Die Wissenschaft Sammlung naturwissenschaftlicher und mathematischer Monographien -^ Heft M ^i- Elektrobiologie Julius Bernstein ^■ 'hlVÖe«!«*' ANKÜNDIGUNG. In dem vorliegenden Bande der „Wissenschaft" werden die in den Organismen stattfindenden elektrischen Vorgänge und ihre Bedeutung für das Leben eingehend behandelt. Die Schrift dürfte einem größereu Leserkreise insofern willkommen sein, als das darin dargestellte Gebiet des Wissens weder in den Lehr- büchern der Physik oder der Elektrochemie uoch in denen der Physiologie in der Vollstäudigkeit und in dem Zusammenhange berücksichtigt werden kann, wie es zum Verständnis des Gegen- standes erforderlich ist. Daher wird dieses Buch das Interesse aller naturwissenschaftlich gebildeten Leser, welche sich eine Kenntnis jener hochinteressanten Lebensvorgänge verschaffen wollen, beanspruchen dürfen. Zugleich wird es, da der Ver- fasser von den modernen Lehren der physikalischen Chemie aus- gehend das Gebiet der Bioelektrizität in ihm neu zu begründen und durch eigene Forschungen zu erweitern strebt, auch dem Physiologen Neues bieten. Braunschweig, im Oktober 1912. Friedr. Vieweg & Sohn. Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunschweig DIE WISSENSCHAFT Sammlung naturwissenscHflltlicIier und mottiemotischer Monograptiien. Neueste Bände: 32. Heft Jes/'onek, Dr. Albert, Lichtbiologie. Die experi- mentellen Grundlagen der modernen Lichtbehandlung. 1910. ^^ 4,—, In Lnwdbd. -/-^ 4,80. 33. Heft. Dessau, Prof. Dr. Bernhard, Die physikalisch- diemischen Eigensdiaften der Legierungen. Mit 82 Ab- bildungen im Text und auf 3 Tafeln. 1910. Jl 7,—, in Lnwdbd. .// 8,—. 34. Heft. Pohl, Dr. Robert, Die elektrische Fernüber- tragung von Bildern. Mit 25 Abbildungen. 1910. J6 1,80, in Lnwdbd. JC 2,50. 35. Heft. Baedeker, Prof. Dr. K., Die elektrischen Er- scheinungen in metallischen Leitern. (Leitung, Thermo- elektrizität, Qalvanomagnetische Effekte, Optik.) Mit 25 Ab- bildungen. 1911. -/-< 4,—, in Lnwdbd. Jl- 4,80. 36. Heft. Scheel, Prof. Dr. Karl, Grundlagen der prakti- schen Metronomie. Mit 39 Abbildungen. 1911. Jt 5,20, in Lnwdbd. JC 6,—. 37. Heft. (Günther, Prof. Dr. Sigmund, Vergleichende Mond- und Erdkunde. Mit 23 Abbild, im Text und 4 Tafeln. 1911. Jl b—, \n Lnwdbd. J6 5,80. 38. Heft. Laue, Dr. M., Das Relativitätsprinzip. Mit 14 Ab- bildungen. 1911. Jl 6,50, in Lnwdbd. ./-^ 7,20. 39. Heft. Müller, Aloys, Das Problem des absoluten Raumes und seine Beziehung zum allgemeinen Raum- problem. 1911. JC 4—, in Lnwdbd. J^ 4,80. 5^0 ^. Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunschweig DIA A« 1 £1 Sammlung naturwissenschaftlicher IG WlSSGnSCnQlL u. mathematischer Monographien Neueste Bände: 40. Heft. Schmidt, Ingenieur Fr., Die Leuditgaserzeugung u. die moderne Gasbeleuchtung (Preßgasbeleuchtung usw.). Mit 63 Abbild. 1911. Jl 2,50, in Lnwdbd. -'// 3,20. 41. Heft. Lodge, Sir Oliver, Der Weltäther. Übersetzt von Hilde Barkhausen. Mit 17 Textabbildungen und einer Tafel. 1911. Jf' 3,—, in Lnwdbd. Jl 3,60. 42. Heft. Lampa, Prof. Dr. Otto, Wechselstromversuche. Mit 54 Abbild. 1911. Jl 5,—, in Lnwdbd. Jl- 5,80. 43. Heft. Markau, Dr. K. , Die Telephonie ohne Draht. Mit 103 Abbild. 1912. Jl 4,50, in Lnwdbd. Ji 5,20. 44. Heft. Bernstein, Julius, Elektrobiologie. Die Lehre von den elektrischen Vorgängen im Organismus auf mo- derner Grundlage dargestellt. Mit 62 Abbildungen. 1912. Jl 6,—, in Lnwdbd. M 6.80. 45. Heft. Potil, Dr. Robert, Die Physik der Röntgen- strahlen. Mit 72 Abbildungen im Text und auf einer Tafel. 1912. Jl 5,—, in Lnwdbd. Jl 5,80. Demnächst werden erscheinen: Physikalische Grundlagen der Elektrotechnik. Von F. Martens (2 Bde.). Das Leuchten der Gase und Dämpfe. Von Professor Dr. H. Konen. Mimikry. Von Prof. Dr. Jacobi. Die Arbeitsbiene. Von Prof. Dr. von Buttel-Reepen. Ein vollständiges Verzeichnis der Sammlung mit Inhaltsangabe der :: einzelnen Bände befindet sich am Schluß dieses Buches :: Marine Biological Laboratory Accession No. '^ "^ ^. n ür. LIary Gcllatt Uiven py _ _,_ ,._. 1_.._ „ - . ^"^3Lt!i.-xi iteuerve Univis- Reymond haben hauptsächlich dazubeigetragen, diesen Aber- glauben zu zerstören. dju Bois-Reymond stellte zur Erklärung der Muskel- und Nervenströme und ihrer Veränderungen bei der Reizung die Hypo- these auf, daß die Muskel- und Nervenfasern elektromotorische Molekeln enthalten, welche er als Sinnbild der Verteilung elek- trischer Spannungen in den kleinsten Teilchen der lebenden Sub- stanz der Fasern betrachtete. Er dachte sie sich in der Längs- richtung der Fasern in Reihen so angeordnet, daß sie ihre positiven Spannungen dem Längsschnitt, ihre negativen den Querschnitten zuwenden. Diese Hypothese setzte also eine Präexistenz der ^ek,- trischen Potentiale in kleinsten Elementen der Fasern voraus. Er deutete hiernach das Vorhandensein eines Längsquerschnitt- stromes und auch das häufige Auftreten von Längsschnittsehnen- strömen. Die negative Schwankung erklärte er durch Abnahme dieser elektromotorischen Kräfte bei der Tätigkeit, wobei man an einen Verbrauch derselben denken konnte. Dieser Präexistenztheorie gegenüber stellte L. Hermann^m Jahre 1867 eine sogenannte Alterationstheorie auf. Das Auftreten eines Längsquerschnittstromes deutete er durch Entstehung eines 'Kontaktpotentials zwischen der abgestorbenen oder absterbenden Substanz der Faser am künstlichen Querschnitt und der lebenden Substanz am Längsschnitt. Wir wollen auf die so entstandene Streitfrage zwischen Präexistenz und Alteration an dieser Stelle noch nicht eingehen, sondern, wie schon oben bemerkt, nur die Bedingung für die Entstehung eines Längsquerschnittstromes dahin formulieren , daß hierzu die Bloßlegung des Faserinhaltes durch eine Verletzung erforderlich ist. ') Die in neuerer Zeit von v. Üxküll ojeäußerte Anschauung, nach welcher der Vorgang im Nerven wiederum mit dem Fließen eines Fluidums in Röhren verglichen wurde, entbehrt jeder tatsächlichen Grundlage und erscheint mir nicht einmal als Arbeitshypothese zulässig. — 21 Zweites Kapitel. Theorie der elektrischen Ketten. Von großer Bedeutung für das Verständnis der elektrischen Ketten wurden die hervorragenden theoretischen Studien von W.Gibbs und v.Helmholtz auf dem Gebiete der Thermodynamik in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts. Hierzu gesellten sich die grundlegenden experimentellen Forschungen von V. Helmholtz über die Entstehung von Konzentrationsströmen und die bald darauf folgenden Untersuchungen von N ernst über die Kräfte der Konzentrationsketten im Lichte der neueren lonen- theorie von Arrhenius und Ostwald. Diese ausgezeichneten Forschungen mußten sehr bald eine Einwirkung auf die weitere Entwickeln ng der bioelektrischen Untersuchungen ausüben. Bevor wir auf dieses Thema näher eingehen , sollen die wesentlichsten physikalischen Grundlagen, welche zum Verständnis desselben notwendig sind, zunächst ge- geben werden. W. Gibbs^) und v. Helmholtz^) hatten unabhängig von- einander ein wichtiges Prinzip der Energielehre von der all- gemeinsten Bedeutung für alle Naturvorgänge aus den beiden Hauptsätzen der mechanischen Wärmetheorie mathematisch her- geleitet. Dieses gilt für alle umkehrbaren, isothermen Prozesse, d. h. für solche, bei denen eine Energieumwandlung auch in der umgekehrten Richtung ohne einen Verlust an Energie stattfinden kann, und bei denen die Temperatur, sei es durch Wärmezufuhr oder -abfuhr, konstant erhalten wird. Ein solcher Vorgang ist bekanntlich im C am ot sehen Kreisprozeß enthalten, bei welchem Wärme im Zylinder einer Dampfmaschine in Arbeit verwandelt wird. Dieser Prozeß kann auch umgekehrt ausgeführt werden, ') Transactions of the Connecticut Academy III , 1876 — 1878 (s. Ostwald, Elektrochemie, S. 992), und Thermodynamische Studien. Deutsch von Ostwald 1892. ^) Zur Thermodynamik chemischer Vorgänge. Ges. Abhandl. 2, 979 (1882). — 22 — indem man die geleistete Arbeit dazu verwendet, um den Dampf im Zylinder zu komprimieren und wieder in den anfänglichen Zustand zurückzuführen. Hierbei wird gerade soviel Wärme- energie wieder gewonnen, als zur Arbeitsleistung verbraucht war. Bekannt ist es nun, daß bei einem solchen thermischen Kreis- prozeß nicht die ganze dem Dampf zugeleitete Wärme in mecha- nische Arbeit verwandelt werden kann, sondern nur ein bestimmter Bruchteil derselben, den man bei einer Maschine den „ökonomi- schen Koeffizienten" genannt hat und der von den absoluten Temperaturen abhängt, bei denen die Umwandlungen geschehen. Ist §1 die dem Dampf des Zylinders während der Arbeitsleistung zugeführte Wärmemenge und ^2 diejenige, welche er nach ge- leisteter Arbeit am Ende des Kreisprozesses, d. h. wenn der Kolben wieder in die anfängliche Lage zurückgekehrt ist, besitzt, so ist ^1 — Q2 f^iö i" Arbeit verwandelte Wärmemenge und ^^— — — der ökonomische Koeffizient. Beim Heben des Kolbens, während der Leistung äußerer Arbeit, muß die absolute höhere Temperatur 2\ konstant erhalten werden, und nach gespeicherter Arbeit beim Herabgehen des Kolbens in die Anfangslage muß die niedere Tem- peratur Tg konstant erhalten werden. Dann ist nach einem be- kannten Satze von Clausius der ökonomische Koeffizient: Dieser Teil der in Arbeit verwandelbaren Wärmeenergie ist von Helmholtz als „freie Energie" bezeichnet worden gegen- über der Gesamtenergie des Systems, welche bei dem stattfindenden Prozeß in Aktion tritt. Man kann sich zur Erklärung dieses Verhaltens vom Staudpunkte der kinetischen Gastheorie aus die Vorstellung machen, daß die Wärmeenergie in einer „ungeord- neten" Bewegung der Moleküle und Atome bestehe, d. h. daß die Bewegungen und Schwingungen derselben nach allen möglichen Dimensionen des Raumes erfolgen, daß aber zur Erzeugung mecha- nischer Arbeit nur in bestimmten Richtungen geordnete Be- wegungen verwendbar sind, wie z. B. zur Hebung von Lasten gegen die Schwere. Dieser Begriff der freien Energie läßt sich aber auch auf andere Energieformen übertragen, so daß mau bei einer Energieumwandlung in einem System von Körpern die freie — 23 — Energie, welche sich in Arbeit umsetzen kann, von der gesamten in Aktion tretenden Energie des Systems unterscheiden kann. Es ergibt nun die weitere Betrachtung, daß die freie Energie eines Systems sich mit der absoluten Temperatur ändern muß, und diese Änderung nennt man den Temperaturkoeffizienten einer bestimmten freien Energieform. Derselbe kann mit stei- gender Temperatur zunehmen oder abnehmen , und es hat hier- nach die in Betracht kommende Energieform einen positiven oder negativen Temperaturkoeffizienten. Nennt man die Gesamtenergie eines Systems, welche in einem umkehrbaren isothermen Pi-ozeß in Aktion tritt, U, und die hierbei auftretende freie Energie F, die absolute Temperatur, bei welcher der Prozeß erfolgt, T, so ist der Bruch — — der Tem- peraturkoeffizient der betreffenden Energieform , und die mathe- matische Behandlung des Problems ergibt die von Helmholtz entwickelte Formel: ^=^^+^•11 w Es läßt sich das in dieser Formel gegebene Prinzip folgender- maßen in Worten ausdrücken: „Wenn in einem System durch einen umkehrbaren isothermen Prozeß eine Umwandlung von Energie statt- findet, so ist die freie Energie gleich der gesamten in Aktion tretenden Energie des Systems plus oder minus einer Größe, welche gleich dem Produkt aus der abso- luten Temperatur und dem positiven oder negativen Temperaturkoeffizienten der freien Energie bei dieser Temperatur." Da dieser Temperaturkoeffizient ein positiver oder negativer sein kann, so entsteht im letzteren Falle die freie Energie aus einem Teil der Gesamtenergie, im ersteren Falle dagegen, in welchem die freie Energie größer ist als die in Aktion tretende Energie des Systems, muß Energie von außen zugefühit werden, z. B. in Form von Wärme. Es kann daher auch der einfache Fall eintreten, daß der Temperaturkoeffizient der freien Energie Null ist; dann verwandelt sich die gesamte Energie des Systems in freie Energie. Das letztere tritt z. B. ein bei der Bewegung — 24 — der Himmelskörper gegeneinander oder beim schwingenden Pendel (abgesehen von der Reibung), da der Temperaturkoeffizient der Gravitationsenergie als Null angenommen werden kann. Es kommt nun für unsere Zwecke darauf an, dieses Prinzip auf die elektrischen Ketten anzuwenden. Die elektrische Energie, welche dieselben durch den Strom erzeugen und welche in einem Kreise von möglichst geringem Widerstände, abgesehen von der geringen Temperaturerhöhung der Leitungen, durch eine elektro- dynamische Maschine fast vollständig in mechanische Arbeit um- gesetzt werden könnte, kann in diesem theoretisch gedachten Falle gleich der freien Energie gesetzt werden, welche in dem System der zu einem Kreise geschlossenen Kette entstehen würde. Die so erzeugte elektrische Energie, welche in der Zeiteinheit entsteht, ist nach bekannten Gesetzen der Elektrizitätslehre gleich dem Produkt von elektromotorischer Kraft und Stromstärke zu setzen, und wählen wir als Stromstärke die Einheit derselben im elektro- masrnetischen Maße aus, so können wir statt der elektrischen Energie auch die elektromotorische Kraft in die gegebene Formel einsetzen und wollen dieselbe mit E bezeichnen. Nennen wir nun ferner die in der Zeiteinheit in Aktion tretende Gesamtenergie der Kette U, so können wir unter gewissen Bedingungen für alle Ketten die Formel aufstellen: ^^=^+^•11 (^> Diese Bedingung besteht darin, daß der Prozeß ein umkehr- barer ist und isotherm abläuft. Bei der Anwendung dieser Formel müssen die Werte von E und U in Maßeinheiten derselben Energieform ausgedrückt sein, z. B. in Wärmeeinheiten, in mechanischen Maßen oder am besten in elektrischen Maßen [Joule i) =^ J]. Die Ketten, welche im folgenden in Betracht zu ziehen sind, sind die bekannten Galvanischen, oder richtiger Voltascheu, und die Konzentrationsketten. In den ersteren tritt bekanntlich chemi- sche Energie in Aktion, in den letzteren fehlt diese Energieform, insofern in ihnen keine chemischen Veränderungen, sondern nur >) 1 J = 239,1 cal = 10'" Erg, s. Ostwald, Grundriß der all- gemeinen Chemie 1899, S. 88. — 25 — Konzenti-ationsänderungen der schon darin enthaltenen chemischen Körper stattfinden. Mit Berechnung der Kraft Voltascher Elemente aus der Wärmetönuug des chemischen Prozesses hatte man sich schon lange beschäftigt. Für das Daniellsche Element, in welchem eich beim Stromdurchgang an der Zinkelektrode Zink auflöst unter Eildung von ZnS04, und an der Kupferelektrode Kupfer aus CuSOi niederschlägt, stimmte der Wert für die in der Zeit- einheit erzeugte elektrische Energie mit der verbrauchten chemi- schen Energie recht gut überein, und man erhielt demnach einen annähernd richtigen Wert für die elektromotorische Kraft der- selben, wie zuerst W. Thomson fand. Indessen bestätigte sich diese Berechnung bei anderen Ketten nicht. Nach obiger Formel (2) haben wir nun bei Voltaschen Ketten die in Aktion tretende chemische Energie mit der Größe U zu bezeichnen. ^ t^ Der Temperaturkoeffizient derselben, -— -. ist der Messung ^ (11 zugänglich. Man findet, daß derselbe in Ketten verschiedener Zusammensetzung positiv oder negativ sein kann. Ketten, deren Kraft mit der steigenden Temperatur abnimmt, erwärmen sich bei Stromerzeugung; Ketten dagegen, deren Kraft sich mit steigender Temperatur erhöht, kühlen sich bei der Stromerzeugung ab. Die ersteren kann man exotherme, die letzteren endotherme Voltasche Ketten nennen. Eine Kette, deren Temperaturkoeffizient nahezu Null ist, ist nun die Daniellsche, und daraus erklärt es sich, daß für dieselbe die Formel (2) übei'geht in E ^ U, d, h. daß die elek- trische Energie derselben durch die chemische Energie des Pro- zesses nahezu vollständig gedeckt wird. In Ketten dagegen mit negativem Temperaturkoeffizienten entsteht durch den chemischen Prozeß bei der Strombildung mehr Wärme, als sich in elektrische Energie umsetzt, sie erwärmen sich daher. Zu diesen gehören eine Anzahl bekannter Elemente, wie das Grovesche, Bunsen- sche u. a. i), welche demnach exotherme Ketten sind. ') Das Daniellsche Element, mit CuSO« und ZnS04 gefüllt, ist als vollkommen umkehrbar anzusehen , d. h. wenn man den von ihm erzeugten Strom in umgekehrter Richtung durchleitet, so wird es durch dieselbe zugeleitete Elektrizitätsmenge wieder in den auf anglichen Zustand zurückgebracht. Dies gilt für andere gebräuchliche Elemente nicht. — 26 — Sehr merkwürdig ist es nun, daß sich auch Voltasche Ketten konstruieren lassen , welche sich bei der Strombildung abkühlen. Es sind von Jahn^) über die Thermodynamik der Voltaschen Ketten eingehende Untersuchungen angestellt worden, in denen sich die Folgerungen aus der angeführten Theorie der Ketten gut bestätigt haben. Zu den endothermen umkehrbaren Ketten gehört nach den Untersuchungen von Jahn z.B. eine solche, welche aus einer Kupferelektrode in Kupferacetat- und einer Bleielektrode in Bleiacetatlösung besteht nach dem Schema: Cu|CuAc.|PbAc. |Pb. Der Pfeil gibt die Richtung des Stromes vom Blei durch die Flüssigkeiten zum Kupfer an; Pb löst sich auf und Cu wird aus- geschieden, wenn die Kette Strom liefert. Die chemische Energie der Kette reicht aber nicht aus, um alle erzeugte elektrische Energie zu decken. Die Kette kühlt sich also bei Stromschluß ab, oder wenn sie isotherm arbeiten soll, so muß man ihr Wärme zuführen. In solchen Ketten wird daher Wärmevorrat der Kette selbst oder von außen aufgenommene Wärme- energie zugleich mit der Umsetzung der chemischen Energie derselben in elektrische Energie umgewandelt. Die Messungen ergaben in dem angeführten Beispiel folgendes: Die chemische Enei'gie der Kette ist gleich der Differenz der Ver- bindungswärmen beider Metalle mit der Essigsäure, für 1 g-Mol. derselben gleich 1 6,523 g-cal. Die Kraft dieses Elementes wurde bei 20" zu 0,476 43 Volt gemessen und muß für den Strom 1 mit 46,12 zur Umrechnung in Wärmeenergie multipliziert werden. Man erhält für die elektrische Energie des Elementes demnach den Wert 46,12 X 0,476 43 = 21,96 g-cal. Es müssen also 21,96 — 16,523 g-cal aus dem Wärmevorrat desselben genommen bzw. bei isothermem Verlauf des Prozesses von außen zugeführt werden. Die Gleichung (2) ergibt für 20": ^ = S + ("' + '»>jl = '•■"•'"' clE woraus sich -— — := 4,32 . 10"'* berechnet. Im Versuch wurde dt j. ') Wied. Ann. 28, 21 u. 491. — 27 — für den Temperaturkoeffizienten der Wert 3,85. 10~* gefunden. Noch besser stimmt die Kechnung mit der Beobachtung bei der Kette : Pb|PbSO, iCuSOjCu. Der Strom geht in derselben vom Pb zum Cu. Die Ver- bindungswärme Pb, SO4 ist 73,80, diejenige von Cu, SO4 ist 55,96, die Differenz also 17,84. Die Kette besitzt bei 20" eine Kraft von 0,61 Volt, ihr Temperaturkoeffizient ist gleich 7,7 . 10~*. Die Gleichung (2) ergibt also für diesen Fall: 17 S4 E = — '■ h 293.7,7. 10-* = 0,6115 Volt. 46,12 Die der elektrischen Energie äquivalente Wärmemenge 0,61 X 46,12 = 28,3 ist also viel größer als die chemische, 17,84, und die Differenz gleich 10,29 muß demnach aus einem Wärme- vorrat entnommen werden. In diesen Beispielen ist der chemische Prozeß ein exo- thermer, aber erreicht nicht aus, die elektrische Energie zu liefern. Die Kette arbeitet im ganzen daher endotherm. , Schon vor diesen Untersuchungen Jahns war von F. Braun 1) eine Kette konstruiert worden , in welcher der chemische Prozeß im ganzen ein endothermer ist. Sie besteht aus Cadmium und Eisen in ihren Sulfaten nach dem Schema: CdICdSOjFeSOjFe. Der Strom fließt in dieser Kette vom Cadmium zum Eisen, Cadmium geht in Lösung und Eisen wird abgeschieden. Die Lösungswärme des Cadmiums ist 179,6 und die von Eisen 186,4. In diesem Falle absorbiert der chemische Prozeß 7,4 Wärme- einheiten, und trotzdem wird elektrische Energie erzeugt, die aus- schließlich aus dem Wärmevorrat des Systems und der Umgebung genommen wird. Es existiert also, wie aus diesen Beispielen folgt, in der Volta- schen Kette ein sehr wechselndes Verhältnis zwischen chemischer und elektrischer Energie, das aber durch die Formel (2) voll- ') Wied. Ann. 5, 16 u. 17. — 28 — ständig dargestellt werden kann. In dem letzteren Falle der dE . . CdFe-Kette ist ?7 negativ, -— ^ positiv, und da die Kette bei 20" (l X etwa 0,1 Volt Kraft besaß, so würde die Gleichung (2) lauten: 46,12 ^ clT woraus '—= +8,889.10-* folgen würde. Es werden in diesem Falle 0,1.46,12 = 12,012 Wärme- mengen aus dem Vorrat des Systems entnommen, um den chemi- schen und elektrischen Prozeß zu unterhalten. In den angeführten Versuchen von Jahn wurde die Kette in ein Bunsensches Eiskalorimeter gesetzt und die abgegebene oder aufgenommene Wärme während der Stromerzeugung ge- messen. Führt man die elektrische Energie durch eine Leitung nach außen , was durch große Widerstände im Verhältnis zum Widerstand der Kette fast vollständig geschehen kann, so kann man sie nach bekannten Methoden messen. In diesem Falle ist die positive oder negative chemische Wärme der Kette U gleich der äußeren Stromwärme W plus der au das Kalorimeter abgegebenen W^ärme C, welche positiv oder negativ sein kann. Also: ±u = w± c. Sind IJ und C positiv, also J^ -= W -\- C, so ist die Kette eine exotherme, die sich erwärmt; ist U positiv und C gleich Null, also r/ = C wie beim Dauiell , so ist die Kette eine exo- therme mit konstanter Temperatur. Ist U positiv und C negativ und ist W ^ C, so ist die Kette eine endotherme mit exothermem, chemischem Prozeß. Ist U negativ und C negativ, so muß C ^ W sein, wenn die Kette Strom liefern soll, da — U= W — C wird. Die Kette ist eine endotherme mit endothermem, chemischem Prozeß. Eine befriedigende anschauliche theoretische Vorstellung von dem inneren Zusammenhang zwischen chemischer Affinität und elektrischer Kraft der Atome, die in Aktion treten, ist bisher für den hier stattfindenden energetischen Prozeß noch nicht ge- geben worden. Doch ist es Nernst^) gelungen, von den gleich I ') Siehe Nernst, Theoretische Chemie, 1900. — 29 — zu behandelnden Konzentrationsketten ausgehend, eine umfassende Theorie aller elektrischen Ketten aufzustellen, die auf den Gesetzen der Osmose und der lonenlehre beruht. Wir gelangen nun zu denjenigen Ketten, in welchen im ganzen gar keine chemische Änderung stattfindet, in denen also [7 = 0 ist. Das sind die von Helmholtz zuerst erfundenen Konzentrationsketten. Die einfachste Form derselben be- steht aus zwei gleichen Metallelektroden, welche in einer konzen- trierten und verdünnten Lösung dieses Metalles stehen, die durch einen mit dieser Lösung gefüllten Heber verbunden sind; z. B. Zinkelektroden in Zinksulfat nach dem Schema: Zn I ZnSO, | Zn SO. | Zn. konz. venl. Der Strom fließt bei Verbindung der Ziukelektroden in der Richtung des Pfeiles von der verdünnten zur konzentrierten Lösung. An der Elektrode der verdünnten Lösung löst sich Zink auf und an der Elektrode der konzentrierten Lösung scheidet sich ein gleiches Äquivalent Zink ab, so daß die chemische Energie der Kette gleich Null ist. Es gilt also für eine solche Kette die Gleichung: ^=^4f *'' Es ist klar, daß der Temperatur koeffizient einer Kon- zentrationskette ein positiver sein muß und daß die elektro- motorische Kraft derselben proportional der absoluten Temperatur steigt. In der Konzeutrationskette der angegebenen Art kommen drei Kontaktpotentiale zur Wirkung: erstens die der Elektroden gegen die Lösungen und zweitens das der Lösungen gegenein- ander. Das letztere ist das Wesentliche in einer solchen Kette. Man kann aber auch Konzentrationsketten herstellen, in welchen nur die Kontaktpotentiale der Lösungen in Betracht kommen, während sich die Elektrodenpotentiale als gleich und entgegen- gesetzt aufbeben. Solche Ketten sind von Nernst konstruiert und untersucht worden. Die Potentialdifferenz zwischen zwei Lösungen eines Elektro- lyten verschiedener Konzentration läßt sich auf verschiedene — 30 — Weise theoretisch ableiten, v. Helmholtz hat für die erwähnte Kette mit Zink in Zinksulfat auf thermodynamischem Wege die Kraft berechnet, indem er den Dampfdruck der verdünnten und konzentrierten Lösung hierzu verwendete, und hieraus die Wärme- menge erhielt, welche nötig ist, um das auf 1 Mol. Salz der ver- dünnteren Lösung kommende Wasser in die konzentriertere Lösung überzuführen. Hierbei denkt man sich bo große Mengen der Lösungen, daß sich die Konzentrationen dabei nicht merklich ändern. Der Dampfdruck einer Lösung nimmt bekanntlich bei zu- nehmender Konzentration ab. Es ist also Arbeit erforderlich, um ihn zu vermindern. Diese aus der Verdampfungswärme zu be- rechnende Arbeit ist gleich der elektrischen Energie, welche den- selben Ausgleich der Konzentrationen zwischen den beiden Lösungen hervorbringen würde, und dividiert man diese durch die dem Faradayschen Gesetz entsi^recheude Elektrizitätsmenge, welche zur Elektrolyse von 1 Mol. des Elektrolyten erforderlich ist, so erhält man die elektromotorische Kraft der Kette. Anschaulicher ist die Theorie von Nernst i), welche von dem osmotischen Druck der Lösungen und der Beweglichkeit der Ionen der Elektrolyte ausgeht. Man denke sich einen Diffusionszylinder der Lösung eines Elektrolyten, an dessen einem Ende die Konzentration eine höhere ist als am anderen, so werden infolge der Diffusion die Moleküle des Elektrolyten sich vom Orte höherer nach denen niederer Konzentration bewegen. Nehmen wir nun den ein- facheren Fall an , daß es sich nur um solche Konzentrationen handelt, bei denen alle Moleküle in ihre Ionen dissoziiert sind, so wissen wir aus dem Verhalten der Ionen bei der Elektrolyse, daß sie eine verschiedene Beweglichkeit besitzen. Infolgedessen wird entweder das positive oder das negative Ion eines Moleküls das Bestreben haben, dem anderen bei der Diffusion vorauszueilen. Da aber die Ionen sich innerhalb der Lösung auch in dem disso- ziierten Molekül nicht voneinander trennen können, so wird bei dieser Bewegung die Geschwindigkeit des einen Ions verzögert, die des anderen beschleunigt und ebenso die Geschwindigkeiten, mit denen sich die elektrischen Ladungen der Ionen bewegen. Es muß daher eine elektrische Potentialdifferenz entstehen, welche aus 0 Elektromotorische "Wirksamkeit der Ionen. Zeitschr. f. physik. Cham. 4, 129 (li — 31 — der Beschleunigung der Bewegung des einen und der Verzögerung der Bewegung des anderen Ions erfolgt. Ist die Beweglichkeit des positiven Ions, des Kations, eine größere als die des negativen, des Anions, so nimmt das verdünnte Ende des Diffusionszylinders posi- tive, das konzentriertere Ende desselben negative Spannung an. Ist dagegen die Beweglichkeit des negativen Ions, des Anions, eine größere als die des positiven, des Kations, so ist es umgekehrt. In Fig. 9 ist die Wanderung der Ionen in einem elektrischen Strom nach Ostwald dargestellt. o o o o o o o Wauderimg der Ionen. In der Fig. 9 stellen die schwarzen und weißen Kügelchen die beiden Ionen eines Äloleküls (oder besser Äquivalents, das hier dem Molekül gleichgesetzt sein möge) dar , in a vor der Durchleitung des Stromes, in h während der Durchleitung bei der Elektrolyse. In a sind die beiden Ionen, welche übereinander stehen, zu einem Molekül verbunden, aber nach Clausius und Arrhenius in bereits dissoziiertem Zustande. Die jj welche vom Rade isoliert, aber mitein- ander leitend verbunden sind. Durch diese wird der Galvano- meterkreis längere oder kürzere Zeit periodisch geschlossen, so- lange die Spitzen Pi'P2 über die Quecksilberoberfläche streifen. Diese Schließungszeit kann beliebig variiert werden , indem man die Quecksilbergefäße gegeneinander verschiebt. Sind die Kupfer- spitzen P1P2 anialgamiert und leicht die Hg -Oberfläche streifend eingestellt, so sind die Momente der Schließung und Öffnung in den Hg -Gefäßen bei der Rotation sehr konstant, ohne daß das Quecksilber dabei in merkliche Bewegung versetzt wird. Man bestimmt während der konstanten Rotation diese Momente, indem man durch den Reizkontakt jj (/ und den Schließkontakt ^1 ^ () 2^2 den Strom eines Elementes zum Galvanometer leitet und die- jenige Stellung des Schiebers an der Teilung abliest, bei welcher die Ablenkung eben erscheint und bei der sie aufhört. Hat man diese Punkte bestimmt, aus denen man auch die Schließungszeit erhält , so kann man sich überzeugen , daß dieselben am Schluß einer Beobachtungsreihe mit ausreichender Genauigkeit dieselben geblieben eind^). Auch sind die so erhaltenen Ablenkungen während der Rotation durchaus konstant. Fig. 12 gibt die Anordnung eines solchen Versuches schema- tisch wieder. Vom Längs- und Querschnitt ?g ist ein langer Nerv (z. B. Nerv, ischiad. des Frosches) oder langer Muskel (z, B. M. sartorius) zum Galvanometer 31 durch den Schließkontakt ^) Ich hebe diesen Umstand besonders hervor, da L. Hermann sich veranlaßt sah, wegen angeblich unsicheren Kontaktes im Queck- silber stattdessen harte Schleifkontakte zwischen Kupferbänken und Drahtbürsten anzuwenden. — 43 — PiQQPi periodisch abgeleitet. Auch diese Ablenkung muß bei gut eingestelltem Kontakt eine konstant bleibende sein, aber es ist zweckmäßig, den Nerven- oder Muskelstrom mit Hilfe eines Rheochordstromes (s. oben S. 7) zu kompensieren, damit die Nerven und Muskeln nicht durch ihre Eigenströme gereizt wer- den. Am anderen Ende des Nerven oder Muskels befinden sich die Reizelektroden r r, welche unter Vorlegung eines Kurzschlüssels L mit der sekundären Spule S eines Induktoriums verbunden sind. Anordniing eines Kheotomversuohes. ss Eeizwelle, cc Kontraktionswelle. Der Strom der primären Spule Pr wird durch den Reizkontakt p d geleitet, indem der Strom in der Achse a zu einer kreisförmigen Quecksilberrinne geht, in welche ein Draht B eintaucht, der zur Spitze }) führt. Der Versuch wird in der Weise ausgefühi't, daß man den Schieber mit dem Reizkontakt pd zuerst auf den Moment der Öffnung des Schließkontaktes P1QQP2 einstellt, wie es die Fig. 12 angibt. Dies ist der an der Teilung abgelesene Nullpunkt. Man reizt, indem man den Kurzschlüssel L öffnet. Ist das Rheotom auf den Nullpunkt eingestellt, so muß das Rad desselben nahezu — 44 — eine ganze Umdrehung machen, bis wieder eine Schließung des Galvanometerkreises erfolgt. In dieser Zeit, 1/5 bis 1 10"^ ^^t im Nerven und meist auch im Muskel (abgesehen von schwachen Nachwirkungen, s. unten) der ganze Prozeß der Stromesschwan- kungen abgelaufen. In solchem Falle tritt daher keine Änderung am Galvanometer ein. Verschiebt man aber den Reizkontakt m der Richtung nach d^, so vergeht zwischen Reizmoment und darauf folgender Öffnung des Galvanometerkreises eine bestimmte Zeit, und wenn in dieser sich die Reizwelle bis zur abgeleiteten Stelle Iq fortgepflanzt hat, so wird am Galvanometer eine Ablenkung im Sinne einer negativen Schwankung eintreten. Verschiebt man daher den Reizkontakt allmählich in dieser m s s Fig. 13. m f j ll l t \ t /^e 0 n 0 n Zeitlicher Verlauf iler iiegativeu Schwankung. Richtung, so findet man ein Zeitintervall, nach welchem die negative Schwankung eben merklich beginnt, bei weiterer Verschiebung zu einem Maximum anwächst und dann bei fortgesetzter Verschie- bung des Reizkontaktes weiter auf nahezu Null absinkt. Je kleiner die Schließungszeit ist, desto genauer werden die erfolgen- den Ablenkungen die ganze Kurve der Reizwelle wiedergeben, welche über den Längsschnittpunkt l abläuft. Fig. 13 gibt den zeitlichen Ablauf zweier aufeinander folgender Schwankungen mne des Ruhestromes von der Höhe h auf der Zeitabszisse 0 0 auf- getragen wieder. Die Zeitpunkte 0 sind die Momente der Reizung. Die Zeit vom Momente 0 bis zum Beginn m der negativen Schwan- kung ist die Zeit der Fortpflanzung der Reizwelle von der ge- reizten Stelle rr bis zum abgeleiteten Längsschnittpunkte 1. Die hieraus berechnete Geschwindiglieit der Reizwelle stimmt, wie schon oben bemerkt, mit der durch Muskelzuckung gemessenen Geschwindigkeit der Erregung vollständig überein. Man erkennt an der negativen Schwankung aber auch den ganzen Ablauf des Erregungsprozesses. Stellen wir die mit der elektrischen Ver- — 45 — änderung zusammenfallende Zustaudsänderung als Kurve dar, die wir in einem bestimmten Zeitpunkte nur auf die Länge eines Nerven oder Muskels aufgetragen denken, so erhalten wir die Form der Reizwelle, wie sie über die Fasern abläuft. In Fig. 13 ist das Rheotom so eingestellt gedacht, daß die Schließungszeit, zwischen SS fallend, mit dem Maximum der Schwankung zu- sammenfällt. Das auf das Galvanometer wirkende Stromintegral (h.t) ist als schraffiertes Flächenstück gezeichnet. Denken wir uns dieses statt des Reizkoutaktes über die ganze Kurve ver- schoben, so erhalten wir die verschiedenen Ablenkungen des Ver- suches 1). Man erkennt aus den Figuren , daß der aufsteigende Teil der Reizwelle bis zum Maximum steiler ist, als der ab- sinkende. Man sieht leicht ein, daß man aus diesen Messungen nicht nur die Geschwindigkeit der Reizwelle erhalten kann , son- dern auch ihre Dauer. Diese Dauer ergibt uns also einen Auf- schluß über die Schnelligkeit, mit welcher der Erregungsprozeß in den Organen nach einem Momentenreiz steigt, wie lange er andauert und wie geschwind er wieder in den Ruhezustand übergeht. Bisher ist immer nur von der negativen Schwankung des Längsquerschnittstromes die Rede gewesen. Aber schon du Eois- Reymond hat an Nerven untersucht, wie sich der Vorgang bei der Reizung verhält, wenn man ihn von zwei Punkten seines Längs- schnittes ableitet. Er fand, daß bei Ableitung zweier zum Äquator symmetrischer Stellen (s. oben S. 6 u. 15), welche keinen Ruhe- strom geben, auch bei der Reizung keine Wirkung am Galvanometer auftritt , daß dagegen andere Stellen , welche mehr oder weniger elektromotorisch wirken, auch eine der Größe des Ruhestromes entsprechende negative Schwankung geben. Spätere Versuche, welche ich am unverletzten langen, parallelfaserigen und kurare- sierten Muskel anstellte, ergaben ein ähnliches, wenn auch, wie man bald einsehen wird, nicht ganz gleiches Resultat. Versuche, welche ich mit Hilfe des Rheotoms zuerst an solchen Muskeln ausführte, zeigten, daß bei Ableitung zweier Längsschnittpunkte, ') Es wurde an dem Eheotom der Reizkontakt beweglich , der öchließkontakt dagegen fest angebracht, weil die Verschiebung des letzteren merkliche Änderungen der Schließungszeit durch kleine Ab- weichungen der Grundplatte des Rheotoms von der Horizontalebene herbeiführen würde. — 46 — welche keinen oder einen möglichst schwachen Strom geben und weit genug voneinander entfernt waren, zwei kurzdauernde ein- ander entgegengesetzte Ströme entstehen, welche bei dauerndem Galvanometerschluß sich ganz oder teilweise aufheben. In Fig. 14 ist der Vorgang der sich fortpflanzenden Reizwelle des in rr ge- reizten Muskels dargestellt und die damit verbundenen Strom- schwankungen. Sind die beiden Stellen /j und 1^ durch das Rheotom zum Galvanometer geleitet, so beobachtet man zuerst einen kurz dauernden Strom in der Richtung der Pfeile 1 und dann schnell darauf einen solchen in der Richtung der Pfeile 2. Fig. 14. Fortpflanzung der Beizwelle. Das heißt, zuerst wird die Stelle /j negativ gegen die Stelle /j» und dann die Stelle 1^ negativ gegen die Stelle \. Die Versuche ergeben also, wie die Figur es darstellt, daß jede Stelle des Muskels, welche sich innerhalb der fortschreitenden Reizwelle, also in Erregung befindet, sich negativ gegen eine ruhende Stelle verhält. Man kann diesen Vorgang auf die negative Schwankung zweier entgegengesetzt gerichteter Längsquerschnittströme zurückführen, indem man sich die beiden Muskelelemente 1 und 2 abgeleitet denkt. Wenn die Reizweile in 1 anlangt, tritt negative Schwankung des Elementes 1 ein, und daher überwiegt der Ruhestrom von Element 2 in der Rich- tung des Pfeiles 1, wenn die Reizwelle aber über Element 2 steht, so erleidet dieses negative Schwankung und es überwiegt der Ruhestrom des Elementes 1 in der Richtung des Pfeiles 2. Es treten also zwei Phasen einer Stromschwankung ein. Man hat diese Ströme nach Hermajnn auch die doppelphasigen Aktions- — 47 — ströme genannt, und diese Bezeichnung auch auf die negative Schwankung des Längsquerschnittstromes angewendet, den man als einphasigen Aktionsstrom bezeichnet hat. Es ist aber ein- leuchtend, daß beide Vorgänge auf denselben Ursachen beruhen, und daß die negative Schwankung des Längsquerschnittstromes der einfachere Voi-gang ist, auf welchen die doppelphasigen Aktionsströme eines unverletzten Muskels zurückgeführt werden müssen. Was die Messung des Ablaufes dieser Ströme anbetrifft, so kann nur die der negativen Schwankung des Längsquer- schnittstromes (also des einphasigen Aktionsstromes) ein zuver- lässiges Bild geben, weil bei Ableitung eines unverletzten Muskels die beiden Ableitungsstellen oft einander so nahe liegen, daß die beiden einander entgegengesetzten Phasen mehr oder weniger miteinander interferieren werden. Auch bei Ableitung eines unver- letzten Muskels von Längsschnitt und Sehne, der einen schwachen oder keinen Ruhestrom liefert, z. B. des Musculus gastrocn. (Frosch), erhält man auf Nervenreizung einen doppelphasigen Aktionsstrom, indem zuerst der Längsschnitt gegen die Sehne und dann die Sehne gegen den Längsschnitt negativ wird i). Dies erklärt sich sehr einfach daraus, daß die Nervenfasern etwa in der Mitte der Muskelfasern eintreten , hier demnach die Reizwelle anhebt und sich nach dem Achillessehnenende fortpflanzt. Da aber die Fasern dieses Muskels sehr kurz sind, so ist die erste Phase noch nicht beendet, wenn die zweite bereits anfängt. Man ersieht hieraus, daß man an unregelmäßig gestalteten, unverletzten Muskeln, bei denen die Nerveneintrittsstellen nicht selten über weite Strecken verteilt sind, keine eindeutigen Resultate erhalten wird und ge- wisse prinzipielle Fragen an ihnen nicht lösen kann. Aus diesem Grunde habe ich mich bei weiteren Untersuchungen und Mes- sungen eines möglichst langfaserigen regelmäßigen, kuraresierten Muskels bedient, der an einem Ende direkt gereizt wurde. Am Muskel ergab sich die für die Theorie wichtige Tatsache, daß die negative Schwankung selbst bei der stärksten Reizung des Längs- querschnittstromes im Maximum nur bis Null sinken kann, ihn aber nicht umkehrt, wie es die Kurve mne in Fig. 87 zeigt. Wie am Nerven läßt sich auch am Muskel die Geschwindig- keit messen, mit welcher sich die Reizwelle fortpflanzt, ebenso ihr 1) Sigm. Mayer, Archiv f. Anatomie u. Physiol. 1868, S. 655. — 48 — ganzer Ablauf und ihre Dauer. Hierbei tritt uns die wicbtige Frage entgegen, wie sich der elektrische Prozeß zur Kontraktion des Muskels verhält. Schon aus älteren Versuchen von Helm- holt z über die Zeitmomente der primären und sekundären Zuckung konnte man schließen, daß die negative Schwankung schneller auftritt als die Zuckung des primären Muskels. Man weiß aus den H elm holt z sehen Untersuchungen über den zeit- lichen Verlauf der Muskelzuckung, die mit Hilfe der Pouillet- schen Zeitmessungsmethode oder mit dem Myographion angestellt wurden, daß die Zuckung nicht sofort im Momente des Reizes beginnt, sondern erst nach einem „Stadium der latenten Reizung", das im Froschmuskel unter gewöhnlichen Bedingungen der Arbeits- leistung etwa bis zu 0,01" reicht ^). Die ganze Zuckung dauei't beim Froschmuskel etwa i 5". ^V eitere Versuche, welche von J. Bernstein (1. c.) angestellt wurden, ergaben an langen, parallelfaserigen und kuraresierten Muskeln, daß bei Reizung an einem Ende (wie in Fig. 11) die sich über den Muskel fort- pflanzende Kontraktion eine Geschwindigkeit von etwa 3 m in der Sekunde besitzt. Ua sie an jeder Stelle demnach in verschiedenen Zeitpunkten anhebt, das Maximum erreicht und wieder sinkt, so läuft sie als Kontraktionswelle über die ganze Länge der Fasern ab. In der Fig. 12 ist durch die Kurven cc die Ver- dickung eines sehr lang gedachten Muskels (abgesehen von der gleichzeitigen Verkürzung) dargestellt, und zwar für den Zeit- moment, in welchem die schraffiert angegebene Reizwelle ss eben den Längsschnittpunkt ? erreicht 2). An der Reizstelle rr ent- stehen beide durch den Induktionsschlag, die Reizwelle momentan ohne wirkliches Latenzstadium, die Kontraktionswelle aber erst nach etwa V]oo"- Die Reizwelle pflanzt sich nun mit Iderselben Geschwindigkeit von .3m in l" fort wie die Kontraktionswelle; sie eilt daher der Kontraktionswelle vor- aus und muß in jedem Querschnittelement der Muskelfaser früher erscheinen als der Beginn der Kontraktion. Der größte Teil ^) Mit feineren Hilfsmitteln photographischer Aufzeicbnung beob- achtet, kann dieser Zeitraum bis auf etwa 0,004" reduziert werden. ""') Das schematische Bild gibt die wirklichen Verbältnisse der Wellenlänge nicht genau wieder. Die Kontraktions welle ist sehr viel länger als die Reizwelle. Ihre Länge beträgt im Froscbmuskel etwa 300 mm. — 49 — der Reizwelle (negative Schwankung, Phase) in jedem einzelnen Muskelelement vollzieht sich daher im Stadium der latenten Reizung. Mau wird aus dieser Tatsache schließen dürfen, daß der ge- samte Erregungsprozeß in dem Muskel, welcher die Kontraktion bedingt, keiu einheitlicher ist, da die elektrischen und mecha- nischen Veränderungen desselben zeitlich nicht zusammenfallen. Beiden Vorgängen, den elektrischen wie mechanischen, liegen un- bedingt chemische Prozesse zugrunde, die in der Muskelsubstanz ablaufen. Wir wissen mit Bestimmtheit, daß bei der Muskel- tätigkeit eine stärkere Spaltung und Oxydation von organischen Verbindungen in dem Muskel eintritt, als dies in der Ruhe ge- schieht, und daß der Muskel bei der Tätigkeit mehr Sauerstoff verbraucht und unter den Verbrennungsprodukten hauptsächlich mehr Kohlensäure liefert als in der Ruhe. Auch die Wärme- erzeugung im Muskel, die bei der Arbeitsleistung eintritt, ist ein Beweis dafür, daß bei der Reizung chemische Energie umgesetzt wird. Wir werden daher sagen dürfen, daß der gesamte chemische Prozeß bei der Kontraktion in zwei Teilprozesse zerfällt. Der erste fällt mit der elektrischen Veränderung, der zweite mit der mechanischen Veränderung der Muskelfaser zeitlich zusammen. Der erste fällt zum großen Teil in das Stadium der Latenz und muß bis zu einem gewissen Grade vorgeschritten sein, damit der zweite zugleich mit der Kontraktion erfolgen kann. Welcher Art der erste Teilprozeß ist, möge zunächst unbestimmt bleiben; daß der zweite im wesentlichen in einer oxydativen Spaltung organischer Verbindungen besteht, kann wohl als sicher angesehen werden. Weiteres hierüber wollen wir später behandeln. Diese elektrischen Veränderungen der Muskeln und Nerven in ihrer Beziehung zum Ablauf der Erregung und Tätigkeit sind nun in den letzten Jahrzehnten auch mit Hilfe von elektrischen Instrumenten beobachtet worden, welche schnellen Stromes- schwankungen mit großer Schnelligkeit folgen und daher die Anwendung des Rheotoms zum Teil ersetzen können. Zu diesen gehört erstens das von dem Physiker Lippmann erfundene Kapillarelektrometer und zweitens das von dem Physiologen Einthoven konstruierte Saitengalvanometer i). Beide Instru- ') Beschreibung dieser Instrumente siehe im Anhang. Bernstein, Elekti obiologie. 4 — 50 — mente folgen schnellen Stromesoszillationen bis zu einer gewissen Grenze, und man kann nach bekannten Methoden diese Be- wegungen auf einem rotierenden Zylinder photographisch ver- zeichnen. Man darf aber bei solchen Untersuchungen niemals außer acht lassen, daß die erhaltenen photographischen Kurven keineswegs bei schnelleren Schwankungen die wirklichen Stromes- kui'ven sind, und daß man diese erst berechnen muß, soweit es möglich ist. Nach dieser Methode hat man im allgemeinen die mit dem Rheotom erhaltenen Resultate bestätigt. Eine große Zahl von Versuchen sind von verschiedenen Beobachtern über den Ablauf der Aktionsströme besonders an unverletzten Muskeln gemacht worden. Da hat man an einigen Muskeln, wie am M. gastrocn. des Frosches, für den doppelphasigen Aktionsstrom bei Nerven- reizung eine photographische Kurve ei'halten, an noch unregel- mäßiger gestalteten Muskeln, wie z. B. am Triceps femoris oder Gracilis, kann man noch kompliziertere Kurven, auch dreiphasige erhalten. Aber es ist klar, daß solche Versuche gar keinen prin- zipiellen Wert haben können, wenn es sich um die Fragen handelt: wie lange dauert an jeder Stelle einer Muskelfaser die elektrische Reizwelle, und in welchem Zeitvei'hältnis steht sie zur Kon- traktionswelle'? Es ist klar, daß man an unregelmäßig gestalteten Muskeln, noch dazu an solchen, mit mehreren Sehnen, wie der Triceps femoris, oder Zwischensehnen, wie der M. gracilis, deren Muskelfasern die verschiedensten Längen haben und an denen die Eintrittsstellen der Nervenfasern sich über weite und von- einander getrennte Strecken der Muskeln verbreiten, keine klaren und maßgebenden Resultate erhalten kann, und daß diese auch je nach der Art der Ableitung mannigfach schwanken müssen. Wenn man an zwei Stellen eines unverletzten Muskels ableitet, so ist ferner zu berücksichtigen, daß, wenn die Ableitungsstellen einander nahe liegen, die beiden Phasen der Aktionsströme mehr oder weniger miteinander interferieren müssen. Es wird daher ein klares und eindeutiges Resultat nur erhalten werden, wenn man sich erstens eines möglichst langen parallelfaserigen Muskels bedient, und wenn man zweitens zurVermeidung aller Interferenzen an einem Ende des Muskels die negative Schwankung des Längsquerschnitt- stromes, d. h. des einphasigen Aktionsstromes verzeichnet. Soll nun mit dem Ablauf dieses Stromes der Ablauf der Kontraktionswelle verglichen werden, so darf man nicht, wie es meist geschehen ist, — 51 — die Zuckungskurve der Verkürzung des ganzen Muskels gleich- zeitig myographisch aufnehmen, sondern nur den Ablauf der Kontraktion an der abgeleiteten Längsschnittstelle; denn wir wollen ja durch den Versuch feststellen, in welchen Zeitmoiuenten die Reizwelle und die Kontraktionswelle von der Reizstelle des Muskels aus an dem abgeleiteten Längsschnittpunkte anlangt, wann beide Wellen an dieser Stelle ihren Höhepunkt er- reichen und wann sie daselbst abgelaufen sind. Wenn wir aber die Verkürzungskurve des ganzen Muskels aufzeichnen , so ist einleuchtend, daß diese in allen ihren Teilen früher beginnen muß als die Koutraktionswelle am abgeleiteten Längsschnittpunkt, da sie mit der Kontraktion der gereizten Stelle zugleich anhebt. In- folge der Vernachlässigung dieses Umstandes hatte man noch dazu an dem unregelmäßig gebauten M. gastrocn. Resultate er- halten, welche mit denen der Rheotomversuche nicht stimmten und in denen die Aktionsströme weit in den Verlauf der Muskel- zuckung hineinreichten. Von Bernstein und Tschermak i) wurde daher die Kapillar- elektrometerkurve der negativen Schwankung des Längsquer- schnittstromes und die Kontraktionswelle der abgeleiteten Längs- schnittstelle an einem langen parallelfaserigen Muskel (M. adductor des Frosches) in folgender Weise aufgenommen. Man denke sich diesen Muskel, wie in Fig. 11, von / und q abgeleitet, horizontal auf einer festen Unterlage gelagert. Anstatt zum Rheotom führt die Leitung von l und g zuai Kapillarelektrometer, Über die ab- geleitete Längsschnittstelle l ist ein schmales durchfeuchtetes Leinwandband gelegt, welches unten an einen leichten, wenig belasteten Hebel angreift, der bei der Verdickung des Muskels an dieser Stelle sich hebt und daher auf einem rotierenden Zylinder die Verdickungskurve der Stelle ?, d. h. den Ablauf der Kontraktions- welle über die Stelle J zeichnen würde. Diese Zeichnung geschieht nun in diesem Falle photographisch dadurch, daß der Hebel an den Spalt gestellt wird, auf welchen das Bild der Kapillare ent- worfen ist. Gehen die Lichtstrahlen durch diesen Spalt hindurch, so zeichnen sie auf der photographischen Platte den Schatten des ^) Über die Beziehung der negativen Schwankung des Muskel- stromes zur Arbeitsleistung des Muskels. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 89, 289—331 (1902). 4* — 52 — deckenden Hebelpunktes auf, der, wenn er sich hebt, bei der Bewegung der Platte die Kurve der Kontraktionswelle zeichnet. Ebenso zeichnet der Meniskus der Kapillare bei derselben Reizung die Elektrometerkurve der Reizwelle. Die Bedingungen des Ver- suches fallen nun mit denen des Rheotomversuches zusammen, und es hat sich auch eine befriedigende Übereinstimmung ergeben. In Fig. 15 ist das photographische Bild (ein Positiv des Originalnegativs) eines solchen Versuches am Muse, adductor femoris des Frosches wiedergegeben. Der Muskel ist etwa in seiner Mitte vom Längsschnitt und am unteren Ende vom künstlichen Fiff. 15. Üfi/w.'llr uii.l K>iiitrLikti.,ii-\vcUi/ cIl- .Muskeln. lies Kainllarelektrometerkui\ e, ngt berecliuete Kurve der negativen Schwankung (schematisch), ahe Kontraktionswelle. (thermischen) Querschnitt abgeleitet, der Ruhestrom ist kompen- siert (s. oben S. 7). Die Bev/egung des Meniskus infolge einer negativen Schwankung hei Einzelreiz (Offnungsinduktionsschlag) ist, im Bilde nach oben gerichtet, durch die Kurve nes angegeben, welche von links nach rechts zu lesen ist. Sie entspricht der über die abgeleitete Stelle sich fortpflanzenden Reizwelle. Der Ablauf der Kontraktionswelle (Verdickungskurve) an der ab- geleiteten Längsschnittstelle wird duixh die Kurve ahc gegeben, welche der Schatten des Myographionhebels vor dem Spalt zeichnet (im Projektionsbilde sind alle Bewegungen, welche in Wirkliclikeit nach unten gerichtet waren, nach oben gewendet). Die Schwin- gungen einer vor dem Spalt schwingenden, horizontal liegenden Federlamelle (elektromagnetisch durch einen akustischen Lnter- brecher in Bewegung erhalten) geben die Zeit an; jede ganze Periode bedeutet ^/^po S^k. Man erkennt deutlich, daß die Elektro- — 53 — meterkurve nes der Zuckungskurve abc vorausgeht. Der Beginn der Elektrometerkurve liegt ungefähr i j^g Sek. vor dem in diesem Falle merklichen Beginn der Zuckungskurve. Der Gipfel der ersteren liegt weit vor dem der letzteren, und ebenso verhalten sich die allmählicher ablaufenden Enden beider Kurven zueinander. Die Elektrometerkurve )ies ist aber keineswegs die wirkliche Kurve der negativen Schwankung, vielmehr muß dieselbe durch Reclinung (s. S. 50 und Anhang) gefunden werden; dieselbe ist auf Grund von Berechnungen spezieller Versuche schematisiert in die Figur als Kurve n g t eingetragen. Nun erkennt man mit großer Deutlich- keit, daß der Gipfel g der negativen Schwankung schon erreicht ist, bevor die Kontraktionswelle an der abgeleiteten Stelle merklich anhebt. Der aufsteigende Teil der Reizwelle liegt für jedes Muskelelement zum allergrößten Teil innerhalb des Stadiums der latenten Reizung. Der abfallende Teil der Reizwelle reicht zeitlich mehr oder weniger weit in den Ablauf der Kontraktionswelle hinein, sinkt viel laugsamer ab als der auf- steigende und hat kein scharf zu bestimmendes Ende. Meist ist im Maximum der Kontraktion die Reizwelle schon stark abgesunken. Die Gestalt der Reizwelle ist aus der Figur der Kurve n g t er- sichtlich. Sie steigt schnell konvex nach oben gerichtet zum Maximum auf, sinkt zuerst schnell nach oben konvex ab und dann durch einen Wendepunkt gehend konkav nach oben gerichtet allmählich zur Abszisse ab. Nimmt man für die Hauer der Kon- traktionswelle nach Fig. 15 etwa 0,12 Sek. an, so würde, abgesehen von dem allmählich ablaufenden Ende, die Dauer der ganzen Reiz- welle auf etwa 0,06 Sek. berechnet werden können. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß in dem vom lebenden Körper getrennten, nicht mehr normal ernährten uud durch einen Querschnitt ver- letzten Muskel die Schnelligkeit aller Erregungsprozesse verlang- samt sein muß. Die Dauer der Reizwelle wird also unter ganz normalen Bedingungen wohl eine viel geringere sein, als man sie in dem Experiment am herausgeschnittenen verletzten Muskel findet^). Es läßt sich aus vielen Beobachtungen schließen, daß im absterbenden Muskel eine viel längere Nachwirkung jeder ') In den oben beschriebenen Rheotomversuchen konnte nur der höhere Teil der Eeizwelle gemessen werden, der etwa 0,004" betrug, da bei repetierender 5- bis 10 maliger Heizung in der Bekunde eine Summierung der abfallenden Teile der Welle eintritt. — 54 — Reizung eintritt als im normalen , was sich an der schnellereu Ermüdung bemerkbar macht. Der Verlauf der Keizwelle und der Kontraktionswelle ist daher ein gutes Zeichen für den Zu- stand des Muskels. Je besser der Muskel ernährt wird, um so schneller kehrt er nach jeder Reizung in den normalen Ruhe- zustand wieder zurück, und dies erkennt man an der schneller ablaufenden Reizwelle und Kontraktionswelle. Daß die Reizwelle in einem normal ernährten, unverletzten Muskel, innerhalb des lebenden Körpers, eine viel geringere Dauer besitzt, daß nament- lich der abfallende Teil viel schneller auf Null sinkt als in dem obigen Falle, dafür sprechen mancherlei Beobachtungen. Erstens kann man auch an dem unverletzten Muskel einen schnelleren Ablauf der beiden Phasen des Aktionsstromes beobachten und dann scheinen auch innerhalb des lebenden Körpers diese Vor- gänge noch schneller und in kürzerer Zeit abzulaufen. Aber es ist klar, daß solche Messungen nur dann ein genaueres Resultat geben können , wenn die beiden Ableitungsstellen der Muskeln so weit voneinander entfernt liegen, daß die Reizwelle an der ersten Stelle, die sie passiert, schon vollständig abgelaufen ist, bevor sie die zweite erreicht. Das ist aber bei den kurzen Frosch- muskeln, die meist zu solchen Versuchen verwendet worden sind, durchaus nicht der Fall, auch wenn wir die längsten Muskeln dazu auswählen. Dazu kommt noch, daß Versuche, in denen die Reizung vom Nerven aus geschieht, für eine genauere Messung untauglich sind, da in den meisten Muskeln die Fasern sich über ein so großes Gebiet des Muskels erstrecken, daß die Reiz wellen in den verschiedenen Muskelfasern an weit voneinander entfernten Stellen anheben und daher keineswegs zu gleicher Zeit an den Elektrodenstellen anlangen. Es ist schon aus den ersten Rheotom- versuchen von mir der Schluß gezogen worden, daß bei Nerven- reizuug in jeder Muskelfaser die Reizwelle an der Eintrittsstelle der Nervenfaser beginnen muß, um sich von dort nach beiden Seiten hin ebenso wie die Kontraktionswelle fortzupflanzen. Das, was wir also in diesem Falle beobachten, ist nichts anderes als eine Kombination von Aktionsströmen, welche in verschiedenen Fasern ungleichzeitig erfolgen , sich zum Teil summieren oder auch subtrahieren können. Von diesem Gesichtspunkte aus habe ich in meinen ersten Rheotomversuchen es vorgezogen, die prin- zipiellen Fragen, um die es sich zunächst handelte, nicht mit — 55 — Anwendung der Nervenreizung, sondern durch direkte Muskel- reizung, und zwar um alle Nervenwirkung auszuschließen, an kuraresierten Muskeln anzustellen. Von diesem Gesichtspunkte aus muß man auch alle Resultate beurteilen, welche später mit dem Rheotom und in neuerer Zeit mit dem Kapillarelektrometer und Saitengalvanometer bei Reizung vom Nerven aus erhalten worden sind. Da findet man dann meist, selbst an dem kurzfaserigen Muse, gastrocn. vom Frosch, einen doppelphasigen Aktionsstrom Fio-. 