A. i * £ K vr : • !&8r fä ^r I r^- ( z: I, • : am. I- ENTWICKLUNGSGESCHICHTE DES MENSCHEN UND DER HÖHEREN THIERE. Digitized by the Internet Archive in 2011 with funding from Open Knowledge Commons and Harvard Medical School http://www.archive.org/details/entwicklungsgesc1861kl ENTWICKLUNGSGESCHICHTE DES MENSCHEN UND DER HÖHEREN THIERE. AKADEMISCHE VORTRÄGE GEHALTEN ALBERT KÖLLIKER, PROF. DER ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT WURZBÜRG. MIT FIGUREN IN HOLZSCHNITT. LEIPZIG, YBKLAG VON WILHELM ENGELMAM. 1861. Das Recht der Uebersetzung bleibt vorbehalten. YORWOET. Die Vorlesungen über Entwicklungsgeschichte, welche ich hier- mit veröffentliche, beanspruchen keineswegs eine ausführliche Dar- stellung des ganzen seit Jahren aufgespeicherten embryologischen Materiales zu geben, vielmehr sollen dieselben einfach den Studiren- den und Aerzten, sowie Allen denen , welchen das Studium der Specialarbeiten zu sehr abseiten liegt, eine kurze und bündige Uebersicht der wichtigeren Thatsachen und des neuesten Stand- punetes der Wissenschaft mit Bezug auf allgemeine Fragen geben. In der Darstellung ging mein Streben vor Allem auf Klarheit, und hoffe ich, dass es mir. gestützt auf eine Jahre lange Uebung in Vor- tragen aus diesem Gebiete, gelungen sein werde, dasselbe in einer solchen Weise zu beherrschen und aufzuschliessen, dass auch dem Anfänger die Schwierigkeiten nicht zu gross erscheinen. Immerhin bitte ich zu bedenken, dass die Entwicklungsgeschichte zu den Wis- senschaften gehört, die nur durch ein gründliches und ernsthaftes Studium sich angeeignet werden können. Ueber das Aeussere des Werkes erlaube ich mir Folgendes zu bemerken. Die Vorlesungen sind wesentlich in der Form, in der sie hier erscheinen , im Sommer dieses Jahres gehalten und von zweien meiner talentvollsten Zuhörer, den Herren L. Seuffert von Schweinfurt und M. Tuchmann ausUhlfeld stenographirt und ins Reine gebracht worden. Der vielleicht auffallende geringe Umfang mancher derselben erklärt sich theils aus der kurzen akademischen Vorträ- gen zugewiesenen Zeit, namentlich aber aus dem Umslande, dass yj Vorwort. embryologische Vorlesungen ohne eine Anfertigung vieler Zeichnun- gen nicht durchzuführen sind. Die grosse Bedeutung der Abbildun- gen für das Versländniss der Entwicklungsgeschichte hat mich auch bewogen, das Werk selbst nach Möglichkeit mit solchen auszustatten und hoffe ich, dass die beigegebenen Originalzeichnungen sowohl, als die Gopieen aus den bewährtesten Monographien , welche die geschickte Hand des Herrn Lochow auf Holz gezeichnet und Herr Flegel mit immer gleicher Vortrefflichkeit geschnitten hat, wesent- lich dazu beitragen werden, das Ganze dem Verständnisse näher zu bringen. Eine Veranschaulichung aller und jeder Verhältnisse durch Abbildungen, wie sie bei Vorträgen leicht ist, war jedoch nicht durchzuführen und verweise ich in dieser Beziehung nament- lich auf die grösseren Werke von Bischoff, Ecker, Erdl, Coste, Bathke und Bemak. Zürich im October 1860. A. Kölliker. Erste Vorlesung. Meine Herren ! Die Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Geschöpfe, mit der wir uns in diesen Vorträgen beschäf- tigen werden, ist von jeher ein Lieblingsthema der Aerzte und Ana- tomen gewesen. War es im Anfange wohl vor Allem der eigen- thümliche Zauber, den das Forschen nach dem ersten Werden und Entstehen des so zusammengesetzten thierischen Organismus auf das Gemüth ausübt, der zu diesem Studium drängte, so gesellten sich zu dieser Triebfeder bald noch manche andere und mehr prac- tische. Der Geburtshelfer, der Chirurg, ja selbst der mit den inne- ren Krankheiten beschäftigte Arzt fand häufige Veranlassung nach dieser Seite die Blicke zu wenden und so kam der Anatom und Phy- siolog von selbst dazu, auch diesem Theile der Wissenschaft eine grössere Rücksicht angedeihen zu lassen. Bei einer so wichtigen und tief eingreifenden Disciplin konnte es dann auch nicht anders ge- schehen, als dass dieselbe nach und nach immer mehr in den Vor- dergrund trat, bis sie endlich, nachdem die vergleichende Anato- mie und die Histologie die Erforschung des allmäligen Werdens der Formelemente und Organe als die eigentliche Grundlage einer jeden wissenschaftlichen Untersuchung bezeichnet hatten, ihren Rang an der Spitze der anatomischen Lehren einnahm. Betrachten wir den Entwicklungsgang der Embryologie etwas genauer und im Einzelnen, so finden wir, dass dieselbe, obschon im Allgemeinen in ihrer Geschichte der Anatomie und Medicin gleich- laufend , doch nicht ganz die Geschicke dieser Wissenschaften theilt und sich langsamer als sie entwickelt hat. Während die Anatomie im 16. Jahrhundert ihr Wiederaufblühen feierte, beginnen die bes- Köllik er, Entwicklungsgeschichte. Erste Vorlesung Erste Periode. Aristoteles. 16. und 17. Jahrhundert. seren embryologischen Untersuchungen erst ein Jahrhundert später und fällt die erste wissenschaftliche Bearbeitung dieses Gebietes in eine noch viel jüngere Zeit. Will man in der Geschichte der Embryo- logie Perioden unterscheiden, so kann man nur zwei annehmen, eine erste von den Anfängen bis auf die erste wissenschaftliche Bearbei- tung durch Caspar Friedrich Wolff in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und eine zweite von Wolff bis auf unsere Zeiten. Die erste Periode anlangend, so ist von den Leistungen des Al- terthumes nicht viel auf uns gekommen, immerhin wissen wir soviel, dass schon bei den Griechen eine gewisse Summe von embryologi- schen Kenntnissen sich fand, die bei Aristoteles ihren Höhepunct erreichten. In seiner Schrift tieql tcpcuv yeveoeog, vor Allem aber auch an andern Stellen hat dieser grösste Forscher des Alterthumes eine Menge feiner Beobachtungen über die Zeugung und Entwick- lung der Thiere mitgetheilt, unter denen manche, nachdem sie ganz allgemein dem Unglauben und der Vergessenheit anheimgefallen oder nicht verstanden worden waren, erst in unseren Tagen wieder ans Licht gezogen und als richtig erkannt worden sind, wie die über den glatten Hai mit einerPlacenta, den Dottersack der Tintenfische, die Erzeugung der Bienen , die Begattungsarme der Cephalopoden u. a. mehr. Und wenn auch Aristoteles in seiner Erkennlniss des bebrüteten Hühnchens nicht gerade weit gekommen zu sein scheint, indem er das Herz [Gily^u] ynvov/.t€vr], "punctum saliens der Ueber- setzer) als den zuerst gebildeten Theil ansah, so unterliegt es doch keinem Zweifel, dass er der Erste war, der mit Bewusstsein embryo- logische Untersuchungen vornahm, und in diesem Gebiete das Beste im Alterthume leistete. Alle andern untergeordneteren Arbeiten übergehend wenden wir uns gleich zum Mittelalter, in dem mit dem Wiederaufwachen der Anatomie auch die Embryologie neu entstand. Immerhin schritt die Anatomie derselben bedeutend voran und habe ich Ihnen, ohne von den grossen Anatomen Vesal, Eustachi und Fallopia in dieser Beziehung elwras melden zu können , Fabricius ab Aquapexdente, Professor in Pavia und Schüler von Fallopia, als den Ersten zu be- zeichnen, der in seinen Schriften de formato foetu 1600 und de for- matione foetus 1604 die ersten unvollkommenen Beschreibungen und Abbildungen zur Entwicklungsgeschichte des Hühnchens, der Säuge- thiere und des Menschen gab. Aus dem 1 7. Jahrhundert sind zu er- Historische Einleitung. 3 wähnen : A. Spigelius de formato foetu 1631 , den Menschen betreffend und durch Naivität der Abbildungen sich auszeichnend; C.Needham, de formato foetu 1667 mit Darstellungen von Säugethierembryonen ; Harvey, Exercitationes de generatione animalium 1 652 mit Untersu- chungen über das Hühnchen und die Säugethiere, die jedoch mit Bezug auf letztere zu keinen erheblichen Resultaten führten, wäh- rend Regner deGraaf (f 1673) durch seine Abhandlung de mulierum organis (Opera omnia 1677 Cap.XVl.), durch den Nachweis der nach ihm benannten Follikel im Eierstocke und des Säugethiereies im Ei- leiter, sowie durch seinen Ausspruch Omne vivum ex ovo von einem durchgreifenden Einflüsse auf den Gang der weiteren Forschungen war, obschon es ihm nicht gelang, das Säugethierei im Eierstock wirklich zu demonstriren, dessen Entdeckung er jedoch sehr nahe war. Swammerdam ferner (f 1 685) gibt in seiner Bibel der Natur die Entwicklung des Froscheies und die erste Abbildung eines Fur- chungsstadiums des Dotters (Tab. XLVIII) , Leeuwenhoek wird von Einfluss durch seine Beschreibung der Samenthierchen, Vallisneri und Verbeyen (Anat.corp.kum.) verfolgen die Eierstöcke im Sinne von Graaf weiter. Alle aber übertrifft Marcellus Malpighi, der in seinen zwei Abhandlungen de formatione pulli und de ovo incubato (Opera omnia Lugd.-Bat. 1687 Tom. II) die erste zusammenhängende Ge- schichte des Hühnchens mit vielen feinen Beobachtungen und ver- hältnissmässig schon sehr guten Abbildungen gibt. Das 18. Jahrhundert brachte in seiner ersten Hälfte nicht viel is. Jahrhundert. Erhebliches in unserer Wissenschaft, indem die wenig erquicklichen Discussionen über die Betheiligung der Eier und der Samenfäden an der ersten Anlage des Embryo (Ovisten und Animalculisten) und über die Frage, ob der Embryo im Ei vorgebildet sei oder nicht (Theorie der Evolution und Epigenese) die Forscher mehr beschäftigten als die Verfolgung der Thatsachen , und kann ich Ihnen aus dieser Zeit kaum etwas weiteres namhaft machen als Albinus Icones ossium foetus 1737 und A. v.Haller's Arbeiten, die besonders in seiner gros- sen Physiologie und in Deux memoires sur la formation du coeur Lau- sanne 1758 niedergelegt sind. Da tauchte in der zweiten Hälfte die- ses Jahrhunderts ein Mann auf, dem die Entwicklungsgeschichte nicht blos eine Reihe der genauesten Einzelbeobachtungen, sondern auch ihre erste wissenschaftliche Begründung verdankt, so dass wir vollkommen berechtigt sind , von ihm an eine neue Periode zu datiren. 1* 4 Erste Vorlesuni;. zweite Periode. Casfar Friedhich Wolff , ein Deutscher , der später als Aka- demiker in Petersburg lebte, hat schon durch seine Dissertation: Theoria generationis Halae 1 759 (zum zweiten Male deutsch her- ausgegeben Berlin 1764) die Augen seiner Zeitgenossen auf sich gezogen, und dann später durch eine zweite Abhandlung de form a- tione intestinorum in Novi Commenl. Acad. Sc. J. Petrop. XII. 1768 und XIII. 1769, deutsch von Meckel, Halle 1812, seinen Ruf für immer begründet. Versuchen wir, das besonders Hervorragende in den Leistungen Wolff's genauer zu bezeichnen , so möchte Folgen- des vor Allem zu betonen sein. Wolff ist einmal Vorkämpfer der Theorie der Epigenese und ihm vor Allem hat man es zu danken, dass die von so gewaltigen Gegnern wie Haller und Boxnet ver- theidigte Evolutionslehre endlich unterlag. Von welchem Einflüsse diess auf die Entwicklungsgeschichte sein musste, werden Sie leicht einsehen, wenn Sie bedenken wollen, dass nur bei der Annahme einer allmäligen Entstehung des Embryo aus einer einfachen Anlage das Streben nach einer genauen Verfolgung des ersten Werdens des- selben sich kund geben kann, während die Theorie der Evolution oder der Entwicklung durch einfache Enthüllung schon gebildeter Theile jeder weiteren embryologischen Untersuchung von Hause aus den Weg versperrt. Es hat nun aber Wolff nicht blos theoretisch der Entwicklungsgeschichte die Bahn bezeichnet, auf der sie vorzu- schreiten hat, sondern dieselbe forschend auch selbst betreten und in seinen Untersuchungen über die Entwicklung des Hühnchens alles bisher Geleistete weit übertroffen. Neben vielen wichtigen Entdeckungen mit Bezug auf die erste Anlage der Organe, wie z. B. derjenigen der nach ihm genannten LJrnieren, nenne ich Ihnen vor Allem seine Studien über die Bildung des Darmkanals, von dem er nachweist, wie er aus der Form eines flach ausgebreiteten Blattes zu einer Halbrinne wird, dann vorn und hinten sich schliesst und endlich zu einem vollständigen, vom Dottersacke abgeschnürten Ka- näle sich gestaltet, an dem dann noch in letzter Linie die äussern Ausmündungen sich bilden. Durch diese Untersuchung Wolff's wurde zum ersten Male ein Organ von seinem ersten Anfange an bis zu seiner Vollendung verfolgt, und, was noch wichtiger ist, die Bildung eines so zusam- mengesetzten Apparates, wie der Darm, auf eine ein- fache blattartige primitive Anlage zurückgeführt. Fast noch einflussreicher als durch diese Untersuchunsjen wurde Historische Einleitung. 5 aber Wolff durch seine theoretischen Betrachtungen , durch den allgemeinen Slandpunct, den er einnahm. Wolff ist der Entdecker der Metamorphose der Pflanzen und nicht Göthe, was dieser selbst anerkennt, und hat er als junger Mann von 26 Jahren in seiner Dis- sertation diese Lehre in ihrem ganzen Umfange vorgetragen. Die Zurückführung aller wesentlichen Pflanzentheile mit Ausnahme des Stengels auf das Blatt musste ihn natürlich auf den Gedanken brin- gen, auch die Generationstheorie der Thiere in ähnlicher Weise zu entwickeln. Er findet jedoch bald, dass, bei der grossen Verschie- denheit der Organe, Ein Primitivorgan analog dem Blatte hier nicht ausreicht und unmöglich vorhanden sein kann. Bei weiterer Ver- folgung dieser Angelegenheit nun fallt ihm die Aehnlichkeit der er- sten Anlage des Darmes mit derjenigen des Nervensystemes , des Gefässsystemes, der Fleischmasse und des gesammten Keimes über- haupt auf (Ueber die Bildung des Darmkanals St. 111), und so kommt er schliesslich (1. c. St. -157) zu folgendem merkwürdigen Ausspruche, in dem die ganze neuere Lehre von dem Aufbaue des Leibes aus mehrfachen blattartigen Primitivorganen im Keime an- gedeutet ist : »Diese nicht etwa eingebildete, sondern auf den sicher- sten Beobachtungen begründete und höchst wunderbare Analogie von Theilen , die in ihrer Natur so sehr von einander abweichen, verdient die Aufmerksamkeit der Physiologen im höchsten Grade, indem man leicht zugeben wird, dass sie einen tiefen Sinn hat und in der engsten Beziehung mit der Erzeugung und der Natur der Thiere steht. Es scheint, als würden zu verschiedenen Zeiten und mehrere Male hinter einander nach einem und demselben Typus ver- schiedene Systeme, aus welchen dann ein ganzes Thier wird, gebil- det, und als wären diese darum einander ähnlich , wenn sie gleich ihrem Wesen nach verschieden sind. Das System, welches zuerst erzeugt wird, zuerst eine bestimmte eigenthümliche Gestalt annimmt, ist das Nervensystem. Ist dieses vollendet, so bildet sich die Fleisch- masse, welche eigentlich den Embryo ausmacht, nach demselben Typus .... Darauf erscheint ein drittes, das Gefässsystem, das gewiss .... den ersteren nicht so unähnlich ist, dass nicht die, als allen Systemen als gemeinsam zukommend beschriebene Form, in ihm leicht erkannt würde. Auf dieses folgt das vierte, der Darmka- nal , der wieder nach demselben Typus gebildet wird, und als ein vollendetes, in sich geschlossenes Ganze den drei ersten ähnlich er- scheint. « 6 Erste Vorlesung. Endlich erlaube ich mir auch noch , Ihnen anzuführen , dass, worauf Huxley zuerst die Aufmerksamkeit gelenkt hat, Wolff auch als der Vorläufer von Schleiden und Schwann bezeichnet werden darf, indem er die Zusammensetzung der Pflanzen und Thiere aus Bläschen nachwies, doch war diese Lehre bei ihm noch von keinem sehr erheblichen Einflüsse auf seine embryologischen Studien ausser insofern, als er das Wachsthum der Organe theilweise von diesen Elementen abhängig machte. Zweite Vorlesung. Meine Herren ! Wolff's geniale Lehren, die wir in der vorigen wolff's Stunde besprochen haben, waren lange Zeit nicht von dem Einflüsse, den sie hätten haben können, denn es blieb seine wichtigste Ab- handlung über die Bildung des Darmkanals so sehr unbekannt, dass selbst Oken und Kieser, als sie in den Jahren 1806 und 1810 ihre Arbeiten über die Entwicklung des Darmkanals veröffentlichten, von derselben nichts wussten. Inzwischen machte die Embryolo- gie, wenn auch nicht mit Bezug auf die frühesten Stadien und die Theorie, doch im Einzelnen viele bemerkenswerthe Fortschritte. Unter den zahlreichen Arbeiten des letzten Drittheiles des 18. Jahr- hunderts und der zwei ersten Decennien des unseligen sind folgende besonders bemerkenswerth : Hunter, Anatomia uteri humani gravidi Lond. 1775, mit vortrefflichen Darstellungen der Eihäute und des schwangeren Uterus; Auten- rieth Supplem. ad histor. embr. humani Tubing. 1797; Sömmering Icones embryon. human. Francof. 1799 ; Oken über die Bildung des Darmkanals aus der Vesicula umbilicalis in Oken und Kieser Bei- träge z. vergl. Zool., Zoot. und Phys. Bamberg 1806, eine auch in allgemeiner Beziehung bemerkenswerthe Abhandlung; Derselbe, über die Bedeutung der Schädelknochen, Jena 1807, eine epoche- machende Arbeit für die vergleichende Anatomie und, weil auf embryologische Thatsachen gegründet, auch der Ausgangspunct genauerer Untersuchungen über die Entwicklung der Wirbelsäule und des Schädels ; Kieser, der Ursprung des Darmkanals aus der Vesic. umbilicalis darg. im mensch!. Embryo, Göttingen 1810; Meckel's zalreiche kleinere Abhandlungen zur Entwicklungsge- schichte in s.Beitr. zur vergl. Anat. 1808 — 1812, seinen Abh. aus der menschl. u. vergl. Anat. 1806 und in seinem Archiv; Tiede- mann Bildungsgeschichte des Gehirns, Landshut 181 6, eine vor- treffliche Detailuntersuchung. Chr. Pander. g Zweite Vorlesung. Ausserdem war auch der in diese Periode fallende grosse Fort- schritt in der Lehre von den Miss bildun gen, wie er besonders durch Meckel's pathologische Anatomie verwirklicht wurde, von grosser Bedeutung für die Erkenntniss der normalen Entwicklungs- verhältnisse. Nachdem im Jahre 1812 Wolff's Arbeit über den Darmkanal durch Meckel's Uebertragung allgemein bekannt geworden war, konnte es nicht fehlen, dass dieselbe nach allen Seiten mächtig an- regte. Nichts beweist besser die Grossartigkeit der Untersuchungen dieses Autors und die Wahrheit seiner allgemeinen Auffassungen, als der Umstand, dass nur fünf Jahre später im Jahre 1817 unsere Wissenschaft durch Pander einen solchen Fortschritt machte, dass man unbedingt die ganze neuere Entwicklungsgeschichte von ihm an datiren würde, wenn nicht aus den eigenen Worten dieses Au- tors (In seiner Dissertation sagt Pander auf p. 17: »Omnem tarnen landein süperant egregiae Wolffii observationes «) hinreichend klar wäre, dass auch er von Wolff ausging. Und da nun gerade die Theorie der Zusammensetzung des Keimes aus blattförmigen Schich- ten, durch die Paeder berühmt geworden ist, wie wir oben sahen, bei Wolff schon bestimmt angedeutet sich findet, so glauben wir nicht Unrecht zu thun, wenn wir diese neueAera der Entwicklungs- geschichte von Wolff datiren und Pander als den Ersten bezeichnen, der die Ideen dieses grossen Mannes an der Hand der Beobachtung als wahr erwies, den selbst v. Baer : »vir sempiternae gloriae, cid ingenio paiccos, perseverantiae vero in investigandis rebus subtilissimis nulluni parem vidit orbis terrarum« nennt {de Ovi mammal. genest, praefatio). Um übrigens nach allen Seiten gerecht zu sein, wollen wir noch erwähnen, dass Paeder seinem grossen Lehrer Döllinger und auch d'Alton dem Aelteren die Anregung zu seinen Untersuchungen und mannigfache Unterstützung verdankt, und dass neben den Leh- ren Wolff's sicherlich auch die durch diese Männer vertretene na- turphilosophische Richtung von einem bedeutenden Einflüsse auf seine Forschungen war. Pander's hier in Würzburg und zwar in einem grossarligen Maasstabe angestellte Untersuchungen , die in seiner Dissertation [Hist. metamorphoseos , quam Ouum incubatum prior, quinque diebus subit. Wirceburgi 1817) undin einer besonderen Arbeit (Beitr. z. Ent- wickl. des Hühnchens im Ei, Würzburg 181 7), deren vortreffliche Kupfertafeln d'Altox angefertigt hat, niedergelegt sind, geben nicht Historische Einleitung. 9 nur eine genauere Geschichte der allerersten Entwicklung des Hühn- chens, als man sie bisher besass, sondern waren vor Allem dadurch von grösster Tragweite, dass durch dieselben zum ersten Male die ursprünglichen, von Wolff geahnten Primitivorgane, die der Ent- wicklung der Organe und Systeme zu Grunde liegen, durch die Be- obachtung nachgewiesen wurden. Pander unterscheidet an der Keimhaut des Hühnereies schon in der zwölften Stunde der Bebrü- tung zwei Schichten, eine äussere, das seröse Blatt, und eine innere, das Schleimblatt, zwischen welchen dann später noch eine dritte Lage, das Gefässblatt, sich entwickelt. Obschon nun Pander diese Biälter als den Ausgangspunct aller spätem Organe betrachtet, so hat er sich doch über ihre Umwandlungen und ihre Bedeutung im Ganzen genommen nur sehr kurz ausgesprochen und wären wegen des Aphoristischen seiner Darstellung seine An- gaben wohl nicht so bald zu einer grösseren Bedeutung gelangt, wenn dieselben nicht in v.Baer einen Förderer und theilweise auch einen Vertreter gefunden hätten, der es verstand, der Blättertheorie in den weitesten Kreisen Eingang zu verschaffen. Carl Ernst von Baer, ein Jugendfreund Pander's, hatte mit c.e.v.baer. diesem in Würzburg den Vorträgen Döllinger's beigewohnt und war noch theilweise Zeuge der eben geschilderten Untersuchungen über das bebrütete Hühnchen gewesen. Nachdem er später in Kö- nigsberg Pander's Arbeiten erhalten, begann er im Jahre 1819 seine eigenen Forschungen über das Hühnerei, die er bis zum Jahre 1 823 fortsetzte, dann in den Jahren 1 826 und 27 vollendete, und deren Resultate er theils im Auszuge in Burdach's Physiologie, theils in einer besonderen Schrift : Ueber Entwicklungsgeschichte der Thiere. Beobachtung und Reflexion. Erster Theil. Königsberg 1828, mittheilte. Weitere Untersuchungen über das Hühnchen und die übrigen Wirbelthiere gedachte v.Baer in einem zweiten Bande zu veröffentlichen, dessen Druck schon im Jahre 1829 begann und dann nach langer Unterbrechung im Jahre 1834 bis zum 38. Bogen geför- dert wurde, doch kam er nicht dazu, dieselben zu vollenden, so dass man es vor Allem dem Verleger zu verdanken hat, dass das, was von dieser Arbeit fertig war, im Jahre 1837 als 2. Theil der Entwicklungsgeschichte wirklich ausgegeben wurde. Durch diese beiden Werke ist v.Baer in der glänzendsten Weisein die Fussstapfen Wolff's und Pander's getreten, und dürfen dieselben sowohl wegen des Beichthums und der Vortrefflichkeit der Thatsachen, 10 Zweite Vorlesung. als auch der Gediegenheit und Grösse der allgemeinen Betrachtungen halber unbedingt als das Beste bezeichnet werden, was die em- bryologische Literatur aller Zeiten und Völker aufzuweisen hat. Die Leistungen v. Baer's im Einzelnen so namhaft zu machen, wie sie es verdienen, ist hier ganz unmöglich und beschränke ich mich auf folgendes. Das Thatsächliche anlangend, so geben seine Arbeiten einmal die erste vollständige und bis ins Einzelne durch- geführte Untersuchung über die Entwicklung des Hühnchens und stellen zweitens auch diejenige der übrigen Wirbelthiere in einer Weise dar, wie sie noch nicht dagewesen war, so dass er als der eigentliche Schöpfer der vergleichenden Embryologie zu betrachten ist. Wollte man v. Baer's Entdeckungen besonders hervorheben, so müsste man System für System, Organ für Organ aufzählen, in- dem sein Scharfblick und seine Ausdauer überall Neues zu Tage förderte, und begnüge ich mich daher nur zwei seiner wichtig- sten Funde , die des wahren Ovulum der Säugethiere (S. de Ovi mammalium et hominis genesi. Lipsiae 1827) und der Chorda dorsalis zu erwähnen. Ebenso eross als in der Beobachtung war v. Baer auch in seinen Beflexionen , und gebe ich Ihnen hier eine kurze Skizze seiner theoretischen Auffassungen. Anschliessend an Pander lässt auch v. Baer in dem ursprünglich einfachen Keime durch Son- derungBlätter entstehen, doch weicht er im Einzelnen erheblich von Pander ab. Zwar spricht er anfänglich auch von einem serösen Blatte, einem S ch leim bla tte und einem Gefäss blatte, verfolgt man jedoch seine Darstellung genau, so findet man, dass er nicht dasselbe meint wie Pander. Nach v. Baer nämlich ist der Keim in der ersten Zeit wohl an seinen Oberflächen von verschiedener Be- schaffenheit, aussen glatt, innen mehr körnig, aber nicht in Schich- ten spaltbar und namentlich in seinem Innern nicht differenzirt. Später erst macht sich eine Trennung in zwei Lagen, eine a nim al e und vegetative, bemerklich, von denen jede wieder aus zwei Schichten besteht, die erste aus der Hautschicht und der Fleischschicht, die letztere aus der Gefässschicht und der Schleim schicht. Aus diesen Schichten entwickeln sich dann in zweiter Linie, was v. Baer Fundamentalorgane nennt (Bd. I. Scholion III. p. 153 und Scholion IV. p. 160. Bd. IL p. 67 u. fgde.), welche nach ihm die Form von Bohren haben. So bildet die Haut- schicht die Hautröhre und die Bohre des centralen Nervensystems, von welch letzterer v. Baer zwar die allererste Entwicklung nicht Historische Einleitung. 11 verfolgt hat, aber doch aus guten Gründen insehrbemerkenswerther Weise ihr Hervorgehen aus dem mittleren Theile der Hautschicht annimmt (I. pag. 4 54, 165, 166; II. pag. 68 Anmerk.) ; aus der Fleischschicht lässt er die Doppelröhre des Knochen- und Muskel- systems mit der unpaaren knöchernen Axe hervorgehen, die Ge- fässschicht und Schleimschicht endlich formen einmal in Verbin- dung mit einander die Röhre des Darmkanals und ausserdem die erstere allein die freilich verwachsende Röhre des Gekröses. Aus diesen wenigen Fundamentalorganen entwickeln sich dann zugleich mit histologischen Sonderungen und morphologischen Differenzirun- gen in der äusseren Gestaltung alle späteren Organe des Körpers, in welcher Reziehung besonders hervorgehoben zu werden verdient, dass v. Baer die Sinnesorgane zur Nervenröhre, dann die Speichel- drüsen , Leber, Pancreas und Lungen zur Darmröhre, endlich das Herz, das dem Gekröse analog gesetzt wird, die Nebennieren, Schild- drüse, Thymus, Milz, Wolff sehen Körper, die ächten Nieren und die Geschlechtsdrüsen, wenigstens bei den Vögeln, zum Gefässblatte zählt. Nimmt man nun noch dazu, dass v. Baer diese einfache Dar- stellung des Entwicklungsplanes der höheren Thiere durch vortreff- liche Auseinandersetzungen des Gesetzmässigen im Bau des fertigen Wirbelthieres, sowie durch klare schematische Zeichnungen stützte, so wird man leicht begreifen, dass dieselbe sehr bald den Reifall und die Anerkennung aller Forscher sich erwarb. In der That hatte auch v. Raer so zu sagen Alles geleistet, was mit den ihm gebotenen Hülfsmilteln, und nach dem damaligen Stande der Wissenschaft geleistet werden konnte. Das, was seinen Arbei- ten fehlte, war die ZurUckführung der Keimblätter und Fundamen- talorgane auf die histologischen Elemente, mit andern Worten, der Nachweis ihres Zusammenhanges mit dem primitiven Elementaror- gan oder der Eizelle und ihrer allmäligen Entwicklung aus demsel- ben durch histologische Sonderung. Allein dieser Nachweis konnte begreiflicherweise erst dann gegeben werden, als im Jahre 1838 durch Schwann die Zusammensetzung des thierischen Körpers aus einfachen zelligen Elementen aufgedeckt worden war, und haben wir nun in der That den letzten Aufschwung in unserer Wissen- schaft von dieser Zeit an zu rechnen. Bevor wir jedoch auf diese neueste Epoche eingehen können, haben wir noch der anderen Lei- stungen kurz zu gedenken, die in die Zeit zwischen Pander und Schwann fallen. Dritte Vorlesung. v. B4er's Meine Herren ! In derselben Zeit, in der v. Baer seine Unter- ei genossen. suc}iungen anste]lte , waren gleichzeitig eine grosse Zahl anderer Forscher im Gebiete der Entwicklungsgeschichte thälig, von deren Leistungen hier nur in sofern die Rede sein kann, als dieselben auf den Gang der gesammten Wissenschaft einen Einfluss ausübten, oder den Menschen speciell betreffen. Als wichtig sind vor Allem die Untersuchungen zu bezeichnen, die zur nähern Kenntniss des Entdeckung des Eies führten. Im Jahre 1825 wies Purkinje das Keimbläschen im Keimbläschens der vögei Vogeleie nach {Symbol, ad ovi avium historiam, Vratislav. 1825. Gra- tulationsschrift an Blumenbach), und zwei Jahre später machte, wie ? j > 7 bläschens der Säuger durch Goste (Recnerches sur la generat. d. Mammiferes pa?' Delpech et Coste, Paris 1834) und etwas später und selbstständig auch durch Wharton Jones (Lond. and Edinb. philos. Historische Einleitung. 13 magaz. III. Series, Vol. VII. 1835) und durch die Auffindung des Keimfleckes durch R.Wagner (Müll. Arch. 1835. St. 373; Münch- des Keimfleckes. ner Denkschr. II. pag. 531 und Prodromus historiae generationis, Lips. 1836). In zweiter Linie sind aus dieser Zeit als wichtig die Erfahrun- Beobachtungen gen über die erste Entwicklung der Säugethiere, dann über junge bryonen'Xi säu- menschliche Embryonen und die Placenta zu bezeichnen. Durch ^e^chen? Prevost und Dumas {Annal. d. Sc. nat. 1824. Tom. III) und v. Baer [de ovi genesi) erhielten wir die ersten Angaben über die frühesten Anlagen des Säugethierembryo und über die Keimblase und den Keim, welche dann später von Coste (1. c. und Embryogenie com- paree, Paris 1837) weiter geführt wurden, der auch zuerst die Keim- blase (Vesicule blastodermique) genau unterschied. Menschliche Em- bryonen und Eihäute wurden in dieser Zeit viele untersucht und nenne ich Ihnen nur die grösseren Arbeiten von Pockels (Isis 1825), Seiler (die Gebärmutter und das Ei des Menschen, Dresden 1831), Brechet (Etudes anat. sur Voeuf humain, Paris 1832), Velpaux [Em- bryologie ou Ovologie humaine, Paris 1833), Bischoff (Beitr. zur Lehre von den Eihüllen des menschl. Fötus, Bonn 1834), an die sich dann noch viele kleinere von E.H.Weber, J.Müller, B.Wagner, v. Baer, Wharton Jones, AllenThomson, Eschricht und Anderen anschlössen. Die vergleichende Entwicklungsgeschichte wurde in der Zeit zwischen Pander und Schwann ausser durch v. Baer auch von vielen andern Forschern sehr eifrig betrieben , doch verstand es keiner, die allgemeine Bedeutung derselben so sehr ans Licht zu setzen, wie er. Unter den Leistungen derselben sind folgende als die wichtigsten zu bezeichnen. Erstens die Entdeckung der Furchung Entdeckung ^ o - i Vogt den Vorgang der partiellen rurchung am Fischei beobachtet, doch gelang es auch dem Letztern nicht, über die demselben zu Grunde liegenden Vorgänge ins Beine zu kommen. Erst später wurde durch meine Beobachtungen bei den Cephalopoden dieser interessante Vorgang so verfolgt, dass es gelang, denselben mit der totalen Furchung in ein Bild zu vereinen und das beiden Gemeinsame zu erkennen. Da die Erfahrungen über die Cephalopoden immer noch die zusammenhängendsten sind, die wir besitzen, so erlaube ich mir, Ihnen zunächst dieselben kurz zu skizziren, um so mehr, als die weniger gekannte Furchung des für uns so wichtigen Hüh- nereies in genau derselben Weise abzulaufen scheint. Bei den Tin- Furchungder tenfischen furcht sich von dem ovalen Ei nur eine ganz kleine Stelle eP aopo en. .^ ^^ Nähe des spitzen Endes. Im ersten von mir gesehenen Sta- dium waren hier zwei leicht hervorragende Hügel, die jedoch nur an der Stelle, w7o sie an einander stiessen, durch ein kurzes Seg- ment einer Kreislinie begrenzt und durch eine seichte Furche von einander getrennt waren, im Uebrigen aber ohne Grenze in den Dotier verliefen. Jeder Hügel enthielt einen Kern milKernkörperchen in der Mitte und um denselben lag eine ganz feinkörnige Masse, welche ich früher in dem Dotter nicht vorgefunden hatte. Diess ist das zweite Stadium der Furchung. Das erste, in dem Ein Hügel mit Einem Kern vorhanden sein wird, habe ich nicht mit Sicherheit gesehen. Nach vorausgegangener Theilung der Kerne nun theilen sich die erwähnten zwei Hügel oder Halbkugeln, so dass vier Segmente entstehen, welche wie alle spätem Segmente an ihrem äussern Bande von der übrigen Dottermasse nicht abgegrenzt sind, sondern nur als Erhebungen derselben erscheinen. Diese vier Segmente theilen sich in weiterem Verlaufe in acht, jedes Segment wieder mit einem Kern. Nun spalten sich, nachdem in den acht Segmenten zwei hin- tereinanderliegende Kerne entstanden sind, dieselben so, dass ihre Spitzen als vollkommene Furchungskugeln sich ablösen, während der Best als ein neues weiter nach aussen liegendes Segment er- Furchung dos Cephalopodeneies. 39 scheint, und dann liegen in diesem fünften Stadium acht vollkommene Furchungskugeln ringförmig beisammen, in dem von den acht neuen Segmenten begrenzten kreisförmigen Räume. Während diess ge- schieht, hat auch die feinkörnige Masse, die dem Bildungsdotter des Hühnereies verglichen werden kann, sich vermehrt und ist in allen Kugeln und Segmenten um die Kerne angehäuft. Von nun an geht der Furchungsprocess unter beständiger Kern- vermehrung in der Art weiter, dass I) die Segmente wiederholt in der Richtung der Radien der sich furchenden Kreisstelle in neue Segmente sich theilen und 2) abwechselnd damit die neuen Segmente immerwährend durch Quertheilung an der Spitze in Furchungs- kugeln und neue weiter nach aussen stehende Segmente zerfallen. Während diess geschieht theilen sich auch die Furchungskugeln selbst immer weiter und entsteht so schliesslich eine grosse Zahl kleiner Abschnitte. Sein Ende erreicht der Vorgang dadurch, dass an den letzten Segmenten, ohne dass vorher die Kerne sich theilen, die Spitzen zu Kugeln sich abschnüren und besteht dann der Keim ganz und gar aus einer Scheibe von kernhaltigen Kugeln, welche dann unter immer neuer Vermehrung zu Zellen sich gestalten und schliesslich zu den Anlagen der embryonalen Organe zusammen- treten. Siebente Vorlesung. Meine Herren! Die Furchung des Cepbalopodeneies, die ich Ihnen in der vorigen Stunde in den Hauptzügen beschrieben, ist nicht blos dadurch von Interesse, dass sie uns über das Wesen der Furchung selbst wichtige Aufschlüsse liefert, indem sie aufs Ueber- zeugendste zeigt, dass die Furchungsabschnitte noch keine Zellen sind — denn es sind ja die Segmente alle vom Dotter gar nicht ab- gegrenzt — sondern es gibt uns dieselbe auch den Schlüssel zum Verständnisse derjenigen des Hühnereies, über welche, obschon die- selbe schon vor mehr als 10 Jahren von Coste (Compl. rend. 1848) entdeckt wurde, doch bis jetzt nichts vorliegt, als eine Tafel Abbil- dungen sammt der dazu gehörigen Erklärung in dem grossen Werke von Coste (Taf. II). Furchung des ßas £\ des Huhnes wird im Eileiter befruchtet und in diesem Vogeleies. beginntauch die Furchung, und zwar in dem untern, Schalen bilden- den Theile desselben, nachdem das Keimbläschen schon früher ge- schwunden ist, welches, beiläufig bemerkt , ganz unabhängig von der Befruchtung zu schwinden scheint und an gelegten Eiern im- mer fehlt. Im ersten von Coste gesehenen Stadium (Fig. 14. 1) zeigte der Discus proligerus oder die Cicatricula Eine kurze Furche in seiner Mitte. Im zweiten Stadium (Fig. 14. 2) waren zwei Kreuz- furchen da und 4 Segmente, die die ganze Cicatricula einnahmen. Im dritten Stadium sind 8 Segmente vorhanden, doch wurde dieses nicht, sondern nur ein Uebergangsstadium mit 6 Segmenten wahr- genommen, von denen zwei noch dem zweiten Stadium angehörten. Ist die Furchung so weit gediehen, so beginnt, wie bei den Cephalo- poden, die Bildung von Furchungskugeln durch Abschnürung der Spitzen der Segmente, und zeigt das vierte Stadium 8 Segmente und Furchung des Vogeleies. 41 8 Kugeln, von denen das von Coste gesehene Uebergangsstadium (Fig. 14. 3) mit 9 Segmenten und 7 Kugeln eine Anschauung gibt. s JC X- '■■ * ff» I Im weitern Verlauf scheint beim Hühnchen, wenigstens nach Coste's Abbildungen zu urtheilen (Fig. 14. 4,5,6), keine so grosse Regel- mässigkeit zu herrschen wie bei den Tintenfischen, immerhin lässt sich so viel entnehmen, dass auch hier durch fortwährende Theilung der Segmente und Abschnürung ihrer Spitzen, sowie durch Thei- lung der Kugeln selbst eine immer grössere Zahl von kleinen Ab- schnitten entsteht, bis am Ende auch die letzten Segmente in Ku- geln sich umwandeln und die ganze C/catricula in eine Schicht Fig. 14. Sechs Furchungsstadien der Keimschicht des Hühnereies nach Coste. Alle von Eiern aus dem untern Theile des Eileiters und dem sogenann- ten Uterus. Grösse der Keimschicht 3mm, \ . Keimschicht mit 2 Segmenten, 2. Keimschicht mit 4 Segmenten, 3. dieselbe mit 9 Segmenten und 7 Furchungs- kugeln, die sich polygonal gegen einander abgrenzen, 4. dieselbe mit 4 8 Seg- menten, von denen einzelne Andeutungen neuer Theilungslinien zeigen, und vielen polygonalen Furchungskugeln, von denen einzelne einen centralen dunk- leren Körper (Kern ?) zeigen, 5. Keimschicht nahe am Ende der Furchung mit zalreichen kleinen Segmenten am Rande und sehr vielen Furchungskugeln, 6. Keimschicht mit ganz kleinen gleichmässig grossen Elementen, die zwei Schichten bilden, von denen die untere nicht vollständig ist. Die Elemente einer solchen Keimschicht sind im Begriff, sich in Zellen umzuwandeln und kann dieselbe nun Keimhaut, Blastoäerma, oder Keim heissen. 42 Siebente Vorlesung. kleiner Furchungskugeln umgewandelt ist, welche — was alle Beachtung verdient — schon jetzt aus zwei Lagen, einer ober- flächlichen mit kleineren und einer tieferen mit grösseren Elemen- ten besieht. — Ueber die dieser partiellen Furchung zu Grunde lie- genden Momente hat sich Goste nicht geäussert, auch erwähnt er nichts von Kernen in den Segmenten und grössern Kugeln, doch kann es nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, dass der Vorgang hier genau in derselben Weise zu Stande kommt, wie bei Sepia. Keimhaut des Wir wenden uns nun zum gelegten Ei. Die Cicatricula dessel- °"( ' 1 6 c,~ t ( ' D lu I P S * ben, die schon oft Gegenstand der Untersuchung war, unterscheidet sich, wie Sie nach dem eben Geschilderten leicht entnehmen kön- nen, sehr wesentlich von der des Eierstockseies und muss mit einem besondern Namen bezeichnet werden; sie kann entweder Keim, Blastos, oder Keim haut, Blasto derma, heissen. Schon Schwann hat in dieser Keimhaut Zellen beschrieben und die Untersuchungen von Remak, die ich nach allen Seiten bestätigen kann , haben eine vollständige Aufklärung über ihre Zusammensetzung ergeben. Die- sen zufolge besteht dieselbe aus zwei Schichten. Die obere Schicht oder das obere Keimblatt besteht aus feiner granulirten, blasse- ren kleineren Zellen (von 0,006 — 0,008'") mit ziemlich deutlichem bläschenförmigem Kern und! oder2Nucleolis und zarten Membranen, ' während das untere Keimblatt grössere (von 0,001 — 0,015") mit Fetttropfen ganz gefüllte dunklere Elemente zeigt, deren Mem- branen und Kerne nur schwer aufzudecken sind (s. Remak 1. c. St. 181). Alle diese Elemente sind unzweifelhaft Nachkommen der vorhin beschriebenen Furchungskugeln und erklärt sich die Schwie- rigkeit, mit welcher ihre Membranen nachzuweisen sind, einfach aus dem Umstände, dass dieselben eben im Uebergange aus der einen Form in die andere begriffen sind. Mit der Bebrütung treten nun rasch hinter einander grosse Ver- änderungen an der Keimhaut auf, die man, um sie dem Verständ- nisse näher zu bringen, am besten mit Remak in verschiedene Stufen eintheilt. Die 3 Blattei- der In erster Linie zeigt sich eine Sonderung der Keimhaut Keimhaut. in drei Blätter. Während nämlich schon nach einigen Brüt- stunden die Keimhaut durch Vermehrung ihrer Zellen durch Thei- lung sich vergrössert und verdickt, wobei das obere Blatt rascher wächst als das untere, sondern sich die Elemente des untern Blattes in zwei Lagen, eine obere dickere mehrschichtige, das mittlere Erste Veränderungen der Keimhaut. 43 Keimblatt, und in eine untere epithelartige einschichtige Lage, das eigentliche untere Keimbl at t oder das D rüsen bla tt, des- sen Zellen durch das Vorkommen von Fetttropfen von denen des mitt- leren sich unterscheiden; welche namentlich in denjenigen der Rand- t heile grösser und in grösserer Menge angehäuft sind. Ist diese Sonderuns; in 3 Blätter eingetreten, so beginnt unter Embryonaian- ö ° ' b läge. fortschreitender Ausbreitung der Keimscheibe die Mitte derselben sich zu verdicken , und erscheint als eine kreisförmige dunklere Stelle, welche jedoch nur dem oberen und mittleren Keimblatte an- gehört. Wie der weitere Verlauf zeigt, ist diese schildförmige Ver- dickung nichts anderes , als die erste Spur des Embryo und kann dieselbe daher die Embryonalanlage heissen. *5» % Nun erscheint an- Primitivstreifen oder Axenplatte. fänglich nicht ganz in der Mitte der noch run- den Embryonalanlage ein weisslicher Längs- streifen , der Primi- tivstreifen v. Baer's oder die Axenplatte von Remak, welche da- durch gebildet wird, dass die beiden äusseren Keimblätter in der Mitte, in einer zur Längsaxe des Eies queren Richtung, in einer schmalen Zone von %—%'", später von %'" und darüber mit einan- Fig. 15. Fig. 4 5. Keimhaut des Hühnchens vom Anfange der Bebrütung, etwa 20mal vergr. NachREMAK. 1 . Flächenansicht von unten gesehen, oft oberes Keimblatt, do Rand des untern Keimblattes (Dotterrinde Remak) mit grösseren dunkleren Zellen, die Area opaca darstellend, ds schildförmige centrale Verdickung im hellen Fruchthofe, dem mittleren und oberen Keimblatte angehörend, ap Axen- platte (Primitivstreifen v. Baer) nicht ganz in der Mitte des Fruchthofes, wo die zwei äussern Keimblätter verschmolzen sind. 2. Senkrechter Querschnitt derselben Keimhaut. Der Deutlichkeit wegen ist zwischen den Blättern ein Zwischenraum gelassen. ap,ok, do, wie vorhin, mk mittleres Keimblatt, d mittlerer dünnerer. Theil des innern Keimblattes oder des Darmdrüsenblattes, ecl angrenzende Theile des freien Dotters. 44 Siebente Vorlesum der verwachsen und zugleich sich etwas verdicken. Eine Keimhaut aus diesem Stadium von unten betrachtet (Fig. 15) zeigt zu äusserst bei ok das am weitesten über den Dotter gewucherte obere Keim- Areaopaca. blatt, dann folgt eine dunkle Zone do, Area opaca, dunkler Frucht- hof, gebildet von grösseren mit vielen Fettkörnern erfüllten Rand- zellen des innern Keimblattes, hierauf ein heller kreisförmiger Hof, Area peiiucida. Area pellucida, durchsichtiger Fruchthof, in welchem die Elemente des innern Keimblattes heller und kleiner sind, endlich die kreis- förmige nicht scharfbegrenzte Embryonalanlage ds oder der Dop- pelschild von Remak und in diesem der Primitivstreifen oder die Axenplatte ax. Das Verhältniss der Blätter zu einander zeigt der Querschnitt (Fig. 15. 2), in welchem mk die mittlere Keimschicht und e d den Nahrungsdotter bezeichnet. Während der helle Fruchthof eine ovale Gestalt annimmt, die Embryonalanlage in die längliche Gestalt übergeht (Fig. I 6) und sich etwas schärfer abgrenzt, bildet sich in der Mitte der Axenplatte eine seichte Rinne, die Primitiv rinne, dadurch, dass die seitlichen Theile der Axenplatte sich verdicken und leistenförmig erheben, was v. Baer die Rücken platten genannt hat. Unterhalb der Rinne in der untern Lage der Axenplatte erscheint als- bald ein breiter walzenförmiger Strang ch, die Chorda dorsalis, die Primitivrinne. Chorda dorsalis. Fig. 16. Fig. 16. Oval gewordener durchsichtiger Fruchlhof eines Hühnereies mit weiter gediehener Sonderung (IV. Stadium vom \. Tage) 20mal vergr. Nach Remak. 1 . Von der untern Fläche gesehen, ch Chorda, x Anschwellung dersel- ben am hintern Ende; ap Seitenhälften der Axenplatte, die am Kopfe bogen- förmig in einander umbiegen und am hintern Ende in der Keimhaut sich ver- lieren, sp Seitenplatten, die vorn und hinten in einander übergehen, y Grenze des hellen Fruchthofes. 2. Senkrechter Querschnitt derselben Keimhaut von der Mitte, uw Urwirbelplatten, ohne Grenze in die Seitenplatten übergehend, mp Medullarplatte, ins Hornblatt sich. fortsetzend, d Darmdrüsenblatt. Ausser- dem ist die Chorda sichtbar und die Primitivrinne. Erste Veränderungen der Keimhaut. 45 später zu einem knorpelartigen Gebilde sich umgestaltet und der Vorläufer der spätem Wirbelsäule ist. Mit dem Auftreten der Chorda , die bald ein vorderes zuge- spitztes und ein hinleres spindelförmig verdicktes Ende erkennen lässt, wird eine besondere Bezeichnung für die übrigen Theile der Axenplatte nötbig und können nun die zu beiden Seiten der Chorda liegenden Theile derselben mudieUrwi rbel platten unddieganze Urwirbelplatten. obere Lage mp, obschon sie von den untern Theilen noch nicht voll- kommen trennbar ist, die Medul la rpl atte heissen. DieRandtheile Meduiiarpiatte. der Embryonalanlage, obschon, wie die Durchschnittsansicht (Fig. 17) lehrt, von der Medullarplatle und den Urwirbelplatten nicht ge- schieden, können doch schon als Hornblatt h und als Seiten- Hornblatt. platten sp unterschieden werden. Das Hornblatt ist etwas dicker als der peripherische Theil des äussern Blattes des Keimes, aber nicht so dick wie die Medullarplatte, welche als unmittelbare Fort- setzung desselben erscheint und nur durch eine immer grösser wer- dende Helligkeit vor demselben sich auszeichnet. Die Seilenplatten seitenpMten-. gehen nach aussen unmittelbar in den dünneren Theil des mittle- ren Keimblattes über und sind anfänglich von den Urwirbelplatten nicht gesondert. Später tritt im Bereiche des Rumpfes eine solche Sonderung durch eine feine helle Linie ein, am Kopfe dagegen blei- ben beide Theile mit einander verbunden und können dieselben zu- sammen die Kopfplatten heissen. Kopfplatten. Die drei beschriebenen Keimblätter zeigen eine ganz bestimmte Beziehung zu den Organen und Systemen des fertigen Embryo und ist es zweckmässig, Sie schon jetzt auf diese Verhältnisse aufmerksam zu machen. Aus dem obern Keimblatte entwickelt sich aus der Me- dullarplatte das centrale Nervensystem und aus dem Hornblatte die Epidermismitallen Epidermisgebilden, aus dem mittleren Keimblatte das Knochen- undMuskelsyslem, die Geschlechtsorgane und allege- fässhaltigen Theile, mit Ausnahme des Centralnervensystems. Das untere Keimblatt endlich gibt das Epithel des Darmes und aller An- hangsdrüsen desselben. Es können daher diese Blätter mit Remak auch als das Sinnes- oder sensorielle Blatt, das moto- risch-germinative Blatt und das trophische oder Därra- Drüsenblatt bezeichnet werden. Achte Vorlesung. Meine Herren ! Die bisher beschriebenen Veränderungen der Erste Entstehimg Embryonalanlage des Hühnchens lassen noch nicht erkennen, wie aus des Embryo. ihr die zusammengesetzten Organe und namentlich auch die spätere Leibesform hervorgeht, und ist es nun erst die nächstfolgende Zeit, welche uns lehrt, wie aus der flachen länglichen massig dicken Mitte der Area pellucida ein wirklicher Embryo sich gestaltet. Die Vorgänge, durch welche diess geschieht, sind wesentlich drei. Einmal erheben sich an der äussern Fläche der Embryonalanlage die äussern Ränder der Medullarplatte sammt den daran grenzenden Theilen der Urwir- belplatten und des Hornblattes, so dass sie eine breite Furche, die Rücken furche, begrenzen, und bildet sich dann durch das Ver- wachsen der Ränder dieser Furche das Medullär röhr oder die Anlage von Gehirn und Rückenmark und der Rücken des Embryo. In analoger Weise entsteht zweitens an der untern Fläche der Era- bryonalanlage die erste Anlage des Bauches — das Wort im wei- tern Sinne genommen — und des Darmkanals, indem die Sei- tenplatten zugleich mit den anliegenden beiden andern Keimblättern nach unten sich wölben, von allen Seiten einander entgegenwuchern und schliesslich so verschmelzen , dass nur noch eine Lücke, der Nabel, offen bleibt. Im Zusammenhange mit diesem Vorgange und unter beständiger Vergrösserung schnürt sich der Embryo zuerst am Kopfe, dann auch seitlich und hinten von dem peripherischen Theile der Keimhaut, d. h. zunächst von der Area pellucida ab. Zu diesen Vorgängen gesellen sich dann noch die grössere Entwicklung des vordem Leibesendes zum Kopf, die Spaltung der Seitenplatten in Leibeswand und Darmwand, womit zugleich die Bildung der gros- sen vordem Leibeshöhlen gegeben ist, endlich die Entwicklung des Erste Entstehung des Hühnerembryo. 47 &f Rückenwülste. Herzens und der ersten Blutgefässe im mittleren Keimblatte, und dann ist der Leib des Embryo selbst in seiner ersten Anlage deut- lich gezeichnet. Verfolgen wir nun die einzelnen bezeichneten Vorgänge etwas Bildung des ~ u ^ Medullarrohres. genauer und zwar zuerst die Bildung des Rückens und des Me- dullarrohres. In der zweiten Hälfte des ersten Brüttages erhe- ben sich die äussern Ränder der Medullarplatte und zugleich wuchern auch die Urwirbelplalten mit. So entsteht in der ganzen Länge des Rückens eine breite seichte Furche, die Rückenfurche von Remak Ruckeniurehe. (Fig. 17), begrenzt von zwei leistenförmigen Erhebungen, den Rückenwulsten . welche Theile unzwei- felhaft nichts als wei- tere Entwicklungen der schon in der vorigen Stunde beschriebenen Primitivrinne und der sie begrenzenden Leisten sind, obwohl in der Mitte der Rückenfurche noch eine Andeutung der ursprünglichen Rinne sich findet. Ist die Furche gebildet, so wachsen ihre Ränder einander rasch entgegen (Fig. 18) und erfolgt bald ihre Schliessung Schliessung >„, und zwar zuerst in einer Ge- - .AU gend, die man geneigt ist als den Hals zu bezeichnen , die aber , wie sich später er- gibt, die hintere Kopfgegend ist. Hier verwachsen die Ränder der Medullarplatte und die an- grenzenden Theile des Hornblattes , die zusammen eine scharfe Kante bilden, mit einander, so dass aus der erstem ein geschloss- ner Kanal hervorgeht, über welchen das Hornblatt von einer Seite Fis. 17. der che. Fig. 17. Querschnitt durch die Anlage eines Hühnerembryo vom Ende des ersten Tages 90— lOOmal vergr. ch Chorda; uwp Urwirbelplatte mit einer Spalte uwh, vielleicht der eisten Andeutung der spätem Höhle der Urwirbel ; sp Seitenplatten mit den Urwirbelplatten bier noch verschmolzen, cid Darmdrü- senblatt, h Hornblatt, m Medullarplatte. Beide zusammen sind in eine starke Falte, die Medullarwülste oder Rückenwülste erhoben, die die breite Rücken- furche Rf begrenzen, in deren Mitte noch die Primitivrinne Pr sichtbar ist. Fig. 18. Querschnitt durch den Rumpf eines Hühnerembryo vom Ende des ersten Tages etwa 1ämal vergr. nach Remak. ch Chorda, d Darmdrüsen- blatt, u Urwirbel, sp Seitenplatten, m Medullarplatte, w Medullarwulst, h Hornblatt. Anlage des Gehirns. 48 Achte Vorlesung. zur andern herübergeht (Fig. 19). Zugleich wuchern die Urwirbel- platten so nach der Rückenseite empor, dass sie über die halbe /,„/ cli ü,v a,o sp r/cl df Fig. 19. Höhe des gebildeten Medullarkanales herausreichen, doch verwach- sen diese vorläufig noch nicht von rechts und von links, so dass das centrale Nervensystem für einmal nur vom Hornblatte. i. e. der spätem Epidermis bedeckt ist, welches selbst anfänglich dem in der obern Mittellinie etwas eingezogenen Medullarrohre fest an- haftet. Ist die Verwachsung der Rückenfurche einmal eingeleitet, so schreitet sie allmälig nach vorn und nach hinten fort, jedoch so lang- sam, dass erst am zweiten Tage der Verschluss auch hinten, wo er zuletzt eintritt, vollständig ist. Zugleich entwickeln sich vom Ende des ersten Tages an beginnend am Kopftheile desselben blasige Auf- treibungen, die Anlagen der einzelnen Hirntheile und nahe am hin- tern Ende eine starke Erweiterung, der Sinus rhomboidalis . Die Sub- stanz des ganzes Rohres wird sehr durchsichtig und hell, ziemlich deutlich querstreifig und lässt zu allen Zeiten an Chromsäurepräpa- raten kernhaltige Zellen erkennen, die jedoch im frischen Zustande nicht sichtbar sind. Ich habe Ihnen vorhin bemerkt, dass die Schliessung des Me- dullarrohres nicht am Halse, sondern am Kopfe beginne. Die Grenze zwischen Rumpf und Kopf wird nämlich zu derselben Zeit durch das Auftreten eigentümlicher vierseitiger dunkler Flecken bezeich- net, welche paarig unter der Medullarplatte erscheinen, so jedoch, Fig. 19. Querschnitt durch einen Hühnerembryo vom zweiten Tage, 90 — 100mal vergr. dd Darmdrüsenblatt, ch Chorda, uto Urwirbel, uwh Urwirbelhöhle, ao primitive Aorta, ung Urnierengang, sp Spalte in den Sei- lenplatten (erste Andeutung der Pleuroperitonealhöhle) , die durch dieselbe in die Hautplatten hpl und Darmfaserplatten df zerfallen, die durch die Mittel- platten mp untereinander zusammenhängen, mr Medullarrohr (Rückenmark), h Hornblatt, stellenweise verdickt. Urwirbel. 49 it. M dass sie dieselbe am Rande etwas überragen (Fig. 20). Es sind diess die sogenannten »Urwirbel« oder die Anlagen und Vorläu- fer namentlich der Wirbelsäule und ihrer Mus- keln, so wie der Nerven wurzeln, von denen sich leicht nachweisen lässt, dass sie einem Zerfal- len derUrwirbelplatten in einzelne Stücke ihren Ursprung verdanken und im Allgemeinen wir- beiförmige Gebilde darstellen (Fig. 19 uio). Im Anfange erscheinen nur zwei oder drei Paare solcher Urwirbel, bald aber mehrt sich ihre Zahl auf 6 — 7, welche ungefähr die Mitte der Embryonalanlage einnehmen. Bis jetzt scheint man ziemlich allgemein angenommen zu haben, dass die ersten Urwirbel den vordem Rücken- oder den hintersten Halswirbeln entsprechen, besonders gestützt auf v. Baer's Aeusserung, dass vor und hinter denselben neue entstehen und dann auch wegen ihrer Lage in der Mitte der Embryonalanlage. Verfolgt man jedoch ihr allmäliges Auftreten genauer, so ergibt sich, dass die ersten derselben den vordersten Halswirbeln entsprechen und dass alle neuen Urwirbel immer hinter den vorhandenen auf- treten , in welchem Sinne auch schon Remak vermuthungsweise sich geäussert hat (l. c. pag. \%). Ist dem so, so ergibt sich allerdings ein ganz eigenthümliches Verhalten der Hauptleibesabschnitte jun- ger Embryonalanlagen zu einander, welches Ihnen die Fig. 20, dann auch spätere Figuren von Säugethierembryonen versinnlichen wer- den, in denen fast die Hälfte der Anlage auf den Kopf, etwas über Fis. Urwirbel. Fig. 20. Hühnerembryo vom Ende des ersten Tages in der Bauchlage, etwa 1 5mal vergr. Nach Remak ; hb Anlage des Vorderhirns oder blasenför- mige vorn bei o noch offene Auftreibung am vordem Ende des Medullarrohres, x Stelle, von wo an das Medullarrohr noch offen, die Rückenfurche noch nicht geschlossen ist, mp die in Erhebung begriffenen Seitentheile der Medullar- platte, z die Erweiterung der Rückenfurche in dieser Gegend, sh die Schlund- höhle, y Grenze zwischen dieser und dem Vorderdarm vd, bezeichnet durch den Umschlagsrand der Kopfscheide. Die hintere Grenze des Vorderdarms oder der gesammten Kopfdarmhöhle wird bezeichnet durch den Umschlagsrand der Kopfkappe (Vergl. Fig. 23). Die Umrisse des Embryo oder die Ränder der Sei- tenplatten sind zu stark markirt. Kölliker, Entwicklungsgeschichte. 4 50 Achte Vorlesum Art des Wachs- thums des Hüh- nerembryo. ein Viertel auf die vordere Halsgegend und das letzte Viertel auf die übrigen Gegenden kommt. Zugleich erschliesst sich uns hieraus ein bestimmtes Wachsthumsgesetz, indem sich ergibt, dass der Leib des Vogels in einer bestimmten Richtung aus der indifferenten An- lage sich hervorbildet, so dass erst der Kopf, dann der Hals und so weiter erst die übrigen Theile nach und nach sich abgliedern. Diess ist jedoch nicht so zu verstehen, als ob anfänglich die hintern Lei- bestheile gar nicht angelegt seien, vielmehr ergibt sich aus der La- gerung der Anschwellung der Chorda und der hinlern Ausbuchtung des Medullarrohres, welche im Laufe der Entwicklung immer mehr vom Kopfe sich entfernen, dass wenigstens anfänglich der Theil der Embryonalanlage, welcher unter fortwährendem Wachsthume in immer neue Urwirbel sich sondert, nicht am allerhintersten Ende derselben, sondern vor der Lendenanschwellung gelegen ist. Später, wenn einmal alle Hals- und Brustwirbel angelegt, das Medullarrohr und der Rücken ganz geschlossen und auch die untere Leibeshöhle in der Beckengegend gegeben sind, scheint der Indifferenz- oder Wachsthumspunct allmälig hinter die Lendenanschwellung verlegt zu werden und schliesslich vielleicht ganz ans hintere Ende der Axe selbst zu gelangen, wenigstens kann die Bildung eines freien län- geren Schwanzes, der auch dem Hühnerembryo nicht fehlt, der vorn schon Urwirbel zeigt und hinten noch nicht abgegliedert ist (S.Re- mak Tab. IV. Fig. 42), nicht anders gedeutet werden. Soviel bekannt, gilt ein ähnliches Wachsthumsgesetz, wie das eben für das Hühnchen auseinandergesetzte, für alle Wirbelthiere und möchte bei genauerer Prüfung auch bei manchen Wirbellosen nicht fehlen. Wir wenden uns nun zur Betrachtung der ersten Entwicklung so wTie der Darmanlaae. Wie an der obern Seite der Bildung- des Darmes und der Bauchwand. des Bauches Embryonalanlage die Mitte des äussern Keimblattes oder die Medul- larplatte nach Bildung einer Furche allmälig zu einem Rohre sich gestaltet, so treffen wir diess auch an der Bauchfläche am innern Keimblatte (dem Darmdrüsenblatte), welches nach und nach zum Epithelialrohre des Darmes sich umwandelt ; in ähnlicher Weise wie dort die Urwirbel und das Hornblatt — erstere freilich erst in späterer Zeit vollständig — das gebildete Medullarrohr umschliessen, so geschieht diess auch am Epithelialrohre der untern Seite durch die Seitenplatten des mittleren Keimblattes und das ihnen anliegende Hornblatt. So sehr nun aber auch in den Endergebnissen eine Ana- Bildung der Bauchwand. 51 logie der untern mit der obern Körpergegend hervortritt, so sind doch die der Bildung der erstem zu Grunde liegenden Vorgänge in ihren wesentlichen Erscheinungen andere. Am Rücken bildet sich erst eine Längsfurche mit zwei seitlichen Erhebungen, den Rücken- wülsten, und dann vereinigen sich diese in einer mittleren linien- förmigen Naht, am Bauche dagegen wuchern die Seitenplatten nicht blos von rechts und von links, sondern auch von vorn und hinten her, mithin von allen Seiten nach unten, ihr Vorrücken geschieht concentrisch, jedoch stärker von vorn her und die endliche Vereini- gung hat in einem Puncte, dem Nabel, statt. Hier gibt es daher keine mittlere Naht, sondern nur Vereinigungspuncte und zwar finden sich solche an allen drei Keimblättern, die an der Bildung der Bauch- und Darmwand betheiligt sind. Ausser dieser Hauptverschiedenheit finden sich nun noch an- dere, die jedoch besser erst bei der speciellen Beschreibung hervor- gehoben werden. Neunte Vorlesung. Kopfdarmhöhie. Meine Herren ! Die einzelnen Vorgänge bei der Bildung der Bauchwand, die in der letzten Stunde noch im Allgemeinen kurz ge- schildert wurden, sind nun folgende. Fast gleichzeitig mit dem An- fange des Verschlusses des Medullarrohres beginnt beim Hühnchen die Bildung der Kopfdarm höhle dadurch, dass die Seitenplalten am vordem Leibesende — die hier mit den Urwirbelplatten zu den sogenannten Kopfplatten verschmolzen sind — zuerst von vorn und nach und nach auch von den Seiten her mit ihren Bändern nach unten gegen den Dotter zu wuchern, wobei sie zugleich gegen einander sich krümmen. Hierdurch löst sich das Kopfende der Embryonalanlage von der Ebene des Fruchthofes ab (schnürt sich ab) und bildet sich zugleich in demselben an der Dotterseite eine kleine blinde Höhle Dar'mein-Mc- {Fovea ccirdiaca Wolff , Kopfdarmhöhle Bemak) , deren nach hinten gerichtete Oeffnung der vordere Dar meingang (vordere Darm- pforte Bemak) heisst. Die untere und die Seitenwände dieser Höhle werden übrigens von allen drei Keimblättern gebildet und setzen sich dieselben am Bande der Darmpforte in die entsprechenden Blätter des durchsichtigen Fruchthofes fort, welche hier unter dem sich ab- schnürenden Kopfe eine von einem abgerundeten Walle begrenzte Kopfkappe, leichte Grube bilden, und bei einer Ansicht von unten den Kopf bedecken, und die sogenannte Kopfkappe bilden, unter welchem Namen jedoch kein besonderer Theil der Keimhaut zu verstehen ist. In weiterer Entwicklung (siehe Fig. 21, 22, 23, auch 20, an der die Kopfdarmhöhle vom Bücken her zur Ansicht kommt) tritt der Kopf durch selbständiges Wachsthum und durch die weiter rück- wärts schreitende Verlängerung seiner Bauchwand immer mehr als besonderes Gebilde hervor und wird zugleich die Kopfkappe grösser. KopfdärmhbMe. 53 Fie. 21. Zugleich ergeben sich in den Wandungen der Kopfdannhöhle be- merkenswerthe Veränderungen. In der vordem Wand derselben Spaltung in den "■J Wandungen der beginnt, ausgehend vom Rande des vordem Darmeinganges; im Be- Kopfdarmhöhle, reiche des mittleren Keimblattes (resp. der Seitenplatten oder der seitlichen Theile von Remak's Kopfplatten) ein Spaltungsprocess, der in der Längsrichtung nach und nach über die ganze hintere Hälfte der genannten Wand und seitlich so weit sich erstreckt, als die Sei- tenplatten reichen, und auch noch etwas über den Bereich des Em- bryo in die Kopfkappe übergeht. So entsteht an der Kopfdarm- höhle ein Gegensatz zwischen einem vordem Theile, der Schlund- höhle (Fig. 21 ), in Schlundhöhle. welchem die Sei- tenplatten, die bei Remajc hier nun Schlund platten Schlundplatten. heissen, ungespal- ten sind, und ei- nem hintern Theile (Fig. 22), der die Anlage des übrigen Vorderdarms, d. h. der Speiseröhre, und vor derselben die erwähnte Spal- tungslücke enthält, die nichts anderes Fig. 22. ist als die Höhle, in Fig. 21. Querschnitt durch den Kopf und Schlund eines 36 Stunden alten Hühnerembryo vor der Herzhöhle. Nach Remak. h Hornblatt, s die ungespal- tenen Seitenplatten, pa die primitiven Aorten, ae Aortenende des Herzens, ks Kopfscheide (Amniosfalte), hk Herzkappe, beide innen vom mittleren Keim- blatte (Fortsetzungen der Haut- und Darmfaserplatte), aussen vom Hornblatte gebildet und seitlich verschmelzend, hh vorderer Ausläufer der Herzhöhle Fig. 22. Querschnitt durch die Herzgegend eines 36 Stunden alten Hühner- embryo. Nach Remak. gb Leichte Vertiefung am Hornblatte, aus welcher die Labyrinthblase sich bildet, d Drüsenblatt, den Vorderdarm auskleidend, df Darmfaserschicht desselben, hp Haufplatten, hier Halsplatten genannt, mit einer leichten Erhebung jederseits, welche die beginnende Kopfscheide oder Amniosfalte ist , up Ui wirbelplatten , p a Primitive Aorten , h Herz mit einer Scheidewand im Innern, /;# Herzgekröse, hh Herzhöhle. Die untere Begrenzung dieser Höhle wird von der nicht bezeichneten Herzkappe gebildet (s. Fig. 23). 54 Neunte Vorlesung. Herzhöhle, der das Herz sich bildet (Herzhöhle Reichert, Halshöhle Re- mak). Die Regrenzungen derselben sind auf dem Querschnitte 4) ge- gen die Wirbelsäule zu das obere Spaltungsblatt der vereinigten Seitenplatten, das nun als äussere Wand des Vorderdarms erscheint Darmfaserplatte, und D a r m f a s er p 1 a 1 1 e heisst (Fig. 22 df] ; 2) seitlich und unten das untere oder äussere Spaltungsblatt, das wieder aus zwei Theilen Hautpiatten. besteht, nämlich a) den sogenannten Hautplatten hp (hier von Remak Halsplatten genannt), welche mit dem Hornblatte vereint die seitliche Leibeswand bilden und in die seitlichen Theile der Kopf- Herzkappe, kappe übergehen und b) der sogenannten Herzkappe von Remak oder dem Theile der Kopfkappe, welcher mit der Wand des Vorder- darmes zusammenhängt, wie diess Fig. 23 lehrt. Im Längsschnitte (Fig. 23) sieht man, dass die Herzhöhle hh auch in die Kopfkappe kk sich hin- einzieht und sind ihre Regrenzungen hier 1 ) nach hinten die Wand des Vorder- darms df, 2) gegen den Kopf zu eine Haut, die mit den Hautpiatten zusam- menhängt und später als Kopftheil des Amnios erscheint ks, 3) gegen den Dot- ter die Fortsetzung der Faserwand des Vorderdarms oder die Herzkappe von Remak hk. Das Herz selbst bildet sich in der Wand des Vorderdarms aus der Darmfaserplatte und ist anfänglich ein solider gerader Zellenstrang, der aber bald eine Höhlung erhält und auch sonst rasch sich weiter umändert, wie diess später beschrieben werden soll. Während die geschilderten Vorgänge schon am Ende des ersten Rrültages am Fig. 23. Kopfe sich einleiten, ist im ganzen übri- gen Theile der Embryonalanlage von einer vordem und von seitlichen Rauchwänden noch nichts zu bemerken. Erst viel später und zwar Fig. 23. Längsschnitt durch die Axe des Vordertheils eines Hühnerem- bryo vom Ende des ersten Tages. Nach Remak. Schematisch, h Hornblatt, k Kopfplatten, m Medullarrohr, ch Chorda, d Drüsenblatt, df Faserschicht des Vorderdarmes, ans welcher das Herz sich bildet, hh Herzhöhle, hk Herz- kappe, ks Kopfscheide, kk Kopfkappe. Beckendarmhöhle. 55 am dritten Brüttage entsteht am hintern Ende der Embryonalanlage in ähnlicher Weise wie vorn eine kleine Höhle, die Beckendarm- Beckendarm- höhle mit dem hintern Dar mein gang und beginnen die Bän- DaraiogwJ der der Seitenplatten auch in der Mitte sich nach unten zu biegen, um dann nach und nach mit den mitwuchernden, am Kopf und Becken schon vorhandenen Bauchwänden auch diejenigen der mittleren Theile zu erzeugen. Die hierbei vorkommenden etwas schwieriger auf- zufassenden Einzelnverhältnisse erläutere ich Ihnen am besten durch einige Durchschnittszeichnungen. Fig. 24 zeigt Ihnen den Quer- Hühnerembryo vom 2. Tage. np Jl-fl Spaltung' der Seitenplatten. Hautplatte. 'alt er rv a/> s'p d ' d df Fig. 24. schnitt der Mitte des Rumpfes eines 36stündigen Embryo, bei dem, obschon von einer Krümmung der Seitenplatten noch nichts zu sehen ist, doch schon ein Vorgang sich eingeleitet hat, der mit der Bildung der Peritonealhöhle zusammenhängt, nämlich die Spaltung der Seitenplatten in eine mitdemHornblatte h verbunden bleibende »Hautplatte« hpl und eine mit dem Darmdrüsenblatte d sich ver- einigende Darmfaserplatte df. Beide diese Platten gehen nach Darmfaserplatte, aussen verschmelzend in das ungetheilte mittlere Keimblatt des Fruchthofes über, nach innen dagegen hängen sie bogenförmig unter sich zusammen, welcher Verbindungstheil mp die Mittelplatte Mittelplatte, heisst, und grenzen hier an die Urwirbel uw und an die zwischen beiden Theilen gelegenen primitiven Aorten ao und Urnierengänge unq. Die zwischen den genannten Blättern befindlichen Lücken er- strecken sich kanalartig durch den ganzen Randtheil des Embryo, gehen am hintern Ende desselben bogenförmig in einander über und Fig. 24. Querschnitt durch einen Hühnerembryo vom zweiten Tage, 90 — lOOmal vergr. dd Darmdrüsenblatt, ch Chorda, utu Urwirbel, uwh Urwirbelhöhle, ao primitive Aorta, ung Urnierengang, sp Spalte in den Sei- tenplatten (erste Andeutung der Pleuroperitonealhöhle) , die durch dieselbe in die Hautplatten hpl und Darmfaserplatten df zerfallen, die durch die Mittel- platten mp untereinander zusammenhängen, mr Medullarrohr (Rückenmark), h Hornblatt, stellenweise verdickt. 56 Neunte Vorlesung. verbinden sich auch vorn mit der Spaltungslücke, in welcher das Herz liegt. Hühnerembryo Ein weiteres Stadium zeigt Ihnen die Fig. 25, einen Querschnitt vom Ende des ' , _ 2. Tages, durch den Rumpf eines Embryo vom Ende des zweiten Brütlages d/f n nq n tv Fia; 25 Amniosfalte. Hühnerembryo vom 3. Tage. Gekrös- oder Mittelplatten. darstellend. Hier haben sich die Hautplatten hp mit dem ihnen anliegenden verdickten Hornblatte //. schon stark bogenförmig ge- krümmt, und zugleich ist der Spaltungsprocess im mittleren Keim- blatte über den Bereich des Embryo heraus eine Strecke weit in den Fruchthof oder den peripherischen Theil der Keimhaut vorge- schritten und hat sich die Fortsetzung der Hautplatlen sammt dem Hornblatte als Amniosfalte af erhoben. Nach innen gehen die Hautplatten bogenförmig durch die Mittelplatten in die Darmfaser- platten über, doch geht an der Umbiegungsstelle eine Fortsetzung beider, die primitiven Aorten theilweise umgebend, näher an die Mittellinie heran, eine Lage, die als erste Andeutung des Gekröses erscheint. Die Bauchfläche des Embryo ist noch wenig vertieft, doch bemerkt man eine vom Darmdrüsenblatte cid ausgekleidete Furche in der Mittellinie, die Darmrinne. Im Verlaufe biegen sich nun , wie die Fig. 26 zeigt, die Haut- platten hp stark nach unten und gegen die Mittellinie zu, während zugleich die Amniosfalte af gegen den Rücken sich erhebt. Das Darmfaserblatt ist stärker und namentlich ander Umbiegungsstelle in die Ilautplatte unterhalb der näher gerückten primitiven Aorten ver- dickt, welcher Theil nun schon eher den Namen der Gekrösplat- ten oder Mittelplatten (Remak) verdient. Es ist jedoch das Fig. 25. Hälfte eines Querschnittes durch einen Hühner'embryo von 2 Ta- gen, 90 — lOOmal vergr. Bezeichnung wie in Fig. 24. Ausserdem un Urniere, m Muskelplatte, p Pleuropeiitonealhöhle, af Seitenscheide oder Amniosfalte. Bildung des Mitteldarms. 57 Darmdrüsenblatt dd in der Mitte der tiefer gewordenen Darmrinne dr noch immer nicht von einer Fortsetzung der Darmfaserplatlen Fig. 26. bekleidet, sondern grenzt nach wie vor an die Chorda ch, nur dass es jetzt etwas mehr von derselben getrennt ist als früher. Endlich Schildere ich Hühnerembryo von 5 Tagen. Ihnen noch ein Stadium, in welchem der Verschluss der Bauchhöhle und des t Darmes fast zur Vollendung gediehen sind. In Fig. 27 sehen Sie die Bauchhöhle r a durch die Hautplatten hp fast geschlossen und inner- halb derselben den stark "-' rinnenförmigen Darmka- d nal , der mit seinen bei- den Lagen , der Darm- faserplatle df und dem Darmdrüsenblatte d, in die entsprechenden Häute der peripherischen Keim- schicht übergeht, welche Fig. 26. Querschnitt eines Hühnerembryo vom Anfange des 3. Tages, 90 — lOOmal vergr. Buchstaben wie in Fig. 25. vc Vena cardinaUs. Fig. 27. Querschnitt durch den Rumpf eines 5 tägigen Embryo in der Na- belgegend. Nach Remak. s h Scheide der Chorda, h Hornblatt, am Ananios, fast 58 Neunte Vorlesung. nun schon den Dottersack bilden. Befestigt wird der Darm durch ein Mesenterium, deutliches Gekröse, das von einer vor der Chorda und der Anlage der Wirbelsäule gelegenen Masse ausgeht, welche die Wolffschen Körper, die jetzt unpaare Aorta sa und die Cardinalvenen vc ein- schliesst und offenbar nichts anderes ist, als die nach innen gewu- cherte und zu einer unpaaren Masse verschmolzene ursprüngliche Umbiegungsstelle der Hautplatten in die Darmfaserplatten, aus wel- cher Wucherung auch das Gekröse selbst hervorgeht. Durch Verwachsung der Seitenplatten von allen Seiten her und ebenso der Darmrinne in der Weise, die in der vorigen Stunde im Allgemeinen characterisirt wurde, kommt nun endlich die Bildung einer geschlossenen Leibes- und Darmhöhle zu Stande, welche ich Ihnen wohl nicht durch eine besondere Zeichnung zu versinnlichen brauche, um so mehr, da alles bisher noch nicht genau Erörterte, wie die Schilderung des Verhältnisses des Amnios zur Bauchwand und des Dottersackes zum Darme noch weiter zur Besprechung ge- langen wird. geschlossen, sa secundäre Aorta, vc Venae cardinales, mu Muskelplatte, g Spi- nalganglion, v vordere Nervenwurzel, hp Hautplatte, up Fortsetzung der Ur- wirbel in die Bauchwand (Urwirbelplatte Remak, Visceralplatte Reichert). bh Primitive Bauchwand aus der Hautplatte und dem Hornblatt bestehend, df Darmfaserplatte, d Darmdrüsenblatt, beide hier, wo der Darm im Verschlusse begriffen ist, verdickt. Die Masse um die Chorda ist der in Bildung begriffene Wirbelkörper, die vor den Gefässen enthält in den seitlichen Wülsten die Ur- nieren und setzt sich in der Mitte ins Gekröse fort. Zehnte Vorlesung. Meine Herren ! Wir haben den Hühnerembryo so weit verfolgt, dass Sie im Allgemeinen zu erkennen im Stande sind, wie aus der platten Embrvonalanlase mit ihren 3 Blättern ein Leib von dem Tv- Innere ^erä"der r J ö J rungen des Huh- pus eines Wirbelthieres sich entwickelt, nun fehlt Ihnen aber noch nerembryo. jede Kenntniss der innern Veränderungen, durch welche die spätem Organe und Systeme, wie Knochen, Muskeln, Nerven, Häute sich bil- den. Betrachten Sie die in den Fig. 25 und 28 dargestellten Embryo- "r J'p1 JJ t/f Fig. 28. nen und fragen Sie sich, ob Sie im Stande sind, zu errathen, wie aus dieser im Innern so einfachen Anlage die mannigfachen spätem Theile sich entfalten und Sie werden sicherlich davon abstehen müssen, eine Antwort zu geben. Am Rücken und in der Leibesaxe finden Sie über dem Rückenmark statt Haut, Muskeln, Knochen und den Häu- ten des Organes selbst nichts als das Hornblatt, unten an der Stelle Fig. 28. Querschnitt durch einen Hühnerembryo vom zweiten Tage, 90 — -lOOmal vergr. dd Darmdrüsenblatt, ch Chorda, uw Urwirbel, uwh Urwirbelhöhle, ao primitive Aorta, ung Urnierengang, sp Spalte in den Sei- tenplatten (erste Andeutung der Pleuroperitonealhöhle), die durch dieselbe in die Hautplatten hpl und Darmfaserplatten d/zerfallen, die durch die Mittel- platten mp unter einander zusammenhängen, mr Medullarrohr (Rückenmark), h Hornblatt, stellenweise verdickt. 60 Zehnte Vorlesum Umwandlungen der Ur wirbel. Urwirbelhöhle. der Wirbelsäule die Chorda dorsalis, unmittelbar angrenzend an das Mark und an das Darmdrüsenblatt, seitlich die fast ganz zusammen- hängende Zellenmasse derUrwirbel, unddie seitliche Leibeswand be- steht ebenfalls nur aus den gleichartigen Zellen der Hautplatten und aus dem Hornblalte und zeigt von Muskeln, Nerven, Rippen, Cutis, Peri- tonaeum keine Spur. Es ist das Verdienst von Rathke, Reichert und vor Allem von Remak, genau ermittelt zu haben, wie diese inhern Vorgänge sich machen und gebe ich Ihnen nun im Folgenden nach eigenen Untersuchungen, die fast in Allem als Bestätigungen derer Remak's dienen, eine kurze Schilderung derselben. Die Urwirbel, anfänglich ganz solide aus Zellen zusammen- gesetzte Gebilde, entwickeln später eine Höhle im Innern, in Folge eines Spaltungsprocesses, der mit der Spaltung der Seitenplalten parallelisirt werden kann. Die Entwicklung und genaue Gestalt dieser Höhle ist schwer zu ermitteln. Remak lässt dieselbe schon am zweiten Tage sich bilden und das ganze Innere der Urwirbel einnehmen, die er am Anfange des dritten Tages dünnwandige Kap- seln nennt ; ich habe dieselbe zuerst in Gestalt einer Spalte gesehen, und zwar zu einer Zeit, wo die Urwirbel von den Seitenplatten noch nicht geschieden wären, wie die Fig. 17 lehrt. Später finde ich (s. Fig. 28) eine rundliche Höhle, wie sie Remak beschreibt, allein die Wandungen derselben waren immer eher dick zu nennen. Die weiteren Veränderungen sehe ich wie Remak. Es wuchert nämlich die untere Wand der Urwirbelblase, namentlich von der Umle- gungsstelle in die innere Wand aus, in die Höhle hinein und füllt dieselbe mit einer immer breiter werdenden Wucherung nach und nach so aus, dass von der ursprünglichen Höhle bald nur noch eine Spalte übrig bleibt, welche anfänglich die Gestalt hat, die die Fig. 25 darstellt, später ganz schmal wird (Fig. 26) und schliesslich ver- schwindet. Vorher hat sich jedoch — und hierin liegt die Haupt- bedeutung dieses Spaltungsvorganges — die obere Wand der Höhle Muskeipiatte. als ein besonderes Gebilde, die Muskelplatte (Fig. 25, 26»?) (auch Rückentafel bei Remak) von dem übrigen Urwirbel uiv, den ich nun den eigentlichen Urwirbel nenne (Wirbelkernmasse bei Remak), abgelöst und bleibt fortan, auch nach dem Verschwinden der Spalte, durch die Stellung und gestreckte Form ihrer Elemente als ein be- sonderes Gebilde erkennbar. In zweiter Linie umwachsen die eigentlichen Urwirbel die Chorda, die vorläufig noch ihre frühere Stärke beibehält, und das Eigentlicher Urwirbel. Umwandlung; der Urwirbcl. Gl Rückenmark. Die Umschliessung des letztern geschieht am i. Tage durch eine dünne Lamelle, welche von den seitlich neben dem Mark umschliessung ' des Markes. gelegenen Theilen der eigentlichen Urwirbcl ausgeht und, zwischen Mark und Hornblatt wuchernd, endlich mit derjenigen der andern Seite verschmilzt (Fig. 29). Dies ist die obere Vereinigungs- otfere vereini- i /ml ■ ' i ¥-. 11 i • gungshaut. haut {Membrana reuniens superwr) von Rathke, welche auch mit dem Namen der hautigen Wir bei bogen bezeichnet werden Fig. 29. Querschnitt durch den hintern Theil des Rumpfes eines Hühner- embryo von 4 Tagen, 90 — lOOmal vergr. Die Buchstaben wie in Fig. 26, ao die schon verschmolzenen 2 primitiven Aorten, vc Vena cardinalis. wh Häutige An- lage des Wirbelkörpers, aus einem Theile desUrwirbels entstanden, die Chorda nur unten umfassend, ioww Wenig scharf markirte Grenze der Producte des Urwirbels gegen die Producte der Mittelplatten und die Aorta, vob Häutige Wir- belbogen über dem Medullarrohr vereint (Membr. reuniens superior Rathke). w q Fortsetzung der Wirbelanlage gegen die Bauchwand (Querfortsatz und Rippe), mp Muskelplatte, hp r Hautplatte des Rückens, mh Hülle des Markes, ein Product des Urwirbels, a Amnios, welches ganz geschlossen war, aber nicht ausgezeichnet ist. Die Markhöhle ist auch mit mh bezeichnet. Fig. 29, \1, 19, 25 und 26 sind bei derselben Vergrösserung möglichst ge- treu nach der Natur gezeichnet und können daher auch benutzt wrerden, um die Weise des Wachsthums der verschiedenen Organe zu verfolgen. 62 Zehnte Vorlesuns. Häutige Wirbelsäule. umwachsung der kann. Die Um wachsung der Chorda geschieht von den tieferen Thei- len der eigentlichen Urwirbel aus und zwar zuerst an der untern Seite derselben (Fig. 29) und spater erst durch ein dünnes Blatt, das zwischen ihr und dem Mark hinein wuchert (Fig. 27). So wird die Chorda ganz von dem Blastem der eigentlichen Urwirbel um- Aeussere scheide schössen welches hier als äussere Scheide der Chorda be- der Chorda. ' zeichnet werden kann und ist nun aus den eigentlichen Urwirbeln eine vollkommene Wirbelsäule, freilich noch im hä uti gen Zustande, hervorgegangen. Aus dem unteren Theile der Urwirbel hat sich die äussere Scheide der Chorda oder die Anlage der Wir- belkörper entwickelt, aus dem oberen Theile die damit untrennbar verschmolzenen häutigen oberen Bogen. Bogen- und Wirbel- körperanlagen bilden übrigens auf eine kurze Zeit vor dem Auftre- ten der Anlagen der Knorpelbogen und der spätem Wirbelkörper eine ganz zusammenhängende Doppelröhre, die die Chorda und das Mark einschliesst und an die häutigen Wirbelsäulen der Cyclosto- men erinnert. Bald nach der Schliessung der häutigen Bogen über dem Mark entwickeln sich in denselben durch histologische Diffe- Knorpeiige renzirung die Anlagen der Knorpelbogen und der vordem und Wirbelbogen. spinaigangiien. hintern Nerven wurzeln sammt den Spinalganglien. Es zerfällt nämlich im Bereiche eines jeden Urwirbels der häutige Bo- gen, abgesehen von dünnen Verbindungsstreifen, in den Bücken- marksnerv und die Anlage des knorpeligen Wirbelbogens (Fig. 30). Vom Nerven, welcher immer die vordere Seite des betreffenden Ur- wirbelstückes einnimmt, erscheint zuerst das relativ ungemein starke Spinalganglion gg und später erst wird seine Verbindung mit dem Mark und die vordere Wurzel sichtbar. Die Wirbelbogenan- lage b an der jeweilig hinteren Seite eines Urwirbels ist anfänglich schmaler als das Ganglion und reicht noch nicht bis zur obern Mit- tellinie, sondern verliert sich ohne Grenze in den oberen Theilen Neue Gliederung der häutigen Bogen. — Während diese Theile sich absondern, er- der Wirbelkör- persäule, geben sich in den Anlagen der .Wirbelkörper bemerkenswerthe Ver- änderungen. Ich habe Ihnen schon vorhin angedeutet, dass nach der Umhüllung der Chorda durch die eigentlichen Urwirbel diesel- ben alle (Fig. 30 p) zu einer zusammenhängenden Masse verschmel- zen. In dieser häutigen Wirbelkörpersäule oder äusseren Scheide der Chorda ergeben sich aber sofort neue Gliederungen in der Art, dass in den Gegenden, welche den mittleren Theilen der frühe- ren Urwirbel entsprechen (Fig. 30 zw), neue Trennungslinien auf- Bleibende Wirbelkörper. 63 Fig. 30. treten, durch welche die bleibenden Wirbelkörper bezeichnet wer- den. Natürlich sind die Anlagen der Knorpelbogen mit diesen neuen Abtheilungen vom Anfange an in einer ganz bestimmten Verbindung und er- gibt sich bei Vergleichung der Erzeug- nisse der früheren Urwirbel und der Zusammensetzung der bleibenden Wir- belanlagen folgende Beziehung beider " zu einander. Jeder bleibende Wirbel, TSnd^bX" z. B. der 6. Halswirbel, besteht \ ) aus der hintern Hälfte des G.Urwirbels, 2) aus der vordem Hälfte des siebenten, 3) aus dem Bogen des 6.Urwirbels, der mehr an der vordem Seite des neuen Wir- belkörpers ansitzt. Ferner gehört nach Bemak zu diesem Wirbel das vor ihm gelegene Lig. intervertebrale, das mithin ebenfalls aus der hintern Hälfte des 6. Urwirbels sich bildet. Mit der Verrückung der primi- Fig. 30. Halstheil der Urwirbelsäule eines Embryo vom 6. Brüttage, um die Neugliederung der Wirbelkörpersäule zu erläutern. Das Medullarrohr ist nach Spaltung der obern Vereinigungshaut entfernt und die Wände des Wirbel- kanals so nach aussen geschlagen, dass die Urwirbelerzeugnisse von dieser Seite her sichtbar werden, s Vorderstes, verkümmertes Ende der Chorda ohne Gegensatz von Scheide und Axe, ch Chorda mit Unterschied von Scheide und Axe a, erstere mit leichten Einschnürungen an den Grenzen der seeundären Wirbelkörper, x und y die beiden obersten Wirbelkörper, an denen die Gren- zen der primitiven Wirbelkörper oder Urwirbel nicht mehr sichtbar sind. An den sechs folgenden seeundären Wirbelkörpern sind die Grenzen der primitiven Wirbelkörper genau in der Mitte derselben noch sichtbar, t und z die beiden letzten seeundären, Wirbelkörper, an denen die Grenzen der pri- mitiven Körper nicht mehr zu sehen sind, zw Grenzen der seeundären Wir- belkörper, zugleich die Stellen der Zwischenwirbelbänder, b die Wirbelbo- gen mit dem Kopftheile eines seeundären oder mit dem Schwanztheile eines primitiven Wirbelkörpers zusammenhängend, dem Schwanztheile einer Mus- kelplatte mp entsprechend, jedoch aufdenKopftheil der folgenden Muskelplatte ein wenig herüberragend, so dass jeder ein Bindestück zwischen je zwei Muskel- platten bildet, mp die durchsichtigen Muskelplatten oder Rückentafeln, über die Wirbelbogen hinausragend. Ihre Grenzlinien treffen verlängert mit denen der primitiven Wirbelkörper zusammen ; g die Spinalganglien, den Kopftheil einer Muskelplatte einnehmend und dem Kopftheile eines primitiven oder dem Schwanztheile eines seeundären Wirbelkörpers entsprechend, ov Obere Ver- einigungshaut, die vorläufig den Wirbelkanal schliesst, da weder Muskelplat- ten noch Wirbelbogen zur Vereinigung gelangt sind. Nach Remae. 