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PIUS T. PONT MAX.

Kirk, Amer W kann ie berlin

Enea Silvio de’ Piccolomini, ale Bapft Pius der Zweite,

und fein ‚Zeitalter.

Bon (4 Dr. Georg Voigt, Cuſtos an der Königlichen und Univerfitäte-Bibliorhel zu Königoberg, Mitglied ter Königlichen beutfhen Geſellſchaft bafelbf.

Erfter Band.

Mit dem Bildniffe des Parftes.

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Druck und Verlag von Georg Reimer. 1856.

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Seinem über Alles theuren Bater

Sobannes Voigt

in Einvlicher Dankbarkeit und Verehrung

zugeeignet.

Vorwort.

E⸗ zeigt ſich in dem Zeitraume, den wir recht eigentlich als Mittelalter zu bezeichnen pflegen, eine faſt ſeltſame Armuth an eigen⸗ thümlichen Perfönlichkeiten. Gewiß ragen Geſtalten aus der Maſſe hervor. Aber ſie ſind immer nur die Typen großer Menſchenklaſſen, die Vertreter ſolcher Ideen, die in einer weitverzweigten Geſammt— heit wurzeln. Im Lehnsſtaate wie in ver Kirche gilt der Einzelne nur als Glied einer Körperfchaft und felbft vie Körperſchaften gelten nur als die Factoren großer Syſteme. Ueberſchauen wir pas Leben Otto's des Großen oder Innocenz des Großen, des heiligen Lud— wig oder des heiligen Bernhard, fie vertreten eben in möglichſt annähernder Vollkommenheit die Einheit des Reichs- over des bierarchifchen Verbandes, das Nittertbum oder das Mönchthum. Wie wenig bliebe, könnte man dieſe Grundzüge ihres Weſens hinwegnehmen! Selbſt das Leibliche und die Nationalität ver» ſchwinden faft unter der beherrfchenven Allgewalt des Ideellen und Generellen.

So aber nur, jo lange fich vie Idee felbit in einer gewiſſen Stürle und Reinheit erhalten kann. Das ronantifchschriftliche Ge⸗

vi Vorwort,

meinmwefen ging feinem Grabe zu wie alles Irdiſche. Theile durch bie Berührung mit den vespotifchen Zuftänden, mit der Pracht und ben Lüften des Orients, theils durch die Aufnahme ver antiken Formenwelt, theil® aber und vor Allem durch die Entartung feiner eigenen Syſteme warb es in feinem Keime vergiftet und zerftört. In feine legten Zeiten fällt das Leben, das hier erzählt werben foll. Bon jenem Mittelalter im ftrengeren Sinne finden wir in demſelben nur noch die faulenden Reſte, dagegen Feimen bereits, mit üppigen Unkraut vermifcht, neue Bildungen empor, bie erjten Boten einer neuen Bölferentwidelung.

In folder Zeit des Ueberganges nun treten auch wieder inbi- vidualiſirte Geftalten hervor, deren jede in ihrer eigenthünmlichen Stellung zu dem BVeralteten und zu dem Werbenden ſteht. Eo wird ber Leſer in dieſem Buche aufer dem Piccolomini felbft Männer wie Nicolaus von Cues, wie die großen Cardinäle Cefarint und Carvajal, einen Kaspar Schlid und einen Gregor Heimburg, drei Päpfte aufer Pins II, eine Reihe von Vertretern des Claſſicismus und ver Wiffenfchaft vorgeführt finden, Charactere, die zum Theil durch umd für fich felbft, nicht allein durch ihren Einfluß auf Staat und Kirche, eine Bedeutung in Anfpruch nehmen. Sie hatten alfe zu Enea Silvio ihr eigenes Verhältniß. Aber auch abgejehen von biefem bebürfen wir einer bunten Gruppe von Perfonen, um in ihnen bie bezeichnenden Züge ihres Zeitalter mannigfacher jur Un- ſchauung zu bringen.

So viel, um die Erweiterung der vorliegenden Biographie nach ver einen Seite hin zu rechtfertigen, wenn e8 bier einer Nechtfer- tigung überhaupt bedarf. Schon an ſich tritt die Biographie eines Papftes aus dem engen Nahmen des Rein-Individuellen heraus,

. feine Stellung an ver Spike eines völkerumfaſſenden Inſtituts umd

bie unzähligen Fäden, die von demſelben in alle reife des gefel- ligen Lebens ausgehen, machen eine weltgefchichtlihe Faſſung noth-

vi Borwort,

von einer andern Seite her und auf andern Wegen beizufommen juchen ; mein Beftreben ging vor Allen dahin, bie Gruppirung ver Parteien und die hervorragenden Häupter des Concils in ein bel- feres Licht zu ftellen, zunächt um über Enen’s Treiben und Wirk- ſamkeit in Bafel klarer unterrichtet zu werden. Freilich ift num das Nefultat fein anderes, als daß ich der hergebrachten Meinung ent- gegentreten mußte, als fei diefer Enen Silvio eine Perfönlichkeit von einſchneidender Energie, ein Mann, ver vie Leiden und Ge- brechen ver Zeit kannte und als Neformer ihre Wunden betajtete,« wie noch jüngft Martin Dür in feiner Biographie des Nicolaus von Cuſa urtheilte, Möge daher ver Leſer nicht vorſchnell tadeln, daß er in manchem Abfchnitte vie Geftalt des Piccolomini faft ganz aus den Augen verliert: Die Zeit des Concils bis zur Erhebung des ſavoyiſchen Gegenpapftes ift gleichfam erſt die Lehrzeit Enea’s. Es war aber ımerläßlich, die Bewegung, im der und durch vie er zu Würden emporjtieg, die er jo ziemlich in allen ihren Partei- nuancen mitmachte, gegen die er als Bapft mit dem Donner des Bannfluches kämpfte, bis in ihre Urfprünge zu verfolgen und ihm in ihr gerade die Stellung anzumweifen, die ihm gebührt, nicht eine höhere, wie viefer Fehler vem Biographen fo nahe liegt. Und dann wünſchte ich, um es offen zu fagen, nicht allein eine Lebensbefchrei- bung, ſondern zugleich einen Beitrag zur Gefchichte der finfenden Hierarchie zu liefern und zwar aus einem Zeitalter, welches die Geſchichtſchreibung bitter wernachläffigt und gemeinhin mit einigen Phrafen von Berfall und Sittenlofigkeit abgefertigt hat. Wo alſo pas Biographifche zurückritt, möge ſich die Erwartung des Lefers durch eine jelbftftändige Bearbeitung auch allgemeinerer Partien ent- ſchädigt finden.

Die Quellen zur Gefchichte des basler Concils fliegen durchans nicht ſo reichlich, wie man glauben follte, wenn man fie in einem Compendium der Kirchengefchichte aufgereiht findet. Die Acten, Urkunden und Tractate vereinigt die Manfi’fhe Sammlung in

PIUS U. PONT. MAX

hirk Anure W kawıllar ın Berlin

Enea Silvio de’ Piccolomini, ale Bapft Pius der Zweite,

und fein Zeitalter.

Bon Dr. Georg Voigt, Cuſtos an der Königlichen und Univerfisäts-Bidltorhel zu Königoberg, Mitgliev der Königlichen beutfhen Geſellſchaft daſelbſt.

Erſter Band.

Mit den Bildniffe Des Papftes.

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) . vw Berlin. Druck und Verlag von Georg Neimer. 1856.

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" AMARVARD COLLEGE LIBRARY

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Seinem über Alles theuren Vater

Johannes Voigt

in kindlicher Dankbarkeit und Verehrung

zugeeignet.

Vorwort.

Es⸗ zeigt ſich in dem Zeitraume, den wir recht eigentlich als Mittelalter zu bezeichnen pflegen, eine faſt ſeltſame Armuth au eigen« thũmlichen Perjönlichkeiten. Gewiß ragen Geftalten aus ver Maffe hervor. Aber fie find immer nur die Typen großer Menjchenklaffen, vie Dertreter folcher Ideen, die in einer weitverzweigten Gejammt- heit wurzeln. Im Lehnsſtaate wie in der Kirche gilt ver Einzelne nur als Glied einer Körperfchaft und felbft vie Körperfchaften gelten nur als die Factoren großer Syſteme. Ueberfchauen wir das Leben Otto's des Großen over Innocenz des Großen, des heiligen Qud- wig ober bes heiligen Bernhard, fie vertreten eben in wmöglichit annähernder Vollkommenheit die Einheit des Reichs- oder des hierarchifchen Verbandes, das Ritterthum oder das Mönchthum. Wie wenig bliebe, könnte man dieſe Grundzüge ihres Weſens binwegnehmen! Selbft das Leibliche und die Nationalität ver- jchwinten faſt unter der beherrfchenven Allgewalt des Ideellen und Generellen.

So aber nur, fo lange fich vie Idee felbjt in einer gewiſſen Stärke und Reinheit erhalten kann. Das romautiſch⸗chriſtliche Ge-

VI Vorwort.

meinweſen ging ſeinem Grabe zu wie alles Irdiſche. Theils durch die Berührung mit den despotiſchen Zuſtänden, mit der Pracht und den Lüſten des Orients, theils durch die Aufnahme der antiken Formenwelt, theils aber und vor Allem durch die Entartung ſeiner eigenen Syſteme ward es in ſeinem Keime vergiftet und zerſtört. In ſeine letzten Zeiten fällt das Leben, das hier erzählt werden ſoll. Von jenem Mittelalter im ſtrengeren Sinne finden wir in demſelben nur noch die faulenden Reſte, dagegen keimen bereits, mit üppigem Unkraut vermiſcht, nene Bildungen empor, die erſten Boten einer neuen Völlerentwickelung.

In ſolcher Zeit des Ueberganges nun treten auch wieder indi— vidualiſirte Geſtalten hervor, deren jede in ihrer eigenthümlichen Stellung zu dem Veralteten und zu dem Werdenden ſteht. So wird der Leſer in dieſem Buche außer dem Piccolomini ſelbſt Männer wie Nicolaus von Cues, wie die großen Cardinäle Ceſarini und Carvajal, einen Kaspar Schlick und einen Gregor Heimburg, drei Päpſte außer Pius IL, eine Reihe von Vertretern des Claſſicismus und der Wilfenfchaft vorgeführt finden, Charactere, vie zum Theil burch und für fich felbft, nicht allein burch ihren Einfluß auf Staat und Kirche, eine Bedeutung in Anfpruch nehmen. Sie hatten alle zu Enea Silvio ihr eigenes Verhältniß. Aber auch abgejehen von dieſem bebürfen wir einer bunten Gruppe von Perfonen, um in ihnen bie bezeichnenven Züge ihres Zeitalter mannigfacher zur An⸗ ſchauung zu bringen.

So viel, um die Erweiterung der vorliegenden Biographie nach der einen Seite hin zu rechtfertigen, wenn es bier einer Nechtfer- tigung überhaupt bedarf. Schon an fich tritt die Biographie eines Papftes aus dem engen Rahmen des Rein-Individuellen heraus, ‚feine Stellung an ver Spite eines vwölferumfafjenden Inſtituts und bie unzähligen Fäden, vie von bemjelben in alle Kreife des gefel- ligen Lebens ausgehen, machen eine weltgefchichtlidhe Faſſung noth— wendig.

VIII Borwort.

von einer andern Seite her und auf andern Wegen beizulommen juchen ; mein Bejtreben ging vor Allem dahin, die Gruppirung der Parteien und die hervorragenden Häupter des Concils in ein hel— leres Licht zu jtellen, zunächft um über Enen’s Treiben und Wirk- ſamkeit in Bafel klarer unterrichtet zu werben. Freilich ift nun das Refultat fein anderes, als daß ich der hergebradhten Meinung ent» gegentreten mußte, als fei viefer Enen Silvio „eine Perfönlichkeit von einſchneidender Energie, ein Mann, ver vie Leiden und Ge— brechen der Zeit kannte und als Neformer ihre Wunden betajtete,u wie noch jüngft Martin Dür in feiner Biographie des Nicolaus von Eufa urtheilte. Möge vaher der Lefer nicht vorſchnell tadeln, daß er im manchem Abſchnitte die Geftalt des Piccolomini faft ganz aus den Augen verliert. Die Zeit des Concils bis zur Erhebung bes ſavoyiſchen Gegenpapftes iſt gleichfam erjt die Yehrzeit Enea’s. Es war aber ımerläßlich, die Bewegung, im der und durch die er zu Würben emporftieg, die er fo ziemlich in allen ihren Partei- nuancen mitmachte, gegen die er als Papſt mit dem Donner ves Bannfluches Fimpfte, bis in ihre Urfprünge zu verfolgen und ihm in ihr gerade die Stellung anzuweifen, vie ihm gebührt, nicht eine höhere, wie biefer Fehler dem Biographen fo nahe liegt. Und dann wünſchte ich, um es offen zu fagen, nicht allein eine Lebensbefchrei- bung, ſondern zugleich einen Beitrag zur Gefchichte ver ſinkenden Hierarchie zu liefern und zwar aus einem Zeitalter, welches vie Geſchichtſchreibung bitter vernachläſſigt und gemeinhin mit einigen Phrafen von Verfall und Sittenlofigfeit abgefertigt hat. Wo alfo das Biographiſche zurücktritt, möge fid) die Erwartung des Lefers durch eine felbftftändige Bearbeitung auch allgemeinerer Partien ent- ſchädigt finden,

Die Quellen zur Gefchichte des basler Concils fliegen durchaus nicht jo reichlih, wie man glauben follte, wenn man fie in einem Compendium der Kirchengefchichte aufgereiht findet. Die Acten, Urkunden und ZTractate vereinigt die Manſi'ſche Sammlung in

x Borwert.

Geſchichte dieſer Zeit der veutjchen Kirchenneutralität eine vorzugs— weije viplomatifche und heimliche ijt, Sie bietet wenig Erfrifchendes und Erhebendes, weder im ven auftretenden Characteren noch in dei Handlungen, Sie zeigt einen troftlofen, oft widerlichen Kampf zwi— ſchen Schlaffheit und Eigennutz; faft immer entfpringen die Motive in den niederen Sphären ver Gefinnung. Das mag es wohl fein, was von ber Durchforfchung dieſer Periode jo manchen abgefchredt hat, Wenn 08 aber die Aufgabe ver Gefchichte nicht minder ift, auch dem arımfeligen Getriebe menfchlicher Handlungen nachzugehen ımd ebenfo treu ven Menfchen in feiner Kleinheit zu zeigen wie auf dem Gipfel der Hoheit, ven er auf Erben erreichen kann, fo durfte es auch hier dem Forſcher nicht verdriefen, vie dunkeln und vor ihm noch kaum betretenen Wege zu fuchen, auf denen die Wahrheit gefunden werben lann. Er ift frob, ver Wiffenfchaft manches Neue varzubieten, und unbehimmert, ob feine Refultate der deutſchen

Natiou ober font jemand zur Erhebung oder zur Demüthigung

gereichen könnten, ob ein Fürſtengeſchlecht durch fie verherrlicht werbe

Es darf dem Kenner kaum erſt gefagt werben, von welchen Nugen mir im dieſem Abjchnitte Die trefflichen Arbeiten Joſeph —— des Hauptes der öſterreichiſchen und habsburgiſchen Ge— ichtsforſchung, geweſen ſind. So vor Allem feine „Materialien u Regeften; lestere find nicht unbeträchtlich vurch die der "&e- fchichte des Haufes Habsburg» von dem Fürften E. M. Yichnowsty vervolfftändigt worden. Chmel's Gefchichte Kaiſer Friedrich's IV bot mir eine willfommene Grundlage, infofern fie die Verhältniſſe ber öfterreichifchen Yande erläutert. In andern, zumal in ben lkirch— lichen Neihsverhanplungen, mußte meine Darjtellung weiter hinaus- greifen, Ich wollte nicht, daß ter verehrte Mann eine polemijche Abſicht darin ſähe, daß meine Anffafjung Kaiſer Friedrich's ſich Doc) wieder ver früheren nähert, die er mehrmals als parteiiſch und ivrig befämpft. Er fei verſichert, daß mir bie enle Milde in feinem

XII Borwort,

philoſophiſchen Facultät vergönnt, zur vorliegenden Biographie und zu wancher andern wiffenfchaftlichen Ausbeute die handſchriftlichen und paläotypiſchen Schäte ver Bibliothefen zu Wien, München, Berlin, Prag, Bamberg, Nürnberg, Stuttgart, Weimar und einiger fleineren, jo wie verſchiedener Archive zu benugen. Es geſchah zum Theil in Begleitung meines Baters, vejjen Anleitung und Beirath zugleich meine noch geringe diplomatiſche Uebung unterftügte. Den geehrten Borjtänden und Beamten jener Anftalten kann ich nicht umbin hiemit meinen verbindlichiten und freubigften Dank auszu— iprechen, um fo mehr, da der Fremde, ver bei ſolchen Studien die Zeit möglidyit auszubenten fucht, nicht felten in Gefahr tjt Läftig zu werden. Aber nie werde ich die freundliche Zuvorkommenheit ver: geffen, die ich zumal bei dem längeren Aufenthalt in München durch J. G. Krabinger erfuhr, vie in Wien Joſeph Chmel und Ernjt Birk, in Prag Franz Palacky und Joſeph Schaffarif, in Stuttgart Ch. Fr. Stälin, in Bamberg Dr. Stenglein vem jüngeren Manıe bewiefen haben. Als ein befonveres Glück muß ich es wohl evadıten, daß mir auch ver Zutritt in Die Fürſt— lich Lobkowitz'ſche Bibliothek zu Prag und die Benugung einiger höchſt wichtiger Codices daſelbſt gejtattet wurde. Desgleichen kann ich bie Yiberalität wicht genug rühmen, mit der mir von Seiten der Königlichen Bibliothek zu Berlin wiederholt felbft jeltene und laum erſetzbare Werke zur Benugung in meiner Heimath zugeſchickt wurden.

Bon den handfchriftlihen Sammlungen ber Briefe des Enen Silvio, die überallhin, von Kralau bis Trieft, von der Bibliothel des Escorial bis zu den ſüditaliſchen Klofterbibliothelen verbreitet find, habe ich etwa 23 Codices, die meiften ber miünchener Hof bibliothek zugehörig, mit größerer ober geringerer Genanigteit, mit mehr oder weniger Erfolg verglichen. Es ift mir dadurch gelungen, die Zahl ver Briefe von etwa 360 auf 558 zu fteigern, ben oft völlig unverjtänplichen Text vielfach zu verbeſſern, mich der richtigen

XVIII Vorwort.

die ſchwerſten Grundbedingungen wiſſenſchaftlichen Strebens, auf Wahrhaftigkeit und Selbſtverleugnung, hinwieſen. Du nimmft ge- wiß diefe Frucht gereifterer Jahre, die unter ‘Deinen Augen wuchs, mit verfelben Güte und Nacficht an, die Du mir taufenpfach fo päterlich bewieſen!

Königsberg am 22. Yunius 1856.

Georg Voigt.

Inhalt.

Erſtes Buch.

Enea Silvio de' Piccolomini und das öcumeniſche Concil zu Baſel.

Erſtes Capitel.

Enea Silvio's Jugend und Studienzeit. Reiſe nach Baſel. ©. 3—22.

Eorfignano, Pius’ II Geburtsort 3. Parteimechfel in Siena, Unterbrüdung tes Adels 4. Das Gefchlecht der Piccolomini 5. Die Aeltern des nachmaligen Bapftes, feine Geburt 6. Aus feinen Kinberjahren 6. Armuth der Familie. Erziehung des Kuaben 7. Seine Lehrer zu Siena, einer Hochſchule zweiten Ranges 8. Die humaniftifchen Beftrebungen auf den Hochſchulen Italiens 9. Berührung der firengen Wiffenfchaft mit dem Humanismus 10. Mariano be’ Sozzini 10. Enea's humaniftifhe Freunde und Studien 11. Bellettriftifche Berſuche 12. Dichterleben. Benus und Bachus auf den italienifchen Univer- fitäten 13. Bernarbino’® Predigten. Enea's Bußfieber. 14. Franecesco Kilelfo, Enea fein Schüler 15. Enea's erzmungene Rechtsſtudien 17. Cr gebentt Siena zu verlafien 18. Kirchliche Bewegungen. Papft Eugen IV, feine Ber- folgung ber Eolonna 18. Er verfagt Domenico da Kapranica den Cardinalat, deſſen Flucht und Appellation an ein Concil 20. Enea's Reife mit ihm nad

Baſel 21. p*

Inhalt. XXI

B. December 1433) 66. Sieg bes Coneils, Höhepunct feines Glanzes 66. Seine RReigenbe requeny 67.

Bebrängniffe bes Papſtes. Sein Krieg gegen bie Eolonna 68. Filippo Beria von Mailand als fein Feind 69. Umzingelung bes Papftes in Rom 70. Shorza bejetst Die anconitanifhe Markt 71. Zerfall des Kirchenſtaates 72. Auf. wir in Rom, Flucht bes Papftes nach Florenz (4. Juni 1434) 72. orte Amernte Bitterleit des Concil® gegen Eugen 74. Ein Reforndecret über bie egelmißigeAbyaltung von Didcefan- und Provincialfynoden 75. Reform am Saupte der Kirche. Das Annatendecret vom 9. Juni 1435 als Wenbepunct m ter Geſchichte des Eoncils 76. Die Eurie und das Coneil 78.

Biertes Kapitel.

Enea Silvio's Erlebniffe im Dienfte dreier Herren. S. 79 - 96.

Enea's Dienſte bei den Biſchöfen Nicodemus von Freiſing und Bartolomeo von Novara. Reiſe mit letzterem nah Mailand. Der Streit um ben Rec⸗ torat der paveſer Hochſchule 79. Theilnahme des Biſchofs an einer Verſchwö⸗ rung gegen Eugen (1435), Enea’s Mitwiffenfchaft 80. Der Cardinal Nicolo b'Albergati 83. Enea in feinen Dienſte. Beſuch in Ripaille Amadeo von Saveyen als Einfiedler 85. Congreß zu Arras. Der Legat des Papftes und der des Concils. Friede zwifhen Burgund und Karl VII (21. September 1435) 88. Enea's Botjchaft nah Schottland. Weifeabentener 90.

Füuftes Capitel.

Die Parteien des Eoncils, ihre Zufammenfegung und ihre Beftrebungen. ©. 96— 110.

Die Parteien des basler Concils um 1436 96. Die Partei Eugen’s ober %egatenpartei: Stellung Ceſarini's 97; die Carbinäle Cervantes und Alber⸗ gata 98; ber Erzbifchof von Taranto u. a. 99. Die franzöftihe Partei: Kardinal dAlemand als Yührer 99; die Patriarchen von Aquileja und Antiochia, bie Erjbifhäfe von Lyon, Mailand, Palermo u. a. 101. Die Vermittelnden: Juan de Segobia u. a. 101. Das Recht des niebern Clerus zu Sig und Stimme auf dem Concil theoretiſch beleuchtet und im ber gefhichtlichen Praris 102. Theilnahme von Laien 105, der Univerfitäten 106. Zufammenfegung des bas- x Concils, feine bemocratifche Ausartung 106. Neue Reformdecrete bes Tencils gegen den römishen Stuhl 109. Sitten am Orte bes Reforinconcilg ſeſbſt 110.

Inhalt. XXI

Die Gun bes Erzbiſchofs verfchafft ihm eine Propftei in Mailand 148. Geine geſtrede am Tage des heiligen Ambrofius 149. Seine Shätigleit am Goncil gen Eugen 150.

Neuntes Eapitel.

Das Concil und die Weltmächte. Entftehung der beutfchen Neutralität. S. 150 167.

Das Eoncil in feiner Abhängigkeit von den Weltmächten. Oppofttion ber

Füßen gegen feine letzten Schritte 150. Die gallicanifche Kirche und die prag- mitikhe Sanction von Bourges 152. Gefinnung der Deutſchen gegen bas lencil 153. Nentralitätserflärung bes Kırfürftenbundes (am 17. März 1438) 4 Wahl König Albredt’s IL. Glückwünſche Eugen’s und bes Concils. Enea mit Biſchof Bartolomeo von Novara in Wien 155. Der neue König aud bie firchliche Frage 156. Enea's Eindrud von Voll und Gitten des in. sera Deutihlandse. Nürnberger Reichstag vom 12. Juli 1438 157. Zweiter Reichstag vom 16. October 1438. Bevorzugung der basler Legation. Ant⸗ vort der Deutichen auf die Anträge des Eoncils 158. Der mainger Reichstag om 1. März 1439. Seine großartige Frequenz. Die Legation ber Synobe. Die erfen Berhandlungen. Johann von Lyfura 169. Die pragmatifche Sanc⸗ ien ber Deutichen (vom 26. März 1439) 161. Ueberſicht der fanctionirten Deerete 161. Vergleich mit bem cofiniger Concordate von 1418 164. Forte ung unb Character ber beutichen Neutralität 165. Veränderte Stellung ber entihen Kirche gegen das Concil feit Eugen’s Entſetzung. Tod König Al- zeht's (am 27. October 1439) 166.

Zehntes Eapitel.

Beit zu Bafel. Wahl und Stellung des Concilpapftes. ©. 167 —186.

Die Seuche zu Bafel (1439). Standhaftigkeit des Concils 167. Enea's Srtranfung 168. Er verliert die mailänbifche Propftei und erhält bafür ein Sanenicat zu Trient 169. Borbereitungen zur MPapftwahl. Die VBertrauend- nänner. Wahl der Eonclaviften 169. Zahl der Bilchöfe am Eoncil. Amabeo on Savoyen und das Concil 170. Die Savoyer im Sonclave 172. Enea 46 elerieus ceremoniarum 173. Borgänge im Eonclave (vom 390. October 5. Rovember 1439) 173.

Wahl Amadeo's von Savoyen. Unterhaublungen mit ihm zu Ripaille 175. Selig V. Enea in feiner Cancelei. Seine erfie Eardinalsernennung 176. Geine

XXVI Juhalt.

Augsburg. Die Hofjuriſten 274. Der Reichscanzler Caspar Schlick 276. Enea's Annäherung an ben Kanzler 277. Die Reichscancelei und die Eance- liſten 278. Enea, feine Collegen und der Kanzler 279. Enea unb beutfche Sitten 281. Enea und das Leben am Hof 282. Enea's Heimweh 283. Enea und das Zreiben ber Sanceliften 284. Sein lascives Leben und Denken 285. Sein Jagen nady Beneficien; die mailändifche Propftei, die Pfarren im Saran- taner-Thal und zu Aspach 290. Enea's Antrittsprebigt zu Aspach 293.

Dritted Kapitel.

Enea Silvio’8 perfönliche Neutralität oder vielmehr Dualität. ©. 295 307,

Enea's vielbefprochene Apoftafie 295. Enea als geduldig-abwartender Reu- traler 296. Sein Liebäugeln nach beiden Seiten hin. Ceſarini in Wien. Enea's Verkehr mit ihm und mit Karvajal 297. Seine Freunde an ber Eurie Eugen’s 301. Sein Verkehr mit Baslern und Felicianern 302. Beranlaffung und Inhalt feines Pentalogus, einer kirchlich⸗politiſchen Denkſchrift 303.

Bierted Eapitel.

Nänfefpiel um das freifinger Bisthum. Wusfichten der beiden Päpſte. S. 308— 323.

Die Neutralität in Dentfchland felbft wenig beobachtet. Fälle, in denen fie gebrochen wurde 808. Der Kanzler Schlid von Eugen durch ein Berfprechen gewonnen 309. Bacanz bes Bisthums Freiſing. Umtriebe bed Canzlers 310. Cardinal Grüumalder und Heinrich Schlid, die Bewerber 311. Madinationen bes Canzlers in Bafel 312. Die freifinger Sache vor Eugen. Enea's Eifer 813. Des Canzlers Ränle gegen Grünmalder 314. Bereitwilligleit ber römi- jhen Curie. Enea's Thätigleit 315. Hofintriguen wegen bes freifinger Bis- thums 316. Eugen ernennt Heinrich Schlid zum Biſchof. Gerichtstag in Neu⸗ flabt (im März 1444). Der Kanzler fpricht offen für Eugen 317. Ausgang des freifinger Bisthumsftreites 319.

Bapft Eugen gewinnt in Italien fein Anfehen wieder. Sein Friede zu Terracina (14. Zumi 1443) mit Alfonfo von Neapel. Sein Wechſel der Bun- besgenofien 321. Sein Wiebereinzug in Rom (28. September 1443) 321. Felix' vergebliche Unterhanblungen mit König Alfonſo, Filippo vor Mailand, Sforza und Biccinino 322. Der Reſt feiner Obedienz 323.

Inhalt. XXVII

Fünftes Capitel.

Die Reichötage von 1443 und 1444. Entſtehung eines felicianiſchen Kurfürjtenbundee. S. 324—339.

Friedrich's fünfter Reichstag (zum 2. Febr. 1443) kommt nicht zu Stande. Engen’s ftolge Antwort an bie Reichsfürften 324. Karvajal, ber Nuntius Engn’s; der Tardinal-Legat des basler Concils 325. Entftehung einer Kur⸗ füren- Coalition für Felix 326. Die Ausfchreiben des Könige wegen eines britten Concils und bie Antwortjchreiben der Fürften und Republiken 327. En Wendepunct in Enea's Gefinnung. Plan eines Fürftencougreffes zur He- bung des Schisma 329. Friedrich's fechfter Reichstag (zu Martini 1443). Wie der König auf fih warten läßt 330. Vertraulichkeit zwifchen Cefarini und Chlid, zwifhen Enea und Carvajal. Friedrich's fiebenler Heichstag (1444) 332, Tod des Batriarchen von Aquileja. Friedrich's Ankunft zu Nürnberg. Fre⸗ quenz der Berfammlung 333. Die Armagnace auf dem Reichsboden. Eugen’s Entwärfe 335. Friedrich's Beſchämung, er verläßt Nürnberg. Agitationen der Kurfürften von Coln und Trier für Feliy 336. Die kirchlichen Parteien vor einer Reichsdeputation. Enea in berfelben 337. Die Schladt bei Varna (am 10. Rovember 1444). Ceſarini's Tod 338.

Sechſtesd Capitel.

Enea Silvio zu den Füßen Eugen’s. König Frieprich verkauft feine Seborfamserflärung an venfelben Papſt. S. 339 356.

Die Anifamente der nirnberger Deputation vom Concil abgewiefen 339. Enes in Siena, in Rom und vor Eugen (1445) 340. Enea's neue Stellung und SHeimreife 343. Vorbereitung einer Kataſtrophe. Enea's Firchliche Stel- Iung anf deutſchem Boden 344. Friedrich's neunter Reichstag (zum 24. Zuni 1445), der legte unfruchtbare 345. Carvajal in Wien. Friedrich verkauft feine Dbedienz an Eugen. Die Artikel des Bertrages 345. Eugen's Zuftimmung und Mahnungen an Friedrich 349. Seine VBorladung an die Erzbiſchöfe von Eöln nnd Trier und ihre Wirkung 350. Enea tritt in ben geiftlichen Stand, feine blühenden Hoffnungen 351. Seine Dentiärift über ben Urſprung und die Autorität des römischen Reichs (1446) 352. Der anfgefchobene Reichs⸗ tag von 1446 354. Bollendung bes ſchnöden Berlanfs der Gehorſamserklä⸗ rung 855.

XXX Inhalt,

naten 420; das Concortat ale Beſtãtigungsurkunde 422. Seine Bedeutung für die Zukunft der deutſchen Kirche 423. Sehr allmählige Annahme des Con⸗ cordats in Deutſchland 424. Carvajal's weitere Thätigkeit. Das basler Concil in ſeinen letzten Zügen 425. Auſkündigung des königlichen Geleites 426. Unter⸗ handlungen mit Papft Selig, deſſen Entſagung (7. April 1449) 426. Die letzten Situngen des basler Concils, feine Selbflauflöfung (25. April 1449) 428. Ausgang feiner hervorragenden Perfönlichkeiten, bes Papftes Felir, des Yuan de Segobia, d'Allemand's 429. Der Triumph bes römifhen Papſtthums. Das Zubiläum der Stadt 430.

Zwölftes Eapitel,

Mailand als Reichslehen. Der Canzler Schlid in Ungnade und fein Tod. Enea's ſittlicher Umſchlag. S. 431 442.

Tod des Herzogs Filippp Maria von Mailand (13. Auguſt 1447). Die Prätendenten 431. Mailand als heimgefallenes Reichslehen. Enea's erſte Ge⸗ ſandtſchaft an die Republil (1447) 432. Sforza's Vordringen und Erfolge 433. Enea’8 zweite Geſandtſchaft nah Mailand (1449), die Ufurpation Sforza’8 434. Enea zieht ſich nach Trieſt zurüd 435. Schlick's Sturz und Tod (16. Juli 1449), Enea's Gunft bei König Friedrich erfchüttert 436. Enea's fittliher Umfchlag, feine NRetractationen auf dem erotifchen Gebiet 438. Seine ernftere Lebensftint- mung. Eine Bifion 440.

Beilage I. Zeitung vom Jahre 1433.

Beilage I. Brief des Gregor Heimburg an den Erzbifhof von Gran, bat. Prag den 3. Juli 1466.

Beilage IH. Brief bes Kanzlers Kaspar Schlid an Papft Eugen IV, bat. Neuftabt den 16. Auguft 1443.

Beilage IV. Brief des Canzlers Kaspar Schlid an Papft Eugen IV, bat. Wien den 14. October 1443.

Erftes Buch.

Enea Silvio de’ Piccolomini

und

Das öcumeniſche Eoneil zu Baſel.

beige, Enea Eilvio 1. 1

Erfies Eapitel. Enen Silvio’; Jugend und Studienzeit. Reiſe nad Baſel.

Unfern der großen Heerſtraße, die Siena und Rom verbindet, etwa auf ver Hälfte des Weges zwiſchen jener Stadt und Radico— fani, liegt auf mäßiger Höhe das Stäntchen Pienza. Erſt durch ven Papſt Pins II, ver hier geboren wurde, erhielt e8 ven Namen, fein Staptrecht und feinen Dom. Vorher hieß ver Flecken over das Dörihen, welches von feinem Hügel auf das Thalgebiet des Urcia- Flußchens Heraffchaute, Corſignano und gehörte zum größern Theil der faneflfchen Familie ver Piecolomini. Aber zu der Zeit, in wel- ber ver nachmalige Papſt geboren wurde, war biefe ärmliche Land⸗ befitung auch das einzige Eigenthum tes einft mächtigen um einfluß« reichen Gefchlechtes.

Bunter und verwirrender noch als das Parteitreiben in ven Freiſtaaten des Alterthums find vie unaufhörlichen Negierungsver- änderungen in ven Iombarbifchen und tuscifchen Städten, feit viefe wihrend des 14. Jahrhunderts fich dem Reichsfcepter immer mehr und zuletzt gänzlich entwanven. Mailand fand am frühften kraftvolle, wem auch turannifche Herricher. Florenz bietet vie anziehenpfte Stadtgeſchichte tar, weil e8 bei beftäntiger Bewegung innerhalb fel- ner Mauern, zugleich ven Principat Toscana's und über das tusciſche Gebiet hinaus einen italtfchen Einfluß erftrebte. Bald angreifend, bald abwehrend, entfaltete es ein ewig muntres Leben: geiftuolfer Anffchwung und wäfte, traurige Scenen brängten hier einander in

1*

4 I. 1. Unterdrückung des Adels in Siena.

mannigfachen Wechjel. Durch jeine Politik wurde Siena, unter ven tuscifchen Nebenbuhlern tie mächtigfte Stadt, unaufhörlich bes droht une in ähnliche Verfaſſungskämpfe mitgeriffen. Zwar war das Feldgeſchrei ver fanefifchen Guelfen und Ghibellinen längſt verftummt: die Familien ver Tolomei und der Salimbeni, einft an ihrer Spige, erjcheinen oft als verbünbet, feit die bürgerlichen Negierungen fie, wie ben geſammten Adel, in vrücdender Unterordnung darnieder— hielten. Gern liegen fich dieſe Gentilnomini, um nur der Tyrannet des miptranifchen Volkes zu entgehen, über fiebzig Jahre lang bie vermittelnde Negierung ter Neumer, eine plebejifche Oligarchie, ger fallen. Als fie 1355 unter Mitwirkung Karl's IV geftürzt wurde, erlangte ber Noel wieder eine Mitgliepfchaft an ber neuen Signeria ver Zwölfer, ja er überwand fogar das plebejiſche Element derſelben und errichtete 1368 auf kurze Zeit ein Regiment von fünf Confuln ans den fünf Älteften Familien, denen ver Salimbeni, Tolomei, Piccolenint, Sarracini und Mialavolti, aber och in demfelben Jahre wurde es durch eine Volksrevolution geftürzt, und ſeitdem Eonnte der Adel niemals wierer an Die Spitze gelangen. Die kurze Rejtanration war fein Verderben: der fogenannte Berg ver Riformatori, der bie Zügel des Staates ergriff und meiſt aus Handwerkern beftand, trieb einige der edlen Familien auf ihre Schlüffer und Burgen zurüd, andern ließ er, gleichfan aus Gnade, vie Theilnabme an gewilfen niedern Aemtern; der auf ihn folgende Berg ter Popolari nahm ihnen auch diefe. Jede der früheren Regierungsformen bebielt ihre Anhänger. Fünf Parteien over Volksklaſſen alfo, ven eigentlichen Pöbel nicht einmal mitgerechuet, unterwühlten die Einigkeit des Frei« ſtaates, jete mit ver Hoffnung auf einftigen Sieg, jede bereit zur Verſchwörung und zur Verbindung mit irgend einer anvern, um fich ihrer dann, gelangte fie zur Signoria, wieder zu entledigen, So warf fih Siena, von unverfühnlicen Parteien lange bin und ber gezerrt und dem mächtigen Florenz gegenüber wöllig Fraftlos, im Jahre 1388 einem Visconti in die Arme und duldete einen mailän⸗ pifchen Statthalter. Doc trat ein Zuftand längerer Ruhe erft dann ein, als viefer um Frühling 1404 wierer verjagt und eine vollsmäs Bige, doch gemifchte Negierung eingefegt wurde, Nur bie Zwölfer, reiche Kaufleute, waren völlig von ihr ausgefchleffen, vesgleichen bie Salimbeni. Der übrige Adel wurde bürftig genug bebacht: einige Aemter zwar konnten zum vierten Theil durch Gentiluomini befegt werden, nicht aber vie höchſten; weder die Thorjchlüffel ver Stadt

I. 1. Das Gefchlecht der Biccolomint. 5

noch die Burgen im Gebiet verfelben burften in ihrer Hand fein. Eie blieben entwaffnet und gebemüthigt").

So darf e8 und nicht wunbern, wenn wir das Gefchlecht der ficcelomini, vem Pius II entjtanımte, im Beginne des 15. Yahr- hnderts arm, machtlos und heruntergefommen finden. Es rühmte fh eines ehrmwürbigen Alters und fein Wappen, fünf Halbmonde m einem Kreuz, hatte manches wichtige Dochment ter Republif be: glanbigt, fein Name begegnet ums nicht felten in ten älteren Chro- sten ver Stadt. Dem evelften guelfiichen Gefchlecht, dem ber Tolomei, wär e8 vielfach und nahe verwandt”). Die Meinung aber, baß bie Piccofemini nriprünglich Römer gewefen und dann nad) Siena über- ſiedelt ſeien, entſtand erſt, feit Pins IE ven apoftolifchen Stuhl be- ftieg und die Schmeichelei ihm jeden Ruhm bereitwillig zugeſtand. Benn man es in Rom übel aufnahm, ta er tie Stadt jeven Senmer verließ, gewöhnlich um bie Curie nach feinen tuscifchen Baterlande zu verlegen, fo pflegte er die Murrenven nit ven Worten za tröften, daß er feiner Abfunft nach nicht minder ten Römern als ven Sanefen angehöre; ven Beweis, ven er felber ohne Zweifel nur als Scherz geltenn machte, fellten vie Familiennamen Aeneas und Sylvius führen, nach welchen alfo ver Papft ein Descenvent ed romuliſchen Königshauſes fer”). Mit vemfelben Recht wollte fein Nachfolger, Paulus IT, fein venetianiſches Gefchlecht ver Barki ten ben afträmifchen Aenobarbi hergefeitet wiſſen *).

Ihre Burgen und Schlöffer im Gebiet von Siena waren ten Fircolomini Tängft entriffen worten®), aber noch des Papftes Grof- vater, Enea Silvio, hatte wenigstens fo viel befeffen, daß er feinem Stande gemäß leben Tonnte. Nach feinem Tode wurde ihm ein Sohn, Eilvio (Poſtumus) geboren, und während ver Minderjährigkeit

ı, Acn. Sylvii Historia rerum Frideriei III. Ip. in Kollarii Ana- lecta Monum. Vindob. Tom. II. p. 243; Pii II. Commentarii rer. memorab. ed. Francof., 1614 p. 1%. 40; Sismondi Aist. d. Republiques Ital. chap. 48. 48. 58.

”) Pii II. Comment. p. 57.

) Pii II. Comment. p. 2. 113. 124.

) Coccius 8abellicus Rhapsodiac historiaram in ſ. Opp. Basil., 1538 T. II. p. 731.

° Noch in ber Revolution von 1404 wurde ein Piccolomini ermorbet nnd feine Güter Staatseigenthum. cf. Annali Sanesi ap. Muratori Soriptt.

XIX. p. 420.

6 I. 1. Geburt des uachmaligen Papftes Bius II.

beifelben zerranı ver Reit des Familiengutes unter ven Hänben vo Procepklägern und Vormündern. Silvio war gezwungen, in fremi Hof⸗ und Kriegspienjte zu treten. Seine fchönften Jugendjah brachte er bei Gian Galeazzo zu, dem erjten Herzog von Mailan er wollte Gunſt und Geltung erjagen, das ärmliche, gebrüdte Lebı im beimathlichen Freiſtaat erfchien ihm unwürbig. Uber er täufch fih. Der Anflug von claffifcher Bildung, ten er fich erworben, ihn vor dem rohen Kriegs⸗ wie vor dem ränkevollen Palaftieh Efel empfinden, war aber auch nicht genügend, ihn in ven Litera fchen Kreis des visconti’fchen Hofes einzuführen. Er erklärte fol für Narren, die ohne Zwang Fürſtendienſte ſuchten, und Tebrte na mannigfachen Schidfalen in fein Vaterland zurüd, um lieber mit de geringen Erbtheil zufrieven, nur fich und feiner Muße zu leben’ Damals ging er nun nach Corfignano; venn die fanerfte Arbeit a dem abgelegenen Dörfchen dünkte ihn mindre Schande als ein ſchlie te8 Leben in Siena. Seine Ehe mit VBittoria aus dem fanefifch Adelshauſe Forteguerra Half feinem Vermögen nicht auf: au fie war arm und befchenfte ihn im Ganzen mit achtzehn Kinder mehrmals mit Zwillingen. Als Erftgeborener, wie e8 fcheint, « bite am 18. October 1405 unfer Enea Silvio, ver fpäte Papſt Pius II, das Licht ver Welt”).

Die Namen Ener Silvio erhielt er von feinem Großvate einen dritten, Bartolomeo, ver ihm zu Ehren dieſes Apoftels Bi gelegt wurbe, hat er in ver Folge nie geführt. Von feiner Geb wie von feinen Kinderjahren wußte man fpäter abfonverliche, legendenhafte Dinge zu erzählen, die indeß erſt beachtet wurden, fi er zum Nachfolger Petri ernannt war. Als Wöchnerin träumte I Mutter, fie bringe ein Kind mit der Mitra auf dem Haupte z Welt; deutete dies auf vie Zukunft eines weibifchen Müßiggänge

') A. 8. epist. ad Joh. Aich vom 30, November 1444 (Tractstus curialium miseriis); Pii II. Comment. p. 2.

2) Pii II. Comment. p. 2: ipsa luce 8. Evangelistae Lucae (18. Oct fo auch Joh. Ant. Campanus Vita Pii Il. ap. Murat. Scriptt. T. II. P. p- 969. Abweichend berichtet bes Papftes Yugendfreunb Gregorio Lolli einem Briefe an ben Garbinal Giacomo Piccolomini (unter beffen Brie! Francof., 1614 epist. 47), Enea ſei VIII. Calend. Septembr. 1406 geboren u babe in feinem 25. Lebensjahre (1481) Siena verlaflen. Enea felöft aber fi epist. ad Petrum de Noxeto vom 7. Mai 1456 ausbrüdlich, er habe, 26 Yal alt, Siena den Rüden gelehrt.

I. 1. Armuth der Kamilie, Erziehung bes Enen Silvio. 7

ser anf die eines degradirten Geiftlichen )? Daß aus ihrem Schoof ein Bifhof und gar ein Papft hervorgehen könne, kam ver guten grar nicht in den Sinn; lange lebte fie in abergläubifcher Beforg- u, bis ihr die Ernennung bes Sohnes zum Bifchof von Trieft gweldet wurde. Ebenſo bedeutungslos würden die wunderbaren Wbensrettungen bes Kindes fein und daß es ähnlich dem Kyros vs Herodot fiebenjährig im Spiel von feinen Kameraden als Parft begrüßt und mit dem Fußkuß beehrt wurde, werm nicht folche gumiltentrapitionen häufig zu Stacheln des Ehrgeizes würben und fon vem jugendlichen Leben dunkle Antriebe gäben?).

Bon feinen fiebzehn Gefchwiftern blieben vem Enea in feinem Mannesalter nur die Schweftern Landomia und Caterina; eine Seuche raffte die andern hinweg. Zu ver Zeit aber, als noch zehn von ven Kindern am Leben waren, geftaltete fi) vie Armuth der Familie zur drückendſten Noth. Vater und Mutter warfen ven Dünfel ves Geſchlechtes von ſich und fcheuten feine Arbeit des Landmanns; bie Kinter, das Altefte nor allen, halfen nach Kräften, dem Boden ihren Kebentunterhalt abzugetwinnen °).

Ein junger Priefter, Namens Petrus, ven man nach mehr als finfiig Fahren zu ven Füßen des Papftes Pius als gebrechlichen Geis fah, hat ven jungen Enea die Elemente des Wiffens gelehrt. Anh rer Vater war im Stande, ten Sinaben, in dem fich eine un- genösnliche Yernluft zeigte, vie Grundlagen ver Grammatik zu über- been. Im 18. Jahre ſchickte man ihn zur Hochjchule nach Siena. Rkolo Rolli, ein angefehener Bürger und verheirathet mit Silvio’s Schweſter Bartolomen, nahm ihn in fein Haus auf, andre Ber wendte unterftügten den vielverfprechenven Süngling.

ef. Du Cange Glossar. dig. Henschel s. v. Mitra papyracea. Der Serfaffer Des Histoire des Tapes (A la Haye, 1773; es ift deBruys) folgt wohl ter Auslegung des Oldoinus ad Ciaconii Vitac et res gestae Pontif. Rom. et Cardinalium (Romae, 1677) II. p. 1012. Uebrigens erzählen nur Platina de vitis et gestis summorum Pontificum (s. 1., 1664) und Cam- panus Vita Pii IL. b. Muratori Scriptt. T. IH. P. II. p. 987. dies Ammen- möhrchen, welchem eigentlich nur bie Schwierigkeit ber Auslegung ein Intereffe giebt.

) Pii II. Comment. p. 2; Campanus p. 987.

) Das war nicht etwa die Sitte junger Adlicher, geſchah nicht etwa nur m Srholung, wie fpäter der Geheimichreiber des Papſtes, Gobellino, ber Berrbeiter des erfien Buches feiner Eommentarien p. 2, glauben machen wollte. Bet unbefangener find tie Zeugniffe bes Gr. Tolli J. s. c. und Platina’s p 634,

8 L. 1. Die Hochſchule zu Siena.

Enea kam, fchlecht genug vorbereitet, nach Siena. Hier war fein eriter Lehrer ein gewiller Antonius aus Arezzo, ber bie Grammatik vortrug. Aber auch bei Mathias Lupius und Jo⸗ hbannes aus Spoleto, zwei geringen Geijtern, bie von Staats wegen zur interpretation der alten Dichter und Redner angeftellt waren, lernte er wenig mehr als eben die Örammatil'). Daß er ihnen nicht viel verbanfte, zeigt genügend ver Umſtand, daß er ihrer fpäter nie Erwähnung gethan und daß er den Umgang mit ihnen völlig abbrach. Bedeutender war ter Hijtorifer Andreas Bilius, ein Auguftiner aus Mailand, welchen Enea fpäter neben Guarini und Poggio nennt”). Indeß Das Verdienſt jener Lehrer ijt es nicht, wenn ter Schüler in ter Folge zu einer Kenntniß der Gefchichte, ber Redner und Dichter gelangte, vie wenigftens von feinen Zeit genefjen angeſtaunt und gepriejen wurde.

Die fanefifhe Hochſchule war hinter den Anforderungen, bie man damals ftellte, entjchieven zurücgeblieben. Nur die Rechte- wilfenfchaften waren in Mariano de’ Sozzini durd einen Mann von einigem Ruf vertreten. Von jenen verehrten Männern, welche bie claſſiſchen Studien wiedererweckten und neu belebten, welche. die grie⸗ hifhe Sprache Iehrten und die römifche vom Wuft der Barbarei fäuberten, welche bie fogenannten freien Künſte in einen unerhört glänzenden Schwung brachten, von ihnen lehrte Feiner zu Siena, Nah Fürftengunft, Staatsäntern oder Geldgewinn jagend, fonnten fie fih im Glan; des päpftlichen oder visconti’fchen Hofes oder dien⸗ ten den reichen Wrijtocratien zu Florenz und Venedig. Plebejiſche Regierungen wie vie fanejifehe wandten ihre Geldkräfte lieber anf neue Mittel ber Macht als auf Glanz und Verherrlichung verfelben. Wenn biefe Univerfität alfo ver berühmten Männer entbehrte und fih mit Größen zweiten Ranges begnügen mußte, fo konnte fie doch bon den Strömungen des fchöngeiftigen Verkehrs, vie Stalien mit jugendlicher Frifche durchzogen, unmöglich unberührt bleiben. Die tieffte Gelehrſamkeit in ver Theologie, vie fcharffinnigften Deductio⸗

——

) Greg. Lollil. c.

”) A. 8. do viris actate sua claris XVI. (gebrudt im Appendix oder T. III. ber Orationes Pii II. ed. Mansi und in den Bublicationen bes literarifchen Vereins in Stuttgart Bb. 1. 1848); Flav. Blondus Forliv. Italia illustrata ed. Basil., 1559 p. 867; Jac. Phil. Bergomas Supplem. Chron. Venet., 1518 fol. 279.

1.1. Die humanififchen Beſtrebungen auf ben Hochſchulen Stalins. 9

nen ber Rechte flößten ver jungen Generation wenig Achtung mehr ein, wenn nicht eine reine, feinere Latinität und rebnerifche Fertig— keit mit ihnen verbunden waren. Das römifche Alterthum, deſſen luerariſche Tuellen man mit burjtigen Zügen einfchlürfte, und bas beflenifche, auf deſſen fchwerer zugängliche Schönheit man mit gren- zeloſer Ehrfurcht herüberfchaute, fie füllten vie im Dogmatismus aftarrten Semüther mit nenem und reichen Leben, fie feflelten auch ven oberflächlichen Wiſſensdrang durch Formen, teren Vollkommen— keit Bisher ungeahnt gewejen. Wer and tiefen Born einmal ge t7ftet, ver empfant Ekel ver den Summen und Spiegel, vor den Onsftionen und Gonfilien, die ven logiſchen Scharfjinn und das Ge— bechtnig zur Magiſterwürde vorbereiteten. Man fing au, nicht mur des Gelernten fontern auch im Lernen felbit genießen zu wollen. dreilih waren Yehrer und Bücher ver neuen Dieciplinen felten und teuer, freilich war tie Zukunft eines Schöngeifte® unjicher und feine bürgerliche Stellung ganz auf fein Talent gebaut und auf ven Bei- fall, ven es fand. Aber deſto mehr wirken im freien Studium Eelfivertrauen und das Suchen eigener Bahnen genährt, deſto küh— ner entſprang aus ihm ter Ehrgeiz und das brennende Nerlangen, ben Gipfel des Titerarifchen Ruhmes zu erreichen.

Uebrigens ift es gerate ven Humanioren eigenthämlich, daß fie weniger gelehrt, überliefert werten können, daß ver Meifter im Schü— ler mehr nur die Luft une Freude an ihnen erwedt. Es gab in viefen Disciplinen wenig ven Hülfsmitteln over Vehrgebäuten; wer eine gewilfe Stufe erreicht, half ſich ohne Mühe felber fort. War der grammatiſche Curſus durchgemacht, je ließ fi) von ven Regeln des Stils und ber Versfunft wenig mehr überliefern, denn alles kam auf Uebung und gejchmacdvolle Nachahmung herans. Die Mujter aber lagen ver jedem offen. Der gefcheinte Stubent, wenn er ein Eremplar des Servins beſaß, verftand feinen Virgilins ungefähr fo gut wie fein Yehrer; im Werke des Antonius Luscus fund er fo ziemlich was ver Docent ven Reden Cicero's zufegte. ur vie grie: chiſche Sprache mußte ven ven Elementen an auf ver Hochfchule gelehrt werten. Außer ben eingewanverten Griechen aber hatten nur jehr wenige fie gelernt, ihre Zahl zu keftimmen wäre für ven Anfang des 15. Jahrhunderts nicht fchwer. Siena hat während des gan- zn Jahrhunderts nur einen ihrer kundigen Dann, ven Filelfo, für he Zeit an feinen humaniftifchen Lehrſtuhl gefeilelt. Griechifch u lernen fehlte Enea zu feinem innigen Bedauern vie Gelegenheit

10 I, 1. Mariano de' Sozgini.

und als dieſe fich einmal barbot, das Geld; denn ber Seltenheii ver Lehrer entfprach bie Höhe ber Honorare,

Bon den Magiſtern zu Siena waren einige wenige, Maͤnne ſchwungvolleren Geiſtes, dem modernen Treiben des Humanisnu nicht abhold. Doch fand ein umgefchrtes Verhältniß ſtatt, als ei bie Berührung ver ftrengen Wilfenfchaft mit der Schöngeifterei woh zu andern Zeiten erzeugt hat. Beide Richtungen lebten in benfelber Männern völlig von einanver gefonvert: es fiel ihnen nicht bei, ihre Fachdisciplin durch clafjifche Feinheit und Wohlrevenheit ſtattliche auszupugen, fie ließen pas Neue nur nebenbei ale Erholung, um) Beluftigung tes Geiltes gelten‘). Durch ihren bloßen Privatum gang regten jie zum Stubium der Alten und zu bichterifchen obe rebnerifchen Verfuchen mehr an als vie bejtellten Magiſter ver alteı Schule, welche vie claffifchen Autoren ſelbſt erklärten und Poetl oder Rhetorik vortrugen.

Siena erfreute ſich eines ſolchen Mannes, deſſen geiſtreiche Umgang in Enea die Liebhaberei am Alterthum und ſeinen Schrifte angeregt und dadurch feinem Talent und ſeinen Lebensichidfale bie entſcheidende Richtung gegeben hat. Es war eben ber gefeieri Aurift Mariano de’ Sozzini, der Stammvater biefes in be Rechtögefchichte berühmten Gefchlehte. Die Natur hatte ihm An lagen zu unzähligen Dingen verliehen: in feinen jungen Jahren tha ex e3 im Laufen, Springen, Ringen, Tanzen, Ballfpielen, Duficive und Malen den Ültersgenoffen zuvor. Es war ein Vergnügen, bi Ihönen von feiner Hand gefchriebenen Codices und Briefe zu fehen Auch fonft erfcheint er als ein Genie, was man fchlechtbin fo nenui er berührte und erfaßte dies und jenes mit wunderbarer Schnellig feit. Dicke ciwiliftifche uud canoniftifche Bände entfloffen feiner Feder und wurde auch fein acabemifches Wirfen als Juriſt von ven all berühmten Rechtsfchulen zu Bologna, Padua und Pavia überſtrahl fo zog er doch felbjt aus Deutfchlann her manchen Schüler vor fei Cathever’). Seinem Ruhm ftand wohl am meiften im Wege, ba es, durch Ehe und Verwandtſchaften gefeilelt, zeitlebens in Sien biieb und nicht wie andere zu verſchiedenen Hochſchulen umherzo Außer den Rechten waren ihm bie Philofophie, tie Mathemati

1) Diefe fcharfe Trennung bat v. Savigny bei mehreren Juriften jem Zeitalter angemerkt, bie neben ber trodenften Gelehrfanfeit alten Stiles Teich geſchürzie Dichter waren. Sie ift bei manchen Theologen noch bemerkbarer.

9 A. 8. enist. ad Joh. Maere son 8. Dec. 1448,

I. 1: Enea's humaniſtiſche Studien. 11

bie Aſtrologie und ſelbſt ein wenig von ver Mebicin befannt. Ser: ner übte er bie Liberalen Künſte, ſchrieb Briefe in Teichtent, gefälligem Et, ver gegen die Schwerfälligfeit feiner juriftifchen Werke wunder Eh abſticht, dichtete in Inteinifcher und tuscifcher Sprache. Es gab in Halten ver Stubengelehrten genug, von veren Unkenntniß bes gemeinen Lebens man fehnurrige Dinge zu erzählen wußte. Sozzini aber war auch mit ver DBerwaltung feiner Vaterſtadt wie mit. ver Bolt Italiens vertraut, galt in häuslichen und gefelligen Dingen a4 woblerfahrener Bürger. Enea ſchildert ihn als ein Kleines, Ieb- haſtes, ver finnlichen Liebe heftig zugemeigtes Männchen; er habe Alles gefannt, zum Gott hätten ihm nur vie Statur und die Un— fterblichfeit gefehlt. Der heitere und umgängliche Magiſter, ver nur um wenige Fahre früher") und in verfelben Start geboren war, sg den jungen, in feinen Lebensplanen noch fehwanfenven Enea un: wiverftehlich in fein buntes, geiftreiches Treiben hinein, nur nicht in bie juriſtiſche Gelehrfamfeit. Ihre Sreunpfchaft war die zweier lebensfroher Männer, welche durch witiges, oft friveles Geſpräch bie Stunden zu verkürzen wiſſen?).

Mm diefer Weife lebhaft angeregt und umringt von einigen gleichſtrebenden Freunden, unter welchen auch ver nachmals fo be- räbmte Dichter Antonio Beccabelli war ?), gab jich ver junge Picco- Iemini ganz ven lockenden Studien des Humanismus hin. Sie waren nimmer troden, nimmer mechanijch, fie befchnten jich felbit zu jeder Stunde und erfreuten rings umher. Ihre Früchte wurden - wicht ale sufonnmengefchriebene Folianten zum Staube gelegt, fie boten ſich dem heitern Verkehr zum mühelojen Genuß. Das glatte Gericht, ver wisige Dialog, der philofophifche Tractat, vie lebhafte Geſchichtsdarſtellung wurden fehnell in ganz Italien verbreitet und freudig aufgenommen. Es beftand eine geiftige Brüberfchaft unter

Roh Jöher's Allgem. Selehrten-Lerilon, Eichhorn's Gef. d. Fite- sein II 8.473 und v. Savigny's Geſch. des rim. Rechts im Mittelalter. & Huf. VE S. 343 war Sozzini am d. Sept. 1401 geboren. Damit ſtimmt freilich die Angabe in A. 8. epist. au ihn v. 3. Juli 1444 nicht, nach welcher e um 10 Jahre Älter war als Enea.

) A. 8. in feinen Briefen passim, de vir. clar. XVII, Europa cp. 55 fa,; Comment. in Anton. Panorm. II, 27; v. Savigny J. c.

) In einem Briefe an König Alfonſo von Neapel v. 27. Ian. 1454 fagt AS. in Bezug auf Antonius Panormita: pro vetusta consuetudine quam Senis in adolescantia simul habuimus.

12 I. 1. Enea's humaniftiſches Dichterleben.

allen denen, die dem glänzenden Banner des antiken Humanismud huldigten.

Fehlte es zu Siena an geiſtvollen Interpreten ver claſſiſcher Schriftſteller, und entbehrte Enea ver Mittel, ſolche Männer etwe in Venedig oder Mailand aufzufuchen, fo mußten denn bie großen Todten felbft feine Lehrer und fein Studium ein Häusliches werben. Cicero, Livius, Pirgilins und fonft die beften Latiniſten wurden fein liebfter Umgang. Tag und Nacht faß er über ven Büchern, die a von Freunden geborgt, und um biefen nicht ungelegen zu werben, copirte er fich tie namhafteſten Claſſiker mit faurem Fleiß umt excerpirte andere. Kaum gönnte er ſich Zeit zum Schlafen und Efien Bieweilen fiel die Hauptmahlzeit aus Mangel aus, oft auch am Lernbegier, wenn er mitten in ver Arbeit nicht unterbrochen feir wollte. Morgens pflegte er vor Tageslicht aufzuftehen und Abend nahm ev Bücher mit an das Bett, um bis zum Einfchlafen zu lefen So ſchildert uns ein Jugendfreund und Hausgenoſſe fein damaliger Treiben '); die Erfolge, vie Enea’s Studien frönten, nöthigen und tem Bericht zu glanben. Die Energie tes Fleißes und vie Selbft überwindung, deren tie Humanijten jener Zeit, zumal wenn fte nich reich) waren, beburften, erregt in ter That unfer Staunen: aus ben Briefen eines Leonardo Bruni, Filelfo oder Poggio erfennen wi bie Hinderniſſe, durch welche ter Drang nad) Kenntniſſen fich durch— arbeiten mußte, ehe er ver nothwentigiten Hülfsmittel babhafl wurde.

Sehr bald regte fi in Enen auch bie fchriftftellerifche Luft, zunächft zue Nachahmung ver altrömifchen Verbilver. Er be gann Briefe in Cicero's Weife zu fchreiben, bei denen er natürlich nur einen gewandten Austrud und bie Eleganz des Stils im Ange hatte; denn man fand es nicht im geringiten wunderlich, lateiniſch und in antifen Formen an jemand zu fihreiben, ven man ‚ohne Hinrerung in ver Mutterfprache hätte anreven können, oder mar jtellte nur höfliche, gejchniegelte Phraſen ohne eigentlichen Gehalt zufammen, bie an niemand gerichtet zu fein brauchten. Desgleichen verfertigte Enen Reden und gefchichtlihe Schifverungen; bei erftern wurde irgend eine Situation fingirt und zu beiten pflegte man ben Stoff vem römischen Altertum zu entnehmen. Mehr Ruhm Tegtı er durch feine Gedichte ein, nicht ſowohl durch die Tateinifchen, in

) Lolli in dem oben erwähnten Brief an ben Cardinal von Pavia.

I. 1. Enea's bumaniftiiches Dichterleben. 13

venen es genügte, vie antife Götterwelt und allerlei antife Remi⸗ zicenen von neuem in funftgerechte Verſe umzuarbeiten, als durch de in tusciſcher Sprache verfaßten. Hierin war Betrarca fein Dufter, wie Lolli bemerkt; doch fcheint fi Enen nur in ver Form ud den Inhalt nach nur, fofern dieſer die Liebe ijt, an den Vater ver tuscifchen Lyrik angejchloifen zu haben. Ohne Zweifel waren feine Liebesdichtungen mehr jinnlicher und frivoler Art, ja wohl fart gemifcht mit juvenalifchen Unfläthigfeiten.. Das leugnen feine Kbensbefchreiber nicht ab, weil jene Sachen in Italien viel zu ver: beeitet waren, um verleuguet werben zu können“). Pius wünfchte fe fpäter felbft zu unterdrücken, vermochte es aber nicht mehr; fein Sreund Lolli bekenut, fat unzählige Stüdeu der Art zu befigen. Reß find fie niemals durch ven Druck veröffentlicht werben und auch in die veutfchen Copices drangen fie nicht hinüber.

Die nächjte Gefahr eines angeftrengten Bücherlebens, daß nän- lich das wirfliche Leben tarüber dem Wejichtöfreis entrücdt würde, war für Enea nicht zu bejorgen. Bon jeher und bis an feinen Ted hatte vie bewegte Menſchenwelt für ihn ein überwiegendes In: terefie, von einfieplerifchen Neigungen war feine Regung in ihm. Bir dürfen ohne Bedenken annehmen, daß fein Lebenswandel wäh- rend ver achtjährigen Studienzeit, über welche tie Biographen wohl abfihtfich jchweigen, nicht minder ven jchönen Vergnügungen wie ven Schönen Wiſſenſchaften gewidmet war. Die Luft des Weines und ber Liebe wurbe auf den italienischen Univerfitäten vecht eifrig gepflegt, ganz eigenthümlich wirkte hiebei die lascive Feſtesfreude ver römiſchen Dichter mit. Auf ver einen Seite untergrub ein Genuß, bei dem man ſich ven verehrten Vorbildern ver alten Welt anzunähern ſchien, in ſpielender Weije vie fittlichen oder religiöfen Berenfen, auf der andern aber erhielt viefer Genuß eben durch vie Kitoolf-poetiiche Hingabe an jene Beiſpiele wierer eine Urt von itenler Weihe. Der italienifche Stuvent verſank nicht leicht in bie rohe Böllerei, die an ven deutſchen Univerjitäten herrfchte, fie er- ſchien ihm verächtlich”). Venus lockte ihn mehr als Bacchus, ver Bein diente nur zur Erhöhung und Würze der Yiebesfrenten. Gern

)Campanusl.c. p. 969 jpridt von leviusculac fabellae ; qjusd. Epistt. ed. Mencken. Lips. 1707 I, 1; Platina p. 625 fagt von den Jugendge⸗ diten: Iudens credo in amorem, quo aetas illa maxime conflictatur; ch Lolli L . e. A. 8. felbft erwähnt dieſe Poefien niemals.

cf. A. 8. Comment. in Anton, Panorm. ], 41.

14 I. 1. Beruarbino’s Bußprebigten zu Siena.

gab man ven Geliebten vie Namen römifcher Libertinen, um an Horatius und Zibullus zu erinnern, man zog fie zu ben Gelngen, Enen weiß bie janefifchen Frauen font als lieblich und keuſch zu rühmen, aber es war ebenſo ausgemachte Sache, daß fie fich Den Studenten beſonders hold zeigten‘). Webrigens bezeugt Vieles amt Enen’s fpäterem Leben, daß wir ihm mit einem Verdacht im biefer Beziehung nicht gerade Unrecht thun.

In fein fleigiges und frob-geniales Stubentenleben traten pläg lich eine ernfte Geftalt und ernſte Gedanken, aber nur um nad flüchtigem Eindruck bald wieder zu verſchwinden. Damals durchzog der Franciscaner Bernardino Italien als Bußprediger, vor ihm ber das Gerücht feiner Wunder. Mit nadten Füßen und im bi renen Gewand, ein vollenvetes Bild der freiwilligen Armuth, wan⸗ verte er von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt, überall für Die Ausbreitung feines Ordens, bes der Minoriten von ber ftricten Obfervanz, vaftlos thätig. Dann aber wendete er feine Bußpredigten an das Volk und eiferte auf Märkten und Straßen gegen feine Laſter und Gottlofigteiten. Ob er in feiner Jugend neben dem päpftlihen Recht auch vie Cloquenz ftubirt, laſſen wir babingeftelle fein, doch war fein Wort fo gewaltig, daß es den Augen unwiber ftehlich vie Thränen des Schulpbewußtfeins entprefte.

Bernarbino entjtammte einer vornehmen janeftfchen Familie 3 galt aber doch nicht minder in feinem Vaterland. Im Mat 1486 begann er feine Bupreden auf dem Marktplatz zu Siena: auch vom Lande umher kamen ſolche Schaaren von Dienfchen herbei, daß man ihre Zahl bisweilen auf 40,000 ſchätzte. Wie überall wurden au bier vom reuigen Volfe Würfel und Karten, Bleiweiß (Schminke) und Kräufeleifen und was fonft ver Luft oder Eitelleit diente, als Opfer in die Flammen geworfen. Alles vrängte fich um ven hagern Mönch, nannte ihn einen zweiten Paulus ober den Apoftel Falten, Ein Bußfieber erfchütterte die Gemüther., Auch Enea hörte ven heiligen Dann viele Tage pretigen, er war fv mächtig ergriffen,

) ef. z. B. A. 8. epist. ad Marianum Sozinum (die Novelle) v. 3. Iut 1444 p. 636 ber edit. Basil.

*) und zwar ben Albizeschi, wie Franc. Thomasius Histor. Senens, ap. Muratori Beriptt. XX p. 25 berichtet. Wenn er nah Raphael Vola- terranus Comment. urban. libri XXXVIII, edit. 1608, lib. 21. aus be Haufe der Tolomei war, was aber wohl nur als Verwandiſchaft mit dem⸗ felben zu deuten ift, jo war er auch mit ben Piccolomint entfernt verwandt.

I. 1. Enea und Bernarbine. Filelfo. 15

soer Beruf und Erfolg eines heiligen Redners erfchienen ihm fo würdig, daß er gefonnen war, in beffen Orden zu treten. Uber be Berftellungen ver Freunde hielten ihn zurüd'). „Daß er Krank⸗ beiten geheilt und andere Wunder gethan, tft nicht zweifelhaft,“ fo meint Enea, noch bevor Bernarbino heilig gefprochen wurbe. Daß aber zu Stena eine drohende Gewitterwolfe, vor der die Vollsmenge aenanderzulaufen im Begriff war, auf das Gebet des Prebigers vem Klaren Himmel weichen mußte, das, fett er hinzu, Könnte doch uch in einem Zufall feinen Grund haben”). Er huldigte “vem | r Bunderglauben niemals fehr und fette fich in Betreff Capiſtrano's, eines Schülers jenes Bernardino, fogar dagegen.

Nur zu oft verfliegt die Buße wie ein Raufch mit ven Worten, ve fie erregt. Bernardino verlieh Siena und burchzog prebigend und lehrend das untere Italien. Enea aber fühlte jich getroffen, ds er fpäter von einem andern berühmten Prediger ven Satz hörte, bob ter Menſch verpflichtet ſei, etwas Gutes zu erfüllen, welches er einmal gewollt. Daher machte er fich mit einem faneftfchen Öreunde auf, fie wanderten zu Fuße nach Nom, um hier Bernarbino FÜR um Rath zu fragen, der indeß jenen Sa nicht beftätigte und Ends Gewiſſen beruhigte“). Wenn es ihm damals wirkfich um bes Heil feiner Seele fo tiefer Ernft war, fo blieb er doch für die übrige Zeit feines Lebens von allen mönchiſchen Anwandlungen völlig verfchont.

Aber wenige Jahre fpäter trat in Enea's Lebensbahn ein an- verer Stern, deſſen anziehente Kraft ebenfo mächtig und dauernder ws ihn einwirkte. Das Gefpräch des Tages im literarijchen Sta- lien war damals ver junge Francesco Filelfo, ver einzige Abend⸗ Kinder, der nicht wie andere einen griechifchen Clafjifer nothdürftig interpretiren konnte, fondern ver Sprache auch in Rede ımd Schrift lg mächtig war. Sieben Jahre und fünf Monate hatte er in Eenftantinopel zugebracht. Mit einer hübfchen fechszehnjährigen Griechin vermählt, mit einem Schatz von griechifchen Büchern, mit

’) quod pro meliori recipio; nescimus enim quid magis nobis expediat, miheilte Später A. 8. felbft de vir. clar. XVII. D5 A. S. de vir. clar. 1. c., Historia rerum Friderici III. Imp. in Kollarii Analecta Monum. Vindob. II p. 175; Allgem. Encyllopädie von Erf und Oraber s. v. Bernhardinus.

®) Diefee Wanderung gebenft A. 8. epist. ad Laurent. Leonardum v. c. 18, Cept, 1446. j

16 I. 1. Filelfo in Venedig, Bologna und Florenz.

reichen Kenntniſſen und einem humaniftifchen Enthuſiasmus obne gleichen, feste er am 7. Detober 1427 zu Venedig den Fuß wieber auf abendländiſchen Boden“). Obwohl ihn feine Freunde mit herz⸗ licher Bewunderung empfingen, fühlte er fich noch, voll hohen Selbft- bewußtſeins, in ver kaufmänniſchen Republik nicht genug geehrt und ſiedelte fich bald nach Bologna über, wo ihn der päpftliche Legat, Cardinal d'Allemand, um einen Jahresſold von 450 ‘Ducaten zu Borlefungen über Redekunſt une Moral gewann). Bald aber be: wogen ihn vie blutigen Strapenfcenen, wegen veren diefer Sig ber Muſen berüchtigt war, vie glänzenveren Anerbietungen ver floren⸗ tiniſchen Republit anzunehmen. Im April 1429 309 er hinüber. - Hier nun hielt er die eigentliche Erndte feines Ruhmes. Die Ge lehrten drängten fich an ihn, Cardinäle verfehrten mit ihm wie mit ihresgleichen, ver ſtolze Adel ver Republik hulpigte feinem Talent, Sürften und Freiftanten bublten um ihn mit ben lockendſten Ver⸗ ſprechungen von Geldgewinn und Ehre. Der breigigjührige Gelehrte erhielt ehrfnrchtsvolle Vefuche von Männern wie Cofimo Medici und Palla Strozza, tie Edeldamen wichen ihm ans dem Wege, wenn er über bie Strafe ging. Bisherige Lichter ber claffifchen Bildung in Florenz, ein Nicolo Niccoli, Carlo d'Arezzo, Ambrogio Zraverjari, felbft Leonardo Brimi, fie alle verſchwanden jekt neben ihm, huldigten feiner Weberlegenheit over verzehrten fich im Neide. Im Schwindel res Stolzes fagt Filelfo einmal, felbft die Steine in Florenz, wenn fie veven könnten, wiürben nur fein ob ver- fünven °).

Wie electrifch mußte felche Kunde, die fchnell nach Siena hin« überflog, auf ven humaniſtiſchen Ehrgeiz unſers Piccolomint ein- wirfen! Zrog jeiner Armuth machte ev es ınöglich, zwei Jahre lang ven gefeierten Xehrer zu hören; vie Frucht ijt in der verfei- nerten Stilijtif und vor allem in der beliebten Kunft einer gewandten Epiftolographie nicht zu verkennen, obwohl in der legtern auch Poggio's

) Vergl. jeine Briefe an Leonardo Giuſtiniani und Francesco Barbaro vom 10—12. Sctob. 1427. Ich habe nur cine zu Venedig 1492 und eine zu Bafel 1500 gebrudte Ausgabe vor mir, In beiden find die Brieſe hronologifch ge orbnet, aber nicht numerirt; beide enthalten nur bie erften 16 Bücher, während die vollftändigen Ausgaben ihrer 37 haben.

?) Sein Brief an Aurispa, Bologna 23. Febr. 1428,

. ?) Brief.an Nic. Niccoli, 13. April 1433. Die Freude darüber fpricht fih faft in allen feinen Briefen jener Jahre mit unverhohlenem Selbſtgefühl aus.

26 I. 2. Oppoſition in Frankreich und Deutſchland.

Hand nach wie vor mit Bann und Interdiet die römiſchen Könige und bie nichtefranzöfifchen Fürften zu bebroben. Mit ven gallicasis fchen Cardinälen fchufen Die Päpfte ſich eine rivalifirende Macht zur Seite, deren fie bald nicht mehr Herren werben fonnten. Und doch entgingen fie gerade in Frankreich am wenigften der Mißachtung: ver Papft war, wie ein Zeitgenoffe fich ausdrückt, der Diener von Dienern franzöfifcher Großen und mußte von ihnen felbft bie be leidigendſte Behandlung hinnehmen. In ven Lehrern ber parifeı Univerfität fand er ftrenge und kühne Richter, und als Kaifer Lud wig gegen den päpftlichen Bann an ein allgemeines Concil appellicte, gab er damit auch in Deutſchland ven freien und kecken Stimmen das Signal zum Angriff. Man begann vem Urfprung und bei Berechtigung der päpftlichen Gewalt nachzufpüren, und ein Tühner Denker berief fich wohl auf die heilige Schrift, die ihn dann zu ven freifinnigften Refultaten fortleitete '). Uber auch das Ohr der Nicht Gelehrten öffneten fich die Klagen über vie Gelppreffereien ver Curie, längft ein vielgefimgenes Lieb in Deutfchland, das jetzt aber lant und öffentlich ertönte. Auf einer VBerfammlung veutfcher Fürften zu Mainz 1359, wo ein päpftlicder Nuutius vie Entrichtung eines Zehnten von allen geiftlichen Einkünften betrieb, fprach ibm ver pfälziſche Canzler, Konrad von Wlzei, die Worte ins Geficht: mbie Römer haben Deutfchland ftets als eine Golpgrube betrachtet. Was giebt ihm dagegen ver Papit außer Briefen, Bullen und bloßen Worten? Schaltet er mit ven Pfrünvden, fo foll er doch denen ige Einkommen Laffen, welche die damit verfnüpften Verrichtungen than. Wird doch fonft genug Geld nach Rom und Avignon verfchleppt *)l« Der Zehnte wurde verweigert, aber jo taufenpfältiges Echo die Bes ſchwerden über ven päpftlicden Hof auch fanden, wagte doch niemamd, die Laft völlig abzuwerfen.

Die Kirche immer tiefer zu entwürbigen, gebar ein Ueber das andere. Wie der glüdliche Trotz Philipp’s des Schönen die anewie

) So der Berfafler des an Ludwig IV gerichteten Defensor pacis (Basil, 1522), als welgen man Marfilius von Padua und Joh. de Jandune bezeichnet hat. Hier heißt e8 P. II cp. 4. von Petrus, ben übrigen Apoſteln uub ‚ihren Nacdjfolgern: eos talem potestatem et autoritatem habuisse a Christo tenemur credere, qualem per verba scripturae sibi traditam convincere Pos- sumus, non aliam.

) v. Weſſenberg, d. großen Kirchenverſamml. bes 15. u. 16. Jahrh. 5.21.

34 I. 2. Die Gottesfreunbe.

jener nicht vermifchte, aber weit reichere Keime der Entwidelung in fih trug. Das Verderben ver Süirche, welches vie Gelehrten und die Nationen zum Kampf aufrief, erzeugte in gemüthegläubigen Ra: turen eine ftille Schwärmerei. Die Gottesfreunde in ven Nie verlanden, in Straßkurg, Bafel, Cöln und Nürnberg fügten fid mit ergebener Demuth den Dronungen wie den Unoronungen bei Kirche und fuchten ohne Auffehen die Reform in thätiger Menfchen: liebe und in einem verinnerlichten Glauben. Man ließ fie gewährer und beachtete fie kaum. Wir gedenken hier diefer rein-germanifcher Bewegung, auf welche eine reinere Kirche gebaut worden ift, abeı wir verfolgen nur den Lauf der andern, vie in Paris ihren Mittel punct fand. Man kann das VBerhältnig der Myſtiker zu den Ber: tretern der gallicanifchen Ideen nicht treffender ausſprechen als mi Zauler’s freilich mehr gefühlten als Klaren Worten, wenn er vor Solchen fpricht, welche Alles, was im Geiſt joll geboren werben verberben, damit daß fie glorieren in ver Vernunft, es ſei Lehr, e jei Wahrheit, es fei welcherlei es fei, daß fie das verjtehn und da von könnten reden und damit etwas fcheinen un erhöhet werben und bringen es weder zu Leben noch zu Werfen« ').

Die Idee eines allgemeinen Concils und feiner Autorität bil dete ſich damals in neuer und ganz ven Zeitumftänden angepaßte Weife heraus. ‘Die Theologen und Canoniften entwidelten fie theil auf bialectifchen Wege aus der Bibel oder fie verfolgten die Ge fhichte der Synoden felbft und fammelten vie Aeußerungen be Päpfte und ver firchlichen Schriftfteller über fie. Aber immer fan den fie in der Wiſſenſchaft nur, was fie finden wollten, und ließe bei Seite liegen, was zu ihrer vorgefaßten Meinung nicht paßte Was die Begriffe der mittelalterlichen Zeit überhaupt fo befangeı und verbüftert gemacht bat, ift feincsweges nur ver unfelbititändig Glaube an viefe oder jene Autorität, es ift weit mehr bie feftge wurzelte Prämifje, daß die Autoritäten einander nicht wiberfpreche fönnen. Die um Jahrhunderte fpätere Synode galt für infallibe wie einer der Apoftel; ver Ausſpruch eines Papftes, ver fih au

) Einen Haren Einblid in das Wefen dieſer Myftif haben uns erfi Nean der's innige Auffaffung (Gef. d. riftl. Religion und Kirche Bd. 6.), Fr Böhringer’s trefjlihe Erpofition (Die Kirche Ehrifti und ihre Zeugen Bd. 2 Abth. 3., a. u. d. T. Die deutſchen Moftifer des 14. und 15. Jahrh. Zürich 1855.) und bie von Earl Schmidt (Die Gottesfreunde im 14. Jahrhunder (Iena, 1855.) mitgetheilten urkundlichen Nachrichten erſchloſſen.

I. 2. Auffafjung ber Concilienidee. 35

nie ifivorifchen Decretalen berief, galt dem eines apoftolifchen Kir- chenvaters gleich. Um Harmonie in ein Shyitem zu bringen, welches unter ven verfchiedenften Einfliffen und in minveftens einem Jahr⸗ taufend bruchſtückweiſe entjtanden war, wurde bie wiljenfchaftliche Forſchung bald zum umehrlichen Uebergehen, bald zur fophiftifchen Ansveutung genöthigt. Es genügt aber ein Schritt auf dem Pfabe des Truges oder des Selbftbetruges, um eine lange Kette von Irr⸗ tgämern und Verirrungen nach fich zu ziehen. So erflären fich vie Einfeitigfeiten, fo die Streit- und Disputationsfucht, jo ver Fana⸗ tismus jener Zeiten, venen ftetS eine inoralifche Schuld und niemals bloß eine Tinpliche Dunkelheit des Geiftes zu Grunde liegt.

Die Scumenifchen Synoden find zu feiner Zeit das gewefen, als was man fie damals fchilverte und wie man fie damals begehrte. Jede Berufung auf vie Präcevenz einer älteren Synode umkleidete fi) mit dem Schein einer ehrwürdigen Zrabition, während doch in ver Wahl des Beifpiel® und in ver Auslegung die Willfür freie Hand behielt. So ſehr das Synodalweſen in die Entwidelung ber Kirche eingegriffen bat, war es doch niemals eine integrivende In⸗ fiitution derfelben. Dover warn wären Synoden regelmäßig .und in beftinmten Zeitläuften berufen, wann ihnen ein umgrenzter Wir- hmgsfreis zugewiefen, wann das Recht, auf ihnen zu erjcheinen un za ftimmen, normirt, wann ihre Autorität canonifch begründet werben ?

Schen mußte es die Begriffe verwirren, daß man, zumal für die ältere Zeit, alle Arten von Synoden durcheinanderwarf und baf mon fich tauſendmal auf vie Verheißung des Herrn berief, er wolle mter ihnen fein, wo drei over zwei in feinem Namen fich verfant- mein, gleich als feien dieſes die Einſetzungsworte des Synodalinftitute. Desgleichen ging_man auf die Zufammenkunft ber Apoftel, der Ael⸗ teten und ter Gemeinde in Jeruſalem zurück, die ihren Beſchluß m Namen des heiligen Geiſtes und im eigenen kund that‘). Selbjt tie griechiichen Synoden ver beiven erſten Jahrhunderte be- zegen fich auf dieſes Beifpiel nicht, fie entjtanden einfad) aus dem Bedürfniß ver Einigung unter ven Bilchöfen über Glauben und Cultus, bevurften weder einer bejtimmten Form noch einer höhern Autorität. Eifer und Einträchtigfeit befeelten und lenkten fie. Jede Colliſion mit ver particular-bifchöflichen over mit ver weltlichen Ge—

») Das belanute EdoLe 79 «ylp nyeuuarı xal nuiy; Act. Apost. 15,18. 3*

1. 2. Die gallicanijche Eonciliendoctrin. 39

niemals wirklich ins Leben ver Kirche ein, blieb immer eine lepiglich oppofitionelle Doctrin, die eine Bedeutung eben nur durch ihren Gegenfag und Ankampf gegen den entwürbigten Papat erlangte. Vie geftaltete fich num viefe neue Theorie im Hirne von Män- nern wie Nicolas von Clemanges, v’Ailly und Charlier de Gerfon? Die Kirche, jo begannen fie gemeinhin ihren Gedankenbau, ift der myſtiſche Leib des Herrn. Chriftus ift und bleibt ihr unficht- bares Oberhaupt. Darum, fo tief fie auch finfe, dürfen wir ung doch getröften, daß die Pforten ver Hölle fie nicht werben über: wältigen können '); denn ihre leibliche Gejtalt auf Erden kann uns viele Zuverficht nicht einflößen. Nun ift es aber nothwendig, daß die Kirche auch ein fichtbares Oberhaupt habe, damit fie in ihrem Dafein auf der Erde doch ein vollfommenes Abbild der himmliſchen Hierarchie jei. Der römijche Bilchof ijt als viefes Oberhaupt von der rechtgläubigen Stiche anerkannt; feinen erften Vorgänger beftimmte Chriftus felber zu feinem Stellvertreter. Aber die Kirche würde auch fertbejtehen, wenn dieſes jicytbare Oberhaupt ihr fehlte, ſie bejteht gewiß jort, wenn es nur einjtweilig fehlt. Co gut wie fie nach dem Abſterben jedes Papftes bis zur Wahl des folgenden ver Leitung des heiligen Geiſtes überlafjen werben muß, wird auch ver heilige Geift für jie forgen, wenn das Papfttyum durch Ketzerei oder Schisma befledt it. Für diefen Fall aber betarf fie auch einer höheren ficht- baren Autorität, Durch welche der heilige Geiſt jie herjtellen kann, eines fihtbaren Zribunales, das felbjt über das Papftthun zu rid)- ten befugt ift. Das kanu fein einzelner Menfch, das kann nur ein allgemeines Concil von Biſchöfen fein, denn ein folches repräfentirt die geſammte Kirche, ift gewijjermaßen die stirche felber. Dieſe, ud alfo auch ein allgemeines Concil, haben ihre Gewalt von Chriſto mmittelbar, nicht etwa erſt durch ven Papſt. Das Concil als die unfterblihe Kirche fann nimmer irren und fünvigen, es ſpricht fein Urtheil im Namen des heiligen Geiſtes und dieſer fpricht aus ihm. Der Papjt aber ift als jterblicher Mienfch ven Irrthümern und ber Sünde unterworfen. Mithin muß. das jündlofe Concil über dem ſündigen Papſft ſtehen, und er iſt ihm zu gehorchen verpflichtet wie jeder auf Erden. Das Concil kann ſeine Gewalt zum Beſten der Kirche beſchränken und ihm wegen ſolcher Sünden, welche die Kirche zu Grunde richten, ſogar entſetzen. Ferner liegt ihm die Reforma—

j superabunt nach der Vulgala.

42 I. 2. Das coftnitger Concil und die Reform.

muth ver parifer Schule, und die Neformvorfchläge ihrer Partei verrathen deutlich die Abficht, ven Magijtern und Doctoren gute Pfrünven zu reſerviren, wie fich ver Papft feine Creaturen dadurch - verpflichtete. Johann XXIII und Gregor XII wurben theils ge- zwungen theils jo mürbe gemacht, daß fie die päpftlichen Inſignien nieverlegten; Benedict XIII, ver fie ftarrfinnig beibehielt, wurbe dod) wegen jeined geringen Anhanges eine machtlofe und Lächerliche Figur. Das Eoncil, der päpftlichen Gewalt völlig ledig, war jetzt thatfächlich die oberfte Behörde der Kirche und überall anerfannt; e8 hatte nun die freiefte Hand, die Kirche nach feinen Grundſätzen neu zu gejtalten. ‘Da zeigte fih, wieviel leichter eine biscreditirte Gewalt überwunden als erfett wird, wie die Reformation einem Concil ebenfo unmöglich war wie einem Papite.

Der Reform: Ausschuß des Eoncils hatte feit dem Auguſt 1415 Berathungen gehalten, Mißbräuche aufgevedt und gerügt, freie Ne ven geführt, Bupgänge veranjtaltet und auch einen fchönen Entwurf ausgearbeitet‘). Sein einziger Beſchluß des Concils verjuchte auch nur, die verfchrienen Mißbräuche auf canoniſchem Wege abzufchaffen und das Beſſere ind Leben zu fegen. Gerade viefelbe Partei, veren Stichwort die Reform gewefen war, fchob fie nun beftändig auf, bie biefes over jenes gethan fein würde. Das Concil genügte ſich durch— aus beſſer in dem fchmeichelhaften Beruf des höchſten Tribunals auf Erden als in dem fchweren eines Gejeggebers. Die einzige Reform— Verordnung, die in Betreff der Kleidung und der Zonfur der Geift- lichen erging, war eine alte Sagung, die von Päpften und Synoden Schon oft genug erneuert worden. Es fehlte vielleicht wenigen am guten Willen, aber allen am Muth, den Kampf gegen bie vielfach verzweigten Intereſſen zu beginnen, wie denn in der That, . wurbe die Reform einmal mit Ernſt begonnen, nicht: gut abzufehen war, wo fie endigen follte. Als man mit den Päpiten fertig war und über die Steger Fluch und Scheiterhaufen verhängt hatte, trat, wie jedesmal nach dem Siege, die innere Spaltung fcharf herver, diesmal die nationelle. In ver Frage, ob die Reform ver neuen Papjtwahl ober dieſe jener vorgehen folle, bilveten fid) zwei große Parteien, bie, wenn man will, das große Schisma der abenpländifchen Chriften- beit, welches fi) nach einem Jahrhundert vollzog, zum voraus an⸗ veuteten. Für die Präcedenz ver Reformation war Sigmund mit den

') Er findet fi bei v.d. Hardt Constant. Concil. T. I. P.X. p. 583.

1. 2. Die cofiniker Decrete Sacrosancta und Frequens. 48

Deutihen und Engländern, für die des Eonclaße waren die Italiener und Spanier. Die franzöfifche Nation trat nach einigem Schwan fen zu den andern romanifchen über, an ihrer Spike d'Aillh. Er eflärte es jett für ven nothwenbigiten Act der Reformation, daß vie Kirche wieder ein allgemein anerfanntes Haupt habe. Endlich been auch die Engländer ven König mit feinen Deutfchen allein, md biefe begnügten jich mit einem Protefte, daß es nicht an ihnen bege, wenn aus der Reform überhaupt nichts werde. Selbft vie ventihen Prälaten meinten an bem verfchulteten Sigmund ein Ge— läfte zu verjpüren, als gebächte er feinen Finanzen bei Gelegenheit ver Reformation durch geiftliche Güter aufzuhelfen. Andere fanden es anftögig, daß ein weltlicher Fürſt das Concil fo offenbar be- berichte; fein langes Verweilen jchwächte ven Glanz feiner Majeftät and feiner Verdienſte, fein liederlicher Lebeuswandel und feine Schul- den fchienen ein böſes DBeijpiel zu geben. Wirklich ſah man zu Goftnig ein Getreide von Seiltänzern, Schaufpielern und Buhle- rinnen, von Pfründenjagd, Simonie und weltlihem Pomp erblühen wie nur je an den Eurien von Rom over Avignon.

Mit Recht ift die Hebung des Schisma von der catholifchen ° Kirche ſtets als die ſchönſte Frucht des coftniger Concils gepriefen werden. Für tie Yortentwidelung des Firdhlichen Kampfes aber wuren zwei feiner Decrete von der unberechenbarften Wichtigkeit, von tenen das eine die Lehre von der höchften Autorität eines all- gemeinen Concils als canenifhen Sag aufftellte, das andere die allgemeinen Concilien zu einem kirchlichen Inftitut erhob. Was zu Pifa nur als gelehrte Doctrin vorgetragen werben, erhob das coft- niger Concil in feiner 5. Seffion (am 6. April 1415) zu einem Glaubensſatz, daß nämlich eine Generalſynode, im heiligen Geifte rechtmäßig verfanmelt und die catholifche Kirche repräfentirenv, ihre Gewalt unmittelbar von Ehrifto habe und daß jeder, auch ber Barft, ihr zu gehorchen verbunden fei in folchen Dingen, welche auf ren Glauben, vie Ausrottung des Schisma und die Reformation der Kirche an Haupt und Glievern Bezug haben‘). Und während folche Synoden bisher nur als ein nüglicher Gebrauch gepriefen und

N, Das Decret 6. Mansi Sacror. Concil. nova et ampliss. Collectio. Edit. noviss. T. XXVII. (Venct., 1781) p. 5%. Es wird, je nachbem man den Eingang mitrechnet oder nicht, bald SBacrosancta bald Quod ipsa Synodus genaunt und citirt.

44 L 2. Die coftniger Decrete Sacrosancta und Frequens.

empfohlen worben, fügte das Decret Frequens, welches zu Eoft in der 39. Situng am 9. October 1417 erlaffen wurde, fie ale nothwendiges und regelmäßiges Ynftitut in ben Organismus Kirche ein. Es verorpnet nämlich, daß nach vem Schluß des geg wärtigen Concils das nächite in 5, das zweite in 7 und dann reg mäßig alle 10 Jahre eines gehalten werben folle, alſo daß fi ein Concil beftehe over zu erwarten fei. Jedes Concil foll ei Monat vor feiner Entlaffung vom Papfte in Kenntniß gefegt w den, wo ſich das nächite zu verfammmeln babe, fo daß jede weil Berufung überflüffig ift und das Concil auch ohne den Papſt fammentritt ').

War nun gleich zu Eoftnig die verlangte Reformation wieber vereitelt, fo hatte man doch hier ven Baum gepflanzt, von vem nebjt andern Früchten auch dieſe in der Zukunft erwarten li Jene beiden großen Fundamentalſätze find es, um die fich cin ball Jahrhundert hindurch die Gefchichte der Kirche vorzugsweife br und deren Schwingungen noch beim Ausbruch ver lutheriſchen Geift bewegung, nach hundert Jahren, veutlich erkennbar find. Site bilt auch im Leben unferes Enea Silvio den Brennpunct feiner Schi fale und Handlungen: als Yüngling war er ihr erklärter Anhäng als Mann befämpfte und als päpftlicher Greis verbammte er jie der Bulle Execrabilis.

Der Vergleich des pifaner Concils mit denen früherer (ol hunderte und dann mit dem coftniger zeigt uns noch von ein andern Seite eine merkwürdige Umwandlung der Ideen vom all meinen Concil. Auf ven erften acht öcumenifchen Synoden erſch nen neben ven Bifchöfen wohl auch Presbytere und Diaconen, al ihre Stellung war dann doch eine fehr untergeorbnete. Die Lal bagegen blieben, mit Ausnahme etwa ver Stellvertreter des Kaife ausgeſchloſſen. Zur Zeit ver päpftlichen Hierarchie beſtanden Concile jtreng nur aus Bifchöfen. Zu Pifa nun hatten die Dez tirten der Hochſchulen zwar ben böchften moralifchen Einfluß, a) es überwog Doch das Unfehen ver 22 Cardinäle, welche die erf Site einnahmen und ganz im Sinn ber parifer Sprecher verfuhr Sie hatten die Synode berufen, fie wählten ven neuen Papſt, f baß man baran bachte, fie in dieſem Necht zur befchränfen. Au ihnen waren 200 Bifchöfe perjönlid) anweſend oder durch Ben:

') Das Decret b. Mansi I. c. p. 1159.

46 1. 2. Das Eoneil zu Pavia und Siena.

preffens, ver offenen und geheimen Beſtechung an feiner Curie ven Höhepunct'). Und es war nicht bloß eine verwerfliche Praris: vie Canceleiregeln, die der Papft am zweiten Tage nach feiner Wahl auffegen ließ, unterfchieven fich wenig von denen SYohann’s XXIL, fie waren ver bitterjte Spott auf die Concilienreven von ver Wieder⸗ geburt ver Kirche im Geifte. So lange er lebte, erhob vie Con⸗ eilienpartei feinen erheblichen Wiverfpruch gegen fein willkürliches Walten. Aber wehe feinem Nachfolger! Nach ven Jahren ver Er- mattung, bie dem letten großen Concil gefolgt war, bereiteten fich bie Geifter von Neuem zum Angriff und zwar mit einen ftillen, verbiffenen Groll; denn die Antipathien der Curie und ihre Intri⸗ guen gegen das allgemeine Concil waren noch durch eine bittere Erfahrung mehr beftätigt. Dazıı fam für die Kirche und für Deutfch land eine neue Noth, ver beide völlig rathlos gegenüberftanven: bie böhmifche Ketzerei zeigte fich umüberwinplich, Kreuzesheere waren gegen ven ftürmifchen Eifer der Hufjiten fo ohnmächtig wie päbſt⸗ liche Sluchbullen, einen Reſt von Achtung hatten die fürchterlichen Ketzer nur noch vor einem allgemeinen Koncil, fo wenig das coſt nitzer ihr Freund geweſen war.

Dem Decret Frequens gemäß ließ Martin wirklich im Jahre 1423 ein Concil zu Pavia eröffnen, aber wegen des ſchwarzen Todes alsbald nach Siena verlegen und auch hier nach wenigen Sitzungen, ehe die Oppoſition losbrach, unter dem Vorwand einer zu geringen Theilnahme auflöſen. Immer dieſelbe Politik, aus weichend und klug für den Augenblick, aber den Brennſtoff für die Zukunft aufhäufend! Auch das nächſte Concil, welches nach 7 Jahren in Baſel zuſammentreten ſollte, gedachte der Papſt ohne Zweifel in ähnlicher Weife abzuwenden. Er ſtarb, nachdem er ſchon die Beru- fungsbulle erlaſſen und den Cardinal Ceſarini zum apoſtoliſchen Le⸗ gaten und Präſidenten des Concils ernannt hatte.

Das gefährliche Erbe ſeines Apoſtolates überkam nun Eugen IV, den drohenden Bewegungen am wenigſten zu jener Zeit gewachſen, als er ſein Regiment antrat. Gabriele Condolmieri dies ſein früherer Name war zu Venedig aus einer plebejiſchen, aber reichen Kaufmannsfamilie geboren. Nach dem Tode der eltern vertheilte er fein Erbtbeil unter die Armen und trat mit Antonio

) Vergl. Joh. Boigt, Stimmen aus Rem (Hifter. Taſchenbuch f. 1333) 5.98 ff.

I. 2. Bapft Eugen IV. 47

ve Esreri, einem edlen Benetianer von gleichem Alter, aus reli- len Sinn- in die jüngft entftanvene ftrenge Cöleftinercongregation m St. Giorgio in Alga. Sobald aber des legtern Oheim, Angelo de Eoreri, als Gregor XII ven heiligen Stuhl beftieg, trieb ver Ehrgeiz oder wie man fpäter veutete,. vie Weilfagung eines Ein- fiedlers ähnliches wird auch von feinen drei Nachfolgern er- zählt die beiden fchlichten Mönche an vie römifche Curie. ‘Der dapſt beförverte feinen Neffen zum Bifchof von Bologna, gleichzeitig deffen Freund zum Bifchof von Siena und bald darauf beide zu - Carrinälen. Sie waren auf dem Concil zu Eoftnig und erfchienen bier fo ungertrennlich von einander, daß man fie fcherzweije bie Zwillinge nannte. Doch Löfte die Eiferfucht das im Kloſter ge- üpfte Band, als Convolmieri am 3. März 1431 wider Erwarten Papit wurde ').

Damals war Eugen ein Mann von 47 Yahren, von hoher Geftalt, enlen Zügen und fürftlicher Haltung, aber in feinem Cha- racter iſt der Einfluß der mönchijchen Jugend doch unverkennbar, Gr lebte fo eingezogen in feinem Palaft wie im Kloſter, öffentlic) jah man ihn nur an ven großen Feiten. Sein Lieblingsgedanke war, allen Klöftern vie Objervanz aufzubringen, unter ver er felbft zu St. Giorgio in Venedig gebrütet. Obgleich er mäßig und rein von finnlicher Begier war, fehlte es ihm doch au Selbſtſtändigkeit und Erfahrung, um den eigenjüchtigen Beamten und dem Prunf ver Curie gegenüber eine würbig-gebietende Stellung einnehmen zu lönnen. Er hatte weber die Rechte noch die Theologie ftudirt, bie freien Wiffenfchaften waren ihm ganz gleichgültig. Zwar wird er- zahlt, daß er als Bapft manches nachzuholen fuchte, was er auf ben Thron hätte mitbringen follen, aber feine Schidjale auf vemfelben Maren jo unfriedliche, daß fie ihn mehr auf Gewalt und Waffen als auf Gelehrſamkeit und Bildung zu denken nöthigten. Allerdings 308 er manchen Gelehrten und Literaten an fich, aber nur in ber Ubficht, ihre Ferern im Dienft der Kirche als Waffen zu gebrauchen.

') A. S. Comment. cd. Fca p. 36, Hist. Frid. III (in Kollarii Analect. Monum. Vindob. T. II.) p. 133. 134 not., Europa cp. 58; Vespasiano Comment. d. vita di Papa Eugenio IV (ap. Muratori Scriptt. XXV) p. 255. %2; deil. Vita di Card. Ant. de’ Coreri im Spieilegium Romanum T. I. Romae, 1839. $. 1; S. Antoninus Chron. P. II. tit. XXII. cp. 10 init. (ih habe die edit. Basil., 1491 vor mir); Raph. Volaterr. lib. XXL; Ray- nald 1431 n. 4; Ciacon. II. p. 766.

I. 2. Berufung des basler Concils 1431. 49

fäbrlichften Gegner, die Kirche felbft, das Concil, vem er nicht ent- gehen Tonnte, alle Kräfte und Hülfsmittel zufammenzuhalten, entzog er ſelbſt fi eine Stüge nach der andern. Zuerſt verfolgte er bie Golonna, ohne fie doch demüthigen zu Tönnen, nöthigte ven ſchon Sefignirten Cardinal Capranica, fein Feind zu werben, führte ven Bürgerkrieg in die Strafen Rom's und erbitterte das Volk gegen fih. Ebenſo unbefonnen und faſt muthwillig mifchte er fich in ven Krieg Stalien’s, wozu feine Bundesgenoſſen und der fcheinbare Wohl- fand feiner Finanzen ihn verführten. Wenige Jahre darauf ver- ließ er feine Nefivenz als Flüchtling, fah faft das ganze Gebiet ver Kirche in Feindeshänden und feine politifchen Gegner mit den firch- lichen verbünvet. . Schon am 12. März 1431, am Tage nad) feiner Krönung, beitätigte und erneuerte Eugen die Berufung des allgemeinen Con- cils zu Bafel. Es war fein Act feiner Entſchließung; die Wahl- capitulation, die er mit den andern Cardinälen unterfchrieben, nö- thigte ihn dazu‘). Den Auftrag, das Nähere anzuordnen und bie Verſammlung zu eröffnen ?), erhielt, wie ſchon früher von Martin, jo jegt auch von dem neuen Papfte ver Carpinalleget Giuliano te Ceſarini, der ſich ſchon in Deutfchland befand, um ein neues Kreusbeer gegen die Böhmen zuſammenzubringen. Das unermüd— liche Wirken viefes Mannes werden wir bie zu feinem legten Athem— zug zu verfolgen haben, feine Perfänlichfeit war für die erjten Jahre des Concils die überwiegende und beherrchende. Ceſarini, Sproß einer verarmten römiſchen Adelsfamilie, war 1398 geboren. Seine canoniſtiſchen und theologiſchen Studien ſchie— nen ihn anfangs dem Gelehrtenſtand zuführen zu wollen. Faſt noch Jüngling, Ichrte er fchon zu Papua das geiftliche Recht; Domenico ta Sapranica, nur um zwei Jahre jünger, und Nicolaus von Cues, päter gleichfalls Cardinal, ſaßen hier zu feinen Füßen. Martin V rief ihn nad) Rem, wo er als apoftolifcher Sccretair und dann als Auditor der päpftlichen Sammer fo fchnell in der Gunft des

) Art. 3., fie findet ſich bei Raynald 1431 n.5, eine gleichzeitige Copie im G. Ardiv zu Königsberg.

) Bei Mansi XXIX. p.13; Augustinus Patritius, Summa Con- &iliorum Basil., Florent., Lateran., Lausan. ete., ein un 1480 gefertigter Auszug aus der großen Concilienchronik des Johann von Segobia, bei Har- duin Coneil. T. IX. und daraus ahgebrudt bei Hartzheim Concil. Cierman. T. V; cf. cap. 2.

Voigt, Enea Silvio 1. 3

52 I. 2. Anfänge des Ceneils 1431.

zwei verjelben, Johann von Palomar und Johann von Raguſa: fie follten vie Anfommenven zum Bleiben ermuthigen und die nöthigen Zuräftungen zum Concil treffen '). Er felbft wellte noch bei dem Feldzug, ver gegen die Huffiten gerüftet wurde, zugegen fein, traf aber doch unerwartet ſchnell, ſchon am 9. Sept., in Bafel ein und mit ihm die Nachricht von ver fchmählichen Flucht und Niederlage des Kreuzheeres bei Tauß. Nach einem zwülfjäbrigen und furchtbar bintigen Kampfe war mm auch die letzte Hoffnung gefehwunden, ver huffitifchen Stegerei Durch Gewaltinittel Meifter zu werten. Se glühte ver Cardinal, ven Weg ter freundlichen Unterhandlung mit ihnen zu vwerjuchen, fie durch fanfte Zureden, nöthigenfalls auch durch Zugejtänpniffe, dev mütterlichen Kirche wieberzugewinnen. Um diefer Aufgabe willen widmete er ſich fortan dem Concil mit ver Schönen Hingebung, wie ihm eigen ?).

An 23. Juli war im Münſter zu Baſel eine Berverfammlung gehalten worden, zwar noch ven wenigen befucht; doch Teutete die Berlefung des Decretes Frequens ſchon genügent an, daß ſich bie Heine Schaar bereits ala ein allgemeines öcumeniſches Concil be trachtete, dem jeter, und fei er auch päpftlichen Standes, zu ge horchen habe’). Die Anweſenden waren freudiger Hoffnung: meh— rere Bifchöfe und felbit einige Cartinäle hatten zu Bafel chen Duartier miethen laſſen“). Einen muthigen Aufſchwung ver Ge müther aber erzeugte Das Erſcheinen des apoftolifchen Xegaten; dem nun Kamen täglich hohe und niedere Geiftlihe in Baſel an, alle burchdrungen von der Ueberzeugung, jegt oder niemals fei vie er: fehnte Reform der Kirche ins Werk zu jegen.

In Rom erregte ver feurige Eifer, ver am Rhein entbrannt war, Bevenklichkeiten um Argwohn. Ein Schreiben des Papftes

) Mansi, Concil. XXIX. p. 2 giebt als Datum dieſer Vollmacht ben 2. Juni 1431, Wurftifen, baßler Chronid (Bafel, 1580) S. 250 den 3. Juli an. Der Chronift ıft bisher für die Gefchichte des basler Coneils kauim zu Rathe gezogen, obwohl er die noch ungedrudte Chronik des Johann v. Segobia benutzte, freilich die darin enthaltenen Documente in feiner Ueberſetzung oft vwer- ftümmelt und dem Epitomater Patricius bei weitem nachftebt.

?) Joh. de Segobia b. Palacky, Geh. v. Böhmen Bd. 3. Abthl. 3. ©. 12. 14.

2) Wurftifen ©. 251.

*) Brief des Gefandten Evrard au die parifer Univerfität vom 22. Imli b. Bulacus, Hist. Univers. Paris. T. V. p. 409,

1. 2. Widerſtreben Eugen’e 1431. 53

an Ceſarini und bald darauf eine Bulle vom 18. Dec. kündigten der Verſammlung, noch bevor ſie eine feierliche Sitzung gehalten, ſchon den Krieg an: unter einigen nichtigen Vorwänden befahl Eugen die Aufhebung des Concils, es ſollte erſt nach anderthalb Jahren und zu Bologna fortgeſetzt werden; dahin verſprach er ſelber zu tommen '). Dieſe unzeitige Aengſtlichkeit verrieth die Geſinnungen des neuen Papſtes mit einem Schlage. Hatte ſo eben noch die Perſonlichkeit feines Legaten ein koſtbares Vertranen erweckt, jo wich dieſes jetzt ebenſo ſchnell eitien unvertilgbaren Mißtrauen. Der Gerante, daß Haupt und Glieder ver Kirche mit einträchtiger Freu— digleit das große Werk angreifen und vollbringen müßten, war gleich einem ſchönen Traume zerſtört. Wie die Begeiſterung von leiner vermittelnden Halbheit weiß, fo hatte man von Eugen alles hoffen zu dürfen oder alles fürchten zu müfjen geglaubt. Das Sig- nal des Kampfes war nun gegeben. Augenblicklich zeigte jich bie Rothwentigfeit, vaß erſt ver Widerſtand ver Curie gebrochen und tie mbedingte Macht des Concils ihr gegenüber gefichert werten mäjle, bevor tie pofitiven Aufgaben tvejjelben ihre Löfung finden fönnten. Die gefährvete Exiſtenz des Concils erzeugte fofort eine ftarfe Betonung ver Frage über die höchſte Gewalt auf Eben. Für jete Berjammmlung, vie Altes reformiren und Neues fchaffen will, it es das größte Unglück, wenn fie erft lange um ihre Autorität fimpfen muß; dann wird auch die Reform ein Werk des Kampfes und ter Yeitenfchaften, nicht der frietlichen Einigung.

Niemand ging das Unbeil, welches aus ver Erklärung des Papites folgen mußte, jo ſehr zu Herzen als Gefarini, niemand war aber auch jo ſchnell bereit, es wo möglich noch alzuwenten. Mit ren anjrichtigjten, wenm auch mitunter harten Worten vieth er dem Papſte, jenen Schritt eiligjt zurückzunehmen: jede Ausſicht auf die Bekehrung ver Böhmen, ver er ſich nun jeit drei Jahren gewid- met, fei ſonſt vernichtet; auch jei die Yorgebunvenheit tes deutſchen Clerus in dem Maaße geftiegen, daß fie ven Haß ter Laien und die Augriffe ter Huffiten faſt vechtfertige. Veit Yeichtigfeit wirerlegte er vie Ausſetzungen und Vorwürfe des Papſtes, als fei er in ver Eröffnung des Coneils zu willfährig und vorſchnell geweſen, mit

) Tas Breve an Ceſarini v. 12. Nov. 14131 b. Raynald LI3L n. 21; die Bulle v. 18. Decbr. b. Bzevius, Annal. vcel. post Baron. 1431 n. 45. un? 6. Mansi XXIX. p. H6l.

56 1. 2. Das Amt der Duodecimviru.

veränderte, mußte diejenige Behörde eine fehr einflußreiche werben, welcher vie Zulaffung der Mitglieder und ihre Vertheilung in die Deputationen oblag. In der Hand diefer Behörde lag die Zufam- menfegung des Concils; fie konnte in vieler Hinficht vermitteln und ausgleichend, aber auch gewifjenlos und ränkevoll verfahren. Es hätte aljo einer Gewalt berurft, vie eine vom Concil unabhän- gige Stellung über demſelben einnahm. Schon war es bedenklich genug, daß innerhalb einer Deputation ver geringfte Abt over Ma— gifter dem Cardinal gleich galt. Nun konnte die Zulaffungsbehörbe, bei dem Mangel eines Geſetzes over einer feften Praris, ven Des putationsfaal nach Belieben und um des geringsten Parteiintereffes willen mit Dugenven neuer Mitgliever überfchwenmen. ‘Der Doc- toren und der Glerifer niedern Grades, die darauf Iauerten, gab ed immer genug. Jene cenforiiche Gewalt hätte am natürlichiten und billigjten dem Prüfiventen des Concils gebührt, ver, ſelbſt ein Prälat höchften Ranges, eiferfüchtig über die Zulaſſung wachte und fie Dabei doch dem Bifchof, vem allein Eig und Stimme zukam, ohne beions dern Grund nicht verweigern konnte. Der Präſident ſpäter waren ihrer mehrere war ohnehin in feinen Amtsbefuguiſſen bejchränft genug und figurirte mehr nur als Vertreter des Pepftee.