16. Sa- Einphasiger Aktionsstrom des Musculus sartorius vom Frosch. a Ableitung von der Keizstelle, b Ableitung von einem 20 mm entfernten Punkt (nach Garten). bei Nervenreizung vor. Aus Rheotomversuchen am Muse, gastrocn. des Frosches vom Jahre 1867 bei Reizung seines Nerven (35 mm Reizstelle vom Muskel entfernt) konnte ich folgende Werte er- halten i). In einer Zeit von 5 (J (1 ö = ^/loooSek.) begann die erste Phase. Diese Zeit wird von der Fortpflanzung der Nerven- erregung bis zu den Nervenendigungen im Muskel eingenommen, und hinzuaddiert sich noch eine Erregungszeit der Nervenendorgane von etwa 1,300 Sek. Diese Phase erreichte in etwa 2,5 ö vom Beginn ihr Maximum, dann trat im Zeitpunkt 6,5 ö die zweite, entgegengesetzte Phase auf und erreichte zur Zeit 7,5 ö bereits ihr Maximum, um dann langsamer abzufallen. ') Die Erregungszeit der Nervenendorgane in den Muskeln. du Bois' Arch. 1882, S. 344. 56 — Fig. 17. Ähnliche Werte 1,1 bis 1,5 (J für die Anstiegszeit der ersten Phase am direkt gereizten Froschmuskel fand L. Hermann mit Hilfe eines Fallrheotoms ^). Ebenso fand Garten 2) hierfür 1,6 bis 2,0 6 an dem ein- phasigen AktioDSstrom des Muse, sartorius des Frosches mit Hilfe des Kapillarelektrometers an der direkt gereizten Stelle. Mit der Fort- pflanzung auf 20 mm nahm diese Zeit auf 2,4 bis 3,2 ö zu. Hiernach scheint die Reizwelle bei der Fortpflanzung ihre Gestalt zu ändern, wie es die von Garten an- gegebene Fig. 16 zeigt. Mit Hilfe des Saiten- galvanometers hat Gar- ten ferner am Muse, gastrocn.' des lebenden Kaninchens den einphasi- gen Aktionsstrom (nega- tive Schwankung des Längsquerschnittstro- mes) bei Reizung vom Nerven aus aufgenom- men, wie Fig. 17 zeigt. Die gestrichelte Kurve zeigt in roher Annähe- rung (leider ist eine ge- nauere Analyse der Sai- tengalvanometerkurven noch nicht gefunden) den wirklichen Verlauf des Stromes. Die Anstiegszeit beträgt etwa 2 6, und der Abfall nimmt, abgesehen -< T t ii 1 All ii~^ = ! ^ i 1 / 1 1 1 / j \ ' 4- ^ ^ ^ " / ff V j 1 \. \'. . ■ . Intervalle von j& 1 er 4 c Einphasiger Aktiousstrom (negative Schwankung) vom Musculus gastrocnemius des Kaninchens. Die ausgezogene Linie stellt die gezeichnete, die ge- strichelte die berechnete Kurve dar (nach Garten, Beiträge zur Kenntnis des Erregungsvorganges der Xerven und Muskel des Warmblüters , Zeitschr. f. Biolog. .52, 1909). 0 Pflügers Arch. 15, 233 (1877). ^) Ber. d. Sachs. Ges. d. Wiss. 26, 1901. — 57 — von dem allmählich ablaufenden Ende, etwa dieselbe Zeit in An- spruch. Die ganze Dauer des Hauptteiles zu 4 bis 5 6 angenommen, ist also außerordentlich kurz. Das letztere Resultat bestätigt den schon aus meinen älteren Versuchen aufgestellten Satz, der viel bestritten worden ist, daß die Reizwelle (negative Schwankung = einphasiger Aktionsstrom) an jeder Muskelstelle in ihrem Hauptteile bereits abgelaufen .ist,_ bevor eine merkliche Zusammenziehung eintritt; denn die latente Reizung an jeder Muskelstelle ist mindestens zu 4 ö anzunehmen. Bis jetzt sind leider Versuche, in denen Reiz welle (Aktionsstrom) und Kontraktionswelle von derselben Muskelstelle verzeichnet wurden (wie oben), an lebenden Warmblütern noch nicht an- gestellt worden. Auch an Muskeln des lebenden Menschen hat man die doppel- phasigen Aktionsströme nachweisen können. L. Hermann beob- achtete (1878) mit Hilfe des Rheotonis bei Reizung des Nerv, medianus am Oberarm an den Beugemuskeln der Hand und der Finger am Unterarm bei Ableitung von zwei Stellen der Haut daselbst einen ^ojppelphasigen Strom, der hauptsächlich von den genannten Muskeln herrühren mußte. In neuerer Zeit haben Piper!) und Garten^) solche Versuche mit Hilfe des Saiten- galvanometers angestellt und bei genügender Entfernung der beiden Ableitungsstellen voneinander meist einen doppelphasigen Strom erhalten, wie Fig. 18 zeigt. Es ist klar, daß man von ver- schieden gelegenen Ableitungsstellen verschiedene Kurven erhalten wird, daß aber auch bei weit voneinander gelegenen Ableitungen keine einfachen Resultate, welche zur Messung des Verlaufes ge- eignet wären , erscheinen köniien , da die betreffenden Muskeln sehr unregelmäßig gestaltet sind, ihre Muskelfasern sehr ver- schiedene Länge besitzen und die Ausbreitungs- und Eintritts- stellen der Nervenfasern sich über weite Strecken ausdehnen. Daraus erklärt es sich wohl, daß die Anstiegszeiten und der Ver- lauf beider Phasen sich über einen größereu Zeitraum erstrecken, als die am Gastrocu. des Kaninchens (Fig. 17) gemessenen Kurven. *) Verlauf und Theorie des Elektromyogrammes der Unterarm- flesoren. Pflügers Arch. 129, 1909. *) Beiträge zur Kenntnis des Ph-regungsvoi-ganges der Nerven und Muskeln des Warmblüters. Zeitschr. f. Biologie 52, 1909. — 58 — Wir haben es hier mit einer Kombination mehrerer zeitlich auf- einander folgender Reizwellen zu tun, welche über die zur Wirkung kommenden Muskelfasern von verschiedenen Muskelstellen aus ablaufen. Der größte Teil derselben läuft dicht hintereinander von der proximalen (dem Ellenbogen näheren) zur distalen Ab- leitungsstelle und daher kombinieren sie sich zu einem zwei- phasigen Gesamtstrom. Aus dieser Galvanometerkurve mußte Fig. 18. I mMmmPm ] ~ Reizung , 14» Doppelpliasiger Aktioiisstrom vou den Unterarmflexoren des Meuscheii. Keizung des Nerv, medianus 8 cm oberhalb des Ellenbogens durch einen Öffnuiigsschlag (Garten). freilich erst die wirkliche Stromeskurve konstruiert werden. .\ber auch an der Galvanometerkurve erkennt man schon, daß der Anstieg der ersten Phase geringer als etwa 0,007" (^^s") sein muß, also kleiner als das gewöhnliche Latenzstadium der Kon- traktion (0,01"). Es wäre daher wohl von Interesse, auch bei einem solchen Versuch gleichzeitig an den beiden Ableitungs- stellen die Kontraktionswelle photographisch (wie oben S. 52) zu verzeichnen. L. Hermann suchte auch in seinem Versuche die — 59 — Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Reizwellen zu messen und be- rechnete den freilich nicht genau zu bestimmenden Wert derselben zu JjO_bis. JL3 m. Bernstein und Steiner hatten für die Ge- schwindigkeit der Koni raktionswellen am lebenden Kaninchen 6 bis, 10 m gefunden. Beide Werte dürften wohl bei gleichzeitigen Messungen beider Vorgänge zusammenfallen. • Um die vorliegende Krage rein zu lösen, wäre es also not- wendig, daß man von einem möglichst langen, unverletzten parallel- faserigen Muskel eines lebenden Tieres, welches, um alle Nerven- wirkungen auszuschliei3en , kuraresiert ist, zwei Stellen ableitet, die so weit voneinander entfernt sind, daß nachweislich die elek- trische Reizwelle vollständig von der ersten Stelle abgelaufen ist, bevor sie an der zweiten beginnt, wenn man diesen Muskel an einem Ende durch einen einzelnen Induktionsschlag gereizt hat. Zugleich müßte man an beiden abgeleiteten Stellen die Kontrak- tiouswellen aufzeichnen. Diese Aufgabe ist bisher noch nicht gelöst. Aber auch aus den bisherigen Ergebnissen läßt sich mit Deutlichkeit ersehen, daß Reizwelle und Kontraktionswelle ge- sonderte Vorgänge sind, und daß die Reizwelle mindestens mit ihrem ansteigenden Teil und wahrscheinlich auch mit dem Anfang des {ibsteigenden Teiles der Kontraktions welle in dem mechani- schen Latenzstadium derselben voranschreitet. Der gesamte Erregungsprozeß zerfällt daher im Muskel in zwei Teilprozesse. Die elektrische Zustandsänderung tritt in jedem Muskelelement zuerst ein, und erst wenn sie ihren Höhepunkt erreicht hat, fängt die mechanische Zustandsänderung der Kon- traktion an, sich merklich zu entwickeln. Es ist ja möglich, daß das letztere auch schon in einer für unsere Hilfsmittel noch nicht wahrnehmbaren Weise anhebt, wenn die elektrische Zustands- änderung im Steigen begriffen ist. Wie dem aber auch sein mag, da die Maxima der elektrischen und mechanischen Zustands- änderung, der Reizwelle und Kontraktionswelle, in jedem Muskel- element zeitlich um mindestens i/iq Sek. auseinander liegen, so können beide Vorgänge in ihren Ursachen nicht ganz zusammen- fallen, wenn sie auch miteinander in einem wesentlichen Zu- sammenhange stehen. Da auch in den Nerven (s. unten) die elek- trischen Prozesse bei der Erregung in ähnlicher Weise ablaufen wie im Muskel, ohne daß damit eine mechanische Zustandsänderung wie die der Kontraktion verknüpft ist, so hat man nicht ohne Grund — 6Ü — veimutet (Engelmaiin), daß die elektrischen Prozesse im Muskel an. eine andere Substanz geknüpft seien als die Kontraktions- prozesse. Von letzteren wissen wir, daß sie wesentlich der kon- traktilen Substanz der Muskelfibrillen angehören, welche in dem Sarkoplasma, einer protoplasmatischen Substanz, eingebettet liegen. Ob aber eine solche Trennung sich durchführen läßt, muß noch unentschieden bleiben. Über die Beziehung des elektrischen zum mechanischen Prozeß im Muskel sind mehrfache Untersuchungen angestellt worden. Beide Vorgänge verhalten sich der Reizstärke gegenüber ähnlich, indem sie mit ihrer Zunahme bis zu einem Maximum wachsen. Man hat aber auch geprüft, wie sich dieselben bei gleichbleibender Reizstärke mit zunehmender Belastung ändern. Von der Arbeits- leistung des Muskels ist es schon lange bekannt, daß dieselbe mit zunehmender Belastung cet. par. erheblich wächst, woraus man schließen muß, daß mit der zunehmenden Spannung bzw. Dehnung des Muskels die ausgelösten chemischen Energiemengen, welche sich in Arbeit und Wärme umsetzen, bis zu einer gewissen Grenze zunehmen. Wir haben es hier offenbar mit einer sehr zweck- mäßigen Einrichtung eines physiko - chemischen Systems im lebenden Organ zu tun, wodurch sich der Muskel den Anforde- rungen, die an ihn gestellt werden, in zweckentsprechender Weise anpaßt. Es war daher von Interesse, auch zu beobachten, wie sich der elektrische Prozeß im Muskel unter diesen Umständen verhält. Versuche hierüber müssen so angestellt werden, daß bei einer Einzelzuckung des Muskels der ganze Ablauf der elektri- schen und mechanischen Veränderung beobachtet wird. Da man aber, wie schon oben auseinandergesetzt, bei Ableitung des un- verletzten Muskels an zwei Stellen wegen des geringen Abstandes derselben voneinander bisher niemals infolge der Interferenzen der Reizwellen ein reines Resultat erhalten konnte, so ist man genötigt, die negative Schwankung (einphasiger Aktionsstrom) des vom verletzten Muskel abgeleiteten Längsquerschnittstromes zu prüfen. Aber auch in diesem Falle würde man einen Fehler begehen , wollte man die Zuckung des ganzen Muskels mit der über den abgeleiteten Läugsschnittpunkt (s. oben) ablaufenden Reizwelle vergleichen, vielmehr muß man, wie es im Versuch (s. Fig. 15, S. 52) geschehen ist, nur die über die abgeleitete Längsschnittstelle ablaufende Kontrakt ionswelle allein aufzeichnen. — 61 — Unter dieseu Bedinguiigeu sind von Jensen') mit dem Rheotom und Galvanometer und später von Tschermak^) mit dem Kapillarelektrometer Versuche augestellt worden. Man hat nach Fick die Zuckung des Muskels, bei welcher er ein Gewicht hebt, die isotonische Zuckung genannt, da seine Spannung während der Kontraktion nahezu dieselbe bleibt, da- gegen diejenige Zuckung, bei welcher seine Enden befestigt sind, so daß er bei der Kontraktion dieselbe Länge behalten muß, die isometrische. Es ergibt sich nun bei der isotonischen Zuckung, daß mit zunehmender Belastung die Schnelligkeit des! Anstieges und Gipfelhöhe der negativen Schwankung bis zu einer ' gewissen Grenze steigt und dann auch beim Abfall verhältnis- mäßig schneller sinkt. In der Fig. 19 sind nach Tschermak die Elekti'ometerkurven der negativen Schwankung bei verschie- dener Belastung in ein Koordinatensystem eingetragen. Man ersieht daraus, daß (Uh unbelastet, d. h. nur mit dem leichten Schreibhebel) mit zunehmender Belastung die Kurven an Höhe wachsen, und daß bei 200 g ein Maximum eintrat. Die römischen Zahlen geben die Reihenfolge der Beobachtungen an; durch die Abwechslung zwischen belastetem und unbelastetem Zustand kann man einigermaßen den Einfluß der Zeit und der Ermüdung aus- schließen 3). Die berechneten Kurven der negativen Schwankung bestätigen dieses Resultat Was die Lage der Maxima anbetrifft, so liegen sie entweder noch im Latenzstadium oder fallen in den ') Über das Verhältnis der meclianisclien und elektrischen Vor- gänge im erregten Muskel. Pflügers Arch. 77, 107 (1899). ■^) Über die Beziehung der negativen Schwankung des Muskel- stromes zur Arbeitsleistung des Muskels. Pflügers Arch. 89, 289 (1902). ^) Die Form der Kurven zeigt mancherlei Abweichungen von der normalen. Es rührt dies daher, daß die Muskeln (musculi adductor. magnus et longus vom Oberschenkel des Frosches) nicht direkt, sondern vom Nerven aus gereizt wurden, weil direkte Reizung immer ein Ein- brechen des Reizstromes in das Elektrometer zur Folge hatte. Es war also den oben aufgestellten exakteren Bedingungen des Versuches noch nicht ganz Genüge geschehen. Die Nerven breiten sich über 2 cm weite Strecken aus , und daher haben wir auch hier eine Kombination von Reiz- und Kontraktionswellen. Die berechneten Kurven zeigen daher oft mehrere Maxima. Nichtsdestoweniger sind die Versuche zur Ent- scheidung der vorgelegten Frage über das Verhältnis der Reiz- und Kontraktionswellen gut geeignet, da beide Wellen in den untersuchten Muskelabschnitten örtlich genau zusammenfallen. — 62 — Beginn der Kontraktionswelle; eine Verspätung derselben mit zunehmender Höhe ist nicht nachzuweisen. Der steiler abfallende Teil der Reizwelle liegt meist im aufsteigenden Teil der Kontrak- tionswelle, das langsamer abfallende Ende erreicht oft das Ende der letzteren. Nicht selten sinkt die Ordinatenhöhe im abfallenden 150 Fig. 19. 140 Kh. Str. 130 120 — Belastet (isotoniscli) 110 /zoogr.^N — - Unbelastet (isotoniscli) / HI \ Eheochordstrom 100 90 / //soogr]^^ \ 80 ■ / / \ > 70 \ 60 / / / N, \^ 50 - Uff lOOg^^N^^^^X _^ \\ 40 W />-::;ijbix\ ^^--.^^.^.^^^ 30 " j/f ub;,--.:::c:- v.^ " ^^ 20 '/#' -''' ''"^^ C;- ..^^^ 10 W , 11 11 11 1 1 1 1 ^ . 1 Negative Belastuns 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 cr = Tausendstel Sekunden Schwankung des Muskels bei isotonischer Zuckung und verschiedener ;. Uh unbelastet, Rh. Str. Kheochordstrom zur Eichung (Tschermak). Ende der Eeizwellon bei Belastung unter die des unbelasteten Muskels. Tschermak sagt: „Die negative Schwankung im Belastungszustande des Muskels zeigt demnach im aufsteigenden Teil und in der Gipfelregion Erhöhung, im absteigenden Teil da- neben die Tendenz zur Ei-niedrigung , welche sich in relativ geringer Erhöhung, in Indifferenz, ja selbst in direkter Erniedri- — Ö3 — guiig zeigen kann," Dies ist der empmsche Ausdruck der beob- achteten Tatsache. Suchen wir uns diese durch eine Hypothese zu deuten, so könnte man sagen, daß während des aufsteigenden Teiles der Reiz welle eine Substanz entsteht, welche während des absteigenden Teiles infolge der mechanischen Leistung des Muskels verbraucht wird. Von dieser Substanz entsteht durch den Reiz um 80 mehr, je größer die Spannung des Muskels bei der Reizung ist. Um so mehr wird dann auch von dieser Substanz während der Arbeitsleistung, beim Heben der Gewichte im aufsteigenden Teil der Kontraktion verbraucht. Die Gegenwart dieser Substanz erzeugt die Potentialdifferenz zwischen erregter und ruhender Stelle des Muskels. Aus dieser Annahme würde es sich erklären, daß die Reizwelle um so schneller absinkt, je höher sie aufgestiegen ist, so daß die Wellenlängen nicht mit der Höhe zunehmen, sondern nahezu dieselben bleiben. Aber es kann sich der chemische Prozeß im Muskel bei der Kontraktion nicht allein auf denjenigen beschränken, der mit der Reizwelle verknüpft ist, sondern es muß nachweislich die Menge der ausgelösten chemischen Energie noch von einem anderen Umstände abhängig sein. Dies folgt aus dem Verhalten der isometrischen Zuckung gegenüber der isotonischen, worauf Fick zuerst hingewiesen hat. Bei der isometrischen Zuckung, bei welcher der Muskel im einfachsten Falle in seiner natürlichen Länge, also ohne Spannung in der Ruhe an seinen Enden fixiert ist, wächst die Spannung erst während der Zuckung, und man findet durch Messung der Temperatur desselben mit Hilfe von feinen Thermosäulen, daß in solchem Falle weit mehr Wärme in demselben erzeugt wird, als bei der freien isotonischen Zuckung des unbelasteten bzw. schwach belasteten Muskels ent- steht. Der chemische Umsatz muß also bei der isometrischen Zuckung in hohem Maße sich verstärken, und dies muß eine Folge der wachsenden Spannung sein , welcher der Muskel bei dieser Zuckung unterliegt. Nun wird aber, wie wir jetzt wissen, die chemische Energiemenge, welche der Reizwelle entspricht, schon im Stadium der Latenz, in welcher die Spannung noch nicht oder nicht merklich zunimmt, ausgelöst, und wenn dies der Fall ist, so wäre es daraus allein nicht zu erklären, woher der chemische Umsatz bei der isometrischen Zuckung so sehr viel größer ist als bei der isotonischen unter gleicher Anfangsspannung (Spannung des Muskels vor der Reizung). — 64 — Man hat nun daher, um dieser Frage näher zu treten, auch den Ablauf der negativen Schwankung bei isometrischer Zuckung mit dem bei isotonischer Zuckung verglichen. Schon in älteren Rheotomversuchen hatte Lamansky gesehen, daß das Maximum der negativen Schwankungskurve bei der isometrischen Zuckung sich von der bei der isotouischen Zuckung nicht unterscheidet, was sich darauf zurückführen läßt, daß beidemal der Vorgang bei 18 17 16 - Isot - N Isom^j Fig. 20. 15 - '/ \ \ 14 - '7 '< -'"VV 13 - / '^' W 12 1, \ 'N 11 1 VJ\^ 10 \ 1 V"^^ 9 V\\.^ 8 \^\/V 7 - 1 '^~~-v ^V ^^ 6 ■ j! ^V \N ^ Isot j 5 4 :l ^"^^^ Isotji 3 -J! Isoirij]- 2 I 1 . 1 1,1,1 , 1 1 1 , 1 . 1 , 1,1, 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 100 (r = Tausendstel Sekunden Verlauf der negativen Schwankung des Muskels bei isotonischer und isometrischer Zuckung (Tschermak). derselben Spannung des Muskels ausgelöst wird und sein Maximum noch im Stadium der Latenz erreicht. Nun mußte aber der ab- fallende Teil der Kurve, welcher mit der Zuckung zusammenfällt, genauer untersucht werden, und da ergab sich aus den ziemlich übereinstimmenden Vei'suchen von Schenck, Jensen und aus denen, welche Tschermak bei partieller Isotonie und Isometrie mit Hilfe des Kapillarelektrometers anstellte, daß bei der isometrischen Zuckung die Kurve schneller abfällt als bei der isotonischen. In Fig. 20 sind die berechneten Kurven der negativen Schwankung für ein Beisj^iel der Versuche Tschermaks wiedergegeben. — 65 — Es fragt sich nun, wie alle diese Resultate in ihrem Zu- sammenhange zu deuten seien. Man könnte versuchen, durch die obige Annahme, daß bei dem elektrischen Prozeß eine Sub- stanz entsteht, welche während der Kontraktion verbraucht wird, auch den Unterschied des chemischen Umsatzes bei Isotonie und Isometrie zu erklären. Das schnellere Absinken der Kurve in der Isometrie würde dann bedeuten, daß mehr von dieser Substanz verbraucht wurde. Indessen können wir uns mit einer solchen Deutung nicht begnügen, ohne auf die Tatsachen einzugehen, welche wir über den chemischen Prozeß bei der Muskeltätigkeit bereits kennen. Wir wissen, daß bei der Muskelarbeit Kohle- hydrate (Zucker, Glykogen) verbrannt werden und daß dabei mehr Sauerstoff im Muskel verbraucht wird als in der Ruhe. Man ist geneigt, die Entstehung von Arbeit und Wärme im Muskel bei der Tätigkeit wesentlich aus der Verbrennung von Kohlehydraten zu erklären. Man weiß ferner, daß im Muskel bei der Kontraktion mehr C Og entsteht als in der Ruhe und daß sich auch dabei eine gewisse Menge von Milchsäure bildet. Da Milchsäure aus Kohle- hydraten durch Spaltung z. B. bei der Milchsäuregärung in der Milch (CßHiaOg = 2C3H6O3) entstehen kann, so ist auch die Zucker Milchsaure Ansicht ausgesprochen worden, daß der chemische Prozeß bei der Kontraktion darin bestände, daß sich zuerst Milchsäure bilde und daß diese dann der Oxydation unterliege. Fick hat daher die An- sicht ausgesprochen, daß beim elektrischen Prozeß in der Latenz die Gegenwart der Milchsäure die Ursache der entstehenden Potentiale sei und daß diese daher bei der Kontraktion durch Oxydation der Milchsäure schnell abnähmen. Aus einer solchen Annahme würde sich wohl das elektrische Verhalten des Muskels bei Isotonie mit wachsender Belastung erklären lassen. Die Menge der entstehenden Milchsäure wächst mit der Anfangs- spannung, und mit der vermehrten Arbeit wächst auch die Schnelligkeit der Oxydation. Weniger gut läßt sich mit dieser Ansicht das Verhalten des Muskels bei Isometrie vereinigen. Es müßte hierbei z. B. beim unbelasteten Muskel dieselbe Milchsäure- menge entstehen wie bei Isotonie, d. h. die Maxima der ent- stehenden Potentiale müßten in beiden Fällen dieselben sein, und dann müßten die Potentiale bei Isometrie schneller auf Null absinken als bei Isotonie, was ja auch dei- Versuch bestätigt hat. Bernstein, Elektrobiologie. c — 66 — Aber die Folge müßte sein, daß der isometrisch zuckende Muskel am Ende einer längeren Reihe von Zuckungen weniger Milchsäure enthielte als der isotonisch zuckende. Dies stimmt aber nicht mit der anderweitigen Beobachtung überein, daß nach Heidenhain die Säui'ebildung im Muskel mit der Arbeitsleistung zunimmt. Eine etwas andere Vorstellung von diesem Vorgang ist von mir gegeben worden. Der Oxydationsprozeß in der lebenden Substanz kann nur dadurch zustande kommen , daß der mole- kulare Sauerstoff, welcher aufgenommen wird, in den aktiven atomaren Sauerstoff zerfällt, denn bei der Temperatur der Orga- nismen, auch der warmblütigen, kann der molekulare Sauerstoff die organischen Verbindungen , wie Eiweiß , Kohlehydrate und Fett, nicht oxydieren. Auf welche Weise die Aktivierung des Sauerstoffs geschieht, ob durch Einwirkung von oxydierenden Fermenten, sogenannten Oxydasen, oder auf andere Art, weiß man nicht und mag hier unerörtert bleiben. Bei der Tätigkeit der Organe, insbesondere der Muskeln, muß demnach infolge der Reizung auch eine größere Menge aktivierten Sauerstoffs entstehen, als in der Ruhe sich beständig bildet. Auch wenn man voraussetzt, daß infolge der Reizung zuerst Milchsäure entstehe, so wäre doch zur Oxydation derselben aktiver Sauerstoff erforderlich. Also muß auch durch die Einwirkung des Reizes die Bildung des aktiven Sauerstoffs beschleunigt werden. Es würde daher schon dieser Vorgang, die Aktivierung des Sauerstoffs in der lebenden Muskelsubstanz , genügen , um die Potential- änderungen zu deuten , wenn man sich zunächst vorstellt , daß lebende Substanz, welche mehr aktiven Sauerstoff enthält, gegen diejenige , welche weniger enthält , elektronegative Spannung zeigt. Wie dies zu erklären ist, soll bei der Theorie der bioelek- trischen Potentiale weiter behandelt werden. Die Höhe der Reiz- welle an einer abgeleiteten Muskelstelle wäre hiernach ein Maß für die Konzentration des aktiven Sauerstoffs in der Muskel- substanz. In der Latenz steigt diese Konzentration sehr schnell zum Maximum an und mit zunehmender Kontraktion, dem Wachsen der Arbeit oder Spannung, nimmt dieselbe dement- sprechend durch Verbrauch des Sauerstoffs ab. So ist es zu ver- stehen, daß die Reizwelle im aufsteigenden Teil der Kontraktions- welle am stärksten sinkt, daß sie aber auch mit dem. letzten Ende noch in den absteigenden Teil hineinreichen kann, da auch in — 67 — diesem noch Verbrennungsprozesse stattfinden. Ob bei dieser Oxy- dation zuerst eine Spaltung der Kohlehydrate in Milchsäure (oder andere Säuren, wie Fettsäure usw.) stattfindet, bevor die voll- ständige Oxydation zu CO2 und Wasser erfolgt, mag dahingestellt bleiben. So viel steht fest, daß die Muskelarbeit des Menschen und der höheren Tiere nicht durch Spaltung des organischen Brenn- materials der Muskeln allein geleistet werden kann, da mindestens Ya der gesamten im lebenden Körper umgesetzten Energiemenge der aufgenommenen Nahrung in mechanische Arbeit der Muskeln verwandelt werden kann und die Spaltungen der organischen Stoffe ohne Oxydation viel zu geringe Energiemengen liefern 1). Aus der gegebenen Hypothese folgt nicht nur, daß bei Isotonie mit zu- nehmender Belastung die Eeizwelle höher ansteigt und in der Kontraktion mit wachsender Arbeit schneller sinkt, sondern auch, daß bei Isometrie mit zunehmender Spannung die Reizwelle schneller absinkt als bei Isotonie. Was die Bildung der Säuren (Milchsäure usw.) anbetrifft, so findet dieselbe nach Ansicht von Hoppe-Seyler überhaupt nur bei Sauerstoffmangel im aus- geschnittenen Muskel, nicht aber bei genügender Sauerstoffzufuhr innerhalb des lebenden Körpers statt. Nur nach anhaltenden tetani- schen Kontraktionen oder langdauernden Reihen von Zuckungen ist die Säurebildung überhaupt erst chemisch nachweisbar. In solchem Falle ist aber immer ein Mangel an Sauerstoff ein- getreten, und dies mag auch im lebenden Körper, trotz be- schleunigter Atmung, bei sehr starker und ermüdender Muskel- arbeit mehr oder weniger der Fall sein , nachweislich auch bei Krämpfen, wie im Strychninkrampf. Wenn man hiernach daran festhalten wollte, daß schon in der Latenz eine Spaltung in Säuren stattfände, welche bei der Kontraktion verbrennen, so käme man zu der widersprechenden Folgerung, daß bei isotonischer Zuckung mehr Säure übrig bliebe als bei der isometrischen, da die gebildete Säuremenge schon in der Latenz im Maximum der Reizwelle gegeben wäre. Denkt man sich dagegen, daß in der Latenz das Maximum der Reiz- welle proportional der Konzentration des aktiven 0 sei, so würde daraus nur folgen, daß bei der isometrischen Zuckung mehr ') Siehe Bernstein, Zur Thermodynamik der Muskelkontraktion, Pflügers Arch. 122, 159 (1908). 5* — 68 — davon verbraucht würde, als bei der isotonischen. Dies würde zu keinem Widerspruch führen; denn der nach der Zuckung übrig gebliebene aktive 0 würde sich in molekularen O2 zurück- verwandeln können nach dem bekannten Schema: 2 0 ~^ O2 ^). Die übrig gebliebene fixe Säure dagegen könnte nicht etwa dazu dienen, wiederum Moleküle von Kohlehydraten oder gar kompliziertere Moleküle zu erzeugen, sondern würde durch Anhäufung die Reiz- barkeit herabsetzen. Wir wissen aber, daß eine Reihe iso- metrischer Zuckungen bei gleicher Anfangsspannung und gleichem Reize die Reizbarkeit weit mehr angreift, als eine Reihe isotonischer, während es nach der Säuretheorie umgekehrt sein müßte. Nach der 0- Theorie würde also nach der Reizung in beiden Arten von Zuckungen zwar dieselbe 0- Menge disponibel sein, aber bei der isometrischen würde mehr davon verbraucht und somit auch mehr Brennmaterial verbrannt werden, als bei der isotonischen. Ob hier- bei erst eine Spaltung in Säuren vorausgeht, oder ob die Bildung der Säuren nur bei 0-Mangel erfolgt, oder ob sie auch bei genügen- dem 0 -Vorrat als Nebenreaktion auftritt, mag dahingestellt sein. Nun sei noch erwähnt, daß man der Reizwelle auch noch eine andere Bedeutung zugeschrieben hat. L. Hermann hat die Ansicht ausgesprochen, daß der Aktionsstrom der Reizwelle an jeder Stelle des Muskels oder Nerven, bzw. ihrer Fasern, selbst wiederum als Reiz für die benachbarten Stellen diene, so daß die Fortpflanzung der Erregung in der Muskel- und Nervenfaser auf einer solchen elektrischen Selbstreizung beruhen würde, die in ähnlicher Weise erfolge, wie die Reizung bei sekundärer Zuckung (s. oben S. 14). Wenn nun auch die Möglichkeit einer solchen Wirkung zugegeben werden kann , so erscheint sie von vornherein nicht gerade durchaus notwendig, da die Fortleitung eines chemischen Prozesses, aus welchem der Erregungs- und Kontraktionsvorgang doch zweifellos besteht, auch ohne eine solche erfolgen kann, wie wir dies bei chemischen Prozessen in einer zusammenhängenden Masse, besonders bei Explosionspro- zessen, vielfach sehen. Doch wie dem auch sein möge, jedenfalls geht aus obigen Tatsachen hervor, daß der Reizwelle eine andere ^) Es könnte der Vorgang der 0 -Aktivierung noch auf andere Weise stattfinden, z. B. aus HO -Molekülen , welche sich von einem kompüziei-ten Molekül (Eiweiß oder Oxydase) abspalten nach der Gleichung 2 . H 0 -^ H^ 0 -\- 0. — 69 — wichtige Bedeutung für den gesamten Erregungs- und Kontrak- tionsprozeß zukommt, und daß sie als Zeichen eines chemischen Prozesses anzusehen ist, der dem chemischen Prozeß der Kon- traktion unbedingt vorausgehen muß. Auch den zeitlichen Ablauf der Reizwellen bei Dauerkontrak- tionen des Muskels durch Reize gewisser Frequenz oder ver- schiedener Qualität und schließlich auch bei willkürlichen Er- regungen kann man mit Hilfe der beschriebenen Methoden genauer untersuchen. Es ist bekannt, daß schnell aufeinanderfolgende Reize, z.B. Induktionsströme eines Induktoriums, eine kontinuier- liche Dauerkontraktion, Tetanus, hervorrufen, wenn sie mit der hinreichenden Schnelligkeit, beim Frosch etwa 10 bis 15 mal, beim Säugetier etwa 15 bis 20 mal in der Sekunde folgen. Diese Frequenz richtet sich wesentlich nach der Dauer der Einzel- zuckung durch Einzelreize. Je länger die Zuckung dauert, um so geringer ist die Frequenz, welche schon einen kontinuierlichen Tetanus hervorbringt. Wenn das Intervall zwischen den auf- einanderfolgenden Reizen etwa gleich der Verkürzungsdauer ist, so wird der Muskel zwischen je zwei Reizen nicht merklich er- schlaffen; die Kontraktionswellen summieren sich dann, und es wächst die Hubhöhe des Muskels im Tetanus zu einem höheren Maximum an, als die einfache Zuckung erreicht. Etwas anders verhalten sich dabei die Reizwellen. Dieselben verschmelzen nicht, selbst bei sehr frequenter Reizung, zu einem stationären Betrage, sondern bewahren eine diskontinuierliche Form. Dies hatte sich ja schon aus der Beobachtung des sekundären Tetanus ergeben und wurde auch mit Bilfe des Telephons ^), welches man mit dem Muskel verband, selbst bis zu mehreren hundert Schwan- kungen in der Sekunde festgestellt. Da aber die Dauer der Reiz- welle im Muskel eine gewisse Länge hat, so müssen auch bei frequenter Reizung Summationen derselben eintreten. Dies läßt sich schon aus älteren Rheotomversuchen mit sehr schneller Rota- tion schließen und hat sich auch in späteren Versuchen mit dem Kapillarelektrometer deutlich gezeigt. Bei schnell aufeinander- folgenden Reizen setzen sich die Elektrometerkurven der nega- tiven Schwankungen (einphasiger Aktionsströme) so aufeinander ^) Bernstein und Schönlein, Sitzungsber. d. Naturf. Gesell- schaft zu Halle, 8. Mai 1881. — 70 — auf, daß sehr bald ein höheres Maximum erreicht wird, auf dessen Höhe sich aber noch Wellen, entsprechend der Reizzahl, aufsetzen (Burdon-Sanderson ^). In Fig. 21 ist nach Versuchen von Tschermak^) eine Kapillarelektrometerkurve bei tetanischer Reizung des Nerven von dem Adduktor des Frosches abgebildet, Fig. 21. ^4Ö ^ — 1 1 1 \ \ Isotonischer Tetauus des M. adductor dea Frosches. Obere Kurve negative Schwankungen am Kapillarelektrometer, mittlere Kurve Kontraktion, untere Kurve Zeit in 0,1" (nach Tschermak). und zwar bei lokaler isotonischer Belastung und Ableitung der belasteten Stelle. Die obere Kurve gibt die Stromschwankungen (nach oben gerichtet) an, die zweite die Kontraktion (nach unten gerichtet), und die untere die Zeit in 0,1 Sek. Man erkennt, daß, bevor das Ende einer Reizwelle erreicht ist, schon die Fig. 22. Isometrischer Tetanus desselben Muskels, Kurven ebenso wie in Fig. 21. nächste einsetzt und daher zu einem höheren Betrage an- steigt. Im Vergleich hiermit sehen wir in Fig. 22 die Kurve bei isometrischem Tetanus von demselben Muskel. Auch hier tritt eine Summation ein, die aber ein deutlich geringeres Maxi- mum gibt, als der isotonische Tetanus. Es bestätigt sich hier- durch eine schon von du Bois-Reymond gemachte Beobachtung, daß der isometrische Tetanus eine geringere Gesamtschwankung ^) Tlie electrical response to Stimulation of muscle and its relation to the mechanical response. Journal of Physiology, Vol. XVIII, p. 117 (1895). ^) 1. c, S. 61, Anm. 2. — 71 — in negativer Richtung gibt, als die freie Zusammenziehung (iso- tonische). Die Erklärung hierfür folgt aus dem Vorhergehenden. Beim isometrischen Tetanus ist der Stoffumsatz, also auch der Sauerstoffverbraucli ein viel größerer, als beim Tetanus des un- belasteten (oder wenig belasteten), sich frei zusammenziehenden Muskels. Dies geht unmittelbar aus der viel stärkeren Wärme- entwickelung im ersteren Falle hervor, was schon von Heidenhain und Fick sowohl für Zuckung wie für Tetanus bewiesen worden ist. Der stärkere 0-Verbrauch beim isometrischen Tetanus bedingt daher ein schnelleres Absinken der Reizwellen als beim isotonischen und eine geringere Summation derselben. Dagegen muß sich im isometrischen Tetanus unstreitig mehr Säure bilden und anhäufen als im isotonischen, und wenn diese die Ursache der negativen Schwankung wäre, so müßte der Erfolg der umgekehrte sein. Wie der Ablauf der Reizwellen sich gestaltet, wenn bei künst- licher Reizung des Nerven oder Muskels die Frequenz der Reize immer mehr zunimmt, ist durch Beobachtung mit den neueren graphischen Instrumenten noch nicht festgestellt. Voraussichtlich werden diese einer höheren Frequenz der Reizung nicht mehr hinreichend folgen können. Wie weit Nerven und Muskeln selbst auf höhere Reizfrequenz noch reagieren, soll an dieser Stelle noch nicht erörtert werden. Auf anderem Wege kann man erfahren, wie sich der mecha- nische Zustand des kontrahierten Muskels bei verschiedener Reiz- frequenz gestaltet. Er ist hierbei niemals ein ganz kontinuierlicher, obgleich man mit graphischen Hilfsmitteln keine Schwankungen der Länge und Dicke wahrnehmen kann. Dagegen nimmt man mit dem Gehör an dem kontrahierten Muskel einen Ton (bzw. Geräusch) wahr, den Muakelton, dessen Schwingungszahl mit der Reizzahl in der Sekunde genau übereinstimmt, wie zuerst Helmholtz ge- zeigt hat. Es gelingt mit Hilfe eines elektrischen Unterbrechers (akustischer Stromunterbrecher von Bernstein), Töne bis gegen 1000 Schwingungen in dem Muskel zu erzeugen '). Auch unter diesen Bedingungen ist also der mechanische Zustand im Muskel ein diskontinuierlicher und regelmäßig periodischer. Da jeder Reiz einen chemischen Prozeß auslöst, der unmittelbar von mecha- nischen Wirkungen gefolgt ist, so hat man diese Vorgänge nicht ^) Pflügers Arch. 11, 191 (1875). 72 — ohne Berechtigung mit Explo- sionen verglichen, die perio- disch folgen und so einen Ton erzeugen. Wie sich nun diese akustisch wahrneh mbaren Schwingungen der Muskelsub- stanz zu den elektrischen Wellen verhalten, ist eine weitere Aufgabe der Unter- suchung. Wenn man, wie oben schon erwähnt, die elek- trischen Wellen mit einem Telephon wahrnimmt, und zu- gleich den Muskelton direkt mit dem Ohre hört, so stimmen die beiden Töne vollständig überein i). Wie aber die zeit- Uche Lage der Wellen zuein- ander sich gestaltet, läßt sich auf diese Weise nicht ent- scheiden. Die mechanischen und elek- trischen Veränderungen des Muskels bei der willkürlichen oder reflektorischen Kontrak- tion sind ebenfalls der Unter- suchung unterworfen worden. Helmholtz hatte an den Muskeln des Menschen bei will- kürlicher Kontraktion das Mus- kelgeräusch genauer unter- sucht und durch Auflegung mitschwingender Federn eine Periode von 16 bis 20 Stößen in der Sekunde gefuudeiij^die. ') Bernstein, Untersuchun- gen aus dem Phj'siologischen In- stitut zu Halle, Heft II, S. 183 (1890). — 73 — in unserem Ohre einen Oberton von etwa 32 bis 40 Schwingungen erregen. Hieraus folgte, daß die zentralen motorischen Elemente des Gehiins und Rückenmarks keine kontinuierliche, sondern eine intermittierende periodische Erregung unserer Nerven erzeugen. Es war daher zu erwarten, daß man auch periodische Aktionsströme bei willkürlicher Kontraktion erkennen würde. Das ist auch in der Tat der Fall in Versuchen, welche in neuerer Zeit von Pij2.er_ und Garten an den menschlichen JVorderarmmuskeln mit dem Saitengalvanometer angestellt sind. Doch stimmen die Beobach- tungen nicht ganz überein. Prper will etwa 50 Erregungen in einer Sekunde gefunden haben. In Fig. 23 sind die von Garten i) an den Flexoren des Unterarmes erhaltenen Kurven abgebildet. Man sieht, daß die Kurve eine höchst unregelmäßige ist, aus großen und kleinen Wellen zusammengesetzt. Die Ursache hierfür liegt wahrscheinlich darin, daß bei der willkürlichen Innervation die Impulse keineswegs isochron den Nervenfasern zugeleitet werden, und daher die Reizwellen in den Muskelfasern nicht iso- chron ablaufen. Deshalb werden mannigfache Summationen und Differenzen auftreten, abgesehen von dem Einfluß der schon oben bei künstlicher (isochroner) Reizung der Nerven erwähnten Aus- breitungen der Nerveneintrittsstellen. Es ist daher erklärlich, daß man scheinbar eine größere Zahl von Wellen vorfindet, als dem natürlichen Muskelton entspricht, denn bei letzterem kann die Ungleichzeitigkeit der Erregungen keine Änderung der Ton- höhe herbeiführen. Die Frage der Periode des willkürlichen Impulses kann also durch die elektrische Untersuchung nicht entschieden werden. Ähnlich m.uß es sich auch bei reflektorischen Kontraktionen verhalten, die man an Tieren, namentlich im Strychnintetanus, untersucht hat. Während der Muskelton im Strychnintetanus mit dem natürlichen Muskelton übereinstimmt, zeigen die Kurven des Kapillarelektrometers viele kleine unregel- mäßige Schwankungen, welche auf höhere langsamere Wellenauf- gesetzt sind (Buchana n). Dittler gibt an, daß bei der natür- lichen Innervation des Zwerchfelles beim Atmen am Kaninchen rhythmische Aktionsstromschwankungen erscheinen, welche eine Periode von 60 bis 70 in der Sekunde zeigen. Doch kann man auch hier denselben Einwand erheben. Selbstverständlich könnte ') Handbuch der vergleicheüdenPhysiologie(Winterst ein) 3, 119. — 74 — auch die Periode der zentralen Erregung mannigfachen Schwan- kungen unterliegen. Man hat schließlich auch bei direkter mechanischer Reizung des Muskels und bei Reizung der Nerven durch Schließung eines konstanten Stromes (Schließungstetanus) periodische Erregungen am Muskel beobachtet und diese als Folge eines eigenen Rhythmus des Muskels gedeutet (Garten u. andere). Viertes Kapitel. Fortsetzung und elektrische Vorgänge in anderen Organen. Auch am Nerven hat man mit den graphischen Instru- menten die Reizwellen aufzeichnen können. Gotch und Burch i) Fig. 24 a. Einphasiger Aktiousstrom von 4 nebeneinander gelegten Nerven des Frosches (Längs- qiierschnittableitung), 180C nach Garten (Handb. der vergl. Physiol. III, S. 137). haben mit dem Kapillarelektrometer den einphasigen und zwei- phasigen Aktionsstrom photographiert. Auch mit dem Saiten- galvanometer sind Kurven dieser Ströme erhalten worden, die ') Proe. of the Eoy. See. 63, 310 (1898). — 75 Fig. 24 b. aber bis jetzt nocb nicht genauer analysiert werden konnten. In Fig. 24a ist nach Garten der einphasige Aktionsstrom des Froschnerven bei 18°C und in Fig. 24c der bei 32<'C abgebildet. Die punktierte Kurve gibt uns eine ungefähre Berechnung des wirklichen Verlaufes, aus welcher folgt, daß die Zeit des Auf- stiegs der Welle nicht größer als 0,55 ö ist. Nimmt man für den absteigenden Teil derselben (abgesehen von dem langsam ablaufenden Ende) etwa dieselbe Zeit an , so erhält man für die Dauer der Reizwelle etwas über 1 ö. Dieser Wert ist nicht viel größer als der, welcher in den von mir zuerst mit dem Rheotom (siehe oben) angestellten Ver- suchen gefunden wor- den ist (etwa 0,8 ö im Maximum). In Fig. 24 b ist der zweiphasige Aktions- strom dargestellt mit der zugehörigen korrigierten Kurve. Hier war die Anstiegszeit der ersten Phase größer, etwa 1,2 6. Daß, wie es den An- schein in diesem Falle hatte, die Reizwelle bei der Fortpflanzung niedriger und länger wird, ist für den normalen Zustand nicht wahrscheinlich. Genauere Versuche über diesen Gegenstand sind noch zu erwarten. Dauer und Geschwindigkeit der Reizwelle hängt entschieden von der Temperatur ab, was schon aus den Helm- hol tz sehen Versuchen über den Einfluß der Temperatur auf die Geschwindigkeit der Nerveuerregung zu folgern ist. Kälte ver- mindert diese Geschwindigkeit beträchtlich; sie muß daher auch die Dauer der Reizwelle verlängern. Rheotomversuche von L. Hermann hatten dies bestätigt; neuere Messungen hierüber fehlen noch. Auch am Warmblüternerv sind einige Versuche mit dem Saitengalvauometer angestellt worden. In Fig. 25 ist der einphasige Aktionsstrom (negative Schwankung des Länga- querschnittstromes) des ausgeschnittenen Nerv, ischiadic. des Hundes bei 36" nach einem Versuch von Garten abgebildet. Doppelphasiger Aktionsstrom von i Nerven des Frosches. Ableituugsstrecke 22 mm. — 76 — Fig. 24c, Die Anstiegszeit der berechneten Welle beträgt etwa 0,7 ö; die ganze Dauer (abgesehen vom Endteil) schätze ich zu etwa 3ö. Für einen gleichen Versuch am Nerv, ischiad. des Kaninchens gibt Garten für die Anstiegszeit 0,5 (J an, für die Gesamtdauer (mit dem sehr allmählich abfallenden Endteil) 7 ö. An den Nerven des Murmeltieres hat Crem er bei einer Temperatur von 10" C eine viel längere Dauer der Welle gefunden (zu etwa 12 6, aber nicht analysiert), was sich durch die niedere Temperatur hin- reichend erklärt. Es wäre wünschenswert, diese Versuche an Nerven zu wiederholen, welche mit ihren zen- tralen Enden noch mit dem lebenden Körper in Verbindung stehen und daher sich in nahezu normalem Ernährungs- zustande befinden wür- den. Vermutlich würde die Reizwelle im leben- den Körper von kürzerer Dauer sein. Was die absolute Größe der negativen Schwankung des Nerven anbetrifft, so hatten die von mir angestellten Rheotomversuche bereits im Gegensatze zum Muskel ergeben, daß die maximale Kraft viel größer werden kann, als die des Längsquerschnittstromes. Genauere Messungen dieser Art sind mit dem Saitengalvanometer noch nicht angestellt worden. Nach einem Versuch (Fig. 25) von Garten ist das Maximum der Welle über 3 Millidaniell , während für die Kraft des Längsquerschnittstromes beim Warmblüter nur 2 bis 3 Milli- daniell angegeben wurden. Genauere Versuche dieser Art fehlen noch. Vor allem muß hierbei zu gleicher Zeit an denselben Nerven die Kraft des Längsquerschnittstromes mit der der negativen Schwankung verglichen werden. Auf die Bedeutung dieses Verhältnisses für die Theorie kommen wir weiter unten zurück. Einphasiger Aktionsstrom von 4 Froschnerven, 32" C. — 77 Nicht in allen Nerven der Wirbeltiere und wirbellosen Tiere, wie in verschiedenen Muskeln derselben ist der zeitliche Ablauf und die Dauer der Reizwellen gleich. Vielmehr sehen wir, daß dieselben in gewissen Nerven auch höherer Tiere sehr viel lang- samer verlaufen, wie in den Nervenstämmen der Extremitäten oder anderer Körperteile, in denen vornehmlich die motorischen Fasern der Skelettmuskeln und sensible Fasern der Haut ver- treten sind. Über die Reizleitung in reinen Sinnesnerven wußte man bisher nichts. Aus den elektrischen Unter- ^^S- 25- Buchungen am Riech- nerven der Fische (Hecht) haben wir erfahren, daß in ihm die Reizleitung eine sehr langsame ist. Die Fasern dieses Nerven besitzen keine Markhülle, im Gegensatz zu den meisten Gehirn- und Rückenmarksnerven. Sie sind auf einer niederen Entwickelungsstufe des Nervensj'stems stehen geblieben und dies scheint sich auch in einem viel langsameren Ablauf der Erregungsprozesse zu dokumentieren. Bei der embryonalen Entwickelung der Nerven- fasern, die aus den Nervenzellen hervorwachsen, sind dieselben zuerst marklos, später erst entwickelt sich die Markscheide, die den Achsenzylinder umhüllt. Man fand am Riechnerven des Hechtes eine Geschwindigkeit von 16 bis 24 cm bei 20'^ C und eine Dauer der Reizwelle von 0,4 Sekunden, mit einer Anstiegszeit von mehreren hundertstel Sekunden (Nicolai, Garten). Ganz ähnlich verhalten sich die marklosen Nerven niederer wirbelloser Tiere, so die Nerven von Muscheln (Anodonta, Flußmuschel) mit einer Geschwindigkeit von nur 10 bis 22 mm (Garten), während die Nerven von Cephalo- poden (Octopus), Tiere, die sich lebhafter bewegen, eine geringere Dauer der Reizwelle von 8 bis 20 ö zeigen (Fuchs, Boruttau). Einphasiger Aktionsstrom von 2 Xerv. ischiadici des Hundes, 36" C. — 78 — Auch an höheren Tieren gibt es marklose Nerven mit träger, langdauernder und langsam fortschreitender Reizwelle. Dies zeigen z. B. die Versuche von Garten an den Milznerven des Pferdes. Der Anstieg dauert etwa ^/is", der Abstieg noch länger, die Leitungsgeschwindigkeit war etwa 46 cm bei 32 bis Se** C. Aber im ganzen ist die Natur des Prozesses in allen Nerven dieselbe, prinzipielle Unterschiede sind nicht hervorgetreten. Von Einfluß auf die Dauer der Reizwelle ist dagegen die Art der Reizung. Bisher war immer als Reiz der fast momentan wirkende Induktionsschlag i) vorausgesetzt; die Dauer der Reizwelle ist von der Dauer dieser Schläge nicht abhängig. Eine länger dauernde Reizwelle beobachtet man dagegen bei der Schließung eines konstanten Stromes im Nerven. Dies konnte schon mit Hilfe des Rheotomversuches fest- gestellt werden (Bernstein 2). Leitet man an der Kathodenseite des zugeleiteten Stromes vom Nerven einen Längsquerscbnittstrom ab, so findet man beim Schließen des Stromes eine starke, negative Schwankungswelle, kathodische Schließungswelle, vor. Dieselbe entspricht deutlich der starken Reizung, welche beim Schließen eines Stromes im Nerven (auch im Muskel) an der Kathode ein- tritt und sich an der starken Schließungszuckung eines an der Kathodenseite mit dem Nerven verbundenen Muskels zu erkennen gibt (s. unten Zuckungsgesetz). Diese negative Schwankungs- welle kombiniert sich aber mit einem langsameren , ansteigenden Polarisationsstrom (katelektro tonischer Strom s. unten), der sich mit abnehmender Stärke in der extrapolaren Strecke auf Seite der Kathode ausbreitet. An der Anode des erregenden polari- sierenden Stromes entsteht beim Schließen keine Reizwelle , ent- sprechend dem Gesetz der polaren Erregung (s. unten). Dagegen tritt bei der Öffnung des konstanten Stromes an der Anode eine Reizwelle auf, nicht aber an der Kathode, in guter Übereinstim- mung mit dem Gesetz der polaren Erregung. Leitet man an der Anodenseite des Nerven einen Längsquerscbnittstrom ab, so be- merkt man beim Schließen des mittelstarken , erregenden , kon- ^) Auch diese sind bei gewöhnlichen Induktorien keineswegs als absolut momentan anzusehen. Die Schließungsinduktionsschläge dauern mehrere tausendstel Sekunden, die Öffnungssohläge sind erheblich kürzer. ^) Über das Entstehen und Verschwinden der elektrotonischen Ströme im Nerven und die damit verbundenen Erregungsschwankungen des Nervenstromes, du Bois' Archiv 1886, S. 197 — 250. — 79 — stanten Stromes eine Reizwelle, welche an der Kathode entstanden und sich bis zur abgeleiteten Stelle über die Anode des konstanten Stromes fortgepflanzt hat, entsprechend der Schließungszuckung des mittelstarken aufsteigenden Stromes. Es entsteht aber auch zugleich der an der Anode sich ausbreitende anelektrotonische Strom im Nerven (s. unten 7. Kap.), welcher in positiver Richtung fließt. Ist der polarisierende Strom ein starker, so hemmt die Anode desselben die Fortleitung der Reizwelle, die negative Schwankung fällt aus, und es bleibt nur die nun stärkere positive Ablenkung durch den anelektrotonischen Strom übrig. Bei der Öffnung des Stromes Fig. 26. Schließungs- und Öffnungswelle am Kaninchennerven bei Keizung mit konstantem Strom. 5 Schließung, 0 Öffnung des Stromes (Absz. 1 Skalenteil = la; Ord. 1 Skalenteil = 374 Mikrovolt). (Nach Einthaven, Verh. d. Ges. d. Naturf. 