und die Neigung, im Interesse der Sicher- heit ihres Stockes zu handeln, für die Dauer des Verkehrs zu brechen. Man nennt das die Besänftigung der Bienen mittelst des Rauches. Es wird daher am besten sein, ehe wir an die Entfernung des Glasfensters gehen, einige volle Züge Rauch durch das Flug- loch einzublasen, dann das letztere erst an einer Stelle zurückzuziehen, durch die ent- standene Spalte Rauch einzubringen, darauf dasselbe zu entfernen und noch etwas Rauch auf die Fläche der blossgelegsten Wabe, namentlich aber auf deren Seitenränder und den freien untern Rand und im weitern Verlaufe hier und da noch, aber selten, einen Zug zu appliciren; dann brechen wir rasch das Deckbrett los und entfernen es, trennen die Enden des Wabenträgers von ihrer Unterlage und von dem folgenden Wabenträger, ziehen jenen mit der daran hängenden Wabe hervor und aus dem Stocke heraus. Ist die- selbe dicht mit Bienen besetzt, so lässt sich Jlennoch eine jede beliebige Stelle bequem untersuchen, da die Bienen von derselben zurückweichen, wenn sie mit Rauch angeblasen werden; nur an offenen Honigzellen ist das nicht so leicht der Fall, da die Bienen den in diesen enthaltenen Honig, um denselben ihrem Heimwesen zu erhalten, gierig einsaugen, so dass ihr Hinterleib oft in kurzer Frist zu bedeutendem Umfang anschwillt. Befindet sich die Königin auf der herauszunehmenden Wabe, so sucht sie zu entfliehen, zunächst auf deren Rückseite und von dieser auf die nächstfolgende; gelang ihr aber die Flucht auf diese nicht, so verbirgt sie sich unter die die Waben belagernden Bienen, welche ihrerseits die Königin durch dichteres Zusammenhäufen über ihr zu verbergen suchen. Ein oder einige Züge Rauch bewirken auch hier das Zurückweichen der Bienen und bringt uns wieder die fliehende Königin zu Gesicht und oft in solche Lage, dass wir sie an den Flügeln ergreifen und von der Wabe abheben können. Dieses Abheben aber ist häufig für die Königin verhängnissvoll, da sie, auf die Wabe zurückversetzt, besonders nach Einhängen der letztern, von einem Bienenknäuel umschlossen, feindlich angegriffen und gewöhnlich durch Stiche getödtet wird, sofern es uns vor Eintritt dieses Looses nicht gelingt, dieselbe aus dem Knäuel zu befreien und durch deren Beisetzung in einem von engem Drahtgitter umschlossenen Käfig vor neuer Umschliessung und feindlicher Be- handlung so lange zu schützen, bis die Aufregung der Bienen sich gelegt hat. Dass aber dieser Grad der Beruhigung eingetreten, erkennen wir daran, dass die Bienen nicht in dichten Massen den Käfig belagern, nicht in die Drähte desselben beissen und nicht durch deren Zwischenräume stechen, vielmehr vereinzelt und ruhig auf demselben blos hin und hergehen, ja bisweilen mittelst des durchgestreckten Rüssels der Königin Nahrung darbieten. Erst in diesem Falle kann die Eröffnung des Käfigs ohne Bedenken ge- schehen, jedoch mit der Vorsicht, dass die Königin nicht abermals berührt werde. — Sollte die Königin bei Aushebung der Wabe auf die nächst folgende entkommen sein, Bu so wiederholt sich der gleiche Vorgang mit jeder fremden Königin, welche wir frei oder schon im Käfig und im erstern Falle nach Berührung oder ohne Vorangehen einer solchen beisetzen, im letztern Falle aber kommen die Bienen so lange nicht zur Ruhe, bis die eingeschlossene Königin, zu der sie des Gitters wegen nicht vordringen konnten, den Hungertod gestorben. — Wir ersehen aus dem Nächstvorhergehenden, dass eine fremde Königin in einem Stock, der seine eigene Königin hat, unter allen Verhältnissen feindlich behandelt und aus dem Frühern, dass die feindliche Behandlung selbst dieser eine Zeitlang zu Theil wird, wenn sie von unsern Händen erfasst, wohl weil sie einen andern Geruch verbreitet als sonst und daraus vielleicht für einen Eindringling gehalten wird. — Handelt es sich einzig um eine genaue Untersuchung der Wabe für sich, so kann man die Bienen mittelst des Bartes einer Kielfeder von derselben abstreifen, wobei es gerathen ist, das Abstreifen von unten nach oben auszuführen, da so die empfindlichen Fühler der meist mit dem Kopf nach oben gerichteten Bienen am wenigsten mit dem Federbarte in Berührung kommen. Geschieht das Abstreifen im Stocke, so laufen alle Bienen auf dem Boden in’s Innere desselben und steigen dann an die Waben empor, geschieht es vor oder neben dem Flugloche, so laufen sie durch dasselbe ein, geschieht es endlich entfernt vom Stocke an irgend einer andern Stelle, so fliegen sie mit Aus- nahme der jungen Bienen, unter denen übrigens die Imbecillen noch gar nicht im Stande sind, sich in die Luft zu erheben und, aufgenommen, vor das Flugloch gebracht von den eigenen Stockgenossen oft nicht mehr aufgenommen werden, dem Flugloche zu und laufen durch dieses ein und es ist daher, wenn junge Bienen än der ausgehobenen Wabe sich befinden, stets rathsam, das Abstreifen im Stocke vorzunehmen, damit sich dieselben weder verfliegen, noch ausgeschlossen bleiben. 14. Zusatz einer ausgebauten Wabe oder eines mit einem Wabenanfang ausgestatteten Rähmchens zur Zeit der Volltracht. Ist die letzte Wabe mit Brut besetzt oder mit Vorräthen erfüllt und von Bienen belagert und wird den letztern in diesem Falle eine leere Wabe dargeboten, so wieder- holen sich die in den beiden vorstehenden Kapiteln dargelegten Erscheinungen bald bezüglich der Aufspeicherung von Vorräthen, bald bezüglich des Brutgeschäfts, bald auch be- züglich beider. — Anders verhält sich die Sache, wenn die Bienen ein Rähmchen mit einem kleinen und schwachen, an der Mitte des Trägers passend befestigten Wabenanfang erhalten haben. In diesem Falle sehen wir durch die Glasscheibe hindurch bald den Waben- anfang von jungen Bienen mit vollem Hinterleibe ganz verdeckt, indem dieselben in Form eines dichtgedrängten Zapfens oder Klumpens mehr oder weniger breit und tief vom Wabenträger herabhängen. Bei Fortsetzung der. Beobachtung rücken die Bienen des Klumpens immer weiter nach den Seiten und abwärts vor, so dass unserm Blicke erst der befestigte Wabenanfang, dann aber eine Erweiterung des Wabenbaues nach seitwärts und abwärts bemerklich wird. In demselben Maasse aber, in welchem der Bau fort- schreitet, erscheinen ältere Bienen, welche die Zellen mit Vorräthen versorgen, hier und da erscheint wohl auch die Königin, um dieselben für die Eierlage in Anspruch zu nehmen. Eröffnen wir während des Baugeschäftes nach den früher angeführtea Regeln den Stock und ziehen behutsam das Rähmchen hervor, so fällt uns die Zusammensetzung des Klumpens aus bogenförmigen Ketten von Bienen auf, welche alle mit den Köpfen nach aufwärts gekehrt, mit Ausnahme der obersten und untersten Glieder der Reihe mit ihren Vorderbeinen die Hinterbeine der nächst vorhergehenden Bienen erfasst haben, während die beiden obersten mit den Vorderbeinen an den Wabenträger oder die Wabe angeklammert, die untersten mit den Hinterbeinen gegenseitig an einander geklammert erscheinen. Diese Kettenbildung im Klumpen oder Zapfen wird uns entweder dann klar, wenn einzelne oberste Glieder der Reihe an der nächstfolgenden Wabe sich angeklammert haben, oder wenn wir unter zwei über einander befindlichen Bienen ein Stäbchen bringen und dasselbe gegen uns vom Klumpen weg erheben. — Uebrigens finden wir diese Zu- sammensetzung aus Ketten bei jeder Klumpen- oder Zapfenbildung wieder, so beim Vorliegen der Bienen, beim Anhängen eines Schwarms und zwischen den Waben während der Winterruhe und sie macht es begreiflich, wie trotz der Grösse und Schwere des. Zapfens derselbe dennoch zusammenhält. — Betrachten wir nun den Boden des Stocks unterhalb des Bienenzapfens genauer, so sehen wir ihn nicht selten mit kleinen, dünnen und glimmerartig glänzenden Blättchen loser oder dichter belegt, ja bisweilen wie beschneit, und die Substanz dieser Blättchen verhält sich genau wie Wachs; bei genauerer Unter- sushung der Bienen in den Ketten des Zapfens gelingt es uns aber bisweilen, die Ur- ° sprungsstälte dieser Blättchen zu finden. Wir sehen nämlich an der Unterseite des Hinterleibs, jederseits neben der in der Mitte verlaufenden Längskante über den Hinter- rand der 3—4 mittlern Bauchschienen, und zwar in gleicher Entfernung von jener Kante, ein solches, somit im Ganzen 3—4 Paare hervortreten. Jedes dieser - Wachs- blättchen hat die Gestalt eines symmetrischen Trapezoides mit abgerundeten Ecken, zwei gleichen längern, innern und zwei von jenen verschiedenen, aber unter sich gleichen, kürzern, äussern Seiten, jene einen spitzen, diese einen stumpfen Winkel bildend, während die langen und kurzen Seiten zwei gleiche stumpfeste Winkel, und zwar einen vordern und hintern bilden. Da wir nun solche Wachsblättchen frei oder am Körper der Bienen hervortretend stets während des Wabenbaues und fast nur zu dieser Zeit finden, so lässt sich von vorn herein schliessen, dass sie zu diesem als Baustoff in Beziehung stehen, daher die mit ihnen besetzten Arbeiter, meist junge Bienen, Wächserinnen genannt werden. 15. Zerlegung des beweglichen Baues. Obwohl ohne Gefahr für die Bienen und ohne Schädigung des Baues dessen Zer- legung im Winter, wie im rauhen Vorfrühling und Spätherbst kaum zu wagen ist, nur auf dringende Nothfälle beschränkt bleibt und, wenn irgend thunlich, im warmen Zimmer vorgenommen werden sollte, so halte ich es dennoch hier für gerathen, die Betrachtung mit dem tiefen Winter zu beginnen und die Erscheinungen, jedoch nach ihrem Wesen getrennt, successive in der Reihenfolge der Monate zu verfolgen. a. Räumliches Verhalten der Bevölkerung im Kreislauf des Jahres. Im Dezember und Januar, gewöhnlich auch noch im Februar und März sind die Bienen zwischen wenige Waben und Gassen zapfen- oder klumpenartig zusammengedrängt ee und nur äusserst selten vereinzelt auf den nächstbenachbarten Waben anzutreffen, dann aber gewöhnlich abgestorben. Erst hängt der Klumpen tiefer an den Waben, allmälig aber rückt er langsam höher und höher. Hat er mit seinen obersten Gliedern die Wabenträger erreicht, dann rückt er immer zusammenhaltend und in gleicher Weise sich benehmend zu den in einer gegebenen Richtung gelegenen, nichst benachbarten Waben fort und wiederholt dieses Vorrücken nach derselben Richtung und das allmälige Empor- steigen von Wabe zu Wabe. In dem gleichen Maasse, in welchem das Vorrücken des Klumpens nach aufwärts und von Wabe zu Wabe geschieht, werden die gedeckelten Honigzellen eröffnet und ihres Vorraths entleert. Nach dem ersten Reinigungsvorspiel wird der Klumpen allmälig minder dicht, daher die Bienen mehr Waben als vorher belagern und gleichzeitig zwischen den belagerten Waben hin und her sich bewegen. Vom März an erscheinen einzelne Bienen auf Waben, welche den belagerten zunächst liegen, holen von diesen Honig und Bienenbrot und kehren mit diesen Stoffen zu den belagerten Waben zurück, legen aber gleichzeitig auch von aussen gebrachte Pollen- massen in die Zellen dieser nicht belagerten Waben. Von nun an schreitet die Ent- häufung rascher vorwärts und mit ihr wird auch der Ersatz der entnommenen Stoffe grösser und grösser, erst noch hinter dem Verbrauche zurückbleibend, dann mit diesem in gleiches Verhältniss tretend, endlich aber denselben mehr nnd mehr überwiegend und zu mehr oder weniger bedeutenden Vorräthen sich häufend. Schon nach dem ersten Dritttheil des April sehen wir einzelne Bienen mit der Absetzung eingetragenen Honigs in die Zellen beschäftigt (D’Beie chotze s’ Hung. Luzern) und jenen aus diesen hervor das Licht glänzend zurückstrahlen. Von nun an breiten sich die Bienen, an Zahl stetig zunehmend, besonders während der Monate Mai und Juni, in denen auch die grössten Vorräthe an Honig und Zellen aufgespeichert werden, durch den ganzen Stock stetig aus und verharren in dieser Ausdehnung, wohl auch in der Mehrung der Vorräthe durch den Juli, zum Theil auch unter günstigen Bedingungen im August. Im September aber werden die noch nicht gedeckelten zum Theil selbst die gedeckelten Honigvorräthe von den Bienen aus den Zellen der äussern®Waben nach dem Innern des Baues über- tragen und es beginnt das Zurückweichen der Thiere in das Innere des Baues, welches sich durch die Monate Oktober und November in dem Grade fortsetzt, dass gegen Ende dieses Monats die Zusammendrängung bis zur Klumpenbildung zwischen wenigen Waben gediehen ist. b. Brutgeschäft und Bevölkerung, Arbeiter und Arbeitstheilung. Bei dem Brutgeschäfte sind die Königin und die jungen Bienen betheiligt, jene durch die Eierlage, diese durch die Brutpflege. Einen begünstigenden Einfluss auf das- selbe üben weiter Stärke der Bevölkerung und Reichthum an Vorräthen. Den eigent- lichen Wirkungskreis der Königin und die Hauptstätte des Brutgeschäftes bilden die in der Nähe des Fluglochs befindlichen Waben; je weiter entfernt von diesem, sei’s in horizontaler, sei’s in verticaler Richtung, desto mehr werden die Waben, statt zur Aufnahme der Brut, zu derjenigen des Honigs verwendet, daher man den dem Baue angewiesenen Raum in zwei nach der Jahreszeit an Grösse wechselnde 'Theilräume, das Honig- und das Brutlager theilt, welche übrigens fast unmerklich in einander übergehen, aber von = W, ı von einander dennoch mehr oder geschieden durch eine oder mehrere Waben, welche besonders reich an Pollenvorräthen sind. Die Königin legt im Laufe des Jahres unter gewöhnlichen Verhältnissen mindestens 100,000 Eier, in volksstarken Stöcken mehr, in volksschwachen weniger, erfüllt aber nicht zu allen Zeiten des Jahres ihre mütterlichen Functionen, indem vom October bis in den Februar die Eierlage und somit auch das Brutgeschäft gänzlich eingestellt ist. Die Aufnahme des Brutansatzes erfolgt bei starken Stöcken durchschnittlich nach dem ersten Reinigungsausflug im Februar, selten in warmen Wintern und bei Stöcken auf warm gelegenen Ständen schon gegen Neujahr, bei schwächeren Stöcken wohl erst im März. Von da an nimmt er, allmälig von Wabe zu Wabe fortschreitend und so sich räumlich immer mehr ausbreitend, stetig an Schnelligkeit und Stärke zu und erreicht seine grösste Höhe gegen Ende des Juni. Vom Juli an nimmt er eben so stetig an Schnelligkeit, Stärke und Ausdehnung ab, immer mehr gegen den Ausgangspunkt des Brutlagers sich zurückziehend, bis er etwa mit Ende Septembers seinen Abschluss erreicht. Aehnlich verhält sich die Entwickelungsdauer der Brut, welche erst länger gestreckt, dann allmälig beschleunigt und endlich wieder mehr und mehr verzögert erscheint. Die zuerst und zuletzt eingeschlagene Brut ist Arbeiterbrut; die Eierlage in Drohnenzellen und die Aufzucht der Drohnen, parallel gehend mit fortgesetzter Eierlage in Arbeiter- zellen und Aufzucht von Arbeitern, beginnt im April und endet im Juli. Besonders im Mai und Juni finden wir oft Wabe an Wabe mit Brut in allen Entwickelungsstadien besetzt, da eine Wabe mit Eiern und jungen Larven, dort eine solche mit jungen und ältern Larven, ferner eine solche mit ältern Larven und gedeckelten Zellen, weiter eine mit nur gedeckelten Zellen, dann eine mit gedeckelten Zellen und ausschlüpfenden Bienen, endlich eine mit eben leer gewordenen und zum Theil schon wieder mit Eiern besetzten Zellen. Die Menge der Brutzellen ist oft eine erstaunliche, aber begreiflich, wenn wir erwägen, dass eine fruchtbare Königin in den beiden letztgenannten Monaten täglich zwischen 12— 2400 (manche schätzen 2000—3000) Eier legt. Da nun aus dem Arbeiter-Ei nach Ablauf von drei Tagen die Larve tritt, welche fünf Tage in offener Zelle gepflegt, dann aber mit einem Deckel bedeckt wird und unter diesem 13 Tage zu ihrer Verwandlung bedarf, worauf die ausgebildete Arbeitsbiene nach der Beseitigung des Deckels die Zelle verlässt und zwei Tage im nahrungs- und pflegebedürftigen oder imbecillen Zustand verharrt, daher sie noch der Brut beizuzählen ist, so ergiebt sich, dass gleichzeitig an einem bestimmten Tage in einem wohl bestellten Stocke 1. Eier . . » 2 ..2..8 (1200-2400) = 3600 — 7200 2. unbedeckelte Larven 5 (1200-2400) = 6000 — 12000 3. bedeckelte Thiere . 13 (1200-2400) = 15600 — 31200 4. Imbeclle . . . 2 (1200-2400) = 2400 — 4800 In Entwickelung begriffene Arbeiter Summa = 27600 — 55200 vorkommen können, dass von den drei ersten Kategorieen 25200 — 50400 Zellen in Anspruch genommen werden und dass die Zahl der leistungsfähigen Arbeiter tagtäglich um 1200 — 2400 Glieder vermehrt wird. 9 ei ee Auf diesem Bevölkerungszuwachs beruht im Frühling die Hebung, im Vorsommer die für den Stock übermässige und zum Schwärmen führende Vermehrung, im weitern Verlauf aber die auf Bewahrung des leistungsfähigen Zustands gerichtete Erhaltung des Volksbestands, welche den durch Verletzungen und Alter, Krankheiten und Feinde, Un- bill der Witterung und sonstige störende Einflüsse verursachten Abgang an Arbeitern gewöhnlich weit überwiegt. Die Arbeiter aber besorgen zum Theil die häuslichen, zum Theil die Feldgeschäfte und zerfallen darnach in Haus- und in Trachtbienen, von denen die erstern die jüngern sind, indem, dieselben noch 14 bis 17 Tage im Stocke bleiben, obwohl sie vom sechsten Tage an bei schönem Wetter wiederholt vor den Stock kommen, fächeln, sterzen, und Vorspiele halten, während die zweiten erst abwechselnd Haus- und Feldgeschäfte, nach und nach aber ausschliesslich die letztern besorgen und dabei erst nur Pollen, dann Pollen und Nektar, und schliesslich nur diesen noch sam- meln und eintragen. Die Zahl der Hausbienen, die sich vorzüglich im Brutlager auf- halten, ist möglicherweise an einem Tage des Mai oder Juni die folgende: - 5. beständig im Stocke sich aufhaltende 5.(12—2400)— 6000 —12000 6. zeitweise hervorkommende und vorspielende (9— 12). (12— 2400) — 10800— 28800 Mögliche Zahl aller Hausbienen — 16800 — 40800 Viel weniger lässt sich die Zahl der Trachtbienen bestimmen, welche während des Tages zum grössten Theil im Freien beschäftigt und dabei vielen Gefahren ausgesetzt sind, im Stocke aber vorzüglich das Honiglager einnehmen; immerhin dürfen wir die 7. Zahl der Trachtbienen zu . i : E : - 16800 — 40800 auf's Wenigste anschlagen, so dass die 8. Zahl der Haus- und Trachtbienen auf . - : ; 33600 — 81600 ansteigen kann und mit den in Entwicklung begriffenen Arbeitern . . Ä h 27600 — 55200 9. einen Gesammtbestand in Entwicklung | begriffener uud leistungsfähiger Arbeiter J ee zu repräsentiren vermag. Von den Arbeiten im Bienenstocke fällt den Hausbienen vorzüglich 1. die Pflege des Brutgeschäftes zu, bestehend in Besorgung der Königin, Bereitung des Futterbreies, Fütterung sämmtlicher Larven, Verschluss der Brutzellen mit schützenden Wachsdeckeln, Entfernung derselben zur Erleichterung des Ausschlüpfens der Imbecillen, Wartung der leztern und Reinigung der frei gewordenen Brutzellen, so dass diese zu neuer Brutaufnahme sich eignen; ausserdem ist ihnen vorzüglich 2. die später näher zu bestimmende Besorgung des Wachsbaues übertragen. Sie sind demnach die Brutpfleger und Bauarbeiter. Die Tracht- bienen dagegen haben unter gewöhnlichen Umständen die nöthigen Stoffe, Wasser, Pollen, Nektar und Kitt im Freien aufzusuchen, zu sammeln, in den Stock einzutragen und hier theils abzugeben, theils aufzuspeichern, zum Theil auch selbst zu verwenden. Sie sind successive Pollen-, Mischtracht- und Nectarsamnler. Diesen verschiedenen Kategorieen der Trachtbienen können wir füglich je den dritten Theil ihrer Gesammtzahl oder je 5600 —13600 zuweisen, — oder, wenn wir nur das =, Mi Thätigkeitsergebniss der Mischtrachtbienen in’s Auge fassen, die Hälfte der letztern den ausschliesslichen Pollensammlern, die andere Hälfte dagegen den ausschliesslichen Nek- tarsammlern mit je 28300—6800 Arbeitern zutheilen, so dass wir nur zwei Kategorieen mit je 8400— 20400 Trachtbienen erhalten. Von diesen beiden Kategorieen aber würde die eine, die jüngern Trachtbienen begreifende, abwechselnd Haus- und Feldgeschäfte besorgen, bei schlechter Witterung an jenen regern Antheil nehmen, im Nothfalle aber, wie das bei Kolonieen geschieht, welche durch Schwärme neu begründet wurden und denen Hausbienen gänzlich fehlen, die Hausgeschäfte nahezu allein verrichten, während die ältern Trachtbienen nur zum geringsten Theile noch den Hausgeschäften sich zu- wenden und unter Umständen fast gänzlich unthätig sein würden. — Den Haus- und Trachtbienen zugleich ist die Sorge für die Gesundheit und Sicherheit des Stockes zur Aufgabe gemacht, jene bestehend in der Ventilation und in Entfernung oder Abgrenzung alles Unreinen, diese in Aufstellung von Wachen, Maassregelung von Eindringlingen und Feinden, sowie in Abwendung oder Abwehr sonstiger Gefahren. Der Arbeiten sind also viele; aber sie können ausgeführt werden und werden’s, da alle Geschäfte in gehöriger Ordnung geschehen und jedes einzelne sofort in Angriff genommen wird wegen der bis in’s Speciellste durchgeführten Arbeitstheilung. Diese beruht aber auf den den verschiedenen Altersstufen entsprechenden, successiv eintretenden Veränderungen in den Neigungen und Fähigkeiten, welche ganze Gruppen von Indivi- duen betreffen, dieselben an bestimmte Geschäfte verweisen und jeden einzelnen Arbeiter an die erforderliche Stelle im Stocke oder im Freien binden. Uebrigens zeigt sich eine merkwürdige Beziehung zwischen der Zahl der Arbeiten und der Zahl der für deren Durchführung nöthigen Arbeiter. Im Winter auf ein Minimum reducirt, nehmen die erstern bis in den Vorsommer stetig zu, um von da an wieder abzunehmen, bis sie im Spätherbst auf das im Winter herrschende Minimum zurücksinken. Im gleichen Ver- hältniss aber wechselt die Volkszahl, welche mit der geringsten Menge leistungsfähiger Arbeiter gegen Ende des Winters beginnt, nach Aufnahme des Brutgeschäftes sich stei- gert, im Mai und Juni ihr Maximum erreicht und vom Juli an allmälig abnimmt, bis sie im Winter wieder ihr Minimum erlangt hat. Das Maximum im Mai und Juni aber ist häufig eine zu der Grösse der Wohnung und des Baues ausser Verhältniss stehende Uebervölkerung, nnd diese führt in der Regel zur Abgabe von Colonieen oder Schwärmen, von denen unter sonst gleichen Umständen aus geräumigen Wohnungen je einer, aus klei- nern dagegen je mehrere abgehen. e. Auf das Schwärmen bezügliche Erscheinungen. Das Schwärmen, welches, wie oben erwähnt, durch Uebervölkerung des Stockes zu einer Zeit bedingt wird, in der das Brutgeschäft und der leistungsfähige Volksbestand seine Höhe erreicht hat, fällt bei uns in eine sechswöchentliche Periode, nämlich An- fang Mai bis Mitte Juni, wenn schon ausnahmsweise einzelne Schwärme bereits gegen Ende des April oder erst in der zweiten Hälfte des Juni, ja bisweilen noch Anfang Juli erscheinen. Je früher übrigens der Abgang eines Schwarms erfolgt, desto gün- stiger sind die Verhältnisse zur Einrichtung und Ausstattung des von ihm begründeten Staatswesens, desto grösser daher sein Werth; daher der waadtländische Ausspruch: a 7 »ä l’ascension les bons essaums« (für essaims), »zur Himmelfahrt kommen die guten Schwärme,« da die Auf- oder Himmelfahrt stets in den frühen Zeitraum zwischen den 30. April und 3. Juni fällt. Die erste Vorbereitung zum Schwärmen ist der Ansatz von Drohnenbrut, welcher bei volkreichen Stöcken gegen Mitte des April beginnt. Das Drohnenei unterscheidet sich weder in Grösse noch in Form von dem Ei der Arbeitsbienen und lässt wie dieses die Larve nach drei Tagen austreten. Arbeiter-- und Drohnenlarven haben wesentlich die gleiche Form und stimmen darin überein, dass sie von der Zeit an, wo sie etwa ihre mittlere Grösse erreicht haben, längs der Mitte des Rückens einen gelben Längs- streif besitzen. Dagegen dauert das Wachsthum der Drohnenlarven in offener Zelle sowie der gedeckelte Zustand je 12 Tage länger, nämlich dort 6!e, hier 14! , die ganze Entwickelung also 3 Tage mehr als bei der Arbeitsbiene, nämlich 24 Tage. Der Deckel der Drohnenzelle ist übrigens nicht bloss grösser, sondern auch verhältnissmässig höher gewölbt als derjenige der Arbeiterzelle. Auch das Einspinnen der Drohnenlarve dauert 4 Tage länger, nämlich 8 Tage. Die Drohneneierlage hängt übrigens, abgesehen von Volksreichthum, Zeit, Witterung und Ergiebigkeit der Tracht von der Stimmung der Bienen, von der Beschaffenheit der Königin und von der Menge der vorhandenen Droh- nenzellen im Stocke ab und wird bei günstig bleibenden Verhältnissen bis in den Juli fortgesetzt. Die Zahl der im Stock vorhandenen imbecillen und flugbaren Drohnen ist demnach ebenfalls verschieden, in der Regel aber im Verhältniss zu der Arbeiterzahl gering und auf der Höhe des Drohnenreichthums durchschnittlich höchstens den vier- zigsten Theil jener erreichend. Finden wir einige Wochen vor Eintritt der Schwärmperiode oder während derselben nach Beginn des Ansatzes von Drohnenbrut in einem Stock an den mit Arbeiterzellen versehenen Rändern einer Brutwabe einzelne dickwandige niedere Näpfe oder höhere Krüge aus Wachs mit ziemlich grosser kreisrunder, nach abwärts gerichteter Mündung der geräumigen Höhle im Innern oder die Krüge durch hochgewölbten Deckel geschlossen, öfter diese verschiedenen Formen gleichzeitig, so erinnert uns das Vorkommen dieser dritten eigenthümlichen Art von Brutzellen daran, dass wir in nächster Zeit, sei’s etwas später, sei’s etwas früher, einen Schwarm zu erwarten haben. Es sind nämlich diese napf- oder krug-, flaschen- oder stalaktitenförmigen Zellen die Brutwiegen junger Kö- niginnen, welche, nach Abgang des von der bisherigen Königin (der Mutterbiene oder Bie- nenmutter) begleiteten Vorschwarms, entweder je mit einem Nachschwarme abzuziehen, oder an die Stelle der erstern, jedoch nur in Einzahl, zu treten haben; es sind die Schwarmweiserzellen oder schlechtweg Schwarmzellen und die in ihnen erbrüteten Köni- ginnen die Schwarmköniginnen. In dem offenen Napfe finden wir, wenn er noch nieder ist, ein Ei, ist er höher oder bereits zum offenen Kruge geworden, eine Larve, letztere von reichlichem Futterbrei umgeben, den die Arbeitsbienen in denselben gebracht haben und von Zeit zu Zeit bringen. . Aus dem Ei aber, wenn es eben gelegt ist, kommt wie gewöhnlich nach 3 Tagen die Larve hervor, welche nie den gelben Rückenstreif der Arbeiter- und Drohnenlarve erhält, dagegen wie jene nach weitern 5 Tagen ausge- wachsen, sich in gerade Richtung zur Zelle stellt, worauf die Mündung der letztern von Arbeitsbienen mit dem schützenden Deckel überwölkt wird, unter welchem die Larve Me binnen eines Tages sich über den Vorderkörper umspinnt, nach weitern 2° Tagen sich verpuppt und nach ferneren 443 Tagen zum Ausschlüpfen bereit ist; somit dauert der Verschluss der Zelle 8 Tage, sofern nicht der Austritt der jungen Königin von den Bienen verhindert wird, was bisweilen bis auf eine Dauer von 8 Tagen geschieht. Diese Verhinderung ist aber, so lange die Bienen schwärmen wollen, eine gewöhnliche Erschei- nung und ein Schutz für die zurückgehaltene Königin gegen Angriffe der Mutter, oder, wenn diese abgezogen, gegen solche einer bereits ausgeschlüpften und frei im Stock sich bewegenden Schwester, da die Natur jede Königin mit tödtlicher Eifersucht gegen jede reif gewordene Nebenbuhlerin erfüllt hat. Die Angriffe gegen die in der Weiselzelle befindliche junge Königin können nur verhütet werden mittelst dichter Belagerung jener durch die für das Leben ihres Insassen besorgten Bienen und werden’s; die an ihrem verderblichen Vorhaben verhinderte Königin aber stellt die Eierlage ein, rennt in ihrer Aufregung von Wabe zu Wabe und trägt ihre eigene Unruhe auf die ganze Bevölkerung über, welche flugfähig im Stocke verweilt und schon länger nach Hebung der durch die Uebervölkerung beschwerlichen Stauung im Stocke sich sehnt, auf Arbeiter und Drohnen, auf jüngere und ältere Thiere, bis endlich die Unruhe zum Auswanderungsdrange sich steigert, der schliesslich im Schwarmauszuge seinen Ausdruck findet. Untersuchen wir einen Stock nach Abgang eines Schwarms, so finden wir in jenem fast nur bedeckelte Brut, welche zum Theil im Auslaufen begriffen ist, öfter auch eine oder einige noch gedeckelte Weiselzellen und können nach letzterem Verhalten ziemlich sicher voraus- bestimmen, ob er einen, vielleicht auch mehrere Nachschwärme abgeben dürfte. Bestärkt werden wir in unserer Ansicht, dass Nachschwärmen eintreten werde, wenn wir die son- derbaren Töne des Tütens und Quakens vernehmen, jene herrührend von der frei im Stocke herumlaufenden Königin, diese von den noch in der Brutzelle zurückgehaltenen Schwestern, Tritt aber das Nachschwärmen ein, so erfolgt der Abgang des Zweit- schwarms 7—9 Tage nach demjenigen des Vorschwarms, des Drittschwarms etwa 3 Tage nach dem des Zweitschwarms, späterer Nachschwärme dagegen nach kürzern und weniger bestimmten Fristen. Wird endlich die Schwarmlust eingestellt, so zerstreuen sich die Bienen von den noch uneröffneten Zellen und geben so die überzähligen Köni- ginnen preis und es werden die einen, sofern sie ausgelaufen sind, im Zweikampfe der Königinnen unter einander getödtet, oder es geschieht die Tödtung in der Weiselzelle, nachdem die freie Königin die letztere von der Seite her aufgebrochen hat; unter allen Umständen aber werden die frei gewordenen Weiselzellen, im letztern Falle nach Ent- fernung des Leichnams, von den Bienen abgetragen, eine Erscheinung, welche diese Zellen wesentlich wiederum von den Arbeiter- und Drohnenzellen unterscheidet, da diese perma- nent sind. Der abgezogene Schwarm kann ein sehr verschiedenes Gewicht ergeben; die Gewichtsgrenzen für einen brauchbaren, d. h. selbsterhaltungsfähigen Schwarm liegen zwischen 1—3,5 Kilogramm — 2—7 schweiz. Pfund. Die Aufnahme der Eierlage ge- schieht nur in der von dem Vorschwarm begründeten Kolonie, sobald in deren Stocke Zellen zur Verfügung stehen, da nur dieser eine schon fruchtbare Königin besass; im Mutterstock, sowie in dem von einem Nachschwarm bezogenen dagegen hat sie erst nach der Befruchtung der jungen Königin statt und tritt im günstigsten Falle ein etwa 2 Tage, nachdem die Befruchtung erfolgt ist. Die Befruchtung der jungen Königin ist U aber die unerlässliche Bedingung für deren Befähigung, jegliche Art der Eierlage zu vollziehen, d. h. Arbeiter- und königliche Eier, sowie Drohneneier zu legen, darf aber im Allgemeinen nicht über die Frist von 3 Wochen hinaus verschoben bleiben, wenn nicht der Fall eintreten soll, dass die Königin entweder gänzlich unfruchtbar, d. h. zum Eierlegen überhaupt unfähig, oder nur zur Drohneneierlage befähigt, mit einem andern Worte: »drohnenbrütig« werde. Da die Befruchtung der jungen Königin nur ausser- halb des Stockes, bei milder, windstiller und mehr trockener Witterung und während der wärmern Tagesstunden geschieht, während zahlreiche Drohnen die Luft durchkreuzen, so gehört eine Verzögerung oder gänzliche Verhinderung nicht eben zu den seltensten Fällen. Ueberdies drohen dem Leben der jungen Königin auf ihren Ausflügen durch Feinde und Wetter mancherlei Gefahren, so dass bisweilen ein Stock weiserlos wird und dadurch dem Untergange verfällt, wenn nicht der Mensch zu Hilfe kommt durch Dar- bietung sei’s einer fruchtbaren oder jungen Königin, sei’s einer gedeckelten Weiserzelle, sei’s junger Arbeiterbrut aus einem andern Stock, Rettungsmittel, von denen das erste am raschesten und sichersten, das letzte am langsa:.nsten den Verlust ersetzt. d. Aufzucht von Nachschaffungsköniginnen durch die Bienen. Dass die Bienen aus jüngern Arbeiterlarven Königinnen zu erziehen vermögen, ist eine Thatsache, welche, im vorigen Jahrhundert entdeckt, bestätigt und erklärt, in jedem Falle von Weisellosigkeit bei Anwesenheit von Arbeiterbrut und jungen Bienen sich als richtig erweist und es ist diese Aufzucht von Königinnen aus Arbeiterbrut ein häufiges Rettungsmittel der in Folge eingetretener Weisellosigkeit gefährdeten staatlichen Existenz eines Bienenvolks zu der Zeit, wenn gleichzeitig bei ihm oder bei andern Völkern die befruchtenden Drohnen nicht fehlen. Wir selbst können uns auf dem Wege des Ver- suchs von der Richtigkeit der Sache überzeugen. Entfernen wir zu einer solchen Zeit aus einem in jeder Beziehung gut bestellten Stocke die Königin (wir wählen dazu am zweckmässigsten eine ältere, in ihren Leistungen als fleissige Eierlegerin abnehmende oder unter Umständen eine mehr oder weniger schad- haft gewordene und zur Eierlage minder befähigte, welche vielleicht von den Bienen selbst über kurz oder lang und vielleicht unter ungünstigen Umständen abgeschafft oder sonst abgehen würde), so können wir nach und nach verschiedene auf die Nachzucht von Königinnen aus Arbeiterlarven bezügliche Vorgänge im Verhalten der Biene an Arbeiter- Zellen und den in ihnen befindlichen Eiern oder Larven beobachten. Der Verlust der Königin kommt erst nach und nach in der Bevölkerung zum Bewusstsein, erzeugt aber dann, wenn dieses allgemein geworden, eine traurige, auch durch Töne sich äussernde Stimmung, welche vom einfachen Wehklagen oder Jömerlen bis zum Heulen sich steigern. Die Bienen werden rathlos nnd thatlos, furchtsam, scheu und unsicher in ihrem Benehmen; sie unterlassen das Fächeln und Sterzen und diejenigen, welche vor _ dem Flugloche sich befinden, stehen verlegen da und schrecken bei jeder ungewöhnlichen Erscheinung auf, während andere, innen im Stock und aussen an ihm ängstlich nach der verlorenen Mutter suchen. Das dauert einige Zeit; dann ermannt sich eine Zahl Junger Bienen und schreitet an’s Rettungswerk und ihrem Beispiel folgt alsbald die ganze Bevölkerung, so dass nicht bloss die frühere Haltung zurückkehrt, sondera einem ent- PB schiedenen Widerstande gegen störende Einwirkungen Platz macht. Nie sind die Bienen so sehr zum Stechen geneigt, als wenn sie, mit wirklicher Aussicht auf Erfolg, die Ret- tungsmassregeln zur Erhaltung ihres Staatswesens getroffen haben. Es bestehen dieselben in folgenden Maassnahmen der jungen, das Bau- und Brutgeschäft besorgenden Bienen. Von den mit Larven besetzten Arbeiterzellen wählen sie in der Regel mehrere, seltener am Rande, meist weiter nach innen gelegene dreizählige Gruppen zur Umwandlung in Weiselzellen aus, entfernen die drei, sie trennenden Seitenwände und geben durch Ab- grenzung der Vorsprünge mittelst Einfügung von Wachsmasse dem gewonnenen Hohlraum eine drehrunde Röhrenwandung. Liegen die Zellengruppen an dem dünn zulaufenden Wabenrande, so wird der weitere Bau der Weiserzelle ohne Schwierigkeit sofort nach abwärts gerichtet; liegen sie aber weiter nach innen, so müssen die bis zur Oberfläche horizontal verlaufenden Röhren bei weiterer Fortsetzung an (unten) und jenseit der Mün- dung knieförmig nach abwärts gerichtet werden, damit (oben) die über der Oberfläche der Wabe hervortretende Weiselzelle eine nahezu senkrecht absteigende Lage und später einen mit der Wölbung nach abwärts gerichteten Deckel erhalte. Neben dieser Sorge für Erstellung der Nachschaffungsweiserzelle, oder kürzer der Nachschaffungszelle (im Gegensatz zu der Schwarmweiserzelle, kürzer der Schwarmzelle) geht diejenige für die Aufzucht einer jungen Königin aus einer Arbeiterlarve, der Nachschaffungskönigiu- (im Gegensatz zur Schwarmkönigin) gleichzeitig einher. Die des Geschäftes sich annehmenden jungen Bienen entfernen zunächst je von den drei ursprünglichen Arbeiterlarven zwei und versorgen die auserwählte dritte während deren Entwickelung in der offenen Weisel- zelle stetsfort mit reichlichem und wie man bezüglich der königlichen Larven ziemlich allgemein annimmt, auch mit besserem und zwar nur mit Futtersaft. Gleichzeitig aber wird auf die Aufzucht der Drohnenbrut und auf Erhaltung der ausgebildeten Drohnen möglichst Bedacht genommen. Während dies von Seite der jüngeren Bienen geschieht, sorgen die ältern oder die Trachtbienen eifrigst für Erwerbung und Aufspeicherung reichlicher Vorräthe an Honig, namentlich aber an Blüthenstaub, wie im Vorgefühl des grossen Bedarfs, welcher ein- treten muss, wenn nach längerer Unterbrechung des Brutgeschäfts dieses wieder aufge- nommen werden kann und mit möglichster Energie betrieben werden muss, um den bis dahin stetig geminderten Volksbestand bald wieder auf eine befriedigende Höhe zu erheben. Während »dieser Vorgänge entwickeln sich die zum Ersatz der verlornen Mutter aus- erwählten und für diesen Zweck in der angegebenen Weise behandelten Arbeiterlarven, wachsen zunächst vollständig aus, spinnen sich unter dem schützenden Deckel ein, be- stehen die Verwandlung zur Puppe und streifen die Puppenhülle ab. Die älteste unter ihnen eröffnet schliesslich den Deckel, schlüpft gewöhnlich am elften Tage nach Anlage der Nachschaffungszelle aus dieser hervor und macht sich, nicht gehindert von den Bienen, sofort an das Geschäft des Aufbrechens der übrigen Weiselzellen, um deren Insassen zu tödten. Ueberhaupt stimmt sie in Eigenschafteu, Fähigkeiten und Neigungen mit der Schwarmkönigin überein, hält daher ihre Befruchtungsausflüge, bei denen sie den gleichen Gefahren und Wechselfällen ausgesetzt ist und beginnt, rechtzeitig befruchtet, nach etwa zwei Tagen die differenzirte Eierlage mit Einschlagen von Arbeiterbrut, dem sie sich — 72 im laufenden Jahre ausschliesslich widmet, während sie im weitern Verlauf ihres an 5 Jahre und darüber dauernden Lebens zur geeigneten Zeit auch Drohneneier und könig- liche legt. Wir nennen diesen Generationszustand des Bienenstocks den normalen oder weiselrichtigen, haben nur ihn bis dahin beachtet und bemerken hier noch, dass nur während seines Vorhandenseins auch die übrigen Lebenserscheinungen des Bienenstaats in geregelter Ordnung nnd Vollständigkeit eintreten. 1II. Zeitdauer der Entwicklungs- und Lebenszustände der Bienen. 1. Eizustand. 3%. Larvenzustand in offener Brutzelle. 3. Einspinnen der Larve in gedeckelter Brut- zelle. 4. Verlängerung des Larvenzustands nach dem Einspinnen. 5. Puppenzustand. 6. Bedeckelter Brutzustand. 7. Zeitdauer zwischen der Ablage des Eies und dem Ausschlüpfen der Biene. 8. Ganze Entwicklung unter günstigen oder ungünstigen Umständen. 9, Mögliche Zurückhaltung der jungen Kö- nigin in der Weiselzelle. 10. Imbeeiller Zustand der Arbeiter und Drohnen. 11. Gänzliches Verbleiben der Hausbienen im Stock. 12. Uebungen der Hausbienen vor dem Flug- loch im Fächeln und Vorspielen. 13. Verharren der Arbeiter im Zustande der Hausbienen. 14. Durchschnittliche Lebensdauer der Arbeiter a. im Sommer. b. in der rauheren Jahreszeit. 15. Mögliche Lebensdauer der Drohnen. 16. Mögliche Lebensdauer der Königin. 17. Durchschnittliche Lebensdauer der Königin. Königin. 3 5 Tage. Arbeiter. Drohnen. 