Nun ging aber jene Gewalt aus dem Concil felbft hervor und war von feiner jedesimaligen Meajorität abhängig, vie wizderum gerade durch ihre Ausübung vie Meimorität immer mehr in ben Hintergrund drängen und unterdrücken fonnte. Jede ‘Desutation wählte nämlich drei Glieder zu einem Ausfchuß, ven ſogcnannten Zwölfmännern; tas gefchah jeven Monat von Neuem, jpäter, wie es fcheint, alle zwei oder trei Monate. Die Dnodecimvirn hatten zu prüfen, ob jemand zum Concil als Mitglied zugelajjen werben dürfe oder nicht, jie hatten die Befuguig, Unwürdige aus demfelben zu entfernen, vie Hinzutretenven in die Teputationen einzuordnen. Wahrjcheinlich ijt es viefelbe Behörde, diren Begut— achtung auch alle Beſchwerden, Bittfchriften und Anträge unterlagen, bevor fie von ihnen ven Abtheilungen zugewiefen wurden, und nad beren Gutdünken die Generalverfanmlung ihre Vorlagen erhielt‘).

') Berge. die Geſchäftsordnung vom 26. Zept. 1431 Lei Mansi XXIX. p- 377 u. bei Patric. 1. e., in Betreff der Duodecimvirn inSsefondere A. 8. de concil. Basil. (Opp. Basil., 1551) p. 35; ejusd. Comment cd. Fea p. 46, epist. ad Petrum de Noxeto v. 7. Mai 1456. Nach Pii II Comment. p. war der DTuodecimvirat ein munus trimestre, er hatte das Ant ſelbſt bekleidet

1. 2. Erklärungen der Nationen für das Eoncil. 57 /

Eine fo bedeutungsvolle Gewalt war tem Einfluß ver päpftlichen Legaten volfftändig entzogen und kam factifch oft an Männer, veren eigenes Recht zu Ei und Stimme im Concil mehr als zweifelhaft war, die ed alfo damit fiber auch an andern nicht genau nahmen. Bie durch dieſe Einrichtung eine Menge Unberufener zur Dlitgliev- ſchaft am Eoncil gelangte und wie diefes immer mehr einen bemo- cratiſchen Character annahın, wird ſpäter nachgewiefen werben. Schnell wuchs feit ven erjten Situngen vie wirkliche Gewalt des Soncils, das heißt die Anhänglichkeit ver Nationen. Es wur- ven viele Geſandte zu ven Königen, Fürften und Städten geſchickt, um das göttliche Recht ver VBerfammlung und Eugen's Unrecht dar⸗ zattun. Steiner erhielt vie Reifekoften aus öffentlichen Mitteln, vie ja nicht vorhanten waren; im Eifer für die Sache beftritt jeder fie ſelbſt). Und von überall ber brachten fie günftige Antworten heim. Der Herzog von Mailand und Alfonfo von Uragonien und Sicilien waren entſchiedene Gegner des Papftes und hätten damals feine os fertige Abfegung gebilligt. Steine Macht außer ver päpftlichen erflärte Äh gegen das Goncil, vie meiften einfach dafür, vie beiden beben- tenbiten aber verhießen ihren, energijchen Beiltant. So bie franzd- fie Geijtlichkeit, unter Zuftimmung tes Könige und ber parifer Univerfität, auf einem Convent zu Bourges*), fo König Sigmund in wiererhelten Schreiben, worin er ren Vätern feine Beihülfe bis zum Tode verhieß und ſie jogar ermunterte, gegen den widerſpän— figen Papſt und feine Cardinäle Citationen ergehen zu lafjen?). Zu Sigmund Hatten fich die cojtniger Reformideen fejtgefegt, aber er hatte noch fein ebefendern Grünve. Gelang es dem Goncil, die Böh- men mit ver Stirche zu einigen, fo beugten fie fich auch williger ver Herrſchaft des luxemburgiſchen Hauſes. Berner fah er das Concil wie einen Zügel an, durch welchen er Eugen zur Kaiſerkrönung zu

Patric. cp. 11 berichtet als eine Beftimmung ber 5. Sitzung des Cencils, daß das Amt derer, weldye Die potestas declarandi ac statuendi, quac causac et quo ordine «int admittendae et finiendae hatten, fo wie die potestas Judicum von dreimenatliher Dauer fein ſollten.

A. 8. Comment. ed. Fea p. 44. 45, ein unverdächtiges Ehrenzeugniß de Cencils; denn tiefe Schrift iſt im Ganzen gegen Dafjelbe gerichtet.

) Patrie cp. 8; Las Schreiben der parifer Hochſchule im Cod. msc. Jur. Can.62 der Wiener Hofbikt.

YA. 8. Cominent. cd. Fer p. 10; Aſchbach, Geſch. Rail. Sigmund's IV. 2.3, 40, 37.

)

I. 3. Anſchluß bes Eoncils au die Weltmächte. 59

des fanefer gebrauchen laſſen. Er war ein mürrifcher, unzugäng- Iiher und jähzorniger Mann, aber ein fcharffinniger Juriſt, im Lebenswandel achtungswerth und ſtreng!). Enea lernte von ihm bie Anfänge ver Geſchäftskenntniß; vielleicht hätte fein Leben einen ganz andern Berlauf genommen, wäre er noch im Dienſte des Cardinals geweien, als tiefer mit vem Papft in ein gutes Verhältniß trat.

nur

Drittes Capitel. Der Sieg und Triumpf des Coneile.

Es Liegt im Wefen der Hierarchie wie in dem ber monarchi— ſchen Autotratie, daß fie theoretifch die unbegrenztefte und unbebing- tefte Gewalt beanspruchen, währenn fie in ver That fehr wohl ven Leberrfchten zu fchmeicheln, den Umftänven fich zu fügen und ihre Anfprüche zu mäßigen wiffen. | Seitdem Engen die Verlegung tes basler Concils, das hieß in dieſem Fall feine Auflöfung, in feierlicher Bulle ausgefprochen und ſomit ven Kampf eröffnet hatte, mußten vie verfammelten Väter auf Mittel des Widerſtandes venfen. Ihr Dogma allein vemüthigte ven widerfpänitigen Bapft nicht. So entfchieven es das Gebet aus- ſprach, daß jevermann, König wie Bapft, vem Concil zu gehorfamen ſchuldig fei, ſchärfte man dieſe Pflicht doch vorerft nur dem Papft em. Die an vie Könige, Fürften, Nepublifen und Gorporationen gerihteten Senplinge baten nur mit bejcheivenen Ermahnungen um Anertennung des Concils. Das meifte Vertrauen flößten bemfelben die feiten Zuficherungen König Sigmund’s ein. An ihm fuchte und fand das Concil feine vorzüglichſte Stüge, fo lange es nur aus 30 bis 40 Vätern beftand und auch im viefer geringen Zahl faft num die italienifche und vie fpanifche Nation vertreten waren. Dieſes

') Poggiol.c. 87. 21; Pii IL. Comment. p. 29; Joh. Voigt, Stim⸗ zn aus Rom a. a. O. S. 89. Nah den Lobhudeleien, mit denen Poggio ſeinen Helden überhäuft, dürfen wir ums natürlich nicht richten. Die Vita &esyafiann’s (Rpicileg. Roman. T. I) ift in demfelben Tone gefchrieben.

60 1. 3. Sigmund's Zug nach Jtalien.

demüthige Schutzſuchen bei den weltlichen Mächten bezeichnet die erſte ‘Periode der tirchenverfamminng, in welcher ver Eifer für vie kirch— lihe Reform und für die Ausgleichung ver Ketzereien das vorherr⸗ ſchende Gefühl war, ver Ankampf gegen ven römiſchen Bifchof mehr eine traurige Nothwentigfeit, ver man lieber entgangen wäre.

Da begab fich König Sigmund nach Italien, hauptjächlic) wohl, um feiner Eitelfeit mit ver lombarbifchen und ver Slaiferfrone zu huldigen. Xeichtfertig, wie er es ſtets war, hatte er auch diesmal wenig die Umſtände berechnet und ven treulofen VBorjpiegelungen des mailändifchen Herzogs Glauben gefchentt, im Webrigen feinem Glück und der diplomatiichen Kunſt feines Canzlers vertrauend.. Veit eini- gen hundert Reitern, vie höchſtens einer Räuberbande wiverjtehen konnten, und mit fehr wenig Geld zog er über die Alpen. Stalien jah ihn ebenjo gleichgültig fonmmen, wie Deutſchland gehen. Nur für das Coucil konnte dieſe unpolitifche Nömerfahrt Bedeutung und Wirkung haben. Auf der andern Seite mußten Sigmund, da er fein Heer hatte, um ven Papft zur Krönung zu zwingen, bie in ver Ferne drohenden basler Büter ſtatt eines Heeres dienen. Cie ſahen den König nicht ohne Beſorgniß nad) Italien ziehen und ınit ihrem Gegner in eine Unterhanolung treten, bei welcher das Concil Leicht der Preis der Einigung fett Fonnte. Zwar hatte Sigmund ihnen verſprochen, ten Papſt zu einer Reife nach Baſel zu bewegen, aber man lachte über dieſen Gedanken. Wir fernen beite! hieß cs"). Wirklich dachte der König venlicher, ala man es ihm zutraute,

Eugen lebte ver Zuverficht, tem König gegen bie Kaiſerkrone bie Zuftimmung zur Auflöſung des Concils abzuringen. Es began— en zwijchen ihnen lange und verwidelte Verhandlungen, in welche ſich außer der kirchlichen Hauptfrage auch vie bunten politifchen Ber: hältniffe Italiens eindrängten. Sigmund drohte, er fehien nicht im mindeſten geneigt, Zugeſtändniſſe auszutaufchen. Das Concil ver: ficherte er wiederholt feiner treuften Anhänglichkeit, auch wenn er darum ter Kaiferfrone entfagen müßte. Er ſpornte es zu mutbigen Schritten gegen ven Papſt an und dieſem lieg er unverhohlen jagen, daß er ven Untergang ves Glaubens und der Kirche nicht anfehen könne, daß er das basler Concil mit aller Macht ſchützen werde, ja fich in gewiſſen Fällen fin befugt halte, ſelbſt ein neues Concil aus

") Ambos novimus! fügt der Geſandte der pariſer Univerſität, Evrard, hinzu, indem er fie davon benachrichtigt. S. Brief b. Hulaeus le. p. 409.

T. 4. Sigmund, der Papſt und das Coneil. 61

zufogen. Eugen fchien anfangs an energifchen Erklärungen ben zönig nichts nachgeben zu wollen, aber fein erftes Wort war nicht fein legted. Während er im Zone ver ftolzen Zurechtweifung ben Xönig beveuten ließ, er möge ficb mit ven kirchlichen Gefchäften, vie er nicht verftehe, auch nicht befaffen, ihm komme nur zu, dem Papft und der Kirche zu gehorchen und ihre Befehle auszuführen '), begann er doch auch fofert mit Zugeftänpniffen, die, anfangs freilich ohne allen Werth, ſich doch allmählig bis zur vollſtändigen Anerkennung des Cencils ſteigerten. Zur Reformation der deutſchen Kirche und ur Ausrottung der Ketzereien, erklärte er, mögen Provincialſynoden gehalten werten, auf welche dann eine öcumeniſche zu Bologna fol— gem folle! Cs war offenbar, daß er ſchwankte, daß ihm am Ein- derſtändniß mit Dem König mehr lag als dieſem an ver Krone, Dod) ſchienen jene Erklärungen alle fernere Verhandlung abzufchneiven. Eugen gerachte ſchon, Bann und Abfegung gegen den König zu ver- fügen; viefer aber, augenblidlich one Macht und Anfehen, ja in fo bitrer Geldnoth, daß er ſich von den italienifchen Städten unter- halten laſſen, borgen und verjeßen mußte, führte von dem ihm erge- benen Heerlager zu Bafel aus feine Streiche gegen ven Papſt. Nie war er jo entſchieden auf Eeiten des Coucils wie damals.

Die Kirchenverſammlung erlangte unter feinem Schuß ein ans deres Anfehn und ein anderes Selbitgefühl. Je mehr Eugen die nach Bafel ziehenven Prälaten mit Ercommmmication, bie dort wei- lenden Curialen mit Verluſt ihrer Aemter, Beneficien und Ehren bedrohte, deſto mehr gewann vie Verſammlung an Mitgliedern und die Mitgliever an Entjchievenheit*). Fortwährend liefen von Köni— gen um Fürſten, Freiſtaaten und Städten, Biſchöfen und Univer— fitäten günſtige Erklärungen für das Concil ein. Schriften, bie feine Autorität vertheidigten, wurden mit Eifer gelefen und verbreitet, jo des Nicolaus von Cues Werk von der catholifchen Einheit, worin die Rücfehr zu ten Satzungen und Gebräuchen ver alten Kirche empfohlen und ber römiſche König als Schirmherr einer jolchen Reformation aufgerufen Wurde.

Wie Capranica, fo erſchienen noch fünf bis fech8 andre Cardi— nüle zu Bafel, ohne von Bapfte, mit dem fie in allerlei Privat- angelegenheiten, meiſtens als Colonneſen, zerfallen waren, Urlaub

') Patric. cp. 22. A. 8. Comment. ed. Pea p. 48. 49.

64 1. 3. Engen's Roth, jeine Ausfühnung mit Sigmund.

Beamten. Sofort machten über 200 davon Gebrauch. Aber fchem bei einem Gaftell in ver Nähe Roms wurden fie von einem mi Knütteln bewaffneten Haufen überfallen, einige getöbtet, andre am: geplündert und in die Flucht gejagt. Am Hofe hieß es allgemeizz, ver Ueberfall fei vom Papfte angeftiftet, um andre Neifeluftige abe zufchreden. Dennoch dauerte das Ausreifen fort‘). Von den ze. Kom noch anwejenden Cardinälen, wollte mar wiſſen, feien nur vis den Papfte ganz und gar ergeben, nämlich die Partei ver Orſini Indeß iſt dabei zu berückſichtigen, daß mehrere der tüchtigſten auf den Legationen des Nirchenſtaats befanden.

Uebrigens genügte die Bulle, durch deren Zugeſtändniß ſeine Curie in dieſe Verzweiflung brachte, den basler Vätern kei weges. Ihr Wortlaut war zweideutig und rückhaltig. Von be; Gültigfeit der vor diejer Anerfennung gefapten Concilbejchlüffe ft nichts darin. Die Bollmarbt der Cardinallegaten erſtreckte fich auf die Verhandlungen mit ven Böhmen und über ven = nicht aber auf vie Reform ver Kirche. Das Concil wollte den tretern des Papſtes als folchen nicht den VBorfig einräumen, fie nicht and) ihm, dem Concil, Berantwortlichfeit und Gehorſan geſchworen hätten’).

Indeß ſchien Sigmund durch die bewieſene Nachgiebigkeit * Papſtes zufriedengeſtellt: Anerkennung des Concils hatte er verlant und erreicht; fo konnte er mit dem Schein der Ehre ſein Wort, dak er den Vätern fo oft gegeben, für gelöft erachten. Am 7. Aprif 14 wurde zwifchen ihm und dem Papite, fo wie zwijchen den Fri renden Mächten Italiens ein Friede zu Ferrara abgefchloffen,

31. Dat folgte die Kaiſerkrönung. Sigmund gelebte vabei, f nins IV für den unzweifelhaften, wahren, canonifch gewählten Papft zu halten une zu chren, auch dahin zu wirken, daß er in gleiche Weiſe von allen geiftlichen une weltlichen Perfonen ver Chriſtenheit gehalten und verehrt werden.

Die Stellung des Kaiſers zum Concil wurde eine weſenllh andre, als es die des römiſchen Königs geweſen war. Der perjiae- liche Wunſch war erreicht; das Verlangen nach einer Beſſerung ME

nein.

', Zwei Berichte eines Deutihordensprocurators im G. Archid zu Königsberg, der eine vom 1. Diärz 1433, den andern o. D. f. Beilage I.

2) Bericht an den Hochmeiſter v. 23. Sept. (1433) ebenbaf.

) Patric. cp. 28. 29.

I. 3. Autoritätöftreit zwifchen Eugen und dem Coucil 1483. - 65

lirchlichen Zuftände blieb in Sigmund rege wie zuvor, aber die Furcht ver einem Schisma in der Kirche und feine Ausfähnung mit Eugen möchten ihn bedenklich gegen das confequente Verfahren des Concils, welchem er freilich zuvor felbft das Wort geredet. Die beiden kirchlichen Arteritäten auszugleichen, war fortan fein Beftreben. Wenn Eugen nahgegeben hatte und nicht abgeneigt fchien, noch mehr nachzugeben, io follte auch das Eoncil nach feiner Meinung dem Papfte milder enigegenlommen. In dieſem Sinne ermahnte er e8 mehrmals, es möge nun gegen Eugen nicht weiter vorfchreiten, ven päpitlichen begaten den Borfitz einräumen, die principielle Autoritätsfrage mehr _ auf fich beruhen laſſen und tafür vie Rüdführung ver Böhmen zur Kirche und die Reform deſto eifrigerer Berathung unterziehen.

Zwar bewirkten zu Bafel die Gefanbten des Kaifers eine Ver- lingerung der Citationsfrift'), aber bie Erbitterung der Väter gegen Eugen war nicht mehr zu hemmen. Schon fielen öffentlich beleidi— gade Worte und ſchwere Befchulpigungen gegen ven Papft, während &8 vorher Ton gewefen war, feine Wiberfpänftigfeit mehr feiner Um- bung zur Laft zu legen, vie in eigenmüßiger Furcht die Reform md das Concil haſſe. Man ſtellte mit bitterem Ernte vie Frage auf, eb es nicht nüglich fein dürfte, ven Papft gewiffer Gefchäfte, wie der Kirchen- und Pfrünpenvergabung, der Sorge für pas Weltliche überhaupt ganz zu entheben und fie dem Eoncil over ven Orbinarien anjuvertrauen. Die eigentliche Würde des Papftes werde baburch nicht beeinträchtigt, feine Hände blieben rein von diefen fchmusigen Dingen und er könne fich mit ganzer Seele der Sorge für ven Glauben, ven Gottespienft und die Kirchenbefferung hingeben*). Die beuchlerifchen Gründe vervedten die Drohung nicht.

Auf Signiund's unermühliches Betreiben erfchien am 1. Au— gaft 1433 eine neue Bulle, worin Eugen das Concil noch einmal aerlannte und auch ausfprach, daß er e8 als niemals unterbrochen anfehe. Aber auch viefe Bulle war in Form und Inhalt zu Fünft- ch ind unbeftimmt, um das Mißtrauen zu ftillen. Gehoben durch vie bisherigen Erfolge, fah das Concil den Sieg nur in ber unbe- vingten Demüthigung des Papſtes. Mochte ver Kaifer immer von Neuem warnen, mochten außer ven burgundifchen nım auch bie eng-

) Patric. cp. 30. ) Mai 1433; cf. Turrecremata’s Tractat bei Mansi XXX. p. 574. Beigt, Enea Silvio 1. 5

70 I. 3. Umjingelung des Bapftes in Rom 1433.

dem Wiverwärtiges begegnete, entſpann fich in langen und unfid baren Fäden aus dem Haffe des Herzogs.

Die Noth des Papftes begann, jobald Sigmund am 14. Al guft Nom verlaffen hatte. Die Colonna erhoben alsbald wieder d fühnen Häupter. Sie nahmen ven Sölbnerführer Fortebraccis ber fich Capitano ver h. römischen Kirche und Erecutor des heilige Eonciliums nannte‘), insgeheim aber in mailänbifchen Dienften ſtam mit feinen Banden in ihre Burgen auf. Antonio Eolonn« Fürſt von Salerno, war das Haupt des Aufſtandes. Aber am fein Bruder, der junge Cardinal Prospero, eilte aus Rom und z ben Seinen, obwohl er bei ver erjten Empörung vom’ Papfte U gelinvefte Behandlung erfahren hatte. Bald lagerte Fortebraccio m 7000 Pferden und Füßern vor Rom, bejettte alle Tiberbrüden außer balb ver Stadt und auf allen Straßen die feiten Schlöffer. M dem Reſte ver Truppen zog er von einer Stadt, von einer Provin bes Kirchenſtaats zur andern. Der Papft, vie Earbinäle fo wie d Beamten der Curie wären gern alle davongegangen, aber ohne u höchite Gefahr Konnte niemand aus der Stadt. Die Cenfuren m Strafen, die Eugen von Neuem verhängte, halfen ihm nicht, er wu des Geldes entblößt, Konnte feine Söldner nicht befriedigen, und j feiger im Treffen, je räuberifcher in der Stadt diefe wurden, bei mehr ſchob das murrende VBolf alle Schuld auf den Papft*). She fühlte er fih im Vatican nicht mehr ficher, begab fich für-eine Zul in die Mitte ver Stadt nach der feiteren Kirche San Lorenzo U Damafo, zog neue Truppen an fich, auch aus ber picenifchen Marl bie ihrer gerade am meiften bepurfte. Es ging der Kirche damall jagt fein Leivensgenoffe, ver Secretair Flavio Biondo?), wie eine alten verwitterten Gebäude: will man auf ber einen Seite eime neuen Ballen einziehen, fo ftärzt auf der anvern ein großes Maneı ftüc zufammen. Wurben die Truppen an eine Stelle, wo fie Net waren, geführt, fo fielen in ver verlaffenen Gegend die Burgen ur Flecken zum Feinde ab*).

Dennoch war, was in ver Umgebung Rom's gefchah, nur e

) Bergl. |. Schreiben b. Mansi XXXI. p. 179.

2) Intra urbem nihil sani neque pacati videbatur, fagt Leon. Aret nus ap. Murat. Scriptt. XIX. p. 937.

?) Dec. III. Lib. V. p. 474.

) Hauptquellen dieſes Abſchnitts: Blondus 1. c.; mehrere Berich eines Deutfhorbensgefandten an ben Hocmeifter im G. Archiv

vu.

I. 4. Beſuch in Ripaille 1435. 87

hatte den Lärın ver Waffen von feinen Bergen fern gehalten und oft genug den Schiedsrichter zwifchen den Fürften gemacht. Seine Weisheit war anerkannt und bewundert. Dazu war er reich, mit vielen Fürſten verwandt, fat mit allen befreundet. Sollte ihn nicht ver Ruhm gelodt haben, nach glüclichem Abſchluß feines weltlichen Lebens, befleivet mit ver breifachen Ziara, auch ver zwiefpältigen Kirche die erfehnte Reform und mit der Reform ven Frieden zu geben? Das pifaner Concil hatte Alexander V, das coftniger den Colonna erhoben, pas basler fchien einen ähnlichen Ausgang nehmen zu müſſen. Gleich nach ver erjten Auflöfungsbulle, vie Eugen gegen vefielbe richtete, hatte Amadeo dem Concil feine Dienfte angeboten uud es zum Widerſtand ermuntert‘). Das thaten damals viele dürften. Jetzt aber ftand die Erifis vor ver Thüre. Eine Yus- gleihung zwifchen PBapft und Concil, wie Sigmund fie wollte, er- wies fich immer mehr als unmöglid. Es fehlte nur noch ein küh— ner Riß und das Schisma war vor aller Welt Augen bloßgelegt. Geſpenſtiſche Weſen oder Wahrfägungen follen Amadeo enthüllt haben, daß das Eoncil Eugen entjegen und ihn zum höchften Pon- tifcat erheben werde. Der Verdacht, vaß er vie Hand darnach aneſtrecke, war bereits rege. Ye mehr er dem Concil feine Erge- benheit bezeugte, veito zuverfichtlicher legte ihm das Gerede ver bente eine ehrjüchtige Abſicht unter”).

Ohne Zweifel hatte Eugen dein Carbinal von ©. Eroce einen Veſuch in Ripaille geboten. Als er mit feinem Gefolge vas. Ufer beftieg, trat ibm Amadeo, begleitet von feinen ſechs Ritter-Eremiten md einigen Priejtern, bis zur Manuerpforte entgegen. Sie küßten änander mit vieler Zärtlichkeit, ver apoftolifche Legat fchien die Be- khrung des Fürften nicht genug bewundern und loben zu können, ven ex einst in golpgeftidten Stleivern, von glänzenden Höflingen und Leibwachen umgeben gejehen. Dennoch mochte er denſelben Atgwohn in fich tragen, den feine muthwilligen Secretaire ziemlich td zu äußern wagten. Piero va Noceto fchrieb einen anzüglichen Ausipruch Cicero's mit Kohle an eine Wand des Palaftes, freilich ur im Beifein feines Freundes "Piccolomini’). Nach fünf Jahren

) Sein Schreiben an d. Concil v. 26. Yan. 1432 im Cod. Jur. can. 69 ver Wiener Hofbibliothel.

» Pii Il. Comment. 1. c.; Campanus p. 982; Patric. cp. 103; Bloadus Dec. IH. Lib. X. p. 558.

'), Totins autem injustitiae nulla capitalior est quanı evrum, qui cum

I, 4. Enea's Reifeabenteuer 1486. 95

So blieb Enea in ver wunderlichiten Lage mit einem Wegführer

und zwei Dienern im Kreiſe von etiwa hundert Weibern, vie eine Grappe ums Feuer bildeten, Flachs reinigten und dabei mit vem Dol- metiher ſchwatzten. Plötzlich fchlugen die Hunde an, vie Gänfe fchrien: im einem raſenden Tumult liefen die Weiber auseinander und die Weg- führer davon. Der Feind, hieß es, ver Feind! Enea befchloß, lieber in vem Gemach over vielmehr Stall zu bleiben, als draußen im Daxteln dem erften Beften in vie Hände zu fallen. Bald aber kehr⸗ im die Weiber zurüd und fagten ihm durch ven Dolmetfch, es fei nichts Schlimmes, nur Freunde feien gekommen.

Enen war aber doch froh, bei Tagesanbruch davonzukommen. Sein Weg führte ihn über Newcaftle, wo er zuerft wieber civilifirtes Land zu erblicken glaubte, nach Durham); hier wurbe ihm Beda's von den Ummohnern hochverehrte Ruheftätte gezeigt. Er durchreifte übrigens England oft auf Umwegen, gleich jemand, ver wohl weiß, daß er dies merkwürdige Land fo leicht nicht wiederfehen vürfte*). Vährend des Rittes nach London gejellte fid, einer von den Richtern Englands zu ihm (wohl ein Sheriff) und erzählte ihm Alles, was 3 Arras verhandelt war, mit den verbiten Ausfällen auf ven Car- vimal von ©. Eroce, den er einen Wolf im Schaafspelz nannte. Der vorfichtige Enea ftellte fich, als wiffe er von allem vem nichts. Ya London hörte er von dem Gebot des Könige, daß niemand bie Iafel ohne einen königlichen Geleitfchein verlafien dürfe. Doch lie— den fih die Hafenwächter in Dover leicht beftechen und viesmal ſeite ex glüdlich über.

In Bafel traf er feinen Freund Piero, nicht aber feinen Herrn, den das Concil unterdep zur Uusgleichung der Kriegshändel zwifchen Benevig, Mailand und dem Papfte nad) Stalien gefchiet hatte. Ihn m Bologna aufzufuchen, wo Eugen damals feine Curie hielt, hatte Enen wenig Luft’). Auch kehrte der Cardinal bald wierer nach Daiel zurüd. Piero va Noceto aber begab fich an die Curie und

) In den Comment. heißt der Ort Dunelmia, in der Orat. in conventu Viennens. ed. Mansi T. I. p. 294 noch corrumpirter Dimelina.

)Campanus p. 982.

)A. 8. epist. ad. Petrum de Noxeto v. 7. Mai 1456; de vir. clar. V: &d cum revertissem (ex Scotia) nolui esse apud Eugenium in Bononia, ne mihi imputaret facta Novariensis. Fui ergo Basileae interfuique omnibus, fett acta sunt contra Eugenium.

96 I. 5. Die Parteien des basfer Concils um 1436.

ſah erſt nach zehn Jahren und unter ganz andern Umftänven feine Freund wieder.

So haben wir nun nen wieder nach dem Sitze des Condl begleitet, wo er feitvem über fieben beveutungspolle Jahre verweilk wo er zuerit feine Talente und feine Bildung vor einer glänzenbe Verſammlung zeigen und um ihre Belohnung bublen fonnte. E Mann von 30 Jahren, froh ver Bewegung und noch unbekümmg um ihr Ziel, hatte er fich ſchon von mancher Welle, die der Augen blick heranführte, forttragen laſſen, bis fie ihn einer andern zuwarf Im Zeitraum eined Jahres diente er einem Verſchwörer gegen ba Papft, darauf dem treujten Anhänger vejjelben, um dann wieder i das Heerlager ver principiellen Gegner bes italienifchen Papſtthum überzugehen. od

4 . —— Fünftes Capitel. . Die Parteien des Coneils, ihre Zuſammenſetzung und ie Beitrebungen. |

Zu Bafel Hatte ſich während ber Zeit, dic Enea in Landen zubrachte, die Geftalt der Dinge mwefentlich verändert, vielmehr während ver Criſis waren die Parteigruppirung jchroffer hervorgetreten, hatten ihre Zufammenfegung wie ihre fichten deutlicher enthüllt. Eugen mußte exrjt fo tief niederge fein, als er es jett war, um aus der Reaction, die fich gegen Sieger kundthat, eine Heine päpftliche Partei emporwachſen zu fehe Florenz und Venedig waren damals feine einzigen Bundesg anf Erden, die Prälaten und Gefandten dieſer beiden Republiken einzigen in Bafel, die ihm das Wort rebeten. Außerdem waren di Herrfcher von Burgund und England feiner Sache zwar zugeneighl aber ihre Gejandten, wenn fie überhaupt ftändige am Concil hatte regten ſich wenig und ihre Prälaten fühlten fich nicht an vie An fihten ihrer Territorialferren gebunden. Indeß führte dem Papfl thum auf principiellem Wege der Siegesübermuth feiner Gegne einzelne neue Kräfte zu. Jeder Anſpruch, den Eugen erhob, wurb ihm als unleivlicher Trotz ausgelegt, jeve Aeußerung feines Willen

9 I... ze darnde rom Comet Seommr

weide 25 !cme erri sr I *zörmIeng I Negermier zer jur X iriereng er ertunhen oe Amer mia Dei ı für rie Reiser rer Mirce zit, wor er nnd dei rem Rerhog langen über gie Mezsırs zri Sem ter Emmcis game"), di zum legiez Mal. Tie ricncesiee: Ackteroma rei Siexe, nnebrende Heitiggen gege Faycı nr For maser: La en| je fibönen Eefmungen ure, pimstıez jenen izeien Cxrbeiarıund, rent tie ortern Bw tis Comcis orfüzea rer ver befe bewabrte er mitten im Ztörmen rer Furmimerb jeine milde reine Gefinnung Zefair er aber jmwarkız, ichuir er and Legatenpflicht ſich annahm, ver Feribeirigm; ver areftelijcen W terität, überflitbete tie inrmiide Bewegnag das Anjehen, d bisber genelien. Kelt jeren wir ven Terug res Concilö ven nietergelegt une in rie Hande eines audern Furtibanpteä überze Ihm an Gefinnung nit unihnlich, aber kühler cur nüchtergf war ter Gartinal- Preeister ven San Tietre in Binceli, Jug Gerranıes, ein feiter, rechtlicher Mann’, ter die Rarteien ü haupt nicht liebte und feine Tür gerecht bielt, aber doch, fchen d Kegat, jeinen Herrn verfocht. Tieie beiten Carriniie waren ri feicht die einzigen Männer zu Bajel, tie aus fittlicher Hobeit zugfel dem Concil ergeben une tem Papite treu blieben, tie vie Crfak fchmerzte, daß man nicht zweien Herren dienen könne. Der Cardinal ven S. Ercce war immer nur für I Zeit in Bafel gewejen. Männer ven jeiner Heiligleit und vor Ci vantes’ Ruhe waren ver Öegenpartei gerate tie unbequemften; bang entfernte fie das Goncil, inveni es ihnen mit jühen und ſchmeich haften Worten vie Yegation auftrug, in Italien ten Frieven zwi Fürſten und Völkern berzuftellen?); es verichidte Eugen's Leg während tiefe zur Vertheivigung ihres Herrn gerate am nothi digften waren. Albergata, obwohl ihn das basler Treiben fi genug angewibert hatte, mußte doch auf Eugen's Geheiß noch em dahin zurũd. Auch Cervantes war in den entſcheidenden Tea

| ’) Bergl. f. Antwort anf die Rede ter päpſtlichen Botichafter b. Mandl XXX. p. 946. ”) A. 8. Comment. ed. Fea p. 48 nennt ihn vir rationis et amator pacis bominum, guos unquam novi, rectissimus. cf. Ciacon. II. p. 860. >) Diefes Decret v. 7. Ang. 1484, welches fich in den Eoncilienacten nirgeml findet, theilt Sigonius 1. c. p.485 ans ben Familienpapieren ber Albergati mt ef. Ambrosii Camaldul. Epist. I, 4. (in Martene et Durand Collest. II]

I. 5, Die franzöfifche Partei. 99

wieder da. Ein entſchiedenes Parteihaupt kam aber erſt gegen Ende des April 1437 dazu, der Erzbiſchof von Taranto; das war ein ganzer Mann ſeiner Sache, unbedingt und ſchroff in ſeinen Meinungen, ſtets zu ſtürmiſchem Wort und kecker That entſchloſſen. Dieſen Sinn hatte er ſchon früher bewieſen, als er 1434 als päpft- licher Geſandter nach Baſel gekommen war. Wenn vie Legaten ſchwankten und verföhnen wollten, tricb er zum energifchen Bruch). Us nüglihe Werkzeuge, um Theorien zu verfechten, vienten ver Dominicaner Yuan de Torquemada, ver grünvlichite Theolog und Ganonift feiner Zeit, und Nicolaus von Cues, ver als An- bönger Ceſarini's nach Bafel gefommen war, aber früher als biefer die Sache des Concils verlieh.

Die Gegenpartei nannte man in ver Regel bie franzöfifche, weil die Prälaten Frankreichs in ihr vorherrſchten und weil balo ein Franzofe fie völlig Eeherrfchte. Keine andre Nation war auf dem Soncil fo reichlich vertreten, feine bildete eine jo einmüthige Maſſe. Der König von Frankreich Tieß ihr völlig freie Hand, fie durfte feinen Geſandten ſelbſt in wichtigen Fragen entgegentreten. Kr Shhloffen fich vie fpanifchen Biſchöfe an; vie wenigen englifchen, mehr deutfche, vie mailändiſchen und unteritalifchen ſtanden zu ihr. Der Majorität war viefe Partei in allen Deputationen gewiß: mit Feichtigkeit hatte fie ven Annatenbefchluß durchgeſetzt, ebenfo Leicht errang fie in ver Griechenfache das Uebergewicht und feit ihrem etihievenen Siege wurte fie fortwährenn durch Neuankommende ver- färkt, während viele ihrer Gegner fich mißmuthig zurüdzogen.

Nur ein Cardinal war auf dieſer Seite, aber wie an firch- (her Würte war er auch in jeder perfünlichen Beziehung ver her- rerragendſte Mann, ver vorfchreitende Führer feiner Partei, an eigentlicher Macht nes Geiftes unter allen verfammelten Vätern nur Ceſarini vergleichbar. Ueber zwölf Jahre lang erfcheint pas Concil wie an feine Perſon gefettet; jo türfen wir nicht haftig über ihn Hingehen.

Louis d'Allemand entjtamınte einem edlen burgundifchen oder ionopifchen Gefchlecht, war Doctor beiver Rechte und Erzbifchof von Atles, als ihn Martin V nach Italien berief und zum Cardinal mit dem Titel S. Cecilia erhob (1425). In der Regel aber nannte won ihn ven Sarpinal von Arles'). Bei Martin ftand er in

') Er wer nad Blondus Dec. III. Lib. III. p. 446 patria Sabandiensis, 7 *

100 1. 5. Cardinal d'Allemand.

hoher Gumft, er verwaltete unter ihm tie fchwierige Legation Bologna. Als ein Freund der claffifchen Studien und der feiı Beredtſamleit hatte er hier den berühmten Filelfo zu Vorlefung gewonnen und zu feinem Jahresſold 150 Ducaten aus eigner Ko ausgeſetzt). An Eugen’s Curie gehörte er ftetS zu denen, wel dem Concil das Wort redeten; denn er war ven Colonna ergeh ein heftiger Ghibelline und nicht aufrichtig gegen ven Papft, i feinerfeit8 gegen ihn alten Groll hegte. Vergebens bat er oft. die Erlaubniß, fich zum Concil begeben zu dürfen. Da Inüpfte ı wie e8 fcheint, mit dem Herzog von Mailand Unterbandlungen a er wollte Rom insgeheim verlaffen; ein genuefifches Fahrzeug ı wartete ihn, verſteckt im Schilfe des Tiberfluffes. Aber kaum ba er die Stadt hinter fich, als er am Ufer plöglid von Menſch angegriffen wurde, bie, wie er vermuthete, den Orfini zugehört Anfangs half ihm fein gutes Pferd zur Flucht, dann ftürzte ı ver Carbinal mußte zu Fuß weiter und entging kaum ben Feinde indem er ſich in den Büfchen verkroch. Doc fand er das Ba und gelangte in vier Tagen nach Genua. Der Herzog von Maila empfahl ihn dem Concil als einen Hugen Mann, von bem v Augen zu erwarten fei*). j

D’Allemand war bald der einzige Carpinal, ver fich mit & fchiedenheit auf die Seite des Concils fchlug; denn Capranica hai ſich damals bereits mit dem Papfte ausgeföhnt und Cefarini war if niemals abhold. Um jenen fchaarten ſich nun bie Franzoſen, fe Anfehen ftieg in demſelben Maaße, wie pas Ceſarini's abnahm m wie ftatt der Freunde des Concils die Feinde des Papftes im b Borvergrund traten. Es fehlte ihm werer an Rechtskunde noch ı hinreißender Berebtfamteit, weder an Muth noch an Auspaner, web an dem Chrgeiz des Herrichers noch an ber Fähigkeit des Er ſagens. Sein Leben war von jedem Vorwurf finnlicher Luft fr gleich dem Ceſarini's, aber als Parteiführer hatte er vor dieſem elı höchſt wichtige Eigenfchaft voraus, dag ihn nämlich die Schmähung und Beleidigungen wenig kümmerten, bie gegen ihn, wie es feh

nah Ciacon. II. p. 841 aus Arbencium apud Burgesios im Erzſpren von Befancon (wohl Arbois im Dep. Jura); cf. Petri Saxii Pontificis Arelatense in Menckenii Scriptt. rer. Germ. T.I. p. 330.

') Philelphi epist. ad Joh. Aurispam v. 23. Febr. 1428.

) Das herzogl. Schreiben v. 21. Juli 1433 6. Mansi XXX. p. 626.

104 I. 5. Das Recht zu Sit und Stimme auf dem Concil.

gut findet, ihnen zu übertragen‘). Auf den Diöcefanfynoven hab fie nicht zu urtheilen und zu entfcheiven, fonvern die Anorbnunge bes Biſchofs entgegenzunehmen und ihn höchſtens zu berathen?). Während nun auf ven Concilien des 15. Jahrhunderts be Episcopalisnus fi) dem römiſchen Primat gegenüber in feine Schroffiten Form entwidelte, zeigten fich die Biſchöfe auffallend ge neigt, den niederen Orbines und felbft ven Laien eine Mitwirken an ihrem bierarchifchen Organ, an ven Synoden, zu geftatten. Si bedurften ihrer als Hülfsmächte gegen das Papfttfum. Wäre di bifehöfliche Ariftocratie nicht jedesmal im Kampf erlegen, bevor ein Organifation in ihrem Sinn zu Stande fam, fo hätten die Helfe ihren Lohn geforvert, fo hätte leicht eine clericale Democratie au die bifchöflichen Site erjchüättert. Die Neigung dazu war in Baſt ſchon fehr fichtbar, vie neue Theorie entwidelte fich ſchon beutlid In mandem Kopfe bilvete fich die Vorftellung von einer gleichmäß gen Abftufung des Clerus, fo daß vom geringften Subbiaconen Hi zum Nachfolger Petri hinauf vie nievere Stufe jedesmal vie höhe befchränfen und beauffichtigen follte. Parochial-, Diöcefan-, Metri politan- und öcumeniſche Synoden bildeten dann die hierarchifd Leiter, die vom einfachen Pfarrer bis zum höchiten Biſchof hinan führte‘). Einem an weltliche Begriffe gewöhnten Zeitalter erjchie ein bisciplinarifcher Mechanismus, wie er fich von politifchen od andern Imftitutionen ablernen ließ, faßlicher und bequemer als di tieffinnige, Tünftlerifche Bau des hierarchifchen Organismus. Blieb ı gleich bei dieſer bloßen Vorjtellung, jo erklärt fich doch die hoffnumgl volle Erregung, die fich allen Stufen des Clerus mitgetheilt Hatte, Für die Zulaffung der niederen Geiftlichfeit und ber Laien ; den Synoben pflegte man ſich auf das Beifpiel ver älteren Slirde | berufen. Freilich find auf ven älteren dogmatifchen Concilien bäuf auch Laien erfchienen, . Presbhtere und Diaconen wohl auf alla So lange Kaifer die Concilien beriefen, konnte man fie ober ifi Stellvertreter nicht ausfchließen. Gelehrter Männer, fpäter befor ders der Doctoren ver Theologie und des canonifchen Rechts, Bi diente man fich oft zur Disputation gegen Irrlehren. Arius we Preshyter und Athanafius Diacon, als fie zu Nicäa über vie Xr

) ©. Phillips Kirchenrecht II. ©. 232.

) Phillips a a. O. S.235 und in dem Werk: „Die Diöceſanfynode 2, Aufl. ©. 14. 16.

’) Bergl. 3.8. Nicol. Cusa de concord. cathol. cp. 15.

!

108 I. 5. Zuſammenſetzung bes basler Concils.

Diefe Eoncilienväter ftügten fih auf ihre vom Papfte ımz« hängige Stellung, fie waren am entfchloffenften, feinen Wiverfta zu brechen, fie folgten dem Cardinal von Arles am unbebingtefte Je mehr ihrer eintraten, vefto leichter wurde ven folgenden die An nahme. Das zur Controlfe berufene, aber aus dem Concil fell hervorgehende Amt der Duodecimvirn ftörte immer weniger, | öfter fie jelbjt aus jener Klaffe waren. Auch war ihnen vorge fchrieben, feinen, ver nur eine kirchliche Dignität bekleidete, zuräd zuweifen, er müßte denn ein notorifcher Verbrecher fein‘). Es 1 wohl eine Uebertreibung, wenn Enea Silvio fpäter verficherte, 4 habe unter ven Bifchöfen und Vätern zu Baſel auch Köche u Stallmeijter zu Rathe figen geſehen“). Aber unleugbar tft, de

. bald Schreiber und Eopiften zu dieſer Ehre gelangten, wofür Em

Silvio felbft als ein Beifpiel ftatt vieler dienen kann. Unlen— bar ift ferner, daß bald einige Prälaten ihre Dienerfchaft mit I die Congregation nahmen,‘ um durch Schreien und Toben ihre Worten Beifall zu verfchaffen, ven Gegnern Schweigen zu gebiet und auch eine hanpgreifliche Unterftägung in ver Nähe zu babe So entjtand die tumultuarifche Maffe, vie dem Cardinal von Arlt als dem Fühnften und exrtremften Führer blindlings folgte, die ve feiner Maaßregel zurüdichral und ven ehrwürbigen Namen ver Eos cilienväter mit Verächtlichfeit brandmarkte.

Kein Vorwurf, den das Eoncil hören mußte, war fo wohl I gründet als dieſer gegen feine Zufammenfegung gerichtete‘). Am

’) A. 8. Coimment. ed. Fea p. 46: ne quemdam in dignitate constitı tum, nisi criminosum atque infamem, repellerent.

?) Orat.“adv. Austriales (1452) in Pii II. Oratt. ed. Mansi T. I. p. M

3) Schon 1432 fagte der Erzbifhof v. Taranto in feiner BVertheibi gung Eugen's: multos illio (Basileae) confluxisse rerum novarım cupide post exortam seditionem (zwiſchen Eugen und dem Eoncil); Patric. cp. 4 A. 8. Comment. cd. Fea p. 46: tanta multitudo plebejae faecis impleri synodum, ut nulla vox esset nullaque potestas episcoporum, quia non 2 tione sed numero vote congregationis aestimabantur. Turrecremat Summ. de ecel. III. cp. 15: Basileense concilium fuit toti Ecelesiae scas dalosum, quod maxime evenit ex hac indiscreta admissione multorum & voces diffinitivas in concilio. Patric. cp. 54: Haec factio ex vili pleb magna ex parte constabat, quamvis ducem haberent Cardinalem Arelatenser et nonnullos alios praelatos. Genug ber Beifpiele! Aehnliche Borwätl wurben von Eugen, 3.8. in ber Eonftitution Moyses, und von feinen Auhär gern in Maffe gegen das Concil gerichtet.

I. 6. Borbereitungen zum Unionsconcil 1436, 115

icht genehm war, ver oft genug verfichert, er könne, feiner Kränk⸗ ichleit und der Gefahr des Firchlichen Gebietes wegen, Italien nicht exlaſſen. Ceſarini nahm fi des großen Zwedes, ver Glaubens- abrũderung zwifchen Orient und Occident, mit vemfelben heiligen ker an, wie vorher ver Böhmenfache. Aber während er das wc mit dem Papfte, ohne ven jener Zwed nicht zu erreichen w, in Einklang zu bringen fuchte, empfand er bitter, daß er bie welifche Herrſchaft über die Väter bereits verloren, daß fie an em demagogifchen D’Allemand übergegangen war.

Nach dem Bertrage hatte ver Kaifer fchon im Juni 1436 von kefantinopel ausjegeln follen. Das war unmöglich. Die Frift wbe baber in ver 24. Sikung des Concils bis auf den Mai ves Infigen Jahres verlängert‘), Durch dies Zögern gewann nicht % Concil, nur Eugen, ver fich unterdeß von den Schlägen, die in getroffen hatten, immer mehr erholte.

Zugleih wurde in jener Sitzung troß der Mißbilligung des fies das Indulgenz⸗Decret durchgeſetzt. Das Concil öffnete 4 Bertreterin ver gefammten Kirche ven Weichthum ihrer geift- Ken Schäge. Wer zur Griechenunion fo viel Geld beitrage, als swährend einer Woche mit feiner Yamilie zur Nahrung brauchen inde, ſollte denſelben Ablaß für alle Sünven erhalten, die er be- zei uud gebeichtet, als fei er im SJubeljahre zu Rom gewefen ober m Bertheivigung des heiligen Landes ausgezogen. Wiederum tha- a die päpftlichen Legaten Einſpruch. Nur 23 Infeln, darunter w 10 Bifchöfe, follen bei diefer Sigung geweſen fein").

Da man indeh die Hingenven Erfolge der Ablaßbulle nicht erſt Iserten konnte, befchloß das Concil auf Ceſarini's Rath, daß vie- Ri Stadt, welche das Unionsconcil in ihrer Mitte fehen wollte, pr vorläufigen Danke die Anleihe von 70,000 Ducaten übernehmen u tealificen müſſe. Es wurden Boten zu den wählbaren Städten wbergeichicht. Vier erklärten fich Bereit. Davon waren Venedig ws Slovenz durch Eugen angeregt. Der Herzog von Mailand Set ſich für Pavia, aus Eiferfucht gegen die beiden Republiken W weil er mit dem Concil ven Zügel ver firchlichen Oppofition iu feiner Hand zu haben wünfchte. Auch bei Avignon Hatte man

) Des Decret v. 14. April 1436 b. Mansi XXL. p. 121. Patric. cp. 52. Die wortreiche Ablaßbulle ſelbſt b. Mansi l. c. 13. |

gr

128 1. 6. Ausbruch des Schiema im Council 1437.

war, ver nicht verlangt hätte, feine Hände mit Priejterblut zu I fleden, und doch war ihrer Gefammtheit zuwider, was bie Einzeln wollten. Unter ven Brälaten wiederum war niemand, ber ven 6 laß widerſprechender Decrete billigte; was aber jedem Kinzeln mißfiel, thaten fie in ver Gejammtheit.«

Die Feier begann, wie gewöhnlich, mit dem Gefange des Ve creator Spiritus, wobei ſich mancher feine befonveren Gedank machte. Dann las der Bifchof von Albienga von ver Canzel hen das Decret ber franzöfiichen Partei‘), von einer andern Erhöhn aus der Bifchof von Porto das der Legatenpartei. Letteres w das fürzere; fobald e8 verlejen, ftimmten feine Anhänger als üblit Beftätigung das Te Deum laudamus an. Ohne fih um bief Gejang zu fümmern, begann die andere Partei venjelben Hymm fobald ihr Biſchof mit ver Verlefung feines Decretes fertig gewo den. Die unheimliche Art von Ruhe und Würde, die babei in d Verfammlung herrfchte, machte einen wiverlichen, ja ſchaurigen Ei druck auf jeden Beſſern. Enea wundert fich, wie einige über b Disharmonien hätten lachen können, ihm fei der Geſang vielmel wie ber. Schwanengefang des Concils erjchienen. "Wenn fell die Weifen närrifch werben, jagt er, fo übertreffen fie darin al Thoren, wie aus dem reinften Weine durch. Verberbniß ver bei Eifig wird.» -

So entitand das Schisma. Lange hatten beide Theile, w man aus ihren immer wieberholten Sühneverfuchen erkennt, dem letzten Schritte fich gefcheut. Energiſch und haſtig drängt fie jeßt, die nothwenbigen Confequenzen daraus zu ziehen.

Das Decret der franzöfifchen Partei wurde fchon am folgende Zage mit der Bulle verjehen. Uber ven päpftlichen Legaten gelas e8, ihr Decret durch Beftechung des Siegelwächters unterzufchiebe der dazu das Siegel des Concild entwenvete. efarini wuß darum, Leute aus feinem Gefolge waren die Schulvigen. Der S bifehof von Zaranto aber, der die That muthig eingeftand, wur als Fälfcher in feiner Wohnung gefangen gefeßt und vor ein G richt von Biſchöfen gezogen; im Juli entfloh er zu Eugen, d

') Eigentlich zwei Decerete, von benen das eine (b. Mansi XXIX. p. 18 den Ort bes zufünftigen Concils ernennt und den Zehnten auferlegt, bas a bere (ibid. p. 136.) den Avenionenfern für bie Anleihe die verlangten Gara tien gewährt. Das Decret der Gegenpartei b. Raynald 1487 n. 7.

1. 7. Stellung der Parteien umb ber Fürften 1488. 131

am hellen Mittag ab, faft alle Prälaten, die zu Baſel anweſend "waren, gaben ihm das Geleite'), er fchieb in Frieden umb ging zicht zur Gegenpartei über, ſondern wurbe binübergebrängt. Sechs Jahre hatte er dem Eoncil vorgejtanden und bis zum lebten Partei- kupfe hatte fein Geift es geleitet. Ihm folgte die Achtung felbit derer, bie er fortan befämpfte, und von ihm, ven er bisher fo oft kelimpft, von Eugen, warb er als Freund empfangen").

Die Päpftlichen verließen Bafel nicht als eine organifirte Partei md in Maffe, fonvern allmählig, einzeln und aus verfchievdenen Bes wegränzen. Früher als Sejarini war Nicolaus von Eues ab- gapen, dem auf der andern Seite reichere Lorbeeren winkten. Desgleihen Tommaſo Barentucelli, Albergata’s Hausmeifter, ver fpätere Papſt. Ihm rip bei dem Streit über das Unionsconcil ' we Geduld: bie basler Synode, fagte er einmal heftig, fei nicht vie Sirhe Gottes, fonvern eine Synagoge des Satan; die gereizten Biter wollten ihn feftnehmen lafien °).

Der Parteifampf hörte darum nicht auf, als die meilten Un- hinger Eugen's fich über die Alpen zurücgezogen hatten, er verlor am den ftreng-gegenfäglichen Character. Die Schaar d'Allemand's, eine entfchievene Majorität, in welcher nur bie firchlichen Würben frerfam vertreten waren und bie ter Zuftimmung ber Fürften oft und immer öfter ermangelte, war die einzige Partei, die ſich fogleich entichloffen zeigte, ihre Grundſätze mit ftrenger Conſequenz bis zur Aſezung des widerfpänftigen und ketzeriſchen Papſtes und bis zur Babl eines neuen durchzuführen.

Ar zwei Fürften billigten das Procepverfahren des Concils, Afonſo von Neapel und ter alte Amedeo von Savoyen, ber Ge- fendte an Eugen ſchickte und fich hemchlerifch zum Vermittler zwijchen ihm und dem Goncil erbot‘). So entjchieren, wie fie gegen, waren Flerenz und Venetig für Eugen. König Heinrich von England war dem Concil feit Jahren abhold, ſchon weil die Franzoſen auf dem— ſelben vorherrfchten °): er ſchalt vie Väter bitter über den gegen Eugen verhängten Proceß und fprach in ver Ueberfchrift des Briefes

N Palomar b. Mansi XXXlI. p. 202. ) Sanudo l.c. p. 1066. cf. Ambrosius Camaldul. epist. XII, 30 (if Martene et Durand Vett. Scriptt. et Monum. Collectio T. II.). ) A. 8. Comment. ed. Fen p. 63. ‘, Patric. cp. 68. Nef. Raynald 1438 n. 14. 9*

132 I. 7. Barteiftellung der Deutſchen.

von ver basler Kongregation, nicht vom Concil!). Aehnlich He 309 Philipp von Burgund. Karl von Frankreich vagegen hatte na den Vortheil feiner Landeskirche und feinen eigenen im Auge: 4 - verbot feinen Bifchöfen, das ferrarefiiche Concil zu befuchen, (id

die einzelnen Franzoſen zu Bafel thun, was jie wollten, verlangl aber durch feine Geſandten den Auffchub des Proceſſes. A werden ſehen, wie bie franzöfifche Kirche bald ihre Freiheiten | Sichere brachte und ſeitdem weder bes Concils noch des Papfie mehr beburfte. K

In Deutfchland waren ter Kaiſer und die Kurfürften, wie zu Bafl bie deutfchen Concil-Väter und Gejanbten, darin ganz einmüthig, fte nicht wußten, was fie wollten, was fie billigen oder mißbi follten. Der greife Sigmund war fehr froh gewefen, als F December 1433 Papſt und Concil zu einer ſcheinbaren Ausſoö bewogen hatte. Für diesmal war er noch glücklich zwiſchen J ſicherungen, die er dem Concil gegeben, und dem Verſprechen, DEM er bei ver Krönung dem Papſte geleiftet, hindurchgekommen. dem aber hatte es ihn oft geärgert, daß die Väter ihre Hände il Reichsangelegenheiten mifchten und feinen Warnungen wenig Gehk gaben?). Das Concil follte vie Kirche reformiren, nicht nur J Gericht figen. Den Gefandten Eugen’s, die ihn gegen das Conch aufbringen wollten, zeigte er fich nicht abgeneigt*), aber eine Ve fegung vefielben außerhalb Deutfchlants war ihm auch nicht recht Concil und Papft verloren daher wenig, als ver alte Herr ai 9. December 1437 feine Vermittlungegevanfen mit ins Grab n Seine Gefinnung gegen das Concil blieb aber in Deutjchland nel fange vie herrſchende: man billigte die Theorien und erwartete I formbecrete, die den Finanzen ber deutſchen Kirche zu Gute kmh aber man ärgerte ſich an ber politifchen Thätigfeit des Concils h weltlichen und geiftlichen ‘Dingen.

Seitdem die Eugenianer jegt ver ftehenve Barteiname 2 das Concil verlaſſen, richtete ſich der Kampf der franzöſiſchen Barkı gegen diejenigen, bie bisher die Vermittler geſpielt hatten und nu ben Schuß des Papftes wenigftens infofern übernahmen, als fie au

') Patric. cp. 72. '

) Aſchbach IV. S. 164. 165. 361; Patric. cn. 60. ®) Ambrosii Camald. epist. I, 11. 12.

) Patric. cp. 42.

1. 7. Abfegung des Papfles 1439. 135

keiten zum Decret erhoben '), aber in der Situng zeigte fich Teiner ver fürftlichen Gefanbten, Fein unteritalifcher, Fein fpanifcher Prälat, ans alien nur ein Bifchof und ein Abt. Zwanzig Mitren ber franöfiichen und ver deutſchen Nation verloren fich auf den langen Vinten im Münfter, bie für vie höheren Rangftufen beftimmt wa- vn. Um die abweſenden zu erfegen, hatte ver Cardinal von Arles einen eigenthümlichen Einfall gehabt, er ließ nämlich alle Heiligen- Reliquien der Stadt in die Sigung tragen und die leeren Bifchofe- Age einnehmen, was eine jehr große Rührung veranlagt haben foll. Ir Abſtimmung freilich bevurfte man viefer ehrwürbigen Stellver- treten nicht; denn auf den niederen Sigen wimmelte e8 von Procu⸗ ratoren, Archiviaconen, Pröpften, Prioren, Presbyteren, Doctoren mb andern, vie feinen Titel führten, ihrer waren 300 bis 400*). m ven Tagen vorher hatte ver Erzbifchof von Mailand einmal vällemand zugerufen, er halte eine Schaar von Eopiften und Schul- meiitern und berathe mit ihnen über ven Glauben, ein zweiter Ea- line, ver alles Gefinvel an ſich ziche.

Für ihre eigene Perſon übrigens billigten hinterher die meiſten fürftlihen Geſandten, insbefonpre ver Bifchof von Kübel als der des Kaiſers und der Erzbifchof von Tours als ver des Königs von Srantreich, das erlaffene Decret. Und in vie allgemeine Congre- gation vom 22. Mai mifchten fich die Gefandten alle wieder. Ein lo zweideutiges Verhalten ermuthigte natürlich nicht wenig zur fchnel- len und rüdfichtslofen Fortfegung des Proceſſes. Man fagte ic fogar, vie Gejanpten jeltft, zumal ver Faiferliche, Hätten insgeheim dazu gerathen ). Sie ſchwiegen wenigftens, als in der allgemeinen Verſammlung auch die übrigen fünf Säge und mit ihnen vie Ab— jetung des Papſtes befchloffen und am 25. Juni in feierlicher Sitzung als Eoncilvecret ausgefprochen wurde‘).

Diefer Sitzung follen nad) einer Nachricht 39 Infeln d.h. Bi- ihöfe und Webte, nach andern ver Bifchöfe nur 7 bis 9 beigewohnt

) b. Mansi XXIX. p. 178.

%) Patric. cp. 92 giebt ihre Zahl bei der Sitzung am 25. Juni auf non minus trecentis, Enea Silvio auf mindeftens 400 an. Lebterer läßt in eines früheren allgemeinen Verſammlung nur 120 Perfonen anmwefend fein (de concil. Basil. p. 40). Dean ficht, wie das Concil zu den Münfter-Sigungen alle feine Perfonalträfte aufbot.

») A. 8. Dialogus de autor. coneil. XII. (in Kollarii Analecta T. UI).

Yb. Mansi XXIX. p. 225 und 179.

136 1. 7. Erneuerung der politifchen Macht Eugens 143441.

haben, während fi ihrer etwa 30 zu Baſel aufhielten‘). Es ig im Intereſſe beider Parteien, viefe Zahlen zu vergrößern ober | vermindern. Während des Proceffes hatte mancher ängftliche

lat vie Stadt verlajfen, andre trieb die ausbrechende Seuche

ben benachbarten Stäbten und Dörfern. Dafür erhielt gerabe.J biefer Zeit pas Eoncil wieder aus Sapopen eine beträchtliche bung von Vätern.

. Damals, als pas Concil auf dem Höhepuncte feiner und Frequenz ftand, war Bapft Eugen ein verrathener und lafjener Flüchtling gewejen. ‘Die Städte und Provinzen des Ki ftaates erfchienen in ven Augen ber räuberifchen Conbottieri a Fürftenthümer, in bie fie fich nur theilen vürften. Aber lan und mit wiederholten Rücfällen wandte fich dem Papſte das wieder zu. Es würde uns zu weit führen, wollten wir bier unaufhörlichen Schwankungen ver italienifchen Staatenpolitit, dit teugvollen Feldzüge und hinterliftigen Friedensſchlüſſe, die ADAM und Wiebereroberungen, die Intriguen und Verräthereien aus erzählen. Begnügen wir und daher mit ven Nefultaten des fiebem jährigen Kampfes. ü

Das rebelliſche Rom wurde zuerft gebändigt: am 28. Octobes 1434 zogen vie Truppen des Biſchofs von Necanati in die Stab bie num unter einer graufamen Schredensherrjchaft jeves Empörung gelüfte vergaß. Nur kurze Zeit hatte ihr Freiheitstraum gewährk die angefehenen Bürger hatten ihn nie getheilt. Der Pöbel oben bie beuteluftigen Söloner, die ihm ftehlen, brennen und morben ger bolfen, und vie Ghibellinen wurden energifcher niedergetreten als je unter Eugen haben fie ſich nicht mehr geregt*).

Der Friede, der am 10. November 1441 unter den kriegfuh⸗ renden Mächten Italiens abgeſchloſſen wurde, war für Eugen une“ wartet günftig. Die Eiferfucht ver Sölpnerführer untereinander unk

') Patric. cp. 92. 145; Torquemada b. Spondan. 1439 n. 32. Rt colaus von Eues fagte 1441 auf dem Reichstage zu Mainz, bie Entjegug Eugen’s fei nur duch 7 Biſchöfe gefcheben, während doch bie eines einfache Bifhofs nach canoniſchem Necht durch mindeftens 12 andre erfolgen müffe Patric. cp. 117.

?) Das Näbere b. Winded cp. 201; Blondus Dec. Ill. Bib. V. p. 49 485. 490; Simoneta b, Murat. Scriptt. XXI. p. 228. 233; Mesticanaa © Paolo di Liello Petrone ibid. XXIV. p. 1107; Platina Vite Eugem- IV. p. 575—79; Raynald 1434 n. 12. .

138 1. 7. Die Concile zu Ferrara und Florenz 1438.

Bologna das öffentliche Eonfiftorium, in welchem er vie Berlegugs des basler Concils nad Ferrara auszufprechen wagte‘). Di Bulle, in vie Verhandlungen über die Griechenunion hineingefchlen dert, war feine Kriegserklärung gegen das Concil, welches denn al fofort mit der Suspenfion des Papftes antwortete. Carbinal N bergata eröffnete am 8. Januar 1438 als apoftolifcher Legat da Concil zu Ferrara, er und Gefarini glänzten hier als vie ebeifle Geftalten ver Verſammlung. Das Eoneil erklärte fich für ein de menifches und gefegmäßig verfammeltes, welches die Griechenunll und bie andern zu Bafel begonnenen Gefchäfte fortführen follte. waren etwa 40 Prälaten anwefend. ‘Das Decret ver zweiten Sitzu an welcher ſchon ver Papft felber Theil nahm, excommunicirte % zu Baſel Zurücgebliebenen, wenn fie die Stadt nicht in 30 Tagi verließen, nahnı ihnen alle Beneficien und Würden und erflärte il feit ver Verlegung erlaffenen Decrete für ungültig. Seitvem a Ichollen die Schmähungen und VBerfluchungen nach Baſel und ne Bafel hin und wierer, wüthende Streitfchriften häuften Befchule gungen und Verleumpungen in Fülle auf ven Gegner. Die bach Synode wurde von ihren Widerſachern eine Congregation genau und vergalt dieſe Bezeichnung mit ver eines Ketzerconventikels. Wbd ver Umjtand, daß man vor der dritten Sitzung des päpftlichen Eeg cil8 bei einer Proceſſion ſchon 130 Mitren glänzen ſah?), verlich ihm doch in den Augen ver Welt einen unbejtreitbaren Vorrang. Am 7. März zogen auch die Bhzantiner in Ferrara ein, da Kaiſer Johannes Palüologus und ver Patriarch von Conſtan tinopel Joſephus an ihrer Spite. Es begannen nun bie langes und grundgelehrten Dispufationen über das Filioque und einig andre Artikel, die nach ver Meinung ver Theologen allein vie grie hifche Kirche von ver lateinifchen trennten und über welche Eugem Borfahren preizehnmal vergebens mit den Byzantinern unterhande hatten. Die griechifchen Prälaten hatten weit mehr Luft zum Hein fehr als fich befehren zu laſſen, aber ver Kaiſer hielt fie feft. Rat einjähriger Wirkfamkeit wurde das Concil nad Florenz veriä und zwar mit Einwilligung feiner Mitglieder, aber doch durch eit päpftliche Bulle’). Hier fam endlich das Nefultat ver vierzeh

)) Raynald 1497 n. 17.

?) Additam. ad Ptolem. Lucens. b. Muratori Scriptt. T. HL P. : p- 870; Patric. cp. 67. 68. 72.

») b. Raynald 1439 n. 1; Patric. cp. 85.

I. 7. Die Schein-Union mit ber griechiichen Kirche 1439. 139

monatlichen Dieputationen, das Concordat mit ber griechifchen Kirche, zu Stande‘). Der Kaiſer und die Geſandten dreier Patri- erhen unterfchrieben es. Bei ver Sigung, in welcher es verlefen werde, und bei den Freubenfeften, welche Eugen zu Ehren ver Union kim fie, zeigten ſich 120 Mitren, im basler Münſter, wo etwa a berfelben Zeit die Abjegung des Papftes verfündet wurbe, nach ver höchften Angabe nur 39. Gleich nad) vem Abzuge der Griechen werde etwa vier Monate lang mit den armenifchen Gejandten ver- delt und am 22. November 1439 eine jogenannte Reformations- hulle der armenifchen Kirche verlefen?).

Mit pomphaften Worten verfünvdete Eugen dieſe Siege ver tintichen Kirche allen Fürften und Völkern. Rühmten fich die Bas- ir, die zwanzigjährige Huffitenfegerei befeitigt zu haben, bie ver dentſchen Nation Ströme von Blut gefoftet, fo hatte Eugen nun ein wirdiges Gegenverbienit: das fech&hunvertjährige Schisma der Stirche wer geheilt, Millionen von Seelen der Verdammniß entrijfen. Aber ver Bertrag mit ven Böhmen hatte ſich ſchon als trügeriſch erwicfen. Raifer Johannes und feine Begleiter wurden bei ihrer Rückkehr nach Conſtantinopel vom fanatifchen Pöbel mit Schmähungen empfangen, ven griechifchen Prälaten wagten fie nicht einmal von der Union zu ſprechen?). Blendwerk gegen Blendwerk!

Achtes Capitel. Des Enea Silvio Parteiſtellung auf dem Concil.

Es iſt Zeit, daß wir unfern Blick wieder auf unfern Picco- lomini richten, was wir bisher mitunter verjäumt, um bie welt- hiſtoriſchen Vorgänge nicht durch jeine bejondern Erlebnijfe zu un- terbrechen und dieſen in jenen eine falfche Stellung anzuweifen. Hätte er wirklich auf dem Concil eine fo hervorragende Rolle ge- fpielt, als ihm gewöhnlich zugefchrieben wird, fo hätte fich felbjt in

)b.Mansi XXXI. p. 1026; Kaynald 1439 n. 1-7; Patric. cp. 98. ”), b. Mansi XXXI. p. 1047; Patric. cp. 102. ) Ziuleifen, Geſch. d. osman. Reiches Th. 1. S. 668.

142 I. 8. Enea's Parteinahme und Schidfale zu Bafel.

ihm Meifter und Vorbild gewefen, Tudeschi und Pontano vie Sterne der Nechtögelehrfamfeit, ver man doch ven Beruf zutraute, das ent- ſcheidende Wort zu fprechen. Aber auch varin liegt nur ein We⸗ niges ven Wahrheit. Gelehrte Canonijten gab es chenfowohl anf ver püpftlichen Seite. Und war auch vie Gewalt, vie Cefarini anf bie Gemüther übte, eine hinreigenve, mochte fie bei dem fchängeifti- gen Enea felbjt das Bild Albergata’8 verprängen, fo wurbe doch auch jener Carbinal in ben Tagen des Bruches an feinen früheren

Idealen irre. Enea folgte ihm nicht, als er Baſel verließ und als

in den folgenten Monaten jo mancher, ver bisher vie Superiorität

des Eoncil8 gepriefen, vie Vergebung des Papftes, nachjuchte. Die

basler Väter waren mit ihrem Urtheil über vie Abtrünnigen fchnefl

fertig: fie gehen davon, hieß ed, aus Furcht, ihre Würden und

geiftlichen Güter zu verlieren oder um an ver verberbten Curie nad

folchen zu haſchen. Aber die Zurüchleibenven hatten auch ihre welt-

lichen Intereſſen: fie fanden entweder in ven Zerritorialherren ge-

nügenden Schuß, wie bie franzöfifchen, lombarbifchen und unter

italifchen Cleriker, oder wenn jie nichts zu verlieren und von Eugen

nichts zu hoffen hatten, wie die ganze Schaar von Secretairen,

Notaren, Eopiften und Dienern, fo gab es zu Bajel vamals eben- foviel Aemter und Pfründen zu erwerben wie an der florentinifchen Curie. Siegte pas Goncil in dem bevorftehenven Kampfe, fo kom⸗ ten die wenigen Getreuen auf deſto reichere Belohnung hoffen. Enea insbefondre hatte alle Urſache, die Nähe Eugen’s zu meiden, bie Gunft des Herzogs und des Erzbiſchofs von Mailand verfprach viel mehr ihn zu förbern.

Noch Hatte Enea feine Pfründe, auch fein Amt am Concil, alfo mußte er neue Dienfte ſuchen. Eine Zeit lang war er Secre: tair bei Cardinal Cervantes’), und als dieſer Bafel verließ, trieb er ſich bei ein paar Bifchöfen herum. Er rühmte fich jpäter, bei drei Sarrinälen und drei Bifchöfen die Correspondenz geführt zu haben). “Die Cardinäle waren Capranica, Albergata und Cervantes, von den Bifchöfen find uns nur die von Novara und Freifingen befannt.

Enea hat, jo lange er zu Bafel verweilte, feine geiftliche Weihe erhalten, er hatte nur ven Character eines Pfalmiften, ver zur Weihe

') A. 8. Comment. in Anton. Panorm. Prooem. ad Lib. IV, Europa ep. 47 (ber bier genannte Cardinal von Oſtia ift eben Cerwantes cf. Ciacon. IT. p. 860); Card. Papiens. epist. 47.

YA. 8. epist. nd Petrum de Noxeto v. 7 Mat 1455.

I. 8. Enea'e Leben und Umgang zu Baſel. 143

geichſam vorbereitet‘), war alfo durchaus noch Laie. Sein leichtes Gemũth hatte vor ver Tonſur und vor dem ftrengeren Lebenswandel eines Clerilers die ftärkite Scheu. Das war nun ein Hinvernif für fein Fortlommen, indeß zur damaligen Zeit und unter ven Um- Kanten, bie am Concil obwalteten, fein unüberfteigliches. Wie viele eier gelangten zur Mitgliedſchaft am Eoncil, zu Concilienämtern, ja zu geiftlichen Pfrünvden und Stellen! Gunft und Parteigenoffen- ſchaft hoben über die Scrupel des canonifchen Rechte. Enea be- folgte ſchon damals viefelbe Lebenepolitif, ver er bis an ven päpft- ühen Stuhl treu geblieben ift: fich jevem freundlich und gefällig zu eneifen, niemand ohne Noth zu erzürnen, ſich um die Gunft jedes Heherſtehenden zu bewerben. Bei ven ftrengen Parteigefinnungen mb Parteiintereſſen, vie am Concil berrfchten, war e8 nichts Leich- tee, zwifchen ven Extremen durchzuſchiffen und ſich allen Parteien ja nähern.

Bor ven Griechenverhandlungen war Enea eine fehr unbeveu- imde und ziemlich unbekannte Perjon am Concil, auch wohl noch nicht Mitglied. Seine Herren liegen fich ven rüftigen, Ichensfroben und geiftreichen jungen Mann gefallen, ver ein ſchönes Latein ſchrieb und fich zu Allem brauchbar anjtelltee Auch Gefarini jchätte feine bumaniftiiche Bilvung*), ihm witmete Enea, bald nachdem er jich in Baſel heimisch gemacht, fein Schriftchen über viefe Stadt. Zu- gleich aber knüpfte er mit feinesgleichen eine Fülle von Bekannt— fchaften und Freimpfchaften an, von denen ihm manche in [päteren Leben recht nützlich wurde. Heiterer Umgang bein Wein, die Ge- neffenjchaft ver Liebesabentener, in ven meijten Fällen aber auch die Freute an den Schriftwerfen ver alten Römer, ein Dichterleben im tamaligen Sinne hielt viejen Bund leichtfertiger Xeute zuſammen. Arm waren fie alle, vie meiften dienten einem Prälaten, deſſen Partei fie im Grunde wenig anging: Piero va Noceto war Secretaiv bei Sapranica und Albergata, ein anverer war Hausmeifter Ceſarini's, ein dritter Schreiber des Erzbifchofs von Mailand, ein vierter, Jean Binan, ven Enea fein anderes Ich nannte, Secretair des Cardinals von Arles’). Es war ein leichtes und beſcheidenes Leben im frohen

) Ketractationsbulle cd Fea $8: clericali tantum caractere insig- niti (nos) etc.; Pii II. Comment. p. 6: quamvis solo psalmistatus charac- tere insignitus esset.

) Bergl. Ceſarini's Brief an ihn (in A. 8. Epistt.) v. 1. Mai 1445.

3, A. 8. de concil. Basil. p. 48, Europa cp. 26.

1. 8. Enea und bie Parteien bes Coneils. 145

gingen fie feine Perfon nichts an, meint auch, daß jede von ihnen fe viel Vertrauen auf ihr Recht babe, daß feine weichen wolle. ‘Der Cardinal ſoll daran erfennen, wie fehr es irre machen muß, wenn man Licht und Schatten auf beide Seiten vertheilt jieht, wie man fidy zu beiden Seiten durch das Vorbild würbiger Männer binge- zogen fühlen Tann‘). Für die franzöfiiche Partei, fagt er, waren die meiften Prälaten. "Wo aber vie meifte Redlichkeit zu finden fei, ift eine andre Frage.u „Der größte Theil ver Theologen ge- hört zur Legatenpartei. Deshalb aber vürfte hier nicht mehr Glauben fein; denn meiftens find fie Lumpen und einige möchten gern zum. Humpen”). Wenn du aber nach meiner Meinung fragft, jo wüßte ih dir nur fehr wenige aus beiden Parteien aufzuzählen, von denen ich glauben mag, daß allein ihr Gewilfen fie leitet.u "Wo die Wahrheit fei, mag Gott fehen, ich fehe es nicht, und wenn ich es jähe, würde ich e8 nicht zu fchreiben wagen.« Darf fich der einen Berbfenveten nennen, dem ein jo fcharfes Auge zu Gebote ftebt? Das Schiema nennt er ein unerhörtes und monjtröjes Ver⸗ brechen ?), von jener Sikung des 7. Mai fagt er, ihm ſcheine ber des Chriftennamens nicht werth, ven jener Tag nicht tief gejchmerzt. Dennoch balf er bei jenem Schisma mit, dennoch wohnte er jener Sitzung, deren Erfolg doch vorauszufehen war, bei. Ein Dann von Gewifjen mußte fich terjenigen Partei anjchliegen, auf welcher er das geringftie Mehr von Recht und Wahrheit fund, over, konute er fih nicht entfcheiven, fih ganz vom Concil zurüdziehen. Enea aber ſtellt ich, als verjtehe er vas Fürchterliche nicht. Er, der fonft jo aufgeklärt über ven Aberglauben fpotten Tann, ver die natürlichen Wege fo wohl jah, er ftellt fich geneigt, alles dem Einfluß unglüd- ficher Geftirne zuzufchreiben: Jupiter fei nach ver Verſicherung ver Aftrologen an jenem Tage mit vem Schwanz der Schlange zuſammen⸗ getroffen und unter derſelben Eonjunctur fei einjt das Schisma ent- ftanden, welches das Concil zu Coſtnitz löjte.

Es unterliegt feinen Zweifel, daß Enea zu viefer Zeit ſchon ein ftimmberechtigted Mitglied des Concils war, wahrjcheinlich trat er wäbrenn ver Verhandlungen mit Avignon ein, als die franzöfifche

) Er fett dem Freunde die Barter- Argumente auseinander, ne, quo se judice quisque tucatur, ignores. ) Diefelbe Berächtlichkeit Tiegt in dem Iateinifchen Wortfpiel: Sunt enim ple- rique mendicantes vellentque aliqui manducantes fieri. ) horribile monstrum, facinus visum nunquam neque auditum. Boigt, Euea Eilvio. 1. 10

146 1. 8. Euea’s Stimmabgabe für Aviguon 1437.

Partei jih zum Wahlkampf rüjtete. So rebfelig er nun in ver Theorie mit ſchwankenden und glatten Worten herumzufpielen weiß, fo fehr er dem Cardinal Gerwantes beizuſtimmen fcheint, der feine Bartei für gerecht hielt, jo gebieterifch verlangte die Prarid der Ab ftimmung ein Entweder⸗-Oder. Bon ihr war er fo befcheiten und vorjichtig in jenen Briefe wöllig zu ſchweigen. Schen das bered- tigt ums zu ver Annahme, daß er unter jenem Troß mitſtimmte, welcher ver Wahl von Avignon eine jo glänzende Majorität brachte. Damals hätte er es nicht läugnen Tönnen, die Abftimmungen er folgten ganz offen. Wäre er mit Cervantes auf vie päpftliche Seite getreten, ver Carbinal von S. Croce hätte es gewiß geri gehört. Später verfuchte er allerlei Ausflüchte, um fich von dieſer Abſtim⸗ nung rein zu waſchen. Er hatte zuvor, wie oben erzählt, für Pavia gejprochen, Pavia aber fiel bei dem Serutinium völlig durch und ſeitdem ftimmten auch die Lombarden auf Inſtruction des Herzogs für Avignon. Er gratulive ji, fagt Enea, dieſem Wahnſinn nicht beigeſtimmt zu haben, obwohl einige jo Teck gewefen feien, Avignon für eine Seeſtadt zu erklären“). Als er fo fchrieb, waren über zehn Jahre feit dem Vorfall verfloſſen und er konnte es wagen, fich feine befannte Rebe für Pavia zu Gute zu jehreiben, ohne die fpätere Parteiwendung ver Yombarben zu eriwähnen, Hätte er nun wirklich nicht für Avignon, fondern mit den Yegaten geftimmt, fo würbe er ſich ficher pofitiver ausgebrüdt, jein Verdienſt ins nolle Licht ges ſchoben haben. ine reine Xüge aber ift es, wenn er ausfagt, er habe dadurch Die Gunſt des Herzogs von Mailand verloren, daß er nicht mit ven übrigen Yombarben für Avignon gejtimmt. „Aber ich hatte, fegt er Hinzu, feine käufliche Seele; ich meinte, vie Syno⸗ bafbejchlüffe müßten nicht auf ven Wink ver Fürften, fondern auf Befehl Gottes gefaßt werten. Wenn ich den Meiften beigeftimmt, was nicht gut war, fo ſündigte ich aus Irrthum, nicht aus Bob heit#°). Stinnmte er ven Meijten bei, fo ftimmte er ja eben für Avignon. Die Ungunft des Herzogs aber traf ihn viel fpäter und hatte gerate bie entgegengefegte Urſache: als ter Herzog jich dem Bapfte wieder zu nähern juchte und jeine Geſandten ven Proceß

ı) Epist. retractationis ad Jordanum etc. b. Fca p. 9.

2) A. 8. Comment. ed. Fea p. 66. Und ein auder Dal (Dialogus pro donat. Constant. p. 99) fagte er wieder ganz offen: tum laicus eram et com- muni laicorum livore adversus Ecclesian senticbam, neque tam veritat quam propriae cupiditati auscultabam.

1. 8. Euea's Aemter am Coneil. 147

gegen ihn fiftirt zu ſehen wünfchten, da machte Enea, ber fich ver feanzöfifchen Partei unterdeg vollftänvig in vie Arme geworfen, dieſe Parteiwendung nit mit. est aber hatte er die Propitei an ber Lorenzo⸗Kirche zu Mailand denn um fie handelte es ſich mit der Guuft und Ungunft des Herzogs noch nicht einmal erhalten, ge- fchweige denn fchon wieder verloren. Solche Ausflüchte beweifen, wie wenig Enea auch in ber Griechenjache fich eines guten Gewiſſens erfreute. Gerade in Folge berjelben begann ihm die Gunſt des Concils und des Erzbiichofs von Mailand zu erblühen.

Während des Procefjes gegen Eigen verließ, ven curialiftifchen Präfaten folgend, auch mancher von ven Unterbenmten das Concil. Es wurden Aemter an vemfelben erledigt und natürlich an Männer vergeben, vie fich in ten fturmvollen Tagen am offenften und Eräf- tigften für das Concil gezeigt. Erſt ſeit ver Rebe für Pavia war Enea eine Perfon geworten, auf welche man vie Blicke richtete. Er wurte zum Schreiber (scriptor) ter Synode ernannt; als jolchem (ag ihm die Protecolfführung bei ven Sigungen ob und tie Ver- vielfäftigung von Schriften, welche das Concil an tie Fürſten und Bölter umherſchickte. Defters wurde er zum Rejcribendariat erwählt, fein Gefchäft war dann die Controlle ver Schreiber und bie Gorrectur ihrer Schriften. Bald arbeitete er auch in ter Cancelei des Concil8 als Abbreviator; ein folcher, gewöhnlich ein Canoniſt, war mit ver Abfaffung ter Heineren Amtöfchreiben, ver Breve’s, betraut, ftand alfo ſchon hoch über vem bloßen Schreiber over Co: piften. Und als Oberabbreviator führte er wieder über jeine Collegen tie Aufficht. Ferner waren die Dleijiegel, durch welche vie Symodal⸗Bullen beglaubigt wurben, oft unter feiner Hut.

Auch in ven Verhandlungen und Berathungen des Concils brachte Enea bald feine Talente zur Geltung. Er war ter Glau- bensteputation zugewiefen worden, wo nun ber muntre Humanijt unter den erniten Theologen fa, und öfters denn die Würde wechſelte durch monatliche Wahl wurde er zum Präfidenten dieſer Abthei- fung ernannt. Am beliebtejten war er bei feinen Landslenten: wenn zu irgend einem fpeciellen Zweck beſondre Ausſchüſſe ver Nationen ernannt wurden, übergingen ihn tie Italiener nicht Leicht. Auch zu einem Ausſchuß, ver vie Pirünvdenvertheilung beaufjichtigte, wurde er zweimal gewählt. Dft gehörte er zu ben Zwölfmännern, anf deren Höchit wichtige Function ſchon oben aufmerkſam gemacht

10*

148 I. 8. Enen’® Geſandtſchaften im Namen des Coneils.

wurde‘). Kein Grund hindert uns anzımehmen, daß wie Ene auch mancher andre Abenteurer, ver daheim kaum pas Tiebe ! batte, in Bafel zum Range eines angefehenen Concilienvatere porſtieg.

Einen weiteren Beweis des Vertrauens, das Enea am 6 genoß, liefern die Geſandtſchaften, tie man ihm übertrug. werben ihrer 7 bis 9 genannt, doch ift das Nähere unffar, me gehören offenbar erft in eine ſpätere Zeit. Dreimal ging er ı nach Straßburg; wir wifjen nur, daß in eine biefer Sendungen galante Abenteuer mit ter Brittin Eliſabeth füllt, welches wir ſ noch berühren müſſen“) Zweimal hatte er in GCoftnig Synod ſchäfte zu führen, ein- over zweimal in Savohen, ein- ober. zwi in Sranffurt. So rühmt er fih’). Ohne Zweifel aber nem e8 auch mit ftolzem Morte eine Geſandtſchaft, wenn er von e Prälaten ald Diener mitgenommen wurde, oder e8 waren feht beveutende Dinge, um vie es fih handelte. Doch übte fich Menſchenkenntniß und Gefchiftsgewandtheit im Kleinen, um fich and) eine Rolle in ver großen Politik zuzutrauen.

Sp war Enea durch feine Stellung an das Concil geft glaubte mit ihm ftehen und fallen zu müffen. Von den mäd Prälaten begünftigte ihn befonvers ver Erzbifchof von Mai Srancesco de’ Picciolpaffi, ein Bologneje von Geburt, nicht ganz ohne Geihmad an ven Humaniftifchen Studien war gelegentlich felber verfuchte, einen Brief im lebhafterem Sti jchreiben, feine Ktenmtnig einiger alten Autoren, befonvers ver lichen Stiliften, dabei an ven Zag zu legen und feine Erba feiten durch philofophifche Sentenzen zu würzen‘). Die Rede Pavia empfahl ihm ven jungen Piccolomini um fo mehr, va ver Herzog von Mailand vemjelben vanfen und eine Pfrünve

') Pii II. Comment. p. 6; A. S. epist. ad Petrum de Noxcto v. 7. 1456 und darnach meiftene Platina p. 626.

?) cf. A. S. epist. ad genitorem suum Sylvium v. 20. Sept. 1443

) Pii II. Comment., Platina Il. cc, und Campanus p. 970 x in diefen Angaben von einander ab, Eine der Gelandtfchaften nah Stra ober nach einen Heinen Stäbtchen an der Breufch erwähnt Wimphelit Freher Germ. rer, Scriptt. Il. p. 383.

*) Bergl. |. Brief an A. S. v. 4. Febr. 1443. A. 8. de concil. p. 25 nennt ihn einen gelehrten Mann unb Hieronvmianer auch in feine redtſamleit.

1.8 Ene’s mailänbifche Propftei und Feſtrede. 149

freien ließ. Er zog ihn faſt täglich an feinen Tiſch, lieh ihm Bü⸗ der, damals kein geringer Beweis des Vertrauens, und ertheilte in auch eine Propftei an ver ©. Lorenzo⸗Kirche zu Mailand’). Angefehene Mailänder hatten fich um viefe Pfründe beworben, die am ein ranglofer und ungeweihter Günftling erhielt. “Deshalb und weil die freie Eapitelmahl umgangen war, beburfte e8 einer Dis- wenfation des Concils, deſſen Decret gerade damals vie orbinarifche Lerleihung der Beneflcien ausgefprochen und dem Papfte die damit getriebenen Mißbräuche abgefchnitten hatte. In ver Generalverfamm- Img erhob jener Iſidoro Wiperfpruch, ihn ftachelten Aerger und Heid gegen Enea, er griff ihn als einen Fremden an und das Concil as wicht befugt, über eine Pfründe im Meailänpifchen zu verfügen. Enes aber wußte derlei Bedenken vurch die fophiftifche Behauptung a beichwichtigen, ein Beſchluß des Goncils binde doch num folche, bie mier ihm ftehen, nicht das Concil felbit, auch könne man einem fo Heinen und unbeveutenven Gapitel wie dem von ©. Xorenzo fein Bahlrecht zugeftehen. „zur Väter wervet hanbeln, wie es euch gut vinten wird. Ich begehre nichts, was eurer Ehre zuwider wäre. Benn ihre mir die Pfründe ertheilen wolltet, fo möchte ich euren gänftinen Willen ohne ven Beſitz doch ver Gapitelmahl mit dem Defite vorziehen.u Iſidoro erhob ſich noch einmal dagegen; das Geihrei der Verſammlung nöthigte ihn zum Schweigen. Redekühn— beit und Schmeichelei fiegten über Necht und Gewiſſen.

Enea reijte fofert nad) Mailand zur Befikergreifung. Hier fand er aber einen Mailänder aus der Mpelsfamilie ver Landriani ſchon in Beige ver Propitei, vom Gapitel und auf ven Wunſch des Her- zegs gewählt. Dennoch wußte er bei Fürſt und Hof durchzuſetzen, daß jener den Plag räumen mußte. Auch Papjt Eugen hatte bie Pründe an einen gewijfen Yeonarto ta Laſſarrata aus Vercelli ver- &eben, der vor der Hand unbeachtet blieb, nach einigen Jahren aber ber glüdlichjte war ?).

As Enea nach Bafel zurückkam, ſtand gerate ver Tag des I. Ambrofing (4. April) nahe bevor. Sein Nachfolger, der Erz— liſchof von Mailand, ſollte das Hochamt feiern. Die Feſtrede aber

er Enea, obwohl einige Theologen vawiter waren. So

) A. 8. de vir. clar. XXI. und epist. ad Nicol. Amidanum v. 5. Mai 1453.

) A. 8. epist. ad Guinifortum Mediolanensem v. 5. Dec. 1442, Uasp. Sehlick epist. ad Ugucionem de Contrariis v. 13, Oct. 1443 in Cod. lat. (U fol, der Hofbibl. zu München fol. 215.

150 L 8. Enea an’s Coneil gefeffelt.

hielt viefer nun jene wohlgeglättete, mit gelehrten Zierereien umte mifchte Lobrede auf den Heiligen, auf vie wir fpäter noch einm zurüdfommen. &r wußte anbei auf unzählige Stichwörter über de Verfall ver Kirchenzucht zu kommen, vie am Concil immer nei gern gehört wurben. Das Machwerk des Laien und Dichters wur mit größerem Genuß von den Vätern angehört als bie fonft wöhnlichen religiöfen und theologifchen Langweiligkeiten ').

Sp war nun Enea gerade in der bedenklichſten Zeit vurch d mailändiſche Pfründe und durch feine Stellung am Eoncil am biefe gefefjelt. Wir fehen ihn fortan unter ven entſchiedenſten Parte gängern, und ermutbigt durch den Beifall feiner beiden Reben, the er fich Ted hervor. Es war bie Zeit, wo er treffend fegt e ed ſelbſt in feiner apoftolifchen Netractationebulle den Schüle aus⸗ und den Meilter anziehen zu dürfen glaubte. Er werfucht fih in Reden und Heinen Schriften gegen Eugen, die von ben DB tern wohl aufgenommen wurben und fein Anſehen immer mehr er höhten. Daß er inveß zu den gefücchtetiten Feinden bes Papfte gehört Habe, ift eine ber Prahlereien, burch die er fpäter feine Belehrung ven rechten Werth geben wollte”).

Neuntes Capitel.

Das Koneil und die Weltmächte. Entftehung der deutſchen Neutralität.

Den Ausfchlag im Schisma ber Kirche gaben in letzter Stell bob die weltlihden Mächte durch ihr Zutreten zu biefer ode jener Seite. Die Tosmopolitifche Idee einer allgemeinen Kirchen

ı, Pii II. Comment. p. 7: Aeneas incredibili attentione ab omnile auditus est; de vir. clar. XXI.: non sine auditorum gratia. Die Rebe fi bet fih bei Mansi Coneil. XXX. p. 1207 und in Pii II. Oratt. ed. Manı I. p. 39, fie fällt entweder 1438 oder 1439.

) Retractationv. 1447: Non erubui tractatus componere ot insuls! sermonibus Romani Pontificis autoritati detrahere. Nec parvum erst ink hostes Romanae curiae nomen Aeneae.

1. 9. Das Eoneil und bie Weltmächte. 151

referm, die einjt aus ber Oppofition ver mächtigjten Nationen gegen ven firchlichen Supremat ber italienischen am eigentlichiten entfprun- gen war, zerfiel, ſobald vie einigende DBegeijterung vorüber war, wierer in ihre nationalen Factoren. Trotz der vorjichtigjten Orga- Hation fahen wir vie Parteien bes Concils ſich im Ganzen doch anf die verjchiedenen Nationalitäten gründen, und hinter ven Hand⸗ lungen und Decreten, die ver heilige Geift feiner Kirche infpirirte, Imeerft man nicht felten den mächtigen Arm ver Fürften. So ſehr mon über die Verweltlichung ver Kirche Hagte und eiferte, fo war doch das Concil felbit der Leibhaftigfte Ausdruck dieſer verweltlichten Kirche

Beide Theile, Eoncil wie Papit, begannen feit dem offenen Aniruh des Schisma ihr diplomatifches Spiel um tie Aohäjion ver Bölfer und Fürften, aber das Fundament ihrer Beitrebungen wer ein fehr verſchiedenes. Der Papſt hatte einen realen Boden, auf dem er ftanp, und dazu eine uralte Trabition fir fih. Er tonnte abwarten, bis bei günftiger Gelegenheit ein Brälat, ein Volk, ein Fürft nach dem andern ihm wieder zufiel. Das Concil da— gegen hatte nur die weſenloſe Macht einer Idee für fich, pie ihre Zauberkraft bereits verloren. Wir erinnern ums, wie deutlich fich de Ungunft in ven Proteften ver Gefandten gegen tie Abfegung des Papites zeigte. Ließen fie auch ihre perjönliche Zuftimmung werten, fo war es doch nicht ihre, fonvern ihrer Fürſten Meinung, bie Ins Gewicht fiel. Unter ven Fürften aber hatte fich fchon eine arffallende Einſtimmigkeit gezeigt: alle mißbilligten das Verfahren des Concils, außer etwa dem Herzoge von Supoyen und vem Marf- Rafen von Montferrat, alle fanden das Urtheil gegen Eugen un— gerechtfertigt. Auf längeren oder kürzeren Wegen fehrten alle zur dbedienz Eugen's zurüd.

Dieſe Wege, insbeſondere aber ven der deutſchen Nation, dür⸗ fen wir non num am nicht mehr aus dem Auge verlieren, wir treten in einen bebeutungsvollen und nur wenig gefaunten Abjchnitt ber lirchlich⸗ potitifchen Gefchichte. Der Berlauf ver Reaction, bie fic) fit der Entfegung des Papftes gegen vie Reformideen des Zahr- hunderts Rund giebt, iſt zugleich ber wefentlichfte Theil unjerer diegraphie: Enea Silvio trug zum Hanptfchlage in Deutſchland weientlich bei, als Papſt führte er ven gegen vie gallicanifche Kir-

ibeit aus und verbammte in feiner mantuanifchen Bulle auch

152 I. 9. Die pragmatifche Sanction von Bourges 1488.

Die franzöfifhe Kirche gab fich zuerft eine felbititänpig Stellung trotz Papſt und trog Concil. Den Gefandten Karl's V. wurde zu Baſel diefelbe Ehrerbietung gezollt wie denen bes und Reiches. Während ver König den franzöfifchen Prälaten Beſuch des ferrärefifchen Concils unterfagte, ließ er doch durch Gefandten Einfpruch thun, fobald der Proceß gegen Eugen beg fie billigten nur die rveformatorifchen Decrete des Concils, abet feines der gegen ven Papft gerichteten. ‘Diefe Trennung ber gebenven Gewalt von der richterlichen ſchien ven bierardhifchen ver Basler völlig unerlaubt: wer nicht wider fie fei, alfo ein müffe fich ihrer Autorität unterwerfen. In biefer Hoffnung f das Concil dem Könige eine Sammlung feiner Befchlüffe zu der Aufforderung, fie einfach anzunehmen.

Am Frühling 1438 berief König Karl eine franzöfifche PR tionalſynode nach Bourges. Außer dem Landesclerus war he auch vie theologifche und canoniftische Wiſſenſchaft glänzend der König felbft kam bin, umgeben von vielen Fürften und Grofel des Reiche. Der Zwiſt zwifchen Papft und Concil warb nur und mit der Ausficht auf Vermittelung berührt, vie willkone Beute dieſes Zwiſtes dagegen aufs fchnellfte heimgeführt. basler Reformationsbefchlüffe wurden fänmtlich angenommen, bei nebjt einigen Zufägen und Abänderungen, bie ver franzöfifchen Auf tion insbefondere angemefjen ſchienen. Diejenigen Decrete, weit die Würde des Cultus und den Wandel ver Elerifer betrafen, na man ruhig mit in den Kauf, ohne fich durch fie beengt zu fühlen Die Annaten dagegen und andere Abgaben an bie päpftliche Kam mer, die Appellationen an römifche Gerichte, die Anwartfchaften c faft alle päpftlichen Vorbehalte und Pfründeverleihungen wurben abe geſchaſft, die canonifchen Wahlen hergeftellt. Die Zufäge zu den Concilvecreten gaben dem Könige das behnbare Recht, durch vor⸗ ſchlagende Bitten einen Einfluß auf die Bifchofswahlen zu übms. der Abel wurde für das, was er im Kriege geopfert, gleichjam ende ſchädigt, indem er in venjenigen Kirchen, die unter feinem Batronsk ftanden, ein Präfentationsrecht erhielt; ein Theil der Pfründen blicb für die Doctoren der Hochſchulen reſervirt; für das Volk genigte der Gedanke, daß nun das Geld nicht mehr wie früher aus bei# Lande gehe. Alle wurben befrievigt, fo auch ver Stolz der gallicani- ſchen Kirchenfreiheit, ver feit ven Tagen Ludwig's des Heiligen nie mals entjchlummert war. Am 7. Juli 1438 wurbe das Epiet unter

I. 9. Gefinuung ber Deutſchen gegen das Eoncil. 153

ben Ramıen einer pragmatifchen Sanction im Parlament ver» öentliht und zum Neichögefeg erhoben. Um ber Zufäge willen inchte Karl vie Beftätigung der Sanction nach und die Concilien⸗ biter erteilten fie trog ihrer Entrüftung, weil fie ven König und bie Ration nicht erzürnen mochten. Bon den nachfolgenden Päpſten aber hat fie Feiner beftätigt ').

Ganz Aehnliches wie in Frankreich gefhah auh in Deutſch— land, aber es gefchah langſamer und in ganz anderen Sinne. ‘Die dertſche Nation zeigte” fich durchaus als dieſelbe in ihrer Partei- felung zu Bafel und in ihren Berathungen daheim. m Ber: langen und Rufen nach einem allgemeinen Concil hatte fie einft mit ver parifer Hochfchufe gewetteifert. Keiner Nation war ber Ort des Concils jo gelegen wie ber beutfchen, in beren Reiche» und Sprachgebiet Bafel lag. Dennoch betheiligte gerave fie ſich von ven größeren Nationen am fpäteften bei dem Concil und niemals befenders lebhaft: Keiner ihrer Kur: und Erzbifchöfe war in Perfon amgeienn, wenige ihrer Biſchöfe. Ihre Magiſter, ‘Doctoren, Mönche md Geſandte ſchwebten zwijchen ven beiven Parteipolen bin und ker, von beiden angezogen. Rechtsſinn und Ehrlichkeit waren im Ganzen ihre Motive. Sie waren in ven Theorien und Speen alle Io freifinnig wie ihr literarifcher Held, Nicolaus von Cues, in feinem Verle von ver catholifchen Concordanz, aber jie wollten nicht fehen, daß eine Partei außer ihrer Tendenz auch vie Abjicht, fich zu Hal- tea und zu vergrößern, betreiben muß. Ber ven energifchen Schrit- ta des Concils gegen Eugen ſcheuten jie zurüd, trog allen Klagen tat im entſcheidenden Augenblid die Ehrfurcht vor dem römifchen Stable immer wieder hervor. Ferner jugte ihnen die drohende Aug: ft auf Das Schisma einen lähmenden Schred ein. Nur gegen die Auferlegung von Zehnten und ven Vertrieb von Abläffen,- vie das Eoncil verjuchte, protejtirten bie deutſchen Gefandten jedesmal wit der züheften Conſequenz. Im übrigen wollten jie vermitteln, verföhnen, auch als nichts mehr zu vermitteln und zu verjühnen war.

En hatte König Sigmund gedacht, jo dachten die beutjchen Kurfürften, geiftliche wie weltliche. Nach dem Tode tes Kaiſers 3 Die pragmatifche Sanction von Bonrges nach bem Texte bei Du Mont RNinh's vollſt. Samml. aller älteren und neueren Concorbate, Feipz. 1830. .&.211 und bei De Pradt, lcs quatre Concordats 1. (Paris, 1818) p. 204. Patric. cp. 83. 97; Bericht bei Man si XXXI. p. 192; Michelet Hist. de France V. p. 201.

154 I. 9. Nentralitätserffärung ber Dentihen 1488.

traten fie im Frühling 1438 zu Frankfurt zufammen, um Ber- ı berathungen über vie neue Wahl zu halten und zugleich in Betreff ihrer Tirchlichen Stellung einen Beſchluß zu faffen. Es waren Al⸗ georbnete des Concils ta, ver Patriarch von Aquileja als Leget, ferner ber Erzbiſchof von Palermo und der Biſchof nen Ermland; von Seiten "Eugen’s ter Bifchof von Urbino. Natürlich iiber fprachen ihre VBorfchläge einander. Im Gefolge ver Kurfärften be fanden fich zwei Rechtsdoctoren von überaus fcharfen Geifte, bie beide als Stellvertreter ventfcher Prälaten zu Baſel gelebt Hatten, Johann von Lyſura und Gregor Heimburg. Beiden werben wir im Laufe unferer Erzählung noch wiederholt begegnen und im mer in ben wichtigften Phafen ver firchlichen Frage. Sie fanden den Ausweg aus tiefen Wirren, ihre Erfindung war ber Gebante ber Neutralität. Im Namen verjelben fchloffen vie Kurfürften einen Derein, und am 17. März verlas Heimburg das Proteftations- inftrument, welches zugleich die Neutralität uud eine felbftftän- bige Stellung ver beutfchen Nation in dem bevorſtehenden Schiema erflärte. Bon Concil und Papſt, hieß es, würden faft täglich Er⸗ faffe publicirt, die miteinander unverträglich feien. Damit nun bie Flamme viefer Zwietracht ſich nicht bie ins heilige römifche Reich erftrede, jo wolfe man vor der Hand feinen Theil gegen ben an» dern in Schuß nehmen und ven Sinn über ven Parteien, unent- jchieven erhalten (anımos suspensos retinere). Bis nun ein Ti= mifcher König gewählt und mit viefem über bie Mittel berathere fei, wie bie Zwietracht zwifchen Concil und Papft gehoben werden fönne, wollen die Nurfürften in ihren Diöcefen und Xerritorien bte regelmäßige (ordinaria) Yurisbiction aufrecht erhalten. Nach ſechs : Monaten indeß folle im Verbindung mit dem römischen Könige eime neue Berathung und Befchlußnahine ftattfinven ').

Diefe Erklärung des beutfchen Neutralitätsvereing war meer dem Concil noch dem Papfte genehm. Zu Baſel ärgerte man ſich, daß Eugen trog feiner Suspenfion darin als römifcher Biſchof ge⸗ nannt wurde. Eugen verlangte mehr als bloße Anerkennung ursD Ehrfurcht, er verlangte ven Gehorſam. Die Idee einer Neutralttizt

) Das Inftrument in Joh. Joach. Mülller’s Neichstagstheatrum unter K. Briebrih V von 1440— 1493. Jena, 1713. S. 31. und bei Binteri m, pragmatifche Gefchichte der deutſchen National», Provinzial- und vorzüglichſten Didzefanconcilien VII. S.166; cf. Patric. cp. 73; A. 8. Comment. ed. Fies p- 76.

1.9, Wahl Rönig Mibrere IT, 1488, 155

in lirchlichen Dingen war neu und hätte noch mehr Beſorgniß er- nngt, wenn fie nicht nur als eine proviforifche für ſechs Monate ekhienen wäre; noch ahnte man nicht, daß fie neun Jahre dauern ine. Jeder Theil hoffte inzwifchen eine Erklärung zu feinen Gunfien zu bewirken. Demgemäß fielen die Antworten in Ferrara = Bofel aus. Eugen erklärte ven Gefandten ver Kurfürften, bie um Erlaubniß zu einem britten, fchiepsrichterlichen Goncil in Deutſch⸗ ia baten, ex wolle erft die Meinung des nenen Königs abwarten. a Bafel baten die Geſandten um Auffchub des Proceffes‘), man hei aber die Unterfuchung fortgehen und fchob nur das Urtheil für ei Monate auf").

Am Tage nach der Neutralitätserflärung, am 18. März 1438, fl vie Wahl ver Kurfürften auf ven Herzog Albredt von Deſter re ich, den Schwiegerfohn Sigmund’s, ven Erben von Un nn ımb Böhmen, Mit der ungarifchen Krone war er zu Stuhl- weflenburg fchon geſchmückt worden, hatte fich aber vorher eidlich Verpflichtet,, bie deutſche Krone, falls die Wahl ver Kurfürften auf ia fiele, nicht ohne Bewilligung des ungariichen Reichsrathes an- meinen’). In Böhmen erfannten ihn die Calirtiner nicht an m riefen fogar einen polnifchen Fürſten auf den Thron‘). So ung er Bedenlen, als er ten Wahlbefchluß in Wien empfing, zu zwei ſchwankenden Kronen noch eine britte zu nehmen, bie viel Auf⸗ ehferung verlangte und doch wenig Vortheil verfprad).

Gleichwie Eugen in feinem Gratulationsfajreiben ven nıuth- meahlichen neuen Herrſcher einen Mann nach feinem Herzen nannte®), eifte fich auch pas basler Concil, ihn durch Geſandte begrüßen zu fen und wo möglich ſchnell für feine Sache zu gewinnen. Fer— er lam der Bifchof Bartolomeo von Novara nad Wien, im

bes Herzogs von Mailand und mehr nocd im eigenen

N gemäß dem Miſſiv des frankfurter Tages v. 17. März 1488 6. Würdt- Wein Subsid. diplom. VII. p. 159.

) Patricius, in beffen chronologifcher Anordnung eine grenzenlofe Ver⸗ worrung bericht, Spricht davon cp. 65. 69. 74. 76. Die Berichterftatter, Pa- Ki wie Enea Silvio, vermechjeln gewöhnlich die Nentralitätserklärung vom Dur; 1458 und bie Acceptation der Gasler Reforindecrete vom März 1439.

) Das Wahldiplom Albrecht's bei Pcz, Thesaur. Anccd. nov. T. VI. (Cod. diplom.) P. III. p. 286; A. S. Europa cp. 1; Kurz, Oefterreich unter 8 Ulbrecht II. Thl. II. ©. 273.

*) A. 8. Histor. Bohem. cp. 55; Kur; ©. 279.

)Beynald 1488. n. 23.

156 1.9. Enea in Wien. Albrecht U. und bie Kirchliche Frage.

Intereſſe; Enea hatte fich durch viele Bitten, wie er fagt, beweg Iaffen, ihn zu begleiten. Hier verfaßte er für den Biſchof ei Schrift, worin Albrecht die Annahme ver deutſchen Krone bringe gerathen und ben Uugarn ihr Vortheil dabei auseinanpergefe wurde. Bon der Sachlage hatte Enen jo wenig wie fein Herr eu Borftellung.” Bartolomeo aber trug das Memoire dem Herzog ı beffen Räthen vor, e8 warb ihm ein öffentlicher Danf dafür autg ſprochen, und wirklich, wenn auch nicht in Folge dieſer lateiniſch Rede, von der er fein Wort veritand, nahm Albrecht die Krone « Die Ungarn rietben felbft dazu ').

Schon die musculöfe Geſtalt und die fonnverbrannten, feſu Züge Albrecht’8 II veuteten darauf hin, daß ihm Krieg und Sa lieber waren als Werten und Disputationen. Er war fein rem ber Gelehrten wie Sigmund, Latein hatte er niemals gelernt' Jetzt hatte er Feine Mufe, die Vorſtellungen ver ESoncilgefandt anzubören, ihn verlangte nach ver Bbeitrittenen Krone Böhmen ‚Ohne die Sache weiter zu überlegen, trat er einftweilen ber Be bündung der Kurfürjten und damit ver Neutralität bei’). Zw erneuerte er dem Concil den Geleitsbrief, nannte es ein heilig und allgemeines und beftätigte auch ven Zaiferlichen Vogt, wogeg das Concil ihm die zur Öriechenunion in feinem Lande gefammell Ablaßgelder fchenkte*). Daß er ihm aber deshalb günftiger geſin war ala dem Papfte, Fonnte nach feinem Tode nur beshalb 1 hauptet werben, weil er ſich niemals beſtimmt ausſprach und je Bartei alfo fein Benehmen nad) Belieben deuten konnte °).

Pii II Comment. p. 7; A. B. Vita AlbertiRegis bei Balady, ital. i. 3. 1837 (in d. Abhandl. d. 8. Böhm. Geſellſch. d. Wiſſenſch. 5. Folge, Vd. Beilage 8. S. 116. Nach Arnped’s Chronik (b. Pez Bcriptt. rer. Austri I. p. 1247) und Dubravius Histor. Bohem. Basil., 1575. Lib. 28. p. 2 war es vielmehr Friedrich won Steier, Albrechts Nachfolger, ver jene Hinbern wegräumte. Enea's Denkſchrift, dem Inhalte nad höchſt unbedentend, E Bien d. 27. April 1438, ift ohne Zweifel Die bei Pez Thesaur. Anecd. n: T. VI. P. IH. p. 232 gebrudte.

?) A. 8. Vita Alberti p. 116, de liberor. educat. p. 974, Europa cp. Comment. in Anton. Panorm. IV, 29; Balady, Geſch. v. Böhmen Bb. Abth. 3. S. 290.

3) Vergl. ihr gemeinſames Schreiben vom Juli 1438 b. Wuerdtwe Subsid. dipl. VII. p. 147.

*) Patric. cp. 75; Wurftifen ©. 386.

5) Vergl. bie Schreiben bes Concils und bes Papſtes Felix an K. Fr

L9, Ener über Dentihland, Nürnberger Reichstag v. Juli 1438. 167

Die Gefandten des Concils verließen Wien, ziemlich getäufcht in ihren Hoffnungen, an ihrer Spige hatte als Yegat wieder ber Batriorh von Aquileja gejtanven, ver ans dem hberzoglichen Ge— ſchlechte von Ted ftanımte und dem habsburgifchen Haufe verwandt, aber ein unfähiger und anmaaßender Hitzkopf war. Mit ihm ver- ließ Enea das öfterreichifcehe Land, das den übeljten Eindruck auf in gemacht hatte. Die Sitten erjchienen ihm bier roh und oft anſtoößig, das Volk als cin barbarifches, bei vem man feine Spur von jener Feinheit und mannigfachen Bildung ſah, auf die ſich ber italieniſche Weltinann fo viel zu Gute that. Die Humaniften, voll italieniſchen Dũnkels, gefielen fich immer tarin, vie Rauhheit und Rehheit des deutſchen Landes und Volkes mit verächtlichen Worten iu veripotten; fo hatte vor Enea ber wigige Poggio getban, fo tat nach ihm Campana. Enea aber ahıte damals nicht, daß er in Dellerreich einft über ein Jahrzehent feines Lebens zubringen und felber ven Samen altrömifcher Bildung in tiefe Barbaret treuen follte ').

Albrecht Hatte die Concilgefandten auf feinen eriten Reichstag vertröftet, ver am S. Margarethen-Tage (12. Inli) 1438 zu Nürn- berg gehalten wurde. Kaspar Cchlid, der Stanzler Sigmund's und feiner beiden Nachfolger, war auch jetst ter Vertreter des römifchen Könige. Doch war von kirchlichen Dingen zu Nürnberg wenig vie Fee. Die Deutjchen erboten fich wiederum zu Schtedsrichtern zeiſchen Goneil und Papfı*), erhielten aber von ven basler Ge- ſandten bie ſtolze Antwort: weltlichen Fürften gezieme Tein Urtheil im geiftlichen Dingen, höchſtens vie Rolle von BVBermittlern ?).

mern. 4. und 11. Febr. 1440 in Chmel’s Material, zur öfterreich, Geſch. LE, 72. 74, lettteres aus Enea's Feder.

') Pii II. Comment. p.T. Campanus, der das frühere Leben Pius’ II weh nach deſſen beiläufigen Erzähl. befeyrieb, erwähnt p. 970 eine Reife des Enea u Bien zu 8. Albrecht, den er auf die Seite der basler Väter binfiberzn- Wehen verſucht habe. Ob mit Erfolg, jagt er, fei ungewiß, da ber König gleich darauf Rarb. Wie fchief dieſe Nachricht ift, erhellt aus dem bienftlicyen Berhält- a Enea's zum Bilchof von Novara, der jelbft nicht einmal Gefandter des Contils war. An eine zweite Reiſe der Art ift aber nicht zu denken: Albrecht Rt in ven fetten Jahren feines Lebens Wien und Oefterreich nicht mehr gefe-

oder wenn e8 geichab, wie Eben dorffer (Chron. b. Pez Scriptt. rer. Aust. T. I. p. 854) berichtet, fo war es über ein Fahr vor feinem Tode. Bergl. Kur Id. 5. 290. Ä

) Ihre Antwort 6. Wuerdtwein Subsid. dipl. VIT. p. 147, die Eugen’s ml ihre Vermittlungsvorſchläge ibid. p. 151.

) Patric. ep. 75. 80; Kurz; ©. 286.