1911, S. 92.) ist an der Anodenseite des Nerven eine Reizwelle nachweisbar, wenn die abgeleitete Strecke in größerer Entfernung von der polarisierten liegt (damit der anelektrotonische Strom nicht zu stark ist). An der Kathodenseite des Nerven ist die Reizwello, welche beim Öffnen des Sti'omes an der Anode entsteht, auch nachweis- bar, solange der Strom mittelstark ist, während sie bei starkem Strom sich nicht über die Kathode fortpflanzen kann (entsprechend dem Zuckungsgesetz: Ruhe des Muskels bei Öffnung des starken, absteigenden Stromes im Nerven). Systematische Versuche über diesen Gegenstand sind bisher mit dem Saitengalvanometer noch nicht angestellt. Einige Kurven sind bei Schließung und Öffnung eines konstanten Stromes er- halten worden, so von Einthoven in obenstehender Fig. 26. Der Nerv vom Kaninchen war an der Anodenseite des konstanten Stromes abgeleitet, in 30mm Entfernung von der Anode. Der — 80 — Strom (obgleich 10 Volt) ist in diesem Falle als mittelstark bis stark anzusehen , denn die Schließungswelle ist kleiner als die Offnungswelle. Die wahre Gestalt und Dauer der Reizwellen ist nicht berechnet. Die untere Kurve gibt au den Punkten S und 0 die Momente der Schließung und Öffnung des konstanten Stromes an. Für die Offnungswelle, von der Anode ausgehend, wird sich eine Geschwindigkeit von etwa 30 m berechnen lassen. Die Schließungswelle, von der Kathode ausgehend (Reizstrecke nur 1 mm), scheint an der Anode eine beträchtliche Verzögerung zu erleiden, entsprechend der schon von v. Bezold nachgewiesenen Fig. 27. t i ii ;:;:;;:;::::^f;:;:.:::^j:::;;: i( m > m 1 Bi ::: :; M ; M lllll ittirl 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 H 1 1 1 1 1 1 1 1 1 Uli 1 m TtTt m HIB 1 i n (::::: :>l:i; i! ^'1 V Reizwellen (Aktionsströme) vom peripheren Stumpfe des Nerv, vaguä des Hundes. p Atemkurve, Erhebung Einatmung, Senkung Ausatmung, c Pulskurve der Arteria carotis (Absz. 1 Skalenteil = 0,2"; Ord. 1 Skalenteil = 2,7 Mikrovolt). (Nach Einthoven, ebenda, S. 93.) Verlangsamung der Reizleitung durch den Anelektrotonus. Ein schwacher anelektrotonischer Strom macht sich an der abgeleiteten Strecke durch schwache Senkung der Kurve zwischen den beiden Reizwellen bemerkbar. Von besonderem Interesse sind auch Beobachtungen über natürliche Reizwellen des Nerven im lebenden Körper. Eint- hoven hat am peripheren Stumpf des Nerv, vagus bei Tieren Wellen beobachtet, wie sie in Fig. 27 wiedergegeben sind. Dieser Nerv versorgt mit einer Anzahl von Ästen Lunge und Herz. Die Lungenäste werden durch die Ausdehnungen der Lunge bei der Atmung rhythmisch gereizt. Bei jeder Aufblasung der Lunge sieht man daher an einem Galvanometer eine negative Schwan- kung des Längsquerschnittstromes an dem vom durchschnittenen Nerven abgeleiteten peripheren Stumpfe eintreten (Lewandowski). — 81 — Einthoven hat diese Schwankungen mit dem Saitengalvanometer aufgezeichnet. Man sieht, daß bei jeder Einatmung des Tieres, welche durch Hebung der Kurve p angegeben wird, eine Hebung der Galvanometerkurve eintritt, welche eine negative Schwankung bedeutet. Außerdem sieht mau, daß die größeren Atmungswellen dieser Kurve noch eine Zahl kleinerer Wellen tragen, welche mit den Schwankungen der Pulskurve der Arteria carotis am Halse isochron sind. Einthoven erklärt sie aus der Reizung eines sensibelu Herznervens , des Nervus depressor, im Stamme des Nervus vagus, welcher nach Untersuchungen von Tschermak und Köster bei jedem Pulsschlag an seinen peripheren Enden durch Dehnung der Aorta am Herzen gereizt wird. Beim Kaninchen kann man beide Nervenäste trennen und erhält dann entweder nur die Atem- oder die Pulsschwankungen. Weitere Beobachtungen über natürliche Reizwellen der Nerven sind bisher noch nicht ausgeführt. Doch ergeben sich hier mannigfache Aufgaben der Untersuchung. Ein gutes Objekt hierzu würde der wichtigste Atemnerv, der Zwerchfellnerv sein, dessen rhythmische Erregungen sich am zentralen Stumpf deut- lich zeigen würden. Hierbei wird aber der Umstand zu beachten sein, daß eine streng isochrone Erregung aller Fasern des Nerven keineswegs zu erwarten ist, da die Aktion der Nervenzellen im Zentrum erst innerhalb eines gewissen Zeitraumes abläuft. Die Reizwellen werden daher nicht in allen Fasern koinzidieren , und ihre Zahl wird größer erscheinen , als sie in Wirklichkeit ist. Diese Bemerkung bezieht sich auch auf alle motorischen Nerven, wenn sie willkürlich oder reflektorisch in Aktion gesetzt werden, wie schon oben bei den willkürlichen Muskelkontraktionen er-j wähnt ist ^). Auch auf die Zentralorgane des Nervensystems läßt sich die elektrische Untersuchungsmethode ausdehnen. Namentlich sind von Gotch^) und Horsley mit dem Kapillarelektrometer ') Dittler fand am Zwerchfellmuskel bei der Atmung perio- dische Aktionsströme von 60 bis 70 in der Sekunde. Dieselben blieben aber auch während der Apnoe (Aufhören der Atembewegungen bei künstlicher Atmung) bestehen. "^) On the mamalian nervous System , its functions and their localisation , determinated by an electrical method. Philosoph. Trans- action 1891. Bernstein, Elektrobiologie. (• — 82 — Versuche hierüber an warmblütigen Tieren angestellt worden. Alle Nervenfaserstränge im Rückenmark und Gehirn geben einen Längsquerschnittstrom bei Verletzung, an welchem sich bei Reizungen negative Schwankungen zeigen. Es läßt sich nach dieser Methode der Verlauf der Nervenbahnen in den Zentren verfolgen. Neuere Untersuchungen in dieser Richtung mit dem Saitengalvanometer fehlen noch. Ein wichtiges Objekt im Gebiete des Nerven- und Muskel- systems bietet für difese Untersuchungsmethode das Herz. Das Herz ist bekanntlich ein Hohlmuskel von kompliziertem Bau, der zur Erhaltung der Blutzirkulation dient. Er kann nicht will- kürlich beeinflußt werden , sondern pulsiert rhythmisch infolge automatischer Erregung. Die Muskelfasern des Herzens unter- scheiden sich in ihrem Bau und ihrer Funktion wesentlich von denea der Skelettmuskeln. Sie ziehen sich viel langsamer zu- sammen als diese und bestehen aus kleinen , länglichen , mit ihren Ausläufern untereinander verbundenen Zellen mit quer- gestreiftem, kontraktilem Inhalt. Eine Pulsation des Herzmuskels ist als eine Kontraktions- welle anzusehen , die über den Muskel in bestimmter Richtung fortschreitet. Sie beginnt unter natürlichen Verhältnissen an der Einmündungssteile der Venen in die Vorkammern, wo das Blut aus dem Körper in die rechte Vorkammer und aas den Lungen in die linke Vorkammer einströmt. Von hier aus pflanzt sie sich auf die Vorkammern fort, und von dort geht sie nach einem be- stimmten Rhythmus auf die Kammern über. Man kann an der abgeschnittenen, stillstehenden Kammer des Froschherzens leicht mit dem Galvanometer einen Strom vom Querschnitt und der Oberfläche (Längsschnitt) ableiten und bei jeder Reizung (z, B. durch Nadelstich) eine die Pulsation be- gleitende negative Schwankung wahrnehmen. Entsprechend der langsameren Kontraktion nimmt auch die negative Schwankung einen längereu Zeitraum in Anspruch als bei dem Skelettmuskel. Versuche mit Hilfe des Rheotoms (R. Marchand 1878) haben ge- zeigt, daß auch im Herzmuskel die Stromschwankung früher ab- läuft als die Pulsation, innerhalb einiger zehntel Sekunden. Das Verhältnis der elektrischen und mechanischen Vorgänge ist also ein ganz ähnliches wie in dem Skelettmuskel, die Pulsation er- hebt sich erst während des abfallenden Teiles der negativen Schwankung zu ihrem Maximum und dauert beim Froschherzen oft 1 bis 2 Sekunden. An dem ausgeschnittenen unverletzten, spontan pulsierenden Froschherzen kann man mit gewöhnlichen Galvano- metern, wegen ihrer Trägheit, keine regelmäßigen Ausschläge wahrnehmen, wenn man von Vorkammern und Kammern ableitet. Dagegen konnte man mit Hilfe des Kapillarelektrometers den Ab- lauf der den Reizwellen entsprechenden Aktionsströme beobachten (Marey, Gotch und Burch, AValler). Im allgemeinen bestätigt sich der am Skelettmuskel festgestellte Satz, daß alle in Erregung befindlichen Teile der Muskulatur eines Organs sich elektro- negativ gegen die ruhenden Teile derselben verhalten. Bei der normalen Pulsation in dem Rhythmus, Vorkammer — Kammer, ent- steht daher zuerst ein Strom in der Richtung, Vorkammer — > Kammer , und dann ein Strom , Kammer — > Vorkammer. Doch ist die Kurve der Herzströme, wie namentlich neuere Versuche mit dem Saiten galvanometer gezeigt haben, durch den verwickelten Bau der Herzmuskulatur in mannigfacher Weise kompliziert. Waller konnte bereits mit dem Kapillarelektrometer auch die Aktionsströme des menschlichen Herzens durch Ableitung auf der Körperoberfläche nachweisen. Mit dem empfindlichen Saiten- galvanometer hat Einthoven diese Ströme genauer photographisch aufgenommen, wovon Fig. 28 ein Beispiel zeigt. Die Kurve EPQ EST ist das sogenannte Elektrokardiogramm einer Pulsation, die obere Kiu've CR zeigt die gleichartig aufgenommene Puls- kurve der Halsschlagader (Art. carotis), die nur wenig später als die Kammerpulsation erscheint. Es folgt hieraus, daß die Reiz- wellen des Herzens den Pulsationen um etwa 0,2 Sekunden vor- ausgehen. Die erste Erhebung P ist auf die Pulsation der Vor- kammer zu beziehen, QBS auf den Anfang und T auf das Ende der Kammerpulsationen. Die Deutung dieser einzelnen Strom- schwankungen ist eine sehr schwierige. Man hat dabei von dem Satze auszugehen, daß jede erregte Partie sich elektronegativ gegen unerregte Teile verhält. Aber bei der Reizleitung durch die Faserbündel der Vorkammern und Kammern kommt es zu einer mannigfachen Interferenz der Ströme, da die Reizwelle einer erregten Partie keineswegs ganz abgelaufen ist, wenn in den be- nachbarten und aufeinanderfolgenden Partien die Reizwellen be- ginnen. Aus dem verwickelten Bau der Herzmuskulatur beim Menschen und höheren Tieren hat man versucht, das Elektro- 6* — 84 — kardiogramm zu entziffern (Nicolai). Weitere genauere Unter- suchungen an bloßgelegten Herzen von Tieren und Ableitung einzelner Faserbündel werden vielleicht bessere Aufklärung in dieser Richtung schaffen. Inzwischen hat man rein empirisch die ver- schiedenen Formen des Elektrokardiogramms unter physiologischen und pathologischen Bedingungen aufgenommen und so eine elektrodiagnostische Methode zui- Untersuchung der Herz- krankheiten gewonnen. Abweichungen vom normalen Elektro- kardiogramm werden sich naturgemäß ergeben müssen, wenn die Reizleitung in den Faserbündeln des Herzens eine gestörte, irgend- Fig. 28. C Pulskurve der Arteria carotis, E Elektrokardiogramm des Menschen. (Nach Einthoven, Verh. d. Ges. d. Naturf. 1911, S. 99.) wie zeitlich oder örtlich veränderte ist, was durch organische Er- krankungen der Herzmuskulatur, wie der Klappen des Herzens bedingt sein kann. Ein Eingehen auf dieses spezielle Thema kann hier nicht Platz finden. Noch langsamer als an den Fasern des Herzmuskels verlaufen alle Erregungsprozesse an den glatten Muskelfasern, welche sich in inneren Organen, in der Muskulatur des Darmkanals, der Blutgefäße, in den Harn- und Geschlechtsorganen usw. vorfinden. Ihre Zusammenziehung ist langsam und träge, und oft sieht man auch langdauernde, sogenannte tonische Zusammenziehungen auf- treten. Sie bewirken auf diese Weise die peristaltischen Be- wegungen des Magens und Darms, des Harnleiters usw. , wie die tonischen Zusammenziehungen der Blutgefäße und den Tonus der — 85 — Schließmuskeln der Blase und des Mastdarms usw. Die spindel- förmigen Muskelzellen sind iu Schichten neben- und hinterein- ander so angeordnet, daß sie in den röhrenförmigen Organen (Darm, Gefäße) ringförmig und zum Teil longitudiual gelagert sind. Wahrscheinlich sind sie durch Fortsätze miteinander ver- bunden, wodurch sich die Erregung überträgt, doch enthalten sie meist viel Nex-venzellen und Nervengeflechte, wodurch sich ihre Reaktion mannigfach kompliziert. Ein gutes Objekt der Untersuchung bietet der mittlere Teil des Fi-Qschmagens , der im wesentlichen aus ringförmigen Fasern zusammengesetzt ist. Der Längsquerschnittstrom desselben ist viel schwächer als der des Skelettmuskels, beträgt etwa zwischen 0,004 bis 0,01 D., und nimmt schnell an Stärke ab (Engelmann); das er- klärt sich aus dem Absterben der kurzen Faserzellen am Querschnitt, Eine genauere Untersuchung der negativen Schwankung und der Aktionsströme solcher glatten Muskelfasern ist bis jetzt noch nicht ausgeführt worden. Es ist anzunehmen, daß die elektrischen Prozesse in ihnen auch viel langsamer ablaufen als bei den Skelettmuskeln, aber auch den Zusammenziehungen vorausgehen werden. Dagegen hat man in neuerer Zeit mit dem Saitengal- vanometer bei tonischen Zusammenziehungen solcher Muskeln (M. retractor penis des Hundes) rhythmische elektrische Wellen festgestellt (v. Brücke), von denen in 10" etwa zwei ablaufen. Am Harnleiter des Kaninchens sind bei mechanischer Reizung langsam ablaufende zweiphasische Ströme von einigen Sekunden Dauer gezeichnet worden. Der Verlauf ist etwa 1000 mal lang- samer als am Skelettmuskel. Bei niederen wirbellosen Tieren kommen glatte Muskelfasern der verschiedensten Formen vor, an denen man auch Ströme be- obachtet hat. Die Schließmuskeln der Muschelschalen bieten hierzu ein gutes Objekt. An diesen ließ sich ein Längsquerschnitt- strom nachweisen (Bernstein). An Muskeln eines Ringelwurmes (Sipunculus) konnte auch bei Nervenerregung negative Schwan- kung nachgewiesen werden (Fuchs). Da die Muskeln wirbel- loser Tiere auch Übergänge zu quergestreiften zeigen , so werden sich hier vermutlich mannigfache Verschiedenheiten in dem elek- trischen und mechanischen Verhalten darbieten. Auch an der Netzhaut des Auges hat man Ströme und Schwankungsströme bei Belichtung desselben beobachtet (Holm- — 86 7 gren, McKeudrik). Die Netzhaut besteht aus drei Neuronen i). Das erste außen gelegene beginnt mit den lichtempfindlichen Stäbchen und ZajDfen und reicht bis zur äußeren Körnerzelleuschicht mit ihren Fasern, das mittlere besteht aus der inneren Körnerzellen- schicht und ihren Fortsätzen , und das dritte innen gelegene aus den Ganglienzellen der Netzhaut, ihren Fortsätzen und den Fasern des Sehnerven. Wenn ein Ruhestrom vorhanden ist, so geht er immer von der Stäbchen - und Zapfenschicht zur Sehnervenfaser- schicht, und da beim Wirbeltierauge erstere außen und letztere innen liegt, von außen nach innen, am ganzen Auge von hinten nach vorn. Fig. 29. Photoelektrische Reaktion eines isolierten Froachauges. Bei l wird das Auge etwa 0,3" lang beleuchtet. A, B, C Reaktion der 3 Substanzen (Absz. 1 Skalenteil = 0,5" ; Ord. 1 Skalenteil = 10 Mikrovolt). (Nach Einthoven.) Am höher entwickelten Auge gewisser wirbelloser Tiere (Tinten- fische), dessen Schichten umgekehrt liegen, geht auch der Strom umgekehrt. Ältere Beobachter (du Bois-Reymond,Holmgren, Kühne und Steiner) haben mit dem Galvanometer Schwankungen bei Belichtung auftreten sehen. In neuerer Zeit haben Garten und V. Brücke 2) und Einthoven 3) Versuche darüber mit dem ') Das ganze Nervensystem ist aus „Neuronen" zusammengesetzt. Ein Neuron besteht aus einer Nervenzelle mit allen ihren Fortsätzen, von denen einer oder mehrere zu längeren Nervenfasern ausvvachsen. Diese Fasern enden nait einem „Endbäumchen", durch welches sie sich mit Zellen verschiedener Organe (Muskeln, Drüsen usav.) oder anderen Nervenzellen in den Zentren des Nervensystems verbinden. ■') Handb. d. vergl. Physiol., Bd. III, 2, S. 163 u. ff. ■') Verhandl. d. Gesellsch. deutsch. Naturf. 1911, S. 84 u. ff. — 87 — Saiten galvanometer angestellt. Die Richtung von der Stäbchen- und Zapfenschicht nach der Nervenfaserschicht soll die positive heißen. Es erfolgt bei Belichtung zuerst eine kleine, sehr kurze negative, dann eine stärkere, längere positive Schwankung, die zwei Maxima zeigt, wie Fig. 29 nach Einthoven angibt, dann aber bald ab- sinkt. Bei der Verdunkelung tritt ebenfalls eine positive Schwan-^ kung auf. Der Ruhestrom ist wohl daraus zu erklären, daß die Netzhaut von der Stäbchen- und Zapfenschicht aus abstirbt und daß demnach diese als Querschnitt gegen die Längsschnitte der Nerven- fasern wirkt. Die Lichtreaktion will Einthoven aus einer Reak- tion dreier Substanzen erklären, die ungleichzeitig agieren. Es ist vielleicht richtiger, dieselbe auf die drei Neurone der Netzhaut zu beziehen, die nacheinander in Aktion geraten, und deren Phasen miteinander mannigfach interferieren könnten. Es sind zur Erklärung dieser Vorgänge noch weitere Untersuchungen über diesen Gegenstand erforderlich, und es läge zunächst die ein- fachere Aufgabe vor, die negative Schwankung des Sehnerven bei Belichtung des Auges zu verzeichnen i). Fünftes Kapitel. Die Membrantheorie. Es ist klar, daß man die bioelektrisclien Ketten nach den- selben Prinzipien untersuchen mußte, nach denen man die physi- kalischen Ketten erforscht hatte. Bis dahin glaubte man wohl, daß es sich in den lebenden Organen um eine Entstehung elek- trischer Energie besonderer Art handle, die in der toten Natur nicht vorkomme. Vor allem fehlen in den Organen alle Leiter erster Klasse, die Metalle, die gegen Flüssigkeiten hohe Kontakt- ^) Einen ähnlichen Versuch hat schon du Bois-Reymond, aber infolge der Unempfindlichkeit seines Multiplikators mit keinem deut- lichen Erfolge , am Sehnerven und Auge der Schildkröte angestellt (Untersuch., Bd. II, 2, S. 522). — 88 — Potentiale erzeugen und zur Umsetzung chemischer Energie in elektrische dienen. Man konnte daher nur an sogenannte Flüssig- keitsketten denken. Aber es glückte lange Zeit nicht, solche her- zustellen, welche ähnliche Wirkungen gaben. Nachdem die oben be- richteten Untersuchungen von v. Helmholtz und Gibbs angestellt waren, nachdem die lonentheorie von Arrhenius, Ostwald und Nernst ausgebildet war, war ein neuer Weg der Forschung auf diesem Gebiete geebnet. Den ersten Anstoß in dieser Richtung gaben Versuche von Ostwald ^) an semipei-meablen Membranen. Der Botaniker Pfeffer hatte gezeigt, daß die von M. Traube zuerst hergestellte Niederschlagsmembran aus Ferrocyankupfer, welche bei Berührung von CUSO4- und FeCy6K4-Lösung entsteht, nicht für alle Moleküle gleich durchlässig ist. Dieselbe läßt z. B. Moleküle des Rohrzuckers nicht durch, wie es auch bei der Plasmamembran der lebenden Pflanzenzellen der Fall ist. Sie zeigt sich undurchgängig gegen die Moleküle des CuSO^ und des FeCjeK^. Ostwald fand nun, daß diese Undurchlässigkeit für die Moleküle der Elektrolyte in vielen Fällen darauf beruht, daß das eine oder andere Ion derselben von der Membran nicht durchgelassen wird. Er stellte folgenden Versuch an: Ein D-Rohr wird mit Fe Cy6K4- Lösung gefüllt, unten beiderseits mit Perga- mentpapier verschlossen und in zwei mit CuS04-Lö8ung gefüllte Gläser gestellt, in welche Cu - Elektroden eintauchen. Auf der Scheidewand bildet sich nun eine Niederschlagsmembran aus Ferrocyankupfer. Die Kombination ist an sich stromlos, da sie ganz symmetrisch gebaut ist. Leitet man aber einen Strom hin- durch, so bemerkt man, daß er stark sinkt und daß nach Öffnung desselben ein entgegengesetzter Polarisationsstrom auftritt. Der Sitz dieser Polarisationen kann nur an den Niederschlagsmem- branen sich befinden. Die Erklärung hierfür ist nach Ostwald folgende: FeCjeK, ! FeCje K, SO^Cu — + SO4CU Cu., (SO,)^ In dem beifolgenden Schema bedeuten die senkrechten Striche die Scheidewände, innerhalb deren die Lösung von FeCy^K^ sich ') Elektrische Eigenschaften halbdurcMässiger Scheidewände. Zeitschr. f. physik. Chem. 6, 71 (1890). — 89 — befindet. Geht der Strom in der Eiclitung des Pfeiles, so wandern die Cu-Ionen von links nach rechts, werden aber an der Scheide- wand nicht durchgelassen; ebenso bleiben die Fe Cyß-Ionen an der anderen Seite der Scheidewand stecken. Sie polarisieren daher diese Scheidewand gerade so, wie die an einer Metallplatte ab- gelagerten Ionen eines Elektrolyten in entgegengesetzter Richtung. Dagegen treten die K4-Ionen durch die rechte Scheidewand hindurch und verbinden sich dort mit den dahin geführten S04-Ionen, die an sich auch nicht durchgelassen werden. Nach älteren Versuchen von Traube werden nämlich CIK-Moleküle durch diese Membran durchgelassen, nicht aber Kg S 04-Moleküle. Dies kann nur daher rühren, daß die S04-Ionen nicht durchtreten können. Ostwald betrachtete daher die halbdurchlässigen Scheide- wände solcher Art gewissermaßen als lonensiebe. Er schloß daraus weiter, daß solche halbdurchlässigen Scheidewände der Sitz von Potentialdifferenzen werden müssen, wenn ein Elektrolyt dvirch Osmose hin durchgetrieben und eines der beiden Ionen darin zurückgehalten wird. Wenn z. B. auf der einen Seite einer Ferrocyankupfermembran sich Fe CyßK^- Lösung befindet, auf der anderen Seite Wasser, so werden die K4- Ionen hindurch zu diffundieren streben, während die Fe Cyg -Ionen zurückgehalten werden. Dadurch muß eine elektrostatische Kraft entstehen, die so weit anwächst, bis sie dem osmotischen Drucke das Gleich- gewicht hält. Hierdurch müssen größere Potentialdifferenzen entstehen als in gewöhnlichen Flüssigkeitszellen, in denen die Bewegung der Ionen nicht gehemmt wird. Os^twald sprach daher in dieser Arbeit die Vermutung aus, „daß nicht nur die Ströme in Muskeln und Nerven, sondern auch nament- lich die rätselhaften Wirkungen der elektrischen Fische durch die hier erörterten Eigenschaften der halbdurch- lässigen Membranen ihre Erklärung finden werden". Diese Anregung ist über ein Jahrzehnt lang unbeachtet geblieben, bis im Jahre 1901 und 1902 zwei Arbeiten erschienen, in denen der Ostwaldsche Gedanke einer osmotischen Ursache der tierisch - elektrischen Ströme aufgenommen wurde. Oker- Blom^) setzte nach dem Beispiel von Nernst Flüssigkeitsketten ^) Tierische Säfte und Gewebe in physikaliscli - chemischer Be- ziehung. II. Mitteilung. Die elektromotorischen Erscheinungen am ruhenden Froschmuskel. Pflügers Archiv 84, 191 (1901). 90 zusammen, in denen ein Elektrolyt nach beiden Seiten mit un- gleichen lonengeschwindigkeiten diffundiert, z. B. : 0,1 KCl I H^O I 0,1 HCl 1 l.OManuit | 0,1 KCl. Diese Kombination gibt einen Strom in der Richtung des Pfeiles, weil die lonengeschwindigkeiten der HCl im Wasser größer sind, als in der Mannitlösung. Oker-Blom nahm daher an, daß sich am Querschnitt des Muskels ein Elektrolyt bildet, Fig. 30. wie es die Hermannsche Alterationstheorie voraus- setzt, und daß dieser mit verschiedenen lonenge- schwindigkeiten in die an- grenzende Flüssigkeit und in die Muskelsubstauz dif- fundiert. Indessen verur- sachen Nichtleiter, wie Man- nit und andere (Glycerin, Zuckerarten), nach Arrhe- nius bis zu lOProz., nur geringe Änderungen der lonenbeweglichkeiten. Ähn- lich wirkte auch Gelatine- zusatz. Gleichzeitig unternahm ich 1) die Untersuchung des Muskelstromes nach thermodynamischen Gesichtspunkten, wie sie oben Kapitel 2 auseinandergesetzt sind. Es mußte zunächst entschieden wer- den, zu welcher Art von Ketten die bioelektrischen gehören, und das konnte nur dadurch geschehen, daß man ihren Tempe- raturkoeffizienten bestimmte und das Verhältnis der elektro- motorischen Kraft zur Temperatur genau feststellte. Schon von L. Hermann war beobachtet worden, daß diese Kraft mit der Temperatur steigt, aber es bedurfte nun einer genaueren Beobach- tung dieses Verhältnisses. Wenn wir es im Muskel mit einer Versuch über den Einfluß der Temperatur auf die Kraft des Muskelstromes. ') J. Bernstein, Untersuchungen zur Thermodynamik der bioelek- trischen Ströme, I. Pflügers Archiv 92, 521 (1902.) — 91 — Konzentrationskette zu tun haben, so müßte sich nach der Theorie nicht nur ein positiver Temperaturkoeffizient ergeben, sondern es müßte sich dann herausstellen, daß die elektromotorischen Kräfte den absoluten Temperaturen annähernd proportional wachsen, vorausgesetzt, daß mit wechselnder Temperatur keine wesentliche Änderung in der Zusammensetzung dieser Kette eintritt. Zur Untersuchung diente die in Fig. 30 abgebildete Einrichtung. In dem Glasgefäße G Cr lag der Muskel unter Öl den mit 0,6 proz. ClNa- Lösung getränkten Elektrodenstäben EE aus gebranntem Ton mit Längs- und Querschnitt an; ein Thermometer T gab die Temperatur an, welche durch ein Wasserbad variiert wurde. Die Versuche ergaben, daß zwischen den Temperaturen 0 bis 32*^C die elektromotorischen Kräfte den absoluten;; Temperaturen annähernd proportional sind, und zwar mit' einer Genauigkeit, wie sie bei dem leicht veränderlichen Zustande eines lebenden Organes nicht besser erwartet werden kann. Zwi- schen den Grenzen 0 und 20*^ C fallen die berechneten Werte etwas niedriger aus als die beobachteten; zwischen den Grenzen 18 bis 32** C ist das Umgekehrte der Fall, wie folgende Tabellen zeigen: T^ T, In Kompensatorg raden Abweichung Proz. Nr. E, beobachtet E, berechnet 1 . 276,7 290,5 459,65 498,1 482,57 + 3,22 2 281,25 290,93 285,27 311,2 295,04 -h 5,14 3 280,37 292,61 449,60 483,98 469,24 -f- 3,14 4a 278,8 292,8 441,57 482,40 463,74 -\- 4,2 4b 276,00 292,92 406,75 435,85 431,71 + 0,94 5 292,49 303,37 502,17 514,29 520,84 — 1,27 6 292,04 304,01 450,45 467,66 468,96 — 0,28 Hierin bedeuten T^ und Tg die absoluten Temperaturen, zwischen denen möglichst schnell gewechselt wurde; Ei und E2 die beobachteten Kräfte in Kompensatorgradeu und E2 her. die nach der Proportion Ty-. T^, = E^: E^ berechnete Kraft. Noch bessere Übereinstimmung mit dieser Proportion wurde erzielt, wenn nicht zwischen zwei differenten Temperaturen ge- wechselt wurde, sondern eine allmähliche Erwärmung und Ab- kühlung stattfand, und wenn zugleich die mit der Zeit auch bei — 92 — konstanter Temperatiir abnehmende Kraft in Rechnung gezogen wurde, wie z.B. folgender Versuch zeigt: Nr. T E beobachtet E berechnet 1 289,5 655,54 — 2 3 4 287,5 285,5 283,5 647,30 640,50 631,87 649,30 641,11 Der Berechnung wurden die Nummern 5 6 279,5 279,5 623,70 615,07 625,54 617,89 1, 4, 7 zugrunde gelegt. 7 277,3 608,00 — Bedenkt man, daß außer mit der Zeit auch durch die Ein- wirkung der abnorm hohen oder niederen Temperatur noch eine nicht kontrollierbare Änderung in der Konstitution des Muskels eintreten kann, so wird man die Übereinstimmung der beobachteten und berechneten Werte für ausreichend halten, um zu beweisen, daß der Muskelstrom ein Konzentrationsstrom ist. Dazu kommt aber noch, daß auch die lonenbeweglichkeiten nicht ganz unab- hängig von der Temperatur sind, und daß sogar in einer phy.si- kalischen Konzentrationskette sich Abweichungen von der Formel durch verschiedene Temperaturkoeffizienten der lonenbeweglich- keiten ergeben müssen. Die hiernach von mir aufgestellte Membrantheorie i) der bioelektrischen Ströme beruht auf folgender Grundlage : Nachdem von Pfeffer gezeigt war, daß die Plasmamembranen der Pflanzenzellen als semipermeable anzusehen sind und sich diese Eigenschaft auch an den tierischen Zellen, wie Blutzellen, Muskelzellen usw., bestätigt hatte, wurde es sehr wahrscheinlich, daß sie sich nicht nur den Molekülen der gelösten Körper, sondern auch den Ionen der Elektrolyten gegenüber als semipermeabel verhalten und auf diese Weise Potentialdifferenzen erzeugen. Der 0 st w aidschen Vermutung konnte daher in der Membrantheorie eine greifbare Gestalt gegeben werden, indem man die unter der äußeren Hülle der Muskelfasern (Sarkolemma) und den Nervenfasern (Neurolemma) liegende Plasmaschicht als eine solche Membran ') 1. c, S. 542. — 93 — ansieht, wobei dahingestellt bleiben kann, ob auch jeder Fibrille der Faser eine solche Schicht zukommt. Dasselbe Bild paßt auch für die Konstitution aller Zellen im allgemeinen. Im Inneren der Plasmaschichten befinden sich Flüssigkeiten, in denen Elektro- lyte und Nichtelektrolyte gelöst sind. Verletzt man an einer Stelle die Zellwand, legt man an Muskel- oder Nervenfaser einen Querschnitt an, so nimmt man an dieser Stelle die semipermeable Plasmamembran fort und die gelösten Substanzen können hier frei nach außen diffundieren. Fig. 31 gibt ein schematisches Bild Fig. 31. m ci -02 C2 Schema einer Faser mit Plasmamembran, rechts verletzt. dieses Verhaltens. Die schraffierte Hülle stellt die semipermeable Membran der Faser vor, an dem künstlichen Querschnittende ist sie fortgenommen. Befindet sich im Inneren der Faser ein Elek- trolyt von der stärkeren Konzentration c^ und außen in der um- gebenden Flüssigkeit von der schwächeren Konzentration Cg, so Fio;. 32 a. , ++ + + ++++ + + + + + + + + ++ + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + Unverletzte Faser mit elektrischer Doppelschicht, stromlos. entstehen zwei Potentiale, ein Membranpotential an der Oberfläche der Membran und ein einfaches freies Diffusionspotential an dem Querschnitt, die einander entgegengesetzt gerichtet sind, von denen aber das erstere viel stärker ist als das letztere. Denkt man sich nämlich, daß, ähnlich wie bei der Ferrocyankupfer- membran gegenüber dem (FeCyfi)!^^, das positive Ion von der Plasmamembran durchgelassen und das negative Ion zurück- gehalten wird, so entsteht an der Oberfläche der Faser eine Polarisation, wie sie Fig. 32 a darstellt, indem die positiven Ionen nach außen zu wandern streben, aber von den negativen Ionen im Inneren festgehalten werden. Solange die Faser unverletzt ist, besteht bei gleichartiger Beschaffenheit überall dasselbe — 94 — Potential, d. h. der unverletzte Muskel ist unter dieser Bedingung stromlos, und auch seine Sehnenenden besitzen dasselbe Potential. Wird ein Querschnitt angelegt (Fig. 32b), so entsteht in der äußeren umgebenden Flüssigkeit jeder Faser, die in der Figur durch die äußeren Konturen angedeutet ist, ein Strom in der Richtung der Pfeile, von dem ein Zweigstrom nach außen ab- geleitet werden kann. Geht man von der einfachsten Annahme aus, daß es sich nur um einen Elektrolyten handelt, welcher in der Muskelfaser in größerer Konzentration enthalten ist als in der Außenflüssigkeit, so liegt es nahe, z. B. an die Kaliumsalze des Muskels zu denken. Fig. 32 b. Verletzte Faser mit elektrischer Doppelschicht, Längsquerschnittstrom. Man weiß seit langer Zeit, daß der Muskel reich an Kaliumsalzen ist, während in der Blutflüssigkeit und in den aus ihr stammenden Gewebsflüssigkeiten nur sehr geringe Mengen von Kaliumsalzen vorkommen. Die semipermeable Membran der Muskelfasern ist also für die im Inneren befindlichen Kaliumsalze schwer durchlässig und verhindert auf diese Weise den Diffusionsaustausch dieser Salze gegen die Außenflüssigkeit und das Blut, was für die Funktion des Muskels zweifellos von gewisser Bedeutung ist ^). Folgt man nun der Ostwaldschen Anschauung, daß die semipermeablen Mem- branen sich wie lonensiebe verhalten, so kann dies daran liegen, daß zwar die Kaliumionen dieser Salze durch die Membran hindurch- gehen können, daß dagegen ihre Anionen zurückgehalten werden. Nun ist der größte Teil des Kaliums in der Muskelsubstanz an Phosphorsäure gebunden, so daß die Möglichkeit vorliegt, daß das Kaliumphosphat K2HPO4 dasjenige Elektrolyt ist, dessen positive Ionen (K2H)"^++ und negative Ionen (PO4) das Membran- ') Ganz ähnlich verhalten sich auch die roten Blutkörperchen der meisten Tiere, welche kaliumreicher sind als das Blutserum. — 95 — Potential erzeugen. Wendet man zur Berechnung des Membran- potentials unter solchen Annahmen die Nernstschen Formeln an, so muß man von dem Ausdruck (4) (S. 35) ausgehen: 7t = K.T -7- — 7 log nat — • Hierin sind n' und v die Beweglichkeiten der Ionen in der Membran. Für — können wir auch das Verhältnis der mole- ' ^^ c kularen Konzentrationen — setzen. Nehmen wir nun an, daß die Ca Beweglichkeit des Anions v' in der Membi-an gleich Null ist, so erhalten wir für das Membranpotential den Ausdruck: 7t„, = K.T.lognat^ (9) Dieses Membranpotential können wir aber nicht direkt be- obachten, sondern nur die Kraft des Längsquerschnittstromes messen. Es zieht sich also vom Membranpotential das Diffusions- potential am Querschnitt ab und setzt man dieses ebenfalls nach Formel (4) : u — V C-, Tia = K.T — , — log nat —, so erhält man für die elektromotorische Kraft des Muskelstromes: oder E = K.T—^loqnat- (9a)i) « + f ■ Ca Die Membrantheorie setzt die Präexistenz eines Potentials an der Oberfläche der Fasern voraus und erklärt dies durch das *) Man kann nun auch von der Annahme ausgehen, daß das wirksame Elektrolyt sich in der Außenflüssigkeit befindet, und daß die Membran für das Kation (positive Ion) desselben nahezu undurchgängig sei, Avährend sie das Anion (negative Ion) durchließe. Ein solcher Elektrolyt könnte ein Natriumsalz, z.B. das ClNa, sein, da man weiß, daß Natriumsalze im Muskel in viel geringerer Konzentration enthalten sind, als im Blute. Eine solche Annahme ist von Galeotti gemacht worden. Mau würde natürlich zu denselben Formeln gelangen. Ferner kann man annehmen, daß es sich um einen Elektrolyten (l) im Inneren und einen zweiten (2) außen handle (Cremer), und dann hätte man auf — 96 — Vorhandensein von Elektrolyten zu beiden Seiten der Membran. Sie ist daher, im Gegensatze zu der Her mann sehen Alterations- theorie, als eine Präexistenztheorie anzusehen. Nach der Alte- rationstheorie müßte man nach unseren jetzigen Kenntnissen über die Flüssigkeitsketten die Entstehung eines Elektrolyten am künst- lichen Querschnitt annehmen, wie es auch von Oker-Blom (s. oben) geschehen ist. Nach der Alterationstheorie würde der Potential- sprung sich am Querschnitte befinden, nach der Membrau- theorie dagegen befindet sich der stärkere Potential- sprung (JC„i) a™ Längsschnitt 1). Daß das letztere wirklich der Fall ist, läßt sich nun durch das Experiment erweisen. Wenn man einem unverletzten Muskel (Fig. 33 a) in der einen Hälfte die Temperatur T-y, in der anderen die Temperatiu- Ig erteilt, so entsteht eine Potentialdifferenz zwischen diesen beiden Teilen des Muskels, bei welcher der wärmere Teil positiv gegen den kälteren wird. Ist T^^ T-i, so entsteht ein Thermostrom im Sinne der Pfeile. Dieser Strom läßt sich nur durch das Vorhandensein eines Membranpotentials erklären , das proportional der absoluten Temperatur steigt. Die Konzentrationen Cj und Cg in Formel (9) kann man als konstant ansehen, so daß mau :nr,„j = const Ty und Grund der Berechnungen nach Planck bei gleicher Konzentration der- selben die Formel : ' _l_ ' 71 = K.Tlog nat ^"fJ^ für das Membranpotential zu setzen. Sind v\ und u'^ beliebig klein, so kann die Kraft beliebig groiS werden. Schließlich hat man die Membran nicht nach Ostwald als Sieb, sondern als zweites mit Wasser nicht (oder wenig) mischbares Lösungsmittel angesehen und die Theorie der Phasengrenzkräfte (s. oben S. 37) darauf angewendet (Haber und Klemenziewicz). Indessen läßt sich durch eine solche Annahme der Membrantheorie eine brauchbare, mit den Tatsachen übereinstimmende Gestalt bisher nicht geben (s. Höber, Physikalische Chemie der Zelle und der Gewebe. 3. Aufl., 1911, S. 482 u. 483). \Yir werden daher im weiteren von der bisher gemachten Annahme zu- nächst ausgehen. ') Man hat geglaubt, diese Streitfrage durch Schnittversuche am Muskel mit Hilfe eines Eheotoms (Hermann) oder des Kapillarelektro- meters (Garten) entscheiden zu können. Versuche von Bernstein und Tscher mak durch Schnitt mit einem leitenden Knochenzahn haben aber gezeigt, daß diese Methode nicht beweisend ist, und daß der Strom schon mindestens 1 g nach Anlegung des Querschnittes maximal vorhanden ist. 97 — ;r^2 = c<^^''^^ ^2 setzen kann, und erhält für den Thermostrom des Muskels: Et == const (Tg — 2\). In der Tat sind diese Ströme den Temperaturdifferenzen nahezu proportional. Wenn man ferner Fig. ■^S a. T2 i Tx + + + •+- + + + + A+g + + + + + + + + + : : : : : :^T)+b +++++++++++++++++++ Thermostrom der unverletzten Muskelfaser. den Längsquerschnittstrom eines Muskels mißt und der Längs- schnitthälfte und Querschnitthälfte verschiedene Temperaturen gibt, wie Fig. 33b angibt, so ist die Kraft des Stromes nur von der Temperatur der Längsschnitthälfte abhängig, nicht aber von der der Querschnitthälfte. Erwärmung der Längsschnitthälfte B steigert, Abkühlung vermindert die Kraft proportional der abso- luten Temperatur. Erwärmung und Abkühlung der Querschnitt- hälften hat dagegen nahezu gar keine Einwirkung auf die Kraft. Fig. 33b. Ti + + + + + + + ■^C + + + + + + + ^ < < + + + + + + + + + + + + + + + + ^+B Tliermoatrom der verletzten Muskelfaser. Daraus folgt unmittelbar, daß der wesentliche Potential- sprung der Stromkraft nicht am Querschnitt liegt, wie es die Alterationstheorie annahm, sondern am Längs- schnitt, wie es die Membrantheorie fordert 1). ') Die Tatsache, daß wärmere Stellen des Muskels positiv gegen kältere sind, ist zuerst von L. Hermann gefunden worden, ebenso auch daß Temperaturänderungen des Querschnittes keinen Einfluß haben. Von Bernstein [Pflügers Archiv 131, 589 (1910)] ist gezeigt worden, daß diese Thermoströme dem Gesetz der absoluten Temperatur folgen und sich aus der Membrantheorie erklären. Bernstein, Elektrobiologie. 7 — 98 — Das Diffusionspotential TCfj am Querschnitt ist also ver- schwindend klein gegenüber dem Membranpotential ;r„j am Längs- schnitt, was sich daraus erklärt, daß die Beweglichkeiten u und v nicht sehr verschieden voneinander sind. Man kann daher für Berechnungen der elektromotorischen Kraft dieselbe praktisch dem Membranpotential /> jr„i = K.Tlog nat — C2 gleichsetzen, oder für 18° C und gewöhnliche Logarithmen : 7i„, = 0,0575 log'^^ (10) Ca Es fragt sich, ob für irgend ein Elektrolyt des Muskels dieses Verhältnis der Konzentrationen — innerhalb und außerhalb C2 der Faser genügt, um die Kraft des Muskelstromes zu ergeben. Man hat dies von verschiedenen Seiten bezweifelt, weil die Kon- zentrationen, die in den Geweben vorkommen, nicht sehr groß sind. Indessen kommt es nicht auf die absoluten Werte, sondern auf das Verhältnis der Konzentrationen an. Wählt man das schon oben erwähnte K2HPO4 als Beispiel eines solchen Elektro- lyten, nimmt nach Lehmann im Muskelfleisch 5,2 Prom. K2O an und rechnet alles K im Muskel nahezu auf dieses Salz, nimmt dagegen in der Außenflüssigkeit wie im Blutserum etwa 0,26 Prom. K2O (Abderhalden), ebenfalls auf dasselbe Salz gerechnet, an, so erhält man für 7t„^ einen Wert von nicht weniger als 68 Milli- volt, der der Kraft des Muskelstromes vollständig genügt (wenn man bedenkt, daß ein größerer Teil des K im Serum an Gl ge- bunden ist als im Muskel). Nach Betrachtungen von Höber*) könnte man nun den wirk- samen Elektrolyten finden , wenn man den Muskel in die Lösung eines solchen brächte und dadurch die Konzentration desselben in der Außenflüssigkeit erhöhte. Dann müßte die Stromkraft abnehmen bzw. sich sogar umkehren. In der Tat werden Muskeln, welche mit einer 1,35 proz. Lösung von KgHPO^ behandelt sind, stromlos und zeigen sogar einen umgekehrten Strom von aller- dings nur 1 bis 2 Millivolt (Overton). Das letztere erklärt sich ') Pflügers Archiv lOG, 607 (1905). — 99 — aber leicht daraus, daß sie bei Zunahme der Konzentration der Kaliumlösungeu bald gänzlich absterben, wobei die Membran für alle Ionen vollständig permeabel wird. Durch Auswaschen in physiologischer ClNa- Lösung erholt sich der Muskel und zeigt wieder starken regulären Strom. Der Versuch ist hiernach zwar kein direkter Beweis für die gemachte Voraussetzung, aber spricht doch in gewissem Grade dafür. Auch wenn man in der Außenflüssigkeit als wirksamen Elektrolyten das ClNa annimmt, gelangt man zu Werten der Kraft von ähnlicher Größenordnung. Da die Muskelfaser nur geringe Mengen von Na-Salzen enthält, so kann dies sehr wohl darauf beruhen, daß ihre Plasmamembranen für Na-Ionen schwer durch- gängig sind. Nehmen wir für den NaCl-Gelialt der Außenflüssig- keit Ci den des Blutsei-ums zu 0,42 Proz. an und für die Muskel- faser ^2 den des Rindfleisches (nach Lehman n) zu 0,04 bis 0,09 Proz. (was sicherlich viel zu hoch ist), so erhält man bei Anwendung der Formel E = 0,0575 -"t^ log -^ den Wert von 31 bis 47 Millivolt {u = 43,5 und v = 65,5). Schließlich könnte man beide Elektrolyte, K2HPO4 innen und ClNa außen, als wirksam ansehen, was durch Addition sehr viel höhere Werte ergeben würde ^). Diese Berechnungen sind selbstverständlich kein direkter Beweis, daß die genannten Elektrolyte die wirksamen sind, doch zeigen sie die Möglichkeit eines solchen Verhaltens. Indessen wird man noch an manche andere Möglichkeiten denken müssen, z. B. an Alkaliverbindungen der Eiweiße im Protoplasma der Zellen, welche man als Elektrolyte ansehen kann, von denen das leichter be- wegliche Kation ausgesendet wird, während das schwer bewegliche Anion nicht durch die Plasmamembran hindui'chtritt. Endlich ') Bei Annahme zweier Elektrolyte , die durch die Membran getrennt sind, könnte man die Formel TT = KT.loanat''^^^ th + ^2 an%venden, welche Cremer für ausreichend hält (Handbuch d. Ph3-sio- logie von Nagel, 1909, S. 875). Sie gilt aber nur , wenn die Konzen- tration beider Elektrolyte gleich und für jeden Elektrolyten auf der anderen Seite Null ist. 7* — 100 — möge auch nur hypothetisch daran zu denken sein, daß der von außen durch die Plasmamembran beständig eindringende Sauer- stoff O2 hierbei in seine Ionen 0~ und 0+ zerfällt, von denen vielleicht 0~ eine größere Beweglichkeit besitzt als 0+. Infolge der lebhaften Oxydation in den lebenden Zellen muß das Kon- zentrationsgefälle des Sauerstoffs von außen nach innen ein sehr bedeutendes sein. Obgleich nach den älteren Versuchen von du Büis-Reymond der Muskelstrom im luftleeren Raum be- stehen bleibt, so ist es doch fraglich, inwieweit derselbe vom äußeren Sauerstoffdruck abhängig ist. Neuere Versuche hierüber fehlen noch. Von Höh er ist die Einwirkung verschiedener Salzlösungen auf die Muskelströme nach der Membrantheorie erklärt worden. Biedermann hatte gefunden, daß, wenn man eine Strecke eines unversehrten Fz-oschmuskels in eine Kaliumsalzlösung taucht, diese gegen die übrigen Stellen negativ wird, d. h. es entsteht ein Strom wie von Längs- und Querschnitt. Wenn die Einwirkung nicht zu lange gedauert hat, kann der Strom durch Auswaschen des Muskels in einer physiologischen Gl Na -Lösung wieder verschwinden. Höber hat eine größere Reihe von Alkalisalzen dai-aufhin untersucht und hat beobachtet, daß einige in dem- selben Sinne wirken wie die Kaliumsalze, daß es aber auch andere gibt, welche in umgekehrtem Sinne wirken, so daß die eingetauchte Stelle positiv gegen die anderen Stellen wird. Es ist dies wesentlich von dem Kation abhängig, aber auch die Anionen haben einen Einfluß darauf. Man kann diese Salze nach einer be- stimmten Reihe ihrer Kationen und Anionen in folgender Tabelle Anionen K Rb NH, Cs Na Li Ba Sr Ca Mg Tartrat . . — — SO, ... . — — — — ± HPO4 . . . — CH3COO . — — Gl — — + + + + + + ± Br — + + + J — + -f 4- + + + NO3 . . . . — + + -h + + SCN. . . . + + + + + -f + -i- — 101 — ordnen, in welcher ein Minuszeichen bedeutet, daß die eingetauchte Stelle negativ , ein Pluszeichen , daß sie positiv wird , und ein Plus-Minuszeichen, daß sie neutral bleibt. Die Zahl der Zeichen entspricht der Stromkraft. Die Konzentration dieser Lösungen war immer äquimolekular und dem Muskel isotonisch. Hob er 1) erklärt diese verschiedenartigen Wirkungen der Salze auf den Muskel daraus, daß diejenigen, welche die be- handelten Stellen negativ ( — ) machen, die Plasmamembran lockern, d. h. permeabler machen, daß aber diejenigen, welche jene Stellen positiv (-|-) machen, die Plasmamembran verdichten, d. h. impermeabler machen, während alle diejenigen, welche keine Einwirkung (+) haben, die Plasmamembran nicht verändei-u. Overton hatte gefunden, daß Muskeln in einer 7 proz. Rohrzucker- lösung, welche sich zum Muskel isotonisch verhält, ihre Erreg- barkeit bald verlieren, daß sie aber in gewissen Salzlösungen, wie Cl Na und anderen, wiederkehrt, in anderen, wie Kaliumsalzen, da- gegen nicht. Höh er bemerkt nun, daß die Reihe dieser Salze, nach Kat- und Anionen geordnet, mit der obigen Tabelle gut übeieinstimmt. „Alle Salze, welche einen regulären Ruhestrom erzeugen, welche also die berührte Muskelpartie negativ machen, heben die Erregbarkeit rasch auf, während alle Salze, welche den stromlosen Zustand des unverletzten Muskels konservieren oder einen konträren Ruhestrom erzeugen, dem in Rohrzuckerlösung unerregbar gewordenen Muskel die Erregbarkeit für längere Zeit wiedergeben können." Die Tatsache, daß es Salzlösungen gibt, welche die Kraft des Muskelstromes erhöhen und zugleich die Erregbarkeit steigern, ist eine gute Stütze für die Membrantheorie, denn sie kann wohl durch nichts anderes als durch eine Veränderung der Membran erklärt werden, welche das Membranpotential erhöht. Betrachtet man die Tabelle (S. 100), so zeichnet sich unter den Kationen dieser Salze besonders das Mg, Na und Li, unter den Anionen besonders das SCN aus. Es kommt sowohl auf die Kat- wie auf die Anionen der Salze hierbei an. Aber auch unter der Einwirkung dieser Salze befindet sich der Muskel nicht in einem normalen Zustand, denn bei längerer Einwirkung stirbt er darin schneller ab als in einer ClNa-Lösung. *) Physikal. Chemie der Zellen und Gewebe, 3. Aufl., S. 412. — 102 — Es muß bei dieser Gelegenheit die von 0 verton aufgestellte Lipoidtheorie der Zellmembranen erwähnt werden, nach welcher das Plasma der lebenden Zellen von einer Lipoidschicht eingehüllt sein soll, welche aus fettartigen Substanzen, wie Cholesterin, Lecithin usw., bestehen. Dies ist von 0 verton besonders daraus geschlossen worden, daß lipoidlösliche Körper, wie einwertige Alkohole, Aldehyde und Äther, rasch in die Zellen eindringen, während andere, welche Fette nicht lösen, wie der dreiwertige Alkohol, Glycerin, ferner Zuckerarten usw., obwohl sie in Wasser gut löslich sind, nur sehr langsam oder gar nicht eindringen. Die Lipoidtheorie und die elektrische Membrantheorie haben sich beide fast zu gleicher Zeit auf Grund verschiedener Untersuchungen unabhängig voneinander entwickelt. Es kann aber nicht daran gedacht werden, die elektrische Membran mit einer Lipoidmembran zu identifizieren , vielmehr muß erstere wesentlich aus Bestand- teilen des lebenden Plasmas zusammengesetzt sein. Da auch aus anderen Gründen Einwände gegen die ursprüngliche 0 verton sehe Lipoidtheorie erhoben worden sind und von vielen angenommen wird, daß die Plasmahüllen nicht nur aus Lipoiden, sondern auch aus Proteinen bestehen, so ist es wohl denkbar, dieselbe so zu modifizieren, daß sie sich mit der elektrischen Membrantheorie vereinigt, und daß sich aus ihr die osmotischen und elektrischen Erscheinungen an den Zellen gemeinsam erklären. Doch kann hier auf diesen Gegenstand i) nicht näher eingegangen werden. Ebenso wie auf den Muskel läßt sich die Membrantheorie auch auf die Nerven anwenden. Die Kraft des Nervenstromes steigt ebenfalls mit der Temperatur und in den Grenzen von 9 bis 18*^0, wenn man das Absterben mit der Zeit berücksichtigt, nahezu proportional der absoluten Temperatur, wie Tabelle B zeigt. Dagegen ist bei höherer Temperatur bis 32° 0 die Ab- weichung von diesem Verhältnis eine größere als beim Muskel, und zwar bleibt die Kraft hinter der berechneten erheblich zurück, 80 daß meist bei 15 bis 18" C ein Maximum der Kraft auftritt. Es läßt sich aber sehr wahrscheinlich machen, daß diese Ab- weichung bei höherer Temperatur hauptsächlich auf eine Zunahme der Permeabilität der Membran mit steigender Temperatur ') Siehe hierüber Höher, Physikal. Chemie der Zellen und Gewebe, 3. Aufl., S. 192 u. 488. — 103 — zurückzuführen ist. Wenn man unter dieser Annahme eine Be- rechnung i) ausführt, so kann man aus drei durch Messung er- haltenen Werten für die Kraft die übrigen nach den gegebenen Formeln berechnen und erhält eine genügende Übereinstimmung mit dem Gesetz der Proportionalität der Kraft mit der absoluten Temperatur, wie Tabelle A zeigt. Tabelle A. Tabelle B. T Kompensatorgrade Nr E E Mittel beob. ber. 1 289,35 782,63 — 2 291,10 767,29 768,7 3 293 771,37 772,15 4 295 766,23 765,85 5 297 757,95 759,23 6 299 752,78 — 7 301 744,83 744,76 8 302,5 745,38 738,9 9 . 305 731,20 728,56 10 307 723,95 719,85 11 309 712,00 — T Kompensatorgrade Nr. E korr. Mittel beob. E ber. 1 291,4 433,67 2 298,25 430,7 429,97 3 288 428,5 427,79 4 286 423,67 424,08 5 284 420,67 420,16 6 283 418,03 — 7 282 415,22 415,62 8 281 408,59 — 9 280 399,64 410,35 10 279 395,00 — 11 278 391,41 402,69 Man könnte auch meinen , daß mit wechselnder Temperatur eine Änderung in der Konzentration der Elektrolyts in der Faser einträte; doch ist dies sehr unwahrscheinlich, da die Änderungen der Kraft mit wechselnder Temperatur immer reversibel sind und ein so schnelles Verschwinden entstandener Elektrolytmengen nicht möglich ist. Auch an den Nerven kann man Thermoströme beobachten, wenn man von zwei möglichst gleichen Längsschnittstellen ableitet und eine Stelle erwärmt oder abkühlt. Von Verzär^) sind dieselben ') Zugrunde gelegt wurde die Formel E = K. 1 [ —i—. — -, i — ) loa nat — \?('-^v' U-\-vJ Cg unter der Annahme, daß v' ^= ß . T^ ist, wo ß eine Konstante bedeutet. Je größer v' wird, um so mehr wächst die Permeabilität der Membran. ^) Pflügers Archiv 143, 252 (1911). — 104 — in letzter Zeit genauer untersucht worden. Zwischen 0 bis 20" C ist die wärmere Stelle immer positiv gegen die kältere. Bei hohen Temperaturen treten unregelmäßige Resultate auf, die wahr- scheinlich durch Schädigung des Nerven entstehen. Bei Ableitung eines Längsquerschnittstromes kann man durch Erwärmen oder Abkühlen des Längsschnittes allein den Strom verstärken oder schwächen. Aber im Gegensatz zum Muskel kann man auch beim partiellen Erwärmen oder Abkühlen des Querschnittes eine Änderung der Kraft hervorrufen, und zwar beim Erwärmen eine Schwächung, beim Abkühlen eine Verstärkung, doch sind diese Änderungen nicht so stark wie diejenigen, welche bei Temperatur- änderungen des Längsschnittes erfolgen. Diese Beobachtungen lassen sich auch im Sinne der Membran- theorie gut deuten. Die Änderungen der Kraft bei Temperatur- änderungen des Längsschnittes erklären sich ebenso wie beim Muskel (s. oben S. 96) durch Steigen des Membranpotentials pro- portional mit der absoluten Temperatur. Im Gegensatz zum Muskel muß man aber annehmen, daß auch der künstliche Quer- schnitt des Nerven, entsprechend seiner besonderen Struktur, sich sehr schnell mit einer wirksamen Membran abgrenzt, die ebenso reagiert wie die Längsschnittmembran. Man möchte vermuten, daß die Ran vi er sehen Einschnürungen (s. oben S. 16) diese Quermembran bilden. Die Kraft des Längsquerschnittstromes setzt sich dann aus zwei einander entgegenwirkenden Membran- potentialen zusammen. Temperaturerhöhung am Querschnitt muß daher die Kraft des Stromes schwächen, Erniedrigung sie ver- stärken. Man kann diese thermische Wirkung des Querschnittes daher nicht im Sinne einer Alterationstheorie auslegen, da es nach dieser sich umgekehrt verhalten müßte. Diese Auffassung stimmt mit der Erklärung der En g elm an n sehen Versuche (s. oben S. 16) über die Veränderungen der Kraft des Nerven- stromes wohl überein. Ist der Strom mit der Zeit auf Null ge- sunken, so ist das Potential der Quermembran dem (inzwischen auch verminderten) Potential der Längsmembran gleich geworden. Die Erklärung der negativen Schwankung des Muskel- und Nervenstromes ergibt sich nach der Membrantheorie daraus, daß die Membran als Teil der lebenden Substanz der Zellen an den chemischen Veränderungen teilnimmt, welche bei der Reizung vor sich gehen. Diese Veränderungen bestehen in Spaltungs- — 105 — und Oxydationsprozessen der organischen Bestandteile, wobei Og verbraucht und CO2 produziert wird. In derselben Richtung verlaufen auch die chemischen Prozesse beim Absterben der Organe, und es kann bei abnorm starker Reizung der Erregungs- prozeß direkt in den des Absterbens übergehen, während bei normaler Reizung eine Restitution erfolgt. Auf die Übereinstim- mung der chemischen Veränderungen des Muskels bei der Heizung und beim Absterben ist namentlich durch die älteren Arbeiten von L. Hermann hingewiesen worden. Nun wissen wir, daß beim Absterben der Fasern die abgestorbene Strecke sich negativ gegen die lebende verhält, im Sinne der Membrantheorie, weil die Mem- bran für gewisse Ionen der Elektrolyte permeabler wird. Daraus werden wir folgern dürfen, daß auch bei der Reizung der Organe durch die chemische Veränderung die Permeabilität der Membran für diese Ionen zunimmt, und daß daher die erregte Strecke negativ gegen die unerregte wird. Mit anderen Worten, das Membranpotential nimmt bei der Reizung ab, um so mehr, je stärker die Reizung ist. Nach dem Schema von Fig. 32 kann man sich vorstellen, daß die negativen Ionen der Innenseite sich mit den positiven der Außenseite der Membran vereinigen. Diese Veränderung der lebenden Substanz pflanzt sich in der Faser wellenförmig fort und hat an jeder Stelle eine gewisse Dauer, und so entsteht die elektrische Reizwelle, wie wir sie unter verschiedenen Bedingungen der Ableitung beobachten. Eine Konsequenz dieser Theorie würde nun sein , daß die negative Schwankung eine maximale Grenze erreichen müßte, weiche durch die Stärke des Membranpotentials gegeben wäre, und daß dieses bei der Reizung sich nicht umkehren könnte. In der Tat acheint dies nach den Rheotom versuchen Bernsteins am Muskel der Fall zu sein. In diesen Vei'suchen wurde das Rheotom (s. oben S. 43) auf das Maximum der negativen Schwankung eingestellt und beobachtet, daß auch bei stärkster Reizung die Ablenkung nicht unter die Abszissenlinie herabging. In späteren Versuchen von Burdon-Sanderson und Gotch^) mit Hilfe des Kapillarelektrometers schien es , daß am unverletzten Muskel die erste Phase des Aktionsstromes eine größere Kraft bis zu etwa 0,1 Volt erreichen könne, als man sie am Längsquerschnittstrom 1) Journ. of Physiol. 12, 1892. — 106 — (max. = 0,080) beobachtet. Indessen hat man zu bedenken, daß der letztere sehr bald au Kraft abnimmt, namentlich wenn man den Muskel partiell durch Hitze abtötet (Wärmequerschuitt), wie es in diesen Versuchen geschah. Ferner ist Ja auch nach der Membrantheorie die Kraft dieses Stromes die Differenz zwischen dem Membranpotential und dem Diffusiouspotential am Quer- schnitt (s. oben S. 95). Was aber wohl das Wesentliche ist, so muß nach Anlegung eines Querschnittes die ursprüngliche Kraft des Stromes sehr schnell durch innere Polarisation sinken (s. unten Kapitel über innere Polarisation). Die wahre Kraft des Längsquerschnittstromes würde man daher nur finden, wenn man sie in den ersten Momenten nach Anlegen des Querschnittes messen könnte. Die Schnittversuche, welche von Tschermak und Bernstein angestellt worden sind (s. oben S. 96. Anm. 1), sprechen in der Tat dafür, daß die Kurve der Kraft in den ersten tausendstel Sekunden in einer logarithmischen Form stark absinkt. Daraus wird man schließen dürfen, daß man den wahren Wert des Membranpotentials nur vom unverletzten Muskel durch die maximale Kraft der ersten Phase des A.ktionsstromes (vorausgesetzt, daß die zweite Phase noch nicht interferiert) er- fährt. In maximo kann dieses Potential nur auf Null sinken, zur Annahme einer Umkehr desselben liegt keine Veranlassung vor 1). Es bestätigt sich somit, daß die negative Schwankung des Längsquerschnittstromes in der Tat der elementare Vorgang ist und daß die Aktionsströme eben nichts anderes sind als die Kombination der negativen Schwankungen aller sukzessiv in Erregung geratenden Querschnittelemente der Faser. Ganz dieselben Betrachtungen können wir auf die negative Schwankung des Nerven Stromes und die Akt ionsströme des- selben übertragen. Am Nerven war bereits durch die Rheotom- versuche von Bernstein festgestellt, daß die Kurve der ') Die Versuche von Burdon-Sanderson und Gotch (Journ. of Physiol. 12, 1891) über diesen Gegenstand sind aus obigen Gründen meines Erachtens nicht entscheidend. Sie fanden sogar am M. sartorius für den Längsquerschnittstrom 29 und für den Aktionsstrom nur 25 M. D. Der am M. gastrocn. gefundene Aktionsstrom von 84 M.D. wird häufig vom Läiii^squerschnittstrom erreicht. Auch die späteren Resultate von Burdon-Sanderson (Journ. of Physiol. 23, 1898) über die Kraft der negativen Schwankung lassen' sich nach obigem hin- reichend erklär^en. — 107 — negativen Schwankung weit unter die Abszissenlinie des Stromes herabsinken kann. Dies ist auch im wesentlichen daraus zu er- klären, daß der wahre Wert der Kraft des Nervenstromes sehr viel höher ist als wenige Minuten nach Anlegung des Querschnittes, weil dieselbe durch innere Polarisation sehr schnell absinkt. Dazu gesellt sich aber roch der von Engelmann entdeckte Vorgang (s. oben S. 16), daß die Nervenfaser zunächst vom Quer- schnitt aus nur bis an den nächsten Ran vier sehen Schnürring abstirbt, und daß damit die manifeste Kraft des Stromes allmählich in eine latente übergeht. Dies erklärt sich nun nach den oben erwähnten Tbermoversuchen am Nerven sehr gut aus der An- nahme, daß die Ran vi er sehen Segmente der Nervenfasern von Quermembranen begrenzt sind, welche ebenso elektromotorisch wirken wie die Längsmembran. Der Längsquerschnittstrom muß also von Beginn an viel schwächer erscheinen als die monophasische Schwankung. Schließlich muß sogar, wenn das Potential der Quermembran zur Wirkung kommt, sich an die erste negative Phase der Schwankung eine zweite positive anschließen. Diese müßte am deutlichsten an einem noch gut erregbaren Nerven mit latenter Kraft auftreten, was bis jetzt experimentell noch nicht geprüft v/orden ist\). ') Von E. Hering ist eine langsam eintretende positive Schwan- kung des Nervenstromes nach tetanischer Eeizung beobachtet wor- den, und von ihm als Zeichen einer nach der Eeizung einsetzender Assimilierung gedeutet worden. Nach Einzeh-eizungen konnte sie am Nerv, ischiad. nicht festgestellt werden. Dagegen hat Garten dieselbe an dem langsamer reagierenden Nerv, olfact. nach Einzelreizen gesehen. Auch an diesem Nerven findet man nach Anlegung des Querschnittes ein kontinuierliches Sinken des Stromes und Wiedersteigen desselben durch einen neuen Querschnitt vor. Es könnte auch dieses auf Entstehen einer Quermembran beruhen, obgleich diese Easern keine Ranvier- schen Einschnürungen zeigen. Es bedarf daher weiterer Versuche über diesen Gegenstand. 