64 Zehnte Vorlesung. tiven Wirbelkörper, wenn man die Urwirbeltheile, die die Chorda umschliessen, so nennen darf, ändert sich natürlich auch das Verhältniss der Spinalganglien zu denselben in der Art, dass das zu einem Bogen gehörende Ganglion, welches an den primitiven Wirbeln in seiner Lage der vordem Hälfte des Wirbels entspricht, an den bleibenden Wirbeln in den Bereich des hintern Abschnittes des nächstvorhergehenden Wirbels gelangt, wie am besten die Fig. 30 lehrt, die Ihnen diese etwas schwierig aufzufassenden Verhältnisse versinnlicht, welche bei p die ursprünglichen Grenzen der Wirbel und ausserdem bei zw und sonst die Grenzen der bleibenden Wir- bel zeigt. Sind die bleibenden Wirbel einmal angelegt, so beginnen wichtige Vorgänge, welche nach und nach zur endlichen Vollendung der Bücken- und Bauch wand des Embryo führen, und welche wesent- lich darauf beruhen, dass die Producte der Urwirbel, d. h. die Mus- kelplatte, der Spinalnerv und die Anlage des Knorpelbogens, theils nach oben um das Mark herum, theils nach unten in die Bauchwand, d. h. in die Hautplatten hineinwachsen, während zugleich diese letzten Platten nach Bemak auch selbst nach dem Bücken hinauf sich Bildung entwickeln. Betrachten wir zuerst die Bildung der Bauchwand. Die ursprüngliche Bauchwand (Fig. 26) besteht, wie Sie wissen, aus der äussern Lamelle der Seitenplatten oder den Haut- platten sp und dem hier verdickten Hornblatte. Anfänglich von den Urwirbeln getrennt verwachsen später die Hautplatten mit densel- ben (Fig. 31) und nun beginnen die Muskelplatte mu einerseits und der Spinalnerv g, v und der Wirbelbogen anderseits in dieselben hineinzuwuchern in der Art, dass sie die Hautplatten in einen dicke- ren äussern und einen dünneren innern Theil sondern oder spalten. Ist dieser Vorgang bis zu einer gewissen Entwicklung gelangt, so besteht dann die Bauchwand aus folgenden Schichten : 'I ) dem Horn- blatte, 2) der äussern dickern Lage der Hautplatten oder der Anlage der Cutis, 3) der Muskelplatte oder der Anlage der visceralen Mus- keln (Intercostales etc.), 4) und 5) der in einer Schicht liegenden Anlage der Bippen und Nervi intercostales und 6) der innern Schicht der Hautplatte oder der Anlage der serösen Auskleidung der Pleu- roperitonealhöhle. Es versteht sich von selbst, dass die Bippenanla- gen, welche ja von den Bogen ausgehen, dieselben Beziehungen zu den Urwirbeln und zu den bleibenden Wirbelkörpern darbieten, wie die Bogen, so dass jede Bippe ihrer Entwicklung nach zu dem vor ihr gelegenen Intercostalnerven zählt. Ebenso gehört, da jede der Bauchwand. Entwicklung der Bauchwand 65 Muskelplalte einem Urwirbel entspricht, jede Gruppe von Intercos- talmuskeln zu der hinter ihr gelegenen Kippe. Wo keine Rippen sich finden, fehlt das Her- ein wachsen der Urwir- belproducte in die Bauch- wand doch nicht, be- schränkt sich aber auf Muskeln und Nerven und gehören daher die Bauch- muskeln in dieselbe Mus- kelgruppe wie die Zwi- schenrippenmuskeln. Der Erste, der die ebengeschilderten Vor- gänge beobachtet hat, Rathke, nennt die ur- sprüngliche Bauchwand die untere Vereinigungs- haut [Membrana reuniens inferior) und die Producte der Urwirbel die Bauch platten, doch hat Rathke darin geirrt, dass er die Vereinigungshaut durch die Bauchplatten verdrängt wer- den lässt. Hierauf hat Reichert gesehen, dass die Bauchplatten, die er »Visceralplatten« nennt, nur in die Bauchwand hineinwachsen, und endlich Remak eine sehr gelungene Darstellung des ganzen Vor- ganges gegeben, die ich vollkommen bestätigen kann. Ihre letzte Ausbildung erreicht die Bauchwand dadurch, dass, Letzte Ausbü- nachdem die Rippenanlagen verknorpelt und die einzelnen Muskeln "wand, ausgebildet sind, was lange vor der Zeit geschieht, wo die Bauch- platten die vordere Mittellinie erreicht haben, nun diese Theile selbst Fig. 31. Querschnitt durch den Rumpfeines 5 tägigen Embryo in der Na- belgegend. Nach Remak. sh Scheide der Chorda, h Hornblatt, am Amnios, fest geschlossen, so, secundäre Aorta, v c Venae cardinales, mu Muskelplatte, g Spi- nalganglion, v vordere Nervenwurzel, hp Hauptplatte, up Fortsetzung der Ur- wirbel in die Bauchwand (Urvvirbelplatte Remak, Visceralplatte Reichert). bh Primitive Bauchwand aus der Hauptplatte und dem Hornblatt bestehend, df Darmfaserplatte, d Darmdrüsenblatt, beide hier, wo der Darm im Verschlusse begriffen ist, verdickt. Die Masse um die Chorda ist der in Bildung begriffene Wirbelkörper, die vor den Gefässen enthält in den seitlichen Wülsten die Ur- nieren und setzt sich in der Mitte ins Gekröse fort. Hölliker, Entwicklungsgeschichte. 0 6ß Zehnte Vorlesung. durch fortgesetztes Wachsthum in der ursprünglichen Bauchwand sich weiter schieben, bis sie endlich in der vordem Mittellinie ent- weder zur Berührung kommen, wie die Reell abdominis, oder selbst verwachsen, wie die Bippen mit dem Brustbeine, wovon später noch weiter gehandelt werden soll. Eilfte Vorlesung. Meine Herren ! Bei der Ausbildung des Rückens ist nach Remak Bildung der der erste Schritt zur Vollendung der, dass die Hautplatten der Bauch- Kückens. wand mit ihrem aussen an den Bauchplatten gelegenen und dicht an die Urwirbel angrenzenden Theile nach dem Bücken her- auf wuchern und nach und nach als Hautplatten des Rü- ckens, zwischen den Muskelplatten und dem Hornblatte sich fort- schiebend, die obere Mittellinie erreichen, wo sie dann, zwischen dem Hornblatte und den häutigen Bogen (der oberen Vereinigungshaut von Bathke) gelegen, verschmelzen. Von diesem merkwürdigen Vorgange, nach dem somit die Cutis des Rückens — denn die ge- nannten Ausläufer der Hautplatten sind nichts Anderes — von den ursprünglichen Seitenplatten der Embryonalanlage abstammen würde, hat zuerst Reichert Andeutungen gegeben (Entwicklungs- leben etc. St. 1 33 flgde, St. 1 64), doch rechnet er auch die Mem- brana reuniens superior zu seinem Hautsystem, was ich mit Remak für unrichtig halten muss. Im Uebrigen hat Remak Reichert's An- gaben bestätigt und, freilich ohne genauere Mittheilungen zubringen, einfach angegeben (Entw. St. 48), dass die Haut des Rückens von der Hautplatte der Bauchwand abstamme. Was mich betrifft, so habe ich mir viele Mühe gegeben, die Bildung der Haut des Rückens zu verfolgen. Es ist mir jedoch nie gelungen, ein allmäliges Her- aufwachsen der Seitenplatten zu bemerken. In allen Fällen war entweder, wie in Fig. 26, von der Hautschicht des Rückens noch gar nichts zu sehen, oder sie war in der ganzen Breite desselben, mit Ausnahme der Gegend über dem Medullarrohre selbst, angelegt, wie in Fig. 29 und 32. Ich bin so schliesslich zur Ueberzeugung gelangt, dass die Haut des Rückens durch eine Spaltung der Muskelplatte 5* 68 Eilfte Vorlesuni Weitere Ausbildung' des Rückens. Erste Bildung der Extremitäten. entsteht und nichts als die äussere Schicht derselben ist. Zur Be- stätigung dieser Auffassung kann ich Ihnen noch bemerken, dass auch Remak, wenigstens beim Frosche, für die Kopfhaut eine Entste- hung derselben an Ort und Stelle zugleich mit der Schliessung des Medullarrohres statuirt (Entw. St. 155), was meinen Erfahrungen zufolge auch für das Hühnchen gilt. Ist die Hautschicht des Rückens einmal angelegt, so wird der Rücken langsam dadurch vollendet, dass erstens die Wirbelbogen, die mittlerweile verknorpeln , mit ihren obern Enden in den ur- sprünglichen häutigen Bogen einander entgegenwachsen und endlich verschmelzen, was jedoch erst spät geschieht, zweitens die Haut- platten ebenfalls in der Mittellinie von beiden Seiten her sich ver- einen und drittens die Muskelplatten auch nach oben Ausläufer senden, aus denen dann, zusammen mit den übrigen im Bereiche der Wirbelanlagen gelegenen Theilen derselben, die vertebralen Muskeln (tieferen Bückenmuskeln) sich gestalten, deren Beziehungen zu den Urwirbeln und den bleibenden Wirbeln , wenigstens bei den von Wirbel zu Wirbel sich wiederholenden Muskeln, dieselben sind, wie die der Inlercostales. Zu der Muskelplalte des Rückens gesellt sich dann natürlich auch noch ein Ast des Spinalnervens , der Rcumis posterior^, doch ist es mir noch nicht gelungen , in einer früheren Zeit desselben ansichtig zu werden. Ich gebe Ihnen nun noch einige Andeutungen über die erste Bildung der Extremitäten und über die den geschilderten Vorgängen analogen Erscheinungen am Halse und Kopfe. Die erste Andeutung der Extremitäten zeigt sich in einer Verdickung der Hautplalten. Ist diese stärker geworden und als kleiner Stummel hervorgetreten (Fig. 32), so zeigt sich auch schon eine Verbindung des Axentheils der Anlage Fig. 32. mit einem Auswüchse Fig. 32. Querschnitt durch die Beckengegend und Allantois eines Hühner- emhryo mit eben hervorsprossenden hintern Extremitäten (vom 5. Tage), etwa Bildung der Extremitäten. 69 der Urwirbel, an dem deutlich die Muskel platte und der Spinalnerv sich betheiligt. Im weitern Verlaufe wuchern die Nerven entschie- den in die Extremilätenanlage hinein und erscheinen an jungen An- lagen als unverhältnissmässig mächtige Bildungen (S. Remak 1. c. Taf. IV. Fig. 43) ; was dagegen die Knochen und Muskeln betrifft, so ist es noch Niemand gelungen, nachzuweisen, ob dieselben un- abhängig von den Urwir- beln oder aus einem von diesen hineingewucherten Blasteme sich erzeugen (Fig. 33). Meinen Erfah- rungen zufolge scheint mir das erstere wahrscheinli- cher, doch bin ich weit da- «? von entfernt , in dieser Be- ziehung eine bestimmte An- sicht äussern zu können. — Auffallend ist die von Remak gefundene sehr bedeutende Verdickung des Bornblattes am Ende des Extremitäten- stummels (Fig. 3%'fi'): Fig. 33. 30mal vergr. ch Chorda, m Medullarrohr, ao hintere Aorten (Schwanztheil), die in die Art umbilicales sich fortsetzen, vc Venae cardinales, un Urnieren, mp Muskelplatte, etwas in die Extremitätenanlage sich hinein erstreckend, np Hautplatte des Rückens, h Hornblatt, ti stark verdickte Stelle desselben an der Spitze des Extremitätenstummels, a Amnios (nicht ausgezeichnet) mit sei- nen beiden Lagen, dem Hornblatte und der Hautplatte, d Höhle des Hinter- darms, dd Darmdrüsenblätt oder Epithel, d/'\Darmfaserplatte, an der aussen schon die Serosa deutlich ist, den Darm nicht ganz umgebend, p Peritonal- höhle, sl seitliche Leibeswand in «6 die vordere Bauchwand übergehend, al Allantois mit der Bauchwand noch verbunden und von einer dünneren Fort- setzung des Darmdrüsenblattes ausgekleidet. Fig. 33. Querschnitt eines Hühnerembryo vom 4. Tage in der Gegend der vordem Extremitäten, etwa 20mal vergr. Nach Remak. Zu beiden Seiten des Rückenmarks sieht man die Muskelplatte, die hintere Nervenwurzel mit dem Ganglion und die vordere Wurzel, alle drei in die Extremität sich fortsetzend und in der helleren Axe derselben E sich verlierend. Unter der Chorda zeigen sich die verschmolzenen Aorten, zu beiden Seiten die Cardinalvenen, unter diesen die Urnieren. Der Darm ist fast geschlossen, das Amnios ganz gebildet und mit beiden Lagen der nach innen von den Extremitätenanlagen befindlichen seitlichen Bauchwand, der Hautplatte und dem Hornblatte, verbunden. 70 Eilfte Vorlesung. innere Ausbii- Was den Kopf und Hals anlangt, so geschieht die innereAus- lTmdiMs.°P bildung derselben zwar im Wesentlichen nach denselben Gesetzen, wie sie beim Rumpfe dargelegt wurden, es zeigt sich jedoch hier der bedeutende Unterschied, einmal, dass die Urwirbelplatten und Sei- tenplatten mit einander verbunden bleiben, und zweitens, dass die- selben auch nicht in der Längsrichtung in einzelne Stücke sich son- dern, mit andern Worten : es finden sich am Kopfe keine Urwirbel und auch später, so lange derselbe noch knorplig ist, keine Wirbelabthei- lungen und eben so wenig Bildungen, wTelche den häutigen oder weichen Anlagen der Bogen verglichen werden könnten. Im Ein- zelnengestalten sich die Haupterscheinungen folgendermaassen. Bildung des Die Urwirbelplatten umwachsen mit ihren innern Theilen die Schädels. Chorda früh von oben und von unten und stellen so eine häutige Anlage der Schädelbasis dar. Später umgeben sie mit ihren obern Theilen nach Analogie der Membrana reuniens superior der Wirbel- säule auch das Gehirn und bilden so eine häutige Schädelkapsel, die dann nachher in einen äussern Theil, die Haut, und einen innern, die eigentliche häutige Schädelkapsel sich differenzirt. In den Bauchwänden des Kopfes und Halses erleiden die ursprünglich dieselben mit dem Hornblatte zusammensetzenden Seilenplatten später eine Verdickung, die von den mit ihnen verschmolzenen Ur- wirbelplatten ausgeht und nach und nach auf die Seitenwände über- geht, jedoch die Mittellinie der vordem Wand anfänglich nicht er- schiundpiatten. reicht. Dann bilden sich seitlich je 4 Spalten, die Schlund- oder Kiemenspalten, w7elche von aussen bis in den Schlund führen, und vor der ersten Spalte in der untern Mittellinie unter dem Ende des Gehirns entsteht durch Einbuchtung und Durchbrechen von Mund. aussen der Mund. Die die erste, zweite und dritte Spalte von vorn her begrenzenden Theile der Schlundwände verdicken sich und schlundbogen, heissen die Schlundbogen, und aus diesen entwickeln sich dann, wie wir später sehen werden, wenn die Schlundspalten, mit Ausnahme der ersten, die zum äusseren und mittleren Ohre wird, schon lange geschlossen sind , das Zungenbein, die Gehörknöchel- chen und noch einige andere Theile des Kopfskeletts. Hiermit schliesse ich die zusammenhängende Betrachtung der Entwicklung des Hühnchens ab, indem ich [Ihnen nun das nöthige Material an die Hand gegeben habe, aus dem Sie das Gesetzmässige in der Entwicklung der Wirbelthiere zu erkennen und herzuleiten im Stande sind. Nehmen Sie als Ausgangspunct eine Embryonal- Bildungsgesetz des Wirbelthieres. 71 anläse von der Zusammensetzung der in Fi». 34 gezeichneten, so ?ie .tlrei La£ejl ° ° D ° des jungen Em- erkennen Sie an derselben drei Hauptlagen : I ) das Hornblatt, 2) das '"sn- £/S « ;j/ «» so d d df Fig. 34. mittlere Keimblatt mit der Medullarplatte und 3) das Darmdrüsen- blatt, mit andern Worten : zwei einfache epitheliale dünne Lagen und eine innere mächtigere Masse mit früh auftretenden Sonderungen. Die Bedeutung dieser Lagen für die späteren Bildungen ist die : Aus dem Hornblatte entwickelt sich die gesammte Epidermis des Körpers, die Hornbildungen (Nägel, Federn), alle Hautdrüsen ohne Leistungen des Ausnahme, mit Inbegriff derer, die in die Mundhöhle ausgehen, die Linse im Auge und die epitheliale Auskleidung der Mundhöhle, der Nasenhöhle und des Ohrlabyrinths. Das D a rmd rüsenbla ttdes Darmdruseu- blattes, liefert die gesammte epitheliale Auskleidung des Darmkanals mit den kleineren Darmdrüsen und die zelligen Elemente des Pan- creas, der Leber, der Lungen, der Thyreoidea und der bleiben- den Nieren. Das mittlere Keimblatt sammt der Medullär- des mittleren Keimblattes und platte endlich erzeugt alle gefässhaltigen Theile des Körpers , das der Meduiiar- platte. Nervensystem, Muskelsystem, Knochensystem , alle bindegewebigen Unterlagen und Hüllen, wie die Cutis, die gefässhaltige Darmhaut, die Hüllen der Drüsen, und natürlich alle Organe desGefässsystems, namentlich auch die Lymphdrüsen, die Milz, die Thymus. Ausser- dem bildet dasselbe aber auch gewisse epitheliale Auskleidungen, wie die der Urnieren, der keimerzeugenden Theile des Geschlechts- apparates und der serösen Häute. Das Vermögen zur Schaffung ge- fässloser epithelialer Bildungen und von Drüsen fehlt somit allerdings dem mittleren Keimblatte nicht, was die Einfachheit der Verhält- Fig. 34. Querschnitt durch einen Hühnerembryo vom zweiten Tage, 90 — -lOOmal vergr. dd Darmdrüsenblatt, ch Chorda, uw Urwirbel, uwh Urwirbelhöhle, ao primitive Aorta, ung Urnierengang, sp Spalte in den Sei- tenplatten (erste Andeutung der Pleuroperitonealhöhle), die durch dieselbe in die Hautplatten hpl und Darmfaserplatten df zerfallen, die durch die Mittel- platten tnp unter einander zusammenhängen, mr Medullarrohr (Rückenmark), h Hornblatt, stellenweise verdickt. 72 Eilt'te Vorlesung. nisse etwas stört, allein dieselbe wird doch nur da in Anspruch ge- nommen, wo der Lage der Theile nach die Leistungen der zwei epi- thelialen Blätter sich nicht wohl entfalten konnten. Gehen wir auf die erste Entwicklung zurück, so finden wir, dass, während das mittlere Keimblatt und das Darmdrusenblatt in derselben Bedeutung wie später dastehen, das Hornblatt und die Medullarplatte aus Einer und derselben Schicht, dem äussern Keimblatte, hervorgehen. Die- Entwickiung der ses Verhalten ist so auffallend und liegt der Gedanke so nahe, dass Medullarplatte. die Medullarplatte aus dem mittleren Keimblatte hervorgehe , das sonst alle gefässhaltigen Theile liefert, dass es sich wohl der Mühe lohnt, die Thatsachen genau zu prüfen und vor Allern zu fragen, ob nicht die Medullarplatte bei ihrem Entstehen von einer Fortsetzung des Hornblattes bekleidet sei, wie diess in der That Beichert seiner Zeit angegeben hat. Ich habe ebenso wie Bemak, der der Medullar- platte zuerst die angegebene Entstehungs weise zuschreibt, das erste Auftreten derselben aufs sorgfältigste verfolgt und bin hierbei (Fig. 35) zur bestimmtesten Ueberzeugung gelangt, dass dieselbe in ihrerTotalität eine Fortsetzung des Süasa Hornblattes ist. Von einer epithelialen Auskleidung der An- lage des Nervensystems ist nicht nur in den ersten zwei Brüttagen durchaus nichts zu sehen, sondern man vermisst dieselbe auch noch in späterer Zeit, wie am 4. und 5. Tage. Auch beim Frosche, auf den man besonderes Ge- wicht gelegt hat, sind die Verhältnisse wesentlich eben so. Das Hornblatt besteht hier aus einer äusseren braunen und einer tieferen hellen Zellenschicht, die beide sich in die Medullarplatte fortsetzen. Nach seiner Schliessung besteht das Medullarrohr aus zwei Schich- ten, von denen die innere dunkle nun allerdings wie ein Epithel erscheint, allein ich finde, wie Bemak (Entw. St. 149), dass auch diese an der Bildung der Nervensubstanz sich betheiligt. Sollte aber Fig. 35. Querschnitt durch die Anlage eines Hühnerembryo vom Ende des ersten Tages 90 — lOOmal vergr. ch Chorda; uwp Urwirbelplatte mit einer Spalte uwh, vielleicht der ersten Andeutung der spätem Höhle der Urwirbel; sp Seitenplatten mit den Urwirbelplatten hier noch verschmolzen, dd Darmdrü- senblatt, h Hornblatt, m Medullarplatte. Beide zusammen sind in eine starke Falte, die Medullarwülste oder Rückenwülste erhoben, die die breite Rücken- furche Rf begrenzen, in deren Mitte noch die Primitivrinne Pr sichtbar ist. Biklungsgesetz des Wirbelthieres. 73 auch diese Lage vielleicht blos zum Epithel des Kanales sich gestal- ten, der auch beim Frosche zeitlebens im Rückenmark sich erhält, so würde die Nervenmasse doch aus Einer Anlage mit dem Horn- blatte entstehen, denn es ist ja auch die äussere helle Lage des Me- dullarrohres eine unmittelbare Fortsetzung der tiefern Lage des Hornblattes. Wir kommen somit zur unzweifelhaften Erkenntniss, dass das centrale Nervensystem und die Epidermis eine und dieselbe Uran- lage haben und will ich Ihnen nur noch bemerken, dass nach dem jetzigen Stande der feineren Anatomie diese Sachlage nicht mehr das Befremdende hat, das sie noch zu der Zeit besass, als Remak sie auffand, indem wir jetzt wissen, dass an gewissen Orten, wie in der Geruchsschleimhaut und im Labyrinthe und vielleicht noch an- derwärts, auch Bestandtheile von Epithelien wirklich nervöse Natur besitzen und mit tieferen Nerven zusammenhängen. Die morphologischen Vorgänge bei der Umbildung der drei v^än°e°be?der Keimblätter in die aufgezälten Organe sind im Einzelnen sehe ^^Keimblätter verschieden ; doch findet sich Ein Gedanke überall wieder, der der Umbildung von Blättern oder hautförmigen Anlagen in Röhren. Wenn Sie für einmal von den spätem Umgestaltungen des mittleren Keimblattes absehen, so ist das Grundphänomen bei der Bildung des Wirbelthiers das, jdass aus der blattförmigen Anlage durch paarige Wucherungen von einer Axe aus nach oben und nach unten {Evolu- tio bigemina v. Baer), genauer bezeichnet: durch Umbiegen derSei- tenränder nach unten und Bildung von Längswulsten neben der obern Mittellinie , die dann zu einem Kanäle schliessen, ein Leib mit einer obern Nervenhöhle und einer untern Visceralhöhle ent- steht. Das äussere Keimblatt erzeugt hierbei nothwendig eine Doppel röhre, nämlich einmal die Umhüllung des Ganzen oder das Hornblatt (Epidermis) und zweitens mit seinem mittlem Theile das Nervenrohr, während das untere Blatt nur eine einfache Röhre bildet, das Darmepithelialrohr. Das mittlere Keimblatt liefert die Axe, die Chorda, und dann die Begrenzungen des Nerven- und Eingeweiderohres oder die Urwirbel und die Seitenplalten, welche die betreffenden Röhren freilich anfänglich nicht vollkommen um- umgeben. Ist so die erste Anlage gegeben, so wird dieselbe einzig und allein durch Leistungen des mittleren Keimblattes vervollstän- digt. Stalt der primitiven Axe entsteht eine bleibende dadurch, dass die Urwirbel die Chorda umwachsen, und so die Wirbelkör- 74 Eilt'te Vorlesung. peranlagen liefern. Der übrige Theil der Urwirbel dient zur Ver- vollständigung der Rücken- und der Bauchwand. Der erstem liefert er, durch Spaltung in verschiedene Lagen und zugleich durch Wuche- rung nach der obern Mittellinie zu, die Hüllen des Medullarrohres, die Wirbelbogen und Nervenstamme und durch die Muskelplatte auch die tieferen Muskelschichten (die vertebralen Muskeln Arnold) und die Haut; der letzlern gibt er ebenfalls die Knochen (Rippen und Brustbein), die Muskeln (die visceralen Muskeln Arnold) und Nerven, welche Theile alle aus den Seitentheilen der ursprünglichen Urwir- bel hervorsprossen, d. h. von den Wirbelbogen, der Muskelplatte und den Nervenstämmen aus in die Seitenplatten hineinwachsen, die dadurch in eine Cutisschicht und eine innere Lage (Darmfaser- haut oder, wie im Bereiche der Pleuroperitonealhöhle, in die Serosa) gespalten wird. Während diess geschieht, wuchern die Seitenplat- ten, die im ganzen Bereiche der Pleuroperitonealhöhle in eine äussere Hautplatte und eine innere Darmfaserplatte sich gespalten haben, mit ihrem innern Ende nach innen unter der Axe durch zur Ver- vollständigung der Darmwand und zur Erzeugung des Gekröses, wo ein solches vorhanden ist. Wo Extremitäten vorkommen, sind sie Erzeugnisse der Seitenplatten, und zwar der äussern Schicht derselben, welche an der Grenze gegen den Rücken einmal zu Mus- kel- und Knorpelanlagen sich differenzirt, die dann zur Bildung des Extremitätengürtels und seiner Muskeln in die Bücken- und Bauch- wand hineinwuchern und zweitens durch mächtige Wucherung nach aussen die Anlage der eigentlichen Extremität erzeugen, welche dann unter Mitbetheiligung der von den Urwirbeln aus einwachsen- den Nerven weiter in ihre einzelnen Theile sich sondert. — So entsteht durch ein merkwürdiges Ineinandergreifen der Leistungen der Urwirbel- und der Seitenplatten, das ganze verwickelte Gefüge des Innern des Leibes. Ueberblicken wir noch einmal das Ganze, so können wir sagen, dass der Leib des Hühnchens (und des Wirbelthiers) aus drei Keimblättern und sechs primitiven Organen, von denen zwei paarig sind, und zwar 1) dem Hornblatte, 2) dem Darmdrü- senblatte, 3) der Medullarplatte , 4) der Chorda, 5) den Urwirbel- platten und 6) den Seitenplatten sich aufbaut und wird Ihnen jeder Schritt, den wir in der Verfolgung der Entwicklung der einzelnen Organe weiter thun werden, eine neue Bestätigung dieser Sätze bringen. Zwölfte Vorlesimg. Meine Herren ! Wir haben das Kaninchenei in dem Stadium Entwicklung des i 11 ini • i i • Säugethiereies. verlassen, in welchem dasselbe innerhalb der mit kleinen structur- losen Zöttchen besetzten Dotterhaut, oder des primitiven Chorion, aus einer doppelschich tigen Kei mb läse bestand, an welcher an einer Stelle eine beiden Lagen der Blase angehörige Verdickung, der Fruchthof, sich fand und wenden wir uns nun an der Hand der über den Hühnerembryo erlangten Kenntnisse zur Schilderung und Deutung der weiteren Veränderungen desselben. Zunächst und vor Allem möchte ich Ihnen sagen, dass nach schichten der Keimblase. Allem, was wir über die Entwicklung der Säugethiere wissen, nicht bezweifelt werden kann, dass, analog den Veränderungen beim Hühn- chen , die Keimblase bei der weitern Entwicklung ebenfalls in drei Blätter zerfällt. Das innerste oder das Darmdrüsenblatt (S. Fig. 47, 1) bildet eine ganz geschlossene einschichtige Blase und besteht aus der innern Zellenschicht der Keimblase und den tiefsten Zellen in der Gegend des Fruchthofes. Das zweite oder mittlere Keimblatt reicht nur so wt e i t als der Fruchthof und verdankt seinen Ursprung, wie beim Hühnchen, ganz bestimmt der ursprünglichen innern Schicht der Keimblase, von der Bischoff be- stimmt dargethan hat, dass sie, sowie der Fruchthof sichtbar wird, auch eine Verdickung hat. Das äussere Keimblatt endlich be- steht aus der äusseren Zellenlage der doppelschichtigen Keimblase und der äusseren Schicht des Fruchthofes und besitzt im Bereiche des Fruchthofes von der Zeit des Auftretens desselben an eine Ver- dickung, deren eigentliche Entwicklung hier eben so wenig klar ist wie beim Hühnchen. In der Fig. 47, 1 ist dieser Zustand der Keim- blase, jedoch nach dem Auftreten der Embryonalanlage dargestellt 76 Zwölfte Vorlesum und bedeuten die Buchstaben ak, mk, ik die drei Keimblätter, an denen bei zweien auch die Embryonalanlage durch eine Verdickung dargestellt ist. Veränderung'eu des Fruchthofes. Embryonalan- la^e. Während die erwähnte Spaltung der Keimblase eintritt, wächst dieselbe und zeigen sich bald weitere Veränderungen. Sobald näm- lich dieselbe den Durchmesser von 6'" überschritten hat, zeigen sich am Fruchthofe, der mit der Blase, jedoch einzig und allein durch Wachsthum der mittleren Keimschicht, sich ver- größert, die ersten Veränderungen, die auf die Bildung des Embryo hindeuten, indem ein Gegensatz zwischen einer helleren Mitte, der Areapeiüitüia. Area pellueida, dem durchsichtigen Fruchthofe, und Areavpaca. einem dunkleren Bandsaume, der Area ppa'ca, dem dunklen Fruchthofe, auftritt, worauf dann der ganze Fruchthof aus der runden in eine länglich-runde Gestalt übergeht. Ist derselbe eiför- mig geworden (Fig 36), so zeigt sich die Embryonalanlage in Gestalt eines länglichen, dichteren Schild chens in der Mitte des- selben und auf diesem erscheint dann ziemlich gleichzeitig auch die Primiti v rinne als eine schmale, die Enden des Schild- chens nicht erreichende linien- förmige Furche. Weiter nimmt dann der Fruchthof wieder die runde Gestalt an (Fig. 37), wäh- rend die Embryonalanlage schwach leyerförmig ward und von einem ähnlich gestalteten hellen Hofe um- geben erscheint. Diese Embryo- nalanlage nun entspricht, wie na- mentlich Biscboff's Abbildungen vom Hundeei , zusammengehalten mit Bemak's Angaben (1. c. St. 87), lehren, wohl vor Allem der Axenplatte Remak's beim Hühnerembryo und bezeichnet die Ge- gend, in der die Verdickung im äussern Keimblatte oder die Anlage der Medullarplatte und die mittlere Verdickung im mittleren Keim- Fig. 36. Fruchthof der Keimblase eines Kaninchens, etwa lOmal yergr. Der weisse Rand ist die Area opaca, die dunkle breitere Zone die Area pellucida. In dieser zeigt sich die Embryonalanlage mit der Primitivrinne. Nach Bischoff. Priiuitivrinne. Erste Entwicklung der Säuscthiere. 77 blatte, die bald in Urwirbelplatten und Chorda sich sondert, mit einander verschmolzen sind, doch sind wohl auch schon die Seiten- platten, oder wie man sie mit Inbegriff des die Randtheile bekleidenden Hornblattes auch nennen kann, die Bauchplatten Baer's, als ganz schmale Säume angedeutet, obschon hierüber Biscboff's Abbildungen keine bestimmte Auskunft geben. In weiterer Linie bildet sich nun, wie Remak's Beobachtun- gen beim Kaninchen lehren (I.e. Nachträge z. St. 87) und auch Bischoff's Abbildungen vom Hundeei entnehmen las- sen, auch beim Säugethierem- bryo eine breite Rücken furche aus, die in der Quere so weit Rückrnfurche. sich erstreckt, wie die Axenplatte, und von stark hervorragenden Wülsten, den Rückenwülsten Baer's oder den Medullarwül- Rückemvüiste. ste n Remak's, begrenzt wird, die nach hinten allmälig sich abflachen und am Kopfe von rechts und links her sich verbinden, und so einen halbkreisförmigen Wall bilden, dessen Umfang die Anlage der Hirnblase bezeichnet. Durch den dünnen Boden der Mitte der Furche erkennt man die breite Chorda, die mit ihrer verdünnten chonia. Spitze die Mitte des Hirnabschnitles erreicht. Diese Rückenfurche wird auch hier von der Medullarplatte ausgekleidet und ist nach Remak's Untersuchungen das Verhältniss der letzteren zum Hornblatte, das hier aus einer einzigen Zellenlage besteht, genau dasselbe, wie beim Hühnchen, d. h. es gehen beide unmittelbar in einander über und ist nicht daran zu denken, dass ersteres nur eine oberflächliche Bekleidung der Medullarplatte darstelle. — Bevor die Rückenfurche sich schliesst, entstehen nun auch, wenigstens beim Hundeembryo, schon die ersten Urwirbel und bilden sich zugleich schon die Urwirbei. drei ursprünglichen Hi rnabthei lun een , sowie die erste Himabthei- 1 ' ■ ° lunsren. Fig. 37. Fruchthof des Kaninchens mit leyerförmiger Embryonälanlage, a Primitivrinne , 6 Embryonalanlage, c Area pellucida, leyerförmig, d Area opaca, kreisrund. Etwa lOmal vergr. Nach Bischoff. 78 Zwölfte Vorlesung. Junger Embryo des Hundes. f- Seitenplatteu. Kopfdarmhöhie. Anlage der Kopfdarmhöhle aus, und ist in dieser Beziehung eine Abbildung von Bischoff besonders lehrreich (Fig. 38). In dieser deuteich mit Bemak (I.e. St. 4 91) die ganze dunkle Begrenzung b der noch weit offenen Bückenfurche aa, deren Bänder durch den hellen Saum angegeben -sind, als Medul- larplatte und darunter gelegene Urwir- belplatten. Am breiteren Kopftheile zeigt die Furche schon 3 Ausbuchtungen, die Hirn blasen, in der Mitte, wo 6 Ur- wirbel durch die Platte hindurchschim- mern , ist dieselbe schmäler und hinten wieder ähnlich wie bei den Vögeln am Sinus rhomboidalis erweitert. Die mittlere dunkle Linie bezeichnet die Chorda. Ausserdem sind hier auch die Seitenplatten c deut- lich, die in das mittlere und äussere Blatt des Fruchthofes d übergehen , während f das Darmdrüsenblatt darstellt. Die Profilansicht dieses Embryo (Fig. 39) zeigt, dass der Kopf sich schon etwas vom Fruchthofe abgeschnürt hat, dass mithin die erste Anlage der Kopfdarmhöhle schon gebildet ist. Ueberhaupt ist der ganze Embryo am Bücken etwas gewölbt und an der Bauch- seite leicht rinnen förmig vertieft zu den- ken. — Auf dieses Stadium folgt nun bald der Schluss der Furche, während zugleich Fig. 38. Embryonalanlage eines Hundeeies, etwa \ Omal vergr. Nach Bischoff. a Rückenfurche, hier mit 3 Erweiterungen und 2 Einschnürungen, Andeutungen der aus diesem Theile der Medullar- platte sich entwickelnden 3 Hirnblasen, a Erwei- terung der Rückenfurche in der Lendengegend [Sinus rhomboidalis) , b Medullarplatte, c Seitenplatten, d äusseres und mittleres Blatt der Keimblase, /'inne- res Blatt derselben. In der Mitte sind 6 Urwirbel sichtbar und in der Mitte der Rückenfurche sieht man die durchschimmernde Chorda dorsalis. Fig. 39. Derselbe Embryo, den Fig. 38 darstellt, von der Seite, a abgetrennte äussere Lamellen der Keimblase. Das Offenstehen der Rückenfurche und die Abschnürung des Kopfes sind deutlich. Erste Entwicklung der Säugethiere. 79 die Kopfdarmhöhle sich verlängert, das Herz in deren vorderen Wand sich anlegt und die Urwirbel an Menge zunehmen. Beim Kan inchen schliesst sich nach Bischoff's Darstellungen junger Embryo die Rückenfurche früher als beim Hunde. Fig. 40 zeigt dieselbe schon ganz geschlossen an einem Embryo, der vom Fruchthofe noch nicht abgeschnürt ist. Das Medullarrohr zeigt An- deutungen einer ersten Hirn- blase a und einer zweiten 6, und ausserdem 7 Urwirbel, die auch bei Säugethieren offenbar die Halsgegend be- zeichnen. Vom durchsichti- gen Fruchthofe ist nur noch eine ganz kleine Stelle am Kopfe zu sehen. In einem folgenden Stadium erst (Fig. 41 und 42) hat der Kanin- chenembryo ungefähr das Stadium erreicht, das vor- hin vom Hunde beschrieben wurde. Die 3 Hirnblasen sind sehr deutlich und an der vordersten schon zwei seitliche Ausbuchtungen be- merkbar. die Anlagen der primitiven Augen b 1 a - Primitive Aug-en- blasen. sen. Urwirbel sind 8 Paare angelegt. In der Ansicht von unten (Fig. 42) zeigt sich die noch kleine Kopfdarm- höhle und die eben begin- Fig. 40. Embryonalanlage eines Kaninchens mit geschlossener Rücken- furche. Der durchsichtige Hof ist nur noch am Kopfe sichtbar, a Erweiterung des Medullarrohres an der Stelle der spätem ersten Hirnzelle, b beginnende Bildung der zweiten Hirnzelle, c Urwirbel, 7 an der Zahl. lOmalvergr. Nach Bischoff. Fig. 41. Fruchthof und Embryonalanlage eines Kaninchens vom Rücken her. a Rand der Kopfscheide des Amnios, b erste Hirnblase, c seitliche Aus- 80 Zwölfte Vorlesung. Beckendarm- höhle. Erste Spur des Amnios. nende Beckendarmhöhle. Der etwas abgeschnürte Kopf liegt in einer grubenförmigen Vertiefung und ist schon von einer Falte des äusseren Keimblattes kap- penartig umgeben , welche die erste Anlage des Amnios bezeichnet, dessen Bildung wir später im Zusammen- hanse betrachten werden. Von nun an schreitet die Bildung der Kopfdarmhöhle rasch vorwärts und beginnt auch zugleich das erste Ge- fässsystem mit dem Herzen sich anzulegen (Fig. 43 und 44). Fig. 43 zeiet Ihnen in Fig. 42. buchtungen derselben oder primitive Augen- blasen, d zweite, e dritte Hirnblase. Es sind 8 Ur- wirbel sichtbar und zwi- schen denselben das Rückenmark. Die strah- ligen Falten gehören der serösen Hülle an, die aus einem derTheileder Amniosfalte hervorgeht und der Hof um den Kopf bedeutet eine Vertiefung oder Einsenkung der zwei innern Blätter der Keimblase, in welchen derselbe liegt. lOmal vergr. Nach Bischoff. Fig. 42. Derselbe Em- bryo von der Bauchseite. a Eingang in die Kopfdarmhöhle, b Kopfscheide des Amnios, c Eingang in die Beckendarmhöhle, die noch sehr klein ist. Fig. 43. Fig. 43. Fruchthof und Embryo vom Kaninchen, von der untern Seite her, bei dem die ersten Spuren der Gefässe sichtbar sind. Etwa \ Omal vergr. Nach Bischoff. a Anlage des Herzens, dessen hinteres Ende in die Anlagen der zwei Venae omphalo- rnesenterieae übergeht, bb primitive Augenblasen seitlich an der Erste Entwicklung der Saugethicre. Sl der vordem Wand der Kopfdarmhöhle das Herz als einen noch fast geraden Kanal, dessen erster Bildung wohl unzweifelhaft wie beim Fig. 44. Hühnchen eine Spaltung in dieser Wand vorausgeht. Im Fruchthofe Erste spuren der Gefässe. zeigen sich die ersten schwachen Spuren von Gefässnetzen und einer Randvene a. Der Embryo selbst ist noch fast ganz von derselben Beschaffenheit wie vorhin, nur sind die Urwirbel auf 10 vermehrt und ist der Kopf mehr abgeschnürt und etwas nach unten umgebo- gen, daher das vorderste Ende des Gehirns mit den stärker ent- wickelten Augenblasen b nur von unten sichtbar ist (Fig. 43), ferner der Leib mehr rinnenförmig. — Die Amniosfalte am Kopfe oder die Kopf scheide ist stärker (Fig. 44 b) und ausserdem beginnt Kopfscheide des r \ ö o Ammos. dieselbe auch an den Seiten sich zu bilden und ist am Schwänze schon deutlich ausgeprägt (&'), wo sie Schwanzscheide heisst. schwanzscheide. ersten Hirnzelle, die wegen der erfolgten Krümmung des Kopfes von unten sichtbar sind. Es sind 10 Urwirbel da, der Leib ist stark rinnenförmig vertieft, Kopf und Beckendarmhöhle sind grösser und am Rande des Fruchthofes er- scheint die Anlage der Vena terminalis. Fig. 44. Derselbe Embryo vom Rücken her. a Vena terminalis, bb Kopf- scheide, b' Schwanzscheide des Amnios, die durch die nicht bezeichneten, dem Embryo dicht anliegenden Seitenscheiden zusammenhängen. Die Falten an der Kopfscheide bedeuten die seröse Hülle. Kölliker, Entwicklungsgeschichle. 6 8-2 Zwölfte Vorlesung. Erster Kreislauf. Ohne für einmal die erste Entwicklung der Gefässe zu verfol- gen, schildere ich Ihnen nun gleich einen Embryo, bei dem der erste Kreislauf im Fruchlhofe vollkommen ausgeprägt ist (Fig. 45). Das Fig. 45. Herz ist mehr entwickelt, so dass es nun schon eine ziemliche Her- vorragung der vordem Wand der Herzhöhle bedingt, die jedoch in der Figur nicht angedeutet ist. Zugleich erscheint dasselbe so S för- mig gebogen, dass der venöse Theil d nach unten und links , der arterielle nach oben und rechts sich findet. Aus dem oberen Theile des Herzens gehen zwei Arcus aortae hervor, die — ihr weiterer Verlauf ist an der Figur nicht sichtbar — in der Wand der Kopf- darmhöhle nach oben und dann längs der Gegend der spätem Wir- Fig. 45. Fruchthof eines Kaninchens mit Embryo von der Bauchseite, von 4 Par. Linien Durchmesser mit vollkommen entwickeltem erstem Gefäss- system. Nach Bischoff, etwas verkl. a Vena oder Sinus terrninalis, b Vena omphalo -mesenterica, c starker hinterer Ast derselben, d Herz, schon S för- mig gebogen, e primitive Aorten oder Arteriae vertebrales posteriores, ff Art. omphalo - mesentericae , g primitive Augenblasen. Man sieht das feinere ober- flächliche (nach aussen gelegene) mehr arterielle und das stärkere tiefe, mehr venöse Gefässnetz im Fruchthof. Der Leib des Embryo ist etwas mehr ge- schlossen als in der Fig. 43. Erste Entwicklung der Säugethiere. 83 belsäule nach hinten sich wenden. Hierbei vereinigen sie sich bald zu einem kurzen unpaaren Aortenstamme , der baldwieder in zwei parallele Aeste auseinander geht, die Arteriae vertebrales ArtpolZrSrS?s posteriores oder die primitiven Aorten, die, unterhalb der Urwirbel neben der Chorda gelegen, bis zum hintern Ende des Em- bryo verlaufen. Hierbei geben sie jede 4—5 Aeste, die Arteriae ^J^ZtlT. omphalo-mesentericae oder die Nabel gekröspulsa dem, ab, die, ohne im Embryo selbst sich zu verbreiten, über den Bereich dessel- ben hinaus in den Fruchthof verlaufen und hier mit den ebenfalls den Embryo verlassenden letzten Enden der primitiven Aorten ein oberflächliches ziemlich dichtes Gefässnetz bilden, das fast die ganze Fläche des Fruchthofes, der nun etwa 4'" misst, einnimmt. Die Randtheile dieses Netzes münden in eine starke Vene, v enaVena termmahs- sive Sinus terminalis , die, fast den ganzen Fruchthof begrenzend, am Kopfe mit zwei Stämmen, den Venae omphalo-m es enter i- Venae omphaio- r ' J- mesentericae. cae oder Nabelgekrösvenen, gegen den Embryo sich umbiegt, welche dann in das hintere Ende des Herzens einmünden. Bevor sie dieses erreichen, nehmen sie jedoch noch zwei hintere Venen- stämme auf. Alle drei grösseren Venen hängen durch ein etwas weiteres Venennetz zusammen, welches tiefer liegt als das Netz, das aus den Arterien hervorgeht. Die Vertheilung der Blutgefässe im Fruchthofe ist demnach, wie die Figur Ihnen zeigt, so, dass derselbe in 4 Bezirke zerfällt. Von den zwei mittleren ist der vordere ohne alle Gefässe und enthält der hintere nur Ausbreitungen der Arte- rien. Die seitlichen dagegen zeigen Arterien- und Venenveräste- lungen in zwei Lagen. Diess ist die zierliche Gestalt des ersten Gefässsystems, das vor Bedeutung0^ Allem das Bemerkenswerlhe zeigt, dass es ein einkammeriges Herz ^^chttfofe1™ besitzt und dass im Embryo selbst noch keine weiteren Verästelun- gen sich finden. Physiologisch sind diese ersten Gefässe wohl vor- züglich dazu bestimmt, aus dem Inhalte der Keimblase, der, wie wir früher sahen, vom mütterlichen Organismus stammt, Nahrungsma- terial aufzunehmen, daher die resorbirenden Venenwurzeln in tie- ferer Schicht liegen und überaus stark entwickelt sind. Das aufge- nommene Material nun kommt in erster Linie wohl vorzüglich dem Fruchthofe zu Gute, der in seiner gefässführenden Schicht rasch sich ausdehnt und das innere Blatt der Keimblase immer mehr um- wächst, um mit demselben dann den Dottersack zu bilden, in zwei- ter Linie auch dem Embryo selbst, der jedoch in diesem Stadium 6* 84 Zwölfte Vorlesung. noch keine eigenen feineren Gefässausbreitungen besitzt und daher für einmal wohl auch auf eine directe Aufnahme der Flüssigkeit der Keimblase durch seine zelligen Elemente \ insonderheit durch die Zellen seines Darmdrüsenblattes angewiesen ist. Dass diess wirklich die Bedeutung dieses ersten Kreislaufes ist, lehrt allerdings der Hühnerembryo viel besser, bei dem die Beziehung des Inhaltes der Keimblase oder des Dotters zur Ernährung keinem Zweifel unter- liegt, allein auch beim Säugethiere ist die Sache nicht anders, nur spielt dieser Kreislauf nur kurze Zeit die Rolle eines Ernährungsap- parates für den Embryo selbst, indem bald andere und bessere Quellen für denselben sich aufthun. Gestalt des Em- Ueber die anderweitige Beschaffenheit des Säusethierembrvo bryo beim Aut- treten der Blut- zur Zeit des Auftretens der ersten Gefässe bemerke ich Ihnen nun °*efäss6» Kaninchen, noch Folgendes. Beim Kaninchen ist der Embryo nicht viel wei- ter als wir ihn in der Fig. 43 sehen, und ist nur das hervorzuheben, dass die Zahl derUrwirbel 12 ^■■-J~'"'^ Gehörbläschen. 77 Fie. 46.] ^w beträgt, die Augenblasen nun deutlich von der ersten Hirn- blase abgeschnürt sind und das Amnios eine schon fast voll- kommene HülleumdenRücken des Embryo bildet, jedoch noch nicht ganz geschlossen ist. Beim Hunde ist die Lei- besform im Allgemeinen und das Verhalten des Amnios wohl im Wesentlichen das- selbe, dagegen zeigen sich hier zwei ganz neue Bildungen, die Gehörbläschen und die ersten Kiemen bogen (Fig. 46). Jene sind zwei Fig. 46. Hundeembryo nach eben angelegtem erstem Kreislauf von unten, etwa i Omal vergr. Nach Bischoff. Herz S förmig, daneben die zwei primitiven Gehörbläschen, vor denselben die zwei ersten Kiemenbogen und das umgebo- gene vorderste Ende des Kopfes mit den zwei primitiven Augenblasen. Im Fruchthofe sind die Venae omphalo- mesenteriale mit ihren beiden Stämmen deut- lich und 5 Paar Arteriae omphalo-mesentericae, zu denen noch die Enden der primitiven Aorten sich gesellen, die um den Rand der Beckenbucht herum auch in den Fruchthof treten. Erste Entwicklung der Säugethiere. 85 neben der drillen llirnblase , jedoch oberflächlich gelegene runde Bläschen, die, wie Beobachtungen am Uühnerembryo lehren, von denen später die Rede sein wird, ursprünglich als Einbuchtungen des Hornblattes auftreten und dann später als runde Bläschen von dem- selben sich abschnüren. Die ersten Kiemen- oder Schlund- Kiementiogen, . erstes Paar. oder Visceral bogen sind zwei hakenförmig gekrümmte Ver- dickungen im vordersten Theile der Wand der Kopfdarmhöhle, die mit ihren vorderen abgerundeten Enden sich nahezu berühren. Die- selben liegen unmittelbar unter und hinter der vordersten Hirnblase und zwischen und unter denselben verliert sich das arterielle Ende des Herzens, dessen Spaltungsäste, die zwei Aortenbogen, innen an diesen Bogen rückwärts laufen. Anmerkung. An den Zellen des Darmdrüsenblattes des Hühnchens finden sich zur Zeit des Auftretens der ersten Gefässe und spa- ter deutlich v er d ick te und poröse Säume an der gegen den Nahrungs- dotter zu gewendeten Fläche, eine Thatsache, aus der wohl auf eine lebhafte Resorbtion durch diese Schicht geschlossen werden darf. Dreizehnte Vorlesimg. Entwicklung der Meine Herren ! Nach der Schilderung des ersten Kreislaufes im und des Blutes. Fruchthofe, dessenjGefässe Ihnen die Fig. 45 im Zustande vollständi- ger Ausbildung zeigte, wende ich mich nun zur Betrachtung der al- lerersten Entwicklung des Herzens, der Blutgefässe und des Blutes. Die Erfahrungen, die man über diese Theile am Säugethierembryo sammeln konnte, sind jedoch so spärlich, dass wir genöthigt sind, in dieser Beziehung an andere Wirbelthiere und besonders an das Hühnchen uns zu halten. Herz. Was zunächst das Herz anlangt, so haben schon vor Jahren Reichert am Hühnchen, Vogt bei Coregonus palaea und ich selbst an Tintenfischen die Beobachtung gemacht, dass das Herz ursprünglich ein ganz geschlossener Schlauch ist, dessen Wandung aus Zellen besteht. Reichert und Vogt haben ausserdem noch darge- than, dass in früheren Stadien das Herz ein ganz solider, durch und durch aus Zellen zusammengesetzter Strang ist. Die neuesten Un- tersuchungen Remak's haben mit der Bestätigung der obigen Anga- ben weitere Aufschlüsse über die Entwicklung des Herzens geliefert. Durch Remak wissen wir, wie ich schon früher Ihnen geschildert habe, dass das Herz zunächst als Verdickung in der Faserwand des Vorderdarms erscheint, wo es gemeinschaftlich mit zwei grossen Venen, den Venae omphalo-mesentericae und den Anfängen der Arcus Aortae sich anlegt. Nach und nach trennt sich die Anlage des Her- zens vom Vorderdarm, bis am Ende das Herz ganz frei in der Herz- höhle, deren Bildung beim Hühnchen schon früher besprochen wurde, seine Lage hat und nur durch die beiden Venen und Arte- rien befestigt ist. Remak hat ebenfalls gefunden, dass die erste An- lage des Herzens eine solide Zellenmasse ist, und dass im Innern Erste Bildung der Gefässe. §7 dieser erst nachträglich eine Höhlung sich bildet. In dieser Höhlung bemerkt man Flüssigkeit und einzelne Zellen, welche als abgelöste Wandzellen betrachtet werden können und als Blutkörperchen zu bezeichnen sind. Die Wandung des Herzens beginnt merkwürdiger Weise ihre Zusammenziehungen zu einer Zeit, wo sie noch ganz aus Zellen besteht, wenigstens ist beim Hühnchen am zweiten Tage, andern die Pulsation beginnt, von Muskelfasern Nichts zu sehen, auch sind sicherlich keine solchen in irgend wie entwickelterem Zustande vor- handen. Wir hätten daher hier einfache Zellen als Ursachen der Con- traction anzusehen, etwa wie bei den einfachsten Thieren {Hydra z. B.), wobei es jedoch unentschieden bleibt, ob alle Zellen des ur- sprünglichen Herzschlauches contractu sind, oder nur gewisse der- selben. Die Bildung der Höhlung im Innern kommt während der Abschnürung des Herzens von der Darmfaserwand zu Stande und zwar wahrscheinlich durch Ausscheidung von Flüssigkeit im Innern. Hierdurch wird auch der centrale Theil der Zellen der Herzanlage gelockert und von den äusseren Zellen gelöst und diese Zellen rollen dann als erste Blutzellen in der ausgeschiedenen Flüssigkeit umher. Die Pulsation beginnt schon am geschlossenen Herzen, bevor dieses noch mit den Gefässen communicirt, die Schläge folgen sich lang- sam, in langen Intervallen, in der Richtung vom Venenende nach dem Arterienende zu, also von hinten nach vorn. Nachdem am zwei- ten Tage beim Hühnchen das Herz mit der Höhlung der Gefässe in Verbindung getreten ist, die Blutbehälter überhaupt weiter ausge- bildet sind, beginnt ein regelrechter Kreislauf und die Pulsationen vermehren sich bis auf 40 in der Minute. Das Herz ändert nach seiner Abschnürung auch seine Gestalt und Lage. Zuerst krümmt es sich der Länge nach und dreht sich hierbei etwas nach rechts, so dass die frühere vordere Wand nach rechts, die frühere hintere Wand nach links sich wendet. Da wo die Aorten entspringen, tritt eine Anschwellung, der Bulbus Aor- Bulbus aortae. tae auf, und an der Einmündungsstelle der Venen bilden sich zwei Ausbuchtungen, die Anlagen der Vorkammern und Herzohren. Vorkammern. Zugleich krümmt sich das Herz S förmig zusammen und wird nach und nach diese Biegung immer bedeutender, so dass der arterielle Theil ganz nach rechts, vorn und oben, der venöse Theil ganz nach links, hinten und unten zu liegen kommt. An dem so beschaffenen Herzen unterscheidet man jetzt drei durch leichte Einschnürungen von einander geschiedene Abtheilungen, die Vorkammern, die Kam- 88 Dreizehnte Vorlesung. mer und den Bulbus Aortae, doch ist immer noch der Schlauch ein ganz einfacher und nur von einer einzigen Höhle eingenommen. Die weitere Ausbildung des Herzens werde ich bei der Schilde- rung der einzelnen Organe besprechen, und wende ich mich nun Entwicklung der zur Darstellung der ersten Entwicklung der Gefässe. Die altern Embryologen, Döllinger und v. Baer an der Spitze, hatten in dieser Beziehung eigenthümliche Ansichten und Hessen die Gefässe einfach als Lücken zwischen den Elementen des Fruchthofes ent- stehen, welche von dem vom Herzen getriebenen Blutstrome gegra- ben würden, eine Ansicht, die selbst Beichert in seiner Schrift »das Entwicklungsleben « für gewisse Gefässe vertrat. Nach und nach bil- dete sich jedoch eine richtigere Auffassung dieser Verhältnisse aus, welche von Beichert selbst angebahnt wurde, der schon im Jahrel 841 (Müll. Arch. St. CLXXX1V) seine früheren Ansichten theilweise modificirte, und dann in einer Untersuchung von mir selbst über die Bildung der Gefässe und des Blutes (Zeitschr. f. rat. Med. 1846. Bd. IV. pag. 112) zuerst einen ganz bestimmten Ausdruck fand, in- dem ich den Satz aufstellte, dass die ersten Gefässe der Embryonen Alle ursprünglich als solide Zellenmassen auftreten, die erst nach- träglich hohl werden, wobei die centralen Zellen derselben als erste Blutzellen erscheinen. Diese meine Annahmen wurden dann durch Bemak's ausführliche Untersuchungen an Hühnerembryonen voll- kommen bestätigt, und in neuester Zeit hat sich auch Beichert ge- nau an dieselben angeschlossen (Beob. üb. d. Bildung der Blutgef. b. Fischen 1858). Nach Bemak entstehen im durchsichtigen und dunklen Fruchthofe des Hühnchens während des letzten Viertels des ersten Tages solide Zellenstränge von ^ bis -gV'" Durchmesser, wTelche ein sehr dichtes Netz darstellen, dessen Maschen kaum wei- ter sind, als die Gefässanlagen selbst, ein Netz, in welchem man anfänglich keinen Unterschied zwischen Stämmen und Aesten be- merkt. In zweiter Linie werden diese compacten Gefässanlagen im Innern hohl, ganz so wie es am Herzen geschieht, indem gleichzeitig mit dem Auftreten einer Flüssigkeit die centralen Zellen sich lockern und nun als erste Blutkörperchen erscheinen. Zugleich erweitern sich nach und nach einzelne Anlagen mehr, während andere zurück- bleiben, so dass am zweiten Tage schon, wenigstens mit Bezug auf Grösse und Weite, eine Differenz zwischen Stämmen und Aesten und feinsten Netzen vorhanden ist. Der Bau der Gefässe dage- gen ist überall ein gleicher; Aorten, Arteriae und Vi), om- Weiterbildung der ersten Ge- Erste Bildung der Gefässe. 89 phalo -mesentericae und periphere Verästelungen sind, wie sie alle nach demselben Plane sich anlegen, so auch alle anfanglich in ganz gleicher Weise aus einer einschichtigen zelligen Wand gebildet, und bemerkt man von eigentlichen Capillaren in diesem Stadium noch keine Spur. Im scheinbaren Profile gesehen zeigt ein solches primi- tives Gefäss eine einfache Lage von Zellen, deren innerer Theil halb- kugelig in das Lumen vorspringt; von der Fläche betrachtet er- scheint die Gefässwand wie eine Mosaik, wie ein einfaches Pflaster- epithel. Nachdem die ersten Blutgefässe einmal angelegt sind, vermeh- ren sich dieselben, wie es scheint, in doppelter Weise : erstens da- fässe- durch, dass zwischen den vorhandenen Netzen neue, solide, aus Zellen zusammengesetzte Cylinder auftreten, von denen manche nach Remak nur aus zwei Zellenreihen bestehen und die nachher hohl werden, und dann zweitens in der Art, dass einzelne schon gebil- dete Blutgefässe durch feine Ausläufer sich mit einander verbinden, die, anfangs kaum stärker als eine Bindegewebsfibrille, nach und nach sich erweitern, und nachdem sie für die Blutzellen durchgän- gig geworden, ganz den Bau der später auftretenden Capillaren zei- gen. Die Entstehungsweise dieser Gefässe ist von Remak nicht auf- geklärt worden, es ist jedoch wahrscheinlich, dass dieselben nach Art der wirklichen Capillaren durch Verschmelzung von einfachen Zellen oder auch dadurch zu Stande kommen, dass Auswüchse der Zellen benachbarter Gefässe auf einander stossen, sich vereinigen und in zweiter Linie zu einem Kanal sich erweitern, der auch mit dem Lumen der betreffenden Gefässe sich in Verbindung setzt, indem die Wandungen der durch Sprossen vereinigten Zellen nach dieser Seite vergehen. Dunkler und heller Fruchthof verhalten sich beim Hühnchen in Bedeutung des Fruchthofes für Bezug auf Gefässbilduna; e;anz deich, nicht aber in Bezua auf die die Bildung der ° O Ö & > ö Gefässe und Bildung der Blutzellen. Nicht nur färben sich im Bereiche des dunk- Biutzeiien. len Fruchthofes die centralen Zellen der Gefässanlagen früher als im hellen Hofe, sondern es scheint auch, wenigstens nach Remak's Mit- theilungen, in diesem letztern überhaupt keine erhebliche Bildung von Blutzellen stattzufinden, daher er den dunklen Fruchthof statt Gefässhof, Area vasculosa, wie man ihn genannt hat, lie- ber als Bluthof, Area sanguinea, bezeichnen möchte. Nach dem, was ich über diese Verhältnisse gesehen habe, möchte ich glauben, dass eine Blutzellenbildung auch im hellen Fruchthofe statt 90 Dreizehnte Vorlesung. hat, dass aber die ursprünglichen ßlutzelien im dunklen Fruchthofe rascher sich vermehren und sich früher färben. Wäre dem nicht so, so müssle man annehmen, dass die Gefässanlagen im hellen Hofe in ihrer Totalität und zwar unter Ausscheidung von Plasma allein zu wirklichen Gefässen sich umbilden, was zwar nicht unmöglich, aber doch gerade nicht wahrscheinlich ist. Zeitverhältnisse Bemerkenswerth ist die Zeitfolge, in der nach Remak die Ent- der dungS.sbl wicklung der verschiedenen Blutbehälter eintritt. Die primitiven Blutgefässe im Fruchthofe bilden sich, wie erwähnt, alle gleichzeitig am Ende des ersten Tages der Bebrülung, und auch die Färbung der Blutzellen hat schon begonnen, bevor noch eine Spur des Herzens sich zeigt. Aber die Entwicklung dieses Organes , die im Anfange des zweiten Tages beginnt, geht so rasch von Statten, dass bald eine regelrechte Circulation in Gang kommt. Reichert ist in dieser Beziehung mit Remak nicht einverstanden und erklärt in seiner neue- sten Arbeit, dass Herz und Gefässe zu gleicher Zeit sich anlegen. Erste Biutzeiien. Die ersten Blutzellen des Hühnchens sind, wie Sie aus dem bisher Angegebenen schon hinreichend haben entnehmen können, nichts anderes als die centralen Zellen der Anlagen der Gefässe und des Herzens, und stimmen dessnahen in allen wesentlichen Merk- malen mit den Bildungszellen der jungen Embryonen überein. Spä- ter färben sich dieselben, verlieren ihren körnigen Inhalt und gehen aus der mehr runden in die elliptische Form über. Wie diese eigent- lichen Blutzellen weiter sich verhalten und sich vermehren , soll später im Zusammenhange mit den weiteren Gestaltungen des Ge- fässsystems des Näheren betrachtet werden. Bildung der Die erste Gefäss- und Blutbildung im Hühnerembrvo, obschon ersten Gefässe bei Säugern, noch nicht vollständig aufgehellt, ist doch im Ganzen wohl erforscht im Vergleich zu dem, was wir von den Säugethierembryonen wis- sen. Bei diesen kennt man bis jetzt weder die erste Bildung des Herzens noch die der Gefässe. Da jedoch das Herz ursprünglich eine einfache zellige Wandung besitzt, wie Bischoff beim Kaninchen- embryo sah, und da nach demselben Autor die ersten Blutzellen des Kaninchens farblose, den Bildungszellen ganz gleiche runde Zellen sind, so erschliessen wir der Analogie nach , dass auch hier die ersten Bildungsverhältnisse in ähnlicher Weise ablaufen wie beim Hühnchen. Gibt es ein be- Noch haben wir die Fräse senauer zu beantworten, in welchem sonderes Gefäss- _ Watt? Theile des Embryo oder des Keimes denn eigentlich das Herz und die ersten Gefässe sich entwickeln. Sie erinnern sich von den ersten Erste Bildung der Gefasse. 91 Vorlesungen her, in denen ich die Geschichte der Embryologie be- sprach, dass Pander neben seinem serösen Blatte und dem Schleimblatte auch ein sogenanntes Gefässblatt annimmt, in dem das Herz und die Gelasse sich ausbilden sollen. Diese Lehre, der sich auch v. Baer im Wesentlichen angeschlossen, ist in späte- rer Zeit vielfach missverstanden und dahin ausgelegt worden, dass nach der Ansicht der genannten Autoren Alle Gefasse des Körpers aus Einer besondern Keimschicht hervorgehen. Diess ist jedoch durchaus nicht die Meinung v. Baer's , an dessen ausführlichere Schilderungen wir uns vorzüglich zu halten haben, vielmehr be- zieht sich die Aufstellung eines Gefässblattes nur auf die Gefasse des ersten Kreislaufes und in dieser Auffassung ist diese Lehre auch jetzt noch im Wesentlichen richtig. Auch die neuesten Untersuchun- gen Remak's, die leicht zu constatiren sind, haben ergeben, dass alle Gefasse des Fruchthofes in einer besonclern Lamelle des mittle- ren Keimblattes, der Darmfaserplatte, sich bilden; in derselben Schicht entsteht auch das Herz so wie die grossen Venenstämme. Was die primitiven Aorten anlangt, so ist ihre Entstehungsweise allerdings noch nicht ganz klar. Sie haben aus den früheren Zeichnun- gen entnehmen können (Figg. 24, 25), dass dieAorten anfänglich zwi- schen dem Randtheile der Urwirbel und dem innern Rande der Darmfa- serplatten, da, wo diese mit den Hautplatten zusammenhängen, ihre Lage haben. Es ist nun bis jetzt noch nicht entschieden, aus wel- chem Theile des mittleren Keimblattes die Aorten hervorgehen, ob aus den innersten Zellen der Darmfaserplatten oder aus den Urwir- beln. Die bestimmt nachgewiesene Betheiligung der Darmfaserplat- ten an der Bildung des übrigen Gefässsyslems lässt jedoch vermu- then, dass auch die Aorten aus den innersten Theilen derselben hervorgehen und würde in diesem Falle auch jetzt noch die Be- nennung der Darmfaserplatten als »Gefässblatt« gestattet sein. Soll- ten aber auch diese Gefässstämme oder gewisse Theile derselben aus den Urwirbeln hervorgehen, so bliebe doch so viel bestehen, dass beim Hühnchen und bei Säugethieren nur die innerste Schicht des mittleren Keimblattes an der Bildung der ersten Gefasse bethei- ligt ist. Diess wäre jedoch nicht so zu verstehen, als ob dieselbe nur Gefasse lieferte, wie denn auch schon v. Baer aus der Gefäss- schicht auch die Häute des Darmes z. Th., das Gekröse, die Wolff- schen Körper, die Geschlechtsorgane u. s. w. hervorgehen lässt. 92 Dreizehnte Vorlesung. Um diese Frage möglichst richtig aufzufassen , so können Sie nun noch berücksichtigen, dass bei niedern Wirbel thieren die ersten Gefässe z. Th. auch in einer Lage auftreten, in welcher bei höhern Geschöpfen anfänglich durchaus keine Gefässe sich finden, wie Rei- chert neulich für die Fische nachgewiesen hat (1. c), so wie dass die später in den Organen des Embryo auftretenden Gefässe offen- bar selbstständig in diesen sich bilden. Es kann daher auf keinen Fall in demselben Sinne von einem Gefäss- blatte als einem primitiven Organe gesprochen wer- den, wie wir von einer Medullarplatte reden, die das gesammte centrale Nervensystem mit den nervösen Theilen der höhern Sinnesorgane aus sich entwickelt, oder von einem Hornblatte und einem Darmdrüsenblalte, welche alle und jede Zellenmassen der innern und äussern Epithelialorgane liefern, und erscheint es aus diesem Grunde wohl am besten, diese Bezeichnung fallen zu lassen. Vierzehnte Vorlesung. Meine Herren! Nachdem einmal die ersten Gefässe und das Herz im Säugethierembryo angelegt sind , erleidet derselbe rasch weitere Veränderungen, welche sich sowohl in der weitern Entwick- lung der Leibesform und der innern Organe als auch in dem Auf- treten der sogenannten fötalen Hüllen und Blasen, dem Dotter- sack, Ämnios, der serösen Hülle und der Allantois aus- sprechen, welche Vorgänge, um richtig verstanden zu werden, der Reihe nach für sich zu betrachten sind. Was nun zunächst den Dottersack anlangt, so kann dessen Entwicklung des . . i rv 1 1 Dottersackes und Bildung nur im Zusammenhange mit derjenigen des Darmkanals Darmkanais. betrachtet werden. Halten Sie sich zunächst an den kahn- oder holzschuhähnlichen Embryo, bei welchem die Blutgefässe eben ent- standen sind, so finden Sie, wie Ihnen die nachstehende Fig. 47,2 im senkrechten Durchschnitte zeigt, die Anlage des Darmes in Gestalt einer in der Mitte weit offenen Halbrinne, welche vorn in die längere blind endende Kopfdarmhöhle und hinten in die kurze und ebenfalls blinde Beckendarmhöhle übergeht. Beide diese Höhlen, so wie die Rinne, sind von dem innern Keimblatte oder dem Darmdrüsenblatte Darmdrüsenblatt Remak's, welches, wie Sie aus Früherem wissen, zum Darmepithele wird, vollständig ausgekleidet und geht dieses an der grossen Bauch- öffnung des Leibes unmittelbar in dieselbe Lamelle des Fruchthofes über, um dann am Rande dieses mit dem ursprünglichen innern Blatte der Keimblase sich fortzusetzen. Das gesammte Darmdrüsen- blatt des Fruchthofes und des Embryo und der Rest der ursprüng- lichen innern Lamelle der Keimblase bilden somit Eine zusammen- hängende Blase, die wir schon früher als innere Keimschicht be- zeichneten, an der wesentlich zwei Tlieile zu unterscheiden sind, 94 Vierzehnte Vorlesung. ein im Embryo gelegener centraler, aus dem das Epithel des Dar- mes sich gestaltet und ein ausserhalb desselben befindlicher peri- / z f- je* < d A Fig. 47. Fünf schematische Figuren zur Darstellung der Entwicklung der fötalen Eihüllen, in denen in allen mit Ausnahme der letzten der Embryo im Längsschnitte dargestellt ist. 1 . Ei mit Zona pellucida, Keimblase, Fruchthof und Embryonalanlage. 2. Ei mit in Bildung begriffenem Dottersacke und Amnios. 3. Ei mit sich schliessendem Amnios, hervorsprossender Allantois. 4. Ei mit zottentragender seröser Hülle, grösserer Allantois, Embryo mit Mund- und Anus- öffnung. 5. Ei, bei dem die Gefässsehicht der Allantois sich rings an die seröse Bildung des Darmes und Doltersackes. 95 pherer, der später als Epithel des Dottersackes erscheint. Der jetzt noch kurze weite Verbindungsgang zwischen beiden erscheint später als innere Auskleidung des Dotterganges. Ausser diesem Epithel besitzt übrigens der in Bildung begrif- Darmfaserha fene Darm und Dottersack auch noch, wenigstens in einer bestimm- ten Ausdehnung, eine zweite Hülle, die sogenannte Darmfaserhaut. Am Darme zeigt sich diese Hülle, wie ich Ihnen schon früher vom Hühnchen geschildert, einmal am Kopfdarme, im Bereiche des hin- tern Abschnittes desselben oder des sogenannten Vorderdarmes an den Seiten und vorn gegen die Herzhöhle zu (Fig. 22). Am Mittel- darme erscheint dieselbe seitlich (Fig. 26) und am Hinterdarme wie- derum seitlich und vorn. Obschon diese Hülle beim Säugethierem- bryo in ihrer Entwicklung nicht verfolgt ist, so unterliegt es doch nicht dem geringsten Zweifel, dass dieselbe wie beim Hühnchen sich verhält und nichts als die untere Lamelle der gespaltenen Sei- tenplatten ist. — Eine ähnliche Bekleidung findet sich nun auch am Dottersacke, jedoch nur im Bereiche des Fruchthofes , welche die Gefässe desselben trägt, und geht dieselbe, wenigstens beim Hühn- chen, in ähnlicher Weise aus der Fortsetzung der Seitenplatten in den Fruchthof hervor, wie die Faserschicht des eigentlichen Darmes Hülle angelegt hat und in die Zotten derselben hineingewachsen ist, wodurch das ächte Chorion entsieht. Dottersack verkümmert, Amnioshöhle im Zuneh- men begriffen. d Dotterhaut, d' Zöttchen der Dotierhaut ; sh seröse Hülle ; sz Zotten der serösen Hülle; ch Chorion (Gefässschicht der Allantois); chz ächte Chorion- zotten (aus den Fortsätzen des Chorion und dem Ueberzug der serösen Hülle bestehend; am Amnios ; ks Kopfscheide des Amnios ; ss Schwanzscheide desAmnios; ah Amnioshöhle; as Scheide des Amnios für den Nabelstrang ; a der Embryonalanlage angehörende Verdickung" im äussern Blatte der Keim- blase a ; m der Embryonalanlage angehörende Verdickung im mittleren Blatte der Keimblase m, die anfänglich nur so weit reicht, als der Fruchthof, und später die Gefässschicht des Dotiersacks df darstellt, die mit der Darmfaser- plalte zusammenhängt; st Sinus terminalis ; dd Darmdrüsenblatt, entstanden aus einem Theile von i, dem innern Blatte der Keimblase (späterem Epithel des Dottersacks) ; kh Höhle der Keimblase, die später zu ds, der Höhle des Dotter- sacks wird ; dg Dottergang ; al Allantois ; e Embryo ; r ursprünglicher Raum zwischen Amnios und Chorion, mit eiweissreicher Flüssigkeit erfüllt; vi vor- dere Leibeswand in der Herzgegend; hh Herzhöhle ohne Herz dargestellt — In Fig. 2 und 3 ist der Deutlichkeit wegen der Amnios zu weit abstehend ge- zeichnet. Ebenso ist die Herzhöhle überall zu klein gezeichnet und auch sonst manches, wie bes. der Leib des Embryo mit Ausnahme der Fig. 5 nur sche- matisch dargestellt. 96 Vierzehnte Vorlesung. aus den1 Seitenplatten selbst. Es setzt sich nämlich, sobald die Darm- und Amniosbildung sich einleitet, die Spaltung in den Seitenplatten auch auf den Fruchtbof fort und trennt das mittlere Keimblatt auch hier in einen untern Theil, der als Fortsetzung der Darmfaserschicht des Darmes auf dem Darmdrüsenblatte des Fruchthofes liegen bleibt, und in einen obern, der als Verlängerung der Hautplatten am Horn- blatte sitzen bleibt und zur Amniosbildung verwendet wird. Etwas anders scheint die Sache beim Säugethierembryo sich zu verhalten, indem hier , wie Sie später hören werden , das Amnios nach den bisherigen Ermittlungen keine Bekleidung von den Seitenplatten erhält. In diesem Falle wäre die Lamelle, die vom mittleren Keim- blatte aus in den Bereich des Fruchthofes übergeht und die später als äussere Haut des Dottersackes erscheint, einzig und allein Fort- setzung der Darmfaserplatten. Im weitern Verlaufe (Fig. 47, 3,4) wird nun die Darmfaser- schicht von Darm und Dottersack immer vollständiger und schnürt sich zugleich der Darm immer mehr vom Dottersacke ab, welcher so schliesslich einen längern und engen Stiel bekommt, welcher der Dottergang. Dottergang, Ductus omphalo-mesentericus , s.vitello- intestinalis , heisst. Ersteres anlangend, so bildet sich am Vor- derdarme (s. Fig. 22) und Hinterdarme allmälig auch hinten eine Wand , indem die innersten Theile der Darmfaserplatten oder die Mittelplatten einander entgegenwachsen und zuletzt verschmelzen. Ebenso entsteht am Kopfdarme eine Faserwand durch Ablösung der benachbarten Theile der dem mittleren Keimblatte angehörenden Kopfplatten (vergl. Fig. 21, wo diese Wand noch fehlt), dagegen sind im Bereiche des Mitteldarmes die Vorgänge etwas verwickelter. Hier gestaltet sich die Mitte des weiten die ganze Breite des Embryo einnehmenden Halbkanals zunächst zu einer besonderen Binne, der Darmrinne. Darmrinne (Fig. 26. dr)7 welche anfänglich nur vom Drüsenblatte ausgekleidet ist. Bald jedoch treten auch hier die Mittelplatten vor und vereinigen sich von beiden Seiten hinter der Darmrinne , was von Wolff die Darmnaht genannt wurde (Fig. 29). Ist diess ge- schehen, so zieht sich die hintere Wand der Darmrinne auch noch in der Mittellinie zu einer senkrechten Scheidewand aus und bildet Gekröse. die Anlage des Gekröses (Fig. 48). — Während dieser Vorgänge ver- engert sich die Darmrinne immer mehr und schliesst sich endlich von vorn und von hinten her zu einem Kanal, der zuletzt nur noch durch eine enge Verbindungsöffnung mit dem Dottersack zusammen- Entwicklung des Darmes. 97 hängt. Die Fig. 49 und 50 zeigen Ihnen vorn Hunde embryo ein Stadium, wo der Darm, dessen Magen (Fig. 50 b) und Leber (Fig. 50 c) schon angelegt sind, schon ziemlich ab- geschnürt ist, aber doch noch in der Mitte in wei- Fl ter Verbindung mit dem Dotiersacke steht. In Fig. 51 ist der Dollersack viel mehr abgeschnürt und der Darm bis auf eine kleine Stelle, die durch J f einen kurzen Dottergang d mit dem Dotiersacke sich verbindet, ganz geschlos- sen. Zugleich zeigt Ihnen diese Figur den Darm, in Folge der Entwicklung des Mesenterium , das Fig. 48. aber nicht gezeichnet ist, auch schon von der Wirbelsäule abstehend, mit der Mitte bogen- förmig vorspringend. Die Stelle des Darmes, von welcher der Dot- 3 ä Fig. 49. Fig. 50. Fig. 4S. Siehe die Be- schreibung bei Fig. 31. pag. 65. Fig. 49. Darm des in Fig. 60 (s. unten) dargestell- ten Hundeembryo von unten vergr. dargestellt. Nach Bischoff. a Kiemen- oder Visceralbogen , b Schlund- und Kehlkopfanlage, c Lun- gen, d Magen, f Leber, g Wände des Doltersacks, in den der mittlere Theil des Darmes noch weit über- geht, h Enddarm. Fig. 50. Derselbe Darm von der Seite gesehen, a Lungen, b Magen, c Le- ber, d Dottersack, e Enddarm. Köl I ik er, Entwicklungsgeschichte. 98 Vierzehnte' Vorlesuns tergang ausgeht, entspricht, wie sich später zeigt, einer Stelle des Dünndarmes unterhalb von dessen Mitte am spätem Ileum. Mund- und Afteröffnunsr. \X Fig. 51. Dasselbe, was diese Zeichnungen, lehren Ihnen vielleicht noch anschaulicher die Schemata Fig. 47. 1 — 5. die wohl ohne Wei- teres klar sind, und besonders die Verhältnisse des Dotterganges deutlich zeigen. In Fig. 47. 4 ist auch die Mund- und After- öffnung dargestellt, von derichnoch nicht gehandelt habe. Dieselben entstehen, bevor der Darm ganz geschlossen ist, nicht durch einen Fig. 51. Embryo eines Hundes von 25 Tagen, 2mal vergr., von vorn und gestreckt. Die vordere Bauchwand ist theils entfernt, theils nicht dargestellt, so dass die Bauchhöhle viel weiter offen steht, als sie in dieser Zeit sich findet und das Herz bloszuliegen scheint, a Nasengruben, b Augen, c Unterkiefer (erster Kiemenbogen), d zweiter Kiemenbogen, erechtes, flinkes Herzohr, g rechte, h linke Kammer, i Aorta, k Leberlappen mit dem Lumen der Vena omphalo-mesenterica dazwischen, l Magen, m Darm, durch einen kurzen engen Dottergang mit dem Dottersacke n verbunden, hier schon mit einem Gekröse versehen, das aber nicht dargestellt ist, und eine vortretende Schleife bildend, o Wolff sehe Körper, pp Allantois, q vordere, r hintere Extremitäten. Nach Bischoff. Gefässe des Dottersackes. 99 Durchbrach der blinden Enden des Darmes nach aussen, sondern dadurch, dass selbständig an der Stelle von Mund und After Ein- buchtungen der äussern Haut nach innen entstehen, welche, sobald sie auf die Enden des Darmes gestossen sind , mit denselben sich in Verbindung setzen. Am Kopfe geht aus dieser Einbuchtung der Haut die ganze Mundhöhle hervor und ist somit das, was wir bis- her Kopfdarm nannten, der Schlundkopf. Am hintern Ende ent- wickelt sich von aussen her die untere Hälfte des Mastdarmes und kann ich Sie bei dieser Gelegenheit daran erinnern, dass nicht ge- rade selten eine Missbildung beobachtet wird, welche in bestimm- ter Weise das eben Auseinandergesetzte bekräftigt , es sind diess die Fälle, in denen zwar die Anusöffnung da ist, aber in einen blin- den Sack führt. Die innere Untersuchung ergibt dann meist den Dickdarm mit einem ebenfalls blinden Ende dem äussern Blindsacke dicht anliegend und würde in einem solchen Falle eine einfache Operation die Verbindung herzustellen im Stande sein. Andere Male ist jedoch das Darmende weit entfernt gelagert und wäre ein ope- rativer Eingriff ohne Erfolg. Vom Dottersacke selbst habe ich Ihnen nun zunächst noch an- Gefässe des Dottersackes. zugeben, wie die äussere gefässhaltige Hülle, die derselbe in spätem Zeiten zeigt, sich ausbildet. Es geschieht diess dadurch, dass die Lage, die im Fruchthofe die Gefässe trägt und die Fortsetzung der Darmfaserplatte ist, allmälig über den ganzen Dottersack oder, ge- nauer bezeichnet, dessen Epithelialschicht sich ausbreitet und die- selbe endlich ganz umschliesst, wie die Fig. 47 schematisch dar- stellt. Wie diese Gefässschicht (das Gefässblatt von Pander und v. Baer) hierbei sich verhält, ist, was die mikroskopischen Verhält- nisse anlangt, noch nicht verfolgt, dagegen weiss man, dass die ur- sprünglichen Gefässe des Fruchthofes allmälig so sich ändern, dass der Sinus terminalis vergeht und statt der mehrfachen Paare von Ärte- riae omphalo-mesentericae schliesslich nur eine einzige und zwar die vorderste rechte übrigbleibt, welche entsprechend sich ver- grössert, während zugleich von den zwei Venen desselben Namens ebenfalls nur die eine und zwar die linke sicherhält. — Die Wachs- thumsverhältnisse des Dottersackes sind inden schematischen Zeich- nungen , die natürlich nicht entsprechend im Ganzen vergrössert werden konnten, so dargestellt, als ob derselbe später sich verklei- nerte. Hierbei hatte ich die menschlichen Embryonen im Auge, bei denen dieses Gebilde, nachdem der Darm einmal gebildet ist, nähe- re * 100 Vierzehnte Vorlesung. Amnios oder Schafhäutchen, Lagen des Amnios. zu stehen bleibt oder wenigstens nur unerheblich wachst, wie diess auch bei seiner geringen physiologischen Bedeutung, über die später noch gehandelt werden soll, leicht begreiflich ist. Gleich/eilig mit der Bildung des Darmkanals und Doltersaeks gehtauch die Bildung des Amnios oder S chafhäutch ens vor sich. Mit diesem Namen bezeichnet man eine zarte durchsichtige Blase, welche schon ziemlich früh den jungen Embryo dicht umgibt und von den jeweiligen Rändern der untern Leibesöffnung oder dem sogenannten Banchnabel oder eigentlichen Nabel ausgeht. (Yergl. Fig. 47. 4, 5.) Dieses Häutchen besteht, wie Beichert und Remak beim Hüh- nerembryo nachgewiesen haben, aus zwei Schichten, einer innern Epi thelialschicht aus einer einfachen Lage pflaslerförmiger Zellen, die mit dem Hornblatte des Embryo zusammenhängt, und einer äussern Faserschicht, welche die unmittelbare Fortsetzung der Hautplatte ist (siehe Fig. 52). Man kann daher auch nicht mit Un- m r h dd/ Fig. 52. recht sagen, das Amnios sei beim Hühnchen eine Fortsetzung der ge- sammten Haut. Was die Säugethiere und den Menschen anlangt, so ist von einer Zusammensetzung desselben in den früheren Zeiten aus zwei Häuten bis jetzt nichts bekannt, ich habe jedoch bei einem i Wochen allen menschlichen Embryo an demselben zwei Schich- ten gefunden, von denen die innere ein einfaches Pflasterepithel mit schönen grossen Zellen war, während die äussere aus kleineren, Fig. 52. Querschnitt eines Hühnerembryo vom Anfange des 3. Tages, 90 — lOOmal vergr. Buchslaben wie in Fig. 25. vc Vena cardinalis. Amnios. 101 z. Th. spindelförmig ausgezogenen Elementen bestand. Bei einem 7 Wochen alten Embryo des Menschen war die äussere Lage schön ziemlich deutlich faserig wie Bindegewebe, zeigte jedoch noch ziem- lich viele kernhaltige Zellenkörper und wie sternförmige anastomo- sirende Zellen. Diesem zufolge scheint das Amnios auch hier, wie beim Hühnchen, eine Fortsetzung nicht blos der Epidermis, sondern der ganzen Haut zu sein. Bemerkenswerlh ist, dass das Amnios des Hühnchens deutlich contractu ist. K. E. v. Baer ist der contractiiitat des Amnios. Erste, der angibt, dass das Amnios am 7. Tage bald an dem einen, bald an dem andern Ende sich zusammenziehe und runzle und so dem Embryo eine oscillatorische Bewegung mittheile, doch blieb diese Beobachtung lange Zeit unberücksichtigt und wurde erst im Jahre 1 854 durch Remak der Vergessenheit entrissen (Müll. Arch. S. 369). Remak beobachtete die Conlractionen des Amnios am 7. Tage und wies zugleich spindelförmige, einkernige Muskelfasern in der Faserschicht des Amnios nach, welche Angabe ich mit Vul- piax bestätigen kann. Dieser Autor gibt ausserdem an (Brown Se- quard, Journal de Phys. I. pag. 6I9), dass die Bewegungen desAm- nios bis zu den letzten Brüttagen bleiben. Die entferntere Ursache dieser Bewegungen anlangend, so glaubte v. Baer, dass dieselben durch die Kälte veranlasst werden, und Remak deutet wenigstens an, dass dieselben innerhalb des Eies vielleicht nicht vorhanden seien, Vulpian hat jedoch gezeigt, dass, wenn man zwischen dem 6. und 8. Tage ein Ei in einem dunklen Baume durch ein Licht erhellt, ganz entschiedene Bewegungen des Embryo wahrgenommen werden, die er auf Rechnung des Amnios setzt, wobei jedoch zu bemerken ist, dass, wie schon v. Baer gezeigt hat und auch Bemak und Vulpiax zugeben, der Embryo schon am 7. Tage schwache selbständige Bewegungen zeigt. Noch erwähne ich Ihnen, dass ich eben so we- nig, wie Vulpian und Remak, Nerven imAmnios aufzufinden im Stande war, so wie dass von Bewegungen des Amnios von Säugern nichts bekannt ist. Das Amnios hat zu keiner Zeit und bei keinem Geschöpfe selb- ständige Gefässe. Fünfzehnte Vorlesung. Amnios. Entstehung des Meine Herren ! Nachdem ich Ihnen das Amnios in seiner ferti- gen Gestalt geschildert habe, muss ich nun noch auf die Art und Weise seiner Entstehung näher eingehen. Betrachten Sie einen Hühnerembryo aus einem frühen Stadium, so finden Sie, dass der- selbe ganz flach auf dem Dotter aufliegt, so dass seine Ränder un- mittelbar ohne Niveau-Unterbrechung in die Ebene des Fruchthofes oder der peripherischen Theile des Keimes übergehen. Sowie aber der Embryo seine Bauchwand zu bilden beginnt und am Kopfe und hin- tern Leibesende die ersten Schritte zu seiner Abschnürung gesche- hen, kommt er wie in eine Einsenkung des Fruchthofes zu liegen, die, unter dem eingeknickten Kopf- und Schwanzende sich hinweg- biegend, erst vorn und dann hinten wallförmig sich erhebt, und die Ihnen schon bekannte Kopf- und Schwanzkappe bildet (siehe Fig. 23). Dasselbe geschieht, wie Sie aus dem Querschnitte Fig. 53 entnehmen können, zu bei- den Seiten des Embryo und bildet auch hier der peri- phere Theil des Keimes Flg- 53- dicht am Rande der Seiten- platten jederseits einen leichten Wall, die sogenannten Seiten- kappen. An der Bildung der ganzen Depression, der Teile im Centrum der Keimblase, wodurch der Embryo von allen Seiten eine wallartige Begrenzung von den sich erhebenden Theilen des Frucht- Fig. 53. Querschnitt eines Hühnerembryo vom Ende des ersten Tages etwas hinter der vorderen Darmpforte. Die Rückenfurche ist weit offen, ebenso der Darm. Die Seitenplatten sind in Hautplatte und Darmfaserplatte gespalten (Vergl. Figg. 25 und 26). Am Rande des Embryo erheben sich alle drei Keim- blätter als Seitenlappen. Nach Remak. Amnios. 103 hofes erhält und die in ganz gleicher Weise wie beim Hühnchen auch beim Säugethierembryo erscheint, beiheiligen sich ursprüng- lich alle drei Schichten des Fruchthofes (Fig. 53) ; allein im weitern Verlaufe geht die Spaltung, welche in den Seitenplatten eintritt und dort zur Bildung der Pleuro- Peritonealhöhle führt, auch auf den Fruchthof über, und trennt sich auch hier (Fig. 25, 26) das mittlere Keimblatt in zwei Lamellen, eine äussere, die Fortsetzung der Haut- platten, und eine innere, die Fortsetzung der Darmfaserplallen. Am Kopfende, wo diese Spaltung beginnt, ziehen sich so das Drüsenblatt und die Fortsetzung der Darmfaserplatte aus der Falte der Kopf- kappe heraus und trennen sich vom Hornblatte und der demselben anliegenden Fortsetzung der Hautplatte oder der sogenannten Hals- platte, so dass nun diese allein, die zugleich stärker hervorwuchern, die Falte um den Kopf bilden, welche jetzt den Namen »Kopf- Kopfscheide. scheide« führt. Anfänglich am vordem Ende der Herzhöhle (Fig. 23. ks) beginnend zieht sich diese Kopfscheide nach und nach so weit rückwärts, dass sie die ganze vordere Begrenzung der Herz- höhle liefert und dann erst sich umschlägt, um nach dem Rücken des Embryo empor zu laufen (Fig. 47). Aber nicht blos am Kopf- ende, sondern auch am hintern Ende und gleichzeitig an den Seiten erfolgt eine Spaltung des mittleren Keimblattes des Fruchthofes in zwei Lamellen, wie Ihnen der Querschnitt Fig. 25 zeigt, und wer- den auch hier die den Embryo begrenzenden Wälle nach erfolgter Trennung der zwei betreffenden Blätter mit neuen Namen, denen der Seitenscheiden und der Schwanzscheide bezeichnet. Die auf die angegebene Weise entstandenen Scheiden oder Fal- ten, die man auch die Amniosfalten nennen kann, wachsen nun von allen Seiten gegen einen idealen Punkt, der etwas hinter der Mitte des Rückens seine Lage hat, weiter, wie Ihnen die Querschnitte Fig. 52 und 48 und die schematischen Längsschnitte Fig. 47 darthun. Anfangs stehen dieselben noch weit von einander ab und begrenzen dann die Amniosfalten am Rücken einen ovalen Raum (Fig. 54), der wie ein Loch erscheint, das in seiner Configuration dem Bauchnabel sehr ähnlich ist, bald aber wird durch das fortwährende Weiterwuchern der Scheiden, vor Allem der Kopfscheide, die Amniosöffnung am Bücken immer enger und enger und ist zuletzt nur noch als kleine Oeffnung auf dem Bücken des Embryo zu erkennen (Fig. 48 und 47) . Endlich schliesst sich auch diese, Kopf-, Schwanz- und Seitenschei- den sind mit einander verwachsen. Sowie diese Verwachsung ein- Schwanzscheide. 104 Fünfzehnte Vorlesung. getreten ist, von der Ihnen der Längsschnitt Fig. 47. 3 eine Anschau- ung gibt, zerfällt beim Säugethierembryo der Theil der Keimblase, welcher an der Aniniosbildung ■:) ^ Mr betheiligt ist, in zwei Gebilde, deren eines das Amnios dar- stellt, während das andere mit dem übrigen Theile der äus- sern Schicht der Keimblase als eine vollkommen geschlossene Blase erscheint, die sich an die äussere Eihaut anlegt und mit ihr das ganze Ei umschliesst. Diese Blase heisst nach v. Baer jg^,.- die seröse Hülle, und be- j>|^r steht sowohl beim Säugethier- *lli| embryo, als auch beim Hühn- » chen nur aus dem Hornblatte, ,t"J nicht aus den zwei Schichten, Fig. 54. welche man am Amnios findet, indem bei Vögeln und Säuge- thieren das mittlere Keimblatt des Fruchthofes nur in so weit in zwei Blätter sich spaltet, als dasselbe an der Amniosbildung be- iheiligt ist. Ich habe Sie schon früher darauf aufmerksam gemacht, dass das Amnios ursprünglich dem Embryo ganz dicht anliegt, so dicht, dass man in einer schematischen Zeichnung das Lagerungsverhält- niss beider nicht ganz genau angeben kann. Erst nachdem die Bil- dung des Amnios vollendet und die seröse Hülle entstanden ist, erst dann scheidet sich nach und nach Flüssigkeit zwischen dem Amnios Liquor Amnii und dem Embryo aus, der Liquor amnii oder das Schafwas- Schafwasser. ser, durch welches, das Amnios vom Embryo abgehoben wird, so dass dieser in einer mit Flüssigkeit erfüllten Höhle liegt. Fig. 54. Hundeembryo nach eben angelegtem erstem Kreislauf vom Rü- cken her gesehen, ungefähr 4 0mal vergr. Nach Bischoff. Der Embryo ist der- selbe, den die Fig. 46 von der Bauchseite her darstellt. Das Medullarrohr ist am Kopfe und ganz hinten noch offen. Das Amnios deckt schon den ganzen Embryo mit Ausnahme der Mitte des Rückens, wo durch die Oeffnung dessel- ben der Leib sichtbar ist. An der Umschlagsstelle der Amniosfalten ist noch ein Theil der serösen Hülle erhalten. Amnios. 