158 L 9. Zweiter nürnberger Tag v. October 1488.

Ein zweiter Reichstag wurde am ©. Gallus⸗Tage eröffnet (16. Oct. 1438) und wiederum zu Nürnberg. Diesmal erfchien aug eine glänzende Legation des Papftes, an ihrer Spike als Cardinal⸗ Legat Albergata'), ferner ver Erzbifchof von Taranto, der Dominl caner Torquemada und Nicolaus von Cues, alfo Würve, Kühnheit und Gelehrfamleit im Bunte, ein Cardinal und drei Männer, ben der Cardinalat bevorſtand. Sie wurden mit fehr mäßigen Ehren aufgenommen. ALS aber vie Legation des Concils erfchien, empfing fie ein öffentlicher Feſtzug, viele Fürften und Prälaten gingen ihr entgegen, ihr Haupt, ver Patriarch von Aquileja, trat mit unge wöhnlichemn Ponp anf, überall ward ihm das Kreuz vorgetragen, er fegnete das Volk, fpendete zur Feier feiner Ankunft einen Ablaß von fünf Jahren. Daß er höher galt als ver päpftliche Legat, fah jedermann.

In der That, der Patriarch aus dem Hauſe Teck ſpielte hier eine glänzende Rolle, aber es war eben nur eine Rolle und er hat nachher noch manche traurige Rolle ſpielen müſſen. ‘Der ehrwürdige Albergata war tief gefränkt, aber Eugen zog eine Lehre daraus: er ſetzte nie wieder einen feiner Cardinäle in vie Verlegenheit, als traurige Figur daftehen zu müfjen, er hat ſeitdem feinen Cardinal⸗ Legaten wieder nach ‘Deutfchland gefenvet, bis tie Nation ſich Ge: horſam gelobend wor ihm gebeugt Hatte.

Die Sache kam anf dem zweiten nürnberger Tage nicht um einen Schritt weiter. Die Deutſchen verharrten bei ihren Vermitt- lungsvorſchlägen, fie wollten das basler Eoncil und das ferrarefifche, den Papft und tie Griechen an einen Ort zufammenbringen, ver in Bafel auf Vorfchlag des römiſchen Könige ernannt werben folite, Darauf einzugehen erklärten fich tie Concilgefandten für unbevoll⸗ mächtigt, und als fie dagegen um bejtimmte Antwort auf die Frage baten, ob das veutfche Reich alle Decrete des Concils annehmen und aufrecht erhalten welle, erklärten vie Fürſten, ihre Meinung darüber durch Geſandte eröffnen zu wollen”).

Die Geſandten famen, aber ihre Antwort war wieder bie ver-

u nn un

) S. Mandat v. 11. Sept. 1438 bei Sigonius |. s. c. p. 488, ex ber zweifelt, daß Albergata wirklih nad Deutjchland kam, weil er am 8. Oct. ned dem Concil zu Ferrara beiwohnte. Doc nennen ihn die andern Quellen, dar⸗ unter Zeno 1. c. p. 476 ausbrüdlich; er könnte fpäter gelommen jein.

2) A. 8. de concil. Basil. p. 2; Chroniftiicher Bericht b. Mansi XXI. p: 193; Patric. cp. 82; Wurftifen ©. 397, Raynald 1438 n. 28.

L 9. Der mainger Reichötag von 1439. 159

jeifelte Neutralität. Die Deutfchen erfannten das Concil zu Baſel an, verehrten aber auch Eugen als römifchen Bifchof. Ferner machten fie VBorfchläge über cin Concil am britten Orte. Die fpa- - aiſchen Geſandten ftimmten bei, vie von Franfreihd und Mailand ellärten ein ſolches Concil für ten Wunſch auch ihrer Fürften. Aber die basler Väter wollten von einer Verlegung des Goncile nichts willen. Eugen, hieß es, werde bie Autorität der Concilien doch nicht anerkennen, er, der wie zum Hohne fo eben feine » Con- gregation« von Ferrara nach Florenz verlegt habe. Zum nächlten Reichstage wollte das Concil wierer Legaten fenden. Mit viefer Ausficht, mit ver die basler Geſandten zu Nürnberg abgefertigt waren, verließen nun bie weutfchen Gefandten Bafel ').

Der dritte Reichstag, ter zum 1. März 1439 nad Frank⸗ furt berufen war, wurde ver heranrückenden Seuche wegen nach Mainz verlegt. Daß er nicht ganz fo nußles verlaufen werbe wie die beiden vorigen, darauf veutete ſchon tie ungewöhnliche Fre- quenz der Berfammlung hin, vie fich einem europäifchen Gongreffe näherte. Den römijchen Stönig vertraten die Bifchöfe Leonhard von Paſſau und Peter von Augsburg; ihnen jtand ein gewanbter Yurift, Johann von Eich, ver vie letzten Unterhandlungen in Bafel geführt, sur Seite. Die drei rheiniſchen Sturbifchöfe waren yperfönlich an- wefend, Dietrich von Mainz, Dietrich von Köln und Raban von Trier. Sie, die fich zuvor um das basler Concil wenig geküm— mert, zeigten jich bier auffallend regſam und intereffirt. Auch an: dere Kurfürſten erfchienen in Perfon, von allen deutfchen Fürften Geſandte, auch mehrere veutjche Biſchöfe auf eigene Hand. Ferner fanden ſich ver Erzbifchof von Tours und ver Bischof won Troyes als Gefandte des Königs von Sranfreih ein, vie Bifchöfe von Cuenca und Albienga als Geſandte des caftiliichen Königs und Des Herzogs von Mailand, andere Gefandte von den Königen von Ara- gon und Portugal.

Am 5. März landete bie Yegation ver Basler Synode, wiederum ver Patrierh von Aquileja mit anjehnlidem Gefolge, ferner vie fampffertigen Theologen Segobia und Thomas ve Courcelles. Gie brachten eine weite Vollmacht, hatten aber eine geheime Inſtruction darüber, wie weit fie in Zugeſtändniſſen gehen dürften. Nur geift- liche Gnaden zu ertheilen, waren fie unbedingt ermächtigt; jie burf-

)A.8.L c.; Patric. cp. #4.

160 1.9. Berhanblungen. Johann von Lyſura.

ten durch bequeme Beichtiger, tragbare Altäre und Dispenfe all

Art fih Freunde machen wie nur je ein päpftlicher Yateranlegat. ' Man wartete mehrere Tage lang auf die Legation Enge Niemand erfchien. Zwar waren Carbinal Cervantes und Nicole von Cues fhon da, aber ohne genügende Vollmacht, fie erhieiid feinen Zutritt zu ven Berathungen und weilten bier nur ale Prim perjonen, um zu beobachten.

Die Verhandlung mit ven basler Gefandten begann am 12. My wieder ganz in der alten Weife. Man begehrte vom Concil, be es ben Procep gegen Eugen fallen laſſe und ſich verlege. DEE wurde wiberfprochen, dagegen vie Annahme ber Concifvecrete md langt und vie acht Glaubenswahrheiten vorgelegt. Der mehrtägigl Wortftreit förderte nichts, Aber das hatte man erivartet, gam andere Dinge waren vorbereitet ').

Die Seele des Neichstages war wieber jener Johann ve Lyſura, fo nannte man ihn nach dem ärmlichen Dörfchen W Trier’fchen, ans tem er ftammte, es lag ganz in ver Nähe wel Cues, dem Geburtsort des berühmteren Nicolaus Krebs. Johani war ein Doctor der Rechte, in Stalien gebilvet, hervorragend ver] Gewandtheit, feine politifche Entwürfe, Beredtfamteit, piplomatiie Schlauheit. Nicolaus war vor Allem Theologe und mit einem ivealiftifchen Anflug in feinen jüngern Jahren, wo er GCeforiaft Liebling gewefen, Johann vagegen Zurift mit Leib und Seele, Trek ber practifchen,, allenfalls gewiffenlofen Staatskunſt. Zu Bofd galten dieſe Beiden für vie kunftfertigften Wort- und Rechtodrehet. Cusa, Lysura pervertunt omnia jura, fagte man ſcherzend. Ge war ganz in das päpftliche Heerlager übergegangen. Lyſura dient den deutſchen Kurfürften und war vor andern des Mainzers Or kel?). Die Neutralitätserflärung war fein Gebanfe geweſen wm auch jegt war er ter leitende Kopf.

Durch die bisherigen Scheingefechte hatte nur erwieſen werdes folfen, vaß für den Augenblid eine Ausföhnung des Concils m dent PBapfte nicht zu hoffen ſei. Man bevurfte viefes Vorganges

) Joh. de Segobia, zum Theil bei Koch, Banctio Pragmatica dei manorum illustr. Argent., 1789. p. 8—14; Patric, cp. 86; Wurſtiſ &.838; A. 8. de concil. Basil. p.3; Bericht b. Mansi XXXL p. 1%.

?) A. S. Comment. ed. Fea p. 95, de Ratispon. Dieta im Append. D4 Oratt. ed. Mansi P. III. p. 66. 47. 48, Frid. III. p. 426; Nota bes Pet Numagen ans Trier in Goldasti Monarchise T. II. p. 1692.

L 9. Die pragmatiſche Ganction ber Deutſchen 1439. 161

um ben wichtigen Schritt, durch welchen man fich felbft half, als eine Rothwendigkeit erfcheinen zır laſſen. Plöglich und zum Schreden ver Eoncilgefanbten wie ver anweſenden Eugenianer nahm der Reiche» ig am 26. März 1439 vie Decrete des busler Concil® an und erhob dieſe Acceptation zu einem Weichögefege'); aber vie acht Gaubenswahrheiten, das Suspenfionsvecret gegen Eugen und was jenft deſſen Proceß betraf, wurde ausdrücklich zurückgewieſen.

Man’ folgte dem Beiſpiel, das die franzöſiſchen Prälaten zu Benrges gegeben. Die Beranftaltung aber war Lyſura's Verdienſt, er leitete Die deutſche Nation, bie bisher nur die Vermittelung zwi⸗ (den ven Parteien als ihre Aufgabe betrachtet hatte, dazu an, auch einmal gegen den römifchen Stuhl und das Concil die Umftänve Üng und zu ihrem Vortheil auszubeuten. Der mainzer pragmati- ſchen Sanction wir gebrauchen ven Ausprud ohne Scheu, obwohl man ihn Damals mied wurten gleichfalls einige Modificationen Pinugefügt, vie das Concil in ver Zolge, wenn auch mit faurer Mime, beftätigen mußte”). Im Uebrigen blieb es bei ver früheren Regralitätderklärung, die fogar noch einmal ausgefprochen wurde und wieder mit der Motivirung, daß man jich durch fie den Weg ver Bermittelung offen erhalten wolle.

Ueberfchauen wir hier Diejenigen Decrete des basler Eon» eils, durch welche das canonifche Recht in wejentlichen Puncten bergeftellt oder veränvert wurde. Daraus wird fich zugleich bie Ermme ver Vortheile ergeben, vie fich Deutfchland durch die An- nahme jener Decrete zueignete und um welche fich dann jener lange Fatrignenkampf erhob, ver den Hauptinhalt des folgenden Buches bilden wird.

Es waren etwa 26 Deerete des basler Concils in der prag-

) Das instrumentum acceptationis b. Wuerdtwein Subsid. dipl. VII ar. 42, Die pragm. Sanction felbft ebirte zuerft der mainzer furf. ©eheim- u Horix anonym 1768, dann noch einmal und vollftländiger in dem Werte Coneordata nationis germanicae integra 1771, ferner Koch I. c. p. 93 106 und mit ben inferirten Decreten p. 105-171. Sie findet fi auch in Nünd's Samml. J. S. 42. Ueber ihre Annahme vergl. Joh. de Segobia b. Koch p-15—18; Patric. cp. 87 und A. 8. de concil. Basil. p. 3. Die BeRätigung dieſer „Concordate” durch König Albrecht v. 2. Juni 1439 in

Regeften zu Lihnomsty’s Geſch. des Haufes Habsburg V.

‚Die betreffende Bulle des Concils habe ich nirgends finden künnen, aber iq pweiſle nicht, daß fie auf König Albrechts Antrag (b. Wuerdtwein VII. a0, 1.) erlaflen fei.

Voigt, Quea Eilvio. I. 11

162 1. 9, Die fanetionirten Decrete,

matifchen Sanction enthalten; 23 davon find vor ber verhängni vollen 25. Sigung erlaffen worden, vie übrigen unter den Stiem der Jahre 1437 und 1438. Schon um biefer drei Decrete m um ver Mopificationen willen legten die in Mainz anweſend Eugenianer gegen ven gefammten Act Protejt ein.

Zuvörderſt mußten vie Fundamente anerlannt werben, a welchen das basler Goncil felbit beruhte, vie coftniger Befchiäf Sacrosancta und Frequens; jenes ftellt vie befannte Theorie vo der Autorität eines allgemeinen Concils auf, dieſes befiehlt die Fei eines folchen in Keftimmten Zeiträumen. Dazu kommen bie $ri vincialſynoden, welche vie Erzbifchöfe alle drei Jahre mit ihr Suffraganen halten, und die bifchöflichen Synoden, die jährlich ei oder zweimal ftattfinden follen. ‘Durch die Annahme bes letter Decretes banden fich die deutſcheu Erzbifchöfe und Biſchöfe ſelbe um es damit in der Folge ſo genau zu nehmen, als ſie wollte Merkwüͤrdig iſt, daß dieſes Decret ſich in der Sanction von Bon ges nicht findet.

Die freien canoniſchen Wahlen des alten Kirchenrechtes we ben hergeftellt, e8 fei denn, daß befonvere Statuten, Privilegi oder Gewohnheiten eine Ausnahme begründen. Niemand foll e Necht der Bitte haben (wie nach ver franzöfifchen Pragmatif d König), niemand foll vie Wahl unfrei zu machen ſuchen. Yu follen nur Männer gewählt werben, die den canonifchen Unforb rungen volljtänbig entfprechen. ‘Desgleichen wird bei ver Verleih von Pfründen den Ortinarien die alte Wahlfreiheit zurüdgegeb und nur im Intereſſe der Wiſſenſchaft, fo wie durch die Beſtu mung ein wenig bejehränft, daß niemand DBeneflcien über ven B trag von 200 Ducaten hinaus bejigen fol. Dem Papfte wurb faft alfe jene Rechte genommen, vie er fich zum Nachtheile d Wahlfreiheit und ver freien Collation der Pfründen im Laufe dv Jahrhunderte angemaaßt. So die Exfpectanzen und Refervatione nur mit Ausnahme der fogenannten reservationes in corpore j ris clausae, d. h. verjenigen, welche it den Decretalen Gregor's J: Bonifacins’ VIII und in ven Clementinen enthalten find. Fern wurbe dem Papſte, freilich in jehr befchränkten Maaße, ein Re der erjten Bitte zugeftanven: wo mehr als 10 Weneficien zu ! leihen find, gebührt dem Papfte davon eine Provifion, wo 50 ob darüber, zwei Provifionen, mehr aber an verjelben Kirche niemal

Der alten Rechtsnorm gemäß, wie die Wahl, fol fortan au

I. 9. Die fanctionirten Decrete. 163

ve Confirmation des gewählten Prälaten ſtattfinden, vie fich ver Bapft mißbräuchlich angemaaßt. Er hat nur folche zu beſtä⸗ tigen, die unmittelbar unter ihm ftehen (immediati) over die ihm haft einer Eremtion zufallen. Jeder Beftätigung foll eine Prüfung ber Wahl vorbergeben, ſonſt ift fie ungültig. Dafür aber muß eine Wahl, gegen vie nichts einzuwenden ijt, beftätigt werben. Selbſt ver Bapft darf eine fehlerfreie Wahl zurückweiſen, es gefchehe denn as höchſt bebeutenver Urfache (nisi ex magna, rationabıili et eridenti causa), die in dem päpftlichen Erlaß ausdrücklich genannt um von ber Mehrheit der Cardinäle als folche anerkannt fein muß.

Riemand darf, unter welchen Vorwande es auch fei, für Or- binstion ober Pallium etwas geben ober annehmen. Namentlich werden alle vie Gelderhebungen völlig abgejchafft, die von ben thmifchen Biſchöfen erft in fpäterer Zeit zu ihren und ihrer Eurie Gunſten eingeführt worden, die Annaten, die Sporteln für das rd» miſche Cancelei⸗Perſonal (servitia minuta), als Brief⸗, Bullen⸗ ever Siegelgelder oder unter welchem Namen immer ſolche Abgaben erhoben fein mögen. Nur die Notare follen für die Ausfertigung ver Schreiben eine ihrer Dlühe entjprechende Entſchädigung erhalten. Ber fonft Geld annimmt oder giebt, verfällt in die Strafe ver Simonie, verliert fein Recht für immer, wird ercommunicirt und lam nicht losgeſprochen werven, fo lange er das dur Simonie Erlengte nicht läßt, und nur durch den Papft. Das jimoniftifche Bersrechen eines Papſtes felbjt aber foll vor dem fünftigen Goncil gerichtet werben.

Die basler Väter hatten ven Papfte für ten Ausfall viefer Eiptänfte einen Erſatz, eine anderweitige Fürforge verfprochen, von Beicher freilich feit vier Jahren nicht vie Neve gewejen war. Die dentfchen Stände wiererholten nun dies Verjprechen, fügten aber die Caution hinzu, daß auch vor einer folchen Fürforge tie vor- Ihriftsmäßigen Wahlen Kraft haben follten.

Appellationen an ven römiſchen Stuhl in folchen Fällen,

Die der regelmäßigen Landesgerichtsbarkeit unterlagen, waren ber Ältefte Mißbrauch, ven die Päpfte, anfangs um der Anerfennung ihrer Autorität, dann um der Gebühren willen, eingeführt hatten. Uufer der Unficherheit des Rechtszuſtandes, bie dadurch einriß, är- gerte die Fülle tes Gelves, das, um römiſche Eurialen zu nähren, aufer Landes ging, und bie Käuflichfeit ver apoftolifchen Yuftiz. Das basfer Decret ftellt nun die Negel auf, daß alle Proceſſe vor 11*

164 1. 9. Bergleih mit dem Eoncorbat von 1418.

dem orbentlichen Richter entfchieven werden müſſen, baß jebe pocation vor den nächſtfolgend-höheren Richter gebracht werben u niemand mit Weberfpringung veifelben an ven Papft appelliren fo Die Ausnahmefälle, welche vor ein römifches Tribunal gehöre werben genau beitimmt.

Vor ber übermäßigen Anwendung der Ercommunicatione und Interdicte war fchon zu Coftnig gewarnt worden. ‘Die deutſe Nation ſchützte fich nun vor ven drückenden Folgen, die aus bie geiftlichen Strafmitteln erwachfen konnten, durch das basler Decr Das Interdict darf nur wegen einer Schuld des Ortes ſelbſt od feines Herrn verhängt werben, nicht wegen ber Schuld eines vaten, e3 fei denn, daß bdiefer in aller Form ercommunicirt w und bie Ortsbebörbe ihn troß richterlicher Nequifition nicht auswie

Das find die Hauptpuncte derjenigen Decrete, welche die deutſt Nation in eine veränderte Stellung zum römiſchen Stuble brachte Andere, welche Dogma, Dieciplin und Ritus der Kirche betraf pürfen wir bier übergehen, auch find ihrer wenige und dieſe böd ärmlih an Anhalt im Vergleich mit jenen.

Es liegt nahe, pas Nefultat des basler Concils für die veutfi Nation mit dem bes coftniger zu vergleichen. Freilich war d Concordat, welches am Schluffe des letzteren Papſt Martin mit d Deutfchen ſchloß!), nur auf fünfjährige Dauer berechnet. Es I traf fo ziemlich viefelben Puncte, vie 1439 in ver Sanction norm wurben, ging aber vurchaus nicht fo weit als dieſe. In Betr ver Appellationen an römifche Gerichte ſtellt das Concordat d allgemeinen Grundſatz auf, den vie Sanction nur weiter ausfüh AS Refervationen geiteht das Concordat dem Bapfte auch die t Gonjtitutienen Ad regimen und Execrabilis zu, welche vie Ser tion ausdrücklich zurückweiſt. Ganz anders aber lauten vie Beftt mungen bed Concordats über tie Annaten und über bie päpftlich Deonate bei den Pfründeverleihungen, auf fie werden wir bei t Befprechung des wiener Concordats zurüdtommen müſſen. WW auch der coftniger Vergleich nicht nur ein proviforifches Abkomm gewefen, jo konnte ven Papft für andere Bitterleiten fchon ber ei Satz deſſelben tröjten: „Wie die Angelegenheiten der römifchen Kir« jegt ftehen, fo fcheint für den Papft und bie Cardinäle nicht ande

) Das Concordat v. 20. Febr. 1418 bei v. d. Hardt I. p. 1068, ! Maunch I S. 20.

I. 9. Fortſetzung ber deutſchen Neutralität. 165

geforgt werben zu können, als bisher gefchehen« u. |. w. Wie ſchroff Reht tiefem Zugeitänpniß der Anuaten das basler ‘Decret gegenüber!

Der Tag, an welchem vie basler Decrete für Geſetze bes vestichen Reiches erklärt wurden, hätte ein bochwichtiger für bie firhlihe Geſchichte Deutſchlands werden können, wenn dieſe An⸗ nahme mit fefterem Geift erfolgt und mit guten Gewiffen behanptet werden wäre. So aber Hatten im Wirerftreit ter lodenven Vor⸗ theife mit zaghaften Bedenklichkeiten die Vortheile nur um ein We⸗ wiged gefiegt. Man benupte den Augenblick, wo vie päpftliche Be— hötigung ver Sanction unter ‚ver Autorität des Concils umgangen werden konnte, aber man hielt das Ergebnig des günftigen Augen blids nicht für bie Dauer feit.

Mit ver Annahme ver pragmatifchen Sanction zu Bourges und zu Mainz traten diejenigen beiden Nationen, die auf bem Concil die beveutenpiten waren, von Sampfplag ab. ‘Die eine er- Inte Eugen an, aber den durch Concilvecrete nach alleır Seiten kin beſchraͤnkten Schattenpapit, vie andere hüllte ſich gegen Verord⸗ mungen und Zumuthungen von beiden. Seiten in ven bequemen Mantel ver Neutralität. ‘Diefe ficherte ven Deutfchen eine überaus girftige Stellung: während vie Prälaten feine höhere Gewalt über fih fühlten, wurbe ihre Gunjt doch) von Papjt und Concil ums worden; ihr Gewiſſen beruhigte vie Zweifelhaftigfeit ver Autoritäten. Ras kümmerte es fie, daß man ihnen mit verbiffener Wuth vor- tädte, Neutralität fei ver Würde ver catholifchen Stirche zuwider, Ne höchſte Gewalt müſſe fich entwerer zu Bafel oder zu Yerrara befinden? Sehr treffend bemerft Enea Silvio, dieſe Neutralität werve beſſer Dualität genannt. Kirchliche Erlajfe zwar nahın man weder vom Papfte noch vom Goncil an; wenn e8 aber galt, einen Tispene, eine Pfründe oder fonft eine Gnade zu erlangen, jo wandte man fich bald an ven Papft, bald nach Bajel, je nachdem man bier edet dort Gunft zu finven hoffte. Diefes eigennügige Schwanfen war dem Concil gerade fo widerwärtig wie dem Papfte‘).

" Damals entftanden in Bafel und wohl aus des Dichters Enea Silvio Ötber bie anzüglichen Berfe: Ut primum magni coepit discordia cleri, Dicunt Germani: nos sine parte sumus. Hoc ubi non rectum docti docuere magistri, Suspendunt animos. Gutturs non sapiunt.

A 8, Comment, ed. Fea p. 77:

166 I. 9. Die Neutralität. Tob König Albrecht's 1439. |

Die Wangfchale ſtand Teinesweges mehr gleich für beide Par teien, als das Concil am 25. Yuni 1439 die Entfegung Eugen’s ausſprach. Dennoch kann man ihm nicht vorwerfen, daß es unbe dachtfam over unklug handelte. Es konnte nicht mehr rückwärts, felbft wenn es vie Bedenklichkeiten feines Verfahrens und ter poli⸗ tiſchen Sachlage ganz einfah. Im Kampfe mit Eugen mußte es jiegen oder unterliegen, jeve Verzögerung brachte dem Gegner Bor- theil und raubte dem Concil ven legten Schimmer feiner mora⸗ liſchen Macht. So gefhah, was unvermeidlich gefchehen mußte, nach d'Allemand's Meinung eindrucksvoller und großartiger, wenn es fchnell und entichloffen auegeführt wurte, Eher durfte das Coneil die interpellivenden weltlichen Mächte durch feine Rückſichts⸗ Iojigfeit beleidigen, als fich die Würde feiner Unabhängigleit vergeben.

Zum 1. Auguft 1439 war ein neuer Reichstag zu Frankfurt und zum 15. Auguft eine Brovincialfynobe zu Mainz angefagt worden. Nach beiden Städten, zum römifchen König, zu ven Kb nigen von Spanien und Frankreich und in andere Ränder ſchickte das Eoncil Gefandte, um fein Verfahren gegen Eugen zu rechtfer— tigen. Nirgends wurden fie günftig aufgenommen, in Deutfchlantese wurbe ihnen fcharf unterfagt, das Abfeungspecret an die Kirchen thüren zu nageln').

Bald darauf erfcholl, vie Kunde vom Tode des Könige Al brecht. Während er fich rüftete und abmühte, um mit einem un bebeutenden Heere die osmanijchen Plünderer von ben ungarifches® Grenzfeſtungen abzuwehren, ergriff ihn die dort herrfchende Seude- Schon zum Tode franf, trat er die Rüdreife au. In einer Sänfte trug man ihn von Gran hinweg, in Langendorf erlaubten vie ge⸗ ſchwundenen Kräfte die Fortreife nicht mehr, hier verſchied der kriege⸗ rifhe König am 27. October 14397).

Für das Concil wie für ven Papjt war nun bie Zeit neuer Intriguen gekommen, die an vem Panzer dieſes Königs ftetS ge jheitert waren. Inſofern er ſich um vie Kirche überhaupt wenig fümmerte, war er ein fefter Anhänger ver Neutralität geweſen. Noch Turz vor der neuen PBapftwahl wurden bem Concil Briefe von ihm übergeben, worin er fich über die Abfegung Eugen’s beflagte

) Patric. c. 9. 9. ) Ebenborffer b. Pez Scriptt. II. p. 865; A. 8. Europa cp. 1, Hist- Bohem. cp. 56; Dubrav, lib. XXVIIl. p. 266; Patric. cp. 101.

IL 10. Die Seuche zu Bafel 1489. 167

und bat, bie neue Wahl wenigſtens aufzufchieben, bis er Gefanbte zur Bermittelung fchiden werte. Damals äußerte ver Cardinal von Arles ſpöttiſch, ob man etwa wieber einen beutichen Reichstag abwarten welle, deren einer immer wieber ven andern gebäre ').

Zehntes Eapitel. Beh zu Baſel. Wahl und Stellung des Concilpapftes.

Seit dem Frühling 1439 hatte fich auch zu Bafel vie furcht- bare Seuche eingeftellt, die aus ven Donanländern heranzog, ven Schreden vor fich her treibend, Mißwachs und fchwere Theuerung in ihrem Gefolge. In der Hige der Hundstage, gerade zur Zeit, ald der Papft entjegt wurde, erreichte fie ihren Höhegrad; es fehlte wenig, fo hätte fie das Eoncil, viel wirkjamer als Eugen's Flüche, anseinanvergefprengt. Sich felbft zu tröften, ertheilten vie Väter allen venen, die hier verharrend ftürben, vollſtändigen Ablaß für alle Sünden, orbneten Bußgänge an, und ein Befchluß vom 10. Juli beitimmte, daß jie bis zur Beendigung ihrer Arbeiten bleiben und auf Die Wahl eines Papftes venfen follten, tie 60 Tage nach ver Entſetzung gefchehen mußte”).

Wie eine dumpfe Beklemmung auf ven Gemüthern Taftete, wie vie graufigen Bilder des Todes und die vielen Leichenzüge eine ge- ſpannte Bangigfeit in allen erhielten, wie ein fehneller Todesfall einen ebenfo ſchnellen Schred herverrief, kurz alle vie begleitenden Züge einer folchen Krankheit hat ung Enea ſchön und lebhaft be- Khrieben”). Neben ven hundert Opfern, die täglich in ver Stabt dingerafft wurden, ftarb auch mancher wohlbefannte Prälat, allein das Collegium ver Abbreviatoren, dem Enea angehörte, beklagte ven

) Patric. cp. 98.

7) Das Decret bei Mansi XXIX. p. 181; Patric. cp. 86 init. et 94; Burfifen ©. 352.

?, de coneil. Basil. p. 46; Pii II. Comment. p. 7. Die Befchreibung erinnert in manchen Zügen an bie meifterhafte, vie Boccaccio feinem Deca- mexone vorausſchickte.

168 1. 10. Die Seuche zu Baſel. Enea’s Erkrankung 1439.

Berluft von 8 Mitglievern. Man begrub an manchem Tage über 300 Leichen over vielmehr man fihichtete fie in Gruben auf, nad ven Basler Rathsbüchern wurden in der Zeit zwifchen Oftern umb Martini gegen 5000 beervigt'). Vor allen erjchredte ver Tod bes Protonotars Pontano, des Draceld ter Yuriften, ven man noch kurz zuvor in frifcher Jugendblüthe auf ver Rednerkanzel gefehen, und der des alten Patriarchen von Aquileja.

Viele der Väter waren von ber Abreife nicht zurüdzuhalten. Selbft die Energie des Cardinals d'Allemand feheint einen Augen⸗ blick gewankt zu haben, als ber Tod in feinem Haufe wütbete. Am 22. Yuli trat er mit dem Vorſchlag vor vie Väter, das Concil bis Ente September zu vertagen und vie Wahl eines neuen PBapftes auf ven 1. November fejtzufegen. Da fürchteten einige verzweifelte Köpfe, die fonft Feine Zuflucht hatten, mit dem Concil möchten auch fie und alle ihre Hoffnungen zu Grunde gehen, fie fprachen davon, lieber in Bafel fterben zu wollen al8 zu fehen, wie pie Kirche ihrem Sturze zueile”). Zür jeden Fall wurbe ein Ausſchuß ernannt, welcher die Permanenz des Concils barftellen follte.

Enea Silvio hatte den fterbenden Pontano noch zur Geduld ermahnt, er verlor manchen Collegen und Freund. ber in ber Naht, nachdem er einen gewiſſen Giuliano aus Nom zu Grabe geleitet, fühlte er am eigenen Körper eine Peftbeule; einer feiner Breunde, Andrea Panigali, und fein beutjcher Diener, Hans Stein- bof, blieben bei ihm. Einem gelehrten parifer Arzte wurde ein un wifjender beutfcher vorgezogen, weil jener für einen irreligiöfen, biefer aber für einen frommen Mann galt. Ein Theil der Kur war, daß der Patient einen ganzen Tag nnd einen Theil der Nacht lang am Schlafe gehindert wurte. Sechs Tage lang quälten ibn Vieber und furchtbarer Kopfſchmerz bis zur Verzweiflung, in Erwar⸗ tung des Todes ließ er einen Priefter fommen, beichtete und com- municirte, empfing die legte Delung und wurbe in ver Stadt fehon tobt gefagt. Dennoch war er einer ver wenigen, bie genafen®).

Das Gerücht von feinem Tode koſtete ihm feine Propftei an

1) Peter Ochs, Geſch. d. Stadt und Landſchaft Bafel II. S. 279.

) Sp erzählt glaubwitrbig Patric. cp. 9 nad Johann von Segobia; gerade umgelehrt läßt A. 8. de concil. Basil. p. 48 die Väter zagen nub ſchmückt den Cardinal von Arles mit plutarchiſchen Zügen der Unerfchrodenbeit. Segobia’s Bericht knüpft fih troden an Yactum und Datum.

”) A. 8. de concil. Basil. p. 47, Pii II. Comment. p. 7. 8.

I. 10. Vorbereitungen zur Papſtwahl 1439. 169

ver Lorenzo⸗Kirche zu Mailand: es bewarb fich darum jener Laſſarrata, vr Schüpling Eugen’, und ber Herzog willigte ein, weil er ſich gerate damals tem Papite gefällig zu zeigen wünfchte. Ueberdies hatte Enca ald Beamter des Concils nicht ſtets mit ven lombar⸗ biihen Prälaten ftimmen können, wie ber Herzog es verlangte. Sänen Berluft beeilte ſich das Concif zu vergüten, es verlieh ihm em Sanonicat nebft einer Präbente an ver Zriventiner Kirche. Enea riite fofort nach Zrient zur Befitergreifung, fand aber fchon einen Deutihen im Befig, "ber fich Fraft des Capitels eingedrängt, ein freitfächtiger und verfchmigter Menſch,“ wie Enea Silvio, ver wahre Einpringling, ihn ſchildert. Er wußte wirklich vie Canoniker zu beruhigen und dann für fich zu gewinnen, troß basler ‘Decret ud Gewiffen. Hatte ihn einer in Mailand verbrängt, fo ver- tröngte er einen antern in Trient‘).

Gleich unbelümmert um Trauer und Yeichen, um tie Mißbilli- gung der Weltmächte und um vie Flüche, tie von Florenz herüber- hallten, betrieb das Concil mit allem Eifer vie Vorbereitungen zur num PBapftwahl. Ein Carbinalcollegium war nicht vorhanden, eine Abweichung aber von dem hergebrachten Modus ter Papftwahl den zu Coftnig angebahnt worven. Ein Archiviaconus von Meg mochte ven Vorſchlag über die Bildung eines Conclave, der am 24. October 1439 zum Beſchluß erhoben wurde”). Wahlherren ſollen 32 Glieder des Concils fein außer dem Cardinal von Arles md jedem andern Cardinal, ter fich bie zur Wahl noch in Baſel enfinden würde. Drei Wähler ernannte das Concil unmittelbar, ten Ciftercienfer- Abt Thomas de Dunduno, einen Schotten, ven Johann von Segobia, Archiviacon und Gaftilianer, und ven Thomas de Eourcelles, einen franzöfifchen Magiſter ver Theologie. Sie warden zugleich zu Vertrauensmännern ernannt, welche vie übrigen 9 Conclaviften und bie zum Conclave nöthigen Officialen zu er- nennen hatten. Als Bedingung war ihnen nur vorgefchrieben, daß jeter der Wählenten mindeftens auf ver Stufe des Diaconats fte- ken, und daß vie 32 in gleicher Zahl aus Stalienern, Franzofen, Leutihen und Spaniern genommen werten follten. Diefen Bor- ſhlag übrigens, ver von ter Glanbensdeputation ausgegangen war, hatten Die antern drei Deputationen lange nicht annehmen wollen,

', Pii II. Comment. p. 8; A. 8. epist. ad Barzizium v. 5. Dec. 1442. ) Decrete ber 37. Situng bei Mansi XXIX, p. 184.

170 I. 10. Wahl der Eonclaviften. Amabeo von Savoyen.

weil fie eine Lift dahinter vermutheten. ‘Die Deutfchen behaupteten nämlich, in dem fchottifchen Abte nicht genügend vertreten zu fein, da berfelbe notoriich ein Franzofe von Gefinnung ſei. Wiederholt unterhantelten Enea Silvio und ein Minorit als Abgeorbnete ber Ölaubensbeputation mit ten andern. Dan verftändigte fich endlich fo, daß jene Drei fich noch einen Vierten zumwählten, einen bentfchen Propit ').

Am 28. October 1439 traten bie Vertrauensmänner zufammen und ernannten ohne Zeugen vie 28 Papftwähler, deren Namen bamn in ver Generalcongregation des folgenden Tages verlefen wurben"). Wir Tennen nicht nur die Namen, fonvern auch vie Didcefen, ans welchen fie herfamen. Daher haben wir es nicht nöthig, auf bie Stimmen ber Parteien zu hören, um ein Urtheil über bie beiven Fragen zu gewinnen, ob jene Vertrauensmänner ihr Amt gewiſſen⸗ baft erfülkten und ob fich bei tiefen Vorbereitungen zur Wahl fchon ein Einfluß des Herzogs von Savoyen erfennen läßt. In früherer und fpäterer Zeit find dieſe Fragen faft ftets nur vom einfeitigften Parteiftanppunct entjchieven worden.

Seit einige Nationen fich dem Concil gänzlich entfremdet hatten, anbere eine neutrale oder gleichgültige Stellung ihm gegenüber ein- genommen, hatten bie Bifchöfe wenig Intereſſe mehr, überhaupt dem Concil beizuwohnen. Ihrer befanden fich von ber franzöfifchen Nation höchftens zwei in Bafel, von ber teutfchen außer dem Biſchof von Lübeck, ver eine Zeit lang Gejandter des Könige war, nur ber von Baſel felbft, von ter fpanifchen fchwerlich mehr. Seit dem Procep gegen Eugen und dann wierer in Folge ver Peft Hatte man eine ftete Abnahme der hohen Würdenträger verfpürt.

Seit verfelben Zeit aber zeigte fich ver alte Aınadeo von Savoyen ven Concil immer günftiger. ALS Eugen’d Suspenfion ausgefprochen war, bewies ver fürftliche Einfierler fchon ein fehr auffallenves Intereſſe: er ſchickte Geſandte an Eugen, welche das Concil rechtfertigten, er bot fich ihm als Vermittler an”). Die basler Väter, hoch erfreut, unter ben Würften, veren mehrere ab» trünnig wurden, in biefer wichtigen Zeit einen neuen Freund zu erwerben, fanbten den Protonotar Pontano nach Ripaille und biefer

1) A. 8. de concil. Basil. p. 48. 49; Patric. cp. 98. 99. ?) Das Beftätigungsbecret bei Mansi XXIX. p. 196. 2) Patric. cp. 68.

I. 10. Das Eoncil und Amabeo von Savoyen. 171

fehrte mit der Antwort zurüd, ver Herzog fei vem Concil ganz er⸗ geben und werte alsbald Prälaten aus feinen Landen nach Baſel ſchicken“). Wirklich erjchienen im Mai 1439 drei Prälaten aus dem ſavoyiſchen Gebiet, begleitet von einer Schaar von Clerikern niederen Grades, und im October deſſelben Jahres, alfo kurz vor ver Wahl ver Conclaviften, rücten drei andere nach, ver Erzbifchof von Ta— rantaife, bie Bifchöfe von St. Bellay und von Ivrea, wieberum mit einem Gefolge von Clerilern, das fich in die Reihen ver Concil⸗ väter ftellen ließ“s). Der Herzog von Savoyen leiftete jet dem Concil venfelben Dienft, wie früher, freilich aus ganz anderen Mo⸗ tiven, ter Herzog von Mailand. Die aus feinem Gebiet zuftrömenbe Menge erregte felbjt am Concil Beſorgniß, man befchulvigte D’Alle- mand, er wolle fich ihrer bevienen, um feine Wahl zu fichern. ‘Der aber wahrte feine Perſon vor dem Verdacht des Ehrgeizes, er be- theuerte, es müſſe einer Puapft werben, ver bie Kirche ftügen, ein mächtiger Mann, ver fich felber Halten könne. Das Concil habe alle Ummwohnenten zu feiner PVertheibigung und zur Wahl herbei- gerufen: anvere nun wollten nicht fommen, die Savoyer aber kämen, "durch die Frömmigkeit ihres Fürſten angeregtu ?).

Das Herzogthum Savoyen des 15. Jahrhunderts darf durch⸗ aus nicht mit dem heutigen Alpenlänvchen dieſes Namens verwechſelt werven. Es reichte mit der Grafſchaft Nizza ans ligurifche Meer unb wurde von dieſem fonft nur durch das ſchmale genuefifche Küften- gebiet gefchieren. Seine Grenzen waren ferner tie Provence, Dauphiné, Burgund, das Land ver Eidgenoſſen, das mailändiſche Herzogthum. An Umfang konnte es fich wit fegterem, mit der venetianifchen Re— publik oter mit vem Kirchenjtaat ungefähr meffen. ‘Der Herzog galt für reih. Die anvächtige und bequeme Ruhe genügte ihm nicht, er war des Regierens gewohnt und das Glück hatte ihm immer

ı) Ducem ipsum Patribus deditissimum esse, faterique Basilcae esse legitissimum (sic!) Concilium, Ferrariae autem minime ; proinde missurum ad eos Praelatos Provincise auac. Patric. cp. 74.

N, Patric. cp. 91. 98. Wir türfen nicht annehmen, daß bier durch ein Berfeben, wie Batrizi deren genug begeht, biefelbe Sendung von Biſchöfen zwei⸗ mal berichtet werte. Nur in cp. 91. werben fie genannt; bie falichen Ramen Tarentinensis und Hipporegiensis find nad bem Concildecret vom 30. Oct. in Tarantssiensis und Eporediensis zu corrigiren. Wir bie erfte Eenbung im Mai bleibt uns die Wahl, an bie Bilchdfe von Geuf, Nizza, Nercelli und Turin zu beulfen, bie, fo viel wir wiffen, vorher nicht in Baſel waren.

) Patric. cp.98,

173 I. 10. Uebergewicht ver ſavoyiſchen Eonclaviften.

gelächelt. Pries man ihn jetzt fchon als einen zweiten Salomo, w viel mehr, wenn auf feine weltliche Herrfcherlaufbahn ein ebemf glücklicher Pontificat folgte! Ideale Gaufelbilver hegte er nicht, alı er hoffte, durch eine Huge Politit und burch das Entgegentonmme ver ihm verwandten over befreundeten Fürften Alles zum gute Ende zu führen. Er fohrieb an einige ver vertrauteften Fürften üß die Möglichkeit feiner Wahl und erbat fich ihren Rath, ob er ke Bapat annehmen folle.” Der argliftige Herzog ven Mailand riel am bringenbften zu un verſprach im voraus feinen Gehorfam" Der Cardinal von Arles war ohne Zweifel in feine Pläne gu eingeweiht. |

Daß die aus Savoyen gefenveten lieber des Conclave de andern an Zahl gleich kamen, erſcheint als übertriebene Behauptung daß bei ver Wahl eigentliche Beftechung mitwirkte, als Verlenn dung”). Andre Umftände genügen, um fie zu erflären. Es mas gelte im Concil an Bifchdfen und doch erfchien e8 um ver Wird des Wahlactes willen nothwenvig, daß ihrer möglichft viele um den onclaviften fein. So mußten vie Vertrauensmänner zu da favopifchen greifen. Werner kam es dem Herzoge zu Statten, bef fein Land ebenfowohl zu Italien wie zu Frankreich gerechnet wurde feine Xerritorialen bildeten unter ven acht Yranzofen wie unter bi acht Stalienern, veren Wahl ten Bertrauensmännern zur Pflich gemacht war, vie Mehrzahl.

Eilf Biſchöfe, den Carvinal- Erzbifchef von Arles nicht mitge rechnet, wurden ernannt, darunter waren 7 favopifche?), 2 fpanifce ein franzöfifcher und ter Bifchof von Bafel. Der Mönche waren T,

) A. 8. de vir. clar. XXII.

2) Beides bebauptet 3. B. der Secretair Eugen's Blondus Dec. HL Lib. X. p.558. Bon 33 Wüblern follen nah ibm 18 ſavoyiſche Unterthezei gewefen fein; ich zähle deren nur 10 bis 12, Wie finnlofe Beſchuldigungen vor ber florentinifchen Eurie ans über Die Wahl und ben Gegenpapft ausgefchätid wurden, Davon mag das unverfchämtefte der Läftermäufer, Poggio, ben Bene liefern. Um den Ton feiner Invectiva in Felicem Antipapam zu wlrbigen, muß man anf feine völlige Unkenntniß ber Thatfachen achten. Nach feiner Det ftelung kam Amebeus nad dem Tode feiner Gattin nach Bafel, fi um ba Bontificat zu bewerben. Der Wähler find nad ihm itberhanpt nur 16, baramlaı 4 italienifche und 4 franzöfifhe Savoyer u. ſ. w.

) Nämlich die von Tarantaife, Genf, Nizza (ſchon Manft lieh Ratt Vi sensis, ber offenbaren Wieberholung des fpanifchen Biſchofs, Nicienais), Ber celli, Aoſta (wer follte fonft ber episc. Georgius Augustensis fein?), Sorte.

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I. 10. Das Eonclave Octob, 1489. 173

ver Magifter ver Theologie 5, vie andern 9 befleiveten untergeord- nee geiftliche Würden. Im Ganzen ijt bie Anorbnung feſtgehalten werben, daß jeter ter vier Nationen acht Wähler angehören follten, wur daß die Staliener ohne Ausnahme und bei weiten die Mebr- dl der Franzoſen eben Savoyer waren, Das lag aber in ter Sefammenfegung des Concils und ift nicht etwa ben Vertrauens⸗ wännern als Schuld anzurechnen.

Unter den acht Italienern hatte auch unfer Enea Silvio zum Yapitwähler ernannt werben follen, er, ber weber eine geiftliche Veihe noch eine acavemijche Würde beſaß. Das Concil bewilligte fir ihn einen Dispens, Fraft deſſen “er in einem Tage, trotz ben canoniſchen Friſten, ven Eubbiaconat und den Diaconat erreichen kennte. Er jelbit hatte aber feine Lujt, ven umnvertilgbaren geift« Gen Character um eines vorübergehenten Zweckes willen auf fich m nehmen, er mochte fich nicht binden, in feinem leichtfertigen Leben ht genirt fein‘). So wurden er und ver Franzoſe Brunon zu derici ceremoniarum ernannt, als welchen ihnen eine Aufficht über die äußere Ordnung des Conclave und bie Verpflichtung zuſtand, ud gefchehener Wahl das Inſtrument darüber auszuftellen. Zu dieſer Würde reichte ver Titel eines „Canonicus ver triventinifchen Kirche und apoftolifchen Notarsu Hin, ven Enea im Decrete führt.

Das Conclave war im Haufe „zur Mücke- eingerichtet, in welchem ſonſt vie Deputation für gemifchte Angelegenheiten zu tagen pflegte). Es warb am 30. Det. 1439 bezogen. Seine Einrichtung hat uns Enen Silvio, den das neue Schaufpiel lebhaft intereffirte, ehr umftändfich befchrieben, fie war gauz ben römiſchen Conclaven nachgebildet. Auch die beiden Ceremonien-Geiftlichen hatten ihr eige- ned Känmerchen. Den Schlüffel zur Hauptthüre bewahrte ver Gar: dinal von Arles, er vertraute ihn niemand an außer bisweilen un- frm Piccolomini. Es war veffen Amt, barüber zu wachen, daß

inin. Wir wüßten aljo noch von zwei ſavoyiſchen Biſchöſen, denen von St. Say und Laufanne, die troß ihrer Auweſenheit bei der Wahl übergangen wurden.

‘) Pii II. Comment. p.8. Ganz unfinnig ift das Motiv, welches ihm Campanus p. 970 unterlegt: er babe ven Zutritt zum Octowirat darunter lum nichts anderes verſtanden werben als dieſe Sonclave-Würbe, fo oft er ihm an angeboten fei, nicht angenommen, weil er die Wahlhanblung als ungefet- hd betrachtet. Der Papſt fpricht überall noch offener ale feine Lobhubler.

nad Ochs III. S. 294, nad Enea in practorio urbis.

174 I. 10. Borgänge des Conclabe.

bie Wähler ſich weder mit jemand von außen beſprechen, noch ba eine fchriftlihe Mittheilung, etwa bei dem Hinein⸗ und Hinam tragen ber Speifen, zu ihnen gelangen konnte. Außerdem vurfie 4 bei den meiften Vorgängen im Innern, nur nicht bei ven eigen ftchen Serutinien, zugegen fein. Ex verfichert wieberholt, er Kef nichts Unerlaubtes gefehen, nichts der Ehre Widerſprechendes). Weg vorgefchriebenen Formen wurden aufs Strengfte eingehalten. Big wollte die Würde dieſes Eonclave, deſſen Zufammenfegung an Anftop genug erregen Tonnte, nad) Kräften wahren.

Am folgenten Zage, ver dem erften Scrutinium, em Cardinal von Arles feine Collegen eindringlich, einen burd) und Reichthümer mächtigen Dann zu wählen: man bevürfe eins Bapftes, der die Väter auch mit weltlicher Gewalt fchügen kim man bebürfe ferner einer Geldſumme von 40,000 Ducaten, um b der Hülflofigfeit des Concils die Koften der bevorftehenten Gere nien, ver Papftfrönung u. f. w. zu decken. Solche Anvdeutumgen gef nügten, um auf ven Dann zu weifen, ven der Carbinal im St hatte. Dennoch wurden im erften Scrutinium 17 Männer verfchiedenen Nationen vorgefchlagen, leider wird uns feiner WB ihnen nambaft gemacht. Amadeo erhielt fogfeich 16 Stimmen, dh waren bie favopifchen, die d'Allemand's und wohl einiger, die Mi zu folgen gewohnt waren. Im zweiten Scrutinium wuchs bie feiner Stimmen auf 19, im britten auf 21. Dabei bfieb es ME vierten. Man konnte fehen, daß feine Wahl feinesweges im vordlt als gefichert zu betrachten war?). Zwei Drittheile ber Sthumelk waren zur Wahl nothwendig, es fehlte mithin nur noch eine. Amabes fei ein Laie, wurde bemerkt, er fei verheirathet geweſen und Kalk. Kinver, er fei Fein Kenner der Rechte, auch Fein Theologe u. f. wi*;

Envlih im fünften Scrutinium, am 5. Nov. 1489, erklärt: ſich für Amadeo 26 Stimmen. Die Wahl war entſchieden). *

') A. 8. de vir. clar. (fein unbefangenftes und parteilofeftes Wert) XXIL: Ibi ego nihil nisi honestum vidi. Nil ego vidi quod non lioeret. Ri babe von Geldbeſtechung gefprocdhen, quod nunguam ego scire quivri. *

?) Daß die 5 Scrutinien nur eine des Scheines halber verabrebete EomiblE: geweſen feien, wie A. 8. Comment. ed. Fea p. 78 fpäter mit ben verbäctigese den Worten anbeutet: sive simulate sive vera contentio fait, fällt nn# bei ſchwer zu glauben.

) So Enea Silvio und Ochs S. 296. Patrizi irrt offenbar, weit er ihm nur durch gerabe 22 Stimmen wählen unb bann doch nur 7 übrig Siebe ben Täßt, die ihn nicht wählten.

L. 10. Wahl Amabeo's von Saboyen 1489. 175

D’Allemand ermahnte vie fieben, bie den Herzog nicht gewählt, es jet nachträglich zu thun, ter gewähnliche Kunftgriff, um eine Vehl ale durch Stimmeneinheit erfolgt verkünden zu Können. Sie aber antworteten ablehnend: es genüge, wenn fie ver Wahl bei- fimmten. Der Cardinal verkündete aus dem geöffneten Fenſter des Cenclave dem Volke das Gefchehene, Enea Silvio nahm das Inſtru⸗ met varüber auf. Dann zogen vie Wähler im Feſtesſchmuck nach vom Münfter, d'Allemnand erftattete von ver Kanzel aus Bericht, bie Ceremonien⸗Cleriker mußten bezeugen, daß die Wahl canonifch ab» halten fei._ Später warb fie von ven Deputationen und von ber algemeinen Verſammlung beftätigt ').

Um tem Herzeg feine Erwählung durch eine feierliche Gefandt- Khaft fund zu thun, ernannte das Concil am 3. ‘Dec, wahr Keinlih Tonnten tie Geldmittel zu dem glänzenven Zuge nicht Keller herbeigefchafft werten, 25 Geſandte, 7 Bifchöfe, 3 Aebte, 14 Doctoren. Enea Silvio war auch darunter, er zählte wohl zu ven Doctoren. Als fie in Ripaille anlangten, hatte fich hier fchon bie Blüthe des ſavoyiſchen Adels eingefunden. Amadeo mit feinen Ritter-Eremiten trat ven Gefandten höflich entgegen. Man fcheint ewartet zu haben, baß er nach ver vom heiligen Geiſte gefchenkten Birde mit beiden Händen greifen werde, wenn auch ein anfängliches Zögern, ein Gefühl ver Unwürdigkeit zur anftändigen Form gehörte. Der Herzog aber, ein weltfluger Fürſt, unterhandelte erjt drei Tage lang über feine künftige Stellung zum Goncil, ehe er jich erklärte. Er ftellte eine Reihe zum Theil ſehr ſonderbarer Bedingungen auf: ein Theil ver Eitesformel follte weggelaſſen over verändert werben, ex wolite durchaus in Gremitentracht und mit feinem Barte ver- bleiben, auch ven weltlichen Namen nicht ablegen. Werner fragte er, weron er denn mit feiner Curie leben folle, va man dem päpftlichen Stuhl alle Einkünfte, zumal vie Annaten genommen, ob er etwa fein Eigenthum verzehren und feine Kinder erblos machen folle. Da er fich leßteres Bedenken nicht ausreden ließ, mußte ihm fofert eine anderweitige Provifien verfprechen werden. Die andern Bebingun- ya aber wurben ihm rund abgefchlagen, uur ver Bart, von dem er’ verhaus nicht laſſen wellte, noch für beſtimmte Zeit zugeftanden.

‘) Ten ganzen Hergang erzäblen A. S. de cuncil. Basil. p. 53— 60, Patric. cp. 100; das Beſtätigungsdecret v. 17. Nov. 1439 b.Mansi XXIX. »188. und b. Leibnitz Cod. jur. gent. dipl. T.I, Hannov., 1693. p. 367. ẽi rürfte leicht ans Enea's Feder fein,

176 I. 10. Felix V. Seine erfte Cardinalswahl.

Bald fehor er ihn übrigens von jelbft ab, weil er unter dem Nolte damit Auffehen erregte. Er mußte einwilligen, in feinen Briefen an das Eoncil, wie dieſes verlangte, ven päpftlichen Namen nad ftehen zu Iaffen (Sacrosanctae Basileensi Synodo etc. Felix Epis- copus etc.). Endlich ward beftinmt, daß er vie höheren Aemter an feiner Curie niemand vefinitiv verleihen, fondern nur durch Vi⸗ care verwalten lafjen ſolle. So wurten ihm vie Einkünfte abge fchnitten, die ver Handel mit viefen Aemtern brachte; bie eröffuete Ausficht follte Anhänger Eugen’s herüberloden.

Es lag wenig Erhebendes und Ermuthigenves in den Prälimis narien des neuen Papftthums.

Nachdem fich ver herzogliche Einſiedler endlich mit dem Concil geeinigt, nahm er am 5. Januar 1440 auf ven Knien und mit ge faltenen Händen vie Wahl an, er nannte fich Felix V') Jetzt erit entäußerte er ſich völlig ver weltlichen Herrfihaft, erklärte feinen älteren Sohn Ludwig zum Herzog von Savoyen, ven jüngeren Phi- lipp zum Grafen von Genf, dann ging er nach Tonon, um bier eine Curie zu bilden. Die DOfficialen, die er ernannte, waren größtentheils Franzofen, von den Italienern warb nur Enea Silvio als Secretair in die neue Qancelei aufgenommen. Er mag bie Ausfchreiben verfertigt haben, in venen Felix ven Fürften aus Zonen feine Erhebung anzeigte und worin er verficherte, ba er ben Pon- tificat nicht wegen der Neichthüner und der Macht ver Kirche, bie nur gering feien und die er vorher im Weberflug genoffen, fon- bern nur um den Rufe des heiligen Geiftes nicht zu widerſtehen, angenommen habe”).

Noh zu Tonon hielt Felix feine erſte Cardinalswahl, weil feine Krönung einen mit allen Würden wohlverfehenen Aufzug zu erforvern fchien. Das Concil gab ihm bie Erlaubniß, ber Cardi⸗ näle fo viele und folche zu wählen, wie er nur wolle, auch mit Uebertretung bes betreffenden Concilvecretd. Bor der Hand wurben vier ernannt: von ihnen nahm nur der Bilchof von Laufanne als

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) Die Erklärung bes Concils darüber, zugleich mit dem Eide, ben Felix leiſtete, in Leibnitz Cod. jur. gont. dipl. T.I. p. 36)..

) Ebendorffer im Liber Pontificum (Autograph der Wiener Hofbibl.) fol. 122 läßt Enea cubicularius werben. Pii II. Comment. p. 8: in seri- niarium receptus. Quellen für das Vorige: A. 8. Comment. ed. Fea p. 78, de vir. clar. XXII.; Putric. cp. 103; Scarabelli im Archivio stor. Ital. T. XIII. p. 286.

L 10, $elir! Cardinalsernennungen. 177

gehorfamer Untertban ven Purpur, ein fpanifcher Bifchof und ter von Litrecht lehnten ihn ab; ter Bifchof von Novara, deſſen Erhe⸗ bung Euea Silvio fehr eifrig betrieben und durch ven man auf ben mailändiſchen Herzog zu wirken hoffte, nahm die Würde heimlich an, entfagte ihr aber bald wieder, als er Hoffnung hatte, fie durch Eugen zu erlangen.

Nach tiefer Erfahrung wagte ver neue Papſt doch nicht, feine Ehre noch weiter aufs Spiel zu fegen. Erft nach feiner Krönung verfiel er auf neue Carbinalsernennungen ale auf ein Mittel, um hervorragende Prälaten oder Fürjten für feine Partei zu gewinnen, Aber es fehlte an Commenden, an Einkünften für feine Cardinäle, ſelbſt den rothen Hut durften fie nur an ber Curie tragen, weil fie in ven meiften Ländern ebenfowenig als der Papft felbft anerkannt wurden. Am 12. October 1440 wurben 8 neue ernannt und bald rarauf (12. November), um einen Sturm auf bie Obebienz ber franzöfifchen Nation zu machen, noch 6, von denen 5 eben franzö- fiche Bifchöfe waren. Auch jett wies bie Hälfte Die zugedachte Ehre von fih. So alle Franzojen außer zweien, bie wiederum fawonifche Bifchöfe waren. Unter denen aber, die ablehnten, be fanden fich fo feurige Eoncilfreunde wie vie Erzbifchöfe von Thon und Tours, fo einflußreiche PBrälaten wie ter von Nantes, ein Ver⸗ wandter des Herzogs von Bretagne, und wie ber Beichtvater des Könige von Franfreih. Tudeschi, der Erzbifchof von Palermo, nahm ven Garbinalat au, weil fein Zerritorialherr e8 damals noch erlaubte, er war ber einzige Staliener im Senat des Gegenpapftes. Der Deutjchen Tießen fich zwei ten felicianifchen Carbinalat ge- fallen: Alerander, Herzog von Mafovien und Biſchof von Trient, welcher außerdem ben Titel eines Patriarchen von Aquileja führte, an Character und Unfähigkeit dem an ver Peft verjtorbenen Ludwig von Ted fehr ähnlih, und Johann Grünwalder, ein Baftard des Herzogs Johann von Bayern, Doctor des canos nifhen Rechts und Vicar von Yreifingen. So waren bie beiven veutfchen Sarbinäle gleichjulls auf zwei Fürſten bevechnet, venn jener Alerander war ein Obejm des neu=-gewählten Könige Friedrich. Nur drei Spanier, die ernannt wurden, zwei Bifchöfe und Johann von Segobia, nahmen ven Purpur ohne Berenfen an').

») A. 8. de vir. clar. V. XXII, Comment, ed. Fea p. 81; Patric. ep. 105. 113.148; Ciacon. II. p. 938 ag. Wenn bie Angaben nicht ganz über- Boigt, Enea Eilvie. 1. 12

178 I. 10. Unfänge des Basler Papſtihnuts.

Mit ganz anderem Erfolge beviente fich vefjelden Mittels | Eugen zu Florenz: er ernannte im Ganzen 20 Garbinäle, 8 liener, 4 Franzoſen, 2 Spanier, 2 befehrte Griechen, einen | länder, einen Magyaren, einen Deutfchen und einen Polen. ber lettere, Bifchof Shignew Dlesnidy von Kralau, hl von beiden Päpſten ihm angebotene Würde aus, Wlle andern men fie mit Freute und Ehrfurcht an").

Während Felir noch einige Monate in Laufanne verm wurde ber Gehorſam gegen ihn allen Chriſten bei den härt Strafen anbefohlen, vie Anhänger Gabriel's wurden ihrer verluftig erklärt, ercommunicirt und verdammt“). Natürlich gef von Seiten Eugen’s ein Gleiches gegen die Amebiften. ‘Den hatte die Wahl des Herzogs von Savoyen, der für beliebt bei Fürften und für unermeßlich reich galt, an ver Curie zu Fle nicht geringen Schreden erregt. Als vie Botjchaft in pas Con] rium kam, las Eugen eine augenblicliche Muthlofigleit auf ven fichtern. Nur Eefarini verlor die Faffung nicht: ein Papft, | er gelafjen, der einem weltlichen Fürſtenthum vorgeftanven, w bie Achtung der Könige nicht erwerben, er ver biutigen Ki beigewohnt, er ver Kinder erzeugt, werde unwürdig erfcheinen, v er am Altar die heilige Hoftie erhebe“).

Warum kam Felig nicht alsbald zur Krönung nach Bafel, doch die Väter ihn mit ben bringenpften Bitten dazu einlud Man ftellte verſchiedene Muthmaaßungen auf: einige fagten, babe die Annahme ver Tiare dem Concil noch nicht unbebingt gefagt und wolle erjt die Antwortfchreiben ver Fürſten erwar anvere wollten wiſſen, er gedenke überhaupt nicht nach Baſel fommen, fonvern verlange, daß der Cardinal von Arles fich ı Lauſanne begebe, ihn dort zu Frönen, ven aber laffe die basler £ gerfchaft nicht aus ver Stadt, weil fie fich eines Schlimmen be verfeheu %). Auch gab es zwifchen dem Concil und feinem Pa

einftinunen, fo find die ablehnenden und bie in petto refervirten Cardindle mitgerechnet bald nicht.

') Blondus Dec. IV. Lib. I. p. 561; Adgit. ad Ptolem. Lust bei Muratori Scriptt. T. III. P. II. p. 871; Ciacon. IL p.896 ag. U Shignew vergleiche außerdem Patric. cp. 107.

) Decret v. 26. Febr. 1440 bei Mansi XXIX. p. 208.

2) Pii 1I. Comment. p. 182.

*) Bericht bes Deutfchorbeneprocurators Johann von Aſt 2.0.9 1499 im Geh. Archiv gu Konigeoberg.

L. 10. Pelz! Erbuung. Obeblenzen. 179

allerlei Mißhelligkeiten. Das Schreiben, in welchem er vie ſidentſchaft des Concils tem Carbinal von Arles übertrug, er- eAnſtoß wegen feiner Form, es wurde ans ben Negiitern ge | und ein anderes in die Stelle gefegt. Die Provifion des tes, ſobald fie nur angeregt wurde, gab das Signal zu ven erlichften Zänkereien ').

Sechs Monate waren verflofien, feitvem Felix vie Tiare ange amen, als er am 24. Juni 1440 envlich in Bafel zur Krönung bien, weil man auch ten römiſchen König hier erwartete, - Bei ı römifchen Bifchöfen pflegten fonft nicht jo viel Tage abgewartet werten. Der Cardinal von Arles, immer noch der einzige feines andes, der zugegen war, vollzog bie feftliche Handlung am 24. Juli, ihte den Bapft zum Bifchof und krönte ihn dann mit dem apoftos hen Diadem. Die beiven Söhne des Papftes ftanten ihm zur te und bevienten ihn bei ver Meffe in Ermangelung von Car- lm. Ein glänzenver Adel war in feinem Gefolge, vie zufam- möelanfene Menſchenmenge berechnete man auf 50,000 Köpfe. as ungewohnte Schaufpiel und vie entfaltete Pracht lockten fie bei. Bureaubeamte und Advocaten ver neuen Curie riefen nach täften: es lebe Felir V! Ein hohles Schaugepränge, ein Feſt für e Menge, nicht für die Kirche, allzu ähnlich ven Schaufpielen, vie * Bapft kurz zuvor in Lauſanne gegeben! ”)

Rah ver Krönung blieb Felie mehrere Monate zu Bafel an x Spike des Eoncils, wählte Bilchöfe, erhob Cardinäle und war- e auf die Gehorfamserflärungen ver Fürſten. Obwohl mes ver größeren Reiche fich für ihn erklärte, ging es doch noch kaftiger, als es dem Concil in ten legten Zeiten ergangen war. ner einigen umwohnenden Prälaten und Erlen huldigte zuerft ver yerzog Albrecht von Bayern-München dem neuen Bapfte, gen von feinem natürlichen Bruder, jenem Grünwalder, ten ex Cardinalshut belohnte. Im Auguft 1440 kam, um Felix an- erlennen, der Pfalzgraf Stephan von Simmern und Zwei— brücken nach Baſel, begleitet von zwei Söhnen, deren einer, Rus et, dafür fofort Bifchof von Straßburg wiırte*). Ihm folgte

"Patric. cp. 106. ”) Brief des A. 8. an Job. von Segobia v. 13. Aug. 1440, faft in allen alt Anhang zu feiner Geſchichte des basler Concils; Pii II. Comment. MI; Patric. cp. 110; O6 ©. 297. ) Patric. cp. 110, 12 *

180 110. Obedienzen. Stellung Frankreiche.

Herzog Albrecht von Oeſterreich. “Drei Reichsfürſten brach die Neutralität, während die Kurfürſten ihren Bund bald nach Kön Albrecht's Tode erneuerten‘) und auch gegen Felix in Kraft e hielten. Der neue König Friebrich verlängerte der Kirchenverfamm (lung das Geleite. Dagegen erfannte Elifabeth von Ungarı vie hinterblicbene Gattin König Albrecht’s, auch den basler Papl an, und am 31. October 1441 leiftete ihm eine Gefandtfchaft au Böhmen, freilich nicht im Namen ver ganzen Nation, ven Ge horfam. Desgleichen ver Hochmeijter des deutſchen Ordens i Preußen. Kafimir, Großherzog von Litthauen, lieg dem Concl nicht aber zugleich ven Bapfte, feine Obedienz entbieten. Nad Polen waren Gefandte des Concils gefchict worden und ber Biſche von Krafau, beim Könige fehr angefehen, fchien fich ihnen zuzuneigen aber ver Reichstag ftellte Bedingungen und machte unbeftimme Aussichten *).

Der König von Frankreich hatte wieder ein Nationalcond nad) Bourges berufen, welches Felix wie Eugen durch Geſandte ke fchieften. Gelehrte Theologen wie Torquemada und Segobia trafe hier aufeinander und bemühten jich, in langen und heftigen Diepo tationen ven König und feine Prälaten zu überzeugen. Dennod erbielten fie biefelbe Antwort wie bei ver Annahıne ber pragme tifchen Sanction. Frankreich erklärte, im Gehorſam gegen Enge verharren zu wollen, aber um dieſen nicht allzu ficher zu machen und um ihn an die Intereſſen des Haufes Anjou in Neapel za feffeln, wurde ein im Laufe eines Jahres in Frankreich zu haltendel allgemeines Concil verlangt, die Synode zu Florenz nicht beſchich und auf Anerkennung ver pragmatifchen Sanction geprungen. Vom „Herrn von Savoyen«, wie ter König ihn nannte, feinem Ben wandten, eriwarte er, bag er mit gewohnter Weisheit handeln werde. Nievergefchlagen brachten die basler Gefandten dieſe Antwort heim’) Dian fagte fih auch, König Karl habe von Felix 30,000 Gel gulven für vie Anerkennung verlangt und als er fie nicht erhielt,

') Der erneuerte Kurfürftenverein, gefchloffen zu Frankfurt d. 11. Noebe 1439, in Muller's Reichstagstheatenm ©. 48, bei v. Minntoli, Friedrich! Kurf. v. Brandenb. I. 8.136; Wuerdtwein Bubsid. dipl. VII. p. 86.92 A. S. de vir. clar. XXIIL.; Patric. cp. 113.

9 Patric. cp. 107. 113. 121. 125. 127; Ciacon. II. p. 910.

) Patric. cp. 112; Palomar in feiner Wpologie Eugen's bei. Mar XXXI. p. 205; Bulseus Hist. Univers, Paris. V. p. 417.

I. 10. Der Gegenpapft und die Weltmächte, 181

m vorgezogen‘). Doch war feine Politik nur dieſelbe geblieben, er ſchon ver Felix' Wahl befolgt hatte, und fo ift biefes eigen- ige Motiv wohl nur eine gallige Erfindung ver basler Väter.

Die Meifter ver feinen, trügerifchen Politik Italiens, Filippo a Mailand und Alfonfo von Neapel, verfuchten ven neuen it in ihr Spiel hineinzuziehen. Sie knüpften Verhandlungen tim an. Filippo erbot fich, gegen einen monatlichen Sold von 0 Ducaten und bie Vorausbezahlung für einige Monate das cbiet ver römischen Kirche für Felir zu erobern. Diefer wollte b zu einem Solde auf unbeftimmte Zeit nicht verpflichten, er bot ‚000 Ducaten im Ganzen an und die gleiche Summe aus ben tüniten des SKirchenftantes, verlangte aber zuvor bie Obedienz⸗ fang und vie Uebergabe von Bologna. Der Herzog zögerte, ihm w es nie Ernft um die Sache, fie war ihm nur ein Faden mehr dem Gewebe feiner Intriguen, er verfprach Geſandte zu fchiden. ie Sefanpten aber kamen nie und die lombardiſchen Prälaten, vie iterdeß das Concil verlafjen, fehrten ebenfowenig wieder"). Auch fenfo, ver ähnliche Hoffnungen machte, hatte nur die Abficht, n Eugen feine Anerkennung in Neapel zu erzwingen ?).

Bo nicht die Politik mitfpielte, wo wirklich, wie bei einzelnen üchöfen und Aebten, vielleicht auch einigen entlegenen Reichen, das bl ver Kirche in Weberlegung kam, ta fehredte vie verhaßte Ge⸗ ft des Schisma. Zu Coftnig war ein mehrföpfiges Papſtthum geſtellt worden; nun hatte bie Nachfolgerin jener Synode, bie thin ihrer been, es von Neuem erzeugt. Thecretifch war man ver fo weit wie vor 40 Yahren, als Gregor XII und Bene- xt XIII fich gegenfeitig verfluchten. Aber vie Sachlage war ft doch eine wefentlich andere: den Meiften erfchten Eugen als er Papſt, ven man fich hinter den Alpen zu denken gewohnt war, hefig ald ver Gegenpapft, ver fein Dafein einer neuernden Partei wreonkte nnd vom Erbe Petri ausgejchleffen war.

Keine der Mächte erften Ranges erkannte Felir an, nur wenige dürften zweiten Ranges. Selbft ver einfachen Biſchöfe, die fich an Im hielten, waren außer ven ſavoyiſchen und piemontefifchen nur

) Die Nachricht findet fi urfprüngfih nur in Pii II. Comment. p. 183. öpondan. 1440 nro. 9 weift fie ans Patriotismus als lächerlich zurüd.

Patric. cp. 124, minder Mar und mit etwas abweichenden Angaben Pit IL Comment. p. 188.

) Das Nähere bei Patric, cp. 118, 114. 125. 126.

182 I. 10. Der Gegenpapft und das Coneil.

7 bis 8 und vie Hälfte davon Titularbifchöfe‘). Dagegen erklärten fih vie meiften Xcheoretifer für ihn, zumal die Univerfitäiten, bie von Paris und die berühmteften deutſchen, die wiener, erfurten, cölner, frafauer”). Bapft Felix war ihnen ein richtiger Schlußfeh aus ven Prämiffen des Decretes Sacrosancta.

Den Fürften gegenüber konnte Felix das Gefühl feiner recht mäßigen Erhebung in kühnen Worten auefprechen und Gehorfam verlangen. Püpfte von noch weit geringerer Obedienz hatten Rd bis an ihr Lebensende behauptet. Viel mißlicher und drückenher war fein Verhältniß zum Concil. Auflöfen konnte ex es nick, ohne fich feine letzte Stüge zu entziehen, durfte es auch nicht ohm bie Einwilligung der Väter felbft. Die Meiften derſelben ftellten nur als vereinigte Kirche etwas vor, hatten aber feine Kirchen, ia bie jie fich zerftreuen Tonnten. Der Papft war ihre Greatur, fe fpielten die Rolle eines Carbinalcollegiums Er war an fie geb ben, aber auch das Concil an ihn; denn mit der Papitwahl hatte e8 feine legte Karte ausgefpielt, nun war die Ehre des Erwähltes auch bie feinige. Dennoch wurde der Zwieſpalt zwifchen beiben nur mühjam vor ver Welt verhehlt.

Schon als man dem Papſte die Ziare anbot, hatte ſichs ger zeigt, Daß man fich in ber Meinung verrechnet, er werbe ſeim Schätze freigebig in die Kirche d. h. in das Concil ausfließen laſſen. Bor der Krönung hatten vie Verhandlungen über feine Provifien wie über bie feiner Carbinäle und Beamten begonnen. Die Annalen und Nehnliches Fonnten unmöglich wieder eingeführt werben, ohne die Ehre ver Reformverſammlung völlig bloßzuftellen; auch wäre ber Ertrag, nur aus ven favoyifchen Bisthünern fließend, ein Hk ärmlicher gewefen. Sobald aber eine andere Art ver Provifien i Berathung kam, legten alsbald die Deutſchen und Franzoſen dab Concils, unter legtern auch die Abgeordneten ber parifer Hochſchule, Widerfpruch ein. Nun wurde zwar durch deu Beſchluß v. 4. Au 1440 tem Papjte "in Betracht, dag Geiftliches ohne Weltliches nicht lange beſtehen künnes und damit er das Gebiet ver Kirch „don den Tyrannen« zurüderobern könne, auf fünf Jahre ein Fünfter und auf weitere fünf Jahre ein Zehnter zugeftanden von alfen Eiw

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Palomar bei Mansi XXXI. p. 205.

) Patric. cp. 114. Die Erklärungen ber erfurter, wiener und kralaue Univerfitäten, zum Theil lange Abhandlungen, bei Bulaeusl. c..p. 462-517 über bie ber cölner vergl. mein Gap, 12.

1. 10. Der Gegenpapfi und das Concil. 183

n des eriten Jahres ver Eanonicate, Präbenden und anderer her Beneficien. Zugleich aber wurde allen Nationen, denen Magßregel befchwerlich erfcheine, anheingejtellt, mit vem Papſte vere Uebereinkünfte abzufchliegen. Für die veutjche Nation e ſofort eine Erleichterung fejtgeitellt '). Indeß, wie die Sache ſtand, kam aus dem Funften nur in open eitwas ein. Deſto unbilliger fand es Felix, daß feine Car- le, geſtützt anf einen Concilbefchluß, davon die Hälfte forderten. pie niedern Beamten der Curie verlangten eine Quote, indem ehaupteten, jenes Geſetz fei eigentlich zu ihrer Unterftüung er⸗ n worden. Lange und beftige Erörterungen erletigten die Sache . Endlich geſtand das Goncil dem Papite zu, daß er in Sa⸗ n ein Bisthum, ein Klofter und eine Pfründe fo lange bejiten geniepen dürfe, bis er ben größeren Theil des kirchlichen ©e- $ erobert haben würde?). Die Väter des Eoncil8 waren felbit ſtets in Gelpverlegenbeiten äußerft gierig auf die geringen Einkünfte, vie für bie Verhand⸗ ‚von Broceffen und für die Ertbeilung von allerlei geiftlichen den zufloſſen. Es herrichte bier genan daſſelbe fimonijtifche em wie an ber Eurie Eugen’s, nur brachte e8 weniger ein. t wurden Klagen geführt gegen bie Secretaire ber päpftlichen lei: man mußte fich beruhigen, als fie verficherten, die Zaren an’ XXII richt zu überfchreiten. Gerade dieſe Zaren waren ber, welche ver Annatenbeichluß fo eifrig verworfen hatte. Nun schten die Bäter einen andern Weg: in ber Veberzeugung, baß Beamten der Conciliencaffe bei ver Armuth verfelben fich be- est haben müßten, wurben fie ſämmtlich ver Veruntreuung be- t und zur Nechnungsablegung vorgelaven. Der Zank wurde ein chmaͤhlicher, daß Felix fich veranlagt fah, vurch feinen Soldanus ge der wildeften Väter einferfern zu laffen. Ein Zumult war Tolge. Die Bürgerfchaft wurde vom Concil mit dem Interdict gt, weil fie bie Breiheit ver Berfammlung nicht aufrecht erhalte. noch ftellten gerade die Bürger eine Eintracht zwifchen tem WR und ven Vätern ber, freilich nicht zur Ehre bes erſtern, denn in Soldanus mußte nun für die Gewalthanvlung büßen. -

Klagen, Gefchrei und wildes Toben waren überhaupt ver Ton

Deeret der 42. Sitzung bei Mansi XXIX. p. 207; Patric. op. 106. )Patrie. +16; Bosrebelli L co. p. 287. |

184 J. 10. Berfönlichfeit be Gegenpapſtes.

ver Berfammlung geworben, aus- der alle Würde entſchwand. Keine öffentliche Frage konnte verhanvelt werben, ohne daß bie Privaki interefien der Väter fi hineinprängten und ein Scanbal ver’ urfachten. Nur die Allen gemeinfame Nothwenvigfeit verbütete 6: noch, daß das Concil nicht durch ſich ſelbſt ein ſchmähliches Ende nahm‘).

Felix jo ſcheint es fah weber erfüllt, was er erwarte hatte, daß nämlich die Fürften ihn freudig ale Retter begrüßen: würden, noch erfüllte er felbjt tie Hoffnungen derer, Die von ig: daffelbe Glück auf dem päpftlichen wie einft auf dem herzoglichen Throne erwarteten. Seinen päpftlichen Namen hatte er wohl wit: durch Zufall gewählt, nun gab er feinen Feinden Aulaß zu iron chen Bemerkungen. Aber weber die bittern Anſchwärzungen ud das ungemefjene Lob, die feine Zeitgenoffen auf ihn in gleichem Maaße häufen, hat er vervient. Von Geftalt ein ehrwürdiger Greit; zeigte er auch die meiften Schwächen des hohen Alters und ziser: die des Characters, nicht die des hinfälligen Geiſtes. Cr leruei vielmehr noch als Papſt ein Genügendes von der Iateinifchen Sprader mehr als nur die Gebete. Aber er fprach überhaupt nicht gewff und feine Rede war unfreundlich, mürrifh. Es fcheint, daß er in Schloß von Ripaille, trog feiner Weltklugheit und Erfahrung, em ganz andere Vorftellung vom basler Eoncil gefaßt, daß er anf bie Rolle gehofft hatte,.vie Martin V am Schluß des coftniger gefpiel;- und daß er nun mit getäufchtem Widerwillen feine ſchwierige Stel fung erft fennen lernte. Rath und Entſchluß gingen ihm ſchwer von der Seele. Sein matteres Blut fehnte ſich nach friedliche Ruhe, er fand aber einen Fleinlichen Eigennugß auf ven Thremm und an feiner Curie, ver ihm täglich Aergerniß und nie ein erhe⸗ benves Gefühl brachte. Nur das fah er mit fcharfen Auge, wie Alles fo gierig auf feine Schäge, die Erfparniffe ver fürftlichen Laufbahn, ſchielte. Und doch mochte er fie nicht vergeuden, um faljhe Freunde zu erfaufen over niedere Schmeichler zu belohnen. Er pflegte fih auf feine Hausvaterpflichten zu berufen und gell beshalb für geizig und undankbar, vie größten Lafter in ven Auge! der Gurialen, fo wie es fein größter Fehler war, daß pas GLäke ihn nicht begünftigte”).

) Patric. cp. 125. 126.

2) A. 8. epist. an Joh. v. Gegobia v. 13. Aug. 1440, Europa cp. Se Pentalogus p. 649, de vir. clar. XXI. In ben Comment. od. Fex p. 19

L 10. Ene Silvio als Tancelift an ber neuen Curie. 185

Nach allem diefem Tann man fich gar Ieicht die Stellung und Gedanken eines Secretairs bei der neuen Curie vorftellen. Enen e es ohne Zweifel für ein großes Glück angefehen, als ihm eine we Stelle zur Belohnung feines Concifieneifers, vielleicht durch wentung des Cardinals von Arles, zu Theil wurde. Zu Rom e ein Secretair durchaus mehr als ein Schreiber, fein Amt ere um bebeutenve Summen gekauft!) und brachte wiederum ans nfihe Sporteln. Namhafte Gelehrte bewarben fich darum oder rden durch gnädige Ertheilung an bie Curie gefeffelt. Die Zier- ı des Humanismus, ein Poggio und Leonardo Bruni waren eſtoliſche Secretaire und dachten nicht gering von der Würde ihrer tellung*). Dem Secretair, blieb er ehelos, ftand jever Firchliche ang offen, mancher hatte feine Tage auf einem bebaglichen Bis⸗ um oter als Cardinal befchloffen. Je frieblicher und unerfchüt- tter des Papftes Regierung, vefto einbringlicher und fördernder a die Stellung ver Kancelijten. Aber jeder Winpftoß in ver Po- , zumal ver lirchlichen, ergriff auch feines Glückes Nachen. An ir Eurie, tie nur von wenigen unbebeutenden Mächten anerkannt wre, an bie felten fich jemanp mit Gnadengeſuchen over Proceffen narte, vie feine Bisthümer und Pfrünven zu wergeben hatte, war in Secretair eine wenig geachtete Perfon ohne Ausfichten.

Sobald das Concil den äußerften Schritt feiner Machtvolf- Immenheit gethan hatte, fchwand fein Anſehen mit unglaublicher Eduelle dahin; ſobald e3 aus der Oppofition zur Aufftellung eines wen Papſtthums vorfchritt, war fein Nimbus gebrochen. Wer fich u fanatifch in feine Ideen hineingelebt, wer nur irgend fonft wid eine Ansficht Hatte, mochte fich feinem Glücksſtern nicht anver- men; daß es feinem Untergange entgegenging, fagte ven Unbe— Kamen ein ficheres Gefühl. Traten die Deutfchen aus ihrer Neu- akt zu Eugen über, fo war bie letzte Ausſicht dahin. Das

vn delirx geichilvert als consilio haud praeceps, injuriae tenax, immemor

ü, araritia insignis, pacis et dtii cupidus, indulgens liberis, subditis Mi percens. Ich habe diefe Züge gebrauchen, aber mildern zu milffen ge- | ſci da die Tendenz des Werles und die Stellung des VBerfaffers als eines 3 Heflings in das Urtheil eingeflofien fein mögen. Das Meiſte, was WE ſmfß über Felix hören, ift nicht zu beachten.

) Ein Fall, im welchem der Angeftellte fich glücklich ſchätzte, um 700 Gul⸗ Ma ayffiher Secretair zu werben, bei Joh. Boigt, Stimmen aus Rom im

Miet. Taſhenbuch für 1883. ©. 147. )&Leon, Bruni epist. V, 5 ex recens. Mehus,

188 I. 11. Urtheil über Enea’s politifche Thaͤtigkeit am- Concil.

entging unferm Piccolomini nicht: er begann fich umzufehen. "9 wollte doch nicht fogleich von einer Partei zur andern übergeben, fagte er fpäter mit naiver Offenheit‘). Das Schickſal zeigte ih aber einen allmähligen und fichern Weg, und er war bald es fchloffen ihn zu betreten.

Eilftes Eapitel.

Literariſche Richtungen und Beftrebungen auf den . Reformeoneilien.

Ueberſchauen wir nun ven Zug von neun Jahren, vie G ſchichte des basler Concils, die wir im Umriffe, und bie unfer Piceolomini, vie wir im Anſchluſſe erzählt haben: wir werben, be bergebrachten Anficht entgegen, befennen müffen, daß feine Stell und Thätigleit auf jener Kirchenverfammlung denn doch ziemähl unbebeutend und unbeachtet war. Wie fommt es, daß er beuudl ftets zu den Größen, wohl gar zu den tonangebenven Yıtoritäie jener Zeit gerechnet werben ift? Einmal erjcheint fein weitere Reben mit bedeutenden weltgefchichtlichen Creigniffen verknüpft, ud fein Ehrgeiz erreichte ven Stuhl Petri: fo lenkte denn ver Ge ſchichtserzähler feinen Blick auch auf die Vergangenheit eines folde Menfchen und wurbe zumal durch die verrufene Apoftafte verleitt fein basler Thum zu überfchägen. Ueberdies gab fich fpäterhin (ine felbft, um an ver römifchen Curie als ein nüslicher Bunpesgenofl zu gelten, das Anſehen, als babe er zu ihren furchtbaren Feund gehört. Dann aber ijt es, und bei weiten mehr, Enen’s eigen Feder, bie der großfprecherifche Herold feiner Handlungen geworde ft. Er ſchrieb eine Gefchichte des basler Concils, in welder 4 feine Berjönlichkeit über Gebühr in ven Vorbergrund ſchiebt, ande Werle, die wir Memoiren aus jener Periode nennen koͤnnten, Rebe

) de vir. clar. V: Sed postea (nach Felir' erfter Cardinalawahl nämin mutatis rebus, cum Felicem omnes relinquerent nec ejus papatum amplei vellent, ego ad Caesarem Fridericum me recepi; nes enim volui stetim parte ad partem transire,

I. 11. Die parifer Hochfchule und die Klöfter, 187

itfehriften, die durch feine und leichte Form fih Popula- arben. Diefe Weife feiner Thätigkeit haben wir jetzt ine faffen. Auch Hier müſſen wir ihn billig mit ven andern u des Concils in Vergleich ftellen, um ven Einzelnen im nbange mit gewillen Gruppen und mit großen Richtungen en und um zugleich das Gemälde des Concils überhaupt, isher ein mehr politifches war, auch von dieſer Seite zu Wir müfjen ferner, wie wir e8 oben bei ver Entfte- hichte der basler Synode thaten, auch bier auf bie früheren mcife, zumal auf das coftniger, zurüdgehen; venn auch im ben zeigt das basler vielfach nur die Fortfegung und wei⸗ &führung feiner Ideen. der parifer Hochſchule gingen die Reform⸗ und Eoncilien- , fie wandte fich zuerſt vem öffentlichen Geiſte und ber Praxis zu, fie verpflanzte die Rede⸗ und Disputirkunft eders auf die Kanzel der Dome zu Piſa und Coſtnitz. anderer Anftoß, welcher ven freifinnigen Ideen noch grös ularität errang, fam aus ben Klöftern ber. ‘Der Secular- ämlich, näher berührt vom politifchen und gefelligen Leben war der Entfittlichung natürlich früher und tiefer anheim⸗ als der regulare, ven bei allen Zuchtlofigfeiten im Einzelnen och ein ftrengerer Kaftengeift bejeelte und im Anſehen er- so erhoben tenn die ärmeren Mönche am lauteften ihr yrei über ven Lurus und Prunk des höhern, über ven Leicht bie Later des nievern Welt-Clerus; mit natirlicher Beredt⸗ malten fie das Verberben ter Kirche als Teufelswerk aus inbeten den drohenden Zorn des Herrn. anntlich waren aber auch vie Lehrer der Sorbonne gemein- und ftanden an pfäffifchem Corpsgeifte ven Bettelorven 18 gleich, zumal ta der heilige Wandel der legtern oft vers ihre eigene Gelehrſamkeit aler über jeren Zweifel erhaben ie meinten es gewiß ſehr ernithajt, wenn es in einem Be⸗ er Academie') einmal hieß, vie Weisheit fei von Athen nach id von Rom unter Karl tem Großen nach Paris verlegt. fen indeß jett ihr Selbftgefühl von ſich und vereinigten dem unwiſſenden Mönche in Angriffen auf ben verweltlichten anf den Papft und das Zreiben feiner Curie. So find es

ki Bulaeus V. p. 424.

178 I. 10. Anfänge bed basler Papſtthums.

Mit ganz anderem Erfolge beviente fich deſſelben Mittels Papft Eugen zu Florenz: er ernannte im Ganzen 20 Garbinäle, 8 ar liener, 4 Franzofen, 2 Spanier, 2 befehrte Griechen, einen Ging länder, einen Magyaren, einen ‘Deutjchen und einen Polen. Nur ver lettere, Bifchof Shignew Dlesnidy von Kralau, jchlug bie von beiten Päpſten ihm angebotene Würde aus. Wlle andern nahe men fie mit Freude und Ehrfurcht an’).

Während Felir noch einige Monate in Laufanne verweilte, wurde ter Geherfan gegen ihn allen Chriften bei ven härteften Strafen anbefohlen, vie Anhänger Gabriel’d wurden ihrer Würben verluftig erklärt, ercommunicirt und verdammt“). Natürlich geſchah von Seiten Eugen’s ein Gleiches gegen vie Amediſten. ‘Dennoch hatte vie Wahl des Herzogs von Savoyen, ber für beliebt bei ben Fürsten und für umermeßlich reich galt, an ver Curie zu Florenz nicht geringen Schreden erregt. Als vie Botjchaft in das Conſiſto⸗ rium kam, las Eugen eine augenblicdliche Dluthlofigfeit auf ven Ge fichtern. Nur Cefarini verlor die Faffung nicht: ein Papft, fagte er gelaſſen, ver einem weltlichen Fürſtenthum vorgeftanden, werbe bie Achtung ver Könige nicht erwerben, er ber blutigen Kriegen beigewohnt, er der Kinder erzeugt, werde unwürdig erfcheinen, wenn er am Altar vie heilige Hoftie erhebe“).

Warum kam Velig nicht alsbald zur Krönung nach Bafel, da doch die Väter ihn mit den bringenpften Bitten dazu einfuben? Dean ftellte verjchievene Muthmaaßungen auf: einige fagten, er babe vie Annahme ver Tiare dem Concil noch nicht unbedingt zu gejagt und wolle erjt vie Untwortfchreiben ver Zürften erwarten; andere wollten wifjen, er gebenfe überhaupt nicht nach Baſel zu fommen, fonvern verlange, daß ber Carbinal von Arles fich nach Lauſanne begebe, ihn dort zu frönen, ven aber laſſe vie basler Bür- gerfchaft nicht aus der Stadt, "weil fie fich eines Schlimmen davon verſehe⸗ N Auch gab es zwifchen dem Eoncil und feinem Papfte

einſtimmen, ſo find die ablehnenden und bie in petto reſervirten Earbindle bafk- mitgerechnet bald nicht.

) Blondus Dec. IV. Lib. I. p. 561; Adgit. ad Ptolem. Lucen s- bei Muratori Scriptt. T. III. P. II. p. 871; Ciacon. IL p.896 sg. liebes Sbignew vergleiche außerdem Patric. cp. 107.

) Decret v. 26. Febr. 1440 bei Mansi XXIX. p. 203.

°») Pii II. Comment. p. 182.

*) Bericht des Deutihorbensprocurators Iohann von Aſt 3.90. Row- 1489 im Geh. Archiv Ju Konigoberg.

1. 10. Felix Krönung. Obebienzen. 179

bald allerlei Mißhelligkeiten. Das Schreiben, in welchem er vie Bräfttentfchaft des Concils tem Cardinal von Urles übertrug, er- regte Unftop wegen feiner Form, es wurde ans ben Negijtern ges tilgt und ein anderes in die Stelle gefett. ‘Die Provifion des Papſtes, ſobald fie nur angeregt wurde, gab vas Signal zu den wirerlichiten Zänfereten ').

Sechs Monate waren verfloffen, ſeitdem Felix vie Tiare ange nommen, al® er am 24. Juni 1440 endlich in Bafel zur Krönung erfchien, weil man auch ten römiſchen König hier erwartete. - Bet ven römifchen Biſchofen pflegten fonjt nicht fo viel Tage abgewartet zu werben. Der Carbinal von Arles, immer noch ter einzige feines Standes, der zugegen war, vollzog die feftliche Hanklung am 24. Juli, weibte den Papft zum Bifchof und Frönte ihn dann mit dem apoftos fifchen Diadem. Die beiven Söhne des Papftes jtanven ihm zur Seite und bevienten ihn bei der Meffe in Ermangelung von Car- dinaͤlen. Gin glänzenver Adel war in feinem Gefolge, bie zufam- mengelaufene Menfchenmenge berechnete man anf 50,000 Stöpfe. Das ungewohnte Schaufpiel und vie entfaltete Pracht lockten fie herbei. Bureaubeamte und Advocaten ver neuen Curie riefen nad) Kräften: es lebe Selir V! Ein hohles Schaugepränge, ein Feſt für vie Menge, nicht für die Kirche, allzu ähnlich den Schaufpielen, vie ver Papſt kurz zuvor in Laufanne gegeben !*)

Nach ver Krönung blieb Felir mehrere Monate zu Baſel an ver Spike des Eoncils, wählte Bifchöfe, erhob Cardinäle und wars kte auf die Gchorfamserflärungen ver Füriten. Obwohl kines ver größeren Reiche fich für ihn erklärte, ging es doch noch) günftiger, als es dem Goncil in ven lebten Zeiten ergangen war. Außer einigen umwohnenden PBrälaten und Erlen hufvigte zuerft ver Derzog Albrecht von Bayern-Müncden tem neuen Papfte, Beiogen von feinem natürlichen Bruder, jenem Grünwalder, ten

Ber Cardinalshut belohnte. Im Auguft 1440 kam, um Felix an- Zuserfennen, der Pfalzgraf Stephun von Simmern und Zwei— B rüden nach Bafel, begleitet von zwei Söhnen, deren einer, Rus pet, dafür fefort Bifhof von Straßburg wurde“). Ihm folgte

') Patric. cp. 106. ®) Brief des A. 8. an Job. von Segobia v. 13. Aug. 1440, faft in allen Brnden als Anhang zu feiner Gefchichte des Basler Concils; Pii II. Comment. P-188; Patric. cp. 110; Ochs ©. 297. ) Patric. cp. 110. 12 *

1% I. 10, Obedienzen. Stellung Frankreichs.

Herzog Albrecht von Oeſterreich. Drei Reichsfürſten brachen pie Neutralität, während die Kurfürjten ihren Bund bald nach König Albrecht's Tode erneuerten‘) und auch gegen Belie in Kraft. er- bielten.” Der neue König Friedrich verlängerte der Kirchenverſamm⸗ lung das Geleite. Dagegen erkannte Elifabeth von Ungarn, vie binterbliebene Gattin König Albrecht’s, auch den basler Papſt an, und am 31. October 1441 leijtete ihm eine Geſandtſchaft aus Böhmen, freilich nicht in Namen der ganzen Nation, ben Ge horſam. Desgleichen ver Hochmeijter des deutfhen Ordens im Preußen. Kafimir, Großherzog von Litthauen, lieg dem Concil, nicht aber zugleich dem Papſte, feine Obedienz entbieten. Nach Bolen waren Gefandte des Eoncils geſchickt worden und ber Bifchef von Krakau, beim Könige fehr angefehen, ſchien fich ihnen zuzuneigen, aber ver Reichstag ftellte Beringungen und machte unbeſtimmte Ausfichten *).

Der König von Frankreich hatte wieber ein Nationalconcil nad) Bourges berufen, welches Felir wie Eugen burch Geſandte be- ſchickten. Gelehrte Theologen wie Torquemada und Segobia trafen bier aufeinander und bemühten fich, in langen und heftigen Diopu⸗ tationen ven König und feine Prülaten zu überzeugen. ‘Dennoch erbielten fie viejelbe Antwort wie bei ver Annahme ter pragmas tiſchen Sanction. Frankreich erklärte, im Gehorſam gegen Eugen verharren zu wollen, aber um biefen nicht allzu ficher zu machen und um ihn an bie Intereſſen des Haufes Anjou in Neapel zu fejfeln, wurde ein im Laufe cines Jahres in Frankreich zu haltendes allgemeines Concil verlangt, die Synode zu Florenz nicht beſchickt und auf Anerkennung der pragmatiſchen Sanction gedrungen. Vom „Herrn von Savoyen«, wie ber König ihn nannte, feinem Ber- wandten, eriwarte er, daß er mit gewohnter Weisheit handeln werbe, Nievergefchlagen brachten bie basler Gefanbten viefe Antwort heim?). Man fagte fih auch, König Karl habe von Felix 30,000 Gold⸗ gulden für die Anerkennung verlangt und als er fie nicht erhielt,

) Der erneuerte Kurfürftenverein, gefchloffen zu Frankfurt d. 11. Novbr. 1439, in Müller's Neichstagstheatrum ©. 48, bein. Minutoli, Friedrich I, Kurf. v. Brandenb. I. S. 1363 Wuerdtwein Bubsid. dipl. VIII. p. 86. 92; A. S. de vir. clar. XXIL.; Patric. cp. 113.

) Patric. cp. 107. 113. 121. 125. 127; Ciacon. II. p. 910.

°) Patric. cp. 112; Palomar in feiner Apologie Engen's bei Mansi XXXI. p. 205; Bulaeus Hist. Univers. Paris. V. p. 447. |

I. 10. Der Gegenpapft und die Weltmächte, 181

Eugen vorgezogen‘). Doch war feine Politik nur dieſelbe geblieben, die er fchon vor Felix' Wahl befolgt hatte, und fo ift diefes eigen- nüßige Motiv wehl nur eine gallige Erfindung ter basler Väter.

Die Meifter ver feinen, trügerifchen Politik Italiens, Filippo von Mailand und Alfonfo von Neapel, verfuchten ven neuen Borft in ihr Spiel hineinzuziehen. Sie Tnüpften Verhandlungen mit ihm an. Filippo erbot fich, gegen einen monatlichen Sold von 13,000 Ducaten und die Vorausbezahlung für einige Monate das Gebiet rer römifchen Kirche für Felir zu erobern. Diefer wollte fih zu einem Solde auf unbeſtimmte Zeit nicht verpflichten, er bot 50,000 Ducaten im Ganzen an und bie gleiche Summe aus ben Einkünften des Kirchenftaates, verlangte aber zuvor die Obepienz- feiftung und die Mebergabe von Bologna. Der Herzog zögerte, ihm war es nie Ernft um die Sache, fie war ihm nur ein Faden mehr in dem Gewebe feiner Intriguen, er verſprach Geſandte zu ſchicken. Die Gefandten aber kamen nie und die lombarvifchen Prälaten, vie unterbeß das Concil verlaffen, Tehrten ebenfowenig wieder”). Auch Alfenſo, ver ähnliche Hoffnungen machte, hatte nur vie Abficht, von Eugen feine Anerkennung in Neapel zu erzwingen ?).

Bo nicht die Politik mitfpielte, wo wirklich, wie bei einzelnen Bifchöfen und Aebten, vielleicht auch einigen entlegenen Reichen, das Wohl ver Kirche in Ueberlegung kam, pa fehredte die verhaßte Ge— flalt des Schema. Zu Coſtnitz war ein mehrköpfiges Papſtthum abgeftellt worven; nun hatte vie Nuchfolgerin jener Synode, bie Erbin ihrer Ideen, es von Neuem erzeugt. Theoretiſch war man wieder fo weit wie vor 40 Yahren, als Gregor XII und Bene- dict XIII ſich gegenfeitig verfluchten. Aber vie Sachlage war jeßt doch eine wefentlich andere: ven Meiften erjchien Eugen als ter PBapft, ven man fich Hinter ven Alpen zu denken gewohnt war, Felix ald ver Gegenpapft, ver fein Dafein einer nenernven Partei verbantte und vom Erbe Petri ansgejchloffen war.

Keine der Mächte erften Ranges erkannte Felir an, nur wenige Fürften zweiten Ranges. Selbſt ver einfachen Biſchöfe, die fich an ihn bielten, waren außer ven ſavoyiſchen und piemontefifchen nur , Die Nachricht findet ſich urſprünglich nur in Pii II. Comment. p. 183. Spondan. 1440 nro. 9 weift fie ans Patrietismus als lächerlich zurüd.

N) Patric. cp. 124, minver Mar und mit etwas abweichenden Angaben Pii Il. Comment. p. 188.

9 Das Rähere bei Patric. cp. 118, 114. 125. 126.

182 I. 10. Der Gegenpapft und das Coneil.

T bis 8 und die Hälfte davon Zitularbijchöfe‘). Dagegen erklärten fich die meiſten Theoretifer für ihn, zumal vie Univerfitäten, bie von Paris und die berühmtejten deutſchen, bie wicner, erfurter, cölner, krafauer*). Papft Felix war ihnen ein richtiger Schlußfag aus ven Prämiffen des Decreted Sacrosancta.

Den Fürften gegenüber konnte Felix das Gefühl feiner recht: mäßigen Erhebung in fühnen Worten ausfprechen und Gehorſam verlangen, Päpfte von noch weit geringerer Obedienz hatten fich bis an ihr Lebensenve behauptet. Viel mißlicher und brüdenber war fein Verhältniß zum Concil. Auflöſen konnte ex es nicht, obne fich feine letzte Stüge zu entzichen, durfte es auch nicht ohne bie Einwilligung der Väter ſelbſt. Die Meiſten derſelben ftellten nur als vereinigte Kirche etwas vor, Hutten aber feine Kirchen, in bie fie fich zerftreuen Konnten. Der Papſt war ihre Greatur, fie Ipielten vie Rolle eines Carvinalcollegiums. Er war an fie gebun- ben, aber auch das Concil an ihn; denn mit ver Papitwahl hatte es feine legte Starte ausgefpielt, um war vie Ehre des Erwählten auch die feinige. Dennoch wurde der Zwiejpalt zwifchen beiven nur mühjam vor der Welt verhehlt.

Schon als man dem Papfte die Ziare anbot, hatte ſich's ges zeigt, daß man fich in der Meinung verrechnet, er werbe feine Schäge freigebig in vie Kirche d. h. in das Concil ausfließen laſſen. Bor der Krönung hatten vie Verhandlungen über feine Provifion wie über vie feiner Sarbinäle und Beamten begonnen. Die Annaten und Aehnliches konnten unmöglich wieder eingeführt werben, ohne bie Ehre ter Reformwerfammlung völlig bloßzuftellen; auch wäre ber Ertrag, nur aus den favoyifchen Bisthümern fließend, ein höchſt ärmlicher geweſen. Sobald aber eine andere Art der Provifion in DBerathung kam, legten alsbald die Deutfchen und Franzoſen des Concils, unter legtern auch Die Abgeorpneten ver parifer Hochſchule, Wiperfpruch ein. Nun wurde zwar burch deu Beſchluß v. 4. Aug. 1440 dem Papſte rin Betracht, daß Geiftliches ohne Weltfiches nicht lange bejtehen könne⸗ und damit er das Gebiet der Kirche bon ben Tyrannen⸗ zurüderobern könne, auf fünf Jahre ein Fünfter und auf weitere fünf Jahre ein Zehnter zugeſtanden von allen Ein-

') Palomar bei Mansi XXXI. p. 205.

”, Patric. cp, 114. Die Erklärungen ber erfurter, wiener und kralaner Univerfitäten, zum Teil lange Abhandlungen, bei BulaeusL. c..p. 462-517; über bie ber cölner vergl. mein Gap, 12.

I. 10. Der Gegenpapfi und das Concil. 183

fünften bes erften Jahres ver Eanonicate, Präbenden und anderer kirchlicher Beneficien. Zugleich aber wurde allen Nationen, benen dieſe Maaßregel befchwerlich erfcheine, aubeinigeftellt, mit dem Papſte befonvere Uebereinkünfte abzufchließen. Für die deutſche Nation wurbe fofort eine Erleichterung feitgejtellt ').

Indeß, wie die Sache ftand, Fam aus dem Fuinften nur in Savohen etwas ein. Defto unbilliger fand ed Felix, daß feine Car⸗ binäfe, geftütt auf einen Concilbefchluß, davon die Hälfte forverten. Auch bie niedern Beamten ver Curie verlangten eine Quote, indem fie behaupteten, jenes Geſetz fei eigentlich zu ihrer Unterftügung er⸗ laſſen worven. Lange und heftige Erörterungen erledigten die Sache nicht. Endlich geitand das Goncil dem Papfte zu, baß er in Sa⸗ voyen ein Bisthum, ein Kloſter und eine Pfrünte fo lange bejiten und genießen bürfe, bis er ven größeren Theil des firchlichen Ge- biete® erobert haben würde?).

Die Väter des Concils waren felbft ſtets in Gelpverlegenheiten und äußerft gierig anf die geringen Einfünfte, bie für die Verhand⸗ (ung von Proceffen un für bie Ertheilung von allerlei geiftlichen Gnaden zufloffen. Es herrichte hier genau daſſelbe fimoniftifche Spftem wie an ber Eurie Eugen’s, nur brachte es weniger elıt. Einſt wurven Klagen geführt gegen vie Secretaire ber päpftlichen Cancelei: man mußte fich beruhigen, als fie verficherten, die Zaren Johann's XXII nicht zu Üüberfchreiten. Gerade dieſe Zaren waren es aber, welche der Annatenbeſchluß ſo eifrig verworfen hatte. Nun verſuchten die Väter einen andern Weg: in ber Ueberzeugung, daß bie Beamten der Conciliencaffe bei ver Armuth derſelben fich bes reichert haben müßten, wurben fie ſämmtlich ver Veruntreuung be- Hagt und zur Rechnungsablegung vorgelaten. Der Zank wurde ein fo fchmählicher, daß Felix fich veranlagt jah, durch feinen Soldanus einige der wildeſten Väter einferfern zu laffen. in Tumult war bie Folge. Die Bürgerfchaft wurde vom Concil mit dem JIuterdict belegt, weil fie bie Breiheit ver Verſammlung nicht aufrecht erhalte. Dennoch ftellten gerade die Bürger eine Eintracht zwifchen tem Papft und ven Bätern ber, freilich nicht zur Ehre bes erftern, denn fein Soldanus mußte nun für die Gewalthandlung büßen. .

Klagen, Gefchrei und wildes Toben waren überhaupt der Ton

Decret ber 42. Sitzung bei Mansi XXIX. p. 207; Patric. cp. 106. 7) Petrie. op 125; Sosrabelli L c. p. 287.

184 J. 10. Perſonlichkeit des Gegenpapftes.

ber Berfammlung geworden, aus der alle Würde entſchwand. Ker öffentliche Frage konnte verhandelt werden, ohne daß bie Priv« intereſſen ver Väter ſich hineindrängten und ein Scandal ve urfachten. Nur die Allen gemeinfame Nothwendigkeit verhütete 4 noch, daß das Concil nicht durch fich felbft ein fchmähliches Eu nahın '). " Ä

Felix fo fcheint es ſah weder erfüllt, was er ermarkl hatte, daß nämlich die Fürſten ihn freudig als Netter begrügek würben, noch erfüllte er ‘felbft vie Hoffnungen derer, vie von IHM daffelbe Glück auf dem päpftlichen wie einft auf dem herzoglicel Throne erwarteten. Seinen päpftlichen Namen hatte er wohl wid durch Zufall gewählt, nun gab er feinen Feinden Anlaß zu iren chen Bemerkungen. Aber weber die bittern Anſchwärzungen uf das ungemeffene Lob, die feine Zeitgenoffen auf ihn in gleichem Maaße häufen, hat er verbient. Von Geftalt ein ehrwürdiger Greit zeigte er auch die meilten Schwächen des hohen Alters und zwas die des Characters, nicht die des hinfälligen Geiftes. Er lerm vielmehr noch als Papft ein Genügenbes von ver Iateinifchen Sprackg mehr ald nur die Gebete. Aber er fprach überhaupt nicht gem und feine Rede war unfreundlich, mürriſch. Es fcheint, daß er ii Schloß von Ripaille, trog feiner Weltflugheit und Erfahrung, ein ganz andere Vorftellung vom basler Concil gefaßt, daß er auf bie Rolle gehofft hatte, die Martin V am Schluß des coftniger gefpiei und daß er nun mit getäufchtem Wiverwillen feine fchwierige Steb fung erjt kennen lernte, Rath und Entſchluß gingen ihm fchwen von der Seele. Sein miatteres Blut fehnte ſich nach friedlichet Ruhe, er fand aber einen kleinlichen Eigennug auf den Thron und an feiner Curie, ver ihm täglich Aergerniß und nie ein erke bendes Gefühl brachte. Nur das fah er mit feharfem Auge, wo Altes fo gierig auf feine Schäge, die Erfparniffe ver fürſtlichen Laufbahn, ſchielte. Und doch mochte er fie nicht vergeuben, um falfche Freunde zu erfaufen ober niedere Schmeichler zu belohnen. Er pflegte fih auf feine Hausvaterpflichten zu berufen und gall beshalb für geizig und undankbar, vie größten Lafter in den Auge der Eurialen, fo wie es fein größter Fehler war, daß das GW ihn nicht begünftigte*).

) Patric. cp. 125. 126.

) A. 8. epist. an Job. v. Gegobia v. 13. Aug. 1440, Europa cp. 49 Pentalogus p. 649, de vir.. clar. XD. In ben Comment. od. Fee p. 11:

L 10. Enea Silvio als Canceliſt an der neuen Curie. 185

Nach allem dieſem kann man ſich gar Leicht vie Stellung und vie Gedanken eines Secretairs bei der neuen Curie vorftellen. Enea hatte e8 ohne Zweifel für ein großes Glück angefehen, als ihm eine ſelche Stelle zur Belohnung feines Concilieneifers, vielleicht durch Berwenbung des Cardinals von Arles, zu Theil wurde. Zu Rom wor ein Secretair durchans mehr als ein Schreiber, fein Amt irre um bedeutende Summen gekauft‘) und brachte wiederum an- fehnlihe Sporteln. Namhafte Gelehrte bewarben fih darum oder wurben durch gnädige Ertheilung an die Curie gefejfelt. Die Zier- ven des Humanismus, ein Poggio und Leonardo Bruni waren apoftoliiche Secretaire und achten nicht gering von der Würde ihrer Stellung). Dem Secretair, blieb er ehelos, ftand jever Tirchliche Kung offen, mancher hatte feine Tage auf einem behaglichen Bis- tum oder als Cardinal beſchloſſen. Je frieplicher und unerfchit- terter des Papſtes Regierung, deſto einbringlicher und fördernder war die Stellung ver Kancelijten. Aber jeder Winpftoß in ver Po— til, zumal ver Tirchlichen, ergriff auch feines Glückes Nachen. Au Felix Enrie, vie nur von wenigen unbebeutenden Mächten anerkannt werte, an bie felten ſich jemand mit Gnadengeſuchen over Proceffen wandte, vie Feine Bisthümer und Pfrünven zu vergeben hatte, war ein Secretair eine wenig geachtete Perſon ohne Ausjichten.

Sobald das Eoncil ven änferften Schritt feiner Machtvoll- lemmenheit gethan hatte, fchwand fein Anfeyen mit unglaublicher Schnelle dahin; ſobald es aus der Oppofition zur Aufftellung eines neuen Papſtthums vorjchritt, war fein Nimbus gebrochen. Wer fich nicht Fanatifch in feine Ideen bineingelebt, wer nur irgend fonft uch eine Ausſicht hatte, mochte fich feinem Glücksſtern nicht anver- Kaum; daß es feinem Untergunge entgegenging, fügte dem Unbe- fangenen ein ficheres Gefühl. Traten vie Deutfchen aus ihrer Neu- tralität zu Eugen über, fo war vie letzte Ausjicht dahin. Das

wird Felix geichilvert al® consiliv haud praeceps, injuriae tenax, immemor

ü, avaritia insignis, pacis et otii cupidus, indulgens liberis, subditis xhil parcens. Ich babe tiefe Züge gebrauchen, aber mildern zu müſſen ge- Pakt, da bie Tendenz bes Werkes und die Stellung des Verfaffers als eines Gemaligen Höflings in das Urtheil eingefloffen fein mögen. Das Meifte, was ur ſenſt über Felix hören, ift nicht zu beachten.

) Ein Fall, in welchem ver Angeftellte fich glücklich ſchätzte, um 700 Gul⸗ den päpftlicher Secretair zu werben, bei Joh. Boigt, Stimmen aus Rom im Wer. Taſchenbuch für 1883. ©. 147.

)el. Leon. Bruni epist. V, 5 ex recens. Mehus.

186 IL. 11. Urteil über Enea's politifche Thätigleit am Concil.

entging unferm Biceolomini nicht: er begann fich umzufehen. »9 wollte doch nicht fogleih von einer Partei zur andern übergeben fagte er fpäter mit naiver Offenheit‘), Das Schidfal zeigte if aber einen alfmähligen und fichern Weg, und er. war bald er ſchloſſen ihn zu betreten.

Eilftes Eapitel.

Literariſche Richtungen und Beftrebungen auf den Reformconcilien.