108 — Sechstes Kapitel. Die elektrischen Organe. Die wunderbare Fähigkeit der Zitterfische, elektrische Schläge zu erteilen, ist schon seit alter Zeit bekannt. Dieselben bedienen sich dieses Mittels als Schutz und Waffe gegen die Angriffe anderer Tiere. Es gibt hauptsächlich drei Arten solcher Fische, erstens den Zitterrochen, Torpedo, welcher im Mittelmeer vorkommt, zweitens den Zitterwels, Majjipterurus, welcher sich in den Flüssen Nordafrikas vorfindet, und drittens den Zitteraal, Gymnotus electricus, welcher in den Flüssen der tropischen Zonen Afrikas und Südamerikas lebt. Daß der Schlag des letz- teren nach den älteren Berichten von Humboldt Pferde zu töten vermag, hat sich zwar nicht bestätigt, doch sind die Schläge desselben außerordentlich kräftig. Diese Tiere besitzen elektrische Organe, welche durch Nerven versorgt und ebenso wie die Muskeln willkürlich in Tätigkeit versetzt werden. Beim Zitterrochen liegen diese Organe zu beiden Seiten des Kopfes (s. Fig. 34a) von den beiden Seiten- flossen begrenzt, etwa handtellergroß ,und platt, die ganze Dicke des Körpers einnehmend , und werden von vier starken Nerven versehen, welche aus dem elektrischen Lappen des Ge- hirns stammen. Das Organ ist aus sechsseitigen Säulen zu- sammengesetzt, welche, wie man auf dem Querschnitt Fig. 34b sieht, senkrecht zur Längsrichtung des Körpers dicht neben- einander stehen. Diese zerfallen wieder der Quere nach in eine große Zahl von Scheiben, welche durch Querwände voneinander geschieden sind. Die Nervenäste dringen zwischen den Säulen überall ein und die Fasern derselben treten in die Querwände ein, um sich mit einer Seite der Scheiben zu verbinden. Diese Seite ist beim Zitterrochen durchgehends die Bauchseite. Sie wird, wie die Untersuchung gelehrt hat, beim Schlage negativ (s. Fig. 34 b). Beim Zitterwels umgibt das elektrische Organ mantelartig den mittleren Teil des Körpers (s. Fig. 35). Es besteht ebenfalls ans — 109 — Säuleu, welche aber lougitudiual gelagert siud und ebenfalls in viele Querscheiben zerfallen, durch deren Scheidewände die Nervenfasern eintreten. Beim Schlage wird das Kopfende des Organs negativ. Fis. 34 a. Zitterrochen (Torpedo marmorata). ßüokenfläche , die elektrischen Organe 0 mit ihren Nerven , das Gehirn und Rücken- mark freigelegt (nach Fritsch, Die elektrischen Fische, Abt. II, 1890). Das Organ des Zitteraals (Fig. 36 au. b) liegt am Schwanz- ende. Die Säulen desselben sind ebenfalls lougitudinal gerichtet 110 — und von ähnlicher Struktur, Beim Schlage wird das Schwanzende des Organs negativ. Es ist nachgewiesen, daß die Nervenfasern an die Schwanzseite der Querscheiben herantreten. Beim Zitter- wels dagegen ist die Art der Nervenverbin- dung noch nicht sicher festgestellt. Sehr eigentümlich ist es, daß der Nerv des Zitter- i^ weises aus einer einzigen dicken Nervenfaser ' mit vielen Hüllen besteht, die sich im Organ I in außerordentlich viele dünne Fasern auflöst. j Die Querscheiben der Säulen, welche r durch Bindegewebswände voneinander ge- i trennt sind, hat man als Zellen anzusehen, 1 welche beim Embryo aus denselben Zellen ; hervorgehen , aus denen sich die querge- ; streiften Muskelfasern entwickeln. Man hat bei einem Rochen (Raja) die direkte Um- i bildung quergestreifter Zellen in die des elek- trischen Organs beobachtet. Man kann daher gpm ^. ji .^ die Elemente des Organs als „elektrische I Zellen" bezeichnen. Dieselben bestehen (Fig. 37) aus einer Nervenplatte, in welcher sich die Nervenfasern auflösen, und aus einer i dieselbe deckenden Gallertplatte, welche b aus einer gallertigen Masse zusammengesetzt [ ist. Die Gallertplatte bildet zottenartige Fort- sätze, in welche sich die Nervenplatte ein- i senkt. Diese Zotten sind von einem feinen Stäbchensaum begrenzt. Auf der anderen I Seite besitzt die Gallertplatte auch warzen- artige Fortsätze, aber ohne einen Stäbchen- saum. Man war anfangs geneigt, das elek- trische Organ mit einer Voltaschen Säule zu vergleichen, aber E. du Bois-Reymond 1 hatte schon gezeigt, daß das Organ in der Ruhe [ keinen oder einen nur sehr schwachen kon- stanten Strom besitzt. Es entstehen vielmehr bei der Reizung des Organs oder der seiner Nerven kurzdauernde Ströme von beträcht- Fig. 35 Zitterwels (Malapte- rurus) nachBilharz. H H, 0 0 Haut ach warte mit elektrischem Orpan, N elektrischer Nerv, rr Äste desselben, Ml Seitenmuskel, Mr Bauchmuskel. — 112 — lieber Spannung, aber nicht etwa Wecbselströme, wie die eines Induktoriums mit Unterbrecber, sondern Ströme in bestimmter Richtung, wie sich dies schon mit Galvanometer und chemischer Zersetzung von Jodkaliumstärke zu erkennen gab. Marey konnte Fig. 36 a. Der Zitteraal (Gyninotus electricua) nach Biederniann, Elektrophysiologie 1895. an einem Telephon die Schläge hören und aufzeichnen ; aber erst von Schoenleini) sind genauere Versuche an dem Organ von Torpedo mit dem Rheotom und einem Telephonhebel an- gestellt worden. Nach diesen Versuchen erreicht der Strom schnell in 2 bis 3 ö sein Maximum und ist in 6 bis 8 ö fast abgelaufen. Bei der Fig. 36 b. Zitteraal, Längsschnitt (nach ü i t-d e r ui ann , flieiiiUij. Nervenreizuug beobachtet man ebenso wie beim Muskel eine I Latenz von 3 bis 4 6, ebenso auch bei direkter Reizung eine etwas kürzere. Im übrigen scheint Dauer und Verlauf je nach der Art der Reizung mit Induktionsschlag oder konstantem Strom 0 Zeitschr. f. Biologie 33, 1896. — 113 — etwas verBchieden auszufallen. Die willkürlichen und reflekto- rischen Entladungen bestehen immer aus einer Reihe von Schlägen, Fig. 37. VG P OS VG HG OS Psch Jilsch Zsch Bau des elektrischen Organs vom Zitteraal nach Ballowitz. Querschnitt zweier Platten. T' vorn, H hinten. P Gallertplatte. Zsch Zottenschieht, St Stäbchensaum derselben. Msch Mittelschicht. Psch Papillenschicht. VG u. HG vordere und hintere Grenzschicht, zwischen diesen die Nervenendigungen (Nervenplatte), welche in die Zottenschicht eintreten. die mit großer Geschwindigkeit, etwa 100 bis 150 in der Sekunde, aufeinander folgen können. In neuerer Zeit haben Crem er mit einem Saitenelektrometer und Garten mit einem Saitengalvanometer die Kurve eines Schlages am Torpedo aufgenommen; letztere zeigt Fig. 38. Garten Bernstein, Elektrobiologie. g 114 — Fig. 38. 1 ' ■'" """." ■" " ■ ■ ' 1 1 U'^ •'^'i^äpWWRWwrwW*^''' Schlagkiirve vom Zitterrochen, Reizung des Nerven mit absteigeiulem konstanten Strom. (Garten, Handb. d. vergl. Physiol. III.) — 115 — berechnet für den Anstieg 3 ö und für die ganze Dauer mit lang- samem Abfall 20 ö; doch war die Temperatur nur 10 bis 11" C. Die Reizung geschah durch Schließung eines konstanten Stromes im Nerven. Jedoch fehlen noch genauere Messungen hierüber. Es geht aus den bisherigen Beobachtungen schon hervor, daß der Verlauf des Schlages ganz den Charakter einer negativen Schwankung oder einer Phase des Aktionsstromes vom Muskel' besitzt. Der große Unterschied vom Verhalten des unverletzten i ]\Iuskels besteht aber darin , daß niemals eine Doppelphase auf- 1 tritt, sondern der Strom nur einphasig ist. Von Schoenlein ist bereits die Kraft des Schlages bei Torpedo mit dem Rheotom durch Kompensation gemessen worden. Es wurde eine Kette von verschiedener Kraft in entgegengesetzter Richtung in den Kreis eingeschaltet und das Rheotom auf das Maximum des Schlages eingestellt. Es ergab sich, daß die Kraft des Schlages etwa gleich 31 Daniell war. Daraus konnte man die Kraft des einzelnen Elementes der Säulen des Organs, also der einzelnen elektrischen Zelle berechnen, wenn man die Kraft des Schlages durch die mittlere Zahl der hintereinander geschichteten Zellen dividierte. Es fand sich, daß die Kraft eines Elementes etwa von der Größenordnung des Muskelstromes bzw. seiner negativen Schwankung ist, eine bemerkenswerte Tatsache, die für die Theorie von Bedeutung ist. Von Crem er sind am lebenden Torpedo reflektorische rhythmische Entladungen mit einem Saitenelektrometer auf- genommen worden, welche in einem Intervall von 5 ö dicht auf- einander folgten, also einem Tetanus entsprechen. Auch bei Reizung des Nerven mit konstantem Strom kann ein solcher Tetanus auftreten (Garten). Bei langdauernder Reizung tritt ebenso wie am Muskel bald Ermüdung ein. Auch am lebenden Tiere beobachtet man nach längerer starker Tätigkeit Erschöpfung. Es wird erzählt, daß die Indianer, um Zitterwelse zu fangen, Pferde in den Fluß treiben und dann die erschöpften Fische leicht fangen können. Die bisherigen Untersuchungen am Zitterwels und Zitteraal haben zu ganz ähnlichen Ergebnissen geführt, wie die am Torpedo, doch konnte man bisher die Versuche noch nicht systematisch durchführen, du Bois-Reymond beobachtete an Zitterwelsen, welche jahrelang in einem erwärmten Bassin gehalten wurden. — 116 — den Verlauf der Schläge, C. Sachs i) unternahm 1876/77 zur Untersuchung der Zitteraale eine Expedition nach dem Amazonen- strom. Die größere Stärke des Schlages der Zitteraale und Welse erklärt sich zur Genüge aus der größeren Zahl der hintereinander geschalteten Elemente des sehr langen Organs. An heraus- geschnittenen Stücken desselben sind freilich die Schläge sehr viel schwächer. Die unverletzten Organe mit ihren Nerven lassen sich nicht so gut isolieren wie am Torpedo , auch sterben sie , da es Organe tropischer Tiere sind , sehr viel schneller ab , als die Fig. 39. >- 20 Volt 5 10 20 30 40 ö- Keflexeutladung vom Zitterwels nach Cremer (aus Garten, Handb. d. vergl. Pbysiol.). des Torpedos. In neuerer Zeit hat Cremer mit dem Saiten- elektrometer Schläge des lebenden Zitterwelses aufgenommen, wie Fig. 39 zeigt. Eine Berechnung läßt darauf schließen, daß die Kraft des ganzen Organs beim Zitterwels etwa 450 Volt beträgt. Die Dauer eines Schlages betrug etwa 2,8 ö. Geht man nun auf die Frage ein, welche Art von Kette das elektrische Organ bildet, so muß man nach unseren jetzigen Kenntnissen über die Thermodynamik zunächst prüfen, welchen Temperaturkoeffizienten der Schlag des Organs besitzt, und dann, welche Temperaturänderungen in dem Organ bei der Tätigkeit auftreten. Solche Untersuchungen unternahmen Bernstein und Tschermak^) an dem elektrischen Organ voin Torpedo. Die ^) Beschrieben nach dessen Tode von du Bois-Reymond 1881. '^) Über das thermische Verhalten des elektrischen Organs von Torpedo. Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1904, S. 301— 313. — Über die Natur der Kette des elektrischen Organs beim Torpedo. Pflügers Arch. 112, 439—521 (1906). — 117 — Versuche über den Einfluß der Temperatur auf die Kraft des Schlages konnten zu einem ganz entscheidenden Resultat nicht führen. Das Organ verhält sich in dieser Beziehung ähnlich wie der Nerv, dessen Ruhestrom bei ISOC etwa ein Maximum aufweist, der aber doch, wie die genauere Analyse zeigte (s. oben S. 102), sich als Konzentrationsstrom zu erkennen gab. In den Grenzen von 3 bis 18'^ C konnte auch am elektrischen Organ nachgewiesen werden, daß der Temperaturkoeffizient des Schlagstromes ein positiver ist und daß die Kraft des letzteren der absoluten Temperatur annähernd proportional steigt. Man muß in allen Ketten lebender Organe zwei Temperatur- koeffizienten unterscheiden, den physikalischen, welcher die Voraussetzung involviert, daß die Konstitution der Kette bei wechselnder Temperatur konstant bleibt, und mindestens einen physiologischen Temperaturkoeffizient, welcher von den physiko- chemischen Änderungen bei wechselnder Temperatur abhängig ist. Der letztere kann positiv oder negativ sein , und da er sich oft aus mehreren Koeffizienten zusammensetzt, aus einem positiven in einen negativen umschlagen oder umgekehrt. Dadurch kann der physikalische Koeffizient mehr oder weniger verdeckt werden. Beim elektrischen Organ müssen wir daher einen physio- logischen Temperaturkoeffizienten annehmen , welcher die Kraft des Schlages von etwa 18*^ C ab erheblich verringert. Gehen wir von der Membrantheorie aus, so können wir uns diese Wirkung und die Veränderung der Membran der elektrischen Zellen , welche dieselbe mit steigender Temperatur erleidet, wohl erklären. Bis 18^0 sind indes diese Veränderungen nicht so bedeutend, um den physikalischen Temperaturkoeffizienten zu maskieren, wie folgende Tabelle zeiert: Nr T E E beob. ber. 1 276 185,0 2 279 188,75 187,0 3 282 192,0 189,0 4 285 194,5 191,0 5 288 197,0 193,0 6 291 197,25 195,0 — 118 — T bedeutet wiederum die absolute Temperatur, E die beob- achteten und berechneten Ausschläge des Galvanometers. Die letzteren würden den elektromotorischen Kräften proportional sein, wenn der Verlauf der Schläge in einander ganz ähnlichen Kurven erfolgte, was allerdings nicht genau der Fall ist. Es ist vielmehr anzunehmen , daß bei niederer Temperatur die Dauer des Schlages zunimmt. Dieser Fehler würde aber zugunsten des obigen Resultates sprechen, da mit zunehmender Temperatur die effektiven Kräfte i) kleiner sein müJ3ten als die beobachteten. Genauere Resultate würde man nun mit den graphischen Elektrometern erhalten, vorausgesetzt, daß man die Kurven gut analysieren könnte. Leider liegen hierüber nur einige Versuche von Garten 2) (und Koike) vor, welche am lebenden Zitterwels bei 16 und 34'' C angestellt sind. Bei l&^C ergab sich eine Kraft von 68 Volt, bei 34« C eine Kraft von 37,5 Volt. Es ergab sich also auch hier über mittlere Temperatur von etwa 18" C bis über 30" C hinaus eine erhebliche Abnahme der Kraft, wie in den Versuchen von Bernstein und Tschermak an dem isolierten Oi'gan vom Torpedo. Versuche, in denen die Temperatur zwischen 0 und 18" C schwankte, sind noch nicht veröffentlicht. Versuclie am lebenden Tiere werden sich aber zur Entscheidung der vor- liegenden Frage nicht gut eignen, da der Temperaturwecbsel noch anderweitige unübersehbare Einflüsse auf das lebende Tier haben muß, welche auf das Organ einwirken werden. Erfolgt der Temperaturwechsel innerhalb längerer Zeiträume, so werden Anpassungen des Tieres an die verschiedenen Temperaturen ein- treten , welche den Ernährungszustand der Organe verändern. Nur Versuche am isolierten Organ mit schnell wechselnden Temperaturen können entscheidende Resultate liefern. Die Temperatur hat im allgemeinen einen ähnlichen physio- logischen Einfluß auf die Reizbarkeit der elektrischen Organe wie auf Nerven und Muskeln. Die Reizbarkeit steigt von 0" bis zu ') Bei kurzdauernden Strömen sind die Ausschläge des Galvano- h meters J. = A' . idt = k . iity, wo t^ die Gesamtdauer, i, die effektive n i Stromintensität und e^ = - die effektive Kraft ist. 0 Handb. d. vergl. Physiol. 3, 200. — 119 — einer mittleren Temperatur vou etwa IS^C und nimmt dann bei weiterer Steigerung ab. Es gibt aber noch einen anderen Weg, die Natur der Kette des elektrischen Organs zu ermitteln. Bernstein und Tschermak untersuchten, welche Temperaturänderungen das Organ bei seiner Tätigkeit erleidet. Wir erinnern uns (s. oben S; 25, 29), daß Konzentrationsketten sich bei der Stromerzeugung abkühlen, und daß die Stromenergie aus der Wärme der Umgebung entnommen wird, daß dagegen chemische Ketten, wie die galva- nischen, sich meistens dabei erwärmen, bzw. wie die Daniellsche nahezu konstante Temperatur behalten, und daß bei diesen die ganze bzw. ein großer Teil der Stromenergie aus der chemischen Energie entsteht. Gehen wir von der obigen Formel (2) aus: in welcher E die Kraft, Q die chemische Wärme und T die abso- lute Temperatur bedeutet, so kann der Temperaturkoeffizient ^—^ clE ^/ größer oder kleiner als Null sein. Ist Q^ E, so ist -^ negativ, dE . . „ -i-T ■ j. • i. wenn QLTh 0 10' '20' '30' ' 40" 50" 60' ' 70' ' 80' 90' Zeit Bj Bj Bjj Bjy By B^ Bt3i B^ B]^ B^ Kurve GG Krwilrmungen des Organs; Kurve LTh Energie der Schläge, am Luft- thermometer gemessen, bei den Beobachtungen ; Bi bis Bk Zeitabszisae in Minuten (Bernstein und Tsohermak). Reizung bei 0' die stärksten Schläge gab, aber nur geringe Er- wärmung im Organ, die zweite nach 8' schon geringere Schläge, aber viel größere Erwärmung. Dann nahmen Erwärmung und Schlagenergie kontinuierlich bis zu Ende nach 70 Minuten ab. Die Ermüdung wird durch zweierlei Vorgänge herbeigeführt, erstens durch den Verlust an Elektrolyt, da während des Schlages eine gewisse Menge desselben durch die Membran der Nervenseite nach außen tritt, und zweitens durch Veränderung der Membran, — 129 — in welcher die Umwandlung erfolgt; denn diese erleidet wie jede plasmatische Masse durch erhöhten Stoffwechsel eine Herabsetzung der Reizbarkeit. Nach stärkerer Tätigkeit bleibt ein Reststrom des Organs zurück, der erst allmählich schwindet, was schon du Bois-Reymond am Zitterwels beobachtet hatte. Derselbe erklärt sich aus dem Ermüduugszustand der Membran, die einen Rest von Permeabilität zurückbehält. Wahrscheinlich erholt sich zunächst die Membran durch Vorgänge der Ernährung. Laug- samer erfolgt vermutlich der Ersatz des Elektrolyten, denn die lebenden Fische sind nach starker Reizung stundenlang erschöpft. Außerdem nehmen wohl auch die Nervenzentren und die Nerven- platte, weniger die Nervenstämme, an der Ermüdung teil. Auf welche "Weise der Ersatz des Elektrolyten erfolgt, bedarf besonderer Erforschung. Daß die Osmose hierzu nicht ausreicht, ist klar, da die Konzentration in der elektrischen Zelle eine größere werden muß als außen. Wenn man daher, wie für Muskel und Nerv, die Salze als wirksame Elektrolyte ansieht, so müßte man vermuten, daß diese in einer organischen Bindung durch Assimi- lation in die elektrische Zelle hineingelangen und darin dann frei werden. Die bisherigen chemischen Untersuchungen des Organs geben noch wenig Anhaltspunkte hierfür. Aber sehr bemerkens- wert scheint es mir, daß das elektrische Organ das wasser- reichste der Wirbeltiere ist. Th. Weyl i) gibt an, daß es im Mittel bei Torpedo 88,82 Proz. Wasser enthält. Ich vermute, daß dieser hohe Wassergehalt der Gallertplatte, dem Elektrolyt- behälter zukommt. Trotzdem ist der Aschegehalt des frischen Organs ein ziemlich hoher, etwa 1,67 Proz., was dafür spricht, daß die Salze eine besondere Rolle spielen. Unter diesen zeichnen sich Chloride und Phosphate durch größere Menge aus. Weyl fand in der Asche 12,4 bis 17.8 Proz. P2O5 und 21,38 bis 35,1 Pi"Oz. Gl, und auffallenderweise einen viel höheren Na- als K-Gehalt vor, was er auf den Reichtum des Meerwassers an Na- Salzen schiebt. Er gibt ferner an , daß das längere Zeit durch elektrische Ströme direkt gereizte Organ eine meist nur geringe Vermehrung der löslichen P2O5 zeigte^). Dies könnte wohl die ') Zeitschr. f. physiol. Chem. 7, 543 (1883). ") Du Bois-ßeymond, Arch. f. Physiol. 1884, S. 319. — Carl Sachs (1. c.) gibt an, daß beim Absterben und bei längerer Reizung der Organe des Zitteraals eine saure Reaktion auftrat. Bernstein, Klektrobiologie. 9 — 130 — Folge des Stoffwechsels der organischen Phosphatide (Lecithine, Nukleine) des Organs sein. Dagegen ist der Aschegehalt der ruhenden Organe größer als der der gereizten ; ferner ist der Alkoholextrakt der gereizten Organe geringer als der der ruhen- den, während es sich beim Muskel nach Helmholtz umgekehrt verhält. Leider stehen neuere Untersuchungen über diesen Gegen- stand nicht zu Gebote. Angaben über die Chemie der elektrischen Organe der Süßwasserfische fehlen gänzlich. Aus diesen Untersuchungen kann man über die Natur der wirksamen Elektrolyte in der Konzentrationskette des elektrischen Organs noch nichts Sicheres entnehmen. Aber man dürfte die Vermutung aussprechen, daß die Phosphate und vielleicht die I Glyzerinphosphorsäure , welche bei der Spaltung der Lecithine entsteht, solche Elektrolyte seien. Milchsäure konnte Weyl in dem elektrischen Organ nicht nachweisen. Man wird auch zwischen dem Stoffwechsel der Nervenplatte und dem der Gallertplatte wohl zu unterscheiden haben. Man hat vielfach die Frage diskutiert, ob die Elemente des Organs als Derivate von Muskelfasern oder als Nervenendapparate anzusehen sind. Da sie aus gleichartigen homologen Embryonal- zellen entstehen und die kontraktile Substanz bei der Entwicke- lung entweder gar nicht entsteht oder sich rückbildet, so erübrigt sich diese Fragestellung. Durch Kurare lassen sich die Nerven- enden der elektrischen Organe nicht so schnell lähmen wie die der Muskeln; erst große Dosen wirken (Steiner). Durch Strychnin kann man von den Zentren aus Tetanus der Organe herbeiführen. Siebentes Kapitel. Innere Polarisation und elektrische Reiznns'. Die wichtigsten Erscheinungen der inneren Polarisation an Nerven und Muskeln sind schon von du Bois-Reymond ge- funden worden. Ernannte den Zustand, in welchen der Nerv durch einen konstanten Strom versetzt wird, „Elektrotonus". Später — 131 fand er auch, daß eine innere Polarisation eintritt, Avelche der gewöhnlichen Polarisation ähnlich ist, glaubte aber, daß beide Vorgänge verschieden seien. Das ist nicht der Fall. Mateucci und L. Hermann erklärten vielmehr den Elektrotonus als eine Folge der inneren Polarisation. Die innere Polarisation ist nach Versuchen von L. Hermann am stärksten, wenn man den konstanten Strom quer durch Muskeln oder Nerven leitet. Man konstatiert in diesem Falle, daß unmittelbar nach der Öffnung dieses Stromes ein entgegen- gesetzter Polarisationsstrom auftritt, der sehr schnell auf Null absinkt. Der Ablauf dieser Depolarisation läßt sich mit dem Rheotom gut beobachten (Bernstein). In getöteten Organen ist diese Polarisation nicht vor- handen. Dieselbe entsteht '^' in jeder einzelnen Faser an der Anoden- und Ka- thodenseite derselben, und _ ihre Gesamtkraft nimmt daher cet. par. mit der Zahl der querdurchströmten Fa- sern zu. An einem Nerven be- obachtet man daher auch bei longitudinaler Durch- leitiing eines konstanten Stromes durch eine Strecke desselben , daß an der Anode und Kathode eine innere Polarisation auftritt. Die äußere Polari- sation muß durch unpolarisierbare Elektroden (s. oben S. 3 u. 4) vermieden werden. Seien in Fig. 44 A und K die Elektroden, so entsteht nicht nur in der intrapolaren Strecke innere Polari- sation , sondern sie breitet sich auch auf eine gewisse Ent- fernung in die extrapolare Strecke hin aus. Die aufgetragene Kurve gibt die Stärke dieser Polarisation an , in Ä die der anodischen, in K die der kathodischen Polarisation. Leitet man von U aiif beiden Seiten ab, so erhält man Ströme in der Richtung von e, welche im Nerven dieselbe Richtung wie der polarisierende Strom haben. Diesen Zustand nannte du Bois Elektrotonus, die extrapolaren Ströme die elektro tonischen Ströme. Es ist klar, daß sich diese elektrotonischen Ströme mit den Nervenströmen 9* Innere Polarisation des Nerven und elektrotonisehe Ströme. — 132 — kombinieren werden. Leitet man auf beiden Seiten von Längs- und Querschnitt ab, so verstärkt sich der Strom auf der Anoden- seite, auf der Kathodenseite wird er geschwächt, oder umgekehrt. Unterbindung oder Abtötung des Nerven an einer Stelle hebt die Ausbreitung dieser Polarisation über dieselbe auf. L.Hermann verglich die Nervenfaser mit einem sogenannten Kernleiter m od eil. Ein Platindraht ist durch eine an beiden Enden zugekorkte Glasröhre gezogen, welche mit verdünnter Schwefelsäure gefüllt ist und mehrere Seitenröhren besitzt, durch die man Ströme zuleiten und ableiten kann. Leitet man durch eine Strecke einen polarisierenden Strom, so kann man extrapolare Ströme ableiten infolge der inneren Polaiüsation, welche an der Ober- fläche des Platindrahtes entsteht. Diese Ströme haben die gleiche Richtung im Kernleiter, wie der polarisierende und verhalten sich Fig. 45. S:^^^.g=?=::^ K Polarisation des Keriüeiters. wie die elektrotonischen Ströme des Nerven. In Fig. 45 sieht man, wie sich der polarisierende Strom an den Elektroden A und K in der Flüssigkeit in Fäden ausbreitet, um zum Kernleiter LL zu gelangen. Im Nerven bilden die Hüllen und Bindegewebselemente gute Leiter für diese Stromfäden; im Muskel breiten sich diese Ströme nicht so weit aus, da die Hüllen gegen die Fasermassen weniger entwickelt sind. Es handelt sich nicht um gewöhnliche Stromzweige körperlicher Leiter, denn sie haben auch auf der den Elektroden gegenüberliegenden Seite des Nerven dieselbe Richtung und hören auf nach Durchtrennung des Nerven und Aneinander- legen der Querschnitte. Mit der Stärke des polarisierenden Stromes wachsen die inneren Polarisationen und breiten sich weiter aus. Die anodische Polarisation ist im Nerven eine stärkere als die kathodische, Unterschiede, welche auch bei der physikalischen Polarisation auftreten. — 133 — Wir sind nun imstande, die innex-e Polarisation nach der Membrantlieorie zu deuten und weitere Folgerungen daraus zu gewinnen. Es sei in Fig. AQ B B eine Faser mit der semipermeablen und einer elektrischen Doppelschicht bekleideten Membran. Werden die Elektroden des polarisierenden Stromes in A und K augelegt, 80 wandern die Ionen der Elektrolyte innerhalb und außerhalb der Faser zur Membran und verhalten sich dort gegen die schon vorhandenen Ionen in verschiedener Weise. Im Bereich der Anode Ä addieren sich die negativen Ionen des inneren Elektro- Fig. 46. + + + + + + + + + + K, PolariBation an der Plasmamembran. + + + B lyten zu den schon vorhandenen, da sie nicht durchtreten können und erhöhen durch Polarisation das Membranpotential. Im Be- reich der Kathode verbinden sich die positiven Ionen des inneren Elektrolyten mit den vorhandenen negativen und vermindern da- her das Membranpotential daselbst. Der äußere Elektrolyt sendet seine positiven Ionen gegen die Membran im Bereich der Anode, und von diesen können wir annehmen, daß sie ebenfalls von der Membran nicht durchgelassen werden , sondern sich zu den vor- handenen addieren und das Membranpotential erhöhen. Diese Ionen bestehen ja (s. oben S. 99) wohl hauptsächlich aus Na -Ionen, von denen wir wissen, daß sie in den Fasern fast gänzlich fehlen. Die negativen Ionen des äußeren Elektrolyten wandern aber zur Membran im Bereich der Kathode, verbinden sich daselbst mit den vorhandenen positiven Ionen und vermindern — 134 (Bern steiu). demnach das Membranpotential. Die -j- " uiid Zeichen der Figur geben dieses Verhalten schematisch an. Das Resultat der inneren Polarisation des Nerven besteht also darin, daß das Membran potential an der Anode verstärkt, an der Kathode geschwächt wird. Die über die Achse der Faser konstruierte Kurve gibt die Stärke und Ausbreitung dieser Ver- änderung wieder. Alle einzelnen Erscheinungen dieses Vorganges verhalten sich so, wie sie am Nerven und Kernleiter beschrieben sind. Die Polarisation an der Kathode kann sich bei starkem Strom schließlich auch umkehren. Die elektrotonischen Ströme des Nerven verhalten sich nun bei der Reizung des Nerven ganz ebenso, wie die Ströme des ruhen- den Nerven. Sie erleiden dabei eine negative Schwankung Am deutlichsten läßt sich dies beobachten, wenn man (Fig. 47) zwei sym- '^' ■ metrische Längsschnitt- punkte 11 ableitet, auf der einen Seite den Nerven in jjjj polarisiert und ihn auf der anderen Seite in rr reizt. Im unpolarisierten Zustande bewirkt die Rei- zung bei geschlossenem Kreise von II keine Ablenkung, da sich die Reizwelle ohne Dekrement fortpflanzt und die entgegen- gesetzten Phasen sich daher aufheben. Polarisiert man aber den Nerven in 2)p, so entstehen elektrotonische Ströme zwischen // in der Richtung a oder Ic, und bei der Reizung eine negative Schwankung derselben. Dies erklärt sich nun nach der Membran- theorie in folgender Weise. Bei der Reizung wird die Membran permeabler, und es sinkt das Membranpotential durch Vereinigung der Ionen. Im Bereich der Anode, des höheren Membranpotentials, ist die negative Schwankung daher stärker, im Bereich der Kathode dagegen schwächer. Wenn sich die Reizwelle von p nach U fort- pflanzt, so wächst sie, wenn sie sich der Anode nähert, und sie nimmt ab, wenn sie sich der Kathode nähert. Es muß aber hin- zugefügt werden, daß bei diesem Versuch die Reizung eine starke sein muß, damit, wie wir bald sehen werden, die Änderungen der Reizbarkeit an der Anode und Kathode keinen Einfluß auf das Resultat ausüben. Versuche, welche mit dem Rheotom ausgeführt rr Negative Schwankung der elektrotouischen Ströme. — 135 — wurden (L. Hermaun), sprechen für unsere Deutung. Unter- suchungen hierüber mit dem Kapillarelektrometer lassen sich ebenso deuten (Gotch und Burch). Weitere Versuche in dieser Rich- tung sind wünschenswert. Man hat den Zustand, welcher bei Durchströmung der Nerven und Muskeln an der Anode entsteht, mit Anelektrotonus und den an der Kathode mit Katelektrotonus bezeichnet. Schon von Pflüg er ist das Entstehen und Verschwinden dieser Zu- stände als Ursache der elektrischen Reizung bei Schließung und Öffnung des Stromes angesehen worden. Er stellte auf Grund seiner Untersuchungen das allgemein bestätigte Gesetz der polaren Erregung auf. Dasselbe lautet: „Beim Schließen des Stromes findet die Erregung an der Kathode statt, beim Öffnen desselben an der Anode." Dieses Gesetz läßt sich nun aus der Membrantheorie deuten. Gehen wir da- von aus, daß bei der Erregung eine Zustandsänderung der Plasma- membran eintritt, infolge deren sie permeabler wird und die Ionen der Doppelschicht sich miteinander vereinigen, so tritt ein solcher Prozeß beim Schließen des polarisierenden Stromes an der Kathode ein, nicht aber an der Anode. An der Kathode vereinigen sich die Ionen der Doppelschicht mit denen der Elektrolyse, und es erfolgt dadurch eine Zustandsänderung der Plasmamembran, welche mit Erregung identisch ist. Das sehr labile Gleichgewicht der Membranteilchen wird durch die Verminderung der Doppelschicht gestört, wie dies durch Reizung anderer Art geschieht. An der Anode dagegen erhöht sich die Kraft der Doppelschicht, und dies hat die entgegengesetzte Wirkung. Das Gleichgewicht der Membranteilchen wird ein stabileres, also tritt keine Erregung ein. Man kann auch nach der Höberschen Hypothese (s. oben S. 101) sagen, an der Kathode finde eine Lockerung, an der Anode eine Verdichtung der Membranteilchen statt. Doch müssen wir uns damit einen chemischen Prozeß verbunden denken, welcher bei der Erregung in Spaltung und Oxydation besteht. Diesen eigentlichen chemischen Erregungsprozeß müssen wir von dem elektrochemischen der Ionen wohl unterscheiden, obwohl sie beide ursächlich und zeitlich sich gegenseitig bedingen; denn daran müssen wir festhalten, daß die elektrischen Prozesse nicht der Er regungs Vorgang selbst sind, sondern nur das Zeichen für denselben. — 136 — Bei der Öffnung des Stromes findet nun eine innere De- polarisation statt. Das an der Anode gestiegene Membranpoteutial sinkt, und das an der Kathode verminderte steigt. An der Anode findet Vei'einigung von Ionen der Doppelschicht statt, und dieser Vorgang erschüttert die Membranteilchen, an denen die Ionen haften. An der Anode tritt daher Erregung ein. An der Kathode hingegen werden die Membranteilchen, indem sich die Doppel- schicht vermehrt, wieder in den stabileren Zustand versetzt, also kann hier keine Erregung stattfinden. Nicht nur das Gesetz der polaren Erregung, sondern auch die Veränderungen der Reizbarkeit im An- und Katelektro- tonus lassen sich aus der Membrantheorie herleiten. Nach den Fig. 48. / rr ) r'r' s c!y II \i m' 'm 1 ,-\ V ^^c" A Änderungen der Reizbarkeit im An- und Katelektrotonus. Forschungen von Pflüger tritt im Bereich der Anode eine Herab- setzung, im Bereich der Kathode eine Erhöhung der Reizbarkeit ein. Dies folgt schon unmittelbar aus den obigen Darlegungen. Im Bereich der Anode sind die Membranteilchen durch Erhöhung des Membranpotentials in einen stabileren Zustand versetzt, und da eine jede Reizung in einer Auslösung potentieller Energie be- steht, so bedarf es nun eines stärkeren Reizes daselbst, um Er- regung hervorzubringen; die Reizbarkeit ist vermindert, die Reiz- schwelle ist erhöht. Das Umgekehrte ist während der Polarisation an der Kathode der Fall. Die Membranteilchen sind in einen labileren Zustand versetzt; die Reizbarkeit muß also erhöht, die Reizschwelle muß vermindert sein. Diese Erscheinungen beob- achtet man bekanntlich am besten an einem Nervmuskelpräparat — 137 — (s. Fig. 48), indem man dui'ch eine Nervenstrecke pp einen kon- stauten Strom leitet. Ist der Strom zentrifugal (absteigend) nach dem Muskel m zu gerichtet, so gibt die Kurve cAKc' die Ände- rung der Reizbarkeit an. Die erhöhte Reizbarkeit im Katelektro- tonus geht in der intrapolaren Strecke pp durch einen Indifferenz- punkt ?■ in die verminderte Reizbarkeit des Anelektrotonus über, lieide Zustände dehnen sich in den extrapolaren Strecken so weit aus, als die Veränderung des Membranpotentials reicht. Man kann die Reizbarkeit in rr mit elektrischem Reiz, Induktiousstrom oder Schließen und Öffnen eines konstanten Stromes, oder auch mit chemischem Reiz durch einen Tropfen konzentrierter ClNa-Lösung prüfen und erhält dasselbe Resultat. Denken wir uns den Muskel m' auf der anderen Seite, so ist der polarisierende Strom in pp zentripetal (aufsteigend) gerichtet, und in r'r' konstatiert man herabgesetzte Reizbarkeit und höhere Reizschwelle bei Anwendung irgend welchen Reizes. Für gewöhnlich ist während der Stromdauer an Kaltblüter- nerven keine Erregung zu konstatieren. Dagegen sieht man am kuraresierten Muskel, daß an der Kathode eine beständige schwache Kontraktion vorhanden ist, die sich an die Schließungszuckung anschließt. Überhaupt läßt sich an einem langen kuraresierten Muskel (Muse, sartorius) das Gesetz der polaren Erregung direkt beobachten. Bei der Schließung des Sti-omes zuckt nur die Kathodenhälfte des in der Mitte fixierten Muskels, bei der Öff- nung nur die Anodenhälfte. Die Reizleitung zur anderen Hälfte wird durch Herabsetzung der Reizbarkeit gehemmt. Nicht selten tritt auch bei Polarisation eines Nerven Dauererregung auf, wenn derselbe sehr reizbar ist, häufig auch bei Warmblütern er ven. Dieser Zustand erklärt sich sehr wohl daraus, daß auch während der Stromdauer im Bereich der Kathode die Vereinigung von Ionen nicht ganz aufhört. Da die Membran permeabler geworden ist, so gehen Ionen der Elektrolyte schneller hindurch als in un- polarisiertem Zustande und begegnen denen der Elektrolyse. Der im Moment der Schließung in größerer Intensität einsetzende Vor- gang der Vereinigung von Ionen in der Doppelschicht setzt sich also während des Stromes in schwächerem Maße fort und kann in einer Dauererregung zum Vorschein kommen. Nicht so im Bereich der Anode. Hier häufen sich vielmehr die Ionen in der Doppelschicht der Membran an, ohne sich zu vereinigen. Die — 138 — Membran wird iindurchläsaiger als im unpolarisierten Zustand. Während der Stromdauer kann hier eine Erregung nicht statt- finden. Dagegen sieht man nicht selten, daß beim Offnen des Stromes die Zuckung in einen Tetanus übergeht, den Ritt er sehen Offnungstetanus. Derselbe erklärt sich aus der längeren Dauer der hierbei erfolgenden Depolarisation, nachdem sich eine größere Menge von Ionen angehäuft hat. Auch die Umkehr der Erregbarkeiten, welche Pflüger nach dem Anelektrotonus und Katelektrotonus festgestellt hat, läßt sich als Folge der Theorie deuten. Unmittelbar nach der Öffnung des polarisierenden Stromes beobachtet man im Bereich der Anode eine erhöhte Reizbarkeit, im Bereich der Kathode eine verminderte Reizbarkeit, die bald in die gewöhnliche übergeht An der Anode versetzt die Vereinigung der Ionen die Membranteilchen in einen labileren Zustand, an der Kathode werden dieselben durch An- sammlung der Ionen in einen stabileren Zustand versetzt. Wäh- rend der Stromdauer haben sich in den Membranteilchen an der Anode chemische Energien angehäuft, welche nach der Öffnung leicht auslösbar sind, während an der Kathode die Membranteilchen beständig chemische Energien auch während der Stromdauer aus- gegeben haben, so daß der Rest derselben schwerer auslösbar geworden ist. Es stimmen diese Erklärungen mit der allgemeineren von Pflüger gegebenen Vorstellung wohl überein, nach welcher er in den Molekülen der reizbaren Substanz zwei einander entgegen- gesetzte Kräfte voraussetzt, eine Molekularspannung und eine Molekularhemmung, und im Anelektrotonus eine Ver- stärkung, im Katelektrotonus eine Schwächung der Hemmung annimmt. Während der Stromdauer häufen sich daher Molekular- spannungen durch den Stoffwechsel an der Anode an , an der Kathode sinken sie auf ein geringeres Maß herab. Daher beim Schließen die Erregung an der Kathode, beim Offnen an der Anode, und daher auch die Umkehrung der Reizbarkeiten nach der Öff- nung des Stromes; denn es überwiegt alsdann eine gewisse Zeit au der Anode die Molekularspannung, an der Kathode die Molekular- hemmuntr bis zur Wiederherstellung des normalen Gleichgewichtes. In Übereinstimmung mit diesen Vorstellungen hat E.Hering den Satz aufgestellt: Im Katelektrotonus herrscht die Dissimilie- rung der lebenden Substanz vor, im Anelektrotonus die Assimi- — 139 — lieruug. Nach der Öffnung des Stromes tritt der umgekehrte Zustand auf, wie dies auch allgemeira beim "Wechsel von Erregung und Ruhe der Fall ist. Wenn diese Vorstellungen richtig sind, dann müßte am Muskel nachzuweisen sein, daß an der Kathode eine Wärmeproduktion stattfindet, an der Anode keine oder nur eine geringe, eher sogar eine Wärmeabsorption. Versuche dieser Art, unter Berücksichtigung der Joule scheu Stromwärme, sind noch nicht ausgeführt. Von diesen Vorstellungen ausgehend, hat man sich zu denken, daß in einer reizbaren Substanz die hervorgebrachte Leistung L cet. par. im wesentlichen von drei Variablen abhängig sein muß, erstens von der in ihr vorhandenen potentiellen Energie P, welche durch den Reiz auslösbar ist, zweitens von der Größe des Reizes r und drittens von dem Grade der Auslösbarkeit, was wir Reizbar- keit nennen, und diese wollen wir durch den reziiJroken Wert der Reizschwelle h ausdrücken. Es ist dann also die Leistung Jj eine gewisse Funktion von P und r und l>, welche Null werden muß, wenn P oder r — h gleich Null wird. Wir können daher dieser Funktion die allgemeine Form geben : L:^{r-h).P.f[{r-h),P'\ (13) Das einfachste mechanische Beispiel hierfür ist ein Wasserreservoir, welches unten durch einen Hahn verschlossen ist. Wird derselbe geöffnet, so strömt Wasser aus, d. h. potentielle Energie der Wassersäule Avird in kinetische umgesetzt. Der Hahn kann leicht oder schwer drehbar, also die auslösende Kraft bei derselben Leistung eine kleinere oder größere sein. Die Leistung wird aber Null sein, wenn die Druckhöhe Null geworden oder der Hahn gar nicht mehr drehbar ist. Ein Beispiel für chemische Energie bieten die explosiven Substanzen, deren potentielle Energie durch geringe auslösende Kräfte in kinetische umgesetzt werden kann. Durch gewisse Einwirkungen kann ihre Empfindlichkeit, d. h. Reizbarkeit, erhöht, durch andere herabgesetzt werden. Von diesen Gesichtspunkten ausgehend, müssen wir noch einmal auf die negative Schwankung des polarisierten Nerven in Beziehung zur Reizbarkeit im An - und Katelektrotonus zurück- kommen. Die verminderte Reizbarkeit im Anelektrotonus scheint dem erhöhten Membranpotential und der verstärkten Reiz welle in diesem Zustande zu widersprechen, ebenso die erhöhte Reizbarkeit — 140 — im Katelektrotonus dem verminderten Membranpotential und der geschwächten Reizwelle. Dem ist aber nicht so. Auch für die negative Schwankung ist im Anelektrotonus die Reizbarkeit eine geringere (Reizschwelle eine höhere) und im Katelektrotonus die Reizbarkeit eine höhere (Reizschwelle eine geringere). Wenn man aber im Anelektrotonus die Reizstärke vermehrt, so kann man nicht nur am Muskel des Nerven eine ungeschwächte, sondern unter günstigen Umständen sogar eine verstärkte Zuckung er- halten (Bernstein), entsprechend der verstärkten Reizwelle. Wenn man im Katelektrotonus die Reizstärke vermehrt, so findet man, namentlich nach längerer Polarisation, eine geschwächte Maximalzuckung am Muskel vor, entsprechend der verminderten Reizwelle. Um dies zu beobachten, muß man, wie in Fig. 47, die Reizelektroden rr und r' r' nahe an die polarisierenden pp heranbi'ingen und mit stärkeren Strömen reizen. Denkt man sich bei dieser Anordnung an Stelle der Muskeln den Nerven an den Enden zum Galvanometer abgeleitet, so erhält man beim Aufsuchen der Reizschwelle für die negative Schwankung im Katelektrotonus erhöhte, im Anelektrotonus verminderte Reizbar- keit. Bei Verstärkung der Reizströme in rr jedoch erscheint im Anelektrotonus die verstärkte, im Katelektrotonus die geschwächte negative Schwankung (Reizwelle). Es geht dies aus der Formel (13) klar hervor. Im Anelektrotonus wird b und P vermehrt, statt h setzen wir ba und P„ statt P. Also erhalten wir. X„ = (r - ba) . Pa . fV{r - b„), Pal Die Leistung ist Null, wenn r^ba wird, also wird bei schwachen Reizen an der Grenze der Reizschwelle ba und zwischen b und ba die Leistung La kleiner als L. Werden aber die Reize so stark, daß ba gegen r verschwindet, so überwiegt der Einfluß von P« ^ P, und La wird größer als L. Im Katelektrotonus setzen wir als Reizschwelle b^ <^ b und als Energie P^ <^ P und erhalten : i,. = (r - bu) . Pjcflir - fefc), P,]. Bei schwachen Reizen ist Lu ^ L, weil (r — bk) ^ (>" — b) ist, bei stärkerem Reize, wenn bk und b gegen r verschwinden, wird Xfc < L, weil Pfc < P ist. Das Gesetz der elektrischen Reizung ist oft zum Gegenstand der Untersuchung und Erörterung gemacht worden. Zuerst hat du Bois-Reymond ein solches Gesetz aufgestellt. — 141 — welches lautet: „Nicht der absolute Wert der Stromdiclitigkeit in jedem Augenblick ist es, auf den der Bewegungsnerv mit Zuckung des zugehörigen Muskels antwortet, sondern die Veränderung dieses Wertes von einem Augenblick zum anderen, und zwar ist die Anregung zur Bewegung, die diesen Veränderungen folgt, um 80 bedeutender, je schneller sie bei gleicher Größe vor sich gingen, oder je größer sie in der Zeiteinheit waren." Dem du Boisschen Gesetz liegt die Beobachtung zugrunde, daß im allgemeinen ein konstanter Strom während seiner Dauer nicht reiit, und daß Erregungen nicht nur beim Schließen und Öffnen, sondern auch bei schnellen Schwankungen der Strom- / Stromstärke stärke bzw. der Stromdichte 1 Stromdichte Querschnitt positiver oder negativer Richtung auftreten. Je schneller man die Stromstärke (setzen wir den Querschnitt als konstant bleibend voraus) sich ändern läßt, desto stärker ist die Reizung. Dies kann man mit einem Schwankungsrheochord beobachten, bei welchem man den Schleifkontakt (s. Fig. 5, S. 7) sich schnell bewegen läßt. Das du Boissche Gesetz ist aber nur in gewisser Annäherung richtig. Es ist richtig, daß die Schwankung der Stromstärke die einflußreichste Variable ist; aber schon Pflüger hat eingewendet, daß auch die konstant bleibende Stromstärke nicht nur die Er- regbarkeit verändert, sondern auch an der Kathode Erregungen auslösen kann. Also die absolute Stromstärke muß auch einen Einfluß auf die Größe der Erregung haben. A. Fick hat ferner gezeigt, daß auch die Dauer des Stromes einen Einfluß besitzt. Er zeigte, daß bei kurz dauerndem konstanten Strom die Erregung mit zunehmender Dauer bis zu einer gewissen Grenze wächst. Es kann also die Größe der Erregung nicht bloß eine Funk- tion der Stromschwankung sein, welche wir durch den Differential- quotienten der Stromstärke nach der Zeit — ausdrücken, sondern es müssen auch die absoluten Werte von / und von t als Variable angenommen werden. Allgemein ausgedrückt würde dieses Gesetz lauten, wenn 7] die Erregung zur Zeit t ist: — 142 — Es ist cl rj der Zuwachs der Erregung zur Zeit t in der Zeit dt. Also würde die GesamteiTegung von Zeit 0 bis ti sein: V=^F(j-^,i,tyt (15) 0 Wir wollen zunächst zeigen, daß der Prozeß der elektrischen Reizung nach der Membrantheorie mit dieser Formel in Überein- stimmung steht. Die innere Polarisation ist ja nach dieser Theorie auch die Ursache der elektrischen Reizung. So lange die Sti'omstärke i schwankt , ändert sich das Membranpotential an der Anode und Kathode, so lange muß bei Zunahme von i an der Kathode , bei Abnahme von / au der Anode Erregung statt- di finden. Aber auch wenn i konstant geworden und — Null ist, bleibt an der Kathode, wie oben gezeigt, eine Dauererregung durch schwächere lonenvereinigung bestehen. Und endlich steigt die innere Polarisation nicht momentan zum Maximum, sondern erst innerhalb einer gewissen Zeit, strenge genommen, erst nach un- endlicher Zeit, wie bei jeder physikalischen Polarisation. Es geht hieraus deutlich hervor, daß die Erregung in erster Linie von den Stromschwankungen abhängig sein muß, in viel geringerem Maße von der absoluten Stromstärke und von der Dauer des Stromes. Man hat daher nach du Bois geglaubt, die beiden letzteren Variablen vernachlässigen zu können und die Erregung di nur als Funktion von der Stromschwankung — angesehen. Diese Annahme kann aber nicht zu ganz richtigen Resultaten führen. Es muß bei weiterer Behandlung dieses Gegenstandes zu- nächst die Grundfrage erörtert werden, welche bei Versuchen zu beobachtende Größe wir als Zuwachs- oder Elementarerregung drj und welche wir demnach als Gesamterregung rj in dem Zeit- moment t zu messen haben. Diese Frage ist bisher nicht be- friedigend behandelt worden. In allen Versuchen dieser Art ist bisher nur die Muskelzuckung als Reagens der Nerven - oder Muskelreizung benutzt worden. Aber es ist klar, daß diese kein proportionales Maß für die Muskelerregung, noch weniger für die Nervenerregung ist. Vom Muskel wissen wir, daß die gesamte — 143 — in ihm durch den Reiz ausgelöste Energie nur zum Teil als Arbeit erscheint, zum anderen Teil als Wärme. Als Maß für die gesamte Erregung j; vom Moment Null bis zur Zeit t kann aber nur die gesamte in ihm freigewordene Energie angesehen werden, die wir durch Arbeits- und Wärmemessung finden. Die Elementarerregung drj ist hiernach der Zuwachs an Energie, welche in jedem Zeit- teilchen dt ausgelöst wird. Versuche dieser Art fehlen bis jetzt gänzlich und ließen sich nur am Muskel ausführen. Wenn man also Ströme verschiedener Stärke, Schnelligkeit der Schwankung, und Zeitdauer auf Nerv und Muskel hat einwirken lassen und die schließliche Höhe der Muskelzuckung als Maß der Erregung betrachtet hat, so kann dieses Maß nicht als richtig angesehen werden. Messende Versuche, welche über diesen Gegenstand bisher angestellt sind, beschränken sich darauf, den elektrischen Minimal- reiz zu finden, welcher eben eine Erregung auslöst, die sogenannte Reizschwelle, bei verschiedener Art der Reizung. Hoorweg i) hat sich der Kondensatorentladung bedient, deren Verlauf man genau kennt, und untersucht, wie groß das Potential bei ver- schiedener Kapazität des Kondensators sein muß, um die Reiz- schwelle zu erreichen. Wenn P das Potential, B den Wider- stand des Kreises und (J die Kapazität bedeutet, so findet er die Formel: b a und h sind zwei Konstanten , die aus zwei Beobachtungen gefunden werden. Die Kapazität eines Kondensators, z. B. einer Leidener Flasche usw., ist bekanntlich diejenige Elektrizitätsmenge, welche sich beim Potential Eins auf den Belegungen befindet, und zwar wächst sie proportional der Oberfläche der Belegungen und umgekehrt proportional dem Abstand der Belegungen von- Q . einander. Ist also Q die Elektrizitätamenge, so ist C = r=^- Die Formel von Hoorweg gibt also an, daß die Potentialspannung P für die Reizschwelle um so kleiner wird , je größer die Kapazität ist, bei gleichbleibendem Widerstand ii, daß sie dagegen bei gleich- 0 Siehe Pflügers Arcliiv 1892—1901, bes. Bd. 52, 71, 87. — 144 — bleibender Kapazität C mit dem Widerstand Ix wächst, aber in beiden Fällen nicht proportional. Da P = -^ ist, so erhält man auch die Beziehung: I = aK^^, oder: Q = a.C.li + h, d. h. bei gleichbleibendem Widerstand des Kreises nimmt die zur Minimalreizung notwendige Elektrizitätsmenge Q mit zunehmender Kapazität zu, aber auch nicht proportional, da eine zu addierende Konstaute h noch hinzutritt. Eine ähnliche einfache Formel für die elektrische Reizschwelle bei Reizung mit kurz dauernden konstanten Strömen ist auch von Georg Weiss 1) aufgestellt worden. Diese Ströme wurden mit einem Schußapparat hergestellt, durch den die Leitung geschlossen und schnell unterbrochen werden konnte. Er gelangt zu der Be- ziehung: Q = a -^ bt, worin a und b zwei Konstanten sind. Da in diesem Falle Q, die Elektrizitätsmenge, gleich Intensität i mal Zeit ist, so ist auch: i.t = a^bt oder i = j -^ h (16) Das heißt also, die Intensität der Reizschwelle muß um so größer sein, je kleiner die Dauer t des Stromes ist, oder sie wird kleiner mit zunehmender Dauer. Bleibt der Strom geschlossen, ist t = oo, so wird i = h. Für kleine Zeiten gibt auch diese Formel annähernd mit der Beobachtung stimmende Resultate, wie die von Hoorweg. Es stimmt die Formel von Weiss auch gut zu den älteren Ver- suchen von A. Fick, die oben (S. 141) erwähnt sind. Diese Untersuchungen gingen nicht von den inneren Pro- zessen aus, welche der Strom in den Organen direkt hervorruft, wie wir es in den obigen Betrachtungen vom Standpunkt der Membran theorie getan haben. Dagegen ist von Nernst^) auf Grund von Versuchen mit sehr frequenten Wechselströmen von Wechselstrommaschinen eine Theorie der elektrischen Reizung aufgestellt worden, welche von der Betrachtung der Elektrolyse in den Organen ausgeht. Er gelangt hieraus für Wechselströme 0 Archiv, italien. d. biologie 35. 2) Sitzungsber. d. Berl. Akad. 26, 524 (1908): Pflügers Arch. 122, 293 (1908). — 145 — von der Schwingungszahl m und der Amplitude der Intensität i zu dem einfachen Gesetz, daß bei der Reizschwelle die Beziehung besteht : -L= Konst (17) Diese Versuche sind an Empfindungsnerven der Haut des Menschen und auch an motorischen Froschnerven angestellt worden. Folgende Tabelle zeigt ein solches Experiment. (Pflügers Arch. 123, 293, 1908.) m i beob. i ber. Differenz Proz. i/Vm . 10^ 105 0,81 0,78 — 4,2 78 136 0,88 0,92 -1-4,6 75 785 2,16 2,21 + -,3 77 960 2,41 2,47 + 2,9 77 2230 3,85 3,73 — 3,1 81 Mittel: i = 0,079 ]/m. Nernst geht von der Ansicht aus, daß die Membranen der Nerven und Muskeln nicht, wie Ostwald annahm, lonensiebe darstellen , sondern daß sie gegenüber der Gewebsflüssigkeit ein zweites Lösungsmittel bilden und sich also so verhalten, wie es Nernst und Riesenfeld (s. oben S. 37) an zwei miteinander nicht mischbaren Lösungsmitteln, in denen sich ein Elektrolyt verteilt, beobachtet hatten, wenn durch die Berührungsfläche ein elektrischer Strom geleitet wird. In diesem Falle tritt nicht wie an der üstwaldschen semipermeablen Membran eine Abschei- dung von Ionen ein , sondern nur eine Konzentrationsänderung des Elektrolyten. Diese Konzentrationsänderung sieht Nernst als die Ursache der Erregung an und setzt dieselbe der Größe der Erregung proportional. Der Konzentrationsänderung durch Elektrolyse wirkt aber die Diffusion entgegen, und aus einer aus diesen Voraussetzungen aufgestellten Differentialgleichung für die Änderung der Konzentration an einer Berühiungsfläche in jedem kleinsten Zeitteilchen und der Annahme eines Schwellenwertes der Konzentrationsänderung für die Reizschwelle entwickelt er obige Formel für den Schwellenwert von ? bei verschiedener Schwingungszahl m der Wechselströme. Bernstein, Elektrobiologie. irj — 146 — Die Nern stäche Theorie reicht indessen nicht aus, um zu einer allgemeinen Lösung des Problems der elektrischen Reizung zu führen, wie es durch die obige Formel (15) (S. 142) aufgestellt worden ist. Sie gibt keine Erklärung für das Gesetz der polaren Erregung, daß die Erregung beim Schließen an der Kathode und beim Offnen an der Anode eintritt, und das liegt daran, daß sie keine bestimmte Voraussetzungen über den Ort der inneren Elektroden an den Nerven- und Muskelfasern macht, welche der Struktur derselben entsprechen. Sie nimmt nur eine Anode an der einen Grenze der beiden Lösungsmittel und eine Kathode an der anderen Grenze an und identifiziert somit die Nerven- und Muskelfasern schematisch mit einem U-Rohr, dessen Mitte etwa mit Phenol und dessen beide Enden mit Wasser gefüllt sind. Nach dieser Vorstellung hätte man die Außenflüssigkeit als das eine (Phase 1) und den ganzen Inhalt der Fasern als das andere Lösungsmittel (Phase 2) anzusehen. Diese genügt aber keines- wegs, um die Erscheinungen der Eigenströme zu erklären und den Zusammenhang derselben mit der elektrischen Reizbarkeit zu deuten. Vielmehr gingen wir von der wohlbegründeten Vorstel- lung einer semipermeabeln Plasmamembran an der Oberfläche der Fasern aus, deren beide Oberflächen sowohl im Bereiche der äußeren Anode wie im Bereiche der äußeren Kathode Elektroden bilden, und die schon im unpolarisierten Zustande vermöge der Osmose eine elektrische Doppelschicht besitzt. Wollte man die Nernstsche Theorie auf diese Struktur der Fasern und Zellen anwenden, so würden die Konzentrationsänderungen, wenn man die Membran nicht als Diaphragma, sondern als Lösungsmittel (Phase) behandelt, an beiden Oberflächen entgegengesetzt und gleich ausfallen und sich demnach in ihrer Wirkung auf das Plasma aufheben ^). Indessen kann man die N ernst sehen Formeln recht gut auf die • Membrantheorie übertragen. Man braucht nur statt Kon- zentratibnsänderung des Elektrolyten Änderung des .Membran- potentials durch die innere Polarisation zu setzen und gelangt ') In ähnlicher Weise zeigt auch Crem er (siehe Handbuch der Physiologie von Nagel, Bd. IV, S. 875), daß die beiden Phasengrenz- kräfte an diesen Oberflächen sich aufheben und zur Erklärung des Eigenstromes nur die osmotische Poteutialdifferenz übrig bleibt. — 147 — dann zu ganz demselben Ergebnis i). Aus diesen Gründen haben wir in der ganzen theoretischen Darstellung an der Ostw aid- schen Hypothese festgehalten , nach welcher die organischen Membranen Diaphragmen für die Moleküle und Ionen der Eiektro- lyte bilden, gegenüber der Nernstschen Hypothese, nach welcher sie Lösungsmittel (Phasen) sind. Wie sich die Sache in Wirklich- keit verhält, soll damit nicht entschieden werden; denn es besteht auch die Möglichkeit, daß sich die lebenden organischen Mem- branen teils als Diaphragmen , teils als Lösungsmittel verhalten. Die 0 verton sehe Lipoidmembran würde nur als Lösungsmittel anzusehen sein, doch auf diese konnten wir, wie oben gezeigt, die elektrische Membrantheorie nicht beziehen. Die Plasmamembran hingegen ist von uns als reines Diaphragma behandelt worden. Doch ist es hiernach nicht ausgeschlossen , daß ihre Teilchen zu- gleich Elektrolyten und Nichtelektrolyten gegenüber als Lösungs- mittel zu betrachten sind, wie dies wahrscheinlich bei jeder Kolloid- substanz der Fall ist. Wie schon oben bemerkt, beziehen sich alle bisherigen Unter- suchungen dieser Art nur auf die Ermittelung der Reizschwelle, d. h. also auf den Fall, in welchem die Erregung rj ^= 0 wird. Dadurch kann natürlich eine Lösung der aufgestellten Funktion von Tj in Formel (15) nicht herbeigeführt werden. Denken wir die Integration dieser Formel gelöst, und wir erhielten das Resultat: f} = q) {i, t) , so stellt diese Gleichung bekanntlich eine Fläche im Raum in dem Koordinatensystem rj , i , t dar. Die angestellten Versuche geben uns aber nur den Fall , in welchem qp {i, ^) ^= 0 ist, d. h. in welchem die Erregung bei den Reizschwellen von i und t eben Null wird. Wir finde u also von dieser gesuchten Fläche nur die Kurve, in welcher dieselbe die ?i- Ebene schneidet. Um dies deutlich zu machen, sei in Fig. 49 das System der Koordinaten t, r], i dargestellt, und in der i^- Ebene wollen wir die für kurzdauernde konstante Ströme annähernd gültige Formel von G. Weiss: ,,/ = — -|- b oder z t{i — b) = ö" für die Reizschwelle in der Kurve AGD wieder- geben. Diese Kurve hat die Foi'm einer gleichseitigen Hyperbel, ') Eine weitere Ausführung dieses Gegenstandes will ich mir in einer speziellen Abhandlung vorbehalten. Der Autor. 