QK 225 ,G69 v^/MX<^ A. Erläuterungen ausgewählter Pflanzen des tropischen Amerikas. Von A. Grisebaeh. Aus dem neunten Bande der Abhandlungen der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Göttingen, Verlag der Dieterichschen Buchhandlung. 1860. G-6? ß ei der Bearbeitung der Flora des britischen Westindiens, zu welcher Sir W. Hooker mich veranlasste und mit reichen Hülfsmitteln versah, waren in manchen Fällen vergleichende, systematische Untersuchungen erforderlich, welche, über den Umfang jenes engen Gebiets hinausreichend, oft zu neuer Charakteristik bestehender Gattungen führten und zuweilen auf die Begriffs- bestimmung ganzer Familien sich erstreckten. Anfangs hoffte ich, diese Er- gebnisse, die zur wissenschaftlichen Begründung der in jenes Werk einge- führten systematischen Reformen dienten, dem Texte desselben selbst einfü- gen zu können, wo sie leichter zugänglich gewesen sein würden. Allein äussere Umstände, die bei der Publikation des Werks eintraten, nöthigten mich, hierauf zu verzichten. Es ist daher, um von bestimmten Ansichten Rechenschaft zu geben, räthlich erschienen, die wichtigeren Erläuterungen ab- gesondert herauszugeben, und so ist diese Abhandlung entstanden, wejche gleichzeitig mit der ersten Abtheilung der westindischen Flora veröffentlicht wird. Sie bietet mir zugleich den Anlass, über den Bau einiger merkwürdiger Ge- wächse zu sprechen, deren Stellung im System bisher zweifelhaft geblieben war. PHYTOLACCEEN. Unter den mexikanischen Gattungen, welche DeCandolle nach Mo- cino's Handzeichnungen bekannt gemacht hat, ohne dass in allen Fällen die Darstellung genügte und die Untersuchung der Pflanze selbst möglich war, 4 befindet sich Agdestis, eine Liane, welche er als Menispermee in das System einreihte i). Den Blüthenstand und die gefärbten, apelalischen Kelche vergleicht er mit Clemalis Flammula, und bemerkt, dass die Gattung von den Menispermeen zwar durch hermaphroditische Blumen abweiche, dass dieselben aber vielleicht durch Monstrosität verändert sein möchten. Die Frucht und der Bau des Ovariums blieben ihm unbekannt, die Insertion wurde nicht erwähnt. Später hat DeCandolle die Pflanze selbst von Lambert erhal- ten2), indessen über ihre Organisation nichts zu dem hinzugefügt, was früher überMocino's Abbildung berichtet war. Auch hat kein späterer Schriftsteller die Gattung wiedererkannt oder selbständig untersucht. Der Bau von Agdestis, so unvollständig auch die Beschreibung blieb, ist so eigenthümlich, dass es mir gelang, dieselbe unter unbestimmten, mexi- kanischen Pflanzen mit Sicherheit zu erkennen, wiewohl sie gewiss Niemand unter den Menispermeen gesucht hätte. Denn so trüglich ist es, nach Abbil- dungen, welche die wichtigsten Verhältnisse der Organisation nicht wieder- geben , über die Verwandtschaft schwieriger Formen zu urtheilen. Die Un- tersuchung ergab nämlich alsbald, dass bei aller Einfachheit und Symmetrie des Baues hier ein Fall jener räthselhaften Anomalieen vorliege, welche die Einordnung in das System erschweren und so oft die scharfe Begriffsbestim- mung der natürlichen Familien verhindern. Meine Pflanze wurde im J. 1858 von Ervendberg bei Tantoyuca in der Nähe der mexikanischen Ostküste (22° N. Br.) gesammelt. Da die einge- sandten Exemplare ohne Frucht waren und nur reichliche Blüthen und Knos- pen boten, so scheiterte anfänglich jeder Versuch, die systematische Stellung von Agdestis zu enträthseln. Indem ich mich jedoch nach Nordamerika wandte, wo die grössten Sammlungen aus dem nördlichen Mexiko sich be- finden, war ich so glücklich, durch die bereitwillige Güte Asa Gray's voll- ständigeren Aufschluss und die Mittheilung von Früchten zu erlangen. Der- selbe schrieb, er besitze die Pflanzen seit mehreren Jahren in Frucht, ohne Blüthe, ohne zu wissen, dass es Agdestis sei: die Früchte waren im Jahr 1) DC. systema natur. I. p. 543. 