Meberfchanen wir num den Zug von neun Jahren, vie G ſchichte des basler Concils, die wir im Umriffe, und bie unſe Piecolomini, vie wir im Anſchluſſe erzählt haben: wir werben, d bergebrachten Anficht entgegen, befennen müfjen, daß feine Stellu und Thätigkeit auf jener Kirchenverfammlung denn doch ziemf unbedeutend und unbeachtet war. Wie fommt es, daß er bemm ftet8S zu ben Größen, wohl gar zu ven tonangebenpen Autorität jener Zelt gerechnet werben ift? Einmal erjcheint fein weiten Leben mit bebeutenden weltgefchichtlichen Ereigniffen verknüpft, u fein Ehrgeiz erreichte ven Stuhl Betri: fo Ienfte venn ver G Ichichtserzähfer feinen Blick auch auf die Vergangenheit eines fold Menfchen und wurde zumal durch vie verrufene Apoſtaſie verlell fein basler Thum zu überfchigen. Ueberdies gab fich fpäterhin Er jelbft, um an ver römischen Curie als ein nüglicher Bundesgenet zu gelten, das Anſehen, als babe er zu ihren furchtbaren Feint gehört. Dann aber ijt es, und bei weitem mehr, Enen’s eigı Feder, die der großfprecherifche Herold feiner Handlungen gewort ift. Er ſchrieb eine Gefchichte des basler Concils, in welcher feine Berfönlichfeit über Gebühr in ven Vorvergrund fchiebt, anbı Werke, bie wir Memoiren aus jener Periode nennen könnten, Rei

') de vir. elar. V: Sed postea (nach Felir' erſter Cardinalewahl näml mutatis rebus, cum Felicem omnes relinquerent nec ejus papatum ample vellent, ego ad Caesarem Fridericum me recepi; nes enim volui atatim parte ad partem transire.

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I. 11. Die parifer Sochfchule und die Klöfer. 187

ud Eitreitfchriften, die durch feine und leichte Form fi) Popula- rität erwarben. Diefe Weife feiner Thätigkeit haben wir jett ins Ange zu fallen. Auch bier müſſen wir ihn billig mit den andern Siteratoren des Concils in Vergleich ftellen, um ven Einzelnen im Aufammenbange mit gewiſſen Gruppen und mit großen Richtungen zu erfennen und um zugleich vas Gemälde des Goncils überhaupt, weiches bisher ein mehr politifches war, auch von dieſer Seite zu leuchten. Wir müfjen ferner, wie wir es oben bei ver Entſte⸗ hungsgefchichte ver basler Synode thaten, auch hier auf vie früheren Refermconcile, zumal auf das coftniter, zurückgehen; venn auch im fiterarifchen zeigt das basler vielfach nur bie Fortſetzung und weis tere Durchführung feiner been.

Von ver parifer Hochfchule gingen die Reform⸗ und Conciliens ruſe aus, ſie wandte fich zuerft dem öffentlichen Geifte und ver rdlihen Praxis zu, fie verpflanzte die Rede- und Disputirkunft ved Catheders auf die Kanzel der Dome zu Bifa und Coſtnitz.

Ein anderer Anſtoß, welcher ven freifinnigen Ideen noch grös jete Popularität errang, fam aus ven Klöftern ber. Der Secular- Gens nämlich, näher berührt vom politifchen und gefelligen Leben ver Höfe, war ver Entfittlichung natürlic, früher und tiefer anheim- Klallen ale der regulare, ven bei allen Zuchtlofigfeiten im Einzelnen immer noch ein ftrengerer Staftengeift befeelte und im Anfeben er- bel So erheben denn tie ärmeren Mönche am Tauteften ihr Setergefchrei über ven Luxus und Prunk nes höhern, über ven Leicht- fan und bie Lafter des nievern Welt-Clerus; mit natürlicher Beredt⸗ femfeit malten fie das Ververben ver Kirche ala Teufelswerk aus am verfüindeten ven brohenten Zorn des Herrn.

Belanntlich waren aber auch tie Xehrer der Sorbenne yemein- ba arın und ftanven an pfäffifchen Corpsgeifte ten Bettelorven nindeſtens gleich, zumal ta ver heilige Wandel ber legtern oft ver- dichtig, ihre eigene Gelehrſamkeit alter über jeden Zweifel erhaben wor, Sie meinten es gewiß fehr ernjthait, wenn es in einem Bes Kuh der Acatemie') einmal hieß, die Weisheit fei von Athen nach Ra und von Rom unter starl den Großen nach Paris verlegt. die warfen indeß jest ihr Selbftgefühl ven ſich und vereinigten 14 mit dem unwiſſenden Mönche in Angriffen auf den verweltlichten Gerne, auf ven Papft und das Treiben feiner Curie. So find es

) ki Bulaeus V. p. 424.

188 I. 11. Heinrich von Langenftein als Vorläufer des coſtnitzer Concile.

gleichfam zwei Melodien iiber denfelben Text, die wir in den und Tractaten des coftniger Concils, ind Unenbliche und mobulirt, immer heraushören: bie fcharfe, zerſetzende fanıfeit ver Theologen und Canoniften und die Ramentationen möndhifchen Naturen. Man erftaunt, wenn man in ven lungen ber zur Gefchichte jenes Concils gehörigen Schriftftüdke über bie Ein» und Gfleichförnigfeit, die hier hertfcht.

Es giebt feine Ketzerei, fo fagte man oft im Zeitalter min’, die neu wäre, die nicht ihresgleichen fchen mehrmals So ſoll auch bier nicht gelengnet werben, daß fchon früher das I erben der Kirche das Stichwort mancher Reden und Schriften: wefen, daß fih zu allen Zeiten bie Parteimänner im lebhafu Schilderungen, die unzufriedenen Geiſter in bitteren Schmä die Mönche in Bußpredigten ergoffen haben. Dennoch dürften n als den Vater ver neuen Richtung, als Tonangeber unter ven Theologen ven Magijter Heinrich von Langenftein Seine Fever eröffnete zur Zeit des avenionenfifchen Schisma Wi langen Kampf ver freifinnigen parifer Doctrin gegen ven bamallg Zuftand der Kirche. Aber feine Methope ift noch ganz und MM bie alte fcholaftifche, nur daß fich vie Klagen über bie werber Zeit in fie mifchen. Sn feinem Concilium pacis') finden WE ſchon vie polemifche Hinweifung auf die alten guten Zeiten : Kirche, das Zurüdgehen vom Papfte auf Chriftus als das eig liche Haupt ver Kirche, auf bie conftantinifche Schenkung alb d Urgrund der Verweltlichung, ferner vie gefährliche Paralleliſrü don Staat und Kirche, die fpäter an Beweisgründen für vie AM bilität und Abſetzbarkeit der Püpfte jo ergiebig wurde. Als ein Abhülfe und Nettung wird auf vie Autorität allgemeiner Conciig hingewiefen, ihr Recht aus älteren SKirchenfagungen erläutert di was fi dagegen fagen ließe, wiberlegt. Die Fundamental-SiE welche eine mehr als Hunvertjährige Bewegung in-der Kirche wi anlaften, find bier ſchon mit jener Schärfe und jenem bingeftelit, vie bei ver Ohnmacht des Papftthums und unter W Schuße der weltlichen Macht das ungefährdete Erbtheil ver partfei Hochſchule blieben. |

Die beiden Hauptftimmführer der coftniger DBerfammlng

) verfaßt im J. 1381, bei v. d. Hardt, Magnum oecum. Constantiene Concilium T. I. P. I. p. 3 sq.

I. 11. D’Wly und Charlier. 189

Pierre D’Ailly und Jean Charlier aus Gerfon in ber Eham- yague'), ftehen ganz auf dem Boten, ven Langenftein ‘geebnet, aber ie Methode ver Argumentation ift ſchon eine weſentlich andere. &k find fo fehr als ein Paar zu betrachten, daß es eine ſchwere Anigabe fein würte, ihre Nichtungen in ben Detail von einander zu fondern, obwohl d'Ailly (geb. 1350) um 13 Jahre älter als Charlier und noch deſſen Lehrer gewefen war. Beide hatten cerft längere Zeit bumanioren Stubien obgelegen, che fie ſich ganz ver Theologie zuwandten. Zumal Charlier zeigt eine tüchtige Belefeu- kit in ven Schriften Cicero's und Seneca's, tes PVirgilins und Oridine, tes Terentius und Horatius. Aber viefe Befchäftigungen waren für fie nur ein Ausputz des Geiſtes, ver auf ihren Character ven wenig, auf ihre willenfchaftliche und Kirchliche Richtung von keinem Einflug war. In Stalien wandte jich die clafjifche Schule meiſtentheils der Stiliftif und dem Studium des Alterthums, ver Dichtlunſt und ver Gefchichtjchreibung, in Frankreich aber ohne Um⸗ weg dem practiichen Leben, tem kirchlichen Kampfe zu.

Obwohl d'Ailly und Charlier als feharfjinnige Syſtematiker auftreten, weichen jie doch von ter Weije ber ftrengen Canoniften ſefr mertlich ab. Sie werfen ven läftigen Ballaft von Gelehrfam- kit, in welchem ſich noch Laugenſtein's Schulfcholafticisinus. gefiel, wglihft Hinter ſich. Die canonifche Autorität fteht ihnen hinter emem natürlichen Kirchenrecht und hinter dem Nüslichfeitsprincip a weiter Reihe. So erklärt ſich ihre Vorliebe für vie heilige Srift, in welcher das Dogma und tie Verfaffung ver Kirche am maigften ſcharf ausgeprägt find und bie am leichtejten Yolgerungen aler Art zuläßt. Charlier hält felbjt in ver theologifchen Facultät a Paris eine Reformation für nothwendig: es ſollen nicht frucht— leſe Disciplinen und phantaftifche Kunftansprüce betrieben und ges Kat, nicht unnütz fophijtiiche Fragen aufgeworfen werten. Die infahen Lehren ver Schrift zu erläutern, fagt er, fei wahrlich nicht da Zeichen eines geringern Geiſtes). Dennoch würde man fehr

wenn man aus folchen und andern noch mehr überrafchenven

N Die Schriften Charlier’s, genteinpin Gerfon genannt, find, freilich SR vollſtãndig, von Dupin zu Antwerpen 1706 herausgegeben, die d'Ailly's nähen trotz einzelnen Druden und unvollftäudigen Sammlungen aus den Con, clienCollectionen von v. b. Hardt und Manfi zufammengefucht werben.

) Seine Monitiones suac Facultati propositae im Auszuge bei v. d. Hardt T. I. P. IV. p. 58.

190 I. 11. D’Ailly und Charlier.

Aeußerungen auf einen wahrhaft evangelifchen Sinn viefer Mäm anf ihre Erhabenheit über priefterlichen Hochmuth emen Sch machen wollte. Ihr freies Denken und Forſchen hatte aléb feine Schranfen, wenn ein fühner Steger über vie Erterna des Tu lichen Verfafjungsfampfes hinaus mit ſelbſtſtändigem Geift in | Dogma zu bringen wagte. Beide hatten zu Goftnig, we fie ı der Höhe ihres KEinfluffes ſtanden, trog ihrem Kampfe gegen päpftliche Hierarchie felber ven hierarchifchen Geijt tief tm Wu Nur ſollten ftatt der Curie und ihres Hauptes ein allgemeines C cilium und feine Wortführer vie Leiter der Kirche fein, nur fo nicht in Nom und nicht in Avignon, fondern in den Collegien Paris über ven Glauben das letzte Wort gefprochen werden, Gelehrſamkeit ver Theologen über ver Weihe ver Prälaten ſtehe Dian beachte nur vie Unehrlichkeiten und Spiegfiupigfeiten if Demenftration in Reden und Schriften. Langenftein geftattet x strengen pofitiven Recht Ausnahmsfälle, welche durch vie Nothn bigfeit ober ven großen Nuten entfchulpigt werten können, 0 man ficht, wie er ven Mißbrauch folcher Lehre beforgend, noch | unficher und fchüchtern darüber fpricht"). Gerade diefen Theil ner Theorie haben d'Ailly und Charlier unendlich ermeitert ansgebilvet, fie begründen dem pofitiven Kirchenrecht gegenüber natürliches, eine bona aequitas. Inter jenem verjtehen fie aus patriftifchen Autoritäten, päpftlichen Decretalen und Concil beſchlüſſen zuſammengeſetzte Maſſe ver Satungen, unter dieſem vieldeutigen Worte Chriſti und ver Apoſtel nebſt ven Auslegun und Folgerungen, die ihre eigene Vernunft hinzuzubringen beli Wo fid) das pofitine Necht viefem natürlichen fügt, mag es bi hen; wo es ihm zu wiverfprechen fcheint, wird es einfach igme oder abgewiefen. Ihre Beredtfamkeit hat mehr etwas Schlager als Hinreigenves: kalt und ftarr, verftändig und ftreng führt auf das Princip von ber Goncilienautorität und alle feine Fol Auch dem Laien ift ihre einfache und nüchterne Sprache verftän und mit Staunen mochte man, gelangweilt von dem Krame Scolaftif, ver nenen Lehre und ver neuen Deductionsweiſe ihrem Munde laufchen. Wir aber fühlen vie fophiftifche Lüge bi heraus als dieſe jelbftgefälligen Sophiften felber, wenn fie ven ven fie beweifen wollen, eigentlich ſchon als Axiom vorausfe

3.81. s.c. p. 42.

IL. 11, Nicola de Clemanges. 191

u fie aus ber Behauptung des Gegners eine kecke Conſequenz een und als unjinig bfoßitellen, oder wenn fie dadurch beweiſen, ij etwas nicht in ver Bibel begründet, alfo auch nicht Gottes Me ſei. Charlier vertheivigte das Recht ver Concilien, Päpfte miegen, wenn es ihm förderlich erfchien, aber er kämpfte fanatifch ya manchen weit minder fcharfen Sug von Wifleff und Hus. Ylly kehrte gegen Hus bei deſſen zweiten Verhör plöglich den niſer Rominaliften heraus, wie dann auch Eharlier gegen Hiero⸗ mus von Prag. Beide gehörten zu ven härteiten Kegerrichtern.

Uber das it nur die eine Nichtung ver Gelehrtheit und Beredt⸗ mkeit, wie fie zu Goftnig in Blüthe ſtanden. Die anvere haben tt bie mönchifche oder die der Ramentation genannt. Sie ift gentlich die frühere und wefentlich negative; denn fie folgert aus en Verderben ver Kirche tie Nothwenpigfeit, das alte papiftifche "em nieberzureißen, während Männer wie vie genannten PBarifer ü logiſchem Scharfſinn das neue conciliaftifche aufbauen. Die perrufe und Weltgerichtsverfündigungen, wie fie in unenblicher He von Bettelmönchen und andern ausgingen‘), laſſen wir bei Beite Kiegen und wenden uns gleich zu einem Manne von großer krähmtheit, der ven hergebrachten Previgerton durch ein neues Hement zu würzen wußte.

Ricolaus aus Clémanges unfern Chalons, ein Lands- wen und Schüler Charlier’s, war nicht felber am coftniger Concil egenwaͤrtig, aber feine Schriften athmen fo fehr ven Geift deſſelben, ap fie manchen neuern Autor verführt haben, ihn auch Teiblich dahin ızeriegen. Er lebte vielleicht noch lange in bie Zeiten des basler mcils hinein, aber wie ein Verſchollener.

Er nimmt in der Literaturgefchichte durchaus eine bedentendere zeſlung ein als in ver Kirchlichen; denn in ihm erfcheint bie tuls zihe Eloquenz. zum erjten Male auf einen parifer Lehrſtuhl » im Dienfte ver kirchlichen Oppoſition“). In jüngern Jahren MR ansfchließlich mit ver heidnifchen Literatur befchäftigt, wandte Eich erft nach einer mißglückten Laufbahn an der avenionenfifchen ie und nach bittern Qebenserfahrungen, die ihm daraus erwuchfen,

) Außer ber Hardt'ſchen Sammlung fin die von Walch ebirten Moni- weis medii aori reich au ſolchen Schrififtüden.

) Lannoy's Urtheil: Clemangio id schola parisiensis debet quod la- ine scribet. Bergl. Ad. Müntz, Nicolas de Clemanges. Sa vie et ses keit, Strasbourg 1846 p. 81.

192 I. 11. Nicolas de Clemanges.

ganz der Theologie zu‘). Schr bezeichnenb ift ein Brief, den e über die Weife feines Studimms an einen italienischen Carkine fehrieb. Diefer, meint er, werde fich wundern, woher er feine Ele quenz habe, ta es doch in Frankreich keine Lehrer verfelben gebe. Seine Lehrer aber feien vie aufmerkſame Lectüre eloquenter Unteren, die Uebung und ver Fleiß geweſen, „und bazır vielleicht ein gewiſſes Zalent.u Indeß habe er auch die Regeln der Kunſt ans Cicerdd und Quintilianue' theoretifihen Schriften gelernt. Doch mehr wär bie Bildung des Geſchmackes durch gute Mufter, „Die höchſte Kunſt ift: beim Weberreven vie Kunſt zu verbergen; denn je mehr fie bervortritt, tefte mehr nimmt fie der Ueberredung an Kraft und Wirlfamfeit. Die Rede muß nämlich mehr ans ber Natur und aus ber Gemüthsbewegung als aus fergfamer Feile hervor⸗ zugeben ſcheinen«?).

Das ijt nun das Fundament feiner Bildung, das ver Maaß ftab, ter an alle feine Schriften gelegt werden muß und ber ihm ten Ruhm eines feurigen Eiferers für stirchenverbefferung, Kirchen: freiheit und Neinigung der Lehre mit einem Schlage raubt. Wi Ally und Charlier zieht er ven gelehrten Stlopffechtereien der Schule die erwärmende Einfachheit ver Bibel und vie Predigt dei reinen Öottesweorted vor. In feinen Schriften finden ſich überal Ausfprüche, die des edelſten Ölanbensrefornators würdig wären?) Darans aber türfen wir nicht ſchließen, daß er die Zerrüttung be Kirche deshalb innerlichft fühlte, etwa gleich ven veutfchen Gottes freunden. Die ängftlihe Sorgfalt, die er auf die Form feine Werfe verwentete, zeugt gegen ihn: dem eitlen Stußer traut nie mand Wärme des Intereſſe und Tiefe des Gefühles zu. De Humanismus feiner Jugendjahre war ihn zu fehr Fleiſch und Blu geworben, als daß er ihm jemals hätte verleugnen Können: al Theologen und Moraliſten, ald Academiker in Paris und ale Ein fiedler in Fontaine-Du-Bosc blieb ihm das Tranfhafte Streben. nac Eloquenz; tie mythologiſchen Bilder und Unzüchtigfeiten freilich war er von fich, aber felbft in feinen moralijchen Briefen ımb Prebigte

) ch. |. Brief bet v. d. Hardt T. I. P. IL. p. 78.

) S. Brief an den Carbinal Galeazzo di Petra Mala bei v. d. Hard l. c. p. 73, in Nicolai de Clemangiis Opera omnia ed. Lydius, Lugduı 1613. epist. 4.

) Eine Auswahl derſelben bei Müntz 1. c. p. 85. Die ſchöne Schrift « studio theologico ift voll davon.

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I. 11. Wieolas de Clemanges. 198

zit nicht nur der Stil den Schüler des Terentius, Cicero und Eeneca. Sein Geijt, edel und frei an fich, erhielt baburch eine membartige Färbung: die Sucht des Claſſicismus verleitete ihn zur ſcilernden Mannigfaltigfeit im Denken und im Ausprud, während feine beffere Erkenntniß auf Vereinfachung ver chriftlichen Lehre und auf Einfakt des Herzens drang. Wenn er vie Kunft darin fuchte, daß bie Künftlichleit verborgen bleibe, fo liegen doch bie Lieblingszieratben fine Stils Far am Tage: ea find vie Woertcimulation und vie Seriation ver Wentungen, die Hyperbel, ver Satzſchluß mit einem käftigen, volfgültigen Worte, wohlansgenrbeitete Steigerungen, rhe- tertiche Fragen und Ansrufe.

Die Gattung ver Beredtſamkeit, die man vie afiatifche genannt bat, bezeichnet im helleniſchen und römiſchen Alterthum vie Ausar- tung der Kunft, bei ver Wiederaufnahme verjelben im 15. Jahrh. aber ift fie überall tie erfte Stufe, auf welcher vie Schüler des Senanismns im Gefühl ver neuen Kraft jugenblich ſchwelgten.

In Nicolaus’ Leben Liegt derſelbe Antagonismus wie in feiner Geitesbildung. Im Namen und im Einne der parifer Academie und darch das Anfehen dieſes Inſtitutes gejcbügt, hatte er das Treiben ver Curie und des höheren Clerus oft genug mit einer in Hoch— wath und Galle getauchten Feder angegriffen, zumal Clemens VIL'). Sam beftieg Benedict XIII ven päpftlichen Stuhl, fo hielt fich wier Magifter für berufen, ihm cine briefliche Vorlefung über feine Mihten zu halten und als erjten Rathgeber d'Ailly, ven Chor— führer der parijer Schule, zu empfehlen”). Uno in demſelben Briefe wierließ er nicht, feine Gelehrſamkeit, wie claffifche wie die bibliſche, up feine rhetoriſche Kunſt Lenchten und fpielen zu lajjen. Um ven Chreier zur Ruhe zu bringen und fein Talent zu benugen, nahm Im ver Bapft in feine Gancelei. Der Apoftel ver gallicanifchen lirchenfreiheit lebte nun eine Reihe von Jahren an ter avenionens Kihen Curie als apoftolifcher Secretair, obwohl er jpäter mit vielem Vertanfwande verficherte, er wijje aus fich ven gejchmeibigen Höf- Ing nicht zu machen und ver barbarifche Eurialjtil wiverjtehe ihm).

Ob das vielgenannte Wert „vom Verderben ver Kirchen m Ricolaus von Clémanges berrührt oder nicht, mag injofern

) c. 3.8. Bulaeus VII. p. 701.

N epist. 2 ed. Lydins.

) epist. 14 ed. Lydius. VDoigt, Gnea Zilvio. 1. 13

194 I. 11. Das Werl de ruina ooclesiae.

dahingeſtellt bleiben, als es an Intereſſe durch feinen Autor nid verlieren kann‘). Aber mit Unrecht hat man es als Hifterifd Duelle benugt, um eine Sittenfchilverung jene® Jahrhunderts ba nach auszumalen. Es finden fich hier nur dieſelben Querelen, b wir bunbertfältig auch von andern hören, indeß mit einer ung wöhnlich-glänzenven Stiliftit und mit rhetorifchen Pomp ausgefchumäd

Immer fpiegelte man fich damals von ver älteren Kirche e fo falfches Bild vor, wie vie Römer ver Kaiferzeit von ihren Ahn vor dem punifchen Kriege, over wie tie Zeitgenoſſen Klopftocks v ven Deutfchen der Urwälver. In dieſem Werke aber, in melde das Verderben ver Kirche und tie Nothwentigfeit einer Reform m

') Das Wert de ruina ecclesiae oder de corrupto ccelesia stata, welches fih im der Lydius'ſchen Ausgabe ver Werle des Nicolaus Gt. mb bei v. d. Hardt T. I. P, II. findet, ift nämlich jenem Antor w Müntz 1. c. p. 66 entſchieden abgeſprochen worden. Doch zu voreilig, m mir fcheint. Unter den fünf Gründen, vie Müntz beibringt, hat nur ber bel manches für fih. Die Abfaſſung des Werkes fällt nämlich nach der Zeitangabı die fih im ihm feloft findet, etwa in das Jahr 1401; damals war Riceles päpftlicher Secretair. Sollte er in viefer Stellung die Mißbräuche ker Eur und bie Lafter der Prälaten fe ſcharf und bitter angegriffen baben? Abej abgefehen von ber nicht völlig fidern Zeitrechnung nach Jahren des Schiäme, ſu die Angriffe fo allgemein, daß fie bie römiſche Curie wie bie anemienenfld treffen und vielleicht zur Reform anjpornen fellen. Selbſt Clemens VII wu infofern geſchont, al® nur feine Inechtifche Stellung gegen ben franzöflfchen 9 beflagt wird. Auf Urban VI, den Papft in alten, wird bingebentet. JR ı ba wicht auffallenn, daß Benedict's XIII, dee regierenden Avenionenſers, = keinem Wort Erwähnung geſchiebt? Sollte nıan nicht auf ein Verhättwiß I Berfaflere zu demſelben fchließen ? (ci. cp. 27 bei Lydius.) Drei a fchriften, in denen ber Name des Autors fehlt, geben bei einen fe wielnerhn teten Werle noch feinen Beweis gegen die Autorität bes gelehrten Trittenhei der feine Angabe doch ſchwerlich aus ver Luft griff. Was aber Stil m Zon des Werkes betrifft, freilich unfichere Kriterien, fo hat mich Münk’ Wi nung befrembet; ich würde gerade im Gegentbeil nad ver Vergleichnng ti Berles de ruina mit anerlanıten Schriften des Nicolaus, zumal ber de nen celebritatibus non instituendis unb de praesulibus simoniacis, auf bie be tität des Verfaſſers gefchlofien haben, auch wenn de ruina nirgenb unter b Berlen des Nicolaus genannt iwürbe Daß unfer Autor ein ramgofe i geht aus dem Werke felbft hervor; Daß er ein parifer Mcabemifer war, fin anh Muüntz wahrſcheinlich (p. 71); den nad antilen Muftern gebildeten & und bie claffiihen Anfpielungen wüßte ich niemand anters zuzutrauen als de Nicolaus von Eldmanges. Ohne die Frage eutfcheiden zu wollen, glaube i mich doch gerechtfertigt, wenn ich das Werk bier und unter dieſem Gefichtapsumn beipreche.

L 11, Da® Bert de rains eorlesiae. 195

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für vennerifche Erpectorationen find, wird bie Zeit ber 3 lächerlich als eine paradiſiſche geſchildert. Da- und Land reich bevölkert geweſen, nie ober felten die Menjchen bingerafft, ihre Stälfe feien voll Vieh, voll Obſt, ihre Felder voller Früchte geweſen; venn bie Erbe nicht tem Fluch unterworfen. Die Menfchen unb erfreuten jich herrlicher Geſundheit; Aufruhr un Sg waren ihnen fremde. Damals berrichten Liebe und Unſchuld, Aueätigleit un Frömmigkeit, Trug und Verleumbung waren fel« ms.f.w.'). Grit mit dem einftrömenben Reichthum, wird richtig Imerit, beginne ver Berfali ver Kirche. In bie päpftliche Curie aler joll Die Sünde erjt mit der franzöfifchen Reſidenz getreten fein. Yet iſt der Gegenſatz zwifchen ver älteren und ver jegigen ſchis⸗ metifchen Kirche wie ver zwijchen Gold und Koth!”) Ueppigleit, Gtelz, Pomp uud Geltgier fine vie Harppien, welche vie Kirche keinbeln.

Gleich einem Maler, ver berufen ift, alles ſchwarz anzutünchen, duchwandert unfer Verfaſſer nach ver Reihe alle Rangftufen von en nach unten, von Bapit und jeiner Curie bis zu den Bettel⸗ mirchen herab. Ueberall fieht er nur die fchänplichften Motive und es gräßliche Verſunkenheit, überall bietet er vie Künfte der Sti« auf, um dem Lefer das einförmige und trojtlofe Bild nur recht mringlich von allen Seiten vor das Auge zu vüden. Das lange Chimpf» und Jammerlied würte noch einen verftänblichen Zweck haben, wen er zum vüjtigen Kampfe gegen vie Mißbräuche aufriefe, we denn in ähnlichen Schriften aus Frankreich ver Tou des feden site zu berrfchen pflegt un vie wehmüthige Klage ven veut- hen Kloſterbrübern überlaſſen wird. Unſer Autor aber gehört nict zu den ftürmiichen Reform- und Goncilrufern, er wartet auf Ne Hülfe non oben; die Waffen, mit venen allein er kämpfen will, Kar Buße, Thräuen und Gebete, Faſten und Proceffionen ?).

Auch die Schule des reinen Humanismus, vie e8 damals nur m alien gab, hatte zu Coftnig ihre Vertreter in ven apoftolifchen Secretairen, tie ver Curie Johann's XXIII gefolgt waren. Be—

FETTER 333%; HH GE

q de ruina cp. 1. ) ibid. op. 37. ) Ganz ähnlichen Iuhalts it Ricolaus von Claͤmanges Schreiben u Yen feauzöfifchen Cathedral⸗Clerus im Namen der Univerfität vom 23. Sep⸗ imßer 1994 b. Bulaeus IV. p. 712. 13*

196 1. 11. Humaniſten auf dem cofiniger Eoncil.

greiflicherweife aber hatten fie mit dem Concil und feinen Streitig feiten eigentlich nicht8 zu thun, übten vaher auch keinen merkliche Einfluß auf die andern Nationen. Der Grieche Emanuel Chry foloras fam wegen ver Hülfe, die der paläclogiiche Kaiſer in Deeident ſuchte, mit dem Cardinal Zabarella nach Coftnig, ſtarb aber ſchon ver ven Beginn ver Unterhandlungen am 15, April 141. Der humaniftifche Dichter Cencio aus Nom, päpftlicher Secretait, hielt ihm vie Leichenreve'). Als fein College war auch Leonarde Bruni gefommen, ging aber bald wieder über vie Alpen "zuräd, als ver italienifche Papft immer mehr in vie Enge getrieben wurde"). Ihn kümmerten das Concil und feine welthiftorifchen Vorgänge wenig, wenn wur nicht feine perſönliche Stellung davon berüht ward. Schrieb er von Eoftnit aus dem Ylorentiner Niccoli, dem bumanijtifchen Kunſtrichter und Orakel tes Geſchmacks, fo verwahrt er fi) im voraus, daß diefen das Concil und das bald langweilig bald furiofe Gefhwäg ver Prälaten und Doctoren nicht würd unterhalten können, fo beichrieb er ihm lieber mit poetifcher Kunf pie Reife durch die Alpen und anf dem Rhein?).

Poggio Bracciolini, gleichfalls Secretair und neben Brun ver gefeiertite Kenner des Alterthums, blieb fo lange in Koftnit und anf deutſchem Boden, als er die Sitten der Barbaren ertrager konnte. Noch nad) Jahren war es fein Lieblingsthema, mit ftolzen Ekel von ihmen zu fprechen‘). Für das Dogma wie für dat Schisma hatte er nicht ven geringften Sinn, er kannte nur ein würdige Degeifterung, die für vie Schriften des clafjifchen Alter thume. Während ver Procejje und Dieputationen machte ew Aus flüge in die Umgegend, um in ven Klofterbibliothefen die verrottenben und ſtaubigen Schätze ter altrömifchen Literatur zu durchftöbern Das Nen-Gefunvene zu copiren und im Lande des Lichts, in Italien zu verbreiten. Er war ein Freidenker in ganz anderem Sime alt tie parifer Theologen: leichtfertig und frivel fammelte er Anecboter über das Lüfterliche Leben ver Clerifer und Mönche, um fie in ge

) Poggius epist. 82 im Spicileg. Roman. T. X.

’) Poggii Orativ in funere Leonardi Arctini in Baluz. Miscell L. III. p. 255.

») Leonardi Bruni Epistt. recens. Mehus Lib. IV, 3.

*) Vergl. ſ. Brief aus Coſtnitz an Niccoli, worin er das Badeleben be

Baden befchreibt, in |. Opp. Argent., 1513 fol. 113 und f. Briefe im Bpicileg Roman. T. X. passim.

I. 11. Poggio Bracciolini. - 197

nandter Sprache und mit keckem Humor in feinen Facetien wieder: zeräblen. Hierin war Boccaccio fein Vorbild, nur daß Poggio ımit Serahtung feiner tuscifchen Diutterfprache ven blühenten Iateinifchen Stil pflegte. In ver nachläffigeanmuthigen Erzählung und in geift- veler Satire that e8 ihm niemand gleich. Die nächfte Generation weilte zwar viel Barbarismen in feiner Sprache finden, ihn aber fimmerte es noch wenig, ob fich eine Wendung aus Cicero belegen laſe oder nicht, Dann bat man ihm feine Barbarismen verziehen und bie Feilheit der Feder zum bitterften Vorwurf gemacht. Ihm aber waren tie Barteiungen ver Chriftenheit an fich fehr gleich: Hg: Parteifchriften, vie ihm als apoftolifchem Secreteir aufge: tagen oder fonft bezahlt wurten, behantelte er als Themata, bei denen er nur den Ruhm feiner Kloquenz im Auge hatte. Sehr kliebt war er als Leichenrepner, weil er grenzenlos lobhudeln konnte: er mijt den Todten, auch wenn fie Cardinäle gewefen, jevesmal bie bödhften heidniſchen wie vie höchſten chriitlichen Tugenden bei, er vergöttert fie, ba fo auch tie alten Römer gethan. Zu Coſtnitz hielt over fchrieb er tem Cardinal Zabarella eine folche Leichenrede; Ne ehrwürbigen Väter bes Concils redet er darin mit Patres con- seripti an"). Noch beffer indeß gelangen ihm Invectiven und

chriften, wo er feiner fatirifchen Ader freien Lauf Taffen um ebenfo niederträchtig verleumden wie in ven orationes funebres leben kann.

Der chriſtliche Glaube und die Kirche lagen eigentlich ganz außerhalb feiner Sphäre: er war, wenn nicht Heide, doch ein ſolcher berehrer bes. heipnifchen Alterthums, daß er alle Schätze ber Dog— matt zweifellos für eine neue Rede tes Cicero hingegeben hätte. Seine Denkweiſe fpricht fich nirgends fo klar aus als in dem Briefe, ner an Leonardo Bruni an dem QTage fchrieb, an welchen er der Verdammung und Verbrennung tes Hieronymus von Prag bei- genohne *). Er bewundert die Kenntniſſe und ven Scharfſinn, vie Dieputirkunſt und bie Beredtſamkeit des böhmifchen Ketzers, fie er- inerten ihn an bie ver Alten. Die Unerfchrodenheit tem ftür: mihen Concil gegenüber und bie felte Tovesverachtung liegen ihn der Mucius Scävola, Socrates und Cato gedenken. Er jchmüdt tie Rebe des Hieronymus aus, läßt ihn von ten Verfolgungen

) Opp. fol. 95, auch kei v. d. Hardt T. I. P. IX. p. 537. !, Opp. fol. 114, auch bei v. d. Hardt T. IL. P. XXU. p. 68.

198 I. 11. Niterarifcher Einfluß des coftniger Concils auf das Basler,

fprechen , die Anaragoras, Sokrates, Platon und Seneca um Wahrheit willen erlitten, legt ihn in ver Anrede an das €: das Patres conscripti unter. Er bebauert, daß ein fo epler ( vir praeter fidem egregius ſich ver Ketzerei zugewa „wenn es, fügt er hinzu, noch wahr ift, was ihm vorgewe wird; denn mir fteht über eine ſolche Suche Fein Urtheil zum, berubige mich bei veren Meinung, vie für weifer gehalten werben

Das ift die Stellung ves ethnifivenven Freigeiftes und Did auf ver coftniger Kirchenverfammlung, des Dichters nämlich Sinne Italiens. Denn Verſe fehrieben anch Charlier und Rice ron Clémanges, fromme Ergüſſe, Producte ter keuſchen Ma! antiker Form).

Zwiſchen dem Schluſſe des coſtnitzer und ver Gröffnung basler Coneils liegt ein Zeitraum von 13 Jahren, der fin ficchenpolitifche und firchenliterarijche Entwickelung ven nicht geri Bedeutung if. Die Ideen zwar, vie ihn bewegten, blieben vi ben, aber fie gewannen an Ausbreitung und ftüßten fich aul gemachten Erfahrungen. Die Berührung ver Nationalitäten, ten Kreuzzügen nie fo lebenrig wie zu Goftnig, trug ihre Pri D’Aln und Charlier waren nicht mehr, unter ten Nebner Bafel finden wir nur cine einzige Größe ter pariſer Hochie ven Magiſter Thomas ve Eourcelles. Die franzöfifche Partei, Cardinal d'Allemand an ter Spige, überwog mehr durch ihre, und durch Kntfchievenheit res Handelns als durch Gelehrfan und Beredtſamkeit. Auf tiefem Felde glänzten nun die Ital' und Spanier, über bie Franzoſen trugen ſelbſt die Deutfchen Sieg davon. Die altjchelaftifche Schule, vie italienifchen und

) Selbſt Brumi urtheilte in jeinev Antwort (cpist. recens. Mehus I\ Daß Poggio mit etwas unvorfihtiger Borliebe für den Ketzer nefchrieben ha

) Treffend jagt Charlier von kiefer Muſe bei vr. d. Hardt ; P. IV, p. 49:

Ast matruna gravis, cuata pudicaquc, Cui nativus adest et color et decus, Ut prosit, satagit, seria moribus, Sponso quod placeat, studet.

Carmen tale cano, sit procul ethnica Mendax Musa, strepat his, quibus est Venus Aut Mars deliciae vanaque numina.

Noster solus amor Jesus.

I. 11. Die Canoniſten Tubeschi und Bontane. 199

gen Doctoren fanmelten und orbneten Jahre lang ihr Rüftzeug am ſtampfe für oder gegen vie nene parifer Lehre. Die Dialectit me ter Autoritãten⸗Beweis traten wieder mehr in ihr altes Necht. Sch ſcheiden fich zu Bajel die Gelehrten und bie Parteiführer ſrenger von einander, währen fie zu Coſtnitz biefelben Perfonen vorn. Männer wie Gefarini und d'Allemand oder der Erzbifchof von Taranto führten ben eigentlichen Parteitampf. Die langen Ge: hinſte ver Gelehrten, vie zu Büchern aufgefchwollenen Tractate, ve Tage lang vorgetragen wurden, Tonnten kaum vie Männer von Sch Intereffiven. Sie wurden als fchweres Gefchüg vorgeſchoben, man bie Partei ihre gelehrte Würte und Lnfehlbarkeit darthun wolle. Weit aufmerkfamer als fie wurden vie päpftlichen Legaten, be hoben Prälaten und die Gefantten ter Weltmächte angehört. Emih ift zum bemerken, daß zu Baſel auch vie päpftliche Partei, De za Softeig Faum eine Rolle fpielte, kenntnißreiche und ſcharf⸗ Kunige Vertheidiger fan.

Ws vie Leuchten des canonifchen Rechte, wie es auf vie Epn- Adenboctrin angewandt wurde, ftehen tie beiden Gefantten tes Kris von Aragen ta, Nicolo ve Tudeschi und Lodovico Pontauo (ober ve Ponte). Beite hätten ihren Ruhm nicht erft ze Bafel fuchen pürfen, ven einer grenzenlofen Gelehrſamkeit brachten fe fon mit nnd von biefer zeugen noch ihre jetzt gebrudten ju— tiichen Werke zum Staunen und Schreden ver Nachwelt. Tudeschi wer Erzbifchof von Palermo, feinen Ruf unter den Sanoniften aber fühet er unter dem Titel ves Abbas Siculus. Pontano wirb in ver Regel als Ludovicus Romanus bezeichnet, weil er an ber rö- niſchen Curie die Stelle eines Auditors des apoftolifchen Palaftes belleidete, denn geboren war er in ober bei Spoleto.

Wir haben oben ſchon vargelegt, welchen Einfluß tie Beiden as Geſandte des gefürchteten Alfonfo übten, wie eine fcanbaldfe Eiferfucht zwifchen ihnen waltete, wie ihre Neben und Ueberzeugun⸗ gu, wenn man ven folchen reden barf, ganz ven dem jedesmaligen Bine ver Politit abhingen. Sie gehörten ganz und gar ver alten und granen Rechtsſchule an, vie feit Jahrhunderten in Bologna un Bapıa blühte; bei ihnen findet fich iverer eine Spur von ver freifinnig= biblifchen Richtung eines d'Ailly und Charlier, noch von dem antifen Humanismus, ver doch fonft in Stalien fo üppig auf: vucherte. Divifionen und Diſtinctionen, Yimitationen und Am— pliationen, Gitate und immer wierer Gitate find ber Stolz ihrer

200 1. 11. Tudeschi und PBontano,

Disputirfunft und jelbjt in ihren öffentlichen Reden werten di felben nur durch einen bürftigen Text mit einander verbunten. 9 ftarrerer, öberer Form konnte vie Gelehrſamkeit fich nicht zeigen ber geſchmackloſe Wuft muß ven Hörer völlig betäubt und dum gemacht haben. Tudeschi brauchte einmal drei volle Tage, um fi über das Recht des Concils gründlich auszulajfen‘). In frühen Zeit Hatte er gelegentlich auch vie Superiorität des Papftes. übe einem Concil nicht minter gründlich vargethan’). Sein Rebe tuhler Pontano ſoll ihn an Fülle ver Kenntniffe noch übertrofig haben. Wir leſen von ihm nur wenige Reden?), weil er fein jung ges Leben noch vor ter Zeit ver Neichstage durch die Peſt verlm, Aber diefe Proben feiner Gelehrſamkeit betätigen zur Genüge, ab unter feinen Zeitgenoſſen befonvers Enen Silvio an ihm gelobt um getavelt hat. Sein Gedächtniß, erzählt viefer, fei fo unglaubliqh und monftrös gewejen, daß mau es glaubte Zauberfünften zufcrek ben zu müffen‘). Er konnte die Gefege und Gloffen nicht mm, wie auch antere, nach tem Anfange, jonvern wie lefend dem ganzen Zerte nad) herfagen). Uebrigens, jugt Enea, habe ihn auch nich ausgezeichnet, felbt in Rechtsfragen habe er nur, wo das Gedäch⸗ niß Hinreichte, Auskunft geben können, in antern Dingen fei a dunun gewejen ).

Dieſen Männern nahe verwandt zeigten ſich auch die andem Sanoniften und bie meiften Theologen auf dem Goncil. Die Ben handlungen mit den Böhmen, auf vie man jich forgfam vworbereitst hatte, gaben ihnen Gelegenheit, ihre dinlectifche Kunft und ihr tes logifches Willen in Reben aufzuweifen, vie bequem für Bücher gelten ) Auf dem frankjurter Reicdhetage von 1442. Mergl, Bud 1. Cap. L Die Dieputation füllt faft ven halben VIII. Yand von Wuerdtwein Bubeil. dipl, (p. 120-350). Cine andere Rebe von ih, etwa aus tem J. 1437, bi Mansi XXX. p. 1123—1181. -

) Ein Stüd aus feiner Disputation De suprema Papae antoritate fi Mansi XXX, p. 1186. Sanbfchriftlich find feine Tractate befonbers in Itafier und Deutichland ſehr werbreitet.

9) 3.8. bei Mansi XXIX. p. 534 und 544.

) A. B. de vir. clar. VI.; Pentalogus p. 673: jurisconsultorum, quo nostra aetas tulit, ınemoriosissimus, Brief an Neceto v. 21. Mai 1437: juris consultorum jureconsultissimus.

*) A. 8. de concil. Basil. p. 24. '

) A. 8. Dialogus de autor. conc. p. 716, de vir. clar, IV: major i: eo scientis quam prudentie fuit. _

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I. 11. Die Canouiſten zu Bafel. Johann von Segobia. 201

bmen. Der Dominicaner Heinrich Kalteifen, zu Cöln Pro» feffer ver Theologie, fprach trei Tage lang über vie freie Prebigt tet Wortes Gottes, Yuan de Palomar, ver aragonijche Ge⸗ febte, ebenfo lange über das bürgerliche Eigenthum des Clerus. Aegidins Carlier, Dechant zu Cambray, brauchte vier Tage, zu die. Anjicht der Huffiten von ver Beftrafung öffentlicher Ver⸗ hehen ver Cleriker durch ein weltliches Gericht zu widerlegen. Und u die Ketzer über bas Hauptthema, vie Communion unter beiden Gehalten, zu belehren, vertheivigte Johaun von Ragufa, Ge neral Bes Dominicaner Ordens, acht volle Tage lang ven Ritus ver erthodoxen Kirche‘). Sie alle hatten jich vorher mit ihres« gleichen zu viefem Wortkampfe förmlich eingefchult.

Bellen wir die Reihe ter freijinnigen Ganeniften oder, was bier daſſelbe jagt, ver hervorragenden Vertheidiger des Concils ver- veffflänbigen, fo dürfen Johann von Segobia und Nicolaus us Cues am wenigften übergangen werden. jener war ein bes rühmter Theologe und einer der achtungswertheften Eharactere unter ven Concilfreunden. Er billigte die Grunpprincipien tes Concils ud war bereit, mit allen ihren theovetifchen Conſequenzen mitzu- sehen: fo blieb er unter ven legten in Bafel und Laufanne, und zez ſich dann nach bes Concils Auflöfung in eine befcheivene, wlenfchaftliche Abgeſchiedenheit zurüd. Aber pas rückſichtsloſe Vor⸗ Ihreiten feiner Barteigenoffen unter d'Allemand's Leitung hieß ex dech nicht gut, er war anfangs im Gefolge des milden Cardinals Lerautes geweſen, ter ähnlich dachte und fühlte). Vergebene lehte ex zu warnen und eine Verftändigung mit Eugen in Ausficht m erhalten. Als gegen Ende ves Jahres 1439 ver Antrag geſtellt mie, das Decret Moses, welches Eugen gegen tie Basler erließ, as ein letzeriſches Wert zu verdammen, machte er auf bie furcht- bare Nothwendigleit aufmerkffam, daß man dann auch Alle, bie Eugen als Papft anerfannten, mitverdammen müffe. Der Carbinal ven Arles indeß ſetzte feinen Willen durch, ver milde Theologe Außte vor ter fchroffen Energie ver Parteimänner verjtummen?).

er war ganz an feiner Stelle, ale das Dogma von ber erb- lündelofen Empfängniß ver Jungfrau Maria feftgeftellt und ihre

) Ihre 4 Reben bei Mansi XXIX. p. 699-1168. ) Palady, Geſch. von Böhmen Bo. 3, Abthl. 3. S. 106. )Patric. cp. 97, 100. .

908 I, 11. Nicolaus von Eues.

Feier befchloffen wurde"). Auf ihn als Gefchichtfchreiber des Eon cils Tommen wir noch zu fprechen.

Die Seftalt des Cufaners Nicolaus wird uns im Verlaul unferer Gefchichte immer wieter und wierer und jevesmal in an berer Weife begegnen. Hier haben wir es nur mit ihm als Unter mit feinem Werke von ver catholiſchen Concordanz zu thum welches er noch vor dem Beginn tes basler Concils in Coblen begann nnd auf demſelben gegen Ente des Jahres 1433 volfenbete Es ijt der treuefte Titerarifche Ausdruck jener beiden eriten Jahr bes Concils, jener Zeit begeijterten Hoffens, in welcher tie Polemi fich mehr noch gegen die papiltifchen Principien und noch nicht gege bie Perfonen wandte. Der Cuſaner war eine veutfche Natur um glänzend genug mit ver Univerfalitit und Aneignungsfähigkeit eine ſolchen ausgerüftet. Auf ver Deventer- Schule unter ven Brüder von gemeinfamen Yeben erzogen, befreundete er fidh mit ber Speck lation und Myſtik, während der Univerfititsjahre zu Padua mi tem bergebrachten Formalismus des canonifchen echte, umd zu gleich war hier Cefarini fein Yehrer, ver vem empfänglichen Jünz fingegemüthe den von Paris ausjtrömenven Geiſt einimpfte.

So find Cuſa's Theorien durchaus nicht neu, aber neu ift t feinen Werfe die DVielfeitigfeit, mit welcher er dieſe Theorien bt gründete und wertheitigte.e Das ftete Zurückgehen auf einfad Srunpwahrheiten und auf tie Bibel erinnert theil® an vie Yrar zoſen theils an die deutſchen Gottesfreunde, vesgleichen bie Neigum zur tändelnden Allegorie und zur müftifchen Spechlation. Dagege mahnen ums ber Wuft von Canoues und T'ecretalen und die Schwa fälligleit des Ansdrucks ſtark an die pataviniſche Hochſchule, fo w ver wehmüthige Jammerton tiber ven Verfall der Kirche und Kn— chenzucht an die Bußprebigerftinnmen aus ven beutfchen und fras zöfifchen Klöſtern. Eigenthümlich ift dem Cuſaner vie Gründlichtei mit welcher er die große Zeitfrage über bie Autorität dcumeniſche

* Patric. cp. 96. Das Dogma ift belanntlih im Namen der orıhobege Kirche durch die Bulle Pins’ IX v. 8. Dec. 1854 fanctienirt. Das Für mu Biber in biefem Streite wurbe zur Zeit des basler Concil® durch ben berrfdien den Barteifinn und durch die Ciferfucht zwifchen den Dominicanern und Dino riten bebingt. Letztere waren die eifrigen Mertheibiger ber immaculate con ceptio. Gegen fie fchrieb der Dominicaner Torquemada, zugleich ber Bitter Feind der Eoncil®, fein Wert de Virginis Mariae conceptione. cl. Gas; Veronens. hei Muratori Scriptt. T. II. P. II. p. 1084.

I. 11. Nicolaus von Cues. 908

Eynoden noch von einer andern Seite beleuchtete, von ver critifch- ſiſteriſchen, von ver einer Tirchenrechtlichen Entwidelung Er ließ ee jih nicht verprießen, in ten verwahrloften Kloſterbibliotheken bie aiffamften Studien über Kirchengefchichte und zumal über bie jerer- sätige Stellung ver weltlichen Gewalt zur Hierarchie zu betreiben. Ib unter ven Quellen des canonifchen Nechts begann er zu fchei- um und zu ſondern, während fie den Juriſten fonft als eine wüſte Roffe vorlagen, teren Harmonie mit ftumpfein Autoritätsglauben errausgefetzt wurde. Das Werk von der catholifchen Einheit, ſcharf darchdacht und im echten Geifte ter Wiffenfchaft verfaßt, bot jedem fer etwas, es wurde ber Katechismus ber basler Neformfreunde. Ceſarini's Perfönlichkeit und fein lehrendes Wort, beire von einem Nnreigenden Feuer turchglüht, ſtrahlen überall ana dem fchriftftel- lernden Jünger zurüd. Wie ter Cardinal ber kaiſerlichen Gewalt Ne Reform ver Kirche ans Herz legte, wie Ihm tie Zurückführung ver Huffiten zur Kirche als die fchänfte Frucht derfelben erjchien, je auch Cuſa. Bas ſchöne Zraumbild des Meiſters von einer Weallicche baute der Jünger als ein wiffenfchaftliches Syſtem aus. Sad lehnt er ſich an die Tradition von ter älteften chriftlichen Kirhe, bald beweift er mit Ansfprüchen ver Kirchenväter, ınit De— aetalen und Synodalbeſchlüſſen, bald ergeht er ſich in einem tief- finigen, phifofophirenten Spiel mit ten religidfen und kirchlichen Srunpbegriffen, oder er wendet vie hergebrachten bibliſchen cover Erhlichen Bilder mit poetifcher Phantafie und wech zugleich wieder mit ſcholaſtiſchem Scharffinn. Ber nur das Werf von rer catholifchen Concordanz gelefen, vird zweifelhaft fein, in welcher von tiefen Richtungen des For- dene er Cuſa ten Preis zuerkennen fol. Wer aber auch feine Ihiteren Werke dagegenhält, dem fehwintet ver Zweifel völlig. Wir nögen ten ernften Forſchungsgeiſt des Hiſtorikers und bie Gelehr: ſamleit des Canoniſten noch fo fehr anerkennen, ver Philofoph wird es immer weit über jie bapontragen. Es find zwei Elemente, bie m Cuſa's geiftiger Ausftattung als tie herrfchenden hervortreten, ber mathematifche Scharffinn, ver gern auch Das Unbegreifliche in Zahlen und Figuren darſtellen, und eine myſtiſirende Phantafie, vie gern auch ven fcharfen Begriff und das Hiſtoriſch-Gegebene wieder in Bilver und Ahnungen verflüchtigen möchte. Dieſe beiven Ele— mente tonırte der abſtrahirende Philoſoph, wenn er etwa im jtillen Klojter mit feinen Gedanken allein gefeſſen Hätte, recht wohl zu

904 I. 11. Ricolaus von Cues.

einem anziehenb-eigenthümlichen Ganzen vereinigen, aber nun müffen wir darlegen, wie Cuſa fich dem thätigen, geräufchvollen Leben in bie Arme warf, für das er nicht im minveften paßte, wie ber Schwärmer von ber catholifchen Einheit zum verrufenen Apoftaten wurbe.

Dur Cefarini befam Cuſa's Geift vie erfte, für fein Schid- fol entfcheivende Richtung, fchon eine Richtung, von der er eben nur inficirt wurde, ohne in ihr fein Eigenthümliches frei zu ent- wideln. Er wurte in das anfangs begeifterte, van immer wäftere Treiben bes Concils hineingezogen. jener Ehrgeiz, der jeben Vefleren ftachelt, wenn er nicht gerate ein Heiliger ift, feifelte ihn am einem Schauplag, auf welchem er eine Harmonie feiner feltfam "begabten Berföntichteit unmöglich erringen fonntee Wir hören von Cuſa während verjenigen Periode des Concils, die zwifchen feinem. Werke von ver catholifchen Einheit over tem in ber Tendenz verwandten Tractat über die Autorität der Präſidentſchaft auf einem allgemei⸗ nen Eoncil') und andererſeits dem Kampfe wegen ber Griechen union liegt, jo gut wie nichte. Sein Treiben fcheint nur ein fchrift- ftellerifches, fonft wenig bedeutendes gewefen zu fein. Wahrſcheinlich ſchwankte er unficher zwifchen den Parteien umher wie bie Deut ſchen alle, wenigftens wurbe er fpäter zu den "Grauen" gerechnet"). In feinem Bufen baufete ein unruhiges Triebrad des Denkens, es mangelte ihm bie Seitigfeit der Grundſätze, bie dem politiſchen Kämpfer doch allein einen Werth und eine fichere Pofition gebess kann. Er war ein Doctor des päpftlichen Rechts, aber fein Geift war ber eines befchaulichen Philoſophen. Was wollte er auf bee Markte des öffentlichen Lebens? Wer aufmerkfam Lieft, wird fchen in dem Werke von ber cathofifchen Concordanz ein gewiſſes Schwan⸗ fen in ven Grunpbegriffen in Betreff ver kirchlichen Autoritäten wahrnehmen, ein Schwanken, welches ven Hauptfag, daß ein den⸗

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ı) Der Tractatus de auctoritste praesidendi in C’oncilio generali iR erfi Bei Joh. Mart. Dur (ber beutfche Karbinal Nicolaus von Cuſa mb bie Kirche feiner Zeit. 2 Bde. Regensburg, 1847) I. Beilage I. nach eier würzburger Handſchrift abgebrudt.

) A. 8. de concil. Basil. p. 3. Harzheim, Vita Nicolai Cuseni. Trevir., 1730 p. 63 und nad ihm Dür I. &. 168 behaupten, Eufa habe er eine neutrale Stellung eingenommen und Teine Partei gebilligt, bevor er zu Eugen übertrat. In dem Briefe bes Enea Silvio aber, auf ben fle ſich berufen, wird das vom Garbinal von ©. Peter autgeſagt, b. h. von Cervantes.

I. 11. Nicolaus von Cues. 905

menijches Concil über alfen andern Gewalten ver Welt ftehe, im Stillen modificirt. Man fucht fo oft pa Grundſätze, wo nur berr- fhenre Richtungen over yperfönlihe Stimmungen vorwalten; nur äuperft felten ift e8 Außerft wenigen gegeben, mit felbitgebilbeter Ueberzeugung aufzutreten, und tiefe wenigen waren niemals phile- ſophirende Begriffskrämer over gar canoniftifche Klopffechter. Gleich den meiſten Menſchen, die in aufgeregten Zeiten nur inſtinctiv han⸗ deln ımb laum für ihre Gedanken können, fo ſelbſtſtändig fie die— ſelben auch wähnen, ſchwebte auch Enfa eine Zeit lang als Trabant wm das glänzenve Geftirn des großen Cardinals, ohne zu fühlen, dag er nicht in feiner Sphäre war und daß er nothwendig in vie Irre gehen mußte.

Gefarini war vielleicht ver einzige Manı in Bajel, ver zit Heich feinen Principien im innerften Herzen treu bleiben und doch gegen die Art ihrer Verfechtung am Concil einen edlen Wirerwillen empfinten fonnte; er trängte dann feine Reformpläne in vie Tiefe des Buſens zurüd und gab fich einem Berufe von unzweifelbafter, handgreiflicher Vervienftlichfeit, vem Türfenfriege, hin. Cuſa wandte ſich vom Concil ungefähr zu berjelben Zeit ab wie ter Cardinal, I witerte vielleicht auch tie Maaßloſigkeit ver franzöfifchen Par- timinner an, bie Mifftunmung weckte bie Gegnerjchaft und machte iin vor ver Theorie ftugen, dic er doch felber verkündet. Er ver- ließ nicht nur die Vertreter feiner eigenen Ideen, ſondern auch biefe bt. Von Bafel lief er fogleich in das eugenianifche Heerlager nach Florenz hinüber und lieg fich, weil er einige Kenntniß von ver griechiſchen Sprache haben mochte, ter Geſandtſchaft beigeben, vie Eugen nach Conſtantinopel ſchickte und welcher ver Erzbijchef von Ieranto vorſtand!). Die Vitterleit des Parteihafjes und, was man anch dagegen fagen mag, das böſe Gewiſſen des Apoftaten bemäch⸗ figten ſich ſeiner. Während fein Ruf einen Flecken erlitt, während Sie Basler ihn zur Verantwortung vorluden?), reizten ihn vielleicht ah die Belohnungen, vie Eugen nicht kärglich gerade ben Abtrün- nigen von ber basler Sache als feinen unberingteften Parteigängern in fpenden pflegte. In ver Speculation und Schofaftif fand er bie Baffen, mit denen er num gegen das Goncil und feinen Afterpapft Impfte. Sein erfindjamer une tinlectifch-geübter Kopf wußte gerade

ı) Patric. cp. 64. 2) Patric. cp. 66.

206 L 11. Ricolaus von Cuee.

ſo viel Argumente und Belege für vie Behauptung zu finden, daß der Popit complicative bie Kirche fei, wie einft für nen Sag, daß ein allgemeines Concil vie catholifche Kirche tarftelle und feine Autorität unmittelbar won Chrifte habe. Mag man immerhin ber baupten, daß tie Waffen feiner Dieputirkunft, ſeitdein er ſich bem italienifchen Papſtthum hingegeben, fpiter ung jchärfer geworden, mit dem mild⸗-leuchtenden Feuer, das ihm einft Ceſarini eingefläft, war es jet aus. Er gehörte einer Partei an, vie fein Ideal ver⸗ folgte und von ihren Anhängern nicht ſtille Gedantenforfchung, fen dern practifche Nüglichkeit verlangte. Wie er einft im Baune Ge ſarini's befaugen war, je jtanb er jegt im Solde ver Zenbenz, nm die herrlichen Kräfte feines Geijtes in Disputationen und Neid tagsreden gegen das Goncil une die deutſche Neutralität zu ver geuben. Zu wahrer Befrietigung gelangte er niemals.

Es ift die Frage, ob wir dem Acte ver Converfion, wie ihn Cuſa felbft zu verjtehen gab, Glauben beimeijen dürfen. Darnach gelangte er zum Cugenianisinus auf vem Wege der Speculetion. „Range und qualvoll,u fagt jein Biograph ‘), "war ter Kampf, ben Cuſa durchzuleiden hatte, Bis es ihm gelang, durch das Bernunft- princip ver abfoluten Spentität zur reinen Anfchauung banschau bringen.“ Cuſa felbft bildete ſich over andern ein, bei feiner Räd- fehr aus Griechenland, auf ver Eee, fei ver erleuchtenne Strahl, die Anfchauung, in ver ihm Gott als bie höchſte Einheit aller Gegenſätze erfchien,« in ihn gefahren, und dieſe Anfchauung fei der Srunpftein feines neuen Spitens geworven. Indeß war er doch wobl ſchon Eugenianer, als er Baſel verlieg und fich nicht eiwa zu Meditationen in feine Heimath, jondern gerabesweges nach Flo⸗ ren; wandte. Die Theorien fchlichen ber ſchon entſchiedenen Hei gung erft nah. Daß feine Belehrung, will man das Wort einmal brauchen, auf vem Wege ter Meditation und Speculation erfolgte, glauben wir ebenfowenig, als taf feine freifinnigen Ideen auf dieſein Wege erworben waren. Keine Philojophie, am wenigften dieſe ſcho⸗ laftifche, teine Tirchenrechtliche Forſchung hat jemals einen wirflichen Gefinnungswechjel herbeigeführt. Stets gehen antere Urfachen voran, bier die Antipathie gegen vie bemocratifche Wendung bes Conciis, die Demagogie des Cardinals von Arles, dem Cefarini weichen

Scharpff, der Cardinal und Bifchof Nicolaus von Cuſa. Thl. 1. Mainz, 1843 (ber zweite Theil ift nicht erfchienen) ©. 128.

I. 11. Die Bertheibiger ber Curie und ber Scholaftil. 207

mußte, unb ver natürliche Ehrgeiz eines jungen Mannes, der durch Zodungen und Vorfpiegelungen aller Art genährt wurde‘). Wie verfchieven von dem feinen war ver Weg cines andern Apoftaten, unſers Piccolomini!

Oben ward angeveutet, daß aud die Vertheidiger des rö- mifchen Papismus ver gelebrte Principienfampf zu Baſel nicht mehr fo unvorbereitet fand wie einft zu Pifa und Coftnig. Im Ganzen hielten vie Anbänger ter Hierarchie, jener ehrwürbigen In⸗ ftitution, vie langjam im Laufe von Jahrhunderten gereift war, auch ven Glauben an tie unerjchütterliche Würte ver fcholaftifchen Kunft feſt. Waren doch Hierarchie und Scholaftit vemfelben Boden, nämlih ter Zrapition und ven Autoritätsbebürfnig, entiprungen und mit einander aufgewachten. Die Gegner tes püpjtlichen Ab⸗ jolutismus im Beginne tes Jahrhunderts, zumal die parijer Theo⸗ logen, hatten mit berfelben Mikachtung wie von ter Curie, fo auch von ber hergebrachten Schulwiſſenſchaft gejprechen, fie erfchienen als gefährliche Neuerer in heiten Beziehungen. Zu Baſel bob nun gar, wie wir bald zeigen werben, ter heidniſche Humanismus fein tedes Haupt empor; Rednern, vie mit Cicero’s Kunſt oder mit ven Dichtern des] augufteifchen Zeitalters prangten, warb am aufmerf- jamften gelaufcht. Man witterte den neuen Feind ter orthodoxen Kirche und ſchloß fich ihm gegenüber deſto entfchierener ver alten Schule an, um ein confervatives Clement durch das andere zu ftügen. Als jich die Eurialiften nach ter Kataſtrophe des Jahres 1437 über tie Alpen zurüdzogen, wurte das jlorentinifhe Concil die Burg ihres Syſtems und zugleich ein Ningplag ver Scholaftik.

Unter ven humanijtifchen Xiteratoren jtant nur einer dem Herzen Eugen’s nahe, ver Samalpulenjer-General Ambrogio Traverfari,

', Die beiden größern Yebensbeichreibungen Cuſa's baben jede ihren Vor⸗

zug Scharpff'é Arbeit if, was das Stofflihe aus den Leben des Mannes berrifft, ergiebiger, aber oft weder gründlich noch von einer umfaſſenderen Suellengruntlage getragen. Dity lieferte treffliche Auszilge ans Cuſa's Schrif- ten, die uns eine mibjame Lectüre eriparen, und bängte dem zweiten Bande wertbuolie Documente an. Daß Beine ans Cuſa einen Weifen und Heiligen machen, befremdet bei Biograpbien fiberbaupt nicht; man gewöhnt fich, ſtillſchwei⸗ gend vem Ruhme und von der Wichtigkeit des Helden zu fubtrabiren. Biel trauriger berührt der parteiifche Curialismus, der faft alle Berfönlichleiten und im ein ſchiefes Licht ſtellt. 5. J. Clemens, Biordano Bruno und Ricolaus von Cuſa. Cine philofophifche Abbandlung. Bonn, 1847. ver folgt eine Aufgabe, die uns bier ganz fern Tiegt.

b08 "TTLN. Traverſari. Torquemada.

ein guter Latiniſt aus Lactantius' Schule. Er gehörte dem flored tiniſchen Kreife des Humanismus an, war mit ben Mebici und md Niccoli befreundet, turchfpähte die Privat- und Slofterbibltothefeii denen er fich nähern konnte, nach ten Codices ver griechifchen, W ſonders ver kirchlichen Literatur, überſetzte aus dem Gretechtfchel Auch er war nicht unberührt von ven basfer Ideen, nur konnte Humanift in ihm ven gehorjamen Mönch nicht überwinden. Schreden der Klöſter feines Ordens, reif’te er umber, vifitirte w veformirte, aber er reformirte im Einne der Obfervanz, und bG war gerabe auch Eugen’s Leivenfchaft von feinem wenetianifchel Klofter her. Gleich nach ter Stublbefteigung des Papftes fi ihm Traverfari das Werk tes h. Bernhard de consideratione’yl und machte felber Miene, gegen Eugen ven heiligen Bernhard ji fpielen ; benn er ſchrieb ihm wiederholt Briefe voller Reform⸗Mah nungen, worin er fich über ven Lurus und die Simonie ver Cm ausfieg '). Er fagte ihm aber das Alles ımter vier Augen (sole soli) und mit mönchiſcher Demuth, was die Basler in fühner OP pofitien von ber Rednerkanzel hören ließen. Und als Papift weil er fonjt faft ein Fanatiker: er nannte vie basler Reformfreunde u anders als Wüthende oder Wahnſinnige, fein ſteter Rath war, ſue auseinanderzujagen. Der ſtattlichſte und ſchärfſte Vertreter des Curialismus war i Baſel und Florenz ver Dominicaner Juan de Torquemadt (Turrecremata), fo hieß er nach feinem Geburtsfleden im S von Palencia. Ven Traverfari wegen feiner tiefen Gelehrſ empfohlen’), war er von Eugen nach Nom gerufen, zum M des apoftofifchen Palaftes ernannt und dann als Legat nach Vafl gefenvet worden. Hier vertheivigte er vie Rechte des römif Stuhles und das Necht feines Inhabers fo gründlich und entf ben gegen bie Gonciliaften, wie dann fpäter zu Florenz das Dog ver lateinijchen Stiche gegen die Abweichungen der morgenlaͤndiſcher Der Carbinalat belohnte in ihm den größten Theologen feiner Jet Man kann gegen die basfer Beſtrebungen fein volleres Gegenbit finden als ihn; erſt durch einen folchen Vergleich erhellt, wie ehr

) Das ganze erfte Buch feiner Epistulae (in der Collectio von Mar tene und Durand T. III.) ift an Eugen gerichtet. Vergl. bei. epist. I, 14. 19 XVI, 2.

2) cf. deffen epist. I, 15.

1. 11. Torguemaba. 2089

greifend und unterwühlend Männer wie Ceſarini, d'Allemand, Enea Silvio, gegen das alte Syſtem wirkten. Der Dominicaner trug bie Strenge une Sklaverei des Klofters auch in feine Wiſſenſchaft, denn er war eine mürriſche und cholerifche Natur, unerbittlich hart gegen vie ihm untergebenen Orbensbrüber '),, Keine Frage von rein⸗theologiſcher Natur, in ber cr nicht fein Wort abgab: er fchrieb gegen die unbefledte Empfängnig der Jungfrau Maria, die zu Bafel ie Anhänger fand, und vertheivigte vie Enthüllungen ver heiligen Vrigitta®), die zu Coſtnitz Eharlier ve Gerfon angegriffen hatte; er wiberlegte ven Wiclefiten Bayne’) und nahm ven zu Baſel als etzer angellagten Auguftinus von Rom in Schuß‘); er war ver: fibe gelehrte Eiferer zu Baſel gegen ven Laienkelch wie zu Florenz fir das Ansgehen des Geiſtes vom Sohne®).

In demſelben Stil ſind auch feine gegen das Eoncil gerichteten Tractate, Reden und Streitjchriften gehalten), ftreng-theologifche ar canoniftifche Abhandlungen, jcharf mit ten Formen ver fcho- iihen Bhilofophie turchgearbeitet und mit DBeweisftellen aller rt gepfropft. Wriftoteles und die Terminologie feiner Logik üben nd eine unbeſchränkte Gewalt: aus ver forgfältig begründeten Major und Minor entfpringt das unmwiverlegliche Ergo, auf bie taliones pro parte contraria folgt tie »olutio berfelben. Die burbariſchen Kunftausprüde geben der Demonftration vollends bie reelmaͤßige Mechanik des Handwerks. Die einfach-rationelle Schluf- jeige und gar tie blendenden Redefiguren überläßt er gern ber ſchongeiſtigen Schule, die auf dem Ketzerconcil mit ſolchem Tanve wusien mag und ihre Unwiſſenheit in eleganter Form verhülfen. Je Liegt nicht daran zu überreven, zu überzeugen, mitzuveißen; dem die ſtrenge Ueberzengung für jeine Sache forbert er von vorn

') Gasp. Veronena. ]. c. p. 103%.

6. Mansi XXX. p. 699814.

) in Wolfii Lectiones memorab. ad. a. 1438 p. 822.

9b. Mansi XXX. p. 979—1034.

*) Ueber die vatican. Manufcripte feiner Werte gegen die Huffiten vergl. Yılady’s italien. Reife im 3. 1837 (Abhandl. der K. böhm. Geſellſchaft der Senf. 5. Folge. Br. 1). ©. 60; Bzovius ad. a. 1458 n. 37.

9 Die uambafteften find tie Summa de ecclesia ct ejus auctoritate und Ne Apologia Eugenii Papac IV, auf dem Concil zu Florenz gegen bie fogen.

Glanbenswabrbeiten ber Basler gerichtet, gebrudt Venet., 1563, bei Labbe VOL, bei Hardouin IX., bei Schannat et Hartzheim V.; andere Sciften bei Mansi XXX. p. 660. 599. 1072, XXXI. p. 41. 68,

Voigt, Enca Silvio. 1. 14

L. 11. Gelehrter Eharacter des florentiner Coneils. 911

meie‘). So leitet er uns fchon zu ven eigentlichen Parteiführern über, bie weder zierlich reden noch gelehrt disputiren ober ſchrei⸗ u wollten, benen ber ‘Drang des Augenblicks ein kühnes und zün- des Wort in den Mund legte. Die wenigen wifjenfchaftlichen zumente, deren ein folcher bevinfte, waren ihm von ben @e- ten, auch wenn er nicht zu benfelben gehörte, genügend zuge- vet worden. So ſtand Giovanni de Tagliacozzi, ver Erz- hof von Zaranto, im Lärm ver Griechenunionsverhanplungen b wie ein troßiger, fefter Thurm da, bald fuhr er mit leiven- felichem Ingrinim auf ven Gegner los. Ihm nicht nnähnlich, ' zubiger, war ver Erzbifchof von Spalatro. Sie fchrieben > Neben weber vorher noch nachher auf, fie trugen das richtige fühl in ſich, daß die Bathebergelehrjamleit nicht den Ausichlag e, daß das Schwert die gorkifchen Knoten des canonijchen Rechts erer zerhaue, als bie langweilige Disputation fie löſe.

Das Florentiner Concil, auf dem fich nur vie Prälaten er Barbe einfanven und deſſen Hauptwerk bie Union mit ver lechiſchen Kirche war, zeigte im Gegenfaß zum basler einen ftreng- gmatifchen Character und ermübete die Geduld ter Mitglieder ®). d würbe uns zu weit führen, wollten wir vie Kampfhelden veifel- a im einzelnen bezeichnen. In welcher Weife ein folcher Streit ver wichtige Säte des Dogma geführt wurte, lernen wir, noch ser wir die Acten jenes Concils anfehen, aus ven Vorbereitungen men, Die in Baſel zum Empfang ver Griechen, zu welchem es um nicht kam, getroffen wurven. Mit ven Böhmen war nur über Hauptartikel zu ftreiten gewefen und tiefe hatte man fchen ein mes Jahr vorher an 4 gelehrte Magiſter vertheilt. Nun aber dnete man 40 Artikel heraus, vie als Glaubensunterſchiede zwi- en ver griechifchen und ver römijchen Kirche zu behanveln fein kden, 20 Magifter follten ſich darauf vorbereiten und jedem wur— R zwei Artikel zugetheilt. Die Schwierigkeit, ſich gute Exemplare r griechifchen Kirchenväter in Eonjtantinopel und im Kloſter auf u Monte Santo zu erwerben, ausreichende Weberjegungen zu er- ten und bann mit ben Griechen durch Dolmetfcher zu disputiren, je die grenzenloſeſte Thätigfeit ver Theologen in Anſpruch?).

) Bergl. 3.8. das Fragment feiner Apologie für Eugen v. 3. 1443 bei asi XXXI. p. 197. N) c& Ambros. Camald. epist. XII, 15. 3) Bergl. die Avisamıenta pro facto Graecorum b. Mansi XXX. p. 1099. 14*

212 L 11. Der Humanismus zu Bafel. Ceſarini.

So feierte in Florenz, als die Union zu Stande kam, aud bi fcholaftiiche Philofophie wohl einen glänzenden Triumph, einen gri ßeren und für die Dauer wirkfameren aber ihre Gegenrichtung | Baſel.

Vom Erwachen des Humanismus in Italien, von d Wiederaufnahme ver altrömiſchen Literatur zu ſprechen, iſt Bi nicht der Ort. Wohl aber iſt es eine für vie Literaturgefchid höchſt bedeutſame Thatſache, daß jenes Studium, welches in all ſeit dem Anfange des Jahrhunderts ſich reißend ausbreitete, a dem basler Concil zuerſt in ven Weltverkehr zu treten, ſich ande Nationen mitzutheilen und in das öffentliche Leben einzubringen | gann. Die practifche Uebung ver rhetorifchen Kunſt jteht im eim fühlbaren Zufammenhaug mit dem demagogiſchen Character, d das basler Concil im Gegenfaß zu feinen Vorgängern behauptet.

Während ver eriten jechs Jahre des Concils war, wie u faben, Cardinal Ginliano Cefarini tenangebent. Cr hatte fid in jungen Tagen faner werben lajjen, denn obwohl aus ebler 8 milie, war er doch biutarnı, als er in Perugia unter der Leitn des Bindaccio da Nicafjoli ftubirte. Der Lehrer fol ihm bier ; Belohnung für gute Verſe hin und wieder einen Ducaten gefchen der eifrige Schüler, um Nachts ſtudieren zu fünnen, von fremt Tafeln vie Nefte ver Kerzen geſammelt haben‘), Die Unterſtützu jtubirenver Jünglinge erfchien ihm deshalb fpäter ftets ala Heilig Pflicht. Die feltene Mifchung von Yeutfeligteit und Würde, v weltgewwanbter Feinheit des Betragens und feurigem Sutereffe f tie Kirche ftellten ihn mehr noch wie fein Beruf als Garbin päpftlicher Legat und Präfivent des Concils an bie Spitze ver X wegung. Alles erſchien ſchön und bewunternswerth, was von ih ausging. Was er fprach und wie er fprach, war Vielen ein [eu tendes Vorbild, fie ſprachen's und ahmten's ihm wohl nach, ab es kam ihnen nicht aus ver Seele wie dem Meifter.

Daß Ceſarini einer gründlichen Kenntniß des päpftlichen Ned nicht entbehrte, vafür muß uns ſchon ver Umſtand bürgen, daß zu Papua Lehrer vejfelben war”); feine Reden und Schriften laflı den Juriſten kaum ahnen. D'Ailly's und Charlier’s Freifinnigke

) Vespasiano: Giul. Cesarini $ 1. 4. im Spicileg. Roman. T. I. ) Poggius Orat. in funere Juliani de Caesarinis im Spicileg. Roma T. X. p. 876.

I. 11, Ceſarini. 218

erſcheinen in ihm wie verflärt. Gleich jenen ift auch ihm vie Bibel das Buch, auf welches er ſich am liebften ftüßt, aber wenn jene ver Magifter- Stolz zu unduldſamen SKegerrichtern emporfchwellte, fe bob ihn feine freie Serzlichkeit, feine Menfchenliebe über vie fin- fern Schraulen des Dogmatismus hinaus und auf eine Höhe, auf der wir ihm im feinem Jahrhundert und im folgenven Wenige an Ne Seite su ftellen wüßten.

Das erfte und letzte Gefühl, das ihn durchglühte, war vie Ein- keit, Bereblung und Größe ver Kirche; davor verfehwand ihm nicht mar jebe menfchliche Rüdficht, ſondern auch die dogmatifche Zähig- kit, welche die coftniger Größen, die Walvenfer und Huffiten, felbft vie Gottesfreunde beherrſchte. Obwohl alle Unternehmungen, denen er vorſtand, mißglückten, befeelte er doch jede durch fein großes und ſeiriges Herz. Nach Bafel Fam er von ver fchmählichen Flucht bes Kreuzheeres bei Tauß, ber Plan aber, nun auf dem Concil bie Seffiten mit der Kirche wieberauszufähnen, war ihm alsbald ein fo gebegter, daß er wegen feiner Milde und Freundlichkeit gegen vie Köhmifchen Geſandten und wegen feiner Nachgiebigfeit gegen ie Ferderungen faſt felber in ben Verdacht ves Huffitismus kam. Eden ale Füngling war er mit tem Garbinal Branda unter ben Oähmen geweien '). Der liebenswürbige Privatumgang, den er mit ifnen zu Baſel pflog, feflelte ſelbſt ihre trogigen Gemüther, md bei der herzlichen Rede, mit ver er jie vor dem Concil empfing, ſellen ſelbſt einige ven ihnen und nicht nur bie Glieder bes Con— As zu Tränen gerührt geweſen fein"). Dennoch konute er fich ben Böhmen gegenüber, vie fchlagfertig jeves Wort in ihren Dis— petationen benußten und nicht minter hartnädig an ihrer Lehre Kingen, wie tie Goncilväter an ter orthodoren, nicht einmal vom Grande feiner Seele ausfprehen. Das aber that er vor dem Eon- a, als im Jahre 1434 vie erften griechifchen Gefanpten enıpfangen werden und hieburch tie Ausficht anf eine noch herrlichere Erwei- krung ter Kirche fich bot. Guter Wille und chriftliche Liebe er- feinen ihm bie Haupterforterniffe, um dieſe Union, wie bie mit

) Poggius 1. c. p. 377.

) Die Nede bei Mansi XXIX. p. 679700. Ueber jene Verhandlungen ber Böhmen zu Bafel hat Palady's claffiiche Gefchichte von Böhmen (Br. 3. Abthl. 3. Bud 8. Cap. 2.) eine Fülle neuer und überrafchender Aufichlüffe ge- geben.

214 I. 11. Ceſarini.

ven Böhmen, ins Werk zu richten; in den Dogmen, welche d griechifche Kirche von ber lateinifchen trennen, fieht er eine viellei nur verbale Differenz‘). »Chriftus, jagt er, ift gefonmen und | ung ven Frieden gepredigt, denen, bie ferne, und benen, bie na find. Er hat bei feiner Geburt uns durch Engel den Frieden a gekündigt, predigend hat er uns ven Frieden gelehrt, fterbend | er ung den Frieden Hinterlaffen. Und wir, bie wir feine Schü genannt werben wollen und uns des Chriftennamens freuen, könn! wir bei irgend einer Gelegenheit ten Frieden nicht hegen und ficchliche Einheit verabfäumen? Wenu wir erwägen, in wie gering Sache wir verſchiedener Meinung find, in wie vielen aber und welchen wir übereinftimmen, jo müſſen wir errötben, bag wir bie Zwiefpalt zwifchen uns noch länger dauern laffen. Bir wi ſchen und bitten, mit euch und allen Menſchen in Frieden und chr licher Eintracht zu eben; um biefen Frieden und dieſe Gintre fcheuen wir feine Arbeit, keine Laſt. Um jie find wir bereit, we es nöthig ift, nach dem Beifpiele unjers Erlöſers uns felbft v unfere Seelen und mehr noch bahin zu geben. Und fo, wünfd wir, möget auch ihr alle thun! Wer anders handelt, verehrt © vergebens, ift vergebens ein Chrift; nicht Gebet, nicht Faften, wi Almoſen, nicht der Märtyrertod felbjt Tann nach dem Worte | Apojtels*) ohne Liebe und Kirchliche Eintracht nügen.«

Diefelbe Gefinnung war auch Ceſarini's Leitftern in dem un quidlichen Kampfe zwifchen dem Concil und Eugen. Die beit Briefe, die er an legtern richtete, als bie basler Verſammlung gle nach ihrer Eröffnung wieder aufgeläft werten follte, erwarben il durch ihren männlich fühnen und doch wierer mild⸗enthuſiaſtiſch Zon das Vertrauen bes Concils und nahmen ihm nicht das d Papftes?). Das Concil war damals ganz feine Leivenfchaft m feine Hoffnung. Den Sag von feiner Superiorität über dem Papf von feiner höchſten Autorität in der Kirche faßt Cefarini in feine ganzen Gewicht und ſchon jo jehr als Glaubensartifel, daß fell ein d'Allemand tarin nicht weiter gehen konnte. Dabei verfice

') Nescio quis verbalis forsitan differentiae obex se interponit. 3 ſchöne Rebe bei Mansi XXIX. p. 1235. In einer andern (ibid. p. 124 meint er, das griedifche Schisma fei causis neque probatis neque magı neque alterutri partium multum nocontibus eutſtanden.

) 1. Korinth. 13, 3.

’) Vergl. Cap. 2. S. 53.

I. 11. Ceſarini. 215

a, es fei ferne von ihm, ben apoftolifchen Stuhl over Eugen herab- fipen zu wollen; denn auch ihnen kännten die Decrete des Concils, wären fie vecht befolgt, nur zum Beſten dienen“). So fprach wohl mescher, aber Ceſarini gehörte zu ven Wenigen, bie es ehrlich meinten.

Wir wilfen, wie ver Cardinal auch zu einer Zeit, als bas lencil jenen Erwartungen nur wenig mehr entfprach, doch das Deeset, welches die Annaten abfchaffte, gegen bie päpftlichen Ge⸗ Mmbten entfchieven vertheidigte. Auch damals fprach er ohne Leiden⸗ Meftlichkeit gegen ben Papft, verlangte aber, er jolle "ber allge- meinen Kirche ihr Recht geben,“ und bei dem Verſprechen eines Erfages ſah er im dem Beſchluß keine Unbill*).

Als aber zu Baſel die perfönliche Bitterfeit gegen Eugen im⸗ mer mehr zunabm, als von jenen Erſatz nicht weiter die Rede war u dafür eim Decret nach dem andern zur Beſchränkung ber päpft- Ken Macht und der römifchen Kanımereinfünfte purchgefegt ward, 4 binter den Eirchenrechtlichen Formen und dogmatifchen Beweiſen ww büfere Parteihaß immer unverhüllter bervorblidte und bei ver Oige des Wortftreits fchon mehrmals tie Schwerter aus ber Scheibe gen waren, als in ben Griechenverbanplungen das nene Schisma meermeitlich drohte, da wandte fich fein getäufchtes Herz vom Concil ab, ohne Haß, mit tiefer Trauer. Noch in ven Worten, de er harz vor feiner Abreife, am 20. Dec. 1437, als legten Sühne-

reijuch an bie Väter richtete, fagte er ihnen feine freie Meinung wu über ven Erfolg des Dieputivend. „Wenn mit Briefen, Trac⸗ in, Flugſchriften und Allegationen geftritten werben foll, jo wird 8 un8 wie Eugen an einer Menge von Advocaten, Kunjtrednern Deeiamatoren uicht fehlen, vie mit fchnellem Geift einander wierfegen und auch wohl ven Hörer überzeugen. Was thun wir wbers, als daß jeder, der feine Partei rechtfertigen will, die anvere Khmäplich anfchwärzt, herunterzieht und ſchmäht. So ift hier wie dest micht zu frauen. Ob unfere Sache faljch oder wahr ift, weiß u Gott!u®).

*) Bergl. |. Dieputation mit dem Geſandten Eugen’s, dem Erzbiſchof von Epalatro, am 16. Octbr. 1433 b. Mansi XXX. p. 648. Das verunftaltende Keferat hier hat ber Magifter Stefano von Novara gemacht.

7, Die Mebe bei Mansi XXIX. p. 274 und aus Verfehen noch einmal

XXX. 9. MB. 3) Die Rebe bei Plac, Braun, Notit, hist.-lit, ote, Vol. VI. p. 186.

216 l. 11. Ceſarini als Humanifl.

Das Concil verjtane die Hoheit folcher Worte jo wenig, d es durch einen Tractat aus Tudeschi's Feder auf jie antwoer! ließ ?).

Der Präfivent des basler Concils nimmt auch einen wohl beachtenden Rang unter ven Öumaniften jener Zeit ein. Wenn gend etwas dazu beitrug, feine hohe Natur noch fchöner herans bilden, jo waren es die clafjifchen Studien. Sie gaben fein Geiſte und feiner Rede vie anmuthige Gewandtheit, welche je Borzug feiner körperlichen Schönheit innigft belebte. Unter | Heiten war Cicero, unter ven Autoren der Kirche waren bie gu Stiliften, ein Yactantius und Auguſtinus, feine Muftr. Sp ift < jeine Beredtſamkeit auch formell weit entfernt von der Därre ei Zubeschi oder Torquemada, von ver falten Logik ver Sorbor von den Zeterrufen ver Mönche, aber aud auf ber andern S bon dem eitlen GCitatenwefen, ven hiftorifchen und muthologife Anspielungen, mit denen andere Humanijten ihre Prunkreden illuſt ten. Neben ver feinen Form und ver zierlichen Seichtigfeit, die ven Alten abgelaufcht und bie ihm in Xeben und Blut übergegan war, berrfcht in Ceſarini's ‚Worten ein feuriges Pathos, das Zülle ves Gemüths entſtrömte. Er durfte ſich nicht exrft zum ( thufiasmus foreiven: bei einem Beſuch in jeinen vier Wänden bi man ihn nicht anders reden wie auf der Kanzel").

Dennoch Hat die ftubirte Beredtſamkeit, fo electrifch fie wur mag, immer auch eine Schattenfeite und dieſe dürfen wir hier wenigjten überjehen. Die Kunjt wird vom Redner niemals o Bewußtſein und Abficht geübt, auch wenn fie wirflich ein incarnin Element feiner Bildung geworben. Oft unvermerkt tritt die Ei feit zwifchen ih und feinen Zweck, ober bie Fülle der Worte ı liert das richtige Verhältniß zum Gegenſtande. Es ift wieber jene afiatifche Ausartung der Eloquenz, von ver auch Cefarini m freigefprochen werben fann.

Wie die Weife unfers Urtheils über andere Perfonen ben verläffigften Schluß auf unfer eigen Selbft geftattet, fo verrät | ein Redner am leichteften dann, wenn er von andern Rednern fprü

') Mehrfach handſchriftlich, u. a. in einem leipziger Coder.

) So darf er in ber erwähnten Rebe zu Gunften ber Annaten fag Semper ego familiariter, quemadmodum apud vos domi soleo, nunc biscum colloguens magis quam perorans etc,

L 11. Ceſarini. Andre Humaniſten zu Baſel. 917

Seiarini pflegt, wo er beloben will, an einer Rede zu rühmen, wie ſſe · wohlgeſchmückt und "im Stile des Lactantius oder Cicero“ grejen. In ven Einleitungen bebauert er gewöhnlich mit einigen deſcheidenheits⸗Phraſen, daß er fich unwürdig und unbefähigt fühle, on exhabenen Stoff durch eine elegante Rebe zu entfprechen. Hin | mb wieder überbietet er auch feine Kunft und verfällt in ſchwülſtige Iertreibungen und pomphaftes Wortgeflingel‘). Trotzdem aber bien wir im foldyen einzelnen Zügen ver Schönrebnerei nur eine Edtmöche erkennen, zu ver ihn das Uebermaaß feiner Natur und ws freudige Bewußtſein verleiteten, auf dem Concil der Erfte und ie Beſte zu fein. Bor felbftgefälliger Geſchwätzigkeit bewahrte ihn ines: der Ruhm, glänzend zu reden, verſchwand ihm wor bein hö⸗ | heren Nuhme großer Taten, und in biefen Streben verblutete er af dem Schlachtfelbe.

Die Reden Ceſarini's heben fich, wenn wir in ben Actenſamm⸗ ungen des Eoncile lefen, von felbft hervor, auch mo fie nicht ges nbe feinen Namen an ver Spige tragen. Indeß auch fonft tritt uns hin unb wieber das Bemühen einzelner Italiener entgegen, bie aule Eloquenz zur Mitlämpferin in dem kirchlichen Streite zu er»

f

So traf der junge Venetianer Gregorio de’ Eoreri, ein Nepote des Cardinals gleichen Namens und Schüler des Vittorino ve Seltre, ala er im Namen des Eoncil8 ten aus Italien heim- lehrenden Kaifer Sigmund anrebete, recht glüdlich das fchaufpiele- te Pathos und ven encomiaftifchen Schwung, wie bie italienifchen Bafen fie von ihren Hofrennern gewohnt waren. Noch lieber wen feine blühenden Worte gehört, wenn fie gegen ven Papft yüihtet waren ?).

Dagegen verfiel ver Samaloulenfer- General Traverfari in me breite und weitfchweifige Redſeligkeit. Bei feinem erften Auf: item por der Generalverfammlung des Concils hatte er das Un⸗

j So z. B. in ber Anrede an die vom Congreß zu Arras heimlehrenden Gdsdten bei Mansi XXX. p. 967 ober in ben Worten, bie er im Hinblid wi die bevorſtehenden Griechenverhanblungen an bie Synobe richtete, b. Mansi UIX. p. 1244. Er ſchmeichelt den Vätern bes Eoncil® barin fo grenzenlo®, Wer fie zuletzt eine zweite Apoſtelgeſellſchaft nenut.

Vespasiano: Gregorio (de’ Coreri) Protonotajv und Antonio de

iim Spieileg. Roman. T. I.; v. Reumont, Beiträge zur italienischen Ghihe, Br. 4. ©. 299 fi.

218 I. 11. Frennde bes Humanisınus zu Baſel.

glüd, fo fehr ftedden zu bleiben, daß er fein Manuſcript aus ve Aermel bervorziehen mußte‘). Davon hat er feinen italiewifche Freunden nichts gefchrieben, wohl aber von ven Erfolgen einer a dern Glanzrede, die er vor Kaiſer Sigmund in Ungarn hielt" An Kenntniffen aus ver Gefchichte des Alterthums und ans bi tirchlichen fehlte e8 ihm Feineswege. Warum er fich aber das rh torifche Spiel mit ſolchen Dingen nur in feinen Reden erlaubt m ſich als DBrieffteller jcheut, einen Dichtervers anzuführen, weil di ber Strenge feines Ordens zuwider fei’), ift nicht wohl abzufehe An feinem Plage war er eigentlich auf dem florentiner Concil, bei er kannte beite Spracden, konnte verdolmetſchen unb prumite be auch mit Citaten aus Cyrillus und Divymus, aus Bafilius m Chryſoſtomus.

Der Erzbiſchof Francesco de’ Picciolpaſſi von Mailaı galt ale Mäcenas ver Humaniften, ftand mit Leonardo Bru in brieflicher Verbindung‘), machte Anfprucd auf ben Titel ein gelehrten und gebilveten Mannes. Gr hatte eine beſondere Vorlie für Hieronymus und Enea Silvio nennt ihn einen Bieronkmian auch in feiner Beredtſamkeit“); er lobt ihn mit guten Grunde, bei er brauchte ihn, um wieber zur mailändiſchen Pfründe zu konn genoß auch öfters ein gutes Frühſtück in feinem Haufe umb er lehnte Bücher von ihm‘). An dem philoſophirenden Geſchwätz d Erzbiſchofs und an feiner verunglückten Sucht, als guter Stil glänzen zu wollen, fand ber Huge Schmeichler unmöglich Gefallen‘

Gewip war auch ver Cardinal⸗Erzbiſchof von Arles ein 4 wandter und glänzender Reduer, aber nicht ver Mann, ſich a feine Worte vorzubereiten ober fie niederzuſchreiben. So find fei Reden uns verloren; die Enea Eilvio in feiner Gefchichte des basi Eoncils ihn Halten läßt, find offenbar in des Livius Weife eine

') Vespasiano: Ambrogio Camald. $ 3; bie Rebe ſelbſt bei Man. XXIX. p. 1250.

?) Die Rebe bei Mansi XXX. p. 970.

9 epist. XVI, 4.

*) Vergl. befien epistt. VII, 4; VIII, 4. 6; X, 2. 8. 34.

) de concil. Basil. p. 25.

", A. 8. epist. ad Nicol. Amidanum archiepisc. Mediolan. vom 5. M 1463.

’) Bergl. ben Brief des Erzbiſchofs an A. 8. v. 4. ehr. 1468, bie Ih wort auf ben bes A. B. v. 5. Dec. 1442,

L 11. Der Humanismus zu Bafel. 219

weichen Gharacter untergelegt und ihre Eloquenz kommt dem Bes richterſtatter "zu Gute.

Uebrigens Tannte auch Papft Eugen, ver fonft feinen Anſpruch anf literariſchen Geſchmack machte, vie Effecte einer gewanbten Feber uab eines geiftreichen Stils, er nahm gern Männer wie ben ge Iten Biondo in feinen Dienft und ließ folche Streitfchriften, Die er weit nerbreitet wünfchte, durch ven biffigen Poggio fchreiben ').

68 herrſchte alfo zu Baſel fchon eine gewilfe Empfänglichkett der gar Vorliebe für ven Huntanismus, wenn es auch ber aus⸗ übenden Talente nicht gar viele gab. ihrer Gruppe nun fchließt Ah unfer Enea Silvio PBiccolomini am natürlichften an, nur dej er noch keine hervorragende und bekannte Größe war, als er nach Bafel kam. Der arme junge Evelmann verlor fich unter bem Saufen von feinesgleichen, welcher ſich am Eoncil als Gefolge ver hehen Prälaten einfand. So lange unter ven Vätern eine anfehn- ie Zahl von Bifchöfen war, Konnte höchftens ein Magifter ber Rechte oder ver Theologie auf einige Bedeutung Auſpruch machen. GR feit etwa ven DVerhanblungen über vie Griechenunion lernte mar jedes Haupt ohne linterfchieb des Stanves und Ranges jchäpen, auf welches fich ver heilige Geiſt des Eoncilieneifers herabſenkte.

Zwolftes Capitel. Enea Silvis als Literat des basler Coneils.

Euea Silvio kam, um feinen eigenen Ausdruck zu gebrauchen, M ein eben erſt flügge gewordener Vogel von der ſaneſiſchen Hoch⸗ ſchule nach Baſel, ohne bewußte Abficht, ja vielleicht ohne eine Ah⸗ mg von dem, was er hier eigentlich wollte. In einem Alter von

) Wir denten bier nit nur an feine berüchtigte Invectiva in Felicem Antipapam , in welcher ſchon Papft Nicolaus erwähnt wird, au an |. Com- mentarii de auctor. Papae sup. concil., deren Raynaldi gedenlt, und an an- dere Schriften, bie Poggio ſelbſt erwähnt. cf, Rocanati Vita Poggii b. Murat.

Besiptt. XX. p 171.

290 I, 12. Enea in Bafel ale Dichter.

26 Yahren war er dem verhaßten Rechtsſtudium, dem Dränger ver Verwandten, ber betrücdenven Lage glücklich entlaufen. Er ent fagte damit dem regelmäßigen Fortkommen auf einer beſtimmter Bahn des Berufes, er ftürzte ſich als ein Teder Abenteurer in bit bewegte Welt. Seine Bildung und feine Kenntnijfe waren bie einet Schöngeiftes, fein einziger Zwed, wenn man von einem foldhen reben Tonnte, vie Erfüllung dunkler Verheißungen, die Ehrgeiz und Ruhmesliebe im tiefiten Innern ihm vworfpiegelten. Er war fi zu fchöner Talente bewußt, um fie ſchon in jungen Jahren einem einfchränfenden Berufe bienjtbar zu machen.

Das Studium tes Alterthiuns wurde damals immer noch mil einer Art von Ehrfurcht ergriffen und Betrieben, es ſpannte ben Ehrgeiz gar leicht ins Höchfte und Spealiihe hinaus. Die Ge ftalten der antiken Helden und Stautenlenfer glänzten aus ehrwür⸗ biger Ferne wie verflärt hinüber, und zumal bie ber großen Auto ren, bie nicht durch Geburt und Umſtände, fentern nur dutch fid ſelbſt dieſe Götterhöhe erreicht, waren ganz geeignet, in einer jugend lichen Seele das Feuer des Nachftrebens zu entzünten. Rednen wie Demofthenes, vor dem ein Triegerifcher König zitterte, wie Ci cero, ber den Namen „Vater tes Vaterlandes⸗ erwarb, Dichte wie Virgilius und Horatius, von denen man überzeugt war, bal fie der Kaifer auf ven Capitel mit dem Lorbeer gefrönt und ftet in feiner Umgebung gehabt, tas waren vie leuchtenven Borbilve des unklaren Strebens.

Enea kam als Tichter nach Baſel, pas heißt nach damalige Reveweife ale Stiliſt in lateiniſcher Sprache. Da alles Schöne was dem römifchen Altertfum entfproffen, gefchichtliche und philo fophifche Werfe, Reden und familiäre Briefe, mit einem poetifchen Zanber umkleidet erfchien, verler fih ganz ver Begriff, daß bi Dichtkunſt an metrifhe Form over an das freie Walten der Phan- tafie über den Stoff geknüpft ſei. Poefie und Eloquenz waren ziemlich gleichbeveutenne Wörter. Wer vie ftrenge Gelehrfamkeii ver theolegifchen, juriftifchen,, mebicinifchen ever fcholafttfch-philofe: phifchen Fachbisciplin aufgab, wer ten Humaniora im Sinn um in Nachahmung des Alterthums lebte, wer ftatt ver ſtarren, dogma tifivenden Form ter Hochfchulen die freie und fünftlerifche ve augufteifchen Periode jich aneignete, der war ein „Dichter und Redner.

Bir erinnern uns aber auch, wie Enea ſchon zu Siena al Dichter im eigentlichiten Sinne fich verſucht. Petrarca war feiı

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L 12. Enea in Baſel ale Dichter. >21

Vorbild im ver tuscifchen Lyrik gewefen, aber ſchon durch bie Ele⸗ ter und Satirifer nes Alterthums aus jeinem Herzen verbrängt worden. Vollends fchwieg nun dic tuscifche Diufe an einem Orte, wo öffentlich nur das lateiniſche Idiom fich hören ließ. Was Enen Wer pichtete, war nicht mehr nur auf ven academiſchen Freunde⸗ eis von Siena berechnet, jondern auf Gönner und Bekannte von den Nationen. Von jenen Protucten ver Jugendzeit ift uns keine File mehr erhalten, von ven zu Bafel verfaßten nur ein einziges Gptaph,, zu welchen ver Tod des Protonotars Pontano Veran⸗ fung gab). Wir willen aber, daß Enea auch außerdem eine be trachtliche Maffe von Verfen zufammengejchrieben hat, veren In⸗ halt wohl, wie ver feiner ſtudentiſchen Verſuche, vorzugsweife bie Siehe mb der Wein waren. Es werben Elegien, Eelogen, Satiren und Epifteln erwähnt”); vie Elegien waren ohne Zweifel in bes Tibullns oder Catullus, vie Eclogen in Virgilius', die Epifteln in Horatius', vie Satiren in vejjelben, mehr aber wohl in des Juve⸗ nalis und Martialis Weiſe.

Ein größeres Gedicht von über 2000 Verjen nannte ver Ver- faffer Nymphilexis; ſchon viefer Titel, obwohl ſchwer zu beuten, läßt uns auf eine erotifcheunzüchtige Poefie ſchließen. Enea widmete das Büchlein feinen fanejifchen Freunde und Lehrer Mariano be’ Soyini, ver an geiftreichen Frivolitäten ein ungemeines Vergnügen Hatte. Er brachte es ihm ſelbſt damals, als er mit vem Vifchof don Rovara nach Italien beimtehrte’). Ihm eignete er fpäter auch bie befannte fchlüpfrige Novelle von Euryalus und Kucretia zu,

Stellen wir und ven bejcheivenen Unigangokreis ver, in dem diefer Dichter zu Baſel Bewunberung fand. Da war fein Bufen- freund, jener Piero pa Noceto, ver auch mit dem Carbinal Gas

prauica nach Bafel gefommen war und mit Enea in einem Gemache ſchlief. Obwohl er mehr fein gutes Fortkommen im Sinne hatte, zäigte er fich doch für die Studien des Freundes empfänglich. Aber oft, in fpäter Nacht, wenn Enea noch feinen Dichter leſend bei ver

) bei Panzirolus de claris legum interpretibus. Lips., 1721. p. 422. ) Campanus bei Murat. Scriptt. T. III. P. II. p. 986. .) 4. 8. epist. ad Socinum v. 1. März 1435. Das Gebicht Nyınphilexis i ofne Zweifel baffelbe, welches bei Campana J. c. fehr verflümmelt Niraphi- iens genannt wird und von welchen biefer feine Kenner der Latinität ur- üclt, es fei mehr in einem leichten und forglofen, als in accuratem Verſe ge-

L 19, Ener ale Schaler Cefarku. 2

feffeind und gewaltig in feiner Perfänlichkeit, erfreuend und hin⸗ reifend in feiner Rede. Die antite Eloquenz berrichte bier vom Präfiventenfig eines Concils herab, das wieberum ver chriftlichen Weit Geſehe gab. Mit innigfter Verehrung blidte Enen zu bem großen Cardinal Hinauf, Fein Menſch bat auf feine Bildung einen fo burchgreifenden Einfluß geübt. Wir erkennen in dieſem Ver⸗ Hältwig wiederum ven perfönlichen Zauber des Cardinals, dem fidh ein für Geelengröße nur empfänglicher Geiſt nicht entziehen konnte. Wber wir eben auch, wie tränflich und traurig bie Nachahmung großer Männer ausfält, wenn nicht ver Schüler auch ven jittlichen Kern ihres Weſens in Bufen trägt, ven großen Sinn, der fich nicht ablernen läßt. Wie in des Cuſaners Seele ein Funke von der Sreifinnigfeit Ceſarini's hineinſchlug, ver Neiz der jchönen Form aber an ihm vworäberging, fo zog ben Piccolomint wieder nur bes gfübende Strom claffifcher Beredtſamkeit und die freie Würpe des perfönlichen Benehmens an. Nur einzelne Seiten des Vorbildes erfchloffen fich den Schülern, ver Ungelpunct in Ceſarini's Wefen, das Hinftreben nach den Feldern begeifterter Chätigfeit, blieb ihnen ein Geheimniß. Sie trieb das Teuer des Chrgeizes, welches tm Cardinal als ein heiliges glühte, unficher umber, weil fie ohne Rang und Reife ihre Bahnen erjt fuchten. Zur Carbinalswürbe, bie dem römifchen Robile faft wie ein Geſchenk des Himmels in ven Schooß fiel, haben ſich beide emporgearbeitet. In dieſem Arbeiten aber verfämmerte ihnen ber idealiſtiſche Schwung, und nur um viefen Preis überwanven fie die Schranken der Geburt und die Concur- renz ber Talente. |

So haben wir in Ceſarini's Reden die Mufter und Vorbilver für Die des Enea Silvio zu fuchen. Mit welcher Verachtung ſah diefer nun auf die alte Schule ver Theologen und Juriſten herab, pie fich etwas wunderbar Großes dünkten, wenn fie pie unförmlichen Degen ihrer Gelehrfamfeit mit fcharffinniger Dialectik verbanven und vor den gelangweilten Hörern ausframten! Mit befonberem Hohne aber fprach er von ven Juriſten, die nicht einmal von ber Drthographie eine Vorjtellung hätten, deren Wiſſen über bie ‘Di- geiten und Canones nicht hinausgehe, die aber auch von biefen eigentlich nicht viel mehr verftänden al8 von der arabifchen Sprache umd zu Haufe ſtets einen Oedipus, den Glofjator, befragen müßten ; der Löfe ihnen bie Näthfel, fie aber feien „zweibeinige Ejel,« bie man nicht für Menfchen anerkennen fönne, auch wenn fie auf weißen

L 12. Enea's Reben vor bem Coneil. 296

war eine Feſtpredigt am Tage des heil. Ambroſius. Zu jener hatte ihm Ceſarini die Erlaubniß gegeben, zu dieſer der Erzbiſchof von Mailand ihn aufgefordert. Die Reden fanden viel Beifall bei den Vätern des Concils: Pavia aber wurde nicht gewählt und die Pre— digt trug vielleicht zur Beſſerung des Stils, nicht aber zu der der Sitten bei.

Oben ward bereits angedeutet, daß es bei der Rede für Pavia dem BVerfaſſer wohl weniger darauf ankam, einen politiſchen Erfolg herbeizuführen, als fich vie Gunft des Herzogs von Mailand und eine Belohnung zu eriwerben. Noch Harer indeß bfidt die Eitelfeit des Redners hindurch. Es war bie Zeit, wo er, nachdem er Jahre lang die Verhandlungen des Concils angehört hatte, endlich glaubte ven Schüler aus⸗ und ten Meijter anziehen zu bürfen. "Uns ge- fielen Unfere Schriften nach Art ver Dichter, die ihre Gedichte wie Kinder lieben,“ fo bekannte er als Papft in ver Retractationsbulle. Die Fertigkeiten und Stenninijje, vie er in ftillen und mühjamen Studien errungen, jollten endlich einmal ven Fleiß belohnen, ven geiſtvollen Dichter und Redner zu Ehren bringen. Er empfahl fich den verfammelten Vätern im voraus, wenn er mit zuverjichtlichem Stolze fagte: „Ich verachte nicht die Kunft ver Rebe und ver Wohlredenheit, wie ich es bei ven Meijten in dieſer Verſammlung febe, welche jene Kunſt höchlich verabfcheuen und e8 ausfprechen, fie hätten feine Berebtfantfeit und wollten auch keine haben.« So folften fie denn jühlen lernen, was ver Schüler ver Alten vermöge. Wie leicht und flüffig rollt vie Rede dahin, wie jo Har und rund find ihre Perioden, wie wohlgeordnet und eingetheilt vie Gedanken und Argumente, wie lebhaft und einbringlich die Wendungen, wie zierlich die Veicheivenheitöflosceln, wie wortreich und begeijtert die ausgefchütteten Lobeserhebungen! Und doch, vie rechten Licht- und Glanzpumcte gab ver polirten und eleganten Rede erft die Fülle ver claffifchen Citationen aus Virgilins und Salluftine, aus Ennius und Cicero, aus Livins und Juvenalis, ja irgend ein glüdlich auf⸗ gegriffener Vers aus dem Homeros over Euripides, alle verſchwen⸗ deriſch und bunt purcheinander gemifcht. Solche Sprüche und Bei⸗ fpiele glänzten, wie am gelvenen Geſchmeide ver Beſatz von Edel⸗ fteinen, oder wie im filbern»firömenven Bächlein hineingeworfene Blumen. Der Hörer wurde von Wort zu Wort, ven Sag zu Sag, von einer Schönheit zur andern mit fortgetragen, er wußte vor Entzüden kaum, wie ihm geſchah.

Voigt, Enea Silvio. I. 15

926 I. 18. Enen’s Neben vor dem Concil.

Zum attifchen Redner Lyſias, je wird erzüblt, kam einft ein Klient, für ven er eine Gerichtsreve verfertigt, und Fagte, daß er diefelbe zwar beim erſten Durchlefen bewundert, daß fie ihm aber beim weitern Lernen gar nicht mehr gefallen habe. Du Narr, fagte ver Renner, follit vu fie denn mehr ale einmal halten? Wie diefer Client mochte mancher von ven Gonciloitern fühlen, ber fih Enea's Rede abfchreiben lie; und fie nachher wieder durchlas.

Einige Theologen legten Widerſpruch ein, als tem Enea bie tirchliche Feſtrede zu Ehren des heiligen Ambrofius übertragen wurde. Sie ift in ver That die tollſte Mifchung von Erzählungen aus dem Xeben des Heiligen mit moralifcher Nutanwendung, von pruntenben gelebrten Bemerkungen mit dem Tone ter Prebigt, von Citaten aus ver Echrift und ven Kirchenoätern friedlich neben foldden aus Horatins und Yuvenalis. Bis zu welchen Gefchmadliofigfeiten das Ausframen der claffifchen Gelehrfamfeit führte, davon nur ein Bei- jpiel aus tiefer Predigt. Auf ven Heiligen des Tages als Vorbild in ber Geringfchigung irdiſcher Güter hinweijend, macht Enea einen Streifzug gegen die Habfucht. Nach Art aller Bellettriften plünbert er dazu mit aller Naivetät eine Schrift Poggio's aus‘). Jenes Lafter, die avaritia, heißt es, habe das römifche eich gejtärzt und beflede num auch die Kirche. Avarı mwürben genannt, bie avidi aeris feien, er aber verftehe darunter auch folche, vie nach Gold oder Silber lüjtern; denn ver Ausprud entitamme der Zeit, ald man Gold und Silber noch nicht prägte. Die Römer hätten fi) näm- lich bis zum erften punijchen”striege nur ver Kupfermünzen bebient, dann und dann feten die erjten Silber-, dann und dann bie erften Goldmünzen gefchlagen. Anfangs habe man mit rohem Kupfer ge handelt, Servius Zullius habe zuerft das Bild eines Rindes auf- Schlagen Taffen, daher ver Name pecunia. Eine Stelle im Luca- nus*) widerſpreche dem nicht, va bier nur vom Urfprunge ber Münzen bei ven Griechen die Rede fei. Wie dem auch fein möge, jo müffe man mit Boethius über ven ein Wehe rufen, ver zuerft Gold und Edelſteine gegraben °).

Wohlgeglättet (oratio tersa) mögen wir biefes Schauftüd von

') Man vergl. deſſen Historia disceptativa de avaritia. Opp. Argent., 1513 fol. 4.

*) Pharsal. VI, 402.

2) de consol. philos. Lib. II. metr. V.

L 12. Enea's Reben vor bem Coueii. "297

Rebe immerhin nennen, da der Redner einmal um dieſes Lob buhlt. Er erreicht es ohne Zweifel, was er an feinem Heiligen jo bed) rühmt, daß er nämlich weder ten Schmud der Worte noch bie Blumen weltliher Wohlrevenheit außer Acht lieh ').

Einen jchrofferen Gegenfag als ten zwijchen Enen’s Reden und denen eines Torquemada fann man nicht finden, er entfpricht aber ver ebenſo fchroffen Verfchievenheit der. Character. Der gelehrte Zractat, ein fchwerfälliger Koloß von Argumenten und Syllogismen, die gegen ebenjo thurmbohe Maſſen von Argumenten und Syllo⸗ gismen anlämpften, mußte von ten Vätern mit Nefpect und Ge duld angehört werden. Wie wohlthuend, zur Abwechslung einmal eine leichte und fchwunghafte Rede zu genießen, tie dem Ohre zu: gleich durch angenehmen Wortklang fchmeichelte! ine öffentliche und große Verſammlung erbeijcht durchaus eine gefälligere Rebe tunft, gleichwie vie polemifche Flugſchrift eine klare und gepugte Stilifirung. So wurde Enen ein beliebter Redner, zumal wenn er, wie in ben fpäteren uns verlorenen Reben, tüchtig gegen Eugen loszog. Die Würde und bie Schwierigkeiten des Stoffes jchreden ihn nicht ab. Entſchuldigt er fich befcheiven vor ven Vätern, fo geichieht es wegen feiner mangelhaften Eloquenz, fo unterwirft er feinen Stil ihrem beſſeren Urtheil, wie Torguemaba feinen Glau⸗ ben. Defien ferupulöfe Wengitlichfeit auch vor einer unbewußten Kegerei iſt ihm völlig fremd, leichtfertig ſchwatzt er in die Welt binein, mehr um ein Witzwort oder eine Redeblüthe verlegen als um ba6 Dogma. Allegirte Ausfprüche aus der Bibel over ven Slaffitern verwendet er mehr zur Rhetorik und zum Schmuck, als zu eigentlichen KRunftbeweifen in ver Manier ver Theologen. Statt der ftrengen, logijchen Form, vie mit Eine, Zwei, ‘Drei demonjtrirt, die jede Prämiſſe und Conſequenz forgfältig an ihrem Plage ein- vegiftrirt, macht er die Schlußfolge oft mit einer repnerifchen Glanz⸗ wendung, die uns hüpfend, oft täufchenv, über die Geſetze des ftren- gen Denkens hinweghebt. Dei viefer formellen Freiheit, pie er fich gönnt, ringt ſich auch der Gedanke felbjt von ven vorgefchriebenen Normen der Rechtgläubigfeit los, er mag nicht auf dem trodenen, betretenen Wege ver Echulweisheit wanveln, fpielend Tpringt er rechts und links in die Blumen der Rede, in ven Fluß einer bei tern Darftellung.