105 Die weiteren Schicksale des Amnios sollen spater im Zusam- Erklärung der Bildung' des menhange mit den letzten Veränderungen der übrigen fötalen Eihül- Amnios. len besprochen werden, dagegen will ich Ihnen noch einige Aufklä- rungen über die Art und Weise der Bildung des Amnios geben. Die Amniosbildung kommt nicht durch mechanische Vorgänge zu Stande, wie noch in neuester Zeit von mehrfachen Seiten irrthüm- lich gelehrt wird, indem man z.B. dasselbe durch das Sichanlegen der äussern Schicht der Keimblase an die äussere Eihaut entstehen liess, sondern unzweifelhaft durch Zellenthätigkeit und besondere Wachsthumsverhältnisse der äussern Schicht der Keimblase. Sie werden sich leicht vorstellen können, wie durch Zellenvermehrung eine Haut wie das Amnios in der Fläche nach einer bestimmten Richtung sich ausdehnt, und brauche ich Sie wohl kaum daran zu erinnern, dass z.B. das Blatt einer Pflanze durch ähnliche Vorgänge seine Grösse und eigenthiimliche Gestalt erlangt. Wie am embryo- nalen Theile des äussern Keimblattes die Medullarwülste durch eine besondere Richtung der Zellenthätigkeit — d. h. durch ein star- kes Flächenwachsthum an einer beschränkten Stelle — sich erhe- ben , so entstehen gerade in derselben Weise weiter nach Aussen auch die ersten Amniosfalten. Einmal gebildet, so ist es einfache Vermehrung aller diese Falten ursprünglich bildenden Zellen, welche dieselben in bestimmter Richtung nach dem Rücken des Embryo empor treibt, und eben so bedingt dann eine Aenderung dieses Vermehrungsprocesses in der Art, dass nach und nach immer we- niger Zellen an demselben sich betheiligen, die endliche Verwach- sung der genäherten Falten in einem Punkt. Es wäre mir leicht, Ihnen diess noch weiter im Einzelnen auszuführen, da jedoch die Meisten von Ihnen wohl hinreichend mit den Leistungen von Zellen mit Bezug auf Formänderungen von Organen vertraut sein werden, so beschränke ich mich auf das Bemerkte und will ich Ihnen nur noch anführen, dass nach dem Schlüsse des Amnios dasselbe noch eine Zeit lang mit der serösen Hülle in Verbindung bleibt, und dass in gewissen Fällen selbst wie ein dünner Verbindungsstrang beider Häute gefunden wird, der in der Fig. 47. 3 dargestellt ist. Wir haben bis jetzt zwei fötale Blasen kennen gelernt, den Dot- tersack und das Amnios. Jede dieser Hüllen besteht, wie wir ge- sehen haben, aus einer Lamelle des mittleren Keimblattes und aus einer Epithelialiage : der Dottersack aus der Darmfaserplatte und dem Drüsenblatt, das Amnios aus der Fortsetzung der Hautplatten 106 Fünfzehnte Vorlesung. Allautois. Harnsack. und dem Hornblatte. Einen wesentlichen Unterschied zwischen bei- den Hüllen bedingt das Verhalten der Gefässe, indem der Dotter- sack Gefässe führt, die er in seinem eigenen Gewebe entwickelt, während das Amnios bei keinem Geschöpfe und zu keiner Zeit Ge- fässe enthält und hierdurch seine geringere Dignität wenigstens mit Bezug auf die vegetativen Vorgänge darthut. Ich wende mich nun zur Beschreibung der Allantois oder des Harnsackes (v.Baer), eines Gebildes, das für die Ernährung des Embryo eine sehr wichtige Bolle spielt und der Träger der Um- bili cal gefässe ist. Der Harnsack wird beim Säugethierembryo später als das Amnios sichtbar; erst wenn dieses ganz geschlossen ist, beobachtet man die ersten Spuren des neu entstehenden Gebil- des und zwar am hintern Ende des Embryo am Bande des Eingan- ges in die Beckendarmhöhle. Das Erste, was man bemerkt, sind zwei leichte Auftreibungen am Bande der vordem Beckenwand , h (Fig. 55). Diese beiden Höcker oder Hügel werden immer grös- ser, verschmelzen miteinander und bilden eine einzige war- zenförmig hervorspringende \ i^ Erhebung, die anfangs, eben so wie die früheren Höcker, ganz solid und durch und durch aus Zellen zusammengesetzt ist (Fig. 56). Bald jedoch be- merkt man in dem birnförmig ^ sich gestaltenden Gebilde eine Höhle; das so entstandene Bläschen vergrössert sich mehr und mehr, wird gestielt und trennt sich zugleich von der Wand der Beckendarmhöhle, tritt dagegen mit dem Hinler- 1 /^V , \ '' c»< Fig. 55. Hinteres Ende eines Hundeembryo mit hervorsprossender Allan- tois. Das sogenannte Gefässblatt und das Darmdrüsenblatt oder die Anlage des Darmes und die benachbarten Theile des Dottersackes sind zurückgeschlagen, um die Corp. Wolfßana zu zeigen, lOmalvergr. Nach Bischoff. a WoUTsche Körper mildem Ausführungsgange und den einfachen blinden Kanälchen, b Ir- wirbel, c Rückenmark, d Eingang in die Beckendarmhöhle. Allantois. 107 Fi£ darm in Communication (Fig. Gl). Sehr früh entwickeln sich auf der hervorsprossenden Allantois Gefässe und zwar sind es die Enden der beiden primitiven Aorten oder der Aa. vertebrales posteriores , wie sie auch genannt werden, die aus der Becken- bucht hervorkommend ein zartes Netz auf dem Bläschen bilden, aus welchem wiederum zwei Venen, die Vv.umbili- cales entspringen, welche in den Rän- dern der Bauchwände nach vorn ver- laufen und mit den Venae omphalo-me- sentericae gemeinschaftlich in einen Be- hälter einmünden, der mit dem venösen Theile des Herzens in Verbindung steht. In weiterer Entwicklung gestaltet si-ch nun die Allantois nach und nach zu einer grösseren ausserhalb des Embryo zwischen Dottersack und Amnios gelegenen Blase, die ein ganz deutlich sichtbarer hohler Stiel mit dem Darm und zwar mit der vordem Wand des Mastdarms in Verbindung setzt (Fig. 47). Dieser Stiel ist der Urachus oder Harn gang, dessen obliterirter Rest beim Erwachsenen als Ligamentum vesicae medium vom Schei- tel der Harnblase bis zum Nabel geht. Mit dieser weitem Ausbil- dung des Harnsackes tritt dann auch eine Veränderung in seinem Gefässsysteme ein, insofern als derselbe stärker sich entwickelt und die Arterien mit dem Auftreten der Gefässe der hintern Extremi- täten und des Schwanzes nicht mehr als die Enden der primitiven Aorten erscheinen, obschon sie, die von nun an Art. umbilicales heissen, die stärksten Ausläufer derselben sind. Die weitern Veränderungen der Allantois werden wir später im Zusammenhange mit den übrigen Eihüllen betrachten, dagegen ist hier der Ort, die Art und Weise ihrer ersten Entstehung noch etwas näher ins Auge zu fassen. Nach v. Baer sprosst der Harnsack als ein unpaares Gebilde aus der vordem Wand des Mast- darmes hervor und ist eine Fortsetzung der beiden Häute desselben, Gefässe der Allantois. Erste Bildung des Harnsackes. Fig. 56. Hinteres Ende eines Hundeembryo mit nach hinten geschlagener mehr entwickelter Allantois a. Nach Bischoff. b Enddarm nach vorn mit dem Dottersack verbunden, der auf die linke Seite geschlagen ist, c primitive Aorten auf der Allantois sich verzweigend, d Venae umbilicales, an den Rändern der Bauchwand verlaufend. 108 Fünfzehnte Vorlesung. des Gefässblattes und des Schleimblattes (Darmdrüsenblattes). Diese in Anbetracht der spätem Beziehungen der Allantois zum Darme sehr zusagende Ansicht wurde allgemein angenommen, es bat sich jedoch später ergeben, dass dieselbe* weniger auf Beobachtungen als darauf beruht, dass es v. Baer unmöglich erschien, dass die Al- lantois in anderer Weise aus dem Darmkanale sich hervorbilde, als die andern mit demselben verbundenen Organe, wie die Leber und die Lungen, von denen v. Baer ihre Entwicklung durch Wucherung der Darmwand dargethan hatte. Der Erste, der über die erste Bil- dung der Allantois Thatsächliches vorführte, ist Beicbert, der die- selbe vom Hühnchen als anfänglich doppelt und solide beschreibt, über ihre Herkunft selbst jedoch nicht ganz im Klaren war. Darauf beschrieb Bischoff den Harnsack von Säugethierembryonen als eine ursprünglich solide doppelte Wucherung der vordem Beckenwand, die erst nachträglich einfach und hohl werde und sich mit dem Darm in Verbindung setze, und Bemak endlich verdanken wir die vollständigsten Aufschlüsse über seine Entstehung. Nach diesem Autor entsteht in der vordem Beckenwand eine ähnliche Spaltung wie diejenige, die zur Bildung der Herzhöhle in der vordem Hals- wand Veranlassung gibt (Fig. 23). Die eine Lamelle (Hautplatte) des gespaltenen mittleren Keimblattes geht als Faserschicht auf das Amnios, die andere Lamelle (Darmfaserplatte) auf den Dotiergang und Dottersack über. Vom Ausgangspunkte der Spaltung jedoch, von der Hautplatte aus (in der Fig. 23 würde der analoge Punkt der sein, wo die Hautplatte von der Darmfaserplatte sich trennt, ein- wärts der Buchstaben ks) entwickelt sich die erste Anlage der Allan- tois als solide Wucherung der vordem Bauchwand, gerade vom Bande derselben aus und zwar in der Form der Ihnen schon bekannten zwei Höcker. Nachdem diese sich vereinigt haben, trennt sich die Anlage vom Bande der vordem Bauch wand, tritt dagegen mit der Darmfaserwand in Verbindung und zugleich entwickelt das Drüsen- blatt des Darmes eine blinde Ausstülpung in die noch solide Anlage hinein. Dieser blinde Auswuchs wird dann immer grösser, die Wandungen des Bläschens dabei immer dünner, und schlägt dann die Allantois im w7eilern Verlauf den Entwicklungsgang ein, den wir schon geschildert haben. Ueberraschend ist bei dieser Allanlois- bildung, über deren Richtigkeit keine Zweifel bestehen können, die Lösung der ursprünglichen Verbindung der Harnsackanlage von der vordem Bauch- oder Beckenwand, die neue Vereinigung Allantois. 109 mit der Faserplatte des Mastdarms, dessen DiTisenblatt die innere Wand der hohl gewordenen Anlage auskleidet, und hat auch Rkmak in dieser Beziehung keine weiteren Aufschlüsse gegeben. Dem Be- merkten zufolge sind Harnsack und Dottersack, obwohl im Bau im Wesentlichen gleich und jeder aus einer Fortsetzung der Darmfaser- platte und des Darmdrüsenblattes gebildet, doch in der Entwick- lung ganz und gar verschieden, und können Sie hieraus entnehmen, dass man in der Entwicklungsgeschichte ebenso wie anderwärts sich sehr davor zu hüten hat, nach der Analogie Schlüsse abzuleiten, indem die Thatsachen oft auf die merkwürdigste Weise allen unsern aprioristischen Ableitungen widersprechen. Noch ist zu bemerken, dass wenigstens beim Hühnerembryo contractiiität de auch die Allantois contractu ist. Vulpian, dem wir diese Beobachtung verdanken, beobachtete die Contractiiität vom 8. Tage an bis zum Ende der Fötalperiode und wies auch die spindelför- migen Muskelzellen nach, von denen dieselbe herrührt (Journ. de Phys. I. pag. 619 u. flgde.). Sechzehnte Vorlesung. urniei-pn. Meine Herren ! An die Schilderung der Allantois reihe ich nun noch die Betrachtung der sogenannten »Urnieren« oder »Wolff- schen Körper« (auch Primordi alliieren oder Oken'sche Körper genannt). Sie erinnern sich aus früheren Darstellungen. umierengänge. dass die Ausführungsgänge dieser Organe beim Hühneremhryo schon in sehr früher Zeit auftreten und nach Remak unmittelbar unter dem Hornblatte in einer kleinen Lücke zwischen demselben, den Seitenplatten und den Urwirbeln ihre Lage haben , eine Dar- stellung, welche auch nach meinen Untersuchungen vollkommen be- gründet ist (Fig. 57). Diese Gänge nun entwickeln sich wahrschein- ■irvk 'eh. i/ iv ai> ,t'p r/J c/f Fig. 57. lieh aus den Seitenplalten und nicht aus den Urwirbeln, auf keinen Fall aber ist eine Hervorbildung derselben aus dem Hornblatte an- zunehmen, indem die genaueste Beobachtung von einer Wucherung Fig. 57. Querschnitt durch einen Hühnerembryo vom zweiten Tage, 90 — lOOmal vergr. dd Darmdriisenblatt, ch Chorda, uw Urwirbel, uwh Urwirbelhöhle, ao primitive Aorta, ung Urnierengang, sp Spalte in den Sei- lenplatten (erste Andeutung der Pleuroperitonealhöhle) , die durch dieselbe in die Hautplatten hpl und Darmfaserplatten df zerfallen, die durch die Mittel- platten mp untereinander zusammenhängen, mr Medullarrohr (Rückenmark), h Hornblatt, stellenweise verdickt. / Urnieren. 111 r dieses Blattes an dieser Slelle.zu keiner Zeit irgend eine Spur ergibt. So auffallend es mithin auch ist, dassdieUrnierengänge und, wie wir sehen werden, auch die Urnieren aus dein mittleren Keimblatte her- Jf vorgehen, während sonst die grosse Mehrzal der Drüsen in ihren epithelialen Elementen aus dem Hornblatle und dem Darnjdrüsen- blatte sich hervorbildet, so bleibt doch nichts anderes übrig, als den Thatsachen ihr Recht einzuräumen, auch wenn wir dieselben vorläufig nicht begreifen. Wir werden übrigens später sehen, dass auch andere ächte Drüsen, wie die Hoden und Eierstöcke, ohne Be- theiligung der Epithelialblätter des Keimes entstehen. Der Ausführungsgang der Wolff sehen Körper scheint anfangs solid zu sein und erst in zweiter Linie eine Höhle in seinem Innern zu entwickeln. Wenigstens sieht man im Anfange keine Spur einer Höhle (Fig. 25), .während später deutlich ein Lumen in dem Kanal wahrzunehmen ist. Im weiteren Verlaufe nun rückt dieser Kanal gegen das Darmdrüsenblatt und immer näher gegen die Aorta zu, welche ihrerseits gegen die Mittellinie vorrückt, so dass er nach und nach seitlich von den Urwirbeln, beinahe an .die Stelle zu liegen kommt, die früher die Aorta einnahm. Während dieser Lageveränderung des Kanals, deren Ursache wahrscheinlich in besonderen Wachs- thumsverhältnissen des Hornblattes und der Hautplatten zu suchen ist (s. Fig. 25 und 57), bemerkt man auch an der inneren, unteren Seite desselben unterhalb der Urwirbel eine Zellenmasse (Fig. 25. uiu), aus welcher sich die Urniere selbst gestaltet. Auch von dieser Zel- lenmasse ist nur das sicher, dass sie aus dem mittleren Keimblatte hervorgeht, dagegen bleibt es auch hier zweifelhaft, ob dieselbe aus den Urwirbeln oder aus den Seitenplatten, d. h. den Mittelplatten hervorgeht. Nachdem, was ich zu ermitteln im Stande war, ist letzteres das wahrscheinlichste, auch sieht man in gewissen Fällen deutlich nach innen von den Anlagen der Urnieren eine ziemlich scharfe Begrenzung der Urwirbel ganz in derselben Weise wie früher, von welcher allerdings in dem in Fig. 25 dargestellten Schnitte nichts zu sehen war. Beim Hühnerembryo, den Remak sorgfältig untersucht hat, er- urnieren des i , -11 • Hühnerembryo. scheint die Urniere, sobald sie einigermaassen entwickelt ist, in fol- gender Weise : der Ausführungsgang verläuft an der untern Seite der Urwirbel mehr nach aussen und mit ihm stehen nach innen kurze, einfache; quere Drüsenkanälchen in Verbindung, so dass die ganze Drüse wie halb gefiedert erscheint; ausser diesen queren Ka- % 1J2 Sechzehnte Vorlesung. milchen bemerkt man dann noch an der inneren Seite des Ganges ^ zwischen und nach innen von den queren Kanälchen rundliehe, aus ^Zellen gebildete Körperchen. Nach Remak's Darstellung sollen die (^uörkanälchen der Drüse aus solchen rundlichen Zellenhäufcben sieh entwickeln, welche mit dem Ausführungsgange in Verbindung treten und dann eine Höhlung bekommen. Doch spricht er auch die Vermuthung aus , dass die Querkanälchen der Drüsen durch Wucherung des Ausführungsganges sich bilden, in welchem Falle dann die rundlichen Zellenmassen alle nichts anderes als die Anla- gen der »Malpighischen Körperchen« waren, welche in den Urnieren vorkommen. Diese Vermuthung ist, obschon sehr wahrscheinlich, nicht als bewiesen zu erachten und sind wir daher über die erste Bildung der Querkanälchen noch nicht im Klaren. Mag dem sein wie ihm wolle, so ist so viel sicher, dass auf jeden Fall ein Theil Maipighi'sche der rundlichen Zellenmassen zu den Malpighischen Körperchen der Körperchen der Urnieren. Urnieren wird. Rathke hat zuerst die interessante Entdeckung ge- macht, dass die Urnieren der beschuppten Amphibien, Vögel und Säugethiere wirklich Malpighische Körperchen besitzen, wesentlich von demselben Bau wie die der bleibenden Nieren. Nach Remak nun entwickeln sich diese »glomeruli«. aus rundlichen, isolirten Zel- lenmassen, die erst in zweiter Linie mit den Drüsenkanälchen in Verbindung treten. Diese Verbindung lässt er, gestützt auf Unter- suchungen über die bleibenden Nieren, in der Art vor sich gehen, dass die Anlage des Malpighischen glomerulus in ein Drüsenkanäl- chen hineinwachse und zwar so, dass das blinde Ende des Drüsen- kanälchens ins Innere hinein eingestülpt werde. Indem dann diese Einstülpung weiter sich entwickelt, kommt der Malpighische glome- rulus schliesslich wie in das Innere des erweiterten Endes des Drü- senkanälchens zu liegen, zugleich wandelt sich derselbe grössten- teils in Blutgefässe um ; die Oefihung nun, durch welche die Ge- fässe mit dem glomerulus in Verbindung stehen, verengert sich nach und nach und zugleich scheiden die Zellenmassen der Urnierenka- nälchen sowohl als auch die eingestülpten Enden derselben an ihrer äusseren Fläche eine struclurlose Membrana propria aus, welche als die äusserste Begrenzung der Malpighischen Körperchen erscheint, und im Falle sie sich im ganzen Umfange des Epithels derselben bildet, auch eine Bekleidung für den glomerulus selbst abgeben muss. Ob jedoch eine solche innere Membrana propria in den Urnieren vorkommt, ist nicht erwiesen. Urnieren. Uli Erste GesUilt derselben. Bei den Säuse'thiereh ist die allererste Entwicklung; der Urnie- _ . c ö Urnieren der ren noch nicht verfolgt und beschränkt sich Alles, was wir über die Säugetiere, frühesten Zustände derselben wissen, auf folgendes. Nach Bischoff's Untersuchungen werden die Urnieren sichtbar, bevor die Allantois- anlage hervortritt und erscheinen als zwei Züge, die sich unterhalb der Urwirbel vom Herzen bis zur Beckenbucht erstrecken (Fig. 58). An diesen Zügen unterscheidet man den nach Aussen gelege- nen Ausführungsgang und die nach Innen zubefindlichen ganz kurzen geraden Drüsenkanäl- chen, die am Ende meist etwas Fl kolbig erweitert sind. Ausfüh- ' rungsgang wie Drüsenkanäl- 1 chen sind nach Bischoff ur- w sprünglich solide Gebilde, die \ erst in zweiter Linie ein Lumen -• bekommen. Sobald nun die Allantois sich gebildet und ei- nigermaassen entwickelt hat, lässt sich nachweisen, dass die Urnierengange mit zwei nahe Fie. 58. gelegenen Oeffnungen in die- selbe einmünden. Beim Iliih— nerembryo dagegen münden, beiläufig bemerkt, die Urnierengange niemals in die Allantois, sondern in die hintere Wand des Theiles des Mastdarms, der später zur » Kloake a wird, ebenso scheint es sich nach Bathke auch bei den Schlangenembryonen zu verhalten. Die weitere Entwicklung der im Anfange so zierlich und ein- fach gebildeten Urnieren kennt man nun von Säueelhier- und wickiungd« ° D Urnieren. menschlichen Embryonen ziemlich genau und sind es namentlich die Beobachtungen von Joh. Müller, Valentin, Bathke, Bischoff und Andern, die uns in dieser Beziehung Aufschlüsse gegeben haben. Weitere Ent- Fig. 58. Hinteres Ende eines Hundeembryo mit hervorsprossender Allan- tois. Das sogenannte Gefässblatt und das Darmdrüsenblatt oder die Anlage des Darnies und die benachbarten Theile des Dottersackes sind zurückgeschlagen, um die Corp. Wolfßana zu zeigen, \ Omal vergr. Nach Bischoff. a Wolffsche Körper mit dem Ausführungsgange und den einfachen blinden Kanälchen, b Ur- wirbel, c Rückenmark, d Eingang in die Beckendarmhöhle. Kölliker, Entwicklungsgeschichte. 8 114 Sechzehnte Vorlesung. Die einfachen Drlisenkanälchen wachsen im weiteren Verlaufe und beginnen sich zu schlängeln, so dass die lange, schmale Drüse nach und nach eine mehr compacte Form annimmt und ein zusammen- hängender Drüsenkörper sich bildet. Auf dem Höhestadium seiner Entwicklung erscheint der Wolff'sche Körper als eine beiläufig spindelförmige, ziemlich dicke Drüse, deren Ausführungsgang an der vordem, äusseren Fläche gerade herunter läuft und nimmt, immer noch von derselben Längenerstreckung wie früher, einen bedeutenden Raum seitlich vom Gekröse des Mitteldarmes in der Bauchhöhle ein. Bezüglich auf den Bau, so besteht der Wolff'sche Körper wesentlich aus den schon erwähnten geschlängelten Drü- senkanälchen, die, ausser dass sie einen grösseren Durchmesser besitzen, in allen Beziehungen mit den Kanälchen der bleibenden Nieren übereinstimmen, und jedes für sich in den Ausführungsgang einmünden. Ausserdem finden sich noch zahlreiche Blutgefässe, die von mehrfachen, von der Aorta unter rechten Winkeln abgehenden Maipighische kleinen Arterien abstammen und im Innern mit Mal pi ghischen Körper. r D Knäueln enden, die auch in den Urnieren von Säugethieren nicht fehlen, und in derselben Weise mit den Drüsenkanälchen sich ver- binden, wie diess von der eigentlichen Niere bekannt ist. — Bei Ei- Fiimmerung in dechsenembrvonen ist von Remak uud mir selbst Flimmerung in Jen Urnieren. den Kanälen der Urnieren beobachtet worden, welche bei andern Thieren bis jetzt noch nicht zu sehen war. Nachdem die Urnieren eine Zeit lang in voller Grösse bestan- den haben, beginnen sie nach und nach im Wachsthum stille zu stehen und ändern dann ihre Lage in der Bauchhöhle in der Art, dass sie scheinbar mehr nach hinten rücken. Zuletzt fallen sie mit Ausnahme gewisser Theile, die mit den Geschlechtsorganen sich verbinden, einer Auflösung anheim , wie diess später ausführlich geschildert werden soll. Verrichtungen Ueber die Function dieser Orsane besitzen wir ganz be- der Urnieren. ö stimmte Aufschlüsse. Joh. Müller hat zuerst in den Kanälchen der Urnieren ein eigenthümlich geformtes Secret in Gestalt von körnigen Massen gefunden, eine Beobachtung, die später von Volkmann und Rathke bei Eidechsenembryonen, von Remak beim Hühnchen und von Bischoff bei Säugethieren bestätigt wurde. Remak hat ausser- dem gezeigt, dass dieses körnige Secret Harnsäure enthält, indem auf Zusatz von Essigsäure die characteristischen Harnsäurekryslalle auftraten, und die Zusammensetzung desselben aus harnsaurem Am- Umieren. 115 moniak und harnsaurem Natron wahrscheinlich gemacht. Diesem zufolge nun und wegen der vollkommenen Uebereinstimmung der Wolffschen Körper mit den ächten Nieren in der feineren Structur kann nicht bezweifelt werden, dass dieselben wirklich h a rnbereiten de Organe sind, und entsteht zugleich die fernere Frage, welchen Antheil dieselben an der Bildung der Flüssigkeit nehmen, welche die Allantois erfüllt. Die AI lantois flüssigkeit enthält, wie zuerst AiiantoisfHmig- 0 ' keit. beim Hühnchen sich hat nachweisen lassen, Harnsäure und zu einer gewissen Zeit auch Harnstoff'; die der Säugelhiere führt ebenfalls Substanzen, die als Harnbestandtheile bezeichnet werden können, und hat man in ihr das sogenannte » Allantoin« und dann auch Harnstoff gefunden. Ausserdem enthält dieselbe auch Zucker (Ber- nard, Majewskj) und Eiweiss. Nach Majewski enthält die immer alkalische Allantoisflüssigkeit älterer Kalbsembryonen (von 21 — 27 Wochen) 96,16 Wasser und 3,84 feste Substanz. Davon sind 2,76 organische Materie und von dieser 0,64 Traubenzucker und 0,85 Harnstoff. Diesem zufolge könnte man auf den Gedanken kom- men, die Allantois sei wirklich eine Art »Harnsack« und es stamme die gesammte Flüssigkeit derselben aus den Wolffschen Körpern, allein diess hiesse wohl zu weit gehen, denn es ist nicht gedenkbar, dass die grosse Masse von Flüssigkeit, welche bei manchen Ge- schöpfen oft lange Zeit hindurch den Harnsack erfüllt, nichts An- deres sein sollte, als das Secret der kleinen und im Ganzen genom- men nur kurze Zeit bestehenden Wolffschen Körper. Offenbar hat die Allantoisflüssigkeit noch eine andere Quelle und zwar erscheint es mir als das Wahrscheinlichste, dass sie zum grössten Theile aus denGefässen der Wandungen der Allantois selbst stammt und nichts als eine Ausscheidung derselben ist. Ausserdem hat man auch an ein Eindringen der Flüssigkeit von Aussen, d. h. vom Uterus her gedacht, welche Vermuthung jedoch kaum begründet sein möchte. Ich wende mich nun, meine Herren, zur Betrachtung der wei- Gestaltung des it .. i • , , r, . , i-i i Säugethierem- teren Veränderungen, welche der Säugethierembryo erleidet, nach- bryo nach dem dem die Allantois und die Wolffschen Körper gebildet sind, Ver- Allantois. änderungen, die denselben nun bald in seine typische Form über- führen. — Wie Sie sich erinnern werden, ist der Säugethierembryo in der Gestalt, die Sie bisher kennen gelernt haben , äusserst ein- fach und stellt ein schiff- oder kahnförmiges Gebilde dar, an wel- chem sich vorn eine grössere und am hintern Ende eine kleinere Höhle findet, während in der Mitte der Leib weit offen und rinnen- 116 Sechzehnte Vorlesung. Vordere Kopf- krümmung. förmig ausgehöhlt ist. Betrachtet man einen Embryo aus diesem Stadium in der seitlichen Ansicht, so sieht man, dass der Kopf zwar grösser als die übrigen Theile , aber doch nicht auffallend ver- dickt ist, und dass derselbe etwas über das Niveau der Keimblase hervorragt und sich ein Wenig abgeschnürt hat (s. Fig. 39, die ein etwas früheres Stadium darstellt). Eine ähnliche Abschnürung fin- det sich auch am hinteren Leibesende, und zugleich ergibt sich, dass der Leib in der Längsrichtung etwas convex ist. Die weiteren Veränderungen in der Leibesgestalt sind nun folgende : Zunächst entwickelt sich der Kopf mächtig und immer mächtiger, was vor Allem durch die grosse und rasche Entwicklung des Gehirns be- dingt wird, und zugleich schnürt sich derselbe immer mehr von der Keimblase ab. Während diess geschieht, erleidet derselbe zu- gleich eine eigenthümliche Krümmung, die bei genauer Betrach- tung aiseine doppelte erscheint (Fig. 59). Eine erste Krümmung, w oder die vordere Kopf- Wir (s4 k r ü m m u n g , findet sich in der Gebend der zweiten Hirn- ■HA...1 s~f[ |,.y " < Ml i / -^gtf Fig. 59. blase (Fig. 59 bei c), und bil- det einen starken Vorsprung, so dass der Kopf dadurch in einen vordem und hintern Theil zerfällt, welche durch einen nahezu rechten Winkel in einander übergehen. Eine zweite Krümmung zeigt sich an der Grenze des verlänger- ten Marks und des Bücken- marks ; diese heisst gewöhn- lich derNackenhöcker, oder dieNackenkrümm ung , wir wollen sie jedoch mit dem Na- men der »hinteren Kopf- Fig. 59. Embryo eines Hundes mit vollkommen gebildetem aber dicbt an- liegendem Amnios, noch ohne Allantois mit den angrenzenden Theilen des Dot- tersackes in der Seitenansicht, etwalOmal vergr. Nach Bischoff. Der Em- bryo ist mit seinem Kopfe wie in den Dottersack eingestülpt, d. h. in einer Ein- senkung desselben gelegen, a Vorderhirn, tZvvischenhirn, c Mittelhirn, d dritte primitive Hirnblase, e Auge, f Gehörbläschen, ggg Kiemenbogen, h Her7. Am Bauche sieht man die Ränder des rinnen förmis ausgehöhlten Leibes. Gestalt des älteren Säugelhierembryo. 117 krümmung« belegen. Bezeichnen Sie die Axe des Kmbryo durch Hintere Kopf- ... . -,.1 i- / <• i • krümmung. Linien, so sehen Sie, dass die Axe des Kückens ungetanr unter einem rechten Winkel in die des hinteren Kopftheiles übergeht, und dass dieser wiederum nahezu in einem rechten Winkel in die des vorde- ren Abschnittes sich fortsetzt. Eine ähnliche Krümmung erleidet der Embryo später auch an seinem hinteren Leibesende, welche wir »die Seh wa nzjk rüm m ung« nennen wollen (Fig. 60). Zugleich schwanzkrüm- Fig. 60. krümmt sich auch der Rücken des Embryo mehr, so dass er etwas hinter der vorderen Extremität buckelartig vortritt und findet man in einem weiteren Stadium diesen Vorgang so weit gediehen (Fig. 60), dass das vordere und hintere Leibesende einander sehr nahe liegen und eine ziemlich geschlossene Bucht umfassen , in welcher das Herz, der sich entwickelnde Darmkanal und die hervorsprossenden Eingeweide überhaupt ihre Lage haben. Ausser der einfachen Fig. 60. Derselbe Hundsembryo in der Seitenansicht, den die Fig. 5! darstellt. Nach Bischoff. a Vorderhirn, b Zwischenhirn, c Mittelhirn, d dritte Hirnblase, e Auge, f Gehörbläsehen, g Unterkieferfortsatz, h Oberkieferfort- satz des ersten Kieraenbogens, zwischen beiden der Mund, i zweiter Kiemen- bogen, davor die erste Kiemenspalte, k rechtes Herzohr, l rechte, m linke Kammer, n Aorta, o Herzbeutel, p Leber, q Darm, r Dottergang mit den Vasa omphalo-mesenterica . s Dottersack, t Allantois, u Amnios,. v vordere, x hintere Extremität, z Riechgrube. 118 Sechzehnte Vorlesung. spiralige Schwanzkrümmung zeigt das hintere Leibesende in einem gewissen Aufrollung des ° D ° Schwanzes. Stadium auch noch eine Andeutung einer spiraligen Aufrollung, doch ist diese beim Säugethierembryo nie stärker ausgeprägt, wo- gegen dieselbe beim Hühnchen sehr schön zu sehen ist (s. Remak 1. c. Tab. IV. Fig. 46) und bei Schlangenembryonen nach Rathke in einer so ausgezeichneten Weise erscheint, dass der Schwanz zur Zeit der höchsten Entwicklung dieses Verhältnisses 7 Spiraltouren bildet und die Gestalt eines Schneckengehäuses wiederholt. Drehung des Em- Zu der beschriebenen Kopf- und Schwanzkrümmung gesellt bryo um seine . , . . , . , . Langsame, sich nun noch eine Drehung des Embryo um seine Langs- axe, die in einer bestimmten Zeit sehr ausgeprägt ist. In einem gewissen Stadium nämlich liegt der Embryo so auf der Keimblase, dass sein Kopf von oben betrachtet im Profil sich zeigt und seine linke Seite nach oben wendet, während der mittlere Theil in der Weise gedreht ist, dass immer mehr vom Rücken sichtbar wird, so dass an der hinteren Leibeshälfle der Rücken nach oben und die Bauchfläche nach unten gerichtet ist. Das hintere Ende selbst ist dann häufig wiederum etwas auf die Seite gewendet und macht dann bei weiterer Entwicklung die erwähnten Spiraltouren , bei denen die Mittellinie des a Rückens nach Aussen ge- 1 ' ■'".. kehrt ist. Betrachtet man f' ,.' ' "\ '( -' einen Embryo mit entwi- / , i/'-y) ckelter Spiralkrümmung '; i- J v / von der Seite der Keim- 'Y^xTO,^ blase, so wird natürlich : V f/J'~'~'t seine rechte Kopfhälfte und ; ; ;v j yS-:>~^e die Bauchfläche des Lei- I \Y\ J/'i bes sichtbar sein, wie die y^X^ ?. Fig. 61 ergiebt. Noch ist ^Bs*s&*^- '-' " -\^ zu bemerken, dass die / Spiralkrümmung des Lei- !> ' \; ; bes eine von links nach Fig. 61. rechts gewundene Spirale Fig. 61 . Hundsembryo von unten und>echts gesehen mit nach links ge- schlagenem Dottersack. Nach Bischoff. a vordere Extremität, 6 Allantois, c erster Kiemenbogen (ünterkieferfortsatz), d zweiter Kiemenbogen, hinter dem noch ein dritter und vierter sich finden, e Gehörbläschen. Ausserdem sieht man 4 Kiemenspalten, das Herz, die Urnieren. Gestaltung des älteren Säugethierembryo. 119 darstellt, wie am besten bei Schlangenembryonen zu sehen ist. Spi- ral-, Kopf- und Schwanzkrümmung nun erhalten sich, nachdem sie vollkommen ausgebildet sind, noch eine gewisse Zeit, spater aber streckt sich der Embryo wieder mehr und wenn er auch allerdings noch lange die Andeutung einer Krümmung erkennen lässt, so ist dieselbe in spaterer Zeit doch nicht mehr so ausgesprochen , und hebt sich namentlich der Kopf ziemlich bald und streckt sich, eine Erscheinung, welche mit der Entwicklung des Halses zusammenhängt. Was nun die Ursache dieser Krümmungen im Allgemeinen be- trifft, so werden dieselben unstreitig dadurch bedingt, dass der Rü- cken und vor Allem das centrale Nervensystem, von denen wir schon früher gesehen haben, dass sie vor allen andern Theilen sich anlegen und weilerbilden, mehr als dieTheile der Bauchfläche wachsen, wo- durch der Embryo notwendigerweise nach dem Rücken zu convex wird. Später nun rücken diese Theile imWachsthume langsamer vor und beginnen die vordem Theile sich zu entwickeln, worauf dann der Embryo gewissermaassen wieder sich aufrollt. Während die beschriebenen Veränderungen in der Stellung des Hals- Leibes vor sich gehen , entwickelt sich nicht nur der Kopf immer mehr, sondern es bildet sich allmählig auch der Hals aus, wobei sich bemerkenswerthe Phänomene ergeben. Es treten nämlich auch beim Säugethierembryo in der Halswand zu einer gewissen Zeit Spalten auf, welche von aussen in den Vorderdarm (die spätere Schlundhöhle) durchdringen und »Kiemenspalten« oder »Vis- Kiemenspalten, ce ralspa 1 ten« auch »Schlund spalten« heissen. Solcher Spal- ten zeigen sich nach und nach vier (Fig. 61), welche als längliche Oeffnungen hinter der Mundöffnung an den seitlichen Theilen des Halses erscheinen und von vorn nach hinten im Durchmesser ab- nehmen. Nach Remak entstehen diese Spalten dadurch, dass der Schlund nach Aussen durchbricht, nicht die Haut nach Innen, auch nicht in der Weise, dass beide Theile einander entge- genkommen , so dass demnach die Ränder der Spalten gewisser- maassen von den Häuten des Schlundes oder des Vorderdarmes aus- gekleidet sind. Mit der Bildung dieser Spalten am Halse nun geht das Auftreten Kiemenbogen. der sogenannten »Kiemenbogen« oder »Vis ceralbogen« Hand in Hand. Es verdickt sich nämlich, von hinten nach vorn vorrückend, die zwischen den Spalten gelegene Masse der Halswand und bildet derbe Streifen, die man eben mit dem Namen der »Kiemenbogen« \ 20 Sechzehnte Vorlesung. bezeichnet, und deren beim Säugethierembryo vier vorhanden sind (s. Fig. 62, in welcher das Herz und der Raum zwischen den Kie- menbogen noch von einer dünnen Haut, der primitiven Brustwand c bedeckt zu denken ist). Der erste dieser Kie- menbogen (Fig. 62. d) liegt zwischen der Mund- öffnung und der ersten Spalte ; der zweite (/) zwischen der ersten und zweiten Spalte, der dritte (/") zwischen der zweiten und dritten und der vierte (/'") endlich zwischen der dritten und vierten Kiemenspalte. Von diesen Kiemen- bogen nun sind der erste, zweite und dritte am Endekolbig, sodass sie bei der Ansicht von vorn, die ich Ihnen nach Bischoff hier vorgeführt habe, ein eigenthümliches Bild geben, indem sie ge- wissermaassen wie rippenähnliche Bogen er- scheinen, die sich gegen einander krümmen. Die ersten Bogen be- rühren sich in der Mittellinie, während die folgenden je weiter nach hinten, um so mehr von einander abstehen, und in der Lücke zwi- schen dem Ende derselben findet sich die ursprüngliche Halswand als dünne Haut (untere Verbindungshaut) und bedeckt von dieser die primitiven Aortenbogen , von denen Fig. 61 drei Paare zeigt. Der erste Kiemenbogen zeigt ferner einen kleinen Ausläufer, welcher nach oben den Mund umgibt und der »Oberkieferfortsatz« heisst. Den Zusammenhang nun der so eben besprochenen Bildungen mit der weiteren Entwicklung des Halses werde ich Ihnen später schildern , doch können Sie immerhin schon jetzt Folgendes sich merken. — In einem späteren Stadium verschwinden die Kiemen- spalten bis auf die erste, welche sich zum äusseren und mittleren Ohr gestaltet; die Kiemenbogen verschwinden z.Th., z. Th. werden sie knorpelig und verwandeln sich, indem sie später theihveise ver- knöchern, in gewisse länger oder ganz sich erhaltende Theile, nämlich den »Meckel'schen Fortsatz« am Unterkiefer, den Hammer, Ambos und Steigbügel und das Zungenbein sammt dem Griffelfortsatz des Schädels um. Fig. 62. Kopf des Embryo der Fig. 61 von unten gesehen, mehr vergr. Nach Bischoff. a Vorderhirn, b Augen, c Mittelhirn, d Unterkieferfortsatz, e Oberkiet'erfortsatz der ersten Kiemenbogen, f f f'' 2 — 4 Kiemenbogen, g linkes, h rechtes Herzohr, k rechte, i linke Kammer, £ Aorta mit 3 Paar Arcus aortae. Gestaltung des älteren Säugethierembryo. 121 Zum Schlüsse erwähne ich Ihnen noch kurz, dass die ßxtremi- tätenbildung beim Säugethier und Menschen in ähnlicher Weise wie beim Hühnchen vor sich gehl, indem auch liier seitlich an der Grunze vom Rücken und Bauch kleine Wülste hervorsprossen, die bald blattförmig werden und im weiteren Wachslhum sich abglie- dern. Auch bei den Sa'ugethicren entstehen übrigens die vorderen Extremitäten zuerst (vergl. die Fig. 51, 60, 61). Siebenzelmte Vorlesung. Jüngste menschliche Embryonen, Eier der 2. Woche. Erstes Ei von Thomson. Ich wende mich nun, meine Herren, zur Schilderung der jüng- sten bekannten menschlichen Embryonen bis zu dem Sta- dium, in welchem wir den Säugethierembryo verlassen haben. Aus der ersten Woche derSchwangerschaft, während wel- cher das Ei den Eileiter durchwandert, besitzen wir vom Menschen keine oder wenigstens keine solchen Beobachtungen, dass dieselben für eine weitere Verwerthung sich eigneten. Aus der zweiten Woche dagegen, in welcher das Ei schon im Uterus ist, hat schon vor Jahren Thomson in Glasgow zwei Eier beschrieben (Edinb. med. and Surg. Journal 1839 Vol. LH) und will ich Ihnen nun vor Allem diese immer noch ganz alleinstehenden Fälle etwas eingehender schildern. Ein erstes Ei (Fig. 63), dessen Alter Thomso.x zu 1? — 13 Tagen schätzt, hatte eine Grösse von 3'" und besass eine äussere Ei- % haut oder Chorion, welche mit kurzen, dünnen und einfachen Zöttchen besetzt war. Im Innern derselben befand sich eine ' Blase, offenbar die Keim blase, welche 4ÜI das Chorion beinahe ajanz erfüllte und auf dieser ein Embryo von l'" Länge, der mit seinem vorderen und hinteren Ende schon etwas von der Keimblase abgeschnürt war, mit seinem mittleren Theile dagegen un- mittelbar auf derselben auflag und mit sei- nen Rändern in dieselbe sich fortsetzte, Fig. 63. Menschliches Ei von 12 — 13 Tagen nach Thomson. 1. Nicht ge- öffnet in natürlicher Grösse, 2. geöffnet und vergrössert. Jüngste menschliche Embryonen. 123 somit noch keinen Darm besass. Allantois und Nabelstrang waren nicht vorhanden und auch vom Amnios meldet Thomson nichts. Doch kann man mit Bischoff aus dem von Thomson angegebenen Um- stände, dass der Embryo mit seinem Rücken an die äussere Eihaut festgeheftet war, schliessen, dass das Amnios schon da war, in wel- chem Falle dann die äussere Eihaut entweder als seröse Hülle allein oder als solche sammt der Dotterhaut aufgefasst werden müsste. Im erstem Falle wären die Zöttchen Productionen der serösen Hülle, im letztern könnten dieselben nur ähnliche structurlose Bildun- gen sein, wie ich sie Ihnen früher vom Kaninchen geschildert habe. Die zweite Beobachtung von Thomson bezieht sich auf ein Ei zweites ei von ^ Thomson. von 6'" Grösse (Fig. 64), dessen Alter Thomson auf 15 Tage schätzt. Dieses Ei war mehr eiförmig und ebenfalls mit Zöttchen besetzt. Im Innern der Eihaut desselben fand sich ein grosser mit Flüssigkeit erfüllter Raum und an einer Stelle eine Blase von ungefähr i'" Grösse , welche die Anlage eines Embryo zeigte. Der Embryo selbst war auch etwa 1 '" gross und überragte die Blase etwas ; von der Rückenseite gesehen (Fig. 65) zeigte derselbe eine sehr deutliche Rücken furche, welche in der Mitte schon im Schliessen begriffen war und ebenso stark hervor- tretende Rücken wülste. An der Bauchseite des Embryo war das Herz bemerklich; und am Kopf- ende sass ein hautartiger Lappen, wahrscheinlich ein Stück des Amnios. Auch von diesem Embryo gibt übrigens Thomson wieder an, dass er mit dem Rücken am Chorion festsass und ist somit mit Be- zug auf die Deutung der äusseren Eihaut wiederum die Möglichkeit vorhanden, dass dieselbe die seröse Hülle war. Dieses zweite Ei nun ist offenbar nicht ganz normal; der Be- schaffenheit des Embryo zufolge ist es sehr jung, sicherlich ebenso jung als das Ei der ersten Beobachtung, wo nicht noch jünger und Fig. 64. Fig. 64. Menschliches Ei von 15 Tagen nach Thomson in natürlicher Grösse geöffnet, um den grossen Innenraum und den kleinen Embryo zu zeigen. Fig. 65. Embryo dieses Eies vergrössert. a Dottersack, b Nackengegend, wo die Rückenfurche schon geschlossen ist, c Kopftheil des Embryo mit noch offener Rückenfurche, d hinteres Ende, wo dasselbe der Fall ist, e hautartiger Anhang, vielleicht ein Theil des Amnios. 124 Siebenzehnte Vorlesung. doch findet sich ein so grosser Zwischenraum zwischen Ei und Cho- rion, während derselbe im ersten Falle nicht vorhanden war, und es ist daher wohl anzunehmen, womit auch A. Ecker übereinstimmt, dass das Ei in diesem Falle, wie es so oft geschieht, nach dem Ab- sterben des Embryo noch eine Zeit lang fortwuchs. Nun folgen Eier, bei denen der Embryo ein Amnios, Doltersack und Allantois zeigt; doch besitzen wir leider keine sichern Beob- achtungen von einem menschlichen Eie mit freier Allantois, d.h. von einem solchen , bei dem die Allantois noch nicht an das Chorion festgewachsen und der Nabelslrang noch nicht angelegt war. Wohl sind in der Literatur einige Fälle von solchen Eiern aufgeführt, Be- obachtungen von Coste {Embryogenie comparee), von Pockels {Isis 1825, pag.346), Meckel (Deutsch. Archiv 1817, Tab. I, Fig. 2), von Thomson (1. c), von v. Baer (Entwickl. II, Taf. VI, Fig. 16 u. 17) und Andern, allein einerseits gehören dieselben nicht hierher, wie der Fall von Thomson, in dem schon ein Nabelstrang sich vorfand, an- derseits beziehen sie sich auf unvollkommen ausgebildete Embryo- nen, oder sind so unvollständig beschrieben und von so unbestimm- ten Abbildungen begleitet, dass dieselben auch nicht weiter zu brauchen sind. Eier Von Eiern mit Nabelstrang, Amnios und Dottersack aus der der 3. Woche. .. »tti i -. 1 ipiii , ,. dritten Woche der Schwangerschaft habe ich nun vor Allem eines von Coste geschilderten Eies (Hist. du devel. PI. II) zu gedenken, das unstreitig das vollkommenste und am genauesten beobachtete von allen menschlichen Eiern aus frühern Zeiten ist. Das Ei selbst, Ei von coste von dessen Alter Coste auf 15 — 18 Tage schätzt, war 6"' exoss und rines 15— 18 Tagen. ° ° mit kürzeren leicht ästigen Zöttchen besetzt. Im Innern befand sich ein ziemlich grosser Zwischenraum und an einer Stelle der Embryo mit Amnios und Dotter sack durch einen kurzen Nabel sträng an das Chorion befestigt (Fig. 66). Der Em- bryo von %'" Länge (Fig. 66, 67) war leicht nach dem Bücken zu gekrümmt mit abgeschnürtem vorderem und hinterem Ende, von denen sich jedoch ersteres, wenigstens in dem eigentlichen Kopf- theile nur wenig verdickt zeigte, wogegen die Halsgegend, wo das S förmige Herz seine Lage hatte, stärker vortrat und der massigste Theil des Embryo war. Am Herzen selbst erkennt man die Herz- höhle {Cavum pericardii) und den Bulbus äortae (Fig. 67 b) , da- gegen sind die Vorkammern und Kammern (bei c) noch kaum von einander zu unterscheiden. Am Kopfe zeigen sich Andeutungen Jüngste menschliche Embryonen. 125 von Kiemenbogen und Kiemenspalten (Schlundspalten) (Fig. 66 f) ziemlich weit vorn, doch sind die letzteren noch nicht durchge- #A. Fig. 66. Fia- 67. brochen. Bei der Ansicht von unten (Fig. 67) sieht man ferner am Kopfe vor den ersten Kiemenbogen, die ziemlich deutlich sind, einen conischen, unpaaren Fortsatz ganz nach vorn zu, den Stirn- oder Nasenfortsatz und zwischen diesem Forlsatze und den vordersten Kiemenbogen eine Grube, die in der Bildung begriffene Einstülpung, Fig. 66. Menschlicher Embryo mit Dottersack, Amnios und Nabelstrang von 15 — 4 8 Tagen nach Coste, vergr. dargestellt, b Aorta, c Herz, d Rand der weiten Bauchöffnung, e Oesophagus, /"Kiemenbogen, t Hinterdarm, m Arteria omphalo-mesenlerica, n Vena omphalo - mesenterica, o Dottersack, dessen Ge- fässe nicht ausgezeichnet sind, u Stiel der Allantois (Urachus), a Allantois mit deutlichen Gefassen, als kurzer Nabelstrang, zum Chorion ch gehend, v Am- nios, ah Amnioshöhle. Fig. 67. Derselbe Embryo von vorn stärker vergrössert mit geöffnetem und grösstenteils entferntem Dottersack, a Allantois, hier schon Nabelstrang, u Urachus oder Stiel derselben, i Hinterdarm, v Amnios, o Dottersack oder Nabelblase, g primitive Aorten, unter den Urwirbeln gelegen ; die weisse Li- nie ist die Trennungslinie zwischen beiden Gefassen, x Ausmündung des Vor- derdarms in den Dottersack, h Stelle, wo die Vena umbilicalis und die Venae omphalo-mesentericae n zusammentreffen, um ins Herz einzumünden, p Peri- cardialhohle, c Herz, b Aorta, t Stirnfortsatz. 126 Siebenzehnle Vorlesung die später die Mundhöhle gibt. Der Bauch des Embryo ist weil offen, wie das die seitliche und die Ansicht von vorn zeigen, und steht der ungestielte, ^//"grosse Doltersack (in der Ansicht von vorn geöffnet dargestellt) in grosser Ausdehnung in offener Verbin- dung mit dem Darm, von dem nur der Anfangsdarm, dessen Aus- mündung in den Mitteldarm in der Fig. 67 bei x zu sehen ist, und der Enddarm (Fig. 67 7) entwickelt sind. Am hinteren Leibesende findet sich die Allantois (a) in Form eines Stranges, der durch einen breiten Stiel (u), den späteren Urachus, mit dem Enddarm und, wie es scheint, auch noch mit der vorderen Beckenwand zusammen- hängt und dann ins Chorion sich verliert, dessen innere Lamelle sie bildet. Wie weit die Höhle der Allantois und die epitheliale innere Lamelle derselben sich erstreckte, darüber hat Coste nichts mitgetheilt. Am Doltersacke und derAllantois sind Gefässe bemerk- lich. Am Dottersacke zwei Arteriae omphalo-mesentericae rechts und links ziemlich in der Mitte (Fig. 66 m) und zwei Venae omphalo-me- sentericae mehr nach vorn (Fig. 67 n) ; ebenso sieht man Gefässe an der Allantois, welche auch in die hautartige Ausbreitung derselben am Chorion übergehen, hier jedoch nur mit dem Mikroskope wahr- zunehmen sind. Das Amnios geht von den Rändern der grossen Bauchöffnung aus, umhüllt ziemlich genau die untere Seite des Ko- pfes, steht aber vom Rücken so wie vom hinteren Leibesende weit ab und bildet mit seinem hintersten Theile noch eine unvollkommene Scheide für die hintere Seite des Stieles der Allantois. Von Extre- mitäten, Augen und Ohrbläschen ist an diesem Embryo noch keine Spur zu sehen, ebenso meldet Coste nichts von Wolff sehen Körpern, welche jedoch sehr wahrscheinlich angelegt waren, dagegen will er zwei ziemlich grosse Aorten (Fig. 67 g) zu beiden Seiten der mitt- leren Theile des Leibes gesehen haben , die aber nicht besonders deutlich hervortraten. — Ich habe den oben geschilderten Embryo bei Coste selbst gesehen und so weit es an dem Spirituspräparate möglich war, mich von der Richtigkeit der Beschreibung überzeugt, wenn ich auch nicht alles, was Coste abgebildet hat, wieder erken- nen konnte. Ich bemerke diess zur Steuer der Wahrheit, da von einigen Seiten Coste's Angaben mit einem gewissen Misstrauen auf- genommen worden sind. Ueber das Chorion dieses Eies nun noch Folgendes. Das- selbe bestand aus zwei Schichten; die innere Lamelle dessel- ben, welche Coste als Ausbreitung der Allantois auffassl, war Ei Jüngste menschliche Embryonen. 127 überall gefässhaltig, besass aber keine Zollen, die äussere Lamelle dagegen trug hohle, leicht verästelte Zotten und mündete bemerkenswertherweise die Höhlung einer jeden Zolle an der der Allantois zugewendeten Fläche dieser Haut durch ein rundes Loch frei aus. Durch die Gefälligkeit des Herrn Gerbes, des Mitarbeiters von Coste, habe ich in diesem Frühjahre Gelegenheit gehabt, das Cho- rion dieses Eies mit dem Mikroskope zu untersuchen. Hiebei zeigte sich, dass die Zotten und die sie tragende Haut ganz und gar aus epithelartigen Zellen, von derselben Beschaffenheit, wie die des Epi- thels der späteren gefässhaltigen Chorionzotten, bestehen und stehe ich diesem zufolge nicht an, die ganze Lage für die seröse Hülle zu erklären, womit auch Coste und Gerbes einverstanden sind. Die innere Lage des Chorions , die ich auch untersuchte, bestand aus sich entwickelndem Bindegewebe und führte überall feine Blut- gefässe, eine Thalsache, die wir später verwerthen werden. An die eben besprochene Beobachtung von Coste schliesst sich von j. Müller. ein Fall an, den Joh. Müller in seiner Physiologie II, St. 713 kurz be- schrieben hat. Das betreffende Ei war 7 — 8"' gross, der Embryo 2%"', der Nabelstrang %'" dick und der Dotter sack oder das Nabel bläschen, Vesicula umbilicalis, wie dieses Gebilde beim Menschen auch heisst, 1 %'" gross, ohne Dottergang, in breiter Verbindung mit dem Darmkanal. Das Amnios umhüllte, von den Bändern der weiten Bauchhöhle ausgehend, den Embryo ganz dicht, bildete aber eine Scheide für den Stiel der Allantois oder den Nabel- strang. Es waren drei Paar Kiemenbogen und Kiemenspal- ten vorhanden, und hinter denselben der hervorragende Herz- schlauch. Extremitäten werden nicht erwähnt. — v. Baer und B. Wagner schätzen, nach den von J. Müller gelieferten Daten, das Ei auf 25 Tage. Meiner Ansicht zufolge kann dasselbe, in Anbe- tracht der wenig vorgeschrittenen Entwicklung, nicht älter als drei Wochen gewesen sein, und steht auf jeden Fall dem Ei von Coste sehr nahe. Ein nur wenig älteres Ei aus der dritten Sohwangerschafts- „ 5j ~ o von K. Wagner. woche hat B. Wagner in den Icones physiologicae abgebildet (erste Auflage, Tab. 8, zweite Aufl. Tab. 25). Das Ei mass fast 6'" und der Embryo 2'"; der Dottersack war l'" lang, oval und durch einen kurzen, aber weiten Stiel, den Dotter gang, mit dem schon fast ganz geschlossenen Darme verbunden. Das mit kleinen mehr sren. 128 Siebenzehnte Vorlesung einfachen Zöttchen besetzte Chorion enthielt eine ziemlich grosse mit eiweissreicher Flüssigkeit gefüllte Höhle, in welcher der Embryo mit Amnios und Dottersack, nur durch den kurzen Nabelstrang be- festigt, frei enthalten war. Das Amnios umhüllte den Embryo nur lose Die Allaniois zeichnet Wagner als keulenförmige kurze Blase durch den Nabelslrang durchschimmernd, doch ist über ihre Ge- fässe und das genauere Verhalten der Blase nichts mitgetheilt. Der Embryo selbst ist nach dem Blicken zu gekrümmt, zeigt drei Kiemenspalten, Wolff'sche Körper, ganz kleine Anlagen der Extre- mitäten, die drei Hirnblasen und die Gehörbläschen, aber nichts vom Auge, und ist somit auf jeden Fall älter als die bisher beschrie- benen, wenigstens möchte ich ihn, namentlich mit Bezug auf das Verhalten des Doltersackes für älter als den vorhin beschriebenen MiLLER'schen halten. An diese jüngsten Eier mit ausgebildeteren Embryonen reihe ich nun noch zwei Fälle von Coste und Thomsox, die ebenfalls an der Grenze der dritten und vierten Woche stehen. Auf PI. II a hat EiI?no?s™ Coste ein Ei von I" Durchmesser, das auf 20— 21 Tage geschätzt von 20—21 Ta- ~ ~ wird, abgebildet. Der Embryo war so gekrümmt, dass er einen starken Bogen bildete und der Kopf und das zugespitzte Schwanz- ende einander nahe standen. Am Kopfe, welcher ziemlich vor- tritt, und die zwei von Säugethieren schon früher beschriebenen Krümmungen zeigt, unterscheidet man die Anlagen der Nasengru- ben, des Auges und der Ohrbläschen , welche letztere Coste wie mit einer Oeffnung zeichnet, die, wie ich Ihnen angab, bei Hühner- embryonen an den primitiven Ohrbläschen beobachtet ist. Ausser- dem finden sich vier Kiemen bogen, der erste gabiig gespalten, mit einem sogenannten oberen und unteren Kieferfortsatz, welche die Mundöffnung zwischen sich haben, die von vorn noch von dem schon erwähnten Slirnfortsatze begrenzt wird. Am Bumpfe ist die Anlage der vordem Extremität als eine ganz leichte Er- hebung zu sehen, von der hinlern Extremität meldet Coste nichts. Hinler den Kiemenbogen liegt in einer stark vorspringenden Herz- höhle das Herz, dessen Kammer schon doppelt ist und an dem man auch die Vorkammern unterscheidet. Weiter nach hinten er- scheint die noch wenig entwickelte Leber und die durchscheinenden Wolff'schen Körper. Der Bauch ist ziemlich weil offen und entsen- det aus seinem Innern mit einem beträchtlich breiten und langen Stiele den Dottersack, an dem die Gefässe deutlich zu sehen sind. Jüngere menschliche Embryonen. 129 Am hinteren Ende des Embryo, hinter dem Dottersacke zeigt sich ferner der kurze Nabelstrang, der sich mit zwei Arterien und zwei Venen {Arteriae und Venae umbilicales) ans Chorion inserirt, welches in seiner ganzen Ausdehnung gefässhaltig und mit baumförmig ver- ästelten Zotten besetzt ist. Das Amnios umhüllt den Embryo ganz dicht, wie diess bei jungen Säugethierembryonen immer beobachtet wird , so dass demnach keine Amniosflüssigkeit vorhanden ist. Ueberhaupt entspricht dieser Embryo in hohem Grade gewissen Formen von Säugethierembryonen, welche ich Ihnen in früheren Stunden beschrieben habe, woraus sich die Berechtigung ergibt, unsere Erfahrungen an Thieren zur Ausfüllung von Lücken in der menschlichen Embryologie zu benutzen. In die dritte oder den Anfang der vierten Woche verlege ich auch einen Embryo, welchen Thomson beobachtet hat und der nach vom4A^;^der einer Originalzeichnung meines geehrten Freundes in den Figuren 68 und 69 dargestellt ist. Bei diesem Embryo sehen Sie den Dot- von Thomson tersack ungefähr in demselben Verhältnisse wie beim vorigen Eie, nur etwas zusammengefallen und an seiner Oberfläche mit Runzeln versehen. Der kurze Nabelstrang liegt an der unteren Seile und ist nicht sichtbar, auch sind die genaueren Verhältnisse desselben von Thomson nicht angegeben. Der Kopf des Embryo, Kiemenbogen Fig. 6S. Menschliches Ei vom Ende der dritten oder Anfange der vierten Woche, nach einer Orginalzeichnung von Thomson in natürlicher Grösse. Em- bryo mit Amnios und Dottersack liegen, durch einen kurzen nicht sichtbaren Nabelstrang befestigt, in dem eine weite Blase bildenden Chorion. Fig. 69. Embryo dieses Eies vergrössert. a Amnios, b Dottersack, c er- ster Kiemenbogen, Unterkieferfortsatz, d Oberkieferfortsatz desselben Bogens, e zweiter Kiemenbogen, hinter dem noch zwei kleinere sichtbar sind. Spalten sind drei deutlich, zwischen dem \. und 2., 2. und 3. und 3. und 4. Bogen, /■Anlage der vordem Extremität, g primitives Ohrblaschen, h Auge, i Herz. Kolli k er, Entwicklungsgeschichte. 9 130 Siebenzehnte Vorlesung. Embryonen der 4. Woche. Embryo \~on Thomson. und -Spalten und Sinnesorgane verhalten sich wie in dem Falle von Coste. Auge und Ohr treten deutlich hervor, jedoch ist, was von letzterem sichtbar wird, wiederum nur die Anlage des primitiven Ohrbläschens, nicht die des äusseren Gehörganges. Das Amnios umhüllt den Embryo ziemlich dicht; die vordere Extremität ist in der Zeichnung sichtbar, ob die hintere schon vorhanden war, ist nicht zu erkennen. Dieses Ei, dessen Alter Thomson, offenbar zu hoch, auf 4 — 5 Wochen schätzt, war 12'" gross und enthielt im In- nern eine grosse Höhle, der Embryo betrug 2'" und der Dotter- sack. I *■/%'". Wir kommen nun zu Embryonen , die durch das deutliche Gestieltsein des Nabelbläschens und das bestimmte Hervortreten der Extremitäten ganz bestimmt von den bisher beschriebenen sich un- terscheiden und sicher nicht jünger als 3% Wochen sind. Solcher Embryonen sind schon so viele beobachtet, dass es nicht mehr mög- lich ist, alle Fälle einzeln durchzugehen und beschränke ich mich daher auf folgende Darstellungen, indem ich Sie mit Bezug auf an- dere Erfahrungen namentlich auf Ecker's Icon. phys. und dann auch auf Erdl's Abbildungen verweise. Fig. 70 zeigt Ihnen einen sol- chen Embryo nach eirier nicht edirten Zeichnung von Thomsox, dessen einzelne Theile auch ohne ausführliche Beschreibung ver- ständlich sein werden. Thomsox schätzt diesen Embryo, der, die Krümmung mitgerechnet, o" maass, auf 4 — o Wochen. Der Dottersack betrug 2'". Zwei ähnliche Embryonen von 25 — 28 Tagen hat auch Coste (PI. III und III a) beschrieben, deren Bauich Ihnen noch etwas detail— Fig. 70. Fig. 70. Menschlicher Embryo der vierten Woche nach einer nicht edirten Zeichnung von Thomson vergr. dargestellt, a Amnios, das am Rücken in einer ge- wissen Ausdehnung entfernt ist, b Dottersack, 6' Dottergang, c Unterkieferfork- satz des ersten Kiemenbogens, d Oberkieferfortsatz desselben, e,e'e" zweiter • bis vierter Kiemenbogen, /'primitives Ohrbläschen, g Auge, h vordere, «hin- tere Extremität, k Nabelstrang mit kurzer Amniosscheide, / Herz, m Leber. Jüngere menschliche Embryonen. 131 Embryo von Coste von lirter schildern will. Das Ei, das nur von einem derselben in na- türlicher Grösse abgebildet ist, hatte 8'" im Durchmesser, wahrend der Embryo, im gekrümmten Zustande gemessen, i'", in Wirklich- keit etwa 6'", der Dottersack %'" betrug. Der Embryo des zweiten Eies (bei Coste PI. lila) zeigte folgendes Verhallen (Fig. 71). Der Kopf ist sehr gross, die Gegend des Mittelhirns 25— 2s Tagen, ragt stark hervor und an der Stirn sieht man die zwei Blasen des grossen Hirns durchschimmern. Der Mund ist eine unförmliche Oeflhung, welche mit den Nasengruben (Fig. 71 3) noch zusammen- hängt, die seitlich über ihm sich befinden und vorn vom Stirnfortsatze, seitlich von den Ober- kieferfortsätzen des ersten Kiemen bogens (Fig. 71 4) undnach hinten von den vereinigten Unterkiefer- fortsätzen (5) desselben Kiemenbogens begrenzt wird, welche letzteren schon einen Unterkiefer darstellen. Kiemenbogen sind immer noch vier vorhanden, von denen jedoch in der Ansicht von vorn, ausser dem eben erwähnten ersten, nur noch der zweite (6) und der dritte (6") sichtbar sind, wogegen der vierte, ebenso wie die vier vor- handenen Spalten, nicht zum Vorschein kommen. Von dem noch ungefärbten Auge (h) erscheint ein kleiner Theil, dagegen ist das Ohrbläschen, das wie in dem Embryo von Thomson sich verhält, nicht sichtbar. Das Herz hat schon ziemlich die Form, die es später beibehält, man sieht die Aorta und den Bulbus Aortae (6), die mit den Herzohren (oo')} Vorkammern und Kammern {vv), alle ganz oberflächlich liegen und nur von einer dünnen Haut bedeckt sind, die in derFigur 71 weggenommen ist. Unter und hinter Fig. 7*1. Menschlicher Embryo von 25 — 28 Tagen nach Coste gestreckt und von vorn dargestellt nach Entfernung der vordem Brust- und Bauchwand und eines Theiles des Darmes. »tAuge, 3 Nasenöffnung. 4 Oberkieferfortsatz, 5 verei- nigte Unterkieferfortsätze des ersten Kiemenbogens oder primitiver Unterkiefer, 6 zweiter, 6" dritter Kiemenbogen, b Bulbus Aortae, o, o Herzohren, vv rechte und linke Kammer, u Vena umbilicalis, /"Leber, e Darm, a Arteria omphalo-me- senterica, j' Vena omphalo-mesenterica, m Wolffsche Körper, t Blastem der Ge- schlechtsdrüse, z Mesenterium, r Enddarm, n Arteria, u Vena umbilicalis, 7 Mastdarmöffnung oder Oeffnung der Kloake, 8 Schwanz, 9 vordere, 9' hin- tere Extremität. 9* 132 Siebenzehnte Vorlesung. dem Herzen und hinter dem Herzbeutel , welche noch die ganze Breite der Brust einnehmen und die noch ganz rudimentären Lungen bedecken, erkennt man die etwas grössere zweilappige Leber (/) mit dem Stamme der beiden Umbilicalvenen (u) in dem Einschnitte der- selben. Die Wolffschen Körper oder Urnieren (m) sind zwei lange schmale Körper, welche noch die ganze Länge des hintern Abschnit- tes der Leibeshöhle einnehmen und von der Leber bis ganz rück- wärts in die Beckenbucht sich erstrecken ; die Drüsenkörper sind aus gewundenen Kanälchen zusammengesetzt, und an ihrer Aussen- seite bemerkt man den geraden Ausführungsgang, der nach Coste in das Ende des Darmes oder die sogenannte Kloake mündet, wäh- rend an ihrer Innenseite schon ein Blastemstreifen sichtbar ist. aus dem die Geschlechtsdrüsen sich entwickeln, dessen mittlerer Theil in der Figur abgeschnitten ist. Der Darmkanal (r) stellt einen ein- fachen Schlauch dar, der gegen den Nabelstrang zu eine leichte •Schleife oder einen leichten Vorsprung bildet. In dieser ganzen Gegend, so weit der Darm diesen Vorsprung bildet, ist auch das Mesenterium (z) schon vorhanden; ziemlich auf der Höhe des Vor- sprunges beginnt der Dottergang, Ductus omphah-mesentericus, der an seinem Anfange eine kleine Erweiterung darbietet und dann leicht gewunden bis zum Dottersacke oder dem Nabelbläschen sich fortsetzt. Längs des Dotterganges verläuft die A. omphalo-me- senterica dextra («'), während die linke Arterie nun ohliterirt ist, und vom Doltersacke zurück kommt nur Eine der früher vorhande- nen zwei Venen, und zwar die linke V. omphalo-mesenterica (j'). Auf dem Dottersacke zeigt sich ein hübsches Gefässnetz , das mit den oben erwähnten Gefässen zusammenhängt. Am hintern Ende des Embryo erkennt man den abgeschnittenen Stiel der Allan- tois, in der Mitte des Stiels aber eine Oeffnung, welche zum Urachus führt; auf jeder Seite liegen symmetrisch zwei Gefässe, nach vorn die zwei Venae umbilicales (u), von denen die rechte, die später zu Grunde geht, schon schwächer ist, und nach hinten, d.h. gegen die Beckenhöhle zu, zwei Aa. umbilicales (a). Alle diese Theile. die vier Gefässe und den Urachus, umgibt eine bindegewebige Masse , die, ursprünglich nichts anderes als die bindegewebige äussere Hülle des Stieles der Allantois, nach und nach eine erhebliche Dicke ge- winnt und dann später als eigenthumlicb.es sulziges oder gallertiges Gewebe erscheint, welches im Nabelstrang die Gefässe desselben umhüllt. Die Extremitäten (9 9') sind einfache kurze Stummel und Jüngere menschliche Embryonen. 133 das hintere Leibesende läuft in eine spitze schwanzartige Verlänge- rung aus, die an die Verhältnisse der Thierembryonen erinnert. Eine Afteröffnung oder, wie man sie besser nennt, eine gemeinschaftliche Oeffnung des Darm-, Harn- und Geschlechtsapparates ist deut- lich sichtbar (7), umgeben von zwei leichten Genilalwülslen , den Uranlagen der äusseren Genitalien. Das Amnios lag dem Embryo nicht mehr ganz dicht an und war auch etwas Amnioswasser vor- handen. Um den Nabelstrang bildete dasselbe nun eine deutliche Scheide, die jedoch nicht ganz bis zum Chorion sich erstreckte und den Dottergang wie zu einer kleinen Oeffnung heraustreten Hess. Zwischen dem Embryo sammt dem Amnios und dem Cljorion befand sich, wie in allen solchen jungen Eiern, ein ziemlich weiter, mit Flüs- sigkeit gefüllter Raum, in dem der Dottersack frei enthalten war. Das den Embryo rings umhüllende Chorion war an seiner ganzen Innenfläche, nicht blos an der Stelle, welche später als Placentar- stelle erscheint, von den Nabelgefässen reichlich versorgt und trug aussen hübsch verästelte Zotten. Nach eigenen Untersuchungen kann ich Ihnen mittheilen, dass die Zotten solcher i Wochen alten Eier nun nicht mehr wie früher blos von der Epilhelialschicht des Chorion oder der serösen Hülle gebildet werden , sondern nun auch einen innern bindegewebigen Strang mit Blutgefässen zeigen, der von der innern Lamelle des Chorions abstammt. Erlauben Sie mir nun zur Vervollständigung des Bildes Ihnen noch menschliche Embryonen aus der fünften und aus der sechsten Woche zu beschreiben. In der fünften Woche zwischen dem 28. Embryonen , ii-ii i c'er ''• Woche. und 3o. Tage beginnt der Embryo, der bis dahin mit köpf und Schwanz stark zusammengekrümmt war, nach und nach sich zu strecken, immerhin ist auch am Anfange der sechsten Woche die Biegung noch sehr ausgesprochen. Zugleich schliessen sich die Kiemenspalten mit Ausnahme der ersten, deren Eingang zur äussern Ohröffnung sich gestaltet; der Kopf wird grösser und die Extremi- täten länger und gegliedert. Einzelnheiten anlangend, so zeigt Ihnen die nachstehende Fig. 72 einen Embrvo von 35 Tagen, nach Coste Embryo v . von Coste von von vorn. Der ganz nach hinten gelegene Nabelstrang ist immer 35 Tagen. noch kurz und dick; statt der früheren vier Allantois- oder Umbi- licalgefässe enthält er jetzt nur noch drei, nämlich zwei Arteriae umbilicales {nn) und die frühere linke Vene gleichen Namens (w), indem die rechte Vene geschwunden ist. In den Nabelstrang hin- ein geht bruchartig eine lange Schleife des Darmkanals, welche vom 134 Siebenzehnte Vorlesung. ganzen Dünndarme und dem Anfange des Dickdarmes gebildet wird. dessen Coecum durch eine leichte Ausbuchtung nahe der Mitte des hinteren Schenkels der Schleife schon angedeutet ist. Vom Scheitel oder der Umbiegungsstelle der Darmschleife aus, die in der Fig. 72 auf die rechte Seite geschlagen ist, setzt sich der Dottergang (x) als ein dünner Strang fort, der, nachdem er den Nabelstrang durchlau- fen , noch eine Strecke weit zwischen Amnios und Chorion hinzieht, und dann in den Dottersack (Nabelbläschen) über- geht, dessen Gefässe sich ganz ebenso verhalten, wie in den Embryonen der vierten Woche, nur dass jetzt Aeste der Art. omphalo - mesenterica zur Darm- schlinge sichtbar sind, aus denen später die Arteria mesenterica superior sich bil- det. Ausserdem zeigt der Nabelstrang in seiner ganzen Länge den noch hohlen Urachus, der in der Gegend der Inser- tion des Nabelstranges an dem Chorion blind endigt und auf der andern Seite durch eine leichte Erweiterung, die An- lage der Harnblase, mit dem Mastdarme communicirt. Das Amnios ist schon eine ziemlich sjeräumiee Blase mit mehr Flüs- Fig. 49. Menschlicher Embryo von 35 Tagen von vorn nach Coste. 3 linker äusserer Nasenfortsatz, 4 Oberkieferfortsatz des ersten Kiemenbogens, 5 primiti- ver Unterkiefer, z Zunge, b Bulbus aortae, 6'erster bleibender Aortenbogen, der zur Aorta ascendens wird, b" zweiter Aortenbogen, der den Arcus aortae gibt, b'" dritter Aortenbogen oder Ductus Botalli, y die beiden Fäden rechts und links von diesem Bachstaben sind die eben sich entwickelnden Lungenarterien, c gemeinsamer Venensinus des Herzens, c Stamm der Cava superior und A:y- gos dexlra , c" Stumm der Cava sup. und Azygos sinistra, o linkes Herzohr, v rechte, v linke Kammer, ae Lungen, e Magen , j Vena omphalo-mesenterica sinistra, s Fortsetzung derselben hinter dem Pylorus, die später Stamm der Pfortader wird, x Dottergang, aArt. omphalo-mesenterica dextra, mWolffscher Körper, i Enddarm, n Arteria umbilicalis, u Vena umbilicalis, 8 Schwanz, 9 vor- dere, 9' hintere Extremität. Die Leber ist entfernt. Jüngere menschliche Embryouen. 135 sigkeit und erfüllt nun den Raum des Chorions fast ganz, welches letztere immer noch überall mit Zotten besetzt ist, von denen jedoch die der spätem Placentarstelle schon etwas stärker ausgebildet sind. Was den Embryo selbst betrifft, so ist das Gesicht mehr aus- gebildet, der Stirnfortsatz grösser und mit dem Oberkieferfortsalze des ersten Kiemenbogens fast vereint, so dass die Nasenöffnung von der Mundöffnung mehr geschieden ist. In der Mundhöhle sieht man die Zunge. Die Kiemenspalten Sindbis auf die erste (Ohröffnung) geschwunden und von den Kiemenbogen ausser den ersten (Unter- und Oberkiefer) nur noch der 2. und 3. als Querwülste sichtbar. Die Augen sind gefärbt und ragen mehr hervor, von dem Gehör- bläschen dagegen ist nichts mehr sichtbar. Die Extremitäten sind weiter in der Entwicklung vorangeschrit- ten und erkennt man an den vordem die Andeutungen der Hand und leichte Kerben für die Finger. Zu beiden Seiten und vor der Oeffnung des Mastdarmes oder der Kloake sind zwei Wülste und eine Furche zwischen ihnen jetzt ganz deutlich, wie Sie wissen, die Anlagen der äussern Genitalien. Die Leber, die in der Fig. 72 ent- fernt ist, ist grösser geworden, und das Herz mehr ausgebildet. Die Wolff'schen Körper, etwas verkümmert, aber doch noch gross, zei- gen an ihrer äusseren Seite den Ausführungsgang und den soge- nannten Müller'schen Faden, den ich Ihnen später genauer schildern werde , an der innern Seite in Form eines weissen Streifens die Anlage der Geschlechtsdrüsen. Von den Lungen (ae) sieht man die erste Andeutung zu beiden Seiten der Speiseröhre vor dem Magen (e), der jetzt sammt dem Duodenum schon kennbar ist. — Ein schwanzartiger Anhang (8) ist immer noch da. Menschliche Eier und Embryonen der sechsten W^oche, von Embryonen J der o. Woche. denen bei Coste (PL V, a) einer von 40 Tagen in seiner innern Or- ganisation dargestellt ist, characterisiren sich denen der fünften Woche gegenüber namentlich durch folgendes. Der Körper ist mehr gestreckt und der Kopf relativ grösser. Der Oberkieferfortsatz des ersten Kiemenbogens und der Stirnfortsatz haben sich an einander gelegt und ist nun das Nasenloch von der Mundöffnung ganz getrennt. Die Nase beginnt etwas vorzutreten, doch ist das Gesicht noch ganz platt, der Mund ungemein weit. Die äussere Ohröffnung steht höher, in einer Linie mit dem Mundwinkel, und ist schon etwas eckig mit leichtgewulsteten Rändern. Rrust und Rauch treten ungemein stark vor, und zeigt letzterer den Nabel schon mehr in der Mitte. Die 136 Siebenzehnte Vorlesung. Extremitäten zeigen ihre drei Abschnitte deutlich und sind auch am Fusse die Zehen angedeutet, doch lange nicht so bestimmt wie bei der Hand, an der übrigens die Fingerrudimente immer noch wie durch Schwimmhäute vereint sind. An der Urogenitalöffnung er- scheint die Andeutung der Geschlechtswülste etwas bestimmter, das hintere Leibesende dagegen tritt nicht mehr säugethierarlig her- vor. Mit Bezug auf die innere Organisation dieser Embryonen ist nur folgendes hier anzuführen. Die Wolffschen Körper sind sehr verkümmert und nehmen nur noch einen kleineren Raum im hinte- ren Abschnitte der Bauchhöhle ein, dagegen sind an ihrer innern und hintern Seite die Geschlechtsdrüsen , deren besondere Natur jedoch noch nicht zu erkennen ist, die Nieren und Nebennieren zu sehen. Die Leber ist ungemein gross und blutreich, ebenso treten die Lungen mehr vor, liegen aber noch ganz hinter dem Herzen und der Leber. Der Darm bildet eine einfache aber längere Schleife, deren grösster Theil im Nabelstrange drin liegt und die nun ganz bestimmt am hintern Schenkel der Schleife, nicht weit von der Stelle, wo der Dottergang mit dem Darm sich vereint, das Coecum zeigt. Die Eihüllen sind, abgesehen von der etwas beträchtlicheren Grösse des Eies, im Wesentlichen wie in der fünften Woche. Hiermit schliesse ich nun die Betrachtung menschlicher Eier und Embryonen für einmal ab, indem ich Alles, was mit Bezug auf den Bau und die Leibesform, sowie auf die Beschaffenheit der Ei- hüllen noch nicht zur Besprechung kam, in späteren Stunden nach- zuholen gedenke. _ Achtzehnte Vorlesung. Meine Herren ! Es ist in früheren Stunden zu wiederholten Eihüllen. Malen von den fötalen Eihüllen die Rede gewesen, dagegen bin ich noch nicht dazu gelangt, Ihnen eine zusammenhängende Schilde- rung der wichtigsten derselben, nämlich des Chorion, zu geben und ebenso wenig habe ich Gelegenheit gehabt, das Verhalten derselben in spateren Schwangerschaftsmonaten und die Einrichtungen im Uterus zur Hegung des Eies zu schildern. Jetzt, wo Sie die erste Entwicklung des Embryo kennen, ist es am Platze, auch die Lehre von den Eihüllen im Zusammenhange zu besprechen, und gedenke ich der Verständlichkeit halber zuerst das Verhalten derselben in der zweiten Hälfte und am Ende der Schwangerschaft zu beschrei- ben, ehe ich auf die erste Entstehung dieser Häute zu reden komme. Oeffnet man einen Uterus aus dem vierten Schwangerschafts- ElhMutT d«dei monate , so findet man in der Höhle desselben eine Blase, dje an Schwan°erschaft- einer Seite an der Wand festsitzt und die Höhlung ziemlich erfüllt. Diese Blase, welche das Ei enthält, die, Sie in dem schematischen Durchschnitte Fig. 73 aus einer etwas früheren Zeit dargestellt fin- den, wird nicht blos von den fötalen Bildungen, sondern auch von einer Hülle dargestellt, welche vom Uterus aus über dieselben her- übergeht und als dünne durchscheinende Membran den ganzen nicht am Uterus festsitzenden Theil des Eies umschliesst. Diese Membran (Fig. 73 d r) , die man umgeschlagene hinfällige Haut, Deddua reßexa. Membrana decidua s. caducareflexa nennt, geht an dem Theile, wo das Ei festsitzt, einfach in die innere Oberfläche des Uterus über und hängt mit dieser zusammen. Die Höhle des Uterus selbst ist in die- ser Periode vorn Eie schon ganz eingenommen, im zweiten und drit- ten Monate jedoch findet sich zwischen Ei und Uterus ein etwelcher 138 Achtzehnte Vorlesung. Fig. 73. Zwischenraum, den Sie sich übrigens nicht so gross zu denken ha- ben, wie er in der schemalischen Zeichnung erscheint; auch istder- selbe nicht, wie manche Autoren angegeben haben, von einer be- sonderen Flüssigkeit [Hydroperi- one, Breschet) erfüllt , sondern enthält Nichts als etwas Schleim. Die Einmündungssteilen der Tu- ben sind entweder beide oder blos eine offen, je nach dem Sitze des Eies ; das Orifwiwn uteri in- temum ist ebenfalls offen, der Canalis cervicis dagegen in der Regel durch einen Schleimpfropf, eine Ausscheidung der Gruben der Plicae palmatae verlegt. Die Schleimhaut des Uterus selbst (dv) ist in der ganzen Höhle des Kör- pers des Organes von erheblicher Dicke und eigenthümlicher Beschaf- fenheit, wie Sie nachher hören werden und führt jetzt den Namen Deciduavera. Membrana decidua s. cäduca vera, wahre hinfällige Haut. Beide Membranae decidüü'e setzen sich auch auf den Theil des Uterus fort, an welchem das Ei durch das Chorion festgewachsen Piacenta uterina. istj und bilden hier den Mutterkuchen, die Placenta uterina oder die Membrana decidua serotina der Autoren (Fig. ISpl), welche in noch zu schildernder Weise mit der Placenta foetalis, dem Frucht- kuchen, zusammenhängt und mit derselben die Gesammtplacenta oder den Mutterkuchen im weiteren Sinne bildet. Untersucht man das Innere des Eies, so findet man zunächst, dicht anliegend an der chorion. Decidua reflexa und an der Placenta uterina, das Chorion oder die Zottenhaut des Eies, w-elches eine vollkommene Blase bildet. Das Chorion muss jetzt in zwei Theile zerfällt werden, einen Theil, wel- cher mit sehr dichten, reichverästelten, baumförmiaen Zotten besetzt Fig. 73. Eihüllen des Menschen in situ, schematisch dargestellt, m Mus- cularis des Uterus nicht ausgezeichnet ; dv Decidua vera, phi Placenta uterina äussere Schicht, plu innere Lage derselben mit Fortsätzen zwischen die Cho- rionzotten chs hinein, dr Decidua reflexa, chl Chorion laeve, ch f Chorion fron- dosum mit den Zotten chz die Placenta foetalis darstellend, a Amnios, ah Am- nioshöhle, as Amniosscheide für den Nabelstrang, dg Dottergang, ds Dotter- sack, t Oeffnung einer Tuba, ah Höhle des Uterus, zu geräumig dargestellt. Eihüllen des Menschen. 139 ist, Placenta foetalis oder Chorion frondosum {chf), und Piacenta/oetaiü. durch diese Zotten aufs innigste mit der Placenta uterina zusammen- hängt und einen zweiten Theil, das glatte Chorion, Gh. laeve Chorion laeve. (chl), das auf den ersten Blick glatt erscheint, bei genauerer Besichti- gung dagegen auch kleine Zotten zeigt, die jedoch in ziemlich weiten Abständen stehen und wenig verästelt sind und daher auf den ersten Blick dem Auge sich entziehen. Diese Zöttchen haften an und in der Decidua reflexa und verbinden diese und das Chorion wie kleine sehnige Fäden. Auf das Chorion folgt das Amnios, jedoch befin- Amnios. det sich zwischen beiden Gebilden eine dünne gallertige Lage, die an Spirituspräparaten wie eine weiche Haut erscheint, die soge- nannte Membrana intermedia, die nichts anderes ist als ein einge- Membrana inter- media. dickter Rest der ursprünglich in bedeutender Menge zwischen dem Amnios und Chorion befindlichen eivveisshaltigen Flüssigkeit, und keine weitere Bedeutung besitzt. Das Amnios, das sonst die ganze vom Chorion umschlossene Höhle einnimmt, setzt sich an der Pla- centa auf den schon ziemlich langen Nabelstrang fort, um so eine Scheide für dieses Gebilde darzustellen und endet dann am Nabel in Verbindung mit der äusseren Haut des Embryo. An der Inser- tionsstelle des Nabelstranges an die Placenta findet man wie ein Loch, aus welchem der Dottergang {dg) hervortritt und zwischen Dotterg-ang-. Placenta und Amnios weiter verläuft, um in verschiedener Entfer- nung von der Insertion des Nabelstranges in den Dotters ack oder Dottersack. das Nabelbläschen (ds) einzumünden. Die grosse Höhle, die das Amnios umschliesst, ist mit dem Schafwasser oder Frucht- Schafwasser. wasser erfüllt, in welchem der Embryo frei flottirt. Betrachten wir nach dieser übersichtlichen Schilderung die ein- zelnen Theile etwas genauer. Die Decid-ua vera} um mit dieser zu Decidua vera. beginnen, kleidet nicht blos die gesammte Höhle des eigentlichen Uteruskörpers, soweit derselbe nicht von der Placenta eingenommen wird, aus, sondern geht, allerdings verdünnt, an den Oeffnungen des Uterus auch in die Schleimhäute des Cervix und der Eileiter über, von denen, wie erwähnt, eine Oeffnung durch die Placenta verlegt sein kann. Ihrer Natur nach ist die Decidua nichts anderes als die umgewandelte Schleimhaut des Uterus , nicht eine neue Schicht, ein besonderes Exsudat, wie man früher glaubte. Im vier- ten Monate ist dieselbe nur noch etwa % — \ %■"' dick, während sie im dritten Monate 2 — 3'" beträgt, so dass um diese Zeit ungefähr y3 der Dicke der Gesammtwand des Uterus auf ihre Rechnung 140 Achtzehnte Vorlesung. kömmt. Nichtsdestoweniger ist sie im vierten Monate noch sehr ge- fässreich und bemerkt man an ihrer innern Oberfläche bei frischen Objecten eine grosse Menge von Gefässramificationen, und unter diesen besonders weite Venensinus, die am Rande der Placenta, da wo die Decidicavera in die Reflexa übergeht am entwickeltsten sind, und durch zahlreiche Anastomosen wie einen ringförmigen Sinus bilden, aber auch an den übrigen Gegenden nicht fehlen. Das Gewebe der Decidua vera anlangend, so ist in Betreff der Oberfläche sicher, dass das frühere Flimmerepithel des Uterus nicht mehr vorhanden ist, dagegen zweifelhaft, ob ein anderes Epithelium an die Stelle dessel- ben tritt, wie z. B. Robi.\ annimmt. Wohl bemerkt man in einzel- nen Fällen in der ersten Hälfte der Schwangerschaft da und dort, besonders in der Nähe der Mündungen der Uterindrüsen ein Pfla- sterepithel an der Decidua, ich habe jedoch noch keinen Fall ge- sehen, in dem dasselbe auf grösseren Strecken regelrecht ausgebildet gewesen wäre. Will man nun auch auf dieses Fehlen des Epithels an manchen Stellen nicht zu viel geben, da hinreichend bekannt ist, wie leicht zarte Epithelien sich ablösen, und das Vorkommen des- selben für die ersten Monate der Schwanserschaft zugeben, so ist doch so viel entschieden, dass dasselbe vom fünften und sechsten Monate an, sobald beide Deciduen mit einander verkleben, nicht mehr vorhanden ist. Im Innern der Decidua findet man verschiedene Elemente, vor allem eine mehr amorphe Bindesubstanz, welche alle andern Elemente trägt, unter denen neben den zalreichen Gefässen runde und spindelförmge Zellen bei Weitem die Hauptmasse aus- machen. Die runden Zellen sind schön und gross (bis 0,01 o" und mehr) mit deutlichen Kernen und Kernkörperchen und erinnern sehr an Epithelialzellen, für welche Deutung auch ihre hie und da vor- kommenden polygonalen Begrenzungen zu sprechen scheinen. Be- denklich ist jedoch der Umstand, dass sie in allen Schichten der Decidua, auch in den tiefsten, sich finden, so wie dass sie auch an den Stellen, wo nochUterindrüsenreste mit deutlichem kleinem Pfla- sterepithel vorkommen, dicht aussen an den Drüsen zu sehen sind. Namentlich der letzte Umstand scheint gegen eine Vermuthung zu sprechen , welche jedem sich aufdringen muss, der weiss, dass die Decidua vera in den ersten zwei Wochen der Schwangerschaft so zu sagen aus nichts als aus gewucherten Uterindrüsen besteht, wäh- rend man von solchen später äusserst wenig mehr sieht und sich die Frage vorlegt, was aus den Epithelzellen dieser wird. Ich würde Decidua Vera. Eihüllen des Menschen. 141 übrigens mit grösserer Bestimmtheit an die Möglichkeit der Abstam- mung der fraglichen Zellen von den Epithelzellen der Uterindrüsen denken, wenn nicht das dazu käme, dass dieselben später einem guten Theile nach in Faserzellen sich umwandeln, welche man auch schon im vierten Monate in Menge neben denselben findet, Faser- zellen, welche später entschieden in Bindegewebe sich umwandeln und hierdurch namentlich den geäusserten Gedanken, wenn auch nicht unmöglich machen, doch wenigstens in den Hintergrund drän- gen. Es sind übrigens diese Faserzellen ziemlich ausgeprägte spin- delförmige Zellen von verschiedener Form und Grösse, alle mit deut- lichen rundlichen oder länglichrunden Kernen. Eine nicht unwichtige Frage ist die, ob die Decidua vera in der Drusen der Mitte der Schwangerschaft noch Uterindrüsen besitze. Nach Coste's Angaben ist diess in der That der Fall und zwar sollen die Uterindrüsen, die nach diesem Forscher noch in grosser Anzahl sich finden, zwar einfach, aber so geschlängelt und zusammengewickelt sein, dass sie denen der Schweissdrüsen ähnliche Drüsenkörper bilden (Histoire du de'vel. Tab. VIII). Sicher und längst bekannt ist es; dass die Decidua vera um diese Zeit, so wie früher schon und später, an ihrer innern Oberfläche eine grosse Menge von grösseren, von blossem Auge sichtbaren Löchern oder spaltenförmigen Oeff- nungen enthält, welche namentlich nach Entleerung der Blutgefässe der ganzen Oberfläche der Haut ein deutlich siebförmiges Ansehen verleihen. Verfolgt man diese Löcher, so kommt man in Gruben, selbst in Kanäle, welche die ganze Dicke der Haut durchsetzen und an dem der Muskelhaut zugewendeten Theile blind endigen. Es ist nun allerdings sehr wahrscheinlich, dass diese Löcher und Kanäle, wie Goste mit Andern annimmt, Umwandlungen der früheren schlauchförmigen Uterindrüsen sind ; ich muss Ihnen jedoch bemer- ken, class es mir, wenigstens in der Mitte der Schwangerschaft, noch nicht gelungen ist, als Auskleidung dieser Kanäle das wirkliche frühere Drüsenepilhel zu finden, so wie auch, dass ich um diese Zeit keine unveränderten Drüsen gesehen habe. Diesen letzten Punkt anlangend will ich jedoch Coste's Angabe nicht entgegentreten, da ich bis jetzt nur Spirituspräparate auf diese Verhältnisse unter- sucht habe, und was die Löcher und weiteren Kanäle der älteren Decidua anlangt, so glaube ich den bestimmten Nachweis liefern zu können, dass dieselben wirklich veränderte Uterindrüsen sind. Ich habe nämlich in einer Decidua vera der vierten Woche neben un- 142 Achtzehnte Vorlesung. veränderten Uterindrüsen auch viele andere gesehen, welche, ohne ihr Epithel eingebüsst zu haben, in weitere, z. Th. buchlige Kanäle umgewandelt waren und z. Th. schon so ziemlich das Ansehen der späteren Kanäle hatten. Ich habe Ihnen nun noch anzugeben, dass die äussere Fläche der Decidua vera mit der Muskelsubstanz des Uterus ziemlich innig zusammenhängt; doch ist diese Verbindung nicht so fest, dass sich nicht beide Theile von einander trennen liessen ; hierbei bleibt ein Theil der Vera oder der Schleimhaut immer an der Muscularis sitzen und zeigt das losgetrennte Stück der Decidua eine rauhe Oberfläche. Decidua reflexa. Die Decidua reflexa, die continuirlich mit der Vera zusammen- hängt, stimmt in gewissen Verhältnissen ihres Baues mit dieser überein, während sie in andern ziemlich abweicht. Die äussere der Uteruswand zugekehrte Oberfläche der Reflexa ist glatt und in der Mitte der Schwangerschaft nach Allem, was wir wissen, ohne Epi- thel ; die innere Oberfläche dagegen ist rauh und mit dem Chorion durch die vorhin erwähnten kleinen Zotten verwachsen. In vollem Gegensatze zur Vera ist die Reflexa im vierten Monate, zu welcher Zeit sie noch etwa % — %'" misst, ja sogar schon im dritten Monate ganz ge fässlos; auch die zalreichen Oeffnungen, die man an jener findet, fehlen um diese Zeit bei der in Rede stehenden Mem- bran gänzlich, ausser an der Stelle, wo dieselbe in die Vera um- biegt. Abgesehen davon aber beurkundet die Reflexa durch ihren feineren Bau, durch die zalreichen grosszelligen Elemente und spindelförmigen Faserzellen und ihr mehr homogenes bindegewebi- ges Substrat ihre nahe Verwandtschaft mit der wahren hinfälligen Haut. piacenta. Was die Placenta uterina s. Decidua serotina, den mütter- lichen Theil des Fruchtkuchens oder den Mutterkuchen im engern Sinne, anlangt, so ist es äusserst schwierig, über den Bau dieses Theiles ins Reine zu kommen. Die Placenta überhaupt, als Ganzes genommen, ist ein sehr weiches und blutreiches Gebilde, dem man nicht leicht durch die gewöhnlichen anatomischen Untersuchungsme- thoden, mit dem Messer oder durch Injection, beikommen kann. Es erklärt sich hieraus die Mannichfaltigkeit der Ansichten, die man über den Bau der Placenta aufgestellt hat, so wie die Unklarheit, in der wir heute noch bezüglich mancher hieher gehörigen Puncte be- fangen sind. Betrachten wir die Placenta als Ganzes, so erscheint sie als scheibenförmiges oder kuchenförmiges Gebilde, je nach der Eihüllen des Menschen. 