2) DC. Prodr. 1. p. 103. 1831 von Berlandier bei Victoria, also in der Nachbarprovinz Tamaulipas (24° N. Br.) gesammelt. Bei der Untersuchung- zeigten sie sich grösstentheils unbefruchtet, und die wenigen, welche einen Samen enthielten, waren we- gen dessen Zerbrechlichkeit und da die Testa dem Perikarpium sich genau an- schliesst oder theilweise adhärirt, schwer zu deuten. Indessen auch diese Schwierigkeit wurde zuletzt durch meinen hochverehrten Freund, Dr. Hook er, gehoben, der die Pflanze in den Sammlungen von Kew gleichfalls wiederer- kannte, wo sie, aus den mexikanischen Sammlungen von Andrieux, Ber- landier und Linden herrührend, unbestimmt am Schluss der Phytolacceen eingereiht worden war. An den mir von dort mitgetheilten Früchten wurde mir die Gelegenheit geboten, wenigstens in einem Fall den Bau des Samens genügend zu erkennen. Auf diesen Materialien beruht die vervollständigte Charakteristik, die im Folgenden gegeben ist. Agdestis Moc. Sess. Flores hermaphroditi , (Torsan potius polygami , £ completis nee foeeundatis, 9 antheras amittenlibus?). Calyx profunde Aparti- tus, (raro öpartitus), segmentis imbricativis, expansis, coloratis, demum reti- culato - chartaeeis. Corolla nulla. Stamina epigyna, 24 (-12): antheris in- curnbentibus, bilocularibus, introrsum dehiscentibus, a filamento capillari mox deeiduis, loculis linearibus, plane distinetis, supra mediam partem solo in- sertionis puncto connexis. Ovarium inferum , minutum, Aloculare, loculis uni- ovulatis, ovulis erectis, anatropis: Stylus terminalis, 4fidus, lobis intus papillo- sis. Achenium segmentis calycis patentibus tanquam alis coronatum, ipsum turbinatum, abortu uniloculare, monospermum. Semen erectum, testa crusta- cea nigra pericarpio subadhaerente: embryo homotrope ineurvus, testae conti- guus, cotyledonibus elongato- linearibus, albumine farinoso, copioso, centrali. — SufFrutex volubilis, ecirrhosus, glaber, foliis alternis, exstipulatis, petiolatis, cordatis, mucronatis, integerrimis; racemis axillaribus, laxis, peduneulatis: pe- dicellis infra apicem minute bibracteolatis, v. indivisis v. saepius in cymam tritidam abeuntibus, binis lateralibus alarem excedenlibus. A. clemalidea Moc. Sess. — Hab. a provineiis mexicanis boreali - orien- talibus ad Yucatan et conünia Guatemalae (24° — 17° L. Bor.): Tamaulipas, in sepibus pr. Victoriam: Berland. coli. 937:, 2367; Huasteca, pr. Warten- berg: Ervendberg coli. 146; Campeche (Linden: fl. m. Octobr.) ; Oaxaca (An- drieux). — Radix »napiformis» (Andrieux), »annua« (Linden}. Caulis te- nuis, striato-angulatus, pluripedalis, axillis plerisque floriferis subsimplex, in- ternodiis 2 — lpollicaribus. Folia 12 — 10'" longa, 12 — 6'" lata, auriculis rotundatis sinuque aperto distinctis cordata, apice deltoideo mucronata, laxe venisque tenuibus parum prominulis arcunervia, laete virentia, opaca, punctis minutis paullisper rugulosa, textura Phytolaccae, petiolo 8 — 4'" longo, re- curvo- patente, lenui nodoque partiali inserto. Racemi 3 — 5" Iongi, a medio fere floriferi, pedicellis cymisque alternis 8 — 4"' distantibus, laxe patentibus, bractea setacea, 2 — 3'" longa stipatis, ipsis cymaeve pedunculis 4'" fere lon- gis, quandoque superne puberulis, apice clavato in ovarium abeuntibus: brac- teolis setaceis, 