) nec enim verborum delicias omisit neo flosculos eloquentiae secularis.

15*

298 1.12. Humaniemus und Hierardie. Enea's Commentarien.

Was Enea auf dem basler Concil im Antampf gegen Papft Eugen, das war ber Humanismus jener Zeit überhaupt ber Hie- rarchie und dem Glauben gegenüber. Aus feiner Jugendfülle ent- fprang feine Frivolität, die gegen verrottete Zuftände überall am erfolgreichften anfänpft. Er griff den beftehenven Geſchmack an, der im Mittelalter ebenfowehl von ver Kirche emanirte wie Glaube und Wilfenfchaft, ver ihr Kind und ihr Eigenthum war. ‘Der Hn- manift, der ven Formelkram ver Nechtögelehrten lächerlich machte, fühlte im Innern denſelben Wiverwillen gegen den angeſchwollenen Wuſt der Dogmatik, wenn auch feine Worte hier worfichtiger waren. Die Reize des Alterthung, die Simm und Herz erfrenten, ftanven einmal im unlösbaren Widerſpruch gegen die mönchifche Formenwelt und unterwühlten ihre Autorität über die Gemüther. Folgerichtig hätte vie päpftliche Hierarchie ven Humanismus als vie gefährlichfte Kegerei ausſtoßen, verfolgen und ansrotten müſſen. Aber zu ſchwach zum Kampfe oder in augenbliliche Intereſſen verjunfen, nahm fie ihn vielmehr in ihre Dienfte, wie Eugen einen Biondo und Poggio, oder fie nahm ihn felbit in ſich auf, wie vie humaniſtiſchen Päpfte vom fünften Nicolaus bis zum zehnten Xeo beweifen.

Enea konnte fein berühmteres Denkmal feiner Anwefenbeit in Bafel binterlafjen als feine Gommentarien über das Concil, welche vie Reihe feiner Gefchichtswerfe eröffnen. Wir würden fie wie ihr Vorbild, die des Julius Cäfar, als Memoiren bezeichnen. Dazu trug Enean eine glückliche Anlage und Neigung. Während er als Dichter in ver Nachahmung jeden blieb und als Nebner, durch Eitelkeit überreizt, immer mehr ins hohle Pathos gerietb, je äfter er wurde, ging er als Gefchichtfchreiber von einem natürlichen Tas Ient, von feiner Beobachtungsgabe aus. Was er gefehen, gehört und mit lebhaften Intereſſe anfgefaßt, das trieb ihn ein glücklicher Anftinct alsbald nieberzufchreiben und in Flare, angenehme Form zu faſſen. Er begann nicht mit großartig angelegten Plänen, er übte fih im Kleinen, um es im Größern zur Meifterfehaft ver - Alten zu bringen.

Als er dem Univerjitätsleben und Siena Lebewohl fagte und mit Sapranica gen Bafel zog, feflelte ihn unterwegs die malerifche Lage und das rege Hanbelstreiben von Genua, fofort warf er das Beobachtete aufs Papier und fandte es in Briefform feinem Freunde Petruccio ').

) A. 8, epist. ad Geo. Andrentium v. April 1432.

1. 12. Enea's Sommentarien über das Basler Concil. 229

Es würbe und nicht wundern, wenn auch eine Befchreibung feiner früheren Ausflüge nach Rom und Florenz fich irgend einmal wieber vorfände. Saum hatte er fich in Baſel recht umgefehen, kaum das Treiben des Concils und feine großen Männer ein wenig fennen gelernt, fo ftleg ihm fchon der Gedanke auf, eine Geſchichte dieſes Concils zu jchreiben. Vorerſt aber begnügte er fich mit einer topo- graphifchen und culturgefchichtlihen Schilderung der Stadt felbft, vie dem Gefchichtewerf als Einleitung dienen follte‘). Zwar nur aus flüchtiger Anjchauung, aber doch in der ihm eigenen lebhaften Manier entwirft er ein anziehenres Bild won der Lage ver Stat, ihrer Berfaffung, von den Sitten und ver Denkart ihrer Bewohner. Kühn winmete er tie Feine Epiſtel dem verehrten Protector ber Schöngeifter, dem Cardinal Cefarini. Er habe jonft nichts zu thun gehabt, fagt er, auch hätten ihm Bücher gefehlt, er möge aber nicht gleich ven Thieren nur dem Bauche und dem Schlafe leben und fet gewohnt immer etwas zu lefen und zu fchreiben.

Die Kühnheit des größern Planes, auch die Berathungen und Bes ſchlüſſe des Concils ver Nachwelt zu überliefern, entjchulpigt er damit, daß niemand fonft, fo viel er wilfe, fich dieſer Arbeit unterziehe. Er wußte alfo nicht, daß fein Herr, ver Cardinal Gapranica, ber: gleihen Sammlungen machte und daß Johann von Segobia eine volfftändige Chronik des Concils fortführte”). Aber auch fo mußte er feine Abjicht bald aufgeben, weil er ja mit verfchierenen Herren bald nach Frankreich und England, bald nach Italien und Deutfch- land verfchlagen wurde. Seit er aber feinen jtetigen Aufenthalt in Dafel nahm, alſo feit tem Frühling 1436, mag mancher Brief, wie ver mehrfach erwähnte an Piero ta Noceto über ven großen Par: teifampf in der Öriechennnionsfache, über tie Alpen gefchict worden fein. Beſäßen wir nur dieſe gejchichtlichen Referate, vie feiner naiven, ziemlich parteilofen Schreibfeligfeit damals entflojjen!

m einem ganz andern inne verfaßte er dann die Com: mentarien über das basler Goncil in drei Büchern, von welchen vas mittlere, vie feierliche Abſetzung Eugen's enthalten, verloren

') bei Urstisius Epitome historiac Basil. 1577 und in ben Scriptt. rer. Basil. minor. 1752; verbeuticht von dbemf. Wurftifen unter dem Titel „Eine Mifine Enee Siluiiw ete. in feiner Bafler Ehronid (Bafel, 1580). Der Angabe des Abfafiungsjahres 1436 bin ich nicht gefolgt, weil Enea noch den Cardinal von Fermo, Eapranica, als feinen Herrn erwähnt.

?7) ef. Spondan. 1431 $. 9.

23 I. 19. Euea's Commentarien über das basler Concil.

iſt). So beginnt nun das erjte mit dem uinnberger Reichetage vom Oct. 1438 over eigentlich erft mit vem frankfurter vom März 1439. Sein Inhalt ift fenft ver legte Zuſammenſtoß der Concil⸗ parteien über vie acht Glaubenswahrheiten. Im britten Büche wer- den die Vorbereitungen zum Conclave und tie Vorgänge in bem- felben bis zur Wahl des Amadeo ven Savoyen am 5. Nov. 1439 erzählt. Als Anhang kann ter Brief gelten, ven Enea an Johann von Segobia über die Krönung tes Papftes Felir fchrieb.

Weit entfernt aljo von den nrfprünglichen Plane einer voll- ftändigen Gefchichte des Concils, beſchränkt ſich Enea auf einen Zeit- raum von 7—8 Monaten. Borher, jagt er, fei nichts Denkwur⸗ diges gefchehen, ter Stoff habe fih nur im Stillen angefammelt, der endlich überſtrömend zur Abſetzung tes Papſtes geführt. Wir follten aber doch meinen, daß abgejehen von vielem Anvern, fchon die Stürme über das Unionsconcil den würdigſten Stoff geboten

’) Die edit. princeps dieſes Wertes erſchien ». 1. ct a. in Folio, aber in ber Borvebe des Heransgebers wird beiläufig das ⸗kürzlich⸗ ausgeſprochene Ber- dammungsurtheil der parifer Theologen über Luther erwähnt. Dieje Erklärung ber Sorbonne füllt in das Jahr 1521; Daraus mag auch Panzer Annal. typogr. IX. p. 163 tiefe Jahreszahl al8 Die des Druckes gefolgert haben. Danu fieß Orthuinus Gratius das Werf im Fasciculus rerum cexpetend. et fugiend. Colon., 1535 abtruden. Tie Angabe indeß, baf es in biefen beiben erſten Druden minder verftimmelt, abficytlih propter pravitatem haereticam beſchnitten ſei als in den fpätern, bat meine Vergleichung nicht beflätigt,, wes- halb idy ohne Scheu nad ber verbreiteten erſten basler Ausgabe citirt habe. Was aber ten betauerlichen Defect des zweiten Buches betrifft, fo ift berfelbe aus den Schlußmworten bes erften und dem Anfange des dritten völlig einleuch⸗ tend. Schon Spondan. 1439 $ 31 bemerkte ihn und 8. Hafe (Theologiſche Studien und Kritifen. Jahrgang 1843 Heft 3.) machte von neuem aufmerffam. Die ritdweilende Erwähnung bes Archibiaconus von Metz auf p. 48 vervoll- ftänbigt den Beweis, fie kann fih nur auf das werlorene Buch beziehen. Schon ber Herausgeber des erften Drudes bemerkt, daß das Werk felten in ben Bi⸗ bliothefen zu finden fei und daß fich felbft zu Baſel nur eine fehlerhafte Hand⸗ ſchrift des erften Buches auftreiben laſſe. Mir find nur zwei Handſchriften der wiener Hofbibliothet zu Geficht gelommen: Jur. can. 68 (ol. Th. 719) und Jur. can. 62 (01.589), beite aus tem 15. Jahrh. Die erfte enthält aber nur das dritte Buch, die andere genau fo viel als wir in den Druden finden, nur daß dem erftin Buch das Datum beigefügt wirb: Bcriptum anno domini 1440 die XXV. mensis Aprilis. Der Brief an Johann von Segobia findet fich in beiden. Von andern Hanbjchriften des Werts fand ich nur Erwähnung eines vatican. Coder (n. 5603.) im Archiv ber Gefellichaft für ältere beutfche Ge⸗ ſchichtekunde Bd. 3. S. 429. -

I. 12. Tendenz ber Gommeitarien. 231

hätten, in ihnen trat der Bruch zwifchen dem Goncil und Eugen ans Licht. Nein, der wahre Grund, weshalb Enen gerade vie Ent- ſetzung Eugen's und Selig’ Erhebung behandelte, ift ein ganz andrer: fein Wert bat eine handgreifliche Tendenz, es ijt nicht minder ein Pamphlet als eine Gefchichtserzählung, es ſoll vie Entfegung des Bapftes, die bei ven Weltmächten auf entfchievene Mißbilligung ftieß, rechtfertigen und vie Wahl tes Gegenpapftes in ein rvofiges wicht fegen.

Das läßt fchon vie Zeit ver Abfaffung des Werkes verinuthen. Wenn Enea das erfte Buch am 25. April 1440 ſchloß, fo war er damals fchon ſeit einigen Monaten Secretair tes Bapited Felir. Anh hat er das Kinzelne keineswegs allmählig, nach Art eines Zagebuches aufgezeichnet; es läßt fich Leweifen, daß er fehen bie erjten Seiten nach der Entjegung Eugen's uiederfchrieb ').

Hoch klarer geht tie Tendenz ans vem langen Zractat hervor, ten Enen mitten in die Erzählung einfchiebt. ‘Darin beweijt er pie brei Slaubenswahrheiten, die ver Entfegung Eugen’s zu Grunde gelegt wurven und aus denen die fünf andern als factiſche Con⸗ fequenzen fich von felbjt ergaben. Sie lauten dahin: 1) daß ein Concil über dem Papfte jtehe und jeine Gewalt nicht won ihm habe, 2) daß ein Concil nur mit feiner eignen Zuſtimmung anfgelöft oder verlegt werben vürfe, 3) daß wer jich hartnäckig viefen Wahrheiten wiverfege, für einen Ketzer zu halten fei.

Zwar verſteckt ſich Enea mit ber Maceke der Beſcheidenheit hinter die theologiſchen Autoritäten des Concils, denen er feine Ar— gumente entlehnt haben will, und in ter That hat er vie ſtrenge Gelehrfamteit, vie er in veichlichen Gitaten offenbart, aus ven Reden und Schriften eines Segobia und Tudeschi, nes Bifchofe von Burgos

ı, Das geht p- 3 aus ten Werten hervor: Hugo Metensis archidiac., qui postea processum adversus Eugenium habitum publice retulit. p. 14 ſpricht €. fchon von Gabriel, qui se dictitat Eugenium, und p. 24 wird gar jhen der Tod Pontano’s erwähnt. Der einzige Paſſus, der Diefer Annahme zu wider⸗ ſprechen ſcheint, findet fi p. 3: hier werben bie 7 Geſandten bes Concil® zum meinzer Tage aufgezählt und dann beißt ed: iisque adjuncti sunt Joannes prior Trajectensis et Nicolaus Aucupis Nortinannus, qui etiam usque in hunc diem non redierunt. Aber unmittelbar vorher wird jener Archibiacon von Mes mit dem obigen Zuſatze genannt; biefer war aljo doch ſchon zurüdgelehrt, ale Enea den Sup ſchrieb. Die beiven Letztgenannten benutzten alfo die Gele⸗ genbeit ber 2egation, um ſich geränfchlos für immer vom Concil zu entfernen.

232 1. 12. Tendenz der Commentarien.

und bes purijer Theologen Thomas ve Courcelles. Dennoch ift nicht nur die Have, elegante Form fein eigen, auch ven den Kunft- beweifen,, vie mehr Scharffinn ala Gelehrſamleit erforverten, ift fo mancher ohne Zweifel feinem Hirn entjprungen. Wie munter in folchen Streitfchriften ver Sophijt fein Spiel treibt, mag aus eini- gen Beifpielen erhellen.

Um zu beweifen, daß ein Papft nicht abgeſetzt werben bürfe, hatte der Gegner das Argument erfunten: Der Papft ift Das Haupt ber Kirche; wie aber bei feiner Krankheit des menſchlichen Körpers der Arzt eine Amputation des Hauptes anordnen wirb, fo darf auch das Haupt ber Kirche, felbjt wenn es ein verbrecherifches fein ſollte, nicht von ihr getrennt werden. Mit Recht fagt Enen Dagegen: wenn fich am menfchlichen Körper das Hauͤpt erfegen ließe wie am kirchlichen, würbe man e8 ohne Zweifel öfterd verändern; bie Kirche ftirbt nicht, wenn ihr Haupt ftirbt.

Der Papſt ijt in der Kirche, was ber Konig im Reiche, Es iſt abſurd zu ſagen, daß der König mehr gelte als das ganze Reich. Wie nun tyranniſche Fürſten mit Recht vertrieben werden, ſo müſſen auch römiſche Biſchöfe durch die Kirche, d. h. durch allgemeine Con⸗ cile, abgeſetzt werden können.

Die Kirche, von welcher der Herr geſagt hat, daß die Pforten der Hölle ſie nicht werden überwältigen können, iſt ohne Sünde. Das kann vom Papſte, der ein Menſch und ſterblich iſt, niemand ſagen. Wer wollte alſo den ſündigen Menſchen der ſündloſen Kirche vorziehen?

Der Papſt wird mit mehr Wahrheit der Vicar der Kirche als der Chriſti genannt. Es iſt kein Zweifel, daß der Herr den Vicar abſetzen kann.

Chriſtus heißt der Bräutigam der Kirche; Bräutigam und Braut (Mann und Weib), ſagt der Apoſtel, ſind beide in einem Fleiſch; er fügt hinzu, niemand haſſe ſein eigen Fleiſch. So kann auch Chriſtus die Kirche nicht haſſen, da ſie ein Fleiſch mit ihm iſt. Alſo ſündigt die Kirche nicht; denn wenn ſie ſündigte, müßte Chriſtus ſie haſſen; denn die Sünder, wie es heißt, haßt Gott.

Es iſt begreiflich, daß ähnliche Spielereien auch den Gegnern nicht fehlten '), daß auch fie eine ähnliche Phalanx von Argumenten und Autoritäten für ſich anführen Tonnten. Dieſer Einftcht war

) Bergl. 3. B. bie Inquisitio de potestate Papae b. Mansi XXX. p. 997.

I. 12. Enea's Kunft der Geichichtfchreibung. 233

auch ver Euge Enea nicht verfchloifen, das zeigte uns fein Vrief an Roceto. Hier aber nennt er biejenigen, bie ven Papft von ber Aurisriction tes Concils ausnehmen wollten, ruhmfüchtige Menfchen oder belohnungsfüchtige Speichellecker, Rabuliften, tie nur mit Hart« nädigfeit, nicht mit Senntniffen zu ftreiten wifjen, oder furchtfame Prälaten, vie ihre zeitlichen Güter nicht verlieren möchten"). Auch vertheibigt er nicht ohne Abficht in einer langen Rede, die er beim Cardinal von Arles in ven Mund legt, die Zulaffung ter niedern clericalen Grade zu Sit und Stimme im Concil.

Das find die Momente, um teren willen Enea Silvio tie für feinen nachmaligen Stand unerhörte Ehre genießt, mit biefem Werk im Berzeichniß ber von ber Kirche verbotenen Bücher zu prangen *), um deren willen er in fpäteren Jahren eine zweite Geſchichte des basler Concils vom entgegengefegten Stanppunct fchrieb, chne tarin ter erften zu erwähnen.

Wir wiffen nicht, ob Enea fein Werk in irgend jemanbes Auf- trag verfertigte, etwa in dem d'Allemand's oder feines Papftes Felir. Wir wiſſen auch nicht, wen er es widmete, denn alle feine Schriften pflegte er einem hochgeltellten Manne zuzueignen. Es ift aber un⸗ verfennbar, daß er fich zum eigentlich-polemifchen Autor wenig eig- nete: der Redner und Dichter blickt überall durch und fpielt ihm nicht felten einen Streih. Er hatte zugleich ten Ruhm eblerer Geſchichtſchreibung im Sinne, Salluftins und Livius feuerten ihn zur Nachahmung au. Ihren flüffigen Stil und ihre freie Weife ber Behandlung follte man in feinem movernen Werte wieperfinven. Darum mag er vie Decrete und ‘Documente, die fein Buch verun- ftaltet hätten, nicht gleich ven gewöhnlichen Chroniften unverändert feiner Erzählung inferiven. Er giebt frei ihren Hauptinhalt an, felbft wenn es, wie bei ven acht Glaubenswahrheiten, über bie fo. lange und ausführlich vieputirt wurde, auf vie haarjcharfe Formu- lirung ankam“). Darum arbeitet er die nnerquidlich langen und fchwerfälligen Reben ver jcholaftifchen Theologen in eine kürzere und fchlagenvere Form um, mit oberflächlicher Benugung des wefent- lihen Inhalts‘). D’Allemand, Tudeschi und Segobia fprechen bei

) p. 11. 15. 27.

?) Bellarmin de scriptt. eecl. Colon., 1613 p. 415.

>) Sorglos fagt er p. 5: Hujusmodi, sicut arbitror, fuere conclusiones etc.

*) nec ego iisdem utar verbis quibus illi. Sententiam retulisse sat erit. p. 4. .

234 I. 12. Glaubwürdigkeit der Sommentarien.

ihm mit ‚einem tbeatralifchen Pathos, das weit über bie fenatorifch und Volksreden im Livins hinausgeht. Man merkt wohl, wie dem Autor um das, was bie Diesputanten mit aller Hitze ale Wah heit verfechten, wenig zu thun ift, er fühlt fich gewiffermanken a Künftler über ihnen und jie erfcheinen ihm "wie Fauſtkämpfer a dem Theater.«u Der nachgeahmte Römerftil färbt auch vie eigen liche Erzählung, macht fie würbiger und feierlicher, nur daß d Erzähler ſich nicht enthalten fann, piquante Züge miteinzuflechte die freilich fehr zur Belebung beitragen. Dann fchlägt er oft, oh baran zu denken, ber Sache, vie er verficht, und ben betheiligt: Porteigenoffen böjfe Wunden, wie wenn er den feanbalöfen Zw unter ihnen aufdeckt oder ven furiofen Patriarchen von Antioch einführt oder die Vorgänge des Conclave fait humoriftiſch ausmal Die gefchichtlichen Werke des Enea Silvio erfordern fänmtli eine ganz andere Art von Kritik, als wir bei den mittelafterlich Chrontften, ſelbſt bei ven beſſern florentinifchen oder venetianifch Hiftoriographen, anzuwenden pflegen. Ihr Werth ift deshalb unſchätzbar, weil Enea meiftens von Dingen erzählt, die von ande ganz übergangen werden natürlid, kommt er hier nur ale zei gemöffifcher Referent in Betracht, weil er mit dem fpäbenbı Auge des Ehrgeizes in tie Charactere blidte und, wie Männer ve Welt oder Diplomaten es ftets thun, den Lauf der Creignif nur von Perjönlichfeiten abhängen fah. Mit faft jevem ver Päpf und Earbinäle, ver Fürften und Staatsmänner, vie er ſchildert obı handelnd auftreten läßt, hatte er ein perfönliches Verhaltniß, fo zu jeder weltgefchichtlichen Situation, die er beichreibt, hatte er eiı perſönliche Stellung, in vielen fpielte er felbit eine active Roll Daher find feine Urtheile über Meuſchen und Scchlagen fo waı belbar, fie werben und jevesmal nur begreiflich, wenn wir uns i bte augenblidliche Lage bes Schreibenpen verfegen können. Net man aus feinen Werken einzelne Stellen heraus, fo kann man 3.2 bie Päpfte Eugen und Felix, bie Kaifer Sigmund und friebrid bie Garbinäle von Arles und von Taranto, die franzöfifche Cor cilienpartei und bie ver Eurinliften oder die der deutſchen Neutrale nach Belieben ſchwarz oder weiß barftellen und feine originale Worte dafür zum Beleg anführen, wie das denn auch reichlich gi ſchehen iſt. Niemals darf man ihm unbefangen nacherzählen, ni mals ihm ganz trauen. Und doch kanu man auch nicht wohl fageı baß er abfichtlich entftelle oder Lüge. Es ift eben vie Tenvenz, bi

1. 12. Cat Concil und feine Eproniften. Joh. v. Segobia. 285

jeden feiner Sätze färbt, es ift ver vennerifche Schwung, ber auf jede Thatſache ein halbwahres cover gar falfches Licht fallen läßt. Der betheiligte und im Schreiben genixte Staatsniann liegt fort- während im Kampfe mit bein freimüthigen, ausplaudernden Dichter. Mithin kann vie hiftorifche Kritik ich felten gegen dieſe oder jene Stelle feiner Werke richten, fie muß vielmehr ftets achtſam neben- hergeben, fi Einficht und Ueberſicht erwerben und am meiften einem guten Inſtinct vertrauen.

. Bei den Commentarien über das basler Concil entfteht noch die befendere Schwierigkeit, daß feine gleichzeitige Gefchichteerzäp- (mg uns einen Maaßſtab zum Vergleich varbietet. Das hiftorifche Intereſſe wurde am Eoncil von ven polemifchscansniftifchen fo fehr überiwogen ,; daß zwar eine Fluth von Reden, Streitfchriften und Disputationen entſtand, aber außer Enea Silvio nur ein einziger Mann, fo viel wir willen, an eine forgfältige Aufzeichnung ber Borgänge dachte. Dem analog verorbnete das Concil eine Samm⸗ lung ber zerftreuten Acten feines coftniger Borgängers ') und berief ih hundertmal auf deſſen Decrete, foweit fie die Autorität ver all gemeinen Concilien ausfprachen; ver Männer aber, vie damals an ver Spitze geftanden, eines d'Ailly, Charlier, Zabarella warb zu Baſel faft niemals gebacht.

Jener einzige Chronift des basler Concils war Johannes von Segobia, gerade ver Dann, veifen Berichte, wenn fie vor uns lägen, wir allen andern vorziehen würben, Er war unter ven erften, die fich zu Baſel einfanden, und unter ven lebten, vie das verlegte und aufgelöfte Concil verließen; er war bei ten wichtigften Berhandlungen betheiligt und wurde zu ben fchwierigften Yegationen abgefenvdet; er war nächſt d'Allemand ver thütigfte und beteutenbite unter ven felicianifchen Cardinälen. Sein feiter Sinn, feine ehr- wärbige Ruhe und feine fittlihe Milde befühigten ihn ver antern, ver wahre und treue Gefchichtichreiber des Concils zu werben. Sein umfangreiches Werk harrt noch der Veröffentlichung, nur Aus- jüge und abgeriffene Stellen lafjen auf das Ganze einen ungefähren Schu machen‘). Segobia fchrieb in einfachem, Eunftlofem Stil

) Patric. cp. 113.

7) Einen bis ins Jahr 1443 reihenden Auszug verfertigte um 1480 AUgofine de’ Patrizzi, Canonieus zu Siena, im Auftrage des Earbinals Frauceoco be’ Piccolemini, des nachmaligen Pins IH. Diefe fogenannten Acta Patriciana benußte ſchon der Bifhof Sponde in feinen kirchlichen Annalen.

236 I. 12. Die polemifche Literatur bes Concils.

eine actenmäßige Gefchichte des Concils von feiner Eröffnung bie zu feinem Ende; er gab forgfältig, ver Zeit nach vorfchreitend, bie Seffienen und Daten an, fügte wohl auch bie ‘Decrete, Bullen, Ausichreiben und fonftige Decumente in aller Vollſtändigkeit feinem Zerte ein.

Im Gegenfag zu dieſen Gefchichtswerfen, vie ver Nachwelt nur in wenigen Hanbfchriften aufbewahrt find, fanden bie pole- mifchen Flugſchriften, Disputationen und Tractate eine reipende Verbreitung. Die Hleineren Werke eines Torquemada und Eufa von der einen, eines Tudeschi, Segobia und Courcelles von ber andern Seite wurben in unzähligen Abfchriften über bie abenb- ländiſche Welt ausgeftrent. Dazu Tamen vie eigentlichen Xibelle oder die Schmäh⸗ und Fluchfchriften und vie Apologien beiver Par⸗ teien. Einige trugen gleichfam officiellen Character, ja fie wurden nicht felten förmlich bullirt, wie vie von Eugen, meiftene aus Ylo- venz erlaffenen, die man mit ven Anfangeworten zu bezeichnen pflegte, Deus novit, Moyses, Rem pestiferam, Dissimulare non possumus u. a. Andere, noch mannigfaltiger an Form und Ge- halt, gingen von Brivatperfonen ans, bald von fanatifirten Mön- chen, bie das Schickſal der Kirche nach ben 7 Weltreichen bes Pro- pheten oder den Bildern der Wpofalypje weilfagten, bald von bezahlten Schöngeiftern, die mit einem bewunbernswerthen Wort- reichthum zu ſchimpfen wilfen, bald von fürftlichen Advocaten, vie das Heil der Kirche zufällig immer gerade ba fanden, wo ber Bor- theil ihres Brodherrn lag, bald von päpſtlichen Canceliften, die ihr erfauftes Amt wie ein Capital betrachteten, deſſen Zinsfag mit ven guten oder trüben Ausfichten ihrer Partei ftieg und fiel. Der Voliftändig veröffentlichten fie ;uerfi L,abbe et Cossart Concil. T. XIIL, daun Hardouin T. IX. feiner Concilienſaumlung nah dem Apograph ter K. parifer Bibl., daraus entnapm Hartzheim T. V. feiner Sammlung ben Abdrud. Inwieweit Fatrizzi, der Epitomator, feine curiale Geflnnung in das Wert hineintrug, iſt ſchwer zu entfcheiben; ba er inbeh außer einigen an ber Curie fir-gewordenen Traditionen nur ben Segobia benutzt zu haben fcheint, fo muß biefer ſehr unkefangen und ohne bie Tendenz feiner Partei gefchrieben ha⸗ ben. Einzelne Stellen aus feinem Werke find in Koch's Sanctio pragmatica und in Palacky's Gel. von Böhmen Bd. 3. Abth. 3. veröffentlicht. Die K. 8. Academie der Wiffenfchaften zu Wien gebenlt, wie wir hören, Das volu- mindfe Werk vollfändig zu ebiven und fich zu ihren vielfachen Berbienfien um

öflerreichifche Geſchichte auch biefes große um bie Welt» und Kirchengefchichte zu erwerben.

1. 12. Die Humaniften und bie polemiſche Literatur. 9237

Federkrieg trat an Stelle res Wortfrieges, feit die eugenianifche Partei Bafel verließ. Berechnet waren vie Pfeile und Stacheln ver Agitation anf den höhern Clerus und die Fürftenhöfe, von veren Adhaſion der Sieg biefer over jener Partei abhing. Hier aber errichten wieder die Intereſſen des Vortheils und ver Politik. Und auch fonft wurben durch die Flugſchriften, wie es ftets geht, wur bie Anhänger verjelben Partei noch mehr befeftigt, von ihren Gegnern aber nicht einer befebrt. |

Man hat ven wenigen Humaniften jener Zeit, vie überhaupt zur kirchlichen Zeitfrage in eine Beziehung traten, vie ſchnöde Feil⸗ beit ihrer Berer zum Vorwurf geinacht. Sie dachten alle ungeführ wie Poggio, von dem oben ſchon gefprochen wurde. Der eine fchrieb im Dienfte des Herrn, ver ihm bezahlte, der andere übte feinen Stift in dem beliebten Zone der Invective. Herzlichen Antheil an den Zäntereien nahm nicht einer von ihnen. Sie blieben unterein- ander, welcher Partei jie auch dienten, im beiten Einvernehmen und dachten nicht daran, ihre Worte nach dem Gewiſſen abzumeſſen. Indeß hielten fich die meijten lieber an Eugen, ver freigebiger in Pfründen und Ehrengejchenten, außerdem von reicheren Cardinälen umgeben war. Wie geringen Werth man in viefem Nreife auf bie treue Anhänglichkeit an eine und viefelbe Partei legte, wie weit man entfernt war, in einer Apoftafie etwas Unehrenhaftes zu feben, mag das Beifpiel des Yorenzo Valla zeigen. Er war an Eugen’s Curie fehr übel angefchrieben, weil er unter dem Schutze Alfonfo’s, deo Concilfreundes, die conftantinifche Schenkung mit den Waffen ver Kritik entglaubigt'). Als aber fein Brodherr ſich mit Engen ausgeföhnt hatte und ven Autor eine Sehnfucht anwanvelte, feine Verwandten und Freunde in Rom wieber einmal zu befuchen, wandte er fich höflich und demüthig an ein paar ver einflußreichjten Car: vinäle und gab unter andern guten Worten zu verfteben, daß bie Curie von feiner gewandten Feder auch wohl einmal Nuten ziehen könnte. Bor Eugen leiftete er geradezu Abbitte und erbot fich zum rüftigen Kämpfer für pie päpftliche Sache").

) De falso credita et ementita Constantini donatione Declamatio in |. Opp. Basil., 1540.

NG. Briefe an die Cardinäle Scarampo und Landriani finden fi in der (höchſt feltenen) unverftümmelten Ausgabe der Epistolae Principum ete. be® Hieron. Donzelinus Venet,, 1574 p. 346. 352. Im Briefe an ben Garbinal- Kämmerer heißt e8 unter anderem: Verum cum non minus

288 I. 12. Enea's Dialoge, eine Streitſchrift.

Unfer felictantfche Secretair und Humanift, der bei dem Feder⸗ friege nicht müßig bleiben Tonnte, fuchte nach einer geiſtvolleren Form, um zu feinem une feiner Partei Vortheil vie allbefannten Argu- mente noch einmal vorzubringen und zugleich feinen überlegenen Geſchmack gegen die Rechtsgelehrten und Theologen zu beweifen. Ohne Zweifel hatte er ſchon manche Streitjchrift verfertigt, fo wird eine erwähnt, die mit dem Worte Christus begann und gegen Eugen gerichtet war). Werner ſchrieb er nun eine Reihe von Dialogen, in welchen vie mittelalterliche Disputirkunſt mit dem gemiſcht er- fcheint, was er nach Cicero's Zusculanen und fonftigen Angaben over nad) Poggio's Vorgang für ſokratiſche Methove hielt"). Be— guemer konnte zur Durchführung von Streitfragen feine Form fein, va bier ver Schriftfteller auch ven Gegner in feiner Gewalt hat.

Die Veranlaffung zu viefer Schrift gab ein Gutachten, welches - die cölner Univerfität, vom dortigen Erzbiſchof aufgeforbert, über die Autorität der allgemeinen Concilien und des bafel’fchen insbe⸗ ſondere abgegeben‘). Es beſtand aus brei Bropofitionen. Die erfte behauptet die Obergewalt ver in einer Synode verfammelten Kirche über alle ihre Glieder, alfo auch über ven Papſt. Die zweite ift gegen bie veutfche Neutralität gerichtet, vie fehleunigft, natürlich aber zu Gunften ver Goncilbefchlüffe, aufgehoben werben müſſe, wenn nicht ein unfeliger Zwiejpalt ver Fürften und eine ftärmifche Erhebung ves Volkes eintreten follen. Mit diefen Sägen mußten Papft Felir und ver Cardinal von Arles zufrieden fein; unbebingter batten fich felbft ihre treuften Anhänger, die Hochichulen von Wien, Erfurt und Krakau, nicht aussprechen kännen. Aber einige Tinent- ſchiedenheit oder vielmehr eine abfichtlihe Unklarheit Tieß fich in der britten Propofition der Eölner finden, welche ven rechtlichen

prodesse in posterum possim, quam uno libello offendi, etc. In ber Anrebe an Eugen (ibid. p. 416) fagt er geradezu: si quid retractatione opus est et quasi oblutione, en tibi me nudum offero etc.

) im 13. der Dialoge.

?) Libellus Dialogorum de generalis Concilii authoritate et gestis Basileensium, nach zwei wiener Mier. gebrudt in Kolklarii Analecta Mon. Vindob. T. I. p. 685 - 7%, Die Abfaffung der Dialoge fällt etwa in ben Nov. 1440, wie aus der Erwähnung des bevorfiehenden nürnberger Reichbtages am Anfang bes 7. Dialoge hervorgeht.

2) bei Bulaenus Histor. Univers. Paris. V. p. 400, aud bei Kollar L o. p. 677.

-L 12 nen’ Dieloge 289

Fortbeftand des Concils betraf. Die als Synode verfammielte Kirche, hieß es darin, war unzweifelhaft zu Baſel und ijt noch da⸗ ſelbſt, wenn fie nicht in gefegmäßiger Weije verlegt ijt').

Welche Verlegung ift nun eine gejemäßige, vie durch Eugen ever bie durch einen Beichluß des Concils felbjt? Im erjten alle war alles, was feit der Anfagung ver ferrarefifchen Gegenſynode gefchehen, nur das Werk einer ungehorfamen Rotte; im andern Falle befand die Synode noch zu Recht und ihr Papjt war ber camonifche, Eugen ver Neger.

Enea Silvio, bei Felix im Ant eines "Secretairs in Con- cittenfachen,u bielt es für eine Berufspflicht, die Mcademie voll» ftändig vom Nechte des Concils zu überzeugen, was nach ven Prä- mifjen, die jene ſelbſt zugeitanven, nicht ſchwer war und einen folchen Aufwand von Gelehrfamkeit und Redekunſt kaum erforderte. Er

deutſchen Gelehrten im Allgemeinen vie Freube, bie man zu Bafel über ihr Outachten empfunden, nur am Schluß deſſel⸗ ben finde fich ein gefährlicher Irrthum factifcher Natur, er hoffe fie durch feine Dialoge zu überführen, daß das Concil noch zu Bafel jet, one Bedingung und ohne Bedenken?).

Die Fünftlerifche Deconomie ver Dialoge ift eine höchſt eigen» thämliche. Als Repräfentanten ver beiden Richtungen find ftatt fingirter Namen wirkliche Perfönlichfeiten von anerkannter Gelehr- famleit gewählt. Die Sache des Coneils vertheidigt Stefano ta Caccia, aus Novara gebürtig, Doctor beider Rechte, Advocat am GConcil?) und Secretair bei Felix, ftets ein treuer Anhänger feiner Partei. Um feinen Sieg noch glänzenver zu feiern, giebt ihm Enea ven Nicolaus von Cues zum Gegner, der fich zwar damals fchen vom Eoncil völlig losgefagt hatte, deſſen Parteiwechſel man aber kaum glauben wollte. So gewinnt die Vermuthung Raum, Enea führe ihn vielleicht darum ein und überführe ihn, um ihn wirklich heimzumahnen an ven Hof des Concilpapftes, wo ihm die ehrendollite Stellung verheißen wird.

Als claffifh-gebilveter Mann aber kann Enea ſich nicht über: winden, noch eine Zuthat in dieſem Sinne zu geben. Er führt

ı) Haec (ecclesia synodaliter congregata) fuit indubitate in Basilen et adhuc est, si non legitime translate.

*) Concilium adhuc esse Basileae absque oonditione et canctatione,

”) Patric. cp. 126.

940 I. 12, Anordnung der Dialoge.

noch zwei Perfonen ein, die an ver Dispntation ber beiden andern nicht Theil nehmen, ja von ihnen gefonvert ganz andere Materien verfolgen, mehr fich beſprechend und gegenfeitig belehrend. Der eine ift er felbft, der andere fein College Martin Lefranc, ein gebifveter Franzoſe, am päpftlichen Hofe zur Tiſchlectüre angeſtellt.

Enea und Martin fo ift vie fünftliche Situation angeord⸗ net fehren von einer Yanbpartie zurüd, bie fie von Bafel aus unternommen, um einmal vie Laſt ver Geſchäfte abzufchütteln. Ohne fie zu bemerken, treffen dann in ver Nähe Stefano und Ni— colaus zufammen un erfennen fich al® chemalige Freunde vom Concil ber. Nicolaus erfcheint verkleidet, weil er Nachftellungen fürchtet, äußert fich aber jehr heiter, weil ein politifche® Ereignig, das er eben erfahren, feinem Haß gegen die verwünfchten Basler Genug- thuung zu fchaffen verfpricht. Der König von Frankreich, den bie Concilfreunve ſchon ganz als ven ihrigen betrachteten, has, fig anf ver Synode zu Bonrges für Eugen erflärt, und auch bie cölner Academie hat Bedenken gehegt, ob vie Synode zu Baſel noch redht- mäßig bejtehe. Nicolaus fieht ihren balvigen Untergang voraus. Stefano dagegen iſt trüber Stimmung: ber Verfall der Kirche une der Eitten liegt ihm am Herzen. Er wirft dem triumphirenven Freunde feine ehemaligen basler_Neven vor, wie er die Autorität bes Concils einft vertheibigt, wie er gegen Eugen und das Prä- ſidinm der päpftlichen Geſandten gefprochen. Schämft du dich nicht, fragt er, die Farbe gewechfelt zu haben?

Nicolaus entſchuldigt fich, fo recht in Enea's Weiſe, ver baffelbe Wort auch fpäter auf fich ſelbſt anwandte, mit dem Ausfpruch Ci⸗ cero's, ein Gejinnungswechfel fei oft in Gefahr ver befte Hafen. Nachdem er fo pas Gewiſſen mit einem Citat abgefertigt, befchließen beide, über ven betreffenden Paragraph des cölner Gutachtens zu bisputiren. Damit fpäter ven Prahler vie Niederlage beſchäme, muß Cuſa zu feinem Gegner jagen: »O vu leideſt noch an ver alten Krankheit und raſeſt mit ven Baslern! Soll ich bir ten Kopf wafchen?« |

Enea und Martin haben alles ungefehen behorcht, fie freuen fih auf die Disputation zweier fo fcharfjinniger Gelehrten, und während dieſe fich ans Ufer des Fluſſes fegen, laſſen fie fich eine Strede davon, durch Gebüfche verbedit, ins Gras nieder.

Das ganze Werk befteht aus 14 Dialogen, in denen bie beiden Paare fih abwechſeln. Enen und Martin find zum Belaufchen va,

1. 172. Enea's Dialoge 243

Zufammenbang unter ſich. Sie knuüpfen fich gewöhnlich auf bie lockerſte Weile an irgend einen Satz oder ein Wort aus dem zu⸗ letzt Belaufchten Gefpräch an und geben kann auf em hiftorifches, antiquarifehes, grammmatifches oder rhetorifches Thema abwärts.

Der erfte Dialog dieſer Art verbreitet fich über das Landleben im Gegenſatz zum Gefchäftöfeben und zum Stupirzimmer, wobet denn Birgil's Lehrgenichte die frifche Rheinluft erſetzen müſſen. ‘Die britte züchtigt die Unwiſſenheit und die berbarifche Sprache ber Yuriften, der Verehrer ver Stoffe, pie mit reichlichen Schimpfreven bedacht werben. Hingegen wird das Amt eines apoftolifchen Secre- tairs, wie er fein foll, im Beginn ves 11. Dialogs in feiner vollen Wärve gepriefen. „Der Titel eines Secretairs ift ein hoher, er tft verebrungswärdiger, als ımfere Elſtern (vie Juriſten) meinen. Der ift mach meiner Anficht wahrhaft Secretair und dieſes gewichtigen Namens würbig, ter die Worte zu wählen und geſchickt zu verbin- ven weiß, ver die Kunft kennt, Leivenfchaften zu befänftigen und hervorzurufen, in deſſen Schriften Feinheit, Wig und eine bes freien Mannes würdige Bildung vurchleuchten, ver das ganze Alterthum und die Fülle ver (Hifterifchen) Beifpiele inne bat, dem auch bie Umriffe ver Canones und des bürgerlichen Rechts nicht unbekannt find, ver endlich Alles, was in ver Ausfertigung von Briefen vor- fommen mag, gefchiett und ſchmuckvoll aus dem Gedächtniß zu fchrei- ben im Stande iſt,“ alfo ver tulfianifche Epiftolograph, ver Redner und Dichter‘).

Der 5. Dialog bringt uns eine Definition ver Begriffe von religiosus, sacer und sanctus, der Schluß des 7. erklärt eine Stelle Virgil's, der 9. beteht ans einem archäologiſchen Vortrag über vie Rechnung der Tages- und Nachtzeit bei ven Alten, im 11. finden wir eine Weberficht der Gefchichte ver Franken in ver Confufion, welche vie frühere Gefchichte des Mittelalters überhaupt verdunkelte.

Das war eine Disputation im höhern Geſchmack, nicht bloß canoniſtiſches Gezänfe und theologifches Geſchwätz. "Wir haben uns, wie mir fcheint läßt Enea ven Martin jagen mit mehr

N Als Probe, wie Enea das meinte, mag das Decret Über bie Feier der Heimſuchung der Jungfrau Maria dienen, welches vom Concil in feiner 43, Sitzung am 1. Juli 1441 angenommen wurbe (bei Mansi XXIX. p. 211). Daß Enea es verfaßte, wiflen wir aus Patric. cp. 122. Die furzen und Haren Sätze und bie epifche Kunft, mit welcher die biblifche Erzählung behandelt wirb, erinnern an Pins’ II Gedanken, den Bullenftil zu reformiren.

16*

944 1. 12. Der Dieter als Curiale.

Nutzen einer ſolchen Dieputation bingegeben, wie ben Tirchlichen Horen jene Menfchen, die Zungen und Lippen für Gott bereiten, das Herz aber für fich und ihre Begierden zurückbehalten. Wahr- baftig, ich denke, dieſes Abfingen von Palmen und Hymnen ziemt fih mehr für Mönche als für uns. Jenen, bie in einem Kloſter eingefchloffen find, ift e& eine Erleichterung ver langen Weile und bes Nichtsthuns. Gebildeten Männern aber ift es ein Efel, täglich viefelbe Leier (cantilenam) abzufingen. ch für mein Theil, wenn mich nicht die Autorität der Kirche zwänge, möchte mir lieber vie Bibel auf einzelne Zage eintheilen und fie fo innerhalb eines Jahres durchleſen. So wollte idy meinen, mir mehr zum Nuten und Gott mehr zur angenehmen Verehrung gethan zu haben.

Enea ift ganz verfelben Meinung und macht den Vorfchlag, es folle ftubirenden Geiftlichen eine Dispenfation verliehen werben, fürzer zu beten; bis dahin müfje man fich fchon fügen.

Zweites Buch.

Enea Silvio de’ Piccolomini

und

Die Freiheiten der Deutfchen Kirche.

Erſtes Eapitel.

König Friedrich IH und die eriten Verſuche zur Löſung der kirchlichen Neutralität. Enen Silvio verläßt Baſel (0. Febr. 1440 Jan. 1443).

Unsere Erzählung und ver Mann, veffen Leben wir verfolgen, bewegen ſich nun über ein ‘Decennium hinaus vorzugsweife anf deutfchem Grund und Boden. Italien und Deutfchland, PBapft und Reich, und unfer Italiener, beide verknüpfen, auf veutfchen Boden, das find die Momente, die diefem Zeitraum ein Intereſſe geben.

An Stelle ves früh dahingegangenen Könige Albrecht II wähl- ten die zu Frankfurt verfuunmelten Kurfürjten am 2. Februar 1440 den Herzog Friedrich V von Defterreich, das Haupt des habsburgi⸗ hen Haufes. Er nannte ſich als römischer König Friedrich IL’).

" Sein Borgänger hatte gezögert, bevor er die bebenfliche deutſche Krone annahm. Noch Länger zögerte Friedrich, und in ber That entfaltet fich ein unluftiges Bild vor unferm Auge, mögen wir taffelbe auf das deutſche Reich, auf vie habsburgiſchen Erblande, auf die Kirchenverwirrung over auf ven Dann richten, der fie alle zu zügeln und zu ordnen berufen wurde.

Um die Feſtigkeit des Reichsverbandes ſtand es fo traurig, daß ſelbſt Herrfcher wie ver kluge Sigmund und ver Triegerifche Albrecht die Sorge dafür am liebjten weit von fich warfen. Die

n So in allaı Documenten; fo thun ferner feine Zeitgenoffen und auch noch fein Biograph Grünbeck. Ihu mit feinem neueften Biographen, 3of. Cheimel, ven Vierten zu nennen, bat freilich ebenſoviel Für fich.

248 II. 1. Friedrich II, das Reich und die Erblande.

Oligarchie der Fürften Hatte das Kaiſerthum längft zu einer * ohne Weſen, zu einem Namen ohne Macht herabgewürdigt. Es fehlte nicht an einzelnen kräftigen und noch weniger an klugen, Kom Bortheil wohl erwägenben Fürften, aber um fo fchlimmer für pas Reich, wenn nicht eine gefürchtete Hand die jelbitfüchtigen und aus- einanderweichenven Intereſſen zügelte und zufammenzwang. Wohl nur. weil Schen und Beforgniß vor dem Fünftigen E von vorn hevein mangelten, war die Nönigewahl von 1440 eine fo ein- trächtige. Unter den Rurfürften gönnte feiner dem andern bie Krone, jeder aber gönnte fie dem Herzog ver entlegenen Steiermarf. Im - ihrem fiebengliebrigen Collegimm war eine Lücke, die zugleich auf bie wundejte Stelle des Reichs deutete: Böhmen hatte feinen König, man mußte fi einen Beauftragten feiner Stände gefallen laffen. + jcheint es, daß man im Reiche. fer wehigubeih ber Perfönlichteit des neuen Königs wußte. Er war zu Wien gewejen, als Albrecht dort die deutſche Krone annahm, hatte aud) wohl dazu mitgewirkt, fonft fich aber, ſchon feiner Jugend wegen, in gejchäften nicht hervorthun können. Nein VBorurtheil ober gegen ihn"). ar Freilich war Friedrich, als ihn die Wahl traf, ver Chef des Hauſes Dejfterreich. Alles aber, was ihm als ſolchem außer feinem erblichen Herzogthum zukam, war eher geeignet, feine wirk- liche Macht zu verringern, als zu vergrößern: endlofe Wirren ent- ſprangen ihm daraus und wenig Vortheil. In den ſogenannten hintern Landen, alſo in Steier, Krain und Kärnthen, war er Lan⸗ besfürft, aber auch hier drängte ihm von allen Seiten ein ft Arel, der während des Bruderzwiſtes in der herzoglichen A und im Bürgerkrieg emporgewachfen war, Wenige der mächtigeren Geſchlechter ſchloſſen ſich dem Hofe an. Die Eillh dagegen hatten unter Sigmund's Fittigen ein Gebiet und einen Einfluß erworben, ber fie nur noch den Namen unmittelbarer wünſchen ließ. Mit dem ehrgeizigen Grafen Ulrich von Cillh, ber unter König Albrecht gewagt Hatte, feine Hand nach ver bohmiſchen Krone auszuftveden”), lag Herzog Friedrich ſchon feit fieben Jahren im offenen. manches Schloß war ihm und feinen Anhängern:

) Uugefäbr jo urtheilt auch Droyjen Geſchichte Sr pruifcn Pit Thl. 1. ©. 635 fi. - ) A. 8. Histor. Bohem, cp. 55. rt we A

= &

: 880 L. I. Friede Character.

derſelbe war, als er, faſt noch ein Jüngling, das Soepter annahm und als er es mit zitternber Greifeshanb hielt. Diefer eigenthäm- liche Fall erlaubt uns, zu dem Bilde, welches entworfen werben fol, auch manchen Zug zu benuben, ber erft aus feinem fpäteren Reben berichtet wird.

Was konnte ein fteier’jcher Prinz viel erlebt haben! Bei fei- nem Vater und bei jeinem Vormunde ging e8 fo eingeengt und nüchtern zu, wie fpäter bei ihm. Große Ideen und weite Entwürfe lagen ihrem Hofe fern, Wirthfchaftlichkeit und Eigennutz gebeten ſich faft von ſelbſt. Im feinem 21. Jahre unternahm Friedrich eine Wallfahrt nach dem heiligen Lande, um dort, wie einft fein Bater, zum Ritter des heiligen Grabes gefchlagen zu werben. Bon ritterlichem Geift aber war fein Funke in ihm‘).

Sein Vater, Herzog Ernft, war eherner und babei doch rüh- riger Natur gewefen, feine Mutter Cimburgie, aus polntfchen Blute, von ſolcher Körperfraft, daß fie leicht mit den Fingern eine Hafel⸗ nuß zerbrach ober einen Nagel in vie Wand drückte, abet aber fehr fronm, Faſten und Kaſteiungen ergeben*). Bon ihr erbte Friedrich vielleicht die breite Bruft und die mehr als mäßige Statur *), auch ihre religiöfe Erziehung mag nicht ohne Einfluß: geblieben fein. Aber das weiße, jchlichte Haar, pas milde, ruhige Auge, pas wenig bewegte lange Geficht, ver geſetzte Gang verriethen ſchon am Jüng⸗ linge das ftille phlegmatifche Blut, welches in feinen Adern fchlich *). Die natürlichen Triebe traten fo ruhig und befcheiren auf, daß er feines fittlichen Kampfes bedurfte, um in biefer Beziehung tadellos zu leben. Trunkenheit war ihm innerlichft zuwider, von Speifen fagte ihm Obſt am meiften zu. Schon einen unzüdhtigen Scherz

1) Chmel Geld. 1. 8.277. Joſ. Grünbed (Historia Friderici IV et Maximil. I in Chmel's öfterr. Gefchichtsforfcher I. p. 71) erzählt von dieſer Pilgerfahrt fabelhafte Dinge, 3.3. wie Friedrich bei feiner Abfahrt aus Aegyp- ten, um die nachjchanenden Muſelmänner recht übermüthig zu verhöhnen, ben Reichsadler wehen läßt; Friedrich erfcheint nämlich in biefer Erzählung ſchon als Kaifer!

2 Chmel Seh. I. S©.9; Joh. Cuspinianus de Caesaribus atque Impp. Roman.: Frid. DI.

?) A. 8. Tractatus de Fortuna v. 26. Juni 1444.

) Grünbed 8.67: Fridoricus mox ineunte pucritia ani- mum eamque in vultu constanciam et moribus gravitätem prao se ferre ooepit. A. 8. epist. ad Casp. Sohlick v. 28. Dec. 1448: semper unius est vultus, licet ros sua geratur inceria eis.

IL LWVriedrich's Character. 1

börte ex wit Unwillen“). Seine Wünfche gingen nie über ben er- laubten Genuß hinaus, und auch. veffen fich zu enthalten, warb ihm nicht ſchwer“). Immer ſchien er etwas ſcheu und verlegen: er ach wenig und lachte äußerſt felten. Erſt im Greifenalter be- gann ex fich ficher zu fühlen, pa wurbe er mitunter bei Tafel unter deu geladenen Fürſten gejprächig und aufgeräumt und erzählte dann aus feinen Leben und von feinen Vorfahren’.

Zum Tragen und Dulden hatte ihn vie Natur bewunperns- würbig ausgerüftet; barum wohl erreichte er ein jo hohes Alter. Schmach, Treulofigfeit, Täufchung, Verböhnung, Eurz Alles, was einen Mann fonft in das euer ver Handlung treiben kann, erregte in ihm nur einen unbebaglichen, aufwallungslojen Unmuth und auch dieſer verlor fich bald wieder in ven matten Wellen des Tempera- mente. Wo ein anderer außer fich gerathen würde, tröftete er füch mit einem nüchternen Großvaterſpruch. Hörte er von Schmähungen gegen feine Perfon und Beleidigungen feiner Majeität, fo meinte er, bie Zungen feien frei geboren und müßten frei gebraucht werben. Warf ihm feine Gattin Leonora, eine Portugiefin von Blut, wohl nur mit halben Scherze vor: wer nicht Beleidigungen zu ahnden wie, fei nicht werth, feine Schaam zu decken, fo entgegiete Frie- prich lächelnd: es gebe eine Rache, deren Amt bie Zeit verwalte, Als er zu Wien belagert und ihm hbinterbracht wurbe, wie bie Bürger ihn mit ven ebrenrührigiten Schmähreden angriffen, bemerkte er nur, die Wetter träfen gewöhnlich die hohen Thürme und nicht vie Hütten, e8 gehe noch wohl ab, wenn er nur mit Worten ges Schlagen werde“.

Die Zeit, das ruhige Abwarten war auch Schwert und Schilp feiner Politi. Mean lachte und fpottete über feine grenzenlofe Friedensliebe zu einer Zeit, wo alle Macht auf Truppen und alle Achtung auf dem Schwert beruhte?). Unter allen Heiligen ver-

$

1) A. 8. de liberor. cducat. p. 969, Pentalogus p. 681. 683, Cominent. in Anton. Panorm. I, 41. 45, II, 7; Grünbed ©. 75.

7) Ein wunberliches Beifpiel in A. 8. Hist. Friderici b. Kollar II. p. 302.

>) Brünbedl. c.

*) Ranke (Deutſche Geichichte im 3. d. Reform. I. ©. 94. 96) legt fol- hen Zügen, wie fie Euen Silvio und Grüubed erzählen, vielleicht zu viel Tief- finn unter. Der Gleichmuth Friedrich's entjprang wohl mehr dem Naturell, als er ein Refultat ber Erfahrung und Lebensweisheit war.

9 Selbſt Enea Silvis (Europa op. 22) fpricht wo feiner ingens cupi-

954 m. 1. Friedriche Neigungen.

es war fein Liebfter Aufenthalt. Die Hofumgebung war oft unge balten über vie idylliſche Langweiligkeit des allzeit getreuen, Stänt- chens und jehnte fi) nach Wien; ber Staifer aber mochte lieber mit ver regelmäßigen, jtillen Natur und mit gehorfamen Hausthieren zu thun haben als mit rohen Sölonerhaufen und rebellifchen Unter- thanen. Seine aftrologijchen und alchymiftifchen Neigimgen im Thurme zu Linz traten erft in fpäteren Jahren hervor.

Am meiften ift ihm von feinen Zeitgenoffen und von ver Nach⸗ weit feine übertriebene Sparfamfeit vorgeworfen, fie ift geradezu als ſchnöder Geiz bezeichnet worden. Wir wollen ihn nicht dagegen in Schuß nehmen, wie die püpftlichen Legaten, Enea Silvio und Car⸗ vajal es thaten, gerade fie, die des Könige ſchwache Seite wahrlich am beften kannten“). Weil aber tes Mienfchen Herz an irgend etwas bangen muß, fo hing ſich das Friedrich’ an den Erwerb und Befitz. Habfüchtig war er nicht. Die Sparſamkeit war ihm mehr eine Befchäftigung, tie Freude am Gelde und an Stoftbarleiten mehr eine Liebhaberei. Einem Privatmann Hätte man vergleichen leicht verziehen; an cinem Regenten ijt genane Deconomie anftößig, weil fie feinen Blick leicht vom Großen und Ganzen abzieht. Friebrich war als Herzog, König und Kaifer immer nur Hauswirth. Will man feinen Stleinigfeitsgeift und vie Armfeligkeit feiner Intereſſen mit einem Schlage tiberfehen, fo Iefe man fein Memorandenbnch, welches er etwa feit ver Heimfehr aus dem gelobten Lande führte"). Da finden fi) Rechnungen, Wirthfchaftenotizen, Inventare, Recept⸗ chen, feichte Spielereien gemifcht mit ernften Sprüchen, vie une feine Seele wie ein offenes Blatt überfchauen Taffen.

Diefer Mann kam mit vem Bapfte Felix faft zu gleicher Zeit auf den Thron, im Kirchenſchisma fand er eine höchft ſchwierige Aufgabe, für deren Löfung nicht einmal ein Weg abzufehen ivar. Die Entſcheidung ſtand factifch ven Fürſten und Völkern zu, unter ihnen hatte der römiſche König als Schußherr ver Kirche die erjte Stimme, die Fnitiative zum Handeln. ‘Die Kirche ſelbſt, gefpalten und in blindem Parteiftreit verdüſtert, zeigte fich unfähig, ven Wider: fpruch zwifchen Reform und Einheit ver Kirche zu Löfen. Auch vie Bürsten, was fonnten fie thun? Abgefehen von einer Reformation

) A. 8. Europa cp. 22; Carvajal's Aneſpruch in A. 8. Comment. in Anton. Panorm. III, 16. 2) vollſtändig gebrudt in Ehmel Sei. I. Beil. XXX.

II. 1, Der nme Abnig amb das Schema. 266

zer Sitten, die weder in eines Papftes Macht noch in ber eines Concils oder eines weltlichen Herrichers ſtand, war eine mehr äußer- liche Frage in’s Neine zu bringen, nämlich die Stellung ber natio- nalen Kirchen zum römijchen Primat. Ihnen eine würdige Unab⸗ bängigtelt zu vwerfchaffen, ohne veshalb vie hierarchifche Einheit zu zerreißen, das forverte allervings hellen Blick, kräftigen Entſchluß und energiſche Durchführung, aber auch ein ſeltenes Maaßhalten und Mneigennüßigteit. Bon Gewicht war Friedrich's Gefinnung und Thun für die gefanumte Kirche, höchſt bebeutfam für den Ausgang der beutichen Neutralität.

Es mangelt in ven Creignifjen, vie wir nun zu berichten ba- "ben werden, an großartiger Bewegung, an ſchnellvorſchreitender Handlung, an erhebenvden Situationen. Dennoch find fie der Schlürffel zum Berſtändniß einer neuen und großen Gultimepoche, zumal für Deutfchland. Das Schisma unter zweien Päpften wurde geheilt, aber um eimen Preis, ver ein Schisma im Glauben heranreifen Tief.

Bor feiner Wahl hatte fich Friedrich um den Zwijt ver Kirche wenig oder garnicht gekümmert, felbft feine Räthe wußten nicht, wie er darüber vente '). Seine perfünliche Frömmigkeit er Tiebte ben Clerus, begäinftigte Kirchen und Klöſter, verrichtete feine Andachts⸗ übungen mit ängftlicher Pünctlichkeit*) blieb immer eine private Eigenfchaft und ohne Einfluß im Cabimet. Eugen war ihm gefällig entgegengefommen: er hatte ihm die fpäter noch oft wiederholte Staubensbequemlichkeit exrtheilt, fich einen Beichtoater zu wählen, her ihn einmal im Leben und einmal im Sterben von allen Sünven freifprechen könne“). Aber auch vom Concil war Frieprich meber beleidigt noch vernachläffigt worden. Es genoß in feinen Yanden großes Anfehn: ver öfterreichifche und fteier’fche Clerns hing ihm an, veögleichen vie wiener Hochſchule; des Königs Bruder Albrecht batte dem Bapfte Felix Obedienz geleiftet.

Friedrich hatte die Krone noch nicht einmal angenommen und jhon wurbe feine Gunft für beide Sirchenparteien ein Gegenitanv rer Speculation. Es kamen Senpfchreiben und Boten. Das Concil eröffnete ihm die Ausjicht, dag er ſich, ohne weit zu reifen, von

) A. 8. Comment. ed. Fea p. 80.

2) Grünbed ©. 74.

) Chmel Materialien zur öfterr.! Gefch. I. p. 40 (erſte Bagiwirung; in der Folge ift bei dem Citaten regelmäßig die zweite gemeint).

262 I. 1. Carvajal. Die Legaten des Eoncils 1441. Seitdem fand er feine Ruhe mehr an der Eurie, Alle fünf Päpfte,

die er —— ſah, bedienten ſich ** ——— ——

Die Basler een mit gan anderem Yonp aufz

dinälen, ————— Allemand Hinzugefügt. Aber ſchon die | tags Brachen ihre frohe Zuverficht, —— Lateran⸗Legat in Mainz, er wollte die ‚tion

fih der Inſignien bedienen, —— nürnberger Tage von 1438 und auf dem mainzer von 1439 fein Colle —— | Hau 0 gethan. —— —— e Renz, dam ward dhm von Seiten der rftn die £ wolle ihm zwar als einfachen Gefandten des Ce aber Kreuz und Purpur müffe er baheimlaffen, ———

*4*— 14 ne

') Ueber Carvajal findet fi aufer im den Comment. Pavia Manches bei Gaspar Veronens® a u. p- 1028 und bei Ciacon. IL. p. 925 ff, Mehr aber als ah wie NUR ie rufe ich mich auf bas, was von ihm noch erzählt werben foll. RAN

I. 1. Enea in Frankfurt. Seine Krönung als Dichter 1442.

Reber der Parteien waren feit des Königs Ankunft nicht: mehr gehört worven,

Mit ven basler Gefandten war auch der Secretair Piccolo mini nach Frankfurt gefommen, entweber auf Geheiß des Papftes Felix, um in den niedern Kreifen ven politifchen Wind auszufpüren, oder um fich nach einer bejjern Stellung umzufehen, da ihm bie laufanner Curie nicht mehr behagte. Durch Zufall, fo ſcheint es, befam ber Biſchof von Chiemfee ein von ihm verfaßtes Schriftftüd in bie Hänbe ober er erfuhr, daß Enea das erwähnte Senpfchreiben an den König verfaßt. Ihm fiel die Nettigfeit ver Abfafjung und bes Stiles auf, Wir können uns vorftellen, wie eifrig ihm Enen eine Probe feiner eleganten Briefe einreichte mit ber bejcheibenen Bitte, fie als Meifter zu prüfen und etwaige Unſchicklichleiten in ver Latinität zu corrigiven. Der Bilchof mußte natürlich einge ftehen, daß er nichts auszufegen wiſſe ). Auch perfönlich machte ber Secretair einen guten Einbrud: feinere Umgangsformen waren ihm ſchon als Tuscier eigen, er zeigte fich lebendig und heiter im Geſpräch. So ward er auch dem Erzbifchof von Trier befannt, ber italienische Feinheit jehr wohl zu febäten wußte. Sie empfablen ihn dem Könige, Wie dieſer aber auf den Gedanken gebracht wurde, unjern Enea feierlich mit dem Lorbeerfranze als Dichter zu Erönen, bleibt immer rätbfelhaft.

Es war das eine auf deutſchem Boden ganz unerbörte Hanb- lung. Man hatte die Vortellung, daß einſt Julins Cäfar umb Octavianus Auguſtus ihre Dichter wie Triumphatoren auf bem Capitole gekrönt. Diefelbe Ehre wurde dann Francesco Petrarca, bem Meftaurator des Clafficismus, als das erjehntefte Ziel feiner Eitelfeit. Dante Ullighieri war wenigftens als Leiche mit ben dich— terifchen Inſignien geſchmückt worden. Noch im Jahre 1433 hatte König Sigmund zu Siena dem Antonio Beccadelli ven Lorbeer er- theilt, in Italien trug ihn fo mancher und nicht nur Männer wie Bruni und Filelfo, auch Hofpoeten in Mailand und Neapel, bie ihr Brodherr, nicht ver Kaiſer, gekrönt.

Es muß wohl Enea felbjt gewefen fein, ber ven König zu bie fem Acte anregte: er jpradh gern zum Lobe ver Poefie und von ben Belohnungen und Ehren, die Dichtern aus Fürjtenhand zu | geworben. Im Diplom werben bie Gepichte des Ermählten, ſei

') A. 8, Prooem, in Anton. Panorm. unb Pentalogus p. 643,

ief d. 18. Nov. 1443; Enea’s Antwort v. 16. Jan. 1444.

11444, won

306 1:8. Enen’s Pentalogus 1443,

mit einem Deere von 10,000 Neitern und 5000 Fühern über Die Alpen ziehen und das erfchöpfte, zufommenhanglofe Italien wieder unter das Reichsfcepter beugen, Bag. nee ne Politit wird bis ins Einzelne vorgezeichnet. Es hieße ein Luftſchloß ausmalen, wollten wir das Nähere viefes Pentalogs einer Prüfung unterwerfen, Mit fehlerhaften

Dichter in Pläne hinein, vie für den eines Fünglings wie bes mafebonifchen Alerander wohl berechnet fein mochten.

Aber die perjönlichen und untergeoroneten Zwede, vie fich dm Pentalogus kund thun, müffen wir doch aufveden. Schon die Wahl ver Perfonen zeigt uns eine Intention des Verfaſſers. Es iſt bie Hofpartei ver Gelehrten und Gefchäftsmänner, die als wilrbiger Beirath im Cabinete des Koönigs auftritt: fie reden fein und zier- lich, fie kennen die Gefchichte und Staatsweisheit ver alten Hellenen und Rönter, Sei, 3 fen Si yon m geiftreichen Scherz bei. Zu folchem Staatsrath paſſen micht di ſteier'ſchen Edelleute, die ver lateinifchen Sprache unb bamit ber feineren Bildung unkundig find, deren Blick nicht über die Gre ihres Baterlandes hinausreicht. Es aut, des Kin oa von feinen Gärten und Weinbergen, von feinen b und Pretioſen loszureißen, ihn in das Getriebe einer lichen und Reichs-Politik zu ziehen. Neichstage und Senbungen waren nicht das Terrain für die amt | Wenn es gelang, ber Politik Friedrich's eine ſchwungvolle nad dem Süpen hin zu geben, fo waren. bie Qtafiener Det Ga ver Bifchof von Freifingen, unfer Piccolomint, zumal Schlid, ber feiner Geburt nach nur halb, feiner Vorliebe nach aber ganz über ven Alpen zu Haufe war, bie natürlichen Vermittler. Der Canzle ſtand ſchon wegen der Neichsbelehnung im geheimen Briefwechjel mit den Höfen von Ferrara und Mailand, Wenn auch er fich fin das Concil am dritten Ort und den Fürftencongreß arte, {6 fein Zweifel, daß er durch fie die deutſche Kirche wieder E die Hände zu fpielen gedachte; denn er war, wie der ſchnitt zeigen wird, um jene Zeit bereits mit ihm einig.

Sich ſelbſt ſcheint Enea zunächſt nur als Dichter und Rebner zu empfehlen: er wünfchte fich wohl eine Stellung zu erwerben, tie fie Guarini am Hofe der Efte oder Balla an dem A einnahm. Daher fucht er ven jungen König für bie fchönen 3 haften zu begeiftern und in dem einleitenden Dialog bie:

——

U. 4. Cardinal Griinwalber und Heinrich Schlich, die Bewerber. 311

thedrale, hatte ſchon * dent coſtnitzer Goneil in den Dispus

———— hervorgethan und war unter Papſt Martin nahe daran geweſen, ſtatt des della Scala das freiſinger Pallium Auf dem basler Eoncil finden wir ihn als bayeriſchen t, als Carbinal md Freund v’Alemand’s wieber, ex galt für einen gebilveten und in ven Gefchäften wohlerfahrenen Mann ?). Daß bei ver Wahl von Seiten ver bayerifchen Herzoge Ver— —— Drohungen und Beſtechungen mitgewirtt hätten, iſt Partei zwar immer behauptet, nicht aber er- worden, Der Erzbiſchof von Salzburg als Metropolit ber te die Wahl und am 10. Oct. 1443 trat Grünwalder den fi des Bistums an, derjenigen Schlöffer und Güter nämlich, ie im Bayerifchen Territorium lagen). Noch ahnte er micht, wie elfeitia md. hartnädig der Wiverftand war, der unterdeß am Königshofe gegen ihm angezettelt wurde. Der Eangler nämlich, weit entfernt, ſich durch die Capitelwahl 1 zu laſſen, fpanı feine Ränle an vier Orten, bei Eugen am basler Concil, bei König Friedrich und bei dem Erzbiſchof

di um nice aus der Hand zu laſſen, wur- fehnben im Ball, da Qeinig Slfgef wire, feine

en

- ®) Meichelbeck p: 225; Patric. ep. 116. Er bat auch einen Trac- Ecelesiae universalis et Coneiliorum supra Papam ge-

ben Wuerdtwein Subsid. dipl. T. IX. unter den ineditis erwähnt.

p: 232.

9 A. B. epist. ad Casp. Schlick v. 5. oder 6. Ian. 1444; Brief Schlid's

an det Veseurator. Toluer und an Senffiiehen in Rom im Cod, mse, lat,

ONE Hofbibfiotber.

U. 4. Bereitwilligleit ber römiſchen Curie, Enea's Eifer. 315

N ——— —— ie he in de fein Bruer wegen ss Haben

ft. 'ad Casp. Schlick v. 11. Dee. 1443. N eu Slide au Augen in Beilage IV; mit ababe dem Canzler befreunbete Cardinäle und an das Carbinal- SR ak mie im cu ar 126, letsteres auch im ei ünch ergeht, im welchem er ſich Elecien won Freiſingen nennt, en Brief v. 13. Nov. 1443.

Ve

IL 4. Papft Eugen gewinnt in Itafien fein Anſehen wieder. 321 Es he lager en Folgen.

, Tonnte ex gleichzeitig auch feine Firchfiche Auto- 6 Gone zu Bemen um Florenz befeftigen. Nun Neuem ven Krieg durch eine Bannbulle gegen en Gere er anconitanifcen Mat, ben serien r Kirche. Aber zugleich mwechjelte er feine Bundes— 1; dem am 14. Juni 1443 ward durch feinen Legaten po mit dem König Alfonſo das Bündniß zu Terracina ab» bloffen, ud bald folgte die Verfähnung mit Filippo Maria, ließ er · der sehnjährigen Vund mit ben Republifen fallen, bi

bt —* neun Jahre feinen H Er ſchützte fein Concil im Fateran vor, jeine ife gab folches Aergernif, daß Florenz und Venebig erſten Zorn —— das Verweilen an der, päpftlichen Curie unterſagten ga die Venetianer brangen darauf, ver Papſt olle mit, eg Curie in der Nacht, bevor er bawonging, Kuba TE 2 en Eugen t ae

| den Wesfe zwei | "An 28. Sep. 1443 hielt er auch wieber feinen Einzug in bie alte Reſidenz der Cäfaren und Päpſte. hier batte indeß das th-

| nası Aguolo Acciajuoli $ 7 im Spicileg. Roman. T. L.; | ı Manetti bei Muratori Seriptt. XX. p. D4l. | Be. 1. 21

I. 4. Felir, ein Papſt faft ohne Obebienz. 533

er verlangte aber dafür einen monatlichen Sold von 13,000 Ducaten, ferner 60,000 fogleich und in drei Monaten wieder 40,000. Felix gewahrte bald, daß ihn ber Schlaue nur um Geld betrügen wollte‘). Anders hatte e8 auch Piccinino nicht gemeint, als er für 150,000 Ducaten ben Kirchenftaat zu unterwerfen und Eugen in Florenz zu fangen verſprach. Da ihm dann Felix nur 60,000 rheinifche Gul- ven bieten Tieß, jtellte er fich jo gereizt, daß er fofort Eugen’s Ea- pitano wurde?).

Daß damals auch der König von Frankreich Felix feinen Ge horſam für 30,000 Goldgulden anbot und ihn nur, weil er fie nicht erhielt, fallen ließ, ift dem Enea Silvio”), in veflen Werlen oft pie vagſten Gerüchte mit hiftorifcher Beftimmtheit ausgefprochen wer- den, mehrmals nacherzählt worven. Daß inbeß ber König gegen Eugen gereizter wurde, feitvem biefer ven Feind ber Anjou in Neapel anerlannt, vie Beitätigung der Sanction dagegen verweigerte, das wird bie Gefchichte ver nächſten Jahre beweiſen.

So entfhwand für das basler Eoncil eine Hoffnung nach ver andern. Außer Savoyen und der Schweiz erfannten nur ein paar ventfche Mächte Felir noch an; es konnte ihn wenig tröften, wenn auch im Juli 1443 die Herzoge von Pommern ihm den Gehorfam entbieten ließen. Freilich rühmte ex fih, auch in Böhmen, Polen, Schottland und im Lande des deutjchen Ordens als Papft zu gelten, aber nicht nur bier, felbft in feiner nächiten Umgebung ftieß er oft auf Zeichen ber gröbjten Mifachtung, und Einkünfte hatte er von nirgends ber‘). Natürlich ermutbigte die Ummanplung ver Dinge in Stalien biejenigen, welche in Deutfchland zu Gunften Eugen’s die Neutralität untergruben.

1) Patric. cp. 134; Scarabelli I. s. c. p. 296.

?) A. 8. de vir. clar. XXII.

?) Europa cp. 42; Pii II, Comment. p. 183. Patrizi und alfo auch wohl Segobia, der befte Kenner dieſer Unterhandlungen, wiſſen nicht® bavon.

*) Patric. cp. 189; Scarabelli p. 288.

nn

21*

TE 5,, Wie Eugen und wie die Basler den Reichstag beſchien. 325

0 2 perſönliche Gegenwart des Königs IR WR ORRIRRD: —— ta —— e ein neuer Tag gehalten werben ). 1b aber. bie Heutzatität mit der Kuofährung ihres Gon- Aplanes jäumte und zögerte, waren bie Parteien im Stillen deſto —— Bon Eugen wurde zum nürnberger Tage al gejenbet, ber, feit er zum erften Male Deutjchland ea Yun des Schisma auf feinem beutjchen ı durfte. Dennoch war ihm das Verhandeln n Körperichaft in innerfter Seele zuwiver®). m zühen König, ver aus Beſorgniß etwas zu rien, cs aufo unb Yanzn ü, u en zu ben Prälaten, age en eat

———— iugart nn mad den Jahren gen wi ce Be

p. 136; A. 8. Comment. ed. Fea p. 84; Miällner Anna- en Keihftatt Nürnberg (Mie. d. nilrub. Archivs) Tb. II. ad

1 inimieus. A. 8. 1. 6. in; drei ——

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1. 5. Plan eines Fnfteneongreies zur Hebung des Cihism. 399

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in Gent haar rn für päpſtliche Geſinnung trat erſt noch der Widerſtand der Kurfürſten zu fürch— zit hoffen war, dann energiſch, während den nähen Sul im eine Stufe des Ehr-

t ließ, und endlich rüdfichtslos-herbe, e der Rec, en Be, Aare

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1. 6. Enea's neue Stelluug und Abreiſe von Rom d, L. April 1445. 343

viele andere, bie aus bem basler Heerlager zur italienifchen Curie binübergewandert waren. Wie Sclid in Florenz, fo ſchloß er in Rem den geheimen Bund, ver ihn als Werkzeug ver päpftlichen Entwürfe gegen die deutſche Neutralität in Pflicht nahm. Eugen ihm felbjt ven Poſten angewiefen, auf dem es im Kampfe für. * Kirche manchen Lohn zu verdienen gab: er ſollte ſein Kaiſerhofe, der Freund der römiſchen Legaten, das ita- Auge und Ohr in deutſchen Landen, ver Gehülfe ver zar— tem und verſchwiegenen Verhaudlungen mit König Friedrich fein, im meutwalen Yande burfte er auch die neutrale Maske noch) nicht ganz fallen laffen, ver Hugenblid, wo man ihn als Apoftaten erfannte, blieb noch aufgejchoben,

Einſt traf Enen im Palafte des Carbinals von Aquileja mit Barentucelli zujammen, feinem ehemaligen Genoſſen im Dienfte Ulbergata’d, ver wie jein Herr jtets eim heftiger Gegner des Con— cile geweien und nun zur Belohnung feiner Irene Biſchof von Bologna geworben war, Gnea trat freundlich zum Gruß auf ihn zu, jener aber ergriff weber die bargebotene Hand noch erwiederte er das begrüßenve Wort, er glaubte ihn noch unter dem Anathent. Es erfolgte eine Ausjöohnung, aber ein jtilles Miftrauen gegen den Gomvertiten konnte PBarentucelli niemals überwinden.

Wiederum jchlug Eugen’s Antwort das Concil in Deutſchland gerabezu ab, weil nicht den Frieden ber Kirche, jondern nur größeren Zwieipalt ‚herbeiführen könne. Das war vorauszjufehen. Aber ſchon war ver Vorfchlag des Neichstages nur dem Scheine nach Gegenſtand ver Unterhandlung: ſtatt Eugen mit vergeblichen Worten Das Goneil anzuratben, jcheint ihm Enea bedeutſame Finger zeige > zu haben, wie man auf anderem Wege die deutjchen wieder an ven römiſchen feſſeln könne. Cr verlief Rom im der heiterjten Laune am 1, April 1445, verweilte kurze Zeit in Siena, wo er feinen alten Vater zum legten Male ſah, und banın eilig heim, Denn ſchon folgten ihın vie Gefandten, die Eugen am ven König richtete, der Bifchef von. Bologna und Carvajal, auf dem Fuße‘).

= Huf einem Reichstage zu Frankfurt jollten vie Antworten aus Rem und Bafel berichtet werven, inzwijchen war eine ängitliche Pinrftilfe eingetreten, wie jie Kataftrophen vorherzugehen pflegt.

ı A. 8, Comment, ed. Fea p. #3—9%0; Pii II. Comment. p. 10.

IL 6. Die Artilel des unlöniglichen Vertrages. 341

wm Bifitation der Hlöfter in ihren Erblanden dem vömifchen Stuhle geignete Perfonen vorzufchlagen ').

Dan ertennt an diefen Bedingungen ven unköniglichen Sinn ad bie traurige Abhängigkeit Friedrich's von feiner Hofumgebung. Die Erklärung, vie er als vömifcher König geben will, verkauft er Ws Herzog von Defterreih. Nicht eine Beitimmung, vie über eine Erblande hinaus fich auf das Neich, über feinen Privatvor- bel hinaus fich auf vie Freiheiten ver veutjchen Kirche bezöge! Selbit für feine Nachfolger (in Dejterreich natürlich) wirkte Friedrich mr ein Recht aus und ein wie geringes! Wer fähe Hinter ven audert Beneficien nicht die gierigen Hände feiner Nathgeber , vie, ver Reichscanzler voran, bejier auf ſich und ihre Verwandten ale mf ven König und feine Ehre bedacht waren! Hundert Pfründen mr Kicchenämter und bazı bie Ausficht auf ein Bisthum! Im beiten Fall Lonnte ver König mit jenen bijchöflichen Infeln oder imen Pfründen einen einträglichen Handel treiben. Der römifche Stuhl aber opferte eigentlich nichts auf, worauf er rechtlichen Un- Wen machen durfte: die Verleihung von Beneficien ſtand ihm, euch abgejehen von der mainzer Sanction, nur in wenigen Aus⸗ uahmefällen zu, vie Nomination für bie genannten Bisthümer ge- hab nur auf Koften ver betreffenden Eapitel, und das Vifitations- wit gehörte zur bijchöflichen Jurisdiction. Der Bapft übertrug af einen weltlichen Fürften, was er der Kirche erjt entreißen mußte. Irevrich erwarb echte, die er gegen Bifchöfe und Capitel nur wmittels feiner Ianvesherrlichen Autorität und Gewalt geltenp wachen konnte, denen Rom nur den canonifchen Schein, vie Beſchö⸗ Wung der Gewalt zuſetzte.

Gleichſam als hätte Eugen gefühlt, daß er die Stimme bes Umiihen Könige zu wohlfeil erfaufte, fügte er den Bejtätigungs- lallen noch eine Gnade hinzu. Es fcheint nämlich nicht, daß unter ka Beringungen Friedrich's auch eine war, die feine Kaiferfrönung kanal. Während jene drei Bullen ausdrücklich als Bewilligung Anträge erſcheinen, geſchieht in dem apoſtoliſchen Schrei-

lae vem 31. Jan. 14467) keine Erwähnung eines Antrages, was

) Die Bullen vom 3. 4. und 5. Febr. 1446 in Chmel's Materialien J. wo. 72-74. Möglich, daß zu diefen drei Bullen noch andere kamen, bie uns ER erhalten fin.

) ibid, nro. 69; Chmel Regesta nro. 2303.

350 II. 6. ug ladet bie Erzbifchdfe von Trier und Edle vor 1445

Stiluft, pie über ver veutfchen Kirche lagerte, den Feuerbrar Unter ven treulofen Fürften und Gemeinwefen, Sölpnerführern m Sölonerbanden Italiens, angeftachelt durch ven Rath von Cart nälen wie der von Taranto und Aquileja, an fich erbittert mm rückſichtslos, hatte er längft die Politik der Bewaltftreiche lieb g wonnen. Er ließ bie Erzbifchöfe von Trier und Edln, % Häupter der Gegenpartei, durch feierlichen Anfchlag an bie Pforke von S. Peter vor feinen Nichterftuhl vorladen, er brobte Entfegung und Bannfluch, werm fie nicht gehorchten.

Mehr als die Bedrohten ſelbſt geriethen ver König umb I von Eugen gewonnenen Räthe in DVerlegenheit. Ste waren vorhe nicht einmal unterrichtet worden. Der wagende Papft wollte ir Schreden feine Getreuen von ven Rebellen fonvern und ben Alıl zur Erklärung drängen. Es fei nichts Neues, äußerte Enea gegen ven Cardinal von Amiens, fchon unter Kaifer Lothar (863) felen Wi Erzbifchöfe von Coln und Trier einmal entjeßt worben. Aber in alla Dingen müſſe man zweierlei erwägen, ob es gerecht und ob es am führbar fei, was man beginne; wenn beides ver all, fo ia man die That nicht tabeln. In einem Briefe an Campiſto abe fügt Enea feine Meinung hinzu und will fie gerabe ven Cartinäie von Amiens und Como mitgetheilt haben: „Ob Gutes ober Schl mes daraus entfpringen wird, weiß ich noch nicht; denn nicht bewd hauchende Winde, fonbern durch Artfchläge wird bie feſtgewurzch Eiche geftürzt. Was aber eure Art vermag, das könntet ihr bee wiffen« ').

Unter den Kurfürften blieb e8 immer noch ftill wie zwor; we von ihren heimlichen Verbindungen nichts wußte, Tonnte glanbek der angebrohte Bann habe fie gelähmt“). Eugen’s Freunde I Wien wünfchten ſich ſchon heimlich Glück zu der Lage ver Ding und zu den blühenden Ausfichten, vie fie bot; unter jenen Parteb gängern war Enea Silvio an Thätigkeit und Einfluß bereits be erfte. Rühmend und triumphirend fchrieb er an feinen hoben Ale ner in Rom, ven Carbinal Le Jeune: "So viel folft ihre vom un wiffen, daß ©. Königl. Maj. eurer Partei geneigt ift und fich DEN giebt, daß ihr als Sieger hervorgeht. Wenn das noch eine Weil

') A. 8. epistt. v. Ende Aug. und v. 13, Sept. 1445. ) A. 8. Francisoo cuidam v. etwa 18. Gept.: Eleotores quidam, @ sornus contra Regem elevabant, humiliores faoti sunt et animo frseti.

ve u er

13. Sept. 1445. an Campifio v. Ende

352 II. 6. Enea's Denfjchrift 1446. =

dunkle Andeutungen bereits zugefommen zu fein: in Coln fprach man von ber bevorftehenven Krönungsreiſe des Könige. Enen, ver es durch den Stadtjchreiber Freund erfuhr, bemühte fich, dieſe Kunde als leeres Geſchwätz hinzuftellen, das ſich auch wohl in Wien hören (affe '). Auf dem Reichstage, der zum Frühling 1446 berufen war, follte nad dem Wunſche der Engenianer die Erklärung bes Königs erfolgen, alfo auch, wenn er fie wagte, ber Zuſammenſtoß. Daber fuchte ihm Enea in einer Denkſchrift VBorftellungen einzu⸗ flößen, die ihm im Kampfe gegen bie widerjpänftigen Reichsfürſten Selbftvertrauen, Muth und königlichen Stolz geben follten, er wib- mete ihm die Schrift rüber ven Urfprung und bie Autorität des römifhen Reichs«?).

Die Grumdanfichten dieſer Schrift find von benen des Benta: (ogus ebenfo verfchieden, wie Die bes Pentalogus von jenen Dialogen, die Enea noch in Bafel zur Vertheivigung der Concilienautorikät fchrieb. In letzteren fteht er mit beiven Füßen auf Seiten ber Neformpartei, im Pentalogus mit einem Fuße in Bafel, mit dem anbern in Rom; jett hören wir von ihm zum erſten Male bie jchroffen und iveologifchen Grunbfäge, bie er vom apoftolijchen Stuhle aus nicht fchärfer und unbevingter haffen konnte. Bei ihm ging ftets der Ehrgeiz des Schriftjtellers neben dem des Staate- mannes ber, er buhlte durch die Erzengniffe feiner Feder um einen Einfluß, den er in ver That weit mehr durch feine Gemanbtbeit und Schlauheit erlangte. Wiederum fucht er ven Blick des Könige von feinen Gärten in Nenftabt und von ben Einkünften Steier’s ab» und auf vie NReichsgewalt, zumal auf Italien, zu Ienlen, er fenert ihm zu einer faiferlichen Politif an, freilich in einer ganz andern Weife, als vor einem Jahrhundert ein Dccam: oder Lupold von Babenburg. Die Romfahrt und vie Kaiſerkrönung ſchienen feit vem Bertrage mit Eugen in naher Zukunft zu liegen, aber bie Erklärung Friedrich's für Eugen und die Ueberwindung —— fürſtlichen fürſtlichen Oppoſition mußten vorausgehen.

") Be an Freund v. 8, März 1446,

) De ortu et autoritate Romani Imperii, gebrudt in (Goldasti) Monar- chiae 8. Rom. Imperii T. II. p. 1558, hier batirt: Wien ben 1, März 1445, im 6. Sabre ber Regierung bes Könige, Am 1. März 1445 befanb ſich aber Enea zu Rom; die Negierungsjahre Friedrich's rechnet er wohl, wie biefer in feinen Urkunden ſelbſt, vom Tage der Annahme der Wahl, vom 6. April 1440, Mithin ift der Tractat vom 1. März 1446 zu bativen und dadurch erbäft and jeine Tendenz erft das rechte Licht,

I——

"IL 6. Enea's Dentfhrift 1446. 853

Daher fpricht Enea in ver Widmung feiner Schrift von ter Unwiſſenheit oder dem aufrührerifchen Sinn böſer Menfchen, welche Böller und Fürften für fo frei erklären, daß fie dem römifchen Reiche nicht zum Gehorfam verpflichtet feien, daß vielmehr ver Kaiſer gewilfen Befchränkungen unterworfen fei und ihre Privilegien achten muſſe. Dagegen wird das inhaltichwere Bild des fiebenten Gregor von ven beiven Leuchten ver Welt ausgeführt. Wie in geiftlichen Dingen alle Könige und Fürften fi dem Bifchofe von Rom zu unterwerfen haben, fo in weltlichen dem römifchen Könige. Ihm müffen fie einen folchen Gehorſam zollen, wie fie felbft ihn von ihren Untertbanen forvern, er varf fie züchtigen, auf feinen Ruf müſſen fie zum Kriege kommen, Truppen fenven, Steuern zablen u. a., alles wie er es befiehlt. Ihre Rechtshändel gehören vor ihn, es giebt feine Exemtion vom Reiche, fein Urtheil muß jever geduldig ertragen und bie Entjcheivung des Nachfolgers ober vie des höchſten Nichters abwarten. Bon feinem Spruch darf nicht appellirt werben, weil er vie höchite Inftanz iſt. „Wie es in geilt- lichen Dingen ein Haupt giebt, von welchem niemand appelliren darf und an welches von Allen appellirt wird, iſt es nicht ziemend, es fo auch in weltlichen Dingen zu halten? ‘Des römifchen Bifchofs Richterſpruch darf niemand zu untergraben fuchen (ungefähr je (autete Pins’ Bulle Execrabilis!), des römifchen Königs Willen parf niemand anfechten.“ Er varf Gefete.geben, auslegen, ver- ãndern, abjchaffen, wie es ihm gut dünkt. Zwar ijt es ein ſchönes Ding, wenn Billigfeit und Gerechtigkeit ihn dabei leiten und wenn er felbft ſich an Gejege binvet, aber er ijt ihnen veshalb nicht unter- worfen, er ift „Herr der Geſetze.“ Alle Privilegien, welche feine monarchiſche Gewalt einfchränfen, haben feine Gültigkeit, fie würpen zum Umfturz ber Neichögewalt führen und bie Gewalt hat ver Herr zur Aufbauung, nicht zur Zerſtörung verliehen“ ').

Mit dieſen Grunpfägen von abfoluter Staifergewalt, benen ana- (og Enea auch ven Abfolutisinus des päpftlichen Stuhles predigte, war die Phalanr feines Syſtems eine gefchloffene. Alle feine ſpä— teren polemifchen Schriften verfünven dieſelben Site mit benfelben Argumenten, mit berjelben Rhetorik. Seinem Laien- Ehrgeiz hatte bie fefte Bahn gefehlt; die Conjequenz fand fich ein, ſeitdem er ben geiftlichen Character auf fich genommen.

) 2. Korinth. 13, 10 nach ber Bulgata. Boigt, Enea Silvio. 1. 23

354 I. 6. Der gefcheiterte Reichötag von 1446.

Die gewaltigen Unfprüche aber, die Enen dem König im jener Denkfchrift einzuimpfen ſuchte, -erfcheinen höchſt lächerlich im Ber- gleich mit ber wirklichen Stellung ver Neichögewalt und mehr noch, wenn man fie gegen bie Heinen und befcheivenen Gedanken Friedrich's abwägt. Dort prahlerifche Worte, bier furchtfames Zagen, dort eine welterobernde Theorie, bier fleine Mittel der Lift und Intrigue, dort ein aus göttlihem Recht entftammenver Stolz, hier bie frohe Genügſamkeit, ven gefährlichen Plänen der deutſchen Kurfürften noch einftweilen auszuweichen.

Über nehmen wir den Faden ver Erzählung wieder auf. Wäb- rend ber unbeimlichen Stilfe, die über ven bentjchen Kirchenparteien bis zum Frühling 1446 lag, vernahm man beiverfeits nur in bun- fein Gerüchten von dem, was ber Gegner im Schilde führte. Die Bullen, welche den Vertrag des Königs mit Eugen abfchließen follten, famen nicht an, auch von ven Wenigen, bie darum wußten, zumal von Garvajal, Feine Kunde. Mit Ungeduld wurde er am Hof er- wartet, ver beftimmte Termin war ſchon vorüber '), der König ein- gefchüchtert.

Zum 6. März 1446 war der nürnberger Reichstag, Friedrich's zehnter, angekündigt worden. Bon Neuem ermuthigt wollte das basler Concil wieder Geſandte ſchicken, e8 bat ben König um einen Geleitsbrief für fie und um envliche Beilegung des nun ſchon fechsjährigen Zwiftes. Auch an den Canzler Schlid wandte es ſich, gerate an ben umrechten, mit ver Bitte, jenen Geſandten und dem Concil beizuftehen?). Die Antwort des Hofes war falt und ausmweichend. Der König habe ftetS nur gewünfcht, daß das Anfſehen ber Kirche zugleih mit dem des apoftolifchen Stuhles in Kraft bleibe; eines Geleites aber bevürften vie Geſandten nicht, benn ber nürnberger Tag fei aufgejchoben worben®).

——. .

') ut scire possunt, qui conventiones norunt hic habitas, fo mahnt Euea am 6. März 1446 Campiſio. Und Carvajal bat er bringend, nicht zu ſäumen, er verhehlte ihm feine Beforgniffe nicht: Utinam quod tibi incumbebat, bene absolveris! Nur dieſe beiten Andeutungen bezeugen uns, daß Einen in ben ganzen Handel eingeweiht war, fonft verliert er nirgends ein Wort darüber. Die Lüde, welche dadurch in feiner Erzählung entfteht, tft befonbers in den an Carvajal gerichteten Commentarien recht auffällig.

?) Die Schreiben v. 13. und 16. Ian. 1446 in Ehmel’s Materialien I. nro. 66. 67.

) Enea im erwähnten Brief an Campifio.

I. 6. Sqchabder Berlanf ver Gehorfamseriärung 1446. 355

Aufgeſchoben worden das hatte man nun ſchon ſo oft er⸗ lebt, daß ſich niemand mehr darüber wunderte oder ärgerte; hatten ja doch die aufgeſchobenen oder aufgehobenen Reichstage denſelben Erfolg wie die abgehaltenen. Diesmal aber war der Grund die Furcht, die Friedrich vor den Kurfürſten hegte, wenn er mit einer Declaration hervortrat. Er hatte ſchon den Canzler und den Bi⸗ ſchof von Chiemſee nach Nürnberg geſendet, letzterer erhielt nun den Auftrag, die geiſtlichen Kurfürſten am Rhein zu beſuchen und ihnen die Vertagung anzuzeigen, nebenbei ſollte er ſie wohl aus⸗ forſchen. Gerade die Glieder des heimlichen Bundes hatten nicht gejäumt, ihre Abgeordneten nach Nürnberg zu ſchicken, bie drei geiſt⸗ lichen Kurfürften, ver rheiniſche Pfalzgraf, der Herzog von Sachſen, der Hochmeifter des Deutfchorvens'). Mit vem Neichdtag war auch der Entfchluß des römijchen Königs wieder vertagt, darum Enen’s bittere Witzeleien: ein Reichstag gebäre immer ben andern, des⸗ Halb ſei auch ihr Name (diaeta) weiblich; damit viefe Gewohnheit nicht untergebe, ſei auch ver nürnberger Weichötag, der neutriur generis (Unfpielung auf die Neutralität) angezeigt war, aufgehoben worben, nm wieber jenen fruchtbaren Tagen Plag zu machen”).

Endlich Tamen im März vie verheißenen Geſandten Eugen’s an ben Hof, der Bifchof von Bologna und Carvajal, fie brachten die Beftätigungsbullen für die obenerwähnten Bortheile, um welche Friebrich dem römischen Biſchof feine Gehorſamserklärung verfprach. Erinnern wir und aber, daß Eugen noch von gewillen andern Ca⸗ piteln fprach, zu beren Ausfertigung vie beiven Geſandten Vollmacht erhielten. Pfründen und Bisthümer vergeben, Klöfter vifitiren laſſen zu dürfen, das waren allervings nur bie ehrenhafteften Bebingungen jenes Vertrages. Selbft die 100,000 rheinifchen Gulden, die Eugen als Beiftener zum Krönungszuge verjprach, eine winzige Summe, wo bie beiden „Leuchten ver Welt» mit einanver markteten, waren uoch nicht des Vertrages Stern. Diefen durch eine feierliche Bulle auszufprechen, fchämte fich ver Papft; denn es war ein nadter und ſchnöder Berkauf ver Gehorfamserllärung, um Geld, ohne Borwand, ohne Beſchönigung. Das fehmusigfte Gefchäft fchloffen jeist vie beiden Geſandten bei ihrer perfönlichen Anweſenheit ab.

y Müliner in den nürnberger Annalen fpricht von biefem Tage irrig ad a. 1447. 9 A. 8. epist. ad Joh. Freund v. 8, März 1446, 23*

356 II. 6. Schnöber Verlauf der Gehorfamserfiärung 1446.

König Frieprich verkaufte feine Obedienz für 221,000 Ducaten. Davon follten 121,000 fogleich d. h. nach erfolgter Declaration aus⸗ gezahlt werben, für vie übrigen 100,000 verpflichtete der Papft mit Unterfchrift ver Cardinäle ven apoftolifchen Stuhl, jeine Nachfolger. Der Töniglichen Erklärung ward eine beftimmte Frift gejegt. Das Document darüber, einfache Papierzettel, wurde vom Bifchof ven Bologna und von Carvajal mit ihren Geheimfiegeln bekräftigt und in eine Stapfel verjchloffen dem Prior des Carmeliterkloſters zu Wien übergeben, damit er es dem Könige gleich nach ber Erklärung ausbändige '). Der Vertrag blieb nicht auf dem Bapierzettel, das Geld wurde in der Folge wirklich, wenn auch nicht vollftändig, aus- gezahlt. Ä

Seitdem fich Friedrich der römifchen Curie verfchrieben, über: ließ er fich gänzlich ver Hofumgebung, vie bei der Sache ins Ber: trauen gezogen war. Enea ftieg num zu geiteigerter Gunſt empor, in feiner und in des Ganzlers Hand lag fortan ver Zügel der Tirdy- lichen Wgitationen, infoweit fie vom römiſchen Könige ausgingen. Mit den beiden päpftlichen Unterhänplern im volliten Einverftänd- niß erwarteten fie den Ausbruch des Kampfes gegen bie Kırrfürften.

Don biefen Zeitpunct an Hört eine ver ergiebigften Duellen unferer Gefchichtserzählung nach und nach auf zu fließen, vie Briefe nämlich des Enea Silvio; denn feit er als felbftftändige Perfon im Getriebe der Handlungen ſtand, fchrieb er weniger und ungleich vor- fichtiger; feit er ganz ver päpftlichen Partei angehörte, färbt auch feine Gefchichtserzählung oft genug ber Parteigeift.

) Die Berfaufsfunme und den Hauptinhalt ber Abmadjung giebt uns ber unfhätbare Brief Gregor Heimburg’s an (Beilage II). Heimburg gehörte zu ben Juriften, die wie Lyſura, Leubing, Martin Meier, in bie gebeimften Reichsgeſchäfte und Hofcabafen oft tiefer eingeweiht waren wie ihre Herren. Ob⸗ wohl er oft ein Gegner des Kaifers und flets ein Feind ber Päpfte war, iſt an der Wahrheit feines einfachen und fpeciellen Berichtes nicht zu zweifeln. Jene Papierzettel find begreiflicherweife nie an's Tageslicht gelommen. Dennoch man- gelt es nicht an urkundlicher Beftätigung. Ehmel hat in feinen Materialien L nro. 65 und II. nro. 75. die VBeftätigungen jener capitula sive appuntuamenta durch Eugen IV. v. 12. Jan. 1447 und burch Ealirtus IH. evirt. Es bebarf kaum ber Erwähnung, daß Enea Silvio von biefen Dingen forgfältig ſchweigt, viel- leiht war in dem zu Würzburg verloren gegangenen Tagebuche Heimburg’s Davon bie Rebe.

I. 7. Eugen enifeht bie Kurfürſten von Coln und Trier. Febr. 1446. 357

Siebentes Capitel.

Eröffnung des Kampfes durch Eugen. Der frankfurter Kurverein gegen ihn und den König.

Nun fchleuverte Papft Eugen mit fühner Hand ven erſten Blitz in bie ſchwüle Atmosphäre. Seine Bulle vom 9. Februar 1446') ertlärte die Erzbifchöfe Dietrich von Coln und Jacob von Trier für abgefegt, er nannte fie Ketzer und Schismatifer, Rebellen gegen ihn und bie römische Kirche. Zugleich gab er die Erzbisthümer an Verwandte des ihm ergebenen Herzogs von Burgund, Cöln an Her- zog Abolf von Eleve, Trier an ven Bifchof Johann von Cambray. Die Abfeßung und der Bann gegen zwei neutrale Kurfürſten er- regten trotz ber vorbergegangenen Citation dennoch WVeberrafchung und Schreden. Nach Enea's Meinung hat viefer Schritt ven Papite fehr geſchadet, weil vie Beiden in ber That ihre Kirchen behielten und nun feine unverföhnlichen Feinde wurven*). Er liebte die bi- plomatifchen Wege, Eugen vie ver fchnellen Entjcheivung, für letz⸗ teren jprach diesmal ver Erfolg.

Beftürzt, aber auch heftig gereizt turch Eugen's Gewaltthat famen die Kurfürften in Frankfurt zufamnıen, ein vollftändiges Collegium, wie es noch fein vom Könige berufener Reichstag bei einander gefehen. Die vorberjten und thätigften waren natürlich bie von Cöln und Trier. Wir fennen bereits die biplomatifche Ab- gefeimtheit Jacob's von Sirk; den cölner Erzbifchof Dietrich, einen Strafen von Moͤrs, zeichneten andere nicht minder glänzende Eigen- haften aus. Er war ver ältefte unter den Prälaten Deutſch⸗ lands, leitete fein Erzbisthum fchon feit 32 Jahren, fchön und würdig von Anfehen, einnehmend im Gefpräch und hervorragend in glänzenter Hofhaltung. Stattlich faß er zu Roß, galt als erfah-

nn

1) bei Raynald 1446 nro. 1; Müller Reichetagetheatrum S. 276. 842; Schaten Annal. Paderborn. P. II. p. 629. 636. ) Comment. ed. Fea p. %, Frid. II. p. 120,

358 U. 7. Die Kurfürften von Eöln und Mainz. Kurfürftenvereine.

rener Feldherr und führte felbft mit jugendlicher Leichtigfeit vie Waffen. Nach Enea's Urtheil dürfte er „von allen beutfchen Für: jten leicht der erfte feiner Zeit gewefen fein‘). Aber bet ihm wie bei Jacob von Trier fpielte das Geld unter ven Intereſſen vie Hauptrolle, darum war ihnen ber basler Schattenpapft bequemer ale das koſtbare römische Curialſyſtem. Hinter ihnen ftand ver mainzer Erzbiſchof an Kraft der Perfönlichleit weit zurüd, fie führ- ten ihn, wie man fagt, im Schlepptau. Wie bie drei geiftlichen, fo famen auch die brei weltlichen Kurfürften in Perfon nach Frant- furt, Pfalzgraf Ludwig bei Rhein, Friedrich von Sachſen und Friedrich von Brandenburg. Unter ihnen allen herrichte eine wunderbare Einigkeit. Der Bifchof von Chiemfee, ven der König nach dem Rhein gefandt Hatte, um ven Aufſchub des nürnberger Tages anzu⸗ zeigen, fand Hier eine Verfammlung, die vom König weber berufen war noch vertagt werben konnte.

Kurfürftenvereine weiß vie Reichsgeſchichte in vereinzelten Fällen ihon feit mehr als einem Jahrhundert nachzuweilen. Staatsrecht⸗ lich ift e8 eine fchwierige Trage, ob fie überhaupt wider Willen und gar wider Willen des Kaifers gehalten werben bürfen. Gegen die goldene Bulle, vie (cap. XII.) nur ſolche Fürftenverfammlun- gen ins Auge faßt, die unter Faiferlicher Autorität berufen und ge- halten werben, was beſonders aus ihrer lateinifchen Faſſung erficht- lich ift, ftreitet bier eine feit dem Tode Karl's IV aufgelommene Reichsobſervanz, die indeß, immer bebenflich, dann ohne Zweifel eine mißbräuchliche genannt werden muß, wenn bie Kurfürſten auch andere Stände zu ihrer Zuſammenkunft einluden. Die gegen Wenzel und bie in den huſſitiſchen Unruhen gefchloffenen Kurvereine waren Erforverniffe ver Noth in den gefeglofeiten Zeiten, niemand fragte daher nach ihrem Recht. Die Grundlage des jegigen Zufammen- tretens der Kurfürften war der am 17. März 14388 zu Frankfurt gejchloffene und dann mehrmald erneuerte Kurverein, ihn Yatten ziemlich dieſelben Fürften unterzeichnet, nur ftatt des Pfalzgrafen Ludwig fein damaliger Vormund und ftatt des trierer Erzbifchofe fein Vorgänger Raban. Seit ven XThronerlenigungen nad Sig- mund's und Albrecht's Tode betrachteten fich die Kurfürſten als eine Reicheoligarchie, vie einzutreten habe, wenn ihr ober ihrer Glieder

) Comment. in Anton. Panorm. II, 40, Europa cp. 86; Pii IL. Com- ment. p. 300.

I. 7. Der Kurverein vom 21. März 1446. 358

Dieht in Gefahr ſchwebte oder auch wohl, wenn ſich ver Kaifer TAumig zeigte.

Im Kurverein nun vom 21. März 1446') erklärten fich

Sie Kurfürften von Gott dazu "georbnet und gewirbigt,s in bie ebrechen der Kirche ſowohl als in die des Reiches einzugreifen. Jede Irrung ober Gefährdung der guten Freundſchaft unter ihnen ſoll durch Auftregal- und Schievsgerichte, aljo mit Umgehung ver föniglichen Gewalt, beigelegt werden. Wenn irgend jemand, nie- mand ausgenommen, einen ver Kurfürjten in jeinen Herrfchaften oder in feinen Rechten angreife, fo wollen alle ihm beiftehen, wenn er fich nur vor ihmen zu Recht und Gericht erbiete. Im Fall eines Schisſsma in ber Chriftenheit foll der Primas von Mainz vie Fürften zu einem Tage nach Mainz, Frankfurt over Afchaffenburg befcheiven, da wollen fie mit Freunden, Gelehrten und Brälaten über das Schisma verhandeln.

Die Bedeutung dieſes Vertrages ward alfo um fo jchärfer, da jeßt die zu Frankfurt verfammelten Kurfürften fofort in bie Junction eines Gerichtöhofes traten. An vemfelben Tage, an wel- chem fich das Gericht für competent erklärte, am 21. März, wurbe auch die gejetliche Norm publicirt, nach welcher es urtheilen wollte, ein Beweis, daß die Führer des Bundes ven Befchluß fchon fertig mit fi) gebracht hatten. Wir theilen bie Artikel diefer Weberein- funft in Forderungen an Eugen, Forderungen an das basler Concil, Beitimmungen über ein neues Concil und Normen, wie der ganze Bertrag ausgeführt werben foll.

Eugen foll durch Gefundte aufgeforvert werben, das zu Coftnig erlaffene und zu Bafel erneuerte Decvet über die Gewalt eines all- gemeinen Concils anzuertennen. Er foll ein folches Concil auf ven 1. Mai 1447 zu Coſtnitz, Straßburg, Worms, Mainz over Trier berufen, um vafelbft ben Frieden der Kirche Herzuftellen. Er foll ferner die Decrete des basler Concils beftätigen, inſoweit jie von König Albrecht und den Kurfürften in der Sanction vom 26. März 1439 angenommen wurben. Die Bullen über dieſe drei Yorberun- gen bat er ven Kurfürften zu Frankfurt bis zum 1. Sept. 1446 zu überantworten. Thut er es, fo foll ihm bie zur Entſcheidung des neuen Concils als Bapft gehorfamt werben. Treffen aber bie

) Die Documente in Müller's Reichstagstheatrum S. 305. 278, in Gu- denus Cod. dipl. T. IV. nro. 134. \

360 II. 7. Der Kurverein vom 21. März 1446.

Bullen bis zu jenem Xermin nicht ein, fo nehmen die Kurfürften an, Eugen wolle die Gewalt ver heiligen allgemeinen Eoncile unter- brüden, und wenden ſich an das basler Eoncil. Wir finden unter diefen Bedingungen die Reititution ver beiven abgefehten Kur⸗ fürften nicht erwähnt, fie wurve alfo wohl entweder in einen Neben- artifel gefordert ') oder man betrachtete vie Abſetzung fo fehr als ungültig, daß man ver Wiebereinfegung fchriftlih gar nicht ge- bachte.

Wenn Engen fich weigert, fo fordern die Kurfürſten pas Eoncil zu Bafel auf, e8 möge in einer Bulle verfprechen, ſich zu verlegen, Zeit und Ort des neuen Concil8 aber den Kurfürſten zu überlaffen. Auch diefe Bulle foll venfelben Bis zum 1. Sept. 1446 zukommen. Dann foll das Eoncil innerhalb 80 Tagen nach vem 1. Sept. bas andere Concil decretiren, deſſen Zeit und Drt die Kurfürften ale bald bezeichnen werten. Auch wenn Eugen vie Berufung bes neuen Concils zugefagt hat, foll das basler Concil fih an den Ort beffel- ben verlegen und feine Anhänger binberufen. Doc foll Felix weber zu Bafel noch auf dem andern Concil irgend eine Art von Vorfig oder Obrigkeit führen. Unter dieſen Bedingungen wollen bie Kur- fürften bis zur Erklärung bes neuen Concils dem basler gehorjamen und folches bei ihrer Wieverzufammenkunft in Frankfurt bekennen.

Entweder alfo auf Berufung Eugen’s oder auf vie bes basler Concils wird das neue Eoncil zufammentreten. Es foll fich im Beifein des Königs, falls dieſer dem Vereine beitritt, jebenfalls aber im Beifein ver Kurfürſten over ihrer Vertreter über das Kir: chenſchisma erklären. Die Kurfürjten wollen feine Befchläffe als vechtegüftig annehmen. Sie verfprechen einander, daß Feiner gegen pie Partei, für welche es fich erklärt, handeln werbe.

Um viefe Maaßregeln fo Eräftig als möglich ins Leben treten zu laffen, ſendet jeder der Kurfürften einen oder zwei, aber nicht mehr Vertraute zum König und bittet ihn, ihrem Vereine Beizu- treten und ihre kirchlichen Beſchlüſſe mitzuunterfchreiben. Nimmt ber König ihre Vorfchläge an, fo foll eine pragmatifche Sanction darüber abgefchloffen und dieſe von Eugen over vom basler Concil, welchem von beiden man zufalfe, betätigt werben. Lehnt der König feine Mitwirkung ab, fo werben bie Kurfürften nichtsdeſtoweniger

') A. 8. Comment. ed. Fea p. 90 unb Pii II. Comment. p. 11 bejeichuet auch die Kaffation der Proceffe gegen die beiden Kurfürften als eine Bebingung.

II. 7. Der Rurberein vom 21. März 1446. 361

alfein das neue Concil zu Stande bringen. Die an ven König Geſendeten haben dem Mainzer eilig zu melven, was jener geant- wortet,. tiefer tbeilt es fogleich den andern mit. An Eugen gehen von Seiten der Kurfürften drei Geſandte ab und zwar mit ten töniglichen Boten, falls folche gefchiett werveu, damit bie Kurfürſten deſto beſſer unterrichtet werven, was biefen Boten bei Eugen bes gegnen wird. Die VBeglaubigungsfchreiben ber Turfürftlichen Ge⸗ fandten werben nicht von den einzelnen Kurfürften, fondern allge- mein Sacrı Romani Imperii Principes Electores unterzeichnet, wobei es alfo unentjchieven blieb, ob vie abgefekten von Cöln und Trier wmitbegriffen wurven. Die Gefandten follen zum 1. Sept. wieder in Frankfurt fein und Bericht abftatten. Ebenſo werben auch drei Gefandte nach Bafel geſchickt. Bis zum 1. Sept. blei⸗ ben bie Kurfürften bei der Broteftation (dem Neutralitätsverein). Außer dem König wollen fie alle geiftlichen und weltlichen Fürſten auffordern, mit in ihr Verftändniß zu treten. Doch foll jever Fürft, ven man bineinziehe, nur in Gegenwart von zwei Räthen und einem Schreiber davon erfahren, dieſe aber vorher PVerfchwiegenheit ſchwö⸗ ren. Solches haben die obengenannten ſechs Kurfürften - „mit hanbgebenten Treuen gelobt und darnach Tiblichen zu ven Heiligen geſchworen.⸗

Die Stellung, welche die Kurfürſten laut dieſem Bündniß zu den beiden Kirchenparteien annahmen, war dem Scheine nach ziem⸗ lich dieſelbe, die auf ven früheren Reichstagen König Friedrich ſelbſt anempfohlen, ja die Präcedenz, die man Eugen bewilligte, indem man ihn zuerſt befragte, war ein Beweis der Ehrerbietung, den dieſer Antrag vor den früheren ſogar voraus hatte. Dennoch war der Sinn unter andern Verhältniſſen ein ganz anderer. Man war feft überzeugt, daß Eugen entſchloſſener wie bisher, ja mit hoch— fahrender Verdammung der Neutralität, die Geſandten abweiſen werde. In jedem Fall erſchienen auf dem neuen Concil wieder die alten basler Väter, verſtärkt durch Sendlinge ver Kurfürſten. Felix wird ſcheinbar in den Hintergrund geſchoben, aber das neue Concil wird zumeift aus feinen Anhängern beſtehen.