10* — 148 — welche um das Stück b auf der 7 -Ordinate nach oben verschoben ist. Die Konstante b ist die Reizschwelle für ?', wenn die l'auer t sehr groß, = 00 ist. Die Kurve fällt steil aus dem Unendlichen von i ab und schließt sich asymptotisch dem Werte b an. Für alle diese zusammengehörigen Werte von i und t ist also die Erregung f] gleich Null. Denken wir uns nun für einen end- lichen Wert von rj einen Punkt 31 in der Fläche rj = cp (/, t) mit den bestimmten Koordinaten t-^ rj^ ?\ und nehmen wir an, daß für die Strorakurve , mit welcher wir reizen , in dem Zeit- i Fig. 49. A m h m' dl ii \ M V dt D bj dt 0 tl mi / V / / m2 Graphische Daratellung für das Gesetz der elektrischen Erregung. punkte t ^ dt der Punkt M' dieser Fläche erreicht wird, so kon- struieren wir auf und in der i^i-Ebene die zu M und il/' ge- hörigen Koordinaten, wie die Figur zeigt. Projizieren wir dann UM' auf die / i- Ebene, so erhalten wir auf diese Weise den Wert di . — in dieser Ebene, welcher zu dem Punkte M gehört. Wir er- halten ferner durch Projektion der Punkte m^ und Wg *^f V ^^^n zur Zeit t hinzukommenden Zuwachs drj. Die Form der Kurve in der i^-Ebene für die Reizschwelle ist nach den Formeln von G. Weiss, Hoorweg, Nernst und anderen eine verschiedene. Die Form der zugehörigen Fläche rj = cp (/, t) ist in allen Fällen — 149 — noch ganz unbestimmt; wir wissen von ihr nur, daß sie die if-Ehene in der betreffenden Kurve schneidet. Eine ähnhche Konstruktion ließe sich für die Hoor wegsehe und Nernstsche Formel aus- führen. Bei der weiteren Ausführung der Formel (15) haben wir nach der Membrantheorie aber statt der Stromstärke /(bzw. Strom- dichte) das Membranpotential F zu setzen, und haben daher noch die Abhängigkeit des F von i mit der Zeit zu berück- sichtigen. Es waren auch schon Untersuchungen über die Wirkung sehr frequeuter unterbrochener Ströme und Wechselströme angestellt worden. Mit den gewöhnlichen Unterbrechern konnte man nur bis zu etwa 4000 bis 6000 Schwingungen in der Sekunde gelangen. Bernstein i) fand, daß bei der Reizschwelle der Ströme an dem Nerv - Muskelpräparat nur im Beginn der Reizung eine Zuckung auftritt, die „Anfangszuckung". Bei weiterer Verstärkung der Ströme gesellt sich Tetanus hinzu. Die Anfangszuckung erscheint, sobald die Frequenz der Ströme etwa die Zahl 300 in der Sekunde überschritten hat. Diese Erscheinung erklärt sich wohl am besten aus der Dauer der Reizwelle im Muskel. Erst nach etwa \ 300 Sekunde ist der Muskel nach einem Reiz nahezu in den anfänglichen Zustand zurückgekehrt und für denselben Reiz wieder gleich empfänglich (Refraktionsperiode nach Marey). Folgen sich die Reize schneller, so wirken die nachfolgenden schwächer oder schließlich gar nicht. Später hat man mit Hilfe der Tesla-Apparate sehr hochfrequente Wechselströme benutzt und gefunden, daß dieselben überhaupt nicht mehr, weder auf Nerv und Muskeln noch auf den lebenden menschlichen Körper erregend einwirken. Es hat dies wohl zum Teil einen rein physikalischen Grund , da die hochfrequenten Stromwellen mit zunehmender Schwingungszahl immer weniger in die Tiefe der Leiter eindringen und immer mehr an der Oberfläche derselben verlaufen. Bei Wechselströmen könnte dies aber nach der Nernst- Bchen und der Membi-antheorie noch darin seinen Grund haben, daß die Polarisations- und Konzentrationsänderungen in den Organen nicht mehr schnell genug den Strom wechseln folgen können. Für gleichsinnige Stromwellen würde dies aber nicht ') 1. c. Unters uchua gen 1871. — 150 — gelten, sondern sie müßten sich zur Wirkung eines konstanten Stromes addieren. Schließlich haben wir noch den Einfluß der Winkelrichtung in Betracht zu ziehen, in welcher die elektrischen Ströme durch die Muskel- und Nervenfasern geleitet werden. Man hat gefunden, daß cet. par. das Maximum der Wirkung bei longitudinaler, das Minimum bei senkrechter Durchströmung eintritt, und daß die AVirkung dem Kosinus des Richtungswinkels annähernd propor- tional ist 1). Am besten läßt sich diese Untersuchung an dem kuraresierten M. sartorius ausführen, der in einen rechteckigen, mit 0,6 Proz. ClNa-Lösung gefüllten Trog getaucht wird, durch welchen parallele Stromfäden geleitet werden. Ein von zwei künstlichen Querschnitten begrenztes Mittelstück dieses Muskels, möglichst gerade gestreckt, reagiert in jeder beliebigen Winkelrichtung gegen die Stromfäden, selbst auf starke Ströme, gar nicht. Daraus habe ich schon früher gefolgert, daß die innere Polarisation , welche die Ursache der Erregung ist , nicht an der Oberfläche der Fasern stattfinden kann, sondern vielmehr an der Oberfläche der erregbai-en Fibrillen oder noch feinerer Elemente derselben. Vom Standpunkte der Membrantheorie aus wird man daher die polarisierbare Membran den Fibrillen der Muskel- und Nervenfasern zuerteilen müssen. Die Unwirksamkeit paralleler Stromfäden im obigen Versuche erklärt sich dann daraus , daß anodische und kathodische Polarisationen in jeder beliebigen Lage des Muskels an zwei gegenüber gelegenen Stellen der Fibrillen gleich stark sind und sich daher gegenseitig in ihrer Wirkung aufheben. ^) Leicher, Unters, a. d. physiol. Inst, zu Halle, Heft I, S. 1, li Bernstein, ebenda S. 27; Naturw. Rdsch. 1888, III, S. 353. — 151 — Achtes Kapitel. Haut- und Drüsenströme. Uire Bedeutung für die Sekretion und Resorption. Die Elektroosmose. Elektroosmotische Membrautheorle. Daß auch tierische Häute, auf denen eine Sekretion statt- findet, einen Strom erzeugen, wenn man sie von beiden Flächen ableitet, ist zuerst von E. du Bois-Reymond an der Froschhaut beobachtet worden (1857). Man findet die äußere Fläche, also die sezernierende Oberfläche, negativ, die innere Fläche dagegen positiv, wenn man mit unpolarisierbaren Kochsalzelektroden unter- sucht. Die Kraft schwankt etwa zwischen 40 bis 90 Millivolt (Engelmann). Zerstört man die Haut durch Hitze, oder be- handelt sie mit Chloroformdämpfen, so verschwindet der Strom. Man hat die gewöhnliche Richtung dieses Stromes von außen nach innen auch die „einsteigende" genannt (L. Hermann). Solche Ströme beobachtet man auch an den sezernierenden Schleimhäuten des Magens und Darmkanals (Rosenthal), und sie besitzen auch hier eine einsteigende Richtung, d. h. sie sind von der sezernierenden freien äußeren Fläche nach der inneren hin gerichtet. Die sezernierende Fläche ist also immer die negative. Diese. Ströme sind bei vielen Tieren, sowohl bei niederen Wirbel- tieren, Amphibien und Fischen, wie bei höheren Warmblütern, an der äußeren Haut und den Schleimhäuten derselben festgestellt. In den meisten dieser Häute finden sich Drüsen verschiedener Form ein- gelagert und regelmäßig angeordnet, meist in Schlauch-, Röhren- oder Flaschenform dicht nebeneinander gestellt. Man hat daher die elektrische Kraft hauptsächlich diesen Drüsen und ihren Zellen zu- geschrieben. Aber auch an Häuten, welche keine solche Drüsen- formen enthalten, wie die Haut der Aale, zeigt sich ein solcher Strom (Hermann). Mau muß daher den Sitz der elektrischen Kraft nicht nur in die eigentlichen Drüsenzellen, sondern auch in die Epithelzellen verlegen, welche diese Häute auf der äußeren Fläche bedecken. Dies ist auch histogenetisch insofern berechtigt, als ja bei der Entwickelung die Drüsenzellen aus den Epithelzellen — 152 — nach Einstülpung der äußeren Hautfiäche hervorgehen. Auch die Epithelzellen zeigen mehr oder weniger die Funktion der Sekretion; sie scheiden besonders Schleim ab oder erleiden ge- wisse chemische Veränderungen, wie die Verhornung in der Epi- dermis der höheren Wirbeltiere. In Fig. 50 a sieht man eine solche Haut schematisch dargestellt, besetzt mit sezernierenden Epithel- zellen; in Fig. 50 b ist die Einstülpung derselben zur Bildung ver- schiedener Drüaenformen verdeutlicht, welche verschiedene Formen, einfache Röhrchen und Bläschen und durch Teilung der Gänge zu- sammengesetzte röhren- und bläschenförmige Drüsen von größerem Umfang, wie die Speicheldrüsen, Pankreas usw. entstehen läßt. Fig. 50 a u. b. + -h -I- -I- + + + + + + > l. + + ■j.) Haut mit Sekretionszellen (Schema), b) Einfache Drüsenformen. Alle sezernierenden Zellen sind an der angewachsenen (inneren) Seite von einer durch deutliche Kontur erkennbaren Membran begrenzt, an der freien sezernierenden (äußeren) Seite dagegen erscheinen sie mehr oder weniger offen, indem hier das aus dem Protoplasma hervorgehende Sekret sich nach außen hin entleert. Wir können daher auf so beschaffene Zellen die Membran- theorie anwenden und uns vorstellen, daß sie an der inneren Fläche von einer semipermeabeln Plasmamembran eingehüllt sind, daß aber an der äußeren Fläche diese Membran durch den chemischen Prozeß der Sekretion mehr oder weniger zerstört wird. — 153 — Je nach dem Zustande der Ruhe und Tätigkeit, zeigen auch diese Zellen verschiedenartige Formen '). Nehmen wir nun nach Analogie der Muskelzellen auch für diese Zellen an, daß die Mem- hran für die positiven Ionen eines Elektrolyten durchgängig, für die negativen desselben aber undurchgängig ist, so sind die Haut- und Drüsenströme damit gedeutet. Es ist daher auch untersucht worden, wie sich die Kraft dieser Ströme zur ahsoluten Temperatur verhält. Lesser2) fand, daß an der Froschhaut nur in den Grenzen von 10 bis IS^C die Kraft der absoluten Temperatur an- nähernd proportional steigt; bei höheren Temperaturen dagegen steigt die Kraft viel stärker, als dem Verhältnis zur absoluten Temperatur entspricht, und bei sehr niederen Temperaturen sinkt sie stärker. Dieses Verhalten kann man aber nicht als Einwand gegen die Annahme einer Konzentrationskette in den Drüsenzellen benutzen. Es erklärt sich diese Abweichung vom Temperatur- gesetz sehr wohl aus der Empfindlichkeit der Plasmamerabran gegen zu hohe und zu niedere Temperatur, wie dies auch am Muskel und Nerv, wenn auch in viel geringerem Maße bemerklich war, 80 daß nur bei mittlerer Temperatur das Gesetz zum Vorschein kommt. Die größere Empfindlichkeit des Protoplasmas dieser Zellen gegen Änderungen der Temperatur hängt wohl damit zu- sammen, daß ihre Funktion ja wesentlich in der Erzeugung chemi- scher Produkte besteht, worauf die Temperatur einen so hohen Einfluß besitzt, da nach dem van't Hoffschen Gesetz sich diese Prozesse von 10 zu 10" C um das Zwei- bis Dreifache beschleunigen. Ferner sind viele Versuche über die Einwirkung der Nerven- erregung an der Froschhaut angestellt worden. Altere Versuche (Röber) ergaben eine negative Schwankung des Hautstromes bei Reizung der Hautnerven. Spätere Versuche dagegen wiesen nach, daß dieser negativen häufig eine positive Schwankung folgt (Engelmann, Hermann u. a.). Wenn der einsteigende Ruhe- strom stark ist, so tritt bei der Reizung eine größere negative Schwankung ein, wenn derselbe aber schwach ist, so erfolgt eine größere positive Schwankung. An der Haut der Pfote von Katzen, ^) Man unterscheidet häufig an diesen Zellen zwei Schichten, eine innere (angewachsene Seite) protoplasmatische oder homogene , in welcher der Zellkern liegt, und eine äußere (freie Seite) mehr körnige oder schleimige, welche das Sekret bildet. -) Habihtationsschrift, Halle 1906; Pflügers Arch. 116 (1907). — 154 — welche bei Nervenerregung Schweißsekretion erkennen läßt, haben Hermann und Luchsinger nur positive Schwankung des Stromes beobachtet. Eine Verstärkiing des einsteigenden Stromes , die jDositive Schwankung, würden wir bei der Sekretion in folgender Weise erklären können. Während der Ruhe wirkt die Membran der Außenseite der der Innenseite entgegen, bei der Tätigkeit aber wird durch den chemischen Prozeß die Membran der Außenseite zerstört, und nun kommt die Kraft der Innenseite zur stärkeren Geltung, um so stärker, je schwächer der Ruhestrom war. Die negative Schwankung dagegen ist im Zusammenhang mit der Sekretion schwer zu deuten, man müßte denn annehmen, daß die Permeabilität der Membran der Innenseite für das Anion ( Ion) zunimmt. Eine ganz andere Deutung der negativen Schwankung bei der Reizung ist folgende. Ich habe beobachtet, daß, wenn man die Froschhaut über ein offenes Glasrohr spannt, dasselbe mit physiolo- gischer Kochsalzlösung füllt, in ein Gefäß mit dieser Lösung taucht und von beiden zum Galvanometer leitet, ein Streichen der äußeren Hautfläche mit einem feinen Haarpinsel immer eine negative Schwan- kung des Hautstromes hervorruft. Dieselbe tritt nicht ein, wenn man die innere Fläche streicht. Es ist klar, daß es sich bei dieser schwachen Reizung um Empfindungs- bzw. Tastnervenorgane han- delt und nicht um Sekretionszellen. Bei der Reizung der Haut- nerven werden aber auch die Fasern dieser Empfindungsnerven gereizt, und es ist also möglich, daß die negative Schwankung des Hautstromes, die auch immer der positiven vorausgeht, nur auf Reaktion der Endigung dieser Nerven in der Haut beruht. Ist der Sekretionsstrom schon von vornherein stark, so kommt diese negative Schwankung besser zum Vorschein. In neuerer Zeit hat Orbelli bei Garten ') auch die Frosch- hautströme mit dem Saitengalvanometer aufgenommen. Er findet beim Eintauchen der Haut in destilliertes Wasser einen schwachen Ruhestrom und starke positive Schwankung, beim Eintauchen in 0,6 proz. Gl Na -Lösung einen starken Ruhestrom und negative Schwankung vor. Was die Schleimhaut des Darmkanals anbetrifft, so hat man, wie ich meine, bei der weiteren Untersuchung ihrer Ströme fol- ^) Siehe Garten, Handb. d. verg]. Physiol. 3, 156. — 155 — gende wesentliche Tatsache zu beachten. Die Zellen derselben, welche die Oberfläche auskleiden, sind ihrer Funktion nach keines- wegs, wie die der Drüsen der Schleimhaut, nur als sekretorische anzusehen, sondern die Mehrzahl derselben, besonders die Epithel- zellen des Dünndarms und seiner Zotten, sind als Resorptions- zellen zu betrachten. Während bei den sekretorischen Zellen der Flüssigkeitsstrom von innen nach außen gerichtet ist, geht der-; selbe bei den Resorptionszellen während ihrer Tätigkeit von außen/ nach innen. In welchem Zusammenhang nun auch dieser Flüssig- keitsstrom mit den elektrischen Erscheinungen dieser Häute stehen mag, es ist hiei-nach doch wahrscheinlich, daß auch die Eesorp- tionszellen ein elektrisches Potential besitzen , welches dem der Sekretionszellen entgegengesetzt sein kann. Diese Hypothese ist vielleicht geeignet, manche verworrene und sich widersprechende Fig. 51. + jmm wfwwfw i^ __^^^^ Haut mit Kesorptionazellen (Schema). Resultate in den bisher angestellten Versuchen zu klären. Auch die äußere Haut der nackten Amphibien ist nicht nur als sekreto- rische, sondern auch als resorbierende anzusehen. An ihr beob- achtet man auch eine Umkehr des Stromes bei Erwärmen auf 50" C (Bach und Oehler). Ferner hat Orbelli nach Eintauchen der Froschhaut in destilliertes Wasser oder sehr verdünnte Koch- salzlösungen einen umgekehrten (aussteigenden) Strom beobachtet. In dem letzteren Falle wird vielleicht eine Wasserresorption infolge von Osmose angeregt und dadurch der Strom der Resorp- tionszellen verstärkt. Es müßten zur Entscheidung der vor- liegenden Frage Häute untersucht werden , welche nur resorbie- rende, aber keine sezernierende Funktion besäßen. Es scheint aber schwierig, geeignete Objekte hierzu zu finden. Um der gemachten HyjDothese eine anschauliche Unterlage zu geben, sei in Fig. 51 eine resorbierende Haut, mit Zellen bedeckt, schematisch dargestellt. Von den Epithelzellen des Dünndarms wissen wir, daß sie der Resorption dienen und die Spaltungsprodukte der Fette und Eiweißkörjjer, wie die Kohlehydrate durch ihren Zellen- leib in die Lymphe und Blutbahn befördern. Die Spaltungs- — 156 — Produkte der Fette werden in diesen Zellen wieder zu Fett in feinen Fetttröpfchen vereinigt, welche in die Gewebslücken hinein aus- geschieden und von dort der Lyraphbahn zugeführt werden. Die äußere Fläche dieser Zellen, welche von einer festen gestrichelten Membran bedeckt ist, läßt nur gelöste Substanzen eintreten, die innere Fläche dagegen verhält sich ähnlich wie eine äuüere der Sekretionszellen. Es liegt daher die Möglichkeit vor, daß diese Zellen eine semipermeable Membran besitzen, deren äußerer Teil elektromotorisch wirkt , daß dagegen ihr innerer Teil bei der Tätigkeit durch Abscheidung von Substanzen mehr oder weniger an elektromotorischer Kraft verliert. Dadurch würde ein aus- steigender Strom entstehen. In den Sekretions- und Resorptionszellen gehen mannigfache chemische Prozesse vor sich, durch welche verschiedenartige Sekretbestandteile und Zellprodukte gebildet werden. Neben diesen chemischen Prozessen gehen aber osmotische Prozesse vor sich, welche die Aufgabe haben, Wasser von der einen Seite nach der anderen zu treiben, aus dem Blute und den Säften abzu- scheiden und in das Blut und die Säfte aufzunehmen. Man hat sich vielfach mit der Frage nach den Kräften der Wasser bewegung bei diesen Vorgängen beschäftigt. Nach den bisherigen Unter- suchungen scheint es nicht möglisch, diese Wasserbewegung allein aus den Gesetzen der Diffusion und denen des osmotischen Di-uckes zu erklären, obgleich diese Kräfte von entschiedener Bedeutung hierbei sind. Man findet sehr häufig, daß der osmotische Druck der Sekrete, des Harns, der Galle, des Speichels usw., niedriger sein kann, als der des Blutes, und daß die Filtrationskraft des Blutdruckes nicht ausreicht, um diesen Unterschied zu erklären. Andererseits hat man auch beobachtet, daß aus dem Darm Flüssig- keiten resorbiert werden, welche den gleichen oder sogar höheren osmotischen Druck besitzen als das Blut. Wenn auch manche dieser Vorgänge bei der Kompliziertheit der Bedingungen im lebenden Organismus sich aus osmotischen Gesetzen erklären könnten, so hat man doch noch an andere Kräfte gedacht, welche die Wasserbewegung in den Zellen beherrschen könnten. Lehnt man hier Kräfte vitaler Natur von vornherein ab, so bleibt wohl nichts anderes übrig, als elektrische zu Hilfe zu nehmen i). >) SieheBernstein.Lehrb.d. Phys., 3. Aufl. 1910, S. 161, 200 ff., 706. 157 — Es ist daher in diesem Sinne von großem Interesse, die Er- scheinungen der Elektroosmose zu betrachten. Von G. W iede- mann ist dieselbe mit Hilfe des in Fig. 52 abgebildeten Apparates genauer untersucht worden. Eiu unten geschlossener Tonzylinder a ist oben mit einer Glocke und Rohr d mit Seiteurohr e ver- sehen. Eine Elektrode c ist luftdicht in den Zylinder eingesetzt, eine zweite i befindet sich in dem äußeren Gefäß h. Füllt man den Apparat mit Flüssigkeit, so kann man durch einen Strom von k nach f die Flüssigkeit durch die Tonzelle hindurch- treiben und in / sammeln. Der Versuch kann mit verschiedenen Flüssigkeiten vorgenom- pj- 52. men werden, z. B. mit Wasser und Platinelek- troden oder mit CUSO4- Lösung und Cu- Elek- troden. Es ergeben sich folgende Gesetze: „Die Menge der in gleichen Zeiten durch die Tonwand übergeführten Flüssigkeit ist der Inten- sität des Stromes pro- portional und unter sonst gleichen Bedingungen von der Oberfläche und Dicke der Ton wand un- abhängig." Wenn man an das Seitenrohr e ein Quecksilbermanometer anschließt, so kann man die Kräfte messen, welche durch Elektroosmose entstehen. Wiedemann fand: „Die Druckhöhen, bis zu welchen die Flüssig- keiten durch den galvanischen Strom ansteigen, sind der Inten- sität des Stromes direkt , der freien Oberfläche des Tonzylinders umgekehrt proportional." Es ist ferner von Quincke gezeigt worden, daß sich der Vorgang auch umkehren läßt, d. h. wenn man durch poröse Scheide- wände Flüssigkeit durch Druck hindurchpreßt, so entstehen da- durch Ströme, welche man Strömungsströme genannt hat. End- lich hat man auch beobachtet, daß fein verteilte Partikelchen, Schwefel, Kohle usw., sich in einer Flüssigkeit durch den Strom Wiedeiuaun zur Elektruosniose. — 158 — nach der Anode oder Kathode hin bewegen. Diese Erscheinungen, welche man auch an Kolloidpartikelchen , Zellen und einzelligen Organismen (Bakterien usw.) wahrgenommen hat, hat man mit dem Namen Elektrokinese (Freundlich) bezeichnet. Alle diese Vorgänge haben eine gemeinsame Ursache. Von Helm holt z ist zuerst eine Theorie der Elektroosmose gegeben worden. Diese Theorie geht von der Vorstellung aus, daß ein Kontaktpotential zwischen den Wasserteilchen und der Wandung der Diaphragmaporen oder eines Rohres entsteht. Dieses Kon- taktpotential kann man jetzt als ein Adsorptionspotential an- sehen, indem man annimmt, daß H+- und 0H~- Ionen in ver- schieden starkem Grade adsorbiert werden (Freundlich). Die Wasserteilchen in der Wandschicht werden dadurch positiv geladen, und wenn ein Strom hindurchgeleitet wird, so werden sie mit der positiven Elektrizität in der Richtung des Stromes mitgenommen. Infolge der inneren Reibung der Flüssigkeit werden die benach- barten inneren Schichten der Flüssigkeit mitbewegt, und in engen Röhren und den Kapillaren eines Diaphragmas erstreckt sich diese Mitbewegung daher auf den ganzen Querschnitt derselben. Die Kraft, mit welcher diese Elektroosmose vor sich geht, ist propor- 'tional denn Potentialsprung s an der Grenze der Flüssigkeit und der festen Substanz des Diaphragmas, proportional dem Potential- gefälle iZ^ des zugeleiteten Stromes im Diaphragma und proportional der Dielektrizitätskonstante D der Flüssigkeit, dagegen umgekehrt proportional der inneren Reibungskonstante ij der Flüssigkeit. Die von Perrin ^) etwas vereinfachte Helmholtzsche Formel für die in der Zeiteinheit durch Osmose übergeführte Flüssigkeits- menge V ist bei dem Querschnitt q : q.e.H.D V = —^ (18) 4:71 .7] ^ Dieselbe Theorie erklärt auch die Entstehung eines Strö- mungsstromes beim Hindurchpressen von Flüssigkeit durch ein Diaphragma. Ebenso ei-gibt sich aus ihr die Erscheinung der Elektro- kinese. Es entsteht ein Kontaktpotential zwischen den suspen- dierten Partikelchen und dem Wasser, und wenn nun das Wasser ') Siehe Freundlich, Kapillarchemie 1909, S. 222. — 159 — in der einen Richtung bewegt wird, so werden die Partikelchen in der entgegengesetzten Richtung getrieben. Daher wandern die- selben in den meisten Flüssigkeiten zur Anode, während das Wasser zur Kathode wandert. Die Geschwindigkeit, mit welcher sich die Teilchen bewegen, ist innerhalb gewisser Grenzen nahezu unab- hängig von ihrer Größe und wird durch die Formel ausgedrückt: E.H.B , , u = — 19 Die Potentialspannung £ an der Grenze von Wasser und fester Substanz kann mehrere Zentivolt betragen. Die Geschwindigkeit m der suspendierten Teilchen beträgt bei einem Potentialgefälle H von 1 Volt auf 1cm etwa 20 bis 40.10~^cm in der Sekunde, Von großem Einfluß auf die Potentialdifferenz zwischen Wasser und fester Substanz ist nun die Gegenwart von Elektro- lyten schon in kleinen Mengen. Durch ein Diaphragma von Karborund (Kohlefilter) geht Wasser zur Kathode, und diese kathodische Bewegung wird durch Zusatz von Alkali beschleu- nigt , dagegen durch Zusatz von Säure verzögert und schließlich umgekehrt (Per rin). Zuerst ist die feste Substanz des Diaphragmas negativ gegen Wasser, und diese Ladung wird durch Alkali, und zwar durch die 0H~- Ionen desselben erhöht, dagegen durch Säure, und zwar durch die H"*"- Ionen derselben vermindert und um- gekehrt. Durch ein Diaphragma von Chromchlorid geht Wasser zur Anode , da es sich gegen die feste Substanz negativ verhält. Zusatz von Alkali hemmt und Zusatz von Säure beschleunigt hier diese Elektroosmose. Per rin hat auch die Wirkung von Salzen untersucht. Bei einem Diaphragma aus Chromchlorid, welches positiv gegen Wasser oder sehr verdünnte HCl -Lösung ist, tritt eine Entladung durch Zusatz von BrK, MgSO^ und K3Fe(CN)6 ein, und zwar durch die Anionen Br~, SO4— und Fe (C N)6= in wachsendem Maße mit ihrer zunehmenden Wertig- keit, während die Kationen wenig Einfluß haben. Die zur Anode übergeführte Flüssigkeitsmenge vermindert sich in diesem Falle zunehmend in sehr beträchtlichem Grade. Bei einer negativen Diaphragmasubstanz verhält es sich umgekehrt. Versuchen wir nun diese Kenntnisse auf die Vorgänge der Sekretion bzw. Resorption anzuwenden , so bat man schon seit längerer Zeit daran gedacht, daß die Sekretflüssigkeit durch elek- — 160 Flff. 53. trische Kräfte neben denen der Filtration und Osmose bewegt werde. In der Tat hat der oben beschriebene Wie de mann sehe Versuch äußerlich große Ähnlichkeit mit einem Sekretionsversuch an einer Drüse, z. B. der Speicheldrüse, wenn man eine Kanüle in ihren Ausführungsgang einlegt und den Sekretionsnerven, z. B. den Nervus lingualis, reizt. Es tropft dann in beschleu- nigtem Maße der Speichel aus dem Speichelgang ab. Bisher ge- lang es aber nicht, eine befriedigende Theorie einer Elektroosmose bei der Sekretion aufzustellen , denn man ging immer dabei von der Vorstellung aus, daß die an den Häuten und Drüsen beobachteten Ströme es seien, welche die treibende Kraft gäben. Diese Ströme sind aber erstens so schwach, daß sie gar keine merkliche Wirkung ausüben könnten, und dann müßte ein solcher Strom, wenn er vorhanden wäre, doch in der Haut selbst eine Rückleitung haben, in welcher die zu bewegende Flüssigkeit wieder rückwärts getrieben würde. Ein solcher ge- schlossener Leitungsstrom ist aber offenbar gar nicht vorhanden; denn stellen wir uns, wie in Fig. .50, eine kontinuierliche Fläche von dicht aneinander stehenden Sekretionszellen annähernd gleicher Kraft vor, so haben wir es hier mit einer ungeschlossenen elektrischen Doppelschicht zu tun. In dieser kann also ein Leitungsstrom nicht zustande kommen. Die auf Grund dieser Betrachtung von mir aufgestellte Theorie der Elektroosmose in den Sekretionszellen ist nun folgende : Es sei in Fig. 53 a die positive und h die negative Fläche der Membran und w ein Wassermolekül in der Nähe der positiven Fläche, welches gegen die Substanz der Membran positive Spannung angenommen hat. Dieses Molekül wird daher von der positiven Fläche a abgestoßen, von der negativen h angezogen und so durch die treibende Kraft des Potentialgefälles durch die Membran hindurchgetrieben werden. Die negative Elektri- zitätsmenge der Membranteilchen, welche von der Ladung gegen die Wassermoleküle herrührt, wird an die positive Ladung in a abgegeben, und die positive Elektrizität der Wassermoleküle wird an die negative in U gebunden, so daß die Wasser- +• + - + - + + W © — - + — + - + - + Schema zui elektroosmotischeu Membrantheorie VC n Bernste m. — 161 — naoleküle elekti-isch neutral aus der Membran beraustreteu; d. h. es wird durch Konvektion positive Elektrizität von der Seite a nach der Seite h befördert. Indem Wassermoleküle in derselben Richtung uachströmen , entsteht dadurch eine Elektroosmose. Jede Sekretionszelle kann auf diese AVeise Wasser aus der inneren Seite, d. h. aus der Gewebsflüssigkeit in ihr Inneres und von da nach außen hin befördern. Nach dieser Theorie also ist es nicht ein Leitungs- strom, sondern ein Konvektionsstrom, durch welchen außer durch die Kräfte der Osmose und Filtration die Sekretion des Wassers in den Sekretionszellen unter- halten wird. Ebenso kann auch bei der Resorption eine Wasserbewegung in den Resorptionszellen in der ent- gegengesetzten Richtung von außen nach innen in das Gewebe geschehen. Die Potentiale, welche hierzu erforderlich sind, brauchen keineswegs so große zu sein, wie wir sie in den Experimenten über Elektroosmose anwenden müssen, es kommt vielmehr hauptsächlich, wie die Formel (19) lehrt, auf das Potentialgefälle H an, und dieses ist trotz des geringen Potentialwertes S in der Plasmamembran ein außer- ordentlich großes, weil die Dicke der Membran eine außerordentlich kleine ist. Der entsprechende Kon- vektionsstrom hat die umgekehrte Richtung wie die abgeleiteten Ströme. Mit dieser Theorie ist die große Schwierig- keit gehoben, welche sich bisher der Annahme solcher elektri- schen Triebkräfte bei der Sekretion und Resorption entgegenstellte. Man wird vom energetischen Gesichtspunkte aus sofort die Frage auf werfen, welche Energiequelle die hierzu nötige elektrische Energie liefere. Da die Elektroosmose des Wassers elektrische Energie verbraucht und diese aus der osmotischen Energie des Elektrolyten bezieht, welcher die Doppelschicht erzeugt, so muß dieselbe aus der Osmose des Elektrolyten beständig ersetzt werden, und dies geschieht bekanntlich unter Verbrauch von Wärme. Dieser Prozeß ist also als ein endothermer anzusehen. Die Energiequelle ist Wärme des lebenden Gewebes, des Blutes und der chemischen Prozesse, welche mit der Sekretion verbunden sind. Die Sekretionszellen erzeugen so viel Wärme im Überschuß, daß sie wohl hauptsächlich die zur Elektroosmose nötige Wärme- menge allein liefern. Bernstein, Elektrobiologie. ]^J — 162 — Da bei diesem Vorgange das Potential der Membran durch Verbrauch von Energie zunächst abnehmen wird, so erklärt sich daraus vielleicht die initiale negative Schwankung der Drüsen- ströme, die häufig auftritt. Die darauf folgende oft sehr starke positive Schwankung würde aus der stärkeren Zerstörung der äußeren sezernierenden Membranseite der Zellen folgen, welche mit den inneren chemischen Prozessen verknüpft ist. Indem wir dieselben Eigenschaften auch den Resorptionszellen zuerteilen, so können wir elektrische Differenzen in ihnen in derselben Weise annehmen, aber in umgekehrter Richtung, und so kann an Häuten, wie an der Schleimhaut des Darmkanals, die elektrische Reaktion bei der Sekretion und Resorption sich in mannigfacher Weise komplizieren. Hierzu kommt noch, daß auch die chemische Reaktion des Sekretes einen Einfluß auf Richtung und Stärke des Drüsenstromes haben wird. Fortgesetzte Untersuchungen von diesem Gesichtspunkte aus dürften, wie ich vermute, geeignet sein, in diesem Gebiete zu weiteren Resultaten zu führen. Um diese elektroosmotische Membrantheorie, wie ich dieselbe nennen möchte, durch Versuche zu stützen, wurden folgende Versuche angestellt. Wenn es richtig ist, daß eine semi- permeable Membran, welche eine elektrische Doppelschicht erzeugt, imstande ist, Wasser von der einen nach der anderen Seite hin- durchzutreiben, so muß sich dies auch an künstlichen semi- permeabeln Membranen, z. B. an der Pf ef ferschen Ferrocyan- kupfermembran, nachweisen lassen. Es wurden daher an Tonzellen, welche nach der Pf ef ferschen Methode mit einer solchen Membran versehen waren, Versuche dieser Art angestellt ^). Nachdem auf der Innenfläche einer kleinen Tonzelle die Membran nach den Angaben von Pfeffer hergestellt war, wurde sie innen mit einer 0,5 proz. Lösung von K4FeCy6 gefüllt, mit einem offenen U-förmigen dünnen Manometerrohr durch einen Stopfen dicht verbunden und in eine 0,85 bis 0,825 proz. Lösung von CUSO4 hineingestellt. Die CUSO4- Lösung hatte einen um ein geringes höheren osmotischen Druck als die K4 Fe Cyg -Lösung, so daß vermöge der Diffusion Wasser von innen nach außen hatte wandern müssen. Der ') Diese Versuche sind zum Teil gemeinsam mit Fräul einElisabeth Kvösing in den Jahren 1905/06 im physiologischen Institut in Halle a. S. ausgeführt worden. Dieselben sollen demnächst ausführ- licher veröffentlicht werden. — 163 — osmotische Druck wurde nach der Gefrierpunktsmethode be- stimiut. Nichtsdestoweniger war in dem Manometer der Tonzelle sehr bald eine deutliche Drucksteigerung zu beobachten, wie folgende Beispiele zeigen: Versuch 1. Datum Zeit Temp. Druck Bemerkungen oc mm Lösung 14. März 1906 1 10^ 18 N. 16,9 — 0,5 Durchmesser des Manometers = 1,7 mm. 10 40 16,8 — 0,28 15. März 1906 7 33 V. 14,8x + 7,8 7 45 15,5 + 8,1 10 02 19,5 + 11,0 11 08 20,8 -f 12,65 5 00 N. 20,15 + 17,45 17. März 1906 8 00 V. 19,15 + 16,45 10 17 19,3 + 16,6 Ahkühlung der Zelle. 10 32 4,0 + 14,6 Gefrierpuiiktseruiedrigung(J) in Skalenteileu des Thermo- meters nach dem Versuch. 10 50 0,0 + 12,6 CnSO^-Lüsung, J = 9,7. K4FeCy6-Lösung, J = 9,1. Versuch 2. Datum Zeit Temp. oc Druck mm Lösung Bemerkungen 14. März 1906 lliOON. 18,2 — 0,7 Manometer 1,7 mm weit 2 04 18,2 + 1.7 3 45 18,9 + 5.9 8 30 17,2 + 17,2 10 40 16,8 + 20,4 15. März 1906 7 33 V. 14,8 + 27,3 10 57 3,8 + 24,7 Ahkühlung. 12 07 N. 1,2 + 23,4 12 52 0,0 + 22,2 0,825 proz. CUSO4, J = 0,5 proz. K^FeCyg, J = 10,4. 8,9. 11^ — 164 — Diese Versuche zeigen ein deutliclies Steigen der Flüssigkeit auf der Seite der K^ Fe Cye- Lösung , trotzdem diese einen etwas geringeren osmotischen Druck besitzt als die Kupferlösung. Dies konnte also nu^r die Folge einer Potentialdifferenz an beiden Seiten der Membran sein. Das Kaliumion auf der Außenseite und das nicht durchgelassene FeCyg-Ion auf der Innenseite der Membran erzeugen ein starkes Potentialgefälle in derselben, welches die Wassermoleküle von außeu in die Zelle hineintreibt. Da der osmotische Druck der Lösungen bei 0*^ bestimmt wird und der der K^ Fe Cyg- Lösung sich vielleicht bei mittlerer Tem- peratur etwas stärker erhöhen könnte als der der Kupferlösung, so wurde die Zelle auch auf 0'' abgekühlt. Hierbei sank zwar der Druck im Manometer, vornehmlich infolge der Volumabnahme, weniger durch Abnahme des Potentials, aber er blieb noch hoch genug stehen. Ein noch viel höherer Druck konnte auf der Innenseite der Zelle beobachtet werden, wenn man vorher eine stärkere Membran nach den Angaben von Pfeffer mit 3 proz. Lösungen beiderseits erzeugt hatte. Nachdem diese mehrere Tage vorbereitet war, wurde sie innen mit 0,4 proz. K^ Fe Cy^;- Lösung mehrfach gespült und in eine mehrfach erneuerte 0,825 proz. CuS04-Lösung hinein- gestellt. Der osmotische Druck der ersteren ist merklich geringer als der der letzteren. Versuch 3. Datum Zeit Temp. oc Druck mm Lösung Bemerkungen I.Dez. 1906 12l^ ION. 21,5 30 Jed. Tag wurden die Lösungen erneuert. 2. Dez. 1906 12 — > 340 ! i Die Flüssigkeit tropft über dem Manometerrohr aus. S.Dez. 1906 11 19,0 — Abkühlung. 12 1,5 >340 1 10 . 0,0 >340 Durch diese Versuche ist also eine neue elektroosmotische (oder kataphoretische) Eigenschaft semipermeabler Mem- branen festgestellt. Auch wenn wir nicht der Ost wald sehen, — 165 — sondern der Nernst- Ri esenf eldsclien Anschauung über das Verhalten einer solchen Membran als Phase bzw. Lösungsmittel (s. oben S. 37) folgen, so werden wir darauf dieselbe Betrachtung anwenden und einer solchen Membran eine Wasser befördernde Kraft zuerteileu dürfen. Neuntes Kapitel. Ursprüngliclie physiologisclie Bedeutuiig- des Membran Potentials der Zellen. Die TVasserbindun^ in den ZeHen. Genese der elektrischen Eigenschaften der Organe. Die Pflanzenströnie. Eine unmittelbare Konsequenz der elektroosmotischen Membrantheorie führte mich zu der Fi-age der Wasserbindung in den Zellen , welche mit der der Wasserbewegung im engsten Zusammenhange steht. Man hat bisher allgemein angenommen, daß die Bindung des freien Wassers, d. h. des nicht chemisch ge- bundenen, in den Zellen durch den osmotischen Druck und durch Quellung kolloider Substanzen erfolge. Wenn es aber richtig ist, daß, wie im vorigen Kapitel bewiesen, semipermeable Mem- branen und demnach die Plasmamembranen Wasser von der einen nach der anderen Seite treiben können, so muß auch der Wasser- gehalt und die Wasserbindung der Zellen von dem Potential ihrer Plasmamembran beeinflußt werden. Wir haben die Wasser- bewegung zuerst an den Sekretions- und Resorptionszellen be- trachtet, welche an einer Seite mehr oder weniger als offene anzusehen sind. Aber auch an anderen, allseitig von der Plasma- membran umschlossenen Zellen muß hiernach die AVirkung des Membranpotentials in demselben Sinne zur Geltung kommen. Nehmen wir in ihnen zunächst, wie in den Muskel- und Nerven- elementen, ein Membranpoteutial an, welches Wassermoleküle von außen nach innen fördert, so muß die wasserbindende Kraft der — 166 — » lebenden Zelle nicht allein vom osmotischen Druck, sondern auch von dem Membranpotential abhängig sein. Nennen wir den os- motischen Druck außerhalb der Zelle pa und innerhalb pi und die vom Membranpotential abhängige Kraft 71, so müßte im Zu- stande des Gleichgewichtes 2h -\- '^ = Pa sein. Wenn diese Voraussetzung richtig ist, so müßte die wasser- bindende Kraft der lebenden Zellen und Gewebe größer sein als die der toten, und wenn wir dies beweisen können, so erhebt sich die Frage, welche Bedeutung diese Eigenschaft für das Leben der Zellen und Organismen überhaupt besitze. Es leuchtet von vornherein ein, daß eine solche Fähigkeit, Wasser stärker zu binden und festzuhalten als tote Körper, für alle Organismen , welche an der Luft lebend der Verdunstung ausgesetzt sind, von großem Vorteil sein, aber auch für das Leben im Wasser und für das Zellenleben in den Gewebssäften von Bedeutung werden muß. Hierin wäre dann, wie ich meine, die eigentliche und ursprüngliche Bedeutung des Membraupotentials der Zellen zu suchen. Gelien wir auf eine phylogenetische und histogenetische Betrachtung ein, so hätten wir uns vorzustellen , daß diese Eigenschaft unter den Einwirkungen der Umgebung durch Anpassung und im Kampfe ums Dasein allmählich erworben wurde, zuerst bei einzelligen Organismen, und dann sich auf die mehrzelligen in verschiedenem Grade unter Differenzierung der Zellen übertragen und weiter aus- gebildet habe. So mag es bei der Entstehung der Sekretions- zellen und Resorptionszellen zu der wassertreibenden Wirkung des Membranpotentials gekommen sein, wie ja so häufig in der Natur mit dem Formwechsel der Zellen dieselben Kräfte einem Funktions- wechsel dienen. So würden sich dann bei Entwickeluug der Muskel- und Nervenzellen und -fasern die uns nun bekannten Beziehungen ihres Membranpotentials zum Vorgange der Erregung, der Reizleitung und der Kontraktion hergestellt haben. Die an diesen Elementen vornehmlich studierten elektrischen Vorgänge, welche wir bisher nur als Zeichen innerer Prozesse aufgefaßt haben, können doch füglich nicht eine solche Bedeutung allein besitzen, sondern bedürfen einer allgemeineren Deutung in ihrer Beziehung zum Zellenleben, welche wir hiermit gefunden zu haben glauben. Die von ihnen ableitbaren elektrischen Ströme besitzen, wie wir längst wissen , gar keinen besonderen physiologischen — 167 — Wert. Aber schließlich hat die Natur gewissermaßen die Gelegen- heit benutzt, durch Funktionswechsel aus diesen Elementen Organe zu schaffen, deren Elektrizitätsproduktion einen beträchtlichen Energiewert nach außen hin besitzt — die elektrischen Organe. Noch eine andere Beziehung elektrokinetischer Art werden wir dem Membranpütential im Zellenleben zuzuschreiben haben. Somit hätten wir den elektrischen Eigenschaften in den Organismen eine allgemeinere biologische Grundlage gegeben, welche den Titel dieses Buches „Elektrobiologie" rechtfertigen möge. Dieser Gedanke soll in den Schlußbetrachtungen (s. unten) weiter ausgeführt werden. Gehen wir nun zu den Beweisen für diese Theorie über. Zuerst wählte ich zur Untersuchung solche Gewebe, welche wäh- rend des Lebens der Wasserverdunstuug ausgesetzt sind. Ich stellte daher Versuche an der Froschhaut an, welche ein sehr ge- eignetes Objekt hierzu ist und außerdem elektrische Potential- differenzen besitzt. Wenn es richtig ist, daß die lebenden Zellen das Wasser fester binden als tote, so muß in dem toten Gewebe die Verdunstung unter gleichen Bedingungen, d. h. bei gleicher Temperatur und gleichem Wassergehalt der Luft schneller vor sich gehen als an dem lebenden. Es war notwendig, hierzu zwei Haut- slücke von möglichst gleicher Beschaffenheit, den symmetrischen Stellen des Körpers entnommen und von gleicher Oberfläche zu gleicher Zeit an demselben Orte miteinander zu vergleichen, das eine lebend (frisch, übei'lebend), das andere auf irgend eine Weise abgetötet. Die Abtötung wurde meistens durch Erwärmen auf 45 bis 50'' C in einem kleinen abgeschlossenen Röhrchen vorgenommen. Zuerst wählte ich eine Methode, welche von dem bekannten Liebig sehen Versuche über die Imbibitionskraft von Membranen ausging. Wenn man eine Membran über das trichterförmig ge- staltete obere Ende eines langen Rohres bindet, das Ganze mit Wasser füllt und das untere Ende des Rohres in eine Schale mit Hg einstülpt, so sieht man infolge der Verdunstung des Wassers auf der Membran das Hg in dem Rohre allmählich bis zu einer gewissen Höhe steigen. Diese Höhe gibt die Imbibitionskraft der Membran an. Wenn nun an der lebenden Membran die Verdunstung lang- samer erfolgt als an der toten, so muß eine Differenz im Steigen der Hg-Säule in diesem Versuche zu beobachten sein. Es wurden in diesen Versuchen, um sie schneller zu beenden, Kapillarröhren — 168 — verwendet und mit zwei gleich großen Trichtergefäßen verbunden. P'olgendes Beispiel aus einer Reihe solcher Versuche zeigt einen sehr deutlichen Unterschied beider Membranen: Versuch (21. März 1907). Nr. Zeit Hg - Stand Temp. "C Leb. Haut Tote Haut l 9^ 58 V. 0 0 2 11 58 0 0 17 Mit 0,6proz. ClNa-Lösung gefüllt. 3 1^ N. 7 10 Kückenhaut, Außenfläche 2 23 52 18 außen. 4 85 160 20 6 180 285 20 8 25t> 347 18 10 307 375 16 8l'V. 401 400 15 Eine größere Zahl von Versuchen ergab dasselbe Resultat, und es war gleichgültig, ob die Außen- oder Innenseite der Haut außen war. Statt der Abtötung durch Erwärmen wurde auch Trocknung der Haut vorgenommen und die trockene Haut dann in 0,6proz. Cl Na -Losung gelegt. Das Resultat war dasselbe. Man ersieht hieraus, daß alle Zellen der Haut, nicht nur die der Epidermis, sondern auch die der Cutis, im lebenden Zustande das Wasser gegen Verdunstung stärker festhalten, als die des toten Gewebes. Es konnte an der Haut zu gleicher Zeit die elektro- motorische Kraft gemessen werden, indem man der Kochsalzlösung etwas Kalomel zusetzte und vom Hg der Schale und mit einer Hg-Kalomelelektrode von der Hautfläche ableitete. Die tote Haut war entweder stromlos oder schwach umgekehrt wirksam ; der Strom der lebenden Haut nahm langsam ab. Das Maximum der Hg- Höhe war nach längerer Zeit, meist 24 Stunden, in beiden Fällen nahezu gleich, nachdem die lebende Haut abgestorben war. Es wurden alsdann weitere Untersuchungen^) über diesen Gegenstand mit Hilfe der Wage angestellt, indem zwei gleich große ') Diese Versuche wurden in den Jahren 1908 bis 1910 zum Teil gemeinsam mit cand. med. W. Lindemann ausgeführt. Auch diese sollen noch ausführlicher veröffentlicht werden. — 169 — Hautstücke, von denen das eine abgetötet, das andere lebend war, auf beiden Seiten der Wage aufgehängt wurden und die durch Verdunstung entstehende Gewichtsdifferenz nach Äquilibrierung "an der Skala der Wage bzw. durch Gewichtszusalz gemessen wurde. Um genau gleich große Stücke zu erhalten, wurde zuerst eine Stahlstanze von 2x3 qcm benutzt und die Hautstücke an Kokonfäden an zwei Ecken des Stückes aufgehängt. Später wurde eine kreisförmige Stanze von 2 cm Durchmesser konstituiert, welche, nahe dem scharfen Rande innen mit feinen Widerhäkchen versehen war, die das auf Kork ausgestanzte Stück festhielten. Zwei gleiche Stanzen wiirden an beiden Seiten der Wage mit toter und lebender Membran aufgehängt. Ich führe aus diesen Versuchen einige Beispiele an. In fast allen Versuchen zeigte sich eine deutliche Gewichtsdifferenz, welche angab, wieviel Wasser an der Oberfläche der toten Membran mehr verdunstete als an der lebenden. Verglich man zwei lebende oder zwei tote Membranen in dieser Weise miteinander, so erhielt man nur sehr kleine und wechselnde Differenzen. Die Membranen wurden vor der Aufhängung zwischen Fließpapier gleichmäßig abgetrocknet. In den Tabellen ist die Zeit, die Gewichtsdifferenz der Membranen, die auf 1 qcm berechnete Gewichtsdifferenz und die aus letzterer durch Wasserverdunstung gebundene Wärme- menge in g-cal angegeben. Diese Wärmemenge ist der Energie- menge äquivalent, mit welcher die lebenden Zellen der Membran gegenüber dea toten das W^asser binden. Versuch 1 . Stunden mg Auf 1 qcm Bemerkungen mg g-cal 1 2 3 29,9 57,8 82,4 2,57 6,25 8,91 1,50 3,65 5,21 Froschhaut 2,5 X 3,7 qcm. lc,8 33,6 39,0 2,79 5,60 6,5 Versuch 2. I 1,6-i Froschhaut 2 X 3 qcm. 3,26 3,8 (Stanze). — 170 Die beiden Flächen der Froschhaut unterschieden sich hierin nicht wesentlich, denn das Resultat war dasselbe, wenn man auf jede Seite der Wage zwei aufeinander gelegte Häute aufhing, die einmal mit den inneren, das andere Mal mit den äußeren Flächen sich deckten. Es geht daraus hervor, daß es sich hierbei nicht bloß um eine besondere Eigenschaft der Epidermiszellen handelt, sondern daß auch die Zellen der Cutis diese Eigenschaft besitzen. Es lag nahe, an Pflanzenblättern einige solche Versuche anzustellen. Dazu eigneten sich die Blätter des Flieders (Syringa vulg.) sehr gut, indem zu beiden Seiten der Mittelrippe symme- trische Stücke ausgestanzt wurden , wie folgendes Beispiel zeigt. Versuch 1. Stunden mg Auf 1 qcm Bemerkungen mg g-cal 1 2 4« 25,96 31,68 44,78 4,33 5,28 7,47 2,55 3,10 4,39 Fliederblatt 2x3 qcm (Stanze). Dieses Verhalten bestätigte sich in mehreren Versuchen. Man sieht, daß das Pflanzengewebe sich ganz ebenso verhält, wie das der Froschhaut. Für die Pflanze ist aber diese Eigenscliaft, der Verdunstung und Austrocknung im lebenden Zustande stärker zu widerstehen als im toten, von ganz besonderer Bedeutung i). ') In der botanischen Literatur fand ich über ähnliche Versuche fol- gendes vor: Hugov. Mohl (Botan. Ztg. 1847) verglich die Vertrocknung lebender und durch Hitze, Gifte oder Frost getöteter Pflanzen (Warm- hauspflanzen mit dicken Blättern). Er bestimmte den Gewichtsverlust in Prozenten des ursprünglichen Gewichtes und erhielt folgende Werte : Mittel • 1. bis 5. Tag Proz. bis 10. Tag Proz. 11,4 20,1 8,3 13,7 Lebend Erfroren Nägeli (Sitz. -Ber. d. bayer. Akademie 1861) untersuchte die Ver- trocknung lebender und durch Frost abgetöteter Apfel und Kartoffeln. Gefrorene Kartoffeln wurden in 117 Tagen, nicht gefrorene in 330 Tagen lufttrocken. Die Vorgänge bei Äpfeln wurden durch Fäulnis, bei Kartoffeln durch Keimung gestört. — 171 — Als Schutz gegen Verdunstung dienen bei Pflanzen freilich in hohem Grade die äußeren Schichten der Epidermis, die Cuticula und die Wachshaut , und es bedürfte spezieller Untersuchungen, wie diese sich etwa beim Absterben ändern (s. Pfeffer, Pflanzen- physiologie, 1897, Bd. I, S. 216 ff.). Vornehmliches Interesse wird nun bei diesem Gegenstande das Muskelgewebe in Anspruch nehmen in Beziehung zu seinen elektrischen Eigenschaften. Es stellten eich aber der Untersuchung anfangs erhebliche Schwierigkeiten entgegen. Zwei gleiche Muskeln, M. gastrocnemius oder sartorius, hatten im lebenden und toten Zustande infolge der Starre Verkürzung zu ungleiche Obei flächen, um miteinander verglichen werden zu können und gaben des- halb schwankende Resultate. Es wurden daher schließlich dünne glatte Muskeln als Membranen, und zwar von den Bauch- muskeln des Frosches der hierzu sehr geeignete Muse, abdominis transversus und obliquus (s. Ecker, Anatomie des Frosches) benutzt und auf die oben beschriebenen kreisförmigen Stanzen gespannt. Die Abtötung durfte wegen der Starreverkürzung, um Schrumpfung zu vermeiden, erst nach der Aufspannung im Ring gemacht werden. Statt der Erwärmung , wobei selbst in kleinen geschlossenen Gefäßen leicht merklicher Wasserverlust auftreten könnte, bediente ich mich der Chloroformierung in einem kleinen gedeckten Petrischälchen , während der lebende Muskel unter- dessen in einem gleichen aufbewahrt wurde. 10 Minuten Ein- wirkung von wenig in einem Uhrschälchen hineingebrachtem Chloroform reichten aus. Bis zur Aufhängung in der Wage und dem Beginn der Messung war jeder Geruch nach Chloroform geschwun- den. Zwei lebende Muskelmembranen zeigten während mehrerer Stunden nur ganz verschwindende Gewichtsdifferenzen. Beispiele sind in umstehender Tabelle angeführt. In allen Versuchen verdunstete von der lebenden Muskel- \ membran in der ersten halben Stunde weniger Wasser als von der toten. Man kann annehmen , daß in dieser Zeit auch der dünne lebende Muskel schon fast abgestorben war. Daraus erklärt sich , daß die beobachteten Differenzen hier kleiner sind als bei der Froschhaut, welche stundenlang überlebt. Vergleicht man aber die Werte für die erste halbe Stunde miteinander, so ist der Unterschied sehr viel geringer, etwa nur die Hälfte. Aus dem schnellen Absterben des dünnen der Verdunstung ausgesetzten — 172 — Muskels erklärt es sich auch, daß, wenn man die Beobachtung weilDer fortsetzt, die Differenzen zwischen beiden Muskeln oft späterhin abnehmen und zuweilen sich umkehren, indem nun die Verdunstung an dem zuletzt abgestorbenen Muskel schneller vor sich geht. Zuweilen wächst dann auch wieder die Differenz in dem ersteren Sinne. Aber daß in der ersten Zeit der lebende Muskel das Wasser länger und stärker festhält als der tote, ist in allen Versuchen konstant. Versuch 1. Zeit mg 1 qcm T OC Bemerkungen Min. mg g-cal 0 0 0 0 Kreisförmige Stanze, 2 1,0 0,1747 •0,1021 Fläche == 5,725 qcm 7 2,5 0,4366 0,2553 Muskelmembranen. 10 3,0 0,5240 0,3064 15 3,25 0,5678 0,3320 13,5 24 3,50 0,6114 0,3574 0 0 10 0,96 15 1,44 20 1,44 27 3,36 18 18 28 28 33 0 1,68 2,16 2,64 2,88 3,36 3,36 3,60 3,84 Versuch 2. 0 0,1677 0,2516 0,2516 0,5870 0 0,2234 0,3773 0,4611 0,5030 0,5869 0,5869 0,6287 0,6707 0 0,0981 0,1471 0,1471 0,3431 19 Ebenso. Versuch 3. 