1/2"/ fere longis, oppositis, \'" ab ovario distantibus: flore alari (si exstat) ebracteolato , subsessili. Flores »rufescentes» (DC), »albi;; (Linden). Calycis segmenta spathulato- oblonga, 2l/2'" longa, patentissima, textura petalina sub anlhesi colorata, circa fructum 3 — 4"' longa, tum me- diano venisque areolatis utrinque prominulis rigentia. Stamina disco tenui epigyno inserta: filamenta tenuissima, anthera decidua diutius persistentia , ca- lyce paulio superata; antherae versatiles, 5/^" longae, utrinque ad punctum insertionis filamenti usque emarginatae, connectivo destitutae. Ovarium in sty- lum stamina aequantem supra calycem attenuatum, ipsum inferum, 1/2"/ vix lougum, dissepimentis 4 complelis, tenuibus, membranaceis: ovulis in quoque loculo solitariis, ipsorum basi ope funiculis brevis affixis; Stylus ad medium 41obus, lobis (s. stigmatibus) oblongo-linearibus. recurvo- patentibus. Ache- nium 1" longum, calycis segmentis patentissimis, textura, nee figura mutatis multo superatum. Ueber die Stellung von Agdestis finden sich im Museum von Kew einige handschriftliche Bemerkungen von Bentham, Plane hon und M oqu in- Tand o n, die ich mich nicht berechtigt halte, vollständig zu veröffentlichen, aber doch erwähnen muss, um B en th a m das Verdienst zu lassen, die Verwandtschaft mit den Phylolacceen zuerst erkannt zu haben. Da nach brieflichen Mitteilun- gen Asa Gray unabhängig zu derselben Ansicht gekommen ist und Dr. Hooker sie theilt, so glaube ich, auf die Uebereinslimmung so ausge- zeichneter Systematiker gestützt, mit einiger Aussicht auf Erfolg die Ein- würfe entkräften zu können, welche dieser Auffassung der Gattung Agdestis entgegenstehen. Den Bau des Samens , und namentlich das centrale , Stärkemehlreiche Albumen betrachte ich als hinlänglichen Beweis, dass Agdestis zum Verwandt- schaftskreise der Caryophylleen , wie Bartling1) denselben aufgefasst hat, gehöre. Vergleicht man die hierunter begriffenen Familien, so weisen so- wohl die habituellen Charaktere, als manche Eigentümlichkeiten des Baues sogleich auf die Phytolacceen hin: namentlich die capillären Filamente, die beiderseits emarginirten Antheren, die Papillen an der inneren Seite der Grif- felarme, die den Carpophyllen entsprechende Zahl der Eier, deren aufrechte Stellung, die schwarze Testa, der petalinische, persistirende Kelch, die Apeta- lie, die Inflorescenz, die Textur der Blätter, deren Anordnung an schmalen, alternirenden Knoten, die kleinen Pünktchen auf derBlattepidermis2), der geriefte, glatte Stengel u. a. Auf der andern Seite unterscheidet sich Agdestis von den bisher bekannten Phytolacceen vorzüglich durch die Stellung und den Bau des Ovariums. Sodann ist die Verwandlung petalinischer Kelchsegmente in steife, grünlich blattartige Organe bei der Fruchtreife ganz eigenthümlich. Keine Phy- tolaccee mit unterem Ovarium war bis jetzt beschrieben (und dies ist der Grund, weshalb Moquin-Tandon Agdestis nicht in seine Monographie der Familie aufnahm) : allein die analogen Abweichungen von dem Blüthenplan der Caryo- phylleen bei den Ficoideen verringern die Bedeutung dieses Moments. Nir- gends findet sich bei den übrigen Phytolacceen die Combination von vier Fä- chern mit einem gelappten Terminalgriffel wieder. Limeum und Semonvillea nähern sich diesem Verhältniss durch ihr zweifächeriges Ovarium mit termi- nalen Griffeln, die am Grunde sich vereinigen können, zeigen indessen keine habituelle Analogie. Ercilla und Stegnosperma stehen im Habitus Agdestis nä- her, als die übrigen Phytolacceen, und in der letzteren Galtung ist die Zahl und der Bau der Eier analog: Scheidewände müssten zu ihrer freien Central- placente hinzutreten und die Griffel am Grunde verwachsen, um den Bau des Pistills von Agdestis zu erreichen. Es kann daher diese Gattung als ein 1) Bartling, ordines pl. p. 295. 