Biel beveutfamer ftellen fich die Kurfürften dem Könige gegen- über: fie wiffen over ahnen offenbar, daß er fich bereits Eugen hin- gegeben, aber fie ignoriren es und bieten ihm ven Beitritt in einen Berein an, der es drohend genug ausſprach, daß er feine Pläne felbft gegen ven Willen: bes Königs ins Wert fegen werde.

369 11.7. Wirkung ber Bullen. Die kurfürſil. Gefanbten bei Friedrich.

Der Bund war furchtbar genug. Eugen hatte fich in feiner Hoffnung auf die Gewalt völlig verrechnet. Niemand zeigte Luft, gegen ven Friegerifchen Erzbifchof von Cöln aufzutreten. Gegen Jacob von Trier verfchworen ſich etwa zwanzig Grafen und Barone per Eifelgegend, um ihn mit Waffengewalt aus dem Lande zu jagen, aber erjchredt jtanven fie von ihrem Vorhaben ab, als er rüftete. Einige Canoniker des Domcapiteld, die an ber Oppofition gegen den Gebannten Theil genommen, wurven ihrer Würben und Pfrün- den entſetzt und irrten hülflos im Auslande umher‘). Davor daß nicht etwa der Herzog von Burgund fich verjucht fühlte, den Bis» thumsverleifungen Eugen’s Nachoruc zu geben, fchügte bie Kur⸗ fürften ihr Bündniß mit Frankreich’).

Drei Boten kamen zu König Frieprich, ihn zur Theilnahme am Kurfürftenbund aufzuforbern, unter ihnen Gregor Heimburg, der farfaftiiche Starfgeift, ver bittere Feind des römiſchen Papſt⸗ thums und des „Mittelmweges« ; er hatte ohne Zweifel fchon auf dem Kurfürftentage eine bedeutende Rolle gefpielt. Sie theilten dem Könige ven Zwed ihrer Sendung nur in Gegenwart von ſechs Räthen mit, die vorher Verfehwiegenbeit geloben mußten. So eben waren auch der Bilchof von Bologna und Carvajal am Hofe an- getommen, fie brachten vie Ratification des Vertrages mit Eugen und brängten zu einer offenen Erklärung für venfelben. Friedrich war in großer Verlegenheit: auf ter einen Seite jchredte ihn ber Trog der Kurfürften, auf der andern mahnte ihn fein verbrieftes Wort, er machte Ausflüchte und half fi durch Auffchtebungen. Den furfürftlichen Boten antivortete er: die Abfegung ber Erz bifchöfe gefalfe auch ihm nicht, noch weniger, daß franzöfifche Prä- laten an ihre Stelle gefeßt feien; man thue vecht daran, für bie Sicherheit der Ubgefegten uud für das Befte ver Nation zu forgen, das wolle auch er und beöhalb werbe er mit ihnen an Eugen fen- den und um Gewährung ihrer Petitionen bitten. Den Eintritt in den Verein aber müffe er ablehnen, denn es erfcheine ihm unwürdig, daß die Kurfüriten ale Richter des Papftes aufträten und mit Ab- fall drohten, wenn er ihnen nicht zu Willen fei. Er hoffe für diefen Fall ehrenvollere Wege einfchlagen zu können, die nicht ein Scandal für die Nation und eine Vermehrung bes Schisma zur

) Gesta Trovirorum edd. Wyttenbach et Mueller II. p. 330. 881. ) 0. 19. und 23. Febr. 1444 bei Hontheim Hist. Trevir, IL. p. 398-

I. 7. Die Gefanbt. b. Kurfürften, Enen u. d. Bitch. v. Bologna n. Rom 1446. 368

Folge hätten. Höchſt unzufrieden mit biefer halben Antwort machten fich die drei Boten fogleich auf den Weg nach Rom.

Den Gefandten Eugen’s gab Friedrich, indem er feine Erflä- rung auffchob, zu veritehen, es möchte nüglich fein, wenn auch einer von ihnen fofort wieder nach Rom ginge‘). Den Auditor bielt ein hitziges Fieber in Wien zurüd, fo rüftete fich der Bifchof zur Reife. Um was es fich handelte, war leicht zu errathen, felbft wenn es nicht verratben worden wäre. Man kann jemand Alles wiffen Iaffen, ohne ihm direct ein Wort zu fagen. Ferner ließ Friedrich den Enea zu ſich rufen und eröffnete ihm ven Beſchluß der Kurfürften; ihn band ja fein Eid, fagt Enea, feinen Fürften entfchuldigend. Er erhielt den Auftrag, dem Papfte vie bringenve Gefahr. zu fchilvern und ihn zu bitten, er möge dem drohenden Sturm ein wenig nachgeben. Schon waren vie kurfürftlichen Ge⸗ fandten um vier Tage voraus, doch nicht ihnen, fondern dem Biſchof von Bologna ſchloß ſich Enea als Neifegefährte an. Diefer, fagt er, „obwohl er nicht Alles wiffen konnte, was die Turfürftlichen Ge— fanbten brachten, vermuthete doch vieles. Warum follte ihn nicht Enen ſelbſt, den ja auch fein Eidſchwur band, von Allen unter: richtet, ja warum follte nicht der "mnvereibigtes König fo gut wie Enea, fo auch dem Bifchof von Bologna fehon zu Wien Alles offen- bart haben? Gerave die Aengjtlichkeit, mit welcher Enea dieſen Verdacht abzumwenven fucht, beftärkt ihn in ung. Unter ven Wenigen, die das ſchmutzige Geheimniß des Vertrages kannten, berrichte na⸗ tũrlich die unbedingteſte Vertraulichkeit. Dazu kamen die gemein- ſamen Mühſale der Reiſe: die durch den Frühlingsregen geſchwellten Bergwaſſer in Kärnthen riſſen die Brücken mit ſich fort, drei Tage lang mußten die Beiden über hohe und unwegſame Felſen, von den Eingeborenen gewieſen, den beſchwerlichen Weg ſuchen. Hier mochte es ſein, daß fie einſt zuſammen in einer elenden Kneipe ſpeiſten und daß, da Enea als Geſandter eines ſparſamen Fürſten wenig Auf- wand machte, ver Biſchof zu ihm ſprach: warum ſollten wir fpar- fam fein, da wit boch beide einmal Päpſte werden?“). ‘Der pro-

ı) A. 8. Comment. cd. Fea p. 91, Frid. UI. p. 121. 122, Pii UI. Comment. p. 11.

) Philelphus, der den Vorfall in ber Oratio consolatoria ad Jac. Anton. Marcellum (Oratt. ed. Paris., 1515 fol. 55) aus unficherer Zrabition überlie- feet, verwirrt ihn gänzli, indem er Enea ale Bifhof von Zrieft mit bem von Bologna zufammentrefien läßt. Damals war aber leiterer bereite Papft.

856 II. 6. Schnöber Berfauf ver Gehorfamserfiärung 1446.

König Friedrich verkaufte feine Obebienz für 221,000 Ducaten. Davon follten 121,000 fogleich d. h. nach erfolgter Declaration aus- gezahlt werben, für vie übrigen 100,000 verpflichtete der Papft mit Unterfchrift ver Cardinäle ven apoftolifchen Stuhl, feine Nachfolger. Der königlichen Erklärung warb eine beftimmte Frift gefegt. Das Document varüber, einfache Papierzettel, wurde vom Bifchof von Bologna und von Carvajal mit ihren Geheimſiegeln bekräftigt und in eine Kapſel verjchloffen dem Prior des Carmeliterfloftere zu Wien übergeben, damit er es dem Könige gleich nach ver Erklärung aushänpige '). Der Vertrag blieb nicht anf dem Papierzettel, das Geld wurde in der Folge wirklich, wenn auch nicht volfftändig, aus⸗ gezahlt.

Seitdem fich Friedrich ver römifchen Curie verfchrieben, über: ließ er fich gänzlich ver Hofumgebung, bie bei ver Sache ins Ber- trauen gezogen war. Enea ftieg nun zu gefteigerter Gunft empor, in feiner und in des Canzlers Hand lag fortan ver Zügel ver lirch⸗ lihen Agitationen, infoweit fie vom römifchen Könige ausgingen. Mit ven beiden päpftlichen Unterhändlern im vollften Einverftänd- niß erwarteten fie ven Ausbruch des Kampfes gegen bie Kurfürften.

Don biefem Zeitpunct an hört eine ver ergiebigften Quellen unferer Gefchichtserzählung nach und nach auf zu fließen, die Briefe nämlich bes Enea Silvio; denn feit er als felbftftändige Perfon im Getriebe der Handlungen ftand, fehrieb er weniger und ungleich vor⸗ ſichtiger; feit er ganz ver päpftlichen Partei angehörte, färbt auch feine Gefchichtserzählung oft genug ber Parteigeift.

) Die Berlaufsfumme und ben Sauptinhalt der Abmachung giebt uns ber unfhähbare Brief Gregor Heimburg’s an (Beilage II). Heimburg gehörte zu ben Juriften, bie wie Lyſura, Leubing, Martin Meier, in bie gebeimften Reichsgeſchäfte und Hofcabalen oft tiefer eingeweiht waren wie ihre Herren. Ob⸗ wohl er oft ein Gegner des Kaifers und flets ein Feind der Päpfte war, iſt an der Wahrheit feines einfachen nnd fpeciellen Berichtes nicht zn zweifeln. Jene Papierzettel find begreiflicherweiſe nie an's Tageslicht gelommen. Dennoch man- gelt e8 nicht an urkunblicher Beftätigung. Ehmel hat in feinen Materialien I. nro. 65 und II. nro. 75. bie Beftätigungen jener capitula sive appuntuamenta durch Eugen IV. v. 12. Fan. 1447 und durch Calixtus III. edirt. E$ bebarf faum ber Erwähnung, daß Enea Silvio von biefen Dingen forgfältig ſchweigt, viele leiht war in bem zu Würzburg verloren gegangenen Tagebuche Heimburg's Davon bie Rebe.

II. 7. Eugen enifeht bie Kurfärften von Edln und Trier. Febr. 1446. 357

Siebentes Gapitel.

Cröffuung des Kampfes durch Eugen. Der frankfurter Kurverein gegen ihn und den König.

Run fchleuderte Papft Eugen mit fühner Hand ven erften Blig in bie ſchwüle Atmosphäre. Seine Bulle vom 9. Februar 1446') erllaͤrte die Erzbifchöfe Dietrich von Coln und Jacob von Trier für abgeſetzt, er nannte fie Ketzer und Schismatifer, Rebellen gegen ihn und die römifche Kirche. Zugleich gab er die Erzbisthümer an Berwanbte des ihm ergebenen Herzogs von Burgund, Cöln an Her- zog Abolf von Cleve, Trier an den Bifchof Johann von Cambray. Die Abfegung und ver Bann gegen zwei neutrale Kurfürſten er- regten troß ber vorbergegangenen Citation dennoch Weberrafchung und Schreden. Nach Enea's Meinung bat viefer Schritt dem Papfte ſehr gefchavet, weil die Beiden in der That ihre Kirchen behielten und nun feine unverföhnlichen Feinde wurden“?). Er liebte bie di⸗ plomatifchen Wege, Eugen die ver fchnellen Entfcheivung, für leß- teren fprach diesmal ver Erfolg.

Beitürzt, aber auch heftig gereizt durch Eugen’s Gewaltthat famen die Kurfürften in Frankfurt zuſammen, ein volljtändiges Collegium, wie es noch Tein vom Könige berufener Reichstag bei einander gefehen. ‘Die vorberjten und thätigften waren natürlich bie von Cöln und Trier. Wir kennen bereits bie biplomatifche Ab- gefeimtheit Jacob's von Sirk; ven cölner Exrzbifchof Dietrich, einen Grafen von Mörs, zeichneten anvere nicht minder glänzende Eigen⸗ fhaften aus. Er war ver ältefte unter ven Prälaten Deutfch- lands, leitete fein Erzbisthum fchon feit 32 Fahren, ſchön und würbig von Anfehen, einnehmend im Geſpräch und hervorragend in glänzenter Hofhaltung. Stattlic ſaß er zu Roß, galt ald erfah-

DT · *

ı) bei Raynald 1446 nro. 1; Müller Reichetagstheatrum S. 276. 842; Schaten Annal. Paderborn. P. II. p. 629. 636. ?) Comment. ed. Fea p. X, Frid. Ill. p. 120,

366 II. 7. Eugen's Beſcheid 1446,

Scene kommen können. Er blieb aber in feiner ruhigen Würbe und entgegnete mit kurzem Ernft: bie Erzbifchöfe habe er aus ge- wichtigen Gründen abgefegt, zumal ven undankbaren von Trier, ven er felbjt aus dem Staube erhoben; die Autorität der Eoneilien habe er nie gering gejchätt, aber die Würbe bes apoftolifchen Stuhles ſtets vertheibigt; bie Nation wolle er nicht belaften fonbern für fie forgen. Eine ansführlichere Antwort werde er zu anderer Stunde geben.

Den furfürftlichen Geſandten war ſehr verbrießlich zu Muth, fie hätten wohl lieber eine vauhe, abweijende Antwort gehört. Run murrten fie, theils unwillig über das gemeſſene Benehmen bes Papftes, theils weil jie warten mußten, theils auch in der Furcht, Heimburg möchte in feinen harten Worten zu weit gegangen fein. Dazu kam vie Hite des Frühfommers, deren Beſchwerde fidh bie Deutfchen, wie Enea bemerkt, noch durch Weintrinten zu erhöhen pflegen. Heimburg ſah man nach Vesper am Monte⸗Giordano zur Abkühlung aufs und nievergehen. Mit offener Bruft, mit entbläßtem Haupte, mit herabhängenden Stiefeln, die Arme fchlenternd, fchien er vecht abfichtlich feine Geringfchätung gegen vie Römer zur Schan zu tragen und der Würbe feines Amtes zu fpotten. ‘Dabei fchmähte er mit nachläffiger Derbbeit auf Nom, auf Eugen und bie Curie, auf die verfluchte Hitze.

Endlich erhielten die Geſandten ihren Beſcheid: da fie Teine Vollmacht Hätten zu unterhanbeln und abzufchließen, fonbern nur eine Antwort entgegenzunehmen, fo werde Eugen an ben Kurfürften- convent fehiden und auf die Petitionen der Würbe des römifchen Stuhles gemäß antworten. Unbefriedigt und ärgerlich ritten bie Geſandten eiligjt davon.

Bor feiner Antwort hatte Eugen noch einmal den Enea zu einer Privataudienz laden Taffen, bei welcher nur noch ver Bifchof von Bologna zugegen war. Hier num trug ver Geſandte bie An- ficht tes Königs vor: es werte boch nothiwenpig fein, bie beiden Erzbifchöfe zu reftituiren, wenn man auch nicht gerade die Ent- fegungsbulle cafjiren dürfe. Zur Annahme des ‘Decrete® Frequens müffe man fich fchon verftehen, um bie ‘Deutfchen endlich zur Ab⸗ legung der Neutralität zu bringen und ein dauerndes Schisma zu verhüten. Der König werde Eugen niemals verlaffen. Der Papft zeigte fich dem Könige äußerſt geneigt und verſprach, "in Rückſicht auf ihn« der Nation Zugeitänpniffe machen zu wollen, wenn fie ihm

LT. Ruckreiſe Enen’s und bes Biſchofs von Bologna 1446. 367

Gehorſam Ieifte. Er war alt und Hinfällig geworben. Es fchien, er traute fich nicht genügenve Lebenskraft zu, um burch die Energie bes jahrelangen Ausdauerns den Deutſchen einen unbebingten Ge- borfam abzutrogen. Gegen Enea erwies er fich gnäbig und ver- traulich, diefer wurde jett auch als apoftolifcher Secretair vereidigt und empfing bie zweite Weihe, vie des Presbhterats, Bürgen höherer Gumftbezeugungen ').

Enea gedachte mit dem Bifchof von Bologna etwa bi8 Parma zufammenzureifen, denn dieſer follte die Legation an ven franffurter Eonvent übernehmen, zuvor aber noch die Einwilligung des Herzogs von Burgund zu einer etwaigen Reftitution ver Bisthümer Cäln und Trier einholen. Als e8 aber mit ver Ausfertigung der nd- tigen Schreiben langſam ging, reifte Enea nach Siena voraus. Heftige Steinfchmerzen warfen ihn hier aufs Krankenbette. So findet ihn Biſchof Thomas, reitet aber fogleich weiter, denn fein Gefchäft Hat Eile. Enea, ver Krankheit nicht achtenn, belt ihn am folgenden Tage wiever ein. Sie reifen nun zufammen bis Parma, bier befüllt ven Bifchof ein hitiges Wieber und Enea kann nicht warten, wenn er zur rechten Zeit in Frankfurt eintreffen will. Auch heißt jener ihn weinend feine Reife fortjegen, damit nicht durch bei Berzug das Wohl ver Kirche gefährvet werbe, er übergiebt ihm bie Inſtructionen ver Curie für Carvajal und perjönliche Aufträge an biefen. Erſt nach zehntägigem Stranfenlager konnte der pflichtgetreue Bifchof unerkannt durch Savoyen nach Burgund reifen und vom Herzog die gewünjchte Einwilligung erlangen, ohne ihn zu erzürcnen. Als er daher in Frankfurt anlangte, war ver Convent ſchon feinem Schluſſe nahe.

Enea aber ging, nachdem er ven Kranken verlafjen, über Mantua, Berona und die triventinifchen Alpen, jagte mit Herzog Sigmund von Zirol im Innthal und eilte dann Über Memmingen nach Ulm. Hier hörte er, dag die Straßen nach Frankfurt bin von Räubern gefährbet feien und fchon ſah er Ängftlich darin eine Nachftellung, als ihm verkündet wurbe, in ber folgenden Nacht würden andere königliche Geſandte eintreffen. Ihnen ſchloß er fih an und wohl- behalten erreichte der Zug Frankfurt”).

) Retractationsbulle bei Fea 5 8. ?) A. 8. Comment. ed. Fea p. 91—94, Frid. III. p. 122-25; Pii II. Comment, p. 11. 12.

368 11.8. Kurfürften- n. Reichstag zu Frankf. z. 1. Spt. 1446. Friedr. Geſandte.

Achtes Eapitel.

Sprengung des Kurfürftenbundes, Enea Silvio der enthüllte Apoftat.

Zum 1. September hatten die Kurfürften fich zugefagt, wieber nach Frankfurt zu kommen und ihren Eonvent vom Frühjahr gleich- fam fortzufegen. Nach ihrer Abficht follte auch ver König dazu geladen fein, wenn er nämlich dem Kurverein vom 21. März bei- trat, besgleichen jeder andere deutſche Fürft und Prälet. Da Friedrich nun nicht beigetreten war, fo wurde ver Stand ver Dinge fchon dadurch wefentlich verändert, daß er zum 1. Sept. einen „gemei- nen Tag« nad Frankfurt berief und viefen durch Geſandte be= ſchickte, aus dem Surfürftentag alfo einen Reichstag machte. Er ertheilte ven Bifchöfen Peter von Augsburg und Sylveſter von Chiemfee, ven Markgrafen Jacob von Baben und Albrecht von Brandenburg, ven Secretairen Enea Silvio de’ Piccolomini und Hartung von Kappel eine Vollmacht, nach ihrem Gutbünfen auf dem franffurter Tage zu berathen und abzufchließen, ja fich für eine der beiden Stirchenparteien zu erklären‘). Ganz anders aber lautete ihr geheimer Auftrag, ven Enea uns mittheilt: fie follten nämlich um jeden Preis ven Bund der Kurfürften zu trennen fuchen und fall® es gelänge, wenigftens zwei verfelben zu fich hinüberzu⸗ ziehen, eine Erklärung für Eugen erlaffen”). Die hohe Wichtigfeit des Zages auch für das Neichsregiment war bandgreiflich: wenn die ſechs Kurfürſten dem Könige trogen durften, war ber Reſt feines Anfebens verloren. Nur eine Spaltung unter ihnen konnte ihm aus der gefährlichen Verlegenheit helfen, daher wählte er feine Ge⸗ fanbten Lediglich aus der fchlid’jchen Partei, daher gefellte er ihnen zwei befreundete Fürſten zu, daher fuchte er auch den Erzbiſchof von Salzburg zu gewinnen’). Es war der erſte Reichstag, auf ben

ı) Vollmacht v. 30. Juli 1446 bei Gudenus Cod, dipl. IV. nro. 186; Chmel's Regeſten nro. 2124.

9 Frid. IH. p. 125.

>) Chmel's Regeften nro. 2184.

I. 8. Frankfurter Reichstag im September 1446. 369

ver König wirklich alle Mühe verwenvete, es war das erite Mal fiug gethan, daß er ihn nicht ſelbſt beſuchte.

Die Kurfürften waren wieverum ſämmtlich anweſend, außer Friedrich von Brandenburg; viele andere geiftliche und weltliche Herren ließen fich durch bevollmächtigte Geſandte vertreten. Eugen hatte vier Nuntien ernannt, noch keinen Cardinallegaten, aber doch ſchon zwei Bifchöfe, Thomas von Bologna und Johann von Lüttich, außerdem Carvajal und Cuſa!). An ver Spite der hasler Geſandt⸗ ſchaft ftand wieder ver Earbinal von Arles als Lateranlegat, er war ber freudigſten Zuverfiht. Man wußte, wie Eugen geant⸗ wortet hatte; das Concil aber hatte jich fowohl zur Anfagung eines neuen Eoncil8 wie zu feiner Verlegung an den von den Kurfürften zu beftimmenven Ort völlig bereit erflärt”). Wurde alfo das Pro- gramm des Kurvereins pünctlich befolgt, fo Tonnte über die Erklä⸗ rung zu Gunſten des Concils fein Zweifel fein. Die Gejandten des Königs fanden ſchon eine fehr aufgeregte Stimmung. Lyfura triumpbirte wie einer, ver fein Werk ver Vollendung nahe fieht, er fpottete der Gefandten Friedrich's und ver päpftlichen. Was wollt ihr? fagte er, die Fürſten haben gefchworen, ihr Entfchluß fieht feft, es wird nichts geänvert werden! Eugen wollte es nicht gut Baben, jo mag er es denn ſchlimm haben, va er unfere Bitten zurhdigewiejen hat! Warum reizt er auch die Kurfürjten? Meint er vielleicht die Bifchöfe von Sutri oder Nepi vor fich zu haben, wenn er die von Cöln und Trier abfegt? Da fchlagen die Wur- zeln tiefer. Was wollt ihr Königlichen tun? Rathet dem König, er möge ſich mit ven Kurfürſten verbinden, wenn er Hug ift, er möge nicht hoffen, das Band zwifchen ihnen zu brechen ober zu

!®)

Das Borfpiel des Kampfes begann bei ver Meffe, die vor Er⸗ öffnung bes Reichstages in der Bartholomäus-Kirche gehalten wurde. Ws fei die Sache ſchon im Neinen, verlangte v’Allemand ihr ale vegat beizumohnen, ſich das Kreuz vortragen zu laffen und das Volk zu fegnen. Dagegen erhoben fich die königlichen Gefanbten,

1) Ihr Srebitiv bei Kön, Friedr. v. 23. Juli 1446 in Chmel's Regeften, das beim Reichötag v. 22. Yuli bei Raynald 1446 nro. 3. 2 S. Decret bei Cochlaeus Histor. Hussit. Mogunt., 1549. Lib. IX. p. Al. 2) A. 8. Comment. ed. Fea p. 9%. Voigt, Enea Silvio. 1, 24

370 U. 8. Frankfurter Reichstag. Sept. 1446.

fie beriefen fich auf die noch geltenve Neutralität, drohten fonft auch Engen’s Boten als Legaten zuzulaffen. Was, rief Jacob von Zrier entrüftet, ihr wollt Legaten Eugen’s einführen, der verjucht Hat Kurfürften abzufegen? Er bat das Reich geringfchäigig behandelt, und wir jollen ihn ehren? Linfere Gefandten, wie bat man fie in Rom angefehen, wie verhöhnt! Mag e8 Eugen nun rubig hin⸗ nehmen, wenn wir ihm widerjtehen und ven Baslern günftig find! Nach einem heftigen Wortwechjel mußte d'Allemand doch das Kreuz niederlegen und fich des Seguens enthalten.

Zur erften Sitzung des Reichstages war auch Grünmwalder, ber Sarbinal-Bifchof von Freifing, angefommen. Wie zum Trotze gaben ihm die von Trier und Cöln einen Sig über ihrem eigenen, was er als feiner Würde geziemend annahm; dann aber gefiel es jenen doch nicht, fie zogen ihn bei Seite, und er ließ davon ab. Heim⸗ burg erftattete im Namen feiner Eollegen Bericht über ihre Sen- bung nach Nom. Er vergaß nichts, was Eugen Hartes gejagt, fchilverte ihn als einen Feind der Nation, als einen balsftarrigen Menſchen, ver auch mit heftigen Worten gegen bie von ln und Trier losgefahren ſei. Noch ärger ſchmähte er auf die Carbinäle al8 ungebilvete und übermütbige Menfchen, bie nur das dentſche Bolt prefien und ihre Eurie mäften wollten. Mehreren gab er Spignamen, nannte 3.8. Beffarion wegen feines aus der griechifchen Kirche herübergebrachten Bartes einen Bock!).

Gegen dieſe heftigen Invectiven hielt es Enea für Pflicht, Widerfpruch einzulegen. Auch forverte ihn Jacob von Trier ber- aus: Warum fiteft bu denn nicht auch bei ven aus Mom zurück⸗ gefehrten Geſandten, du warft ja auch da? Nicht dieſe Berfamm- lung, antwortete Enea, Hat mich gefchict fonvern ver König, ihm habe ich zu berichten, was ich hörte. Und da Gregor veutfch fpricht, will ich feine Worte nicht verbürgen, denn ich verftehe fie nicht. So viel aber hatte er fehr wohl verftanden, daß er vie Gehäffig- feit in Heimburg's Worten merkte, nicht ohne Muth wagte er eine Berichtigung. Du erzäplft, Gregor, nur das Harte, was gefagt wurde, das Mile verfchweigft tu! Warum fagft du nicht, wie ehrenvoll ums Eugen aufgenommen hat? Warum fagft du nicht, was er dem römifchen König, was ven vier Kurfürſten bot? Warum fagjt du nicht, daß Eugen zu feinem Berfahren gegen

) As 8. Comment. ed. Fea p. 96. 97, Frid. III p. 126. 127.

I. 8, Fraukfurter Reichstag. Sept. 1446. 371

die von Trier und Cöln nicht durch die Neutralität, ſondern aus andern Gründen bewogen ift, wie er jelbft uns erklärte?

Eugen lügt! ſchrie ver Trierer wüthend bazwifchen, venn in ven Bullen giebt er gerabe die Neutralität als Urjache au. Ich fage nicht, lenkte .Enea ein, was Eugen bewogen hat, fonvern was er als Beweggrund angab ').

Indeß waren Enea's Einwürfe nicht im Stande, vie Gereizt⸗ beit, die Heimburg's Bericht hervorgerufen hatte, zu mäßigen. “Die Kurfürften meinten ſehr entfchieven, nach dem Bunbesprogramm anne und müſſe num bie Erklärung für das basler Concil folgen, aber bie Königlichen Geſandten prachen dagegen und riethen zu einer nechmaligen Sendung an Eugen. Es brachte ihnen große Verlegen- beit, daß ver Bifchof von Bologna, ver bie vollftändige Antwort Engen's bringen follte, noch nit da war: man ſah darin eine VBernachläffigung over eine Verabrevung, um Zeit zu gewinnen. Zwar entfchulbigten ihn Carvajal und Eufa nach Kräften und fuchten ven Kurfürften Eugen's Bereitwilligfeit durch Hinweis auf ihre Legitimation vom 22. Yuli darzuthun. Diefe enthielt allerdings eine Art Erklärung, berührte aber lange nicht alle Buncte und war in Betreff ver Anerkennung ver Autorität allgemeiner Concilien und ber Beitätigung ver mainzer Sanction fo voller Elaufeln, Halb- beiten und Winfeüge, daß man mit vemjelben Recht eine Abwei⸗ fung wie eine Bewilligung ver furfürftlichen Forderungen darin fehen fonnte,. Man hatte beftätigenvde Bullen gefervert und erbielt Zu⸗ fagen, die nicht einmal die Form einer Antwort hatten. In Bes treff der vom Bapite ganz übergangenen Artikel gab Carvajal in feinem Kamen nur münpliche Antwort‘). Ein Concil, fagte er, in einer der fünf von den Kurfürſten vorgefchlagenen Städte wolle Eugen gern berufen, aber es müſſe mit Genehmigung der anbern

1) Ich Halte dieſe Reben für möglichſt getreu, weil Enea Silvio fie in ben von Wen ebirten Commentarien berichtet. Diefes Werk beganıı er furz nach dem feankfurter Tage zu fchreiben, widmete e8 Carvajal, ber bei Allen: zugegen geweſen war, nud unterwarf es deſſen Berbefierung. Die Genauigfeit der An⸗ gaben darin wird auch da, wo wir einſchlagende Documente vergleichen koönnen, in ein gutes Licht geſtellt. Die Tendenz aber liegt zu ſehr auf der Hand, um tänfchen zu lönnen.

7), Obwohl davon in der Vollmacht bei Raynaldi nichts ſteht, heit es doch m Bünbniß vom 5. Oct. 1446: Daruf fein Heiligeleit durch feine ſend⸗ betten Herrn Johann Carvajal und Meifter Riclafi Cus, in Krafft einer Eredentien, hat Iafen antwortten etc.

24*

372 IL 8. Dietrih von Mainz. Sprengung bes Kurfürſtenbundes.

Bolker und Fürften gefchehen. Schon dem römifchen König batl Eugen einmal gezeigt, wie leicht e8 ihm wurbe, durch ein paar ba freunvete Fürften dieſe Genehmigung zu Hintertreiben. . Die Ey bifchöfe von Trier und Coln wollte Eugen reftituiren, infofern fi in feinen Gehorfam treten würben. Es war aber die Caffatin ver Abfegung und fie ohne Nüdficht auf vie Obebienz ber beide gefordert worben.

Unleugbare Thatfache war, daß Eugen einmal nicht Bis m beftimmten Friſt geantwortet hatte, und dann, bag feine Erklärungen, auch wenn man fie als Antwort gelten ließ, doch völlig ungenäge waren. So forberten denn die meiften Stimmen bes Reichetagi) eine birecte Erflärung für Felix oder mindeſtens für das Fakt Concil, die Königlichen Gefandten waren nievergefchlagen, ihre Sa und die der römischen Partei fehlen verloren.

In diefer Noth richteten die päpſtlichen Nuntien ihr Yugew

merk auf den mainzer Erzbifchof, der an ſich ein unzam läffiger Character und auch weit weniger an den fanopifchen Pal geknüpft jchien, als es vie von Trier und Cöln feit ihrer G fegung, als es ver Herzog von Sacfen und ver Pfalzgraf I Rhein aus verwanbtfchaftlichen Nücdkfichten waren. Dem Rain war Friedrich von Brandenburg in den Kurverein gefolgt umb Dal ihm auch jest fein Siegel überfenvet; jener gAlt alfo für we Stimmen. Diefer Erzbifhof Dietrich, ein Schent von Erbad, e ſcheint al8 ein Prälat, ver das Geld liebte, um Jagden und Ui niere und feinen prachtvollen Hof auszuftatten, an welchen muß fih, wie ein Zeitgenofje fagt, im Parabife wähnte. Uebriges wußte Enea fpäter, als Papft, ihm fein Verbienft weiter zuzuſcheh ben, als eben daß er fich jest für Eugen gewinnen ließ‘). Ayla lenkte und gängelte ihn im Sinme des Trierers, ver tnteigmuie Juriſt, ver Urheber ver pragmatifchen Sanction und jet wid bie Seele des Kurfürſtenbundes. Ihn hielt man für ven Geſthe⸗ lichten, der Erzbifchof wurde daher Hinter feinem Rücken bearbeiieh Es wurde viel im Geheimen, wie Enea fich ausbrüdt, yractieik aber lange erfolglos. "Endlich mußte man zum Gelbe feine Je flucht nehmen, für welches denn bie Ohren felten taub find. Ge

) Pii I. Comment. p. 64; Nic. Serarius Rer. Mogunt. lib. V. p. M in Joannis Rer. Mogunt. Vol. L; Aſchbach Gigmunb IV. &. 817; O ſchichte der Grafſchaft Erbach u. ſ. w. Erbach, 1840 ©. 56, 57.

U. 8. Sprengung bes Rurfürfienbunbes Seht. 1446. 313

M ber Herr der Höfe, es öffnet Aller Ohren, ihm bient Alles. Es Hat auch ven Mainzer erkämpft. Richt daß ihm etwas ver- ſprochen wurde (auch das ift keineswegs umwahrfcheinlich), fonvern es wurben unter vier feiner Räthe 2000 rheiniſche Gulden gefpen- det, die ber König mit großem Vergnügen zahlte, damit nicht ihm zum Trotz bie Kurfürſten auf vie Seite des Concils ober felix’ neigten n ').

Um 2000 Gulden alfo haben vier Räthe das Refultat Tanger Berathungen und Kämpfe, vie Kirchenfreiheiten ver Sanction vers rathen zund ihren Herrn zum Meineid verleitet. Friedrich mochte ſich des billigen Kaufes freuen, ver ihm aus ver drückendſten Ver⸗ legenheit Half, er verviente burch dieſen Streich feiner Gefandten bie 100,000 Gulden Krönungsfold und jene 121,000 Ducaten, die Rauffumme feiner Declaration. Aber bie römifche Curie war groß- möätbig genug, anch bie auf die mainzer Näthe verwendete Summe als ihre Schul zu betrachten; dankbar fchicte fie Thomas von Bologna, fobalo er ven päpftlichen Stuhl beftiegen, durch Enen zuräd

Erzbiſchof Dietrich ließ fich von feinen Räthen zwar umftim- men, verlangte aber von ven Töniglichen Geſandten eine ehrenvolle Ausflucht, die feinen Meineid befchönige, einen Schein des Rechtes oder der Billigleit, ver ihn vor den frankfurter Berbünveten nicht alfzufehr bloßſtelle. Bei ver Rathlofigfeit ver andern erbot fich Enen, ihm Genüge zu thun. Er ließ fich die Artikel des frank⸗ fuster Kurvereins geben und brachte eine fleißige Nacht damit zu, fie fo umzuarbeiten, das fie die Bafis eines neuen Ver— trages werben konnten und boch bie Forverungen ver Kurfürſten fo ziemlich enthielten. Alles Gift, fo erzählt er felbft, habe er beransgebrüdt, alles nämlich, was Eugen ärgerlich fein mußte, den gebieterifchen Ton, vie unberingten Anforderungen. Es blieben bie drei an Engen geftellten Hauptbebingungen, aber es wurben ihnen ut verfühender Beigabe vie Clauſeln beigefügt, die Earbajal und Cuſa als Eugen’s Antwort überbracht Hatten.

) A. 8. Frid. III. p. 127, Comment. ed. Fea p.98. Ju Spittler's Gefchichte der Yundamentalgefetze der deutſchen katholiſchen Kirche im Verhältniß zum römifchen Stuhl (Were, herausg. v. Wächter, VIII. S. 461 fi.) erfcheint jatjchlich gerade Lyſura als ter Beſtochene. Tem göttinger Autipapiften if überall nachgebetet worden. Doc zeigen bie von fen ebirten Commentarien deutlich daS Gegentheil.

‚14 U. 8 Sprenguug des Kurfürſtenbundes Sept. 1446.

Leider iſt uns die Faſſung ver Artikel, wie fie aus Enea's Hand herporgingen, verloren gegangen und wir kennen fie daher nur infoweit, als fie dem darauf gebauten Vertrage vom 5. October einverleibt find, ter uns noch dazu num in deutſcher Sprache er- halten iſt.

1. Der verhaßte Artikel, nach welchem ver Papft zu einem beftimmten Tage ein neues allgemeines Concil zujanmenrufen follte, behielt die Elaufel, durch welche ihn Eugen in feiner Antwort ums gangen hatte, daß es nämlich nothwenvig feheine, die Genehmigumg der antern Fürften und Völker einzuholen. Diefe Genehmigung hoffte die römische Curie offenbar zur Bedingung bes neuen Concils zu machen. Ihr wurde mur die Artigleit hinzugefügt, Eugen werde ben König und bie Kurfürſten zum Beiſtand auffor- dern, fich mit ihm bei ven Mächten Europa’s für ein neues Concil zu verwenden.

2, Der Bapft follte vie Gewalt und Würde allgemeiner Con⸗ citien gemäß ten zu Coſtnitz erlafjenen und zu Baſel erneuerten Befchlüffen Frequens und Saerosancta anerfeımen. Bei ter Anerkennung des basler Concils wird nun bie bebeutfame Clauſel hinzugefügt: „Da es noch ein gemein Coucilinm durch bie Welt ge- halten worten ijt.u Wer ift dieſe „Welt«? In ben obenerwähnten Legitimationsjchreiben hatte Eugen die Verlegung des Concils durch ihu gerabesu ale das Ende feiner Nechtmäßigfeit bezeichnet. Enea bat alfo nur den fcharfen Ausdruck durch einen unfchweifigen erſetzt.

3. Die Beſchwerungen der deutſchen Nation ſollten abgeſtellt, die pragmatiſche Sanction von 1439 beſtätigt werden. Eugen hatte im Legitimationsſchreiben die Entſchädigung des römiſchen Stuhles für die Finanzausfälle, vie anderweitige Proviſion, als klare Be- dingung aufgeſtellt. Statt des harten „Wenn« ſetzte nun Enea ein milderes "im getrauen daſſ,« wodurch vie Rechtsverbindlichkeit auf⸗ gehoben wurde. Es blieb der ſpäteren Diplomatie überlaſſen, die Hoffnung wieder als ein Wenn auszulegen.

Außerdem iſt in die won Enea aufgeſetzte Punctation als vierte Forderung die Reſtitution der beiden entſetzten Kurfürſten aufge nommen, doch ſollten ſie zuvor in Eugen's Gehorſam zurücktreter Soviel hatte Eugen ſelbſt zugeſagt, um ſich die förmliche Caſſatir ſeiner Abſetzungobulle zu erſparen.

Das war die herrliche That (egrogium faciuus) des En

I 8. Sprengung bes Kurfärftenbunbes Gept. 1446. 875

: er in feinen Werken mit folcher Ruhmredigkeit erzählt und bie m allerbings in ven Augen Eugen’s wie in denen bes Königs ein mbaftes Verdienſt erwarb. Die Arbeit wurde von feinen Mit- ſandten völlig gebilligt und fo burfte er fie als einen Bermitt- ngenorfchlag des Königs ausgeben. Auch ver Bifchof von Bologna, r inzwifchen endlich angefommen war, und Cuſa machten gute offnung, Eugen’s Beiftimmung zu biefen Artifeln zu erlangen. ur Carvajal ftellte fich fchwierig. Davon wirb nichts! rief er ftig aus, als Enen ihm die Artikel ver Punctation vorgelefen, ihr ervortheilt uns zu fehr! Wir find heute noch, wo wir früher wen. Euch ann niemand genug thun, entgegnete ihm Enea willig, entweber werbet ihr dies ober ein größeres Uebel bin- hen müſſen. Indeß gab Carvajal nach, er veriprach, fagt Eırea, mer weniger, als er thun wollte, und wollte mehr, als -gefcheben ınte. Der Mainzer fand ven Wechfelbalg ähnlich genug und bie dingungen billig, ebrenhaft und gerecht. Die Punctationen follten n in ber Berfammlung vorgelefen und bie Stimmen barüber be- ıgt werben.

Dabei zeigte fich nun, wie ver Bund der Kurfürften ſchon ge- sengt war. Des Mainzers Stimme 309 andere nach fich. ‘Des wfürften von Brandenburg Gefandte traten, wie zu erwarten, jo- ch Hinzu; für ven Markgrafen Johann von Branvenburg jtand u Bruder Albrecht. Der Pfalggraf ſchwankte. Die Metropolitane d Biichöfe hatten vorhin dem Xrierer ‘aufs feurigfte beigeftimmt, st Tiefen fich vie Erzbifchöfe von Salzburg, Magdeburg, Bremen '), » Bifchöfe von Bamberg, Paſſau, Eoftnig und Chur, der Hoch—⸗ ifter des Deutſchordens allmählig bereit finden. Nechnete man ch den König Hinzu und vie Königlichen Gefanbten, infofern fie eichsſtäͤnde waren, aljo die Markgrafen Jacob von Baden und brecht von Brandenburg, die Bifchöfe von Augsburg und Chiemſee,

war ihr Gegenbund fein unbeträchtlicher mehr. Der gefchickte litiſche Griff, ven Kurfürftentag in einen Reichstag zu verivan- In, trug feine Früchte. Freilich waren nur zwei Kurfürſten unter a Eugenianern, aber biefe unterfiegelten gleich die erfte Einigung it wen Löniglichen Geſandten“), ver die meiften andern erjt fpäter

Die beiden letztern nennt Enea Silvio, fie werben in ben Verträgen v.

, Sept. und 5. Oct. nicht aufgeführt. ”) bei Wuerdtwein Bubeid. dipl. IX. nro. VI.

U. 8. Enea als enthüllter Apoftat. 817

vertheipigt, geprebigt habe, galt vom Concil, nicht von einer Ver⸗ fammlung ohne Autorität; ich ſprach von ven Vätern, bie ven Eifer des Glaubens Hatten und bereit waren, überall ihr Recht zu ver- theibigen, nicht von benen, nach deren Meinung vie Wahrheit in die Mauern von Baſel eingefchloffen ift.u Schließlich gab er dem Cardinal ven Rath, fich zu vemüthigen und Eugen zu gehorfamen. D’Allemand war kein Neuling, vem bie Motive und Worte eines ſophiſtiſchen Emportömmlings unklar ober befangend geweſen wären. Das Haupt einer unterliegenven Partei muß wohl manchen Abfall erfeben, vie feinige hatte vorzugsweife aus folchen Talenten beftan- ben, bie ihre Stellung im Leben verloren oder noch keine gefunden hatten. Mit edler Verachtung wendete ey fi von bem Apo⸗ ftaten ab.

Eine andere Scene hatte Enea mit Johann von Lyſura. Diefer Yurift, feitvem er fich durch andere Einflüffe aus dem Rathe des Mainzers verbrängt ſah, gab Neutralität, Sanction und Hinnei- gung zu Felir mit leichtem Gewiſſen auf; er war von feinem Erz⸗ bifchof fchon zum Boten an Eugen ernannt. Um fich mit deſſen Gefandten zu verftänvigen und auszuföhnen, befand er fich eben bei Sarpajal, als auch Enen eintrat, ver ihn bei feinem Herrn binter- rücks ausgeftochen. Da übermannte jenen ver Aerger. Und bu bift aus Siena gelommen, fchrie er ihm entgegen, um ben Deutfchen Gefege zu geben? Wäreſt vu doch daheim geblieben und hättejt uns unfer Land regieren laſſen! Enea murrte etwas davon, daß es beifer fei, von Fremden gute Geſetze als von Kinheimifchen Schlechte zu erhalten, entfernte fich vann aber, um ven Exrbitterten nicht weiter zu reizen.

Sole Momente ver Beihämung waren für ihn unausbleib- lich, ſobald die Doppelzüngigfeit feines geheimen Treibens einmal and Tageslicht am, dann galt es nicht nur, die Untreue, die er an feiner basler Rolle beging, zu befchönigen und zu vertheibigen, fonvern bei weitem mehr, mit feder Stirn das neue Kleid zu fra- gen und zu zeigen. Gerade das Mißtrauen, welches jedermann gegen fie hegt und welches ihr böfes Gewilfen ihnen felbft noch fchlimmer erjcheinen läßt, giebt allen Convertiten, vie es nicht aus dem Herzen geworben find, vie heuchlerifche Neigung, ihre Anfichten bis zur Grenzfcheive des Extrems und barüber hinaus zu treiben. Der Heuchler flieht das Nachdenken, weil ihn die Vorftellung feines Doppelfinns erfchredt. Aber er darf auch feiner natürlichen Sym⸗

378 118. Enea als entgüllter Apoftat. Abzug ber Felicianer Octob. 1446.

pathie nicht folgen. So ftürzt er fich, um vem eigenen Gewiſſen zu entfliehen, in vie Wolfe des neuen Glaubens, um fo ängftlicher und nachbrüdlicher verfichernp, er finde fich in vollem Licht. Und wunderbar! öfter gelingt es ihm, fich felbft zu überreden, als andere zu täufchen. Verwächſt aber auch fein Geift mit ber neuen Lehre, fo entfpringt doch Fein fich fortbildendes Leben aus ven zuſammen⸗ gezwungenen Organismen. ‘Der Gefichtefreis ter Bildung fchließt ſich ab, weit fich alle Kraft auf die künftliche Verhärtung des Eha- tacters wendet. Aus dieſem aber treten in fchlimmeren over finfte- vern Naturen die Starrheit und ter Fanatismus, gleichfam ein Berwefungspanpf der im Inneren begrabenen Seuchelei, in leicht- blütigeren Naturen vie, Keckheit, vie rührige Nebfeligleit ober ein lärmendes Pathos als geſchwätzige faljche Zeugen hervor. Wel⸗ ches Enea's Fall war, wird ber Leſer aus feiner bieherigen Schil- derung erratben und aus ber folgenden Tennen lernen.

Erbittert und durch ven unerwarteten Ausgang in Berlegen- heit gejett, verließen vie Erzbifchöfe von Trier und Cöoln nebft dem Kurfürften von Sachjen Frankfurt. Der Pfalzgraf ſchloß ſich Ihnen nicht an, ziemlich gleichgültig Tieß er Alles gefchehen. Auch die Le gation des Concils verließ Den Reichstag, ven legten, der von Bafel ans beſchickt wurde. Bei Benfelven im Elfaß wurde ihr Zug von Reitern ver Grafen Eherftein und Tügelftein angefallen und geplün- dert (22. Oct.). Es war vor allen auf ben von Arles abgefehen, den indeß fein fchnelles Pferd nad) Straßburg rettete, während feine Kleider und Bücher, feine Pontiflcalien und fein Silbergefchtre ven Räubern in die Hände fielen. Auch mehrere Perfonen aus feinem Gefolge wurden gefangen. Dean maaß vie Schuld des Verbrechens Eugen oder feinen in Frankfurt verweilenden Nımtien bei; ber Car⸗ dinal fol nachher in einer Verfammlung ver Bäter gejagt haben, Ehriftus fei um dreißig Silberlinge verkauft, für ihn aber babe Gabriel (Eugen) 60,000 Gulden geboten. Das Haupt des Neiches und ver Bifchof von Straßburg rächten ven Brucd ihrer Geleits- briefe nicht").

In Bafel aber war um fo größeres Jammern und Klagen, je zuverfichtlicher vie Väter auf die ftolze Drohung ver Kurfürften und auf bie Energie ihrer Verbindung gebaut hatten. Felix felbft

) Königshoven Chron. ed, Schilter 8.228; Wurſtiſen S. 407. 400; Ochse Geſch. der Stadt und Landſchaft Baſel IT. S. 490.

II. 8. Troſiloſe Page der basler Conciiväter 1446. 979

war am 21. Auguft wieder bei feinem Concil erfchtenen, auf vie hbfen Nachrichten aber fehrte er am 9, Januar 1447 nach Lau⸗ fanne zuräd, um Bafel nicht wiederzuſehen. Es waren ver Väter nur noch wenige und biefe von Noth, Verfolgung und Bekümmer⸗ niffen aller Art geprängt. Eine ſchwache Hoffnung festen fie noch anf Jacob von Trier, fie baten ihn flebentlich, ihre gelichteten Rei⸗ hen durch Zufenbung von Geiftlichen und Gelehrten feiner Diöcefe wieber ein wenig zu füllen. Sie fügten vie bitterften Klagen Hinzu, wie der Glaube geftürzt werbe, bie Autorität ver allgemeinen Con⸗ cilien Bin ſei. Diefe beilige Synode, heißt e8, „fest die Anker ihrer Hoffnung auf ven Herrn, fie fieht ven Feind des Glaubens, Gabriel, ven verhärteten Reber, fiegen und haufenweife die Seelen ber Ghriften mit fich in vie Hölle fchleppen« ').

Den felictanifchen Secretair Perigalli, ver fih in einem ähn- lichen Tone der Hoffnungslofigfeit an Enea wendete, verficherte dieſer mit rührenden Worten feiner unverbrüchlichen Freundſchaft, bie durch die öffentlichen Angelegenheiten nicht beeinträchtigt werben folle. "Denn was ich öffentlich thue, das thue ich fo, wie Gott es will. Doc bat er ven geliebten Freund in bemfelben Schreiben, feine Scriptor: Stelte bei Yelir ohne Verzug und um jeden Preis zu verlaufen; taraus mochte Perigalli ven Werth feines eigenen Secretariats ermefjen. Einen andern basler Freund, der ihm gleich: falls feine Roth und Armuth geklagt, tröftete Enea wie jenen mit feiner fortbauernden Liebe, rieth ihm, ver Tugend nachzuftreben, pie Wiſſenſchaften zu Lieben, fih mit ven „Guten- zu verbünden und feine Gedanken auf ven Herrn zu werfen, ver ihn ſchon er- näbren werbe‘). Diefer Freund war der junge Gasparo aus No— vara, Enen’s Schüler in ver Philofophie und Stiliftif.

Froh empfing König Friedrich feine rückkehrenden Gefanpten, durch deren Klugheit feine Ehre gerettet und ver Zweck fchon halb erreicht fchien. Er erklärte jet dem König von Frankreich, daß er „in feierlichem Vertrage mit (einigen) Kur- und andern NReiche- fürften, weltlichen wie geiftlichen,« vie Neutralität abgelegt und fich für Eugen als wahren Bapft entjchieven Habe, fo daß nach einigen Unterhanplungen die Erklärung ter ganzen Nation für denſelben

) Schreiben v. 5. Dec. 1446 bei Hontheim Hist. Trevir. IL p. 406. ) Briefe vom Sept. 1446 aus Frankfurt.

IT. 9. Die beutichen Gefanbten nach Rom im Winter 146. 381

Neuntes Eapitel.

Die römifchen Präliminarien. Gehorfamsleiftung einer

Hälfte der deutjchen Nation vor Papft Eugen. Deſſen Tod.

Die Geſandtſchaft an Eugen übertrug Friedrich wiener dem Biccolomint, ver feit feinem viplomatifchen Meifterftüd zu Frankfurt in den Sachen ver Kirche bereitö die erfte Stimme im Töniglichen Katy führte und felbjt des Canzlers Einfluß in ven Schatten ge- ſtellt hatte‘). Sein Eoliege war diesmal Prokop von Nabftein, ein böhmifcher Ritter, ver fich ftets zu Schlicks Partei gehalten, zugleih Soldat und wohlgebilveter Hofmann. Am 16. Nov. 1446 verließen fie den König, gingen über Venedig und kamen um bie Weihnachtszeit nach Siena. Hier trafen mit ihnen, der Verabredung gemäß, auch vie Eurfürftlichen und fürftlichen Geſandten zufammen, Lyſura im Namen von Kur-Mainz und jest fo gut römifch gefinnt wie fein Herr, Friedrich Sefjelmann als Abgeorpneter des Branden⸗ burgers, ferner Geſandte der Kurfürften von Eachfen und Pfalz, des bremer wie des falzburger Erzbifchofs, des Hochmeiſters u. a. Auf der Weiterreife hörte man bald von ver Ernennung Parentu⸗ cells und Carvajal's zu Carbinälen, eine gute Vorbedeutung für den Erfolg ver Sendung! Am erjten Meileuftein vor Rom fanven fih auf Eugen’s Geheiß ſämmtliche Prälaten der Eurie, mit Aus nahme der Carbinäle ein, um vie Boten zu bewillkommnen, vie ben Gehorſam einer großen und reichen Nation brachten. In ver für fie beftimmten Herberge unweit des Capitol begrüßte fie im Namen Eugen's der apoftoliiche Zeforiere, der Bifchof von Ferrara. ‘Der Cardinal von Bologna und der päpftliche Obermundſchenk forgten

N, Sur Erfparung wiederholter Citate nenne ich gleich Hier bie Haupt⸗ quellen für dieſes Eapitel: A. 8. Frid. II. p. 130-135, Pii II. Comment. p. 18, befonbers aber die Rebe (den Gefandtichaftebericht) des Enea vor König Friebrich bei Muratori Seriptt. T. III. P. II. p. 878—898 und in Baluzii Miscell. VIL p. 525 sq.

382 TI. 9. Die Gefanbten in Rom, ihre Audienz; Enea's Rebe 1447.

auch fir vie Magen aufs Freigebigfte. Kurz die Eurie verfäumte fein Mittel, um die Geſandten in guter Laune zu erhalten.

Wie fehr dies gelang, bewies ihre Vorberathung am folgenden Zage, bei welcher auch Cardinal Carvajal anweſend war. echt im Gegenfat zu ver Eurfürftlichen Gefandtfchaft, bei ver Heimburg das Wort führte, wurde jest Alles hervorgefucht, um Eugen umd ber Curie Zartheit und Schonung zu beweifen. Enea legte bie Rede vor, die er im Namen feiner Collegen bei ver Audienz halten follte: niemand wiünfchte etwas daran geändert, nur daß man ben verhaßten Ausdruck Nentralität durch den milvderen ber animorum suspensio zu erjegen bejchloß. Ferner wurde beliebt, um des Glanzes willen auch die Abgeordneten der Metropolitanbifchäfe zur Audienz zu ziehen. Wie aber, wenn Eugen von den Erzbifchäfen von Magdeburg und Bremen nichts wifjen wollte, die beide zu Bafel bejtätigt waren? Der Garbinal von S. Angelo gab ven Rath, nicht won Geſandten ver Erzbifchöfe, fondern von Geſandten der be- treffenden Kirchen zu fprechen, und alle freuten jich ber wohlerfun- denen Ausflucht.

Die Audienz liegen vie Gefandten durch ven Zeforiere nach ſuchen, nicht etwa durch einen Cardinal; denn wendeten fie fich an einen mit der Bitte, fo befeivigten fie ven andern, folche kleinliche Eiferfucht herrfchte in dem Collegium. Nach einer Meffe in S. Peter wurben jie ins geheime Gonfiftorium geführt. Eugen faß ernft und majeftätifch auf den heiligen Stuble, um ihn fünfzehn Karbinäle, Als der übliche Fußkuß geleijtet war, begann Enen feine Rebe‘). Was er fagte, ift minver bedeutſam ala wie er es fagte; feine mündlich vorgetragenen Petitionen waren im Grunde deſſelben In⸗ halts wie feine zu Frankfurt abgefaßte Bunctation, aber alles Herbe wurde durch zurte Wenbungen und befcheidene Sprache gemifbert. Enea jagt uns felbft, er habe fo gefprochen, daß er zugleich bie Wünfche der Prälaten von Trier und Cöln vortrug und doch weder den Papſt noch vie Sarbinäle befeidigte. Wir erkennen überall bie Vorficht des Steuermannes, ber zwiſchen ver Schlia harter Bedin⸗

ı) bei Martene Vet. Monum. VIII. p. 980, daraus bei Mansi Concil. XXXI. p. 25 und in beff. Sammlung von Bius’ Reben I. p. 108. Nur fallen bie Audienz und tie Rebe in ben Anfang bes Jahres 1447 und falſch if in den Druden auch bie Weberfchrift, in welcher Einen bereits ale Bifchof von Trieft erfcheint,

IL 9. Enea's Rede. Eugen's Krankgeit 1447. 383

gungen und ver Charybdis päpftlichen Zornes glüdlich hindurchlenkt. „Denn aber,« fo verſüßte er ven Artikel, in welchen die Be⸗ ftätigung der Pragmatik geforbert wurde, „wenn aber unter biejen Dingen einiges dem apoftolifchen Stuhle hart erfcheinen follte, fo bitten die Fürften, Deine Heiligfeit, die nun fehon fünfzehn Jahre lang alles dies mit Geduld ertragen habe, möge auch jegt noch für eine Heine Zeit Geduld haben und ven Gehorſam ver Nation an⸗ nehmen, wie er geboten werde. Dann wird einft Alles beſſer wer- den. Denn es ift die Abjicht der Königlichen Majeftät und ihrer Fürſten, daß biefer hochheilige Stuhl alle feine Würbe, all fein Recht und feinen Glanz behalten fol. Dahin gebeufen fie zu feiner Zeit mit allen Kräften zu wirken. „In Deine Hand ift es jet gegeben, jeve Wurzel der Spaltungen auszureißen, ver Welt ven Frieden zu geben, vie Nation zu tröften und ihren Gehorſam zu empfangen! u

Eugen antwortete kurz, verdammte bie Neutralität, beflagte fich bitter über bie von Trier und Cöln und vertheidigte fein Verfahren gegen fie, in der Hauptfache aber müjje er jich erjt mit feinen Brü- dern, den Cardinälen, berathen.

In einer Privataudienz vertheivigte dann Enen feinen Herrn gegen die Beſchwerden, welche Hunyadi, ver Generaljtatthalter von Ungarn, beim Papjte wegen der gewaltfamen VBormundfchaftsver: längerung Friedrich’ über den jungen Ladislav und wegen anderer Ungerechtigfeiten eingereicht hatte ').

Noch an demſelben Tage ergriff ein beftiges Fieber den Kirchen⸗ fürften und warf ihn auf's Krankenbette, von vem er ſich nicht mehr erheben follte.e Die Spammuug ber legten Tage mag dazu beiges tragen haben; denn es nahte jich jegt eine der großen ragen, an welcher fi Eugen's verhaltene Leidenfchaftlichfeit während feiner jechözehnjährigen Regierung zerarbeitet, ihrer Kataftrophe. Die Zöfung blieb zweifelhaft und unficher, auch wenn fich ber kranke Papft entfchloß, alle Beningungen zu genehmigen, um noch vor fei« nem Ende die Gefandten ver deutſchen Nation Gehorſam gelobend

) Das Schreiben ver Ungarn bei Schwandtnor Scriptt, rer. Hungar. Il. 38; Enea’s Rebe, bie einzige ungebrudte, die ich aufgefunden, fteht im Cod. lat. 519 ber Hofbibliotket zn München fol. 80 —83 glei nach dem Briefe Smuyabi’s v. 18. Dct. 1446. Gie beginnt mit den Worten Tritum est sor- monum peoverbium etc, und geht auf bie fraglichen Rechtopuncte wenig ein.

I. 9. Die Berhanblungen zu Rom tim Januar 1447. 385

gemäß, offen babe erklären können. Cugen indeß mar von ben guten Mbfichten des Königs fo jehr überzeugt, daß er die Ausfertis gung eined Schreibens befahl, durch welches ver geheime Vertrag von Wien in Vollzug gefegt wurde. Zwar war die Declaration des Königs in der beftimmten Friſt nicht erfolgt. Aber Eugen wollte dem nachjehen, wenn fie nur innerhalb eines Mlonats, vom 12. Januar an gerechnet, hier in Rom gefchehe. Der Brior ver Kormeliter zu Wien erhielt ven Auftrag, dem Könige auf Sicht diefes Schreibens die bewußten Zettel zu überantworten. Damals wurben alfo die 121,000 Ducaten ansgezahlt. Für ven übrigen Theil der Summe hatte Eugen den apoftolifchen Stuhl und feine Nachfolger auf vemfelben wahrfcheinlich in der Weife verpflichtet, daß jedem verfelben vie Zahlımg von 25,000 ‘Ducaten oblag, bis bie Schuld getilgt war. Jetzt bot er dem Könige, um ihn jebe Beſorgniß der Unficherheit zu nehmen, ftatt jenes durch vie Geheim⸗ fiegel der Nuntien befräftigten Vertrages jogar Bullen in voller Form an, koſtenfrei ausgefertigt und zugeftellt‘). Man fieht, wie er den König und feine Gefandten ſchnell und feft binnen will.

Auch gegen das widerſtrebende Carpinalcollegium fand ber fterbende PBapft eine geeignete Maaßregel. Die frankfurter Punc- tation wurbe ihm nicht im Großen und Ganzen vorgelegt, ſondern die Beratbung und Beſchlußnahme varüber einer Commiſſion von ſechs Cardinälen zugewiefen und dieſe follte gleichmäßig aus beiden Barteien beitehen. Bon den Gegnern ver Punctation berief ver Bapft ven Cardinal⸗Erzbiſchof von Taranto, ven gelehrten Torque— mada und Alfonſo Borgia, ven nachmaligen Bapft Calixtus ILL; dagegen follten Le Jeune, Parentucelli und Carvajal fie vertheitigen und ihnen orbnete Eugen noch Sapranica zu, ter im Rufe großer Mißigung und Parteilojigkeit ftand. So ließ fich ihr Uebergewicht in der Commiffion hoffen, zumal ta Borgia durch anverweitige Gefchäfte abgezogen wurke.

Daß es von Forderungen une Bewilligungen wieder zu Ver: handlungen gekommen war, ift bie erſte tiplomatifche Nieberlage ver Deutichen; in Rom, pflegte mar zu jagen, unterhandelt man niemals ohne Schaden. Glänzende Gaftmähler gingen nebeiher, feine Ränke und Heftige Zwifte nicht minder. Man lub bie Ges

*) &, Schreiben an Friedrich v. 12. Jan. 1447 in Chmel Material.l. nro. 65. Boigt, Enea Silvio. 1. 25

IL 9% Das proviſoriſche Eoncorbat vom Februar 1447. 387

die Cardinaͤle fcheinbar in Allem nach und doch hatten fie ihre Abſicht erreicht. Während des Klagens und Streitens waren bie einzelnen Artikel der Punctation bereits fo zugerichtet und umge⸗ miobelt, daß fie ihre befte Schärfe verloren hatten.

Vergleichen wir nun die Forderungen ver September-Bunctation fireng mit viefen römifchen Zugeftänpniffen, folgen wir ver biplos matiſchen Liit in ihre Schlupfwinfel, Claufeln und Ausflüchte. Erinnern wir uns aber noch einmal, daß ſchon jene Pınctation eine verclaufelte, abgejchwächte Umarbeitung des Frankfurter Märzver- trages war. Bon dieſem bis zu ven wiener Concordaten ſehen wir bie deutſchen SKirchenfreiheiten in einer fo kunſtvollen abfteigen- den Klimar verloren gehen, wie fie in ver Gefchichte ver Diplo⸗ matie ihresgleichen fuchen bürfte.

Auf vier Hauptforverungen hatte man fich in Frankfurt ver- ftänbigt, fie wurden jett als Bullen formulirt und als cin wenig» ſtens proviforifhes Concordat vom römifchen Stuhle zuge ftanben.

1. Nach der frankfurter Punctation foll ver Papft ein neues alfgemeined Concil nach Goftnig, Strafburg, Mainz, Worms oder Trier berufen. Dem darüber ausgejtellten Document, das ift vor allem zu bemerken, geht völlig ver Character einer Bulle ab. Es wendet fich weber im Allgemeinen an die gefammte Chrijtenheit noch an bie deutſche Nation, fonvdern ijt nur an König Friedrich und an die Kurfürjten von Mainz und Brandenburg gerichtet. Papft Eugen, ohne feine Nachfolger zu binden, giebt ein Privat- verfprechen und gerabe been, die am wenigften auf feine Erfüllung bringen werden. Mit ihrem Tode erlifcht es; niemand als fie fann fi rechtmäßig darauf berufen. Aber auch nad) feinen Tode er- liſcht es, und fchon berechneten vie Aerzte den Tag feiner Auflöfung. Kicht ohne Abficht wählte man dieſe Form ohne Rechtskraft ').

Schon in Frankfurt Hatten Eugen's Yegaten von ver Noth— wenbigleit gejprochen, daß vie andern Fürften und Völker in bie

y Das Document v. 5. Yebruar 1447 bei Raynald 1447 n. 5 und in Chmel Material. I. nro. 95. Wie jehr die Curie jelbft auf Die Vermeidung der feierlichen Bullirung Gewicht legte, zeigen Eugen’s Worte in der Bulle Ad tranquillitatem von demf. Datum: per alias nostras litteras nonnulla circa concilium universale Constantiense ejusquo decreta nec non futuri convocationem concilii mentem nostram concernentia declaravimus, prout in ipsis litteris continetur.

25*

388 D. 9. Das proviforifche Toncorbat vom Februar 1447.

Berufung eines veutjchen Concils einwilligten, das warb jet ge⸗ radezu als Beringung hHingeftellt. Aber Eugen fprach feine gute Hoffnung aus, in zehn Monaten zur Anfagung eines Concils in Deutfchlann fehreiten zu können. Sollten indeß bie Mächte nicht einwilligen, jo wolle er doch in ven zehn Monaten ein allgemeines Concil berufen und zwar ran einem andern gelegenen Orte. In dem kaum venfbaren alle alfo, daß e8 Eugen nicht gelang, einen oder ein paar ihm befreuntete Fürften zum Widerſpruch gegen ein deutſches Concil zu bewegen, ſtand ein folches, jonft aber im beften Falle ein päpjtliches Concil wie das zu Florenz ober das Tatera- nenfifche in Ausficht.

2. Anerkennung der Gewalt und Würde allgemeiner Conci⸗ lien, gemäß dem Decret Frequens und ven andern zu Coftnitz erlaffenen und zu Bafel erneuten Befchlüffen, war unbebingt ver- langt worden. Damit fiel die Anerkennung der zu Coftnig und Bajel gehaltenen Concilien ſelbſt zuſammen; venn beider Rechtstitel und Palladium waren eben bie Bejchlüffe Frequens und Sacro- sancta. Doch hatte Enea's Punctation die bejchränfende Clauſel zugelaifen, das basler Concil folle für rechtmäßig und canonifch er- achtet werben, ba e8 noch ein gemein Concilium burch die Welt gehalten worden ift.«

Ueber dieſen folgenfchweren Sat erhob nun die Cardinal⸗De⸗ putation die meijten Schwierigfeiten. Außer Enen war Lyſura am eifrigjten, die Verföhnung mit Rom um jeben Preis zu erfaufen, aber ohne ihre Mandate zu verlegen, konnten fie der Curie bas verhaßte Decret nicht ſchenken. Lyſura erfand ven Ausweg: man möge ſich begnügen, wenn jenes Belenntniß nur auf das coftniter Concil imsbefondere bezogen werde. Der brandenburgifche Gefanbte trat dem bei, mit Freude gaben auch Enea und Rabftein ihre Zu- ſtimmung.

Nicht einmal eine eigene Bulle ward über den wichtigen Punct erlaſſen, nur im Anhang der vorhin ausgelegten Erklärung vom 5. Februar fand ſich der dürre Zuſatz: „Das allgemeine coſtnitzer Concil, das Decret Frequens und andere (bie andern?) Decrete deſſelben, ſo wie auch die übrigen andern (cetera alia) Concile, welche die ſtreitende catholiſche Kirche darſtellen, ihre Gewalt, Autos rität, Ehre und Rang nehmen und erkennen Wir mit Ehrfurcht an gleih Unfern Vorgängern, von veren Fußtapfen Wir nicht abzu- weichen gebenfen.«

392 I. 9. Das prowiforifche Eoncorbat vom Febrnar 1447.

man fie miteinfchließen wollte! Es ift damals ver Eurie nicht ges lungen, ftatt des "in getrauen bafju ber franffurter Pımctation ein „wennu einzufehwärzen, aber gewonnen hatte fie eine neue biploma- tifche Unterhandlung, für veren günftigen Erfolg ohne Zweifel ſchon damals Enea bie beften Hoffnungen gab. Für ven äußerften Fall hatte Rom ſich wenigftend ver Rechtsmittel nicht entblößt, um zu guter Stunde bie deutſche Nation über die wahre Bedeutung feiner Conceſſionsbullen zu enttäufchen.

An diefe Bulle vom 5. Februar, vie wichtigfte und winbigfte von allen, fchließt fich eine weitere vom 7. Februar"), welche ge rade denjenigen Punct, ver in jener ſchon am Harften und befrie- bigenbften ausgefprodhen war, fpecieller ausführt und erweitert. Die kirchlichen Zuftände Deutſchlands, welche durch das Concil und die Neutralität ins Schwanfen gerathen waren, werden burch fie fegitimirt und georpnet. Hier galt es für die römifche Kirche nur einzelne, Heine, vorübergehende Vortheile aufzugeben, und Dafür 309 fie alle diejenigen in ihr Intereſſe, die durch das Concil over feit der Neutralität Kirchenämter over Pfründen in Deutfchland erlangt hatten. Hier trat fie daher freigebig und großmüthig über Erwar⸗ ten auf. Es war eine Art von Amneſtie, wenn man bie Beſitzer fiher ftellte, ohne ihre Befigtitel anzuerkennen. Wer feit dem 17. März 1438 irgend eine Firchliche over klöſterliche Würpe, Pfründe, Stelle oder Ordination erlangt hatte und zwar burch irgend eine Autorität, jelbjt derer, die nach Verlegung und Aufldfung des Eoncils dennoch in Baſel blieben,“ ver foll in feinem Beſitze und Nechte unangefochten bleiben. Selbjt wen das basler Concil ein Pallinm verliehen bat, das er noch nicht erhalten, bem wirb ber römische Bifchof es ohne weiteres ertheilen. Wer in ven Gehorfam vefjelben zurücgefehrt ift (am 7. Februar nämlih, dem Tage ver Obebienzleijtung) ober in ſechs Monaten zurückkehren wird, ſoll von allen kirchlichen Cenſuren und Strafen entbunven fein. In einer befonberen Clauſel wird ber Kirchen zu Freifing und Defel ge dacht: für bie um fie ftreitenden Parteien foll die Bulle kein Prä- jubiz geben, ſondern der Rechtögang ungeftärt bleiben. Das wirkte fiher Enen Silvio für des Canzlers Bruder aus; denn fonft hätte

') Die Bulle Inter cetera desideria b. Raynald 1447 n. 4, im Bulla-

rum Roman. ed. Cherubini Eugen IV oonst, XXIX, b. Koch p. 188, in Chmel Material. I, nro. 97,

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394 I « Bullen ftattfinden. nennen 1 eines Her»

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) z. B. Spittler a. a, O. S. 466. Daß Balvı bei Raynald 1447 se! unb Kerken P. I p.178, ..ı vr 8 si

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IL. 9. Enea's Lohn. Eugen's letzte Tage. 397

als Enen bei ihm zu Tische ſaß. Freundlich hieß Carvajal ihn ſelbft leſen, mit erheuchelter Demuth fagte Enea, er werde fich um dieſe fein Verdienſt überfteigende Würde nicht bewerben, aber fie auch nicht zurüchweifen, wenn man fie ihm anbiete. Am folgenben Tage ftellten ſchon viele Carbinäle ihre Candidaten auf, auch ber von Aquileja, Eugen aber wies fie alle zurüd und foll erklärt haben, er würde Enea nicht nur dies Bisthum, fondern felbft den höchſten Bontificat übertragen. Des Nominationsrechtes, das dem Könige Friedrich vor einem Jahre gerade auch in Betreff ver tergeftinifchen Kirche eingeräumt war, achtete man fo wenig wie ber canonijchen Capitelwahl. Indeß erwies fich die Nachricht für jest als eitel und Enea mußte damit zufrieden fein, daß Eugen ihn zum apoftos fifchen Subdiaconus ernannte‘).

Die deutſchen Geſandten verweilten noch längere Zeit in Rom unter dem Vorwande, die Ausfertigung ver Bullen in ver nöthigen Zahl von Exemplaren abzuwarten, obwohl nach einer früheren Ab⸗ machung ber päpftliche Legat biejelben nachbringen ſollte. Aber man verläßt ten Ort nicht gern, wo ber Lohn geſpendet wird, auch wünfchten fie Zeugen ver Veränderung zu fein, welche die Curie in Kurzem erleiven mußte. Denn Eugen wurde immer kränker und zum Fieber gefellten fich andere Symptome bes nahenden Todes. Immer noch waren feine Gedanken auf die Lage und Zukunft ber Kirche gerichtet. An König Friedrich ließ er einen Brief voll Dank und Wohlwollen fehreiben, ver zugleich die Aufforderung enthielt, der König möge endlich auch die Keter und Verdammten aus Bafel vertreiben, wo lange genug Satanas gefeifen und fen Weich ge- habtuꝰ). Schon früher hatte er verorbnet, daß bei ver Wahl feines Nachfolgers auf ven zu Bafel vörgefchriebenen Modus nicht gerüd- fichtigt werben folle?); jett ließ er die Cardinäle noch einmal vor fih rufen und ermahnte fie zu einer einträchtigen, frieblichen und würdigen Wahl: zwar ſei die Einigung mit den Deutfchen glücklich gefchloffen, aber die Wurzeln des Schema noch nicht ausgeriffen.

) Pius II. Europa cp. 58; Campanus Vita Pii II. b. Muratori Scriptt. T. Io. P. IL. p. 971. Daß Enea Silvio im I. 1446 vom Papft auch zum Dompropf von Würzburg befördert fei und den deutſchen Namen Lung (nad) Salver Kling) getragen babe, wie Dür (Eufa II. ©. 444) unterrichtet fein will, halte ih vor ber Hand für irgend einen wunderlichen Irrthum.

Breve v. 14. Febr. 1447 in Chmel Material. I. nro. 98.

3), Bulle v. 26. Ya. 1447 bei Raynald 1447 nro. 12.

398 II. 9. Eugen’ Lob am 28. Februar 1447, WUASIKE auf fein Lehen

Er nahm Feine volle Befrienigung mit ins Grab, Zwar ſtarb ch laut Enea's Bericht, nach Empfang ver legten Oelung rubig ni getröftet, nach einer andern Erzählung foll er ſterbend im Beiſt einiger Mönche ausgerufen haben: „O Gabriele, wie viel nr wäre es für das Heil deiner Seele gewefen, wenn du nie den GM binalat over Pontificat erlangt, fonvern ruhig in beinem Kicfit geftorben wäreftlu!) Am 23. Februar gab er ven Geift auf, bau Leichnam wurbe einen Tag lang vor dem Volke ansgeftellt ul danu nach des Verewigten Wunfch feierlich in S. Peters Dog doch ohne Sarkophag und ohne Grabftein, bei Eugen III user Die Leichenreve hielt der Cardinal von Bologna,

Sechszehn Jahre lang hatte Eugen IV den römifchen —* ſtuhl inne gehabt und dieſe ganze Zeit war ein unausgeſetzter Kampf gegen bie Xriftofratie der Kirche, insbeſondere gegen das basler Concil gewejen. In das erfte Jahr feiner Regierung fallen alle die unbebachten Schritte, die ihn dann in bie ſtürmiſche Laufbahn hineinriffen, die Verfolgung der Colonna, die Einmifchung in We Kriegshänvel Italiens, die Berufung des öcumenifchen Eonciik Lettere vergab er fich felber nie, fie gereute ihn noch auf bem Sterbebette. Erſt die Erbitterung des Kampfes und bie Leitung feiner Politik durch energifche Gewaltmenſchen Tießen in fee Mönchsnatur jene hartnäckige Starrheit hervortreten, jenen durh herbe Erfahrungen genährten Trotz“), der aus ber Ferne ald cam jequente Willenskraft erfchien. Daher hat auch die Energie, wi der er auf ven Dogmen ver abfoluten Papftgewalt beſtand, nicht Dämonifches, wie e8 und aus ben bierarchifchen Ideen eines Hile brand anfchauert, daher war ihm felbjt die Nachgiebigkeit mög als der ablaufende Lebensfaden kein Warten mehr geſtattete.

Geht wird es uns minder ſchwer, vie würbigen Eigenfchafll und die Mängel viefes Papftes mit Billigfeit gegen einander abpe wägen: die großen Ereignijfe feiner Zeit, vie num überfichtlich Kinis

') Vespasiano bei Muratori Seriptt. XXV. p. 266. Daf Berichte wi der von Eugen's Cubicularius Mopdefius verfaßte (bei Muratori Beripkk T, IU. P. II. p. 902) das fromme Ende des Papftes durch Worte ber I nicht flören wollen, barf uns nicht wundern. Sterbend erfceinen fh ai Päpfte als Heilige; fie fo barzuftellen war ber Schmeichler letzte Pfücht gege® fie und ihre Nepoten.

?) fu uomo molto capitoso e di dura testa, fagt Paols bi Betro#' (1. s. c. p.1180) won ihm, ein leivenfchaftslofer und guthergiger Beurtheller.

Hd. 10. Das Eonclabe. 309

mus liegen, geben einen ausreichennen Commentar zu feinem Weſen. Cie erllaͤren es aber au, warum Eugen bei feinen Lebzeiten fo verſchieden, fo einfeitig und ungerecht beurteilt wurve. Wir bürfen ven Berleumdungen und Schimpfreben, die von Bafel her gegen ihn und feine Eurie laut wurden, genau fo wenig trauen als ben Lob» reden ber Höflinge, eines Poggio, Biondo, Balla, Platine. Dort _ war man gewohnt, ihn als ven Sohn der Ungerechtigkeit und des Satan zu bezeichnen; ein Valla nennt ihn "das Bild Gottes auf Erden⸗). Die Schmeichelei gegen feine Perfon iſt nun verftummt, aber ein Heinlicher Parteigeift bat ähnliche Urtheile über Eugen wie über feinen Gegner, pas Basler Concil, noch bis in unfere Tage

fortgepflanzt.

Jehntes Capitel.

Das Conelabe und der neue Papit Nicolaus V. Enea Silvio wird Bifhof von Trieft.

Nach neuntägiger Keichenfeier traten die Sarbinäle am 4. März zum Conclave im Präbicantenflofter S. Maria fopra Minerva zuſanmen“). Die Kirche war unter bevenflichen Umſtänden ver- waiſt geworden: mehr als fonft war eine freie, ftreng-canonifche und würdige Wahl zu wünfchen, doch ftand ihr manches entgegen. Der König von Aragon, immer noch bei Tivoli, ftellte zwar fich und fein Heer ven Carbinälen zur Dispofition, aber er fehien trog- dem eber zu drohen als zu fchügen; man ſah im Cardinal Colonna, feinem Günftling, ſchon ven künftigen Papft.

Eine firenge Ueberwachung ber Stabt hatte bereits ver fter- bende Engen anbefohlen, feit Fahrhunderten war immer vie Sedis⸗ dacanz bie befte Zeit für vie unrubigen Köpfe gewefen. Auch jegt fand fich eine verbächtige Menge von den umwohnenden Lanbbaronen

*) in ber wiberlich-fhmeichelnden Anrede an ben Papſt felber in den Epis- tolas Principum eto. ed. Hieron. Donzelinus. Venet., 1574 p. 412.

Die Hauptguelle für diefes Sapitel bleibt des Enea ausführlicher Geſandtſchaftebericht a. a. D.

400 I. 10. Stefano be’ Borcart. - Das Conelave im März 1447.

und von allerlei Gefindel in der Stadt ein, jene als Anhänger ver Colonna oder der Orfini intereffirt, biefe für jeven Tumult: Die man finden konnte, wurden fogleich ausgewiefen; aber es blieb noch genug des gährenden Stoffes. Den Pöbel ver Weltftabt, Doch and) viele Jünglinge aus ven ebeljten Häufern verfammelte in einer Kirche ver römifche Ritter Stefano de’ Porcari, ein in Schul- ven verſunkener Demagog, aber ein feuriger und kühner Menfch von aufftachelnder, hiureißender Beredtſamkeit, wie Nom immer bin und wieder einen erzeugt. Seine Worte waren ber Sirenenktlaug ber alten Republif: es fei eudlich Zeit, das ſchmähliche Priefterjoch abzuwerfen, jegt, während ver Herrfcherftuhl erlenigt und die Car⸗ dinäle im Conclave feien, ſolle ſich das Volk zur Freiheit erheben. Dan verjah ſich eines Aufruhrs: die Kaufleute bargen ihre Habe an verjtedten Orten, Prälaten durcheilten die Stadt und fuchten ie Bewegung durch begütigende Worte niederzubalten. Es mußte dem Volke die Befreiung von einigen Lajten gewährt werben. Por⸗ caro ward auf eine ehrenvolle Weife nach Bologna verbannt und ihm eine Penfion aus ver päpftlichen Kammer zugeſprochen). Er rubte nicht, bis er das Ende eines Rebellen gefunden, in Yolge einer neuen Verſchwörung gefangen und an der Mauer der Engele- burg gehenkt wurde.

Darin war das Collegium ver Carbinäle einig, daß gerade jett nicht nur jever Makel der Wahl, ſondern felbit ver Verdacht eines Makels vermieden werben müffe Selten find bie gefetlichen Formen bis auf die geringfügigfte Ceremonie fo peinlich beobachtet worden. Mit der größten VBorficht wurde die Einrichtung und Be wachung des Conclave angeorbnet, und damit fich auch vie Laien bavon überzeugten, wurben die Geſandten des römijchen Könige wie die der Könige von Aragon und Cypern um Uebernahme ber Thürſteher-Aemter angegangen’). |

Die Römer haben ein Sprichwort: wer als Papft ins Eon- clave seht, kommt als Cardinal heraus. So wurde auch bie

·—

) A. S. Frid. III. p. 135, Europa cp. 68; Platina Vita Nicolai V; Antoninus Chron. P. III. tit. 22 cp. 12 $ 5.18; Infessura Diario della eitta di Roma bei Muratori Seriptt. T. II. P. U, p. 1131; bei letzterem er- cheint Porcaro als ein freiheitsliebender Patriot.

?) Wer das anziebende und Iehrreiche Detail des Wahlacte® und ber Krö⸗ nungsfeier fennen zu lernen wünſcht, ven müſſen wir auf Enen’s Gefanbtjepafte- bericht und auf f. Comment, ed. Fea p. 106 verweiſen.

- IE 10. Das Eonclave. Wahl Nicolaus’ V am 6. März 1447. 401

Zuverfiht, die man auf die Erwählung des Colonna ſetzte, troß der feften Anhänglichleit feiner Partei getäufcht. Gegen ihn hatten bie Orfini ihre Stimmen aufgeboten; außerdem verfochten Frank⸗ reich, Venedig und Mailand ihre befonvdern nterejfen'). Partei- finn und Eiferfucht ftritten fortwährenn mit der Nothwendigkeit, ſchnell und einmüthig zu wählen. Das erjte Scrutinium fand fehon am Abende des 4. März ftatt. Sofort erhielt Prospero Colonna zehn Stimmen, es beburfte aber zur Wahl zweier ‘Drittheile ver Stimmen, aljo zwölf, denn ver Cardinäle waren achtzehn. Außer vem Golonna erhielten Capranica acht und Barentucelli fünf Stim⸗ men; man kann nämlich auch zwei oder mehrere Namen auf ben Wahlzettel fchreiben, doch hat ver früher genannte jedesmal den Borzug. Wahrfcheinlich wurde Capranica, ven Colonna befreundet, von mehreren ihrer Anhänger in zweiter Reihe gewählt.

Beim zweiten Scrutinium am folgenden Tage blieb das Ver—⸗ hältniß ein ähnliches, nur zerfplitterten fich die auf Capranica und Parentucelli gefallenen Stimmen noch mehr. Selbft Nicolaus von Cues wurde genannt. Colonna aber behielt feine zehn Stimmen. Da bot ihm Le Jeune auch vie feinige an und ſchon wollte Paren- tucelfi beitreten, wodurch die Wahl entjchieven wäre, doch hielt ihn der von Taranto noch zur rechten Zeit zurüd.

Konnte es zu Feiner Parteiwahl kommen, fo wurbe eine partei- loſe verfuht. Wie mehrmals wurde auch jegt ein gelehrter und von Allen geachteter Papſt gewählt, weil man über einen von poli- tifcher Bedeutung nicht einig wurde. Im britten Scrutinium am 6. März erhielt BParentucelli wider Erwarten bie nöthigen zwölf Stimmen und wie gewöhnlich, um vem Volke die Wahl als eine einftimmige verkünden zu können, traten ihr nachträglich auch bie übrigen Carbinäle bei. Gfleichfalls nach der Sitte lehnte ver Ge— wählte exrft eine Zeit lang vie Wahl von fich als einem Unmwür- digen ab, bis ihn bie Cardinäle durch die Vorjtellung erweichten, er möge dem Walten bes heiligen Geiftes nicht in den Weg tre⸗ ten). Er nannte fih Nicolaus V, zum Andenken an feinen einftigen Herrn, ven würbigen Carbinal von ©. Eroce Dann ritt er auf weißem Roß nad S. Peter, ver Nitter von Rabjtein hielt ven Zügel und die andern Geſandten folgten.

9 of. A. 8. Comment, ed. Fea p. 107. 108, Frid. III. p. 136. 9 Platina Vita Nicolai V. in princip. Boigt, Enea Eilvio. 1. 26

409 IT, 10. Anbienz ber Geſandten. Einbrud der Wahl, Krönıngöfeier.

Noch an vemfelben Tage hatten fie Aubienz und wurden vom Bapfte fo gnädig und freundlich empfangen, wie einft vom Biſchof mb vom Garbinal von Bologna. Kaum Tieß er ven Fußkuß zu. Gütig und vertraulich war auch feine Antwort auf ihren Glück⸗ wunſch, er verfprach alfes zu beftätigen und zu befolgen, was fein Vorgänger ınit der ventjchen Nation abgefchloffen. „Die römifchen Päpfte, fuhr er dann fort, haben meiner Meinung nach ihre Faſern zu weit ausgebreitet und ven übrigen Biſchöfen nichts von der Juris⸗ diction gelaffen. ‘Dagegen haben vie Basler die Hände des apofto- lifchen Biſchofs zu fehr verkürzt. So geht's denn! Wer Unwär- biges thut, muß Ungerechtes ertragen. Einen Baum, ver auf eine Seite neigt, zieht man gar leicht auf die entgegengefegte, wern man ihn aufrichten will. Wir gevenfen vie Bifchöfe, die zur Löſung ver Kümmerniffe berufen find, in ihrem Rechte nicht zu verfürzgen. So hoffen Wir Uns Unfere Yuristiction zu erhalten, indem Wir Uns feine fremde anmaafßen.« Weber vie Annaten und Provifionen ſchwieg der Papft.

Seine Erhebung wurde überall gebilligt. Hätten auch mandhe einen andern Papſt aus ihrer Partei Tieber gefeben, fo ſah biefen boch niemand ungern. Es war für Rom wie für die Kirche ein Segen, dag ein neuer Ausbruch des Factionshaffes glücklich ver- mieden, daß ein vervienter und burchans genchteter Mann an bie Spite geftellt war. Freudenfeuer brannten in den Straßen, bie leicht Bürgerblut fürchterlicher geröthet hätte. Der König von Ara- gon, zu dem zwei Garbinäle abgejchiet waren, verhehlte fein Mip- vergnügen, ließ Glück wünfchen und bedauern, daß er der Kroͤnung, zu der er geladen wurde, nicht beiwohnen könne.

Zur Krönungsfeier am Sonntag Tıaetare (19. März) waren auf Nicolaus’ Bitte auch die deutſchen Geſandten geblieben. nen, ber vorher unter bie apoftolifchen Diaconen aufgenonmmen war, trug dem Papfte das goldene Kreuz vor, wurbe auch im Lateran ausgezeichnet und zur erften Hauptberathung über vie Religion zu- gezogen' ), wo ter Papft eine Art Programm feiner künftigen Re— gierung vorgetragen zu haben fcheint. Dieſer erwies dent königlichen Geſandten manche perfänfiche Gunft und fäumte nicht, dem vömifchen König felber jowohl ven geheimen Bertrag vom Sommer 1445,

') Campanus Vita Pii IE. 1. c. p. 971, wo gelefen werben muß: consultantibus de religionis summa adesset.

II. 10. Herkunft des Papſtes Nicolaus V. 403

wie allen Theilnehmern bes frankfurter Bundes die durch Eugen verliehenen Gnaden zu erneuern‘). Allen Fürften, venen er feine Wahl und Krönung fund that, fprach er zugleich von feinem Ent- ſchluß, die apoftolifche Eancelei auf ihre alte, einfachere Einrichtung zurädzuführen und die apoftolifche Stammer anders verwalten zu Iaffen, ale es bisher geſchehen?).

Die Familie Parentucelli, welcher Nicolaus V angehörte, war eine bürgerliche, arme und unbebeutende?); man wußte nicht, ob fie in Piſa over Lucca heimifch war. Indeß verfichert Enen, ver auf feiner Reife mit dem Bifchof von Bologna im Jahre 1446 mehrere Glieder jener Familie kennen lernte, daß er fie als ehrenhafte Leute von anftändigen Sitten gefunden habe‘). Der Vater des Papites, Bartolomeo, foll Arzt gewefen fein, feine Mutter war aus Sar- . fana gebürtig, einem Flecken unweit dem genuefifchen Bufen, wo pie Familie auch längere Zeit in ver Verbannung lebte. Obwohl ver Papft nicht hier, fonvern 1398 zu Piſa geboren wurde, pflegte man ihn doch allgemein Thomas von Sarfana zu nennen. Er war

) Schreiben vom 19. und 28. März 1447 in Chmel Material. I. nro. 99. 100.

3 Sein Breve an den Erzbifchof Dietrih von Main; in Gudenus Cod. dipl. IV. aro. 137. Er gebente, beißt e8 darin, reducere Camerac Apostolicae mores ad antiquam et laudabilem consuetudinem et malas vepres de vinea

) Darin flimmen alle Zeugniffe überein: Raph. Volaterr. Lib. XXI. p. 816; Antonin 1. c. cp. 12 init; Pomp. Vizani Histor. Bonon. bei Bzovius 1448 $ 18; Dlugoss Hist. Polon, Lips., 1712 Lib. XIII. p. 26. Do iR ber Rame der Familie nicht ganz conflatirt. Wir haben den Mann bieher Barentucelli genannt, weil fein Biograph Manetti in diefer Be- ziehung als bie befte Duelle betrachtet werben darf; mit ihm fliimmen Oldoi- aus ad Ciacon. II. p. 965 und Gregorius de Laude bei Bonanni Numism, Pontif. I. p. 49 überein. Der Name Lugano, ber auf dem Avers einer Nünze bes Bapftes bei Bonanni ericheint, wird von Onuph. Panvi- nius ad Platinae Vit. Pontif. edit. Colon., 1626 p. 299 als ein Familien⸗ zuname erllärt. Im zwei Bullen des Papſtes Felix (bei Mansi XXXI. p. 188. 190) wirb ber Papſt Nicolaus Thomas de Calandrinis genannt. Der Irrthum rührt wohl daber, weil feine Mutter, wie Oldoinus nach ber Grabesinfägrift in der Kirche zu Sarfana erzählt, Andreola Calderina hieß. Sanudo (bei Muratori XXII. p. 1124) nennt den Papſt filiuolo di Mastro Bartolemeo Cirusico; ganz wunberlih! Dom. Georgii Vita Nicolai V. Bomae, 1742 babe ich nicht zu Geſicht belommen.

*) Comment ed. Fea p. 93.

296 *

404 . 2. 10. Nicolaus’ V frühere® Lebert.

nicht der Mann, um zu veranlaffen, daß feine niebrige Herfuhft durch Schmeichler verdeckt oder verberrlicht wurde; auf feine Denk⸗ münzen ließ er fein Familienwappen, wie feine beiven Vorgänger, fondern nur die gefreuzten Schlüffel Petri ſetzen). Schon im zwölften Jahre bezog er die Hochjchule zu Bologna und in feche Jahren erwarb er ſich mit fchnellfaffendem Geift und einem außer⸗ gewöhnlichen Gebächtniß eine folche Fülle von SKenntniffen, daß er nicht nur in ber Theologie und Philoſophie, fondern mehr noch im ben liberalen Wiffenfchaften für ein wunderbares Mufter von Bele⸗ jenheit und Gelehrſamkeit galt. Beſonders zeichnete er fich ale feiner und gefchicdter Disputant aus. Die Disputirkunft verleug- nete er auch als Papft nicht: mit lebhaften Worten und Gebärten, wenn auch nicht immer fehr überzeugend, rüdte er vem Gegner eine erjtaunliche Mafje von Argumensen und Citaten vor; babei war er hitig und duldete den Widerſpruch nicht. Auch waren Ge- dächtniß und lebhaft-ſchneller Scharffinn mehr feine Gabe als Er- findungskraft und glänzenve Neve *).

Häusliche Dürftigkeit nöthigte den jungen Parentucelli, einige Jahre zu Florenz als Hauslehrer bei ven Familien Albizzi und Strozza zu verweilen, dann Fehrte er zu feinen Studien nach Bo— logna zurüd und wurde in feinen 22. Lebensjahre Doctek der Theologie. Hier lernte ihn der Bifchof ver Stadt, der uns wohl- befannte Albergata kennen, deſſen Hauswefen nun Parentucelli ale Defonom und Gubernator der geiftlichen Familie zwanzig ununter- brochene Jahre hindurch vorſtand'). Kin folder Zeitraum, ver- einigt mit dem anerkannt trefflichen Character Albergata’s, des Cardinals von S. Eroce, das find die vollgültigften Zengniffe auch für Thomas' ehrenfeften Wandel und für feine Berufstreue. Gr begleitete feinen Herrn auf deſſen mannigfachen Legationen, von

) Molinet Hist. summor. Pontif. per eorım numismata, Lutet,, 1679 p.7.

) A. 8. Comment. ed. Fea p. 109, Frid. III. p. 135. Manetti fpricht hierüber wie im Allgemeinen ale übertreibender Lobrebner. Den kritifchen Maaßſtab für fein Wert bietet der Umftand, daß er vom Papſte eine jährliche Penfion von 600 Goldgulden bezogen hatte. cf. Naldi Vita Manetti bei Murstori XX. p. 586. 593.

) Vespasiano bei Muratori Scriptt. XXV. p. 370; Bigonius Histor. de reb. Bononiens, (Hanov., 1604) p. 186; Victorellus ad Ciacon. Il. p. 955.

IH. 10. Ricolaus’ V früheres Leben. Seine Perfönlichkeit. 405

denen wir bie nach Ripaille und Arras (1435), wo er mit Enea Silvio zufammenlebte, ſchon erzählt Haben. Während des Aufent- haltes ver Curie in Florenz trat er in enge Verbindung mit Män- nern wie Leonardo und. Carlo von Arezzo, Giannozzo Manetti, Poggio Bracciolini, Giovanni Aurispa, deren Unterhaltungen und Dieputationen ihm das lebhafte Intereſſe für die ſchönen Wiflen- ſchaften einflößten, welches ihn als Papft berühmt gemacht hat. Während er in Bafel einft, voll heftigen Eifers, das Concil eine Synagoge des Satan nannte, that er fich zu Florenz in den Glau⸗ bensdisputationen mit den Geſandten der chriftlichen Methiopen und Inder . hervor, bei welchen ein Venetianer, ver zwanzig Sprachen verfießen wollte, ven Dolmetjch machte‘).

Während Enea von einem Herrn zum andern z0g und gegen feinen eine dauernde Anhänglichkeit bewies, blieb Thomas vem feinen 23 Jahre lang unverbrüchlih treu, bis ver Cardinal am 9. Mai 1443 das Zeitliche fegnete. Er ſoll fogar das Bistum Urbino ansgefchlagen haben, um ven alten und kränklichen Gebieter nicht verlaffen zu dürfen“). Noch einmal trat er in ven Dienft des Carbinal Landriano; als auch dieſer fchnell geftorben war, erhob ihn Eugen zum Scriptor an ver Pönitentiarie, zum apoftolifchen Subrieconus und nach einigen Gefanbtfchaften zum Bifchof von Bologna’). Wie er mit Sarvajal auf veutfchem Boden den Purpur verdiente, ift uns aus tem Obigen bekannt; er wurbe in einem Fahre Bifhof von Bologna, Kardinal und Papft.

Gegen die hohe Geftalt, die ruhige Majeftät und den fchweig- famen Ernſt Eugen’s ſtand ver neue Papft gerade im Gegenfak. Stellen wir uns Nicolaus als ein Heines Männchen vor, mit leb- baften fchwarzen Augen, haftig in feinen Bewegungen, rührig und mermüdlich, eher gejchwätig als wortkarg. Die Beweglichleit des Temperamentes und das rege Treiben des Geiftes fchienen ver bläß- lichen Gefichtsfarbe, des hagern Leibes zu fpotten. Seine Gefund- heit litt indeß erft unter ven Laften des Pontificats, wozu ber Lieb- lingegenuß des Weines fam. ‘Da wurven feine Züge eingefallen und afchfarbig, feine Glieder von gichtifchen Schmerzen gequält‘).

') Vespasiano p. 271. 273; Platina in vita Nicolai V.

7) A. B. Frid. III. p. 137. |

”) Manetti p. 915. 916; Vespasiano p. 275; Bigonius |. c.

*) Manetti p. 918. 919; Antoninus Chron. P. III. tit. 22 cp. 12 init.

406 IL, 10. Nicolaus V.

In Eugen hatten die Protection und der Ehrgeiz einen vene- tianischen Kaufmannsfohn auf ven heiligen Stuhl erhoben, er war ein vorzugsweife politifcher Papſt, führte unendliche Kriege unb fuchte in feinem Einfluß auf Stalien auch fein kirchliches Anſehen zu begründen. Nicolaus, der niebriggeborene, hielt Wiffenfchaft und Kunft, Schätze und Pracht für beffere Stüßen bes apoſtoliſchen Stuhles. Um Bücher und Bauten, pflegte er ſchon als Magifter zu fagen, möchte er alles Geld ausgeben‘). Die Eulturgefchichte wird feinen Namen nicht vergefjen. Eugen war kühn und liftig zu⸗ gleich, finfter und zurüdgezogen, nachtragenp in feinem Haß, nur aus Klugheit einmal gnäbig und herablaſſend, niemals freundlich. Seinem Nachfolger haftete etwas von ber Schüchternheit des Ge⸗ lehrtenthums an’), er liebte an fich und andern eine behagliche Heiterfeit, war zu frober Unterhaltung und ungezivungenem Umgang aufgelegt. Als Bifchof, wenn jemand nieveren Ranges ihn ehr⸗ fürchtig befuchte, Tonnte er ärgerlich werden, wenn biefer fich nicht gleich neben ihn fette, um zu ſchwatzen, er zerrte ihn dann am Arme zu fich aufs Polfter. War es ein irgend angefehener Mann, jo begleitete er ihn beim Weggehen bis zur Treppe’). Er zeigte ſich freier als die bisherigen Päpfte in der Stabt und gab zu allen Zageszeiten Audienz. Erjt al® die zweite Empörung Porcaro’s ihm das Römervolk verleivete und als bie Gicht feinen Körper mit Schmerzen durchzog, hielt er fich forglicher in feinem Palaft und wurde mürrifcher *).

Wir fahen, wie Eugen bei aller Starrheit des Weſens voch feine innere Sicherheit fühlte und von Männern wie Vitellescht und Scarampo beherrſcht wurde. Bei Nicolaus tabelte man gerade pas Gegentheil, obwohl wir es ihm nicht fo entjchieden als Fehler anrechnen, wie Euea Silvio thut, daß er nämlich fich ſelbſt zu viel vertraute und fremdem Rathe nicht Leicht folgte‘). Bei ver un- gleichen und wenig Vertrauen erwedenvden Zufammenfegung bes Cardinal⸗Collegiums, bei ven intriguanten Einflüffen ver Curie, bei bem Zone der Schmeichelei und Heuchelei, ver an ihr berichte,

——

') Vespasiano p. 273.

) Platina; ein Beifpiel bei A. 8. de dieta Ratispon. p. 4. ) Vespasiano p. 274; Manetti p. 917.

”) Antoninus unb Platina ll. co.

) Comment. ed. Fea p. 109 und Frid. UL p. 188.

U. 10. Nicolaus V. 407

erfcheint ein ſelbſtſtändiger Geift, auch wenn er zu viel auf fich baut, immer noch wohlthätiger al8 ein ven VBerleumbungen und Ein- fläfterungen offnes Ohr. Auch in einem andern Vorwurf Enea’s, Parentucelli fei vor feinen Cardinalat gegen Nievere ftolz, gegen Höhere aber ſehr demüthig gewefen, iſt vielleicht tie Wirkung per- fönlicher Berührungen zu erfennen. Die Zeit, die beide miteinander in ber Bamilie des Cardinals von S. Eroce verlebten, hat fein freundfchaftliches Band zwifchen ihnen gefnüpft, die Denkweiſe war allzu verfchieven. Thomas witterte an Enea etwas von ver Un- lauterleit des Apoſtaten; diefen Fräufte es, als bei feiner Anwefen- beit in Rom Parentucelli ihm verächtlich vorüberging und feinen Gruß nicht erwiederte. Niemals, obwohl das gemeinfane Intereſſe eine gewiſſe Vertraulichkeit zwifchen ihnen erzeugte, entjtand taraus ein perfönliches Vertrauen.

Deshalb follen am Character des neuen Papſtes einige trau- rige Flecken nicht hinweggeläugitet werden. Er war fchnell auffah- rend im Zorn, wenn er es auch, wie alle gutmüthigen Dienfchen, bald wieder bereute. Seine Familie, fo gut er fie fonft hielt, mußte fich doch oft tüchtig von ihm auefchelten Lafjen und nicht nur ihre Lieverlichkeiten gaben bazu Veranlaſſung. Er wurde wü— thend, wenn er nicht augenbliclichen Gehorfam fand. Auch mit jevem feiner Freunde hatte er fich einmal gezankt').

Mm Rom brachte man feine cholerifchen Ausfälle mit ven Wir- tungen des Weines in Verbindung, ven er freilich allzufehr liebte. Einen gewiffen Angelo Roncone, ber zwar als fein Feind, aber doch mit einem @eleitsbrief nach Nom gelommen war, ließ ex föpfen, konnte ſich aber anı folgenven Tage verwundert beö Be- fehles nicht mehr erinnern’). Ohne Zweifel wurven feine gichtifchen Leiden durch dieſe Neigung zum Wein erhöht, aber trog ven War- nungen ver Yerzte konnte er von ihm nicht laffen: feinem Vorgänger,

) Manetti p. 919; Platina ad fin.; Vespasiano p. 275; A. B. Comment. ed. Fea p. 109.

?) Infessura Diario p. 1136. Den Borgang und bes Papfles Reue über die Hinrichtung meldet auch Platina (edit. s. 1., 1664 120, p. 611). Raph. Volaterr. lib. XXII. p. 816 giebt dem Papſte nur ein Laſter Schuld: quod nimio bibendi studio teneretur, perquisitis undique vinorum genoribus. Vespasiano p. 276 will ihn entjchuldigen, als babe er fein Weinlager nur um anberer willen gehalten, gefteht aber Doch, wie er ſchon ale Biſchof nie ohne zwei Flaſchen, eine mit xothem, bie andere mit weißem Wein gefüllt, gejpeift habe.

408 II. 10. Nicolaus V, der Kirchenfiaat und die apoftolifge Kamm.

pflegte er zu fcherzen, habe die Enthaltjamfeit auch nicht geger2 Podagra geholfen‘). Es war eine übermäßige Lebensluſt ir - bie fich auch in feiner ungewöhnlichen Todesfurcht offenbarte. ven Sommern 1451 und 52, während in Nom eine Seuche graſſt* zog er auf feine ländlichen Schlöffer und refibirte am liebſten ©. Fabriano; da verbot er bei Buße des Halfes und Lebenß daß jemand, ver aus Rom kam, fich dem Caſtell auf fieben Mizlü näbere, Nur einige bevorzugte Carvinäle burften, aber mit nic mehr als vier Dienern, bei ihm wohnen”). |

Auch die Verwaltung des Sirchenftantes unter Nicolaus wi das vollenvete Gegenbild von ber Eugene. Der Friede in Re und überall unter dem päpftlichen Krummſtab war fein ftetes Zi Wo die geiftliche Autorität nicht genügte, zähmte er die Eroberung und Blünverungsfucht Lieber durch den Aufbau jchügenver Bnrg als durch Sölpnerhaufen. Das Geheimniß feines Anfehene lag ver gefüllten apoftolifchen Kanımer. Stets hielt er einige Trupp in Bereitfchaft, aber fie erhielten pünctlich ihren Sold, ver Krieg follte nicht auf Raub und Beute gewiejen fein. Dagegen war fei Bolitif gegen bie italifchen Nachbarn zwar feiner und fchlaner, ab mindeſtens fo perfid wie bie Eugen’s: er fah mit geheimer & wie Kiferfucht und Haß fich in Italien weiblich austobten, er ſpiel Jahre lang ven Frievensvermittier, um unvermerkt dem Frieb immer neue Hinverniffe zu bereiten und bie Segnungen ber Waffe ruhe allein zu genießen. Daß unter feiner Regierung zum Schredt des Abendlandes Conftantinopel fiel und ver vorbringende Fanali mus ber Türken felbft Rom zittern machte, ift keinesweges oh die Schuld des damaligen Kirchenhauptes gefchehen.

Er wolle mit einer Reforn der apoftolifchen Kammer begin vie Curie einfchränfen, unnüge Vergeudung und ben Strieg meibe jo erflärte Nicolaus beim Antritt feiner Regierung ven dentſche Geſandten und aller Welt. Wer ausgiebt, wo er nicht folite, fag er, ijt gezwungen auch einzunehmen, wo er nicht follte. Wirlli verminderte er die Hofämter, orpnete die Einfünfte des Kirche itaates und die Zölle der Stadt Rom. In wenigen Fahren wi die päpftliche Kammer fchulvenfrei”). Ihm Tam vie Herftellung d

») A. 8. Frid. III. p. 138.

) Bwei Berichte des Deutſchordensprocurator an ben Hochmeifter im & Archiv zu Königsberg; vergl. Manetti p. 928.

) Enea’s Gefandifchaftsbericht ad fin; Manetti p. 921. 922.

DL 10. Nicolaus V al8 Haupt ber Kirche. 409

Deedien; im Abendlande trefflich zu Statten: es war, als wenn wm des Geld, welches man dem apoftolifchen Stuhl währenn ber bahler dewegung fo bitter mißgännt, jetzt twieber ſeine Gegenbewe- a gerade nach Rom bin nahm. Im Subeljahre ftrömten dann mprhliche Summen.in vie päpftliche Kaffe, taufenpfältige Früchte ken, was ver Papft für vie Befriedung und Sicherheit des

gethan. Durch dieſen Zufluß freiwilliger Gaben, bie nach Belieben verwenden und verſchwenden burfte, ließ fich Ni- ans allmählig verleiten und hinreißen, auch va zu nehmen, wo nicht follte, bis endlich das ganze gelpfchneiderifche Unweſen, ches unter Martin V feine Vlüthezeit gefeiert hatte, unter ihm e Reftanration erlebte‘), Indeß Völker und Fürſten umher : Hälfsqnellen erfchöpften, um den Nebermuth der Söldnerbanden nähren, warb zu Nom eine Pracht und eine literarifche Rührig- entfaltet, die für Kunſt und Wiſſenſchaft eine neue Hera ber- peführt hat.

Auf vie Titerarifchen Unternehmungen des Papftes und auf e Bauten kommen wir in ver Folge zurüd. Neben feinem un- baren Intereſſe an Büchern und Prachtgebänden hatte auch Berlangen, von der Nachwelt gepriefen zu werven, ja eine ent- evene Neigung zum Prunken ihren Theil daran. Wenn Nicolaus Tempel Rom's zu Meifterwerfen ver Kunft umfchaffen wollte, m er koſtbare Gefäße und Gewänder einführte, wenn er bie are mit geſchmackvollen Reichthümern überlud und bie Kirchen goldgewirkten Tapeten zierte, wenn er das Hausgeräth feines (fies minveftens breimal fo herrlich als feine Vorgänger ein- fete, feine Umgebung in Gold und Seive kleidete, die päpftliche ta mit den gefuchteften Eveljteinen zierte”), wenn er die Kirche heben meinte, indem er einer perfünlichen Eitelfeit ven Zügel 4, fo blickt uns wahrlich durch alle Schönheit und Pracht ver it der tiefen Verderbniß hohläugig entgegen.

Denn ald Vater der Kirche ift Nicolaus auf dem Wege feiner ctzaͤnger fortgewanvelt. Die anticonciliaftifche Reaction, wie fie an a Curie Ton war, riß auch ihn mit fih. Wie er felbft in ven uerhandlungen mit ver beutfchen Kirche am thätigften geweſen

——

Bielſache Beiſpiele in meines Vaters Aufſatz: Stimmen aus Rom, im Mer. Taſchenbuch f. 1883. ) A. 8, Europa cp. 58; Manetti p. 923; Antoninusl. c.

400 I. 10. Stefano de’ Porcart. Das Conclave im März 1447.

und von allerlei Gefinvel in ver Stadt ein, jene als Anhänger da Colonna oder der Orfini interefjirt, diefe für jeden Tumult. M man finden fonnte, wurden fogleich ausgewiefen; aber es blieb nad genug des gährenven Stoffes. ‘Den Pöbel ver Weltitapt, doch amd viele Sünglinge aus ven eveljten Häufern verfammelte in ein Kirche der römische Ritter Stefano de’ Porcari, ein in Schi den verfunfener Demagog, aber ein feuriger und fühner Meufe von aufftachelnder, hinreißender Berebtfamfeit, wie Nom immer Ih und wieber einen erzeugt. Seine Worte waren ber Sirenenllen ber alten Republif: es fei enblich Zeit, das fehmähliche Priefteried abzuwerfen, jet, während ver Herrfcherjtuhl erlenigt und bie Gas dinäle im Conclave feien, folle fih das Volk zur Freiheit erheben Man verfah Sich eines Aufruhrs: die Kaufleute bargen ihre Hab an verſteckten Orten, Prälaten vurcheilten die Stadt und fuchte die Bewegung durd) begütigende Worte niederzuhalten. Es mußt dem Volfe die Befreiung von einigen Laften gewährt werben. Pet caro ward auf eine ehrenvolle Weife nach Bologna verbannt ml ihm eine Benfion aus ver päpftlichen Kammer zugefprocdyen‘). & ruhte nicht, bis er das Ende eines Rebellen gefunden, in Foly einer neuen Verſchwörung gefangen und an ber Mauer ver Engel burg gehenkt wurde.

Darin war das Collegium der Carbinäle einig, daß gerad jett nicht nur jeder Makel ver Wahl, fonvern felbft ver Verdach eines Makels vermieden werden müſſe. Selten jind vie geſetzliche Formen bis auf die geringfügigfte Ceremonie fo peinlich beobadie worden. Mit der größten Vorficht wurde bie Einrichtung und Ve wachung des Conclave angeordnet, und damit ſich auch vie Lakı bavon überzeugten, wurden die Gefanpten des römifchen König) wie die der Könige von Aragon und Cypern um Vebernahme m Thürſteher-Aemter angegangen’).

Die Römer haben ein Sprichwort: wer als Papft ins FR clave geht, fommt als Cardinal Heraus. So wurbe auch di

2 A. S. Frid. II. p. 185, Europa cp. 58; Platina Vita Nicolai V. Antoninus Chron. P. IH, tit. 22 cp. 12 8 5.18; Infessura Diario des eitta di Roma bei Muratori Scriptt. T. II. P. U, p. 1131; bei leßterem & heint Porcaro als ein freiheitsliebender Patriot.

?) Wer das anziehende und Iehrreiche Detail bes Wahlaetes und ber Krb nungsfeier kenuen zu lernen wünfcht, ben müſſen wir auf Enen’s Gejaubtiget! bericht und auf f. Comment. ed. Fea p. 106 verweifen.