3 61/2 3 21a 9 14'/e 24 | 23—28 e. Der Wachs- oder Wabenbau. Vergl. Kap. 14. Mit der Schwärmperiode und der Zeit der nächsten Vorbereitung zum Schwärmen fällt nahezu auch die Periode des Wabenbaues zusammen, welche nur wenig über die Monate. Jahre. Aue ae erstere hinaus sich verlängert. Im April beginnend und gewöhnlich im Juli endend wird der Wabenbau in der Regel nur in weiselrichtigen Stöcken oder in solchen unter- nommen, die mit einem Schwarme besetzt wurden, möge dessen Königin eine ältere fruchtbare oder eine junge, noch unbefruchtete sein, wird dagegen im letztern Falle sofort eingestellt und mit dem Stock von den Bienen verlassen, wenn die junge Königin vom Befruchtungsausfluge nicht heimkehrt. Am raschesten schreitet der Wabenbau im Brutlager vorwärts; je weiter von diesem entfernt, um so langsamer erfolgt er; daher bei Stöcken mit Schwärmen längere Zeit hindurch das staffelartige Ansehen des Baues, dessen Waben, jemehr vom Brutlager abgelegen, um so kürzer und schmäler erscheinen; daher die Erfahrung, dass ein Schwarm nach Bezug des Stockes in den ersten 14 Tagen, in denen es sich um Erstellung eines Brutlagers handelt, mehr Wachsbau zu Stande bringt als nachher in viel länger ge- streckter Frist; daher die Bemerkung, dass ein an einem Wabenträger befestigter Waben- anfang, ins Brutlager zwischen zwei ausgebaute Waben eingeschoben, in kürzester Frist als vollständige, ja schon mit Brut besetzte Wabe ausgehoben werden kann. — Je nach der Zeit und den Umständen zeigen übrigens die neugebauten Waben verschiedenen Charakter, indem z. B. im April oder im Juli oder bei sehr üppiger Honigtracht vor- herrschend Drohnenwachs gefertigt wird, Vorschwärme in der Regel mehr Drohnenwachs bauen als Nachschwärme, welche durchschnittlich nur Arbeiterwachs anlegen, und geräumige Wohnungen meist verhältnissmässig mehr Drohnenwachs zeigen als kleine. Das Vorgehen der Bienen beim Wachsbau, vortrefflich geschildert von Franz Huber, stellt sich dem Beobachter im Wesentlichen folgendermassen dar. Die zum Zapfen gehäuften Wächserinnen produciren zunächst die Wachsblättchen, ergreifen sie eines ums andere mittelst der von der Schiene (dem Unterschenkel) und der Ferse gebildeten Zange, übergeben sie den Vorderfüssen und mit diesen den Kiefern, welche sie mit Beihülfe jener unter Einwirkung einer aus dem Munde tretenden Flüssigkeit kneten und zu einem Klümp- chen oder Bändchen gestalten. Hat eine Biene ein solches Klümpchen oder Bändchen ge- bildet, so dringt sie zwischen den Bienen des Zapfens empor, die erste bis zur Decke des Stocks und befestigt das Band, wenn kein Wabenanfang vorhanden ist, an jene; ihr folgt eine zweite, dritte etc., jede ihr Klümpchen oder Bändchen unter das von der vorhergehenden angelegte in gleicher Richtung anpassend. So entsteht allmälig ein senkrecht herabsteigender, segmentförmiger Wachsblock. Hat dieser etwa eine Länge von 12, eine Höhe von 6 und eine Dicke von 4 Millim. erreicht, so beginnt das Vorbilden der Zellen, mit Aus- arbeiten einer Grube erst unmittelbar unter der Decke, an der einen Seite des Blockes in dessen Mitte. Hat diese Grube, welche einen thorförmigen, aber mit der Wölbung nach abwärts gerichtete Umriss besitzt, eine Tiefe erreicht, welche nahezu der halben Dicke des Blockes entspricht, so werden auf der entgegengesetzten Seite desselben neben der Mitte der jenseitigen Grube zwei gleichgeformte und gleich tiefe Gruben ausge- arbeitet, so dass die auf jener Mitte stehen bleibende Wachsmasse die senkrechte Scheide- wand zwischen den neuen Gruben bildet. Inzwischen schreitet die Anlage neuer Wachs- bändchen am ganzen Rande des Blockes fort, so dass dieser an Länge und Breite, besonders an jener, zunimmt und eine zungenförmige Gestalt erhält. Während dieses Wachsthums des Blockes wird die Zahl der Gruben, abwechselud auf beiden Seiten des- 10 Pre selben und unter Beachtung der gleichen Rücksichten für Tiefe der Gruben und Lage der Scheidewände, nach den Seitenrändern hin vermehrt; gleichzeitig aber wird, abermals von der Mitte beginnend, eine tiefer nach abwärts gelegene Querreihe von Grübchen in der Weise angelegt, dass die letztern genau in die Winkel der Grübchen der ersten Querreihe eingreifen; die Anlage und die Ausarbeitung der Gruben wechselt übrigens wiederum auf beiden Seiten der Zunge ab. Das bei dem Ausnagen der Gruben gewonnene Wachs wird sofort zur Erhöhung der Grubenränder verwendet, so dass beiderseits ein geschlossener Zellenbau entsteht, der beim weitern Ausarbeiten so behandelt wird, dass jede Zelle einen von drei Rauten begränzten rhomboödrischen Boden und sechs auf dessen Umfangsrändern aufsitzende Scheidewände erhält. Letztere erreichen ihre volle Höhe am frühesten an den in und nächst der Mitte der Zunge gelegenen Zellen, so dass diese eine von den Rändern her nach den beiden Oberflächen allmälig sich erhebende Linsenform der Zunge bedingen. Haben sie aber ihre volle Höhe erreicht, so werden schliesslich zur Erzielung 'grösserer Festigkeit die Mündungsränder der sechsseitigen Zellenprismen verdickt. — So werden aus Wachsblättchen Klümpchen und Bändchen, aus deren Vereinigung Blöcke, aus successive erweiterten Blöcken durch Aushöhlung von Gruben, Erhöhung ihrer Ränder und weitere Bearbeitung mit Mittelwand und Zellenwandungen versehene Zungen, aus der Zunge endlich bei gleichmässiger Fortsetzung der Arbeit die Wabe. Ist bei hinreichendem Raum, z. B. nach Bezug einer leeren Wohnung durch einen Schwarm, der Bau einer Zunge oder Wabe bis zu einem gewissen Grade gediehen, so wird, wenn sie aus Arbeiterwachs besteht und weiteres Arbeiterwachs erstellt werden soll, parallel mit deren Mittelwand in der Entfernung von 34,5 Millim. ein neuer Block angelegt oder, sofern es die Lage der Wabe gestattet, auf deren entgegengesetzten Seite noch ein zweiter, so dass sie selbst zwischen die neuen Blöcke zu liegen kommt und das wiederholt sich, wenn aus dem oder den Blöcken Zungen oder Waben geworden, und setzt sich so lange fort, bis die Erweiterung des Baues nach der oder den Seiten hin ihre Grenze finden soll. Die Entfernung des Blockes für eine Drohnenwabe beträgt von der Mittelwand einer Arbeiterwabe etwa 36,5, von der einer Drohnenwabe dagegen etwa 38,5 Millim. Zum Schlusse verdient noch Erwähnung, dass die Zellen der ersten, obersten oder unmittelbar an der Decke oder am Wabenträger befestigten Reihe, die Heftzellen, die Form eines symmetrisch fünfseitigen Prisma mit einer obern horizontalen, zwei parallelen senkrecht absteigenden und zwei untern schiefen Seitenwänden und einen von 2 Trapezen und einer Raute gebildeten Boden haben, während die Uebergangszellen auf gemischten Waben wohl durchschnittlich als sechsseitige Zellen von uuregelmässiger Gestalt erscheinen, aber meist einen von 4 Flächen, nämlich 2 Sechsecken und 2 Rauten gebildeten Boden besitzen. senegqsyoeM pun SYyeyDsoämag us][09 808ura sop Pruyosgesoayep | | "19 uroJdagı Om | ' ode Aop Sum SU m 5 i Log op 104surg q | opuopnepsne ou pP yaınp | : 6 | -SYJOA op SUNMILIHT OSTIMPION ‚sonvq "sozyesugpnig | "OyL.LEIS "SIPRA SOp Sunpagsurg sop Sunppogsumg | -SYJOA 10p SUN orson-| : ne "SIT ee | | -UOUNOLT PUOYDSLIOTLLoA he Fee | "SPURISOISYToA sop Sungfepast offo A| :opormq *y POOPEENDE AP emqeudy | "S/mpsobmmagg sop vopagı | :umeapoz "II | NEgStOR A 107270803410 7 onzs 7-5 zpenennige | "sopurgs -[Psto y op opuy TOPLIONTPLOT | -aqsyfoA woysrt somo Sumprzug |: « ‘9 it en "Iyonz "zyesuemmig 109 | "SOFSNLIOASATOA uouoggo]| . 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Es spielen dabei die Hauptrolle Alter, organische Fehler, Verstümmelung oder Tod der befruchteten Mutter oder auf der einen Seite bald Verzögerung, bald Unterbleiben der Befruchtung, auf der andern aber Nichtheimkehr der auf ihrem Befruchtungsausfluge verunglückten jungen Königin. Die Folgen dieser Zustände und Schicksale sind verschieden. Alter, organische Fehler und Verstümmelung der befruchteten Königin können die Ergiebigkeit der Eierlage beeinträchtigen oder, wie die Verspätung oder das Unterbleiben der Be- fruchtung bei jungen Königinnen, zur Drohnenbrütigkeit oder zur Unfruchtbarkeit führen; der Tod jener oder dieser endlich bedingt Weissellosigkeit, welche nur bei jener, wenn junge Arbeiterbrut vorhanden ist, von der Aufzucht von Nachschaffungsköniginnen gefolgt ist und dann vorübergehend sein kann, bei dieser aber immer bleibend wird und, wenn die verunglückte junge Königin eine Nachschaffungskönigin war, oft jenen sonderbaren Zustand zur Entwickelung bringt, in welchem statt der fehlenden Königin Arbeiter (gewöhnlich in Mehrzahl) das Geschäft der Eierlage besorgen, aber gleich der drohnen- brütigen Königin nur einer Drohnenbrut die Entstehung geben und den man, weil diese Arbeiter gleich einer Königin die Bevölkerung zusammenhalten und desshalb Afterweisel heissen, den afterweiseligen Zustand genannt hat. In allen den Generationszuständen, in denen Königinnen, königliche Brut und Afterweisel vorhanden sind, wir eine fremde Königin von den Bienen nicht angenommen, sondern dicht knäuelförmig umschlossen und durch Stiche getödtet, während in völlig weisellosem Zustand die Annahme ohne Schwierigkeit erfolgt. Dabei ist bemerkenswerth, dass nach Aufnahme der Eierlage von Seite der Königin nur dann die Brutpflege von den Arbeitern besorgt wird, wenn die Weisellosigkeit noch nicht lange gedauert hatte, da alte Bienen, nur den Trachtgeschäften obliegend, die Brutgeschäfte nicht mehr besorgen, daher in einem solchen Fall gleichzeitig mit der Königin junge Bienen beigesetzt werden müssen, wenn die Brutpflege stattfinden soll. Nichtergiebigkeit differenzirter Eierlage bedingt nur Volksschwäche und deren Nach- theile, kann daher noch nicht den abnormen Generätionszuständen beigezählt werden, obwohl sie später unter Umständen in einen solchen übergehen kann; dagegen befindet sich der drohnenbrütige, afterweiselige und unfruchtbare Stock stets in einem abnormen Generationszustand und es gelingt den Bienen, wenn nicht die Nachhilfe des Menschen eintritt, nie, in den weiselrichtigen Zustand zurückzukehren, während das völlig weisel- lose Volk, jeglichen Bindegliedes entbehrend, ohne diese Beihilfe alsbald sich zerstreut. Bei allen drei Formen des abnormen Generationszustandes nimmt die Arbeiterzahl stetlg ab; ihre Freudigkeit ist für immer dahin und mit ihr die Sicherheit und Unbe- fangenheit im Benehmen, die Bestimmtheit und Umsicht, der Fleiss und die Wachsamkeit, der Ordnungssinn, der Muth und die Thatkraft. So ist auch der Wachsbau eingestellt oder, wenn er ausnahmsweise unternommen wird, doch nur auf Erstellung von Drohnen- wachs gerichtet und in gleicher Weise unterbleibt die Ansammlung grösserer Honigvorräthe, während dagegen Blüthenstaub oft in erstaunlicher Menge eingetragen wird. Dabei mehrt = WM - sich, besonders in den beiden erstgenannten Formen, die Zahl der Drohnen, unterhalten und gesteigert durch den Zuzug von solchen, welche aus weiselrichtigen Stöcken, sei’s freiwillig, sei’s vertrieben, hier Aufnahme suchen und finden und nach der Drohnenschlacht auch den Winter hindurch einen namhaften Theil der Bevölkerung bilden. Im drohnenbrütigen Stock waltet noch eine gewisse Regelmässigkeit; so setzt z. B. die drohnenbrütige Königin die Eier einzeln in Drohnenzellen ab und achtet dabei auf geschlossene Eierlage. Um so auffallender leidet die Ordnung im afterweiseligen Stock, indem hier nur inselförmige Gruppen von Arbeiterzellen und diese gewöhnlich mit mehrern Eiern belegt werden; die in den kleinen und niedern Arbeiterzellen erzogenen grossen Drohnenlarven müssen, ausgewachsen, sehr hoch gewölbte Deckel erhalten, daher hier besonders die sogenannte Duckelbrut sich findet; endlich ergehen sich die Arbeiter, so lange sie noch jünger sind, oft in den widersinnigsten Rettungsversuchen, z. B. in dem Versuche, aus Drohnenlarven in Weiselzellen Königinnen zu erziehen, wobei manchmal diese Zellen in unverhältnissmässiger Weise verlängert werden; ja bisweilen werden auch nur um Pollenmassen Weiselzellen angelegt. Uebrigens ist die Erhaltung der Drohnen in diesen abnormen Staatswesen für andere Bienenvölker, welche ihre Mütter zu aussergewöhnlichen Zeiten, wie im wärmeren Herbst oder Frühling verloren haben und gleich den übrigen weiselrichtigen Stöcken nicht mehr oder noch nicht im Besitze von Drohnen sind, oft von wohlthätigem Einfluss, da sie die Befruchtung der jungen Königin möglich macht, obwohl das abnorme Staatswesen dem eigenen Untergang entgegen geht, möge der letztere im allmäligen Aussterben der Arbeiter, in Zerstreuung des Volks oder in dessen Verschmelzung mit der Bevölkerung eines weisel- richtigen Stockes sich äussern. Die Zerstreuung des Volkes aber kann eintreten in Folge der Aufzehrung der Vorräthe oder in Folge der Vernichtung des Wabenbaues durch die Raupen der Wachsmotten. Die Verschmelzung desselben mit der Bevölkerung eines weiselrichtigen Stocks aber geschieht in Folge eines räuberischen Angriffs der letztern; hierbei geben sich die entmuthigten Arbeiter des angegriffenen Stocks bald besiegt, machen, wenn ihre Königin von den Räubern getödtet ist, im Plündern desselben mit diesen gemeinsame Sache, folgen ihnen zu ihrer heimischen Wohnung uud bilden von da an einen Bevölkerungsbestandtheil des Raubstaats. So ist in allen Fällen der abnorme Stock aus der Reihe der Bienenstaaten gestrichen. Nachwort. Den Beziehungen zum Menschen schliessen sich diejenigen zum Naturleben aufs Innigste an. Jenen ward im Neujahrsblatt für 1865 und in der ersten Abtheilung des vorliegenden einigermaassen Ausdruck gegeben, diese wurden in der zweiten Abtheilung des letztern nach einer einzigen Richtung hin, der zeitlichen, namentlich, so weit sie den Kreislauf des Jahres betrifft, in den allgemeinsten Zügen behandelt. Es wurde dabei die Pflanzen- und Thierwelt nur in so weit berücksichtigt, soweit beide der Biene Nah- rung gewähren, und die Schilderung geflissentlich mehr an die Oberfläche gehalten und ein tieferes Eintreten in die Sache vermieden. Aber schon bei diesen Beschränkungen u u dürfte sich ergeben haben, dass das Leben der Bienen, abgelöst von dem übrigen Na- - turleben nicht zum Verständniss zu gelangen vermag, so wenig diess überhaupt bei irgend welchen Geschöpfen der Fall ist, und dass besonders die Sonne mit ihren leuchtenden, erwärmenden und chemische Processe hervorrufenden Strahlen auf sie und auf die letz- tern, sowie auf fast Alles, was da ist, nicht eben den letzten und geringsten Einfluss übt. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1—7. Bienen. 1. Königin (2), 2. Drohnen (&), 4. Arbeiter (9) in fliegender Stellung. 3, 5, 5. Arbeiter kriechend und stehend, 3 in Aufsicht mit Harzhös’'chen, 5. in der Seitenansicht, 6. sterzend oder steisselnd mit Pollenhös’chen. 7. Arbeiter (Wächserin) von der Unterseite mit 3 Paaren hervortretender Wachs- blättchen (nach Francois Huber). a, d, g. Hinterbeine der Königin, Drohne und Arbeiterin von der Aussenseite, das letzte mit dem Körbchen an der Schiene. — b, e, h Schiene und ögliedriger Fuss der Königin, Drohne und Arbeiterin von innen; das grosse Fersenglied des Fusses bei der Drohne oval, bei Königin und Arbeiter viereckig, bei letzterm oben und aussen mit dem Zangenhaken und auf der Fläche mit der Bürste. — d’ h‘ Fühler der Drohne und Ar- beiterin; F. Vorderbein der letztern mit halbkreisförmigem Ausschnitt an der Ferse. — c. Krallenglied vom Hinterbein der Königin. Fig. 8—10. Woabenstück mit Brut und Vorräthen, 8. von der Fläche, 9. vom Seitenrand, 10. im Verticalschnitt. Mit Ausnahme der an der Mündung mit e bezeichneten Schwarmweiselzelle am Rande sind alle Zellen nahezu horizontal und münden auf der Wabenfläche. Die Zellen f, g, i sind bedeckelt, ce und d vom Deckel absichtlich befreit, alle übrigen offen ; die Zellen a bis g sind Brutzellen, h und i mit Honig, k mit Pollen erfüllt. Die Zellen a enthalten Eier, b Larven, ce und d Puppen, ganz oder theilweise von Gespinnst be- freit oder umhüllt; von den gedeckelten Brutzellen enthalten f Arbeiter-, g Drohnenbrut. Fig. 11. Napfförmige Nachschaffungsweiselzelle mit einem von 3 Arbeiterzellenböden gebildeten Grunde. ee ins > Be ee NP he Eine e ” Fl \ An x Kid a“ Pr Y vo un)> x Ye Be, I aha h ER DM u f 1252 Ar bee 4 dt > FE Br a Rd a I TEN. A Vale + e a“ “ ” ar & P% Wir Bas uli I, Ar re ER ar Kae Beer EEE RE TIER | AR SIE a ! LA Be a. 4 En N En ER I ee SR Wr N) En TR. “ Lae, Bone N N. re 5 Ni er EEE E Ye "ae! N Ar N ee N % E77 ur Fa Ve ER RRE N . DE er an A A 4 a ‚ BE lo Br . jr Fe a 1, %x ? ; nk kA r B R A ’ Pt I a ER Me. ur: Ki b .;* nN Mech u EAN Kr 5 SER TR N EN “ OR Re VE En ger 2 el - Ann ap nt ir a, Ba h E34 a re ER Se Net Ba, a en Ei “ ur . a KT NAT . # ie I Ei Ya an 5 2 | » =) er BR En u Ein Tropfen Wasser. Von Dr. Gustav Schoch. Zürich. Druck von Zürcher und Furrer. 1870, ze wa a u in ” RN Sch SE. Eu ie, wit RT Ba ELLE 2 en u RN ter rrhh So rent EN 24 “ be a Ya TERN RL ah: N RN Bat Sc un El, era h REN RR Bet eis: msn a ER EIR BR Wette ’ ER ustcat) Yen Fir AR fs BR 5 de ur ihr EN x area. El nern Ra BO Br hg er E; E Pe ßen rer we ren Air; RER a ar Az: Fe Aank 2 i erh Dip n ‚hr R Kir ee wir # WER Den: u rztied ar Mr re 6 m Fall, ni VrE PIE > Sr ri a ee ER tea ia DIENTEN. JE EEE Kun a Der Fries? wi FR F- Rn En JB Br Be eh a ha Sei Aryl 3 Sy £ ir Be ‘ #; Br Ummme! Ri N AR Arustiaat 1% rat 2“ ke ie re. MERAN 203 Sersepopch u. url ee a er; ER Ein Tropfen Wasser. um Als am Ende des sechszehnten Jahrhunderts ein holländischer Brillenschleifer, Zacharias Janssen, durch Verbindung mehrerer Glaslinsen das erste zusammen- gesetzte Microscop construirte, hatte ınan noch keine Ahnung davon, dass da- durch der erste Schritt zu einer der folgereichsten und nutzbarsten Erfindungen gemacht worden sei. Während vollen zweihundert Jahren diente das Instrument der Laune Weniger als kostbares Spielzeug und meist nur zur Befriedigung einer momentanen Neugierde, so dass sein Erfinder gänzlich in Vergessenheit gerathen konnte; und noch in den ersten Decennien unseres Jahrhunderts, nachdem durch vielfache Verbesserungen die Leistungsfähigkeit des Instruments erhöht wurde, wiesen viele namhafte Gelehrte den Gebrauch desselben zurück, und verschmäh- ten es oft, die davon gezogenen wissenschaftlichen Resultate anzunehmen. Erst der neusten Zeit blieb es vorbehalten, das Microscop so vollkommen darzustellen, dass sich jetzt schon kein Zweig exacter Wissenschaften mehr seinem mass- gebenden Einfluss entziehen kann, und der weltbezwingenden Industrie bleibt es zur nächsten Aufgabe überbunden, durch Billigkeit und practische Einrichtung unser Instrument so in das Volksleben einzuführen, dass kein Gewerbetreibender mehr dieser Hülfe entbehren kann, kein irgend wie Gebildeter dies Bildungs- mittel vermissen mag. Natürlich muss auch hier dem Zufall sein launiges Spiel eingeräumt werden. Diese oder jene Epoche machende Entdeckung durch das Microscop, deren practischer Nutzen Jedermann einleuchtet, wird mehr für die Verallgemeinerung des Instrumentes wirken als alle Declamationen populärer Schilderungen; hat doch in neuester Zeit ein winziges Thierchen, die Trichine, das uns auf unheimlichem Wege bedrohte, der allgemeinern Verbreitung des Microscopes den grössten Vorschub geleistet. —_— 41- Mehr Schwierigkeiten, als die Handhabung des Instrumentes selbst, bereitet uns das wirre Chaos von Thier- und Pflanzenformen, dem wir bei der ersten Anwendung des Mieroscopes begegnen. Es ist eine so fremdartige und mannig- faltige Welt, die uns hier entgegentritt, dass wir meist davon zurückschrecken, uns darin zurecht zu finden und die einzelnen Wesen genauer in’s Auge zu fassen. Es darf daher gewiss gerechtfertigt scheinen, wenn wir hier versuchen, einen orientirenden Bliek in die microscopische Thierwelt zu werfen, um wenig- stens in groben Zügen einige Hauptformen zu skizziren, die wir in jedem Tropfen Sumpfwasser wieder treffen, um die Lebenserscheinungen und Lebensbedingungen jener Organismen zu überblicken, welche schliesslich die indireeten Vermittler zwischen den höhern Thieren und der zerfallenden Pflanzenwelt darstellen. Zu diesem Zwecke haben wir ein Potpourri von niedern Thieren, wie sie unsere Bäche, Sümpfe und Seen beleben, auf der beigegebenen Tafel zusammen- gestellt, obwohl natürlich nieht gerade alle diese Formen sich gemeinsam in ein und demselben Tropfen so vereinigt finden, wie sie das Bild vorführt. Auch liegt es in der Natur des Gegenstandes, dass nicht für alle gezeichneten Thiere dieselbe Vergrösserung angewandt wurde, sonst hätten wir ein Blatt, wie eine Hausfagade gebraucht, um die hier skizzirten Thiere hineinzuzeichnen. Der ge- neigte Leser muss sich aus der Beschreibung einen ungefähren Begriff der wirk- lichen Grösse der einzelnen Geschöpfe machen. Auf dem Bilde befinden sich Repräsentanten aus allen Ordnungen der Urthiere, der Strahlthiere, der Mollus- coiden und der Räderthiere, so weit sie in unsern Gewässern vorkommen, auf die Darstellung der mieroscopischen Würmer und der Gliederthiere mussten wir wegen der Beschränkung des Raumes gänzlich verzichten. Und nun wollen wir uns diese merkwürdigen Wesen etwas näher ansehen, und beiläufig ihrer Verwandten des süssen und Meereswassers gedenken. Fig. 1. Gromia fluviatilis. Aus einer braunen, ziemlich festen, runden Schale siehst du hier ein unförmliches Klümpchen zähen Schleim hervortreten. Dieser Schleim besteht aus einer hellen, klebrigen, gleichartigen Flüssigkeit, die sich mit dem Wasser nicht mischt, und wird von unzähligen, äusserst feinen Körnehen durchsetzt. Er befindet sich in steter fliessender Bewegung und sendet I nach verschiedenen Seiten hin feine fadenförmige Ausläufer aus, die vielfach mit einander verfliessen, Anastomosen bilden und ein verästeltes Schleimnetz dar- stellen. In diesen Ausläufern oder Scheinfüssen (Pseudopodien) strömen die feinen Körnchen nach verschiedenen Richtungen hin und her und treten an manchen Stellen ganz an die Oberfläche der belebten Gallerte. Man hat diese eigenthümliche, schleimige Körpersubstanz Sarcode genannt, und diejenigen Thiere, deren Leib zum grössten Theil aus dieser formlosen Masse besteht, als Urthiere (Protozoa) bezeichnet, indem man ihnen damit die unterste Stufe thierischer Entwickelung anweisen wollte. Unsere Gromie, ein Thierchen von etwa !a’’ Grösse, kriecht an Wasser- pflanzen und auf dem Boden sanft fliessender Bäche vermittelst zahlreicher Aus- strahlungen des Körpers herum, und ist einer der wenigen Süsswasserrepräsen- tanten der allereinfachsten Form der Urthiere.. Die braune, hornartige Schale und eine ganz structurlose, durchaus gleichmässige, fliessende Sarcode characteri- siren sie hinlänglich. Die Aufnahme der Nahrung, die aus kleinen, einzelligen Wasserpflänzchen besteht, geschieht auf eigenthümliche Weise: An den klebrigen Ausläufern bleibt z. B. eine Alge hängen, es fliessen mehrere solcher Schein- füsse an das gefischte Object, verschmelzen darum herum zu einem Schleim- klumpen, der die Alge ganz einhüllt, und nun wird die Nahrung langsam in die Körpersubstanz hineingehisst, wo sie mit den feinen Körnchen der Sarcode in beständiger Bewegung erhalten wird, und nach einiger Zeit wird an irgend einer Stelle der nicht verdaute Rest wieder ausgestossen. Die Gromie hat also keinen Mund, vermittelst dessen sie an einer be- stimmten Körperstelle Nahrung aufnähme, ebenso fehlt der Magen, Darm und After. Sie hat eben auch keine bestimmte Haut, die von der übrigen Körper- masse abgegrenzt wäre, sondern jeder Theil ihres Leibes kann bald an der Ober- fläche die Körpergrenze bilden, oder als Scheinfuss die Bewegung vermitteln, bald im Innern des Leibes, um einen Nahrungsstoff gruppirt, der Verdauung obliegen. — Alle so gebauten Thiere ohne deutliche Haut hat man Wurzelfüsser (Rhizopoda) genannt, weil eben ihre Körperausstrahlungen wie Wurzeln vom Stamm abgehen und dadurch die Ortsbewegung vermitteln. Die nächsten Verwandten der Gromie beleben alle Meere, wo sie in un- zähligen Mengen und ausserordentlicher Mannigfaltigkeit auftauchen und am Boden der Gewässer herumkriechen. Nur eine kleine Familie derselben (die Monothalamien) besitzt einfache, rundliche Gehäuse, weitaus die meisten sondern 2 ee complieirte Kalkschalen ab, die von feinen Poren durchsetzt und durch Scheide- wände in eine grössere Anzahl Kammern getrennt werden; man hat sie daher Polythalamien, d. h. vielkammerige Wurzelfüsser genannt.*) Es sind schon viele hunderte von Arten beschrieben worden, deren zierliche Schalenform oft an Schneckenhäuschen erinnert; aber das lebende Thier selbst besteht blos aus jener einfachen, structurlosen Sarcode, wie unsere Gromie. Die meisten Polythalamien senden durch die feinen Poren ihrer Schale zarte, lange Sarcodeausläufer in grosser Anzahl aus. Die Poren selbst sind aber zu klein, als dass sie feste Nahrung durchlassen könnten; und so sehen wir dann bei den Polythalamien das sonderbare Schauspiel, dass diese Thierchen so zu sagen ausserhalb ihres Körpers verdauen müssen, indem eine Anzahl fadenförmiger Ausläufer ausser- halb der Schale einen Nahrungsstoff umfliesst, einige Zeit in den dadurch ge- bildeten Schleimklumpen einschliesst und, nachdem die assimilirbaren Stoffe aus- gesogen wurden, den Rest wieder ausstösst. Von der Massenhaftigkeit dieser Geschöpfe kann man sich nur eine Vorstellung machen, wenn man hört, dass ganze grosse Gebirgszüge fast ausschliesslich aus den Schalen solcher Thierchen bestehen, wovon tausende noch lange kein Loth wiegen. Indess kennt man aus frühern Erdperioden auch grössere Formen von 1— 2 Zoll Durchmesser. Fig. 2. Das Sonnenthierchen (Actinophrys Eichhornii) stellt einen Repräsen- tanten einer zweiten, ebenfalls meist marinen Gruppe der Wurzelfüsser dar. Ein polygonales Zellennetz bildet eine kleine, kaum liniengrosse Kugel, die mit gleich- mässiger, körniger Sarcode ganz überdeckt ist. Von diesem Schleimüberzug gehen radienartig nach allen Seiten feine Strahlen derselben Masse aus, die wie ein Heiligenschein das Zellkügelchen umgeben. Im Innern der Kugel findet man meist eine grosse, dunkle Zelle als Kern, die ebenfalls mit Sarcode gefüllt scheint. Das Sonnenthierchen und seine Verwandten zeichnen sich also von den vorher besprochenen einmal durch das Auftreten zelliger Elemente in dem homogenen Schleime des Körpers aus. Aber auch die Bewegung und die ganze Lebens- erscheinung dieser Thiere ist eine andere. Bei der Gromie fliesst die Körper- sarcode verhältnissmässig rasch in Strahlen aus, das Sonnenthierchen hingegen hat steife, fast unbewegliche Strahlen, in denen man nur mit sehr starker Ver- grösserung und viel Geduld ein leichtes Vorrücken der feinen Körnchen bemerkt. Das Thier kriecht nicht, es treibt auf der Oberfläche des Wassers oder haftet an einem Pflänzchen ganz unbewegt und wie ein lebloser Körper, und dennoch *) Ihrer porösen Schalen wegen werden sie oft auch Foraminiferen (Siebthierchen) genannt. SZ ist es ein gefrässiges Raubthier. Ein schnellschwimmendes Infusorium fährt un- vorsichtiger Weise an seinen starr ausgebreiteten Strahlenkranz und bleibt darin hängen, wie eine Fliege im Spinngewebe. Es scheint von diesen Strahlen ein plötzlich wirkendes Gift in die Beute überzugehen, denn in wenig Secunden ist das Infusionsthierchen regungslos und todt. Ganz allmälig legen sich nun die nächsten Strahlen näher um die gefangene Beute, verkürzen sich und ziehen sich mit derselben in das Innere des Körpers hinein. Das alles geschieht aber mit solch unmerklicher Langsamkeit, dass die Geduld des Beobachters dabei auf eine harte Probe gestellt wird. Das gemeine Sonnenthierchen (Actinophrys Sol) ist in allen stehenden Gewässern häufig, seine zellige Structur ist aber nicht so evident, wie die des hier gezeichneten grossen Sonnenthieres. Die nächsten Verwandten dieses Geschöpfes beleben wiederum die Meere in unendlicher Formen- und Individuenmenge. Bald bilden sie zoll- grosse Colonieen von verbundenen Schleimkügelchen, meist aber sondern sie, einzeln lebend, die zierlichsten und bizarrsten Hüllen ab. Diese letztern bestehen aus einem bunten Gewirr von Kieselnadeln, oder von gitterartig durchbrochenen Häuschen, deren Mannigfaltigkeit jeder Beschreibung spottet. Es lässt sich über sie nur so viel Allgemeines sagen, dass sie in ihrem Innern stets eine grosse, mit deutlicher Membran versehene Zelle (die sogen. Centralkapsel) haben, um die herum die lebende Sarcode sich hüllt, und ihre radiären Strahlen allseitig aussendet. Daneben schwimmen in der Sarcode der marinen Formen noch kleine, runde, gelbe Zellen in grosser Anzahl neben den feinen, staubartigen Molecular- körnchen des Schleimes. Wegen der stets radiären Anordnung ihrer Ausläufer hat man diese Thiere Radiolarien genannt. Da die Gitterpanzer dieser Thier- chen selten aus Kalk, wie die Schalen der Polythalamien, sondern meist aus Kieselerde bestehen, so bilden ihre Anhäufungen früherer Zeiten jene Gestein- schichten, die wegen ihrer ausserordentlichen Härte als Polirschiefer und Kiesel- guhr technische Verwendung finden. Fig. 3. Süsswasserschwamm (Spongilla). Von diesem Gebilde, von dem man in der That nicht mehr sagen kann, ob man ein einzelnes Thier oder eine ganze Thiercolonie vor sich habe, hält es schwer sich einen richtigen Begriff zu bilden. Stelle dir mehrere Klümpchen jenes bewegten Schleimes vor, wie wir ihn bisher kennen lernten, die viele, breite Ausläufer seitlich hervortreiben, und lasse sich diese Schleimsternchen mit ihren Lappen verbinden, so wirst du ein Maschennetz aus lebender Sarcode erhalten, dessen Masse in stetem Flusse sich befindet. Das Sarcodenetz des Süsswasserschwammes sondert nun verschieden u er gestaltete Kieselnadeln ab, die dem Ganzen zu einer Art Stütze dienen. Nach Innen setzen sich die Poren des Sarcodenetzes in ein complicirtes Kanalsystem fort, das durch eine grössere Oeffnung auf einem röhrenförmigen Fortsatz nach Aussen mündet. Das Wasser und seine darin suspendirte Körperchen werden durch eigenthümliche Wimperapparate mit grosser Heftigkeit durch die feinen Löcher hereingezogen, in dem Kanal und Lacunenwerk herumgetrieben und end- lich aus der grossen Ausflussöffnung wieder ausgestossen. Die Wimperapparate, welche diese Strömung erzeugen, bestehen aus zelligen Hohlkugeln, woran jede Zelle ein langes Wimperhaar trägt, das in- beständiger peitschender Bewegung ist. Auf der Zeichnung in Fig. 3 schimmern sie als höckerige Kügelchen durch. Es ist wiederum das Meer, das die meisten Formen von Schwämmen erzeugt, aber was die wirklich lebende Substanz betrifft, so stimmen die Meerschwämme so ziemlich mit unserm Süsswasserschwamm überein. Eine Anzahl Meerschwämme sondert ein compactes Kalkskelet, andere wiederum zierliche Formen von Kiesel- bildungen ab; die bekanntesten aber und wichtigsten sind die Badeschwämme, deren Sarcode ein verfilztes Gewebe von hornartigen Ranken ausscheidet. An ihnen wollen wir schliesslich den Gang der Bewegung wenigstens klar zu machen suchen. Betrachtest du einen gewöhnlichen Waschschwamm etwas genauer, so be- merkst du neben zahlreichern grössern Löchern eine unendliche Menge feiner Poren und Kanäle, die alle mit einander communiciren. Im Leben sind alle diese Gänge mit Sarcode ausgekleidet und überzogen, und in dem Innern sitzen jene Wimperzellen in zerstreuten Gruppen, die mit ihrem Wimperhaar herum- peitschen. Dadurch wird das Wasser und alle darin suspendirten Körperchen durch die feinen Löchlein in zahlreichen Strömen hereingezogen, im Innern des Schwammes herumgetrieben und wieder durch die grossen Löcher ausgespieen. Die Badeschwämme sind also aus einer Menge Einzelthiere zusammengesetzt. Die übrigen Lebenserscheinungen dieser eigenthümlichen Urthiere sind so wenig gekannt, dass wir hier nicht näher darauf eintreten können. Bei dieser Gelegenheit können wir eine Bemerkung nicht unterdrücken, die uns auf verwandte Wesen führt, nämlich auf die Schleimpilze oder Myxomyceten. Diese sonderbaren Thierpflanzen, welche auf feuchter Gerberlohe, auf Laub, in feuchter Erde ete. beobachtet werden, stellen eine Art Landschwämme dar und zeigen zu gewissen Zeiten ein ganz ähnliches Netz belebter Sarcode und eben- falls mit Geisselhaaren versehene Zellen, wie die Schwämme. Aber fast comisch ist es zu sehen, wie des Zufalls Laune die zwei gewiss verwandten Geschöpfe ge- a. a trennt hat. Während die gelehrten Botaniker diese Schleimpilze ganz unbe- stritten als unter ihrer speziellen Obhut stehend für definitive Pflanzen erklären, wollen sie von den Wasserschwämmen absolut nichts wissen und schieben sie den Herren Collegen Zoologen zu; und diese ihrerseits beanspruchen die Meer- schwämme ohne Widerrede als Thiere mit ebenso viel Recht, wie die Botaniker die Schleimpilze sich annexirten. Man hat sich, um das Zufällige und Willkür- liehe einer solchen foreirten Theilung der Geschöpfe etwas zu mildern, damit in neuerer Zeit beholfen, dass man zwischen Thierreich und Pflanzenreich für die untersten Stufen ein bindendes Uebergangsreich aufstellte, wohin die meisten bisher besprochenen Thiere, so wie einige gleich zu erwähnende Infusorien ver- setzt werden; die Massregel ist aber nur eine provisorische, welche den Kampf um die natürlichen Grenzen der einzelnen Reiche so lange hinausschieben soll, bis Botaniker und Zoologen sich mit neuer Bewafinung, d. h. genügenden That- sachen versehen haben; in der Zwischenzeit hält blos leichtes Geplänkel der strei- tenden Parteien die Frage offen. Fig, 4. Amoeba. Bringt man einen Tropfen Wasser vom Boden einer Blumenvase, in der einige Zeit Pflanzen eingestellt waren, unter das Mieroscop, so wird man gewöhnlich einiger ca. !/so‘ grosser Klümpchen Schleim gewahr, die nach verschiedenen Seiten hin flache Lappen und Ausläufer treiben, mittelst welcher sie auf dem Objeetglase herumkriechen. Ihre Bewegungen sind die näm- lichen, wie die eines Stückchens zerzupfter Schwammsarcode, das Gebilde ist in steter Formveränderung begriffen. Es sind dies in der That auch Wurzelfüsser, aber ihre Gesammtorganisation schliesst sich den sogen. Infusorien so nahe an, dass man sie mit Recht wurzelfüssige Infusorien nennen kann. Wir wollen ver- suchen, die Unterschiede dieser proteusartigen Thiere von den bisher beschrie- benen festzustellen. Im Innern der erwähnten Schleimklümpchen -findet man, wie bei den Gro- mien, Actinophryen etc. eine grosse Anzahl feiner und grober Körnchen, aber diese Molecule treten nie bis an den Rand des Gebildes, sondern es bleibt immer eine dickere Schicht ganz hell, ohne Körnchen, während die mittlere Höhle des Klümpchens stets mit rotirenden Körnern vollgestopft ist. Wir müssen also an unserm Thiere zwei Arten Sarcode unterscheiden: eine helle, körnchenlose, der- bere Aussenschicht, und eine körnerhaltige, flüssigere Leibeshöhle, in welche hinein die Nahrungstheile gelangen. Beide Schichten haben dieselbe Dehnbarkeit und dasselbe Contractionsvermögen, und das Aufnehmen fester Nahrung, die aus zersetzten Pflanzen oder kleinen Algen besteht, geschieht durch Umfliessen dieser 2 2, A fremden Körper, wodurch sie allmälig in die Leibesmasse hineingedrückt werden. In der äussern, derbern Körperschicht, von der aus vorzüglich die lappenförmigen Ausläufer abgesandt werden, liegt gewöhnlich eine dunklere feste Stelle, ein sogen. Kern, der bei der Vermehrung dieser Thiere eine wesentliche Rolle zu spielen scheint, und eine oder mehrere contractile Blasen. Letztere sieht man bei längerer Beobachtung plötzlich sich kräftig zusammenziehen, das darin ent- haltene Wasser wird nach Aussen entleert, und ganz allmälig füllen sie sich wieder zur frühern Grösse. Eine so periodische und bei den Infusorien allge- mein verbreitete Bewegung muss einem wesentlichen Zwecke dienen, und man nimmt allgemein an, dass die contractilen Gebilde eine Art Wassergefässsystem darstellen, welches der Athmung dient. Durch die Körperoberfläche nämlich, oder bei den mundführenden Infusorien durch den Mund, wird nebst Nahrungs- bestandtheilen stets eine gewisse Quantität Wasser in den Leib dieser Thiere geführt, die sich mit der Sarcode mischt, dieselbe funktionsfähig erhält. Nach einiger Zeit aber sammelt sich das verbrauchte und wahrscheinlich seines Sauerstoffs beraubte Wasser an ganz bestimmten Stellen und bildet da eben solche Wasserbläschen mitten in der Körpersubstanz, ohne dass sich eine be- stimmte Membran nachweisen liesse. In regelmässigen Zeiträumen zieht sich die Sarcode um den Wassertropfen kräftig zusammen und presst ihn aus, ohne dass dadurch eine bleibende Oeffnung an der Körperoberfläche entstände. Im frisch destillirten Wasser können diese Thiere nicht leben, weil es eben keine Luft und also keinen absorbirten Sauerstoff enthält, der ihnen zum Athmen dient; im Meereswasser sind die Contractionen der Blasen viel langsamer, sie geschehen gleichsam mühsam, in grössern Zeiträumen, wie wenn ein Hinderniss zu überwinden wäre, während sie im süssen Wasser kräftig und rasch erfolgen, etwa alle halbe Minuten einmal; doch variren die Zeiträume, die zur Füllung der Blase nöthig sind, sehr, je nach der Art der Thiere und nach den Ver- hältnissen, unter denen sie sich befinden. Andere Organe hat man bei diesen Thieren nicht entdeckt, sie wetteifern also in Einfachheit ihres Körpers mit den früber beschriebenen. Ihr Wohnort ist vorzüglich das süsse Wasser, wo sie an Wasserpflanzen oder im Bodensatz langsam herumkriechen. Viele Formen desselben haben einen zierlichen Panzer oder eine Schale wie z. B. die in Fig. 5 dargestellte Arcella vulgaris. Da sehen wir ein amoebenartiges Thierchen mit vielen contractilen Blasen in einer fein eiselirten, topfartigen Schale mit runder Oeff- nung sitzen und mit seinen lappenförmigen Ausläufern herumkriechen. Die ir a = WM = hornige, spröde Schale bricht leicht unter dem Druck eines Deckblättchens. Es ist die Arcelle einer der gemeinsten Bewohner unserer Sümpfe und Seen und erreicht etwa die Grösse von Yıo‘. Andere häufige Verwandte haben eine mehr flaschenförmige oder urnenartige Schale, die oft regelmässige zierliche Zeich- nungen zeigt, oft aber mit kleinen Sandtheilchen und andern fremden Partikelchen ganz bedeckt ist. Fig 6. Monas. Die Monaden, deren Grösse oft unter Yıooostel einer Linie hinuntersinkt, bestehen aus einem kleinen Bläschen, das vermittelst eines (oder mehrerer) langen, peitschenartig schwingenden Haares sich im Wasser her- umtreibt. Sie haben eine resistente, deutliche Hautdecke, bilden also nicht blos einen nackten Sarcodeklumpen, obgleich die structurlose, dünne Oberhaut bei vielen Formen äusserst dehnbar ist, und von dem Körperinhalt, der Sarcode, vielfach zu Formveränderungen veranlasst wird. Bei andern Formen hingegen (Thecamonas) ist die Hülle ziemlich resistent, und solche stellen daher formbeständige Thier- chen dar. Bei wenigen grössern Formen hat man in der Nähe des Ansatzes des Geisselhaares eine feine Mundöffnung gefunden, wodurch feste Bestandtheile als Nahrung können aufgenommen werden. Die meisten entziehen sich durch ihre ausserordentliche Kleinheit einer genauern Betrachtung, da sie bei mittel- starker Vergrösserung nur als winzige schwimmende Kügelchen erscheinen, bei vielen andern grössern aber, die sogleich durch ihre schön grüne Färbung auf- fallen, hat man noch nie eine Mundöffnung und in ihrem Innern noch nie fremde Bestandtheile gefunden. Die Monaden bilden die unterste Gruppe der sogen. Infusionsthierchen und zeigen sich in allen Aufgüssen organischer Substanzen massenhaft, kommen aber auch in jedem stehenden Gewässer vor. Da eine ganze Menge niederer Pflanzen monadenartige Bläschen mit Geisselhaaren erzeugen, welche Bläschen fast ganz analoge Bewegungserscheinungen zeigen, wie die Mo- naden, so dürfte es zur Zeit noch nicht möglich sein, diese sogen. Schwärm- sporen sicher von den wirklich thierischen Monaden zu trennen und wir können vorläufig diejenigen Monaden als thierische Organismen beanspruchen, bei denen man eine contractile Blase mit rhythmischen Bewegungen auffinden kann. Den definitiven Entscheid hierüber kann uns erst eine genaue Verfolgung ihrer Ent- wicklungsgeschichte bieten, die sehr eigenthümliche Verhältnisse zeigt, aber noch viel zu wenig studirt worden ist, um bestimmte Resultate zu erzielen. Wir nehmen daher hier ganz Umgang von derselben und erwähnen nur in Kürze einige der häufigsten Formen Geisselhaare tragender Infusorien. (Flagellata.) er Fig. 7. Uvella. Hier sehen wir eine Colonie von Monaden zu einer kleinen Traube mit einander verbunden, wovon jede einzelne ein Geisselhaar trägt und damit peitscht. Der ganze traubige Körper wird dadurch rollend im Wasser herumgetrieben. Oft sitzen diese Trauben auf den Spitzen zarter, verästelter Stiele, die ein Flechtwerk an der staubig getrübten Oberfläche stehender Ge- wässer bilden, und man hat aus diesen Formen die Gattung Anthophysa errichtet. Fig. 8. Phacus stellt ein !