143 Periode der Schwangerschaft, in der man sie untersucht, von ver- schiedener Grösse, in der Mitte der Schwangerschaft von 4 — 5" Durchmesser, am Ende derselben von 6 — 8" Grösse. Man unter- scheidet an ihr eine convexe Uterinfläche und eine concave embryo- nale Fläche und kann dieselbe behufs der Beschreibung in den mütterlichen und fötalen Theil , Mutterkuchen und Fruchtkuchen, sondern, welche jedoch beide in der Mitte der Schwangerschaft aufs innigste mit einander vereinigt sind und vom vierten Monate an sich nicht mehr trennen lassen. Die Placenta foetalis wird, wie Sie aus Piacenta/oetaiis. Früherem wissen, von dem Theile des Chorion gebildet, welcher ursprünglich der Uteruswand zugewendet ist , und an dieser Stelle zeigt sich dann eine ungemeine Entwicklung der Chorionzotten ; hier allein breiten sich auch die sogenannten Placentargefässe des Embryo, die zwei Arterien und die Vena umbilicalis aus. Demzu- folge zeigt der Fruchtkuchen an seiner fötalen, vom Amnios beklei- deten Seite eine massig feste, glatte, weisslich durchscheinende Haut, an welche der Nabelstrang sich inserirt und in welcher die gröberen Verästelungen der Umbilicalgefässe liegen , und an der Aussenfläche dieser, welche nichts anderes als das Chorion ist, die Stämme der Chorionzotten, welche durch ihre zalreichen Veräste- lungen nach aussen eine ziemlich dichte und zusammenhängende Masse bilden, die, wenn man dieselbe von der mütterlichen Placenta getrennt sich denkt, nach aussen gegen den Uterus eine im Allge- meinen leicht gewölbte, jedoch nicht ebene, sondern mehr hügelige oder gelappte Oberfläche darbietet. Die einzelnen Chorionzotten sind in ihren Verästelungen so mannichfach verschieden gestaltet, dass eine specielle Beschreibung nicht nöthig ist und die Bemer- kung genügt, dass dieselben an jedem Bäumchen ungemein zalreich sind und sowohl als Zweilheilungen auftreten, als auch als viele von den Stämmchen und Aesten unter rechten Winkeln abgehende Ausläufer erscheinen, so dass manche Zweige in grosser Ausdeh- nung nur von solchen besetzt sind. Die letzten Enden der Bäum- chen sind kolbig, walzenförmig, birnförmig, selbst keulenförmig, gestielt oder fadenförmig, jedoch immer und ohne Ausnahme frei und in keiner Verbindung mit dem mütterlichen Theile der Placenta, in welcher Beziehung ich den Angaben gewisser Beobachter entge- gentreten muss. Bezüglich auf den Bau so verhält sich der Piacentartheil des Feinerer Bau der Chorion im Wesentlichen ebenso wie das übrige Chorion und besteht 144 Achtzehnte Vorlesung. aus einer äusseren, alle Theile überziehenden Epithelschicht und aus einer innern, dem Embryo zugewendeten bind egewebi- gen Grundlage. Ein jedes Chorionbäumchen besteht in allen seinen Theilen aus einer innern bindegewebigen Axe und einem äussern Pflasterepithel mit schönen kernhaltigen Zellen, die im In- nern Körnchen und manchmal auch Fett enthalten. Dieses Epithel löst sich sehr leicht in Fetzen ab und kann man namentlich von nicht ganz frischen Placenten ganze Ueberzüge der Enden der Cho- rionzotten wie Handsehuhfinger im Zusammenhange erhalten . an denen die Zusammensetzung aus einfachen Epithelialzellen auf das deutlichste zu sehen ist. Das Bindegewebe ist in den Stämmen der Zotten derber, fester, mehr fibrillär, in den feineren Verästelungen weicher und gelatinös; in allen Theilen enthält dasselbe eine ge- wisse Menge spindelförmiger auch wohl sternförmiger zelliger Ele- mente, die ich als Bildungszellen des Bindegewebes betrachte. Aus- serdem sind Kerne vorhanden , die ohne umhüllende Membranen in dem Fasergewebe drin liegen. Mit Ausnahme weniger Endaus- läufer der Bäumchen, die nur aus Epithelzellen bestehen und ein- fache Epithelialfortsätze sind, enthalten alle Verästelungen Blutge- fässe. In jede Zotte tritt ein Ast einer A. umbilicalis hinein, aus jeder Zotte kommt eine Vene heraus, welche in eine V. umbilicalis übergeht und diese Gefässe verästeln sich nun bis in die letzten Ausläufer hinein. Früher glaubte man. dass Arterien und Venen nur in diesen und zwar durch einfache Schlingen ineinander übergehen, es hat jedoch Schröder van der Kolk in einer vortrefflichen Arbeit überdenBau der menschlichen Placenta (Verh. van het K. Nederlandsche Instituut 1851. St. 69 flgde.) nachgewiesen, dass dieselben auch in den Stämmen zalreicheCapillarnetze bilden, und dass in den Zottenenden neben einfachen Schlingen auch Anastomosen sich finden, wie Ihnen diess die Fig. 74 versinnlicht. Aus dem Gesagten können Sie entnehmen, dass das Ge- fässsystem des Embryo, insoweit es in die Placenta einseht, ein vollkommen Beschlossenes Fig. 74. Ein Theil eines injicirten Aestchens einer Chorionzotte. Nach Ecker, Icon. phys. Erklärung zur Taf. XXVIII. a Hauptgefässstamm, « Capil- laren des oberflächlichen Netzes. Eihüüen des Menschen. 145 ist, dass jedoch die Gefässe und das Bindegewebe, welches diesel- ben trägt, vom mütterlichen Organismus nur durch ein dünnes und auf jeden Fall leicht durchdringliches Epithel getrennt sind, so dass ein Austausch der in den Blutgefässen von Mutter und Kind enthal- tenen Stoffe mit Leichtigkeit sich machen muss. Weniger leicht als der fötale Antheil der Placenta ist der müt-ptaf«»; terliche Theil zu erforschen. Betrachtet man eine in regelrech- ter Weise vom Uterus gelöste Placenta von ihrer convexen oder Uterinfläche, so findet man, dass sie an dieser Fläche wie in eine gewisse Menge von unregelmässigen, polygonalen Abtheilungen oder Lappen, die sogenannten Cotyledonen der Placenta, zerfällt. Diese Cotyledonen werden von den Zotten des Chorions gebildet, welche gruppenweise inniger mit einander verbunden sind und da- durch zusammengehalten werden, dass der mütterliche Antheil in bestimmter Weise zwischen dieselben eindringt. Es liegen nämlich an der angegebenen Fläche die Chorionzotten nicht frei, vielmehr ist dieselbe immer von einem Theile der mütterlichen Placenta be- deckt, welcher jedoch kaum mehr als % — %'" Dicke hat und, wenn er gut erhalten ist , als eine zusammenhängende Haut erscheint, welche den fötalen Theil der Placenta bedeckt, und am Bande einer- seits in die Vera, anderseits in die Reflexa sich fortsetzt. Bei genauer Untersuchung auf Durchschnitten zeigt sich nun, dass diese Membran mit einzelnen stärkeren und schwächeren Fort- sätzen zwischen die Cotyledonen sich hinein erstreckt, welche Fort- sätze im weiteren Verlaufe noch verschiedentlich sich theilen und verzweigen und mehr weniger tief in die Placenta foetalis oder zwi- schen die Chorionzotten eindringen. Keiner dieser Fortsätze erreicht jedoch, nach meinen Wahrnehmungen, die innersten Theile der Pla- centa foetalis oder die Stelle, wo die Chorionbäumchen festsitzen, und findet sich überhaupt in den an das Chorion selbst grenzenden Theilen keine Spur von mütterlichem Gewebe. Die erwähnte müt- terliche Membran nun mit ihren Fortsätzen ist, wie Durchschnitte von Placenten in ihrer Lage ergeben, nur der innerste Theil der eigentlichen Placenta uterina und zeigen solche Schnitte, dass der an die Muskelhaut angrenzende mächtigere Theil derselben von dem an die Placenta foetalis anstossenden besonders durch grossen Beichthum an Blutgefässen, namentlich durch weite Venenräume sich auszeichnet. Köll^ker, Entwicklungsgeschichte. 10 146 Achtzehnte Vorlesung. Feinerer Bau • 1 1 1 Schwangerschaft, genaueren ßetrachtuna des Verhaltens der totalen Li hüllen in Chorion. der Mitte der Seh wan gerschaft. Vom C h o r i o n , das Sie in seinem wichtigsten Theile, der Piacent a foetalis, schon kennen, ist nur noch zu bemerken, dass dasselbe in seinem übrigen Theile eine dünne, weissliche, durchscheinende, bindegewebige Haut ohne Blutgefässe darstellt, welche durch spärliche, wenig verästelte und kleine Zött- chen mit der Decidua reflexa sich verbindet, Zöttchen, welche natür- lich auch gefässlos sind, und aus einem bindegewebigen Strange und einem Epithel bestehen, so dass demnach, da auch die ganze äus- sere Fläche des Chorions von einem Epithel bekleidet wird, zwischen Decidua reflexa und Placenta uterina einerseits und den fötalen Theilen anderseits Ein zusammenhängendes Epithel sich findet, welches somit die alleräusserste Begrenzung des ganzen Eies und eine Art Oberhäutchen darstellt. Die nun folgende Bildung, das Amnios, ist in der Mitte der Schwangerschaft schon eine grössere Blase, die mit Ausnahme der Stelle, wo der Dottersack sich befindet, ganz innig am Chorion an- liegt, jedoch immer leicht von demselben sich ablösen lässt. Bei der Trennung beider Membranen findet man zwischen denselben ein fadiges gallertiges Gewebe in sehr geringer Menge, von dem ich Ihnen schon früher meldete, dass es der Best der ursprünglich zwi- schen Chorion und Amnios befindlichen eiweisshaltigen Flüssigkeit sei, eine Ansicht, die Bischoff (Beitr. z. Lehre von den Eihüllen d. menschl. Fötus 1834. St. 78) zuerst aufgestellt hat. Einen beson- deren Namen (Tunica media Bischoff) verdient diese Lage, die beim Menschen keine Orsanisation zei°;t und auch keine Gefässe enthält. Eihüllen des Menschen. J51 kaum und werden wir derselben ihrer geringen Bedeutung halber von nun an nicht weiter gedenken. An der Insertionsslelle des Na- belstranges an der Placenta geht das Amnios auf denselben über und bildet eine Scheide für ihn, die sich bis zum Nabel des Embryo erstreckt und hier, wie schon erwähnt, in die Cutis und Epidermis sich fortsetzt. Bezüglich der feineren Structur zeigt das Amnios an der der Höhlung desselben zugewendeten Seite ein einfaches Pfla- sterepithel, ausserdem aber noch eine äussere faserige Schicht, in der da und dort blasse , sternförmige, kernhaltige Zellen zum Vor- schein kommen. Diese Faserschicht entspricht, wie wir frühersahen, der mit Muskelfasern versehenen Schicht des Amnios des Hühn- chens und sie ist es, welche am Nabel unmittelbar in die Cutis sich fortsetzt, wobei jedoch zu bemerken ist, dass beim Menschen der Uebergang nicht genau an der Insertion des Nabelstranges am Bauche, sondern einige (3 — 4'") Linien davon entfernt am Nabelstrange selbst sich macht. In diesem Bezirke enthält auch der Nabelstrang wirk- liche Capillaren, denn die neulich von Virchow (Cellularpathologie St. 87) erwähnten feineren Blutgefässe gehören einzig und allein der Scheide des Nabelstranges an. Bei Thieren, wie z.B. bei Kalbs- embryonen, hat, beiläufig bemerkt, die Scheide des Nabelstranges auf grössere Entfernungen (1 — 2") vom Bauche noch die Beschaf- fenheit der äussern Haut. Vom Liquor A m n i i oder S c h a f w a s s e r im Innern der Amnioshöhle, in welchem der Embryo schwimmt, werde ich spä- ter im Zusammenhange handeln. Der Dotter sack oder das Nabelbläschen ist im vierten Dottersack oder irr. tu- i • ii-i ^ i .-. i Nabelbläschen. und fünften Monate noch ein ganz deutliches Gebilde, welches 3, 4 — 5'" im Durchmesser besitzt und irgendwo zwischen Amnios und Chorion, meist ziemlich entfernt von der Insertionsslelle des Nabel- stranges gegen den Band der Placenta zu oder ausserhalb derselben seine Lage hat. Dieses Bläschen, welches im Innern eine geringe Menge von Flüssigkeit enthält, deren Natur unbekannt ist, besteht aus einer bindegewebigen Hülle und einem deutlichen Pflasterepi- thel, zeigt häufig noch Blutgefässe, die Vasa omphalo -mesenterica. und bemerkenswerther Weise an seiner innern Oberfläche kleine, von v. Baer (Entw. IL St. 190) bemerkte Zotten, welche, wie ich finde, Gefässe enthalten, aber kaum von weiterer physiologischer Bedeu- tung sind. Ein Stiel ferner, welcher, soweit er frei liegt, den Dot- tergang noch erkennen lässt, verbindet das Nabelbläschen mit dem 152 Neunzehnte Vorlesung. Nabelstrange, in welchem dann die Vasa omphalo-mesenterica, wenn sie noch vorhanden sind, weiter bis zum Embryo verlaufen. Der Nabelstrang, Funiculus umbilicalis , endlich, den wir zum Schlüsse noch betrachten, ist ein ziemlich zusammenge- setztes Gebilde. Das gröbere anatomische Verhalten anlangend, be- merke ich Ihnen, dass derselbe in der Mitte der Schwangerschaft o, 6 — 8" Länge hat und eine Dicke von i — 5'" besitzt, so ziemlich von der Mitte des Bauches des Embryo ausgeht und meist gegen die Mitte des Mutterkuchens an denselben sich ansetzt. Seine Zusam- mensetzung anlangend, so besteht der Nabelstrang, von dessen Win- dungen später noch die Rede sein soll, aus folgenden Theilen : I ) aus der Seh ei de vom A m nios , 2) aus den Nabel- oder PI a cen- targe fä ssen, Vasa unib ilicalia , zwei Arterien und einer Vene, von denen die Vene central, die Arterien peripherisch liegen, 3) aus den kleinen Dotter sackgefässen, wenn sie noch vor- handen sind [Arteria und Vena omphalo-mesenterica). In früherer Zeit enthielt er auch den Dottergang, Ductus vitello-inlestinalis, der jedoch, ebenso wie der Urachus oder Stiel der Allantois, in der Mitte der Schwangerschaft nicht mehr zu erkennen ist. Alle diese Theile nun werden durch ein weiches, gallertiges Bindegewebe zu- sammengehalten, das unter dem Namen der Wharton'schenSulze bekannt ist und nach Art des Unterhautbindegewebes von Embryo- nen aus einem Schwammgewebe von weichen Fasern und einer in den Lücken desselben enthaltenen hellen Sülze besteht, die in neue- rer Zeit besonders Virchow genauer untersucht hat (Würzb. Verhandl. II. St. 160, Cellularpatholog. S • 88 flgde). Die Fasern zeigen alle Uebereänge von anastomosirenden sternförmigen Zellen zu netzför- mig vereinten, mehr weniger fibrillären Bindegewebsbündeln , in denen da und dort noch unveränderte Zellen sich finden, und was die Sülze anlangt, so ist dieselbe schleim- und eiweisshaltig und enthält eine gewisse Menge rundlicher Zellen. Das Ganze gehört zu der Form von Bindegewebe, welche Virchow als Schleimgewebe, ich als gallertiges Bindegewebe bezeichnet haben. Ausser den grös- seren Gefässen, die, wie ich vor längerer Zeit nachgewiesen habe, eine ungemein entwickelte Muskelhaut haben und sehr contractu sind, enthält der Nabelstrang selbst keine weiteren Gefässe und na- mentlich keine Capillaren, was zeigt, dass unter besondern Umstän- den (worunter hier die Weichheit und Permeabilität der Wandungen der Umbilicalgefässe zu verstehen ist) auch grössere Gefässe das zur Eihüllen des Menschen. 153 Ernährung und zum Wachsthume eines Theiles nöthige Material ab- geben können. Eben so wenig sind Lymphgefässe im Nabel- strange nachzuweisen. Nerven hat man bis jetzt nur in der Nähe des Embryo gefunden. Nach Schott (Die Controverse ü. d. Nerven des Nabelstr. Frankf. 1836) lassen sich an der Nabelvene Aeste des linken Lebergeflechtes bis zum Nabelringe und an den Arterien Aus- läufer des Mastdarmgeflechtes , beim weiblichen Fötus des Uterin- geflechtes 1 — \ %" weit in den Nabelstrang verfolgen und Valentin hat noch 3 — 4" vom Nabel weg mit dem Mikroskope Nervenfasern im Nabelstrange gefunden. Letztere Angabe kann ich bestätigen, dagegen habe ich mich beim Menschen und bei Thieren bisher ver- geblich bemüht, in der Mitte und am Ende des Nabelstranges Ner- ven zu finden, obschon ich auch auf das Vorkommen blasser em- bryonaler Fasern achtete. Besässe in der That der Nabelstrang in seinem grösseren Theile und ebenso die Placenta foetalis keine Ner- ven, so wäre dies, in Anbetracht der grossen Contractilität der Blutgefässe dieser Theile, physiologisch von nicht geringem Interesse. Indem ich die Schilderung der Beschaffenheit des Uterus wäh- Eihüiien in der ° 2. Hälfte und am rend der Schwangerschaft den Handbüchern und Vorträgen über Ende der Schwangerschaft* Anatomie und Geburtshülfe überlasse, gehe ich gleich über zur Betrachtung der weiteren Veränderungen der fötalen und müt- terlichen Eihüllen und vor Allem ihres Verhaltens am Ende der Schwangerschaft. Was zunächst die mütterlichen Eihüllen Mütterliche Ei- anlangt, so sind am Ende der Schwangerschaft die Decidua vera Decidua. und reflexa mit einander verwachsen, und zugleich so verdünnt, dass sie eine einzige ganz dünne Haut darstellen. Natürlich ist hiermit auch jeder Zwischenraum zwischen Ei und Uteruswand geschwunden und füllt das Ei den Uterus ganz aus. Untersucht man von aussen nach innen die Schichten eines hochschwangern Uterus, so stösst man nach Durchschneidung der sehr verdünnten Muskelhaut auf ein dünnes, gelbweisses , faserig-blättrig erschei- nendes Häutchen und dieses, welches eben die Deciduae darstellt, führt durchschnitten gleich zum Chorion. Mit dem Grösserwer- den des Eies nämlich vereinigen sich die Deciduae, nachdem sie schon vom sechsten Monate an oder schon etwas früher verklebt waren ; mit der Grössenzunahme des Uterus ferner nehmen diesel- ben nicht auch entsprechend an Masse zu und werden immer dün- ner, nichtsdestoweniger kann man nicht selten selbst am Ende der Schwangerschaft da und dort, jedoch niemals auf grössere Strecken ]54 Neunzehnte Vorlesung. beide Deciduae künstlich von einander trennen. Das Gewebe derDeei- ..:/ in welcher dasselbe, abgesehen von einigen in ®,J | \v- -V. ■' demselben entstandenen Knochenkernen, voll- VBftJfiy MSiJwn kommen gut entwickelt ist. vH^^^H Das knorpelige Primorclialcranium ist nun --•;;.-:;■,-.;-.;_, f aber nicht bei allen (ieschüplen so wenig aus- a gebildet wie beim Menschen. Ich selbst habe mit einem meiner früheren Zuhörer Herrn Fig. 87. Primordialschädel eines 3 Monate alten menschlichen Embryo von oben; «obere Hälfte der Squama ossis occipitis, b untere Hälfte derselben, c knor- pelige Parietalplatte, d Pars condyloidea ossis occipitis, eParsbasilaris, fPars petrosa mit dem Meatus auditorius internus, (/Sattellehne, davor zwei Kerne des hintern Keilbeinkörpers, h Kerne in den Processus clinoidei anteriores, i grösstenteils knöcherne Ala magna, k Ala parva, l Crista galli, m Labyrinth des Siebbeins, n knorpelige Nase, o Knorpelstreif zwischen der Parietalplatte und dem Keil- beine, p Frontalplatte oder knorpeliger Verbindungsstreif zwischen dev Ala parva und der Lamina cribrosa, q Foramen opticum. Entwicklung des Knochensystems. 197 Dr.SpöNDLi in Zürich seiner Zeit einige Untersuchungen über das Ver- hallen desselben bei Säugethieren angestellt, welche in dessen Dis- sertation (Ueber den Primordialschädel der Säugethiere und des Menschen, Zürich 1846) niedergelegt sind, als deren Resultat sich ergab, dass bei der Maus und beim Schweine die häutigen Stellen des knorpeligen Craniums, die man auch die Fontanellen desselben nennen kann, viel kleiner sind als beim Menschen, indem bei diesen Thieren das Schädeldach namentlich in der Parietalgegend fast ganz knorpelig ist. Werfen Sie ferner einen Blick auf die liefer stehenden Wirbel thierklassen, so werden Sie finden, dass bei den ßatrachiern vor Allem den Perennibranchiaten und bei vielen Knochenfischen die knorpeligen Primordialcranien noch viel ausgebildeter sind. Ja es zeigt sich, dass bei manchen Geschöpfen, wie bei den Haifischen und Rochen, den Neunaugen, ja selbst bei manchen Knochenfischen, wie den Salmonen und Hechten, die knorpeligen embryonalen Gra- nien z. Th. in vollkommenster Ausbildung, als ganz geschlossene Knorpelkapseln, zeitlebens sich erhalten. Diese Thatsachen geben uns erst die richtigen Fingerzeige über die Bedeutung des allerdings sehr wenig entwickelten menschlichen Primordialschädels und seine Stellung zum bleibenden Schädel, wie ich Ihnen diess in der folgen- den Stunde des Weiteren darzulegen gedenke. Dreiundzwanzigste Vorlesung. Umbildung des Meine Herren ! Der knorpelige Primordialschädel, dessen Ent- Pnmordialscha- ' *-" ' deis in den knö- wjcklun° wir zuletzt verfolgt haben, wandelt sich in folgender Weise ehernen Schädel'. ° ° in den bleibenden Schädel um. Erstens bildet sich ein Theil des knorpeligen Schädels unmittelbar in Knochen um und zwar in der- selben Weise, wie überall da, wo knorpelig präformirte Theile ossi- ficiren. Zweitens bleibt ein Theil des knorpeligen Primordial-Cra- niums in diesem Zustande, und geht in die auch beim Erwachse- nen vorkommenden knorpeligen Theile über. Drillens verschwin- det ein jedoch nur sehr unbedeutender Theil des primordialen Knor- pels durch Atrophie. Viertens endlich bilden sich an der Aussen- seite des knorpelig häutigen Craniums besondere Deck- oder Beleg- knochen, wie man dieselben nennen kann, die später untereinander und mit denjenigen Knochen verschmelzen, welche aus dem Primor- dialschädel selbst hervorgegangen sind. Ossi fication des Betrachten wir nun zunächst die Veränderungen des eigentlichen primordialen ~ D Knorpels. primordialen Knorpels, so finden wir, dass aus demselben fast das ganze Hinterhauptsbein, das hintere und vordere Keilbein und das Siebbein, sammt den untern Muscheln hervorgehen. Dazu kommen dann noch die Pars petrosa und mastoidea des Felsenbeins, deren Entwicklung jedoch erst später beim Gehörorgan vollständig be- sprochen werden kann. Hinterhaupts- 1 ) Das Hinterhauptsbein verknöchert im Anfange des drit- ten Monates und zwar mit Einem Knochenpuncte in der Pars basi- laris (Fig. 88 e) , je Einem in den Partes condyloideae (d) und zwei bald verschmelzenden in der knorpeligen Squama («). Zu diesen Knochenkernen gesellt sich dann, wie ich gezeigt habe, noch ein anderes Stück (Fig. 88 a), welches ausserhalb des Primordialschä- bein. Entwicklung des Knocheusysteths. 199 dels als Deckknochen sich entwickelt und den oberen Theil der Schuppe bildet. Dasselbe verschmilzt später mit dem untern pri- mordialen Schuppenslücke vollständig , so jedoch, dass eine Fissur rechts und] links am Rande der Squama in der Höhe der Protube- rantia occipitalis externa längere Zeit hindurch die Vereinigungsstelle andeutet und meist noch bei Neugebornen sichtbar ist. Die im Knorpel entstandenen vier Knochenkerne kommen in der zweiten Hälfte des embryo- nalen Lebens unter allmäliger Verdrängung des Knorpels einander immer näher, sind jedoch noch bei Neugebornen durch dünne Knorpelreste getrennt. Ihre endliche Vereinigung zu Einem Kno- chen beginnt im ersten oder zweiten Jahre zwischen den Gelenk- theilen und dem Schuppentheile, wo dieselbe von aussen nach innen (gegen das For. occipitale niagnum) fortschreitet. Später erst, im dritten und vierten Jahre, verbinden sich auch, und zwar vom Foramen magmim aus , die Gelenktheile und die Pars basüaris, so dass im fünften oder sechsten Jahre alle Theile zu Einem Knochen verschmolzen sind. 2) Das hintere Keilbein, Os sphenoidale posterius , ent- Hinteres .,,.,. n . „, > • Tr i i -i Keilbein. wickelt sich im dritten Monate a) aus zwei Knochenkernen in der Gegend des Türkensattels (Fig. 88), welche bald zu Einem ver- schmelzen (Fig. 89. s), b) aus zwei seitlichen Puncten in der Gegend des Sulcus caroticus und der Ligula (siehe Meckel in seinem Archiv I. Taf. III. Fig. 23, Sföndli 1. c. Fig. 8,6, meine Mikr. Anat. Tat III. Fig. 3, wo der betreffende Kern nur auf einer Seite colorirt und nicht bezeichnet ist, und Vircbow, Entw. d. Schädelgrundes St. 15) und c) aus zwei Knochenkernen in der Ala magna (Fig. 88, i und 89), welche auch die Lamina externa processus pterygoidei liefern, wo- Fig. 88. Primordialschädel eines 3 Monate alten menschlichen Embryo von oben; «obere Hälfte der Squama ossis occipitis, b untere Hälfte derselben, c knor- pelige Parietalplatte, d Pars condyloidea ossis occipitis, e Pars basüaris, fPars petrosa mit dem Meatus auditorius internus, «/Sattellehne, davor zwei Kerne des hintern Keilbeinkörpers, h Kerne in den Processus clinoidei anteriores, i grösstenteils knöcherne Ala magna, k Ala parva, l Crista galli, m Labyrinth des Siebbeins, n knorpelige Nase, o Knorpelstreif zwischen der Parietalplatte und dem Keil- beine, p Frontalplatte oder knorpeliger Verbindungsstreif zwischen devAlaparva und der Lamina cribrosa, q Foramen opticum. 200 Dreiundzwanzigste Vorlesung. gegen die innere Lamelle dieser Fortsätze nicht knorpelig vorgebildet istundausdem Oberkieferfortsatze des ersten Kiemenbogens hervor- zugehen scheint, wie diess noch später angegeben wer- den soll. In der zweiten Hälfte des Fötallebens ver- einen sich 1 ) die beiden La- mellen der Flügelfortsätze und 2) der Körper und die seitlichen Kerne, und eben- so verbindet sich noch vor der Geburt das hintere Keilbein mit dem vordem, so dass bei Neugebornen nur noch die Akte magnae als gelrennte Stücke sich finden, welche je- dochim Laufe des ersten Jahres mit dem Reste verwachsen. Beiner- kenswerth ist übrigens, dass bei der Geburt noch der grössteTheil der Sattellehne knorpelig ist und dass der Knorpel auch noch über den Clivus bis zur Synchondrosis spheno-occipitalis sich hinzieht (s. Vra- chow 1. c. St. 16). Diese Synchondrose erhält sich bekanntlich bei manchen Individuen zeitlebens, in der Regel jedoch vergeht dieselbe vom \ 3ten Jahre an von innen nach aussen, so dass bei Vollendung des Wachsthumes das Hinterhaupts- und das Keilbein zum Grund- beine synostosirt sind. Wie bei allen aus Knorpel ossificirenden Knochen tragen auch beim hintern Keilbeine periostale Ablagerungen zur Vervollständi- gung des Knochens bei, es verdient jedoch eine besondere Berück- sichtigung, dass dieselben hier, vor Allem an den Akte magnae und Fig. 89. Senkrechter Durchschnitt durch den Kopf eines 4 Monate alten Embryo. N Nasenbein mit P dem Perioste unter demselben, F Stirnbein, P Scheitelbein, Sq Schuppe das Schläfenbeins, Ms Oberkiefer, Mi Unterkiefer, ■V Pflugschaar, s Kern im hintern Keilbeinkörper, H Zungenbeinkörper, Th Schildknorpel, Cr Ringknorpel, C V Wirbelkörper mit Kernen, AV Wirbelbo- gen, a Obere Hälfte der Squama ossis occipüis, b untere Hälfte derselben, cPa- rietalplatte, d! Pars condyloidea ossis occipitis, e Pars basilaris, f Pars petrosa mit dem Meatus anditor. internus, g Sattellehne, davor zweiKerne des hinteren Keil- beinkörpers, h Kerne in den Processus clinoidei anteriores, i grösstenteils knö- cherne Ala magna. Entwicklung des Knochensystems. 201 den Processus pterygoidei sehr massenhaft auftreten und auch schon früh erscheinen. 3) Das vordere Keilbein, Os sphenoidale anlerius, entsteht vorderes ' * ' Keilbein. ebenfalls im dritten Monate aus zwei Ossificationspuncten in den Alae parvae nach aussen vom Foramen opticum (Fig. 88 h), dazu kommen etwas später zwei Kerne im Körper (meine Mi kr. Anat. II. Taf. III. Fig.. 3), welche vier Kerne nach dem sechsten Monate un- tereinander und vor der Geburt auch mit dem hintern Keilbeine verschmelzen. Nach Virchow's Untersuchungen ist jedoch um diese Zeit der intersphenoidale Knorpel noch keineswegs verschwunden, vielmehr an der untern Seite noch in erheblichem Grade erhalten und mit dem knorpeligen Rostrum sphenoidale in Verbindung, wel- ches seinerseits continuirlich mit der Nasenscheidewand zusammen- hängt. Dieser Theil der Synchondrose vergeht auch nur langsam, so dass noch im I3ten Jahre Reste desselben mitten im Knochen vorkommen können. Noch vor der Geburt erscheinen auch die Cornua sphenoidalia, die nicht knorpelig vorgebildet sind und erst zur Zeit der Pubertät mit dem Ganzen verschmelzen. 4) Das Sieb bei n verknöchert in der Mitte des Fötallebens Siebbein. zuerst in der Lamina papyracea und dann in den Muscheln. Bei der Geburt besteht der Knochen aus den zwei Labyrinthen und den zwei davon getrennten untern Muscheln, während der Rest noch knorpelig ist. Im ersten Jahre beginnt die Ossification in der La- mina perpendicularis und Crista galli, während die Verknöcherung von den Labyrinthen aus auch auf die Lamina cribrosa fortschreitet. Endlich, im fünften und sechsten Jahre, verschmelzen die drei Stücke untereinander , wobei jedoch zu bemerken ist, dass ein Theil des ursprünglichen knorpeligen Siebbeins, der unter den Nasenbeinen liegt, später durch Resorption verloren geht. Was zweitens die Deck- oder Belegknochen des Schädels Deck- oder Be- legknochen des anlangt, so gehören zu denselben, ausser den schon erwähnten in- Schädels. nern Lamellen der Processus pterygoidei, den Cornua sphenoidalia und dem obern Theile der Schuppe des Hinterhauptsbeins, noch die Scheitelbeine, Stirnbeine und Nasenbeine, die Schuppe des Schlä- fenbeins und der Paukenring, Annulus tympanicus, ein kleines ring- förmiges Knöchelchen, aus welchem der knöcherne äussere Gehör- gang entsteht, endlich das Pflugscharbein und die Zwischenkiefer. Alle diese Deckknochen entstehen ohne allen Zweifel aus derselben Schicht, welche überhaupt die Knochen des Embryo liefert, oder 202 Dreiundzwanzigste Vorlesung. aus den Urwirbelplalten des Schädels ; ebenso sicher ist es aber auch, dass nicht eine und dieselbe Lamelle dieser Urwirbelplalten das Primordialcranium und die Deckknochen liefert, vielmehr die letztern aus einem äussern Blatte hervorgehen, welches dem Primor- dialcranium unmittelbar aufliegt. Keiner von den Deck- oder Be- legknochen, die auch secundäre Knochen genannt werden, ist knor- pelig vorgebildet, und findet man niemals ein knorpeliges Stirnbein oder ein knorpeliges Scheitelbein, wie man z. B. bei jungen Em- bryonen ein knorpeliges Hinterhauptsbein^oder ein knorpeliges Keil- bein wahrnimmt; die Deckknochen sind aber auch nicht häutig präformirt, sondern entwickeln sich von kleinen Anfängen aus, in einer weichen, allerdings meist hautartigen, aber morphologisch nicht bestimmten, d. h. nicht deutlich begrenzten Grundlage. In der Gegend des Scheitels z. B. sieht man zuerst aussen am häuti- gen Primordialcranium eine Zahl ganz kleiner isolirter Knochen- puncte , die, immer zahlreicher wer- dend, nach und nach mit einander ver- schmelzen. Ist so eine kleine Anlage des Scheitelbeins gebildet (Fig. 90), so ^ wächst dieselbe theils durch Wucherung der schon vorhandenen Knochenbalken, theils durch Aneignung neuer, isolirt entstandener Puncte weiter, während zugleich die vorhandenen Lücken immer mehr mit Knochenmasse sich ausfüllen (Fig. 91), bis Fig. 90. Fig. 91. Fig. 90. Scheitelbeinanlagen eines 12 Wochen alten menschlichen Fötus, 18mal vergr. Fig. 91. Scheitelbein eines 14 Wochen alten menschlichen Fötus, ISmal verex. Entwicklung der Knochensystems. 203 am Ende ein dünner compacter Knochen entsteht, dessen weitere Entwicklung wir hier nicht zu verfolgen haben. Wesentlich in der- selben Weise bilden sich alle andern Deckknochen, wobei nur das zu bemerken ist, dass die kleineren von Anfang an in mehr com- pacter Gestalt auftreten, wie zum Beispiel die obere Hälfte der Schuppe des Hinterhauptsbeines, von der ich Ihnen hier eine Abbil- i:' J ^^•^ >"v Fig. 92. düng vorlege (Fig. 92), die Nasenbeine und andere, sowie dass die Zeit des ersten Auftretens derselben an das Ende des zweiten und den Anfang des dritten Monates fällt. Die richtige Auffassung dieser Verhältnisse, die Unterscheidung von zweierlei Knochen, einmal von primordialen Knochen, welche aus dem Primordialcranium entstehen, und zweitens von Deck- oder Belegknochen, ist meiner Meinung nach von grosser Wichtigkeit, jedoch weniger in histologischer Beziehung — da wir jetzt durch H. Müller wissen, dass nirgends, auch bei den knorpe- lig vorgebildeten Knochen nicht, achtes Knochengewebe unmittelbar aus Knorpel hervorgeht — als mit Hinsicht auf die Morphologie, in- sonderheitdie vergleichende Anatomie und hatsich unstreitig Jacobson, der zum ersten Male diese Unterscheidung aufstellte (s. Muller's Arch. 1844), durch dieselbe ein grosses Verdienst erworben. Erst seitdem diese Unterscheidung besteht, sind wir zu einer richtigen Deutung der Schädelknochen der verschiedenen Wirbelthiere ge- langt, erst seit dieser Zeit konnte der Grundsalz ausgesprochen wer- den , dass alle Schädelknochen im ganzen Thierreiche in zwei besondere und scharf getrennte Gruppen zerfallen, sowie dass vom morphologischen Gesichtspunctc aus nur Deckknochen mit Deck- knochen und primordiale Knochen mit solchen in Vcrgleichung gezogen werden dürfen. Von diesem Standpuncte aus sind weder die Functionen noch die Lagerung der Knochen das Maassgebende, sondern einzig und allein ihre Entwicklung. Fig. 92. Obere Hälfte der Schuppe eines 14 Wochen alten Fötus, a Stel- len, wo dieselbe mit dem untern Stücke bereits verschmolzen ist. 204 Dreiundzwanzigste Vorlesung. Indem ich es den Handbüchern der vergleichenden Anatomie und der Histologie überlasse, Sie einerseits über die Tragweite des eben erwähnten Grundsatzes, andererseits über die mikroscopi- schen Verhältnisse bei der Entwicklung der einzelnen Schädelkno- chen weiter aufzuklären, füge ich nun zunächst noch einige Bemer- kungen über einen Knochen bei, welcher eigentlich nicht in den Felsenbein. Schädeltypus gehört. Es ist diess das Felsenbein mit seiner Pyra- mide und der Pars mastoidea. Diese beiden Theile, knorpelig vor- gebildet und mit dem Primordialcranium innig verschmolzen, gehen unstreitig aus derselben skelettbildenden Schicht hervor, welche das Primordialcranium liefert; allein sie gehören nicht zu dem gewöhn- lichen Wirbeltypus, dem der Schädel, wenigstens in seinen hintern Theilen, folejl, und bezeichnet man daher dieselben mit Recht als Sinnesknochen oder als Stücke, welche zur Umschliessung eines Sinnesapparats dienen. Die Verknöcherung dieser Schädeltheile schildere ich Ihnen später beim Gehörorgane. Vergieichung des Erlauben Sie mir nun noch die Frage zu besprechen, wie sich Wirbelsäule, der Schädel zur Wirbelsäule verhält, ob am Schädel Wirbel ange- nommen werden dürfen oder nicht. Bekanntermaassen hat Oke.\ im Anfange dieses Jahrhunderts die Wirbeltheorie des Schädels aufge- stellt und behauptet, dass der Schädel aus einer Reihe von Wirbeln bestehe und nichts als eine modificirte Wirbelsäule sei. Ueber die Richtigkeit dieser Theorie wurde viel hin und her gestritten , und gingen auch diejenigen, welche sie anerkannten, in ihren Ansichten über die Zahl der Schädelwirbel selbst wieder aus einander, indem die Einen drei, Andere vier, wieder andere eine noch grössere An- zahl von Schädelwirbeln annahmen. Durch die neueren Untersu- chungen über die Entwicklung des Schädels und der Wirbelsäule hat sich diese Angelegenheit nun ziemlich geklärt, und lässt sich, Bedeutung des wie mu* scheint, mit Bestimmtheit Folgendes aufstellen. Am Schä- Hinterhaupts- ^j fin^t y^ ^ -eden p^j Ein f^eü, welcher noch ziemlich genau einem Wirbel entspricht, und das ist das Hinterhaupts- bein. Der Körper des Hinterhauptsbeines entwickelt sich um die Chorda dorsalis herum, welche, wie ich Ihnen früher angab, anfangs in die Schädelbasis hineingeht, und entspricht mithin ganz einem Wirbelkörper ; ebenso sind die Partes condyloideae und der knorpe- lige Theil der Squama oder der untere Theil der knöchernen Squama ihrer ganzen Entwicklung nach einem Wirbelbogen und einem Dorn- l'ortsalze gleich zu setzen. Das Bild eines Wirbels, das uns somit das Entwicklung des Knochensystems. 205 Hinterhauptsbein darbietet, wird nur dadurch getrübt, dass mit der Schuppe ein Stück verbunden ist, das nicht aus dem knorpeligen Schädel hervorgeht und den obern Theil der knöchernen Schuppe ausmacht. Es kommen jedoch bei Thieren und zwar bei Fischen, wie Stanmus gezeigt hat, auch an der Wirbelsäule solche Deck- oder Be- legknochen vor. Schon weniger scheinen das vordere und das der Keilbeine, hintere Keilbein dem Typus eines Wirbels zu entsprechen, indem einmal die- Chorda sicherlich nie im Knorpel des vordem Keilbein- körpers zu finden ist, und zweitens auch die Theile, die als Bogen zu deuten wären, nämlich die Alae magnae und parvae, das Gehirn nicht umfassen. Nichts destoweniger halte ich dafür, dass auch diese beiden Knochen als Schädelwirbel zu betrachten sind. Der hintere Keilbeinkörper entsteht auf jeden Fall noch theilweise direct um die Chorda, die in der knorpeligen Schädelbasis bis in die Ge- gend der Sattellehne zu verfolgen ist, und was die vordem Theile anlangt, so haben -wir gesehen, dass wenigstens von Beichert eine ursprüngliche Erstreckung der Chorda bis an's vorderste Ende des Schädels angenommen wird. Will man aber auch mit Bemak diess nicht zugeben, so ist doch so viel sicher, dass das Blastem, aus wel- chem das vordere Keilbein und das Siebbein entstehen, dasselbe ist, aus welchem das hintere Keilbein, das Os oeeipitis und auch die Wirbel hervorgehen, so dass somit, wenigstens in dieser Bezie- hung, eine Uebereinstimmung besteht. Was die Alae magnae und parvae anlangt, so sind sie allerdings von den Bogenst'ücken des Hinterhauptsbeines und der Wirbel abweichend, indem die Um- schliessung des centralen Nervensystems erst durch Deckknochen, das Scheitelbein und Stirnbein, vervollständigt wird, allein einmal gehört das Geschlossensein der Wirbelbogen nicht nothwendig zum Wirbeltypus, wie am besten die letzten Wirbel des Menschen leh- ren, und dann ist den besondern Verhältnissen Bechnung zu tragen, welche an der Kopfwirbelsäule in Folge der grossen Entwicklung des Gehirns sich finden. Am zweifelhaftesten ist die Bedeutung des Sieb- -s siebbeins. beins und des vorderen knorpelig bleibenden Endes des Primor- dialschädels. Einige bezeichnen das Elhmoideum als vierten Wirbel des Schädels, Andere betrachten es als nicht dem Wirbeltypus an- gehörig und legen ihm die Bedeutungeines Sinnesknochens bei, ebenso wie dem Felsenbeine. Ich für meine Person glaube, dass auch das Siebbein und überhaupt der vordere Theil des Primordialschädels zur Wirbelsäule zählt, und als eigenthümlich modificirtes Ende der- 206 Dreiundzwanzigste Vorlesung. selben zu betrachten ist. Die Abweichung vom gewöhnlichen Ty- pus ist allerdings sehr gross, allein es ist gewiss, dass das Siebbein in derselben Weise aus den Urwirbelplatten oder aus der skelett- bildenden Belegmasse der Chorda dorsalis entsteht, wie das vordere Keilbein, und dass dasselbe ursprünglich in conlinuirlicher Verbin- dung mit dem hintern Theile des Schädels steht. Meiner Meinung nach folgen &\e.Lamina perpendicularis mit der Crista galli und dem Nasenscheidewandknorpel dem Typus der Wirbelkörper, und sind auf jeden Fall die vorderen Verlängerungen der Wirbelkörpersäule. Mit dieser allerdings sehr umgewandelten Axe sind dann auch seit- liche Auswüchse verbunden, welche den Bogen an die Seite zu stel- len sind, aber, statt die gewöhnliche Lage und Form der Bogen zu zeigen, nach unten gekrümmt und eingerollt sind. Den Vergleich noch weiter zu führen, erscheint mir an diesem Orte nicht am Platze, und will ich nur noch bemerken, dass allerdings, auch mei- ner Auffassung nach, der Wirbeltypus des vorderen Schädelendes dadurch besonders umgewandelt wird, dass dieser Theil, wenig- stens bei den höhern Thieren, in eine innige Beziehung zum Ge- ruchsorgane tritt, ohne jedoch deswegen zu besondern Sinneskno- chen sich zu gestalten. Wir finden daher auch , dass, wo diess wenigerderFall ist, wie bei den Fischen, auch der nahezu vorderste Theil des Schädels noch eine Fortsetzung der Schädelhöhle zeigt und lange nicht so abweichend gestaltet ist. Das Ergebniss der ganzen Betrachtung ist mithin das, dass der Schädel, trotz mannichfacher Abweichungen, doch im Ganzen dem Wirbeltypus folgt, so jedoch, dass derselbe in verschiedenen Gegen- den verschieden ausgeprägt, hier ganz deutlich und dort fast ver- wischt ist. ciiordareste im Anschliessend an das Bemerkte will ich nun noch einen Gegen- ausgebildeteren , 1 in o • i •! 1 ■ Schädel. stand zur Sprache bringen, der nicht nach allen beiten hm hinrei- chend aufgeklärt ist, es ist diess das Verhalten der Chorda dorsalis im Schädel in späteren Zeiten. Bis vor kurzem hatte man über die weiteren Schicksale der Chorda im Schädel gar keine Gewissheit und Hess man dieselbe im zweiten Monate schon verschwinden. Heinrich Müller war es, der, wie an der Wirbel- säule, so auch in der Schädelbasis zuerst die Spuren der Chorda genau verfolgte (1. c.) und ihre Ueberreste bei Embryonen verschie- denen Alters beim Menschen und bei Thieren im Basilartheile des Schädels, in der Gegend des Hinterhauptbeins und des hintern Keil- Entwicklung des Knochensystems. 207 beins auffand. Müller sah bei einem Kalbsembryo von 3" die Chorda aus dem Zahne des Epistropheus und dem Lig. Suspensorium dentis in den Knorpel der Pars basilaris ossis occipitis eintreten. Von hier ging sie, immer im Knorpel gelegen, unter dem basilaren Kno- chenkerne durch, stieg dann in der Synchondrosis spheno-occipitalis gegen die Mitte des Knorpels aufwärts und erreichte dicht hinter der Sattellehne die Oberfläche des Knorpels, so dass sie eigentlich ganz in dessen Perichondrium lag, um dann schliesslich wieder in den Knorpel der Sella einzutreten und dicht hinter dem Hirnanhange sich zu verlieren. Bei menschlichen Embryonen gelang es H. Müller nicht, eine solche oberflächliche Lage der Chorda an einer Stelle mit Bestimmtheit zu demonstriren, ausser in einem Falle am hintern Ende des Basilarknorpels, dagegen zeigten sich bestimmte Chorda- reste sowohl im Basilarknorpel, als in der spheno-occipitalen Syn- chondrose bei Embryonen von 2% — 9". Bei älteren Embryonen und Neugeborenen fand Müller in der angegebenen Synchondrose verschieden geformte Höhlen mit gallertigem Inhalte und Elementen, die ganz den früher beschriebenen blasigen Chordazellen aus den Ligamenta intervertehralia glichen, und steht dieser Forscher nicht an, dieselben für Chordareste zu erklären, in welcher Beziehung er mir vollkommen im Bechte zu sein scheint. — Das Vorkommen von Besten der Chorda dorsalis bei älteren Embryonen hat nun aber ausser der embryologischen noch eine andere Bedeutung, worauf Müller ebenfalls die Aufmerksamkeit gelenkt hat. Es haben näm- Gaiiertge- lich vor nicht langer Zeit Virchow, Luschka und Zenker eigenthüm- ciivus" und ihre liehe gallertartige Geschwülste am Clivus beschrieben, welche Vir- choidafesten.en chow und Luschka als aus Umwandlungen des ursprünglichen Knor- pels der Schädelbasis hervorgegangen betrachten. Die Elemente dieser Geschwülste, die Virchow als Phy sali den und die Ge- schwülste selbst als Physalipho ren bezeichnet, haben die grö'sste Aehnlichkeit mit denen der altern Chorda dorsalis, wie diess schon Virchow hervorhebt; da man jedoch allgemein annahm, dass die Chorda im Schädel sehr früh schwinde, so kam Niemand auf den Ge- danken, diese Bildungen mit der Chorda in Verbindung zu bringen; H. Müller dagegen musste, sobald er von der langen Persistenz der Chordareste in der spheno-occipitalen Synchondrose sich überzeugt, und auch Umwandlungen derselben in grössere Höhlungen mit blasigen Zellen aufgefunden hatte, diese Möglichkeit nahetreten, und scheint es mir, dass er mit vollem Bechte die Vermuthunc' aus- 208 Dreiundzwanzigste Vorlesung. spricht, dass die genannten Gallertgeschwülste eine directe Beziehung zur Chorda haben, d. h. im Wesent- lichen nichts als H ypertrophien der Chordareste sind. Zum Schlüsse füge ich noch einige Bemerkungen über das Wachsthum des Schädels als Ganzes bei. Die für den Embryologen am meisten in die Augen fallende Erscheinung ist die, dass der Spheno-occipilaltheil des Schädels zuerst und erst in zwei- ter Linie auch der Ethmoidaltheil desselben sich ausbildet. Sehr ausgeprägt ist dieses Verhalten bei ganz jungen Embryonen bis zu solchen vom Ende des zweiten Monates, zu welcher Zeit derSpheno- occipitaltheil fast allein die Schädelbasis ausmacht und der Ethmoi- daltheil verschwindend klein ist (Fig. 93). Von da an entwickelt sich aber auch der vordere Schädelantheil rasch, so dass er schon Fig. 93. ■i !- H^i po ■'> Th.\ lilQl IQi-4 CV AV. Fig. 94. im 4. 5. Monate (Fig. 94) eine nicht unbeträchtliche Länge besitzt, und ebenso wie in der zweiten Hälfte des Embryonallebens rascher wächst als der hintere Theil, wie diess auch Virchow für diese Pe- riode angibt (1. c. St. 23). Sind einmal die Verknöcherungen ein- getreten, so gewinnt der Schädel an Länge und Umfang durch Wucherungen der Knorpelreste und Näthe , welche Wucherungen überall selbständig auftreten und am Nasentheile ebenso gut wie an Fig. 93. Senkrechter Durchschnitt durch den Schädßl eines 8 Wochen alten menschlichen Embryo in natürlicher Grösse. Die ausführliche Erklärung siehe bei Fig. 86 auf Seite 195. Fig. 94. Senkrechter Durchschnitt durch den Kopf eines 4 Monate alten Embryo. Die ausführliche Erklärung siehe bei Fig. 89 auf Seite 200. Entwicklung des Knochensystems. 209 der spheno-occipilalen Synchondrose und an den Nahten des Schä- deldaches sich zeigen. Die genaueren Gesetze dieses Wachsthumes zu erörtern, ist hier nicht der Ort, nur das sei bemerkt, dass Stö- rungen desselben, welche an den Knorpeln der Basis von H. Müller in einem merkwürdigen Falle von Cretinismus bei einem Kalbe durch das MikroskopmitBestimmlheil nachgewiesen wurden (Würzb. medicinische Zeitschrift Bd. I. Heft 3), zu frühzeitigen Synostosen an der Schädelbasis und am Schädeldache führen, welche, je nach- dem sie vereinzelt oder in grösserer Verbreitung auftreten, zu ge- ringeren oder stärkeren Deformitäten führen, wie diess besonders von Virchow klar auseinandergesetzt worden ist. Schädel und Ge- hirn haben beide ihr selbständiges und unabhängiges Wachsthum, doch bedingen Störungen in der Entwicklung des einen auch Ab- weichungen des andern Organs, in der Art jedoch, dass fehlerhafte Ausbildung des Gehirns vor Allem und zuerst das Schädeldach und viel weniger die Schädelbasis beeinflusst. k 3 11 i k e r , Entwicklungsgeschichte. ' 4 Vienmdzwanziffste Vorlesung. Gesichtsknochen. Meine Herren ! Zur Vervollständigung der Entwicklungsge- schichte des Kopfskelettes haben wir nun noch von den Gesichts- knochen zu handeln, insoweit als dieselben nicht schon beim Schädel zur Besprechung kamen, und führt uns diess von selbst dazu, auch die äusseren Formen des Gesichtes zu berücksichtigen, ohne deren Kenntniss ein Verständniss der Gestaltung der Knochen nicht möglich ist. Aeussere £)as Gesicht bildet sich aus zwei paarieen und einem unpaaren Gestalt des r D r Gesichtes. Gebilde hervor, welches aber bei genauer Betrachtung auch paarige Elemente enthält. Die erstem sind der erste Kiemenbogen mit seinem Ober- und Unterkieferfortsatze, die Sie schon von früheren Schilderungen her kennen, und der noch nicht beschriebene äussere Nasenfortsatz, das unpaare Gebilde ist der Stirn- fortsatz mit den innern Nasenfortsätzen. Um Ihnen die Verhältnisse dieser verschiedenen Theile und ihre Entwicklung leichter verständlich zu machen, beginne ich mit der Hinweisung auf die Figur 95, die ein Stadium zeigt, in welchem alle genannten Theile vollkommen ausgeprägt sind. Bei diesem menschlichen Em- bryo bildet der Mund, der im geöffneten Zustande dargestellt ist, eine grosse Querspalte, welche die schon gebildete Zunge [z) erken- nen lässt. Begrenzt wird dieselbe von unten durch die vereinigten Un te rkief er fort sä tze des ersten Kiemenbogens (5), die wie einen primitiven Unterkiefer darstellen, während von oben her die Oberkieferfortsätze desselben Kiemenbogens (I) seitlich und in der Mitte der Slirnfortsatz einen fast zusammenhängenden Ober- kiefertheil bilden. Der Slirnfortsatz erscheint als eine kurze und breite Verlängerung der Stirn, eine Betrachtung desselben von Entwicklung des Knochensystems. 211 unten und auf Durchschnitten zeigt jedoch, dass derselbe die Ver- längerung nicht blos des Schädeldaches, sondern auch der Schädel- basis ist und mit einem Worte das vor- dere Ende des gesammten Schädels dar- stellt. Es sind übrigens an diesem Stirnfortsatze eine mittlere Einsenkung und auch eine leichte äussere Furche und zwei seitliche lappenartige Fortsätze, die ich die inneren Nasen fort- sälze heisse, zu unterscheiden, welche in diesem Stadium an die Oberkiefer- fortsätze angrenzen und mit denselben die nach aussen von ihnen gelegenen äussern Nasenöffnungen (3) von unten schliessen. Die äussere Begrenzung der Nasenlöcher bildet der äussere Na- senfortsatz (seitlicher Stirnfortsatz von Reichert), welcher auch mit zum vordem Ende des Schädels gehört und gemeinschaftlich mit dem Oberkiefer- fortsatze eine Furche begrenzt, die bis zum Auge verlauft und die Thränen- furche heissen mag, weil sie, wie Coste wohl mit Recht angibt, zum Thrä- nenkanale sich gestaltet. Indem ich Sie nun mit Bezug auf die allererste Entwicklung der äussern Fig. 95. Fig. 95. Menschlicher Embryo von 35 Tagen von vorn nach Coste. 3 linker • äusserer Nasenfortsatz, 4 Oberkieferfortsatz des ersten Kiemenbogens, öprimiti- ver Unterkiefer, «Zunge, b Bulbus aortae, 6'erster bleibender Aortenbogen, der zur Aorta ascendens wird, b" zweiter Aortenbogen, der den Arcus aortae gibt, b'" dritter Aortenbogen oder Ductus Botalli, y die beiden Fäden rechts und links von diesem Buchstaben sind die eben sich entwickelnden Lungenarterien, c gemeinsamer Venensinus des Herzens, c Stamm der Cava superior und Azy- gos dextra, c" Stamm der Cava sup. und Azygos sinistra, o linkes Herzohr, v rechte, v' linke Kammer, ae Lungen, e Magen , j Vena omphalo-mesenterica sinistra, s Fortsetzung derselben hinter dem Pißorus, die später Stamm der Pfortader wird, x Dottergang, a Art. omphalo-mesenterica dextra, mWolff scher Körper, i Enddarm, n Arieria umbilicalis, u Vena umbilicalis, 8 Schwanz, 9 vor- dere, 9' hintere Extremität. Die Leber ist entfernt. 14* ^]^ Vierundzwanzigste Vorlesung. Gesichtsform auf die später zu gebende Bildungsgeschichte des Ge- ruchsorganes und des Darmkanales verweise, wende ich mich gleich zur Schilderung der wichtigsten weiteren Veränderungen, durch welche die noch sehr unvollkommene Gestallung der Fig. 95 in die bleibende übergeht. Die äusseren Theile anlangend, so ist das Erste, dass der Stirnfortsatz und die Oberkieferfortsätze einerseits, anderseits eben diese Fortsätze und der äussere Nasenfortsalz ganz mit einander verschmelzen, wodurch ein vollständiger Oberkieferrand und eine einfache, jedoch noch wenig ausgedehnte Wangengegend entsteht. Ist diess geschehen, so entwickelt sich der Rand der Oberkieferge- bilde zur Lippe und zum Alveolarrande der Ober- und Zwischenkie- fer, während äusserlich unter der Stirn ganz allmälig die Nase her- vorwuchert und aus einer breiten platten primitiven Form immer mehr in die bekannte Gestalt übergeht. Wie diese Vorgänge im Einzelnen sich machen, brauche ich Ihnen wohl nicht ausführlich zu schildern, doch kann ich Sie, wenn Sie weitere Aufklärung wün- schen, noch auf die sehr naturgetreuen Abbildungen von A. Ecker und Erdl verweisen. Bildung Während die ersten der eben erwähnten Veränderungen sich des Gaumens. '-' einleiten, gehen auch mehr in der Tiefe namhafte Umgestaltungen vor sich. Anfangs ist die Mundhöhle eine weite Höhle, in welche oben und vorn die Geruchshöhlen durch zwei kleine Löcher (Fig. 96 in), die ich die innern Nasenöffnungen nenne, ausmün- den. Bald jedoch und zwar schon vor dem Ende des 2. Monates leitet sich ein Vorgang ein, durch welchen schliesslich die einfache Mundhöhle in einen untern grössern digestiven und einen obern engen respiratorischen Abschnitt gesondert wird. Es wuchern näm- lich (s. Fig. 96) die Oberkieferfortsälze des ersten Kiemenbogens nicht blos äusserlich , sondern auch innerlich in Gestalt einer Leiste oder Platte, die man die Gau- rn enplatte heissen kann (g), in horizontaler Rich- tung nach innen, so dass sie eine immer enger wer- dende Spalte, die Gaumenspalte, zwischen sich zeigen. Von der 8. Woche an verschmelzen dann Fig. 96. Kopf eines menschlichen Embryo aus der 8. Woche von unten. Der Unterkiefer ist weggenommen, um die grosse Spalte in der Mundrachen- höhle mr zu zeigen , welche später durch Vortreten und Verwachsen der Gaumenfortsätze g geschlossen wird, an Aeussere Nasenöffnungen; in in- nere Nasenöffnungen oder Ausmündungen des Labyrinthes, von den Choanen wohl zu unterscheiden. Entwicklung des Knochensystems. 213 die Gaumenplatten unter einander von vorn nach hinten, so jedoch, dass sie vorn auch mitd'em untern breiten Rande der noch ganz kur- zen Nasenscheidewand sich vereinen. Inder 9. Woche istder vordere Theil des Gaumens, der dem späteren harten Gaumen entspricht, schon vollkommen geschlossen, der weiche Gaumen dagegen noch gespalten, doch bildet sich dieser von nun an rasch aus und zei- gen Embryonen der zweiten Hälfte des 3. Monates das Velum gebildet und auch das Zäpfchen in der Bildung begriffen, das übrigens schon vor der Vereinigung der bei- den Hälften des weichen Gaumens als eine kleine Her- vorragung an den hinlern Enden derselben zu erken- nen ist (Fig 97). Hier ist nun auch der Ort, Sie an gewisse Missbildungen des Gesichtes und Gaumens zu erinnern, welche in den eben geschilderten Verhältnissen ihre Erklärung finden und als ein Stehenbleiben auf normalen embryo- nalen Stufen zu deuten sind, ich meine den Wolfsrachen, die Hasenscharten und Lippenspalten in ihren verschiedenen Formen. Bei der ausgeprägtesten Form dieser Missbildungen, dem doppelten Wolfsrachen mit doppelter Hasenscharte, findet man nicht nur Lippen und Kieferrand auf beiden Seiten gespalten, sondern es fehlt auch der Gaumen ganz oder fast ganz und sind Mund und Nasenhöhle in weiter Verbindung. Die Nasenscheidewand kann da- bei ganz gut ausgebildet sein, ragt wie frei in die Mundhöhle hinein und steht mit dem zwischen den beiden erstem Spalten oder Ha- senschartenbefindlichen Stückein Verbindung, welches die Zwischen- kiefer mit den Schneidezähnen enthält, während das Pflugschaar- bein an der Nasenscheidewand aufsitzt. Bei geringeren Graden ist entweder nur der Gaumen gespalten und die vordem Theile ver- Fig 97. Oberkiefer und Gaumen eines 9 Wochen alten Fötus, 9malvergr. a Lippen abgeschnitten, b Gaumen, c äusserer Zahnwall, d innerer Zahnwall, e Papille des ersten Backzahnes /"Papille des Eckzahnes, g des zweiten, Ades ersten Schneidezahns, i Gaumenwiilste, k Zwischenkiefergegend, l weicher Gaumen, noch gespalten. Gaumen- und Lippenspalten. 214 Vierundzwanzigste Vorlesung. Entwicklung der Gesichtsknochen Umbildungen des ersten Kiemen- bogens. eint (Wolfsrachen), was auf einer oder auf beiden Seiten in der gan zen Länge oder nur stellenweise sich findet, oder es sind die vor- dem Theile mangelhaft und der Gaumen ganz. Bei der Lippenspalle sind nur die Weichlheile gespalten, bei der Hasenscharte auch die Knochen, in der Art, dass Oberkiefer und Zwischenkiefer, von denen der letztere im Stirnfortsatze, der andere im Oberkieferfortsatze sich entwickelt, getrennt bleiben. Wir kommen nun zur Betrachtung der Hartgebilde des Gesichtes, die einerseits im Zusammenhange mit dem ersten Kie- menbogen, anderseits, wie diess schon in der vorigen Stunde aus- einandergesetzt wurde, vom vordersten Ende des eigentlichen Schädels aus sich entwickeln. Der erste Kiemen bogen besteht anfänglich aus einer wei- chen Bildungsmasse, welche, wie wir früher sahen, von der Schädel- basis aus in der Gegend des vordem Keilbeines analog einer Rippe sich entwickelt und in die ursprüngliche Bauchwand hineinwuchert, wo dann die Bogen der beiden Seiten verschmelzen (Fig. 98, c). Anfänglich einfach, wie die an- ^^ jgjytg^ / dern Bogen, treibt derselbe spä- ter nahe an seinem Ausgangs- puncte von der Schädelbasis den schon mehrfach erwähnten Oberkieferfortsatz (d), der im Zusammenhange mit der Bil- dung der Mundhöhle und Mund- öffnung ein freies vorderes Ende erhält. Dieser Bildungsweise zufolge sind Ober- und Unter- kieferforlsatz des ersten Kie- menbogens aussen von der äussern Haut und innen von der Schleimhaut des Mundes und der Rachenhöhle bekleidet, da es hier nicht zur Bildung einer Höhle, analog der Pleuroperitonealhöhle Fig. 98. Fig. 98. Menschlicher Embryo der vierten Woche nach einer nicht edirten Zeichnung von Thosison vergr. dargestellt, a Amnios, das am Rücken in einer ge- wissen Ausdehnung entfernt ist, b Dottersack, b' Dottergang, c Unterkieferfort- satz des ersten Kiemenbogens, d Oberkieferfortsatz desselben, e,e'e" zweiter bis vierter Kiemenbogen, /"primitives Obrbläschen, g Auge, h vordere, i hin- tere Extremität, k Nabelstrang mit kurzer Amniosscheide, l Herz, m Leber. Entwicklung des Knochensystems. 215 kommt, wie in den hinteren Theilen des Rumpfes. Anfänglich aus weichem, indifferentem Gewebe bestehend, wandelt sich im weitern Verlaufe der Unterkieferforlsatz in seiner ganzen Länge in ächten Knorpel um, während der Anfangstheil und der Oberkieferfortsatz weich bleiben. So zerfällt der erste Kiemenbogen in zwei Theile, von denen der knorpelige Hammer und Ambos und den sogenannten MECKEL'schen Fortsatz, der weiche das Flügelbein [Lam. externa proc. pterygoidei) und das Gaumenbein liefert. Der äusserst wichtigen von Reichert gemachten Entdeckung unterkieferfort- von der Entwicklung der beiden genannten Gehörknöchelchen aus K^mlnb^en" dem Unterkieferfortsatze des ersten Kiemenbogens {De arcubus sie clictis branchialibus etc. Diss. inaug. Berol. 1837, Müller's Arch. 1837 und Vergl. Entw. des Kopfes u.s.w., Königsb. 1838) ging die Beobachtung eines Knorpelstreifens durch J. F. Meckel voran [Anat. IV. St. 47), welcher bei Embryonen vom Hammer aus in den Unter- kiefer sich erstreckt. Die Fig. 99 zeigt Ihnen diesen sogenannten MECKEL'schen Fort- Fig. 99. satz oder Knorpel von einem k% Monate alten menschlichen Embryo. Derselbe tritt als ein ziemlich starker cylindrischer Knorpelstrang oben und vorn aus der Pau- kenhöhle heraus, ge- deckt vom verbrei- terten Ende des vor- dem Schenkels des um diese Zeit noch sehr zarten knöcher- nen Annulus tympani- cus. Innen an der MECKEL'scher Fortsatz. Fig. 99. Kopf und Hals eines menschlichen Embryo aus dem 5. Monate (von circa \ 8 Wochen) vergrössert. Der Unterkiefer ist etwas nach oben ge- zogen, um den MECKEL'schen Knorpel zu zeigen, der zum Hammer führt. Aus- sen an demselben liegt der Nervus mylohyoideus, innen davon der Querschnitt des Pterygoideus internus und der M mylohyoideus. Das Trommelfell ist ent- fernt und der Annulus tympanicus sichtbar, der mit seinem breiten vordem Ende 216 Vierundzwanzigste Vorlesung. Ohrspeicheldrüse und der Carotis externa gelegen, wendet sich der- selbe gleich an die innere Seite des Unterkiefers und verläuft hier in einer bei 3- und imonatlichen Embryonen sehr stark ausgepräg- ten Furche nach vorn bis nahe an die Vereinigungsstelle beider Un- terkiefer. In seiner Lage am Kiefer befindet sich der Knorpel hinten zwischen dem Knochen und dem Pterygoideus internus mit fem Ner- vus lingualis an seiner innern und dem Nervus mylohyoideus an sei- ner äussern Seite, während der Maxillaris inferior gerade über ihm seine Lage hat. Weiter nach vorn liegt der MECKEiAsche Knorpel hart am Ansätze des M. mylohyoideus, jedoch an der Aussen- seite desMuskels, so dass er mithin hier nur vom Biventer und der Glandula submaxillaris bedeckt ist und eine verhältnissmässig ober- flächliche Lage hat. Entfernt man den Paukenring und das Trommel- fell, so gewahrt man, dass der Knorpel wie später der Processus Fo- lianus mit dem Hammer sich verbindet und mit ihm Eins ist (Fig. 99). Hammer, Ambos. Dieser Fortsatz nun sowie der Hammer und Ambos sind, wie Reichert sicherlich mit vollem Rechte lehrt, weitere Entwicklungen des Unterkieferfortsatzes des ersten Kiemenbogens. Derselbe son- dert sich beim Knorpeligwerden zuerst in zwei Stücke und dann nehmen diese durch besondere Wachsthumserscheinungen nach und nach die Formen des Hammers und des Amboses an, während der vordere Theil des Bogens mit dem Hammer verbunden bleibt. Zu- gleich kommen diese Gebilde durch einen noch nicht genau verfolg- ten Vorgang in den Bereich der ersten Kiemenspalte oder der Pau- kenhöhle zu liegen und setzen sich mit dem Steigbügel in Verbin- dung. Die weitern Schicksale dieser Theile sind nun folgende. Hammer und Ambos, anfangs ganz knorpelig, beginnen im i. Monate zu verknöchern und zeigen hierbei das Eigenlhümliche, dass sie in erster Linie vom Perioste aus ossificiren, wie diess übrigens nach H. Müller's Erfahrungen auch bei den Rippen gefunden wird, so dass sie zu einer gewissen Zeit im Innern eine mit Knorpel er- füllte Höhle zeigen. Im 5. Monate sind beide Knöchelchen ganz aus- den MECKEL'schen Knorpel deckt und dicht hinter sich den Eingang in die Tuba Eustachii zeigt. Ausserdem sieht man Ambos und Steigbügel sammt dem Pro- montorium, dahinter die knorpelige Pars mastoidea mit dem Proc. mastoideus und dem langen gebogenen Pr. styloideus, zwischen beiden das Foramen stylo- mastoideum; ferner den M. styloglossus, darunter das Lig. stylohyoideum zum Cornu minus ossis hyoidei, dessen Cornu majus auch deutlich ist, und den abge- schnittenen M. stylo-hyoideus. Am Halse sind biosgelegt der N. hypoglossus, die Carotis, der Vagus, einige Muskeln und der Kehlkopf zum Theil. Entwicklung des Knochensystems. 217 gebildet, dagegen verknöchert der MECKEL'sche Fortsatz, geringe Spuren von Kalkablagerungen abgerechnet, nie, erhält sich jedoch während der ersten Hälfte des Fötallebens vollkommen gut und schwindet nach Mec.kel erst im 8. Monate ganz, so dass von ihm nichts als der lange Fortsatz des Hammers sich erhält. An der Aussenseite des MECKEL'schen Fortsatzes bildet sich der Unterkiefer und steht dieser genau in demselben Verhält- nisse zu ihm, wie die Deckknochen am Schädel zum Primordialcra- nium. Von einem kleinen unscheinbaren Anfange an , der schon in der zweiten Hälfte des zweiten Monates, mithin sehr früh, auftritt, gestaltet sich derselbe bald zu einem länglichen, halbrinnenförmi- gen , an der Aussenseite des MECKEL'schen Fortsatzes gelegenen Scherbchen, und wird schon im Anfange des dritten Monates grös- ser als dieser, während zugleich seine verschiedenen Fortsätze sich zu entwickeln beginnen. Nach Reichert soll übrigens zu der er- wähnten äussern auch noch eine innere Lamelle dazu kommen, von der ich, beim Menschen wenigstens, bisanhin nichts wahrzunehmen im Stande war. Während des ganzen Embryonallebens besteht der Unterkiefer aus zwei Hälften, die durch eine Art Synchondrose mit einander vereint sind, doch verknöchert diese schon in den ersten Monaten nach der Geburt. Bemerkenswerth ist auch, dass, obschon der Unterkiefer nicht knorpelig vorgebildet ist, doch später am vor- dem Ende, sowie am Gelenkkopfe, beim Kalbe auch am Winkel, Knorpelbelege sich entwickeln und wie bei einem Röhrenknochen das Längenwachsthum besorgen. Der Oberkiefer fortsa tz des ersten Kiemenbogens lie- fert, wie ich Ihnen schon früher bemerkte, die Gaumen- und Flü- gelbeine {Lumina interna Processus pterygoidei) . Beide diese Kno- chen entstehen, ohne knorpelig präformirt gewesen zu sein, nach Art der Glavicula und der Deckknochen des Schädels am Ende des zweiten Monates von je Einem Ossificationspuncte aus und be- dürfen keiner detaillirteren Beschreibung. Der Oberkiefer und das Wangenbein werden gewöhn- lich in ihren Beziehungen zum Oberkieferfortsatze dem Unter- kiefer und MECKEL'schen Knorpel verglichen, es ist jedoch unzwei- felhaft, dass, wenn auch das Blastem , aus welchem die beiderlei Knochen hervorgehen, dieselbe genetische Bedeutung hat, doch der Oberkiefer in keiner so unmittelbaren Beziehung zum Gaumen- und was in noch höherem Grade vom Wangenbeine Unterkiefer. Gaumen- und Flügelbeine. Oberkiefer, Jochbein. Flüeelbeine steht 218 Vierundzwanzigste Vorlesung. gilt. Der Oberkiefer verknöchert am Ende des zweiten Monates. Anfänglich sollen nach einigen Autoren mehrere Ossificationspuncte vorhanden sein, es ist jedoch sicher, dass schon im Anfange des dritten Monates ein einziger zusammenhängender Knochen da ist, welcher dann durch Periostablagerungen weiter wuchert. Das Jochbein verknöchert ebenso wie der Oberkiefer und auf jeden Fall nur von Einem Puncte aus. Ich habe zur Vollendung der Entwicklungsgeschichte des Ge- sichtsskelettes Ihnen nun noch die Schädelknochen vorzuführen, welche am vordersten Ende desselben sich finden und an der Ge- sichtsbildung Antheil nehmen. Da das Siebbein und die untere Muschel, sowie die Nasenknorpel schon besprochen sind, so blei- ben nur noch die Nasenbeine, Thränenbeine, Pflugschaar und die Nasenbein, Zwischenkiefer übrig. Die Nasenbeine und Thränenbeine, Thränenbein. die im Anfange des dritten Monates verknöchern, sind ächte Beleg- pflugschaar. knochen des Siebbeines. Dieselbe Stellung hat auch der Vom er zur Nasenscheidewand, der im dritten Monate entsteht und anfäng- zwischenkiefer. lieh die Form einer Halbrinne hat. Was die Z wisch enki ef er anlangt, so ist es immer noch nicht ganz ausgemacht, ob dieselben beim Menschen als selbständige Knochen sich entwickeln, oder von Anfang an Theile des Oberkiefers sind. Sicher ist, dass sie von der Mitte des dritten Monates an mit dem Oberkiefer zusammenhängen, ich glaube jedoch meinen Erfahrungen zufolge denen mich an- schliessen zu sollen, welche diese Knochen als selbständige Gebilde sich entwickeln lassen. Bei Embryonen von 10 Wochen fand ich dieselben noch fast ganz von den Oberkiefern getrennt, mit Aus- nahme einer kleinen Verbindung an der Gesichtsfläche. In der 11. und 12. Woche ist die Verbindung hier inniger, dagegen immer noch am Gaumentheile eine Spalte vorhanden, welche, wie längst be- kannt, auch später noch in dieser Gegend sichtbar ist. Es möchte demnach wahrscheinlich sein, dass die ersten Ossificationspuncte für Oberkiefer und Zwischenkiefer gesondert auftreten, aber sehr früh und zwar von aussen nach innen verschmelzen. Bei der dop- pelten Hasenscharte mit Wolfsrachen bleibt wegen der mangelnden Vereinigungder Oberkiefer- und innern Nasenfortsätze diese Verbin- dung aus und spricht das selbständige Auftreten von Knochenstücken, welche die Schneidezähne tragen, und der von der Nasenscheide- wand getragene Stummel , wie leicht ersichtlich, sehr zu Gunsten der ursprünglichen Selbständigkeit der fraglichen Knochen, welche Entwicklung des Knochensystems. 219 der hinteren Nicht blos Kiemenbogen. .f^Pz? diesem zufolge am vordersten Ende des Septum narium ungefähr dieselbe Stellung einnehmen würden, wie weiter hinten der Vomer. Wir wollen nun schliesslich auch noch die Umwandlungen des Umbildungen zweiten und der folgenden Kiemenbogen besprechen der erste, sondern auch alle folgenden Kiemenbogen gehören, wie die Fig. 100, in welcher der erste Urwirbel, der dem Atlas ent- spricht, hinter dem vier- ten Bogen seine Lage hat, deutlich lehrt, ursprüng- lich zum Kopfe. Im wei- teren Verlaufe, mit dem Hervortreten des eigent- lichen Gesichtes, rücken jedoch die hinteren Kie- menbogen immer mehr an den Haisund hier liegt dann auch der grössere Theil der bleibenden Ge- bilde, die aus diesen Bo- gen hervorgehen, in wel- cher Beziehung jedoch nur der zweite und dritte Bogen von Belang sind, indem der sogenannte vierte Bogen, der jedoch nie so ausgeprägt ist, wie die andern, wenigstens in keine knöchernen Theile sich umwandelt. Der zweite Kiemenbogen ist in seinen Umwandlungen ebenfalls vor Allem von Beichert genau verfolgt worden. Ursprüng- lich mit der Schädelbasis in der Gegend des hinleren Keilbeines verbunden, trennt er sich von dieser, sowie die Entwicklung der knorpeligen Gehörkapsel beginnt, indem sein Anfangsstück ver- schwindet. Der Best sondert sich in bestimmter Weise in knorpe- lige und weiche Theile. Das Anfangsstück wird zum Steigbügel und setzt sich mit dem Labyrinthe in Verbindung. So auffallend diese Entwicklung des so sonderbar geformten Stapes aus einem Fie. 100. Zweiter Kiemenbogen. Steigbügel. Fig. 100. Hundsembryo von unten und rechts gesehen mit nach links ge- schlagenem Doltersack. Nach Bischoff. a vordere Extremität, b Allantois, c erster Kiemenbogen (Unterkieferfortsatz), d zweiter Kiemenbogen, hinter dem noch ein dritter und vierter sich finden, e Gehörbläschen. Ausserdem sieht man 4 Kiemenspalten, das Herz, die Urnieren. 220 Vierundzwanzigste Vorlesung. Musculus stapedius. Eminen tia papillaris. Processus styloideus. Cornu minus ossis hyoidei. Lig. stylo-hyoi- deum. Dritter Kiemen- bo^en. Corpus ossis hyoidei, Cornua majora. Kiemenbogen auch sein mag, so kann doch nach den Mittheilungen von Reichert und Rathke nicht der geringste Zweifel darüber be- stehen, dass dieselbe wirklich in dieser Weise sich macht. Zudem ist auch der Steigbügel bei manchen Geschöpfen zeitlebens ein un- durchbohrtes stabförmiges Gebilde und vom Steigbügel der Menschen und der Säugethiere ist diess, wie Reichert gezeigt hat und leicht zu bestätigen ist, wenigstens für die frühesten Zeiten richtig. Erst in zweiter Linie erhält der knorpelige Steigbügel durch Resorption ein kleines Loch und nimmt dann nach und nach seine typische Form an. Der Stapes ossificirt später als die andern Ossicula audi- tus und zwar nach Rathke mit 3 Kernen. Das folgende nicht verknor- pelndeStück des zweiten Rogens wird nach Reichert zum Musculus stap edius. Dann kommt ein langes Knorpelstück, das mitder Pars mastoidea des Primordialschädels verschmilzt und wenn es ossificirt, die Eminen tia papillaris an der hintern Wand der Paukenhöhle und den Processus styloideus liefert. Das vorderste unterste Stück endlich, das mit dem der andern Seite nie verschmilzt, ver- knorpelt zum Theil und bildet das Cornu minus ossis hyoidei, zum Theil gestaltet sich dasselbe zum Lig. stylo - hyoideum , das an dieses kleine Hörn geht (Fig. 101). Der dritte Kie- me n b o g e n wird nur in seinen vordersten vereinigten Theilen knorpelig und gestal- tet sich zum Zun- genbeinkörper und zu den grossen Hörnern, welche Theile im knorpeligen Zustande Eins aus- machen, bei der Ver- knöcherung dagegen, die erst im 8. Monate eintritt, drei Kerne für die bekannten drei Theile erhalten. Fig. 101. Fig. 101. Kopf und Hals eines menschlichen Embryo aus dem 5. Monate von circa 18 Wochen) vergrössert. Erklärung siehe auf Seite 215. Entwicklung des Knochensystetns. 221 Zur Vervollständigung der Schilderungen über die Entwick- Extremitäten, lung des Knochensystems habe ich Ihnen nun noch über die Extre- mitäten zu berichten. Was die äussere Erscheinung der Glieder Aeussere Gestalt anlangt, so wissen Sie aus Früherem (siehe Vorl. XI, XVII), dass die- selben, beim Menschen in der 4. Woche, uranfänglich in der Gestalt kleiner einfacher Stummelchen auftreten, welche aus den dem Rü- cken am nächsten gelegenen Theilen der Seitenplatten sich hervor- bilden, und ebenso habe ich Ihnen auch schon mitgetheilt, dass die obere Extremität früher erscheint, als die untere. In weiterer Ent- wicklung sondert sich schon in der 5. Woche jede Gliedmaasse zu- nächst in zwei Abtheilungen, von denen die äussere mehr verbrei- terte oder schaufeiförmige der Hand und dem Fuss, die andere mehr cylindrische oder stielartige den zwei ersten Abschnitten der- selben entspricht (Fig. 95). Dann treten, zuerst an der Hand und dann auch am Fusse, ungefähr in der 7. Woche, vier schwache Ein- schnitte auf, welche die ersten Anlagen der Finger und Zehen be- zeichnen, und während diese mehr sich ausbilden, wird etwa in der 8. Woche auch die Trennung der beiden ersten Gliederabschnitte deutlich, so dass am Ende des 2. Monates äusserlich alle Hauptab- schnitte angelegt sind, wobei jedoch noch das zu bemerken ist, dass um diese Zeit beide Extremitäten einander noch sehr ähnlich sehen und die Unterschiede erst im 3. Monate mit der weiter fortschreiten- den Entwicklung derselben ganz bezeichnend auftreten. Eine weitere Schilderung der äusseren Form der Glieder wer- den Sie mir wohl erlassen und wende ich mich daher gleich zur Besprechung der Hartgebilde derselben. Wie Sie aus Früherem haben entnehmen können (St. 68, 69), so ist es auch der neueren Entwicklungsgeschichte noch nicht gelungen, genau nachzuweisen, woher das Blastem stammt, aus dem die Knochen und Muskeln -der Extremitäten ihren Ursprung nehmen, und ist namentlich die Frage noch ganz unerledigt, ob und welchen Antheil die Urwirbel an der Bildung derselben haben. Die Möglichkeit, dass alle Theile des Extremitätenskelettes aus den Urwirbeln hervorgehen, ist nicht zu läugnen, auf der andern Seite ist es aber auch ebensogut ge- denkbar, dass die Seitenplatten resp. die Hautplatten es sind, welche ebenso wie die Haut der Glieder, so auch die innern Theile mit Ausnahme der Nerven liefern. Würdigt man beide Fälle unbe- fangen, so erscheint es am wahrscheinlichsten, dass die eigentliche Extremität, vom Oberarm und Oberschenkel an, sammt ihren Mus- 222 Vierundzwanzigsle Vorlesung. kein den Hautplatten ihren Ursprung verdankt, und in loco sich bildet, was dagegen die Extremitätengürtel {Scapula, clavicula, Hüftbein) sammt den betreffenden Muskeln anlangt, so wage ich nicht mit Bestimmtheit zu entscheiden, ob dieselben an Ort und Stelle, mithin aus den Urwirbeln und der Hautplatte der seitlichen und vorderen Leibeswand, sich anlegen, oder von der Gegend des Extremitätenstummels aus in die betreffenden Orte hineinwachsen, immerhin muss ich bemerken , dass bisanhin Niemand von einem solchen Hereinwachsen irgend etwas beobachtet hat, und dass es mir daher zusagender erscheint, anzunehmen, dass auch diese Theile da sich bilden , wo man sie später findet. Bei dieser Auffassung hätten wir somit z.B. uns vorzustellen, dass die Scapula sammt den Muskeln derselben [Cucullaris , Lalissimus, Rhomboidei etc.) aus dem äussern Theile der Muskelplatten des Bückens, die, wie Sie wissen, Theile der Urwirbel sind, sich hervorbilden, sowie dass die Clavi- cula sammt den Pectorales und Subclavii in der Hautplatte der Brust nach aussen von den Bippen und ihren Muskeln entstehen. Eine weitere Besprechung dieser schwierigen Frage kann beim Mangel von bestimmten Thatsachen unmöglich von Nutzen sein und führe ich Sie daher lieber gleich auf das bekannte Gebiet der Ent- wicklung der Extremitätenknochen von der Zeit an, wo ihre erste Anlage einmal gegeben ist. Alle Extremitätenknochen, mit einziger Ausnahme des Schlüsselbeins, zeigen dieselben drei Zustände, die Sie schon von der Wirbelsäule und dem Schädel kennen gelernt haben. Schon im ersten Stadium, in welchem die betreffenden Theile aus weicherem Blasteme mit mehr indifferenten Zellen bestehen, lässt sich eine bestimmte Begrenzung an denselben erkennen, doch wird die eigenthümliche Gestalt der einzelnen Stücke allerdings erst dann recht deutlich, wenn dieselben in den knorpeligen Zu- stand übergehen, was am Ende des 2. Monates und im Anfange des 3. geschieht. Der letzte oder knöcherne Zustand tritt in dersel- ben Weise ein, wie bei allen knorpelig vorgebildeten Knochen, zeigt jedoch mit Bezug auf die Zahl der Ossificationspuncte und die Zeit ihrer Erscheinung Verschiedenheiten , die wir noch im Einzelnen kurz durchgehen wollen. Knochen der Von den Knochen der ober n Extremität zeigt das S c h 1 ü s- obern Extremität. Schlüsselbein, selbe in sehr bemerkenswerthe Verhältnisse, indem dasselbe nach der Entdeckung von C. Bruch nicht knorpelig und auch nicht im weichen Zustande vorgebildet ist, vielmehr nach Art der Deckkno- Entwicklung des Knochensyslems. 223 chen des Schädels von einem kleinen weichen Anfange aus gleich in den knöchernen Zustand übergeht. Ervvähnenswerth ist auch das frühe Auftreten dieses Knochens, das in die 7. Woche fällt, so- wie dass derselbe rasch eine relativ sehr bedeutende Grösse erreicht und nach Meckel im 2. Monate den Oberschenkel um das Vierfache an Länge übertrifft. Wie beim Unterkiefer treten übrigens auch am Schlüsselbeine später knorpelige Epiphysen auf, von denen die sternale zwischen dem 15. — 18. Jahre einen Knochenpunct in sich entwickelt, die erst am Ende derWachsthumsperiode zwischen dem 22. und 25. Jahre mit dem Hauptstücke verwächst. Das Schulterblatt verknöchert im Anfange des 3. Monates Schulterblatt mit einem mittleren Kern; der nach und nach über den ganzen Knor- pel sich ausdehnt mit Ausnahme des hintern Randes, des Processus coracoicleus, der Cavitas glenoidea und des Acromion, die noch beim Neugebornen knorplig sind und wie Apophysen eines Röhrenkno- chens beim weiteren Wachsthume sich betheiligen. Im ersten Jahre erhält der Processus coracoideus einen besonderen Knochenkern, an- dere Kerne erscheinen erst zur Zeit der Pubertät im Acromion, am untern Winkel, und ein streifenförmiger am ganzen hinteren Rande, welche erst am Ende des Wachsthums mit dem Körper verschmelzen. Das Obera rmbei n ossificirt in der 8. oder 9. Woche in der Diaphyse. Rei der Geburt sind die beiden Apophysen noch voll- kommen knorpelig, die Diaphyse verknöchert. Im ersten Jahre bil- den sich dann zuerst zwei Kerne in der untern Apophyse und zwar einer in der Eminentia capitata und einer in der Irochlea, einige Mo- nate später tritt dann auch im Kopfe ein Ossificationspunct auf. Ausserdem erscheinen noch am Anfange des zweiten Jahres ein Kern im Tuberculwn majus, zwischen dem zweiten und dritten einer im Tuberculum minus und noch etwas später je einer in den Condylen, von welchen Kernen die obern früher als die untern mit dem Haupt- epiphysenkerne sich verbinden. Zwischen dem 16. und 20. Jahre verwachsen die Epiphysen mit der Diaphyse. und zwar die untern früher als die obern. Die Vorderarmknochen sollen nach altern Angaben , von deren Richtigkeit ich jedoch mich nicht habe überzeugen können, ursprünglich nur Eine Knorpelmasse bilden, die nachträglich in zwei sich sondere. Die Verknöcherung beginnt in beiden Knochen zwi- schen dem 2. und 3. Monate, doch bleiben die Enden auch nach der Geburt noch lange knorpelig. Der Radius erhält nach Arnold am Oberarmbein. Vorilerarro- knochen. 224 Vierundzwanzigste Vorlesung. Handwurzel- knochen. Mittelhand- knochen. Fing'evglieder. Knochen der untern Extremität. Hüftbein. Oberschenkel. Ende des S.Jahres einen Kern in der untern und gegen das 7. Jahr einen in der obern Epiphyse. Bei der Ulna zeigt sich im 6. Jahre ein Knochenpunct im untern Knorpel und drei im obern. Zwischen dem 18. und 22. Jahre verschmelzen dann die Epiphysen mit der Diaphyse und zwar die oberen zuerst. Die knorpeligen Handwurzelstücke werden im 3. Monate erst deutlich und bleiben in der Regel knorpelig bis zur Geburt, doch kann im Os hamatum und Os capilatum die Ossifikation schon vor derselben auftreten, welche auf jeden Fall bald nach derselben verknöchern. Im 5. — 6. Jahre verknöchern das naviculare, luna- lum und triqmtrum, etwas später die Übrigen. Die Ossa metacarpi verknöchern in denDiaphysen schon im 3. Monate, so dass bei der Geburt nur noch die Köpfchen des 2. — 5. und das hintere Ende des \ . knorpelig sind, in denen dann im 2. Jahre besondere Kerne auftreten, die gegen das 20. Jahr mit der Diaphyse verschmelzen. Die Phalangen verknöchern am Ende des 3. Monates, zuerst die erste und zuletzt die 3. Reihe. Im 5. Jahre nach der Geburt ent- stehen Epiphysenkerne in den hintern (obern) Enden aller Phalan- gen, die erst nach der Pubertät mit den Diaphysen sich vereinen. Von den Knochen der untern Extremität hat das Hüftbein als Vorläufer einen zusammenhängenden Knorpel von derselben Gestalt. Die Verknöcherung beginnt mit 3 Puncten, einem im Darmbeine im 3. Monate und einem im Sitzbeine, im Ramus des- ce?idens, im 5. Monate, und einem im horizontalen Aste des Scham- beines, der zwischen dem 6. und 7. Monate auftritt. Beim Neuge- bornen sind noch knorpelig der Darmbeinkamm, die Pfannengegend, wo die 3 Stücke zusammenstossen, der absteigende Schambein- und der aufsteigende Sitzbeinast, sowie der Sitzbeinhöcker. Etwa im 7. Jahre verbinden sich Schambein und Sitzbein mit einander, da- gegen sind die drei Stücke in der Pfanne bis zur Pubertätszeit durch einen Yförmigen Knorpel geschieden, in dem jedoch schon früher einer oder mehrere unregelmässige Ossificationspuncte entstehen. Accessorische Knochenkerne und Streifen entstehen zwischen dem 8. und 14. Jahre im Darmbeinkamme, im Höcker des Sitzbeines, sowie im Tuber culum pubis, die erst ums 20. Jahr mit den grössern Knochen verschmelzen. Der Oberschenkel erhält seinen Diaphysenkern am Ende des 2. Monates und verknöchert mit seinem Miltelstücke bald eanz. Entwicklung des Knochensystems. 225 Schienbein. Wadenbein. Am Ende der Fötalperiode zeigt sich ein Kern in der untern Apophyse und bald nach der Geburt einer im Kopfe. Dazu kommen dann noch im 3. — 4. Jahre ein Kern im Trochanter major und im 13. Jahre einer im Trochanter minor. Die Epiphysen verschmelzen gegen das 1 8. — 20. Jahr mit der Diaphyse und zwar die untere zuerst. Beachten Sie, j mit Bezug auf die Bestimmung des Alters von älteren Embryonen, den Kern in der untern Apophyse, der sehr constant im letzten Schwangerschaftsmonate auftritt und bei einem vollkommen ausgetragenen Kinde 2 — 2 %'" Durchmesser besitzt. Die nebenstehende Figur zeigt Ihnen diesen Kern in einer etwas späteren Zeit, ist aber zur Orientirung voll- kommen brauchbar. Die Unterschenkelknochen ver- knöchern von der Mitte aus im Anfange des 3. Monates. Die Enden sind bei der Geburt noch knorpelig und erhalten ihre Kerne, von denen die oberen zuerst auftreten, im ersten Jahre. Im 18. — 20. Jahre vereinen sich die Epiphy- sen mit dem Mitlelstücke, wobei die unteren den oberen vorangehen. Die Kniescheibe ist zwar schon früh Kniescheibe ^ sichtbar, verknöchert jedoch erst nach der Geburt, zwischen dem 1. — T.Jahre, und er- reicht ihre volle Ausbildung zur Zeit der Pu- bertät. Von den Fuss würze lkno che n ver- knöchern vor der Geburt meist nur Sprung- und Fersenbein im 8. Monate, manchmal auch das Würfelbein. Der Fersenhöcker erhält im 8. — 1 0. Jahre einen besondern Kern, der erst spät mit dem Hauptknocben verschmilzt. Mi ttelf u ssknochen und Zehenglieder verhalten sich im Allgemeinen wie die entsprechenden Knochen der Hand , nur dass ihre Kerne meist etwas später erscheinen. Fig. 102. Oberschenkel eines 2 Wochen alten Kindes senkrecht durchge- sägt; natürliche Grösse, a Substanlia compacta der Diaphyse ; & Markhöhle; c Subslantia spongiosa der Diaphyse ; d knorpelige Epiphysen mit Gefässkanälen ; e Knochenkern in der unteren Epiphyse. Fusswurzel. Fig. 102. H ö 1 I i k e r , Entwicklungsgeschichte. Püiifuiidzwanzigste Vorlesimg. IL Entwicklung- des Nervensystems. Entwicklung Gehirns. Hirnblasen. !, s des Wir kommen heule, meine Herren, zur Entwicklungsgeschichte des Nervensystems und wollen wir mit derjenigen des Gehirns / den Anfang machen. Sie wissen aus früheren Vorlesungen , dass das centrale Nervensystem in Gestalt einer langen , massig breiten Platte, derMedullarplalte. sich anlegt, welche mit dem Hornblatte ununterbrochen zusammenhängt und in zweiter Linie zu einem Halbkanale sich um- wandelt, dessen nach oben offene Rinne die Rückenfurche genannt wird (Fig. 17 St. 47). Der Verschluss dieser Rinne ist schon bespro- chen worden und ebenso auch die allerersten Entwicklungszuslände des Gehirns und Rücken- marks (St. 48, 78). Während die Rückenfurche am Kopftheile sich schliesst, ja bei gewissen Säugern, wie beim Hunde, nach Rischoff schon vorher (Fig. 104), bildet sich hier zunächst ganz vorn eine Erweiterung (Fig. 103). hinter welcher dann bald noch zwei andere auftreten, so dass dann drei Abschnitte, die vordere, mittlere und hintere Hirnblase, deutlich zu un- terscheiden sind (Fig. 104). In weiterer Ent- wicklung gehen aus diesen drei ursprünglichen « I ' g ■•'/" w Fig. 103. Fig. 10 3. Hühnerembryo vom Ende des erslen Tages in der Bauchlage, etwa 15mal vergr. Nach Rejiak ; Aft Anlage des Vorderhirns oder blasenförmige vorn bei o noch offene Auftreibung am vordem Ende des Medullarrohres, x Stelle, von wo an das Medullarrohr noch offen, die Rückenfurche noch nicht Entwicklung des Nervensystems. 