IL, 10. Das Conclave. Wahl Nicolaus’ V am 6. März 1447. 401

erfiht, die man auf die Erwählung des Colonna ſetzte, troß feften Anbänglichfeit feiner Partei getäuſcht. Gegen ihn hatten Orfini ihre Stimmen aufgeboten; außerdem verfochten Frank⸗ ‚, Benebig und Mailand ihre befondern Yntereffen'). Bartei- und Eiferſucht ftritten fortwährend mit der Nothwendigkeit, I und einmütbhig zu wählen. ‘Das erjte Scrutinium fand fchon (benve des 4. März ftatt. Sofort erhielt Prospero Colonna Stimmen, e8 bedurfte aber zur Wahl zweier Drittbeile ver men, alfo zwölf, denn ver Cardinäle waren achtzehn. Außer Bolonna erhielten Sapranica acht und Parentucelli fünf Stim⸗ man kann nämlich auch zwei over nıchrere Namen auf ven zettel fchreiben, doch bat ver früher genannte jevesmal ven 19. Wahrfcheinlich wurde Capranica, ven Colonna befreundet, nebreren ihrer Anhänger in zweiter Reihe gewählt. Deim zweiten Scrutinium am folgenden Tage blieb das Ver⸗ ig ein ähnliches, nur zerfplitterten jich die auf Capranica und ntucelli gefallenen Stimmen noch mehr. Selbft Nicolaus von wurde genannt. Golonna aber behielt feine zehn Stimmen. bot ihm Le Jeune auch pie feinige an und fchon wollte Baren- i beitreten, wodurch die Wahl entfchieven wäre, doch hielt ihn on Taranto noch zur rechten Zeit zurüd. Konnte es zu keiner Parteiwahl kommen, fo wurde eine partei- verſucht. Wie mehrmals wurde auch jett ein gelehrter und Allen geachteter Papft gewählt, weil man über einen von poli- e Bedeutung nicht einig wurde. Im dritten Scrutinium am tärz erhielt Parentucelli wider Erwarten die nöthigen zwölf men und wie gewöhnlich, um vem Volke die Wahl als eine mmige verfünvden zu fönnen, traten ihr nachträglich auch die en Cardinäle bei. Gleichfalls nach ver Sitte lehnte ver Ge- te erft eine Zeit lang die Wahl von fich ale einem Unmür- ı ab, bis ihn die Cardinäle durch die Vorftellung erweichten, ge dem Walten ves heiligen Geiftes nicht in ven Weg tre- ). Er nannte fih Nicolaus V, zum Andenken an feinen igen Herrn, den würdigen Carbinal von ©. Croce. Dann ritt uf weißem Roß nah S. Peter, der Ritter von Rabſtein hielt Zügel und die andern Geſandten folgten.

Ne. A. 8. Comment. ed. Fea p. 107. 108, Frid. III. p. 136. Platina Vita Nicolai V. in princip. Voigt, Quea Eilvio. I. 26

40% IT. 10. Andienz der Gefanbten. Eindruck der Wahl. Krönungefetr-

Noch an vemfelben Tage Hatten fie Aubienz und wurben Bapfte fo gnädig und freundlich empfangen, wie einft vom Burg und vom Garbinal von Bologna. Kaum Tieß er ven Fußfk gi Gütig und vertraulich war auch feine Antwort auf ihren Gld wunfch, er verfprach alfes zu beftätigen und zu befolgen, mas fi Vorgänger mit ver beutfchen Nation abgefchloffen. "Die römiſch Päpfte, fuhr er dann fort, haben meiner Meinung nach ihre Faſer zu weit ausgebreitet und ven übrigen Bifchöfen nichts won der rl diction gelaffen. Dagegen haben vie Basler vie Hände des apeflı liſchen Bifchofs zu fehr verkürzt. So geht's venn! Wer Unwi biges thut, muß Ungerechtes ertragen. Einen Baum, ver auf el Seite neigt, zieht man gar leicht auf bie entgegengefete, wem mi ihn aufrichten will. Wir gevenfen vie Vifchöfe, die zum Löſung d Kümmerniffe berufen find, in ihrem Rechte nicht zu verfürzen. © hoffen Wir Uns Unfere Jurisdietion zu erhalten, indem Wir Us feine frembe anmaaßen.« Weber vie Annaten und Provifiem fchwieg der Bapft.

Seine Erhebung wurde überall gebilligt. Hätten auch mand einen andern Papjt aus ihrer Partei lieber gefehen, fo ſah bie body niemand ungern. Es war für Nom wie für die Kirche ei Segen, daß ein neuer Ausbruch des Factionshaffes glücklich ver mieden, daß ein verbienter und durchaus geachteter Mann an M Spike geftellt war. Freudenfeuer brannten in ben Straßen, W leicht Bürgerblut fürchterlicher geröthet hätte. Der König von Am gon, zu dem zwei Garbinäle abgeſchickt waren, verhehlte fein MU vergnügen, ließ Glück wünfchen und bebauern, daß er ber Kräumm zu ber er geladen wurbe, nicht beimohnen Tönne.

Zur Krönungsfeier am Sonntag Laetare (19. März) wen! auf Nicolaus’ Bitte auch die deutſchen Gefanpten geblieben. Cal ber vorher unter die apoftolifchen Diaconen aufgenonmen we trug dem Papfte das goldene Kreuz vor, wurde auch im Late ausgezeichnet und zur erften Hauptberathung über die Religion ji gezogen'), wo ver Bapft eine Art Programm feiner künftigen M gierung vorgetragen zu haben fcheint. Diefer erwies dem koͤniglicht Geſandten manche perfönliche Gunft und fäumte nicht, dem roͤwiſch König felber ſowohl den geheimen Vertrag vom Sommer 149

') Campanus Vita Pii II. 1. o. p. 971, wo gelefen werben muß: consultantibus de religionis summa adesset.

2. 10. Herkunft des Papſtes Nicolans V. 403

u ofen Teilnehmern des frankfurter Bundes vie durch Eugen 'anfichenen Gnaben zu erneuern‘). Allen Fürften, venen er feine an Krönung fund that, fprach er zugleich von feinem Ent- (Hlk, die apoftolifche Eancelei auf ihre alte, einfachere Einrichtung wehlzufähren und vie apoftolifche Stammer anders verwalten zu ben, ale es bisher geſchehen ).

Die Familie Parentucelli, welcher Nicolaus V angehörte, war be Bürgerliche, arme und umbeveutenve’); man wußte nicht, ob fie Biſa oder Lucca heimifch war. Indeß verfichert Enea, ver auf ner Reife mit dem Bifchof von Bologna im Jahre 1446 mehrere über jener Familie kennen lernte, daß er fie als chrenhafte Leute s auftändigen Sitten gefunden habe‘). Der Vater des Papftes, xtelomeo, foll Arzt gewefen fein, feine Mutter war aus Sar- a gebürtig, einem Flecken unweit dem genuefifchen Bufen, wo

Familie auch längere Zeit in ver Verbannung lebte. Obwohl Papft nicht Hier, ſondern 1398 zu Pifa geboren wurde, pflegte m ihn boch allgemein Thomas von Sarfana zu nennen. Er war

) Schreiben vom 19. und 28. März 1447 in Chmel Material. I. nro. . 100.

9 Sen Breve an den Erzbiſchof Dietrich von Main; in Gndenus Cod. Rn. IV. nro. 137. Er gebente, heißt e& darin, reducere Camerae Apostolicae zes ad antiquam et laudabilem consuetudinem et malas vepres de vinea mini exstirpare.

) Darin flimmen alle Zeugnifje überein: Raph. Volaterr. Lib. XXII. 815; Antonin 1]. c. cp. 12 init.; Pomp. Vizani Histor. Bonon. bei wrius 1448 $ 18; Diugoss Hist. Polon. Lips., 1712 Lib. XIII. p. 26. 4 iR der Name der Familie nicht ganz comftatirt. Wir haben den Mann her Barentucelli genannt, weil fein Biograph Manetti in diefer Be- hung als bie befte Duelle betrachtet werben barf; mit ihm flimmen Oldoi- is ad Ciacon. II. p. 965 und Gregorius de Laude bei Bonanni mism, Pontif. I. p. 49 überein. Der Nanıe Lugano, der auf dem Avers er Münze bes Papftes bei Bonanni ericheint, wird von Onuph. Panvi- as ad Platinae Vit. Pontif. edit. Colon., 1626 p. 299 als ein Familien- same erflärt, In zwei Bullen bes Bapftes Felix (bei Mansi XXXI. p. ß. 190) wird ber Papſt Nicolaus Thomas de Calandrinis genannt. & Jerthum rührt wohl baber, weil feine Diutter, wie Olboinns nach der Rabesinfägrift in der Kirche zu Sarſana erzählt, Andreola Calderina bie. anudo (bei Muratori XXII. p. 1124) nennt den Papfl filiuolo di Mastro ketolemeo Cirusico; ganz wunberlih! Dom. Georgii Vita Nicolai V. Vorase, 1742 habe ich nicht zu Geſicht belommen.

*) Comment ed. Fea p. 93. 26*

404 . II. 10, Nicolaus’ V früberes Leben,

nicht der Mann, um zu veranlaffen, daß feine niebrige Her“ durch Schmeichler verdeckt oder verherrlicht. wurbe; auf feine E münzen ließ er fein Familienwappen, wie feine beiven Vorg&sF fonbern nur die gekreuzten Schlüffel Petri ſetzen“). Scew zwölften Jahre bezog er die Hochfchule zu Bologna und in fi Jahren erwarb er fich mit fehnelffaffenvem Geift und einem anf gewöhnlichen Gedächtniß eine ſolche Fülle von Kenntniſſen, daß nicht nur in der Theologie und Philofophie, fondern mehr noch ven liberalen Wiffenfchaften für ein wunderbares Mufter von Bi fenheit und Gelehrfantfeit galt. Beſonders zeichnete er fih feiner und gefchieter Disputant aus. Die Disputirkunft verle nete er auch als Bapft nicht: mit lebhaften Worten und Gebärt wenn auch nicht immer fehr überzeugend, rückte er vem Geg eine erftaunliche Mafje von Argumenten und Citaten vor; bs war er bitig und duldete den Widerſpruch nicht. Auch waren ( dächtniß und lebhaft fchneller Scharffinn mehr feine Gabe ale | findungsfraft und glänzende Reve ?).

Häusliche Dürftigkeit nöthigte den jungen Parentucelli, ein Jahre zu Florenz als Hauslehrer bei den Familien Albizzi ı Strozza zu verweilen, dann fehrte er zu feinen Studien nad X logna zurüd und wurde in feinen 22. Lebensjahre Docter | Theologie. Hier lernte ihn der Bifchof der Stadt, der und ws befannte Albergata fennen, deſſen Hauswefen nun Parentucelli Oekonom und Gubernator der geiftlichen Familie zwanzig unum brochene Jahre hindurch vorſtand'). Kin folder Zeitraum, W einigt mit dem anerkannt trefflihen Character Albergata’s, Cardinals von ©. Eroce, das find die vollgültigften Zeugniffe a für Thomas' ehrenfeften Wandel und für feine Berufötrene. | begleitete feinen Herrn auf deſſen mannigfachen Legationen, v

') Molinet Hist. summor. Pontif. per eorum numismats. Lei 1679 p. 7. '

?) A. 8. Comment. ed. Fea p. 109, Frid. II. p. 135, Manetti fi hierüber wie im Allgemeinen als übertreibender Lobrebner. Den fritiid Maaßſtab für fein Werk bietet der Umftand, daß er vom Papſte eine jäfri Penfion von 600 Goldgulden bezogen batte. cf. Naldi Vita Manetti Muratori XX. p. 586. 593.

) Vespasiano bei Muratori Scriptt. XXV. p. 270; SigoniusHis de reb. Bononiens, (Hanov., 1604) p. 186; Victorellus ad Ciacon. p- 955.

1. 10. Nicolaus’ V früheres Leben. Seine Perfönlichkeit. 405

in wir bie nach Ripaille und Arras (1435), wo er mit Enea Ochs zuſanmenlebte, fchon erzählt haben. Während des Aufent- ‚Det der Curie in Florenz trat er in enge Verbindung mit Män- un wie Leonardo und Earlo von Arezzo, Giannozzo Manetti, Page Bracciolini, Giovanni Aurispa, deren Unterhaltungen und Dißyeistionen ihm das lebhafte Intereſſe für vie fchönen Wiſſen⸗ Meilen einflößten, welches ihn als Papſt berühmt gemacht hat. Bieesd er in Bafel einft, voll heftigen Eifers, das Concil eine Imagege des Satan nannte, that er fich zu Florenz in ven Glau- Wbißputattonen mit ven Geſandten ver chriftlichen Aethiopen und er hervor, bei welchen ein Venetianer, ver zwanzig Sprachen Reben wollte, ven Dolmetjch machte").

Während Enea von einem Herrn zum andern z0g und gegen en eine dauernde Anhänglichkeit bewies, blieb Thomas vem feinen Fahre lang unverbrüchlich treu, bis ver Carbinal am 9. Mai 3 das Zeitliche ſegnete. Er foll fogar das Bisthum Urbino zeſchlagen haben, um ven alten und Fränklichen Gebieter nicht afjen zu dürfen‘). Noch einmal trat er in ven Dienft des binal Landriano; als auch viefer ſchnell geftorben war, erhob Engen zum Scriptor an ver Bönitentiarie, zum apoftolifchen diaconus und nach einigen Gefandtfchaften zum Bifchof von ogua”). Wie er mit Sarvajal auf veutfchem Boden den Burpur nente, iſt uns aus tem Obigen bekannt; er wurbe in einem me Bifchof von Bologna, Sarbinal und Papft.

Gegen vie hohe Geftalt, die ruhige Majeſtät und ven fchweig- en Ernſt Eugen’s ftanb ver neue Papft gerade im Gegenfab. fen wir uns Nicolaus als ein Kleines Männchen vor, mit leb- en fchwarzen Augen, baftig in feinen Bewegungen, rührig und rmüdlich, eher gefchwätig als wortfarg. Die Beweglichfeit bes nperamentes und das rege Treiben bes Geiftes fchienen der bläß- m Gefichtsfarbe, des hagern Xeibes zu fpotten. Seine Gefund- t litt indeß erjt unter ven Laſten bes Pontificats, wozu ber Xieb- Rgenuß des Weines kam. Da wurben feine Züge eingefallen d aichfarbig, feine Glieder von gichtifchen Schmerzen gequält *).

PPVespasiano p. 271. 273; Platina in vita Nicolai V.

) A. 8. Frid, III. p. 137.

') Manetti p. 915. 916; Vespasiano p. 25; Bigoniusl.c. ‘)Manetti p. 918. 919; Antoninus Chron. P. III. tit, 22 cp. 12 init.

x

406 IL 10. Nicolaus V.

An Eugen hatten vie Protection und der Ehrgeiz einen ve tianifchen Kaufmannsſohn auf ven Heiligen Stuhl erhoben, ex u ein vorzugsweife politifcher Papſt, führte unendliche Kriege ı fuchte in feinem Einfluß auf Italien auch fein Firchliches Anſe zu begründen. Nicolaus, ver niebriggeborene, hielt. Wiffenfchaft ı Kunſt, Schäge und Pracht für beifere Stüben des apoſtoliſt Stuhles. Um Bücher und Bauten, pflegte er chen als Mag zu jagen, möchte er alles Geld ausgeben‘). Die Culturgeſcht wird feinen Namen nicht vergeſſen. Eugen war kühn und liſtig gleich, finfter und zurüdgezogen, nachtragend in feinem Haß, ı aus Klugheit einmal gnädig und herablaffenn, niemals freundl Seinen Nachfolger haftete etwas von ber Schüchternheit des ( lehrtenthums an’), er liebte an fich und anvern eine bebagfi Heiterkeit, war zu frober Unterhaltung und ungezwungenem Umge aufgelegt. Als Bifchof, wenn jemand niederen Ranges ihm fürchtig befuchte, Tonnte er ärgerlich werden, wenn biefer fih w gleich neben ihn fegte, um zu fchwaken, er zerrte ihn dam Arme zu fih aufs Polfter. War es ein irgend angefehener Mai jo begleitete er ihn beim Weggehen bis zur Treppe’). Er gi ſich freier al8 vie bisherigen Päpfte in ver Stabt und gab zu al Zageszeiten Audienz. Erſt als bie zweite Empdrung Porcaro’s Ü das Römervollk verleivete und als vie Gicht feinen Körper ı Schmerzen durchzog, hielt er fich forglicher in feinem Palaft u wurde mürrifcher ).

Wir faben, wie Eugen bei aller Starrheit des Weſens br feine innere Sicherheit fühlte und von Männern wie Vitelleschi u Scarampo beberrfcht wurde. Bei Nicolaus tabelte man gem das Gegentheil, obwohl wir es ihm nicht fo eutſchieden als Feh anrechnen, wie Euea Silvio thut, daß er nämlich fich felbft zu w vertraute und frembem Rathe nicht leicht folgte‘). Bei ver m gleihen und wenig Vertrauen erwedenven Zufanmenfegung d Carbinal-Collegiums, bei ven intriguanten Einflüffen ver Eurie, b dem Zone ver Schmeichelet und Heuchelei, ver an ihr herrſch

') Vespasiano p. 273.

) Platina, ein Beifpiel bei A. 8. de dieta Ratispon. p. 4. ) Vespasiano p. 274; Manetti p. 917.

) Antoninus und Platina Il. cc.

) Comment. ed. Feoa p. 109 und Frid. ILL p. 188.

U. 10. Nicolaus V. 407

heint ein ſelbſtftändiger Geift, auch wenn er zu viel auf fich it, immer uoch wohlthätiger als ein ven Berleumbungen und Ein derungen ofines Ohr. Auch in einem andern Vorwurf Enea’s, rentucelli fei vor feinen Sarbinalat gegen Nievere ftolz, gegen wre aber ſehr demüthig gewejen, ijt vielleicht vie Wirkung per: icher Berührungen zu erfennen. Die Zeit, vie beide miteinanter er Familie des Cardinals von ©. Croce verlebten, bat fein ıbfchaftliches Band zwifchen ihnen geknüpft, vie Denkweiſe war verſchieden. Thomas witterte an Enea etwas von ber Un- rleit des Apoftaten; dieſen kränkte es, als bei feiner Anweſen— in Rom Parentucelli ihm verächtlich vorüberging und feinen 3 nicht erwiederte. Niemals, obwohl das gemeinfane Intereſſe gewiſſe Vertraulichkeit zwifchen ihnen erzeugte, entſtand daraus erfönliches Vertrauen. Deshalb follen am Character des neuen Papftes einige trau- Flecken nicht hinweggeläugnet werben. Er war jchnell aufjah- im Zorn, wenn er es auch, wie alle gutmüthigen Menſchen, wieder berente. Seine Familie, jo gut er fie fonft hielt, te fich Doch oft tüchtig von ihm ausfchelten laffen und nicht igre Lieverlichfeiten gaben dazu Veranlaſſung. Er wurde wü— d, wenn er nicht augenbliclichen Gehorſam fand. Auch mit a feiner Freunde hatte er ſich einmal gezanft'). In Rom brachte man feine cholerifchen Ausfälle mit ven Wir- en red Weines in Verbindung, ven er freilich allzufehr liebte, a gewiffen Angelo Roncone, ver zwar als fein Feind, aber mit einem Geleitsbrief nach Rom gelommen war, ließ er m, Eonnte ficy aber am folgenten Zuge verwundert tes Be— 8 nicht mehr erinnern"). Ohne Zweifel wurven feine gichtifchen m durch dieſe Neigung zum Wein erhöht, aber trog ten War- yen ver Aerzte konnte er von ihm nicht lafjen: feinem Vorgänger,

\ Manetti p. 919; Platina ad fin; Vespasiano p. 275; A. 8. ment. od. Fea p. 109.

”Infessura Diario p. 1186. Den Borgang und bes Papftes Reue die Hinrichtung meldet auch Platina (edit. s. 1., 1664 120. p. 611). Raph. laterr. lib. XXII. p. 816 giebt dem Papfte nur ein Laſter Schuld: quod io bibendi studio teneretur, perquisitis undiquo vinorum generibus. ıpssiano p. 276 will ihn entfchulbigen, al® habe er fein Weinlager nur anderer willen gehalten, gefteht aber doch, wie er ſchon als Biſchof nie ohne a dlaſchen, eine mit roihem, bie andere mit weißem Wein gefüllt, geipeift habe.

408 U. 10. Nicolaus V, der Kirchenſtaat und die apoftolifhe Kammer.

pflegte er zu fcherzen, habe die Enthaltjamfeit auch nicht gegen das Podagra geholfen‘). Es war eine übermäßige Lebenstuft in ihm, bie fich auch in feiner ungewöhnlichen Todesfurcht offenbarte. In den Sommern 1451 und 52, während in Rom eine Seuche grafftrte, zog er auf feine ländlichen Schlöffer und refidirte am Tiebften in S. Fabriano; da verbot er bei Buße des Haljes und Lebens,“ daß jemand, ver aus Nom kam, fich dem Caftell auf fieben Miglien nähere. Nur einige bevorzugte Carbinäle burften, aber mit nicht mehr als vier Dienern, bei ihm wohnen”).

Auch die Verwaltung des Stirchenftantes unter Nicolaus war das vollendete Gegenbild von der Eugene. Der Friebe in Rom und überall unter dem päpftlichen Krummſtab war fein ftetes Biel. Wo die geiftliche Autorität nicht genügte, zähmte er die Eroberungs- und Blünverungsfucht lieber durch den Aufbau ſchützender Burgen als durch Söldnerhaufen. Das Geheimniß feines Anfehens Tag in ver gefüllten apoftolifchen Kammer. Stets hielt er einige Truppen in Bereitjchaft, aber fie erhielten pünctlich ihren Sold, der Krieger follte nicht auf Raub und Beute gewiefen fein. Dagegen war feine Bolitif gegen die ttalifchen Nachbarn zwar feiner und fchlauer, aber mindeſtens fo perfid wie die Eugen’s: er ſah mit geheimer Luft, wie Eiferfucht und Haß fich in Italien weiblich austobten, er fpielte Jahre lang ven Frievensvermittler, um unvermerkt dem Frieden immer neue Hinderniſſe zu bereiten und vie Segnungen ver Waffen- ruhe allein zu genießen. Daß unter feiner Regierung zum Schreden des Abenplandes Eonftantinopel fiel und der vorbringende Fanatis- mus der Zürken felbft Rom zittern machte, ift feinesiweges ohne die Schuld des damaligen Kirchenhauptes gefchehen.

Er wolle mit einer Reform ver apoftolifchen Kammer beginnen, vie Curie einfchränfen, unnüge Vergeudung und ven Krieg meiden, fo erklärte Nicolaus beim Antritt feiner Regierung ven beutfchen Geſandten und aller Welt. Wer ausgiebt, wo er nicht follte, fagte er, ijt gezwungen auch einzunehmen, wo er nicht follte. Wirklich verminderte er die Hofäntter, orpnete bie Einkünfte ves Kirchen« jtaates und die Zölle der Stadt Rom. In wenigen Jahren war bie bie päpftliche Kammer fchuldenfrei?). Ihm kam vie Herftellung ver

zur A. 8. Frid. II. p. 138.

?) Zwei Berichte des Deutjchorbensprocurator an ben Hochmeifter im Geh. Archiv zu Königsberg; vergl. Manetti p. 928.

) Ene a's Gefanbifchaftsbericht ad fin.; Manetti p. 921. 922.

I. 10. Ricolaus V ale Haupt ber Kirche. 409

Obedienz im Abendlande trefflich zu Statten: e8 war, als wenn auch dad Gelb, welches man vem apoftolifchen Stuhl währenn ver basfer Bewegung fo bitter mißgönnt, jet wieder feine Gegenbewe- gung gerade nach Rom hin nahm. Im Jubeljahre ftrömten dann unglaubliche Summen in vie päpftliche Kaffe, taufenpfältige Früchte veffen, was ber Bapft für vie Befrievung und Sicherheit bes Kiechenftantes gethan. Durch dieſen Zufluß freiwilliger Gaben, bie er nach Belieben verwenden und verfchwenven burfte, Tieß ſich Ni- colans allmählig verleiten und binreißen, auch da zu nehmen, wo er nicht follte, bis endlich das ganze gelpfchneiverifche Unweſen, welches unter Martin V feine Blüthezeit gefeiert hatte, unter ihm feine Reftanration erlebte‘). Indeß Völter und Fürſten umber ihre Hulfoquellen erfchöpften, um ven Uebermuth der Söldnerbanden zu näbren, ward zu Rom eine Pracht und eine literarifche Rührig- keit entfaltet, die für Kunft und Wiffenfchaft eine neue Aera her- aufgeführt bat.

Auf vie Literarifchen Unternehmungen des Papftes und auf feine Bauten fommen wir in ver Folge zurück. Neben feinem un- fengbaren Intereſſe an Büchern und Prachtgebäuben hatte auch das Verlangen, von ber Nachwelt gepriefen zu werben, ja eine ent- fchiedene Neigung zum Prunken ihren Theil varan. Wenn Nicolaus wie Tempel Rom’s zu Meifterwerken ver Kunſt umfchaffen wollte, wenn er koſtbare Gefäße und Gewänder einführte, wenn er bie Altare mit geſchmackvollen Reichthümern überlud und die Kirchen mit goldgewirkten Tapeten zierte, wenn er dad Hausgeräth feines Balaftes minveftens vreimal fo herrlich als feine Vorgänger ein- richtete, feine Umgebung in Gold und Seide Heivete, die päpftliche Mitra mit den gefuchteften Edelſteinen zierte”), wenn er vie Kirche zu heben meinte, indem er einer perfünlichen Eitelfeit ven Zügel ließ, fo blickt uns wahrlich durch alle Schönheit und Pracht ver Geiſt ver tiefen Verderbniß hohläugig entgegen.

Denn als Vater der Kirche ift Nicolaus auf dem Wege feiner Borgänger fortgewandelt. Die anticonciliaftifche Reaction, wie fie an ver Eurie Ton war, riß auch ihn mit ſich. Wie er felbft in ven Unterbandlungen mit ver beutjchen Kirche am thätigjten gewejen

en

) Bielfache Beilpiele in meines Baters Auffeg: Stimmen aus Rom, un

hiſtor. Taſchenbuch f. 1833, °) A. B. Europa cp. 58; Manetti p. 923; Antoninusl. c.

410 1.10. Heimkehr d. deutſchen Geſandten. Enea's Bericht an d. König. 1447.

war, fo beftätigte er auch fofort das in Rom abgefchloffene präli- minarifche Eoncordat”) und bereitete die weiteren Schritte vor, um feine beengenden Schranfen zu durchbrechen. Ein Legat follte zu ben ferneren Unterhanplungen nach Deutſchland abgehen. Man fcheint einen Augenblid an Le Jeune gevacht zu haben, ber das Einigungswert vor allen befördert, aber er war noch niemals in Deutfchland gewejen und fühlte fich ver Aufgabe nicht gemachfen. Die Löniglichen Gefandten, um ihre Meinuug befragt, erbaten Car⸗ vajal; der Papſt willigte mit ver Erklärung ein, vaß er ben fpa- nifchen Sarbinal wegen ber Geſchäfte mit Spanien (T) ungern ent- behre; fo jellte das längſt verabrevete Spiel verhülft werben”). Erft am 30. März verliefen Enea und Rabſtein Rom, wo fie faft drei Donate verweilt hatten, vie Gefahren ver Nüdreife ver- füßte ihnen ein päpftliches Gefchent von 100 Ducaten, das Hand- geld größeren Lohnes. Am 20, April trafen fie an Friedrich's Hof ein. Nun verfaßte Enea ven Gefanptfchaftsbericht over die Rebe, die und in ber obigen Erzählung als Leitfaden gebient, ein lehr- reiches und zierliches Werk, welches er mit folgender Aurede an Friedrich ſchloß: "Nun tft es deine Pflicht, das Werfprechen zu halten, vie Erklärung zu wieberholen und Allen zu befehlen, daß fie Papft Nicolaus gehorfamen, ven Legaten, wenn er gelommen fein wird, ehrenvoll aufzunehmen und ihm in dem, was noch zu thun übrig ift, beizuftehen. Wenn bu das thun wirft, wirft bu als einer erfcheinen, ver fein Berfprechen lieber hält ald bricht denn was wir verjprochen, bindet dich, bu wirft vem Schiema ben Weg verichließen, wirft nicht wieder in bie Neutralität, vie du mit Mühe abgethan, zurüdverfallen, wirft deinen Yeinden und zumal den Ungarn ein Schreden werben, wirft bir ven Papft höchſt ge- neigt machen und ben Weg zur Erlangung ver Reichskrone üäffnen.n Auf ſolche Worte fällt das rechte Licht erſt dann, wenn wir hinzufügen, daß Enea aus Nom auch den Sold des Gehorfams, jene 25,000 Ducaten mitbrachte, die auf Nicolaus’ Zahlungsantbeil

') Bulle ©. 38. März 1447 bei Koch Sanctio pragmat. p. 197, 2) Wie gut dem Legaten in Deutichland vorgearbeitet wurde, zeigt bes

Papſtes Schreiben an den Erzbifhof von Mainz v. 23. März 1447 bei Gu-

denus Cod. dipl. IV. nro. 188. Intereſſant und bebentungsooll if auch bie feine Ironie in dem Briefe, ben Enea um Oftern 1447 von Giena ans an Earvajal richtete.

D. 10. Guen wirb Biſchof von Zrie im April 1447. 411

famen, ferner die 2000 Gulden, die Friedrich zu Frankfurt auf bie Beſtechung ver mainzer Näthe gewenvet.

Den Mühen und ver Bereitwilligfeit Enea's folgten Ehre und Belohnung auf vem Fuße. Bald nachdem er Rom verlajjen, traf Bier die fichere Nachricht vom Tode des Biſchofs von Trieſt ein"). Schon bei dem voreiligen Gerlicht hatte Eugen ven Nachfolger bes zeichnet Düne ven Kath eines Earbinals einzuholen, trat Nicolaus im vollen Ornat in das heilige Collegium und verlünpete ohne Weiteres den Enen Silvio de’ Piccolomini zum Bifchof von Trieſt, ſchickte ibm auch fogleich vie Beftallungsbriefe Toftenfrei zu. Eine ſolche Machthandlung wiverfprach freilich vem Vertrage, ben ber Papft fo eben dem römijchen Könige bejtätigt und nach welchem dieſem für das Bisthum Trieft ein Nominationsrecht zuftand, jo wie ver Ver- trag wieber eine Beeinträchtigung des eben gefchlojfenen Concordates war, nach welchem das Gapitel freies Wahlrecht haben follte. Wäh- rend Ricolaus den Könige die burch ihn vollzogene Ernennung meldete, präfentirte Friedrich, durch den Canzler Schlic bewogen, dem römi- fchen Stuble venfelben Candidaten. Zum Glüd war es derſelbe. Zwar hatten auch die tergeftiner Canonifer ihren Dechanten, An- tenio de Goppo, zum Biſchof gewählt, doch dieſe Wahl caffirte ver Papft?). |

So erreichte Enea das Ziel feiner Wünfche, welches ihm einft als das höchſte vorgejchwebt hatte, und es jchien, als ob fein Ehr⸗ geiz fich eine Weile dabei beruhigen wollte.

) Er hieß Nicolo d'Aldegardi und flarb am 4. April 1447. Kandler Vicende della Santa Chiesa Tergestina (Pel fausto ingresso di Bartolomeo Legat Vescovo di Trieste e Capodistria nella sua Chiesa di Trieste 1847).

”) A. 8. Hist. Bohem. cp. 53 ad fin.; Pii Il. Comment. p. 14; Cam- panus]. c. p. 971; Kandler Il. c.

412 II. 11. Eonvent zu Aſchaffenburg am 12. Juli 1447.

Eilftes Eapitel.

Hürfteneonvent zu Aſchaffenburg. Das wiener Concordat. Ende des basler Goneils und feines Papſtes.

König Friedrich war mit dem Erfolg der römifchen Unter⸗ handlungen burchaus zufrieven und noch mehr mit ver Stuhlbe⸗ fteigung Nicolaus’ V: jener ficherte Ihm vie Vortheile, um bie er feine Obedienz verkauft; vom neuen Papfte, ven er feinen alten Freund nannte, burfte er ich noch größerer Gnaden⸗ und Gunft- bezeugungen verfehen. Freilich war es noch eine Minorität ver deutſchen Neichsfürften, welche Eugen ven Huldigungseid geleiftet, aber fie genügte, um vie Hoffnungen ver andern auf Papſt Zelir zu nichte zu machen und um bem allgemeinen Wunfche nach Frieden und Einheit in ber Kirche die Richtung auf ven römifchen Stuhl zu geben. Des Kampfes um Sirchenfreiheit waren felbft die Feu⸗ rigften überbrüffig geworben, e8 trat an feine Stelle die alte Be- gier ver Fürften und Bifchöfe nach römifchen Gnadenbriefen und Privilegien. Zwar hatte vie Curie bisher nur den Schein eines Sieges erkämpft, aber die Bürgfchaft des ganzen Sieges lag darin, daß fie die Strömung der Reaction durch diplomatiſche Geſchicklich⸗ keit wieder ausſchließlich auf ſich gelenkt.

Zum S. Margareten-Tag (12. Juli) 1447 berief Friedrich einen Convent derjenigen Fürſten, die Eugen den Gehorſam ge leiſtet hatten, nach Afchaffenburg, ver Reſidenz des mainzer Erz- biſchofs. Es war eine Zuſammenkunft jenes frankfurter Vereins, ber ſich durch Carvajal's und Enea's Bemühen am 22. Sept. 1446 gegen den Kurfürſtenbund gebildet hatte, ver Name eines Reichs⸗ tages würde hier völlig unpaffend fein. So wie aber jener Zu- fammentritt der Kurfürften am 1. September von Friedrich durch Geſandte befchieft und dadurch zu einem „gemeinen Tages umge- wandelt worden war, fo wußte man bei ber Unficherheit ver ſtaats⸗ rechtlichen Begriffe auch dieſem afchaffenburger Convent den Cha- racter eines Reichstages zu vindiciren. Die Kurfürften waren auf

II. 11. Zweck des Eonventes. Friebrich's Patent vom 21. Aug. 1447. 413

foiche NRechtöfictionen wenig achtfam, weil e8 ihnen immer noch un- benommen blieb, ven Abichieren eines folchen Tages zu gehorchen oder nicht. Friedrich ſandte Enea und den Rechtögelehrten Hartung Kappel nach Alchaffenburg. i

Wie begreiflich, gab es bier nicht den minveften Streit. Den Borfig führte ver Erzbifchof von Mainz. Auch Eufa fand fich ein, um au tem Triumph theilzunehmen, ohne Mandat und ohne Be- rufung. Einmüthig wurde ver Vorjchlag angenommen, baß ver Eugen geleiftete Gehorfam auf feinen Nachfolger übertragen und daß eine Erklärung der Art fchleunigft von allen Theilnebmern des Bundes publicirt werben folle. Zugleich fügte der. König einen wei- teren Tag zu Nürnberg an: bier follten fich alle Fürften und Stände des Weiches einfinden und zwar unter ver Autorität des Papftes Nicolaus V. Hier, hieß es ferner, follte auch über die Provifion des apoftolifchen Stuhles ein Beſchluß "gefaßt werben, "falls nicht inzwifchen mit dem Xegaten concorbirt würve« ').

So gab eine VBerfammlung, die fein Reichstag war, dem Könige gleichfam eine Vollmacht, für das ganze Reich ein Concordat abzu- fchließen. Diefer Kunftgriff war ver Zweck tes afchaffenburger Tages geweien. Da fich nirgenns ein Wiberftand vegte und ber Trotz des frankfurter Kurvereins völlig gebrochen fchien, fo erließ Friedrich ohne Zögern pas Batent, in welchem er feinen Gehorfam und ben ber andern zu Aſchaffenburg erjchienenen oder vertretenen Fürſten durch das ganze Weich publicirte. Er berief fich dabei auf „den größern heil Deutſchlands,“ befahl „entſchieden und ernft Traft feiner kaiſerlichen Gewalt,“ es folle jedermann im Reiche viefer Erklärung beiftimmen, Nicolaus als wahren Papft anerfennen, alle andern Befehle aber zurückweiſen, mögen fie von vem kommen, ver den Papat ufurpirt, oder von ber Gemeinheit (communitas) in Bafel.ua Dem Widerſtrebenden werden die Strafen des römifchen Stuhles und des heiligen Reiches angedroht“?). Für fich und feine

°) A. 8. Comment. ed. Fea p. 109, Frid. III. p. 188; Pii II. Comment. p-14. Die Wieberholung der Fürſtenunion bei Wuerdtwein Subsid. dipl. IX. p. 75, Advisata et deliberata in dieta Aschaffenb. v. 13. Juli 1447 bei d’Achery Spicileg. III. p. 773 und in Leibnitz Cod. jur. gent. dipl. T. I. p. 377.

?) Patent an alle Untertbanen des Reiche v. 21. Aug. 1447 bei Coch- laeus Hist. Hussit. lib IX. fin., in beutiher Sprade in Chmel Material. I. nro. 108,

414 | II. 11. Die Gehorſamserklärung und ihre Propaganda.

Lande aber wiederholte Friedrich die Erklärung feierlich Im Stepbane- dom zu Wien, wo mit Glodenflang und Procefjion die Wiederver⸗ einigung ber Kirche als ein Gnadengeſchenk des Höchften gepriefen wurde‘), Wie gering bie Wirkung einer folchen Erflärung ſchon in der Nähe war, zeigt ver zähe Widerſtand der wiener Univerfität, bie mit Entziehung ihrer Beneflcien und Stipenvien bevroht werben mußte, um ber Proceffion beizuwohnen, wobei dennoch bie Facultät der freien Künfte fich einen werben Proteft erlanbte*).

Aus ven Actenſtücken ver Reichstage und ven ftillen Intrignen der Diplomatie trat die Tirchliche Frage zum erften Male wieber vor das Publicum, an das öffentliche Licht. Wem ver fünfjehn- jährige Hader zwifchen ven kirchlichen Autoritäten, wen das trau⸗ tige Schisma zu Herzen gegangen war, wen bas tbeologifche Ge⸗ zänfe over die Schmähungen und Wlüche ber Parteien verbroffen, ver jah num freilich im römischen König einen Befreier vom Uebel. So hören wir denn fein Lob nicht nur von den römifchen Euria- tiften und von feinen eigenen Schmeichlern, jondern auch von nian- chem ehrlichen Stabtfchreiber over möndhifchen Ehroniften. Immer aber haftet an einer folchen That etwas von der Niebrigfeit ihrer Motive und von ver Unehrlichkeit ihrer Antecedentien, ſie tritt nie- mals ohne Schleier und ohne Scheu an das helle Tageslicht.

Der päpftliche Fürſtenbund ließ ſich's nun angelegen fein, feiner Erklärung für Nicolaus auch unter den renitenten Yürften, zumal unter den vier Kurfürſten, nene Anhänger zu verfchaffen. Das hielt nicht jchwer, obwohl des Königs Drohung mit ver Reichsacht nicht fchredte. Was aber blieb ihnen übrig? ‘Die wachfende Auto⸗ rität des römifchen Bapftes und die zufammengefunfene des Taufanner Tieß ihnen keine Wahl’). Auf die Kurfürften von Eile, Pfalz und Sachſen richtete König Friedrich zuerft feinen Blic, denn von Jacob von Trier Tieß fich härterer Widerftand erwarten. Zu Dietrich von Cöln und zum Pfalzgrafen Ludwig wurde Enea abgefanbt, ver als Elect von Zrieft jo wenig ver Ruhe genießen durfte wie vorhin als Secretair; vie firchliche Diplomatie auf diefem Felde Tag einmal in jeiner Hand, wie von Seiten der Eurie in der Carvajal's. Zu ben fächfifchen Herzogen warb Hartung Kappel gefenpet.

) Ebendorffer Lib. Reg. Roman. msc. fol. 284a.

) Mitterdorffer Conspectus Hist. Universitatis Vieunensis L p. 161.

2) Nil difficultatis emersit, omnis Germania subsecuta est, fagt Gregor Heimburg.

I, 11. Enea in Eöln, feine erſte Netractation Auguſt 147. 415

So mußte Enea, kaum aus Afchaffenburg zurücgelehrt, fogleich von Nenem als Gefchäftsträger nach Cöln eilen. Er fand ven Kurfürften im Felplager gegen Soeft und konnte wegen Unficherheit der Wege nur durch Boten und Briefe mit ihm unterhanbeln. Indeß erklärte ſich Dietrich in der Hauptfache, nämlich zur Aner⸗ fennung des Papftes Nicolans geneigt und verfprach, ihm zu gebor- famen‘). Die zwanzig Zage aber, vie Enea in Cöln zubrachte, wurben ihm von einer andern Seite ber verbittert. Bor fieben Jahren, erinnerte man fich bier, war derſelbe Mann Secretair des Papſtes Felix und ein feuriger Vertheibiger des Concils gewefen; jetzt kam er, ihnen vie legte Stüge zu entziehen. Damals hatte er gerade an bie cölner Liniverfität feine ‘Dialoge gerichtet, bie Würde und Rechtmäßigkeit des Concils gegen das unfichere Schwan» fen ver dortigen Theologen und Juriſten vertheivigt. Bei einem Gaftmahl, in Gegenwart des Rectors und anderer Profefjoren und Cterifer, fielen beim Wein fpige Worte gegen Enea's Gefinnungs- wechfel; daß man ihn jett als vefignirten Biſchof wiederſehe, wurde in eine fpöttifche Verbindung damit gebracht.

Hier Half Fein Leugnen, fein Bertufchen war möglich; auch glaubte Enen feiner jegigen Würbe eine offene, kräftige Erklärung ſchuldig zu fein. So fchrieb er denn zur Abwehr, hier in Cöln, bie erfte feiner berüchtigten Retractationen*), worin er fich mit Paulus und andern verglid, vie aus Berfolgern bes Ehrijtenthume VBertheibiger des orthodoren Glaubens geworben, und fich neben Anguftinns ftellte, ver ja auch Retractationen feiner eigenen Schriften erlaſſen. Wie viefer rief auch Enea den Allmächtigen an, er möge ihm bie Sünden feiner Jugend verzeihen. „Die göttliche Gnade hat mir geleuchtet, fie öffnete mir die verpüfterten Augen und er- hellte mich mit ven Strahlen ihres Glanzes; denn ich fünbigte, ohne es zu willen. Die Rechtfertigung feiner Motive und bie Vorwürfe, die Enea in diefer Schrift gegen bie Basler fchleuvert, richten fich felbjt, wenn wir uns au das Schatfächliche erinnern. Es ift daſſelbe dinfectifche und vhetorifche Geſchick, aber auch daſſelbe Intereſſe des Augenblicks, mit und in welchem er einft die Dialoge und jest ihre Widerlegung fchrieb.

1) A. 8. Comment. ed. Fea p. 109; Pii II. Comment. p. 14.

) Epistola retraotationis ad Magistram Jordanum, Rectorem Universitatis Scholae Coloniensis, Söln d. 18, Aug. 1447, bei Fon Pius II. a calumniis vindicatus p. 1—17.

416 71,11. Convent zu Bourges. Papft Nicolausüberall in Dentſchland anerkannt.

Auch ver Pfalzgraf bei Rhein, obwohl des Papftes Felix Schwiegerfohn, fagte Enea zu, was biefer im Auftrag des Könige begehrte, und ebenfo gute Antwort erbielt Kappel von ven fädh- fifchen Fürſten. Selbit ver trierer Erzbifchof begann zu wanken, doch fuchte er die Confiftenz des Kurfürjtenbundes aufrecht zu er- halten. Vom römischen Könige fich abwenvend, hatte er begonnen, mit dem von Frankreich zu unterhanveln. Es war ein Convent zu Bourges gehalten worden, wo Jacob perfönlich erfchien, wäh- rend ver König von Frankreich, Nene von Anjou, vie Kurfürften von Cöln, Pfalz und Sacjen, auch der Herzog von Sapopyen fich durch Gefanpte vertreten liegen. Selbft aus England trafen Bot- fchafter ein, und das basler Concil ſchickte zu den Verhandlungen, pie fo beveutfam zu werben fchienen, ven Cardinal von Arles. Aber man verhanbelte nur über vie Ausſöhnung mit Papft Nicolaus. In den Vergleich, ven bie deutſchen Renitenten aın 28. Juni 1447 mit Frankreich ſchloſſen“), wurde ſchon ausgemacht, daß Alle dem römischen Papft Ehre und Gehorfam zolfen follten, wenn er das Gefchehene vergefjen wolle. Felix wollte man um feine Entfagung angeben. Dagegen wurde die Erhaltung ver Autorität allgemeiner Concilien fejtgehalten und die baldige Berufung eines folchen für nothwendig erklärt; das war die Zuchtruthe, die Karl von Frank⸗ veich im Intereſſe des Hauſes Anjou bejtändig drohend über ber römifchen Eurie hielt.

So waren die Folgen auch dieſes Tages nur neue Obebienzen, bie Papft Nicolaus einerndtete: nach und nach fanden fich feine legten Gegner in Deutſchland zur Gehorfamsleiftung ein, zuerft Pfalzgraf Ludwig bei Rhein, die Herzoge Otto und Stephan von Bayern, die Grafen von Wirtemberg, vie Bifchäfe von Worms und Speier”), dann ver Erzbifchof von Cöln, der in Wien durch feinen Gefchäftsträger die Huldigung leiften ließ’); ihm folgten Stabt und Bistum Bafel‘). Jacob von Trier und einige Bifchöfe 38- gerten noch, thaten aber bald vesgleichen.

In den erften Tagen des November war Carbinal Carbajal am Wiener Hof angeflommen und mit großen Ehren empfangen worden, feit ver Canction der erfte römische Lateran-Legat im PBurpur,

’) bei d’Achery Spicileg. IH. p. 770.

2) Nicolaus' Erklärung v. 4 Dec. 1447 bei Raynald 1447 n. 17. ) Chmel Regesta nro. 2408. R

*) Nicolaus’ Erklärung v. 13. Juli 1448 bei Raynald 1448 n. 1.

DI. 11. Gütflehung bes wiener Eoncorbates. 1448. '417

denn Ceſarini's Legation war immer nur an das Königreich Ungarn gerichtet gewefen. Carvajal blieb fajt ein Jahr lang um ven König md das Dunkel, in welches feine Negotiationen fich hüllen, ift genau vafjelbe, welches vie vom Sommer 1445 verfchleiert. So wie da— mals der geheime Vertrag mit Friedrich aus ihnen hervorging, fo jeßt das wiener Concordat.

Wie diefer Bertrag zu Stande fam, hatten vie wenigen Per: fonen, die darum wußten, keine Aufforderung zu verrathen. Bon Eimiglicher Seite war Enea ver hauptjächlichite, vieleicht der einzige Theilnehmer ver Unterhandlungen, nur von ihm haben wir über bie Borgänge jener Monate eine Nachricht und dieſe iſt höchſt vervächtig. Als Cardinal nämlich und in einer polemifchen Flugfchrift') erzählte er, es feien damals Gefanpte fait aus ganz Deutfchlandu zu Sriedrich gefommen und man habe geftritten, unter welchen Bedin⸗ gungen Nicolaus gehorſamt werden folle (als wenn ter Gehorfam zu jener Zeit nicht längſt öffentlich erflärt worden wäre!). Cinige Hätten gewollt, daß alle Decrete des basler Concil8 angenommen würven, was aber der Legat kräftig zurückgewiefen habe; andere hätten wenigftens auf ven Decreten berjenigen Zeit beftanden, in welcher das Concil noch ein auch von Eugen anerfamıtes var. Endlich fei man übereingelommen, gewilfe Decrete anzunehmen, andere fallen zu laſſen. Bon einem öffentlichen Hergang ver Art findet fich aber fonft nirgends eine Spur und felbjt Enea Silvio erwähnt in feinen früheren Werfen das Concordat gar nicht oder nur ganz obenhin. Wir find genöthigt anzınchmen, daß wenn wirklich einzelne Gefchäftsträger befreundeter Fürften zugezogen wur: ben, was doch nach dem afchaffenburger Receß nicht einmal nöthig war, das Concordat doch nur mit demfelben Recht als „im Namen der deutſchen Nation« gefchloffen publicirt wurde, wie die afchaffen- burger Parteiverfammlung ein Reichſtag hieß. Eben darin lag bie Feinheit ver Diplomatie, dag man erft ein Geſetz aufſtellte und vie Zuftimmung ver einzelnen Legislatoren hinterher einholte. So ift es zu erklären, daß im Eingang des Vertrages ver „Conſens ber meiften Kur⸗ und anderer geiftlicher und weltlicher Fürſten⸗ erwähnt wird, während am Schluß doch nur Friedrich und Carvajal zur Be- fräftigung ihre Siegel darunter hängen ließen. |

Betrachten wir nun das wiener Concorbat, wie es am 17. Fe—

') De ritu, situ etc. Germanise in ſ. Opp. edit. Basil., 1571 p. 1041. Boigt, Gnea Silvio, 1. 97

418 u. 11. Das wiener Concorbat 1448,

bruar 1448 abgefchloffen wurde!), als ein bloßes Faetum, uns beiien Entftehung und canontftiiche Gültigfeit wir uns nicht weiter Tüm- mern. Laſſen wir auch bie fpeciellen rechtlichen Seitenfragen aufer Acht, da es und nur darum zu thun it, fein Verhältniß zu ver mainzer Sanction und zu dem präliminarifchen Grundvertrag von Rom zu erkennen.

In denjenigen Puncten, vie man zu Rom als noch nicht ab- geichlofjen erklärt Hatte und in welchen bie beiven eben erwähnten Statute eine völlige Umänberung erlitten, ging man num auf ein früheres Concorbat mit dem römifchen Stuhl, auf das cofl- niger vom 20. Februar 1418, zurüd. Es lautet hierin mit bem wiener faft gleih. Papft Martin V hatte dieſe proviforifche Be⸗ ftimmung mit König Sigmund und mit den Deutfchen des coft- niger Concils in einer Zeit ihrer Tethargifchen Ermattung abge- fchloffen, wo man mit einem Minimum von Freiheiten und Rechten zufrieden war. Es war aljo ein feiner Griff, wenn Carvajal dieſe Norm den wiener Verhandlungen zu Grunde legte, fie gewährte ven Vortheil, fchon einmal als eine gerechte anerkannt geweſen zu fein.

') Unter den Druden des Eoncorbats zählen wir bier nur biefenigen auf, welche wegen Heiner Abweichungen, etwa verfchlebener Interpunction, eime Bedeutung haben können und nach alten beglaubigten Eopien veranftaltet ober welche in allgemein zugänglichen Werfen enthalten find. Die Originalurkunde foU zur Zeit der emſer Punctationen won dem Neichshofrathstifche zu Mainz verihwunden fein. Die ältefle ftraßburger Ausgabe von 1618, die Wimphe- Ling bejorgte, babe ich nicht gefehen. Dann fiubet fi) das Eoncorbat in (bes mainzer Rathes Horir) Concordata Nationis German. integra 1763 und 1771, bei Leibnitz Cod. jur. gent. dipl. T. I. p. 396, Hartzbeim Comeil. German. T. V. 9. 395, Wuerdtwein Subsid. dipl. T. IX. p. 78, Koch Sanct, pragmat. p. 201—210 und mit ausgebrudten Decreten p. 210 285, bei Münd, vollſtändige Samml. aller ältern und neuern Konlordate Th. I. S. 88.

Aus der Diſſertationen-Literatur, die das Concordat meiſtens nur im canoniftifchen Intereſſe behandelt hat, hebe ich nur einige mir bekannt ge worbene Arbeiten hervor: Neller Trevir., 1764 und Schloer Mogant., 1771 (Beide in Schmidt's Thesaurus jur. ecel. T. I); Gregel Mogunt., 1787 und Verflassen Heidelb., 1781 (beibe in Gratz Contin. Thesaar. jur. ecel. Vol. L); Fele, ausführt. Beweis, dab ber wahre Geburtsort nicht Afchaffenburg fondern Wien fei. Wien, 1790; v. Spittler a. a. D. und: No ein Wort über die Acceptation der Basler veſchane u. |. w. (im Götting. biftor. Magazin Bd. IV, Werfe 8b. VI).

IL 11. Das wiener Concordat. Papſtliche Reſervationen. 419

Bas die Wahlfretbeit in ver veutfchen Kirche und bie Gollation der Pfränden betrifft, fo war das basler Coneil Hierin verhältnißmäßig noch fchonend gegen ven Papit verfahren. Während es nämlich andere Mißbräuche und Ausnahmen principiell abfchaffte und auf die Gebräuche und Satzungen ver alten Kirche zurüdging, Hatte es dem Papfte doch noch bie reservationes im corpore juris clausae gelafjen, obwohl vor dem Ausbau ber römi- fehen Hierarchie, vor Alexander III und Innocenz III päpftliche Propifionen nur in einzelnen Fällen und bittweife vorgekommen waren. Das wiener Eoncorvat, zu den Normen des coftniger zu- rũctretend, erweiterte num dieſe Befugniß in preifacher Weile zu Sunften des heiligen Stuhles.

Es wurden erftens zu den päpftlichen Reſervationen wieder diejenigen hinzugefügt, welche durch die Conftitution Execrabilis von 1817 in Anspruch genommen und durch die Extravagante Be— nediet's XII Ad Regimen beftätigt und vermehrt waren. Dar- nach fällt dem Papfte die VBergabung jolcher Pfrünten und Würden zu, deren Inhaber an ver Curie, in deren Nähe oder doch inner- balb zweier Tagereiſen von Rom geftorben find, vie durch Abfegung, Berfegung, Entjagung over durch Abweifung ver Wahl von Seiten bes Bapftes erledigt werden, die Cardinälen, activen Officialen over wirklichen Commenſalen ver Curie zugehört haben, die durch Befig- ergreifung eines vom Papfte verliehenen incompatibeln Beneficiume vacant wurben, und noch ein paar ähnliche ').

Zu diefen Reſervationen kommt eine zweite Klaſſe, von ver indeß bie höheren Dignitäten (majores et principales) in ven Cathedral⸗ und Eollegiatfirhen ausgenommen find, ver nur bie nie- beren (inferiores) unterliegen”). Von ihnen behält fich der päpft- liche Stuhl eine Hälfte vor, nämlich die im Januar, März, Mai, Juli, September und November vacant werbenden; über vie in den andern ſechs Monaten erledigten verfügen die orbinarifchen Ge— walten. Statt dieſer Alternation der Monate finden wir im Con- cordat von 1418 eine Auswechlelung, einen Turnus, der freilich

[

1) Bergl. Bland, Gefchichte der chriſtlich⸗kirchlichen Geſellſchaftsverfaſſung. Br. V. ©. 684.

?) Freilich find auch hierin die Canoniſten verſchiedener Meinung geweſen. Bergl. Koch p. 223 aq. Not. 58; Richter Lehrbuch des Tathol. und ewang. Kirchenrecht. 2te Aufl. $ 148.

27*

420 I. 11. Das wiener Eoncorbat. Päpftlihe Proviſionen.

für die Praxis feine großen Unbequemlichkeiten haben mußte und bie Ueberwachung faft unmöglich machte. Immerhin mag man in jener Bertheilung ver Monate den Heinen Vortheil von zwei bis prei Tagen bemerken, der dem römischen Stuhl zu Gute Tam, Uebrigens hinderte auch die Alternation nicht, daß die Ordnung des Concordats fehon nach wenigen Jahren ohne Scheu übertreten wurde: Papſt Nicolaus felbft Fonnte nicht ableugnen, daß er oft auch Be⸗ neficien vergeben, bie in den nicht=päpftlichen Dlonaten vacant ge- worden, ja er behielt fich eine folche Webertretung bes Eoncorbats faft wie ein Recht vor‘). Und wenn mancher geiftlicde und welt- liche Fürft fich vom Papfte Indulte geben ließ, vie ber Proviſions⸗ ordnung des Concordats widerfprachen, fo ging barin der König voran, der zur Belohnung für das Zugeſtändniß bes Concordats allerlei gegen daſſelbe verſtoßende Gnaden mit Vergnügen hinnahm.

Endlich jteht dem Papfte noch in brei befondern Fällen vie Pro- vifion zu, auch ohne eigentlichen Vorbehalt, dann nämlich, wenn ihm die Wahl durch die Schuld des Capitels nicht in der gefeß- mäßigen Friſt präfentirt wurde, wenn fe nicht canonifch vollzogen, ver Efect 3.8. ein Unmwürbiger ift, und enblich wenn ver Papft ex rationabili et evidenti causa und mit Betrath ver ECarpinäle, im Intereſſe ver Kirche einen Würdigeren vorſchlägt. Nicht die Menge ver Fälle, fonvern die Unficherheit ver Begriffe, das weite Teld, welches ver Willkür und der Nechtöpreherei hiedurch eröffnet wurde, machte dieſe Beitimmungen zu höchſt Täftigen und mißlie- bigen*). In ver Verweifung auf ein zufünftiges Concil, auf vem fie geändert werden könnten, lag wenig Tröftliches.

Der anvere Schwerpunct des Eoncorbats Tag in der Her: jftellung der Annaten. Gerade ihre völlige und bebingungslofe Abſchaffung war als vie einzige Sicherheit gegen päpftliche Er- preffungen, als das wichtigfte Reformbecret von Bafel, als der Edel⸗ jtein der mainzer Sanction betrachtet worden. Die Annate war das Stichwort ver Parteiung zwifchen den urialiften und bem Verfechtern ver episcopalen Kirchenfreibeit; das Decret, welches fie

) Die „Nachrichten von Juvavia«- S. 280, aus denen Gregel ein Breve des Papſtes an den Erzbiſchof von Salzburg zum Beweis hiefür anzieht, konnte ich leider nicht einſehen.

2) Bergl. das von Enea Silvio dietirte Schreiben bes Papſtes Ealirtus III an K. Friedrich v. 31. Aug. 1457 in A, 8. Opp. edit. Basil, epist. 871.

423 IL 11. Das wiener Eoncorbat ale Beftätigungenrkunbe.

verliehen waren over durch Tauſch ihren Beſitzer wechfelten, fol£ Ar ganz von ver Abgabe befreit fein.

Was half's? Bei allem dem blieb vie verhaßte Annate benn auch den Ausédruck behielt man bei, als er, fixeng genommen, nicht mehr papte und die principielle Entfchievenheit, mit ber im basler ‘Decret und in ver pragimatifchen Sanction Alles und Jedes, was mit ihr zufammenhing oder ihr ähnlich ſah, derogirt wurde, hatte nur zu wohl ihren Grund in den verrufenen Rech⸗ nungefünften und canoniftifchen Kniffen ver Curie gehabt. Die rö- mifchen Tarregiſter wurden nicht veröffentlicht, die servitia minuta blieben im Gebrauch, der ärgerlichen Proceffe mit ver apoftolifchen Kammer und mit ten römischen Banquiers wurben nicht weniger, man klagte nach wie vor über willlürliche Erhöhung und unbillige Eintreibung der Annateı.

Außer ven Beitinunungen über Provijionen. und Annaten, wo eine neue rechtliche Bafis gewonnen wurbe, bejtätigte das wie— ner Concordat alle übrigen Puncte des römifchen Ber: trages, jene Bullen vom 5. und 7. Februar, die Eugen noch vor feinem Tode erlaffen und Nicolaus nach vemfelben confirmirt hatte. Indeß muß es wohl befremden, daß in einem Document, welches vie Stellung ver deutſchen Kirche zum römiſchen Primat für ewige Zeiten regeln follte, nur ein Verweis auf frühere Zugeftändnifie, nicht aber eine offene Wiererholung und Inſertion jener Zugeftänv- niſſe, nicht die betreffenden basler ‘Decrete felbft fich finden. Aller dings nahm man die Veftätigung derjenigen Puncte ber Sanction, bie im Concordat nicht ausprüdlich umgeftaltet wurven, als felbft- verftändlih au. Ihre Gültigkeit Hat die römifche Curie niemals auf rechtlihen Wege gerapezu angefochten. Immer aber blieb bie Möglichfeit jener Auslegung, nach. welcher die Sanction nur rin zwiſchen⸗ bejtätigt wurde, „bis vom Legaten anders concordirt fein würdes und das war nun gefchehen‘).

Segen wir uns aber über viefen Zweifel hinweg, nehmen wir pie pragmatifche Sanction, wie man es damals that, als den be jtätigten Örunovertrag, von dem bie Annatens und Propifions-

') Daß diefe Wendung feine abſichtsloſe war, daß die Hinterthüre von ven bei dein Concordat betheiligten Unterhändlern fehr wohl bemerkt wonrbe, iheinen andy des Enea Silvio eigene Worte anzubeuten, die er ale Cardinal an M.Meyer ſchrieb: aliqua ex decretis Concilii recopta videntur.

424 II. 11. Allmählige Annahme des Eoncorbats in Dentichland.

ſechs Kurfürften im März 1446 zu Frankfurt, erſt da wurbe bas Concordat vem Vergeſſen entriffen und ale ein Schild deutſcher Stiechenfreiheit emporgehoben. Man fuchte nun zu erweifen, baß bie zu Dainz angenommenen basler Decrete in ver veränderten Geftalt, in der fie zu Wien und Rom beftätigt waren, noch rechtliche Gel⸗ tung haben müßten, und in Betreff des wiener Concordats wurbe ver Sag aufgeftellt, vaß es nur bie Ausnahme, die Sanction aber oder ber römifche Vertrag vom Februar 1447 vie Regel bilde. Bapft Nicolaus trug fein Bedenken, das Concordat, wie es Sarvajal zu Wien abgefchloffen, auf ver Stelle zu beftätigen‘). Aber nicht fo eilig waren die deutfchen Prälaten, vie erft einer nach dem andern geivonnen werben mußten, um ich gefallen zu laffen, was der vorjorgliche König rim Namen ver deutfchen Nation« ge than. Das Concorvat war bereits ein Jahr alt, als noch feiner der größeren Metropoliten es angenommen batte, es ſcheint felbft diejenigen unangenehm betroffen zu baben, die zur Ausföhnung mit dem Papfte am bereitwilligiten ihre Hülfe geliehen. ‘Der mainzer Erzbiſchof war ver erfte, der dem Vertrage beitrat, freilich auch erft am 28. Juli 1449°) und, wie es foheint, mit faurer Miene; man wollte wiffen, er habe auf viel reichere Belohnung gerechnet. Den: Zalzbusger mußten zuvor feine Metropolitanrechte über bie Bisthümer Gurk, Sedau und Yavant beftätigt werben’). Jacob von Trier, vom Bann gelöft und veftituirt, ging im Jubeljahre ſelbſt nach Rom, nahm hier auch das Concorvat an’) und fchleppte dafür, immer ver klügſte, eine Menge von Privilegien und Gnaden⸗ bullen heimwärts. Dagegen fcheint Dietrich von Cöln erft gegen das Ende feines Lebens (1461) eingewilligt zu haben’). Das Ber: halten ver einzelnen Biſchöfe in dieſer Frage verliert fich fehr ine

') Seine Bulle v. 19. März 1448 im Anhang nro. 76 zu Chmel Re- gesta Vol. I., bei Koch p. 235, in ben Monumenta Boica ‘Vol. XXXI. P.II. nro. 167. \

?) Sein Ausjchreiben bei Koch p. 244. Sollte vielleicht feine Vorla⸗ dung vor Das weitphäfiiche Behmgericht (bei Gudenus Cod. dipl. IV. nro. 189) mit feinem kirchlichen Berbalten zufammenhängen ?

’) Nicolaus’ Bulle darüber vom 25. October 1448 foll in den „Nach⸗ rihten von Juvavias p. 217. 273 zu fiuden fein.

) Nicolaus‘ Bulle v. 23. Mai 1450 bei Koch p. 245.

) Das Juſtrument v. 7. Februar 1461 bei Hedderich Elementa jur. can. p. 234. ..

I, 11. Die lebten Zeiten bes basler Coneils. 495

Duntel; wahrfcheinlich folgten fie ver Mehrzahl nach ven kurfürſt⸗ lichen Metropoliten, währenn einzelne ihre unabhängigere Stellung benugten, um noch Jahre, ja Jahrzehnte Tang zu wiberjtehen. Biſchof Rupert von Straßburg, der durch Papſt Felix erhobene, nahm erjt 1476 das Eoncorbat an‘), bie von Würzburg und Bam⸗ berg verftanpen fich niemals zur Monatstheilung mit dem Papite.

Carvajal brachte faft ein ganzes Jahr in feiner deutſchen Le⸗ gation zu: unermüblich thätig ſehen wir ihn bald nach Prag, bald nach Prefburg gehen, bald in Wien mit ven Ungarn und Böhmen unterbandeln, bald in Eöln zwifchen dem Erzbifchof und bem Herzog von Cleve Frieden ftiften. Dem bebrängten König Frieden zu fchaffen, war eine zweite Hauptaufgabe feiner Deiffion: mit ven Ungarn brachte er, wie ehedem Cefarini, einen zweijährigen Waffen- ſtillftand zu Wege, aber die trogigen Böhmen wiverftanden allen Unterhanblungstünften”). Für dieſe fehlgefchlagenen Hoffnungen war bie geweihte goldene Roſe, vie Friedrih vom Papft erhielt, ein geringer Erfak.

Dem basler Eoncil war feit der Sprengung des Kurfürften- bundes jede Nachricht aus Deutichland ein Todtengeläute. Alle Unterhandlungen des Gegenpapftes mit europäifchen Mächten hatten nur zu elenden Zäufchungen und bittern Enttäufchungen geführt. Leiftete ſelbſt Jacob von Trier dem römifchen Papfte die Obebienz, wer wollte es noch wagen, feine Hoffnung nach vem basler Münfter und nach der veröveten Curie von Laufanne zu richten! ‘Der felicianifchen Cardinäle gab es nur noch fieben. ‘Die Heine Schaar, die noch als „heilige allgemeine Shnobe « zufammengeblieben war, beftand aus einigen ſavoyiſchen Biſchöfen, aus Clerikern nieveren Ranges, Advocaten, Schreibern, die man in ber Verlegenheit alle zu Vätern ernannt hatte und bie durch Felix oder ven Carbinal bon Arles ihren Unterhalt bezogen. Für fie gab es Feine andere Rettung, als wenn fte fih ganz dem Schidfal ihrer Herren anver- trauten ımb ihre Rolle mit balsftarriger Feſtigkeit fo lange fpielten, als jene es wollten. Wem ein anderer Ausweg offen ftand, ver hatte Längft dem Concil ven Rüden gewendet. Wir hören nichte

) Sein Erlaß v. 20 Nov. 1476 bei Koch’ p. 282.

?) Berg. die hürftigen Berichte in A. 8. Frid. III. p. 139 und im Chro- nicon Austriacum 5b. Pez Scriptt. T. I. p. 736 unb bie Documente in Chmel Regesta nro. 2283. 2284. 2472, in Kollar Aualecta Vindob. II, 1292.

426 TIL 11. Dem basler Concil wirb das Geleite anfgekänbigt.

von Generalverfammlungen und Befchlüffen mehr, nichts von Gar- binal-Confiftorien und Erlaffen. Außer dem fürftlichen Bapfte machten ſich Höchftens d'Allemand, der unerfchütterliche, und Segobta, ber rubigefefte Gelehrte, einmal bemerkbar. In dem fichern Vorgefühl, daß die lette Stunde der Verſammlung unaufbaltfam heranrücke, aber bewaffnet mit dem Muth, fie abzuwarten, fahen bie Beiden dem Verhängniß entgegen. Dadurch erhielt der Untergang bes Concils eine gewiffe Würde.

Enen batte zu Rom im Namen feines Herrn feierlich ver- iprochen, daß dem Eoncil das fönigliche Geleite aufgefagt und ber Stadt Bafel feine Austreibung anbefohlen werven folle, er Hatte bei feiner Rüdfehr ven König dringend dazu ermahnt. Sobald ber afchaffenburger Tag die Anerkennung des Papftes Nicolaus zum Beichluß erhoben, erfolgte auch am 20. Juli 1447 das erfte könig- liche Mandat, welches ven Baslern bei Verluft ihrer Freiheiten gebot, dem Concil fofort das Geleite aufzulünpigen, dieſem felbit aber, fich aufzulöjfen. Der königliche Befehl wurde an ven Kirchen und am Rathhauſe angefchlagen, bald aber wieder abgeriffen, nur ein paar Väter deutſcher Nation, pie noch dem Coneil beigewohnt, zogen erjchredt Hein‘). Um Weihnachten erfchien ein zweites Man⸗ dat, um bie tFajtenzeit ein drittes. Der Rath zögerte immer noch. Erſt ale er eine Citation erhielt, vie ibm bei Strafe ver Acht und des Bannes vor dem königlichen Hofgericht zu erjcheinen gebot, feinen Ungehorſam zu verantworten, erft va ließ er die Väter be deuten, daß ihr Auseinandergehen doch nothwenbig fcheine ”).

Indeß gab -nicht die Entjcheivung des Reiches, fonbern ver ausländiſche Einfluß den Ausſchlag. Der König von Frankreich batte fich vie Löfung ver Frage, bie Ausſöhnung der beiden Par⸗ teten zur Angelegenheit gemacht und mit Felix über die Bedingungen verhanvelt, unter welchen er dem Papat entfagen möchte. Der Gegenpapft zeigte anfangs eine erftaunliche Starrheit. Nach dem Regierungswechfel in Rom forverte er weinen gewiffen Tommaſo Ealanprini von Sarfana,ı ver es gewagt habe, den apoftolifchen

) Wurfifen Bafler Chronik S. 408; nah Ochs II. 5.492 batirte das erfte Tönigliche Schreiben vom Afiumptionstage.

) Wurſtiſen S. 410; das zweite Mandat v. 12. Dec. 1447 und bas dritte v. 15. März 1448 bei Ochs a, a. O,, wo fi) überhaupt bie letzten Ber- hanbiungen zwiſchen bem römiſchen König, ber Stabt Bafel unb dem Council finden, Chmel Geld. UI, 441.

U. 11. Gutfagung bes Papftes Felix 1449. 427

Stuhl zu befteigen und ſich Nicolaus V zu nennen, auf, diefer An- maafung fofort zu entjagen, fich vor Gericht zu ftellen u. |. w.'). Bei der erwähnten Zufammentunft in Bourges, wo der trierer Erz⸗ biſchof am thätigften war, wurbe eine Eintrachtöformel aufgefekt, der aufer ben beutfchen Nenitenten auch vie Geſandten von Frank⸗ reich, England und des König Rene beiftimmten; fie follten Felix zur Abdankung bewegen. Er indeß erflärte, ver Vorſchlag fei feiner Antwort würbig, er werbe nie einwilligen; dann aber, nach wieder⸗ holten Borftellungen, erbot er fi) vom Papat zurüdyutreten, wenn auch jener Calandrini, ven einige Nicolaus V nennten, zurücdtxete*). In ver That fcheint er feines Pontificats herzlich müde geweſen zu fein; durch fein ſtarres Zögern wollte er nur fo viel erlangen, daß er ſich nicht zu tief bemüthigen, nicht als reuiger Keger ver bie Füße feines glüdlicheren Nebenbublers werfen dürfe. Am meiften machte ihn die ftete Gelpverlegenheit mürbe; denn felbft fein Sohn und Nachfolger Lodovico zeigte die offenfte Unluft, den armfeligen Papat des Baterd länger zu unterhalten. Die Verbündeten von Bourges leiteten die Unterhandblungen mit Papſt Nicolaus ein, der feinerfeite um bes envlichen Friedens willen bie ftrengen Forderungen berabfpannte. Denn einft hatte er alle Strafen, vie ven „Sohn ver Ungerechtigkeit/ durch Eugen und die Synoden zu Florenz, Fer⸗ rara und im Lateran getroffen, bejtätigt, er hatte das Herzogthum Sawoyen als confiscirtes Gut eines notorifchen und ercommunicirten Schiömatifers und Ketzers dem Könige von Frankreich gefchenkt und ven Daupbin Louis aufgeforbert, ed in Befig zu nehmen. Das Kreuz folite gegen Amadeo verkündet werben und jeber, ber gegen ihn ziebe over zum heiligen Kriege beifteuere, Vergebung aller Sün- ven erhalten’). Als aber König Karl feine Gier nach dem ge- ſchenkten Herzogthum zeigte, da wandte fich bes Papftes kriegeriſcher Sinn. So kam enplich eine Einigung zu Stanve: Felix entjagte dem Pontificat, erhielt aber zum Erſatz ven Titel eines Cardinals von ©. Sabina, die Würde eines Legaten und beftänbigen Vicars des Papftes, allerlei Privilegien und Ehren und fogar eine Anwei⸗

©. Bulle v. 5. April 1447 bei Mansi XXXI. p. 189.

Breve an Karl von Frankreich v. 20. Aug. 1447 bei Mansi XXXI. p- 188; bie erfte Antwort erfolgte darnach am 8. Juni.

9 Bulle v. 12. Decemb. 1447 in Leibnitz Cod. jur. gent. dipl. T. 1. p. 378 und in Müller’s Reichſtagstheatrum S. 358.

428 IL 11, Auflöfung bes basler Concils 1449, w

fung auf gewiſſe Einkünfte). Zwar mußten feine Cardinäle ihren Würden entfagen und nur d'Allemand durfte feinen Titel fortführen, aber allen Gliedern ver laufanıer Eurie und des Concils warb bie Rückkehr in ven Schooß der Kirche und in ihre früheren Stöflen und Beneficien gewährt. In feiner Entfagungsbulle”) nannte Felix das coftniger Decret von ver Autorität allgemeiner Concilien reine Erklärung, die niemals in Vergeſſenheit gerathen könne,“ er ſprach bie Hoffnung aus, daß auch in Zukunft die Fürften und Prälaten ven großen Grundſatz vertheidigen würben. Nicolaus hatte fogar verfprechen müſſen, nach Ablauf des bevorſtehenden Jubeljahres ein neues Concil in Frankreich zu berufen, „wenn bie andern Fürſten einwilligten« ?).

Das Concil überlebte feinen Papſt. Aus Bafel enblich ver- brängt, verlegte es fich nach Laufanne und feines Hauptes fchon beraubt, hielt es hier am 19. April 1449 eine öffentliche Sitzung. Wie Felix wahrte e8 fein Dogma und ven Schein feiner Unab- hängigfeit und Machtfülle bi zum legten Augenblid, indem es feine Unterwerfung und Auflöfung durch Nechtsfictionen in freiwillige Acte umwandelte. Um des Frievens und ver Einheit ver Kirche willen, fo ward erklärt, wähle das Concil Thomas, "der in feiner Obedienz Nicolaus V genannt wird, zum Oberbirten ver Kirche und gebiete, ihm zu gehorchen, aber in ver Hoffnung, wie das Decret binzufügte, daß er ven Satz des coftniger Concils über bie Auto⸗ rität allgemeiner Synoden glaube und halten werde.“). In feiner legten Situng endlich, die in bergebrachter Form am 25. April 1449 gehalten wurbe, erließ das Concil ein ‘Decret, durch welches e8 fich ſelbſt auflöfte, indem es fich dieſes Recht fowie die Ernen- nung eines Ortes für das zukünftige Eoncil feierlich vorbehtelt®). Das war das Ende der großen basler Kirchenverfammlung, die faft achtzehn Jahre lang die chriftliche Welt in Spannung er- halten, das Ende des breizehnjährigen Kirchenſchisma. Nach einem halbhundertjährigen Kampfe war Rom der Reformbewegung wenig

) A. 8. Comment, ed. Fea p. 113; Raynald 1447 n. 18 sq. und 1449 n.1sq.; Scarabelli l. s. c. p. 304.

°) 9. 7. April 1449 bei Leibnitz 1. c. p. 379 und bei Hartzheim Concil. V. p. 917.

») A. 8. Comment, ed. Fea p. 114.

*) Das Decret bei Raynald 1449 n. 5.

) bei Raynaldl. cc.

0 U, 11. Der Triumph Rom's,

Kranken und Zobten. Der Sarlophag ward zum Wallfahrt. Im Jahre 1527 ſprach Bapft Clemens VII ven Cardinal Fai, und geftattete feine Verehrung ').

Während ver Schein erhabener Würde, mit dem das Cond und feine Größen ein Ende nahmen, in manchem Herzen bie frü- bere Sehnfucht und Verehrung wieder wedte, feierte das roͤmiſche Papſtthum Triumphe, als fei es nun auf ewig vor Anfechtungen und Demäthigungen bewahrt. Cine grenzenlofe rende entftand, als am 23. April 1449 vie Nachricht von der Abdankung bei Begenpapftes in Rom ankam; Weiter, mit Fackeln in der Kant, iprengten durch die Straßen und ließen Nicolaus V leben, biejer jelbft hielt im Vatican ein großes Dankfeſt“). Und für das fol gende Jahr (1450) ward das Jubiläum der Stadt Rom an gekündigt, ein Feſt für das Volk und die päpftliche Kaffe, gleichfam eine Entjehäbigung für langjährige Abzüge, ein Lohn für ven fieg- veich beendeten SKirchenfampf. Die zuftrömende Volksmenge war ungleich größer als bei ven früher gefeierten Yubeljahren, kaum fonnte fie in Kirchen und Klöfter zufammengeprängt und beherbergt werden. Die Nömer vermietheten Wohnungen und verlauften Le bensmittel zu beliebigen Breifen; in bie päpftliche Bank floß eine ungeheure Summe, bie den Pracht: und Kunftgelüften des Papftes, aber auch ver Kunjt und Wiffenfchaft felber jenen erftaunlichen Auf- ſchwung gab, der den Pontificat Nicolaus’ V im Andenken ver Menfchen verewigt bat”).

) A. 8. Europa l.c,; Petri Saxii Pontif, Arelatense in Menckenii ßeriptt. rer. German. I. p. 384—37; Catalogus Abbatum Saganens. in Bten- zel Scriptt, rer. Silesiac. I. p. 316; Gratius Epistola hinter ſ. Fasciculas rerum expetend. et fugiend. fol. 240.

?), Platina Vita Nicolai V.

) Beichreibungen bes Jubiläums bei Platina l. c.; Blondus Italis illustr. p. 320; Bonincontrii Annales ap. Muratori Scriptt. XXI. p. 155; Cristof. da Boldo Storia Bresciana ibid. p. 867; SBanudo ibid. XXI. p. 1137; Vespasiano l. c. p. 279. 282; August. Datus Histor. Senens, (Opp. Senis, 1503) fol. 226. 227.

I, 12. Erlebigung bes mailänbifhen Herzogeſtuhlet. Pratendenten. 431

Zwölftes Capitel.

Mailand als Reichslehen. Der Canzler Schlick in Un- gnade nnd fein Tod. Eneg's fittliher Umſchlag.

Troß feiner engen Verbindung mit dem römijchen Bifchof Hatte König Friedrich doch der wirrevollen Politik ver italienifchen Staaten 8 dahin völlig fern geftanden. Seine Thätigfelt, vie überdies wenig nach Ausdehnung ftrebte, war durch die Lande feiner Münpel, durch Tirol, Defterreih, Böhmen und Ungarn Binreichend in An- pruch genommen. Sein einziger Gedanke, deſſen Ziel jenfeits ver Alpen lag, war bie römifche Kaiferfrönung. Da verfette ein Er- eigniß von ganz unberechenbaren Folgen plötlich das obere SYtalien a wilde Sriegesgährung und z0g faft gewaltfam auch Das Auge des Konigs auf viefes vormalige Reichsgebiet.

Am 13. Anguft 1447 ftarb der Herzog Filippo Maria von Mailand, mit ihm das Haus ber Visconti; eine töbtliche Kranf- beit von wenigen Tagen, eine Dhsenterie, erlöfte ihn endlich von feiner langen und finftern Todesfurcht. Was in dieſem Falle aus dem Herzogthum werben follte, war ihm gleichgültig gewefen, ja er foll mit einer teuflifchen Freude die nothwendige Zerrüttung und das Verberben des Staates im voraus erwogen haben. Zuerit erhob fich in fchneller Erinnerung alter Zeiten das Voll von Mai- land; mit dem Rufe „es lebe ver heilige Ambrojius und die Frei- beit!« ftürmte es durch die Straßen, riß vie feiten Schlöffer des Herzogs nieder und befam durch den beftochenen Befehlshaber auch die Burg in feine Gewalt. Die büftere Cabinetsregierung wich einer Democratic, vie in ähnlicher Weile zwifchen Adels⸗ und Volks⸗ berrichaft auf- und niederwogte wie damals, als die Visconti bie Gewalt an fich riffen. Dem jungen Freiſtaate gegenüber traten vier Prätenventen mit Erbanfprücen auf, Sforza als Gemahl ver Bianca Maria, des lettten, freilich unehelichen Sproſſes aus dem visconti’fchen Haufe, Herzog Karl von Orleans ald Sohn ver Ba- lentina VBisconti, ver Schweiter des leiten Herzogs, ferner Herzog Lodovieo von Savoyen, der ald Bruder der verwittweten Herzogin

433 IL 12. Anfprücde König Friedrich's auf Mailanb 1447.

faum den Schein eines rechtlichen Anfpruchs für ſich hatte‘), um Afonfo, König von Aragonien und Neapel, ver durch ein jehr & zweifeltes Teſtament Filippo Maria’ zum Erben ernannt zu fein behauptete. Außerdem nahm bie venetianifche Republik das berad- barte Land ebenfo entfchieven nach dem Rechte der Eroberung in Anſpruch wie die Prätendenten nach dem Rechte der Geburt oder des Teftamentes*). Alle viefe Mächte waren zum Zugreifen bereit, die Truppen der meiſten ftanden ſchon im mailändiſchen Gebiet. Da erklärte auch König Friedrich das Erbe der Visconti für ein an das Reich heimgefallenes Leben. So batte ihm ſchon im Pentalogus Enen Silvio gerathen, der Schöngeift, ber von ben Tagen bes erjten Friedrich träumte und von einer gewaltigen Heeres⸗ macht, die Stalien dem Neichsfcepter unterwerfen follte. Friedrich III war der Sade auch nicht abgeneigt, wenn er auf bequeme und wohlfeile Weife vie Lombardei und ihren Lehnstribut hätte an fid ziehen fünnen. In einem derben Schreiben, wohl aus Eneag's Feder’), trat er als Lehnsherr auf, ver gefonnen fei, die an das eich heimgefallene Herrfchaft mit aller Energie in Befig zu nehmen und Stalien den Frieden zu geben. ‘Dies kühne Wort follte eine GSefandtfchaft unter Enea's Yeitung nachbrädlich unterftügen. Nun erzählt uns dieſer wohl fehr ausführlich von ven Ehren, mit denen er empfangen wurde, von ben Neben, bie er bielt, und von ven Verhandlungen, die er mit den Gubernatoren ver freiheitäluftigen Republik führte‘). Das Alles aber warb im Getriebe ver Parteiungen

) Intereffante Auffchlüffe fiber feine Betreibungen giebt Die Correspondance du Pape Felix V (Amedde VIII) et de son fils Louis (1446—49) commn- niqude par Gaullieur im Archiv für fchweizerifche Geſch. VIII. Zürich, 851.

?) Sanudo Vite de’ Duchi di Venezia bei Muratori Scriptt. XXIL p. 1126.

?) an die Gubernatoren, Kapitani und Bürger feiner Stadt Mailand vom 1. Sept. 1447 in Chmel Material. I. nro. ILLa.

*) in dem Gefandtfhaftsbericht bei Chmell. c. 111, ber fich fo- fort als Enea's Kunftwerk zu erkennen giebt. Seine hier mit den Worten ut

: extat oratio ad verbum scripta bebeutete Rebe vom 21. October 1447 findet fich in der Manſi'ſchen Ausgabe ber Reben T. I. p. 122. Vergl. außerbem für diefe Materie A. 8. Frid. III. p. 139 sq,, Europa cp. 49, Comment, ed. Fea p. 111. 112; Pii I. Comment. p. 14—16; Sanudol.c.; Navagiero Storia Veneziana bei Muratori XXIII. p. 1112 sq.; Simoneta Historia de rebus gestis Franc. Sforziae ibid. XXI. p. 395 sq., bie von Chmell. c. ebirten wichtigen Actenftüde; Sismondi Hist. d. röpubliques Ital. du moyen &ge T. IX. chap. 72. 78.

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An

er dei, wa na De wird, Ich, mein. Johannes, habe gem

Pr Brief an Joh. Gers v. 3. Nov. 1444.

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2 Aug der ‚zömifhe Ann fagt in ber b

Discite sanari, per quem Aidicistin na Una manus vobis vulnus opemque f ) Enen’s Brief v. 31. Dee, 146,

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1. 12. Eine ernſthafte Viſion. 441

er ihm, und es will ſich nicht mehr vecht ſchicken, daß ich mid an ven weltlichen Wiffenfchaften ergöge, ich will mid; daher in das Evangelium vertiefen. Ich ſchätze die Luft diefer Welt gering und möchte Gott allein dienen. Da ich aber einmal ein Liebhaber der Wiffenfchaften bin, fo weiß ich micht, in welchen Berufe ich Gott mehr gefällig fein könnte als im literarifchen '). So war ber Stufengang feiner Lieblingsftudien: zu Baſel gingen ihm Bir- ailins, Obidius und Horatius über alle Bücher, bald mach dem

Eintritt in dem königlichen Dienſt fehen wir ihn nach Ariftoteles’

Werten en dann um eine Bibel, in der er als Bapft eine ichöne Belefenheit zeigte

In ver That mochte Ener an die Bergänglichfeit des Irdiſchen zumal in ver Zeit gemahnt werben, als er fich, nach dem Tode des Canzlers und während ver königlichen Ungnade, nach feinem vom Welttreiben ziemlich entlegenen Biethum zurüdzog. Seite damalige Stimmung zeigt uns ein Brief an Carvajal*), worin er einen erbichteten Traum erzählt, Er fei allein in einem fchattigen Walde gewandelt, bis er plöglich aus den Buchen ein Geräufch her- . hörte umd eine Gruppe von Menfchen leife ſich befprechen ſah. Aus ihr trat ihn der Canʒler Schlick entgegen, erklärte ihm den geheimnißvdollen Ort als eine Stätte der Abgeſchiedenen und nannte die in jener Gruppe hervorragenden Geſtalten. Da war Papft Eugen, König Albrecht, ver Carpinal von Taranto und man- ‚der andere, alle zufammengerufen, um ven vielen Hinzuftrömenven, die in den Wirren und Händeln der Welt ihren Tod gefunden, das Urtheil zu fprechen und die Stätten ver Strafe anzuweifen, Wie wilnderbar contraftiren mit der unheimlichen Stille, die alle Menſchen hier unten erwartet, die Leivenfchaften und Laſter ver Lebenden da droben. "Treue und Eid, fagt der todte Kanzler, find in ven Himmel zurücgelehrt, Betrug und Ungerechtigfeit herrfchen allein umter euch! Der wird fir Hug und groß gehalten, ver bie feinere Liſt übt. Findet fich einer, der am Mechte feit hält, fo nennt man ihn einen Dummkopf. Verbrechen werben belohnt, Schmeichler finden Glauben, Mitwiffer und Mitſchulbige ver Frevel- hat werben geliebt. Die Tugeno loben wenige und noch wenigere lennen fie. Wenn du zu lügen weißt, Gift zu bereiten, mit bem

») Brief an Job, Thuscon v. 31. Det, 1444. 9 v. 13, Nev, 1449,

449 11. 12. Eine ernfthafte Vifion.

Lachenden zu lachen, mit dem Weinenden zu weinen, beim Ben- = brechen zu helfen, Alles zu loben, was gefchiebht, ven falfchen Zeugerz zu fpielen, das dir anvertraute Gut hartnäckig abzuleugnen, bene— Genofjen zu betrügen, Erbichaften auszuplündern, Wittwen umb - Waifen zu drüden, durch ſolche Künfte wirft bu emporfteigen, - burch andere Lücherlich werben. Wohl ift es ſehr nothwendig daß das Yubeljahr naht, ver Verbrechen find genug zu fühnen. - Aber wo ijt der Glaube, wo ver Eifer dafür? Wie viele gehen 3 nach Rom, nur um möglichit viel zu fehen, nicht um ihren Lebens = wandel zu beffern. Wie fie hingehen, jo Tehren fie auch zurück.«

Alfo von den Lebenven ver Canzler im Reiche ber Todten. As ihn aber Enea nad Eefarini fragt und biefen vor allen zu ſehen verlangt, da beißt e8: Der ift nicht unter uns; im Ungarn- [ande nievergehauen ftieg er gerades Weges zum Himmel auf und lebt nun in jenen Freuden, welche die Zeugen Chrifti als ven Lohn ihres vergoffenen Blutes genießen.

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Beilage I. |

Zeitung vom Jahre 1433").

Hec sunt nova currencia. Primo de Regno Sicilie: dominus Cardinalis de Cipro est legatus Regni Neapolitanorum et, ut dici- Xur, insurrexerunt partes ad invicem, alique pro regina, alique pro wege Arragonie. In Curia Romana sunt tribulaciones et dolores. xXill mensis Februar. dominus papa per quandam bullam*) appro- bavit concilium, cujus copiam dirigo [Majestati vestre ex mandato domini nostri pape|’) cum breve etc. Et quia propter decreta concilii multi Curtesani recesserunt et fere omnes se preparant ad recedendum, quibus intelleciis dominus noster penultima fecit mandatum, cujus copiaım dirigo, quo insinuato omnes Curtesani

de omni nacione perturbati concorditer in die Coronacionis mo- derni pontificis commemorati*‘), dummodo papa exivit de capella maiori, flexis genibus volebant petere licenciam, sed non exauditi. Omnes pariter clamabant voce lacrimabili licenciam, licenciam, se- quendo dominum nostrum usque ad locum consistorialem. Postea quelibet nacio specialiter adivit dominum nostrum pro licentia, sed non retinuerunt, donec termini expressi in decreto elaberentur. Quibus elapsis, solum dabatur licencia Curtesauis parve condicionis, aliis non. Et hiis habita licencia congregatis II et pluribus, spo-

) im Geh. Archiv zu Königsberg.

?) bei Raynald 1433 n. 5.

>) Die eingellammerten Worte find won anderer Hand gefchrieben. Der Schreiber der Zeitung hatte eine Lücke zur beliebigen Ausfüllung gelaffen.

) nämlich Eugen’s IV am 11. März.

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liati sunt circa Curiam prope Civitatem Castellanam et ben culati, et aliquibus interfectis reliqui fugierunt. Maximus est r In Curia dicitur commıuniter, quod papa vel sui hoc subordina ut remanentes perturbarent, ne recederent. Curia est pary licet cause tractentur tantum pauce, nullus venit, omnes h animum recedendi, sed non audent et nec habent lucrum, in tribulacionibus, quibus et ego sum advinctus. Revera nun fui in tribulacionibus nisi hodie, ut lacius scripsi, quia non $ predicta sed alia me perturbant. Item dominus noster VII Marcii publicavit bullam, in qua ordinare inhibet collectam cujus copiam dirigo per presentem. In Italia undique timet guerra. Dominus Rex Romanorum adhuc est Senis. Dominu cobus de Serich') habita licencia penultima Februar. ivit ad R Romanorum et cum festinancia reversus est ad Curiam_ dic voluntatem domini Regis quo ad bullam approbatam, quia Re ea bene contentus. Et XIIII ınensis Marcii idem dominus Jac reversus est ad Regem Romanorum, dicitur quod tractat de inter Regem Romanorum et dominum nostrum, sed credo ı frustrabitur fine. Item dominus Cardinalis de Ursinis et dom Cardinalis sancti Marci sunt legati pronunciati ad coneiliur ibidem preesse etc. Item dominus Antonius de Rosellis an noster et dominus Yno de Coppulis vadunt ad coneilium.

Widelers amicus noster in recessu dicitur Rome quod fuit liatus et bene baculatus, credo quod non sit verum. Item d nus Petrus de Ortenbergis, scriptor bullarum, recessit cum lict et salvo conductu, nichilominus quia habuit licenciam ante ı datum de non recedendo. Ideo jam in absencia sua volunt privari officio suo bullarum, dicunt multi quod hec erit oc privacionis Curtesanorum remanencium in urbe. Item in est magna parcialitas in populo et una pars expulit aliam et runt per terram destruendo bona illorum expulsorum. Ho littera domini Jo. Limbirch intellexi.

) Jacob von Sirt, Domberr, nachmals Erzbiſchof von Trier, jetz Unterbändler zreifchen Papſt Eugen und König Sigmund.

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et wu iallia am inter ve adhuc debitor manet inprimis ‚de X?

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Enea Silvio de’ Piccolomini, ale Papft Pius der Zweite,

und fein Zeitalter.

Bon

Dr. Georg Voigt,

ord. Profeſſor ber Geſchichte an ber Univerfität zu Reed.

Bweiter Band.

m ____ -

Berlin. Drud und Berlag von Georg Reimer. 1862,

1) Borwort.

lichen Bande der dazu gehörigen „Urkundlichen DBeiträge,« und die Darftellung des Streites zwifchen Herzog Sigmund von Tirol, und dem Cardinal Nicolaus von Eufa, die Prof. U. Jäger aus dem überreichen, nicht Jedem zugänglichen Material gegeben. Ueberhaupt ift die Zeit bes ſinkenden Mittelalters neuerdings von manden Seiten rüftig in An- griff genommen worden. Möchte auch viefer Beitrag bie Wiſſenſchaft fördern belfen!

Der Schlußband, welcher ven Pontificat Pins’ II ent- hält, ift bereits unter der Preffe und wird dem vorliegenden in Bälde nachfolgen. Die Beilage, das bisher unbelannte Fragment eines 13. Buches von Pius’ Commentarien nad zwei römifchen Codices, erjcheint gleih bier, um bie literas riſche Beſprechung jenes merkwürdigen Werkes zu erläutern.

Den erften Band durfte ih Dir, tbeuerfter Vater, noch als Kind des Haufes in die verehrte Hand geben. Dir vor Allen gehört auch das Weitere, Du weißt, mit welchen Ge fühlen der Dankbarkeit und Sehnfucht ich e8 Dir zufende!

Roftod den 25. Januar 1862.

Georg Voigt.

Inhalt.

Drittes Buch.

Kaifertbum und Papftthbum im Bunde. Enea Silvio de’ Piccolomini ale Bifhof und Earbinal, als Humanift.

Erſtes Capitel.

Friedrich's Roͤmerzug und Kaiferfrönung. ©. 3—62,

Enea zur Zeit ber königl. Ungnabe in feinem Bistbum Trief 3. Der Gedbanke der Kaifertrönung 5. Friedrich's Bormunbichaft über Labislans von Ungarn und Böhmen 6. Die Volker gegen ben Vormund 9. Enea's Denk Schriften "für ihn und das Erbrecht des jungen Könige 11. Friedrich's Streit mit den Ungarn und Böhmen, fein Bund mit Hunyabi und Pobiebradb 18. Gährung in Oeſterreich 15. Verlöbniß des römiſchen Königs mit Donna Leo- nor von Portugal. Biccolomini’s Sendung nad) Neapel 16. Er wirb Bifchof von Siena, October 1449. Eheverhandlungen in Neapel 17. Das Jubeljahr in Rom, bie franzöflihe Concilforberung, Enea's Dienft iu ber Gegenopera- tion 19. Seine Berhandlungen in Rom unb Rückkehr nad Neuftabt 21. Bor- bereitungen zum Romerzug. Fra Giovanni da Capiſtrano in Neuſtadt und Bin 22. Enea's Geſandtſchaft nah Böhmen, in Zabor 26. Landtag zu Be nefhan, Juli 1451 27. Die Unterrebung mit Pobiebrab und bie Disputation zu Tabor 28. Sendung Enea's nad Zalamone zum Empfang ber Infantin. Aufregung in Oeſterreich, Ulrich Eizinger 30. Berbinbung ber öſterreichiſchen Elen zn Malberg, Landtag zu Wien 31.

vi Inhalt.

ben Enea's und des Legaten 138. Erklärungen 139. Der Trierer nad Wien 140. Antwort der Stäbteboten 141. Neben der Biſchöfe von Pavia, Wardein und Siena 142. Oppofition bes kurfürſtlichen Eollegiums 143. Nad- richt vom Tode des Papfles Nicolaus V 146. Auflöfung und Schluß bes Tages. Abtröftung der ungarifchen Gejandten 147.

Bierted Eapitel.

Der Pontificat Calixtus' III. ©. 148 —192.

Enea's Ambition um den Karbinalat feit 1452 148. Der neue Papft nub bie kaiſerliche Obedienz 153. Die Bedingungen ber lebten Obebienz und wie fie gehalten wurben 154. Zögern bes Kaifers. Die Beſchwerden ber Kur- fürften und bie Forderungen des Trierer 155. Enea verläßt Dentichland für immer Mai 1455, Ankunft in Rom 10. Auguf. Papſt Ealirtus II. Rüdblid auf das Konclave 157. Laufbahn, Hinfälligkeit und Neigungen bes Bapftes 158. Seine Stellung dem Kaifer gegenüber 159. Verhandlungen ber Geſandten über bie Obebienz. Sie wirb vor ber Gewähr der kaiferlihen Pe- titionen geleiftet. Enea's Rebe 160. Abweifung der kaiferlihen Wünfche 161. Nur bie verften Bitten“ werben bewilligt. Enea wegen Erkrankung au Rom gefeffelt 163. Die bevorftehenbe Cardinalswahl. Enen ale Agent für dem bent- hen Orden. Seine Denkfchrift für die Reunion ber böhmischen Huffiten 164. Die Earbinalswahl am 20. Februar 1456, Enea Übergaugen, bie beiden Re- poten 171. Calixtus' Eifer für den Zürlenkrieg 173. Die Imbulgenzen uud der Türkenzehnte 174. Lauheit ber Fürften 175. Die Türkenflotte bei Avignon 176. Die päpftliche Armata, Scarampo’8 Seelegation 177. Ihre Koſten und ihre Thaten 178. Die Legation Carvajal's in Ungarn 179. Enea' Thätigkeit an ber Curie 180. Die Schladht vor Belgrad 21. Juli 1456, Hu nyadi und Capiſtrano 181. Tod der Beiden 183. Folgen des Sieges, Läſſig⸗ feit der Weltmächte 184. Yadislaus’ Tod, die Ujurpatoren in Böhmen und Ungarn. Enea als Gefondter Siena's in Rom und bei Alfonfo von Neapel 185. Die Apophihegmen 188. Der Triumphus Alphonsi 189. Piccolomini wird zum Cardinal erhoben 18. December 1456, feine Eollegen in der Nomina⸗ tion 191.

Jahabt. 1

Fünftes Capitel.

solomint als Cardinal. Neue Bewegungen unter ver deutſchen | Prälatur. S. 192 - 248.

Cardinal Piccolomint an der Curie 192. Die Borja 193. Stellung colomini’s zu ihnen und anderen Cardinälen 194. Sein Patronat über atſchland und Ungarn 197. Fortdauer der kurfürftlichen Oppofition, Die- ch von Mainz und Martin Mayr an der Spige. Die Provinzialſynode zu chaffenburg Juni 1455 198. Aufnahme ber römilchen Abläffe und Zehnten Dentſchland 200. Provinzialfynode und Kurfürftentag zu Frankfurt Februar i März 1456 201. Neubejegung des kurtrierihen Stuhles 203. Kurfür- kauteg zu Frankfurt Auguft und September 1456, Beihwerungen ber beut- Men Ratton und ihre Abwehr, Entwurf einer Pragmatit 204. Borlabung Ki Reiters 207. Papſt und Kaifer in der Defenfive. Tag zu Nürnberg De- ner 1458, der Pfalzgraf als Prätendent 208. Berhandlungen und Par- Mer Neues Ultimatum an den Kaifer 209. Demonftration zum Schluffe N Tages 210. Kurfilrſtentag zu Frankfurt, peremtorifche Ladung bes Kai- Des 211. Das dem Kaiſer gebotene «Verſtändniß⸗ des Mainzer und bes Yalıgrafen. Schmach des Kaifers zu. Eilly 212. Fortgang der kirchlichen Op- Üekien. Schuld der römiſchen Eurie 213.

Piccolomini als Protector der deutſchen Kirche. Als Eommiffarius im Aqteſtreit um das regensburger Bisthum 214. Als Pfründner der deutſchen Ache. eine General-Ötefernation auf beutfche Pfründen 217. Ihre Rechts⸗ Miigkeit dem Concorbat gegenüber 218. Die Pfründenjagb durch deutſche Breunde 220. Ihr Erfolg 221. Piccolomini’s Agitationen um das Bisthum Erulanb 223.

Neue Umtriebe des Mainzers. Piccolomini und Martin Mayr 282. Der Singer bietet Rom ein „Berftändnig« an 234. Gegenzüge Piccolomini’s und ler Curie 236. Seine Streitfchriften als Anwalt der eurialen Mißbranche 289. Berfauf der mainzifchen Agitation 247.

Sethstes Capitel.

Enea Silvio als Humaniſt. ©. 248 264. Euea’s Bebentung ala Humauniſt 249. Sein Berhältniß zu den itafieni- bee Huusemiften 250. Filelfo mub Poggio vor feinem Cardinalspurpur 261. b

Inhalt. u

gelebrten Tractate. Ueber bie Ratur ber Pferde 287. Leber das elende Leben der Höflinge 288. Ueber Fürſtenerziehung 290. Die mDialoge« von 1458 292. Das „Lob des Homeroß » 294. Philofophifche Tractate 295. Enea's erotifche Schriſten 2%. Die Novelle von Enrialus und Lucretia 298. Seine anti. erotiſchen Schriften 301. Die Retractation der Liebesnovelle 302.

Zehntes Capitel.

Enea Silvio als Geograph und Geſchichtſchreiber. ©. 302 320.

Enea's encyllopäbifche Natur, offenes Auge und GSchreibeluf 308. Der Humanismus und die Erdbeſchreibung. Enea'e autoptifche Schilberungen 304. Die Reifen bes Papſtes 305. Sein Bericht Liber die Litauer 306. Enea ale antignarifcher Geograph 307. Als Ethnologe 808.

Enea als gefchichtliher Forſcher 309. Sein Blick für die Hefte des Alter⸗ thume 810. Seine Kenntnig des Mittelalters 811. Seine hiſtoriſche Kritik 812. Enea ale GSefchichtfchreiber feiner Zeit 315. Seine hiſtoriſche Kunſt. Berarbei- tung der Actenfüde 317. Die eingeflochtenen Reben 818. Die Gpifoben. Seine Anfihten über Geſchichtſchreibung 319.

Eilftes Capitel.

Die gefchichtlichen Werke des Enea Silpio. S. 320 341.

Enea'se Auszug aus Jordanis' gothiicher Geſchichte 320. Pins’ Auszug aus den Decaden Biondo's 321. Das zweite Geſchichtswerk Über das basler Concil 322. Das Werl de viris aetate sua claris 324. Die Geſchichte Frie- drich'e III 325. Die Geſchichte des vegensburger Reichettages von 1454 830. Die vier Bücher der Apophthegmen. Die böhmifche Geſchichte 331. Die Europa 333. Die Afla 334. Die päpfilihen Commentarien 336. Die Be⸗ arbeitung Campano's 838. Das Fragment des 13. Buches. Johaunes Go⸗ bellinue 340. Ansgaben. Geſchichtſchreibung und Leben 341.

ZH JInhalt.

Zwölftes Capitel.

Enea Silvio als Apoftel des Humanismus in Deutſchland. ©. 342 358.

Der ideale Fürſt der italieniſchen Humaniften 342. Enea'e Erfolge bei Kaiſer Friebrih und ben beutichen Fürften 343, Bei deutfchen Prälaten 344. Die moderne italienifhe und die deutſche Eancelei. Enea und die wiener Hod- ſchule 345. Enea und Thomas Ebenborffer 346. Felir Hemmerlin. Enea und Gregor Heimburg: 349. nen als Anwalt der Poeſie und des Humanis- mus in Deutſchland 351. Eingang befjelben in Deutichland durch Bermittlung der finnlichen Reize 352. Die erfien Bewunberer und Schüler bes Humanis- mus in Deutſchland 353. Johann Tröfter unb feine Dialoge 354. Nielat von Weil 355. Iohann Hinderbach 856.

Beilage. Pii II Pont. Max. Commentariorum Liber XIII. nad zwei römi- ſchen Codices. S. 359 377.

Drittes Buch. Kaiſerthum nnd Papftthum im Bunde.

Enea Silvio de’ Piccolomini

ale

Biſchof und Kardinal, ale Humaniſt.

Boigt, Enea Silvio II. 1

II. 3. Tag zu Frankfurt 1454. 129

Petrus ausgiebt, ven er zur Vertheidigung bes heiligen Glaubens verwenden follte?« ').

Hinter diefen Türfenprojecten wurben zu Frankfurt ganz anvere Dinge betrieben. Das furfürjtliche Collegium, vom Xrierer geleitet, trat mit einem Entwurf zur Reichsreform hervor, der wiederum zugleih die Drohungen der Dppofition und die lockenden Erbie— tungen Deſſen enthielt, ver viefe Oppofition zu verrathen bereit war’). Ohne Zweifel hielten vie politifchen Führer, Lyſura und Mayr, die jetige Lage der Dinge für befonders ergiebig: nicht nur gegen ven Staifer war cin Rival aufgejtellt, auch die erregte Stim- mung gegen den Papft ließ fich in ähnlicher Weife ausbeuten. Das her geben dieſe Reformfreunde von der ärgerlichen Einigkeit zwifchen Kaifer und Papſt aus. Freilich könne viel Zwietracht durch fie ver- hindert werben, aber fie werde auch leicht mißbraucht, um bie Unter- tbanen des Reiches durch Gelvauflagen und andere Gejegwibrig- feiten zu beſchweren. So müſſe denn eine enge Verbindung ber Kur: und Reichsfürjten dem Bunde der Häupter gegenübertreten und fich des gemeinen Nutzens annehmen. Denn die Kurfürſten bürfen ihrem Berufe nach vor Allen nicht dulden, daß die Reichsgewalt aus Mangel an Friede und Zucht zu Grunde gehe, daß unaufhör- liche Fehden vie Fürſtenthümer zerrütten, daß die anderen Nationen der Eintrachtlofigkeit, Schmachheit und Krankheit des Neiches |potten. Es muß an eine "Aufbringung des Reiches“ gedacht werden. Dazu foll der Kaifer in eine Reichsſtadt fommen, die mitten im Neiche liegt, und dort eine Zeit lang verweilen; auch die Kurfürften follen dorthin kommen und ihn umgeben wie die Garbinäle ben Papſt. Um ven Fehden zu fteuern, fol ein Schiedsgericht mit auslangender Executivmacht eingejegt, eine georpnete Reichſscancelei und eine Neiche« Tammer müjjen eingerichtet werben. Das Reich muß anfehn«- Lie Einkünfte haben, und feine Glieder werben gern dieſe Mittel hergeben, wenn fie dafür Frieden und Ordnung mit fräf tiger Hand gefichert fehen. Das Alles foll durch die Kurfürften und ihre Räthe angeordnet werden, „auch mit Beifein des Kaiſers.“

Handgreiflicher noch wie aus dieſen reichspolitifchen Vorſchlägen Spricht die Tendenz aus den Firchlichen. Mau Elagt, wie das Decret

) Capiſtrano's Brief an den Papft vom 23. Oct. 1454 a. a. O.

) Abſchiedt zmifchen Geiftlihen Churfurften, mit waß mittel das Rom. Reich wieder aufizubringen wäre u. ſ. w. bei Ranke Deutſche Gefch. im Zeit- alter ber Reformation Bd. VL ©. 10.

Voigt, Enea Silvio I. 9

It. 3. Tag zu Frankfurt 1454. 131

fehlen, er bahnte die Finanzreform des Reiches ſchon dadurch an, daß er Neichseinkünfte zum Zwecke feiner Bewerbung im Voraus mit freigebiger Hand verjchleuderte ). Im Januar 1455 wurbe auch Kurbrandenburg für ihn gewonnen: diefer Kurfürft follte „als Erzkämmerer des heiligen römiſchen Reichs- den fogenannten gols denen Pfennig von allen Juden in Deutfchland erhalten ober ftatt dejjen 20,000 Gulden; bemerfenswerth ift aber die Bedingung, daß auch der Kaiſer felbit, nicht bloß die Kurfürften ihre Einwilligung zu der Sache geben müßten ?).

Woran dieſe Entwürfe fcheiterten, wird uns allerdings nicht direct berichtet. Es blieb wohl nichts Anderes übrig, als bie fur- fürftliche Verbindung, an ver Brandenburg nur feheinbaren, Sachen aber feinen Antheil genommen, baburch völlig zu entlräften, daß man auch den Trierer von ihr abzog. Das gefhah indeß vor ber Hand nur durch allgemeine Zufagen, deren Ausdehnung man ab« fichtlich nicht fejtitellte, wir werden bald erzählen, wie ber Trierer nad) Neujtadt kam, um feine Beute einzutreiben. Se hielt er ben fühnen Schritt ver Oppofition durch vie Verzögerung feines vollen Beitritts zurück, ohne indeß jein Doppelfpiel ſchon aufzugeben. Die Kaiferlicden meinten ihn ganz gewonnen zu haben. „Alles Gerede gegen ven Kaiſer fo meldete Enea dem Carbinal von S. Angelo iſt nun verftummt, die Nurfürften find mit dem Kaiſer einig; ja ein Weg ijt eröffnet, auf welchem, wenn bie begonnenen Verhand- (ungen turchgeführt werden, wie man das hoffen darf, die Gewalt des Reiches fich wieder mächtig erheben wird« °) Tröſtliche Hoff- nungen, bie ber nächlte Sturm ver Oppofition über den Haufen werfen follte,

Wie fich der Papſt mit dem Zrierer abgefunden, erfahren wir” gleichfalls nicht. In welcher Weife es gefchehen müffe, fehen wir aus Andeutungen, bie Enca gegen Carvajal fallen ließ: „Alle fchreien und fchelten hier gegen ven apoftoliichen Stuhl; es fei fein Ver- lag anf ihn, fagen fie.“ And daran fügt Enea die Mahnung: „Sehet zu, daß bein großen Prülaten feine Kränkung gefchieht!« 9).

) Das zeigt feine Verfehreibung gegen Friebri von der Pfalz vom 19. Rov. 1454 bei Kremer Urkunden zur Geſch. des Kurf. Friedrich's I. von der Bfalz n. 31.

) Die Stipnlation v. 6. Januar 1455 bei Riedel Cod. dipl. Brandenb. Saupttb. III. BP. I. Berlin 1859 n. 200.

) Der Brief vom 26. Nov. 1454 im Cod. Laurent.

*) Der Brief vom 28. Oct. 1454 ebenb.

9%

138 111. 3. Tag zu Nenftabt Sehr. 1455.

Namen aller Kurfürſten einhellig und derb abgewiefen. Wenn feine Auslegung der goltenen Bulle nicht im Namen des Kaiſers gefchebe, wenn fie eine private fei, fo babe man nicht nöthig, ihın Darauf zu antworten. Nehme jich) aber der Kaiſer ihrer an, jo wolle man ihm in folhen Maße antworten, daß jevermanı verftände, wie bie Kurfürjten bei der goldenen Bulle, bei ihren Freiheiten und ihrem Herkommen zu bleiben gedächten. Der Kaiſer werte wohl wifjen, daß fie als Sendboten ſolche Neuerungen nicht hingehen laſſen könn: ten. Er möge die goldene Bulle handhaben und niemand eine Ein- rede geitatten, wenn auch ter Biſchof von Siena begierig jei, Frei— heit und Herfommen ihrer Herren alfo zu deutelu.

Mit jolchem unerquicklichem Streite ging ver größte Theil tes Zages hin. Es wurde bereits dunkel, als der Kaiſer befahl, bie Verhandlungen follten eröffnet werven, mochten vie Stände dabei ftehen oder figen, Der Biſchof von Siena jolte die lateinische Er: öffnungsrebe halten. Cr fügt, er fei nicht vorbereitet gemwejen, ba nah tem früheren Beſchluſſe Riederer eine deutſche Rede halten ſollte. Indeß war er doch wohl darauf gefaßt, eine Türkenrede zu halten. Une liegt eine foldhe vor, und zwar in doppelter Nedacticn; fie ijt ohne Zweifel in ver Meinung aufgefekt, daß vie Rednerrolle ihn, wie zu Regensburg und Frankfurt, jo auch auf dieſem Convente zufallen müſſe. Mauches aus diefem Entwurfe konnte er immerhin, unbefchadet ver berabgejtimmten Situation, ver Verſammlung zum Beften geben. Er moechte jagen, ter Fall von Konſtantinopel fei zu Regensburg und Frankfurt zur Genüge bejammert worten, und er mochte dann doc diefe Atlagelieder wieder von vorn anfangen. Er mochte ſich befcheiden, vor Männern wie vem Markgrafen ven Brau— tenburg über Bewaffnung, Feldlager und Kriegespläne zu ſprechen, nnd er mochte dann im Namen des Kaiſers cine Sittenpredigt über tas Thema halten, wie vie Gemüther der Kämpfenden vorbereitet jein müßten, damit Gott ihnen ven Sieg verleihe. Er mochte, als jtände er fchon vor dem fertigen Kreuzheer, ein folches zur Demuth und zum Gehorfam, zur Milte und Sittenftrenge ermahnen '). Se

1) Die erſte Redaction der Rede führt in Pii Oratt. ed. Mansi T. J. p. 288 ben Titel: Oratio in conventu Viennensi Caesaris nomine de modo belli gerendi contra Turcos uud beginnt mit Den Worten: In hoc florentie- simo etc. Nach der Auſſchrift zu febließen, wurde fie ſchon zu der Zeit autgear- beitet, als man noch meinte, der Konvent dürſte in Wien gehalten werten. Die Umarbeitung biefer Rebe (ibid. p. 307) ift überfchrieben: Oratio habita nomine

\ II. 8. Tag zu Neuftabt Febr. 1455. 139

benfalls wird er eingeſchärft haben, daß man auf ven Propofitionen der beiden früheren Tage fortbauen uud rüftig zur Ausführung fchreiten müſſe. Im Tone des Eifers aber mögen ihn Die vorher⸗ gehenden nüchternen Cabalen, und in ter breiten Fülle ber Rede⸗ wendungen mag ihn tie fehon Hereinbrechenne Nacht nicht wenig ge ftört haben. Lebrigens fehen wir aus dem Protocol, daß Riederer doch auch noch Sprach; vermutblich aber fapte ev nur bie Norte des Piccolomini in deutſcher Sprache zuſammen.