/ıo‘' grosses, flaches Blatt dar, das einen rothen Pigmentfleck in seiner grünen Körpermasse trägt und eine ziemlich derbe Haut zu haben scheint, da keine Formveränderungen an dem Thierchen vorkommen. Mit seinem langen Peitschenhaar schwimmt es, indem sich der Körper stets um seine Längsachse dreht, langsam herum. Man hat wohl ohne zwingenden Grund den rothen Fleck, dem wir noch mehrmals begegnen werden, für ein Auge an- gesehen, es fehlen eben aile andern, das Auge charaeterisirenden Elemente, be- sonders also ein Nerv und ein lichtbrechender Körper. Fig. 9. Euglena. Dies Thierchen ist dem vorigen in Farbe und Grösse ähnlich, aber seine Haut ist nicht steif, sondern äusserst dehnbar, so dass seine Körperform fast beständig wechselt. In Sümpfen kommt es oft so massenhaft vor, dass das Wasser stellenweise grün gefärbt erscheint. Alle diese Geissel- infusorien haben eine oder zwei contractile Blasen. Fig. 10. Peridinium. Den Uebergang zu den bewimperten, ächten In- fusorien bildet eine Gruppe hartschaliger Thierchen, die vermittelst eines oder zweier Peitschenhaare (Flagella) herumschwimmen, daneben aber noch eine Spirale von kurzen, feinen, stets wimpernden Härchen (Cilien) um die Mitte ihres Leibes tragen, daher Cilio-flagellata genannt werden. Der harte Panzer widersteht der Verwesung, so dass dies die einzigen Infusorien sind, die uns als Versteinerungen aus frühern Erdperioden die Existenz dieser Thierklasse melden, während wir aus den früher erwähnten Urthierklassen, den Foraminiferen, Radio- larien und Schwämmen eine reiche fossile Fauna besitzen. Eine breitere Furche theilt den Panzer der Peridinien (oder Cilio-Flagellaten) in zwei Theile und an dieser Stelle sitzen an der feinen Oberhaut des Thierchens jene feinen Wimper- haare. Bisher hat man noch keinen Mund und noch nie fremde Körper im Innern der Peridinien gefunden, ebenso fehlt die contractile Blase und ist die Lebensweise dieser Geschöpfe noch sehr dunkel. Fig. 11. Amphileptus. Yo‘. Mit dieser Figur leiten wir die grosse Reihe der bewimperten Infusorien ein, d. h. Sarcodethiere mit einer deutlichen Haut, die ihre Ortsbewegung durch eine Menge feiner, kurzer Wimperhärchen ae’ ER oder gröbere Borsten vermitteln, also meist schwimmende Thiere. Bei den mei- sten hat man einen deutlichen Mund wahrgenommen, der sich oft noch im eine kurze Speiseröhre fortsetzt, dann aber gelangen die verschlungenen Nahrungs- theile direet in die dünnflüssige Sarcode, welche die Leibeshöhle erfüllt, und die von einer derbern, hellern Sarcodeschicht umschlossen ist. Auch besteht meist eine bestimmte Oeffnung zum Auswerfen der verdauten Nahrungsreste. Wir haben also Thiere vor uns mit Mund und After, die bei höhern Thieren aber dazwischenliegenden Eingeweide, wie Magen, Darm, Leber etc. fehlen, ihre Function übernimmt die Sarcode, welche die Körperhöhle ausfüllt. In den dich- tern äussern Sarcodepartieen, die also für Nahrungstheile undurchdringbar sind, liegt ein oder mehrere Kerne, eigenthümliche Organe, deren Natur noch nicht ganz genau bekannt ist, die aber bei der Fortpflanzung eine wesentliche Rolle spielen, und die Stelle der Geschlechtsorgane vertreten. Ebendaselbst befinden sich jene bei der Amoeba schon erwähnten Hohlräume, die sich in periodischen Zeiträumen plötzlich contrahiren, ihren wässerigen Inhalt entleeren und nach und nach wieder mit Flüssigkeit füllen. Die hier gezeichnete Art besitzt einen dun- keln Kern und eine grössere Anzahl runde contractile Blasen. Ihr Körper ist sehr dehnbar und besonders die verlängerte Vorderpartie fährt lebhaft tastend nach allen Seiten umher. Vermittelst der sehr feinen Wimperchen, welche gleich- mässig die ganze Oberfläche bedecken, schwimmt sie bald rasch durch das Wasser, bald windet sie sich in eleganten Schlangentouren an Wasserpflanzen dahin. Der Mund liegt am Grunde des dehnbaren Rüssels und bildet beim Fressen eine trichterförmige Grube, während der After am hintern Körperende sich befindet. Andere Infusorien dieser Gruppe haben einen rigiden formbestän- digen Körper, z. B. Fig. 12. Coleps, ein kleines, gemeines Thierchen von !/s»‘ Länge, dessen ÖOberhaut einen gitterförmigen, ziemlich derben Panzer darstellt. Die braunen Kügelchen in seinem Innern sind Ballen verschluckter Nahrungstheile. Man hat aus den Thierchen, die über die ganze Körperoberfläche mit gleich- mässig feinen Wimperhärchen bedeckt sind, die Ordnung der holotrichen Infu- sorien errichtet, während wir in Fig. 13. Stentor einen Repräsentanten der heterotrichen Infusorien finden. Auch hier, beim Trompetenthierchen, ist der Körper fein bewimpert, aber um den Mund steht eine Spirale viel stärkerer, grosser Cilien, die im Wasser einen gewaltigen Strudel erregen, wodurch Nahrungstheile zum Munde getrieben werden. Be Dies schöne, !/s’ grosse Infusorium zeigt in seinem Innern einen langen ketten- förmigen Kern, und von der contraetilen Blase geht ein langer Wasserschlauch bis gegen das Schwanzende hin. Bald schwimmt es elegant sich um seine Längsachse drehend dahin, bald sitzt es in grossen Gesellschaften mit dem Schwanze an Wasserpflanzen fest und wimpert mit der starken Mundspirale. Der sehr dehnbare Körper zieht sich dabei bald zu einer Kugel zusammen, bald streckt er sich in ein langgewundenes Horn aus und zeigt eine blaue oder grün- liche Färbung. Fig. 14. Stylonychia, !o‘’, repräsentirt uns eine Ordnung von Infusorien, die nur auf ihrer Bauchseite mit Wimpern oder hier gröbern Borsten und Sta- cheln bekleidet ist, während der Rücken nackt erscheint (Hypotricha). Diese Thiere stelzen auf ihren Borsten, wie auf Füssen, an Wasserpflanzen herum, sind daneben aber auch heftige Schwimmer und erhaschen mit ihrem grossen Maul manch kleines Infusorium. Der gefrässige Mund liegt an der Bauchseite im Winkel der stark bewimperten, dreieckigen Grube. In seiner Nähe liegt eine contractile Blase und zwei ovale, dunkle Kerne. Fig. 15. Vorticella. Die zierlichsten aller mieroseopischen Wesen finden wir unstreitig in der Ordnung der peritrichen Infusorien, deren Körper nackt ist und nur um den Mund herum eine Spirale stärkerer Wimpern trägt. Sie sind meist festgeheftet und daher leicht zu beobachten. Unsere Vorticellencolonie in Fig. 15 zeigt eine Anzahl gesellig lebender Thierchen, die vermittels langer, elastischer Faden an einer Wasserpflanze sitzen, wo sie schon das blosse Auge als feiner, schimmelartiger Anflug erkennt. In den feinen Stielen verläuft eine spiralige Muskelfaser, die bei der geringsten Erschütterung sich zusammen zieht und den Stiel in enge Windungen aufrollt. Das daran haftende Glöcklein schnellt in Kugelform zusammen, und man kann keine Einzelheit daran erkennen. Langsam tastend dehnt sich der Stengel wieder aus, das Glöcklein entfaltet vorn einen bewimperten Deckel, der einen starken Strudel in seiner Umgebung erzeugt, wodurch kleine Partikelchen in den offenen Mundtrichter hineingewirbelt werden. Wir haben etwas fein zerriebenes Karmin in das Wasser gebracht, und sehen nun, wie die rothen Molecule, in kleine Ballen geformt, in das Innere des Leibes aufgenommen werden. Unter dem Deckelchen liegt eine regelmässig pulsirende, contractile Blase, und bei genauer Untersuchung findet man einen bandartigen, dunkeln Kern in der kleinen Urne. Diese Glockenthierchen bilden oft zierlich verzweigte Bäumchen, mit elastischen oder steifen Stielen, einige Arten leben in EIER pn glashellen, becherförmigen Hüllen, und sie gehören zu den allergewöhnlichsten Infusorien, nach denen man nie vergebens suchen wird. Fig. 16. Acineta. Eine ganz gesonderte Gruppe von Infusorien hat so zu sagen gar keine Bewegung, sie haben keine Wimperhaare und sitzen meist in glashellen Gehäusen, als kleine kugelige Sarcodeklumpen, an denen sehr feine Saugröhrehen mit &nopfartigen Enden stehen. Diese eigenthümlichen Thierchen saugen zufällig an ihre Röhrchen stossenden Infusorien die Sarcode aus, ohne feste Theile zu sich zu nehmen. Sie haben also eine grosse Anzahl von Mund- öffnungen, theilen im übrigen mit den Infusorien den Besitz eines grossen Kernes und einer contractilen Blase. Hiemit hätten wir nun die Uebersicht über die manigfaltigen Lebensformen des Kreises der Urthiere beendigt, und wir wollen noch einen kurzen Blick auf die Fortpflanzungsweise dieser untersten Thiergruppe werfen. Die allerhäufigste Art der Vermehrung geschieht durch Theilung, indem der homogene Schleim- körper sich nach irgend einer Richtung einschnürt, bis er in zwei ziemlich gleiche Hälften zerfällt, von denen jede die Form des ursprünglichen Wesens an sich trägt. Eine weitere, besonders bei einzelnen Infusorien und den Schwämmen verbreitete Vermehrungsweise bildet die Knospung. Dabei wächst an einer Stelle ein kleiner Sarcodehöcker hervor, der, nach und nach grösser werdend, die Form des Mutterthieres annimmt, oft zeitlebens mit ihm im Zusammenhang bleibt und zu Colonienbildung Veranlassung giebt, oder sich vom Mutterthier loslöst, um ein selbständiges Leben zu führen. So sieht man auf Fig. 15 an einigen Vorticellenstielen kleine Knospen, oder zwei Individuen sitzend, wovon das eine hinten einen Kranz langer Wimpern trägt. Dieses ist eine herange- wachsene Knospe, die im Begriff steht, sich von ihrer Mutterglocke zu trennen, um mit dem Cilienkranz einige Zeit frei im Wasser herumzuschwimmen, einen neuen Wohnort zu suchen, und sich da als festsitzendes Glockenthierchen zu etabliren. Eine dritte in allen Klassen der Urthiere verbreitete Vermehrungsweise ist die noch dunkle Vermehrung durch Sporenbildung. Dabei kapseln sich ein- zelne Theile des Thieres, oder ganze Thiere ein, indem sie sich kugelig zusam- ° menziehen, mit einer resistenten Hülle umgeben und im Innern derselben in eine grosse Anzahl Körner, oder Zellen zerfallen, aus deren jeder wieder ein lebendes Wesen hervorgehen kann. Das neue Geschöpf ist dann aber gewöhnlich dem ursprünglichen nicht ähnlich, und seine weitere Entwicklung äusserst schwer zu verfolgen. Endlich kennt man bei den Schwämmen und Infusorien einen he Process der Vermehrung, der vielfach an die Fortpflanzung der höhern Thiere erinnert und als geschlechtliche Fortpflanzungsweise kann bezeichnet werden, da eiartige Elemente mit beweglichen Samenfaden zusammenwirken, um ein neues, dem Mutterthier meist unähnliches Individuum zu erzeugen. Bei den Infusorien functionirt der mehrfach erwähnte Kern als eibildendes Organ, wäh- rend ein dicht daneben liegendes sogenanntes Kernkörperelfen die männlichen Samenelemente zu liefern scheint. Auch ist bei den Infusorien und Rhizopoden vielfach ein Zusammenschmelzen von zwei und mehrern einzelnen Individuen zu einem einzigen beobachtet worden, was wohl mit dem Fortpflanzungsgeschäft in Verbindung gebracht werden kann. Fig. 17. Hydra. Der Süsswasserpolyp ist der einzige Repräsentant eines äusserst formenreichen Thiertypus. Nur zwei Arten, eine braune im fliessenden und eine grüne im stehenden Wasser, leben im Binnenlande, während das Meer eine so ausserordentlich mannigfaltige Fülle von verwandten Wesen ernährt, dass man einen eigenen Thierkreis aus ihnen gemacht hat. Wir erinnern an die See- igel, Seesterne, Seewalzen, die Quallen, die Seeanemonen und die Koralleninseln bildenden Polypen. Der Kreis der Strahlthiere zeichnet sich durch eine strahlig um die Körper- achse gruppirte Vertheilung der Organe vor allen andern Geschöpfen aus, und so sehen wir bei unserm Süsswasserpolypen auch einen Kranz von einer vari- renden Anzahl Fangarme stehen, die nicht in einen symmetrischen Typus hinein- passen. In dem sehr dehnbaren Leib, dessen Wandung aus dicht gedrängten rundlichen Zellen besteht, verläuft der Verdauungskanal als Blindsack die Körper- höhle bildend, und diese Höhle erstreckt sich in die einzelnen Arme hinein bis zu ihrer Spitze. Andere Organe sind nicht vorhanden. Mit den äusserst dehn- baren, zelligen Armen umfasst der Polyp kleine Krebse, Räderthiere und Infu- sorien, die er durch seine Nesselkapseln geangelt und gelähmt hat. Man sieht bei starker Vergrösserung zwischen den kleinen Zellen der Leibeswand und be- sonders der Arme grössere, runde Blasen liegen, aus welchen ein flaschenförmiger Körper mit mehreren kleinen Hacken an einem feinen Faden kann hervorge- schnellt werden. Ein solcher Nesselapparat ist stark vergrössert neben dem Polypen abgebildet. Jedes davon getroffene kleinere Thier wird sogleich gelähmt und fällt als Beute dem gefrässigen Räuber zu, welcher dasselbe mit den Fang- armen umfasst und dem auf einem Höcker stehenden Mund zuführt. Meist finden 5 Zr wir mehrere seitliche Knospen am Polypen, die sich zu neuen Individuen ent- wickeln. Alt bekannt ist das an’s Wunderbare grenzende Reproductionsvermögen dieser Geschöpfe; schneidet man einen Polypen in mehrere Stücke, so entwickelt sich fast aus jedem einzelnen Stück wieder ein vollständiger Polyp. — Der Süss- wasserpolyp hat seine nächsten Verwandten im Meer, unter den Quallen, oder wenigstens unter ihren Jugendformen und steht so isolirt in unserer Fauna da, dass er nur der Vollständigkeit wegen hier kurze Erwähnung findet. Er ist kein microscopisch kleines Thier, denn mit seinen Armen kann er sich über 1 Zoll lang dehnen, um im nächsten Augenblicke wieder in eine liniengrosse Kugelform zusammen zu fahren. Der Polyp scheint aber nach unserer Beschreibung zu einfach organisirt zu sein, um ihn höher stellen zu können, als die Infusorien, darum wollen wir seinen feinern Bau noch kurz beträchten, und werden finden, dass auch in diesem Thiere die Sarcode, jene dehnbare, homogene Schleimsubstanz, noch eine wichtige Rolle spielt. Die äusserste Schicht nämlich besteht wirklich aus belebter und be- wegter Sarcode, in welche die Nesselkapseln eingebettet sind, und die die aus- giebigen Formveränderungen unseres Thieres bedingt. Darunter liegt eine von der Sarcode ausgeschiedene glashelle, strukturlose Membran, die dem Ganzen zur Stütze dient, und erst jetzt kommen die dicht gedrängten, den eigentlichen Stamm bildenden Zellen. Auch diese Zellen sind sehr dehnbar, indem sie bei der Verlängerung lang, in mittlern Contractionszuständen rundlich und beim Zu- sammenklappen des Thieres breit erscheinen, wie ein sogen. Cylinderepithel; aber ihre Bewegung und Formveränderung ist eine passive und hängt ganz von»+den Contractionszuständen der Sarcode der Aussenschicht ab. Nach Innen bilden die Zellen die Magenhöhle und sind mit zarten Wimperhaaren bekleidet. Fig. 18. Rotifer. Mit dieser Figur werden wir in einen neuen Thierkreis, in den der Würmer, versetzt, und zwar stellt sie einen Repräsentanten der Räderthierchen dar, die eine eigenthümliche, scharf begrenzte Klasse der Würmer bilden. Die Räderthiere stimmen in Grösse und Wohnsitz vollkommen mit den Infusorien überein, so dass man die einen selten ohne die Gesellschaft der an- dern trifft. Sie beleben in zahlreichen Arten unsere Bäche, Seen und Sümpfe; ihre Grösse schwankt etwa zwischen Yso‘’— 1‘, sie sind also immerhin micro- scopische Objecte. Aber ihre Organisation ist eine viel höhere: sie zeigen einen wohlausgebildeten Verdauungskanal, einen Athmungsapparat, einen Nervenapparat mit deutlichen Sinnesorganen, und die äussere Körperform hat oft viel Aehn- lichkeit mit Gliedertbieren, wesshalb sie von einzelnen Forschern zu den niedern 3 = Krebsen gezählt wurden. Den Namen haben sie von dem sogen. Räderorgan, d. h. von einem Kranze kräftiger Wimperhaare, welche auf Lappen den Vorder- rand des Kopfes bekleiden und durch ihr Spiel den Anblick erzeugen, als würde sich ein Rad rasch unter unsern Augen im Kreise drehen, und als sähen wir dessen Speichen schnell rotiren. Diese Erscheinung gehört mit zu dem zier- lichsten, was wir unter dem Microscope beobachten können. Versuchen wir es an dem Rüsselrädchen (Rotifer) die Organisation dieser Thiere zu studiren. Das Kopfende ist in zwei mit starken Wimpern besetzten Lappen ausgezogen, vermittelst welcher das etwa Y3 —!/a‘ lange Thier rasch schwimmt, oder, wenn es sich mit dem Schwanze festgesetzt hat, in seiner Umgebung einen starken Strudel erzeugt und Nahrungstheile herbeiwirbelt. Nach vorn geht ein Rüssel- chen mit zwei schön rothen Augenpuneten ab und hinter dem Kopfe eine Art Fühler, an dessen Spitze feine, steife Borsten stehen. Es ist dies Gebilde ein Tentakel, eine Art Tastorgan, in welches hinein Nervenfasern von dem im Kopf sitzenden Gehirnknoten treten. Hinter dem Kopf erstreckt sich der eylindrische schlauchförmige Leib mit zarter, durchsichtiger Wandung, in dem die Einge- weide frei aufgehängt sind, und dessen Seiten von zahlreichen Längs- und Quer- muskelfasern durchzogen werden. Vermittelst dieser Musculatur kann sich das Thier bald kugelig zusammenziehen, bald wieder röhrenförmig ausstrecken. An den kolbigen Leib schliesst sich ein segmentirter Schwanz, in den keine Einge- weide mehr eintreten, dessen Theile sich aber ineinander einschachteln können, wie die Theile eines Fernrohres. Es wird durch zwei krumme Häcklein beendigt, womit sich das Thier an Wasserpflanzen festsetzen kann. Das Rüsselrädchen sitzt also bald fest, bald schwimmt es rasch durch das Wasser, oft aber kriecht es, ähnlich den Spannerraupen, herum, indem es sich bei eingeklapptem Räder- organ abwechselnd mit dem Rüsselchen und dem Schwanzende festhält. Wir nennen solche Räderthiere kriechende, und sie bilden eine eigene Familie, die sich durch den segmentirten, einschiebbaren Schwanz und die krummen End- hacken am Leibesende characterisiren. — Im Innern sehen wir nach dem weiten Mundtrichter oder Vormagen einen muskulösen kugeligen Kaumagen, in dem zwei halbscheibenförmige Stücke beständig gegen einander wirken und die da- zwischenkommenden Nahrungstheilchen zerdrücken. Diese zwei Kieferstücke aus Chitin zeigen bei den verschiedenen Räderthierarten sehr mannigfaltige Bil- dungen. Bald sind es solche halbrunde Platten mit queren Leisten oder Zähnen, bald sind es einfache, oft vorstreckbare, scharfe Greifzangen, bald bilden sie zu- sammengesetzte Gebilde, deren Zacken geweihartig oder wie Hände ineinander- a We greifen. Von den muskulösen Kaumagen führt eine kurze Speiseröhre in den langen und stets mit Nahrung gefüllten Darm, der, nach hinten sich verdün- nend, am Schwanzansatze in den After endet. Der Darm ist inwendig mit wimpernden Cilien besetzt, die den Speisebrei in steter Rotation erhalten, und an seinem obern Ende liegen zwei drüsige, helle Anhängsel, wie Flügel, an denen der ganze Verdauungsapparat vermittelst starker Muskeln frei in der Leibeshöhle aufgehängt ist. Die Räderthierchen nähren sich von Infusorien, kleinen Algen und verwesenden organischen Theilen. — Ein ferneres Organ, das in der Zeich- nung wenigstens angedeutet ist, dient zur Athmung, d. h. zur Aufnahme des im Wasser absorbirten Sauerstoffes. Es besteht aus einer muskulösen, sich periodisch zusammenziehenden Blase, die ihren Wassergehalt etwa alle !/ Minuten in der Gegend des Afters nach Aussen entleert. Von dieser Blase gehen beiderseits zwei lange, oft gewundene Schläuche durch den ganzen Leib bis gegen den Kopf hin und endigen mit mehrern freien Mündungen in der allgemeinen Leibeshöhle; dort entziehen sie durch kleine Wimperläppchen dem Körper das aufgesogene Wasser, treiben es in die Blase, welche dasselbe, nachdem es verbraucht ist, wieder nach Aussen abgiebt. Schliesslich bemerkt man neben dem Magen noch ein grosses drüsiges Organ, den Eierstock, in dem gewöhnlich mehrere Eier deutlich erkennbar liegen. Unsere Räderthiere haben zweierlei Eier, die man Sommereier und Winter- eier genannt hat. Die ersteren sind klein, dünnwandig, oft in grösserer Anzahl vorhanden, und bei einigen kriecht schon im Eileiter ein Embryo heraus, also sind diese Arten lebendig gebährend. Will durch grosse Hitze das Wasser ein- trocknen, oder gefriert es im Winter, so beobachtet man die Bildung der zweiten Art Eier. Gewöhnlich bilden sich nur ein oder zwei Wintereier, die viel grösser sind, eine dicke Wandung haben und jeder Vertrocknung widerstehen, während die Thiere selbst im Winter zu Grunde gehen. — Der Rotifer, welcher uns hier als Paradigma dient, ist eines der längst bekannten und am weitest verbreiteten mieroscopischen Thiere, und hat vor langem schon ein allgemeines Interesse er- regt, weil das Thierchen vollständig eintrocknen, Jahre lang in diesem scheintodten Zustand verharren kann, und nach Benetzung wieder zu neuem Leben erwacht. Fig. 19. Hydatina, das Kristallfischehen zeigt uns ein blos schwimmendes Räderthier von etwa !/o‘‘ Grösse, mit ebenfalls ganz weichem Körper. In der Zeichnung sehen wir keinen Eierstock, keine Kiefer, keinen Magen, nur im Grunde des Thieres eine grosse Blase, die mit Samenelementen gefüllt ist. Es ist dies ein Männchen, das merkwürdiger Weise keinen Verdauungsapparat besitzt und a en also keine Nahrung zu sich nehmen kann. Diese Männchen führen natürlich ein sehr kurzes Leben und sind überhaupt viel seltener als die Weibchen, so dass man bisher nur von wenig Arten die Männchen hat entdecken können; wir dürfen daraus schliessen, dass die Parthenogenesis, die Entwicklung unbefruch- teter Eier, bei den Räderthieren, wie bei den Bienen eine weitverbreitete Fort- pflanzungsweise bildet. — Fast alle schwimmenden häderthierchen haben an ihrem Leibesende zwei hlattförmige, lancetartige Klappen, die bald kurze Schup- pen bilden, bald lange Borsten darstellen, vermittelst deren sie grosse Sprünge machen können; nur wenige haben gar keinen Schwanz, und eine Gattung statt der zwei Endblättehen einige Borstenhaare. Viele schwimmende Räderthiere haben nicht den dehnbaren, weichen Leib, sondern ihre Hautbedeckung erstarrt zu einem soliden Panzer, welcher der Zersetzung längere Zeit widersteht; dabei haben sie sehr mannigfaltige Hörner und Anhängsel, sind bald prismatisch, bald von oben zusammengedrückt, ähnlich einer kleinen Schildkröte. Fig. 20. Tubiecularia.*) Es giebt eine Reihe stets festsitzender, meist grosser Räderthiere, deren Schwanzende mit einem Saugnapf endet. Die hier gezeichnete Art hat ein in 4 Lappen ausgezogenes, grosses Räderorgan und son- dert, wie die meisten sitzenden Genossen, eine Hülle aus, in welche sich das Thier ganz zurückziehen kann. Die Hülle besteht hier aus den Exerementen des Thierchens, und man sieht darin eine Anzahl leicht nierenförmiger Eier ab- gesetzt. Neben dem blumenkelchartigen Räderorgan sieht man zwei Tentakeln hervorragen, die den meisten sitzenden Räderthieren zukommen. Andere Ver- wandte haben eine sehr zarte, durchsichtige und becherförmige Hülle, z. B. Fig. 21. Limnias, wo die Hülle ein mit feinen Reifen geziertes Tönnchen bildet.**) Eine andere Art (Melicerta) incrustirt die Hülle sogar ganz gleich- mässig mit einer runden, einzelligen Pflanze, dass die Röhre wie mit Zellen gepflastert erscheint. Fig. 22. Flosceularia. Von allen andern Räderthieren abweichend, sind unter den festsitzenden noch die Blumenfischchen zu erwähnen, bei denen das Räderorgan eigenthümlich umgeändert erscheint. Auf 5—7 Armen oder *) Diese Art fand ich zahlreich in einem kleinen Sumpfe des Cantons Zürich und nenne sie vorläufig ihrer eigenthümlichen, 1” grossen Hülle wegen T. coprophila. **) Ich fand diese neue Art, die ich Limnias doliolum nenne, in wenigen Exemplaren in einem kleinen Teiche des Cantons Zürich. Sie ist Y/a‘ gross, hat ein prächtiges, zweilappiges Räderorgan, ähnlich dem der Melicerta und 2 Tentakel, ist aber ohne Augenpunkte. a Höckern stehen nämlich sehr lange, steife Haare, die nicht wimpern- sondern ra- dienartig ausgebreitet sind. Der Nahrung zuführende Strudel wird durch einen weiten, bewimperten Vormagen erzeugt. Kommt dadurch ein fremder Körper in das Haarnetz, so klappt dieses plötzlich in einen steifen Büschel zusammen und hält so die Beute fest,*) Fig. 23. Chaetonotus. Das Borstenfischehen, ein wurmförmiges Thier, dessen Kopf- und Rückenseite mit starken Wimpern besetzt ist, und dessen io‘ langer Leib in einen zweigabeligen Schwanz endet, weicht von den Räder- thieren ganz ab, kann aber doch bei keiner andern Klasse besser untergebracht werden als hier, wesshalb es wohl mit einigen nahen Verwandten eine eigene Ordnung der Räderthiere bildet. Der kleine, runde Mund führt durch einen engen Kanal in den einfachen, geraden Darm und dient vielleicht zum saugen; doch kennt man die Naturgeschichte des Thierchens zu wenig, obgleich es in allen Gräben und Teichen häufig ist und unter den übrigen Räderthierchen herumschwimmt. Andere Organe als einen grossen Eierstock mit vielen Eiern findet man nicht. Fig. 24, Cristatella. Zum Schlusse wollen wir noch der zierlichen Feder- buschpolypen erwähnen, die in unsern Seen die Schilfstengel mit ihren Röhren und Gehäusen oft überziehen, und im Meere eine äusserst zahlreiche und formen- reiche Verwandtschaft haben. Diese niedlichen Geschöpfe zählt man jetzt ge- meiniglich mit einigen blos marinen Klassen dem Kreise der Weichthiere zu. In zusammenhängenden Polypenstöcken von hornartiger Beschaffenheit sitzen diese Thiere, die Höhle der Polypenzelle ausfüllend. Um den Mund ragen zwei Arme, die mit sehr zahlreichen, fein bewimperten Tentakeln besetzt sind, huf- eisenförmig hervor, und die Wimperbekleidung erzeugt einen beständigen Strudel im Wasser, welcher Nahrungsstoffe in den Mund treibt. Von da senkt sich frei in die Leibeshöhle hinein der Magen, an dem sich das Darmrohr umbiegt und wieder gegen den Tentakelkranz emporsteigt, um in der Nähe des Mundes in einen After frei nach Aussen zu münden. Die Leibeshöhle, in welche dieser einfache Verdauungskanal gesenkt ist, wird mit Wasser gefüllt, und quer durch die Flüssigkeit verlaufen zahlreiche Muskelbündel, welche die Tentakelkrone ganz in das Gehäuse zurückziehen können. Eigene Athmungsorgane finden sich nicht, *) Die hier gezeichnete neue Art fand ich nur einmal im Canton Zürich. Auf 7 deut- lichen, langen Armen stehen die Cilien. Das Thier ist kleiner (/ıo“‘) und bauchiger als Fl. ormata und hat keine Hülle. De er sondern die Aussenfläche des Darmrohres ist mit feinen Wimpern bekleidet, wel- chen die beständige Erneuerung des Wassers obliegt; auch durch die Bewimpe- rung der hohlen Tentakeln ist hinlänglich für neue Wasserzufuhr gesorgt. Die Hohlräume, in denen diese Polypen sitzen, communiciren von einem Thierchen zum andern, so dass dasselbe Wasser die ganze Colonie durchströmt. Nerven- elemente finden sich in der Nähe des Schlundes und schicken feine Aeste an die Muskeln ab. Die zusammenhängende Colonie deutet schon darauf hin, dass die einzelnen Thiere aus Knospen von einem Mutterthier ausgebildet werden; aber auch ge- schlechtliche Vermehrung ist leicht zu beobachten. Vom Grunde des Darmrohres nämlich zieht sich ein drüsiger Strang durch die Höhle des Polypenstockes, an welchem sich zu gewissen Zeiten Eier entwickeln, und ebendaselbst. bilden sich auch die Samenelemente. Auch bei den Federbuschpolypen treffen wir wieder zweierlei Arten Eier; einmal dünnwandige, bewimperte Eier, die wie Infusorien vermittelst ihres Wimperkleides in der gemeinsamen Höhle des Polypenstockes herumschwimmen; dann aber auch grössere, dicke, scheibenförmige Eier, die mit einem lufthaltigen Schwimmring umgürtet sind, und der Eintrocknung wie der Winterkälte widerstehen. Das Meer, in dem diese Polypen keinen so grossen Temperaturdifferenzen ausgesetzt sind, und wo sie auch nicht riskiren müssen, durch Verdunsten des Wassers zu Grunde zu gehen, hat nur Bryozoen (so heisst man die Moospolypen) mit dünnwandigen, bewimperten Eiern; ein Beweis mehr, dass die Natur nicht nach einer schematischen Schablone schafft, sondern dass alles auf wohl begründeten Gesetzen der Zweckmässigkeit beruht. So hätten wir denn in groben Zügen ein Bild von der grossartigen Fülle microscopischen Lebens im Tropfen Wasser erblickt, und nun erlaubt mir, junge Freunde, denen diese Blätter gewidmet sind, noch einige Worte. Als vor mehr als zwanzig Jahren einige Schulkameraden Schmetterlinge und Käfer sammelnd den Zürichberg durchstreiften, da wurde zuerst die Lust zu naturgeschichtlichem Studium in uns erweckt, und das Interesse für planmässiges Beobachten wurde besonders durch den damals vorzüglichen naturgeschichtlichen Unterricht an un- serm Gymnasium, so wie durch die liebenswürdigen Aufmunterungen des ver- storbenen Entomologen Bremi angeregt. Dadurch wurden uns nicht nur viele müssige Stunden auf’s Angenehmste und Nützlichste ausgefüllt, sondern unsere Literatur wurde von selbst eine ganz andere, als die unserer Altersgenossen: eh Ape während jene erregende Novellen und Romane verschlangen, begnügten wir uns mit der nüchternen Beschreibung von Reisen und Expeditionen in fremde Län- der, und die Grossartigkeit und Neuheit jener Schilderungen wirkte für manch’ einen von uns bestimmend für seine ganze Zukunft. O, wie beneidete ich später den kühnen Freund Alexander Schläfli, der, den Orient durchstreifend, im Begriff war, die geheimnissvollen Naturschönheiten des innern Afrika zu belauschen, als ihn ein unerbittliches Geschick ereilte; wie beneidete ich Freund Eduard Gräffe, der jetzt noch auf fernen Inseln des grossen Oceans seine Jugendideale verfolgen kann. Mir schien das Glück nicht günstig, ich war an die Scholle gebunden, und die Alltäglichkeit meiner Umgebung ver- deckte mir immer mehr die geheimen Reize einer neuen, grossartigen Natur- anschauung... Da fiel mein Blick einst ganz zufällig auf den bestaubten Kasten meines Microscopes, das ich einst zu rein medizinischen Zwecken gekauft hatte, und mit einem Mal ging mir eine neue Welt auf, die an Mannigfaltigkeit der Lebensformen mit den üppigsten Urwäldern Amerikas wetteifert; die in wenigen Tropfen Wassers fremdartigere, sonderbarere Wesen vor mein Auge führte, als die spannendsten Expeditionsberichte aus einem entlegenen Welttheile; die die Grossartigkeit der Natur durch eine überraschende Oeffentlichkeit des Lebens er- setzte, und die weiter keine Kosten und Mühe verursachte, sondern nur ein klein wenig Geduld erforderte. Seither beneide ich meine fernen Freunde nicht mehr, denn ich habe in der Nähe vollen Ersatz gefunden für das, was ich früher in weiter Ferne suchen zu müssen glaubte. BL: | ieeriehailiig - Re en BR re he B Fe li ala mällrat täll {ig RER aa Eon Drau ea ol | Imityaabrlänsn Wh | tee yrlöhfkr dehnt tieı : TE UL 9 OMEeR RIVER RE ZESRER UT.) KL are a SA: u Ta Hei Ag u be u ein sl rn AE > ni img a INTERN Pa fie. Frl WERE DAAMER wi a. EV ya ar: Wasserver An Er und ihrer Umgebung. Bearbeitet von Dr. Arnold Escher von der Linth, Professor und 2 rt Arnold ee Mit einer Karte in Farbendruck und vier Tafeln. > oa — Zürich, Gedruckt bei Zürcher und Furrer, 1871. BER ee EINLEITUNG. Wenn schon im letzten Neujahrsblatt der naturforschenden Gesellschaft das Wasser mit den in ihm lebenden Geschöpfen den Behandlungsgegenstand bildete und es auch diessmal wieder in seinem Verhältniss zum Boden, auf dem wir uns befinden, die Grundlage unserer Betrachtung abgeben soll, dürfte sich diess durch die Bedeutung rechtfertigen, welche dem Wasser in dem grossen Haushalt der Natur sowohl als in dem kleinen der einzelnen Menschen zukömmt. Hört ja einer- seits ohne Wasser alles Leben auf, und ermöglicht anderseits nur ein reichlicher Gebrauch des Wassers jene Reinlichkeit, welche so sehr auf die körperlichen und. geistigen Eigenschaften der Menschen von Einfluss ist. Aber selbst über diese mehr directe Wirkung hinaus wird in neuerer Zeit dem im Boden enthaltenen Wasser ein auf die Gesundheit des Menschen und auf seine Empfänglichkeit für verschiedene Krankheiten entscheidender Einfluss zugeschrieben und wird das Auf- treten oder das Ausbleiben der in der Gegenwart so viel gefürchteten Krankheiten, der Cholera und des Typhus, mit den Feuchtigkeitsverhältnissen des Bodens, auf dem unsere Wohnungen stehen, in Verbindung gebracht. In den nachfolgenden Blättern soll nun das Erscheinen und Verhalten des Wassers auf der Erdoberfläche wie es sich in den Quellen, dem Grundwasser und den offenen Wasserläufen der Umgebungen Zürichs darstellt, näher erörtert wer- den. Von entscheidender Wichtigkeit dabei ist die geologische Bodenbeschaffen- heit, deren Kenntniss der unbedingt nothwendige Ausgangspunkt für die Betrach- tung der Feuchtigkeitsverhältnisse einer Gegend ist, daher eine Darstellung des Bodens, auf welchem sich Zürich angesiedelt hat, und der eingreifenden Verände- rungen, durch welche dessen Terrain zu seiner jetzigen Gestalt und Beschaffenheit gelangt ist, nothwendig jener der Wasserverhältnisse vorausgehen muss. wg I. Die geologische Beschaffenheit des Bodens. Schon in unserm Neujahrsblatt für 1862 wurde dargethan, dass das Innere des Zürichberg-Pfannenstiel-Zugs und des Uetliberg-Schnabel-Rückens, mit Aus- nahme der obersten Uetlikuppe, aus wechselnden Schichten hauptsächlich von Sandstein und Mergeln bestehen, deren übereinstimmender Gesteinscharaeter und durchgehends gleichförmige wagrechte oder fast wagrechte Lage bestimmt darauf hinweisen, dass diese Bänke ursprünglich unmittelbar zusammengehangen haben, und dass ihre Oberfläche eine Ebene bildete, welche sich zufolge ähnlichen Beob- achtungen in andern Gegenden über das ganze zwischen den Alpen und dem Jura _ befindliche Land und weit über die Schweiz hinaus nach West-Süd-West und nach Ost-Nord-Ost erstreckte. Diese Gesteine, Molasse genannt, und der obern, neuern Abtheilung der Tertier-Periode, dem sogenannten Miocn, angehörig, wurden später, ' wahrscheinlich zur Plioczen-Zeit, dem jüngsten Abschnitt der Tertiser-Zeit, oder bei Beginn der Quartser-Periode in Folge von mächtigen, andauernden Bewegungen, die in den Alpen und im Jura statt fanden, in der Nähe dieser Gebirgsketten eben- falls aufgerichtet, theilweise zusammengequetscht; in der mittlern Gegend der jetzigen hügeligen Schweiz blieben sie dagegen ungestört in fast oder ganz hori- zontaler Lage. Es ist nun nicht unwahrscheinlich, dass bei diesen Bewegungen, namentlich von den Alpen her Spalten entstanden, welche, vorherrschend von Süd-Ost gegen Nord-West gerichtet, sich mehr und minder weit in das Gebiet der Molasse hinein erstreckten und, verbunden mit der allgemeinen Bodensenkung gegen die Aare und den Rhein hin, den von den Alpen abfliessenden Gewässern die Hauptriehtung für ihre erodirende oder wegfegende und ausgrabende Thätigkeit bezeichneten. Durch solche vereinigte Wirkung von Spalten und Erosion wären also die als Thäler sich darstellenden Lücken zwischen unsern Molasse-Bergen und -Hügeln, den stehen gebliebenen Ueberresten der ehemaligen Hochfläche, entstanden , so auch das Thal des Zürichsees und der Limmat. Ersehrickt nun auch die Phantasie vor einem Processe, der sämmtliches Molasse-Material wegführte, welches zwischen dem Albis- und dem Pfannenstiel- Zuge vorhanden gewesen sein muss, bis zur oder vielmehr bis unter die Sohle des Zürichsees hinab, da das Senkblei gerade an den tiefsten Stellen kein Molasse- wi J 5 - > 7 - Re Rs € En, > “ , BR.) ‘ h in un . ; gestein, sondern nur neuen Schlamm erreicht hat, so ist anderseits zu bedenken, dass wir die Dauer dieser Erosions-Periode durchaus nicht bestimmeh können und wollen uns in dieser Hinsicht an das alte, der Natur-Beobachtung entnommene Spriehwort erinnern «der Tropfen höhlt den Stein aus». Jedoch stossen wir auch bei Annahme dieser Erklärung gerade beim Zürichsee doch noch auf eine Schwie- E- tigkeit; seine grösste 142 Meter betragende Tiefe befindet sich nämlich zwischen Herliberg und Thalweil d. h. in einer Gegend, in welche alpine Spalten sich wohl | nicht erstreckt haben; der Tropfen aber höhlt den Stein nur bis auf diejenige Tiefe aus, von der das Wasser noch abfliesst. Hat das Wasser aber kein Gefäll mehr, so hört seine erodirende Kraft auf. Nun wissen wir allerdings nicht, in welcher Tiefe unter der Sohle des See’s und unter der Oberfläche der Limmat gegen Baden hinab das Molasse-Gestein vorhanden ist. Theils das zu Tagegehen von Karthüs im Riesbach, im Hornbach bei der Seidenzwirnerei und vom Drahtzug an aufwärts, in der Klus, auf der Fläche des Polytechnikums und im Abhang gegen den Hirschen- und Seilergraben und den Weinberg, am Limmatufer selbst, gerade thalauf vom Drahtschmidli (entblösst gewesen im Jahr 1860), deren Zusammenhang Stelle zwischen Herliberg und Thalweil bis zum Ausflusse der Limmat sprechen aber nicht gerade dafür, dass thalab von dieser Stelle der ursprüngliche Boden des See’s durch herbeigeschwemmten Schlamm in ansteigendem Maasse um mehr als 142 Meter d. h. um den Betrag der grössten Seetiefe erhöht worden sei; der mittlere Wasserspiegel des See’s befindet sich nämlich nach der topogr. Karte 408,6 Meter, der tiefste Punkt des See’s 266 Meter ob dem Meere. ; Sehen wir ferner beim Seminar Wettingen, etwa 365 Meter ob Meer, beide ohne Unterbrechung unter dem Wettingerfeldle durch in die Grundlage des schlund existirt habe, der bei Zürich um mehr als 140 Meter unter das jetzige Niveau der Limmat hinabgereicht hätte, bei Wettingen unter das Felsenbett der wärtig zwischen Zürich und Wettingen ungefähr 43 Meter beträgt. i Wir könnten freilich auch annehmen, dass der Zürichsee einst bis zum Felsenbett bei Wettingen hingereicht und letzteres damals sammt seiner Umgebung um 99 Meter tiefer gelegen habe, seither aber um diesen Betrag aufwärts gestiegen ganz normal wagrecht liegender Molasse im Burghölzli, im Nebelbach und inder nur verdeckt ist durch die anderwärts vorhandene Schuttdecke, theils die allmälige und regelmässige Tiefenabnahme des See’s (s. die topogr. Karte) von seiner tiefsten Ufer und das Bett der Limmat aus Molasse-Fels bestehen, der ohne Zweifel Sultberges fortsetzt, so ergibt es sich als unmöglich, dass jemals ein Strom- Limmat um 99 Meter, selbst ganz abgesehen vom nöthigen Gefälle, das gegen- ei PEN sei, oder wir könnten, was auf das Gleiche herauskömmt, voraussetzen , dass der. DR Boden des Zürichsee’s um diesen Betrag gesunken sei, oder dass diese 99 Meter sich auf eine Hebung bei Wettingen und auf ein Einsinken des Zürichseebodens vertheilen. In allen diesen Fällen wäre der See durch die jüngeren, in der Folge zu betrachtenden, Alluvionen um die Strecke von Wettingen bis Zürich hinauf ver- kürzt und sein Niveau um die nöthigen 142 Meter aufgestaut worden. (99 Meter und 43 Meter Gefäll, welch letzteres die Alluvionen sich selbst gegeben hätten.) Da es