2) Vergl. R. Brown, verm. Schriften. I. S. 268. 8 neues Verbindungsglied zwischen Stegnosperma und Endlicher's Limeen betrachtet werden, wodurch der naturliche Zusammenhang der Phytolac- ceen erhöht und durch deren Ovarium inferum ihr Familiencharakter erwei- tert wird. Je mehr in einer natürlichen Familie die Verschiedenheiten der Organi- sation sich vergrössern , desto unbestimmter wird das gemeinsame Band, wel- ches sie vereinigt. Die Unterscheidung verwandter Gruppen ist in solchen Fallen oft nicht mehr auf eine einfache Charakteristik zu begründen , und es kann die Frage entstehen, ob es nicht passender sei, sie zu einer umfassen- deren Einheit zu verbinden. So ist es in diesem Verwandtschaftskreise ge- schehen, dass die Caryophylleen lange Zeit in eine Mehrzahl von kleineren Familien gelheilt wurden. Jetzt, nachdem die Kenntniss ihres Baues fortge- schritten , erscheint es olfenbar logischer und der Verwandtschaft der Galtun- gen angemessener, die Paronychieen, Portulaceen, Mollugineen und Ficoideen als ebensoviel gleichwerthige Unterabtheilungen den Sileneen und Alsineen anzuschliessen. Die Phytolacceen hingegen schienen ein selbständiges Glied zwischen den Caryophylleen und Chenopodeen zu bilden. Da nun jetzt eine epigynische Form bekannt wird , so kann man hierin eine neue Analogie mit den epigynischen Ficoideen erblicken. Es möchte überhaupt schwer halten, irgend einen vom Pistill hergenommenen Charakter anzuführen, durch welchen die Phytolacceen von den Caryophylleen scharf abgegrenzt werden könnten. Die auf die schiefe EntWickelung der Karpophylle gegründete Charakteristik hat nur einen typischen Werth und lässt sich nicht auf die Gattungen mit ter- minalem Griffel, noch weniger, wenn diese verwachsen sind, anwenden. Durch die in den meisten Fallen apetalische Blüthe und die Reduction der Eier wer- den die Phytolacceen den Chenopodeen naher gestellt, als den Caryophylleen : aber Fälle, wo die Eier der Zahl der Karpophylle entsprechen, kommen be- kanntlich auch unter den Portulaceen und anderen Caryophylleen vor. Dass bei Agdestis von vier Eiern anscheinend immer nur eins sich zum Samen ent- wickelt und dessen Tesla sogar dem Perikarp adhärirt, ist eine Eigenthüm- lichkeit, welche nicht auf Verwandtschaft mit den wenigen, epigynischen Ca- ryophylleen hinweist und zu der abgesonderten Stellung der Gattung beson- ders beiträgt. Der wichtigste Charakter, durch welchen R. Brown L) die Phylolacceen von den Chenopodeen unterschieden hat, besteht in der Stellung' der Stammen, welche, wenn sie den Kelchabschnitten an Zahl gleich sind, mit denselben alterniren. Das Gegentheil hat Payer2) von Microtea behauptet und diese Gattung, wiewohl sie Rivina sehr nahe steht, demzufolge zu den Chenopo- deen gezogen. Nach einer erneuten Untersuchung von Microtea debilis aus Trinidad, an welcher ich schon früher die Richtigkeit von R. Brown's ent- gegenstehender Beobachtung kennen gelernt halte, finde ich fünf Filamente auf kleinen Drüsen zwischen den Kelchblättern hypogynisch inserirt: es ist in- dessen nach Payer's Abbildungen wahrscheinlich, dass dieser genaue For- scher durch eine irrthümliche Bestimmung getäuscht worden ist, da seine Pflanze3) durch perigynische Insertion, sternförmige Behaarung des Ovarium und durch den Bau der Narben von Microtea