227 Fie. 104. Abtheilungen fünf hervor., für welche v. Bakr zuerst treffende Be- zeichnungen gewählt hat (Entw. II, St. 107). Die erste Blase näin- jj^wr^jk lieh sondert sich in einen grösseren vorderen Abschnitt und in einen kleineren hinleren Theil , welche das Vorderhirn und das Zwischenhirn heissen (-Fig. 105 v, %). Die zweite Abtheilung, das Miltelhirn (Fig. 105 m) , bleibt als ein einfacher, ursprüng- lich ziemlich grosser Theil des Gehirns be- stehen, die dritte Blase dagegen zerfällt wie- derum in zwei Theile , einen vorderen , der den Namen Hinterhirn führt, und einen hinteren, der Nachhirn heisst (Fig. 1 05 A,w}. Die wesentlichsten Vorgänge , die die Fünf- theilung der ursprünglichen drei Blasen , die auch Vorderhirn, Mi ttelhirn und Nach- hirn im weiteren Sinne bezeichnet werden, bedingen, sind, wie schon v.Baer gezeigt hat, folgende. An der drit- ten Abtheilung, an welcher nach der allgemeinen Annahme, die je- s i. 1. doch, wie wir später sehen wer- den , vielleicht nicht richtig ist. der primitive Zustand der Halb- rinne sich erhält und später zur Bildung der Rautengrube , Fovea rhomboidales, führt, bilden sich als vordere Begrenzung der brei- geschlossen ist, mp die in Erhebung begriffenen Seitentheile der Medullar- platte, z die Erweiterung der Rückenfurche in dieser Gegend, sh die Schlund- höhle, y Grenze zwischen dieser und dem Vorderdarm vd, bezeichnet durch den Umschlagsrand der Kopfscheide. Die hintere Grenze des Vorderdarms oder der gesammten Kopfdarmhöhle wird bezeichnet durch den Umschlagsrand der Kopfkappe (vergl. Fig. 23). Die Umrisse des Embryo oder die Ränder der Sei- tenplatten sind zu stark markirt. Fig. 4 04. Embryonalanlage eines Hundeeies, etwa 1 Omal vergrössert. Nach Bischoff. Erklärung s. S. 78. Fig. 105. Centralnervensystem eines menschlichen Embryo von 8"' Länge (7. Woche). 1. Ansicht des Embryo von hinten mit biosgelegtem Hirn und Mark und den neben demselben gelegenen Spinalganglien. 2. Ansicht des Ge- hirns und obern Theiles des Rückenmarks von der Seile. 3. Ansicht des Ge- hirns von oben, v Vorderhirn, z Zwischenhirn , m Mittelhirn, h Hinterhirn , n Nachhirn, % vorderes unteres Ende des Zwischenhirns, wo später das Tuber cinereum liegt. Die rundliche Stelle davor ist der Sahnerv. 4 5 * Fig. 105. 228 Fünfundzwanzigste Vorlesung. Krümmungen des Gehirns. Nackenkrüm- raun». Brückenkrüm- mun» Scheitelkrüm- mung-. ten Spalte von beidenSeiten zwei Wülste einander entgegen, welche, indem sie dann unter einander verschmelzen, die Anlagen des klei- nen Gehirns darstellen und die Gegend bezeichnen, die Hinterhirn heisst. An der ersten Hirnblase ferner sieht man sehr früh die pri- mitiven Augenblasen sich bilden , welche Anfangs an den vordem Seitentheilen derselben ihre Lage haben. Nach und nach schnüren sich diese Blasen ab; wahrend zugleich der zwischen beiden Aus- stülpungen gelegene Theil der ersten Hirnblase weiter nach vorn und oben sich entwickelt, so dass die primitiven Augenblasen all- mälig mehr nach unten und hinten zu liegen kommen. Der Theil der ersten Hirnblase, mit welchem dieselben zusammenhängen, rückt so ebenfalls immer mehr nach hinten und da derselbe auch nicht so rasch sich entwickelt, wie der nach vorn sich anbildende Theil der- selben, so lassen sich bald zwei Abtheilungen dieser Blase unter- scheiden , von denen der erste das Vorderhirn und der mit den Augenblasen verbundene das Zwischenhirn heisst. Das primitive Gehirn liegt anfänglich mit allen seinen Theilen in einer Ebene, sehr bald aber beginnt dasselbe sich zu krümmen, so dass es wie mehrmals beinahe rechtwinklig gebogen erscheint. Betrachtet man ein Gehirn aus diesem oder aus späteren Stadien in einer seitlichen Ansicht (Fig. 105), so findet man eine erste Krüm- mung am Uebergange des Rückenmarks in die Medulla oblong ata, die Nackenkrümmung des Gehirns. Eine zweite noch be- trächtlichere Biegung findet sich am Hinterhirn, da wo Hinterhirn und Nachhirn in einander übergehen, und zwar genau in der Ge- gend, wo später der Pons Varoli entsteht; ich heisse dieselbe die Brückenkrümmung. Der vordere Schenkel dieser Krümmung führt dann bis zum Mittelhirn, welches zu einer gewissen Zeit (s. Fig. 60 und 62) den erhabensten Theil des ganzen Gehirns dar- stellt. Am Mitlelhirn beginnt dann eine letzte oder die Scheitel- krümmung, indem Zwischenhirn und Vorderhirn wiederum un- ter nahezu einem rechten Winkel zum Mittelhirn und Hinterhirn ge- stellt und mit ihrer Längsaxe nach unten gerichtet sind. Die Figuren 60 und 106 zeigen Ihnen , dass diese Krümmungen einigermaassen den Biegungen entsprechen, welche der Leib des jungen Embryo macht, indem wenigstens derNackenhöeker, an der Uebergangsstelle von Rumpf und Kopf, und die vordere Kopfkrümmung, die auch der Scheitelhöcker heisst (St. 116), auch am centralen Nervensysteme sich bemerklich machen, allein dieses hat noch eine Biemin«; , von Entwicklung des Nervensystems. 229 r' iteÄSRäji Fig. 106. welcher der Kopf nichts zeigt und diese ist die mittlere Krümmung zwischen Hinterhirn und Mittelhirn. Es ist nicht leicht zu sagen, ,/m ■fijjjj^ was die Ursache der Krüm- mungen des centralen Nerven- l| Systems ist. Meiner Meinung zu- JpT folge erklärt sich ein Theil der Krümmungen , und zwar die * °' Nackenkrümmungund die Schei- telkrümmung, wie diess Rathke zuerst richtig angegeben hat (Entw. d. Natter St. 25, 34 und ms* 35) , aus dem in frühen Zeiten alle andern Theile übertreffen- den Längenwachsthume des cen- tralen Nervensystems und ist es dieses Wachsthum , welches auch die zwei Biegungen des vorderen Leibesendes, die durch den Scheitel- und Nackenhöcker bezeichnet werden, veranlasst. Dass die Biegungen gerade an diesen zwei Stel- len eintreten , erklärt Rathke treffend aus dem Umstände, dass die Axe des Skelettes an der Grenze zwischen Wirbelsäule und Schädel und an der Schädelbasis da, wo die Chorda aufhört und die Schädel- balken beginnen, am nachgiebigsten sei. Wird nun auch in dieser Weise die Krümmung von Kopf und Hirn im Allgemeinen ganz gut erklärt, so genügt das Aufgestellte doch nicht, um die eigenthüm- liche Gestalt der letzteren im Einzelnen begreiflich zu machen. Wir finden nämlich , dass , während die Schädelbasis und der Schädel selbst eigentlich nur Eine Krümmung macht, die aussen durch den Scheitelhöcker und innen durch den Vorsprung der Sattellehne sich kundgibt, eine Biegung, die Reichert als »Gesichtskopfbeuge« be- zeichnet hat, das Gehirn zwei Krümmungen darbietet, von denen die eine, die Brückenkrümmung, am Schädel vollkommen fehlt und die andere, die Scheitelkrümmuns;. am Gehirn wenigstens viel aus- Ursachen der Krümmungen. Fig. 106. Menschlicher Embryo der vierten Woche nach einer nicht edirten Zeichnung von Thomson vergr. dargestellt, a Amnios, das am Rücken in einer ge- wissen Ausdehnung entfernt ist, b Dottersack, b' Dottergang, c Unterkieferfort- satz des ersten Kiemenbogens, d Oberkieferfortsatz desselben, e, e e" zweiter bis vierter Kiemenbogen, /primitives Ohrbläschen, g Auge, h vordere, i hin- tere Extremität, k Nabelstrang mit kurzer Amniosscheide, l Herz, m Leber. 230 Fünfundzwanzigste Vorlesung. geprägter ist, als an der Schädelbasis, indem die Concavität dersel- ben hoch über der anfanglich sehr wenig ausgesprochenen Sattel- lehne steht. Es muss daher noch ein besonderes Moment bei der Gestaltung des Gehirns im Spiele sein. Entweder leistet der Schädel bei fortdauerndem Längenwachsthum des Gehirns einen schliesslich nicht mehr zu überwindenden Widerstand und krümmt sich daher das Gehirn selbständig weiter oder es bilden sich in der Schädel- höhle selbst gewisse Theile aus , welche einer einfachen Fortsetzung der Krümmung in den zwei zuerst auftretenden Hauptrichtungen sich entgegenstemmen. Eine Entscheidung zwischen diesen beiden Möglichkeiten ist schwer zu geben, doch will ich mir erlauben, Ihre Aufmerksamkeit auf ein Gebilde zu lenken, das in dieser Beziehung Tentorium vielleicht sehr maassgebend ist, nämlich auf das Tentorium cere- eerebelli. belli, welches schon bei ganz jungen Embryonen, wenn auch in anderer Richtung und Lagerung als später, angelegt ist. Es erstreckt sich nämlich (Fig. 93) von der Schädelbasis in der Gegend der kaum angedeuteten Sattellehne ein häutiger Fortsatz, den Sie als der Dura mater angehörig betrachten können, aufwärts bis an die untere Fläche des Mittelhirns und weicht dann in zwei Schenkel aus ein- ander, welche das Mittelhirn umfassen. Es scheint mir nun, dass durch die frühe Entwicklung dieser Scheidewand, welche offenbar das Tentorium in einem frühen Stadium ist, die Krümmung am Pons und auch die starke Einkeilung in der Gegend des Mittelhirns be- wirkt wird. Das grosse Längenwachsthum des Gehirns wird auch bei dieser Auffassung als die Hauptursache der Verlängerung der Hirnaxe angesehen, jedoch angenommen, dass das vom sich ent- wickelnden Tentorium gesetzte Hinderniss derselben eine besondere Richtung aufpräge. Das Tentorium cerebelli stellt übrigens in diesem Stadium eine fast senkrecht stehende Scheidewand durch die ganze Schädelhöhle dar, die, ganz verschieden von später, an ihrem unteren Theile, der an der Sella ansitzt, sehr breit und oben ganz schmal ist, mit an- dern Worten, es ist dasselbe einem Diaphragma mit einem ganz ex- centrisch oben sitzenden kleineren Loche zu vergleichen, wie die Fig. 93 Ihnen dies einigermaassen versinnlicht. Später entwickelt sich der obere Theil immer mehr und rückt in Folge der Ausbildung der vor- deren und mittleren Theile der Schädelhöhle weiter nach hinten, bis endlich die bekannten Verhältnisse des späteren Kleinhirnzelles da sind. Zugleich ändert sich auch die Beziehung desselben zu den Entwicklung des Nervensystems. 231 Hirntheilen, denn wahrend dasselbe früher an der Grenze zwischen Mittelhirn und Zwischenhirn und dann zwischen Mittelhirn und Hin- lerhirn seine Lage hat, finden wir es später zwischen dem Vorder- hirn und Hinterhirn, was einfach mit der grossen Entwicklung der einen und dem Zurückbleiben der andern Abtheilungen in spätem Zeiten zusammenhängt. — Ich darf Sie nun wohl auch noch daran erinnern, dass, wie ich Ihnen schon früher bei Schilderung der Ent- wicklung des Schädels mitgetheilt habe, das embryonale Tentorium und Rathke's mittlerer Schädelbalken meiner Auflassung zufolge ein und dasselbe Gebilde sind und hat auch Rathke die Frage be- sprochen , in wiefern der fragliche Balken auf die Krümmung des Gehirns von Einfluss sei. Ausser durch das Tentorium ist die Dura mater noch in einer FaUcm-ein. andern Beziehung auf die Gestaltung des embryonalen Gehirns von Einfluss. Es bildet sich nämlich am Vorderhirne ebenfalls sehr früh von derselben aus die Hirnsichel und mit der Bildung derselben steht die Entwicklung der beiden Hemisphären dieses Hirntheiles im innigsten Zusammenhang. Bevor wir in der speciellen Betrachtung der Hirnentwicklung Umwandlungen i -li-iTi iTr>- 1.- «der 5 Hirnblasen weifer gehen, will ich Ihnen zuerst noch die Bestimmung der füni im Allgemeinen, embryonalen Hirnabschnitte angeben. Das Vorderhirn wird zu dem grossen Gehirne mit Inbegriff der Corpora striata , des Corpus callo- sum und des Fornix , jedoch mit Ausnahme der Sehhügel und der Theile am Boden des dritten Ventrikels, welche aus dem Zwischen- hirne hervorgehen. Das Mittelhirn, anfangs ein sehr grosser Abschnitt, tritt später ganz zurück und gestaltet sich zu nichts Anderem , als zu den Vierhügeln. Das Hinterhirn wird, wie schon erwähnt, Cere- bellum und das Nachhirn Medulla oblongata'. Verfolgen wir nun die Schicksale der einzelnen Hirntheile ge- vorderhim. nauer und beginnen wir zunächst mit dem Vorderhirn e. Das Vor- derhirn ist ursprünglich eine einfache Blase, welche mit dem Mittel- hirne durch eine grosse Oeffnung in weiter Verbindung steht. Nach der Theilung des Vorderhirns in das eigentliche Vorderhirn und in das Zwischenhirn wuchert das erstere gleichzeitig mit der Bildung Bildung der der Sichel in zwei Lappen, die Hemisphären, hervor, die an ihren inneren einander zugewendeten Flächen mit einer länglichen, senk- recht stehenden Spalte sich öffnen (Fig. 107, 1). Diese Spalte, die natürlich , da das Vorderhirn ursprünglich eine ganz geschlossene Blase darstellt, als eine nachträglich entstandene Bildung aufzufassen 232 Fünfundzwanzigste Vorlesung. menhänsen. ist, führt in das Innere der Höhle der Hemisphären und durch sie entwickelt sich dann die Pia mater ins Innere hinein, um die Plexus chorioidei der Seiten ventrikel zu bilden, welche schon sehr früh auftreten, und im dritten Monate unverhältnissmässig gross sind. Die Trennung des Vorderhirns ist nach der Bil- dung der Hemisphären und der genannten Spalte so be- deutend, dass die beiden Hälften desselben nur noch vor der Spalte in einer schma- len Zone, die in der Fig. 1 07, 2 von d bis b reicht, zusam- Rückwärts stehen dieselben jedoch immer noch mit dem Zwischenhirn in Verbindung und hier entwickelt sich dann der vordere äussere Theil des Hirnstieles (Fig. 107, 1 c). Ebenso ist ihre Höhle durch die Spalte mit der Höhle des Zwischenhirns in Verbindung, indem dieselbe gewissermaassen an der Stelle des spä- teren Foramen Monroi steht. Das Weitere anlangend, so schildere ich Ihnen nun zunächst die äusseren Veränderungen des grossen Hirns. Nur kurze Zeit liegen die Hemisphären vor dem Zwischenhirn und findet man beim Menschen schon im zweiten Monate, dass dieselben nach hinten und aussen sich verlängern und einen Theil der Sehhügel oder des Zwischenhirns bedecken (Fig. 108). Im dritten Monate ist der Sehhügel schon ganz bedeckt, dagegen bleibt der Vierhügel oder das Mittelhirn längere Zeit frei, wird jedoch im fünften Monate ebenfalls überragt, so jedoch, dass derselbe in der Ansicht von hinten anfangs noch sichtbar ist und erst im 6. Monate ganz sich verbirgt, um welche Zeit das grosse Gehirn auch das Cerebellum überragt und zwar mehr, als diess spä- Fig. 107. Vier halbschematische Ansichten der innern Fläche der Hemi- sphären zur Darstellung der Entwicklung derselben nach Fr. Schmidt. 1. von der 6. Woche, 2. von der 8. Woche, 3. von der 10. Woche. 4. von der 16. Woche, a Fissura transversa cerebri, b Lamina terminalis , c Hirnstiel zwischen Seh- und Streifenhügel, d oberes Ende der Verwachsungsstelle der Hemisphä- ren, e Lobus inferior, i Stria Cornea, n Bulbus Olfaktorius, ff Längsfurche, h Ränd- bogen, h' äusserer Theil des Randbogens, h" innerer Theil des Randbogens, ti" crus anter ins fornicis und Septum, g Balken, A- Commissura anterior. Entwicklung des Nervensystems. 233 ter der Fall ist. Das gesammte Wachslhum des Gehirns kann auch so ausgedrückt werden, dass man sagt, es entwickle sich dasselbe V. _^ T V: Fig. 108. Fig. 4 09. nach hinten und unten bogenförmig um den Sehhügel und Hirnstiel herum, wie diess die Fig. 107 zeigt. Bei der oberflächlichen Betrach- tung erscheint es , als ob der Hinter- und Unteiiappen aus der ur- sprünglichen Anlage des Vorderhirns ganz neu sich hervorbildeten, es möchte jedoch der Wahrheit entsprechender sein, mit Dr. Schmidt (Zeitschr. f. wissensch. Zool. Bd. XI) anzunehmen, dass schon bei der ersten Anlage alle Theile der Hemisphären gegeben seien und nur durch innere Massenzunahme nach und nach mit ihren einzelnen Abschnitten mehr hervortreten. — Die Oberfläche anlangend, so sind die Hemisphären anfänglich ganz glatt und bleiben so bis ans Ende des zweiten Monates. Im dritten Monate entwickeln dieselben Windungen und Furchen (Fig. 109), welche, von innen gesehen, als starke Vorsprünge erscheinen und auf Faltungen der noch dün- nen Wandungen der blasenförmigen Hemisphären beruhen. V. Baer (Entw. II St. 217) , Tiedemann (Entw. des Gehirns 1816 St. 153), Bischoff (Entw. St. 176) sind der Ansicht, dass diese primitiven Windungen in die bleibenden übergehen und dass diese überhaupt durch Faltungen der ursprünglichen Hemisphärenblasen entstehen, es ist jedoch leicht zu zeigen, dass die fraglichen Faltungen, die im 4. Monate ihre grösste Entwicklung erreichen, mit Ausnahme einiger ganz bestimmter Züge, die noch besonders erwähnt werden sollen, im 5. Monate wieder verschwinden, so dass im 6. Monate die Hirn- oberfläche wieder vollkommen glatt ist (Fig. 110). Erst im 7. und Primitive Windungen Fig. 10S. Die Erklärung siehe auf St. 227. Fig. 109. Gehirn eines 3monatlichen menschlichen Embryo von der Seite in natürlicher Grösse, h Hemisphäre des grossen Hirns, an der schon alle Lappen und breit und kurz auch die Fossa Sylvü deutlich ist. m Mittelhirn, e Cerebel- lum, m o Rest der Membrana obturatoria ventriculi IV, die als bogenförmige Leiste vom kleinen Hirn auf die Meclulla oblongata übergeht. 234 Fünfundzwanzigste Vorlesung. Bleibende Windungen besonders vom 8. Monate an bilden sich die bleibenden Windungen und zwar einfach durch Wucherungen der Oberflache der nun schon sehr dickwandigen Hemisphären, genau in derselben Weise, wie sie auch am kleinen Gehirne entstehen, welches ja nie eine innere Höhle enthält. Was nun die besonderen , früh auftretenden und nicht vergängli- chen Furchen betrifft, so ist eine erste solche die Furche, die zur Sifcl^ •> ~\ ,' Bildung der Fossa Sylvii führt. Ihre Entstehung hängt mit der Entwick- lung des Unterlappens zusammen und tritt dieselbe immer stärker hervor, je mehr dieser sich ausbil- det. Im 3. Monate ist die Sylvische Spalte schon angedeutet, jedoch ganz flach und breit (Fig. 109. 111). Ganz langsam bildet sich die- selbe nun weiter aus, so dass sie im 6. Monate, wenn auch tiefer und bestimmter ausgeprägt , doch immer noch weit offen ist (Fig. 110). Vom 7. Monate an entwickeln sich die Windungen der Insel oder des Stammlappens in dem seillichen Theile der breiten Furche, welche mithin anfänglich ganz frei liegen und erst am Ende des Em- bryonallebens durch Ausbildung des sogenannten Operculum von oben her bedeckt werden. Wichtige Furchen liegen ferner an der inneren Fläche der Hemi- sphären, deren Verhältnisse Ihnen die von Herrn Dr. Schmidt aus Kopenhagen gelieferten Schemata am klarsten versinnlichen . der diese wichtige Gegend genauer als alle bisherigen Beobachter ver- folgt hat. Die Vergleichung der Fig. 107 1 — 4 zeigt Ihnen, dass die in die Hemisphäreriblase führende, anfangs senkrecht stehende Spalte mit der Entwicklung der Hemisphären nach hinten nach und nach sich umbiegt und ebenfalls wie um den Hirnstiel sich herumkrümmt, so dass sie immer mehr die Gestalt und Lage der grossen Querspalle des Gehirns zwischen dem Sehhügel und Hirnsliel einerseits und dem Gewölbe anderseits annimmt. Sehr früh nun tritt parallel dem Fig. HO. Gehirn eines 6monatlichen menschlichen Embr\o in natürlicher Grösse, ol Bulbus olfaclorius, fs Fossa Sylvii, c Cerebellum, p Pons ]'aroli, f Floc- culus, u Oliva. Entwicklung des Nervensystems. 235 oberen Rande dieser Spalte eine bogenförmige Furche (Fig. 107 e) Bogenfurche. auf (Bogenfurche Arnold, Schmidt), welche eine bogenförmige Win- dung, den Randbogen von Schmidt, abgrenzt, mit ihrem hinteren stärkeren Theile in die Höhle der Hemisphäre vorspringt und das Cornu ammonis bildet. Fast um dieselbe Zeit wie die Bogenfurche tritt noch eine mehr der Länge nach verlaufende Furche auf (Fig. 1 07/"/'), Längsfurche. die in der Mitte die Bogenfurche berührt, vorn und hinten aber von ihr sich entfernt. Der hintere Theil dieser Längsfurche bleibt erhal- ten, und wandelt sich in die tiefe Furche um, welche die Zwickel, Cüneus, am Hinterlappen von vorn her begrenzt, und die Convexität des Calcar avis bedingt. Ebenso bleibt der mittlere Theil der Längs- furche und stellt später mit der Bogenfurche die tiefe Furche über dem mittleren Theile des Balkens dar. Von den inneren Theilen des grossen Gehirns gedenke ich nun streifenhügei. zunächst des Streifenhügels. Derselbe erscheint am Ende des /- 2. zweiten Monates als eine kleine längliche Erhabenheit am Boden der Hemisphärenblase , die an- fänglich ganz vor dem Sehhligel lieait und einer Wucherung der Wand der Hemisphäre ihren Ur- sprung verdankt. Im dritten Monate (Fig. 111) ist das Corpus strmtum, wenn auch noch viel kleiner als der Sehhügel, doch an der Aussenseile desselben gelegen, jedoch durch eine tiefe enge Spalte von demselben getrennt. Eine noch engere aber weniger tiefe Spalte scheidet das Gebilde auch von der äusseren Wand der Hemisphären- blase , die übrigens hier dicker ist als an'den übrigen Stellen und sowohl nach aussen als nach innen leicht convex vorspringt. Die Fig. 41 4. Gehirn eines 3monatlichen menschlichen Embryo in natürlicher Grösse. \. Von oben mit abgetragenen Hemisphären und geöffnetem Mittelhirn. fVorderer Theil des abgeschnittenen Ranclbogens des grossen Hirns; f hinterer Theil des Randbogens, der einen Vorsprung nach innen , das Ammonshorn be- dingt ; c st Corpus striatum, davor eine stark nach innen vortretende Einbiegung der Hemisphärenwand, die später vorgeht ; th o Thalamus opticus. 2. Dasselbe Gehirn von unten, t o Tractus opticus noch querstehend ; c m Corpora rnamilla- ria, eine einfache Masse bildend, p Pons Varoli: mo Rest der Membrana oblura- toria venlriculi IV. Ausserdem sieht man noch das Tuber cinereum und die ab- geschnittenen zwei Nervi optici und am Vorderlappen die beiden Bulbi und Tractus olfactorii. 236 Fünfundzwanzigste Vorlesung. Gestalt anlangend , so ist der Streifenhügel schon jetzt vorn breit und hinten verschmälert, doch zeigt derselbe am ersleren Orte ganz vorn eine senkrechte Furche, durch welche der Kolben in zwei Lappen getheilt wird , von denen der äussere steilere , welcher dem späteren Kolben entspricht , gegen die Oeffnung des Riechkolbens herabläuft, der andere gegen die unteren Theile des Sehh'ügels sich zurückbiegt und an der Seitenwand desselben ganz vorn sich ver- liert. Vom vierten Monate an wächst das Corpus strialum rasch, die Spalten an seiner äusseren und inneren Seite gleichen sich aus und die Verhältnisse gestalten sich bald, geringe Formabweichungen ab- gerechnet, wie beim Erwachsenen. 3- Das Gewölbe und der Balken sind die Theile des Cerebrum, die mit Be- zug auf ihre Entwicklung am meisten Schwierigkei- ten darbieten. Ich ver- weise Sie hier wiederum vor Allem auf die in den Figg. 1 1 2 und 1 1 3 gege- benen halbschematischen Ansichten und folge in der Darstellung der Einzeln- verhällnisse den Mitthei- lungen von Dr. Schmidt, die sich in Allem als voll- kommen richtig bewäh- ren. Was nun zunächst den Balken betrifft, so stehen sich mit Bezug auf dessen Bildung mehrere Ansichten gegenüber. Tie- demaivn lässt denselben j von den Hemisphären aus e ' Fig. 113. durch Verwachsung der Fig. 112. Siehe die Erklärung Fig. 107 S. 232. Fig. 113. Innenfläche der rechten Hemisphäre des grossen Hirns eines 6monatlichen menschlichen Embryo, nach Schmidt, Buchstaben wie in Fig. 107. I Gyrus cinguli , m Gyrus hippocampi. Entwicklung des Nervensystems. 237 Fasern des Stabkranzes sich bilden , während Bischoff annimmt, dass derselbe aus der ursprünglichen Vereinigungsstelle der Halb- kugeln hervorgehe und Arnold, auf dessen Darstellung der Ent- wicklungsgeschichte im 2. Bande seiner Anatomie St. 1175 — 1355 ich Sie nachträglich noch aufmerksam mache , in einer mir nicht verständlichen Weise dem Balken eine von den Hemisphären unab- hängige und ganz selbständige Entwicklung zuschreibt. Schmidt's Untersuchungen lehren, dass Tiedemann im Wesentlichen Becht hat und gestalten sich nach ihm die Verhältnisse in folgender Weise. Die Wandungen der Hemisphäre zeigen vom 3. Monate an deut- lich zwei Schichten, eine äussere mit senkrechter Faserung, die spä- ter zur grauen Substanz der Windungen sich gestaltet, und eine innere mit horizontalem Faserverlauf, deren Elemente jedoch aller- wärts in die der äusseren Lage sich umbiegen. Die Fasern der inneren Schicht , welche später die Markmasse der Hemisphären darstellt, convergiren schon im dritten Monate, bevor der Balken da ist, nach zwei Puncten , nämlich einmal nach dem Hirnstiele, und stellen so den sogenannten Stabkranz dar, und zweitens nach der Stelle, welche unmittelbar über der Verbindungsstelle beider Hemisphären sich befindet (d in Fig. 112, 1, 2, 3) ; diese letzte Faserung ist die erste Andeutung der Balkenstrahlung. Unmittelbar über der Stelle, gegen welche die Fasern der Balkenstrahlung convergiren, brechen nun im vierten Monate, zu welcher Zeit der Balken zuerst erscheint, die horizontalen Fasern durch die Binde durch undverwachsen von bei- den Seiten mit einander. Diess ist die erste Andeutung des Balkens, der in seiner frühesten Form (s. Fig. 112, 4 g) ein ganz kleines, fast cylindrisches Verbindungsstück darstellt, das im Bandbogen unmit- telbar über dem vordersten obersten Theile der Querspalte seine Lage •hat. Um die Stellung des Bandbogens zum Balken noch genauer zu bezeichnen, ist zu bemerken, dass der Bogen nach Schmidt mit Be- zug auf seinen Bau in zwei Theile zerfällt, einen unteren {h", h'" in Fig. 112;, 4 und in Fig. 113), die Querspalte begrenzenden, der nur aus horizontalen , von vorn nach hinten ziehenden Fasern besteht und der Bindenschiebt entbehrt, und einen oberen Theil (h ti in Fig. 112, 4 und in Fig. 113), der beide Schichten besitzt. Der Bal- ken bricht nun gerade an der Grenze zwischen diesen beiden Schich- ten durch und kommt bei seiner weiteren Ausbreitung nach hinten der äussere Boiien an seine äussere Flache zu liefen und wandelt 238 Fünfundzwanziaste Vorlesung. Commissura antevio) . Wachsthum des Balkens. sich in die Stria alba Lancisi und die Stria obtecla des Balkens und in die Fascia dentata des Ammonshorns um, während der innere Bogen mit longitudinaler Faserung das Gewölbe und die Scheide- wand bildet. Der Fornix geht somit aus der oberen Begrenzung der Querspalte der Hemisphäre hervor, wie diess schon von Arnold und Betziüs (Oppenheim's Zeitschr. 1846. Aug.) erkannt worden ist. Der vordere senkrechte Theil des Gewölbes ist, wie aus dem früher Be- merkten hervorgeht und wie die Fig. II 2, 2, 3 u. 4 deutlich lehren, ursprünglich mit dem entsprechenden Theile der andern Seile ver- wachsen und entwickelt sich aus dem an den primitiven Balken an- grenzenden obersten Theile dieser Stelle der Körper des Gewölbes. Weiter abwärts dagegen spalten sich die Theile und bilden sich dann zu den Columnae fornicis und den beiden Hälften des Septum pelluci- dum um, dessen Höhle mithin keine primitive Bildung ist. Hier ent- steht dann auch nicht durch Verwachsung, sondern durch histologi- sche Differenzirung die Commissura anterior, die kurze Zeit vor dem Balken deutlich wird. Septum pellucidum und Körper des Fornix, anfänglich ganz klein , gewinnen mit der Entwicklung des Balkens immer mehr an Ausdehnung , während zugleich die anfänglich ganz oben liegenden Crura posteriora mehr nach hinten gedrängt werden und ihre spätere Stelle einnehmen. Von dem Balken habe ich Ihnen nun noch zu bemerken , dass die verbreitete Ansicht, dass von demselben anfänglich nur das Knie da sei und dann nachträglich erst die hinteren Theile sich bil- den (Tiedemann, Arnold) nach Schmidt nicht richtig ist. Nach die- sem Autor enthält schon der eben entstandene Balken , wie ihn die Fig. 11 2. 4 zeigt, die Elemente aller seiner Theile, und stellt das ge- sammte Corpus callosum dar, wie unzweifelhaft daraus hervorgeht, dass derselbe jetzt schon Fasern enthält, die in den Hinterlappen und Unterlappen ausstrahlen. Richtig ist, dass der Balken vorzüg- lich nach hinten an Länge gewinnt, diess geschieht jedoch nicht so, dass an seinem hinteren Ende neue Elemente sich ansetzen, soudern dadurch, dass zwischen seinen Fasern immer neue entstehen , die wahrscheinlich von den Hemisphären aus in ihn sich hinein bilden, oder selbständig in ihm entstehen. Uebrigens verlängert sich der Balken auch nach vorn, wie am besten daraus hervorgeht, dass vom Knie im vierten Monate noch nichts zu sehen ist. Erst im fünften Monate wird dasselbe deutlich , in welcher Zeit das dünnere hin- tere Ende eben die Sehhügel bedeckt, und im sechsten Monate ist der Entwicklung des Nervensystems. 239 Balken in seiner Erstreckung und sonst schon ziemlich so gebildet wie später (Fig. 113). Ich habe nun noch eines Gebildes zu gedenken , nämlich der Stria Cornea, welche nach Schmidt aus dem hinteren, später unleren Begrenzungsrande der grossen Querspalte des Gehirns sich hervor- bildet (/'in Fig. 112, 1 — 4) , gegen welche Auffassung wohl kaum etwas Begründetes sich einwenden lässt. Sechsundzwanzigste Vorlesung. Wir gehen , meine Herren , in der Betrachtung der einzelnen Theile des Hirns weiter. Zwischenhirn. Der zweite Abschnitt des embryonalen Hirns, das Zwischen- hirn oder die Sehhügelblase ist ursprünglich eine hohle dünnwan- dige Blase, in weiter Verbindung mit dem Mittelhirn und dem Vor- derhirn. Im weiteren Verlauf verdickt sich die Wand von den unte- ren seitlichen Theilen und von der Seitenwand her und spaltet sich zugleich die Blase in der oberen Mittellinie. In der Fig. 108, welche das Gehirn von einem etwa sieben Wochen alten Embryo darstellt, war die Sehhügelblase noch ungespalten, in der Fig. 1 1 4 dagegen von einem 3 monatlichen Embryo sehen Sie dieselbe gespalten bis auf einen kleinen Rest ganz hinten, aus welchem die Commissura posterior und die Zirbel sich entwickelt, welche nach Tiedemann erst im vierten Monate sich zu bilden beginnt, während ihre Stiele oder, genauer ge- /. 2 sagt/ deren Verlängerungen an den Sehhügeln nach vorn {Striae medulläres) schon im 3. Monate deutlich sind (Fig. Wäh- rend so die hintere Commissur aus einem Theile der ursprüng- lichen Decke des Zwischenhirns Fig. 114. sich hervorbildet, entsteht die Commissura mollis durch eine Verwachsung der beiden Sehhügel und zwar nach Schmidt schon am Ende des fünften Monates. Die Ge- stalt anlangend, so sind die Sehhügel schon im dritten Monate ganz Fig. 114. Die Erklärung siehe Fig. 111 S. 235. Entwicklung des Nervensystems. 241 Corpora candicantia. massige Körper, vorn eher spitz und hinten breit (Fig. 111), die so dicht an einander liegen , dass der obere Theil der zwischen ihnen befindlichen Spalte oder des dritten Ventrikels ganz geschlossen ist. Im vierten und fünften Monate nehmen sie dann nach und nach ihre typische Gestalt an, worüber nichts weiter zu sagen ist. Eine besondere Berücksichtigung verdient der Boden des Zwi- zwischenWrns. schenhirns. Ursprünglich geschlossen erleidet derselbe nach den Angaben von Schmidt ebenfalls eine Spaltung. Die Ränder der Spalte laufen als zwei parallele Wälle allmälig an Höhe zunehmend nach vorn, verbreitern sich dann und setzen sich in den untersten hintersten Theil der Verwachsungsslelle der beiden Hemisphären fort, die zur Lumina terminalis wird. Später legen sich die Ränder der Spalte dicht an einander, ohne indess fesler zu verwachsen , so jedoch, dass vorn eine runde Oeffnung sich erhält, die zur Höhle des Trichters wird. Dann verdickt sich der ganze Boden des dritten Ventrikels und gestaltet sich zu den bekannten Theilen, über die ich Ihnen noch im Einzelnen Folgendes zu sagen habe. Die Corpora candicantia sind nach Tiedemann anfänglich einfach und werden erst im siebenten Monate doppelt. Schmidt lässt dieselben von Anfang an als zwei Erhebungen auftreten, was ich vorläufig nicht unterstützen kann, indem ich beim 3monatlichen Em- bryo nur Eine grössere Erhebung fand (Fig. 1.11). Das Tuber eine- Tuber dnereum reum ist um diese Zeit auch deutlich und durch ein ganz kurzes Infundibulum mit der Hypophysis verbunden. Die Sehnerven gehen bis zum Ende des zweiten Monates jeder für sich vom vorderen Ende des Bodens des Zwischenhirns aus und zwar von einer deutlichen hügelartigen Erhebung. Im dritten Monate entwickelt sich aus die- ser das Chiasma und zugleich werden die Tractus optici deutlich, die anfänglich ganz quer verlaufen (Fig. 111 t o) . Die Entwicklung der Hypophysis Cerebri ist immer noch mjpopin in grosses Dunkel gehüllt. Rathke hatte früher (Müller's Arch. 1838 St. 482 und Entwickl. d. Natter St. 81, 123 u. 132) angegeben, dass der Hirnanhang aus einer Ausstülpung der Rachenhöhle durch die Basis des Schädels hindurch sich bilde, in neuester Zeit erklärt er aber in seiner Entwicklungsgeschichte der Schildkrölen St. 29, dass er seine frühere Behauptung fallen lasse. Die angeführte Stelle scheint jedoch zu lehren , dass es mehr theoretische Gründe sind, die ihn hierzu bewogen, als wirkliche Beobachtungen. Auf der an- deren Seite hat Reichert kurze Zeit nach Rathke erklärt (Entwick- Kölliker, Entwicklungsgeschichte. 1o Chiasma n. opticormn. 242 Sechsundzwanzigsle Vorlesung. lungsleben im Wirbellhierreich. St. 179), dass die Glandula püitita- ria aus dem vordersten Ende der Chorda dorsalis sich hervorbilde, dagegen unterlassen, ausführlicher die Thatsachen vorzulegen, auf welche er seine Behauptung gründet. Andere Angaben über die Bil- dung der Hypophysis existiren nicht und habe auch ich zu bedauern, Ihnen nichts ganz Bestimmtes sagen zu können. Sicher ist Eine That- sache, die nämlich, dass bei jungen Embryonen in der That eine Ausstülpung aus der Rachenhöhle gegen die Schädelbasis vorkommt, wie diess Ratbke zuerst beschrieben hat und auch jetzt noch fest- hält. Ich kenne diese Ausstülpung vom Hühnchen, wo sie am vierten Tage sehr deutlich ist und auch von Remak erwähnt und abgebildet wird (Tab. V. Fig. 57, 5 und Erklärung dazu) und finde sie auch bei menschlichen Embryonen der i. — 6. Woche, von .^mmrtyL denen die Fig. 115 Ihnen dieselbe von unten zeigt. iL Auf Durchschnitten sieht man , dass dieselbe ge- rade auf den Türkensattel zuseht, so dass ihre Axe in Einer Richtung mit der Sattellehne und dem Tentorium cerebelli (dem mittleren Schädel- balken Bathke's) steht, jedoch etwas weniges vor der Lehne sich befindet. Bei dem in Fig. TIS ab- gebildeten Embryo war die Länge der Ausstülpung der Dicke des Basilartheiles des Schädels , Anlagen der Hartgebilde und Hüllen des Gehirns zusammengenommen , gleich und schien in der That die Schädelbasis zu durchboren und noch deutlicher war diess bei einem vier Wochen alten Embryo, bei dem die Ausstülpung in Gestalteines von vorn nach hinten comprimirten Säckchens entschieden in der Schädelhöhle zu liegen schien. Es ist mir jedoch aus Mangel an Material an ganz jungen Embryonen nicht gelungen , in dieser Be- ziehung so vollständig ins Reine zu kommen als ich es wünschte und möchte ich daher doch für einmal kein ganz bestimmtes Urtheil abgeben. Eben so wenig kann ich Ihnen sagen, was aus dieser Aus- stülpung wird. Hat dieselbe keine Beziehung zur Bildung der Hypo- physis, was mir noch nicht erwiesen scheint , so wäre vielleicht an das von mir im Grunde des Pharynx aufgefundene tonsillenartige Organ zu denken. Was die Ansicht von Beichert anlangt, so muss Fig. 115. Kopf eines sechs Wochen alten menschlichen Embryo von vorn und unten, u Stelle wo der Unterkiefer sass ; o Oberkieferfortsatz des ersten Kiemenbogens ; an äusserer Nasenfortsatz; n Nasengrube ; st Stirnfortsatz; g Ausstülpung der Rachenschleimhaut. Entwicklung des Nervensystems. 243 ich bekennen , dass dieselbe von vornherein mir nicht zusagt , im- merhin will ich Ihnen erwähnen, dass nach Remak, der übrigens ebenfalls für Reichert's Annahme nicht günstig gestimmt ist (Entw. St. 44 Anm.) in der Hypophysis des Menschen und von Säugethieren mitunter knorpelharle aus kleinen polyedrischen kernlosen Zellen zusammengesetzte Stückchen gefunden werden (Müller's Archiv 1844, St. 517). Das Mittel hi r n erleidet keine so bedeutenden Veränderungen, wie die bisher beschriebenen Hirntheile. Ursprünglich ein grosser und ganz frei gelegener Hirntheil (Fig. 105) wird derselbe, wie ich Ihnen schon früher angab , allmälig vom grossen Hirne bedeckt, während er zugleich im Wachsthume weniger fortschreitet und nach und nach zu einem un- tergeordneten Gebilde zurücksinkt. Mittlerweile verengert sich auch die Höhle der Blase durch Wucherung ihrer Wandungen , so dass am Ende nur noch der Aquaeductus Sylvii als Rest der- selben übrig bleibt. Die Oberfläche ist lange Zeit glatt, abgesehen von einer , wie es scheint, nicht constanten Längsfurche (Fig. 11 6) die später schwindet. Erst im sechsten Monate bildet sich eine bleibende Längsfurche an der Oberfläche aus, zu der dann im siebenten Monate auch eine Quer- furche kommt, während zugleich die zwischen den Furchen gelegenen Theile sich wölben , so dass dann das Organ* im Wesentlichen ausgebil- det ist. Aus den Basaltheilen des Mittelhirns ent- wickeln sich die Hirn stiele. Das Cerebellum entwickelt sich aus zwei Blättchen , die von den vordersten Theilen der Ränder der ursprünglichen dritten Hirn- abtheilung einander entgegen wachsen und schon im zweiten Monate in der hinteren Mittellinie zur Berührung kommen. Es stellt dann das kleine Gehirn oder Hinterhirn im engern Sinne (Fig. 117) eine kleine, horizontal liegende, überall gleich dicke Platte dar, unter oder vor welcher die Verbindung der Rautengrube mit der Höhle des Mittel- Fig. 1 1 6. Dreimonatlicher menschlicher Embryo in natürlicher Grösse mit biosgelegtem Hirn und Mark, h Hemisphären des grossen Hirns, m Mittelhirn, c kleines Hirn. An der Medulla oblongata sieht man einen Rest der Membrana obturaloria venlriculi IV. 16* Mittelhirn. Membrana ohturatoria 244 Sechsundzwanzigste Vorlesung. hirns stall hat. Im 3. Monate (Fig. 109, eh mitdemHornblattecon- Fig. 121. . . ,. , tinuirlich zusammen- hängt und den mittleren Theil des äusseren Keimblattes darstellt. Wie Sie bereits wissen, schliesst sich die Halbrinne der Medullar- platte bald zu einem vollständigen, vom Hornblatte ganz getrennten Rohre, und in diesem Zustande sehen Sie das Bückenmark des zwei- tägigen Hühnerembryo in der Fig. 122. Das Verhaltendes Markes Igte; . "V _..I'P? ch un ao sp d d df Fig. -122. Fig. 121. Querschnitt durch die Anlage eines Hühnerembryo vom Ende des ersten Tages 90 — 100malvergr. ch Chorda, uwp Urwirbelplatte mit einer "Spalte uwh, vielleicht der ersten Andeutung der späteren Höhle derürwirbel, sp Seitenplatten mit den Urwirbelplatten hier noch verschmolzen, dd Darmdrü- senblatt, h Hornblatt, m Medullarplatte. Beide zusammen sind in eine starke Falte, die Medullarwülste oder Rückenwülste erhoben, die die breite Rücken- furcbe /{/'begrenzen, in deren Mitte noch die Primitivrinne Pr sichtbar ist. Fig. 122. Querschnitt durch einen Hühnerembryo vom zweiten Tage, 90 — 100malvergr. dd Darmdrüsenblatt, ch Chorda, uw Urwirbel, uwh Urwirbelhöhle , ao primitive Aorta, ung Urnierengang, sp Spalte in den Sei- tenplatten (erste Andeutung der Pleuroperitonealhöhle) , die durch dieselbe in die Hautplatten hpl und Darmfaserplatten df zerfallen, die durch die Mittel- platten mp unter einander zusammenhängen, mr Medullarrohr (Rückenmark), h Hornblatt, stellenweise verdickt, 250 Sechsundzwanzigste Vorlesung. \\ in der Längsansicht zeigt Ihnen die nachstehende Fig. 123, ausser- dem die früher gegebenen Zeichnungen (Fig. 38, 39, 40. 41, 42 — 44) und wird aus der Betrachtung dieser Darstel- lungen klar werden, dass dasselbe in seinem ersten Erscheinen und in seinem weiteren Wachslhume wesentlich denselben Gesetzen folgt, die früher als die der Bildung des Leibes überhaupt dargelegt wurden (s. St. 50). Auch das Mark nämlich wird, wie der ganze Körper, gleich von Anfang an gewissermaassen mit allen seinen Theilen angelegt, wie am besten daraus hervorgeht , dass dasselbe schon in den ersten Stadien eine Anschwellung an seinem hinteren Ende zeigt (Figg. 20 und 38) , welche nichts Anderes als die Lendenanschwellung ist. Hiermit soll jedoch nicht gesagt sein , dass ur- sprünglich schon alle Abtheilungen desselben | zu unterscheiden sind, vielmehr zeigt sich auch Infir hier, dass die Ausbildung von vorn nach hin- ten fortschreitet. In dem Rückenmark des Em- ; bryo der Fig. 123 ist, wie die Zahl der Urwir- bel zeigt, offenbar die Pars cervicalis schon fast vollkommen angelegt, während die Pcws dorsalis , lumbalis und sacralis, wie ich die übrigen Gegenden nach dem Ursprünge der Nerven bezeichne, noch im ersten Stadium der Ausbildung begriffen sind. Durch innere Wachsthumsphänomene treten auch diese nach und nach immer bestimmter hervor, so je- doch , dass der Punct des eigentlichen Wachsthums nicht am hin- tersten Ende, sondern vor demselben seine Lage hat. Sind einmal alle Urwirbel zu Tage getreten , so ist auch das Mark in allen seinen Theilen angelegt und zeigt sich dann im Ver- gleiche zu den späteren Verhältnissen das Bemerkenswerthe , dass dasselbe in der ganzen Länge der Wirbelsäule sich erstreckt und somit auch die Anlagen der Lenden- und Sacralwirbel einnimmt. Längere Zeit hindurch wächst nun die Wirbelsäule und das Rücken- mark ganz gleichmässig fort, wie Ihnen die Figg. 124 und 125 von einem zweimonatlichen und einem drei Monate alten Embryo zeigen, \V Fig. 123. Fig. 12a. Siehe die Erklärung von Fig. 103, S, 226. Entwicklung des Nervensystems. 251 dann aber tritt vom vierten Monate an eine raschere Entwicklung der Wirbelsaule ein , in Folse welcher das Rückenmark nach und nach Fis. 125. Fig. -124. seine Stellung zu den unteren Wirbeln än- dert und scheinbar heraufrückt. Es reicht übrigens das Mark im sechsten Monate noch bis an den Sacralkanal und selbst am Ende des Embryonallebens steht seine Spitze im- mer noch im dritten Lendenwirbel, woraus Sie ersehen können , dass die bleibenden Verhältnisse erst nach der Geburt ganz sich ausbilden. Während so das Mark, wenn auch allsei- tig in der Längsrichtung wachsend, doch mit der Wirbelsäule nicht gleichen Schritt hält, zeigen die unteren Nervenwurzeln ein ab- weichendes Verhalten. Anfänglich ebenso wie die Hals- und Rücken- nerven unter rechten Winkeln vom Marke abgehend , beginnen die- selben mit dem scheinbaren Höhersteigen desselben sich zu verlän- gern , nehmen eine immer schiefere Richtung an und bilden endlich die Cauda equina. Auch die Dura mater und Arachnoidea betheiligen sich an diesem Wachsthume und auch die Pia mater bleibt nicht zu- rück, und liefert das Filam terminale. Letzteres anlangend ist übri- gens zu bemerken, dass dasselbe beim Menschen theilweise und bei "den Thieren, bei denen es in seiner ganzen Länge eine Verlängerung des Ganalis mediülae spinalis enthält, wohl ganz und gar als Fort- setzung des Rückenmarks zu betrachten ist, und dass somit die vorhin gemachte Angabe , dass das Mark vom vierten Monate an in seinem Wachsthume mit der Wirbelsäule nicht mehr Schritt halte, dahin zu ändern ist, dass dasselbe von dieser Zeit an mit dem Theile, der die Rückenmarksnerven abgibt, allerdings zurückbleibt, da- Fig. 124. Siehe die Erklärung von Fig. 105, S. 227. Fig, 125. Siebe die Erklärung von Fig, 1t 6, S. 243, 252 Sechs undzwanzigste Vorlesung. Innere Vorgänge bei der ersten Bildung des Markes. Erfahrungen von Biddek u. Kupfer. eiesen aus seinem untersten Ende eine rudimentäre Bildung hervor- treibt, die gleichmässig mit der Wirbelsäule sich verlängert. Ich wende mich nun zur Schilderung der inneren Veränderun- gen des Markes bei seiner Entwicklung, mit Bezug auf welchen sehr interessanten Gegenstand Ins jetzt nur einige wenige Mittheilungen von Bidder und Remak vorliegen , zwischen denen leider nur geringe Uebereinstimmung herrscht. Nach Bidder u. Kupfer, dessen ausführ- lichere Darstellung ich Ihnen zuerst vorlege (Unters, üb. d. Rücken- mark, Leipz. 1857), hat das Rückenmark beim Schaafembryo von 3 — 3%'" Länge im Querschnitte eine birnförmige Gestalt mit dem grösse- ren Durchmesser von vorn nach hinten (vergl. die Fig. 126, die das nächstfolgende Stadium darstellt). Der Centralkanal ist spaltenförmig wie beim Hühnchen (s. Fig. 26) und vorn und hinten die Oberfläche beinahe erreichend , so dass die Hauptmassen des Markes zu den Seiten desselben sich befinden. Das Mark besteht durchweg aus kleinen Zellen , von denen jedoch die an den Centralkanal angren- zenden schon länglich und in der Umbildung in das Epithel dessel- ben begriffen sind. Ausserdem findet sich vorn und seitlich eine rundliche Anhäufung unmerklich grösserer Zellen, von welchen aus ejn Bündel feiner Fasern, die vordere Wurzel, nach aussen in die Urwirbelplatten tritt, in denen auch nach hinten schon das Spinal- ganglion als eine noch nicht scharf um- schriebene Masse gehäufter kleinerer Zel- len deutlich ist. Das gesammte Mark wird jetzt schon von einer ganz dünnen, spin- delförmige Zellen enthaltenden Dura ina- ler umgeben. Schaafembryonen von 4 — i%'" zei- gen wesentlich noch dasselbe Verhalten (Fig. 126). Neu ist, dass nun der Cen- tralkanal cm hinten eine rautenförmige Erweiterung besitzt, sowie dass vorn Fig. 1 26. Querschnitt des Rückenmarks eines Schaafembryo von 4'" Länge 30mal vergr. Nach Bidder u. Kupfer, aa Anlage der grauen Substanz, b dunk- lere Stelle innerhalb derselben, aus der die vordere Wurzel f hervorgeht, c Epi- thel des Centralkanals cm, im Holzschnitte nicht dunkel genug und auch zu wenig streifig, h vordere Commissur, dd häutiger Wirbelbogen oder Membrana reuniens superior von Rathke , e Spinalganglion, g Anlage der Dura maier und der Hülle des Ganglions. Erstere ist nach mir die Pia mßter, Entwicklung des Nervensystems. 253 zwischen den beiden Seitenhälften eine quere Commissur h, die Commissura anterior, aufgetreten ist, die äusserst feinfaserig ist und keine Spur von Zellen oder Kernen zeigt. Das Epithel des Central- kanals besteht jetzt deutlich aus drei bis vier Lagen senkrechter Zellen (welche in dem Holzschnitte nicht deutlich genug erscheinen) und reicht vorn bis an die Commissur, hinten bis an die Dura mater, so dass somit, abgesehen von der Commissur, in der vorderen und hinteren Mittellinie keine Nervenmasse vorhanden ist. Das Spinal- ganglion e ist immer noch ohne Verbindung mit dem Marke, zeigt aber jetzt eine scharfe Begrenzung durch die in der Bildung begrif- fene Faserhülle g. Das nächstfolgende Stadium bei Embryonen von 5'" Körperlänge (Fig. 4 27) ist characterisirl durch das Auftreten der weissen Stränge, durch die Verbindung des Spinal- knotens mit dem Marke und das erste Erscheinen auch des peri- pherischen Theiles der sensiblen Wurzel. Von der weissen Sub- stanz zeigt sich der Vorderstrang bei m als eine nach aussen von der Gommissur gelegene Auflage- rung auf die schon vorhandene Markmasse, welche von nun an als graue Substanz bezeichnet werden kann. Die jetzt noch breite Furche zwischen den bei- den Anlagen der Vorderstränge ist die erste Andeutung der vorderen Längsspalte. In ähnlicher Weise erscheint hinten, seitlich von der Mittellinie, bei n eine kleinere Auflagerung bei h, der Hinterstrang. "Beide Stränge bestehen aus einer glashellen , auf dem Querschnitte von feinen dunklen Pünctchen bezeichneten, in der Längsansicht fein gestreiften Masse , aus der sich bei etwas älteren Embryonen auch feine Fäserchen isoliren aber durchaus keine Zellen und Kerne ge- winnen lassen. — Gleichzeitig mit dem Hinterstrange erscheint nun S-d Fig. 127. Fig. 1 27. Querschnitt des Rückenmarks eines Schaafembryo von 5"' Länge, 30mal vergr. Nach Bidder u. Kupfer. Bezeichnung wie in Fig. ■126. m Anlage des "Vorder- und Seitenstranges, n Anlage des Hinterstranges, aus der die sen- sible Wurzel zum Ganglion zieht. 254 Sechsundzwanzigste Vorlesung. auch ein Faserbünde] , das von den vorderen Theilen desselben aus zum rasch heranwachsenden Spinalganglion zieht, von welchem Bidder u. Kupfer nicht ermitteln konnte , ob dasselbe vom Marke gegen das Ganglion oder in umgekehrter Richtung sich entwickelt : dagegen sah er die Fasern dieses Bündels oder der hinteren Wurzel noch in den Hinterstrang hinein sich erstrecken und dann sich ver- lieren, ohne dass eine Fortsetzung in die graue Substanz deutlich zu machen war, wie sie in allen Stadien und auch in diesem bei der vorderen Wurzel deutlich sich zeigte, deren Kern in der grauen Sub- stanz in diesem Stadium schon sehr bestimmt sich abgrenzte, so dass nun nicht zu verkennen war, dass die Zellen desselben die Anlagen der grossen Nervenzellen der Vorderhörner sind. In der That ver- folgte auch Bidder u. Kupfer Fasern der Vorderwurzeln bis zu diesen Zellen. Ausserdem ist nun von diesem Stadium noch zu bemerken, dass zwischen den Zellen der grauen Substanz eine Zwischensubstanz deutlich war, das Epithel des Centralkanals schärfer abgegrenzt sich zeigte (auch der Holzschnitt Fig. 127 gibt das Epithel nicht scharf genug wieder), endlich, dass vom Spinalganglion auch peripherisch ein Faserbündel ausging, das jedoch die vordere Wurzel noch nicht erreichte. Bei Schaafembryonen von 7 — 8'" zeigte sich die Masse der Vor- derstränge noch einmal so dick als bei dem ebenbeschriebenen Em- bryo und so weit nach hinten gewuchert, dass sie bis zur Austritts- stelle der hinteren Wurzel hin reichte und die motorische Wurzel ziemlich die Mitte derselben durchsetzte. Somit hatte der Vorder- strang auch den Theil geliefert, den man den Seitenstrang nennt, und ist von einem besonderen Auftreten desselben keine Rede. Auch der Hinterstrang war übrigens gewachsen, jedoch lange nicht in dem Maasse wie der Vorderstrang, und stand hinten von der Mittel- linie etwas weiter ab als dieser. Von den übrigen Verhältnissen er- wähne ich Ihnen, dass die eigenthümliche Erweiterung des Central- kanals bei solchen Embryonen sich auszugleichen beginnt, sowie dass das Epithel desselben nun vollkommen scharf abgegrenzt ist. Man erkennt daher mit Bestimmtheit , dass dasselbe vorn bis dicht an die Commissur reicht, wogegen dasselbe hinten nun allerdings durch eine ganz dünne Lage grauer Substanz bedeckt erscheint, die, wie mir scheint, der Vorläufer der sogenannten grauen Commissur ist. Das Spinalganglion ist noch grösser und liegt nun ganz seitlich am Marke; im Innern desselben zeigen sich jetzt ganz deutlich Fasern Entwicklung des Nervensystems. 255 und der austretende Theil der sensiblen Wurzel hat sich mit der vorderen Wurzel zum Stamme des Rückenmarksnerven verbunden. Endlich untersuchte Bidderu. Kupfer noch Schaafembryonen von 1 2'" Länge. Bei diesen umgab die weisse Masse das Rückenmark ganz und begann hinten schon die Bildung der hinteren Furche. Zugleich hatte sich vorn die graue Masse zur Anlage der Vorderhörner vor- gewölbt, so dass nun der Querschnitt schon mehr an den des aus- gebildeten Markes erinnerte. Aus diesen Beobachtungen, die auch bei Hühnchen von drei bis neun Tagen ihre Bestätigung fanden , zieht Bidder u. Kupfer neben andern den wichtigen Schluss, dass die Nervenfasern des Markes und der Wurzeln, die überall als kern- und zellenlose Gebilde auftreten, nicht durch Verwachsung längsgeordneter Zellen entstehen , sondern wahrscheinlich einfach als Ausläufer der Nervenzellen des Markes und des Spinalganglions sich entwickeln. Inwiefern diese Annahme be- gründet ist, soll später erörtert werden und will ich Ihnen nun vor- her noch Remak's und meine eigenen Erfahrungen schildern. Nach Remak (pag. 89) besteht das Mark des Hühnchens anfäng- Beobachtungen r ° ' D von Remak. lieh aus Zellen, welche im Allgemeinen radienarlig um den Central- kanal herum liegen. Am fünften Tage unterscheidet man zwei Lagen von nahezu gleicher Mächtigkeit, eine innere, weichere mit radiären Zellen und eine äussere, festere querfaserige. Erstere ist die Anlage der grauen Substanz und des Epithels des Centralkanals , die Quer- fasern dagegen, die mit den Spinalganglien und Nervenwurzeln sich verbinden , gestalten sich mit der Zeit zu den Fortsetzungen der Wurzeln in das Innere des Markes hinein und zu den Commissuren. Ursprünglich an der Oberfläche des Rückenmarks gelegen , werden diese Querfasern später von den Längsbündeln bedeckt. Diese sind nach Remak uranfänglich in der vorderen und hinteren Mittellinie gelegene einfache Stränge, die nach und nach seitlich bis zu den vorderen und hinteren Wurzeln sich ausbreiten und, die Querfasern bedeckend, in zwei Hälften sich sondern. Ueber das Auftreten der Seitenstränge hat Remak keine Beobachtungen, doch hält er es für wahrscheinlich, dass dieselben als besondere Bildungen auftreten. — Die Spinalganglien mit den Nervenwurzeln lässt Remak unabhän- gig vom Marke aus den Urwirbeln sich bilden (St. 40) und bemerkt ausserdem , dass die Nerven aus einer feinfaserigen Substanz ohne Zellen und Kerne bestehen. Siebenimdzwanzigste Vorlesung. Eigene Unter- Meine Herren ! Zu meinen eigenen Beobachtungen über das suchungen über . . ^ . die Entwicklung Rückenmark übergehend, theile ich Ihnen nun zuerst mit, dass meine des Markes. . , . Erfahrungen beim Hühnchen, die bis zum zehnten läge eine zusam- menhängende Reihe bilden, im Wesentlichen mit denen von Bidder u. Mark des Kupfer stimmen. Wie Sie früher schon hörten, besteht das Medullar- Hühnchens. 1 1 • rohr unmittelbar nach seiner Schliessung am zweiten und dritten Tage überall aus gleichartigen länglichen Zellen, deren längere Durch- messer radiär gestellt sind. Am vierten Tage beginnt eine Trennung dieser Zellen in zwei Lagen , dadurch . dass die äusseren der Ober- fläche concenlrisch sich ordnen und in Fasern sich verlängern, wäh- rend die inneren ihre ursprüngliche Lage beibehalten und nun als Epithel des Centralkanales erscheinen. Zugleich tritt auch die vor- dere Gommissur und bald darauf auch die vorderen und hinteren Stränge auf. Am Ende des vierten und am Anfange des fünften Ta- ges zeigt dann das Mark folgende Beschaffenheit. Die Gestalt des Querschnittes ist ziemlich eiförmig, vorn breiter, hinten schmäler. Der Cenlralkanal, am Halse rautenförmig, am Rücken mehr spalten- förmig, hat eine überall, namentlich aber hinten sehr dicke Ausklei- dung radiär gestelller Zellen , welche an der hinleren Mittellinie die Oberfläche erreicht, während sie vorn noch von der schmalen Quer- brücke der vorderen Gommissur bedeckt ist. Die concenlrisch fase- rige Rindenschichl bildet somit nur zwei seitliche Zonen , von denen ausserdem noch zu bemerken ist, dass sie hinten sehr schmal sind und nur vorn und seitlich eine etwas grössere Mächtigkeit haben. Hier ist auch die Faserung dieser Lage, die, wie ich entgegen Remak annehmen muss , die Anlage der grauen Substanz ist, am deutlich- sten und geht die Richtung derselben theils gegen die vordere Com- Entwicklung des Nervensystems. 257 missur, theils gegen die vorderen Wurzeln. Bedeckt wird nun die graue Substanz noch von den Anlagen der weissen Stränge, die beide entgegen den Angaben von Remak entschieden von Anfang an als paarige Bildungen auftreten. Die vorderen Stränge liegen anfänglich vorn seitlich neben der Commissur, breiten sich aber bald auch auf die vorderen Seitentheile aus, so dass mithin von besonderen Seiten- strängen keine Rede sein kann. Die hinteren Stränge sind auf dem Querschnitte elliptisch, kleiner und nehmen die hinteren Seitentheile ein, erreichen jedoch am fünften Tage die Vorderstränge noch nicht. Alle Stränge und auch die Commissur bestehen, wie Bidder und Kupfer und Remak richtig melden , aus kernlosen äusserst feinen Fasern. Zwischen dem fünften und neunten bis zehnten Tage um- wachsen nun die Stränge das ganze Mark mit Ausnahme der Gegend der vorderen Commissur und werden zu einer ziemlich mächtigen Rindenschicht. Zugleich wächst auch die graue Substanz und zwar, wie mir schien, in doppelter Weise. Einmal von sich aus durch Ver- mehrung ihrer Elemente und zweitens wohl auch dadurch, dass die äusseren Zellen der Auskleidung des Centralkanales in ihren Bereich gezogen werden. Was man nämlich in dieser frühen Zeit als Epithel des Centralkanales bezeichnet , ist nicht als eine scharf abgegrenzte Bildung aufzufassen, sondern als eine noch indifferente Zellenmasse, die auch später noch am Wachsthume der grauen Substanz sich be- theiligt. Hierdurch und durch Aufhören des Wachsthums wird die- ser Centralkanal bald absolut und relativ kleiner, doch ist derselbe noch bei 1 Otägigen Embryonen ein ziemlich weiter Kanal. Wie beim Hühnchen so habe ich auch beim Menschen einige Menschen. Erfahrungen über die Entwicklung des Rücken- markes aufzuweisen , welche, da sie bis jetzt die einzigen sind , die über die feineren Ver- hältnisse Aufschluss geben , wohl nicht ohne Werth sind. Den frühesten von mir beobach- teten Zustand zeigt Ihnen die Fig. 128, die in Fig. 128. Querschnitt des Halstheils des Rücken- 'v z marks eines vier Wochen alten menschlichen Embryo, Fig- 128- 36mal vergrössert. c Centralkanal, e epithelartige Aus- kleidung desselben, g vordere graue Substanz mit einem dunkleren Kern, aus dem die vordere nicht dargestellte Wurzel ent- springt, g' hintere graue Substanz, v Vorderstrang, h Hinterstrang. KÖlliker, Entwicklungsgeschichte. 17 258 Siebenundzwanziaste Vorlesung. allen wesentlichen Punclen mit den Abbildungen von Bidder und Kupfer von Schaafembryonen übereinstimmt. Bei diesem vier Wochen alten Embryo betrugen die Durchmesser des Markes in der Halsge- gend in der Bichtung von vorn nach hinten 0,42 — 0,44'" und in der Querrichlung am breitesten Theile 0,24—0,25'". Der Centralkanal war beiläufig rautenförmig und seine epithelartige Auskleidung mit länglichen geschichteten Zellen 0,040 — 0,044"' dick. Vorn und hin- ten erreichte dieselbe die Oberfläche und fehlte an ersterem Orte ein bestimmtes Anzeichen einer vorderen Commissur. Die graue Sub- stanz, aus rundlichen kleinen Zellen bestehend, bildete hinten und seitlich eine sehr dünne Lager/', war dagegen vorn schon in an- sehnlicher Mächtigkeit vorhanden und zeigte hier auch wie eine rundliche etwas dunklere Masse g, aus der die in der Abbildung nicht dargestellte vordere Wurzel entsprang. Von einer hinteren Wurzel war nichts zu sehen, dagegen fanden sich die Spinalganglien schon angelegt und ebenso die Vorder- und Hinterslränge h und p, die beide aus einer kern- und zellenlosen hellen Masse bestanden, die auf dem Querschnitte nichts als feine Puncte zeigte. Beide Stränge la- gen seitlich und waren übrigens noch sehr wenig entwickelt. Etwas weiter war das Mark bei einem sechs Wochen allen Embryo (Fig. 129), bei dem dasselbe als Ganzes im Querschnitte ebenfalls birnförmig er- schien. Der Centralkanal zeigte ziem- lich dieselbe Form , wie bei Schaafem- bryonen , erschien jedoch im Verhält- niss zur übrigen Markmasse unver- hältnissmässig gross. Sein Epithel be- stand im Allgemeinen aus mehrfachen Lagen senkrech ler schma- ler Zellen und war überall von gleicher Dicke mit Ausnahme der hinteren Mittellinie, wo dasselbe genau in der Mitte äusserst dünn war, während die benachbarten Theile kolbi"e Anschwellung!! Fig. 129. Querschnitt des Halsmarkes eines sechs Wochen alten mensch- lichen Embryo von 0,56'" Hohe und 0,4 4" Breite am breitesten Theile, SOmal vergrössert. Bezeichnung wie in Fig. 4 28. ca Commissur a anterior, m vordere, s hintere Wurzel , v' hinterer Theil des Vorderstranges (sogenannter Seiten- strang), e' dünner Theil der Auskleidung des Centralkanales in der hinteren Mittellinie. Entwicklung des Nervensystems. 259 zeigten. Hier lag auch, wie bei Schaafen und bei dem eben er- wähnten jungen menschlichen Embryo, der Markkanal mit seinem Epithel frei zu Tage, sonst war derselbe überall theils wie seillich von der grauen Substanz, theils wie in der vorderen Mittellinie von der vorderen Commissur bedeckt. Die graue Substanz bestand überall aus kleinen kernhaltigen Zellen, vielleicht mit etwas Zwi- schensubslanz , und war vorn mächtig, hinten dagegen immer noch sehr wenig entwickelt. Die weissen Stränge erschienen als zwei schwächere Hinterstränge seitlich am hinteren Theile des Markes, aus denen nach vorn die hinteren Wurzeln hervortraten , und als zwei stärkere Vorderstränge. Am entwickeltesten waren diese zu beiden Seiten der vorderen Commissur, bis zur Austrittsstelle der vorderen Wurzeln , wo dieselben auch leicht vortretend schon einen seichten und breiten Sidcus anterior begrenzten. Hinter den vor- deren Wurzeln schien auf den ersten Blick die weisse Substanz ganz zu fehlen , eine Untersuchung mit starker Vergrösserung ergab je- doch , dass auch hier bis etwas vor der Stelle, wo der Spinalkanal seine grössle Breite besitzt, ein ganz dünner Bindenbeleg vorhanden war. Die gesammte weisse Substanz mit Inbegriff der Commissura anterior '.war übrigens wie früher durchscheinend, ja fast glashell, auf dem Querschnitte fein punclirt, streifig an Längsansichten und ohne Spur von Zellen und Kernen. — Gestützt auf diese Erfahrungen beim Menschen und Hühnchen schliesse ich mich nun ganz an Bidder u. Kupfer an und spreche mich dahinaus, dass die erste Anlage des Markes nur die des Epithels und der grauen Substanz in sich schliesst und dass die weissen Stränge und die Commissur erst in zweiter Linie als eine äussere Belegmasse auftreten. Wie diess geschieht, wird noch weiter zu er- mitteln sein, doch bin ich für einmal sehr geneigt wie Bidder und Kupfer vor Allem daran zu denken, dass die Nervenröhren ursprüng- lich einfach als Ausläufer der Zellen auftreten. Mit Bezug auf die Zahl der Stränge kann nicht wohl bezweifelt werden, dass eigentlich nur zwei Paar solcher vorhanden sind und dass die Seitenstränge nichts als Theile der Vorderstränge sind. Es ergeben sich mithin mit Bezug auf die erste Bildung des Markes folgende Sätze: 1 . Das Mark besteht nach der Schliessung der Bückenfurche aus einem Kanäle, dessen Wandung von ganz gleichartigen radial 17* gestellten Zellen gebildet wird 260 Siebenundzwanzigste Vorlesung. Weitere Entwicklung' des Markes. 2. In zweiter Linie bildet sich in dieser Wand eine Scheidung in zwei Lagen, von denen die äussere zur grauen Substanz sich ge- staltet, während die innere als Auskleidung des Centralkanales erscheint. 3. Die weisse Substanz erscheint später als die graue Substanz und ist eine äussere Belegung derselben , die unzweifelhaft in erster Linie von den Zellen der grauen Substanz geliefert wird. Die Zahl der Stränge ist vier, zu denen noch eine weisse Commissur kommt und treten die ersleren von Anfang an paarig auf. Die weitere Entwicklung des Markes ist beim Menschen und bei Säugern noch von gar Niemand auf die feineren Verhältnisse unter- sucht und doch sind hier noch einige nicht ganz unwichtige Thal- sachen verborgen. Da es mich zu weit führen würde, wollte ich Ihnen diese Angelegenheit in extenso vortragen, so begnüge ich mich mit der Vorlegung einiger Abbildungen, die sich auf das menschliche Rücken- mark beziehen. Fig. 130 u. 131 zeigen Ihnen Querschnitte des Markes Fig. 130. Fig. 130. Rückenmarksquerschnitt eines menschlichen Embryo von acht Wochen von \%*™ Höhe und 1 %mm Breite., SOmal vergrössert. Bezeichnung wie in Fig. 4 29. ti hervorragende Theile der Hinterstränge, die später als be- sondere Keilstrange erscheinen ; zwischen ihnen bei c Epithel des Central- kanals. Fig. 4 31. Querschnitt durch einen Halswirbel und das Mark eines 9 — 10 Entwicklung des Nervensystems. 261 von einem acht Wochen und einem neun bis zehn Wochen allen Embryo und werden Sie bei Vergleichung dieser Figuren mit Fig. 129 leicht herausfinden, dass das Wachsthumsgesetz des Markes im Allgemeinen das ist, dass, während der Centralkanal nach und nach verkümmert, die graue Substanz sowohl als und vor Allem der weisse Beleg an Masse zunehmen. Einzelnes anlangend so zeigt er- stens der Centralkanal eine von hinten nach vorn fortschreitende Atrophie, welche allem Anscheine nach vor Allem durch die mäch- tige Entwicklung der Ilinterstränge bewirkt wird. So geschieht es, dass derselbe allmälig von der Oberfläche ins Innere sich zurück- zieht und endlich nur noch einen relativ kleinen Baum im Centrum des Markes einnimmt. Bei dem in der Fig. 129 dargestellten Marke eines sechs Wochen alten Embryo sehen Sie den Kanal an der hin- teren Fläche des Organs frei zu Tage liegen, ja die ganze Breite des- selben einnehmen, es dauert jedoch dieser Höhepunct der Entwick- lung nicht lange, denn schon beim achtwöchentlichen Embryo finden wir den Centralkanal , obschon immer noch weit, doch mit seiner hinteren Hälfte schon sehr verkümmert, theilweise verwachsen und nur noch in einer geringen Ausdehnung an der Oberfläche des Markes, jedoch im Grunde einer kleinen Furche zwischen den Hintersträngen befindlich. Im dritten Monate endlich zieht sich der Centralkanal ganz ins Innere zurück und schwindet noch mehr. In der neunten Woche (Fig. 131) läuft auf dem Querschnitte die hintere Hälfte in eine schmale Spitze aus, welche noch etwas zwischen die Hinter- stränge eindringt, jedoch die Oberfläche lange nicht erreicht, und in der zwölften Woche liegt der Kanal ganz und gar im Innern, so dass er nun durch graue Substanz, die Commissitra grisea, von den Hin- tersträngen getrennt ist. Doch sieht man aueh um diese Zeit noch eine Andeutung des verkümmerten Theiles des Kanals in einem spitzen . Anhange seines Epithels , der mehr weniger weit gegen die Hinter- stränge sich erstreckt und keine deutliche Structur mehr besitzt. Das Epithel des Centralkanales junger Embryonen ist sehr dick Wochen alten menschlichen Embryo, 35mal vergrössert. Höhe des Markes iy2mm, Breite 2—2 yt«"«. e Epithel des Centralkanals, e in Obliteration be- griffener hinterer Theil desselben, v Vorderstrang, h 'Hinterstrang , ti Keil- strang desselben, vw vordere Wurzel, hw hintere Wurzel, g Ganglion spinale, pm Pia maier , dm Duramater, der Wirbelanlage noch dicht anliegend, ivk Wirbelkörper, ch Chordarest , wb Wirbelbogen knorpelig, ow Rest der Mem- brana reuniens snperior. 262 Siebenundzwanzigste Vorlesung. und wenigstens drei- bis vierschichtig. Später wird dasselbe dün- ner, und scheinen die äusseren Zellenlagen in den Bereich der grauen Substanz gezogen zu werden, was Sie nicht befremden wird, wenn Sie bedenken wollen, class dasselbe bei Embryonen der ersten Mo- nate nie scharf gegen die umgebenden Theile abgesetzt ist. Von der Entwicklung der Vorderstränge lehren die gege- benen Figuren, dass dieselben beim weiteren Wachslhume des Markes immer mehr sich verdicken und verbreitern, so dass sie schon beim acht Wochen alten Embryo mehr als die Hälfte des Markes einneh- men; jedoch erreichen um diese Zeit ihre hinteren Enden oder die Seitenstränge der Autoren die Hinterstränge noch nicht und sind durch eine später schwindende Seiten furche von denselben ge- schieden. Eine tiefere Furche bildet sich vorn durch das stärkere Wachsthum der Stränge gegenüber den inneren Theilen, die vordere Spalte, welche schon am Ende des zweiten Monates gut entwickelt aber noch breit ist und am Ende des dritten Monates nahezu die bleibenden Verhältnisse zeigt. Beim Embryo von neun bis zehn Wo- chen (Fig. 4 3 1 ) sind die Vorderstränge und Hinterstränge zur Ver- einigung gelangt und die graue Substanz rings von der weissen Masse umgeben. Die hinteren Stränge, die anfangs ganz seitlich ihre Lage haben , dehnen sich bald so gegen die hintere Mittellinie aus, dass sie schon in der achten Woche hier dieselbe Stellung einneh- men wie die vorderen Stränge an der anderen Seite. Sehr bemer- kenswerth sind um diese Zeit zwei besondere leistenartige Hervor- ragungen dieser Stränge , zwischen denen eine wirkliche hintere Längsspalte sich findet. Später rücken diese Leisten unter Verdrän- gung des Gentralkanals dicht an einander, so dass die Spalte ganz schmal wird (Fig. 131), doch tritt keine Verwachsung derselben ein und findet man schon im Anfange des dritten Monates eine binde- gewebige Scheidewand zwischen denselben , die jedoch nie mit der Pia mater aus der Spalte sich herauszieht. Während diess geschieht, ändert sich auch die Gestalt der Hinterstränge in der Art, dass die leistenförmigen Erhebungen immer mehr in dasselbe Niveau mit den äusseren Theilen kommen, dafür aber tritt im Innern eine Art Tren- nung ein und erscheinen dieselben im dritten Monate deutlich als besondere Keilstränge (Fig. 131) zu beiden Seiten der hinteren Längsspalte. Offenbar sind diese embryonalen Keilstränge dieselben Bildungen, welche Goll in seinen Beiträgen zur feineren Anatomie des Markes als die »dunklen Keile« der Hinterstränsje bezeichnet Entwicklung des Nervensystems. 263 und deutet ihr frühes Auftreten auf besondere anatomisch-physiolo- gische Beziehungen, über welche ohne weitere Anhaltspunkte sich auszusprechen zu Nichts führen kann. Nur das möchte ich Ihnen noch von unserem Slandpuncte aus bemerken , dass an Querschnit- ten die Trennung dieser Keile von dem äusseren Theile der Hinter- stränge oft eine so bestimmte ist, dass man sich des Gedankens nicht erwehren kann , dass die Ausgangspuncle für die Bildung beider ganz verschiedene sind. Von der grauen Substanz habe ich Ihnen in morphologischer Beziehung nicht viel zu sagen. Dieselbe wächst gleichzeitig mit den weissen Strängen, wenn auch anfänglich langsamer als diese, immer mehr heran und zeigt schon im dritten Monate Andeutungen der Hörner, welche unstreitig dadurch zu Stande kommen, dass stellen- weise die weisse, an anderen Orten die graue Substanz mehr wächst. So wird die seitliche Trennung der Hörner dadurch bedingt, dass gerade da, wo der Vorderstrang an den Hinterstrang angrenzt, er- sterer eine starke Wucherung nach innen entwickelt und in ähn- licher Weise geschieht dieses auch an den anderen Orten. Aus dem Angegebenen wird Ihnen nun wohl hinreichend klar geworden sein , dass die seit Tiedemann (Bildungsgeschichte des Ge- hirns) allgemeine Annahme, dass der Rückenmarkskanal erst in der Mitte des Fötallebens ganz sich schliesse, ganz unrichtig ist. Nur in der allerersten Periode, so lange die Rückenfurche besteht, ist der Kanal offen, von da an geschlossen. Es liegt übrigens besagter An- nahme das Wahre zu Grunde, dass beim zweimonatlichen Embryo das Mark von hinten her äusserst leicht wie in zwei Hälften bricht, die vorn zusammenhängen, was sich übrigens leicht begreift, wenn man weiss, dass der Spinalkanal um diese Zeit hinten mit seinem Epithel an der Oberfläche liegt. Die Häute des Rückenmarks sind meinen Erfahrungen zufolge Bildung der ö ° Rückenmarks keine Productionen der Medullarplatte oder des oberen Keimblattes, häute- sondern der Urwirbel. Die Pia mater ist schon bei Hühnerembryo- nen vom vierten Tage sichtbar (s. Fig. 29 mh) und etwas später wird auch die harte Haut deutlich. Beim sechswöchentlichen mensch- lichen Embryo sind beide Häute ebenfalls deutlich , doch habe ich um diese Zeit noch keine Gefässe im Mark gefunden. Selbst in der neunten Woche vermochte ich noch keine solchen zu entdecken und fiel mir auch auf, dass die Pia ganz leicht vom Marke sich löste. Beim Hühnerembryo zeigen sich nach Remak schon am neunten Tage 264 Siebenundzwanzigsle Vorlesung. Gefässe im Marke, doch lässt er es unentschieden, ob dieselben selb- ständig in ihm entstehen, oder von aussen sich hereinbilden. — Noch bemerke ich Ihnen, dass das Mark den Spinalkanal lange Zeit hindurch ganz erfüllt und der Subarachnoidealraum eine spätere Bildung ist. Entwicklung der Das peripherische Nervensystem, zu dessen Besprechung peripherischen Nerven. wir schliesslich noch übergehen , ist mit Bezug auf seine morpholo- gische Entwicklung noch äusserst wenig untersucht, immerhin lassen sich schon jetzt folgende wichtigere allgemeine Sätze auf- stellen : Allgemeine \ . Von allen Nerven sind nur zwei directe Productionen des cen- Bildungsgesetze. tralen Nervensystems und zwar der Tractus olfactorius mit dem Riechkolben und der Sehnerve mit der primitiven Augenblase, welche Theile daher auch als Organe des Gehirns selbst aufgefasst werden können, wie es beim Riechkolben in derThat schon längst geschieht. 2. Von den übrigen Abschnitten des peripherischen Nervensystems entwickeln sich die Ganglien sowohl der Gerebrospinalnerven und auch des Sympathicus unzweifelhaft ganz selbständig aus dem mittleren Keimblatte und setzen sich erst in zweiter Linie theils unter einander theils mit dem Rückenmarke in Verbindung. 3. Die motorischen Kopfnerven, sowie die motorischen Wurzeln der Rückenmarksnerven scheinen direct aus dem Rückenmarke und der Medulla oblong ata hervorzuwuchern und entwickeln sich dann centrifugal weiter unter Mitbetheiligung von Elementartheilen des mittleren Keimblattes. Zum besseren Verständnisse und zur näheren Begründung dieser Sätze diene Ihnen folgender Blick auf die geschichtliche Entwicklung dieser Frage. Die älteren Anatomen gingen von der Ansicht aus , dass die Bildung aller Nerven vom Gehirn und Rückenmarke aus erfolge und dass dieselben dann ganz allmälig gegen die Peripherie des Körpers fortwachsen, und findet sich dieselbe noch im Jahre 1827 von Tiede- mann vertreten (Zeilschr. f. Physiol. III. f. St. 25). Zu dieser Auf- stellung hatte wohl vor Allem das frühe Auftreten von Gehirn und Mark und dann auch der Umstand Veranlassung gegeben , dass un- streitig die höheren Sinnesnerven aus dem Gehirne sich hervorbilden. Im Jahre 1828 bemerkte jedoch v. Baer (Entw. I. St. 110), dass aus dem letzteren Umstände noch nicht folge , dass auch die anderen Entwicklang des Nervensystems. 265 Nerven in dieser Weise entstehen , indem wenn auch die höheren Sinnesorgane aus dem Gehirne sieh bilden , so doch die Bauch- und Rückenplatten, d. h. die Theile, in denen die Spinalnerven sich aus- breiten , unabhängig vom Rückenmarke entstehen. V. Baer erklärt, es sei ihm ebenso unwahrscheinlich , dass die Nerven aus den Mus- keln oder den anderen Organen in den Centraltheil hinein wachsen, als das Entgegengesetzte und spricht sich dahin aus (vergl. auch II. St. 102), dass die Nerven durch histologische Sonderung da sich bilden, wo sie sich'finden und gleich von Anfang an mit Ursprung und Ende angelegt werden, so dass keine Verwachsung ursprüng- lich getrennter Theile irgendwo sich finde. Zu dieser zweiten Auf- stellung, welcher bald die Mehrzahl der Forscher huldigte und die auch in den Handbüchern ihre Vertretung fand (S. Bischoff, Entw. St. 197), gesellte sich nun nach und nach eine dritte, die in ihren Anfängen auf Serres zurückgeht , nach welcher die peripherischen Nerven ganz selbständig sich bilden und erst in zweiler Linie mit Hirn und Mark verwachsen sollen (Anal. comp, du cerveau, Paris 1824. I. pag. 249 u. flgde.; 346 u. flgde. , 503). Die Gründe, die Serres vorbrachte, waren jedoch so mangelhaft, dass es begreiflich ist, dass seine Hypothese nicht den geringsten Anklang fand und schon von Tiedemann als irrig und keiner Widerlegung werth erklärt wurde. Und doch liegt, was jedoch Serres keineswegs als Verdienst angerechnet werden kann, in derselben etwas ganz Wahres und hätte Tiedemann offenbar besser gethan, sich etwas vorsichtiger zu äussern, um so mehr, da er selbst nach seinen Erfahrungen (1. c. St. 25) für eine selbständige Entstehung des Sympathicus sich aus- spricht. In der That haben die neuesten Untersuchungen unerwar- teter Weise nun wirklich Thatsachen ans Lieht gefördert, die zeigen, dass das Nervensystem weder in allen seinen Theilen selbständig, , wie v. Raer glaubte, noch einzig und allein vom Gehirn und Mark aus sich entwickelt. ReiMak war der Erste ; der an der Hand seiner embryologischen Untersuchungen beim Hühnchen zeigte, dass so- wohl die Ganglien gewisser Kopfnerven (des V. VII. VIII. IX. und X. Paares) als auch diejenigen aller Spinalnerven ganz selbständig entstehen und ursprünglich ohne alle Verbindung mit dem Central- nervensysteme sind, und ferner wahrscheinlich machte, dass auch gewisse Theile des Sympathicus unabhängig von den anderen peri- pherischen Nerven sich entwickeln (Ueber ein selbst. Darmnerven- system, Rerlin 1847. St. 23 u. flgde. , und Untersuchung, z. Entw. 266 Siebenundzwanzigste Vorlesung. St. 37, 41, 94, IM). Rem AK hat übrigens nirgends bestimmtere Andeutungen gegeben, wie eigentlich die Entwicklung des periphe- rischen Nervensystems vor sich gehe, doch findet man bei ihm noch die Bemerkungen: 1) dass die sensiblen Wurzeln von den Ganglien, und die motorischen von den Stämmen aus gegen das Mark sich bil- den, und 2) dass alle eben entstandenen Nerven aus ganz homoge- nen Fasern ohne Kerne bestehen, welche letzteren erst nachträglich sich bilden sollen (Darmnervensystem, St. 1 I und 26). Vergleichen Sie nun mit diesen Angaben die früher schon mit- getheilten der neuesten Beobachter in diesem Gebiete , so werden Sie finden , dass Bidder-Kupfer und Remak mit Bezug auf die selb- ständige und isolirte Entstehung der Spinalganglien ganz mit ein- ander übereinstimmen, nur dass erstere es unentschieden lassen, ob die hintere Wurzel vom Ganglion gegen das Mark oder umgekehrt sich hervorbilde. Dagegen weichen Bidder u. Kupfer sehr wesent- lich darin ab, dass sie, wenn auch nicht mit Bestimmtheit, doch mit Wahrscheinlichkeit die motorischen Wurzeln aus dem Rücken- mark hervorwachsen lassen und dieselben schon zu einer Zeit fin- den, wo von den sensiblen Elementen noch gar nichts da ist, ausser dem Ganglion. So weit die bisherigen Annahmen und Erfahrungen. Fragen Sie nun , welches Ergebniss meine Beobachtungen geliefert haben , so kann ich Ihnen Folgendes sagen. Es unterliegt nicht dem geringsten Zweifel, dass die Ganglien der Cerebrospinalnerven selbständig aus einem Theile der Ur wirbelplatten sich bilden. Ebenso kann ich nach meinen Beobachtungen am Hühnchen dahin mich aussprechen, dass die Ganglien der Spinalnerven anfänglich mit dem Marke nicht ver- bunden sind, und dass die sensiblen Wurzeln nicht in loco aus Ele- menten sich bilden , die zwischen dem Ganglion und dem Marke liegen. Wäre dem so , so müssten diese Wurzeln eine Zusammen- setzung aus zelligen Elementen zeigen und könnten nicht, wie Remak und Bidder-Kupfer mit Recht angeben, aus gleichartigen feinen Fäser- chen bestehen. Dagegen erlauben mir meine Wahrnehmungen bis- her keine Entscheidung über die wichtige Frage, ob die genannten Wurzeln vom Ganglion gegen das Mark oder in umgekehrter Richtung sich hervorbilden. — Die motorischen Wurzeln anlangend, so scheint es mir unzweifelhaft, dass dieselben aus dem Marke, d.h. den Zellen der grauen Substanz desselben, hervorwachsen, denn sie zeigen an- fänglich keine Spur einer Zusammensetzung aus kernhaltigen Ele- Entwicklung des Nervensystems. 267 menten und stehen von den allerersten Anfängen an mit dem Marke in Verbindung. Bei dieser Auffassung ist es freilich nicht leicht zu sagen, wo die Kerne herrühren, die an den ausgebildeten Nerven- fasern vorkommen, immerhin liegen mehrere Möglichkeilen vor, de- ren ausführliche Besprechung jedoch am zweckmässigsten der Ge- webelehre überlassen bleibt, daher ich mich hier auf die Bemerkung beschränke, dass es meinen Erfahrungen über die Entwicklung der Nerven in den Schwänzen der Froschlarven zufolge am wahrschein- lichsten ist, dass die Ausläufer der Nervenzellen des Markes in einer gewissen Entfernung von demselben mit peripherischen Zellen sich in Verbindung setzen. Die Membranen und Kerne dieser Zellen wer- den zur Scheide und den Kernen der ausgebildeten Nervenröhre, während möglicher Weise der Axencylinder eine Bildung ist, die von einer Nervenzelle im Centralorgan selbständig bis in die Peri- pherie hinein sich entwickelt. Nach Besprechung der allgemeinen Verhältnisse schildere ich Ihnen nun noch kurz die wichtigsten Einzelnheiten. _ . . ., . *J Entwicklung der Von den Kopfn er ven , mit Ausschluss der höheren Sinnes- K°pfnervWM und vielbesprochene Erscheinung ist die so- ^xJ^^^y^.-. 0 genannte Chorioidea Ispalte. Es zeigt chorioideai- "fJ> pr" — "Xs^^Sr spalte. fj^^r\q. ""■" nämlich die Chorioidea bei juneen Embryo- nen an der unteren inneren Seite einen ei- Fig. 143. genthümlichen, nicht pigmentirten Streifen Fig. 143. Kopf eines Hühnerembryo vom vierten Tage von unten, vergr. Chromsäurepräparat, n Nasengrube, o Oberkieferfortsatz des ersten Kiemen- bogens, u Unterkieferfortsatz desselben, k" zweiter Kiemenbogen, sp Cho- rioidealspalte des Auges, s Schlund. Kölliker, Entwicklungsgeschichte. 