aber gegenwärtig an andern, directen Beweisen fehlt, dass solche Boden- schwankungen seit der hier in Betracht kommenden Periode stattgefunden haben, so lassen sich auch die Ursachen nicht mit Bestimmtheit angeben, die neben und ausser der Wasser-Erosion bei der Bildung des Zürichseethals mitgewirkt haben; im höchsten Grade unwahrscheinlich ist aber die namentlich von englischen Natur- forschern aufgestellte Ansicht, dass das Seebecken durch Gletscherwirkung aus- gewühlt worden sei. Jüngere oder quartsre Ablagerungen. — Jst es obigen Angaben zu- folge unmöglich, dass die Limmat als Strom bei Zürich in einem 140 Meter tiefern Bett geflossen ist, und ungewiss, ob der See sich in einem wesentlich tiefern Niveau bis Wettingen hinab erstreckt habe, so weist doch das Grien des Silfeldes, dessen Mächtigkeit jedenfalls 10 Meter überschreitet, da Sodbrunnen von annähernd dieser Tiefe sich ganz in ihm befinden, darauf hin, dass das ursprüngliche Mo- lassebett sich noch etwas tiefer befunden haben muss. Ist dieser Schluss unab- weislich, so drängt sich die Frage auf, wie es denn möglich sei, dass die dem aus Molasse bestehenden Kamme aufgesetzte oberste Uetlikuppe (Fig. 1) aus einem früher löchrige Nagelfluh genannten Conglomerat bestehen könne, das bestimmt jünger zu sein scheint als die Entstehung des Zürichsee-, des Reppisch- und des Reussthals. Dieses Conglomerat weicht nämlich in seiner Beschaffenheit wesentlich ab von der eigentlichen, der Molasse untergeordneten, Nagelfluh der Balderen- Burgruine und des alten Uetliberghauses wie schon im Neujahrsheft 1862 ausein- ander gesetzt ist. Dagegen stimmt es sammt den begleitenden sandigen Schichten vollständig und namentlich auch hinsichtlich zahlreicher kleiner Schiehtunregel- mässigkeiten und des Vorkommens vieler eckiger und wenig abgerundeter Ge- schiebe vollständig überein mit den Conglomeraten von Alt-Wädenschweil, der Au, des Aathals, welche sämmtlich zwischen Molassebergen eingeschlossen als Ablagerungen sich darstellen, die jünger sind als die Bildung dieser Thäler. Wir werden daher darauf geführt auch das Conglomerat der Uetlikuppe als ein ht ı 3 le u aa TEL E Gebilde zu betrachten, das jünger ist als die Existenz der den Uetlizug begrän- zenden Thäler und überdiess weist die Gegenwart der zahlreichen kantigen Ge- schiebe darauf hin, dass diese nicht aus grosser Ferne herbei geschwemmt sein können, und die vielen kleinen Schichtunregelmässigkeiten sprechen dafür, dass diese Lagen eher durch bald da, bald dort fliessende regellose Bäche als durch ansehnliche Wassermassen abgelagert worden sind. Ebenso verhäit es sich mit den wechselnden Lagen von Letten und von Kies, die am Uetlibergweg in einer Höhe von mehr als 740 Meter über der Meeresfläche entblösst liegen (Fig. 2); auch sie gehören nicht zur Molasse, sondern müssen ohne Zweifel an diese anstossen. Sehen wir also zu, ob die einstige Existenz solcher Bäche auf der Höhe des Albis-Uetliberg-Rückens denkbar und möglich ist. Diese Untersuchung führt uns zur Betrachtung der Fündlinge und des sie begleitenden kleineren Steinmaterials. Fündlinge werden mit Recht in unserer Gegend seit alten Zeiten die zahllosen, theils colossalen, theils kleinern Felsblöcke genannt, welche, bald einzeln zerstreut, bald gemengt mit feinerem Steinschutt dem Molasse- oder noch älteren Boden eben als Fremdlinge aufgesetzt sind, von der Thalsohle an bis auf den Kamm des Uetli- und Zürichbergs, bis nahe an den Gipfel der Lägern hinauf, in ausge-. dehnten Strecken auch selbstständige beträchtliche Hügel bildend. Die Frage nach den Stammorten und der Transportweise dieses Fündlingsmaterials er- weckte bei den Naturforschern, namentlich denen der Schweiz, schon seit langer Zeit lebhaftes Interesse und rücksichtlich der Stammorte gelangte schon Gottlieb Sigmund Gruner (die Naturgeschichte Helvetiens in der alten Welt. Bern. 1773) zu der Einsicht, dass sie aus den Alpen zu uns hergekommen sind, und fand zu seiner grossen Ueberraschung, »dass man bei der Untersuchung der nun so weit — 20 bis 40 und mehr Stunden — von ihrem Geburtsorte entfernten Bruchstücke immer genau errathen kann, von welchem Felsgebirge sie ehemals einen Theil aus- gemacht haben,« ein Resultat, das im Wesentlichen durch die spätern Nachfor- schungen überall, für die Herkunft der Fündlinge des Kantons Zürich aus den Walensee-, Glarner-, Bündner- und Reussthal-Bergen, hauptsächlich durch Hans Conrad Escher von der Linth bestätigt worden ist. Dagegen wurde die Frage, auf welche Weise und durch welche Mittel die Fündlinge von ihren ursprünglichen Stammorten an ihre jetzigen Fundstellen trans- portirt worden sind, Gegenstand lebhafter, langer Erörterungen, und es tauchten darüber alle denkbaren Vermuthungen auf, bis am Ende diejenige, welche auf den ersten Blick als die unwahrscheinlichste, um nicht zu sagen abenteuerlichste, sich darstellt, den Sieg davon trug, in den Augen Aller derer, welche sich nicht bloss in der Stube, sondern im Felde mit der merkwürdigen Erscheinung he- schäftigt haben. Diese Vermuthung besteht darin, dass Gletscher die Fündlinge hertransportirt haben, und man kann wohl sagen, dass diese kühne Idee, seitdem sie, so viel bekannt, zum ersten Male vom Gemsjäger Perraudin im Bagnethal anno 1815 ausgesprochen und gegenüber den genialen Männern, Venetz und Char- pentier geltend gemacht wurde, namentlich durch die spätern Arbeiten des Letz- tern selbst, so an Consistenz gewonnen hat, dass sie alle Bedingnisse einer guten Hypothese erfüllt d. h. mit keiner der bezüglichen Thatsachen im Widerspruch steht und beim jetzigen Stand unserer Kenntniss der Naturgesetze das einzige Mittel darbietet, um die sämmtlichen Erscheinungen zu erklären. Um diese Hypothese zu begründen und die Momente, auf die es hier ankömmt, dem mit Geologie weniger Vertrauten verständlich zu machen, sei es uns vergönnt, die Natur und Wirkungen der Gletscher mit Rücksicht auf die vor- liegende Frage in ihren Hauptzügen zu durchgehen. In der That, vergleichen wir die Wirkungen, welche die Gletscher der Jetztzeit hervorbringen mit den Erscheinungen des Fündlingsmaterials, so finden wir zwischen beiden vollständige Gleichheit was die Natur der Sache betrifft. Vor Allem aus fällt uns bei jedem Gletscher auf, dass die Blöcke und der feinere Schutt, die von den höhern Felsen auf ihn herabstürzen, seiner thalabwärts gerichteten Bewegung folgend, mehr und minder zusammenhängende Streifen oder selbst Hügel auf seinem Rücken und an seinen Seiten bilden, von denen die randlichen Seitenmorsenen genannt werden, Mittelmor®enen jene, welche von den aus dem Gletscher aufsteigenden Felsspitzen herstammen, z. B. diejenigen, welche auf dem Unteraar- gletscher von den Schreckhörnern und seinem Endabfalle, dem Abschwung ausgehen. Der Verlauf dieser Anfangs durch reines Gletschereis von einander getrennten Morzsnen entspricht im obern Theile des Gletschers genau etwaigen, auch schar- fen Krümmungen des Gletscherbettes, verwischt sich jedoch thalabwärts mehr und mehr, indem die vom Schutt freien Eisstreifen durch die Einwirkung der Sonne, warmer Winde und des Regens stärker abschmelzen als die Gletscher- strecken, welche durch Steine bedeckt sind. Letztere fallen daher in diese Thälchen hinab, schützen im weitern Verlaufe selbst deren Gehänge und Boden gegen die schmelzende Einwirkung der Atmosphäre, so dass das untere Ende der Gletscher in Folge der stattgefundenen Vereinigung der Seiten- mit der Mittelmorsne oft durch eine mehr oder minder gleichförmig dicke Masse von Steinträmmern, der Endmorzxne, bedeckt ist, in welcher jedoch die ursprüngliche Anordnung sich der Art erhalten hat, dass die von der rechten Seite stammenden Stücke in der _ linken Hälfte liegen. — Bleibt nun das Gletscherende während einer langen Reihe von Jahren an derselben Stelle oder, mit andern Worten, ist der Betrag der Ab- schmelzung des Gletschers an dieser Stelle gleich demjenigen des Fortrückens, so sammelt sich auf und bei dem Gletscherende natürlich immer mehr Steinschutt an, da die Zufuhr von oben her nicht aufhört, aber keine Abfuhr stattfindet. — Folgen dann einer solchen Periode des Gleichgewichts für die betreffende Stelle eine Reihe warmer und schneearmer Jahre, so wird an unserm bisherigen Gletscherende der Betrag der Abschmelzung grösser sein, als der des Vorrückens; der Gletscher wird also kürzer, zieht sich zurück, wie man sich oft, freilich unrichtiger Weise, ausdrückt, da der Gletscher immer nur vorrückt. Gleichzeitig schmilzt das Eis in dieser Gegend unter der Schuttdecke allmälig weg und die Endmorsne bleibt schliesslich als ein mehr oder minder hoher und breiter die Thalsohle der Quere nach durchziehender Wall von Gesteintrümmern liegen, der entsprechend der ge- wöhnlichen Gestalt des Endes der Gletscher thalabwärts halbmondförmig gebogen, jedoch oft von Anfang an nicht durchgehend ausgebildet ist, auch nachträglich vom Gletscherbache stellenweise weggefegt wird. Da die Gletscher aber, wenn solche Verkürzung bei ihnen eintritt, in Folge der wärmern Temperatur und ver- minderten Zuflusses gleichzeitig auch thalaufwärts an Dicke verlieren, also niedriger werden, so befinden sich nun auch die Seitenmorsnen ob dem jetzigen Niveau des Gletschers und geben nebst der Endmorene Kunde von der frühern Mächtigkeit und Ausdehnung des Gletschers. Betrachten wir nun die Materialien der Seiten- und Endmorsne, so finden wir, abgesehen von ihrer schon erwähnten streifenweisen, durch die Lage der Stammorte und durch die Art der Bewegung des Gletschers bedingten, Vertheilung, dass die Trümmer im Allgemeinen ganz chaotisch durch einander liegen, colossale, viele tausend Cubikfuss messende Blöcke zwischen kleinern Steinen, Sand und Schlamm, und zwar haben die meisten Blöcke scharfe Kanten und Ecken; sie sind eben unversehrt, ohne sich gegenseitig abzureiben, wie auf einem Schlitten von ihren Stammorten an die jetzigen Fundstellen gewandert. Während demnach Schichtung, d. h. lagenweise Vertheilung den eigentlichen Morsnen vollständig fehlt, sehen wir dagegen hauptsächlich im Revier der Endmorx&ne, namentlich wenn der Gletscher um eine bedeutende Strecke kürzer geworden ist, in den Ver- - tiefungen des immer sehr unebenen Bodens mehr und minder ausgedehnte Wasser- _ lachen, und tiefere « Gumpen», in denen durch Bäche herbeigeführtes Geschieb _ und feineres Material lagenweise abgesetzt, bei dem Wechsel in der Richtung und - wände und ein Gang nach dem obersten zackigen Kamme hinauf, dringt uns aber neun zahlreiche ne zeigen und meisten zahlreiche ya ig ie Geschiebe enthalten. Ausser diesen letztern finden wir indess in diesen Ablage- rungen, weit häufiger jedoch namentlich in den Ueberbleibseln der Seitenmorene und in der Anschlussgegend an die Endmorxne, andere auffallend glatte, oft wie polirte Geschiebe hauptsächlich von Kalkstein, an deren Oberfläche wir aber verschiedenartig gerichtete mehr und minder feine, wie von einer Gravirnadel herrührende Kritze bemerken, Kritze wie wir in den von fliessendem Wasser weit hingerollten Geschieben niemals bemerken. Verwundert über diese auffallende Erscheinung begeben wir uns ans Ende des noch bestehenden Gletschers, finden _ dort zwischen dem Gletscher und der Seitenwand und etwa in einer Höhlung zwischen dem Gletscher und seinem Boden einen vollständigen Hobel-, Polir- und — Kritz-Apparat. Wir sehen da in der That im Eise neben der seitlichen Felswand und an der Bauchfläche des Gletschers zahlreiche Steine eingeklemmt, welche mit der Eismasse langsam thalab rückend sowohl den anstehenden Fels angreifen und abreiben, als selbst durch die Frietion abgerieben werden. Befinden sich aber im anstehenden Gestein einzelne sehr harte, über die allgemeine Oberfläche etwas ausragende Körner z. B. von Quarz, so werden diese an den an ihnen hingleitenden, im Eis eingeschlossenen, Geschieben die angeführten Kritze bewirken, die meist | nicht Alle einander parallel sind in Folge von Aenderungen in der Lage des _ Geschiebs; wogegen quarzreiche Geschiebe an einer aus weicherm Gestein z. B. aus Kalkstein bestehenden Felswand ähnliche, aber regelmässiger verlaufende, dem Gefäll des Gletschers entsprechende Kritze hervorrufen. Der ungemein feine Schlamm, welcher an den Wänden überall herabträufelt und das krystallhell von der Oberfläche her eingedrungene Schmelzwasser trübt und weiss färbt, belehrt uns, dass diese Abreibung und Kritzung am ganzen Umfange des Glet- schers stetig vor sich geht, und wir begreifen nun, warum die Seitenwände und stellenweise der Boden eines ehemaligen Gletscherbettes statt der dem Gestein an sich zukommenden Rauhheiten grosse bauchige Formen (Rundhöcker, sur- faces moutonndes genannt) darbieten, die sich durch ihre Sanftheit, lange Er- streekung und dem Gefäll des Gletschers entsprechende Lage wesentlich unter- scheiden von den Furchen und Halbkesseln, welche fliessendes mit Geschiebe Er peladenes Wasser im Felsboden aushöhlt. Ein Blick vom Gletscher aus an die höhern, denselben einschliessenden Berg- . bis an 700 Meter über de jetzige Niveau des Gletschers hinauf ebenfalls mit 6 Gletschereis erfüllt gewesen sei, indem wir bis in die Höhe von etwa 2600 Meter ‘ob Meer die sämmtlichen aufgeführten Erscheinungen, namentlich Rundhöcke, “Seitenmorenen oder vereinzelte Fündlinge antrefien, Erscheinungen, die für de Gletscherwirkung characteristisch sind und durch kein anderes uns bekanntes Agens hervorgebracht werden. 4 Ueber dem angeführten Niveau aber ragen die noch höhern Gräte und Spitzen mit den dem Gestein je nach seiner Natur eigenthümlichen Zackigkeit empor, | gerade durch diesen Contrast der Formen beweisend, dass sie immer über den . Gletscher empor geragt haben, seiner glättenden Einwirkung entzogen gewesen sind. Von unsern Felsenzacken wieder zum Bache herabsteigend, der unter dem Gletscher hervor strömt, finden wir endlich manchen Orts, dass derselbe, belastet mit demjenigen Theile des Morsnematerials, das er fortzuwälzen vermag, sich thalab bewegt, bei abnehmendem Gefäll jedoch einen Theil desselben liegen lässt und auf diese Weise, durch seine eigenen Ablagerungen sich zu geschlängeltem und unstetem Laufe zwingend, die Thalsohle nach und nach in ihrer ganzen Breite aufhöht, der Art, dass sie bis auf den ursprünglichen Boden hinab aus Lagen von Grien, Sand und Schlamm besteht, die wohl ausgedehnter sind als die Seite 7 u. erwähnten in den Wasserlachen sich bildenden, aber doch an Regel- mässigkeit weit zurück bleiben hinter den aus grossen Wassermassen entstehenden Niederschläge; wir bemerken auch, dass in diesen, Gletscherboden, genannten Thalsohlen die Abrundung der ursprünglich kantigen Geschiebe mit der Entfernung von der Mor&ne zu-, die Zahl der mit Gletscherkritzen versehenen glatten Ge- > schiebe dagegen abnimmt, indem diese Politur und die Kritze in Folge der gegen- seitigen Reibung der Geschiebe an einander bald verschwinden. N Könnten wir nun, mit diesen Erfahrungen bereichert, uns in einem Luft- ballon erheben und Ei Einem Blicke die Alpen und die benachbarten Gegenden überschauen, so würden wir erkennen, dass Spuren bald einiger, bald sämmt- lieher aufgeführter Gletscherwirkungen von den Hochalpen aus über das ganze Land bis in’s nördliche Italien und bis hoch an den Jura hinauf sich vorfinden, wir würden uns namentlich auch überzeugen, dass häufig zwei Fündlingswälle, { von denen der eine der rechten, der andere der linken Seite eines Thales uf _ lange Erstreckung mit allmälig sich absenkendem Niveau gefolgt ist, sich am - Ende in Einen Wall vereinigen, der mit thalabwärts gerichteter halbmondförmiger - Biegung die Thalebene der Quere nach durchzieht. Wir würden auch sehen, dass ‚ci | ie Fündlinge ganz ähnliche donenweise eeeing besitzen, wie orten an die jetzigen Fundstellen gelangt sind, vollständig denen der jetzige Rare Mor:enen gleichen, namentlich auch durch die zum Theil sehr scharfen Curven, u scher transportirten Blöcke, und dass die Wege, auf denen sie von ihren Stamı welche sie bei Biegungen von Thälern beschreiben. So, um nur einige spezieller. auf unsere Gegend bezügliche Beispiele anzuführen, ist die Nagelfluh des Schän- E _ niserberges und Speers verbreitet in einer Zone, welche sich auf den östlichen Theil unsers Kantons beschränkt, auf dem Pfannenstiel-Zürichberg-Zuge dagegen liegen fast ausschliesslich Sernifite (rothe Ackersteine) und gewisse Kalkarten und Sandsteine (Taviglianaz), welche mit diesen die Berge zwischen dem Wallensee und dem Linththal zusammensetzen d. h. in der Mitte des Stammgebietes der Linthfündlinge sich befinden. Als Beispiel eines sehr krummlinigen Weges, den gewisse Fündlinge beschrieben haben, mögen die durch ihre Steinart leicht kennt- lichen Ponteljas-Granite erwähnt werden, welche aus dem Ponteljas-Tobel bei _ Trons im Vorderrheinthal herkommend längs des linken Gehänges des Rheinthals En über die Salaz-Alp am Calanda mit andern Bündnerfündlingen durch das Wallen- seethal in die Gegend von Wald, vielleicht sogar bis ne des Wipkinger- Tunnels gewandert sind. Fragen wir uns nun, ob diese Gleichartigkeit zwischen dem gesammten Auf- treten des Fündlingsmaterials und den Wirkungen der jetzigen Gletscher uns denn wirklich berechtige oder gar zwinge den Transport desselben von den Stammorten an die jetzigen Fundstellen ebenfalls einst bestandenen, freilich colossalen Glet- schern zuzuschreiben, so bleibt uns wohl nur ein Ja als Antwort, indem kein anderes bekanntes Agens die Wirkungen hervorbringt noch hervorbringen kann, die für den Gletscher characteristisch sind. In der That ist namentlich die mehr- fach betonte Spitzwinkligkeit der von manchen Blöcken zurückgelegten Wege, ihre zonenweise Verbreitung, die Existenz der die Thalsohlen quer durchsetzenden Wälle (Endmorzenen) rein unverträglich mit der Annahme eines irgendwie heftig oder rasch wirkenden Eruptions- oder fluthartigen Trans- = portmittels. Die Hypothese aber, dass die Fündlinge auf schwimmenden Eis- tafeln verflösst und an deren Strandungsstellen abgelagert worden seien, ist ebenso wenig vereinbar mit der zonenweisen Verbreitung der Fündlinge und mit der Existenz der den Seiten- und Endmorzenen ähnlichen Hügelzüge, abgesehen von mehreren andern Schwierigkeiten, welche diese Annahme in sich birgt. — Nehmen wir da- gegen Zuflucht zu der Idee, dass Gletscher es waren, die den Fündlingen als u Transportmittel gedient haben, so stehen nicht nur alle Thatsachen mit den aus a ea ee im "inklang, sondern wir erhalten Biderch auch _ die Erklärung einer Reihe andrer, sonst räthselhafter, Erscheinungen, von denen hier nur das Auftreten von Geschieben der Centralalpen in den thalab von unsern Seen befindlichen Kiesebenen (z. B. Bündnergeschiebe im Silfeld) erwähnt wer- den mag, eine Thatsache, die sich nach unsrer Auffassung einfach dadurch erklärt, dass die Bündnergeschiebe zu der Zeit in unsre Gegend gelangt sind, als de Tiefen des Wallen- und Zürichsee’s noch durch den thalab sich bewegenden Gletscher überbrückt waren. Haben wir uns durch diese Betrachtungen mit dem Gedanken befreundet, ö dass auch das Fündlingsmaterial unsrer Gegend durch Gletscher abgelagert worden sei, und fassen wir wieder das Seite 4 erwähnte Conglomerat der Uetlikuppe ins Auge, so wird uns die Vermuthung nicht mehr befremden, dass die Bäche, welche dasselbe erzeugten, vom Linth- und vom Reussgletscher her auf den Albis-Uto- Molasse-Rücken abflossen, damals als diese Gletscher den sie trennenden Molasse- Rücken etwas überragten und ersterer die mit Gletscherkritzen versehenen Geschiebe neben und unter der «Leiterli» genannten Stelle liegen liess und wir werden in eu diesem Schlusse bestärkt durch die Gletscherkritze, welche Hr. Lehrer Ausfeld a an den Geschieben des Conglomerats der Wandfluh, nördlich von Zezwyl, entdeckt Ri 2 2 h- hat, das mit dem Conglomerat der Uetlikuppe in seiner ganzen Beschaffenheit völlig übereinstimmt. Te Während demnach das Conglomerat der -Uetlikuppe sich als alter Gletschr- boden darstellt, aus der Zeit der grössten Ausdehnung und Mächtigkeit der Glet- scher, und die (Fig. 2) abgebildeten Kies- und Lettschichten einem wenig niedrigem Stande entsprechen, sehen wir im Eimmatthal drei mit mehr oder minder deut- lichen Seitenwällen zusammenhängende Endmorsnen, welche der nun folgenden Periode der Abnahme der Gletscher angehören und darauf hinweisen, dass diese nicht gleichmässig, sondern mit Unterbrechungen vor sich gieng. Die älteste dieser Morzönen, nach H. Mühlbergs Beobachtungen fast angrenzend an eine End- morzne des Otelfingerthals, ist unter der Würenloser Bicktrotte durch die Limmat unterbrochen, erstreckt sich von da einerseits über Killwangen nach Spreitenbach, anderseits über Oetweil nach Georoldschweil, die zweite Endmorzsne, ebenfalls durch die Limmat unterbrochen zwischen Glanzenberg und Schönenwerth zieht“ rechts der Limmat, westlich vom Kloster Fahr gegen Unter-Engstringen hin und mag nebst dem dort befindlichen, kleinern Wall ihre Fortsetzung finden in den zahlreichen Fündlingen der thalaufwärts befindlichen Gehänge und der Gegend von Höngg; links der Limmat erstreckt sie sich gegen Schlieren. N ln die > Hügel und ein grosser } Theil ni en El der Stadt ürich bestehen und dem auch der Hügel von Wyl, der Wiediker Rebhügel, der Stei- - nerne Tisch- Muggenbühl-Rücken, beigezählt werden mögen , obgleich sie zufolge ihrer Entfernung vom Hauptwalle etwas ältern Datums als letzterer sein müssen, immerhin aber gehören sie der Periode an, in welcher der Gletscher lange Zeit in der Gegend des jetzigen Zürich stationirt hat. ? In der That haben die zahlreichen künstlichen Boden-An- und Einschnitte, welche seit Jahren und besonders in der letzten Zeit aus®eführt worden sind, dar- gethan, dass der auf beiliegender Karte mit Mennig colorirte Boden fast durch- Rn weg stellenweise in ausgezeichnetster Weise das Gepräge einer wahren Moriene hat, wie es Seite 7 geschildert wurde und wie die Abbildung des Anschnitts 2 _ von 1849 beim Pfarrhause Grossmünster zur Anschauung bringt (Fig. 3). er Allerdings fanden sich in manchen Entblössungen so z. B. bei der Rollen- _ schmitte wenige oder auch keine Blöcke; der Boden bestand dort fast nur aus =. lettigem Sand. Bedenken wir aber, dass die Molasse des Zürichseethals grössten- theils aus leicht zerreiblichen Sandsteinen und Mergeln besteht, so wird uns das stellenweise Dasein sehr grosser, die eigentlichen Blöcke an Masse überwiegender Mengen solchen zerriebenen Gesteins nicht stören und besonders wenn wir schon a beim obern Hammerstein und beim Schellenbrunnen und an der entgegengesetzten 3 nördlichen und nordwestlichen Seite des Lindenhofs ächtesten Gletschertypus und i” im heute noch entblössten Sand beim Reste des Renuwegthors glatte mit Gletscher- K; kritzen versehene Geschiebe finden. Ausgezeichneter Gletschertypus zeigte sich - ferner in der Fortuna-, Rollen-, Schwanen-, Streh]-, Weggen-, Storchen- und Schlüssel- gasse, auf Petershofstatt, in der Widder- und oberem Theil der Augustinergasse, ü _ unerwarteter Weise selbst in der schwachen Bodenwelle zwischen der Sihlstrasse ; und dem Sihlkanal bei den Seidenhöfen, im Hügel von St. Anna, in dem der Katze von den kleinen Treibhäusern im botanischen Garten an bis unterhalb der Bade- Er anstalt, im ganzen neu angelegten Selnauquartier, wovon der vor dem Gerichthaus aufgestellte Kalkblock Zeugniss gibt, da er zwischen andern, zum Theil noch grös- sern Fündlingen im Fundamente des 1870 von Herrn Ulrich erbauten Hauses ge- legen hat. Aechtester Morsnentypus zeigte sich beim Einschnitt zwischen Freyen R Gut und Brandschenke, in der Fortsetzung des gleichen Hügels in der Bedergasse, ER am westlichen parallel laufenden Hügel in den Einschnitten beim Kratz und beim steinernen Tische. — Auch im Limmatbett haben die für Legung der Wasserröhre nothwendig gewordenen Ausbaggerungen, von der Schipfe bis zur obern Brücke auf, die Existenz Eibek: ‚s Gürtels von Fündlingen dargethan, von denen einige bei > Mr. Schwanenkolonie aufbewahrt sind; bekanntlich lag auch früher nahe thalab von der untern Brücke in der Limmat ein mächtiger Block schwarzen Kalksteins, dessen jeweiliges Auftauchen aus dem Wasser die Metzgerzunft durch ein auf ihm abgehaltenes Fest feierte. Rechts der Limmat zeigte sich ächter Morsenentypus vom obern Theil der Rosen- gasse an gegen den Abfall der Stüssihofstatt, im Leuengässli, in der Markt- und Krebs- gasse, in der Safran ist der gewaltige Block schwarzen Marmors, der einem Theil des Hauses als Fundament dient, und in welchen der Gang zum Keller einge- hauen ist, von den Eigenthümern des Hauses neulichst zu Ehren gezogen worden; Morsnentypus wurde ferner entblösst in den sämmtlichen Gassen und Strassen, die von der Gegend des Limmat- und Seegestades aus über den Hügelzug führen, thurmes, des Grossmünsters, der Kirchgassen und der Winkelwiese trägt und jen- seits des Remistrasseneinschnitts in der hohen Promenade und dem Kirchhof über f den Kreuzbühl sich erstreckt, nach kurzer Unterbrechung beim Kreuzplatz aber seine Fortsetzung findet in der Bodenwelle der Vogelhütte und der Neumünster- kirche, bei deren Gründung die ausgezeichnetsten morsneartigen Ablagerungen entblösst waren, wie diess auch bei Anlegung des Kirchhofs der Fall war. Ein Blick auf die Karte überzeugt wohl Jedermann, dass hier wirklich die Theile Eines, freilich kaum je vollständig durchgehend gewesenen Walles vor uns liegen, dessen Morsnen-Character sich auch bestätigt durch die Gegenwart zahl- reicher bekritzter Steine und, wie oben berülırt, durch die Verschiedenheit seiner selben schwarzblaue spröde Kalksteine und Nagelfluhblöcke vorwalten, ein Gegensatz, ' der sich noch in erhöhtem Maasse ausspricht in den beidseitigen Fortsetzungen, ‘ von denen die an der rechten Seite wahrscheinlich den grössten circa 72,000 Cubik- weil (560 Meter ob Meer) in sich begreift, aber nicht so deutlich als Wall aus- gesprochen ist wie links vom Zürichsee. Hier nämlich finden wir den Mo- . Jlasseboden zwischen dem See und der Sihl bis an die Kantonsgrenze bedeckt mit einem ungeheuren Fündlingsmaterial, welches bald als einfacher, jedoch ge- _ wöhnlich mit Stufen versehener und die Höhe des Rückens bildender Wall sich darstellt (z. B. Langforst ob Oberrieden), bald in 2, 3 und mehreren, zwischen Hirzel uud Furthof ob Wädenschweil wenigstens 9 bis 10, durch feuchte zum ' Theil torfige Thälchen von einander getrennten Wällen aufgehäuft ist. Diese Wälle E der vom Niederdorf und der Brunngasse ansteigend die Quartiere des Brunnen- Materialien, indem rechts der Limmat die Sernfgesteine nebst Begleitern, links der- fuss messenden Fündling des Linthbeckens, den Pflugstein, westlich von Wetz- ae a a A ri En Fa prec | Gestalt und ihrem Verlauf vollständige a enorendt der ee Gletsche e die bei einer mit Unterbrechungen verbundenen Abnahmsperiode abgelagert wer- ' den; sie zeigen auch, wie letztere, ein auffallend gieichförmiges Gefäll, indem z. B. „der Horgeregg-Zürich-Wall sich auf je 1000 Meter Längenerstreckung um etwa 14,3 Meter senkt und gerade durch diese Gleichmässigkeit seiner Höhenabnahme darauf hinweist, dass seit seiner Entstehung in dieser Gegend keine Schwankungen des Erdbodens stattgefunden haben. Auch der Bestand dieser Wälle ist ganz morzxnenartig; denn wo immer Einschnitte in sie gemacht worden sind, z. B. an der Strasse Gattikon-Thalweil, zeigt sich in ihnen ein chaotisches Durcheinander von grossen zum Theil eolossalen Blöcken mit kleinerm bis feinstem Material und wir überzeugen uns zugleich, dass die Mächtigkeit dieser Schuttmassen hier wenigstens 19 Meter beträgt (Strassenhöhe 551 Meter, Ochsenrainhöhe 570 Meter ob Meer), wahrscheinlich aber an 50 Meter, da die Molasse in Gattikon und gegen Thalweil hin erst etwa im Niveau von 520 Meter auftritt. ! Liegt demnach in den Morsnenwällen ein immenses Fündlingsmaterial vor uns und bedeckt solches (Seite 5) auch den Kamm des Albis-Uetliberg-, sowie des Pfannenstiel-Zürichberg-Rückens, so wird es uns nicht überraschen, dass auch die zwischen diesen zwei Hauptniveaux befindliche Zone mehr und minder mit Fündlingsmaterial bedeckt ist (stellenweise z. B. in der Griengrube der Allmend Zürichberg in einer Mächtigkeit von wohl 6—8 Meter), da sie während der Zeit, die zwischen dem Anschwellen und der Abnahme der Gletscher verfloss, von Eis bedeckt gewesen sein muss. Ziehen wir ferner in Betracht, dass bei der Ab- nahme der Gletscher durch das Schmelzen des Eises sehr bedeutende Wasser- massen entstehen mussten, und dass der je vom Eise verlassene »aber« gewordene Boden sofort der Einwirkung der Atmosphäre ausgesetzt war, so wird uns klar, dass an den Gehängen Abschwemmungen von Fündlingsmaterial, und wo Molasse zu Tage lag, z. B. unter der Gegend des Polytechnikums, von Sandstein und Mergel erfolgen mussten, welche sich dann an flachen ‚Stellen wieder ablagerten und allfällige Vertiefungen auffüllten, natürlich in um so unregelmässigorer Weise, je weniger Wasser dabei im Spiele war, oder je regelloser letzteres hin und her schweifte und dabei seine frühern Absätze theilweise wieder zerstörte. Anderwärts sammelte sich das Wasser zu constanteren Bächen, die mit der Zeit sich mehr oder minder tief in den Schutt eingruben (Wolf-, Halden-, Waltens-Bach u. s. w.), bei günstigen Verhältnissen sich selbst in die Molasseunterlage einsägten, z. B. Nebel-, Klus- und Stöckenbach, und das ausgefegte Material der Niederung zu- 3a des Fiss die auf der Karte mit 3 bezeichneten Ablagerungen; diese bestehen an vielen Stellen (ausgedehnte Strecken am Abhang des Zürichbergs, im Renn- weg u. s. f.) aus ganz oder fast ganz schichtungslosem Schutt, in dem jedoch hie und da eine Sand- oder Grienschweife sich zeigt; diess Material, bei uns Zürich- boden, an andern Orten Estrich genannt, hat gewöhnlich eine bedeutende Festigkeit, welche unsere Vorfahren sich dadurch zu nutze gemacht haben, dass sie beim Graben der Hauskeller das Erdreich unter der projektirten Hausmauer bloss auf die Dicke etwa eines Fusses aushoben und die Wand des Zürichbodens nur verkleideten mit einer Kugelsteinmauer von dieser Dicke (Fig. 4). An andern Stellen bekundet sich die stattgefundene Wasserwirkung deutlicher durch ausge- _ sprochenere Schichtung; doch zeigt diese immerhin sehr zahlreiche Unregelmässig- uns haben, welche auf einer vom Gletscher verlassenen Strecke durch Wasser aus- geschwemmt werden oder mehr und minder intact liegen bleiben (Fig. 5). Dass Ablagerungen von dieser und verwandter Natur natürlich regelmässiger Cireulation des in sie eingedrungenen Regen- und Schneewassers äusserst ungünstig sind, versteht sich von selbst und es erklären sich daher die Schwierigkeiten, mit _ denen das Auffinden von Quellen bei uns oft verbunden ist, indem die meisten und _ treten. Solche Massen bilden aber begreiflicher Weise nicht ein abgeschlossenes E Ganzes, sondern sie gehen vielfach in solche über, bei deren Niederschlag das - Wasser in noch höherm Grade betheiligt war und die daher mehr den Character von Gletscherboden (Seite 9) zeigen, wie diess im Hottingerboden der Fall ist; die auf der Karte zwischen 3 und 4 gezogenen Grenzen machen somit nicht Anspruch F auf Genauigkeit, sollen nur ungefähr die Gegend bezeichnen, in welcher der Cha- - racter des Materials sich mehr oder mindert ändert. - unserer Gegend die besprochenen Vorgänge in Anspruch genommen haben, bis durch sie die gegenwärtige speziellere Gestalt und Beschaflenheit des Bodens in ihren Hauptzügen bei uns herbei geführt wurde, lässt sich nicht bestimmen; da- gegen scheint es fast unzweifelhaft, dass wahrscheinlich im Anfange dieses Zeit- _ raumes der hauptsächlichste Abfluss des See’s nicht durch das jetzige Limmatbett, E ‚sondern durch die zwischen der Katz und St. Anna befindliche Lücke des Morzenen- walles stattfand; bei den Ausgrabungen, die im Limmatbett seit einer Reihe von "Jahren vorgenommen worden sind, fand sich nämlich bis zur Fündlingszone hinauf keiten, so dass wir hier ganz den Typus der Seite 7 u. beschriebenen Massen vor bedeutendsten Quellen der Umgebung Zürichs gerade aus solchem Boden hervor- Einen wie langen Zeitraum seit dem Verschwinden des Gletschereises aus 2 Si 1 7 ee unter der etwa 1 Meter dicken Kiessohle des Flussbettes eine etwa 0,2 bis Meter dicke, kalkige, weissliche Lage; im Fündlingsgebiet schien sie mit Aus- nahme der Gegend der Fleischhalle meist durch Kalksinter vertreten zu sein, der die Steine überkrustet hatte; vom Rathhause aufwärts bis gegen die Münsterbrücke hinauf aber fand sie sich unter dem auch hier etwa 1 Meter dieken Kies wieder vor, im gleichen Niveau auch in der Storchengasse, verlor sich aber im Münsterhof im Schliesand und zeigte sich auch oberhalb der Münsterbrücke nicht mehr. Diese Lage hat also offenbar in der angegebenen Ausdehnung einmal die Oberfläche des Bodens ‚gebildet, ist die oberste Erdschicht gewesen. Nun besteht dieselbe aus lockrer, durch etwas Letten verunreinigter, Tugmark ähnlicher Kalksubstanz, gleicht ganz auffallend der sogenannten Seekreide, welche gewöhnlich die Sohle der Torfmoose bildet und ist wie diese meistens erfüllt mit ganzen und zer- brochenen Schälchen von Süsswasserconchylien, namentlich von Limnzus, Planorbis, deren Bewohner offenbar einst an Ort und Stelle gelebt haben und die gleichzeitige Existenz eines starken strömenden Wassers, wie die Limmat ist und damals wohl in noch höherm Grade war, auszuschliessen scheinen, da diese Thiere nur in seich- tem, langsam dahinschleichendem Wasser leben können; zum gleichen Schlusse führt auch die lockere, geringen Widerstands fähige Beschaffenheit dieser Schicht. Muss demnach angenommen werden, dass damals hier nur wenig Wasser durch- geflossen sei, so ist später die jetzige Richtung des Hauptausflusses des See’s durch die Anschwemmungen der $il herbeigeführt worden, welche ihren mächtigen, über das canze Silfeld sich erstreckenden Schuttkegel allmälig erhöhte, ihre Kies- massen durch die Lücken zwischen den Mor&nenhügeln seewärts trieb und so die Kieslage bildete, welche im Schanzengraben von der Katze an bis zum See auf- gedeckt wurde, beim Windesg in 16 Fuss Tiefe unter der Oberfläche liegt und sämmtliche Pumpbrunnen des Post-, Schanzengraben-, Thalacker- und Bleicherweg- Quartiers mit Wasser speist, wie sich deutlich durch das Abstehen aller dieser Pumpbrunnen ergab, als im Winter 1863 der Schanzengraben durch Sperren bei seinem Einflusse und durch Auspumpen trocken gelegt wurde. Die Hauptmasse der Limmat musste also durch diese Kiesauffüllung ihrer jetzigen Richtung zugetrieben werden; aber auch in dieser Richtung wurde sie durch die Geschiebbänke der Sil fortwährend gegen das rechte (1860 thalauf vom Drahtschmidli entblösst gewesene) aus anstehendem Molassefels bestehende Ufer gedrängt und gleichzeitig sammt dem See in. das Niveau aufgestaut, welches sie vor Anlegung der Uferbauten an der Sil und vor den im Limmatbette vorgenom- menen Ausräumungs- und Regulirungsarbeiten inne gehabt hat, ein Niveau, das bei hohem Wasserstande, freilich zum Theil in Folge der später erstellten Palli- saden und der bei der obern und bei der untern Brücke angebrachten Stauvor- richtungen noch in den ersten Decennien des jetzigen Jahrhunderts um ein Meter und mehr höher gewesen ist als dasjenige, welches sie gegenwärtig je erreicht. | Dieses Niveau mag indess ursprünglich noch bedeutend höher angestiegen sein, | da die Limmat im Gebiete der Morsne den feinern Schutt wohl allmälig wegge- schwemmt und so diesen Querriegel erniedrigt hat. Dieses, wenigstens zeitweise höhere, Niveau des See’s und seiner Mündungs- gegend rief dann natürlich die vorherrschend schliesandigen, lettartigen und moo- » rigen Absätze hervor, deren ungefähres Gebiet auf der Karte blau bemalt ist und | deren erdiges Material anfangs theilweise durch die schlammigen Bestandtheile der Mors&nehügel, dann hauptsächlich durch den Hornbach bei seinen Anschwellungen geliefert und durch die Wirkung des von Südwinden bewegten See’s über die ganze Fläche verbreitet wurde. 2 Diesen Vorgängen entsprechend, finden wir vorherrschend lettigen Boden, 4 hauptsächlich links vom See und dem Limmatausflusse, wie die behufs der Fun- - damentirung von Häusern dort vorgenommenen zahlreichen Ausgrabungen vielfach constatirt haben; so z. B. sah man im Jahr 1869 beim Windegg von oben nach unten 2,1 Meter aufgewühlten Boden, Lett, etwas graulich, ähnlich dem beim Venedigli vor einigen Jahren aus dem See ausgehobenen Schlamm aber ohne deutliche Schichtung, 1,7—2 id. & Lett gelblich, Lett blaugrau, steigt gegen die Bahnhofstrasse auf die 10 Meter lange Entblössung um 0,3 Meter an. 0,3 id. Lett blaugrau. 0,5 id. lettige schwärzliche Moorerde mit Baumtrümmern, hie und da von Wur- zeln durchzogen, von denen einzelne bis auf’s Grien hinab- reichen; sie verdünnt sich gegen den Bahnhof hin bis auf we- 2 niger als 0,2 Meter. 