0 0,1716 0,2206 0,2696 0,2941 0,3431 0,3431 0,3676 0,3921 21 Ebenso. Versuche an anderen Geweben und Organen habe ich noch nicht ausgeführt. Die größte Schwierigkeit bietet immer hierbei die Herstellung gleicher Oberflächen, die bei kleiner Masse durch- — 173 — aus erforderlich ist. Man könnte aber versuchen, große und voluminöse Massen miteinander zu vergleichen, wobei die ungleiche 0])erfläche keinen so großen Fehler bedingen würde. Die angestellten Versuche geben aber schon den Beweis dafür, daß die lebende Zelle die fundamentale Eigen- schaft besitzt, vermöge einer ihr zukommenden Kraft das Wasser stärker zu binden als die tote. Es fragt sich, welche der uns bekannten Kräfte hierfür in Anspruch zu nehmen ist. Es ist klar, daß der osmotische Druck diese Kraft nicht sein kann. Die Konzentrationen der anorganischen wie der organischen Substanzen, welche sich in Lösung befinden, können beim Absterben in der Zelle nicht geringer werden , im Gegenteil , es müßte die Konzentration der organischen durch Spaltung und Oxydationen größer werden i). Es käme ferner die Quellung in Betracht, und man könnte meinen, daß die Ki-aft, mit welcher das lebende Proto- plasma das Wasser durch Quellung binde , größer sei als die des toten. Überlegt man aber, welcher Anteil des AVassers es ist, der in der ersten Zeit verdunstet, so ist es nicht das durch Quellung in dem Protoplasma und dessen Gebilden gebundene, sondern das Wasser des Paraplasmas, das flüssige Lösungswasser der Salze und organischen Substanzen, welches mit der Zwischenflüssigkeit der Zellen, der Gewebsflüssigkeit, in direktem Austausch steht. Es liegt auch kein Grund zur Annahme vor, daß die Kraft der Quellung beim Absterben in den Zellen eine geringere würde, denn wir wissen, daß dabei Gerinniingen eintreten, daß sich dabei Sole in Gele verwandeln, und es müßte dadurch die Wasserbindung durch Quellung sogar eine stärkere werden. Kurzum wir können die beobachteten Erscheinungen nicht durch Änderungen der Quellung erklären. Dagegen haben wir oben eine elektroosmo- tische Kraft kennen gelernt, welche semipermeabeln Membranen zukommt und imstande ist, Wasser von der einen nach der anderen Seite zu treiben und dasselbe hierdurch in der Zelle festzuhalten. ^) Man könnte daran denken, daß Gewichtsunterschiede zwischen totem und lebendem Gewebe auch durch Ausscheidung von CO.2 bedingt würden, aber das müßte umgekehrt beim tierischen Gewebe eine größere Gewichtsabnahme des lebenden ergeben. Beim grünen Pflanzengewebe könnte durch Assimilation hingegen eine Zunahme an Gewicht herbei- geführt werden , doch sind beide Werte in der Beobachtungszeit zu gering, als daß sie gegen den Wasserverlust in Betracht kämen. — 174 — Es erscheint uns daher als eine berechtigte Hypothese, durch diese Kraft das Verhalten der lebenden Zelle gegenüber der toten in Beziehung zur Wasserbindung zu deuten, zumal sich dadurch eine große Reihe von Zellprozesseu unter einem gemeinsamen GesichtsjDunkt zusammenfassen läßt. f Nach der elektroosmotischen Membrantheorie regelt jede Zelle ihren Wassergehalt nicht nur vermöge des osmotischen Druckes in ihrem Inneren, sondern auch wesentlich durch die Wirkung des Potentialgefälles ihrer Plasmamembran. Diese Kraft ist bei der Sekretion und Resorption und bei der gesamten Wasserbewegung zwischen den Flüssigkeiten des Körpers und den verschiedenen Organzellen tätig, und so werden sich voraussichtlich die mannigfachen Vor- gänge dieser Art, welche wir bis jetzt durch die Kräfte der ge- wöhnlichen Filtration und Diffusion nicht erklären können, deuten lassen. Ich erwähne nur die Absonderung eines sehr verdünnten Harnes , der einen viel geringeren osmotischen Druck besitzt als das Blut und einen beträchtlichen Energieaufwand erfordert. Auf diesen Gegenstand weiter einzugehen, ist hier nicht der Ort. Da- gegen wollen wir hier die osmotischen Bewegungserschei- nungen an Pflanzen anschließen, deren Deutung sich jetzt unmittelbar ergibt. An gewissen Pflanzen, z. B. an der Sinnpflanze, Mimosa pudica, und an der Fliegenfalle, Dionaea muscipula, beobachtet man bekanntlich auffallende Reizbewegungen ^). Bei Berührung und Erschütterung der Blätter dieser Pflanzen oder anderweitiger Reizung treten diese Bewegungen ein, welche im allgemeinen darin bestehen, daß sich die gegenüberstehenden Blätter oder Blatthälften mit ihren oberen Flächen zusammenlegen und größere wie kleinere Blattstiele sich senken. In Fig. 54 ist ein Zweig der Mimosa pudica abgebildet, auf der Seite A in ruhender, auf der Seite B in gereizter Stellung. Am Ursprung der großen und kleinen Blattstiele befinden sich Gelenke, welche die Bewegungen verursachen. Diese Gelenke bestehen aus zwei Gelenkwülsten, welche sich gegenüberstehen, der eine derselben nimmt an Volumen ab, während der andere sich vergrößert, wodurch der Blattstiel ^) Siehe Pfeffer, Pflanzenphysiologie, 1904, Bd. II, S. 433, Ab- schnitt III. — 175 — nach einer Richtung bewegt wird. Diese Wülste bestehen aus saftreichen Zellen, deren Füllungsgrad, Turgor, sich schnell ver- Fig. 54. Mimosa pudica (Sinnpflanze). Blatt A in ruhender , B in gereizter Stellung , p das primäre Gelenk , $ die sekundären Gelenke an der Basis der Fiederstrahlen (nach Pfeffer, Pflanzenphysiologie II, 1909). ändern kann. Es tritt bei der Reizung "Wasser aus ihnen aus, sie ziehen sich zusammen und das Wasser fließt in interzellulare Räume und Gefäße hinein, welche zum Teil lufthaltig sind. Bei — 176 der Rückkehr zur ßuhestellung kehrt das Wasser auf demselben Wege in die Zellen zurück, deren Turgor wieder zunimmt. In dem Gelenk p des Hauptstieles nimmt der untere Wulst an Volumen ab, der obere nimmt etwas zu, indem Wasser in dessen Interzellularraum eintritt. Ganz ebenso ist der Mechanismus der Bewegung bei der Dionaea muscipula, deren Blatt in Fig. 55 abgebildet ist. Das Fig. 55. Blatt von Dionaea muscipula (Fliegeufalle). A oBEen im ruhenden Zustande, B geschlossen im gereizten Zustande, ein Ohrwurm gefangen (nach Pfeffer, ebenda). Blatt besteht aus zwei Hälften, welche sich gegeneinander wie die Schalen einer Muschel in dem Gelenk an der Mittelrippe be- wegen können. In Ä sehen wir das geöffnete Blatt in ruhendem Zustande, in B das gereizte geschlossene Blatt, in welchem ein Ohrwurm gefangen ist. Auf der inneren Fläche des Blattes stehen drei Reizhaare, welche, in dem Gewebe eingepflanzt, durch Beugung eine Reizleitung in dem Gewebe auslösen. Die reizbaren saftigen Zellen sind namentlich in den Schichten der Innenseite gelagert, längs der Querrippen des Blattes. In der Ruhe hält die Turgorspannung dieses Gewebes der elastischen Spannung des Gewebes an der Außenseite das Gleichgewicht. Bei der Reizung erlangt letztere das Übergewicht, wodurch das Blatt sich schließt. Es sind ferner auf der Innenfläche Drüsen vorhanden , welche einen dem Magensaft ähnlichen Verdauungssaft absondern, der durch ein Ferment Eiweiße auflöst, welche der Pflanze (fleisch- — 177 — fressende Pflanze) zur Nahrung dienen. Ebenso findet auch bei Mimosa eine Reizleitung durch die Stiele statt, durch welche sich, ähnlich wie in den Nerven der Tiere, der Reiz und die Reiz- bewegung ausbreitet. Ganz ähnlich verhält sich der Vorgang an den Staubfäden gewisser Blüten , z. B. von Berberitze (Berberis vulgaris) und Blüten der Cynareen (Artischocke, Cynara scolymus). Bei diesen treten Krümmungen und Verkürzungen bis zu 10 bis 30 Proz. der Länge bei mechanischer Reizung auf, welche in der Natur durch Insekten geschieht, wobei sich die Staubbeutel dem Stempel nähern. Hier verkürzen sich die Zellen in der Längsrichtung durch Wasseraustritt , welcher in die Gefäßbündel hinein statt- findet (Pfeffer). Der Vorgang ist äußerlich den Muskelkontrak- tionen ähnlich, doch innerlich dadurch verschieden, daß das Volumen der Zellen abnimmt, während das der Muskelzelle kon- stant bleibt. Es erbebt sich nun die Frage, durch welche Kraft die Wasser- bewegung bei diesem Vorgange geschieht. Das ist bisher gänzlich rätselhaft geblieben i). Durch die gewöhnliche Osmose läßt sich diese Wasserausscheidung und Wiederaufnahme nicht verständlich machen, denn wie sollte in so kurzer Zeit der osmotische Druck in den Zellen sich so erheblich verkleinern und wieder vergrößern, wie es hierzu nötig wäre. Einen chemischen Prozeß in dem Zell- saft oder Protoplasma, der sich auf die darin befindlichen Salze und Kohlehydrate erstrecken müßte, zu diesem Zwecke anzunehmen, ist nicht denkbar. Es müßte ein solcher sein, der ihre Moleküle durch chemische Bindung unwirksam machte. Dagegen kennt man schon seit längerer Zeit die elektrischen Potential- änderungen in diesen die Bewegung hervorbringenden Pflanzenge weben. Besonders an der Dionaea muscipula sind Untersuchungen dieser Art von Burdon-Sanderson 2) angestellt worden, welche ergeben haben, daß auch hier in Übereinstimmung mit den tierischen Geweben die gereizten Teile des Gewebes negative Spannung gegen die ruhenden annehmen. Ungefähr 1) Siehe Pfeffer, Pflanzenphysiologie I, S. 252. ^) On the elektromotive properties of the leaf of Dionaea iu ex- citpd aud unexcited states. Pliilosophical Transactions of the Royal Society of London 1882 und 1888. (Vol. 179 B, p. 417— 449.) Bernstein, Elektrobiologie. 22 — 178 Fiff. 56. 0,04 Sek. nach Einwirkung eines elektrischen Induktionsschlages beginnt die elektrische Reaktion des Blattes, während die Bewegung desselben erst nach 1 Sek. einsetzt und 5 bis 6 Sek. dauert. Diese Reaktion stimmt im Prinzip mit der des Muskels vollstäadig überein. Die Versuche wurden mit Hilfe des Rheotoms und später des Kapillarelektrometers ausgeführt, dessen Kurven photo- graphisch aufgenommen wurden. Man kann die Protoplasten der reizbaren Zellen, welche durch Fäden (Syndesmien) miteinander verbunden sind, als eine zusammenhängende Protoplasmamasse ansehen, in welcher sich die Bewegung fortpflanzt. Bringen wir nun die Membrantheorie auch hier zur Anwendung, so besitzt jede Zelle ein Membran potential, welches eine gewisse Wassermenge in derselben festhält. Sinkt dieses Mem- branpotential bei der Reizung, so wird die erregte Stelle, wie bei der Nerven- und Muskelfaser, negativ gegen die ruhendeStelle des Gewebes, und die Folge ist nun ein Austritt des Wassers aus den Zellen in die angrenzen- den Räume. Diese Wasserbewegung bedarf einer gewissen Zeit, und daher tritt die merkliche Bewegung an der Pflanze viel später auf als die elek- trische Potentialschwankung. Der Haupt versuch von Burdon -Sanderson ist folgender. In Fig. 56 ist die Anordnung desselben schematisch abgebildet. Das geöffnete Blatt der Dionaea ist im Querschnitt dargestellt. Dasselbe ist von jeder Blatthälfte zum Galvanometer bzw. zum Kapillarelektroraeter abgeleitet. Auf der einen Seite wird an der abgeleiteten Stelle aus der sekundären Spule ein Induktionsschlag zugeführt. In der Ruhe ist nur ein schwacher oder gar kein Strom von den symmetrischen Stellen vorhanden. Nach der Reizung wird erst die gereizte Stelle negativ gegen die andere, dann nach einiger Zeit der Fortleitung auf die andere Blatthälfte diese Stelle negativ gegen die erste. In Fig. 57 sind die Kurven des Kapillarelektrometers bei der Reizung auf der einen und auf der anderen Seite wiedergegeben. Der Versuch läuft im Prinzip ganz ebenso ab wie der bei Ableitung eines Muskels oder Nerven von zwei Versuch von Burdon-Sanderaon am Blatt von Dionaea muscipula — 171) — Längsschnittpunkten nach Reizung mit einem Schlage (s. S. 46). Die Reizleitung in dem reizbaren Gewebe von Zelle zu Zelle findet mit einer verhältnismäßi, -|- TT = Pa im Falle des Gleichgewichts. In den bisherigen Versuchen ist es aber nicht möglich, die Kraft Tc von ^'i zu sondern, und man mißt durch pa die Summe beider. Es bleibt hiernach selbst- verständlich auch der Satz bestehen, daß alle Lösungen, welche eben Plasmolyse bewirken, isosmotisch sind. Es könnte auch der Fall gedacht werden, daß 7t einen negativen Wert annehme, wenn sich unter Einwirkung gewisser Elektrolj'te das Membranpotential umkehrte. Man könnte ferner gegen die elektroosmotische Membrantheorie den Einwand erheben, daß auch an der Muskel- und Nervenfaser bei der Erregung ein Austritt von Wasser statt- finden müßte, während man annimmt, daß bei der Kontraktion die Muskelfaser ihr Volumen konstant hält. Indessen die schnellen Potentialschwankungen an den quergestreiften Muskeln und den Nerven können einen merkbaren Wasserwechsel nicht herbei- führen, da sie zu kurze Zeit andauern, bevor noch eine merkliche Wasserbewegung eintreten könnte. Daß bei der Kontraktion durch Oxydation Wasser gebildet wird, welches zur Abscheidung gelangen müßte, untex-liegt wohl keinem Zweifel. Die Verminderung des Membranpotentials durch vorangegangene Reizung und Ermüdung würde hierfür günstig — 181 — sein. Ad sehr langsam reagierenden glatten Muskelfasern könnte auch schon im Verlauf der Potentialschwankung und wahrend der Kontraktion eine Wasserausscheidung möglicher- weise beorinnen. Zehntes Kapitel. Die Elektrokiiiese. Terhalten der Kolloide iiud Zellen im elektrischen Potentialgefälle. Die Bewegung der Kernfäden bei der Zellteilung (Karyokinese) als Elektrokinese. Wir haben schon oben die Erscheinung der Elektrokinese erwähnt (S. 158), welche darin besteht, daß kleine in einer Flüssig- keit suspendierte Partikelchen durch den Strom in der Richtung nach der Anode oder der Kathode hin bewegt werden. Diese Vorgänge sind physiologisch deshalb von besonderem Interesse, weil man sie nicht nur an toten Partikelchen, wie Kohle, Kaolin, Schwefel, Mastix, Stärkekörnchen usw., ferner an kolloidalen Suspensionen von Metallen und Metalloxyden, sondern auch an organischen Kolloidlösungen und schließlich an lebenden Zellen, Bakterien, einzelligen Organismen und Zellen höherer Organismen beobachtet hat. Endlich findet man auch an mehrzelligen niederen Organismen und Larven von Amphibien und jungen Fischen eine durch den galvanischen Strom hervorgerufene Richtung der Bewegungen vor, welche man Galvanotropismus oder Galvanotaxis genannt hat. Die Ursache der Bewegung aller jener Körperchen in einem Potentialgefälle ist auf ihre elektrische Ladung gegen die Flüssigkeit zurückzuführen, wie schon oben gedeutet. Diese elektrische Ladung kann man bei fester Phase der Partikelchen als Folge eines Ad- sorptionspotentials auffassen, oder, da es ja auch feste Lösungen gibt, als die Folge eines Diffusionspotentials. Die letztere An- schauung erscheint namentlich bei solchen suspendierten Teilchen, welche mehr oder weniger Wassermoleküle binden, wie den Teilchen der Kolloide, sehr plausibel. Bei den Zellen dürfen wir, dieser — 182 — Anschauung folgend, das osmotische Membranpotential, mit dem wir bisher operiert haben, auch konsequenterweise als die Ursache ihrer elektrischen Ladung ansehen. Nach der Theorie von Helmholtz läßt sich in der Formel von Perrin (S. 159) die Geschwindigkeit ti, mit der sich die Teil- chen bewegen, berechnen: s.H.D u = , An .rj worin e die Ladung oder das Potential der Teilchen, H das Poten- tialgefälle des zugeleiteten Stromes, J) die Dielektrizitätskonstante und 7] die innere Reibung der Flüssigkeit ist. Es kommt , wie man hieraus erkennt und worauf wir schon bei der Elektroosmose hingewiesen haben, wesentlich auf die Stärke des Potentialgefälles JI an , so daß auch bei kleinen Werten von £ beträchtliche Wir- kungen dadurch erzielt werden können. Die Kolloide kann man in die Suspensionskolloide und in die hydrophilen Kolloide einteilen i). Anorganische Suspensionskolloide sind z. B. die durch ge- wisse chemische Reaktionen dargestellten Hydi'oxyde und Sulfide von Schwermetallen, wie Fe(0H)3, A1(0H)3, AsgSs, SbaSs usw., deren Teilchen als „disperse Phase" in dem Wasser als „Disper- sionsmittel" schweben. Sie verhalten sich alle ähnlich den Kohle- suspensionen oder den feineu Suspensionen von edlen Metallen, Gold, Silber, Platin, welche man durch Zerstäubung von Elektroden dieser Metalle in Flüssigkeiten durch elektrische Schläge als kolloidale Metallösungen herstellt (Bredig). Die hydrophilen Kolloide sind die eigentlichen Kolloide, von denen die Benennung Kolloid, von Colla (Leim), hergenommen ist. Fs sind dies haupsächlich die organischen Kolloide : Eiweißkörper, Leimsubstanzen, Gummi, Stärke, Lecithine usw., wichtige Bestand- teile des Protoplasmas. Aber auch unorganische Kolloide dieser Art gibt es, wie die Lösungen der Kieselsäure. Ihre Teilchen, welche in der Flüssigkeit schweben, sind nicht als feste Phase anzusehen, sondern sie enthalten selbst das Dispersionsmittel, das ') Siehe hierüber bei Hob er, Physikal. Chem. d. Zelle u. Gewebe, S. 324. — 183 — Wasser. Man kann sie als komplexe Moleküle betrachten, welche Wassermoleküle binden. In einem Potentialgefälle bewegen sich nun die Teilchen der Suspensionskolloide wie der hydrophilen Kolloide je nach ihrer Ladung nach der einen oder anderen Elektrode. Ihre Wanderungs- geschwindigkeit 1) in einem Gefälle von 1 Volt auf 1 cm schwankt zwischen 10 bis 40 . 10~^ cm/sec~^ und ist daher von derselben Größenordnung wie die der meisten Ionen (Na+ = 46 . 10~^ 01^ = 68.10"^). Die Richtung der Bewegung ist von der chemischen Natur des Kolloids abhängig. Die kolloiden Metall- hjdroxjde von Eisen, Silber, Aluminium, Chrom usw. wandern zur Kathode, ebenso auch kolloide basische Farbstoffe. Dagegen wandern Säuren^ wie Kieselsäure, Zinnsäure, Gerbsäure, Mastix, auch Säurefarbstoffe, zur Anode. Die basischen Stoffe sind also positiv, die sauren dagegen negativ geladen. Die positive Ladung der Basen kann man daraus ableiten, daß aus ihnen ihre negativen HO~-Ionen in das Dispersionsmittel hinein dissoziieren, die negative Ladung der Säuren dagegen daraus, daß dies mit ihren positiven H+-Ionen geschieht. Auch ist es wahrscheinlich, daß von ihrer Darstellung her bei den Basen geringe Reste von Alkalien, bei den Säurekolloiden geringe Reste von angewendeten Säuren den Partikelchen anhaften, welche dieseLadungen verstärken. Wenn man nun zu den Suspensionskolloiden gewisse Elektio- lyte hinzusetzt, welche ihre Ladungen vermindern und schließlich umkehren, so vermindert sich zuerst auch die Wanderungsgeschwin- digkeit der Partikelchen, es tritt dann ein „isoelektrischer" Zustand ein, bei dem die Geschwindigkeit Null wird, und bei weiterem Zusatz kehrt sich die Bewegung um. In dem isoelek- trischen Punkte treten dann Ausfällungeu, Flockungen der Kolloide auf. Auf dieser Tatsache beruht die elektrische Theorie der Gerinnung und Ausllockung der Kolloide von Hardy. Alle diese Erscheinungen nimmt man auch an den hydrophilen Kolloiden, z.B. den Eiweißlösungen, wahr. Dies ist von Michaelis und Rona an dem denaturierten Eiweiß (durch Dialyse salzfrei dargestelltes Eiweiß) durch Zusatz sehr verdünnter Säure genauer gemessen worden. Bei einer Konzentration von [H+J = 0,3 . lO"'^ (g Ion in 1 Liter) wird dieses Eiweiß isoelektrisch und fällt aus. 1) Siehe Höber, 1. c, S. 326. >^^ ^^— ^ V^ — 184 — Man kann daher den Zustand der Suspension in einem Di- spersionsmittel, den man auch kurz „Sei" genannt hat, sich daraus erklären, daß die Partikelchen sich vermöge ihrer gleichen elek- trischen Ladungen gegenseitig abstoßen und dadurch schwebend erhalten (Bredig). Sobald sie aber in dem isoelektrischen Punkt neutral geworden sind , ballen sie sich zu größeren Aggregaten, Flocken und Fäden zusammen, indem die Adhäsionskräfte in Wirkung treten , und schließlich können sie durch diese Aggre- gierung ein zusammenhängendes Netzwerk von Fäden bilden, welches in den Lücken die Flüssigkeit einschließt. Diesen letzteren Vorgang nennt man Gelatinierung und Gerinnung, den man am ausgesprochensten bei den Leimlösungen , Albuminlösungen und am Blute beobachtet. Die geronnene Masse hat man „Gel" genannt. An den Suspensionen beobachtet man bekanntlich die Brown sehe Molekularbewegung, welche man aus den AVärme- schwiiigungen der Flüssigkeitsteilchen erklärt hat. Mit Hilfe des Ultramikroskops kann man die kleinsten Teilchen, Mikronen und Submikronen, und ihre Bewegungen beobachten. Werden sie bei der beginnenden Fällung größer, so hören diese Bewegungen auf. Auch durch Zusatz von Salzen werden häufig Kolloide aus ihren Lösungen ausgefällt. Dieser Vorgang erklärt sich ebenfalls aus der Neutralisation ihrer elektrischen Ladungen. Die Ionen der Salze diffundieren mit verschiedener Geschwindigkeit in die Kolloidpartikelchen hinein oder werden in verschiedener Menge von ihnen gelöst (verschiedener Teilungskoeffizient der Ionen oder verschiedener Adsorptionskoeffizient derselben). Werden nun die positiven Kolloide von den Anionen , die negativen Kolloide von den Kationen der zugesetzten Elektrolyte neutralisiert, so tritt Ausflockung ein. Diese Voraussetzung bestätigt sich dadurch, daß ceteris paribus die Fällungskraft der wirksamen Ionen von ihrer chemischen Wertigkeit abhängt, d. h. von der Anzahl der elektrischen Einheiten, mit denen sie geladen sind (Hardy). Von Freundlich ist ferner nachgewiesen worden, daß neben der Wertigkeit der Ionen die Adsorbierbarkeit derselben einen posi- tiven Einfluß auf die Fällungskraft ausübt. Daraus erklärt es sich, daß unter den einwertigen Ionen besonders die H+-, Ag+- und OH^-Ionen sich durch Fällungskraft auszeichnen, da sie eine große Adsorptionskonstante besitzen. Gut adsorbierbare Ionen können schon bei geringer Konzentration den isoelektrischen Zu- — 185 — stand und damit Ausfällung der Kolloide herbeiführen. Daher findet man bei gewissen organischen Ionen, z. B. denen des Anilin- chlorids, Strychniu-, Morphinchlorids und der Fuchsinverbindungen, starkes Fällungsvermögen vor. An den hydrophilen Kolloiden, z. B. den Lösungen der Eiweiß- körper, beobachtet man ganz ähnliche Erscheinungen wie an den Suspensionskolloiden. Die suspendierten Teilchen muß man sich bei ihnen aber als Moleküle von großem Volumen und Gewicht, mit Wassermolekülen vereinigt vorstellen. Die Aufnahme von Ionen der Elektrolyte geschieht in diesen wahrscheinlich weniger durch Adsorption als vielmehr durch Osmose und Lösung nach gewissen Teilungsverhältnissen. Man konstatiert an den Eiweiß- lösungen ebenfalls eine Wanderung der Teilchen nach den Elek- troden im Potentialgefälle, und zwar wandern dieselben in einer sauren Lösung zur Kathode, in einer alkalischen Lösung zur Anode. In der ersteren nehmen die Eiweißmoleküle einen elektropositiven , in der letzteren einen negativen Charakter an. Man denkt sich, daß in der sauren Lösung die H+-Ionen schneller in das Kolloidmolekül eindringen und sich unter größerem Teilungs- koeffizienten darin lösen, als die zugehörigen Anionen, und da- durch demselben positive Spannung verleihen, und daß in der alkalischen Lösung die OH"" -Ionen diese Rolle spielen und den Molekülen negative Spannung geben. In ganz neutralen Eiweiß- lösungen findet keine merkliche Wanderung der Moleküle statt, auch nicht bei Zusatz von Neutralsalzen der Alkalien (Pauli). Die Ionen derselben werden nicht in merklich verschiedener Menge von den Eiweißmolekülen aufgenommen. Dadurch unterscheiden sich die hydi-ophilen Kolloide von den Suspensionskolloiden. Von Bedeutung für die Theorie der Kolloide ist auch die Tatsache, daß der Zusatz von Nichtelektrolyten , wie i^lkoholen, Äther, Zucker, Glyzerin usw., keinen Einfluß auf die Elektrokinese und die Fällbarkeit der Kolloide ausübt (abgesehen davon, daß Alkohole die Eiweißkörper überhaupt nicht lösen). Wir können hier auf die vielen Einzelheiten der physikalischen Chemie der Kolloide nicht näher eingehen und verweisen auf die ^ . lijt schon oben genannten Werke von Höber, Physikalische Chemie der Zelle und der Gewebe, und auf Freundlich, Kapillarchemie, sowie auf P. Rona, Allgemeine Chemie der Eiweißkörper (Handb- d. Biochemie von Oppenheimer 1908). — 186 — Von besonderem Interesse für den hier zu behandelnden Gegenstand ist indessen das Verhalten lebender Zellen in Suspensionsmitteln. Solche Beobachtungen hat man an so- genannten Z e 11 s u 3j) e n s i 0 n e n augestellt, zu deren Herstellung man namentlich Bakterien und Blutzellen verwendet hat. Diese Zellen wandern unter normalen Bedingungen meist ^ur^ Anode, d. h. sie besitzen in der Suspensionsflüssigkeit , die gewöhnlich aus physiologischer ClNa-Lösung besteht, eine negative Ladung. Dies ist durch Versuche an verschiedenen Bakterien (Bech- hold u. a.), an Blutkörperchen und Hefezellen (Höber) und auch an Spermatozoen (Lillie) gezeigt worden. Dieses Verhalten erklärt sich nun befriedigend aus der Membrantheorie, die wir ja auf alle lebenden Zellen zu übertragen haben. Von den in ihnen enthaltenen Elektrolyten wird das Kation in stärkerem Grade nach außen abdissoziiert als das Anion, welches die Zelle negativ ladet. Hob er hat gefunden, daß die gewöhnlich negativ geladenen Blutkörperchen durch kleine Mengen in Verbindungen zugesetzter H+, Ag+, Cu++ oder Fe+ + +-Ionen umgeladen werden können und nun zur Kathode wandern. Ebenso kann man die Zellsuspensionen ausfällen durch Zusatz von Elek- trolyten , durch welche die Zellen isoelektrisch gemacht werden. Die Zellen senken sich und ballen sich zusammen, ein Vorgang, den man Agglutinierung genannt hat. So kann Bacterium coli (Darmbakterie) durch bestimmte Konzentration von Eisen- chlorid ausgefällt werden. Aber auch positive Suspensionskolloide, wie Fe(0H3), Cr (OH);,, können, in Suspensionen zugesetzt, eine Sedimentierung der Bakterien bewirken. Auch an anderen einzelligen Organismen, den Protozoen, hat man galvanotropische Bewegungen beobachtet, z. B. an den Infusorien. Da aber diese mit Geißeln und Flimmerhaaren ver- sehen sind und außerdem differenzierte Teile, wie Mundspalte, After- spalte usw., besitzen, so erscheint die Wirkung des galvanischen Stromes schon nicht mehr in ihrer ganzen Peripherie als gleichartig nach allen Richtungen hin. Nichtsdestoweniger bewegen sie sich in dem elektrischen Felde nach dem einen oder anderen Pole hin. Besonders an Paramäcien, welche an ihrer ganzen Oberfläche mit Flimmerhaaren bedeckt sind, hat man solche Beobachtungen gemacht. Coehu und Barrat (1905) erklären diese Bewegungen durch Ladungen, welche diese Zellen gegen die umgebende — 187 — Flüssigkeit dadurch annehmen, daß ihre Hülle für Anionen (Cl) durchlässiger sei als für Kationen (Na). In verdünnten .Salz- lösungen oder Wasser nehmen sie daher positive Ladung an und wandern zur Kathode, ijij^ungen dagegen, welche konzentrierter sind als die tierischen Flüssigkeiten, laden sie sich durch Auf- nahme von Anionen negativ und wandern daher, wie der Versuch zeigt, zur Anode. Bei einer Grenzkonzentration zwischen O^J. und 0,1 n-ClNa- oder Bicarbonatlösung verhalten sie sich neutral. In Zuckerlösungen^ v:on gleichem osmotischen Druck wie die Salz- lösungen wandern sie dagegen immer zur Kathode. Bancroft (1905 06) hingegen sucht die galvanotropischen Bewegungen dieser Organismen auf Reizungen der Flimmerhaare zurückzuführen, in- dem er gemäß dem Pflügerschen Gesetz von der polaren Er- regung eine stärkere Reizung an der Kathode annimmt. Viel- leicht kommen bei diesen Zellen beide Ursachen in Betracht. Noch komplizierter gestalten sich jedenfalls die galvanotropi- scheu Bewegungen an Metazoen, den mehrzelligen Organismen, besonders denen von höherer Entwickelungsform. Hier haben wir es mit Wirkungen auf die Nervenenden der Haut und bei den Wirbeltieren auch auf die Gleichgewichtsorgane im Ohrlabyrinth zu tun, wodurch komplizierte Reflexaktionen ausgelöst werden. L.Hermann beobachtete, daß Froschlarven sich im galvanischen Strome mit dem Kopfende nach der Anode einstellen. Dies ge- schieht auch nach der Köpfuiig durch Einwirkung des Stromes auf das Rückenmark. Ähnlich verbalten sich Fischembryonen. Unter den Entwickelungsprozessen ist es der Vorgang der Zell- und Kernteilung, welcher bekanntlich die Grundlage aller Formbildung bei den Organismen ist, den wir hier in den Kreis unserer Betracbtungen einbeziehen wollen. Man hat schon seit längerer Zeit vermutet, daß bei diesem elektrische Kräfte eine Rolle spielen; doch sind bis jetzt nur unbestimmte und vage Anschauungen hierüber ausgesprochen worden. Bei dem gegenwärtigen Stande der elektrischen Theorien über die Kolloide, die Zellplasmamembranen und nach der von uns durchgeführten elektroosmotischen Mem- brantheorie lassen sich nun Gesichtspunkte gewinnen, welche, wie mir scheint, zu einer befriedigenden Theorie der Kernfäden- bewegung, der sogenannten Karyokinese, führen können. Wir wollen im folgenden eine solche Theorie entwickeln, nach welcher die Karyokinese als eine Elektrokinese aufzufassen ist. — 188 — Man ist wohl von allgemein entwickelungsmechanischem Staudpunkt aus bei-echtigt anzuuehmen, daß die Vorgänge der Zellteilung, welche in so übereinstimmeuder typischer Weise bei jeder Entwickeluug von den niedrigsten bis zu den höchsten Organismen wiederkehren, noch auf verhältnismäßig einfachen Komponenten physiko-chemischer Natur beruhen. Je komplizierter indes die Organismen sich ausbilden , um so mehr Komponenten dieser Art treten in den Molekularkomplex der lebenden Zell- substanzen ein, so daß ihre Zergliederung immer schwieriger wird. Für die Karyokinese hat man nun deshalb die Mitwirkung elek- trischer oder magnetischer Kräfte vermutet, weil dabei im Inneren A B Fig. 58. c J) m ^^w '^ Schema der Kernteilung. A Kernspiudel mit Äquatorialplatte ; B, C, D 'J'eiluug der Kernschleifen und Bewegung derselben nach den beiden in den Polen der Kernspindel befindlichen Ceutrosomen. des Protoplasmas gewisse Strahlungsfiguren auftreten, welche leb- haft an bekannte elektrische und magnetische Kraftlinien erinnern. Es seien zur Orientierung über die zu betrachtenden Vorgänge der Kernteilung der Eizelle die wesentlichen Erscheinungen der- selben hier kurz angegeben und durch einige Eigui'en erläutert. Bei der Befruchtung dringt das Spermatozoon in die Eizelle ein, der Kopf, als Kern desselben, vereinigt sich mit dem Eikern , der Faden desselben löst sich auf, während sich aus dem Mittelstück ein kleines Körperchen, das Centrosoma, formt, welches dem neuen Eikern anliegt. Dieses teilt sich nun in zwei Controsomen, welche auseinanderrücken und die Pole einer Strahlungsfigur bilden, die man die Kernspindel genannt hat. In den Fig. 58 sieht man diese Strahlungsfigur während der einzelnen Stadien der Kernteilung in der Mitte der Eimasse gezeichnet. Zwischen den Polen der Kernspindel liegt der Eikern. Dieser besteht an- fangs aus einem ungeordneten Knäuel von Fäden, den Kernfäden — 189 — oder Chromatosomen, welche sich mit Farbstoffen stark färben. Dieselben ordnen sich nach der Vereinigung des Ei- und Sperma- kernes in einzelnen gleich langen Stücken in der Äquatorial- platte, Fig. 58 A, an, und jeder Kernfaden spaltet sich der Länge nach in zwei Fäden. Nun beginnt die Wanderung derselben, indem die eine Hälfte auf den Kurven der Kernspindel nach dem einen, die andere Hälfte nach dem anderen Centrosoma in Gestalt einer haaruadelförmigen Schleife hinrückt, wie es die Fig. 58 A bis D angeben. Jeder ursprüngliche Kernfaden zerfällt in zwei, von denen einer nach der einen, der andere nach der anderen Richtung fortbewegt wird. Sind diese Kernfäden an den Polen der Kern- spindel angelangt, so ordnen sie sich dort um das Centrosoma derselben sternförmig an und vereinigen sich hier knäuelartig zu dem neuen Kern der beiden Tochterzellen , während das Proto- plasma der Eizelle sich ebenfalls in zwei Hälften teilt. Die Kernfäden, welche sich in dem Eikern befinden und ge- teilt haben, sind nun nach unserer Ansicht Gebilde, welche inner- halb des Plasmas, in dem sie liegen, ebenfalls elektrische Spannung annehmen. Man darf dieselben wohl als organisierte Gebilde kom- plizierter Struktur, vergleichbar den Fibrillen der Muskel- und Nervenfaser und zusammengesetzt aus mannigfachen Kolloiden im Gelzustande, ansehen. Man darf ferner voraussetzen, daß Kat- und Anionen der Elektrolyte des Plasmas von ihnen in verschiedenem Grade aufgenommen werden, sei es durch Osmose oder Adsorption, oder daß in ihrem Inneren befindliche Ionen in verschiedenem Grade nach außen in das Plasma abdissoziiert werden. Infolge- dessen müssen sie eine elektrische Spannung gegen das umgebende Plasma erhalten, ähnlich wie es bei der Nerven- und Muskelfaser, bei Zellen in der Ernährungsflüssigkeit oder bei den Kolloidpartikelchen in einer Flüssigkeit der Fall ist. Nach der Membrantheorie dringt das positive Ion eines Elektrolyten des Plasmas schneller, das negative dagegen sehr viel langsamer durch die semipermeable Membran der Zelle nach außen. Erteilen wir auch den Kernfäden der Eizelle eine solche semipermeable Membran von ähnlicher Beschaffenheit und nehmen auch an , daß das negative Ion des Plasmaelektrolyten schwer oder gar nicht, dagegen das positive Ion desselben leicht eindringen kann, so würden die Kernfäden gegen das Plasma positive Spannung annehmen. Es steht natürlich auch der Voraussetzung nichts im Wege, daß die Kern- — 190 — fäden einen besonderen Elektrolyten enthalten , dessen negatives Ion mit viel größerer Geschwindigkeit nach außen diffundiert als das positive. Derselbe könnte seiner chemischen Xatur nach zu den Basen gehören, da deren OH~-Ion die größere Wande- rungsgeschwindigkeit besitzt, während wir für das Zellplasma als wirksamen Elektrolyten eine Säure oder ein saures Salz (z. B. K2HPO4) vermutet haben. Es kann nun ferner wohl als sicher angenommen werden, daß wir den eindringenden Spermakern und ganz besonders das sich vom Spermatozoon absondernde Centrosoma bei der Befruchtung und Zellteilung als ein Zentrum lebhafter chemischer Aktion betrachten können. Es liegt nicht fern, dieses nach unseren heutigen Kennt- nissen als ein gewisse Fermente enthaltendes Körperchen beson- derer Art anzusehen, welches geeignet ist, in dem umgebenden Protoplasma Spaltungs- und Oxydationsprozesse zu veranlassen. Durch die Vereinigung des Ei- und Spermakernes werden dagegen, wie es scheint, Prozesse mehr entgegengesetzter Natur, d. h. Assi- milations- und Wachstumsprozesse angeregt, welche ebenfalls durch gewisse Fermente anderer Art im Spermakern hervorgerufen sein mögen und sich durch die Spaltung der Kernfäden kundgeben. Das Auseinanderrücken der beiden durch Teilung entstandenen Centrosomen mag schon ein Vorgang elektrokinetischer Natur sein. Wir denken uns zu diesem Ende, daß sich die beiden Centrosomen wie zwei Kolloidkörperchen gleicher elektrischer Ladung verhalten und sich gegenseitig abstoßen. Eine solche Ladung kann dadurch entstehen, daß sie Ionen der Elektrolyte des Plasmas in verschie- denem Grade lösen oder adsorbieren. Nachdem sie nun ihre Lage zu beiden Seiten des Eikernes eingenommen haben, bilden sie jederseits in dem Plasma ein Zentrum eines osmotischen Druck- gefälles, in welchem sich nach allen Richtungen hin die Moleküle und Ionen der entstehenden Spaltungs- und Oxydationsprodukte bewegen. Zu diesen können wir die Aminosäuren, welche aus der Spaltung der Eiweiße hervorgehen, ferner die Fettsäuren aus der Spaltung der Fette und Kohlehydrate und endlich die entstehende Kohlensäure rechnen. Das Druckgefälle muß sich so gestalten, wie es die entstehenden Strahlungsfiguren angeben. Zwei Maxima desselben liegen in den beiden Centrosomen, zwischen ihnen liegt ein Minimum in dem die Äquatorial platte bildenden Eikern , und nach der Peripherie der Eizelle hin fällt der osmotische Druck — 191 — nach allen Richtungen hin ebenfalls ab. In einem solchen osmo- tischen Druckgefälle von Körpern , welche als Säuren mehr oder weniger stark elektrolytisch dissoziiert sind, entsteht nun bekannt- lich wie in einem Diffusionszylinder eines Elektrolyten (s. S. 33, Fig. 10) ein elektrisches Potentialgefälle, welches ganz denselben Kurvenverlauf besitzt wie das osmotische. Betrachten wir die entstehenden Säuren als die wirksamen Elektrolyte, so wandern ihre H+- Kationen schneller als ihre Auiouen, und die Centrosomen nehmen ein Maximum negativer Spannung an, welches nach der Äquatorialplatte und nach der Peripherie in Gestalt der Strahlungs- figur abfällt. Man kann daher in der üblichen Bezeichnung der Potentiallehre die Äquatorialplatte des Eikernes und die Zell- peripherie als Senken und die beiden Centrosomen als Quellen eines negativ elektrischen Potentialfeldes bezeichnen. Sind nun die elektrischen Ladungen zwischen Cen- trosomen, Plasma und Kernfäden in der angenommenen Weise verteilt, so muß eine elektrokinetische Bewegung der letzteren in der Weise stattfinden, daß sie, wie es der Fall ist, auf den Kurven der Kernspindel, welche das osmotische und elektrische Potentialgefälle angeben, von der Äquatorialplatte nach den Centrosomen hin vor- wärts rücken. Es ist in dem Ei nicht etwa ein Leitungsstrom als Ursache dieser Bewegung vorhanden , sondern es entsteht in demselben ein Konvektionsstrom, indem die Kernfäden positive Elektrizität von der Äquatorialplatte nach den Centrosomen transportieren. Fig. 59 soll ein Bild dieser Bewegung infolge der Verteilung der elektrischen Spannungen geben. In den beiden Centrosomen herrsche das Maximum des osmotischen Druckes und der Elektrolyt- konzentration C, in der Äquatorialplatte dagegen sei dieser Wert c. Nach CC ist daher der negative und nach ccc der positive Pol des entstehenden Konvektionstromes zu verlegen, wie die Zeichen angeben. Die Kernfäden , in der Mitte ihres Weges befindlich, dargestellt, werden vermöge ihrer positiven Ladung nach CC hingetrieben. Sie geben die negative Ladung der betreffenden Anionen an die positive Elektrizität der Äquatorialplatte ab und leiten ihre positive Elektrizität der negativen der Centrosomen zu. Wir können noch folgendes zugunsten dieser Theorie an- führen. Die schleifen- oder haarnadelförmisfe Gestalt der Kern- — 192 — fäden und das Vorangehen der Umbiegestelle bei der Bewegung ist, soviel ich weiß, bis jetzt noch keiner mechanischen Betrachtung unterzogen worden. Aus dieser Tatsache geht aber klar hervor, daß die bewegende Kralt in ihrer Mitte am größten sein muß und nach den beiden Enden hin abnimmt. Bewegen wir einen biegsamen Faden in einer Flüssigkeit, indem wir ihn in seiner Mitte mit einem Stabe vorwärts führen, so nimmt er bekanntlich infolge der Reibung eine solche Schleifenform an. Die Kraft der elektrokinetischen Bewegung ist nun aber nach Formel (19) (S. 159) ebenfalls wie die Geschwindigkeit propor- tional der Ladung a, da die Beschleunigung in jedem Moment Elektrokinese der Kerufaden im Potentialgefälle. durch die Reibung aufgehoben wird. Diese Ladung wird aber in den Kernfäden ein Maximum in ihrer Mitte haben, ähnlich wie an Nerven- und Muskelfasern die stärkste positive Spannung in ihrer Mitte (Äquator s. S. 6) herrscht; denn wir können ihre Membran und Substanz an den natürlichen Querschnittsenden in stärkerer Veränderung begriffen ansehen, wodurch die Größe £ von der Mitte nach den Enden hin abnimmt. Diese Unterschiede brauchen nur sehr gering zu sein, wie wir sie an den unverletzten Muskeln gewöhnlich vorfinden, (s. S. 9) ^). ') Um der aufgestellten Theorie eine experimentelle Stütze zu geben, habe ich den Plan, feine kurze Nervenfäden in einer geeigneten Flüssigkeit (Serum, Eiweißkochsalzlösuug) zu suspendieren und in ein starkes Potentialgefälle zu bringen. Nach der Membrantheorie wäre — 193 — Dieser Prozeß der Kernteilung wiederholt sich bei den weitereu Zellteilungen während der Entwickelung sowohl als auch beim Wachsen der Gewebe in analoger Weise. Es sei noch bemerkt, daß sich auch schon beim Einrücken des Spermakerues und nach Vereini- gung desselben mit dem Eikern von diesen aus eine radiäre Strah- lung entwickelt, welche bis an die Peripherie der Eizelle hinreicht. Es soll nun hier keineswegs eine vollständige Theorie der Kern- und Zellteilung gegeben werden. Es sollen vielmehr ge- wisse Vorbedingungen für den Vorgang der Karyokinese, d. h. der Bewegung der durch Teilung gebildeten Kernfäden nach den beiden Centrosomen, als zunächst unerklärte Zellprozesse voraus- gesetzt werden, und es soll nur versucht werden, diesen Bewegungs- vorgang als eine Elektrokinese zu deuten. Auch schon in der Äquatorialplatte stellen sich die Kern- fäden (s. Fig. 58 A), in Schleifeuform geordnet, in der A(|uatorial- ebene ein. Das ist darauf zurückzuführen, daß auch von der Äquatorialplatte aus Potentiallinien nach der Peripherie der Zelle hinziehen , welche in der Äquatorialebene das stärkste Gefälle haben. Daher ordnen sich die Kernfäden in dieser Ebene nach dem Mittelpunkt derselben gerichtet an, und nachdem sie sich ge- teilt und durch gleichartige Ladung paarweise gegenseitig ab- gestoßen haben, wenden sie sich den nach den Centrosomen hin gerichteten Potentiallinien zu. Ebenso haben wir die in dem Protoplasma des Eies und in der Kernspindel auftretende Strahlung, welche aus Reihen von Körnchen besteht und uns den Verlauf der Potentialkurven sicht- bar angibt, als eine Folge des Poteutialgefälles anzusehen. Diese Körnchen , aus kleineren oder größeren Aggregaten von Kolloid- partikelchen bestehend, werden ebenfalls eine elektrische Spannung gegen die Plasmaflüssigkeit annehmen, und wenn sie auch bei zu geringer Ladung und erheblicher Reibung nicht merklich bewegt werden, so erhalten sie doch infolge dieser Wirkung eine gerichtete Anordnung in den Potentialkurven des osmotischen und elektrischen Druckgefälles. Vielleicht bewegen sich die einen von ihnen nach der Anode, die anderen nach der Kathode, wodurch ein schein- barer Stillstand eintritt. zu erwarten, daß sie sich nach der Anod^ hin bewegten, vielleicht auch in Schleifenform. Die feineu Nervenästchen der Kückenhaut des Frosches würden sich zu diesem Versuch gut eignen. Bernstein, Elektrobiologie. i o — 194 — Die Kraft und Geschwindigkeit, mit welcher die Fortführung der Kernfäden erfolgt, ist nach Formel (18) und (19) wesentlich von dem Potentialgefälle H abhängig. Dasselbe muß aber auch in diesem Falle selbst bei verhältnismäßig geringen Werten der Poten- tialdifferenz zwischen Centrosomen und Äquatorialplatte wegen der geringen Entfernung beider voneinander ein beträchtliches sein. Ebenso braucht die Ladung £ der Kernfäden keine große zu sein. Beide Größen können innerhalb derjenigen Grenzen liegen, welche wir sonst an Zellen beobachten. Wenn wir daher für diese Poten- tiale die Werte des Membranpotentials der Muskeln oder Drüsen von 0,08 bis 0,1 Volt annehmen, und bei einigen Eiern die Ent- fernung der Aquatorialplatte von den Centrosomen messen , so hätten wir in der Formel E.H.D Zahlenwerte für H und £ gewonnen, und wenn wir für die Dielek- ti'izitätskonstante D und innere Reibung 7] gewisse Werte als an- genäherte einsetzen, so würden wir für u einen Wert erhalten, den wir mit der beobachteten Geschwindigkeit der Kernfäden ver- gleichen könnten. Eine genauere Berechnung dieser Art läßt sich vorläufig aus Mangel an Daten über die Entfernung der Centrosomen vonein- ander im Beginn der Kernteilung und über die Geschwindigkeit der Kernfäden nicht ausführen. Doch möchte ich nicht unter- lassen, aus einigen in der Literatur gefundenen Angaben darüber eine ungefähre Berechnung anzustellen. Für die Zeit von der Befruchtung bis zur Vereinigung des Spermakernes mit dem Ei- kern am Seeigelei finde ich bei 0. Hertwig^) einen Wert von 15 Minuten angegeben, ferner für die Zeit von der Befruchtung bis zum Beginn der ersten Teilung (bzw. bis zum Hantelstadium des Kernes) in zwei Fällen 75 Minuten. Ziehen wir also von letzterer Zeit die 15 Minuten für die Vereinigung der Kerne ab, so wollen wir für die Zeit, in welcher sich die Kernfäden von der Äquatorialplatte nach den beiden Centrosomen bewegen, 60 Minuten annehmen. Für den Abstand der beiden Centrosomen von der Äquatorialplatte möchte ich nur schätzungsweise — denn ich ^) Untersuchungen z. Morphol. u. Physiol. der Zelle 1887, Heft 5, S. 45 u. 83. — 195 — habe in der Literatur bisher keine Messungen über diese Größe finden können — 0,01 cm ansetzen, und ich glaube, daß selbst in großen Eiern von Wirbeltieren diese Entfernung über einen ähn- lichen Wert nicht wesentlich hinausgehen wird. Nach diesen An- nahmen würde die Geschwindigkeit der Kernfäden bei der Karyo- kinese etwa 3 . lO"" cm sec"^ betragen. Um nun nach der Formel E.H.D u = — 4:71 .1] eine Berechnung anstellen zu können, wollen wir für die Ladung £ der Kernfäden 0,1 Volt annehmen; in mechanischem Maße aus- gedrückt wäre demnach £ = cm^'2,gV2. sec~^ 3000 '^ Das Potentialgefälle H in absolutem Maße wäre hiernach gleich 1 -1' r, -1 cm '2 0P 2sec . 3000.0,01 ^■ Für die Dielektrizitätskonstante D des Eiprotoplasmas können wir leider einen Wert nicht angeben; aber es wird erlaubt sein, statt derselben diejenige des Wassers gleich 80 ^) anzunehmen. Setzt man endlich für die Reibungskonstante rj einen Wert, welcher etwa zehnmal größer genommen werden mag als der, welchen Hürthle für das Blut gleich 5 gefunden hat, so wäre in diesem Falle rj = 50cm"~^ . g. sec~"^. Man erhält hiernach: u = 1,5 . 10""^ cm . sec~^. Die Übereinstimmung des beobachteten und elektrokinetisch berechneten Wertes der Geschwindigkeit der Kernfäden bei der Karyokinese ist der Größenordnung nach eine so befriedigende, daß man in dieser eine gute Stütze der aufgestellten Theorie er- blicken darf. Die angenommenen Werte für die Dielektrizitäts- konstante und die innere Reibung des Eiplasmas könnten viel- leicht als sehr willkürlich erscheinen; sie haben aber auf das Resultat keinen sehr großen Einfluß, denn selbst wenn man sie ^) Siehe Landolt u. Börnstein, Tabellen usw. 13' — 196 — zwischen 1 und den oben angenommenen Werten beliebig variieren ließe , 80 würden die berechneten Geschwindigkeiten doch nur zwischen den Grenzen von 18. 10"'^ und 7 . 10~^ cm . sec~^ schwanken. Die wesentliche Bedeutung dieses Resultates be- steht eben darin, daß die Geschwindigkeit der Kernfäden der Größenordnung nach den Geschwindigkeiten, welche die Kolloide in einem Potentialgefälle von derselben Größe zeigen würden, sehr nahe steht. Letztere Geschwin- digkeiten (s. S. 183) hat man in einem Potentialgefälle von 1 Volt pro Zentimeter zu etwa 10 bis 40 . 10~^ cm/sec~^ gefunden, also würde sie in einem Potentialgefälle von 0,1 Volt pro 0,01 cm, wie wir es in der Eizelle angenommen haben, 1 bis 4 . 10~^cm.sec~^ betragen. Daß die gefundenen und berechneten Geschwindig- keiten der Kernfäden etwa um das Zehnfache kleiner (1,5 und 3 . 10~^cm/sec~^) erscheinen, kann auf Rechnung der starken inneren Reibung im Ei gesetzt werden. Soweit wäre es gelungen , einen in allen Eizellen von den niedrigsten bis zu den höchsten Organismen der Tier- und Pflanzen- welt in typischer Weise wiederkehrenden Prozeß in der Kern- und Zellteilung auf eine physiko- chemische Basis zu stellen. Schon oben ist betont, daß dies freilich nur ein Teil des Gesamtprozesses ist, welchen die Zellteilung darstellt. Dieser Teil bezieht sich nur auf die Bewegung der Kernfäden von dem Orte ihrer Bildung, der Aquatorialplatte, welche aus den vereinigten Ei- und Sperma- kernen hervorgeht, nach den Centrosomen, die sich in gewisser Entfernung von derselben zu beiden Seiten eingestellt haben, auf dem Wege der Kernspindelstrahlen. Alle übrigen vorausgehenden wie nachfolgenden Vorgänge im Kern wie in der ganzen Eizelle hari'en weiterer Erklärung in physiko-chemischer Richtung. Doch scheint mir für eine solche Forschung das erhaltene Resultat nicht ohne Bedeutung. Zusammenfassung: und Sclilußbetrachtung. Werfen wir einen Rückblick auf das gesamte, in den voran- gegangeneu Kapiteln behandelte Gebiet, so müssen wir nach den gewonnenen Resultaten dem ganzen Stoff eine andere Anordnung geben als diejenige, in welcher wir schrittweise vorgegangen sind. — 197 — Nach ihrer historischen Entwickelung mui3te die Untersuchung von den elektrischen Strömen der Muskeln und Nerven ausgehen. Nachdem aber die physiko- chemische Forschung im Gebiete der Elektroosmose und Elektrokinese zu den elektrischen Eigenschaften der Kolloide und denen der in Flüssigkeiten suspendierten Zellen vorgeschritten war , und nachdem sich durch Aufstellung einer Membrantheorie der Zellen alle behandelten Erscheinungen unter gemeinsame Gesichtspunkte zusammenfassen ließen, erscheint es nunmehr gerechtfertigt, auch in der Darstellung des ganzen Gebietes nach physiko -chemischen Prinzipien und auch nach biologischen Prinzipien vom Einfacheren zum Komplizierteren vorzugehen. Stellt man sich auf den Standpunkt einer Entwickelungs- lehre, welche den Übergang von der leblosen zur lebenden Natur zu ergründen sucht, so wird man geneigt sein, den Ursprung der bioelektrischen Erscheinungen in den elektrischen Eigenschaften der Kolloide zu suchen, die ja einen wesentlichen Bestandteil der lebenden Substanz der Organismen bilden. Die elektrischen Eigenschaften der Kolloide spielen bekannt- lich in dem großen Gebiete der Kolloidchemie eine wesentliche Rolle. Wie im letzten Kapitel berichtet, laden sich bei Gegen- wart von Elektrolyten die Kolloidmoleküle und ihre Komplexe (Submikronen, Mikronen) in ihren Suspensionsflüssigkeiten elek- trisch, entweder positiv oder negativ, indem sie entweder positive oder negative Ionen stärker binden, sei es durch Diffusion oder Adsorption derselben. Infolgedessen wandern die Kolloidmoleküle und -partikelchen in einem Potentialgefälle zur Anode oder Kathode des zugeleiteten Stromes; es tritt eine Elektrokinese auf. Die Fällungen, Ausflockungen und Gelatinierungen von Kolloidlösungen hat man auf die elektrischen Ladungen der Moleküle zurück- geführt, indem man gezeigt hat, daß sie bei diesen Vorgängen elektrisch neutral werden (isoelektrischer Punkt s. S. 183). Die Erscheinungen der Elektrokinese haben sich nun auch an vielen niederen einzelligen Mikroorganismen nachweisen lassen und ebenso an freien Zellen höherer Organismen (s. S. 186). Man muß daraus schließen , daß diese Zellen sich ebenfalls in einer Flüssigkeit, in der sie suspendiert sind, elektrisch laden, indem sie die An- und Kationen der in der Flüssigkeit oder in ihrem Inneren enthaltenen Elektrolyte in verschieden starkem Grade durch Diffusion oder Adsorption binden. Es ist daher sehr wahr- — 198 — scheinlich , daß die elektrischen Eigenschaften der Kolloide , aus denen die lebende Substanz der Zellen hauptsächlich zusammen- gesetzt ist, auch die Ursache dieses merkwürdigen Verhaltens der Zellen im elektrischen Potentialgefälle sind. Die bekannten Untersuchungen über den osmotischen Druck haben nun zu der Überzeugung geführt, daß die lebenden Zellen mit einer semipermeabeln Plasmamembran ausgestattet sind, welche den Ein- und Austritt von Molekülen und Ionen verschiedener gelöster Stoffe und des Wassers reguliert. Da diese Plasmamembran im wesentlichen aus kolloiden Körpern zusammengesetzt ist, so ist anzunehmen , daß ihre Eigenschaften auf denen der Kolloide beruhen.