abweicht. Nachdem Payer ferner gezeigt hat, dass bei Phytolacca, wo die Slaminen die Kelchabschnitte an Zahl übertreffen, der erste oder ursprüngliche Wirtel mit dem Kelche alternirt 4), so hat hiedurch R. Brown's Bemerkung an Bedeutung gewonnen. Allein die Unterscheidung von den Caryophylleen fördern seine Beobachtungen nicht. FenzI hatte versucht die Portulaceen dadurch zu begrenzen, dass ihr äusse- rer Staminalwirtel eine den Phytolacceen analoge Stellung zeige. Von die- sem typischen Verhältniss ihres Baues sind indessen nunmehr bereits mannig- fache Abweichungen bekannt geworden: 1. Bei Talinum und Calandrinia, zwei Gattungen, welche von den ei- gentlichen Portulaceen sich nicht trennen lassen, fand Payer 5J ursprüngliche Alternanz von Stammen und Corolle, wie bei den Sileneen, Paronychieen und Sclerantheen. 2. Bei Mollugo verticillata sind zwei Staminen dem Kelch opponirt und das dritte alternirt mit demselben 6). Da jedoch nach Payer's Beobachtung 7) 1) R. Brown, venu. Schriften, I. S. 26b. 2) Payer, organogenie veo-elale, p. 301. 310. tab. 66. f. 18. 3) Das. f. 27. 28. 4) Das. p. 304. 5) Das. p. 327. — p. 337. 345. 6) As. Gray, Genera bor. amer. 2. p. 10. 7) a. a. 0. p. 331. 2 10 der Kelch dieser Pflanze aus zwei nach einander gebildeten Wirtein besteht und die beiden opponirten Staminen dem inneren, zweiblätterigen Kreise gegen- überstehen, so ist (falls man annähme, dass dieser Kreis das dritte Element verloren hätte) eine Theorie der Blüthe möglich, durch welche jene Ano- malie an Bedeutung verlieren und der Bau sich näher an den vorigen Fall anschliessen würde. 3. Bei Cypselea, einer mit Hermaria verwandten, westindischen Gat- tung alterniren Kelch und Staminen. Dies wäre also, wenn sie mit Recht von den Portulaceen getrennt ist, der umgekehrte Fall, eine Paronychiee mit Portulaceen -Stellung. Nach diesen Thalsachen hatte Asa Gray vollen Grund zu behaupten, dass aus der Stellung der Staminen keine durchgreifende Verschiedenheit der Caryophylleen und Portulaceen, und also auch der Phylolacceen abgeleitet wer- den könne. Will man die Phytolacceen demnach als besondere Familie be- trachten, statt sie mit den Caryophylleen zu vereinigen, so würde die Cha- rakteristik derselben ebenso wenig feststehen, wie die Unterscheidung der Chenopodeen und Amarantaceen, die man doch aufrecht zu erhalten gute Grunde hat. AMARANTACEEN. Nachdem es mir gelungen war, die alte Gattung Lühophila Swartzs, die, von Niemand ausser R. Brown gekannt, nach des Entdeckers irrthüm- licher Auffassung ihrer Verwandtschaft als eine zweifelhafte Paronychiee in dem Pflanzensystem aufgeführt wurde, gestützt auf die Originalexemplare des britischen Museums, in verschiedenen seitdem aufgestellten Alternantheren und Iresinen als selbstständige Amarantacee nachzuweisen x), ist mir jetzt ein sehr nahe verwandter, neuer Typus aus Cuba bekannt geworden, welchen Ch. Wright im J. 1859 entdeckte. Diese Gattung, die sich von der diandri- schen Lühophila vorzüglich durch vierblättrige Kelche und Monandrie unter- scheidet, wünsche ich dem verehrten Sekretär unserer Gesellschaft zum blei- benden Andenken an seine hohen Verdienste um die Pflanzenchemie zu widmen. I) Fl. Brit. Westind. I. p. 06. 