0,5—0,6 Meter Lett grau, fest, zart, wird etwas mächtiger gegen die Bahn- hofstrasse hin. Grien, in welches der Sodbrunnen hinabreicht, dessen ungewöhn- lich grosse Menge von organischen Zersetzungsproducten sich leicht aus dem Dasein der wenig höhern Moorlage erklärt. Rechts vom See besteht die Ufergegend ebenfalls aus einer Lettbank, in deren - Schutz sich landwärts das freilich mit mehr und weniger Schlamm verunreinigte Torflager ausbildete, dessen Ausdehnung auf der Karte hauptsächlich nach den | Beobachtungen eingetragen ist, welche die neusten Grabungsarbeiten in Riesbach® der dortigen Baubehörde zu erheben gestatteten. Auch im Fundamente des ge- wundenen Schwertes hatte sich ein wohl in Folge der darauf lastenden Mauern so dicht gewordenes Torfmaterial gefunden, dass es fast an die Schieferkohlen . von Wetzikon und Dürnten erinnerte. Mit der Annäherung gegen den Hornbach hin mischen sich dem Schlamme mehr und mehr Sand- und Kieslagen bei; die auf der Karte gezogene Grenzlinie zwischen Hornbach- und Seeanschwemmungen existirt also auch hier in der Natur nicht, bezeichnet nur ungefähr die Gegend, in der die Bodenbeschaffenheit sich zu ändern beginnt; diese gleiche Bemerkung gilt auch für die auf der Karte links vom See eingezeichnete Grenzlinie, indem auch hier Morzeneschutt, Sil- und Seeablagerungen auf manigfaltige Weise in einander eingreifen und gegenseitige Uebergänge stattfinden. Zu den verhältnissmässig sehr jungen Ablagerungen gehört ferner der bis über 50 Fuss mächtige Lehm, der ob Wiedikon behufs der Ziegel- und Geschirr- Fabrication ausgebeutet wird. Bei diesen Ausgrabungen finden sich nicht selten aufrecht stehende mit den Wurzeln noch im Lehmboden haftende Baumstrünke, deren gegenseitige Lage beweist, dass der Boden, auf dem sie aufwuchsen, steiler geneigt war als die jetzige Oberfläche. Die Abstiche in den Gruben zeigen zu- gleich, dass der Lett nicht durchweg die gleiche Beschaffenheit hat, sondern lagenweise etwas verschieden ist in Farbe und Qualität. In der Grube der Actien- Backsteinfabrik fanden sich auch, etwa 25 Fuss unter der ursprünglichen Ober- fläche, im obern Theile einer etwa 2 Fuss dicken bläulichen thonigen Lage Schalen- trümmer von Landschnecken (Helix) und schwärzliche vermoderte Pflanzentheile. Diese Lagen erstrecken sich aber nicht gleichförmig über das ganze Lehmgebiet und bekunden dadurch wie durch ihre Beschaffenheit, dass sie das Resultat von Schlammströmen sind, welche zu verschiedenen Zeiten am höhern Gehänge des Berges entstanden, und die durch Frost und Regen aufgelockerten und aufgespei- cherten Trümmer der dortigen sandigen und mergeligen Molassebänke der Tiefe zuwälzten und so den ehemaligen Boden erhöhten, die Bäume erstiekten und hier thonigen Lett, dort etwas sand- und kalkreicheres Material liegen liessen. Ist die Angabe des jetzt verstorbenen Lehmstechers Sigg in Wiedikon richtig, dass bei Binz im Jahre 1826 unter dem Lehm ein mit bunten Steintäfelchen belegter Boden gefunden wurde, auf welchem ein Eseleisen und ein Stück blau und weiss getupfter harter Scherben gelegen haben, so kann die Ablagerung erst zur Zeit der Römer oder im Mittelalter begonnen haben. a Rh 1 1 ep an Wir langen hiemit bei den Umgestaltungen des Bodens an, welehe jetzt noch unausgesetzt Tag und Nacht vor sich gehen und trotz ihrer Unbedeutendheit wäh- rend eines Menschenlebens im Laufe der Zeiten eine Ausgleichung zwischen Berg und Thal, ein Sanfterwerden gegenwärtig noch schroffer Formen bewirken. Die auffallendste Erscheinung dieser Art in unsrer Gegend ist die Verkleinerung der Uetlikuppe, die von Zeit zu Zeit durch Herabstürzen von Felsen erfolgt, indem im Frühjahr 1783, 1819 und am 11. März 1850 grosse Massen, das letzte Mal ein mehrere 100 Cubikklafter haltender Block hinab fielen; auch sind wohl vor einigen 100 Jahren die Kinder, wenn sie zum ersten Male den Uetliberg besuchten, noch nicht durch die Belehrung erfreut worden, dass man sie unter dem Kindli- stein hervorgeholt habe, weil dieser damals ohne Zweifel noch einen Bestandtheil der Kuppe selbst bildete. Aehnliche Ablösungen bereiten sich auch jetzt wieder vor, wie die unter den festen Conglomeratbänken befindlichen Unterhöhlungen beweisen, die sich stets vergrössern, indem die auf Spalten in die lockre Unter- lage eingedrungenen Tagwasser hier sowohl kalkige Bestandtheile chemisch auf- lösen und wegführen als lose Geschiebe ausschwemmen. — Es lässt sich daher voraussehen, dass in einer freilich noch sehr entfernten Zukunft das Material der ganzen Uetlikuppe der Tiefe zugefallen, sie selbst verschwunden sein wird. — Aehnliche Eingriffe in die Gehänge und Erniedrigungen der Grathöhe sind am ganzen Uetliberg-Albis-Rücken im Gange, wie der Besuch desselben veranschau- licht, und im stärksten Maasse finden sie natürlich an den Stellen statt, die in Folge von Abholzung den Einwirkungen des Regens und Frostes am meisten aus- gesetzt sind. Lässt sich aus solchen allgemeinen Wahrnehmungen der jährliche Betrag der Abschwemmung nicht feststellen, so bietet uns dagegen der Schutt, den der Wolf- bach in dem im Turnplatz liegenden Bassin in einer gewissen Zeit ablagert, einen freilich gegenwärtig noch sehr unsicheren Maassstab zur Beurtheilung des Quantums Steinmaterials, das aus dem Quellgebiet des Wolfbachs jährlich fortgeführt wird, und wir gewinnen dadurch einen Anhaltspunkt zur ungefähren Schätzung des Betrags der bei uns überhaupt auf mechanischem Wege vor sich gehenden Abschwem- mung, indem die Verhältnisse des Wolfbachgebiets denen vieler anderer Gegenden ähnlich sind. Da das oben erwähnte Bassin nach dessen Anlage bis November 1865 von Zeit zu Zeit nur theilweise und im Taglohn gesäubert wurde, so liegen gegenwärtig nur zwei für unsern Zweck brauchbare Messungen vor; die eine um- fasst den Zeitraum von November 1865 bis Mai 1868, also 2!» Jahre, während deren sich im Bassin 961 Cubikmeter oder per Jahr 384 Cubikmeter Materie A e B " i angesammelt hatten. Die zweite Messung ergibt für das Jahr 1869 nur 63 Meter, wobei jedoch in Betracht zu ziehen ist, dass der Wolfbach bei der jetzigen Ab- fluss-Einrichtung die ganz feinen Schlammtheile nicht mehr in dem Maasse liegen lässt wie es früher der Fall war, und dass das Jahr 1867 sehr, im Vergleich zu 1869 überaus nass gewesen ist, also leicht mehr Schwemmerde hat liefern können als sonst mehrere Jahre zusammen genommen. Setzen wir das Quellgebiet des Wolfbachs nach einer annähernden Abmessung in der Kantonskarte an zu einem Flächenraum von 2,400,000 Quadratmeter, so würden die 384 Cubikmeter bei gleichmässiger Vertheilung auf diese ganze Fläche einer jährlichen Wegführung einer 0,00016 Meter oder !k250o Meter dicken Schicht entsprechen ; die 63 Cubik- meter ergäben einen Abtrag von nur 0,000026 oder !ssısı Meter; erhöhen wir aber diese 63 Cubikmeter, die in Betracht des abfliessenden feinsten Schlammes eine zu niedrige Annahme sind auf 96, ziehen aus dieser Summe und den 334 Meter das Mittel 240, so erhalten wir als den jährlichen Abtrag Yıooo0 oder auf 10,000 Jahre 1 Meter. Wie immer dieser Abtrag sich bei Vervielfältigung der Messungen heraus stellen mag, so lehrt der Augenschein, dass derselbe nicht gleichförmig auf der ganzen Oberfläche erfolgt, sondern in den Bachbetten und überhaupt an steilen Stellen am bedeutendsten ist. Ein frappantes Beispiel hiefür liefert der Hornbach, dessen etwa 1! Meter hoher in der Nähe des Drahtzuges befindlicher Fall in 34 Jahren um nahezu 7 Meter (20 Fuss) also im Durchschnitt jährlich um 0,196 Meter (5,88 Zoll) zu- rückgewichen ist. Ausser dieser mechanischen Abwaschung findet namentlich im Innern des Bodens durch die Quellen auch eine chemische Auflösung statt, deren Betrag weit bedeutender ist als man oft anzunehmen geneigt sein möchte. Von der Richtigkeit dieser Anschauung kann man sich an jedem Kochherde überzeugen, wenn man beobachtet, in welch kurzer Zeit die Wände eines Wasserkessels sich mit dem sogenannten Pfannenstein überziehen. Eine solche, lange Zeit fortgesetzte, Auslaugung der Kalkbestandtheile des Bodens muss nothwendig auch eine Ab- nahme des vorhandenen Materials und damit ein Zusammensinken desselben zur Folge haben. Hiemit mögen die Betrachtungen über die Vorgänge schliessen, durch welche die jetzige Gestalt und Bodenbeschaffenheit unsrer Gegend und damit zugleich ihre Wasserverhältnisse bedingt worden sind. Der Raum und nächste Zweck dieser Blätter gestattet es nicht auf die Complicationen einzutreten, die in Wetzikon, BT) rn A nl rc en BE I a he rg . er Dürnten und anderwärts in den Fündlingsablagerungen vorhanden sind; rücksicht- lich der Vermuthungen aber, welche über die Ursachen der klimatischen Verän- derungen unserer wie anderer Gegenden aufgestellt werden können, müssen wir uns auf die Bemerkung beschränken, dass dieselben wohl hauptsächlich in Aende- rungen der Vertheilung zwischen Festland und Meer zu suchen sind. II. Allgemeine Bemerkungen über Quellen und Grundwasser. 1. Ursprung. des Wassers. Alles Wasser, mit dem wir es hier zu thun haben, rührt von den atmo- sphärischen Niederschlägen, den Hydrometeoren, Regen, Thau und Schnee aus einem höher liegenden Quellengebiete her. Sein Quantum kann das- _ jenige dieser Niederschläge unmöglich übersteigen. und lässt auf die Ausdehnung des Quellgebietes schliessen, wie umgekehrt die Ausdehnung eines Quellgebietes auf die Menge des unterhalb zu Tag tretenden Wassers schliessen lässt. Allerdings muss man sich dabei von den zwischen dem Augenblicke des Regen- oder Schneefalles und jenem der Beobachtung stattfindenden Wasserverlüsten, sowie von der zwischen einem begränzten Quellgebiet und einer Beobachtungsstelle möglicherweise statt- findenden Seitenzuflüssen Rechenschaft geben. Alles Wasser kommt uns sonach in leicht bemerkbarer Weise durch Regen und Schnee, weniger auffallend aber auch in viel geringerem Quantum durch Thau und Reif zu. Es würde uns zu weit führen, uns auch auf die Bildungsweise dieser Niederschläge näher einzulassen; es genügt zu bemerken, dass sie sich aus der an der Erdoberfläche stattfindenden Verdunstung ergänzen, geschehe solche un- mittelbar während oder nach dem Niederfallen, durch die Ausdünstung des Bodens und den Pflanzenwuchs, an der Oberfläche der Bäche, Ströme und Seen, nament- lich aber des Meeres. So findet ein beständiger Kreislauf statt. Das auf der Erd- oberfläche und im Meere verdunstete Wasser ersetzt sich durch entsprechende Niederschläge, das durch solche gelieferte Wasser geht umgekehrt durch die Ver- dunstung wieder fort, so dass trotz der vielen Zuflüsse nicht nur die Höhe des Meeresspiegels, sondern im Ganzen genommen auch die Feuchtigkeit der Luft und _ die Menge der Niederschläge unverändert bleiben. \ Unter diesen verschiedenen Stadien, welche das Wasser durchläuft, lässt es sich jedenfalls am einfachsten bei seinem Niederfallen aug die Erdoberfläche be- 5 > r a % - } ; y { Te $ . y R ei ar — 2123 — 3 obachten; schon seit langer Zeit und an zahlreichen Orten werden daher Beobach- tungen über die Masse der Niederschläge angestellt. Es genügt dazu das auf einer gewissen Fläche als Regen, Schnee und Thau niederfallende Wasser in einem Gefäss zu sammeln, und nach seinem Volumen zu bestimmen, um einen Maass- stab für die Masse der Niederschläge pro Flächeninhalt zu erhalten. Diese Menge wird ausgedrückt durch die Höhe des Wassers das gleichmässig über die ganze Fläche fällt, so dass beispielsweise eine Regenmenge von 0,3 Meter eine solche Wassermenge bezeichnet, die bei gänzlich verhindertem Ablauf und Versickerung die ganze Gegend 0,3 Meter tief mit Wasser bedecken würde. Eine jährliche Regenmenge von 1 Meter würde aufgesammelt die ganze Gegend 1 Meter hoch mit Wasser bedecken. Die Menge der Niederschläge wechselt an jedem einzelnen Orte sehr, je nach der Jahreszeit und nach den verschiedenen Jahren, so dass sich erst aus einer langen Reihe von Beobachtungen ein Durch- schnittswerth ableiten lässt. Für Zürich wurde im Mittel von 49 Jahren eine jährliche Regenmenge von 1 Meter Höhe gefunden. Nach den Jahreszeiten be- trägt solche für die drei Wintermonate December, Januar und Februar 0,179, für die Frühlingsmonate März, April, Mai 0,230, für die Sommermonate Juni, Juli, August 0,353 und für die Herbstmonate September, October, November 0,242 Meter. In der gleichen Gegend wechselt die Regenmenge je nach der Höhe und betrug beispielsweise in den Jahren 1864 bis 1869 auf dem Uetliberg in 874 Meter Höhe 0,885 Meter per Jahr, gegenüber 1,053 Meter in Zürich bei 480 Meter über Meer. Die Menge der Niederschläge war daher bei eirca 400 Meter grösserer Höhe 16 °o kleiner. Ebenso wechselt sie in verschiedenen Gegenden je nach deren geographischer Lage, ihrer Höhe über Meer, der Gestaltung der Bodenoberfläche und der grössern oder geringern Bewaldung. Wo es sich darum handelt aus der Regenmenge Schlüsse auf das aus einem Gebiet abfliessende Wasser zu ziehen, ist es sehr wichtig nicht allzusehr auf Mittelzahlen zu rechnen, namentlich da, wo es sich um Gewinnung von Wasser und damit um Bestimmung des kleinsten zu erwartenden Quantums handelt. Oft bleibt eine Reihe von Jahren unter dem Mittelwerthe zurück, wo sich dann be- deutende Abweichungen von den auf Mittelzahlen beruhenden Berechnungen ergeben. Das als Regen und Schnee zur Erde fallende Wasser vertheilt sich an der Erdoberfläche in verschiedenen Richtungen. Zu einem Theile wird es sofort an der Oberfläche oder nach einem Eindringen in geringe Tiefe verdunsten und durch die Vegetation aufgenommen; zu einem andern Theile läuft es oberflächlich ab, und bewirkt je bei stärkern Regengüssen ein Anschwellen der Bäche; ein dritter Theil endlich versickert, das heisst das Wasser dringt in den Boden ein und setzt seinen Weg in demselben auf eine gewisse Distanz fort; schliesslich gelangt es entweder in Quellen an die Ober- fläche oder bewegt sich als Grundwasser unterirdisch weiter. Liesse sich jeder dieser drei Theile direct messen, so müsste die Summe dem gefallenen Wasser entsprechen; es wird sich jedoch bald zeigen, dass es äusserst schwierig ist diese Messungen genau vorzunehmen. Bei der Verdunstung handelt es sich keineswegs um die Verdunstung auf einer Wasserfläche, wie solche schon vielfach direet beobachtet worden ist. Letztere, die Verdunstung auf einer Wasserfläche, findet unausgesetzt statt, wird allerdings durch die Feuchtigkeitsverhältnisse der Luft, welche mit den Niederschlägen zu- sammenhängen, beeinflusst ohne jedoch in directer Beziehung zu diesen zu stehen. So erhält man selbst eine grössere Verdunstung als die Höhe der Niederschläge, überhaupt eine Grösse, welche sich mit letzterer gar nicht vergleichen lässt. Wenn sogar Versuche mit bepflanzten, beständig befeuchteten Flächen gemacht wurden, welche ein noch grösseres Resultat gegeben, haben solche in dieser Richtung eben- falls keine Bedeutung, da das im Laufe des Jahres verdunstete und durch die Vegetation aufgenommene Wasserquantum offenbar geringer sein muss als die Niederschlagsmenge, indem sonst für oberflächlichen Ablauf und für die Quellen gar nichts übrig bliebe. Die Verdunstung, mit der wir es hier zu thun haben, ist direet von der Ver- theilung der Niederschläge abhängig; jenes Wasser, das sofort oberflächlich ab- fliesst und dasjenige, das schnell genug in die Erde versinkt, wird ihrer Wirkung entgehen, und erstreckt sie sich daher nur auf den Theil, welcher durch die Ca- pillarität lange genug in den obersten Bodenschichten festgehalten wird. Eine directe Messung dieser Verdunstung ist wohl unmöglich, und kann ihr Betrag nur durch Messung des oberflächlich abfliessenden und des in einer gewissen Tiefe aufgefangenen, versickerten Wassers ermittelt werden. Versickerung. Das Verhältniss dieser beiden Quantitäten wird haupt- sächlich durch die Gestaltung und Beschaffenheit der Bodenoberfläche bestimmt. Ist solche stark geneigt, ‘ziemlich wasserdicht und nicht bepflanzt, so läuft viel Wasser oberflächlich ab, ist sie dagegen eben, besteht sie in einer lockern tiefer bepflanzten Humusschicht, so wird nahezu kein Wasser oberflächlich abfliessen; in diesem Falle giebt der Unterschied zwischen der gemessenen Menge des ver- sickerten Wassers und der Regenmenge die Menge des verdunsteten Wassers an, so dass also die unter solchen Verhältnissen vorgenommene Messung der Versicke- \ rung durch Subtraction von der Niederschlagsmenge auch als Messung der Ver- dunstung dient. Direete Messungen der Versickerung, bezogen auf die an der gleichen Stelle gemessene Regenmenge, so wichtig dieselben auch sein mögen, liegen leider noch sehr wenige vor. Sie wurden zuerst von dem berühmten englischen Physiker Dalton angestellt, und sind namentlich die während 25 Jahren in Herdfordshire (England) durch Mr. Diekinson angestellten Beobachtungen bekannt geworden. Die Versuche wurden mittelst eines Dalton’schen Infiltrationsmesser, Lysi- meter angestellt, bestehend in einem in den Boden gegrabenen ca. 1 Meter tiefen Blechgefäss mit senkrechten Wänden, das oben offen, unten geschlossen ist, und von dessen tiefstem Punkte aus eine Abzugsröhre nach einer Stelle führt, wo das abfliessende Wasser beobachtet werden kann. Dieses Gefäss wird mit der ausge- grabenen Erde möglichst genau dem ursprünglichen Zustand entsprechend einge- füllt und auch die Oberfläche mit ihrer Pflanzendecke wieder möglichst in den frühern Stand gestellt. Alles Wasser, welches auf der von dem Blechkasten ein- genommenen Fläche versickert und bis auf dessen Tiefe in den Boden dringt, wird durch die untere Abflussröhre gemessen. Dabei geht man von der An- sicht aus, dass die Verdunstung in dieser Tiefe aufhöre, ob das Wasser ruhe oder sich bewege. Die Angabe der versickerten Wassermenge geschieht in gleicher Weise wie diejenige der Niederschlagsmenge, nämlich nach der Höhe, welche das Wasser, über die ganze Oberfläche gleichmässig vertheilt, einnehmen würde. Die betreffen- den Zahlen lassen sich also direct mit der Niederschlagshöhe vergleichen. Im- merhin müssen sich die Ablesungen und Aufzeichnungen über eine bestimmte Zeit erstrecken, .da man es hier mit einer fortlaufenden nicht wie im andern Falle mit einer periodischen, in einzelnen Niederschlägen bestehenden Erscheinung zu thun hat. Aus diesen Versuchen zeigt sich, dass die Versickerung in den verschiedenen Jahreszeiten eine sehr verschiedene ist und namentlich auch von der Vertheilung _ der Niederschläge abhängt, da von schwächern Regenfällen fast nichts zur Ver- sickerung gelangt. Für England ergab sich aus jenen Versuchen, dass im Sommer- halbjahr bloss ca. 10° der Niederschlagsmenge versickern, im Winterhalbjahr ca. 45—75°%, durchschnittlich ca. 25 —45 %. In einzelnen trockenen Jahren fiel die Versickerung auf bloss 7,4 %o, so dass also 92,6 °0 durch Verdunstung ver- loren gingen. ru R ' Da bloss das versiekerte Wasser bei seinem weitern Eindringen in den Boden Fr zur Speisung der Quellen dient und für alle Fragen, welche die Quellen und deren 4 u Wassermenge betreffen, nicht sowohl die Niederschlags- als die Versickerungs- Menge maassgebend ist, so muss die Bestimmung der letztern, sei es direct oder ‚durch Ableitung ihres durchschnittlichen Verhältnisses zur Niederschlagsmenge von grösstem Werthe sein. Die zahlreichen Beobachtungen der Regenmengen erhalten eigentlich erst durch eine Ergänzung in dieser Richtung ihren vollen Werth. Zur Ermittlung dieser Verhältnisse in unserm Gebiet sind durch die städtische Bauverwaltung seit dem Spätjahre 1866 im Adlisberg, in 660 Meter über Meer, an zwei Versickerungsmessern Beobachtungen angestellt worden, welche sich auf Tafel 2 graphisch dargestellt finden. Dieselben sind mit den in der Sternwarte Zürich beobachteten Niederschlagsmengen in Verbindung gebracht, da es nicht möglich war, am gleichen Orte einen Regenmesser sicher aufzustellen und regel- mässig abzulesen. Da diese Beobachtungen zur Vergleichung mit dem Quellen- ertrag der rings um die Stadt vertheilten Brunnenleitungen dienen sollen, war die Distanz der Beobachtungsstelle von jener des Regenfalles weniger nachtheilig, in- dem letztere ziemlich mitten im Gebiete liegt. Doch thut diese Distanz dem Werth der Beobachtungen bedeutenden Eintrag, und wäre daher sehr zu wünschen, es möchten gleiche Beobachtungen unmittelbar neben der Sternwarte als der me- teorologischen Centralstation angestellt werden. Von den beiden Versickerungsmessern im Adlisberg befindet sich der eine im Wiesenboden, der andere im Wald. Leider wurde das Holz im December 1868 gefällt, und befindet sich sonach seither an der Stelle des letztern Versickerungs- messers nur niedriges Gestrüpp. Aus nachstehender Tabelle und noch mehr aus der graphischen Darstellung Taf. 2 lässt sich entnehmen, wie ungleich der Einfluss der Verdunstung in den verschie- denen Jahreszeiten ist und wie sehr er überhaupt von der Vertheilung der Nie- derschläge abhängt. Namentlich bei andauernder Trockenheit gelangt fast nichts 4 _ mehr zur Versickerung, so während der drei Sommermonate des Jahres 1868 und 1870, was dann auch die grosse Abnahme der Quellen erklärt. Auf der andern Seite ist der Winter der Versickerung sehr günstig, indem das Wasser im Schnee zurückgehalten wird und bei der Schneeschmelze zum grössten Theil versickert. Nach den Beobachtungen von 1867 nnd 1868 scheint die Verdunstung im Walde grösser zu sein als in der Wiese. Die Beobachtungen von 1869 und 1870 haben - in dieser Hinsicht keine Bedeutung, da das niedrige Gesträuch in abgeholztem Waldboden kein normaler Zustand ist. - Die Versickerung während die Wiese den Wald der ganzen Be / 55.9 % 55.3 90. » sonach durchschnittlich 55 ?/s °/, und per Tag 1.7 Millimeter. Das versickerte Wasser dringt nun je nach der Natur des Bodens schneller 1867 | o o | * E Ver- Ei | 258 siekerung 8 og = | 8 Wiese | Wald 2 Januar ı 123.5) 110.4 91.1] 33.7 Februar | 72.8 63.3) 49.0| 6.2 März 107.2) 92.1 77.5| - 64.0 April 145.6) 109.4) 93.7| 92.6 Mai 125.83] 88.61 78.7| 10.6 Juni 221.6 92.2) 110.6] 104.8 Juli 52.6 17.9) 36,41 100.1 August 192.2] 38.51 62.6] 84.8 September || 140.1) 111.2] 82.6] 98.3 October 193.3 120.4 81.4] 186.1 November 28.1] 22.71 12.5]. 52.2 December 54,6 66.2) 44.3] 121.6 1457.4| 932.9) 820.4] 950.0 | 64%), | 56%, 2. Bildung der Quellen. 1868 1869 & Ver- 5 Ver- sickerung E sickerung | Wiese| Wald Bi | Wiese Wald | 34.61 22.1 19.5] 40.9] 12.9 | 45.4 19.1] 18.8] 66.7) 64.8 77.1 40.0| 45.0) 69.8) 73.6 43.4 26.9] 90.61 45.9] 84.8 21.5 9.2] 125.8 29.5] 116.3 0.7) 16.51 143.31 45.6 119.0 0.2] 7.2] 149.11 72.4] 108.8 0.2) 0.4) 235.4] 51.0) 105.7 13.3 0.0] 100.8) 37.5) 88.7 92.0 13.6 73.8) 26.1] 49.3 58.9 2.0] 68.4 79.3 92.1 141.9 305] 44.6 13.2 81.6 529.2] 228.51114.8| 637.9) 997.6 55.79,23.4%, 57.27 89.5% ! \ Regenmenge 8 .7| 386.0) 40.2 18.4 74.3 8.8 56.4 64.6 106.8 113.9 92.6 215.9 Ver- sickerung |Wiese| Wald | oder langsamer und mehr oder weniger tief in denselben ein. Das Fortschreiten des Wassers geschieht entweder gleichmässig durch den ganzen Boden oder es finden sich in dichterem Erdreich einzelne lockere Stellen, Kiesadern in Lehm- boden, Spalten, denen sich das Wasser zuzieht, und durch welche es sich abwärts bewegt. Das mehr oder weniger senkrechte Versinken wird schliesslich aufhören, indem das Wasser entweder auf eine undurchdringliche Schicht gelangt, auf deren B Br )berfläche es sich hrs bewegt, oder eiar sich dasselbe unterirdisch, sei es an einem wasserdichten Hinderniss, sei esan Wasser selbst anstaut und die sämmt- lichen Poren des Bodens füllt. In diesem Falle bildet sich ein ausgesprochener Grundwasserstand, über welchen später näher eingetreten werden soll. > Beim Antreffen wasserdichter Schichten treten je nach der verschiedenen Gestaltung derselben verschiedene Erscheinungen zu Tage. Diese Schichten kön- nen sich thalabwärts neigen und an irgend einer Stelle am Abhang zu Tage tre- ten, oder sich wenigstens demselben unter einer Schuttdecke bedeutend nähern. Hier werden sich sofort Quellen bilden und zwar stärkere, wenn sich das ver- sickerte Wasser in Adern und Spalten concentrirt hat, schwächere, wenn es sich gleichmässig vertheilt auf der wasserdichten Schicht fortbewegt. Die Wasser führende Schicht kann ferner selbst wieder von einer undurch- dringlichen Lage bedeckt sein, so dass sich das Wasser wie in einer geschlossenen Röhre vorwärts bewegt. Bilden die einschliessenden Schichten auf- und abwärts- gehende Wellen, so folgt das Wasser denselben ebenfalls und steht dabei stellen- weise wie in einem Röhrennetz unter bedeutendem Druck. Wird an einer solchen Stelle die wasserdichte Decke durchbohrt, oder hat dieselbe aus irgend welchem Grunde eine undichte Stelle, *so steigt das Wasser vermöge des Druckes, unter dem es steht, in die Höhe, und gelangt, wenn der Boden hier tiefer liegt als die Druckböhe, zum Ausfluss, und zwar bei natürlicher Oeffinung als aufsteigende Quelle, bei künstlicher Anbohrung als artesischer Brunnen. Damit dieses geschehe, ist es nicht nöthig, dass die Stelle der Anbohrung tiefer liege als der _ schliessliche Auslaufspunkt des Wassers im Meere oder in der Thalsohle, sondern . es genügt bei hinlänglichem Wasserzuflusse, dass die Boden-Oberfläche tiefer liegt als die mögliche Steighöhe des Wassers, welche durch das “efäll und den Rei- bungsverlust bedingt wird. Durch diese Bewegung des Wassers erklären sich auch - die Thermalquellen. Es ist bekannt, dass die Wärme der Erde von der Oberfläche _ nach Innen zunimmt. Sinkt nun Wasser auf bedeutende Tiefe in’s Innere der Erde, so erhöht sich hier seine Temperatur, die es zwischen den im Laufe der Zeit erwärmten Seitenwänden in mehr oder minderem Maasse bis zum Ausflusse beibehält; es entsteht somit eine Thermalquelle. Aus dem Vorstehenden lässt sich entnehmen, dass die Wasserlieferung der - Quellen sehr von der Versickerungsmenge abhängt, daher eine sehr veränderliche sein muss. Die Schwankungen sind grösser und halten mit jenen der Versieke- rungsmenge gleichen Schritt, wenn eine Quelle durch eine einzelne Wasserader - von beschränkter Ausdehnung aus einem naheliegenden Gebiet gespeist wird. Ist u \ Br. 7 a Fe U I EIN PR 5) 1 BR FAR #: dagegen der vom Wasser zu Aurohlsufände Weg länger, so Harkeht eine beträch liche Zeit zwischen dem Augenblick der Versickerung und dem Ausfluss des Was- sers in der Quelle. Die Schwankungen sind hier zwar noch gross, folgen aber jenen in der Versickerungsmenge erst nach einem gewissen Zeitraum. Zudem wer- den sie gewöhnlich durch näherliegende Zuflüsse einigermaassen verwischt, so dass der Quellenertrag dadurch gleichmässiger wird. Bei einer Quelle, die aus einem unterirdischen Reservoir gespeist wird, sind die Schwankungen ebenfalls geringer als jene der Versickerungsmenge. Der Wechsel im Quantum des zufliessenden Wassers hat ein Steigen und Fallen des unterirdischen Wasserspiegels zur Folge, der aber den Ausfluss möglicherweise nur wenig, jedenfalls nur langsam ver- ändert. Je grösser das unterirdische Reservoir im Vergleich zum Abfluss, desto geringer sind die Schwankungen; Quellen, welche aus einem solchen Reservoire gespeist werden, bestehe solches in den zahllosen Poren einer Kiesschicht, in einem zusammenhängenden Netz von Felsspalten oder in einzelnen grössern Höhlungen, zeigen daher im Allgemeinen geringe Schwankungen und bleiben von kleinen Ver- änderungen der Versickerungsmenge unberührt. Die Summe des Quellenertrages muss der Versickerungsmenge entsprechen, sofern das die betreffenden Quellen speisende Gebiet genau bekannt ist, und so- fern keine seitlichen Abflüsse aus diesem Gebiet stattfinden. Diese Bedingungen machen die Vergleichung der Wasserlieferung einer Quelle mit der Versickerungs- menge in deren Quellengebiet allzu schwierig, als dass die gemessene Wasser- menge einer Quelle in gleicher Weise ausgedrückt werden könnte wie Regen- und Versickerungsmenge, das heisst durch die auf die Flächeneinheit treffende Wasser- höhe. Man sieht sich darauf beschränkt, die absolute Wassermenge der Quelle anzugeben. Auf Taf. 2 sind die Messungen der Quellen in der Umgebung Zürichs graphisch dargestellt und mit den Regen- und Versickerungsmengen verglichen. Die Höhe der verschiedenen Curven entspricht dem jeweiligen Quellenertrag, ohne jedoch in einem bestimmten Verhältniss zur Höhe der Regen- und Versickerungs- menge zu stehen. Immerhin gestatten die Schwanknngen der Curven eine Ver- gleichung. Der Lauf des die Quellen speisenden Wassers richtet sich theils nach der oberflächlichen Gestaltung, theils nach der Schichtung und übrigen Beschaffenheit des Bodens im Quellengebiet. Sind diese Verhältnisse genau bekannt, so lässt sich aus ihnen das Vorhandensein von Wasser an bestimmten Stellen mit Wahr- scheinlichkeit ableiten, und dessen ungefähres Quantum angeben. Es gestattet diese Kenntniss an Orten, wo bisher kein Wasser an die Oberfläche trat, mit ziem- ge a ER ER ENTER N ’ licher Wahrscheinlichkeit das Vorhandensein oder den Mangel an unterirdischem Wasser vorauszusagen, die Art, wie solches am zweckmässigsten durch Grabungen = aufgeschlossen werden kann, zu bestimmen und über das zu erwartende Quantum ein Urtheil zu bilden. Sie gestattet ferner bei frischen Aufgrabungen, welche an- fänglich gewöhnlich viel Wasser liefern, die Beständigkeit dieses Wasserzuflusses zu ermitteln. Je einfacher die geologischen Verhältnisse einer Gegend sind, desto mehr E tritt der Einfluss der äussern Bodengestaltung in den Vordergrund und desto fr leichter wird man zu einem sichern Resultat gelangen. $ In diesen Erwägungen, mögen solche auch oft unbewusst sein, liegt die Wissen- unserer Gegend der Glauben an die Wünschelruthe der »Wasserschmecker « ver- breitet. Aus einem gabelförmigen Zweig bestehend, der an seinen zwei Enden lose in beiden Händen gehalten wird, soll sich diese Gabel beim Betreten einer Stelle, an der sich unterirdisches Wasser vorfindet, nach abwärts neigen und so das Vorhandensein von Wasser anzeigen. Diese Ruthen sollen sogar noch den Vortheil haben, nur durch solches Wasser beeinflusst zu werden, das natürlich im Wasser. Es wäre ja auch gar zu leicht, ihre Wissenschaft auf die Probe zu stel- len, wenn sie auch solches Wasser angeben müssten. Es wird nicht bestritten, dass alte Praktiker, welche sich durch Benutzung der Ruthe in einen geheimniss- gestaltung oft gute Resultate erzielt, und sich dadurch einen weitgehenden Ruf allerdings erstaunlich schnellen, Beurtheilung der Bodengestaltung bestehe. Neben dem Ertrag der Quellen kommt noch deren Reinheit in Betracht. Wir können hier nicht näher eintreten auf die fremden Bestandtheile, welche auch das scheinbar reine Regenwasser enthält, noch auf die Kraft des Bodens Verunreinigungen überhaupt zurückzuhalten und für die Vegetation nutzbar zu machen. Diese reinigende Kraft ist so gross, dass selbst das übelriechende, "schmutzige Abwasser aus Städten, wenn es zur Bewässerung von Wiesen verwendet und aus solchen wieder durch Drainirröhren gesammelt wird, ganz klar und ge- 3 ruchlos ist. Man darf daher den Schaden, welchen eine Düngung von Wiesen- flächen den im betreffenden Gebiet entspringenden Quellen bringen könnte, nicht schaft der Brunnengräber. Noch mehr als man glauben sollte ist aber auch in Boden fliesst, nicht etwa auch durch schon gefasstes, in Leitungen fliessendes vollen Nimbus einhüllen, durch unwillkürliche‘, richtige Beurtheilung der Boden- verschafft haben; nur darf man hier den Erfolg nicht der Ruthe zuschreiben. Der berühmte Quellensucher Frankreichs, Abbe Paramelle, hält ebenfalls nichts auf | der Ruthe, und hebt ausdrücklich hervor, dass seine Wissenschaft bloss in der, Ei allzu hoch anschlagen, da diese Kraft des Bodens und der Vegetation meist ar a ae Ze ER he hinreicht das Wasser zu reinigen. In directem Widerspruch mit dieser Reinigung an der Oberfläche löst air Wasser bei seinem weitern Wege durch den Boden Bestandtheile desselben Bodens chemisch auf und wird dadurch mehr oder weniger kalkhaltig oler nach dem hiefür gebräuchlichen Ausdrucke hart, wesshalb denn auch die meisten Quellen gegenüber dem weichen Regen- und Schneewasser ziemlich hart sind, Kesselstein bilden und die Seife zersetzen, sich daher weniger zum Waschen und Kochen eignen. Je nach der Natur des Bodens findet neben dieser chemischen Lösung eine me- chanische Reinigung oder Verunreinigung des Wassers statt. Besteht der Boden aus Mergel, Lehm, lehmigem Sand, Schliesand, so nimmt das Wasser ungeachtet der langsamen Bewegung Lehmtheile auf und trübt sich. Es findet diese Trübung vor- zugsweise dann statt, wenn Schwankungen in der Bewegung vorkommen, wenn die Wassermenge nach starken Regenfällen wächst, daher das Wasser sich unter hö- herm Druck schneller bewegt, ähnlich wie das Wasser einer künstlichen Wasser- leitung durch solche Schwankungen und die dadurch bewirkte Aufwühlung der nie ausbleibenden Niederschläge getrübt wird. Eine solche Trübung kann ebensowohl bei tiefliegenden als bei oberflächlichen Quellen eintreten und hängt hauptsächlich von der Natur des Bodens ab. Allerdings zeigen gewöhnlich tiefliegende Quellen weniger Schwankungen in der Wassermenge und sind aus diesem Grunde obigem Uebelstand weniger unterworfen. Die Geschwindigkeit des Wassers im Boden ist je nach der Beschaffenheit der wasserführenden Schicht eine sehr verschiedene. Meistens wird sie der engen Poren wegen nur sehr gering sein. Es lässt sich diess namentlich auch aus der Langsamkeit ermessen, mit der neu gefasste Quellen sich auf einen bleibenden Wasserertrag einstellen; ein Umstand, der zu zahllosen Enttäuschungen und Pro- cessen führt. Wenn irgendwo in einem trockenen Jahre durch Grabungen eine Quelle entdeckt wird, glaubt man nach ein bis zwei Monaten fortdauernder Trocken- heit des beobachteten Wasserertrages vollkommen sicher zu sein, während doch eine allmälige Einstellung in’s Gleichgewicht, das heisst bis zu einem solchen Stande, wo die Schwankungen gleichen Schritt halten mit andern Quellen und verglichen mit diesen nicht mehr eine allmälige Abnahme zeigen, mehrere Jahre dauert. Es kann bei Ankauf von derartig frisch aufgegrabenem Wasser die Garantiezeit nie lange genug angenommen werden. > Diese Langsamkeit der Bewegung des Wassers lässt sich nach den bei künstlichem Filtriren durch Kiesschichten gemachten Beobachtungen erklären. Bei “a er 5 solchen Filtern, .r deren gegenwärtig einer im Flussbett der Limmat oberhalb - der Münsterbrücke in Ausführung begriffen ist, wird auf gröbern Kiesschichten nach und nach immer feinerer Sand gebettet, bis schliesslich die Oberfläche durch eine Lage feinen Sandes von 0,6 bis 0,9 Meter Dieke gebildet wird. Diese oberste Sandschicht dient in ihrer ganzen Dicke zur Herstellung der erforderlichen geringen Geschwindigkeit, während allerdings die Unreinigkeiten bloss an der Oberfläche zurückgehalten werden; und es-hat die Erfahrung gelehrt, dass bei einem Drucke von circa 0,3 bis 0,4 Meter, entsprechend der Differenz in der Höhe des unfil- trirten und des filtrirten Wassers durch eine Schicht von der angeführten Dicke pro Quadratmeter Oberfläche in 24 Stunden 4 bis 4,5 Meter Wasser durchfliessen. Auf den Quadratmeter Filterfläche treffen durchschnittlich 84 ° Sandkörner und 16 % Zwischenräume, woraus sich die Geschwindigkeit des Wassers bei dem Ge- fäll von 0,4--0,5 pro Meter zu ca. !/s Millimeter in der Secunde berechnet. Nehmen wir nun an, dass bei einer Quelle zur Zeit von Trockenheit das Wasser nur mit schwachem Gefäll, etwa 1%, zuströmt, so erhalten wir unter der Voraussetzung, dass die Geschwindigkeiten bei so kleinem Betrage in directem Verhältniss zum Gefäll stehen, eine Geschwindigkeit von Yı2o Millimeter pro Secunde oder eine Fortbewegung von 0,7 Meter per Tag und es bedarf das Wasser um die Strecke von einem Kilometer zu durchfliessen ca. 4 Jahre. j Wenn nun auch die bei den Filtern beobachtete kleine Geschwindigkeit haupt- sächlich von der Verstopfung der Oefinungen in der obersten Schicht durch die daselbst zurückgehaltenen Unreinigkeiten herrühren mag und daher die Geschwin- digkeit im reinen Sande selbst grösser ist, so geht doch aus dieser Rechnung her- vor, wie lange es dauern muss, bis sich der Einfluss neuer Grabungen bis an die äusserste Grenze eines Quellgebietes geltend machen kann; erst von diesem Zeit- punkt an ist aber der Ertrag der Quelle bloss von den Niederschlägen abhängig - und schöpft nicht mehr aus dem von früher her angesammelten Wasser. Das von den Quellen ausfliessende Wasser vereinigt sich in den Bächen und Flüssen mit dem oberflächlich abfliessenden. Offenbar ist hier das von den Quellen gelieferte Wasserquantum weitaus das gleichmässigere, da der Einfluss des Bodens in der beschriebenen Art regulirend wirkt. Ein wesentlich von Quellen gespeister Fluss ist viel weniger starken und plötzlichen Schwankungen unterworfen als ein grossentheils durch oberflächlichen Zufluss gespeister. In unseren Gegenden wir- E ken allerdings auch Schnee und Eis der Gebirge, die Gletscher, ausgleichend auf das oberflächlich abfliessende Wasser, indem die grosse Niederschlagsmenge des Winters zurückgehalten wird, um während des Frühlings und Sommers langsam dem Thale zuzuströmen. < VERIETN 0 E E E ATE N a ET nr eu» 2 - Dt E zu N > £ . Nr vB, A u ; x Eu. Die Beschaffenheit einer Gegend hinsichtlich der Versickerung des der Quellenbildung und der Natur der Bäche und Flüsse ist in engstem Zusam- menhang und macht sich schon durch das äussere Ansehen bemerkbar. Man un- terscheidet in dieser Richtung zwischen durchlassendem und wasserdichtem Terrain, wobei natürlich Zwischenstufen nieht ausgeschlossen sind. In Gegenden mit durchlassendem Boden versickern alle Niederschläge schnell und vollständig; man findet daher in der Höhe im Allgemeinen sehr wenig Was- ser, wenige oder nur kleine Bäche, welche selbst bei Regenwetter nicht anschwel- len. Am Fusse der Abhänge treten grössere constante Quellen auf, welche ebenso constanten Bächen und Flüssen als Ursprung dienen. In Gegenden mit wasserdichtem Boden läuft das Wasser der Niederschläge schnell ab und versickert nur zum kleinsten Theil. Man findet hier zahlreiche oberflächliche, unbedeutende und unbeständige Quellen, eine grosse Zahl von klei- neren Bächen, welche bei trockenem Wetter ganz trocken sind, dagegen bei Regen- wetter schnell anschwellen. Diese Verschiedenheiten geben jeder Gegend ein eigen- thümliches Ansehen, so dass sich darnach die Natur des Bodens beurtheilen lässt. Zu den durchlassenden Gegenden gehören namentlich die grossen Kiesfelder, so das Silfeld in unserer unmittelbaren Nähe, die Gegend zwischen Baltenschwyl, Tagelschwangen, Volketschwyl und Fehraltorf mit den bedeutenden Quellen bei Dietlikon, Baltenschwyl, Wangen, Volketschwyl und Fehraltorf; ferner verschiedene Kalksteinformationen,, die Karrenfelder in unsern Alpen, ein grosser Theil des Jura, der Karst, die Ebene der Champagne. Ausgezeichnete Beispiele wasserdichten Bodens zeigen dagegen die an Rundhöckern (S. 8) reichen Passhöhen des Gott- hards, Bernhardins, Lukmaniers, daher sich dort in jeder Vertiefung der Oberfläche ein kleines Torfriet entwickelt hat. 3. Grundwasser. Hatten wir es in den Quellen mit dem wieder an die Oberfläche tretenden versickerten Wasser zu thun, so müssen wir es auch da betrachten, wo die Ter- raingestaltung derart ist, dass es in unmittelbarer Nähe nicht wieder zu Tage tritt, sondern seinen Weg unterirdisch bis zuirgend einem noch tiefer liegenden Aus- flusspunkt fortsetzt. In diesem Falle versinkt das Wasser durch die obern Schich- ten bis auf eine gewisse Tiefe, in der es auf dort schon vorhandenes Wasser trifft, alle Poren des Bodens füllt und so ein unterirdisches Reservoir bildet, in welchem das Wasser wie in einem See sich langsam fortbewegt. Auch bei scheinbarer Ruhe findet immer Feine lounge nach einer En Audreaile statt, „roh sonst bei i dem fortwährenden Zufluss von versickertem Wasser der unterirdische WaRBEE, BR: ‚spiegel immer steigen müsste. Dieser Wasserspiegel ist der in neuerer Zeit so vielfach genannte Grundwasserstand. Oberhalb desselben ist der Boden durch ‚das auf der Oberfläche versickerte Wasser mehr oder weniger feucht, enthält je- $ doch in seinen Poren immerhin noch viel Luft; unterhalb des Wasespiade sind RS: ‚alle Poren mit Wasser erfüllt, das die Luft ausgetrieben hat. Bei seiner Bewe- E: gung nach der untersten Ausflussstelle findet das Grundwasser im Boden durch SS die Reibung bedeutenden Widerstand, der durch das Gefäll im Wasserspiegel über- wunden werden muss. Je nach der Beschaffenheit des Bodens ist dieses Gefäll Se verschieden und kann dasselbe ebensowohl stärker wie schwächer sein als jenes der Boden-Oberfläche. Dasselbe wächst mit der Wassermenge, welche letztere ' durch das Quantum des versickernden Wassers bestimmt wird, daher einem Stei- gen der Versickerungsmenge ein Steigen des Grundwassers folgen muss, das um x a so grösser ist, je weiter die Entfernung von der untersten Abflussstelle. Der Stand des Grundwassers lässt sich am einfachsten durch den Wasser- . stand der Sodbrunnen bestimmen. Letzterer wird ziemlich jener Höhe entsprechen, wo die Poren des Bodens ganz mit Wasser gefüllt sind, allerdings um so viel £ >, tiefer liegen, als die Capillarität das Wasser in den feinen Poren des Bodens hebt. Die Schwankungen des Wassers im Brunnen entsprechen ganz jenen des N Grund-Wasserspiegels, sofern der Zufluss hinlänglich stark ist, um die Ein- wirkung des zufälligen Wasserschöpfens zu überwiegen. Sofern man Sodbrunnen zu Grundwasserbeobachtungen benutzen will, muss man in der Auswahl allerdings en vorsichtig sein, und sich hüten, in ziemlich wasserdichtem, einzelne Wasser- x adern enthaltenden Boden den Wasserstand eines durch eine solche Ader ge- speisten Brunnens als Grundwasserstand anzusehen. In einem solchen Fall braucht nämlich der umgebende Boden durchaus nicht ganz mit Wasser erfüllt zu sein sondern es findet von dem Brunnen wie von der wasserführenden Schicht aus eine Be langsame Filtration nach einem möglicher Weise viel tiefer liegenden Grund- ” _ wasserspiegel statt. 