Darauf nahm der Yegat das Wort, Man durfte erwarten, er werde non ver päpftlichen Flotte Meldung bringen, beren gleichzeiti- ges Auslaufen als Bedingung des Krenzzuges geftellt werben. Er fagte auch, daß ihm ber Papſt varüber gejchrieben; ta e8 aber ſchon tief in der Nacht fei, wolle er ben Beſchluß des apoftolifchen Stuhles ein ander Dial vortragen, wenn auch tie Böhmen und Ungarn anwefend fein würben. freilich hat er niemals enthüllt, was in jenem päpſtlichen Schreiben ſtand; wir wiljen indeß, daß er wie der Piccolomini ven Papft vergeblich zu einer fejten Zufage zu drängen fuchten, daß deſſen Antwort ſich aber mit gefuchter Unbe— ftimmtheit ausdrückte. Soweit war das jedermann fundig, dag man ben Papft offen befchufdigte, er Fümmere ſich nicht um den Schuß des Glaubens; auch verlautete bereits, er fei bedenklich erfrantt.

Noch in derſelben Nacht wurten einige kurze Erflürungen ab- gegeben, zunächft ven jelchen Geſandten, vie nicht länger zu bleiben Luſt hatten. So hatte ter Vote tes Königs von Aragen und Nea- pel dem Kaiſer ſchon mehrmals jeinen Wunſch vorgetragen, endlich heimfehren zu dürfen. Er zeigte nun au, fein Herr werte im Mai mit trefflicher Heeresmacht tie Schiffe beſteigen und gegen vie Tür— fen ziehen, falls nämlich zu viefer Zeit auch ein deutſches Heer aus- rüde. Nachdem er für folchen Eifer feines Rönigs das gebührende Lob empfangen, ritt er jchleunigit taven. Die burguntifchen Ge- fandten wiederholten das Nerjprechen, ir Fürſt brenne vor Verlan-

Caesaris in conventu Novac Civitatis de bello Turconico; non finita. Sie beginnt: Frequentissimus ct amplissimus ete, Die lange Einleitung der ve⸗ tigen Rebe erfcheint bier fehr gekürzt. Daß biefe Arbeit unvellendet blieb, er- Hört fi einfach fo, daß Enea am Hanpitheil der erfien Nebaction, der Sitten- prebigt, nichts zu ändern fand. Im Allgemeinen wirb ber Inhalt feiner Rede biefem Entwurf entiproden haben. Das Furfürftliche Protocell faßt feine und Riederer's Rebe zujanımen; das Wenige, was es daraus mittheilt, findet fich in jenen Entwitrfen nur ſchwach angebentet, wehl aber in Euea's Briefen mebr⸗

fach beſprochen.

142 IM. 8. Tag zu Neuſtadt März 1455.

Dadurch ermuthigt fehickten die Stäpteboten gleich am folgen- den Tage eine Deputation an den Staifer, die ihm und jeinen Ri- then die allgemeinen Beſchwerden ver Neichsftäbte vortrug. Ihre Freiheiten würden vwerachtet, fie könnten die Zahl der Feindſchaften und Fehren nicht mehr ertragen. Wenn der Naijer fie nicht Jchüße, könne leicht ein » Abpringen von dem Reich- daraus folgen. Tem Kaifer war es freilich leicht, die Deputation mit begütigenben Wor— ten allgemeiner Natur abzutröften. Cr machte auch nicht einmal ben Verſuch, die natürliche Gegnerſchaft zwifchen den Fürſten und den Städten in der Weife zu benugen, daß er an Icteren einen Halt gegen vie Pläne der Kurfürſten gewonnen hätte. Er trieb fie ber Oppofition zu und war doch gegen viefelbe, hier wie fonft, in der ihm eigenthinnlichen Defenfive.

Eine öffentliche Sitzung, Die bei diefen elenven Ausfichten ber Ungarn wegen gehalten wurde, leitete der Bifchof von Pavia ein, Er fpiegelte fich in einer langen ungefchietten Rede, vie er mehr feiner geringen humaniſtiſchen Bildung zu Liebe als für bie Hörer zu halten fchien. Er Lüjterte weiblich gegen ven Sultan und gegen ben Geiz der Byzantiner, dann gegen ven Geiz überhaupt, wohl weil er eben Menſchen vor ſich hatte, die Geld bewilligen follten. Den Kaiſer fuchte er bei jeiner unempfänglichiten Eeite, bei bem Berlangen nach unfterblichen Ruhme, zu faſſen. Von fich felbft ver jicherte er, baß er für feinen Glauben zu fterben bereit fei, aber von der päpfilichen Flotte vergaß er zu berichten '). Dann ließ vie un- garifche Gefanbtjchaft ihre Wünfche durch den Bifchof von Wardein vortragen. Hatte Enea zu Frankfurt bewiefen, daß der Krieg gegen bie Zürfen ein gerechter, ein nützlicher und ein leichter fein werde, fo zeigte nun ver Bifchof, daß er auch ein frommer, ein zeitgemäßer und ein nothwendiger fei. Seine Beredtſamkeit war eine mehr alter thümliche, gefiel fich in Wortjpielen und weitläufigen lagen”). Der Piccolemini, welhen im Namen des Kaiſers vie Antwort aufgetra- gen wurde, entfaltete dagegen den Glanz der bumaniftiichen Rede— kunſt. Der ungarifche Reichscanzler ſprach als Hülfefuchender. Enea wer ihm und tem Könige von Ungarn perſönlich verpflichtet, indem fie ihn dem apojtelifchen Stuhle zum Cardinalat vorgefchlagen Hatten. Jener verjicherte zuver tie aufrichtige und gute Geſinnung Könige

1) Seine Rebe, gehalten am 22. März 1455, im Cod. lat. Monac. 4016 fol. 70 - 75.

?) Seine Rede am 23. März ibid. fol, 46—49.

m. 3. Tag zu Neuſtadt Mär; 1455. 143

Ladislaus gegen den Kaiſer. Eneg entgegnete, ver Staifer höre das gern und fei ebenfo gegen fein frühberes Mündel gefinnt. Jener be« Hagte den Fall Griechenlands und fchilderte Die Gefahr Ungarns und ber Chriitenbeit. Enea ſagte, ver Kaiſer böre davon mit im— mer neuem Schmerze. Jener lobte Den Lifer des Kaiſers für das fromme Wert eines Glaubenskrieges. Enea beſtätigte, daß jich der Kaiſer Tag und Nacht mit Gebanfen quäle, wie er der leitenden Chrijtenheit zu Hülfe fommen möge. Icner erklärte, daß Die unga— rifche Nation bereit fer, mit aller Gluth, vereint mit den Deutfchen und dem Ntaifer, ten Türlenfrieg wieder aufjunchnen Enea be- tbeuerte, ver Kaiſer finde Das jehr lobenswerth. Und wie enplich der Pifchef ven Kaiſer gebeten hatte, bei feinem Vorſatze zu behar- ren, bie frantfurter DBerfprechungen zn erfüllen und tapfer dic Waffen für die Sache Gottes zu führen, fo verficherte Enea, ver Saifer werte das Alles halten und jeine Erflärung Tante nech jegt wie zu Regensburg und Frankfurt. Nachdem fo Piccolomini den Vortrag des ungariſchen Geſandten Punet für Punct beantwortet, geht er im Zuge des Sprechens auf bie Hoffnung des Sieges über, und dann läßt er ven beſien Theil ver Türkenrede (08, die ihm in ber erften Sitzung verkümmert worten, jene Zittenpredigt, die eigentlich für das Kreuzheer berechnet war, aber Doch auch ven ungarifchen Strie- gern müglich fein Konnte. Es hätte ihm wehe gethan, wenn er fich der herrlichen Worte und der claffifchen Gelehrſamkeit, die er für diefen Zweck bereitet, nicht vor dem Sclujje des Congreffes noch hätte entlebigen können ').

Bevor man die Stände wieder zu einer allgemeinen Sitzung rief, unterhandelten die Räthe des Kaiſers mit den Sturfürftlichen in der Herberge des Trierers, um ven harten Zuſammenſtoß we möglich von ver großen Verſammlung fernzuhalten. Die Kurfürft- lihen lieken fich nicht von ter Stelle bringen. Sie erboten fich zwar im Allgemeinen, dem franffurter Abſchiede nachzukommen, wenn auch Die anderen Fürſten, Herren und Städte das Ihre beitrügen, Da aber nur wenige berfelben ihre Bevollmächtigten Voten hier hät— ten und da man auch auf vie Faiferlichen Ansfchreiben feine Antwort habe, jo fünne man in der Sache jett wohl feinen enpgültigen Bes

I) Responsio I data legatis Hungarerum nomine Cacsaris in Nova Ci- vitate Austriae in Pii Oratt. cd. Mansi T.1 p. 316, aud) b. Pray Annal. Reg. Hungar. P. III, p. 154 aus einem mölfer Coder. Die Zeit der Rebe ift im mailänber Codex beigeichrieben: 23. März 1455.

III. 4. Abweiſung ber kaiſerl. Wünfche Aug. 1455. 161

tete er ungemefjenes Lob über biefen ſelbſt und über feinen Herrn, ven Kaiſer aus. Jenem wünfchte er Glück, daß er feit Gregor XL, alfo feit etwa achtzig Jahren, ver erſte Papſt fei, ver feinen Ges genpapft zu fürchten babe. Dann ging er auf Ermahnungen zum Zürtenfrieg über, die ganz nach des Papſtes Zinn waren und zu—⸗ gleich die früheren Arbeiten wie den jegigen Cifer des Neoners em— pfahlen. Galirtus ſtimmte in das Vob des Kaiſers ein und prieg auch den guten Borfag vejjelben, jiy den Türkenkriege zu widmen. Für fein Theil wolle er Allee aufbieten, was zur Ausrottung der Zürfen führen könne.

In den folgenden Tagen hatten die faiferlichen Gefandten mehr- fache Privataudienzen bei dem Papſte. Wenn fie jegt die Petitionen ihres Herrn überreichten, waren fie nichts als Bittjteller, denen mit leichter Manier Eines nad) dem Anderen abgefchlagen wurbe. Sie erhoben nicht einmal vie Frage, ob ein Bapft durch die Verträge: feines Vorgängers gebunden jei, ob die Bullen Nicolaus’ V ſchon dadurch ungültig würden, daß Calixtus ihre Erneuerung verweigerte. In Betreff des jchuldigen Geldes, ver 25,000 Ducaten, antwortete der Bapft, er würde gern dem Wunſche des Naifers genügen, aber jest fei es ihm unmöglich, auch nur bie geringite Summe zu fchiden; denn ven feinen Vorgänger habe er nicht einen Pfennig überfommen, obwohl genug verarbeiteted Eilber, Teppiche, Bücher und Haus— ornamente; auch habe er bereits, un gegen Piccinino zu rüjten, über 100,000 Ducaten von Kaufleuten entlehnen müffen; jet müſſe er für die Legaten Geld fchaffen und wiffe felbjt nicht woher. Dei einer zweiten Audienz, al8 vie Geſandten auf dieſen Punct zurüd- kamen, erklärte ver Papit rund heraus, fie möchten nicht weiter bitten, was er fchlechterpings nicht erfüllen könne. Aber der Gar: dinal von S. Angelo werde zum Kaiſer fommen mit Vollmacht in Betreff ver Zehnten und Indulgenzen; ihm werde er auftragen, von den Geldern, die daraus einkämen, einen Theil dem Staifer zu geben, und fo viel als möglich, „doch jo, daß Fein Aergerniß daraus ent- ftünden. Damit möchten vie Gejandten zufrieden fein. So werben wir denn, ſchreibt Enea feinem Herren, die Quittungen mit wenig - Ehre zurückbringen. Die entſchädigende Ausficht, die der Papit ges

von ungebrudten und raren Schriften Th. IV. Frankf. 1751 Etüd I, ferner in A. 8. Opp. edit. Basil. al® epist. 398 und in Pii Oratt. ed. Mansi T.I p. 336.

Boigt, Enea Silvio IL 11

IM. 4. Enea für die Reunion der Huffiten 1455. . 169

geworfen, daß fie durch ihre Nachgiebigkeit und durch ihre milde Behandlung der Steger tie Würde der Stirche umd die Infehlbarteit ihrer Lehre blosgefteltt. Wer wie einft Cefarini über dieſe Ketzerei dachte und fprach, ver ſtand jegt, während ter Strömung ber Re— actten, felber hart an ten Abgrunde, über ven vie Kirche das Wort der Verdammnuiß gefchrieben. So ließ man bie Keter, freis lich purch ein Muß und nicht etwa aus Geringſchätzung, einftweilen gewähren, bis fich etwa ber weltliche Arm fände, um fie zu züch- tigen, oder bis ihre Parteien ſich unter einander aufrieben. Doch) ungeduldig an jede Regung ber Fatholifchen Partei anknüpfend, fuchte Rom immer von Zeit zu Zeit, durch deutſche Fürften oder burch feine Legaten, die Saat ver Zwietracht von Neuem auszu—⸗ werfen.

Es war mithin von Enea eine gewiffe Kühnheit, wenn er ben Weg ver Ausgleichung, ven einft das Goncil gewantelt war, jet wieder in Vorſchlag brachte. Dafür legte er dem Papfte ans Herz, wie Zaufende von Seelen, während bie stirche feinen Verſuch mache, fie dem Irrglauben zu entreigen, in demſelben zur Kölle führen. Er zeigte ferner, wie man an tag Zugeftänpnig des Kelches bie Bedingungen knüpfen würde, daß Diejenigen gejiraft werben müßten, die ihn für nothwendig zur Seligfeit erklärten, und daß alle fonftige Ketzerei aus dem Reiche entfernt werde. Auch möge man nicht auf das Wiberftreben der Herren von Neuhaus und Üefenberg achten, welche durch heimliche Briefe und Boten vor ver Beſtätigung der Sonipactaten gewarnt. Sie wollten fih von ter römiſchen Kirche nur Geld zur Unterſtützung ſenden lajjen und kann für fich behalten, fie vächten nur in Böhmen vie Herrjcher zu werden. Bon Herru Ulridy von Roſenberg insbefontere erzählte Enea, daß er am ges raubten Stirchengut auch fein gutes Theil Habe, nämlich zwei Klöſter.

Die Juriſten befriedigte der Antragſteller, indem er auf die Hinterthüre in jenem Artikel der Compactaten hinwies, der den Laien den Genuß des Kelches geſtattete: nur Denjenigen ſei er er— laubt worden, „die ihn im Gebrauche hätten;« nun wohl, nad fünfzig Jahren wird kaum Einer derſelben noch leben!“) Die Theologen ſuchte Enea durch den Satz zu bernhigen, daß der Genuß

2) Es heißt in den Compactaten: illi et illac, qui talem usum ha- bent, communicabunt sub duplici specie.

172 II. 4. Die Carbinalewahl Febr. 1456.

lihen. Zwei waren Sähne ven Schweftern tes Papftes, AR Yancol, ten ter Papſt zugleich zum Legaten ver picentijchen ? und bald auch zum Vicetanzler der Kirche ernannte, vem er FH Familienwappen und feinen Namen Vorja ertbeilte, damit tief ihm als Cardinal und ale Papft Aleranter VI mit feinen Baſtares für ewige Zeiten an ten Schanrpfahl ber Geſchichte hefte um Juan Luis del Mita, frietlicher und minder lafterhaft, aber ur fähig, fih auch nur den Schein eines Berkienites zu erwerben‘) Der Tritte war Ton Jayme, ein Sohn bes Infanten Pedro vos Portugal, ein bejcheivener junger Mann ven 22 Jahren, geehrt durch ven Ruf einer ſirengen Kenſchheit, ten aber jonft nichts al jein königliches Blut empfahl”).

Es ſcheint, daß ver Papjt über dieſe fcanpalöfe Wahl mit vem heiligen Collegium jo wenig einig geworden, daß er vie jefertige Publication wicht wagte. Noch im April erfolgten Protejte gegen bie Toppelnepoten. Erſt am 17. September 1456 wurden vie Er⸗ nennungen veröffentlicht, zu einer Zeit, wo währen? der Sommer ige wenige Cardinäle in Rem waren. Es war ihnen Schweiger über die Borgänge bes Vonfijtoriums geboten werten, aber di Dienerſchaft ver Curie jorgte fehon dafür, dag in Furzer Zeit jeder mann davon erfuhr ?).

Wer wüßte nicht, welche tiefe Wunde der Nepotismus Dem römischen Papate gefchlagen! Weinver beachtet ift cine antere E—⸗ ſcheinung, welche die hievardhifchen Begriffe unvermerkt in ven Sintere grund gedrängt und Das Papſtthum jeiner jchimmernden Hülle ent blößt bat: das Aufhören tes ſyſtematiſchen Zuſammenhanges unter ben einzelnen Pontificaten. Die Tradition der Begriffe, die ih nirgend fo abgefihlofjen und mächtig gezeigt hat wie im päpftlicen Rom, war bahingefchwunten oder fie zeigte fich höchſtens nod in

') A. S. Europa cap. 53 jagt freilich, jedenfalls noch als Kardinal, we & eifrig mm ihre Gunſt buhlte, won dieſen Nepoten: quorum cetsi fuit aetas al quanto minor, quam tanta dignitas videretur expuscere, doctrina tamen 4 circumspectio et morum suavitas id honoris haud injuria consecuta cent tar. Als Papſt lernte er anders denken!

2) Er farb fhon am 27. Auguft 1459. A. 8. Europa I. c. Vesp® siano: Card. Jacopo di Portogallo im Spieileg. Roman. T.I. 81.4.

) Pius Comment. p. 26. Novitates curiae Romanae vom April 162 mse. unter ben brandenb.⸗ansbach. Reichstagsacten im k. Reichsarchiv zu gez? hen, Nah Curita T. IV. fol. 44 erfolgte die Publication am 22. Septem

242 IH. 5. ®iec. als Anwalt ber enrialen Mißbräuche.

umgeben, oder auch ihr gutes und volles Recht purch eine freiwillige Gabe nur ſchnell zu fichern, che ein ſchlauer Gegner fie verbrängte. So gab es wenige Bisthumsvacanzen, die nicht irgendwie einen en⸗ riafen Proceß nach fich zogen. Allerdings Konnte Enca eine Reihe von Beftätigungen aufzählen, die feit dem Abfchluffe des Concordats erfolgt waren und wirklich die Electen ver Capitel getroffen hatten. Aber das stellte er auch fchen als eine befonvere Nachficht des Pap⸗ fte8 bin; denn wenn ev dieſen in ber erwähnten Defenfionsfchrift fühn behaupten ließ, e8 fei Keine wirklich kanoniſche Wahl zurüdge wiefen worden, fo wurde bach diefer Sat durch ein Aber fonderbar erläutert, Er fügte nämlich unmittelbar hinzu: „Wir haben aber niemals gefunden, tag irgend cine Wahl kanoniſch war«. Daſſelbe verfichert Enea aud im eigenen Namen: feit er an ber römiſchen Gurie lebe, feit zwei Jahren alfe, fei von feiner Wahl am biefelbe berichtet, vie fi als tem Gebranche und Rechte nach vollzogen er- wiefen hätte. Diefe Annahme zu Grunde gelegt, fehlte es der Curie natürlich im einzelnen Falle niemals an einem Rechtsmotiv, wenn fie eine unbequeme Wahl abzuweiſen wünſchte. Cie verfuhr dabei wie ber Piccolemini, ver fie vertheidigte. Dem Cardinal Gufa wurde mit Nichtachtung der Wahl Das Bisthum Briren commen- dirt; die Wahl, behauptet Enea breijthin, fei „Durch Etwas ven Gewalt und durch Umtriebe- geichehen '). Wir erzählten oben, wie unfer Cardinal die anf Heinrich von Absberg gefallene Wahl ves vegensburger Eapiteld raus vielen Gründen“, aber ohne Angabe ivgend eines Grundes, ungültig fand. Dem Electen von Baffen hatte Papſt Nicolaus Fahre lang die Confirmation verweigert, ehne an feiner Wahl etwas anszufegen, mir aus Freunbfchaft gegen ben Kaifer, der dent Gewählten ftatt der angebotenen 2000 Gulden 6000 abpreſſen wollte”). Diefe zarte Rückſicht auf den Kaifer wagt Enea wie einen Tnnonifchen Rechtsgrund als Entſchuldignung vorzubringen. |

Mochte c8 immerhin bei den Wahlen nicht wiel fittlicher zu⸗ gehen als bei ven Verleihungen durch den Papft, fo war doch auf ihrer Seite das Recht. Unſerem Anwalt der curialen Mifbräude indeß waren fie ven vornherein zuwiber. Wenn ber römifche Bi- ſchof, behauptet er, wirklich einmal einen Unwürbigen zum Pre

) vi quadam et arte non probabili,

9 S. oben ©. 76.

11. 5. Verlauf der Agitation 1458. 247

Es Kanıı nicht unfere Abficht fein, von ben feitenlangen Argu- mentationen und von den rheterifhen Ergüffen etwas anzuführen, mit venen Piccolemini die Autorität und den Supremat bed römi« ſchen Bischofs den Deutfchen einprägt. Schrieb cr doch an Mayr einen eigenen Brief oder Zractat über diefes Thema '). Dieſer Brief fellte nach feinem Ausprude das Echwert fein, mit welchem Mayr Diejenigen durchbohren möge, vie unter feinen Landsleuten zu bezweifeln wagen, daß die Dberautorität des römifchen Biſchofs nothwendig und von Chrifto eingefegt ſei. Bedenklich genug, daß ter BVertheitiger des abfoluten Papſtthums fein göttliches Recht auf eine Stufe mit feinen Mißbräuchen ftellt, daß bei jedem Angriff und jeder Geſahr fofert dieſer legte Grund auf den Kampfplatz gezogen wurde,

Hören wir Schließlich nech, wie hymniſch Enea vom alten Papſte Calixtus ſpricht. Gott, fügt er, Hat uns dieſen Papſt gegeben, deſſen wir nicht würdig find. Denn die Sitten dieſes heiligſten Biſchofs find nicht ähnlich denen ſeines Volkes: cv führt auf Erden ein gött— lies Leben und folite lieber ven Engeln vorgefegt fein als ven Meunſchen. Nac Nichts jtrebt ver fromme Vater, was fein perfän- licher Vortheil ijt, ev hat alle feine Gedanken auf den Herrn ges werfen, mit ganzer Seele jinnt er nur auf die Ehre bes Heilands, anf die Vertheidigung des Glaubens und vie Hoheit ver Kirche.

Die mainzische Ayitation verlief trog allen Predigten des Pics colomini, wie fie auch ohne viefelben verlaufen fein würde. Sie war fchen gebrochen, als am 24. Juni 1458 der verabrebete Tag zu Frankfurt gehalten wurde. Zwar fehen wir, daß ſeitdem bie Biihöfe von Lüttich, Verben und Cichjtidt dem Bunde beigetreten wuren. Aber dafür fehlte unter den Kurfürſten ber Pfälzer; er war vielleicht durch die vegensburger Kirche für die Curie gewonnen wor⸗ den. Auch tie Bräfaten von Salzburg und Bremen vermiffen wir unter den Zagenoen, Diefe kamen denn auch auf feinen fchlimme- ren Borfag, als dag die Kurfürſten, Fürſten und Suffraganen eine Botſchaft an ven Papſt abjenten follten, und auch barüber wollten fie erjt die Zuſtimmung ver Einzelnen einholen ). AS fih um Mariü Geburt (8. September 1458) wieder ver Nurverein in Frank⸗

2) v. 11. Sept. 1457. 2) Supplicatio in dieta Franckfordensi Joh. Bapt. 1458 bei Sencken- berg Selecta T. IV p. 326, cf. ibid. p. 315. Droyfen a. a. O. ©, 196.

250 11. 6. Enea und bie italienifchen Humaniften.

An Italien war der Name Aeneas Syleius, bevor der rothe Hut oder gar Lie dreifache Tiara feinen Träger ſchmückte, ten Li⸗ teraten freilich Fein unbefannter, aber zu ven berühmten zühlte er auch nicht '). Die Schriften, die Enea in Deutjchland verfaßte, kamen felten über die Alpen, noch jest find bie Copien derſelben in ben itafienifchen Bibliotheken ungleich fparfamer als in ven veutfcen, Anch entbehrte er der Verbindung mit den humaniſtiſchen Cliquen, deren Mitglieder einander zu Anfehen und Ruhm brachten. eine Briefe hatten hier natürlich das Intereſſe nicht wie die eines Gua— rind, Poggio ever Filelfo, die fi auf befannte Namen und Stoffe bezogen. Der Anhalt feiner Reden, Invectiven und Gefchichtewerle fag dem Staliener ziemlich fern und in andern Gattungen läßt ſich nicht leugnen, daß Enea durch feine AUbgefchievenheit Hinter den An- forderungen ber italienifchen Wiffenfchaft ein wenig zurückgeblieben war. Nach Kräften zwar unterhielt er die wenigen Verbindungen mit den Hercen des Humaniémus, deren er fich rühmen konnle, doch ſehen wir deutlich, wie biefelben Iederer wurben und zer fielen.

Der Lefer erinnert fich, wie bald Enea fein ftudentifches Stu biun der Humaniora gegen ein Unterfommen am basler Concil ver: taufchen mußte. Seine beiten Freunde, mit benen er im ftctem Briefwechfel blieb, ein Piero da Noceto nıd Giovanni Campifte, waren brave Menfchen, aber in der Literatur dunkle Namen. ne hatte kurze Zeit ven Unterricht Filelfo's genoffen, er hatte fich bei⸗ läufig einmal, auf Empfchlungsbriefe gejtütt, Aurispa und Guarino vorftellen dürfen, und Lorenzo Valla mochte er flüchtig in Mailand gefehen haben. Was war diefen berühmten und ftolzen Herren ber arme junge Sancje! Antonio Beccabelli war in Siena fein Etubdien- genoffe gewefen, Maffeo Begio war er ziemlich befreundet; aus je nem war in Neapel ein feiner Höfling geworben, dieſer wurde immer frommer und entfagte ganz der Welt, indem er in den Orden ber Auguftiner » Obferpanten trat. Mit allen diefen Männern erhielt Enea einigen Verfehr, obwohl verfelbe nicht Jahre, fondern Yahr- zehnte lang unterbrochen erfcheint. Unter Filelfo's Briefen Teen wir nur einen, der an Enen Silvio gerichtet ift *), und tiefen einen hatte Enea wehl mehr feinen fanefifchen Verwandten als fich felber

) Wir ſehen bas 3. B. aus Blondus Italia illustr. p. 308. ?) d. Bologna 28. März 1439,

954 I. 6. Mängel der humaniſt. Bildung Euea's.

Begriff ohne Kenntnig der griechifchen Sprade undenkbar. Die großen Humaniften Staliens, ein Filelfo, Gnarino, Bruni, Mars fuppini verftanden einen griechifchen Autor und konnten wenigftens einige gricchifche Zeilen fchreiben, felbjt Valla und Poggio waren bech fo weit, daß fie ſich das Anfehen von Helfenijien geben konnten und die Uebertragung eines leichteren Autors zu Stande bradıten. Zu Siena, wo Eneg feine erjte Univerfitätsbildung‘ erbielt, verfiand fein Menſch Griechiſch; zu Florenz, wo er Filelfo’s Echüler war, erklärte biefer die Jliade, Thukydides und Xenophon, aber nicht für Anfänger, Die zu Ferrara von Ouarino oder zu Mantua: von Bitte: rino da Feltre vorgebildet zu werben pflegten oter fih an ven foft« baren Privatunterricht Halten mußten, Seitdem Enea nach Deutſch⸗ fand verfchlagen war, wurde das Erlernen der gricdhifchen Sprache für ihn vollends ein ſchöner Traum; lag ihm gleich Cato's Beifpiel im Sinn, wo follte ev einen Lehrer finden? ') In Stalien fehritt die Literatur der Ueberſetzungen ans dem Griecdhifchen, die Lionarde Bruni eröffnet, unter der Pflege Papſt Nicolaus’ V gewaltig fchnell vorwärts; fie konnten den Nicht-Hellenijten einigermaßen entſchädigen. Aber Bücher ver Art waren thener und jenfeitS der Alpen gab es feinen Niccoli oder Vittorino, der dem Wißbegierigen eine clafjifche Bibliothek freundlich zur Benutzung geboten hätte. Einſt gab Enca feinem rende Campiſio den Auftrag, ihm des Ariſtoteles Politik in der Vebertragung Bruni's zu verfchaffen; denn bie Weberfegungen arijtotelifcher Schriften, Die er mit vieler Mühe in Deutjchland auftreiben kounte, erfchienen ihm umrichtig und unverftändlich. Faſt zwei Sahre Tanz dauerten die Wnterhandlungen über jenes Buch: erit follte das Exemplar durch einen mailändifchen Buchhändler be forgt, dan in Rom nach einem dem Carbinal Colonna zugehörigen Cover copirt werben; als Enca es endlich um einen nicht geringen Sriff in feine Kaffe erhielt, fand er fich getäufcht, da ber Band nur fieben Bücher ftatt acht enthielt), Auch der Rhetorik des Arijtoteles, vie Georgios Trapezuntios in lateiniſcher Sprache her ausgegeben, wußte er habhaft zu werben, unter ven Beifpielen fanb er zu feinem großen Erftaunen Cicero Benugt ’); er wußte nicht, was in Stalien fein Geheimniß war, wie pfufcherbaft und willfür-

1) ibid. p. 981. ?) Der Briefwechſel mit Campiſio darüber füllt in die Fahre 1443545. %) Brief an Campiſio vom etwa 13. September 1445.

II. 6. Mängel der humaniſt. Bilbung Enea's. 255

fih Trapezuntios mit griechifchen Antoren umging. So Tonnte er fih mit Ariftoteles nimmer befreunden und tröftete fich, indem er ihn als „aller Eloquenz baar« fallen ließ '). Platon's Lectüre war felbft in Italien nur Auserlefenen vorbehalten. Enea hatte nur aus Cicero's Tusculanen und Briefen etwas von feinem Ideal⸗ ftaate verlauten gehört, von ver Verbannung der Dichter und ber Weibergemeinfchaft, das ftilfte fein Berlangen nach ven übrigen Schriften. Bon Homeros hatte er einmal Notiz genommen, aber er fand zu beffagen, daß ter Vater aller Dichtkunſt in ven Inteis niſchen Weberjegungen kanum verftänblich ſei). Daß cr Herobotos’ Geſchichte geleſen, geht ans einzelnen Anführungen noch nicht her- ver. Thukydides war ihm völlig unbekannt. Bon Xenopbon kamen ihm tie Denkwürbigfeiten des Solrates zu Geficht, wollten ihm aber, fo wie er fie in Beſſarion's Ueberſetzung las, wenig gefallen ?). Bon Plutarchos Tannte er nur die Abhandlung über die Erziehung ter Kinder in Guarino's“) und bie Apophthegmen in Filelfv’s Vebertragnng ’), Man ficht, wie ihm ans tiefer reichen Yiteratur une zufällig dieſes oder jenes in Die Hand fiel. Ihre Schäbe Tagen vorzugsweife in Flovenz und in Nom; als Carbinal und Papft hätte er den Zutritt gehabt, doch war er da in den Jahren, wo man nicht mehr haſtig anf neue Dbjecte des Wifjens ftürzt und ihnen eine unbefchränfte Zeit wirmen darf. Die Kosmographie zog ihn damals am Meijten an und nun freilich war es ihm Teicht, bie überfegten Werfe des Diodoros, Ptolemäos und Strabon zur Hand zu erhalten.

In Betreff der römischen Autoren Tünnen wir ung fürzer faſſen. Enea kannte fo ziemlich) alle Diejenigen, die man damals überhaupt Tas, und auch fein Urtheil war eben das gelänfige. Ci— cero galt ihm als Vater ver Eloquenz und als Fürſt ver Philofo« phie, er war fein Mufter in ven Neben wie in ter Briefſchreibung. Und der über jedes Lob erhabene Dichter war auch ihm Virgilius: er vereinigte nach Enea's Meinung als Redner tie Vorzüge ver beiten, eines Cicero, Sallujtins und Plinins, als Philoſoph bie Lehren ver verfchierenen Schulen, er war «ebenfo tief an Erkennt⸗

») Pii II. Asia cap. 74, Comment. p. 244. 2) De liberor. educat. p. 983.

) Praefat. in Anton. Panorm.

) De vir. clar. XVI.

® Praefat. in Anton. Panorm.

266 . 41.7 Enea als Diäten. .

Abfchriften und Abdrücken vorausgegangen; bei jeber iſt, wie es zu gefchehen pflegt, iniges verloren und Anderes verberbt worden. Wir ordnen jene Werfe nach Gattungen, und ba feheint es zmed: mäßig, Die vom Papſte verfaßten fegleich mit in ven Kreis ber De trachtung zu zichen, indem fie fich nicht, gleich denen ker Basler Periode, nach Beranlaffung und Inhalt abfoudern.

Unter dem „Dichter und Redner« verftand man zu jener Zeit ben claffifch und univerſell gebilteten Mann, den Humaniſten. Tod ift e8 Billig, daß wir Gericht und Rede, im heutigen Wortverftande, unter ben Werfen eines Humaniften allemal woranftelfen; denn in ihnen zeigt fich die fprachlihe Kunft, die Stiliftif, deren er fich vor Allem beftrebte, am Gleichgültigften gegen den Inhalt, in ihrer ab foluteften Form. Selbft der gepricfenfte Dichter jenes Zeitaltere, Enea's Lehrer und Vorbild, Francesco Filelfo hatte Feine Ahnung davon, daß bie Dichtung fich auch im Inhalte von ver Profa unter ſcheiden müſſe, höchſtens daß, um die Verſe zu füllen, ein wenig vom antiken Götterapparat eimgemifcht wird. Er fagte in feinen Berfen daſſelbe wie in feinen Briefen ober Reden, und er fagte e6 mit denfelben Wendungen. Nur vie Gewanbtheit und Leichtigfeit, mit der er bie fateinifhe Sprache handhabte, zeigte fich glänzenber in den gebundenen Maßen, im anmmtbigen Tonfall des Herameters, des PBentameters und der Ode. Auch mit den Geſetzen ber Metrif nahm man e8 um fo weniger genau, ba biefelben noch von feinem Srammatifer methodiſch feftgejtellt waren; man lernte und übte fie allein nad) wem Gehör.

Nur die befcheivenen Anfprüche jener Zeit machen es begreif lich, daß Enea als ein bedeutender Dichter, als Verskünftler gelten fonnte ). Freilich it und Alles verloren, was er während ber Stupdienjahre zu Siena und dann zu Bafel gebichtet, es waren Ele gien und Epigramme meiftens Tasciven ober fatirifchen Inhalts, Dlatina Spricht von 3000 Verſen“). Was aber dieſen Poefien Be wunberer erwarb, war ohne Zweifel nur ver piquante und fritele

) &o fagt 3. ®. Coccius Babellious Ennead. X. Lib. VI. p. 719 von ihm: nescias pocta major fuerit an orator an historicus.

) In der Wita Pii IL. Sabellicus 1, ec. p. 731 macht daran gleich 8000 carmina, Auch Campanus epist. I. 1 fpridt won der licentia poetica. Bergl. Bo. I. ©. 221. Der Cover 29923. der Chigiana zu Rom fo wei einige Gedichte Enea's ewihakten. u

It. 7. Enea ale Nedner. 971

auf die Jungfrau Maria), ein Gebicht auf ven heiligen Muguftinug ?), ein brittes auf bie Heilige Caterina von Siena und ein vierteß, als der Papft gegen bie Türken auszog ’). +

Sine Theorie ver Dichtfunft aufzuftellen oder auch nur die Res geln zu ſammeln, die ihn als “Dichter leiteten, das hat Enea nie mals verſucht. Wo er auf vergleichen zu fprechen fommt, weiſt er jedesmal auf das unerflärlicdde Genie hin, ver Dichter ift ihm ein Sottbegeifterter, von dem man feine Nechenfchaft verlangen foll. In der That beruhte das Wenige, was den Dichter vom Profaijten unterfchieb, auf Gehör und Uebung. Anders in ver Redekunſt, bie ber ftubirten Wohlredenheit, den Stilismus ihrer Natur nach ben größten Spielraum gewährte, So fehen wir denn, wie die Huma⸗ niften fämmtlich einen fo Äberſchwänglichen Rednerdrang in fich fühlten, dag die Gelegenheiten des praftifchen Lebens nicht aus: reichen wollten und um ihrer willen vermehrt werten mußten. Dur von zeugt die Fluth ter Hof- und Feflreden, der Gratulations- und Leichenreden. Brauchbare Staatsinänner waren unter jenen Ge— fehrten eben die wenigiten, und auch die es waren, Fonnten ihr Licht nur etwa bei Geſandtſchaften oder feftlihen Empfängen leuchten faffen, im gewöhnlichen Staategetriebe gab es nichts zu reden. Mit ihnen verglichen war Enea in ber glüdlichften Lage: er fand in ber That die reichite Gelegenheit, fein Studium im Leben zu vermer- then. In Bafel gelangte er auf die Nebnercanzel und e8 war nicht anders, als daß er vor ben allgemeinen Concil Iateinifch fprechen mußte; als Gejhäftsträger zwifchen Kaiſer und Papft, als oftma⸗ liger Geſandter zwifchen Deutfchlaud und Italien, als päpftlicher Nuntius für Böhmen und Ungarn fand er wieberum manchen An⸗ laß zu lateinifchen Reben, und als Papſt gar konnte er fich biefe Anläffe nad) Belieben fchaffen. Campano jagt mit echt, daß Feiner feiner Zeitgenoffen fo viele Reden gehalten und in fo bebeutenven Situationen. Um fo anziehenver ift es, ihm in die Werkſtätte feiner

Ein Std aus dem Carmen ad beatam Virginem theilt Lami Catal. oodd. ınse. Bibl. Riccard. p.8 mit. Ein auderes wohl früher verfaßtes Ge- dicht an biefelbe ſteht am Schluffe ber uilrmberger Ausgaben ber Briefe bes

A. S.

Im Sanotuarium (Papiense) Jacobi Guallo Lib. III. cap. 14. Pa- pie 1508.

9 Ueber die beiden letzteren v. Verdiere Essai sur A. 8. Picc. p. 133 nah einem Mſe. Das Kreuzzugsgebicht wird bier mitgetheilt,

I. 7. Enea's Redepolitik. 273

zur Schwaghaftigkeit verführe. Cr empfiehlt Redeübungen: man folle die Stimme kräftig, aber nicht fchreiend ertönen laffen, alle Worte und auch die fetten Sylben ver Worte dentlich ausſprechen, man folle an fchwierigen Worten und Verfen bie Sprachorgane zur leichten Beweglichkeit üben, wobei natürlich an Demoſthenes erinnert wird. Der Stoff foll georbnet und in Theile gebracht, bieje aber dem Hörer nachbrüdlich eingeprägt werben. Wlan foll, wenn man vor einem Fürften ober einer hohen VBerfammlung fpricht, gleichfam fhüchtern beginnen, als fühle man ſich unwürdig und unfähig, ale überwinde nur der Gehorfam gegen ven Auftraggeber die Furcht, nur um der Achtung vor Jenem oder um ber Wichtigkeit der Sache willen erbitte man feinen Worten Gehör. Immer muß man an Den denken, vor welchem man ſpricht. Wenn Enea zum Beifpiel vor Papſt Eugen IV ſtand, bebiente er fih nur der Belege aus ver heiligen Schrift oder ven Vätern ver Kirche, weil dieſer Papft vie claſſiſchen Autoren weder verjtand noch achtete; verſchwenderiſch legte er ihre Schüße einem Nicolaus V dar.

Es nimmt ſich wunderlich aus, wenn wir bie Nebepolitif, die Enea als Secretär dem Kaiſer Friedrich empfahl, von Pius anf dem apojtolifchen Stuhle geübt fehen. Er wußte fich wohl in vie Lage der Hörer zu verfegen. „Die Rede eines Fürften ift niemals fo geringfügig, daß er nicht dafür gelebt würde. Der Fürjt, wenn er fpricht, darf nicht erft den Hörer empfünglich ober aufmerffam machen; feine Rede ermübet nie, ijt nie zu lang. Wenn irgend ein Schlagwort von ihm ausgefprechen ift, fo lebt es cin Jahr lang im Munde des Volkes. Was ver König fagt, wird wie ein Urafel des großen Gottes aufgenommen. ‘Die Gefandten werben vor ihm ftugig, fie wiffen feine Gründe nicht wie die eines Anderen zu widerlegen. Wenn fie abtreten und zu ihrem Heren zurüdfehren, fo jagen fie: wir haben nicht einen Stnaben, nicht eine Marmorfäule gefehen, wir fanden einen Mann, ber durch fich felbjt regiert. Alles, was fie gefehen und gehört, berichten fie mit Zuſätzen.“ Wie ein Fürſt mit Geſandten klüglich verfahre, das hatte Pius einft von Cardinal Ge- farini, dem Präſidenten des basler Concils, gelernt. Diefer hielt fie, ehe er fie ihren Vortrag halten ließ, immer erft einige Tage bin, forfchte fie aus und konnte ihnen dann wohlverbereitet auf ver Stelle eine ſchlagende Antwort geben. Wir werben dieſe Praxis in Pius' Gefchichte noch befjer kennen lernen. Nicht minder, wie ein Fürft zu antworten hat; auch hier entwidelte Enea für Saifer

Boigt, Enea Silvio II. 18

298 111. 9. Enea's Liebesnovelle.

nur noch feines Meiſterſtückes gebacht werben, welches ganz unb gar ber erotifchen Gattung, freilich aber nicht der Tractatenliteratur angehört.

Es iſt die vielberufene Novelle von Eurialus und Lu— cretia. Der fanejifche Yurift Mariano de’ Sozzini, ber unfern Enea von frühen Fahren ber kannte, forberte ihn auf, eine Liebes gefchichte zu fchreiben. Wenn wir Enea's muntered Studentenleben und die befannte Neigung ver Tuscier zu ſolchen Dingen in Be tracht ziehen, fo lag nichts Auffallendes in der Bitte Wir willen, daß Boccacciv’8 Novellen damals eine Lieblingslectüre ver floren tinifhen Damen bildeten '), wir können insbeſondere nachweifen, baf Enen mit ibnen vertraut war”). Die Luft an erotifchen Steffen lag zu fehr im italienischen Blute, als daß nicht auch vie Huma⸗ niſten wenigſtens ihre ftiliftifche Kunft daran geübt hätten. chen Petrarca übertrug die boccaccifhe Erzählung von der treuen Griſeldie ins Lateinifche. Seinen Beifpiel folgte Lionardo Bruni dArezze, indem er aus dem Decamerone bie erfte Novelle des vierten Tages überfegte, die von Zancrebo, dem Fürften vor Salerno, feiner Tochter Ghismonda und ihrem Geliebten Guiscardo. Es iſt nicht Zufall, daß dieſe lateiniſche Novelle in Handſchriften und Drucker unter die Briefe des Piccolomini gerathen ift ); er hat bie Argu⸗ mente, mit denen Ghismonda ihre verbotene Liebe vertheidigt, ge radezu aboptirt und auf fich felber angewendet *). Der fpecifiide Liebesroman, wie er zulegt in Romeo und Julia feinen vollenvetften Ausdruck fand, fpinnt ſich feit jenen Anregungen unausgeſetzt fert; ich gedenke Das bei Gelegenheit cinmal nachzuweiſen. Als ein jehr wefentliches Moment, welches ven tragiichen Ausgang der leiden Ichaftlihen Liebe zur Regel macht, tritt aus dem Alterthum bie Sage von Pyramus und Thisbe Hinzu. Auch fie Scheint Enen ein gehender befchäftigt zu haben, ale daß er fie bleß im Dvibins ge leſen hätte’). In diefen Zufammenhang gehört auch feine eigene

') Vespasiano Alessandra de’ Bardi im Spicileg. Roman. T. IX. p. 616.

?), Bergl. Bd. 1. ©. 288 die Note.

9) 3.38. in ber basler Ausgabe als epist. 410.

) Vergl. Bd. J. S. 288,

*) Es wird unter feinen Werken eine Praefatio ad historiam de Pyramo et Thisbe erwähnt. Fabricins (Biblioth. lat. s. v. Pius II) hält das kei Leyser Historia poetarum medii aevi p. 2086 nad einer heimftäbter ‘Han ſchrift mitgetheilte Stüd bafür.

II. 10. Enea's encyktopäbdiſche Natur. 303

die Vervieffältigung der Intereffen war. Hier haben wir den Maß- ftab für die Bebeutung ver Berfönlichfeiten zu fuchen, nicht etwa im Grade der Gelehrfamfeit. Aus der Schaar der Jünger bes Alterthums treten diejenigen als bie wirffamjten hervor, die das Leben am Frifchefien und Vielſeitigſten erfaffen, die vem Bann ber Schule, der bloßen Nachahmung am Selbittändigften ſich entziehen.

Unfern Enea begünftigte in ungemöhnlichem Grade fein Lebens» lauf. Wer in Stalien und Deutfchland fo vielfach umbergeworfen, wer gelegentlich nach Flandern, Schettland und England verfchlagen wurde, wer am basler Concil, am Kaiſerhof und an der römifchen Curie in langen Perioden lebte und thätig war, dem bot fich wohl mannigfacher Stoff, um einen lebhaften Geift von allen Seiten an⸗ zuregen und zu unterrichten. Und neben dieſer realen Welt be— fhäftigte Enca die ver Alten. Er lernte erkennen, wie anders es Bier umd dort, zu diefer und jener Zeit ausfah; durch die Verglei- Kung erwuchs ihm das Urtheil. Auch die geijtigen Organe wollen gefhärft und geübt fein. Enea hörte und fah unzählige Kleinig- feiten, an denen bie Maſſe ver Menſchen achtlos vorübergeht, er combinirte aus unjcheinbaren Einzelnheiten Bilder und Anſchauungen, er verglich nuaufhörlich Die Weisheit ver Bücher mit den Erfahrungen des Lebens. Wenn er von fich ſelbſt einmal urtheilt, feine Echau- begier fei auf Mannigfaches gerichtet, fo erfennen wir eben ven fammelnden, jeter Einfeitigfeit abgeneigten, enchflepäpifchen Trieb feiner Natur. Dem entfprach feine Schreibeluft: er fand überall einen Weg, Das was er gefehen, gehört und gelernt, alsbald zu reprobuciren. Es wird irgend einem Freunde ober Gönner brieflich mitgetheilt, es wird einem größeren Werfe, das er gerave unter ber Feder hat, epifopifch einverleibt, oder ed wird vorläufig noch ohne Zwed in feinen Sammlungen notirt.

Geographie und Gefchichte pflegt Enea nicht zu trennen; auch für das verbindende Glied, das cthflographifche, hat er ven offnen Sinn. Das find nun die Fächer, in denen er jeine humaniftifchen Zeitgenoffen bei Weiten überragte. Doch wird ein Blick auf dieſe und zeigen, wie das Intereſſe für Topographie und Geographie, infofern fie auf frifher Anſchauung beruhen, im Humanismus über- haupt wurzelte,

Das Mittelalter war nicht ohne Theilnahme für Reifen, aber biefe mußten in frembe und wunderbare Gegenden oder in das hei- lige Land führen. Um das Local der befannten Völker kümmerte

Il. 10. Enea als Geograph. 305

und bie Einwohnerzahl der Stadt, wundert fi) über bie Bürger⸗ hänfer mit ihren Defen und Singvögeln, da fehilbert er das peban- tifche Treiben der Profejjoren und das wüſte Leben ver Studenten, die Verfaſſung der Stadt und pie Lebensmittel der Bevölkerung, die Straßenfcandäle ver Männer und die Lieverlichfeit der Weiber, die Stellung des Adels und ber Bürger, bie Rechtsverwaltung und die Sittenpolizei, Alles freilich mit leichtfertiger Zouriftenlaune, aber doch mit Ser eigenthümlichen Gabe einer feinen Beobachtung '). Ein Beſuch in Paſſau und auf dem Schlefje Ebersberg veranlaßte ihn zu einem topographifchen Gemälde ); in dem abgefchlefjenen Sarn⸗ tbale, um deſſen Pfarre er fich bemühte, fand er Leben und Sitten der Bewohner einer Scilverung wert ). Wohl jede Stabt, in der er Gelegenheit zu längerem Verweilen fand, hat er in irgend einem feiner Werfe nach Lage und Alterthum, nach Verfaffung und Sitte, mit Angabe ihrer berühmten Männer und mit Beurtheilung ver Schönheit, Keufchheit und Liebenswürbigfeit ihrer Frauen bes fchrieben, fo Nürnberg und Frankfurt, wohin ihn mehr als ein deutſcher Reichstag führte, fo Bologna, Alfifi, Perugia, Zivoli, Fer⸗ rara, Mantua, Florenz und Siena, Mailand und Venedig.

Die größeren Reifen innerhalb Italiens und vie Fleineren Aus- flüge im Kirchenſtaat umher, vie Pius der Papft unternommen, find ihm zu feiner Zeit übel genug ausgelegt worden. Man ver« ftand nicht, was den Fränflichen Greis fo unruhig und unftät machte, Das war aber feine Erholung vom ernften Drange der Geſchäfte. Wir würdigen feine Freude, wenn wir vie Commentarien Iefen, bie er damals bictirte. Sie find zum Theil ein Tagebuch feiner Reifen. Am Liebften fuhr er langſam einen Fluß hinab ober er ließ fich im einer Sänfte gemädlich von einem Orte zum andern tragen. Da blieb aber Nichts unbejucht und Nichts unbefchrieben, was den Freund der Natur und der Topographie, der Kunſt und tes Alterthums anziehen fonnte. ‘Der Bapit verfolgte den Lauf ber Flüffe und ver. Gebirgszüge, er liebte die Fernficht ver Berge und den Frieden ber Thäler. Jedes Städtchen und jeves Schloß, jedes Kloſter und jeve Ruine, jeder Hain und jede Duelle prägte ſich in fein Gedächtniß. Wer hatte bisher beobachtet, welche Bäume auf dem Gipfel eines

») Diefe Beichreibung von Wien ift die epist. 165. ber edit. Basil., aber auch ber Kollar'ichen Ausgabe ber Historia Friderici III vorgejegt. 2) Brief an Campiflo vom 22. Juli 1444, ) Bergl. Bo. I. ©. 292. Voigt, Enea Silvio IL 20

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306 II. 10. Enea als Geograph.

in die Wolfen veichenden Berges wüchfen, in welcher Folge fie ſich zum Thal herab abftufen, wo es Bauholz und Gartencultur, we Saatfelvder und Viehweiden gebe? Das fah ber gichtiiche Papft von feiner Sänfte aus !). Wer hatte den Trieb gefühlt, fich vie Ströme und Flüffe zu Flußnegen, die Berge und Höhen zu Gebirge zügen vereinigt zu denken? Pius zerbrach fich ven Kopf über ben Zufammenhang der Alpenmaffen, aber da reichte feine Anfchauung nicht aus. Die Apenninen dagegen find ihm überfichtlich: "fie bilden den Rüden von Italien, gleichwie wir auf einem Eichenblatt Erho⸗ hungen fehen« *). Und freilich ift fein Bemühen interefjanter als das Rejultat, wenn er die Gebirge ver drei Welttheile mit einander in Verbindung zu bringen fucht °).

Wo die eigene Anfchauung nicht Hinreicht, tritt billig ber Ge währemann ein. Dann aber fragen wir, welche Stellung Enen zu einem folchen einnahm, und ob er auch den Lefer in Stand feht, ſich ein Tritifche® Lrtheil zu bilden. Hier nur ein Beifpiel, Auf dem basler Concil war oft vom Volke der Litauer die Rede, welches eben erjt dem Chriſtenthum zugänglich wurde. Man erzählte fid von dem heibnifchen Leben, das fie in ihren Urwäldern und Sümpfen führten, von ihren halbwilden Sitten, vom tyrannifchen Würften Witold und von den erften Befehrungsnerfuchen gar anziehende, oft wunderbare Dinge. Der Urheber viefer Nachrichten war ber Ca maldulenjer Hieronymus aus Prag, ver felbit ein Apoſtel jenes Heidenvolfes gewejen und dann von Cardinal Ceſarini zum Cencil berufen war, um nun bie böhmifchen Ketzer, feine Landsleute ber fehren zu helfen. Enea argwohnte etwas von Miffionslügen. De er indeß begierig war, von dem fremden Lande und Volke zu hören, wanderte er eines Tages mit drei Freunden, darunter Piero da Roceto, zur Zelle des Mönches, ver jenfeits des Rhein bei den Carthäufer wohnte. Hieronymus erzählte ihnen noch einmal, mit offenem Ge ficht und eidlicher Bekräftigung feine miffionaren Gefchichten, bie danıı Ener nieberjchrieb und uns aufbehielt. "Wie ich es gehört, fo erzähle ich e8 unverändert wieder. Die Bürgfchaft ver Wahr beit nehme ich nicht auf mich, Aber überzeugt ging ich mit meinen Genoffen von ihmu *).

1) Pius Comment. p. 216. 2) Hist, Frid. III p. 248. ?) Europa cap, 7.

*) Europa cap. 26.

In. 10. Enea als Geograph. 307

Der Lefer fieht nun wohl, daß auf dieſe Methode ver Accent gelegt werden muß, wenn man von Enea dem Länder- und Völfer- befchreiber fpricht. Auch als gelehrter antiquarifcher Geograph genoß er zu feiner Zeit einen hoben Ruf. Dan bewunterte die Abhand- [ungen über ven Urfprung tes Nil und über das Paradies, bie er den erwähnten Dialogen von 1453, die Befchreibungen von Rhodos und Lesbos, bie er feinen päpstlichen Commentarien einverleibte, und befonvers feine Aſia. Hier trug er gelehrte Notizen zufammen, bie zwar einen bedeutenden Impuls zum Studium ber alten Geographie gegeben, an jich aber flüchtig zufammengereiht und oft höchſt will- türlich verwenbet find. Viel anziehenter ift er allemal va, wo wir hinter dem Stoffe feine perfönliche Thätigfeit fehen. Da findet er faft fpielend Wege und Bahnen, Die ihn zu neuen wifjenfchaftlichen Gebieten führen und Forſchungen eröffnen, welche die gelehrte Welt bisher gleichgültig Liegen gelaffen. Daß er tie tollſten und willfür- fichften Sprünge macht und hundertmal auf Unſinn, wenn zehnmal auf Wahrheiten ober bed) Möglichkeiten verfällt, darf uns nicht wundern, bie wir neh in unferen Tagen biefelben Gebiete als vie Tummelpläge gelehrter Phantaften zu betrachten gewohnt find. Wir meinen nämlich die geographifche Etymologie und bie antiquarifche Ethnologie.

Es iſt doch ein Streben von tiefer Bebentung, wenn Enea fels ten einen geographifchen Namen aufführt, ohne nach dem Woher zu fragen, wenn er fprachliche Ableitungen, bie er vorfindet, nicht blind» lings hinnehmen mag. In Wien fragte er nad) dem Urfprung bies fe8 Stadtnamens: man wollte ihn von Bienna ableiten, weil einft Cäfer vie Stadt erobert und biennio hergeftellt habe. Das findet Enea unhiſtoriſch und abgeſchmackt. Beſſer dünkte ihm tie Herlei- tung von Flavianum, welches die Deutſchen wie Flabien ausfprä- hen, wovon durch Abjchleifung der erjien Sylbe Vien geblieben fein fönne. Doch meint er, foldhe Namenserflärungen feien ein mißliches Ding"). Trotzdem verfucht er fich immer wieder von Neuem. Das Flüßchen Tolmino mit dem Timavus ver Alten zu identificiren, fcheint ihm nicht unmöglich; denn die Zeit veränbere die Worte oft ftarl. Doc auch darüber will er Feine Entfcheidung treffen”). Wenn

) Bed est omnis de nomine vana quaestio, Descriptio urbis Vien- nensis 1. 8. c. ) Hist. Frid. III p. 230. 90 *

310 III. 10. Enea als gelehrter Geſchichtsforſcher.

burch cin barbarifches Latein abfchredten und der chriftliche Gehalt feinen Reiz mehr übte. Im Ganzen bevedte die Zeit feit vem Sturze des weitrömijchen Kaiſerthums ein dunkler Nebel. Hier Lick ‚und Ordnung zu fchaffen, war eine Vtiefenarbeit, welcher fich allein | ver trodene Fleiß des Flavio Biondo unterzeg, Sein Buch wurke boch gefchäßt, aber wenig gelefen.

Enea fannte vie Gefchichte ver Griechen und Nömer, weil es ihm an ben nöthigen Büchern mangelte befaß er bech nidt ein mal ven Livius nur ftüdweife, ja oft nur notigenweife. Jede Veberficht fehlte ihm fo fehr, daß nicht felten jogar bie mythiſche und bie hijterifche Zeit in feiner Phantafie zufammenfliegen. Se

;: war ihm denn die alte Geſchichte mehr ein äfthetifches Spielzeng, Leine bunte Sammlung von Blumen zur Ausfhmüdung des Stile. Am Intereſſe fehlte es ibm wahrlich nicht, auch wurde baffelbe durch den Anblid von Ruinen und Alterthümern fofort in Bewegung ge fett. Sie fpradhen ihm in Ermangelung von Büchern. Die mon mentalen Reſte in Eteier an ver Mur Ichrten ibn, daß bier einft die Römer geherricht, in der Nähe von ©. Veit bewiefen ihm alte Anfchriften, daß einft vie Liburner das Heutige Kärnthen innege habt.“ '). Nola erinnerte ihn an Marcellus und als er nach Ehinf kam, dem ärmlichen Städtchen, gedachte er, wie reich und mächtig einjt Cluſium zur Zeit Porſena's geiwefen; vergebens fuchte er nad Spuren des Labprinthes, deſſen Plinius gevenft *). Wenn er al Bapit pas Gebiet der römischen Kirche durchreifte, war es ihm nicht nur eine Quelle von Einfünften, nicht nur mit Kirchen und Cape len, mit Klöſtern und Burgen befegt, ſondern ein gefchichtlich heili⸗ ges Land. Selten jtieß er auf einen Ort, einen Berg ober einen Fluß, von dem er nicht etwas Alterthümliches zu fügen wußte, ber ihm nicht das Wort irgend eines clafjifchen Autors belebte. Bei Zivoli zeigte man ihm unter andern Denkmalen ver römifchen Zeit auch die Trümmer einer Villa Habrians, von welcher Spartianus berichtet. Der Papft fuchte ſich vie Mauerftüde zu deuten und ih ren einftigen Zufammenhang in feiner Phantafie berzuftellen. "Die Zeit hat Alles entftellt. Die Mauern, welche einft gemalte Tapeten und golvburchwirkte Vorhänge bevedten, beffeivet jetzt wilder Epheu. Dornen und Brombeer wachen, wo einft die Tribunen im Purpur

1) Hist. Frid. III p. 219. 230. ) Pius Comment, p. 44.

III. 10. Enea als gelehrter Geſchichtsforſcher. 311

daſaßen und in den Gemächern der Königinnen wohnen Schlangen. So vergänglich iſt die Natur alles Irdiſchen!«) Zu einer Reiſe nach Albano, die er im Mai 1463 unternahm, bewog ihn weniger bie Einladung des Cardinals Scarampo, fonvdern nad) feinem eignen Geftänpniß vorzugsweife das Altertum der Stätte. Auf der Straße vor der Dia Appia fand er mannigfache Ruinen, befonderd ven Hippodrom von S. Sebaftiano und die Stüde des großen Obelis⸗ ten, ver einft das Ziel der Wagenlenfer gewefen. Er fand das Grabmal des Metellus, vie Nefte zerftörter Villen, vie mächtigen MWölbungen einftiger Aquäducte. Er fah bei Albano, von Bäumen überwachfen, den Bafalt ber appifchen Strafe, Grabmäler, ihrer Marmorbefleivung beraubt. Ya er erkannte bie Ningmauern bes alten Alba, die Fundamente feiner einftigen Gebäute und die voll ftändigen Umriſſe des Theaters, veffen mittlerer Theil in ven Berg eingehauen erfchien, während man unter dem Brombeergebüfche noch Die alten Site fand. Von ven großen Wafferbehältern, die meijtens unter dem Geſtrüppe verborgen liegen und deren ein gelehrter Flo— rentiner 30 entdeckt haben wollte, ſah Pius nur 4 wohlerhaltene, In dem Scloffe der Savelli, welches ter Cardinal von Aquileja zeritört und wieberhergeftellt hatte, zeigte man bem Papſte Spuren des Palaftes, den einft Ascanius bewohnt. Er aber erkannte am Bau der Gewölbe, taß hier vielmehr Thermen aus ver Kaiferzeit geſtanden. Auch an das Grabmal der curiatifchen Drillinge, das man ibm wies, wollte Pius nicht glauben, weil er die livianifche Erzählung den Monumenten widerfprechend fand. Am nemorenfi- ſchen See, deſſen Lieblichkeit ihn entzüdte, hatte vor einigen Jahren ein befonderer Fund die Antiquare befchäftigt. Es war ein Yahr- zeug, welches ver Cardinal Prospero Colonna durch genuefifche Taucher aus einer Ziefe von zwölf Ellen hatte bervorziehen Laffen. Auch fand man im runde des Sees bleierne Nöhren, auf welchen mit Majusfelfchrift ver Name Ziberius Cäſar ftand, und man ſchloß daraus, daß das Boot zum Vergnügen bed Kaiferd gedient. Pius fah davon nur noch einige Balken von Lärchenholz?).

Diefen Reiz berepter Zrümmer hatte das Mittelalter zwar nicht für ven Piccolomini. Dafür erinnerte vie Gegenwart deſto lebhafter

1) Pius Comment, p. 138. 9) Pius Comment. p. 306. 308. Ueber ben letzteren Fund berichtet ge⸗ naner Blondus Italia illustr. p. 326.

314 I. 10. Enea als kritiſcher Hiſtoriker.

bung einiger alten Fabeln auf ven römiſchen Pontificat und bas Imperium: er erzählt von der fehwangern Hündin, die den Hirten um Aufnahme für ſich und ihre Jungen bat und als biefe erwacen waren, zum Dank verbrängte, und von bem frofterftarrten gel, ver jih in der Höhle der Schlange, die ihn mitleivig aufgenommen, er wärmte und fie dann burch feine Stacheln vertrieb. Später behan- belte Enea daſſelbe Thema noch einmal und ausführlicher in ben Dialogen von 1453. Auch Hier verwirft er die Echenfung an Papf Sylveſter, aber als Biſchof und Verfechter ver Hierarchie weiß a Rath für vie Wunde, indem er deſto energifcher die Schenkung Pippin’s und feiner Nachfolger hervorhebt. In dieſem Falle mit- . Din, ven wir nur feiner Berufenheit wegen nicht übergehen mochten, müjfen wir Enea die Selbjtftäntigfeit feiner Kritif abfprechen und feine Freude an dem Kampfe Anderer genügen laſſen.

Als Enea feine Studien zur öfterreichifhen Gefchichte machte, ftieß er auf vie beiden Urkunden, welche Julius Cãſar und Claudins Nero dem Oftland ertheilt. Mit dem größten Ernſte wies er ihre Unechtheit nach und war dann entrüftet über ven Betrug. Er wußte nicht, daß ſchon vor hundert Jahren Petrarca aus dem unclaffiichen «Wir und aus den Datum Karl vem Vierten bie Fälfchung er wiejen ').

Zu gleicher Zeit fiel Enea eine ältere öfterreichifche Chronik in bie Hände, deren Verfaſſer er nicht zu nennen weiß. Man hat fie aber als bie des Heinricd von Gundelfingen erfannt. Darnach ſtammte das Volk ver DOefterreiher von einem alten heidnifchen, Dann jüdiſch gewordenen Gefchlecht, es werben djterreichifche Marfgrafen und Her zoge zu Abraham's Zeiten angefegt und vie Lücken mit erfundenen Orts⸗ und Perfonennamen ausgefüllt, Uebrigens hat jener Heinrid gerate dieſe Dinge aus dem lateinifchen Chronicon eines gewiſſen Matthäus in's MDeutfche übertragen‘), Dafür muß er fich den Hagel ven Ehmähworten gefallen laffen, ven Enea über ihn au ſchüttet: Dummheit, Gemeinheit, Lügenhaftigkeit, bäurifche Böswil- ligfeit und dergleichen. Die Defterreicher werben verhöhnt, weil fie biefe Gefchichte wie eine heilige verehren, obwohl ver Verfaffer ihnen nach Enea's Meinung wahrlich nicht fehmeichelte, indem er fie zu

ı) Petrarca epist. rer. senil. XV, 5 (Opp. Basil. 1554. p. 1057). ?) cf. Kollarii Analecta Monum. Vindob. T. I. p. 748, Pes Beripti. rer. Austr. T.I. p. 1048,

III. 10. Enea ald ritifcher Hiſtoriker. 3165

einer Brut des treulofen Yupdengefchlechtes machte. Es wird Enea freilich nicht fhwer, die Fabeleien zu widerlegen, aber er thut es mit fürchterlihem Ernſt. Als Johann Hinderbach, der ihm dabei als Dollmetſch gedient, fein Werk fortzufegen übernahm, war er ncdy fo voll Freude über tie Fritifche Helventhat feines Meiftert, daß er in ver Einleitung noch einige Hiebe gegen ven Chroniften führte, befien Anſehen Enea bereits todtgefchlagen. Selbft Cuspinianus nannte ihn noch als Widerleger des Lügenbuches ').

AS Cardinal Piccolemini feine böhmifche Gejchichte fchrieb, benugte er die Chroniken des Pulkawa und Dalimil. Obwohl er bie Sagen ven Geh, von Krok und feinen Zöchtern, von Libuffa und tem Mägdekriege wiederholte, weil fie, durch feine Feder ver- fchönt, eine reizende Lectüre beten, fo machte er doch auch hier feine Tritifchen Ausfegungen. Er wollte nicht glauben, daß Cech und feine Bamilte fih nur von Eicheln und anderen Walpfrüchten genährt, was, wie er meinte, nur nach ter Sündfluth vorgekommen fein möchte. Daß beive Gefchlehter damals nadt gegangen, ſchien ihm dem Klima des Landes zu widerfprechen. Die Wunder in Premysl's Geſchichte betrachtete er mit Argwohn ’). Hier fehlte ihm- zur wif- fenfchaftlichen Begründung feiner Zweifel das gelehrte Diaterial und er folgte nur dem kritiſchen Inſtincte. Dagegen will er zum Beifpiel die Sabeln und Wunder von Karl vem Großen nicht glauben, weil man biefem Kaifer auch folche beilege, die urſprünglich Alexander dem Großen zugehörten ’).

Betrachten wir nun Enea als Gefhichtfchreiber feiner Zeit, als welcher er doch ven meiften Ruhm erlangt bat, fo iſt es ſchwer, ein allgemeines Urtheil fejtzuftellen ober aus feinen mannig- fachen Werfen tiefer Gattung eine Summe zu ziehen. Wir müffen | uns zunächſt erinnern, wie er fchrieb, wie jene Werle entftanven. | Er begann nicht mit großen Vorfägen. Gern berichtete er einem Freunde oder einem Mäcen brieflich, was er erlebt, mit dem frifchen Eintrud. Diefe Briefe wurten oft zu ausführlichen Relationen, an fich ſchon Heinen Gefchichtewerfen, wie wir deren über feine Ge- fandtfchaft zu ven Zaboriten cover über den jungen Labislaus von Ungarn befiten; erjteres Schreiben richtete er an Carvajal, letzteres

1) In feiner Austria p. 8. 2) Histor. Bohem. cap. 8. 6. 2) Pius Comment. p. 218,

III. 10. Enea's hiſtoriſche Kunft. 317

Wie gewiſſenlos er mitunter die Thatſachen verdreht, ſehen wir da am Klarſten, wo uns leidenſchaftsloſe Acten vorliegen. Wie leicht- fertig er combinirt, zeigen ſolche Diaterien, die er nur vom Hören- fagen Tennen konnte. Wenn er zum Beifpiel die Kriege Italiens zur Zeit Martin's V und Eugen’s IV erzählt, fo wirft er Vieles durcheinander, was in ganz verfchierene Zeiten gehört, fchilvert aber mit fo anmuthiger Glätte, daß wer nicht etwa ben zuverläffigen Diondo vergleicht, den Wirrwarr fehwerlich merken wird. Daß zu jever Zeit fein liebes Ich eine Hauptrolle fpielt und fich in ven Vordergrund drängt, wo ber Secretär in einer befcheivenen Ede fteben durfte, oder ver Biſchof Einer unter Vielen war, das wollen wir nicht fehr betonen; denn es Liegt wohl zum Theil in ber Natur ber Diemoiren. So find wir traurig daran, wo wir weiter feine Duelle haben als feine Erzählung, aber wir gewinnen durch Alles, was wir feiner Feder vervanfen, cine lebendige und indivi⸗

duale Auffafjung, die felbft neben den gründlichſten Acten ihren _

Werth bat.

Die einzig vurchgehende Tendenz in Enea's Gefchichtswerfen

iſt die, den Lefer zu unterhalten und äjtbetifch zu erfreuen. Der glatten Form, der lebhaften Erzählung, der glänzenden Diction wird unbedingt ein Stüd Wahrheit geopfert. Die hiſtoriſche Kunft gebt ihm durchaus über den Werth ver Ueberlieferung. Wir über: geben hier, was fih auf die Stilijtit im Allgemeinen bezieht und befprechen nur einige Momente, welche die Weife und den Werth der Sompofition barlegen oder Enea ganz eigenthümlich find.

Documente und Actenftüde in ihrer autbentifchen Form aufs zunehmen, wie es die Chronijten zu thun pflegten, das fünben bie humaniftifchen Gefchichtfchreiber nur in feltenen Fällen möglich. Die barbarifche Form jener Dinge hätte ihr Kunſtwerk verunftaltet. Enea pflegt fie, wenn fie gerade ver ihm liegen, in freier Bearbeitung zu ftilifiren '); weiß er fich aber nicht beſſer zu helfen, fo giebt er auch

) &o if, um nur einige Beifpiele aus dem Obigen anzuführen, die Ins ſtruction Angelped’s in Enea's Histor. Frid. III p. 258 eine Bearbeitung bei Pray Annal. Hungar. P.III. p.92. Der Vortrag der vier Tandesdeputirten in Enea's Histor. Frid. III p. 198 ift eine Umfilifitung der Inftruction in Chmel Material. I. p. 356 und die Antwort des Königs bei Enea p. 199 finden wir bei Chmel p. 857 ebenfo wieber. Aehnliches beipriht Chmel in den Situngsberichten der phil.-bift. Elaffe der kaiſ. Alad. d. Will. Bb. XVII. &.109ff. Pius Comment. p. 237 seq, vergleihe man mit dem Berichte ber Breslauer bei Eſchenloer I. ©. 196 fi., ber feine Quelle if.

318 I. 10. Enea's hiſtoriſche Kunft.

obenhin ven Anhalt des Stüdes an, wie Gedächtniß und Laune eb ihm eben vorftellten. Ja in einem Falle, wo er als Bapft vem Kaiſer einen Brief gefchrieben, der deſſen Schamgefühl etwas Träftig faffen follte, fingirte er für feine Commentarien ein anderes neh verberes Schreiben, in welchem er ausfpradh, was er fich bei jenem im Stillen gedacht ').

Eingeflochtene Reden gehörten durchaus zum bijtorifchen Kunſt⸗

"werk; fie wurden im birecten und inbirecten Stil gefchrieben wie

bei den alten Römern. Enea unterfchieb fich als Staatsmann info

fern von anderen Gefchichtfchreibern der humaniſtiſchen Schule, ala er nicht immer und nur in livianifchen Declamationen fich erging, als er oftmals nach Berichten und gewilfen Schlagworten, bie ihm zu Ohren gekommen, feine Standreden ausarbeitete, als er biswei⸗ len den Verſuch machte, Charaktere und Situationen durch biefee, Kunftmittel zu zeichnen. So konnte er den demagogifchen Eizinger und feine Rebellion in ber That nicht Fräftiger zur Anfchanung bringen als durch die Rede, die er ihm in ven Mund legt; fie ent- wickelt zugleich die Sachlage und die Etreitfragen, um tie es fid handelte *). Dagegen ift zum Beifpiel die erbauliche Erflärung des Kaifers, die er nach Enea's Beriht im Kriegsrathe während ber Belagerung von Neuftant abgab, weder in der Weife Friedricht, ber überhaupt nicht viel und lange zu fprechen liebte, noch der Lage ber Dinge nad denkbar; fie foll offenbar nur die elende Verzagniß ein wenig zubeden ’), Selbjt mit feinen eigenen Reden fchaltete Enea willfürli, obwohl fie des ftiliftifchen Putes nicht erft bedurft hätten. Er arbeitete fie vorher aus; bei ven päpftlichen bemühten ſich überbies die Curialen, fie entweber nachzufchreiben oder aus frifhem Gedächtniß auf das Papier zu bringen. So verweifet Pins in den Commentarien gemeinhin auf den Sammelband feiner Neben. Doch werden wir gegentheil® auch der Rede noch gedenken, vie der Bapft zu Mantua am 1. Juni 1459 hielt; wir finden fie in feinen Conmentarien weitläufiger und patbetifcher ausgeführt, und wieber anders Hingt fie nach einem Berichterftatter, der Pins aus Schmei chelei eine noch fchönere Rede unterlegte, als er gehalten. Seine Abſchiedsrede auf dem mantuanijchen Kongreß ift in ben Commen⸗

1) Pius Comment. p. 65; ber wirllich abgefchidte Brief bei Mailath Gesch. der Magyaren Th. III Anh. 8. 26.

®) Histor. Frid, III p. 206-210.

3) ibid, p. 891. 892.

IM. 10. Enea's hiſtoriſche Annſt. 319

tarien gleichfalls verändert, fie iſt aber gelürzt '). Man ſieht wie⸗ der, wie auch dem Papſte die künſtleriſche Laune über die Wahr⸗ heit ging. J—

Eine andere Kunſtform, die Enea ganz eigenthümlich iſt und dem Reichthum feines encyhklopädiſchen Wiſſens entſpringt, iſt Die Epiſodik. Es drängt ihn unaufhörlich, aus feinen geographiſchen und biographiſchen Sammlungen dieſes und jenes anzubringen. Zu⸗

mal in den größeren Werken, in ver Geſchichte Friedrich's III und

in den päpftlichen Commentarien, läßt er feiner Neigung freien Lauf. Er pflegt ohne Weiteres zu fagen: Es beliebt uns hier, ober es ift nicht fernliegend, Weniges fiber das und dem einzufchieben und dann: Kehren wir aber zurüd u. f. w. So erhalten wir nun eine Menge von Excurſen geographiichen und antiquarifchen Inhalts, ans ber franzdfifchen und burgundifchen, fpanifchen und türfifchen, englifchen und veutfchen Gefchichte, und kaum ein bedeutender Zeit» genoſſe bürfte fich finden, ven Enea nicht irgendwo, aus näherer oder fernerer Belanntfchaft, gefchiltert Hätte. Oft geſchieht es, daß wir diefelbe Epijode mehrmals in feinen Werken finden, ja daß er in eine Epiſode noch eine andere einfchaltet.

Oft fpricht Enea von der höchſten Idee, die ihm bei der Ges fchichtfchreibung verfchwebte. Ihr Nugen ſcheint ihm vor Allem ein moraliſcher. Doch kommt er dabei nicht über die hergebrachten Ge— meinpläge hinaus, bie auch die andern Humaniften dem Alterthum zu entlehnen pflegten. Wenn er aus dem Weltlaufe gelegentlich die Vergänglichkeit alles Irdiſchen, die Nichtigkeit des Ruhmes oder bie Unbeftänbigfeit ver Macht folgert, wenn er auf den Lohn der Tu⸗ gend oder die Strafe des Laſters beutet, fo haben jene Betrachtuns gen wenigjtens feinen Ehrgeiz jicher nicht befchwichtigt, und ihn führten die Beifpiele der Gejchichte nicht zur Tugend. Beſſer ge- lingt ihm ver Nachweis, daß die Gefchichte in die Gejchäfte bes Friedens und des Krieges einführe, daß fie die Erfahrung bes Staatsmannes bereichere. Sie lehrte ihn in ver That, das Welt getriebe mit nüchtern» pragmatijchem Blicke zu betrachten, und bie gewonnene Weisheit fpiegelt fich im ben Sentenzen, die er über Fürften, Höfe und Völker fcharf und fein auszufprechen pflegt.

1) Auf ähnliche Stilübungen, die fi in Enea's böhmiſcher Geſchichte finden und bie er ſich felhft oder Andern in den Mund legt, hat Palady Würdigung ber alten böhmischen Geſchichtſchreiber S. 240-250 gebeutet und öfter noch in feiner Geſchichte von Böhmen.

320 II. 11. Enea's gefchichtliche Werke.

Macht er einmal aus Gott und ver Vorficht eine vhetorifche Figur, oder appellirt er an ven Lauf der Sterne, die ver Menfchen Schid- fal lenken, fo gefchieht es ohne Ernft und Glauben. Der Praftifer überwiegt ven Philcfophen. „Die Weisheit fürchtet das Schidfal nicht: ber Weife ermißt die Zufunft mit feinem Verftande nud nimmt an, daß die Menfchen jo hanveln werben, wie fie find“ ')., n&e bringt e8 die menfchliche Natur mit fih: was den Klugen glädt, wird ihrer Veberlegung zugefchrieben; was minder Verftänbigen mip- lingt, wird ihrer Unerfahrenheit Schuld gegeben. Und boch geſchieht das Gute oft nicht durch das Verdienſt Jener, das Falſche oft nicht durch den Fehler Diefer. Auf die. Unficht kommt es bei ter Beur⸗ theilung menſchlicher Dinge doch zumelft an« *).

Eilftes Capitel. Die geſchichtlichen Werke des Enen Silvio.

Wir können die gefchichtlichen Werke Enea’8 um fo mehr om Faden feines Lebens, alfo in chronologifcher Ordnung aufreihen, da fie vorzugsweife den Charakter von Denkwürdigkeiten tragen. Zuver aber fertigen wir zwei Schriften ab, die ohne felbftftändigen Werth find, die Auszüge aus Jordanis' gothifcher Gefchichte und aus ben Decaden Bionto’s.

Längſt ſchon Hatte Enea gewünfcht, über das Volt ver Gothen, auf deſſen gefchichtliche Bedeutung er mehr als einmal ftich, Näheres zu lernen und befonbers feinen Urfprung zu erfunden. Zwar hatte er gehört, daß Lionardo Bruni eine Gefchichte ver Gothen -gefchrie ben, aber weder fam ihm biefe zur Hand, noch wußte er, vaß fe nur eine freie Uebertragung des Profopios war, worüber fich Bruni felbft in feinem Werke nicht ausgeſprochen '). Da fand Enen zu

’) Histor. Frid, III p. 192.

?) ibid. p. 256.

%) Daß er Profopios zu verleugnen geſucht, ift eine Fabel, bie wohl Baulns Jovins zuerſt aufgebracht hat, Bruni felbR deutet epist. IX, 9 ree.

III. 11. Auszüge ans Forbanis' und aus Biondo's Decaden. 321

fällig im Kloſter Göttweih eine Handſchrift von Jordanis' gothie fcher Gefchichte '), die fein Verlangen befriedigte. Irren wir nicht, fo dictirte er, da8 Buch lefend, unmittelbar einem Schreiber, mas ihm im Augenblid bedeutend over anziehend erfchien. Jedenfalls ift fein Auszug leichthin gemacht. Ganze Capitel wurden überfchlagen, andere faſt Satz für Cab beibehalten; hier wurbe eine flüchtige Notiz ausgehoben, dort jtatt des barbarifchen und tunfeln Ausdrucks der einfadrere und reinere geſetzt. Eine Abjchrift ſchickte Enea Car- vajal zu, der fie auch dem Cardinal Colonna mittheilen follte, da⸗ mit man in Rom vergleiche, in welchem Verhältniß Jordanis zu Bruni's Arbeit ftehe ?).

Cine ähnliche Arbeit unternahın Pius noch als Papft ınit ben Decaven des Flavio Biondo, dem einzigen Werke, aus welchem man damals die Zeiten feit dem Untergange Weſtrom's gründlicher fennen lernen konnte. In feinen Commentarien ’) urtheilte er, daß Biondo's Werke der Teile und Berbeiferung bebürften und eine Um» arbeitung durch einen gewandten Stiliften winfchen Tießen. Wohl erft nach Biondo’3 Tore am 4. Juni 1463, verfertigte Pius den Auszug aus feinen Decaven, ten er auch nur bis zum Schluffe ver zweiten Decade, bis auf Papit Johaunes XXIIL führte; denn von bier an getraute er fich, die Gefchichte aus Tradition und Erlebniß felber genügend zu kennen. Seine kurzen und runden Säge, feine reinere und ſchönere Sprache können freilich die Uebeljtände eines Auszugs nicht erfegen, und obwohl er Gefchinad genug beſaß, um anziehende Einzelnheiten nicht zu tilgen, fo überwältigt doch vie Maſſe der gebrängten und unmotivirten Thatfachen die Aufmerk ſamkeit des Lefers allzubald. Der Bapft arbeitete entweder nur zu

Mehus auf Prokopios und fohr:ibt ſich epist. IX, 7 nur die freie Verarbeitung als VBerbienft zu. Pog gio nannte das Werk in der Leichenrebe, die er Bruni 1443 fchrieb (in Baluzii Miscell. Lib. III. p. 258), offen unter den Ueber. fegungen und auch Biondo ‚Dec. 1. Lib. IV. in prince.) erlannte es als folche,

1) Er erzählt davon in der Widinung des Werkes an Carvajal. Die Les⸗ art monasterium Cirtuicense erweiſt ſich durch die nähere Augabe der Lage und überdies aus Zeno's Handicrift als eine verfilimmelte.

) Die Historia Gothorum erfhien im Jahr 1730 zweimal im Trud, in Raym. Duellii Biga librorum rariorum. Francof, et Lips. und von Ne- wenus herausgegeben Francof. Die Zeit ergiebt ſich ungefähr aus den Brie— fen Enea's an Carvajal vom 6. und 10. April 1453, in welchen er erinnert, daß er das Buch den Cardinal unlängſt (pridem) zugeſchickt.

) p. 310.

Voigt, Enca Silvio I. 21

3992 I. 11. Das zweite Geſchichtewerk über das basler Concil.

feiner eigenen Belehrung oder er überfchätte die Wirkung feiner fti- liſtiſchen Kunft ').

Die Reihe ver Denkwürdigkeiten Enea's eröffneten feine Ceu— mentarien über das basler Eoncil, die er noch im Dienſte des Ge genpapftes Felix nieterfchrieb *), Wir bezeichneten fie als eine Ten denzſchrift. Wir kennen aber auch die Umſtände, unter benen er feinen basler Glauben abfchwur und fich dem Syftem ber Curie in die Arme warf. Lärmenbe Netractation verhülfte die unfanbern Motive feines Abfalls. Den Dialogen, in welchen er einft die hoͤchfie Autorität des Concils vertheidigt, fette er ten cölner Wiberruj entgegen, das Machwerk eines Apoftaten ). Wenn wir num hören, daß er auch ein zweites Gefchichtswerf über das basler Concil gefchrieben, fo liegt die Vermuthung nahe, es werde ſich zum erſten verhalten wie jene beiden Flugfchriften zu einander. Dieſe Vermuthung trifft aber nur in befchränftem Maße zu.

Es war um die Zeit, als das Concordat fich vorbereitete; Kar vajal als apoſtoliſcher Legat und Enea, ſchon durch das tergeftiner Bisthum belohnt, arbeiteten gemeinſam in Wien am römiſchen Ki nige. Da wurde Enea vom Legaten aufgefordert, vie Geſchichte bet Concils und der damit zuſammenhängenden Bewegung zu fchreiben. Carvajal war nicht felber in Bafel gewefen, auch fcheint er von ben erften Commentarien Enea's nichts gewußt zu haben. Dieſe waren überhaupt fo wenig verbreitet, daß Einen weder bei dieſer Gelege beit noch fonft von ihnen zu Sprechen, fie zu wiberrufen für nöthig fant. Es ift das cin beveutendes Moment. Wenn ev num in mühle gen Stunden begann, feine Erinnerungen niederzufchreiben, fo drängte und reizte ihn nicht ver Widerſpruch feiner eigenen Vergangenheit. Auch ließ er fich lange Zeit zu dem Werke. Erſt als er von feiner neapolitanifchen Geſandtſchaft zurücfehrte, alfe nach mehr ale drei Jahren, ſchloß er das Buch ab und fandte es an Carvajal. De mals war nicht nur das basfer Concil längft aufgelöft, auch Car⸗ vinal d'Allemand und der ſavoyiſche Gegenpapft waren nicht mehr unter den Lebeuden.

So ſchrieb Enea dieſe zweiten Commentarien über das Concil

') Pii II supra Decades Blondi ab inclinatione Imperii usque ad item pora Joannis XXIII. Pont. Max. Epitome, ' befonders gedrudt, auch, in ben Opp. edit. Basil. 1551. p. 144 281.

) Bergl. Bd. J. ©. 228 fi.

) Ebend. ©. 415.

III. 11. Die Geſchichte Friedrich's IIT. 325

Trotzdem tritt der reiche Stoff, ven Enea aus feinen reichen Leben

bieten Feunte, am Glänzendſten herver, wenn wir fein Buch mit /

...

ähnlichen Werfen feiner Zeitgenoffen Bartolommeo Fazio und Bes

nebetto Accolti vergleichen '). Neben dieſe biographifche Arbeit ftellen wir tie Geſchichte

Friedrich's III; man Fönnte fie ebenfowohl als Enea's Denf- -

würbigfeiten vor feiner päpftlichen Periode bezeichnen, Cie gehen nämlich, wie fie vor uns liegen, weit über den urfprünglichen Plan hinaus. Es may wahr fein, daß Kaifer Friedrich einmal, nach Ab» Tauf feines unglüdlichen Krieges gegen die äfterreichiichen Landſtände wenn der eine Kampfestag, ber 27. Auguft 1452, als Kricg be— zeichnet werben darf Enea aufforberte, dieſe Dinge zu befchreiben. Man follte daraus fehen, wie böfe die Defterreicher mit ihn, bem Kaiſer, verfahren. Indeß hätte Enea eine Begebenheit, deren Augen- zenge er geweſen, auch chne jene Mahnung feiner ever jchwerlich entgehen laſſen. Obwohl er fich entſchuldigte, daß die Gefchäfte eines päpftlichen Legaten und Taiferlichen Nathes ihm wenig Muße liegen, war die Gefchichte des cintägigen „Bellum Australicum doch fo wenig nach feinem Siun, daß er vielmehr ein Geſchichtswerk oder Memoiren verfaßte, bie etwa 17 Jahre umfpannen, und daß er außerdem noch Vorſtücke hinzufügte, die für fich fchon Heine Werfe bilven könnten. Er durfte nur allerlei bereitliegende Stoffe zufam-

menfegen. Zunächſt Bilvete feine Vefchreitung von Defterreidh und ;

insbeſendre von Wien, obwohl ſie urſprünglich nicht zu diefem Zweck abgefaßt worden und auch nicht im Mindeſten pafjen wollte, doch immerhin eine intereffante Einleitung. Dann folgt eine Gefchichte Defterreich’8 von ven Alteften Zeiten an, wahrfcheinlid auch ſchon ver Jahren abgefaht. Wir bezeichneten oben ben beutfchen Chroni« ften, den Enea mit Hülfe Hinderbach's benugt und anbei Fritifirt. Sobald er auf das Zeitalter ver hohenftaufifchen Kaiſer Fommt, reist es ihn aflzufehr, was er fich aus Dito von Freifing, feinen

) A. S. de viris actate sua claris Opusculum wurde zuerſt nad einer höchſt fehlerhaften Abſchrift veröffentlicht von Manfi im Appendix s. T. IH. Orationum Pii II p. 144—214. Dann machte Palady ital. Reife im 3. 1837 (Abhandlungen der K. böhm. Geſellſch. d. Wiff. Folge V. Bd. 1.) auf dem auto» graphen Cod. Vatic. 3887. aufmerfiom, benfelben, der aud Lie zweiten Cont- mentarien über das basler Concil enthält. Seitdem ift das Werl u. d. T.: De viris illustribus in der Bibliothek (Publication) des fiterar. Bereins in Stuttgart Bd. I. 1843 vollftändiger gebrudt worden.

326 It. 11. Die Geſchichte Friedrich's III.

Fortſetzern und fonft hierüber notirt, anzubringen. Er entfchultigt ben unmäßigen Ercurs über die Hohenftanfen damit, daß ſich dus ſchwäbiſche Blut und das öfterreichifche oſt durch Ehen vermiſcht hätten. Für die weitere öſterreichiſche Geſchichte bis auf Friedrich fehlt e8 ihm aber an einer Onelle. Co läßt er vie Lücke offen und geht mit Furzer Wendung auf diefen über, wenn auch med) Lunge nicht auf den Krieg von 1402. Erft nämlich werden bie Firdjlicgen Berhandlungen erzählt, die mit Friedrich's Königewahl beginnen

und mit dem Concordate abfchliegen, daun fein Verlöbniß und ber | Krönungszug. Wir fehen eben, daß nen behandelt, was er geſe⸗ ben, erfahren, gethan. Wahrſcheinlich Hatte er auch dieſe Stüde

ihon früher gefchrieben; in ver Relation über ten Römerzug meinen wir ein Tagebuch herauszuerlennen. Während bejjelben bereitet man fih daheim zum Kriege vor, der den rüdfehrenten Kaiſer gleichjam empfängt und aljo ben Stern des Werkes bilden fell. Dieſes endigte in feiner erjten Geftalt offenbar niit dem Waffenſtillſtande. Erſt alt er Deutfchland bereits verlajjen hatte, als Cardinal, führte Pic lomini fein Wert bis zum Untergange des jungen Ladislaus fett, obwohl vabei des Kaiſers Perſon wie ein bloßer Zufchauer im Hit tergrunde fteht. Podiebrad und Matthias bejteigen vie Throne von Böhmen und Ungarn. Enea fchließt feine Dentwürdigfeiten mit ven Worten: Nobis persuasum est, armis regna acquiri, non legibur. Wenige Wochen tarauf gehörte auch er felber zu den neuen Gem jchern ver Welt.

Zu dieſer jtüdweifen Abfafjung kommt noch eine Reihe ven größeren Epifoden über die Bäpfte Eugen IV und Nicolans V, über Srancedco Sforza und Fortebraccio, die Bantenführer, über Ne beiden Grafen Cilly, über den heiligen Bernardino und Giovanni da Capiſtrano, ver Stäbtebefchreibungen und antiquarifchen Ercnie bier nicht zu gebenfen. Daß Enea vie Traum - Erzählungen, Mt Papit und Kaifer austaufchten, zweimal berichtet "), zeigt, daß er fhen die erften Stüde nicht in einem Zuge niederfchrieb, Daß er aber die Befchreibung ven Nürnberg und vie Händel des Martgre fen Albrecht mit viefer Statt, die er einem früheren Theile bereitd eingefchoben, im Schlußtheile noch einmal und mit wörtlicher Ueber⸗ einftimmung vorbringt ), beweifet mit Evidenz, daß er ſich um bie

9.136 und 296 in Kolsare Edition. ) p. 105 und 418.

III. 11. Die Gefchichte Friedrich's IT. 397

Iufammengehörigfeit diefer Theile gar nicht fümmerte. Das letzte Stud fehlt vaher in ven meiften Codices und Druden; Hinderbach annte das Werk auch nur bis zur Erzählung von der Freilaffung es Ladislaus. Nur wehige Eremplare wurden weitergeführt, und benfo wurben die Vorſtücke nur wenigen beigegeben, während fie agleich als beſondere Werke erſcheinen). Nur ver nenefte von kollar beforgte Abdruck ift ein volljtändiger *).

Bei der memoirenhaften Natur dieſes Werkes iſt es wichtig zu rgrünben, wie fih Enea über folhe Partien unterrichtete, bie er elbft nicht unmittelbar erichte Er erzählt doch ausführlicd), was in Jefterreich und den angrenzenden Ländern vorging, während er in alien war; er kennt ven italienifchen Zug Friedrich's genau auch we der Zeit, als er in Siena mit ihm zufammentraf. Was er son den legten Jahren des Yapislaus, oft mit großer Specialität ihlt, ging Alles vor, nachdem ev Deutjchland Tängft verlaffen. Dan fieht aber, daß er fich von Augenzeugen berichten ließ, daß sm Actenftüce, vie bei dem Staiferhof ein- und ven demfelben aus— Hngen, zu Gebote ſtanden. Waren fie im teutfcher Sprache abge⸗ aft, fo mußte Hinderbach fie ihm auslegen ’). Die Eorresponvenz mer Zeit ijt leider faft ganz verloren, fie würbe und ohne Zweifel ie Quellen ver Geſchichtserzählung zeigen, wie wir diefelben für bie eten Zeiten des Ladislaus noch ziemlich nachzuweiſen vermögen. >0 berichtete Nicolans Liecius ans Bolterra, Protonotar des Kö— igs von Ungarn und Böhmen, dem Piccolomini ausführlich über te, Ermordung des Grafen Cilly) und dann über den Tod feines igendlichen Königs, worüber gleichzeitig auch Fohann Rhode und rokop von Rabſtein fchrieben und ihre Anfichten über die Todesart usſprachen“). Bon ver Schlacht bei Belgrad und Hunyadi's Top fuhr Enea durch den Carbinal ven S. Angelo ®). Ferner fchrie- n ihm über vie Greigniffe in Wien und in Ungarn, von ben

) So übergeht Pius felbft Europa cap. 22. Defterreidh, de qua propriam istoriam edidimus,

) in Kollarii Analecta Monum. Vindob. T. II. Vindob. 1762. Hier ndet fi zugleih bie Sefchichte und Beſchreibung ber einzelnen Codices und usgaben. Vergl. die Anmerk. auf p. 112.

2) Diefer bezeichnet fi in ber Continuatio Histor. Austr. bei Kollar . p. 555 ale Enea's interpres instigatorque.

*) Bergl. Enea’s Antwort an ihn v. 10. März 1457.

*) Der Brief Rhode's an Piccolomini dat. Wien 20. Dec. 1457.

e) Bergl. f. Briefe an biefen v. 8. März und v. 17. Nov. 1457.

2

III. 11. Die päpfllicden Kommentarien. 337

führt hat, zeugen innere und äußere Gründe bis zur Evidenz. Pius bictirte einige Seiten feines Tagebuches, wann die Gefchäfte des Pontificates ihm gerade Muße liefen. Es gefchah in abgerijjenen Stunden, e8 war fchon viel, wenn er zwei Stunden nach einander folcher Arbeit widmen konnte, und diefe wurden oft jchlaflofen Nächten abgewonnen ')., So beiteht das Werk aus eingg Menge Fleinerer und größerer Abfchnitte, die loder und oft willfürlich miteinander verbunden find. Nur das erite Buch ift mehr aus einem Gufie gejchrieben: es enthält Pius’ Leben vor feiner Erhebung auf ven römifchen Stuhl und wurbe eben nachgeholt. Sonft ließ der Bapft nieberjchreiben, was ihm vie legten Tage gebrucht, politifche und nichtpolitifche Dinge ). Manche Materien verfah er aus dem Schage feines Wiſſens und jeiner Sammlungen mit geographifchen over hiftorifchen Einleitungen, Anderes jchob er feiner Neigung gemäß epijodifch ein. Um Xiebiten verweilte er bei jeinen vergnüglichen Reifen, bei ven Ehren und Huldigungen, die ihm wiberfahren, bei dem Glanze jeiner kirchlichen Feſte, in denen ſeine Majejtät und feine Berebtjamteit ſtrahlte. Das wir aber ein Tagebuch vor ung haben, zeigt jchon vie Ordnung der Dinge; venu nicht die Ereig- niffe an fich bilden eine Folge, ſondern die Zeit, in welcher Pius Nachricht von den Ereignifjen erhielt, giebt den Faden ber Erzäh— fung. Dadurch entjteht oft nicht geringe Verwirrung, die dem Papite felber nicht entging. „Unſere Erzählung jpinnt ſich nicht nach ver Zeitfolge fort. Wir juchen das Gefchehene der Wahrheit gemäß zu überliefern, ohne auf Jahr und Monat ängjtlich zu achten, wenn fie nicht ausprüdlich von Uns angegeben worden jind. Vielleicht wird ein Anderer einmal die Arbeit auf ſich nehmen, die Zeitord- nung berjujtellen. Unjere Muße reichte dazu nicht hin« ?).

Auch in ftilijtifcher Beziehung war Pius mit feinen Dictaten nicht zufrieden. Es fehlte mehr als nur die letzte Feile. Die im- mer wieberfehrenden Zemporalverbindungen mit Paulo ante Paulo post Per idem tempus Non diu post Interea

!\ Campanus Vita Pii Il ap. Muratori Scriptt. T. III. P. 11. p. 983. Platina in Vita Pii II edit. s. c. p. 639.

2) In der Einleitung zum 13. Buche jagt er: Servabimus et in hoc opere, quod in superiori diligenter est factum: non solum quae ad bellum Turca- ‚nicum pertinebunt, sed alia quoque gesta Pii ac aliorum regun populo- rumque intercidentia, digna quae ad posteros mandentur, intesseremus.

’; Comment. p. 168.

Voigt, Enea Silvio II. 22

im, 11. Die päpflliden Commentarien. 341

Aus diefem Exemplar ließ 1584 Francesco Bandini de’ Piccolomint, Erzbifhof von Siena, einen Drud veranftalten. Er erflärte ven Schreiber für ven Verfaſſer oder Bearbeiter, ein Irrthum, der feit- bem aus einem Buche in das andere vertragen wurbe. Er meinte auch, daß die andern Manufcripte Verfälfchungen enthielten, welche die Keßer eifrig aufzugreifen pflegten, und darum ließ er feine Hand— fchrift als die authentifche drucken). Wenn aber authentifch ift, was der Papft jelber gefchrieben, fo vervienen gerade jene Hand— fchriften den Vorzug, welche aus dem unbearbeiteten Exemplar co» pirt wurben und weder von Campano noch von Gobellinus etwas wiffen.

Zwei große Werke, die Afia und die Commentarien, fallen in die Zeit des Apoſtolates. Die Bearbeitung des Biondo, eine lange Reihe von Reden und Bullen gehören in viefelbe Periode. Pius fieht einen Vorwurf der Menſchen voraus: woher fommt, werben fie fagen, dem Papfte dieſe Muße, entzieht er nicht der Chriftenheit alle die Zeit, die er zum Schriftitellern verbraucht? Dagegen ver- theibigt er ſich: er habe fein Amt nicht vernachläffigt, die Confifto- rien nicht verfäumt und die Bittenden nicht abgewiefen; in jener Zeit, die er der Ruhe des Alters und dem nächtlichen Schlafe ent- zogen, habe er jeinen Geiſt erfrifht. Die Gefchichte fei ihm bie Zebrmeifterin des Lebens gewefen ?). Ebenfofehr, fügen wir hinzu, war ihm das Leben ver Lehrmeifter in ver Geſchichte. Die unbe- dingte Größe, ven Heroismus legte er in längft vergangene Zeiten; die Menſchen, welche ihm das Leben vorübergeführt, fah er menſch⸗ fih wandeln und handeln.

Dioecesis hoc opus anno Domini 1464. die XII. mensis Junii exscripsi fe- lieiter. cf. Steph. Borgia in ben Anecdota litter. Vol. III (Romae 1774) p. 261. Diefer ſchöne, auf Pergament gefchriebene Cober enthält nur die 12 Bü⸗ der. Es ift nit unmöglich, daß jener Abſchreiber berjelbe Johannes de Linss if, den wir in der Acceptation der basler Decrete von 1439 bei Koch Sanctio pragm. p. 168 unter den Zeugen neben Heinrich Leubing finden.

1) Die Widmung an Papft Gregor XIII. Die erfte Ausgabe Romae 1584 wurde ebend. 1589 und dann Francofurti 1614 abgebrudt.

?) Praefatio zur Kosmographie (Asia).

368 II. 12. Pius und ber beutihe Humanismus.

Auch ermunterte e8 die beutfchen Talente nicht wenig, baß fie dieſen Enea, den bichterifchen Canceliften, auf ven apoftolifchen Thron fteigen ſahen. Nun erit blidten fie mit Stolz auf ven hu- maniftiichen Lehrer und bielten Verfe für würbig vor die Häupter ber Chriftenheit gebracht zu werben. Dem Bapfte felbft widmete ein. gewiffer Hieronymus von Eichſtädt, der durch feine Gnade eine Commende im Klofter Rebdorf erhalten, feinen Dank in herzlich ſchlechten Diftihen. Er befang feine Freigebigfeit und vergab auch nicht, ihn als Lehrer der deutſchen Nation zu preifen ').

Gedenken wir der reichen Zahl von Hanbfchriften, in denen Enea's Tractate und Briefe, Gefchichtswerfe und Neben über Deutfch« land verbreitet find, diefer berebteften Zeugen ver literarifchen Pre paganda, gedenken wir ver Vorliebe, mit welcher dann mehrere feiner Schriften gerade in Dentfchland immer wieder und wieber gebrudt wurden, fo ift e8 unleugbar, daß Enea der Dichter und Redner hier ein befferes Andenken zurüdgelaffen als Enea ver firchen- politifche VBorkämpfer und Pius der Papft.

') Saepe tuis scriptis gentem ornatam docuisti. Diefe Cpigramme fanb ih im Cod. lat. 459. der münchener Hofbibl. fol. 14— 16.

309

versus Marsiliam navigavit, sperans onustam frumento navem inter- cipere posse, quae ferebatur ex Provincia, Savonam petere. (uod ubi non successit, una amissa navi quae scopulis illisa periit, ver- sis retro proris Populinum seu ut ajunt Plumbinum ad neptis virum se contulit. Arcem Genuae nepotli commisit, quam ferunt in plures menses esse munitam. Hunc Genuae statum pontifici Fabianus significavit apud Petriolos agenti ?°), ubi et legatus archiepiscopi ex Plumbino missus auditus est, nihil nisi querelas de Mediola- nensi afferens et plena desperationis verba. Haec mutatio Genuae expeditioni contra *) Turcas institutae haud parum obfuit. Genuen- ses enim, qui octo caeteas naves et fortissimos bellatores Pio pro- ıniserant, his acti calamitatibus non potuerunt promisso satisfacere.

Dum haec aguntur, Philippus Burgundiae dux ex convento classem armare atque ilineri se accingere magno studio parat, ne- que voces audire vult dissuadentium. Quorum magnus erat nu- merus: quidam labores horrebant atque pericula, nonnulli sumptus; verum praecipui dissuasores habiti sunt Joannes et Antonius Croi, quos gratia et auctoritate apud Burgundum nemo praecessit. His molestissima erat dueis profectio, quoniam odiosi essent Carolo dueis filio nec tutum sibi existimarent, absente Philippo, quem putabant nunguam rediturum, sub imperio fili, quem regnare oportebat, relinqui. Suadere igitur‘ Philippo, ne tam longin- quam expeditionem, juveni nedum seni periculosissimam aggre- deretur, parceret actati, parceret eis, quos sine ullo praesidio in potestate Caroli, qui se non amaret, relicturus esset, parceret pa- triae, quam omni auro et argento ejus incommoda profectio ex- hauriret, nollet plus aliena quam sua curare. Non auscultarit Philippus pravis consiliis, mansit immobilis in proposito suo, et quanto magis profectio dissuadebatur, tanto magis ac magis festi- nare itineris comites jubebat. Filius per idem tempus in Olan- diam secesserat, iram patris declinans, quem videbatur nonnullis de causis oflendisse. Crois nihil acceptius erat quam patris dissi- dium ac filii crescere, atque ad eam rem per artifices idoneos in- dies navabant operam, haud dubii quia odio crescente impediretur profectio. Verun neque hoc pacto voli compotes facti!) sunt.

s) Cod. Vall.: in. t) Cod. Cors.: eflecti.

9) Alfo nad den Regeften im April 1464. Voigt, Enea Silvio I. 24

871

futurum qui primo neglecto termino in secundo spem poneret; hortari et obsecrare, ne rerum ordinem interrumperet °°). Epistolae in eam sententiam scriptae per plures tabellarios multiplicatae transmissae sunt, ut si unus aut alter in via deficeret aut interciperetur, tertius aut quartus ad Burgundum perveniret. Neque inutilis diligentia fuit, siquidem primus morbo in itinere retentus est, alii vix tandem post multos labores iter suum per- fecerunt. Philippus tunc forte Brugis apud Flandrenses agebat, ubi fillo veniam dederat. (Qui lectis pontificis literis, quamvis erat suopte ingenio ad res maturandas ardens satis, inde tamen arden- tior effectus est. Avertire igitur classis praefectos navesque in- struere, commeatun: parare, machinas colligere, deligere milites, cuncta disponere, quae diligentis imperatoris curae incumbunt, ora- toribus Venetis atque apostolicis spem optimam facere. Quod cum Croi animadverterent, ingenti moerore metuque perculsi Francicum regem adeunt, unicumque suae salutis remedium inveniri posse ajunt, si sua serenitas ex Parisiis Tornacum se conferat; daturos se operam, ut Philippus ad eum veniat; illic facile ejus iter re- tardari posse. Annuit rex nec mora Tornacum venit. Indignam, inquiunt, rem feceris, nisi longinquam in expeditionem profecturus Jominum tuum prius accedis, qui adeo propinquus est; quin pro- peres; brevis est via; non feret aequo animo rex, si se insalutato recesseris. Quibus Burgundus: bene, inquit, monelis, ibo ad In- sulas Lisliam °?') alii vocant insigne oppidum ibique bellicas revisam machinas, multas illic habeo, quas mecum deferre constitui; inde Tornacum ad regem me conferam. Nec moratus, saeviente tamen hieme nivibusque late campos tegentibus, Insulas petit. Sed rex a Crois edoctus Philippum praevenit atque Insulis con- venit. Quem ita allocutum ferunt. Egregium facinus, pulcher con- sanguinee, aggressus es, qui pro tuenda religione expeditionem in Graeciam paras. Digna res est nostro sanguine”), nec ego te

v) Cod. Cors.: genere.

m Wir finden dieſes Breve vom 22. Jannar 1464 bei Raynaldus Annal. eccl. ad a. 1464 n. 4—10. Am folgenden Tage ließ ber Papſt noch eine Nachſchrift abgehen, melde fih in der mailänder Ausgabe feiner apoſto⸗ liſchen Briefe als epist. 52. findet.

29 Lille in Flandern, ehemals Insula genannt, weil bie Stadt zwifchen den Flüfſen Lys und Deule liegt.

878

duci traditum. Quidam asserunt ita voluisse ducem sibi mandari neque regem bene se gerenti talia praecepturum fuisse nisi roga- tum. Veritas in obscuro est. Profectioneın ducis certum est fuisse impeditam, queinadmodun ipsius ducis litterae missae ad Pium pontificem declarant ??), quamvis non impeditum iter sed in alterum annum dilatum affirmaret. Verum in sene jam decrepito unius anni mora totius vitae tempus secum affert. Croi victores tandem maligni propositi evasere. Dux parten classis in tempore missu- rum promisil.

Dum haec in Flandria tractantur, Pius distributa pecunia, quam civitates ecclesiae in expeditionem conferre decreverant, pridie nonas Februarias e Roma discessit, curandae valetudinis gratia Petriolos accessurus, ubi calidas aquas adınodum salubres scaturire putant. Iter difficillimum venti, pluviae, fulgura et nives fecere. Difficul- tatem auxit Eversus Anguillariae comes, nec deo nec pontifici aut cuipiam fidus homini °*). Cujus agros declinare oportuit et a Ci- vitate Castellana per asperrimum Cimini jugum montis altissimi nive tectum, cum plerisque turmis equitum tutelae causa convocatis, Viturvium petere. Cum Senas venisset ad Xlll. Calendas Martias °’*) nec cessasset rigor hyemis, ibi per quadragesimam et paschalia festa commoratus est. In dominica quadragesimae quarta ’*) auream rosam benedixit et Francisco Mediolanensium duci dono dedit *), quam ılle multoyhonore et gratissimo animo accepit. In dominica Palmarum ?’) palmas et olivarum ramos de more consecravit di- stribuitque cardinalibus, episcopis ac universo clero et prioribus

w) Cod. Cors.: misit.

33) In diefe Zeit gehört Pins’ Brewe an ihn von 25. März 1464, welches in der basler Ausgabe feiner Werke als epist. 382 zu finden ift.

’») Cf. Comment. lib. XI. p. 305 edit. Francof., aud) Card. Jacobi Piccolom, epist. 158 in derjelben Ausgabe.

>») Hier lieft der Cod. Cors. flatt XII: novem. Wenn aber Pius die ganzen Faflen, alfo auch ſchon den erfien Sonntag derfelben, den 18. Februar, in Siena zubrachte, wie denn auch Franciscus Thomasiusap. Muratori Scriptt. rer. Ital. T. XX, p. 61 beriditet, daß er das ganze quadragenarium jejunium über kränklich geweſen fo fanı nur bie Lesart XIII. Cal. Mart, richtig fein. -- Doch ift zu bemerfen, daß nah Malavolti Historia de Sanesi. Venezia 1599. P. II. fol. 67 Pius erft am 24. Yebruar 1464 nah Siena ge fommen jein fol, was ohne Zweifel unrichtig ifl.

’) 11. März 1464, wie üblich am Sonntage Laetare.

2) 25. März.

gn

jurationem, rogant ut audentibus sine cunctatione opem afferat. Adsit cum toto exercitu ad .moenia Tegestae, futurum ut nobilem et opulentam urbem in potestatem suam redigat. Negat rex ex sua dignitate esse urbem furto capere; regibus aperta bella decere, nocturna et insidiosa minoribus relinquenda.. Verum quando ita persuasi sint magnanimi proceres, nolle occasionem relinquere. Regium fratrem apud Alcasserum Tegestae propinguum cum parte copiarum consistere; illi se daturum negotium. Pergunt alacres conjurati constitutaque nocte scalos muro admovent, ascenditque pars major et audentior. Cum reliqui festinant, scalae franguntur: pars praeceps ruit, pars saltu in urbenr descendit. Fit tumultus in civitate tanquam in urbe capta.. Oppidani multos arbitrati in- gressos hostes, uxores ac pueros et quae illis carissima fuerunt, in arcem exportavere. Orta deinde luce animadvertentes non mul- tos esse, qui urbem intraverant, veriti exercitum majorem extra muros portis haerere, non audebant congredi. At missis explora-. toribus, postquam didicere perpaucas et contemnendas copias esse in castris Y) nec regem adventasse, animos erexerunt circumdatos- que infelices conjuratos partem in captivitatem accipere, septuaginta nobilium capita sale condita regi Feciae **), cui Tegesta paret, missa feruntur. Frater regis cum tardiuscule adventasset nec portas, ut arbitrabatur, apertas invenisset, nec scalas haberet, quibus moenia scandere posset, retro moestus abiit. Atque in hunc modum du- plici damno Alphonsus rex mulctatus est, praestantibus viris supra ducentos quinquaginta apud Tegestam amissis, et in mari navibus tempestate allisis, in quibus et viri et equi non pauci et preciosae supellectiles perierunt. Finis.

y) Cod. Cors.: campis.

) ji. e Fez.

Boigt, Enea Silvio IL. ..25

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