11 Woehleria n. gen. Calyx tribracteatus , quadrisepalus, sepalis subae- qualibus lana destitutis. Stamen unicum, hypogynum, sepaiorum alteri interio- rum oppositum, filamento filiformi basi minute bidentato, anthera subglobosa uniloculari. Ovarium uniovulatum: Stigmata duo, filiformia, sessilia. Pericar- pium utriciilare. — Herba minuta, filiformis, diffusa, radicans, glabra , habitu Illecebri v. Lithophilae; folia opposita, subrotunda, petiolata; capitula in ra- mulis terminalia, alba, minula, demum oblongata, pedicellata, sepalis scariosis bracteas multo superantibus. W. serpyllifoUa Gr. — Folia membranacea, laete virenlia, 1 — 2'" diain., peliolum subaequantia; capitula juniora 1'" diam., fructifera 3" fere longa; flores basi articulati; sepala oblongo- linearia, obtusiuscula, 1/2'" longa, ad me- dium fere trinervia, bracteis ovatis minutissimis; stamen inclusum, ovarium sub- aequans; semen orbiculare, utriculum explens, testa crustacea, embryone an- nulari, albumine eentrali. — Habitat in Cuba orientali pr. villam x\lonteverde, intra filices radicans. Wright coli. cub. II. nr. 1396. EUPHORBIACEEN. Ueber die Stellung dieser grossen und so natürlichen Familie haben sich die Systematiker noch nicht geeinigt. Bei der Mannigfaltigkeit ihrer Blüthen- organisation, so wie ihrer Vegetationsorgane ist es begreiflich, dass zahlreiche Analogieen mit verschiedenen Verwandtschaftskreisen vorkommen, ohne dass hierauf ein besonderes Gewicht gelegt werden darf: denn was die Euphor- biaceen unter sich verbindet, liegt hauptsächlich in der Entwickelung ihrer Frucht und ihrer Samen, und nach diesen Organen ist daher ihre Stellung im System zu bestimmen. Aus diesem Grunde betrachte ich ihre unleugbare Analogie mit dem Verwandtschaftskreise der Malvaceen nicht als ein Zeichen wahrer Verwandtschaft, und würde die so häufig vorkommende Ablösung des Endokarps von der äusseren Fruchtschale, worin sie mit den Diosmeen über- einstimmen, schon für einen bedeutenderen Anhaltspunkt ansehen. Adanson's von Roeper1} verfochtene Meinung, dass die Euphorbiaceen in näherer Be- ziehung zu den Polygaleen stehen, habe ich angenommen, weil, wenn man 1) Roeper, enum. Euph. p. 54. 9 # 12 Trigonia als verbindendes Glied betrachtet, die Verschiedenheiten im Typus der Blüthe beider Gruppen sich erheblich vermindern. Diese Ansicht schien durch einige neuere Angaben über die Entwickelung des Eis unterstützt zu werden. Auf Seh leid en's Autorität, der den Euphorbiaceen im Gegensatz zu anderen Schriftstellern „fleischiges Ausseneiweiss" zuschreibt1), sowie nach Hofmeisters Andeutung, dass das Endosperm der Polygaleen transitorisch sei2), habe ich, ohne eigene Beobachtungen über diesen Gegenstand zu be- sitzen, in den Charakter beider Familien ein Perisperm aufgenommen 3)# Allein nach einer gefälligen Auskunft, welche auf meine spätere Anfrage mein Freund Hofmeister mir brieflich ertheille, bestätigen sich diese Angaben nicht. Er schreibt, dass „das Albumen der Euphorbiaceen ohne Frage Endosperm sei, davon habe er sich bei Mercurialis perennis und Ricinus communis aufs Vollständigste überzeugt". Zugleich erklärt er, dass das Endosperm von Polygala durch einen Irrthum des Abschreibers in seiner Abhandlung ver- gänglich genannt sei, er zweifle nicht, dass das Albumen des reifen Samens von dem früh auftretenden Endosperm abslamme. Wiewohl es A. Jussieu gelang, die Gattungen der Euphorbiaceen zu grösstenteils natürlichen Reihen anzuordnen, so ist doch die Charakteristik seiner Tribus nicht durchzuführen. Dies hat Klotzsch durch die Aufstellung seiner Acalyphaceen 4) anerkannt, worunter er naturgemäss die Hippomaneen, Acalypheen und Crotoneen Jussieu' s vereinigt. Zu ähnlichen Ergebnissen war auch ich geführt worden, konnte indessen seine Abhandlung nicht mehr für meine westindische Flora benutzen, da die Euphorbiaceen bereits dem Druck in London übergeben waren, als dieselbe erschien. Hieraus erklärt sich, dass die Euphorbiaceen mit einzelnen Eiern bei mir den Namen Cro- toneen führen, und dass Klotzsch's und Garcke's Untersuchungen über die Involucren von Euphorbia nicht berücksichtigt worden sind. Drei von Jussieu' s Gruppen können sicher unterschieden werden, I; Sc hl ei den, med. pharm. Botanik, I. S. 231. 