3 War das Vorhandensein eines Grundwasserspiegels früher hauptsächlich nur ° dureh die Möglichkeit der Erstellung von Sodbrunnen wichtig, so würde in neuerer 3 et nach berühmten RE schen Grundwassertheorie in der rela- H. 2 ; td, SI va n% 4 ee Krankheiten namentlich der Cholera und des Typhus gesucht. Br 5 wasserstand hinab; sie gehen dabei durch die noch theilweise mit Luft erfüllten Be Poren der oberen Schichten, welehe bleibend über dem Grundwasserstand liegen, ‚gelangen dann in eine Zone, welche zwischen den verschiedenen Grundwasser- 'ständen liegt, also bei hohem Wasserstand ganz mit Wasser, bei niedrigem da- egen theilweise mit Luft erfüllt ist, und mischen sich schliesslich unter dem nie- drigsten Stand des Grundwassers letzterem bei. i Die für das Auftreten der Krankheiten bestimmende Ursache wird nun in ‘dem Zersetzungs- und Fäulnissprocess dieser Verunreinigungen des Bodens und zwar in jener bald mit Luft bald mit Wasser erfüllten Zone gesucht. In dem obern, beständig Luft enthaltenden Theil geht unter Mitwirkung der Luft eine ziemlich schnelle unschädliche Verwesung von Statten. In der Tiefe unter dem Wasserstand, wo die Luft abgeschlossen ist, findet ein anderer Process statt, es geht die Zersetzung viel langsamer vor sich, was sich namentlich in Kirchhöfen _ beobachten lässt, in denen die Leichen unter Wasser liegen. Dazwischen liegt nun jene Schicht, welche bald wassererfüllt bald nur feucht ist, und es lässt sich _ vermuthen, dass in dieser Schicht der stärkste Process vor sich gehe, wie ja beispielsweise das Holz sich da lange erhält, wo es ganz trocken oder ganz nass ist, dagegen bei einem Wechsel dieser Zustände sehr schnell fault. Dies gilt namentlich für die Zeit des fallenden Grundwassers, wo durchfeuchtete Theile neu der Zersetzung ausgesetzt werden, während bei einem Steigen das Wasser die Oberhand gewinnt, und die Zersetzung hindert. Dieser Zersetzungsprocess im Boden, wie er durch die Bodenfeuchtigkeit und namentlich durch deren Schwan- kungen bestimmt ist, wird nun als bedingendes Moment für das epidemische Auf- treten der genannten Krankheiten angesehen. Wie die Pflanzen im einen Klima gedeihen, im andern nicht, wie für sie die verschiedenen Jahreszeiten maassgebend E sind, so soll gewissermassen der Grad der Bodenfeuchtigkeit, die Tiefe des Grund- Fr wassers, ähnlich dem Klima, die locale Empfänglichkeit bedingen, während die —— Sehwankungen in der Feuchtigkeit oder im Grundwasser ähnlich den Jahreszeiten die zeitliche Empfänglichkeit bestimmen. Es sind keineswegs die im Boden vor sich gehenden Zersetzungen selbst, welche die Krankheiten bilden, sie bereiten - en: ‚bloss das Feld für solche vor. Es brauchen auch die Unreinigkeiten, welche als räger der Gifte jener Krankheiten angesehen werden, keineswegs in die Tiefe des wechselnden Wasserstandes, ja überhaupt nicht in den Boden zu gelangen, sondern es braucht das eingeführte Gift nur günstige örtliche und zeitlie ? 2 A a en Be dr ber Au er ‘ . Y’, BTIRUSNE: : AS - Bari ’ a "= Dt Er # 3 # zu en. Bil R Es ist hier nicht Er Platz, im Air eiheineh ein Urtheil über diese AR, ie abzugeben; doch werden wir uns später fragen, ob sich dieselbe in unserer Ge. 3 ’. gend bisher bestätigt habe und gelangen dann allerdings zu dem Schlusse, dass diess nicht der Fall sei. EE Grundwasser neben Flüssen. Noch bleibt uns übrig von dem Auftreten des Grundwassers längs der Flüsse, namentlich längs hochliegender eingedämmter F “ Flüsse, zu sprechen. Man dürfte vermuthen, es sei der ganze Boden bis auf de Höhe des Wasserspiegels mit Wasser durchdrungen, und stimme also der Grund- er wasserspiegel und der Wasserspiegel im Flusse überein, doch es ist diess keines- wegs überall der Fall. ; $> Klares Wasser bewegt sich frei und ununterbrochen durch die Poren des BF - dens namentlich durch lockeren Kiesboden, nicht so das mehr oder weniger trübe Wasser. Letzteres wird auf diesem Wege filtrirt. Die in solchem schwebenden % Unreinigkeiten werden bei der langsamen Bewegung des Wassers zurückgehalten ne und verstopfen schnell die Poren. Diese Verstopfung geschieht sofort beim tritt in die filtrirende Schicht, so dass sich an der Oberfläche mit der Zeit eine annähernd wasserdichte Schicht bildet, welche ein ferneres Eindringen des Wassers _- verhindert. Ein solches wird nur dann wieder stattfinden, wenn eine stärkere 2 Strömung die wasserdichte Decke wegschwemmt und den reinen Boden a 4 oder wenn eine Bewegung in umgekehrter RUE stattfindet, welche die Decke abhebt und auswischt. ER ER 2 Bei den künstlichen Filtern der neueren Wasserversorgungen muss aus die- - sem Grunde die Oberfläche, welche sich nur wenige Millimeter tief mit Schlamm füllt, von Zeit zu Zeit abgehoben und ausgewaschen werden; es wird ein solches - Auswaschen der Oberfläche auch bei dem gegenwärtig im Bette der Limmat ober- - halb der Münsterbrücke in Ausführung begriffenen Filter nothwendig werden und ist die Lage desselben so gewählt, dass die Strömung des Wassers den durch 32 Aufrühren der Oberfläche auszuwaschenden Schlamm fortführt, obne-den Sand ‚selbst mRgSprelsen Wo die sogenannte unbe ra das heisst die ir A Ed a ’ 3 . . L gemein starken anfänglichen Wasserzudranges mit der Zeit eine Be Wasser 2 - abnahme ein, indem eine ununterbrochene, nach der gleichen Richtung gehende - Filtration oder Reinigung eines trüben Wassers ganz undenkbar ist. og Ganz das gleiche gilt für die Flussbetie. Liegen solche fm Verhältniss zur. ale , nac h Aussen statt, ee von einer „ Filtration. les immerhin mehr ri üben Flusswassers, welche eig bald auf eine gewisse Dicke wasserdic > Bi wie solche an der Töss, der Linth und dem Rhein zu beobachten sind, und frägt v s sich, ob solche doch einer Durchsickerung durch das Flussbett zuzuschreiben oder ob sie ein Ausfluss des Grundwasgers der Thalsohle sind, welches des hoch- BE: jegenden Flussbettes wegen keinen andern Ausweg findet. Es lässt sich beides denken und ist auch wohl beides der Fall, da die veränderliche Strömung bei die- sen Flüssen die Bildung einer zusammenhängenden wasserdichten Schicht hindert; kaum gebildet, wird solche wieder eingeschnitten und zerrissen. > ie Wo das Grundwasser ungefähr in gleicher Höhe mit dem Flusse steht, findet 4 ie Bewegung bald im einen bald im andern Sinne statt und wird dadurch die & ee ltung einer wasserdichten Sohle ebenfalls gehindert. y a . III. Die Wasserverhältnisse Zürichs. Fr Versickerung. Nachdem die locale Bodenbeschaffenheit und die Verhält- nisse der Bodenfeuchtigkeit im Allgemeinen betrachtet worden sind, wird nun eine sichtliche Darstellung der Feuchtigkeits- und Quellen-Verhältnisse unserer Ge- e “gend möglich. Wir haben gesehen, dass sich die Bodenfeuchtigkeit im Allgemeinen beob- achten lässt: 1) durch die Versickerungsmenge für die Boden-Oberfläche, 2) den Ertrag der Quellen für die tieferliegenden Schichten zwischen Oberfläche und s % Grundwasser, 3) den Grundwasserstand für noch grössere Tiefe. ;- Ueber die Versickerungsmenge und deren Schwankungen wurde schon früher berichtet. Solche ist nur im Adlisberg beobachtet worden, indem es sich bei die- sen Beobachtungen wesentlich darum handelt, einen Maassstab für die Wasser- ” menge der Quellen zu erhalten, und die dortigen Verhältnisse ziemlich dem Durch- - schnitte des städtischen Quellengebietes entsprechen dürften. © Wird berücksichtigt, dass die Regenmenge während der drei Jahre 1867 bis . 1869 auf dem Uetliberg bei 874 Meter über Meer ca. 78% derjenigen bei der ea, a N = PR, R' Sternwarte auf 480 Meter über Meer betrug, so darf jene im Adlisberg auf 670 Meter Höhe zu ca. 90 % derjenigen bei der Sternwarte angesetzt werden. Bei gleicher Vertheilung auf die einzelnen Jahreszeiten wäre demnach auch die Ver- sickerungsmenge im Adlisberg nur 90 % derjenigen im Thale. Da jedoch der Schneefall in der grössern Höhe jenen im Thal überwiegt und gerade dieser die Versickerungsmenge erhöht, dürfte durch diesen Umstand wieder eine Ausgleichung eintreten, so dass die Versickerungsmenge und mit ihr die Feuchtigkeit der Boden- Oberfläche im ganzen Gebiet gleich angenommen werden kann. In den graphischen Darstellungen ist desshalb die Versickerungsmenge im Adlisberg direct mit der Regenmenge bei der Sternwarte zusammengestellt. Taf. 2. Ueber die Wassermenge der Quellen liegen seit dem Jahre 1866 regelmässige Beobachtungen vor, welche für die verschiedenen Leitungsnetze ebenfalls graphisch aufgetragen sind. Taf. 2. Quellgebiete. Die ihr Wasser in die Stadt liefernden Quellen werden unterschieden auf dem rechten Limmatufer in 1. die Leitung vom Weilhof mit 4 Quellen, 2. die Hirslanderleitung 3 » 3. die Hottingerleitung » 47 » 4. die Flunternerleitung » 29 » 5. die Seefeldleitung N | » 5 6. einzelne kleinere Leitungen aus der unmittelbaren Umgebung der Stadt ug » \ auf dem linken Limmatufer: 7. die Albisriederleitung a7 BE 2 8. Friesenbergerleitung (jetzt eingegangen) wie sie ; ehemals war yo » Die Quellen der 4 ersten Leitungen liegen am Abhange des Zürichberges in nicht sehr verschiedenen Verhältnissen, fast ausschliesslich in dem dortigen M o- reneschutt. Die Mächtigkeit dieser auf dem Molassefelsen liegenden Schuttdecke "ist meistens bedeutend, so dass nur einzelne wenige Quellen auf dem Felsen oder in solchem entspringen, weitaus die Mehrzahl ihren Ursprung in den mehr oder weniger tiefliegenden, grössern und kleinern Kiesadern und Kiesschichten dieses - Sehuttbodens hat. Diese Adern und Schichten sind äusserst unregelmässig und unbestimmt, daher auch die Wasservertheilung eine sehr unregelmässige und das - Antreffen von Wasseradern meistens ein sehr zufälliges ist. Bei der Weilhofleitung sind zwar 4 Quellen vorhanden, doch kommt eigent- x ee ae gegen ee Kinen BR len. Die Quelle beim Weilhof, unterhalb Zumikon, mit einer von 190 bis 500 Tao 3 pro Minute wechselnden Wassermenge entspringt in einer eirca 12 Meter unter der Bodenoberfläche liegenden ziemlich ausgedehnten Kiesschicht, deren Ausdeh- ung nach der Gestaltung der Oberfläche zu urtheilen auf ungefähr 65 Hectaren eschätzt werden darf. Es würde das einem Wasserertrag pro Hectare von 1,4 Liter pro Minute beim kleinsten Wasserstand, 7,8 > » » » grössten » ©): RATE > » durchschnittlich, entsprechen, ohne dass jedoch diese Zahlen zuverlässige wären, da eben die Ausdehnung des Quellgebietes eine allzu unsichere ist. Vergleicht man dieselben mit der Versickerungsmenge im Quellgebiet, so beträgt der durchschnittliche Wasserertrag der Quelle 37 % ‚des versickerten Wassers. ’ Ziemlich gleichartige, sehr bedeutende Schwankungen zeigen die drei Leitungen aus dem Hirslander-, Hottinger- und Flunterner-Berg. Es beträgt bei denselben ; Hirslander- Hottinger- Flunterner- Leitung. % Liter pro Minute: ER: Die grösste Wassermenge 1360 1200 1300 = Die kleinste Wassermenge 90 117 50 = Der durchschnittliche Wasserertrag 420 510 370. Ye Es sind die beiden erstern hinsichtlich der kleinsten Wassermenge ziemlich t eldich bedeutend, während die Flunterner Leitung tiefer sinkt und zwar mehr als nach dem Verhältniss der durchschnittlichen Wassermenge zu erwarten wäre. Der kleinste Wasserstand verhält sich zum grössten, bei der Hirslanderleitung wie 1:15 » » Hottingerleitung DR: 5: > » » Flunternerleitung » 1:26, während das Verhältnis » >» Weilhofleitung bloss » 1: 5,6 war. Diese starken Schwankungen rühren davon her, dass die meisten am Berg- abhang gelegenen Quellen durch Kies und Sandadern von geringer Ausdehnung gespeist werden, welche keinen grossen Wasservorrath aufnehmen und sich daher schnell entleeren. Mit der Wassermenge wechselt in diesen Adern auch die Ge- _ sehwindigkeit des Wassers in gleichem Maasse, daher auch diese Leitungen nach 4 heftigen Regengüssen einer starken Trübung unterworfen sind, welehe von dem : & feinen, beim Wechsel der Geschwindigkeit aufgerührten Sande herkömmt. Sobald e Trübung wieder ae Einzelne wenige Quellen sind auch bei diesen Leitungen ziemlich gleichförmi So zeigt die bedeutendste vor einigen Jahren in einer unterirdischen Kiesschich _ aufgegrabene Quelle der Hottingerleitung, in der Rütiwies einen grössten Wasserstand von 75 Liter pro Minute, » kleinsten » ».41,20...|%2 » » » durehschnittlichen » >: #41; 12 » » und verhält sich der kleinste zum grössten Wasserertrag wie 1: 3. er ‚Die gleichen Verhältnisse zeigen die übrigen in diesen Quellgebieten befind- lichen Privaten oder Corporationen gehörigen Quellen, was namentlich auch beim - Polytechnikum zu ersehen, dessen Springbrunnen ja einen grossen Theil des Jahres hindurch trocken ist, ebenso die den Kantonsspital versorgende Leitung vom ' Striekhof her. Fe E Es lässt sich nur schwer abschätzen, welches die Wasserlieferung eines be- - stimmten Terrainabschnittes dieser Quellgebiete ist, da trotz der zahlreichen Quell- & fassungen bei deren hoher Lage nirgends eine vollständige Entwässerung des ein- # geschlossenen Gebietes gesichert und Gewähr dafür geboten ist, dass nicht ein bedeutendes Quantum Wasser unter den bestehenden Fassungen hindurch seinen Er Weg finde. Wenn irgendwo, ist eine solche Schätzung noch am ehesten an der Kuppe des Adlisberges möglich, die von Quellfassungen ziemlich eng umschlossen ist. flussmenge beim höchsten Quellenstand von 15 Liter pro Minute, ' » kleinsten » » 1 ES » » 1% » durchschnittlichen >» > RUE EEE » » menge. ia E: Nach diesen Quellverhältnissen muss der Morzne- und Molasseschutt vom Abhang des Zürichberges als ziemlich wasserdicht bezeichnet werden; es finden sich da zahlreiche aber kleine, unbeständige Quellen, die verschiedenen oberfläch- Nur einzelne Mulden, wie jene des Gebietes der Weilhofquelle sind ziemlich durch- den Ausdehnung des Quellgebietes wegen, nicht sehr beständigen Quellen Anlass. Wenn aber von einem durchschnittlichen Wasserertrag der verschiedenen "Leitungen die Rede war, so darf diese Wassermenge durchaus nicht mit dem soge- _ Auf ein Quellgebiet von 120 Hectaren ergibt sich hier pro Hectare eine Ab- & EB; Es beträgt der durchschnittliche Wasserertrag 42 ° der versickerten Wasser- % Lo lichen Bäche schwellen schnell an, um fast ebenso schnell wieder zu vertrocknen. lassend und geben daher zu grössern, wenn auch, der immerhin nicht bedeuten- Bi; ‘dieser Hinsicht sind die höchsten ee bei denen in gehnaile vor bergehenden Auschwellungen eine bedeutende Wassermenge abfliesst, ganz ohne Werth, so wichtig solche auch für Bestimmung des gesammten abfliessenden kungen anhält; immerhin unter Berücksichtigung der lange andauernden Nieder- 'stände. Soll dieser Stand aus einer Reihe von Messungen bestimmt werden, so “müssen dabei die plötzlichen schnell vorübergehenden Anschwellungen weggelassen werden, und geschieht diese Bestimmung jedenfalls richtiger durch Schätzung nach einer aufgezeichneten Linie als durch Berechnung des Mittelwerthes einer Anzahl Messungen. Es ist desshalb zu bedauern, dass fortlaufende Messungen aller Quellen erst seit dem Jahre 1866 angestellt worden, während vorher nur einzelne auffallende Niederstände beobachtet wurden. BR: Aus dem eigentlichen Molasse-Gebiet, am steilen Abhange des Uetliberges | vom Kolbenhof bis zum Triemli, stammen die obern Quellen der Friesenberg- und einzelne Quellen der Albisriederleitung, die alle ziemlich beständig sind. Wenn dessen ungeachtet die Friesenberg-Leitung im vorigen Jahrhundert und zum zweiten Male in den jüngst verflossenen Decennien zu argen Täuschungen Anlass gab, (indem manche Leser sich noch des wasserlosen auf dem Münsterhof ge- 'standenen monumentalen Brunnens erinnern werden, von den 17 Brunnen aber, welche die neuen Unternehmer speisen zu können glaubten, die Mehrzahl kein Wasser erhielt, oder bald wieder verlor), so erklärt sich dieserle tztere Uebelstand und wohl auch der früher eingetretene einfach aus der Thatsache, dass die constanten Quellen e der Leitung nach langer Trockenheit höchstens 4—5 Röhren zu speisen ver- ; _ mögen, die andern derselben zugeführten Quellen aber 'nur ganz oberflächlicher Natur sind, daher auch die Wasserlieferung der Leitung zwischen 13 und 560 Liter pro Minute geschwankt hat. (Taf. 2. u.) Aus Molasse entspringen ferner, rechts von der Limmat und dem See, ene Quelle im ehemaligen St. Leonhards-Bollwerk, wahrscheinlich das Wasser dr Brunnen im Berg, des Zübeli-Brunnens, des Rechbergs, dann eine Quelle zwischen dem Drahtzug und der untern Weinegg, 3 Quellen an den Ufern des Nebelbachs zwischen der Riesbach- und der Seestrasse und vermuthlich auch andere, deren a EEE u a IE ; REN Ex Wasser aber noch eine Schuttschicht durchläuft, bevor es an die Oberfläche gelangt. Die Molasse stellt sich demnach hier wie überall, wo sie aus vielfach wieder- holtem Wechsel von Sandstein und Mergeln besteht, als ein Gebiet dar, welches zur Bildung zwar ziemlich zahlreicher aber selten starker Quellen Veranlassung giebt und somit in ackerbaulicher Hinsicht die, in Molasse-Gegenden in der That fast überall vorhandene, Hof-Wirthschaft in hohem Grade begünstigt, indem die Existenz einer Quelle zur Gründung eines Heimwesens einladet. Anderseits weist das rasche Anschwellen der Bäche bei Regenfällen namentlich in den steilen Runsen darauf hin, dass doch bedeutend viel Wasser oberflächlich abläuft und nicht Zeit findet, in die porösen Sandsteinschichten einzudringen. Neben den Molasse-Quellen entspringt am Uetliberg südlich vom Dorfe Al- bisrieden ferner die Mehrzahl der Quellen der Albisrieder-Leitung, diese aber in einem ganz verschiedenen Gebiete. Hier ist der breite Molasserücken des Berges durch lockern Mor&neschutt bedeckt, und zwar in einer ziemlich durch- lässigen Decke. Es mangelt hier grösstentheils jener Molasseschutt, welcher den Morsnetrümmern am Abhang des Zürichberges beigemischt ist, solche stellen- weise fast ganz verdrängt und überhaupt ziemlich wasserdicht macht. In diesem durchlassenden Gebiet der Morsnetrümmer liegen nun die schönsten und weitaus beständigsten städtischen Quellen, auf einer Strecke von ca. 1000 Meter, längs des Bergabhanges in einer Höhe von 5—600 Meter. Die Wasserlieferung der gan- zen Albisriederleitung beträgt beim grössten Wasserstand 786 Liter pro Minute » kleinsten » rn PA: Sn » durchschnittlich 400° 7.8 » und es ist das Verhältniss zwischen grösstem und kleinstem Wasserstand wie 1 : 3,4. Da die Quellen ziemlich hoch liegen, so ist einerseits leicht möglich, dass unter denselben weg ein bedeutender Theil des oberhalb versickernden Wassers verloren geht; anderseits liegen noch weiter oberhalb Quellen, deren Wasser theils wiederum versickert, theils oberflächlich abläuft, und ist daher hier das Quellengebiet kaum zu schätzen. Setzt man dasselbe zu 80 Hectaren an, so würde sich pro Hectare ein Wasserabfluss ergeben: 5 beim höchsten Quellenstand von rund 10 Liter pro Minute » kleinsten » » » BD » » durchschnittlich ige: Aa » Von den Höhen niedersteigend finden wir am rechten Limmatufer, am Fuss 6 t gemisc ‚ in der wir ! en Morznehügel bildet der ieh beim Krensglhii, einen Ueberlauf für das Grundwasser, das zwar hier noch unterirdisch fliesst, are unterhalb am 'ende die Seefeldleitung speist. Wie sich nach dem weiten, unterirdischen Wege es Wassers und den theilweise aus Sickerwasser von bebauten Flächen bestehen- en Zuflüssen erwarten lässt, ist diess Wasser verhältnissmässig stark verunreinigt,. namentlich sehr hart. Es fliesst der Fassung in einigen zwischen wasserdichten Wassermenge veränderliche Höhe an. Bei kleinstem Wasserstande sinkt der Wasser- spiegel leider tiefer als der Abfluss, so dass alsdann jeder Zufluss von Wasser in die Leitung aufhört und sonach auch die Messungen von deren Wasserquantum keinen Maassstab für die Wassermenge der Quelle geben. 5 Links von der Limmat finden wiram Fuss des Uetliberg-Abhanges den grossen 4 aus wasserdichtem Lett bestehenden Schuttkegel des Heuriedes und kleinen und grossen Albis. Dieses Gebiet ist ganz undurchlassend, liegt aber aufeiner durch- lassenden Kiesschicht auf, welche die Fortsetzung der Kiesebene des Silfeldes und m Wiedikoner Allmend bildet. Alles Wasser, ‘welches durch allfällige Risse dieses Schuttkegels, sowie am obern Rande desselben, in der Molasse des Uetli- R berges versickert, bewegt sich in dieser Kiesschicht gegen die Thalrinne hin, gibt oberhalb des Morx&nehügels hinter Wiedikon zu der bedeutenden Quelle im Binz, unterhalb zur Versumpfung der Wiesen zwischen Wiedikon und Albisrieden Anlass und speist wohl zum Theil auch das Grundwasser des Silfeldes. Jene Quelle im Binz, welche schon längst bekannt und wegen ihres Eisengehaltes als Gesundheits- brunnen beliebt war, ist in neuerer Zeit durch Aushebung eines Schachtes bis n die Kiesunterlage bedeutend verstärkt worden und dient zur Versorgung des Dorfes _ Wiedikon, ihre Wassermenge kann zu 600 Liter pro Minute angeschlagen werden. Die Morznehügel geben ihrer verhältnissmässig geringen Ausdehnung und ihrer Zusammensetzung aus lockerem Schutt wegen nur zu schwachen Quellen Anlass; sie müssen als durchlassendes Terrain bezeichnet werden. = Diese Quellverhältnisse sind derart, um für die in Ausführung begriffene. Wasserversorgung jede Hoffnung auf Gewinnung eines ausreichenden Quantums Quell- wasser in der Nähe der Stadt zu zerstören. Die nächsten grösseren Quellen finden sich am Fusse der schon erwähnten durchlassenden Hochfläche, zwischen Glatt und BKERT = nn Te a de es sie J I Eat Kempt, liegen aber zu tief, um direct in die Stadt geleitet zu werden. Man hat sich daher nur für das geringe Quantum Trinkwasser für die vorhandenen Quellen, im Uebrigen aber für Benutzung des Seewassers entschieden. Grundwasser. Wo das versickerte Wasser nicht unmittelbar zu Tage tritt, entsteht durch dessen Ansammlung im Boden das Grundwasser, dessen Höhenstand und Schwankungen durch regelmässige Messung einer Anzahl Sodbrunnen ermit- telt wurden. Je nach der verschiedenen Bodenbeschaffenheit und Lage musste ein ver- schiedenes Verhalten des Grundwassers erwartet werden und wurden die Beobach- tungspunkte demgemäss ausgewählt. In erster Linie hat man die Kiesfläche des Silfeldes, welche sich auch über einen Theil der kleinen Stadt erstreckt. Der Wasserstand im Silfeld wird ausgedrückt je durch einen Brunnen im städtischen Materialschuppen, in der Hohlgasse bei den Actienhäusern und für die Stadt durch einen solchen an der Löwenstrasse. Diesen entspricht am rechten Limmatufer ein Brunnen am Häringsplatz. Der Wasserstand der Fläche oberhalb der die Stadt durchschneidenden Mo- rene wurde in Brunnen an der Kappelergasse, Bärengasse und im Thalacker er- mittelt. Für das Morsnegebiet der grossen Stadt dient ein Brunnen am Neumarkt, für die Einsenkung zwischen Morene und Bergabhang ein solcher am Seilergraben. Das Grundwasser des Hottingerbodens endlich wurde beobachtet durch je einen Brunnen im innern und äussern Zeltweg. Wenn sich auch in der Schuttdecke des Zürichberges Sodbrunnen finden, kann doch hier von keinem eigentlichen Grundwasser, sondern eher von einer Speisung durch einzelne Kiesadern die Rede sein. Immerhin wurde auch hier ein Brunnen beobachtet. Zur Vergleichung mit allen diesen Beobachtungen ist auch der Seestand auf- gezeichnet worden. Diese Beobachtungen sind für die Jahre 1867 bis 1870 auf der Tabelle 3 graphisch aufgetragen. Sie erlauben, zusammengehalten mit den Niederschlags- und Versickerungsmengen und unter Berücksichtigung der Bodenverhältnisse, ein Urtheil über die Bodenfeuchtigkeit im ganzen Gebiet zu jeder beliebigen Zeit. Es ergiebt sich daraus, dass der Grundwasserstand im Silfeld in dessen gan- zer Ausdehnung, nach seiner Höhe sowohl als in den Schwankungen durch den Limmatstand unterhalb der Stadt bestimmt wird, dass daher auch für jene Zeiten, aus welchen keine Beobachtungen vorliegen, der Grundwasserstand aus dem Lim- { ‚gung ae Wassers ih Henlicher Leichtigkeit Mattfimdet. Die Sil er auf die- Grundwasserstand ohne Einfluss, da deren Sohle durch den äusserst fein ver- orzene, wie sich diess aus dem Brunnen im Neumarkt ergiebt, von dem Limmat- stande ab, wobei AL BONEN die We etwas ausgeglichen sind. In dem hier unter Ausgleichung der Schwankungen, was nabelicherneiee von dem das ganze Gebiet zwischen Limmat und Schanzengraben entwässernden Sammelkanale herrührt. Man kann sonach annehmen, dass für die ganze Thalfläche die Tiefe des Grund- ‘ wasserspiegels unter der Terrain-Oberfläche der Erhebung des letztern über dem See- und Limmatstande entspricht, und dass sich ebenso die Schwankungen des- selben durch jene des See- und Limmatspiegels ausdrücken. = Einen selbständigen Grundwasserstand zeigt die Gegend des Zeltweges, indem 2 ‘sich hier das Wasser in dem mit Letten vermischten Kiese weniger leicht be- wegt. Die Schwankungen sind hier bedeutend und entsprechen in ihrem Gange noch am ehesten jenem in der Wassermenge der Quellen. Die Tiefe unter der a Bodenfläche wechselt von 3 bis 14 Meter. % Anwendung der Grundwassertheorie auf Zürich. Wir haben oben E welchen Einfluss nach der Grundwassertheorie der Bodenfeuchtigkeit zu- Bee wird. und es dürfte wohl bei jedem Leser die Frage entstehen, wie sich das Auftreten der Cholera im Jahre 1867 und schon früher im Jahre 1855 zu den Boden- und Feuchtigkeits-Verhältnissen herausgestellt habe. Betrachten 3 _ wir zuerst die bleibenden localen Verhältnisse. Im Gebiete des lockern Kiesbodens finden wir einerseits in Aussersil die stark angegriffenen Quartiere: Neufrankenthal, Silvorstadt, Hohlgasse, ander- seits die Quartiere längs der Badener-Landstrasse und Werdgasse mit wenigen ' Fällen, ebenso die fast ganz verschonte kleine Stadt und den Bleicherweg. 39 Das Choleragebiet des Niederdorfes liegt theils auf Wolfbachgeschieben, theils auf Mor&ne mit Blöcken und auf Bauschutt; letztere bilden auch den Boden der Storchengasse, welche nur wenige Fälle aufweist. ; Das Seefeld blieb sowohl im innern Theil, im Torf- und Schlammboden, als aussen, im Kies des Hornbaches, bis auf einzelne Häuser verschont. Re Der Gletscherschutt und die Molasseträmmer eines Theils der Mor®ne und des Zürichberg-Abhanges bleiben im Selnau, an der Plattenstrasse und in Hottin- gen ganz frei, weisen dagegen die stark angegriffenen Häusergruppen des Gustav- Albert-Quartiers und Weinberges in Unterstrass, des Lämmli’s in Oberstrass auf, überdiess eine Anzahl zerstreuter Häuser mit mehreren Cholerafällen am ganzen Abhang. Die Tiefe des Grundwasserspiegels unter der Bodenfläche beträgt: in den Choleraquartieren Niederdorf, Stadt 2. 2... 800 VAT Ma Neufrankenthal, Ausserssil . . . ...59 » bei Kiesboden : orale Hokloassp: 1a. vo Al INEHENBEHBERN EG ie en in den ganz oder annähernd Cholera-freien Quartieren bei Kiesboden : Badenerstrasse, Werdgasse u. Aussersil 10 Meter » Kiesboden : Bahnhofstrasse, Thalacker, Stadt . . 3,5 >» » Kies mit Schlammdecke: Bleicherweg, Enge . . . 2 .2.2...20 >» >» Schlamm und Torf: Seefeld, Riesbachi u... «EN VE >» Kies mit Molasseschutt: Zeltweg, Hottingerboden . . . . .10 » Am Abhang des Zürichberges, in dem dortigen Mor®ne- und Molasseschutt, ist die Tiefe des Grundwassers, wie oben angegeben wurde, eigentlich uncontro- lirbar und es wechselt die Tiefe des Wassers der Sodbrunnen in den weitesten Grenzen. Sie beträgt in den Choleraquartieren: Gustav-Albert-Quartier, Unterstras . . . 3,5 Meter Lamm, Oberste UN rErtee. 4,0 >» in den cholerafreien Quartieren: Plattenstrasse, Fluntern . . . 2.2.2... 2—3 » am Wolfbach, Hottingen . . . .....2—4 » Aus diesen Zahlen scheint hervorzugehen, dass sich bei der Cholera-Epidemie von 1867 weder ein Einfluss der Höhe der Terrain-Oberfläche über dem Grund- wasserstand, noch ein solcher der geologischen Beschaffenheit des Untergrundes geltend gemacht habe, was beiläufig gesagt auch für die absolute Höhe des Bo- dens gilt. Was die zeitlichen Schwankungen der Feuchtigkeit betrifft, so erreichten 1867 der See und die Limmat Mitte Juni den höchsten Stand mit 408,9 Meter über Meer (Nullpunkt des alten Pegels zu 407,04 Meter), dann sank der Wasser- N Mittelwasserstand, stieg ed bis zum a 408 Meter, zum 3. October auf 407, 9 Möter, a 0 tober auf 408,35 Meter eintritt. Den gleichen Gang zeigen de verschiede a Sodbrunnen der Kiesebene, mit der einzigen Abweichung, dass jener beim Mate- almagazin bis zum 2. September fällt, um von da an mit einem unbedeutenden Unterbruch bis zum 21. October zu steigen. Nach den späterın Beobachtungen muss, wie schon bemerkt, dem damals nicht jeobachteten Wasserspiegel im obern Theil der Gemeinde Aussersil ganz der Gang des Seespiegels zugeschrieben werden. Der Seestand von Mitte Juni mit 408,9 Meter war ein ziemlich, keineswegs aber ausserordentlich hoher, indem der mittlere Hochstand der Jahre 1850 bis 1870 408,74 Meter beträgt. Das nachherige Sinken war ein ganz normales und ER gieng wie bemerkt nur wenig unter den Mittelwasserstand. Der höchste Seestand _ betrug im Jahre 1854, wo die Cholera eingeschleppt wurde aber nicht zum Aus- bruch gelangte, 408,77 Meter, im Jahre 1855, wo eine schwache ie. ein- trat, 409,66 Meter betragen. er N Der Brunnen des Zeltweges, der für den Hottingerboden BEER + ja R. "hatte seinen höchsten Stand Mitte Februar mit 414,8 Meter, blieb ziemlich con- _ stant bis Mitte Mai, sank bis zum 24. Juni auf 413,5 Meter, stieg bis zum 15. A ‚Juli auf 413,9 Meter, fiel bis zum 19. August auf 412,5 Meter, welcher Stand £ X "ziemlich unverändert bis zum 7. October andauerte, wo ein neues Steigen eintrat. E Der höchste beobachtete Stand ist jener im Februar 1867 mit 414,8 Meter, der tiefste im October 1870. Jener Stand im September muss als der mittlere be- 2 zeichnet werden, da er ziemlich gleichmässig während des normalen Jahres 1869 5 andauerte. Das Fallen vom Juli bis Mitte August war für den Sommer ziemlich rasch, obgleich der Wasserstand im Frühling regelmässig noch viel rascher fällt. Der für die Bodenfeuchtigkeit am Abhang des Zürichberges maassgebende - Quellenertrag zeigt im Frühjahr 1867 ein für alle Quellen gleichmässiges lang 5 andauerndes Maximum mit gleichmässiger aber schneller Abnahme bis Mitte Au- gust. Von hier tritt wieder ein Steigen ein bis Anfang November. e. Der Quellenstand Mitte August war ein mittlerer Niederstand, entsprechend dem Niederstand der Jahre 1866 und 1869, und beträchtlich höher als die Nie- E derstände von 1865, 1868 und 1870. Das Sinken des Quellenstandes ist gegen- 3 = _ über andern Jahren etwas verspätet und für diese Jahreszeit ziemlich rasch, bietet [4 a a A 2 du aber sonst keine auffallende Erscheinung dar, indem im Winter und Frühling ähn- liche schnelle Wechsel auch in andern Jahren nicht selten sind. Die Versickerungsmenge, welche wir als Maassstab für die Feuchtigkeit in den obern Bodenschichten des ganzen Gebietes ansehen, ist im Frühjahr bis An- fangs Juli bedeutend gross, fällt dann auf ein Minimum bis gegen Ende August, wo die bedeutenden Regenfälle wieder ein Steigen bewirken. Mit Mitte Septem- ber ist die Versickerungsmenge sehr gross, die Boden-Oberfläche also bedeutend feucht. Ein Fallen tritt wieder gegen Ende September ein, worauf mit Anfangs October durch die starken Regenfälle wieder ein rasches Steigen veranlasst wird. Auf Taf. 5 ist für das Jahr 1867 die tägliche Zahl der Cholerafälle mit dem Seestande, dem Grundwasser im Zeltweg, der Wassermenge der Quellen und der Versickerungsmenge zusammen aufgetragen, um eine leichte Vergleichung dieser verschiedenen Grössen zu gestatten. Man gelangt dadurch zu folgenden Schlüssen: Zur Zeit der Einschleppung der Cholera, Anfangs August, war die Erd-Ober- fläche seit ungefähr einem Monat ziemlich trocken; die Regenfälle zu Ende Au- gust haben ein vorübergehendes Steigen der Feuchtigkeit zur Folge; im September steigt die Feuchtigkeit mit der Heftigkeit der Cholera, um von Mitte des Monats an mit der letztern wieder abzunehmen. Beim Erlöschen der heftigeren Epidemie, Ende September, ist die Bodenfeuchtigkeit wieder so gering wie beim Ausbruch derselben. Wenn sie nun Anfangs October, wo noch fortwährend einzelne Cholera- fälle vorkommen, wieder steigt, so spricht diess noch keineswegs für einen Zu- sammenhang der beiden Erscheinungen. Das gegenseitige Verhältniss stellt sich vielmehr so dar, dass die Krankheit bei trockener Boden-Oberfläche eingeschleppt wurde, sich bei dauernder Trockenheit ausbildete, um gleichzeitig mit zufällig eintretender Feuchtigkeit an Energie zuzunehmen und ebenso bei abnehmender Feuchtigkeit wieder nachzulassen. Hier in der Oberfläche können die Feuchtig- keits-Verhältnisse früherer Monate nicht mehr in Frage kommen. Mit Rücksicht auf die Feuchtigkeit der tiefern Schichten und damit des gan- zen Abhanges des Zürichberges, findet die Einschleppung der Krankheit Ende Juli bei einem Mittelstand der Quellen und gleichbedeutend der. Feuchtigkeit dieser Schichten statt; letztere fällt bis Ende August, während sich die Epidemie zum Ausbruch rüstet. Gleichzeitig mit der Heftigkeit der Krankheit steigt nun auch die Feuchtigkeit, bei der das Steigen allerdings länger andauert, nämlich bis Ende - October, während die Krankheit schon von Mitte September an wieder abnimnt. - Mit deren gänzlichem Aufhören Ende October fällt eine Wiederabnahme der Feuch- - tigkeit zusammen, ; Das i in Pre Boden-Oberfläche Ba den Quellen gleichzeitig. gen der Krankheit beobachtete Steigen der Feuchtigkeit äussert sich an dem - genden Grundwasser des Zeltweges etwas später. Hier herrscht während der 8 nzen Krankheitsperiode ziemliche Beständigkeit, da das schwache Sinken An- Ange on ‚ebensowenig: in Betracht A en als das schwache Be Der Seestand und der Grundwasserstand des Kiesgebietes schwanken von der BEnschleppung der Ta an um den gewöhnlichen ont herum, nach- bis auf diesen Mittelstand stattgefunden hatte. Ganz entsprechende Verhältnisse finden sich im Jahr 1854, wo die Cholera zwar eingeschleppt wurde, aber nicht zum Ausbruch gelangte, und im Jahr 1855, wo sie, wenn auch nur schwach, im Niederdorf und in Fluntern herrschte, aber in Aussersil so zu sagen nicht auf- trat. In den Haupt-Choleragebieten von Aussersil und dem Niederdorf kann nur dieser Grundwasserstand und die oberflächliche Feuchtigkeit in Betracht kommen. Bei gleichem ganz normalem Gang des erstern gelangt das eine Mal die Cholera zum Ausbruch, das andere Mal nicht und es sind die Schwankungen in der Feuch- tigkeit der Oberfläche jenen in der Heftigkeit der Krankheit nicht etwa ent- gegengesetzt, sondern entsprechend, geben daher durchaus keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass die Zunahme der Krankheit im Zusammenhang mit einer Er Abnahme der Feuchtigkeit stehe. > Am Abhang des Zürichberges und im Hottingerboden ging dem Ausbruch iR z der Krankheit im Frühjahr ein Maximalstand der Feuchtigkeit vorher, der bis zur Zeit des heftigeren Auftretens der Krankheit anfangs September in einen nn. Mittelstand übergeht. Während nun die Krankheit im Ganzen zu und wieder ab- nr nimmt, bleibt die Feuchtigkeit ziemlich constant. Unter denselben Verhältnissen gelangt die Krankheit im Zeltweg und Hottingerboden nicht zum Ausbruch, tritt am Abhang des Zürichberges am einen Ort ziemlich heftig, am andern gar nicht auf. Es kann also hier ein Zusammenhang der Bodenfeuchtigkeit mit dem Auf- treten der Cholera ebenfalls nicht aufgefunden werden und erscheint auch eine Nachwirkung des hohen Wasserstandes im Frühling nicht vorhanden, da sich diese gleichmässig über das ganze Gebiet hätte erstrecken müssen. .. Was das Auftreten des Typhus betrifft, so liegen genauere Aufzeichnungen nur für die innere Stadt während der Jahre 1865 und 1866 vor. Seither war # von einen stärkern Auftreten keine Rede mehr, und entzogen sich daher die ver- | | einzelten Fälle der Registrirung. Ob diese Abnahme, wie Viele hoffen, eine Folge. der seither durchgeführten Reformen im Kloakenwesen sei oder ob sie in andern, vielleicht nur vorübergehenden Verhältnissen liege, lässt sich nicht entscheiden; jedenfalls hat solche mit den Grundwasserverhältnissen nichts zu thun. In dieser Richtung bleibt nur das auffallende Auftreten des Typhus in der Kaserne im Früh- jahr 1865 bemerkenswerth. Durch die Trockenlegung des Schanzengrabens wurde damals der Grundwasserstand im Thalacker und Bleicherweg in solcher Weise ge- senkt, dass die meisten Brunnen dieser Gegend ihr Wasser ganz verloren. Ge- rade während dieser Zeit eines ausserordentlich tiefen Grundwasserstandes trat in der Kaserne, wie erwiesen zu sein scheint, durch das schlechte Trinkwasser auf dem Exerzirplatz, das aus einem Brunnen unmittelbar neben den grossen Jauche- behältern geschöpft wurde, veranlasst eine heftige Typhusepidemie auf, welche zu einer Aufhebung des betreffenden Kurses führte. Trotz des nach der Theorie für die Ausbreitung ausserordentlich günstigen Grundwasserstandes, der in hohem Grade Besorgnisse erregen musste, trat keinerlei weitere Verbreitung der Epide- mie ein, und spricht hernach auch diese Erfahrung gegen einen Zusammenhang beider Erscheinungen in unserer Gegend. Sollen wir dieses für unsere Gegend verneinende Resultat, welchem wir übrigens keineswegs eine allgemeine Gültigkeit zuschreiben wollen, bedauern und die zahlreichen Beobachtungen, welche dazu führten, als verlorene ansehen? Im Gegentheil darf man sich befreuen, nicht unter dem drückenden Gefühle stehen. zu müssen, dass die durch die Natur bestimmten, der Einwirkung der Bewohner entzogenen Localverhältnisse für die Gesundheit der Gegend unbedingt maassgebend seien. Wie würden sich die ungeheuren Kosten für Kanalisation und bessere Wasserversorgung rechtfertigen, wenn dadurch doch gegenüber dem Auftreten der eingreifendsten Krankheiten, der Cholera und des Typhus, wenig geholfen wäre und solches nur von den ausser unserm Bereich liegenden Feuchtigkeits-Verhältnissen bedingt würde? Durch jenes verneinende Resultat wird man zu der zuerst von es England ausgegangenen Ueberzeugung geführt, dass eine Gegend in dem Maasse von Cholera und von typhösen Fiebern frei werde, als solche von der Zersetzung der Abfallstoffe in den Häusern befreit und mit reinerem Wasser versehen wird. Trockenheit in und um die Wohnungen, reine Luft und reines Wasser werden da- mit Hauptbedingungen für die Gesundheit. Von dieser Anschauung ausgehend ist unsere Stadt mit einem vollständigen Dolennetz zur schnellen Ableitung alles Schmutzwassers und zur Entwässerung des Bodens bis unter die durchschnittliche 7 re a is asse 2 in Abtrittgruben Be Be im hen der Stadt faulendenk Un- | thes immer mehr ab; die Stadt erhält endlich durch die neue Wasserversorgung in die Häuser reines und reichliches Brauchwasser und an den Brunnen kühles Trinkwasser. Schon folgen auch verschiedene Ausgemeinden in gleichem Sinne ebenfalls bald damit beginnen wird. Wenn namentlich auch die in ihren ökono- mischen Verhältnissen eingeschränkte Gemeinde Aussersil in neuerer Zeit mit einer die Gemeinde und deren Behörden sehr ehrenden Weise mit Energie vor- 2, geht, darf man hoffen, es werde auch die noch im Rückstand begriffene Gemeinde Enge nicht länger zögern und ebenfalls zu der Ansicht gelangen, dass ein Ver- _ trauen auf eine bevorzugte, günstige Lage, welche ohne eigenes Zuthun gesund- BE -heitsschädliche Einflüsse auf die Dauer fern halten werde, trügerisch sei. Es kann auf solche Art gerade das für die Grundwasser-Theorie verneinende Resultat unserer Beobachtungen einen Sporn zur Thätigkeit bilden. RN Schwankungen in der Härte des Wassers. Nach der frühern Erklä- = rung der Grundwassertheorie kommt bei derselben die mehr oder weniger starke 4 - Verunreinigung des Wassers selbst nicht in Betracht, sondern die Zersetzung der 4 Unreinigkeiten in der den Schwankungen des Wasserspiegels ausgesetzten, bald mit Luft, bald mit Wasser erfüllten Bodenschicht. Diese Unreinigkeiten kommen BE: theils durch die Versickerung von oben, theils aus dem Wasser selbst her, und. 05- schien daher eine Beobachtung der Schwankungen in den fremden Bestandtheilen des Wassers möglicher Weise von Werth zu sein. Bei den zu Gebot stehenden Mitteln konnte es sich nieht um eine genaue Analyse, namentlich nicht um Be- stimmung der organischen Bestandtheile handeln, sondern musste versucht wer- den auf ganz einfachem Wege, wenn auch auf Kosten der Genauigkeit, vorzugehen. Aus diesem Grunde wurde die Härte des Wassers, das heisst dessen Gehalt an erdigen Salzen, der sich mit der Seifenprobe äusserst leicht bestimmen lässt, als Maassstab gewählt. Man war sich wohl bewusst, hieran nur einen sehr einseiti- a gen Maassstab zu besitzen, glaubt aber doch annehmen zu dürfen, dass in vielen - Fällen, namentlich bei schnell erfolgenden Veränderungen des Wassers in demselben 5 Brunnen, einer Vermehrung der Verunreinigung durch aufgelöste erdige Salze auch _ eine Vermehrung der übrigen Unreinigkeiten entspreche und umgekehrt. Die diess- Ei fälligen Beobachtungen sind ebenfalls graphisch aufgetragen, auf Tabelle 4 enthalten. Aus den bis jetzt vorliegenden Beobachtungen kann noch kein Zu- sammenhang der Schwankungen der Wassermengen und der Härte gefunden wer- "IB ui } hr constant, ebe ekt at n [Bodbrunnen des Kiesbodens der kleinen Stadt, obgleich hier die E Här theilweise bedeutend grösser. Stärker sind die Schwankungen in den Brunnen vi 3 _ Aussersil, wohl des hier vom Berge zufliessenden Grundwassers wegen, noch £ stärker endlich an den verschiedenen Quellleitungen und an den Sodbrunnen im. is Zeltweg und am Zürichberg. 