19 290 Neunundzwanzigste Vorlesung. (Fig. 91, 143), welcher vom Pupillarrande bis zum Opticuseintritte verläuft. Diese Bildung ist von gewissen Forschern als eine wirkliche Lücke aufgefasst und mit dem Namen der Choroidealspalte belegt worden und hat mit Bezug auf ihre Bedeutung und Entwicklung zu den verschiedenartigsten Meinungen Veranlassung gegeben. Fassen wir zuerst das Thatsächliche ins Auge, so ist sicher, dass bei den Augen aller Wirbel thiere und auch beim Menschen, bei dem der Streifen in der sechsten bis siebenten Woche schwindet, so- bald die Pigmentirung deutlicher wird, ein farbloser Streifen an der angegebenen Stelle der Gefässhaut sich findet, sowie dass dieser Streifen an derselben Stelle liegt, wo beim menschlichen und beim Hühnerembryo die Einstülpung des Glaskörpers in die secundäre Augenblase sich macht. Ferner ist nach der früher auseinanderge- setzten Entwicklung der secundären Augenblase nicht zweifelhaft, dass dieselbe anfänglich unten und innen wirklich eine Lücke hat, die dann später sich schliesst. Es ist somit klar , dass die Retina, die auf jeden Fall aus der Wand der secundären Augenblase sich bildet, ursprünglich eine Spalte haben muss und nach meinen Er- fahrungen beim Menschen ebenso gewiss , dass eine solche auch an der Pigmentschicht der Chorioidea sich findet. Wäre die Ansicht von Remak über die Entstehung der Gefässschicht der Chorioidea richtig, so könnten wir unbedingt auch dieser eine Spalte zuschreiben, allein wie die Sachen für einmal liegen, ist eine Entstehung derselben aus der secundären Augenblase nicht wahrscheinlich und somit kein Grund vorhanden, an dieser Schicht eine Spalte zu statuiren. In der Thal hat nun auch , obschon gewisse pathologische Erfahrungen für eine Spalte der Chorioidea zu sprechen scheinen, die directe Beob- achtung der fötalen Chorioidea bisanhin noch nichts von einer sol- chen ergeben. Jene Erfahrungen sind die von pathologischen Spalt- bildungen aller Augenhäute und des Glaskörpers in der nachembryo- nalen Zeit , die allerdings bei der Annahme normaler Fötalspalten auch in den äusseren Augenhäuten unschwer sich erklären würden, aber wie leicht begreiflich doch nicht mit Bestimmtheit für die Anwe- senheit solcher sprechen. Die directen Beobachtungen über die fötale Chorioidea anlangend , so ist zu bemerken , dass bisanhin eigentlich keine genaue Untersuchung bekannt geworden ist, in welcher eine Spalte in der Chorioidea nachgewiesen worden wäre , während auf der anderen Seile ein so genauer Beobachter wie v. Baer versichert, dass die sogenannte Spalte nur ein pigmentloser Streifen sei. Das- Entwicklung des Auges. ^91 selbe meldet auch Remak (Unters. St. 35) und ist es in der That nicht schwer bei Hühnerembryonen sich zu überzeugen, dass in der Ge- gend der Spalte die Unterbrechung einzig und allein in der Pigment- schicht liegt, und so werden wir denn dahin uns aussprechen dür- fen, dass der weissliche Streifen an der schon gefärbten Aderhaut nur eine Lücke der Pigmentschicht und nicht der gesammten Chori- oidea sei. Die Retina ist ein Theil der primitiven und später der secun- Retina. dären Augenblase, und entsteht nach den Erfahrungen von Remak und mir ganz bestimmt nur aus der inneren Lamelle der letzteren. Die Retina geht somit aus einer ächten Wucherung oder Ausstül- pung des Gehirns hervor und ist die zuerst gebildete Augenhaut. Wie aus dem bisher Angegebenen hinreichend klar geworden sein wird, reicht dieselbe, sobald einmal die Linse und die secundäre Augenblase entstanden ist, bis an den Rand der Linse und endet hier mit einem freien dicken Rande, (Figg. 142, 144). Diese weite Er- streckung der Retina nach vorn lässt sich nicht blos bei ganz jungen Embryonen leicht demonstriren, sondern ist auch noch in späteren Zeiten nachzuweisen , wie beim Hühnchen aus der Mitte der Aus- brütungsperiode und bei menschlichen Embryonen aus dem zweiten bis fünften Monate. In der zweiten Hälfte des embryonalen Lebens bleibt jedoch der vordere Theil der Retina im Wachsthume zurück (beim sieben- bis achtmonatlichen Fötus misst diese Lage nach Huschke [Eingeweidelehre St. 728] nur noch Visa"') und bildet sich nach und nach zu der Pars ciliaris um, die, wie Sie wissen , beim Erwachsenen keine nervösen Elemente mehr enthält. Eine fernere von allen Beobachtern gesehene und leicht zu bestätigende Sache ist die Dicke der embryonalen Retina. Bei dem erwähnten vier Wo- chen alten menschlichen Embryo betrug die Dicke der Retina 0,03 — "0,04"' und verhielt sich zum Gesammtdurchmesser des Auges wie 1 :7,3 — 1 :5,5; bei dem Auge des 8%'" langen Kalbsembryo, das die Fig. I 42 darstellt, maass die Retina 0,15 — 0,16'", das Auge selbst 0,7'", das Verhältniss war somit 1 : 4,6 — 1 : 4,3. In der zehnten Woche verhält sich nach Valentin die Dicke der Retina zum Quer- durchmesser des Augapfels wie I : 8 , während das Verhältniss beim Erwachsenen wie 1 :25 — 30 ist. Durch diese bedeutende Dicke er- innert die Retina noch lange an ihren Ursprung aus dem Hirn , um so mehr, da sie auch, rascher wachsend als die übrigen Augentheile, schon im zweiten Monate nach innen Falten schlägt. Zuerst scheint 19 * 292 Neunundzwanzigste Vorlesung. eine Falte an der unteren Seite des Sehnerven aufzutreten , zu der sich dann aber bald noch zahlreiche andere gesellen, welche vor- zugsweise im Grunde des Auges stehen. Gegen das Ende des Embryonallebens verschwinden nach und nach diese Falten wie- der und beim Neugebornen ist die Haut ganz glatt wie beim Er- wachsenen. Der gelbe Fleck fehlt beim Embryo , und ist selbst bei Neu- gebornen noch nicht sichtbar. Nach Huschke (Eingeweide]. St. 728) findet sich beim Fötus in dieser Gegend wirklich eine Spalte oder ein Centralloch, während beim Erwachsenen bekanntlich die Retina hier nur eine dünne Stelle hat, und ist dieser Autor der Ansicht (de pectine avium 1 827. Progr. §. 8), dass das Loch ein Rest der fötalen ursprünglichen Spalte des Augapfels sei, welcher Auffassung auch v. Baer sich angeschlossen hat (Entw. II. St. 218). Gegen diese An- sicht spricht jedoch , wie schon Brücke und Schöler hervorgehoben haben , die Lage des gelben Fleckes an der äusseren Seite des Seh- nerven, während die ursprüngliche fötale Augenspalte an der unte- ren inneren Seite des Auges ihre Lage hat. Gefässedes Wir wenden uns nun zum Glaskörper und zur Linse, fötalen Auges. welche in mehrfacher Beziehung ein besonderes Interesse beanspru- chen. Zunächst bemerke ich Ihnen, dass beide durchsichtigen Medien des fötalen Säugethier- und Menschenauges mit einem be- sonderen Systeme von Gefässen versehen sind, von dem man beim Erwachsenen keine Spur mehr findet. Ein Durchschnitt des Auges zur Zeit der vollen Entwicklung dieser Gefässe gibt folgendes Bild (Fig. 144). Die grosse und so dicht an der Hornhaut anliegende \% r Fig. 144. Fig. 144. Vorderer Theil des halbirten lO'/g"11" grossen Auges eines Kalbs- embryo, vei'gr. I slructurlose Linsenkapsel, v hinterer Theil der gefässhal- tigen Kapsel der Linse, cp Membrana capsulo -pupillaris , p Membrana papil- laris, h M. hyaloidea und Fortsetzung derselben in die Zonula Zinnii , die mit der M. capsulo-pupillaris sich vereint. Die hintere Wand des Petit'schen Kanales Entwicklung des Auges. 293 Kapsel der Linse. Linse, dass von einer vorderen Augenkammer eigentlich noch keine Rede sein kann, ist von einer dünnen bindegewebigen Membran, der sogenannten «gefässh altigen Ka psel» umschlossen, welche sich Gefässhaitige enge an die hintere Wand derselben anschmiegt [v), dann am Rande des Organs auf die vordere Seite umbiegt, und zwischen Iris und Linse, die ebenfalls dicht beisammen liegen, bis zum Irisrande nach vorn verläuft (cp) , woselbst sie mit der Iris zusammenhängt, und das Sehloch verschliesst (p) . Die einzelnen Theile dieser Haut sind nur nach und nach den Anatomen zur Reobachtung gekommen und erklärt es sich so, dass dieselben unter besonderen Namen aufge- führt worden sind , was zu mehrfachen Missverständnissen Veran- lassung gegeben hat. Am frühesten wurde die Haut bekannt, welche das Sehloch schliesst, und ist diess die vielbesprochene Membrana pupillaris (p) , erst viel später und vor Allem durch J. Müller und Henle (s. des letzteren Diss. de membrana pupillari, Bonnae 1832) wurde dann auch die Fortsetzung der Pupillarhaut bis zum Rande der Linse [cp) oder die Membrana capsulo-pupillaris genauer unter- sucht und ist es namentlich der Verdienst von Henle nachgewiesen zu haben, dass beide Häute und die längst bekannte Gefässausbrei- tung an der hinteren Wand der Linse (v) zusammengehören und eine besondere gefässreiche fötale Umhüllung der Linse bilden. Die Gefässe dieser Hülle oder der Gefässhaut der Linse [Tunica vasculosa lentis) zeigen folgendes Verhalten. Die Arteria cen- tralis retinae gibt beim Eintritte in den Bulbus eine kleine Arterie, die Art. hyaloidea s. capsidaris, ab, welche in dem sogenannten Ca- nalis hyaloideus, der mit der Area Martegiani beginnt, durch den Glas- körper gegen die Linse verläuft. Etwas vor der letzteren und ge- wöhnlich nicht ganz in der Mitte, sondernder unteren Seite näher, spaltet sich dieselbe pinselförmig in Aeste, welche an der hinteren •Wand der Linse in der Tunica vasculosa sich ausbreiten. Nach allen Seiten strahlen hier unter spitzwinkligen Theilungen , welche sich vielfach wiederholen, die kleinen Aestchen der Arteria capsidaris aus, und gehen endlich am Aequator der Linse in eine grosse Menge fei- ner paralleler Zweigelchen aus. Verfolgt man diese weiter, so findet Membrana pupillaris. Membrana capsulo- pupillaris. konnte nicht erhalten werden, und ist daher nicht gezeichnet, r Retina, sc Scle- rotien und Chorioidea , i Iris, c Cornea ohne Conjunctiva dargestellt. — Alle Zwischenräume zwischen der Linse und ihrer gefässreichen Kapsel, sowie zwi- schen dieser und der Ms und Cornea und zwischen diesen beiden Theilen selbst sind in Natura nicht da und mussten der Deutlichkeit wegen gezeichnet werden, 294 Neunundzwanzigste Vorlesung Fis 145. sich, dass dieselben um den Rand der Linse herum in den vorderen Theil der Gefässhaut der Linse, d. h. in die Membrana capsulo- pupillaris und pupillaris über- gehen , hier aber dann noch mit anderen Gefässen , die von der Iris in die Pupillarhaut übergehen, sich vereinen. Von vorn gesehen erscheint das Ge- fässnetz in folgender Weise. An der Stelle der Pupille be- merkt man eine zarte durch- sichtige Membran mit zahlrei- chen radiären Blutgefässen. Die feineren unter denselben, deren Zahl überwiegt, sind alle Fortsetzungen der Aeste der Arteria capsularis , die gröberen dagegen stammen von den Irisgefässen ab, bilden je- doch mit den anderen überall reichliche Anastomosen, jedoch ohne wirkliche Capillarnetze zu erzeugen, wie Henle richtig bemerkt, wobei die Mitte ent- weder von Gefässen frei bleibt oder nicht. Manche dieser Iris— gefässe der Pupillarhaut tragen sehr bestimmt den Character von Venen an sich und ist wohl kaum zu bezweifeln , dass das meiste Blut der Arteria capsularis durch die Venen der Iris abfliesst. Doch scheinen auch noch andere Verbindungen der Gefässe der Tunica vasculosa lentis da zu sein, wie nach Henle (1. c. pag. 28. Fig. 5, 6) mit den Gefässen der Cho- rioidea durch eine Gefässausbreitung, die von der Gegend der An- Fig. 146. Fig. 145. Ausbreitung der Art. hyaloidea an der hinteren Kapselwand der Linse einer neugeborenen Katze. Nach einer Injection von Thiersch. Fig. 146. Gefässe des vorderen Abschnitts der gefässreichen Membran der Linse (M. capsulo- pupillaris et pupillaris) einer neugeborenen Katze. Nach einer Injection von Thieksch. Entwicklung des Auges. 295 fange der Ciliarfortsätze auf der Zonula Zinnii gegen den Rand der Linse hinzieht. Zum richtigen Versländnisse der gefässreichen Linsenkapsel habe ich Ihnen nun noch anzuführen, dass dieselbe, bevor die Iris gebildet ist , mit ihrer vorderen Wand ganz genau der Linse anliegt. So wie aber die Iris hervorwächst, stülpt sie die genannte Wand etwas ein, woher es dann kommt, dass die Pupillarhaut vom Rande der Iris aus erst ein wenig auf die vordere Irisfläche übergeht und dann erst sich umbiegt, um die Pupille zu verschliessen. Nichts destoweniger liegt auch nach dem Hervorsprossen der Iris die Membrana capsulo-pupü- laris und pupillaris der Linse genau an und fehlt eine hintere Au- genkammer ebenso wie beim Erwachsenen ganz und gar. Ja es fehlt selbst die vordere Augenkammer beim Fötus bis gegen das Ende der Schwangerschaft, zu welcher Zeit sie ganz langsam sich entwickelt, und liegt daher die Linse auch später dicht an der Cornea, nur durch die Pupillarhaut von ihr getrennt. Die gefässhaltige Kapsel der Linse hat die Aufmerksamkeit der Bedeutung der Anatomen und Aerzte schon lange auf sich gezogen und ist es be- se KaPseL°en sonders die Pupillarmembran gewesen, welche das Interesse dess- halb erregte, weil sie in gewissen Fällen beim neugebornen Kinde noch existirt und die sogenannte angeborene Verschliessung der Pu- pille (Atresia pupillae congenita) bewirkt. Diese practische Seite die- ser Angelegenheit führte dann zu einer genaueren Untersuchung der Pupillarhaut sowie überhaupt der ganzen gef ässhaltigen Kapsel , in welcher Reziehung ich Ihnen nun noch Folgendes zu sagen habe. Die gefässhaltige Kapsel erhält ihre Gefässe schon im zweiten Monate des Embryonallebens und zeigt dieselben von da an bis zum sechs- ten und siebenten Monate aufs zierlichste "entwickelt. Von da an beginnt der Schwund derselben und eine Resorption der sie tragen- •den bindegewebigen Haut, die jedoch, wenn man die Angaben aller Autoren zusammenfasst, an keine ganz bestimmte Zeit gebunden ist, so dass sich nur so viel sagen lässt, dass in der Regel beim Neuge- borenen von der ganzen Rildung nichts mehr sich vorfindet. — Die physiologische Redeutung der gefässreichen Kapsel der Linse anlangend, so unterliegt es mir keinem Zweifel, dass dieselbe als eigentliches Ernährungsorgan der Linse anzusehen ist. Es gilt als allgemeine Regel für die höheren Geschöpfe, dass wachsende Theile mehr Rlutgefässe besitzen als fertige Theile, und bewahrheitet sich diess beim Embryo aufs bestimmteste an den Knorpeln, den Kno- 296 Neunundzwanzigste Vorlesung. chen , der Haut und beim Auge speciell auch von der Cornea und Retina, von welch' letzterer Thiersch in Erlangen namentlich den grossen Gefässreichthum aufgedeckt hat (s. m. Mikr. Anat. Fig. 423). So sehen wir, dass auch die ihrer Natur nach als Epidermisgebilde nothwendig gefässlose Linse behufs ihres Wachsthums eine grosse Menge von Blutgefässen erhält, die dann später, wenn das Organ eine gewisse Entwicklung erreicht hat und sein rasches Wachsthum aufhört, wieder vergehn. Nach Huschke (Eingevveidelehre St. 786) wiegt die Linse beim sechszehn Wochen alten Kinde 123 Milligramm und beim Erwachsenen nur 67 Milligr. mehr, nämlich 1 90 Milligr., woraus hinreichend ersichtlich ist, dass nach der Geburt ihr Wachs- thum ein ungemein langsames ist. Entwicklung Die Entwicklung und anatomische Bedeutung der gefässreichen 61 SKapSseLC e° Kapsel der Linse ist bis jetzt noch kaum ins Auge gefasst worden. Nach Schöler (I.e. St. 31) ist die Membrana pupillaris und capsulo- pupillaris der vordere Theil der Chorioidea, die anfänglich das ganze Auge und somit auch die Linse umhüllt, dann aber beim Vogel mit der Bildung der Iris vom Corpus ciliare aus schwindet. Bei dieser Aufstellung wird jedoch ganz übersehen , dass der hintere Theil der gefässreichen Linsenkapsel , der in keiner Weise auf die Chorioidea zurückgeführt werden kann, mit den vorderen Theilen Eins ist, und ist daher die Hypothese von Schöler von vorne herein als eine un- genügende zu bezeichnen, ganz abgesehen davon, dass es auch für die M. pupillaris und capsulo- pupillaris, die ja nirgends mit der Cho- rioidea zusammenhängen, ganz unmöglich ist sie auf diese Membran zu beziehen. Meiner Ueberzeugung nach muss jede Erklärung der Bil- dung der gefässreichen Linsenkapsel davon ausgehen, dass dieselbe einen die Linse vollkommen umhüllenden Sack bildet und physio- logisch zu derselben gehört , gewissermaassen das Ernährungsorgan derselben bildet. Von diesem Standpuncte aus und gestützt auf die Entwicklung der Linse und des Glaskörpers von der äusseren Haut aus habe ich schon vor acht Jahren die Vermuthung ausgesprochen (Mikr. Anat. II. St. 726, Handb. d. Gewebel. 3. Aufl. St. 653), dass die gefä'ssreiche Kapsel der Cutis entspreche, welche bei der Bildung der Linse mit einem Theile der Epidermis von der Haut sich ablöse und in das Auge gerathe. Der Glaskörper könne dann als modificir- tes subcutanes Bindegewebe aufgefasst werden, womit seine Be- schaffenheit bei Embryonen nicht übel stimme. An dieser Aufstel- lung halte ich auch jetzt noch fest, obschon ich nicht verkenne, dass Entwicklung des Auges. 297 dieselbe noch lange nicht nach allen Seiten hinreichend gestützt ist, ja dass selbst gewisse Thatsachen gegen dieselbe zu sprechen scheinen. Als solche könnte man die Angaben von Biümak bezeichnen wollen, nach denen beim Hühnchen die primitive Augenblase einzig und allein vom Hornblatte bedeckt ist, mithin bei der Abschnürung der Linse kein Theil der Cutis mit sich ablösen kann (s. Fig. 136), allein die Vögel besitzen keine Membrana pupillaris, wie schon IIal- ler (Eiern, phys. T. V. pag. 373, de la formation du poulet. pag. 170) und v. Baer (Entwickl. II. St. 116) melden, denen auch Henle (I.e. pag. 24), wenn schon nicht ganz bestimmt, sich anschliesst, und ebenso fehlt wenigstens dem Hühnerembryo, wie ich finde, der hin- tere Theil der gefässreichen Kapsel und eine Arteria, capsidaris ganz und können somit die Beobachtungen von Bemak für die Säuget liiere und den Menschen nicht maassgebend sein. Ich habe nun allerdings bei diesen eine Mitablösung der Cutisschicht bei der Linsenbildung noch nicht beobachtet, immerhin habe ich so viel gesehen, dass die eben erst gebildete Linse des vier Wochen alten menschlichen Em- bryo schon eine besondere äussere Kapsel in Gestalt eines hellen, dicken, aus Zellen gebildeten Häutchens besitzt, welche, da noch keine Chorioidea und Faserhaut da war, keine andere Deutung zu- lässt. Da nun auch eine andere Erklärung der gefässreichen Kapsel nicht gedenkbar ist, so scheint mir, dass meine Hypothese nicht so ganz unbegründet dasteht, und vergleiche ich somit die gefässreiche Kapsel allen jenen bindegewebigen Hüllen , die die von der äusseren Haut und den Schleimhäuten durch Wucherungen der Epidermis- und Epithelialzellen sich bildenden Organe (Drüsen, Haare) als Be- kleidung mit erhalten. Von der Linse selbst ist nach dem schon Mitgetheilten nur Linse. noch wenig zu bemerken. Wie wir schon früher sahen , besteht die Linse ursprünglich ganz und gar aus Zellen. Diese Zellen wachsen nach und nach in Fasern aus, so jedoch, dass ein Best der Zellen an der vorderen Fläche der Linse bis zum Aequator in Gestalt eines Epithels liegen bleibt, von welchen Zellen dann, wie ich gezeigt habe (Mikr. Anat. II. St. 731), das Wachsthum des Organes besorgt wird, welches durch Apposition neuer Elemente von aussen geschieht. Die i.insenkapsei. Linsenkapsel ist anfänglich nicht da, tritt schon im zweiten Monate als ein sehr feines Häutchen auf und wächst dann durch Anlagerung immer neuer Schichten. Da dieselbe nie eine Zusammensetzung aus Zellen zeigt, so ist klar, dass sie nichts als eine Ausscheidung 298 Neunundzwanzigste Vorlesum Glaskörper. Gefässhaltige Kapsel des Glaskörpers. der die Linse anfänglich zusammensetzenden Zellen und des späte- ren Epithels der vorderen Linsenkapselvvand ist, bei welcher Auf- fassung ihre grössere Dicke an der vorderen Wand, an der zellige Elemente zeitlebens sich erhallen , sich leicht erklärt. — Die Linse ist bei Embryonen und noch bei Neugebornen kugeliger als beim Erwachsenen (Fig. \ 42) und zeigt bei Neugebornen an beiden Polen einen einfachen Stern mit drei Strahlen. Der Glaskörper, obschon allem Anscheine nach aus der Haut hervor gegangen, zeigt doch in seinem Innern nie wirkliches Binde- gewebe, auch nicht von embryonaler Form, sondern besteht von Anfang an aus einer homogenen Grundsubstanz mit eingestreuten rundlichen Zellen , welche vorzüglich in seinen oberflächlichen Schichten liegen. Dagegen zeigt sich bei Embryonen ans einer Aus- senseite, jedoch offenbar zu ihm gehörend, eine dünne Lage gefäss- haltigen Gewebes, die ich die gefässhaltige Kapsel des Glas- körpers nenne, weil sie offenbar dieselbe physiologische Bedeutung hat, wie die entsprechende Hülle der Linse. Die Gefässe dieser Kapsel stammen von der Retina und bilden in ihr ein lockeres Maschennetz, das bis auf das vordere Ende der Glashaut oder auf die sogenannte Zonula Zinna reicht und dort mit dem sogenannten Circulus Masca- gnii endet, der, wie schon erwähnt, auch mit den Gefässen der Linsenkapsel in Zusammenhang ist. Die Zeit, um welche diese Ge- fässe schwinden, ist nicht bekannt und kann ich Ihnen nur so viel sagen, dass sie, wie schon Arnold angibt, in der Mitte des Fötal- lebens (vom dritten bis sechsten Monate) sehr gut entwickelt sind. Ueber die Entwicklung der Membrana hyaloidea ist nichts be- kannt, doch ist wohl kaum zu bezweifeln, dass dieselbe eine binde- gewebige Membran ist , für welche Auffassung noch beim Erwach- senen die Zusammensetzung der Zonula Zinnii spricht. Von den äusseren Theilen des Auges erwähne ich Ihnen nun Augenlider, zum Schlüsse noch Folgendes. Die Augenlider entstehen im An- fange des dritten Monates als niedrige Hautfalten, kommen im vier- ten Monate zur Berührung und verkleben mit einander, öffnen sich Thränendrüsen. jedoch in der Regel noch vor der Geburt wieder. Die Thränend rü- sen entstehen nach Art der Speicheldrüsen, von denen später die Rede sein wird, als anfänglich solide Wucherungen des Epithels der Conjunctiva und fällt ihre Bildung in den Anfang des vierten Monates (Fig. 1 47). Beim Hühnchen erscheint diese Drüse nach Remak (Unters. St. 92. Taf. VI. Fig. 87) am achten Tage als ein einfacher, hohler, Membrana hyaloidea. Entwicklung des Auges. 299 aber noch nicht nach aussen mündender doppel wandiger Gylinder, der mit dem Epithel und der Faserschicht der Conjuncliva zusam- menhängt, und durch solide Sprossen an seinen Enden weiter wuchert, die erst in zweiter Linie zum Theil von sich aus , zum Theil von Seiten der schon vorhandenen Gänge hohl werden. — Der Thränenkanal ist keine Ausslül- Thränenkanai. pung der Mundrachenhöhle, wie v. Baer seiner Zeit angenommen hat, sondern anfänglich eine Furche zwischen dem äusseren Nasenfortsatze und dem Unter- kieferfortsatze, die in zweiter Linie zu einem Kanäle sich schliesst, eine An- f- % Fis. 147. gäbe, die Goste zuerst gemacht hat und die ich vollkommen bestätigen kann. Wie die Thränen kanälchen sich bilden, ist bis jetzt noch nicht erforscht. Nach Ammon (1. c. St. 160) werden dieselben am Ende des vierten Monates sichtbar. Die Mei- Boai'schen Drüsen bilden sich spät und zwar im sechsten Monate als solide Wucherungendes Epithels der Augenlidränder, die erst in zweiter Linie Höhlungen erhalten, und durch solide Wucherungen ihre Drüsenbläschen anbilden. Fig. 1 47. Anlagen von drei Thränendrüsen eines viermonatlichen mensch- lichen Embryo etwa 60mal vergr. 1. Ganz junge Anlage in Gestalt eines soliden Zellenstranges mit einer Faserhaut. 2 und 3. etwas entwickeltere Drüschen mit Höhlungen im Innern ; f Anlage der bindegewebigen Hülle der Drüsen, e Epithel derselben von der Faserhülle etwas abstehend, was nicht ganz natür- lich ist; a einzelne noch solide, eben in der Bildung begriffene Epithelialspros- sen, die später zu hohlen Bläschen werden, wie solche auch zu sehen sind. CanaHculi lacrymales. MElBOJi1sche Drüsen. Dreissigste Vorlesimg. B. Entwicklung des G eh ö rorgan es. Entwickiungs- Meine Herren! Das Gehörorgan, zu dem wir heute über- Gehörorganes gehen , entwickelt sich auf den ersten Blick ähnlich wie das Auge gemeinen. un(j ßncjet man auch bei diesem Organe beim Embryo eine Bildung, welche vom Hornblatte und vielleicht von der gesammten äusseren Haut ausgeht, dann einen Theil , welchen das Nervensystem liefert und endlich eine Milbetheiligung des mittleren Keimblattes; es zeigt sich jedoch bei näherer Betrachtung doch eine nicht" unbedeutende .Verschiedenheit zwischen beiden Sinnesapparaten. Während näm- lich das Auge , wie ich Ihnen ausführlich auseinandergesetzt habe, ursprünglich als eine Ausstülpung aus dem Medullarrohre auftritt, zu welcher sich dann von aussen her die nach innen wuchernde und zu dem Glaskörper und der Linse sich umgestaltende Haut gesellt, zeigt sich, dass das Gehörorgan niemals die Form einer hohlen, mit dem Hirnrohre zusammenhängenden Blase besitzt, ja dass dasselbe mit Inbegriff des Hörnerven ganz unabhängig vom centralen Nerven- systeme seinen Ursprung nimmt. Genauer bezeichnet entsteht der Hörnerv nach Art der gangliösen Kopfnerven selbständig in den Ur- wirbelplalten des Kopfes und setzt sich erst in zweiter Linie einer- seits mit der dritten Hirnblase, d. h. dem Nachhirn, und anderseits mit dem Labyrinthe in Verbindung, welches, d. h. die häutigen Säckchen und halbkreisförmigen Kanäle, so wie der eigentliche Schneckenkanal, seinerseits von der äusseren Haut aus seinen Ur- sprung nimmt und uranfänglich ein nach aussen geöffnetes Bläschen darstellt. Zu diesen zwei wesentlichsten Bestandtheilen des Gehör- organes gesellen sich dann noch Anlagerungen vom mittleren Keim- blatte her, welche die knorpeligen und zum Theil auch die häutigen Umhüllungen des Labyrinthes liefern , so wie endlich gewisse Theile Entwicklung des Gehörorganes. 301 Fig. 148. der Kiemenbogen und der ersten Kiemenspalle, aus denen das mitt- lere und äussere Ohr sammt den Gehörknöchelchen und dem Trom- melfell ihren Ursprung nehmen. Nach dieser übersichtlichen Schilderung lege ich Ihnen nun Primitives zuerst die Entwicklung des Labyrinthes und des Hörnerven im Ein- zelnen dar. Die erste Entwicklung dieser Theile anlangend, so ist es b jL d a schon längst bekannt, dass das IfiSjBSB^iSjBBjjfe^ Labyrinth ursprünglich in Ge- stalt eines einfachen rundlichen Bläschens, des Gehör- oder I, a b y r i n t h b 1 ä s c h e n s , au f- tritt , das unpassend auch Em- aiERT'sches Bläschen genannt wird, da, was dieser Forscher seiner Zeit beschrieb, etwas ganz anderes war. Längere Zeit hindurch, ja bis in unsere Tage, galt es auch, gestützt auf die Er- fahrungen von v. Baer, Bathke (Entw. d. Natter St. 16), Beichert (Entw. im Wirbelthierreich St. 12 1) und Bischoff (Entwicklungs- geschichte, St. 228) denen später auch H. Gray beistimmte (Phil. Trans. 1851. I. pag. 196), als Axiom, dass dieses Labyrinthbläschen ebenso wie die primitive Augenblase aus dem centralen Nerven- systeme und zwar dem Nachhirne sich ausstülpe und eine Zeit lang mit demselben in offener Verbindung sei und doch hatte schon kurze Zeit nach v. Baer's ersten Mitlheilungen (Entw. I.) der durch so viele feine Beobachtungen seiner Zeit voraneilende Huschke im An- fange der dreissiger Jahre {Isis 1831. St. 951) den Satz ausgespro- chen, dass das Labyrinth des Ohres ursprünglich nur eine Grube der Haut sei, deren Ausführungsgang oder äussere Mündung beim Hühnerembryo am dritten Tage sich schliesse. Die neueste Zeit hat nun in der That diese allerdings sehr aphoristische und daher wenig beachtete Mittheilung bestätigt. Zuerst erklärte Bischoff (Entw. d. Kaninchens St. 129 und Entwicklungsgesch. St. 567), dass nach sei- nen neueren Untersuchungen das primitive Ohrbläschen ursprüng- Fig. 148. Embryo der Fig. 68 vergrössert. a Amnion, b Dottersack, c er- ster Kiemenbogen, Unterkieferfortsatz , d Oberkieferfortsatz desselben Bogens, e zweiter Kiemenbogen, hinter dem noch zwei kleinere sichtbar sind. Spalten sind drei deutlich, zwischen dem 1. und 2., 2. und 3. und 3. und 4. Bogen, /"Anlage der vorderen Extremität, g primitives Ohrbläschen, h Auge, i Herz. 302 Dreissigste Vorlesung. in keiner Verbindung mit dem Medullarrohre stehe, und dass er auch nie die allmä'lige Hervorbildung desselben aus dem Medullar- rohre wahrgenommen habe, doch gelanges ihm nicht, die erste Ent- wicklung des Bläschens zu verfolgen und erwähnt er auch Huschke's Darstellung mit keinem Wort. Darauf folgte Remak (Unters. I. Lief. 1-851. St. I — 40. Taf. I, II, VII), der ebenfalls ganz bestimmt aus- sprach , dass die Gehörbläschen keine Ausstülpungen des Medullar- rohres sind (St. 1 8) und dieselben auch im Zustande offener nach aussen mündender und von dem Hornblatte ausgekleideter Bläschen wahrnahm, jedoch darin im Irrthume befangen war; dass er diesel- ben aus den Kopfplatten ableitete und ursprünglich als solide schei- benförmige Körper beschrieb. Nach diesen Vorarbeiten gelang es denn Remak und Reissner ziemlich gleichzeitig und unabhängig von einander den Nachweis zu liefern , dass in der That die Labyrinth- bläschen , wie Huschke schon angedeutet hatte, von Anfang an als Einstülpungen der Haut auftreten. Während jedoch Reiss>er (de auris inlernae formatione. Dorp. 1851 Diss.), dieselben durch Einstül- pung der ganzen Haut, Cutis und Epidermis, die bei Reissxer nach Reichert als Umhüllungshaut bezeichnet ist, sich bilden lässt, leitete Remak (Unters. Heft IL 1851. St. 73 und 93 und Tab. III) dieselben nur vom Hornblatte ab und stellte ihre Bildung mit derjenigen der Linse in Eine Linie. Gehörbläschen Wenn Jemand , der gewohnt ist , auch nur mit schwächeren des Hühnchens. Vergrösserungen embryologische Untersuchungen anzustellen , Hüh- nerembryonen vom Ende des zweiten und dem dritten Tage unter- sucht, so wird er sicherlich erstaunen, dass es so lange dauern konnte, bevor man über die Entwicklung des primitiven Ohrbläs- chens ins Reine kam , denn nichts ist leichter, als die Beobachtung desselben als eines gegen das Nachhirn abgeschlossenen, nach aussen ausmündenden Säckchens, und habe ich Ihnen, wie Sie sich erinnern werden , schon in einer früheren Stunde Gelegenheit gegeben , ein solches Ohrbläschen zu sehen. Verfolgen wir den Vorgang bei der Bildung desselben beim Hühnchen genauer, so zeigt sich, dass in der zweiten Hälfte des zweiten Tages zu beiden Seiten des Kopfes ungefähr der Mitte des Nachhirns entsprechend zwei seichte Grüb- chen entstehen, welche zusehends tiefer in die Kopfwand sich ein- graben , und am Ende des zweiten Tages schon als zwei ziemlich tiefe Gruben mit einer engeren Mündung erscheinen. Ueber die eigentliche Lage und Bildung dieser Gruben geben jedoch erst Quer- Entwicklung des Gehörorganes. 303 schnitte, wie sie schon Reissner und Remak abgebildet haben, voll- kommenen Aufschluss und erkennt man an solchen, dass die Anlagen der Ohrbläschen ziemlich genau in der Höhe des Medullarrohres ihre Lage haben und somit in der Gegend der Urwirbelplatten und nicht der Seitenplatten ihren Ursprung nehmen, mit anderen Worten, dem Rücken angehören. Querschnitte lehren ferner sehr bestimmt, dass die Ohrbläschen anfangs nichts als weitoffene Einbuchtungen und später erst rundliche Säckchen mit kurzem Halse und engerer Mün- dung sind, sowie dass das Hornblatt dieselben vollkommen ausklei- det und hier auffallend verdickt und aus mehrfachen Schichten lang- gestreckter Zellen zusammengesetzt ist. krümmung rasch sich entwickelt Am dritten Tage , an welchem beim Hühnerembryo die Kopf- erkennt man die Ohrbläschen in der seitlichen Ansicht leicht (Fig. 'I 49) und befinden sich dieselben in der Höhe des nun entstandenen zweiten '*■ Kiemenbogens und der zwei- ten Kiemenspalte. Die Oeff- nung derselben ist immer noch deutlich als eine runde, mehr nach dem Rücken zu gelegene Lücke , doch wird nun dieselbe immer enger und schliesst sich am Ende dieses Rrüttages ganz, während zugleich die Bläschen eine leicht birnförmige Gestalt mit dem breiteren Theile nach unten oder vorn annehmen. Am vierten Tage sind dieselben ganz abge- schnürt und zeigen nun, wie Remak ganz richtig angegeben hat, ausser der vom verdickten Hornblatte herrührenden Wand, die ganz und gar aus mehrschichtigen länglichen Zellen besteht, keine Spur einer anderen Hülle, so dass mithin, gerade wie bei der Linse, auch Fie. U9. Fig. 149. Kopf eines Hühnerembryo vom dritten Tage, vergr. , Chrom- säurepräparat. 1. von vorn, 2. von der Seite, n Geruchsgrübchen, l Linse mit einer runden Oeffnung, durch die ihre Höhle nach aussen mündet, gl Augen- spalte, die mit der Bildung des Glaskörpers zusammenhängt und von der Ge- gend des Randes der Linse auf den Sehnerven oder Augenstiel übergeht, je- doch nicht deutlich genug ausgefallen ist. o Oberkieferfortsatz des ersten Kie- menbogens, u Unterkieferfortsatz desselben, g Gehörbläschen durch eine runde Oeffnung nach aussen mündend. Ausserdem sind noch der zweite und dritte Kiemenbogen und in der Fig. 1 auch die Mundspalte sichtbar. 304 Dreissigste Vorlesung. hier nur die äussere Lage der Haut oder das Epidermisblalt bei der Abschnürung beiheiligt erscheint. Gehörbiäsciaen So viel vom Hühnchen. Was nun die Säugethiere und den Menschen anlangt, so ist durch zahlreiche Beobachtungen verschie- dener Autoren hinreichend constatirt , dass auch hier das Labyrinth in Gestalt eines rundlichen Bläschen zu beiden Seilen des Nachhirns auftritt (siehe Fig. 59, 54, 46 nach Bischoff, Fig. 69 und 70 nach Thomson) , doch fehlen bis jetzt alle und jede Beobachtungen über die erste Entwicklung und die feinere Zusammensetzung dieser Bläs- chen, indem auch Bischoff , der hierzu die beste Gelegenheit gehabt hätte, nichts weiter über diese Verhältnisse mitgetheilt hat. Auch ich bin leider nicht im Stande diese Lücke ganz auszufüllen, immer- hin kann ich Ihnen mittheilen , dass das Labyrinthbläschen eines vier Wochen alten menschlichen Embryo, dessen Gestalt allerdings schon nicht mehr ganz die primitive war (s. Fig. 150) von einer ein- h m zigen dicken (von 0,02 — 0,03'") Mem- bran umgeben wrar, die wie die des Hühnchens ganz und gar aus läng- lichen epithelarligen Zellen bestand, und wohl unzweifelhaft vom abge- schnürten Hornblatte herrührte. In Anbetracht dieses Umstandes und ge- stützt auf die Beobachtung von Bi- schoff, dass das Ohrbläschen der Säugethiere anfänglich mit dem Medullarrohre gar nicht zusammen- hängt, wird es daher wohl erlaubt sein anzunehmen, dass seine erste Bildung auch bei den Säugelhi sich geht, wie beim Hühnchen. Wir wenden uns nun zur £ def^ab1>rinth" des Labyrinthbläschens, die besonders durch die Untersuchungen blasen ens. •> ' a Bildung auch bei den Säugethieren und beim Menschen eben so vor 3h weitere ^jr werKjen uns nun zur Schilderung der weiteren Entwicklung Tj Umwandlung o o Fig. 150. Schädel eines vier Wochen alten menschlichen Embryo, senk- recht durchschnitten, von innen und vergrössert dargestellt, a unbestimmt durchschimmerndes Auge , n o hohler platter Nervus opticus, v, s, m, h, n Gru- ben der Schädelhöhle, die das Vorderhirn, Zwischenhim , Mittelhirn, Hinter- hirn und Nachhirn enthalten, t mittlerer Schädelbalken oder vorderer Theil des Tentorium cerebelli , t' seitlicher und hinterer Theil des Tentorium, jetzt noch zwischen Mittelhirn und Zwischenhirn gelegen, p Ausstülpung der Schlund- höhle, die Rathke früher mit der Bildung der Hypophysis in Zusammenhang gebracht, o primitives Gehörbläschen mit einem oberen spitzen Anhang, durchschimmernd. Entwicklung des Geliörorgancs. 305 von Ratiike bei der Natter und von Reissner beim Hühnchen bekannt geworden ist. Die erste Veränderung, welche das Bläschen nach seiner Schliessung oder gleichzeitig mit dieser erleidet, ist die, dass es eine deutlich birn form ige oder keulenförmige Gestalt annimmt und dann in zwei Theile, einen unteren mehr rundlichen und einen oberen länglichen, der wie ein Anhang des ersteren erscheint, sich scheidet. Dieser Anhang wandelt sich nach Ratiike bei der Natter T Anhang des ° Labyrinthes, Re- nach und nach in ein gestieltes, kolbenförmiges, mit dem Vorhofe eesau» kOyrmm, ' REISSNER. verbundenes Säckchen um, welches später einen Brei von Krystallen von kohlensaurem Kalk enthält und noch beim erwachsenen Thiere, von der Schuppe des Hinterhauptsbeines eingeschlossen , zu sehen ist, es ist jedoch Ratiike der Ansicht, dass dieser Anhang des Vor- hofes, der nach ihm auch bei den Eidechsen sich findet, bei den höheren Thieren vollkommen fehle und nur noch an dem von E. H. Weber bei den Plagiostomen beschriebenen, vom Vorhofe zum Schä- deldache aufsteigenden kalkhaltigen Kanäle ein Analogon habe. In die- ser Beziehung hat der vortreffliche Forscher geirrt und haben sowohl Reissner als Remak gezeigt, dass auch beim Hühnchen eine ähnliche Aussackung des Labyrinthbläschens sich findet, die dann nach Reiss- ner bei älteren Embryonen mit ihrem erweiterten Ende mit der Dura mater sich, verbindet und ihren Stiel durch den Aquaeductus vestibuli zum Vorhofe sendet. Ja selbst bei Säugethieren findet sich ein ähn- licher Anhang des Labyrinthbläschens , worauf zuerst Reissner die Aufmerksamkeit gelenkt hat. In der That kennt man schon längst bei Säugethieren einen stielarligen oberen Fortsatz des primitiven Ohrbläschens (man vergl. Bischoff Kaninchenei Fig. 66, Hundeei Fig. 41 B, G, 42 B und in diesem Werke Fig. 60 und 61), es scheint jedoch derselbe allgemein nach dem Vorgange von Bischoff für den Gehör- nerven gehalten worden zu sein, bis Reissner (1. c. pag. 28) seine • Uebereinstimmung mit dem Labyrinthanhange (Recessus labyrint/ü R.) des Hühnchens darthat. Reim Menschen ist bisher über das Vor- kommen eines solchen Anhanges noch nichts bekannt geworden, ich habe jedoch bei einem vier Wochen alten Embryo denselben ebenfalls sehr schön ausgeprägt gefunden (Fig. 4 öl) und ist daher wohl kaum zu bezweifeln , dass derselbe bei den Wirbelthieren eine, wenn auch vielleicht nicht allgemeine, doch sehr verbreitete Erschei- nung ist. — Noch habe ich Ihnen zu bemerken, dass die Stelle, wo der Anhang des Labyrinthbläschens liegt, offenbar die ist, wo das- selbe sich schliesst und erklärt sich so , dass Reissner den Anhang Kölliker, Entwicklungsgeschichte. «0 306 Dreissigste Vorlesung. Fig. 151, in einzelnen Fällen noch durch eine feine Mündung nach aussen ge- öffnet fand. Kurze Zeit nachdem die besprochene Zweitheilung des primiti- ven Labyrinthbläschens aufgetreten ist. bildet sich aus dem grösse- ren unteren Theile desselben ein zweiter Anhang nach vorn und unten hervor, die Anlage der Schnecke, deren Entstehung durch eine Verlängerung des Bläschens unter gleichzeitiger theil weiser Ab- schnürung eines Stückes zu den- ken ist. Zugleich buchtet sich der Rest des Säckchens aus und wird rundlicheckig, so dass dann das Ohrbläschen, das nun schon La- byrinth heissen kann , eine eigen- tümliche schwer zu beschreibende Gestalt erhält, die Ihnen aus den vorstehenden Zeichnungen klar werden wird, die das durch Präparation unter der Lupe isolirte La- byrinth des schon öfter erwähnten vier Wochen alten menschlichen Embryo darstellen. Fig. 151 , B zeigt das Labyrinth der rechten Seite von aussen ; v ist der Vorhof, der bei es eine rundliche Aussackung, die Anlage eines halbkreisförmigen Kanals zeigt und in dieser An- sicht ohne scharfe Grenze in die Schnecke c übergeht. Nach oben und vorn ragt der bedeutende Vorhofsanhang oder der Recessus la- byrinthi hervor. In der Ansicht von hinten (Fig. 151, A) erscheint das Labyrinth etwas abgeplattet , mit leicht nach innen gebogenem Recessus vestibuli , einer deutlicher abgesetzten , mit dem Ende nach aussen gekrümmten Schnecke und zwei Anlagen halbkreisförmiger Kanäle am Vorhofe. Von vorn endlich ist die Gestalt im Wesent- lichen ebenso , nur erscheint die Schnecke breiter. Vovhof und halbkreisförmige Kanäle. zelnen Abschnitten Die weiteren Veränderungen muss ich Ihnen nun von den ein- gesondert vorführen. Was ich vorhin Vorhof nannte, ist, wie Sie schon haben entnehmen können, nicht der blei- Fig. 151. Primitives Gehörbläschen eines vier 'Wochen alten menschlichen Embryo von der rechten Seite, durch Präparation isolirt und vergrössert dar- gestellt. A. von hinten, B. von der Seite und von aussen, v Vestibulum, rv Reces- sus vestibuli sive labyrinthi, es, es Anlagen der halbkreisförmigen Kanäle, c Spitze der Anlage der Schnecke, c' vorderer oberer Theil der Schneckenanlage, a obere Ausbuchtung am Vestibulum vielleicht Anlage eines Can. semicircularis. Länge des Recessus vestibuli 0,13'", Bi'eite am breitesten Theile ebensoviel; Länge von Vestibulum sammt Cochlea 0,36'". Entwicklung des Gehörorganes. 307 bende Vorhof für sich allein, sondern enthält auch die Anlagen der halbkreisförmigen Kanäle und des Sacculus rotundus. Die Entwick- lung der ersteren ist zuerst von Rathee bei der Natter aus der Beob- achtung eines früheren Stadiums richtig erschlossen und dann von Reissner beim Hühnchen durch directe Beobachtung, wenn auch nicht ganz vollständig, doch so ermittelt worden, dass nun die Haupt- puncle als festgestellt bezeichnet werden können. Hiernach bilden sich am Vorhofe im weiteren Verlaufe an den Stellen der späteren Kanäle erst rundliche und dann längliche Erweiterungen oder Aus- sackungen , die dann in ihren mittleren Theilen verwachsen und vom Vorhofe sich abschnüren. So entstehen kurze, gerade, dem Vor- hofe dicht anliegende Kanäle , welche dann durch fortschreitendes Wachsthum nach und nach eine grössere Länge, die typische Krüm- mung und ihre Ampullen gewinnen. Diese Erfahrungen kann ich für den Menschen und die Säugethiere ergänzen. Bei dem in der Fig. 151 wiedergegebenen jungen menschlichen Labyrinthe besass der Vorhof zwei deutliche rundliche Ausbuchtungen innen und aussen, die nicht wohl etwas anderes sein können , als Anlagen von halb- kreisförmigen Kanälen , welcher wage ich nicht zu entscheiden, da mir die nächstfolgenden Stufen unbekannt geblieben sind. Ebenso hat vielleicht auch die Ausbuchtung bei v in Fig. I 51 , B oder die bei a in Fig. 151, A auf den dritten Kanal Bezug, worüber fernere Unter- suchungen entscheiden werden. Ist so das erste Auftreten der frag- lichen Kanäle constatirt, so lehren Beobachtungen an 8%'" langen Kalbsembryonen auch ihre weiteren Umwandlungen. Hier nämlich waren dieselben längere stark vortretende Ausbuchtungen des Vesti- bulum und zum Theil schon in der Abschnürung begriffen , wie die Fig. 152 lehrt, in der der Canalis externus , wenn auch nicht ganz getrennt, doch in der Mitte einen sehr verengten Eingang besitzt. — •Diesem zufolge können keine Zweifel darüber bestehen, dass die halbkreisförmigen Kanäle in der That so entstehen , wie Bathee und Beissner annehmen , und will ich Ihnen nun nur noch angeben, dass der Best des primitiven Vorhofes, der für die Bildung der Kanäle nicht verbraucht wird, zum Alueus communis canalium semicir- cularium oder zum Sacculus hemiellipticus sich gestaltet. Der Sac- culus rotundus ist mit Bezug auf seine Entwicklung noch nicht hin- reichend verfolgt, doch kann man wohl mit grosser Wahrscheinlich- keit annehmen, dass derselbe ursprünglich in ähnlicher Gestalt auftritt wie die halbkreisförmigen Kanäle, dann aber vom Vorhofe 20 * 308 Dreissigsle Vorlesung. Fig. 152. Umhüllungen Labyrinthes gänzlich sich abschnürt. Vielleicht ist die in der Fig. 1 52 dargestellte Ausbuchtung nach innen sr der Sacculus rotundus. Ueber die späteren Schicksale des Recessus vestibuli bei Säuge- thieren ist bis jetzt nichts bekannt. Auch ich habe demselben bis jetzt keine grössere Aufmerksam- keit geschenkt und ist alles , was ich Ihnen weiter mittheilen kann das, dass derselbe zur Zeit, wo das Labyrinth schon deutlich ange- legte halbkreisförmige Kanäle hat, die Gestalt eines langen schmalen Kanales besitzt (Fig. 152, rv), der vom Vorhofe aus gerade nach oben steigt und dann blind endigt. Bei älteren Embryonen ist mir ein solcher Kanal bis jetzt noch nicht zu Gesicht gekommen — doch muss ich bekennen , dass ich auch nicht speciell darnach gesucht habe — und vermuthe ich, dass derselbe bei Säugethieren vergeht, um so mehr, da bei erwachsenen Geschöpfen von einer Verbindung des häutigen Labyrinthes mit dem im Aquaeductus vestibuli enthal- tenen Strange nichts bekannt ist. des Bevor ich weiter gehe , muss ich nun zuerst der Umhüllungen des Labyrinthes gedenken. Ich habe Ihnen schon oben mitgetheilt, dass das primitive Ohrbläschen beim Vogel einzig und allein aus dem Hornblatte oder der embryonalen Epidermis hervorgeht, und dass dasselbe auch beim jungen menschlichen Embryo keine zweite be- sondere Hülle erkennen lässt. Es ist auch nicht im geringsten zu bezweifeln , dass alle bis jetzt geschilderten Veränderungen einzig und allein auf Rechnung von Wachsthumserscheinungen der ur- sprünglichen epithelialen Membran kommen. Haben diese Verände- rungen eine gewisse Stufe erreicht, so findet man das Labyrinth in allen seinen Theilen von einer zarten bindegewebigen Membran, und Fig. 152. Querschnitt durch einen Theil des Schädels und das Labyrinth eines -81/./" langen Rindsembryo 30mal vergr. ch Chorda in der noch •wei- chen Schädelbasis, sh Schädelhöhle, a Begrenzung der Höhlung in der Schä- delwand, die die epitheliale Labyrinthblase b enthält, die an einigen Stellen et- was von der Wand absteht, v Vestibulum , ss oberer halbkreisförmiger Kanal, se äusserer halbkreisförmiger Kanal, rv Recessus vestibuli, sr Anlage des Sac- culus rotundus?, c Anlage der Schnecke, c Ende der Anlage der Schnecke der anderen Seile. Entwicklung des Gehörorganes. 309 dann von einer äusseren dickeren und festeren Masse umgeben, welche später die Natur eines Knorpels annimmt und zur Pars pe- trosa ossis temporum sich gestaltet. Nach Rathke soll dieser- Knorpel bei der Natter von einer besonderen Anlage aus, die anfänglich die Gestalt einer Ilachen Schale habe und unter dem Labyrinthe liege, sich entwickeln, was dagegen die höheren Geschöpfe anlangt, so kann ich mit Bestimmtheit versichern, dass die Verhältnisse hier ganz andere sind. Bei dem 8%'" langen Rindsembryo, dessen Gehörorgan in der Fig. 152 dargestellt ist, bestand die ganze Schädelbasis und die Seitentheile des Schädels aus einer zusammenhängenden Masse von rundlichen Zellen, mit äusserst wenig Zwischensubstanz, die noch nicht Knorpel genannt werden konnte und in der Mitte die Chorda enthielt. Bei einem acht Wochen alten menschlichen Embryo war die Umhüllung des Labyrinthes schon entschieden Knorpel, allein derselbe hing ebenfalls ohne Abgrenzung mit der knorpeligen Schä- delbasis zusammen und ebenso zeigen sich die Verhältnisse auch bei älteren Kalbsembryonen. Diesem zufolge scheint es mir unzweifel- haft, dass die knorpeligen Felsenbeine ganz in derselben Weise sich bilden , wie die übrigen Seitenwandungen des Schädels (vergl. St. 204) ; später jedoch nehmen dieselben im Zusammenhange mit der eigentbümlichen Ausbildung des Sinnesapparales eine von derjenigen der übrigen Seitenwandungen abweichende Entwicklung und ge- stalten sich zu besonderen Knochen, die nicht mehr recht in den gewöhnlichen Typus eines Wirbels passen , ohne jedoch desswegen fundamental von diesem abzuweichen. Aus dem Gesagten wird Ihnen nun ersichtlich sein , dass die epitheliale Blase des primitiven* Labyrinthes genau in derselben Weise wie das ebenfalls vom äusseren Keimblatte sich abschnürende Medullarrohr von dem mittleren Keimblatte eine bindegewebige und .gefässhaltige Hülle und eine äussere festere, später knorpelige Kapsel erhält. Ja es lässt sich die Vergleichung noch weiter treiben. Genau in derselben Weise nämlich wie das Medullarrohr liegt auch die epi- theliale Labyrinthblase anfänglich nur locker in ihren Hüllen und schält sich verhältnissmässig leicht aus denselben heraus. Später verbindet sich dieselbe fester mit dem inneren Theile der wuchern- den bindegewebigen Hülle, während der äussere Theil derselben als inneres Perichondrium des knorpeligen Labyrinthes erscheint und zuletzt endlich bildet sich zwischen diesen beiden Blättern der bin- degewebigen Hülle ein Zwischenraum, der mit dem Labyrinlhwasser Labyrinthes. 3 |Q Dreissigste Vorlesung. sich füllt, so dass dann das spätere häutige Labyrinth wie frei in einem Räume enthalten ist, der der Lücke zwischen Dura und Pia maier verglichen werden kann. Entstehung der Die Art und Weise , wie dieser Raum sich bildet, ist übrigens Höhlen des , knöchernen bis jetzt noch gar nicht verfolgt und doch verdient der hierbei statt- findende Vorgang Ihre Aufmerksamkeit, indem derselbe als Typus für viele Hohlraumbildungen beim Menschen und bei Thieren (Unter- arachnoidealraum, Höhlen der Gelenke, Schleimbeutel, Sehnenschei- den , freie Räume in der Schädelhöhle von Fischen , Hauträume der Ratrachier u. s. vv.) betrachtet werden darf. Nach meinen Unter- suchungen beim Menschen und bei Säugethieren gestalten sich die Verhältnisse folgendermaassen. Mit dem Wachsthume des epithelia- len Theiles des Labyrinthes wuchert auch seine bindegewebige Hülle rasch und gewinnt bald eine beträchtliche Dicke. Zugleich scheidet sich dieselbe in drei Lagen, eine äussere und innere , festere und dünnere Schicht und eine mittlere weichere Masse, die, vor Allem an Umfang zunehmend, bald die anderen an Dicke weit übertrifft. Untersucht man diese letztere mit starken Vergrösserungen , so er- kennt man leicht, dass dieselbe aus dem von mir sogenannten gal- lertigen Rindegewebe (Schleimgewebe Virchow) , d. h. aus einem Netzwerk von sternförmigen anastomosirenden Zellen mit rundlichen, von Flüssigkeit erfüllten Maschen besteht. Zur besseren Versinn- lichung dieser Verhältnisse wollen Sie die Fig. 153 besehen, welche den Querschnitt des oberen halbkreisförmi- gen Kanales eines sechsmonatlichen mensch- lichen Embryo sammt dem umgehenden Knorpel darstellt, o ist die bindegewebige Hülle des Tubidus membranaceus, dessen Epi- ^ thel an diesem Präparate ausgefallen war, 6 das Periost des Kanales im Knorpel und die mächtige helle Schicht c das Gallerteewebe, Fig. 153. ° s von dem ich Ihnen keine stark vergrösserte Zeichnung vorlege , da dasselbe auf ein Haar mit dem in meiner Ge- webelehre (3. Aufl. Fig. 208) abgebildeten Schwammgewebe aus dem Fig. 153. Querschnitt des oberen halbkreisförmigen Kanales eines sechs Monate alten menschlichen Embryo, vergr. o bindegewebige Hülle des Tu- bulus membranaceus, dessen Epithel nicht erhalten ist, 6 Periost des im Knorpel ausgegrabenen Kanales, c Gallertgewebe zwischen beiden, d Knorpel mit Ver- kalkung bei e. Entwicklung des Gehörorganes. 31t Schmelzorgane embryonaler Zahnsackeben stimmt. Aus diesem Gal- lertgewebe nun bildet sich nach und nach der Hohlraum , der später den häutigen halbkreisförmigen Kanal umgibt in der Art, dass die Maschen desselben nach und nach grösser werden und endlich zu- sammenfliessen , wobei das Zellennetz theils gesprengt , theils nach beiden Seiten an die betreffenden Wandungen angepresst wird , wo es noch beim Erwachsenen oft in sehr deutlichen Ueberresten in Bindegewebe umgewandelt zu erkennen ist. — Den beschriebenen Vorgang habe ich sowohl bei den halbkreisförmigen Kanälen als auch beim Vorhofe beobachtet, ausserdem findet sich derselbe aber auch noch, wie Sie später hören werden, in der Schnecke und führt zur Bildung der Treppen derselben. Noch erwähne ich Ihnen , dass die bindegewebigen Hüllen des sich entwickelnden Labyrinthes schon sehr frühe Ge fasse erhalten, die zum Theil auch in dem erwähnten Gallertgewebe vorkommen, dagegen habe ich im Labyrinthknorpel des Menschen und der Säu- ger bis jetzt nichts von solchen gesehen. Einunddreissigste Vorlesung. Bildung der Meine Herren ! Nach dem in der letzten Stunde Bemerkten wer- den Sie nun die Bildung der Schnecke, zu der wir heute über- gehen, leicht verstehen. In ihrer ersten Anlage ist die Schnecke, wie wir sahen, eine einfache längliche Ausbuchtung der primitiven La- byrinthblase, die zuerst (Fig. 151) weder durch Gestalt noch Lage an die spätere Schnecke erinnert. Bald aber wächst innerhalb der noch weichen Umhüllung der Schneckenkanal in die Länge und krümmt sich immer mehr nach innen , bis er so horizontal in der Schädelbasis drin liegt, wie die Fig. 152 zeigt und somit eine Lage und Form darbietet, welche fast auf ein Haar die Verhältnisse der Vögel wiedergibt. Die vogelähnliche Schnecke der niedersten Säuge- thiere (Echidna, Ornühorhynchus) muss auf dieser Stufe stehen blei- ben , bei den übrigen Säugern und beim Menschen dagegen wächst das Rohr weiter und zwar in der bekannten Spiralkrümmung, wäh- rend zugleich die umgebende festere Schädelwand mitwucherl , so jedoch, dass sie immer, von aussen besehen, eine einfache Kapsel um das Schneckenrohr darstellt, während ihre Elemente im Innern gewissermaassen ausweichen und dem weichen Rohre Raum lassen. In der achten Woche hat beim menschlichen Embryo der Schnecken- kanal schon eine ganze Windung, deren Ende nicht in derselben Ebene liegt wie der Anfang, und in der elften bis zwölften Woche ist das Rohr vollkommen ausgebildet. Die knorpelige Umhüllung ist in der achten Woche von aussen gesehen eine kleine linsenförmige Kap- sel , die durch ein dünneres Knorpelblatt mit der Mitte der knor- peligen Schädelbasis zusammenhängt und nach unten leicht convex vorspringt, während sie nach oben zum Theil schwach vertieft ist und hier durch eine Oeffnunt' den Hörnerven aufnimmt. Im dritten Entwicklung des Gehörorganes. 313 es embryonalen Schneckenkanals. Fie. 154. Monate wird das ganze knorpelige Labyrinth massiger und zeigt am Ende desselben schon eine bedeutende rundliche Auftreibung da wo die Schnecke sitzt, die nun auch nach oben vortritt (Fig. 88). Nach Hüschke gestaltet d Bedeutun sich der embryonale Sehne It ckenkanal , der anfänglich 'r mit dem häutigen Vorhofe in Verbindung steht , dann aber von demselben sich trennt, nicht zum ganzen Schneckenkanale, sondern einzig und allein zum häu- tigen Spiralblatte, welches beim Embryo ein platter, erst einfach gebogener und dann spiralig sich ausziehender Kanal ist. Dieses hohle Spiralblatt liegt nun anfänglich, sammt einem dasselbe locker umgebenden Perioste dem knorpeligen Gehäuse dicht an, sodass die Scalae noch nicht existiren. Diese entstehen erst später mit der allmäligen Abplattung des hohlen Spi- ralblattes, wodurch dasselbe immer mehr von den Schneckenwän- den sich zurückzieht, bis es entflieh zu dem nicht mehr hohlen blei- benden weichen Spira] blatte sich umgestaltet hat. Die Scalae sind somit nach Husciike seröse Räume, welche den Hohlen der knöcher- nen Bogengänge entsprechen, woraus dann ferner folgt, dass die Tubuli membranacei und die Säckchen des Vorhofes in dem embryo- nalen hohlen Spiralblatte ihr Analogon haben. — Diese sehr wich- tigen Angaben von Husciikk, durch welche zum ersten Male die Mög- lichkeit sich eröffnet hat, die Schnecke mit den übrigen Theilen des Labyrinthes zu vergleichen, sind, obgleich schon im Jahre 1844 ans Licht getreten, doch bis jetzt einzig und allein von Reissner geprüft worden (1. c. und Müll. Arch. 1854. St. 420), der dann auch diesel- ben vollständig bestätigte und durch die bemerkenswerthe Ent- deckung erweiterte, dass der embryonale Kanal im Spiralblalte, den Fig. 154. Querschnitt durch die Schnecke eines acht Wochen alten mensch- lichen Embryo, vergr. dargestellt. CC unterer Theil der knorpeligen Kapsel der Schnecke, C oberer Theil derselben, Je ein Theil des knorpeligen Korpers des Keilbeins mit der Schnecke unmittelbar verbunden, a Acusticus , g Ganglion desselben, f Facialis (?) , c Schneckenkanal nahe am Anfange, c Ende dessel- ben, e verdickter Theil des Epithels des Schneckenkanals, bb bindegewebige Ausfüllungsmasse im Innern der knorpeligen Schnecke. 314 Einunddreissigste Vorlesung. Reissner ccSchneckenkanal», Canalis cochlearis , nennt, auch noch beim Erwachsenen sich findet. Was mich selbst anlangt, so habe ich der Schnecke alle Aufmerksamkeit geschenkt und will ich Ihnen nun nach meinen Erfahrungen , die innere Entwicklung derselben, etwas ausführlicher schildern. Am einfachsten ist es von der in Fig. 154 wiedergegebenen Schnecke eines acht Wochen alten mensch- lichen Embryo auszugehen. Hier zeigt das knorpelige Labyrinth in der Gegend der Schnecke eine einfache Höhle, deren Innenwand noch in keiner Weise die Gestalt des kaum mehr als Eine Windung beschreibenden Schneckenkanales wiedergibt, sondern ohne alle Vorsprünge ist. Erfüllt wird diese Höhle erstens von dem Epithe- lialrohre des Schneckenkanales, das jetzt noch fast ganz rund und im Verhältniss zur ganzen Schnecke auch sehr weit ist und an der oberen Seite , wo später die Scala tympani liegt , eine viel grössere Dicke besitzt , und zweitens von einer bindegewebigen Lage , die als Umhüllung des Schneckenkanales und als Träger des Schnecken- nerven erscheint, dessen grosses Ganglion schon in die Aushöhlung der ersten Windung sich erstreckt. Eine solche Schnecke hat mithin weder Treppen noch ein Spiralblatt, auch keinen knorpeligen Spi- ralkanal. — Fragen Sie nun, wie diese Schnecke aus der in der Fig. 4 51 gezeichneten hervorgegangen ist, so ist die Antwort nicht schwer. Vor Allem wollen Sie berücksichtigen, dass an der Säuge- thierschnecke kurze Zeit nach ihrer Bildung der Nervus Cochleae mit einem grossen Ganglion, das ich Ganglion spirale nennen will, dicht anliegt. Wenn nun der Schneckenkanal anfängt spiralig auszuwach- sen, folgt das Ganglion demselben genau und zieht sich strangförmig aus, und während diess geschieht, beginnt auch eine histologische Differenzirung der anfangs gleichartigen und weichen Kapsel um die Schnecke, so dass dieselbe in eine äussere festere Knorpellage und eine innere weich bleibende bindegewebige Umhüllung des epithelia- len Schneckenkanales und des Nervus Cochleae sammt seinem Gang- lion sich scheidet, und dann ist der Zustand der, den die Fig. 154 darstellt. Die Umwandlung der eben geschilderten einfachen Schnecke zu den späteren Formen lässt sich kaum errathen und hat mir wenig- stens dieser Fall von neuem sehr lebhaft gezeigt, wie schwer es ist, den Entwicklungsgang eines Organes a priori zu construiren. Und doch sind, wenn man die Natur einmal befragt hat., die Verhältnisse so äusserst einfach und wird es Ihnen an der Hand der Fie. 155 Entwicklung des Gehörorganes. 315 nicht schwer fallen, das Weitere zu begreifen. Diese Schnecke eines Kalbsembryo von 3%" Länge, die schon ihre volle Zahl von Win- dungen besitzt, zeigt fürs erste, dass während der epitheliale Schne- ckenkanal seine volle Länge erreicht, auch das knorpelige Schnecken- gehäuse mitwächst uud zwar so, dass seine innere Höhle zwar im- mer noch einfach bleibt, aber doch schon an der Wand eine spiralige Furche ausgegraben zeigt, die auf dem Durchschnitte durch Vor- sprünge (vv) bezeichnet wird. Weiter ist dann besonders die un- gemeine Zunahme des inne- ren Bindegewebes bemerkens- werlh , in Folge derer der epi^ theliale Schneckenkanal (a) ganz an die Peripherie des Binnenraumes der knorpeligen Kapsel verdrängt worden ist und nun verhältnissmässig ei- nen viel kleineren Baum ein- nimmt, obschon seine absolute Grösse nicht abgenommen hat. Diese Zunahme hängt zusam- men mit der mächtigen Entwicklung der Nerven und Blutgefässe des Organes. Letztere finden sich nun in grosser Menge vom inneren Gehörgange her eintretend und verbreiten sich sowohl im Innern, als auch in einer Art Perichondrium , das die gesammle Höhle der knorpeligen Kapsel als eine zusammenhängende Schicht auskleidet. Der Schneckennerv dringt ebenfalls weit ins Innere hinein und zeigt nun sein Ganglion spiralis in einen langgezogenen ziemlich cylindrischen Strang umgewandelt, der wie der Schneckenkanal gewunden ist und in der Fig. 155 bei gg im Querschnitte gesehen wird. Eine genaue Untersuchung dieser Schnecke lässt nun fer- Fig. -155. Fig. 155. Senkrechter Schnitt durch die Schnecke eines 3*/2" langen Rinds- embryo, vergr. dargestellt. C knorpelige Kapsel der Schnecke, v Vorsprünge derselben nach, innen, die eine spiralige Furche begrenzen, k knorpeliger Keil- beinkörper mit C direct zusammenhängend, o Acusticus, g Ganglion spirale des- selben bei drei Querschnitten von Windungen erkennbar, a epithelialer Schne- ckenkanal mit seiner Faserhülle, sp Andeutung der Lamina spiralis, ein derbe- rer Bindegewebszug mit Nerven und Gefässen, s Andeutung einer häutigen Scheidewand zwischen zwei Windungen, p inneres Perichondrium der knor- peligen Schnecke, m Gallertgewebe zwischen demselben und dem Schnecken- kanale und der Lamina spiralis, Vorläufer der Scalae , ch Chorda. 316 Einunddreissigsle Vorlesung. ner noch erkennen , dass in derselben auch die Spindel, das Spi— rälblatt, die Treppen und die bindegewebige Auskleidung dersel- ben wenigstens in den ersten Spuren angedeutet sind. Man fin- det nämlich , dass das innere Bindegewebe der Schnecke , das in der Fig. 154 noch Eine zusammenhangende und gleichartige Masse darstellte, nun in folgende Theile sich geschieden hat: 1) eine Um- hüllung des Schneckenkanals selbst (a) , welche in allen Windungen der Schnecke deutlich ausgeprägt ist; 2) einen dichteren platten- artigen Zug sp , der gegen die Axe der Schnecke verläuft, Gefässe und das Ganglion Spirale enthält und in der ersten halben Windung schon so entwickelt ist, dass er deutlich als Anlage des Spiralblattes erscheint; 3) eine äussere am Knorpel anliegende Membran (/?), das innere Perichondrium der Schnecke , die Andeutungen von Scheide- wänden (s) zwischen die einzelnen Windungen des Schneckenkanals in der Richtung gegen die Ase der Schnecke entsendet und 4) end- lich eine gallertige Substanz (m) , die jedoch nur in der ersten hal- ben Windung deutlich ist, die um den Schneckenkanal und die An- lage des Spiralblattes sich gebildet hat und die erste Anlage der Treppen bezeichnet. Diese Gallertsubstanz bietet genau denselben Bau dar, wie diejenige des Vorhofes und der halbkreisförmigen Ka- näle und führt ebenfalls wie dort einzelne Blutgefässe. Da wo diese Substanz vorhanden ist, lässt sich nun auch der Gegensatz zwischen dem Modiolus und den äusseren Theilen deutlich erkennen, doch ist auch an den anderen Gegenden die Axe des Organs durch ihren Reich thum an Gefässen und einzelne Nervenzüge vor den anderen Theilen ausgezeichnet. Die Verhältnisse des Schneckenkanales selbst lassen sich nur an stärker vergrösserten Präparaten erkennen und lege ich Ihnen daher noch die Fig. 156 vor. Dieselbe zeigt, dass das Epithel des Schne- ckenkanales an der Seite der Schneckenbasis viel dicker ist als an der anderen , so wie dass dasselbe dort eine grössere und zwei kleinere Aufvvulstungen darbietet {e'e'e"). Besonders auflallend war das Vorkommen einer hellen structurlosen Schicht auf dem grösseren Epithelialwulste, der sich leicht isolirte und von der Fläche als eine feinstreifige Membran sich ergab , ein Gebilde , das mir an- fangs sehr räthselhaft erschien, in dem ich dann aber bei Vergleichung der Schnecken älterer Embryonen die von mir sogenannte CoRTi'sehe Membran erkannte (Handb. d. Geweb. 3. Aufl. St. 671), welche mit- hin, da sie innerhalb des epithelialen Schneckenkanales sich ent- Entwicklung des Gehörorganes. 317 Fis;. 156. wickelt, nichts anderes als eine Zellenausscheidung oder eine Culi- cularbildung ist. Das Epithel des Schneckenkanales besieht übrigens in diesem Stadium bei Kalbsembryonen an der dünneren Seile aus pflasterförmigen niedrigen, an der anderen aus langen cylindrischen Zellen , an denen ich an gewissen Stellen an Chromsäurepräparalen selbst Andeutungen von Wimpern zu sehen ver- meinte, ohne jedoch in dieser Beziehung zu ei- nem entscheidenden Re- sultate zu gelangen. Ist Ihnen nun ein- mal die Entwicklung der Schnecke so weit klar, so sind die letzten Sta- dien nicht schwer zu begreifen. Das nächste was geschieht ist die Bildung der Treppen. Zuerst entstehen im Gal- lertgewebe um den Schneckenkanal grössere Hohlräume , welche bald zusammen fliessen und dann das Netzwerk sternförmiger Zellen immer mehr gegen das Perichondrium, die häutigen Septa der Win- dungen, das Spindelblatt und den Modiolus drängen, welche letzten drei Theile zugleich mit diesen Vorgängen auch erst recht deutlich werden. Zugleich wächst auch der Knorpel der äusseren Kapsel etwas weiter in die Scheidewände der Windungen in der Richtung gegen die Spindel vor, ich habe jedoch nie, auch im sechsten Monate Fig. 156. Ein Stück der ersten Schneckenwindung von einem B%" langen Kalbsembryo im Querschnitte, 1 0Omal vergr. dargestellt (vergl. Fig. 1 55, die von demselben Embryo stammt), pp inneres Perichondrium der Knorpelkapsel der Schnecke , t Gallertgewebe an der Stelle der späteren Scala tympani nicht aus- gezeichnet, v ein Theil desselben Gewebes , das die Scala vestibuli erfüllt, g Ganglion spirale nicht ganz ausgezeichnet mit einem davon ausgehenden Nerven- stämmchen , sp Anlage der Lamina spiralis ossea , b Membrana basilaris oder untere bindegewebige Wand des Schneckenkanales cc, R obere bindegewebige Wand desselben oder Anlage der von mir sogenannten REissNER'schen Membran, a ein zu dieser gehendes Gefäss, in dessen Gegend das Perichondrium viel dicker ist , e dünnes Epithel des Schneckenkanals an der REJSSKERSchen Mem- bran, e', e' e" Epithelialwülste auf der Membrana basilaris, m CoRTi'sche Mem- bran, auf dem grösseren Wulst aufliegend. Bildung- der Scalae. 318 Einunddreissigste Vorlesum nicht, zu welcher Zeit die Ossifikation der Schnecke beim Menschen gut im Gange ist, die knorpeligen Septa entwickelter und in der Mitte vereinigt gesehen, auch muss ich nach meinen Erfahrungen läugnen, dass der Modiolus und das Spindelblatt jemals aus Knorpel bestehen. Der Schneckenkanal nimmt mit dem Wachsthume der Schnecke und der Ausbildung der Trep- pen nicht auch gleich- massig an Weite zu und erscheint daher relativ um so kleiner, je mehr das Organ seiner letzten Ausbildung sich nähert. Die bemerkenswerthesle Umwandlung in seinem Bereiche ist die, dass die bindegewebige Hülle des Schneckenkanales an sei- ner inneren mit der La- mina spiralis verbunde- nen Wand, die schon vorher auffallend verdickt war, zu den Zäh- nen der ersten Reihe hervorwucherl , die beim Menschen schon im vierten Monate deutlich sind (Fig. 157). Um dieselbe Zeit wird auch die Lamina spiralis membranacea im engeren Sinne [ftl. basüaris Claudius) und das Ligamentum spirale mit der Stria vascularis sicht- bar (S. m. Gewebelehre. 3. Aufl. Fig. 346), während die untere oder vestibuläre Wand des Schneckenkanales immer noch so deutlich ist Fig. 157. Fig. 157. Querschnitt der ersten Windung der Schnecke (ohne knorpelige Umhüllung) von einem 6 %" langen Kalbsembryo, vergr. dargestellt, t Scala tympani , v Scala vestibuli , m Canalis cochlearis , zo später verknöchernder Theil der Lamina spiralis , h Vorsprung der Habenula sulcata, von wo die von mir so- genannte REissNER'sche Membran R oder die obere Deckmembran des Canalis cochlearis entspringt, z Zähne der ersten Reihe , b Membrana basilaris, sp Liga- mentum spirale, pp inneres Periost der Schnecke, sv Gegend der Stria vascula- ris, an der äusseren Wand des Schneckenkanals , e — e"" Epithel des Schne- ckenkanals , e Epithel der REissNEit'sehen Membran, e Epithel der Habenula sulcata Corti, e" sehr dickes Epithel im Sulcus spiralis und auf der Habenula perforata mihi., cc ConTi'sche Membran, die auf e und e" aufliegt, e'" Du- plicatur des Epithels, die wesentlich zu den CoRTi'schen Fasern sich umzuwan- deln scheint, e"" Vorsprung des Ligamentum spirale unterhalb der Stria vascu- laris, an den alle Autoren mit Ausnahme von Reissner die Deckmembran des Canalis cochlearis sich ansetzen lassen. Entwicklung des Gehörorganes. 319 wie früher und einwärts von den Zähnen der ersten Reihe im Zu- sammenhange mit dem Bindegewebe der Habenida sulcata von Corti entspringt, von wo auch die Goim'sche Membran dicker ais früher ihren Ursprung nimmt. Ueber die Bildung der so zusammengesetzten Apparate in der Gegend der Nervenendigung der Schnecke ergeben meine übrigens noch lange nicht bis zum Abschlüsse gediehenen Untersuchungen wenigstens das wichtige Resultat , dass dieselben alle, mit alleinigem Ausschluss der Enden der Acusticusfasern selbst, Productionen des verdickten Theiles des Epithels der tympanalen Wand des Schneckenkanales sind , ja ich glaube selbst gesehen zu haben , dass die CoRTi'schen Fasern , die beim Menschen im fünften Monate auftreten , in jedem ihrer Glieder aus verlängerten Epithel- zellen sich hervorbilden (siehe Würzburg, naturw. Zeitschr. Bd. II. St. \ — 9). — Erwähnenswerth ist noch die Beobachtung, dass das Ganglion spirale des Nervus cochlearis jüngerer Embryonen keine peripherischen Aeste abgibt. Dieselben werden also wohl ganz allmälig vom Ganglion aus in die Lumina spiralis hereinwachsen , in ähnlicher Weise, wie wir diess früher auch für andere Nerven an- genommen haben. Der embryonale Schneckenkanal ist, wie Sie wohl schon längst errathen haben, wenn Ihnen die neuesten Errungenschaften mit Be- zug auf den feineren Bau der Schnecke bekannt sind, keineswegs ein vergängliches Gebilde, wie noch Huschke seiner Zeit glaubte, son- dern wandelt sich in den von Reissner beim Erwachsenen entdeck- ten mittleren Kanal der Schnecke um, den dieser Autor Canalis coch- learis, ich Scala media genannt habe , welchen letzteren Namen ich jedoch aufgebe, um nicht zum Glauben Veranlassung zu geben, dass derselbe und die Treppen denselben Entwicklungsgang nehmen. Meine embryologischen Untersuchungen dienen nicht nur, entgegen den Behauptungen und Annahmen von Claudius, Böttcher und Dei- ters , zur vollkommenen Bestätigung dessen, was Reissner über die von Seiten der Scala vestibuli den Schneckenkanal deckende Lamelle vorgebracht hat, sondern es geben dieselben überhaupt ein genaue- res Bild von diesem Kanal als man bisher gehabt hat, indem nun die GoRTrsche Membran als Guticularbildung des Epithels der soge- nannten Membrana basilaris festgestellt ist (siehe Würzb. naturw. Zeitschr. II). — Dem Gesagten zufolge wird der embryonale Schne- ckenkanal, wenn auch nur zu einem kleinen, doch gerade zum wich- tigsten Theile der Schnecke und wird es nach den Resultaten der 320 Einunddreissigste Vorlesung. embryologischen Untersuchung zusammengehalten mit dem, was wir über die Nervenenden im Vorhofe und den Ampullen wissen, nun im höchsten Grade wahrscheinlich , dass auch die Enden des Nervus Cochleae im Epithel des Canalis cochlearis und zwar in der Gegend der sogenannten Coim'schen Fasern zu suchen sind , wor- über sich auszulassen hier nicht der Ort ist. Verbindung der Mit Bezug auf die Schnecke ist nun noch ein Punct zu bespre- Schnecke mit dem vorhofe. clien, nämlich die Beziehung derselben zum übrigen Labyrinthe. Wie Sie früher gehört, ist der Schneckenkanal ursprünglich ein Auswuchs des Ohrbläschens und findet sich auch noch bei schon vorgerückte- rer Entwicklung des Labyrinthes in weiter Verbindung mit dem- selben, d. h. dem Vestibulum (Fig. 152). Da nun aber beim Erwach- senen der Canalis cochlearis, obschon dessen Verhallen am Anfange der Schnecke noch nicht bekannt ist, doch sicherlich mit den Vor- hofssäckchen in keiner Verbindung steht, so muss man annehmen, dass die ursprüngliche Verbindung der genannten Theile später sich löst. Dass die Treppen mit dem Vorhofsraume in Verbindung stehen, ist aus der Entwicklung leicht begreiflich, da dieselben ganz in glei- cher Weise sich bilden wie dieser , und wäre höchstens die Frage aufzuwerfen, wie es kommt, dass die Paukentreppe nicht auch direct in den Vorhof mündet, was, wie Sie wissen, von der eigen- tümlichen Anheftung der Spirallamelle abhängt. Die Fenestra rotunda steht in keinem inneren Zusammenhanse mit der Bildung, des Schneckenkanales ebenso wenig wie die Fenestra ovalis mit derjenigen der Vorhofssäckchen und sind beide nichts als nicht verknorpelte Stellen der ursprünglichen Umhüllungsmasse des La- byrinthes. verknöcherung Die V e r k ii ö c h e r u ii g des Labyrinthes scheint seit J. F. des Labyrinthes. Cassebohm (Tract. de aure hum. Hai. et Magdeb. 1734 et 1735) und J. Fr. Mecrel (Handb. d. Anat. IV. St. 42 flgde.) Niemand mehr untersucht zu haben und erklärt es sich nur so , dass gewisse un- richtige Angaben fast in allen Handbüchern , Jahr aus Jahr ein , sich wiederholen. Unrichtig ist es , dass der äussere Theil der Pyramide des Felsenbeines und das Labyrinth besonders verknöchern, sowie dass die Verknöcherung als eine dünne Kruste an der' Wand des Labyrinthes beginne. Vielmehr tritt die Kalkablagerung in der gan- zen Dicke der Wand des Labyinthes auf, so jedoch , dass sie aussen eher zuerst erscheint als innen (Fig. 153) und verknöchert die ganze Pyramide von den zuerst an den knorpeligen Bogengängen und der Entwicklung des Gehörorganes. 321 Schnecke auftretenden Knoehenpuncten aus. Die Zahl dieser ist. wie richtig angegeben wird, drei, einer an der ersten Windung der Schnecke und je einer am oberen und hinteren halbkreisförmigen Kanäle, von denen nach und nach die ganze Pars petrosa sammt der mit ihr verbundenen knorpeligen Pars mastoidea verknöchert, in einer Weise, die in ihren Einzelnheiten kein grösseres Interesse für Sie darbietet. Mit der Angabe über die Zeit in der diese Verknöche- rung eintritt, bin ich dagegen wieder nicht einverstanden. Weder im dritten noch im vierten Monate, wie behauptet wird, findet sich eine Spur von Verknöcherung, ja ich habe bei einem 5" langen Embryo aus der achtzehnten Woche oder der Mitte des fünften Monates im- mer noch die ganze Pyramide knorpelig gefunden. Eist am Ende des fünften und besonders im sechsten Monate beginnen die Kalkabla- gerungen, schreiten dann aber sehr rasch vorwärts. Im sechsten Monate findet man jedoch nichts als eine schöne netzförmige Knor- pelverkalkung und noch keine Andeutung von achtem Knochen, der erst in den letzten Monaten" vom Perioste des Labyrinthes und von der äusseren Beinhaut aus auftritt, während zugleich im Innern der Knorpelknochen resorbirt wird und durch eine gefässreiche ächte Knochensubstanz, die nach und nach feinschwammig wird, sich er- setzt. Modiolus und Lamina spiralis sind im sechsten Monate noch ganz häutig und verknöchern erst am Ende der Fötalperiode ohne jemals knorpelis; gewesen zu sein. Entwicklung des '' r ■ ■ O p mittleren Ohres. Von dem mittleren Ohre, zu dem ich nun übergehe, ist schon in früheren Stunden mehr weniger ausführlich die Rede ge- wesen (Seite 70. 119, 201, 215 u. flgde.) und wissen Sie bereits, dass die Paukenhöhle, Tuba Eustachü und der äussere Gehörgang aus der ersten Kiemenspalte und die Gehörknöchelchen aus dem ersten und zweiten Kiemenbogen hervorgehen, auch kennen Sie _schon den Annulus tympanicus, einen Belegknochen, der zum knö- chernen äusseren Gehörgange sich gestaltet. Es wird daher genügen, die wenigen noch nicht oder nicht genügend erörterten Verhältnisse zu besprechen und Ihnen mit kurzen Worten das Ganze der Bildung des mittleren Ohres im Zusammenhange vorzuführen. Die erste Kiemenspalte, die beim menschlichen Embryo von vier Wochen noch vollkommen offen ist (Figg. 70 und '1 \ 4) schliesst sich in der fünften Woche, jedoch nicht in ihrer Totalität, wie die anderen Spalten, sondern so, dass zu beiden Seiten der Verschluss- stelle, welche der äusseren Mündung nahe liegt, der Anfang und Kölliker, Entwicklungsgeschichte. *1 322 Einunddreissigste Vorlesung. das innere Ende desKanales sich offen erhalten, welche Theile nichts anderes als die Anlagen des äusseren Gehörganges einerseits und der Tuba Eustachii und der Paukenhöhle andererseits sind, während die Verschlussstelle das primitive Trommelfell darstellt. Im weiteren Verlaufe verlängert sich nun der innere Theil der Kiemenspalte und wird an seinem hinteren oder äusseren Ende allmälig weiter. Zu- gleich bilden sich am Ende des zweiten und in der ersten Hälfte des dritten Monates die knorpeligen Anlagen der Gehörknöchelchen, Paukenhöhle, doch ist ihr Verhalten zur Paukenhöhle anfanglich ein ganz anderes als später. Untersucht man nämlich bei einem drei bis vier Monate alten Embryo die Paukenhöhle nach Wegnahme des dicken und so zu sagen horizontal liegenden Trommelfelles, so findet man, dass dieselbe, wenn auch in der Richtung der Flächenausbreitung des Trommelfelles ziemlich ausgedehnt, doch gar keine Tiefe, keine freie Höhle besitzt, und dass die Gehörknöchelchen nicht in ihr, sondern über ihr ihre Lage haben, woselbst sie in einer dicken Lage galler- tigen Bindegewebes stecken. Dieses Gallerlgewebe ist den Embryo- Jogen schon seit Langem bekannt, allein dasselbe wurde bisher fälschlich für ein frei in der Paukenhöhle befindliches Secret, eine Art Schleim, gehalten, während dasselbe, wie ich gezeigt habe (Würzb. Verh. IX. St. LXXVIII), gallertiges Bindegewebe ist, in wel- chem auch Blutgefässe in ziemlicher Menge verlaufen. Dieses Gal- lertgewebe erscheint , wie v. Tröltsch zuerst mit Becht angegeben (Würzb. Verh. 1. c. und Die Anatomie des Ohres. Würzb. 1860. St. 66) , als eine Wucherung der inneren oder Labyrinthwand der Paukenhöhle, zieht sich aber, wie ich finde, längs der inneren Wand der Tuba bis gegen den Türkensattel und umhüllt nach oben die Gehörknöchelchen sammt der Chorda tympani und den Sehnen der Musculi stapedius und Tensor tympani. Dieses Gallertgewebe und die eigenthümliche Lage der Gehörknöchelchen , welche letztere bis jetzt allein von A. Fr. Günther (Beob. üb. d. Entw. d. Gehörorganes. Leipz. 1842. St. 50) einigermaassen berücksichtigt worden ist, erhält sich nun auch während der ganzen Fötalperiode und finden sich beide Verhältnisse noch bei Neugebornen fast ebenso ausgeprägt wie bei jungen Embryonen. Erst mit dem Eintritte der geathmeten Luft in die Tuba und Paukenhöhle ändern sich die fötalen Zustände und macht das Gallertgewebe einer gewöhnlichen Schleimhaut Platz, in Folge welcher Veränderungen dann die Paukenhöhle sowohl nach innen als nach oben an Umfang gewinnt und die Ossicula audüus Entwicklung des Gehörorganes. 323 Gehör- knöchelchen. scheinbar in ihr Inneres zu liegen kommen, obschon dieselben, wie bekannt, allerwärts von der Schleimhaut bekleidet und doch eigent- lich von aussen in sie eingeschoben sind. Ganz einfach sind übri- gens die Verhältnisse bei dieser Ausbreitung der Paukenhöhlen- schleimhaut auf die Gehörknöchelchen doch nicht, vielmehr finden an gewissen Stellen Verwachsungen derselben , an anderen Resorp- tionen der Schleimhaut statt, wie jeder leicht einsehen wird, der sich die Mühe geben will , die genaueren Verhältnisse der Lage der Knö- chelchen zu überdenken. Von den Gehörknöchelchen sei nun nachträglich noch be- merkt, dass die zwei grösseren bei Neugebornen immer noch nicht vollkommen ausgebildet sind und im Innern noch eine geräumige mit Knorpel erfüllte Höhle enthalten, die sich nach und nach mit einem erst schwammigen und später compacteren Gewebe füllt. Die Tuba Eustachii ist während der ganzen Embryonal- Tuba mstach periode ebenso geschlossen wie die Paukenhöhle, und kommt ihre endliche Eröffnung in ähnlicher Weise zu Stande wie dort, da, wie ich Ihnen angab, auch an ihrer inneren Wand ein reichliches Gallert- gewebe sich findet. Bei jungen Embryonen kurz und hoch, wächst sie allmälig in die Länge, doch bleibt sie während der ganzen Em- bryonalperiode im Verhältniss zur Höhe kurz. Eigen thümlich sind auch ihre weile Paukenhöhlenmündung und das wenig vortretende enge Osihtm pharyngeum , das lange Zeit hindurch über der Wur- zel des weichen Gaumens steht, so wie ihre mehr horizontale Lage. Der Knorpel der Tuba erscheint im vierten Monate als ein einfaches oben und innen gelagertes Plättchen hyalinen Knorpels und scheint kein Theil des Primordialschädels zu sein. Die Cellulae mastoideae, die analog den Zellen des Geruchs- organes entstehen, von denen später die Rede sein wird, sind bei •der Geburt noch kaum angedeutet und bilden sich erst zur Puber- tätszeit vollkommen aus. Das Trommelfell ist bei Embryonen viel dicker als später, was vorzüglich auf Rechnung des äusseren Epidermisüberzuges zu setzen ist, doch sind auch die beiden anderen Lagen stärker als beim Erwachsenen. Von seiner nahezu horizontalen Lage war schon die Rede und will ich nur noch bemerken, dass diese Stellung selbst am Ende der Fötalperiode noch sehr ausgesprochen ist. Die Grösse hat neulich v. Tröltsch gemessen und fand er dasselbe im dritten Monate 2mm hoch , 1 y4mm breit , in der zwanzigsten Woche 7mm hoch und 21 * Cellulae mastoideae. 324 Einunddreissigste Vorlesung. 5y2mm breit, während im neunten Monate dieselben Maasse 93/4 und 8y2mm betrugen. Aeusseres Ohr. Zum Schlüsse führe ich Ihnen nun noch das Wenige an, was vom äusseren Ohre zu sagen ist. Der Meatus externus osseus ent- wickelt sich aus dem schon erwähnten Annulus tympanicus , einem nicht knorpelig praeformirten Knöchelchen , welches als ein Deck- knochen des Schädels anzusehen ist und noch beim Neugebornen alAEK. ö C wicklungsgesch. I. 1832; Entwickl. d. Natter. 1839. St, 41, 86; Entwickl. cl. Schildkröten. St. 39) besondere selbständige Grübchen primitive agnz vorn am Kopfe erwähnt, die v. Baer Riech gruben nennt, Riechgrübchen. a * ' ^ und von denen alle genannten Autoren annehmen, dass dieselben die ersten Anlagen des Geruchsorganes sind. Diese Gruben sind nicht nur später auch von Reichert kurz erwähnt (Vergl. Entw. d. Kopfes der nackten Amphibien. 1838. St. 185), von Bischoff beim Hunde gesehen (Entw. d. Hundeeies. 1845. St. 107. Fig. 42 A. B. C, in diesem Werke Fig. 60) und von Remak beim Hühnchen und Frosche genauer verfolgt worden (Unters. St. 74, 85, 151. Tab. IV. Fig. 37. Tab. X. Fig. 12 6, 15, 18a und b), so dass über ihr Vorkommen keine Zweifel bestehen konnten-, sondern es haben auch schon die ersten Reobachter derselben, v. Raer und Rathke , so genaue und klare Schilderungen ihrer weiteren Umwandlungen und ihrer Rezie- hungen zu den späteren Zuständen gegeben, dass es allerdings nicht leicht begreiflich ist, wie die ältere MECKEL'sche Ansicht sich so lange erhalten konnte und sich diess allenfalls nur aus der Schwierigkeit der Reobachtung dieser Grübchen bei den Säugethieren und beim Menschen und aus der Unmöglichkeil, ihre Umwandlungen ohne eigene Verfolgung derselben klar zu begreifen, erklärt. Was mich betrifft, so habe ich die primitiven Riechgrübeben beim Hühnchen und beim menschlichen Embryo beobachtet und bei beiden auch ihre weiteren Veränderungen fast Schritt für Schritt verfolgt und kann ich Ihnen gestützt auf diese meine Erfahrungen Entwicklung des Geruchsorganes. 327 Erste Entwicklung des sagen, dass die Angaben von v. Baer und Rathke in allen Punclen richtig sind. Diesem zufolge stellt sich als zweite und einzig richtige Ansicht über die Entwicklung des Geruchsorganes die heraus, nach welcher dasselbe ursprünglich selbständig und ganz unabhängig von der Mundhöhle entsteht. Erst in zweiler Linie bildet sich dann eine Vereinigung der Riechgruben mit der Mundhöhle und in dritter Linie trennt sich die Mundhöhle in zwei Abschnitte, von denen der obere zum respiratorischen Abschnitte der Nasenhöhlen wird , während aus den primitiven Riechgruben das eigentliche Labyrinth des Ge- ruchsorganes entsteht. Nach diesen Vorbemerkungen wende ich mich nun zur Dar- stellung der Entwicklung des Geruchsorganes im Einzelnen und will Geruchsorganes c o o beim Hühnchen. ich Ihnen nun zunächst und vor Allem die ersten und wichtigsten Stadien vom Hühnchen schildern , bei dem dieselben sowohl an fri- schen als und vor Allem an Chromsäurepräparaten äusserst leicht zu verfolgen sind. Die Riechgruben zeigen sich beim Hühnerembryo Eiechgrübchen. /. z. am Ende des dritten Tages und erscheinen in der Sei- tenansicht (Fig. 158) vor und etwas tiefer als das Auge so ziemlich in einer Höhe mit dem sogenannten Au- genstiele. Dieselben sind viel kleiner als das Auge und an- fangs nichts als flache rund- liche Grübchen . die, wie Remak zuerst richtig angegeben hat, von dem etwas verdickten Hornblatte ausgekleidet werden , erlangen aber bald eine etwas beträchtlichere Tiefe und umgeben sich mit einem leicht vortretenden aber doch scharfen Rande. Betrachtet man den abgeschnittenen Kopf eines solchen Embryo von unten und vorn, so dass man gerade in die Mundspalte sieht (Fig. 158. 