- Wir können allerdings bis jetzt nicht angeben, welche Konstitution diese Membranen im lebenden Zustande der Zellen haben und wie sie sich von den toten Membranen und den Kolloid- körpern in ihrer Konstitution unterscheiden. Aber die Beobach- tung hat ergeben, daß man sie als Diaphragmen ansehen darf, welche gewisse Moleküle und Ionen von Elektrolyten durchtreten lassen, andere dagegen nicht (s. S. 88). Die bioelektrischen Erscheinungen können daher auf das Vor- handensein einer Plasmamembran der Zellen zurückgeführt werden, welche für die Anionen und Kationen der Elektrolyte im Inneren der Zellen oder in der Außenflüssigkeit verschiedene Permeabilität, oder verschiedenes Adsorptions- bzw. Lösungsvermögen besitzt. Diese Annahme bildet die Grundlage der von uns ausfühi'lich dar- gestellten Membrantheorie (s, 5. Kap.). Vom genetischen Standpunkte aus darf man sich daher vor- stellen , daß die Entstehung elektrischer Eigenschaften mit der Bildung organisierter lebender Substanz aus dem leblosen Material bereits begonnen hat. Inwieweit sich solche Eigenschaften an formloser lebender Masse, wie z. B. an den Plasmodien der Schleim- pilze, werden nachweisen lassen, mag der Untersuchung noch vor- behalten bleiben. Die in Zellen geformte lebende Substanz hat diese Eigenschaften zu höherer Entwickelung geführt, und so sehen wir, daß mit der Differenzierung der Zellen bei höherer Entwickelung der Organismen die elektrischen Eigenschaften der Zellen und Organe immer deutlicher in ihrer Beziehung zu den Funktionen derselben zum Vorschein kommen. Das elektrische Potential einer Plasmamembran erzeugt daher in Zellen verschie- dener Funktion entsprechende Wirkungen. — 199 — Die Grundbedeutung des Membranpotentials der Zellen haben wir nun (s. 9. Kap.) darin gefunden, daß es neben dem osmotischen Druck des Zellinhaltes den Wassergehalt der Zelle reguliert. Es ist eine fundamentale Eigenschaft der lebenden Gewebe, soweit wir sie bisher haben untersuchen können (äußere Haut, Muskel, Pflanzenblätter), also auch ihrer Zellen, daß sie das in der Zellflüssigkeit befindliche Wasser fester binden als im toten Zustande, und diese Eigenschaft haben wir vermöge der Elektro- osmose aus dem Membranpotential der Zellen hergeleitet. Da man annehmen darf, daß sich die ersten einzelligen Orga- nismen in dem Meerwasser gebildet haben , welches einen hohen osmotischen Druck infolge seines Salzgehaltes besitzt, so muß die Wirkung des Membranpotentials bei diesen von vornherein eine große Bedeutung für die Stoffwechselvorgänge gewonnen haben. Diese Eigenschaft der Zellmembranen hat sich bei der phylogene- tischen Entwickelung der Organismen weiter vererbt und mannig- faltig modifiziert. Die Semipermeabilität der Zellmembranen, ver- möge deren sie je nach ihrer Konstitution eine gleichsam aus- wählende Durchlässigkeit und Undurchlässigkeit für gewisse Moleküle von Nichtelektrolyteu, Elektrolyten und deren Ionen er- halten, wird neben dem Membranpotential einen großen Einfluß auf die inneren chemischen Prozesse des Stoffwechsels und den damit verknüpften Energiewechsel ausüben müssen. Daß daher auch bei der Weiterentwickelung der Organismen des Tier- und Pflanzenreiches in dem süßen Wasser der Erdoberfläche und auf dem Lande das ursprünglich im Meerwasser entstandene Membran- potential der Zellen eine wesentliche Rolle im Leben derselben und der Organe spielt, wird einleuchten. Bei den einfachsten mehi'zelligen Organismen, bei denen noch keine Differenzierung der Zellen erfolgt ist, kann auch das Membran- potential keine weitere Bedeutung als die der Wasserregulierung gewonnen haben. Sobald aber eine Differenzierung der Zellen und damit ai;ich eine Arbeitsteilung in ihrer Funktion eingetreten ist, wird damit auch eine Ursache für die Abänderung ihrer elek- trischen Beschaffenheit gegeben sein. Bei den einfachsten tierischen Metazoen (mehrzellige Tiere) finden wir bekanntlich in der Gastrula- form eine Scheidung in die zwei Keimblätter, das Ektoderm und Entoderm, vor, deren Zellen verschiedene Funktion besitzen. Auf — 200 — dieser Entwickelungsstufe sind in dem Eütoderm zuerst Sekretiona- zellen entstanden, welche Sekrete zum Zwecke der Verdauung erzeugt haben, und daher darf man sich auch vorstellen, daß bei dieser Differenzierung in bezug auf Form und Funktion die Plasma- membran sich gewandelt hat. Wir haben oben (8. Kapitel) die Sekretions Zellen als solche Zellen angesehen, bei denen durch die chemischen Veränderungen im Inneren die Plasmahaut an der äußeren sezernierenden Seite bei der Sekretion zerstört wird. In- folgedessen erzeugen sie eine Potentialdifferenz zwischen der ' äußeren und inneren Fläche einer sezernierenden Haut (Schleim- haut oder äußerer Haut). Das Membranpotential der inneren Seite der Zellen erzeugt nach der oben aufgestellten Theorie eine Wasser treibende Kraft, welche bei der Sekretion zur Wirkung kommt. Ebenso mögen auch bei der Entwickelung niederster Metazoen Resorptionszellen in dem Entoderm entstanden sein, bei deren Tätigkeit auch das Membranpotential zur Förderung des Flüssig- keitsstromes in die Gewebe beizutragen begonnen hatte, und die sich bei weiterer höherer Entwickelung der Organisation in die spezifischen Resorptiouszellen der Darmschleimhaut und ihrer Zotten umgebildet haben. Für diese Zellen haben wir nach der aufgestellten Theorie das Membranpotential der äußeren resor- bierenden Seite derselben als Quelle einer Wasser treibenden Kraft vermutet. ^^ as wir hier von den Zellen der tierischen Organismen in bezug auf die Bedeutung des Membranpotentials gesagt haben, können wir auch auf die Zellen der pflanzlichen Organismen über- tragen. Die einzelligenPflanzen, zu denen man die Bakterien rechnet, sind den Protozoen in ihren wesentlichen physiologischen Eigenschaften gleich. An diesen sind Ja namentlich die Erschei- nungen der Elektrokinese festgestellt worden. Sie besitzen also nach unserer Theorie ein Membranpotential. Die physiologische Bedeutung desselben wei'den wir nach unserer Auffassung auch in der Regulierung des Wassergehaltes zu suchen haben. Die Festhaltung von Wasser in den Keimen und Sporen von Pilzen auch im lufttrockenen Zustande scheint mir für die Erhaltung der Keimfähigkeit von besonderer Wichtigkeit zu sein. Bei den aus der phylogenetischen Entwickelungsreihe hervorgegangenen mehrzelligen Pflanzen ist das Membranpotential der Zellen bei I \ \ — 201 — der Differenzierung derselben und ihrer B'unktionen zu ähnlicher Bedeutung gelangt wie bei den tierischen Organismen. Es ist mir freilich noch nicht möglich, nach den gegebenen Tatsachen über die Wasserbeweguug in den Pflanzen diese Bedeutung im allgemeinen und speziellen an den verschiedenen Pflanzenorganen nachzuweisen. Hierzu wären besondere Untersuchungen über diesen Gegenstand erforderlich. Indessen sind ja bekanntlich die entwickelteren Pflanzen auch mit Drüsen ausgestattet, welche Wasser, Zucker und sogar Verdauungsfermente (s. Dionaea, S. 176) ausscheiden. Das wichtigste Resorptionsorgan der höheren Pflanze, die Wurzel, hat aber die Aufgabe, das Wasser aus dem Boden aufzusaugen und den übrigen Organen zuzutreiben. Es ist bisher noch nicht gelungen, die Vorgänge der Wasserbewegung in der Pflanze aus den Gesetzen des osmotischen Druckes und der Kapillarität allein zu erklären (s. Pfeffer, Pflanzenphysiologie I, Kap. VI), wie man dies eine Zeitlang geglaubt hatte. Da liegt es sehr nahe, zu vermuten, daß es elektrische Potentiale sind,. Avelche sich zu der osmotischen Energie hinzugesellen, um das' Wasser bis in die Spitzen der höchsten Bäume zu treiben. Die Untersuchungen über das Bluten der Pflanzen, das besonders stark im Frühjahr beim Anschneiden der Stämme und Aste ein- tritt, haben ergeben, daß von den Wurzeln ein positiver Druck erzeugt wird, der beim Weinstock eine Höhe von über einer Atmosphäre erreichen kann. Da der ausfließende Saft nur eine geringe Konzentration besitzt, so genügt osmotische Energie nicht zur Erklärung dieses Wasserstromes. Es eröffnen sich daher von den oben ausgesprochenen Anschauungen aus neue Gesichtspunkte für weitere Untersuchungen in diesem Gebiete der Pflanzenphy- siologie. Einen ganz speziellen Fall der Wasserbewegung bei den Pflanzen haben wir aber bereits in den Kreis unserer Betrachtung gezogen und aus der Membrantheorie zu erklären gesucht. Das ist der Vorgang, welcher bei den R e i z b e w e g u n g e n d e r P f 1 a n z e n stattfindet (s. oben 9. Kap., S. 174 ff.)- Hierbei tritt aus den reiz- baren Zellen Wasser in abführende Gefäße aus, wodurch sie sich zusammenziehen und die Bewegung verursachen. Infolge der Abnahme des Membranpotentials der gereizten Zellen geht nach unserer Theorie Wasser des Zellinhaltes durch die Membran nach außen und wird bei der Rückkehr zur — 202 — Ruhe durch das sich wieder vermehrende Membran- potential in die Zellen zurückbefördert. Wir haben nun ferner einen Vorgang in den Kreis unserer Betrachtungen gezogen, welcher sich an dem Kern der Zellen ab- spielt: das ist die Bewegung der Kernfäden bei der Kern- teilung, welche der Zellteilung vorausgeht. Daß in entwickelungs- mechanischem Sinne der Zellkern als ein aus dem Protoplasma entstandenes Produkt anzusehen ist, kann wohl kaum zweifelhaft sein; denn wenn es auch nicht gelungen ist, in der jetzigen Lebewelt kernlose Zellen nachzuweisen, so ist doch vorauszusetzen, daß formlose lebende Materie bzw. Zellen ohne Kerne einst vorhanden gewesen sind. Erst bei der weiteren phylogenetischen Entwickelung hat sich, wie es scheint, das Vermögen der Vererbung in dem entstandenen Kern konzentriert, und so betrachtet man ja all- gemein die Kerne der Geuerationszellen als die Träger der erb- lichen Eigenschaften der Organismen. Die erblichen Eigenschaften sind, wie man annimmt, hauptsächlich in den aus der Kei-nmasse sich differenzierenden Kernfäden enthalten, welche bei der Kern- teilung sich teilen und in die Tochterkerne eintreten. So kom- pliziert und verschiedenartig daher auch diese Kernfäden zu- sammengesetzt sein mögen , um so komplizierter je höher ent- wickelt der aus der Eizelle hervorgehende Organismus ist, der Vorgang der Bewegung der Kernfäden, die Karyokinese, geht von den niedersten bis zu den höchsten Organismen in der- selben typischen Weise vor sich. Es ist daher sehr wahr- scheinlich, daß er auf einem physiko- chemischen Prozeß ein- facherer Natur beruht, welcher von den zuerst entstandenen kernhaltigen Zellen bei der Teilung erworben wurde, sich für die Weiterentwickelung als nützlich erwiesen und sich daher weiter vererbt hat. Um diesen Vorgang zu erkläi-en , haben wir (s. 10. Kap.) angenommen, daß die Kernfäden, mit einer semipermeabeln Membran ausgestattet, vermöge eines Membran- potentials eine elektrische Ladung gegen die Kern- und Zell- flüssigkeit annehmen und daß sie in einem durch Osmose ent- standenen Potentialgefälle von ihrem ursprünglichen Orte im alten Eikern (Äquatorialplatte) nach den Orten der Tochter- kerne, wo sich die Centrosomen befinden, hingetrieben werden. Der Vorgang ist nach dieser Auffassung eine Elektro- kinese. I — 203 — Erat nachdem wir dargelegt haben , welche Bedeutung das ]\Iembranpotential der Zellen und ihrer Kerngebilde im Leben der Organismen gewonnen hat, werden wir verstehen können, in welcher Weise sich diese früh erworbene und weiter vererbte Eigenschaft der Zellen bei der Differenzierung des Muskel- und Nervengewebes mit den Funktionen derselben verknüpft hat. An diesen Geweben sind die elektrischen Eigenschaften der tie- rischen Organe zuerst entdeckt worden, und in experimenteller Hinsicht mußten daher die an ihnen angestellten Untersuchungen auch in diesem Buche als Ausgangspunkt der Darstellung gewählt werden. An den sehr langgestreckten Muskelzellen, den Muskel- fasern, und den langen Fortsätzen der Nervenzellen, den Nerven- fasern, konnte vermittelst der oben behandelten Forschungen (1. bis 5. Kap.) die Grundlage der Membrantheorie gewonnen und das Vorhandensein eines elektrischen Membranpotentials abgeleitet werden. Es ist in den oben beschriebenen Untersuchungen (s. 9. Kap.) gezeigt worden , daß die ursprüngliche Bedeutung des elektro- osmotischen Membranpotentials, welche in der Regulierung des Wassergehaltes der Zelle gefunden wurde, auch für die Muskel- zelle gilt. Wir werden annehmen dürfen , daß diese Bedeutung auch dem Membranpotential der Nervenzelle und ihren Fasern zukommt. Indessen die Beziehungen dieser Membranpotentiale zu den Funktionen des Muskel- und Nervensystems sind engere und kompliziertere geworden. An den Nerven und Muskeln können wir durch die elektrische Untersuchung die Erregung und Reizleitung am genauesten beobachten. Die Erregung! gibt sich an jeder Stelle derselben durch Abnahme des] Membraupotentials zu erkennen, indem diese Stelle gegen eine ruhende negative Spannung annimmt, wodurch die „Aktionsströme" entstehen. Man ist daher imstande, die Reizleitung in diesen Organen mit Hilfe der angegebenen Instru- mente zu verfolgen, ihre Geschwindigkeit und Dauer zu messen und festzustellen, daß der Reizzustand sich nach jedem Momentan- reiz wellenförmig ausbreitet, ein Vorgang, den wir Reiz welle genannt hatten. Dieselbe kann langsamer oder schneller ablaufen, am langsamsten an den glatten Muskeln niederer wirbelloser Tiere und an ihren Nerven, am schnellsten an den quergestreiften Muskeln und Nerven der höheren Wirbeltiere. Die elektrische — 204 — Zustandsänderung, die Reizwelle, geht in den Muskelfasern immer der Kontraktionswelle voraus ; sie bedeutet daher das erste Stadium der Gesamterregung des Muskels, welches das zweite, die Kontraktion, vorbereitet. Welche Beziehungen zwischen diesen beiden Vorgängen obwalten, haben wir oben (3. Kap.) ausführlich erörtert. In den Nervenfasern hat man neben der elektrischen Zustandsänderung bisher keinen anderen Prozeß bei der Tätigkeit nachweisen können, der sich als Folge hinzugesellte. Doch daß chemische Prozesse dabei auftreten, möchte ich als sicher ansehen. Wir haben es oben (s. 7. Kap.) aus den Erscheinungen der inneren Polarisation und elektrischen Reizung wahr- scheinlich zu machen gesucht, daß nicht nur die ganzen Muskel- und Nervenfasern mit einer semipermeablen Plasmahülle begabt sind, sondern daß eine solche Membran auch den Fibrillen der- selben zukommt. Die Fibrillen der Muskelfasern sind nun, wie wir wissen, diejenigen Gebilde, an denen sich der Kontraktionsprozeß vollzieht. Daher möchte ich an dieser Stelle noch kurz auf eine neuere Theorie hinweisen , welche man zur Erklärung dieses Prozesses aufgestellt hat. Es ist sehr wahrscheinlich geworden, daß die Protoplasmabewegungen, wie man sie z. B. an Amöben beobachtet, durch Änderungen der Oberflächenspannung hervorgebracht werden (G. Quincke). Es ist daher auch ver- sucht worden, die Muskelkontraktion durch dieselbe Energieform zu erklären, unter der Annahme, daß bei der Kontraktion eine Zunahme der Oberflächenspannung an der Oberfläche der Fibrillen stattfindet i). Auf diesen Gegenstand kann an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden und ich verweise auf die unten angegebenen Schriften. Aber es sei doch noch hervorgehoben , daß nach den gemachten Annahmen die elek- trischen und mechanischen Prozesse sich beide an der gedachten äemipermeablen Membran der Fibrillen abspielen würden. Schließlich ist es in der lebenden Natur zur Entstehung eines Organes gekommen, das elektrische Ströme von erheblicher Stärke zu produzieren imstande ist. Die Natur hat , sozusagen , die Gelegenheit benutzt, um mit Hilfe des schon seit Urzeiten vor- ^) Bernstein, Die Energie des Muskels als Oberflächenenergie. Pflügers Ai-ch. 85, 271 — 312. — Die Kräfte der Bewegung in der leben- den Substanz. Friedr. Vieweg & Sohn 1902. 28 S. — 205 — handenen Membranpotentials der embryonalen Zellen ein elek- trisches Organ als Schutz- und Angriffswaffe zu konstruieren. Jede elektrische Zelle desselben besitzt keine größere Kraft als die quergestreifte Muskelzelle, aber vermöge der Entwickelung beim Wachstum haben sich die plattenförmigen elektrischen Zellen in großer Zahl zu Säulen aneinandergereiht und geben daher, je nach ihrer Zahl, bei der Reizung durch Abnahme des Membranpoten- tials auf der Seite des Nervenfasereintrittes (Nervenendplatte) einen mehr oder weniger kräftigen Schlag, wie eine vielgliedrige galvanische Batterie (s. 6. Kap. S. 188). Muskeln, Nerven und elektrische Organe sind bisher haupt- sächlich diejenigen Objekte gewesen, an denen die elektrophysio- logische Untersuchung die wichtigsten Resultate der Lehre von der Bioelektrizität gewonnen hat. Es wird weiterer Forschungen in diesem Gebiete noch an anderen und namentlich auch an pflanz- lichen Organen bedürfen, um die Elektrobiologie im allgemeinen Sinne weiter auszubauen, deren Grundlagen zu geben in diesem Buche angestrebt worden ist. Anhang. Die zur Untersuchung der bioelektrischen Ströme in neuerer Zeit hauptsächlich benutzten Instrumente sind erstens das Kapil larelektro- meter und zweitens das Saitengalvanometer. Sie sind deshalb hierzu besonders geeignet, weil sie die schnellen Schwankungen solcher Ströme bis zu einer gewissen Grenze gut anzugeben vermögen. Sie haben daher das Rheotom (s. S. 41) in diesen Untersuchungen zum großen Teil verdrängt; doch muß man bei vielen Aufgaben im Auge behalten , daß sie nicht wie das Rheotom den zeitlichen Ablauf der Ströme unmittelbar geben , sondern daß die erhaltene Stromeskurve erst einer Analyse durch Rechnung bedai-f. Für die Untersuchung aller spontan ablaufenden bioelektrischen Ströme, wie z.B. derjenigen des Herzens usav. , auf welche das Rheotom nicht eingestellt werden kann, sind sie aber unentbehrlich geworden. Das Kapillarelektrometer, von dem Physiker G. Lippmann erfunden, ist ein in der Physik und physikalischen Chemie schon lange zur Messung schwacher elektromotorischer Kräfte benutztes Instrument. Es besteht im wesentlichen aus einem mit Hg gefüllten Glasrohre, welches unten in eine offene Kapillarspitze ausläuft, so daß bei etwa 70 cm Hg-Druck, das Hg in der Kapillare einen Meniskus bildet. Das senkrecht stehende Rohr wird in ein mit verdünnter Schwefelsäure gefülltes Gefäß gesetzt, an dessen Boden sich eine Quecksilberschicht befindet. Das Glasrohr wird mit einem Druckapparat und einem Mano- meter verbunden. Durch Erhöhung des Druckes treibt man aus der Kapillarspitze die Luft aus und füllt den Raum derselben ebenfalls mit der Flüssigkeit an. Das Quecksilber der Röhre und das des Gefäßes wird mit den Enden einer Kette durch einen Platindraht ver- bunden. Geht ein Strom durch das Elektrometer hindurch, so bewegt sich der Meniskus in der Kapillare nach oben, wenn er die Kathode, und nach unten, wenn er die Anode des Stromes bildet. In der Fig. 60 sind die wesentlichen Teile des Kapillarelektro- meters in der von Lippmann beschriebenen Form abgebildet. B ist das mit der verdünnten Schwefelsäure (y3H2S04 und y^R^O) gefüllte Ge- fäß, in welches die Röhre Ä eintaucht. Der Schlauch, welcher diese Röhre mit dem Manometer verbindet, besitzt ein erweitertes Stück, das durch die Schraube V komprimiert werden kann, um den Druck zu erhöhen. Statt dessen kann man auch ein Hg -Druckgefäß mit dem Schlauch — 207 durch ein T-Rohr verbinden, um durch Heben und Senken des ersteren den Druck zu variieren. Der Apparat ist zu physiologischen Zwecken mannigfach abgeändert worden. Da es sich nur um geringe Verschiebungen des Meniskus handelt, so beobachtet man diese mit Hilfe des Mikroskops 31. Zur Aufzeichnung von Kurven werden diese Verschiebungen projiziert und photographiert. Fig. 60. KapiUarelektrometer von Lippmann. Die Verschiebung des Meniskus beruht bekanntlich darauf, daß eine Polarisation zwischen Hg und der Flüssigkeit stattfindet. Es besteht nach der Erklärung von v. Helmholtz ein Kontaktpotential zwischen Quecksilber und verdünnter Säure , wodurch sich an der Grenze eine elektrische Doppelschicht bildet. Das Quecksilber ladet sich positiv und die Säure negativ. Die Oberflächenspannung des Quecksilber- meniskus, deren Kraft dem Druck entgegen nach oben gerichtet ist, wird durch diese elektrische Doppelschicht vermindert, weil in jeder Schicht die Abstoßung der positiven wie auch der negativen Teilchen gegeneinander die Oberfläche zu vergrößern strebt. Geht nun ein Strom in der Richtung hindurch, daß der Meniskus Kathode wird, so verringern die positiven Ionen des Elektrolyten, die sich an der Quecksilberoberfläche — 208 — abscbeiden, die Ladungen der Doi^pelschicht , die Oberflächenspannung des Meniskus nimmt zu, und er bewegt sich infolgedessen um ein Stück nach oben. Das Umgekehrte muß der Fall sein, wenn der Meniskus zur Anode des Stromes wird. Der durch die Oberflächenspannung « zwischen Quecksilber und Flüssigkeit erzeugte , nach oben gerichtete Kapillardruck ist nach den Gesetzen der Kapillarität gleich 2fer; Wirkung der Erhitzung; q) Theoretische Deutung der Aktivitätg- änderungen der Radiumsalze durch Auflösung oder Erhitzung. — h. Kapitel. Natur und Ursache der Erscheinungen der Radioaktivität. Verlag von Frisdr. Vieweg & Sohn in Braunschweig rA« \V/* Vt f-4- •sammlunr naturwissenschaltl und f i ci /^ UIC WlSSCnSCnSIl mathematischer Einzeldarstellungen H 611 Z Die Käthodenstrahlen Von Dr. ^. C. Schmidt, a. o. Prof. dei Physik an dei Universität Königsberg. Zweite verbesserte und ver- mehrte /luflage. Mit 50 Abbildungen. VII, 127 S. 1907. Geh. h 3.—, geb. M 3.60. Inhaltsverzeichnis. Einleitung. I.Kapitel. Das Wesen des Lichtes. Der Äther. — 2. Kapitel. Neuere Ansichten über die Leitung der Elektrizität durch Elektrolyte. — 3. Kapitel. Apparate zur Erzeugimg von Käthodenstrahlen. — 4. Kapitel. Die Entladung in verdünnten Gasen. Die Käthodenstrahlen. — 5. Kapitel. Ältere Theorien über den Eutladungsvorgang. — 6. Kapitel. Ladung der Käthodenstrahlen. — 7. Kapitel. Potentialgradienten und Katbodenfall in Entladungsrohren. — 8. Kapitel. Käthodenstrahlen im elektrostatischen l'elde. — i). Kapitel. Käthodenstrahlen im magnetischen i'elde. — 10. KapiteL Energie und üeschwindigkeit der Käthoden- strahlen. — 11. Kapitel. Zeemau - Eöekt. — 12. Kapitel. Kathodens trableu ver- schiedenen Ursprungs. — 18. Kapitel. Bestimmung von e und m. — 14. Kapitel. Scheinbare Masse. — 15. Kapitel. Eluoreszenzerregung und chemische Wirkung der Kathodeustrahlen. — 16. Kapitel, ßofiexion, Absorption, Spektrum und Bahn der Käthodenstrahlen in einer Eutladungsröhre. — 17. Kapitel. Kanalstrahlen. — 18. KapiteL Schluß. — Literaturliberaicht. Aus den Besprechungen. Allgemeines Literaturblatt.. ,Die Aufklärungen über das scheinbar so rätselhalte Verhalten der radioaktiven Substanzen sind vom Verfasser in ausnehmend interessanter und instruktiver Weise dargelegt und dürten wohl das weiteste Interesse für sich in Anspruch nehmen. Die atomistische Theorie der Elektrizität, welche endlich verspricht, einen Einblick in das Wesen der elektrischen Erscheinungen zu geben und die Frage zu be- antworten, deren Lösung jahrhundertelang unmög- lich schien: Was ist Elek- trizität? basiert auf der ~~^, p Untersuchung der Ka- ' ■"**^_ thodenstrahlen. Das für ' weitere Kreise verständ- lich geschriebene Buch kann wärmstens empfohlen werden. Die Behandlung des Themas ist einfach und gründlich; besonders ist auch die Beigabe einer großen Anzahl höchst klarer, schematischer Zeichnungen zu loben, welche die textliche Klarheit des Buches noch bedeutend erhöhen." Verlag von Friedr. VJIeweg <5t Sota in Braunscbwelg r"iip» \Y/icC(CvnCr»hcift Sammlung naturwissenschaftl. und {-jp,f| ^ JL^IC W 10C»dl^>L-ilall mathematischer Einzeldarstellungen llCUO Elektrizität und Materie Von Dr. J. J. Thomson, mtglied der Royal Society, Professor der Experimentalphysik an dei Universität in Cam- bridge, /lutorisierte Übersetzung von <3. Siebert. Zweite verbesserte /Auflage. Mit 21 Abbildungen. VIII, 116 S. 1909. Qeh. M 3.—, geb. M 3.60. Inhaltsverzeichnis, l. KapiteL Darstellung des elektrischen Feldes diiroh Kraft- linien. — 2. Kapitel. Elektrische und gebunJene Masse. — 3. KapiteL Wirkungen der Beschleunigung der Faraday scheu Röhren. — 4. Kapitel. Bie atomistische Struktur der Elektrizität. — 5. Kapitel. Konstitution des Atoms. — 6. Kapitel. Eadioaktivität und radioaktive Substanzen. 7. KapiteL Materie und Äther. Aus den Besprechungen. Literarisches Zentralblatt. „Eine Reihe geistvoller Vorträge, in welchen die Bedeutung der neuen Fortschritte in der Elektrizitätslehre für unsere Ansichten über die Konstitution der Materie und die Natur der Elek- trizität erörtert wird. Ihre Bedeutung liegt vor allem darin, daß sie eine auch weiteren Kreisen verständliche Verbindung zwischen den Maxwell-Faraday- Bchen Vorstellungen und der modernen Elektronentheorie darstellen und dabei gleichzeitig des berühmten Verfassers eigene Anschauungen über den Aufbau der Atome entwickeln, wobei die radioaktiven Elemente eine besonders ein- gehende Besprechung erfahren. Die Ausführungen enthalten nur vereinzelte mathematische Ableitungen und können jedem Studierenden empfohlen werden." Chemiker-Zeitung. . . . „Zu der Entwickelung der Elektronik, dieser neuen Disziplin der Physik, hat kaum jemand mehr beigetragen als J. J, Thomson .. . Es ist deshalb mit besonderer Freude zu begrüßen, daß dieser bahnbrechende Forscher es unternommen hat, seine „Ansiciiten über die Natur der Elektrizität, über die Vorgänge, welche im elektrischen Felde stattfinden, und über den Zusammenhang zwischen elektrischer und gewöhnlicher Materie" in einer so anschaulichen und anregenden Weise darzulegen, daß jeder Näturwissenscliaftier, nicht nur der Physiker, das Buch verstehen kann und durch die Lektüre reichen Genuß und Gewinn haben wird. . , . Für den Physiker, speziell für den Lehrer der Physik, eine Fundgrube anschaulicher Darstellungen und Gedanken- gänge. Für den Nichtphysiker eine Anleitung, nicht mühelos, aber doch ohne das schwere Rüstzeug der höheren Mathematik, sich einen Einblick zu ver- gchaffen in die Überlegungen, welche aus den Untersuchungen über Kathoden- strahlen, Röntgenstrahlen und Radioaktivität zu dem Begriffe des Elektrons, des Atoms der Elektrizität, geführt haben." Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Bravnschweig D" \\'f'r^r^^.^r^,^V,f^ti Sammlung naturwissenschaftl. und l-I<-if-f A 16 WlSSCnSCnall mathematischer Elnzeldarstelluntren lICIl H Die physikalischen Eigenschaften der Seen Von Dr. Otto Freiherr von und zu Aufsess, Assistent füi Physik a. d. Hgl. tecfin. Hodischule in München. Mit 36 /Ibbildungen. X, 120 S. 1905. (je/?, M 3.—, geb. M 3.60. Inbaltsverzeicbnis. Vorbemerkungen: Die Oberfläche eines Sees als Teil der ErdoberÜäche. Dichte des Wassers. Hydrostatischer Druck. ICompressibilität des Wassers. — Erster Teil. Mechanik. 1. Fortachreiteude Wellen. 2. Stehende Wellen (Seiches). 3. Strömungen. — Zweiter Teil: Akustik. 1. Eortytiauzuug des SchaUes im Wasser. 2. Fortpflanzung des Schalles an der Oberfläche eines Sees. — Dritter Teil: Optik. 1. Durchsichtigkeit des Seewassers : A. Bestimmung der Durchsichtigkeit durch Ver- senken eines Gegenstandes; li. Bestimmung der Durchsichtigkeit durch Auisuchen der Lichtgrenze im See. 2. Erscheinungen der Reflexion, Brechung und Karbenzerstreuung: A. Allgemeine Gesetze; B. KeÜexionsorscheinungen ; C. Brechungaerscheinungen; D. Dis- perfliouserBclieiiuingeu. 3. Selektive Absorption dos Lichtes im Seewaascr: A. All- gemeine Theorie; B. Lichtabsorption im Wasser. 4. Polarisation des Lichtes im Wasser. 5. Dia Farbe der Seen. — Vierter Teil: Thermik, 1. Thermometrie: A. Allgemeine Thenuometrie; U. Spezielle Thermometrie: Oberflächentemperaturen; Tiefentempera- turen; Ei^verhältuinso. 2. Kalorimetrie. SahlulJbemerkung. Liieraturverzeichnig. Aus den Besprechungen. Blätter für höheres Schulwesen. , Die Darstellung ist ganz elementar und sehr klar gehalten. Der Inhalt gliedert sich naturgemäß in die Wochiinik, Akustik, Optik und Thermik der physikalischen See- Erscheinungen. Besonders interessant sind die Untersuchungen über den so viel diskutierten Grund der Verschieden- tarbigkeit der Seen, Die Erscheinungen des Wasserschattens werden mit dem Brockengespenst in zutreffende Parallele gestellt. Aber von dem allergrößten Inter- esse sind S. 63 ff. die Ausführungen über die ßrechungspr.scheinungen beim Über- gänge des Lichtes von Wasser in Luft, Es wird hier ganz elementar nachgewiesen, wie relativ und einseitig unsere Erkenntnis der Dinge i.st. Wir sehen alle Gegen- stände nur durch das Medium Luft, ein Wasserbewohner sieht dieselben Gegenstände durch das Medium Wasser ganz anders als wir, ja er sieht sogar Sachen, die wir als aus einem Stücke bestehend, als kontinuierliche Massen bezeichnen, in Stücke zerteilt 1 1 Das Buch sei auch für die Schüler der obersten Klasse empfohlen," Himmel und Erde, „Was der Physiker vom weitverbreitetsten Stoffe auf unserem Erdball, dem Wasser, zu sagen weiß, ist fast lückenlos in dem Aufsess sehen Buche zusammengefaßt worden. Wir erfahren etwas über die Wellenbewegung an der Oberlläche, die Strömungen, Fortpflanzung de» Schalles im Wasser, über die Durchsichtigkeit und die thermischen Ver- hältnisse. Besonders eingehend behandelt der Verfasser auf Grund eigener Versuche die Durchsichtigkeit und Farbe der Gebirgsseen, wobei er die Frage entscheidet, ob letztere chemischer oder physikalischer Art ist. Wir emp- fehlen das Buch besonders allen denen, die es lieben, ihre Erholung in einer liebevollen Betrachtung der Natur zu suchen,'" Verlag von Friedr. Visweg &. Sohn in liraunschweig Die W iSSCnSChätt mathematischer Einzeldarstellungen llClt D Die Entwkkelung der elektrischen /Messungen Von Dr. 0. Frölich. Mit 124 Abbildungen. XI i, 192 3. 1905. (3 eil. M 6.- geb. N 6.80. Inhaltsverzeichnis. Die Meßinstrumente. Dia Strommesser, a) Die ersten Galvanoin eter. Oersted, .-oliweiyger. Ulim, Auip6re, Biot-^avart. Nobili, H. Davy, Faraday. Kalibrierung. Methode von l'etriua. Formel von Voggeudorü'. b) Die äpiegelgalvanometer. Uauss. bpiegelablesuuy. Gauss und W. Weber. Coulomb. Methoden von W. W eher. Telenraphie und Spiegelgalvauometer. Dämpfung. Spätere Spiegelgalvauo- meter. bpiegelgalvanometer mit i/rehspule. c) Galvanometer mit direkter Ablesung und absoluten iVngaben. Klektroma'^uetisohe Wage. Sinusbiissole. Tangeuteubussole. Pouület. Helmboltz. Gaugain. llieciie. Absolutes Maßsysiem. Torsions^alvanometer von Siemens und Halske. Instrumente von Weston. Elektrolylische Strommesser, d) Schalttafelinstrumeute. Erfordernisse von Sclialttafeliustri.menteu. tcUalttafel- instrumeute mit permuuonteu Jlagneleu vind bewe^ilicher .'^trom3pule. Oarpentier. Schalttafelinstrumeute mit Eiseukeruen, Hitzdrahüustrumente. e) Galvanoskop. An- wendung lür Telegraphie und JMesoungen. f) Elektrodyuamouieter und Wechselstrom- messer. Elektrodyuainometer von \V . Weber. Spätere Elektrodyuamometer. Andere In- strumente lür Wechselstrom. Technische Elektrodynamometer. Euergiemessung mit- tels Elektrodyuamometer. Neuere tech- nische Elektrodynamometer. Ferraririindtru- mente. Spannungsmesser. Übersicht. Elektrostatische Spauuungsmesser. Kapillar- elektrometer. Widerstandsapparate. Maßeinheiten. Widerstandsskalen, lioudeu- satoreu. Selbstiuduktionsskalen. Apparatezur Messung magnetischer Eigenschaften. Elektrische Wärme- messer. Elektrizitätszähler. Uhr- zähler. Motorzähler. Induktiouszähler. Elektrische Kegistrierapparate. Elektrische KegistrieruuL;en. Registrierung eiektri^cherVorgäuge. Uizillographen. Wider- standsmesser. Elektrische G esc h win- dig keits messe r. Allgemeine Klektrizitäts- gesellschaft. — Die Meßmethoden. iJie Methoden der Ötrumiiiessung. Die Metlioden der Spannung. -imessung. Spannungsmessung durch Strommessung, Spannungsmessung mittels Normalelemente. Transformation der Spannung. Die Methoueu der Widers taudsmesa ung. Methoden von W.Weber. Wheatstone- sche Brücke. Formen der Meßbrücke. Temperaturmessung mittels Meßbrücke. Sehr kleine Widerstände; Thomsonsche Meßbrücke. Sehr hohe Widerstände; Kabelme-sungen. Eiutluß von Jjadung und Selbstinduktion. EinHuß von elektromotorischen Kräften; Widerstand von Zersetzungs/.elieu, Batterien usw. Neumaun. Kohlrausch. Mauce. Ijutteroth. Frölich. Fehlerbestimmungen. Messung des Widerstandes aus Strom und Spannung. Isolationawiderstand von Anlagen im Betriebe. Methoden zur Be- stimmung der Selbstinduktion. Methoden von Maxwell. Neuere Methoden. Wien. Messungen für Ferusprechzwecke. Dia Methoden der Wechsolstrom- messung. Zusammenstellung. Rückblick. Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunschweig DJ \V/Ir^r> /-w»-> *-»y^l-i »-»f+ Sammlung naturwissenschaftl. und LI-^Tj. (^ IC WlSSCnSCnäll mathematischer Einzeldarstellungen llGlt O Elektromagnetische Schwingungen und Wellen Von Dr. Josef Ritter von <3eitler, auBemrdcnti. Professor der Physik an der k. k. Deutschen Universität Prag. Mit 86 Abbildungen. VIII, 154 3. 1905. (3eh.M4.50, geb. M 5.20. InbaltSYerzeichnis. Einleitung. I. Kapitel. Theorie der Fernwir- kungeu. Isaao Newton. — II. Kapitel. Theorie der vermittelten Fern- wirkxing. I. Abschnitt: Michael Paraday. Das magnetische Feld. Das elektrische Feld. Der elektrische Strom. Das elektromagnetische Feld. Die Induktionaerscheinungen. Die Erscheinungen der Selbstinduktion. Elektrische Schwingungen. Einige Grund- begriffe aus der Lehre von den Schwingungen. II. Abschnitt: James Clerk Maxwell. Die kritische Geschwindigkeit. Elektromagnetische Lichttheorie. HL Abschnitt: Heinrich Kadoli Hertz. IV. Abdchuitt: Die weitere Entwickelung. Methoden zur Beobachtung Hertzscher Wellen. Die elektromagnetischen Wellen und die Optik, a) Längste Wärme- und kürzeste elektrische Wellen, b) Naohalimung optischer Versuche mit Hertzschen Wellen, c) Optische Analogien von Versuchen mit Kertzscheu Wellen, d) Der luter- ferenzversuch von V. v. Lang, e) Spektralanalyse der elektromagnetischen Strahlung. f) Holle des Leiters bei Drahtwellen, g) Die drahtlose Telegraphie. — Namenverzeichnis. Aus den Besprechungen. Annalen der Elektrotechnik. , . . „Die vom Verfasser gewählte Art der Darstellung folgt der historischen Entwickelung des Gegenstandes bis in die neueste Zeit und stellt an die mathe- matische Vorbildung seiner Leser nur die bescheidensten Ansprüche. Die Behandlung des Stoßes ist aus- gezeichnet, die Gliederung klar und deutlich, die 86 gut ausgeführten Textfiguren unterstützen und er- leichtern ganz wesentlich das Ver- ständnis der für den Nichtphysiker immerhin schwierigen Materie. Da auch die Ausstattung und der Druck in gediegener Weise ausgeführt ist, so kann das Buch auf das wärmste ero])folilen werden. Für den Studenten der Physik und P-lektrizitätslehre ist das Bändcheu als erste Einführung in das genannte Gebiet von großem Nutzen, es gibt aber aucli dem gebildeten Nichtphysiker, besonders dem praktischen Eiektrotechnikir und Ingenieur einen bequemen Überblick über die einschlägigen theoretischen Probleme und deren experimentelle Lösung." Verlag von Friedr. Vieweg & Sobn in Bravnscbweig D' \V/* L-> /-.i+ bammlung naturwissenschartl. und ij Cj <— r IC WlSSCriSCnSlTI mathematischer Einzeldarstellungen 11 CIl / Die neuere Entwkkelung der Kristallographie Von Dr. H. Baumhauer, Professor an der Universität zu Freiburg i. d. Schweiz. Mit 46 Abbildungen. VIII, 184 S. 1905. Geh. M 4.—, geb. M 4.60. Inhaltsverzeichnis. I. Abschnitt. Einleitung. Wesen und Definition eines Kristalls. Fliefiende und flüssige Kristalle. Zonengesetz und Gesetz der rationalen Achsenschnitte. Kristallographische Symbole. Liuearprojektion , gnomouische und sphärische Projektion. Kohäaionsminima innerhalb der Kristalle. — II. Abschnitt. Kristallklassen und Pseudosy mmetrie. Einteilung der Kristalle in 32 Klassen. Symmetrieelemeute: Zentrum der Symmetrie, Symmetrieebenen, Deck- und Spiegelachsen. Kristallsysteme. Spezielle Ableitung und Besprechung der einzelnen Kristallklassen. Ab- leitung derselben auf Grund der Deck- und Spiegelachsen. Übersicht über die 32 möglichen Kriatallklasseu. Pseiidosymmetrische Kristalle. — HI. Abschnitt. Er- mittelung der Symmetriever- hältnisse der Kristalle, tionlo- metrische Untersuchung , zweikrei- sigea Goniometer. Physikalische Eigenschaften der Kristalle, insbe- sondere optisches Yerhalten; Zii- kvilarpolarisation optisch-einachsiger und -zweiachsiger Kristalle. Polare Pyroelektrizität. Ätz- oder Dösungs- eracheinungen. Geometrische Ano- malien (vizinale Elächen). Optische Anomalien. Anomale Ätzüguren. Allgemeinere Bedeutung der Ätz- erscheinungeu. — IV. Abschnitt. Zwillingsbildung der Kri- stalle. Zwillingsacheenu. Zwillinga- ebenen. Allgemeine Z wiUiugsgeaetze. Ableitung der verschiedenen mög- lichen ITälle von Zwillingsbildung. Deutung des Vorganges der ZwUlingsbildung. Translationstlächen als Zwilliugsebenen. Zwillinge von euantiomorphen Kristallen. Begünstigung der Zwillingsbildung. Polysynthetische Verwachsung pseudosymmetrischer Kristalle, Mimesie. — V. Abschnitt. Elächenentwickelung und Waohstum der Kristalle. Entwickelung der Kristalltlächen innerhalb der Zonen. Gesetz der Komplikation. Beobachtungen an tlächeureicheu Zonen; primäre Eeihen, sekundäre und tertiäre Flächen. Ilaumgitter und regelmäJJige Punktsysteme. Elementarparallelogramm und Häufigkeit einer Eläche. Einfluß des Lüiungsmiitels auf die Eorm der sich ausschei- denden Kristalle. Untersuchungen über das Wachstum der Kristalle. — VI. Abschnitt. Chemische Kristallographie. Isomorphie. Definition derselben. Morphotropie. Topische Achsen. P. v. Groths neuere Auffassung der Kristallstruktur, Morphotropie und Isomorphie. Polymorphe Cmonotrope und enautiotrope) Modifikationen. Mischungen isodiaiorpher Körper. Beziehungen zwischen der chemischen i'ormel und dem Kristall- systeme einer Verbindung. — Anhang. KristaUklassen, Kamen und Symbole dbr Formen nach P. v. Groths physikalischer Kristallographie. Verlag von FHedr. VJeweg & Sohn in Braunschweig UlC W ISSCnSChSit mathemalTscher Einzeldarstellungen liClt O heuere Anschauungen auf dem Gebiete der anorg. Chemie Von Prof. Dr. A. Werner in Zürich. Zweite Auflage. XV, 292 3. 1909. Qeh. M9.—, geb. N 10.—. Inhaltsverzeichnis. I. Die Elemente. 1. Der Blementenbegriff. 2. Systematik- — II. Die chemischen Verbindungen. A. Allgemeiuer TeiU Lehre von der Valenz. 1. Jiutwickeluugsgaiig der Uertigkeitslelire. IL Über die Valenzzahlen. 1. Die Hauptvaleuzzahl. 2. Die Nebenvalenzzahl. 3. Die Koordinationazahl. 4. Die iono- gene Nebenvaloiizzahl. 111, Über die Valenzeinbeiten. 1. Kiuleitung. 2. Definition von Haupt- und Nelif uvalenzcn. i. Die Valenzeinheit als gerichtete Kinzelkraft. i. Über das Wesen der Hau t- und Nebenvaleuzen. Der übereinstimmende Charakter von Haupt- und Nebenvalen en. 5. Der elektrochemische Begriff der Hauptvalenz. 6. Der Affini- tätawert der Va.euzbinduiigeu. IV. Schlußbetrachlungen über Affinität und Valenz. B. ^ys tema tischer Teil. I. Die Verbindungen erster Urdu luig. 1. Kinleitung. 2. Nomen- klatur. 3. Systematik. H. Die Verbindungen höherer Ordnung. 1. Halogenosalze und analoge Verbuiduugen. 2. Verbindungen höherer Ordnung mit Oxyden, Sulfiden usw.: Die Aulageruugs Verbindungen; Die Kinlagerungsverbindungen. S.Verbindungen höherer Ordnung mit A'itriden , Pliosphideu usw.: Anlageruugsverbindungen ; Eiulagerunga- verbindungen. 4. Verbindungen höherer Ordnung mit Karbidc-n. 5. Verbindungen hölierer Ordnung mit verschiedenen MolekUlkomponenten: Anlagerungsverbindungen; Einlagerungsverbiuduugen. 6. Über mehrkeruige Metallammouiake. 7. Über koordi- nativ ungesättigte Kinlagerungsverbindungen. ■•. Die Jxoordiuatious Verbindungen der WasseratoÜverbiudungen. 9. Theorie der Basen und Säuren. 10. Über die inneren Metallkomplexsalze. 11. Über Komplex verldndungen mit negativen Zentralatonien. 12. Über ^. eben valenzverbind uugen von Elementen. 13. Allgemeine Betrachtungen über die Bildung von Verbindungen höherer Ordnung. III. Lehre von der laomerie bei anorganischen Verbindungen. 1. Polymerie. 2. Koordination.-tiaomerie. 3. Hydrat- isomerie. 4. lonisationsmetamerie. 5. Salzisomerie. 6. Strukturisomerie. 7. Kaum- isomerie. 8. Valenzisomerie. 9. Unaufgeklärte Isomerieeracheinungen. Aus den Besprechungen. Chemiker -Zeitung. „Die zweite Auflage des eben genannten Buches, dessen erste Autlage den Lesern dieser Zeitung bestens empfohlen wurde, ist ans dieser durch eine eingehende Umarbeitung und Durcharbeitung unter Berücksichtigung des inzwischen neu gefundenen Tatsachenmaterials entstanden. Ein Hauptunterschied beider Auflagen besteht in der Anordnung. Während in dem früheren zweiten Hauptteile über Verbindungen erster Ordnung und in dem dritten Hauptteile über Verbindungen höherer Ordnung jedesmal die betreffenden Valenztragen zunächst behandelt und dann die Systematik der Stoffe gegeben wurde, sind jetzt beide Hauptteile vereinigt, wodurch es ermög- licht wurde, die Valenzfragen im Zusammenhange darzustellen. Meines Er- achtens hat das Werk dadurch an Klarheit und Übersichtlichkeit erheblich gewonnen. Und das ist gut. Werners gedankenreiche Darlegungen stürzen alte eingewurzelte Anschauungen und setzen Neues an ihre Stelle. Dem zu folgen, erfordert tüchtige Mitarbeit, und jede Erleichterung dabei wird vom Leser mit Dank entgegengenommen. Im speziellen Teile wird die Theorie der Hydrate, der Hydrolyse, der Ammoniumverbindungen besonderes Interesse erWecken." Heinrich Bütz, Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunschweig Piif^ \Y/icCP'ncr>h5lff Sammlung naturwissenschaftl. und j-fp^ff O UlXZ W lC>bCriC)d Id.! l mathematischer Einzeldarstellungen IICIL V D/e tierischen Qifte Von Edwin S. Faust, Or. phtl. et med, Privstdozent der Pharmakologie an der UniversitätStraßburg. XIV, 248 3. 1906. Geh. M 6.-, geb. M 6.80. Inhaltsverzeichnis. Vorwort. — Einleitung. Zweck und Nutzen einer zusammenfassenden iJeliandlung der tierischen Gifte. Begriffsbestimmung. Waa gehört zu den tierischen Giften? „Aktiv" und „passiv" gütige Tiere. Kigentliche Gifte und gelegentlich die Gesundlieit schädigende tierische Produkte. Zoonosen. Historisches über tierische Gifte. Aberglauben, ifintwickelung unserer Kenntnisse tiber dieselben. Praktische Bedeutung der tierischen Gifte für die sie produzierenden Tiere. Praktische Bedeutung der tierischen Gifte für den Menschen: Gütmord, tJelbst- mord. Hinrichtung von Verbrechern; Verwendung zur Herstellung von Pfeilgiften; Medizinale Vergiftungen durch tierische Gifte ; Verwundung durch Bisse oder Stiche giftiger Tiere ; Tlierapeutische Verwendung tierischer Gifte. Systematik. — W^irbel- tiere, Verte brata. Säugetiere, Mammalia. Ornithorhynchus paradoxus, PJatypus. Das Adrenalin. JJie Gallensäuren: Die pharmakologischen V\ irkungen der Gallensäuren. Schlaugen, Ophidia. Giftschlangen, Thanatophidia. Übersicht. Histo- risches. Begriffsbestimmung. „Giftige" und „ungiftige" Schlangen. „Verdächtige Schlangen". Systematik und geographische Verbreitung der Giftsclilangen. A. Colu- bridae veuenosae , Giftnattem. B. Viperidae. Soleuoglypha, Köhrenzähner. Die Gift- organe der Schlangen. Die physiologische Bedeutung des Schlangengiftes. Über die Natur des Schlangengiftes. Wirkungen der Schlangengifte. Natürliche Immunität ge- wisser Tiere gegen Schlangengifte. Künstliche oder experimentelle Immunisierung gegen Schlangengifte. Angebliche Immunität gewisser Kategorien von Menschen gegen Schlangengift. Therapie des Schlangenbisses. Prophylaxe. Kidechsen, Sauria. Amphibien, Lurche; Amphibia. 1. Ordnung: Anura, schwanzlose Amphibien. 2. Ordnung: Urodela, geschwänzte Amphibien, i'ische, Piace.-'. I. Giftüsche. A. Irische welche durch Bili vergitten. B. Fische, welche durch Stichwuuuen vergiften. C. Fische, welche ein giftiges Hautsekxet bereiten. II. Giftige Fische. III. Vergiftung infolge des Genusses durch postmortale Veränderungen gesundheitsschädlich oder giltig ge- wordener Fische. — Wirbellose Tiere, Avertebrata. Muscheltiere, Lamelli- branchiata. Gliederfüßer, Arthropoda. 1. Klasse: Spinnentiere, Arachnoidea. a> Ordnung Scorpionina. Arthrogastra, GUederspinneu. b> Ordnung Araneina. c) Ordnung Solif ugae , Walzenspinnen. d) Ordnung Acarina , Mühen. 2. Klasse: Myriapod». Tausendfüßler, a) Ordnung Chilopoda, b) Ordnung Chilognatha s. Diplopoda. 3. Klasse: Hexapoda, Insekten, a) Ordnung Hymenoptera, Hautüügler. Familie Apidae, Bienen. Familie Formicidae , Ameisen, b) Ordnung Lepidoptoia, Schmetterlinge, c) Ordnung Coleoptera, Käfer, d) Ordnung Orthoptera, Geradflügler, Schrecken, e) Ordnung Dip- tera, Zweillügler, Fliegen. Crustacea, Mafsenvergiftunaen durch Crangon vulgaris. Würmer, Vermes. Plathelmüithea , Plattwürmer. Nemathelminthes, Kundwürmer. Annelida, Kingelwürmer. Stachelhäuter, Fohinodermata. Seestei-ne, Asteroidea. Seeigel, Echinoidea. Seewalzen, Seegurken, Holothurioidea. Coelenterata (Zoüphyta), Pflanzentiere. — Namenverzeichnis. — Sachregister. Aus den Besprechungen. Repertorium der Praktischen Medizin, . . , „Wir haben bis jetzt ein Buch, das in dieser ausführlichen Weise vom Standpunkte des Zoologen, Pharma- kologen, Physiologen und Pathologen die tierischen Güte einer Betrachtung unterwirft, nicht gehabt. Ganz besonders wird uns das Kapitel über Schlangen und Schlangengiftej vor allem auch der physiologische und dann der thera- peutische Teil intei-essieren, wobei der Autor alle Methoden eingehend beschreibt und auf ihren Wert prüft. Einen wertvollen Beitrag bieten die Darlegungen über Immunität und Immunisierung." . . . Verlag von Frieör. Vieweg & Sohn in Braunschweig LJlC WlSSCnSChSlt mathematischer EinzeMarsteHÜneen llClt 11) Die psychischen Maßmethoden Von Dr. Q. F. LippS, Privatdozent der Philosophie an der Universität Leipzig. Mit 6 /ibbildungen. X, 1513. 1906. (3eh. M 3.50, geb. M 4.10. Inhaltsverzeicbnis. Erster Abachuitt. Psychologie und Naturwieae a- schal't. 1. Die empirische und die iihiloaophiiche Weltbetrachtung. 2. Die liewoßtseing- inhalte. — Zweiter Abschnitt. Die Wahrscheinlichkei ts I ehre. 3. Ge- wißheit und Wahrscheinlichkeit. 4. Die Wahrscheinlichkeitabestinimung. — Dritter Abschnitt. Die Maiibos lim mungen bei der Berücksichtigung subjek- tiver i'aktoren im Bereiche der naturwissenschaftlichen i'orschung. 5. Die Beobachtuugslehler. 6. Die Ungenauigkeit der Sinneswahrnehmuug und die sonstigen subjektiven Faktoren. — Vierter Abschnitt. Die psy c hoph y siacli en MaJUmethoden. 7. Der naturphilosophisclie Standpunkt Fechuers und das psyclio- physische Ciruudgesetz. 8. Das Maß der Empfindlichkeit. 9. Die Methode der eben merklichen Unterschiede. 10. Die Methode der mittleren Fehler. 11. Die Methode der richtigen und falschen Fälle. 12. Die Methode der mittleren Abstufungen. 13. Die Beobachtungsreiheu. 14. Dua Fehiergesetz. 15. Die Mittelwerte der Beuba' iitungareihen. — Fünfter Abschnitt. Das psychische Maß. Iß. Die durcli Fechner begründete AuffassungBweiae des psychischen Maßes. 17. Ordnen und Messen. — Seclister Ab- »chuitt. Die Methoden der i^sychischou Abhäugigkeitsbestiramung. 18. Die Bestimmung des Grades der Abhängigkeit. 19. Der Typus der Beobaclituugs- reihe. 20. Die Zerlegung der Beobachtuugsreihe in Komponenten und die Bestimmung der Unterschiedsschwelle. — Anhang. 21. Die Berechnung der Mittelwerte. — Diteratur- verzeichnis. — Kegister. Aus den Besprechungen. Literarisches Zentralblatt. „In der Literatur begegnet man noch so oft unklaren und l'ehlerhatten Anschauungen über die psychii-ehen Maßtnethoden, daß eine umfassende monographische Darstellung der letzteren sicher einem Bedürfnis entspricht. G. F. Lipps gibt nun in der Tat eine Monographie, welche auch zur ersten Einführung in das Gebiet sich recht gut eignet. Er hat sich dabei weiter die doppelte Aufgabe gestellt: einesteils zu zeigen, daß die von Fechner in Anlehnung an das gewöhnliche Fehlergesetz begründeten Maßmethoden unzureichend sind, und anderenteils den Weg anzugeben, auf dem mau ohne Voraussetzung eines bestimmten Fehlergesetzes zu einer allen Bedürfnissen der experimentellen Psychologie genügenden Methode der Maß- und Abhäugigkeitsbestimmung gelangt. An den Ausfall dieses letzteren Ver- suches knüpit sich in wissenschaftlicher Beziehung das Hauptinteresse an der Abhandlung des Verfassers." Physikalische Zeitschrift. „Wer den Wunsch hegt, einen Überblick über das Küstzeug der messenden Psychologie zu gewinnen, dem wird das vorliegende zehnte Heft der Viewegschen Sammlung „Die "Wissenschaft" sehr ■willkommen sein. Das Buch wird sich bald einen größeren Freundeskreis erwerben." Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunschweig Die WiSSenSChült maUiematischer emzeldarstelliingen neU il Der Bau des Fixsternsystems mit besonderer Berücksichtigung der pfiotometrischen Resultate Von Dr. Hermann Kobold, auBeroidentl. Professor an der Universität und Observator der ■Sternwarte in Klei. Mit 19 /Abbildungen und 3 Tafeln. XI, 256 S. 1906. Geh. n 6.50, geb. M 7.30. iDbaltsverzeichnis. Einleitung. Erster Abschnitt. Die Instrumente und iieobach tun gamethoden. 1. Die Ortsbestimmung: Sternbilder, öternnamen. Sterukoordiiiaten. Prazebsion. Kelativer Ort. Verwandlung der Koordinaten. 2. Die ilellig- keit: Visuelle Uelligkeitbbeatimmuug. Die photonietriache Skala. Die l'hotometer vmd ihre Theorien. PboiograpLii^che Sterngrüüen. Extinktion des Lichte^ in der Atmosphäre und im VVeltenraume. 3. Die Farbe der Gestirne. Die Sclimidtsch© Skala. Purkinje- Phänomeu. 4. Das Spektrum, V^ogels Steruklasgen. Secchis , Piekeringa , Lockyera Klassiüzierung. 5. Die Kuiferuung: W^irkuug auf den Ort der Gestirne. Absolute und relative Messung. Photographische Methode. Doppelsterue. Kelative und absolute Parallaxe. 6. Die Bewegung: i ie Eigeubewegung. Die Kadialgeschwindigkeit. Die totale Bewegung. 7. Dia Stemverteiluug: Die scheinbare Verteilung. Zusammenhang zwischen Steruzahl, Helligkeit und Eutferuuug. Anwendung der W'alirscheinliohkeits- lehre. — Zweiler Abschnitt. Die Einzelre aul täte. 1. Der Steruort: Stern- kataloge. Sternkarten. Die Durchmusterungen. Die photographische Himmelskarte, i. Die Helligkeit. Angaben des Ptolemäus. Schätzungen Argelanders und Goulds. Die photometrischea Messungen und ihre Vorgleichung. Sterugröße nach den photogra- phiscl\eu Aufnahmen. Photometrische Grölie der Sonne. 3. Die Sterufarbe: Osthoffs Katalog. Potsdamer Katalog. Einlluü der i'ärbung auf die Helligkeitsmessung. 4. Das Spektrum: Spektroskopische Durchmusterungen. Verteilung der Spektra. Verteilung der Sterne der einzelnen Spekiralklassen. 5. Dia Entfernung: i)ie Einzelresultate. Sterne mit großer Parallaxe. Zusammenhang zwischen der Entfernung und der ab- soluten Helligkeit, bzw. dem Spektrum. 6. Die Bewegungen: Kataloge der Eigen- bewegungen. Werte der iladialgeschwiudigkeiten. Erklärung der Bewegungen. Herschels Arbeiten. Besaels Methode. Die Grundgleichungen zur Bestimmung der Sonuenbewegung. Argelanders , Airys Methode. Kapteyns Bestimmung. Größe der Sonnenbeweguiig nach dieseu Methoden. Die Kosultate aus den beobachteten liadial- geschwindigkeiten. Kesultate aus den totalen Bewegungen. Unzulänglichkeit der Darstellung und ihre Ursachen. JS'ichtgeradLinige uugleichlormiga Bewegung. Systema- tische Kehler der Eigenbeweguugen. Beziehungen der Bewegungen zur Milchstraße. Schoenfelds Molhodo und deren ilesultate. Bakhuyzens Untersuchungen. Kobolds neue Untersuchungen nach der Bessel- Koboldschen Methode und ihre Eeaultate, Gegenüberstellung. Gesetzmäl.igkeiten in den Eigenbewegungen. Engere bterusysteme. Beziehungen zwischen der Bewegung und der Helligkeit bzw. dem Spektraltypus. 7. Die scheinbare Verteilung der Sterne und ihre Beziehung zur Milchstraße: Her- schels Eichungen. Struves Zählungen. Littrows Bearbeitung der B. D. Houzeaus Zählung. Goulds Kreis. Schiapurellis und Siratonofi's Arbeiten. Pickerings Unter- Buchungen. Seeligcrs Darstellung der Sternzahlen. — Dritter Abschnitt. Der Bau des Fixsternsy stems. 1. Das Phänomen der Milchstraße: Die statistischen Eesultate. Seeligerä , Piassmaniis, Eastons , Mratonofts und Histenparts graphische Darstellungen. Charakter und Struktur der Milchstrale. Lage der Milchstraße. 2. Die räumliche Anordnung des Uuiversums: Herschels tternsystem. W. Struves Theorie. Dar- Btelluni der Sternzahlen durch dieselbe. Wert für den Extinktionskoeffizienten. Schiaparellis Annahmen. Seeligers Lösung. Abhängigkeit der Entfernung von der Helligkeit und der Größe der Eigenbewegung. Gyldnns und Kapteyns Ausdrücke für die mittlere Parallaxe. Corastocka Untersuchungen an sehr schwachen Sternen. 3. Die Bewegungen im Universum: Argelanders und Mädlers Hypothese. Beobaehtungs- rosultate in Globularsystemen. Mathematische I>aratellung. Untersuchung einzelner SpezialSysteme. — Sclilußwort. — Anhang. 1. Tafel der Sterne mit bekannter Par- allaxe. 2. Tafel der Sterne mit großer Eigenbewegung. 3. Literaturverzeichnis. — Kegister. Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunschweig Die Wissenschaft mXm^feS'Sdarstdiüngcn Heft 12 Die Fortschritte der liinetisctien Qastheorie Von Dr. Q. Jäger, Professor der Physik an der techn. Hochschule in Wien. Mit 8 Abbildungen. XI, 121 3. 1906. Qeh. M 3.50, geb. M 4.10. Inhaltsverzeichnis. Einleitung: Gruudriß der kinetischen Gastheorie. 1. Boyle- Oharlesschea Gesetz. 2. Avogadros und Gay - Lussacs Kegel. 3. Daltons Gesetz. 4. Zahleiiwert der Geschwindigkeit. 6. Maxwells Gesetz. 6. Mittlere Weglängo imd Stolizahl der Molekeln. 7. Spezifische Wärme. 8. Innere Reibung. 9. Wärmcleitung. 10. Diöusion. 11. Größe der Molekeln. 12. Abweichungen vom Doyle - CharlesBchen Gesetz. 13. Bas Virial. — 1. Holtzmanns if-Theorcm. II. Maxwell- Boltzmanusches Gesetz. III. Gültigkeit des Maxwell - Boltzmannscheu Gesetzes für beliebig kleine Kraftfelder. IV. Die Zustandügleichung schwach komprimierter Gase. V. Der Tem- peraturkoeffizient der inneren KeibunR. VI. Her Temperatursprung bei der Wärme- leituug. VII. Die ideale Flüssigkeit. VIII. Innerer Druck der Flüssigkeiten. IX. In- nere Keibung idealer Flüssigkeilen und Größe der Molekeln. Aus den Besprechungen. Chemiker -Zeitung. „Die ausführliehe Einleitung des Werkchens gibt eine ausgezeichnete klare Darstellung der kinetischen Gastheorie. Schon wegen, derselben kann das Büchlein, das aus der Feder des durch seine , theoretische Physik" wohlbekannten Verfassers hervorgegangen ist, bestens empfohlen werden. Der Hauptteil ist zunächst Boltzmanns Untersuchungen gewidmet. Das H -Theorem und seine Beziehung zum zweiten Hauptsatze der Wärmetheorie finden zuerst ihre Ableitung, sodann die Sätze über Geschwindigkeitsverteilung und Dichteverteilung in einem Gase, in dem innere und äußere Kräfte wirken. Der Verf. verfolgt hier anschauHche und originelle Methoden. Die Anwendung wird auf die Zustandsgieichung nicht zu stark komprimierter Gase gemachtj wobei der Verf. den Arbeiten von M. Reinganum folgt. Der Temperatur- koeffizient der inneren Keibung, der in letzter Zeit befriedigende Erklärung fand, wird ebenfalls besprochen. Es folgen die Untersuchungen von Smolu- chowski über den Temperatursprung der Wärraeleitung in Gasen und eigene Forschungen des Verf. über die Theorie der Flüssigkeiten. Das Büchlein kann daher allen, die sich für die auch in der Elektrizitätslehre immer mehr Be- deutung gewinnende kinetische Theorie interessieren, wärmstens empfohlen werden." Elektrochemische Zeitschrift. „Mit Bezug auf die Wichtigkeit, die gegenwärtig die Arbeiten über die Elektrizität in Gasen erlangt haben, düi-fle die vorliegende kurze und dabei doch in bezug auf die Hauptmomente er- schöpfende Zusammenfassung der Resultate der kinetischen Gastheorie nicht unwillkommen sein. Die Darstellung ist eine klare und deutliche und es ist fast durchweg eine eingehende mathematische Begründung gegeben." Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Brauascbweig D« \V/' 1 ^(-i Sammlung naturwissensclialtl. und Li fj -j T IC WlSSCnSCnSlL mathematischer Einzeldarstellungen nClLlv!) Petrogenesis Von Dr. C. DOBÜer, o. Piofessoi de/ Mineralogie und Petrographie an derUniversitätQraz. Mit einer Lidltd ruck- taf et und 5 Abbildungen. XII, 262 S. 1906. Qeh. t1 Z— , geb. N 7.80. Inhaltsverzeichnis. Einleitung. — Erstes Kapitel, Das Erdinnere und der Vulkanismus. Vulkanische Herde. Peripherische Vulkanherde. Ursachen des Ä.ufdringenä des Magmas. Kruptionstahigkeit des Magmas. Verhalten des vulkanischen Magmas beim Erstarren. Verhalten der Gase. Temperatur der Lava. Temperatur der Vulkanherde. — • Zweites Kapitel. Die Erscheinungsformen der vul- kanischen Gesteine. Die vulkanischen Gesteine. Einüuii des Druckes auf die Bildung von Tiefeugesteinen, Die Kolle der Mineralisatoren. Das Auftreten der Ge- steine. Eruptionsformen der Obertlächengesteiue. Viskosität und Dagerungsform. Er- scheinungsformen der Tiefengesteine. Mechanismus der Intrusion. Der äuiiere Habitus der vulkanischen Gesteine. — Drittes Kapitel. Die Struktur der Eruptiv- gesteine. Struktur der Effusivgesteine. Struktur der Tief engesteine. Spezielle Struk- turen. Beziehungen zvrischen dem Alter der Gesteine und ihrer Struktur. Änderungen in der Struktur und dem Mineralbestande in verschiedenen Teilen einer Eruptionsmasse. — Viertes Kapitel. Abhängigkeit der mineralogischen Zusammensetzling der Gesteine von ihrem chemischen Bestände. Dissoziation des Magmas. Ver- gleich der Gesteinsmagmen. Graphische Darstellung von Gesteiusmagmen, — Fünftes Kapitel. Die Differentiation der Magmen. Das Ganggetolge. Die Hypothese Bröggers. Differentiation bei künsthchen Schmelzen. Magmatische Differentiation durch das spezifische Gewicht. Verhalten fertiger Kristalle im Magma. Die Kristallisations- differentiation. Schlieren. Differentiation bei gleiclibleibender chemischer Zusammen- setzung. Umschmelzungsversuche von Mineralien und Gesteinen. — Sechstes Kapitel. Die Altersfolge der Eruptivgesteine. Unterschiede der Altersfolge bei Tiefen- und Effusivgesteinen. Veränderungen der vulkanischen Produkte im Laule geologischer Perioden. Petrographische Charakteristik und Altersbeziehungen der Gesteine eines Vul- kans. — SiebentesKapitel. DieEinschlüssederGeateine. Exogene Einschlüsse. Endogene (homöogene) Einschlüsse. Die OlivinknoUen. — Achtes Kapitel. Assimi- lation und Korrosion. Ursache der Korrosionen und Kesorptionen. Korrosion des Nebengesteins am Kontakt. Assimilation. — Neuntes Kapitel. Künstliche Ge- steine. — Zehntes Kapitel. Die Verfestigung des vulkanischen Magmas. Die Ausscheidungsfolge der Mineralien im Magma. Kristallisationsvermögen und Kristalli- sationsgeschwindigkeit. Unterkühlung. EinlluJi der Schmelzpunkte. Das Kristallisations- mikroskop. Einüuß des Druckes auf die Ausscheidung. Bildung vulkanischer Tuffe. — Elftes Kapitel. Die Kontaktmetamorphose. Kaustische Wirkungen. Umwand- lung von Kalksteinen. Umwandlung von Sandsteinen, Tonschiefern und Tonen. Chemische Vorgänge bei der PhyUitkontaktmetamorphose. Pneumatolytische Metamorphose. Um- wandlung des Diabases und der Diabastuöe. Chemisch-physikalische Vorgänge bei der Kontaktmetamorphose. — Zwölftes Kapitel. Die Bildung der kristallinen Schiefer. Allgemeines. Eruptive Gneise. Gneise als umgewandelte Granite. Diagenese. Dar Kegionalmetamorphismus. Die chemische Zusammensetzung der kristallinen Schiefer. Umwandliuig durch Wasser. Umwandlung durch hohe Temperatur. Die lujektions- hypotliese. Die Dynamometamorphose. Chemische Keaktion im Festen. Die Plasti- zität der Gesteine. Einfluß des Druckes auf die Löslichkoit von Mineralien. Einseitiger Druck (Streß, Pressung). Zusammenliaug der Metamorphose mit der Dislokation. Das Volumgesetz. Der Mineralbestand der kriataUinen Schiefer. Struktur und Textur der Schiefergesteine. Ursache der Schiefrigkeit. Die Tiefenstufeu. Schwierigkeiten einer allgemeinen Anwendung der Dynamometamorphose. BUdung von kristallinen Schiefem durch Kontaktmetamorphose. Vergleich der Kontaktmetamorphose und der Dynamo- metamorphose. — Dreizehntes Kapitel. Sedimente. Kalksteine. Dolomit. Magnesit. Kieselsinter, Kieselsohiefer. Sandsteine. Tone, Kaolin. Aolische Sedimente. Alaunschiefer. Laterit. — Vierzehntes KapiteL Chemische Absätze, Bil- dung von Steinsalz, Gips und Anhydrit. Absätze der Salzseen. Die Barren- theorie. Gips und Anhydrit. Steinsalz und Abraumsalze. Reihenfolge der Ab- lagerungen der Salzmineralien. Die Temperatur der Steinsalzlager. Einfluß der Zeit und des Druckes. Salpeter. Soda. — Nachträge. — Autorenregister. — Sachregister, Verlag von Frieür. Vieweg ö: Soha in Bräunschweig Die Wissenschaft SrhSa"tischt"'SdlSieuungen Heft 14 Die (Grundlagen der Farbenphotographie Von Dr. B. Donath. Mit 35 Abbildungen und einer farbigen /iussdiiagtafei. Vlii, 166 S. 1906. (deii. n 5.—, geb. M 5.80. InhaltsTerzeictanis. I. Teil. Die direkten Verfahren der photo- graphischen Farbenwiedergabe, l'arbenwiedbrgabe. J^irstes KapiteL Die photographische Jb'arbenwiedergabe durch stehende Lichtwellen. Ge- schieh tliohes. Theorie des Verfahrens: Beg riß des Wellenstrahles. Lichtwellen. Eeflexion der Lichtwellen (Phasenverlust). Scheinfarben durch Interferenz. Die Zeukersche Theorie. Experimentelle Beweise ftir die Bichtigkeit der Theorie (Veränderung der Farben mit dem Beobachtungswinkel und durch Auseinandertreteu der Elemeutarapiegel. Komplementäre Farben im durchfallenden Lichte. Nachweis der Elementarschichten in mikroskopischen DUnnschnitteu). Weitere theoretische Betrachtungen (Die Beziehungen des Silberkorues zur Schichtenbildung. L2 A La ;Oni Die speziellen optischen Eigenschaften von Chromgelatine, kohärentem u. mole- kularem Silber. Elementarspiegelabstand und Phasenverlust. Abhängigkeit der Farbenwiedergabe von der Expositions- zeit. Die Beziehungen der Tiefenwelle zur Oberflächenwelle. Lippmannsche Spektra höherer Ordnung). Praktische Ausübung des Lippmannschen Ver- fahrens. — Zweites Kapitel. Die photographische Farbenwieder- gabe durch Körperfarben. Ge- schichtliches. Theorie des Verfahrens. Ausübung des Ausbleichverfahrens. — n. Teil. Die indirekten Verfahren der photographischen Farben- wiedergabe. Erstes Kapitel. Ge- schichte und Theorie des Drei- farbenverfahrens. Geschichtliches. Theorie : Additive u. subtraktive Farben- mischung. Geometrische Konstruktion der Mischfarben. Grundiarben. Die Theorien der Farbenwahrnehmung von Young-Heknholtz und Hering. Experi- mentelle Bestimmung der Grundfarben. — Zweites Kapitel. Die photogra- phische Analyse nach den drei Grundfarben. Sensibilisatoren und Pilter: Die Beziehungen der Aufuahmefilter zu den Keproduktionsfiltern und SensibiU- satoreu. Die praktische Durchführung der Analyse: Die Sensibihsierung der Platte. Aufnahme und Entwickelung. Einfluß der Schwärzungskurve auf die Richtigkeit der Farbenwiedsrgabe. - Drittes Kapitel. Die additive Synthese der Teilbilder (Grenzen der authentischen Reproduktion). — Viertes Kapitel. Additive Wieder- gabe mit Hilfe von Beugungsspektren (Theorie und Ausübung des Verfahrens). — Fünftes KapiteL Additive Farbenwiedergabe mit dem Dreifarben- raster. — Sechstes Kapitel. Die subtraktive Synthese der Teilbilder. Theorie: Wahl des Farbensystems. Beziehungen zwischen dem Grundfarbeneystem, den Anfnahmefiltem und Sensibilisatoren. Ausführung der subtraktiveu Synthese: Die Herstellung transparenter Dreifarbenbüder. Subtraktive Bilder auf reflektierender Grundlage. Der Dreifarbendruck (Flachdruck und Hochdruck). — Literaturverzeichnis. — Namenverzeichnis. Verlag von Friedr. Vieweg & Sota in Braunscbweig Die W iSSCnSChSlt malhem"atischer Einzeldarstellungen riCrL lO Höhlenkunde mit Berücksichtigung der Karstpiiänomene Von Dr. phil. Walter von Knebel. Mit 42 Ab- bildungen im Text und auf 4 Tafeln. XVI, 222 5. 1906. Qeh. M 5.50, geb. M 6.30. InhaltgTerzeichnis. I.Kapitel. Einführung. 2, KapiteL Die Ursachen der Höhlsnbildung. S.Kapitel. Die Verteilung der Höhlen in den Geateinearten der Erd- rinde. I.Kapitel. Verkaratung und Karstphänomene. 6. KapiteL Grundwasser und Quellen in Höhlengebieten. 6. Kapitel. Die Korrosion in Karstgebirgen. 7. Kapitel. Die mechanische Tätigkeit des Wassers in bezug auf die Höhlenbildung. 8. Kapitel. Morphologie der Höhlen; natürliches System der Höhlenformen. 9. Kapitel. Höhlen- flüsse. 10. Kapitel. Die Vaucluse und die Vauclusequellen. 11. KapiteL Die Grund- wassertheorie zur Erklärung der hydrographischen Probleme des Karstes. 12. KapiteL Submarine Quellen und Meeresschwinden ala Beweise für dag Vorhandensein von Höhlen- flüseen. 13. Kapitel. Die Entstehung von Höhlenflüisen. 14. Kapitel. Dolinen. 16. Kapitel. Bedeutung der DoUuen für Uie Tr-ttehung von T&lern. 16. Kapitel. Kesseltäler. 17. Kapitel. Die wichtigsten HöhJengebieta. 18. Kapitel. Halbhöhleu. IS. Kapitel. Ursprüngliche Höhlen. 20. Kapitel. Meteorologische Verhältnisse in Höhlen. 21. KapiteL Die biologischen Verhältnisse In Höhlen. 22. Kapitel. Höhlen als Wohnorte d«r prähistorifchen Menschen. 33. KapiteL Kulturarbeit in Höhlen- gsbieten. Geschichte der Höhlenkunde. Aus den Besprechungen. Geologisches Zentralblatt, ti^^^i. tat in diesem Buche die Ergebnisse jahrelanger Studien in verschiedenen Höhlengebieten Deutschlands und im Karst unter Berücksichtigung der umfangreichen Literatur niedergelegt und 80 ein wissenschaftliches Buch über den Gegenstand verfaßt, über den bisher nur Einzelbeschreibungen vorhanden waren. Gleichzeitig gibt er bestimmte Hinweise und Anleitungen zu gewissenhaften Beobachtungen auf diesem interessanten Gebiet geologisch -geographischer Forschung. Die einschlägige Literatur wird erwähnt und kritisch behandelt. . ." Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien. „ . . . Der Verfasser hat es verstanden, die einschlägigen Erscheinungen nicht nur in sehr licht- voller Weise zu beschreiben, sondern auch deren Entstehung in sachgemäßer Weise zu begründen. Die verschiedenen Anschauungen werden gegeneinander abgewogen und in vollkommen objektiver Weise beurteilt. Besonderes Interesse ist im vorliegenden Buche dem Karstphänomene entgegengebracht worden und dies in Anbetracht der Wichtigkeit der Kenntnis dieser Erscheinung für die Bodenkultur mit vollem Rechte. Es findet auch die kulturelle Verwertung verkarsteter Länder die entsprechende Erörterung." Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft für Thüringen. „ . . . Der Verfasser gibt eine erwünschte Gesamtdarstellung der Höhlenkunde und aller damit zusammenhängenden Fragen. Jeder, der sich schnell orientieren will über ein besonderes Kapitel dieser Wissenschaft, wird gern vorliegendes Buch zur Hand nehmen. Die zahlreichen Abbildungen, die dem Werke beigegeben sind, sind recht instruktiv und klar und schließen sich der sonstigen Aus- »tatwmg des Buches würdig an." Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunscbwelg L)iC Wissenschaft mathematischer Einzeldarstellungen rieft 16 Die Eiszeit von Dr. F. E. Qei'n/{Z, o. Professor an der Universität Rostock, n/t 25 /Abbildungen, 3 farbigen Tafeln und 1 Tabelle. XIV, 198 S. (je/?. M 7.—, geb. M 7.80. Inhaltsverzeichnis. Einführung. Fauna und Flora des Quartärs. Q-letscher- entwiekelung im Quartär. Verbroitxuig des quartären Glazialphänomens. Frühere Eis- zeiten. LandverteUung vor der Eiszeit. Ursache der Eiszeit. Zeitherochnungen. Die Glazialablagorungen. Einfluß der Vereisung auf den Untergrund. — I. Das nord- europäische Glazial. 1. Gebiet Skandinavien-Rußland-Norddeutschland-Holland, a) Art des Vorkommens und Verbreitung: Skaudinavieu. Finnland. Eußland. Born« hobn. Dänemark. Norddeutschland. Holland, b) Gliederung des nordeuropäiechen Quartärs : Präglazial (Altquartär) ; Fluvioglazial oder Bxtraglazial. Interglazial, c) Die Verhältnisse nach dem Abschmelzen der Eisdecke (Postglazial, Spätglazial), d) Die post- glazialen Niveauschwankungen. 2. Das Glazial Großbritanniens. — IL Das Glazial- phänomen der Alpen. — TTT. Das Gebiet zwischen alpiner und nordischer Vergletscherung. 1. Die extraglazialen Ablagerungen, ihre Gliederung und Bezie- hung zum prähistorischen Menschen. 2. Die vergletscherten deutschen Mittelgebirge und ihr Vorland. — IV. Eiszeitgletscher im übrigen Buropa. — V. Die Eiszeit Nordamerikas. — VI. Die Polarländer. — VII. Die Biszeit auf den übrigen Kontinenten. Asien. Afrika. Südamerika. Australien. Antarktik. Grabamland. Aus den Besprechungen. Zeitschrift für Schulgeographie. „Der bekannte Mecklenburger Forscher auf dem Gebiete der Glazialgeologie hat hier ein KoinpeDdium seines Forschungs- gebietes gegeben, wie es knapper und zutreffender kaum gegeben werden konnte. Der Text ist eng zusammengedrängt, nicht gerade leicht zu lesen, erteilt aber dafür über alles, was mit der Kiszeit irgendwie in Beziehung steht, genaue und zuverlässige Auskunft. Man mag sich über die Moorfrage mit Bezug auf Klimaschwankungen oder über die Niveauschwankungen des Baltikums orientieren wollen, alle diese Erscheinungen charakterisiert Geinitz in kurzen treffenden Worten. Das fehlende Register wird durch das eingehende Inhaltsverzeichnis genügend ersetzt, so daß sich das Werk auch zum Nach- schlagen sehr eignet. . ." Blätter für das bayerische Gymnasialschulwesen. „Der Verfasser gibt an der Hand der neueren Forschungen einen recht anschaulichen Überblick über unser gegenwärtiges Wissen von diesem vielumstrittenen Zeitraum der Erdgeschichte. Daher dürfte dieses Buch, das zum Teil ein Auszug aus seiner größeren Arbeit über das Quartär Nordeuropas ist, besonders dem Geographen willkommen sein; denn dieser Stoff ist in solcher Abrundung mit stetem Hin- weis auf die einschlägigen Fragen und literarischen Hilfsmittel meines Wissens Eonst nirgends zu finden." Verlag von Frledr. VIeweg 6t Sohn m Bräunschweig UiC WiSSCnSChSlt mathematischer Einzeldarstellungen riGlt 1/ Die Anwendung der Interferenzen in der Spel Einer der ältesten überlebenden Schüler Fr. Neumanns, Prof. A. Wangerin in Halle, hat sich der Aufgabe unter- zogen, Fr. Neum:>, nn als Forscher und Lehrer zu schildern, und nicht nur die anderen Schüler des großen und trefflichen Mannes, zu denen auch der Ref. sich zählt, alle Physiker sind dem Verfasser dafür zu Dank verpflichtet, daß er mit solcher Hingabe und mit solcher Beherrschung des Stoffes seine Aufgabe gelöst hat. Auch bezüglich der Beurteilung der verschiedenen Neumannschen Leistungen kann sich der Ref. in allen wesentlichen Punkten dem Verf. völlig anschließen. . ." Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Dtaunschweig L/IC WlSSCnSCh3tt mathematischer Einzeldarstellungen ri6ft20 Die Zustandsglekhung der Qase und Flüssigkeiten und die Kontinuitätstlieorie Von Prof. Dr. J. P. Kuenen in Leiden. Mit 9 Abbildungen. X, 241 S. 1907. (je/?, N 6.50, geb. M 7.10. Inbaltsrerzeichnis. I.Kapitel. Eondsnsationserscheinvmgen und Kontinuitäts- prinzip. 2. Kapitel, Kinetische Theorie idealer Gase. S.Kapitel, Kinetische Theorie unvollkommener G-ase: Zustand Bgleichung. 4. Kapitel. Erklärung der Verfiüssigungs- erächeinungen nach der Zustandsgieichung ; Erweiterung der Kontinuitätstheorie. 5. Kapitel. Anormale Kondensations- und kritische Bracheinungen: A. Nichtkonstanz des Dampfdruckes. B. Kritische Erscheinungen. 6. his 9. Kapitel. Vergleich der Zustandsgleichung mit der Erfahrung: A. Kritische Gleichungen. B. Homogene Zustände, 0. Sättigungsgehiet. D, Thermische Größen. 10. Kapitel. Molekulare Dimensionen, 11. Kapitel. Gesetz der korrespondierenden Zustände, Gleichförmigkeitsprinzip. 12. und 18. KapiteL Verhesserung der Zustandsgieichung; Anzuwendende Merkmale: A. Theorie der Volumkorrektion. B.Theorie der molekularen Attraktion: Verbesserung der beiden Korrektionsglieder. 1*. Kapitel. Mathematische Methoden der Herleitung der ZustandsgleichuEg. Aus den Besprechungen. Physikal. - chemisches Zentralblatt. „Der Verf. hat eine schwierige Aufgabe übeniommen , in Form einer Monographie das im Titel bezeichnete Thema zu bearbeiten. Sicher vielen wird das vorliegende Buch willkommen sein. Die wohlgeordnete Zusammenfassung des Bekannten und die objektive und kritische Behandlungsweise machen es einerseits dem Fachmanne wertvoll, der eine Fülle von Anregungen zur weiteren theoretisch -mathematischen oder experimentellen Ausgestaltung des Problems finden wird. Besonders das bis jetzt zutage geförderte experimentelle Material ist absolut unzulänglich, hier harrt noch ein großes, fruchtbares, aber auch äußerst schwieriges Gebiet der eingehenden experimentellen Bearbeitung. Anderseits sind einzelne Kapitel allgemeineren Inhalts so einfach und anregend geschrieben , daß diese vereint auch dem Anfänger mit mäßigen Kenntnissen in der höheren Mathematik ein abgerundetes Bild über das Wesen und die Erfolge der Zustandsgleichuug und der sich ihr anschließenden Fragen geben können. Lobend sei noch der sorgfältigen Literaturangaben gedacht und deren zweckmäßigen systematischen Zusammenstellung am Schlüsse jedes größeren Kapitels." Jahrbuch der Chemie, , . . . Die Darstellung der vorliegenden Monographie ist mustergültig und setzt, was vielen Chemikern besonders erwünscht sein dürfte, kein allzu großes Maß mathematischer und theoretisch - physikalischer Kenntnisse voraus,*^ Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunschweig px» \V/* 1 Ti Sammlun? naturwissenschanl. und • • p. >^. Uie WlSSenSChait mathematischer Einzeldarstellungen neit2l Radioaktive Umwandlungen \/on E. Rutherford, Professor der Phys/h an der tlc Qiii-Universität in Montreal. Übersetzt von H. Levin. tlit 53 Abbildungen. VIII, 285 3. 1907. Qeh. tl 8.— geb. N8.60. Inhaltsverzeichnis. The Silliman Foundation. — Pielace. — Vorbemerkung zur deutschen Ausgabe. — Kapitel 1. Historische Einleitung. — Kapitel 2. Die radio- aktiven Umwandlungen d. Thoriums. — Kapitels. Die Radiumemanation. — Kapitel*. Die Umwandlun^jen des aktiven Niederschlages des Kadiums. — Kapitel 5. Der lang- sam »ich umwandelnde aktive Niederschlag des Kadiums. — Kapitel 6. Ursprung und Lebensdauer des Kadiums. — Kapitel 7. Die Umwandlungsprodukte des Uraniujus und Aktiniums und der Zusammenhang zwischen den Kadioelementen. — Kapitel 8, Die Entstehung von Helium aus Kadi um und die Umwandlung der Materie. — Kapitel 9. Die Kadioaktivität der Erde und der Atmosphäre. — Kapitel 10. Die Eigenschaften der a-Strahlen. — Kapitel 11. Kadioaktive Prozesse im Lichte physikalischer An- schauungen. Aus den Besprechungen. Zeitschrift für den physikalischen und chemischen Unterricht. „ ... Im März 1905 hat Kutherford aa der Yale University eine Reihe von Vorlesungen gehalten, die hauptsächlich des Vei-f. eigenstes Arbeitsgebiet, die radioaktiven Umwandlungen, zum Gegenstand hatten. In der vorliegenden Veröffentlichung sind indessen alle bis zum Beginn von 1907 erschienenen Arbeiten berück- sichtigt. Dem Buch haftet noch in der Übersetzung etwas von der lebhaften Frische des Vortrages an. Meisterhaft in ihrer klaren Knappheit ist die histo- rische Einleitung, die uns zeigt, wie in ca. 10 Jahren durch das Handinhand- arbeiten von Physikern und Chemikern aller Länder unsere Kenntnisse von Materie und Strahlung erweitert und vertieft worden sind. Den kühnsten Schritt tat eben Rutherford in der Aufstellung der Umwandlungshypothese, die alle bisherigen Anschauungen von Elementen und Atomen umstieß, aber eine Fülle von Erscheinungen zusammenfai3te, die vorher nur verwirrten. Die Hypothese reicht noch jetzt aus, um alle seit ihrer Aufstellung gefundenen Tatsachen zu erklären, und dennoch — zum Lobe des Autors sei es besonders hen'orgehoben — weiß Rutherford scharf zwischen Beobachtung und Spekulation, zwischen der Tatsache und ihrer vermutlichen Erklärung zu unterscheiden. — Jedes Wort der Empfehlung ist bei diesem Buche überflüssig. " Literarisches Zentralblatt. „ . . . Die Vorträge sind in anregender und so anschaulicher Form niedergeschrieben, daß Physiker und Nichtfachmann, sofern er über einige naturwissenschaftliche Bildung verfügt, Genuß und Gewinn duri'ii die Lektüre haben wird. Für den Fachmann ist das Heft eine Quelle anregender Gedanken und Anschauungen, während der Laie eine gute Ein- führung in unsere gegenwärtige Kenntnis der Radioaktivität vorfindet, neben welcher die Atomzerfallstheorie, die Elektronentheorie zur Erörterung gelangt und die Bedeutung für unser Wissen von der Luftelektrizität sowie für den Ausbau und die Bestätigung wichtiger physikalischer Grundanschauungen ge- bührend geltend gemacht wird." Verlag von Friedr. Viewes <& Sohn in Braunschwei^ D« W/'r^«--/-» r- /"«l-i »-»•ff Sammlung naturwissenschaftl. und l_| _^fx OO IC WlSSCnSCnäTl mathematischer Einzeldarstellungen FldlZZ Kant und die Naturwissenschaft Von Prof. Dr. Edm. König in Sondershausen. VI, 232 ^S. 1907. Qeh. M 6.—, geb. n 7.—. Inhaltsverzeichnis. 1. Kapitel. NatuTwissenschaft und Natur- philosophie. — 2. Kapitel. Kaut und die NaturwiBBenechaft seiner Zeit. 1. Einfluß der Naturwissenschaft auf Kants Philosophie. 2. Kant als Naturforscher. — S.Kapitel. Die LeitBät£e der kritischen Krkenntnislehre. 1. Bie kritische Fassung des Erkenntnisproblems, 2. Anschauung und Denken — Aposteriori und Apriori. 3. Der Raum. 4. Die Denkformen (Kategorien). 5. Grenzen der Erkenntnis — Endergeb- nisse. — i. Kapitel. Kants Einwirkung auf die NaturwisBenachaft des 19. Jahrhunderts. — 5. Kapitel. Das Problem des Baumes und der Be- wegung. 1, Der Anschauuugsraum. 2. Der Kaum der Geometrie. 3. Der physische Raum. — 6. Kapitel. Erscheinung und Wesen — Erfahrung und Theorie (Kritik des Phänomenalismus). — 7. Kapitel. Das physikalische Problem. 1. Die Grundlagen der mechanischen Naturanachauuug. 2. Die Prinzipien der Mechanik. 3. Die Konstitution der Materie. 4. Kinetik und Energetik. — 8. Kapitel. Das biologische und das paychophysische Problem. 1. Gegensatz der mechanistischen und der teleologischen Biologie. 2. Der Zweckbegriff bei Kant. 3. Ist der ZweckbegrlS Kategorie? 4. Die Hauptformender naturwissenschaftlichen Teleologie. 5. Die psychophysische Kausalität. 6. Schluß. Zusätze. Aus den Besprechungen. Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure. „Der Verfasser sucht ru zeigen, daU insbesondere die erkenntnistheoretischen Anschauungen Kants, denen sich die Erkenntnistheorie der neueren Naturwissenschaft in verschiedenen wesentlichen Punkten in bemerkenswerter Weise ganz von selbst genähert hat, mit den Ergebnissen der naturwissenschaftlichen Forschung durchaus vereinbar und geeignet sind, als Grundlage für eine einheitliche Lösung der naturphilo- Bophischen Probleme zu dienen. Das Buch wird allen denen willkommen sein, die sich allgemein über die Hauptströmungen in der heutigen Naturphilosophie unterrichten möchten. Die Ingenieure werden die Kapitel über Raum und Bewegung, über die Grundlagen der mechanischen Naturanschauung, über die Prinzipien der Mechanik und über Kinetik und Energetik besonders interessieren." ' Chemiker-Zeitung (am Schluß einer langen Besprechung). „ ... Im Rahmen einer Besprechung, selbst einer (mit Rücksicht auf die Schwierigkeit des Gegen- standes) schon ungewöhnlich langen, kann natürlich weder auf Einzelheiten eingegangen, noch mit dem Verfasser über deren Auffassung und seinen Ge- samtstandpunkt gerechtet werden ; doch dürften schon obige Andeutungen genügen, um die Leser dieser Zeitschrift auf die Fülle wichtiger Lehren und Gedanken hinzuweisen, die das Königsche Buch enthält, und die namentlich den Naturforscher anregen sollten, auch seinerseits weiter zu denken und, unbeirrt durch jegliche Autorität, nach fernerer Aufklärung zu streben. >Auf- geklärt seine, so sagt. Kant, >heißt: den Mut haben, sich seines eigenen Ver- standes zu bedienen«. Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunschweig »->.. Av/« L. «f* Sammlung naturwissenschaftl. und L-I^f^ O '^ JL)iC WlSSCnSCnüll mathematischer Einzeldarstellungen 1 ICH ^O Synthetisch-organische Chemie der Neuzeit Von Dr. Julius Schmidt, a. o. Professor an der Hönigl. Technischen Hochschule in Stuttgart. X, 185 3, 1908. Geh. M 5.50, geb. M 6.20. Inhaltsverzeichnis. Einleitung. Erläuterung des Begrifiea Synthese. Histo- rische Bemerkungen. Über die Behandlungiweise des Stoffes. Kohlenauboxyd. KnaUsäure. — I.Kapitel. Bedeutung der Organomagnesiumhaloide für synthetische Zwecke. — a. KapiteL Einige synthetische Ergebnisse aus der Zuckergruppe. Asymmetrische Synthese. — S.Kapitel. Synthetische Keaktionen, welche zu Aldehyden und Ketonen führen. — 4. Kapitel. Dimethylsuliat als Methylierungsmittel. — 5. KapiteL Synthesen mit Hilfe von Aziden. — 6. Kapitel. Methoden von E. Fischer zur Synthese von Poly- peptiden. — 7. Kapitel. Synthesen durch Aufspaltung xmd Umwandlungen zyklischer Basen. — 8. KapiteL Synthesen auf dem Gebiete der Alkaloidchemie, der künstlichen Araneimittel und in der Puringruppe. — 9. Kapitel. Synthesen von Farbstoffen und mehrkernigen aromatischen Verbindungen. — 10. Kapitel. Synthesen von Kiechstoffen, von hydroaromatischen und diesen nahestehenden Verbindungen. — 11. KapiteL Syn- thesen verschiedener organischer Verbindungen auf elektrochemiEchem Wege. — Namen- register. — Sachregister. Aus den Besprechungen. Literarisches Zentralblatt. .Das 23. Heft der »Wissenschaftc bildet eine höchst willkommene Ergänzung unserer Lehrbücher der organischen Chemie in mehrfacher Hinsicht. Enthält es doch neben den kurz angedeuteten üblichen Synthesen in ausführlicher Besprechung neuere Verfahren, welche in den Lehrbüchern nicht oder höchstens ganz oberriächlich gestreift werden, so namentlich die vielseitige Anwendung der Organomagnesiumhaloide, stets unter eingehender Würdigung des wirtschaftlichen Wertes der betreffenden Methode. Da die Darstellungsverfahren der Duftstoffe, P'arbstoffe und Heilmittel ebenfalls in den Rahmen der Besprechung fallen und das Buch bei aller wissenschaft- lichen Strenge doch leicht faßlich geschrieben ist, so kann es unbedenklich nicht nur dem Fachmann, sondern auch weiteren Kreisen (Pharmazeuten, Physiolou-en, Ärzten usw.) nachdrücklich empfohlen werden." Zentralblatt für Pharmazie und Chemie. ,Die synthetisch -organische Chemie hat in der Neuzeit, d. h. in den letzten 10 bis 15 Jahren Errungen- schaften aufzuweisen von so allgemeinem Interesse, wie sie sich nie hatten voraussehen lassen. Die vorliegende Schrift soll ein Bild derselben entwerfen. In ihr sind die außerordentlich zahlreichen Ergebnisse je nach ihrer größeren oder geringeren Bedeutung mehr oder weniger ausführlich behandelt worden. Dabei hat der Verfasser mit Rücksicht auf den größeren Leserkreis, für den das Buch bestimmt ist, für eine leicht faßliche, aber doch streng wissen- schaftliche Form des meist aus den Quellen geschöpften Materials Sorge ge- tragen und auch die Wichtigkeit einschlägiger Entdeckungen in wirtschaftlicher Hinsicht entsprechend gewürdigt. Gerade das vorliegende Thema mit seinen mannigfachen Beziehungen zum praktiuchen Leben dürfte verhältnismäßig leichter als manch anderes abstrakteres Gebiet der Natur wissenschnften das Interesse eines weiteren Kreises fesseln. , ." Verlag voa Friedr. Vieweg & Sohn in Braunschweig L/iC WiSSCnSChSft mathematischer Einzeldarstellungen riCft 24 Die chemische Affinität und ihre Messung Von Dr. Otto Sackur, Pnvatdozent an der Universität Breslau. Mit 5 Abbildungen. Vlli,130S. 1908. Geh. M 4.—, geb. h 4.80- Inhaltsveneichnis. I.Kapitel. Sie historische Entwickelang des Affinitätsbegriffe B. Ältere Anschauungen über die chemische Verwandtschaftskraft. Die Abhängigkeit der Affinität von der Menge der sich umsetzenden Stoffe. Die Aviditat der Säuren und Basen. Quantitative Messung der Affinität in mechanischem Maße. Definition der Affinität als maximale Arbeit nach van 't Hoff. — 2. Kapitel. Der Begriff der maximalen Ar beit und der zweite Hauptsatz der Thermo- dynamik. Da« Thomson -Berthelotscho Prinzip. Der erste Hauptsatz. Der zweite Hauptsatz. Die maximale Leistung einer Arbeitsmaschine, Der Camotsche Kreisprozeß. Die Arbeitsleistung chemischer Vorgänge. Die Helmholtzsche Gleichung. — S.Kapitel. Die Berechnung der Affinität aus dem Betrage der Umsetzung. L Keak- tlonen im homogenen System, a) Zwischen Gasen : Thermodynamische Ableitung des Massenwirkungsgesetzes ; Experimentelle Bestimmung von Gasgleichgewichten (Statische Methoden. Dynamische Methoden), b) Eeaktionen in Lösungen: Die Aviditat von Säuren und Basen. 11. Eeaktionen im heterogenen System, a) Zwischen festen Stoffen vmd Gasen: Experimentelle Methoden zur Bestimmung d, Dissoziationsapanuung; Berechnung der Affinität der Metalle zum Sauerstoff und den Halogenen, b) Eeaktionen zwischen festen Stoffen und Lösungen, c) Affinität zwischen festen Stoffen. — ■ 4. Kapitel. Elek- trische Methode der Affinitätsmessung. Die maximale Arbeit eines galva- nischen Elementes. Ketten vom Typus des Daniellelementes. Konzentrationsketten. Affinität der Komplexbildung. Das absolute Potential. Gasketten. Oxydations- und Keduktionsketten. — 5. Kapitel. Affinität und Temperatur. Die Gleichung der Eeaktionsisochore. Berechnung der Affinität aus der Wärmetönung. Die Affinität in der Nähe des Umwaudlungspunktes. Änderung der Wärmetönung mit der Temperatur. Die Nemstsche Theorie zur Berechnung von Gleichgewichten aus thermischen Größen. 6. KapiteL Ergebnisse der Affinitätsmessung. Eeaktionen zwischen Verbin- dungen. Eeaktionen zwischen den Elementen. — Schlußbetrachtung. Aus den Besprechungen. Chemiker - Zeitung. ,üie Aufgabe, die sich der Verfasser in der vor- liegenden Monographie gestellt hat, den großen Fortschritt, den die Chemie der thermodynamischen Betrachtungsweise verdankt, anscliaulich darzustellen, hat er in sachgemäJJer Weise und Form gelöst. Das Buch übermittelt trotz seiner kurzen Fassung die wesentlichsten Errungenschaften der chemisch ver- werteten Thermodynamik prägnant und zuverlässig, so daß es dem engeren und weiteren Kreise der Facligenossen Belehrung und Anregung gibt. . . . Das Buch ist jedem zu empfehlen, der eine nicht an der Oberfläche haftende Kenntnis des Gegenstandes in großen Zügen sich aneignen will, zumal dem Studierenden als Ergänzung und Unterstützung bei thermodynamischen Vor- lesungen." Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunschweig L)l6 Wissen schält mathematischer Einzeldarstellungen nett ZD Die Korpuskulartheorie der tiaterie Von Dr. J. J. Thomson, tUtgl. der Royal Society, Professor der Experimentalphysik an der Universität in Cambridge und Professor der Pfiysik an der Royal Institution in London, /lutoris. Übersetzung von Q. Siebert, tlit 29 Abbildungen. VIII, 166 3. 1908. Geil, i^ 5.— geb. n 5.80. Inhaltsverzeichnis. 1. Kapital. Kinleitung. Korpuskeln in Vakuumröhren. S.Kapitel. Der Ursprung der Masse der Korpuskel. S.Kapitel. Eigenschaften einer Korpuskel. 4. Kapitel. Korpuskulartheorie der Leitung in Metallen, 5. Kapitel. Die zweite Theorie der elektrischen Leitung. 6. Kapitel. Die Anordnung der Korpuskeln im Atom. 7. Kapitel. Über die Anzahl der Korpuskeln im Atom. — Register. Aus den Besprechungen. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. „In dem vorliegenden Werke legt der Verfasser, der den Physikern als einer der geistreichsten Forscher auf dem Gebiete der Elektronik wohl bekannt ist, seine Anschauungen über den Aufbau der Materie in ziemlich populärer Form dar. Das Buch ist also als eine Fortsetzung und Erweiterung der im Jahre 1904 ebenfalls deutsch in der Sammlung »Die Wissenschaft (Heft 3)€ erschienenen Vorträge »Elektrizität und Materie« anzusehen. In der neuen Schrift werden zunächst die grundlegenden Tatsachen der Elektronentheorie besprochen. Daran schließt sich ein Kapitel, in dem die Frage nach dem Ursprung der Masse der Elektronen mit dem Ergebnis diskutiert wird, daß die Masse der Elektronen nur scheinbar materiell, in Wahrheit aber elektromagnetischer Natur sei. Eingehend wird die Korpuskulartheorie der Wärme- und der Elektrizitätsleitung in Metallen behandelt und gezeigt, daß von den beiden konkurrierenden Theorien die eine, nach der die die Leitung der Wärme und Elektrizität besorgenden Elektronen insofern dauernd im Metall frei sind, als sie mit den Atomen ihrer Umgebung, von denen sie sich durch Dissoziation getrennt haben, in einer Art von Temperaturgleichgewicht stehen, zu einem Widerspruch mit der Erfahrung führt, indem der Wert für die spezifische Wärme der Metalle, wenn sie richtig wäre, viel größer (bei Silber zehnmal so groß) sein müßte, als er tatsächlich ist. Die andere Theorie, welche voraussetzt, daß die Elektronen nicht dauernd, sondern nur während der kurzen Zeit frei sind, die sie zur Zurücklegung des Weges von einem Atom zum Nachbaratom brauchen, vermeidet diese Schwierigkeit, und ihr ist, da sie alle anderen Beobachtungen ebensogut wie die erste Theorie erklärt, der Vorrang zu geben. Zwei Kapitel über den Auftau der chemischen Atome aus positiver Elektrizität und negativen Elektronen und deren Anordnung im Atom beschließen das Buch. . . Die Lektüre der »Korpuskulartheorie der Materie« ist nicht leicht, aber sie bietet dem, der die Mühe der Durcharbeitung nicht scheut, einen großen Genuß." Verlag von Ftiedr. Vwweg & Sohn in Braunschweig r^io AY/l CCöriC/^h off Sammlung naturwissenschaftl. und 1-4 £^fi Of\ L-'IC W IboCiibCllaiL mathematischer Einzeldarstellungen 1 ICH Z.U Die Bindung des atmospiiäris^iien StidCllOi^ili*a \Y/Icc<=>.ncr*hQff Sammlung naturwlssenschaftl. und Hi^ff 'Z'Z UlKZ VV liSvClICidlcllL mathematischer Einzeldarstellungen 1 ICH OO Die physikalisch 'Chemischen Eigenschaften der Legierungen Von Bernhard Dessau, a. o. Professor der Physik an der Universität Perugia. Mit 82 Abbildungen im Text und auf 3 Tafein. Viil, 208 5. 1910. Geil. n 7.—, geb. h 8.—. Inhaltsverzeichnis. I.Einleitung. — II. AllRemeines über Zweistoff» Systeme. §1. Heterogene Gleichgewichte. §2. Gegenseitige Löslichkeit zweier Stoffe. § 3. Erkaltungs- und Erwärmungskurven. Schmelzdiagranime eines ZweistolTayateraa ohne chemische Verbindungen und polymorphe Umwandlungen, mit vollständiger Jlisch- barkeit der Komponenten im flüssigen, vollständiger Nichtmischbarkeit im kristallisierten Zustande. § 4. Die Komponenten des Systems bilden miteinander eine unzeraetzt schmelz- bare chemische Verbindung, die im kristallisierten Zustande mit den Komponenten nicht mischbar ist. § 6. Die Verbindung schmilzt unter Zersetzung. § 6. Die Kompo- nenten des Systems bilden keine chemische Verbindung, sind aber sowohl im flüssigen wie im kristallisierten Zustande in allen Vorhältnissen miteinander mischbar. § 7. Die Komponenten sind im kristallisierten Zustande sclion bei der Schmelztemperatur nur beschränkt ineinander löslich. §8. Beschränkte Mischbarkeit im flüssigen Zustande. §9. Polymorphe Umwandlungen. — III. U ntersuchungsme thoden. gl. Thermische Analyse. § 2. Metallographie. § 3. Dilatonietrische und kalorimetrische Methoden. — rV. Binäre Legierungen, §1. Legierungen ohne chemische Verbindung der Kompo- nenten. § 2. Binäre Legierungen mit Verbindungen. § 3. Verbindungsfähigkeit und Isomorphismus der Metalle. — V. Teruäre Legierungen. — VI. Die gewerblich wichtigsten Legierungen. §1. Eisen und Kohlenstoff. § 2. Legierungen des Kupfers. — VU. Die physikalischen Eigenschalten. § 1. Mechanische und thermische Eigenschaften. § 2. Elektrische Leitfähigkeit. § 3. Der Magnetismus der Legierungen. § 4. Elektrolytische Lösungstension und elektromotorische Kraft. — Register. Aus dem Vorwort. „Die Zahl der Untersuchungen über die Konstitution und die Eigenschaften der Legierungen ist in den letzten Jahren so sehr angewachsen, daß der Über- blick für denjenigen, der sich nicht speziell mit dem Gegenstande beschäftigt, immer schwieriger wird. Und doch bietet gerade dieses Kapitel der physi- kalischen Chemie nicht nur für die Chemiker und Teclinologen, von denen die -wissenschaftliche Erforschung desselben in erster Linie betrieben wurde, sondern auch für den Physiker ein hervorragendes Interesse. Der Versuch, das ein- schlägige Material zusammenfassend darzustellen, bedarf darum kaum einer Rechtfertigung. Der jetzige Zeitpunkt erschien hierfür um so geeigneter, als die Klarlegung der Konstitution der binären Legierungen dank den Arbeiten Tammanns und seiner Scliüler gegenwärtig zu einem gewissen Abschlüsse gediehen und damit auch für das Studium der Legierungen von mehr als zwei Komponenten, sowie für die systematische Bearbeitung des Zusammenhanges zwischen den verschiedenen Eigenschaften und der Konstitution der Legierungen erst die rationelle Grundlage gewonnen ist. In dieser Hinsicht mag die vor- liegende Arbeit auch zu weiterer Forschung anregen, wenngleich begreiflicher- weise die Originaluntersuchungen weder alle berücksichtigt, noch in Korm von Literaturangaben sämtlich erwähnt werden konnten. Vollständigkeit wurde nur insofern angestrebt, als die verschiedenen Typen, denen man bei der Unter- suchung der Konstitution der Legierungen begegnet, an charakteristischen Bei- spielen erläutert wurden. . ." Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunschweig DiG WiSSCnSChStt mathematischer Einzeldarstellungen il Cft s54 Die elektrische Fernübertragung von Bildern Von Dr. Robert Pohl, Assistenten am Physfkaf/sdien Institut der Universität Berlin. Mit 25 Abbildungen. VIII, 45 S. 1910. Geh. M 1.80, geb. M 2.50. Inhaltsverzeichnis. Einleitung. — l.EapiteL Die Möglichkeiten der elektrischeu Zeichentlbertragung. — 2. KapiteL Über tSynchroDiBniaB. Zerlegung der Bilder in Klächenelemente. Uhrwerke. Caeelli» Pendelsynchronlöierung. Nebenschlußmotore mit Zentrifugalregulatoren. Synchronisierung dea Hughes-Apparatea. Synchronisierung mit Korrektiousströraeu. — 3. Kapitel. Kopiertelegraphen fttr einen Leitungsdraht. Allgemeine AuEftlhrung. Bakewell« Kopiertelegraph. Casellia Pantelegraph. Kopiertelegraphie mittels elektrischer Wellen. — 4. Kapitel. Kopier- telegraphen für zwei Leitungsdrähte. Telautographen. — 5. KapiteU Appa« rate für elektrische Fernphotographie (I. Teil). Unterschied von den Kopier- telegraphen. Einteilung der Apparate. Die Empfangsapparate. Sender für Beliefbi'der. Herstellung der ßeliefs. Benutzung elektrischer VVelleiu — 6. KapiteL Apparate für elektrische Fernphotographie (IL Teil). Sender mit Selenzellen. Selen und Selenzellen. Selenträgheit und Kompensation. Erste Versuche mit Selensendern. Apparat Bidwells. Empfänger Korns. — T.Kapitel. Vergrößerung der Übertragungs- geschwindigkeit. Vorwort. „Die große Beachtung, die das Problem der elektrischen Fernübertragung ■von Zeichnungen und Bildern in weiteren Kreüsen gefunden hat, ließ es den Herausgebern der »Wissenschaftc wünschenswert erscheinen, eine Darstellung der bisherigen Entwicklung des Problems in die Sammlung aufzunehmen. Für eine derartige zusammenfassende Darstellung ist die größte Kürze geboten... Es liegt in der Natur des' Problems, daß sich die Ausführungen zum Teil auf technischem Gebiete bewegen müssen. Doch habe ich mich bemüht, alle rein konstruktiven Einzelheiten auszuschalten, wiewohl in diesen zurzeit die eigentlichen praktischen Schwierigkeiten liegen und gerade in der technischen Durcharbeitung der Fortschritt dieser im Prinzip schon seit vielen Jahrzehnten bekannten Apparate zu suchen ist." Verlag voa Friedr. Vieweg & Sohn in Braunscbweig UlC W ISSCnSChStt mathematischer Einzeldarstellungen IlCttöC) Die elektrischen Ersciieinungen in metallisdien Leitern (Leitung, Thermoelek- trizität, (Qalvanomagnetische Effekte, Optik) Von Dr. K. Baedeker, a. o. Professor an der Uni- versität Jena. Nit25/ibbildungen. VIII, 1463. 1911. Qeh. M 4—, geb. M 4,80. Inhaltsverzeichnis. Einleitung. Wesen der metallischen Leitung. Üter- gicht über die bebandelten Erscheinuneen. Prinzipien der theoretischen Behandlung. Elektronentheorie der metallischen Leitung. Einführung des Max wellschen Ver- teilungssatzes nach Lorentz. Elektronenemission glühender Körper. — 1. Kapitel. Die Elektrizitätsleitung in Metallen. Allgemeines. Elektroneutheorie der Leitung. Messung der Leitfähigkeit. Beobachtungsergt buisse über das elektiische Leit- vermögen. Wirkung der Temperatur auf die Elekt izitätsleitung der reinen MetaUe. Die Abhängigkeit des Leitvermögens von der Temperatur bei schlechten Leiteru. Wir- kung des Diucks auf das elektrische Leitvermögen. Veränderung des Leitvermögens beim Wechsel des Aggregatzustands. Leitfälligkeit bei Modifikationpänderuncren. Die Elektrizitätsleitung in Legierungen. Legierungen mit gegenseitiger Löslichkeit der Komponenten. Legierungen, welche Verbindungen enthalten. Wirkung der Temperatur auf das Leitvermögen der Legierungen. Zur Theorie der Leitung in Legierungen. — 2. Kapitel. Die Wärmeleitung in Metallen. Elektronentheorie der Wärme- leitung. Beobachtung des Wärmeleitvermögens und des Leitverhältnisses. Spezielle BeobachtungserKebnisse über Wärmeleitung und Leitverhältnis. — 3. Kapitel. Die therm oelektrischeu Erscheinungen. Die Messung thermoelektrischer Kräfte und ihre Ergebnisse. Thermoelektrizität der Legierungen und Verbindungen. Einfluß des Druckes auf die thermoelektrisehe Kraft. Der Peltiereffekt. Der Thomson effekt. 'J'hermodynamipche Behandlung der thermoelektrischen Erscheinungen. Die Elektronen- theorien der Thermoelektrizität. — 4. Kapitel. Die galvauo magnetischen und thormomagnetischen Erscheinungen. Allgemeines über Trau sversaleffekte. Die Beobachtung der Trantversaleffekte und ihre Ergebnisse. Die Lougitudinaleffekte. Wechselstrom -Gleichstromeft'ekt am Wismut. Zur Theorie der galvanomagnetischen Erscheinungen. — 5. Kapitel. Optische Eigenschaften der metallischen Leiter. Die optischen Konstanten der Metalle. Theorie der elektromagnetischen Wellen in Leiteru. Elektroiientheorie der langwelligen Metallstrahlung von H. A. Lo- ren tz. Die Beobachtung der Emission und Keflexion der Metalle im langwelligen Spektrum. Die Dispersion der Metalle. Aus dem Vorwort: ,Die elektrischen Eigenschaften der metallischen Leiter finden sich in den Lehrbüchern in der Kegel an verschiedenen Stellen zerstreut untergebracht. Die rasche Entwickelung der Elektrizitätslehre, insbesondere die der Elektronen- lehre im letzten Jahrzehnt gab auch auf diesem Gebiete eine solche Erwei- terung des Tatsachenmaterials und eine so große Reihe gemeinsamer Gesichts- punkte, daß die in diesem Buche unternommene zusammenfassende Darstellung berechtigt erschien. Für die gewählte Darstellung war es wesentlich, daß die Theorie noch nicht in gleichem Maße, wie in anderen Gebieten die Grundlage und den Zusammenhang der Ersclieinungen zu geben beanspruchen kann. An zwei Stellen wurde etwas mehr auf Einzelheiten eingegangen: bei der Richard - son sehen Theorie der Elektronenemission durch glühende Leiter, die ich zum Teil als Grundlage für eine neue Theorie der Thermoelektrizität benutzte, und in diesem letzteren Kapitel selbst . . . Die experimentellen Ergebnisse des behandelten Gebiets sind ausführlicher wiedergegeben. Hier wurde eine gewisse Vollständigkeit, besonJer.s in den Zahlenangaben, erstrebt . . . Auch wurde Wert darauf gelegt, besonders die in den verbreiteten Handbüchern und Tabellen nicht enthaltenen Zahlen wiederzugeben . . .'' Verlag von Friedr. Vieweg & Soba in Braunschweig DJpkW/jQQpkMCr'hciff Sammlung naturwissenschaftl. und LJ-^f/ '3 A 1^ W lC>:5t:iiai^llCllL mathematischer Einzeldarstellungen 1 ICil OO Grundlagen der praktischen tietronomie Von Prof. Dr. Karl Scheel, tUtgl. der PhysIkaUsch- technischen Reichsanstalt Mit 39 Abbildungen. XII, 168 S. 1911. Geh. M 5,20, geb. M 6,—. Inhaltsverzeichnis. Einleitung. §1. Ma."oinheiten. §2. Einheit der Zeit. § 3. Einheiten der Länge und der Masse. § 4. Aufgaben der Metronomie. § 5. Ältere Einheiten für Länge und Maße. § 6. Vereinheitlicliung des Maßsystems. Das Meter. § 7. Das Kilocrramm. § 8. Das Eaunimaß. Kubikdezimeter und Liter. § 9. Aus- breitung des metrischen Maßsystems. § 10. Tätigkeit des Bureau international des Poida et Mesures. — I. Abschnitt. Längenmesaungen. § 11. S.richniaße und Endmaße. § 12. Einfache Längenmessungen an Strichmaßen. § 13. Mikroskop. § 14. Nonisus. § 15. Schraubenmikrometer. § 16. Okularmikrometer. § 17. Kom- parator. § 18. Transversalkomparator. § 19. Kathctometer. § 20. Longitudinalkom- parator. § 21. Schraubenteilraaschine. § 22, Herstellung von Teilungen. § 23. Unter- suchung von Teilungen. § 24. Fehler und Korrektion. § 25. Bestimmung der inneren Teilungsfehler nach der Methode von Hansen. § 26. Erweiterte Hansen sehe Me- thode. §27 Alethode des Durchsiebens (Thiesen , Leman). §28. Fehler von Schrauben. §29. Fortschreitende Schraubenfebler. §30. Periodische Sehraubenfehler. §31. Formen der Endmaße. § 32. Anschluß der Endmaße an Striclimaße. § 33. Vergleichung und Unterteilung von Endmaßen. § 34. MikrometerfCbraube. § 35. Mel maachinen. § 36. Sphärometer. § 37. Messung der Höhenunterschiede von Quecksilbesräulen. — II Ab- schnitt. Einfluß der Temperatur bei den Lä,ngen raessun gen. Wärme- auadehnung. § 38. Material der JMaßstUbe. § 39. Kormaltemperatur eines Maß- stabes. § 40. Temperaturikala. § 41. Quecksilberthermometer. § 42. Platiiithermo- meter. § 43. Thermoelement. § 44. Messung der Wärmeausdehnung auf dem Kom- parator. § 45. Beispiel für eine Ausdehnungsbestimmung. § 46. Messung der Wärme- ausdehnung nach der Interferenzmethode. § 47. Messung der Ausdehnung durch "Wägung. § 48. Bäder konstanter Temperatur. — III. Abschnitt. Maasen- messungen. § 49. Allgemeine Aufgabe. § 50. Die gleicharmige Wa^e. § 51. Bei- spiele von Wagenkonstruklionen. § 52. Gleichgewichtslage der Wage. § 53. Wägung durch Substitution nach Bor da. § 54. Wägung durch Vertauschen nach Gauß. § 55. "Vollständige Wägung. § 56. Vergleichuncr mehrerer nahe gleicher Massen. § 57. Massenuormale. § 58. Massensätze und ihre Et ilonnierung. — IV. Abschnitt. Einfluß äußerer Verliältnisse auf die Wägungen. Ihre Berücksichti- gung. § 59. Änderung der Schwere mit der Höhe. § 60. Einfluß der Luftdichte. § 61. Bestimmung der Luftdichte aus meteorologischen Beobachtungen. § 62. Messung der Lufttemperatur. § 63. Messung des Luftdrucks. § 64. Messung der Spannkraft des Wasserdampfes. § 65. Experimentelle Bestimmung der Luftdichte während der "Wägung. S 66. Wägungeu im Vakuum. § 67. Auibau von Massen beliebigen Vo- lumens. — V. Abschnitt. Raummessungen. § 68. Volumenbestimmung durch Linearmessung. § 69. Pyknometer. § 70. Volumen aus Masse und Dichtigkeit. § 71. Volumenbestimmung durch Wägung in einer Flüssigkeit. § 72. Dichte des Wassers. § 73. Ausführung hydrostatischer Wägungen. § 74. Bestimmung der kubischen Aus- dehnung eines Körpers durch hydrostatische Wägung. § 75. Bestimmung eines Gefäß- iuhalts durch Wägung. § 76. Bestimmung der Wärmeausdehnuns eines Hohlkörpers durch Wägung. § 77. Dichte des Quecksilbers. S ''S- Volumenometer. § 79. Be- stimmung äußerer Volumina mit dem Volumenometer. — VI. Abschnitt. Siche- rungen des m etrisc h en Maßsystems. § SO. Interferenzerscheinungen. S ?1. Aus- wertung des Meters in Lichtwellenlängen. Versuche von Michelson. §82. Versuche von Benoit, Fabry undPerot. § 83. Anschluß der Masseneinheit an die Längeneinheit. Verlag von Friedr. VIeweg & Sohn in Braunschweig D- \V/"/-^r> »--/"»l f+ Sammlung naturwissensclvaftl. und ii o 'J'Tr IC WlSSCnSCnHTl mathematischer Einzeldarstellungen neu Ol Vergleichende Mond- und Erdkunde Von Dr. Siegmund Günther, Professor an der Technischer) Hochschule München. Mit 28 Texiäbbild. und 4 Tafeln. XI, 193 3, 1911. Geh. M 5—, geb. M 5,80. Inhaltsverzeichnis. I. Abschnitt. Die Pluralitätshypothesen im allgemeinen. — II. Abschnitt. Die Berechtigung einer vergleichenden Oberflächenkunde von Erde und Mond. — III. Abschnitt. Vergleiche zwischen beiden Weltkörpwm tn Tor- teleskopischer Zeit. — IV. Abschnitt. Galilei und Kepler. — V. Abscknitt. Die Ausbildung der Selenographie im 17. und 18. Jahrliundert. — VI. Abschnitt. Die lunare Pluralitätshypothese. — VII. Abschnitt. Die teleskopische Mondbeobach- tung im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. — VIII. Abschnitt. Die Mond- photographie und die physikalische Mondforschung überhaupt. — IX. Abschnitt. Die Mondoberfläche auf Grund der Gegenwarterkenntnis betrachtet. — X. Abschnitt. Der lunare Vulkanismus. — XI. Abschnitt. Tektonische Dislokationen auf dem Monde. — XII. Abschnitt. Die Streitfra'^e nach den rezenten Veränderungen auf dem Monde. — XIII. Abschnitt. Mondoberfläche und Meteorkörper. XIV. Ab- schnitt. Zusammenfassender Eückblick. — Namensverzeichnis. Aus dem Vorwort. „Die vorliegende Schrift ist dazu bestimmt, einen Gedanken weiter auszuführen, welchen der Verfasser vor einer Reihe von Jahren (1899) in der „Umschau" kurz skizziert hat. Von den ältesten Zeiten an soll der Gedanke, im Monde sei „eine zweite Erde" anzuerkennen, durch die Jahrhunderte verfolgt werden, um zuletzt zu zeigen, daß in der Tat mit gutem Rechte ein Vergleich zwischen Mond- und Erdkunde gezogen werden kann, der in sich volle Berechtigung besitzt, sobald man nicht in den freilich sehr gefährlichen und wiederholt begangenen Irrtum verfällt, Analogie mit Identität zu verwechseln. Eine große Schwierigkeit bestand darin, aus der so ungemein reichhaltigen und verzweigten Literatur nur diejenigen Materien auszuheben, welche für unseren Zweck unmittelbar bedeutsam sind, während eine P'ülle ein- schlägiger Veröffentlichungen nicht für den Geographen, sondern aus- schließlich für den Astronomen von Wichtigkeit ist. Inwieweit dieses Streben vom Erfolge gekrönt war, das zu beurteilen muß anderen Stellen überlassen bleiben. Daß Puiseux' oft zitiertes Werk sich nach Ziel und Inhalt mit dieser Arbeit nur sehr teilweise deckt, zeigt die Lektüre " Verlafr von Friedr. Vieweg & Sohn in Brsunschweig D* Wf'r^ r~ ^l-t nfi Sammlung naturwissenschaftl. und l— I ,^f-< 'J Q IC'WlSSCnSCnäTL mathematischer Einzeldarstellungen I ICH OO Das Relätivitätsprinzip Von Dr. M. Laue, Pnvatdozent Wr theoretische Physik an der Universität /München. Mit 14 /Abbildungen, X, 208 3., 1911. Qeh. M 6,50, geb. M 7,20. Inhaltsverzeichnis. I. Die Problemstellung. §1. Die Relativitätsprinzipe der klassischeu Mechaiiili und der Elektrodynamik. § 2. Die empirischen Grundlagen für die Elektrodynamik bewegter Körper. Induktion. W ils onscher Versuch. Kow- land scher Versuch. Versuche von Köutgen und Eichenwald. Fi zeauscher Ver- such. Aberration. Dopplereffekt. Mich eis on scher Versuch. Andere Versuche über den Eintluß der Erdbewegung. Dynamik des Elektrons. — II. Die älteren Theorien der Elektrodynamik bewegter Körper. § 3. Ili-storische Übersicht. § 4. Die Theorie von Heinrich Hc rtz: a) Eubende Körper- b) Bewegte Körper; c) Der Wil- son sehe Versuch; d) Der Eich en wal dache Verglich; e) Der Elze au sehe und Mi chelsonsche Versuch; f) Der Induktions-vorgaug ; g) Die Erhaltung des Impulses. §5. Die Elektrouenthi'orie. — III. Die Kelati v i tat atheorie, kinematischer Teil. § 6. Die Loren tz-Transformation. § 7. Die Einst einsehe Kinematik. § 8. Minkowskis geometrische Interpretation der Lo ren tz-Transformation. § 9. Die Lore ntz-Transrformation als imaginäre Di eh uug. — IV. Welt Vektoren und -ten- soren. § 10. Vierer- und Sechservektoren: a) Vierervektoren; b) iSechservektoren. § 11. Die alqebraischen Vektoroperationen: a) Addition und Subtraktion ; b) Die skalare Multiplikation; c) Vektorprodukte. § 12. VektorieUe Differentialoperationen. § 13. Welttensoren. — V. Die Elektrodynamik des leeren Kaumes nach dem Relä- tivitätsprinzip. §14. Die Transformation des elektromagnetischen Feldes im leeren Haume. S 15. Die Transformation der Kraftclichte , Energie und Impulssatz: a) Die Viererkraft; b) Der Wolttensor T; c) Der Euergiesatz; d) Die Erhaltung des Impulses; e) Die Erhaltung des Drehimpulses ; f) Transformation der Energie, des Energiestromes und der Spannungen. § 16. Anwendungen: a) Aberration und Do pp 1er aches Prinzip; b) Die ßctiexion am bewegten Spiegel. §17. (gleichförmige Bewegung geladener Körper: a) Das elektromagnetische Feld; bi Das Feld eines bewegten Elektrons; C) Die ßück- wirknng des Feldes auf bewegte Träger von Ladungen ; d) Energie und Impuls des Feldes; e) Beispiel des kugelförmipeu Elektrons; f) Der Trou ton- In obleache Versuch. §18. Ungleichförmig bewegte Ladungsträger: a) Das Viererpotential; b) Die retardierten Potentiale; c) Die Hyperbelbewegung; d) Das Viererpotential bei der Hyperbelbewegung; e) Das elektromaguetidche Feld bei der Hyperbelbewegung; f) Die Bückwirkuug des Feldes auf das Elektron; g) Näherung für kleine lieschleuniguug. — VI. Die Miu- kowskische J Elektrodynamik der ponderablen Körper. §19. Die Trans- formation der Feldgleichungen I bis IV: a) Die Feldvektoren C5-, I^, .fi, sp ; b) Leitungs- und Konvektiontatrom ; c) Die Invarianz der Elektrizitätsmenge. § 20. Die Trans- formation der Gleichungen V bis VII: a) Der Zusammenhang zwischen 6, T>, .&, !B; b) Elektromotorische Kraft und Leitungsstrom. § 21. Anwendungen: a) Das 0hm- sche Gesetz; b) Induktion; c) Grenzbedingungen; d) Der Wilsonsche Versuch ; e) Der Eichen wald sehe Versuch. § 22. Energie und ponderomotorifche Kraft: a) I)ie Un- zulänglichkeit der Max well sehen Theorie; b) Die Transformation beliebiger pondero- motorisoher Kräfte; c) Die Bedeutung der Komponenten des Welttensora 7"; d) An- wendung auf die Elektrodynamik; e) Die Joule sehe Wärme. § 23. Der Strahlungs- druck. — VII. Dynamik. § 24. Die mechanische Trägheit als Wirkung der Energie: a) Zweck und Ausgangspunkt der Betrachtungen; b) Impuls und Energie; c) Diskussion von XXVI. S 25. Impuls, Energie und Spannung in ihrer Abhängigkeit von der Ge- schwindigkeit und dem inneren Zustand: a) Ableitung der Gleichungen ; b) Diskussion; c) Vergleich mit der klassischen Mechanik. § 26. Die Bedeutung der dynamischen Viererkraft F und die absoluten und relativen Spannungen. § 27. Beispiele für die quasistationäre, adiabaiische, isopieistische Dynamik: a) Der Massenpuiikt; b) Die Dynamik einer elektrisch geladenen Kugel; c) Körper mit beliebigen Spannungen; d) Vollständiges statisches System. § 28. Thermodynamik: a) Transformation der Entropie; b) Transformation der Temperatur; c) Bestätigung von XXX; d) Das dyna- mische Potential h; e) Isotherm-isochore Dynamik; f) Das Prinzip der kleinsten Wir- kung. § 29. Die Dynamik der Hohlraumstrahlung: a) Die Hohlraumstrahlung in der Kühe; b) Die Hohlraumstrahlung in gleichförmiger Bewegung; c) Isotherm-isochore Dynamik; d) Historische Bemerkungen. § 30. Rückblicke und Ausblicke. — Anhang. a) (ieometrische Bezeichnungen; b) Viktor- und Tenaorbezeichnungen; c) Die ver- Bohiedeuen Arten der ZeitdiÜerentiation; d) Bezeichnung und Maßsystem der physi- kalischen Größen. Literatur. Namenregister. Sachregiater. Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn in Braunschwcig r^ * \V/' I pj Sammlung natuivvi^senschaftl. und r r p> ^-»/-v Uie WlSSenSCnaitmathemati^chertinzeldars1ellunJ>CIlodl