2 3 In den vorstehenden Blättern ist eine Uebersicht der Erfahrungen, Beobach- 2 tungen und Untersuchungen gegeben worden, welche einem richtigen Urtheile über 2; die Wasser-Versorgung unserer Stadt vorausgehen mussten. Die Verhältnisse ge- ng: R 3 stalteten sich er ar dass die Roendepen Quelen auch bei bester Benutzung x 4 Zwecke hs Wesen in der Limmat sn wurde, deren chemische ;e relative Reinheit gerade für diese Verwendungen sehr vortheilhaft ist. Diess ver- “ ; anlasste das grossartige hydrotechnische Unternehmen, welches unter unsern Augen seine Arme polypenartig durch alle Gassen und in alle Häuser ausstreckt und nun 2 bald zur Vollendung gelangt. Welche, zum Theil eigenthümlichen und sinm- reichen, technischen Mittel bei der Ausführung zur Anwendung kamen, gehört z nicht in den Bereich der gegenwärtigen Blätter, und hat überdiess bereits im $ XIV. und XV. Band der Schweiz. Polytechnischen Zeitschrift eine übersichtliche Darstellung gefunden. ER 2, B: Uns muss es genügen, die Seite der für unsere Stadt so wichtigen Ei legenheit näher beleuchtet zu haben, welche mit den Naturverhältnissen Zürich’s in unmittelbarer Beziehung steht. rB\ | b 1: 10000. 1000 » nn | GEOLOGISCHER PLAN vox ZÜRICH u UMGEBUNG Höhenmalsstab - Hoppisch Jellenburen AUSSERSIHL 6 DD Vertiheng Kuypes << N I> unterhalb diese heiterdi PN [ZH [5 \ f N N :2 UNTERSTRASS Hl Dong" Wieitikum ZUR U UM SEE miul Semsiand 406,4 Meter + 1362 Schw. FF hohem 1 St ag Sp rs Tenafer] Klawsstud I hına Em hindenhof' Obere Aus Hinsoheroraben Kluntern ) Rünankeny Kier Fig (3 Bodenbeschaffenheit des Seefelles Tapıgr. Anstalt. Wurster, Randegger BU u Wins Mafsstab 1: 10000 sooo — ° - Tr Em Su nes To mar 7 =” GE En Sn me — tt Rp azmin, + — Ei BEE = m + use um i „BE BE] 1. 2er Erin E er a BEE 1 — u—— — + ANGER VERBEEREER, (ER: ._ — | \ 1 Te eu + nn —— de = \ } I Be — it _ ——- L na N en N N 1 N - | \ ] | E s Sept. Oct. 1823 81522 | 613202 Tas IUBRIFDTS LEBEN Ce En TE rn En a BETT ANTRAT ee este ee re 2 Bus vr Tu ea On ann mm az \ In ar, er HE 2 m am m m Da mn m a a zn mn am sam Be en 1 Sa EL DE 5. ME ER HE ME NE Do a Ba en EN = a rn Gg 2] Kal Sei], uli 21 24% 1870 A rn er, Dar na A I u ——- == pa I ER sä 8: ” I |E8 || es g8 mE se [>27 Br I [88 | 2: g3 ER 7 \ a a = se BEE Ne [re jene [ei H £ ı = 4 | | = Mc DE GE EEE Bi == = mess za: z : =ıE 1 | [san || een ee H EAN 2:2 T T T IE Free Pr: {} h —] Er i $0 me Sa je BE SE ws = rt = =; - —— — = T we Di a Lan a aa a Zu lei lm -- pe —h al (ers) BEE I [GE "Fire! 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I | | T | ziezı 2Ble ut 1826| ! | I {} ar 1 | | | — Lich Anstalt, v Wurster, Rundegger & z Noy.] Dez.| Jan. 51219 2012 916 ij | | Oct. an.| Febr.| März 1] 14 1867 Dez I u |] | .. 1} 1 | | | /\ ESERBESZSSSESES Eee ne - = 2 E zen E esse nn | 2. = = — —neıt DIT =— — a! | Enz Le USE — -) = [— | BE — a! 4 — E = ll A I = == —— = == een IS SCezee Sr Bee Screen 187°: ie ee ee |sslerejmejedjseie ai = | SE ee Saar er Se lzsi a >) zı Ham A Kos —— nn — = ——_E = = i =! =: Ziege Tee A | van 2 ei — Be LH = oillr = — — L a 4 4 lin =S en ZEN —— =H F = j = Sr Es ASIEN See Zn | ai N w Fa Sr ar m = —— - _ + > + I || Is: Ss = ae | | E& SeresersssssEs: Seser = Fi = Ei Si EZ » i F == i —_ Je [1 —— — _ + + + } T E = Lo) a E al = [2 - = Nov | I Li | l | | | im ul n 5 P 35 30 4 30° 35 4 35 $) er (Stadt) 40°} lergasse g e SseT TUNNEN LTHTREERPEEPEUFFETEEFHEeeH ; (reyaSuogo nd) on ud (uog oqsdunaoyporsuon) som $ am Sur ZIRZEL 2 AOGEEWOEOEEEZE 2 u [| | N A SE mn m HR INNEN j (uoyoysBunaoypptsun Beeitun 7 © © < E 3 j TI IN u \ 10 n | Ouellwas 2 B As |) N [&| “ | 2) | | st ' al - 6 z EURO JE el TS ge = 2 SEN & 2 5 | | E] k ET; Ab el8% = > Is = } = se |< 5 :d 7 IB! 2 || £ ‚Bike = fi | Aal Talnlalıı] . INEHENE II a |% Art 11 1-1 | ie | | | | 3|. | | I 114 ! ! | 2 [|| || | le 1 Ppuntpwhe um = 114 + | 171 an 4 Lesleuter Ir! 1 | | III] ||) [||| | INEIIININIEIN | | IT| a BRHHHHHHHHRREEBEHBBRRLRHH BIN | ı Ihı.SE | De a I rate) | | || un il | \ | | (eyaduopnd) BZ cd wong 5 E 3 3 5 8 Lith. Anstalt v Wurster, Rondegger &C° in Winterthur ZUR TREE RR VE er ge BR x SIR e 7 ur Ueber den Eine kulturhistorische Skizze Dr. Oswald Heer, Professor. 77 Zürich, Druck von Zürcher und Furrer. 1872. ‚ | ns Y Ar AT au u Ba 1 r „2 Sa we nn R 3 Pr: 62 “ Ye 4 i i { N F fi er A 77 „si FF RN 3 7 0: DE * nei NEE Use Bez { ran 2 F Es ist wohl kaum zu bezweifeln, dass schon die ersten Menschen Europas, ‘welche mit dem Mammuth und dem Ren das Land bewohnten, bekleidet waren. Schon das Klima, das damals -kälter war, als gegenwärtig, musste sie zwingen sich nach einem Schutz gegen die Kälte umzusehen. Aber auch der Wunsch den Körper zu schmücken musste sie dazu führen. Diesen dürfen wir ihnen in der Periode, welche man als die des Rens bezeichnet, wohl zutrauen, da die auf die Schaufeln des Rens und die Zähne des Mammuthes eingegrabenen Zeichnungen beweisen, dass der Schönheitssinn schon bei diesem Urvolk vorhanden und zu einer überraschend hohen Ausbildung gelangt war. Menschen, welche Thiere so gut auf Horn und Knochen einzukritzen verstanden, dass wir sie nicht nurfunschwer _ erkennen, sondern in ihnen schon eine gewisse Bewegung ausgedrückt finden, ' werden sicher auch im Stande gewesen sein ihren Körper gegen die Unbill des Klimas zu schützen. Auf welche Weise und mit welchen Stoffen diess geschah, E benutzt worden’ sein, wie diess jetzt noch bei den hochnordischen Völkerschaften Amerikas und Asiens der Fall ist. Sehr frühzeitig hat{man indessen auch die umwohnenden Völkern dazu gedient hat oder wenigstens zu allgemeiner Verwen- dung gekommen ist. Wohl mochte man anfänglich den Bast der Bäume (nament- ' lieh der Linde, der dazu am besten sich eignet und noch jetzt mehrfache Ver- wendung findet), dann die Fasern der Nesseln und des Ginsters, wie die Halme der Gräser und Riedgräser zu Flechtwerken benutzen, doch scheint eine in allen _ Mittelmeerländern wildwachsende Flachsart (das Linum angustifolium Huds.), _ dünnen aber ziemlich langen Stengel sterben im Herbst ab und werden durch den Winter ausgebleicht. Die Fasern, welche durch die Verwitterung sich los- sie sich leicht zu Faden und Schnüren verbinden lassen.®@So wie man die vor- Pflanzenwelt dazu beansprucht und zwar ist es nach allen Nachrichten, die uns darüber zugekommen sind, der Flachs, welcher zuerst bei den das Mittelmeer Be ist uns freilich nicht bekannt. Es mögen wohl zunächst die Thierfelle du bald allen übrigen Faserpflanzen den Rang abgelaufen zu haben. Seine zwar “ ennen, sind ausgezeichnet durch ihre Zartheit, Zähigkeit und Elasticität,"daher 7 ih ) BERTERE A r TR trefflichen Eigenschaften dieser Faser kennen lernte, musste der Wunsch | stehen, sie in grossen Massen zu gewinnen, was nur durch die Kultur dieser Pflanze geschehen konnte. So denken wir uns die Einführung des Flachses in die Kultur, worüber uns freilich alle geschichtlichen Angaben mangeln. Wohl mochte es lange gehen, bis man dazu kam die Flachsfasern, die man anfänglich wahrscheinlich nur zu Flechtwerken benutzte, zu spinnen und zu weben, indessen finden wir schon bei den ältesten Kulturvölkern nicht nur den Flachs, sondern auch aus demselben bereitete Gespinnste und Gewebe. Die vielen Reste von Flachs und den daraus bereiteten Geflechten und Geweben, die aus unsern‘ Pfahlbauten der Steinzeit ausgegraben wurden, die bildlichen Darstellungen der Flachskultur auf alt-ägyptischen Wandgemälden, die vielen Linnenstoffe, die uns aus dieser alten Zeit, sammt den mancherlei Werkzeugen, welche zu deren Her- stellung gedient haben, überliefert wurden, dann die zahlreichen Nachrichten, die wir bei den griechischen und römischen Schriftstellern finden, lassen uns darüber nicht in Zweifel. Sie sagen uns, dass der Flachs im ganzen Alterthum die wichtigste Gespinnstpflanze gewesen ist und für manche Völker die Grundlage ihrer Industrie und ihres Handels gebildet hat. Diess war im alten Aegypten zur Zeit der Pharaonen der Fall. Dort wurde schon 3300 Jahre vor unserer Zeitrechnung der Flachs zu Faden versponnen. Wir erfahren diess aus dem Faden, welchen Prof. Unger aus einem Ziegel der Dashurpyramide erhalten hat, deren Alter in jene Zeit gesetzt wird. Es wurde diese Pyramide aus ungebrannten, nur an der Sonne gehärteten Ziegeln erbaut und zu deren Herstellung dem Thone Stroh und Spreuer beigemengt, wie diess im Exodus V. 7—14 erzählt wird. Unger kam auf den glücklichen Gedanken solche Ziegel aufzulösen und deren Inhalt zu untersuchen und wurde dadurch in den Stand gesetzt eine beträchtliche Zahl von Pflanzenresten zu bestimmen, von welchen der Pfahlbautenweizen (Triticum vulgare antiquorum Hr.) und ein Leinfaden von besonderm Interesse sind. Dass man aus diesem Faden schon in sehr alter Zeit Gewebe zu verfertigen verstand, beweisen die leinenen Binden mit welchen die Mumien umwickelt sind. Die sorgfältigen mikroskopischen Un- tersuchungen von J. Thompson und Unger haben ergeben, dass die Hüllen der Mumien ausschliesslich aus Leinwand bestehen,*) es muss daher der Byssus *) Nur die Reste des Königs Mykerinos in der vierten Pyramide von Giseh (3090 J. v. Chr.) sollen in grobe Wollzeuge eingehüllt sein. ur ein. er Aust onh für ee SS sein, wie wir ja auch im SE dafür zwei verschiedene Bezeichnungen haben (Flachstuch = und Leinwand). Da nicht nur die Leichname der Menschen, sondern auch die 2 der heiligen Tbiere in Leinwand gewickelt wurden, musste schon für diesen Zweck ‘a der Verbrauch desselben ein sehr grosser sein, Aber auch die Kleidung bestand vorherrschend aus demselben Stoffe (Herodot II. 81.) Für die Kleidung der Priester durftenoch zu Herodots Zeit nur Leinwand verwendet werden (Herodot II. 37), später wurde allerdings auch die Baumwolle gestattet, wenigstens erzählt Plinius (histor. nat, R XIX.) dass baumwollene Kleider (lina xylina) den Priestern sehr angenehm seien,**) = es nahm indessen der Flachs im ägyptischen Opferritual bis in die spätere römische Zeit eine bevorzugte Stelle ein, vielleicht weil es die erste Pflanze war, welche der Mensch zur Bekleidung verwendet hat und erinuert insofern an die heilige Gerste der Griechen. Wir erfahren diess aus dem Umstand, dass auch in Rom, wo zur spätern Kaiserzeit die ägyptischen Gottheiten in Mode kamen, alle welche in die heiligen Mysterien eingeweiht wurden, in leinenen Kleidern erscheinen mussten. E Die Kleider der Vornehmen erhielten bunte Farben, auch wurden Blumen in die Leinwand gewirkt oder durch bunte Faden in dieselben geflochten. Als höchstes Ziel der Kunstfertigkeit galt die Hervorbringung des feinsten Fadens,, wobei wohl der Spinnfaden das Ideal gebildet haben mag.***) Diese feinen - Faden wurden zu durchsichtigen Kleidern verwoben oder auch zu mehreren zu einem stärkern Faden zusammengedreht. Wie gegenwärtig die feinsten Produkte der Industrie in öffentlichen Ausstellungen zur Schau gestellt werden, so in alter Zeit in den Tempeln. In dem Tempel der Athene zu Lindos auf der Insel Te FURL PTR TEE ER On en Au gez *) Er sagt die Aegypter hüllen die Todten in Byssus xareıAlooovsı n&v avrod ro ch x sıwödvog Bvooivng reAaumcı nararerumuevorcı. Herodot II. 86. Auch Philo braucht den Aus- druck Byssus als Synonym mit Linum. . / R } **) Superior pars Aegypti, in Arabiam vergens, gignit fruticem, quem aliqui Gossipion 2 ° vocant, plures Xylon et ideo lina inde facta xylina. Nee ulla sunt eis candore mollitiave prae- ferenda. Vestes inde sacerdotibus Aegypti gratissimae. Plinius 1. ce. XIX. Auch Herodot er- = - wähnt der Baumwolle (Wolle «mö &vAov III. 47), doch ist sie damals in Unter-Aegypten nicht in Kultur gewesen. Er erzählt, dass in Indien wilde Bäume als Frucht eine Wolle tragen, die an Feinheit und Güte die Schafwolle übertreffe und dass die Indier von diesen Bäumen 2 _ ihre Kleider haben. III. 106. i ***) Plinius sagt die Aegypter haben die Gewebe (textilia) erfunde die Arashne das _ linum und die Netze. Hist. nat. VII. cap. 56. € a .o Amasis) gezeigt, dessen Faden nach Herodot (III. 47. TI. 182) aus 360 feinern Faden zusammengesetzt war, die alle sichtbar gewesen seien*). Dabei ist freilich nicht gesagt wie dick dieser aus so vielen zusammengedrelte Faden war. Diese feinen und zum Theil bunt gefärbten und gewirkten Leinenkleider bildeten einen der wichtigsten Ausfuhrartikel Aegyptens, bei dessen Verbreitung sich namentlich die Phönicier betheiligten. Der phönieische Name für Leinwand ist Kitonet und Ketonet und dieser findet sich im griechischen Chiton und Kithon (gırov, #ı9@v) wieder**); es ist diess also ein leinener Leibrock, welcher ge- wöhnlich nicht ganz passend als Mantel übersetzt wird ; während ihm das deutsche - Kittel, sachlich und sprachlich mehr entspricht, denn es ist wohl sicher diess Wort dem phönicischen Ketonet entlehnt. Da der Flachs das hauptsächlichste Bekleidungsmittel des ägyptischen Volkes lieferte und selbst noch ihre Todten in ihrer letzten Ruhestätte zu schützen hatte, musste die Kultur dieser Pflanze von grösster Bedeutung sein. Es bildete daher die Zerstörung des Flachses und der Gerste durch den Hagel eine der Plagen durch welche Aegypten von Jehovah heimgesucht wurde (Exodus IX. 31.) Wir erfahren zugleich aus dieser Stelle, dass der Flachs zu Moses Zeit in Aegypten eine Winterfrucht war. Es ist dort gesagt die Gerste sei in Aehren und der Flachs in Frucht gewesen, als der Hagel sie zerstörte, dass aber der Spelt und Weizen, die später sich entwickeln, nicht gelitten haben. Nun fällt die Gersten- ernte in Aegypten auf den April und somit wäre auch der Flachs zu dieser Zeit - in Frucht gestanden. Das ist nun genau so noch jetzt. Er wird im Herbst oder Anfang Winter gesät und Ende März oder im April geerntet und zwar mit den Wurzeln ausgerissen.***) Diese Ernte des Flachses und die Verarbeitung desselben wird auch durch *) Zu Plinius Zeit war nach dem Berichte des Consul Mucianus noch ein Rest dieses Weihgeschenkes vorhanden; er giebt 365 Faden an, wohl weil man damals das Jahr in 365 Tage theilte, im alten Aegypten aber in 360 und die Zahl dieser Faden offenbar die Tages- zahl andeuten sollte. cf. Plinius XIX. 2. 1. p. 242. Ein ähnlicher leinener Panzer, welchen Amasis den Lacedämonern schenken wollte, wurde von den Samiern geraubt, was Veranlassung zu einem Kriege gab. Herodot III. 47. Es war ein flächserner Panzer, durchwirkt mit Bildern und geschmückt mit Gold und Baumwolle. ; { **) Zu Christi Zeit war dieser Chiton aus einem Stück gewoben, ungenäht von Oben bis Unten nv d3 6 yırav dddayos, &u av &vadev Upavrög Öl oAov. Evang. Johann. XIX. 23. ***) yrgl. Deseription de l’Egypte XVII. p. 98. H Fu L > # 4 he.) A s Au | ı vr. . “ e at Bi Par { I, ; \ £ P £ N k 7 > E ä m 'andgemälde illustrirt. ' Auf einem Gemälde von Elkab*) hält eine Person einen - Büschel von Flachsstengeln mit beiden Händen und scheint ihn eben ausgerissen zu haben, während eine zweite einen solchen in umgekehrter Richtung in den Händen hält und die Basis desselben zusammenzudrücken scheint; eine dritte bindet die Büschel zusammen, während andere ihn mit einem Hammer klopfen, schwingen und in Zöpfe zusammenlegen. Aehnliche Darstellungen finden sich auch in dem Grabmal des Schiumes in Kum el Achmar und dem von Beni Hassan.**) Die Israeliten mussten bei ihrem Aufenthalt in Aegypten die Flachskultur kennen lernen und in der That nimmt er später bei ihnen dieselbe Stellung ein. Die israelitischen Frauen webeten Tücher von Flachs, spannen aber auch Ziegen- haare (Exodus XXXV. 25. 26). Die Priester mussten wie in Aegypten leinene Kleider tragen und einen buntgewirkten leinenen Gürtel (Exodus XXXVIII. 39. 42)***),. Nach Philo legte der hohe Priester, wenn er in das Allerheiligste trat, das bunte Gewand ab und zog das weisse leinenerf) an, wohl als Symbol des Lichtes und der Reinheit, Hehnff) bemerkt mit Recht, dass sich diese ägyptische Kultussitte bei den katholischen Priestern in dem weissen Chorhemd, das alba sacerdotalis, bis auf unsern Tag erhalten hat. *) vgl. Description de l’Egypte I. Taf. 68. **) vgl. Wilkinson, manners and customs of the ancient Egyptians. III. p. 138. ***) Bin solcher leinener Gürtel (exm3s is) ist bei Jeremias XIII. 1. das Symbol des jüdischen Volkes. }) Dass das weisse Priesterkleid aus Flachs bestand, bezeugt auch Josephus. Er sagt es werde gedouevn genannt und fügt bei, dass diess Aivsov bedeute, denn das Aivov werde bei uns ye#0» genannt. fr) Vietor Hehn, Kulturpflanzen und Hausthiere in ihrem Uebergang aus Asien nach Griechenland und Italien, sowie in das übrige Europa. Berlin 1870. S. 100. Es ist diess ein Buch voll philologischer Gelehrsamkeit, das über die Geschichte mancher wichtiger Kultur- pflanzen neue Aufschlüsse giebt. Freilich ist dabei der Mangel naturhistorischer Kenntnisse zu bedauern, der den Verfasser auf mancherlei Irrwege geführt hat; so lässt er den Lorbeer die Myrte und Mastixbaum aus Kleinasien nach Europa kommen und zwar soll der Lorbeer durch den Apollokultus dahin verbreitet worden sein. (8. 147.) Es war aber dieser Baum (also der Laurus nobilis L.) schon in Italien ehe Leto den Apollo gebar. Seine Blätter liegen nebst denen der Myrte und des Mastixbaumes in den alten Tuffen von Fasano, welche den _ untern Theil des Aetna einnehmen und älter sind als der grösste Theil des Berges. Ich erhielt welche von da durch Sir Charles Lyell, welcher sie in seiner Abhandlung über den Aetna (in den philosoph. transact.) abgebildet hat. Dr. Ch. Gaudin hat Lorbeerblätter aus den alten Tuffen des Vesuvs, der Liparischen Inseln und aus den diluvialen Travertinen Toskanas nach- gewiesen. Aber auch in der Provence war der Lorbeer schon zur diluvialen Zeit, mit dem ar na pe “= Dass in Mesopotamien die Leinkultur in die vorbabylonische Zeit z reicht, scheinen Leinwandreste zu beweisen, welche man in einem altchaldäischn Grabe fand. Es soll diess in die Zeit, welche dem Reiche Babylons vorausgieng, hinaufreichen.*) Zu Herodots Zeit trugen die Babylonier leinene Kittel und nach Strabo soll besonders die Stadt Borsippa durch ihre Leinproduktion bekannt ge- wesen sein. Weiter nördlich war Kolchis (d. h. die sumpfigen Niederungen im Südwesten des Caucasus) durch seine reiche Flachsproduktion berühmt, (Herodot 2. 105) und lieferte eine Sorte, welche als sardonischer Flachs (s@edovıxov Aivov) in Handel kam. Bei den Griechen wird der Flachs schon sehr früh erwähnt und zwar als Nahrungsmittel, wie als Gespinnstpflanze. Aus Flachssamen wurde mit Honig, Mohn und Sesamkörnern ein Gebäck bereitet, das schon im 7. Jahrhundert vor Christus erwähnt wird**), und durch Thucydides erfahren wir, dass bei der Belagerung der Insel Sphakteria durch die Athener Taucher unter dem Wasser den Belagerten in Schläuchen solehe Leinkuchen brachten. (Thucydides IV. 26.) — Viel wichtiger war indessen der Flachs als Gespinnstpflanze. In homerischer Zeit waren die Faden, Schnüre, Fischernetze und Angelschnüre aus Flachs (vgl. Ilias XX. 128. Odyssee VII. 198). Die von Homer oft erwähnte Othone Elephas antiquus Fale., wie diess Graf Saporta gezeigt hat (cf. meine Flora fossilis aretica IH. Spitzbergen $. 85). Also zur Zeit als Elephanten und Rhinoceros in Italien hausten, war dort der Lorbeer. Aehnlich verhält es sich mit dem Feigenbaum (Ficus carica L.), der nach Hehn erst in der nach-homerischen Zeit nach Europa gekommen sein soll. Er ist ein uralter Einsasse Italiens und seine Erwähnung in der Odyssee darf keineswegs berechtigen, diese Stellen als spätere Einschiebsel zu erklären. *) vgl. Journal oftheR. asiat. soc. T.XV. 271. Pieces oflinen are observed about the bones. **) Vom Lyriker Aleman. vgl. Hehn ]. c. 8. 97. Nach einer Mittheilung des Hm. Wilhelm Schimper wird in Abessinien der Flachssame noch jetzt als Nahrungsmittel verwendet. Die gerösteten Samen werden zerstampft und zu einem Teig verarbeitet. Dieser wird theils frisch verbraucht, theils zu flachen Ballen geformt und mit etwas Salz und Gewürzen versetzt aufbewahrt. Diese werden mit Wasser und fein zerriebenem spanischem Pfeffer (Capsicum) gemischt kalt mit Brot gegessen. Es geschieht diess namentlich in der Fastenzeit, ist aber auch sonst eine Nahrung für die Dienerschaft und die ärmern Landleute. Sie werden auch mit vielem Wasser und Honig vermischt,. als kühlendes Getränk genossen. Es wird der Flachs von 5000 F. bis 10,000 F. ü. M. angebaut, doch werden die Stengel als nutzlos weggeworfen oder verbrannt. Der jetzt in Abessinien kultivirte Flachs ist der Klanglein. at in FE 1 Sn Ya bu O9 EU Far ie A a I ann, 9 x s Br Helena eilt aus dem Gemach in silberfarbene Othone gehüllt (Ilias III. 141. 1") und auf Achilles Schild waren dargestellt : Blühende Jünglinge und vielgefeierte Jungfraun Tanzeten, all’einander die Händ’ an dem Knöchel sich haltend. Linnene Kittel kleiden die Jünglinge, hell wie des Oeles Fr: Sanfter Glanz und die Mädchen verhüllete zarte Leinwand.***) Er Die Mägde des Königs der Phäaker: rar, webten Gewand und dreheten emsig die Spindel, Sitzend am Werk, wie die Blätter der luftigen Zitterpappel ; Und wie von triefendem Oel war hell die gewebete Leinwand.f) In Kirkes Palast werden die Throne bedeckt: E .... mit schön prangendem Polster Er Purpurroth von oben und Teppiche drunten von Leinwand. (Odyss. X. 350.) 3 Auch auf dem Bettlager wird über die Vliesse ein leinenes Tuch ausge- breitet. (Mias IX. 661) und der schlafende Odysseus wird von den Phüaken sammt diesem Leintuch (obv re Aivo) aus dem räumigen Meerschiff ans Land getragen. (Odyss. XIII. 118.) Die Segel der homerischen Schiffe sind aus Lein- _ wandyy), während das Takelwerk aus Leder und Rindshaut bestand. Dass Panzer aus Leinwand gefertigt wurden, erfahren wir aus Ilias Il. 529., nr Bir *) Der Leichnam Christi wird in reine Leinwand gelegt, wie diess beim Begräbniss R der Juden.Sitte war. Die Synoptiker brauchen dafür den Ausdruck: £vervkıfev auro omwöorı R &v 0F0v10ıg (XIX. 40), so dass also auch zur Apostelzeit beide Ausdrücke dasselbe bedeutet haben. g5 **) durine Ö’doyevvncı nalvypausrn OFovnoıw. ***) Tlias- XVIIIL 590. Tov Ö’ai ukv Aenrag 090vag Eyov, ol Ö& yıravag. e = +) Odyssee VII. 105. Uebersetzung nach Voss. Andere übersetzen: dichtgewebte Lein- _ wand, die von Oel trieft. Für die Deutung von Voss spricht, dass die Feinheit und der Werth der Leinwand wesentlich durch ihre Durchsichtigkeit bestimmt wurde. Auf ägyptischen Wand- _ gemälden erscheinen häufig menschliche Figuren als nackt; wenn man aber näher nachsieht, bemerkt man aus den Querlinien über den Knöcheln dass sie bekleidet sind, aber mit einem so durchsichtigen, ohne Zweifel leinenen Stoff, dass alle Contouren des Körpers durch- ‚scheinen. ff) Sie heissen forım Asvnd. (Matthäus XXVIII. 59. Mare. XV. 46. Lucas XXIII. 53.) Johannes dagegen sagt: Zönoav auro ie ei 7 5; indem hier Ajas der Lokrer im leinenen Harnisch erscheint; aber auch Herkule ist unter dem Fell des erlegten Thieres mit einem leinenen Panzer bekleidet, was für das hohe Alter dieser Kriegstracht zeugt. Die Argiver heissen in einem Orakelspruch aus dem siebenten Jahrhundert vor Christus die Leinwandbepan- zerten (’4oysioı Awo®ssgnxes) und leinene Harnische fanden sich in verschiedenen griechischen Tempeln als Weihgeschenke.*) — Die gewöhnliche Kleidung der Griechen bestand in der klassischen Zeit theils aus Wolle, theils aus Flachs, und es scheint schon damals die Mode darauf einen wesentlichen Einfluss geübt zu haben. Nach Herodot sollen die wollenen Kleider nach einem unglücklichen Kriegszug gegen die Aegineten durch leinene verdrängt worden sein**), zur Zeit des peloponnesischen Krieges aber soll die jonische Leinwandtracht wieder abge- kommen sein und nur die Frauen haben leinene Kleider getragen. Bei Aeschylus und Euripides tragen die Frauen leinene Gewande.***) Vom Anbau des Flachses in Griechenland fehlen ältere Angaben. Hesiod erwähnt ihn nicht, Theophrast nur nebenbei. Es scheint daher seine Kultur nicht dieselbe Rolle gespielt zu haben, wie in Aegypten. In Thracien aber wurde viel Flachs gebaut.f) Von Sieilien wurde behauptet, der es zu Pythagoras Zeit (also in der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts vor Christus) noch keinen Flachs gehabt habe. Es erzählt nemlich Diogenes von Laerte, dass Pythagoras dort gezwungen gewesen sei sich in weisse Wolle zu kleiden, weil die Leinwand in den grossgriechischen Städten noch unbekannt gewesen sei. Indessen erfahren wir, dass die Etrusker schon nach der Mitte des fünften Jahrhunderts v. Ch. leinerne Panzer hatten, denn Cornelius Cossus trägt den Leinwandpanzer (thorax linteus), den er dem getödteten König Tolumnius von Veji abgenommen hat, im Triumphzuge als beste Beute auf das Capitol und weiht ihn dem Jupiter, in dessen Tempel er noch zu *) Man vergleiche Hehn 1. e. $. 105, dem ich diese Angaben entlehnt habe. **) Der einzige übrig gebliebene Athener sei von den Weibern der Erschlagenen mit den Spangen ihrer dorischen Kleidung zu Tode gestachelt worden. Die Weiber seien nun da- durch gestraft worden, dass sie von nun an den leinenen Kittel (Aivsov zıd$av«) tragen mussten, der keine Spange nöthig machte. (Herudot V. Kap. 87). ***) Das Bdocıwov nenAoug. +) Bei Herodot (V. 12) erscheint zu Darius Zeit ein Mädchen aus dem Stamme der Päonier, die auf dem Kopf einen Wasserkrug trägt, mit der einen Hand ein Pferd zur Tränke führt, mit der andern aber den Flachs mit der Spindel dreht, als Bild der Arbeitsamkeit der päonischen Frauen. _ du eh RN aeg = il 1 bb wurde. (Livius IV. 20.) Die den Vejentern ver- nalen und benachbarten Falisker, die an dieser Schlacht Theil genommen, trugen leinene Kleider (vgl. Hehn 1. e. $. 107). Ebenso hatten auch die Sam- _ niter gegen Ende des vierten Jahrhunderts leinene Tuniken und es erzählt Livius (IX. 40), dass sie bei der einen Hälfte des Heeres von weisser, bei der andern von bunter Farbe ‘gewesen seien. Im Jahr 293 erscheint eine leinene Legion (legio linteata) unter den Samnitern, sogenannt weil sie in einem mit Leintuch 4 überspannten Opferraum dem Siege oder dem Tode sich geweiht hatte (Livius 7 X. 38). Diese Benennung dürfte zeigen, dass die Verwendung der Leinwand zur £ Umhüllung des Opferraumes demselben eine besondere Weihe gegeben hat. .. Von Rom erzählen uns die leinenen Bücher (die libri lintei)*), welche nach a Livius im Tempel der Juno Moneta aufbewahrt wurden, dass schon in sehr alter Zeit leinene Stoffe Verwendung fanden. Wollene Kleider scheinen zwar vor- herrschend gewesen zu sein, daher die Wolltuchfabrikation von grosser Bedeutung war (Mommsen Geschichte I. 857); doch wurde auch Leinwand zu Kleidern, zu Segeln, zu Beschattung des Theaters und des Forum**), zu Tischtüchern (mantelia) und zu Taschentüchern, leinene Faden zu Angelschnüren und zum Verbinden der Briefe verwendet. Welch’ hohen Werth die Römer auf den Flachsbau legten, zeigt uns Plinius in der Einleitung zum XIX. Buche seiner Naturgeschichte, welches vom Flachs handelt. Wie man jetzt etwa den Dampf die Völker der Erde sich nahe gebracht haben, so Plinius den Flachs, welcher den»Stofl für die Segel liefert. Ein kleines Kraut sei es, sagt Plinius, der Lein (linum), welches Aegypten Italien nahe gebracht habe, so sehr dass Galerius von giebt aber keinen andern Grund an, als weil die Alten, nicht wie wir, lange zusammengerollte, später zu verschneidende Stücke dieses Stoffes webten, sondern immer schon fertige, zu unmit- telbarem Gebrauche bestimmte Kleider, Tücher u. s. w.; allein die Mumien wurden ja mit Leinwandbinden umwickelt und die Verwendung leinener Binden war in Rom uralt (cf, Momm- ‚sen römische Geschichte I. 857), also konnten solche auch dazu verwendet werden um darauf zu schreiben. Auch die Samniter hatten solche alte libri lintei, die beim Opferdienst verwen- _ det wurden (Livius X. 38). 2 **) Nach Plinius hat zuerst Q. Catulus das Capitol mit Leinwand beschattet, Lentulus _ Spinther habe sie beim Theater eingeführt und der Dietator Cäsar habe das ganze forum roma- _ stimten Himmels, vgl. Plinius XIX. 6, 2 oder die Elektrizität anführt, wenn man grosse Naturkräfte nennen will, welche *) Hehn vermuthet, dass die libri lintei auf Bast geschrieben gewesen seien (]. c. 8. 107), : num damit gedeckt. Im Amphitheater des Nero erhielt die Leinwanddecke die Farbe des ge- « sh der _ ein Kraut sei es, das in 7 Tagen von Cadix bei den herkulischen Säulen nach t 2 2 N en ER De N sieilischen Küste in 7, Babilius in 6 Tagen nach Alexandrien gekommen sei; Ostia führe, in 3 Tagen nach der Provinz Narbonne und in zwei Tagen an die afrikanische Küste, was dem C. Flavius gelungen sei.*) Der Flachs wurde besonders in den feuchten Niederungen der untern Tiber und in den von Flüssen und Canälen durchzogenen Ebenen des venetischen Ge- bietes angebaut**). Auch jetzt noch ist die Gegend von Ravenna durch ihre ausgedehnte Flachskultur bekannt. Ueber den Flachsbau der Gallier, Spanier und Germanen erhalten wir durch die römischen Schriftsteller nur spärliche Kunde, welche über die ersten Anfänge desselben im Dunkeln lässt. Spanien hat die Leinenkultur schon lange vor der römischen Eroberung, und sehr wahrscheinlich von den Phöniciern er- halten. Die Iberer trugen, nach Polybius, bei der Schlacht bei Cannä leinene Kittel, nach der Landessitte; esmuss also schon damals die leinene Kleidung dort allgemein verbreitet gewesen sein. Dasselbe war wohl auch in Gallien der Fall, wo die Druidenpriester in weissen Kleidern ihre Opfer verrichteten (Plinius XVI. 95), also wie die ägyptischen und jüdischen Priester. Zu Plinius Zeit wurde dort überall Leinwand gewoben und es werden von ihm namentlich die Stämme der Cadurei, Caleti, Ruteni, Bituriges und selbst die am Ende der Welt wohnenden Morini***) (die Niederländer) als Segel webende Völker ge- nannt. Er rühmt den spanischen Lein wegen seines Glanzes und seiner wunder- *) Audax vita (ruft Plinius aus), scelerum plena! aliquid seri, ut ventos procellasque reeipiat: et parum esse fluetibus solis vehi..... Ecce seritur hominis manu, metitur ejusdem hominis ingenio, quod ventos in mari optet. XIX. 1. p. 240. der Pariser Ausgabe. **) Plinius hebt besonders den Flachs von Retovium (bei dem heutigen Voghera) und den von Faenza in der Romagna (in Aemilia via Faventina), dann den der Gegend von Aliana (inter Padum Tieinumque amnes, ubi a Setabi tertia in Europa linopalma) hervor. XIX. 2. p. 241. Hier wurde der Flachssame auch zur Speise verwendet und bei den Opfern gebraucht. ***) Ultimi hominum existimati Morini. XIX. 2. p. 241. Die Caduroi fertigten mit Leinwand überzogene Kisten und Polster, welche nach Italien ausgeführt wurden. Es wurden in Gallien aus Leinwand Kittel mit Kaputze gefertigt (caracalle) und diese haben sich bei _ unsern Alpenbewohnern noch erhalten, denn das Hirtenhemd (ein aus Leinwand oder Hanftuch gefertigter, vorn am Hals mit eimem Schlitz ausgeschnittener weisser Kittel mit einer den hin- tern Theil des Kopfes bedeckenden Kaputze) ist offenbar das Abbild dieses uralten celtischen Obergewandes, und wird jetzt noch bei den Hirten der Cantone Graubünden, Appenzell, Glarus und Schwyz getroffen. Die Appenzeller zogen in diesem Hirtenkleid in die Schlacht am Stoos. BF sache it*). Be bei. dssen Volkerschaften: Bracheinen leinene RER ; usitaniern. Dass die germanischen Frauen in unterirdischen Kellern Flachs spannen und _ woben, erzählen Plinius und Tacitus, und zwar sollen sie leinene, mit roth ver- zierte Kleider allen andern vorgezogen haben. v In der Schweiz ist die Flachskultur uralt und reicht weit über die römisch- helvetische Zeit hinauf. Sie begegnet uns in den der Steinzeit angehörenden Pfahlbauten von Wangen, Niederweil und Moosseedorf, besonders aber in Roben- E, hausen, welches an der Grenze dieses Zeitalters steht. Von Moosseedorf sind uns die unverkohlten Früchte und Samen des Flachses, von Wangen Früchte, Faden und Gewebe zugekommen; von Niederweil hat Herr Messikomer mir letzten Sommer die unverkohlten von Torfschlamm umhüllten Flachsbündel überbracht mit einer Masse von Früchten und Samen. Aehnliche Flachsbündel mit Früchten und Samen hatte er schon früher in Robenhausen ausgegraben und mir zur Untersuchung übergeben. Aber auch verkohlte Früchte, Samen und Stengel des Flachses sind dort nicht selten in der Kulturschicht der Pfahlbaute. Die ver- kohlten Samen haben ihre Form verloren, sie wurden wohl durch das Oel, das - sie enthielten und verbrannte, bauchig aufgetrieben und sind dicker und schmaler geworden. Die Früchte dagegen haben ihre Form bewahrt; dasselbe ist der Fall bei den unverkohlten Samen und Früchten, welche letztern meistens aufgesprungen und in die Fruchtblätter zerfallen sind, aber ihre Farbe noch erhalten haben. Wir haben aus diesen Pfahlbauten aber nicht nur die Flachspflanze, sondern auch die manigfachen Produkte, welche aus derselben gewonnen wurden. Die Samen wurden dem Hirsebrod beigemengt**) und geröstet wahrscheinlich vielfach als > Nahrung verwendet. Aus der Flachsfaser wurden Faden gesponnen und Schnüre gedreht und diese zu Fertigung von Fischernetzen und Geflechten verwendet, X « Er + r 4 Ä 2 = F i n- P- 4 p’ Das Hemd (camisia) ist eine gallische Erfindung und fand erst zur spätern Kaiserzeit Eingang - in Italien. Zu Karls des Grossen Zeit hatten die vornehmen Franken Hemden von glänzender Leinwand und rothe leinene Hosen. Einhart (Leben und Wandel Karls des Grossen Cap. XXIII) erzählt, dass Karl ein leinenes Hemd und leinene Hosen trug nach der Sitte seines Volkes. | *) Berühmt war besonders der Lein von Tarraco und Sätabis. Hier wurde später, seit _ dem 12. Jahrhundert, ein vorzügliches Papier aus leinenen Lumpen bereitet, welche Papierbe- ee von Spanien aus sich über Europa verbreitet und für die Buchdruckerkunst den Boden zubereitet hat. Die Erfindung des Papieres gehört den Chinesen an und wurde durch die _ Araber nach Spanien gebracht. F **) M. vgl. meine Abhandlung über die Pflanzen der Pfahlbauten. S. 9 u, 37. - ” Fertigkeit onen, wie die ahtreleken Tee beweisen, welche bei Robenhausen ausgegraben wurden. Es sind diese von Hm. Dr. F. Keller in seinem vierten Berichte über die Pfahlbauten beschrieben und abgebildet worden, Er hat gezeigt. in welcher Weise diese Gewebe gefertigt wurden, indem er aus einzelnen aufgefundenen Bestandtheilen des Webstuhles denselben reconstruirt hat. Auch die Kämme zum Hecheln des Flachses und die Wirtel der Spindeln sind uns bekannt geworden, so dass wir uns eine deutliche Vorstellung von der Kultur und Zubereitung des Flachses machen können. Es wurde derselbe bei der Ernte zu Bündeln zusammengebunden und die Früchte abgestreift. Diese wurden in Töpfen aufbewahrt, wenigstens zeigte ein ganzer Klumpen von Früchten von Niederweil noch die Scherben eines Topfes, der ohne Zweifel zu ihrer Auf- bewahrung gedient hatte. Die Flachsbündel wurden wahrscheinlich eine Zeitlang. ins Wasser gelegt, was durch den gänzlichen Mangel der Blätter angezeigt wird, und dann getrocknet und auf der Pfahlbaute aufbewahrt ; dann mit Keulen oder Hämmern geschlagen und durch die aus aneinander befestigten Hirschrippen ver- fertigte Hechel gezogen. Von so zubereitetem noch rohem Flachs sind viele Reste in Robenhausen gefunden worden. Die Faden und Schnüre wurden zu grossen run- den Knäueln zusammengewickelt, wie solche uns Robenhausen aufbewahrt hat. Von der Pflanze, welche das Material für diese Industrie lieferte, habe ich ein reichliches Material erhalten, so dass eine genaue Bestimmung derselben ermöglicht wurde. Ich habe dieselbe auf der beiliegenden Tafel dargestellt; die braungefärbten Stücke sind unsern Pfahlbauten entnommen, die grün eolorirte Figur (17) stellt die restaurirte Pflanze dar. Es hatte dieser Pfahlbauflachs einen ziemlich starken Wurzelstock (Fig. 4-- 6 von Niederweil, Fig. 7—10 von Roben- hausen) mit einem bald gekrümmten, bald geraden Wurzelstamm von 3 bis 5 Decimeter Länge; die Fasern, die ohne Zweifel an demselben befestigt waren, sind meist verschwunden; von dem Wurzelstock (Rhizom) giengen mehrere Stengel aus. Es ist zwar meistens nur einer erhalten, von den andern aber sieht man noch die Ansatzstellen (Fig. 4, 5, 7 b, 7d, 10). Diese Stengel sind am Grunde bogenförmig. gekrümmt, dann aber gerade aufsteigend. Sie haben meist eine Dicke von 2 Millim., doch kommen auch dünnere und anderseits dickere bis auf 3 Millim. (Fig. 3) und am Grund bis selbst 5 Millim. (Fig. 9) vor. Oben sind die Stengel vielfach verästelt, die Aeste alle aufgerichtet, lang, dünn und zuweilen nochmals verzweigt. An diesen dünnen aufrechten Zweigen waren die Früchte befestigt. Die Blätter sind nicht erhalten und nur selten bemerkt man ihre rg Bee ee am len Es darf uns Alican nicht befremden. Auch beim ge- j “meinen Flachs fallen die Blätter zur Zeit der Fruchtreife grossentheils ab und gehen jedenfalls während des Rösteprozesses verloren. — Die kugeligen Kapseln (Fig. 16 von Robenhausen, 16 b von Niederweil) haben mit deren Spitze durch- schnittlich eine Länge von 6 bis 6%, Millim., bei einer Breite von 5 Millim.; ohne die Spitze beträgt die Länge 5 Millim., zuweilen ist sie aber kleiner und hat mit der Spitze nur 5 Millim. Länge. Unverkohlt hat sie eine bräunlich-gelbe Farbe. Häufig ist sie aufgesprungen und zwar zunächst in fünf Fruchtblätter, von denen jedes in eine feine Spitze ausläuft. Nicht selten ist jedes Fruchtblatt nochmals der Länge nach gespalten und jeder Theil von zwei zarten Längslinien durchzogen. Die Scheidewände sind in ausgewachsenen und sorgfältig gereinigten Früchten hellfarben, fast durchsichtig und an der Innenseite erkennen wir in einzelnen Fällen noch Reste von Haaren; sie waren also da gewimpert. — Bei vi den verkohlten Früchten, bei welchen die Fruchtblätter noch verbunden sind, treten die Rippen aussen an den Früchten deutlicher hervor. In jeder Frucht liegen zehn Samen; sie sind oval, oben stumpf zugerundet, dort auf einer Seite wohl mit einem schwachen Eindruck versehen, doch nicht geschnabelt. Sie haben eine Länge von 3 bis 3%, Millim., bei einer Breite von 2 Millim., sind flach und glatt und von bald hellerer bald dunklerer brauner Farbe (Fig. 14 vergrössert, 14 b von Robenhausen, Fig. 14 c bis g von Niederweil, Fig. 14 gg der Umriss stark vergrössert). Es ist in der Regel nur die Samenschale (testa) erhalten. Wir kennen sonach die Wurzeln, Rhizome, Stengel, Fruchtzweige, Früchte und Samen des Pfahlbauleines und sind dadurch in den Stand gesetzt, die ganze Pflanze, wie sie lebend ausgesehen haben muss, zusammenzusetzen, was ich auf Fig. 17 versucht habe. Vergleichen wir nun diesen Lein mit dem in Europa Be rn in mehreren Varietäten angebaut wird. Zunächst haben wir zwei Hauptformen \ zu unterscheiden, erstens den Schliesslein mit Kapseln, die zur Zeit der Reife nicht aufspringen und deren Scheidewände kahl sind, und zweitens den Klang- _ lein (Linum usitatissimum erepitans, Böningh.), dessen Kapseln zur Zeit der Reife aufspringen und deren Scheidewände innen behaart sind. Innerhalb dieser zwei Hauptformen haben wir zahlreiche Abarten, die in der Farbe der Blumen, Grösse und hellere oder dunklere Farbe der Samen und in der Höhe des Stengels varüren. Von allen diesen Formen des gemeinen Flachses unterscheidet sich der Pfahlbaulein dureh die kleinern Früchte und Samen und durch das - kultivirten Flachs (dem Linum usitatissimum L.), werden wir erhebliche Unter- schiede wahrnehmen. Dabei haben wir zu berücksichtigen, dass dieser bei uns a > ep u en r N 4 A % ausdauernde, hei Risom! wie a: am Grund bogenfi i Stengel. | Gerade in diesen Merkmalen stimmt er aber völlig mit dem schmalblätt- ER trigen Flachs (dem L. angustifolium Huds.) überein. Es ist dieser als wild- wachsende Pflanze über die Mittelmeerländer verbreitet. Wir haben ibn im Herbarium des Polytechnikums aus Persien, aus Palästina, vom Libanon, aus der Umgebung von Athen, aus verschiedenen Theilen Italiens, aus dem südwestlichen Frankreich, aus Korsika und aus Cadix. Nach Hrn. von Heldreich wächst er in Attika besonders in feuchten Meeresniederungen, ebenso in Kreta, wo er häufig vorkommt. Erfindetsich auchan der afrikanischen Küste. Diesseits der Alpen aber wird er nirgends wild wachsend gefunden und auch nirgends kultivirt. Um sein Verhalten in der Kultur in unsern Gegenden kennen zu lernen, habe ich Samen von Athen kommen lassen, welche der Direktor des dortigen botanischen Gartens, Hr. von Heldreich, mir in grösserer Quantität zu übersenden die Freundlichkeit hatte. Es wurden diese Samen im April theils in ein Treibbeet in gute fette Erde, theils in gewöhnliche Ackererde ausgesät. Erstere haben sich sehr stark bestockt. Von dem Wurzelstock gingen mehrere Stengel aus, welche anfangs sich fast horizontal-über den Boden ausbreiteten, dann aber in die Höhe stiegen. Jede Pflanze stellte so einen ganzen Büschel von Stengelu dar, die am Wurzel- hals zusammenliefen. Die Blätter zeielhmen sich durch ein bläuliches Grün aus und sind alle vorn zugespitzt. Die Stengel hatten Ende Juni eine Länge von 31, bis 4 Deeimeter erreicht und an ihren dünnen, aufreehten Zweigen erschienen die ersten hell violetten Blüthen. Die in magerer Ackererde gesäten Pflanzen haben sich weniger bestockt, dagegen waren die Stengel höher (sie hatten Ende *) Bei dem gemeinen Flachs (L. usitatissimum L.) haben die Früchte beim Klanglein eine Länge von 8 Millim. (ohne Spitze 7 Millim.) bei einer Breite von 7 Millim., beim Schliess- lein durchschnittlich eine Länge von 7 Millim. (ohne Spitze 6 Millim.) und eine Breite von 6°), Millim. Die Samen haben durchschnittlich eine Länge von 5 Millim. und eine Breite von 21), Millim., vorn ist der Same mehr verschmälert und mit einem Schnäbelehen versehen. Allerdings variirt die Grösse des Samens, indem er bei einer Sorte (dem L. usitatissimum maerospermum aus Marocco) eine Länge von 6 Millim. erreicht, bei einer Breite von 3 Mill., während er beim Königlein nur 4'/, Millim. Länge bei 2 bis 3, Millim. Breite und beim 25 kleinhaarigen Lein von Ohio (L. usitatissimum mierospermum) nur 4 Millim. Länge bei 2 Mill. Breite hat. Immerhin haben wir auch bei diesen kleinhaarigen Leinsorten ein deutlich abge- setztes Schnäbelchen. Alle diese Formen des gemeinen Leines (L. usitatissimum L.) sind ein- jährig und haben einen geraden von der Wurzel aufsteigenden, einfachen Stengel. Juni 6—7 Decimet.) und, wohl in Folge ihrer dichten Stellung, waren sie mehr aufrecht und am Grund etwas weniger gebogen, die Blätter heller grün als bei den vorigen.