1), so erkennt Fig. 158. Kopf eines Hühnerembryo vom dritten Tage, vergr. , Chrom- säurepräparat. 1. von vorn, 2. von der Seite, n Geruchsgrübchen, l Linse mit einer runden Oeffnung, durch die ihre Höhle nach aussen mündet, gl Augen- spalte, die mit der Bildung des Glaskörpers zusammenhängt und vom Rande der Linse auf den Sehnerven oder Augenstiel übergeht, jedoch nicht deutlich genug ausgefallen ist. o Oberkieferforlsatz des ersten Kiemenbogens, u Unter- kieferfortsatz desselben, g Gehörbläschen durch eine runde Oeffnung nach aussen mündend. Ausserdem sind noch der zweite und dritte Kiemenbogen und in der Fig. 1 auch die Mundspalte sichtbar. Fig. 158. 328 Zweiunddreissi gste Vorlesung. man die Grübchen ganz vorn und seitlich am Schädel, so dass ihre Lage fast genau dem seitlichen Rande der Hemisphären des grossen Hirns entspricht und dieselben nicht ziemlich dicht beisammen lie- gen, wie v. Baer seiner Zeit angegeben hatte. In der Längsrichtung stehen die Grübchen fast in einer Linie mit den um diese Zeit noch sehr wenig entwickelten Oberkieferfortsälzen des ersten Kiemen- bogens, so jedoch , dass sie etwas nach innen von denselben ihre Lage haben , ferner nehmen dieselben fast die Mitte zwischen dem Munde und dem erhabensten Theile des Schädels ein, der in dieser Ansicht von unten sichtbar wird. Da ich Ihnen das Gesicht in diesem frühen Stadium noch nicht geschildert habe, so erlaube ich mir nun noch einiges über dasselbe beizufügen. Der früher schon erwähnte Stirnfortsatz ist zur Zeit des ersten Auftretens der Nasengruben noch nicht vorhanden und seht, wie namentlich die Seitenansicht lehrt, die Stirn ganz allmälig ab- gerundet in die Schädelbasis über, die um diese Zeit noch die Decke der primitiven Mundhöhle bildet. Die Oberkieferfortsätze des ersten Kiemenbogens (o) stehen noch ganz seitlich und sind kleine mehr kegelförmige Erhebungen, deren Spitzen selbst etwas nach aussen gerichtet sind. Grösser sind die gegen einander gekrümmten Unter- kieferforlsätze desselben Kiemenbogens (u) , doch erreichen auch diese einander nicht und findet sich in der Mitte zwischen ihnen nur die untere Yerbindungshaut von Rathke. Weiter rückwärts sind noch zwei, und in einer Ansicht auch ein Theil des vierten Kiemen- bogens dargestellt, ebenso drei Kiemenspalten (Fig. 158, 2). Zwi- schen den Nasengrübchen und den Oberkieferfortsätzen endlich fin- det sich eine feine vom Auge auslaufende Spalte (gl), welche mit der Bildung des Glaskörpers im Zusammenhange steht und etwas weiter nach innen geht als der betreffende Oberkie- ferfortsatz, jedoch die Mitte nicht erreicht. Einmal angelegt bleiben die Geruchsgrüb- chen nur kurze Zeit in ihren ursprünglichen Verhältnissen und findet man schon am vier- ten Taue weitere Veränderungen, von denen Fjcr |S9 die Fig. 159 die zuerst auftretenden zu ver- Fig. 159. Kopf eines Hühnerembryo vom Anlange des vierten Tages von unten und vergrössert dargestellt. Bezeichnung wie bei Fig. 158, ausserdem sp Choroidealspalte am Auge, k" zweiter Kiemenbogen , sSchluridhöhle. Entwicklung des Geruchsorganes. 329 sinnlichen geeignet ist. Hier erscheinen die Grübchen grösser und tiefer und dicht über dem auch seinerseits gewachsenen Oberkiefer- fortsatze gelegen. Zugleich hat sich ihr Umkreis aus dem rundlichen mehr in eine längliche Gestalt umgebildet und ist am unteren schmä- leren Ende der umgebende Wall verschwunden und dafür eine Furche, die wir die Nasen furche heissen wollen, aufgetreten, Nasenfurche. welche von dem Grübchen an der Innenfläche des Oberkieferfort- satzes bis zum Eingange in die Mundhöhle führt. Der noch erhaltene Theil des Walles des Riechgrübchens ist stärker vorgetreten und er- scheint nun zu beiden Seiten desselben wie in Gestalt von zwei Fortsätzen , die als äusserer und innerer N a s e n f o r t s a t z be- Aeusserer und zeichnet werden können. Der äussere, Rathke's «Nasendach», Rei- innforLatzfen chert's ^seitlicher Stirnforlsatz», stellt einen Längskamm zwischen dem schon gross gewordenen Auge und dem Nasengrübchen dar und reicht nach unten nahezu bis an den Oberkieferfortsatz. Der in- nere Nase nforts atz ist nichts anderes als die erste Spur des Ihnen schon bekannten Stirnfortsatzes oder des Nasenfortsatzes der Stirnwand von Rathke (s. Fig. 160), der jedoch in diesem Stadium in der Mitte noch nicht ausgeprägt ist, so dass Stirn und Schädelbasis oder, wenn Sie lieber wollen, die Decke der Mundhöhle immer noch ohne scharfe Abgrenzung in einander sich fortsetzen. Besagter inne- rer Nasenfortsatz ist an dem dargestellten Kopfe auch nicht mehr als ein leichter Wulst, der auch noch den Anfang der Nasenfurche von innen begrenzt und nach innen und über dem Oberkieferfortsatze seine Lage hat. Die Fig. i 60 , die zwei Köpfe von Hübnerembryonen vom Ende des vierten und vom Anfange des fünften Tages darstellt, zeigt Ihnen in dem jüngeren Kopfe nun schon ein Verhältniss , wie es von menschlichen Embryonen bereits früher geschildert wurde, das nämlich , dass Mundhöhle und Nasengruben in offener Verbindung stehen, Sie haben jedoch aus dem bereits Bemerkten hinreichend entnehmen können, dass dieselbe als eine nachträglich entstandene anzusehen ist. Betrachten Sie die Einzelnheiten der Figur genauer, so finden Sie, was die Nasengruben anlangt, dass dieselben schon ziemlich tiefe Höhlungen sind, die nach oben und hinten und etwas schief nach innen eine Strecke weit gegen die Schädelbasis eindrin- gen und durch eine längliche Spalte nach aussen ausmünden, aus- serdem aber auch durch die fast quer gerichtete und ebenfalls tiefer gewordene Nasenfurche (nf) in den vordersten Theil der grossen 330 Zweiunddreississte Vorlesung. primitiven Mundhöhle ausgehen. Begrenzt werden die Nasengruben und die Furche nach innen von den stark vorspringenden Ecken des Fig. 160. nun in seiner ganzen Breite scharf vortretenden Stirnfortsatzes (st) oder den inneren Nasenfortsätzen [in), nach aussen von den zu brei- ten Fortsätzen umgewandelten äusseren Nasenfortsätzen {an), die nun die Oberkieferfortsätze (o) wirklich erreichen , nach unten end- lich von den grossen, wulstigen und beim Hühnchen eigenthümlich gerade von hinten nach vorn gestellten Oberkieferfortsätzen, die mit ihrem abgerundeten Ende die Furche von unten begrenzen. Die Unterkieferfortsätze liegen leicht bogenförmig gekrümmt in der Quer- richtung und sind in der Mittellinie schon fast bis zur Berührung gekommen, während die ebenfalls noch sichtbaren zweiten Kiemen- bogen noch um ein Kleines von einander abstehen. — Zum richtigen Verständnisse dieser Figur will ich Sie nun noch besonders darauf aufmerksam machen, dass die Nasengruben selbst, die man jetzt schon von der äusseren Nasenöffnung und der Nasenfurche unter- scheiden kann, durchaus blind geschlossen sind, und dass somit die Verbindung der Mundhöhle mit der Nasengrube durch die Nasen- furche eine ganz oberflächliche ist. Das letzte Stadium , das ich Ihnen vom Hühnchen specieller schildere, welches die Fig. 160, 2 vergegenwärtigt, zeigt Ihnen die Nasenfurche durch Anlagerung des Oberkieferfortsatzes an den in- Fig. 160. Zwei Köpfe von Hühnerembryonen, 1 . vom Ende des vierten, 2. vom Anfange des fünften Brüttages. Bezeichnung wie bei Fig. 159, ausser- dem an innerer, in äusserer Nasenfortsatz , nf Nasehfurche, m Mundhöhle, •st Stirnfortsatz. Fig. 158, 159 und 160 sind alle bei derselben Vergrösserung gezeichnet und mit einander vergleichbar. Entwicklung des Geruchsorganes. 331 neren Nasenfortsatz geschlossen und das äussere Nasenloch rings- herum abgegrenzt. Sondirt man mit einem Haare vom Nasenloche aus gegen die Mundhöhle , so findet man , dass die Nasenfurche nicht wirklich verwachsen ist, vielmehr ergibt sich, dass dieselbe zu einem kurzen Kanäle, dem Nasengange , umgewandelt ist und bei Be- Nasengang. trachtung der Decke der Mundhöhle von unten nach Wegnahme der Unterkieferfortsätze ergibt sich, dass diese Nasengänge durch zwei Löcher, die die inneren Nasenlöcher heissen können , in den innere Nasen- löcher. vordersten Theil der Mundhöhle dicht hinter den inneren Nasenfort- sätzen des Stirnfortsatzes ausmünden. So ist nun das Geruchsorgan selbst, oder genauer ausgedrückt das Labyrinth desselben, vollstän- dig angelegt. Die spätere Ausbildung desselben beim Hühnchen zu besprechen ist hier nicht der Ort und will ich Ihnen daher nur noch anführen, dass nachträglich durch die Bildung des Gaumens auch der obere Theil der primitiven Mundhöhle in das Gebiet des respira- torischen Abschnittes der Nasenhöhle oder des Nasenganges gezogen wird, der aber beim Hühnchen bei weitem nicht die Entwicklung erreicht wie bei den Säugethieren , so wie ferner, dass durch die weitere Ausbildung des Stirnfortsatzes und der äusseren Nasenfort- sätze, die, wie Sie schon wissen (St. 211), die vordersten Enden des Schädels darstellen , einerseits und der Ober- und Unterkiefer- fortsätze andererseits , die alle mit einander später den Schnabel darstellen , die Nasenhöhlen auch je länger je mehr an Ausdehnung gewinnen. Wir wenden uns nun zu den Säugethieren und dem Men-Entwicklun= des Geruchsorganes sehen und will ich, da ich gerade vom Menschen eine Reihe eigener beiden säuge- thieren und beim Erfahrungen besitze, mich vorzugsweise an diesen halten. Die pri- Menschen. miliven Nasengrübchen der Säugethiere-hat zuerst Rathke gesehen und vortrefflich abgebildet (1. c. Taf. VII. Fig. 1 und 2) und nach ihm sind dieselben dann noch von Bischoff beim Hunde und viel- leicht auch von Reichert wahrgenommen worden ;' was dagegen den Menschen anlangt, so ist mir keine Beobachtung und Abbildung der- selben bekannt geworden und ist es daher wohl nicht ohne Bedeu- tung, dass ich dieselben bei einem ausgezeichnet gut erhaltenen vier Wochen alten Embryo, den ich der Güte meines Collegen , Dr. A. Koch, verdanke, vollkommen gut ausgeprägt traf. Bei diesem Em- bryo (Fig. 161) erkennt man in der Seitenansicht die Nasengrube (n) ganz vorn am Kopfe als ein schon ziemlich tiefes Grübchen mit et- was engerem Eingange, das, wie leicht nachweisbar war, von dem 332 Zweiunddreissigste Vorlesung. verdickten Hornblatte oder der Epidermis ausgekleidet sich zeigte. Dasselbe befand sich unmittelbar vor und unter dem Oberkieferfort- satze des ersten Kiemenbogens und weiter als beim Hühnchen vom Auge entfernt, welches es auch an Grösse übertraf. In der Ansicht von vorn und unten (Fig. 161,2) waren die Riechgru- /. > "-'i\- \»fe-7r g=; ben noch besser zu erkennen und gab «^ dieselbe auch eine vortreffliche An- \.)rk •< schauung der primitiven Gestaltung des Gesichtes beim Menschen. Stirnfortsatz ' % und Nasenfortsätze fehlten noch ganz und begrenzte, wenn man sich so aus- &■ drücken darf, die Stirn die quere, breite, aber enge Mundspalte, hinter der die vereinten starken Unlerkiefer- fortsätze des ersten Kiemenbogens ihre Lage hatten, während die Oberkiefer- v. fortsetze als ganz seitlich stehende Wülste erschienen. Fig. 161, Die weiteren Umwandlungen dieses primitiven Stadiums geschehen beim Menschen im Wesentlichen wie beim Hühnchen und verweise ich Sie nun zunächst auf die Fig. 162, die das Gesicht eines sechswö- chentlichen Embryo jedoch nach weggenommenem Unterkiefer dar- stellt. Nach dem was Sie nun schon wissen, werden Sie ohne Wei- teres nach innen von der Nasengrube (w) und der Nasenfurche, die nicht bezeichnet ist , den Stirnfortsatz mit dem inneren Nasenfort- Fig. 16t. Menschlicher Embryo von vier Wochen und 6'" Länge, vergr. 1. in der Seitenansicht. Das Nabelbläschen , das einen ganz kurzen Stiel hatte, 2/3 der Grösse des Embryo besass und auf der linken Seite seine Lage hatte, ist nicht dargestellt. 2. Kopf desselben Embryo von unten, a Auge ; n Nasen- grübchen; o Oberkieferfortsatz; u Unterkieferfortsatz des ersten Kiemenbo- gens; b leichte Erhebung, die die Stelle des Labyrinthes andeutet; v rechte Vorkammer; k rechte Kammer; l Leber; 1 vordere, 2 hintere Extremität ; s schwanzartiges Leibesende; m Mundspalte ; k 2 zweiter, k 3 dritter Kiemen- bogen ; uv untere Vereinigungshaut, hier als Bekleidung des Herzens erschei- nend, das abgeschnitten ist; a in Fig. 2 Aorta; r Mark etwas verzerrt. Die Ge- gend zwischen den letztgenannten zwei Theilen in 2. nicht ausgezeichnet, weil bier eine Nadel zur Fixirung durchgestossen war. Entwicklung des Geruchsorganes. 333 salze und nach aussen davon den äusseren Nasenfortsalz und den Oberkieferfortsatz erkennen und will ich Ihnen nur bemerken, dass ^f auch hier die Nasengrube ganz geschlossen ist und einzig und allein durch die oberflächliche Nasen- furche mit der primitiven Mundhöhle in Verbin- dung steht. Verglichen mit dem Hühnchen ist beim Menschen der Stirnfortsatz schmäler und vor Al- lem der Oberkieferfortsatz mehr quer gestellt, wo- her es dann kommt, dass derselbe nicht mit der Spitze, sondern mit seinem oberen Rande an den äusseren Nasenfortsalz anstösst. In der zweiten Hälfte des zweiten Monates schliesst sich die Nasenfurche und öffnet sich dann das La- byrinth durch die Nasengänge mit zwei engeren Oeffnungen ganz vorn in die primitive Mundhöhle. Dieses Stadium hat jedoch nur *n_ kurzen Besland , denn schon am Ende des zweiten "' - 4.'f-'\ *"'N Monates beginnt der Gaumen sich zu bilden (Fig. / „-„ ,-y\ A \ {')'■■) . mit dessen Vollendung dann die primitive »i r 'V f ^ ßt f Mundhöhle in zwei Abschnitte, einen oberen respi- , | f ra torischen , den ich den Nasen rachengang Nasenrachen- (ductus naso-pharyngeus) heisse, und einen unteren digestiven, die eigentliche Mundhöhle zerfällt. Ent- fernt man bei einem neun bis zehn Wochen alten Embryo , dessen Gaumen schon gebildet ist, denselben und betrachtet die Nasenhöh- len von unten, so findet man vorn zu beiden Seiten des noch ganz kurzen Septum mit der Pflugschaar die inneren Nasenlöcher noch ganz deutlich in Gestalt zweier kurzer enger Spalten, die aufwärts in die Labyrinthe führen und nach vorn mit dem äusseren Nasenloche ausmünden, später aber vergeht mit denVWachsthume des Labyrin- thes diese Spalte als ein besonderes , von den benachbarten Theilen scharf abgegrenztes Gebilde und erscheint dann der Nasenrachengang Fig. 4 62. Kopf eines sechs Wochen alten menschlichen Embryo von vorn und unten, vergrössert. u Stelle wo der Unterkiefer sass ; o Oberkieferfortsatz des ersten Kiemenbogens ; an äusserer Nasenfortsatz ; n Nasengrube ; st Stirn- fortsatz; g Ausstülpung der Rachenschleimhaut. Fig. 163. Kopf eines menschlichen Embryo aus der S.Woche von unten, vergrössert. Der Unterkiefer ist weggenommen, um die grosse Spalte in der Mundrachenhöhle mr zu zeigen , welche später durch Vortreten und Verwach- sen der Gaumenfortsätze g geschlossen wird, an Aeussere Nasenöffnungen; in innere Nasenöffnungen oder Ausmündungen des Labyrinthes, von den Choa- nen wohl zu unterscheiden. 334 Zweiunddreissigste Vorlesung. mit dem embryonalen Nasengange zusammen, als unterer Nasengang. Immerhin erkennt der Kundige selbst noch beim Erwachsenen das fötale innere Nasenloch in der langen engen Spalte, die, zwischen der unteren Muschel und dem Septum gelegen, aufwärts zum Labyrinthe führt. Die Nasengaumengänge (ductus nasopalatini) im Canalis incisivus , die Sie aus der Anatomie der Erwachsenen kennen, sind ein Rest der ursprünglichen Verbindung zwischen der Mundhöhle und dem unteren respiratorischen Abschnitte der Nasenhöhle, doch habe ich Ihnen zu bemerken, dass dieselben wider alles Erwar- ten auch bei Embryonen nie von einer grösseren Weite gefunden werden. weitere Das Labyrinth des Geruchsorganes entwickelt sich ganz und Entwicklung des J -MOB^ auch im Innern ohne alle Fig. 194. Fig. 195. Andeutung von Schei- dewänden ist, ganz ab- gesehen von den äusseren Formabweichungen , die ohne weitere Hinweisung deutlich sind. Die Art und Weise, wie diese Herzform aus der nächstvorigen entsteht, ist einfach die, dass das Venenende noch mehr hinter die Aorta tritt, bis dasselbe endlich genau hinter ihr seine Lage hat, so dass dann bei einer weiteren Vergröße- rung der Herzohren dieselben rechts und links von der Aorta zum Vorschein kommen und wie die beiden Vorhöfe darstellen , während die Arterie selbst wie in eine Furche zwischen sie zu liegen kommt. Mit der Vergrösserung der Herzohren musste natürlich auch der Ohrkanal viel deutlicher hervortreten , der jedoch immer noch wie anfangs nur zwischen dem Venenabschnitte und der linken Kammer seine Lage hat. Die Kammern selbst sind, verglichen mit früher, grösser, die linke stärkere mehr rund , die rechte eher kolbig und der Sulcus interventricularis nicht schwächer als er im jüngeren Herzen erschien. Für die weiteren Veränderungen halte ich mich nun an das Fig. 194. Kopf des Embryo der Fig. 61 von unten gesehen, mehr vergr. Nach Bischoff. a Vorderhirn, 6 Augen, c Mittelhirn, d Unterkieferfortsatz, e Oberkieferfortsatz der ersten Kiemenbogen, ff f" zwei bis vier Kiemenbo- gen, flinkes, h rechtes Herzohr , k rechte , Hinke Kammer, l Aorta oder Truncus arteriosus mit drei Paar Arcus aortae. Fig. 195. Herz des Embryo der Fig. 194 von hinten gesehen, a gemein- samer Venensinus, b linke, c rechte Auricula, g rechte, f linke Kammer, e Ohrkanal, h Truncus arteriosus. Nach Bischoff. 398 Sechsunddreissigsle Vorlesung. weitere menschliche Herz. Die Fig. 196 zeigt Ihnen das 2%mm lange Herz "Herzens. des in der Fig. 161 dargestellten vier Wochen alten Embryo, das sehr nahe an die Herzform der Figg. 192 und 193 sich anschliesst. Bemerkenswerth ist neben der grösseren Entwicklung der Herzohren die Kleinheit der rechten Kammer, ein Verhalten, das jedoch nur kurze Zeit so ausgeprägt be- steht, indem ich bei einem kaum merklich grösseren Herzen von 22/3mm eines etwa fünf Wochen alten Embryo schon die Form antraf, die Coste (siehe Fig. 197) von einem vier Wo- chen alten Fötus zeichnet , welcher jedoch , wie wenigstens die Gestallung des Gesichtes zu erkennen gibt, älter war als der von mir in der Fig. 161 dargestellte. Mit Bezug auf die - .na anderen Verhältnisse des Herzens der Fig. 196 flg. 1 9b. D ist noch Folgendes zu bemerken. Die Aorta oder der Truncus arteriosus , obschon wie mit einer Furche ver- sehen, welche aber nur die durchschimmernde Intima ist, war noch einfach und durch die schiefe Lage ihres Anfanges, so wie durch die starke Biegung in der Gegend der Vorkammer auffallend. An dieser ist mit Hinsicht auf die nächstfolgende Zeit besonders der nahezu gleiche Umfang der beiden Herzohren , von denen das linke selbst eher etwas grösser ist, zu beachten, ausserdem verdient aber auch das Verhalten der einmündenden Venen Berücksichtigung. Statt Einer grossen Vene nämlich , die früher allein vorhanden war, sehen Sie hier das erste Stadium der Scheidung in die drei späteren Stämme und zwar ist die rechte Cava superior schon ganz getrennt, während die Cava inferior und die Cava superior sinistra noch zu- sammenhängen. Die weiteren Veränderungen des menschlichen Herzens, die zwischen die vierte bis achte Woche fallen, sind folgende. Zuerst und vor Allem wird die rechte Kammer kolbenförmig und grösser Fig. 196. Herzeines vier Wochen alten, 6'" langen menschlichen Embryo, öVomal vergr. I. von vorn , II. von hinten III. mit geöffneten Kammern und Vorkammer, deren obere Hälfte entfernt ist. d linkes, a" rechtes Herzohr, v linke, v" rechte Kammer , ao Truncus arteriosus , s Soptum ventriculorum in der Anlage begriffen, cd Cava superior dextra , es Cava superior sinistra mit der Cava inferior. Bei II. ist der Canalis auricularis sehr deutlich. Entwicklung des Gefässsystems. 399 und verliert die linke Kammer etwas an Rundung, ohne dass die Gesammtverhältnisse sich änderten, was zu der Form führt, die die Fig. 198. Fig. 199. Fig. 197. Fig. 197 darstellt. Dann verlängern sich die beiden Kammern noch mehr und spitzen sich zu , während zugleich der Venentheil des Her- zens und besonders die Herzohren zu einer ganz unverhältnissmässigen Grösse heranwachsen. Die Fig. 198 zeigt Ihnen nach Ecker das 1 Y" lange Herz eines etwa sechs Wochen alten Em- bryo von vorn und die Fig. 199 das 4%rara grosse Herz eines Fötus aus der achten Woche von der hinteren Seite und werden Sie an bei- den Figuren leicht von der Grösse der Herzohren sich überzeugen , von denen das rechte jetzt entschieden das grössere ist. In der Ansicht von Fig. 1 97. Menschlicher Embryo von 25 — 28 Tagen nach Coste gestreckt und von vorn dargestellt nach Entfernung der vorderen Brust- und Bauchwand und eines Theiles des Darmes, n Auge, 3 Nasenöffnung, 4 Oberkieferfortsatz, 5 ver- einigte Unterkieferfortsätze des ersten Kiemenbogens oder primitiver Unter- kiefer, 6 zweiter, 6" dritter Kiemenbogen , b Bulbus Aortae , o, o Herzohren, vv rechte und linke Kammer, u Vena umbilicalis , f Leber, e Darm, a' Arteria omphalo-mes enter ica , f Vena omphalo-mesenlerica, m WoLFF'sche Körper, t Bla- stem der Geschlechtsdrüse, z mesenterium , r Enddarm, n Arteria, u Vena umbilicalis, 7 Mastdarmöffnung oder Oeffnung der Kloake, 8 Schwanz, 9 vor- dere, 9' hintere Extremität. Fig. 198. Herz von 1 t/,"r Länge eines etwa sechs Wochen alten mensch- lichen Embryo, 4mal vergr., nach Ecker, t linke Kammer, r rechte Kammer, ta Truncus arteriosus , mit einer Furche bei af, die die Trennungsstelle der Aorta und Pulmonalis andeutet. Ausserdem sieht man die beiden grossen Herz- ohren. Fig. 199. Herz eines acht Wochen alten menschlichen Embryo von 41/3mm Länge, etwa 3mal vergr. von hinten, a' linkes, a" rechtes Herzohr, v linke, v" rechte Kammer, cd Cava superior clexlra, es Cava superior sinistra , ci Cava inferior. 400 Sechsunddreissigste Vorlesung. hinten befinden sich übrigens die Herzohren einfach neben und über den Kammern, in der anderen Ansicht dagegen erkennt man, wie dieselben einen guten Theil der Kammern decken, in welcher Bezie- hung ich Ihnen jedoch zu bemerken habe, dass in der Fig. 198 die Auriculae nicht ganz in ihrer natürlichen Lage, sondern etwas abge- hoben gezeichnet sind. Venenmündungen sind jetzt ganz bestimmt drei vorhanden, von denen die der linken Cava superior durch ihre Lage alle Beachtung verdient, wie wir diess übrigens später beim Venensystem noch weiter zu besprechen Gelegenheit haben werden. Alle diese Venen münden übrigens jetzt noch in einen einfachen Baum zwischen den Herzohren, den primitiven Vorhof, an dem die spätere Scheidewand auch in dem Herzen der Fig. 1 97 nur in den ersten Spuren vorhanden ist. Wesentlich verändert hat sich dagegen das Verhalten des Vorhofes zu den Kammern , denn während derselbe früher (s. die Fig. 196) nur mit der linken Kammer in Verbindung stand, ist er im Herzen der Fig. 198 auch mit der rechten Kammer schon etwas in Gommunication und bei dem Herzen der Fig. 199 erkennt man schon von aussen, dass dieser Zusammenhang ein ganz inniger sein muss und in der That ergibt auch die innere Unter- suchung eines solchen Herzens, dass jede Kammer nun durch eine besondere Oeffnung in den Vorhof übergeht. Von dem Truncus arte- riosus endlich ist noch zu bemerken , dass derselbe bei dem Jüngern Herzen eine Furche, als Andeutung seiner beginnenden Theilung zeigt (Fig. 1 98) , welche Trennung bei dem älteren Herzen schon zum Abschlüsse gekommen ist, so dass nun zwei Arterien, die Aorta und Pulmonales, jede für die betreffende Kammer vorhanden sind. Die äusseren Umwandlungen des Herzens weiter speciell zu ver- folgen lohnt sich kaum der Mühe und begnüge ich mich daher mit Folgendem. Die rechte Kammer wächst bald so heran , dass sie die linke an Grösse erreicht oder selbst etwas übertrifft, doch trifft man beide Kammern gegen das Ende des Fötallebens wieder ziemlich gleich gross und zusammen einen hübschen Kegel darstellend, indem der rechte Band des Herzens wegen der grösseren Dicke der rechten Kammer jetzt noch abgerundet ist. Die Vorhöfe und Herzohren be- halten lange Zeit ihre bedeutende Grösse und sind die letzteren selbst noch beim reifen Embryo verhältnissmässig grösser als später, doch sind sie allerdings in dieser Zeit nur noch ein schwacher Wider- schein von dem , was sie früher waren. Die Grösse endlich anlan- gend, so ist diejenige des ganzen Herzens im Verhältniss zu den Entwicklung des Gefässsystems. 401 übrigen Theilen in späteren Zeiten viel geringer. Bei einem vier Wochen allen Embryo verhält sich das Herz meiner Schätzung zu- folge zum Körper wie 1:12; im zweiten und dritten Monate berech- net Meckel das Verhältniss wie 1 : 50 , und beim reifen Fötus wie 1 : 120. Die absolute Grösse betreffend , so fand ich in der vier- ten Woche die Länge 2y3mm; in der achten Woche die Länge 41/3mm, die Breite 5%mm. Im dritten Monate betrug die Länge 10— 12m"' und im fünften Monate 15 — 16mm. Wir kommen nun zur Schilderung der wichtigen inneren innere Veränderungen Veränderungen des Herzens, über welche schon vor Jahren des Herzens. v. Baer vom Hühnchen eine vortreffliche Darstellung gegeben hat, welche nach und nach auch für die Säugethiere und den Menschen sich hat bestätigen lassen. Alle inneren Veränderungen, abgesehen von den mehr auf den. Bau der Wandungen bezüglichen, zielen im Wesentlichen darauf, aus dem einfächerigen primitiven Herzen , das dem Typus des Fischherzens folgt , ein zweikammeriges Organ mit vollkommener Trennung der Blutströme des grossen und kleinen Kreislaufes zu bilden ; es wird jedoch dieses Resultat nicht in der einfachen Weise erreicht, die man a priori sich zu construiren ge- neigt ist, in der nämlich, dass der primitive Herzkanal in seiner ganzen Länge in zwei zerfällt wird, vielmehr folgt die Entwicklung hier, wie in so vielen Fällen, einer ganz anderen als der Bahn, die uns die natürlichste erscheint. Während nämlich allerdings sowohl der Venentheil des primitiven Herzens , als auch die ursprüngliche Aorta durch eine longitudinale mittlere Scheidewand in zwei Hälften zerfallen, trennt sich der primitive Ventrikel durch eine Querwand in zwei Abtheilungen, und wird es so allerdings schwer begreiflich, wie der Venentheil, der erst nur mit der linken Kammer in Verbindung steht und der Truncus arteriosus, der anfänglich ein- zig und allein aus der rechten Kammer entspringt, in ihre späteren Verhältnisse gelangen. Zur besseren Orientirung betrachten Sie nun noch einmal das in der Fig. 200 wiedergegebene Herz eines mensch- lichen Embryo, in dem der einkammerige Zustand noch fast unge- trübt besteht und die Scheidewandbildung kaum begonnen hat und dann werden Sie mich auch verstehen, wenn ich Ihnen sage, dass vor der vollen Ausbildung der Scheidewände durch besondere Wachs- thumsphänomene einmal an der hinteren Seite des Herzens die rechte Kammer nach und nach auch in den Bereich des Vorhofes gezogen wird und zweitens vorn dasselbe auch bei der linken Kammer in ihrer Kölliker, Entwicklungsgeschichte. ^O ventriculorum. Fig. 200. 402 Sechsunddreissigste Vorlesung. Beziehung zur Aorta oder dem Truncus arteriosus geschieht. Mündet einmal die Vorkammer in beide Kammern und stehen diese auch beide mit dem Truncus arteriosus in Verbin- ao ^ dung, so ist es dann nicht schwer zu begreifen, wie durch die endliche Vollendung der Septa im Innern die bekannten vier Höhlen und die bleibenden Verhältnisse der Arterien sich aus- bilden. Nach diesen Vorbemerkungen schildere ich Bildung- des (■ ^x. i*'.'i'(-l '£• 1 1 ' i Septum " V^ V— i' a ' Ihnen nun der Reine nach die Vorgänge bei der Scheidewandbildung in den zwei Abschnitten des Herzens und im Truncus arteriosus , zu- gleich mit den übrigen Veränderungen im In- nern. Die beiden Herzkammern, anfänglich eben so dünnwandig wie die venöse Abthei- lung, werden bald — beim Menschen in der dritten bis vierten Woche ■ — zu zwei Säcken mit ungemein dicker Wand und sehr enger Höhle, deren Wände ganz und gar aus einem zierlichen Schwammgewebe sich ent- wickelnder Muskelbalken bestehen. Zugleich beginnt auch die Bil- dung des Septum, von dem Ecker einen sehr frühen Zustand von dem in der Fig. 198 dargestellten Herzen eines gekrümmt 5%'" messenden Embryo dargestellt hat {Icon. phijs. Taf. XXX. Fig. XXII und XXIII). Dasselbe erschien als eine in der Gegend des Sulcus in— terventricularis vom unteren und hinteren Theile der Kammern aus- gehende niedrige halbmondförmige Falte, deren Concavität nach oben , d. h. gegen die Aorta und den Vorhof und zugleich ein wenig nach links schaute. Mithin waren die Kammern an ihren Basaltheilen noch nicht geschieden, doch hatte sich das ursprüngliche Verhält- niss auch hier schon in etwas geändert, indem nun auch die rechte Kammer in etwas mit dem Vorhofe in Verbindung stand. Immer- hin gehörte das Ostium venosum, dessen Ränder Ecker als stark in den Vorhof vortretend und, wenn geschlossen, als vierlippig schil- Fig. 200. Herz eines vier Wochen alten, 6'" langen menschlichen Embryo, öy^mal vergr. I. von vorn , II. von hinten, III. mit geöffneten Kammern und Vorkammer, deren obere Hälfte entfernt ist. a linkes, a" rechtes Herzohr, v linke, v" .rechte Kammer., ao Truncus arteriosus , s Septum ventriculorum in der Anlage begriffen, cd Cava superior dextra, es Cava superior sinistra mit der Cava inferior. Bei 1. ist der Canalis Auricularis sehr deutlich. Entwicklung des Gefässsystems. 403 dert, vorzüglich der linken Kammer an. Nahezu in demselben Sta- dium , jedoch immerhin etwas weniger entwickelt, befand sich das in der Fig. 200 wiedergegebene Herz eines vier Wochen alten Em- bryo, dessen geöffnete Kammern und rudimentes Septum Ihnen die Fig. 200 III. zeigt und hätte ich nur zu bemerken, dass die Kam- mern noch dickwandiger waren , als Ecker dieselben zeichnet, so wie dass um diese Zeit die linke Kammer die rechte noch bedeutend an Stärke übertraf. Einmal angelegt bildet sich die Scheidewand der Kammern rasch aus und ist dieselbe schon bei Embryonen der siebenten Woche voll- ständig, so dass nun die Kammern mit zwei getrennten Ostien in den Vorhof ausmünden. Die Gestalt dieser primitiven venösen Mündun- gen, die wir durch Ecker zuerst kennen gelernt haben (1. c. Taf. XXX. Fig. XXVII) ist äusserst einfach und stellen dieselben ursprünglich nichts als einfache Spalten dar, deren Lage und Gestalt beim acht Wochen alten Embryo Ihnen die Fig. 201 zeigt. Die beiden Lippen, welche jede Spalte begrenzen, sind die ersten Andeutungen der venösen Klappen, und venöse Klappen, sieht man bei der Untersuchung der Kammerhöhle, dass die Ränder derselben schon um diese Zeit Fi« 201 m^ Muskelbalken der Kammerwand in Verbindung stehen. Doch bilden sich diese Klappen erst im dritten Monate bestimmter aus, was im Einzelnen zu verfolgen nicht nöthig ist. Die Kammerwandungen bleiben auch im dritten und vierten Monate noch unverhältnissmässig dick, werden dann aber im Verhältniss zu den Herzhöhlen in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft wieder dünner, wobei jedoch zu bemerken ist, dass die rechte Kammer, obschon im Anfang dünnwandiger als die linke, doch bald dieselbe Stärke erreicht, wie diese und dieses Verhältniss dann auch während des ganzen Restes der Embryo- nalzeit beibehält. Von der feineren Structur der Herzmuskulatur Feinerei. Bau bemerke ich Ihnen nur Folgendes. Der zierliche cavernöse oder der Kanimern- schwammige Bau, der im zweiten Monate dem Herzfleische in sei- ner ganzen Dicke zukommt, ist kein länger andauernder Zustand, vielmehr wird im dritten und vierten Monate allmälig, von aussen nach innen fortschreitend, die Herzwand compacter, bis am Ende Fig. 201 . Herz eines acht Wochen alten Embryo nach Wegnahme der Vor- kammer von oben, etwa 3mal vergr. o die beiden venösen Ostien, ta die bei- den Arterien , Ir der linke und rechte Ventrikel. 26* 404 Sechsunddreissigste Vorlesung. Theilung- des Truncus arteriosus. Fis. 202. der schwammige Bau auf die innersten Lagen allein beschränkt ist. Dass das Herzfleisch, wie andere Muskeln, aus spindel- und stern- förmigen Muskelzellen sich aufbaut, habe ich schon vor einigen Jah- ren gezeigt (Handbuch der Geweb. St. 607) , doch scheint aus den Untersuchungen von Weissman, der das Vorkom- men dieser Zellen bestätigt (Müll. Arch. 1861. 1) , her- vorzugehen , dass dieselben nicht nur durch Anastomo- senbildung, wie ich annahm, sondern auch durch einfache Aneinan- derlagerung zu den Muskelbündeln des fertigen Herzens sich umbil- den. Nach meinen bisherigen Ermittelungen scheint es, dass die Bildung der genannten Muskelzellen in der Mitte der Embryonal- periode abschliesst, und dass das gesammte Wachsthum des Herzens in späterer Zeit einzig und allein auf Kosten des Wachslhums der schon vorhandenen Elemente geschieht. Gleichzeitig mit der Ausbildung des Septum ventriculorum tritt auch die Theilung des Truncus arteriosus in Arieria pulmonalis und bleibende Aorta ein, welche, obgleich scheinbar nur die Fortsetzung des Vorganges, der bei der Trennung der Kammern statt hat, doch von demselben wohl zu unterscheiden ist. Während nämlich bei den Kammern die Herzmuskulatur selbst hervorwuchert und schliess- lich zu einem vollständigen Septum sich umbildet, ist es bei der pri- mitiven Aorta die mehr bindegewebige Gefässwand , welche die Trennung bewirkt. Es kann daher auch die Scheidung des Truncus arteriosus nicht so beschrieben werden, als ob sie durch ein Herein- wachsen des Kammerseptums geschähe , wie am deutlichsten auch daraus hervorgeht, dass bei gewissen Geschöpfen die Aorta zu einer Zeit sich theill, zu welcher die Kammer noch einfach ist. So bei der Natter nach Bathke (Entw. d. Natter. St. 165), bei der zur Zeit, wo der Truncus arteriosus in dreiGefässe zerfällt, die Kammer noch keine Spur eines Septum besitzt. Es kann daher auch , wie Bathke mit Becht bemerkt, die Ursache der Trennung der primitiven Aorta in zwei Kanäle nicht mit v. Baer in gewissen Besonderheiten der Gir- Fig. 202. Muskelzellen aus den Herzkammern eines neun Wochen alten menschlichen Embrvo. 350mal versrössert. Entwicklung des Gefässsystems. 405 culation, in einer besonderen Richtung der Blutslröme gesucht wer- den, vielmehr liegt derselbe einzig und allein in besonderen Wachs- thumsphänomenen der Arterienwand. — Was nun die Einzelnheilen beim Menschen anlangt,: so habe ich in der vierten Woche den Truncus arteriosus noch vollkommen einfach und mit rundem Lumen gefunden. Querschnitte desselben mikroskopisch untersucht zeigten schon deut- lich drei Häute, eine dünne derbere Adventitia, eine mächtige helle Media und eine innere Zellenlage als Intima. In der fünften Woche war die Arterie ebenfalls noch einfach, doch war das Lumen jetzt schon in die Quere gezogen und spaltenförmig. In der siebenten und achten Woche fand ich das Gefäss schon vollkommen doppelt und gelang es mir hier nicht, Zwischenstadien aufzufinden und die all— mälige Ausbildung der Theilung zu verfolgen. Glücklicher war ich bei Rindsembryonen von 7 — 8"' Länge und fand ich hier erstens Aorten mit 8 förmigem Lumen, oder mit anderen Worten, mit zwei schwachen Leisten im Innern, welche von Wucherungen der Tunica media herrührten und zweitens solche, die innerhalb einer gemein- samen Adventitia zwei Lumina enthielten , die zwar jedes seine be- sondere Intima, aber zusammenhängende Tunicae mediae besassen. Diesem zufolge kann nicht wohl bezweifelt werden, dass die Theilung des Truncus arteriosus wesentlich durch eine Wucherung seiner mitt- leren Haut zu Stande kommt, welcher erst später auch die Adventitia folgt, was jedoch beim Menschen sehr früh geschieht, indem schon in der achten Woche beide grossen Arterien alle ihre Häute für sich besitzen. Gleichzeitig mit der Theilung bilden sich auch die Semilu- semiiunar- nar klappen, die ich an beiden Arterien schon beim sieben Wo- chen alten Embryo sah. Dieselben sind jedoch anfänglich nichts als horizontal vortretende halbmondförmige Wülste der Media und der epithelialen Intima, durch welche das Lumen an dieser Stelle die Gestalt eines einfachen dreizackigen Sternes erhält. Zu welcher Zeit dieselben zuerst als Taschen sichtbar werden, habe ich nicht untersucht. Später als die Kammern und der Tr. arteriosus die beschrie- Bildung- des benen Trennungsvorgänge zeigen , erleidet auch der Venentheil des atHorum. Herzens ähnliche Veränderungen. Nach meinen Erfahrungen nämlich beginnt die Bildung des Septum atriorum erst nach der Vollendung des Septum ventriculorum in der achten Woche in Gestalt einer nie- drigen halbmondförmigen Falte , die von der Milte der vorderen 406 Sechsunddreissi°sle Vorlesung Yalvula Eustachii. Yalvula foraminis ovalis, Wand der Vorkammer und vom oberen Rande des Septum ventrica- lorum ausgeht. In dieselbe Zeit und vielleicht schon etwas früher fällt auch die Entwicklung zweier anderer Falten an der hinteren Wand des Vorhofes, der Valvula Eustachii und der Valvula foraminis ovalis rechts und links an der Mündung der unteren Hohlvene, welche Bildungen alle im dritten Monate viel deutlicher werden und dann schon eine bessere Scheidung der Vorhöfe bedingen, die jedoch, wie Ihnen bekannt, während der gangen Fötalperiode unvollkommen Foramen ovale, bleibt, indem dieselben durch das grosse Foramen ovale verbunden sind. Dieses Loch ist nicht als eine einfache, von rechts nach links durchgehende Oeffnung in der Scheidewand zu betrachten , sondern mehr als ein die Cava inferior, die beim Embryo auch zum Theil in den linken Vorhof mündet , fortsetzender schiefer Kanal , dessen Be- grenzungen die um diese Zeit sehr grosse EusTAcm'sche Klappe und die Klappe des eiförmigen Loches sind, die man auch als Fortsetzun- gen der Wand der Vene auffassen kann. Nach der Geburt verschmilzt die Valvula foraminis ovalis mit dem nach rechts von ihm gelegenen Septum und stellen dann beide miteinander das bleibende Septum atriorum dar. — Die Wandungen der Vorhöfe sind beim Embryo lange Zeit ungemein dünn, verstärken sich dann an den Herzohren, an denen zuerst Trabeculae sichtbar werden und später auch an den übrigen Theilen. Zum Schlüsse gebe ich Ihnen nun noch einige Bemerkungen über die Lage des Herzens. Unmittelbar nach seiner Entstehung liegt das Herz entschieden im Bereiche des Kopfes, wie Sie aus der Fig. 43 und 46 entnehmen können, wo dasselbe vor dem ersten Ur- wirbel , wie Sie wissen dem Vorläufer des ersten Halswirbels, in der Höhe der zweiten und dritten Hirnblase seine Stellung hat. Mit der grösseren Entwicklung des Kopfes und Halses rückt nun aber das Herz scheinbar immer weiter zurück, so dass es nach und nach in die Halsgegend zu liegen kommt, was durch die ferneren von Bi- schoff entlehnten Figuren 59, 61 und 60 auf St. I 16 — 118, vortreff- lich versinnlicht wird. Hier treffen wir auch noch wenigstens theil— weise das Herz des vier Wochen alten menschlichen Embryo (s. Fig. 71 und 1 61 ) allein bald nimmt dasselbe mit der grösseren Ausbil- dung der Halsgegend seine Stellung ganz und gar in der Brusthöhle ein , in der es während des ganzen zweiten Monates die volle Breite und Tiefe derselben erfüllt und mit seiner Längsaxe gerade steht. Erst von der achten Woche an beginnen die Lungen, die bisher Lage des embryonalen Herzens. Entwicklung des Gefässsystems. 407 Hüllen des Herzens. weiter gegen das Becken zu und hinler der Leber lagen, neben dem- selben sich zu erheben , uro bald ihre typische Stellung einzuneh- men, und während diess geschieht, stellt sich auch das Herz mit der Spitze mehr nach links , von welcher Zeit an es keine erheblichen Lageveränderungen mehr erfährt. Eigenthümlich wie die Lage ist auch die Beschaffenheit der das Herz umgebenden Theile. So lange das Herz seine primitive Stellung am Kopfe und Halse einnimmt, ist es in einer Spaltungslücke des mittleren Keimblattes enthalten , deren Begrenzungen in einer frü- heren Stunde genau geschildert wurden (Vorl. IX. Fig. 221, 23). Diese Lücke hat zuerst die in der Fig. 23 dargestellte Form , nimmt aber später die an, die die Fig. 47, 2 — 4 darstellt, und finden wir in die- sem Stadium das Herz vor dem Anfangsdarm gelegen und an der Bauchseite nur von einer dünnen Haut bedeckt , welche die Mem- brana reuniens inferior von Batbke oder die primitive Hals- und Brustwand ist. Um diese Zeit geschieht es auch , dass das grosse Herz diese dünne Haut bruchsackartig vortreibt und scheinbar wie ausserhalb des Leibes seine Lage hat (s. Fig. 60). Dieser Zustand dauert so lange bis die Producte der Urwirbel, Muskeln, Nerven und Knochen, in die primitive untere Leibeswand hineinwachsen und die bleibende Brustwand bilden, mit welchem Vorgange dann erst das relativ auch kleiner gewordene Herz seine Stelle im Thorax ein- nimmt, was beim Menschen in der zweiten Hälfte des zweiten Mo- nates geschieht. Ueber die Entwicklung des Herzbeutels ist bis jetzt nichts Sicheres bekannt, doch möchte soviel unzweifelhaft sein, dass der- selbe nach Analogie des Peritonaeum und der Pleura in loco sich bil- det und nichts als die äusserste Schicht der Herzanlage und die innerste Lamelle der primitiven , dass Herz einschliessenden Höhle ist. Zu welcher Zeit derselbe beim Menschen zuerst sichtbar wird, ist nicht bekannt und kann ich Ihnen nur soviel sagen, dass derselbe am Ende des zweiten Monates schon deutlich ist. Zur Entwicklung der Gefässe übergehend, beginnen wir nun Entwicklung dei Arterien. zunächst mit den Arterien, unter denen die grossen Stämme in der Aortenbogen. Nähe des Herzens vor Allem die Beachtung verdienen. Die erste Form derselben , die gleich nach der Entstehung des Herzens und während der Dauer des Kreislaufes im Fruchthofe getroffen wird, ist die (Fig. 203, 1) , dass das Herz vorn einen Truncus arteriosus {ta) entsendet, der nach kurzem Verlaufe in zwei Arcus aortae sich Herzbeutel. 408 Sechsunddreissigste Vorlesung. Aortenbogen. spaltet, die in der Wand der Kopfdarmhöhle bogenförmig nach der Gegend der späteren Schädelbasis und dann längs dieser convergi- rend nach hinten laufen, um schliesslich zu einem kurzen unpaaren Aortenstamme sich zu vereinigen (s. Figg. 45 und 46). Sowie die Kiemen- oder Schlundbogen hervortreten, zeigt sich, dass der An- fang der Aortenbogen an der Innenfläche der ersten Kiemenbogen liegt (Fig. 46) , sowie dass auch für die folgenden Kiemenbogen neue Aortenbogen hervortreten. Diese entstehen in der Richtung der Fig. 203. punctirten Linien der Fig. 203, 1, mithin hinter dem ersten Bogen oder, wenn Sie lieber wollen, als Queranastomosen seiner beiden Schenkel und hat man beim Hühnchen leicht Gelegenheit, drei solche Bogenpaare zu sehen, wie sie die Fig. 62 nach Bischoff vom Hunde wenigstens in den Anfängen wiedergibt. Es beschränkt sich jedoch die Zahl der Bogen nicht auf drei , vielmehr treten nach den über- einstimmenden Angaben von v. Baer und Bathke auch bei Säuge— thieren ebenso wie bei den Vögeln, der Beihe nach fünf Aortenbogen auf, in der Art jedoch, dass während die hintersten Bogen entstehen, die vorderen schwinden und niemals fünf, ja selbst vier nur sehr Fig. 203. Schema zur Darstellung der Entwicklung der grossen Arterien mit zu Grundelegung der von Rathke gegebenen Figuren. I. Truncus arteriosus- mit ein Paar Aortenbogen und Andeutung der Stellen, wo das zweite und dritte Paar sich bildet. II. Truncus arteriosus mit vier Paar Aortenbogen und Andeu- tung der Stelle des fünften. III. Truncus arteriosus mit den drei hinteren Paaren von Aortenbogen, aus denen die bleibenden Gefässe sich entwickeln und Dar- stellung der obliterirten zwei vorderen Bogen. IV. Bleibende Arterien in pri- mitiver Form und Darstellung der obliterirenden Theile der Aortenbogen. ta Truncus arteriosus, 1 — 5 erster bis fünfter Aortenbogen, a Aorta, p Pulmo- nalisstamm, p p" Aeste zur Lunge, aw' bleibende Wurzel der Aorta thora- cica ad, aw obliterirende Wurzel derselben, s' s" Subclaviae, v Vertebralis» ax Axillaris, c Carotis communis, c Carotis externa , c" Carotis interna. Entwicklung des Gefasssystems. 409 selten zu gleicher Zeit vorhanden sind, wie Sie diess in der Fig. 203, 2 dargestellt finden, in der auch die Stelle des fünften Bogens durch eine punctirte Linie angegeben ist. Der vierte und fünfte Bo- gen entstehen als Queranastomosen zwischen dem Truncus arteriosus selbst und dem hinteren Theile des ursprünglichen ersten Aorten- bogens und liegen der vierle an der Innenseite des vierten Kiemen- bogens und der fünfte hinler der vierten Kiemenspalte. Es entspre- chen sich mithin die Kiemenbogen und Aortenbogen ganz mit ein- ziger Ausnahme dessen , dass bei den höheren Wirbelthieren kein fünfter Kiemenbogen sich entwickelt und ist klar, dass die Aorten- bogen eine Wiederholung des ersten Entwicklungszustandes der Kiemengefässe der Fische und Batrachier sind. Da jedoch bei den höheren Thieren keine Kiemen sich ausbilden, so vergeht ein Theil der Aortenbogen wieder und findet auch der Abschnitt derselben, der sich erhält, eine ganz eigenthümliche Verwendung. Die Umwandlung der Aortenbogen in die bleibenden Gefässe Umwandlungen i .<■ i . i ti it» i- i • t ^er Aortenbogen. schildere ich Ihnen nun nach Bathke s sorgfältigen Untersuchungen und versinnliche ich Ihnen dieselben durch die zwei Schemata Fig. 203, 3 und 4, die mit einer geringen Modifikation nach einem von Bathke gegebenen Schema constiuirt sind. Die bleibenden grossen Arterien gehen im Wesentlichen aus den drei letzten Aortenbogen hervor, doch erhält sich auch ein Theil des ersten und zweiten Bo- gens in der Carotis interna c" und Carotis externa c . Von den drei letzten Bogen wird der vorderste (der dritte der ganzen Beihe) zum Anfange der Carotis interna, während die Carotis communis c aus dem Anfange des ursprünglichen ersten Arcus aortae sich entwickelt. Der zweite bleibende Aortenbogen (der vierte der ganzen Beihe) setzt sich auf beiden Seiten, nach der Trennung des Truncus arteriosus in Aorta und Art. pulmonalis mit der Aorta in Verbindung und wird links zum eigentlichen bleibenden Arcus aortae, rechts zum Truncus anonymus und zum Anfange des Subclavia dextra s . Die Verbindung zwischen dem ersten und zweiten bleibenden Bogen (dem dritten und vierten ursprünglichen Bogen) vergeht. Der dritte bleibende Bogen (der fünfte der ursprünglichen Beihe) vergeht rechts vollstän- dig, links tritt derselbe mit der Pulmonalis in Zusammenhang und bleibt auch während des ganzen Fötallebens mit dem bleibenden Arcus aortae in Verbindung , so dass das Blut der rechten Kammer in die Aorta descendens sich entleert. Aus diesem Bogen entwickeln sich auch die beiden Lungenäste selbst p p" , die anfänglich ein 410 Sechsunddreissigste Vorlesung. kurzes gemeinschaftliches Stämmchen haben, später aber direct aus dem Bogen selbst entspringen. Die Verbindung zwischen dem zwei- ten und dritten Bogen links erhält sich als Fortsetzung der Subclavia in die Axillaris ax und gibt die Vertebralis v ab, dagegen vergeht die Fortsetzung des dritten Bogens zur ursprünglichen unpaaren Aorta [aw) , so dass später die Aorta descendens nur mit den Ge- fässen der linken Seite in Verbindung steht. Die Subclavia der linken Seite s" endlich entsteht aus dem Ende des zweiten bleibenden Aor- tenbogens der linken Seite. Sind einmal in der angegebenen Weise aus den ursprünglichen Aortenbogen die bleibenden Gefässe entstanden , so erreichen die- selben dann nach und nach durch besondere Wachsthumserschei- nungen ihre bleibenden Verhältnisse , was ich Ihnen wohl nicht im Einzelnen zu schildern brauche, da die Gefässe der Fig. 203,4 doch nicht so sehr von denen der späteren Zeiten abweichen , dass Sie nicht mit etwas Nachdenken sich die Umwandlungen derselben klar machen könnten. Beim älteren und reifen Embryo haben dann die meisten grossen Arterien ihre bleibenden Verhältnisse angenommen und findet sich nur noch das Bemerkenswerthe , dass die Lungen- arterie immer noch ausser den Lungenästen einen starken Verbin- dungszweig, den Ductus arteriosus Botalli zur Aorta abgibt, der als eigentliche Fortsetzung der Puhnonalis erscheint und erst nach der Geburt obliterirt. Entwicklung Von den übrigen Arterien sind im Ganzen nur wenige auf ihre der peripheren Arterien. Entwicklung untersucht , doch bieten dieselben auch nicht das In- teresse dar, wie die grossen Stämme am Herzen, und begnüge ich Aorta mich daher mit Folgendem. Die Aorta thoracica und abdominalis -emens. sciiejnt ursprünglich ein in seiner ganzen Länge doppelter Stamm zu sein , doch sind diese Verhältnisse bis jetzt nur beim Hühnerembryo genauer untersucht. Nach Bemak sind hier die beiden ersten Aorten- bogen ursprünglich nicht verbunden, sondern laufen als von ihm primitive Aorten, sogenannte «primitive Aorten» vor der Wirbelsäule einander parallel bis zum hinteren Leibesende fort. Erst am dritten Tage ver- schmelzen diese primitiven Aorten in ihrem vordersten an der Wir- belsäule gelegenen Theile, und von diesem Puncte rückt dann die Verschmelzung langsam nach hinten fort. Diese Angaben Remak's sind bis jetzt noch von Niemand bestätigt worden, es ist jedoch leicht an Querschnitten von Embryonen des zweiten und dritten Tages die ursprüngliche Trennung und die spätere Verschmelzung der primi- Entwicklung des Gefässsystems. 411 tiven Aorten nachzuweisen, und habe ich Ihnen schon früher in den Figg. 24, 25, 26 und 29 diese Verhältnisse versinnlicht , von denen ich die sprechendste hier wiederhole. Diesem zufolge wird wohl kaum bezweifelt werden können , dass auch bei den Säugethieren die ersteren Aortenbogen ursprünglich nicht vereint sind , und dass der in der Fig. 203, 1. dargestellte Zustand nicht der ganz primitive ist. Auf jeden Fall aber scheint es mir ganz sicher, dass die Bauch- aorta durch Verschmelzung der sogenannten hinleren Wirbelpuls- adern (Art. vertebrales posteriores) , die besser primitive Aorten Fig. 204. Querschnitt durch den hinteren Theil desRumpfes eines Hühner- embryo von vier Tagen, 90 — 100mal vergr. Die Buchstaben wie in Fig. 26, ao die schon verschmolzenen zwei primitiven Aorten, vc Vena cardinalis. wh häu- tige Anlage des Wirbelkörpers, aus einem Theile des Urwirbels entstanden, die Chorda nur unten umfassend, wiuw wenig scharf markirte Grenze der Producte des Urwirbels gegen die Producte der Mittelplatten und die Aorta, w b häutige Wirbelbogen über dem Medullarrohr vereint (Membr. reuniens su- perior Rathke) , wq Fortsetzung der Wirbelanlage gegen die Bauchwand (Quer- fortsalz und Rippe) , mp Muskelplatte, hpr Hautplatte des Rückens, mh Hülle des Markes, ein Product des Urwirbels, a Amnion , welches ganz geschlossen war, aber nicht ausgezeichnet ist. Die Markhöhle ist auch mit mh bezeichnet. 412 Sechsunddreissigste Vorlesung. Arterien des Dottersacks. Arteriae umbilicales. heissen (Fig. 45 e) , zu Stande kommt, was dann auch begreiflich macht, dass die Arteriae omphalo-mesentericae erst Aeste der primi- tiven Aorten und später der unpaaren Bauchaorta sind. Für die Annahme einer Entstehung der ganzen Aorta descendens durch Ver- schmelzung zweier Stämme sprechen auch die freilich seltenen Fälle von Aorten des Menschen , die in ihrer ganzen Länge durch eine Scheidewand getheilt sind , von denen ich selbst zwei Präparate bei Allen Thomson in Glasgow sah. Ausserdem verdienen nun noch die Gefässe des Dottersackes und der Allantois Erwähnung. Von den erstem habe ich Ihnen schon früher angegeben, dass die anfänglich zahlreichen Art. omphalo- mesentericae später bis auf zwei vergehen (Fig. 66 m) , von denen schliesslich auch nur die rechte sich erhält (Fig. 71 a, 72 a) . Von dieser entspringt dann als ein anfänglich kleines Aestchen die Art. mesenterica, welche dann aber zuletzt, da die Arterie zum Dottersack nicht wächst, als die eigentliche Fortsetzung des Stammes erscheint, der hiermit zur Mesenterica superior wird. — Die Arterien der Allantois sind ursprünglich einfach die Enden der pri- mitiven Aorten (Fig. 205). Sind diese verschmolzen und die Aorta abdomina- lis aus ihnen entstanden, so erscheinen die Arterien der Allantois, die jetzt zur Placenta gehen oder die Arteriae umbi- licales, einfach als dieTheilungsäste der Aorta in derselben Weise wie beim Erwachsenen die Iliacae commimes, und diese geben dann schwache Aestchen zu den hervorsprossenden unteren Ex- tremitäten und den Beckeneingeweiden ab. Mit der Zeit werden nun freilich diese Repräsentanten der Ar- teriae iliaca externa und interna stärker, da aber auch die Arteriae umbilicales während der ganzen Fötalperiode fortwachsen, so er- scheinen auch beim reifen Embryo immer noch diese Arterien als IM k V Fis. 205. Fig. 205. Hinteres Ende eines Hundeembryo mit nach hinten geschlagener mehr entwickelter Allantois a. Nach Bischoff. b Enddarm nach vorn mit dem Dottersack verbunden, der auf die linke Seite geschlagen ist, c primitive Aorten auf der Allantois sich verzweigend , d Venae umbilicales , an den Rändern der Bauchwand verlaufend. Entwicklung des Gefässsystems. 413 die eigentlichen Endäste der Aorta, ein Verhältniss , das erst nach der Geburt mit der Obliteration der Nabelarterien und ihrer Um- wandlung in die Ligamenta vesicae lateralia sich ändert. Wenn ich vorhin die Art. umbilicales als die Endäste der em- bryonalen Aorta bezeichnete , so ist diess noch etwas näher zu erör- tern. Zur Zeit, wo die Allantois hervorsprosst (Fig. 205), sind die Ar- terien derselben in der That die letzten Aeste der noch unverschmol- zenen primitiven Aorten. Später jedoch , wenn die Verschmelzung eingetreten ist, setzt sich die unpaare Aorta eigentlich noch jenseits der Umbilicalarterien mit einem kleinen Stämmchen, das Aorta cau- dalis heissen kann und Vorläufer der Sacra media ist, fort und sind die Arteriae umbilicales nur Seitenäste der mittleren unpaaren Arte- rie. Da jedoch die Nabelarterie sehr stark und die Verlängerung der Aorta in den Schwanz nur schwach ist, so erscheinen die erste- ren auch unter diesen Verhältnissen als die eigentlichen Enden der Aorta , und habe ich dieselben aus diesem Grunde vorhin als solche bezeichnet. Siebemmddreissigste Vorlesung. Entwicklung des Meine Herren ! Zur Entwicklung des Venen Systems über- Venensystems. u gehend, betreten wir unstreitig das schwierigste Gebiet in der gan- zen Lehre vom Gefässsysteme, in das zwar die ausgezeichneten Un- tersuchungen Ratbke's (Ueber den Bau und die Entwicklung des Venensystems der Wirbelthiere, 3. Bericht über das naturh. Seminar der Univ. Königsberg 1838) viel Licht gebracht haben, das aber doch wegen der grossen Variationen , die bei verschiedenen Geschöpfen sich finden , noch manche dunkle Gegenden darbietet. Der Natur dieser Vorträge gemäss ist es mir nicht möglich, diesen Gegenstand vom vergleichend -anatomischen Gesichtspuncte aus zu betrachten und sehe ich mich genöthigt, mich vor Allem an den Menschen zu halten , der leider von Rathke gerade am wenigsten berücksichtigt worden ist. Allgemeine Dje ersten Venen, die bei der Entwicklung auftreten, sind, wie Uebersicht der . Entwicklung der ihnen schon bekannt, die zwei Venae omphalo-mesentericae , Venen. Vmae omphaio-d\e nicht dem Leibe des Embryo selbst, sondern dem Fruchthofe angehören und durch ein kurzes Stammchen in das Venenende des Herzens einmünden (s. Vorl. XII. Fig. 45). Mit der Ausbreitung der Gefässe des Fruchthofes über die ganze Keimblase und der Bildung des Dottersackes wandeln sich diese Gefässe in die des Dottersackes um, von dem anfänglich noch zwei Venen zum Herzen gelangen, die dann aber später, wenn der Darm vom Dottersacke sich abschnürt, auf eine einzige, scheinbar der linken Seite angehörige sich redu- ciren , die immer noch den Namen Vena omphalo-mesenterica trägt, und später auch eine kleine Vena mesenterica vom Darme her auf- nimmt. Noch bevor diess seschehen ist, treten aber auch schon zwei Entwicklung des Gefasssystems. 415 neue Venengebiete auf, das der Allantois und die Körpervenen des Embryo selbst. Die Venen der Allantois sind anfänglich zwei Venae Venae umbilieales. umbilicales , die in der Wand der noch weit offenen Bauchhöhle nach vorn verlaufen und dann in ein Stämmchen vereint von vorn her in den Stamm der beiden Venae omphalo-mesentericae sich ein- senken. Noch bevor die Leber hervorsprosst, werden die Umbilical- venen mächtiger, eignen den Stamm der Omphalo-mesentericae sich an, mit anderen Worten, es erscheint derselbe jetzt als Fortsetzung der Nabelvenen, und die einzig übrig bleibende Vena omphalo-me- senterica tritt nun in das Verhältniss eines Aestchens des Nabel- venenstammes. Mit dem Hervorwachsen der Leber wird der Stamm der Nabelvenen (früher Stamm der Omphalo-mesenterica) von der- selben umfasst und entwickeln sich nun zweierlei Systeme von Ve- nenverästelungen in die Leber hinein. Die einen derselben, die zu- führenden Leberäste, Venae hepaticae advehentes , der Na- belvenen, bilden sich von der Einmündungssteile der Vena omphalo- Venae hepaticae advehentes. mesenterica in die Leber hinein und führen derselben Blut zu, die an- deren dagegen entwickeln sich weiter oben von der Leber in das Ende des Stammes der Nabelvenen und stellen die Venae hepaticae y^ce hepaticae revehentes. revehentes dar. Ist diess geschehen, so verschwindet die rechte Nabelvene, die schon früher eine geringe Entwicklung dargeboten halte, ganz, so dass nun das Blut der Placenta nur durch eine linke Umbilicalvene, die aber nach und nach in die Mittellinie rückt, in die Leber und zum Herzen geführt wird. Um dieselbe Zeit wird auch die Omphalo-mesenterica nach und nach zu einem Ast der rechten Vena hepatica, advehens der Nabelvene, obschon sie anfangs genau an der Ursprungsstelle der Venen der beiden Seilen, jedoch mehr rechts mit derselben zusammenmündele. Später wird der Theil dieser Vene, der vom Dottersack kommt, relativ immer kleiner, wogegen die Darmvenen an Mächtigkeit gewinnen , und sobald dieses Ver- hallen bestimmter ausgebildet ist, muss dann das Ende der Vene die jetzt noch Omphalo-mesenterica. heisst , als Vena portae be- vcnaportae. zeichnet werden, die somit ebenfalls in die rechte Vena hepatica ad- vehens der Umbilicalvene einmündet. Der Theil der Vena umbilicalis, der zwischen den beiderlei Leberästen derselben sich befindet, bleibt während der ganzen Embrvonalzeit bestehen und ist der Ductus Ductus venom» ° J Arantii. venosus Arantii. Gleichzeitig mit dem Auftreten der Gefässe der Allantois oder vielleicht schon etwas früher treten auch die ersten Gefiisse im Leibe 416 Siebenunddreissigste Vorlesung. Venae jvgulares und cardinales Ductus Cuvieri Cava inferior. des Embryo selbst auf. Die Venen sammeln sich auf jeder Seite in einen vom Kopfe herkommenden Stamm, die V ena jugularis, und einen vom hinteren Leibesende abstammenden, die Vena c ar- din alis, die in der Herzgegend zu einem queren Stamme, dem Ductus Cuvieri, sich verbinden, welche beide mit dem Ende des Stammes der Omphalo-mesenterica , später der Vena umbilicalis sich vereinigen. Hat dieses paarige Körpervenensystem eine gewisse Zeit bestanden, so entwickelt sich, rechts von der Aorta, aus zwei mit den Venae cardinales verbundenen Wurzeln ein unpaarer Stamm, die Cava inferior , die über den Venae hepaticae revehentes mit dem Stamm der Umbilicalvene zusammenmündet. Um diese Zeit senken sich somit alle Venen des Embryo gemeinschaftlich in einen kurzen Venensinus dicht am Herzen ein, später wird jedoch dieser Behälter in den Bereich des Vorhofes gezogen , so dass dann die Ductus Cu- vieri, die nun obere Hohlvenen heissen , für sich und der durch Vereinigung der Cava inferior und Vena umbilicalis gebildete kurze Stamm ebenfalls als Cava inferior gesondert in den Vorhof über- gehen. Noch später vereint sich dann auch das System der linken Cava superior grösstenteils mit der rechten oberen Hohlvene, wobei die Cardinalvenen zur Az-ygos und Hemiazygos werden, und erhält sich von ihr nichts als das Herzende als Vena coronaria cordis magna. Hiermit habe ich Ihnen in groben Umrissen die Hauptentwicklungs- vorgänge des Venensystems gezeichnet und darf ich nun hoffen, dass Sie an der Hand dieser Uebersicht die Einzelnheiten, zu denen ich jetzt übergehe, leichter auffassen werden. Vena-e omphaio- Was erstens die V enae omphalo-mesenter ic ae betrifft , so mesentericae. Nabeigekrös- finden Sie die frühesten Zustände derselben von Säugethierembryo- Dottersackvenen. nen nach Bischoff in den Figg. 43, 45, 46 und 59. Beim Menschen kennt man dieselben aus diesem Stadium noch nicht und ist die früheste Beobachtung die von Coste an dem in der Fig. 206 dar- gestellten fünfzehn bis achtzehn Tage allen Embryo, an dem die genannten Venen [n) die vorderen Seiten des Doltersackes einneh- men und an der Bauchfläche des Endes des Vorderdarmes in das Herz einmünden, woselbst sie mit dem Stamme der Venae umbilicales zusammenmünden, in der Weise, wie diess das Schema Fig. 207, 1. ergibt. Zwischen diesem Stadium und dem nächstfolgenden , das die Fig. 71 und 72 und das Schema Fig. 207, 2. darstellen, ist eine Lücke die bis jetzt noch von Niemand ausgefüllt ist. Beim vier Wochen alten Embryo nämlich und noch später läuft die allein Entwicklung des Gefässsystems. 417 fSKäSv- noch erhaltene linke Vene des Dottersackes an der linken Seite der einfachen Darmschleife und tritt dann hinter dem Pförtner und der Pars horizontalis superior duodeni an die rechte Seite des Magens, um schliesslich nach vorn in den Stamm der Venae umbilicales an der Le- ber einzumünden. Dass die- ses Gefäss, das hinter dem Darm durchgeht, nicht ein- fach die linke Vena omphalo- mesenterica sein kann , wie allgemein angenommen wird, ist klar, da dieselbe ja ur- sprünglich vor dem Darme ihre Lage hat; es ist jedoch leider für einmal nicht mög- lich genau zu sagen , wie dasselbe entsteht. Immer- hin scheint mir ein von Coste gegebener Fingerzeig {Bist-, du devel. Erklärung der PL IV a) den einzig richtigen Weg anzubahnen. Nach Coste nämlich ist das Ende der eben geschilderten sogenannten lin- ken Vena omphalo-mesenterica der Stamm der Nabelgekrösvene der rechten Seite. Ist dem so, und meiner Meinung nach kann diess nicht wohl bezweifelt werden, so begreift sich dann die Lage dieses Stammes an der rechten Seite des Magens und hinteren Seite des Pylorus , letzteres im Zusammenhange mit der Drehung des Magens, leicht, dagegen wird allerdings noch weiter anzunehmen sein, dass das Ende des Stammes der linken Omphalo -mesenterica (Fig. 207. 2, om") vergeht und der Rest derselben mit dem rechten Stamme sich in Verbindung setzt, welche ihrerseits am Dottersacke schwindet, was Ihnen das Schema Fig. 207, 2 deutlich machen wird. Fig. 206. Fig. 206. Menschlicher Embryo mit Dottersack, Amnion und Nabelstrang von 15 — 18 Tagen nach Coste, vergr. dargestellt, b Aorta, c Herz, d Rand der weiten Bauchöffnung, e Oesophagus, /"Kiemenbogen, l Hinterdarm, m Arteria omphalo-mesenterica, n Vena omphalo-mesenterica , o Dottersack, dessen Gefässe nicht ausgezeichnet sind, u Stiel der Allantois (Urachus) , a Allantois mit deut- lichen Gefässen, als kurzer Nabelstrang, zum Chorion ch gehend , v Amnion, ah Amnioshöhle. Külliker, Entwicklungsgeschichte. £l 418 Siebenunddreissigste Vorlesung. Ueber die Beziehungen der Vena omphalo-mesenterica zur Leber und zur Vena umbilicalis und ihren Leberasten hat der vortreffliche Rathke eine Schilderung gegeben , von der ich leider wie Bischoff (Entw. St. 268) bekennen muss , dass sie mir nicht verständlich ist, und die auf keinen Fall für den Menschen passt. Aus diesem letzte- ren Grunde sehe ich mich auch nicht veranlasst, auf Rathke's Dar- stellungen der Verhältnisse bei den Thieren einzugehen und schildere ich Ihnen nur die Zustände des Menschen. Hier entwickeln sich die Umbilicalvenen sicherlich vor der Bildung der Leber, wie Ihnen der Embryo der Fig. 66 beweist und erscheint daher im Zu- sammenhange mit dem raschen Wachsthume dieser Venen der ur- sprüngliche Stamm der beiden Venae omphalo-mesentericae, sobald die Leber auftritt, nicht mehr als die Fortsetzung der noch erhaltenen linken Vena omphalo-mesenterica. sondern als die der Nabel venen, mit anderen Worten, es hat sich, wie Ihnen die Fig. 207, 2 lehrt, das Yerhältniss der beiden grossen Venen zu einander in der Art geändert, dass während früher die Vena omphalo-mesenterica Haupt- gefäss war und der Umbiiicalvenenstamm in sie einmündete , nun umgekehrt die Vena omphalo-mesenterica zu einem Aste der Nabel- vene geworden ist. In derThat fand ich auch bei einem vier Wochen alten Embryo, ähnlich wie diess Coste in seiner Tab. III, a von einer gleich alten Frucht zeichnet, bei einer noch sehr kleinen Leber eine starke Nabel vene, die eine viel kleinere Vena omphalo-mesenterica als Ast aufnahm , und ebenso verhalten sich die Sachen nach Goste's Abbildungen auch beim Schaafe (1. c. Tab. IV) , bei dem die kaum zu einer Masse verwachsene Leberanlage eine mächtige Umbilicalvene enthält, gegen die die Dottersackvenen ganz zurücktreten. Gestützt auf diese Thatsachen glaube ich auch nicht zu irren , wenn ich an- nehme, dass das grosse Gefäss , das Bischoff bei einem Hundeem- bryo von fündunclzwanzig Tagen (s. Fig. 51 in diesem Werke) in der noch kleinen Leber als Vena omphalo-mesenterica bezeichnet , schon die Nabelvene ist. Bei so bewandten Umständen kann man beim Menschen nicht von Leberästen der Omphalo-mesenterica, sondern nur von solchen der Vena umbilicalis reden. Diese entwickeln sich nun allerdings zum Theil und vor allem von dem Puncte aus , wo die Vena omphalo-mesenterica einmündet (Fig. 207, 2) und bildet insonderheit der rechte Ast der Vena hepatica advehens der Umbili- calis so sich aus , dass bald die Omphalo-mesenterica nicht mehr in den Stamm , sondern in diesen Ast sich einsenkt. So wird dann Entwicklung des Gefasssystems. 419 nach und nach ein Verhällniss herbeigeführt, das während der Fö- talzeit Geltung hat und das Ihnen die Schemata Fig. 207, 3 und 4 versinnlichen. Dieselben sollen Ihnen ausserdem auch noch zeigen, wie aus der Vena omphalo - mesenterica der Stamm und die Wurzel de ä,c der Pfortader sich gestal- len. Schon in früherer Zeit nimmt diese Vene Wurzeln aus dem Darme auf, die wir als Vena me- senterica bezeichnen wol- len (Fig. 207, 3). Wäh- rend nun die eigentliche Vene des Doltersackes in späteren Zeiten nicht mehr wächst und schliesslich vergeht, entwickelt sich die Vena mesenterica im- mer mehr und gesellen sich auch die anderen Wurzeln der Pfortader dazu und wird so natürlich die Om- phalo - mesenterica an der Leber Stamm der Pfort- ader (Fig. 207, 4), der aber während der ganzen Fötalperiode trotz seiner beständigen Zunahme doch keine überwiegende Bedeutung erlangt, indem eben die Nabel vene, die von Anfang an die mächtigere ist, in ihren Leberästen auch immer mehr an Stärke gewinnt. Erst nach Fia. 207. Fig. 207. Schemata zur Darstellung der Entwicklung der Venae omphalo- mesentericae und Umbilicales. 1. Aus der Zeit des ersten Auftretens der Umbili- cales und der Blüthe der Omphalo-mesenlericae . 2. Aus der Zeit des Auftretens der ersten Leberäste und der Verkleinerung der Omphalo-mesenterica. 3. u. k. Aus der Periode des vollkommen eingeleiteten Placentarkreislaufes. om in 1 . Stamm der Omphalo-mesenterica , in 2. 3. bleibende Omphalo-mesenterica , in 4. Vene des Dottersackes allein, om', om" rechte und linke Vena omphalo-mesen- terica, u Stamm der Umbilicalvenen , u'u" rechte und linke Vena umbilicalis , d c Ductus Cuvieri , j Iugularis , c Cardinalis, l Leber, ha Hepaticae advehentes, hr Hepaticae revehentes , m Mesenterica, da Ductus venosus Arantii , ci Cava inferior, p Vena portae , ILienalis, m Mesenterica super ior. 27* 420 Sieben unddreissigste Vorlesung. Vena zimbilicalis. der Geburt, wenn die Nabelvene obliterirt, wird die Pfortader die einzige zuführende Vene der Leber, und eignet sich dann die frühe- ren Aeste der Umbilicalis an , so dass der Anfang des rechten Le- berastes der Umbilicalvene nun zum Anfange des linken Astes der Pforlader sich gestaltet. Mit der eben gegebenen Schilderung ist nun auch schon Vieles besprochen, was zur Geschichte der Vena umbilicalis gehört und habe ich nur noch Folgendes zur Ergänzung nachzutragen. Dass die Nabel vene ursprünglich paarig vorhanden ist, wie die Arterien der Allantois , hat für die Säugethiere Rathke schon vor langer Zeit angegeben und später Bischoff (s. Fig. 56) und Coste diess bestä- tigt. Beim Menschen dagegen hat wohl Coste zuerst dieses Verhalten aufgedeckt (1. c. Tab. III, a, in diesem Werke Fig. 71 aa). Wie die Allantois im Zusammenhange mit der vorderen Leibeswand sich ent- wickelt, so sind auch die Nabelvenen ursprünglich nicht blos Venen der Allantois , sondern auch der vorderen Bauchwand und nehmen ursprünglich, wie ebenfalls Bathke zuerst mitgelheilt, eine grosse Menge kleiner Venen der besagten Wand auf, welche Coste neulich von Schaafembryonen in drei schönen Abbildungen wiedergegeben hat (1. c. PI. IV. V. VI). Diese Zweigel- chen , die nach Coste auch beim Menschen vorkommen, schwin- den später — doch können selbst beim Erwachsenen noch einzelne Reste der- selben vorkommen — und ebenso vergeht auch die eine und zwar die rechte Na- belvene ganz , wäh- Fig. 208. Leber eines reifen Fötus, % der natürlichen Grösse, von unten. Der obere Theil des SpiGEL'schen Lappens, die die linke Furche begrenzenden Theile und ein Theil des rechten Lappens sind entfernt, u Stamm der Umbili- calis, u Hauptast derselben zum linken Lappen, u" Ast derselben zum rech- ten Lappen, u" kleinere Aeste zum linken Lappen und zum Lobus quadran- gularis , dv Ductus venosus Aranlii , p Vena Portae , ci Cava inferior an der Leber, c Stamm derselben über der Leber, h linke Lebervene, /"Gallenblase. Entwicklung des Gefasssystems 421 rend die andere nach und nach in die Mittellinie rückt. — In der Leber treibt der gemeinschaftliche Stamm der Nabelvenen (der frühere Stamm der Omphalo -mesenteriale) bald die zwei schon be- sprochenen Systeme von zu- und abführenden Venen und spielt dann die Rolle der späteren Pfortader, mit dem Unterschiede jedoch, dass die Nabelvene niemals alles ihr Blut durch die Leber sendet, sondern immer einen Theil desselben durch ihren Stamm direct dem Herzen , mit anderen Worten , der Cava inferior übermittelt. Es ist jedoch zu bemerken, dass dieser Stamm später mit der Entwicklung der Leberäste nicht vollkommen gleichen Schritt hält (Fig. 208) , so dass während der grössten Zeit des Embryonallebens doch das meiste Blut der Nabelvene erst auf dem Umwege durch die Leber das Herz erreicht und der ursprüngliche Stamm doch nur als ein engerer Ver- bindungskanal zwischen ihr und der unteren Hohlvene erscheint, der nun , wie Sie wissen , Ductus venosus heisst. Dass die Venae hepaticae revehentes der Umbilicalvene die eigentlichen Lebervenen sind, wird Ihnen bereits klargeworden sein und ebenso ist Ihnen auch bekannt, dass der Ductus venosus nach der Geburt obliterirt und nur in einem vom linken Aste der Pfortader zur Cava hinzie- henden Strange sich erhält. Die ersten Körpervenen, welche im Embryo entstehen, sind die venae juguiares Tr ■ , i ?-7 t. r. • TT-.i et cardinales. Venae juguiares und cardinales von Rathke. Beim Huhn- chen entstehen die Venae cardinales (siehe Fig. 26 vc) am An- fange des dritten Tages nach den Gefässen des Fruchthofes , aber vor der Allanlois und den Vasa umbilicalia und so wird es sich wohl auch beim Säugethier- und menschlichen Embryo verhalten, obschon hierüber noch nichts Sicheres bekannt ist. Es ist dieses erste System von Körpervenen , dessen genauere Kenntniss wir vor Allem Rathke, dann auch Coste (1. c. Brebis PL IV. V. VI) verdan- ken, ein sehr zierliches paariges System, dessen einzelne Theile sich folgender Maassen verhalten. Die Venae juguiares ent- springen mit vielen Aestchen vom Kopfe besonders aus dem Ge- hirn, laufen dicht hinter den Kiemenspalten und vor der Gegend des Gehörbläschens nach hinten bis- in die Höhe des Herzens, wo sie nach innen sich biegen und mit den Stämmen der Venae cardinales die Ductus Cuvieri bilden, die rechts und links von der Speiseröhre gegen das Herz verlaufen und mit einem kurzen Stämmchen, ge- meinschaftlich mit der Vena omphalo-mesenterica, in die noch einfache Vorkammer sich einsenken. Die Venae cardinales entspringen 422 Siebe nundclreissi aste Vorlesung. doppelt am hinteren Leibesende, laufen hinter den WoLFF'scben Körpern die Aorta zwischen sich nehmend nach vorn, um dann, wie schon erwähnt, mit den Jugulares sich zu vereinen. renae jug uiares. Die genaueren Verhältnisse und die weiteren Entwicklungen dieser zwei Venengebiete sind nun folgende. Die Venae jugula- res anlangend, so liegen ihre ersten Zweige in der Schädelhöhle und üiessen jederseits in einem Ge- fässe zusammen , das als Anfang des Stammes angesehen werden kann und später als Sinus transversus erscheint. Dieses Gefäss verlässt jedoch die Schädelhöhle nicht durch ein Foramen jugulare, sondern durch eine beson- dere , vor der Ohrgegend gelegene Oeffnung, welche, wie Luschka, ge- zeigt hat, auch am ausgebildeten knö- chernen Schädel noch erhalten sein kann und dann am Schläfenbeine über dem Kiefergelenke liegt. Später ver- schliesst sich diese Oeffnung und wird das Blut der Schädelhöhle durch eine nahe am Ductus Cuvieri aus dem un- tersten Ende der primitiven Jugularis hervorgesprosste Jugularis interna ab- geführt , so dass dann die erstere als Jugularis externa erscheint. In den Bereich desselben Venengebietes ge- hören auch I) die Venae vertebra- l es anteriores voiiBathke, die in die Ductus Cuvieri sich entleeren und zu den bleibenden Venae vertebrales sich gestalten, und 2) die Venae subcl av iae , die in das Ende der Jugulares sich ergiessen. Die Venae cardinales sind wohl in erster Linie die Venen Fig. 209. Schema zur Darstellung der grossen Venen aus der Zeit des ersten Auftretens des Placentarkreislaufes und der Körpervenen , beim Men- schen etwa aus der vierten Woche, v gemeinschaftlicher Venensinus, de Duc- tus Cuvieri, j primitive Jugularis, ji Jugularis interna, s Subclavia, c Cardinalis, h Ende derselben, spätere Hypogastrica, er Cruraljs, ci Cava inferior, om Om- phalo-mesenterica , u Umbilicalis, u Stamm derselben an der Leber, dessen Leberäste nicht dargestellt sind. Vertebrales anteriores. Subclaviae. Venae cardinales. Fig. 209. Entwicklung des Gefässsystems. 423 der WüLFF'schen Körper, deren ganzem Verlaufe sie folgen und von denen sie viele Zweigelchen aufnehmen. Ausserdem nehmen sie aber auch von der Rückenwand des Rumpfes viele Aestchen auf, die den späteren Inler- costal- und Lumbaivenen im&rcostaies Lumhaies. entsprechen. Mit der Bil- dung der hinleren Extre- mitäten entstehen an ihren Stämmen auch die Venae cruraies. er ural es. Die weiteren Umwandlungen der Cardi- nalvenen sind bei den Säu- gethieren und beim Men- schen noch nicht, hinrei- chend verfolgt, es scheinen jedoch nach Rathke's Un- tersuchungen die mittleren Theile der Cardinal venen pja 2io. später ganz zu vergehen. DieYenen der hinteren Ex- tremitäten und die Schwanzvenen , die ursprünglich die Enden der Cardinalvenen sind, schliessen sich dann an die mittlerweile ent- Fig. 210. Schema zur Darstellung der Bildung der Venensysteme der Cava superior und inferior. \ . Ansicht des Herzens und der Venen aus der Zeit des Bestehens zweier oberer Hohlvenen von hinten, es Cava superior sinistra, die mit ihrem Ende Herzvenen aufnimmt, eds Stamm der Cardinalis sinistra, cd Cava superior dexlra , ad Anonym a dextra (ursprünglich Anfang der rech- ten Jugularis) , as Anonyma sinistra (Verbindungsast zwischen beiden ursprüng- lichen Jugulares) , az Azygos (ursprünglich Stamm der Cardinalis dextra, J i Jugularis interna , Ie Jugularis externa , s Subclavia , c obliterirter mittlerer Theil der Cardinalvenen, vp stattdessen neu aufgetretene Vertebralis posterior, die nun die Lendenvenen und Intercostalvenen zum Theil aufnimmt, ha Stamm der Herniazygos (Verbindungsast zwischen beiden Vertebrales) , ci Cava inferior, il Iliaca communis (ursprünglich Verbindungsast der Cava mit der Cardinalis) , er Cruralis , h Hypogastrica (ursprüngliches Ende der Cardinalis) . 2. Ansicht des Herzens und der bleibenden Venenstämme mit Andeutung des Schwindens der Cava superior sinistra von hinten, az Azygos, ad Anonyma dextra, as Anonyma sinistra, J c Jugularis communis, s Subclavia, es oblilerirte Cava superior sinistra , i Intercoslalis suprema , has Herniazygos superior , hat Herniazygos inferior, h a Stamm der Herniazygos, sc Sinus coronarius die grossen Herzvenen aufnehmend (Ende der früheren Cava superior sinistra). 424 Siebenunddreissigste Vorlesuru Vena vertebralis posterior. Cavae superiores. Sinus coronar'ms. standenen Venae iliacae an (Fig. 210, 2). Die Lendenvenen ferner vereinen sich theils mit der Vena cava, theils mit einem neu entste- henden Stamme, der Vena ver tebralis posterior von Ratbke, der auch die hinteren Intercostalvenen aufnimmt und durch das sich erhaltende obere Ende der Cardinalvenen in den Ductus Cuvieri übergeht. So entsteht dann ein Verhalten der Gefässe, wie Sie das- selbe in dem Schema Fig. 210, 1 dargestellt sehen. Behufs der Schilderung der letzten Umwandlungen der Venae cardinales haben wir nun vor allem unsern Blick wieder auf die grossen Stämme am Herzen zu richten. Wie schon angegeben, mün- den die Ductus Cuvieri, die Abzugskanäle der Jugular- und Cardinal- venen, anfänglich mit der Vena omphdlo-mesenterica, deren Stelle später von der Umbilicalis und endlich der Cava inferior eingenom- men wird, gemeinschaftlich in den Vorhof des Herzens. Später wird dann der kurze gemeinschaftliche Venensinus in den Bereich der Vorkammer gezogen und dann findet man am Herzen drei grosse Venenmündungen, die beiden Ductus Cuvieri, die nun auch obere Hohlvenen heissen und die Cava inferior. Beim Menschen er- halten sich diese zwei oberen Hohlvenen viel länger als man bis jetzt gewusst hat und habe ich Ihnen schon früher ein Herz eines acht Wochen alten Embryo geschildert (Fig. 199), an welchem dieselben beide gleich stark waren (s. auch Fig. 210, 1). Hierbei nimmt jedoch die linke Vene eine andere Stellung an als die rechte und mündet ganz unten und nach links in die Vorkammer ein, nachdem sie vor- her auch die Herzvenen aufgenommen hat. Diese obere linke Hohl- vene nun vergeht, wie ich mit J. Marshall (On the development of the great anterior veins in Phil. Trans. 1859, I) finde, im dritten und vierten Monate und bildet sich das bleibende Verhältniss der Venen des Systemes der Cava superior in folgender Weise. Erstens entsteht eine Verbindung der linken Jugularis mit der rechten durch einen kurzen queren Stamm (Fig. 210, as), der nach Marshall bei Schaaf- embryonen von %" noch fehlt, dagegen bei solchen von %" in der ersten Entwicklung getroffen wird. Beim Menschen ist die Bildung dieses Gefässes noch nicht verfolgt und weiss man nur soviel, dass dasselbe am Ende des zweiten Monates vorhanden ist. Zweitens löst sich der linke Ductus Cuvieri oder die linke Cava superior fast ganz auf, wie J. Marshall gezeigt hat, mit einziger Ausnahme des End- stückes, welches zum sogenannten Sin us coronarius wird, in den die Vena coronaria cordis magna und die hinteren Herzvenen Entwicklung des Gcfässsystems. 425 sich ergiessen. Drittens endlich verbindet sich die linke hintere Ver- tebralvene hinter der Aorta mit der entsprechenden Vene der rechten Seite und wird so zur Vena hemiazyg os. Die rechte Vena vertebra- iiemiazygos. lis mit dem Ende der früheren Cardinalis ist nun Azygos geworden, Avygo». der Ductus Cuvieri dexter obere Hohlvene, das Ende der rechten Jugularis Anonyma dextra, der neue Verbindungszweig mit der Anmymae. Jugularis sinistra Anonyma sinistra, wie Ihnen dieses Alles die Fig. 24 0 versinnlicht. Das obere Ende der Vertebralis posterior dextra mit dem Reste der Cardinalis dextra erhält sich in sehr verschiede- ner Form als Stämmchen der oberen Intercostalvenen oder Hemi- azyg os super ior und lntercostalis suprema. Einen dieser Fälle, wo die Hemiazygos superior eine Anastomose der Iiemiazygos inferior und Anonyma darstellt, ist in dem Schema Fig. 24 0, 2 zu Grunde ge- legt. — Fassen Sie alles Bemerkte zusammen, so ergibt sich, dass dem exquisit asymmetrischen Systeme der Vena cava superior des Erwachsenen ein ganz paariges Venengebiet zu Grunde liegt, und will ich Sie bei dieser Gelegenheit noch darauf aufmerksam machen, dass bei manchen Säugethieren zeitlebens zwei obere Hohlvenen sich erhalten , sowie dass auch beim Menschen in seltenen Fällen eine Cava superior sinistra gefunden wird, in welch' letzterer Beziehung besonders die citirte Arbeit von Marshall zu vergleichen ist. Es erübrigt endlich noch die Bildung der unteren Hohlvene Cai'a Werior. zu besprechen , welche von all den geschilderten primitiven Venen- stämmen zuletzt entsteht. Wenn die Cardinalvenen die Venen der WoLFF'schen Körper sind, so kann man die Cava inferior die Vene der Nebennieren, Nieren und inneren Geschlechtsorgane heissen. Ihre Bildung fällt beim Menschen zwischen die vierte und fünfte Woche und erscheint dieselbe als ein kürzerer Stamm zwischen den WoLFF'schen Körpern und hinter der Leber, der vorn mit dem Stamme derümbili- calvene zusammenmündet und hinten jederseits durch einen hin- ter den WoLFF'schen Körpern gelegenen Ast mit den Cardinalvenen sich verbindet, da wo dieselben von aussen die kleine Extremitäten- vene aufnehmen (Fig. 24 0). Ueber die erste Entstehung der Hohlvene gibt Rathke an , dass dieselbe gleichsam von der Leber aus rück- wärts auswachse. Zuerst entstehe der Stamm, dann ein Paar Aeste. die am inneren Rande der WoLFF'schen Körper rückwärts verlaufen und Aestchen von diesen und der Niere empfangen. Darauf bilde sich der Stamm über diese Aeste hinaus nach hinten fort und gehe dann die erwähnte Anastomose mit den Cardinalvenen ein, während beim Fötus. 426 Siebenunddreissigste Vorlesung. zugleich ein neuer Seilenast von den WoLFF'schen Körpern und den Geschlechtsorganen her sich bilde. Mit dem Schwinden der Wolff1- schen Körper und des mittleren Theiles der Cardinalvenen erschei- nen dann das Ende dieser (als Vena hypogaslrica) und die Schenkel- vene als Aeste der Cava , deren zwei Schenkel zu den Venae iliacae communes sich gestalten. Zugleich wird das vordere Ende der Cava immer weiter und bald zum Hauptgefäss, in das dann das Ende der Nabelvene oder der Ductus venosus als Ast einmündet, wobei jedoch zu bemerken ist, dass selbst noch am Ende des Fötallebens die Cava inferior eigentlich kaum stärker ist als der Ductus venosus (Fig. 208), so dass man den kurzen Stamm der Cava über der Leber auch jetzt noch mit Recht als Ende der Umbilicalis bezeichnen könnte, insofern wenigstens als die Lebervenen zum Bereiche der Umbilicalis gehören. Kreislauf Nach Beschreibung der Entwicklung der Blutgefässe erscheint es nun zweckmässig noch mit einigen Worten des Kreislaufes im Fötus zu gedenken. Die Embryologie unterscheidet gewöhnlich zwei Formen oder Stadien des Kreislaufes im Fötus, einmal den ersten K reis lauf oder den des Fruch thof es und Dotter sackes und dann den zweiten Kreislauf, der auch der Placentark reis- lauf heisst, es ist jedoch hinreichend klar, dass zwischen diesen beiden Endgestaltungen eine Menge Uebergänge sich finden. Es würde uns zu weit führen und auch ziemlich nutzlos sein , woll- ten wir diese Zwischenstufen jetzt, nachdem wir dieselben alle ausführlich anatomisch abgehandelt, auch noch vom physiologischen Standpuncte aus betrachten und begnüge ich mich daher, da der erste Kreislauf schon geschildert ist (s. Vorl. XII), mit einer kurzen Darstellung des Placentarkreislaufes , wie er vom Anfange des drit- ten Monates an bis zum Ende des Fötallebens gefunden wird. Das Eigenthümliche dieses Kreislaufes, verglichen mit dem Kreislaufe der nachembryonalen Zeit, liegt darin, dass bei demselben ein zwei- ter Kreislauf, analog dem Lungen- oder kleinen Kreislaufe, fehlt, und dass somit alle vier Abtheilungen des Herzens für den Körperkreis- lauf nutzbar gemacht werden. Um dieses bei der stattfindenden gleichmässigen Ausbildung aller Abschnitte des Herzens zu ermög- lichen , mussten Einrichtungen geschaffen werden, um erstens auch dem linken Herzen , dem von den Lungen her eine kaum nennens- werthe Blutmenge zukommt, eine gehörige Zufuhr zu verschaffen, und zweitens das Blut des rechten Herzens in die Körpergefässe ab- Entwicklung des Gefässsyslems. 427 zuleiten. Zur Verwirklichung dieser Bedingungen finden wir nun beim Fötus 1) eine Oeffnung in der Scheidewand der Vorkammern, das Foramen ovale, und eine solche Klappeneinrichtung an der Cava inferior, dass dieselbe ihr Blut fast alles in den linken Vorhof überführt, und 2) eine Verbindung der Arteria pulmonalis mit der Aorta descendens durch den sogenannten Ductus Botalli , welcher den Abfluss des Blutes der rechten Kammer mit Ausnahme des wenigen, was zu den Lungen geht, in die Körperarterien und zwar der hin- teren Bumpftheile gestaltet (Fig. 211). Aus diesem Verhalten der Arterie des rechten Herzens ergibt sich nun auch, dass die Leistungen desselben für die Gesammt- circulation eben so gross sind, wie die der linken Kammer, und erklärt sich so die gleiche Muskelstarke beider Kammern beim Fötus. Fernere Eigenthümlichkeiten der föta- len Circulation liegen nun in dem Um- Fia 21/) stände, dass der Embryo im Mutterkuchen ein ausserhalb seines Leibes befindliches Organ besitzt, das, man mag nun die Function der Placenta ansehen wie man will, auf jeden Fall die Bolle eines Ernährungsorganes im weiteren Sinne spielt. Soll der Fötus wachsen und gedeihen , so ist eine ununterbrochene freie Verbindung mit der Placenta, eine be- ständige Wechselwirkung des fötalen und mütterlichen Blutes in derselben nölhig. Diese Beziehungen nun werden unterhalten durch die zwei mächtigen Arteriae umbilicales , die das Fötalblut in die Placenta hineinsenden und durch die Vena umbilicalis, die von der- selben wieder in den Embryo geht. Interessant, jedoch leider noch nicht nach allen Seiten physiologisch aufgeklärt, ist nun das Verhal- ten dieser Vene zur Leber, indem dieselbe ihr meistes Blut in die Leber abgibt und so gewissermaassen eine fötale Pfortader dar- stellt, während nur ein geringerer Theil desselben durch den Ductus venosus direct ins Herz abfliesst. Man vermuthet mit Recht, dass diese Einrichtung das Zustandekommen besonderer chemischer Vor- Fig. 2H. Herz eines reifen Embryo etwa um die Hälfte verkleinert, von vorn und etwas von links her. es Cava superior, a Anonyma, c Carotis sinistra, s Subclavia sinistra , ao Ende des Arcus aortae , da Ductus arteriosus Bolalli, ad Aorta thoracica, ap linke Pulmonalis , p linke Venae pulmonales . 428 Siebenunddre issigste Vorlesung. gänge im Lebergewebe und im Blute der Nabelvene selbst ermöglicht und vielleicht auch für die Blutzellenbildung von Bedeutung ist, doch fehlen annoch sichere Thatsachen, um diese Vermuthun- gen in bestimmtere Worte kleiden zu können. Da der Fötus kein ei- gentliches Athmungs- organ besitzt , und auch die Functionen seiner Organe lange nicht dieselben sind wie beim Erwachse- nen, so mangelt dem- Fig. 212. selben auch jene Ver- schiedenheit des Blutes in verschiedenen Bezirken, die wir mit den Namen arteriell und venös bezeichnen. Nichts desto weniger würde man sehr irren, wenn man das Blut des Fötus als überall gleich be- schaffen ansehen wollte. Die hier vorkommenden Extreme sind einerseits das Blut der Nabelvene, das als das zur Unterhaltung des Wachsthumes tauglichste anzusehen ist und andererseits das Blut der Körpervenen , von welchem das entgegengesetzte zu sagen ist, und können wir diese beiden Blutarten, ohne jedoch auf diese Be- zeichnung ein zu grosses Gewicht zu legen, immerhin als Arterien- und Venenblut des Embryo bezeichnen. Verfolgen wir nun, wie bei der geschilderten Einrichtung des Herzens und der grossen Arterien die Vertheilung der beiden Blutarten sich macht, so finden wir, dass kein Theil des Körpers reines Arterien- oder Umbilicalvenenblut er- hält. Denn das Blut der Nabelvene kommt nur gemengt mit dem Venenblut der unteren Hohlvene aus der Pfortader ins Herz. Aber Fig. 212. Leber eines reifen Fötus, % der natürlichen Grösse, von unten. Der obere Theil des SpiGEL'schen Lappens, die die linke Furche begrenzenden Theile und ein Theil des rechten Lappens sind entfernt, u Stamm der Umbili- calis, u Hauptast derselben zum linken Lappen, u" Ast derselben zum rechten Lappen , u" kleinere Aeste zum linken Lappen und zum Lobus quadr angularis, dv Ductus venosus Arantii , p Vena portae , ci Cava inferior an der Leber , c Stamm derselben über der Leber, h linke Lebervene, /'Gallenblase. Entwicklung des Gefässsystcms. 429 auch das so gemischte Blut kommt nicht allen Theilen des Körpers ganz gleicbmässig zustatten, vielmehr finden wir, dass dasselbe, weil es fast ganz in die linke Vorkammer übergeht, vorzugsweise durch die grossen Aeste der Aorta dem Kopfe und den oberen Ex- tremitäten zu gute kommt. Der Rumpf und die unteren Extremitäten erhalten durch die Art. pulmonales einmal das rein venöse Blut der oberen Hohlvene, und dann von gemischtem Blute erstens das wenige, was von der unteren Hohlvene nicht in die linke Kammer übergeht und zweitens das, was durch das Ende des Bogens der Aorta vom Blute des linken Herzens für die Aorta descendens übrig bleibt. Somit ist die obere Körperhälfte mit Bezug auf ihre Ernährung besser dran als die untere und erklärt man auch hieraus, dass dieselbe in den früheren Perioden in der Entwicklung stets voran ist. Später gestal- ten sich nun freilich die Verhältnisse allmälig etwas günstiger für die unteren Körpertheile, dadurch, dass einmal das Foramen ovale langsam enger wird und so immer mehr Blut der Cava inferior für die rechte Kammer übrig bleibt, und zweitens durch Erweiterung des Endes des eigentlichen Arcus aortae und Verengerung des Ductus Botalli, welche letztere mit der Zunahme der Blutzufuhr zu den Lun- gen in Verbindung steht. Die Umwandlung des fötalen Kreislaufes in den bleibenden ge- schieht nach der Geburt fast mit einem Schlage. Die Umbilicalvene und die Nabelarterien obliteriren wohl vorzüglich durch Bildung von Blutpfröpfen in denselben, was vielleicht auch vom Ductus venosus gilt. Was dagegen den Ductus Botalli und das Foramen ovale anlangt, so sind es hier besondere Wachsthumsphänomene, die ich an erste- rem Kanäle als eine Wucherung der Arterienhaut nachgewiesen habe, welche zugleich mit der Aenderung des Blullaufes, den die Athmung bedingt, den Verschluss herbeiführen. Der Ductus Botalli schliesst sich übrigens viel rascher als das Foramen ovale, das, wie Ihnen be- kannt, auch sehr häufig zeitlebens wegsam bleibt, so jedoch, dass vermöge der Lage und Grösse der Valvula foraminis ovalis sein Offen- stehen keinen Nachtheil bringt. Ich sollte nun noch der Vollständigkeit halber auch von der Entwicklung des Blutes handeln , da jedoch die Bildung der ersten Blutzellen schon besprochen ist und dieser Gegenstand mehr ein histologisches Interesse darbietet, so glaube ich Sie auf die Gewebe- lehre und vor Allem auf die ausführlichen Untersuchungen verweisen zu dürfen, welche Fahiwer und ich selbst gerade über die Entste- 430 Siebenunddreissigste Vorlesung. hung der Blutkörperchen der Säugethiere und des Menschen ange- stellt haben (Mikr. Anat. II. 2, Gewebel. 3. Aufl. St. 608). Lymphgefässe. Von der Entwicklung der Lymphgefässe ist bis jetzt nur das Wenige bekannt, was ich von den Anfangen dieser Kanäle bei Froschlarven mitgetheilt habe (siehe Gewebelehre 3. Aufl.) und hat auch dieses mehr histologisches als morphologisches Interesse. Von den Lymphdrüsen weiss man, dass sie erst um die Mitte der Fötalzeit erscheinen. Nach Brechet sind dieselben anfänglich ein- fache Lymphgefässplexus (Le Systeme lymphatique. Paris 1836. pag. 185) und nach Engel gehen dieselben aus sprossentreibenden und vielfach sich windenden Lymphgefässen hervor (Prag. Vierte]]. 1850. II. pag. IM). Achtuncldreissigste Vorlesimg. VII. Entwicklung der Harn- und Geschlechtsorgane. Lassen Sie uns jetzt, meine Herren, das Capitel der Entwick- lungsgeschichte in Angriff nehmen, welches unsere Gesammtaufgabe vollenden soll, nämlich die Harn- und Geschlechtsorgane. Was vor Allem die Harnorgane anlangt, so wissen Sie aus frü- Entwicklung der Harnorgane. heren Vorlesungen, dass bei jungen Embryonen eine Drüse, der WoLFF'sche Körper oder die Urniere, sich findet, die nicht nur im Wesentlichen den Bau der Niere besitzt, sondern auch wirklich Harn secernirt und'in die Allantois ergiesst. Diese Drüse steht jedoch mit der bleibenden Niere durchaus in keinem genetischen Zusam- menhange, wohl aber wandelt sich ein anderer Theil des Gebietes, welchem dieselbe angehört, nämlich die Allantois, wenigstens mit Einem Abschnitte in gewisse bleibende Theile des Harnapparates um. Sie erinnern sich wohl noch an den Urachus oder den Stiel der Allantois, durch welchen dieselbe mit der vorderen Wand des Mast- darmes zusammenhängt (s. Fig. 47, 60, 61). Dieser Urachus oder ^""f der c a D ;;/ Harnblase. Harngang nun erweitert sich schon im zweiten Monate in seinem nahezu untersten Theile zu einem beiläufig spindelförmigen Behälter, der Harnblase, die durch einen kurzen Gang mit dem Mastdarme sich vereint und an ihrem oberen Ende mit einem anfangs noch hoh- len Kanäle, der den Namen Urachus beibehält , in den Nabelstrang sich erstreckt und dann sich verliert. Später verengert sich dieser Kanal und schliesst sich zuletzt in einer nicht genau zu bestimmen- den Zeit (meist erst gegen das Ende der Fötalperiode), was dann zur Bildung des Ligamentum vesicae medium fuhrt, und zugleich entwickelt sich die Harnblase zu einem immer weiteren Behälter, der jedoch zJ32 Achtunddreissigste Vorlesung. noch lange Zeit hindurch am oberen Ende die primitive Spindel- gestalt erhält und ohne scharfe Grenze in den Urachus übergeht. Indem wir die weiteren Formveränderungen der Harnblase bei Seite lassen oder für die später abzuhandelnde Geschichte des Sinus urogenitalis aufsparen und nur das noch betonen , dass dieselbe an- fänglich und längere Zeit hindurch einem guten Theile nach in der Entwicklung dci Bauchhöhle liegt, wenden wir uns zu den bleibenden Nieren. Von diesen ist die allererste Entwicklung bis jetzt einzig und allein Gierendes beim Hü Im eremb rvo durch Remak bekannt geworden und schil- Hühnehens. J ° dere ich Ihnen daher zuerst die hier sich findenden Vorgänge. Am sechsten Tage der Bebrütung erscheinen beim Hühnchen neben und einwärts von den Ausführungsgängen der WoLFF'schen Körper an der hinteren Wand der Kloake oder des letzten Endes des Mastdar- mes und als unmittelbare Fortsetzungen der Wandungen derselben zwei hohle einfache Blindsäckchen (bei Remak Taf. VI. Fig. 83), die aus denselben beiden Schichten, wie die ersten Anlagen aller Darmdrüsen , nämlich einer Faserlage und einer Epithelial— Schicht bestehen , und somit auf ein Haar der frühesten Lungenform gleichen. In der That wächst nun auch diese Anlage nach dem Typus der Lungen und nicht nach dem der gewöhnlichen traubenförmigen Drüsen, mit anderen Worten, es bildet sich dieselbe als Hohlgebilde weiter und treibt dann auch später hohle Aeste, welche Remak vom siebenten und neunten Tage zierlich dargestellt hat (1. c. Taf. VI. Fig. 84 und 85). Bis zum zehnten Tage haben alle hohlen Endäste der Nierenanlage noch einen geraden Verlauf, von da an aber be- ginnen dieselben sich zu winden, womit dann der Unterschied einer Rinden- und Marksubstanz auftritt. — Weiter hat sich Remak über die Entwicklung der Niere des Hühnchens nicht ausgesprochen , es scheint jedoch aus dem Angegebenen hervorzugehen , dass dieselbe ganz und gar aus hohlen Sprossen des ursprünglichen Blindsäck- chens sich aufbaut und niemals solide Sprossen besitzt. Niere der Bei den Säugethieren und beim Menschen ist die erste Entwick- Säugethiere und des Menschen. Jung der Niere noch gänzlich unbekannt, doch lässt sich aus der nicht schwer zu constatirenden Thatsache, dass dieselbe anfänglich hinter dem untersten Theile der Urnieren ihre Lage hat und später bis zu den Seiten der Lendenwirbelsäule hinter denselben herauf- rückt, entnehmen, dass dieselbe höchst wahrscheinlich auch hier als eine Ausstülpung, wenn auch nicht des Mastdarmes, so doch der Harnblase oder des früheren Urachus sich bildet. Beim menschlichen Entwicklung der Harn- und Geschlechtsorgane 433 Fig. 213. Embryo sah ich die Nieren zwischen der sechsten und siebenten Woche als 1s/6mm grosse bohnenförmige platte Körperchen, die hin- ter dem unteren Theile der Urnieren ihre Lage hatten. Der Ureter war deutlich hohl und führte in der Niere zu einer gewissen nicht näher zu bestimmenden Zahl von Ausbuchtungen, die mehr als die innere Hälfte des Organes einnahmen. Mit diesen Ausbuchtungen standen an beiden Flächen und am äusseren Rande überall kurze, leicht gebogene, aus Zellen gebildete Stränge in Verbindung, die An- lagen der Harnkanälchen. In der 2%'"™ mes- senden Niere des acht Wochen alten Embryo der Fig. 213, die noch hinter der grossen Nebenniere ihre Lage hatte, zeigte die Oberfläche des Organes eine grössere Zahl kleiner Abtheilungen, von denen jede aus einer ganzen Gruppe der vorhin beschriebe- nen , nur hier etwas längeren und mehr ge- wundenen Zellenslränge bestand. Im Innern fanden sich wiederum am Harnleiter die Ausbuchtungen, von deren Wandungen jene Zellenstränge ausgingen. Bei dreimonatlichen Em- bryonen bestanden die Nieren nur aus Rindensubslanz mit gewun- denen Harnkanälchen von 0,016 — 0,048'", die zum Theil noch solid waren, zum Theil eine deutliche Höhlebesassen, jedoch alle eine Membrana propria zeigten. Mit den letzteren Kanälchen standen schon gut entwickelte Malpighische Körperchen in Verbindung von 0,06 — 0.07'" Grösse, während die ersteren an den Enden einfach kolbige Anschwellungen von 0,048 — 0,07'" ohne Gefässe darboten. — Aus diesen Erfahrungen, zusammengehallen mit den früheren von Rathke, Valentin und J. Müller über die Nieren von Säugethieren (s. meine Mikr. Anat. IL 2. St. 372) und den oben gemeldeten von Remak, lässt sich nun, wie mir scheint, folgender Entwicklungsgang der Niere ableiten. Die Niere entwickelt sich in erster Linie ähnlich wie die Lungen als eine hohle Ausstülpung der hinleren Wand der Harnblase, an welcher natürlich sowohl die Epithelial- als die Faser- schicht derselben sich betheilisen, und entsteht in dieser Weise ein- Fig. 21 3. Harn- und Geschlechtsorgane eines acht Wochen alten mensch- lichen Embryo etwa 2mal vergr. nn rechte Nebenniere, w Urniere, w g Ausfüh- rungsgang derselben, n Niere, g Geschlechtsdrüse, hier von etwas auffallender Gestalt, m Mastdarm, gh Leistenband des WoLFF'schen Korpers (Gubernaculum Hunteri oder Lig. uteri rotunäum) , b Blase , h untere Hohlvene. Kölliker, Entwicklungsgeschichte. 28 434 Achtunddreissigste Vorlesung. mal der Harnleiter und zweitens eine gewisse Zahl von Ausbuch- tungen desselben , die Anlagen der Nierenkelche , welche mit der Faserschicht zusammen einen compacten Drüsenkörper mit glatter Oberfläche bilden. Ist das Organ soweit gebildet, so wächst es dann nach Analogie der traubenförmigen Drüsen zum Theil auch der Leber weiter, d. h. es bilden sich nun vom Epithel der Kelche aus solide Zellensprossen, welche, rasch wuchernd und sich verästelnd , bald eine Rindenschicht um die Kelche herum erzeugen und später auch in Läppchen sich gruppiren. In zweiter Linie werden dann diese Anlagen der Harnkanälchen von den Kelchen aus hohl und erzeugen zugleich nach aussen , wahrscheinlich nach Art der Cuticulae die Membrana propria , während zugleich die kolbig verdickten Enden derselben zu den Malpighischen Körperchen sich umwandeln durch einen Vorgang, über welchen bis jetzt einzig die früher schon an- geführten (St. 112) Angaben von Remak vorliegen. Ist die Niere so- weit entwickelt, so entsteht dann zum Schlüsse durch fortgesetztes Wachsthum der Harnkanälchen auch noch die Marksubstanz , und das Organ ist im Wesentlichen angelegt. Ueber die äusseren Verhältnisse der Niere habe ich Ihnen nun nur noch zu bemerken , dass dieselbe im dritten Monate unterhalb der Nebenniere an der hinteren Bauchwand zum Vorschein kommt (Figg. 98, 105) und von nun an rascher wächst als die Nebennieren, die so langsam in eine mehr untergeordnete Stellung kommen. Die so früh auftretenden Lappen ferner an der Oberfläche des Organes bleiben während der ganzen Embryonalperiode bestehen und bilden sich immer deutlicher aus, um dann erst nach der Geburt mit ein- ander zu verschmelzen. Nebennieren. jch reihe nun hier noch Einiges über die Nebennieren an, von denen schon früher bei Gelegenheit der Entwicklung des Sym- pathicus die Rede war (St. 274). Die Nebennieren entstehen im zweiten Monate um die sechste bis siebente Woche aus einem vor der Aorta und zwischen den WoLFF'schen Körpern gelegenen Bla- steme, das den Mittelplatten angehört, und sind allem Anscheine nach ursprünglich mit einander verschmolzen .oder bilden wenigstens mit einem mittleren Blasteme, das dann später zu den sympathischen Plexus wird, Eine Masse. Im zweiten Monate grösser als die Nieren (Fig. 213), werden sie im dritten Monate denselben gleich und neh- men von da an relativ ab, so dass nach Meckel beim sechsmonatlichen Embryo Nebennieren und Nieren dem Gewichte nach wie 2:5, beim Entwicklung der Harn- und Geschlechtsorgane. 435 Neugebornen wie 1 : 3 und beim Erwachsenen wie 1 : 8 sich verhal- len. Bei Säugelhieren sind die Nebennieren von Anbeginn an kleiner als die Nieren (Fig. 215). Ueber die innere Entwicklung des Organes ist nichts Wesentliches bekannt. Die Schilderung der Entwicklung der Geschlechtsorgane, Entwicklung der inneren der zweite Theil unserer Aufgabe, erheischt zwar kein Zurückgehen Geschlechts- organe im auf die allerfrühesten Zustände, doch sind es auch hier wiederum Allgemeinen. die WoLFF'schen Körper, die uns als Ausgangspuncte dienen , da ge- wisse Theile der Geschlechtsorgane im innigsten Zusammenhange mit diesen Drüsen, ja selbst aus gewissen Theilen derselben sich hervorbilden. Wollen Sie sich demnach aus früheren Stunden in Erinnerung bringen , dass die WoLFF'schen Körper beim Menschen in der vierten und fünften Woche (s. Fig. 71 und 72) als zwei spin- delförmige, mehr compacte Drüsen in der ganzen Länge der Bauch- höhle sich erstrecken und durch ihre Ausführungsgänge, die Ur- nierengänge oder die WoLFF'schen Gänge (Thiersch) , die an der äusseren vorderen Seite der ganzen Organe herunterlaufen, in das untere Ende der Harnblase unterhalb der Ureteren einmünden. Die Beziehung der WoLFF'schen Körper zu den Geschlechtsorganen nun ist kurz bezeichnet folgende : An der inneren Seite der WoLFF'schen Körper und in innigem Zusammenhange mit ihnen entsteht selbstän- dig die Geschlechtsdrüse (Hoden oder Eierstock) , welche bei bei- Geschlechts- drüse. den Geschlechtern anfänglich vollkommen gleich beschaffen ist , und gleichzeitig mit dieser Drüse entwickelt sich neben dem WoLFF'schen Gange noch ein zweiter Kanal, der sogenannte MüLLER'sche Ga ng MüLLER'scher oder der Geschlechtsgang, der ebenfalls in das untere Ende der Geschlechtsgang Harnblase einmündet. Beim männlichen Geschlechte nun vergeht dieser MüLLER'sche Gang später wieder bis auf geringe Ueberreste (den sogenannten Uterus masculinus oder die Vesicula prostatica), dagegen tritt die Geschlechtsdrüse mit einem Theile des WoLFF'schen Körpers in Verbindung, welcher so zum Nebenhoden sich gestaltet, während aus dem WoLFF'schen Gange der Samenleiter wird. Sie finden somit hier eine ganz merkwürdige Betheiligung der Primor- dialniere an der Bildung des samenableitenden Apparates; immerhin ist zu bemerken, dass nicht die ganze Drüse mit dem Geschlechts- apparate eine Vereinigung eingeht, vielmehr ein nicht unbeträcht- licher Abschnitt derselben ganz vergeht oder wenigstens nur in ganz untergeordnete und bedeutungslose Theile sich umwandelt. Beim weiblichen Geschlechte sind nun umgekehrt der WoLFF'sche Körper 28* 436 Aehtunddreissigste Vorlesung. und sein Gang ohne allen grösseren Belang und verschwinden bis auf den Ihnen bekannten Nebeneierstock ganz und gar, dagegen treten nun hier die Mü'LLER'schen Gänge in ihre vollen Rechte ein und erschei- nen als das, was sie in der That in der Anlage sind, als Geschlechtsgänge, in- dem sie mit ihren unteren verschmol- zenen Enden zum Uterus und zur Scheide und mit den oberen getrennt bleibenden Theilen zu den Eileitern sich umbilden. Nach dieser übersichtlichen Schil- Geschlechts- ,, ..'^g*^. ». ^1 J | "■ Jij[V\\ drüsen. 'ß ^fäj^\ f:,*i''%v\v derung stelle ich Ihnen nun dvi Reihe nach die einzelnen Abschnitte der Geschlechtsorgane gesondert vor und beginne mit den Geschlechtsdrüsen, deren erstes Auftreten , weniger was die Zeit als das sonstige Verhalten an- langt, bis anhin noch in tiefes Dunkel gehüllt ist. In der fünften, deutlicher in der sechsten Woche gewahrt man beim menschlichen Embryo an der inneren Seite der WoLFF'schen Körper und denselben dicht anliegend zwei weissliche schmale Streifen (Fig. 21 4), Fig. 214. " ' deren weitere Verfolgung bei Embryo- Fig. 214. Menschlicher Embryo von 35 Tagen von vorn nach Coste, 3 linker äusserer Nasenfortsatz, 4 Oberkieferfortsatz des ersten Kiemenbogens, S pri- mitiver Unterkiefer, % Zunge, b Bulbus aortae , b' erster bleibender Aortenbo- gen, der zur Aorta ascendens wird, b" zweiter Aortenbogen, der den Arcus aortae gibt, V" dritter Aortenbogen oder Ductus Botalli, y die beiden Fäden rechts und links von diesem Buchstaben sind die eben sich entwickelnden Lun- genarterien , c gemeinsamer Venensinus des Herzens, c Stamm der Cava supe- rior und Azygos dextra, c" Stamm der Cava sup. und Azygos sinistra, o linkes Herzohr, v rechte, v linke Kammer, ae Lungen, e Magen , j Vena omphalo- mesenterica sinistra, s Fortsetzung derselben hinter dem Pylorus , die später Stamm der Pfortader wird, x Dottergang, a Art. omphalo-mesenterica dextra, m WoLFF'scher Körper, i Enddarm, n Arteria umbilicalis , u Vena umbilicalis, 8 Schwanz, 9 vordere, 9' hintere Extremität. Die Leber ist entfernt. Der weisse Streifen an der inneren Seite des linken WoLFF'schen Körpers ist die Geschlechtsdrüse und die zwei Streifen an der äusseren Seite desselben der MüLLER'sche Gang und der UrnierensranE;. Entwicklung der Harn- und Geschlechtsorgane. 437 nen der siebenten und achten Woche bald zeigt, dass dieselben nichts als die Geschlechtsdrüsen sind. Ueber die Entstehung dieser Streifen kann ich Ihnen vom Menschen nichts mittheilen, da mir das nöthige Material abging, um dieselben specieller zu verfolgen, und weil die Verhältnisse auch sonst hier nicht günstige sind. Was da- gegen die Säugethiere anlangt, so ist es wegen der längeren Persistenz und der bedeutenden Grösse halber, welche die Urnieren bei ihnen erreichen, leichter die Beziehungen der Geschlechtsdrüsen zu den genannten Organen zu ermitteln. Hier zeigt sich nun auf Quer- schnitten durch die Urnieren junger Rindsembryonen von 7 — 8'", dass dieselben zwar in Verbindung mit den Urnieren, aber doch un- abhängig von denselben in der Schicht sich bilden , die später als Bauchfellüberzug der Urnieren erscheint. Durch ihr rasches Wachs- thum heben sie sich aber bald wie von den Urnieren ab, treten über das Niveau derselben hervor und erscheinen nun schon als mehr selbständige Streifen längs des inneren Bandes derselben vor der Cava inferior und Aorta. An Querschnitten sieht man aber auch jetzt noch , dass der Peritonealüberzug der Urniere von dieser über die Geschlechtsdrüse herübergeht, und dass die hintere äussere Fläche der letzteren unmittelbar an die Urniere grenzt. Somit wäre es also genauer bezeichnet eigentlich die subperitoneale Schicht im Bereiche der Urniere, die die Geschlechtsdrüse erzeugt, eine Schicht, deren ursprüngliche embryologische Bedeutung und Lagerung aus den früher vom Hühnchen gegebenen Figg. 29, 26, 25 und 24 klar werden wird, welche Ihnen zeigen , dass dieselbe ein.Theil der so- genannten Mittelplatten von Bemak ist. Einmal angelegt wachsen die Geschlechtsdrüsen rasch und tre- ten ebenso wie die WoLFF'schen Körper immer mehr vor, so dass sie scheinbar in die Bauchhöhle zu liegen kommen ; zugleich erhalten beide Organe eine Art Gekröse , das ich Ihnen von den WoLFF'schen Körpern noch nicht erwähnt habe. Bei diesen letzteren Organen ist das Gekröse bei den Säugethieren , bei denen dieselben viel grösser werden , sehr deutlich , doch lässt es sich auch beim Menschen in der siebenten bis achten Woche nachweisen. Bei beiden zeigt es einige Eigenthümlichkeiten , die eine besondere Erwähnung verdie- nen (Fig. 215). An der Drüse selbst ist dasselbe breit und niedrig, etwa wie das Mesocolon asce?idens, dagegen stellt dasselbe am oberen Ende derselben eine kleine freie , zum Diaphragma verlaufende bo- genförmige Falte mit zwei oder selbst drei Ausläufern dar, die ich 438 Achtunddreissigste Vorlesung. zwercjifeiisband das Zwerchfellsband derUrniere heisse (Fig. 215, d) und ist rlpr TTrniprp. _ __,.«. -n ,..,_ auch an dem Theile des Ausführungsganges, der unterhalb der Drüse liest, als eine kleine senkrecht stehende Platte nachzuweisen. Fer- ner geht vom WoLFF'schen Gange genau am unteren Ende der Drüse eine Bauchfellfalte zur Leistengegend, welche ich das Leisten - g ...- ; ■■■ *■■:>* ^ / ,: , -TtrfH. , ^ li IlSflf^ Leistenband der band der Urniere nenne (Fie. 215, i), ein Gebilde, das wir später Urniere. V '- ' ' r unter den Namen Gubernaculum Hunteri und Ligamentum uteri ro- tundum treffen werden. Was die Geschlechtsdrüsen anlangt, so be- sitzen dieselben, sobald sie eine nur einigermaassen bedeutendere Entwicklung erlangt haben, eine kleine Bauchfellfalle, die sie mit Fig. 215. Geschlechts- und Harnorgane von Rindsembryonen. 1. Von einem 1 y," langen weiblichen Embryo, einmal vergrössert. tu Urniere, wg Urnierengang mit dem MtiLLER'schen Faden, i Leistenband der Urniere, o Eierstock mit eineroberen und unteren Bauchfellfalte, n Niere, nn Neben- nieren, g Geschlechtsstrang, gebildet aus den vereinigten Urnieren- und MtiLLER'schen Gängen. 2. Von einem 2%" langen männlichen Embryo, nicht ganz 3mal vergr. Der eine Hoden ist entfernt. Buchstaben wie bei I., ausser- dem m MüLLER'scher Gang, m oberes Ende desselben, h Hoden, ti unteres Hodenband , h" oberes Hodenband, d Zwerchfellsband des WoLFF'schen Kör- pers, a Nabelarterie, v Blase. 3. Von einem 2'/2" langen weiblichen Embryo, nicht ganz 3mal vergrössert. Buchstaben wie bei 4. und 2., ausserdem t Oeff- nung am oberen Ende des MtiLLER'schen Ganges, o unteres Eierstocksband, m verdickter Theil des MtiLLER'schen Ganges, Anlage des Uterushornes. Entwicklung der Harn- und Geschlechtsorgane. 439 der Urniere verbindet, die je nach dem Geschlechte Hoden- oder Eierstockgekröse, Mesorchium oder Me so avium heisst. Ausser- Mesorchium und dem zieht sich von beiden Enden der Geschlechtsdrüse 1) eine obere Falte zum Zwerchfellsbande der Urniere (Fig. 21 5, 2 h" ) und 2) ein unteres Bauchfellband zum Urnierengange (Fig. 215, 2h'), welche denselben gerade da trifft, wo das Leistenband von ihm abgeht. Hoden und Eierstöcke entsprechen sich ursprünglich in der Form genau (Fig. 215), gegen das Ende des zweiten Monates wird jedoch beim Menschen das erste Organ breiter und verhältnissmässig kürzer, während der Eierstock eine gestrecktere Form beibehält. Zugleich ändert sich auch die Stellung der Geschlechtsdrüsen in der Art , dass dieselben beim weiblichen Geschlechte mehr schief sich lagern und ist von dieser Zeit an, d. h. in der neunten bis zehnten Woche , auch von dieser Seite her die Diagnose gesichert. Die wei- tere Entwicklung besprechen wir nun bei den beiden Drüsen ge- sondert, doch finde ich mich nicht veranlasst auf die äusseren Ge- stalt- und Grössenverhältnisse noch weiter einzugehen und will ich Ihnen nur noch das Wenige mittheilen, was über die inneren Struc- turverhältnisse ermittelt ist. So lange die Geschlechtsdrüsen noch keinen besonderen TVpus innere ö •> l Entwicklung der an sich tragen, ist es leicht nachzuweisen, dass sie ganz und gar aus Hoden. indifferenten kleinen Bildungszellen bestehen , mit der Ausbildung der einen oder anderen Form treten dann aber auch zugleich innere Verschiedenheiten auf. Bei männlichen Embryonen von neun und zehn Wochen erkannte ich schon die Samenkanälchen als gerade, eines neben dem andern quer durch den Hoden sich erstreckende Stränge von 0,02 — 0,022"/ Durchmesser, die ganz und gar aus grossen Zellen von 0,006 — 0,008'" bestanden , keine Membrana pro- prio, besassen und durch zarte Züge sich entwickelnden Bindegewe- bes von einander getrennt waren. In der eilften bis zwölften Woche waren die Stränge, die nun schon Samenkanälchen heissen konnten, etwas schmäler (von 0,012 — 0,02'") mit zarter homogener Hülle und kleineren Zellen. Viele zeigten Theilungen, andere kurze Aestchen wie Sprossen; alle verliefen schon etwas geschlängelt und bildeten mit ihren Aestchen schon wie Andeutungen kleiner Lobuli. Diesem zufolge scheinen die Samenkanälchen ihre erste Entstehung einer besonderen Zusammenfügung gewisser Zellen der primitiven Drü- senanlage ihre Bildung zu verdanken und einmal gebildet durch Ver- mehrung ihrer Zellen und Sprossenbildung sich zu verlängern und 440 Achtunddreissigste Vorlesung. zu verästeln. Die Membrana propria scheint mir wie bei der Niere eine Ausscheidung der Zellen der ersten Drüsenanlage zu sein, zu der dann nachher, jedoch erst spät, eine besondere bindegewebige Hülle von aussen dazu kommt, die noch bei Neugebornen noch wenig ent- wickelt ist. Ueber die übrige Entwicklung der Hoden bemerke ich Ihnen nur noch Folgendes. Die Albuginea, die aus der ursprünglichen Drüsenanlage hervorgeht, ist schon im dritten Monate zu erkennen, nimmt jedoch erst später eine grössere Festigkeit an. In der Mitte des Embryonallebens treten auch die Windungen der Samenkanäl- chen und Läppchen mehr hervor, doch wachsen die ersten nur lang- sam in die Breite und sind noch bei Neugebornen mindestens %mal dünner als beim Erwachsenen, innere Ausbu- Dje innere Entwicklung des Eierstocks stimmt in manchen düng der Eierstöcke. Beziehungen mit derjenigen des Hodens überein. Von gleichen An- fängen aus entwickelt sich der Unterschied darin , dass im Eierstock der Theil der Bildungszellen, der nicht zur Bildung des Stroma und seiner Gefässe Verwendung findet , zu kleinen run dl ich en Häuf- chen sich gruppirt, welche bei Bindsembryonen mit Leichtigkeit und in Menge nachzuweisen sind und die Anlagen der GRAAF'schen Folli- kel darstellen. Eine centrale Zelle einer solchen Anlage wird zum Ovulum, während die übrigen Zellen eine structurlose Membran ausscheiden und dann als Epithel des so gebildeten Follikels erschei- nen. Später wächst die centrale Zelle mehr als die übrigen Elemente, welche jedoch ihrerseits an Zahl zunehmen, und so entstehen bald Follikel wie die in der Fig. 216 darge- stellten , die man zu tausenden in den Eierstöcken von älteren thierischen und auch bei reifen menschlichen Früchten findet. Wie diese in die fertigen GRAAF'- schen Follikel sich umbilden ist nicht schwer zu verstehen , und bemerke ich Ihnen in dieser Beziehung nur, dass die Zona pellucida oder die dicke Dotterhaut des Säugethiereies auf jeden Fall eine secundäre Bildung ist, die am besten als Ausscheidung der ursprünglichen Eizelle aufgefasst wird. Fig. 216. Drei GRAAF'sche Follikel aus dem Eierstock eines neugebornen Mädchens, 350mal vergr. 1. ohne, 2. mit Essigsäure, a structurlose Haut der Follikel, 6 Epithel [Membrana granulosa), c Dotter, dl Keimbläschen mit Fleck, e Kerne der Epithelzellen, /'Dotterhaut, sehr zart. Entwicklung der Harn- und Geschlechtsorgane. 441 Wir kommen nun zur Schilderuns» der Entwicklung der Aus- Ausführungs- gänge der führungsgänge der Geschlechtsdrüsen und haben hier vor Allem von Geschlechts- drüsen. einem Kanäle zu handeln, der einige Zeit nach der Entstehung der Urniere in der ganzen Länge neben dem WoLFF'schen Gange entsteht und gewöhnlich der MiiLLER'sche Gang heisst. Dieser Kanal liegt, wenn MüLLEiOscher 10 D ' Gang oder vollkommen ausgebildet, an der inneren vorderen Seite des Wolff'- Geschlechtsgang. sehen Ganges vor der Primordialniere und erstreckt sich wie dieser bis ans obere Ende der Drüse, wo er leicht kolbig angeschwollen endigt (Fig. 215, m). Am unteren Ende der Primordialniere wenden sich die MüLLER'schen oder Geschlechtsgänge, wie dieselben auch heissen können , ganz an die innere und dann an die hintere Seite der WoLFF'schen Gänge, kommen hierbei dicht nebeneinander zu liegen und münden dicht beisammen in das untere Ende der Harn- blase ein , das von nun an den Namen Sinus urogenüalis führt. Die ur0q™itaiis. Entwicklung dieser MüLLER'schen Gänge, die, wenn sie ganz ausge- bildet sind , wie die WoLFF'schen Gänge in der Peritonealhülle der WoLFF'schen Körper drin liegen, ohne eine abgegrenzte Faserhaut erkennen zu lassen und von einem cylindrischen einschichtigen Epi- thel ausgekleidet sind, ist eine sehr eigenthümliche. Wie Rathke zuerst angegeben (Meck. Arch. 1832t. St. 382), entstehen dieselben in der ganzen Länge der WoLFF'schen Gänge auf einmal und sind zuerst ohne Höhlung, eine Bildungsweise, die bei Drüsenausführungsgängen , denn die fraglichen Kanäle sind nichts anderes, auf jeden Fall sehr auffallend ist. Sie werden sich jedoch erinnern, dass diess doch nicht das erste Mal ist, dass bei Drüsen- hohlräumen ein ähnlicher Bildungsvorgang uns entgegen tritt, denn gerade von den Ausfuhrungsgängen der Urnieren selbst waren wir im Falle nachzuweisen (s. Vorl. XVI), dasS dieselben weder von dem Hornblatte noch von dem Darmdrüsenblatle abstammen , vielmehr als anfänglich solide Zellenstränge aus Theilen des mittleren Keim- blattes sich anlegen und erst in zweiter Linie eine Höhlung erhalten. Wenn Sie dann ferner bedenken wollen , dass die Drüsen , zu denen ja die MüLLER'schen Gänge recht eigentlich gehören , die Hoden und Eierstöcke nämlich , ebenfalls in der Peritonealhülle der Urnieren entstehen und ihre Drüsenkanäle und Drüsenblasen auch ganz unab- hängig von den beiden epithelialen Blättern des Keimes erzeugen, so wird Ihnen noch weniger auffallen , dass derselbe Bildungsmodus auch hier sich findet. Es ist nämlich in der That nicht zu bezwei- feln, dass die MüLLER'schen Gänge anfänglich solid sind, wie diess 442 Achtunddreissigste Vorlesung. Fig. 217. nach Rathke auch Bischoff (Entw. St. 370) und Thiersch (Illustr. med. Zeitz. 1852. St. 11) angegeben haben, und ist es mir durch Untersuchung von mikroskopischen Querschnitten derselben nicht schwer geworden nachzuweisen, dass dieselben ebenso sich bilden, wie die Urnierengänge, wie Ihnen diess die Fig. 217 von einem etwa 1 %" Rindsembryo versinn- licht. In derselben stellt ug den WoLFF'schen Gang dar, der ausser einem Pfla- sterepithel auch eine jedoch nicht scharf abgesetzte ganz dünne Faserhülle besitzt. Derselbe liegt in einer ziem- lich dicken Blastemschicht, welche als Peritonealhülle der Urniere betrachtet werden kann , und in dieser findet sich bei m, in einem leistenartigen Vorsprunge a , der Querschnitt des Mül- LER'schen Ganges, der in diesem Stadium aus einem noch fast soliden Zellenstrange besteht. Mit anderen Worten , es hat der Gang noch ein sehr enges Lumen , das gegen die grossen cylindrischen Zellen desselben ganz zurücksteht. Bei älteren Embryonen weiblichen Ge- schlechtes wird dieses Lumen immer grösser und bildet sich dann auch noch eine besondere Faserhülle aus, während beim anderen Geschlechte der Gang, ohne weiter sich zu entwickeln, grösstenteils der Resorption anheimfällt. — So war bei dem männlichen Embryo der Fig. 215 der MüLLER'sche Gang an der Urniere selbst nicht stär- ker als ihn die Fig. 217 zeigt und schon ohne Lumen, während derselbe beim weiblichen Embryo derselben Figur schon nahezu die Stärke des WoLFF'schenGanges erreicht hatte. Die MüLLER'schen Gänge nun sind offenbar eigentlich die Aus- führungsgänge der Sexualdrüsen beider Geschlechter, um so auffal- lender ist es, dass dieselben nur beim weiblichen Geschlechte wirk- lich zu dieser Function sich ausbilden, während sie beim männlichen Geschlechte fast spurlos vergehen und ihre Rolle von den Urnieren- gängen oder den WoLFF'schen Kanälen übernommen wird. Es würde Fig. 21 7. Querschnitt durch den vorderen Theil der Urniere eines weib- lichen Rindsembryo von \ %", 1 OOmal vergr. a Leiste in der der MüLLER'sche Gang m liegt, ug Urnierengang , wc Kanälchen der Urniere (das Epithel nicht gezeichnet), p Peritonealhülle der Urniere. Entwicklung der Harn- und Geschlechtsorgane. 443 uns zu weit führen , wollte ich Ihnen an der Hand der Geschichte zeigen, wie nach und nach die Erkenntniss , dass dem wirklich so ist, sich ausbildete und muss ich mich damit begnügen unter Nen- nung der Namen von H. Rathke (Beitr. z. Geschichte d. Thierwelt, 3. Abh. in den n. Schriften d. Danzig. Gellsch. Bd. 1. Heft 4. 1825 ; Burdach's Physiologie an versch. Stellen; Abhandl. z. Bildungs- u. Entw. d. Menschen und der Thiere. 1832; Meck. Arch. 1832. St. 379 ; Entw. d. Natter bes. St. 209) und J. Müller (Bildungsgesch. d. Genit. Düsseldorf 1830) , denen in dieser schwierigen Frage das Hauptverdienst zuzuerkennen ist, Ihnen das, was sich am Ende als das einzig Wahre herausgestellt hat, zu schildern. Wir beeinen mit dem männlichen Geschlechte, als dem- Ausfuhrungs- D gange der ienigen , welches . wenn man so saeen darf, mit einfacherem Mate- Geschiechts- ' ° ' drüsen rial seine ausführenden Theile erzeugt. Der MüLLER'sche Gans, istbeim männlichen n n Geschlechte. hier bei Thieren zur Zeit, wo die Geschlechtsöffnung schon ganz deutlich ausgeprägt ist, anfangs noch vorhanden (Fig. 215) und er- hält auch, wie diess zuerst Rathke bei der Natter und Bischoff bei Säugethierembryonen nachgewiesen haben , an seinem obern leicht angeschwollenen Ende eine spal tenförmige Oeffnung, analog derjenigen, welche beim weiblichen Thiere zur Bildung der Abdomi- nalöffnung der Tuba führt. Bald aber schwinden die MüLLER'schen Gänge von oben nach unten und erhält sich von denselben so zu sagen nichts als das allerunterste Stück, welches zu dem sogenannten Uterus masculinus (der Vesicula prostatica des Menschen) sich gestal- tet. Mit Bezug auf diesen Ueberrest der eigentlichen Geschlechts- gänge der männlichen Geschöpfe ist zweierlei hervorzuheben und zwar fürs erste die Verschmelzung, welche die MüLLER'schen Gänge an ihrem untersten Ende erleiden , so dass sie später nur mit Einer Oeffnung in den Sinus urogenitalis einmünden. So waren bei dem in der Fig. 215 dargestellten männlichen Embryo die MüLLER'schen Gänge unten ganz und gar zu einem Uterus masculinus verschmolzen (Fig. 218), während der obere Theil derselben schon den Beginn der Atrophie zeigte, welcher derselbe endlich erliegt. Der Ueberrest der MüLLER'schen Gänge beim männlichen Geschlechte zeigt zweitens eine sehr verschiedene Ausbildung bei verschiedenen Gattungen. Während nämlich dieselben beim Menschen nur in der rudimentär- sten Form sich zeigen, finden sie sich, wie namentlich E. H. Weber's Untersuchungen gelehrt haben, bei anderen Geschöpfen, wie z. B. bei Garnivoren, Wiederkäuern u. a. , als grössere am Grunde der 444 Achtunddreissigste Vorlesung. Blase mehr weniger weit heraufreichende Bildungen , die selbst in der Gestalt den Theilen ähnlich sind , denen sie beim weiblichen Thiere entsprechen, nämlich der Scheide und dem Uterus, und z.B. mit zwei Ausläufern analog den Uterushörnern getroffen werden. Allein auch bei der grössten Ausbildung spielen diese Reste der MüLLER'schen Gänge keine wesentliche Rolle und geht der Samen- leiter mit seinen Nebengebilden aus dem WoLFF'schen Körper und seinem Gange hervor. Es ist vor allem Bathke's Verdienst diese ei- gentümliche Verwendung der Urniere für den Aufbau des männlichen Sexualapparates gegen J. Müller nachgewiesen zu haben und haben dann später besonders H. Meckel's Untersuchungen die Angaben von Rathke bestätigt, während dieselben zugleich auch in den ver- gleichend anatomischen Untersuchungen Bidder's und Anderer über den Zusammenhang der Nieren und Hoden bei den Batrachiern eine Analogie fanden. Auch ich kann nach meinen Erfahrungen mich aufs Bestimmteste für diese Verbindung zwischen der Urniere und dem Hoden aussprechen, und habe ich selbst bei menschlichen Em- bryonen mich von derselben zu überzeugen Gelegenheit gehabt. Bei diesen leitet sich die Verbindung im dritten Monate ein und zwar in der Art, dass eine gewisse Zahl der oberen Kanälchen der Urniere sich mit dem Hoden vereinigen und zum Kopfe des Nebenhodens, d. h. zu den Coni vasculosi gestalten, während die unteren durch Atrophie verloren gehen, doch bilden sich diese Verhältnisse keines- wegs rasch aus. Bei Embryonen der eilften bis zwölften Woche nämlich enthält der Kopf des Nebenhodens nur gerade Kanäle von 0,016 — 0,02"' Durchmesser , und findet sich von dem Körper und der Cauda der Epididymis noch keine Spur, vielmehr kommt vom Nebenbodenkopfe, gerade wie früher von der Urniere, ein gerader Kanal von i/s"' Breite , der das Vas deferens und den Nebenhoden- kanal zugleich darstellt. Um dieselbe Zeit sah ich auch noch einen ganz deutlichen Rest der Urniere mit gefässhaltigen Malpighischen Körperchen zwischen dem Samenleiter und Hoden , der jedoch seine Verbindung mit dem ersteren aufgegeben hatte und auch mit dem Hoden nicht zusammen hing. Die weiteren Veränderungen habe ich nicht im Zusammenhange verfolgt und kann ich Ihnen nur soviel sagen , dass im vierten und fünften Monate an den mit dem Hoden verbundenen Kanälchen der Urniere die Windungen sich ausbilden, durch welche dieselben zu den Coni vasculosi sich gestalten , so wie dass in dieser Zeit auch der übrige Theil des Nebenhodens sich an- Entwicklung der Harn- und Geschlechtsorgane. 445 legt. Die Zahl der mit dem Moden sich vereinigenden Kanäle der Urniere ist übrigens sehr wechselnd, da, wie bekannt, die Zahl der Coni vasculosi nichts weniger als beständig ist, und ebenso scheint auch das Schicksal der übrigen Kanälchen der Urniere mannigfachen Abänderungen ausgesetzt zu sein. Mit Recht betrachtet Kobelt (der Nebeneierstock des Weibes. Heidelberg 1 847) die Vasa aberrantia des Nebenhodens als nicht untergegangene Kanälchen der Urniere, die jedoch keine Verbindung mit der Geschlechtsdrüse eingegangen sind und schreibt dieselbe Bedeutung auch gewissen nicht constan- ten gestielten Cysten am Kopfe des Nebenhodens zu, die auch in Gestalt0 von Vasa aberrantia vorkommen, mit welchen jedoch die bekannte MoRGAGNi'sche Cyste an derselben Stelle nicht zu verwech- seln ist, die von demselben Autor als ein Rest des obersten Endes des MüLLER'schen Ganges aufgefasst wird. Ein ganz selbständiger Rest des WoLFF'schen Körpers ist wahrscheinlich auch das Organ von Giraldes am oberen Ende des Hodens (s. mein Handbuch der Gewebel. 3. Aufl. St. 526). Alles zusammen genommen ergibt sich mithin, dass der Kopf des Nebenhodens aus der Urniere selbst, der übrige Theil des Neben- hodens und der Samenleiter aus dem WoLFF'schen Gange hervor- gehen , während der MüLLER'sche Gang bis auf die MoRGAGNi'sche Hydatide und den Uterus masculinus schwindet. Mit Bezug auf die Samenleiter ist nun noch ein Punct her- vorzuheben , der bis jetzt ausser durch Thiersch (Illustr. med. Zeit- schrift. 1852. St. i2) noch keine Berücksichtigung gefunden hat. Die Urnierengänge , aus denen dieselben sich hervorbilden, laufen bei männlichen Embryonen gesondert bis an den Eingang des Beckens, hier jedoch vereinigen sich dieselben hinter der Blase zu einem ein- zigen Strange, den man mit Thiersch Genitalstrang heissen kann Genitaistrans und mit ihnen fliessen zugleich auch die MüLLER'schen Gänge zusam- men , so dass zu einer gewissen Zeit der männliche Genitalstrang vier Kanäle enthält. Dann verschwinden die MüLLER'schen Gänge im oberen Ende des Genitalstranges und fliessen im unteren Theile desselben zum Uterus masculinus zusammen, und während diess ge- schieht, weiten sich die Urnierengänge, die immer getrennt bleiben, aus und stellen nun die Vasa deferentia dar. Diese sind jedoch an- fangs nicht getrennt, sondern stellen zwei in dem einfachen Genital- strange enthaltene Epithelialröhren dar, wie Ihnen dies die Fig. 218, von dem in der Fig. 21 5 dargestellten männlichen Rindsembryo zeigt. 446 Achtunddreissigste Vorlesung. Erst später mit dem stärkeren Wachsthume derselben scheiden sie sich nach und nach in zwei Gänge, indem jedes Epithelialrohr sich einen Theil des ursprünglichen Genital- stranges aneignet. Diese Entwicklung der Samenleiter ist desswegen bemerkens- werth , weil sie , wie Sie später einsehen werden, eine ursprüngliche Analogie in dem Verhalten der Ausführungsgänge der Urnieren und der MüLLER'schen Gänge bei beiden Geschlechtern darlhut, denn auch beim weiblichen Geschlechte findet sich ein Genitalstrang von demselben Bau, allein hier theilt sich derselbe nur in den selten- sten Fällen (bei Thieren mit doppeltem Uterus und doppelter Scheide) in zwei Gänge, sondern bleibt meist einfach bestehen, so jedoch, dass in ihm allerdings nicht die Urnierengänge, sondern gerade um- gekehrt die MüLLER'schen Kanäle sich erhallen. — Die Samen- bläschen sind einfach Auswüchse der untersten Enden der Samen- leiter. Dieselben bilden sich im dritten Monate und sind noch am Ende desselben einfache birnförmige hohle Anhänge des Samenleiters von kaum mehr als %'•" Länge. Ihre weiteren Schicksale habe ich nicht verfolgt, es ist jedoch auch so klar, wie aus der einfachen ur- sprünglichen Gestalt die spätere hervorgeht. — Bei Thieren ist die Bildung der Samenbläschen leicht zu verfolgen und sehen Sie die- selbe in der Fig. 218 auf der allerersten Stufe, als kleine quere Aus- sackungen der Samenleiter, die bemerkenswerther Weise anfänglich auch ganz und gar im Genitalstrange eingeschlossen sind. Fig. 218. Querschnitt durch den unteren Theil des Genitalstranges und Blase des männlichen Rindsembryo der Fig. 215. etwa 18mal vergr. b Harn- blase, bh halbmondförmiges Lumen derselben, h die zwei in einem Vorsprunge der hinteren Blasenwand enthaltenen Harnleiter, g Genitalstrang, in Müller'- sche Gänge verschmolzen [Uterus masculinus) , wg Urnierengänge oder Samen- leiter, s Samenblase. Neiinunddreissigste Vorlesung. Meine Herren ! Der weibliche Geschlechtsapparat charakterisirt Bildung der Ausflihrungs- sich gegenüber dem männlichen bei der Bildung der Ausführungs- gange beim weiblichen gange dadurch , dass bei ihm die Urniere keine weitere Bedeutung Geschlechte. erlangt, sondern mit Ausnahme eines kleinen Bestes schwindet, der als BosENMÜLLER'sches Organ schon lange beim Neugebornen bekannt ist und von Kobelt auch beim erwachsenen Weibe als beständig und als Analogon des Nebenhodens nachgewiesen und mit dem Namen des Nebeneierstockes bezeichnet wurde. Sehr selten erhalten Nebeneierstock. sich beim Menschen Spuren der Urnierengänge, von denen ich übri- gens noch bei reifen Embryonen deutliche Beste im Lig. latum fand, wogegen dieselben bei gewissen weiblichen Säugethieren (Schwei- nen, Wiederkäuern) vorgefunden werden und die GARTNER'schen GAMNER'sche 7 ' ° Gänge. Gänge heissen, deren Bedeutung zuerst von Jacobson (Die OKEN'schen Körper oder die Primordialnieren. Kopenhagen 1 830) und später auch von Kobelt nachgewiesen wurde. Geht so der Urniere beim weib- lichen Geschlechte jede Beziehung zur Geschlechtssphäre ab, so tre- ten dagegen die MüLLER'schen Gänge in ihr Becht ein und entwickeln sich zur Scheide , dem Uterus und den Eileitern. Tuba wird der Eileiter. Theil dieser Gänge, der am WoLFF'schen Körper seine Lage hat bis zu dem Puncte, wo das Ligamentum uteri rotundum an den ursprüng- lichen Urnierengang sich ansetzt, und sind die Veränderungen, die dieser Abschnitt, abgesehen von der Grössenzunahme und den noch zu besprechenden Lageveränderungen, erfährt, einfach die, dass nahe am obersten Ende ein Längsschlitz sich bildet, aus welchem dann allmälig das Ostium abdominale der Tuba hervorgeht , während das allerletzte Ende des MüLLER'schen Ganges, wie Kobelt wohl mit Grund annimmt, zur gestielten Cyste am Ende der Tuba sich gestaltet. 448 Neununddreissigste Vorlesung. Entwicklung des Ueber die Art und ~7eise , wie der Uterus und die Scheide sich Uterus und der scheide. entwickeln, sind verschiedene Hypothesen aufgestellt worden. Nach Rathke wächst die hintere Wand des Sinus urogenüalis , d. h. des Theiles der primitiven Harnblase, in die die WoLFF'schen und Mül- LFR'schen Gänge einmünden, an der Stelle der Insertion der Mül- LER'schen Gänge in einen blinden hohlen Forlsatz aus, an dessen Spitze dann die genannten Gänge sich ansetzen. Die weitere Ent- wicklung ist nach Rathke je nach der Gestalt des späteren Uterus verschieden. Bei den Geschöpfen mit einfachem oder zweihörnigem Uterus gestaltet sich der Auswuchs des Sinus urogenüalis zur Scheide und zum Körper des Uterus, während der Grund dieses Organes oder die Hörner , wo solche bestehen , aus den Enden der Müller' - sehen Gänge entstehen , die sich ausweiten und im ersteren Falle auch verschmelzen. Ist dagegen der Uterus beim erwachsenen Thiere gänzlich doppelt, so geht er ganz und gar aus den Enden der Mül- LEß'schen Gänge hervor und wird der Auswuchs des Sinus iirogeni- talis nur zur Scheide. Eine zweite Aufstellung findet sich bei Bischoff (Entw. St. 576), doch weicht dieselbe, bei Licht betrachtet , von der von Rathke nur darin ab, dass nach ihr die Scheide aus dem Canalis urogenüalis entsteht. — Diese beiden Ansichten und vor allem die von Rathke waren lange Zeit die einzig geltenden, bis im Jahre 1852 ziemlich gleichzeitig Leuckart (Illustr. med. Zeitschr. 1852. St. 93) auf theoretischem Wege, und Thiersch (Ebend. St. H u. flgde.) an der Hand wirklicher Beobachtungen eine andere Auffassung begründeten. Nach Thiersch's Beobachtungen an Schaaf- embryonen geschieht die Bildung von Uterus und Scheide in folgen- der Weise. Die Ausführungsgänge der Urnieren und die MüLLER'schen Gänge verbinden sich mit ihren unteren Enden von ihrer Einmün- dung in den Sinus urogenüalis an mit einander zu einem rundlich viereckigen Strange, dem Genitalstrange, in welchem vorn die beiden Lumina der Urnierengänge und hinten die der MüLLER'schen Kanäle sich finden. Beim weiblichen Embryo nun verschmelzen von unten aufwärts die MüLLER'schen Gänge in einen einzigen Kanal und dieser gestaltet sich dann im Laufe der Entwicklung zur Scheide und zum Körper des Uterus, während die Hörner desselben aus den nicht im Genitalstrange eingeschlossenen benachbarten Theilen der MüLLER'schen Gänge entstehen. — Der Unterschied zwischen dieser Ansicht von Thiersch und der von Rathke springt von selbst in die Augen und ergeben sich nun in der That, wie Leuckart hervorge- Entwicklung der Harn- und Geschlechtsorgane. 449 hoben hat, schon von vorne herein ein-' 2 Thatsachen, die für die THiERSCii'sche Verschmelzungslheorie sprechen , wie das Vorkommen einer doppellen Scheide bei einigen Säugern, das pathologisch auch beim Menschen beobachtet worden ist, und die Existenz von zwei Oefl'nungen an dem Uterus masculinus einiger Säugethiere. Allein auch die directe Beobachtung zeigt, dass Thiersch Recht hat, und habe ich bei Untersuchung des Genilalslranges von Rindsembryonen in allem Wesentlichen eine Bestätigung seiner Angaben erhallen. Da 4. Fig 219. diese Angelegenheit wichtig genug ist , so veranschauliche ich Ihnen meine Erfahrungen durch die Fig. 219, welche Querschnitte des Genitalstranges des weiblichen Embryo der Fig. 215 darstellt. Hier ergab sich erstens , dass von dem Puncle aus , wo auch äusserlich sichtbar die vier Gänge sich vereinigen, in der That eine Verschmel- zung der äusseren Umhüllungen derselben , die jetzt noch aus sehr unentwickeltem Fasergewebe besteht, statthat, in welcher Bezie- hung ich Sie jedoch noch darauf aufmerksam machen will, dass eigentlich schon vorher die beiden Gänge jeder Seite nur einen ein- zigen Strang mit zwei Lumina und zwei Epithelial röhren darstellen. Am obersten Ende des Genitalstranges (Fig. 219, 1) erkennt man die sich vereinigenden Stränge der beiden Seiten noch ganz deutlich und liegt hier auch noch der MüLLER'sche Gang in einem leisten förmigen Fig. 219. Querschnitt durch den Genitalstrang des weiblichen Rindsembryo der Fig. 215, 14mal vergr. \. vom oberen Ende des Stranges mit etwas schief getroffenen Gängen, 2. etwas weiter unten, 3. 4. von der Mitte des Stranges mit verschmelzenden und verschmolzenen MüLLER'schen Gängen, 5 vom un- teren Ende desselben mit doppelten MüLLER'schen Gängen, a vordere, p hin- tere Seite des Genitalstranges, m MÜLLER'scher Gang, wg WoLFF'scher Gang. Külliker, Entwicklungsgeschichte. 29 450 Neununddreissigste Vorlesung. Vorsprunge, weiter abwärts dagegen bildet der Genilaistrang in der That eine einzige fast cylindrische Masse. Was die vier Kanäle im Innern desselben anlangt, so bemerke ich Ihnen zunächst, dass die MüLLER'schen Gänge durch die Dicke ihres einfachen Cylinderepithels von den Urnierengängen sich auszeichnen , deren Zellenauskleidung einmal dünner ist. Verfolgt man ferner die MüLLER'schen Gänge auf successiven Querschnitten bis zum Sinus urogenitalis , so ergibt sich folgendes merkwürdige Verhalten. Anfangs gelrennt, nähern sie sich bald einander, kommen zur Berührung und verschmelzen in einen einzigen Kanal. Dieser einfache weibliche Genilalkanal bleibt nun aber nicht bis zum Sinus urogenitalis so, wie man nach den Mitthei- lungen von Thieksch erwarten könnte, vielmehr wird derselbe weiter abwärts im unteren Drittheile des Genitalstranges wieder doppelt (Fig. 219) und mündet mit zwei Oeffnungen in den Sinus urogeni- talis. Es findet sich demnach hier das merkwürdige Verhalten, dass die M ü ll er's che n Gänge in der Mitte des Genitalstran- ges zuerst verschmelzen, an beiden Enden desselben dagegen noch längere Zeit doppelt bleiben, ein Verhalten, das nun auch das Vorkommen von einem einfachen Uterus mit doppelter Scheide in pathologischen Fällen beim Menschen , so wie von einem einfachen Uterus masculinus mit zwei Oeffnungen (Delphin) oder mit einer Scheidewand im unteren Theile (Esel) begreiflich macht. An einem älteren Embryo von 3" i'" fand ich die MüLLER'schen Gänge auch oben und unten verschmolzen und war nun aus ihnen ein einziger weiterer Genitalkanal hervorgegangen, der nur am letzten Ende in einer von der hinleren Wand her vorspringenden Leiste noch eine Andeutung der früheren Duplicilät zeigte. Dieser Genitalkanal ist nichts anderes als die Anlage der Scheide und des Körpers des Ute- rus, und erscheint es nun ferner noch bemerkenswerth, dass der- selbe jetzt auch die Wand des Genitalstranges sich ganz angeeignet hat, und dass die verkümmerten ganz kleinen Epithelialröhren der früheren Urnierengänge , die jetzt schon die GARTNER'schen Kanäle heissen können, als ganz untergeordnete Theile milten in seiner vor- deren Wand ihre Lage haben. An den in der Fig. 219 dargestellten Präparaten waren übrigens die Urnierengänge noch ganz gut erhal- ten und lagen zuerst vor , dann seitlich und endlich wieder vor den MüLLER'schen Gängen. Alle vier Kanäle waren in der Mitte des Ge- nitalstranges enger als an dessen Enden und schienen , worüber ich jedoch nicht vollkommen ins Klare kam, dicht beisammen in den Entwicklung der Harn- und Geschlechtsorgane. 451 Sinus urogenitalis auszumünden, der durch das Vorkommen eines dicken Pflasterepithels ausgezeichnet war. — Das Resultat meiner Untersuchungen ist mithin ebenfalls das, dass Scheide und Uterus aus den verschmelzenden MüLLER'schen Gängen sich hervorbilden, ich habe jedoch den Angaben von Thiersch das beizufügen, \ ) dass die Verschmelzung in der Mitte zuerst beginnt und von da nach oben und unten fortschreitet und 2) dass die Wand des gesammten Geni- talstranaes zur Bilduns; der Faserhaut von Uterus und Scheide ver- wendet wird , so dass mithin die Urnierengänge, wenn auch nicht mit ihrem Epithel, so doch in dieser Weise an der Gestaltung des weiblichen Genilalkanales Antheil nehmen. So viel von den Säugelhieren. Was nun den Menschen anlangt, so ist kein Grund zu bezweifeln , dass auch bei ihm Uterus und Scheide wesentlich in derselben Weise aus den MüLLER'schen Gängen sich hervorbilden, doch wird es allerdings der Kleinheit und Selten- heit des Objectes wegen nicht leicht gelingen , diess thatsächlich zu begründen. Sicher ist, dass der Grund des Uterus aus den MüLLER'- schen Gängen hervorgeht, denn der Uterus ist anfänglich im dritten Monate ein zweihörniger und wandelt sich nur ganz allmälig durch Verschmelzung der Comua in ein einfaches Organ um. Die MüLLER'schen Gänge münden , wie wir schon früher anga- nrofenitaiis. ben, anfänglich in den untersten Theil der Harnblase ein, und zwar unmittelbar vor den WoLFF'schen Gängen und ziemlich in einer Linie mit denselben, während die Harnleiter höher oben sich inseriren. Das letzte Stück der Harnblase von der Einmündung der genannten Urnieren- und Geschlechtsgänge an, das seit J. Müller mit dem Na- men des Sinus urogenitalis bezeichnet wird, verkürzt sich nun im Laufe der Entwicklung immer mehr, wahrend zugleich die angren- zenden Theile des Harnapparates zur Urethra und die MüLLER'schen Gänge zur Scheide und zum Uterus sich ausbilden und so wird es dann zu Wege gebracht, dass am Ende Harn- und weiblicher Ge- schlechtsapparat nur an den allerletzten Enden in dem sogenannten Vorhofe der Scheide mit einander verbunden sind. Die besagte Ver- kürzung ist übrigens nur als eine scheinbare aufzufassen und kommt dadurch zu Stande, dass der ursprüngliche Sinus urogenitalis weni- ger wächst als die übrigen Theile und so am Ende nur als ein ganz kurzer Raum erscheint. Dass dem wirklich so ist, lässt sich für den Menschen leicht beweisen und theile ich Ihnen hier zum Belege noch einige Einzelnheiten mit. Bei einem dreimonatlichen menschlichen 29 * 452 Neununddreissigste Vorlesuno. Embryo (Fig. 220, 1) misst der Simcs urogenitalis 2%m m und erscheint als ein weiterer, die Harnblase und Harnröhre — die übrigens jetzt noch nicht als ein besonderer Theil zu unterscheiden ist — unmit- telbar fortsetzender Kanal, in dessen Anfang die engere Scheide, die sammt Uterus nur 3mm lang ist, auf einer kleinen Erhöhung aus- mündet. Beim vier Monate alten Embryo (Fig. 220, 2) ist das Ver- halten der beiden Kanäle zu einander noch ganz dasselbe, Uterus und Scheide messen aber nun schon 6mm, während der Sinus urogenitalis sich kaum vergrössert hat und nicht mehr als 21/3mm beträgt. Im fünften und sechsten Monate erst ändert sich das Verhältniss der Kanäle zu einan- der, die Scheide wird weiter und erscheint von nun an der Sinus urogenitalis als directe Verlän- gerung derselben, und die Harnröhre, die mitt- lerweile auch von der Blase sich abgegrenzt hat, als ein in die Vagina einmündender Kanal. Im sechsten Monate (Fig. 220, 3) beträgt der Sinus urogenitalis, der nun schon Vestibulum vaginae heissen kann, nur 3%mm, während die Vagina schon Hn"n und der Uterus 7mm misst. Diese Zah- len genügen , um zu zeigen , dass der ursprüng- liche Sinus urogenitalis nicht nur nicht schwindet, sondern sogar auch mit wächst, da aber die Scheide und der untere Theil der primitiven Harnblase, die zur Harnröhre wird, viel stärker wachsen, so. erscheint derselbe später als ein untergeordneter Theil. Da ferner die Scheide später mehr sich ausweitet als die Harnröhre, so wird der Sinus urogenitalis, der anfänglich die unmittelbare Fortsetzung der Harnblase war, zuletzt wie zum Ende der Scheide, in das die Harnröhre einmündet. Uterus und Scheide bilden, wie Ihnen aus der vorhin gegebenen Entwicklungsgeschichte klar geworden sein wird, ursprünglich nur Einen Kanal und sieht man beim Menschen im dritten und vierten Monate keine Spur einer Trennung in demselben (Fig. 220, 1, 2). Fig. 220. Fig. 220. Sinus urogenitalis und Annexa von menschlichen Embryonen in natürlicher Grösse. 4. von einem dreimonatlichen, 2. von einem viermonat- lichen, 3. von einem sechs Monate alten Embryo, b Blase, h Harnröhre, ug Sinus urogenitalis , g Genitalkanal , Anlage von Scheide und Uterus, s Scheide, u Uterus. Entwicklung der Harn- und Geschlechtsorgane. 453 Erst im fünften uud deutlicher im sechsten Monate beginnt der Ute- rus sich abzugrenzen, dadurch, dass an der Stelle des späteren Ori- ficium externum ein leichter ringförmiger Wulst entsteht (Fig. 220, 3), der dann nach und nach in den letzten Monaten der Schwangerschaft zur Vaginalportion sich gestaltet. Von der Scheide ist weiter nichts zu bemerken, als dass dieselbe in der Mitte der Schwangerschaft, um welche Zeit auch ihre Runzeln auftreten , unverhältnissmässig weit ist, so wie dass das Hymen nichts anderes ist, als eine Umbil- dung des ursprünglichen Wulstes , mit dem der Kanal in den Sinus urogenüalis einmündet. Was den Uterus anlangt , so hat derselbe noch im fünften Monate Wände, die kaum dicker sind als die der Scheide. Im sechsten Monate beginnen dieselben vom Cervix aus sich zu verdicken und diese Zunahme schreitet dann bis zum Ende der Schwangerschaft fort, so jedoch, dass, wie längst bekannt, um diese Zeit der Cervix , der etwa % der Länge des ganzen Organes ausmacht, viel dicker ist als der Körper und der Grund. Bevor wir die inneren Geschlechtsorgane verlassen , haben wir nun noch eines Phänomens zu gedenken, das beim männlichen Ge- schlechte viel ausgeprägter sich findet, als beim weiblichen, nämlich der Lageveränderung der Geschlechtsdrüse oder des Herabsteigens der Hoden und Eierstöcke, Descensus ovariorum et testiculorum. Ho- den und Eierstöcke liegen anfangs in der Bauchhöhle an der vorde- ren und inneren Seite der Urnieren neben den Lendenwirbeln (Fig. 21 5) und verlaufen um diese Zeit auch ihre Gefässe einfach quer von der Aorta und der Vena cava herüber. Im weiteren Verlaufe nun rücken die Hoden, die wir für einmal allein ins Auge fassen wollen, allmälig abwärts, so dass sie im dritten Monate schon die Stellung einnehmen, die die Fig. 221 zeigt. Für die weitere Schilderung des Descen- sus ist es nun nöthig zunächst von zwei beson- deren Gebilden zu handeln, die zum Theil schon besprochen wurden , nämlich dem Guberna- culum Hunteri und dem Processus vaginalis pe- Descensus ovariorum et testiculorum. Fig. 221. Harn- und Geschlechtsorgane eines männlichen Embryo von drei Monaten in natürlicher Grösse, nn Nebennieren, uh Cava inferior , n Niere, h Hoden, gh Gubernaculum Hunteri , b Harnblase. Ausserdem sind der Mast- darm, die Ureteren und Samenleiter [w g) zu sehen. Hinter dem Mastdarm und zwischen den Nieren und Hoden ist eine längliche Masse, durchweiche die Art mesenterica inferior hervorkommt, die vielleicht zum Sympathicus gehört. 454 Neununddreissigste Vorlesung. ritonaei. Das Guhernaculum Hunteri ist ein Gebilde , das ursprüng- lich dem WoLFF'schen Körper angehört (s. Fig. 215) und von seinem Ausführungsgange gerade abwärts zur Leistengegend sich erstreckt. So wie der Hoden entstanden und etwas mehr entwickelt ist, besitzt derselbe, wie Sie schon erfahren haben, einen Bauchfellüberzug und ein niedriges Gekröse, Mesorchium, und von diesem aus zieht sich dann eine Verlängerung theils aufwärts (Fig. 21 5), theils abwärts bis zu der Stelle des Urnierenganges, an den sein Leistenband sich an- heftet. Mit dem Schwinden und der Metamorphose des WoLFF'schen Körpers und dem Grösserwerden des Hodens schwinden die beiden Falten des Hodens und kommt derselbe dicht an den WoLFF'schen Gang, jetzt das Vas deferens, zu liegen, und von diesem Momente an erscheint das Leislenbnnd der Urniere als ein zum männlichen Ge- schlechtsapparate gehöriger Theil und heisst von nun an Guherna- culum- Hunteri. Untersucht man dasselbe jetzt, im dritten sowie im vierten und fünften Monate genauer, so ergibt sich , dass dasselbe einmal aus einem faserigen Strange, dem eigentlichen Guhernaculum, und zweitens aus einer dasselbe von vorn und von den Seiten her umgebenden Bauch feil falte besieht, für die eine besondere Bezeich- nung nicht nöthig ist. Beide diese Theile gehen bis zur Leistengegend herab und verlieren sich hier in dem sogenannten Sc h ei den fort- Processus satze des Bauchfelles, Processus vaqinalis peritonei. Die- vaginalis peritonei. Ser ist nichts anderes als eine Ausstülpung des Bauchfelles , welche schon im Anfange des dritten Monates ganz selbständig entsteht und allmälig zu einem die Bauchwand durchsetzenden und bis ins Scro- tum sich erstreckenden Peritonealkanale sich gestaltet. Durch die Entwicklung dieser Ausstülpung des Bauchfelles wird also, wie Sie sehen, vor dem Durchtritte des Hodens der Leistenkanal gebildet und gleichzeitig entwickelt sich auch das scheinbar im Processus vaginalis, aber doch ausserhalb seiner Bauchfellauskleidung gelegene HuNTER'sche Leitband bis ins Scrotum herab , wo seine Fasern sich verlieren. Sind die Theile so vorgebildet, so rückt nun der Hoden mit seinem Bauchfellüberzug bis an den Eingang des Processus vagi- nalis, in den er früher oder später meist im siebenten Monate einzu- treten beginnt, worauf er dann, allmälig in demselben vorrückend, bald ganz in ihm sich verliert und endlich aus dem Leistenkanale, in dem er zuerst seine Lage hat, ganz in das Scrotum herabsteigt. Da nun, wie schon bemerkt, der Hoden seinen Bauchfellüberzug schon in den Scheidenkanal mitbringt, so erscheint letzterer, sobald Entwicklung der Harn- und Geschlechtsorgane. 455 der Hoden im Scrotum herabgestiegen ist, in demselben Verhältnisse zu ihm wie beim Erwachsenen die freie Lamelle der Vaginalis pro- prio,, während die ursprüngliche Bauchfellbekleidung der Drüse die Tunica adnata darstellt, wie Ihnen aus nebenstehendem Schema Fig. 222 hinreichend deutlich werden wird. Dasselbe lehrt zugleich auch, dass die Höhle der Vaginalis proprio, un- mittelbar nach vollendetem Descen- sus durch einen Kanal, der immer noch der Scheidenkanal heissen kann, mit der Bauchhöhle in Verbindung steht. Die Zeit der Vollen- dung des Descensus ist eine verschiedene, doch findet man in der Regel noch vor dem Ende des Embryonallebens beide Hoden im Scrotum, in anderen Fällen vollendet sich der Descensus erst nach der Geburt. Nicht selten ist es , dass beide Seiten etwelche Ver- schiedenheiten zeigen und in Ausnahmefällen bleibt der eine oder der andere Hoden im Leistenkanale oder selbst in der Bauchhöhle stehen, welcher letztere Zustand als Kryptorchidie bezeichnet wird. Sind die Hoden regelrecht herabgestiegen , so findet man bei Neugebornen den Scheidenkanal noch offen, doch schliesst sich der- selbe bald nach der Geburt, wobei jedoch ebenfalls sehr häufig Un- regelmässigkeiten sich ergeben , so dass der Kanal auf grössere oder kleinere Strecken, in seltenen Fällen selbst ganz sich offen erhält. Schliesst sich derselbe regelrecht, so bleibt nicht selten ein Strang, das sogenannte Ligamentum vaginale als Rest zurück. Dem Bemerkten zufolge ist somit die Tunica vaginalis proprio ursprünglich ein Theil des Bauchfells, jedoch in ihren beiden Lamel- len von etwas verschiedener Herkunft. Die Vaginalis communis rührt, wie es scheint, vorzüglich von der Fascia superficialis abclommis her, die bei der Bildung des Scheidenfortsatzes des Bauchfelles mit sich auszieht und mit welcher auch einige Fasern der platten Bauch- muskeln herauswuchern, die dann den Cremaster bilden. Eine Bezie- hung des Gubemaculum Hunteri zur Bildung der letzteren Hülle , die einige annehmen, kann ich nicht staluiren, dagegen glaube ich, dass Fig. 222. Schema zur Erläuterung des Descensus testiculorum. 4. Der Hoden am Eingänge des Leistenkanales , 2. Der Hoden im Scrotum. h Hoden, a Peri- tonealüberzug desselben, später Adnata testis, cv Scheidenkanal mit der Erwei- terung v im Scrotum s , die später äussere Lamelle der Vaginalis propria wird, 456 Neun unddreissi erste Vorlesum Descensus ovariorum. die von mir beschriebene sogenannte innere Muskelhaut des Hodens zwischen Communis und Proprio, der Rest dieses Bandes ist, auf des- sen physiologische Bedeutung wir noch zu reden kommen. Der Descensus ovariorum ist zwar viel weniger ausgeprägt als derjenige der Hoden , aber doch für den aufmerksamen Beobachter nicht zu übersehen. Auch die Eierstöcke liegen anfänglich an der- selben Stelle, wo die Hoden (Fig. 215) und besitzen dieselben Be- ziehungen zum Bauchfell. Namentlich findet sich auch hier schon zur Blüthezeit der WoLFF'schen Körper am Urnierengange ein dem Gubernaculum Hunteri entsprechender Strang, der später zum Liga- mentum uteri rotundum wird. Mit dem Vergehen der WoLFF'schen Körper nun rücken die Eierstöcke ebenfalls gegen die Leistengegend herab , indem sie zugleich schief sich stellen, und wird hierbei die Bauchfellbekleidung der Urnieren zum Lig. uteri latum oder eigentlich zuerst nur zum Fledermausflügel, während der vorhin erwähnte Strang vom Urnierengange, der schwindet, an den MüLLER'schen Faden zu lie- gen kommt. Hier sitzt derselbe, wie Sie be- reits wissen, gerade an der Stelle, wo die Tuba in den Uterus übergeht, und diess ist auch be- kanntlich der Ort, von dem später das Ligamen- tum uteri rotundum ausgeht. Dieses Band zeigt übrigens beim weiblichen Geschlechte dieselben Beziehungen zum Leislenkanale wie beim männlichen und bildet sich bemerkenswer- ther Weise auch hier ein Processus vaginalis (der auch der Kanal von Nuck heisst), der dann aber später spurlos schwindet, während be- kanntlich das Ligamentum uteri rotundum in einer Lage sich erhält, die der ursprünglichen des Gubernaculum Hunteri vollkommen ent- spricht. Um wieder auf die Eierstöcke zurück zu kommen , so be- merke ich Ihnen von denselben noch, dass sie lange Zeit im Bereiche des grossen Beckens sich erhalten und erst am Ende des Embryo- nallebens in den des kleinen Beckens zu liegen kommen. In sehr seltenen Fällen treten dieselben, wie die Hoden, in den Leistenkanal und können selbst bis in die grossen Schamlippen herausrücken, Fig. 223. Fig. 223. Ein Theil der Baucheingeweide eines dreimonatlichen weiblichen menschlichen Embryo, vergr. s Nebenniere, o kleines Netz , r' Niere, l Milz, om grosses Netz, c Coecum, r Lig. uteri rotundum. Ausserdem sieht man Blase, Urachus, Ovarium, Tuba, Uterusanlage, Magen, Duodenum, Colon. Entwicklung der Harn- und Geschlechtsorgane. 457 womit dann, da diese dem Scrotum entsprechen, eine vollkommene Analogie beider Geschlechter hergestellt ist. So leicht im Ganzen die einzelnen Stadien des Descensus der Erklärung de Descensus. Geschlechtsdrüsen zu ermitteln sind, so schwierig isteS) den eigent- lichen Factor bei demselben nachzuweisen und zeigen schon die vielen aufgestellten Hypothesen an, dass wir uns bei einem Versuche hierzu auf ein sehr dunkles Gebiet begeben. Von jeher ist man, wie schon der Name besagt, geneigt gewesen, dem HuNTER'schen Leitbande eine wesentliche Rolle beim Descensus zuzuschreiben und wird es vor Allem nöthig noch etwas genauer auf die Verhältnisse desselben einzugehen. Nach meinen Erfahrungen, die mit denen verschiedener anderer Beobachter übereinstimmen, besteht das Leitband ursprüng- lich aus zelligen Elementen und später aus einem Fasergewebe, in dem sich glatte Muskelfasern, quergestreifte von den Bauchmuskeln abstammende Elemente und reichliche Mengen von Bindegewebs- bündeln erkennen lassen. Die quergestreiften Muskelfasern gehen von der Gegend des Leistenkanales theils abwärts, und diess ist der spätere Cremaster, theils aufwärts gegen den Hoden, und diese letz- teren Fasern finden sich auch im entsprechenden Gebilde des weib- lichen Fötus und sind bekanntlich auch noch bei Erwachsenen im Ligamentum uteri rotundum nachzuweisen. Da mithin im Leitbande Muskeln vorkommen , Muskeln , welche schon ältere Beobachter ge- sehen zu haben glaubten, so ist es begreiflich, dass man vor Allem den Versuch gemacht hat, den Descensus durch den Zug derselben zu erklären. Sie werden jedoch leicht einsehen , dass durch Mus- keln , welche vom Leistenkanale her im Gubernaculum gerade zum Hoden verlaufen , wohl eine etwelche Lageveränderung des Hodens aber unmöglich ein vollständiger Descensus desselben bewirkt wer- den kann, und kommen wir daher zum Schlüsse, dass diese Mus- keln , wenn sie überhaupt beim Descensus eine Rolle spielen, was mir nichts weniger als bewiesen ist , doch keinenfalls von wesent- licher Bedeutung sind. Aus diesem Grunde kann ich auch einer neueren, von verschiedenen Autoren angenommenen Theorie von E. H. Weber keinen Beifall schenken, welcher zufolge der Hoden durch Muskelwirkungen in das von Weber als ein hohler Sack geschilderte Gubernaculum Hunteri eingestülpt werden soll. Ich habe mich nicht davon überzeugen können, dass das Gubernaculum ein hohler mit Muskelfasern belegter cylindrischer Beutel ist , aber auch wenn dem so wäre, so würde ich doch immer bei der gegebenen einfachen An- 458 Neununddrejssigste Vorlesung. Ordnung der Muskelfasern des Gubernaculum es für unstatthaft hallen müssen, den Descensus durch dieselben zu erklären. Als die ein- fachste, rationellste Erklärung ist mir immer die vorgekommen, die schon bei einigen Autoren , am bestimmtesten bei J. Cleland (The mechanisme of the gubernaculum tesüs. Edinburg 1 856) angedeutet ist, dass einmal verschiedene Wachsthumsverhältnisse der Theile, ein rasches Wachsthum der einen und ein Zurückbleiben der ande- ren , und zweitens ein Schrumpfen des Gubernaculum die Lagever- änderung des Hodens bedingen. Welche scheinbaren Orts Verände- rungen der bedeutendsten Art durch ein verschiedenes Wachsthum nahe gelegener Theile erzeugt werden können, habe ich Ihnen schon in einer früheren Stunde am Rückenmark gezeigt, welches, anfänglich im Sacralkanale gelegen, am Ende am zweiten Lendenwirbel steht und so gewissermaassen einen ebenso entschiedenen Ascensus zeigt, wie die Hoden einen Descensus. Nehmen Sie nun an, dass in analo- ger Weise die Theile unterhalb der Hoden weniger, die oberen dage- gen rascher wachsen, so wird hierdurch eine Verschiebung eintreten müssen, die nur um so grösser erscheinen wird, wenn Sie die Klein- heit der Theile bei jungen Embryonen , die geringen Distanzen bei denselben mit in Erwägung bringen. Dass aber in der That die über den Hoden (und Eierstöcken) gelegenen Theile rascher wachsen als die unteren, sieht man ja deutlich an den Vasa spermatica, an deren Verlängerung durch Muskelwirkung Niemand wird denken wollen, und deren Wachsthum eben mit der beste Beweis ist, dass hier keine Gontractionsphänomene im Spiele sind. Andererseits ergibt eine Messung des Gubernaculum Hunteri und des Processus vaginalis bei jüngeren und älteren Embryonen, dass dieselben unverhältnissmässig wenig an Länge zunehmen. Wenn nun aber auch dieses Missverhältniss im Wachsthum der über und unter dem Hoden gelegenen Theile einen guten Theil des Descensus testiculorum erklärt , so genügt dasselbe doch kaum, um auch das Durchtreten des Hodens durch den Leistenkanal und in das Scrotum begreiflich zu machen und erscheint es als fast unumgänglich nöthig, noch einen zweiten Factor anzunehmen, der gewissermaassen den Hoden fixirt und leitet, vielleicht auch etwas herabzieht, und dieser Factor scheint mir im Gubernaculum Hunteri gegeben zu sein. Das- selbe ist einmal ein straffes Band, welches auf jeden Fall den Hoden hält und ihm eine bestimmte Richtung der Bewegung vor zeichnet, und zweitens glaube ich bei demselben in der That Entwicklung der Harn- und Geschlechtsorgane. 459 eine Verkürzung , jedoch weniger durch Contraction als in Folge der eigentümlichen Entwicklung seiner Elemente annehmen zu dürfen, eine Verkürzung, welche auch IL Meckel mit Recht derjenigen ver- glichen hat, die junges Bindegewebe in Narben erleidet, durch welche bekanntlich unter Umständen mächtige mechanische Wirkungen aus- geübt werden. Beim weiblichen Embryo, bei dem der Descensus nicht so weit geht, scheint dieses letztere Moment wegzufallen und das Lig. rotundum später mit den übrigen Theilen im Wachsthume gleichen Schritt zu halten. Zum Schlüsse schildere ich Ihnen nun noch die Entwicklung der Entwicklung der äusseren äusseren Genitalien, bei welcher Gelegenheit wir auf eine sehr Genitalien. frühe Periode zurückzugehen haben. In der vierten Woche (s. Fig. 77) bemerkt man nahe am hinteren Leibesende eine einfache Oeff- nung, welche die gemeinsame Mündung des Darmes und des Urachus oder der späteren Harnblase darstellt, in welche auch die Urnieren- gänge einmünden und die aus diesem Grunde als Kloakenmün- Kloake. düng bezeichnet wird, indem der letzte Abschnitt des Darmes nach der Vereinigung mit dem Urachus die Kloake heisst. Noch bevor eine Trennung dieser einfachen Oeffnung in zwei, die Aftermündung und die Harngeschlechlsöffnung, eintritt, erheben sich ungefähr in der sechsten Woche vor derselben ein einfacher Wulst, der Ge- schlechtshöcker und bald auch zwei seitliche Falten, die Ge- schlechts falten. Gegen das Ende des zweiten Monates erhebt sich der Höcker mehr und zeigt sich an seiner unteren Seite eine zur Kloakenmündung verlaufende Furche, die Geschlechtsfurche. Im dritten Monate treten diese Theile alle deutlicher hervor und er- scheint der Höcker nun schon deutlich als das spätere Geschlechts - glied, und in der Mitte ungefähr dieses Monates scheidet sich auch die Kloakenmündung in die zwei vorhin genannten Oeffnungen durch einen Vorgang , der noch nicht genau ermittelt ist. Nach Rathke (Abhandl. z. Entw. I. St. 57) kommt die Trennung dadurch zuStande, dass einmal an der Seitenwand der Kloake zwei Falten entstehen , die immer mehr vortreten und zweitens auch die Stelle, wo der Mastdarm und der Urachus zusammenstossen , vorwächst; bis endlich diese drei Theile sich vereinigen und so eine Scheidewand zwischen den betreffenden beiden Kanälen bilden. Valeiytin dagegen lässt die Trennung durch ein Schwinden der Kloake sich bilden, ohne jedoch für diese Annahme genauere Beweise vorzubringen. Sei dem wie ihm wolle, so ist so viel sicher, dass unmittelbar nach der Geschlechts- höcker. Geschlechts- falten. Geschlechts- furche. Männliche 46Q Neununddreissigste Vorlesung. Trennung die beiden Kanäle noch ganz dicht beisammen liegen, bald aber, im vierten Monate, eine dickere Zwischenwand zwischen ihnen 2 sich entwickelt, womit dann "~— -X / die Bildung des Dammes X^M--"1 ~^5rWr gegeben ist. '"'f§i TlHv ,--&$&. .■„ Die weitere Ausbildung Sinnliche %>}_. ' .' ' y. ~\>T'r äussere / / <•:> Ä l )J f der äusseren Geschlechts- ichlcchts- . ' x«; / . ' «'•eile. ' j a j. theile verfolgen wir nun bei Fi§- 224- beiden Geschlechtern für „ sich. Beim männlichen Em- bryo wandelt sich der Geni- talhöcker in den Penis um, an dem noch im dritten Mo- V / i"{ ^W^l ,f nate vorn eme kleine An- schwellung, die Glans sich /'/ \ bildet und in der ersten Fi„ 225 Hälfte des vierten Monates die Genitalfurche verwächst. Um dieselbe Zeit vereinigen sich auch die beiden Genitalfalten zur Bildung des Scrotum (Fig. 225). Eine Naht, die Raphe scroti et penis, die anfänglich ungemein deutlich ist, und von der Spitze des Gliedes bis zur Anusöffnung verläuft, deutet die Stelle der Verschliessung der Geschlechtsfurche an und scheint mir das Vorkommen dieser Naht am Damme besonders auch für die oben erwähnte Ansicht von Bathke zu sprechen , deren Richtigkeit vorausgesetzt die Ränder der Genitalfurche als Fortsetzungen der Kloakalfalten aufgefasst werden könnten. Mit der Schliessung der Geschlechtsfurche gewinnt nalür- Fig. 224. Zur Bildung der äusseren Genitalien des Menschen nach Ecker. 1. Unteres Leibesende eines Embryo der achten Woche, 2mal vergrössert. e Glans oder Spitze des Genitalhöckers, f Genüalt'urche rückwärts zu einer Oeffnung führend, die um diese Zeit auch die des Mastdarmes ist, mithin eine Kloakenmündung darstellt, hl Genitalfalten, s schwanzartiges Leibesende, n Nabelstrang. 2. Von einem 1"2'" langen etwa zehn Wochen alten weiblichen Embryo, a After, ug Oeffnung des Sinus urogenitalis , n Ränder der Genital- furche oder Labia minora. Die übrigen Buchstaben wie bei 1. Fig. 225. Zur Entwicklung der äusseren Genitalien nach Eckeh. 1 . Von einem {" langen Embryo, 2mal vergr. , ein Stadium darstellend, das dem der Fig. 224, 2 vorangeht, bei dem das Geschlecht noch nicht entschieden ist. 2. Von einem männlichen Embryo von 2"