2) Hofmeister in Pringsheim's Jahrbüchern, 1. S. 89. 3) Kl. Brit. Weslind. 1. p. 27. 31. 4) Klotsch, in d. Berliner Monatsberichten f. 1859. S. 244. u. f. 13 nämlich die Buxeen, insofern man dieselben nach Baillon's1) und J. G. Agardh's2) Vorgange auf wenige Gattungen einschränkt, die Phyllantheen, welche alle übrigen Euphorbiaceen mit geminirten Eiern umfassen, und die Crotoneen mit Einschluss der drei Abtheilungen, welche, wie diese, einzelne Eier in den Fächern tragen. Klotzsch unterscheidet ausserdem die Anti- desmaceen, die ich nicht als selbstständige Gruppe anerkenne, und sondert von seinen Acalyphaceen die Euphorbiaceen (im engeren Sinne) und die Peraceen ab, die ich als wohlcharakterisirte Subtribus der Crotoneen betrachte. Die Buxeen, welche Baillon ganz von den Euphorbiaceen ausschliesst, unterscheidet dieser Botaniker durch die Rhaphe aversa, die Insertion der Griffel unterhalb der scheinbaren Spitze des Ovariums, und durch die loculicide Frucht. Indessen kommen bei den Phyllantheen Fruchtbildungen vor, die ebenfalls von dem Typus der Familie abweichen. Bei Richeria, einem Baum der Antillen und Brasiliens, von dem übrigens die Zahl der Eier noch unbe- kannt ist, enthält die Kapsel gewöhnlich, indem zwei Karpelle unbefruchtet bleiben, nur einen einzigen Samen, und öffnet sich von der Basis nach aufwärts in den Scheidewandlinien zu drei Klappen, die von den zweiklappigen Endo- karpien und von der Columella sich ablösen: der Samen ist von einem pul- pösen Integument umschlossen. Podocalyx Kl. dagegen hat 3) die typische tricocce und medianicide, sechssamige Phyllantheen-Kapsel und polirte Samen: Baillon's Vermuthung 4), dass diese Gattung mit Richeria zusammenfalle, bestätigt sich daher nicht. Vahl fand bei Richeria zuweilen zwei bis drei Samen, während in den von Imray auf Dominica gesammelten Früchten stets, übereinstimmend mit Ryan's Angabe, nur ein einziger Samen vorhanden ist: die übrigen, von Jussieu erwähnten Verschiedenheiten in Vahl's und Ryan's Beschreibungen von Richeria erklären sich aus der Voraussetzung, dass beide den Kelch für eine Corolle hielten, und die in ihrer Zahl verän- derlichen Brakteen für einen Kelch. Hieronyma, wozu Stilaginella als Synonym 1) Baillon, elude des Euphorbiacees p. 272. 2) Agardh, theoria syst. pl. p. 292. 3) Spruce, pl. amazon. nr. 2143. 4) Baillon, a. a. 0. p. 597. 14 gehört, ist mit ihrer einsamigen Drupa ebenfalls ein Beispiel von anomaler Fruchtentwickelung unter den Phylluntheen : Allemao's Art verbreitet sich von Brasilien bis Veraguas1} und Jamaika, und eine zweite Art wächst in Cuba2}. Versucht man, die Euphorbiaceen mit einzelnen Eiern nach ihrer Ver- wandtschaft einzuteilen, so bietet sich zunächst die Inflorescenz als Charakter dar. Denn durch die Involucralbildungen werden die Euphorbieen und die Prosopidoklineen Klotz seh' s, die er jetzt Peraceen nennt, als zwei natürliche Gruppen ausgeschieden. Ferner können aber auch die Jatropheen dafür gelten, wenn man sie nicht durch die Monadelphie, die bei Janipha wegfällt, sondern dadurch unterscheidet, dass die Blüthentragende Hauptaxe durch eine weibliche Blume begrenzt ist, während bei den übrigen Crotoneen erst die seeundären Blüthenaxen sich von dem einfachen Pedicellus zur