*) Ende Juli hatten viele Stöcke reife Kapseln und bis Ende August fingen die Blätter an zu welken und abzufallen. Viele Kapseln waren aufgesprungen und die Samen ausgefallen, doch sind daneben auch noch halbreife Kapseln und selbst einzelne Blüthen. Am 1. September wurde dieser Flachs geschnitten und ins Wasser gelegt. Da die Stengel am Grund im Bogen von dem Wurzelstock abstehen, könnten sie leicht dort mit dem Messer abgeschnitten werden, aber auch mit einem scharfen Steinbeil (z. B. einem Nephritbeil) oder Messer von Feuerstein könnte diese Lostrennung von dem Rhizom bewerkstelligt werden. Es *) Die Wurzel dieser Pflanzen von Linum angustifolium hatte eine Länge von 2 Deeim. ist ziemlich stark mit Fasern besetzt, aber dünn. Am Wurzelhals bemerkt man zunächst 2 bis 3 zurückgebliebene, gerade aufsteigende Stengel, zum Theil verdorrt, und daneben mehrere anfangs fast horizontal abstehende, dann in starken Bogen nach oben sich krümmende, lange Stengel. Die untern Stengelblätter sind abgefallen, die obern frisch grün. Sie sind lanzett- lich-linienförmig und vorn zugespitzt, dreinervig; der Mittelnerv bis zur Blattspitze reichend, die beiden seitlichen aber bis Y, und ®/, Blattlänge. Der Stengel ist ziemlich stark verästelt mit langen Zweigen, aus deren Blattachseln die ziemlich lang gestielten Blüthen entspringen. — Der Kelch hat die Länge der Kapsel; die Kelehblätter sind wie bei dem gemeinen Flachs mit einem hautigen Rand versehen und die zwei innern gewimpert. Die Blumenkrone ist kleiner als beim L. usitatissimum L. und blass violett-blaulicht gefärbt mit einigen dunkleren Streifen, die vom Grund des Blumenblattes bis gegen die Mitte reichen. Das Blumenblatt hat eine Länge von 8—9 Millim., bei einer Breite von 5Y,—6 Millim., ist von 5 Längsnerven durch- zogen, die mittleren 3 sind in je 2 Gabeläste gespalten, die beiden seitlichen einfach. Diese Längsnerven bilden die dunkleren Streifen des Blumenblattes. Jedes hat einen ganz kurzen Nagel und ist vorn stumpf zugerundet, aber kaum ausgerandet. Die Kelchblätter sind vorn zugespitzt mit ziemlich deutlich vortretendem Mittelnerv, der in die Spitze ausläuft, neben ihm ist jederseits noch ein abgekürzter Längsnerv. Die Kapseln haben eine Länge von 6 bis 6'/, Millim., ohne die Spitze 4/,—5 Millim. und in einem Falle bis 6 Millim. -— Die hellfarbigen Samen haben 5 Millim. Länge bis 2 Millim. Breite. Die Scheidewände sind an der Innenseite mit weissen Haaren besetzt. — Es wird diese Art gewöhnlich als mehrjährig angegeben, allein Boissier nennt sie theils einjährig, theils ausdauernd (ef. Flora orientalis I. 861). Auch Prof. Martius und Lortet von Montpellier, welche reiche Gelegenheit hatten die in jener Gegend wild wachsenden Pflanzen zu beobachten, versichern mich, dass sie theils perennirend, theils ein- jährig sei. So verhält sie sich auch in Sieilien, und Gustone sagt in seiner Flora sieula I p. 375, sie sei einjährig, selten perennirend; in der Flora von Ischia p. 58, sie sei einjährig und blühe im April und Mai. Wie sich die aus griechischen Samen bei uns gezogenen Pflanzen in dieser Beziehung verhalten, wird sich erst im nächsten Jahre zeigen. konnten daher die Pfahlbauern gar wohl den Flachs in dieser Weise gewinnen ohne dass sie genöthigt waren ihn auszureissen. Dass sie den Flachs in der That geschnitten und nicht gerauft haben, scheint der Umstand zu zeigen, dass bei den in Robenhausen und Niederweil gefundenen Flachsbündeln, die gekrümmten Stengelbesen in der Regel ohne Wurzeln, und solche, deren Wurzeln noch erhalten sind, nur ausnahmsweise vorkommen. Stücke wie die bei Fig. 4— 6 dargestellten sind sehr selten, sehr häufig dagegen solche wie die Fig. 6 b abgebildeten. Besonders belehrend war in dieser Beziehung ein Flachsbündel von Niederweil, der aus einer grossen Zahl von Stengeln bestand, die alle in der bei Fig. 6 b dargestellten Weise gekrümmt und wurzellos waren und nur einzelne wenige bewurzelte Stöcke erkennen liessen; er stellte also offenbar eine Garbe dar mit am Grunde abgeschnittenen Stengeln, wobei freilich die Möglichkeit nicht ausge- schlossen wird, dass die Wurzeln erst nach der Ernte abgeschnitten oder auch abgebrochen sein konnten. Wurde der Flachs geschnitten und nicht ausgerauft, werden die in der Erde zurückgelassenen Rhizome im nächsten Jahr wieder aus- getrieben und wahrscheinlich stärkere Stengel geliefert haben als im ersten Jahr. Aber, wird man weiter fragen, liefert denn der schmalblättrige Flachs wirklich eine brauchbare Faser? Um diese Frage zu erledigen wurde der anfangs September geschnittene Flachs in eine Wassergrube gelegt und nach 8 Tagen auf einem Rasen an der Sonne ausgebreitet. Schon nach wenigen Tagen nahm er eine hell weissgelbliche Farbe an und zahlreiche zarte Fasern lösten sich von den Stengeln los. Durch wiederholtes Klopfen erhielt ich eine weisse, schöne Faser, die allerdings nicht so lang ist wie bei unserm gemeinen Flachs, aber doch versponnen werden kann, so dass unzweifelhaft auch die Stengel dieser Art zu Gewinnung von Faden und Schnüren und Fertigung von Geweben benutzt werden kann und eine Faser liefert, die durch ihre weisse Farbe sich auszeichnet. Die Untersuchung der Flachsreste der Pfahlbauten haben demnach als un- zweifelhaft ergeben, dass von den Pfahlbauern der Steinzeit nicht unser gemeine Flachs, sondern der schmalblättrige Lein angebaut worden ist, da er m allen Merkmalen mit diesem völlig übereinstimmt, dieser eine brauchbare Faser liefert, kultivirt auch in unseren Gegenden wohl gedeiht und schon im ersten Jahre benutzt werden kann. Da diese Flachsart nur in den Mittelmeerländern wild wächst, können die Pfahlbauleute ihren Samen nur von da bezogen haben und es muss derselbe in alter Zeit auch dort angebaut worden sein. Wir haben dafür noch ein anderes merkwürdiges Zeugniss, das uns überdiess sagt, dass dieser Samenbezug von Zeit zu Zeit erneuert wurde. Ich habe schon vor mehreren a Jahren aus dem Schlamme der Pfahlbaute Robenhausen zierliche kleine Samen _ ausgewaschen, deren Untersuchung mir ergab, dass sie von dem kretischen Leim- kraut (der Silene eretica L.) herrühren ;*) auch eine verkohlte Kapsel derselben Art wurde an dieser Stelle gefunden. Da dieses Leimkraut dieselbe Verbreitung hat wie der schmalblättrige Flachs und als Unkraut in den Flachsäckern Süd- Europas gefunden wird, habe ich geschlossen, dass seine Samen mit den Flachs- samen nach unserer Gegend eingeschleppt worden seien und in den Flachsäckern der Pfahlbauern standen, Gegenwärtig fehlt diese Pflanze in unsern Flachsäckern und ebenso in Deutschland und überhaupt überall diesseits der Alpen, weil jetzt der Flachssame nicht mehr aus Südeuropa bezogen wird; dagegen tritt hier und da in den Kleeäckern die Centaurea solstitialis und noch häufiger die Orobanche minor auf, welche mit dem Kleesamen aus Südfrankreich gekommen sind, von wo gegenwärtig derselbe in Masse bezogen wird. Die Centaurea hat sich indessen nirgends bei uns eingebürgert, weil das Klima ihr nicht zusagt, und würde sicher wieder überall verschwinden, wenn dieser Samenbezug aus der Provence aufhören würde. Diess Verhalten zeigt uns das kretische Leimkraut und weist uns auf Südeuropa als den Bezugsort des Flachssamens. Dass dieses Leimkraut wirklich im Flachsfeld der Pfahlbauern gestanden hat, beweist uns ein neuer Fund, den Herr Messikomer im Spätherbst 1870 in Robenhausen gemacht hat. Er sandte _ mir mehrere von nassem Schlamm umgebene Flachsbündel, die ganz frisch aus . der Pfahlbaute Robenhausen kamen. Als ich dieselben unter Wasser auseinander re. ‚legte, fand ich zu meiner grossen Freude zehn wohlerhaltene Kapseln des kreti- sehen Leimkrautes, welche noch mit Samen angefüllt waren (vgl. Fig. 18, 19 die Kapseln in natürlicher Grösse, Fig. 20 vergrössert, Fig. 21 der Same, Fig. 22 dieser vergrössert). Es muss also diess Leimkraut auf dem Felde bei dem = Flachs gestanden haben und ist mit den Flachsstengeln in denselben Bündel E gekommen, was uns das Vorkommen der Leimkrautsamen im Schlamme der Pfahlbauten, das mir anfangs sehr räthselhaft war, vollkommen erklärt. Seither - wurden die Früchte und Samen dieses kretischen Leimkrautes vielfach sowol in _ Robenhausen, wie auf der Pfahlbaute Niederweil zwischen den Flachsresten ge- funden, was uns zeigt, dass es damals in Flachsäckern häufig war und es darf die Vermuthung ausgesprochen werden, dass diese Pflanze, die dem Lande sonst E ganz fremd war und durch eine rosenrothe, nelkenartige Blüthe sich auszeichnet, *) vgl. meine Abhandlung über die Pflanzen der Pfahlbauten S. 20 u. S. 36. 3 mannen in die dem Wodan geweihten Garben rothe Kornblumen gelegt wurden. Während manche Unkräuter der Aecker der Pfahlbauern bis auf unsere Zeit sich NEE. in unsern Gegenden gehalten haben*), ist das kretische Leimkraut längst ver- schwunden; es war nur ein vorübergehender Gast, der nur so lange sich halten konnte, als der Bezug des Leinsamens aus seiner Heimat dauerte, aber verschwand wie dieser aufhörte, da das Klima seine Einbürgerung verhinderte. Wir erfahren daraus, dass die Samen dieser Pflanze zur Zeit der Pfahlbauten wiederholt aus den Mittelmeerländern eingeschleppt wurde und somit der Flachssame wahr- scheinlich einen wichtigen Handelsartikel gebildet hat, da das Leimkraut nur durch diesen seinen Weg zu uns gefunden haben kann. Es weist uns demnach das Vaterland des schmalblättrigen Leines, wie das mit ihm eingewanderte Leimkraut, auf Südeuropa als den Bezugsort des Flachs- samens der Pfahlbauern. Auch der Name, mit dem diese Pflanze bezeichnet wird, bestätigt diese Annahme. Das Wort Lein (Aivov, linum, lin, lino, linhaoo) findet sich bei den Griechen, Römern, Franzosen, Spaniern und Portugiesen, aber auch den Deutschen, Slaven und Finnen. Noch häufiger braucht man aber dafür in Süddeutschland und der Schweiz das Wort Flachs, das auch bei den Hollän- dern und Engländern (fax) sich findet. Das Wort Lein oder lin, wie es in unserer Mundart richtiger heisst, stammt aus Südosteuropa, während »Flachs« vielleicht orientalischen Ursprungs ist und vielleicht von dem Namen herrührt, mit dem die Phönicier diese Pflanze bezeichnet haben.**) Die Flachsreste von Moosseedorf, Niederweil und Robenhausen lassen nicht zweifeln, dass an allen diesen Stellen dieselbe Art, d. h. der schmalblättrige Flachs kultivirt worden ist. Wie lange aber die Kultur desselben gedauert hat, lässt sich jetzt noch nicht bestimmen, indem uns aus dem Bronze-Zeitalter und der helvetisch-römischen Zeit keine Reste zugekommen sind, welche die Flachsart bestimmen lassen, wogegen allerdings Flachsreste und daraus gefertigte Faden und Schnüre, nach der Versicherung des Hrn. Dr. F. Keller, sich in allen Pfahl- baustationen vorfinden. *) vgl. meine Abhandlung über die Pflanzen der Pfahlbauten S. 18. **) Hebräisch heisst der Flachs: Fischta (2. Mos. IX 31. Jeremias XIII 1). Nach Hehn (l. e. 8. 430) soll Flachs sich mit Wörtern, die im althochdeutschen Haar bedeuten (fahs und flash), berühren. f _ grossem Interesse wäre es zu erfahren, welche Flachsform von den Aa und ÖOrientalen, wie den südeuropäischen Völkern des Alterthums kultivirt worden ist; leider liess sich diess aber noch nicht mit Sicherheit ermit- teln. Plinius giebt an, dass der Flachs im Frühling mit dem Mohn und Hafer ausgesät und im Sommer ausgerauft werde*). Daraus dürfen wir schliessen, dass es eine einjährige Pflanze war, die in gleicher Weise behandelt wurde wie unser gemeiner Flachs (L. usitatissimum L.). In einigen Gegenden Italiens wurde der Flachs aber im Spätherbst ausgesät**) und dasselbe ist jetzt noch an der Ostseite Italiens, so in der Umgebung von Ancona und in der Provinz Treviso der Fall. Es wird dieser Flachs als Winterflachs (lino invernegno italiano, lino autunnale, ravagnano, ravanese, calabrese)***) auch als römischer und „weijähriger Flachs bezeichnet. In Griechenland ist der Flachs nach Fraas (Flora classica S. 81) eben- falls eine Winterfrucht, welche im October ausgesät daselbst vortrefilich gedeiht. Wie sich seine Kultur in der alten classischen Zeit verhielt und was für eine Art damals angebaut wurde, ist uns nicht bekannt. Dasselbe gilt von Gallien und Spanien. Dass im alten Aegypten der Flachs im Frühling geerntet wurde und, wie noch in unserer Zeit, während des Winters auf dem Felde stand, haben wir schon früher nachgewiesen ($. 4 ). Daraus lässt sich aber auf die Art, welche die Grundlage der in so grossem Massstabe getriebenen Flachsindustrie gebildet hat, nicht zurückschliessen, da auch der schmalblättrige Flachs denselben Ent- wieklungsgang zeigtf). Indessen ist es doch wahrscheinlicher, dass in Aegypten der gemeine Flachs (der L. usitatissimum L.) angebaut wurde. Es hat Unger aus einem ägyptischen Ziegel, dessen Alter Lepsius in das 13. bis 14. Jahrhundert vor Christus setzt, eine einzelne Leinkapsel erhalten, welche nach seiner Versi- _ cherung eher mit derjenigen des gemeinen als des schmalblättrigen Flachses *) vgl. Plinius XVIII 56 und XIX 1 vere satum aestate vellitur. **) vgl. Columella II 10. Er giebt als Zeit der Aussaat den October bis December an. f ***) vgl, Carlo Berti Pichat, tratto dalle istituzioni scientifiche e teeniche di agricol- tura lib. XX S. 502. +) Ich erhielt aus Pamphylien und Griechenland Exemplare mit reifen Früchten, welche im Mai gesammelt worden waren. (866. 8. 15), stimmtff), aber es reicht eine einzelne Kapsel zur Entscheidung dieser Frage tf) vgl. Unger, ein Ziegel der Dashurpyramide. Sitzungsbericht der Wiener Akademie nicht hin. Meine Bemühungen aus dem ägyptischen Museum von Berlin un London Früchte oder Samen zu erhalten, blieben erfolglos“). Die Abbildungen auf den Wandgemälden Aegyptens sind der Art, dass sie eine Bestimmung der Flachsart nicht zulassen. Wichtig ist aber, dass auf dem Gemälde von Elkab, auf welchem die Flachsernte dargestellt ist, von den Arbei- tern keine Sichel verwendet wird, wie diess doch überall der Fall ist, wo die Getreideernte veranschaulicht wird. Es wurde wie es scheint der Flachs ausge- rissen und als eine einjährige Pfianze behandelt. Diess lässt aber für Aegypten noch nicht auf den gemeinen Flachs schliessen, wie diess in andern Ländern der Fall ist, da in Aegypten durch die Nilüberschwemmung ganz eigenthümliche landwirthschaftliche Zustände geschaffen wurden. Es ist wohl zu beachten, dass der schmalblättrige Flachs auch im wilden Zustande theils einjährig, theils mehr- jährig ist und immer schon im ersten Jahr eine Ernte giebt und somit wie eine einjährige Pflanze behandelt werden konnte, wenn diess vortheilhafter war. Diess musste nun in Aegypten offenbar der Fall sein, da hier das Kulturland jedes Jahr überschwemmt wird und in den vom Flusswasser abgesetzten Schlamm die neue Saat gelegt wurde. Es musste hier daher jedes Jahr die Saat erneuert werden, wenn daher auch anfangs der schmalblättrige Flachs angebaut wurde, wieder durch diese Kulturart bald zur einjährigen Pflanze geworden sein, d. h. man wird eben von den einjährigen Stöcken die Samen eingesammelt und zur Aussaat verwendet haben, um so mehr, da diese einen höhern und mehr auf- rechten Stengel annahmen. Ein ähnliches Verhalten zeigt uns die Baumwollpflanze (das Gossypium her- baceum L.). Es ist diese ausdauernd und strauchartig, trägt aber schon im ersten Jahr Blüthen und Früchte; es ist nun in Unterägypten vortheilhafter, die Baum- wollpflanzen jedes Jahr neu heranzuziehen und sie nach der Ernte zu entfernen, als sie ausdauern zu lassen und so während mehreren Jahren von demselben Stock die Wolle zu beziehen. Da sie im ersten Jahre eine bessere, namentlich längere Wolle giebt, als später, wird auch im Süden der Vereinigten Staaten *) Die Herren Prof. Lepsius und Alex. Braun hatten die Freundlichkeit, im ägyptischen Museum zu Berlin sich nach Flachsfrüchten und Samen umzusehen, doch fanden sich keine vor, die als ächt bezeichnet werden können. Allerdings liegen in einer Schachtel voll Samen der Nigella sativa zwei Samen des Klangleines (Lin. erepitans), welche mein Freund A. Braun mir zur Ansicht übersandt hat. Dieselben sind aber von frischen Samen nicht zu unterschei- den und sicher nicht antik, womit auch A. Braun übereinstimmt. E j u . « “4 = Pac a sselbe Verfahren beobachtet, während man in Indien, der alten Heimat der Baumwolle, und ebenso in Oberägypten, die Pflanze zu mehrjährigen Sträuchern und Bäumen sich entwickeln lässt. Immerhin lässt sich zur Zeit noch nicht entscheiden, welche Flachsform im alten Aegypten angebaut worden ist und wir können nur als Vermuthung aus- sprechen, dass es anfangs das Linum angustifolium gewesen sei, welches später 2 durch das L. usitatissimum verdrängt wurde. x Es müsste sich diese Frage wesentlich vereinfachen, wenn die ursprüngliche x Heimat, oder doch der Ausgangspunkt des gemeinen Flachses ermittelt wäre. Diess # | | W ist aber durchaus nicht der Fall. Gegenwärtig wird derselbe nirgends wildwach- send gefunden*) und es fehlen uns alle Nachrichten aus dem Alterthum, die über seine Heimat Aufschluss geben könnten. Es kann daher in Frage kommen, ob nicht derselbe aus einer wildwachsenden Art durch die Kultur entstanden sei, wie unser Kohl und Kohlrabi und Blumenkohl aus der am Meeresstrande wach- senden Brassica oleracea L., oder wie die gelbe Gartenrübe (Daueus carota L.) aus der in unsern Wiesen wachsenden Pflanze. Von allen wildwachsenden Arten steht nun dem gemeinen Flachs der schmalblättrige am nächsten und kann daher hier allein in Betracht kommen. Wir haben schon früher auf die Unterschiede aufmerksam gemacht, welche den gemeinen Flachs vom schmalblättrigen trennen. Als wichtigste sind zu bezeichnen, dass die Stengel von Grund aus gerade auf- gerichtet und nicht rasenförmig gestellt und am Grund bogenförmig gekrümmt sind, dass die Blumen, Früchte und Samen etwas grösser und letztere deutlich geschnabelt sind**). Dieses sind alles erhebliche Unterschiede, welche eine Ab- *) Alle derartige Angaben beruhen auf einer Verwechslung ‘init dem Linum angustifo- lium Huds., so die Angabe von Griesebach (Spieilegium I 117), dass er in Macedonien und Thracien wildwachsend sei. Vgl. Boissier, Flora orientalis I. 361, dem auch Th. von Heldreich beistimmt. **) Andere Unterschiede, die angegeben werden, sind nicht von Bedeutung. Boissier (Flora orient. I. p. 861) giebt dem L. usitatissimum L. dreinervige, dem L. angustifolium aber einnervige Blätter, allein auch bei letzterem sind sie dreinervig, nur sind die seitlichen zwei Nerven dem Rande mehr genähert und können daher leicht übersehen werden. Die Blätter sind etwas schmäler und auch die untern in der Regel vorn zugespitzt, während beim gemeinen Flachs stumpflich, aber wir erhielten aus Corsika Exemplare des L. angustifolium, welche in dieser Beziehung mit dem gemeinen Flachs übereinstimmen. De Candolle sagt, dass bei dem letztern die Blumenblätter 3mal, bei dem erstern 2mal so lang seien als die Kelchblätter. In- dessen haben alle von mir untersuchten zahlreichen Pflanzen beider Arten in dieser Beziehung _ keinen Unterschied gezeigt; die Blumenblätter sind bei beiden zweimal so lang als die Kelch- RE leitung des gemeinen kultivirten Flachses von dem schmalblättrigen wilden dann möglich machen, wenn Zwischenformen nachgewiesen werden können, welche den Uebergang vermitteln. Solche sind nun in der That vorhanden. Wir können als solche eine kultivirte Form (den römischen Winterlein) und eine wildwach- sende (das Linum ambiguum Jord.) nennen, von welchen erstere näher an das L. usitatissimum, die zweite näher an L. angustifolium sich anschliesst. Von dem römischen Winterlein, welchen ich- schon $S. 19 kurz erwähnt habe, verdanke ich der freundlichen Zusendung des Herrn Vietor Ceresole, schweiz. Consul in Venedig, die bewurzelten Stöcke, Früchte und Samen, die von Oderzo (dem alten Opiterchium) Provinz Treviso kommen. Er hat ganz die Frucht des schmal- blättrigen Flachses; von dem Rhizome gehen auch eine ganze Zahl von dünnen Stengeln aus, die büschelförmig gestellt und am Grunde gebogen sind; der centrale Stengel ist ebenfalls verkümmert und jung abgestorben. In der Grösse der Frucht und der Samen stimmt er dagegen mit dem Schliesslein überein. Die Früchte haben eine Länge von 7 Millim., die Samen von 5 Millim., bei 2'/, Mill. Breite ; die Scheidewände sind inwendig schwach gewimpert, fast wie beim Klanglein. Es wird dieser Flachs als einjährige Pflanze behandelt, soll aber zuweilen auch zwei h- Jahre ausdauern; die daraus gewonnene Faser ist gelblich grün. An diesen römi- . . ” . . ; schen Winterflachs schliesst sich sehr nahe das Linum ambiguum Jordan } an*), welches nach einer Mittheilung meines Freundes Prof. Martins bei Toulon, e . € blätter; beim gemeinen Flachs sind erstere 12, letztere 6 Millim. lang. Nach Grenier (flore % frangaise) soll das L. usitatissimum antheres sagittees haben, das L. angustifolium aber anth. suborbiculaires. Ich kann aber ausser der geringern Grösse bei letzterm keinen erheblichen Unterschied finden. Es gehen bei diesem die beiden Fächer der Anthera am Grund etwas we- niger weit auseinander als bei dem gemeinen Flachs, weichen aber in ihrer Form nicht von demselben ab. *) Jordan im Samen-Katalog des botanischen Gartens von Dijon von 1848. 8. 27. Wal- per annales bot. II. p. 114. Wir erhielten die Samen aus dem botan. Garten von Jena und konnten die Pflanze in ihren verschiedenen Entwicklungsstadien vergleichen. — Die Wurzel unserer Exemplare ist einjährig, wie beim gemeinen Flachs; von dem aufrechten Hauptstengel entspringen aber am Wurzelhals mehrere seitliche, fast in Wirtel gestellte Stengel , die am Grund gebogen sind, wie beim schmalblättrigen Lein. Oben sind die Stengel stark verästelt, die Blätter sind schmal lanzettlich und auch die untersten vorn zugespitzt und alle dreinervig. Die Blüthen und Fruchtstiele sind aufrecht; die Kelchblätter von der Länge der Frucht; die Blumenkrone ist weiss, blau angelaufen. Die Blumenblätter sind vorn stumpf zugerundet und von derselben Form wie bei L. angustifolium, In der Grösse stehen sie in der Mitte zwischen denen von L. usitatissimum und L. angustifolium; sie haben eine Länge von 10‘), Millim., en ne 5 Ai wie der schmalblättrige Flachs theils einjährig, theils mehr- jährig ist. Die Früchte und die Samen sind wie beim Winterlein gebildet, nur die letztern etwas kleiner und sich denen des L. angustifolium annähernd, obwol deutlich geschnabelt; die Blume steht in der Grösse in der Mitte zwischen dem gemeinen und schmalblättrigen Flachs, die Blätter aber stimmen ganz zu letzterm, Es bilden daher der römische Winterflachs und diess L. ambiguum durch ihre büschelige Stengelbildung und letzterer durch seine Blumen und Samen einen so deutlichen Uebergang von Linum angustifolium zu L. usitatissimum, dass in der That letzterer von ersterem abgeleitet werden darf. Wir haben somit den schmalblättrigen Flachs als die Mutterpfianze des kultivirten zu betrachten*), womit auch das Vaterland dieser wichtigen Kulturpflanze gefunden ist. Es ist eine Pflanze der Mittelmeerländer und ist wahrscheinlich in Aegypten zuerst in und eine Breite von 7 Millim., die Kelchblätter eine Länge von 5‘), Millim, — Die reife Kapsel hat dieselbe Grösse wie beim Schliesslein (eine Länge von 7 Mill. und Breite von 6'/, Mill.), die Scheidewände sind aber an der Innenseite mit einzelnen Haaren besetzt. Die Samen haben eine Länge von 4 Mill. bei einer Breite von 2 Millim. Sie sind glänzend gelbbraun gefärbt und haben ein deutlich abgesetztes Schnäbelchen. Sie stimmen mit den Samen überein, welche ich von Hrn. Prof. Alex. Braun als L. usitatissimum microspermum (von Ohio) erhalten habe. *) Wir haben demnach die Hauptformen des Linum usitatissimum L. in folgender Weise zusammenzustellen: Linum usitatissimum, sepralis ovatis, acuminatis, .eglandulosis, capsulam subaequan- tibus, foliis glabris, lanceolatis vel lineari-lanceolatis, trinerviis, pedicellis fıuctiferis erectis. f 1. L. radice annua, caule solitario, erecto, capsulis 7—8 Mill. longis, seminibus apice rostratis, 4-6 Mill. longis. ’ a) capsulis clausis, 7 Millim. longis, carpellis interne glabris. L. usitatissimum vulgare. Schliesslein. Dreschlein. b) capsulis 8 Mill. longis, carpellis elastiee discilientibus, interne ciliatis. — L. erepitans Böningh. Schubl. et Mart. — L. humile Mill. Klanglein. Springlein. 2. L. radice annua vel bienni, caulibus numerosis, basi diffusis, arcuatis, capsulis clausis, 7 Mill. longis, carpellis interne eiliatis, seminibus 5 Mill. longis, apice rostratis. L. byemale romanum. Winterlein. 3. L. radice annua vel perenni, caulibus numerosis capsulis 7 Millim. longis, carpellis - interne parve ciliatis, seminibus 4 Mill. longis, apice breviter rostratis; foliis omnibus apice _ acuminatis. L. ambiguum Jord. 4. L. radice annua vel perenni, caulibus numerosis, basi diffusis, arcuatis, capsulis 6 Mill. longis, carpellis interne ciliatis, seminibus 3 Mill. longis, apice vix rostratis; foliis om- _ nibus apice acuminatis. L. angustifolium Huds. Ks 2 Kal genommen worden. Hier dürfte durch die jährtieh vorgenommene Auss und die Auswahl der jährigen Stöcke zur Samengewinnung die Flachsform ent- standen sein, welche jetzt allgemein angebaut wird. Da der römische Winterflachs den Uebergang vom schmalblättrigen zum gemeinen Flachs bildet, ist er wahr- scheinlich älter als der letztere. Zur römischen Kaiserzeit wurde der schmal- blättrige Lein nicht mehr in Italien angebaut, wohl aber der römische Winterlein und der gemeine Flachs, welches Verhältniss sich bis auf unsere Zeit erhalten hat. Wahrscheinlich wird man aber bei näherem Nachsehen auch in Griechen- land und in Aegypten hier und da noch den römischen Winterlein in Kultur finden. Nachträglich erhielt ich von Hrn. H. Loret in Montpellier authentische Exemplare des Linum ambiguum Jord. von Hyeres, wo es auf trockenen Hügeln wild wächst. Sie haben eine einjährige Wurzel und gerade aufsteigenden Stengel, schmale vorn zugespitzte Blätter und eine Kapsel, welche die von L. angustifo- lium Huds. kaum an Grösse übertrifft. Die Samen haben dieselbe Grösse wie bei dieser Art und kein deutlich abgesetztes Schnäbelchen ; sie sind hell gelb- lieh-braun gefärbt. Es schliesst sich daher die wildwachsende Pflanze sehr nahe an das L. angustifolium an. Die Länge der Kelchblätter ist variabel und giebt keinen haltbaren Unterschied. — Grösser sind die Früchte bei Exemplaren, welche mir Herr Loret aus dem botanischen Garten von Grenoble mitgetheilt hat und stimmen in dieser Beziehung .zu den Früchten, welche wir in unserm Garten ge- zogen haben, wie denn auch die Samen ein kurzes Schnäbelchen erhalten haben. Die Stengel sind aber einfach und haben eine einjährige Wurzel. Wir sehen daraus, dass schon nach wenigen Jahren in den botanischen Gärten das Linum ambiguum Jord. sich dem L. usitatissimum L. mehr angenähert hat. Ueberblick. Stellen wir schliesslich noch die Haupt-Ergebnisse dieser Untersuchung zusammen, werden wir Folgendes zu nennen haben: 1. Der Flachs wird in Aegypten schon seit 5000 Jahren angebaut und ist dort eine der wichtigsten Kulturpflanzen; eine ähnliche Rolle spielte er im Alter- thum in Babylonien, in Palästina und am Schwarzen Meer. In homerischer Zeit finden wir ihn in Griechenland, frühzeitig auch in Italien und dahin ist er von Griechenland gekommen, während sein Anbau in Gallien und Spanien wohl durch die Phönicier und Carthaginenser eingeführt wurde. 2. Er erscheint schon in unsern ältesten Pfahlbauten, dagegen fehlt demselben der Hanf gänzlich und ebenso wurden keine aus Wolle gefertigten Stoffe gefun- den. Es ist diess auffallend, da das Schaf zu den ältesten Kulturthieren gehört und schon zur Steinzeit überall bei uns gehalten wurde. So lange man indessen 3 4 N i “ ee k ee a" Aberen und benutzte wohl die Vliosse als solche zur Bekleidung und als Unter- lage für die Betten (vgl. Ilias IX. 660. Odyss. XII. 73). Die Construktion der Schafscheere mag daher eine grosse Revolution in der Industrie der alten Völker hervorgebracht haben, reicht indessen schon in die vor-Davidische Zeit hinauf. Vielleicht rührt der Mangel der Wolle in den Pfahlbauten auch daher, dass sie leichter zu Grunde geht als die Leinfaser. | } 3. Die Pfahlbauern erhielten den Flachs aus Südeuropa und müssen von Zeit zu Zeit Samen von da bezogen haben. Der von ihnen kultivirte Flachs ist e der an den Küsten des Mittelmeeres wildwachsende schmalblättrige, keineswegs r aber der jetzt in Europa angebaute Flachs. Es muss daher jener in Südeuropa b auch angebaut worden sein; es war mir aber nicht möglich zu ermitteln, bei welchem Volke und in welchem Zeitalter die Kultur dieses wilden Flachses statt- fand. Es würde diess ein wesentliches Moment für die Zeitbestimmung der Pfahlbauten sein. Man hat in neuerer Zeit das hohe Alter -derselben vielfach in Zweifel gezogen und Hehn vermuthet, dass die Pfahlbauern »die uns wohl be- kannten Helvetier« seien (l. c. S. 431). Dass diese Ansicht unrichtig ist, zeigt der ganze Zustand der damaligen Kultur, wie er sich in den Resten der Pfahl- bauten spiegelt. Wie wir soeben nachgewiesen haben, wurde die von der Kultur noch unveränderte, wilde Flachsart, kultivirt, der Hanf war noch unbekannt*) und ebenso das Haushulın; unter den zahlreichen Getreidearten war eine Form allge- ist, von Unger aber in einem Ziegel der Dashur-Pyramide gefunden wurde, also die Scythen den Samen des Hanfes zur Reinigung bei ihren Todtenbestattungen gebrauchten, ihn selbst aber nicht zu &eweben benutzten, wohl aber fertigten die Thracier daraus Kleider, welche den aus Flachs gewobenen sehr ähnlich sehen, so dass wer noch keinen Hanf gesehen habe, das Kleid für ein flächsernes halte. Da Hiero von Syrakus für seine Flotte Hanf vom Flusse Rhodanus in Gallien bezog, muss er schon damals in Südfrankreich in Kultur gewesen sein. Aus Mittelitalien wird er zuerst über 100 Jahr vor Chr. Geb. genannt, doch scheint seine Kultur nicht von grosser Bedeutung gewesen zu sein, da auch Plinius ihn nur nebenbei erwähnt. — Das Haushuhn fehlte dem alten Aegypten und wird auch im alten Testament nirgends erwähnt. Jahrhunderts v. Chr. erwähnt. Zu Cäsars Zeit war dasselbe schon überall verbreitet und fand _ sich selbst bei den fernen Britanniern (Caesar de bello gallico V. 12). mein verbreitet (Triticum vulgare -antiquorum Hr.), welche längst ausgestorben *) Die erste Nachricht über den Hanf finden wir bei Herodot IV 73. Er erzählt, dass BE Es kam aus Persien nach Griechenland und wird hier zuerst in der zweiten Hälfte des sechsten P # > ee ee, stichum sanctum Hr.), ee ganz zu de Gerste stimmt, welche auf alt Be 5 schen Münzen abgebildet ist; von Roggen und Hafer ist wenigstens in der Stein- zeit keine Spur bei uns gefunden worden, während sie in der römisch-helvetischen Zeit in Helvetien angebaut wurden (vgl. Pflanzen der Pfahlbauten S. 16). Fügen wir noch den Mangel der Metalle und das Material, aus welchem alle Waffen und Geräthe gefertigt wurden, hinzu, werden wir zugeben müssen, dass die Ueber- reste der Pfahlbauten einer viel ältern, vor-helvetischen Zeit angehören müssen. Sie sagen uns, dass schon damals im Herzen Europas ein Volk lebte, das durch Viehzucht und Ackerbau eine nicht geringe Stufe der Kultur erreicht hatte. 4. In Italien wurde schon zur Kaiserzeit Sommerflachs und Winterflachs angebaut, wie noch jetzt; welche Flachsform im alten Aegypten kultivirt wurde, ist noch nicht ermittelt, es ist aber wahrscheinlich, dass zuerst der schmalblätt- rige Flachs in Kultur kam und auf diesen später der römische Winterlein und der gemeine Lein folgten. 5. Der gemeine Lein ist durch Kultur aus dem schmalblättrigen entstan- den, der römische Winterlein und das Linum ambiguum bilden die vermittelnden Uebergangsglieder. Die ursprüngliche Heimat des kultivirten Flachses ist daher in der Mittelmeerzone. Die Aegypter haben ihn wahrscheinlich zuerst in Kultur genommen und wahrscheinlich hat sich von da seine Kultur weiter verbreitet. \ Es mag in Südeuropa die wilde Flachsform und der Winterflachs noch zu einer Zeit in Kultur gewesen sein, wo in Aegypten der gemeine Flachs dieselben scon längst verdrängt hatte. 84 NOV 1885 Erklärung der Figuren. Fig. 1—17. Linum angustifolium Huds. Fig. 1, 2. Stengel mit Blüthenstielen von Robenhausen; Fig. 3. Stangelaitick, Fig. 4—6. Wurzelstöcke von Niederwsil. Fig. 7—10. Wurzelstöcke von Robenhausen; Fig. 11—13. Fruchtstiele von Robenhausen. Fig. 14 a. Same von Robenhausen; 14 b vergrössert. Fig. 14 c—g Samen von Niederweil. 14 gg stark vergrössert. Fig. 15, 16. Früchte von Robenhausen; uch 16 b von Niederweil. Fig. 17. Restaurirte Pflanze. 3 Fig. 18—22. Silene cretica L. Fig. 18, 19. Frucht in natürlicher re % A Fl 20 vergrössert; Fig. 21 Same in natürlicher Grösse; 22 vergrössert. | Ve LET, RE Fairen ME Se Br nn wu ZRH, J Fr® er 4 * ü “ > a a a se ee orgnaggA zen ah ER PER “ 2 Zu a 7 E24 Iır J ““ di j NE ve 2 Dr w PAR | Kar, f f - IRA ’ f 4 i » j 4 » N N A g. I v Y% Een N: 96 Der, A 5 4. Bu Ban I se r Ach i rL FA aı Keyke ii Br Tun j \ f et BR Li “ 2 x Tex SEES Fer Hr a SEE Een ar Kereter, rt ® x . N ar = Eu Dat Da de 8 4 FRHT, Se TARA Ann. i H Bier Ki Eu Pen BR e) Kir ae Anka es EL Be Ja va ; A % SEN KH Wi di Air £ 4 iR) Br ut BGH TEE KIEDERA EEBFER } BERN) FEoR 344 u et un A = RER, Be v5 en ge 3 a2 SeT Am ur nr 1% » 1 iv v x