Cyma erheben, die pri- mären hingegen centripetal und auf den Racemus zurückzuführen sind. Eine Ausnahme hiervon kommt indessen bei Acidocroton, einer weiter unten erör- terten Gattung vor, die mit Croton offenbar verwandt ist, aber einzelne Ter- minalblüthen auf beblätterten, verkürzten Zweigen trägt: allein wenn diese letzteren als auswachsende Blüthenstiele betrachtet werden könnten, so wäre doch vielleicht eine Vergleichung mit Adelia möglich, womit jene Galtung von Linne vereinigt worden war, und bei welcher sich die axillaren Blü- thenbüschel der Phyllantheen wiederholen. So verschieden der Bau des Racemus bei Croton und Acalypha auf den ersten Blick zu sein scheint, so ist es doch nicht möglich, zwischen den auf diese typischen Gattungen begründeten Gruppen einen wesentlichen Charakter aus der Inflorescenz abzuleiten. Abgesehen von den so verschiedenen Grössen- verhältnissen der Brakteen zu den Blüthen, besteht der Unterschied im Racemus beider Gattungen wesentlich nur darin, dass bei Croton jede Braktee gewöhnlich nur eine Blüthe deckt, bei Acalypha eine mehrblüthige Cymula umschliesst: allein die Ausnahmen sind in beiden Gruppen zahlreich und bekannt. Es scheint jedoch möglich zu sein, wenn man andere Organe, und namentlich den Bau des Samens vergleicht, die Acalypheen abgesondert zu erhalten: aber 1) Syn. Euphorbiacearum genus nov. Kl. ap. Seemann Panam. p. 106. 2) H. clusioides Gr. in pl. Wright. nr. 5b0. (Syn. Stilaginella Tul.) 15 dann müssen noch einige andere Gruppen unterschieden werden. Benutzt man die Caruncula, um die Eucrotoneen zu bezeichnen, so fallt zunächst eine Reihe von Gattungen aus, die sehr nahe unter einander verwandt sind und in ihren kleinen, carunculalosen Samen zwar mit den Acalypheen übereinstimmen, aber in der vollständigeren Blüthe und in der Inflorescenz Croton näher stehen. Sie zeichnen sich durch ein rothes Pigment aus, welches durch Wasser aus dem Kelch und anderen Organen exlrahirt wird. Dies sind die Ditaxideen, die in der männlichen Blüthe ein Gynophorum besitzen, welches die Staminen trägt und mit dem Rudiment eines centralen Pistills endigt. Dahin gehören Ditaxis, Caperonia, Chiropetalum (Serophytum) und Argythamnia: bei dieser letzteren Gattung wird das Gynophorum indessen rudimentär. Die übrigen, weniger erheblichen Gesichtspunkte, nach denen die west- indischen Euphorbiaceen- Gattungen geordnet worden sind, ergeben sich aus der folgenden Uebersicht. A. Ovarii loculi 2ovulati. Trib. 1. Buxeae. Capsula loculicida, dissepimentis connexis. Semina ecarunculata. Trib. 2. Phyllantheae. Capsula in coccos divisa v. baccata. Semina saepius ecarunculata. Subtrib. 1. Drypeteae. Stamina circa rudimentum centrale inserta. Subtrib. 2. Euphyllantheae. Stamina centralia. B. Ovarii loculi lovulati. Trib. 3. Crotoneae. Capsula in coccos divisa, raro baccata. Subtrib. t. Jatropheae. Inflorescentia centrifuga, androgyna: flores pe- dicellati, centrales $. Semina carunculata, magna. • Subtrib. 2. Ricineae. Inflorescentia cenlripeta, androgyna: flores race- mosi, superiores £. Semina carunculata, magna. Subtrib. 3. Eucrotoneae. Inflorescentia centripeta, plerumque racemosa, bracteis saepius unifloris: flores monoeci, inferiores $, vel dioeci. Semina plerumque carunculata. Subtrib. 4. Ditaxideae. Inflorescentia centripeta, racemosa, bracteis 16 unifloris: flores monoeci, inferiores $>, ve! dioeci. Stamina circa rudimentum pistilli inserta. Semina parva globosa, ecarunculata. Subtrib. 5. Acalypheae. Inflorescentia centripeta, plerumque racemosa, vel spicata: flores apetali, *£i X: