This is a digital copy of a book that was preserved for generations on library shelves before it was carefully scanned by Google as part of a project to make the world's books discoverable online.

It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books are our gateways to the past, representing a wealth of history, culture and knowledge that 's often difficult to discover.

Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear in this file - a reminder of this book's long journey from the publisher to a library and finally to you.

Usage guidelines

Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to prevent abuse by commercial parties, including placing technical restrictions on automated querying.

We also ask that you:

+ Make non-commercial use of the file s We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for personal, non-commercial purposes.

+ Refrain from automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machine translation, optical character recognition or other areas where access to a large amount of text is helpful, please contact us. We encourage the use of public domain materials for these purposes and may be able to help.

+ Maintain attribution The Google "watermark" you see on each file is essential for informing people about this project and helping them find additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.

+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are responsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can't off er guidance on whether any specific use of any specific book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search means it can be used in any manner any where in the world. Copyright infringement liability can be quite severe.

About Google Book Search

Google's mission is to organize the world's Information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers discover the world's books white helping authors and publishers reach new audiences. You can search through the füll text of this book on the web

at|http : //books . google . com/

Digitized by

Google

4

Digitized by

Go

.tu \^io.'?r

i

IN COMMEMOR^VTION OOF THE VISIT OF HIS ROYAI. HIGHKESS

PRINCE HENRY OF PBÜSSIA

MARCH SIXTH,l90i

ON BEIIALF OF HIS MAJEHTY

THE GEKMAN EMPEROR

ASSISTANT PROFES SrOR OV HISTORT

(2^

fP ^i?Z^

r

Digitized

dJGoogk

-**-

1

Digitized by

Google

Digitized by

Google

Digitized by

Google

Der

Oesterreichische Erbfolgekrieg

)

1740—1748.

I. Band,

1. Theil.

Digitized by

Google

Digitized by

Google

/

Digitized by

Google

(Geschichte der Kämpfe Oesterreichs.)

KRIEGE

unter der Regierung der Kaiserin -Königin

Maria Theresia.

Im Auftrage des

K. und k. Cliefs des Generalstabes

herauggegeben von der

Direetion des k. und k. Kriegs-Arehivs.

Wien 1896.

Verlag von L. W. Seidel & Soh.n

K. und k. Uorbuohhliidler

Digitized by

Google

OESJEI^REICHISCHBR''- j

fi.^.V:

ERBFOLGE-

1740-1748.

Nach den Feld- Acten und anderen authentischen Quellen bearbeitet

in der

kriegsgesch.ich.tlich.en Abtheilung

des

XuAtXj-A- K. und k. Kriegs -Archivs.

1. BA.1VI3

(MIT ACHT BEILAGEN).

Cc- r

Wien 1896.

Verlag von L. W. Seidel & Soh.n

K. und k. Uofbuckhlndlor.

Digitized by

Google

Harvard College Library

MAR 17 1908

Hohenzollern Collcction Gift of A. C. Cooiidge

'^\rvA^ ^^ H-^ OJcU^J

Druck von Joief Boiler & Comp., Wien.

Digitized by GOOglC ^"^

Vorbemerkung.

Oesterreichischer Erbfolgokrieg. I. Bd.

Digitized by

Google

Digitized by

Google

V^eine Excellenz der k. und k. Chef des Generalstabs, Feld- ^^ zeugmeister Freilierr v. Beck, hat in weiterer Entwicklung der für die Darstellung der „Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen" bestimmend gewesenen Absichten nach Vollendung des, dreiundzwanzig Kriegsjahre und siebenundsechzig Feldzüge auf den verschiedenen Kriegs-Schauplätzen umfassenden Werkes, derDirection des k. und k. Kriegs-Archivs den Auftrag ertheilt, durch die kriegsgeschichtliche Abtheilung die Geschichte der „Kämpfe Oester- reichs" fortzusetzen und hiebei zunächst zur Schilderung des „Oesterreichischen Erbfolgekriegs 1740 1748" zu schreiten, den Türkenkrieg 1737 1739 einer nachträglichen Bearbeitung vor- behaltend. Mit dem vorliegenden ersten Bande hat die Direction des k. und k. Kriegs-Archivs die Durchführung des erhaltenen Auftrags begonnen.

Der Einheitlichkeit der ganzen Publication wegen, welche nach weitem Plane angelegt, nach den Kämpfen aus der Regierungs- zeit der Kaiserin und Königin Maria Theresia und des Kaisers Joseph n., dann den Kriegen mit Frankreich und den kriegerischen Ereignissen der Revolutionsjahre 1848 und 1849, den Anschluss an die bereits bestehenden quellenmässigen Schilderungen der modernen Kriege gewinnen soll, war es geboten, auch für den „Oesterreiclii- schen Erbfolgekrieg" Form und Art der „Feldzüge des Prinzen Eugen" thunlichst beizubehalten imd nur von der Beigabe um- fangreicher Correspondenzen abzusehen, wie sie bei jenem Werke mit Rücksicht auf die besonders hervortretende Persönlichkeit des Prinzen geboten war.

1-

Digitized by

Google

IV

Der „Oestoireichische Erbfolgekrieg'' umfasst acht Kriegsjahre und in denselben zweiundzwanzig Feldzüge in Selilesien imd Bölunen, Bayern und dem Elsass, den Niederlanden und Italien.

AVas die Anordnung des Stoffes anbelangt, so werden, wie bei den ,,reldztigen des Prinzen Eugen" die Artikel des ersten Bandes die allgemeine Orientierung bezwecken, die folgenden Bände aber dann den politischen und kriegerischen Ereignissen der Zeit gewidmet sein. Die streng chronologische Eintheilung des AVerkes ,, Feldzüge des Prinzen Eugen'' wurde modificiert und mehr Gewicht auf die Eintheilung nach Kriegs-Schauplätzen gelegt, wodurch die Gliederung jedes Bandes in allzuviel gleichzeitige Feldzüge auf den verschiedenen Kriegstheatem vermieden und die einzelnen Bände zusammenhängender und einheitlicher in sich werden sollen.

Für die Mitarbeit an dem AVerke standen der Direction des k. und k. Kriegs- Arcliivs noch einzelne, schon bei der Bearbeitung der „Feldzüge des Prinzen Eugen" bewälute Officiere, sonst aber wieder nur junge, für ilire Aufgabe begeisterte, arbeitslreudige, aber noch uneq)robte Ki'äfte zur Verfügung.

Die unentbehrlich scheinende Schilderung der (iesammtlage im Beginne der liegierungszeit Maria Theresia's forderte aber in einzelnen wesentliclien und schwierigen Puncten, zunäclist der Finanzlage und der ungarischen Verfassungsfrage, Kenntnisse und Studien, welche höchstens von Fachgelelirten gefordert werden konnten. Die Direction des k. und k. Kriegs-Arcliivs sah sich daher veranlasst, über den Rahmen der bisherigen Mitarbeiterschaft an den Publicationen hinauszugehen und für die genannten wich- tigen Capitel des ersten Bandes die Mithilfe von Fachmäimern in Ansj)ruch zu nehmen. Die Herren Hofrath und k. k. Professor Dr. Adolf Beer in AVien und der kgl. img. Professor Dr. Marczali in Budapest haben diese Mithilfe bereitwillig und in einer AV^eise gewährt, für welche die Direction des k. und k. Kriegs-Arcliivs sich zu besonderem' Danke verpflichtet fühlt.

Für das vorliegende AVerk wurde das (iuellenmaterial in erster Linie in den Archiven und Archiv-Publicationen gesucht und die Darstellung auf diese begründet. Zunäclist bot das eigene k. und k. Kriegs- Archiv in seinen älteren, iiicht zur Publication gelangten Elaboraten, in den Feld-Acten zum böhmisch -schlesischen, bay-

Digitized by

Google

erischen, niederländischen und italienischen KJriegs-Schauplatz für den Krieg selbst, in seinen kriegswissenschaftlichen M6moires und hofkriegsräthlichen Acten für das Wehrwesen reiche Quellen. Ihm folgten die seither mit dem Kriegs-Archiv vereinigten historischen Bestände der Registraturen der Corps- und früheren Territorial- Commanden u. A. m.

Das zweite, noch bedeutendere Gebiet archivalischer Arbeit eröflhete das k. und k. Haus-,' Hof- und Staats-Archiv mit Kriegs- tmd politischen Acten, sowie gesammelten Correspondenzen, ferner das k. und k. Hofkammer-Archiv (Reichs-Finanz) und das Arohiv des k. k. Ministeriums des Innern mit den Actenbeständen der ehe- maligen österreichischen und böhmischen Hofkanzlei, endlich die Manuscripten- Sammlung der k. und k. Hof-Bibliothek.

Die weiteren noch benützten Staats- und Landes-Archive, sowie das Archiv der bestandenen kgl. ungarischen und sieben- bürgischen Hofkanzlei und das ungarische Landes- Archiv in Buda- pest, die Archive der fürstlichen und gräflichen Familien Liechten- stein, Schwarzenberg, Schaumburg-Lippe, Neipperg, Daun, KhevenhüUer, Pälffy u. A., städtische Archive, sowie jene der geistlichen Stifte Wilhering, Seitenstetten, Zwettl haben mit höchst dankenswerther Bereitwilligkeit die erbetene Unterstützung gewährt. Neben den österreichischen Archiven, deren Schätze dem Kriegs- Archiv in der gewohnten, jede historische Arbeit so eifrig fördernden Art geboten wurden, welche vor Allem dem in echt wissenschaft- lichem, hochsinnigem Geiste gegebenen Beispiele des Directors des k. und k. Haus-, Hof- und Staats-Archivs, dem Wirklichen Ge- heimen Eathe Alfred Ritter v. Arne th, zu danken ist, wurden dem k. und k. Kriegs-Archiv und seinen delegierten Officieren das kgl. bayerische allgemeine Reichs-Archiv, das kgl. bayerische geheime Staats- und das kgl. bayerische Kriegs-Archiv in München, das Kreis- Archiv in Amberg, sowie das Archiv des Ministeriums des Aeusseren in Paris, das „Depot de la guerre", die ,,Archives nationales" und die „Bibliotheque nationale" mit ihrem reichen Mate- riale in nicht genug anzuerkennender Weise zugänglich gemacht.

Der wenigstens für jenen Theil des „Oesterreichischen Erbfolge- krieges", welcher als „schlesische Kriege" bezeichnet wird, wich- tigsten Gruppe, den kgl. preussischen Archiven, gegenüber sah sich die Direction des k. und k. KJriegs-Archivs bezüglich ihrer be-

Digitized by

Google

VI

sonderen und theilweise neuerlichen Durchforschung vor eine Frage schuldiger Rücksicht gestellt.

Die Abtheilung für Kriegsgeschichte des Grossen Generalstabes in Berlin hatte die Veröffentlichung ihres ausgezeichneten Werkes „Die Kriege Friedrich^s des Grossen" begonnen. Es war hier wohl- bekannt, dass hiefiir ausser dem Archiv des Grossen GeneraJstabes und des kgl. Kriegs-Ministeriums aUe wichtigen Archive des deutschen Reiches, soweit sie Material fiir die sohlesischen Kriege boten, in eifriger, sachkundiger und gründlicher Weisö durchforscht und die Ergebnisse in dem erwähnten Werke niedergelegt worden waren. So gediegener archivalischer Arbeit der Abtheüung für Kriegs- geschichte des Grossen Generalstabes in Berlin gewissermassen noch einmal nachzugehen, erschien der Direotion des k. und k. Kriegs-Archivs als ein Act unzulässigen Zweifels an einer mit ausserordentlicher Hingabe, mit wissenschaftlichem Eifer und reichem Talent geschehenen Leistung.

Sie verzichtete auf diesen Weg, indem sie willig imd mit der Ueberzeugung, recht zu thun, dem preussischen Generalstabswerk, als einem Ergebnisse correotester Forschung, unbedingt das volle Gewicht einer Quelle erster Bedeutung zuerkannte.

Was die kgl. preussischen Staats-Archive anbelangt, so W6ir in der „Politischen Correspondenz Friedrich des Grossen", in den „Preussischen Staats-Sohriften" u. a. 0. das Archiv-Material der- selben bereits in so ausreichender Art geboten, dass eine aber- malige Durchforschung kaum Besseres zu erlangen vermocht haben würde, insoweit überhaupt dem fremden Forscher noch mehr hätte zugänglich gemacht werden können.

Die Direction des k. und k. Kriegs-Archivs hat sich daher darauf beschränkt, nur in speciellen FäUen und Fragen die weitere Unterstützung der preussischen Archive, sowie des kgl. sächsischen Haupt-Staats-, dann des sächsischen Kriegs-Archivs in Anspruch zu nehmen, welche dem vorliegenden Werke auch in förderlichster Weise zu Theil geworden ist.

Ganz besonders aber muss hiebei das von wirklich kamerad- schaftlichem Geiste erfüllte Entgegenkommen der Abtheilung für Kriegsgeschichte, sowie des Archivs des Grossen Generalstabes in

Digitized by

Google

VII

Berlin hervorgehoben werden und gerade dem gegenseitigen Ein- verständniss wird es wohl am meisten zu danken sein, wenn die beiden Werke „Kriege Friedrich des Grossen" und der „Oester- reichische Erbfolgekrieg", obgleich dieselbe Zeit und an bestimmter Stelle dieselben Ereignisse behandelnd, dennoch jedes als ein durchaus selbststäudiges erscheinen und auf verschiedenen Wegen demselben Ziele zustreben können: eine historisch und militärisch hoch- bedeutsame und folgenreiche Epoche im Lichte der Wahrheit, so- weit sie zu erlangen und zu erkennen, zur Ehre der grossen historischen Gestalten der kämpfenden Staaten, wie der treuen und tapfem Heere und der opferwilligen Völker zu schildern und statt aus ihnen eine Quelle ewigen Haders, fortwährender stiller Feind- seligkeit, eine solche reichen Nutzens und gegenseitiger Werth- schätzung zu machen för alle Zeit.

An gedruckten Quellen fallen für die Zeit zum Eingang und während des österreichischen Erbfolgekrieges nebst den Original- Staatsschriften jener Periode hauptsächlich in das Gewicht:

Ameth, „Maria Theresia's erste Regierungsjahre 1740 1748"; Friedrich H., „Histoire de mon temps"; „Preussische Staatsschriften aus der Eegierungszeit König Friedrich H.", herausgegeben von Droysen und Max Duncker, bearbeitet von Koser; „Politische Correspondenz Friedrich des Grossen", herausgegeben von Sybel, Droysen und Max Duncker; „Die Kriege Friedrich des Grossen", herausgegeben vom Grossen Generalstab; Droysen, „Geschichte der preussischen Politik"; Eanke, „Zwölf Bücher preussischer Ge- schichte", die Correspondenzen und Memoiren von Belleisle, Broglie, Coigny, Croy, Khevenhüller, Noailles, dann die Werke von Arvers, Adolf Beer, Broglie, Buffa, Dove, Droysen, Max Duncker, Carl V. Duncker, Förster, Grünhagen, die vorzüglichen Arbeiten von Heigel, dann Jahns, Koser, Max Lehmann, Macaulay, Marczali, Oncken, Orlich, Pajol, Eousset, Saluzzo, Schels, Schöning, Stenzel, V. Taysen, Unzer, Weiss u. A. m.

Von diesen Werken trat in erste Linie das hervorragen^de und wichtige Werk Alfred v. Arneth's „Maria Theresia's erste Eegierungsjahre 1740 1748", hervorragend durch seine ganze Fassung, wichtig vor Allem dadurch, dass dasselbe das einzige grössere Werk über jene Epoche ist, in welchem auch die öster- reichischen Quellen zur vollen Geltung gekommen sind.

Digitized by

Google

VIII

Dass nach der Art der benützten Hauptqnellen in den Dar- stellungen der einen Seite der österreichische, in jenen der anderen der preussische Standpunct mehr hervortritt, ist natürlich und dabei wissenschaftlich gar nicht zu beklagen, insolange das aufrichtige Streben mitwirkend bleibt, Gerechtigkeit walten zu lassen, die eigenen Fehler und Schwächen nicht zu Terhehlen, die grossen Eigenschaften des Gegners nicht hämisch zu verkleinern, die Erfolge nicht zu übertreiben, die Motive nicht zu entstellen, der Wahrheit zu dienen nach bestem Wissen und Gewissen.

Dieses Verdienst hat Arneth in hohem Grade. Bei aller, einem ritterlich denkenden Manne so natürlichen Begeisterung für jene unvergessliche königliche Frau, scheut er nirgends die Wahrheit, er übt das hehre Amt des Geschichtschreibers: nach Recht zu richten, Freimd imd Feind in vornehmer Art., massvoll imd mit eifrig erstrebter Objectivität. Auch hierin nimmt sein AVerk ohne Frage den ersten Rang ein.

Sein AVerk wdrd noch als ein sicheres, vertrauenswürdiges, fahrendes gelten, wenn die Masslosigkeiten so mancher heute noch viel geltenden Gegner längst überall nach ihrem wirklichen AA^erthe gewürdigt und nach überwundenem Hader ohne Dank zu den Tendenz- und Streitschriften vergangener Tage und erledigter Fragen gelegt sein werden.

In anderer Art treten unter den österreichischen Bearbeitungen des Erbfolgekrieges die in der früheren „Oesterreichisch-militärischen Zeitschrift" durch Schels publicierten hervor. Sie haben bis jetzt für die Historiker zumeist als das bequemst gebotene Material zur Darstellung der Kriegsereignisse gedient, sie gewannen durch den militärischen Charakter des Autors, wie der Zeitschrift- eine gewisse Authenticität und sie ersparten Vielen das mühsamere (Tcschäft der eigenen archivalischen Forschung.

Die Arbeiten Schels' sind auch im Wesentlichen sehr s(;hätzenswerth, aber sie sind durchaus nicht unbedingt zuverlässig. Sie sind nicht einmal, wie seine Darstellungen aus dem spanischen Successionskrieg, directe aus den Acten des Kriegs-Archivs ent- nommen, sondern erst in zweiter Linie auf diese gegründet. In der Hauptsache sind sie lediglich die AViedergabe jener auf Befehl Kaiser Joseph II. durch den Feldzeugmeister Johann Georg (Irafen

Digitized by

Google

IX

Browne, einem entfernten Verwandten des berühmten Feldherm der Kaiserin-Königin Maria Theresia, verfassten Bearbeitung der Kriege der theresianischen Epoche, welche als „Browne' sches Manuscript" im Besitze des k. und k. Kriegs-Archivs sich befindet.

Ein Theil der Aufsätze in der „Oesterreichisch-militärischen Zeitschrift" stehen höher; es sind diejenigen, welche von dem seiner Zeit als militärischer Schriftsteller rühmlichst bekannten, einstigen Chef des Generalquartiermeister-Stabes Feldmarschall-Lieutenant Grafen Rothkirch und Panthen mit unmittelbarer Benützung der Original- Acten verfasst worden sind.

Von den zahlreichen Detail-Arbeiten, welche von österreichi- scher Seite über Episoden und Theile de^ Erbfolgekrieges in Auf- sätzen und Zeitschriften im Laufe der Zeit erschienen sind, wie von den, durch die Direction des k. und k. Kriegs- Archivs in den ,, Mittheilungen" veröffentlichten «Vorarbeiten zum vorliegenden "Werke, bei denen besonders auf die actenmässigen Darstellungen Carl V. Duncker's über die Besitzergreifung von Schlesien und den Beginn des Krieges hingewiesen werden darf, kann hier im Allgemeinen abgesehen werden. Sie haben jedenfalls viele jener Lücken auszufällen vermocht, welche auch eine emsige, allgemeine Forschung nicht immer zu beseitigen oder zu vermeiden vermag und es mindestens ermöglicht, die Schilderung der kriegerischen Ereignisse in Verbindung mit den eigentlichen archivalischen und gedruckten Hauptquellen aller betheiligten Parteien annähernd voll- ständig zu gestalten.

Schwierigkeiten besonderer Art bot das Auffinden geeigneten Quellenmateriales für das ziu* Zeit des Todes Carl VI. so arg zer- rüttete „Wehrwesen Oesterreichs" und für die „Lineren Zustände in den Erblanden, ihre Verfassung und Verwaltung". Für die letztere Aufgabe sind in ganz hervorragender Weise die Andeu- tungen imd Mittheihmgen der vortrefflichen „Oesterreichischen Reichsgeschichte" von Prof. Dr. Alf ons Huber, dann die Arbeiten Fellner's, Mischler's, Ulbrich's u. A. forderlich gewesen.

Von den bayerischen Quellen und quellenmässigen Bearbei- tungen sind neben den Archiven, den Törring'schen und Secken- dor ff 'sehen Schriften, den Comitial-Relationen aus dem bayerischen allgemeinen Reichs- Archiv, sowie der Materialiensammlung T o e p f e r- s,

Digitized by

Google

die zum Theil im Besitz des bayerischen Kriegs- Archivs, zum Theil in jenem des preussischen Generalstabs ist, die Publicationen HeigeTs von ganz besonderem und hervorragendem Werthe.

Die Schriften Heigel's zeichnen sich durch die Ruhe der Darstellung und ihre Objectivität aus und sind von wesentlichem Belange ftir die Kenntniss der Lage und der Ereignisse im öster- reichischen Erbfolgekriege.

Eine empfindliche Lücke verursacht das Fehlen der franzö- sischen officiellen Quellen, wie sie durch Pelet für den spanischen Successionskrieg nach der Bearbeitung des verdienstvollen de Vau It herausgegeben wurden. Von de Vault liegt aber auch die Be- arbeitung des österreichischen Erbfolgekrieges auf Grund der fran- zösischen Feld-Acten fertig im Archiv des französischen Kriegs- Ministeriums, der Zeit harrend, in der sie eine geschickte Hand, wie Pelet und eine hochsinnige Auffassung an oberer Stelle der Oeffentlichkeit und der wissenschaftlichen Benützung zuführt. Das "Werk von Arvers über den Beginn des Krieges in Italien kann kaum schon als Anfang einer solchen Publication angesehen werden.

Bezüglich der französischen, italienischen und spanischen Quellen ist der Forscher daher fast allein auf die M6moiren-Literatur und auf Sanmielwerke angewiesen, über die nur allenfalls des Herzogs von Broglie neueste Schriften und Pajol „Les guerres sous Louis XV.", wenn auch nicht über den Parteien stehend, sich rühmlich herausheben.

Auch ein 1784 erschienenes Werk „Tableau de la guerre de la Pragmatique-Sanction en Allemagne et en Italic", als dessen Ver- fasser ein unbenannter„aide-de-camp-g6n6ral dans Farmöe d'Espagne" angegeben ist, verdient Beachtung.

Von Italienern ist es Buffa, der mit „Carlo Emanuele IH. di Savoia e diffesa deUe Alpi nella campagna del 1744" eine sehr verdienstliche, mit grossem Verständniss gemachte Arbeit geliefert hat. In der Vorrede bezeichnet der Verfasser als seine, allerdings nicht ganz zuverlässigen, Quellen St. Simon, Minutoli, dann d'Agliano (Memorie storiche sulle giierre del Piemonte del 1741 al 1747) und Domenico Carutti (Storia del regno di Carlo Emanuele IH.).

Digitized by

Google

XI

Hieher gehören noch:

Moris, „Operations militaires dans les Alpes et les Apennins pendant la guerre de la Succession d'Autriche 1742 1748^\ Der Autor ist nicht Soldat. Was er bringt, ist italienischen Ursprungs. Viel Neues bringt Moris nicht, so wenig, als Saluzzo, der in seiner „Histoire militaire de Pi^mont" eine übrigens sehr fleissige und gewissenhafte Arbeit bietet.

Im Allgemeinen ist der Krieg in Italien bis jetzt kriegswissen- schaftlich, wie politisch sehr wenig berücksichtigt worden und ein- gehendere Darstellungen mangeln gänzlich. Es erwies sich nicht als ausftihrbar, auf ungewisse Vermuthung hin, eigens Officiere in italienische oder spanische Archive zu entsenden, wie dies nach München und Paris geboten erschien. Das gesammelte Material für die Schilderung der Ereignisse auf dem italienischen Kriegs-Schau- platze gestaltete sich daher weniger reichhaltig, als für die übrigen Schauplätze des Erbfolgekrieges.

Von den preussischen Werken gebührt den Schriften des Königs selbst unbedingt der Vorrang. Die Autorität des Verfassers, der Freimuth und die Klarheit, welche diese Werke auszeichnen, geben ihnen einen massgebenden Werth unter allen Umständen. Bedeutsam vor Allem, weil immittelbarer entstanden, ist die im Druck erschienene gesammelte ,, Politische Correspondenz König Friedrich des Grossen".

Die „Politische Correspondenz" verdankt ihr Entstehen einem hochsinnigen Impidse König Friedrich Wilhelm IV., der im Jalu-e 1840 der Akademie der Wissenschaften in Berlin den Auftrag er- theilte, „die Schriften König Friedrich 11. vollständig zu sammeln und nach den authentischen Texten zu pubücieren". Mit der Heraus- gabe wurden J. G. Droysen, Max Duncker und Sybel betraut. Nach Max Duncker muss Sybel, dessen Nachfolger in der Direction der preussischen Archive, wohl als der leitende Geist bei Herausgabe dieser, zunächst die politische Correspondenz des Königs umfassenden Sammlung angesehen werden. Die Redaction der be- deutsamen Veröffentlichung führte bei den hier zunächst in Be- trachtung kommenden ersten Bänden Reinhold Koser.

Die „Politische Correspondenz" ist eine Piiblication eigener Ai-t. Wenn die Thaten des Königs als Acte eines ungewöhnlichen.

Digitized by

Google

XII

nur sich selbst gehorchenden, kraftvollen Willens und in ihrem Er- gebniss für das Wohl Preussens aufgefasst werden sollen, so bietet die „Politische Correspondenz", nebst den vertrauten Briefen des Königs, fast allein den leitenden Faden för König Friedrich ü. Denken und Handeln, einseitigen principiellen Lobrednem legt sie aber grosse Schwierigkeiten in den Weg.

So wie das Werk ist, muss es jedenfalls als ein in erster Linie ausschlaggebendes bezeichnet werden, an des Königs eigenen Worten lässt sich wenig deuteln. Trat aber das Werk mit dem Anspruch an das Licht, als ein, mit geradezu gross gedachter Offenheit, der Wissenschaft gewidmetes zu erscheinen zweifellos der königliche Gedanke in dem Unternehmen so hat das Walten der Herausgeber dasselbe mit einem leisen Makel verdunkelt: es scheinen Briefe des Königs in demselben zu fehlen. Li seiner Vollständigkeit lag die Vertrauenswürdigkeit, in, wenn selbst nur kleinen Lücken, liegt ein Zweifel, ob es nicht noch grössere gebe. Schon Dove, „Zeit- alter Friedrich des Grossen imd Joseph H." in seiner „Deutschen Geschichte" erhebt dieses Bedenken und dass ihn Kos er in der „Historischen Zeitschrift" (XVI. 1884), auf „eigene Nachforschungen" verwies, die statt seiner und für seine besondere Aufgabe anzu- stellen „die Herausgeber der ,, Politischen Correspondenz" nach Zweck und Programm dieser Publication keine Veranlassung hatt-en", beseitigt den Vorwurf nicht, es bestätigt die Thatsache. Für die vorliegende Arbeit haben sich zunächst schon im ersten Bande ähnliche Bedenken bezüglich der Correspondenz des Königs mit dem Obersten Camas erhoben. Es scheinen wesentliche Lücken vorhanden zu sein.

Wer ein Werk, wie diese „PoHtische Correspondenz", vor sich hat, von dem soll nicht noch gefordert werden, dass er eine be- sondere Forschung nach aus oder zu bestimmten Absichten nicht aufgenommenen Schriftstücken unternehme. Erschien bei einem so liberal gebotenen Werke, wie die „Politische Correspondenz", der Lihalt gewisser Partien selbst den Herausgebern als zu difficil, so liegt der Gedanke nahe, dass es Schriftstücke gebe, welche, wie vorher der Oeffentlichkeit, so nun auch dem Forscher unzugänglich bleiben würden.

Unter den sonstigen preussischen Geschichtswerken über die Zeit der schlesischen Kriege tritt der preiLssisehe Grosse General-

Digitized by

Google

XIII

Stab mit seinen „Kriegen Friedrich des Grossen'* sichtlich immer mehr in die vorderste Eeihe. Nicht nur die klare, sachliche Schilderung des Krieges ist der glänzende Vorzug dieses Werkes, soweit es bis jetzt vorUegt, sondern ganz besonders seine ganze Art und Fassung. Die Abtheilung fiir Kriegsgeschichte des Grossen Generalstabs hat den Beweis erbracht, dass der Euhm König Friedrich 11. nicht abhängig gemacht werden müsse von der grundsätzlichen Herabwürdigung seines Gegners Oesterreich, sondern im selben Masse sich erhöhe, als auch diesem Gegner Achtung und Gerechtigkeit erwiesen wird.

Ernste Hindemisse bieten dagegen die Werke der sonst herrschend gewordenen Schule preussischer Geschichtschreibung. In der Benützung der Schriften dieser Historiker liegt eine fast unbesiegbare Schwierigkeit. Es scheint unmögHch, sie mit jener ßuhe und jenem wissenschaftlichen Gewinn zu studieren, die von Quellen erhoffi werden, die doch dazu dienen müssten, Ansichten zu läutern, Gegensätze aufzuklären und damit zu mildem, den Dingen von diesem oder jenem Gesichtspuncte aus, neue oder richtigere Beleuchtung, den „Worten wieder ihre wahre Bedeutung" zu geben. Der fast unabweisbare Zwang, das Bedürfniss, die beinahe in jeder Zeile wiederkehrenden beweislosen Ausfälle zu widerlegen, entfernt den Forscher unbedingt von seiner eigentlichen Aufgabe, von ruliiger, objectiver Arbeit und fülirt zu polemischer Stimmung, zu erregter Abwehr, statt zur sachgemässen, nützhchen Dar- stellung des Geschehenen.

Es liegt in dem Programme des vorliegenden Werkes, überall, soweit dies irgendwie möglich ist, in ruliiger, massvoller All die Dinge und Personen zur Darstellung zu bringen. Diese Pflicht müsste daher auch bei Besprechung der einschlägigen preussischen Werke zur Geltung kommen, aber hier ist es, wo ihre Erfüllung mindestens recht schwer wird. Die neuere, oder wenn die Zeichen nicht trügen, mindestens „jüngstvergangene" preiissische historische Schule kaim, gleichviel, welche die grössere oder geringere Be- deutung ihrer Mitglieder, gleichviel auch, welche Zeit der Gegenstand der Bearbeitung, sobald Oesterreich in Frage kommt, fast nur als ein Gemeinsames betrachtet werden. Diese Gemeinsamkeit aber zeigt sich überall in einer, über den positiven historischen Boden weit hinausgehenden, fast krankhaften politischen Feindseligkeit gegen Oesterreich, mit einem satten Grundton confessionellen Hasses.

Digitized by

Google

XIV

Zur Widerlegung der endlosen Beschuldigungen, welche gegen Oesterreich und sein Kaiserhaus gerichtet worden und der Ent- stellungen, welche auch die Geschichte der Zeit Maria Theresia's und König Friedrich 11. erlitten hat, bedürfte es einer fast ebenso umfangreichen Literatur.

Der Versuch allein, auf solche Geschichtsmache kritisierend einzugehen, hat sofort ergeben, dass dies Citate und Beleuchtungen derselben erfordern würde, welche den Ton eines Werkes, wie des vorliegenden, wesenthch verändern müssten.

Mit der Geschichte des österreichischen Erbfolgekriegs be- tritt man ein viel umstrittenes Gebiet und Neigungen, wie Ab- neigungen, Stimmungen und Meinungen, Ueberzeugungen und Vorurtheile jeder Art stossen auf demselben hart aufeinander. Wäre es zum redlichen Bestreben der historischen Forschung geworden, Wahrheit zu suchen und zu bieten statt Tendenz, so würde viel- leicht jene Periode aUmählig in einem ruhigeren, abgeklärteren Bilde den Nachkommen erscheinen können; sie würde hinaus- gehoben sein über den Zank und Streit, ihre Geschichte wäre be- freit von herausforderndem Uebermuth imd Ueberhebung der einen, von Verbitterung der anderen Seite. Die Zeit würde ihre versöhnende AVirkung ausgeübt haben, das Grosse in den handelnden Personen würde allseitiger geschätzt und gewürdigt, ihre Schwächen und Fehler milder beurtheilt werden.

Eine nicht leichte Aufgabe wurde für die bei diesem Werke verwendeten Kräfte die Darstellung der dominierenden Persönlich- keit König Friedrich IE. Es war unmöglich, ihn ganz nur im Geiste der zeitgenössischen österreichischen Quellen zu schildern, denn diese urtheilen begreiflicherweise hart über ihn imd sein Handeln.

Es war ebensowenig zulässig, modemer preussischer Dar- stellung unbedingt zu folgen, denn diese hat die Gestalt des Königs in eine Legende gehüllt, sie mit so viel eigenem Beiwerk, eigenen Meinungen und Bestrebungen umgeben, dass die liistorische Ge- stalt kaum mehr zu erkennen und zu verstehen ist.

Es blieb daher nur übrig, nach Mögliclikeit die competenteste Quelle über Friedrich 11. sprechen zulassen: ihn selbst. AVo es, besonders im politischen Theile, irgend möglich ist, wird daher der

Digitized by

Google

XV

König selbst zu Worte kommen müssen und es werden die öster- reicliischen Quellen sogar eher zurückstehen gegen ihn, um der Gefahr eigener Einseitigkeit, so viel dies sein kann, aus dem Wege zu gehen.

Das vorliegende Werk wird zunächst nur eine militärische „Geschichte des österreichischen Erbfolgekriegs'* sein, aber es soll ihm das Recht gewahrt bleiben, unbeirrt durch aufgezwungene Legenden und tonangebende Vertreter der landläufig gewordenen Anschauungen über jene Zeit, eine eigene freie Meinung, gestützt auf die wirklichen Quellen, auszusprechen. Eine Veranlassung, eine besondere Parteistellung zu suchen, liegt keineswegs vor.

Die Archive in Oesterreich stehen jedem ernsten Forscher weit oflfen, wir haben in Oesterreich nichts zu verhehlen und nichts zu beschönigen. Wir wünschen nur, dass diese Quellen elirlich be- nützt werden und dass die Wahrheit zu ihrem Rechte komme, denn wir wissen, dass Oesterreich und sein Kaiserhaus in der un- geschminkten AVahrheit allein ilu'e glänzende Rechtfertigung in der Geschichte, ihre wirksamste Vertheidigung, ihren edelsten Ruhm finden.

Digitized by

Google

Digitized by

Google

Inhalt.

OetterreiohlBoher Erbfol^ekiieg. I. Bd. II

Digitized by

Google

Digitized by

Google

I. Band:

1. TheiL

Seite

Yorbemerkung i

Die pragmatische Sanction i

Die herkömmliche Erbfolge 3

Pactum mutuae successionis 9

Das Entstehen der pragmatischen Sanction 14

Die Verhandlxmgen mit den Erblanden und Ungarn 26

Die Anerkennung der pragmatischen Sanction durch die fremden

Mächte und das Eeioh 45

Die Yeifassung und Yerwaltnng der deutschen Erblande^ der

Niederlande und der Besitzungen In Italien 57

Die österreichischen Erblande 65

Nieder-Oesterreich 76

Inner-Oesterreich 81

Ober- und Vorder-Oesterreich 91

Die böhmischen Erblande 103

Böhmen 106

Mähren 116

Schlesien 119

Die Niederlande 126

Die Besitzungen in Italien 135

Ungarn bei dem Tode Cail III. (Kaiser Carl YI.) i43

Das Inaugural-Diplom 147

Die königliche Gewalt 156

Verwaltung 161

Die Stände 169

Die Diät (Eeichstag) 176

Zustand des Landes 178

Gravamina, schwebende Fragen 181

Staatsmänner und Feldherren 190

Das Finanzwesen der Monarchie 197

Finanzlage beim Eegierungs- Antritt Carl YI 199

Einrichtung der Hofkammer 208

n*

Digitized by

Google

XX

Seite

Landeskammem 212

Cameral- Verwaltung in Ungarn 212

Staatshaushalt 213

Directe Steuern 290

Die indirecten Abgaben 252

Schulden 264

Ständische Aerarial- Schulden 264

Ausländische Schulden 270

Die Banco-Schulden 272

Schuldentilgung 287

Uebersicht der Bewilligungen der Erblande für Müitärzwecke 1716 bis

1739 294

Das Wehrwesen in Oesterreich 297

Die Heeresleitung 301

Der Allerhöchste Oberbefehl 801

Der Hof-Kriegsrath 306

Generale und Festungs-Commandanten 326

Das General-Kriegs-Commissariats-Amt 385

Das Obrist-Proviant-Amt 341

Das Obrist-Land- und Haus-Zeug-Amt 344

Das Fortifications-Zahl-Amt 348

Das Obrist-Schiff-Amt 348

Das General-Feld-Kriegs-Auditoriats-Amt 850

Die Generalität 351

Grosser und kleiner Generalstab 351

Die Truppen 357

Reductionen seit dem Frieden von Passarowitz 1718 .... 357

Die Reductions-Projecte der Jahre 1789 und 1740 360

Die Fusstruppen 372

Die regulären Infanterie-Begimenter 372

Das regulierte Tyroler Land-Bataillon 379

Ausrüstung, Bewaffnimg, Gebühren, Dienst 880

Gamisons- und Besatzungs-Truppen 392

Frei-Corps zu Fuss 395

Die Beiterei 398

Die Cürassiere und Dragoner 898

Die regulären Husaren-Begimenter 401

Die National-Milizen zu Pferde in Ungarn und Siebenbürgen 410

Die Frei-Corps zu Pferde 412

Innere Zustände und Schwierigkeiten bei den Truppen

um das Jahr 1740 413

Die Artillerie 480

Das Geschütz-Material 436

Specielle Corps 442

Ingenieure 442

Pontonniere und Kriegsbrückenwesen 444

Feld-Proviant-Fuhrwesen 447

Tschaikisten- und Donau-Flottille 451

Digitized by

Google

XXI

Seite

Sanitätswesen 452

Die Heeres-Ergänzung 469

Eintritt und Abgang von Officieren nnd Mannschaft .... 459

Pferdewesen 473

Mobilisierung 475

Die Verwaltung des Heeres 477

Geldbeschaffung und Cassawesen 477

Verpflegung der Truppen und deren Verrechnung 480

Die Grenzer 491

Die Landes-Aufgebote 602

Das Wehi-wesen fremder Staaten 517

Das Wehrwesen In Preussen 519

Aufbringung und Ergänzung des Heeres 626

Land-Miliz und Land-Regimenter 581

Das Canton-System 532

Beurlaubungs-System 535

Standesbewegung im Heere 588

Mobilmachung 540

Pferde-Aufbringung 541

Die Ausbildung der Truppen 542

Artillerie-, Ligenieur- und Befestigungs -Wesen . . . 651

Besoldung, Bekleidung, Bewaflnung, Verpflegung 556

Sanitätswesen 561

Rechtspflege 562

Stärke der Armee im Februar 1713, beziehungsweise Mai 1740 563

Feld-Truppen 563

Gamisons-Truppen 566

Weitere Vermehrung der Armee im Laufe des Jahres 1740 . 568

Die Führung des Heeres im Jahre 1740 674

Das Wehrwesen In Sachsen 582

Das Wehrwesen in Bayern 689

Militär-Behörden 590

Heeres-Ergänzung 691

Officiers-Nachwuchs 592

Enegs-Material 592

Verpflegung 593

Geld-Erfordemiss 593

Bemontierung und Ausrüstimg 594

Dienstvorschriften 596

Zustand der bayerischen Armee 595

Das Wehrwesen des deutschen Reichet und einiger Reiohs-Stlnde 597

Die Beichs-Armee 597

Die Truppen einiger bedeutenderer Reichsfarsten 600

Chur-Pfalz 601

Chur-Maynz 602

Chur-Cöln 602

Chur-Trier 602

Hessen-Darmstadt 602

Digitized by

Google

xxn

Seit«

Baden 603

Die sächsischen Herzogthümer 603

Geistliche Reichs-Stände 603

Das Wehrwesen in Hessen- Catsel 604

Behörden 604

Rahmen und Bestand 605

Versorgungswesen 606

Das Wehrwesen Dttnemarks 607

Geworhene Regimenter 607

Infanterie 607

Cavallerie 607

Artillerie 607

National-Regimenter 608

Das Wehrwesen Hannovers 609

Behörden 609

Rahmen, Bestand, Adjustierung und Bewaffiaung 609

Garden 609

Infanterie 610

Cavallerie 610

Artillerie 611

Ingenieure 6ll

Gesammtstärke des Heeres 6l2

Officiers-Corps 612

Unterofficiere 612

Ergänzung 618

Militär-Gerichtsbarkeit 613

AVaffen-Industrie 613

Geld- und Natural -Verpflegung 613

Transportwesen 614

Bemontierungswesen 616

Unterkunftswesen 616

Sanitätswesen 616

Versorgnngswesen 616

Bestehende Dienstvorschriften 616

Das Wehrwesen Englands 618

Landmacht. Stehendes Heer 618

Behörden 618

Ergänzung und Bestand 619

Die Truppen 619

Das Officiers-Corps 622

Unterofficiers-Corps 628

Militär-Gerichtsbarkeit 623

Waffen-Industrie 624

Geld- und Natural-Verpflegung 624

Transportwesen 626

Bemontierung 626

Unterkunftswesen 626

Versorgimgswesen 625

Digitized by

Google

xxin

Seite

Frei-Corps 626

See-Soldaten-Corps 626

Miliz 626

Schottische Kriegsverfassung 627

Die Seemacht 629

Veisorgungswesen 630

Das Wehrwesen Frankreichs 631

Aufbringung und Stärke des Heeres 631

Behörden, Befehlgebung und Militär-Hierarchie 634

Truppen 638

Maison du roi 638

Infanterie 639

Cavallerie 642

Frei-Corps ^ 644

Artillerie 644

Ingenieur- Corps 645

Trainwesen 646

Sanitätswesen 648

Verwaltung und Gebühren 648

Verpflegswesen 651

Beförderungen und Auszeichnungen 662

Versorgungswesen 653

Die Armee im Felde 653

Zustände im französischen Heere 657

Seemacht 659

Das Wehrwesen Sardiniens 661

Das Wehrwesen Spaniens 663

Das Wehrwesen des Königreichs beider SicÜien 668

I. Band:

2. Theil.

Die Kriegführung zui* Zeit des österreichischen Erbfolge- krieges 671

Die allgemeinen Grundsätze des Krieges 675

Das allgemeine Bild des Krieges 716

Tactische Grandzüge. Verpflegs-Sj'stem 722

Militärische und geographisch - statistische Schilderung der

Kriegs-Schanplätze 731

Der Kriegs-Schaupiatz in Nieder- und Ober-Oesterreich, Böhmen,

Sohlesien, Sachsen, Bayern 733

I. Das böhmischL-mährisclie Gebirgs-Systetn 734

Orographie, Bodenbedeckung, Gangbarkeit 735

Die Rand-Gebirge 735

Digitized by

Google

XXIV

Seite

Das Innere von Böhmen und Mähren 741

Das Wiener Becken 743

Hydrographie 743

Bodenproduction 746

Das Königreich Böhmen mit der Grafschaft Glatz . 748

Politische Verhältnisse 748

Wohnorte. Befestigungen und deren Bedeutung für die

damalige Kriegsepoche. Militärische Würdigung 749

Die Markgrafschaft Mähren 754

Politische Verhaltnisse 754

Wohnorte. Befestigungen und Bedeutung. Militärische

Würdigung 754

Das dem böhmisch-mährischen Gebirgs-Systeme

nördlich vorgelagerte Gebiet 756

Urographie. Bodenbedeckung. Allgemeine Gangbarkeit 756

Hydrographie 757

Das Churfürstenthum Sachsen 758

Politische Eintheilung 758

Bodenproduction 759

Wohnorte. Befestigungen und deren Bedeutung. Mili- tärische Würdigung 760

Die preussische Mark Brandenburg 762

Schlesien 763

Bodengestaltung und Bodenbedeckung. Gangbarkeit . 763

Die Gewässer Schlesiens 764

Bodenproduction 765

Politische Verhältnisse 765

Wohnorte. Befestigungen und deren Zustand. Mili- tärische Würdigung 766

IT. Das Donau-Thal 769

Bodengestaltung und Bodenbedeckung. Gangbarkeit . 769

Hydrographie 771

Bodenproduction 775

Das Churfürstenthum Bayern 776

Politische Verhältnisse 776

Wohnorte. Befestigungen imd deren Bedeutung . . . 777

Das Erzherzogthum Oesterreich 779

Militärische Würdigung 780

Verkehrs-System 783

Die grossen Verkehrsrouten 783

Das Strassenwesen 765

Wasserstrassen und Schilffabrt 787

Handel, Gewerbe und Industrie 788

Die oberdeutschen Reichsstädte 788

Die österreichischen Erblande 790

Preussen 795

Sachsen 795

Bayern 796

Digitized by

Google

XXV

Seite

Der Kriegs-Sohauplatz am Ober-Rhein und im Eitass 797

Die Bodenerhebungen und deren Einfluss auf die Operationen.

Gangbarkeit 797

Die Gewässer 801

Bodenproduction und Bodenbedeckung 805

Das Königreich Frankreich 807

Politische und culturelle Verhältnisse 807

Das Elsass 808

Das Herzogthum Lothringen 809

Das Römische Reich 809

Politische Zustände. Bevölkerung 809

Das Städtewesen 813

Befestigungen und deren Bedeutung für die damalige

Kriegsepoche 814

Der Kriegs-Schauplatz am mittleren Rhein bis zum Neckar süd-

wttrts und in den Niederlanden 821

Orographie. Bodenbedeckung. Gangbarkeit 822

a) Das Land östUch des Rheins 822

b) Das Land zwischen dem Rhein und der Mosel 828

c) Das Land zwischen der Mosel, dem Rheine

und der Maas 824

d) Das Land zwischen der Nordsee und der

Maas-Sambre Linie 826

Die Gewässer 826

Bodenproduction 834

Die Niederlande 836

Politische und culturelle Verhältnisse 836

Wegsamkeit. Strassenwesen 840

Die Wohnplätze und das Städtewesen 841

Die Befestigungen und ihre Bedeutung für die damalige

Kriegsepoche 842

Der Kriegs-Schauplatz in Italien 857

Die italienischen Staaten 857

Politische Verhältnisse 857

Das Gebiet der Alpen 861

Oro - hydrographische Gliederung. Bodenbedeclnmg. Bodenproduction. Gangbarkeit. Militärische Wür- digung 861

Die Verkehrswege zwischen Frankreich und Italien.

Alpen-Uebergänge 864

Die Apenninen-Landschaften 866

Oro - hydrographische Gliederung. Bodenbedeckung. Bodenproduction. Gangbarkeit. MiHtärische "Wür- digung 866

Die Apenninen-Uebergänge 871

Das oberitalienische Tiefland 873

Bodengestaltung und Bodenbedeckung. Gewässer. Boden-

cultur. Gangbarkeit. Militärische Würdigung . . 873

Oesterreiohischer Erbfolgekrieg. I. Bd. III

Digitized by

Google

XXVI

Seite Die Befestigung und deren Bedeutung für die damalige

Kriegsepoche 880

Der Wiener Hof und die Lage der eoropfUschen Mächte . . 898

Der Wiener Hof 895

Frankreich und Spanien 906

Sardinien 919

Das Römische Reich 921

Bayern 923

Sachsen 981

Preussen 932

Die Ansprüche auf Jägemdorf 987

Die Ansprüche auf Brieg, Liegnitz und Wohlau . . . 941

Schwiebus 946

Die ersten Könige in Preussen 960

England und die Generalstaaten 984

Russland und Schweden 986

Die politische Yorbereitnng zum Kriege 991

Anhang.

I. Sanctio Pragmatica über die Erbfolge des Durchlauchtigsten Ertz- Hauses Oesterreich. Wien, den 19. April 1713. (Nach dem Supplemen- tum Codicis Austriaci, Seite 688, 68i) 1099

II. Pragmatische Sanction. Publication in den österreichischen Nieder- landen vom Jahre 1724. (Aus: „Die Staats-Grundgesetze und die damit in näherem Zusammenhange stehenden Gesetze etc." Offi- cielle Handausgabe der österreichischen Gesetze und Verordnungen, 3. Heft, 5. Aufl. vom Jahre 1882) 1101

III. Geheime Instruction für den Obersten von Camas, welcher an den Hof von Frankreich in der Eigenschaft eines ausserordent- lichen Gesandten geht. Ruppin, den 11. Juni 1740. Polit. Corresp. König Friedrich d. Gr. I. 4 1104

IV. Churbayerisches Protest-Decret. München, den 8. November 1740. Königlich bayerisches allgemeines Reichs-Archiv. Acta über den österreichischen Successionskrieg 1 1106

V, Die Ergebnisse der Rheinsberger-Rerathung. 29. October 1740.

PoHt. Corr. I. 199 1107

VI. Instruction für den Grafen Gotter, Obersthof marschall, bei seinem Abgehen an den Wiener Hof als bevollmächtigter Minister. Berlin, 8. December 1740. Polit. Corresp. I. 192 IUI

Vn. Königliches Rescript, welches unterm 29. December 1740 nach Regensburg abgegangen. K. und k. Kriegs-Archiv. Oesterreichischer Successionskrieg 1740, Fase. XID. 7 1115

Vin. Entwurf eines Defensiv-Alliance- Vertrages zwischen dem Könige von Frankreich und dem Könige von Preussen. (Dem Herrn

Digitized by

Google

xxvn

IX. ^ XI.

^xn. ^xnr.

Seite V. Valory zugesandt am 4. Januar 1741). Staate-Archiv in Paris.

Berlin. Valory 1741. Nr. 116 1118

Musterungs-Instruction ,.In was vor dem gegenwärtigen System von Anbeginn der Regimenter bis 1748 das Agendum eines Enegs- Commissarius bei den Musterungen hauptsächlich bestanden ist'\

K, A. Kanzlei-Archiv, III. 9 1122

Dislocation der kaiserlichen Armee beim Tode Carl VI. (20. October)

1740

Die österreichischen Infanterie-Begimenter in den Jahren 1786 bis

1748

Die österreichischen Cavallerie-Regimenter in den Jahren 1786 bis 1748

Oesterreichische Artillerie- und Zeugsvorräthe in den festen Plätzen der k. k. Erbländer mit Ausnahme von Luxemburg, Italien (ausser Mantua), Süd-Tyrol, Inner- und Vorder- 0 esterreich um das Jahr 1740 Stärke des brandenburgisch-preussischen Heeres im Februar 1713

und im Mai 1740 .

Uebersich t der preussischen Infanterie-Regimenter im December 1740 Uebersicht der preussischen Cavallerie-Regimenter im Jahre 1740 Etat de toutes les troupes de Son Altesse i^lectorale de Saxe, comme elles se trouvent effectivement complötes pour Fannie Gourante 1741. 14. Acut. Paris, Ministerium des Aeussem. Volume

Saxe 1740. 23

XVni. Stand der französischen Armee im December 1740

''XIV.

^XV. v^XVI.

rxvn.

t

td

S

Genealogische Tafeln.

Seite

Das Haus Habsburg von Rudolph 1 4

' Oesterreich von Ferdinand 1 896

' Spanien aus dem Hause Bourbon 909

Bayem-Oesterreich 927

'Sachsen-Polen 983

^Brandenburg 936

TMe Piasten zu Liegnitz, Brieg und Wohlau 941

'Das Haus Witteisbach 968

' Die Jülich-Berg'sche Erbfolge 968

'Bussland 987

'Schweden 990

Graphische Beilagen.

^ Tafel I: üebersichtskarte der Habsburgischen Länder zur Zeit des Todes

Carl VI., 1740, mit innerer Eintheilung. 1 : 3,500-000. ^ ,. II: Europa. Politische Uebersicht zur Zeit des Todes Carl VI. I:9,4ß0.000.

m*

Digitized by

Google

xxvin

^ Tafel III: Dislocationskarte der kaiserlichen Armee beim Tode Carl VL, der preussisclien, bayerischen, dann sächsischen Armee vor dem Aus- bruch des Krieges. 1 : 3,600.000.

^ ., IV: Oesterreichische Truppen.

^ V: Preussische und sächsische Truppen.

V VI: Französische, bayerische, piemontesische und englische Truppen.

V , VII: Hypsometrische Karte der Kriegs-Schauplätze. 1 : 1,500.000 in vier

Blättern. ^ ., VIII: üebersichtskarte von Schlesien. 1 : 900.000.

Digitized by

Google

Die pragmatische Sanction.

österreichischer Erbfolgekrieg:, I. Bd.

Digitized by

Google

Digitized by

Google

Die herkömmliche Erbfolge.

jjOanctio pragmatica'* pfleget in jure publico nichts Anderes zu heissen, als eine solche Art eines Gesetzes, worinnen des Be- herrschers oder Regenten Gerechtigkeit (Recht) und Befugniss ent- halten ist." *) Die von Kaiser Carl VI. gegebene Sanctio pragmatica ist ein solches Gesetz über die Ordnung der Erbfolge im erzherzog- lichen Hause Oesterreich und über die Untheilbarkeit der König- reiche und Länder, welche dem Scepter dieses Hauses unter- worfen waren.

Die Bestimmungen über die Erbfolge sind ein aus der Macht- vollkommenheit des Hauptes der Dynastie hervorgegangenes Haus- gesetz, die Bestimmungen über die Untheilbarkeit und das gegen- seitige Verhältniss der Länder zu einander und zum regierenden Hause wurzeln in den mit den Ländern erfolgten Verhandlungen und sind daher nicht in einer einzelnen Urkunde zu suchen; die Verhandlungen mit den fremden Mächten, um Einsprachen und Angriffen gegen die getroffenen Einrichtungen vorzubeugen, erweitem die Zahl der zu dem ganzen Staatsacte gehörigen Documenta

Wenn auch in der Regel das ProtocoU über die feierHche erste Erklärung der geplanten Erb-Ordnung vom 19. April 1713 als „Haupt-Listrument" bezeichnet zu werden pflegt, oder eine einzelne Formulierung, wie jene vom' 6. December 1724 in den Niederlanden publicierte, als „Pragmatische Sanction" in der „Officiellen Handausgabe der österreichischen Gesetze und Verord- nungen, ni. Heft, Staatsgrundgesetze", ihren Platz gefunden hat, so ist unter „Pragmatische Sanction Kaiser Carl VT." doch stets der ganze Complex der auf die Darlegung und Durchführung der Willensmeinung dieses Kaisers in Bezug auf Erbfolge und Untrenn- barkeit der Länder bezugnehmenden Verhandlungen, Verfügungen und Urkunden zu verstehen.

*) Unumstössliche Ausführung und rechtliche Grund-Ursachen der best- stabilierten Erbfolge in dem Allerhöchsten Erzhause Oesterreich etc. 1740.

Digitized by

Google

„Der Inbegriff dieser einzelnen Kundgebungen, der 2ustini- mungs-Urkunden der Königreiche Tmd Erbländer, wonach diese auf spontane Trennung verzichten, aber auch vom Throne herab die Zusicherung erhielten, dass sie nicht mehr unter die Sprossen des Hauses getheilt werden, ist die pragmatische Sanction". ')

Die pragmatische Sanction trägt daher nicht nur den Charakter eines Hausgesetzes, sondern wegen der Feststellung der Verhältnisse der Erb-Königreiche und Länder unter sich und mit Ungarn, sowie der Dynastie zu allen diesen Gebieten, ebenso den eines Staats- grundgesetzes imd zwar des wichtigsten von allen.

Die "Wechselverbindung und die Erneuerung der älteren Erb- verträge zwischen Ungarn, Böhmen und Oesterreich, welche König Wladislaw H. von Böhmen und Ungarn zur Stärkung imd Siche- rung seiner ungarischen Lande gegen die Ttirkengefahr sowohl, als zu seiner eigenen gegen die mächtige Partei des siebenbürgischen Wojwoden Johann Zapolya, mit dem habsburgisohen Kaiserhause angestrebt hatte, waren durch die Vereinbarung einer Doppelehe zwischen den Enkeln Kaiser Maximilian L, den Kindern Philipp des Schönen, Ferdinand und Maria, mit König Wladislaw II. Kindern, Anna und Ludwig, 1521 zu Stande gekommen. Nach. dem Tode dieses Ludwig H., 1526 in der Schlacht bei Mohics, nach schweren Kämpfen mit den Türken und Johann Zapolya, der die Königskrone an sich gerissen, hatte König Ferdinand !• endlich seine durch die Ehe mit Anna erworbenen Rechte zu be- haupten vermocht und war am 3. November 1527 in Stuhlweissen- biu*g zum König von Ungarn gekrönt worden.

Damit erschienen nun Ungarn, wie Böhmen, mit jenen Theilen des römischen Reichs in einer Hand vereinigt, welche als Erbbesitz einer deutschen habsburgisohen Linie bei der Theilung des Reichs zwischen Kaiser Carl V. und seinem jüngeren Bruder Ferdinand von dem älteren, nun die spanische Linie darstellenden, Hause ab- getrennt worden waren.

König Ferdinand I. wurde von den ungarischen Ständen zwar wohl in Würdigung und Anerkennung seiner Anrechte auf die Krone, aber doch freiwillig zimi Könige gewählt. Im Jahre 1547 gaben die Stände jedoch die feierliche Erklärung einer imlös- baren Verbindung mit dem König, wie mit seinen Erben, also dem Hause Habsburg, ab: cum sese Ordines et Status regni non solum

*) Mayer, „Die letzten Habsburger'*, U. 81.

Digitized by VjOOQIC

K«»ifp

Jolf,

^akeo, f^est. 1289.

'arrlcida.

in: 182. iria

Ernst der Eiserne,

geaU 1424.

Albreoht VI.,

Friedrich von Tyrol,

gest. 1499.

Slgismund von Tyrol,

gest. 1493.

na,

sa-

Margaretha,

gest. 1590.

Isabella, Ferdinand I., Maria, Katharina,

st. 15^. Gemahl: Kaiser, gest. 15^, renn. gest. 1666. Oemahl : gest. 1577.

nig Christian II. von mit Anna von Böhmen König Lndwig II. von Dänemark. nnd Ungarn. Ungarn.

Digitized by

Google

Digitized by

Google

Majestät! suae sed etiam suomm haeredum imperio et potestati in omne tempus subdiderint." *)

Mit dieser Anerkennung war nicht das überkommene Recht der Wahl aufgegeben, wohl aber die Wahl auf das Haus Habsburg beschränkt und sonach sonstigen gefährlichen Aspirationen ein Ende zu bereiten versucht worden. Das Erbrecht des Hauses und das Wahlrecht der Stände waren jetzt gleichmässig vertreten in den Bedingungen zur Erlangung der Königskrone. Es bestand die zweifellose Absicht, diese beiden grundlegenden Bedingungen beiderseits stets im Einklang zu erhalten, aber es war eine natür- liche Erscheinung, dass von Seite der Dynastie doch stets das Hauptgewicht mehr auf das Erbrecht, von Seite der ungarischen Stände mehr auf das Wahlrecht gelegt wurde. Die Klrönung der folgenden Könige: Maximilian, wie Rudolf (als Kaiser H.), er- folgte indessen ohne eigentliche Wahl, doch wurde bei Maximilian auch vom Kaiser Ferdinand I. „Zustimmung, Wissen und Ge- nehmigung" als erforderlich anerkannt und so das Princip eines Wahlrechts keineswegs verneint, bei Rudolf aber von den unga- rischen Ständen die rechtzeitige Vornahme der Wahl sogar selbst ge- fordert und selbe sonach zwar ebenfalls grundsätzlich vorbehalten, thatsächlich aber nicht wirklich vorgenommen, sondern die Krönung ohne solche durch einen eigenen Landtag vollzogen.

Die Umwälzung, welche der erzwiangene Verzicht Rudolf H. hervorgerufen hatte, äusserte ihre tiefe Wirkung auch auf die Thronfolge in Ungarn. Die Haltung des Erzherzogs Matthias hatte nicht dazu beitragen können, seine Stellung den Ständen des unga- rischen Reichs gegenüber zu stärken, er musste ihre Mitwirkung bei seinen Bestrebimgen eher durch ein grosses Entgegenkommen zu gewinnen trachten. So trat im Jahre 1608 das Erbrecht gegen das Wahlrecht ganz zurück und König Matthias wurde vom unga- rischen Landtag in aller Form gewählt. Die Versuche des Kaisers Matthias, für seinen zum Nachfolger bestimmten Vetter Ferdinand von der steyerischen Linie des Hauses Habsburg, wieder mehr das Erbrecht geltend zu machen, misslangen ebenso. Die vereinbarte Formel, dass Ferdinand von den ungarischen Ständen „nach ihrer alten Gewohnheit und immer beobachteteten Freiheit" einstimmig zum König gewählt worden sei, ^ verhüllte einigermassen die schärfer gewordenen Q-egensätze der Anschauung,

*) Hub er, Oesterreichische Reichsgeschichte, 128, nach „Monum. comitialia Hungariae". UI, 135, Art. 5.

*) Hub er, Oesterreichische Reichsgeschichte, 190.

Digitized by

Google

Auch Ferdinand lU., sein Sohn Ferdinand IV., der noch vor dem Antritte der Nachfolge früh verstarb und sein zweiter Sohn Leopold I. wurden „gewählt", wenn auch ohne Widerspruch. Ein anerkanntes Recht der Erbfolge in Ungarn nach der Erst- geburt bestand aber noch immer nicht wirklich, bindend war höchstens nur die Wahl aus dem Hause Habsburg.

Es darf nicht unbeachtet bleiben, dass diese bald verhüllteren, bald sichtbareren Verschiedenheiten in der Auffassimg ihre Wurzel wohl am wenigsten in besondem dynastischen Zielen oder etwa in ständischen Freiheitsbestrebungen fanden. Der Einfluss der äusseren Verhältnisse musste wohl mehr in das Gewicht fallen. Ungarn, dessen ständische Rechte so sehr vertheidigt wurden, war fast bis an die Raab und Gran türkisch, mit unsäglicher Mühe hielten die Habsburger den schmalen Streifen ungarischen Bodens fest, der noch übrig geblieben war und unausgesetzt drohte die Gefahr, auch dieses und noch mehr von der nächsten Osmanenwelle weggerissen und vernichtet zu sehen. Dabei aber richtete sich der Wider- stand der Ungarn dennoch keineswegs gegen das siegreiche Türken- thum, sondern immer nur gegen den einzigen und natürlichen Beschützer des Landes, den König und seine österreichische Macht. Das konnte hier verstimmen, aber es fehlten allerdings auch noch die grossen kriegerischen Erfolge auf dieser Seite, welche das königliche Uebergewioht hätten wirklich begründen können.

Doch auch diese erschienen endlich unter der Regierung des standhaften Leopold I. Mit dem grossen Siegestage von Wien 1683 begann jene Reihe glorreicher Kriege, in denen des Kaisers Heeresmacht und es war bedeutsam für die ganze Lage nicht die eigene Kraft Ungarn dem Türkenthum entriss und Land und Volksthum vor sicherem Untergange retteten für die deutsche Cultur und freies inneres Aufblühen. Das konnte nicht geschehen ohne manchen schmerzenden Eingriff, das Osmanenthum und nicht weniger die Reformation hatten tiefe Wurzeln im Wesen des unga- rischen Volkes geschlagen, aus denen nur Feindseligkeit gegen die deutsche und katholische Dynastie zu erwachsen vermochte. Auch dieses wurde einigermassen überwunden imd im Gefühle der endlich erfolgten Rettung und wiedergewonnenen Freiheit erhob der Landtag 1687 im Artikel H das unbedingte erbliche Recht des Mannesstammes des ganzen Hauses Habsburg, nach dem Range der Erstgeburt, auf die Nachfolge an der ungarischen Krone zum bindenden Gesetze. Nur wenn der Mannesstamm ganz erlösche, sollten die Stände wieder das Recht der Wahl besitzen.

Digitized by

Google

Das Gesetz war gegeben, aber noch fehlte viel an dem Ge- horsam, den es zu beanspruchen hatte. Noch konnte der furchtbare Aufstand eines Rdkoczy, im Bunde mit Türken und Franzosen, alle diese theuer errungenen Eechte mit frevelnder Hand in Frage zu stellen versuchen, noch konnte Franz Riköczy, angeeifert durch Frankreich, auf dem „blutigen" Landtag zu Önod am 9. Juni 1707 es wagen ^), das Haus Habsburg der Krone Ungarns für ver- lustig zu erklären und einen fremden Fürsten als Throncandidaten zu proclamieren. Aber auch dieser Aufetand erlosch endlich wieder unter der Wucht kaiserlicher Waflfen und kluger Politik wirklich patriotischer Männer. Der Vertrag von Szatmdr 1711; und die Capitulation auf der Ebene von Nagy-Majteny ^ schlössen diese tragische Episode in der Geschichte Ungarns.

Als Gemahl der Tochter König Wladislaw H. von Ungarn und Böhmen, trat König Ferdinand I. nach dem Tode König Ludwig n. von Ungarn bei Mohäos, auch die Eegierung der böhmischen Lande, 1526, durch Wahl der böhmischen Stände an. Dieses Wahlrecht wurde aber bald und in entschiedener Weise in Frage gestellt. Schon 1545 liess Ferdinand I. die Erklärung in die Landesgesetze eintragen, dass seine Gemahlin Anna, als Schwester König Ludwig H., von den Ständen als „wahre Erbin und Königin" anerkannt worden sei. 1647 gelang es, diese Er- klärung wirklich bei den Ständen als rechtsgiltig durchzusetzen und 1549 wurde des Königs ältester Sohn Maximilian von diesen als König „angenommen"; in derselben Form dann auch dessen Sohn Rudolf 1575 und ebenso willig nach der Abdankung Rudolfs sein Bruder Matthias. Erst bei der 1617 von Kaiser Matthias an die böhmischen Stände gerichteten Aufforderung, den Erzherzog Ferdinand von Steyermark zimi König „anzunehmen, auszurufen und zu krönen", wurde noch ein schwacher Versuch gemacht, das Recht der freien Wahl zur Geltung zu bringen, doch gelang der Versuch nicht.

Zwei Jahre später, 1619, nahmen die böhmischen Stände ein freies Wahlrecht wieder in Anspruch, indem sie Ferdinand H. als abgesetzt erklärten und den Churflirsten Friedrich von der Pfalz zum König wählten. Das wax ein Act revolutionärer Gewalt und ohne rechtliche Bedeutung.

*) Feldzüge des Prinzen Eugen, DC, 5. *) Feldzüge des Prinzen Eugen, XIII, 485.

Digitized by

Google

8

Die Besiegimg dieses Aufstandes in der Schlacht am weissen Berge führte dann zur völligen Annullierung des unhaltbar ge- wordenen Wahlrechtes. Kaiser Ferdinand 11. beschränkte in der „Vemewerten Landesordnung" 1627 das Wahlrecht lediglich auf den Fall, wenn vom königlichen Hause „eine Mannes- oder Weibs- person" nicht mehr vorhanden sei. Die Huldigung sollte immer nur noch dem „Erbherm" geleistet werden und die Stände wurden nicht mehr zu einer Wahl oder Annahme, sondern nur noch zur Krönung berufen. ^)

Die althabsburgischen Stammlande am Ober-Rhein, im Breis- gau, dem Elsass und der Schweiz, das spätere „Vorder-Oester- reich", bildeten den Besitz des Hauses ziu: Zeit, als Kaiser Rudolf I. durch den Sieg auf dem Marchfelde über Ottokar H. die alten Reichslehen Oesterreich, Steyermark, Krain und die Portenau dem Reiche wieder zurückgewann und sie durch die Belehnung seiner Söhne mit denselben, dem habsburgischen Besitze zuflihrte. Im Frieden mit Kaiser Ludwig dem Bayer wurde 1336 Kämthen, durch Vertrag mit Tyrol 1363 diese geftirstete Ghtrfschaft, durch Erb vergleich Krain und die windische Mark gewonnen. 1382 stellte sich Triest unter den Schutz Herzog Alb recht HI. Aus diesen „Erbländem" war bei dem Theilungsvertrag der deutschen und spanischen Linie des Hauses Habsburg der Besitz der ersteren ge- bildet worden. Li allen diesen Ländern galt das Erbrecht des Hauses Habsburg ohne jede Beschränkung durch die Stände, aber das Erstgeburtsrecht so wenig, wie die Untheilbarkeit waren ge- setzlich sichergestellt.

Nach dem Tode Ferdinand L, 1564, hatten sich drei regie- rende Linien des Hauses Habsburg in Oesterreich gebildet, nach mehreren Veränderungen vermochte es erst nach Kaiser Matthias' Tod, Ferdinand H. von der steyerischen Linie, alle österreichischen Königreiche und Länder wieder in einer Hand zu vereinigen und er suchte nun die weitere Untrennbarkeit durch ein Testament sicherzustellen. Dennoch aber hielt selbst Kaiser Leopold L noch nicht unbedingt an dem Gedanken der Untheilbarkeit des Gesammt- besitzes der österreichischen Erblande fest. Dieser Gedanke fand nur eine erhöhte Festigung durch jene Lösung der spanischen Erbfolgefrage, welche durch die Abneigung der Seemächte, den

*) Hub er, Oesterreichische Keichsgeschichte, 181.

Digitized by

Google

gajazen habsburgischen Besitz der deutschen und der nun aus- gestorbenen spanischen Linie etwa in derselben Hand wieder ver- einigt zu sehen, nothwendig geworden war.

Der Ausgleich wurde darin gesucht, dass der älteste Sohn des Kaisers, Joseph, römischer König, mit der Kaiserkrone die deutschen Länder des Hauses erben und hiefur auf Spanien ver- zichten, während der zweite Sohn, Carl, König von Spanien werden sollte.

Ein besonderer Vertrag Kaiser Leopold L und seiner beiden Söhne Joseph und Carl, das „Pactum mutuae successionis" vom 12. September 1703 regelte die Nachfolge. Es sollte das Recht der Erstgeburt gelten, der Mannesstamm in Spanien, wie Oesterreich der weiblichen Descendenz stets vorausgehen, beim Erlöschen des Mannesstammes der einen Linie dessen Länder an den nächst- berechtigten Agnaten der anderen Linie fallen. Es wäre also, im Falle Carl ohne männliche Nachkommen in Spanien gestorben wäre, Joseph dessen berechtigter Erbe gewesen, wie uingekehrt Carl im gleichen Falle jener Josephs auch wirklich wurde.

Bezüglich der weiblichen Nachfolge, im Falle sowohl von Joseph, wie von Carl keine männlichen Erben vorhanden sein würden, wurde jene, später zu so viel Zweifeln und Anständen^) Veranlassung gebende Bestimmung eingefügt, dass in dem Rechte auf den Ge- sammtbesitz des Hauses die Töchter Joseph's den Vorrang vor den Töchtern Carl's haben sollten.

Das „Pactum mutuae successionis".

(Vertrag betreffs wechselseitiger Erbfolge.) (12. September 1703.) >)

„Wir, Leopold etc., thun kund und bezeugen zu künftigem Gedächtniss, dass Wir, indem Wir heute zugleich mit Unserem erstgeborenen Sohne, dem römischen Könige und Könige von Ungarn Joseph Liebden, die durch den Tod des allerdurchlauch-

*) Siehe : Der Wiener Hof und die Lage der europäischen Mächte (Bayern, Sachsen).

•) Codex Austriacas, 111,684. Bei Fournier, Zur Entstehimgsgeschichte der pragmatischen Sanction. (Lateinisch.)

Der Vertrag ist bereits vorher publiciert bei Lamberty, Memoires pour servir k ITiistoire du XYm. si^cle U, 518 und von dort in die deutsche Sprache übersetzt bei Olenschlager, Geschichte des Interregni 1,5. (Frank- furt 1742.) Der hier wiedergegebene Text ist eine neuerliche Uebersetzung nach dem lateinischen Texte bei Fournier.

Digitized by

Google

10

tigsten und grossmächtigsten Königs Carl n. von Spanien höchst- seligen Angedenkens Uns zugefallene spanische Monarchie auf Unseren zweiten Sohn, den durchlauchtigsten Erzherzog, jetzt König von Spanien und beider Indien, Carl DI. Liebden, über- tragen, nichts so sehr wünschen, als dass zum Wohle des gesammten christlichen Erdkreises die beständige Eintracht zwischen allen ünsem Nachkommen beider von Unseren beiden Söhnen abstam- menden Linien durch keine Streitigkeiten und Uneinigkeiten er- schüttert, sondern immerwährend erhalten bleibe und dass Wir zur Erreichung dieses heilsamsten Zieles es flir besonders nothwendig erachtet haben, noch offener auszusprechen, was Unser aller Ge- sinnung in Betreff* der wechselseitigen Erbfolge immer war tmd noch ist und zu deren genauen Befolgimg Uns und Unsere Nach- kommen strengstens zu verpflichten. Um dies zu thun, werden Wir nicht so sehr die bisher in Spanien bestehende Erbfolgeordnung ändern, sondern vielmehr die aus der freiwilligen Cedierung der spanischen Monarchie, welche ihren Gesetzen gemäss nach Uns Unserem erstgeborenen Sohne, dem römischen Könige Joseph und seinen Nachkommen vor Unserem zweiten Sohne, dem Könige Carl und seinen Nachkommen gebührt hätte, hervorgehende Aende- rung einigermassen einschränken und die ganze Angelegenheit so ordnen, dass Wir sowohl den gemeinsamen Wünschen Europas Rechnung tragen, als auch durch eine nach beiden Seiten billige Erbfolge die Nachkommen Unseres erstgeborenen Sohnes desto leichter zur willigen Einhaltung derselben vermögen, daher beide Linien enger vereinigen und endlich die bedeutendste Handhabe oder Gelegenheit zur Erregung ähnlicher Uebel, wie solche früher oft fast den ganzen Erdkreis erschütterten und auch jetzt erschüttern, so viel an Uns liegt, von Grund aus beseitigen. Wir bestimmen also gemäss der vollzogenen Cedienmg der spanischen Monarchie und des in der Cession selbst als Hauptpunct angenommenen Uebereinkommens, setzen fest und erklären mit Willen, Zustimmung imd Genehmigung Unserer beiden Söhne es als ein mit Gottes HiUe für alle Ewigkeit giltiges Gesetz, dass in den zum spanischen Reiche gehörigen Königreichen und Provinzen, ebenso wie in Unseren anderen Erbkönigreichen und Ländern das Erbrecht Unserer männ- lichen, in männlicher Linie aus legitimer Ehe entsprossenen (nicht der legitimierten) Nachkommen allen weiblichen und deren männ- lichen und weiblichen Nachkommen, welcher Linie oder welches Grades immer stets vorangehe imd imter den Nachfolgern stets das Recht der Erstgeburt berücksichtigt werde, so dass in jenen

Digitized by

Google

11

Reichen, welche im Besitze Unseres erstgeborenen 8ohnes Joseph verbleiben, die Söhne desselben, in jenen aber, welche Unserem zweitgeborenen Sohne, dem König Carl, überlassen wurden, seine männlichen Nachkommen zuerst zur Erbfolge kommen und in dieser Weise in beiden Linien fort, so lange diu*ch Gottes Gnade beiderseits in männlicher Linie aus einer legitimen Ehe entsprossene männliche Nachkommen vorhanden sein werden. Wenn aber, was Gott abwenden möge. Unser Sohn K^nig Carl rH. Liebden entweder ohne männliche in legitimer Ehe erzeugte Kinder sterben oder deren in männlicher Linie abstammende, eheliche männliche Naxjhkommen aussterben sollten, ob nun weibliche Descendenten oder deren Kinder männlichen oder weiblichen Ge- schlechts vorhanden sind oder nicht, dann soll die gesammte spanische Monarchie und aUe zu ihr gehörigen und ihr unter- worfenen Königreiche und Provinzen an Uns und Unseren erst- geborenen Sohn und dessen ihn tiberlebende eheliche (nicht legiti- mierte) Kinder und Nachkommen, gemäss der in unserem Hause eingeführten und jetzt von Neuem bestätigten Erbfolgeordnung sofort zurückfallen, jedoch so, dass, wenn eheliche Töchter Unseres Sohnes König Carl III. oder seiner Nachkommen vorhanden sein sollten, flir diese auf jene Weise gesorgt werde, wie es bisher in Unserem Hause Sitte war; aber auch ihnen soll ihr Recht, welches nach dem Erlöschen Unseres Mannesstammes und der weiblichen Nachkommenschaft Unseres erstgeborenen Sohnes, welche jenen (d. L den weiblichen Nachkommen Carl HI.) überall und immer vorangeht, nach dem Rechte der Erstgeburt irgend ein- mal zur Geltung kommen könnte, gewahrt bleiben. Wenn es da- gegen, was die göttliche Güte gleichfalls verhüten möge, geschehen sollte, dass Unser erstgeborener Sohn, der römische König Joseph, ohne in legitimer Ehe erzeugte Söhne sterben sollte, oder dass unter seinen Nachkommen in männlicher Linie keine ehelichen männlichen Descendenten vorhanden wären, dann soll Unser Sohn König Carl oder seine in männlicher Linie abstammenden ehe- lichen (nicht legitimierten) männlichen Nachkommen nach der Ordnung der Erstgeburt auch in allen Unseren anderen Erbkönig- reichen und Ländern, welche bis dahin im Besitze Unseres erst- geborenen Sohnes oder seiner ehelichen männlichen Nachkommen waren, nachfolgen und bezüglich der überlebenden Prin- zessinnen wird das zu beobachten sein, was in dem vorerwähnten Falle festgesetzt wiu-de, indem ihr Erbrecht und das ihrer männ- lichen Nachkommen beider Linien in allen Uns und Unseren

Digitized by

Google

12

NacKkommen gehörigen Königreichen, Provinzen und Herrschaften, jenem aller in männlicher Linie abstammenden ehelichen männlichen Nachkommen beider Linien immer nachsteht. Dagegen aber soll weder Unser Sohn, der König Carl, noch seine Kinder oder Nach- kommen welcher Art immer, sei es unter dem Namen einer Apanage oder Unterhalts, sei es unter irgend einem anderen Namen oder Vorwand, irgend etwas von Uns oder Unserm erstgeborenen Sohne oder seinen Niachfolgem verlangen oder beanspruchen können oder dürfen, sondern sie sollen mit der grossartigen Cession und Ueberlassung der spanischen Monarchie zufrieden sein und sowohl der König Carl, wie auch die ihm folgenden Könige für ihre Söhne und Brüder, Töchter und Söhne selbst sorgen. Ebenso soU in Betreff Unseres Sohnes, des Königs Joseph und seiner Nachkommen bezüglich der cedierten spanischen Monarchie das eben Gesagte gelten, unbeschadet des dem heUigen römischen Reiche und den römischen Kaisern und Königen auf die vom Reiche abhängigen Provinzen und Gebiete zustehenden offen- kundigen Rechtes. Dadurch aber soU kein anderer Vertrag, Ein- richtung, Gesetz oder Gewohnheit Unseres Durchlauchtigsten Hauses oder der demselben unterworfenen Königreiche oder Länder, inso- fern sie Unserer heutigen Cession und den darin ausgesprochenen dauernden imd nothwendigen Bedingungen nicht widerstreiten und desshalb in dieser Richtung aufgehoben sind, in irgend einer Weise aufgehoben sein, sondern in anderen Stücken soUen derlei Verträge, Anordnungen, Gesetze und Gewohnheiten ihre voUe und ganze Geltung durchaus beibehalten.

Zu grösserer Bekräftigung Alles dessen haben Wir zugleich mit deni durchlauchtigsten römischen Könige Joseph diese vor- liegende Urkunde zugleich mit dem Cessions-Listrumente als dem wesentlichsten TheUe desselben eigenhändig unterschrieben etc. etc.

Gegeben in Gegenwart der vornehmsten Würdenträger Unseres kaiserlichen Hofös u. s. w. in Wien, den 12. September 1703."^)

Die Ereignisse auf dem spanischen Kriegsschauplatze Hessen bald die Hoffnung, dass es Carl gelingen werde, in Spanien eine österreichische Secundogenitur aufrechtzuerhalten, sinken. Kaiser Leopold L griff mit Rücksicht hierauf in seinem Testamente vom 26. AprU 1705 wieder auf die alte Theilungsgewohnheit zurück. Er wies Carl, falls er aus Spanien vertrieben würde, Tyrol imd

*) Hieran schliesst sich die Zustimmtmg König Carl TTT.

Digitized by

Google

13

die Vorlande zu, unter Abhängigkeit von dem Träger der Kaiser- krone und des grossen Hauptbesitzes der deutschen Linie.

Die Verhältnisse gestalteten sich aber wesentlich anders und alle Vorsorgen hatten eigentlich eine falsche Richtung eingeschlagen. Wie sich die Dinge wirklich herausbildeten, wurde nun erst recht eine Neu-Ordnung der ganzen Erbfolgefrage erforderlich und Kaiser Carl VI. konnte sich einer solchen, nachdem er als Nachfolger seines rasch verstorbenen Bruders Joseph die römische Krone und die österreichischen Königreiche und Länder, wie Ungarn über- nommen hatte, nicht lange entziehen.

In dem Testamente Kaiser Leopold I. vom Jahre 1705 steht auch von einem Vorrange der weiblichen Descendenz Joseph I. vor jener CarFs schon nichts mehr. Es scheint dies nicht ganz zufällig oder nur zur Vermeidung von Wiederholungen geschehen zu sein. Der Kaiser rechnet hier bereits mit dem Verluste Spaniens. ,,So lang Unseres Erstgeboren Sohnes des Römischen Königs Liebden Mannesstamm währet", soll Carl Tyrol und die Vorlande „für sich und seinen Mannesstamm innehaben", sein Erbrecht für sich und seinen Mannesstamm nach dem Aussterben des josephirdschen Mannesstammes unverkürzt bleiben, „in jedwedem der beiden unverhofften Fälle" aber dann die vorhandenen unversorgten Töchter versorgt werden.

Wenn Carl das österreichische Erbe Joseph I. antrat, dann waren die Töchter des Letzteren, Maria Josepha und Maria Amalia, die „vorhandenen imversorgten Töchter'', weil auch Lieopold I. dann nur noch eine directe weitere Erbfolge in der carolinischen Linie vorausgesetzt haben kann.

Digitized by

Google

Das Entstellen der pragmatischen Sanction.

Als Kaiser Ferdinand m. 1657 starb und auch sein dritter Sohn, der Hoch- und Deutschmeister Erzherzog C arl Joseph 1664 ihm in das Grab folgte, ruhte der Bestand des habsburgischen Mannes- stammes auf Kaiser Leopold I., Ferdinand's Nachfolger, allein. Durch vierzehn Jahre, bis zur Geburt des Erzherzogs Joseph 1678, aus dritter Ehe Leopold L erst, schwebte die Gefahr des Aus- sterbens über dem kaiserlichen Hause- Und wiederum trat sie nahe, als Kaiser Joseph L 1711 nach kurzer Krankheit starb und des einzigen überlebenden männlichen Sprossen des Hauses, nunmehr Kaiser Carl VI. Ehe noch kinderlos war. Wieder vergiengen fönf Jahre in dieser steten Sorge.

Wie zu Kaiser Leopold's L Zeit, so musste auch jetzt der Gedanke an eine weibliche Erbfolge ernster in das Auge gefasst werden, aber Carl VI. zögerte mit Entschliessungen, die höchstens zu Gunsten seiner beiden, noch im Kindesalter stehenden Nichten Maria Josepha und Maria Amalia, der Töchter Kaiser Joseph I. hätten gefasst werden können. Er hoffte auf eigene Descendenz.

Diese jahrelang schwer empfundene Sorge um die Gestaltung der Zukimft der Dynastie hatte aber auch den Ländern ihr weiteres Schicksal nicht minder gefahrvoll erscheinen lassen. Nach dem Aussterben des Hauses Habsburg im Mannesstamme war die Wahr- scheinlichkeit eine fast greifbare, dass eine Auftheilung der Länder an verschiedene Erben sich vollziehen werde. Eine Trennung der Länder wäre nicht neu gewesen, aber sie ward früher wenig em- pfunden, als die regierenden Linien doch alle demselben Hause angehörten und die Hilfe der einen stets der anderen gewiss war. Ein besonderes inneres Band verknüpfte die Länder nicht, sie er- hielten sich ihre Eigenart Tind die Besonderheit ihrer Einrichtungen.

Digitized by

Google

15

Aber die iraohtentwicklung Frankreichs und der Pforte, die stete Verbindung dieser beiden gefährlichen Mächte, die Umtriebe derselben in Ungarn, das unaufhörliche Vordringen der Türken gegen die deutschen Erblande hin, schufen eine Lage, die das particularistische Interesse immer mehr zurücktreten machte gegen das in der Noth erwachende Bedürfiiiss der Einigkeit und des gegenseitigen Schutzes.

Eine rasche Wandlung war dies allerdings nicht und der kleinliche Geist in den landständischen Vertretungen der Länder haftete noch lange und tief trotz der aufsteigenden Gefahren. Aber dennoch war die endliche gesetzliche Sicherung einer einheitlichen Dynastie und der gegenseitigen Unterstützung der Länder, ihres Zusammenbleibens also, nicht eine Frage nur eines dynastischen bkteresses, sondern eine Lebensfrage auch für die Länder.

Sie musste früher oder später von einer dieser beiden Seiten unbedingt aufgeworfen werden.

Beeilten sich aber die Landstände nicht, ihre Einigung herbei- zuführen, so geschah dies auch nicht von Seite des kaiserlichen Hauses. Auch hier waren noch manche Besorgnisse vor der Wieder- kehr yon Zuständen zu überwinden, wie sie sich aus ständischen Verbindungen und Einigungen zur Zeit des Kaisers Matthias entwickelt hatten.

Die allgemeine Zustimmung zu der Einriohtxmg einer weiblichen Erbfolge zu erlangen, schien dagegen nicht aussichtslos; in der langdauemden Sorge über das Aussterben des Majinesstammes hatte man sich in allen Ländern so ziemlich mit diesem Gedanken vertraut gemacht. Li Böhmen war er ohnehin historisch begründet und nicht gegen die Anschauungen des Landes, in Ungarn war erst vor wenig Jahren die Türkenherrschaft zusammengebrochen und auf den Trümmern, die sie in diesem Lande hinterlassen hatte, wüthete wiederum jahrelange blutige Empörung, die auf Verdrängung des Kaisers, des Befreiers vom Türkonjoch, abzielte imd den Wieder- aufbau des Zerstörten, das iiihige Aufblühen des Landes noch für langehin unmöglich machte. Es lässt sich fast sagen, dass unter diesen Umständen in Ungarn manche Frage dem öffentlichen Lateresse näher lag, als die weibliche Succession im regierenden Hause.

War sonach in der eigentlichen dynastischen Frage eine be- sondere Schwierigkeit kaum zu erwarten, so scheute man sich desto mehr vor dem Aufrollen der staatsrechtlichen Fragen, vor dem Versuche, Einigungen unter den Ländern herbeizuführen.

Digitized by

Google

16

Dennoch wurden für einzelne besonders gefährdete Länder solche allmählich ein unabweisbares und dringendes Bedtirfhiss. Noch standen die Türken an der Save, Theiss und Maros, jeder Augen- blick, jede Wendung des Kriegsglücks in dem grossen Kampfe um die spanische Erbfolge konnte ihre verheerenden Schaaren wieder die Grenzländer überfluthen lassen ; die croatischen und slavonischen Länder besonders hatten Ursache genug, der einzigen Hilfe sich zu vergewissem, die ihnen in dem langen Eingen gegen das Bar- barenthum zu Theil geworden und die auch ihre einzige Hoffnung bilden konnte bei neuer Bedrohung: die deutschen und besonders die innerösterreichischen Länder.

Die croatisch-slavonischen Stände erklärten daher im März 1712 aus eigenem Entschluss ihre Bereitwilligkeit, im Falle des Aus- sterbens des habsburgischen Mannesstammes die Thronberechtigung der weiblichen Descendenz anerkennen zu wollen, jedoch nur jener, die das Erzherzogthum Oesterreich und die innerösterreichischen Länder Steyermark, Kämthen und Krain besitzen und in Oesterreich wirklich residieren werde.

Die Stände hatten damit einen Schritt gethan, welcher ihrer Lage imd der praktischen Nothwendigkeit entsprach; eine De- putation aus ihrer Mitte sollte den Beschluss dem Kaiser in Wien selbst überbringen und ihn der Treue der Croaten und Slavonier fiir das Haus Habsburg versichern.

Der Beschluss der croatisch-slavonischen Stände zielte in letzter Linie auf eine völlige Vereinigung der Königreiche mit den inner- österreichischen Landen ab. Die Steuer- und Menschenkraft dieser Länder bot eine bereits reichlich erprobte Unterstützung für die exponierten G-renzlande, während die staatsrechtliche Verbindung, in der sie mit dem Königreiche Ungarn standen, unter den Ver- hältnissen dieser Zeit für sie völlig werthlos war. Die bisherigen Erfahrungen hatten bewiesen, dass die Ungarn immer eher bereit waren, sich mit den Türken zu verbünden, als sie zu bekriegen.

Aber die Croaten verfolgten dabei doch auch noch weitere Zwecke. Ihr Beschluss sollte zugleich überhaupt eine entschiedene Demonstration gegen das Band sein, welches sie mit Ungarn ver- knüpfte und eine Kundgebung zu Q-unsten eines eigenen freien Wahlrechts, das ihnen doch nicht so unbedingt zuerkannt werden konnte. Dem Einwurf, dass sie, als ein Theil Ungarns, nicht berechtigt seien, aus eigenem Antrieb und für sich allein über die Thronfolge zu beschliessen, antworteten sie in einer Adresse an den Kaiser mit Entschiedenheit: „Wir sind, den Gesetzen nach.

Digitized by

Google

17

angegliederte Theile Ungarns, aber wir sind nicht seine Unter- thanen und seit Alters her haben wir eigene, nicht ungmsche Könige gehabt."^)

Ob die croatisch-slavonischen Stände einen ungarischen Protest geradezu herauszufordern beabsichtigten, ist wohl nicht festzustellen, dass aber ihr Schritt bei der so verschiedenen Denkungsweise der Ungarn nicht ohne sofortige Beschwerde bleiben werde, erkannte Kaiser Carl VI. wenigstens recht wohl.

' Für ihn wurde der Beschluss der Croaten eine directe Ver- legenheit. Die ungarischen Stände tagten zur Zeit in Pressburg, Das Vorhaben der Croaten erregte hier sofort die Gemüther lebhaft; über die politische Tragweite, welche dasselbe gewinnen konnte,war Niemand im Zweifel und ein entschiedenes Auftreten dagegen wurdebeschlossen.

Im Namen der Stände, wie im eigenen, wandte sich auch schon am 10. April 1712 der Cardinal-Primas von Ungarn, der Herzog von Sachsen-Zeitz an den Kaiser, um Einsprache gegen das Vorgehen der Croaten und Slavonier zu erheben.

Dass der Kaiser dem Beschluss der Croaten ferne stand, wie dieser Protest des ungarischen Primas voraussetzen zu müssen er- klärte, war gewiss, das Anerbieten jedoch einfach abzuweisen oder mit Stillschweigen zu übergehen, verbot doch die Staatsklugheit; die gezeigten patriotischen Empfindungen der Croaten zu verletzen, lag kein Grund vor. Den Schein einer Stellungnahme gegen Ungarn wollte der Kaiser indessen auch nicht auf sich laden. Es wurde also geplant, sich in der Frage zuerst mit einigen ungarischen Dignitären zu besprechen, den Croaten aber sollte unter An- erkennung ihrer Anhänglichkeit erklärt werden, dass es imvermeidlich sei, „auch die Zustimmung der Ungarn zu dem, was sie beschlossen, einzuholen". Es sei dies der einzige Weg, um die „altherkömmliche enge Verknüpftmg der beiden Königreiche Ungarn und Croatien im Interesse Beider" zu festigen.

Die Besprechung mit den ungarischen Vertrauensmännern fand im Juli 1712 in einer Conferenz unter dem Präsidium des Palatins Fürsten Paul Esterh&zy in Pressburg statt, zu welcher von Wien der Geheime österreichische Hofkanzler Friedrich Freiherr V. Seilern delegiert wurde. Seilern war stets für eine entschiedene Inangriffnahme der Lösung der Successionsfrage gewesen, aber er wollte, so wie der Kaiser selbst, die Angelegenheit stets nur als

*) Bidermann, Geschichte der Gesammtstaats-Idee, 11, Anmerkg. G4 zum in. Ahschnitt. 229.

Österreichischer Erbfolgekrieg. I. Bd. o

Digitized by

Google

18

reine Interessenirage der Dynastie betrachtet wissen und sträubte sich gegen das Hervorkehren der staatsrechtlichen Seite. Der Be- schluss der croatisch-slavonischen Stände hatte nun aber gerade diese Seite in den Vordergrund gebracht und ihre Behandlung im- vermeidlich gemacht, die Ungarn aber fassten die Sache eigentlich ausschliesslich vom staatsrechtlichen Standpuncte auf.

Für die Annähme der weiblichen Erbfolge fand Seilern im Allgemeinen eine nicht gerade ungünstige Stimmung bei der Con- ferenz, aber die ungarischen Magnaten stellten doch sofort Be- dingungen, welche in Wien als unannehmbar und als eine kaum verhüllte Ablehnung der geschehenen Proposition angesehen werden mussten. Es wurde verlangt:

1. Gütliche Vereinigung der Herrschaftsansprüche der ge- sammten weiblichen Deseendenz des Hauses in einer einzigen Prinzessin, so zwar, dass der mit solcher Machtvollkommenheit aus- gerüstete (weibliche) Thronfolger und jeder nach ihm alle Erblande einschliesslich des Königreichs Bölmien mit Schlesien und Mähren einheitlich und untheilbar (auch mit Ausschluss jeder Abtretung) besitzen und beherrschen solle, gleichwie es bei Leopold I. und Joseph I. der Fall gewesen und beim dermaligen Monarchen (Carl VI.) abermals zutraf. Damit aber dieser unlösbare Zusammen- hang ein desto gesicherterer sei, sollten die Erblande *) in Form eines unter sich zu schliessenden Bündnisses vertragsmässig feststellen, dass sie sämmtlich mu* unter Einem Herrscher aus der Mitte der weiblichen Deseendenz beisammen bleiben, furderhin nur von Einem regiert und verwaltet sein wollten. Grelegentlich dieses Bundes- vertrags müsse auch gleich ermittelt werden, mit welchen Bei- trägen jene Länder in Kriegs- und Friedenszeiten sowohl am Unterhalt der in Ungarn liegenden Militärgamisonen, als auch an der Erhaltung der Militärgrenze gegen die Türkei sich zu .betheiligen bereit wären.

2. Baldige Vorlage des Bundes veitrages und der eben er- wälinten Zusicherungen, dann der Verzichte der Thronanwärter (zu Gunsten des einen Herrschers) an den ungarischen Landtag.

3. Ausstellung eines unwiderruflichen Diplomes im Namen der zur Thronfolge berufenen Prinzessin, womit die Stände Ungarns und der Kebenländer über die Aufi'echterhaltung aller Gesetze, Rechte,

>) Hiebei sind aber die Länder der ungarischen Krone nicht mitzu- verstehen.

Digitized by

Google

19

Freiheiten, Privilegien, Statuten und Rechtsgewohnheiten beruhigt und namentlich versichert würden, dass das Königreich Ungarn nie nach Massgabe der in den übrigen Erbländem bestehenden Einrichtungen, sondern stets nur nach seinen eigenen, unter Mit- wirkung des Landtages zu Stande zu bringenden Gesetzen regiert, und verwaltet, auch dessen territoriale Integrität hergestellt und fortan geachtet werde.

4. Anerkennung des Palatins als Desjenigen, der nach den ungarischen G-esetzen allein befugt sei, während der Minderjährigkeit des Thronfolgers die Regentschaft zu fuhren, so dass also namentlich ein fremdländisches Ministerium hievon ausgeschlossen erscheint.

5. Weibliche Thronfolger dürfen nur im Einklang mit den Wünschen aller Königreiche und Provinzen, sonach insbesondere auch Ungarns und der Nebenländer sich vermählen." ^)

Für den Fall, dass der Aveibliche Thronfolger beim Regierungs- antritt bereits verheirathet wäre, stellte die Palatinal-Conferenz unter der Voraussetzung, dass der Gemahl der Königin sich zur katho- lischen Religion bekenne, demselben königliche Ehren und den dem König schuldigen Gehorsam, selbst die Königskrönung in Aussicht Von Gegenleistungen für die übrigen Erbländer, von einer Ver- pflichtung, auch für sie ebenso mit allen Mitteln einzustehen, wie es von ihnen zu Gunsten Ungarns gefordert wurde, geschah keine Erwähnung. Was also wirklich erfolgt war, bestand in einer das freie Bestimmungsrecht der andern Erbländer tief verletzenden, aber als Bedingung des Verbleibens unter derselben Dynastie mit ihnen, sobald dieselbe durch einen weiblichen Regenten vertreten sein würde, aufgestellten Forderung zu einer Einigung der nicht ungarischen Erblande, zu ihrer Verpflichtung, Ungarn militärisch und materiell zu unterstützen. Fiel hier die Rücksicht auf die Rechte der Erblande in das Gewicht, so waren auch die beschränkenden Forderungen an die Dynastie selbst nicht geeignet, ein Eingehen auf die Absichten der Palatinal-Conferenz leichthin zu empfehlen.

Unter diesen Umständen berief der Kaiser am 18. Juli den Hofkanzler wieder ab, „die Sache erscheine nicht spruchreif und möge vertagt werden''.

Das Einbeziehen der staatsrechtlichen Frage hatte die An- gelegenheit sehr compliciert und schwer lösbar gemacht. Die Be- stimmung der einfachen Erbfolge-Ordnung in seinem Hause und Besitz erachtete der Kaiser als eine nur von ihm allein abhängige

') Bidermann, Gescliichte der östeiT. Gesanuntstaats-Idee, II, 42.

2*

Digitized by

Google

Sache, als eine persönUclie Aufgabe des regierenden Herrn, welche keinerlei Mithilfe und Bewilligung von Seite der Stände oder Länder bedürfe. Hausgesetze zu erlassen oder vorhandene zu ändern, aufeu- heben oder zu vervollständigen und zu erweitem, erschien ihm als eia absolutes Recht des Familienhauptes und wenn er diese nothwendig gewordene neue Nachfolgebestimmimg auf die älteren Hausverträge zu stützen gedachte, so geschah dies nicht, weil er sich zu deren Abänderung nicht als berechtigt ansah, sondern weil er sich in seiner Rechtsanschauung einig wusste mit den leitenden Gedanken und Grundsätzen jener älteren Familienbestimmungen.

Hausgesetze eines fürstlichen Hauses sind Ergebnisse von Umständen und Verhältnissen, welche eine Regelung nothwendig machen; sie sind nicht, wie die allgemeine staathche Gesetzgebung, das Product eines stetig sich entwickelnden und fortschreitenden Rechtslebens. Hausgesetze bedürfen daher einer Fundierung durch früher schon bestehende besondere Rechtsacte nicht unbedingt, sie können ebensowohl aus dem augenblicklichen Bedürfniss entstehen, ohne danmi geringeren Werthes zu sein.

Es ist auch wirklich keineswegs nothwendig, die pragmatische Sanction in einen directen Zusammenhang mit dem „Pactum mutuae successionis'' von 1 703, mit dem Testamente L e o p o 1 d I. von 1 705 oder dem Testaments-Entwurf Carl VI. von 1711 zu bringen. Die innere Ueb ereinsti mmimg aller dieser Acte in Bezug auf die unbedingte Anerkennimg des Thronfolgerechts des Mannesstammes des eigenen Hauses und weiter in diesem, wie in etwa folgender weiblicher Linie das Recht der Primogenitur, beweist nur die im Kaiserhause vorhandene feststehende Ueberzeugung von der Richtigkeit und Gerechtigkeit dieses Princips und von der Unzulässigkeit, fremde oder neue Anspi*üche in die Thronfolgeordnung lüneinzutragen. Diese Einheitlichkeit der Anschauung gibt der Sache ein mora- lisches Gewicht, welches für ihre Würdigimg von besonderem Belange ist.

Um nun die Angelegenheit aus dem gefahrdrohenden staats- rechtlichen Fahrwasser entschieden und kurz in das sicherer er- scheinende Geleise der dynastischen Hausgesotzgebung zu leiten, entschloss sich Kaiser Carl VI. zu einer persönhchen Manifestation am 19. April 1713. An diesem Tage fand eine feierHche Versammlung aller Geheimen Räthe in der Geheimen Rathsstubo der Wiener Hofbiu'g statt. Es waren anwesend : Feldmarschall und Hofkricgsrath-Präsident Prinz Eugen von Savoyen; der Fürs terzbischof von Wien,

Digitized by

Google

21

Fürst Trautson; Fürst Schwarzenberg; der niederöster- reichische Landmarscliall Graf Traun; der Obersthofmeister der verwittweten Kaiserin E 1 e o n o r a, Graf T h u r n ; der Oberststall- meister Graf D ietrichstein; der Obersthofkanzler Graf S e i 1 e r n ; der Hofkammer-Präsident Graf Starhemberg; Graf Martinitz; der Vice-Präsident des Hofkriegsrathes Graf Herberstein; der Obersthofkanzler von Böhmen Graf S c h 1 i k ; Eeichs-Vice-Kanzler Graf Schönborn; der Erzbischof von Valencia; der spanische Geheim-Secretär Marchese Romeo; der Oberstkämmerer Graf Sinzendorff; der Obersthofineister der verwittweten Kaiserin Amalia, Graf Paar; der Vice-Präsident des Reichs-Hofrathes Graf Philipp Ludwig Sinzendorff; der Judex curiae in Ungarn Graf Nicolaus Pdlffy; der ungarische Kanzler Graf Nicolaus lUeshdzy; der niederösterreichische Statthalter Graf K h e v e n - h ü 1 1 e r ; Graf G alias; der Oberststallmeister der Kaiserin Amalia, Graf Salm; der Siebenbtirgische Vice-Kanzler Graf K o r e i s ; als Protokollführer fungierte Hofrath von Schickh.

Der Kaiser Hess das bisher geheim gehaltene „Pactum mutuae successionis^' verlesen und fiigte dann bei :

„Es sei aus denen abgelesenen Instrumentis die richtige und beschworene Disposition und das ewige Pactum mutuae successionis zwischen beiden Joseph- und CaroKnischen Linien zu vernehmen gewesen, dass daher nebst und zu denen von weiland Ihro kaiser- Uchen Majestäten Leopoldo und Josephe höchstseligsten Ge- dächtniss, Ihrer kaiserlichen Majestät (Carl) übertragenen Erb- Königreiche und Länder nimmehr nach Absterben weiland Ihres Herrn Bruders Majestät und Liebden ohne männliche Erben, auf Ihro kaiserliche Majestät (Carl) auch alle dessen hinterlassene Erbkönigreiche und Lande zufallen und sämmtlich bei Ihren ehe- lichen männlichen Leibes-Erben nach dem jure primogeniturae, so lange solche vorhanden, unzertheilt zu verbleiben haben, auf Ihres männlichen Stammes Abgange aber, so Gott gnädig abwenden wolle, auf ehelich hinterlassende Töchter, allezeitnachOrdnungund Recht der Primogenitur, gleichmässig unzertheilt kommen; ferner in Ermanglung oder Abgang des von Ihrer kais. Majestät (Carl) herstammenden ehelichen Descendenten mann- und weiblichen Ge- schlechtes dieses Erbrecht aller Erb- Königreiche und Lande unzer- theüter auf Ihro Majestät Herrn Bruders Josephi kais. Majestät und Liebden seligsten Gedächtnisses nachgelassene Frau Tochter und deren eheliche Descendenten wiederum auf obige Weise nach dem jure primogeniturae fallen, eben nach diesem Rechte und

Digitized by

Google

22

Ordnung auch ihren Frauen Erzherzoginnen all' andere Vorzüge und Vorgänge gegenwärtig zustehen und gedeihen müssten." *)

Damit hielt der Kaiser die entscheidenden Grundsätze eben jenes Familienvertrags vom 12. September 1703, den er eben hatte publicieren lassen, aufrecht: 1. Die Primogenitur, 2. die Untheü- barkeit der Länder, 3. das Nachfolgerecht der Frauen. Es muss in das Auge gefasst werden, wie denn in dieser Zeit die Lage war und wie sie sich in den Erwägungen des Kaisers ihm darstellen musste.

Carl VI. war siebenundzwanzig Jahre alt, er hatte vor zwei Jahren bereits Spanien und dort seine Gemahlin verlassen, welche bis nun die Regierung und den Kampf für das Recht ihres Ge- mahls an das spanische Erbe gefuhrt hatte imd gerade in diesen Tagen rückkehrend, sich bereits in Mailand auf der Heimreise be- fand. Noch war die Ehe kinderlos, aber es war kein Grund vor- handen, nicht auf jene „ehelichen männlichen Leibes-Erben" zu hoffen, denen das Gesammtreich auch weiterhin unzertheilt zu verbleiben habe.

Es muss auch beachtet werden, dass Carl VI. noch nicht auf die spanische Krone verzichtet hatte und dass er daher unter den von Leopold I. und Joseph I. ihm „übertragenen Erb- König- reichen und Ländern" den spanischen Besitz des Hauses versteht, „zu denen'' nun auch nach J o s e p h I. ,,aUe dessen hinterlassene Erb- Königreiche und Lande", also der österreichische Besitz des Hauses, gefallen. Das Anrecht auf dieses Gesaromterbe wahrt er seinen männlichen Descendenten, ganz im Sinne des Pactums, wie in dem des Testaments Leopold L, welche zunächst die üntrennbarkeit des österreicliischen Besitzes bestimmen, aber auch die Wieder- vereinigung des ganzen habsburgischen Erbes, des spanischen, wie des österreichischen, in Aussicht behalten hatten.

Für dieses Gesammterbe waren augenblicklich nur die Töchter Joseph I. ganz entsprechend dem „Pactum", als erbberechtigt anzu- sehen und Carl VI. wahrte das Piincip der Primogenitur auch hier schärfstens, indem er in seiner Anrede nur von J o s e p li I. „nachge- lassener Frau Tochter und deren ehelichen Descendenten" spricht, also nur von der altem, zur Zeit vierzehnjährigen Maria Joseph a. Er Hchliessfc damit jede neuerliche Tlieilung des Erbes aus, Spanien, wie die österreicliischen Lande bildeten somit das Object des Erb- anspniclis für diese Erzherzogin, \venn jetzt auch Kaiser Carl VI.

*) Anhang 1.

Digitized by

Google

23

starb. Dieser Anspruch trat zunächst zurück, sobald des Kaisers Ehe einen männlichen Sprossen erblühen Hess, aber der Kaiser handelte ganz im Sinne des Grundsatzes der Primogenitur, wenn er auQh seine eigene etwaige weibliche Descendenz als die „nach seines männlichen Stammes Abgang" zuerst erbberechtigte bezeichnet und nun fiir diesen Fall die Tochter Joseph's in die zweite Linie stellt.

Die Primogenitur eines Hauses wird gerechnet von den Kindern des vorhandenen Familienhauptes ab nach der Reihe ihres Lebens- alters, zuerst die männlichen, dann die weiblichen, die weiblichen Kinder des verstorbenen Bruders gehören aber nicht in diese erst- berechtigte Reihe.

Sobald die neue männliche Linie wirklich Besitz ergriff von dem Erbe, eröflnete sie auch eine neue Rechtsnachfolgerschaft in ihren eigenen Descendenten.

Der Anspruch der Erzherzogin Maria Josepha auf das Gesammterbe blieb, wie ein neuerer österreichischer Historiker überzeugend darlegt,^) nur dann ein die Rechte der etwaigen weib- Uchen Descendenz CarTs überwiegender, wenn das Aussterbendes Mannesstammes beider Linien in einem so engbegrenzten Zeitraum erfolgte, dass eine Besitzergreifung des Gesammt-Erbes durch den überlebenden Mannesstamm gar nicht verwirklicht werden konnte und daher zum Antritte der Regierung des Gesammtbesitzes nur die österreichischen und die spanischen Erzherzoginnen vorhanden waren. Dies ist doch wohl allein als der Sinn der leopoldinischen Verfügung und des „Pactum mutuae successionis" anzusehen. Den österreichischen Prinzessinnen und Töchtern des älteren Bruders, der eben zu Gunsten des jüngeren auf seine spanischen Rechte verzichtete, der Grund oder die äussere Not-h wendigkeit ist dabei gleichgiltig sollte in diesem kritischen Falle ein Vor- recht vor den spanischen zustehen und sich nicht etwa in Spanien eine abgetrennte Weiberlinie bilden. Sobald diese Gefahr drohte, sollte auch in späterer Zeit, wann immer (semper) und in welchem Uni- fang (ubivis) der Gesammtbesitz beider Linien zu erben sei, der josephinische Zweig vorangehen.

Trat aber, wie es jetzt wirklich geschah, der eine Mannes- stamm das Erbe des andern wirklich und thatsäclilich an, so wäre es gegen den Begriff der Primogenitur und der direct(Mi Erbfolge

*) Bach mann, Die pragmatische Sanction und die Erbfolge-Verfügung Kaiser Leopold L „Jurist. Vierteljahrschrift.", XXVL N. F. X.

Digitized by

Google

24

gewesen, wenn ein Zweifel darüber zu erheben wäre, dass unbe- dingt die Nachkommen dieses überlebenden Mannesstammes, männ- lich und dann weiblich, die nächsten weiteren Erben seien.

Als dann später sogar der spanische Anspruch ganz aufgegeben werden musste, vereinfachte sich die Frage. Als es keine spanische Erzherzogin mehr gab, konnte die Erbfolge überhaupt nur noch in gerader Descendenz gedacht werden.

Dieser letztere Fall lag noch nicht vor dem Kaiser. Er hatte mit seiner Erklärung der Sorge des Augenblicks genügt bei der herrschenden Pest dachte Jedermann an baldiges Sterben, aber für dringend hielt er die Sache keineswegs, er hoffte auf eigene Kinder, auf männliche Sprossen vielleicht, mit deren Erscheinen die ganze Successionsfrage erledigt sein musste. Es blieb und auch wieder nur bis zur Geburt eines männlichen Erben nur noch nothwendig, für die in Ungarn möglicherweise anstössige weib- liche Erbfolge die ungarischen Stände ohne lästige Bedingungen zu gewinnen, aber der Eifer für dieses Unternehmen war noch gering und das Bedenken gross.

Die Anwesenheit der ungarischen und siebenbürgischen Würdenträger bei dem Acte der kaiserlichen Erklärung vom 19. April 1713 erwies zur Genüge, dass hiermit das Hausgesetz, die „pragmatische Sanction" auch für Ungarn und Siebenbürgen pu- bliciert und giltig erscheinen sollte. Trotzdem nahm man in Ungarn nicht die Miene an, als bestehe jener ausgesprochene Wille auch fiir Ungarn.

Im Jahre 1714 fragten ungarische Herren beim Wiener Hofe an, an wen die älteste Tochter Joseph L, die Erzherzogin Maria Joseph a, verlobt worden würde und ob deren zukünftiger Gemahl dann als König anzusehen sei?^)

Bei so zweifelhafter Stimmung vermochte man sich in Wien nicht zu entschliessen, die Angelegenheit vor den ungarischen Land- tagzubringen. Ein Beschluss der geheimen Conferenz vom 1 6. März 1714 beantragte daher eine weitere Vertagung und der Kaiser stimmte dieser Meinung genie bei.-)

1) Mayer, Die letzten Habsburger, 11, 72.

^) Seilern hatte wohl dafür gestimmt, mit der Erbfolgefrage offen hervorzutreten. Die weibliclie Erbfolge könne aucli in Ungarn keine anzu- zweifelnde sein, es handle sich höchstens mn die Ordnung, in welcher die Erzherzoginnen auf den ungarischen Thron Anspruch machen könnten. Sinzendorff pflichtete ihm bei und wollte den Landtag schon fiir den August einberufen wissen, Starhemberg aber bezweifelte eine günstige

Digitized by

Google

Mit dem Absolüusse des Krieges um das spanische Erbe waren die Grundlagen des Pactum mutuae successionis hinfällig geworden, wie nicht weniger jene des Testaments Leopold I. Wohl war der vorher bedachte Fall eingetreten, dass Carl den spanischen Besitz nicht zu behaupten vermöge, aber die Dinge hatten sich auch nicht so gestaltet, dass Carl hätte eine Entschädigung im Besitze Tyrols suchen müssen. Es gab thatsächlich und bald darnach auch rechtlich nur noch das österreichische Erbe des Hauses und dieses besass nun Carl zugleich mit der römischen Kaiserkrone. Die Geburt eines Sohnes, des Erzherzogs Leopold, am 13. April 1716 schien auch alle Schwierigkeiten zu ebnen, der erwartete männliche Erbe war vorhanden und die gerade Erbfolge des den Kaiser Joseph I. überlebenden carohnischen Stammes schien nun völlig gesichert.

Diese Hoffiiung zerstörte der frühe Tod des Prinzen am 4. November desselben Jahres.

Als nun am 13. Mai 1717 die Erzherzogin Maria Theresia, ajn 14. September 1718 die Erzherzogin Maria Anna geboren wurde, erwachte die alte Sorge wegen der weiblichen Sucoession in ihrem vollen Umfange wieder, noch verschärft und erweitert dadurch, dass der Kaiser jetzt für die Sicherung der Thronfolge

Stimmung in Ungarn für die Angelegenheit. „Die wenigsten Ungarn würden sich mit dem Gedanken, dass eine Frau den Thron besteige, befreunden. Viele hegten Sjonpathien für den Chui'fürsten von Sachsen, Andere fiir den von Bayern, so dass der Kaiser Gefahr laufe, noch bei Lebzeiten in Ungarn gleichsam des Thrones verlustig erklärt zu werden." Die Churfürsten würden Veranlassung nehmen, sich schon jetzt mit einer zukünftigen Kaiser wähl zu beschäftigen, wenn sie sähen, dass man an der Hoffiiung, es könne dem re- gierenden Kaiser noch ein männHcher Erbe geboren werden, geradezu ver- zweifle. Fürst Trautson sprach gleichfalls für die Verschiebung. (Bidermann, Entstehen und Bedeutung der pragmat. Sanction. Zeitschrift für das private und öflfentiiche Recht der Gegenwart. 1876. 11. Band.) Die Conferenz beantragte mit Rücksicht darauf, „dass diese Nation, wenigst der Adel durchgehends und unter diesem auch sogar ein E. k. Maj. jederzeit treu Verbliebener nicht ausgenommen, sich ohne Verhalt verlauten lassen, dass sie sich zwar endlich in dieses Begehren zu willigen äusserUch anstellen, im Herzen aber, wie sie sagen, niemalen aufrichtig dazu bequemen würden, sondern beständig einen König, nicht aber eine Königin haben wollten," die Erbfolgefrage von dem Programme der nächsten Landtags-Verhandlungen ab- zusetzen, „wie geneigt nun auch hiezu neben dem Königreich Croatien die Städte in Ungarn und die von protestierender ReHgion sich bezeigen". (H. H. und St. Arch. Diaetalia 1707—1749.) Bidermann, Entstehen und Bedeutung der pragmat. Sanction. Zeitschrift für das private und öffentliche Recht der Gegenwart. 1876. 11.)

Digitized by

Google

20

seiner eigenen Tochter zu sorgen hatte und dass nun sogar streitige Ansprüche zu versöhnen, nothwendig werden konnte.

Von dieser Zeit an gehört die politische Thätigkeit Kaiser Carl VI. fast ausschliesslich den Bemühungen um die allgemeine Anerkennung der Nachfolge seiner Tochter Maria Theresia.

Die Verhandlungen mit den Erbländem und Ungarn.

Welche vorbereitenden und ausgleichenden Schritte in diesen Jahren gethan wurden, lässt sich nicht genau erkennen. Aber schon die Vermählung der eigentlich allein etwa in Frage kommenden ältesten Tochter des Kaisei*s Joseph L, der Erzherzogin Maria Josepha am 20. August 1719 mit dem Churprinzen Friedrich Augus t von Sachsen, nachmaligem Chiuf Urs tenFriedrichAugustn. und als König von Polen August HI., war von einer in herkömm- licher Form ausgestellten vöUigen Renunciation der Erzherzogin begleitet, nach der sie „kraft der im Jahre 1713 errichteten Erb- folge-Ordnung allen ihren Rechten und Ansprüchen auf die öster- reichischen Länder entsagte und zwar nicht nur zu Gunsten der männlichen Erben Carl VI., sondern auch der weiblichen Descen- denten und der nachmaligen Erben derselben". Auch Churprinz Friedrich August stellte die gleiche Verzichtleistung aus und der Vorgang wiederholte sich am 5. Oetober 1722, als sich die zweite, für die Succession allerdings neben ihrer älteren Schwester nicht Ln Betracht kommende Tochter Joseph I., die Erzherzogin Maria Amalia mit dem Churprinzen Carl Albert von Bayern vermählte.

Damit war so ziemlich Alles, was im Rahmen eines Haus- gesetzes und zu seiner Durclifülining geschehen konnte, erschöpft, aber nun fehlte noch der zweite wichtige Punct, die Sicherung der üntheilbarkeit der sämmtlichen Länder, jene der ungarischen Krone mit inbegriflen. Dies gieng über das ,, Hausgesetz" hinaus, eine solche Union war niu: durch die volle Zustimmimg aller König- reiche und Länder zu erlangen und eine Regienings vorläge, welche von der Geheimen österreichischen Hofkanzlei ausgieng und am 19. Januar 1720 an die böhmische, ungarische und sieb enbürgische Hofkanzlei, an den Obersten Rath in den österreichischen Nieder- landen und an den Obersten spanischen Rath versendet wurde, sollte diese Action einleiten. Diese obersten Stellen erhielten damit Auftrag, jene kaiserliche Erklärung vom 11). April 1713 nunmelir den Ständen der betreffenden Länder vorzulegen. Li dieser Vorlage ist neben der Thronfblgefrage als Zweck der pragmatischen Sanction

Digitized by

Google

27

nun auch die bleibende unaullösliohe Verbindmig der Königreiche und Länder bezeichnet und damit die eigentlich staatsrechtliche Seite der Frage in Erwägung gestellt. Von dieser Union, wurde betont, hänge das Wohl der Länder und der Ruhestand der Völker, Stände und Unterthanen ab.

„Der Kaiser wende sich an die Stände aller von ihm be- herrschten Länder mit dem väterlichen Anliegen und mildesten Befehle, dass sie diese seine Anordnungen pflichtschuldigst und bereitwilligst als eine unabänderliche, fiir alle Zukunft geltende Norm entgegennehmen, auf den öffentlichen Landtagen verkünden und unter allen Umständen befolgen."

Es war damit jener Forderung der Palatinal-Conferenz vom Jahre 1712 nach einer Einigung der nichtungarischen Länder ent- sprochen, wohl aber mit der Hoffnung, dann auch die Annahme der pragmatischen Sanction als ungarisches Staatsgrundgesetz ohne weitere erhebliche Schwierigkeiten von den ungarischen Ständen erlangen zu können.

Die Zustimmimgs-Erklärungen der Länder sollten von jedem unmittelbar dem kaiserl. Hause gegenüber abgegeben werden, aber keineswegs eine wechselseitige Angelobung stattfinden. Damit war sowohl jener „Länder-Congress" vermieden, der in diesen Jahren von einem nicht genannten Staatsmann in einer Schrift angeregt wurde ^), um „auch den gemeinen Mann zu Wort kommen zu lassen'^ als auch der Eingriff in das Selbstbestinmiungsrecht der einzelnen Erbländer, wie er in der Forderung der Palatinal-Conferenz vom Jahre 1712 unzweifelhaft vorhanden war, glücklich umgangen.

Der Gedanke einer engeren Verbindung der Länder unter sich, die naturgemäss dann doch auch zu einem „Länder-Congress" hätte fuhren müssen, fand indessen doch noch eine Vertretung in der Erklärung der niederösterreichischen Stände, bei denen auch unga- rische Magnaten, der Judex curiafe Graf Nicolaus P&lffy, Graf

^) Niederösterr. Landes-Archiv, Handschrift Nr. 143. Bid ermann, Ge- schichte der österr. Gesammtstaats-Idee, II, Anmerkungen zum III. Abschn. 48, weist auf die Möglichkeit hin, dass der Hofkammerrath v. Palm, jener hochbedeutende Vertraute des Prinzen Eugen vonSavoyen um das Jahr 1719 oder 1720 der Verfasser sei. Wäi-e dies der FaU, so könnte bei der vertrauton Verbindung Palm's mit dem Prinzen Eugen fast angenommen werden, dass der Prinz diesem ersten Gedanken an eine gemeinsame Reichsvertretung nicht ferne gestanden sei. In Bezug auf die Finanzverwaltvmg hatte Graf Starhemberg übrigens schon im Jahre 1714 eine „Haupt-Einrichtungs- Deputation", aus Delegierten aller Landtage, zu der auch „Vertreter des gemeinen Mannes evociert werden" sollten, vorgeschlagen.

Digitized by

Google

28

Ludwig Batthydnyi und Marcus Graf Szobor als Landschafts- Mitglieder mitstimmten. *)

Ein ausserordentlicher Landtag trat am 22. April 1720 zu- sammen und am 30. April überbrachte eine Deputation desselben, unter Führung des Landmarschalls Grafen Harrach, den Landtags- beschluss dem Kaiser, „dass, wenn Ihre Römische Kaiserliche Majestät ohne männliche Erben dereinst mit Tod abgienge, sämmt- liche Erbkönigreiche und Lande auf Dero älteste Erzherzogin Maria Theresia und Dero Erben gelangen sollten''. Aber die Stände legten es des Kaisers „höchster und allerweisester Penetra- tion weiters zu überlegen anheim", ob nicht, „da alle Erbkönig- reiche und Lande, wie man nicht zweifelt, ihre unserer gleiche einmüthigste und willfährigste Erklärung Ew. Kaiserl. Majestät überreichet haben werden, auch eine solche Erbverbrüderung weiters zu errichten wäre, dass solche Länder es nicht allein Ew. Kaiserl. Majestät als Unserem und der ganzen Christenheit zeit- lichem Oberhaupt angelobten, sondern dass ein Land das andere zu dessen Manutenenz weiters animieren und auf allen, wider bestes Verhoffen sich bezeigenden widrigen Fall, die allein zu Be- hauptung der eingefiihrten Successions-Ordnung nöthige Assistenz an einander auf das Allerverbindlichste versprächen, garantierten und angelobten."' ^

Der Antrag entsprach einer aufrichtigen und loyalen Meinung, denn die Stände bewiesen mit ihrem Wunsche nach einer Erb- verbrüderung mit allen habsburgischen Ländern, bei denen hier auch Ungarn mitgemeint und mitgezählt ist, eine bemerkenswerthe Selbstlosigkeit.

Die Stimmung war sonst keine Ungarn sonderlich günstige bei den Niederösterreichem gewesen imd die Klagen und Beschwerden wegen Beeinträchtigung des Territoriums durch Abtrennung von Herrschaften, welche als Pfandobjecte an die österreichischen Fürsten gekommen, von den Ungarn aber im Liaugural-Diplom Ferdinand II. von IG 18 zum „Lohne für die dem Hause Oester- reich von den Ungarn bezeigte Zimeigung" gratis zurückverlangt worden waren ^), wie nicht minder wegen Rechtsverweigerungen

^) An der Abstimmung nahmen 287 Votanten (23 vom Prälatenstand, 1Ö2 vom Herrenstand, 63 vom Eitterstand, 39 vom „vierten Stand" (Städte imd Märkte) theil. (Niederösterr. Landes-Archiv. Antiqua 48/1.)

') Bidermann, Geschichte der österr. Gesammt-Staats-ldee. 11, 47.

^) Es waren dies die Herrschaften Pemstein, Homstein, Eisenstadt, Güns, dann die Pfandgüter Forchtenstein amd Kobersdorf. Noch 1712 stellten

Digitized by

Google

29

gegen österreicliische Grundherren waren zaUreich. Unvergessen blieb es in Nieder - Oesterreioh, wie sehr es „durch Türken und Eebellen so arg mitgenommen worden; wie es immer in An- spruch genommen war durch Lieferungen für die in Ungarn stehenden Truppen." ^)

Dennoch boten sie jetzt willig die Hand zu einer Verständi- gung. Die Regierung konnte von der Haltung der niederöster- reichischen Stände nur in hohem Grade befriedigt sein, aber dass die Idee der Erb-Einigung ihr besonders erwünscht gewesen wäre, lässt sich nicht erweisen, wenn sie auch durchaus keine oflfen ab- lehnende Haltung einnahm. Der Grund, wesshalb sie schweigend darüber hinweggieng, ist ein naheliegender. Es handelte sich jetzt nur darum, die Zustimmung der Stände zu der weiblichen Erbfolge und zu dauerndem Verbleibe aller Lande in einer Hand zu erlangen und dies konnte noch mancher Schwierigkeit begegnen. Die Ein- heitlichkeit war zunächst ohnehin durch den einheitlichen Regenten gesichert. Begannen aber Verhandlungen zwischen den Ländern über die Modalitäten einer Erbverbrüderung und Einigung Aller, so musste mit Sicherheit fast vorausgesetzt werden, dass eine Reihe von streitigen Fragen, von Gegensätzen und Weiterungen ent- stehen würde, welche dann nur zu leicht den Hauptzweck ge- fährden oder doch die Lösimg der wichtigsten Frage weit hinaus verzögern konnten.

die Ungarn Ansprüche auf die Herrschaft Scharfeneck in Nieder-Oesterreich mit den Ortschafben Hof, Au, Mannersdorf, Sommerein und Zülingsdorf, die sie indessen nicht bekamen.

>) „Es ist wider des Landes Natur und Eigenschaft, dass das opulente Königreich Ungarn mit hierlands abgängigem (schwer zu entbehrendem) weichem und glattem Futter und anderen Leb ensmittehi versehen werden soll, während es doch die tägliche und stündliche Erfahrung lehrt, dass wie vormals, so auch derzeit aus Ungarn eine imbeschreibliche Menge derartigen Futters nach Wien, Fischamend, Wiener-Neustadt u. a. 0. zum Verkaufe gebracht wird. Der Erlös dient dazu, sie, die getreuenUnterthanen, zu bekriegen; zumal damit allerlei Munition zur Unterstützung der Untreue angekauft und heinüich über die Grenze geschafft wird. Schon stehen in Folge der ungarischen Einfalle hierlands 16.000 Häuser öde und sind mit Einrechnimg der in den Jahren 1656 und 1683 angerichteten Verwüstungen 8000 ein Opfer der von Rebellen gelegten Brände geworden. Gilt es, Kuruzzen oder andere nationale Soldaten zu unterhalten, so haben die Ungarn stets die nöthigen Mittel ge- funden; nur der kaiserlichen Müiz 'gegenüber behaupten sie die Unmöglichkeit, Ausreichendes zu deren Subsistenz beizutragen." (Erklärung der niederösterr. Stande vom 23. December 1707. Niederösterr. Landes-Archiv, Act 17 ex 1708. Bei Bi der mann IT, Anmerkung GG zum II. Abschnitt.)

Digitized by

Google

30

Schon am 19. April 1720 hatten die oberösterreichischen Stände die Anerkennung der Sanction einhellig beschlossen, womit sie „sich und ihre Nachkommen zur unverbrüchlichen Beobachtung und steten Festhaltung dieses Erbfolgestatuts verpflichteten, auch es standhaft zu vertheidigen, mit allen Kräften dafür einzutreten, Gut und Blut dafür zu opfern gelobten". *)

In Kärnthen, in dessen Landtag sich besonders der Fürst- bischof von Lavant, der Vicedom des Fürstbischofs von Bamberg und der Landeshauptmann für die Annahme einsetzten, erfolgte diese schon etwas zögernder. Am 4. Juni 1720 kam auf die Mahnung des Landeshauptmannes, wie gross das Unglück wäre, wenn „die Monarchie in Abgang einer genau geregelten Erbfolge angefochten oder gar zertrennt werden könnte'', ein zustimmender Landtags- beschluss zu Stande, der aber keine Gelöbnisse, auch für die Auf- rechterhaltung der Sanction wirklich einzustehen, enthielt. ^ Die Stände fügten sogar noch eine Verwahrung bei, indem sie die Er- wartung aussprachen: ihre Ergebenheit in den Willen des Kaisers werde den Landes-Privilegien nicht „präjudicieren" und alle folgen- den Landesfürsten würden dieselben vielmehr „manutenieren". ^)

Erst als die Kämthner Besorgnisse wegen einer dadurch her- vorgerufenen Unzufriedenheit derRegiening empfanden, versicherten sie dann im Jahre 1725, es sei schon bei Annahme der Sanction ihre Absicht gewesen, ,, dafür in allen Fällen mit Hab', Gut und Blut unwandelbar einzustehen".

Am 19. Juni 1720 nahmen die Stände in Krain und den dahin „incorporierten Herrschaften Windische Mark, Möttling, Tsterreich, Karst und Poykh" nicht nur die Ausdehnung der Erb- folge auf die weibliche Descendenz, sondern auch „die fiirgeseheno unzertrennliche Beisammenhaltung Dero dermalig wirklich inne- habenden, auch künftig zufallenden Erbkönigreiche, Fürstenthümer und Lande als „Sanctio pragmatica" an, die sie als eine „von Gott eingegebene allerweiseste Anordnung" bezeichneten."^)

*) Landes- Archiv Linz. Act I, 67. Bei Bid ermann, Anmkg. 79 zu 11, 3. Abschnitt.

*) Landtags- und Ausschuss-Protocoll ex 1720. Landschafts-Archiv zu Klagenfurt. Bei Bi der mann, II, Anmerkung 80 zu Abschn. 3.

•) Bid ermann, Gesammtstaats-Idee II, 49.

*) Mayer, Die letzten Habsburger. II," 77.

Digitized by

Google

31

Im steyerischen Landtag kam am 10. Juni 1720 zwar auch die Wahrung der Landes-Privilegien zur Sprache, sachlich aber fand die Anerkennung der Sanction keinen Widerspruch. Der An- trag des Landeshauptmannes, die Erbfolge-Ordnung anzunelmien und „zu dieses Erbrechtes immerwährender, unzerbrechlicher Be- obachtung und Festhaltung alle äussersten Kräfte, auch Gut und Blut vorzustrecken", drang durch.

Die angesehensten Mitglieder der Landschaft, die Grafen Wurmbrand, Thurn, Wildenstein, Saurau, Schrattenbach, Auersperg, Strassoldo, die Freiherren von Pranckh, Lang und Stadel forderten indessen die Beifügung des Wimsches, dass die katholische Religion geschützt werde und jedenfalls der zukünftige Gemahl der Thronfolgerin dieser Religion anzugehören habe, doch fanden sie nicht die Majorität.*) Mit Annahme dieses Antrages wäre eine Annäherung an die ungarischen Forderungen auch von Seite der steyerischen Stände geschehen, die indessen nicht gerade als beabsichtigt anzusehen sein dürfte.

Li Prag erfolgte die Vorlage der Sanction an die böhmischen Stände am 12. October 1720 durch den Statthalter und Obrist- burggrafen zu Prag, Johann Joseph Grafen Wrtby auf Konopist und Nu sie. Die Stände waren „in einer weit grossem Anzahl als sonsten" hiezu in der gewöhnlichen Landstube auf dem Hradschin „so willigst als schuldigst" erschienen. Sie nahmen die Proposition mit dem Danke dafiir, dass „Se. Kaiserl. und Königl. Majestät ge- dachte, Dero sorgfältigste imd gerechteste Disposition uns aus purem Ueberflusse Ihrer angeborenen Clemenz eröifnen lassen", an, unter der Voraussetzung, dass das Gesetz zur Beibehaltung der katholischen Religion, „als der Gnmdfeste, worauf dieses heilsame und erspriessliche Werk hauptsächlich gebaut ist, dann zur Auf- nahme und Erhaltung, wie aller Dero Erblande, also insonderheit dieses getreuesten Königreichs" dienen werde. Sie sprachen ebenso die Hoffnung aus, dass dem Königreich und seinen incorporierten Ländern die Landes-Privilegien nach der Goldenen Bulle Kaiser Carl IV. vom 7. April 1348, den Majestätsbriefen König Wl ad islaw's „Freitag nach der heiligen drei Könige Tag" 1510 und Kaiser und König Ferdinand L „Mittwoch nach St. Aegydi" 1545, endlich der durch Kaiser Ferdinand 11. gegebenen Landesordnung und

*) Steyer. Landes- Archiv. Landtags-Protocoll, Band 1833, 79—92. Bei Bid ermann, U. Anmerkung 83 zu Abschnitt 3.

Digitized by

Google

32

Confinniening der Privilegien yom 29. Mai 1627 erhalten bleiben würden. *)

Die Stände erklärten dann, „dieser Allergnädigsten Disposition qua legi et sanctioni ftindamentali perpetuo valiturae, mit unserer pflichtschuldigsten Submission per unanimia Vota hiermit nicht nur beitreten, sondern auch uns vigore gegenwärtigen Instrumenti mit Verzicht auf alle Ausnahmen, wie die immer Namen haben mögen, auf das Kräftigste dahin verbinden, dass wir mit unseren Nachkömmlingen öfters berührte, von Hiro Kaiserl. und Königl. Majestät gerechtest stabUierte Erbsuccession in Allem und Jedem vollkommentlich zu beobachten und zu erhalten, ja auch mit imserem Gut imd Blut, also wie ims hiezu unsere Treue und schwere Pflicht ermahnet, zu allen Zeiten zu verthätigen beflissen sein wollen und sollen''.

Die ständische Erklänmg wurde imterfertigt durch 18 Mit- glieder des geistlichen Standes, danmter der Erzbischof von Prag, Graf Kienburg, der Bischof Graf Wratislaw imd der Gross- prior der Johanniter, Dubsky Freiherr von Strzebomyslitz, durch 25 Mitglieder des Herrenstandes, unter ihnen Obrist-Land- hofmeister Graf Nostitz, Obristlandmarschall Graf Waldstein, Oberstlandrichter Graf Schaffgotsch, Obristlehenrichter Graf Wrbna u. A. Vom Ritterstand unterschrieben 18, aus dem Bürger- stand 26 Vertreter, darunter die Primatoren der Altstadt und der Neustadt Prag, Wor^ikowsky von Kundratitz und Franz Crusius, der Syndicus von Pilsen Hubalek, der ßathsverwandte von Budweis Daublebsky von Sternegg.

Nachdem die Regierungsvorlage von der Hofkanzlei am 19. Januar 1720 an die Länderstellen abgesendet worden und die Verhandlxmg in einer gewissen Reihenfolge eingeleitet worden war, kam ein kaiserliches Patent vom 30. August 1720, in deutscher und böhmischer Sprache gedruckt, mit der Einberufung des Land- tages auf den 17.0ctober auch an die Stände des Markgrafenthums Mähren. Sie wurden besonders ermahnt, diesmal „in einer grossem Frequenz, als sonsten, vornehmlich aber Diejenigen, welche von ilinen zu Brunn und sonderlich mit ansehentlichen Diensten oder Eliren-Aemtem bekleidet sind", zu erscheinen, ^j

^) Erklärung der böhmischen Stände. Austria 1849.

*) Elvert, Die Einführung der pragmatischen Sanction in Mäliren. NotizenbUitt der historisch-statistischen Section in Briinn, 1875.

Digitized by

Google

33

In Vei-tretung des dienstlich abwesenden Landeshauptmanns, Grafen Kaunitz, dessen Rückkehr bis zum 17. October nicht mit Gewissheit vorausgesetzt werden konnte, erhielt der mährische Obristlandrichter Graf Althann am 30. September 1720 das Original- Rescript mit dem Befeld, es den Ständen zu eröffnen.

Graf A 1 1 h an n entledigte sich seines Auftrages in ganz entsprechen- der Weise und konnte schon am 30. October die Annahme-Erklärung der mährischen Stände dem Kaiser einsenden. Auch die Mährer sprachen ihren Dank für die Vorlage aus, welche sie, wie die Böhmen und Schlesier, als eine Vorsorge, dass die „ßömisch-Katholische Religion beständig behalten, befördert und vermehrt und selbe bei Abweichung von der diesfälligen, den wahren apostolischen Glauben hauptsächlich mitbegleitenden Erbsuccession nicht etwa labe- factieret werde", bezeichneten.

Die Stände erklärten die vorgelegten Erbfolgeverfügungen als „ohnedem auch denen in der Landes-Ordnung recensierten Fundamental-Landesgesetzen allerdings übereinstimmig" und ihre Bereitwilligkeit, dieser Successions-Ordnung „treu pflichtgemäss zu Orccedieren, beizutreten und sich in omnibus punctis, articulis et clausulis und was selbe in terminis nur immer vermag, ohne einzige Reservation oder Vorbehalt zu unterwerfen, gelobende, versprechende uiid zusagende solchemnach wohlbedächtUch für sich und ihre Posterität hiermit aufs Kräftigste rnid Verbindlichste, dass sie, treugehorsamste Stände, sothane Allergnädigste Dispositiones und Declarationes für jezt und inskünftig für ein unverbrüclüiches Fundamentalgesetz erkennen, dawider in keinerlei AVeg noch Weise uec directe nee indirecte weder selbst handeln, noch Anderen es gestatten, sondern darob je und allezeit stet, fest und unzerbrüch- lich halten, auch zu dessen Handhabe und Beschirmung alle ihre Kräfte, ja ihr Hab', Gut und Blut sammt und sonders anwenden und sacrificieren wollen und sollen".

Das Instrument wurde unterfertigt von zwei Deputierton des Olmützer Domcapitels und zehn Aebten und Prälaten, den Fürsten von Liechtenstein, den Grafen Koggendorf undOsteschau,nebst sechs Vertretern des Herren- und sechs des Ritterstandes und den städtischen Deputierten von Olmütz, Brunn, Znaym, Hradisch, Iglau und Gaya.

Eine Anzahl Ständemitglieder waren zwar in Brunn, erschienen aber nicht bei dem feierlichen Acte, weil sie als Kämmerer und von hohem Adel den „kaiserlichen Eäthen und Landrecht s-Beisitzern, so allererst ganz kürzlich in den HeiTenstand erhoben worden

Oesterreichischer Erbfolgekrieg. I. Bd. g

Digitized by

Google

34

nicht füglich nachsitzen wollen'\ Es waren dies, wie das „ohne Entschuldigung" wohl besagen soll, der Landes-Unterkämmerer Graf Brenner, die Freiherm von Sackh, Horetzky, die Grafen Mittrowitz und Lamberg. *)

Als ProtokoUftihrer fungierten der Vicelandschreiber Franz Anton R2ikowsky von Dobrschitz, der Kämmerer v. Hermann an Stelle des Landesburggrafen Johann Wenzel v. R2ikowsky, der mitstimmte, der Landschafts-Secretär Panitz und der Land- schafts-Buchhalter Binder.

Der Kaiser sprach seine Zufriedenheit mit der Erklärung der Stände aus, wies aber doch auch auf das Wegbleiben so Mancher tadelnd hin.

Auch in Schlesien nahm die Beschlussfsissimg über die An- nahme des Erbfolgegesetzes einen durchaus glatten Verlauf. ^ In übermässiger Vorsicht hatte zwar der Oberamts-Director Graf Hans Anton Schaffgotsch auf die erste von der böhmischen Hofkanzlei erfolgte Verständigung von der einzuleitenden Vorlage der kaiser- lichen Proposition eine Reihe von Massregeln ziu* Beschränkung der Verhandlungsfreiheit der Stände in Antrag gebracht. Der Kaiser wies Alles ab, was gegen das Herkommen und die ständische Frei- heit sei.

Am 21. October 1720 versammelten sich die einundvierzig Ab- geordneten der Fürsten und Stände im Fürstensaal des Breslauer Rathhauses und Graf Schaffgotsch übernahm den Vorsitz. Der Oberamts-Kanzler Graf Kottulinsky erläuterte die Bedeutung des zur Berathimg stehenden Actes und Oberamts-Secretär Gross a verlas die Proposition. Am nächsten Tage erfolgte die Zustimmungs- erklärung der Stände, etwas zurückhaltender die färstlich-freiherr- liche Curie, unbedingter und offener die zweite Curie der Erb- fürstenthümer, welche gleich den Böhmen erklärte, dass ihnen die kaiserliche Vorlage* „zu allem Ueberfluss'' bekanntgegeben worden, und die Stimmen der Städte. Das „Accessions- und Submissions- Instrument" wurde dann dahin abgeschlossen: „als verbinden wir vermittelst gegenwärtigen Listrumenti ims und unsere Nachkommen kräftigst und zu ewigen Zeiten, dass wir allem Demjenigen, so

*) Es fehlten aber auch die Waldstein, DietrichsteLn, CoUalto, Liechten- stein-Kastelkom, Slavata, Questenberg, Werdenberg, Kaunitz, Wlassim, Oppers- dorf, Sinzendorff, Dubsky, Bnkovsky etc. Elvert, pragm. Sanction in Mähren.

*) Nach Dove, Die pragmatische Sanction in Schlesien. „Zeitschrift des Vereines für Geschichte und Altoi-thum Schlcaiens". XTV, 299.

Digitized by

Google

35

Allerhöchstgedachte Se. Kaiserl. und Königl. Majestät an uns wegen erwähnter Thron- und Erbfolge in kaiserlichen und königlichen Gnaden gelangen lassen, uns vollkomm^ntlich submittieren und erwähnte Dispositiones tanquam leges fundamentales et perpetuo valituras in treugehorsamster Devotion erkennen, auch dawider sub quocumque praetextu weder selbst handeln, noch Anderen solches gestatten, so vielmehr Gut und Blut dabei auszusetzen jederzeit bereit sein werden, treulich und ohne Gefährde/'

Die Genehmigung der Zustimmungs-Erklärung erfolgte flir Böhmen, Schlesien und Mähren in einem, mit geringen besonderen Einschaltungen für die einzelnen, besonders für Schlesien, gleich- lautenden Rescripte vom 17. März 1721.

Weit schwieriger fanden sich die Tyroler. Der Landtag wurde auf den 26. November 1720 einberufen, trat aber erst am 9. December 1720 zusammen. Den Sommer überhatten die Stände mit der Regierung einen heftigen Kampf mn Geldbewilligungen und Gegenansprüche wegen der Kosten der vielen Truppendurch- zöge gefiihrt, eine neue Vermögenssteuer und Vorbereitungen zu einem umgearbeiteten Grundsteuerkataster hatten viele Unzufrieden- heit erregt und die Stimmung des Landtages war daher keineswegs die beste. Die Bischöfe von Brixen und Trient Hessen sich bei diesem Landtage gar nicht vertreten, indem sie sich auf ihre Eigen- schaft als reichsfürstliche Stifte beriefen. Es scheint dies in einer etwas ungewöhnlichen Art geschehen zu sein, denn die Innsbrucker Regierung berichtete hierüber an den Kaiser, dass sich „die stift- und domcapiterschen Gesandten diesfalls auf eine solche Weise declariert haben, welche künftig Dero hierländischen hohen Juribus allzusehr präjudicierlich sein würde.'* ^) Die Aebte und Prälaten von Gries, Neustift, Georgenberg, Stams u. A. sprachen die Besorgniss aus, dass der künftige „regierende Herr'' sich nicht für verpflichtet erachten werde, die von den Habsburgem gemachten Staatsschulden anzuerkennen ; sie beklagten, dass künftig in Tyrol kein besonderer Landesfurst mehr vorhanden sein werde. Der Prälat von Gries nannte die Landtagsverhandlimg „etwas Unerhörtes" und betonte seine Befürchtimg, dass die Landes-Privilegien geschädigt werden könnten.

Der Abt von Stams erinnerte wenigstens daran, dass für Tyrol ein weiblicher Landesfiirst nichts Neues sei und der Landes-

*) Archiv des Ministeriums des Inneru ad 10 vom Jahre 1721, Tyrol.

3*

Digitized by

Google

36

hauptmann erklärte mit Festigkeit, dass kein Land das Recht habe, seinem Herrseher eine Thronfolge-Ordnung nach eigenem Willen aufzunöthigen, dass abgr auch die Landesfreiheiten darum nicht preisgegeben seien, wenn man sich dem Willen des Kaisers in dieser Frage unterwerfe. Die Vertreter der Städte zeigten sich williger, sie stimmten mit Vorbehalt der Landes-Privilegien für die Annahme der Erbfolge-Ordnung, aber auch aus ihrer Mitte beklagte der Vertreter Linsbrucks, Johann Peter, dass dann nie mehr ein eigener Landesfiirst in Tyrol sein werde, der Landstand Rolandin rieth „ein teutsches Haupt" sich auszubitten und der Landstand V. Indermaur verlangte, dass das künftige regierende Haupt von „teutschem Geblüt" zu sein habe. Es wurde getadelt, dass dieses ,, hochwichtige österreichische Successionsgeschäft, so viel dieses das allergetreuesto Erbland Tyrol anbetrifft, mit uns, denen treugehorsamsten Ständen, wie vormals in derlei wichtigen Begeben- heiten öfter geschehen'', nicht „consultando" überlegt worden. Schliesslich kam es indessen doch zur Annahme und der Versiche- nmg, daäs die Stände das Erbfolgegesetz ,,auf all' und jeden Noth- fall gegen männiglich mit ungesparter Aufsetzung Guts und Bluts kräftigst verfechten und vertheidigen wollen". ^)

Auch den kleineren Provinzial-Verbänden, wie Görz und Gradiska, dem Egerland, Triest und Fiume wurde die Vorlage der Regierimg bekanntgegeben und ihre Zustimmimg erbeten. Die Stände von Görz gelobten am ü. August 1720 über Antrag des Landeshauptmannes Grafen W i 1 d e n s t e i n einstimmig die Beob- achtung imd standhafte Vertheidigung der pragmatischen Sanction mit dem Beisatze, dass sie hofllen, der Kaiser werde sie bei den althergebrachten Freiheiten erhalten. ^)

Die Eg erländer schlössen sich der Erklärung der böhmischen Stände an und bekundeten damit ihre Zugehörigkeit zu diesem Königreiche. Um jedoch dem heiligen römischen Reiche in keiner Weise zu präjudicieren und die Stadtprivilegien zu wahren, wurde der Beitritts-Erklärung des Egerlandes über Antrag des Bürger- meisters der Stadt Eger, Johann Adam Junckler von Ober- C u n r e u t h, der Beisatz eiiigefügt : ,.salvis tarnen semper privilegiis ab Lnperatoribus regibusque Bohemiae urbi Egrae et circulo con-

') Bei Bid ermann, Gesammtstsiats-Idee, II, Anmerkg. 84 zu Abth. 3.

*) Die Ausfertigung geschah in deutscher Sprache. Bidermann, II, Anmerkung 88 zu Abschn. 3. Original im Archiv des Ministeriums des Innern, ad 2 ex 1726 Inner-Oesterreich.

Digitized by

Google

37

cessis und inwieweit es sich auf den Pfandschilling Eger appli- cieren lasset.'^ *)

Die Zustimmung und Anerkennung der Stadt Triest^ am 30. September 1720 bezieht sich nur auf die neue Thronfolge- Ordnung „riconoscendo adesso all 'ora la proposta Augusta suc- cessione''.

Die Erklärung der Stadt Fiume"*) enthielt nicht nur die Versicherung der Anhänglichkeit und des Festhaltens an der neuen Erbfolge-Ordnung, sondern ergieng sich auch in der Hervorhebung der segensreichen Folgen des neuen Gesetzes. Es werde zur Kräfti- gung der Macht des Hauses Oesterreioh, zum Schutze der katho- lischen Kirche, zur Verbreitung des christlichen Glaubens gereichen. „Das römisch-deutsche Reich werde an Ansehen gewinnen, Deutsch- land beruhigt, der ganze Weltkreis geehrt und gesclunückt werden."

Die Landtage in denB reisgauisc h-S c h w ä b i s c h-0 ester- reich- und Vorarlbergischen Landen"^) wurden zur „Publi- cierung der Thron- und Erbfolge in Unserem Durchlauchtigsten Erzhause" unmittelbar von Wien aus einberufen und die Innsbrucker Regierung hie von am 1. October 1721 nur verständigt mit dem Auftrage, die Publication in der österreichischen Stadt Constanz durch den Regimentsrath und Hauptmannschafts-Verwalter v. Land- see bewirken zu lassen. Für die breisgauischen Stände wurde der Vice-Statthalter Freiherr von Rost, in den schwäbisch-österreichi- schen Landen der Landvogt der Markgrafschaft Burgau, Freiherr von Ulm, in Vorarlberg der Vogt Pappus Freiherr von Traz- b e r g zu kaiserlichen Commissären ernannt und ihnen die Aufgabe der Publication der Erbfolge-Ordnung und die Bewirkimg der An- nahme durch die Stände übertragen.

Die Commissäre erhielten Weisung, die Stände zu ermahnen, sich die „zum Besten abzielende Absicht gehorsamst zu Gemüth" zu nehmen und sich darüber „wie es in denen nieder- und inner- österreichischen Landen, wie auch in Tyrol bekannteniiassen bereits beschehen'*, schriftlich zu erklären.

') Bidermann, II, Anmerkung 89 zum Abschn. 3.

*) Bid ermann, ü, Anmerkung 90 ebenda. Die Erklärung war in italie- nischer Sprache.

•) Bidermann, II, Anmerkg. 91 ebenda. Die Erklärung ist in lateinischer Sprache abgefasst.

*) Archiv des Ministeriums des Innern. Nr. 11 vom Jahre 1721. Tyrol.

Digitized by

Google

38

Es scheint dies auch ohne Zögern von den Ständen Vorder- Oesterreichs geschehen zu sein.

Nun kam der schwierigere Theil der Aufgabe an die Reihe, die Vorlage an den ungarischen und siebenbürgischen Landtag. Die Angelegenheit wurde mit grosser Umsicht und von langer Hand vorbereitet. Die Geheime Conferenz in Wien unter dem Vor- sitz des Prinzen Eugen von S a v o y e n, aus den Fürsten Trau t s o n, dem obersten Hofkanzler Grafen Sinzendorff und dem Hof- kammer-Präsidenten Grafen Gundacker Starhemberg bestehend*), stellte in einer Sitzimg am 13. Juli 1721 den einzuschlagenden Weg fest.

Die Einberufiingsschreiben sollten nach diesem Vorschlage bezüglich der Thronfolge nur die Stände mahnen, das Nöthige vorzukehren, um sich und das Vaterland vor innem und äussern Gefahren in der Zukunft zu schützen, die Uebertragung der Suc- cession an die weibliche Descendenz aber sollte nur im Allgemeinen berührt werden. Es war zu hoffen, dass hiedurch vorzeitige Besprechungen der Sache vermieden würden, die leicht nachtheilige Stimmungen schaffen konnten. Als besonders wichtig wurde erachtet, vor Allem den hohen Clerus imd die Magnaten zu gewinnen, sowie einen zuverlässigen „Personalis" zu ernennen, der geschickt genug sei, um zu verhindern, dass die Magnaten sich des niederen Adels bedienten, um „nur simidierte fayorable Nota" in der Magnaten- Tafel zwar abzugeben, aber durch die „imtere Tafel" wieder zu- nichte machen zu lassen. Am meisten wünschenswerth hielt es die Geheime Conferenz, wenn die Ungarn sich dazu verstehen würden, das neue Thronfolgegesetz „motu proprio" anzunehmen. Einer etwaigen Opposition aber sollte jedenfalls energisch entgegen- getreten, jede Erörterung der vorgebrachten „Gravamina" bis zur günstigen Erledigung der Successiöns-Angelegenheit abgelehnt und auch eine Verhandlung über die von den Ungarn so sehr gewünschte Einverleibung der „Neoacquistica" der vom Prinzen Eugen in dem ruhmvollen Krieg gegen die Türkei 171G 1718 eroberten serbischen und walachischen Gebiete, wie des Temeser Banats verweigert werden. Der Kaiser selbst soUte während des Land- tages seinen Aufenthalt in Pressburg nehmen.

*) Bidermann, II, Anmerkung 95 zum B. Abschnitt. Der Geheime Hofkanzler v. Seüem war am 8. Januar 17 IB, siebzig Jahre alt, gestorben.

Digitized by

Google

39

Der siebenbürgische Landtag wurde flirden lO.Febniar 1722 nach Hermannstadt einberufen, fiiiher als der ungarische, welcher zwar für den 1. Mai berufen, doch erst am 20. Juni dieses Jahres in Pressburg zusammentrat. Mit dem frühem Einberufen der sieben- bürgischen Stände verband man die leise Hoffnung, einen förder- lichen Druck auf die Entschliessungen der ungarischen ausüben zu können. ^)

Die frühere Einberufung des siebenbürgischen Landtags beweist ein vorhandenes grosses Vertrauen in die leichte Ab- wicklung der Verhandlung mit demselben, da eine imgünstige Haltung der Siebenbürger ein höchst bedenkliches Präjudiz für die. ungarischen Stände hätte bilden können. Dieses Vertrauen widerlegt am besten gelegentliche Erzählungen von angewendeten Pressions-Mitteln.

Thatsächlich ergaben sich auch keine Schwierigkeiten. Der erkrankte Gouverneur G. d. C. Graf Virmond empfieng die Stände in seiner Wohnung, um ihnen die kaiserliche Proposition zu über- geben, aber die Verhandlimg und Beschlussfassung, über welche die Stände am 30. März ihre Erklärung abgaben, fand erst einige Tage nach jenem Empfang statt. Der Entwurf znr Beistimmungs- Erklärung wurde am 1. April zur Lesung gebracht und hiebei nur von den Calvineni noch einige Wünsche vorgebracht. Der Gubemial- Präsident Graf Sigmimd Kornis und die Barone Stefan Weszel6ny und Johann Bornemisza setzten schliesslich die Annahme der Proposition in befriedigendster Weise durch und die ,,drei Nationen" nahmen die Thronfolge-Ordnung bedingungslos an. Die Hoffnung der Siebenbürger, in der „Verschmelzung und dem untrennbaren Aneinanderhängen aller Erbkönigreiche zum Zwecke wechselseitiger und reciproker Vertheidigung", wie Graf Virmond es ihnen als Folge darstellte und wahrscheinlich sie sich selbst so dachte, den besten Schutz für ihr stets gefährdetes Grenzland zu finden, Hess ihnen die ganze Proposition in hohem Masse erfi-eulich und begehrens- werth erscheinen.

Für die Propositionen an die ungarischen Stände hatten sich seit dem Jahre 1712 und besonders seit den abgegebenen Erklärungen der erbländischen Stände die Verhältnisse wesentlich geändert. Der Kaiser hatte von seinen sämmtlichen deutschen nnd

>) Bid ermann, II, Anmerkg. 93 zw Absch. 3. H. H. und St.-A. Vortrag vom 14. Juli 1721.

Digitized by

Google

40

böhmischen Ländern, im Ganzen beclingiingsh>s, die volle Aner- kennung und Zustimmmig zu seiner pragmatischen Sanction erhalten und es lag somit eine Macht in dieser Einhelligkeit vor, welche einen vollen Ersatz fiir jenes engere Bündniss der Erblande bieten konnte, welches die Ungarn in der Palatinal-Conlerenz 1712 ak Vorbedingiuig fiir ihre Zustimmung zur neuen Tlironfolge-Ordnimg bezeichnet hatten. Diese Macht, in der Hand des Kaisers wirksam, stand bereit ziu* Unterstützung Ungarns, wenn dieses in Gefahr kam und es schien jetzt an der Zeit, in den mm an die Stände zu richtenden Propositionen auf jene Lücke aufmerksam zu machen, welche die Palatinal-Conferenz in ihrer Erklärung ofien gelassen: dass nämlich fiir die Hilfe imd Unterstützung durch die Erblande, wie sie die Ungarn gewünscht imd für iliren Schutz und ihre Sicherheit als nothwendig bezeiclmet hatten, man auch von ungarischer Seite zu positiven Gegenleistungen verpflichtet sei.

Wenn Ungarn ein Schutzbedürfniss empfand, wie es nicht nm* jene Palatinal-Conferenz von 1712 dm-ch ihre Forderungen, sondern auch der Vice-Palatin Stephan Nagy gleich in der ersten Sitzung des Landtags am 30. Juni und nach ihm der Palatinal-Protonotar Franz Szluha in oflener Weise in ihren Reden erwiesen, dann war eine billige, freiwillige Beschränkung der ungarischen Selbst- ständigkeit eine unvermeidbare und natürliche Consequenz. Man kann Dem nicht unbeeinflusst und nur dem eigenen Willen gehorchend gegenüberstehen, auf dessen Hilfe man angewiesen ist und rechnet, es sei denn, dass man ihm die gleichwerthige Unter- stützimg zu gewähren geneigt und befähigt ist.

Dies war nun aber keineswegs der Fall. Die Anschauungen, von denen man sich in Ungarn leiten liess, schildert ein neuerer imgarisch(T Historiker, ihnen zustimmend, sehr anschaulich'):

„Wenn im Jahre 1722 von einer Union mit den österreichischen Erblanden die Kede gieng, so bedeutete dies nichts Neues. Sie bestand auch früher schon, indem Steyermark und Känithen um Croatien und das südUch von der Donau gelegene Ungarn, Böhmen und Oesterreich um das nördlich von der Donau gelegene Ungarn sich kümmerten." „Aber in den vorausg(4ienden zwei Jahrhunderten war dieser Vertrag nur insofern ein zweiseitiger, als, wenn Ungarn sich selbst vertheidigte, die benachbarten Provinzen sich als

») Salomon, Geschichte der Besetzung des kgl. ungar. Thrones und die Pragmatische Sanction. Citiert bei Bidormann, II, Anmerkg. 94 zum 3. Ahschn.

Digitized by

Google

41

schon liiedurcli beschützt zu betrachten hatten und dass die- selben ans Dankbarkeit hie für und in ihrem eigenen Interesse zur Erhaltung der ungarischen Grenzfeztungen und Truppen bei- trugen. Ungarns Verpflichtung bezog sich nur auf die Abwehr der Türken ; wurde z. B. Böhmen vom Westen her angegritlen, so waren die Ungarn keineswegs verpflichtet, zu dessen Schutze die Waffen zu ergreifen. '^ ')

Dass fiir solche Aiüfassungen ein Verständniss in den Erb- ländem nicht zu finden war, ist erklärlich und der Kaiser suchte ein Einvernehmen dadurch anzubahnen, dass in den Einberufungs- schreiben auf die Nothwendigkeit der Bildung eines Staatskörpers hingewiesen wurde, welchem auch Ungarn wie Siebenbürgen, dem Gedanken der Gesammt-Thronfolge entsprechend, dauernd eingefugt sein sollten. Der Kaiser sprach den Wunsch nach einer „Ver- ständigimg und Union" Ungarns mit den übrigen Erblanden und ^iner gesetzlichen Begründung einer Vereinigung mit denselben aus, deren Mittelpunkt er selbst blieb. Es ist aber nicht zu behaupten, dass dieses directe Einvernehmen der ungarischen Stände mit jenen der Erblande so ganz unbedingt der Hauptzweck hiebei gewesen wäre. Eine dem Kaiser gegebene bindende Erklänmg der Annahme der Sanction würde dieselbe Absicht annähernd auch erreicht haben und es scheint fast, als wäre eine solche dem Kaiser innerlich sogar Wünschenswerther gewesen. ^

*) Einen Vertrag dieser Art hat es nie gegeben. Bidermann in „Geschichte der österr. Gesamrat-Staats-Idee, 11, 268" sagt hierüber: „An dem damit geschiklerten Sachverhalt ist nur das Eine unrichtig, dass ihm ein Vortrag zu Grunde lag. Auf Seite der genannten, nicht zur imgarischen Krone gehörigen Länder war es lediglich guter Wille, wenn sie sich der letzteren in den Kriegsbedrängnissen annahmen imd die Millionen haaren Geldes, die sie nebst ungezählten Menschenleben dafür opferten, nicht lieber auf den unmittelbaren Grenzschutz verwendeten, der in den Zeiten, wo die Magyaren mit den Türken gemeinsame Sache machten, sich wirk- samer würde erwiesen haben, als jenes angebliche Vertragsverhältniss. Dass dem guten Willen Eigennutz beigemischt war, ist nicht in Abrede zu stellen. Aber dass die NiederösteiTeicher, Böhmen, Steyermärker u. s. w. es sich als Gegenleistung anrechnen lassen mussten, wenn die Ungarn ihrem Selbsterhaltungstrieb folgten und sich den Türken gegenüber zur Wehre setzten, ist eine ebenso kühne Behauptung, als es unter der Voraussetzung eines Vertrags-Verhältnisses ein doppelt berechtigter Tadel wäre, der die Ungarn wegen ihres häufigen Zusammengehens mit den Türken dann treffen würde."

») Vergleiche Bidermann, IE, 52 und Anmerkg. 96 zu Abschn. 3.

Digitized by

Google

42

Der Hauptzweck blieb doch wohl immer die Erlangung der Zustimmimg zur weiblichen Thronfolge auch in den ungarischen Ländern, die als das wesentlichste Mittel nicht umgangen werden konnte, wenn eine gegenseitige Verbindung imd Unterstützimg der Länder erreicht werden sollte. Li des Kaisers und seiner Nach- folger Hand lagen dann die Kräfte und Mittel jedes einzelnen Landes, er konnte sie verwenden nach Bedarf für jedes und er allein blieb Weg imd Mittel jeder Verständigung zwischen den Ländern. Eine directe Union aber der Länder unter sich, Ungarn eingeschlossen, hätte einen Factor in das Staatsleben gebracht, der unter Umständen dem Kaiser gegenüber als bedenklich angesehen werden konnte.

Der Kaiser eröiFnete persönlich am 20. Juni den Landtag in Pressburg, auf dem er dann bei seiner Abreise als seinen Vertreter den Präsidenten der Hofkammer, Grafen Gundacker Starhemberg, und den böhmischen 0 brist- Hof kanzler, Grafen Franz Kinsky, beliess. ')

Die geschickt geführte Landtags-Verhandlimg führte zu den, dem Wunsche des Kaisers ganz entsprechenden Ergebnissen. Die formelle Proposition des Kaisers kam den Ständen erst am 8. Juli 1722 zu, aber schon in der ersten Sitzung forderten die Magnaten die „untere Tafel" durch eine Deputation zu raschem Eingehen auf die zu ei'wartende Proposition auf. Der Vice-Palatin Stephan Nagy, der statt des erkrankten Personalis präsidierte, hielt an das Haus eine ungarische Ansprache, in der er die Nothwendigkeit einer Vorsorge für den Fall, dass der Kaiser ohne (männliche) Erben sterbe, hervorhob. Ilim folgte der Palatinal - Protonotar Franz Szliiha de Iklad mit seiner berülimt gewordenen zündenden Rede, welche die Stände zu einer unter Jubelrufen und durch Acclamation abgegebenen Annalmie und Genehmigung der weib- lichen Thronfolge im habsburgischen Hause hinriss. Nun beantragte der Vice-Palatin die sofortige Verständigung der Magnatentafel durch eine Deputation und die Erklärung wurde abgegeben, die Zustimmung zu der weiblichen Thronfolge sei eine durchaus spontane.

Die Deputation der „unteren Tafel" wnirde sofort durch eine von der Magnatentafel entsendete beantwortet, als deren Führer der Bischof Graf Gabriel Erdödy die Zustimmung der Magnaten

*) Mayer, Die letzten Habsburger, II.

Digitized by

Google

43

zu dem Beschlüsse der „unteren TafeF' erklärte. Am 3. Juli über- brachte eine von beiden Häusern des Landtags entsendete Deputation die Zustimmungs-Erklärungen dem Kaiser und König nach Wien. Cardinal Graf Emerich Cs&ky betonte hiebei die Vortheile, welche Ungarn fiir seine äussere Sicherheit und seine innere Ruhe von dem Beschlüsse erwarte und sprach die bestimmte Hoffiaung aus, dass die Krone des marianischen Königreichs nach diesem Beschlüsse niemals an einen Herrscher fallen könne, der nicht römisch-katho- lischen Glaubens sei. Er wahrte im Allgemeinen die hergebrachten Freiheiten und Vorrechte. Von der „Union'' der Länder scheint nicht mehr gesprochen worden zu sein, auch der Kaiser äusserte sich nicht weiter darüber.

Die genauere Formulierung der Thronfolge-Ordnung wurde dann am 16. Juli nach einem Entwürfe Szluha's, aber nicht ohne einige Debatte, angenommen. Die Ausstellung einer besonderen Urkimde über die Zustimmung zur pragmatischen Sanction wurde indessen vom Landtag als „überflüssig" erklärt, da die Diätal- ProtokoUe hieför vollkommen ausreichend seien.

Carl VI. sprach in einem besonders gnädigen Schreiben an den Palatin seinen Dank und seine Befriedigung über den Land- tagsbeschluss aus und reiche Geschenke bezeugten seine Dankbarkeit Denen, die ein hervorragendes Verdienst an dem Gelingen des Werkes in Anspruch nehmen konnten. *)

Der § 4 des I. Gesetz-Artikels vom Jahre 1722/23 besagte, als nunmehr bestimmte Formulierung des Landtagsbeschlusses : Diejenige Erbin oder derjenige Erbe, welcher, beziehungsweise welche nach der vom österreichischen Herrscherhause angenommenen, im vorhergehenden Paragraph näher bezeichneten Primogenitursnorm die übrigen Königreiche und Länder, die sich dieser Norm bereits unterworfen haben, als ein seitdem unlösbares Ganzes überkommt, solle stets unfehlbar dem gleichen Erbrecht zufolge auch als König Ungarns und der damit ebenso unzertrennlich verbundenen Neben- länder anerkannt und gekrönt werden. ^

Und im § 7 des H. Gesetz-Artikels heisst es, dass die ungarische Krone stets derjenige Erzherzog von Oesterreich, gleichviel ob männ- licher oder weiblicher Descendent, empfange, welcher in den übrigen Erb-Königreichen und Ländern durch die neue Thronfolge-Ordnung

') Die Vorgänge auf dem Landtag 1722 nach Bidermaun, Geschichte der österr. Gesamrat-Staats-Idee, 11, Anmerkg. zum 3. Abschn. *) Bidermann, 11, 53.

Digitized by

Google

44

zum Tlirone berufen sei. („Imperatorum et ßegum Hungariae des- cendentes", wenn sie ,,legitiini, Eomano-Catholici" und „Austriae Archiduces'^ sind.) Als Bedingung galt nur, dass von den Erb- landen weder durch Theilung oder sonstwie ein Gebiet losgelöst werden solle und dass die Erblande miteinander, gleiclizeitig und mit Einschluss des Königreichs Ungarn, sowie der zu diesem gehörigen Nebenländer eine vererbliehe Besitzmasse zu bilden hätten.

Mit den Wünschen nach Vereinigimg Siebenbürgens, der Mihtärgrenz-Dist riete imd des Temeser Banats, die auch auf dem Landtage zur Berathung kamen, drangen indessen die Stände nicht durch.

Die gewichtige Ansicht des Prinzen Eugen von Savoyen war schon während des Türkenkrieges gegen diesen Gedanken ausschlaggebend ziun Ausdruck gebracht worden. Er hatt^ am 21. Juni 1717 aus dem Feldlager vor Belgrad bereits an den Hof- kriegsrath geschrieben *) : „Auf welche AVeise die Einrichtung des Temesvärer Banats dermalen angetragen imd mit einer löblichen kaiserlichen Hofkammer conferentiaUter einverstanden wurde, Lst mir wohl erinnerlich und lasse ich dahin gestellt sein, ob und wie die quaestio reincorporationis ad Hungariam bis nach dem Frieden zu verschieben und alsdann ein endlicher Schluss abzufassen sei. Indessen bin und bleibe ich der unveränderlichen Meinung, dass weder die gegenwärtigen (Kriegs-) noch die zukünftigen Friedens- umstände die Incorporirung mit dem gedachten Königreich, wohl aber die Art einer abgesonderten Provinz wie Siebenbürgen, cum reservatione domini supremi territorialis et secundi terrestris, zu Ihro kais. Majestät Dienst anrathen können, also zwar, dass, wenn ein anderes System abgefasst (wird), weder dem kaiserlichen Aerar ein Nutzen, dem Land eine gute Einrichtung und noch weniger persördiche wie öffentliche Sicherheit anzuhoffen ist, worüber nicht nur die verschiedenen Ursachen, sondern hauptsächlich die ver- flossenen Zeiten ein Melu'eres bestätigen werden."

Diese Beurtheilung der Frage blieb auch jetzt noch die mass- gebende.

Die selbstständige Meinungsabgabe des siebenbürgischen Land- tags wurde indessen von Seite der Ungarn als ungesetzlich betrachtet und dagegen protestiert.

») Feldzüge de« Prinzen Eugen von Savoj^en, XVII. Band. Supplement Nr. 70.

Digitized by

Google

45

Erst im folgenden Jahre wurde die Erbfolge-Ordnung auch den Ständen in den österreichischen Niederlanden vorgelegt. Am G. Juli 17*23 versammelten sich jene von Brabant, am 22. August die von Flandern.

Bemühungen von französischer Seite, die Anerkennung zu hindern, blieben erfolglos, die beiden Stände nahmen die Erbfolge- Ordnung wie den Grundsatz der Untheilbarkeit der Länder sowohl innerhalb wie ausserhalb des römischen Keiches ohne Bedingung an. Die Stände sprachen indessen die Bitte aus, der Kaiser möge diese Successions- Ordnung in allen Königreichen, Provinzen und Erblanden „als ein unwiderrufliches und unveränderliches Gesetz*' pubUcieren lassen. *) Dass dies mit Rücksicht auf die Verfassung in den Erblanden wie in Ungarn nicht wolil in dieser Form geschehen könne, beachtete man in den Niederlanden nicht, doch liess Carl VI. in den Niederlanden durch ein Patent vom 6. De- cember 1724 die Erbfolge-Ordnung in Gi^setzesform am 15. Mai 1725 durch den Statthalter ad Interim Grafen Dann in Brüssel ver- öffentlichen.

Dieser in den Niederlanden publicierte Gesetzesact wird irr- thümlich häufig als die eigentliche endgütige Formulierung der „Pragmatischen Sanction" angesehen und hat als solche selbst in officiellen Gesetzessammlungen der neuesten Zeit noch Aufnahme gefiinden. *)

Im Herzogthum Mailand wurde das Gesetz über die Thron- folge-Ordnung in einem Patent vom 14. März 1725 durch den Gouverneur Grafen Colloredo kimdgemacht.

Die Anerkennung der pragmatischen Sanction durch die fremden Mächte und das lleich.

Es schien Kaiser Carl VI. wichtig, die Anerkennung des weiblichen Tlironfolgerechtes in directer Linie in den habsburgisclien Ländern nicht nur in seinen Erblanden festgesetzt zu sehen, sondern sie auch von Seiten der fremden Mächte zu erlangen.

Es ist wohl nicht zu bezweifeln, dass ein gewisser Unterscliied in den Absichten festzuhalten sein dürfte, von welchen die

*) Nach Mayer, Die letzten Habsburger. U, 80. ^ Siehe Anhang. II.

Digitized by

Google

46

Forcierungen an die Erblande und jene an die fremden Mächte geleitet sind. Die Erbfolge nach der Primogenitur auch in weib- licher Linie ist der nach beiden Seiten hin überwiegende Haupt- zweck, die Untrennbarkeit der Länder aber konnte wohl nur im Sinne einer gegenseitigen Zusage des Kaisers und der Erblande, wie Ungarns, einen vertragsmässigen Ausdruck finden, von den fremden Mächten indessen doch nur etwa als Zusage einer Garantie, einer Hilfeleistung, wenn ein fremder Eroberer sich dieses oder jenes Theiles des habsburgischen Besitzes bemächtigen wollte, auf- gefasst werden. Eine absolute Sieherstellung der Untrennbarkeit der österreichischen Länder aber koimte kein fremder Staat bieten und darauf da und dort etwa hinweisende Vertragsstellen sind diplomatische Formeln und Redewendungen im übertreibenden Style der Zeit, die aber doch das wirkliche und erreichbare Mass der Sicherstellung nicht zu vergrössern oder zu erweitem ver- mögen.

Der Werth der Zustimmung der fremden Mächte zu der Erb- folge-Ordnung Carl VI. bestand gewiss mehr in der in solcher Anerkennung liegenden bindenden Zusage, den Erbbesitz nicht aus Gründen der Erbfolge oder der Auftheilung selbst angreifen zu wollen; die Veimeidung aller Kriege überhaupt imd selbst Verluste einzelner Provinzen gelegentlich solcher konnte Carl VI. wohl kaum von der Garantie seiner Successions-Ordnung durch die fremden Staaten erhoffen wollen.

Carl VI. trat an die fremden Mächte nicht erst nach der erlangten Einigung mit seinen eigenen Ländern heran, wenn auch die massgebendsten Verhandlungen in dieser Richtung wirklich erst nach VoDendung der internen erfolgte. Aber principielle Anerkennungen der neuen östeiTeichischen Erbfolge-Ordnung finden sich sjßhon in den Friedensschlüssen von Rastatt vom 17. März und Baden vom 7. September 1714, also schon bald genug nach der ersten öffentUchen Kundgebimg des Kaisers über seine beab- sichtigte Thronfolge-Ordnung.

Im Artikel XIX des Rastatter Friedens-Instnmients trat Frankreich die spanischen Niederlande an den Kaiser ab, um sie „selbst wie seine Erben und Nachfolger von jetzt und für immer ganz und imangefochten" zu besitzen, „selon Tordre de succession ötabli dans la maison d'Autriche". ^)

») Feldzüge des Prinzen Eugen, XV, 575. Anhang 19. Friede zu Rastatt.

Digitized by

Google /

47

Und mit denselben Worten bekräftigt der XIX. Artikel des Friedens zu Baden ^) die Anerkennung der Erbfolger im Hause Oesterreich „nach dessen Successions-Ordnung".

Eine weitere Bestätigung fand das Erbrecht der österreichischen weiblichen Descendenz in dem IV., V. und VII. Artikel des am 2. August 1718 zwischen dem Kaiser, Frankreich, England, den Generalstaaten und Sardinien zu London geschlossenen Allianz- vertrags, nicht weniger durch den 1725 zwischen dem Kaiser und Spanien geschlossenen Frieden zu Wien. ^

Der fortwährende Wechsel der politischen Scene in jenen Jahren imd die Unsicherheit aller Bündnisse und Verträge veran- lassten den Kaiser nun, eine ausschliesslich der Erwirkung allseitiger Zustimmung der Mächte zu den Bestimmungen der Erbfolge-Ordnung gewidmete politische Action einzideiten.

Nachdem schon auf dem Congress zii Cambray 1722 1724 die Erbfolgefrago in OesteiTeich berührt worden war, kam nach dem Bruche Spaniens mit Frankreich, der in der rücksichtslosen Zurücksendung der zur Braut des jungen Königs Ludwig XV. bestimmten Infantin, einer Tochter Philipp V. und der Königin Elisabeth Farnese am 5. Mai 1725 nach Spanien, einen hässlichen Ausdruck fand, eine rasche Annäherung Spaniens an den Kaiser zu Stande, die schon am 30. April 1725 zum „Wiener Bündniss'^ führte.

In demselben wurden die Bestimmungen der Quadnipel-Allianz bestätigt; König Philipp erkannte die Eechte Carls VI. auf die Niederlande, Mailand, Neapel und Sicilien an und gai'antierte feierlich die Aufrechthaltung der pragmatischen Sanction, wogegen Carl VI. seinen Hechten auf Spanien und der Anwartschaft auf Parma, Piacenza und Toscana entsagte. ^) Die Anerkennung wurde wiederholt 1731.

Nach langwierigen Verhandlimgen wurde auch ein Vertrag zwischen dem Kaiser imd Kussland einerseits, Dänemark anderer- seits zustande gebracht. Die Mächte garantierten einander ihre Be- sitzungen und verj)flichteten sich, im Falle die eine oder andere angegriffen würde, einander entweder auf diplomatischem Wege.

») Feldzüge des Prinzen Eugen. XV. 592.

") Olenschlager, Geschichte dos Interregni nach Absterben Carl VI, Frankfurt 1742. I. Bd.

') Der Vertrag bei Dumont, Corps universel diplomatique. VIII, II, 106.

Digitized by

Google

48

oder, falls dies resnltailos bleiben sollte, mit den Waffen zu Hilfe zu eilen. Im Artikel IV hiess es ausserdem, dass „Se. Königl. Majestät zu Dänemark, Norwegen .... für Sich, dero Erben und Nachkommen beiderlei Geschlechts, die in dem durchlauchtigsten Erzhause Oesterreich eingefulirte und von Se. Köm. Kais, und Kath. Maj. unter dem 19. April 171H erklärte, auch nachher von Dero gesammten Erb-Königreichen und Landen mit dem' submissesten Dank angenommenen Erbfolge-Ordnung zu garantieren und deren imveränderliche Beibehaltung gegen Alle und Jede kräftig(?rmassen maintenieren zu helfen; dergestalten, dass Se. Königl. Maj. zu Dänemark, Norwegen, dero Erben und Nachkommen, diese Garantie so oft zu leisten sich verbinden und anheischig machen, als ent- weder Se. Eöm. Kais, imd Kath. Maj. in Lebzeiten oder nach dero zeitlichem Hintritt .... deroselben Erben und Nachkommen zuwider erwähnter den 19. April 1713 erklärter Erbfolge-Ordnung in dem Besitz Dero sämmtlichen in und ausser Reichs gelegenen Erb-Königreichen und Landen, oder eines derselben, nirgends und nichts davon ausgenommen, von Jemandem, wer dergleichen sei, würden beunruhiget, angegrilfen worden."

Ratificiert wurde dieser Vertrag diu*ch die Kaiserin Anna Iwanowna am 10. Juni 1732.')

Von Seite Preussens geschah die Anerkennung der Prag- matischen Sanction im „Geheimen Berliner Tractat" vom 23. De- cember 1728, Artikel 11. ,, Gleichwie Sr. Königl. Majestät in Preussen glorwürdige Vorfahren in denen mit dem durchlauchtigsten Erz- hause Oesterreich vorhin emchteten Allianz-Tractaten, als nämlich in dem Tractat de anno 1()86, Ali:. I imd II, damals regierender Rom. Kais. Majestät auch namentlich Derselben Erben und Nach- kommen, Königen und Erzherzogen, alle Dero Erb -Königreiche und Lande in und ausser Reichs zu garantieren übernommen haben, Avollen Ihro Königl. Majestät in Preussen nicht allein vermeldete Garantie hiemit erneuert und wiederholt, sondern auch noch über das, fiir sich, Dero Erben und Naclikommen, zur Leistung sothaner Garantie, in Ansehmig aller mid jeder von Ihro jetzt regierenden Rom. Kais. Majestät, so in als ausser Reichs besitzenden Erb-König- reichen und Länder, und zwar in specie nach der von Allerhöchst- gedachter Ihrer Kais. Majestät unterm 11). April 1713 erklärten imd bestätigten, auch nachgehend von denen gesammten Erb-König-

*) Mertens, Recueil des Traites. 1. 50 f.

Digitized by

Google

49

reichen und Ländern mit submissestem Dank angenommenen Erb- folge-Ordnung, auf das Kräftigste sich verbunden haben ; also und dergestalt, dass Se. Königl. Majestät in Preussen, Dero Erben und Nachkommen Ihro Kais. Majestät, auch Dero Erben und Nach- kommen beiderlei Geschlechts, wie sich dieselben nach Massgebung obvermeldeter Erbfolge-Ordnung der Succession nach und nach zu erfreuen haben, ermeldete Garantie so oft zu leisten schuldig und gehalten sein sollen, als entweder Ihro Kais. Majestät in Lebzeiten oder nach Dero zeitlichem Hintritt (welchen Gott der Allmächtige lange Zeit in Gnaden verhüten und abwenden wolle) Deroselben Erben und Nachkommen beiderlei Geschlechts zuwider vorerwähnter, anno 1713 erklärten Successions-Ordnung, in dem Besitz Dero sämmt- lichen, in und ausser Reichs gelegenen Erb-Königreiche und Lande oder eines dererselben, nirgends und nichts ausgenommen, von Jemand, wer der gleich sein würde, beunruhigt, angefallen und angegriffen werde."

„Herentgegen", als* Gegenleistung garantierte Carl VI. für sich und Nachfolger die preussische Succession, „wie selbige nach denen dermaUgen bekannten Verfassungen des königl. preussischen und churbrandenburgischen Hauses^' zu erfolgen habe.

Im V. Artikel verwahrte sich Preussen gegen einen Uebergang des Pfalz-Neuburg'schen Erbes in Jülich und Berg an einen Pfalz- Sulzbach'schen Prinzen, die folgenden Artikel hielten die Rechte und Ansprüche Preussens auf diese Länder aufrecht und verein- barten das in dieser Frage einzuhaltende gemeinsame Verfahren.

Im XTT. Artikel wiederholte König FriedrichWilhelmL die Uebemahme der vollen Garantie der pragmatischen Sanction nochmals und versprach, mit dem Kaiser „in und ausser Reiches für einen Mann stehen" zu wollen.

Der XTTT. Artikel aber bedang, dass, wenn Einer der Vertrag- schliessenden oder der Nachkommen gegen diesen Vertrag handeln würde, „der andere Theil an nichts, was in den gegenwärtigen Tractaten enthalten ist, verbunden sein soll." *)

Die Unmöglichkeit, die Jülich'schen Ansprüche im Sinne Preussens zu erledigen, gab den Anlass, aus diesem Artikel XTTT die Ungiltigkeit der Garantie Preussens zu deducieren.

Eine zweite Anerkennung der pragmatischen Sanction durch Preussen fand 1 732 ohne Vorbehalt einer eintretenden Ungiltigkeit des Vertrages statt, als es sich als Mitstand des Römischen Reiches

') Förster, Friedrich Wilhelm I., König von Preussen, n, 216. Oeiterreiohisoher Brbfolgekrieg^. I. Bd. 4

Digitized by

Google

BO

dessen Garantie- und Anerkennungs-Erklärung beim Reichstag in Regensburg anschloss.

England und die Generalstaaten übemahmen die förmliche Garantie der pragmatischen Sanction im 11. Artikel des Wiener Tractats vom 16. März 1731. Sie erklärten: „dass, nachdem von Ihrer Kais. Majestät öfters remonstriert worden, dass die all- gemeine Ruhe nicht lange bestehen und dauern und man kein sicheres Mittel, das Aequilibrium in Europa zu erhalten, finden könnte, als eine Vertheidigung, eine Verbindung, eine Gewähr, oder, wie man zu sagen pflegt, eine General-Garantie gegen Ihre Kais. Majestät, wegen der Ordnung Ihrer Succession, wie selbige durch die kaiserliche Declaration von 1713 reguKert und in dem durchlauchtigsten Hause Oesterreich angenommen worden, so nähmen Ihro Majestät der König von Grossbrittannien und Ihro Hochmögenden, die Herren Generalstaaten der vereinigten Nieder- lande, aus Antrieb eines eifiigen Verlangens, die allgemeine Ruhe zu versichern und das Aequilibrium von Europa zu erhalten, wie auch in Ansehung der in folgenden Artikeln etablierten Conditionen und die über alle Massen dienlich sind, zu dem einen und andern Zweck zu gelangen, kraft des gegenwärtigen Artikels die General- Garantie oben besagter Successions- Ordnung auf sich und ver- obUgieren sich, dieselbe aUemal, wenn es die Noth erfordert, wider wen es auch sein möchte, zu soutenieren und versprechen folglich auf die allemachdrücklichste Art, als immer mögHch, diese Suc- cessions-Ordnung, welche Ihre kais. Majestät durch eine solenne Acte vom 19. April 1713, *) nach Art eines einigen, unzertrennlichen imd untheilbaren Fideicommissi, in Faveur der Erstgeborenen vor alle Erben beiderlei Geschlechts Ihrer Majestät declarieret und etabheret, aus allen Kräften zu vertheidigen, zu maintenieren und, wie man sagt, zu garantieren, aUemal, wenn es die Noth erfordert und wider wen es auch sein möchte."

„Alle Classen und Stände aller Königreiche, Erzherzogthümer, Fürstenthümer, Provinzen und Domänen, so dem durchlauchtigsten Haus Oesterreich erbrechtlich zugehören, haben gedachte Acte

*) Die Berufung auf den Act vom 19. April 1713 als massgebend für Begriff und Formulierung der pragmatischen Sanction in diesem Wiener Tractat ist ein Beweis dafür, dass jene Publication der Sanction vom Jahre 1724 von Seite des Kaisers keineswegs als die eigentliche und authentische Urkunde über die Sanction angesehen wurde, als welche sie irrigerweise heute noch manchmal betrachtet wird.

Digitized by

Google

51

allsobald einhelliglich angenommen, sich derselben mit aller Demuth und mit Danksagung unterworfen und sie in die Protooolle getragen, ^ als welche die Kraft eines Gesetzes und einer pragmatischen Sanction hat, welche auf ewig in aU' ihrer Kraft bestehen soll. Und da vermöge dieser Eegel und Successions-OrdAung, faUs Gott nach seiner Barmherzigkeit Ihrer Kais. Majestät männliche Erben geben sollte, der Erstgeborene Ihrer Prinzen, oder wenn dieser vor Ihro Kais. Majestät mit Tod abgienge, des Erstgeborenen ältester Sohn, und wenn nach Ihrer Kais. Majestät keine von Deroselben her- stammende männliche Linie übrig bliebe, die älteste Ihrer Prin- zessinnen, die durchlauchtigsten Erzherzoginnen von Oesterreich nach der Ordnung und dem Eecht der Erstgeburt, welches man jederzeit unzertheüt beobachtet, Ihrer besagten Kais. Majestät in aUen Dero Königreichen, Provinzen und Domänen, so wie sie die- selben wirklich besitzt, ohne dass man jemals befiigt sein könnte, dieselben in Faveur der- oder dererjenigen, welche, sie seien männlich oder weibKch, von der andern, dritten oder weiter hinausgesetzten Linie sein werden, oder endlich aus was für einer andern Ursache es sei, zu zertheilen oder zu zertrennen, succedieren soll ; und eben diese Ordnung und unzertheilbares Recht der Erstgeburt in allen Fällen und Altem, sowohl in der männlichen Linie Hiro Kais. Majestät, wenn Ihr Gott dieselbe verwilliget, als auch in der weib- lichen Linie Ihrer Kais. Majestät, nach Absterben der männlichen oder endlich in allen Fällen, da es auf die Succession derer König- reiche, Provinzen und Erb-Domänen des durchlauchtigsten Hauses Oesterreich ankommen wird, auf ewig soll gehalten und beobachtet werden, so entsprechen und verbinden sich Ihro Majestät der König von Grossbrittannien und Ihre Hochmögenden, die Herren General- staaten der vereinigten Niederlande, denjenigen oder diejenige, welcher oder welche, nach der Kegel und Ordnung, so man anjetzt vorgelegt, in denen Königreichen, Provinzen und Domänen, welche Ihro Kais. Majestät wirklich besitzt, succedieren solle, zu mainte- nieren und verpflichten sich, gedachte Eegel und Ordnung wider alle Diejenigen, welche diese Besitzung, auf waserlei Art es sei, vielleicht möchten troublieren wollen, auf ewig zu defendieren." ') Dieser genau formulierte Vertragsartikel, welcher den ganzen Umfang und Inhalt des unter die Garantie zu stellenden Gesetzes, wie den Umfang und das Mass der Garantie selbst umständlich zum Ausdrucke bringt, ist desshalb von weiterem Belang, weil er

*) Olenschlager, Geschichte des Interregni, I, 19.

4*

Digitized by

Google

52

auch die Grundlage der Berathung für den Reichstag zu Regens- burg zu bilden hatte.

Der Kaiser berief sich auf die Darlegungen dieses englisch- holländischen Vertragsartikels, um auch das Mass der vom Reiche zu übernehmenden Garantie -Verpflichtung deutlich zu bezeichnen.

Am 18. October 1731') wandte sich der Kaiser mit dem Wunsche nach der Garantie der Sanction an das Reich ,,in der gänzlichen und gnädigsten Zuversicht, dass gleichwie die Macht Dero Erz- hauses forthin zur Vormauer der Christenheit, anbei dazu dienen würde, die Freiheit Europas und bevorab des Uro Kais. Majestät so hoch angelegenen werthen Vaterlandes gegen alle fremden Eingriffe und widrige Unternehmungen kräftigst zu vertheidigen, also auch ein jeder patriotisch gesinnte Reichsstand unschwer er- kennen und beherzigen werde, dass von unzertrennter Erhaltung solcher Macht seine selbsteigene, nebst der allgemeinen Sicherheit und Wohlfahrt abhänge.'*

Der kaiserliche Principal-Commissär Graf Fürstenberg übertrug für die Verhandlung über die Anerkennung der pragmatischen Sanction beim Reichstag den Vorsitz an Salzburg.

Auf dem Regensburger Reichstag legte S Izburg dieses kaiser- liche Verlangen befürwortend zur Berathung vor.

Bayern erklärte sofort, dass eine Garantie für die Niederlande oder Italien dem Reiche nicht zugemuthet werden könne, Ungarn aber ein „absonderlich Königreich und für der Deutschen Vaterland gar nicht zu rechnen", die deutschen Lande aber ohnehin durch den Reichsverband genügend garantiert erschienen. Es lehnte eine Garantie unbedingt ab.

Magdeburg stimmte für Brandenburg- Culmb ach filr die Garantie, im Namen Preussens erklärend, dass der König sein Votum „hiemit von ganzem und willigem Herzen dazu ertheilt haben wollten, auch bedürfenden Falles zu wirklicher Prästierung solcher Garantie als ein getreuer Reichsstand und Ihrer Rom. Kais. Majestät und Dero d\u*chlauchtigsten Erzhaus ganz getreuesten Freund mit willigster Darsetzung Guts und Bluts zu leisten und beizutragen nicht mangeln würde."

Beinahe einhellig, Bayern imd Leuchtenberg ausgenommen, votierte der Reichstag die verlangte Garantie, im Reichsgutachten vom 11. Januar 1732 den Bescliluss niederlegend: „In Dero so

*) Acta publica, I, Nr. VII.

Digitized by

Google

53

gerecht, als höchstbilliges zu des gesammten deutschen Reichs höchsteigener Conservation, Heil und Besten gereichendes Ver- langen und Gesinnen der Garantie oder Gewährung der in Ihrem durchlauchtigsten Erzhause eingeführten und von Deroselben unter dem 19. April 1713 erklärten Erbfolge-Ordnung in allen von Gott ver- liehenen dermal besitzenden Erb-Königreichen und Landen auf Mass und Weise des IE. Artikels des zwischen Allerhöchst erwähnter Kais. Majestät und der Krone England am 16. März des abgewichenen 1731. Jahres geschlossenen Tractats etc. von Reichswegen, wie hiemit beschiehet, zu gehelen, zu consentieren und zu übernehmen, mithin so oft, als Der- oder Diejenige, welchem oder welcher die Succession nach Mass obgedachter Erbfolge-Ordnimg gebühren würde, in dem Besitz einiger von Ihro Kais. Majestät dermalen innehabenden Erb-Königreichen und Landen auf einigerlei Weise angefochten werden sollten,Der- oder Dieselbe gegen jedermänniglich, der etwa solche unzertrennliche Posessionen zu stören oder zu tur- bieren sich anmassen würde, zu allen Zeiten mit allen Kräften zu schützen, zu maintenieren, auch bedürfenden Falles zu wirkUcher Vollziehung solcher Reichs-Gewährung das Nöthige demnächst zu- verlässig zu leisten und zu prästieren sei, da hingegen das Reich auch auf alle unverhoffte widrige feindliche Gefahr und Angriff sich einer mitverbundenen nöthigen Beihilfe getröstete."

Ln Churfürsten-CoUegium kam es dann noch zu Zwistigkeiten.*) Chur-Bayem und Chur-Sachsen protestierten schon gegen die Ab- gabe des Reichsgutachtens, auch Chur-Pfalz machte Schwierigkeiten, aber Chur-Maynz, Trier, Cöln, ebenso wie Chur-Brandenburg imd Chur-Braunschweig gaben ein einmüthiges Votum und eine Ver- wahrung gegen das nachträgliche Bemängeln des „vom gesammten Reich" errichteten Gutachtens ab und verliessen die Sitzung, die protestierenden drei Churstimmen allein zurücklassend ^).

Der Kaiser ratiiicierte am 3. Februar 1732 mit Versicherungen seines Dankes das Reichs -Gutachten und die damit gewährte Garantie.

Am 3. October 1735 wurde der Präliminarfrieden ^) zwischen dem Kaiser und Frankreich in Wien unterzeichnet, in welchem der

*) Acta publica, I, Nr. X.

«) Acta publica, I, Nr. XI.

•) Das Friedens-Instrument in lateinischer Sprache. In deutscher Ueber- setzung zuerst veröffentlicht bei Olenschlager, Gescliichte des Inter- regni, I, 2i.

Digitized by

Google

54

Kaiser an den spanischen Infanten Don Carlos Neapel und Sicilien, an den König von Sardinien das Herzogthum Mailand, an König StanislausLesczynski das Herzogthum Lothringen überliess, dessen Besitzer hiefiir Toscana erhalten sollte. Als Gegen- leistung für diese grossen Opfer, die allerdings der nicht mit Glück geführte Krieg der polnischen Thronfolge wegen, überwiegend bedingte und unvermeidlich machte, versprach Frankreich die Gewähr und den Schutz der pragmatischen Sanction mit der Zu- sage, auch Spanien und Sardinien hiezu zu veranlassen.

Beim definitiven Frieden zu Wien am 18. November 1738 wurde die Garantie der Sanction durch Frankreich im Artikel X genau bestimmt imd festgesetzt.

„Es beziehet sich gleichfalls auf das, worüber man bereits schon mit einander übereingekommen ^), die von Sr. Allerchrist- lichsten Majestät auf die beste Weise, als solches nur immer sein kann, vermöge des VI. Artikels der Präliminarien, in Ansehung der von Ihro Kais. Majestät sowohl bereits damals zum Theil inne- gehabten, als auch zum Theil in Conformität sothaner Präliminar- Artikel in Besitz zu nehmenden Landen übernommene Beschützung und Gewährung, welche insgemein die Garantie der Erbfolge in dem Hause OesteiTeich genannt wird und in der am 19. April 1713 publicierten pragmatischen Sanction weitläufig erklärt zu finden ist.

Denn, nachdem man reiflich erwogen, dass die allgemeine Ruhe von keiner allzulangen Dauer und Bestand sein und man zur Erhaltung eines dauerhaften Gleichgewichtes in Europa kein sichereres Mittel, als die Handhabung obgedachter Erbfolge-Ordnung ausfindig machen könnte^): „so sind Se. Allerchristlichste Majestät sowohl durch ein eifriges Verlangen, den allgemeinnn Ruhestand zu beschützen und das Gleichgewicht von Europa zu erhalten, als auch in Betrachtung derjenigen Friedensbedingungen, welche Ihro Kais. Majestät ein- gegangen, bewogen worden, fürnehmlich aus dieser Ursache auf die allerbeständigste Weise (quam validissime) obbesagte Erbfolge- Ordnung verbindlich zu machen. Auch damit sich nicht der geringste Zweifel in Ansehimg der Wirklichkeit dieser Versicherung oder Garantie künftighin erheben möge, so verpflichten sich hoch-

') Im Präliminarfrieden.

*) Man sieht, dass die österreichischen Staatsmänner bemüht waren, in allen Verträgen eine gewisse Gleichartigkeit der Begründung, wie der Formulierung zur Geltung zu bringen ; wohl, um der Garantie der fremden Staaten eine grössere Einheitlichkeit und damit, vermeintlich wenigstens, Festigkeit zu geben.

Digitized by

Google

55

besagte Se. Allerchristlichste Majestät, in Kraft gegenwärtigen Artikels, diese Gewährleistung oder sogenannte Garantie, so oft und so viel es nöthig sein dürfte, zur wirklichen Vollstreckung zu bringen, wobei dieselben für sich, Ihre Erben und Nachfolger auf die beste und beständigste Weise, als solches immer geschehen kann, hiemit versprechen, diese Erbfolge-Ordnung, so Ihro Kais. Majestät in der Form eines ewigwährenden, unzertrennlichen und untheilbaren Fideicommisses, zum Vortheil der Erstgeburt für Ihro Majestät sämmtliche Erben beiderlei Geschlechts, vermittelst der unter dem 19. April 1713 errichteten und am Ende des gegen- wärtigen Tractats beigefügten feierlichen Acte festgestellt und erklärt haben und welche in Kraft eines Gesetzes und ewig geltenden pragmatischen Sanction, deren Beschützung oder soge- nannte Garantie das heilige Römische Reich vermöge des am 11. Januar 1732 ergangenen Reichs-Schlusses über sich genommen, denen öffentlichen Urkunden einverleibet worden, mit aller Ihrer Macht zu unterstützen und wider Alle und Jede, so oft es die Noth erfordern wird, wie man zu sagen pflegt, zu garantieren.'*

Der Schluss des Artikels ist die sinn- und wortgetreue Wieder- holung des n. Artikels des Wiener Tractats vom' 16. März 1731 mit England und den Generalstaaten.

Kaiser Carl VI. ist ob seiner langjährigen rastlosen Be- mühungen um die Anerkennung der pragmatischen Sanction, ob seiner grossen und zahlreichen Opfer für dieselbe viel getadelt worden. Es wird versichert, dass Prinz Eugen ihm den Rath erth.eüt habe, die Erbfolge seiner Tochter durch ein starkes und tüchtiges Heer und einen wohlgefiillten Staatsschatz zu sichern, statt Versprechungen zu erkaufen, die Niemand halten werde.

Die Meinung mochte der Prinz wohl haben, wenn auch der Ausspruch nicht nachweisbar ist. Es ist aber ebensowenig ein Beleg dafür vorhanden, dass er ein Gegner der Politik des Kaisers in dieser Frage gewesen.

Die Bemühungen des Kaisers, durch feierliche Verträge und sorgsame Berücksichtigung aller vorhandenen Rechte der eigenen Länder, wie der fremden Höfe die Thronfolge zu ordnen und im Frieden zu begründen, führten nicht zu dem erhofften Ziel. Trotz- dem darf ihr Werth auch nicht ganz unterschätzt werden.

*) Arneth, Prinz Eugen von Savoyen, III, 166.

Digitized by

Google

^6

In wahrer Weise zeichnet Arneth die Bedeutung und den Werth der moralischen Erfolge für die Befestigung der Sanction, welche Carl VI. doch erworben hat. *)

„Durch einen Zeitraum von fast dreissig Jahren gewöhnten sich die österreichischen Erbländer daran, dasjenige Gesetz, welches ihnen fortwährend als die Grundlage ihres öflentlichenllechtszustandes hingestellt wurde, auch als solche anzuerkennen.'*

Es „blieben auch hinsichtlich der fremden Staaten die zahl- reichen Opfer des Kaisers, die Anerkennung der pragmatischen Sanction zu erwirken, trotz des fast allgemeinen Treubruchs, in welchem nach seinem Tode die Mehrzahl dieser Mächte sich ver- einigte, nicht ohne alle günstige Wirkung. Mit welch' anderem Nachdruck hätten die Prätendenten aufzutreten vermocht, wenn sie nicht feierliche Zusagen gebrochen, wenn sie selbst, wenn Andere an ihr vorgebliches Recht geglaubt hätten. Jedem Un- parteiischen war es klar, dass sie zu ihrer Handlungsweise durch die Habsucht und die Begierde nach Ländergewinn getrieben wurden. Und daher neigten sich denn auch die Sympathien aller derjenigen, die noch einen Funken der Achtung bewahrten für Recht und Gesetz, lebhaft zu der erlauchten Fürstin, welche sie in ungerechter Weise angegriffen sahen. Dieses Gefühl aber war ein mächtiger Verbündeter Maria Theresia's und dass es all- gemein vorherrschte in Europa, daran hatten die vorsorglichen Bemühungen Carl VI. wohl den wesentKchsten Antheil.''

(V. Wetzer,)

Digitized by

Google

Die Verfassung und Verwaltung

der

Deutschen Erblande, der Niederlande und der Besitzungen

in Italien.

Digitized by

Google

Digitized by

Google

Uer habsbui'gische Länderbesitz im Ausmasse von 10.431*29 geographischen Quadratmeilen oder 574.375 Quadrat-Kilometern, wie er zur Zeit des Todes Carl VI. bestand, bildete kein einheitliches Staatswesen mit gemeinsamen Gesetzen und Verwaltungsformen, sondern eine Reihe von Ländergruppen, welche miteinander in einer engeren oder loseren Verbindung standen und zum Theil nur durch die Gemeinsamkeit des Herrschers und die Bestimmungen der pragmatischen Sanction zu einem Ganzen verbunden waren. Durch die Art und die Umstände ihrer Erwerbung waren aus dem habsburgischen Hausbesitze oder den „gesammten Erb-Königreichen und Landen", wie sie officiell gewöhnlich genannt wurden, fünf politisch und administrativ von einander getrennte Ländergruppen mit mehrfachen ünterabtheilungen entstanden, nämlich:

L Die österreichischen Erblande, die Stammlande der Monarchie, aus welchen sich durch die vorausgegangenen Erbtheilungen und die dadiu*ch bedingte administrative Trennung drei Unter- Abtheilungen gebildet hatten: 1. Nieder-Oesterreich, be- stehend aus dem Erzherzogthum Oesterreich unter und ob der Enns; 2. Liner-Oesterreich, d. i. die Herzogthümer Steyermark, Kämthen, Krain mit dem dazu gehörigen Theile von Istrien, die Grafschaften Görz und Gradisca, nebst deren Confinien und den Gebieten von Triest und Fiume oder dem österreichischen Litorale ; 3. Ober- und Vorder-Oesterreich, nämlich Tyrol, Vorarlberg und die Vorlande, d. i. der Breisgau mit dem Hauptorte Freiburg, das obere Eheinviertel mit den vier „Waldstädten'' Laufenburg, Rheinfelden, Säckingen und Waldshut, dann in Schwaben die Grafschaften Burgau, Nellenburg, Hohenberg und Thengen, die obere und untere Landvogtei Schwaben, die Donaustädte Munderkingen, Waldsee, Sulgau, Eieblingen, Mergen, fem er die Orte: Constanz, Steckbom, Radolfzell, Schelklingen, Ach, Ehingen und Vehringen.

Digitized by

Google

60

n. Die böhmischen Erblande, nämlich 1. das Königreich Böhmen mit der Grafschaft Glatz, dem Egerlande und dem Bezirke Elbogen, 2. die Markgrafschaft Mähren und 3. das Herzogthimi Schlesien.

Die österreichischen und die böhmischen Erblande zusammen heissen die deutschen Erblande oder kurzweg „die Erblande".

m. Die Länder der ungarischen Krone, d. i. die König- reiche Ungarn, Croatien und Slavonien, das Fürstenthum Siebenbürgen und das Temeser Banat.

rV. Die österreichischen Niederlande, bestehend aus den Herzogthümem Brabant, Limburg, Luxemburg und Geldern, den Grafschaften Flandern, Hennegau, Namur und Mecheln^ endlich die Herrschaft Doomik oder Toumay; die Grafschaft Mecheln wurde jedoch gewöhnlich zu Brabant, die Herrschaft Tournay oder Doomik zu Flandern gerechnet.

V. Die österreichischen Besitzungen in Italien, nämlich ein Theil des Herzogthums Mailand, dann die Herzogthümer Mantua, Parma und Piacenza.

Ebenso mannigfaltig und verschieden, wie die unter dem Scepter Kaiser Carl VI. vereinigten Länder und ihre Bewohner, war die Verfassung und Verwaltung der einzelnen Länder und Landestheile. Hatte auch in dem jahrhundertelangen Streite zwischen den Landesfilrsten und den Ständen die Landeshoheit der ersteren den Sieg davongetragen, so war doch der Inhalt und Umfang der landesfiirstlichen und ständischen Rechte fast nirgends der gleiche. Neben Verwaltvmgsgebieten ohne Stände und Stände- versammlungen, z. B. den im Passarowitzer Frieden erworbenen Territorien, fanden sich solche mit schwachen Resten ehemaliger ständischer Herrlichkeit bis zu solchen mit ausgedehnten Rechten der Stände, wie z. B. in Ungarn und den Niederlanden. Diese länderweise verschiedenen Verfassungen hatten auch eine nach Ländern und Landestheilen gesondeite Verwaltungsform zur noth- wendigen Folge : hier gab es nur landesfiirstliche, dort neben diesen auch ständische Verwaltungsbehörden und Organe. Es bestand weder eine einheitliche Staatsverfassung, noch eine gleichartige StEiats Verwaltung, sondern nur Landesverfassungen imd Landesverwaltungen, zwischen denen durch die Person des gemeinsamen Landesftirsten und seine persönliche Einflussnahme auf die obersten Regierungsgeschäfte, dann auch durch die zwischen einzelnen Ländern und Ländergruppen geschlossenen Vereinbarungen

Digitized by

Google

61

und Einigungen der unumgänglielist nothwendige Zusammenhang und die unerlässlickste Uebereinstimmung in den wesentlichsten Gesichtspuncten hergestellt wurde. „Wer die österreichische Ver- waltung bis 1748 übersieht, dem rollt sich das Bild einer gross- artigen Unordnung auf, aber es war eine historische Unordnung, das Product von Jahrhunderten, das mit seinem Wurzelwerk in dem gesellschaftlichen Boden früherer Zeiten festgewachsen war, nun aber vielfach verbraucht, vermorscht sich zeigte'' *).

Die österreichischen Erblande hatten ihre Behörden- und Verwaltungs-Organisation von Maximilian I. und Ferdinand I. erhalten, zu ihnen kamen im Jahre 1526 die Länder der böhmischen Krone und ein Theil des Königreiches Ungarn und seiner Nebenländer mit eigener Verwaltung. Während aber die Länder der böhmischen Krone als ein Ganzes und auf einmal neben die altösterreichischen Länder traten und ihren fertigen Verwaltungs - Organismus mit- brachten, gelangten die Länder der Stephanskrone nur stückweise im Verlaufe von zwei Jahrhunderten an das Haus Habsburg und die näheren Umstände der einzelnen Erwerbungsphasen machten stets eine Aenderung oder Neueinrichtung der Verwaltung des betreffenden Landestheiles nöthig, so dass Ungarn und seine Nebenländer zur Zeit Carl VL in eine Reihe von einander vollständig getrennter und selbstständiger Verwaltungsgebiete zerfiel. Ebenso verhielt es sich mit den als Ergebniss des spanischen Erbfolgekrieges er- worbenen niederländischen Provinzen und den Besitzungen in Italien. Die Niederlande besassen von altersher eine ziemlich weit- gehende Autonomie, deren Aufrechthaltung nicht nur verbrieft, sondern auch ein Gebot der Staatsraison war. Li Italien waren die Königreiche Neapel und Sicilien wieder verloren gegangen und der ganze Besitz aus der spanischen Erbschaft bestand in Folge der Verluste und Ländertausche in den letzten Eegierungsjahren Carl VI. nur noch aus einem Theile des Herzogthums Mailand und den Herzogthümem Mantua, Parma und Piacenza, welche ebenfalls ihre alte Verfassung und Einrichtung besassen und keiner der alten Ländergruppen einverleibt werden konnten.

Die von Kaiser Maximilian I. begonnene und von Fer- dinand I. fortgesetzte Einrichtung und Organisierung der Ver- waltungsbehörden hatte unter den folgenden Kaisern im Laufe der Zeiten mannigfache Veränderungen erfahren, so dass zur Zeit Kaiser Carl VI. die politische Landesverwaltung der sämmtlichen zur habs-

*) A. Wolf, „Oesterreich unter Maria Theresia." 212.

Digitized by

Google

G2

burgischen Monarchie gehörigen Königreiche und Länder folgenden obersten Behörden anvertraut war ^) :

Als oberster Rath der Krone bestand seit 1670 die geheime Conferenz unter dem Vorsitze des Kaisers, deren Mitglieder geheime Oonferenzräthe oder auch Minister genannt wurden. Es waren dies die Präsidenten der obersten Hofstellen, die obersten Hofwürdenträger und jene geheimen ßäthe, welche eigens als Mitglieder der geheimen Conferenz berufen wurden.

Je nach der Beschaffenheit der Berathungsgegenstände und der etwa nöthigen besonderen Geheimhaltung wurden entweder alle oder nur einzelne Oonferenzräthe der Berathung beigezogen, in letzterem Falle hiess dieselbe die kleine Conferenz und bestand unter Carl VI. nur aus den Präsidenten der Central-Hofstellen, wesshalb sie mit einem Ministerrathe in modernem Sinne vergUchen werden kann^).

In der Conferenz, welche unter Kaiser Leopold I. bezüglich der äusseren und inneren Staatsangelegenheiten an die Stelle des geheimen Käthes getreten war, wurden alle wichtigen An- gelegenheiten, mochten sie die äussere oder innere Politik, die Landesverwaltung, Krieg oder Frieden betreffen, berathen. Nur in jurisdictionellen Angelegenheiten, wenn der Landesftirst als oberster Eichter in gewissen Fällen selbst Recht sprach, hatte bis zur Schaffung der obersten Justizstelle im Jahre 1749 der geheime Kath wie fiiiher sein Gutachten über die eingelsmgten Processacten abzugeben und der Landesftirst entschied erst nach Anhören des geheimen Raths^.

Die Berathungen der geheimen Conferenz erstreckten sich auf die Angelegenheiten aller Königreiche und Länder und dess- halb waren in derselben auch die Präsidenten der obersten Hof- stellen der Ländergruppen und hervorragende Angehörige der

*) A r n e t h, Maria Theresias erste Eegierungsjahre. A. Wolf, Oesterreich unter Maria Theresia. K r o n e s , Handbuch der Geschichte Oesterreichs. Bidermann, Gescliichte der österr. Gesanuntstaats-Idee. H u b e r, Oesterreichische Reichsgeschichte und Geschichte der österr. Verwaltungs-Organisation. Fellner, Zur Geschichte der Österr. Central- verwaltung (in den Mitth. des Inst. f. österr. Gesch., VII. Bd.) und dessen Bespr. V. B i d e r m a n n's Gesammtstaats-Idee in den Mitth. des Inst, fiär österr. Gesch., XV. Bd. S. 517—531. Seidler, Studien zur Geschichte und Dogmatik des österreichischen Staatsrechtes. Lustkandl, Central- stellen in Oesterreich-Ungam (im österr. Staatswörterbuch) u. A. m.

') S e i d 1 e r, Studien etc., 144.

«) F e 11 n e r, Mitth. des Inst., XV. 529.

Digitized by

Google

63

verschiedenen Theile der Monarchie vertreten. Sie war jedoch keine gemeinsame Centralbehörde, auch kaum ein Ministerrath im modernen Sinne, denn sie bestand nicht aus- schliesslich aus verantwortlichen Ressortministern, sondern sie war der oberste Beirath des gemeinsamen Landesfursten aller Erb-Königreiche und Länder. Die auf Grund der Conferenz-Be- . rathungen gefassten Allerhöchsten EntSchliessungen, respective die Allerhöchst genehmigten Conferenz-Anträge, wurden dem Präsidenten der betreffenden Hofetelle behufs deren Ausführung mitgetheilt. Für besondere Angelegenheiten wurden Commissionen oder Depu- tationen eingesetzt, in welche die mit der Sache vertrautesten Mitglieder berufen wurden. Im Jahre 1721 erhielt die geheime Conferenz eine neue Instruction, nach welcher der erste öster- reichische Hofkanzler als die Hauptperson im Eathe der Krone anzusehen war und fast als Minister der auswärtigen Angelegenheiten erscheint. Der bezügliche Passus der Instruction, woraus sowohl die Stellung der Conferenz, als auch jene des österreichischen Kanzlers in derselben ersichtlich ist, lautet: „Demnach die von meiner Hofkanzlei insonderheit besorgende Staats- und Hausgeschäften, dann auch die, so von meinem Hof- kriegs-, Spanischen und Niederländischen Rath expediert und beob- achtet werden, wie denn auch, wenn einige von der ungarisch- oder böhmischen Kanzlei vorhanden, mich entschlossen habe, selbe in dem Lauf von zwei "Wochen in meiner Gegenwart dreimal (wenn aber die Reichskanzlei zweimal vorkommete, diese auch nur zwei- mal alsdann den Vortrag zu machen hätte) vorzunehmen. Als ist folgendes zu beobachten: I. es wird der erste Hofkanzler einen Extract von den ihm zukommenden Relationen, wie dann ebenfalls eine schriftliche Anmerkung von deme, was die fremden Ministri, so an ihn angewiesen, demselben an und vorgebracht und das ein sowohl, als das andere in der obangeföhrten Conferenz beibringen lind sein mündliches Votum über derselben Enthalt zum ersten vortragen." ^)

Durch die im Jahre 1742 erfolgte Errichtung einer selbst- ständigen Haus-, Hof- und Staatskanzlei für die äusseren An- gelegenheiten und durch die vollständige Neuorganisierung der Behörden im Jahre 1749 und den folgenden Jahren war der Wirk- samkeit der Conferenz und des geheimen Rathes der Boden ent- zogen und im Jahre 1760 errichtete die Kaiserin Maria - ~ - ^ - ^ ^ - «

») Fellner, Mitth. des Inst., XV. 630.

Digitized by VjOOQIC

64

Theresia auf neuer Grundlage und mit einem erweiterten und fester begrenzten Wirkungskreis einen Staatsrat h, der mit wechselnden Befugnissen und wiederholt geänderter Organisation ein volles Jahrhundert bestand.

Die obersten politischen Hofstellen für die verschiedenen Ländergruppen waren in den letzten Regierungsjahren Carl VI. folgende :

1. Die österreichische Hofkanzlei für die öster- reichischen Erblande;

2. die böhmische Hofkanzlei für die böhmischen Erb- lande ;

3. die ungarischeHofkanzlei flir das eigentliche König- reich Ungarn und Croatien;

4. die siebenbürgische Hofkanzlei für das Fürsten- thimi Siebenbürgen;

5. der Hof kriegsrath und die Hof kämme r gemein- schaftlich für die sogenannten neoacquistischen Länder, nämlich das Temeser Banat, Slavonien und vor dem Belgrader Frieden vom 18. September 1739 auch das Königreich Serbien und die fünf westlich der Aluta gelegenen walachischen Districte (die cisalutanische oder österreichische Walachei (ValaKjhia austriaca) *) ;

6. der niederländische Eath flir die österreichischen Niederlande ;

7. der italienische (vor dem Jahre 1737 genannt der spanische) Rath für die kaiserlichen Besitzungen in Italien.

Als Eessort - Hofstellen flir bestimmte Verwaltungszweige fungierten:

a) für die äusseren Angelegenheiten eine besondere Abtheilung der österreichischen Hofkanzlei, welche im Jahre 1742 von der letzteren getrennt und als selbstständige Hofstelle unter dem Namen Haus-, Hof- und Staatskanzlei organisiert wurde. Diese mit der Führung der auswärtigen Geschäfte betraute Ab- theilung der österreichischen Hofkanzlei wurde auch schon vor dem Jahre 1742 gewöhnlich Staatskanzlei genannt.

b) Die Besorgung des Finanzwesens oblag der Hofkammer und den ihr coordinierten und subordinierten übrigen Finanz-, Hof- und Landesstellen.

*) Unter der „kleinen Walachei" verstand man damals den von Walachen bewohnten PoÄegan er District in Slavonien, keineswegs aber die westalutanischen Districte der Walachei; diese wurden gewöhnlich die österreichische (austriaca) oder auch die kaiserliche (caesarea) Walachei genannt.

Digitized by

Google

65

c) Das gesammte Militärwesen stand unter der Obsorge des Hofkriegsrathes, nachdem Kaiser Joseph I. die bis dahin selbstständig gewesenen inner- und oberösterreichischenLandesstellen mit den betreffenden niederösterreichischen vereinigt und das dortige Kriegswesen und die daselbst bestandenen Militärbehörden dem Wiener Hofkriegsrathe untergeordnet hatte. Der Hofkriegsrath in Wien nahm eine ganz eigenthümliche Stellung ein. Ihm unter- standen zwar einige Festungen im Reiche, aber keineswegs die Kriegsmacht des Reiches. Obwohl er den Titel „kaiserlich'* führte, war er doch keine eigentliche Reichsbehörde und desshalb mussten auch die Räthe desselben nicht aus dem Reichsadel ge- nommen sein. ^)

Auch einige „Oberste Hofämter'' müssen in gewissem Sinne als Staats- oder Landesbehörden betrachtet werden, da ihr Wirkungs- kreis unter Carl VI. ein anderer war, als jetzt. So übte der Oberst-Hofmeister damals manche Functionen, namentlich im Verkehr mit den auswärtigen Gesandten mid den Hofstellen der verschiedenen Ländergruppen, welche jetzt entweder dem Minister des Aeussem oder einem Minister - Präsidenten zustehen. Das Ob erst-Hofmarschallamt versah ausser seinen Functionen als eines der obersten Hofämter auch die Gerichtsbarkeit über die zum Allerhöchsten Hofe und den obersten Hofstellen gehörigen Personen imd auch über die mit wirklichen Privilegien versehenen Juden und ihre Familien. ^) Das Oberst-Hofmeisteramt und das Oberst-Jägenneisteramt z. B. übten auch die mit dem Grundbesitze des Allerhöchsten Hofes verbundene grimdherrliche Rechtspflege aus und erscheinen also auch in dieser Beziehung gewissermassen als Behörden.

Die österreichischen Erblande.

Den ältesten Bestandtheil des habsburgischen Hausbesitzes bilden die österreichischen Erblande. Diese waren jedoch nicht wie die Länder der böhmischen Krone auf einmal und als ein Ganzes in den Besitz der Dynastie gelangt, sondern es bedurfte dazu eines längeren Zeitraumes und selbst nach ihrer Erwerbung

*) Jani Perontini de consiliis ac dicasteriis, quae in urbe Vindobona habentur, liber singularis. Halae Magdeburgicae 1732. 33. «) Codex austr., IV. 672.

Oesterreiohisoher Erbfolgekrieg. I. Bd. <^

Digitized by

Google

GH

fanden wiederholt Tlieilungen derselben statt, so dass diese Länder eigentlich nie ein vollkommen einheitliches Gepräge erhielten und sich ihre provinziellen Sonderheiten zum Theil bis auf die Gegen- wart bewahrten, wovon z. B. noch die heutige Wehrverfassung Tyrols einen Beweis liefert. Die drei Gruppen Nieder-Oest er- reich, Inner-0 esterreich, Ober- und Vorder-Oester- reich bildeten bis in die Zeit Carl VI. von einander ebensosehr, wie etwa von Böhmen und seinen Nebenländem getrennte Organis- men; hatte ja doch bis unter Joseph I. Inner - Oesterreich, ebenso wie TjTol und die Vorlande ein eigenes, vom Wiener HofToiegsrathe unabhängiges Kriegswesen, während in Nieder- Oesterreich, Böhmen und Ungarn die Militärangelegenheiten von einer gemeinsamen obersten Militärbehörde, dem Hofkriegsrathe in Wien, geleitet wurden. Allein, wenn auch unter getrennter Administration, so wurde doch im Allgemeinen die Erreichung einer ziemlichen Gleichheit wenigstens in der Verwaltung der ein- zelnen Länder angestrebt und allmählig, besonders in Folge der Eeformen unter Maria Theresia, traten die provinziellen Unter- schiede immer mehr in den Hintergrund.

Die landesfürstlichen Rechte, welche die Erzherzoge von 0 esterreich ki^aft ihrer Landeshoheit und der ilmen verliehenen Privilegien ausübten, galten nicht blos für das Erzherzogthiim Oesterreich, sondern für alle Länder, welche sie, wann und unter welchem Titel immer, erworben. Desshalb gilt das im Nachstehenden Gesagte nicht nur für die österreichischen, sondern auch fiir die böhmischen Erblande.

Obwohl die Echtheit eines Theiles der alten österreichischen Freiheitsbriefe und Privilegien wohl mit Recht bestritten wird, so hatten dieselben doch dadurch, dass sie am G. Januar 1453 von Kaiser Friedrich HI. mit Zustimmung der Churfürsten bestätigt wurden, die Geltimg und das Ansehen von Reichsgesetzen erlangt und wiu-den als solche von späteren Kaisem wiederholt anerkannt. Auf Grund derselben genossen die Erzherzoge von Oesterreich beträchtliche Freiheiten und Vorrechte, deren sich kein anderer Reichsstand rühmen konnte. ^) Durch dieselben war Oesterreich ein auch in weiblicher Linie erbliches Lehen und vom Reiche fast miabhängig geworden. Der Erzherzog war von allen Reichsabgaben

^) H u b e r , Oesterreichische Reichsgeschichte, 28 ff. Seidler, Studien etc. 4 ff. Schrotte r, Erste Abhandlxmg aus d. österreichischen Staatsrecht. Kurze Nachricht von der inneren Beschaffenheit und Ver- fassung des Erzherzogthums Oesterreich. (H. H. u. St, A. Handschr. Nr. 62}

Digitized by

Google

67

befreit und nur zur Tlieilnahme an jenen Reichskriegen, welche gegen ein Oesterreieh benachbartes Land geführt wurden, blos zum Zeichen seines reichsfürstlichen Charakters mit einem ver- schwindend kleinen Contingente verpflichtet. Er brauchte nur auf den in Bayern abgehaltenen Hoftagen zu erscheinen und war auch nicht verbunden, an den Reichstagen selbst oder durch Abgesandte theilzunehmen ; erscliien er aber, so gebührte ihm der erste Sitz nach den Churfürsten. Die Erzherzoge waren berechtigt, in ihrem Lande frei zu schalten und zu walten, ohne dass Kaiser und Reich darin etwas zu ändern vermochten. Alle Vorzüge und Privilegien, welche ein Reichsstand jemals erworben hatte oder künftighin erwerben würde, sollten den Erzherzogen ohneweiters zukommen und zwar nicht nur für den ziu* Zeit der Verleihung bestandenen Länderbesitz, sondern für alle Länder, welche sie, wann und miter welchem Titel immer, erwerben würden. Das Reich konnte kein auf österreichischem Boden gelegenes Lehen vergeben und daher ein auswärtiger Fürst in Oesterreieh nur solche Güter besitzen, welche er von dem Erzherzoge von Oesterreieh als Lehen empfangen hatte. Ebenso konnte Niemand in Oesterreieh eine Gerichtsbarkeit ausüben, wenn er nicht die Gewalt von dem Erzherzoge erhalten hatte. Oesterreieh bildete ein „Territoriiun clausum*^ d. i. ein geschlossenes und jeder fremden Landeshoheit und Gerichtsbarkeit verschlossenes Land. Noch weniger musste der Erzherzog von Oesterreieh einem Reichsgerichte Rede und Antwort stehen, sondern er konnte die gegen ihn erhobenen Klagen durch einen von ihm im eigenen Lande hierzu be- stellten Vasallen untersuchen und entscheiden lassen. Von grösster Bedeutung für die Entwicklung der Landeshoheit war das von Kaiser Carl IV. bald nach seiner Thronbesteigung verliehene und am 30. August 1361 erneuerte „Privilegium de non evocando sub- ditos extra territorium Austriacum", gewöhnlich kurzweg , , Privi- legium de non evocando" genannt, d.i. das Privilegium, dass kein österreichischer Unterthan vor einem aus- wärtigen Gerichte belangt werden dürfe, selbst dann nicht, wenn er einem auswärtigen Herrn als Lehensmann oder in anderer Weise verpflichtet wäre; ferner das aus dem „Privilegium de non evocando" nothwendigerweise folgende „Privilegium de non appellando", d. h., dass von dem Urtheile eines öster- reichischen Gerichtes keine Berufung an ein Reichsgericht oder an den Kaiser selbst ergriffen werden konnte.

5*

Digitized by

Google

GH

Weil Alle, welche in Oesterreich Güter besassen, in dieser Eigenschaft ohne alle Ausnahme wirkliche Landsassen und Unterthanen des Erzherzogs waren, so waren auch die inländischen Bischöfe und Prälaten keine Eeichsfürsten, die auswärtigen geist- lichen oder weltlichen Fürsten aber wurden in Bezug auf ihre in Oesterreich gelegenen Güter den übrigen Landsassen völlig gleich- gehalten und waren auch bei der Erbhuldigung der Erzherzoge zu erscheinen verpflichtet. Sie wiurden auf* dieselbe Weise, wie die übrigen Landesmitglieder ordentlich eingeladen und mussten also durch Abgeordnete vertreten sein oder eine grundhältige Ent- schuldigung ihres Ausbleibens bei dem Landmarschall vorbringen. •)

Gross waren die Rechte des Erzherzogs von Oesterreich gegen- über der Geistlichkeit. Aus dem obersten Schutz- oder Vogteirechte der Erzherzoge über die gesammte Geistlichkeit, die Gotteshäuser und die milden Stiftungen folgt das Recht, in ihre Vermögens- verwaltung Einsicht zu nehmen und dafür zu sorgen, dass die Stiftungen nach ihrer wahren Bestimmung genau erfiiUt und er- halten wiu'den. Zu diesem Zwecke war in allen Ländern eine eigene Commission für die müden Stiftungen aufgestellt. Das Präsentationsrecht über die Pfarren gehörte theils dem Landes- fürsten, theUs den Bischöfen, theils den Privatherrschaften. Viele landesfürstliche Pfarren wm-den schon in älteren Zeiten den Klöstern eingeräumt oder zu milden Stiftungen gewidmet. Kein Kloster durfte ohne landesherrliche Bewilligung errichtet, kein Prälat, keine Aebtissin ohne vorläufige Einholung der landesfürst- lichen Zustimmung und Abordnung landesfürstlicher Commissäre gewählt, noch die getroflfene Wahl ohne vorausgegangene Aller- höchste Bestätigung publiciert, viel weniger der Erwählte von jemand Anderem, als den erwähnten Commissären in die Tempo- ralien eingesetzt werden. Sogar bei der Wahl des Erzbischofe von Salzburg und des Bischofs von Passau war wegen des dem Erz- hause über beide Bisthümer zustehenden Vogteirechtes nebst dem kaiserlichen Commissär zugleich ein erzherzoglich öster- reichischer Abgesandter anwesend, welch' letzterer von dem Neugewälilten einen schriftlichen Revers abforderte, da«s er mit dem Erzhause Oesterreich beständig gute Nachbarschafc halten und die älteren Verträge, insbesondere „quoad jus aperturae'* unverbrüclüich beobachten woUe, gleichwie auch das Erzhaus Oesterreich ver- pflichtet sei, das Hochstift Salzbiu*g imd Passau wider alle Gewalt

*) Schrötter, Dritte Abhandlung, 27. Pütter, Historisch-politisches Handbuch von den besonderen deutschen Staaten, I. 198

Digitized by

Google

69

2U schützen, wogegen aber auch beide Stifter gehalten sind, dem Erzhaus nach äussersten Kräften beizuspringen. Keine päpstliche Bulle durfte publiciert werden, bevor nicht der Erzherzog von Oesterreioh dieselbe eingesehen und seinen Rechten und den Staats- interessen flir unschädlich erkannt, somit seine Zustimmung oder das sogenannte „Placetum regium" ertheilt hatte. Keine Streitsache durfte nach Rom gezogen werden, weil dies dem alten Herkommen und dem „Privilegium de non evocando" widersprochen hätte, sondern wenn eine Partei sich über das Erkenntniss der Consistorien und der Nuntiatur beschweren wollte, konnte die Curie nichts Anderes thun, als Commissäre in Oesterreich ernennen, welche als apostolische Delegierte das endgiltige Urtheil zu fällen hatten. Die Jurisdiction in allen Civilrechts- Angelegenheiten der Geistlichkeit, mit Ausnahme jener Fälle, die rein geistliche Angelegenheiten be- trafen, gebührte dem Erzherzog von Oesterreich. Die erste Instanz für die Civilrechts-Angelegenheiten der Geistlichen war die Landesbehörde, d. i. die Regierung, Landeshauptmannschaft u. s. w. Nach der Bulle des Papstes Nicolaus V. vom Jahre 1451 hatten die Erzherzoge von Oesterreich die Befugniss, in Nothfallen den Clenis mit einem massigen „Subsidium" oder ausserordentlichem Beitrage zu belegen, auch musste der österreichische Clerus von seinen Gütern und Einkünften die gleichen Lasten tragen wie die weltlichen Lisassen. *)

Die Rechte der österreichischen Landesfiirsten waren im All- gemeinen folgende: 1. Das Recht, die Erbhuldigung zu fordern; 2. die oben besprochenen Rechte über die Geistlichkeit; 3. das Recht, die Landtage zu berufen und von denselben die Bewilligung der Contribution, der nöthigeii Recruten und anderer Staatserforder- nisse zu verlangen; 4. das Recht, Gesetze und Verordnungen zu erlassen; 5. die Civil- und Criminalgerichtsbarkeit mit den zwei Vorrechten, dem Privilegium „de non evocando" und jenem „de non appellando"; 6. die landesherrliche Gewalt und das Besteuerungs- recht über die Juden ^) ; 7. das Recht, den Adel zu verleihen ^) ;

1) H. H. u. St. A. Handschr. Nr. 62.

') Ursprünglich war der Kaiser allein der Schützer und Eichter über die Juden in ganz Deutschland, nur Oesterreich übte seit den Zeiten Kaiser Friedrich I. ebenfalls dieses Eecht in seinen Landen aus ; erst später erhielten dasselbe auch die Churfürsten und andere Reichsstände.

■j Als Curiosum sei hier erwähnt, dass auch die philosophische Facultät in "Wien den Adelstand verlieh, welches etwas zweifelhafte Recht ihr erst zufolge einer Allerhöchsten Entschliessung vom 20. Mai 1752 entzogen wurde. (Cod. austr. V. 648.)

Digitized by

Google

70

8. unehelich Geborene zu legitimieren und den unehrlich Erklärten ilire Ehre und Würde wieder zurückzustellen; 9. öffentliche Jahr- und Wochenmärkte mit verschiedenen Freilieiten zu bewilligen und Stapel- und Niederlags-Gerechtigkeiten zu verleihen; 10. eigene Posten in den Erblanden zuhalten; 11. hohe Schulen zu errichten; 12. das Epecht über die Bergwerke, Forste, Flüsse, dann die Jagd- und Fischerei-Gerechtigkeit; 13. das Recht, Münzen zu prägen;

14. das Regal der offenen Landstrassen und des sicheren Geleites;

15. das Recht, Zölle, Mauthen und Steuern auszuschreiben und einzuheben; 16. das Recht des Krieges und des Aufgebotes, sowie Festungen und Burgen zu bauen; 17. das Recht, Gesandtschaften zu halten ; 18. Bündnisse und Frieden zu schliessen. *)

In dem jahrhundertelangen Kampfe der landesfiirstlichen Terri- toriallioheit gegen die Macht der Stände waren schliesslich die letzteren unterlegen. Seit der Schlacht am Weissen Berge und der Unterdrückung des Protestantismus in den österreichischen und böhmischen Ländern waren die Grenzen der beiden Machtfactoren, des Landesfursten und der Stände, selir zu Ungunsten der letzteren verrückt worden. Die Zustimmimg der Stände zu einer beabsichtigten Kriegserkläning oder einem Friedensschlüsse wurde nicht mehr ein- geholt und ihre Mitwirkung an der Gesetzgebung durch die Ent- ziehimg jeder Liitiative auf den Landtagen beseitigt. Dennoch waren die Rechte imd Privilegien der Stände sowohl als Corporation, wie der einzehien Mitglieder auf administrativem und volkswirth- schaftlichem Gebiete ganz bedeutend und dadurch waren die Stände auch gar häufig in der Lage, die politische Haltung der Regierung zu beeinflussen. Ohne Zustimmung der Stände konnte keine neue Steuer eingeführt werden und die Einhebung der bereits be- stehenden lag in den Händen der Stände, die höchsten Landes- ämter waren mit iliren Mitgliedern besetzt: Mittel genug, um eine Pression auf die Regierung zu üben. Die Stände gliederten sich in den meisten Ländern hi vier Classen: Geistliclikeit, Herren, Ritter und landosfiirstliche Städte. Den geistlichen Stand bildeten die Bischöfe und Prälaten, den Herrenstand die Fürsten, Grafen imd Freiherren, den Ritterstand der übrige Adel, jedoch alle nur unter der Voraus- setzung, dass sie Landsassen oder Landmänner und Be- sitzer landtäflicher Güter waren. Zum Besitze landtäflicher Güter

*) Krön OS, Gesch. Oesterreichs, III. 42 ff. Schrotte r, Vierte Ahhandlung.

Digitized by

Google

71

war die Landsässigkeit oder das Indigenat erforderlich, welches nur vom Landesflirsten verliehen werden konnte. Die Rechte und Privilegien, welche der landsässige Adel vor dem nicht land- sässigen voraus hatte, waren: Das Eecht, dass ihre Güter in die Landtafel eingetragen werden, das Eecht, ein Grunddienst-, Urbai- oder Salbuch zu halten und von den Unterthanen gewisse Dienste und Gaben zu fordern, das Jagd- und Holzschlagsrecht, die Bier- brauerei und das Ausschankrecht, das Berg-, Zehent- und Vogt- recht, die Civil- und Crüninalgerichtsbarkeit über ihre nichtadeligen Unterthanen, deren erblose Verlassenschaften ebenfalls dem Grund- herrn zufielen. Endlich konnten die meisten Stellen bei den höchsten landesfiirstlichen und die obersten Landesämter nur an Mitglieder des landsässigen Herren- und Ritterstandes verliehen werden. Die sogenannten Erbämter, welche allerdings blosse Ehrenämter waren, befanden sich ausschliesslich im Besitze der vornehmsten Familien des landsässigen Adels. Ausserdem besass der landsässige imd der nichtlandsässige Adel noch folgende Privilegien : Führung des adeligen Wappens und Titels, das Recht des adeligen Forums oder des besonderen Gerichtsstandes, Befreiung von der Aushebung zur Miliz, das Vorrecht zur Erlangung gewisser Aemter und Stiftungen, die Fähigkeit zur Aufiiahme in andere Ritterorden u. s. w. ^)

Die landesfurstlichen Städte, welche den vierten Stand bildeten, waren diejenigen, welche keiner Gutsherrschaft, sondern direct dem Landesförsten unterthan waren und ihren eigenen, selbstgewählten Magistrat hatten, welcher die Gerichtsbarkeit über die Bürger aus- übte, während die unterthänigen oder Municipalstädte unter der Gerichtsbarkeit des Gutsherrn standen.

Vor Kaiser Ferdinand H. wurden alle auf die Verwaltimg der österreichischen Erblande und auf die Angelegenheiten des Deutschen Reiches bezüglichen Agenden, sowie die in dieser Be- ziehung erforderlichen Erlässe und Expeditionen ausschliesslich luid allein von der Reichskanzlei besorgt und die Contrasignatur von dem jeweiligen Reichs- Vicekanzler vollzogen. Eine besondere österreichische Kanzlei bestand damals nicht, sondern nur eine österreichische Expedition als Abtheilung derReichs-Hofkauzlei.^

*) Lichtenstern, Staatsverfassung der österr. Monarcliie. 255 ff.

^ Fellner, Zur Geschichte der österr. Centralverwaltung. (Mitth. d. Inst. f. österr. Geschichte, VII.) Fellner, in „Mitth. d. Inst. f. österr. Geschichte", XV. 520 f. Vollständiges Diarium etc. von der "Wahl Carl VII. etc. 40 ff. Seeliger, Erzkanzler und Reichskanzleien. G. W o 1 f, Geschichte der k. k. Archive in Wien.

Digitized by

Google

72

Vorstand dieser österreichischen Abtheilung war der Reichs- Vice- kanzler. Bis zu Ferdinand ü. Zeiten waren die österreichischen Erblande gewöhnlich getheilt und da die kaiserliche Linie öfters nur den kleineren Theil davon besass, so verzichtete der Kaiser auf die kostspielige Bestellung eines eigenen österreichischen Kanzlers. Dieser Zustand dauerte bis zum Jahre 1620, zu welcher Zeit Ferdinand 11. die österreichische Expedition von der Reichs- Hofkanzlei trennte und eine eigene österreichische Hof- kanzlei errichtete und an deren Spitze zuerst einen Vicekanzler, später einen Hofkanzler stellte. Die österreichische Hofkanzlei sollte nun alle inneren Angelegenheiten der österreichischen Erb- lande und des erzherzoglichen Hauses, die Reichs-Hofkanzlei aber die Reichs- und auswärtigen Angelegenheiten besorgen, aber bald entstand eine Reihe von Competenz-Streitigkeiten, welche zu einer steten Erweiterung des Wirkungskreises der österreichischen auf Kosten der Reichs-Hofkanzlei führten. Nachdem durch die Wieder- vereinigung aller österreichischen Erblande die früheren erzherzog- lichen Hofkanzleien für Inner-0 esterreich und Ober-OesteiTeich ihre Selbstständigkeits-Berechtigung eingebüsst hatten und mit der öster- reichLschen Hofkanzlei in Wien vereinigt worden waren, bestanden bei derselben drei Abtheiliingen, nämlich die niederösterreichische, die innerösterreichische und die oberösterreichische Expedition, denen man zur Schonung des Particularismus der einzelnen Länder auch den Namen Hofkanzlei beliess, so dass auch von drei öster- reichischen Hofkanzleien, der niederösterreichischen, inneröster- reichischen und oberösterreichischen gesprochen wird. Es sind dies jedoch nur Abtheilungen oder „Expeditionen" der österreichischen Hofkanzlei.

Aus der von Kaiser Carl VL am 2G. März 1720 der öster- reichischen Hofkanzlei einheilten Instruction ') ergibt sich am ein- fachsten die Organisierung und der Wirkungskreis der genannten Hofstelle während der letzten Regienmgsjalire Kaiser Carl YI. Der wesentliche Inhalt derselben ist folgender:

„Artikel I. Bei der österreichischen Hofkanzlei sollen künftig zwei Hofkanzler, ein Vicekanzler und neun Räthe angestellt sein. Weil bei der östeiTeicliischen Hofkanzlei nicht allein die Haus- imd fremden Staatssachen, sondern auch alle andeni Angelegenheiten

^) Archiv des k. k. Minist, des Innern. Nieder-OesteiTeich, III. A. 2. Nr. 25 ex 1720.

Digitized by

Google

73

der österreichischen Länder verhandelt werden, so soll der erste Kanzler mit den ihm bereits zugetheilten zwei Räthen die Haus- und Staatssachen unter sich haben, zugleich auch, so oft er will und es ihm die Staatsgeschäfte erlauben, das Präsidium bei der Kanzlei fiihren, dem zweiten Kanzler aber mit den übrigen Käthen soll die Besorgung der politischen Verwaltungs- imd Justiz- Angelegenheiten überlassen werden. Ausschliesslich unter des ersten Kanzlers Obsorge und Expedition mit den ihm zugewiesenen Räthen und Beamten bleiben alle Haus- und fremden Staatssachen und aile dahin einschlagenden Materien, als Verträge mit auswärtigen Staaten, Friedensschlüsse, Heiraths-Angelegenheiten von Mitgliedern des Allerhöchsten Hauses, Ernennung der Gresandten, Botschafter und geheimen Räthe, die Correspondenz und Verhandlungen mit den fremden Mächten und was immer zu den auswärtigen An- gelegenheiten gehört, die Ceremonialien bei den Krönungen, die Landtags-Propositionen, wenn dieselben mündlich in Gegenwart des Kaisers geschehen, jedoch so, dass diese letzteren in formaler und meritorischer Beziehung gleich allen anderen Landesangelegen- heiten bei der Kanzlei verhandelt werden; der erste Kanzler hat, wie vorhin, an den Staats-, Reichs- und allen solchen Conferenzen theil- zunehmen, in welchen die eben erwähnten Angelegenheiten zur Verhandlung kommen; nebst ihm hat aber auch der zweite Kanzler jenen Deputationen, dem geheimen Rath, Conferenzen und andern Versammlungen, in welchen die Provinzial-Angelegenheiten berathen werden, beizuwohnen. Die Hofsachen sind nach obigem Princip zu unterscheiden: wenn sie auswärtige oder Staatsangelegenheiten, Gesandtschaften u. dgl. betreffen, gehören sie unter die Obsorge des ersten, wenn sie aber Provinzial-Angelegenheiten betreffen und, wenn darüber eine Verfügung an die Länder oder Landesbehörden iiöthig ist, femer die Ernennung der inner- und oberösterreichischen geheimen Räthe und aller andern hohen und niedem Beamten, Belehnungen, Standeserhöhungen, Privilegien, Hoffreiheiten, Schutz- briefe u. dgl. gehören in den Wirkungskreis des zweiten Kanzlers und der Kanzlei. Alle dem zweiten Kanzler obliegenden Geschäfte, ebenso die Besetzung erledigter Stellen sollen bei der Hof kanzlei dica- sterialiter (im Raths-Gremium) berathen mid darüber die kaiserliche EntSchliessung eingeholt werden. Alle einlangenden Zuschriften, Berichte u. s. w. hat der erste Kanzler zu eröffnen und die in den Wirkimgskreis des zweiten Kanzlers und der Kanzlei gehörigen dem zweiten Kanzler zur instructionsmässigen Behandlung zu- zuschicken. Wenn Proviiizial- und Justiz-Gegenstände in Abwesenheit

Digitized by

Google

74

des ersten Kanzlers berathen und verhandelt werden, so soll der zweite Kanzler dem ersten hiervon und von den gefassten Be- schlüssen Nachricht geben, damit dieser bei den Conferenzen, Deputationen und im geheimen Kath gehörig informiert erscheine. Die Provinzial-Angelegeidieiten, sie mögen Verwaltungs- oder Justiz- Gegenstände betreflen, müssen immer in der Rathssitzimg behandelt werden. Keiner der beiden Kanzler hat das Recht, an dem Majoritäts- Beschlusse etwas zu ändern oder denselben gar airfeuheben, nur wenn ein allerunterthänigster Vortrag hierüber zu erstatten ist, kann er in demselben auch seine Meinung beisetzen; wo kein Voi- trag nöthig ist, ist der Majoritäts-Beschluss unbedingt auszufiihren. Der zweite Kanzler ist in Provinzial- und Justiz-Sachen ganz im- abhängig von dem ersten HolTianzler; dieser hat nur das Recht, sich über alle Angelegenheiten diu'ch die Referenten informieren zu lassen. Die der Hofkanzlei untei^stehenden Creschäfte sind seinem Einflüsse gänzlich entrückt. Vorträge an den Kaiser sollen von beiden Kanzlern miterschrieben sein; wenn aber der erste Kanzler sie binnen zwei Tagen nicht unterschreibt, hat der zweite Kanzler das Recht, dieselben mit seiner Unterschrift allein zu erstatten. Dasselbe gilt von den Erlässen und Expeditionen an Behörden und Parteien. Aus den Rätlien sollen zwei besondere Senate ge- bildet werden, der eine für die Provincialia (politischen Verwaltungs- Gegenstände), der andere für Justizsachen. Die Kanzler haben das Recht, in einem beliebigen Senate den Vorsitz zu fuhren. Den Senat für politische Angelegenheiten bilden drei Räthe, den Justiz- Senat die übrigen; es steht aber dem Kanzler frei, den einen oder den andern Senat durch eine grössere Anzahl von Mitgliedern zu verstärken oder Plenar-Sitzmigen aller Räthe anzuordnen. Wenn es sich um landesfiirstliche Rechte und Regalien, imi das Wohl der Länder, Besetzung von Stellen oder lun ein wichtiges End- urtheil handelt, ist immer das Plenum zu versammeln. Der Umstand, dass für die gesammten deutsch-österreichischen Erblande nur eine gemeinsame Hofkanzlei besteht, soll in der Kanzlei-Manipulation auch äusserlich zum Ausdrucke gebracht werden".

„Artikel H. Die fiscalischen Angelegenheiten oder andere, das Aerar, dessen Reclite und Prärogative betreffenden Gegenstände sollen von der Hofkaminer und der Hofkanzlei in gemeinschaft- licher Borathung verhandelt werden. Der präsidierende Kanzler soll die Räthe in der Freilieit des Votierens auf keinerlei Weise hindern, noch auch seine eigene Meinung voraus merken lassen. Der Vor- sitzende enunciert das Votum der Majorität ; bei Stimmengleichheit

Digitized by

Google

75

wird zuerst eine zweite Abstimmung vorgenommen und wenn diese abermals resultatlos bleibt, dann gibt auch der Vorsitzende seine Stimme ab, wodurch eine Majorität hergestellt wird. Der Vorsitzende hat jedoch auch das Recht, nach zweimaliger fruchtloser Ab- stimmung einen Abänderungs- oder Vermittlungsantrag zu stellen oder auch, wenn beide Parteien gewichtige Gründe für ilire Ansicht haben, die Sache sammt den Gründen der Allerhöchsten Ent- scheidung vorzulegen."

„Artikel m. Die Hofkanzlei soll keine Angelegenheit mit Hintansetzung der ersten oder zweiten Instanz an sich ziehen, welche nicht nach Recht und Gewolmheit unmittelbar vor den Landesfürsten gehört, vielmehr sollen diejenigen, welche sich mit Uebergehung der ersten und zweiten Instanz direct an die Hof- kanzlei wenden, an ihre Behörde zurückgewiesen werden. Die Ent- scheidimgen und Urtheile sollen nach den Landesgewohnheiten, nach dem gemeinen Recht und nach den Präjudicaten gefallt werden. Wenn einmal in einem Falle nach reiflicher Ueberlegimg gewisse und dem Rechte conforme Principien angenommen win^den, so soUen diese auch in andern gleichen Fällen, wenn die veränderten Um- stände nicht etwas Anderes erfordern, ebenfalls beobachtet und einander widersprechende Entscheidungen nach Möglichkeit ver- mieden w^erden. In Streitsachen soll zunächst auf einen gütlichen Vergleich zwischen den Parteien hingewirkt und zu diesem Zwecke Commissionen in den Ländern bestellt werden ; doch soll in dieser Beziehung auf die Parteien kein Zwang ausgeübt werden. Da alle bei der österreichischen Hofkanzlei vorkommenden Angelegenheiten vor den Kaiser als Erzherzog und Landesfürsten gehören, indem der Landesfiirst das oberste Haupt und Richter ist, so soll auch in -wichtigen Sachen kein Endurtheil publiciert werden, bevor dasselbe dem Kaiser vorgetragen und die Allerhöchste Entschliessung darüber ertheilt worden ist, ebenso ist bei Besetzung von Amtsposten mid Vergebung geistlicher Beneficien immer die Allerhöchste Resolution mittelst eines allenmterthänigsten Vortrages einzuholen. Für die Parteienvertretung bei der Hofkanzlei sind beeidete Advocaten und Agenten bestimmt."

Die österreichische Hofkanzlei behielt diese Eimichtmig bis in die Regienmgszeit der Kaiserin Maria Theresia, welche zuerst im Jahre 1742 die als Staatskanzlei fimgierende Abtheilung los- löste und zu einer selbstständigen Hofstelle erhob imd endlich im Jahre 1749 bei Gelegenheit der durchgreifenden Reform der

Digitized by

Google

76

gesammten Verwaltiing die österreichische und die böhmische Hof- kanzlei in eine einzige Centralbehörde, das „Dii-ectorium in Publicis et Cameralibus" vereinigte.

1. Nieder-Oesterreich,

Das Erzherzogthum Oesterreich zerfallt in das Land unter und ob der Enns, welch' letzteres zwar auch jederzeit sein eigenes Gubemium hatte, jedoch mit einer gewissen Dependenz von der mederöstorreichischen Regierung. Diese von Maximilian I. im Jahre 1510 als „Regiment" errichtete Behörde erstreckt-e bis zum Jahre 15G4 ihre Wirksamkeit auch auf Inner-Oesterreich, wiu-de daim in Folge der Theilung der österreichischen Erblande unter die Söhne Kaiser Ferdinand I. auf Nieder-Oesterreich, d. i. auf das Land unter und ob der Enns, beschränkt und war die zweite Instanz für alle politischen und Justiz-Angelegenheiten von Oesterreich unter und ob der Enns. Von ihr gieng die Berirfimg an die österreichische Hofkanzlei. An ihrer Spitze stand ein Präsident oder Statthalter, ein Vice-Präsident und ein Kanzler. Hire Instructionen stammten im Wesentlichen noch aus der Zeit Kaiser Ferdinand H. und Ferdinand HI. und zwar vom 4. März ir)25 und 15. Juni 1638; bei späteren Ernennungen von Präsidenten waren einzelne Be- stimmungen abgeändei-t und mit den Erfordernissen des Dienstes mehr in Einklang gebracht worden.^) Im Allgemeinen war der Geschäftsgang jenem bei der Hofkanzlei ähnlich, natürlich mit dem Unterschiede, dass die Regierung in allen Fällen, wo es sich um politische Anordnungen oder um Erläuterungen einer Allerhöchsten Resolution handelte, sowie in allen wichtigeren administrativen und Justiz-Angelegenlieiton an die Hof kanzlei, respective im Wege der- selben an den Hof zu berichten und die Allerhöchste Entscheidung zu erwarten hatte.

Der Wirkungskreis der niederösten^eichischen Regierung bezog sich auf alle Angelegenlieiten der politischen Verwaltung und auf das Justizwesen, nämlich : auf die Aufrechthaltung der katholischen Religion, Handhabung der Reformations-Patente und Sorge für die Bestellung von Seelsorgern; die Oberaufsicht über alle Stiftungen; die Handhabung der landesfiirstlichen Hoheitsrechte, Regalien und Gerechtsame; Erhaltung der öffentlichen Ruhe und Bestrafung der Ruhestörer; die Sorge für die Sanität und Abwendung aller In-

fectionsgefahr; Handhabung der Münzpatente; Aufsicht über die _ ^

') Arch. d. Min. d. Inn. „Nieder-Oesterr." III. 4. A. Nr. 7 ex 1724.

Digitized by

Google

77

herrschaftlichen Privatmauthen und Strassenreparatioii; Beförderung der Wohlfeilheit der unentbehrlichen Lebensmittel und Festsetzung der Preise derselben (Satzung); Ueberwachung der Marktordnung, der Gewichte und Masse und Abstellung alles monopolischen Ver- kaufs; die Oberaufsicht über alle landesförstlichen Städte und Märkte, Hebung der Gewerbe und des damit verknüpften Con- tributionsstandes ; Aufsicht über die Feuerordnung und das Vor- handensein der nothwendigen Lösch-Geräthe ; Hebimg des Unter- richtes; Bücher-Censur; Abstellimg der Handwerks-Missbräuche und die Sorge, dass die Zahl der Meister den Bedarf nicht übersteige; Abstellung des ungestümen Betteins; Sorge für die Verpflegung der Armen; Erhaltmig der Kirchen und öfl'entlichen Gebäude; Auf- sicht über die Juden, welchen der Aufenthalt in den Ortschaften, wenn sie nicht besonders privilegiert waren, ausser den Jahr- märkten verboten war.

Als untergeordnete Verwaltungsorgane zur Ausführung der Regierungs-Erlässe und ziu: Handhabung der Polizei fungierten in den landesfürstlichen Städten und Märkten die Magistrate, in den übrigen Ortschaften aber die Gutsherrschaften oder die von denselben eingesetzten Beamten und Magistrate.

Dieselbe Angabe hatte die Landes-Hauptmannschaft in Linz fiir Oesterreich ob der Enns und auch ihr miterstanden dieselben Verwaltimgs-Organe erster Instanz, nur dass die Landes-Haupt- mannschaft in Linz der niederösterreichischen Regierung unter- geordnet war, alle Berichte an dieselbe zu erstatten und ilire Be- fehle und Anordnungen zu befolgeii hatte, üeber das sogenannte Salzkammergut erstreckte sich die Wirksamkeit der Landes- Hauptmannschaft nicht, denn dieses unterstand auch in allen poUtischen Angelegenlieiten unmittelbar dem Salz - Oberamte in Gmimden.

Für die Rechtspflege war damals im Erzherzogthum Oester- reich geradeso, wie in den übrigen Ländern der Monarchie und in fremden Staaten nicht nur die Rechtssache, sondern auch die Person von Bedeutung, denn weit mehr von der Person als von der Sache hieng es ab, welches Gericht in den einzelnen Fällen zur Entscheidung und Urtheilsfällung berufen war. Die rein geist- lichen und Ehe-Angelegenheiten gehörten unmittelbar vor die bischöflichen Consistorien, von denen die Berufung an die Nuntiatur, niemals aber ausser Landes oder nach Rom ergriffen werden konnte. Das Forum der Stände-Mitglieder war das ,,La nd- recht" oder das „landmarschallische Gericht^' unter dem Vorsitze

Digitized by

Google

78

des Landmarschalls mit mehreren Beisitzern aus dem Herren- und Eitterstande ; für die Bediensteten und Beamten des Hofes und der Hofstellen, mit Ausnahme des Hofkriegsrathes imd der Reichs- Hofkanzlei, femer für alle Fremden, welche zum Hofe gehörten und ihre Diener, dann in den sogenainiten „Hofquartiers- Angelegen- heiten", d. i. in den aus der Verpflichtung der Wiener Bürger zur unentgeltlichen Beistellung von Wohnungen für die Hof- und Staatsbediensteten entspringenden Rechtssachen, endlich für die mit förmlichen Privilegien für sich imd ihre Familien versehenen Juden, war das hofmarschallische Gericht'), für die Professoren, Doctoren, Studenten und andern Angehörigen der Universität bildete das Universitäts-Gericht die erste Instanz. Die Rechts-An- gelegenheiten derjenigen Adeligen, welche nicht landstÄndische Mitglieder waren, der Geistlichen, sofern es nicht rein geistliche Dinge betraf, der kaiserlichen Beamten, der Grosshändler und Fabrikanten, sowie alle iiscalischen Streitsachen entschied die niederösterreichische Regierung als erste Instanz. Die übrigen nichtadeligen Civil[)er8onen standen unter den Stadt- und Land- Gerichten; die Civil- und niedere Polizei-Gerichtsbarkeit über die uuterthänige Einwohnerschaft der nicht landesfürstlichen Ortschaften übte die „Herrschaft", d. i. der Gutsherr, entweder persönlich oder diircli einen hierzu bestellten Justitiar aus. Diese herrschaft- liche oder Patrimonial-Gerichtsbarkeit über ihre Unterthanen stand selbstverständlich auch jenen Hofstellen und Aemtem zu, welche grundherrliche Rechte ausübten, z. B. dem Oberst-Jägermeisteramt, dem Vicedomamt u. s. w. Für Streitigkeiten in Lehenssachen war das Lehen-Gericht, für Wechselklagen das Wechsel -Gericht competent. Alle Militärpersonen standen sowohl in Civilrechts-, als in Criminal- Angelegenheiten luiter der Jurisdiction der Militär- Gerichte. Bezüglich gewisser schwerer Verbrechen, als Majestäts- beleidigung, Falschmünzerei, Brandlegung, hatte der Landesfürst sich das Recht vorbehalten, besondere Judicia delegata zu bestellen.

Von den Gerichten erster Instanz, mit Ausnalmie der Militär- gerichte, gieng die Berufung an die niederösterreichische Regierung und weim auch da Jemand sich für verkürzt hielt, stand ihm der Weg mit der Bitte um Revision an den Landesfürsten offen. Namentlich die Kaiser Leopold I. und Carl VI. Hessen sich

^) Jani Perontini, de consiliis et Dicasteriis etc. 98. Cod. austr. IV. 672.

Digitized by

Google

79

alle wichtigeren Rechtssachen, welche in judicio revisorio schwebten, sowie alle wichtigeren Verwaltungs-Angelegenheiten in dem geheimen Eathe vortragen, hörten die Meinungen der Minister an und fassten darüber ihre Entschliessung.

Die Zersplitterung der Rechtspflege bereitete nicht nur dem ßechtsuchenden ungemeine Schwierigkeiten und Hindemisse, sondern war auch die Ursache einer ununterbrochenen, endlosen Reihe von Competenz-Streitigkeiten zwischen den einzebien Gerichtsstellen. Wer einen Band des Codex austriacus aufschlägt, wird finden, dass ein ganz ansehnlicher Theil desselben mit Entscheidungen über Jurisdictions-Streitigkeiten geftillt ist. Es herrschte nicht nur ein beständiger Streit über die Grenzen der Civil- imd MiUtärgeiichts- barkeit, welche durch die Jurisdictions-Normen vom 17. August 1740 und 3. September 1745 ^) einigermassen geschlichtet wurde, sondern es fehlte auch nicht an Conflicten zwischen den verschiedenen anderen Gerichten, insbesondere wegen der Führung von Verlassen- schafts-Abhandlungen mit Rücksicht auf die zu entrichtenden Taxen und Gebühren. Es durfte nur ein Adeliger, ein Uni- versitätsmitglied, ein Hofbediensteter oder ein Geistlicher zugleich Besitzer eines bürgerlichen Hauses sein, so war der Conflict gegeben.

Zur Besorgung des niederösterreichischen Finanzwesens fun- gierte die Hofkammer zugleich als Kammer für Nieder-Oesterreich, während in anderen Ländern, z. B. in Böhmen, Schlesien u. s. w. liandeskammem mit der Unterordnung unter die Hofkammem bestanden. ^ Als Finanzbehörden erster Instanz gab es in Oester- reich unter der Enns das Vicedomamt, welches hauptsächlich mit der Verwaltung der landesfürstlichen Städte und Märkte, sowie der Domänen betraut war, das Handgrafenamt ^, das Zehentamt, das Grundbuchsamt, die Mauthämter u. s. w. In Oesterreich ob der Eiins trat noch das Salzamt in Gmunden hinzu, welches nicht nur das Salzwesen zu verwalten hatte, sondern zugleich die politische Behörde für das Salzkammergut war.

») Cod. austr., IV. 1138 u. V. 183. *) Mensi : „Die Finanzen Oesterreiclis" 4.

') Eigentlich „Hansgrafenamt" von „Hansa" ; dasselbe hatte die Zölle, , die Consumsteuem, d. i. den sogenannten „Aufschlag" u. a. zu erheben.

Digitized by

Google

80

Neben dem staatlicheu bestand ein ausgebildeter ständischer Verwaltungsapparat*). Die Stände übten die ihnen zustehenden Rechte der Stouerbewilligung und der Vorbringung von Wünschen luid Beschwerden auf den Landtagen aus, welche, so oft sich die Nothwendigkeit einer neuen Steuerbewilligung oder ein anderer zwingender Grund ergab, durch den Landesfiirsten oder durch den hiezu ausdrücklich Bevollmächtigten einberufen wurden. Das vom Landesfürsten den Ständen gegebene Oberhaupt war in Oesterreich unter der Eims der Land mar s c hall , in den anderen öster- reichischen Ländern der Landeshauptmann. Dieser war der Re- präsentant des Landesfürsten, er berief im Namen des Kaisers die Stände zum Landtage und führte auf dem Landtage und im land- marschallisclien Goriclit (Lan(h'echt) den Vorsitz. Die Einberufung des Landtages komite in Nieder-Oesterreich ebenso, wie m den anderen Ländern nur diu*ch den Landesfürsten oder denjenigen, dem er die Gewalt dazu verliehen hatte, geschehen. In Oesterreich ob der Enns wurden zu den jälirlichen regelmässigen Landtagen drei landesfürstliche Commissäre ernannt, welche den Landtag eröfiueten und demselben die landesfiirstüchen Postulate vortrugen. Li Oester- reich unter der Enns aber, wo der Landesliirst am Versammlungs- orte des Landtages residierte, war es ein altes Herkommen, dass die Stände an dem bestimmten Tage zur bestimmten Stunde in der kaiserlichen Burg erschienen, dort aus dem Allerhöchsten Mund den Vortrag anhörten imd sodann die schriftliclien Postulate über- nahmen ^).

Zur Vollziehung und Ausfülirung der Landtagsbeschlüsse be- stellton die Stände aus ihrer Mitte einige Deputierte, welche ständische Verordnete genannt wiu'den. Li OesteiTeich imter der Enns wurden die Verordu(».ten nur aus den drei oberen Ständen, d. i. dem Prälaten-, Herren- und Ritterstande und zwar aus jedem Stande zwei, in OesteiTeich ob der Enns aber aus allen vier

*) P f i b r a m, Die niederö.steiTeichischen Stände und die Krone in der Zeit Kaiser Leopold I. (im XIV. Baude der „Mittheil, des Inst, für Osten*. Gesch." Huber, OesteiT. Reichsgeschichte. l()3 ff. Seidler, Studien zur Geschichte und Dclgmatik des österr. Staatsreclites. 140. f.

') Nach dem Jahre 1748 wurde, weil in Folge des mit den Ständen geschlossenen Recesses kein neues Ansinnen an die Stände zu bringen war, die Landtagseröffnung in der "Weise vereinfacht, dass nach Eröffnung des Landtages an einem Ihrer Majestät beliebigen Tage eine ständige Deputation zur Privataudienz erschien und die recessmässigen Postulate aus den Händen der Kaiserin empfieng.

Digitized by

Google

81

Ständen gewählt. Es hat dies seinen Grund darin, weil in Oesterreieh unter der Enns die städtische Contribution nicht durch die Stände, sondern durch einen besonderen Einnehmer, in Oester- reieh ob der Enns dagegen, gerade so, wie jene der Gutsherrschaften, durch die Stände eingehoben wurde. Zur Berathung wichtiger Gegenstände war ein Ausschuss aus je vier Mitgliedern der drei obersten Stände und zwar immer nur aus solchen Mäimem, welche frülier schon ein ständisches Amt bekleidet, somit in den Geschäftsgang einen tieferen Einblick hatten. Ausserdem bestanden noch mehrere ständische Aemter und Functionäre, wie die Rait- kammer (Rechnungskammer), Obereinnehmer, Viertelcommissäre ^), Buchhaltung, Rentamt, Bauamt und die verschiedeneu Kanzleien. ^

Fast alle Städte des Erzherzogthums Oesterreieh unter und ob der Enns waren dem Landesförsten unmittelbar xmterworfen, also landesfürstliche Städte und Märkte und zwar in Oesterreieh unter der Enns : Wien, Wiener-Neustadt, St. Polten, Krems, Tulln, Komeuburg, Retz, Waidhofen an der Thaya, Zwettl, Laa, Kloster- neuburg, Hainburg, Brück, Langenlois , Mödling , Perchtoldsdorf und Gumpoldskirchen ; in Oesterreieh ob der Enns: Linz, Steyr, Wels, Enns, Gmunden, Preistadt imd Vöcklabruck.

Die wirthschaftliche Lage der Bevölkerung des Erzherzog- thums Oesterreieh war im Allgemeinen verhältnissmässig besser, als jene der andern Erbländer. Wien, die Residenz des Hofes und der Aufenthaltsort der fremden Gesandten, war zugleich der Haupt- handelsplatz, welcher den Verkehr zwischen Deutschland und Ungarn, sowie der Türkei vermittelte. Li Wien befanden sich Niederlagen der angesehensten und reichsten Handelshäuser Deutschlands, aus- gestattet mit werthvollen Privilegien und Schutzbriefen. Die bei den Niederlagen der fremden Kaufleute Angestellten, die so-

*) In jedem Viertel, in welche das Erzherzogthum eingetheilt wurde, bestand ein Ober- und Unter- Commissär, beide von den Ständen und zwar der erstere aus dem Herrenstande, der letztere für beständig ernannt. Sie hatten insbesondere für die Bequartierung und Verpflegung der durchmarscliierenden Truppen, sowie für die BeschaflPang der sonstigen Bedürfnisse für dieselben zu sorgen. Ihr Wirkimgskreis gieng später auf die unter Maria Theresia angestellten Kreisämter über. Von den in Böhmen und Mähren schon vor Haria Theresia bestandenen Kreishauptleuten unterschieden sich die nieder- Österreichischen Viertelcommissäre dadurch, dass diese ständische, jene aber landesfürstliche Organe waren.

«) H. H. u. St. A. Handschr. Nr. 62. - PHbram, a. a. O. 598. ff.

Oesterreiohischer Erbfolgekrieg^. I. Bd. 6

Digitized by

Google

82

genannten „Niederläger*', genossen das Recht der freien Religions- tibung und standen unter der unmittelbaren Jurisdiction der „Re- gierung". Speciell fiir den Handel nach der Türkei bestand die reich privilegierte „Orientalische Handelscompagnie". Und wo gab es auch in der Zeit, da die Eisenbahnen noch unbekannt waren, eine für den Handel günstiger gelegene Landstadt, als Wien an der grossen Wasserstrasse der Donau? Neben dem Handel war auch die Industrie stark entwickelt, insbesondere die Leinwand- und Woll- waaren-Fabrication und vor allem die Eisenindustrie in Oesterreich ob der Enns, welch^ letztere sich schon damals den Markt der fernsten Länder erobert hatte. Die Salzgewinnung im Salzkammer- gute brachte den Einwohnern dieses felsigen Bezirkes, der wenig Feldbau und Viehzucht besass, ihren Unterhalt, indem sie theils bei der Salzgewinnung, theils als Schiffer und Fuhrleute Verdienst fanden.

Auch die Landbevölkerung war günstiger gestellt, als jene in manchem anderen Erblande ; der Bauer war unterthänig und robot- pflichtig, aber nicht leibeigen, wie in Böhmen und Mähren und wurde in der Regel von seiner Gutsherrschafb nicht schlecht behan- delt. Li Oesterreich unter der Enns hafteten nämlich die Q-utsherr- schaften für die Contribution ihrer Unterthanen und hatten daher schon aus diesem Grunde ein Interesse daran, dass die Unterthanen in aufrechtem und zahlungsfähigem Stande erhalten wurden. Acker- bau und Viehzucht wurde überall gut betrieben, daneben in Oester- reich luiter der Enns ausgedehnter Weinbau und im Lande ob der Enns eine erträgnissreiche Obstcultur. Alle Landesproducte fanden reichlichen Absatz, da einerseits das dichtbevölkerte und kauf- kräftige Wien, anderseits die Industrieorte starke Abnehmer der Bodonerzeugnisse waren ^).

Inner-Oesterreich.

Unter Inner-Oesterreich*) waren bis in die Zeit der Kaiserin Maria Theresia nicht blos die Herzogthümer Steyermark, Kämthen und Krain, nebst dem österreichischen Theile Istriens, die gefursteten Grafschaften Görz und Gradisca sammt deren Confinien und die Seestädte Triest und Fiume begriffen, sondern auch Zengg, Carlopago,

') H. H. u. St. A. Handschr. Nr. 62.

') Mayer, Mittheilungen aus A. M. S t ii p a n's von Ehrenstein Beschreibung von Inner-Oesterreicli (Beiträge z. Kunde steyermärkiächer Goschichtsquellen; 24. Jalirg. Graz, 1892) H. H. u. St. Arch. Handschr, Nr. 171.

Digitized by

Google

83

die Bucoaranischen Güter, die Grafschaften Licca und Corbavia, ja in gewissem Sinne selbst die Warasdiner, Carlstädter und Meer- Grenze. Zengg, Carlopago, die Grafschaften Licca und Corbavia wurden nach ihrer Befreiung aus der türkischen Botmässigkeit in Bezug auf das Cameralwesen der innerösterreichischen Hof kammer, in allen übrigen Beziehungen aber dem innerösterreichischen Hof- kriegsrathe zur Verwaltung übergeben. Zengg wurde allerdings im Jahre 1741 als eine königlich ungarische Freistadt erklärt, aber im Jahre 1752 abermals dem Commercien-Directorium übergeben und als zu Inner-Oesterreich gehörig angesehen. Die Buccaranischen Güter waren nach der Verschwörung der Grafen Zriny und Frangipan im Jahre 1670 confisciert, dem ungarischen Fiscus übergeben, von diesem aber im Jahre 1692 um 500.000 fl. der innerösterreichischen Hofkammer verkauft worden. Die Warasdiner, Carlstädter imd Meer- Grenze wurde auf Grund eines Beschlusses der im Jahre 1578 in Brück a. d. Mur auf einem allgemeinen Landtage versammelten Stände Liner-Oesterreichs mit Zustimmung Kaiser Rudolph H. als Königs von Ungarn den Ständen der Herzogthümer Steyermark, Kämthen und Krain überlassen, um durch die militärische Organi- sierung dieser Gebiete und durch die Anlage von Festungen einen wirksamen Schutz gegen türkische Einfälle zu gewinnen. Bei dieser Einrichtung blieb es bis zum Jahre 1748. Es gehörten also diese Landestheile damals, imbeschadet dessen, dass sie in staatsrechtlicher Beziehung Theile der Länder der Stephanskrone waren, in admini- strativer Hinsicht zum innerösterreichischen Verwaltungsgebiete ^).

Durch die Theilung der österreichischen Erblande imter die Söhne Kaiser Ferdinand's I. wurde eine wesentliche Aenderung in dem Ver- waltungs-Organismus Inner-Oesterreichs bedingt. Vor der erwähnten Erbtheilung war auch hier, wie anderwärts, die Verwaltung sehr einfach; die Kriegsmacht bestand einzig aus dem Landesaufgebote, landesfurstiüche Einkünfte gab es nicht viel und die Verwaltungs- geschäfte besorgten die Stände und die Grundobrigkeiten. Ein Landeshauptmann als Vorsitzender in der Ständeversammlung und zur Ausübung der Justiz, ein Landesverweser als Stellvertreter des Landeshauptmanns, dann ein Vicedom zur Verwaltung der landes- fürstlichen Güter und Einkünfte in jedem Lande, das waren so ziemlich die einzigen Repräsentanten des Landesherm. Die nieder- österreichische Regierung oder das ,, Regiment" in Wien

*) Bidermann: „Gesammtstaats-Idee." H. 85.

6*

Digitized by

Google

84

war die Berufungs-Instanz für alle politischen und Justizgegenstände, der „Hofrath", respective der Landesfürst selbst, entschied in den wichtigsten Angelegenheiten. Als nun nach dem Tode Kaiser Ferdinand's L im Jahre 1564 dessen jüngster Sohn, Erzherzog Carl, die innerösterreichischen Länder erhielt, errichtete er für dieselben ähnliche Behörden, wie sie unter seinem Vater in Wien bestanden hatten, nämlich einen geheimen Rath, eine Re- gierung, eine Hofkammer und einen Hofkriegsrath. Die Organi- sierung und der Wirkungskreis dieser innerQsterreichischen Hof- stellen war jener der niederösterreichischen in der Hauptsache gleich, nur der innerösterreichische Hofkriegsrath unterschied sich damals dadurch vom Wiener Hofkriegsrathe, dass er zugleich pohtische Verwaltungsbehörde für einzelne Landestheile war, nämlich für die Grafschaften Licca und Corbavia und die übrigen Grenzgebiete, während der Wiener Hofkriegsrath zu jener Zeit noch auf die militärischen Angelegenheiten beschränkt war. Obwohl Kaiser Ferdinand H. die gesammten österreichischen Länder wieder unter seiner Herrschaft vereinigte und seine Residenz in Wien nahm, liess er doch die innerösterreichischen Behörden in ihrem früheren Wirkungskreise bestehen. Auch die nach Wien verlegte inner- österreichische Hofkanzlei behielt trotz ihrer scheinbaren Einver- leibung iu die österreichische Hofkanzlei ihre fiühere Selbstständigkeit und ihren Namen, denn die ganze Unterordnung der inneröster- reichischen, wie der ober- und vorderösterreichischen Hofkanzlei unter den österreichischen Hofkanzler bestand eigentlich nur darin, dass der österreichische Hof kanzler zugleich auch innerösterreichischer und oberösterreichischer Hofkanzler war. Die innerösterreichischen und die ober- und vorderösterreichischen Behörden behielten bis in die Zeit Kaiser Joseph's I. ihre volle Selbstständigkeit und verkehrten mit dem Kaiser nur durch die Vermittlung der ent- sprechenden Hofkanzlei.*) Die drei Gruppen der österreichischen Länder waren nur durch die Person des gemeinsamen Landesfürsten, also nur durch Personalunion mit einander verbunden; sie waren politisch und administrativ vollständiger von eiuander geschieden, als Böhmen und Nieder-Oesterreich. Während in Böhmen und Nieder- Oesterreich die Heeres- und die Cameral-Angelegenheiten von den- selben Hofstellen, dem Hofkriegsrathe und der Hofkammer in Wien geleitet wurden, hatte sowohl Liner-, wie Ober-Oesterreich (Tyrol) seine eigene, von der Wiener unabhängige Hofkammer und Lmer- Oesterreich auch seinen Hofkriegsrath.

') Seidler, Studien etc. 136.

Digitized by

Google

85

So blieb es bis unter Kaiser Joseph L Unter diesem Kaiser machten Inner-Oesterreich und Tyrol, allerdings nur ungern, einen bedeutenden Schritt nach vorwärts zur einheitlichen Gestaltung der österreichischen Erblande. Die bisher unmittelbaren Hofstellen Inner-Oesterreichs wurden ebenso, wie jene für Tyrol und Vorder- Oesterreich trotz des heftigsten Sträubens derselben und der Stände den obersten Hofstellen für Nieder-Oesterreich, nämlich der Hof kanzlei, dem Hofkriegsrathe und der Hofkammer imtergeordnet.^) Um der Empfindlichkeit der in ihren Prärogativen geschmälerten Behörden und dem in Inner-Oesterreich und Tyrol besonders stark entwickelten Particularismus einige Zugeständnisse zu machen, wurde der geheime Bath in Graz und Innsbruck bei seinen früheren Befugnissen belassen; auch Hess man es geschehen, dass die betreffenden nunmehrigen Landesstellen und deren Functionäre noch weiter den Titel der Hofstellen führten und dass die nunmehr der österreichischen Hof- kanzlei vollständig einverleibte innerösterreichische und oberöster- reichische Abtheilung als innerösterreichische oder oberösterreichische Hofkanzlei bezeichnet wurde. Durch die Unterordnung aller öster- reichischen Erblande unter dieselben HofsteUen war die Regierung und Verwaltimg derselben nach einheitlichen Principien der Ver- wirklichung einen bedeutenden Schritt näher gerückt. Die landes- förstlichen, wie die ständischen Rechte waren ohnedies ziemlich gleich, daher gilt auch für Inner-Oesterreich das Meiste von dem, was über Nieder-Oesterreich gesagt wurde.

Nach der Durchführung der Reformen unter Kaiser Joseph I. und Carl VI. blieben die innerösterreichischen Stellen bis 1747 ohne besondere Aenderung und war die Verwaltung Inner-Oesterreichs in den letzten Regierungsjahren Kaiser Carl VI. folgendermassen eingerichtet *) :

Als eigentliche innerösterreichische Landesstelle bestand in Graz der vom Erzherzog Carl H. errichtete geheime Rath oder die geheime Stelle, welche die anderen Behörden zu überwachen und deren Verkehr untereinander und mit der Hof- kanzlei zu vermitteln hatte. In den einzelnen Ländern waren die Landeshauptleute, im Litorale die zur Beförderung des Handels, insbesondere des Seehandels, zu Triest eingesetzte Commercial-

*) Bidermann, Gesammtstaats-Idee. II. 9. iF.

•) Gebier, Geschichte des Herzogth. Steyermark, 293. ff. Göth, Das Herzogtham Steyermark, I. 82 ff, Aelschker, Geschichte Kämthens, n. 901 ff.

Digitized by

Google

86

Intendanz, welcher die Hauptmannschaften zu Triest, Fiume und Zengg untergeordnet waren, in der Warasdiner und Carlstädter Grenze aber die innerösterreichische Kriegsstelle mit der politischen Verwaltung betraut. Die untersten Verwaltungsorgane waren die Grundherrschaften und die Magistrate der landesfiirstlichen Städte und Märkte. Die Gerichtsverfassung entsprach fast ganz der nieder- österreicliischen ; die Ortsgerichte auf dem Lande, die Magistrate oder Stadtgerichte' übten die Gerichtsbarkeit über die unadeligen Bewohner, welche weder dem geistlichen, noch dem Militärstande angehörten; das Landrecht unter dem Vorsitze des Landeshaupt- manns oder seines Stellvertreters war die Gerichtsinstanz für den Adel, die Ständemitglieder, den Clerus, für die Angelegenheiten der landesfiirstlichen Städte und Märkte u. s. w. Für alle diese Gerichte bildete die „Regierung" in Graz die zweite Instanz, von welcher nur noch die Berufung „nach Hof ^ d. i. an die Hof- kanzlei oder vielmehr an den Kaiser als Landes raten zulässig war. Nur die Carlstädter und Warasdiner Grenze standen, sowie die Militärpersonen überhaupt unter der Militärgerichtsbarkeit und die innerösterreichische Kriegsstelle war die zweite Instanz für die Eegimentsgerichte. ^)

Das Finanz- und Cameralwesen wurde von der inneröster- reichischen Kammer, den Vicedomämtem, den ZoU-, Mauth-, Münz-, Berg- u. a. Aemtem in Verbindung mit den ständischen Einnehmer- ämtem besorgt.

Die landesfiirstlichenRechteinlnner-Oesterreich waren dieselben, wie in Nieder-0 esterreich und den österreichischen Erblanden über- haupt. Weil alle Besitzungen des Erzhauses Oesterreich ein : „Terri- torium clausum" sind und daher nach dem Grundsatze: „Quidquid est in territorio, illud quoque est de territorio" ^ jeder im Lande Begüterte als ein Landsasse anzusehen ist, waren auch die Bischöfe von Seckau, Gurk und Lavant trotz ihres fürstlichen Ranges keine Reichsfürsten, sondern Landstände. Dessgleichen konnten auch die ausländischen geistlichen Ordinariate, deren Diöcesen sich nach Inner-Oesterreich erstreckten, selbst in rein geistlichen Angelegen- heiten weder eine geistliche, noch eine weltliche Person in ihre Residenz citieren, sondern alle Vorfallenheiten mussten dem „Privi-

*) Kr. A. Kanzl. A. IX a, Nr. 10. Instruction für die innerösterreichische Blriegsstelle vom 20. August 1722.

•) Alles, was im Lande ist, gehört zum Lande. (Küchelbecker, Nachrichten etc. 85.)

Digitized by

Google

87

legium de non evocando'^ gemäss bei den mit landesfiirstlicher Genehmigung im Lande selbst bestellten Vicaren oder Erzpriestem und ihren Consistorien verhandelt und entschieden werden. Die Ausübung landesfurstlicher Hoheitsrechte durch auswärtige geistliche oder weltliche Fürsten war noch weniger gestattet und desshalb begab sich das Bisthum Bamberg mit Recess vom 20. De- cember 1674 aller landesfiirstlichen Obrigkeit und Territorial- Juris- diction auf seinen Besitzungen in Kämthen, doch wurden ihm ver- schiedene, in die landesfurstliche Hoheit eiuschlagende Rechte belassen, woraus in der Folge vielerlei Streitigkeiten und Hinder- nisse für die Einführung neuer Landeseinrichtungen entstanden. In Folge dessen übernahm, um die Sache gänzlich zu ordnen, die Kaiserin Maria Theresia durch den Vertrag vom 5. Mai 1759 alle bam- bergischen Herrschafben, Städte und Märkte in Kämthen gegen eine Kaufsumme von einer Million Q-ulden.

Als oberste Vogt- und Schutzherren über alle Gotteshäuser, Stifter und Klöster hatten die Landesförsten das Recht, sogenannte „Panisbriefe" oder Laienpfründen zu verleihen, d. i. alte, zu weiteren Diensten unfähige Hofbeamte oder deren Witwen den steyerischen und kämthner Klöstern zur unentgeltlichen Versorgung zu über- geben, welcher Verpflichtung die Klöster gewöhnlich durch Ver- abreichung eines jährlichen Geldbetrages an die ihnen zur Ver- sorgung Zugewiesenen nachkamen. ^)

Die innerösterreiohischen Stände besassen ansehnliche und alte Privilegien, welche in den Landhandvesten verzeichnet sind und jedesmal vor der Erbhuldigung bestätigt wurden; doch ist durch dieselben die landesfürstliche Machtvollkommenheit keines- wegs eingeschränkt. Die besondere Art, auf welche die Stände Kämthens dem Lande die Huldigung auf dem Zollfelde zu leisten pflegten, war längst ausser Uebung gekommen. Die Stände der einzelnen innerösterreichischen Länder in ihrer Eigenschaft als Corporation wurden gewöhnlich „die Landschaft'' genannt und es bedeutet also „die Landschaft Kämthen" so viel als „die Stände Kämthens''. Ausser der Besorgung der innern Landesangelegen- heiten war die wichtigste Aufgabe der innerösterreichischen Stände die Landesvertheidigung, zu welchem Zwecke die Stände von Steyermark, Kämthen, Krain und Görz auf dem allgemeinen Land-

*) Mayer, Mittheüungen aus Stupan's Beschreibung von Inner-Oester- reich, in Beiträge zur Kunde steyermark. Geschichtsquellen, 24. Jahrgang, 12. -— R H. u. St. A. Handschr. Nr. 171.

Digitized by

Google

88

tage in Brück a. d. Mur im Jahre 1578 die Militarisierung der an die Türkei grenzenden Theile von Croatien, Slavonien und Dal- matien und die Anlage von Festungen beschlossen und hierzu sogleich einen Betrag von 548.205 fl. widmeten. Für die weitere Erhaltung des militarisiei'ten Grenzgebietes wurde in der Weise vorgesorgt, dass Steyermark die Kosten fiir die Warasdiner, die andern innerösterreichischen Länder aber jene für die Carlstädter Grenze übernahmen. Kaiser Rudolf IE. übertrug seinem Oheim Erzherzog Carl die Administration dieser Grenze und die Stände wahrten sich einen den gebrachten Opfern entsprechenden Einfluss durch das Präsentationsrecht für die Besetzung der Haupt- manns- und Obristenstellen in den Grenzen und der Hof kriegs - rathsstellen in Graz, welche sämmtlich niu* an imierösterreichische Landsassen verliehen werden konnten, so lange nämlich die Ver- waltung und Erhaltung dieser Grenzen eine rein inneröster- reichische Angelegenheit und die Grazer Kriegsstelle vorzugsweise eine innerösterreichische Administrativbehörde blieb. "Wenn, wie es . wiederholt der Fall war, eine dem innerösterreichischen landsässigen Adel nicht angehörige Persönlichkeit, gegen welche die Stände keine Einwendung erhoben, für eine solche Stelle in Aussicht ge- nommen war, so wurde, um der Form zu genügen, derselben zuerst das Incolat in einem der innerösterreicliischen Länder verliehen. Die Vereinigung der innerösterreichischen „Landschafben'' zur ge- meinsamen Erhaltung der Grenzmiliz bedingte einen steten regen Wechselverkehr zwischen denselben und häufig auch gemeinsame Berathungen. Es bestand also zwischen den innerösterreichischen Ländern und ihren Ständen eine weit engere und innigere Ver- bindung als zwischen den Theilen der übrigen erbländischen Gruppen.

Zur Diu*chfiihrung der Landtagsbeschlüsse, sowie zur Besorgung der currenten Verwaltirngs-Angelegenheiten wurde von den Ständen jedes Landes ein Ausschuss aus Mitgliedern der drei obem Stände bestellt, welche den Namen ,, Verordnete" führten.

Die Privilegien der Stände gründen sich auf die verschiedenen Landhandvesten, laut welchen dieselben das Berg-^) und

') „Bergrecht'* (eine Abart des Weinzehent, nicht zu verwechsehi mit dem „Bergrecht" als dem Inbegriff aller für das Montan wesen geltenden Rechte und Gesetze) ist eine für die Weinberge zu entrichtende Abgabe. Dasselbe unterscheidet sich vom „Zehent" dadurch, dass dessen Höhe nicht nach dem jedesmaligen Ertrage bestimmt wurde, sondern stets in dem fest- gesetzten Betrage entrichtet werden musste, auch selbst dann, wenn das damit belastete Grundstück längst nicht mehr zum Weinbaue verwendet wurde. (de L u c a , Justizcodex, I, 365. Cod. austr. I, 594.)

Digitized by

Google

89

Zehentrecht, das Einstands- oder Vorkaufsrecht auf die zum Ver- kaufe gelangenden Freihäuser und Freigründe, sowie auf die Be- sitzungen ihrer Unterthanen besassen, femer das Kecht, keine Protestanten ansässig werden zu lassen und keinen Juden zu dulden, Befreiung von verschiedenen Lasten und Abgaben, ins- besondere von der Entrichtung des sogenannten „innobilitiei-ten Zinsguldens" u. dgl. Auch konnte kein ständisches Mitglied schulden- halber mit körperlichem Arrest belegt werden, hingegen durfte dasselbe auch kein bürgerliches Gewerbe betreiben.

Die Stände Kärnthens hatten auf Grund des ihnen vom Erz- herzog Ferdinand am 12. Juli 1521 verliehenen „Münz-Privi- legiums" das Recht, in Klagenfurt Münzen nach Wiener Schrot und Korn mit dem Bildnisse des Landesfiirsten auf der einen, dem kämthner Landeswappen allein oder in Verbindung mit dem öster- reichischen auf der anderen Seite und der Umschrift „archidux Austriae et Carinthiae" zu prägen. Dieses Privilegium war jedoch wegen Nichtausübung in Vergessenheit gerathen und ein im Jahre 1736 von den Ständen an den Kaiser gerichtetes Ansuchen lun Erneuerung desselben hatte keinen Erfolg*).

Der Handel Liner-Oesterreichs hatte unter Kaiser Carl VI. einen grossen Aufschwung genommen. Der Kaiser erhob im Jahre 1730 Triest und Fiume zu Freihäfen und verlieh ihnen ansehnliche Vorrechte und Privilegien, durch welche der Verkehr nach diesen Städten gelenkt werden sollte^). Die Verbesserung der Häfen von ßuccari und Porto-R6, die grossartigen Strassenbauten waren auf die Hebung des Handels berechnet. Der Transitverkehr durch Liner-Oesterreich stieg auf eine früher nie geahnte Höhe.

Von Industriezweigen war die steyerische und kämthner Eisenindustrie von altersher berühmt, doch erlitt dieselbe in Kämthen durch das im Jahre 1728 erlassene Verbot der Einfuhr venetianischer Weine nach Kämthen eine grosse Einbusse, weil die Venetianer nun auch kein kämthner Eisen kauften und daher der italienische Markt für dasselbe verloren gieng.

Der Landbau war natürlich je nach der Beschaffenheit der Gegend verschieden; in den gebirgigen Theilen mussten die an harte Arbeit gewöhnten Bewohner dem Boden mühsam einen kärg-

1) Arch. d. Min. d. Inn. Inner-Oesterr. IV. H. 1, Nr. 12, ex 1736. - Aelschker, Gesch. Kärnthens, II. 893.

«) Cod. austr. IV, 629, 646, 664. Mayer, Die Anfänge des Handels und der Industrie in Oesterreich, 108 ff.

Digitized by

Google

90

liehen Ertrag abringen, in den flachen Gegenden war dagegen häufig die geringe Arbeitslust der Bevölkerung ein Hinderniss des Aufschwunges und die Ursache, dass in manchen Gegenden die Landesumlagen und sonstigen Abgaben nur schwer und mit Auf- wendung aller Strenge eingebracht werden konnten ^). Bedeutend war der Weinbau, besonders in der südlichen Steyermark, wo ehemals fast zwei Drittel des Landes dem Weinbau gewidmet waren, so dass schon in den ältesten Zeiten Vorkehrungen zur Einschränkung des übermässigen Weinbaues gemacht wurden. Der steyerische Wein fand eben nicht den der erzeugten Menge entsprechenden Absatz in andern Ländern. Solange der grösste Theil Ungarns unter türkischer Herrschaft stand, fanden die steyerischen Weine guten Absatz, besonders in Schlesien und es wurden daher viele Aecker und Wiesen in Weingärten umgewandelt. Nach der Vertreibung der Türken aus Ungarn stieg der Export des ungarischen Weines m die Nachbarländer und schliesslich konnten die steyerischen Weine die neue Concurrenz nicht aushalten.

Die Stellung der Bauern in den innerösterreichischen Ländern war, wie in Nieder-0 esterreich, jene der Unterthänigkeit. Es gab zwar auch freie, d. h. keiner Gutsherrschaft unterthänige Grund- besitzer, sogenannte „Freisassen", aber ihre Zahl war nicht gross; die Realitäten derselben waren ebenso, wie jene der Stände, in die Landtafel eingetragen. Die Pflichten der unterthänigen Bauern gegen ihre Grundobrigkeit waren die gewöhnlichen: Grundzins, Eobot, das Mortuar, d. i. eine Abgabe von 3% des reinen Nach- lasses, das Pfundgeld, Laudemium, eine auf verschiedenen Dominien verschieden bemessene Gebühr, die bei Besitzveränderungen von dem Erwerber einer Realität entrichtet werden musste, das Abfahrts- oder Kauf-Freigeld, 107o ^^^ Kaufschillings, welches der Abziehende entrichten musste, dann verschiedene andere Abgaben und Leistungen. Auch stand der Gutsobrigkeit das Abstiftungsrecht zu, d. h. der Zwangsverkauf, wenn die Unterthansdienste nicht geleistet wiurden, dann das Recht, sich für ausstehende Dienste oder Schuldigkeiten selbst zu entschädigen.

Schwerer, als durch die Lasten der Unterthänigkeit wurden die steyerischen Bauern durch die Schäden gedrückt, welche das in übermässiger Zahl gehegte Schwarz- und Rothwild verursachte. Die Jagd war eine beständige Qual für den Landmann. Die Bauern

') H. H. u. St. A. Handschr. Nr. 171.

Digitized by

Google

91

durften keine solchen Hunde halten, welche das Eothwild nieder- reissen oder das junge beschädigen konnten ; es war ihnen verboten, das Wild durch Schreien, Singen, Klopfen oder Hundegebell aus seiner Ruhe aufeuscheuchen und die Jäger durften den Bauern ihre spitzigen Zäune, an denen sich das Wild verletzen konnte, nieder- werfen. Desshalb entstanden im Jahre 1740 in verschiedenen Gegenden Zusammenrottungen der Bauern, welche den Wildstand vernichteten. Maria Theresia Hess gleich nach ihrem Regierungsantritte die An- stifter der Zusammenrottungen bestrafen, aber auch den Wildstand vermindern und die Gründe durch Umzäunung schützen *).

Bezeichnend für die allgemeine Mittellosigkeit der Bauern Kämthens erscheint es, dass die Millstätter Bauern nur mühsam jene sechs Gulden zusammenbrachten, die sie ihren drei Deputierten im Jahre 1737 als Zehnmg für die Reise nach Wien mitgeben mussten ^.

Ober- und Vorder- Oesterreich.

In vielen Beziehungen waren die Einrichtungen Ober- und Vorder-Oesterreichs, d. i. Tyrols und der Vorlande, von jenen der anderen Erblande verschieden. Die wiederholte Trennung dieser Länder von dem übrigen habsburgischen Hausbesitze hatte eine selbstständige Entwicklung der Verfassung und Verwaltung dieser Theile der Monarchie begünstigt und auch nach ihrer Wiederver- einigimg unter einem Landesfürsten hatten viele Einrichtungen ihren früheren Charakter durch längere Zeit bewahrt'). Bis zum Jahre 1751 hatten die gesammten ober- und vorderösterreichischen Lande gemeinschaftliche Regierungsbehörden, die Landesstellen oder „Wesen" in Linsbruck, welche daJber ober- und vorderöster- reichische Stellen genannt wurden. Es waren dies die von Kaiser Maximilian L errichtete Regierung oder das „Regi- ment", welchem die Besorgung der Justiz- Angelegenheiten und die oberösterreiohische Hofkammer, welcher nebst der Cameral- und politischen Verwaltung bis zum Jahre 1706 auch das Militärwesen anvertraut war. Zu diesen trat im Jahre 16G6 nach dem Tode des Erzherzogs Siegismund noch eine dritte hinzu, nämlich der ober- und vorderösterreichische geheime

») H. H. XL. St. A. Handschr. Nr. 171. Gebier, Steyermai-k. 357. •) Aelschker, Geschichte Kämthens, IE. 917.

«) E g g e r, Geschichte Tyrols, IE. 520 ff. Bidermann, Gesammt- staats-Idee, II. 1 ff.

Digitized by

Google

92

Eath, welcher den beiden andern vorgesetzt war und die von der Hofkanzlei ergangenen Erlässe und Allerhöchsten Befehle den übrigen Stellen übermittelte und die von der Regierung und Kammer erstatteten Berichte zur Allerhöchsten Entscheidung leitete. Die von Erzherzog Siegismund hinterlassene oberösterreichische Hofkanzlei wurde zwar, sowie es unter Ferdinand H. mit der mnerösterreichischen der Fall war, nach Wien verlegt und als eine besondere Abtheilung der österreichischen Hofkanzlei einverleibt. EigentHch bestand die ganze Einverleibung nur darin, dass später alle drei Hofkanzleien einen und denselben Hofkanzler hatten, denn um die particularistischen Gefühle zu schonen, beliess man auch dieser ober- und vorderösterreichischen Abtheilung den Namen der geheimen tyrolischen Kanzlei oder oberöster- reichischen Hofkanzlei. Diese Selbstständigkeit und Unab- hängigkeit der Behörden und der Verwaltung Tyrols dauerte bis zum Regierungsantritte Kaiser Joseph I. Im Jahre 1706 wurde unter den gleichen Modalitäten. Schwierigkeiten, Protesten und Aeusserungen des passiven Widerstandes, wie in Inner-Oesterreich, die oberösterreichische Hofkammer der Wiener Hofkammer unter- geordnet, die reinen Cameral- Angelegenheiten der kaiserlichen Hof- karamer, die politischen und gemischten Gegenstände der öster- reicliischen Hofkanzlei, die Militär- Angelegenheiten endlich dem HofTvriegsrathe zugewiesen *), doch mussten alle Erlässe und Berichte in politischen und Cameral-Angelegenheiten den oberösterreichischen geheimen Rath und die Kanzlei des Gubernators passieren. Der Kaiser hatte nämlich auf die Bitten der Tyroler ihnen die Er- nennung eines eigenen Gubernators als Ausdruck und Zeichen der politischen Individualität Tyrols und der Vorlande zugestanden und den Pfalzgrafen Carl Philipp von Pfalz-Neuburg im Jahre 1705 hiezu ernannt, welcher diesen Posten bis zum Jahre 1717 be- kleidete. Laut der ihm ertheilten Instruction vom 15. April 1705*) war er als „Gouverneur und Statthalter der gesammten ober- und vorderösterreichischen Fürstenthümer und Länder'' der unmittelbare Repräsentant des Landesfürsten ; er führte das Gubemium, wie auch alle Stadt- und Landessachen und die Civil- und Militär- Justiz ; er war der Präsident des oberösterreichischen geheimen Rathes, an ihn giengen alle Erlässe und Decrete, welche er dem Hof-Vicekanzler oder jenem, der dessen Stelle vertrat, übergeben sollte. Die

») Kr. Arch. H.K.R. 1707. Aug. 270, Rg. ; Sept 380, Exp. ; Dec. 139, Exp. 1708, Dec. 250, Exp.

«) Arch. d. Min. d, Inn. III. A. 4. Tyrol. Nr. 7 ex 1705.

pigitized by

Google

98

Beschlüsse des geheimen Rathes wurden per majora gefasst; im Falle der Gouverneur mit euiem Beschlüsse nicht einverstanden war, musste er denselben mit seinem Gutachten zur Allerhöchsten Entscheidimg vorlegen. Als der Pfalzgraf anlässlich der Uebemahme der Regierung seiner Erblande die Gub er natorss teile im Jahre 1717 niedergelegt hatte, führten nun die alten drei obersten Stellen oder „Wesen" die Landesverwaltung ; für die Militärangelegenheiten war eine neue Behörde, das ober- und vorderöstorreichische Militär-Directorium in Innsbruck hinzugekommen. Unter Kaiser Leopold war zwar ein General als Mitglied des geheimen Raths in Lmsbruck bestellt, aber derselbe übte seine Gewalt nur im Auftrage der Tyroler Stellen aus und hatte keinen selbstständigen Wirkungskreis *), da es in Tyrol noch kein reguläres Militär gab. Unter der Regierung Kaiser Joseph I. wurde die erste stehende Tnippe in Tyrol geschaffen, ein regelmässiges Landbataillon imd zugleich wurden die Militär-Angelegenheiten einem Militär-Director unterstellt, welcher unmittelbar dem Hofkriegsrathe untergeordnet war und dessen Aufträge ohne weitere Dazwischenkunft der Wiener Hofkanzlei, des oberösterreichischen geheimen Raths und der beiden ,,AVesen" zu vollziehen hatte.

Nach diesen vorausgegangenen Veränderungen war die Landes- verwaltung und die Justizpflege in Tyrol und den Vorlanden während der letzten Regienuigsjahre Kaiser Carl VI. folgender- massen organisiert : ^

Der ober- und vorderösterreichische geheime Rath war die oberste Landesstelle imd der Ober-Schiedsrichter und Ober-Entscheider über die ober- und vorderösterreichische Regierung und die ober- und vorderösterreichische Hofkammer.

Der ober- und vorderösterreichischenRegierung waren nebst der Civil- und Criminal- Justiz alle übrigen Landes- Angelegenheiten zugewiesen, jedoch so, dass in jenen Fällen, wo ein landesfürstliches Interesse in Betracht kam, die oberöster- reichische Hofkammer imi ihre Meinung gefragt und ein Vertreter derselben zu den Sitzungen beigezogen werden musste. Waren beide Stellen einig, so war die Sache entscliieden ; bei getheilten Meinungen musste dieselbe dem ober- imd vorderösterreichischen geheimen Rathe vorgelegt werden.

') B i d e r m a n n, Geschichte der landesf[irstlichen Behörden in und für Tyrol. (Archiv für Geschichte und Alterthumskunde Tyrols. 3. Jahrg. 1866. 342 f).

•) H. H. u. St A. Ober- u. vorderösterreicliische Miscellanea. Handschr. Nr. 1108.

Digitized by

Google

94

Das Cameralwesen besorgte die ober- und vorderöster- reichische Hofkammer, welche aber nicht, wie der Titel vermuthen Hesse, eine Hofstelle, sondern eine der „Allgemeinen Hofkammer" in Wien untergeordnete Behörde war.

Verwickelt und verworren war die Justizpflege. Als erste Instanz für Bürger und Bauern fungierten die herrschaftlichen Gerichte, kurzweg Gerichte genannt, deren Sprengel ebenfalls diesen Namen fährten und der Ausgangspunct der politischen Landeseintheilung waren. So viel Herrschaften, so viel Richter. Diese Gerichte waren aber nicht, wie in den andern Erblanden, ein Ausfluss der obrigkeitlichen Gewalt der Grundherren über ihre Unterthanen, sondern sie sind landesförstliche Lehen und die In- haber derselben konnten die Gerichtsbarkeit nur im Namen des Landesflirsten ausüben. Die Richter wurden von den Herrschafbs- besitzem bestellt, weu'en aber zugleich in landesftirstlichen Pflichten ; sie hatten keine Besoldung, sondern mussten von den Sportein leben, dalier sie gewöhnlich durch Weitläufigkeiten ihr Ein- kommen zu vermehren suchten. Eben diese Richter hatten auch die Criminal-Gerichtsbarkeit, doch mussten sie meistens die ge- schlossenen Processe an die oberösterreichische Regierung zur Re- vision einschicken und die weiteren Anordnungen abwarten. Einige Herrschaften, besonders jene an den wälschen Confinien, hatten den Blutbann und waren daher von der Einsendung der Processacten befreit; sie wollten sich sogar das Begnadigungsrecht zueignen.

Der Herren- und Ritterstand im Vintschgau, im Burggrafen- amt, am Eisack und an der Etsch hatte ein besonderes Oberhaupt an dem Landeshaup t'm a n n, welcher die zwischen seinen Mit- gliedern vorfallenden Civilstreitigkeiten in erster Instanz zu ent- scheiden hatte. Der übrige, ausser diesen Vierteln sesshafte Adel unterstand direct der oberösterreichischen Regierung. Früher sprach der Landeshauptmann persönlich Recht; später überliess er wegen seiner beständigen Abwesenheit das landeshaupt- männische Gericht seinem Amtsverwalter und dieser pflegte es wieder einem andern Edelmann oder gar dem Amtsschreiber zu übertragen. Von dem Landsclireiber hieng also das Schicksal der streitigen Habschaften des Adels ab. Weder der Verwalter, noch der Amtsschreiber genossen einen Gehalt, desshalb suchte jeder möglichst viel Spoiiieln herauszuschlagen und das war der Grund, warum Klagen wegen kleinerer Forderungen häufig unterlassen wurden, denn die Gerichtstaxen betrugen oft mehr, als der Streit- gegenstand.

Digitized by

Google

95

Die Regierung war, wie oben bemerkt, directe Instanz eines Theiles des Tyroler Adels und Berufungsinstanz in jenen Justiz-Angelegenheiten, welche in erster Instanz vor einem andern Gerichte verhandelt worden waren ; zugleich wax sie Lehenshof für Tyrol und die Vorlande und dies verlieh ihr ein besonderes An- sehen, weil sich mehrere Reichsförsten und Stände des schwäbischen Kreises zur Ablegung der Lehenspflichten daselbst persönlich stellen mussten.

Für die Criminal-Justiz war in den deutschen Bezirken die peinliche Halsgerichtsordnung Carl V., in den wälschen Bezirken aber die verschiedenen besonderen Statuten in Geltung. In dem einen wurden viele Todesstrafen, in dem andern wieder zumeist Geldstrafen verhängt; alle Statuten an den wälschen Oonfinien gestatteten die Sühnung eines Todtschlages (Meuchelmord ausge- nommen) durch die Entrichtung eines Blut- oder Wehrgeldes an die Verwandten. Ueberhaupt erfreute sich ausser den Niederlanden und Schlesien kein anderes Erbland eines solchen Reichthums an besonderen Rechten, Statuten und Municipalgesetzen. Die Tyroler Landesordnung vom Jahre 1573 galt für den grössten Theil Tyrols, mit Ausnahme der drei Herrschaften Kufstein, Kitzbühel und Ratten- berg, welche ihr mitgebrachtes bayrisches Recht behalten hatten und der wälschen Confinien, wo theils das Trienter Municipalgesetz, Statutum Tridentinum, theils für jede Stadt ein besonderes, vom Landesfürsten bestätigtes Gesetz oder Statut in Geltung stand. Diese Verschiedenheit äusserte sich nicht blos in den Urtheilen, sondern auch im Gerichtsverfahren, im Stra^rocess. Im deutschen Tyrol wurde die Untersuchung vom Richter geführt, dann wurde ein sogenanntes Rechtsgeding gehalten; dieses bestand aus zwölf von dem betreifenden Gericht ausgesuchten Männern, welchen der Richter den Inhalt der Untersuchung vortrug, worairf alle ihre Meinung abgaben und das Urtheil mit Stimmenmehrheit sofort geschöpft wurde, aber vor der Vollstreckung der oberösterreichischen Regierung vorgelegtwerdenmusste. In Wälsch-Tyrol wurde das Urtheil vom Richter allein gefällt. Da die Kosten der Untersuchung und der Vollstreckung des Urtheils, wenn der Verbrecher vermögenslos war, der Gerichtsobrigkeit zur Last fielen, so wurden häufig, um die Kosten der Gerichtspflege zu vermindern, Geldstrafen statt der Todes- oder Leibesstrafen verhängt.

Bis zum Jahre 1754, d. i. vor der Bestellung der Kreishaupt- leute, gab es in Tyrol ausserhalb Innsbruck mit Ausnahme der minderen Cameralbeamten, Zöllner und Forstbediensteten fast keine

Digitized by

Google

96

in landesfürstlichen Pflichten stehenden Beamten, als den Stadthaupt- mann zu Trient, den Commissär an den wälschen Confinien, den Oberamtspfleger zu Bozen und noch die eine oder andere Amtsperson. Die landesfurstlichen Verordnungen luid jene der Landesbehörden koiuiten daher nur durch die Obrigkeiten vollzogen werden und wenn es sich um wictitigere Anordnungen handelte, war die Landesstelle gezwungen, eigene Commissäre von Linsbmck an die entlegensten Orte zu senden. Eine andere Folge des Mangels an landesfürstlichen Beamten ausserhalb Innsbruck war, dass Niemand einen Einblick in die Amtsthätigkeit der Richter und in den Gang der Rechtspflege hatte. Erst diu'ch die Aufstellung der Kreishaupt- leute trat eine Aenderung zum Bessern ein.

Die Verfassung Tyrols berulite in der Hauptsache auf dem am 23. Juni 1511 von Kaiser Maximilian L zu Innsbruck mit Beiziehung aller vier Stände des Landes und der Hochstifter Trient und Brixen geschlossenen Vertrage und auf der Landesordnung vom Jalire 1573. Die ständischen Einrichtiuigen Tyrols waren von jenen der übrigen Erblande wesentlich verschieden. Schon der Zusammensetzung nach bestand zwischen den Ständen in Tyrol und jenen der gesammten übrigen Erb-Königreiche und Länder ein sehr beträchtlicher Unterschied, indem in Tyrol nebst der Geistlichkeit und dem weltlichen Adel, unter welchem der Herren- und Ritter- stand zugleich begriffen war, dami den Städten und Märkten die Bauern *) den vierten Stand ausmachten, femer dass in den meisten übrigen Erblanden der Herren- und Ritterstand von einander unterschieden waren. Bei den ständischen Versammlungen erschienen nicht nur die vier Stände des Landes, sondern auch die Bischöfe von Trient und Brixen und ihre Capitel entsandten Deputierte. Der vierte oder Bauernstand war ebenfalls durch Deputierte, und zwar je einen für jedes „Gericht" vertreten, welche auch bei der Landes- huldigung erscliienen und wie die übrigen Stände, jedoch an einer abgesonderten Tafel, bei Hofe speisten.

Weil mit den zwar wohlgesinnten, aber raulien Bauern in Bezug auf die Landtags-Postulate nichts auszurichten war, da ihnen die Ueberzeugung von deren Nützlichkeit und Nothwendigkeit absolut nicht beigebracht werden konnte, vermied man es nach Möglichkeit,

*) Die Tyroler Bauern erhielten im Jahre 1417 vom Herzog Friedrich „mit der leeren Tasche" für ihre Treue gegen den unglücklichen, in Kirchen- bann und Reichsacht verfallenen Fürsten die Freiheit, Eigenthum imd die förmliche Standschaft. (Staffier, Tyrol xmd Vorarlberg. 625.)

Digitized by

Google

07

eiueiiLaiidtag abzuhalten und fand donAusweg, dioLandtags-Postulate diu'cli sogenannte ,, engere Congresso" zu erledigen, aufweichender Bauernstand dui'ch die sogenannten Viertelsvertreter (je einer für jedes Viertel von den Gerichten gewählt) vertreten war. Wenn also der Landtag einberufen wurde, erschienen die Stände und die Abgeordneten der Gerichte nur zur Eröffiiungssitzung und zur Anhörung der Postulate und Vorlagen, worauf sie den sogenannten grösseren Ausschuss, bestehend aus den Vertretern der Stifter Trient und Brixen und deren Domcapitel, dann sechs Prä- laten, zehn Herren und Eittem, zehn Deputierten der Städte und allen Viertelsvertretern, wälüten und sich wieder nach Hause be- gaben. Mit diesem Ausschusse wurden die Vorlagen erledigt. Bevor aber der grössere Ausschuss sich trennte, wählte er den sogenannten engeren Ausschuss, welcher bis zum künftigen Landtage keiner weiteren Veränderung unterworfen war. Dieser engere Ausschuss, dessen Einrichtung als Vertreter des ganzen Landes und Besorger der Landes- Angelegenlieiten schon im Jahre 1573 ge- troffen worden war, bestand aus den Abgeordneten der beiden Hochstifter Trient und Brixen und dieser beiden Domcapitel, aus drei Mitgliedern des Prälatenstandes, vier des Herren- und Eitter- standes, fünf Vertretern der Städte, endlich aus den Viertels Vertretern. Vorsitzender des engem Ausschusses war der Landeshauptmaiui ; der Landmarschall wurde nicht zugezogen. Dieser Ausschuss hatte allerdings nur eine beschränkte Befugniss; in Angelegenheiten, welche eine beständige Folge nach sich zogen, konnte nur der offene Landtag beschliessen. Der Ausschuss versammelte sich in der Regel jährlich einmal zur BewilHgung der Contribution ; imr wenn Extra - Postulate zu bewilligen waren, z. B. in Kriegszeiten, zweimal. Der Versuch, BewilHgungen für mehrere Jahre zu erhalten, scheiterte an dem Widerstände der Stände, insbesondere der Stifter Trient und Brixen. Zum Vollzuge der J3eschlüsse des Landtages, respective des Ausschusses, dann zur Besorgung der ciirrenten Geschäfte, z. B. der mit den Truppen-Durchmärschen in Verbindung stehenden Angelegenheiten, bestanden in Lmsbruck und Bozen sogenamite Activitäton aus je einem Vertreter jedes Standes und zwar jene in Lmsbruck unter dem Vorsitze des Landeshauptmaimes, jene in Bozen unter dem des Landeshauptmann- schafts-Verwalters.

Der Landeshauptmann wohnte urs2)rünglich im Schlosse Tyrol imd hiess daher auch Burggraf zu Tyrol; später wurde sein Sitz nach Bozen und endlich nach Innsbruck vorlegt.

Oesterreiohischer Erbfolgekrieg. I. Bd. 7

Digitized by

Google

98

Besondere Vorrechte hatte Tyrol in seiner Wehr- und Steuer- verfassung. In den älteren Zeiten wurden die Grenzfestungen und Pässe Tyrols von dem Landvolke selbst bewacht und erst im Jahre 1703 wurden tyroler Landmiliz-Kegimenter errichtet ^), nach deren Reduction ein reguliertes Landbataillon bis zum Jahre 1745 bestand. Auf Grund des Land-Libells vom Jahre 1511 ^ betnig im Falle eines feindlichen Angriffes auf Tyrol das erste Aufgebot 5000, das zweite 10.000, das dritte 20.000 Mann. Zu dem ersten Aufgebote hatten die Stifter Trient und Brixen 1800, das Pusterthal 500, die Herrschaften Rattenberg, Kufstein luid Katzbühel 300, die übrigen Städte und Gerichte 2400 Mami zu stellen. ^) Diese Miliz war nur zur Vertheidigung des eigenen Landes, keinesfalls aber zum Dienste ausserhalb Tyrols verpflichtet, trotzdem kämpfte sie wiederholt auch ausserhalb Tyrols gegen die Feinde des Kaisers. Einer über das Land-Libell vom* Jahre 1511 hinausgehenden Organisierung der Landesvertheidigung widerstrebt<3 die Rtändevertretung beharrlich. *)

Auf der Wehrverfassung vom Jahre 1511 beruhte auch die spätere Steuerverfassung. Im Jahre 1573 hatten die tyroler Stände auf Ansinnen des Erzherzogs Ferdinand 1,000.000 fl. Kammer- schulden übernommen. Diese Simiine wurde auf das im Land-Libell vom Jahi'e 1511 beschlossene erste Aufgebot von 5000 Streit- knechten vei-theilt, so dass jener, welcher nach dem Libell zur Stellung eines oder mehrerer gerüsteter Streitknechte verpflichtet war, in gleichem Verhältnisse zur Tilgung dieser Schuld beitragen musste. Aus den Streitknechten wurden dalier Steuer- knechte (Steuereinheiten)^). Ein Steuerknecht betrug 36 il. Innerhalb zwanzig Jahren hätte die übernommene Schuld sammt den Interessen getilgt sein sollen, nur zwanzig Jahre sollte diese Steuer dauern, ihr Erträgmiss ausschliesslicli zur Schuldentilgung verwendet werden und wälirend dieser Zeit das Land von jeder anderen Abgabe befreit sein. Allein da viele Steuerknechte ver- loren gegangen waren oder nachgelassen wurden, erreichte das Jahreserträgniss nicht die 5000 Streitknechten entsprechende Simmie von 180.000 fl., sondern nur etwa 138.000 fl. und da das Land später auch noch andere Schulden übernehmen und die durch die Truppen-Durchzüge entstandenen Auslagen decken musste, hörten

*) Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen. V, 113.

*) Brandis, Gesclüchte der Landeshauptleute von Tyrol. 412 £F.

8) H. H. u. St. A., Ober- und Vorder-Oesterr. Mise. Handschr. 1108.

*) Egg er, Geychichte Tyrols. U. 536.

*) Staffier, T>to1 und*^ Vorarlberg. 044.

Digitized by

Google

99

weder die Schulden, noch die Steuern auf, trotzdem die ständische Verwaltung sehr eingeschränkt und mit geringen Kosten verbunden war, indem die ganzen ständischen Besoldungen jährlich nur 6692 fl. betrugen.

In einem eigenthümlichen Verhältnisse zu Tyrol standen die Bischöfe von Trient und Brixen und ihre Stifter und Länder. ^) Waren sie auch „nexu inaequali", durch ein ungleiches Band, mit Tyrol verbunden und dem geforsteten Grafen von Tyrol zu gewissen, in den Verträgen ausgedrückten Leistungen verpflichtet, so waren sie doch weder Unterthanen der Grafen von Tyrol, noch Land- sassen und es kann ihnen zu damaliger Zeit die Landeshoheit über ihr Gebiet nicht abgesprochen werden, denn sie wurden vom Kaiser und nicht vom regierenden Grafen von Tyrol mit ihren Landen und Regalien belehnt, sie hatten Sitz und Stimme auf dem Reichstag, hatten daselbst ihre Gesandten, die sich bei Chur-Mainz legiti- mierten; von ihren rechtlichen Aussprüchen gieng die Appellation nicht an die tyroler Landesbehörden, sondern an die höchsten Reichsgerichte; endlich führten sie zum Unterhalte des Roichs- Kammergerichtes gleich anderen unmittelbaren Reichsfürsten die sogenannten Kammerziele ab ; nur waren sie durch besondere Verträge gebunden, in mehreren wichtigen, das gesammte Land T3n'ol betreffenden Angelegenheiten, z. B. im Münzwesen und in der Landesvertheidigung, den Verfügungen des regierenden Grafen von Tyrol nachzukommen. Die beiden Bischöfe und ilire Domcapitel waren mit ihrer Zustimmung unter Kaiser Maximilian L im Jahre 1511 in die Landes-Defensions-Ordnimg einbezogen und sie stellten nicht nur ihre 1800 Streitkneclite, sondern entrichteten auch gemäss dem Vertrage vom Jahre 1573 die gleiche Anzahl Steuer- knechte, kurz, sie trugen die öffentlichen Lasten gleich den vier Ständen Tyrols, dafür aber hatte das Erzhaus Oesterreich alle auf die Bischöfe von Trient und Brixen entfallenden Reichslasten zu tragen übernommen. Die Erzherzoge von Oesterreich als Grafen von Tyrol hatten das Besatzimgsrecht und die Vogtei; sie führten die Verwaltung während einer Sedisvacanz und hatten das Recht, zwei Drittheile, seit der Kaiserin Maria Theresia die Hälfte, der Domhermstellen in Trient mit östeiTeichischen Unterthanen zu besetzen. Was das Einverständniss und die Conformität in allen das Land Tyrol, einschliesslich der Bistliümer, betreffenden An-

») H. H. u. St. A., Ober- imd Vorder-Oesterr. Mise. Hmidschr. 1106.

7*

Digitized by

Google

100

gelegenheiten angeht, kam es allerdings bisweilen vor, dass die Bischöfe, besonders in Münz-Angelegenlieiten manches, wozu sie verpflichtet gewesen wären, nur zrnn Schein oder gar nicht thaten '), aber in den Angelegenheiten der Landesvertheidigiing, so bei Truppen-Durchmärschen, Etappen, Liefenmgen u. s. w. bewiesen sie stets eine grosse Willfährigkeit und Vertragstreue.

Da nicht blos die Bischöfe von Trient und Brixen, sondern auch die andern, deren Diöcesen sich nach Tyrol erstreckten, ent- weder Reichsfursten waren oder wenigstens ausserhalb des Landes residierten und daher nicht wie ein unterthäniger Clerus gebunden waren, so entstanden dadurch besonders in solchen Angelegenheiten, deren Erledigung ein Einvernehmen zwischen der geistlichen und weltlichen Obrigkeit erforderte, oft nicht geringe Schwierig- keiten. Auch die zwischen den Hochstiftem Trient und Brixen herrschende Eifersucht und Missgunst vermelu-te noch die Schwierig- keiten und vergrösserte die ohnehin zwischen den Inn- und Etschländem bestandene Uneinigkeit.

Die socialen und volkswirthschaftlichen Verhältnisse Tyrols 'zeigten ebenfalls viele Eigenthümlichkeiten. Adel und Geistlichkeit waren beiweitem nicht so reich, wie etwa in Böhmen oder Mähren, weil ihnen zur Bewirthschaftung ihrer Grüter nicht die unentgelt- liche Arbeitskraft robotpflichtiger Unterthanen zu Gebote stand. Auch widmete sich der tjToler Adel, nicht wie in andern Ländern, vorzugsweise dem Kriegsdienste oder dem geistlichen Stande luid dies war ebenfalls ein Grund seiner Verarmung. Li einigen Städten, namentlich in Bozen, waren zwar reiche Kaufleute, weil der Handel zwischen den nördlichen Erblanden und Italien durch Tyrol gieng; allein seit der Erhebung Triests zu einem Freihafen und dem Aufschwünge des Triester Handels sank der Waaren- verkehr durch Tyrol und die fiaiher so bedeutenden Bozener Jahr- märkte verloren von Jahr zu Jahr an Geltung. Dieser Markt hatte ganz besondere Privilegien. Zur Entscheidung der aus dem Markt- verkehr entsprungenen Streitigkeiten waren zwei eigene Listanzen aus Kaufleuten bestellt. Jede dieser beiden Listanzen bestand aus deutschen und italienischen Kaufleuten, jedoch jede nur aus drei Personen, nämlich einem Consul und zwei ConsigHeri und mussten, wenn der Consul der ersten Listanz ein Deutscher war, die Con- siglieri Italiener, dagegen in der zweiten Listanz in diesem Falle

») H. H. u. St. A., Ober- und Vorder-Oosterr. Mise. Handschr. Nr. 1108.

Digitized by

Google

101

ein Italiener und die beiden Consiglieri Deutsche sein. Das Religions- bekenntniss kam hierbei nicht in Betracht. Die Verhandlung war summarisch. Diese Instanzen hiessen Magistrate mercantile di Bolzano, Handelsgericht in Bozen. An dasselbe wandte sich zumeist auch das Aerar, wenn Geld-Anticipationen in Tyrol beschafft werden sollten ; dies konnte jedoch nur zur Marktzeit geschehen, wenn eben Kaufleute, welche das Geld vorstrecken konnten, anwesend waren. Die Industrie war nicht besonders entwickelt, namentlich nicht in Deutsch-Tyrol, wo wegen der Armuth der Bevölkerung und der Theuerung der Lebensmittel der Fabriksbetrieb gar nicht rentabel war; in Wälsch-Tyxol dagegen, wo Alles billiger war und folglich der Arbeiter auch bei einem geringeren Lohne bestehen komite, lieferten auch die Fabriken ein besseres Erträgniss. Verhältniss- mässig am besten standen in Tyrol die Bauern ; sie waren freie Leute und nicht wie in andern Ländern den Grundherrschaften unterthänig, sondern hatten Antheil an der Besorgung der Landes- Angelegenheiten. Für die tyroler Bauern gab es keine aus der Unterthäiügkeit oder gar Leibeigenschaft entspringenden Lasten und Pflichten, kein gnmdherrliches Abfalirtsgeld, keine Abstiftung u. s. w. Bauer und Bürger konnte gleich dem Adeligen und Prälaten die volle Grundherrlichkeit erwerben, mit welcher jedoch in Tyrol nicht, wie in den andern Erblanden, die niedere Gerichtsbarkeit von selbst verbunden war, denn in Tyrol gab es eben keine Unter- thanen des Grundherrn. *) Diese persönliche Freiheit der Bauern erzeugte im Bauernstände ein starkes Selbstgefühl, in Folge dessen sie sich nicht leicht leiten Hessen ; insbesondere bekundeten sie einen schier unbezwinglichen Starrsinn, wenn es auf da« Geldgeben ankam. Desshalb wurden auch, wie oben erwähnt, statt der jährlichen Land- tage engere Congresse, auf welchen nur aus jedem Viertel ein Vertreter des Bauernstandes erschien, zur Erledigimg der Postulate eingeführt. Die Einigkeit zwischen den einzelnen Landestheilen war nicht immer imd überall in wünschenswerthem Grade vor- handen, namentlich zwischen den Inn- und Etschländem herrschte selten ein gutes Einvernehmen. Jedes Viertel, jedes Thal betrachtete sich als eine Welt für sich. Man hat es auch sehr spät und sehr schwer dahin bringen können, dass jenen Gemeinden, welchen durch die zahlreichen Tnippen-Durchmärsche und die TlieueiTing der Lebensmittel grosse Auslagen für die durchmarschierenden Truppen erwuchsen, von den übrigen Gemeinden eine Vergütung

») Staffier, Tyrol und Vorarlberg, 671.

Digitized by

Google

102

geleistet und die Last gemeinsam getragen wurde. Die von den Truppen nicht berülirten Gemeinden verweigerten hartnäckig jeden Beitrag unter dem Vorwande, dass die von den Truppen-Durch- märschen betroffenen Gemeinden eben wegen ihrer Lage an den Verkehrswegen alle Vortheile des Strassengewerbes gemessen. ') In einem Stücke unterschieden sich damals die Tyroler ganz be- sonders von ihren Nachbarn, den Schweizern. Schweizer traf man damals in fast allen Aimeen; der Kaiser, die Könige von Frank- reich, die Päpste und andere Fürsten hatten aus Schweizern ge- bildete Truppenkörper in ihrem Solde ; der Tyroler aber, stets bereit, die Büchse zur Vertheidigung seines Heimathlandes zu er- greifen, verspürte keine Neigung zu fremdem Kriegsdienste.

Vorder- Oesterreich, d. i. Vorarlberg und die österreichischen Vorlande, standen bis zum Jahre 1751 unter d©n Landesbehörden in Linsbruck, denn auch im Jahre 1748, als mit der gründlichen Reform des erbländischen Verwaltungs- apparates begonnen wurde, blieb Vorder-0 esterreich noch unter der Repräsentation^) in Linsbruck und erst im Jahre 1 752 wurde die Repräsentation in Constanz als politische Landes- behörde für Vorder-Oesterreich errichtet. Waren also bis zu diesem Zeitpuncte die landesfürstlichen Behörden in Linsbruck den ge- sammten ober- und vorderösterreichischen Ländern gemeinsam, so war dies bezüglich der ständischen Verwaltung keineswegs der Fall. Die vorderösten-eichischen Stände bildeten nicht eine einzige Körper- schaft, sondern waren nach den drei Gruppen der vorderöster- reichischen Besitzungen ebenfalls getrennt, nämlich in jene von Vorarlberg, vom Breisgau und von Schwäbisch-Oesterreich. Die Stände dieser drei vorderösteiTeichischen Landestheile hatten im Jahre 1730 zu Radolfszell den sogenannten „Unions-Proportions- Recess" abgeschlossen, durch welchen die von jeder der drei Gruppen zu übernehmende Quote der Gesammt-Contribution fest- gesetzt wurde. Li Vorarlberg gab es nur zwei Stände, nämlich die Städte und Gerichte, d.h. die Bürger und die Bauern; der Adel und die Geistlichkeit bildeten keine Stände.^) Die Bauern in Vorarlberg waren also ebenfalls, wie jene in Tyrol,

») H. H. u. St. A. Ober- u. Vorderöst. Mise. Handschr. 1108, ^) So hiessen soit 1748 in einigen Kronländern die politischen Landes- stellen, welche später den Namen „Guhemium", „Regierung" oder „Statt- halterei" erhielten.

») Arch. d. Min. d. Inn. Tyrol, IV. H. 3.

Digitized by

Google

103

frei von jeder grundherrlichen Untorthänigkeit und die Benennung Grundherr und Grundhold war in Vorarlberg ebenso unbekannt, wie die Sache selbst. Weil auch die vorderösterreichischen Länder, ebenso wie Tyrol im Gegensatze zu den andern Erblanden von der Vermögens- oder Türkensteuer, von der Recrutenst eilung und den Extraordinarien befreit waren, musste den Ständen bei jeder Landtagsbewilligung, wie dies übrigens auch in andern Ländern der Fall war, vom Kaiser ein Revers ausgestellt werden, „dass ihnen obberührte gehorsamste freie Bewilligung, welche die- selben vermög ihrer Privilegien, Freiheiten, Rechte und Gerechtig- keiten zu thun nicht schuldig waren, an ihren Privilegien, Frei- heiten, Rechten und Gerechtigkeiten künftig kein Nachtheil, Ver- letzung, Abbruch oder Schmälening gebären, sondern selben ohne geringsten Schaden sein solle"'). Die Bewilligung der Landtags- Postulate seitens der vorderösterreichischen Stände geschah häufig in der Art, dass dieselben einige Bevollmächtigte nach Wien sandten, um mit der Hofkammer und den Vertretern des Hof- kriegsrathes und des General-Kriegscommissariates eine Verein- barung bezüglich der Höhe der Landesbewilligungen zu treffen, worauf deren Repartiening nach der im Jahre 1730 zu Radolfszell geschlossenen Tind im Jalire 1733 erneuerten Subdivisions-Proportion erfolgte.

Die böhmischen Erblande.

Die im Jahre 1526 an das Haus Habsburg gelangten Länder der böhmischen Krone oder, wie sie später genannt wurden, die böhmischen Erblande, nämlich das Königreich Böhmen mit der Grafschaft Glatz und dem Bezirke Eger, die Markgraf- schaft Mähren und das Herzogthum Schlesien, hatten zur Zeit Kaiser Carl VI. eine ähnliche Verfassung und Verwaltung, wie die österreichischen Erblande; doch gab es zwischen beiden auch wesentliche Unterschiede. Als oberstes Grundgesetz bestand in Böhmen die „erneuerteLandesordnung'^ Ferdinand H. vom 10. Mai 1627, die „Confirmation der Privilegien des Erb- königreiches Böheim" vom 29. Mai 1627 und die „Declaratoricn und Novellen'^ Kaiser Ferdinand HI. vom 1. Februar 1640; von den älteren Privilegien, Freiheiten imd Majestätsbriefen war nur dasjenige in Geltung geblieben, was der „vemeuerten Landes-

») Staffier, Tyrol und Vorarlberg, 660 u. 671.

Digitized by

Google

104

Ordnung'* nicht widersprach. In Mähren bestand die Landes- ordnung Kaiser Ferdinand 11. vom 10. Mai 1028, in Schlesien galten die zu verschiedenen Zeiten theils dem ganzen Herzogthum, theils n\rr einzelnen Fürstenthümem verliehenen Privi- legien, Majestätsbriefe und Verträge seit Ferdinand 11.

Für die gesammte politische Verwaltung und die Justizpflege der b()hmischen Erblande fungierte als oberste Hofstelle die böhmische Hofkanzlei in Wien, das Camerale und das Militärwesen in Böhmen und seinen Nebenländem unterstand denselben Hofstellen, wie das österreichische, nämlich das erstore der allgemeinen Hof- kammer, beziehungsweise der Ministerial-Banco-Deputation, das letztere dem Hof-Kriegsrathe.

Die böhmische Hofkanzlei hatte, um den durch jahre- lang aufgehäufte llückstände ins Stocken gerathenen (xeschäftsgang wieder zu beleben, von Kaiser Carl VI. am 20. April 1719 eine neue Instniction, nebst einer den Bedüi'friissen entsprechenden Personal vermehnuig erhalten. Laut dieser Instruction ^), nach deren Muster auch die im folgenden Jahre der österreichischen Hofkanzlei ertheilte verfasst ist, war der Personalstand der böhmischen Hof- kanzlei mit einem 0 b r i s t e n Kanzler, einem Kanzler, einem V i c e k a n z 1 e r und acht Kätlien, von letzteren zwei aus dem Herren-, die übrigen sechs aus dem Kitter- oder Gelehrtenstande, festgesetzt. Die Amtsfühnnig wurde dahin abgeändert, dass, sowie es im nächsten Jahre auch bei der österreichischen HofTcanzIei geschah, dm*ch die Einsetzung zweier Senate, des einen für die politischen (Senatus publiconim, politischer Senat), des andern für die Justiz-Angelegenheiten (Senatus judicalis, Justiz- senat), die Trennung der Justiz von der politischen Verwaltung eingeführt wiu^de. Die Bestimmungen über die Eintheilung der Käthe in die Senate, über die Führung des Vorsitzes und die Art der ßeschlussfassung sind dieselben, wie in der Instruction für die öst^iTeichische Hofkanzlei. Nur bezüglich der dem Ersten Kanzler der österreichischen Hofkanzlei zugewiesenen Leitung der auswärtigen AngelegenheitfMi unterscheiden sich beide Jnstnictionen, indem der betreffende Absatz in der Instruction für die böhmische Hofkanzlei fehlt. Horvorgelioben zu werden verdient folgende Stelle der Instruction : ,,Wir wollen zwar das Kecht, welches Uns als König in Böhmen in jui'e ferendo et lege statuenda ^)

»j Arch. (1. Min. d. Inn. Nieder-Oesterr. lU. A. 2. Nr. 25 ex 1719. *) Gesetze und Rechte zu machon. Vom. Landesord. A. VIII.

Digitized by

Google

105

zusteht, vollständig vorbehalten haben und solle Unsere königlich böhmische Hofkanzlei nicht befugt sein, neue Constitutiones, Declarationes, Pragmaticas oder Novellas in die Länder zu erlassen, es wären denn selbige nach vorheriger Vernehmung der Instanzien in den Ländern von Uns in dem geheimen Rath gnädigst appro- biert worden, inmassen Unser Wille und Mebiung ist, dass das Recht durch dergleichen viele und verschiedene, oft wider einander laufende Verordnungen in keine Ungewissheit gebracht, sondern vielmehr zur Abscheidung des daraus entstehenden Ge- zänkes und Schadens auf einen sichern Fuss gesetzt werden soll." Es wurde daher weiters der Hof kanzlei aufgetragen, darauf zu sehen, dass die etwa vorhandenen einander widersprechenden Resolutionen und Verordnungen mit dem wahren Rechte in Einklang gebracht und dass insbesondere in Schlesien, wo fast jedes Fürstenthum sein besonderes Recht hatte, ohne Abbruch der bestehenden Rechte und Gewohnlieiten wenigstens einige Gleichheit hergestellt und dass jene Commission, welche vor einigen Jahren eingesetzt wiu'de, um die böhmische Landesordnung in eine bessere Verfassung zu •bringen und die „Novellas'' und „Pragmaticas" mit derselben zu com- binieren, reactiviert und fortgesetzt oder eine neue aufgestellt werde, um das AVerk zu Ende zu führen. In dieser Instniction und m jener für die österreichische Hof kanzlei richtet Kaiser Carl VI. unter Hinweis auf die schwere Verantwortung vor Gott und unter Ablehnung jeder Verantwortinig des Kaisers, wenn durch gewissen- lose Anträge seiner Rathgeber die Anstellung unwürdiger Individueu erfolgen sollte, die eindringlichsten Mahnungen an die Hofstellen, immer nm: Bewerber von gutem Ruf, Fähigkeit und Integrität des Charakters, besonders wenn es sich um die Besetzung solcher Stellen handelte, mit welchen richterliche Functionen verbunden waren, vorzuschlagen.

Die Länder der böhmischen Krone genossen ebenfalls das Vorrecht eines „Territorii clausi'', innerhalb dessen keine fremde Landeshoheit entstehen konnte und der Privilegien ,,de non evo- cando'^ und ,,de non appellando" ; daher gab es innerhalb der Grenzen Böhmens, Mährens und Schlesiens keine reichsunmittel- baren Stände oder Kirchenfürsten, keine freien Reichsstädte; kein Landesangehöriger konnte von einem auswärtigen Gerichte belaugt, keine Streitsache vor den römischen Kaiser oder die Reichs- behörden gebracht werden. Es gab nur eine Appellation an den Landesfursten als K ö.n ig von Böhmen.')

>) Jani Perontini, De Consiliis etc. 49.

Digitized by

Google

106

Das Verhältniss der böhmischen Erblande zu den österreichLschen war das der Personal-Union, jedoch beeinfliisst durch eine weitaus- gedehnte Literessen-Gemeinschafb, welche zwei gemeinsame Hof- stellen und zahlreiche gleiche Einrichtungen entstehen Hess, trotz- dem die Verwaltung der beiden Ländergruppen vollständig von einander getrennt und unabhängig war. Zu einander standen die drei böhmischen Kjonländer nach dem Inslebentreten der „ver- neuerten Landesordnungen" im Verhältniss völliger Gleichberech- tigung, wobei allerdings Böhmen als der grösste und ehemals herrschende Theil, in dessen Hauptstadt die Königskrönungen statt- fanden, einen gewissen Vorrang behauptete, lunsomehr, als auch der Obriste Kanzler der böhmischen Hofkanzlei dem Hocbadel Böhmens angehörte. Ein so inniger Verband, wie er beispielsweise durch die gemeinsam übernommene Erhaltung des Kriegswesens in der Grenze zwischen den drei innerösterreichischen Herzogthümem entstanden war. fehlte bei den drei böhmischen Kronländem, aber es fehlte auch jene scharfe Scheidung, jener ausgeprägte Particu- larismus, welcher zwischen den drei Gruppen der' österreichischen Erblande, nämlich zwischen Nieder-Oesterreich, Inner- 0 esterreich und Ober- und Vorder-Oesterreich (Tyrol und die Vorlande) sich in Folge der Erbtheilungen und der dadurch bedmgten politischen und administrativen Trennung entwickelt hatte.

Böhmen.

Nach der Unterdrückung des Aufstandes imd des Protestan- tismus in Böhmen war durch die vom Kaiser Ferdinand H. am 10. Mai 1627 erlassene ,,vemeuerto Landesordnung" in diesem Lande thatsächlich der Absolutismus eingeführt und die ständischen Rechte zu einem blossen Scheine herabgedrückt worden. Nm* der König hatte das Recht, dem Landtage Vorlagen zumachen; jedes Mitglied wäre hart bestraft worden, wenn es ohne Befehl des Königs auch nur einen Antrag eingebracht hätte. Klar und deutlich spricht hier- über der Artikel VI der vemeuerten Landesordnung : ,,So soll sich Keiner, was Würden, Stands oder Wesens der auch sein mag, ujiter- stehen, vor sich selbsten, ohn Unsem oder der nachkommenden Könige imd Erben zum Königreich sonderbaren Befehl etwas, es treffe an, was es wolle, denen Ständen zu proponieren und

zur Berathschlagung münd- oder schriftlich vorzubringen

Derselbe Verbrecher soll mit allen Ungnaden und Ernst gestraft werden.'^ Erst nach dem ,,Declaratorium'' vom Jahre 1640 war den

Digitized by

Google

107

Ständen wenigstens gestattet, über geringere Anträge, welche des Königs Person, Hoheit oder Regalien nicht betrafen, mit Vor- wissen des Königs oder der Landtags-Commissäre zu berathen und ihre Beschlüsse der königlichen Sanction zu unterbreiten. Das Recht der Gesetzgebung und Alles, was mit demselben zusammenhängt, war dem Könige ausschliesslich vorbehalten.

Das wichtigste Vorrecht, das den Ständen geblieben war, bestand darin, dass laut Artikel V der Landesordnung die Contri- bution auf den Landtagen nur gegen die gewöhnlichen, die Privi- legien der Stände wahrenden Reverse verlangt werden konnte. Doch schwindet die Bedeutung dieses Rechts erheblich durch die weitere Bestimmung desselben Artikels, dass an die Contributions-Bewilligung keine, die landesförstlichen Rechte beeinträchtigende Bedingung geknüpft oder dieselbe als Mittel zur Erlangung neuer Privilegien imd Freiheiten benützt werde. Lnmerhin blieb aber den Ständen wenigstens die Vertheilung und theilweise auch die Einhebung der Steuern und ihr grosser Einiiuss auf die Verwaltung, wodurch die Regierung bei allen ihren Schritten sich gelähmt fühlte. ^)

Die Art, wie die böhmischen Stände dem Könige die Erb- huldigung leisteten, ist dadurch bemerkenswerth, dass in Böhmen ausser der allgemeinen Erbhuldigung noch eine besondere Hul- digung jedes Einzelnen, der zum Landtage zugelassen werden wollte, stattfand, eine Einrichtung, die in Oesterreich und Ungarn nicht üblich war.

Die Stände zerfielen in vier Classen: G-eistlichkeit, Herren, Ritter und königliche Städte. Solange die Hussiten und später die Protostanten die Oberhand in Böhmen hatten, war der ganze Prä- latenstand von den Landtagen ausgeschlossen, Ferdinand H. aber verfugte im Artikel XXIV der erneuerten Landesordnung, dass der Erzbischof zu Prag mit und sammt den Prälaten und der ganzen Clerisei des Königreiches nicht allein für einen Stand desselben zu ewigen Zeiten gehalten werden, sondern auch solch' geistlicher Stand, wie bei andern wohl bestellten christlichen Regi- men ten gebräuchlich, der erste und vornehmste unter allen Ständen sein solle, doch also und dergestalten, dass allein der Erzbischof und diejenigen Geistlichen, welche eine Inful oder Bischofshut zu tragen durch Privilegien oder altes Herkommen berechtigt und daneben in der königlichen Landtafel eingeschriebene Güter

*) Hub er, Gesdiichte der österreichischen Verwaltungsorganisation, 16. P ü 1 1 e r, Historisch-politisches Handbuch, I. 157. Landesordnung, A. VIU. u. XU.

Digitized by

Google

108

besitzen, zugedachten Landtagen berufen oder beschrieben und bei solchen Zusammenkünften den ganzen geistlichen Stand und die gesammte Clerisei repräsentieren, mithin diese inftdierten Greist- lichen sämmtlich in den Landtagen und anderen gemeinen Land- saclien nicht weniger, als gedachter Erzbischof den Herzogen und Fürsten vorgelien und ihre Sessionen und Stimmen sowohl vor denselben, als den Herren haben, dann der Erzbischof „Primas regni" genaimt und demselben die oberste, nach ihm aber, wenn sonst kein Bischof vorhanden, die nächste Stelle dem obersten Prior des ritterlichen Malteser-Ordens im Königreich Böhmen vor allen andern Prälaten gebühren sollte.

Theils zur Entschädigung der Geistlichkeit für die verlorenen Güter, theils zur Ausbreitung des Katholicismus hatte Kaiser Ferdinand H. als König von Böhmen mit Papst Urban Vlil. den sogenannten Salz-Contract geschlossen, kraft dessen der Käufer zum Besten der katholischen Keligion imd des Clerus des König- reiches Böhmen von jeder grossen Kiste Salz einen Aufschlag von 15 Kreuzern anwies und zweitens sich ver|)flichtete, diese Stiftung nicht zu widerrufen, ferner dass diese Abgabe nicht von den könig- lichen Einnelmieni, sondern von den bestellten der Geistlichkeit eingehoben werden und dem Papst das ausschliessliche Vei*ftigungs- recht darüber zustehen solle. Die „Cassa salis'', Salzkasse, befand sich in der erzbischöflichen Residenz in Prag und ihre Einnahmen beliefen sich jährlich auf etwa 30.000 fl. Es wurden davon gleich Anfangs den Benedictin em, Cisterciensern und Prämonstratensem, welche Orden diu-ch die Religionsminihen am meisten gelitten hatten, jährlich 56G0 fl. 40 kr. zur Unterhaltung eines Seminars angewiesen. Seit den Zeiten Kaiser Ferdinand ü. war die früher sehr herabgekommene böhmische Geistlichkeit wieder zu solchem Reich thum gelangt, dass der der Geistlichkeit doch so sehr geneigte Kaiser Leopold L schon im Jahre K^OO sich ge- nötliigt sah, der Geistlichkeit in Böhmen den weitern Ankauf von Gütern zu verbieten ').

Der böhmische Herrenstand, unter welchem der Fürst von Schwarzenberg als Herzog von Krumau den ersten Rang eiimahm. war reicher, als jener der andern Erblande. Dasselbe galt von dem Ritterstande, der ehemals sehr mächtig und zeitweise sogar dem Herrenstande überlegen war.

*) Bartenstein, Denkschrift über die Vorfassung von Böhmen, Mähren und Schlesien. (H. H. u. St. A. Handschr. Nr. 63.)

Digitized by

Google

109

Den vierten Stand bildeten die königlichen Städte, zweiimd- vierzig an der Zahl, nämlich vierundzwanzig privilegierte, neun nicht- privilegierte und neun sogenannte königliche Leibgeding-Städte. F er dinandü. hatte die Städte wieder als vierten Stand aufgenommen'), aber dieselben für ihren Abfall dadurch gestraft, dass sie, mit Ausnahme von Pilsen mid Budweis, welche allein treu geblieben waren, von jedem Fass daselbst gebrauten oder von anderwärts dahin eingeführten Bieres eine Abgabe von 1 fl. rhein. Währ, entrichten mussten. Einige der privilegierten Städte, nämlich die drei Prager Städte, dann Pilsen, Budweis, Kuttenberg und Saaz, hatten das Vorrecht, dass ihre Bürger landtafelfähig waren. Ihre weiteren Vorrechte, dann die der übrigen privilegierten Städte bestanden darin, dass sie nicht dem Landes-Unterkämmerer, sondern einer besonderen Direction unter- geben waren. Die königlichen Leibgeding-Städte, von denen jede gekrönte Königin von Bölunon ihre besonderen Einkünfte bezog, standen ebenfalls unter einer besonderen Verwaltung. ^ Die unge- heure Mehrzahl der Städte, nämlich alle unterthänigen und die gesammte Bauernschaft hatten keine Vertreter auf dem Landtage.

Weniger als die Verfassung war der Verwaltungs-Organismus des Königreiches Bölunen dm^ch die Landesordnmig vom 10. Mai 1G27 verändert worden. Die Beamten geriethen durch dieselbe in grössere Abhängigkeit von dem Könige, da sieh der König das Recht vor- behielt, die Aemter nach seinem Gutdünken an geeignete in Böhmen sesshafte Personen zu vorleilien ; auch fand statt der früher lebens- länglichen Bestellung der obersten Landesbeamten jetzt zumeist nur eine solche auf eine bestimmte Zeit statt. Wähi'end frülier die obersten Landesbeamten nicht nur dem Könige, sondern auch „dem Herren- und Kitterstande und der ganzen Gemeinde des König- reichs Böhmen" schwören mussten, leisteten sie später den Eid •nur dem Könige allein und sollten auch nicht mehr ,, oberste Landesofficiere des Königi-eiches Böhmen", sondern ,,k ö n i g 1 i c h e oberste Landesofficiere im Königreiche Böhmen" genannt werden. ^)

*) Das Recht der Städte auf Sitz und Stimme im Landtage war ihnen früher wiederholt geschmiüert worden, dann bildeten sie während der Ver- drängung des geistlichen Standes den dritten Stand. (Hube r, Oesterr. Heichsg. 85 f )

*; Bartenstein, Denkschrift etc. (H. H. u. St A. Handschr. Nr. 63.) ^ H u b e r, Oesterr. Reichsgeschichte. 140 iF. ~ G i n d e 1 y, Geschichte der Gegenreformation in Böhmen. 431 ff. Toman, Das böhmische Staatsrecht. 51 ff.

Digitized by

Google

110

Als oberste Landesoffi eiere waren bestellt: der Obrist-Bnrggrafj der Obrist-Landhofineister, der Obrist-Laiidmarschall, der Obrist- Landkämmerer, der Obrist-Laudricliter, der obriste Kanzler, der Obrist-Hoflehenrichter, der Äppellations-Präsident, der Kammer- Präsident, der Obrist-Landschreiber und der Land-Unterkämmerer. Diese obersten Landesbeamten, nebst dem Grossprior des Johanniter- Ordens im Königreiche Böhmen, dem Burggrafen des Königgrätzer Kreises und mehreren Beisitzern aus dem Herren- und Ritterstande bildeten zusammen die königliche Statthalterei. Dieselbe war von Rudolf 11. im Jahre 1577 eingesetzt worden und hatte ihre damalige Organisation im Wesentlichen beibehalten. Den Vorsitz führte der Obrist-Burggraf von Prag. Ihre Aufgabe bestand in der Wahrung der katholischen Religion imd der landesfurstUchen Gerechtsame, in der Förderung der öffentlichen Sittlichkeit, in der Ausübung der Rechtspflege und der Polizei, Ueberwachung der öfi*entlichen Anstalten und der Verw^altimg der königlichen Städte u. s. w. gemäss den Bestimmungen der Landesordnung, der ihr ertheilten Listruction und den Weisiuigen der böhmischen Hof- kanzlei *).

Der königlichen Statthalterei untergeordnete politische Ver- waltungsbehörden waren die Kreishauptmannschaften. Böhmen war schon von Kaiser Carl IV. in 15 Kreise eingetheilt worden, zu denen noch der Egerer und Elbogener Bezirk imd die Grafschaft Glatz kamen. . Kaiser Carl Au. theilte das Land in zwölf Kreise, nämlich den Königgrätzer, Bmizlauer, Chrudimer, Czaslauer, Kaurzimer, Bechiner, Pracliiner, Pilsner, Saazer, Leitmeritzer, Rakonitzer und Beramier. Li den Kreisen waren Kreishauptleute angestellt, welche nebst der Einhebung der Contribution luid der Sorge fui' die Bequartienuig und Ver[)flegung der durchmarschierenden Truppen überhaupt darüber zu wachen hatten, dass in dem ihnen anvertrauten Bezirke die Gesetze beobachtet, die ergangenen Be-* fehle schleunig vollzogen, gute Polizei gehandhabt, die Bedrückiuig der Unterthanen diu'ch ihre Gutsherrschaften verhindert, Missbräuche und Uebelstände abgestellt werden. Da aber einige dieser zwölf Kreise zu gi'oss waren, als dass ein Kreishauptmann und dessen Untergebener sie hätten übersehen können, so wiu^den im König- gi'ätzer, Bechuier, Pilsner und Saazer Kreise je zwei Kreishauptleut« angestellt, so dass dadiu-ch eigentlich sechzehn Kreise entvStanden.

M Fellner, Zur Geschichte der österr. Contralverwaltung. (Mitth. d. Inst. VII 2D8 Ü\) Arch d. Min. d. Inuerii, Böhmen, III.A. 4. Nr. 14 ex 172a

Digitized by

Google

111

Die Bezirke Eger und Elbogen waren zur Zeit Kaiser Carl VI. dem Königreiche Böhmen bereits vollständig einverleibt und nicht mehr als blos zu Böhmen gehörig, sondern als Theile des- selben anzusehen^). In der Grafschaft Glatz bestanden seit Kaiser Ferdinand IE. eigene Landeshauptleute, es war Alles wie in Böhmen eingerichtet und auch die Contribution der Grafschaft, welche den 18. ITieil jener des Königreiches Bölmien betrug, wurde an das General-Steueramt in Prag abgeführt.

Die Justizpflege war auch in Böhmen nach dem Principe organisiert, dass für die Frage, welches Gericht in jedem einzelnen Falle zur Untersuchung imd Urtheilsfällung competent sei, nicht blos die Sache oder der Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens, sondern auch die Person des Belangten den Ausschlag gab. Daher bestanden auch in Bölmien, sowie in Oesterreich, verschiedene Gerichtsstellen für die verschiedenen Bevölkerungsclassen. Das grössere Landrecht unter dem Vorsitze des Obrist-Burggrafen und Mitgliedern des Herren- und Eitterstandes als Beisitzern, war das Gericht für alle ständischen Mitglieder und auch für jene Geistlichen, welclie landtäf liehe Güter besassen. Seine Competenz erstreckte sich auf die Criminal- und Civilrechts-Angelegenheiten der erwähnten Personen. Ueber geringfügigere Streitigkeiten ständischer Mitglieder oder geistlicher Besitzer entschied das kleinere Land recht, das aus einer kleinen Anzahl von Landes- beamten zusammengesetzt war. Das Landtafel amt oder die Landtafel^ entschied in gewissen Angelegenheiten, welche land- täfliche Güter betrafen, z. B. über Gütertheilungen, Abtretung und Herausgabe von Erbschaftstheilen u. s. w. selbstständig imd vollzog die von andern Gerichten bezüglich landtäflicher Güter gefällten Urtheile. Das Kammergericht imter dem Vorsitze des Obrist- Landhofmeisters entschied in Civilstreitigkeiten über bewegliche Güter, Erbschaften, Schulden, Schadenersatz u. s. w., aber keines- falls in Streitsachen über unbewegliche Güter. Das H of 1 eh en- ger ich t unter dem Vorsitze des Hoflehenrichters entschied in Lehensachen. In den königlichen Städten übten die Magistrate, in den unterthänigen aber und auf* dem Lande die Grundherren

*) Die Abgabe der Ziistimmung des Egerlandes zur pragmatischen Saiiction geschah 1720 indessen noch in einer besonderen „Erklärung" und mit einem Hinweis auf den „Pfandschilling".

') Der Ursprung der böhmischen Landtafel wird auf den König Johann von Luxemburg zurückgeführt. (Fütter, Hist. pol. Handb. I. 148.)

Digitized by

Google

112

entweder selbst oder durch liierzu bestellte Beamte die Rechtspflege aus, doch überliesseu sie dieselbe iu den unterthänigen Städten gewöhnhch den Magistraten, welche von den Bürgern gewählt wurden, aber der Bestätigung durch den GrundheiTn bedurften. Von den städtischen Magistraten und den giiindherrschafthchen Gerichten gieng die Berufung an das Appellationsgericht oder die Appellationskammer in Prag ; vom Landrechte und von der Appellationskammer konnte, sofern gerichtsordnungsmässig eine Berufung zulässig war, die Benifting an den König ergriffen werden. \) Die Competenz der Militärgerichte war in Böhmen dieselbe, wie in den österreichischen Ländern.

Die Finanz- und Cameralverwaltung in Böhmen besorgte die der kaiserlichen Hof kammer in Wien untergeordnete böhmische Kammer, welcher die Mauth-, Zoll- und GefäUsämter, die landes- fiirstlichen Münz- und Kentmeister, die auch die königlichen Domänen zu verwalten hatten, untergeordnet waren. Das Deputierten- amt in Prag jedoch, welchem die Gebahrung mit dem Salz-, Wein-, Bier- und Dazgefälle ^) oblag, unterstand nicht der böhmischen, sondern direct der Hofkammer in Wien ^.

Da in früheren Zeiten die Stände und die Unterthanen nicht in gleichem Verhältnisse besteuert waren, richtete sich die Höhe der von einem Eealbesitze zu entrichtenden Abgaben darnach, ob derselbe einer Grundherrschaft oder einem Unterthan gehörte. Die Dominien, der Grundbesitz der Stände, waren geringer be- steuert, als die Bauemgriinde, weil die Stände von der Ordinar- Contribution befreit waren und nur das sogenannte Extraordinarium aufzubringen hatten. Um mm in das Contributions-Erträgniss eine gewisse Beständigkeit zu bringen und festzusetzen, was als Herr- schafts- und was als Unterthanengrund zu besteuern sei, wurde ein „annus normativus", ein Normaljahr, angenommen, nämlich das JaJn' 1(383. Was im Jahre 1083 ein Unterthan besessen hatte, das mussto fortan, auch wenn es der Gutsherr S23äter an sich gezogen, rusticaliter, d. h. nach dem Ausmass für Unteithanen, die Steuer entrichten, dagegen blieb dasjenige, was damals der Gutsherr besessen, im Genüsse der Steuerbegünstigung und wurde dominica- liter, d. h. nach dem Ausmasse für GrundheiTsehaften vei^teuert,

^) Krön OS, Geschichtfj Oesterreichs, IV. 409 if. Hub er, Oesterr. lleichsgesch. 110 ff.

''') Daz (dazio di consiuno) = Consum- oder Verzehnmgssteuer, *) M e u .s i, Die Finanzen Üesterreiclis, G.

Digitized by

Google

113

auch wenn der Q-rund einem Unterthanen überlassen wurde, nach dem Gnmdsatze : Die Last haftet aufdemGrunde, nicht auf dem Besitzer. Dadurch war das Steuererträgniss oder vielmehr die Steuervorschreibung in Böhmen stabil, während in andern Ländern, namentUch in Ungarn, wo der Adel von jeder Steuer befreit war, das Steuererträgniss sich verminderte, wenn ein Adeliger einen Bauemgrund an sich brachte. ^)

Li keinem andern österreichischen Erblande war der Bauer so sehr in die Gewalt des Adels gelangt, als in Böhmen und zum Theil auch in Mähren. Es gab in Böhmen zwar auch freie Grundbesitzer, die sogenannten Freisassen, welche von aller gutsobrigkeitlichen Gerichtsbarkeit und den damit verbundenen Leistungen befreit und sowohl selbst, als ihre Güter, der landes- fiirstlichen Gerichtsbarkeit unterworfen waren. Diese freien Besitzer freier Landgüter gehörten weder zu den Ständen des Landes, noch zu den Bürgern der privilegierten Städte. ^) Alle übrigen Bauern lebten im Zustande der Hörigkeit oder Leibeigenschaft, waren ein Bestandtheil der liegenden Güter, wurden mit diesen erworben und wieder veräussert, besassen die Grundstücke nur zeitlich und widerruflich, waren des Erbrechtes unter Ver- wandten und der Freizügigkeit beraubt und nur insoferne ein Ge- genstand der Gesetzgebung, als sie in dem Eigenthum eines Dritten begriffen waren. Das Landvolk in diesen Zustand der Leibeigen- schaft zu setzen, war dem böhmischen Adel nach langjährigen Be- mühungen endlich durch den Landtagsbeschluss vom 14. März 1487 gelungen, mit welchem die „Strafe für Ungehorsam" ausgemessen wurde *). Damit waren die Bauern ganz der "Willkür der Grund- herrschaften überliefert. Die Leibeigenen oder Hörigen standen, wie das Gut selbst, zu dem sie gehörten, in der „Gewer", d. i. im Besitze des Gutsherrn, welcher den ihm eigenen Mann mittels gerichtlicher Klage (sogenanntes Besatzungsrecht) in Anspruch nehmen konnte. Der Gutsherr nahm einen Theil des Nachlasses seiner Hörigen in Anspruch, besonders das beste Vieh. Zu seiner Verehelichung bedurfte der Hörige der Erlaubniss seines GutsheiTn, für welche er

») Barten stein, Denkschrift etc. (H. H. u. St. A. Handschr. Nr. 63.) Twrdy, Pragmatische Geschichte der böhmischen Freisassen, 27 f.

«) Twrdy, a. a. 0. 10 ft.

•) Grünberg, Die Bauernbefreiung in Böhmen, Mähren und Schlesien, I. 95 AT. Palacky, Geschichte von Böhmen, V. 1. Abth. 290 ff.

Oesterreichigoher Brbfolgekrieg. I. Bd. ^

Digitized by

Google

114

natürlicli eine Gebühr entrichten musste. Dann waren die zahl- reichen Zinsen und Abgaben, Zehente, Gnmdzinsen, die Lieferungen an Naturalien, z. B. G-arten- und Rauchhühner, Ostereier, Pfingst- lämmer, Martinsgänse, Zinskom, Wachs, Honig u. s. w. ; endlich die persönlichen Dienstleistungen, die Roboten und sogenannten Herrendienste. Ihren schärfsten Ausdruck aber fand die Unter- thänigkeit in der „ö utsbehörigkeit" oder „S c h o 1 1 e n p f 1 i c h- tigkeit", d. h. in der Auf hebung der Freizügigkeit unterthäniger Personen zu Gunsten eines bestimmten Gutsbezirkes, aus welchem sie sich ohne Erlaubniss der Gutsherrschaft weder zeitweilig, noch dauernd entfernen durften ^). Die Unterthanen besassen in Böhmen und Mähren, ausser ihrer Gutsherrschaft gegenüber, weder die active, noch die passive Processfähigkeit ; nicht die Unterthanen klagten, sondern die Obrigkeit trat für dieselbe als Kläger auf, wie auch umgekehrt sie in Vertretung ihrer Unterthanen belangt wurde*).

Wenn auch der Unterthan das Recht der KJage gegen seine Obrigkeit hatte und speciell die Kreisämter darüber wachen sollten, dass keine ungebührlichen Bedrückungen der Unterthanen stattfänden, war es fiir den Unterthan doch sehr schwer und gefahrlich, den Weg der Klage zu betreten, denn einestheils hatte er die Rache des Gutsherrn und seiner Beamten zu fürchten und zweitens war die Aussicht auf einen Erfolg der Klage sehr gering, da dem Bauern gegenüber nur zu oft der Grundsatz zur Geltung kam : „Ver- pflichtet bist du nicht, aber du musst" ^).

Einen genaueren Einblick in die Verhältnisse der Unterthanen zu üirer Grundherrschaft gibt das Robot-Patent für Böhmen und Mähren vom 27. Januar 1738, durch welches die früheren Patente theils erläutert, theils ergänzt wurden *). Hiemach waren den unter- thänigen Gemeinden und Bauern alle Zusammeiu'ottungen zum Zwecke der Selbsthilfe strengstens verboten, die Unterthanen sollten ihre Beschwerden in Form von Bitten bei den Grundobrig- keiten selbst vorbringen und im Falle der Fruchtlosigkeit sich an das Kreisamt wenden. Von den Kreisämtem stand beiden Theilen der Recurs an das Gubemium (Statthalterei, Tribunal) und endlich an den Landesförsten offen. Im Einzelnen wird bestimmt, dass die

*) Grünberg, a. a. 0. I., 7. •) G r ü n b e r g, a. a. 0. I. 29.

») Palacky, Geschichte Böhmens. V., 1. Abth. 300. *) Arch. d. Min. d. Innern, Böhmen, IV. K. 1, Nr. 17, ex 1733. G r ü n b e r g, a. a. 0. II. 30 ff.

Digitized by

Google

115

Sonn- und Feiertage, ausser in Fällen dringender Noth bei ausser- ordentlichen Ereignissen, robotfrei und der normale Robottag mit höchstens zehn Arbeitsstunden bemessen sein sollte; den Bauern musste die nöthigeZeit zur Besorgung der eigenen Wirthschaft gelassen werden. Die Robot war nach der Grösse, der Güte und dem Er- trägnisse der dem Bauer überlassenen Grundstücke zu bemessen. Die Unterthanen waren verpflichtet, auch auf andern, jedoch nicht über anderthalb Meilen entfernten Gütern und Meierhöfen zu roboten, wenn auf dem Hofe, welchem sie eigentlich zugewiesen waren, nicht genügende Arbeit vorhanden. Der Obrigkeit stand es zwar frei, die nicht benöthigte Naturalrobot in einen Robotzins zu ver- wandeln, jedoch nur unter der Bedingung, dass dadurch die andern Unterthanen, welche Naturalrobot leisteten, nicht etwa zu grösseren Leistungen, als sie verpflichtet wären, verhalten würden und dass der bedungene Robotzins im Verhältnisse zu dem thatsächlichen Verdienste stand, welchen der Unterthan durch die Freilassung von der Robot erzielen konnte. Die Gespunstschuldigkeit, d. i. die Ablieferung einer bestimmten Menge Garns, die Unter- haltung einer gewissen Menge herrschaftlichen Viehes durch die Unterthanen, das Hopfensammeln und andere an einigen Orten gebräuchliche Leistungen durften nur in dem Masse gefordert werden, als sie in den Urbarien begründet erschienen. Der Zwang, dass die Unterthanen der Herrschaft eine gewisse Menge Wirthschafts- producte, z. B. Eier, Branntwein, Käse, Butter, Fische, Vieh, Ge- flügel u. s. w. unter allen Umständen zu einem bestimmten Preise abkaufen mussten, wurde verboten, jedoch unbeschadet des Brau- urbars und der Wein- und Branntweinschanks-Gerechtigkeit, vermöge welcher die Herrschaften berechtigt waren, die Einfuhr fremden Bieres, Weines oder Branntweins auf ihren Grund und Boden zu verbieten. Die Unterthanen sollten mit der Contribution und andern Steuern nicht überbürdet und namentlich nicht solche Aus- lagen aus der Contribution bestritten, d. h. dem Unterthan auf- gebürdet werden, welche nicht zur Bestreitung der Landeserfor- demisse, sondern nur zur Vermehrung des Einkommens der herr- schaflilichen Beamten dienten. Die Geldstrafen, welche einige Obrig- keiten zu ihrem eigenen Vortheil und zum Schaden der Contri- butionsfahigkeit der Unterthanen nicht ungeme verhängten, wurden zwar nicht gänzlich verboten, sondern im GegentheU angeordnet, nicht allsogleich und rücksichtslos mit ehrverletzenden Züchti- gungen gegen Jeden, ohne Unterschied der Person und der Natur des Vergehens vorzugehen, nur durften Geldstrafen niemals

8*

Digitized by

Google

116

von einem obrigkeitlichen Beamten, sondern nur von der Obrig- keit selbst verhängt und die Strafgelder nicht zu Gunsten der Obrigkeit oder gar deren Beamten, sondern zirni Unterhalte der Armen derselben Gemeinde oder Gutsherrschaft gewidmet und ver- wendet werden.

Die Kreis- und Stadthauptleute hatten über die Beachtung dieses Patentes zu wachen und gegebenen Falls, ohne eine Klage abzuwarten, ex officio einzuschreiten und Abhilfe zu treffen. Ueber schuldtragende Beamte konnte das Kreisamt eine Geldstrafe von fünfzig bis hundert Reichsthalern verhängen; war jedoch die Obrig- keit selbst schuldig, so hatte das Kreisamt hierüber an das königliche Gubemium zu berichten, welches auf eine Strafe von hundert bis zweihundert Ducaten erkenuen konnte und hiervon fallweise an den Kaiser Bericht erstatten sollte. In besonders schweren Fällen, wo eine Geldstrafe keine genügende Sühne ge- wesen wäre, sollte die Entscheidung des Kaisers eingeholt werden, tun solche hartherzige Herrschaften mit dem Zwangsverkaufe ihrer Güter und der Unfähigkeitserklärung zxmi Besitze von Immobilien zu bestrafen.

Dass Bedrückimgen und rücksichtslose Ausbeutung der Unter- thanen in Böhmen häufiger vorkamen, als etwa in Nieder-Oester- reich, findet theilweise einen Erklärungsgrund darin, dass in Nieder- Oesterreich die Herrschaften ftlr die Contribution ihrer Unter- thanen hafteten und somit ein Interesse daran hatten, dfitös der Unterthan contributionsf ähig bleibe, während in Böhmen eine solche Haftung der Gutsherrsohaft nicht bestand und es somit dem Guts- herrn gleichgiltig war. ob seine Unterthanen die landesfiirstlichen Abgaben entrichten konnten oder nicht *).

Mähren.

Zwischen der Verfassung und Verwaltung Böhmens und Mährens bestand seit den von Kaiser Ferdinand H. am 10. Mai 1627 für Böhmen und am 10. Mai 1628 fiir Mähren erlassenen Landes- ordnungen und den späteren Declarationen kein wesentlicher Unter- schied. Die Rechte der Stände waren in Mähren ebenso zu Gunsten der landesfürstlichen Gewalt eingeschränkt worden, wie in Böhmen und erstreckten sich ebenfalls nur auf die Repartition und Ein- hebung der Contribution.

>) H. H. u. St A. Handschr. Nr. 62.

Digitized by

Google

117

Eine kurze Zeit hatte Mähren gewissermassen seine eigene Hofstelle, indem im Jahre 1611 bei der böhmischen Hofkanzlei neben dem Obristen Kanzler ein eigener Vicekanzler für Mähren bestellt wurde. Doch schon im Jahre 1616 wurde diese Einrichtung wieder aufgehoben imd die sogenannten „Nebenländer" Böhmens der obersten Leitung der böhmischen Hofkanzlei unterstellt.*)

Die oberste politische Landesstelle und zugleich königliches Gericht für Mähren war das im Jahre 1636 errichtete Tribunal in Brunn, entsprechend der niederösterreichischen Regierung oder der böhmischen Statthalterei, nach deren Muster dasselbe auch im Allgemeinen organisiert war. Das Tribunal bestand aus dem Landes- hauptmann als Vorsitzenden und den übrigen obersten Landes- Officieren, nämlich dem Obrist-Landeskämmerer, dem Obrist-Land- richter, dem Obrist-Hofrichter, dem Landes-Unterkämmerer und dem Obrist-Landschreiber, dann mehreren Mitgliedern des Herren- und Eitterstandes als Beisitzern. Die Obliegenheiten dieses Tribunals waren dieselben, wie jene der böhmischen Statthalterei. Laut der Instruction vom 13. Mai 1739^ bestanden dieselben in der Förderung der katholischen Religion, in der Aufrechthaltung der Regalien, landesfürstlichen Hoheiten und Herrlichkeiten, besonders der erneuerten Landesordnung und der kaiserlichen Sanctionen, Beförderung des Handels und der öffentlichen Wohlfahrt, Aufrecht- erhaltung einer guten Polizei und der öffentlichen Sittlichkeit, sorg- fältigen Beobachtung aller Vorgänge im Lande imd den Nachbar- gebieten und sofortigen Berichterstattung, eventuell provisorischen Vorkehrungen. Ferner unterlagen der Judicatur des Tribunals die sogenannten causae summariae, summarische Processe in Civilrechts- angelegenheiten, welche keiner längeren Voruntersuchung bedurften, also Klagen in Schuld- und Bürgschafts-Angelegenheiten, wenn schriftliche Schuld- oder Bürgschafts-Urkunden vorhanden waren, Verlassenschafts-Angelegenheiten, Lohn- und Miethstreitigkeiten und alle jene Fälle, in welchen beide Parteien selbst einen summarischen Prooess begehrten. Zur Ersparung der Kosten, besonders wenn es sich um geringe Streitbeträge handelte, stand es dem Kläger frei, seine Klage entweder bei dem Tribunal oder bei dem Kreisamte einzubringen. Das Kreisamt hatte die Erhebungen zu pflegen, die Parteien zu vernehmen, auf einen gütlichen Vergleich zwischen denselben hinzuwirken und, wenn dieser nicht zu Stande

. ») Hub er, Oesterr. Reichsgesch. 141, Anm. 4.

«) Arch. d. Min. d. Inn., Mähren, UI. A. 4. Nr. 15 ex 1739.

Digitized by

Google

118

kam, die Acten mit einem ausführlichen Berichte und Gutachten dem königlichen Tribunal zur Entscheidung vorzulegen; eine UrtheüsfiLllung in solchen Streitigkeiten stand den Kreisämtem nicht zu. Schon im Jahre 1726 war eine Personalvermehrung beim königlichen Tribunale genehmigt worden, hauptsächlich zu dem Zwecke, um die Formierung zweier getrennter Senate zu ermög- lichen und dadurch den Geschäftsgang zu beschleunigen. Bis zum Jahre 1739 waren diese getrennten Senate aber nur äusserst selten activiert worden, desshalb wurde in der neuen Instruction festgesetzt, dass die bisherige Benennung „Senatus major" und „Senatus minor", grösserer und kleinerer Senat, aufzuhören und dafür die Eintheilung in „Senatus publicorum", politischer Senat, und „Senatus judicialis", Justiz-Senat, zu gelten habe. Im Justiz-Senat mussten ausser dem Vor- sitzenden noch sechs Votanten zugegen sein; waren weniger als sieben Personen anwesend, so konnten nur geringfügige Gegen- stände verhandelt werden. Wenn dem politischen Senate Zeit übrig blieb und wenigstens sieben Personen waren, sollte derselbe auch Justiz- Angelegenheiten vornehmen.^)

Auch Mähren war, wie Böhmen, in Kreise eingetheilt, nämlich den Olmützer, Brünner, Znajrmer, Prerauer, Iglauer und Hradischer, in "deren jedem eine Kreishauptmannschafb miteinemanalogen Wirkungs- kreise, wie in Böhmen, aufgestellt war. Die untersten Verwaltungs- organe waren die städtischen Magistrate und die Grundherrschaften.

Die Justizverfassung in Mähren war jener in Böhmen analog, nämlich das grössere und kleinere Landrecht, die Landtafel, die Magistrate, dieGnmdherrschaften, die geistlichen Gerichte, die Militär- gerichte u. s. w. Für alle Bewohner Mährens, welche nicht dem Land- rechte oder der Militär-Gerichtsbarkeit unterstanden, war die Appellationskammer in Prag die Berufungsinstanz; von den Urtheilen des Tribunals, des Landrechtes und der Appellationskammer konnte nur die Berufung an den Kaiser, als König von Böhmen, ergrijffen werden.

Die ständischen Rechte waren durch die Landesordnung Ferdinand IL vom 10. Mai 1628 ebenfalls sehr eingeschränkt und der Landtag zu einem Postulaten-Landtag herabgedrückt worden.

^) Dr. Elvert, Zur österr. Verwaltungsgeschichte. (Schriften der bist, stat. Section, XXIV. 198, ff.) Krones, Gesch. Oesterr. IV. 410 ff. Hub er, Oest. ßeichsgesch. 145. Arch. d. Min. d. Inn. Mähren m. A. 4. N. 16 ex 1739.

Digitized by

Google

119

Seit 1686 bestand zur Führung der currenten Landesgeschäfte und zur Ausführung der Landtagsbeschlüsse ein aus Vertretern aUer vier Stände zusammengesetzter Landesausschuss.

Das Verhältniss der Unterthanen zu ihrer Grundherrsohaft war in Mähren ebenso unleidlich, wie in Böhmen; auch hier bestand die Leibeigenschaft mit allen ihren Härten und der beinahe voll- ständigen Rechtlosigkeit der Unterthanen gegenüber ihrer Obrigkeit. Zwar wurden die Roboten und Schuldigkeiten der Unterthanen durch zahlreiche Patente geregelt und waren auch die Kreisämter mit dem Schutze der Unterthanen gegen ihre G-utsherrschaft/Cn beauf- tragt, aber theils wagten es die Unterthanen äusserst selten, eine Besehwerde gegen ihre Obrigkeit vorzubringen und theils fanden die Grundherrschaften Mittel und Wege, diese Beschwerden als unbegründet erscheinen zu lassen. Besonders waren einige Lehens- vasallen des Bischofs von Olmütz als grosse Bauembedrücker ver- rufen, gegen welche das kreisamtliche Einschreiten fruchtlos war, weil sie sich auf ihre Exemption beriefen und hierin von dem Olmützer Bischof unterstützt wurden.*)

Schlesien.

Das aus Ober- und Nieder-Schlesien bestehende Herzogthum Schlesien umfasste eine Reihe von Fürstenthümem und mehreren freien Standesherrschaften^), welche nach und nach, mit Ausnahme eines Fürstenthums, in den Besitz des Hauses Habsbiirg gelangt waren, nämlich in Nieder-Schlesien die Fürsten- oder Herzogthümer Breslau, Liegnitz, Jauer, Schweidnitz, Brieg, Oels, Wohlau, Glogau, Sagan, Crossen (welches jedoch nebst mehreren anderen kleineren Herrschaften als böhmisches Lehen dem Hause Brandenburg verliehen war), Bemstadt, Frankenstein, Münsterberg und Grottkau oder Neisse, dann die Standesherrschaften Wartenberg, Militsch, Trachenberg, Carolath und Geschütz; in Ober-Schlesien die Fürstenthümer Jägem- dorf, Troppau, Oppeln, Ratibor, Oderberg und Teschen, sowie die Standesherrschaften Pless und Beutlien^). Die genannten Fürsten-

>) Arch. d. Min. d. Inn. Böhmen IV. K. 1., Nr. 15 ex 1736. Grünberg, Die Bauernbefreiung in Böhmen, Mähren und Schlesien. II. 30 ff.

*) Die Standesherrschaffcen hatten den Vorrang vor den anderen Herr- schaften, sie besassen in dem „Conveiitus publicus", der Stände Versammlung, eine Curiatstimme nach den Fürsten imd waren nicht von den Fürsten, sondern unmittelbar von dem Könige von Böhmen als oberstem Herzog von Schlesien abhängig (Bartenstein: Denkschrift über die Verfassung von Böhmen, Mähren und Schlesien, H. H. u. St. A. Handschr. Nr. 63).

») Pütter, Histor.-polit. Handbuch. I. 10.

Digitized by

Google

120

thümer standen ehemals unter eigenen Herzogen, theils aus dem Hause der Plasten, theils aus dem böhmischen Königsstamme und ge- langten allmählig zuerst unter die Oberlehensherrlichkeit, sodann durch Lehen- und Erbverträge in den unmittelbaren Besitz der böhmischen Krone. Der letzte der plastischen Herzoge in Schlesien war der Herzog Georg Wilhelm von Brieg und Liegnitz, nach dessen am 21. November 1675 erfolgtem Tode auch die Herzog- thümer Liegnitz, Brieg und Wohlau an den Kaiser Leopold L als König von Böhmen fielen.

Einzelne dieser Fürstenthümer erhielten zwar wieder Herzoge, denen das Land und der Titel für ihre Verdienste, insbesondere während des dreissigj ährigen Krieges verliehen wurde. So kamen die Herzogthümer Troppau und Jägerndorf an das Haus Liechtenstein, Sagan zuerst an den Herzog von Friedland, später an die Fürsten Lobkowitz, Münsterberg an Johann Weikhard v. Auersperg und Oels an den Herzog Sylvius Nimrod von Württemberg. Aber diese neuen Herzoge erhielten nicht jene Rechte, welche die früheren Piastenfürsten unter der Oberlehensherrschaft der böhmischen Krone besessen hatten. Das Recht der selbstständigen Gesetzgebung und Besteuerung, sowie die höhere Gerichtsbarkeit wurde ihnen nicht verliehen^), sie unterschieden sich eigentlich nur durch ihren Rang und ihr Ansehen von den Mitgliedern des Herrenstandes anderer Provinzen.

In Folge der zu verschiedenen Zeiten erfolgten Erwerbung der einzelnen Theile Schlesiens durch die böhmischen Könige, beziehungs- weise die Kaiser, hatte die Verwaltung und Rechtspflege Schlesiens ursprünglich sehr verschiedene Formen. Als oberste Hofstellen fungierten, wie für die andern Länder der böhmischen Krone die bölunische Hofkanzlei, die Hofkammer und der Hofkriegsrath. Unter Kaiser Matthias hatte Schlesien zwar eine kurze Zeit seine eigene, von der böhmischen Hofkanzlei unabhängige, oberste Regierungsbehörde, indem König Matthias am 7. October 1611 den Fürsten und den Ständen Schlesiens anlässlich der Huldigimg die Bewilligung zur Errichtung einer sogenannten „deutschen Kanzlei" für die schlesischen und lausitzer Angelegenheiten er- theilte; doch schon im Sommer 1616 wurde diese schlesische Kanzlei mit der böhmischen wieder vereinigt und so die Regierung von Breslau nach Prag zurückverlegt.*) Unter Kaiser Ferdinand H.

*) Grünhagen, Geschichte Schlesiens. II. 351. •) Hu her, Oesterr. Reichsgesch. 141, Anm. 4.

Digitized by

Google

121

begann eine stetige Umwandlung der gesammten Verwaltung Schlesiens. ^) Vor Allem wurden die Vorrechte der Stadt Breslau, welche sich fast der Selbstständigkeit einer Reichsstadt erfreute, sehi' geschmälert. Die Stadt besass nicht nur das sogenannte „Jus praesidii", das Recht eigener Besatzung, sondern ihr Rath fährte seit Carl IV. ununterbrochen auch die Hauptmannschaft über das Fürstenthum Breslau. Das erstere Recht hatte die Stadt mit grossen Opfern behauptet und war fortan von der Verpflichtung zur Auf- nahme einer kaiserlichen Garnison befreit, indem sie sich dem Kaiser Ferdinand IL verpflichtete, erue eigene Stadtmiliz von vier Compagnien, welche dem Kaiser den Eid der Treue leisten musste, zur Versehung des Wachdienstes im Frieden beständig zu unterhalten, im Kriege aber mindestens 5000 waffenfähige Bürger zur Vertheidigung der Stadt zu stellen. Das andere Recht, die Hauptmannschaft über das Fürstenthum Breslau, gieng zu derselben Zeit verloren, indem statt des Breslauer Bürgermeisters ein kaiser- licher Rath als Hauptmann des Fürstenthums eingesetzt wurde. Weü durch die Ernennung eines Hauptmannes auch das Recht des Rathes von Breslau, das gleichnamige Fürstenthum auf dem Fürstentage in der Curie der Erbfürstenthtimer zu vertreten, er- loschen war, so wurde auf dem Fürsten tage vom Jahre 1636 der Stadt Breslau eine neue, separate Stimme in der Curie der Erb- fürstenthümer zuerkannt und dieser Beschluss auch vom Kaiser im Jahre 1637 bestätigt^. Weil aber die Stadt trotzdem die Eingriffe dieses Hauptmanns in ihre Jurisdiction fürchtete, so erbat und erhielt sie im Jahre 1639 von Kaiser Ferdinand IH. gegen ein Geldopfer von 60.000 Thalem die vollständige Exemption von der Gewalt des Hauptmanns in politischen, militärischen und Justiz- Angelegenheiten. Durch den Verlust der Hauptmannschaft über das Fürstenthum war das Ansehen des Breslauer Rathes sehr ge- sunken imd der Glanz dieser einst so mächtigen Corporation für immer erblasst.

Vor dem Jahre 1630 bestand in Schlesien nur eine landes- fürstliche höhere Behörde, nämlich die von Kaiser Ferdinand I. im Jahre 1557 errichtete königliche Kammer, welche nicht, wie anderwärts eine blosse Finanzbehörde, sondern die eigentliche Landesregierung war, denn sie hatte die gesammte Ver-

>) Grünhagen, U. 276 ff.

«) Grünhagen a. a. 0. IE. 277 f.

Digitized by

Google

\22

waltung und die Gerichte zu überwachen. Das in Breslau bestandene 0 b e r a m t war bis unter Kaiser Ferdinand IE. eine ständische Behörde und wurde erst von diesem Kaiser in die oberste landes- fürstliche Behörde für das Herzogthum verwandelt, neben welcher das Oberamt in Glogau seine ursprüngliche Coordination nicht behaupten konnte und gleich den Landeshauptmannschafken der andern Fürstenthümer in eine Unterordnung unter das Breslauer Oberamt gerieth. Durch die Einsetzung der kaiserlichen Hauptmann- schaft über das Fürstenthum Breslau und die Errichtung ver- schiedener anderer Behörden, Zoll-, Steuer-, Post- und Oommerzien- ämter wurde der ständische Verwaltungsapparat nahezu gänzUch lahmgelegt. Das königliche Oberamt in Breslau, an dessen Spitze ein vom Kaiser ernannter Director stand, gelangte nach und nach zu immer grösserem Einfluss über die Stände, so dass dasselbe unter Kaiser Carl Vi. fast als die den Ständen direct vorgesetzte Behörde erschien. Bis zum Jahre 1719 wurde nämlich in der Regel der jeweilige Bischof von Breslau auch zum Ober-Landeshauptmann, d. i. zum Oberhaupte der gesammten Stände Schlesiens bestellt und konnte gemäss der Landesprivilegien diese Stelle überhaupt nur ein schlesischer Fürst bekleiden. Als nun im Jahre 1716 der Bischof von Breslau, Pfalzgraf Franz Ludwig, auch zum Chur- fürsten von Trier gewählt worden und daher an der regelmässigen Führung des Amtes eines schlesischen Ober-Landeshauptmanns ver- hindert war, legte er diese Würde nieder und der Director des Breslauer königlichen Oberamtes, Johann Anton Graf Schaffgotsch, wurde im Jahre 1719 mit den Geschäften des Ober-Landeshauptmanns betraut. Allerdings sollte dies nach dem "Wortlaute dos betreffenden Patents ') und des vom Kaiser den Ständen ausgestellten Reverses nur ein Provisorium und den Privilegien der Stände, laut welchen nur ein schlesischer Fürst zu ihrem Oberhaupte bestellt werden konnte, nicht abträglich sein; allein es blieb so bis zum Einmärsche der Preussen. Unter Graf Schaffgotsch wurde das Ansehen mid der Einfluss der Stände immer mehr und schliesslich zu völliger Bedeutungslosigkeit herabgedrückt. Aus den ehemaligen Fürsten- tagen war übrigens, weil die Fürsten nicht melir persönlich er- schienen, sondern sich durch Abgesandte vertreten Hessen, ein ein- facher „Conventus publicus", eine ,,Zusammenkiuift'' geworden. Der Vorsitzende fungierte ganz in dem Sinne des Oberamtes und der Versammlung fehlte jedes Selbstbewusstsein. Das Einzige, was sie

') Privilegien etc. des Landes Schlesien. I. 633.

Digitized by

Google

123

that, bestand in dem Versuche, von der verlangten Steuersumnie durch Jammern über die Armuth des Landes etwas abzuhandeln. Weit mehr noch als den Ständen anderer Erblande wurde ihnen der spärliche Rest eines fast nur mehr scheinbaren Initiativrechtes entzogen und im Vertrauen auf ihre Gefügigkeit wurde ihnen im Jahre 1726 überhaupt verboten, irgend etwas vorzubringen, was nicht mit der vom Kaiser ihnen vorgelegten Postulation zusammen- hieng. Es war ihnen höchstens gestattet, etwaige "Wünsche bei dem königlichen Oberamte vorzubringen, welches so zu einer den Ständen übergeordneten Behörde gemacht wurde *).

Diejenigen Pürstenthümer, welche direct und immittelbar der böhmischen Krone gehörten und nicht als Lehen weitervergeben waren, wurden durch besondere Landesregierungen ver- waltet und hatten z. B. die Fürstenthümer Ratibor und Oppeln zu- sammen eine Landesregierung, Schweidnitz und Jauer ebenfalls, dessgleichen Liegnitz, Brieg und "Wohlauf.

Ob er am t und Landesregierungen waren also die poli- tischen und JustizsteUen, von welchen die untergeordneten guts- herrschaftlichen und sonstigen Gerichte beaufsichtigt wurden, die Kammer und das mit derselben vereinigte Rentamt besorgte das Finanzwesen, zur Beförderung des Handels und der Lidustrie bestand seit 1716 ein Commerz ien-Collegium in Breslau, welches sein Hauptstreben auf die Beseitigung der Zollschranken gegen die übrigen Kjonländer richtete. Eine höhere L an des- Militär-Behörde, wie etwa in Graz oder Lmsbruck, bestand in Schlesien nicht und wäre auch ganz unnöthig gewesen, da kaiserliche Truppen in Breslau nicht gamisonieren durften und sonst im Lande nur verschwindend kleine Truppen-Abtheilimgen lagen.

Durch den Artikel V des "Westphälischen Friedensvertrages war die Religionsfreiheit der drei Fürstenthümer Liegnitz, Brieg und Wohlau verbürgt und vom Kaiser Ferdinand HI. im Jahre 1654, dann vom Kaiser Leopold I. gleich nach seinem Regierungs- antritte und endlich am 15. Juli 1676 nach dem Heimfall der ge- nannten drei Fürstenthümer die Einhaltung dieser Bestimmungen zugesagt; allein die gegenseitige Eifersucht und Missgunst der beiden evangelischen Bekenntnisse fährte schliesslich bis zur Abschaffung des reformierten Gottesdienstes und mit dem im Jahre 1680 in Olüau

») Grünhagen, Gesch. Schi. n. 349 u. 420. *) Küchelbecker, Nachrichten etc. 97.

Digitized by

Google

124

erfolgten Tode der Herzogin Louise, der Mutter des letzten Herzogs von Liegnitz, Brieg und Wohlau, hörte der reformierte Gottesdienst in Schlesien für lange Zeit auf ^). Wie nicht anders zu erwarten, gab es in gar vielen Fällen Zwistigkeiten zwischen den einzelnen Confessionen im Lande, da jede derselben, Katholiken, wie Pro- testanten, ihre eigenen Rechte zu erweitem und jene der andern zu beschränken trachtete. Erschwerte man an dem einen Orte einem Protestanten die Ansässigmachung oder die Erlangung des Meisterrechtes, so geschah an einem andern Orte genau dasselbe einem katholischen Bewerber'^. Die fortwährenden Beschwerden der Protestanten veranlassten im Jahre 1707 den König Carl XII. von Schweden, an den in schwere Kriege verwickelten Kaiser Joseph I. das Verlangen nach einer Regelung der schlesisohen Religions- Angelegenheiten zu stellen, worauf am 1. September 1707 der sogenannte Altranstädter Vertrag zu Stande kam, durch welchen die Bestimmungen des Westphälischen Friedens erneuert und er- weitert wurden. In jenen Landestheilen, welche im Jahre 1648 noch eigene protestantische Fürsten hatten, d. i. in Liegnitz, Brieg, Oels und Münsterberg sollten die seit 1648 eingezogenen Kirchen zurückgegeben und die evangelischen Consistorien wiederhergestellt werden. Auch sollte in ganz Schlesien kein Protestant zur Annahme des katholischen Glaubensbekenntnisses genöthigt, noch wegen seines Glaubens von der Erlangung von Aemtern oder von der Erwerbung liegender Güter ausgeschlossen, noch in seinen übrigen Rechten geschmälert werden.

Durch Privilegien geschützte Judengemeinden gab es nur in Glogau und Zülz ; in den übrigen Orten wurden sie stillschweigend geduldet. Sie hatten fast immer und überall das Branntwein- ausschanksrecht und die Steuereinhebung, sowie das Tabakgefälle gepachtet. Im Jahre 1713 war ihnen ein nach sechs, sodann 1728 nach vier Classen abgestuftes Toleranzgeld auferlegt und ihnen dadurch unter gewissen Beschränkungen und Bedingungen das Aufenthaltsrecht zuerkannt worden^.

Für den hohem Unterricht bestand in Breslau eine Universität und in Liegnitz die im Jahre 1708 errichtete ,,Josephinische Ritter- Akademie", welche zur Zeit der österreichischen Herrschaft fast den

>) Grünhagen, G^esch. Schles. IL 370 u. 403. «) Privilegien etc. des Landes Schlesien. Breslau 1728, 11. 487 u. 493. .'; Privilegien des Landes Schlesien. Breslau 1739, 11 646 ff.

Digitized by

Google

126

Charakter einer Universität hatte, indem daselbst Rechtskunde, Politik, Rhetorik, Q-eschichte, Mathematik und fremde Sprachen gelehrt und dabei die ritterlichen Künste gepflegt wurden.

Handel und Industrie war in Schlesien früher sehr entwickelt, besonders blühte die Weberei und die Tuchmacherei und ihre Er- zeugnisse wurden in die entferntesten Länder gebracht. Der Handel gieng besonders nach Polen und Russland und vermittelte den Austausch der Producte des Westens und des Ostens. Die prote- stantischen Weber und Tuchmacher zogen indessen allmählig nach Sachsen, in die Lausitz und nach Polen, während König August von Polen und Ohurfürst von Sachsen den Handel nach Leipzig, die im Jahre 1725 in Berlin gegründete ,, russische Handels-Compagnie" denselben nach Berlin, der König von Schweden in seine Ostsee- Städte und Peter der Grosse nach Petersburg und Archangel zu ziehen trachtete.

Die Lage der Bauern war in Schlesien im Allgemeinen nicht so drückend, wie in Böhmen und Mähren, doch war dieselbe in den verschiedenen Landestheilen immerhin sehr verschieden. Eigentliche Leibeigenschaft existierte in Schlesien nicht, sondern nur die sogenannte Erbunterthänigkeit in allen möglichen Ab- stufungen, am härtesten in den an Polen und Mähren grenzenden Bezirken, am mildesten in Nieder-Schlesien, wo zumeist die Per- sonaldienste in eine Geldabgabe, den sogenannten „Silberzins" um- gewandelt worden waren. *) Die „Ordnung wegen der entwichenen Unterthanen" vom 1. October 1652 erklärt ausdrücklich, „die Leib- eigenschaft ist in Schlesien nicht Herkommens, die Bauern können ihre Güter erblich besitzen, verkaufen, vertauschen"^. Die schlesi- schen Bauern befanden sich demnach nicht in jenem aller Personen- rechte baren Zustande, den man nach der juristischen Termino- logie, sondern nur in dem Verhältnisse der Erbunterthänigkeit, das man nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch als Leibeigen- schaft bezeichnet, bis herab zur blossen Robot- oder Zius- pflichtigkeit. Selbst Personen der höheren Stände konnten als Besitzer robot- und zinspflichtiger Gründe einer andern Herrschaft zu diesen Leistungen verpflichtet sein, ohne an ihrer persönlichen Freiheit, ihrem Stand und ihren Ehren etwas einzubüssen. Ein

») Arch. d. Min. d. Inn. Böhmen. IV. K. 1, Nr. 15 ex 1736. •) Privilegien des Landes Schlesien. Breslau 1731, I. 144 ff.

Digitized by

Google

126

arger Uebelstand für die Landwirthschaft, sowohl für Herren, als Unterthanen, war es, dass die Steuern noch immer auf Grund einer im Jahre 1527 vorgenommenen Schätzimg eingehoben wurden, ohne Rücksicht darauf, ob ein damals blühendes Gut nunmehr verödet oder doppelt und mehrfach erträgnissreicher geworden war. Im Jahre 1721 wurde wohl eine neue Einschätzung in Angriff genommen, aber bis zum Jahre 1740 noch nicht beendigt.

Die Niederlande/)

Die in Folge der Friedensverträge von Utrecht (11. April 1713), Rastatt (6. März 1714) und Baden (7. September 1714) in den Besitz Kaiser Carl VI. gelangten ehemaligen spanischen Nieder- lande fügten dem so vielgestaltigen Baue der habsburgischen Monarchie noch ein neues Element der Verschiedenheit in Bezug auf Verfassung und Verwaltung bei.

Kaiser Maximilian I. hatte im Jahre 1512 in dem Reichs- abschiede zu Cöln das Herzogthum Burgund mit seinen Ländern als einen Kreis, den burgundischen, des heiligen römischen Reichs deutscher Nation erklärt und Kaiser Carl V. auf dem Reichstage zu Worms, 1521, in dem Landfrieden zu Nürnberg, 1522, endüch am 6. Juni 1548 auf dem Reichstage zu Augsburg die Verbindung des burgundischen Kreises mit dem Reiche bestätigt. Die Be- kräftigungsurkimde Kaiser Carl V. besagt, dass die Herzogthümer, Grafschaften und Herrschafben, welche als burgundisches Erbe durch die Vermählung des Erzherzogs Maximilian mit der Erb- prinzessin Maria von Burgund in den Besitz des Hauses Habsburg gekommen waren, mit allen ihren mittelbar und un- mittelbar zugehörigen und einverleibten geistlichen imd weltUchen Fürstenthümem, Prälaturen, Dignitäten, Grrafschaften, Frei- und Herrschaften imd derselben Vasallen, Unterthanen und Verwandten für ewige Zeiten in den Schutz, Schirm, Vertheidignng und Hilfe der römischen Kaiser und des Reiches aufgenommen werden sollen, so dass sie sich dadurch aller Freiheiten, Rechte und Gerechtig- keiten desselben erfreuen und von den römischen Kaisem, Königen

») Luca, Ignaz de, Geogr. Handbuch. 5. Abth. Pütt er, ffistorisch- polit. Handbuch etc. 1. Th. Mömoires historiques et politiques des Pays- Bas Autrichiens, Paris 1784. Actenstücke zur Geschichte der österreichischeu Niederlande, 1787. Stubenrauch, Belgien unter Maria Theresia.

Digitized by

Google

127

und Eeichsständen jederzeit wie andere Fürsten, Stände und Glieder desselben Reiches geschützt und vertheidigt, auch zu allen Reichs- tagen und Versammlungen geladen und, wenn sie dieselben be- suchen wollen, zu Sitz und Stimme zugelassen werden sollten. Dagegen versprach der Kaiser für sich und seine Nachkommen, für diese Länder zu den Reichsumlagen so viel als zwei Churfürsten, wider die Türken aber so viel als drei Churfürsten beizutragen. Würden diese „Nieder-Erblande" in der Entrichtung ihrer Contri- bution säumig sein, so sollten sie dieserwegen dem kaiserKchen Kammergericht imterworfen sein und durch den kaiserlichen Fiscal, wie andere Reichsstände zur Bezahlung angehalten werden, übrigens aber sollten diese Länder und ihre Unterthanen bei allen ihren Freiheiten, Rechten und Gerechtigkeiten gelassen werden und der Gerichtsbarkeit der Reichsgerichte, wie auch den Reichsordnungen und Abschieden nicht unterworfen sein. Obgleich dieser Kreis, so wenig, wie der österreichische, eine den übrigen Reichs- kreisen ähnliche Verfassung hatte, so besass er doch das Recht, einen Kammergerichtsbeisitzer zu präsentieren und im Reichs- fürstenrathe unter dem Namen „Burgund" unmittelbar nach Oester- reich auf der geistlichen Bank sein Recht auf Sitz und Stimme auszuüben. ^)

"Was Spanien von diesen Ländern bei dem Tode Carl 11. noch besass, das gieng in den Besitz Carl VI. über, mit Ausnahme einiger kleineren Bezirke, welche theils an die Vereinigten Nieder- lande, theils an Preussen, theils an Churpfalz abgetreten wurden ; ausserdem behielten die Vereinigten Niederlande oder die General- staaten zufolge des Barri^re-Tractats vom 15. November 1715 das Mitbesatzungsrecht in den Festungen Namur, Toumay (Doomik), Fumes, Wameton, Ypem und dem Fort Knocke.

Die Regierungsform in den Niederlanden war beschränkt monarchisch ; die Grenzen zwischen den Rechten des Landesfürsten und der Stände waren jedoch in den einzelnen Provinzen verschieden und durch hergebrachte Gesetze und Privilegien geregelt, deren Beob- achtung imd Aufrechterhaltung der Landesfürst oder der in seinem Namen die Huldigung entgegennehmende General - Gouverneur feierlich beschwören musste. Als Grundgesetze für die Ver-

*) Luca, Geogr. Handb. V. 2. Abth. 377. Pütter, Hist.-pol. Handb. X. 207. Beck, Spec. I. 118 f. Moser, Staatsr. I. 296, 820 und XXXIV. 289.

Digitized by

Google

128

fassung der niederländischen Provinzen galten um 1740:* die pragmatische Sanction, die Bestimmung, dass Steuern nur mit Zu- stimmung der Stände ausgeschrieben und eingehoben werden dürfen ; in Flandern die uralte, seit Jahrhunderten bestandene Verfassung und die Erklänmg der Herzogin Maria von Burgund, der Gemahlin des Erzherzogs Max im il i an, vom Jahre 1474, dass sie nach dem Willen und dem Rathe der drei Stände ihres Reiches über Flandern herrschen wolle; femer das Gesetz, nach welchem in den meisten Provinzen Niemand ein Amt erhalten durfte, der nicht ifi denselben geboren war ; für Brabant und Limburg die so- genannte „brabsüitische goldene Bulle" Kaiser C a r IIV. vom Jahre 1349, laut welcher kein burgundischer Unterthan in Civil-, Personal- oder Criminalsachen vor irgend ein weltliches oder geistliches Gericht des römischen Reiches citiert oder von demselben gerichtet werden konnte. Kaiser Carl V. fügte im Jahre 1530 noch die Bestimmung hinzu, dass der Rath von Brabant gegen jene Reichs- gerichte, welche gegen die ,,brabanter goldene Bulle" fehlten, mit kaiserlicher Autorität aufs Strengste verfahren und nicht nur eine Geldbusse von 200 Mark Goldes auferlegen, sondern auch mit dem Reichsbanne drohen könne. Die wichtigste und umfassendste Frei- heitsacte für Brabant und Limburg war aber die sogenannte „Joyeuse Entr6e" (vlämisch „Blyde Lakomst", „der erfreuliche Einzug"), eine Sammlung aller Freiheiten der Herzogthümer Brabant und Limburg, welche bei jeder Eidesleistung des neuen Landesfürsten umständlich aufgezeichnet, durch neue Zusätze vermehrt, dem Fürsten vorgelesen und von diesem beschworen wurden. Maria Theresia bestätigte am 30. April 1744 dieses in seinen Anfängen aus dem 13. Jahr- hundert stammende und im Laufe der Zeiten auf 69 Artikel an- gewachsene Grundgesetz, in welchem zwar eigentlich nur die Privi- legien der Herzogthümer Brabant und Limburg enthalten waren, deren Vorrechte aber alle niederländischen Provinzen genossen, wenn solches auch nicht ausdrücklich anerkannt war. Es war dies damals jedenfalls das freisinnigste Grundgesetz in ganz Europa. Sein Hauptinhalt war: Ihre Majestät wolle nicht nach eigenem Willen, sondern nach dem herkömmlichen Rechte regieren; ohne Bewilligimg der Stände von Brabant soll kein die Länder Brabant und Limburg betreffender Krieg angefangen werden; Ihre Majestät werde Titel und Wappen von Lothringen, Brabant, Limburg und der Markgrafsohaft des heiligen römischen Reiches und ein be- sonderes Siegel für Brabant führen, mit welchem alle, die Länder von Brabant imd über der Maas betreffenden Erlässe, aber keine

Digitized by

Google

129

andern gesiegelt werden sollen ; die Mitglieder des Rathes von ßrabant sollen, mit Ausnahme von zweien, ehelich geborene Brabanter sein und eine Stammbaronie besitzen; die im Conseil von Brabant ausgefertigten Patente sollen in der Sprache jenes Ortes verfasst sein, für welchen sie bestimmt sind ; kein in Brabant oder in dem Lande über der Maas verhafteter Verbrecher soll ausser Landes geführt werden ; kein Mörder soll begnadigt werden, wenn er nicht zuvor die Verwandten des Ermordeten zufriedengestellt hat; Verräther dürfen nur mit Zustimmung der Stände begnadigt werden; Gestattung der freien Meinungsäusserung in der Stände- versammlung; endlich die wichtigste Bestimmung: „Wenn Ihre Majestät die Privilegien ganz oder zum Theil zu beobachten auf- hören sollten, so bewilligen Sie, dass in diesem Fall Ihre Unter- thanen aufhören, Ihnen Dienste zu leisten, bis das ihnen geschehene Unrecht wieder gutgemacht worden ist." ^)

Die oberste Regierungsgewalt in den Niederlanden wurde während der spanischen Herrschaft durch einen General-Gouverneur ausgeübt, zu welcher Stelle auf Grund des von Philipp 11. am 17. März 1579 zu Arras mit den wallonischen Provinzen geschlossenen Vereinigungs - Träctates nur ein Prinz oder eine Prinzessin von Geblüt ernannt werden sollte. Der General-Gouverneur oder Statt- halter der Niederlande hatte die Oberdirection über alle Landes- Angelegenheiten und die Vollziehung aller Gesetze. Er koimte die Ritter des goldenen Vliesses, die Mitglieder des Staats-, des geheimen und Finanzraths in seiner Gegenwart oder anderswo, so oft er es für nöthig erachtete, versammeln. Er hatte die Ober- aufsicht sowohl über die Justiz-, Polizei- und Finanz- Angelegen- heiten, als auch über die Land- und Saemacht, die Civil- und Militär-Functionäre. Er hatte das Recht, Gesetze, Edicte und Ver- ordnungen zum Wohl und Nutzen des Landes und zur Erhaltung einer guten Polizei zu erlassen. Er konnte ebenso wie der Souverain alle erledigten Aemter und Pfründen besetzen, Gnaden erth eilen, die Strafen für alle Arten von Vergehen und Verbrechen erlassen, die Stände aller Provinzen oder jeder Provinz insbesondere, in welcher Stadt oder an welchem Orte er es für gut befand, zu- sammenberufen ; mit einem Worte, er war vermöge seines Be- stallungspatentes berechtigt, die höchste Gewalt im Namen des Souverains auf eben die Art und Weise, wie solches der Souverain

>) Luca, Geogr. Handbuch, V. 2. Abth. 382 ff. Oesterreiohischer Erb folgekrieg. I. Bd.

Digitized by

Google

130

selbst thun könnte, in jeder Beziehung auszuüben ; doch waren dem- selben in Absicht auf gewisse Gegenstände durch seine Instructionen und durch die den CoUateral-Oonseils vorgeschriebenen Verhaltungs- befehle gewisse Grenzen gesetzt, indem sich der Souverain die Disposition über verschiedene "Würden und Aemter, das Recht, Einkünfte zu veräussem oder zu verpfänden, Titel imd Ehrenzeichen zu verleihen, die Befreiung von der Leibeigenschaft und die Naturalisierung der Ausländer zu ertheilen, vorbehalten hatte. Der General-Gouverneur repräsentierte sonst aber in allen Beziehungen den Souverain. Es wurden stets zwei Leibcompagnien zu seinem Dienste unterhalten, eine Compagnie Trabanten der adeligen Leib- wache Sr. Majestät und eine Compagnie Hellebardiere. Der Papst hielt gewöhnlich bei den General-Gouverneuren einen Nuntius oder Litemimtius, die Könige von Frankreich und England, die Republik der Vereinigten Niederlande, der Fürstbischof von Lüttich hatten ihre Gesandten bei demselben und auch während der österreichischen Herr- schaft gab es zu verschiedenen Malen fremde Minister am Hofe zu Brüssel, so vom König von Spanien, vom König von Preussen und vom Churfürsten von der Pfalz. ')

Nach der auf Grund der Friedensverträge und des Barriere- Tractates im Jahre 1716 durch den Feldmarschall-Lieutenant Joseph Lothar Grafen von Königsegg 'erfolgten Besitzergreifung der Niederlande wurde zwar Prinz EugenvonSavoyen zum General- Gouverneur der niuimehr österreichischen Niederlande ernannt, *) aber derselbe war nicht in der Lage, behufs persönlicher Ausübung seiner hohen Würde seiue Residenz naoh Brüssel zu verlegen. Desshalb wurde Hercules Turinetti Marquis de P r i 6 unter dem Titel eines bevollmächtigten Ministers mit der Leitung der nieder- ländischen Regierungsgeschäfte betraut. Nach einem missglückten Experimente mit einer am 2. Januar 1718 decretierten neuen Ein- richtung, der Verwaltungsbehörden wurde im September 1725 die zur Zeit der spanischen Herrschaft bestandene Regierungsform in ihrem ganzen Umfange wiederhergestellt und zugleich die Erz- herzogin Maria Elisabeth, Schwester Kaiser Carl VI., zur General-Grouvemeurin ernannt, während in Wien als Hofstelle für die politischen, Justiz- und Finanz- Angelegenheiten der Niederlande der sogenannte „Niederländische Rath" fungierte, welcher

*) Actenstücke zur Geschichte der österr. Niederlande. 2 H. XXIX . ») Kr. Arch. 1716 Kanzl. A IX b, 8 u. H. K. R. Aug. 411, Rg.

Digitized by

Google

131

eine den Hofkanzlei^n entsprechende Einrichtung und ähnliche, jedoch mit Rücksicht auf die bedeutenden Prärogative der öe- neral-Q-ouverneurin etwas eingeschränktere Befugnisse hatte, als die Hofkanzleien für die andern Ländergruppen. Der „Niederländische Rath" wurde erst im Jahre 1757 als selbstständige Hofstelle aufgehoben und seine Functionen der geheimen Haus-, Hof- und Staatskanzlei übertragen. Laut der am 1. September 1725 der Erzherzogin Maria Elisabeth ertheilten Instruction ^) wurde dieselbe zur General-Gouvemeurin mit der vollkommenen Würde und allen Prä- rogativen eines General-Capitains ernannt, es wurden ihr die gesammte jeweilig in den österreichischen Niederlanden befindlichen Truppen sammt allen festen Plätzen anvertraut und der commandierende Q-eneral, sowie alle Oommandantsn an sie angewiesen; sie hatte die unbeschränkte Disposition über das Militär, jedoch so, dass sie den jeweilig commandierenden General zu Rathe ziehen und ihren Beschluss durch den commandierenden General ausfertigen lassen sollte. Ln Falle sie aus erheblichen Gründen von dem Einrathen des commandierenden Generals abgehen zu müssen glaube, könne sie zwar ihren eigenen Entschluss fassen, müsse jedoch sodann im Wege des Hofkriegsrathes die Allerhöchste Entscheidung hierüber einholen. In politischen, ökonomischen und Justizgegenständen hatte sie ihre Berichte an den Kaiser im Wege des „Niederländischen Bathes", in reinen Militär- oder in militärisch-ökonomischen An- gelegenheiten aber im Wege des Hofkriegsrathes zu erstatten. Sie sollte darauf sehen, dass das in den Niederlanden befindliche Militär den richtigen Sold und Unterhalt, wenn schon nicht monat- lich, so doch wenigstens vierteljährlich erhalte. Die Besetzung der Gouvemeurstellen in den festen Plätzen, dann die Ernennung der Provinzial-Gouvemeure, des Castellans in Antwerpen und des Gou- verneurs von Ostende behielt sich der Kaiser vor, die Erzherzogin aber hatte einen Temavorschlag einzusenden; die andern Stellen besetzte die Erzherzogin. Vorzüglich sollte sie Sorge tragen für die Sicherung des Hafens und der Festung Ostende, als des Haupt- handelsplatzes, damit nicht die eben erst gegründete „Ostindische Compagnie" Schaden leide. In wichtigen Vorfallenheiten, wenn nicht Gefahr im Verzuge war, sollte sie zuerst die Willensmeinung des Kaisers einholen, in unaufschiebbaren Fällen aber im Einvernehmen mit dem commandierenden General handeln. Die militär-ökono- mischen Angelegenheiten und die militaria mixta hatte die General-

») Kr. Arch. Kanzl. A. IX b 10 und H. K. R. 1770—37—126.

9*

Digitized by

Google

132

Gouvemeurin einerseits mit dem commandierenden General, anderer- seits mit dem Finanz-Tribunal, dem ,,Conseil d' 6tat'' und dem „Conseil priv6" zu berathen. Der commandierende General, der auch wirklicher geheimer Eath sein sollte, hatte im Conseil d'^tat den nächsten Platz unmittelbar nach dem Obersthofmeister der Erzherzogin; in Abwesenheit des Obersthofmeisters führt der commandierende General den Vorsitz. Das Recht der Obersten der deutschen Regimenter, nicht allein die Compagnien zu verleihen, sondern auch die Stabschargen zu besetzen, wird auch den Obersten der National-Regimenter übertragen.

Der General-Gouverneurin standen in der Verwaltung des Landes drei RathscoUegien zur Seite, nämlich:

DerStaatsrath (Conseil d'etat), von Kaiser Carl V. im Jahre 1531 zugleich mit den beiden folgenden errichtet, bestand aus Mitgliedern der vornehmsten adeligen Familien und hatte ursprünglich die Aufgabe, alle wichtigen Staats- Angelegenheiten im Krieg und Frieden seiner Berathung zu unterziehen. AUmählig waren aber seine Befugnisse und Prärogative auf den geheimen Rath übergegangen. Nach der Constitution Kaiser Carl VI. vom 19. September 1725 bestand der Staatsrath aus Ministern „d* 6p6e" und „de robe" und der Obei*st- hofmeister der General-Gouvemeurm führte den Vorsitz. Dieses Collegium hielt keine regelmässigen Sitzungen, sondern versammelte sich nur von Fall zu Fall auf Berufung durch die Erzherzogin - Gouvemeurin.

Dem geheimen Rathe (Conseil prive) stand die Be- aufsichtigung und die Leitung aller Staats -Angelegenheiten zu. Das Gesetzgebungsrecht gehörte in den Niederlanden zwar dem Souverain allein oder Demjenigen, der in seinem Namen die höchste Gewalt ausübte, aber Alles, was* auf die Gesetzgebung Bezug hatte, die Auslegung alter sowie die Abfassung neuer Gesetze war der Berathschlagung des geheimen Rathes unterworfen. Dieser Rath stand an der Spitze der politischen Verwaltung und hatte auch bei der Besetzung der Aerater sein Gutachten abzugeben. Ausser dem Vorsitzenden gehörten ihm noch sieben Mitglieder und drei Secretäre an.

Der „R ath der Finanzen" (Conseil des fi-nances) hatte das gesammte Finanzwesen des Landes zu besorgen. Er führte eine genaue Aufzeichnung über die Einkünfte und Ausgaben des Landes und wachte über Alles, was den finanziellen Zustand desselben betraf, doch stand er unmittelbar unter der Aufsicht des geheimen Rathes. Nicht zu verwechseln ist mit diesem Rathe die

Digitized by

Google

133

sogenannte ßechenkammer (Chainbre des comptes), welche die Con- trole über den Landeshaushalt und über die Rechnungen der Steuerein- nehmer fulirtejedochnichtzu den drei höchsten RathscoUegien gehörte.

Sehr verwickelt war das Justizwesen und die Rechtspflege. Aus einer Unzahl, vormals unter verschiedenen Landesherren ge- standener Gebiete zusammengesetzt, hatte sich jede Provinz, jede Stadt ihre besonderen Gesetze und Gebräuche bewahrt und desshalb war sowohl das materielle Recht, als auch die Rechtspflege in den verschiedenen Landestheilen verschieden. ^) Der höchste Gerichtshof in den österreichischen Niederlanden war der grosse Rath von Mecheln, welchem die Ritter des goldenen Vliesses und die höchsten Staatsbeamten unterworfen waren. Er fungierte zugleich als Appellationsinstanz über die Urtheile der Provinzialräthe von Flandern, Luxemburg undNamur imd des Stadtgebietes von Mecheln. Keine höhere Listanz konnte seine Aussprüche cassieren. Nur der Statthalter konnte verfügen, dass der Spruch von denselben Richtern unter Beiziehung anderer Rechtsgelehrter oder Professoren der Hochschule zu Löwen revidiert werde. Femer bestanden als Provinzial- gerichtshöfe der Rath von Brabant (Oonseü de Brabant), der Kath von Geldern (Conseil de Gueldres), der Rath von Flandern (Coiiseil de Flandres) u. s. w., dann Specialgerichtshöfe für bestimmte Angelegenheiten, als der Lehenhof, zwei oberste Kammern für Domänen - Angelegenheiten, nämlich die eine für Luxemburg, Geldern, Flandern, Hennegau uüd Mecheln, die andern für Brabant, Limburg und das Land über der Maas, das Forstgericht, das Jagd- und Fischereigericht, Gefällsgericht, geistliche Gerichte u. s. w. Endlich waren die Ortsgerichte unter den Maires, Schultheissen, Drosten, welche mit der Eruierung der Verbrecher und der Be- strafung geringerer Gesetzes-Uebertretungen betraut waren. Der von einem Ortsgericht Verurtheilte koimte an den Gerichtshof der Pro- vinzial-Hauptstadt oder an den Provinzialrath selbst appellieren, von dessen Ausspruch in der Regel keine weitere Berufimg zulässig war, ausgenommen in Flandern, Luxembm-g mid Namur, wo der grosse Rath von Mecheln als Berufungsinstanz fungierte.

Die ständische Verfassung der Niederlande litt ebenso wie die politische Verwaltung und die Rechtspflege unter dem Mangel

*) Stubenrauch, Belgien unter Maria Theresia, 32 ff. L u c a , Geogr. Handb. V. 2. Abth. 440 ff. Memoires historiques et politiques des Pays- Bas Autrichiens, II. 122 ff.

Digitized by

Google

134

der Einheit. Nach der alten Verfassung bestand zwar eine allgemeine Versammlung der Stände aller Provinzen, die Generalstaaten, allein dieselben waren seit dem Jahre 1632 nicht mehr einberufen worden. Es versammelten sich nur die Stände der einzelnen Pro- vinzen, deren jede gleichsam einen Staat im Staat ausmachte. Diese Provinzialstände hatten weder gleiche Rechte, noch eine gleichartige Zusammensetzung, noch gleichartige Interessen. Ihr hauptsächlichstes Vorrecht bestand in der jährlichen Bewilligung der Steuern und ausserordentlichen Abgaben, die ohne ihre Zustim- mung nicht erhoben werden konnten. In Angelegenheit der Gesetz- gebung hatten die Stände kein direotes Mitwirkungsrecht , wenn sie auch bisweilen gleich den höheren Gerichtshöfen und dem Finanz- Oonseil um ihren Rath gefragt wurden ; aber dadurch, dass ohne ihre Zustimmung keine Steuern erhoben werden konnten, hatten sie einen gewaltigen Einfluss auf die Gesetzgebung. Ihre Zusammensetzung war in den meisten niederländischen Provinzen so, wie in den übrigen Erblanden ausser Tyrol, nämlich Geistlichkeit, Adel imd die Magistrate einiger Städte; der Bauernstand war unvertreten. Die Stände in Brabant bestanden aus der Geistlichkeit, dem Adel und den Deputierten der Städte Brüssel, Löwen und Antwerpen. Der geistliche Stand begriff blos die Aebte in sich, die Bischöfe als solche waren keine Stände; damit sie aber an den Stände- versammlungen theilnehmen könnten, gab Philipp 11. dem Erz- bisehof von Mecheln die Abtei Aflighem und dem Bischof von Antwerpen die Abtei zu St. Bernard, wodurch sie als Aebte Mit- glieder der Stände wurden. Vom Adel konnte nur jener Mitglied der Stände werden, welcher wenigstens Freiherr war und in Brabant Güter mit einem Jahresertrag von 4000 fl. besass. Li Limburg bestand die Ständeversammlung ebenfalls aus der GeistUchkeit, dem Adel und den bürgerlichen Deputierten. In Luxemburg und der Grafschaft Chiny wählte jeder Stand drei Deputierte, die Stände- versammmlung zählte daher neun Mitglieder. In Geldern wählte der Adel und die Stadt Ruremonde je zwei Deputierte; die Geist- lichkeit war ausgeschlossen. In Flandern war dagegen der Adel von den Ständeversammlungen ausgeschlossen und waren ebenfalls nur zwei Stände, nämlich Geistlichkeit und Bürgerstand. Im Henne- gau imd in Namur waren drei Stände. Nur Mecheln hatte keine Stände Versammlung," die Angelegenheiten einer solchen besorgte der Stadtmagistrat. ').

>) Luca, Georgr. Handb. V. 2. Abth. 448 f.

Digitized by

Google

135

Zur Beschlussfassung war die Uebereinstimmung aller drei, be- ziehungsweise der zwei Stände erforderlich, wesshalb jeder Stand das gleiche Gewicht bei den Berathungen hatte. In Brabant war es Sitte, dass die beiden ersten Stände ihren Beschlüssen den Vorbehedt bei- fügten : „Mit Zustimmung des dritten Standes und anders nicht" ^. üeberhaupt bewiesen die niederländischen Stände eine grosse Stand- haftigkeit und Einmüthigkeit in der Aufrechterhaltung ihrer Frei- heiten und Privilegien, wenn auch in andern Fragen die einzebaen Provinzen weit auseinandergiengen und so wie anderwärts, nur das Interesse ihres engeren Bezirkes im Auge hatten.

Die Besitzungen in Italien.

Von dem ehemals bedeutenden Länderbesitze in Italien waren dem Kaiser Carl VI. am Ende seiner Regierung nur noch schwache Reste geblieben; Neapel und Sicilien waren durch den unglück- lichen Krieg vom Jahre 1734 und 1735 verloren gegangen und die neuerworbenen Herzogthümer Parma und Piacenza boten nur geringen Ersatz für die Verluste. Der ganze kaiserliche Besitz in Italien beschränkte sich nunmehr auf einen Theil des Herzogthums Mailand und auf die Herzogthümer Mantua, Parma und Piacenza. Auch unter der kaiserlichen Herrschaft hatten Neapel und Sicilien, Mailand und Mantua, ebenso wie Parma und Piacenza ihre alten Verfassungen und Verwaltungsformen beibehalten; in Neapel und Sicilien standen Vicekönige, in den Herzogthümem Gouverneure als Vertreter des Landesfürsten mit ausgedehnten Machtbefugnissen an der Spitze der gesammten politischen, militärischen und Cameral- verwaltung, in Wien aber fungierte der „spanische Rath" als oberste Hofstelle für diese Länder mit dem gleichen Wirkungs- kreis, wie der „niederländische Rath" für die österreichischen Niederlande. Nach dem Verluste Neapels imd Siciliens erhielt der „spa^nische Rath'' den Namen „italienischer Rath". Derselbe verlor gleich dem niederländischen Rath im Jahre 1757 den Charakter einer selbstständigen Hofstelle und seine Agenden übergiengen an das italienischeDepartement der geheimen Haus-, Hof- und Staatskanzlei. Ueber die vier Herzog- thümer wurde im Jahre 1736 der Feldzeugmeister Otto Ferdinand Graf von Traun zum Interims-Gouverneur mit den Befugnissen

•) Stubenrauch, Belgien, 25, ff.

Digitized by

Google

136

und Prärogativen eines General-Capitains und zum commandierenden General über alle in den genannten Herzogthüniem stehenden Truppen ernannt *), jedoch so, dass vorläufig der Administrator des Herzogthums Mantua, Feldzeugmeister Carl Graf Stampa, seine Functionen weiterfülaren sollte. Die dem Grafen Traun ertheilte In- struction^), ddo. Wien, den 5. September 1736, war in der Hauptsache jener der Erzherzogin Maria Elisabeth, General-Gouvemeurin der österreichischen Niederlande, ähnlich, unterschied sich jedoch insofern in mehreren Puncten, als der Feldzeugmeister Graf Traun in seiner Person zugleich auch die Würde des commandierenden Generals vereinigte. Ausser vom Kaiser war Graf Traun in militärischen An- gelegenheiten vom Hofkriegsrathe, in allen andern Angelegenheiten aber vom italienischen Rathe abhängig'; desshalb erhielt er auch das General-Capitains-Patent und die Instruction unter kaiserlicher Signatur durch den italienischen Rath. In rein militärischen An- gelegenheiten hatte er kraft seiner Vollmacht und Autorität zu ent- scheiden, jedoch in wichtigen militärischen A'orfallenheiten und bei Feindesgefahr sollte er sich mit den bei den dortigen Truppen an- gestellten Generalen berathen und nach dem gemeinschaftlich gefassten Beschlüsse handeln. Er sollte für die militärische Sicherheit der ilmi anvertrauten Gebiete sorgen, auf die Vorgänge in den Nachbarländern genau achten, sichere Kimdschaften einziehen und hierüber berichten. Die etwa nöthigen Truppenverlegungen und Vei-w^echslimgen sollten mit der möglichst geringsten Belästigung der Bevölkerung und zu der geeignetsten Jahreszeit, keinesfalls aber ohne zwingende Gründe vorgenonmien werden. Die Garnison in Mantua, als einem ungesunden Orte, sollte jedes Jfiüir durch andere, in Mailand, Parma imd Piacenza stehende Truppen ab- gelöst, in den Sommermonaten aber die ganze Garnison aus Mantua gezogen und nur ein kleines Wachdetachement zurückgelassen, dieses aber alle vierzehn Tage oder wenigstens alle Monate abgelöst werden. Er sollte strenge Mannszucht erhalten, das gute Einvernehmen zwischen dem Militär und der Bevölkerung sicheni und jede Eigenmächtigkeit verhindern, doch aber Sorge tragen, dass auch die Soldaten dem Bürger gegenüber ihr Recht fänden. Die Besetzung erledigter Officiers- und Beamtenstellen war dem Literims-Gouvemeur nicht zugestanden, sondern nur ein beschränktes Vorschlagsrecht.

') K. A. 1736. Bestall. Nr. 6684.

«) K. A. 1736. Kanzl. A. IX b, Nr. 18.

Digitized by

Google

137

Stände in dem Sinne, wie sie in den deutschen Erblanden bestanden, gab es in den italienischen Herzogthümem nicht *) ; doch hatte im Herzogthume Mailand die ,,Congregazione generale dello stato", welche aus den drei Verordneten der sechs Städte mit ihren kleinen Provinzen bestand, den Ständen ähnliche Befog- nisse. Für die Verwaltung bestand in den einzelnen Provinzen und Städten ein R a t h, welcher meistens in den Händen des Adels war, ein Senat für die Justizpflege, ein Procurator des Fiscus, eine Kammer u. s. w. In Parma und Piacenza blieb die vom Herzog Eanuccio Farne sc IV. am 12. December 1594 erlassene Con- stitution^ und Organisation der Magistrate auch unter der kaiser- lichen Regierung in Bjraft und wurde überhaupt an den alten Ein- richtungen nicht unnöthiger Weise gerüttelt.

Eigenthümlich war die Cameral-Einrichtung dieser italienischen Herzogthümer. Ohne auf jedes einzelne derselben näher einzugehen, mögen nur einige Daten über das Herzogthum Mailand hier Platz finden. ^) In früherer Zeit gab es in Mailand nur zwei Steuern : 1. den censo del sale, Salzsteuer und 2. die tassa de* cavalli, Pferde- steuer. Die erstere bestand darin, dass für jede über sieben Jahre alte Person jährlich sechs Pfund Salz zu einem festgesetzten Preise abgenommen werden mussten ; die zweite war eine Greldabgabe als Ersatz für die ursprünglich in natura geleistete Unterkunft und Fouragebeistellung für die herzoglichen Cavalleriepferde. Im Laufe der Zeit waren ausser den Kammergefällen folgende Steuern ein- geführt worden: 1. die Grundsteuer, 2. die Personalsteuer, welcher alle männlichen Personen im Alter von vierzehn bis sechzig Jahren unterlagen, 3. die tassa del mercimonio, eine Gewerbesteuer, welche die Handwerker und Kaufleute zu entrichten hatten; von dieser wurde jedoch nur die Hälfte als Beitrag zu den allgemeinen Staats- bedürfnissen verwendet, die andere Hälfte aber den Gemeinden für ihre Localbedürfnisse überlassen. Dazu kamen die Nebenabgaben für die besonderen Bedürfnisse jeder Provinz oder Gemeinde, welche nicht überall gleich waren. Die Höhe der Abgaben und die Ver- theilung derselben auf die einzelnen Steuerträger bestimmte ein königliches Tribunal. Befreiungen von den Abgaben gab es für weltliche Personen zweierlei: 1. die esenzione dei 12 figli, die Be- freiung wegen des zwölften Kindes, wenn nämlich bei der Gebiurt

») Luca, Geogr. Handb. V. 2. Abth. 598.

*) Constitutiones Placentiae et Parmae. Placentiae 1670. Kr. Arch. A. A. AValsegg Nr. 89, 90, 91, 92, 93, 94.

8) Luca, Geogr. Handb. V. 2. Abth. 609 ff.

Digitized by

Google

138

des zwölften Kindes eines Ehepaares von den früheren Kindern wenigstens zehn am Leben waren, sie bestand in der völligen Be- freiung von der Personal- (tassa personale) und Q-ewerbesteuer (tassa mercimoniale) ; 2. die esenzione per privilegio (Steuerfreiheit auf Grund eines Privilegiums). Doch wurde im Jahre 1732 fest- gesetzt, dass eine solche Abgabenfreiheit sich nur auf jene Steuern beziehen dürfe, welche bis zum 1. Juli 1599 eingeführt waren; alle später eingeführten Abgaben mussten auch die per privilegio Exempten entrichten. Die Geistlichkeit zahlte nur die ordentlichen Steuern, nämlich den censo del sale und die tassa de' cavalli, aber die Pächter der geistlichen Güter entrichteten die Hälfte der gewöhn- lichen Steuern und dies hiess die tassa colonica.

Der complicierte Verwaltungsapparat der einzelnen Länder- gruppen Oesterreichs, wie er zur Zeit des Todes Carl VI. bestand und keineswegs verlässlich und exact functionierte, gab Oesterreich damals noch den Charakter eines mittelalterlichen Staates, eines lockeren, nur durch die Dynastie zusammengehaltenen Bundes verschiedener Länder, von welchen jedes seine noch aus dem Mittel- alter stammende ständische Verfassung und Verwaltung hatte. Die vier Hof kanzleien, der niederländische und italienische Rath, welche die Verwaltung und die Justiz ihrer Länder leiteten, betrachteten sich nicht als Theile eines einheitlichen Organismus, welche von einem Geiste geleitet auf dasselbe Ziel hinarbeiten sollten, sondern als Vertreter verschiedener, ja, entgegengesetzter Literessen. *) Bartenstein verurtheilt in seiner mehrerwähnten Denkschrift über die Verfassung von Böhmen, Mähren und Schlesien die Sonder- bestrebungen der Landesstellen mit folgenden Worten : „Die Landes- stellen lassen sich nur von den Rücksichten auf das eigene Land leiten, ohne sich um das Wohl des Staates viel zu kümmern. Alle möglichen erkünstelten Scheingründe werden vorgebracht, welche selbst den erleuchtetsten Minister und den weisesten Monarchen auf Lrwege leiten können. Dazu kommt die Eifersucht, ja sogar Abneigung und Hass der Bewohner einzelner Provinzen gegen die andern. Jede Nation bewirbt sich um die Unterstützung Derer, welche bei Hof einen Fürsprecher abgeben können". *) Auch die Sympathien Carl VI. für die Spanier und seinen spanischen Beirath

*) Hub er, Gesch. der österr. Verwaltung. 19 £ «) H. H. u. St. A. Handschr. Nr. 63.

Digitized by

Google

139

waren nicht von Vortheil für die Gesammtmonarchie, denn gegen die „Spanier'', die es trefflich verstanden, sich die Stellung bevor- zugter Günstlinge zu erwerben und denen die Interessen der Erb- lande ganz gleichgiltig waren, hatten die deutschen ßäthe gar häufig anzukämpfen. ^)

Eine anschauliche, lebenswahre Schilderung der Misere der damaligen Staatsverwaltung bietet Arneth in zwei Denkschriften der Kaiserin Maria Theresia*), in welchen die Mängel und Schäden der damaligen Staatsverwaltung mit Offenheit dargelegt werden. Vor Allem habe sich, schreibt die Kaiserin, die seit jeher bestandene Gewohnheit als schädlich erwiesen, die österreichischen und die böhmischen Länder durch abgesonderte Kanzleien, deren Vorsteher immer aus den vornehmsten Familien dieser Provinzen gewählt wurden, regieren zu lassen. Darum habe jeder von ihnen stets nur an die Erleich- terung der ihm anvertrauten Länder gedacht, einer dem andern die Lasten zuzuschieben getrachtet und in nichts seien sie einig gewesen, als in dem Widerspruche, den sie jederzeit erhoben, wenn ihnen, sei es zu Gunsten der Finanzen, des Militärs oder sonst im Interesse des Staates irgend eine Leistung zugemuthet wurde. Die Hofkanzler hatten weit mehr das Interesse der Stände ihres Landes, als jene des Landesfürsten im Auge. Sie befolgten die landesfürstlichen Befehle nur dann und brachten sie zur Ausfuhrung, wenn dieselben ihrer vorgefassten Meinung entsprachen und verhinderten Alles, was ihnen unangenehm .war. Sie benützten ihren Einfluss beim Landes- fürsten auch dazu, um jenes Land, welchem sie vorgesetzt waren und dem sie als reichbegütertes und einflussreiches Ständemitglied €tngehörten , derart zu begünstigen , dass die ajidem Erblande dadurch bedrückt und so behemdelt wurden, als wären es fremde und nicht einem und demselben Herrscher gehörige Länder. Der stets herrschende Neid, die Missgunst und die gegenseitigen Ver- leumdungen hätten zu den schädlichsten Entzweiungen und zu unheilbarem Nachtheil geführt, so dass die heilsamsten Massregeln nicht ausgeführt und die ertheilten Eathschläge des einen von unzähligen eigensinnigen Vorurtheilen des andern begleitet wurden und dadurch der Landesfürst mehrmals in die äusserste Be- drängniss gerieth. „Und gleichwie man viele meiner Vorfahren," klagt die Kaiserin, „eines allzu langsamen Verfahrens in den Landes- und Staatsgeschäften beschuldigte, so lag die wahre Ursache hiervon

') Krön es, Geschichte Oesterreichs. IV, 109 ff.

') Arneth, Zwei Denkschriften der Kaiserin Maria Theresia. (Archiv für österr. Gesch., 47. 862 ff.) Arneth, Maria Theresia, IV, 4—28.

Digitized by VjOOQIC

140

nur in dem unter den Ministem »tets bestandenen Zwiespalt und der hartnäckigen Verblieidigung der eigenen Meinung, wodurch natürlich ein Monarch umso unschlüssiger werden muss, als er seine persönliche Ansicht auch für eine irrige halten kann." Die Kaiserin klagt besonders über die Amtsführung der österreichischen Hofkanzlei, welche ganz unter dem Einflüsse der St&nde stand und mehrmals Anlass zu gerechtem Tadel gegeben habe. Anders und in dieser Beziehung besser sei die Geschäftsführung bei der böhmischen Hofkanzlei bestellt gewesen, denn diese Behörde habe es nicht leicht gestattet, dass ihrer Autorität von Seite der Stände zu nahe getreten werde. Dagegen habe sie unter dem Verwände, eine zu weitgehende Einmischung der Hofkammer in die innem Angelegen- heiten der böhmischen Länder zu hintertreiben, dem Landesfürsten selbst jeden näheren Einblick in dieselben ganz unmöglich gemacht. Lisbesondere war die ins Unglaubliche gestiegene Machtvoll- kommenheit, die mit der Stelle eines Obristen Kanzlers verbanden war, ein zwingender und gerechtfertigter Anlass ziu: Aufhebung dieses Postens. So weit sei es gekommen, dass der Landesfürst, wenn er etwa aus eigenem Antrieb oder auf den Rath seiner übrigen Minister etwas zu erreichen wünschte, gegen den Willen des Obristen Kanzlers damit schwerlich diurchzudringen vermochte. Ja, die ganze Hofkanzlei selbst sei zur Befolgung der Anordnungen des Obristen Kanzlers jederzeit ungleich bereitwilliger, als zur Vollziehung der Befehle des Landesfürsten gewesen. Diese immer weiter gehende Ausdehnung der Macht des Obristen Kanzlers habe sich zuletzt mit der nothwendigen Aufrechthaltung des Ansehens der königlichen Autorität imvereinbar gezeigt und dies umsomehr, weil ge- wisse Familien es durch ihren Einfluss dahin gebracht hatten, dass diese Stelle in ihnen nahezu erblich geworden war und dadurch diese „präpo- tenten Principien vom Vater auf den Sohn fortgepflanzt wurden", was endlich die gänzliche Aufhebung der Stelle eines Obristen Kanzlers nothwendig machte. ') Die Kaiserin bezeichnet den Obristen Kanzler

*) Ein Beispiel merkwürdiger Vereinigung der höchsten Aemter und Würden in einer Familie bietet auch das grälliclie Haus Harrach. Zur Zeit Carl VI. standen gleichzeitig drei Brüder in den höchsten Würden, nämUch Franz Anton als Erzbischof von Salzburg, Alois Thomas Baimund als Vicekönig in Neapel und Johann Joseph Philipp als Hofkriegs- raths-Präsident ; die Söhne des gewesenen neapolitanischen Vicekönigs Alois Thomas Raimund Grafen von Harr ach wurden, „um keine von den höchsten Gubemüs aus dero hochgräflichen FamiHe unbesetzt zu lassen" und zwar der ältere, Friedrich, Gouverneur der Niederlande, der jüngere, Ferdinand, Gouverneur von Mailand. (Cod. austr. IV. Vorrede.)

Digitized by

Google

141

von Böhmen, Philipp Joseph Grafen Kinsky geradezu als den Schuld- tragenden an dem unglücklichen Verlaufe des Kriegs mit Preussen, weil derselbe, lua die böhmischen Länder zu schonen, die Verlegung einer grösseren Truppenmacht in dieses Land verhindert habe. Kein Wunder also, dass Maria Theresia bald nach ihrem Re- gierungsantritte zu einer Zeit, als sie ihr väterliches Erbe noch mit den Waffen vertheidigen musste, mit allem Eifer daran gieng, durch eine gründliche Reform aller Behörden an die Stelle der verrotteten, die ganze Kraft des Staates lälnnenden Länderverwaltungen eine nach gleichartigen Principien eingerichtete Staatsverwaltung zu setzen.

(J. iMfiger.)

Digitized by

Google

Digitized by

Google

Ungarn bei dem Tode Carl III.

(Kaiser Carl VI.).

Digitized by

Google

'v^.

Digitized by

Google

Die ersten Jahrzelmte des XVlii. Jahrhunderts bilden einen der wichtigsten Wendepuncte in der Geschichte Ungarns^). Bis dahin eine Geschichte voller Unruhen und Kämpfe, beginnt damals eine Periode des Friedens und einer verhältnissmässig ruhigen Ent- wckelung.

Zwei grosse Ereignisse waren es, welche die Geschichte des Reiches in neue Bahnen leiteten : die Vertreibung der Türken und die Beendigung der inneren Kriege. So wie die politischen und gesellschaftlichen Kräfte nach den stürmischen Jahren sich krystal- lisierten und festsetzten; in der Gestalt verblieben sie mehr als ein Jahrhundert lang, bis zu dem Zeitpuncte neuer Erschütterungen und Entwicklungen.

Ungarns herrschende Classe, der Adel, hatte im XVII. Jahr- hundert ihre Kraft zur Vertheidigung ihrer alten Gerechtsame und des Protestantismus aufgeboten und erschöpft. Diese Anstrengung verhinderte sie daran, ihrer alten Aufgabe, der Vorkämpfer Eui-opas gegen Osten zu sein, gerecht zu werden. Es ist eine That^ache von wahrhaft erschütternder historischer Tragik, dass zur Befreiung des ujigarischen Gebietes fremde Macht das Beste that und dass ein bedeutender Theil des Volkes der Hunyadi und Zrinyi seine Hoff- nungen an den Sieg des Halbmondes, nicht an den dos Kreuzes knüpfte.

So gross auch die politische und sociale Wirkung der Befreiung des Landes und der Herstellung seiner territorialen

*) Um ein möglichst deutliches Bild der Verhältnisse und Anschauungen der Zeit zu bieten, schien es von besonderem Werbh, die Verfassungsfrage und die Lage in Ungarn von einem ungarischen Gelehrten und vom ungarischen Standpuncte aus zur Darstellung gebracht zu sehen. Die Direction des Kriegs- Archivs, als Herausgeber, ist jedoch nicht in der Lage, sich mit den hier dargelegten Anschauungen vollständig und allseitig identificieren zu können.

Oeiterreiohisoher Erb folgekrieg. I. Bd. 10

Digitized by

Google

14:6

Integrität war, das Factum selbst Hess das Herz der Nation kalt. Gleichzeitige Sclu'iftsteller gedenken des Friedens von Karlovitz, der die Träume der Bethlen, Pdzm&n, Zrinyi verwirklichte, mit Indifferenz oder gar in dem Tone des Bedauerns. Sie betrachten ihn als wichtiger für die Türken, als für Ungarn. Isak Babocsay, der Notar von Tarczal, nimmt wahr, dass der Friedensschluss ein Gravamen für das „arme Vaterland'' sei. ^) Sogar der gut königlich gesinnte Michael Cserei legt das Gewicht darauf, dass die Pforte jetzt zuerst ganze Provinzen und Städte, wo Moscheen stehen, aufgebe und trauert über das Loos Siebenbürgens, dem keine schädlichere Veränderung bevorstehen könne, als die Vereinigung mit Ungarn. ^ Dafür, dass das Tiefland wieder unter christliche Herrschaft gerathen, haben sie kaum Sinn. So sehr entscheidet nicht das Ereigniss selbst über das Urtheil der Zeitgenossen, sondern der Umstand, unter welchen Auspicien es vor sich gegangen.

Der über die Türken erfochtene Sieg bot dem politischen und kirchlichen System, das sich seit der Zeit des dreissig- j ährigen Krieges am Kaiserhofe ausgebildet, Ursache und Ge- legenheit, Ungarn, das es als seine Eroberung betrachten konnte, gänzlich in seine Kreise zu ziehen und seine Selbstständigkeit* zu brechen. Dieser Versuch zog die mächtigste aller nationalen Er- hebungen, die Franz Rikoczy H. nach sich. Wieder war das Land durch acht Jahre den Gräueln und Verwüstungen des innem Krieges ausgesetzt, bis die innere Lähmung des Aufstandes zu gleicher Zeit mit den im spanischen Erbfolgekrieg errungenen Erfolgen des Hauses Habsburg die Ruhe wieder herstellten. So kam im Jahre 1711 die Vereinbarung zwischen König imd Land zu Stande, welche sich dauernder erwies, als die lange ßeihe der früheren Friedens- schlüsse. Die Schlüsse von Karlovitz, Poszarovätz undBelgrad sicherten die Ruhe und den Besitzstand des Reiches ; auf den Puncten von Szatmar beruhte seine innere Einrichtung und seine Constitution.

Es drängt sich die Frage auf: wesshalb diese Vereinbarung so lange Zeit hindurch neue Kämpfe verhütete, während die Pacifi- cationen von Wien, Nikolsburg und Linz, die doch das Werk der Bocskay, Bethlen imdRikoczy, ja zum Theil der Sultajns selbst waren, nur füi* kurze Epochen Geltung hatten?

Bis dahin hatten sich in die Differenzen zwischen König und Nation stets auch Fremde eingemengt. Als letztes, wenn auch nicht

*) Fata Tarczalensia.

«) Vera Historia Transsylvaniae de anno 1661.

Digitized by

Google

147

immer offenbares Ziel schwebte den Ungarn die Idee der voll- ständigen Losreissung vor und als natürliche Gegenwirkung dem Kaiser und den Erblanden die Idee der vollständigen Verschmelzung. Zwischen diesen Gegensätzen war die Vermittlung unmöglich imd die Einwirkung der Fremden konnte nach historischen und politi- schen Erfahrungen und Principien diese nur verschärfen. So diente jeder Erfolg nur als Stufe ziun vollstän engen Sieg der eigenen Anschauung, oder wiu-de wenigstens von dem argwöhnischen Gegner als solche beti'achtet. Das Hauptmoment des Vertrages von Szatmär dagegen besteht daria, dass die Ungarn, die sein Zustandekommen vermittelten, zugleich das Vertrauen des Königs besassen.

Die Idee eiues unter den Habsburg'schen Erbkönigen geeinigten, aber seine staatlichen Einrichtungen und die Rechte des Protestan- tismus wahrenden Ungarns hatte also 1711- das Ueberge wicht erlangt. Die Durchführung dieser Idee hieng vor Allem von der Persönlichkeit des Herrschers, von den Bestrebungen seiner vertrauten österreichi- schen Räthe, dann von der Wirksamkeit jener Männer imd Stände ab, die damals in Ungarn das Heft in Händen hielten. Diesen drei Factoren fiel die geschichtliche Aufgabe zu, einträchtig, oder den Gegensatz der Traditionen vermittelnd, die Grundlagen für das neue Ungarn zu befestigen.

Von Spanien zurückgekehrt, bestätigte Carl VI. (als König von Ungarn Carl HI.) den Frieden von Szatmdr, berief den Reichstag nach Pressburg imd liess sich daselbst 1712 krönen. Der Monarch selbst erschien während der ganzen Dauer seines Aufenthaltes im Lande im ungarischen Prachtkleid und gewann dinrch Milde und Herablassung alle Herzen. ^) Staatsrechtlich wichtig ist der von ihm bei Gelegenheit der Krönung geleistete Eid, der allen seit dieser Zeit geleisteten Kröiuingseiden als Muster diente.

Die Puncte des Liaugural-Diploms lauteten wie folgt: 1. Der König gelobt die Wahrung und Aufrechterhaltung aller Freiheiten, Immunitäten, Privilegien, Statuten, Gesetze, Rechte imd Constitutionen des Königreiches Ungarn und seiner Theile, die von den frühern ungarischen Königen, seinen Vorgängern, gegeben und bestätigt worden sind. Ausgenommen ist der eine Punct der gol- denen BuUe Andreas H., welcher den Ständen das Recht des bewaffiieten Widerstandes gegen den die Gesetze verletzenden König zuspricht. Der König wird diese Gesetze in allen Puncten,

*) Bericht des preussischen Gesandten aus Wien. Kön. Archiv in Berlin.

Digitized by

Google

148

Klauseln und Artikeln, sowie er über ihren Sinn und Inhalt mit den Ständen in deren gewöhnlicher Diät übereinkommt, fest und heilig beobachten und auch von jedem Andern beobachten lassen. Die vollziehende Gewalt ist also beim König, der aber bei der Er- klärung der Gesetze an die Zustimmung der Ständeversammlung gebunden ist.

n. Der König wi^ die heilige Krone des Reiches nach alt^r Sitte und Gesetz, durch dazu einstimmig gewählte Stände im Reiche selbst bewahren lassen.

in. Er wird die bis jetzt zurückeroberten und annoch zu erobernden Theile des Reiches im Sinne seines Königseides dem Königreich einverleiben. Doch wird hierauf die Modalität angewendet, dass er über die Erklärung des Gesetzes sich das Uebereinkommen mit den Ständen vorbehält.

IV. Im Falle des Aiissterbens des königlichen Mannesstammes, (was Gott verhüten möge), sichert er den Ständen das Recht der Königswahl nach altem Herkommen.

V. So oft eine Krönung in Ungarn vorkommen sollte, so oft müssen seine Erben, die zu krönenden Erbkönige, diese Versicherung annehmen und beeiden.

„Wir haben diese Bitte der gesammten Stände des König- reiches Ungarn und seiner Theile gütigst angenommen und mit voller Seele, mit dem Willen, ihnen Unsere Gnade zu beweisen, nehmen Wir alle diese Artikel als geordnet und heb an, ertheilen ihnen Unsere Zustimmung und bestätigen und ratificieren sie in ihrem ganzen Inhalt."

„Wir versprechen und versichern die Stände mit Unserem königlichen Wort, dass Wir Alles, was vorangeht, selbst beobachten und durch Unsere getreuen Unterthanen jeden Standes und Ranges beobachten lassen werden". *)

Diese feierlich bekräftigten Artikel bilden in dem Kampfe der constitutionellen Gewalten gewissermassen den Ruhepunct. Sie ver- pflichteten das Land zum Gehorsam gegen den seit 1687 schon erblichen König, sie sicherben auch das Fortbestehen der Ver- fassung und der an dieses geknüpften ständischen Freiheiten, um deren Behauptung bis dahin so viel Blut geflossen. Sie entldelten zugleich, was der III. Artikel des Gesetzes 1715 ausspricht: „dass Seine Majestät das Reich nach seinen eigenen gegenwärtigen und

1) Gesetz- Artikel I. n. 1715.

Digitized by

Google

149

zukünftigen Gesetzen regieren wird, nicht nach der Weise anderer Provinzen'*.

Unter einem König, wie Carl es war, gleich entschlossen, die Rechte seiner Krone zu wahren, wie seinem Eide zu entsprechen, musste die Verwaltung in ihren Hauptzügen der Verfassung gemäss sein.

Diese Artikel, so kurz sie erscheinen, waren das Resultat von Jahrhunderte langen Kämpfen zwischen Königsgewalt und ständischem Recht. Andreas 11. hatte zuerst 1222 dem ungarischen Adel Rechte und Privilegien ertheilt, oder wie seine berühmte „goldene Bulle" es ausspricht: die von Stephan dem Heiligen eltheilten erneuert und ihm sogar das Recht des bewaffiieten Widerstandes eingeräumt. Spätere Könige hatten diese Rechte bestätigt und erweitert. Eine über das ständische, partitnilare hinausgehende Bedeutung erhielten diese Privilegien, als mächtige, fremde, in andern Reichen gebietende Herrscher durch Erbschaft und Wahl die ungarische Reichskrone erlangten. Sie dienten nun nicht blos dazu, die Königsgewalt zu beschränken, wie es ja auch in andern Staaten der Fall war, sie sicherten auch dem Reiche die nationale Selbstständigkeit gegen die Gefahr, durch die Umgebung des Königs unter fremden Einfluss, fremdes Gesetz zu gerathen. St. S t e p h a n's Krone, an deren Besitz von jeher die Herrscliermacht geknüpft war, wurde nun das Symbol dieser Selbstständiglceit, was die Verehrung, welche die ganze Nation dieser Reliquie dnrbrachte, vollständig erklärt. Auch in der traiu'igsten Zeit, als ein gutes Drittheil Ungarns im Joche der Türken schmachtete und die andern Bruchstücke unter den Habsburg'schen Königen und unter den Fürsten von Siebenbürgen sich kaum ihrer erwehren konnte, blieb die Krone das Sirmbild der gehofffcen Ver- einigung. An eine Staatenbildung, die nicht unter ihrem Schirme sich aufbauen sollte, dachte auch damals Niemand. Jedermann, der in diesem Reiche Rechte besass, galt als Mitglied der Krone (membrum sacrae coronae).

Diese Bedeutung der Krone und der Verfassung gibt den Aufständen des XVI[. Jahrhunderts eine über das ständische weit hinausreichende nationale Bedeutung. Selbst formell schienen sie dem ,, Volke Verböczy's'' berechtigt. Und an Berufung auf anerkannte und beschworene Gesetze konnte es nicht fehlen, wo die Regierung des Lfuides, mit Umgehung der ständischen Gewalten, besonders des Palatins, grossentheils in der Hand der fremden Räthe des Königs sich befand; wo der im Lande lagernde Soldat, für den

Digitized by

Google

150

nicht genügend gesorgt war, nicht nur die Privilegien des Adels antastete, sondern auch das Landvolk unterdrückte. Dieser letztere Umstand erklärt nicht blos die fortwährenden Gravamina der Reichstage, sondern auch, dass der grösste Theil der Bevölkerung auch die nichtmagyarische für die Aufständischen Partei nahm.

Ein anderes höchst bedeutendes Moment bot die Verbreitung der Reformation, welche im Laufe des XVI. Jahrhunderts den grössten Theil des Herren- und Ritterstandes, der Städte, dann auch des Landvolkes für sich gewann. Dadurch empfieng die schon vor- handene Opposition wider die königliche Gewalt und deren Organe neues Leben, vollem Lihalt. Dem Einschreiten desKaisersRudolph 11. gegen die Ausbreitung des Protestantismus setzte sich ein Wider- stand entgegen, dessen die Regierung nicht Herr werden konnte. Und da der bekannte XXH. Artikel vom Jahre 1004 nicht nur den Abfall vom Katholicismus verurtheilte, sondern auch das Recht der Reichstage in seinem Wesen angriff, ergab sich eine tiefinnere Verbindung zwischen ständischer Opposition und Protestantismus, eine Verbindung, welche das ganze XVH. Jahrhundert hindurch für die Geschichte Ungarns massgebend blieb.

Der durch Stephan B o c s k a y geführten ständisch-protestan- tischen Partei, die beinahe das ganze Land mit sich fortriss und sich ausserdem auf die Union mit den gleichgesinnten Ständen Oesterreichs und Böhmens, auf die Sympathie der protestantischen Stände Deutschlands und auf das Wohlwollen der Pforte stützen konnte, lag es ob, die gesetzlichen Formen für den gegenwärtigen Zustand zu finden. Dies geschah im Wiener Frieden von 1606 und auf dem Pressburger Reichstage 160B. Die Freilieit der Religions- übung wurde unter den Schutz der Verträge gestellt, die innere Einrichtung des Reiches frei von jeder äusseren Einwirkung erklärt, der frei gewählte Palatin an die Spitze der Regierung gestellt, zugleich das Recht der Stände, auf die Verhandlungen mit den Türken Einfluss zu üben, gesetzlich gesichert.

Kein Zweifel, dass all' Dieses die königliche ^Macht in einem Masse einengte, das den Interessen des Reiches doch nicht entsprach. Die Dreitheilung des Landes, die Uebermacht der Türken musste fortbestehen. Lidem die Stände die ihnen gefährlich scheinende königliche Gewalt lähmten, entsagten sie der Hoffnung auf Einigung und Befreiung des Reiches.

Da traten nun zwei Ereignisse ein, welche das Verhältniss der öffentlichen Gewalten von Grund aus umgestalteten.

Digitized by

Google

151

Das eine war das Emporkommen der kaiserlichen Macht Ferdinand 11. in der ersten Hätfte des dreissigj ährigen Krieges. So viele Krisen und Katastrophen auch eintraten, das Hauptergebniss : der vollständige Sieg der Dynastie und der katholischen Religion in den österreichischen Erblanden und in Böhmen konnte nicht mehr rückgängig gemacht werden.

Das andere war, dass im engen Anschluss an die europäische Gegenreformation und an das Kaiserhaus, aber zugleich auf natio- naler Basis, der Katholicismus auch in Ungarn die ihm entfrem- deten Gemüther und Gebiete wieder eroberte. Es war dies vor Allem ein Werk der mächtigen Persönlichkeit des Cardinais Peter Pdzmdn, dann der sich an ihn anschliessenden, der alten Kuxhe wieder- gewonnenen hochadeligen Geschlechter. Schon 1625 wurde ein Katholik, Nikolaus EsterhÄzy zum Palatin gewählt. Trotzdem die Protestanten im Verein mit den Fürsten von Siebenbürgen wiederholt zu den Wafifen griffen, liess sich dieser Umschwung nicht mehr verhindern. Ungarn blieb zwar von dem Schicksal Böhmens verschont, es kam aber auch hier eine katholische aristo- kratische Partei zur Geltung, die in religiöser, aber dann auch in politischer Beziehung den Tendenzen des Kaiserhauses zuneigte. Wo es aber die Verfassung Ungarns, seine Unabhängigkeit galt, standen die katholischen Magnaten zu dem protestantischen Adel. So geschah es nach dem Frieden von Vasvar, als gerade die Häupter des katholischen Adels, voran der Palatin Franz Wessel^nyi, dann der Oberst-Landesrichter Franz NAdasdy, der Banus Peter Z r i n y i, Fürst Franz K 4 k 6 c z y und Graf Frangepani eine Verschwörung einleiteten. Letzter Zweck war > völliger Abfall. Die Hilfe der Pforte und Frankreichs schien gesichert. Man kennt das Schicksal der Verschworenen: Zrinyi, Nädasdy und F rän- ge p an endeten auf dem Schatfot (1071). Bei einem so aristo- kratisch gesinnten Volke mussten diese Hinrichtungen tiefes Mit- gefühl erregen. „Nichts hat je die Ungarn dem römischen Kaiser mid der ganzen österreichischen Direction so entfremdet als dieses, so dass diese ihre Bewegung nicht aufgehört hat und bis zum heutigen Tage anhält", schrieb Michael Cserei 1710.^)

Denn die Verfassung und das ganze Land musste mit den Männern büssen, welche die Treue gegen den König verletzt hatten. Ungarn wurde militärisch verwaltet. Finanziell und administrativ wurde das in den Erblanden schon geltende System angewendet.

') L. c. S. 50.

Digitized by

Google

152

Die katholische Kestauration benutzte die wiedergewomiene Macht zu strengerem, selbst gewaltthätigem Vorgehen. Dem allem setzte sich nmi eine populäre Bewegung entgegen, die unter Thököly einen fähigen und thatkräftigen Führer gewann, der auch die alten Verbindungen mit der Pforte und Frankreich wieder anzuknüpfen wusste. Kaiser Leopold I. dagegen stellte die Verfassung wieder her, der Eeichstag wurde 1G81 nach Oedenburg einberufen und wieder ein Palatin gewählt. Doch der Sieg der Gegenreformation konnte auch auf gesetzlichem Grebiet nicht ohne Folgen bleiben. Die Artikel XXV und XX\1 des Oedenburger Reichstages bilden die erste wesentliche Einschränkung des seit dem Wiener Frieden aufrechterhaltenen Principes der protestantischen Religionsfreiheit. Es , ist das unvergängliche Verdienst des Hauses Habsburg, nie, auch unter den schwierigsten Verhältnissen nicht, den Kampf gegen die Türken aufgegeben zu haben. Ihre Niederlage, die Be- freiung des Landes zog auch das Ende des Thököly'schen Auf- standes nach sich.

Dies ist der Zeitpunct, in welchem man an eine vollständige Auflösung des ungarischen Staates denken konnte. Es erhoben sich Stimmen dafür, dass Ungarn als Churfürstenthum dem deutsclien Reiche einverleibt werden solle. ^) Da aber Ungarn nie zum Reiche gehört hatte, konnte man hiefür nicht.s geltend machen, als das Recht der Eroberung. An dieser Eroberung aber hatte nicht daß Reich, sondern die Hausmacht der Habsburger den grössten Antheil. Viel näher lag es, Ungarn, wie man es mit Böhmen gethan, in die Administration der- Erblande einzufügen, für deren gesammten Complex damals die Bezeichnung „Monarchie'' aufzukommen begann. Dies ist der Gesichtspunct, aus dem mehrere Flugschriften dieser Zeit, wie : „Der in böhmische Hosen gekleidete ungarische Liber- tiner" die ungarische Frage behandelten. ^

Jedoch, die Möglichkeit vorausgesetzt, entsprach ein solcher Plan keineswegs dem Interesse der Dynastie selbst. Kaiser Leopold hatte die ungarische Verfassung beschworen und noch 1684 den zu ihm übertretenden Gefährten Thököly's vollständige Amnestie zugesichert. Doch auch hievon abgesehen, konnte man in einer Zeit, wo die orientalische Frage aufgerollt wurde, die Autorität der Stephanskrone, an deren Herrschaft auf* der Balkan-Halbinsel so

*) Bidermann, Geschichte der österr. Gesammtstaats-Idee, I. «j Von Joh. Flämitzer. 1687.

Digitized by

Google

153

mächtige Traditionen sich knüpften, kaum missen. Leopold I. berief 1687 den Reichstag nach Pressburg. Ungarn sollte seine Verfassung behalten, jedoch ein Erb-Königthum der Dynastie werden.

So war es die Dynastie, welche Ungarn vor dem Schicksal Polens bewahrte. Doch der errungene Sieg konnte nicht ohne tiefgehende Folgen bleiben. Als solche stellen sich die Befestigung der königlichen Gewalt, dann das neue Uebergewicht des Katholi- cismus dar. Das Verhältniss der politischen Kräfte hatte sich seit dem Wiener Frieden von Grund auf verändert.

Alle diese Wandlungen muss der Historiker, wenn er der staatsrechtlichen Stellung Ungarns gerecht werden will, vor Augen halten. Auch der Politiker vom Anfange des XVm. Jahrhunderts musste mit ihnen rechnen. Denn von den beiden Tendenzen, die miteinander im XVII. Jahrhundert um die Herrschaft gerungen, der Tendenz der ständischen, nationalen und religiösen Unab- hängigkeit und dem Bestreben, das österreichische System auch auf Ungarn auszudehnen, hatte doch keine die andere vernichten können. Sie bestanden nebeneinander und mussten sich auseinander- setzen. Der ganze Zustand beruhte eben darauf, dass jede doch der andern Schranken setzte.

Dadurch aber, dass die Dynastie die Verfassung anerkannte und die Handhabung der Gesetze den Ungarn selbst überliess, war nach Ende des von Franz Räkoczy H. geleiteten Aufstandes Eines erreicht, was die Möglichkeit einer friedlichen Entwicklung vor Allem bedingte. Es mochte wohl in manchen Kreisen Un- zufriedenheit herrschen, auch die sehr zahlreiche Emigration liess es an Kührigkeit nicht fehlen, im Ganzen hatte aber die Idee, das Heil für Ungarn in einer andern Verbindung, als in der mit der Dynastie zu suchen, vollkommen aufgehört. Um so wichtiger ist es, dass dies gerade damals geschah, als ja der Habsburg' sehe Mannes- stamm seinem Erlöschen entgegengieng und die Frage, das Wahl- königthum herzustellen, vor der Annahme der weiblichen Erbfolge wohl erörtert werden konnte. „Sollen wir uns etwa Russland oder einen andern Potentaten wählen?" frug der Palatin Nicolaus P&lffy den Protonotar Franz von Szluha, ehemals eifriger Anhänger R A k 6 c z y's. ^)

*) Brief vom 7. März 1722. Mitgetheilt von Ladislaus von Szalay. Buda- pest! Szemle. XIX.

Digitized by

Google

154

Demgemäss war in der europäischen Stellung Ungarns ein vollkommener Frontwechsel eingetreten. Früher konnte die euro- päische Opposition gegen das Haus Habsburg, mochte es nun die Pforte, Frankreich oder der Protestantismus sein, stets mit Ge- mssheit darauf rechnen, einen bedeutenden Theil Ungarns in ihrem Lager zu sehen. Jetzt hörte dieser Zwiespalt auf.

Im Türkenkriege von 1716 1717 zeichnete sich Johann P Alf fy imter Prinz Eugen erneuert aus. Den Angriff der Tataren in Siebenbürgen und Marmaros schlug die Bevölkerung selbst zurück. Ungarische Husaren und Heiducken kämpften an der Seite der kaiserlichen Streitkräfte in Sicilien, Corsica und am Po,

Der Änschluss an die Dynastie war ohne Hintergedanken und wurde, so lange die Verfassung und Herrschaft der Stände nicht an- getastet ward, ganz als selbstverständlich und unabänderlich betrachtet.

Ein gleiches, unbedingtes Aufgeben des während der Wirren eingenommenen Standpunctes lässt sich von den Kreisen der erb- ländischen Regierung doch nicht behaupten. In einem Protocoll, das Prinz Eugen, Starhemberg und Sinzendorf am 27. Januar 1726 dem Kaiser vorlegten und das Carl mit seinem Placet versehen, wird als oberster Grundsatz ausgesprochen: „will es ohnumgänglich sein, dsiss man, so viel möglich ist, ein Totum aus Eurer kais. und kath. Majestät weitläufiger und herrlicher Mon- archie mache.'' ^) Als die Erbfolge- Ordnung vor den Reichstag kam, 1722, war die Regierung entschlossen, im Falle die Stände sie nicht annehmen wollten, ,,von der in ihren Händen habenden Macht Gebrauch zu machen". ^) Die Centralisation, das Bestreben, Ungarn ganz in Oesterreich aufgehen zu lassen, gieng zwar einen leiseren Schritt, als unter Leopold, entsagt aber hatten ihr die Räthe, die das Ohr des Monarchen besassen und die Politik des Reiches leiteten, mit nichten. Und wer wollte es in Abrede stellen, dass ausser dem natüi'lichen Hange, der jeder Institution eigen ist, ihren Wirkungskreis auszudehnen, auch hohe st-aatliche und culturelle Interessen diese Centralisation zu fordern schienen? Wie dem fürstlichen Absolutismus, so stand aber auch der modernen Form des Staates, wie sie damals in Frankreich, dann in Preussen emporkam, das beschworene Gesetz im Wege.

Eine kurze Darstellung der damaligen Verfassung und Ver- Avaltung Ungarns wird nicht nm* seinen damaligen Zustand erklären,

*) Bidermann, 1. c. II, 77.

*) Bericht des preussischen Gesandten in Wien. Köu. Archiv in Berlin.

Digitized by

Google

155,

sondern auch zeigen, an welchen Puncten die noch vorhandenen Gegensätze aneinander stossen mussten und was das Resultat ihres Bingens war.

Die königliche Gewalt.

Im XVn. Jahrhundert hatten die ständischen und protestan- tischen Literessen das Uebergewicht gehabt. Die Folge der sieg- reichen Türkenkriege war, dass die staatliche Organisation des XViU. Jahrhunderts unter dem Zeichen der aufsteigenden Königs- macht vor sich gieng.

Die königliche Würde war nach 1687, G. A. I, erblich im Mannesstamme der Habsburger, nach 1723, G. A. I, 11, auch in weiblicher Linie. Wie die betreffenden Artikel es aussprachen, geschah die Annahme des Erbrechtes aus Dank für die grossen Wohlthaten, durch welche die Habsburger die Nation auf ewig ihrem Hause verbmiden hatten; Leopold durch die Vertreibung der Türken, Carl durch die Ausbreitung des Keiches und die Herstellung des innem Friedens. Der Sieg der katholischen Religion brachte es mit sich, dass die Krone an ihr Bekenntniss geknüpft war. (1723, m.) >)

Viele Gresetzartikel hofften oder forderten den Aufenthalt des Königs im Lande. Doch erschien Carl selten in seinem Schlosse in Pressburg, viel häufiger wählte er den Landaufenthalt in Carl- burg (Oroszvir im Wieselburger Comitat, nahe der österreichischen Grenze). Der ungarische Hofstaat, Kämmerer, Thürsteher, Stall- meister war vollzählig, doch trat er nur bei feierlichen Gelegen- heiten, wie bei der Kj'önung, in Function.

Jeder geistliche und weltliche Unterthan ist der Person des Königs zur Treue verpflichtet. Diese Treue ist nach dem Tripartitum I, 12 die Anerkennung dessen, dass er das Haupt des Staates ist und sie keinen andern Herrn über sich dulden.

An der Gesetzgebung nehmen auch die Stände Antheil, doch werden die Gesetze im Namen des Königs, nicht in dem des Landes herausgegeben. Die Gesetze bestimmen auch, in welchen Angelegenheiten der König aus eigener Machtvollkommenheit ver- fahren kann und in welchen er an die Zustimmung der Stände

*) Descendentes eorundem legi ti mos llomano - Catholicos successores utriusque sexus.

Digitized by

Google

156

gebunden ist. Unter den königlichen Prärogativen setzte man das kirchliche Patrona tsrecht an die erste Stelle. ^) Der König verleiht die kirchlichen Beneficden : Bisthünier, Abteien und Propsteien, nur die Bestätigung des Emaiuiten ist dem apostolischen Stuhle vor- behalten. Auch ernennt der König die Domherren zu den meisten Capiteln. Als Patron hat er auch das Recht, über die ihre Kirchen und Beneficien vernachlässigenden Prälaten das Sequester zu ver- fügen. ^

Von derselben Prärogative leitet sich das Aufsichtsrecht des Königs über die Studien und frommen Stiftungen her. So verbindet sich der mittelalterliche Titel mit einem der wesentlichsten Rechte des modernen Staates. Nach LXXIV, 1715, behält sich Seine Majestät nach seinem apostolischen Amt und seiner höchsten Autorität die Aufsicht über alle Seminarien, Collegien und Convicte der geistlichen und weltlichen Jugend, wer immer sie gegründet hat, selbst vor. Im LXX. G. A., 1723 stellten die Stände die Leitung des ganzen Unterrichtswesens ,,nach Form, Weisung und Mitteln" unter die königliche Majestät.

Dies Alles gieng auf die Begründung der ungarischen Kirche durch Stephan den Heiligen zurück. Dem Protestantismus gegen- über, der doch nicht vernichtet werden konnte, war die Macht- stellung des Königs nicht nur durch das oberste Aufsichtsrecht gewahrt, sondern insbesondere durch den XXX. G. A., 1715. Der- selbe berichtet, dass nach vielen Zwistigkeiten der Religionsparteien die Entscheidung Seiner Majestät anheimgestellt worden ist, die aus besonderer Gnade die G. A. von 1681 und 1687 für diesmal noch bestätigt hat. Alle Klagen werdeil durch königliche Commissäre entschieden. Die Beschwerden der Protestanten sollen beim König eingereicht werden. So ward der König der oberste Schiedsrichter der streitenden Confessionen. Auf Grund dieses Gesetzes erliess dann Carl die bekannte Resolution von 1731, welche das prote- stantische Kirchen- und Schulwesen in vielen Dingen beschränkte und die innere Einrichtung der protestantischen Confessionen ordnete.

Das Patronatsrecht wurde später in einem Sinne gedeutet, der zur Aufhebung der ständischen Rechte führen musste, deren ja auch der Clerus als Reichsstand theilhaftig war. So weit, wie KoUar unter Maria Theresia gieng man damals noch nichts

*) Uermenyi, Jus Publ. regni Hungariae. HancLschr. des Nat. -Museums Budapest. 11. 7.

») G. A. LXXI. 1723.

Digitized by

Google

157

aber durch die nach Kollonics genannte Convention von 1703 waren die Güter des Clerus dem Wesen nach besteuert. ^) Die Inhaber der Beneficien mussten einen gewissen Percentsatz ihrer Einkünfte zu den militärischen Kosten oder, wie man es nannte, zur Fortificationscasse beitragen.

Auch in weltlichen Angelegenheiten sicherte die Verfassung dem Könige einen ausgedehnten, jenseits der ständischen Ingerenz liegenden Maohtkreis. Sein erstes Vorrecht ist, dass er allein adelt. ^ Die adelige Gesellschaft überliess die Cooptation ihrem Oberhaupte. Ob der König nun sein Recht blos zur Verleihung des Titels oder auch von Gütern gebraucht, der also Ausgezeichnete wird Mitglied der herrschenden Classe. Der König ist „die Quelle der Ehren". Jede Auszeichnung, jedes Privilegium hängt von seinem Willen ab. Er erhebt in den Freiherm- oder Grafenstand. Er verleiht mit voller Autorität Befreiungen von Steuer und Zoll, Markt-, Mauth- und Zunftprivilegien. ^

Besonders aber galt die Gerichtspflege als königliches Recht. In Majestätsverbrechen urtheilte der König selbst. Nur allein die Felonie und die Beleidigung Semer Majestät können den Verlust des Adels nach sich ziehen. Seine Kanzlei kann den Befehl zur Erneuerung der Prooesse ertheilen (cum gratia), sie kann durch ihr Mandat lindem, verschieben oder das ganze Urtheil cassieren. Die könighche Tafel spricht in seinem Namen das Recht und die mit seinem Insiegel versehenen Beschlüsse werden vollzogen. Auch übte der König das Recht der obersten Aufsicht über alle Gerichtshöfe aus.

Diese gerichtliche Gewalt macht den Adel beinahe in dem Grade vom König abhängig, wie das Patronatsreoht die Geistlichkeit. Die nota infidelitatis schwebt über dem Haupte des Ungetreuen und kann nicht nur ihn, sondern sein ganzes Geschlecht vernichten. Die Ernennung der Landsrichter hieng vom König allein ab. Und wieviel bedeutete diese grosse discretionäre Gewalt in einem processierenden Lande, wo so zu sagen jeder Rechtstitel in Frage gestellt werden komite?

Der König ernennt alle Magistrate des Landes. Ausnahmen bilden blos die Würde des Palatins und der Kronhüter, bei deren Besetzung die Stände mitwirkten, dann die Comitatsmagistrate, die aber nach Candidation des Obergespans gewählt wurden.

*) Conventio Kollonicsiana. 15. Juni 1703. Herausgegeben vom kön. ung. Cultus- und Unterrichts-Ministerium. I. Vallas-Alap. Iromanyok. 40. i^. «) Uerm^nyi 1. c. VIII. c. 2 *) Tripartitum IL 9. Privilegium ex mera principis auctoritate procedit.

Digitized by

Google

158

Dem König steht das Recht der Begnadigung zu. Der G. A. XL 1715 spricht es aus, dass ihr Gebrauch stets an die Autorität der Majestät geknüpft ist. Er kann von Infamie und bürgerlichem Tod befreien, er hat das Recht, uneheliche Kinder unter den gesetz- lichen Formen zu legitimieren.

Dem feudalen Recht entspricht es, dass der König der natürliche Vormund der verwaisten Adeligen war. Demgemäss hat er die Oberaufsicht über Waisen- und Vormunds-Angelegen- heiten. (1715, LXVm.)

Wenn auch die Reichstage oft Vorschläge über Münzprägimg machten, galt das Münzrecht doch stets als ein königliches. Da nun der Münzgehalt die Preise bestimmte und auf Handel und Gewerbe grossen Einfluss ausübte, hielt der König auch den Bürger- stand in seiner Hand. Zudem waren ja, nach ungarischem Staats- reclit, die Freistädte eigentlich Königsgut.

Diese Prärogativen gaben dem Könige die Macht über die einzelnen privilegierten Classen, die durch ihre gesellschaftliche Stellung in directer Verbindung mit dem Staate standen. lieber die ganze Nation aber verfügte er als absoluter Herr über Krieg luid Frieden. Die ehemaligen Reichstage waren zwar beflissen, ihre Einwirkung auch auf diesen Zweig der Regierung auszudehnen, seitdem aber das Reich durch Inarticulierung der pragmatischen Sanction unlösbar mit den Erblanden uniert war, konnte ein Theil sein Interesse von dem des andern nicht trennen. Uebrigens galt das Recht, Bündnisse zu scliliessen und Gesandtschaften abzuordnen, unter einigen gesetzlichen Beschränkungen stets als königliches Reservatrecht. Der König kann auch, ohne die Stände zu berufen, die sogenannte Parti cular-Iusirrrection des Adels anordnen. ^)

Aus eben diesem Rechte floss die Vertheidigung und Ein- richtung der Militärgrenze, die Werbung und die Einquartierung im Lande, das Anlegen neuer Festungen.

In allen andern Gesetzen und Verordnungen ist der König an das Zusammenwirken des Reichstages gebunden. Doch unter- stand auch die Ständeversammlung der königlichen Prärogative. Nur der König hatte das Recht, sie in einem gewissen Termin einzuberufen, er setzte durch seine Propositionen die Gegenstände der Verhandlungen fest, endlich erhielten ihre Beschlüsse nur durch seine Bestätigung Gesetzeskraft. ^)

') 1715, XVIII und 1723, VI. G. A.

*) Marczali, Magyaroszäg tört^nete II. J6zsef kordban. I. 319.

Digitized by

Google

159

Alle diese Rechte übte der gekrönte König gesetzlich als Oberhaupt des ganzen Staates oder einzelner Stände aus. Doch ist diese Summe von Gewalten noch sehr entfernt davon, das ganze Wesen der königlichen Machtvollkommenheit auszudrücken. Zu einem wahrhaften Bilde des politischen Zustandes gehört auch die Schilderung des Machtkreises, über welchen der König von Ungarn auf ungarischem Boden nicht auf Grund von Gesetzen oder an- erkannten Majestätsrechten gebot, sondern als Machthaber über solche Organisationen, welche dem ungarischen Staate nicht an- gehörten.

Der König von Ungarn hatte das Vaterland grösstentheils durch die WaflFen vom Türkenjoche befreit. Daran erinnert, dass eine grosse Anzahl nicht einheimischer Soldaten im Frieden 30 40.000 in den Festungen und in Garnison liegen. Ihr Kriegsherr, der Kaiser, ist zugleich König von Ungarn, doch ihre Verwaltung wurde nicht durch eine migarische Behörde, sondern durch den kaiserlichen Hofkriegsrath besorgt. In dieser Zeit wurden die ersten ungarischen ßegimenter errichtet, aber nicht durch den Reichstag, sondern ebenfalls durch den Hof- kriegsrath.

Was man den Türken abgenommen, galt nach ungarischem Gesetz und Recht als wiedererlangtes Gut, in Wien jedoch wurde es als Eroberung angesehen. Zwar ein Theil musste gegen Ent- schädigung den ehemaligen Besitzern zurückgegeben werden, andere Dominien fielen hervorragenden, um den Fürsten und das Land verdienten Männern und Geschlechtem zu. Aber südlich von der Donau und der Marcs wurden die neugewonnenen Gebiete noch ausschliesslich durch den Hofkriegsrath und die kaiserliche Hof- kammer verwaltet. Weder die ungarische Verwaltung, noch die Ständeversammlung konnten auf das Einkommen, den Zoll, die Gerichtspflege dieser ausgedehnten Landschaften auch nur den geringsten Einfluss ausüben.

Türkische Unterthanen, die aus religiösen und politischen Gründen ihre Heimath verliessen, hatten von diesem Territorium Besitz ergriffen. Der König nahm sie 1G90 auf und wies ihnen Wohnplätze an. Das Leopoldinische Diplom vom 21. August 1691 ordnet die Serben ihrem Patriarchen unter und gestattet ihnen freie Religionsübung, erwähnt jedoch die imgarischen Obrigkeiten nicht. Sie wohnen auf dem Gebiete der heiligen Krone, selbst- ständig organisiert. In Innern und äussern Kriegen dienen sie dem Kaiser.

Digitized by

Google

160

Die Duldung der Juden hängt allein von der königlichen Gnade ab. Dafür zahlen sie die Toleranztaxe, welche in dieser Zeit beiläufig 30.000 Gulden jährlich betrug.

Die Bergwerke sind ebenfalls königliches Gut. Der König aber lässt sie nicht durch seine ungarische Kammer verwalten, selbst die Salinen werden dieser erst durch XVII. G. A. 1741 zu- gewiesen, sondern durch seine Wiener Central-Finanzbehörde. Dieser unterstehen der Kammergraf in Kremnitz, die Bergwerks-Directionen in Szomolnok und Nagybinya.

Im Allgemeinen sind die königlichen Einkünfte, die MiUtär- Contribution ausgenommen, beinahe jeder Einflussnahme der Reichs- tage entrückt. Salzbergwerke, Dreissigst- und Zollabgaben, die Revenue der Krön- und Kammergüter, werden als Privateinkommen des Monarchen betrachtet. Das Salz allein brachte beinahe soviel, als die ganze Contribution betrug -— an zwei Millionen. Noch grösser war der Ertrag der von Wien aus administrierten Gold-, Silber- und Kupfergruben.

Ebenso war die Post eine ausschliesslich königliche Institution. Der König hatte sie organisiert zu seinem Dienste und die fürstlich Paar'sche Familie leitete sie als erbliche Oberpostmeister in der ganzen Monarchie. Der CXIV. G. A. 1723 überlässt das ganze Postwesen Seiner Majestät.

Der König von Ungarn verftigte also factisch über eine noch viel grössere Gewalt, als sie ihm die Verfassung einräumte. Er besitzt einen grossen Theil des Landes als Gutsherr mit vollständig absoluter Macht. Der ungarische R3ichstag trägt nicht sehr wesentlich zu seinen Einkünften bei. In den wichtigsten Fragen des Staates, in Krieg imd Frieden, über das Heerwesen selbst, über viele bedeutende Einnahmen verfügt der König ohne ihn, ohne auch nur das Gesetz zu verletzen.

Diese Position des Königthums entspricht keiner landläufigen theoretischen Schablone. Der König besitzt die vollziehende Gewalt nicht in vollem Masse ; so zu sagen jeder Adelige hat einen Antheil daran. Dafür aber übt er einen grossen, fast .überwiegenden Einfluss auf die Gesetzgebung und Justizpflege aus. Die Stellung der Mon- archie war eben nicht das Ergebniss politischer Deductionen, sondern das Resultat von wichtigen historischen Ereignissen. Diese Stellung in und über dem Gesetz war in jahrhunder belangen Kämpfen zu Stande gekommen. Und da- der Boden dos Rechts und der Macht in vielen Puncten streitig war, konnten die Verfassungskämpfe nicht vollkommen aufhören.

Digitized by

Google

161

Verwaltung.

Die grossen Dicasterien, denen die Regierung Ungarns an- vertraut war, erhielten gerade in der Zeit CarPs ihre neue Gestalt Das Land tritt nach dem Ende der TürkenheiTschaft in eine neue Epoche, aber die ständische Verfassung sorgt dafür, dass die neu errichteten Institutionen der Form nach als Fortsetzung der alten erscheinen sollen. Die königliche Kanzlei, die Kammer, die Curie, selbst der Statthalterei-Rath gehen von alten, ähnlichen Zwecken dienenden Organisationen aus. Doch ist ihre Bedeutung umso viel grösser als ihi'e Vorläufer, um wie viel der Wirkungskreis des Königthums, in dieser seiner beinahe absoluten Epoche, an Conti- nuität und Entwicklung das mittelalterliche Königthum übertraf, dessen Thätigkeit, so zu sagen, ganz von Zufall und Persönlichkeit abhieng.

Allen diesen Institutionen gemeinsam ist, dass sie zugleich königlich und ungarisch waren, dass ihr Bestehen geradezu einen Theil der Verfassung bildete. Diese doppelte Position wurde damit erklärt, dass die Vollziehung der Gesetze zwar dem Könige zu- stehe, jedoch das System des Reiches es fordere, dass die Krone dieses Recht durch die Stände ausübe. So sind die Mitglieder der grossen Dicasterien königliche Beamte und gehören zugleich dem ständischen Organismus an.

Da die persönliche Einwirkung des Königs auf die Landes- angelegenheiten viel bedeutender war, als die mehr ins Detail gehende Thätigkeit der staatlichen Behörden, die der bestehende Zustand auf Schritt und Tiitt einengte, war es natürlich, dass unter diesen Dicasterien die königliche Kanzlei an Wichtigkeit vor- anstand. ^) Wie schon ihr Name beweist, war die königliche Kanzlei oder „Expedition" der Vermittler in den zwischen der Person des Königs und dem Lande schwebenden Angelegenheiten. Desshalb ist ihr Aufenthalt in Wien, zur Zeit der Reichstage in Pressburg. Sie erlässt alle Privilegien xmd Gnaden, die der Majestät vorbehalten sind, alle Rescripte an die politischen und Justizbehörden. Durch sie regiert der König unmittelbar. Im Siime ihrer Instruction ist es die Pflicht dieser Hofstelle : „Allem vorzubeugen, was die könig- liche Macht und Würde wie immer verkürzen könnte, dagegen alle ihre Rechte, Privilegien, Prärogative und Reservate miverbrüch- lich beobachten zu lassen, die königlichen Befehle zu vollziehen

») 20. L. c. 329-382.

Oesterreiohisoher Brbl'olgokrieg. I. Bd. 11

Digitized by

Google

162

und die Landesgesetze und das ganze System aufreckt zu erhalten." Als Collegium ist sie blos „Expedition" des Königs. Sie arbeitet zwar über die zu referierenden Gegenstände Gutachten aus, aber welches immer ihre Meinung sein mochte, der Vorschlag schloss mit den Worten: „die Allerhöchste kaiserliche königliche Resolution und oberste Entscheidung vorbehalten". Im Shine ihrer Pflicht ermangelt sie nicht, den königlichen Aufträgen gegenüber den gesetzlichen Standpuncb zu vertreten imd wenn dieser mit dem königlichen Be- fehle nicht vereinigt werden kann, auf die betreffenden Artikel hinzuweisen. Sie ist also nicht blos Expedition, sondern der einzige imgarische Eath um des Königs Person.

Nach der gewöhnlichen Eintheilung bildeten die Gnaden und andere persönliche Angelegenheiten, die den Behörden betreffs der Voll- ziehung der Gesetze und königlichen Verordnungen zu ertheilenden Erlässe, das zweite Departement der Kanzlei. Dies letztere dehnte sich also auf das ganze politische Gebiet aus. Einerseits verband es den König mit den Landesämtern, besonders dem Statthalterei- Rath, anderntheils vermittelte es auch den Verkehr mit den Wiener Behörden, besonders dem Hofkriegsrath, der Hofkamnier und der österreichischen und böhmischen Kanzlei. Wenn irgend etwas nicht durch blosse Correspondenz mit diesen Stellen abgemacht werden kann, hält die Kanzlei mit ilmen auf Allerhöchsten Befehl eine „Zu- sammentrotung", eine gemeinsame Conferenz ab, deren Gutachten dann der Beschlussfassung des Monarchen unterbreitet wird.

Endlich vermittelte die Kanzlei die auf die Justizpflege be- züglichen königlichen Entschliessimgen und Verordnungen. Sie hält auch das königliche Archiv unter ihrer Aufsicht.

An der Spitze der Kanzlei steht als Hofkanzler nun mehr schon ein weltlicher Herr. Die Magnaten wachten eifersüchtig darüber, dass der Prälatenstand keinen Anspruch mehr auf diese Stelle er- heben könne. Bei der Thronbesteigung Maria Theresia's hatte Graf Ludwig Batthydny, der spätere Palatin, diese hohe Position inne. Von den Räthen oder Referenten gehörte gewöhnlich einer dem geistlichen Stande, drei bis vier dem Herrenstande, die andern dem Adel an.

Der Kanzler und die Räthe geniessen im ganzen Lande hohes Ansehen als die einflussreichsten Patrone. Sie verfügen über die grösste Clientel, da die Besetzung der weltUchen und geistlichen hohen Aemter grösstentheils von ihnen abhängt. Dieser ausge- zeichneten Position entspricht jedoch iliro wirkliche Macht keines- wegs. Denn alP dieses war nur der Abglanz der königlichen Würde.

Digitized by

Google

163

In jeder Angelegenheit, auch der unwesentlichsten, entscheidet die Majestät selbst, die Kanzlei dient nur mit ihrem unterthänigsten Eath und mag dieser befolgt werden oder nicht, sinkt sie sofort zur gehorsamen Expedition herab.

Insofern würde die Kanzlei dem Geiste der alten ungarischen Verfassung entsprechen, die ja der Selbstregierung des Herrschers ein so grossartiges Feld einräumte. Das Absehen der Stände war nur darauf gerichtet, dass der König die ungarischen Geschäfte aus- schliesslich durch sie besorge und sie von der Majestät des Königs allein, nicht aber etwa von einer andern Wiener Behörde abhänge. Diesem Gedanken verleiht schon der G. A. XXXVTH, 1569 Aus- druck, in dem über die Einflussnalime der Kammer und des Kriegs- rathes geklagt wird. Dieses Gesetz wird 1715 im XVII. A. bestätigt und zugleich ausgesprochen: „Dass die königliche Kanzlei von keiner andern Hofstelle abhängen solle, sondern dass sie mit den andern unmittelbaren Dicasterien des Monarchen auf gleichem Fusse stehend, mit ihnen Correspondenz pflege."

Es ist kein Zweifel, dass dies der Angelpunct der imgarischen Selbstständigkeit war. Und so klar das Gesetz auch sprach, so wenig komite die in Wien residirende Hofstelle dem Einfluss der andern Hofbehörden entzogen werden. So ist in der Instruction von 1727 die Verpflichtung der Kanzlei enthalten, die Entscheidungen, welche die Hofkammer in Hungaricis erlässt, zu expedieren. Verschiedene Gegenstände müssen laut dieser Instruction von der Kanzlei und der Hofkammer zusammen berathen werden, bei andern wird im Voraus angenommen, dass das Gutachten dem Geheimen Eath oder der Ministerial-Conferenz vorzulegen sein wird, wo dann ein adeliger Referent sie vertreten soll. Mit einem Wort: die dem Gesetze nach unabhängige Kanzlei wird in Wien de facto der noch im Ausbau befindlichen Centralregierung als einigermassen untergeordnete Maschinerie eingefägt. Bezeichnend dafür ist, dass die Instruction selbst die Unterschrift des obersten österreichischen Hofkanzlers trägt. Es begann schon damals die Praxis, dass die für Oesterreich herausgegebenen Verordnungen, wenn anwendbar, durch die Kanzlei auch für Ungarn erlassen wurden.

Die zweite Hofstelle war der königliche Statthalterei- Rath. Er wurde durch G. A. Gl und GH 1723 errichtet und war eigentlich eine Neugestaltung des schon unter Ferdinand I. in Pressburg errichteten Gubemiums. Wie schon sein Name beweist, verdankte er sein Dasein der Thatsache, dass der König so selten

11*

Digitized by

Google

164

im Lande residierte. Er war eigentlich kaum als königliche Rath- stelle anzusehen, denn was von ungarischen Geschäften unmittelbar vor den Monarchen gelangte, gieng von der Kanzlei aus. Er ver- trat nicht so sehr die Person des Königs als vielmehr die des Palatins, sein Rathscollegium übte jene Wirksamkeit aus, welche früher diesem hohen Würdenträger, nach den Gesetzen dem Stell- vertreter des Königs, zustand.

Das Consilium darf nach dem Gesetz von keiner Hofetelle abhängen, blos von Sr. Majestät, deren Kath es ist. Es schreibt direct an den König und „Se. Majestät wird seine Resolutionen diesem Rath durch Rescript oder Decrot mittheilen. Wenn es Se. Majestät flir gut findet, wird er in den Geschäften, in welchen er ausfuhrlich informirt zu werden wünscht, die Räthe zu sich be- rufen". Dieses Dicasterium wird nicht direct mit den Regierungen „der benachbarten Königreiche und Provinzen correspondieren", sondern, wie diese, seine Relationen der Majestät einreichen. Es darf keinen, den vaterländischen Gesetzen \vidersprechenden Be- schluss fassen. Dagegen wird es die Beschlüsse der Diäten voll- ziehen lassen. Die einmal mit Majorität der Stimmen gefassten Beschlüsse dürfen ausserhalb des Rathes nicht verändert werden. Als Hauptagenden werden ihm die Massnahmen zur Förderung der Impopulation des Landes und die Hebung des Handels und der Gewerbe zugewiesen.

Nach der vom Monarchen ertheilten Instruction ist es die Aufgabe des Locumtenentialrathes, die in Ungarn vorkommenden politischen, ökonomischen und militärischen Geschäfte vor Augen zu halten und für Alles Sorge zu tragen, was der Dienst des Köni^, die Administration, das Wohl und die Blüte des Landes, die Aufrecht- erhaltung der Einwohner und Contribuenten erfordern. In diesem Sinne sprach auch der kaiserliche Hofkanzler Graf Sinzendorff, als er am 20. März 1724 in Pressburg den Statthaltereirath eröffnete: „Se. Kaiserliche Majestät ist überzeugt, dass dieser Rath, mit voll- ständiger Eintracht, ohne Parbeilichkeit, nur das Gemeinwohl an- streben wird. Ohne Zweifel wird daraus den Geistlichen Würde, den Magnaten Vorrecht, den Adeligen Recht, den Bürgern Auf- blühen des Handels, den Landleuten Ackerbau, dem ganzen Reich das grösste Glück erwachsen."^)

Diese ständische Auffassung fand auch in der Zusammensetzung dieser Stelle vollkommenen Ausdruck. An der Spitze steht der

*) B61 Mathias, Notitia Hungariae Novae I. 432.

Digitized by VjOOQIC

165

Palatin, oder in dessen Abweseiilieifc der Oborsfc-Landesrichter, ihm zur Seite stehen zweiund zwanzig Räthe „aus dem Stande der Prä- laten, der Magnaten und Adeligen aus allen Theilen des Reiches, die Se. königliche Majestät ernennen wird'\ Die Bezahlung erfolgt aus den königlichen Einkünften. Im Jahre 1732 wurde nach dem Tode des Palatins Nikolaus P&lffy, Herzog Franz von Lothringen zum königlichen Statthalter ernannt und als solcher provisorisch mit der Leitung des Rathes betraut. Die Stände sprachen zwar schon 1723 den Wunsch aus, die Landesregierung in den Mittel- punct des Landes zu versetzen, sobald dies möglich sein werde, doch verblieb sie unter Carl und auch noch unter Maria Theresia in Pressburg.

Zur Beförderung des Gemeinwohles übt dieses Dicasterium die Oberaufsicht über alle Magistrate der Comitate und Freistädte aus. „Zur Wegräumung der den Vollzug der Gesetze hemmenden Hindemisse sollen die Comitate und Städte dem Statthalterei-Rath Berichte einsenden. Sollten sie dies vernachlässigen, wird das Con- silium bei Sr. Majestät repräsentieren, damit er ein geeignetes Heil- mittel verordne."

Dieser Punct erweist klar, worin die Schwäche dieser Regierimg und ihres Systemos lag. Trotzdem sie einestheils auf ständischer Basis stand, konnten die Municipien gegen sie, als das Organ der königlichen Gewalt, ihre ständischen Gerechtsame geltend machen. Aus eigener Macht diesen Widerstand niederzukämpfen, hatte sie keine Kraft. Eigentlich war doch die persönliche Regienmg des Königs die Stütze des ganzen Systems. Der Statthalterei-Rath konnte niu* schreiben imd begutachten: das Vollziehen ist nicht seine Sache. Die Bischöfe und Comitate werden die ihnen zugesendeten könig- lichen Verordnungen nur dann vollziehen, wenn diese ihren eigenen Interessen, ihrer gßiizen politischen Tendenz entsprechen. Der König nimmt seine Vorschläge nur dann an, wenn er von ihnen Ver- grösserung seiner Autorität und Macht erwartet.

Da aber die königliche Macht viel stärker war als die ständische, wurde der Statthalterei-Rath beinahe ausschliesslich ihr Werkzeug. Besonders war dies der Fall, als es, wie gegen Ende der Regierung Carls, keinen Palatin gab und der königliche Statthalter, der von jeher den Ständen gegenüber unabhängiger war, seine Berathungen leitete. Daraus folgte nun, dass das Dicasterium im Lande unbeliebt WTii-de. Die Stände sahen ein, dass es vielmehr in der Befestigung der königlichen Prärogative, als in dem Vollzug der Gesetze seine Aufgabe erblickte. Der Reichstag von 1741 beschäftigte sich ernstlich

Digitized by

Google

166

mit der Frage seiner Auflösung und wussbe nur nichts besseres an seine Stelle zu setzen.

Die dritte Regierungsbehörde war die königliche ungarische Kammer. Diese war von jeher, trotz aller Gesetze, m eine gewisse Unterordnung gegenüber der kaiserlichen Hofkammer gerathen. Der Reichstag von 1715 war bestrebt, auch diesem Dicasterium die Selbstständigkeit zu sichern und es mit den Wiener Hof&mtem auf gleichen Fuss zu setzen. (G. A. XVlil). Doch der König, der in Bezug auf Kanzlei und Statthalterei den Wünschen der Stände willfahrte, gab in diesem Pimcte eine ziemlich ausweichende Ant- wort. Er erklärte nämlich, dass er auf die Vorschläge der un- garischen Kammer im Wege der kaiserUchen Hofkammer seine Entschlüsse kundgeben werde. Doch versprach er, die Expedition der ungarischen Kammergeschäfte ausschliesslich durch seine unga- rische Kammer besorgen zu lassen und zur Verfassung der In- struction für diese Stelle auch ungarische Räthe beizuziehen. Zu- gleich werden auch die Zipser Administration, sowie die Ver- waltungen in Ofen, Szeged, Eszek imd Arad der ungarischen Kammer untergeordnet Auch der Reichstag von 1723 konnte hieran nichts ändern und selbst die angeordnete Einverleibung der er- wähnten Administration gieng sehr langsam von statten, so dass der Reichstag von 1741 sich aufs neue mit dieser Frage beschäftigen musste, wo dann diese Angelegenheit endgiltig geordnet wurde.

In dem Zeitpuncte, von dem wir handeln, war die ungarische Kammer de facto unselbst^tändig. Die Hofkammer und die nen- en-ichtete „Universalität Bankalität", in deren Direction auch ein Ungar, Graf Peter Szunyogh, sass, ertheilten ihr nicht nur Weisungen, sondern hörten auch nicht auf, directen Einfluss auf die ungarischen Angelegenheiten auszuüben. So wurde z. B. trotz aller Repräsentationen die, der ungarischen Kammer unterstehende Münze in Pressburg aufgehoben.

Diese Unselbstständigkeit war imiso empfindlicher, als die unga- rische Kanamer, als Fiscus, vor Allem die Aufgabe hatte, die Kron- rechte zu wahren. Eines der wichtigsten dieser Rechte war der Heimfall der Güter der ausgestorbenen oder wegen Hochverrath verurtheilten Familien. Die Güter der Familien Zrinyi und Fran- gepan wurden aber, trotz des G. A. CXVI, 1715 von der inner- österreichischen Kammer in Graz verwaltet.

Selbst die Zusammensetzung dieser Stelle zeigt, dass sie kein rein ungarisches Dicasterium war. An ilu-er Spitze stand zwar ein

Digitized by

Google

167

ungarischer Magnat, von ihren zwölf Eäthen aber waren nur die Hälfte Ungarn, die andere Hälfte aber Deutsche.

Aber auch abgesehen von dieser dem Staatsrechte nicht ent- sprechenden Stellung, wurde die Wirksamkeit der Kammer nicht günstig angesehen. Es hatten sich, besonders in den untergeordneten Beamten-Kreisen, sehr viele Missbräuche eingenistet, zu deren Abschaffimg die Gesetze, da deren Vollziehung durch nichts verbürgt war, nicht ausreichten.

Von allen Dicasterien war die königliche Curie, der oberste Gerichtshof füi* alle Länder der Stephanskrone in innigster Fühlimg mit den Ständen mid ihrer Auffassung. Ihrem Ursprünge nach ist sie so alt, wie das Königthum. Seit der Zeit König Mathias Corvinus hatte sich aus dem alten königlichen Gerichte die sogenannte Octaval-Tafel mit gelehrten Richtern ausgebildet. Sie hatte ursprünglich sieben Beisitzer, denen durch G. A. XXIV, 1723 acht neue zugesellt wurden. Von diesen gehörten zwei dem Prälaten-, zwei dem Magnaten-Stande, vier dem Adel an. Sie sollten aus allen Theilen des Reiches ernannt werden. Präsident war der Palatin, in seiner Abwesenheit der Oberstlandesrichter. Sie hält ihre Sitzungen in bestimmten Zeiten (Terminen) ab. Zu ihr kommen die Appellationen von der königlichen Tafel, dem eigentlichen Obergericht der Adeligen. Diese urtheilt in allen Donationalprocessen und Strafprocessen der Adeligen. Auch sie ist nach Ständen geordnet. Präsident war der königliche Personal, d.i. der Stellvertreter des Königs in Gerichtssachen, zugleich auch Präsident der Ständetafel des Reichstages. Da sie in corpore an der ständischen Versammlung tlieilnahm und ihre Protonotarien dort die eigentliche Arbeit, die Redaction der Gesetz-Artikel besorgten, musste während der Diät ein Juristitium eintreten. Ihre vielen Ferien trugen auch wesentlich dazu bei, den Weg des Gesetzes zu verlängern.

Ausserdem gab es noch seit 1723 an ordentlichen königlichen Gerichtshöfen die Banaltafel in Agram für die Nebenländer, unter dem Präsidium des Ban oder seines Stellvertreters, dann die Distric- fcualtafeln in Tyrnau, Güns, Eperjes und Grosswardein. Von allen diesen gieng die Appellation an die königliche Tafel und an die Septem viral tafel. Da das ungarische Gesetz vom erbländischen grundverschieden war, konnte an diesen Stellen am wenigsten ein centralisierender Einfluss durchgreifen. Doch besass der König nicht blos das Emennungsrecht, sondern übte auch durch die Kauzlei

Digitized by

Google

168

und die Statthalterei die oberste Aufsicht über die ganze Justiz- pflege aus.

Siebenbürgen war zwar den ganzen Zeitraum hindurch von Ungarn getrennt, hatte aber in den Grundzügen dieselbe Ver- waltung. ^) Es hatte ebenfalls eine Hofkanzlei in Wien ; dem Statt- halterei-Rath entsprach das königliche Gubemium in Hermannstadt, der Kammer das königliche Thesaurariat ; endlich bestand auch eine königliche Tafel in Maros-Väsdrhely. Doch war hier auf Grund- lage des Leopoldinischen Diploms von 1691 der direote gesetzliche Einfluss der Stände auf die Regierung weit grösser, als in Ungarn Zu allen Stellen sollten die Ernennungen aus allen drei Nationen und vier Religionen nur nach der Candidation des Land- tages erfolgen. Doch hielt sich der Hof nicht an die Candidation ; so wiu'de z.B. 1712 Graf Sigismund Kornis, den die Stände zum Rath proponiert hatten, zum Gubemator ernannt. Noch weniger blieb die Gleichstellung der recipierten Religionen in Kraft, besonders wurden die Unitarier von den Aemtem femgehalten. Nichtsdesto- weniger hatten die Protestanten noch immer eine viel gunstigere Stellung als in Ungarn und dies kann als eine Hauptursache betrachtet werden, wesshalb iluien die Vereimgung mit dem König- reiche, wo die katholische Restauration in voller Blüthe stand, damals nichts weniger als Avünschenswerth erschien.

Dagegen wurden die Königreiche Croatien und Slavo- nien ganz als uitegrierende Theile des Reiches behandelt- Sie standen unter denselben Gesetzen und derselben Verwaltung. Militärisch standen sie nach dem Gesetze unter dem Banus, der die Autorität eines General capitäns für diese Länder haben sollte.^ Die croatischen Stände-Versammlungen hatten wohl das Rechte Statute zu verfassen, insoweit diese das Gesetz nicht verletzten, nicht aber Gesetze zu geben. ^) Dagegen beschäftigte sich der ungarische Reichstag selbst mit croatischen Angelegenheiten und trachtete auch, die specifisch croatischen Beschwerden zu heilen. In religiöser Beziehung hatte Croatien ein gesetzliches Privilegium : nur Katholiken konnten dort Güter besitzen. (G. A. XXXVI, 172B.)

Dies ist in kiu'zen Zügen die staatliche, inarticulierte Ein- richtung Ungarns, -wie sie nach den Türkenkriegen und iimem

*) Szilagyi Sandor, Erdelyoszug törtenete IL *) G. A.'CXIV, 1715. 3) Tripartituin III. 12.

Digitized by

Google

169

Kämpfen sich ausbildete und im Wesentlichen bis 1848 bestand. Während der Verfassungs-Streitigkeiten war oft die staatliche Selbst- ständigkeit Ungarns angefochten, seine Verfassung als Fiction, als todter BucLstabe behandelt worden. Nun war ein Compromiss vor- handen, welches der königlichen Macht einen grossen Wirkungskreis einräumte, aber innerhalb des liahmens der Verfassung.

Die Stände.

Sehen wir nun, wie sich die lebenden Kräfte der Nation zu dieser Einrichtung verhielten, in wie weit sie, nach ihren Innern Antrieben, der Constitution dienten oder ihr widerstrebten.

Es fällt in die Augen, wie sehr der Text der Gesetze selbst einen, wenn auch blos passiven Widerstand, gegen den verfassungs- gemäss sich kundgebenden Staatswillen voraussetzt. Dieser Zweifel an der wirklichen Ausführung des beschlossenen Gesetzes oflfenbart sich in naiver Weise in dem schon erwähnten Artikel über die Errichtung des Statthalterei-Rathes, dessen Aufgabe ja eben die Ausführung der Gesetze sein sollte: „Die Comitate und Städte werden dem Statthalterei-Rath Informationen über die Hindernisse, welche dem Gemeinwesen und den Gesetzen im Wege stehen, emsenden. Sollten sie dies vernachlässigen, wird der Statthalterei- liath an Se. Majestät repräsentieren, damit er entsprechende Vor- kehrungen treffen könne." Der Verwaltung steht zur Besiegung des vorausgesetzten Widerstandes, den ihr böser Wille oder Nach- lässigkeit entgegensetzten, kein anderes Mittel zu Gebote, als der Eecurs an den König. Man kennt noch keine andere Regierung, als den persönlichen Einfluss des Monarchen.

Wirkliche Macht lag blos in den Händen des Monarchen, der auch, abgesehen von Ungarn, zu den mächtigsten Herrschern zählte, dann in den Händen der geistlichen und weltlichen Aristokratie des Landes.

Nach der Vertreibung der Türken und Zurückdrängung des Protestantismus brach für den Prälatenstand eme neue Epoche der Blüthe und Herrschaft an. An Rang stets der erste, war er es jetzt auch durch wirkliche Bedeutiuig. Seine Mitglieder, durch Geburt den ersten einheimischen und indigenen (Tcschlechtem aiigehörig, ragten auch diurch Bildung und geistige Begabiuig hervor. Es galt, das ,,liegnum Marianum" aufzurichten, nach den Türken auch die Ketzer und Schismatiker, d. h. die Protestanten und Griechen, die

Digitized by

Google

170

man mit dem verächtlichen Namen „Akatholiken" zusammenfasste, zu bekehren oder zur Auswanderung zu zwingen und wenn dies nicht gelingen sollte, wenigstens der politischen Rechte zu berauben. Es waren ja kaum einige Jahrzehnte verflossen, seit Ludwig XIV. das Edict von Nantes aufhob und im heiligen römischen Reiche zwang gerade um 1730 der Erzbischof von Salzburg seine pro- testantischen Unterthanen zu emigrieren, warum sollte dasselbe Re- sultat im Reiche der Ki*one des heiligen Stephan nicht zu erreichen sein ? Die Verwahrlosung und Verwüstung des kirchlichen Lebens bot der apostolischen Thätigkeit einen grossen Spielraum. Die meisten Kirchen, geistliche Schulen und Fundationen in Ungarn wurden gerade in den ersten Jahrzehnten des XVIII. Jahrhunderts errichtet. Der Jesuitenorden, welcher die Herstellung des aus- schliesslich katholischen Staates als sein eigenstes "Werk betrach- tete, erfreute sich eines grossen Einflusses. Die Zahl seiner Anstalten und seiner Besitzungen nahm von Tag zu Tag zu.

Die erste Folge des Sieges über die Türken und Protestanten war, dass der Clerus seine im Laufe der Jahrhunderte verlorenen Güter zurückgewami. Im XVII. Jahrhundert war ein grosser Theil der ungarischen Bischöfe so zu sagen in partibus infidelium. Den Primas und jene Prälaten ausgenommen, deren Diöcesen sich iin nordwestlichen Theil des Königreichs befanden, mussten sich mit einem minimalen Theil ihrer ehemaligen Revenuen begnügen. Jetzt aber erfolgte nicht blos die restitutio in integrum, sondern in Folge der zunehmenden Bevölkerung und der intensiven Cultur hoben sich die bischöflichen Einkünfte, so zu sagen, von Jahr zu Jahr. Sie wurden zwar, wie oben ei*wähnt, besteuert, unterlagen aber nicht mehr der Pflicht, Banderien zu unterhalten. Ungarns hohe Geistlichkeit zählte wieder zu den reichsten der Christenheit.

Auf diesem Reichthum, dem Einfluss, den hohe Würden luid Auszeichnungen stets verleihen und der hervorragenden Persön- lichkeit einzelner seiner Mitglieder beruhte die politische und gesellschaftliche Macht des Clerus. Zu Gute kam ihm noch, dass er nicht blos seinen ständischen Rechten nach, sondern auch grossentheils nach dem Rechte der Geburt dem hohen Adel an- gehörte. Graf Emerich Esterhizy war Primas, Graf Patachich Erzbischof von Kalocsa, Graf E r d ö d y Bischof von Erlau, Graf A 1 1 li a n Bischof von Waitzen, ein anderer Graf Esterhdzy von Neutra, Graf B e r 6 n y i von Fünf kirchen, Graf C s ä k y von Gross- wardein, Graf Klobusitzky von Siebenbürgen. Dabeiwaren die

Digitized by

Google

171

Erzbischöfe von Gran und Kalocsa, die Bischöfe von Erlau, Raab, Neutra, Fünfkirchen, Grosswardein, "Wessprim und Zdgrdb auch zugleich Obergespane der betreffenden Comitate. Es scliien sich ein Zustand heranzubilden, wie er im heiligen römischen Reiche bestand: der Adel hatte ein beinahe ausschliessliches Recht auf die Bischofswürde und die geistliche und weltliche Macht über grosse Territorien war in derselben Hand vereinigt.

Seiner politischen Richtung nach war der Clerus eine der wichtigsten Stützen der königlichen Macht. Er wusste, wie viel der Katholicismus, insbesondere in Ungarn, den Habsburgem ver- dankte. Er hatte einen grossen Antheil an der Annahme der männlichen und später der weiblichen Erbfolge und in den Reden der Bischöfe an der oberen Tafel, sowie in denen der Domherren und Aebte an der unteren Tafel der Stände, giebt sich ein reges Gefühl der Loyalität imd der Dankbarkeit kimd. Dabei war er nicht gemeint, seinen speciellen Rechten, sowie denen, welche dem ge- sammten Adel zustanden, das geringste zu vergeben. Er musste auf dem Boden der Verfassung stehen, welche auf Stephan den Heiligen zurückgieng und seinem Glauben, sowie seinem Stande so grosse Vorrechte einräumte. Und als die Krone, obgleich gut katholisch, die Verfolgung der Protestanten nicht mehr billigte, rief Graf Althan, Bischof von Waitzen, aus: „Herr, ich leide Gewalt, antworte Du für mich." ^)

Auch für die weltliche Aristokratie war die Friedenszeit eine Epoche der Restauration und des neuen Aufblühens. Seit 1G08 waren ausser den Bischöfen, den Bannerherren und Obergespanen auch die erblichen Grafen und Barone Mitglieder der oberen Stände- tafel. Der Krieg gegen die Türken imd Protestanten bot vielen Greschlechtem des mittleren Adels Gelegenheit, der Krone Dienste zni leisten und dadurch eine erbliche Rangerhöhung zu erlangen. Die alten grossen Geschlechter, die noch vor der Herrschaft der Habsburger das Heft in Händen hatten und in den Kriegen des XVI. und XVn. Jahrhunderts eine beinahe unabhängige Rolle spielten, waren ausgestorben. Rdkoczy und seine Sölme starben in der Emigration, der letzte Apaffy in Wien, noch vor 1740: die Häuser der Zapolya, der Bäthory, der Bethlon von Iktdr, der Bocskay, der Zrinyi und Frangepan waren schon fiüher erloschen. Nach 1711 treten die Pälffy, die Ester-

») Marczali 1, c. 22.

Digitized by

Google

172

häzy, Erdödy, Batfchyäny, Csäky, Szechenyi, K&rolyi, Andrässy, Bänffy, Apponyi, Festetics iii den Vorder- grund. Die meisten weltlichen und geistlichen "Würden befinden sich in ihrer Hand. Ihr Besitz nimmt zu. Sie beherrschen die Comitate als Erb-Obergespane oder Bischöfe. Obzwar aus dem alten Adel hervorgegangen, treten sie dem Hofe näher und suchen auch dort durch Prunk und Reichthum sich hervorzuthun. Sie fühlen schon den Hauch des Ausländischen; sie sonnen sich im Glänze des Hofes, bleiben aber doch Ungarn. Ihre Correspondenz, ihre Testamente, ihr ganzes Leben liefern den Beweis dafür.

Die ungarische Aristokratie war an einem der wichtigsten Wendepuncte ihrer Entwicklung angelangt. Im XVH. Jahrhmidert war in Ungarn noch die Ritterzeit vorhanden. Ihre Symptome waren: die häufigen Parteiimgen. die Jagd nach rohen, sinnlichen Genüssen; die wilde Kraft, die sich so oft gegen das Gesetz auf- lehnte. Der Magnat war vor Allem ein mit grossen Vorrechten begabter Kriegsmann. In seiner Burg, umgeben von seinen Mannen, haust er in der Weise eines Fürsten. Die Angelegenheiten seiner Güter, höchstens seiner Comitate, nehmen ihn ganz in Anspruch. Nie hat es in Ungarn weniger waJirhafte Staatsmänner gegeben, als damals und nur die imponierende Persönlichkeit eines Nikolaus Zrinyi koimte sich auf einen höheren, das ganze Reich um- fassenden Standpunct erheben.

Nach Szatradr, 1711, giebt es in Ungarn nur ein Gesetz, eine Armee. Beide waren nicht in dem Masse fremd, dass die Idee des Widerstandes weite Kreise hätte ergreifen können, aber auch nicht in dem Masse einheimisch und oligarchisch, dass der Wider- spenstige auf Straflosigkeit hätte rechnen können. Die Aristokratie verlässt ihre Burgvesten und zieht in die Ebene. Nach und nach fallen die alten Burgvesten, unter ihnen erheben sich im Thale neue Castelle, von Gärten im holländischen oder französischen Style umgeben, die Stätten des Luxus und des Lebensgenusses. Schon 1683 begann der Bau des Schlosses der Esterhizy in Eisenstadt, das gewissermassen den Uebergang zwischen Burg und Palast bildet. 1714 begiimt der Bau des prächtigen Schlosses in Cseklesz (Lausitz), 1720 werden in Edelöny, 1725 in Nagy-Grurab und KirAlyfalva (Königs-x\den), 1730 in Erdöd die Schlossbauten in Angriff genommen. Der ungarische Horrenstand hatte also nicht blos im Gesetz, sondern auch thatsächlich das Widerstandsrecht aufgegeben. Die Vertheidigung des Reiches war nunmehr die Aufgabe des Herrschers und seines Heeres und die Magnaten

Digitized by

Google

173

höchstens bestrebt, in diesem Dienst emporzukommen. Jedermaim kemit die Verdienste des Banus Johann Pälffy.

Das eigene Gebiet der Aristokratie blieb jedoch die Politik. Sie stand in der Mitte zwischen den feudalen Herren des Mittel- alters, denen schon ilire Geburt einen Antheil an der Regienmg sicherte und der modernen Aristokratie, deren Rolle doch mehr aiif Besitz und gesellschaftlicher Stellung beruht. Ihre Geburt eröffnete ihnen jede Laufbahn; aber auch iln:*e Erziehung machte sie zur Leitung der öffentlichen Angelegenheiten geeignet. Sie schlössen sich, gut katholisch wie sie waren, eng dem Hof an, söhnten aber dadurch zugleich die Dynastie mit den Interessen Ungarns und mit seiner Yorfassimg aus.

Der Einfluss und die Macht der reichbegüterten Magnaten- famiUen fallen am meisten in die Augen, doch darf auch der Wirkmigs- kreis des mittleren Adels, des Ritterstandes, wie man ihn häufig nannte, nicht imterschätzt werden. Auch dieser Stand hatte die Waffen nieder- gelegt oder war in kaiserliche Dienste getreten. Neben der Ver- waltmig seiner Besitzungen nalun ihn das C o m i t a t in Anspruch. Diese Institution, die starke Feste des Adels und der Nationalität behielt ihre Wichtigkeit auch, nachdem die Ursachen aufgehört hatten, welchen sie in der Zeit der Türkenkriege eine so hervorragende Bedeutung verdankte.

Die Rolle des Comitats ist in der historischen und staats- rechtlichen Tradition sehr oft hervorgehoben. Wir wollen nur auf ein Moment aufmerksam machen, das besonders im XVlLL. Jahr- hundert, in der Blüthezeit der Aristokratie, Beachtung verdient. Damals verhinderte es das Comitat, dass der einzelne Adelige nicht nur wie ein Atom dem Hofe oder den mächtigen Magnaten gegenüber- stand. Ihm ist es zu verdanken, dass in Ungarn der Adel nicht in kleine Könige und in von ihnen abhängige „Schlachzizen" zerfiel, wie dies in Polen der Fall war. In Siebenbürgen, wo das Comitat nicht so ausgebildet war, waren auch die Verhältnisse den polnischen viel ähnlicher. Das Comitat als die „Universität des Adels" schloss sich nicht blos gegen fremde Einwirkung ab, sondern auch gegenüber den Magnaten und dem Bundschuh- Adel. Es hält zwischen den Extremen die gemässigten Elemente aufrecht. An seiner Spitze, steht ein Magnat oder Bischof; in seinem Gebiet ist «ler arme, unruhige Bundschuh-Adel oft sehr zahlreich, aber die politische Richtung erhält er doch immer von dem erbgesessenen, die Landes- und Particular-Interessen vertretenden Stand, aus dem seine Beisitzer (Tiblabir6) und Vicegespane herstammen.

Digitized by

Google

174

Das Comitatsleben brachte es mit sich, dass die Haupt- beschäftigung des mittleren Adels seit dieser Epoche die Rechts- pflege wurde. In dem „Tripartitum" Verböczy's und den dieses später ergänzenden Artikeln fand er die feste Grundlage seiner staatsrechtlichen und privatrechtlichen Stellung. Das Richteramt bietet am häufigsten Gelegenheit, sich zu den höheren Würden aufzuschwingen. Im Allgemeinen ist die Grenze zwischen Magnaten- stand und mittlerem Adel noch sehr schwankend und durch könig- liche Gnade schlössen sich immer mehr neue Geschlechter den alten an.

Der friedliche Zustand und seine Aufgaben brachten es mit sich, dass die Comitate der neugeschaffenen staatlichen Administration eingefügt werden mussten. Nach G. A. LVI, 1723 sollten die Ober- gespane ihre Comitate selbst verwalten und für die Förderung der politischen und öffentlichen Angelegenheiten, sowie der Justiz, Sorge tragen. Sie sollten also, wenn sie nicht diu-ch anderweitige Reichs- Angelegenheiten daran verhmdert sind, im Comitat selbst ihren Sitz halten. Sie sollen alle drei Jahi-e oder, wenn es nöthig ist, auch in kürzeren Zeiträumen in ihi'em Comitat eine „Restaurations- sitzung" zur Wahl der Beamten abhalten. Sie benennen zu jeder Stelle vier fähige Candidaten aus dem Adelstand im Einvernehmen mit dem früheren Vicegespan. Die Vicegeapane und die anderen Beamten sollen erbgesessene und inieigennützige Edelleute sein, die den grossen Grundherren in keiner Weise verpflichtet sind. Die Wahl soll mit Zustimmung des ganzen Comitats erfolgen. Um allen Missbräuchen vorzubeugen, sollen die Verhandlungen öffentlich mit gebührender Mässigung geführt und über ihr Ergebniss ein Protocoll aufgenommen werden. Was einmal durch die General- Congregationen beschlossen wurde, darf durch Obergespan oder Vicegespan nicht umgestossen werden. Auch die Abwesenden müssen sich den Beschlüssen fügen. In der Abstimmung muss nach Gesetz und Gewohnheit vorgegangen werden. (G. A. LViil.)

Da viele Comitate ihre in der Türkenherrschaft unterbrochene Thätigkeit jetzt wieder aufnahmen, musste für ihre innere Ein- richtung gesorgt werden. Zu diesem Zwecke sollten alle Comitate thunlichst in den Freistädten oder in grösseren Flecken im Mittel- punct ihres Gebietes Comitatshäuser haben, in denen die Congre- gationen und Gerichtsverhandlungen abgehalten, das Archiv auf- bewahrt und die Sträflinge gefangen gehalten würden. Aucli die Hinrichtungen wurden dorb vollzogen. (1 723, LXXIII. G. A.) Später wird bestimmt, dass jedes Comitat nur einen Vicegespan haben

Digitized by

Google

175

solle, dass aber die Universität des Comitates, wenn er allein die Bürde der Geschäfte nicht zu ertragen vermag, ihm einen Stell- vertreter gewähren könne. (1729, XV. G. A.) Dieselbe Diät be- stimmte auch die Competenz der Comitatsgerichte.

An der Spitze des Comitates steht der vom König ernannte Obergespan (Comes), gewöhnlich ein Magnat oder Bischof. Mehrere Familien besassen die Obergespanwürde erblich. So die P&lffy in Pressburg, die Esterhäzy in Oedenburg, dieBatthyäny in Eisenburg, die Althan in Zala, die Erdödy in Varasd, die IllöshÄzy in Trencs^n, die R6vay in Thuröcz, die Csdky in Szepes. Obergespan des Pester Comitates war der Palatin. In andern Comitaten war die Obergespanswürde mit der bischöflichen ver- bunden. Das Gesetz verpflichtete zwar den Obergespan zur per- sönlichen Leitimg der Verwaltung, in Wirkliclikeit aber beschränkten sich die meisten auf Repräsentation, Candidierung der Beamten und Leitung der Wahl-Congregationen. Die Administration und Gerichtspflege lag in den Händen des Vicegespans, der gewöhnlich durch Familie, Grimdbesitz imd Fähigkeit das natürliche Haupt des Comitatsadels war. In der Gerichtspflege standen ihm die Beisitzer (täblabiro) bei, die angesehensten und erfahrensten Männer des grundbesitzenden Adels, die dieses Ehrenamt oft mit grosser Auf- opferung versahen. ^) Die einzelnen Bezirke verwaltete der adelige Stuhlrichter (judex nobilium) , mit seinem Geschworenen. Alle Beamten mussten adelig sein und wurden vom Obergespan candidiert und von der Generalversammlung gewählt.

Das Comitat, d. i. die Gesammtheit (Universität) des Adels auf seinem Territorium, besorgte durch seine selbstgewählten Beamten alle politischen und Justizangelegenheiten. Ihm oblag die Voll- ziehung der von der Statthalterei erlassenen königlichen Befehle. Wo aber das Comitat einen solchen Befehl nicht als gesetzlich anerkannte, hatte es das Recht, zu repräsentieren und den Vollzug aufzuschieben. Dadurch erhielten die Comitats-Versammlmigen eine grosse politische Bedeutung.

Noch wichtiger war ihr Recht, den Reichstag durch ihre Ablegaten zu beschicken. Gewöhnlich wurde der Vicegespan und noch ein angesehener, gesetzeskundiger Tablabirö gewählt. Vor der "Wahl wurde eine Instruction verfasst, an welche sich die Ablegaten halten mussten und welche neben den allgemeinen Reichsinteressen auch particulare, ja oft sogar Familien- Angelegenheiten berührte.

») 16 IB. XXIV. G. A.

Digitized by

Google

176

Die Diät (Reichstag).

Sowie das Coinitat die Gesammtheifc der Adeligen seines Gebietes ist, so ist die Diät (der Reichstag) die Gesaramtheit des Reichsadels.

Die Ständeversammhmgen beruhen noch auf dem Gesetz- artikel I, 1G08 (post coronat), welcher bestimmt, welche Einwohner als Reichsstände angesehen werden und königliche Einberufungs- schreiben erhalten sollen.

Mitglieder der obem Tafel sind die Diöcesanbischöfe, dann die erblichen Magnaten und die BannerheiTen. An der untern Tafel sitzen die Ablegaten der Comitato, die Vertreter der Städte, die Aebte , die Pröpste der Domcapitel , ausserdem die Bevoll- mächtigten der abwesenden Magnaten (auch Witwen hatten das Recht, solche Vertreter zu senden).

Bei den Ständen hat jedes Comitat und jede Stadt seinen bestimmten Platz und jeder würde es als Verletzung seines und »seiner Absender Rechte halten, wenn er auch das Geringste davon aufgeben würde. Das Reich ist in die vier Districte: diesseits und jenseits der Donau; diesseits und jenseits der Theiss getheilt: von den Donau-Comitaten haben Pressburg und Oedenburg, von den Theiss-Comitaten Abauj und Zemplen den Vorsitz. Bei den Städten folgen aufeinander: Buda, Pest, Pressburg, Kaschau, Tyrnau und Oedenburg. Rechts sitzt der erste, links, ihm gegenüber, der zweite Ablegat des Comitates oder der Stadt. Bei der obern Tafel sitzen die Prälaten rechts, die weltlichen Herren links, alle nach Rang und Würde. In wichtigen Fällen halten alle Stände eine gemeinsame Berathung ab (sessio mixta). Bei der untern Tafel sind auch die Vertreter der abwesenden Magnaten, die Aebte und Pröpste zu- gegen; gezählt werden aber nm* die Stimmen der Comitate und Croatiens. Nach altem Gebrauche hatte die ganze Curie der Städte nur eine Stimme. ^)

Zugegen waren bei der Eröffiiung des stark besuchten Reichs- tages von 1722— 1723 an der obern Tafel: dreiunddreissig Prälaten, acht Reichsbarone, zwei Kronhüter, seclizehn Obergespane, acht- unddreissig Grafen und neunundfünfzig Freiherren, zusammen 156 ; an der unteni Tafel : fünfzehn Richter der königlichen Tafel, nexin- undachtzigComitats-Deputierte, siebzig städtische Deputierte, dreiund- vierzig Ablegaten derCapitel undKlöster und vierundsechzig ablegati absentium, zusammen 281.

*) Marczali, Maria Terözia, 61.

Google

Digitized by ^

177

Hier begegnen einander also die Elemente, welche den gegen- wärtigen Zustand nnr aus Nothwendigkeit angenommen hatten, mit denen, welche ihn mit hervorbrachten und durch ihn regierten. Bei der obem Tafel, bei den Ablegaten der Städte und Capitel herrscht die letztere Richtung vor und der stets sich ausbreitende Baum des neuen Staates senkt seine Wurzeln auch in den Adel hinab. Nichtsdestoweniger bleiben der Geist imd die Tradition der Diäten stets dieselben. Jahre hindurch wartet der Comitats-Adel sehnsuchtsvoll der Gelegenheit, auch in Reichsgeschäften seinen Einfluss in die Wagschale werfen zu können. ^) Er hoffli zugleich dort auf die gesetzliche Heilung der Gravamina seiner Person, seines Standes, seiner Unterthanen und des ganzen Landes. Die Diät war eine Versammlung der Stände; es war uümöglich, dass dort andere Ansichten und Auffjissungen als ständische zur Geltung gelangten. Der Kampf zwischen königlicher Macht und ständischem Hecht, zwischen fremder Organisation imd nationalem, passivem Widerstand, der in den Comi taten in jeder Frage durchgefochten wird, erneut sich nach langem Pausen in grösserem Massstabe auf den Reichstagen.

Dennoch wäre es falsch, in den Reiohsversammlxmgen dieser Epoche blos negative, auf kleinliche Fragen erpichte, immer die alten Beschwerden wieder herzählende Gravaminal-Diäten zu sehen. Ein kurzer Ueberblick beweist, dass gerade die unter Carl HE. (Kaiser Carl VI.) abgehaltenen Reichstage zu den fruchtbarsten und thätigsten gehören. Im Jahre 1715 werden die ständische Armee imd die Militär-Contribution inarticuliert, die Gerichte neu geordnet, das Recht der ungarischen Krone auf die noch unter militärischer Verwaltung stehenden Gebiete gewahrt. Im Jahre 1722 werden die pragmatische Sanction, die Erblichkeit der Dynastie in weiblicher liinie angenommen, dabei aber die Continuität der Verfassung und die Selbstständigkeit der Regierung Ungarns gesichert. Derselbe Keichstag organisiert den Statthalterei-Rath. Im Jahre 1728 wird besonders die Gerichtsordnung reformiert und die Comitats-Ver- v^-altxmg geordnet.

Diese Verdienste der Reichstage müssen umsomehr anerkannt ijverden, als ihre Geschäftsordnung die möglichst langwierige und zeitraubende war. Die Artikel werden von den Protonotarien der königlichen Tafel ausgearbeitet, dann an der untern, später

') ,,Man sieht nicht immer eine Diät, wenn man will,'* sagt Franz von BossÄnyi 1751. Kazinczy, P41y4m Eml6kezete.

Oesterreiohischer Brbfolgekrieg. I. Bd. 12

Digitized by

Google

178

an der obern Tafel verhandelt und in der gemeinsamen Sitzung beider Tafehi endgiltig redigiert. Dazwischen 'laufen aber immer Deputationen der einen Tafel an die andere über jede vorkommende Differenz. Da die Redner der Deputationen stets Prälaten, Bischöfe oder Domherren sind, ist der schönen lateinischen Reden kein Ende, denn die angesprochene Tafel muss ja gebührend antworten. Damit ist aber erst die Hälfte des Werkes gethan. Folgt die Unterhandlung mit der königlichen Kanzlei, die nicht nur an den König über jeden Punct referieren muss, sondern auch von diesem angewiesen wird, über die meisten Artikel mit seinen kaiserlichen Behörden: Kanzlei, Kammer, Kriegsrath zu "verhandeln. Sind nun Schwierig- keiten aufgetaucht, so nimmt der Artikel den Weg zurück zur Diät. Eine directe Communication zwischen königlicher Regierang und Landesvertretung war noch nicht vorhanden. Es war sehr viel Patriotismus, Fachkenntniss und Aufopferung nothwendig, um unter solchen Verhältnissen den Diätal-Tractat zu einem gedeihlichen Ende zu führen. Es trat immer mehr zu Tage, dass die vorhandenen Gegensätze einander doch nicht vernichten, sondern blos massigen. Nicht die Extreme tragen den Sieg davon, sondern die Nothwen- digkeit der Transaction.

Wenn aber die ruhige Ueberlegung und das weise Schlichten der Schwierigkeiten den ruhigen Gang der Geschäfte möglich machte, so hatte der Monarch selbst den grössten Antheil daran. Carl war vor Allem auf die wirthschaftliche Hebung seiner Reiche bedacht. Ungarn hatte seiner Fürsorge nach so langer Verwüstung durch Krieg und Pest sehr viel zu danken. Bei der innern Regierung kam es ihm sehr zu statten, dass er in der Jurisprudenz und in der lateinischen Sprache wohl bewandert war. Nach dem Absolutismus Leopold I., nach dem stürmischen Aufbrausen der Unabhängigkeitsbestrebungen unter Riköczy fühlte sich die Nation unter der väterlichen, gerechten, gemässigten Regierung CarTs „wie im Hafen der Sicherheit eingelaufen".

Zustand des Landes.

Nach der Beendigung des RAköczy ^schen Krieges war überall das Gefühl verbreitet, dass man vor einer neuen Geschichts- epoche stehe. Wie alle Völker des Alterthums und des Mittelalters setzte man auch hier die geschichtlichen Ereignisse mit den Phäno- menen der Natur in Verbindung. Das Jahr 1711 war von Natur-

Digitized by

Google

179

wundern und Plagen so erfüllfc, dass der Gläubige tiberall Gottes Finger erblicken musste. Es herrschte eine fürchterliche Pest, die in Ungarn allein an 300.000 Menschen dahinraflPbe, vielleicht ein Zehntel der ganzen Bevölkerung. Ueberschwemmung, Hagel, Vieh- seuche, Erdbeben bringen das Volk zur Verzweiflung. Die Theiss verlässt ihr Bett und die Fische bleiben auf dem Trockenen. Der alte Cserei zeichnet dies Alles mit bewunderndem Glauben auf und setzt hinzu: „Ich glaube, dass unsere Sache sich nicht zum Bessern, sondern zu noch Böserem wenden wird." ^) Unter solchen Verhält- nissen nahm die mit dem Namen „Labanczen" verspottete höfische Partei, im Verein mit den sich an sie anschliessenden alten „Kuruczen", die Neugestaltung des Staates in Angriff.

Seit der Schlacht von Mohics war Ungarn nicht mehr in der Lage, seine innere und äussere Politik nach seinen eigenen, natio- nalen Gesichtspuncten und Interessen zu lenken. Es musste sich mit dem Möglichen, oft mit sehr Geringem begnügen. Es musste seine Stellung zwischen Kaiser und Pforte nach den Bedürfnissen des Moments wechseln. Für die Zustände, die nach Ausgang der Wirren sich ergaben, konnte kaum jemand sich begeistern. Sie konnten weder in Wien und beim Heere die Traditionen der Kol- lonics und Heister, noch im Lande das Andenken Eik 6 czy's ver- gessen machen. Aber, was die Hauptsache war: die Nation lebte und entwickelte sich unter ihnen. Sie bewiesen, dass man bisher unvereinbare Gegensätze vereinen könne. Sie bezeugen den Sieg der Berechnung und des Verstandes über die Leidenschaften.

Ohne Zweifel war Ungarn im Jahre 1740 volkreicher, wol- habender, gebildeter und freier, als es 1711 gewesen. Sein Zustand entsprach nicht dem Ideal der politischen und Glaubensfreiheit, noch dem der nationalen Unabhängigkeit. Doch dürfen wir nicht vergessen, dass diese Epoche nicht auf die ruhmvolle Zeit Ludwig des Grossen und Matthias Corvinus' folgte, nicht einmal auf die Jahre Gabriel B e t h 1 e n's und Nikolaus Esterhdz y's, sondern dass ßie der türkischen Eroberung und den verheerenden Religions- tind Nationalitäts-Kämpfen ein Ende machte. Die ungarische Nation stand am Rande der Vertilgung, jetzt zählt sie wieder mit unter den Völkern Europas. Selbst Tacitus fand das Kaiserthum in Eom begreiflich: „denn wie wenige gab es, die die Republik noch sahen". *) Mit welchem Dank und welcher Zufriedenheit mussten

*) L c. 475. Nemzeti könyotÄr.

*) Quotus quisque reliquus, qui rem publicam vidisset,

12*

Digitized by

Google

180

jene auf die Reichstage, das Forfcschreiten der Oulfcur und der Be- J

völkerung blicken, die einst die Thätigkeit der Heister und Caraffa mit angesehen, die an der Versammlung in Onod, an den Schlachten von Trencsön und Zsibö theilgenommen und in deren Erinnerung die Zeit noch nicht verwischt war, in welcher ein türkischer Pascha in Ofen residierte.

Das Gefiihl der grösseren Sicherheit und der Zufriedenheit verbreitete sich immer mehr. Man war sich dessen bewusst, dass durch die Stillung der Unruhen und die Vertreibung der Türken die Möglichkeit des friedlichen Fortschrittes gegeben war. Kuruczen imd Labanczen wollten dies in gleicher Weise ausnützen. Es war ein alter BAköczyaner, Fr«mz von S z 1 u h a, der sich des Ausdrucks bedient, dass Ungarns Schüff unter König Carl in den Hafen ein- gelaufen sei. ^) Ein Prälat stellt in seiner auf dem Reichstage 1722 gehaltenen Rede Carl hoch über Alexander den Grossen, denn: er begnügt sich nicht damit, zu erobern, er trägt auch Sorge für das Glück seiner Unterthanen. Als Ausfluss dieses Dank- und Sicherheitsgefühles ist vor Allem die einstimmige Annahme der pragmatischen Sanction zu betrachten.

Diese Ueberzeugung waltete nicht blos in den regierenden Classen vor, sie durchdrang alle Schichten des Volkes. Noch 1717 und 1718 befürchtete man innere Unruhen als Folge des Türken- krieges, Rik6czy und Bercsönyi erwarteten mit dem ganzen Sanguinismus der Emigrierten die Gelegenheit, nach Ungarn zurück- zukehren.

Am Schlüsse der Regierung CarTs stand die Monarchie wieder im Kampfe mit den Türken. Der Krieg nahm einen unglücklichen Verlauf; alle Eroberungen Eugen's standen auf dem Spiele. Dazu kam noch, dass man beim Tode des Kaisers grosse europäische Zerwürfnisse voraussah. Der Sohn Franz R i k 6 c z y's 2) trat als Erbe der Ansprüche imd des Vermächt- nisses seines Vaters auf. Aber selbst in der Türkei, im Lande der Emigration, hielt man es schon für eine Sünde, den Frieden des Vaterlandes zu stören. „Gott möge nicht geben, dass Jemand zu uns komme." ,,Gott sei Dank, es kam Niemand, der was werth wäre," schreibt einer der getreuesteu Anhänger R 4 k 6 c z y's im Exil, Kelemen Mikes. ^)

') Eede vom 30. Juni 1722 an die Stände. Gedruckt in Pressburg 1722.

») Der ältere Sohn Franz, gest. 1738.

•j Mikes Kelemen, Törökorszdgi levelek ed. Abafi.

Digitized by

Google

181

Gravamina, schwebende Fragen.

Die Verfassungsfragen wurden nicht mehr» mit dem Schwerte ausgefochten, endgiltig gelöst und ausgetragen waren sie aber mit niohten. Es fehlte viel daran, dass die wirklichen Verhältnisse dem Geiste imd dem Buchstaben der Gesetze entsprochen hätten. Und da die Entscheidung in den meisten Fällen nicht blos eine Rechts- frage, sondern auch eine Machtfrage involvierte, zog sich die Lösung von Jahr zu Jahr hin. Selbst „die gesetzliche Abhilfe des Reichstages" fährte nicht immer zum Ziele, denn in dem Vollzug der Artikel hatten ja auch die Wiener Behörden mitzusprechen.

Als Hauptgravamina wurden auf dem Reichstag von 1722 1723 behandelt: 1. Dass Siebenbürgen, das Banat von TemesvÄr, Syrmien, Serbien und die Militärgrenze dem ungarischen Reiche noch nicht ein- verleibt waren. 2. Die unverhältnissmässig hohe Steuer, die drücken- den Militärlasten der Einquartierung und des durchziehenden und stationierenden Militärs. 3. Die Femhaltung der Landeskinder von den hohen Aemtem. 4. Der hohe Salzpreis. 5. Die Reduction des un- garischen Militärs und die Femhaltung derEdelleute von der Armee. ^)

Von diesen Beschwerden bezogen sich die ersten drei auf wirkliche Gravamina des Reiches. Die Einverleibimg der zu Ungarn gehörigen Länder war ein Punct des Königseides, machte aber nichtsdestoweniger nur langsame Fortschritte, da die kaiserlichen Behörden den Forderungen der Diät gegenüber sich auf die That- sache berufen konnten, dass die Eroberung Syrmiens, des Banates und Serbiens nur den Waffen und der Opferwilligkeit der ganzen Monarchie zu verdanken sei. Mit Siebenbürgen verhielt sich die Sache noch anders. Die siebenbürgischen Stände hatten 1691 be- sondere Gerechtsame erlangt und die dort so einflussreichen Protestanten widerstrebten selbst der Vereinigung mit Ungarn, wo die Katholisierung in voller Blüthe stand. Die im Banat aus- gebrochenen Unruhen, die Auswandemng vieler Serben nach JBussland, der Aufstand des Pdr6 Szegedinecz im Jahre 1735 mussten die Regierung davon überzeugen, dass auf diesem neu- gewonnenen, so lange brach gelegenen Gebiet eine strenge und wache Administration Noth thue. Das Recht Ungarns stand ausser Frage, die Einverleibmig selbst wurde aber erst gegen Ende der Eegierung Maria Theresia's vollzogen.

*) Brief Szluha's an den Palatin 2. März 1722 bei Salomon. A Magyar kirÄlyi tzek betölt^se 6s a pragmatica sanctio. 134—135.

Digitized by

Google

182

Viel wichtiger für die Gegenwart war die Klage, dass die Ungarn von der eigentlichen Leitung der Monarchie, von dem Staats-Ministerium,» wie man unter Maria Theresia sagte, aus- geschlossen blieben. Die grossen Geschlechter fühlten sich der österreichischen oder böhmischen Aristokratie gegenüber dadurch zurückgesetzt. Aber das ganze Reich musste es schmerzlich empfinden, dass gerade in der Epoche, in welcher durch die pragmatische Sanction eine unauflösliche Verbindung zwiscten den Erblanden und Ungarn angeknüpft wurde und wo de facto die wichtigsten Angelegenheiten Ungarns in der "Wiener Staats- Conferenz verhandelt wurden, Ungarn im höchsten BÄthe des Monarchen gar nicht vertreten war. Ein unvergleichlicher Zeuge, Maria Theresia selbst, entscheidet diese Frage zu Gunsten der ungarischen Ansprüche. Sie hielt es für sehr unbillig, dass die österreichischen Minister im Rathe ihres Vaters mit den Böhmen rivalisierten und nur darin mit ihnen einig waren, wie sie die Ungarn von den Aemtern ferne halten sollten.

Diese systematische Vernachlässigung erzeugte gerade in den Kreisen der getreuen und loyalen Aristokratie viel böses Blut. Bittere Klagen werden laut, als 1737 bei dem Ausbruche des neuen Türken- krieges nicht Johann P dl ff y, dem der Herzog von Lothringen schon dazu gratuliert hatte, sondern Seckendorf zum Peldherrn ernannt wurde. Der greise, um die Dynastie und das Land hoch- verdiente Oberstlandesrichter schrieb an den Kaiser wie folgt: „Ich kann den tödtlichen Schmerz, der mich zu Grabe trägt, nicht verbergen, wenn ich sehen muss, wie ungeachtet des vielen Blutes, das meine Familie und noch zuletzt meine beiden Söhne für das Allerhöchste Haus vergossen, ungeachtet, dass Niemand je meine treuesten Kriegsdienste getadelt hat, man mich doch zu meiner öffentlichen Schande vor meinem Vaterlande und der ganzen Welt von dem Heeresbefehl entfernt hat und gerade bei Beginn des Feldzuges, als Niemand daran gedacht hat. Auch kann ich e^ nicht anders erklären, als dass ich Eurer Majestät Allerhöchste Gnade wegen meiner Unfähigkeit oder aus Misstrauen verloren habe.''^* Und als der schlecht geführte Krieg zum Verlust der südlich der Donau gelegenen Provinzen, zum Aufgeben Belgrads und zur Verwüstung des Baiiats führte, schrieb der königliche Personal Freiherr Anton Grassalkovics an den Hofkanzler Grafen Ludwig Batthyany: „Meine Feder kann es nicht niederschreiben.

') Concept im Seniorats- Archiv in Pressburg.

Digitized by

Google

188

mit welchem Gefühle ich die Nachricht von dem imerwarteten und, wie ich wohl sagen darf, schändlichen Frieden vernommen habe. Das isf die Frucht der Zurücksetzung und Verachtung unserer Nation." ^)

Nicht den Adel, sondern gerade den Bürger- und Unterthanen- stand berührte die Beschwerde über hohe Steuer- und Militärlasten. Ungarn hatte zuerst 1715 (G. A. VEI) eine ständige Steuer auf sich genommen. Diese Steuer wurde 1724 auf 2,138.000 Gulden be- stimmt, wozu noch 1728 als Ablösung des Fleischkreuzers 118.652 Gulden kamen. Der Reichstag von 1728 1729 setzte die ganze Summe in 2V2 Millionen fest. ^) Im Vergleiche mit den Lasten der Erblande erschien diese Summe für ein Reich von der Grösse Ungarns als verhältnissmässig gering und die erbländischen Behörden führten auch stets Klage darüber, dass Ungarn zu ihrem Nachtheil bevorzugt sei. Sie vergassen, dass in Oesterreich imd Böhmen Handel und Industrie kräftig emporblühten, während in Ungarn Alles damiederlag und selbst der Export der Landes- producte nach den Erblanden grossen Beschränkungen imter- worfen war, gegen welche die Reichstage vergebens ihre Stimme erhoben.

Bei Beurtheilung der ungarischen Steuer- und Finanzverhält- nisse darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass das Land in Folge der natürlichen und historischen Verhältnisse in zwei sehr ungleiche HÄlften zerfiel. Der nördliche bergige und imfruchtbare Theil blieb von den Türken verschont, aber die Bevölkerung war verhältnissmässig dicht und musste ihren Unterhalt durch Industrie suchen. Diese, ehemals blühend, sank in Folge der erbländischen Concurrenz und ihrer Begünstigung durch das Zollsystem von Tag zu Tag. Die Städte verarmten, die Landbevölkerung wanderte, wo die Grundherren es gestatteten, in grossen Haufen aus. Der neu- gewonnene Süden dagegen war noch unbevölkert, die Landescultiu* stand noch in ihren ersten Anfängen, die Viehzucht war vor- herrschend und der steuerpflichtigen Bauerngüter nur eine geringe Anzahl. Der Norden musste also den grössten Theil der Geldlasten tragen, die für um unerschwinglich waren. Bei jeder Porten-

») Nat. Museum. Hdsch. fol. 136. 25. Nov. 1739.

•) Archiv der kön. ung. Hof kanzlei. Vortrag vom 80. Juni 1785. Nr. 8323. Die croatischen Comitate und Städte trugen etwa den dreissigsten Theil zur Kriegs-Contribution bei. Sie zaMten nach G. A. II, 1491 verhältnissmässig nur halb so viel als die anderen Eeichstheüe.

Digitized by

Google

184

Erectification musste den dort liegenden ComitÄfcen und Städten ein Theil ihrer Last abgenommen werden. ^) Aber auch das Tief- land ward nicht verschont. Denn das meiste Militär lag dort in Garnison, wo die Lebensmittel und die Fourage zu den niedrigsten Preisen geliefert werden konnten. Da die Preise aller Bedürfnisse äusserst gering bemessen waren, mussten die Comitate zur Be- schaffung der nothwendigen Artikel beträchtliche Summen hinzu- steuern. (Deperditen.) *) Diese Zuschläge wurden natürlich wieder auf die Landbevölkerung umgelegt, die ausserdem auch durch Einquartierung und Excesse viel zu leiden hatte.

Ebenso wichtig ist, dass die ganze Summe von den armen ünterthanen und den Bürgern aufgebracht werden musste. Geist- lichkeit und Adel waren steuerfrei. Und je ärmer der Bauer wew, umsomehr drückte es ihn, wenn er ausser dem Zehent für den Clerus, ausser dem Neuntel und anderen Servituten für den Grund- herrn noch baares Geld erlegen musste. Sehr empfindlich war auch in einem mit Salz gesegneten Lande der vom Aerar fest- gesetzte hohe Preis dieses unentbehrlichen Artikels. Man stand erst an der Schwelle der Naturalwirthschaft und der Staat stellte schon Anforderungen an die Geldwirthschaft. "Wie ein Volkslied dieser Zeit es ausspricht, „ist nicht einmal die Seele des Bauern mehr frei". „Er erwartet Tag auf Tag mit Schrecken, die Execution ist über ihm wie der Tartar. Oft ist das ganze Dorf nur mit einem Groschen im Rückstand, doch droht man den Richtern mit Prügeln imd Eisen, man führt sie ins Gefängniss mit ganzen Wagenftihren und sie können doch nicht zahlen." Die Ursache ist einfach: viele kennen das Geld nicht einmal der Form nach.*)

Diese Verhältnisse mussten das Landvolk gegen die Kriegssteuer und die kaiserliche Armee erbittern. Kein Wunder, dass 1736 auch viele Ungarn auf die Seite der aufständischen Serben traten.

Ausser diesen Fragen, welche das Verhältniss Ungarns zur Monarchie berührten, regten auch andere die öffentliche Meinung auf, welche auf das Verhältniss der einzelnen Confessionen, Stände und Nationalitäten zu einander Bezug hatten.

Croatien hatte sich in den RAköczy'schen Wirren, unter der Führung seines Banus Johann Pdlffy grosse Verdienste um den

*) Ueber die Porten und deren Vertheilung vergL Marczali, 11., J6zsef I. 65—80 und Anhang

*) Schwartner, Statistik des Kön. Ungarn. 2. Aufl. 85. ') Nat. Museum. Sammlung Jankovics. 4. VIII. 127.

Digitized by

Google

185

Thron erworben. Es bildete in allen Kämpfen des XVII. Jahr- hunderts einen Rückhalt för die katholische und königstreue Partei in Ungarn und der endlich erfochtene Sieg dieser Partei musste auch der Stellung des Landes zu Gute kommen. Schon 1625 wird der bisherige Titel Croatiens, Slavoniens und Dalmatiens „Partes subjectae" in „Partes adnexae" verändert. Das Regnum Marianum, die ausschliessliche Herrschaft des römisch-katholischen Glaubens, im Hauptlande ein frommer Wunsch, war hier gesetzlich gewähr- leistet. Durch energische Durchfuhrung der katholischen Restauration, sowie durch vollständiges Eingehen auf die Pläne der Dynastie, hoflften die Oroaten auch auf Ungarn einen Druck in derselben Richtung ausüben zu können. Dieser Tendenz ist es zuzuschreiben, dass die croatischen Stände in ihrer Versammlung vom 9. März 1712 unter dem Vorsitz und über Antrag des Bischofs von Agram, Grafen Emerich Esterhdzy den Beschluss fassten, dass sie nach etwaigem Aussterben der männlichen Linie des österreichischen Hauses, auch an der weiblichen Linie festhalten und unter demselben Herrscher stehen wollten, „der nicht blos Oesterreich, sondern auch Steyermark, Kämthen und Krain besitzt und in Oester- reich residiert", und diesen Beschluss durch eine Deputation dem Kaiser unterbreiteten. Es leidet keinen Zweifel, dass die croatischen Stände durch einen Beschluss über die Erbfolge ihren "Wirkungs- kreis weit überschritten und der Kaiser konnte auch nichts anderes thun als sie auf die Beschlüsse der ungarischen Stände verweisen, auf die er in derselben Richtung einwirken wolle. Dieser Schritt Croatiens hatte also keine weitem Folgen.*)

Da in Ungarn dieselben Principien das Uebergewicht erlangten, für welche der croatische Adel stets gekämpft hatte, konnte die Nationalität, so lebhaft auch ihr Geföhl auf beiden Seiten war, keine dauernde Zwietracht erregen. Die Adelsfreiheit und die Amts- sprache waren dieselbe, die Familien waren vielfach blutsverwandt. Es ist bemerkenswerth, dass gerade ein ungarischer Prälat croati- scher Abstammung, Graf Gabriel Patachich, Erzbischof von Kalocsa, die Magyarisierung mit dem grössten Eifer betrieb, selbst- verständlich nicht aus nationalen, sondern aus confessionellen Gesichtspuncten. *)

Die grössten Differenzen verursachte die Nationalität in jener Zeit zwischen Ungarn und Serben. Hier wurde der Racenunter-

*) Bid ermann, 1. c. IE. III. Abschn. Note 64. ') Steph. Katona Hist. Archiep. Coloc. II.

Digitized by

Google

186

schied durch die Verschiedenheit der Cultur und des Griaubens gesteigert. Denn zwischen Ungarn, Deutschen und Slovaken hatten, auch bei verschiedener Beligion, die gemeinsamen geschichtlichen Erinnerungen und die gemeinsame Cultur schon eine gewisse Solidarität geschaffen. Zwischen ungarischem und croatischem Adel konnten keine wesentlichen Gregensätze auftauchen, da das Privi- legium sie zusammenhielt. Die Walachen (Eumänen) aber waren entweder Leibeigene oder Hirten, die noch ein halbnomadisches Leben führten imd in politischer Beziehung noch nicht mitzählten. Selbst vom Gesichtspuncte der Bekehrung beschäftigte man sich erst später mit ihnen. Hiezu kam, dass die walachischen und ruthenischen Gebiete nicht an das Gebiet des vorschreitenden, erobernden Katholicismus grenzten, sondern an den in sich ge- schlossenen, aber der Propaganda entsg^enden Calvinismus. Diese geographische Lage erklärt ihre grössere Widerstandskraft nicht nur gegenüber der Bekehrung, sondern auch gegenüber der Ma- gyarisierung. Die Wiener Regierung Hess sie nicht aus den Augen und Carl VL bekräftigte am 13. August 1720 das von Leopold I. am 23. August 1692 erlassene Diplom, in dem er die griechisch- unierte Geistlichkeit und das Volk in Schutz nahm.^)

Die Territorien der einzelnen Nationalitäten waren in Folge der geringeren Besiedelung und der grössern Beweglichkeit der Bevölkerung noch nicht scharf abgegrenzt. Die ungarischen Gegenden an der Theiss und am Plattensee, die slavischen im Nordwesten und die croatischen im Südwesten ausgenommen, gab es lauter Enclaven und Exclaven. Doch auch in dieser Zeit machte die Magyarisierung, besonders im Tiefland und jenseits der Donau, grosse Fortschritte.

Li dieser Epoche übte also die Verschiedenheit der Nationa- litäten keine hervorragende Rückwirkung auf die politischen Ver- hältnisse aus. Die politische Macht war an den Adel geknüpft imd darin machte die Nationalität keinen Unterschied.

Was den Adel spaltete, war der Glaubensunterschied.

Nach dem Unterliegen der Türkenmacht war der Protestantis- mus für die Dynastie politisch nicht mehr gefährlich. Andererseits erwies sich die katholische Partei, besonders die hohe Geistlich- keit, doch nicht als willenloses Werkzeug des Hofes. Unter solchen Umständen liess die Leidenschaft des Bekelirens, die unter Leopold L

*) Fiedler, Beiträge zur Gescliichte der Union der Ruthenen. Kais. Aka- demie 1862. 514.

Digitized by

Google

187

so hoch loderte, unter seinen Nachfolgern beträchtlich nach. Die Ursache davon ist nicht in den persönlichen Geftlhlen des Monarchen zu suchen. Carl VI., der die spanische „katholische" Krone ftüher trug als die kaiserliche und ungarische, war ein so gläubiger Sohn seiner Kirche, als je irgend einer seiner Vorgänger. Ein Denkmal seines Glaubenseifers ist die reiche Carlskirche in Wien. Als der Krieg gegen die Türken seinen Heeren keinen Sieg brachte, hoflfte er von der Aussetzung des AUerheiligsten in den Kirchen eine günstige Wendung.*) Aber als Kaiser war er nach zwei Seiten hin gebunden. Einestheils bildete das Bündniss mit den protestantischen Seemächten und mit Preussen die Grundlage seines politischen Systems und wenn er auch versuchte, durch enges Anschliessen an Spanien und Russland seine fiiihem ADürten entbehren zu können, führten diese Versuche zu keinem dauernden Resultat. Anderer- seits war in seinem Heere der Protestantismus stark vertreten. Die ausschliesslich katholisierende Richtung sah stets in der Armee ihren gefährlichsten Gegner.

Die Politik des Hofes gegenüber den Protestanten konnte nicht mehr den von der Geistlichkeit eingeschlagenen Weg wandeln. Diese konnte sich ihren religiösen Bestrebungen hin- geben, die Regierung aber musste mit politischen Factoren rechnen. Dieser Unterschied wird schon 1720 bis 1721 klar, als die Reichstags- Commission in Glaubenssachen zusammentrat und die Regierung den Uebergriffen der Prälaten ein Ziel setzt. 1721 lässt sie das "Verzeichniss der Forderungen des Clerus vernichten.^) Wohl um die Protestanten fiir die pragmatische Sanction zu gewinnen, ^wünschte der König in seinem am 1. November 1722 an den Palatin erlassenen Schreiben, dass ihren Beschwerden noch auf diesem Reichstage abgeholfen werden solle. Ein anderer Erlass vom 12. Juni 1723 machte es den Comitaten zur Pflicht, gegen die Pro- testanten mit grösster Schonung vorzugehen. So wichtig war das politische Interesse, dass selbst der Fürstprimas von Ungarn ge- lindere Saiten anschlug imd dem preussischen Gesandten sagte: ,,So lange es Gott nicht wenden wolle, müsse man als communes Europae cives zusammen leben."^)

In dieser Weise nahm die Krone einigermassen eine Stellung über den Parteien ein, indem sie, bei all' ihrem Interesse für den

*) Friedrich der Grosse. Memoire s de Brandenburg.

*) Kön. Archiv in Berlin.

•) Bericht des kön. preuss. Gesandten Graeve ans Wien. Archiv. Berlin.

Digitized by

Google

188

Katholicismus, wenigstens den änssersten Anforderungen der Geist- lichkeit entgegentrat.

Der eigentliche Kampf um das politische Recht des Protestantis- mus ward auf dem Reichstage 1728/29 ausgefochten.

Der Reichstag hatte zum Behuf der Rectification der Porten (der Steuer -Vertheilung) eine Commission entsendet, zu deren Mit- gliedern auch Samuel Zsembety aus Tur6cz (evangelisch) und Paul Katona aus Borsod (reformiert) gehörten. Von der Commission wurde der Eid gefordert, ohne Parteilichkeit und gewissenhaft vor- zugehen. Zsembery und Katona weigerten sich, den gesetzlich vorgeschriebenen Decretal-Eid zu leisten, in welchem die heilige Jungfrau und die Heiligen vorkommen. Die katholische Majorität, mit dem Erlauer Bischof Graf Gabriel Er d ö dy imd dem Obersthofmeister Graf Josef EsterhAzy an der Spitze rief nach „Action", d. i. der gesetzlichen Strafe för die Störer der Berathung. Die Protestanten erhoben sich zur Vertheidigung ihrer Glaubensgenossen und endlich wandten sich beide Theile an die königlichen Commissäre Kinsky und Nesselrode. Diese suchten zu beschwichtigen, bis der königliche Bescheid herabgelangt sei. Die Majorität jedoch gab sich damit nicht zufrieden, sondern liess die beiden Deputierten trotz des Widerspruches des Paul Jeszen&k, des Bevollmächtigten des Prinzen Eugen, durch den Thürsteher der Statthalterei aus der Sitzimg entfernen. Ausserdem wurden sie zu der gesetzlichen Strafe von 64 fl. verurtheilt und da man ihnen mit Kerker drohte, blieb ihnen nichts übrig, als diese Summe zu erlegen. Damit noch nicht zufrieden, forderte man auch die protestantischen Deputierten der Comitate Veszpröm, Mittel-Szolnok und Kraszna, die ebenfalls den Decretal-Eid verweigerten, für den 11. August vor die Ständetafel. Aber die also Bedrohten schlugen den Weg nach Wien ein und erwirkten eine königliche Resolution des Inhaltes, dass der Beschluss der Stände suspendiert werde und dass man, die Frage des Eides bei Seite setzend, an die Rectification der Porten schreiten solle.*) EsterhÄzy fiel in Ungnade und wurde seiner Würden entsetzt, die er jedoch schon im folgenden Jahre zurückerhielt.*)

In England wusste die Staatskirche durch die in der Test- Aöte vorgeschriebene gesetzliche Eidesformel die Andersgläubigen,

>) Horvdth. Magyarorsz^g törtenelme, VU. 163— 166. Fes sie r, Gesch. der Ungarn, X, 354.

•) Kalinovics, Postuma Memoria Joseph! Esterh&zy. A^, T3miaviae 1764. 74—79.

Digitized by

Google

189

besonders die Katholiken, ihrer politischen Rechte, ihres Antheiles am Staate zu berauben. In Ungarn führte der ähnliche Versuch der katholischen Staatskirche nicht zum Ziele. Gesetzlich liess sich die politische Gleichheit des protestantischen Adels doch nicht verletzen ; ein derartiger Anschlag fand bei der Krone keine Unter- stützung. Für Fanatiker vom Schlage des Bischofs Erdödy, der Ungarn eher arm und katholisch haben wollte, als reich und durch Irrglauben befleckt, bot das System Kaiser C a r Ts keinen Raum. ^) Doch würde man irre gehen, wenn man von dem für die Protestanten günstigen Ausgange der Eides-Frage auf Gerechtigkeit oder auch nur Toleranz ihnen gegenüber folgern würde. Die könig- liche Resolution vom 21. März 1731 war sehr weit davon entfernt, den gesetzlich gewährleisteten Rechten der protestantischen Kirche zu entsprechen, wenn sie auch andererseits die Jesuiten nicht be- friedigte. Cardinal Althann, Bischof von Waitzen, ermangelte auch nicht, heftig gegen diese Resolution zu protestieren.

Er wurde an den Hof beschieden und als er nicht erschien, wurden seine Beneficien unter Sperre versetzt.

Doch blieb die Staats-Regierung in allen ihren Organen rein katholisch und nahm Antheil an dem katholischen Bekehrungs- werke. Sie duldete nur connivendo die reformierten Vicegespane und Beisitzer in den Comitaten, die evangelischen Richter und Magistrate in den Städten und erzwang selbst in Municipien, wo es kaum Katholiken gab, wie z. B. in Debreczin, paritätische Rathswahlen. Wo der Gutsherr katholisch oder gar geistlich war, wurden die protestantischen Kirchen und Schulen weggenommen, die widerspenstigen Unterthanen abgestiftet. Dem Adel gegenüber konnte man nicht in dieser Weise verfahren. Anstatt directer Ver- folgung suchte man durch Entziehung der Vortheile zum Ziele zu gelangen. Man wusste, dass Bekehrungen das beste Mittel seien, eine rasche Carriere zu sichern.

Wenn so der Adel auf dem Reichstage von 1728 1729 durch den ö-lauben in sich gespalten erschien, hörte er doch nicht auf, einig zu sein, sobald es seine Vorrechte galt.

Auf demselben Reichstage kam die Frage der Steuerfreiheit der adeligen Gründe zur Verhandlung. Die Regierung war selbst- verständlich bestrebt, für die Umlage der Steuer die möglichst sichere Sasis zu gewinnen. Als solche bot sich vor allem der Grund und Boden dar. Nach ungarischem Recht aber gehörte der Boden, auch

*) Grollmann, StÄtistische Aufklärungen, II, 37.

Digitized by

Google

190

die Bauerngüter, ausschliesslich dem Adel, für den seine Steuer- freiheit, „die jungfräuliche Schulter", als das Palladium der Ver- fassung galt. Nun kam es, besonders in den obem Comitaten, von wo die Bauern oft auswanderten, häufig vor, dass der Grrundherr die verlassenen Sessionen als AUod bebauen liess. Nach der Auf- fassung der Regierung sollte er von solchen Gründen, die eigentlich Bauerngüter seien, Steuer zahlen. Dagegen sträubte sich der Reichstag mit aller Macht, indem er behauptete, dass die Steuerlast nicht am Boden, sondern an der Person des Bauers hafte. Am heftigsten verfochten der Graf Joseph Esterhizy, königlicher Statthalterei- rath, und der Protonotar Adam Zichy dieses Princip, wofür sie auch als Verfechter der Adelsfreiheit gefeiert wurden. Sie reisten auch an das Hoflager nach Graz, um den König zu einer Aner- kennung dieses Principes zu bewegen. ^) Carl begnügte sich mit der Erhöhung der Steuer, deren gerechte Vertheilung er befahl und liess die Freiheit des Adels unangefochten. Gesetzlich festgestellt wurde aber diese erst vom Reichstage 1741. Damals wurde der Grundsatz inarticuliert : „ne onus inhaereat fundo" und zugleich die „ewige'* Freiheit des Adels von jeder Steuer bekräftigt.

(G. A.vm.)

Dies waren also die Fragen, welche das damalige politische Ungarn bewegten. Sehen wir nun die Männer, welche im Rathe der Krone und der Nation das Meiste wogen und die besonders beim Thronwechsel in den Vordergrund treten mussten.

Staatsmänner und Feldherren.

Bei einer Verfassung, wie es die ungarische war, mussten die grossen geistlichen und weltlichen Würdenträger nicht nur alle Geschäfte leiten, sondern als natürliche Häupter auf alle Regungen des nationalen Lebens den grössten Einfluss üben. Sie hatten schon im Jahre 1722 zur Vorbereitung und Annahme der pragmatischen Sanction das Beste gethan. Dass die Comitate die weibliche Erb- folge annahmen, war vor Allem das Werk des Palatins, des Cardinal Fürst-Primas, des Cardinal-Erzbischofs von Kalocsa, des Bischofs von Erlau, des Banus und des Grafen Alexander K&rolyi.

Es war eine m'kräftige, leidenschaftliche, im Krieg und Frieden gleich gewandte Generation, deren hervorragendste Mitglieder beim

») Kalinovics, 1. o. 72—74.

Digitized by

Google

191

Antritte der Regierung Maria Theresia's an der Spitze der ungarischen Verwaltung standen.

Voran Graf Johann Pdlffy, Oberstlandesrichter, der schon dreissig Jahre früher als Banus von Croatien um das Zustande- kommen der Pacification von Szatmdr sich grosse Verdienste erwarb und dann nach 1741 noch zehn Jahre hindurch als Palatin die erste Stelle nach dem Thron einnahm. Nicht blos ein tapferer Krieger, sondern auch als Feldherr ein würdiger Genosse des Prinzen Eugen, an dessen Siegen bei Peterwardein und Belgrad er grossen Antheil hatte. In seiner Jugend eine gewaltthätige, aufbrausende Natur, auf seine und seiner Familie Hebung ebenso bedacht, wie auf den Dienst seines Herrn und Königs, erhielt er sich eine unzerstörbar scheinende Lebenskraft bis in das hohe Alter. Mit achtundsiebzig Jahren gieng er 1741 die dritte Ehe ein imd ist noch bereit, für seine Herrin als der gesetzliche Anführer des bewaffneten Adels das Schwert zu ziehen.

Ihm schliesst sich der Banus Graf Esterhäzy an. Er wurde zum Geistlichen erzogen, zog aber bei Beginn des R i k 6 c z y'schen Krieges in's Feld und führte so zu sagen einen persönlichen Krieg um den Besitz seiner Erbgüter *) gegen seine Brüder, die sich dem Aufstande angeschlossen hatten. Im Frieden ordnete er seine Güter imd war eines der streitbarsten Häupter der katholischen Adels- partei. Im Schutze der Kirche und der Adelsprivilegien setzte er sich 1729 sogar der Ungnade des Königs aus. Er war es, der 1741 am heftigsten die österreichischen Minister angriff und der die Königin aufforderte, sie möge ihr Vertrauen in die Ungarn setzen lond in Ofen residieren. Mit welcher Mühe und Gefahr er auch seine Dominien erhalten und vermehrt, mit welcher Sorge er auch bestrebt war, sie in guten Stand zu versetzen, er war stets bereit, sein ganzes Vermögen seiner Königin zur Disposition zn stellen. Mehr als siebzig Jahre alt, steigt er noch 1744 zu Pferde und filhrt die Adels-Insurrection nach Schlesien.

Derselben Familie gehörte auch der Pauliner-Frater, Emerich Esterhdzy, früher Bischof von Agram, dann Fürst-Primas von Ungam an. In seinem gebrechlichen Körper wohnte eine unbeugsame Seele. Unter allen Leiden hielt ihn sein hohes Pflichtgefühl aufrecht. Er widmete seine Revenuen beinahe ausschliesslich geistigen Zwecken, ein lebendes Denkmal jener Zeit, in der die katholische Kirche in Ungam noch um die Suprematie kämpfen musste. ^)

*) Eigenhändige Aufzeichnungen im gräfl. Archiv in Csekl6sz. ^ Fessler, 1. c. 277—289.

Digitized by

Google

192

Einen andern Typus des geistlichen Magnaten zeigt Graf Gabriel Patachich, Erzbischof von Kalocsa. Er war es, der, obwohl Croat, die Stadt Kalocsa magyarisierte und wenn es noth- wendig war, die Bevölkerung mit Geld- oder Prügelstrafen nöthigte, ungarisch zu reden. An den Diäten hält er sich meist zur Oppo- sition, wie er denn auch 1741, wegen seiner selbstständigen Haltung in der Frage der Mitregentschaft, die Ungnade Maria Theresia's auf sich zog.

Zu diesen alten Kämpfern für Thron und Altar gesellte sich ihr fiüherer Gegner, Graf Alexander K 4 r o 1 y i, ehemals der tapfere Feldherr RÄköczy's, der mit PÄlffy den Vertrag von SzatmÄr abgeschlossen. Wie früher im Kriege, so war er jetzt unermüdlich im Frieden. Neben der Bewirthschaftung seiner ererbten und seiner viel grossem, durch königliche Gnade erhaltenen Güter, findet er Zeit fiir Comitats- und Landes- Angelegenheiten. Gerade seine Ver- gangenheit knüpft ihn um so enger an das Interesse des Hofes, in dessen Dienst er dann in die Reihe der reichsten und mäch- tigsten Oligarchen des Landes emporstieg. Die andern grossen Familien waren alle den Donau-Districten entstammt; er ist der erste mächtige Magnat der Theissgegend, der dem dort über- wiegenden protestantischen und oppositionellen Mitteladel gegen- über das Banner des Hofes und der katholischen Kirche hoch hielt. *)

Alle diese Männer, geistlich und weltlich, trugen das Gepräge der Epoche an sich, in welcher die ungarische Nation ihr Leben noch nicht unauflösbar an die Dynastie gekettet hatte, an die Epoche, in welcher sie noch als selbstständiger Factor in den europäischen Angelegenheiten mitwirkte. Sie alle schlössen sich mit voller Aufrichtigkeit an das Haus Habsburg an. Familientradition und Glaubens-Literesse machten sie gleicherweise zu Anhängern des Hofes. Sie hatten an die Befestigung des Thrones gegen den Sultan und E & k ö c z y, dann auf den Diäten und durch die pragmatische Sanction wesentlich mitgearbeitet. Aber ihre Treue war nie eine knechtische, sie vergassen in ihrem königlichen Amt und Dienst nie ihrer Würde, welche ihnen ein gesetzliches Recht zur Leitung einer alten, ruhmreichen Nation einräumte. Sie betrachteten ihre Auszeichnung als etwas selbstverständliches und duldeten schwer die Zurücksetzung, wenn sie sich auch nicht mehr, wie ihre Vorfahren es gethan, dagegen auflehnten. Sie erinnern noch lebhaft an die Stammhäupter, die Arp&d und seine Nachfolger einst als ihre

') Karolyi SÄndor Ön61etir4sa, herausgegeben von Szalay L4szl6.

Digitized by VjOOQIC

193

erblichen Fürsten anerkannten, aber daflir einen Theil der Beute fordern nnd nicht zulassen, dass man sie und ihre Nachfolger aus dem Bath und den Würden des Landes entferne. In ihrem Comitat imd in ihren Regimentern üben sie beinahe noch souveraine Rechte aus. In ihre Castelle, die sie nur selten verlassen, um nach Wien zu gehen, dringt zwar die fremde Sprache, die fremde Cultur ein, aber nur äusserlich, während im Innern die eigenthümliche un- garische Bildung und Lebensweise der Aristokratie des XVII. Jahr- hunderts, der Zrinyi, Riköczy und Esterhizy vorherrschend bleibt.

Wir sehen den freiwilligen Anschluss der mächtigen Vasallen an ihren legitimen Herrscher, in dem noch das persönliche Ver- hältniss voraussteht, während der Staat, die Institutionen, erst in zweiter Linie erscheinen.

Einigermassen in einem anderen Lichte erscheinen uns die Staatsmänner, welche damals in reifem Mannesalter stehen und den Platz der früheren Generation einzunehmen sich vorbereiten. Unter ihnen waren der Hof kanzler Graf Ludwig Batthyiny und der Personal Freiherr Anton Grassalkovics die bedeutendsten. Sie erhielten ihre Richtung schon von der auf die lange Kriegszeit folgenden friedlichen Periode. Die um die Existenz der Nation, um die Sicherheit der Ejrone gefochtenen Kämpfe waren zu Ende. Als ihr Ergebniss stellte sich dar: die Herrschaft der kaiserlichen Dynastie, obgleich im Rahmen der Verfassung und das üebergewicht der katholischen Kirche, obgleich der Pro- testantismus noch bestand. Für wirklich grosse politische Ambitionen blieb kein Raum. Daftir bot sich für die Begierde nach Macht und Besitz auf diesem durch so viele Kriege beinahe wüstgelegten Gebiete ein immenser Spielraum dar. Zum Reussieren war nichts noth^wendig als der bedingungslose Anschluss an die zur Herrschaft gelangten Factoren. Die Dynastie und die katholische Kirche hatten sich auch bisher als dankbar erwiesen. Im Amte, auf den Diäten, in den Comitaten und Städten musste man die Anhänger R d k 6 c z y's und die Akatholiken zurückdrängen, wenn möglich unterdrücken. Es war nur natürlich, dass ihr Erbe den Getreuen der neuen Richtung zufiel. Für Belohnung sorgte die neo- acqniistische Commission, denn wie viel immer die Kammer, die kaiserlichen Räthe und Generale von dem von den Türken zurück- genommenen Gebiet erhielten, war es doch nicht möglich, die Ungarn vollständig auszuschUessen.

Qesterreichisoher Erbfolgekrieg. I. Bd. 13

Digitized by VjOOQIC

194

Bei einem Batthydny genügten der Familien-Nexus und das, so zu sagen, erbliche Wohlwollen des Hofes und der Geistlichkeit, um das rasche Emporkommen zu erklären ; Anton Grassalkovics, der vielleicht die glänzendste Laufbahn machte, die in Ungarn ausser dem Soldatenstande je vorkam, musste sich diese Familien- verbindimgen erst erwerben.

Diese Männer erheben sich nicht mehr allein durch ihre, in schwierigen Verhältnissen entwickelte Kraft und Gewandtheit, Sie bereiten sich direct für den Staatsdienst vor. Ihre Erziehung und ihr Studium umfasst ausser der Kenntniss der Heimath auch Alles das, was das gemeinsame geistige Gut der damaligen ausländischen Beamten- Aristokratie ausmachte. Sie kennen schon die französische Aufklärungsliteratur ihres Zeitalters, sind in den grossen kirchen- politischen Fragen bewandert und auch in den damals so zeit- gemässen Kammer- und Wirthschaftsproblemen nicht unwissend. Die geborenen Magnaten schreiben und sprechen ebenso fliessend deutsch und französisch, als ungarisch und lateinisch. Es ist be- zeichnend, dass Ludwig BatthyAny, der letzte ungarische Palatin, der nicht aus königlichem Geblüt entspross, von seiner Mutter, der berühmten Eleonora Strattmann, ermahnt werden musste, er solle die ungarische Sprache nicht vernachlässigen. Sie fordert ihn auf, gewöhnlich französisch zu correspondieren, aber einmal monatlich ihr lateinisch, einmal deutsch, einmal ungarisch zu schreiben. „Er soUe die letztere nicht vergessen, denn er könnte ja erfahren, wie sehr er ihrer bedürfen werde." ^) Die Verschwägerung mit deutschen und böhmischen Familien trug ihre Früchte und die Herrschaft der französischen Literatur drängte nicht blos die ungarische, sondern auch die deutsche und lateinische in den Hintergrund.

Selbstverständlich war die Bildung, die Grassalkovics sich angeeignet, viel ursprünglicher. Der ehemalige Bettelstudent erhielt den ersten Unterricht bei den Jesuiten in Tymau. Er liess sich als Advocat in Pest nieder und kündigte sich besondei*s der katholischen Kirche und ihren Anhängern als Rechtsfreund an. Als Referent der neoacquistischen Commission, dann als Personal und Präsident der königlichen Tafel, vor Allem aber als Erwerber grosser Güter verschafft er sich eine seltene Keniitniss in den Irrgäiigen des ungarischen Rechtslebens. Die prac tische Richtung seines Geistes prädestiniert ihn zur Kammerpräsidentschaft. Wie

') Fürstl. Archiv in Könnend.

Digitized by

Google

195

er durch die Gunst der Herrsclier und sein eigenes Verdienst stets höher steigt, muss er nicht blos an Reich thum, sondern auch an Bildung und Lebensweise mit seinen ßanggenossen wetteifern. Mit seltener Schönheit, grossen Fähigkeiten und gewinnender Liebens- würdigkeit begabt, weiss er die zuerst Widerstrebenden zu bewegen, ihn als ihresgleichen anzuerkennen. Dabei ist er sehr behutsam und ruhmgierig, verweist selbst auf seine geringen Anfänge und auf die Hilfe Gottes, die ihn so hoch erhoben. ^) Zu seinem Charakterbild gehören die Aufbewahrung seines alten Betteltopfes als Reliquie und die Verehrung der heiligen Jungfrau in Besnyö in eben dem Masse, als das geschickte und schonungslose Zusammenraffen seiner fürstlichen Güter und die später zu Ehren der Kaiserin in GödöUö veranstalteten feenhaften Festlichkeiten. Die letzteren Züge zeigten, wohin der ungarische Edelmann sich erheben kann, die ersteren dienten dazu, den Neid und den bösen Willen seiner früheren wie seiner späteren Genossen zu entwaffnen.

Es fällt in die Augen, dass diese Generation viel weniger selbstständig und unabhängig war, als die ihr vorausgehende. Es mangelt ihr die, unter so viel Wandlungen des Schicksals erprobte Tapferkeit der Ahnen, der militärische Zug der Feudalität.

Bei den Magnaten wird doa nationale Gefühl durch die halb- fremde Abstammimg und durch die grösstentheils fremde Bildung geschwächt, bei den Emporkömmlingen durch die Sucht, es Jenen in Allem und Jedem gleich zu thun und durch das Bestreben, der königlichen Gunst durch immer neue Dienste sich würdig zu erweisen. Sie finden die königliche Macht schon felsenfest ge- gründet und können ihre Ambition nur unter deren Fittichen befriedigen. Wenn der König das Gesetz und die Verfassung nicht angriff, sind sie ohne Vorbehalt bereit, der Krone zu dienen. Es besteht, so zu sagen, ein stilles Einverständniss zwischen der Krone und ihren Räthen. Letztere rechnen auf eine persönliche Ent- schädigung für das, was der Herrscher unter ihrer Mitwirkung vom Ijande dargeboten erhält. Diese Männer waren die Begründer und zugleich die Vorbilder der ungarischen Auliker.

Aber auch ihr Gehorsam und ihr Diensteseifer haben ihre Grenze. Sie hören nicht auf, ihrer Geburt oder ihrer Stellung und Würde nach, die Mitglieder, ja die Häupter der privilegierten Classe des ungarischen Adels zu sein. So bereit sie sind, der königlichen

*) Eigenhändige Aufzeichnungen im Nat. Museum. Marczali, Maria Ter^zia, IB9-161.

13*

Digitized by

Google

196

Gewalt den Gegenparteien gegenüber zum Siege zu verhelfen, so wenig kann man auf sie rechnen, wenn die königlichen Forderungen die adeligen oder geistlichen Vorrechte berühren. Nicht nur ihr persönliches Interesse schreibt ihnen diese Politik vor, sondern das tief wurzelnde Bewusstsein, dass nur die adelige Freiheit ihnen, ihrer Familie, ja der ganzen Nation die Selbstständigkeit innerhalb der Monarchie sichere ; dass die Aufrechterhaltung des ungarischen Königreiches, als eines politischen Factors, an diese Freiheit geknüpft sei. Dieser esprit de corps verbindet sie im Nothfalle sogar mit der Opposition der Comitate und der Protestanten. Dieser esprit de corps ist es, welcher das bei ihnen noch unentwickelte staatliche und nationale Gefühl vertritt.

So war die Lage Ungarns beschaffen, als der Tod des Kaisers und Königs die Nation vor neue Aufgaben stellte. Ungarns Stellung zur Monarchie und zu Europa bezeichnet ein deutscher Geschichts- schreiber mit folgenden Worten : „Seitdem hatte Oesterreich eine ganz andere Grundlage als früher. Sonst wurden alle Kriege in Ungarn von deutschen Heeren geführt und man sagte, alle dortigen Flüsse seien mit deutschem Blut^ gefilrbt; jetzt erschienen die Ungarn als der Kern der österreichischen Heere in den deutschen Kriegen. Nun war es der französischen Diplomatie nicht mehr möglich, die Türken bei jedem Anlass in das Herz der Monarchie zu rufen; nur noch einmal fand sie bei den Missvergnügten Beistand und Hilfe; endlich war Alles ruhig; eben auf diejenige Provinz, die ihn bisher am meisten gefährdet hatte, gründete seit- dem der Kaiser seine Gewalt.'' ^)

{Prof. MarezaU.)

*) Bänke, Abhandlungen und Versuche, I. Die grossen Mächte, 16.

Digitized by

Google

Das Finanzwesen der Monarchie.

Digitized by

Google

(

i

Digitized by

Google

Finanzlage beim Regierungs- Antritt Carl VD.

-t>ei dem Regierungs-Antritte Carl VI. war die Finanzlage eine traurige. „Die Staatscasse ist leer, es befindet sich darin niclit ein HeUer," schrieb Starhemberg an den noch in Spanien weilenden Monarchen, „Hofstaat und Armeen sind unbezahlt, die Cameralgefälle auf Jahre verpfändet.'* Der seit Jahren andauernde Krieg hatte die ohnehin nicht reichen Hilfsmittel des österreichi- schen Ländergebietes stark in Anspruch genommen und heischte auch femer beträchtliche Summen. Auch nach Herstellung des Friedens trat eine Besserung nicht ein. Die Eegierungszeit C a r Ts war mit Kämpfen und Kriegs Vorbereitungen angefüllt. Zunächst erforderte der Krieg mit den Türken bedeutende Mittel und während des dritten Jahrzehnts mussten gewaltige Anstrengungen gemacht werden, um etwaigen Verwicklungen, die zeitweilig den x^usbruch eines europäischen Kampfes befürchten Hessen, gerüstet widerstehen zu können. Die aus der spanischen Erbschaft den Habsburgern zugefallenen Gebiete hatten sich als ein Danaergeschenk erwiesen. Endlich im letzten Jahrzehnt der Regierung C a r l's wurden durch die Kämpfe um die polnische Thronfolge und mit den Türken die finanziellen Kräfte geradezu erschöpft.

So unentwickelt auch die wirthschaftlichen Vorhältnisse der Länder waren, welche dem Scepter Carl VI. unterstanden, einer

') Eine die gesammte Finanzverwaltuiig umfassende Darstellung fehlt. Die geistvolle Arbeit S c h w a b e's : „Versuch einer Geschichte des öster- reichischen Staatsrechts" (zwei Hefte), ist leider unvollendet. M e n s i's : „Die Finanzen Oesterreichs von 1701—1740" (Wien 1890) enthält reiches Material zur Geschichte des Budgets und des Staatscredits ; D'E 1 v e r t : .,Zur öster- reichischen Finanzgeschichte", bietet brauchbare Angaben über einzelne Steuern, namentlich in Mähren und Schlesien. Eine einigerraassen entsprechende Ge- schichte der Besteuerung besitzen wir noch nicht.

Digitized by

Google

200

ziolbewussten, kenntnissreichen und energischen Persönlichkeit hätte es vielleicht gelingen können, dauernde Ordnung im Staatshaushalte herbeizuführen und auch für den ausserordentlichen Bedarf Vor- sorge zu treffen. Auch fehlte es an dem Manne nicht, der unter den Rathgebem des Monarchen wohl allein befähigt gewesen wäre, die allerdings schwierige Aufgabe zu lösen, wenn die gesammte Finanzverwaltung in seine Hände gelegt worden wäre. Gundaker Graf Starhemberg, seit 1703 Hoftammer-Präsident, besass alle Eigenschaften eines guten Finanzministers. ') Abgesehen von glänzenden Eigenschaften des Charakters, war ihm eine seltene Klarheit des Verstandes, ein hoher Sinn für Ordnung eigen, aber anstatt einer Concentration der Geschäfte, wie Starhemberg anrieth, trat eine bedenkliche Zersplitterung der Verwaltung ein, deren schädigende Folgen nicht ausbleiben konnten.

Neben der Hofkammer gab es nämlich noch zwei Körper- schaften, welche auf die Finanz-Angelegenheiten Einfluss hatten.

Seit Errichtung der Wiener Stadtbank durch das Diplom vom 24. December 1705 war die Aufsicht über die Beobachtung der Statuten einer Deputation, bestehend aus Mitgliedern der Hof- kammer und der niederösterreichischen Regierung, übertragen worden. Die dem Stadtbanco zugewiesenen Fonde verwaltete eine Bancogefälls- Administration, Anfangs ein rein städtisches Amt, ans dem Wiener Bürgermeister als Präses und den Mitgliedern des Stadtrathes bestehend. Eine Aenderung trat ein, seitdem die Mit- haftung der Stadt für die Bancoschulden aufhörte, worauf die Ver- waltung der an die Bank überwiesenen Gefälle an den Präses der Ministerial-Banco-Deputation übertragen wurde. Der Wirkungskreis dieser Körperschaft erweiterte sich im Laufe der nächsten Jahre durch die Ueberweisung zahlreicher Gefälle. Eine Verbindung mit der Hofkammer war Anfangs insofern vorhanden, als Graf Starhem- berg Hofkammer-Präsident und zugleich Präsident der Ministerial- Banco-Deputation war.

Seit Errichtung der Universal-Bancalität durch Patent vom 14. December 1714, wurde der Wirkungskreis der Hofkammer stait in Mitleidenschaft gezogen und wenn die ursprünglichen Pläne, welche den Rathgebem des Kaisers vorschwebten, verwirklicht worden wären, würde die Bancalität wohl die wichtigste Finanz-

') Starhemberg hatte bereits nach dem Tode Brenne r's, seit Mai 1698 bis Ende 1700 als Vice-Präsident die Hofkammer geleitet. Am 14. Dec 1700 trat Salaburg sein Amt als Hofkammer-Präsident an, die £menniui£ Starhnmberg's erfolgte am 4. Juli 1703.

\

Digitized by

Google

201

behörde geworden sein und hätte den Bestand der Hofkammer mit der Zeit überflüssig gemacht. Schwerwiegend war aber der Entschluss des Grafen Starhemberg, nach Gründung der Ban- calität seine Entlassung als Hofkammer-Präsident zu nehmen und sich lediglich auf die Geschäftsleitung der Banco-Deputation zu beschränken, in welcher Stellung er bis zimi Regierungsantritte Maria Theresia's blieb.

Die oberste Leitung der Universal-Bancalität war Anfangs einem Bancal-Gouvemeur, später einem Präses, in voller Unab- hängigkeit von jeder anderen Behörde, übertragen. An derBerathung über die Ausgaben und Einnahmen hatte die Bancalität mitzuwirken ; die Bestreitung des Erfordernisses für den Hof, die Verprovian- tierung der Armee, die Unterstützung der Fabriken und Manu- facturen wurde derselben speciell zur Pflicht gemacht. Ein kaiser- licher Befehl, wie die Hofkammer und die Bancalität „Alles was zum Allerhöchsten Dienst nothwendig sei, communicativ agieren und tractieren sollen", wurde am 26. April 1716 erlassen. Dadurch war der Wirkungskreis der Hofkammer stark eingeengt worden, da die Bancalität auch auf die Verwaltung der Cameralgefälle einen gewissen Einfluss gewann. Die Schwerfälligkeit und Unzweck- mässigkeit des gesammten Verwaltungs-Apparates machte sich fühlbar, da es schon in der ersten Zeit an Reibungen zwischen Bancalität und Hofkammer nicht fehlte. Dazu kam, dass zum Bancal-Gouvemeur eine Persönlichkeit ernannt worden war, welcher jene Kenntnisse fehlten, die gerade für diesen schwierigen Posten imbedingt erforderlich waren. Die Nothwendigkeit , Abhilfe zu schaffen, machte sich bald fühlbar und mannigfache Vorschläge tauchten auf, darin übereinstimmend, einer Körperschaft die Be- rathung über alle Finanz- Angelegenheiten zu übertragen, deren vom Kaiser genehmigte Beschlüsse den Executivbehörden als Weisungen zugehen sollten. Eine von Mikosch, dem Verfasser und Ver- theidiger des Bancalitäts-Entwurfes, ausgearbeitete Schrift vom 2. December 1715 wurde in einer Conferenz unter dem Vorsitze des Kaisers einer eingehenden Berathung unterzogen.

Der Verfasser des Bancalitäts-Projectes, der eine vollständige Regelung des Staatshaushaltes durch das Institut in Aussicht gestellt hatte, legte das Geständniss ab, dass der gegenwärtige Zustand einer Aenderung dringend bedürfe; das „ganze Werk sei besser und rechtschaffener zu concentrieren, um zu einer soliden Unität der Operationen alle Haupttheile, so zusammen aus der Verwaltimg des Aerars ein Ganzes machen sollen, in ihrer eon-

Digitized by

Google

202

venienten und vollkommenen Activität, ohne Collision, zu com- binieren und zu perfectionnieren". Das Bancalgovemo hatte sich nicht bewährt, M i k o s c h zog aber daraus nicht den Schluss, dass die Bancalität zu beseitigen sei, sondern der „angezielte Endzweck" sei dadurch zu erreichen, wenn der Kaiser sich entschliessen würde, ,, diese Incumbenz unter Seine Allerhöchste und persönliche Attention zu stellen"; einige Minister seien „zu einem Consess zu ernennen" mit der Aufgabe, ,,nicht blos die Operationen der Bancalität, sondern auch die Administration der Hofkammer, mithin alle Angelegenheiten des Aerars ohne höheren Recurs und absolute und autoritativ zu respicieren, dirigieren und manutenieren" ; im Falle der Kaiser einer Sitzung nicht beiwohne, sollte der im Range erste Minister den Vorsitz fuhren, die Beschlüsse und Weisungen sollten den Finanzbehörden nach erfolgter kaiserlicher Entschliessung übermittelt werden; dadurch würde eine Einheitlichkeit der ge- sammten Finanzverwaltung erzielt, der Wirkungskreis der Bancalität und der Hof kammer genau abgegrenzt werden ; auch sollte wieder ein Hofkammer-Präsident, welcher Posten nach dem Rücktritte Starhemberg's provisorisch durch einen Vice-Präsidenten ver- waltet wurde, „zum stabilen Capo" bestellt, för die Bancalität ein Director oder Inspector ernannt werden ; dem Uebelstande der bis- herigen Organisation und dem Zwiespalte zwischen Hofkammer und Bancalität sei dadurch abzuhelfen, dass die Verwaltung der Cameral- gefälle, insoweit sie nicht schon verpfändet seien, der Hofkammer anheimzufallen, die Bancalität jedoch als Generalcasse alle Aus- gaben zu bestreiten und gegen Ueberweisung der erforderlichen Fonde dem Staate Credit zu verschaffen habe. ^)

Das von Mikosch ausgearbeitete Project wurde einer Con- ferenz mit der Aufforderung übergeben, dass jeder anwesende Minister seine Meinung über die „Practibilität", sowie auch darüber abgeben sollte, „ob durch Stabilierung der Conferenz die sich der- malen ergebenden Obstacula behoben werden können". Allein diese principielle Frage wurde von der Conferenz gar nicht berührt und in dem an den Monarchen erstatteten Berichte über die Ergebnisse der Berathung mit keinem Worte erwähnt, ob es angezeigt sei, eine neue Körperschaft in's Leben zu rufen. Der Kaiser ordnete daher eine neuerliche Berathung in seiner Gegenwart an. Leider

*) Die Noth wendigkeit einer Generalcassa war längst fühlbar; 1728 wurde ein hierauf bezügliches Project berathen, aber man konnte „trotz aller Mühe ein qualificiertes Subjectum, welches sich des weitsehenden Generalcassa- werks annehmen" wollte, nicht auffinden. Aus einem Acte. 22. Feb. 1728.

Digitized by

Google

203

sind uns die Ansichten der einzelnen Minister nicht bekannt, welche bei dieser Sitzung abgegeben wurden. Der Kaiser sprach sich nach Anhörung seiner Räthe dahin aus, „dass die Sach', wie es dermalen liegt und das völlig unbesorgt stehende Camerale unmöglich länger subsistieren könne und zur Behebung der Dissentionen zwischen den Mitteln, d. h. zwischen der Hofkammer und der Bancalität, ein Compelle zu finden wäre." Dieses Compelle sei die Finanz- coiiferenz, unter der die Hofkammer, Bancidität und Stadtbank zu stehen und zu operieren hätten. Auch „die bessere Stabilierung der Bancalität" sollte durch Errichtung der Conferenz bewerk- stelligt worden. „In allen Sachen," fuhr der Kaiser fort, „müssten gewisse Principia gefasst werden, denn wenn man sich nur de casu in casum über eine jede Sache determinieren und im Operieren keine Richtschnur haben sollte, würde man leicht in Irrungen ver- fallen und niemalen der Ordnung nach operieren." Auch eine Aeusserung des Grafen Starhemberg wird uns überliefert, der bemerkte, dass, so viel möglich, bei den alten Einrichtung:en zu verbleiben sei und die einzelnen Theile in genaue Combination gebracht werden sollen. Der Kaiser meinte hierauf, „dieses Hesse sich wohl hören, aber man müsste auch berücksichtigen, dass in Cameral-Angelegenheiten Aenderungen einzutreten pflegen ; die Experienz zeige auch, dass andere Potenzien ungeachtet der auch bei ihnen stabilierten alten Verfassungen ihr Camerale durch neue Einrichtungenr auf einen andern Fuss zu setzen pflegen." ^)

Die principielle Entscheidung des Kaisers über die Errichtung der Finanz-Conferenz war erfolgt, es handelte sich blos darum, die näheren Modalitäten über die innere Einrichtung in Erwägung zu ziehen. Erst nach mannigfachen Berathungen gelangte man zu einer Entscheidung. Starhemberg, obgleich er die Schafiimg einer neuen Körperschaft nicht für nothw endig hielt, hatte sich am raschesten eine klare Ansicht über ihren Wirkungskreis gebildet und die übrigen Mitglieder der Conferenz sich derselben angeschlossen. In der ersten, am 1. März 1716 um halb eilf unter dein Vorsitze des Prinzen von Savoyen abgehaltenen Sitzung kam ein Beschluss nicht zu Stande. Auch in der zweiten Sitzung am 10. Mai 1716 hatten die Räthe des Kaisers sich mit dem Plane nicht voll be- freundet; wenn den alten Instructionen nachgelebt worden wäre, hätte man diese Neuerungen nicht nöthig, meinte Fürst Tr aTit so n.

') ProtocollG. Feb. 17l6. Anwesend: Eugen von Savoyen, Trautson, Sinzendorff und Starhemberg.

Digitized by

Google

ä

\

204

der auch das Geständniss ablegte, dass es ihm schwer falle, in Cameralibus ein Consilium zu geben, da er nicht vollständig in- struiert sei, sich auch ftir einen besonderen Cameralisten nimmer- mehr ausgeben könne. Starhemberg machte die Bemerkung, es sei nicht genug, zu resolvieren, sondern auch nachzusehen, ob die Resolutionen ausgeführt werden und dann von Zeit zu Zeit auf die wichtigsten Geschäfte aufmerksam zu machen; vielleicht könnte diese Aufgabe dem ältesten Conferenz-Mitgliede übertragen werden; bei schwierigen Geschäften würde sonst Alles liegen bleiben, wenn nicht Einer dafür sorgt und die Sache wie seine eigene betrachtet. Es hat jedoch den Anschein, dass dieser erfahrene Finanzmann lediglich das unter den damaligen Verhältnissen Erreichbare in's Auge fasste und nur bemüht war, die Selbstständigkeit des seiner Obhut anvertrauten Bank-Instituts zu wahren, denn seine weiteren Ausführungen enthielten blos Vorschläge über die Regelung des Verhältnisses zwischen BancaUtät und Hofkammer. Auch der Vorsitzende der Commission, Eugen von Savoyen, sprach sich meritorisch über die Noth wendigkeit oder Erspriesslichkeit der Finanz-Conferenz nicht aus, da die kaiser- liche EntSchliessung über die Errichtung derselben feststand. Er stimmte Starhemberg bei, dass, „wenn die Gleichheit der Kanmier und Bancalität eingeführt werden solle, doch Einer sein müsste, der beide dirigiert, da sonst der alte Widerspruch und Confusion zu erwarten wären". *)

*) Vortrag Laxenburg vom 25. Mai 1716. Die kaiserliche eigenhändige Ent^- schliessung langte am 20. Juni herab, wie aus einer Bemerkung des Protocoll- führers Joh. Georg Schick auf der Rückseite zu ersehen. Der Monarch forderte „ohne Zeitverlust" einen Vorschlag über die „Subjecta" der Conferenz und stimmte dem „Conclusum" des Prinzen bei; femer sollten ihm zwei Personen als Referenten namhaft gemacht werden, die Bancalität soll vöDig independent von der Hofkammer sein und nur unter der Conferenz stehen, auch was nicht ist in besster activitet Vndt standt gesezt auch vor allen die controlirung (wie es im anfang von mir befohlen worden) völlig sein bestandt haben, die bancal coUegia wie auch die Camer zu restringieren wirdt gahr gut sein wie auch mit tauglichen presidijs camer Vndt bancalitet zu bestellen, welches die erste operacion der conferenz neben der obigen Instruccion sein soll die correspondenz die bancalität wie andere solch haben Vndt also ein von Hofrathen besezte bancalitet bleiben Vndt benent werden ds Vbrig wirdt sich in der ausarbejrtung geben.

Carl m. p.

Eine zweite eigenhändige Entschliessung vom 19. Aug. 1716 (accepi 20. Augusti 1716 post octavam mane): Vber ds Vorig Vndt nach dem ich die Vorschlag der subicctorum von allen der conferenz bekoraen resolvire abermabls

Digitized by

Google

205

In einem Reglement wurden die Bestimmungen zusammen- gefasst über die Art und Weise, wie die Berathungen gepflogen und die von dem Kaiser genehmigten Beschlüsse zur Durchführung gelangen sollen. Wenn der Kaiser in der Conferenz nicht den Vorsitz führte, mussten ihm die ProtocoUe vorgelesen und seine EntSchliessung eingeholt werden, die er sodann mündlich kimdgab und die von dem Schriftführer niedergeschrieben wurde. Eine wichtige Aenderung ist insofeme eingetreten, als ursprüngKch auch die Stadtbank in eine Verbindung mit der Finanz-Conferenz ge- bracht werden sollte, während nach dem Reglement die Conferenz blos die Anträge der Hofkammer und der Bancalifcät zu begut- achten hatte. Zwischen den beiden Behörden fand auch der Unterschied statt, dass die Hofkammer Vorträge an den Kaiser erstattete, die sodann der Conferenz übermittelt wurden, die Bancalität aber ihre motivierten Anträge an den ältesten Minister der Conferenz, dem in Abwesenheit des Kaisers bei den Sitzungen der Vorsitz übertragen war, zu übergeben hatte. Dem Kaiser musste Anzeige über die Gegenstände der Berathung erstattet und seine Ent- scheidung eingeholt werden, ob er der Sitzung beiwohnen wolle. Die Anträge über alle Angelegenheiten von grösserer Erheblichkeit und „mehrerem Nachdenken" machten, nebst den Voracten, zunächst

Vnd 1 mo ds was Vorhin wegen einrichtung der Camer und Bestellung sub meo praesidio oder des Senioris der conferenz der financen conferenz in re et modo resolvirt hab es dabey in allen verbleiben soll, soll disen nachmitag dieHofkanzlay die notig decreta an Camer banco Vndt govemo ausfertigen, an die Zwey erstem dass sie Vor Vndt sub inspeccione der conferenz stehen bed ein entwurff ihrer instruccion Vndt combinirung Vntereinander machen Vnd der conferenz ad examinandum vorstellen sollen wo vorderist zu beobachten den numerum so vill möglich zu restringiren, den govemo aber ds ich ein ander disposicion gemacht Vndt anheut ds govemo in gnaden entlass Vndt aufheb sambt ge- habten besoldimgen, die dabey geweste Eath aber in ihre vorig Verrichtungen einstehen Vndt wie vorhin stehen sollen, ds personale betrefendt benene ich den Fürst v Trautson graven v Starnberg graven aloisio v Harrach Vndt Vmb ds einer der Notiz von intrinseco einiger lander hab dabey ist den Baron V Stork (Transcription: Stürck) Vicecanzler in innerosterreich vor den pre- sidem camerae den Grav v Valseg Vndt pro praesidio bancalitatis den Diettrichstain praesidem bancalitatis zu graz, nach diser aufrichtung wirdt die conferenz selbsten das weiter zu sehen Vndt zu richten haben.

Die referendarios soll die conferenz mir selbst in der ersten Session vorschlagen die Besoldung der Presidenten von der Camer Vndt banco nacher determinirt werden.

Carl m. p.

Mensi giebt nur das Datum der zweiten Entschliessung.

Digitized by

Google

206

vor dem Sitzungstage die Runde bei den Mitgliedern, „um. das Votum desto fundierter ablegen zu können".

Die Pinanz-Conferenz war lediglich eine begutachtende Körper- schaft. Ausdrücklich wurde bestimmt, dass sie sich in die Ad- ministration nicht einzumischen habe, um ihre Meinung desto freier eröffnen zu können. Ihre Aufgabe war, darauf ihr Augenmerk zu richten, dass die Hofkammer wohl eingerichtet, die Universal- Bancalität in eine vollkommene Consistenz gebracht und beide zusammen in den Stand gesetzt würden, mit der Conferenz gemeinsam zu operieren, „mit vereinbarten Gemüthem und An- schlägen, um die Beförderung des kaiserlichen Dienstes sich uner- müdlich zu bearbeiten und die Instructionen sammt dem, was von Zeit zu Zeit an sie gelangt, genau zu vollziehen". Damit man aber um so gewisser wisse, inwieweit die Hofkammer ihren Obliegenheiten nachkomme und die empfangenen Decrete befolge, sollten wöchentlich die Extracte der RathsprotocoUe der Finanz-Conferenz vorgelegt und die Bancalität angewiesen werden, verlässliche Specificationen über Empfang und Ausgabe und am Jahresschlüsse eine Generalbilanz einzureichen, um darüber ein Absolutorium zu empfangen. Der Finanz-Conferenz war die Prüfiing des jährlichen „Anordnungs- staats", wie man den Voranschlag nannte^ übertragen ; sie sollte auf die Verbesserung der Gefälle und Beseitigung der Missbräuche ihr Augenmerk richten, über die Aufbringung und „Erzeugung" neuer Fonde zur Bestreitung des Abganges beim Hofstaat und bei dem Militär „nachdenken", femer an Hand geben, wie der Credit vermehrt, die überflüssigen Ausgaben restringiert, die erforderlichen Anticipationon mit guter Wirthschaft aufgebracht, die schädlichen Usancen abgestellt, die guten Münzen im Lande erhalten, der Handel der Erblande befördert, die Manufacturen „mehr stabiliert" werden.

Wie ersichtlich, sollten jene Uebelstände, welche durch den Bestand mehrerer Finanzstellen, deren Wirkungskreis nicht scharf genug abgegrenzt war, zu Tage traten, durch Schaffung der Con- ferenz behoben werden, welche in letzter Instanz über Finanz- Angelegenheiten berathen und Beschlüsse fassen sollte. Die neue Körperschaft sollte die Einheitlichkeit der Verwaltung herstellen, woran die Erwartung geknüpft war, dass erst dadiu-ch jenes Ziel en'eicht werden dürfte, welches bei den seinerzeit erlassenen Ver- fügungen bei Gründung des Bancal-Guberniums ins Auge gefasst worden war. Alle auf die Operation der Bancalität, die Verwaltung der Hof kammer und die Angelegenheiten des Aerars Bezug habenden

Digitized by

Google

207

Angelegenheiten sollten ohne höheren ßeonrs von der Conferenz entschieden werden. In Abwesenheit des Monarohen hatte ein Minister, und zwar der erste im Range, den Vorsitz zu fähren. Gleichzeitig sollte eine Generalcassa geschaffen werden, wohin alle Einnahmen zu fliessen hätten und von der die Ausgaben zur Be- streitung des Hof- und Kriegszahlamtes, des Schulden- und Credit- wesens geleistet werden sollten. Diese Q-eneralcassa sollte von der Bancalität geführt, die Verwaltung der staatlichen Einnahmen der Hofkammer übertragen werden, an deren Spitze „ein tüchtiger, laboriöser und nicht weniger Probität, als Dexterität habender Capo zu setzen sei". Er habe für Hofstaat und Krieg Vorsorge zu treffen, sowie der Finanz -Conferenz seine Vorschläge wegen Vermehrung der Einnahmen zu erstatten.

Die Mitglieder der Finanz-Conferenz waren in den ersten Jahren: Fürst Trautson als Vorsitzender, Graf Starhemb erg, der nfitch dessen Tode den Vorsitz übernahm und bis zur Auf- hebung der Conferenz unter Maria Theresia führte, Alois Thomas Eaimimd Graf v. Harrach (Mitglied bis 1741) und Georg Christoph Graf Stürgkh (bis Ende 1719), Graf Wals egg, der nach seiner Enthebung als Hofkammer-Präsident zum Mitglied ernannt wurde. *) Seit den Zwanziger-Jahren nahmen die Grafen A 1 1 h a n n und Windisch-Graetz an den Sitzungen theil. Die Anzahl der Mitglieder, welche bei den Berathungen behufs der Beschlussfahigkeit anwesend sein musste, war nicht bestimmt; es fanden Conferenzen statt, bei denen ausser dem Vorsitzenden nur ein Mitglied erscheint, so nicht selten Starhemberg und Althann. In der ersten Zeit führte der Kaiser bei wichtigen Berathungs- gegenständen den Vorsitz, im letzten Jahrzehnt seiner Kegierung selten. Die Erklärung liegt darin, dass die wichtigsten financiellen Berathungen, nämlich die Beschaffimg des Credits für die Kriegs- kosten im letzten Jahrzehnt der Regierung C a r Ts in einer ,,Depu- tation^' unter Vorsitz des Kaisers stattfanden, deren ProtocoUe, bisher unbenutzt, einen Einblick in die Finanzlage gewähren. ^) Obgleich die Finanz-Conferenz die wichtigsten Angelegen- teiten zu berathen und auch über Personal-Angelegenheiten ihr Gut-

*) 9. November 1719. „Zu einiger Consolation zur Finanz-Conferenz, wenn seine Gesundheit zulässt, gezogen werde." Vergl. auch eigenhändiges Handschreiben vom 8. November 1819 an Trautson.

•) Als Schriftführer der Finanz-Conferenz erscheint M i k o s c h, nach dessen Tode Lachmeyer, als Protocollführer bei der Deputation David Heinrich Joseph v. Koch.

Digitized by

Google

208

achten zu erstatten hatte, wurden in einzebien Fällen überdies selbst- ständige Commissionen eingesetzt, wodurch der Verwaltungs- Apparat noch schwerfälliger gemacht wurde. So wurde Graf Harr ach mit der Leitung einer Ersparungs-Commission betraut, die jahrelang Untersuchungen anstellte und sodann Vorschläge machte, die wieder der Finanz-Conferenz zur Begutachtung vorlagen; Prinz Eugen von Savoyen wurde mit einer ähnlichen Aufgabe im Jahre 1729 betraut; wir finden sogar drei Commissionen mit einer und derselben Ange- legenheit beschäftigt, jede aus anderen Mitgliedern bestehend, deren Grutachten von einander abwichen und dem Kaiser die Entscheidimg natürlich erschwerten. Zwischen den Präsidenten der Ministerial- Banco-Deputation und der Hof kammer bestand nämlich ein Zwiespalt über die Fordening der letztem, dass die Bank anstatt einer jährlichen Beitragsleistung von 500.000 fl. künftig 1*2 Millionen zu gewähren habe, wogegen Starhemberg entschiedenen Widerspruch erhoben hatte. Die Durchführung der von der Finanz-Conferenz gefassten Beschlüsse stiess vielfach auf Schwierigkeiten. Bancalität und Hof- kammer lagen mit einander im Streit und die Untersuchung der Beschwerden, die gegenseitig vorgebracht wurden, führte nicht selten zu keinem Ergebnisse. Endlich beirrte die Hofkanzlei die Massnahmen der Hof kammer, denn sie verhandelte mit den Ständen und war eifrige Fürsprecherin ihrer Wünsche. Wohl ergiengen Weisungen an die Hofkanzlei, dass Cameral- und Fiscalsachen in gemeinsamer Sitzung berathen werden sollten, allein die Klagen hörten nicht auf, dass die Hofkammer von den politischen und Justizstellen gehemmt werde und die nöthige Unterstützung nicht finde.*) In solchen Fällen wurde in der Regel eine Commission zur Schlichtimg der Angelegenheit ernannt.

Einrichtung der Hofkammer.

Für die Hof kammer wurde eine umfassende Instruction erlassen. Nur die wichtigsten Bestimmungen sollen hier hervorgehoben werden. An die Hofkammer-Räthe wurden grosse Anforderungen gestellt; sie sollten theoretisch und practisch durchgebildete Männer sein, nicht nur mit den Institutionen der verschiedenen österreichischen Länder, sondern auch des deutschen Reiches wohl vertraut sein, eine schon an und für sich umfassende, bei der Mannigfaltigkeit

*) Finanz-Conferenz-Protocoll, 29. November 1721.

Digitized by

Google

200

der Eechtsverhältnisse ungemein schwierige Aufgabe. Die Cameral- gesohäfte mussten in Commissionen vorgetragen werden. Einige derselben waren nach Materien, andere aber nach Provinzen ein- getheilt, da man von der Voraussetzung ausgieng, dass die ver- schiedenen Erbkönigreiche xmd Länder besondere Rechte und Re- galien hätten, deren Kenntniss nicht jedem einzelnen Rathe bekannt sein könne. Die sechs Haupt-Commissionen waren folgende: Eine Hof-Commission, welche sich mit der Hofwirthschaft xmd mit Be- sorgung alles dessen, was den Hof unmittelbar angieng, zu beschäf- tigen, femer die Reichscameral- Angelegenheiten zu besorgen hatte ; der zweiten Commission waren die ökonomischen Militär- Angelegen- heiten zugewiesen; der dritten, der „Hauptrechnungs-Commission'* war das gesammte Rechnungswesen, der vierten das Camerale in Ungarn, Siebenbürgen, Slavonien und den dazu gehörigen Pro- vinzen, der fünften das Cjunerale der drei böhmischen Länder, endlich der sechsten das Camerale der gesammten österreichischen Länder zugewiesen. Diejenigen Commissionen, welche sämmtliche Finanz-Angelegenheiten einzelner Länder zu besorgen hatten, wurden in Sub-Commissionen getheüt und einem jeden Rathe derselben eine oder mehrere Materien derselben Provinz dauernd zur Bearbeitung übertragen. An der Spitze einer jeden Commission stand ein Präsident. Die Art und Weise der Berathung und Er- ledigung der Geschäfte war durch specielle Bestimmungen geregelt. Nur wichtige Angelegenheiten, deren Erledigung keinen Verzug duldete, durften von Seite des Hofkammer-Präsidenten ohne Be- rathimg in der Plenar- Versammlung erledigt werden ^).

Ueber das Verhältniss der Hofkammer zu den anderen Hof- ämtem enthielt die Listruction die Weisung, dass es bei dem alten Herkommen zu verbleiben habe. Da sich aber die Hofkammer zu wiederholten Malen beschwert habe, von der Kanzlei iu Cameral- sachen, namentlich aber in Geld- Angelegenheiten Befehle zu empfangen, indem die letztere mit dem Stande des Aerars unbekannt sei und nicht wissen könne, welche Lasten dasselbe zu tragen habe ; ausserdem aber die Hofkammer die Weisung habe, Alles zu befolgen, was durch die Finanz-Conferenz im kaiserlichen Namen an sie gelange, sollten künftighin weder die Hofämter, noch die Hofstellen in ausserordentlichen Angelegenheiten eine Verordnung

*) Instruction von 1717 und Finanz-Conferenz-Protocoll vom 22. Juli 1717 unter Vorsitz des Kaisers, in welcher berathen wurde, „ob die Agenden nach Provinzen oder nach Materien zu scheiden sind" ; der Beschluss lautete : „das medium zu amplectieren'\

Qesterreiobischer Erbfolgekrieg. I. B<), 14

Digitized by

Google

210

oder eine Assignation an die Hofkammer erlassen dürfen, ausser es wäre früher mit derselben hierüber eine Vereinbarung getroifen worden. Auch wurden die verschiedenen Centralstellen angewiesen, wenn grössere Summen erfordert würden, kein Referat an den Monarchen zu erstatten, ehe sie das Gutachten der Hof kammer abverlangt haben. Ueber derartige Angelegenheiten sollte von beiden Stellen ein gemeinsames Referat erstattet und von den Präsidenten unterschrieben werden. ^)

Die Beziehungen zur Universal-Bancalität wurden neu geregelt, bereits am 25. April 1715 war hierüber eine Allerhöchste Entschliessung erfolgt. Am 5. November 1716 ward vor Errichtung derPinanz-Con- ferenz an die Ho&ammer und an die Bemcalität ein neues Beeret er- lassen mit dem Befehle, dass die Präsidenten über Materien, welche eine gemeinsame Berathung erfordern, woo. jeden überflüssigen Schrift- wechsel zu vermeiden, unter Zuziehung des einen oder des anderen Rathes so oft, als nöthig zusammenzutreten und Berathung zu pfl^en haben. In der Regel sollten sie wöchentlich einmal zusammenkommen und sämmtliche Angelegenheiten, die eine gemeinsame Berathung er- fordern, vornehmen; wenn die Meinungen gleiohstimmig ausfallen, die Beschlüsse, welche einer Allerhöchsten Entschliessung nicht bedürfen, unmittelbar in Wirksamkeit setzen, im Falle aber eine oder die andere Stelle erhebliches Bedenken trage und eine Aus- gleichung der beiderseitigen Meinungen nicht zu Stande komme, sei die kaiserliche Entschliessung einzuholen und zwar durch ein Referat, worin die sämmtlichen daftlr und dagegen sprechenden Gründe „treulich und ohne Hinterhalt" auseinandergesetzt werden.

Bei ordentlichen Geldausgaben sollte auf Grund des Aller- höchst approbierten General - Anordnungsstaates ohne weitere Cameral-Anweisung die Bancalität berechtigt sein, die Ausgaben zu machen, bei ausserordentlichen Ausgaben, welche in dem An- ordnungsstaat nicht enthalten sind und über 1000 Gulden sich belaufen, auf Grund einer Allerhöchsten EntschHessung, welche durch die Hofkammer der Bancalität mitzutheilen ist, die erforder- liche Summe anweisen; nur bei „urplötzlichen Ausgaben", über welche die kaiserliche Resolution nicht eingeholt werden könne, besonders wenn Gefahr im Verzuge ist, habe die Bancalität ohne

^) Diese Verfügung stand, wie es scheint, auf dem Papier; die böhmische Kauzlei gieng auch in der Folge selbstständig vor; die Finanz-Confereni tadelte die Eingriffe derselben und beantragte Bestimmungen, welche An- gelegenheiten von der Kammer und welche von dieser respiciert und tractiert werden sollen. (Finanz-Conferenz-Protocoll 16. Januar 1719).

Digitized by

Google

211

Anstand die ihr von der Kammer übermittelte Weisung auszu- führen. Die Bancalität war nicht berechtigt, an den Kaiser gegen eine ihr übermittelte Weisung der Hofkammer zu recurrieren, sondern nur in dem Falle, wenn sie erhebliohe Ursache hätte, sich zu beschweren und die Unterstützung des Monarchen zur Bewirkung der Controle nöthig hätte, sollte sie ihre Beschwerde durch den Senior der Conferenz dem Kaiser überreichen.

Hinsichtlich des Wirkungskreises der beiden Körperschafben, der Bancalität und der Hofkammer, war durch die Instruction eine Aenderung nicht eingetreten. Der Hof kammer war die Administration der Cameralfonde überwiesen. Sie sollte bestrebt sein, darauf zu sehen, dass die Gefälle richtig collectiert und der nöthige Credit mit guter Wirthsohaft besorgt werde. Die Besorgung der Hof-, Staats- und Kriegsausgaben verblieb der Hofkammer, sowie die Beschaffung der nöthigen Fonde, die Bancalität aber sollte in treuer imd richtiger Menagierung der Gelder und des von ihr zu verschaffenden Credits ihre Aufgabe erfüllen. Das ganze Geld- geschäft sollte von der Bancalität geführt werden und ein jeder Heller nur von der Bancalität in Empfang genommen und ver- wendet werden; alljährhch und zwar vor Ausgang des Jahres sollten zwei Präliminare für das Camerale und die Mihtär-Angelegen- heiten entworfen werden (General- Anordnimgsstaat genannt). Hof- kammer und Bancalität hatten darüber eine Vereinbarung zu treffen und zwar in zwei Hauptrubriken; die eine enthielt die fixen, die andere die casualen Ausgaben; die Arbeit musste von beiden Präsidenten unterschrieben und dem Kaiser zur Approbation eingereicht werden. Rechtzeitige und gewissenhafte Rechnungslegung wurde ein- geschärft. Dieselbe sollte „von den Buchhaltereien ungesäumt revidiert werden" und nicht lange Jahre verstreichen, „bis die Wittiben und Waisen oder gar deren Enkel und Urenkel erst darüber Rede und Antwort geben". Die Eintreibung der Steuern und der Rückstände wurde eingeschärft mit der Drohung, dass, uvenn die Ausstände uneinbringlich werden sollten, an den Beamten Kegress genommen würde. Die ökonomischen Angelegenheiten des Militärs hatte das Baiegs-Commissariat zu besorgen, dem auch die Entwerftmg des ,, Militär- Anordnungsstaates" oblag, da man der Ansicht war, dass die Hofkammer dieses schwierige und weitschichtige Werk zu besorgen nicht im Stande sei. Eine In- struction vom 23. April 1713 hatte bereits das Verhältniss der Hofkammer zmn Kriegs-Commissariat geregelt. Erstere hatte die Angabe, dafür Sorge zu tragen, dass nach Beschaffenheit der Zsit-

14*

Digitized by

Google

212

umstände die überflüssigen Ausgaben, so viel thunlich, restringiert werden sollen; die Tabellen über den Stand der Regimenter mussten der Hof kammer eingesendet werden, von den Blriegscassa- Beamten der wöchentliche oder vierzehntägige Extraot mit Specificierung der jedem Regimente zu verabfolgenden baaren Bezahlung und anderer Ausgaben abgefordert und begründet werden. Eine neue Organisation der Hofkammer, seit 1728 geplant und berathen, gelangte durch die Instruction vom 2. Januar 1732 zum Abschlüsse, deren Ausarbeitung S äff ran besorgt hat. Die Anzahl der Commissionen, welche seit 1718 von sechs auf zwölf vermehrt worden war, wurde vermindert. Künftighin sollten blos drei ständige Commissionen bestehen: für Militär- Angelegenheiten, fiir die ungarischen Neoacquistica, endlich für Eechnungssachen. Für alle übrigen Angelegenheiten wurden Referenten ernannt. Es war dies eine Rückkehr zur Maximilianischen Ordnung vom Jahre 1568, doch wurde dem Hofkammer-Präsidenten anheimgestellt, „in wich- tigen Vorfallenheiten de casu in casimi nach Beschaflfenheit des Objects'' Commissionen anzuordnen und die Mitglieder zu bestimmen. Die Anzahl der Räthe sollte künftighin vierundzwanzig betragen, die zur Erledigung der Geschäfte genügend befanden wurde, da ohnehin die wichtigsten Gefälle von der Wiener Stadtbank ver- waltet wurden.

Landeskammem.

Der Hofkammer unterstanden die Kammern für Böhmen, Schlesien, die vorderösterreichische in Freiburg, femer die oberöster- reichische Hofkammer zu Innsbruck und die innerösterreichische Hofkammer zu Graz. Die Errichtung der beiden letztgenannten Hofkammem rührt aus jener Zeit her, als die Städte Innsbruck und Graz Sitz der Hof lager der frülieren Nebenlinien des regierenden Hauses waren. ^) Die Kammer der ungarischen Bergstädte und die Zipser Kammer waren ebenfalls der Hof kammer in Wien unterstellt.

Cameralverwaltung in Ungarn.

Trostlos war die Cameralverwaltung jenseits der Leitha. Für Ungarn, Croatien und Slavonien bestand nämlich die königlich ungarische Hofkammer mit dem Sitze in Pressburg. In Sieben-

*) Die Kosten der Länderkammem werden in dem Finanz-Conferenz- ProtocoUe vom 29. August 1728 auf 204000 Gulden angegeben.

Digitized by

Google

213

bürgen war die Finanzverwaltung mit dem Gubemium verbunden. „Das so ansehnliche ungarische Camerale befinde sich in grösster Verwirrung/' klagte die Pinanz-Conferenz „und sei so vernach- lässigt, dass es unmöglich sei, dasselbe in Ordnung zu bringen; auf Conservation und Melioration der Gefälle werde nicht gesehen; die Pressburger Kammer sei schlechter, als andere Stellen besetzt, weil man daselbst nur jene Subjeote, die anderweitig nicht unter- zubringen gewesen, angestellt habe; die Besoldung sei so schlecht, dass die Bedienten, um leben zu können, andere Beschäftigungen suchen oder untreu zu dienen verleitet werden." ^) Aehnliche Klagen wurden später zu wiederholtenmalen vorgebracht. Die Vorschläge und Gutachten der ungarischen Hofkammer wurden selbst bei minder wichtigen Angelegenheiten der Finanz-Conferenz übermittelt, deren Anträge zumeist die Genehmigung des Monarchen erhielten. Zu einschneidenden Aenderungen mochte man sich nicht entschliessen, nur die Bemühimgen der ungarischen Hofkammer zur Erweiterung ihres Wirkungskreises wurden verhindert.

Staatshaushalt.

Die Finanz-Conferenz hatte nicht blos die wichtigen An- gelegenheiten zu berathen; mit mannigfachen, zum Theile klein- lichen Angelegenheiten überhäuft, nahm die Erledigung der laufenden Geschäfte Zeit und Kraft in Anspruch und eiuer Neuordnung der Verwaltimg konnte die erforderliche Aufinerksamkeit nicht geschenkt werden.

Am wichtigsten waren wohl die Berathungen über den Staats- voranschlag und die zur Bedeckmig des Deficits erforderlichen Massnahmen. Der „Anordnimgsstaat" bereitete den Männern grosse Sorgen, da die staatlichen Einnahmen in der Regel nicht aus- reichten und das Deficit sich als ein stetiger Gast erwies. Das Jahr 1725 vielleicht ausgenommen, konnten die Ausgaben nie durch die Einnahmen bestritten werden und das günstige Ergebniss wnrde damals auch nur dadurch erzielt, dass kurz zuvor sich die Stadtbank zu einem jährlichen Beitrage von 500.000 Gulden ver- pflichtet hatte.

Einen klaren ziffermässigen Einblick in den österreichischen Staatshaushalt zu gewinnen ist bei der Mangelhaftigkeit unserer Quellen, schwer möglich, auch müssten eingehende Studien über

') Finanz-Conferenz-ProtocoU vom 9. August 1718.

Digitized by

Google

214

die Finanzverhältnisse der einzelnen Länder vorliegen, woran es fehlt. Noch in den ersten Jahrzehnten der Eegiemng Maria Theresia's mangelten genaue Rechnttngsabschlüsse, obgleich die Finanzverwaltung seit 1749 einen einheitlichen Charakter erhalten hatte. Noch trauriger war es zur Zeit Carl VI. bestellt. Der Voranschlag wurde nicht immer rechtzeitig berathen; oft war ein halbes Jahr verflossen, ehe derselbe von der Hofkammer der Finanz-Conferenz vorgelegt wurde.

Schon in der ersten Sitzung der Finanz-Conferenz am 6. Sep- tember 1716 wurde der Beschluss gefasst, eine Verminderung der Ausgaben und durch Erhöhung der Einnahmen eine Verbesserung der Cameralfonde anzustreben. Einen Erfolg hatte dieser Conferenz- beschluss vorläufig nicht, da der Türkenkrieg beträchtliche Summen in Anspruch nahm und durch die laufenden Einnahmen nicht bestritten werden konnte. Schon in den ersten zwei Kriegsjahren waren sämmtliche Hilfsquellen erschöpft und als im Sommer 1717 der Voranschlag ftir den Bedarf des nächsten J«Jires in Berathung stand, war die Bedeckung von 14 Millionen Gulden schwierig genug. Niemand wusste, woher dieselben zu beschaffen. Am 2. No- vember 1717 fand eine nochmalige Berathung statt. Im Laufe der Zeit, heisst es in den Protocollen der Finanz-Conferenz, werden sich vielleicht die Mittel ergeben, welche jetzt unmöglich vorzusehen sind. "Wohl wurden die verschiedenen Einnahmen einer Revision unterzogen und auf etwaige Zuflüsse hingewiesen, aber hinzugefiigt, dass auf dieselben mit Sicherheit nicht gerechnet werden könne. Ein „adaequates Remedium" lasse sich diesmal unmöglich in Er- wägung ziehen, da das ordentliche Erfordemiss immens gestiegen und die Ausgaben durch die üble Wirthschaft enorm angewachsen seien; die Länder seien durch die seit 1683 andauernden Kriege erschöpft, entkräftet und exhaiuiert, für die zwei vorhergehenden Jahre zwei Millionen rückständig.

Der Friede zu Passarowitz befreite den Staat aus herber Ver- legenheit. Die Finanzverwaltung athmete auf. Der Türkenkrieg hatte mehr als 60 Millionen gekostet. Seit Jahren war auf die Nothwendigkeit, Erspanmgen vorzunehmen, hingewiesen worden.' Starhemberg drängte nunmehr, Hand ans Werk zu legen. Erst

*) „Alle Rubriken der Ausgaben werden ohne Mass vergrössert und Niemand denke auf die Wirthschaft, sondern trachte zum äusserlichen Splendor die Spesen zu vergrössem". (F.C.P. 1. Nov. 1718). Die Ersparungen, von denen immer f^oredet werde, „worden nie ad effectum gebracht. Das ganze Uebel

Digitized by

Google

215

nach einem Jahre wurde der Heeres-Etat auf acht Millionen Gulden herabgesetzt. ^) Eine Herabminderung der Armee musste behufs Herstellung finanzieller Ordnung vorgenommen werden, wogegen jedoch der Hofkriegsrath Einwendungen erhob. Selbst mit 9*3 Mil- lionen glaubte er nicht auslangen zu können. Obwohl der Kaiser auf seinem Entschlüsse beharrte, wurde das Heeres-Erforderniss pro 1 720 um vier Millionen überschritten. Die Anträge der Hofkammer, deren Präsident seit November 1719 Graf Dietrichstein war, von der Pinanz-Conferenz auf das Wärmste befürwortet, erhielten nicht immer die kaiserliche Genehmigung. Die Sache könnte nicht länger auf diese Weise dauern, heisst es in dem Protocolle der Finanz-Conferenz vom 17. Februar 1720, wenn nicht zwischen Empfang imd Ausgabe eine Proportion eingeführt werde, „gestalten keine Potenz in ganz Europa wäre, welche in Friedenszeiten pro Militari mehr ausgebe, als die Länder prästieren könnten. Es sei nothwendig, den statum militarem ad possibilitatem zu regulieren, damit er die ausgesetzten acht Millionen nicht überschreite. Die Macht eines Monarchen und die Securität seiner Länder bestehe nicht in der Anzahl seiner Regimenter, sondern in einer wohl- bezahlten, disciplinierten und brauchbaren Miliz."

Hatte man bisher von der Hand in den Mund gelebt und mühselig den jeweiligen Bedarf angebracht, so gieng man nunmehr daran, zur dauernden Herstellung des Gleichgewichtes ftir einen längeren Zeitraum Einnahmen und Ausgaben für Heer- und Civil- verwaltung festzustellen. Man fasste dabei die Zeit von 1721 bis 1731 ins Auge. Die mannigfachsten Erspanmgs-Massnahmen wurden in Erwägung gezogen, da die Berathungen einen Abgang von über 26 Millionen für den ganzen Zeitraum ergaben, ferner waren für die Verzinsung der erforderlichen Anlehen 14 Millionen ver- anschlagt, daher ein Gesammt-Deficit von 40 Millionen.

Eine Ersparungs-Commission unter dem Vorsitze des Grafen Harr ach wurde niedergesetzt, um die gesammte Verwaltung einer kritischen Prüfung zu unterziehen. ^)

rühre daher, dass man dem Hof-Kriegsrath allein die Disposition in militaribus überlasse, welcher bei Hof die Approbation einhole und sodann keine Er- sparongen zulasse, ohne zu ponderieren, ob das Aerar und die Länder im Stande seien, das Determinierte zu vollziehen." (F.C.P. 21. Nov. 1718.)

') Finanz-Conferenz-ProtocoU vom 25. September 1719.

*) Harrach hatte die Aufgabe „aUe rubricas der noch in der Admini- stration der Hofkammer sich befindenden Fundorum zu durchgehen und zu

Digitized by

Google

216

In den letzten Jahren hatte die Finanz-Conferenz bei ver- schiedenen Gelegenheiten darauf hingewiesen, dass eine Reform des Postwesens vorzunehmen sei, die Cameralgefälle durch Ver- pachtung ein höheres Erträgniss abwerfen würden, die Erzeugnisse der Bergwerke, namentlich Kupfer und Quecksilber gesteigert werden könnten. In einem ausflihrlichen Vorta'age hatte der Hof- kammer-Präsident Reformen beantragt. Die Ersparungs-Commission wusste nichts wesentlich Neues in Antrag zu bringen. Während die Finanz-Conferenz eine Herabminderung der Heeres-Ausgaben befürwortet hatte, meinte die Ersparungs-Gommission, dass diese mit Rücksicht auf die politische Lage weit eher im Hofstaate und in der Civilverwaltung durchgeführt werden könne, wofiir sich übrigens auch die Finanzverwaltung wiederholt ausgesprochen hatte. Die kaiserliche Entschliessung trug jedoch nicht einmal diesen bescheidenen Anträgen Rechnung; sie genehmigte die Ver- pachtung der G*efalle, forderte von der Hofkammer detaillierte Vor- schläge über Ersparungen in der Civilverwaltung und stellte eine Entscheidung über den Ho&taat in Aussicht. Eine spätere Ent- schliessung des Kaisers bemerkte, dass, eine Verringerung des Personals bei den Hofetellen bereits verfügt worden sei. Diese Beschlüsse, wenn auch mit Raschheit durchgefiihrt, liessen doch nur für die Zukunft einen günstigen Erfolg erwarten, allein von vorneherein war es zweifelhaft, ob dieselben in nächster Zeit ver- wirklicht werden würden. Einmal sollte die Verpachtung der Cameralgefälle im Einvernehmen mit der Hofkanzlei erst der Be- rathung unterzogen werden, was bei dem damaligen G^ange der Verhandlungen der Centralstellen langwierig genug war, sodann aber erwartete die Finanz-Conferenz von dieser Massregel keine grossen VortheUe, von der Einftihrung neuer Steuern keine höheren Einnahmen, da fast alle Lebensbedürfiiisse mit Aufschlägen belegt waren. Die traiuige finanzielle Lage wird dadurch am sohär&ten beleuchtet, dass die Gehälter der Bediensteten beim Hofetaat und bei der Civilverwaltung nicht bezahlt werden konnten und die Zahlungsrückstände ziemlich beträchtlich waren. *) Um den Abgang für 1721 zu decken, sollten sich die Beamten mit der Bezahlung von drei Quartalen ihrer Bezüge begnügen.

überlegen, wie weit deren Erträgnisse verbessert und an denen erogandis eine Ersparung gemacht werden könne" (Vortrag des Fürsten Trautson vom 11. März 1722). .

*) Sie betrugen zwei Millionen bei der Civilverwaltung und 3'375 Mil- lionen bei dem Militär.

Digitized by

Google

217

Der Hofstaat war ziemlich kostspielig, da die Anzahl der in Verwendung stehenden Personen seit Leopold I. vermehrt worden war. Der Betrag belief sich auf 1000 Stück Species- ducaten monatlich, femer mussten ftir Juwelen und Kleinodien, sowie far ausserordentliche Erfordernisse, endlich ftir die Ausgaben in der Charwoche „Extraducaten*' von der Hof kammer abgeftihrt werden.

In der Instruction vom Jahre 1717 wurde die bereits am 27. März 1717 erflossene Weisung aufgenommen, dass vom I.April an 25.000 Gulden monatlieh dem kaiserlichen Zahlmeister zu verabfolgen seien, alle übrigen Beträge jedoch zu entfallen hätten. „Die Speisung «m der Hoftafel, die Frauenzimmertafel und die bisher wider den Decor des kaiserlichen Hofes eingesammelten Accidenzien und Neujahrsgaben" wurden gänzlich abgeschafft, dagegen aber den Hofstöben, als dem Obersthofmeister, Obersl^ kämmerer, Oberstmarschall, Oberststallmeister, der Leibgarde, den Hatschieren und Trabanten eine Erhöhung der Bezüge oder Kostgelder gewährt.

Femer mussten von Seite der Hofkammer alle Ausgaben fiir die Qebäude - Erhaltung, fär Jägerei und Falknerei, für Opern, Comödien und BäUe, ftir Livreen, Wagen, Gnaden und Hof- abfertigungen, Verehrungen, Almosen, Beisteuern und Hoohzeits- präsenten bestritten werden.

Die Finanz-Conferenz brachte wiederholt Ersparungen bei dem Hofstaate in Vorschlag, mit dem Hinweis auf das seit einigen Jahrzehnten gestiegene Erfordemiss. Einige Angaben mögen hier Platz j&nden. Die Anzahl der besoldeten geheimen Käthe unter Leopold betrug zehn, nunmehr vierzehn mit einem Gehalt von 2000 Gulden; eine Herabminderung um vier wurde in Antrag gebracht, wodurch 8000 Gulden erspart worden wären; unter Leopold waren sieben „Leib-Medici" angestellt, unter Joseph I. fxtnf, tmter Carl VT. neim, welche zusammen 18.000 Gulden als Besoldung und 2230 Gulden als Adjuten erhielten. Die fünf Leib- barbiere bezogen je 250 Gulden jährliche Besoldung und anderthalb Gulden Kostgeld täglich; der Oberstmarschallstab kostete unter Joseph I., aus dreiundzwanzig Personen bestehend, 6376 Gulden, nunmehr waren neunundzwanzig in Verwendung mit einem Aufwand von 14.814 Gulden; die Hofmusiker erforderten unter Leopold 102.572 Gulden, unter Carl Anfangs 127.474 Gulden, später, im Jahre 1726, 159.168 Gulden; die Aufführung der Oper kostete "überdies 50.000 Gulden, wobei besonders bemerkt wird, dass durch

Digitized by

Google

218

Verpachtung ein Erspamiss von 8000 Gulden erzielt worden sei ^), femer Pensionen im Betrage von 19.546 Gulden vierzig Kreuzer; die Jägerei kostete unter Leopold 23.491 Gulden, unter Joseph 36.877 Gulden, unter Carl über 34.000 Gulden. *) Um Erspanmgen zu erzielen, beantragte die Finanz-Conferenz, die Ausgaben der Hofstäbe, besonders fiir Hofküche, HofkeUer, Hofbau und Hof- miisik mit einem fixen Betrage alljährlich zu bestimmen, um die mannigfachen Ueberschreitungen und Missbräuohe hintanzuhalten.

Die Kosten der Finanzverwaltung waren seit einem Jahr- hundert gestiegen. Unter Ferdinand HE. betrug die Anzahl der Räthe der Hofkammer dreizehn, beim Begierungsantritte Leopold's fünfzehn, bei dessen Tode zweiundsiebzig, unter Joseph L zweiundftinfeig, 1717 siebenundsechzig, und zwar zwanzig aus dem Herrenstande, filnfundvierzig aus dem Eitter- stande, femer ein ungarischer Referendarius und ein Rath fiir Tyrol. Die Qualität hatte sich verschlechtert. Früher, bemerkte der Hof- kammer-Präsident, „war ein Selectus hominum vorhanden", der jetzt mangle. Künftighin sollten blos dreissig besoldete ßäthe den Status bilden, zwölf vom Herren- und achtzehn vom Bitter- oder von einem anderen Stande. *) Der Kaiser ertheilte seine Genehmigung. Die kurz darauf am 30. December erlassene In- struction enthielt die Bestimmung, dass durch Absterben erledigte Stellen nicht wieder besetzt werden soUen; „nur wenn ein Sub- jectimi ermangle, welches eine besondere Erfahrenheit von einer Länderkammer oder einer Provinz habe, könne einer berufen werden".*) Im Mai 1722 wurde wieder eine Verminderung der

*) Besonders kostspielig war die Aufführung der Oper j^Grossmogul" ; in einem Protocolle wird bemerkt, dass man dem Pächter 23.000 Gulden habe zulegen müssen, „wegen der extragrossen Maschinen, numerosen Combattinenten und Tänzen". (F.C.P. 1. Mai u. 26. JuU 1726.)

') Ich entnehme diese Angaben F.C.P. v. 13. Aug. 1720 u. 26. Juli 1726. •) Finanz-Conferenz-ProtocoU vom 24. December 1717. *) Kais. Hofkammer-Status wie er 1718 AUergnädigst stabiliert worden:

ord. ansserord. und Pensionen

Hofkanmier-Collegium 108.600 14.500

Secretär-Kammer-Procuratoren,Concipisten, Kanzlei- Verwandte und andere Bediente 50.770 2.600

Hofbuchhalterei 56.010 50

Kriegsbuchhalterei 28.570 900

BancaUtät 62.260 12.300

3 6.200 30.850

336.550

Digitized by

Google

219

Stellen berathen. Ein grosser Theil der Räthe, bemerkte Graf Dietrichstein, sei ohnehin untauglich. Dietrichstein beantragte auch eine Verminderung der Seoretäre, Concipisten und der Stellen bei der Hofbuchhalterei. Am 6. August 1722 genehmigte der Kaiser die von der Finanz-Conferenz befürworteten und vereinbarten Anträge. Es scheint jedoch, dass die Durchführung auf Schwierig- keiten stiess und in dem beantragten Umfange nie verwirklicht wurde. Im Jahre 1720 waren noch dreiundseohzig Bäthi^ bei der Hofkammer angestellt und der gesammte Kostenaufwand belief sich auf 115.900 Gulden. Einige Jahre später war derselbe auf über 146.000 Gulden gestiegen. Die Berathungen über die Vor- schläge der Hofkammer, um Ersparungen zu erzielen, zogen sich Jahre lang hin und gelangten erst 1732 zum Abschlüsse; der Kostenaufwand wurde nun mit 78.000 Gulden in Aussicht ge- nommen.

Bei den anderen Centralstellen wurden ebenfalls erhebliche Ersparungen geplant und beantragt, theilweise ohne Erfolg. Der Eeichs-Hofrath verschlang grosse Summen. Der Kaiser hatte 1716 den Aufwand von 43.000 auf 112.800 Gulden erhöht. Die Bemühungen der Hofkammer auf Herabminderung waren zumeist vergeblich; Beschlüsse wurden gefasst, aber nicht durchgeführt. ^)

Die Eeduction der Ausgaben stand oft auf der Tagesordnung, wurde in der Finanz-Conferenz gutgeheissen und empfohlen, allein ehe die prinoipiellen Beschlüsse zur Durchführung gelangen konnten, mussten abermals Verhandlungen mit den verschiedenen Central- stellen stattfinden, die sich jahrelang hinzogen, obgleich von Seiten der Finanz-Conferenz bemerkt wurde, dass für die Bezüge der

Der Hofkammer-Präsident bezog 12.000 und als Aequivalent für die Taxe 6000 Gulden ; der Vice-Präsident 6000 Gulden, die Käthe 1500 Gulden.

*) Quoad aulicum et civüe, heisst es in dem Protocolle der Finanz- Conferenz vom 21. April 1721, sei die Disproportion so gross, dass die Kammer selbe zu beheben weder Kräfle, noch genugsam Autorität habe. „Die remedia praesentanea, je länger sie dauern, je schädlicher werden sie dem Aerar." . . . „Die remedia provisonalia dauern schon etliche Jahre, bemerkt die Conferenz ein andermal und seien schädlich, wenn sie continuieren müssen; das Haupt- remedium könne sogleich nicht folgen, wenn nicht Gott andere Gedanken schicket." Auch die Verwaltungskosten in den Ländern hatten sich seit dem Beginne des XVIII. Jahrhunderts gesteigert. Die böhmische Kammer er- forderte 1704 nur 35.688 Gulden, 1728 45.235 Gulden. Sie bestand aus drei Commissionen. Der böhmische Kammer-Präsident erhielt 4000 Gulden Besoldung und 2000 Gulden Tafelgelder, letztere entfielen 1724, nach zwei Jahren erhielt der neuerannte Kammer-Präsident Graf Sternberg auf Antrag der Conferenz wieder 2000 Gulden Tafelgeld.

Digitized by

Google

220

Beamten und für Pensionen kaum so viele Mittel vorhanden seien, um eine Quartalrate bezahlen zu können. Man rafifte sich dann zu dem Beschlüsse auf, abermals eine Ersparungs-Commission einzusetzen. Es werden deren zwei erwähnt, die eine unter dem Prinzen von Savoyen, die, wie in den ProtocoUen der Pinanz-Conferenz klagend bemerkt wurde, ohne Ergebniss blieb, eine andere unter dem Vorsitze des Obersthofineisters, die, wie es scheint, längere Zeit verstreichen liess, ohne ihre Arbeiten zu beginnen. Während drastische Vorschläge gemacht wurden, um den Verpflichtungen gegen die Beamten nachzukommen, spendete man anderseits mit vollen Händen. Confiscierte Qüter wurden durch die Freigebigkeit des Monarchen im Gnadenwege vergeben, Fiscalgüter in Ungarn und Slavonien verschenkt, höheren Staatswtirdenträgem grosse Belohnungen gewährt. So z. B. erbat sich der Vice-Präsident des Hofkriegsrathes, Graf Königsegg, der 30.000 Qulden jährlich bezog, eine Gnadengabe von 100.000 Gulden; die Hofkammer beantragte 50.000 Gulden, die in der That in ungarischen Gütern bewilligt wurden. *) Viel würde zur Herstellung des Gleichgewichts beitragen, heisst es in einem Pinanz-Conferenz-Protocolle, wenn der Kaiser, dessen Schenkungen seit seiner sechzehnjährigen Regierung gegen neun Millionen und darüber betragen, etwas an sich halten würde imd die Hof kammer beauftragen möchte, „ohne kaiserlichen Befehl und besondere Gründe, wie fiüher die Observanz gewesen, in gratialibus imd pensionibus kein Referat mehr abzugeben".

Es gewährt kein Interesse, die Voranschläge von Jahr zu Jahr vorzufahren. Kaimi hatte man sich mühselig, zumeist durch die Unterstützimg der Stadtbank, dem Gleichgewichte genähert, brachten die ausserordentlichen Ausgaben wieder ein Deficit zu Tage. Auch sind wir nicht in der Lage, mit Genauigkeit anzugeben, in welchen Posten die Rechnimgsabsohlüsse von den Voranschlägen abweichen. Die Finanz-Conferenz-ProtocoUe strotzen von Klagen. Selbst in Ftiedenszeiten müsse man immer neue Schulden machen, bemerkt das Finanz-Pro tocoll vom 18. Januar 1719, während man doch die alten Lasten abstossen und sich in den Stand setzen sollte, um den etwa sich ereignenden widrigen Zuföllen nach Erfordemiss zeitlich begegnen zu können. Der Zustand des Aerars, heisst es zehn Jahre später in dem ProtocoUe vom 18. Februar 1729, sowohl

») Finanz-Conferenz-Protocolle vom 23. Mai 1732 und 7. Mai 1783. Vergi. Mensi, a. a. O. 654.

Digitized by

Google

221

in camerali, als militari geräth mit jedem Tage immer mehr in Verfall imd der Abgang der zur Bestreitung erforderlichen Mittel ist gross. Man habe diesem Abgang eine Zeit lang durch verschie- dene Antioipationen mit beschwerlichen Interessen und Kosten und harten Bedingungen zu steuern gesucht, doch wurde hiedurch das Aerar derart belastet, dass es nicht mehr weiter gehen könne, da auch der Credit bereits auf das Höchste gespannt sei und das gemeine Wesen unterzugehen drohe. Obgleich die Stadtbänk in den letzten Jahren vierzehneinhalb Millionen Gulden Schulden der Hofkammer übernommen hatte 1724 neun Millionen, 1725 fänf- undeinhalb Millionen hatte die Hofkammer in den nächsten Jahren abermals sechs Millionen Schulden gemacht. Allerdings waren grosse Anforderungen an sie gestellt worden. Die „zur Er- haltung des Friedens angewendeten geheimen Spesen" im Jahre 1726, welche die Hof karomer mit 2*5 Millionen zu bestreiten hatte, die Beise des Kaisers nach Graz im Jahre 1728, die Recrutierungen, die Vorschüsse fiir das Militär in Tyrol und in Slavonien erheischten grosse Beträge, wofür die Einnahmen nicht ausreichten. Die von der Bank alljährlich geleisteten 500.000 Gulden wurden durch An- weisungen und „Gratialien" absorbiert. Der jährliche Abgang war beträchtlich und Graf Kolowrat machte schriftlich und mündUch darauf aujßaaerksam, dass er an die „Hof- und Civilbedienten'', sowie an die Pensionisten kaum ein Quartal ihrer Bezüge zu bestreiten im Stande sei. um in Zukunft die B^medur nicht unmöglich zu machen, sei es imumgänglich nöthig, die laufenden Ausgaben durch die Einnahmen ohne neue Schulden zu bestreiten. Und abermals, wie schon fiüher wiederholt bemerkt worden war, wurde auf die Vermehrung der Gefälle und auf die Beschränkung der überflüssigen Ausgaben hingewiesen ; Ersparungen bei der Hof- kammer, bei den Landeskamm em in Ungarn, Böhmen, Schlesien, Steyermark und Tyrol, bei der Bancaütät wurden in Antrag gebracht, die „unnöthigen und untüchtigen Subjecte" in Wien imd in den Liändem sollten mit halbem Gehalt ausser Activität gesetzt, jene, welche „doppelte Besoldungen gemessen" mit dem vierten Theil bis auf bessere Zeiten restringiert werden. ^) Auch beim Militärstatus, bemerkt die Conferenz, ist die Proportion zwischen Einnahmen und Ausgaben weit überstiegen; die Erfordernisse betrugen zehn

*) Aus dem Finanz- Conferenz -Protocolle ist ersichtlich, dass die „Be- kostong" der Hofkanuner 275.000 Gulden betrug, die Länderkammem in Ungarn, Böhmen, Schlesien, Steyermark und Tyrol erheischten 200.000 Gulden, die Bancalität 50.000 Gulden.

Digitized by

Google

222

bis elf Millionen, die Bewilligung der Länder an Contxibution beiläufig über acht MiDionen, allein auch diese Beträge giengen nicht ein. Die Ausstände vergrösserten sich „wegen Unvermögens, Noth und Armuth der Unterthanen". Der Abgang müsste durch Antioipationen bei den Ländern und bei der Judensohafb bedeckt werden, wodurch die Militärfonde immer mehr beschwert und, „unerklecklich gemacht, die Länder im Frieden erschöpft und statt der bei aUen Landtagen vertrösteten Erleichterung mehr belastet- auch ausser Stande gesetzt werden, mit ihren Gaben fortzufahren oder im Kriegsfalle eine Extra-Aushilfe leisten zu können, zumal erfahrungsgemäss die Noth der Unterthanen im Frieden mehr zu- genommen habe, als selbe vorher jemals in Kriegszeiten gewesen sei. Der Militärstatus sei nach dem Vermögen imd den Kräften der Länder zu regulieren, die unnöthigen Ausgaben abzusohaflFen, die Commandantschaften, die den Ländern mit unbeftigten Exe cutionen, Vorspann und anderen Leistungen beschwerlich fallen und dieselben fast ganz enervieren, seien aufzuheben."

Der „Status Universi", heisst es ein andermal, sei leider so beschaffen, dass man auf dem Fuss, wie die Sachen stehen, über kurz oder lang einen gänzlichen Zerfall zu befahren habe, welches dalier entspringt, dass man die Erfordernisse nie mit der MögUch- keit in eine Gleichheit setzt und von Jahr zu Jahr die Schulden statt sie zu mindern, mit neuen vermehrt und auf die Ersparungen nicht denken will. Mit neuen Aufschlägen imd Imposten könne man auch nicht weiter vorgehen und bei denjenigen, welche resolviert worden, finde es seinen Anstand, solche zu Stande zu bringen. ^)

>) ProtocoU der Deputation Linz, 29. Sept. 1732.

Der Kaiser verschloss sich den düster gefärbten Darstellungen der Finanzlage nicht, allein die auswärtigen Verhältnisse Hessen eine Herab- minderung der Heereserfordemisse nicht zu. „Undt weylen wohl erkenne", bemerkt Carl im ProtocoUe vom 5. November 1738, „wie die ländter sowohl, II Is ds aerarium erschöpffb Vndt sich ein grosser abgang Zeigt, Entgegen Vnentpörlich ds nach izigen Vmbstanden Vndt Situation ich Zu Sicherheit der Ländter selbst armirt verbleibe, so werdt einerseith gesehen werden, wie ds militar in ein Vndt andern was den dienst nicht betrifft nach moglichkeit restringirt Vndt nach den einkunflPben regalirt werdte, andern seyth samblich mit ernst Vndt eyfer dahin gesehen Vndt mir weyters eingerathen werdte, auf wie hoch den ländtem leichter fallendte modos et fundos contributionis tempore pacis anzutraa;en Vndt nach den blos nötigen kriegs Standt einzurichten, auch Vndt vorderist ds ein Systema gefast werdte, Vmb die auf dem fnndo mihtari haftendte Schuld abzustossen".

Digitized by

Google

223

Das Militärbudget nahm während der Regierung CarTs VI. stetig höhere Beträge in Anspruch, als präliminiert worden waren. Nach Beendigung des Tärkenkrieges durch den Frieden von Passarowitz und nach Beilegung der Verwicklung mit Spanien, schien die Buhe voraussichtlich für einige Jahre gesichert. Der Kaiser verftlgte daher, dass die Militärverwaltung mit acht Millionen jährlich ihr Auslangen finden solle. ^) Diese Summe wurde aber überschritten; die Militärverwaltung deckte den Abgang durch Schulden. Die drohenden Verwicklungen im dritten Jahrzehnte erhöhten die Militärausgaben und schon das veranschlagte Er- fordemiss war grösser als der fixierte Betrag von acht Millionen Gulden. "Wenn die Rechnungsabschlüsse richtig sind, so betrugen in den Jahren 1727 bis 1729 die Ausgaben im Durchschnitte 11-829 Millionen Gulden, 1730 über 18-832 Millionen, 1731 16-37 Millionen. Das letzte Jahrzehnt der Regierung Carl VL führte zu einer vollständigen Erschöpfiing der Finanzen. Nur mit Mühe gelang es, die fiir den Krieg nothwendigen Summen aufzubringen. Als der polnische Thronfolgekrieg in Sicht war, berechnete man im Herbste 1733 den Bedarf für das kommende Jahr auf zweiundzwanzig Mil- lionen Gulden; im September 1734 ergab sich, dass neunundzwanzig Millionen erforderlich sein dürften. Pläne zur Aufbringung dieser Sunmie wurden erwogen. Anticipationen sollten aller Orten im In- und Auslande aufgenommen werden, in Ungarn eine Erhöhung der Contribution und der Salzpreise stattfinden; von der Reichsritter- schaft und von den Hansa-Städten erwartete man einige Beträge. ^ Im Spätsonmier 1734 war Seckendorff beauftragt worden, den König

*) Vortrag Dietrichs tein's, 25. October 1720, Protoooll derFinanz- conferenz, 8. Dec. 1720, worauf die kais. Entschliessung am 26. Februar 1721 erfolgte.

•) Selbst bedenkliche Anträge wurden berathen. Ein Mittel, heisst es in einem Protocolle vom 2. Nov. 1733, einige Anticipation zu erhalten, wäre, -wenn der Kaiser dem einen oder anderen böhmischen CavaUer entweder in "Wirklichkeit eine Geheime-Raths-Stelle verleihen oder die Versicherung auf offen- stehende oder in Apertur kommende Landdienste ertheilen würde, indem jene theils ein Donativum, theils eine Anticipation von 100.000 Gulden derart zu leisten hätten, dass sie sich durch fünf Jahre mit den Interessen begnügen vmd sodann in zehn Jahren die Capitalsabstattung annehmen würden; zu ihrer Sicherheit könnten sie entweder eine Verschreibung auf Cameralgefälle oder ihre Contributionen verlangen. Da es von der EntschUessung des Kaisers abhänge, ob er solche Gnade den böhmischen Cavaüeren bewilUgen wolle, so haben es der Hofkanzler und Graf H a r r a c h auf sich genommen, sowohl einen Vortrag an den Kaiser zu erstatten, als auch über das Quantum und die Bedingungen mit gedachten CavaUeren weiter zu verhandeln.

Digitized by

Google

224

von Preussen zu einem Anlehen von zwei Millionen zu bestimmen ^), ein Beleg für die herbe Noth, dass man sich zu diesem Schritte entschloss, weil die politischen Beziehungen zum Nachbarstaate sich getrübt hatten xmd die Verhandlungen über die Mitwirkung beim Kriege sich nicht günstig gestalteten.

Im November 1734 ergab sich bei Entwerfung des Staats- voransohlages flir das kommende Jahr ein Erfordemias von 32 Millionen. Für das verflossene Militärjahr waren Millionen unbezahlt. Von den ausserordentlichen Einnahmen im Betrage von 21-66 Millionen Q-ulden, welche flir die Ausgaben des laufenden Jahres benöthigt wurden, waren blos 11 '72 Millionen ein- gegangen, von dem Reste wurden etwa 5'66 Millionen als unein- bringlich bezeichnet. Um allen Anforderungen zu genügen, waren daher über 37 Millionen nothwendig. Die Deputation kam bei Berathung über die Herbeischaflftmg des erwähnten Betrages zu dem C!onclusum: man werde es begreiflich finden, dass es nicht in der Macht der Hofkammer stehe, nicht einmal die für den Bedarf zulänglichen Summen zu beschaflfen, ohne genügende Mittel aber gewiss nicht möglich sei, zahlreiche Armeen zu unterhalten; wenn man also die Sachlage überblicke, so wäre dem Kaiser zu einem Frieden einzurathen, damit er seine deutschen Erbleinde, die von so vielen G*efahren bedroht werden, nicht in ein grösseres Unheil verfallen lasse. *)

Vorläufig waren blos flir die Recrutierung und Remontierung acht Millionen unbedingt nöthig, allein auch dieser Betrag war schwer aufeubringen. Die Vermögens-Steuer brachte blos 1-5 Millionen, während sie nach der angestellten Berechnung dreimal so viel hätte abwerfen sollen. Das Einkommen aus dem Vermögen in den deutschen Erblanden wurde nämlich auf 45 Millionen veranschlagt, aus Ungarn und den neuerworbenen Provinzen auf 20 Millionen Gulden. Ob nun aber, heisst es in einem Conferenz-ProtocoUe, ein jährliches Einkommen von einem Vermögen im Betrage von 65 Millionen hinlänglich sein könne, einen Kriegsstatus zu erhalten, der in einem Jahre 32 Millionen benöthige, wolle man reifer Einsicht und gründlicher Ueberlegung überlassen; neue Cameral- fonde seien nicht aufeubringen und die Mautherträgnisse seien ohnehin seit der Erhöhung der Tarife auf das Höchste gesteigert worden, die Abgaben von Bier, Wein und anderen Gegenständen

*) Vorträge, besonders 15. Juli 1784.

') Conferenz-ProtoQoll vom 5, November 1734:,

Digitized by

Google

225

seien sehr hoch, es bliebe daher nur übrig, Salz mit einer grösseren Abgabe zu belegen. Es sei nicht zu ermessen, womit man zuerst an- fangen solle. Alle diese Bestimmungen erforderten einen baaren Pfennig, die Fonde seien ungewiss, der Credit liege zu Boden, weder Geld noch Wechsel seien zu beheben, Anlehen könne man nicht beschaffen, woher die Mittel flir den Bedarf der nächsten Monate herbeizubringen, geschweige demi für einen Sommerfeldzug, wisse man nicht Eath.

Noch trauriger gestaltete sich die Finanzlage während des Türkenkrieges. An OpferwiUigkeit fehlte es nicht, allein die ungünstigen wirthschaftlichen Verhältnisse der Länder ermöglichten es nicht, selbst jene Summen aufeubringen, welche von den Ständen bewilligt worden waren. Je länger der Krieg dauerte, um so schwieriger war die Entrichtung der Contribution, um so geringer die Eingänge aus den sonstigen Gefällen. Besonders in Böhmen, Mähren und Schlesien, den ergiebigsten Ländern des Staates, waren die Rückstände ungemein beträchtlich. Obgleich man eine Anzahl von Invaliden den Kreisämtem beigegeben hatte, um die rück- ständigen Beträge einzutreiben, waren die seit mehreren Jahren hart belastetien Unterthanen nicht in der Lage, die Steuern zu entrichten. Abgesehen von der Contribution waren auch bedeutende Forderungen fiir Recruten und Verproviantierung an die Länder gestellt worden. Die Durchmärsche der Truppen hatten den Con- tribuenten ebenfalls grosse Lasten auferlegt. Die wirthschaftliche Lage war eine traurige, Handel und Wandel lagen ganz dar- nieder. Die in den letzten Jahren erlassenen Zolltarife hatten zum Theil den Verkehr von den österreichischen Ländern abgelenkt. Sämmtliche Staatsmänner, welche von dem Monarchen mit der Berathung über die zu ergreifenden Massnahmen betraut worden ivaren, legten das Geständniss ab, dass es unmöglich sei, durch Execution die Unterthanen zur Bezahlung ihrer Schuldigkeit zu zwingen. War auch volle Geneigtheit vorhanden, mit Schonung vorzugehen, so drängten Parteien und Regimenter auf Bezahlung schuldiger Beträge. Der Präsident des Hofkriegsrathes forderte -wenigstens Eintreibimg der Recrutengelder, damit die abgängige Mannschaft angeworben werden könne. ^)

Mühselig genug wurden die Erfordernisse für den Krieg bestritten. Ohne Schwierigkeit wurde ausgemittelt, wie viel ein

*) Verschiedene Protocolle aus dem Jahre 1737. Viele interessante An- gaben im Protocoll vom 24. Mai 1737.

Oeiterreiohifloher Erbfolgekrieg. I. Bd. 15

Digitized by

Google

226

jedes Land an Türkensteuer aufzubringen habe, aber die Einbringung der Summe wurde in jedem Jahre schwieriger. Auch Executionen durch Invaliden, die man säumigen Schuldnern ins Haus legte, fruch- teten nichts. Bereitwillig gab der Unterthan dem Steuereintreibei Kost und Obdach, aber die Steuern entrichtete er nicht, weil er nicht zahlen konnte. Von Monat zu Monat mussten Berechnungen angestellt werden über die vorhandenen Mittel und wie der Abgang zu bestreiten sei. Die Protocolle aus dem Jahre 1739 entrollen die düstersten Bilder. Die Rückstände mehrten sich, die meisten Länder waren, die geforderten Summen aufeubringen, ausser Stande. Denn nebst der Contribution und der Türkensteuer waren für die Beschaffung von Recruten, Remonten und Flinten bedeutende Beträge zu leisten. Nur Nieder-Oesterreich und Ober-Oesterreich kamen den Verpflichtungen nach. Die „Pauschquanta" der Türken- steuer giengen langsam ein und namentlich die innerösterreichischen Länder, Steyermark ausgenommen, blieben in der Regel die grössten Beträge schuldig. ^) Es werde schwer sein, „nur einmal zu ideieren" wie der Abgang zu beschaffen, klagte der Hofkammer-Präsident; „das Contributionale sei mit vielen Millionen Schulden verwickelt das Camerale übel beschaffen und am bedauerlichsten sei, dass durch den sohlechten Fortgang des Krieges der ausländische Credit gesperrt sei. Namentlich die Stellung der Recruten sei schwierig; in Mähren sei ein Abgang von Leuten, in Böhmen fehlen die Knechte zur Bearbeitung der Güter, in Schlesien flüchten ganze Dorfschaften, um der Recrutierung zu entgehen, nach Polen/' Auch fehlte es, da die meisten Einnahmen verpfändet waren, an Pfandobjecten zur Versicherung der Anlehen, da sowohl die Stände, als auch die auswärtigen Geldinhaber selbst bei verhältnissmässig geringfügigen Summen die Ueberweisung staatlicher Einnahmen forderten. Die kaiserlichen Unterhändler waren aller Orten auf der Suche nach Capitalisten, was den Monarchen zu der Bemerkung veranlasste, es könne dem Credit nur schaden, wenn man überall Geld ohne sichere Hoflftiung, es zu erhalten, suche. *)

Beim Beginn des Jahres 1739 war vollständige Ebbe im Staatsschätze^); „die christlichen und jüdischen Wechselhäuser'

*) Protocollum Deputationis 2. Mai 1739.

*) Dep. Prot. 12. Sept 1738 und einige Scliriffcstücke 1739.

*) Im Jahre 1736 war Managetta zum Professor der Anatomie ernannt worden, noch drei Jahre war kein „Fond" zur Bezahlung eines Grehalfes von 800 Gulden vorhanden; am 11. August 1739 ergieng die Weisung, einen solchen ausfindig zu machen.

Digitized by

Google

227

wären nicht mehr in der Lage, irgend einen Betrag aufzubringen, bemerkte der Hofkammer-Präsident, und als der Clerus kürzlich eine Antioipation von 1*2 Millionen Gulden geleistet, wurde der Vorschlag gemacht, bei den „Vermöglichen" eine gleiche Summe innerhalb dreier Monate aufzubringen, um nur einen Fond zu haben, der zur SichersteUung eines Anlehens benützt werden sollte. Die Bank soUte für den Betrag Banco-Obligationen ausstellen und derselben 120.000 Gulden aus dem böhmischen Tabakgefälle all- jährHch als Bedeckung angewiesen werden. Die Schwierigkeit war, solche Personen zu finden, welche den erforderlichen Betrag vor- strecken konnten, da, wie bemerkt wird, „vielleicht nicht zwanzig sein werden, welche je 20.000 Gulden ohne Beschwerde aufbringen könnten". Graf Starhemberg erhob bezüglich der böhmischen Tabakgefiüle Bedenken, da, „wenn dieser Fundus dem Camerali entgehet, man nicht im Stande sein werde, die Kuchelgelder zu versehen, welches das Decorum Aulae nicht wohl gestatten kann". Man entschloss sich, den bereits vor mehreren Jahren verfiigten Aufechlag auf Fleisch in Wien weiter zu erhöhen, in Erwägung, dass hiedurch der Bürgerstand und andere Ctentribuenten heran- gezogen würden, die sonst von allen Gaben und Imposten frei seien. ^)

Freudig wurde in den Ländern der Friede begrüsst, der dem unglücklichen Türkenkriege ein Ende machte. Gross waren die Ansprüche gewesen, welche von Seite der Staatsverwaltung erhoben worden waren und nur mit Anspannung aller Kräfte hatte man dieselben erflült und sehnsüchtig sah die Bevölkerung einer Er- leichterung entgegen. Diese Hofeung erfüllte sich nicht. Die Türkensteuer entfiel, aber an Contribution wurden im Ordinarium und Extraordinarium dieselben Beträge gefordert wie bisher. Selbst die tragfähigsten Länder, Böhmen, Mähren, Schlesien, welche die g;TÖsste Opferwilligkeit bisher bekundet hatten, waren erschöpft, die Höhe der Rückstände hatte sich beträchtlich gesteigert. Die Mittel für die Verpflegung der Truppen waren nicht vorhanden, bedeutende Summen waren noch zu berichtigen. *)

*) Vortrag ohne Datum. Herabgelangt 3. Febr. 1789.

^ Am Schlüsse des Jahres 1739 betrugen die Bückstände in Böhmen 2,742.984 Gulden, in Mähren 1,016.988 Gulden, in Schlesien 2,460.511 Gulden, zusammen 6,220.885 Gulden. In Nieder-Oesterreich waren allein in Wien 690.493 Grulden im Eückstande, Kämthen hatte noch nicht die Contribution für 1738 voll aufgebracht. An Türkensteuer waren ebenfalls pro 1739 in den deutech-

15»

Digitized by

Google

228

Der geldbedürftige Hofkammer-Präsident musste das Geständ- niss ablegen, dass es unmöglich sein dürfte, die Rückstände ins- gesammt einzubringen und er bat nur, dass die Hofkanzlei dahin wirke, die aushaftenden Beträge der Türkensteuer, der Eecruten- und Remontengelder einzutreiben. Was Ungarn anbelangt, wurde darauf hingewiesen, dass, „um die Eeste einzubringen, das einzige Mittel sei, wenn die Comitate mit zulänglicher Mannschaft belegt und durch deren Consumtion die Praestanda ausgeglichen würden, jene Comitate daher mit einem stärkeren Quartierstande zu belegen, welche in BFCsten am weitesten zurückstehen". Der Obristkanzler Graf Kinsky entwarf ein düsteres Bild. Der herbe Winter hatte die Landwirthe stark geschädigt, „in den Teichen haben die Fische viel gelitten, der Schafunfall sei gross gewesen über 800.000 Stück seien umgekommen in das Hornvieh habe nicht weniger das Sterben eingerissen und es sollen 24.800 zugrunde gegangen sein". Der Präsident des Hofkriegsrathes stimmte dem Präsidenten der Hofkammer bei, dass es besser sei, weniger Truppen zu halten und diese richtig zu bezahlen, als eine grössere Anzahl auf den Beinen zu haben, die man nicht verpflegen könne, aber er machte es von „politischen Reflexionen'* abhängig, wie stark die Truppen- macht sein solle. Der Kaiser hatte die Ausgabe für das Heer auf acht Millionen bestimmt, mit welcher Summe jedoch, wie der Hof- kammer-Präsident bemerkte, das Auslangen nicht werde gefunden werden ; wenn nicht Eath geschafft werde, fügte er hinzu, dass die Truppen die Rückstände und die Löhnungen für den Sommer be- kommen, so werde Alles in grössten Zerfall und in Unordnung gerathen. Es werde auch schwer sein, die acht Millionen Gulden als Ordinarium zu erhalten, der Unterthan sei verarmt, der Adel meist entkräftet, die Länder erschöpft. Damit aber das Heer mit dieser Summe auslange, müsse eine bessere Oekonomie eingeftihrt werden. ^)

Auch in der Civilverwaltung wurden Ersparungen seit Jahren für nothwendig gehalten.

Ln Jahre 1736 war eine Hof-Commission unter dem Grafen Kolowrat angeordnet worden, um den ,,Cameral- Anordnungsstaat" einer Revision behufs Ersparnissen zu unterziehen. Die Mitglieder

böhmischen Erblanden noch 851.892 (Luiden nicht entrichtet worden. In Ungarn war die Contribution seit 1739 in beträchtlichem Rückstande, Ende 1789 im Gesammtbetrage von 1,031.925 Gulden. *) Conferenz-Protocoll 27. Januar 1740.

Digitized by

Google

229

waren der Bancal-Director P r a n d a u, die Hof kammerräthe Z u a n a. Lachmayer und S äff ran. Die erste Sitzung fand am 9. No- vember statt und die Mitglieder kamen allwöchentlich am Freitag zusammen. Erst nach Jahren war die Commission mit ihren Arbeiten fertig, die sodann im Jahre 1740 von der Finanz- Commission geprüft und begutachtet wurden. Auf Grundlage durchschnittlicher Berech- nungen der Jahre 1731 bis 1735 wurden Erfordemiss und Bedeckung ermittelt. Hienach betrugen die Cameral-Erfordemisse 10*17 Mil- lionen, die „Amtsbekostung" 4*1 Millionen, der der Hofkammer zur Verfügung stehende Ueberschuss zur Bestreitung sämmtlicher anderen Ausgaben 6-07 Millionen. Zur Brechtfertigung der Höhe dieser Ausgabe wurde bemerkt, dass die BerggefaJle bei einer Ein- nahme von 3*92 Millionen Gulden allein 3-2 Millionen in Anspruch nähmen, auch das Salzgefälle einen beträchtlichen Aufwand erfor- derte. Das Erfordemiss fiir Hof- und Civilverwaltung belief sich auf 3*877 Millionen Gulden in Wien und 2*296 Millionen in den Ländern, zusammen daher auf 6*173 Millionen. Das Deficit betrug 83*152 Gulden. In dem Vortrage des Hofkammer-Präsidenten wurde darauf hingewiesen, dass eine im Jahre 1729 angeordnete Com- mission unter dem Prinzen Eugen von Savoyen Ersparungen in Vorschlag gebracht habe, die jedoch nicht durchgeführt wurden. Vornehmlich wurden wieder Herabminderungen in dem Erforder- nisse fiir den Hof in Vorschlag gebracht. Die Jägerei, um einige Beispiele anzuführen, habe früher 22.000 Gulden gekostet, jetzt wären 38.000 nöthig, „ohne Abbruch der Jagdlust des Kaisers" würden 30.000 Gulden hinreichen; die Küchel- und Kellerwirth- schafb sei um 122.000 Gulden gestiegen, Kapellen und Musik er- heischten 128*574 Gulden, Pensionen und Adjuten 658.000 Gulden. Es wurden Ersparungen im Betrage von 850.000 Gulden beantragt. Die kaiserliche Entschliessung verfugte, dass die Gesammtausgabe ,,fiär das Aulicum und Camerale" von sechs auf fünf Millionen herabgesetzt werden soll. ^)

Es waren Zukunfbspläne, um Ordnung in den zerrütteten Staatshaushalt zu bringen. Die Verwirklichung derselben erforderte

') Finanz-Conferenz-Protocolle, 27. Januar und 11. Mai 1740, sowie eine Anzahl von Beferaten der Hofkammer sammt Ausweisen. Aus den Schrift- stücken ist ersichtlich, wie hoch die Rückstände Ende 1739 waren ; bei den Hof- und Civilämtem beliefen sich dieselben auf 2*634 Millionen Gulden, beim Hofstaat des Kaisers 96.000, beim Hofküchenamt 41.441, beim Hoffiitteramt 46.273; den Hofhandwerkem schuldete man 115*795, dem Hofkammermeister 74.140 Gulden.

Digitized by

Google

230

Zeit. Vorläufig konnten grosse Ersparungen nicht eintreten, dieLasten der hart bedrückten Bevölkerung nicht erleichtert werden. Lebhaft wünschte Carl einige Erleichterung den Ländern angedeihen zu lassen^). „Wenn es nicht höchst nöthig wäre", lautet eine Ent- schliessung des Kaisers auf das Protocoll vom 27. Mai 1740, „so würde mir lieb sein, noch flir dieses Militärjahr weniger als für 1739 von den böhmischen Ländern zu begehren, denn ich erkenne wohl, dass bei allen umständen und Zufällen es schwer falle, die Steuer auf- zubringen; es werde ihm auch lieb sein, wenn ihm Vorschläge unterbreitet würden". Vorläufig müssten dieselben Forderungen an die Länder gestellt und an die „allezeit bezeugte Treue und Willigkeit der Stände" appelliert werden.

Directe Steuern.

Die wichtigste Einnahme floss aus der Besteuerung des Grundes und Bodens und war in erster Linie zur Erhaltung des Heeres bestimmt, daher Contributio pro militari genannt. Die Grundsteuersumme hieng von der Bewilligung der Stände ab und die Verhandlimgen mit denselben waren oft schwieriger Natur. Eine Instruction vom Jahre 1670 macht uns mit einer Ansicht der Hofkammer bekannt über die Art und Weise des Vorganges bei den an die Stände zu stellenden Anforderungen, die, wie aus den Finanz-ProtocoUen ersichtlich, auch fiir die Zeit Carl VI. massgebend war. Man müsse, wenn man von einem Landtage 10.000 Gulden wünsche, wenigstens 100.000 fordern, weil immer weniger bewilligt, als begehrt werde. Dieser Grundsatz wurde auch in der That befolgt und besonders als Extra-Ordinarium stets eine höhere Summe verlangt. Die Verhandlungen waren nicht selten langwierig und erst nach wiederholtem Schriftwechsel wurde eine Vereinbarung erzielt. Die innerösterreichisohen Länder, Steyermark, Kämthen, Krain und Görz, theilten einander wechselseitig die Postulate und ihre darauf gegebene Erwiderung mit, um ein Ein- verständniss zu erzielen. Auch wurden Versuche gemacht, massgebende Persönlichkeiten in der Residenz zu gewinnen, um sie für die Gegenanträge der Stände und deren Befürwortimg günstig zu stimmen. ^

*) Kaiserliche Entschliessung vom 3. März 1740.

•) So heisst es in einem Schriftstücke, Laibach, 11. Mai 1717 : „Dem Obrist-Kanzler von Sinzendorff und dem geheimen Referendar Loydl sei

Digitized by

Google

231

Eine sichere Grundlage für die Erhebung der Grundsteuer war nicht vorhanden, eine Gleichförmigkeit in den verschiedenen Ländern ein tiefgefühltes Bedürfiaiss. Schon Kaiser Maximilian versuchte eine feste Proportion über die Aufbringung der Steuer herbeizuführen, allein erst auf der Conferenz zu Pressburg im Jahre 1655 wurde eine Regelung erzielt. Den Anlass gab die damalige neue Militärverfassimg und die Ausarbeitimg eines Generaldarlehens. Die vereinbarte Proportion, „damit ein Land gegen das andere sich nicht zu beschweren habe", gieng dahin, dass sämmtliche böhmische und österreichische Länder mit achtzehn Theilen in Anschlag gebracht wurden und hievon die böhmischen Länder zehn, die österreichi- schen Länder acht Theile zugewiesen erhielten. Bis zum Jahre 1668 ergaben sich jedoch viele Schwierigkeiten bezüglich der Durch- führung, nicht etwa zwischen den österreichischen und böhmischen Ländern in ihrer Gesammtheit, sondern zwischen den böhmischen Ländern unter einander und ebenso den österreichischen unter sich. Bei einer auf Befehl des Kaisers erfolgten Zusammentretung der Hofetellen wurde zwar die General-Proportion von zehn und acht bestätigt, jedoch die Special-Proportion der beiden Ländercomplexe derart bestimmt, dass von den zehn Theilen, welche auf die böhmischen Länder entfielen, das Königreich Böhmen die Hälfte und von der anderen Hälfte Mähreu ein Drittel und Schlesien zwei Drittel entrichten sollten, ferner, dass von den acht Theilen, welche auf die österreichischen Länder insgesanmit entfallen, Laner- Oesterreich die Hälfte und von der anderen Hälfte Oesterreich unter der Enns zwei Drittel und Oesterreich ob der Enns ein Drittel tragen sollte. Als man im Jahre 1673 die bis dahin bestandene Militärrepartition auf Regimenter, Oompagnien und Portionen aufgab und die Militärerfordemisse in einen Geldbetrag zusammenfasste, wurden alljährlich die erforderlichen Geldansprüche auf Grrund der festgestellten Proportion an die Stände der einzelnen Länder gestellt. Es fehlte nicht an Klagen über Ueberbürdung und das eine oder andere Land nahm, wie es in einem Schriftstück heisst, Gelegenheit, „von seinem Quantum mehr^ als es die

ein Regale zu präsentieren, damit einer löblichen Landschaftafi'aire besser künftig secundiert werde, welches auch callide von Seiner fürstlichen Gnaden von Portia recommandiert wurde. Auch für den Grafen Seilern, Vioekanzler, möge ein Auswurf geschehen''. Der Beschluss wurde gefasst, Sinzendorff 1000 Speciesducaten, S eilern und Loy dl je 500 „dergestalt pro regale zu verwilligen, dass solche diesen Herren in silentio präsentiert werden sollen". (Laibacher Museal- Archiv).

Digitized by

Google

232

Proportion zuliess, durch öftere Deprecationen hinunter und von der wahren Proportion abzubringen". Im Jahre 1679 wurden drei Con- ferenzen über die Proportion der Länder abgehalten und zwar Anfangs August in Wieii, femer am 24. und am 30. October in Prag unter Leitung des damaligen Obristen Burggrafen Grafen Martinitz. Die anderen Mitglieder der Conferenz waren: Graf Albrecht v. Sinzendorff, die Präsidenten der Hofkammer, des Hofkriegsrathes und der österreichischen und der böhmischen Hof- kanzlei. Man einigte sich über folgenden Proportionsmodus: die böhmischen Länder sollten etwas weniger als zwei Drittel, die österreichischen Provinzen etwas mehr als ein Drittel künftighin entrichten. Li zwei Conferenzen des Jahres 1682 (am 14. und 24. Januar) wurde genau bestimmt, dass 11 Vi auf die böhmi- schen und 6 Vi auf die österreichischen Länder entfallen sollten, was dann auch die Grundlage für die Aufbringung der Contri- bution bis in die Zeiten Maria Theresia's blieb. Auf dieser Grundlage erfolgte das Recruten- und Remontenpostulat in den verschiedenen Ländern, ebenso auch die Repartition der in die böhmischen und österreichischen Länder zur Verpflegung verlegten Miliz. In demselben Verhältnisse wurden auch etwaige ausser- ordentliche Anforderungen an die Länder gestellt. Nur ausnahms- weise, wenn irgend ein Land durch ausserordentliche Ereignisse gelitten hatte und eine Erleichterung beanspruchen durfte, trat vorübergehend eine Aenderung ein. ^) Nieder-Oesterreich erstrebte und erlangte durch Eecesse eine Erleichterung, was von Seite der böhmischen Länder zu Vorstellungen Anlass gab , „dass die österreichischen Erblande sich von der gesetzlichen Proportion zu befreien Gelegenheit gefunden haben, wodurch Böhmen unerträglich belastet würde". «)

Die Grundlagen der Steuerbemessung waren nicht die gleichen. Li Böhmen wurde nach dem westphälischen Frieden ein Contri- butions - ßepartitionsmodus nach den angesessenen Unterthanen

*) So wurde im Jahre 1683 Nieder-Oesterreich in Folge der Verwüstung durch die Türken erleichtert und ein Drittel seiner Proportions- Summe auf die böhmischen Länder, ein Drittel auf die übrigen österreichischen Länder über- tragen.

•) Die Darstellung beruht auf einem Schriftstücke : „Deduction über die von altersher vereinbarte Proportion bei Leistungen an den Staat zwischen den österreichischen und böhmischen Erblanden", welches sich im Archiv des Ministeriums des Innern befindet. Femer: „Kurzer BegriflF über die Verfassung und Manipulienmg des Contributionswesens im Königreiche Böhmen".

Digitized by

Google

233

erhoben. Die Grundstücke derselben wurden beschrieben und 1654 in der „Visitations-Rolle" zum Abschlüsse gebracht. Die Besteuerungs- Grundlage war eine rohe. Man gieng nämlich von der RobotftLhig- keit aus. Je nachdem ein Bauer der Grundobrigkeit mit vier Stück oder einer geringem Anzahl Zugvieh die Bobot verrichten konnte, wurde die Eintheilung in Ganz-, Halb- und Viertelbauem oder Chaluppen gemacht, ohne dass die Grösse des Grundes und Bodens in Betracht gezogen wurde. Nur in einer Beziehung hatte die Eectification vom Jahre 1664 ein zuverlässigeres Ergebniss geliefert, dass die steuerfreien Dominicalherrschaften und die steuerpflichtigen Rusticalherrschaften genau beschrieben wurden. Seit 1670 wurden Revisionen dieses primitiven Catasters vorgenommen und eine „Bevisions^-RoUe zu Stande gebracht. Die Ungleichheit der Be- steuerung auf dieser mangelhaften Grundlage liess sich insofeme ertragen, als der Steuerquotient ein verhältnismässig geringer war. Derselbe belief sich im Jahre 1656 auf 550.464 Gulden für die Truppenverpflegung und in barem Gelde auf 380.000 fl., zusammen daher auf 930.464 Gulden. Aber bereits 1673 betrugen die Leistungen 1,350.510 Gulden. ^)

Ein neuer Cataster wurde unter dem Obristen Kanzler Franz Ulrich Grafen Kinsky in Angriff genommen. Man berechnete in jedem Kreise den Grund und Boden nach Strichen, dividierte die Gesanmitsumme durch die Anzahl der daselbst Angesessenen; der Quotient war der Kreisdivisor und hienach wurde die Steuer, obzwar noch immer in einer sehr oberflächlichen Weise bemessen, je nachdem der Grundbesitz des Steuerpflichtigen grösser oder kleiner als der Kxeisdivisor war; allein innerhalb eines Kreises war doch eine grössere Gleichmässigkeit der Besteuerung erzielt worden. Der Uebelstand lag eben darin, dass die Güte der Felder gar nicht berücksichtigt wurde. Noch grösser aber stellte sich die Ungleichheit von Kreis zu Kreis heraus und da die Steuer in dem Zeitraimie von 1689 bis 1708 beträchtlich gestiegen war, wurden mannigfaltige Aenderungen beliebt, die jedoch keine Abhilfe schafften. Im Jahre 1712, also kurz nachdem Carl VI. die Regierung übernommen hatte, wurde eine Eecti&cierung des Ansässigkeitsmodus in Angriff genommen imd 1725 beendet. Hierauf wurde an eine „Final-Cal- culations- und Ansässigkeits-Einrichtungsprobe" geschritten und mit

•) Und zwar Milizverpfleguug 1,152.810 Gulden, Werbungsgelder 67.670 Gulden, femer pro Fortificatorio 30.000 Gulden, Hochzeitsdonativ 50.000, endlich ad liberam ebensoviel.

Digitized by

Google

234

dem kleinsten Kreise, dem Berauner, begonnen. Als Divisor wurden achtzig Striche guten Bodens angenommen. Es ergab sich, dass nur 335 „Corpora" von siebzig bis achtzig Strich in gutem Con- tributionsstande waren ; 641 von fünfzig bis siebzig Strich konnten mit der Contribution „ziemlich zurecht kommen, wo der Boden imd Verschleiss gut, wo aber nicht, waren sie unvermöglich" ; 664 unter funfeig Strich waren „übel daran" und prägraviert, vor- nehmlich im Bechiner und Prachiner Kreis. Erst 1732 geschah ein weiterer Schritt. Der Referent bei der böhmischen Kanzlei, Jordan, lieferte eine umfassende Arbeit, die einer sorgfaltigen Berathung in der Kanzlei unterzogen, sodann mit den „Primoribus" berathen und endlich in einer Eectifications-Commission fertiggestellt wurde. Am 13. September 1732 konnte dem Kaiser ein Vortrag erstattet werden. Die Entschliessung von demselben Tage lautet: „Placet in toto und mitzugeben : wo sich in operatione billige und wichtige Anstände ereigneten, es gleich zu berichten und mit allem Fleiss diesem so lange dauernden Werk ein Ende zu machen." Carl VI. erlebte die Neugestaltung des Catasters nicht; erst unter Maria Theresia kam die Angelegenheit zum Abschlüsse*).

Auch in Mähren wurde einige Jahre nach Beendigung des dreissigj ährigen Krieges an eine Neuordnung des höchst mangel- haften Contributionswesens geschritten. Auf dem mährischen Land- tage, der vom 13. December 1655 bis 8. Januar 1656 tagte, wurde der Beschluss gefasst, dass die Obrigkeiten geistlichen und welt- lichen Standes Fassionen über ihre Unterthanen einbringen und dieselben in „Lahnen" mit Ausserachtlassung der Mobilien eintheilen sollen, zugleich aber ersichtlich zu machen haben, welche Q-ründe den Obrigkeiten und welche den Unterthanen gehören. Nach dem Jahre 1659 begann sodann die Besteuerung nach Lahnen, deren es 16.134 gab. Die Steuer wurde auf die Obrigkeiten nach Anzahl der Lahnen vertheilt, diesen aber die freie Eepartition auf die

*) Die Vertheilung der Contribution in Böhmen war folgende:

Unterthanen

1731 1732 1733 1734 1785

Jahr fl. kr.

37 37 38 34 36

42 41

46 17

28

Pfg.

4V,

l»«/84

4 Vi

Obrigkeit

fl. I kr. Pfg.

10 ' 2

6 I 44

5 I 8

5 6

19 14

l*/si 5V8 i

4»/l6!

3Vio|

l»/4 <

Unterthanen

Jahr I fl. I kr. | Pfg.

1736 ! 37

1737 1738 1739 1740

49 49 51 40

25 I 3

21

8

18

52

Obrigkeit

22 19 19 19 17

kr.

2

25 33 27 82

Pfg'

Digitized by

Google

236

Gemeinden und auf die einzelnen Unter thanen eingeräumt. Von Seiten der Behörden in Wien wurde die Mangelhaftigkeit und Ungleich- mässigkeit der Steuergrundlagen bald erkannt, aber erst in Folge kaiserlicher Entschliessungen vom 22. August 1668 und 9. Januar 1669 in Angriff genommen und nach kurzer Zeit zum Abschluss gebracht. Dieses Operat, „Catasterum" genannt, bildete nunmehr die Grundlage der Besteuerung, wobei niu* Aecker und Wein- gärten in Betracht kamen, Wiesen und Wald aber ausgenommen blieben.

Die Aecker und Weingärten waren nach der Verschiedenheit der Güte des Bodens, ihrer Lage im Gebirge oder in der Ebene in drei Olassen getheilt. Wiesen und Wälder unterlagen der Be- steuerung nicht. In die erste Classe gehörten jene, welche Weizen oder gutes Korn, in die zweite, welche Korn geringerer Qualität, in die dritte, welche Hafer, Haidekorn u. s. w. erzeugten. In den ersten zwei Olassen bildeten 600 Quadratklafter, in der dritten Classe 700 Quadratklafter einen Hetzen, weil die Besaatung des Ackers mit Hafer eine weit grössere Fläche zu erfordern schien; 100 Hetzen der ersten Classe, 125 der zweiten und endlich 150 der dritten Classe bildeten einen Lahn. Die privilegierten Schank- häuser in Städten und Harkten sollten den Lahnen beigerechnet, die Handwerksleute in den Herrenstädten, welche keinen Schank ausübten, auch keine Aecker und Weingärten besassen, zu ftinfzehn, die Judenhäuser aber zu achtzehn für einen Lahn veranlagt ^wrerden.

Der Besteuerung nach Lahnen imterlagen nur die Gründe der Unterthanen und im Jahre 1669 wurde der Beschluss gefasst, dass die bisher unterthänigen Gründe auch als solche zu verbleiben haben. Zu diesem Behufs wurde eine Generalvisitation angeordnet, die zur Vollendung ihrer Aufgabe neun Jahre benöthigte.

In Folge kaiserlicher Entschliessung vom 10. November 1660 übernahmen zur Erleichterung der Unterthanen die oberen Stände und königlichen Städte einen Theil der Contribution und als Ver- theilungsmassstab die Kamine der Häuser. Die Contributionssumme wurde von den Ständen auf die Steuerobjecte umgelegt. Die Re- gierung suchte die Unterthanen gegen Ueberlastung möglichst zu schützen. Namentlich unter Carl VI. wurden hierauf bezügliche Verftigungen getroffen, die Obrigkeiten verpflichtet, dem Kreisamte die Subrepartition vorzulegen, damit eine Prüfung vorgenommen werden könne, dass keinö Ungleichheiten vorhanden wären und die Obrigkeiten von den eingezogenen unterthänigen Gründen die

Digitized by

Google

236

Steuer entrichteten. ^) Da der Gesammtbetrag der Contribution unbedingt aufgebracht werden musste, war es gestattet, mittellosen und beschädigten Unterthanen einer Herrschaft die Steuer gänzlich oder theilweise zu erlassen und die Vermögenden stärker heran- zuziehen, jedoch durfte diese Uebertragung der Steuer von den Unvermögenden auf die Vermöglicheren nicht zwischen Unterthanen verschiedener Herrschaften, auch wenn sie einer Obrigkeit gehörten, stattfinden. *)

In Schlesien wurde eine Rectification der Grundsteuer seit Beginn des dritten Jahrzehntes vorgenommen. ^ Das Land wurde in zwanzig Körper getheilt. Zwischen den einzelnen Körpern sollte eine Ausgleichung stattfinden. Die Commissionen hatten die Nutzungscapitalien zu ermitteln. Directivmassnahmen fiir die Classentaxation der steuerbaren Realitäten wurden in den nächsten Jahren erlassen, eine Rectifications-Hauptcommission in Breslau eingesetzt. Die Obrigkeiten hatten ftlr sich, die Ortsgerichte fiir die Unterthanen, die Magistrate für die Städte Fassionen über die Nutzungen aller der Besteuerung unterworfenen Gründe und Reali-

*) Resolutionen vom 7. September 1730, vom 15. Januar 1734 und das Robot-Patent vom 27. Januar 1738.

•) In Mähren war die VerÖieilung der Contribution folgende:

Für der I

den Lahn

Vom Kamine

Jnterthanen

der

Obrigkeiten

der Unterthanen |

fl.

kr.

Pfg.

fl.

kr.

Pf«.

fl.

kr.

P%.

1717

27

36

2

58

3

58

Extraordinarium . . .

7

54

2

36

2

2

36

2

1720

22

56 !

8

3

8

Extraordinarium . . .

6

12 1

1

11

1

11

1

1721 (im Ordinarium) .

25

83

3

1

2V,

1

2V«

1721 (Extraordinarium)

4

35

1

4

2

4

2

1726 (Ordinarium) . . .

28

50

3

IVs

l*/s|

1726 (Extraordinarium)

1

52

26

2

-

1728 (Ordinarium) . . .

29

2

3

1

2

4

1

2

1728 (Extraordinarium)

4

10

58

2

1736 (Ordinarium) . . .

27

53

2

55

3

55

1736 (Extraordinarium)

9

58

2

19

2

2

19

2

1738 (Ordinarium) . . .

23

53

2

53

3

3

53

3

1738 (Extraordinarium)

10

24

2

26

2»/«

^) Resolution vom 4. November 1711, Patente vom 1. December 17^1 und 2. März 1722. F.C.P. 1. Juni 1722. d'Elvert's Finanzgeschichte enthalt eine ausführliche Darstellung.

\

Digitized by

Google

237

täten vorzulegen. Die ersten Fassionen waren allerdings lückenhaft, indem die ziemlicli beträchtlichen Nutzungen, welche aus Boboten und Zinsen herrührten, unberücksichtigt geblieben waren. Durch die Patente vom 17. August 1733 wurden daher neue Bestim- mungen erlassen und namentlich von den Obrigkeiten Ergänzungen zu ihren firüheren Bekenntnissen gefordert. Trotzdem waren Un- gleichheiten nicht ganz beseitigt, weil der Flächeninhalt der Gründe blos nach der Ansage veranlagt, Wiesen, Hutweiden und Teiche nur nach dem Augenschein gemessen wurden. Den Grundertrag berechnete man netch der Qualität des Bodens. In den Städten wurden die Erträgnisse als Steuerbasis angenommen, entweder nach dem wirklichen Miethzinse oder nach einer Parification desselben, wenn der Besitzer das Haus bewohnte. Das Einkommen der Städte (Waag- und Standgelder, Wein- und Bierkeller-Nutzungen, die Zinse von städtischen Brauhäusern und Zünften u. s. w.) wurde der Besteuerung einbezogen. Die wirthschaftliche Bedeutung dieses Landes ist daraus ersichtlich, dass das Werthcapital, welches der Besteuerung unterlag, sich auf neununddreissig Millionen Thaler belief. Die Oontribution Schlesiens betrug in den letzten Jahren Carl VI. über zwei Millionen Gulden, femer Beträge für Recru- tierung, Remontierung und andere Landeserfordemisse. Allein damit waren die Leistungen des Landes nicht erschöpft. Abgesehen von der Militäreinquartierung, Verpflegung und Vorspann brachte die Universalaccise, welche einzuführen in Schlesien gelang, während in den anderen Ländern der Widerstand der Stände nicht zu besiegen war, im Durchschnitte der Jahre 1736 1738 1*515 Mil- lionen. Niemand war von der Entrichtung befreit und dieselbe belastete besonders die Landbevölkerung. Mit der Aufhebung der- selben beschäftigte sich eine Commission in den Jahren 1738 und 1739 und erörterte den Gedanken, dieselbe auf dem Lande zu beseitigen und nur in den Städten beizubehalten. Friedrich H. jRihrte nach der Besitzergreifung Schlesiens im Wesentlichen durch, was die Oesterreicher geplant haben.

In den österreichischen Ländern : Oesterreich unter und ob der Enns, Steyermark, Kämthen und KJrain beruhte die Grundbesteuerung auf dem Gültanschlage, worunter das Einkommen aus dem herr- schaftlichen Grundbesitze mit Inbegriff der Gebäude, femer aus Zins, Zehent und Naturaldiensten der Unterthanen und andere Nutzungen verstanden wurden. Die Beitragsleistung der deutsch- österreichischen Länder wurde auf dem Landtage zu Brück an der Mur im Jahre 1544 durch ein Abkommen zwischen Oester-

Digitized by

Google

238

i

4i

1

reich ob und unter der Enns, Steyermark, Kämthen und Krain geregelt. Die letztgenannten drei Länder, damals Inner-Oester- reich genannt, sollten an Contribution ebenso viel entrichten, als Oesterreich unter und ob der Enns zusammengenommen. Von der öesammtleistung Inner - Oesterreichs entfielen auf Steyermark V9, auf Kämthen und Elrain V9, von dem letzteren Betrage auf Kämthen Vs, auf Krain Vs. Steyermark war mit 72.000 Pfunden begültet, Kämthen mit 34.000, Krain mit 22.000. Im Jahre 1558 fand ein Landtag zu Brück an der Mut statt, woran die Stände von Steyermark, Krain, Kämthen und Q-örz Antheil nahmen. Kämthen musste auf Andringen der steyerischen Stände 2000 Pftmde mehr übernehmen, wodurch es mit 36.000 Pfunden begültet wurde. Die Unterthanen hatten zwei Drittel, die Obrigkeiten ein Drittel zu entrichten. Ein Extra- ordinarium wurde seit 1650 im Betrage von 127.000 Gulden ent- richtet. Seit dem Jahre 1726 wurde eine Abschreibung von 12.000 Gulden bewilligt. Femer wurde seit 1631 ein Eüstgeld eingehoben und zwar von jeder Hube vier Gulden, von jedem Zulehen zTwei Gulden zwanzig Kreuzer, von jeder Keusche fiinf- undfiinfzig Kreuzer, ausserdem ein Remonten- und ßecruten- beitrag. ^) Am 27. September 1737 erfloss eine kaiserliche Ent- schliessung, eine andere Contributions-Einrichtung einzufiihren, die jedoch erst unter Maria Theresia durch das Patent vom 5. September 1747 in's Leben trat.*)

Eigenartig hatte sich die Grundsteuer in Tyrol entwickelt. Nach dem Landlibelle Kaiser Maximilian L vom Jahre 1511 hatte Tyrol die Pflicht, 5000 Kxiegsknechte bei jedesmaligem Auf- gebote zu stellen, wozu Adel, Geistlichkeit und Gerichte im Ver- hältnisse zur Bevölkerung und des Realbesitzes beizusteuern hatten. Das Land war in Folge dessen in 5000 Bezirke eingetheilt und jeder hatte einen Streitknecht einen Monat lang (damals die ver- fassungsmässige Dauer des Kriegsdienstes) zu verpflegen. Als im

*) Auch die Aufbringung der Anzahl derRecruten, sowie die Vertheilung derselben auf die einzelnen Länder waren ebenfalls genau geregelt. Die öster- reichischen Länder hatten 6V4, die böhmischen 11 '/i aufzubringen; von der auf die böhmischen Länder entfallenden Quote kamen auf Böhmen öVs, auf Schlesien 3'Vi2, auf Mähren I'Vm. Inner-Oesterreich hatte HVs, Ober- undNieder- Oesterreich ebenso viel aufzubringen ; von der auf Inner-Oesterreich entfallenden Quote kamen auf Steyermark die Hälfte, auf Kämthen Vio, auf Krain '/u

') Acten des Landes-Archivs zu Klagenfurt, femer fünfzig Conferenz- Protocolle in militaribus von den Jahren 1716—1720. (Hofkammer-Archiv).

Digitized by

Google

239

Jahre 1573 die Stände die Schulden des Erzherzogs Ferdinand ü. übernahmen, wurde die erste förmliche Grundsteuer ausgeschrieben. Die Repartition richtete sich nach der Theilnahme an der Aus- stattung eines Kriegsknechtes und die bisherigen Küegsknechte verwandelten sich daher in Steuerknechte, deren Anzahl sich jedoch durch die bei dem Grundbesitze eingetretenen Veränderungen ver- minderte. Zur Wiederherstellung der vollen Zahl von 5000 Kriegs- knechten wurde unter Carl VI. eine Reform des Steuerwesens begonnen und unter den Nachfolgern fortgesetzt.

In der Regel fand die Bewilligung der Länder-Oontribution jährlich statt. Ladess wurden auch Vereinbarungen mit den Ständen (Recesse) geschlossen, wobei die Leistimgen für eine Anzahl von Jahren festgesetzt wurden. So wurde 1713 ein Recess auf zehn Jahre abgeschlossen (Decennal-Impegno). Nieder-Oesterreich ver- pflichtete sich, während dieser Zeit jährlich 600.000 Gulden an Con^ribution aufzubringen, wovon jene Summen abgezogen wurden, die für die Verzinsung und Rückzahlung einiger Darlehen vorbehalten blieben; Mähren übernahm die Aufbringung von 950.000 Gulden, Böhmen von zwei Millionen. Die Stände nutzten aber diese Gelegen- heit, um für ihre Bereitwilligkeit bestimmte Zusagen oder Be- günstigungen zu erhalten. Auch in der Folge kam es in einigen Ländern zu Abmachungen bezüglich der Höhe der Contribution auf eine Anzahl von Jahren, so z. B. in Nieder-Oesterreich im Jahre 1723 und am 9. Juli 1730. Durch den erstgenannten Recess vom 12. März 1723 hatte sich Nieder-Oesterreich zur Entrichtung einer bestimmten Oontributionssumme behufs Entrichtung der für den Staat aufgenommenen Schulden verpflichtet und zwar bis Ende 1740 ^) ; später wurde der Termin der Anlehenstügung bis zum Jahre 1745 erstreckt und endlich durch einen Recess vom 9. März 1739 bis zum Jahre 1754.

Nebst dem Ordinarium und Extraordinarium hatten die Länder noch mannigfache Beträge unter verschiedenen Titeln zu leisten, so z. B. Portificationsbeiträge für die Erhaltung der Festungen ; sie hatten Monturen und Gewehre f(ir die Recruten, sowie Pferde

*) Während des pohiischen Thronfolgekrieges bewilligten die Stände für 1735 und 1736 weitere 200.000 Gulden unter der Bedingung, dass, im Falle eine Vermögens-Steuer vorgeschrieben würde, die bei den Ständen „anliegenden CapitaÜen" befreit bleibensollen. (Landtagsbeschlüsse vom 27. November 1734 und 20. December 1735.)

Digitized by

Google

240

beizustellen, letzteres gegen eine massige Vergütung. Es wurde öfters Klage geftlhrt, dass die Länder viel mehr zu leisten hätten, als sie bewilligen und dass dieselben durch derartige Excesse ruiniert würden. ^) Femer hatten die Länder das vorgeschriebene Service (Feuer, Licht und Liegstätte), sowie Vorspanne zu leisten, für die Bequartierung des Militärs Sorge zu tragen, die Brot- xmd Pferdeportionen zu verabreichen. Die Finanzconferenz beschäftigte sich zu wiederholten Malen mit der Erörterung, wie die Lasten der Unterthanen erleichtert werden könnten und beantragte die Erbauung von Kasernen, um die höchst beschwerliche Quartierlast zu beseitigen, dann die Durchzüge, die übermässige Verpflegung und die Vorspannleistungen abzuschaffen, femer die Müiz ausser der nöthigen Besatzung nach Ungarn, Siebenbürgen und in die Walachei zu verlegen, wodurch der Consum der Naturalien befördert, den deutschen Erblanden aber der Nervus rerum gerendarum zu prästieren, reserviert werden könnte. *)

Bei besonderen Anlässen wurden an die Länder noch ander- weitige Anforderungen gestellt, so bei Krönungen, Reisen des Kaisers, bei Hochzeiten im Kaiserhause. ^) Jede unvorhergesehene Ausgabe bereitete der Hofkammer Verlegenheiten, so die Beise des Kaisers zur Krönung nach Prag und spdann nach Carlsbad, deren Kosten auf 800.000 Gulden berechnet wurden. Von den böhmischen Ständen erwartete man einen Beitrag von 200.000 Gulden, der Eest sollte durch eine Anticipation von den „Opulentioribus regni" und den Prälaten eingebracht werden und zwar gegen eine sechs- percentige Verzinsung und einer nach drei Jahren alljährlichen Rück- zahlung von 100.000 Gulden.*) Einige Jahre später gerieth man in Verlegenheit, die Summe aufzubringen, welche die Reise des Monarchen nach Graz, und den anderen innerösterreichischen Ländern erforderte. Als die Verheirathung Maria Theresia's bevorstand, wurde das Anliegen an die Stände zu einer Beitrags- leistung damit gerechtfertigt, dass „zu der gebührenden Aus- staffierung namhafte Geldsummen erforderlich seien, welche dem enervierten Aerar herbeizuschaffen nicht wohl möglich sei". Von

*) Finanz-Conferenz-Protocolle vom 18. Dec. 1718 u. 16. Jan. 1719.

') Finanz-Conferenz-ProtocoU vom 13. August 1720.

•) So z. B. bewilligten die mährischen Stände 1719 zur VermäMung der Erzherzogin Maria Josepha mit dem Churprinzen von Sachsen 20.000 Gulden, zahlbar in zwei Raten.

*) Finanz-Conferenz-ProtocoU vom 28. Januar 1728.

Digitized by

Google

241

den böhmisclien Ständen wurden 110.000 Gulden gefordert.^) Die Stände, welche „über diese Vermählung herzinnigliche Freude geschöpfet", bewilligten 5000 Speciesducaten als Hoohzeitsgeschenk und zur Ausstaffierung 90.000 Gulden. Die Obrigkeiten machten sich anheischig, diese Summe allein aufisubringen mit der Bemerkung, dass bisher die „Halbscheid" auf die Unterthanen entfallen war. ^)

Die grössten Anforderungen wurden an die deutsch - böhmi- schen Länder gestellt, während die* Länder jenseits der Leitha im Verhältnisse zur Grösse des Gebietes verhältnissmässig wenig steuerten. La den massgebenden Kreisen der Residenz be- schäftigte man sich eingehend mit der Frage, welche Mass- nahmen zu ergreifen seien, imi eine grössere Beitragsleistung Ungarns und der dazu gehörigen Gebiete zu erzielen. Eine Denk- schrift liegt aus dem Jahre 1722 vor, deren Verfasser, wenn ich nicht irre, Prandau war, worin die Sachlage eingehend erörtert ist. Ungarns Verfassung, heisst es daselbst, sei so verfallen, dass es nothwendig sei, „auf ein zulängliches Eemedium zu kommen" ; im Lande selbst beschäftige man sich mit allerlei Vorschlägen, wie dem Uebel zu steuern sei, ohne sich einigen zu können; die so kostbare Landesconscription sei noch nicht so weit präpariert, um dem Kaiser vorgelegt werden zu können; über die ungleiche Ver- theilung der Contribution werde von den Ständen geklagt und von dem Unterthanen dargelegt, dass in den Comitaten das alterum tantum ausgeschrieben werde, als von dem Monarchen gefordert Tvorden sei; die zahlreichen Erhebungen in den Adelstand haben Befreiung von der Steuer zur Folge, die Contribution werde nicht in billiger Weise ausgemessen, die Eobot betrage in einigen Orten zweiundfänfzig, in anderen fünfiindsechzig Tage jährlich, die Contri- bution sollte justizmässig nach Vermögen aufgetheilt werden.

Waren alle Stimmen darüber einig, ^ass die Contribution in Ungarn nicht nach bUligen Anforderungen eingehoben werde, über die Mittel zur Beseitigung der unstreitig vorhandenen Uebelstände giengen die Ansichten auseinander. Ein Vorschlag lag vor, eine

*) Bescript an die Stände. 22. December 1735.

^ Die StÄnde hatten auch Beiträge zu Besoldungen für die obersten Würdenträger zu leisten. So z. B. Mähren : Adjutum für den Obristen Kanzler 2O00 Gulden, anfangs nur zeitweilig, später bleibend, femer zur Vergrösserung des Personals der Hofkanzlei, für das mährische k. Tribunal. Böhmen für die „Abschickimg und Unterhaltimg mehrerer Bot- und Gesandtschaften" ein „quantum camerale" von 100.000 Gulden, später 150.000 Gulden.

Oesterreichischer Erbfolgekrieg, I. Bd. 16

Dfgitized by

Google

242

Kopfsteuer einzuführen, allein man kannte die Anzahl der Contri- buenten nicht, um mit Sicherheit bestimmen zu können, dass auf diesem Wege eine höhere Einnahme werde erzielt werden. Jeden- falls mussten die Geistlichkeit, der Adel, die „Bedienten" des Landes und der Comitate, dte eine grosse Anzahl ausmachten, herangezogen werden. Aber wie sollte die Neuerung bewerkstelligt werden, da nicht bezweifelt werden konnte, dass die neue Ordnung bei so Vielen, die bei der Unordnung sich besser befanden, Wider- stand finden dürfte? Die Einnahme aus der Contribution in Ungarn, überhaupt aus den Gebieten jenseits der Leitha, reichte nicht einmal aus, lun die Kosten für das Militär zu bedecken. Die während des Türkenkrieges erworbenen Länder Serbien, Walachei, Temesvarer Banat, Slavonien brachten nicht einmal die hiefiir erforderlichen Kosten auf. ^)

Jede, wenngleich geringe Erhöhung der Contribution stiess auf Schwierigkeiten, sie konnte oft nur mit Mühe durchgesetzt werden und als im vierten Jahrzehnt die deutsch-österreichischen Länder während der Kriegsjahre zu höheren Leistungen heran- gezogen werden mussten, wurde für Ungarn nur eine verhältniss- mässig kleine Erhöhung der Contribution um 500.000 Gulden in Aussicht genommen, deren Einbringung schwierig war. ^ Alle Versuche, eine Gleichmässigkeit in der Beitragsleistung zwischen den Ländern diesseits und jenseits der Leitha herbeizuführen, blieben ergebnisslos.

Der polnische Thronfolgekrieg, sowie der beld darauf aus- brechende Türkenkrieg nahmen die finanziellen Mittel des Staates stark in Anspruch, da die vorhandenen Steuern zur Bestreitung der Kosten nicht im Entferntesten hinreichten. Namentlich Starhemberg drängte zur Ausschreibung einer Vermögens- steuer. Die Erfordernisse, legte er dar, seien ungemein gross, Kanuner und Bancalität seien an baarem Gelde so entblösst, dass man kaum 200.000 Gulden aufbringen könne und die Umstände derart, dass man eine Armee in's Feld stellen müsse, wodurch allein die drohende Gefahr und der Euin der Länder aufzuhalten sei ; die Noth sei so gross, dass man auch auf Extreme verfallen, Vermögens- und andere Steuern ausschreiben sollte, damit man nur mit den erforderlichen Mitteln versehen sei, sofort auszuhelfen.

*) Finanz-Conferenz-Protocoll vom 25. Februar 1722. ») Protocoll der Deputation vom 3. December 1733.

Digitized by

Google

J

243

Die kaiserliche EntsGhliessung genehmigte den Antrag. ^) Die Aus- führung wurde durch neue Berathungen verzögert. Es schien nicht rathsam, einPatent vorSchluss desböhmischenLandtages, auf welchem die Stände zu einer beträchtlichen Anticipation von 1*2 Millionen Gulden ihre Zustimmung gegeben hatten, zu erlassen. In Schlesien waren 0*8, in Mähren 0*4 Millionen zugesagt worden. Auch giengen die Ansichten auseinander, ob die Bancalitätsschulden von der Steuer in ähnlicher Weise, wie jene der Stadtbank befreit werden sollten ; endlich hatte man den Ländern durch Recesse versprochen, nur in dem Falle eines Türkenkrieges neue Anforderungen zu stellen. Graf H a r r a c h bemerkte jedoch : die Noth sei jetzt grösser als zur Zeit des Türkenkrieges; es werde daher Jeder begreifen, dass man durch ausserordentliche Mittel und Anlagen das Publicum zu retten suche. Eine Einigung erfolgte vorläufig dahin, blos ein Interimspatent zu veröffentlichen, über den Steuerfuss jedoch das Einvernehmen zwischen Hofkammer und Hofkanzlei abzuwarten. ^ Auch die Erhebimg einer Kopfsteuer wurde in Erwägung gezogen, allein der Vorschlag stiess auf grosse Bedenken.

Am 23. November 1733 erfolgte die Ankündigung, dass der Kaiser sich genöthigt sehen werde, eine Vermögenssteuer einzu- fiihren und am 10. Februar 1734 erschien das darauf bezügliche Patent. Alle Unterthanen, wie auch die Landschaften, Städte, Märkte und Oommunitäten in corpore wurden zur Entrichtung verpflichtet, die armen Bürger und Bauern, überhaupt jene Per- sonen, deren jährliche Einkünfte nicht über 400 Gulden betrugen, ausgenommen. Mit der Durchfährung wurde eine Hof-Commission betraut.

Die Einhebung der neuen Steuer war aber mit Schwierigkeiten i7erbunden, wenn erst die Commissionen in den verschiedenen . Ijändem die Einschätzungen vornehmen sollten. Die Hofkammer befand sich in arger Noth ; die „Fundi" seien ungewiss, klagte der Präsident, „und man könnte eine bestimmte Zeit, wann dieselben einfliessen werden, nicht angeben, der Credit sei so zu Boden, dass ^veeder Geld, noch Wechsel zu beheben imd an Baarem ein solcher Abgang, dass nirgends mit einer Anticipation aufzukommen möglich". Seine ganze Hoffiiung beruhte auf der Vermögens-Steuer und er

*) Protocoll der Deputation vom 28. October 1783.

') Conferenz-Protocoll vom 22. November 1733. „Die Vermögens-Steuer xs-t bei jetzigen Nöthen unentbehrlich", lautet die kaiserliche EntschUessimg, ^yxnithin ohne Zeitverlust ratione publicationis, quanti et modi collectandi das I^Öthige zu berathschlagen".

16*

Digitized by

Google

244

stellte den Antrag, den Ständen „ein raisonnables Pauschquantum'* anzubieten, denn es werde längere Zeit benöthigen, ehe die Fassionen einlangen. Die Gelder würden spärlich einlaufen und da man über die Höhe der Erträgnisse keine sicheren Anhalts- puhote habe, könne man auch den Darleihern keine bestimmte Zusicherung machen. ^)

Es scheint, dass die Stände Nieder-Oesterreichs die Initiative ergriffen und einen Pauschalbetrag anboten, dessen Aufbringung ihnen überlassen werden sollte. Für den Staat war diese Modahtät jedenfalls erwünscht, wenn es gelang, mit allen Ländern eine Ver- einbarung zu treffen und die Ablieferung der von den Ständen übernommenen Summe innerhalb einer kurz bemessenen Frist zu erzielen. Dort, wo eine Abmachung erfolgte, sollte den Ständen die Einhebung überlassen werden, sonst aber eine „individuelle Collection" durch staatliche Organe eintreten. In Nieder-Oesterreich kam auch in der That zuerst eine Vereinbarung zu Stande; die Stände bewilligten 225.000 Gulden, für die folgenden Jahre 500.000 Gulden. Die Herrschaften übernahmen die Aufbringung des Be- trages. Die Unterthanen sollten nicht das Geringste bezahlen. Die Stadt Wien übernahm als halber vierter Stand ein „Pauschquantum", wogegenihr die Collectation von allen bürgerlichenHäusem, aUen Capi- taKen und Besoldungen über 500 Gulden überlassen wurde. In Böhmen fanden die Stände, dass kein prompteres Mittel vorhanden, als die allgemeine Vermögens-Steuer durch eine „den annoch übrigen wenigen Kräften des Landes commensurierte Pauschhandlung zu reluieren." Ueber die Höhe der Summe zogen sich die Verhandlungen in die Länge. Die Stände boten für 1734 den Betrag von 350.000 Gulden, die Regierung forderte 400.000 Gulden, binnen vier Monaten zahlbar, worauf endlich „nothgedrungen" eingegangen wurde, nachdem die Zustimmung der Regierung über die Art der Aufbringung eingelangt war. Hienach hatten die Herrschaften und Güter von dem vertazten Fass Bier dreissig Kxeuzer, die Städte, die von dem Bier bereits den doppelten Taz zu entrichten hatten, fiinfzehn Kreuzer zu zahlen ; die „possessionierten Capitalisten" wurden von ihrem Ver- mögen mit ein Viertel Procent, die unpossessionierten und die Pensionisten mit einhalb Procent besteuert, letztere aus dem Grunde „weü sie den Landesschutz gemessen und dem PubUco niemalen etwas beigetragen" ; jene, „welche feiernde Gelder über

>) ProtocoU 29. Nov. 1734.

Digitized by

Google

246

die Nothdurffc erliegen haben", sollten ein Procent zahlen ; mit den Wechslern und den ein „lucroses" Gewerbe treibenden Bürgern und Handelsleuten soDte die Commission eine Pauschhandlung einleiten. Im folgenden Jahre forderte ein kaiserliches Rescript vom 28. Januar 1735 die Veranlagung der Steuer nach dem Muster Nieder-Oester- reichs. Die Stände wiesen auf die Schwierigkeiten und Incon- venienzen hin, indem hieraus die grössten Ungleichheiten sich ergeben und das Königreich stark prägraviert würde. Sie boten 800.000 Gulden, wenn ihnen die Einhebung wie im Vorjahre über- lassen würde, willigten aber endlich trotz der „geldklemmenen Zeiten" ein, eine Million zu liefern, „weilen sie in alle Begeben- heiten mit ihrer Devotion sich zu distinguieren bishero besonders beflissen gewesen". Natürlich musste der Steuerfdss eine Erhöhung erfahren. Das mobile und immobile Capital, auch jenes der Kirchen und milden Stiftungen wurde gleichmässig mit ein Procent besteuert, nur jene Oapitalisten, welche sich seit 1727 an den ständischen Anlehen betheiligt hatten, sollten ein halbes Procent zahlen, jene, die sich mit Vorschüssen zur Completiening des vorjährigen Anlehens bereit- willig gezeigt, ganz frei bleiben. Neu war die Bestimmung, dass Beamte, Doctoren, Landesadvocaten, Herrschafts- und "Wirthschafts- bediente, "Wechselnegocianten, Juweliere, Eauchfangkehrer u. s. w., „ins Mitleiden" gezogen werden sollten.

Dem Monarchen muss nachgerühmt werden, dass er zu wieder- holten Malen forderte, den armen Mann mit der Vermögens-Steuer nicht zu belasten. Carl liess sich durch die Darlegung nicht beschwichtigen, dass in keinem Lande, ausser in Schlesien, der arme und gemeine Mann zur Steuer herangezogen worden sei. Bei CoUectierung der Vermögens-Steuer, bemerkte der Kaiser in einer Entschliessung auf das Deputations-Protocoll vom 5. März 1*736, ist nicht genug, „dass selbe von den Landschafben nicht auf die Unvermöglichen geschlagen werde, sondern es ist auch dahin zu sehen, dass es von den Herrschaften unter besonderen und erfindenden Auslagsrubriken nicht geschehe, wie er glaubwürdig berichtet worden sei, dass es ausser Schlesien da und dort geschehen sei, so eine Gewissenssach ist". Schwieriger wurden die Verhandlungen für das Jahr 1737. Noch war der Friede nicht geschlossen, ein Abgang von über 15 Millionen stand in Sicht, für dessen Bedeckung der Hofkammer-Präsident keinen Rath wusste. Der Abgang im Erfordemiss, bemerkte er in der Sitzung der Deputation vom 28. Februar, sei so gross, ds^ss er ohne Vermögens-Steuer nicht sehe, wie man nur einige wenige

Digitized by

Google

246

Monate die Löhnungen für die Truppen in Italien und im Reiche beschauen solle. Auch habe man vorweg Schulden gemacht und don Darleihern die Eingänge der Vermögens-Steuer zugesichert. Es war ein düsteres Bild, welches den Mitgliedern der Conferenz entrollt wurde und allgemein die Ansicht, dass man einen solch' hohen Betrag wie im Vorjahre, nicht werde aufbringen können. Im Vorjahre, legte der Obristburggraf von Böhmen dar, habe das Extraordinarium 1,152.000 Gulden, die Vermögens-Steuer 1,000.000, daher zusammen mehr als das Ordinarium betragen. Die Trank- steuer, fiüher ein Contributionsfond, sei nunmehr an das Camerale übergegangen, die Steigerung des Salzpreises hätte vor zwei Jahren aufliören sollen, das Subsidium praesentaneum im Vor- jahre sei eine neue Beschwerde gewesen; die Herabsetzung der Million für die Vermögens-Steuer sei nothwendig, ein Theilbetrag sollte daher durch Anticipationen aufgebracht werden dürfen. Der Landmarschall von Nieder-Oesterreich befürwortete ein ,, Surrogat'* flir die Vermögens-Steuer, die im Vorjahre nicht in der Höhe des stipu- lierten Betrages habe aufgelegt werden können und in ähnUcher Weise sprachen sich die Vertreter der anderen Länder aus. In einigen Ländern weigerten sich die Stände, mehr als in Friedens- zeiten zu bewilligen, so namentlich in Kämthen und B[rain, und was die Vermögens-Steuer anbelangt, so erfolgte wohl von einigen Ständen nach langwierigen Verhandlungen die Bewilligung des geforderten Betrages, dessen Höhe im Verhältniss zur Leistung Böhmens und Mährens ausgemittelt wurde. Jenen Landtagen, die mit ihrer Zustinamung zögerten, wurde eine Praeclusivfiist gestellt, widrigenfalls die Individual-Collecte eintreten würde, aber die an die Gassen abgelieferten Summen waren winzig genug. Namentlich Schlesien imd Mähren blieben stark im Kückstande; Schlesien sollte 666.666 Gulden 40 Kreuzer aufbringen und hatte blos 22.000 Gulden erlegt, Mähren hatte statt 333.333 Gulden nur 74.000 Gulden abgeliefert, Böhmen statt 1,000.000 blos 390.000 Gulden, Oesterreich ob der Enns, Steyer, Kämthen und Krain waren mit dem vollen Betrage im Rückstande. Bei näherer Prüftmg ergibt sich, dass die Länder in der That nicht im Stande waren, den Forderungen nachzukommen. Die Rückstände der Contribution waren ebenfalls beträchtlich. ^) Auch in den Ländern jenseits der

*) Die Vermögenssteuer betrug 1734 in den böhmischen L&ndem 800.000 Gulden, in Nieder-Oesterreich 225.000, im Lande ob der Enns 76.000, in Steyermark 76.000, in Kämthen 45.000, in Krain 30.000, zusammen 1-25 Millionen Gulden. Für 1786 Böhmen 1 Million, Mähren 333.333, Schlesien 666.666, Nieder-Oester-

Digitized by

Google

247

Leitha waren die Rückstände beträchtlich und wurden während des Sommers mit Energie eingetrieben; bis October waren aber nur geringe Beträge eingegangen.

Die finanzielle Lage war um so düsterer, als ein neuer Krieg in Sicht stand. Bereits im October 1736 beschäftigte man sich mit dem Voranschlage für das nächste Jahr. Die Anforderungen, welche an die Länder gestellt werden mussten, waren gewaltig und beliefen sich im Ganzen auf 12*15 Millionen. Für die Militär- Ausgaben waren jedoch blos 8-01 Millionen verfiigbar, da die Retinenda der Länder über 4 Millionen ausmachten; ja, es war fraglich, ob es gelingen werde, die präliminierten Beträge einzubringen. Li Nieder-Oesterreich war namentlich der halbe vierte Stand unvermögend, in Tuner- Oesterreich weigerten sich die Stände, das Extraordinarium zu bewilligen; der Hofkammer-Präsident klagte, dass im Camerale alles aufliege, niemand bezahlt werden könne; die besten Gefalle seien mit Schulden überladen, man könne nichts weiter verpfänden, man müsse das Unvermögen der Länder zugeben, da die Wasserschäden im Frühjahre die Unterthanen in die grösste Armuth gestürzt haben.

Ln Jahre 1736 war den Ständen versprochen worden, dass die Vermögens-Steuer zum letzten Male zur Erhebung gelangen solle. Hieran musste festgehalten werden. Man gab nun dem Kinde einen anderen Namen: Türkensteuer. Seit December 1736 stand die Einfiihrung derselben auf dem Programm der Regierung und man erwartete eine Einnahme von drei Millionen Gulden. ^) Der Erlass eines Patentes wurde jedoch für den Zeitpunct vorbehalten, wenn die damals versammelten Stände das Ordinarium und Extra- ordinarium für das kommende Jahr bewilligt haben würden, da man befürchtete, dass, wenn während der Verhandlungen die Ein- führung einer neuen Steuer ruchbar würde, die Contribution nicht in der beanspruchten Höhe zugestanden werden dürfte. Erst im April 1737 gelangten die Berathungen über die neue Steuer zum

reich 500.000, ob der Enns 100.000, Steyermark 160.000, Kämthen 50.000, Krain 40.000, zusammen 2*84 Millionen Gulden.

Im April 1736 waren im Rückstände :

In Böhmen 1,659.428 fl.

In Mähren 322.900

In Schlesien 62.000

In Nieder-Oesterreich 410.264

In Steyermark 67.719

') Conferenz-ProtocoUe vom 17. und 28. December 1736.

Digitized by

Google

248

Abschlüsse. Dieselbe sollte nicht als ein Postulat an die Länder gelangen, sondern durch ein Patent „in Ansehung der drückenden Noth aus landesfiirstlicher höherer Gerechtsame und landesväterhcher Vorsorge publiciert, angelegt und zur Execution gebracht werden". Wenn die Stände, wie bei der Vermögens-Steuer, die Geneigtheit, sich abzufinden, bekunden sollten, wollte man sich mit ihnen ver- ständigen ; durch die Publicierung des Patentes wäre aber wenigstens so viel gewonnen, „dass der Fundus selbst zu seiner Existenz gelangen und durch unnöthige Vorstellungen, Deprecationen und wiederholte ßescripte nicht Zeit verloren würde." Die Modalitäten der Einhebung sollten die gleichen sein, wie bei der Vermögens- Steuer, eine Hof-Commission in Wien mit der Einschätzung und Einhebung für alle nicht in den Cataster der Provinz gehörigen Parteien betraut werden, die Abzüge bei Besoldungen und Pensionen wurden der Bancalität übertragen, endlich sollte mit den Ständen ein Pauschbetrag vereinbart werden; wenn diese sich weigerten, von ihnen ein Verzeichniss jener Parteien gefordert werden, welche zur Vermögens-Steuer einbezogen wurden, um sodann etwa zu errich- tenden Hof-Commissionen das Geschäft zu erleichtem. Man erwartete, dass die Stände durch die in Aussicht zu stellenden Hof-Commissionen sich geneigt zeigen werden, auf die Forderung einzugehen. Als Vermögens-Steuer waren pro 1736 2,840.000 Gulden veranschlagt worden, eine ähnliche Forderung sollte auch als Törkensteuer gestellt werden. Nur in Schlesien erschien es nothwendig, einen um die Hälfte geringeren Betrag zu beanspruchen, da das Land im letzten Sonmier durch Regengüsse stark gelitten hatte. Im Vorjahre war auch gestattet worden, dass die Vermögens-Steuer innerhalb vier Jahren abgeführt werden solle und es erschien mit Rücksicht auf die materielle Lage nicht möglich, nebst der Ver- mögens-Steuer-Quote noch den vollen Betrag der Türkensteuer zu erheben.

Das Patent vom 17. April 1737 verfiigte, dass Jedermann, geistlichen oder weltlichen Standes, der unbewegUche Güter besitze, von seinem Vermögen den hundertsten Theil zu entrichten habe, niemand ausgenommen als der arme Bauersmann, welcher „mit Contribution, Gaben und anderen Lasten belegt ist, nebst den aimen Lileuten'*. Der Werth solcher Güter sollte nach dem Mittel eines sechsjährigen Erträgnisses zu fünf Procent angeschlagen werden, doch sollten diejenigen, welche ihre Häuser in Wien ganz oder theilweise selbst bewohnten, von dieser ihrer Wohnung den hundertsten Pfennig, doch nur mit dem vierten Theil dessen,

Digitized by

Google

249

was sie im Fall der Bestandverlassung ungefähr zu zahlen hätten, abzustatten verbunden sein ; jene, welche das kaiserliche Hof quartier gemessen, haben anstatt des hundertsten Pfennigs die Hälfte der ausgewiesenen Quartiertaxe zu erlegen. Das todte Vermögen unterliegt dieser Steuer nicht. Jeder Contribuent ist berechtigt, seinen Creditoren oder anderen mit geistlichen oder weltlichen Stiftungen, Apanagen, Wittwenunterhalt u. dgl. angewiesenen Parteien den entrichteten Betrag in Abzug zu bringen. Die Be- kenntnisse mussten von dem Steuerpflichtigen oder von dessen Bevollmächtigten „sub nobili fide" eigenhändig unterzeichnet und längstens bis Ende Mai bei der besonders bevollmächtigten Hof- Commission, mit deren Vorsitz der niederösterreichische Statt- halter Graf Sigmund Friedrich Khevenhüller betraut war, „bei sonst verwirktem Duplo" eingereicht werden. Jenen, welche ihre Schuldigkeit binnen drei Monaten erlegen, wurde ein Abzug von zehn Procent gestattet. Fideicommiss- und Majoratsbesitzem wurde die Aufiiahme eines Anlehens auf Hypotheken bewilligt, doch musste die Rückzahlung binnen vier Jahren, alljährlich ein Viertel, erfolgen. Alle Anlage-Oapitalien, sowie die „im Hause feiernden Gelder" hatten „die Centesima" zu entrichten; der Schuldner war berechtigt, dem Gläubiger den Betrag abzuziehen. Ausgenommen blieben die in der Stadtbank und in der Bancalität angelegten Gelder. Von allen Besoldungen, Pensionen und Adjuten über fünfzig Gulden waren zwei Groschen vom Gulden von den Aemtem abzuziehen. Die „Industrial-Einkünfte, welche durch Wissen- schaft, Kunst, Gewerbe oder Hantierung erworben werden, sind zwar gleichfalls unter dieser Steuer mit einem Zehntel ihres Nutzens verstanden; da aber das Erträgniss derselben, des Credites und anderer Umstände halber, schwer zu erforschen ist, so soll dieses Zehntel nicht einzelweis, sondern von den gesammten CoUegien, Classen, Zünften und Gewerkschaften in corpore eingebracht und falls sie sich zu einem billigen Quantum in der Güte nicht ver- stünden, selbe nach Ermessen der Hof-Commission ex officio taxiert und erlegt werden". Hinterziehung wurde mit Entrichtung des doppelten Betrages bestraft. ^)

*> Die Patente vom 7. Januar 1738 und 7. Janiiar 1739 gleichlautend: C. A. IV. 922, 1012 und 1055.

Die Verhandlungen mit den Ständen wickelten sich langsam ah. Böhmen willigte ein, eine Mülion aufzubringen, nachdem das Anbot auf 800.000 ab- gelehnt worden war. In dem Patente war ein zehnpercentiger Abzug Jenen zu- gesagt, welche innerhalb drei Monaten die geforderte Summe abliefern; die Stände

Digitized by

Google

250

Eine nicht in's Gewicht fallende Einnahme bildeten die Toleranzgelder der Juden. In Mähren beliefen sich dieselben früher auf 12.000 Gulden und unter Carl VI. Anfangs auf 4000 Gulden. Im Jahre 1717 stellte die Finanz-Conferenz den Antrag, den Betrag wieder auf 12.000 Gulden zu erhöhen, da sich die Anzahl der Juden vermehrt habe und von dem mährischen Rentmeister berichtet worden war, dass die Judenältesten jährlich diese Summe

erbaten einen sechsmonatlichen Termin, der gegen eine Verzinsung von drei- viertel Procent zugestanden wurde, auch wurde ihnen gestattet, 4 bis 500.000 Gulden durch Credit aufzubringen. Nieder-Oesterreich übernahm 500.000, wovon auf Wien 100.000 Gulden entfielen. Jene, welche die Steuer binnen zwei Jahren entrichten woUten, hatten überdies fünf Procent an Zinsen zu zahlen. Intimation der Stadt Wien, 1. October 1787 C. A. IV. 1001, 18. April 1738 IV. 1021.

Wie bedeutend die Last war, welche Böhmen zu tragen hatte, geht aus einer Consignation der Prästationen hervor.

Das Ordinarium betrug im Jahre 1739 2,000.000 fl.

Das Extraordinarium 1,132.800

Femer belief sich die Türkenateuer nach Abzug der

zehn Prooent auf 900.000

Die Einbusse bei der Hecrutenreluition 96.110

Eemontenreluition 44.538

Der Landesbeitrag für die sechs Wintermonate des Jahres 1736 für die im Feld gestandenen General-

stabs-Parteien und die Artillerie 60.954

Es muss nämlich bemerkt werden, dass ein „reluierter Kecrut" dem Lande 61 fl. kostete, die Bonification von Seiten des Staates betrug 41 fl., die Ein- busse daher per Kopf 20 fl. ; ein „in natura gestellter Eecrut" kostete wegen mai^gelnder Mannschaft 90, 100 und auch mehr Gulden und die Einbusse, welche das Land erlitt, betrug daher 29 bis 39 fl. und darüber.

Das Tranksteuergefälle belief sich auf 620.000 fl.

wobei bemerkt wird, dass dieser Anschlag zu gering angesetzt zu sein scheint und jedenfalls mehr betrug.

Das Salzgefälle betrug 120.000

Das ZoUgefälle 259.000

Aufschläge 50.000

Das kleine Umgeld 25.000

Der Fleischkreuzer 140.000

Der Ball-Impost 40.000

Das Tabakgefälle 225.000

Anderweitige Beiträge bei der Natural-Recruten- und Remontenstellung, dann fiir die Durchmärsche, sowie fär die Verpflegung der Hecruten beiläufig 200.000

Daher im Ganzen 5,913.402 fl.

überdies auch noch die Beiträge zu den Landes- ausgaben u. dgl. m.

Digitized by

Google

251

einoassieren und den Ueberschuss von 4000 Gulden zu Schenkungen und zu eigenem Nutzen verwenden. In Böhmen hatten die Juden den fiinfondvierzigsten Theil der von den Ständen bewilligten Contribution und überdies 12.000 Gulden Toleranzgeld zu zahlen. In Nieder-Oesterreich hatte siclf der Magistrat der Stadt Wien, als im Jahre 1699 die Juden abgeschaflft wurden, unter gewissen Bedingungen anheischig gemacht, die Wiener Judenstadt mit Ein- schluss aller Privathäuser, wie auch die alte und neue S3niagoge, um 100.000 bis 110.000 Gulden zu kaufen, damit die abziehenden Juden von diesem Kaufschilling ihre Gläubiger befiiedigen könnten. Auch verpflichtete sich der Magistrat, zur Entschädigung fär die entfallenden Toleranzgelder jährlich 14.000 Gulden zu bezahlen, unter der Bedingung, dass dieselben in ganz Oesterreich unter der Enns nicht mehr geduldet werden sollen. Die beiden Anträge erhielten auch die kaiserliche Genehmigung. Im Jahre 1704 wurde auf Ansuchen der Stadt Wien die Summe, welche sie übernommen hatte, auf 6000 Gulden herabgesetzt und der Stadt Wien ver- sprochen, dass man den Juden überhaupt nur eine sehr beschränkte Toleranz werde angedeihen lassen.

Ausserordentliche Einnahmen waren während der Zeit der Türkenkriege die „Decima", der Geistlichkeit, wozu die Bewilligung des Papstes eingeholt und auch ertheilt wurde. Beträchtlich waren dieselben nicht; wir finden die Bemerkung, dass die Geistlichkeit in Mähren zu geringe Beiträge liefere. ^) Auch in den Dreissiger Jahren wurde ein Subsidium ecclesiasticum auf fönf Jahre be- willigt ; die Eepartition erfolgte unter Mitwirkung des Nuntius. ^)

Die verfügbaren Einkünfte des Deutschen Reiches waren unbedeutende, in Kriegszeiten wurden die Römermonate von den einzelnen Eeichsständen erhoben, die jedoch, wie aus den Finanz-ProtocoUen ersichtlich, nur unregelmässig eingiengen. Dazu kamen Reichs-Türkensteuem während des Krieges mit der Pforte, femer Beiträge der Reichsritterschaft, der Hansastädte, sowie der Reichslehensträger in Italien. Alle diese Beträge waren jedoch insgesammt geringfiigig und konnten namentlich im Reiche nur mühsam eingebracht werden.

») F.C.P. vom 22. Februar 1717.

«) Die Decima der Geistlichkeit betrug 1716—1718 418.670 Gulden llVe, das Quinquennalcontingent 849*402 Gulden 81 V4. Derselbe Betrag an Decima sollte auch 1787 gefordert werden. Deputations-Protocoll vom 1. Aug. 1737.

Digitized by

Google

252

Die indirecten Abgaben.

Die Contribution war ausschliesslich für militärische Zwecke bestimmt. Zur Bestreitung der anderweitigen Staatsausgaben wurden die gegenwärtig als indirecte Steuern bezeichneten Einnahmen verwendet, deren es unter den verschiedenartigsten Namen viele gab. Einige wurden auf Grund kaiserlicher Patente erhoben, während andere an eine Bewilligung der Stände geknüpft waren. Die Regierung machte wiederholt Versuche, die Zustimmung der Stände zu umgehen, sah sich aber genöthigt, von dem Grundsatze, dass die Krone freie Hand bei Auflegung indirecter Abgaben habe, abzugehen und den ständischen Forderungen, die namentlich bei höheren Ansprüchen an Contribution gestellt wurden, zu willfahren. Die Bewilligung erfolgte auf eine bestimmte Zeit. Unter Carl VI. wurde, wie es scheint, in einigen Ländern für einige Abgaben die Genehmigung für immerwährende Zeiten erstrebt und erlangt. Eine Gleichartigkeit bei der Erhebung bestand nicht. Die verschiedenen Auflagen waren nicht gleichzeitig in allen Länderm eingeführt worden und wurden den eigenartigen Verhältnissen derselben an- gepasst, namentlich dann, wenn die Stände darauf Einfluss nahmen. „Die Vielgliedrigkeit der Verwaltung," bemerkt Plenker ganz richtig, „bedingte nicht nur eine Vielgliedrigkeit der Steuerformen, sondern erschwerte auch die Uebersicht über deren Wirkungen, die man am klarsten in Staaten von grösserer innerer Einförmigkeit wahrnimmt." Die Verwaltung war eine imgenügende, die Regie- kosten verhältnissmässig hohe. Der grösste Theil wurde allgemach an die Stadtbank verpfändet, der es gelang, die Einnahmen zu steigern. Auch sah man sich genöthigt, einige Gefälle den Ländern zu überlassen, die dafür Schulden übernahmen oder eine grössere Contribution bewilligten. Nicht selten wurden Gefälle von den Länderstellen verwaltet, welche keine Rechnung legten, mit den Geldern nicht ordnungsmässig gebahrten, bis man sich dann genöthigt sah, denselben die Verwaltung wieder abzunehmen. ^) Die Regalien, deren Anzahl grösser war als gegenwärtig, waren zum Theil ver- pachtet. Durch „Appaltierung", wie man die Verpachtung benannte, erzielte man wenigstens für einige Zeit höhere Einnahmen und half sich über manche Verlegenheit zeitweilig hinweg.

Vielleicht die beträchtlichste Einnahme war im XVm. Jahr- hundert das Salzregale, dessen Entwicklung seit der Mitte des

*) So z. B. der Ross- \md Zillen- Aufschlag in Wien, der 16.000 (Luiden abwarf. F.C.P. vom 26. Aug. 1718.

Digitized by

Google

253

XVI. Jalirhunderfcs angestrebt wurde. In den deutsch - öster- reichischen Ländern wurden die Salzwerke zu Gmunden, Ischl, HaUstatt und Aussee frühzeitig ausgebeutet; seit der Erwerbung Ungarns kamen die reichen marmaroser Salzwerke hinzu; die galizischen zu Wieliczka gehörten eine Zeit lang zu Oesterreioh. Der Salzbezug einer jeden Provinz war streng geregelt. So z. B. bezog Nieder-Oesterreich, wo der Handel mit Salz seit 1571 ein Begale war ^), seinen Salzbedarf aus Gmunden ; fremdes Salz durfte nicht eingefiihrt werden, nur in einem kleinen, genau umschriebenen Bezirke war die Einfuhr von Sudsalz aus Aussee unter gewissen Bedingungen auf bestimmten Strassen gestattet. Schwieriger ge- staltete sich die Regelung des Salzregales in Böhmen, obgleich durch die Ferdinandeische Bergordnung und den mit den böhmischen Ständen abgeschlossenen Bergwerksvertrag der Salzbergbau dem Landesftirsten ausdrücklich vorbehalten war. In Böhmen und Mähren musste die Salzeinftihr aus Polen verhindert werden, um die Einnahmen aus diesem Monopole nicht zu verkürzen und den ausschliesslichen Bezug aus Gmunden durchzufilhren. Salzlegestätten waren Budweis und Moldau-Thein. In Mähren war in der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts das polnische Salz mit zwei Gulden ftinfeehn Kxeuzer per Centner belegt und wurde in grossen Mengen eingeschwärzt, der Schmuggel durch die ungenügende Besoldung der „Salzversilberer" befördert. Zahlreiche Patente beschäftigten sich mit der Regelung des Salzhandels, besonders mit den Verboten der Einfuhr des ungarischen und siebenbürgischen Salzes nach Mähren; die Einfuhr polnischen Steinsalzes wurde gegen einen Zoll von drei Gulden dreissig Kreuzer in dem Hradischer und Olmützer Kreise für den Gebrauch des Viehes gestattet, allein bis in's XVIU. Jahrhrhundert hinein waren die Unzukömmlichkeiten im Salzhandel nicht beseitigt, ja zeitweilig noch verschärft, da Er- höhungen der Preise vorgenommen wurden. Die strengen Einfuhr- verbote blieben erfolglos *) und hinderten das Eindringen fremden Salzes nicht. Man entschloss sich daher, mit den mährischen Ständen ein Abkommen zu treffen, womach sich diese zur Abnahme von 4200 Pfiind Salz verpflichteten. In Ober-Oesterreich wurde 1737 das Salz- monopol den Ständen auf einige Jahre überlassen. In Schlesien, wohin polnisches Salz in beträchtlichen Mengen kam, erschwerte die Rück-

*) Patent vom 20. März 1571; die späteren Patente theils gedruckt, theils in Abschriften.

«) Patente vom 15. October 1706 und 2. Februar 1722.

Digitized by

Google

254

sichtnahme auf den Handel mit Polen eine endgiltige Regelung. In Inner-Oesterreich deckten Aussee und das Meersalz von den Salinen zu Grado den Salzbedarf. In Kämthen bezogen einige Districte Salz aus Hallein. Tyrol wurde durcb HaU versorgt. Die Einnahmen aus dem SalzgeÄlle blieben jedoch bis in die Mitte des XViii. Jahrhunderts gering. Im ersten Jahrzehnt beliefen sie sich auf zwei einhalb Millionen.^) Abgesehen von dem ausgebreiteten Schmuggel hatten die Klöster und viele Standespersonen das Recht zum unentgeltlichen Bezüge von Salz. ^

Die Besteuerung des Tabaks reicht in Mähren in das XVII. Jahrhundert zurück. Ein Landtagsbeschluss vom Jahre 1652 verbot den Gebrauch des Tabaks. Nachdem aber in Schlesien die Stände bereits 1657 einen Tabakaufschlag eingeführt hatten, wurde in Mähren zwei Jahre später jedes Pfund mit einem Eüreuzer belegt, den Käufer und Verkäufer zu entrichten hatten. Böhmen folgte 1664, wo bisher der Tabak wegen der daraus entstehenden Feuersbrünste verboten war, mit einem Aufschlag von zwei Thalem per Kiste. 1665 trat Verpachtung ein. In Ober-Oesterreich erhielt Khevenhüller, der Sohn des Geschichtsschreibers, 1670 das

*) Die ausführlichste, leider zu wenig lichtvolle Darstellung des Salz- monopols bei D'Elvert, Zur österreichischen Finanzgeschichte im XXV. Bande der Schriften der historisch-statistischen Section. Brunn 1881. 398. Nicht alle hierauf bezüglichen Patente sind im Codex austriacus enthalten. Das Hof- kammer-Archiv bewahrt eine grosse Anzahl, die indessen nicht verwerthet wurde. Eine aus archivahschen Quellen gearbeitete Geschichte des Salzmonopols, wofiir im Hof kammer- Archiv ein reichliches Materiale vorhanden ist, wäre eine verdienstliche Arbeit.

2) Einige Angaben mögen hier Platz finden. Der Präsident des kais. Münz- und Bergwesens erhielt fünfzehn Fuder, die Eäthe ebensoviel, die Secretäre acht, die Concipisten sechs, die Kanzlisten drei Fuder; der Hof- kanzlei-Buchhalter acht, die Raiträthe ebensoviel; der Landmarschall von Nieder- 0 esterreich fünfzehn Fuder, ebensoviel die geheimen Räthe, der Vice- Statt- halter, der Kanzler \md die Räthe des Herrenstandes. Die „Salzdeputate" wurden auf Grund des Salzstatuts vom Jahre 1622, sowie des von Ferdi- nand in. im Jahre 1 655 sanctionierten und von Leopold I. 1659 bestätigten ReformationslibeUs geliefert. Erst unter Maria Theresia wurde die Salz- lieferung an die Beamten eingestellt. Dietrichstein legte nämlich der Kaiserin einen Individual-Salzstatus vor (Vortrag 7. Juni 1748) und befürwortete, das „Beneficium des Salzdeputats" „den Ministem, Räthen und Bedienten bei den ihnen so unregelmässig ausgezahlten Besoldungen imd dem durch so viele Jahre erlittenen Vermögens-Steuer- Abzug angedeihen zu lassen". Maria Theresia resolvierte : „Placet vor dieses Jahr das leztemahl, indeme es nicht mehr confirmiere und also die expeditiones gleich zu verfertigen."

Digitized by

Google

255

ausschliessliche Recht der Tabakeinfohr, woftir er das kaiserliche Jagdgeräthe in Stand zu halten hatte. Um dieselbe Zeit bekam in Nieder-Oesterreich das gleiche Recht ein Graf Königsegg. Die „Aufirichtung erues Appalto von allerhand sowohl Schnupf- als Rauchtabak" in Böhmen, Mähren und Schlesien wurde 1688 an- geregt und der Reinertrag auf über 100.000 Gulden berechnet. Die böhmische Kammer, darüber befragt, sprach sich jedoch da- gegen aus, die schlesische befürwortete Verzollung mit einem Kreuzer per Pfund; die mährische Rentbank war dafür mit der Bemerkung, dass einige Herrschaften den Handel mit Schnupftabak betreiben lassen oder verpachten und ihre Unterthanen zwingen, den Tabak ausschliesslich von ihren Verwaltern oder Pächtern zu kaufen. Das erste Tabakpatent wurde am 20. Mai 1701 erlassen^); Erzeugung und Verschleiss des Tabaks wurde der Hofkammer vor- behalten ; der Tabakanbau blieb gegen Ablieferung des Erzeugnisses gestattet; das Monopol wurde in den verschiedenen Ländern ver- pachtet. In Mähren betrug der Pachtschilling 6100, in Schlesien 13.000, in Glatz 2000 Gulden. In Ungarn, wo der Versuch gemacht wurde, das Monopol einzuführen, weigerten sich die Behörden, das Patent zu veröflfentlichen. Im Jahre 1704 wurde das Monopol wieder aufgehoben und ein Aufschlag nach dem Gewichte ein- gefÜhrt^; der Verschleissberechtigte hatte überdies eine Taxe zu entrichten. Im Jahre 1720 wurde das Tabakgefälle in sämmtlichen österreichischen und böhmischen Erblanden an Johann Anton Nütz, Grafen tmd Herrn von und zu Wartenberg für einen jährlichen Pacht von 103.000 Gulden übergeben, alleiu bereits nach einigen Jahren erfolgte eine kaiserliche Verfügung, den Contract aufzuheben und das Tabakgefälle wieder in ein Regale umzu- gestalten. Die Fabrikation des Tabaks wurde nun allgemein ver- boten, ebenso die Einfiihr aus dem Auslande. Der Handel im Inlande und die Verwaltung dieses Gefälles wurde an die Hof- kammer übertragen, Tabakfabriken wurden an einigen Orten er- richtet, so in Hainburg, Prag, Königgrätz, Budweis, Mährisch- Neustadt, Troppau, Neumarkt, Enns, Fürstenfeld und Triest. Der Erfolg entsprach nicht den Erwartungen. Der Haupt-Director war ein kaiserlicher Kammerdiener, dem, sowie seinen Untergebenen Geschäftskenntnisse mangelten. Das Jahres - Erträgniss betrug 300.000 Gulden.^ Das Tabakregale wurde sodann an Diego

') C. A. m. 489. «) C. A. m. 471. *) Plenker in der „Oesterreichischen Revue". 108.

Digitized by

Google

256

Aquilar verpachtet. Im Jahre 1726 erhielt Max Hildebrand Prandau die Pachtung in allen österreichischen Erblanden für 350.000 Gulden, im Jahre 1728 Domenico di San Nicolo um 460.000 Gulden. Im Jahre 1734 wird Margutti als Pächter genannt; der Pachtschilling betrug 640.000 Gulden. Seit dem Jahre 1737 wurde das Gefalle den Ständen Böhmens, Mährens, Schlesiens nach Auflösung des Contractes übertragen gegen eine Summe von 450.000 Gulden. In den österreichischen Ländern übernahm Aquilar im Jahre 1738 das Gefälle gegen einen Pacht- schilling von 206.000 Gulden, später bis 1748 um 260-000 Gulden.

Das Pulver- und Salpetermonopol wurde nicht zu finan- ziellen Zwecken eingeführt, sondern in der Absicht, die Versorgung der kaiserlichen Zeughäuser mit Schiesspulver zu erleichtem. Saliter zu graben war gegen Lösung eines Patents gestattet, das Erzeugniss musstejedochgegen billige Entschädigung an dieZeughäuserabgeliefert werden. Der Handel war einigen privilegierten Personen gestattet. *)

Die Abgaben auf Getränke waren mannigfacher Art. Vor 1680 bestand in der Stadt Wien ein Bieraufschlag, indem von dem Eimer Bier, der in die innere Stadt eingeführt wurde, fünfzehn Kreuzer entrichtet wurden, welche aber der Gasse des Wiener Bürgerspitales zuflössen; in den Vorstädten wurde der Betrag fiir die landesfiirstliche Gasse erhoben; 1691 wurde die Einhebung des landesfiirstlichen Bieraufscblages dem niederösterreichischen Land- grafenamte übergeben. Eine Verdoppelung des Bieraufschlages in der Stadt und in den Vorstädten trat 1697 ein, von dem innerhalb der Linien gebrauten Bier kamen fünfzehn Kreuzer zur Erhebung. Der Bieraufschlag war daher von dem innerhalb der Linien ge- brauten Bier, sowie von dem eingeführten Bier in den Vorstädten ein landesfürstliches Gefalle, während in der inneren Stadt die eine Hälfte dem Staate, die andere Hälfte der Stadt Wien für das Bürgerspital zufloss. Unter Carl VI. wurde bei der Einfuhr von Bier überdies noch ein sogenannter Fünfkreuzer- Aufschlag erhoben, dessen Erträgnisse für die Hof kanzlei bestimmt waren ^) und später der Wiener Stadtbank überlassen wurden.

Li Nieder-0 esterreich scheint der Weintaz 1622 eingeföhrt worden zu sein; er wurde von den „Ober- und Ausländem'' mit

n Patente vom 28. März 1724 und 17. März 1727 : C. A. IV. 264 u. 420. *) Allerhöchste Entschliessung vom 15. Juni 1723.

Digitized by

Google

257

fiinfzehn Kreuzer pro Eimer entrichtet. ^) Eine Erhöhung wurde 1703 in Antrag gebracht und zwar auf dreissig Kreuzer. Dieser Aufschl«bg, meinte die Hofkammer, sei „insensible" und nicht empfindlich, da man derzeit für jeden Eimer Bier dreissig Kreuzer bezahle.*) Später wird ein* Grenzaufschlag vom Weine, der zu Wasser und Land eingeführt wurde, erwähnt; derselbe betrag dreissig Kreuzer per Eimer von dem aus den Vierteln ober und unter dem Wiener Wald über den Tabor ausser Lands gehenden Weine, zwanzig Kreuzer hatte Wein aus den Vierteln ober und unter dem Mannhartsberg zu zahlen. Specialaufschläge waren ferner der Drei- und Einschillingaufschlag zu Ybbs und den dazu gehörigen Filialämtern, ferner ein Zehnkreuzeraufschlag zu Struden.*^) Seit 1717 fanden Verhandlungen mit den niederösterreichischen Ständen statt, welche blos fiinfzehn Kreuzer per Eimer bewilligen wollten, während die anderen Aufschläge aufgehoben werden sollten. Die Hofkammer war dagegen, indem sie hervorhob, dfiiss der Aufechlag nur den Weinhändlern zu Gute komme und Bayern

*) Diese Angabe findet sich in dem Finanz -Conferenz-Protocolle vom 18. Januar 1717, wo bemerkt wird, dass der Weiaaufschlag vor funfundneunzig Jahren in Nieder- Oesterreich eingeführt worden sei.

*) Im weiteren Verlaufe des Vortrages der Hofkammer vom 4. Sep- tember 1703 heisst es : „wan aber berührter impost universal, volglich biUich Vndt ergäbig Seyn solte, so mues dassfahlss Kheine Exemption Stathhaben mithin dise gaabe auch, auf die hiesige Clösster Vndt Geistliche Kheller, alswo es schier das maisste ausstragen derflPbe, Extendiret werden, dan dise Ecclesiastici treiben notorife einen grossen Handel damit, Vndt Ziechen dar- durch aliärUchen Vil Tausend Gulden profit, es wierdet im übrigen aber, circa ipsam praxim, et quaestionem quomodo ? sich noch ein mehrers reden lassen, absonderlich ds in das Khüniftige auch, Vndt, nach demnegster Expirirung des appalto bey der alhiesigen Haupt Vndt Thabor Mauth auf al : Vndt ieden ein- führenden Extra oder frembden Wein, gegen aufhebung der vorhin auf ge- wisse Sorthen gesezten 2 fl: indifferenter auf ieden Emer 30 Kr. Mauth- gebühr, ad Exemplum Anderer frembder Khönigreich Vndt Landen, wo derley imposti, von ohnvergleichlich grösserer beschwährlichkeit seynt, geschlagen werden Khönten, wan nur Eur Khay: May zuf orderist in praesenti casu, die quaestionem an allergdgst zu resolviren geruehen wollen." Die Resolution des Kaisers lautet: Die HofCamer Thuett zwahr gar guett, alle mögliche mittel vorzuschlagen, allein würdet weegen dises zu consideriren seyn, wie mann es wierdt erhalten Khönen, Indeme 1658 Vndt 1659 denen Ständten weegen einer Million So Sie geben, Versichert hat, den Wein zu Ewiger Zeitt nicht zu beschwahren, will also vememben, wie man dieses vermeinet zu Superiren."

") Der Weinaufschlag zu Ybbs und Struden brachte 88.000 Gulden ein. F.C.P. vom 18. Januar 1717.

Oesterreiohisoher Brbfolgekrieg. I. Bd. 17

Digitized by

Google

258

am meisten Nutzen ziehen würde. Später kam ein Uebereinkommen mit den niederösteireicliischen Ständen zu Stande, indem ihnen die Einhebung zu Struden unter besonderen Bedingungen gegen ein Aequivalent von 82.000 Gulden bis Ende 1727 überlassen wurde; in den darauffolgenden zwei Jahren sollte die Einhebung ohne Entgelt stattfinden, wenn sie sich verpflichteten, Kasernen zu er- bauen, vom 1. Januar 1730 die Abgabe jedoch gänzlich aufhören. Dies fand jedoch erst 1748 statt. ^) Der Fünfeehnkreuzer- Aufschlag wurde 1728 neuerdings bewilligt und 1731 auf dreissig Kreuzer erhöht. ^)

Die böhmische ordinäre Tranksteuer oder der sogenannte böhmische Erbtaz musste von Wein und von Bier bezahlt werden, späterhin auch von Branntwein, der in den Städten imd auf dem Lande vom Zapfen verschänkt wurde ; er betrug von jedem Eimer, der im Jahre 1737 zweiunddreissig Finten enthielt, vier Finten das Fint zu vier Seidel Frager Mass, oder den Werth desselben nach dem Verkaufspreise berechnet und wurde desshalb auch dai Vier-Pinten-Regale oder der Vier-Finten-Taz genannt. Die ordinäre Tranksteuer scheint in Böhmen ohne Bewilligung der Stände ein geführt worden zu sein^), während die böhmische ausserordentlich( Tranksteuer, welche, sowie die böhmische ordentliche Traukst^ue von allen unter dem Zapfen laufenden Getränken, sie mochtei verschänkt oder zum eigenen Gebrauche vertrunken werden, bezalJ werden musste, von jeher von der Bewilligung der Stände abhin^ Wie es scheint, haben die Stände im Jalire 1451 die ausserordent liehe Tranksteuer zum ersten Male und seit 1664 wiederholt an eine bestimmte Anzahl von Jahren bewilligt. Im Jahre 1701 wurd diese Tranksteuer den böhmischen Ständen vom 1. Januar 170 an auf fünfzehn Jahre überlassen, nachdem sie sechs MiUioue Gulden Staatsschulden sammt Literessen binnen fünfizehn Jahre zu bezahlen übernommen hatten. Als den Ständen im Jahre 170 eine andere Sicherstellung gewälnt wurde, bewilligten sie di ausserordentliche Tranksteuer unter der ausdrücklichen Bedingung dass hieraus keine immerwährende Abgabe entstehen sollte b; Ende 1716, sodann nach Verlauf dieses Zeitraumes bis 1731 ii

>) Bancal-Act vom 30. October 1748.

«) Patent vom 27. August 1731.

*) Ueber die Einführungszeit schwanken die Angaben. In einem Schrif stücke findet sich die Notiz, dass Ferdinand I. zur Bestrafung der Prag Städte und anderer Orte nach dem schmalkaldischen Kriege diese Steuer ei geführt habe, daher auch Pönal-Taz genannt.

V

Digitized by

Google

259

jährlichen Betrage von 500.000 Grulden. Bei den Verhandlungen in diesem Jahre wiesen die Stände darauf hin, dass die Extrasteuer in den übrigen Ländern nicht erhoben werde, fugten sich aber der Forderung auf Verlängerung für weitere fünf Jahre, bis einschliess- Uch zum Jahre 1746. ^

Der Weintaz in Mähren bestand seit 1626 und wurde wahr- scheinlich nur auf eine bestimmte Zeit bewilligt, seit 1716 auf immerwährende Zeit eingeführt imd zwar in den königlichen Städten Olmütz, Znaym, Iglau, Hradisch, Neustadt und Gaya. Ausserdem wurden auch Nebengebühren, wie der Visiergroschen für jedes zum Ausschank bestimmte Fass eingehoben. Gleichzeitig wurde auch eine Abgabe vom Bier eingeführt und ebenfalls von Zeit zu Zeit auf eine bestimmte Anzahl von Jahren bewilligt. Im Jahre 1 644 bewilligten die mährischen Stände zur Verpflegung des Militärs von einer jeden Braupfanne oder einem Kessel semel pro semper so viele Gulden, als darin viereimerige Fässer Bier auf einmal gebraut werden können. Im Jahre 1646 wuri3e diese Abgabe abermals auf drei Jahre zugestanden. Angaben über die zweite Hälfte des XVil. Jahrhunderts sind nicht zugänglich gewesen. Erst im Jahre 1716 wird eines Bier-Taz-Patentes Erwähnung gemacht, wonach von dem in den mährischen Städten gebrauten Bier ein Gulden vom Fass entrichtet werden musste; das vierzehnte Fass war frei.

Die allgemeine Einführung des Fleischaufschlages datirt vom Jahre 1698, in Oesterreich unter und ob d(T Enns, in Inner-Oesterreich, Görz, Triest und Fiume (damals noch St. Veit am Pflaum genannt), femer in Böhmen, Mähren und Schlesien, jedoch nur auf drei Jahre. In Oesterreich unter und ob der Enns sollte der Aufschlag nur von dem zum Verkaufe verschlachteten Rind-, Schaf- und Schwein vi eh erhoben werden, wiu'de jedoch einige Monate später durch Patent vom 22. September 1698 auch von dem zum eigenen Hausbedarf geschlachteten Vieh entrichtet und betrug einen Kreuzer vom Pfund, wesshalb man diesen Aufschlag auch den Fleischkreuzer- Aufschlag oder kurzweg den Fleischkreuzer nannte. In Inner-Oesterreich war die Hausschlachtimg von Anfang an nicht frei. In Mähren wurde der Aufschlag ausnahmslos mit einem Pauschalbetrage für jedes einzelne Stück eingehoben. Im

*) Bedingung war, dass „dieser von der Ordinari-Tranksteuer ganz separierte und von der freien DiätalverwiUigung dependierende fundus provin- ciabs in keine Perpetuität, noch viel weniger in einiges Camerale würde gezogen werden".

17*

Digitized by

Google

260

Jahre 1701 wurde auf Wunsch der Stände der gesammten österreichi- schen Erblande der Fleischkreuzer au%ehoben und die Vieh- schlachtung nur in der Hauptstadt einer jeden Provinz mit einer Abgabe auf drei Jahre belegt, welche einen halben Kreuzer vom Pftmd betrug. Im Jahre 1703 wurde die Einführung des Fleisch- kreuzers in Oesterreich unter und ob der Enns, in ganz Inner- Oesterreich, dann in Böhmen, Mähren und Schlesien auf die früher übliche Art neuerdings beschlossen. Die Einhebung gieng jedoch nie vorschriftsmässig vor sich. Das Gefälle befand sich in den Händen einer Privat-Gesellschaft, die mit ihrem Pachtschilling im Rückstande blieb. In Nieder-Oesterreich wurde durch Recess mit den Ständen vom 17. December 1717 die Einhebung des Fleisohkreuzers auf zwanzig Jahre vereinbart. Als die Ministerial-Banco-Deputation sodann dieses Gefälle übernahm, war es kaum in einigen Ländern ordentlich eingeführt.

Femer bestanden Aufschläge auf Mehl, durch Patent von 1714 neuerdings eingeführt; Haarpuder und Stärke tmterlagen einer Abgabe. ^) In Wien bestand ein Illuminationsaufschlag, um die Kosten der Beleuchtung aufzubringen; Wachs, Oel, Unschlitt und Kerzen waren mit einer Auflage belegt. Der unter Joseph I. eingeflihrte Tanz-Impost von allen Tanzbelustigungen, an welchen Musiker mit- wirkten, im Betrage von einem bis fünf Gulden an öffentlichen Orten, flinfzehn bis dreissig Kreuzer fär jeden Musiker in Privat- wohnungen, wurde später in einigen Ländern von den Ständen gegen eine jährliche Pauschsumme übernommen. Der Karten- Aufechlag, unter Ferdinand HI. eingefiihrt, später au%ehoben und durch eine Kartenfabrik ersetzt, welcher die Erzeugung der planierten Karten zustand, wurde nach Auflassung dieser Fabrik unter Carl VI. wiedereingeführt. Die Abgabe bei der Erzeugung betrug sechs bis vierundzwanzig Kreuzer, bei der Einfuhr von Karten neun bis sechsunddreissig Kreuzer. ^

Eine Belästigung des Verkehres waren die vielen Privat- mauthen. Seit Jahrzehnten hörten die Klagen nicht auf und mannig- faltige Anläufe wurden gemacht, die eingeschlichenen Missbräuche zu beseitigen. In Mähren zählte man, wie eine Untersuchung ergab, 132 Privatmauthen. Der Adel hatte auf seinen Herrschaften, Märkten und Flecken Abgabestellen errichtet, oft ohne Bewilligung für die Mauthgerechtigkeit anzusuchen, dehnte die genehmigten Mauth-

1) Patent 13. August 1721. «) Cod. Austr. m. L.

Digitized by

Google

261

gefalle auf andere Orte, als nrsprünglioh in Aussicht genommen waren, aus und erhöhte nach eigener Willkür die Gebühr; dass dieses nur zum Nachtheil des Handels gereichte, wurde allseitig hervorgehoben und Mauth-Commissionen erhielten die Aufgabe, eine Prüfting der Urkunden vorzunehmen, ohne jedoch irgendwie erspriessliche Ergebnisse zu erzielen, denn nicht selten lehnten die Besitzer die Nachweisung ihrer Mauthgerechtigkeit ab. Unter Carl VI. wurden die Befehle an die Landeshauptmannschaft erneuert, aber wenn auch in einigen Gebieten mancher Missbrauch abgestellt wurde, noch tief in der theresianischen Zeit war trotz aller Verfügungen denselben nicht durchweg Rechnung getragen. In Oesterreich unter der Enns gab es noch in der Mitte des XVni. Jahrhunderts zahlreiche Privatmauthen, die, insoweit sie auf Besitztiteln beruhten, unter Maria Theresia eingelöst wurden.

Nicht minder zahlreich und den Handel erschwerend waren die landesfürstlichen Mauthen, auf deren Aufeählung verzichtet werden muss, da die Verhältnisse in den verschiedenen Ländern mannigfaltig waren. Die in Nieder-Oesterreich erhobenen Abgaben mögen an diesem Orte Erwähnung finden. Abgesehen von den eigentlichen Zöllen, oder sogenannten ordinären Mauthen, welche von allen ein-, durch- und ausgeführten Waaren entrichtet werden mussten, vnirden erhoben : Aufschläge, welche Erhöhungen der ordentlichen Mauthgebühren waren, Aufschläge auf Lebensmittel nicht nur von den ein-, durch- und ausgeführten, sondern auch von den im Bezirke erzeugten und daselbst consummierten Artikeln; die kleine Mauth in einigen Ortschaften, zumeist von Nahrungsmitteln nach besonderen Tarifen. Die kalte Mauth kam in einigen Ortschaften in der kältesten Jahreszeit, nämlich vom St. Colomantage bis zum heiligen Dreikönigabend von Nahrungsmitteln zur Erhebimg, und zwar firüher in natura, seit dem 14. October 1734 nach einem eigenen Tarife. Diese Gebühr bestand seit 1524. Das GemeingefäUe von den in die Stadt Wien eingeführten Feilschaften wurde vor- nehmlich von Nahrungsmitteln entrichtet.

Die Gefälle des Mauth-Oberamtes oder des sogenannten Schlüssel- und Kastenamtea^ zu Krems, dem alle Mauthämter in dem Viertel ober dem Mannhartsberg unterstanden, waren 1714 folgende: Die eigentlichen Zölle, welche bei den Mauthämtem und vor- nehmlich bei dem Mauth-Oberamte in Krems tarifinässig bei der Ein-, Aus- und Durchfuhr der Waaren eingehoben wurden; die mauthamtlichen Aufschläge waren Erhöhungen der schon beste-

Digitized by

Google

262

henden Mauthen, so der Sensenaufschlag, welcher von den in Oesterreich ob der Enns verfertigten Sensen, Sicheln und Stroh- Messern bei ihrer Einfuhr nach Oesterreich unter der Enns bezahlt werden musste ; die sogenannte kleine Mauth in Krems, die Brücken- mauth zu Stein, welche seit dem Jahre 1589 bestand und durch Patent vom 8. März 1736 neu geregelt wurde, eine Wegmauth, welche sowohl von den über die Brücke gehenden Personen, als auch fiir jedes Stück Vieh bezahlt werden musste. War die Brücke weggerissen, so musste eine Ueberfuhrgebühr entrichtet werden von Personen, für Vieh, Wagen und Waaren aller Art nach einem be- sonderen Tarife. Von den sonstigen Gefällen, welche zu Krems, Stein, Langenlois und Hadersdorf eingehoben wurden, sollen nur einige hervorgehoben werden : das Kastenrecht oder das sogenannte Kastenmassl, welches von Getreide, Gerste und Hafer auf den Wochenmärkten zu Krems, Stein, Langenlois und Hadersdorf verkauft wiu*de (die niederösterreichischen drei oberen Stände waren durch den am 12. April 1713 mit ihnen errichteten Recess von dieser Abgabe befreit); das Standgeld, welches von den auf den Kremser Markt kommenden Parteien, wenn sie daselbst einen Stand errichten woUten, bezahlt wurde. Endlich wurde in Krems von allen den Markt besuchenden fremden Juden eine Kopfsteuer seit 1641 eingehoben.

Das Umgeld scheint unter König Johann von Luxem- burg in Böhmen bereits im Jahre 1336 eingeführt worden zu sein.^) Es war ein von dem ZoUe ganz verschiedenes Gefälle und wurde blos von den eingeführten Waaren in den sogenannten Umgeldstätten an der Grenze oder in Prag bezahlt. Später trat eine Erhebung für eine Anzahl böhmischer Waaren ein, welche bei der Einfuhr in den Umgeldstätten und in Prag zu erlegen war und zwar werden folgende böhmische Waaren namhaft gemacht: Ochsen, Rindviehhäute, Wein, Bier, Käse, Leinwand, Schleier, böhmische Tücher, Eeichenberger Boy, Ellen- bogener Sicheln. Das mährische Umgeld wurde in ähnlicher Weise erhoben wie in Böhmen. Das sogenannte kleine Umgeld hatten die im Lande erzeugten Kunst- und Naturproducte, welche daselbst consumiert wurden, zu bezahlen. Li Oesterreich unter der Enns wurde das Umgeld, wie es scheint, im Jahre 1359 mit Bewilligung

*) Don Zeitpimct der Einfühning entnehme ich ans einem Finauz-Con- ferenz-ProtocoUe.

Digitized by

Google

263

der Stände als ein landesftirstliclies Gefalle emgefiihrt und musste von Obst- und Beerenmost, von Wein, Meth, Bier und von allen süssen Getränken bezahlt werden.

Schon 1716 wurde die Aufhebung des Umgeldes von der Finanz-Conferenz empfohlen, als gegen die gesunden Grundsätze des Handels verstossend, „massen die Wohlfeilheit zu erhalten und die naturalia nicht zu belegen wären; durch das Umgeld werden die Inwohner härter als die Fremden im Handel und Wandel gehalten*\ Die Hofkammer stemmte sich natürlich gegen die Auf- hebung, da ihre Einnahmen ohnehin nicht ergiebig genug waren. ^) Eine Regelung in den Bezirken von Wien erfolgte durch Patent vom O.December 1726. Die böhmischen Stände klagten unermüdlich über das sogenannte „kleine UmgeW, d. h., die Abgabe von den einheimischen Waaren und forderten mit dem Hinweise auf Mähren, wo das Umgeld 1731 beseitigt worden war, die Aufhebung ent- schieden bei den Verhandlungen über die Vermögens-Steu©r. Durch Landtagsbeschluss vom 23. November 1734 erfolgte dieselbe im Jahre 1735 gegen 25.000 Gulden, welche die Stände an die Hof- kammer zu entrichten hatten. *)

0 F.C.P. 13. October 1716.

•) Im Durchschnitte der Jahre 1723 1727 betrugen die Einnahmen aus

den sämmtUchen Cameralgefällen 7*126 MiU. Guld.

Die Amtsbekostung und Besoldung 1*129 ,,

Es stand daher ein Nettobetrag von 5*997

zur Verfügung.

Die Ausgaben beliefen sich auf 6 668 Mill., wonach sich also ein be- trächtlicher Abgang herausstellte. In Wirklichkeit war das Deficit noch grösser, da jene Zahlungen, welche auf die Stadtbank angewiesen waren, in den obigen Summen nicht inbegriflen sind. In dem mir vorliegenden Schrift- stücke sind leider die Gefälle, aus denen die Einnahmen flössen, nicht durchweg angegeben, sondern die Erträgnisse nach den einzelnen Ländern beziffert. Einige Angaben mögen daher genügen :

Die ungarischen Salzämter lieferten 1*144 Mill. Guld.

Das Salzamt in Belgrad 0*103

r, Temesvar 0*122

Das Tabakgefälle 0*488

Was die Ausgaben anbelangt, so betrugen dieselben :

Bei dem Hofstaate des Kaisers und der Kaiserin 724.500 fi.

Geheime und aus besonderen Ursachen angewiesene Ausgaben , . 249.000 .,

Hofstaat-Besoldungen, Adjuten und Pensionen 674.374

Hofamter-Bekostung 655.181

Anderweitige ordentKche und ausserordentliche Haus- Ausgaben . . 880.360 Bot- und Gesandtschaften, Couriere 639.783 ,,

Digitized by

Google

264

Schulden.

Der jährliche Abgang im Staatshaushalte konnte nur durch Anlehen gedeckt werden. Bei den unentwickelten wirthschaftlichen Verhältnissen der österreichischen Länder war im Inlande das Capital nur spärlich vorhanden und die Beschaffung der erforder- Hchen Summen schwierig genug. Man war auf einige Banquiers angewiesen, zumeist Juden, welche die Greldgeschäfte fast aus- schliesslich vermittelten. Die Oppenheimer und Wertheimer imd wie sie alle hiessen, waren dem Staate unentbehrUch und auch später noch, als die Wiener Stadtbank sich in den weitesten Kreisen Vertrauen errungen hatte, saJi man sich zeitweilig ge- nöthigt, die Unterstützimg der jüdischen Häuser in Anspruch zu nehmen. Die Zinsen für die Darlehen betrugen sechs bis zwölf Procent, manchmal auch mehr; überdies wurde auch bisweilen eine Pro\ision gewährt und fär den Fall, als die Rückzahlimg nicht innerhalb der vereinbarten Frist erfolgte, ein höherer Zinssatz zu- gesagt. Nicht blos jüdische Banquiers suchten aus der Noth des Staates Vortheile herauszuschlagen, auch Staatsbeamte eiferten diesen Vorbildern nach. Letztere bedangen sich nebst Verzinsung und Eückzahlimg auch eine staatliche Anstellung. Die Geschäfte, welche der Hofkammer-Präsident Graf Salaburg mit dem Staate machte, waren gerade nicht reinlicher Natur. Sein eigenes Ver- mögen war nicht bedeutend, sein persönlicher Credit durch seine Stellung ein grosser, wodurch es ihm während seiner Verwaltung gelang, nicht selten beträchtliche Summen aufzubringen und dem Staate zur Verfügung zu stellen.

Ständische Aerarial- Schulden.

Eine der üblichen Formen der Anlehen waren die stän- dischen Aerarialschulden, d. h. der Credit und die Ver- mittlung der Stände wurden bei neuen Anlehen oder bei Ueber- nahme alter Schulden in Anspruch genommen. Der Staat haftete den Ständen durch Ueberweisung der Contribution oder anderer

Von den Gesammtaiisgaben in aolico et civili entfielen in Wien 4-6 xmd in den Ländern nahezu 2 Millionen. Die Rückstände imd Schulden werden auf 5*3 Millionen angegeben. In diesen Zittern sind die auf die Stadtbank angewiesenen Zahlungen nicht inbegriffen.

Digitized by

Google

266

Einnahmen ftir die Rückzahlnng und Verzinsung. Die Anlehen wurden entweder unmittelbar von den Ständen aufgenommen oder dieselben übernahmen Verzinsung und Tilgung des Capitals der von der Hofkammer oder der Militär- Verwaltung contrahierten An- lehen, woftlr ihnen nicht selten Begünstigungen eingeräumt werden mussten.

In den mit den Ständen abgeschlossenen Becessen wurden jene Summen namhaft gemacht, welche von der Jahres-Contribution in Abzug gebracht werden konnten und manchmal auch die Zu- sage gemacht, dass eine Steigerung derselben nicht eintreten werde, ein Versprechen, das nicht eingehalten werden konnte. Bisweilen war ein Land nicht in der Lage, den übernommenen Verpflichtimgen nachzukommen und die demselben überwiesene Schuld musste dann von dem Staate wieder übernommen werden. Wann zuerst derartige ständische Aerarialschulden, die mit den eigentlichen Landesschulden, Domesticalschulden geneuint, nicht ver- wechselt werden dürfen, aufgenommen wurden, lässt sich mit Sicherheit nicht angeben; nur eine Durchforschung der Landes- Archive könnte hierüber volle Klarheit verschaffen. Li der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts wurde jedenfalls die Mitwirkung der Stände zur Geldbeschaffung in Anspruch genommen, beträchtlich wurden jedoch die Aerarialschulden erst in der ersten Hälfte des XVin. Jahrhunderts. Der unter Carl VI. mit den Ständen ab- geschlossene „Decennal-Impegno" bezweckte die Aufiiahme einer Schuld von acht bis neun Millionen Gulden, welche Summe auf die einzelnen Länder vertheilt wurde und vom Jahre 1714 an in zehn Jahren rückgezahlt werden sollte. ^) Der Krieg erheischte einen beträchtlichen Aufwand. Die beiden damals schon bestehenden Banken waren nicht in der Lage, die grossen Beträge aufeubringen und es schien, dass nur durch die Bürgschaft der Stände Hilfe gebracht werden könne. Allein der voUe Betrag wurde, wie es scheint, von den Ständen nicht angebracht.*)

Nebst der Wiener Stadtbank haben die Stände in kritischen Zeitläuften die grössten Beiträge zur Unterstützung des Staates

>) Der Becess mit Mahren, abgedruckt bei D'Elvert, Zur öster- reichischen Finanzgeschichte, IE. 91. lieber Nieder-Oesterreich vergl. M e n 8 i, 76.

*) Der öesammtbetrag belief sich auf 2*19 Millionen; es entfielen auf Nieder-Oesterreich 0-66, auf Ober-Oesterreich 0-18, auf Steyermark Ol, auf Böhmen 0.6, auf Mähren 0*2, auf Schlesien 0-4 Millionen, der Best auf Kämthen mit 60.000 und auf Krain 40.000 Gulden.

Digitized by

Google

266

geliefert. Der Credit derselben war ein grösserer als jener des Staates.

Zur Sicherstellung der meist zu sechs Procent verzinslichen Anlehen erhielten die Stände, wie erwähnt, bestimmte Ein- nahmen zugewiesen, welche „Eetentionsposten" natürlich die staat- lichen Einnahmen stark verminderten. Auch Gefälle wurden dort, wo die Contribution als Hypothek nicht genügend war, fiir die Verzinsung imd Rückzahlung angewiesen oder die Einführung neuer Auflagen gestattet. In den von Zeit zu Zeit abgeschlossenen Recessen wurden diese Schuldverhältnisse geregelt. Der Staat konnte jedoch den übernommenen Verpflichtungen nicht immer nachkommen; die Schulden mehrten sich, indem nicht selten die Zinsen dem Schuldcapitale zugeschlagen werden mussten. Be- trächtlich waren die ständischen Darlehen während des Türken- krieges 1716 1718 und in dem letzten Jahrzehnt der Regienmg Carl VI. Statt einer Erhöhung der Contribution gewährten die Stände nicht selten Anlehen, in Jahresraten durch Abzüge von der Jahrescontribution oder aus Gefällen rückzahlbar und mit sechs Pro Cent verzinslich. ^)

In den letzten Jahrzehnten der Regierung C a r Fs musste zur Bestreitung des Krieges in ähnlicher Weise, wie während des spanischen Erbfolgekrieges, zu Zwangsdarlehen geschritten werden, so 1735 und 1736. In dem erstgenannten Jahre wurde die Beitrags- pflicht nach der Leistungsfähigkeit bestimmt. Je nach der Classe wurden 500, 1000 und 2000 Gulden gefordert, das Capital wurde von der Stadtbank mit fünf Procent verzinst und sollte vom Jahre 1739 an in vierteljährigen Raten rückgezahlt werden. Der Gesammt- betrag belief sich auf 2*4 Millionen. Aehnlich war es bei dem Zwangs- darlehen von 1739 der Fall, welches mit Beginn des Jahres 1742 zur Rückzahlung gelangen sollte. Thatsächlich konnte der Staat den übernommenen Verpflichtiuigen nicht nachkommen, denn 1749 mussten neue Vereinbarungen getroffen werden.

Die bei Privaten aufgenommenen Anlehen waren nicht unbedeutend. Eine Aufzählung derselben ist wegen der grossen Anzahl nicht möglich, nur einige, besonders eigenthümliche, sollen

») Z. B. 1736 der Krainer Landschaft für ein Anlehen von 100.000 Gulden von dem aus Friaul, IViest, Fiume, Istrien und anderen wälschen Orten ein- geführten Wein ein Aufschlag von einem halben Kreuzer per Mass, vom st€>Tischen Wein einen Pfennig per Mass zur Verzinsung und Kückzaiilung des Capitals.

Digitized by

Google

267

erwähnt werden. Baron An dl er erbat in einem Gesuche eine ordentliche Besoldung und erbot sich, pro sublevatione aerarii eine Anticipation von 75.000 Gulden zu sechs Procent verzinslich mit der Versicherung auf den schlesischen Biergroschen bis 1729 zahlbar, zu prästieren. Die Finanzverwaltung war dagegen, die kaiserliche Entschliessung verfügte die Annahme des Anlehens. Im Jahre 17-35 lieh Graf Gaisruck 50.000 Gulden gegen das Versprechen einer unbesoldeten Rathsstelle bei der Hofkammer, zu fünf Procent. Dr. P o u 1 1 e erhielt eine Hofkammerstelle, gegen ein zu fünf Procent verzinsliches Darlehen im Betrage von 150.000 Gulden.

Zur Sicherstellung erhielten die Gläubiger die zur Verfugung stehenden Cameralgefälle, die meisten waren jedoch bei der Stadt- bank verpfändet. Auch die Erträgnisse der Cameralherrschaften wurden als Specialhypothek verwendet mit und ohne Einräimimig eines Pfandrechtes auf das betreffende Gut. In den letzten Jahren der Regieirmg CarPs sah man sich zur Auf bringung der erforder- lichen Summe auch genöthigt, Bückzahlung und Verzinsung auf die Contribution einzehier Länder anzuweisen; die Gläubiger er- hielten auch eigene ständische Obligationen. Auch die Recruten- und Eemontengelder, die Vermögens-Steuer sowie die ausserordent- lichen Einnahmen aus dem Reiche wurden verpfändet. ^) In Noth- fällen, wenn eine Hypothek nicht zur Verfügung stand, wurden bisweilen gegen höhere Verzinsung sogenannte schwebende Schulden gemacht und wenn die Darleiher im Besitze älterer Forderungen waren, wurde ümen die Begleichung derselben unter günstigen Be- dingungen zugesagt.

Auch die Geistlichkeit wurde zu Anlehen herangezogen. Im Jahre 1717 borgten drei geistliche Corporationen 136.000 Gulden zur Begleichtmg von Schulden. Im Jahre 1733 verpflichtete sich der Prälatenstand in Nieder-Oesterreich, 312.500 Gulden vorzu- strecken, die oberösterreichischen Prälaten liehen 187.500 Gulden, die steyrischen 150.000 Gulden; von den böhmischen erwartete man mindestens 300.000 Gulden, von den Jesuiten der böhmischen und österreichen Provinz 100.000 Gulden.^) Im Jahre 1734 wurde von dem gesammten Clerus ein Subsidium praesentaneiun im Betrage von 1-2 Millionen gefordert xmd zwar von den deutschen Erblanden 750.000, von den böhmischen 311.000, von Ungarn 170.000 Gulden.

*) Die Einzelschulden bei M e n s i, 669.

*) Deputations-ProtocoU vom 3. December 1733.

Digitized by

Google

268

Der gleiche Betrag von 1-2 Millionen Gulden wurde 1739 ver- langt.^)

Carl VI. war kein Freund der Juden. Die Instruction vom Jahre 1717 machte der Hofkammer zur Pflicht, die Anzahl der- selben möglichst zu beschränken^, allein in Zeiten der Noth sah man sich doch genöthigt, die Mitwirkung und Unterstützung jüdischen Capitals in Anspruch zu nehmen. Die Wiener Juden- schaft wurde wiederholt zu Zwangsdarlehen verhalten; anlässlich der Kaiserkrönung zu Frankfurt musste sie 200.000 Gulden gegen eine funfprocentige Verzinsung aufbringen; 1717 wurden 1*273 Millionen, 1727 0*66 Millionen gefordert. Die Eintreibiing wurde einer besonderen Hof-Commission übertragen. Als im Jahre 1734 Berathungen gepflogen wurden, um für den Krieg das nothwendige Geld aufzubringen, rechnete man stark auf Anticipation der Juden- schaft in Vorder- Oesterreich und in Prag, sodann auf die Landes- Judenschaft in Böhmen und Mähren. Die Hofdeputation betrieb die Abgabe der Vorträge der Hof kanzlei und der Hof kammer über die Gestattung der Heirathen der Secundogenitur der Juden. Be- kanntlich bestand damals die Beschränkung, dass nur der älteste Sohn heirathen durfte und man erwartete von dem Zugeständnisse, dass auch dem zweiten -Sohne das Eingehen der Ehe gestattet

') Im Jahre 1739 hatte die erbländische Geistlichkeit folgende Vorschüsse als Subsidium praesentaneum gemacht :

Der Prälatenstand in Nieder-Oesterreich 200.000 fl.

im Lande ob der Euns 100.000 „'

in Steyermark 100.000

in Kärnthen . . 40.000

in Tyrol 81.000

in Krain 6.500

im Breisgau und in Schwaben . . . 55.450

in Böhmen 115.000

Jesuiten in Böhmen 100.000

Der Prälatenstand in Schlesien 85.000

in Mähren 90.000

Oesterreichische Jesuiten-Provinz 80.000

Karmeliter Barfüsser der österreichischen u. böhmischen

Provinz . 26.000

Serviten in Oesterreich und Tyrol 15.000

Einige JtmgfrauenklÖster 58.000

Einige Frauenklöster in Inner- Oesterreich 17.800

Einige Mannesklöster in Inner-Oesterreich 9.000

*) Vergl. Kescript vom 15. April 1717 über den Handel der AkathoUken und der Juden in Brunn und Mähren überhaupt bei D'El vert, Notizenblatt, 1889, Nr. 9.

Digitized by

Google

269

werden sollte, bereitwillige Unterstützung von Seite der Juden. ^) In einem Verzeichnisse der für den Krieg im Jahre 1734 zur Verfügung stehenden Fonde ist der Betrag von der böhmischen und mährischen Judenschaft mit 400.000 Gulden, von der Frankfurter Judenschaft mit 70.000 Gulden, endlich von dem Juden Greils- heim mit 15.000 Gulden angesetzt.

Die Stände der wohlhabenden niederländischen Gebiete wurden in dem letzten Jahrzehnte der Regierung Carl VI. zur Aufiiahme von Anlehen herangezogen. Die Verhandlungen mii den Hennegauer Ständen führte Hofkammerrath v. Prandau und wurde von der Statthalterin, einer Schwester des Kaisers unter- stützt. ^ Das Anlehen betrug 2V2 Millionen Brabanter Wechsel- geld; Verzinsung und Rückzahlung sollten aus den Landes- mitteln (moyens courants) entrichtet werden, wofür die nieder- ländischen Finanzen aus dem Tabakgefälle entschädigt werden sollten, dem Camerale wurde für den Entgang der entsprechende Betrag aus der böhmischen Contribution zugewendet. Ueber die Höhe der Zinsen konnte man längere Zeit eine Einigung nicht erzielen. Auch weigerten sich die hennegauischen Stände, die Garantie ftlr die richtige Bezahlung zu übernehmen, während in Wien befürchtet wurde, dass ein blosses Garantien-Instrument den gewünschten Effect nicht erreichen und auf kaiserliche Obligationen die Gelder spät und ungewiss eingehen würden, mithin der dringenden Noth nicht geholfen wäre. Ein Schreiben des Kaisers an die Statthalterin hat den Abschluss der Verhand- lungen beschleunigt und eine Einigung bewerkstelligt, womach die hennegauischen Stände gegen eine Annuität von sechs Procent (vier Procent Zinsen und zwei Procent Rückzahlung) in die Aufnahme des Anlehens willigten. ^)

*) Vortrag der Deputation v. 12. Mai 1734. Der Kaiser genehmigte die Anträge.

*) Max Emanuel Hildebrand v. Prandau gehört zu den verdienstvollsten Finanzbeomten jener Tage und hat auch noch in den ersten Jahren der Regierung Maria Theresia's eine erspriessHche Wirksamkeit entfaltet. 1730 wurde er Director der orientalischen Compagnie, deren Erzeugung und Ver- schleiss sich unter seiner Leitung beträchtlich hoben. Im Jahre 1733 wurde er nach den Niederlanden entsendet, um daselbst mit den Finanzmännem über Anlehen zu verhandeln. Nach dem Rücktritte des Grafen KoUowrat wurde er mit der Leitung der Bancalität betraut, noch im ersten Jahrzehnt der Regierung Maria Theresia's besass er massgebenden Einfluss.

') Conferenz-Protocoll vom 3. Mai 1735, das kaiserliche Handschreiben an die Statthalterin vom 6. Mai und andere bisher unbenutzte Schriftstücke.

Digitized by

Google

270

Ausländische Schulden.

Die Formen der im Auslande aufgenommenen Anlehen waren mannigfacher Art. Einige waren auf Grund von Aller- höchsten Schuldverschreibungen abgeschlossen, manchmal mit Sichersfcellung auf eine Hypothek*), die meisten wurden jedoch von der Hofkammer vertragsmässig contrahiert und als Hypothek die Contribution eines Landes oder das Bergwerkregale verschrieben. Den in Holland während des spanischen Erbfolgekrieges auf- genofhmenen Anlehen dienten die Erträgnisse des Quecksilber- bergwerks in Idria zur Q-rundlage, ebenso auch den Anlehen in den Jahren 1734 und 1739. Bis in die Mitte des XVill. Jahr- hunderts wurden die europäischen Märkte in erster Linie von Oesterreich mit Quecksilber versorgt und mit grosser Aufmerksamkeit verfolgte man daher die Preise dieses Artikels. Auch die Kupfer- bergwerke in Ungarn zu Schmöllnitz und Neusohl wurden als Pfand verschrieben.

Eine wichtige Hypothek war auch die Contribution, in erster Linie die schlesische ; die Stände verpflichteten sich zur Verzinsung und Tilgung der Anlehen. Die meisten in Holland und England aufgenommenen Anlehen wurden auf den schlesischen Contributions- fond versichert. Auch die mährische und böhmische Contribution diente als Hypothek.^) Die niederösterreichischen Stände über- nahmen 1739 die Garantie für ein in Brabant aufgenommenes An- lehen im Betrage von 3 Millionen Gulden. Der Zinsfuss der im Auslande aufgenommenen betrug 6V4 bis 8 Procent, femer musste dem Banquier, der die Vermittlung übernahm, eine Provision von einem Procent zugestanden werden.

Vornehmlich in Holland und England wurden die meisten Anlehen abgeschlossen, was, abgesehen davon, dass diese Länder zu den capitalreichsten gehörten, durch die innigen politischen Beziehungen derselben zu Oesterreich Erklärung findet. Auch nach Herstellung des Friedens blieben Anfangs die Generalstaaten geneigt, die österreichische Regierung bei den daselbst zu contrahierenden

*) Eine Allerhöchste Schuldverschreibung war noch 1855 Gegenstand finanzministerieller Verhandlung; dieselbe war 1740 über 3000 Gulden auf Leopold Prekenhueber ausgestellt worden. (Vergl. die Acten 11109, 14189 und 17362 ex 1855.)

*) Nach einem mir vorliegenden Ausweise waren in den Jahren 1730 1789 über 17-2 Millionen Gulden, meist Anlehen in England und Holland, auf Schlesien versichert.

Digitized by

Google

271

Anlehen zu unterstützen. Während des Türkenkrieges gelang es

dem nach HoUand entsendeten Hofkammerrath Tinti im October 1716 eine Summe von 2V2 Millionen Holländisch durch Vermittlung der Amsterdamer Firma Clifford unter drückenden Bedingungen aufeubringen. Schwieriger waren die Verhältnisse in den Zwanziger Jahren, als die politischen Verhältnisse Oesterreichs zu den See- mächten sich getrübt hatten und die Generalstaaten ihre Zustimmimg zur Aufnahme eines Darlehens verweigerten. In dem letzten Jahr- zehnt der Eegierung Carl VI. zeigten sich die Holländer, nach- dem die Differenzen über die Ostende-Compagnie geschlichtet waren, williger, Oesterreich zu unterstützen. Die Anlehen in den Jahren 1733 und 1734, welche der nach Holland entsendete Hofkammerrath Hildebrand von Prandau vermittelte, wurden für Kriegsrüstungen verwendet und nach dem Frieden kam auch ein Anlehen zu Conver- tierungszwecken zu Stande. Endlich gelang es, während des Türken- krieges 1737 bis 1 739, holländisches Capital zu erhalten. Auch inEngland wurden, seitdem die Beziehungen in Folge des spanischen Erbfolge- krieges inniger geworden waren, grössere Beträge aufgebracht, so im Jahre 1716 ein Anlehen von 2 Millionen Gulden, welches mit dem Amsterdamer Banquier Clifford abgeschlossen, zumeist von englischen Capitalisten gegen achtprocentige Verzinsung gezeichnet wurde. Das Anlehen im Jahre 1737 im Betrage von 250.000 Pfimd Sterling, welches nach mühevollen Verhandlungen durch Vermittlung der Bank von England zu Stande kam, wurde mit sieben Procent verzinst und sollte von 1741 angefangen in fünf Jahren rückgezahlt werden. Als SichersteUung diente der schlesische Contributionsfond. Das Anlehen von 1737 im Betrage von 320.000 Gulden wurde auf den Kupferfond aufgenommen und sollte vom Jahre 1743 angefangen binnen zehn Jahren rückgezahlt werden. Auch in Genua wurden in den Jahren 1736 1738 drei Anlehen im Gesammtbetrage von 2*3 Millionen Gulden abgeschlossen.

In Deutschland borgte man bei einigen Landesfürsten, so bei den Churfürsten von der Pfalz und Bayern, bei den geistlichen Eeichs-Ständen imd einzelnen Städten, vornehmlich Frankfurt am Maiti imd Nürnberg. Dagegen führten Anlehensverhandlungen mit der Schweiz, die auf Befehl des Monarchen im letzten Jahrzehnt seiner Regierung wiederholt versucht wurden, zu keinem Er- gebnisse.

Eine neue Schuldgattung war die Tontine. Der kaiserliche Gresandte in Genua brachte nämlich die Errichtung derselben im

Digitized by

Google

272

Betrage von einer Million Gulden in Vorschlag. Es sollten 2000 Einlagen k 500 Gulden ausgeschrieben werden, zu acht Procent verzinslich. Die Actien sollten übertragbar sein gegen Entrichtung von zehn Procent der Einlagssumme. Die Hofkammer fand die Bedingungen nicht vortheilhaft und machte einen anderen Vorschlag, allein es musste zunächst, ehe an die Verwirklichung des Projectes geschritten werden konnte, die Zustimmung des Magistrates von Bozen für die Uebemahme der Garantie verlangt werden. Der Secretär des kaiserlichen Gesandten in Genua, Poli, wurde nach Wien zur Auskunftsertheilung berufen und erhielt später den Auf- trag, zu erkunden, ob die Geneigtheit bestehe, ein derartiges An- lehen zu leisten. ^) Es dauerte indess längere Zeit, ehe die An- gelegenheit zum Abschlüsse kam. Erst am 26. Januar 1737 wurde das darauf bezügliche Patent erlassen. *) Die hervorragendsten Wechsler in den verschiedensten Städten werden in der Ankündigung bezeichnet, welche die Antheilscheine gegen baare Bezahlung aus- händigen sollten; das Anlehen fand jedoch keinen Anklang und musste im Jahre 1739 gänzlich angelassen werden.

Die Banco- Schulden.

Die nachhaltigste Aushilfe gewährte die Wiener Stadt- bank. Als in den ersten Jahren des XVlil. Jahrhimderts der Gredit des Staates vollständig damiederlag, eine Erhöhung der Steuern unmöglich schien, selbst geringfügige Summen zur Be- streitung nothwendiger Erfordernisse mangelten, wähnte man in einem Creditinstitute das finanzielle Heil zu finden. Schon seit Jahren hatte man sich mit darauf bezüglichen Projecten beschäftigt. Am 15. Jimi 1703 trat das neue Institut unter dem Namen Banco del giro iq's Leben, wie das Diplom besagt: wegen der Elriegs- erfordemisse für die Erhaltung von zwei grossen Armeen, dann zur Hebung des damied erliegenden Handels nach dem Muster der Anstalten Venedigs, Amsterdams, Hamburgs und Nürnbergs. Die Dotation des Banco wurde mit vier Millionen Gulden bestimmt.

») Conferenz-Protocoll vom 80. Juli 1736.

*) Es sollten 4000 Actien k 500 Gulden ausgegeben werden, die Aotionäre waren nach dem Alter in vier Classen eingetheilt, wenn eine der Classen „durch zeitliches Hinscheiden aller Interessenten" erlosch, erbten die übrigen drei Classen die Hälfte „desjenigen Nutzens, welchen vorhin der Letzte der extin- guierten Classe genossen".

Digitized by

Google

273

welcher Betrag aus den Contributionen der Länder jährlich ein- fliessen sollte. Für das erste Jahr war über die Contribution schon anderweitig verfügt worden nnd es sollten daher zwei Millionen aus den erstbesten ausserordentlichen Einnahmen dem Institute zugewendet werden, eine hypothetische Bestimmung, da vorläufig keinerlei verfiigbare Einnahmen vorhanden waren. Die Hofkammer sollte Anweisungen an die Bank, ohne den Betrag des Fondes zu überschreiten, ausstellen dürfen, auch Private Geldeinlagen machen und für ihr Guthaben Anweisungen ausfertigen können. Den Theil- nehmem am Institute wurden mannigfache Privilegien eingeräumt, so die Uebertragbarkeit der Assignationen durch Giro^ Befreiung der Banco-Einlagen von Sequestration und Execution u. dergl. Die Assignationen hatte jedermann vom Aerar und Privaten an Zahlungsstatt anzunehmen. Bedenklich war die Bestimmung, dass alle Wechsel und Anweisungen von Kaufleuten bei Verlust des zehnten Theiles des Betrages durch den Banco laufen müssen. Der Grundgedanke, bemerkt Schwabe treffend, zielte unverkennbar dahin, Schuldpapieren des Staates wieder Credit zu verschaffen. Es sollte nämlich die neue Anstalt durch in reichlichem Masse bei ihr zur Einlage kommende Privatcapitalien und gezwungen durch- laufende Geschäftsabwicklungen sicher zahlungsfähig, wie ein grosses Zahlungshaus dastehen, den Schuldverschreibimgen des Staates die Eigenschaft allerbester Papiere, die von Hand zu Hand wie Baargeld giengen, verliehen werden, indem sie den „Giro des Instituts" erhielten. Zur Befestigung des Vertrauens in die neue Anstalt wurde auch die Mitwirkung der niederösterreichischen Stände und des Stadt- magistrates von Vitien, endlich des Handelsstandes in Anspruch genommen, indem Mitglieder dieser Körperschaften der Direction zugezogen wurden.

Die von der Regierung an das neue Institut geknüpften Erwartrmgen verwirklichten sich nicht. Gerade jener Stand, von dessen Unterstützung am meisten erhofil wurde, der Handelsstand, TV'ar voU Misstrauen. Die niederösterreichischen Stände erhoben gegen die Einrichtung Protest ; die Verpflichtung, die Assignationen an Zahlungsstatt anzunehmen, war eine unglückliche Bestimmung. Man erblickte darin die Absicht, einen Papierhandel einzuführen und als Folge Ruin des Gredits und Hemmtmg des Handels. Vi^ie konnte auch die Handelswelt Vertrauen einem Institute entgegen- bringen, dessen Dotation ungenügend war! Die Nothwendigkeit einer Abänderung machte sich fühlbar und nach einem Jahre fanden die mannigfachsten Berathungen einen Abschluss. Das Patent vom

Oesterreichisclier Erbfolgekriog. I. Bd. 18

Digitized by VjOOQIC

274

3. Jiini 1704 erhöhte die Dotation von vier auf fünfeinhalb Millionen und vorfügte, dass zu diesem Zwecke einige Cameral- gefäUe der Bank übergeben und derselben die Einhebung und Verwaltung in voUer Unabhängigkeit von der Hofkammer und anderen Behörden zu übertragen sei. Nur die Ueberschüsse wären an die Hofkammer abzuführen. Diese soUte Anweisimgen auf die Bank bis zum Betrage von vierzig Millionen ausstellen können, welche mit dem Giro versehen, in Umlauf zu bringen und binnen zwölf Jahren rückzuzahlen waren. Je nach der früheren oder späteren Fälligkeit der Anweisungen betrug der Zinsfuss vier bis acht Pro- cent. ^) Aber auch in dieser verbesserten Form konnte die Bank eine gedeihliche Wirksamkeit nicht entfalten, die Aufiiahme von Staats- anlehen nicht erleichtem und das Vertrauen derjenigen, welche dem Staate Gelder vorstrecken konnten, nicht festigen. Das Misstrauen war nicht zu bannen, dass aus den staatlichen Ein- nahmen beträchtliche Summen der Bank überwiesen werden könnten, während die verfügbaren Mittel zur Bestreitimg der Krieg5kosten nicht hinreichten. Graf Gundaker Starhemberg hatte auch mit einleuchtenden Gründen die Mängel des reorganisierten Institutes hervorgehoben : Für die Finanzen sei es geradezu unmöglich, die demBanco zugewiesenen Beträge zu entbehren; die Staatsverwaltung müsste auf beträchtliche Einkünfte Verzicht leisten, ehe noch die Darlehen eingeflossen wären ; der Ruin des Camerale, wie der König- reiche und Länder werde die Folge sein*). Unter den der Bank über- wiesenen Zuflüssen war auch die ungarische Contribution, auf welche jedoch nicht verzichtet werden konnte, da dieselbe für die Truppen jenseits der Leitha imentbehrlich war. Auch einige der zugesicherten Gefälle konnten der Bank nicht überantwortet werden. In der That half die Bank den finanziellen Nöthen nicht ab. Die Beträge, welche in der nächsten Zeit der Regierung zuflössen, waren daher winzige. Die Hilflosigkeit der Anstalt, die nicht einmal im Stande war, ihre Beamten zu besolden, wurde nach Kurzem offenbar.

Die Gründung eines reinen Staatsinstitutes hatte Schiffbruch gelitten. Bei der Eim-ichtung einer neuen Bank, des „Wiener Stadtbanco-Institutums", schlug man einen anderen "Weg ein. „Ziu- Eectificiorung, Verbesserung und Feststellimg des Banco- Instituts", heisst es in der Ankündigung, „wird, um den Gläu- bigem eine grössere Sicherheit zu verschaffen, die Leitung und

') Die Patente im Cod. Aust. II. 81—85, III. 464-467.

«) Vortrag 3. Juli 1704. Schwabe a. a O. 80. Mensi, a. a. 0. 179 f.

Digitized by

Google

275

Administration der Bank an „ein notorie acereditierte^ Corpus civile", nämlich an die Stadt Wien übertragen und zur Aufsicht eine aus Mitgliedern der niederösterreichischen Regierung und der Hof kammer zusammengesetzte Deputation errichtet. Die Stadtbank leistete bereits in den ersten Jahren dem Staate nicht unbeträchtliche Dienste. Sie übernahm die auf den Cameralgef allen haftenden Schulden, machte Vorschüsse und bezahlte auch staatliche Verbindlichkeiten, z. B. die Deputationsgelder der Kaiserin -Wittwe. Namentlich seit Graf Starhemberg die ausschliessliche Leitung der Stadtbank über- nommen hatte (1711), befestigte sich das Vertrauen in den weiteren Kreisen, freiwillige Capitalseinlagen flössen ihr zu, wodurch es möglich wurde, dem Staate unter die Arme zu greifen, so durch Einlösung verpfändeter Cameralgefalle und Cameralherrsohafben, die jedoch der Verwaltung der Bank imterstellt wurden. Die dem Staate gewährten Darlehen mussten mit einem zehn Procent betragenden Fonde bedeckt werden, wodurch natürlich die für die sonstigen Ausgaben erforderlichen Summen eine Herab- setzung erfuhren, ein Entgang, der um so drückender empfunden wurde, als eine Steigerung der Einnahmen nicht leicht bewerkstelligt werden konnte.^)

Seit dem Regierungsantritte Carl VE. standen mannigfache Pläne über die Reorganisation der gesammten Finanzverwaltung auf der Tagesordnung. Eine bessere Einrichtung der Hofkammer schien nicht genügend, denn auf diesem Wege konnte eine rasche Besserung der Finanzlage unter einem vorsichtigen und kühnen Neuerungen abholden Hofkammer-Präsidenten, wie Graf Starhem- berg war, nur allmälig bewerkstelligt werden. Allein der Staat bedurfte Geld und die Wiener Stadtbank konnte den Ansprüchen nicht immer Genüge leisten. Man fasste Anfangs eine Umgestaltung der Girobank in's Auge, um dieselbe creditfäliiger zu machen, allein die Veröffentlichung des bereits am 24. März 1713 fertiggestellten Patents erfolgte nicht, da von der Hof kanzlei und von den nieder- österreichischen Ständen Einwendungen gegen die neue Einrichtung vorgebracht wurden, mittlerweile auch ein neues Project vorlag, welches unter dem sonderbaren Titel „Universal-Bancal-Finanzen- Oekonomie-Demonstration" sich die Herstellung der Ordnung des Staatshaushaltes, insbesondere die Regelung des Gassen-, Control-, Oredits- und Schuldenwesens zur Aufgabe stellte. Der Verfasser des

') lieber die Wiener Stadtbank, Schwabe a. a. 0. 84 f. und mit reich- lialtigen Einzelheiten Mensi a. a. O. 207.

18*

Digitized by

Google

276

neuen Vorschlages war der Hofkammerrath Bernhard Georg von M i k o 8 c h, der in umfassenden Denkschriften die Anträge er- läuterte und vertheidigte. Der Kaiser verfügte commissionelle Berathung durch eine Hof - Deputation, welcher jedoch der Hof kammer - Präsident Graf Starhemberg nicht beigezogen wurde, gewiss bezeichnend für die gegnerische Strömung, womit der tüchtigste Finanzmann des damaligen Oesterreichs zu kämpfen hatte, die auch in den ProtocoUen ihren Ausdruck fand, indem die Wirksamkeit der Hofkammer einer abfälligen Kritik imterzogen und dem Monarchen sogar widerrathen wurde, dieselbe über das Project zu vernehmen.

Die Aufgabe, welche dem neuen Institute in erster Linie zu- gewiesen wurde, war, „dem so erschöpften Aerario zu Hilfe kommen", wie Prinz Eugen in der ersten Sitzung am 14. Juli 1714 hervorhob, „Restabilierung des so sehr gesunkenen Credits und Aufrichtung einer Generalbancalität, wodurch alle, sowohl Militär- als Cameral- gelder distribuiert werden sollen". Die Conferenzmitglieder hatten wohl mannigfache Bedenken imd ein Schriftstück von dem Ver- fasser des Projectes, „Zur Dillucidienmg des Werks" betitelt, dürfte die Zweifel über die Erspriesslichkeit und Durchfiihrbarkeit der Vorschläge nicht behoben haben. Sinzendorff, bekanntlich ein Schwätzer ersten Ranges, bemerkte, das Werk berühre in etwas die alten Verfassungen und Aenderungen wären öfters schädlich, allein wenn das Alte nicht erklecklich sei, so müsste man zur Emporbringung des Credits und zur Tilgung des eingerissenen Wuchers endlich doch auf Neuerungen denken. Animosität gegen die Hofkammer leuchtet aus allen Voten hervor. Der Credit könne durch die Hofkammer nicht restabiliert werden, meinte Sinzendorff, und Graf Harr ach pflichtete ihm voll bei; das ganze Camerale stünde in grosser Unordnung, Hess er sich vernehmen, das Aerar sei schlecht versehen, die Hofbediensteten gerathen aus Mangel an Bezahhmg in grosse Noth, die Kammer wisse sich nicht zu helfen. Er imd Schlick waren der Ansicht, dass der grossen Noth durch die Bancalität gesteuert und die Einnahmen und Ausgaben in gehörige Ordnung gesetzt werden dürften. ^)

*) Die Behauptung, dass auf die glänzenden Erfolge der verschiedenen ausländischen Banken hingewiesen wurde, ist übertrieben. Nur ein Mitglied der Minis terial-Deputation machte eine darauf bezügliche Aeusserung. Die Stelle im Pro to coli lautet : . . . .Graf von Sinzendorff hat in seinem dissfähligenvoto gemeldet, wie er ab experientia wissete, dass sowohl in Statu Monarchico, alss Bey anderen Republiquen, Banquen introduciret seynd, Vnd in utroque Statu,

Digitized by

Google

277

Es scheint, dass der Kaiser für die Errichtung der Bancalität von vorneherein günstig gestimmt war, was auf die abgegebenen Gut- achten der Hof-Deputation nicht ohne Einfluss blieb. Welche Er- wartungen an die neue Einrichtung geknüpft wurden, ist aus dem Eingange des Patents vom 14. December 1714 ersichtlich. In damals üblicher "Weise wurden die massgebenden Gründe für die neue Schöpftmg dem Publicum verkündet. Die Ergebnisse der Cameral- einnahmen sollten gesteigert, die Schuldenlast verringert, die Miliz richtig bezahlt, die Insassen und Unterthanen verschont, der Credit erhöht, der beschwerliche Wucher abgestellt, Zinsen erspart, das Erfordemiss des Hofstaates rechtzeitig beschafft, dem Handelsmann und Gewerbetreibenden durch billige Darlehen geholfen, dem Bauer zur leichteren Bestreitung seiner Abgaben die Mittel an die Hand gegeben werden. Natürlich mussten der Bancalität zur Lösung dieser umfassenden Aufgaben die erforderlichen Zuflüsse behufs Bildung eines sicherstellenden Fondes zugewiesen und die Unantastbarkeit desselben für ewige Zeiten zugesichert werden. Nicht nur der Staat sollte Credit finden zur Bestreitimg der unum- gänglichen Ausgaben, sondern auch Private Darlehen gegen eiue dreiprocentige Verzinsung erhalten, Hofstaat und Militär, sowie die Beamten in allen Erb-Königreichen und Landen die Besoldung vierteljährlich richtig empfangen.^)

Graf Starhemberg sprach sich über das neue Institut in einem schriftlich abgegebenen Votimi abfällig aus. Von der Ban- calität konnte nicht erwartet werden, dass sie Erspriessliches zu leisten in der Lage sei, wenn man die Geldmittel einer kritischen Prüfung unterzieht, welche zur Bildung eines Fondes bestimmt waren. ^ Bei Berechnung derselben spielte die Phantasie desProjec-

wan solche recht Bestellet, mit sonderem guten effect Succediren können. Vor anderen aber seyn dahin zu gedeacken, dass man soviel möglich das Werck mit guten willen anfange, Vnd darzu keinen Zwang nit gebrauche, dan mit Zwang wird kein Credit gemacht ; man müste schon alle Hilff zu Beförderung des Wercks, vornehmlich aber noch mehrere fundos Beyzubringen, vermittelst deren der Credit nicht allein gleich anfänglich formiret, sondern auch in Succession befestigt werde. (Referat der kaiserlichen Ministerial-Hof-Deputation nnter dem Vorsitz des Prinzen EugenvonSavoyen, betreffend die projectierte XJniversal-Bancal-Finanzen-Oekonomie ddo. 29. August 1714).

') Die Darstellung beruht auf handschriftlichem Material. Vergl. Schwab e, 113 und Mensi a. a. O.

*) Diese Zuflüsse waren alle ausständigen Forderungsposten desStsiates: Abfahrtsgelder, Caducitäten, Tax- und Strafgelder, die Beträge jener Personen, Bancal-Legitimations-Ärrhen genannt, welche Bancalisten werden wollten, denen

Digitized by

Google

278

tanten eine grosse Rolle, da er namentlich von den freiwilligen Zuflüssen bedeutende Summen erwartete.

M i k o 8 c h befürwortete die Geltung der Bancalität auch in Ungarn, schon aus dem Grunde, „da bei einer monarchischen Oekonomie es nicht richtiger und ordentlicher zugehen kann, als wenn die Einnahmen und Ausgaben durch eine Richtschnur und unter einer Verrechnung geführt werden, mithin die aus allerlei particulären Zahlämtem bisher geflossenen Unrichtigkeiten abgestellt werden". Auch könnte die Bancalität sonst einen imiversalen Anordnungs- staat nicht verfassen, die Meliorationen der Cameralfonde würden in Ungarn unterbleiben. Die Deputation machte daher auch den Vorschlag, das Bancalitätspatent in Ungarn zu publicieren mit der Bemerkung, „dass solche qua Länder zwar eximiert, die Kammer und Miliz aber zur Befolgung des Patentes angewiesen werden". Die Reso- lution des Kaisers lautete aber dahin, wegen Ungarn werde er sich noch vor Publicierung des Patentes resolvieren. ^) Die Militär- und Cameralgef alle Ungarns wurden den Bancal-Cassen überwiesen, das Patent aber aus staatsrechtUchem Grunde nicht verlauthart.

Die Bancalität war ursprünglich eine vollständig unabhängige Behörde und erst nach Schaffung der Finanz-Conferenz derselben untergeordnet, nachdem das Bancal-Gubemium beseitigt und ein

gewisse Rechte eingeräumt waren und die jährlich je nach ihrem Stande und ihrer Beschäftigung einen Betrag von 3 bis 200 ü. zu leisten hatten ; die Dienst- Arrhen aller Hof-, Civil- und Militärbeamten, in Abzügen von ihrem Gehalte bestehend und zwar der bereits im Dienste stehenden mit sechs Procent ein für alle Mal, der neu angestellten mit Erlegung von Quartalen ihres Gehaltes ; Assignations-Arrhen mit drei Procent der Gelder, welche Müitär- und andere Personen zurückzulassen hatten, die durch die Bancalitätscassen ihre Bezüge erhalten wollten; Reservations- Arrhen, d. i. einprocentige Abzüge bei Erhalt von Geldern, die bei der Bancalität angelegt waren, endlich jüdische Beitrags- Arrhen, welche die Juden, um Bancalisten zu werden, im Betrage von 6 bis 300 ü, zu entrichten hatten, wofür sie berechtigt waren, mit dem Staate Geschäfte zu machen und in der Residenz zu bleiben. Ausser diesen ständigen Zuflüssen erwartete man auch freiwillige. Jeder Bancalist sollte nämlich be- rechtigt sein, Geld bei dem Institute einzulegen und zwar nach der Höhe der Legitimationsarrhe bei 8 bis zu 100 fi., bei 2C0fl. bis zu 6666 fl. 40 kr. Für den angelegten Betrag erhielt er eine dreiprocentige Verzinsung (Agio genannt) in Bancalitätsvaluta, das ist eine Assignation auf die Anstalt, welche wie baares Geld verwendbar sein sollte. Die angelegten Capitalien blieben von jeder Vermögens- Steuer befreit und unterlagen keiner Confiscation. Alle Bancalisten sollten in allen Aemtem und öffentlichen Functionen verbleiben und künftig nur solche angestellt werden, die mindestens ein halbes Jahr Bancalisten waren.

*) Vertrag 22. November 1714. Die kaiserliche Entschliessung langte am 14. December 1714 9 Uhr Abends herab.

Digitized by

Google

279

Bancalitäts-Präsident mit der Leitung betraut worden war. Die Hälfte des Reingewinnes sollte dem Staate zufliessen. Die Ban- calität war in ausserordentlichen Fällen zu Darlehen an den Staat gegen Sicherstellung verpflichtet.

Die grossen Erwartungen von der Wirksamkeit der Bancalität fiir den Staatscredit erfüllten sich ebenfalls nicht. Die derselben zugewiesenen Einnahmen liefen nicht in der Höhe ein, wie voraus- gesetztwar, wodurch die Creditf ähigkeit schon in den ersten Anfängen verringert wurde. Man erhofile, dass das von der Anstalt ausgegebene unverzinsliche, nach einer halbjährigen Kündigungsfrist rückzahlbare Papier in grösseren Mengen in Umlaiif kommen werde; man erwartete beträchtliche Einlagen, zu drei Procent verzinslich, was schon aus dem Grunde nicht wohl eintreten konnte, weil die Stadtbank die Einlagen mit sechs Procent nach Sicht rückzahlbar verzinste. Mit der Leitung der Stadtbank war überdies die erste Finanzcapacität damaliger Tage betraut, die schon Proben ihrer Tüchtigkeit durch eine mehrjährige Thätigkeit an der Spitze der Hofkammer abgelegt hatte, während die Leitung der Bancalität Männern übertragen war, deren Befähigung fiir den schwierigen Posten sich erst bewähren musste. Es muss jedoch dahingestellt bleiben, ob eine begabtere Persönlichkeit, als Fürst Trautson und später Graf Kolowrat, im Stande gewesen wäre, einer Anstalt Lebensfähigkeit einzuhauchen, deren Organisation von Kennern als eine verfehlte bezeichnet wurde. Starhemberg's kritische Bemängelimgen wurden in der Folge durch die Thatsaohen erhärtet. Nach kurzem Bestände trat die Leistungsunfähigkeit der neuen Schöpfung klar zu Tage. Der Credit der Bancalität sei mit Ende Januar bereits periclitiert, heisst es in dem Finanz-Pro tocolle vom 17. Februar 1720, wenn nicht der Jud Wertheimer mit einer Anticipation von 300.000 Gulden aus- geholfen hätte, und am Schlüsse des Jahres wird bemerkt, die Ban- calität finde keinen Credit mehr. ^) Ja, es wird darauf hingewiesen, dass der Credit des Stadtbanco leide, weil jener der Bancalität „zerfallen" sei und die Li- und Ausländer zwischen Banco und Bancalität den Unterschied nicht zu machen wüssten, die Ausländer daher ihre Gelder aus dem Stadtbanco zurückziehen. ^) Um einen Bankerott der Bancalität zu vermeiden, mussten die Schulden von der Stadtbank übernommen werden und ihre Thätigkeit als Credit- institut hatte damit ein Ende. Erst in den letzten Jahrzehnten der

*) Finanz-Conferenz-Protocoll, Decembei' 1720. *; Conferenz-Protokoll vom 13. December 1721.

Digitized by

Google

280

Regierung Carl VI. hat die Baiicalität bei den damals für den Krieg erforderlichen Finanzoperationen eine, wenn auch nicht um- fassende Thätigkeit entfaltet, indem ihre Mitwirkung fiir die Be- schafiiing von Wechseln in Anspruch genommen wurde, um für die Bedürfhisse des Heeres in Italien und zum Theil auch in Deutschland Vorsorge zu treffen ^). Die vielfach aufgestellte Be- hauptung, dass durch die Bancalität eine einheitliche Controle und Gebahrung im Staats-Cassenwesen im Grossen und Ganzen erreicht worden sei, kann nur mit Einschränkung als richtig bezeichnet werden, denn sie gilt nicht für die ganze Zeit des Bestandes der Bancalität, Die Bancalität sollte auch als Central-Casse dienen, deren Mangel schon längst fühlbar war, da bei der damaligen Organisation die Möglich- keit, eine Uebersi(jht über die gesammten Einnahmen und Ausgaben des Staates zu gewinnen, nicht vorhanden war. Hierauf bezügliche Berathungen wurden, wie bereits erwähnt, schon unter finiheren Regierungen wiederholt gepflogen. In einem Decret an den Fürsten Trautson wird auf die Thätigkeit der Bancalität als Staats-Central- Casse besonders Gewicht gelegt. Die gesammten Einnahmen der Cameral- und Militär-GefiÜle sollten den Bancal-Cassen zufliessen und von jenen Einkünften, welche den perpetuierlichen Fond der Bancalität zu bilden hatten, allstets separiert verbleiben.^) Allein auch in dieser Beziehung konnte die Bancalität der ihr zugewiesenen Aufgabe nicht entsprechen. *) Nicht blos die Hofkammer erhob gegen die Competenz der Bancalität hinsichtlich einiger SpeciaJfonde Widerspruch; noch in den Dreissiger Jahren wurde geklagt, dass die Hof kanzlei selbstständig über Gelder verfüge, ohne Hofkammer oder Bancalität in Kenntniss zu setzen. Ihre Mitwirkung bei Verfassung der Staatsvoranschläge blieb illusorisch; seit Errichtung derFinanz- Conferenz wurde dieser Körperschaft die Prüfung derselben übertragen. Während Girobank und Bancalität den Forderungen des Staates nicht entsprechen konnten, hat die Stadtbank beträcht- liche Dienste geleistet. Sie übernahm Cameralschulden , sowie verpfändete Gefälle und Domänen, gewährte Vorschüsse und ermöglichte es, dass Mitglieder des Kaiserhauses ihren Haushalt bestreiten konnten; nicht selten wurden Rückstände der Hof- zalilungen, Gnadengaben, Apanagen an die Bank überwiesen .

*) Deputations -Pro tocoUe aus den Jahren 1734—1739. *) Decret vom 1. October 1714.

^) Auch Schwabe a. a. 0. 148 ist derselben Ansicht, dagegen Mensi a a. O. 475, ohne für seine Ansicht einen Beleg zu bringen.

Digitized by

Google

281

Je fester sich ihr Credit gestaltete, um so grösser wurden die An- sprüche der Hof kammer, da diese den Privatgläubigem in der Regel höhere Zinsen zahlen musste, während die Bank Darlehen zu sechs Procent gewährte. Die Vereinbarungen zwischen Hof- kammer und Stadtbank, Recesse genannt, enthielten Bestimmungen über die Höhe des dargeliehenen Betrages, sowie über die der Bank zur Sicherstellung überwiesenen Gefälle. Durch Vereinbarung vom 29. Juni 1719 mit der Hofkammer übernahm sie auch die Ver- pflichtung, alljährlich einen Beitrag von 500.000 Gulden zu leisten. Auch bürgerte sich ein neuer Grundsatz bei der Bedeckung für die von der Bank übernommenen Leistungen ein. Da die statuten- gemässe Sicherstellung von zehn Procent für Zinsen und Rück- zahlung durch Ueberweisung neuer Gefälle nicht gewährt werden konnte, wurden die der Bank bisher übergebenen Gefälle prolongiert, wodurch mancherlei Fährlichkeiten erwuchsen, wenn in kritischen Zeiten die neuen Einlagen zur Erfüllung der Verbindlichkeiten nicht hinreichten. Auf den jährlichen Beitrag von 500.000 Gulden -wurden von Seite der Hof kämm er bestimmte Zahlungen angewiesen, so Deputatgelder, Gnadengaben u. s. w. ^) Der Rest wurde von der Hofkammer zur subsidiären Sicherstellung für neue Bankvorschüsse an den Staat benützt, und wenn diese nicht ausreichend waren, musste sich die Bank trotz allen von Starhemberg mit Recht erhobenen Einwendungen zur Aushilfe ohne Einräumung neuer Fonde bequemen.

Die freiwilligen Capitalsanlagen der Privaten waren mit sechs Procent verzinslich und nach Sicht oder gegen Kündigung rückzahlbar. Seit Herstellung des Friedens nahmen die Capitalseialagen stetig zu, wodurch die Bank in die Lage kam, dem Staate unter die Arme zu greifen, sei es durch Darlehen, oder durch Uebemahme von

') Aus einem Vortrag des Grafen Starhemberg vom 25. Mai 1730. Folgende Posten sind auf Eechnnng der 1724 jährlich accordierben 500.000 Gulden mit baarer Bezahlimg von der Bank übernommen worden, als :

Jahr 1723 Managetta Gnadengabe per 25.000 11.

1723 Graf Sinzendorff 45.000

1723 Schluga (Szluha), Gnadengabe 20.000

1723 Graf Althann 70.000

1724 Graf Stürckh 40.000

1725 Churprinzessin in Bayern 100.000

1725 Graf Nagy, Gnadengabe 24.000

1726 Buol, Gnadengabe 30.000

1729 Gräfin Brenner, Gnadengabe 30.000

1729 Graf Harrach 10.660

Digitized by

Google

282

Cameralschulden. Der Credit des Institutes steigerte sich von Jahr zu Jahr und die Bank konnte für die Rückzahlung bestimmte Termine, je nach der Höhe der Einlagen, feststellen. Auch vom Auslande kamen in Folge der Consolidierung der Bank Capitals- einlagen. Die Ausländer erhielten seit 1717 Befreiung von dem Abffithrtsgelde, d. h. von der Gebühr, welche von den in's Ausland gehenden Erbschaften erhoben wurde.

Hatte die Stadtbank dem Staate bereits seit Beendigung des spanischen Erbfolgekrieges beträchtliche Summen vorgestreckt, so steigerten sich die Ansprüche während des Türkenkrieges bedeutend. Für den Feldzug 1716 betrug das Darlehen der Stadtbank im September bereits drei Millionen ; im darauffolgenden Jahre wurde ein weiteres Darlehen von zwei Millionen geleistet und Staatsschuldposten von mehr als dritthalb Millionen übernommen. Namentlich seit die Bancalität ihre Bedeutung als Creditinstitut eingebüsst hatte, musste die Bank dem Staate beträchtliche Unterstützungen gewähren und sich auch zu einem jährlichen Beitrage für die laufenden Staats- bedürftiisse verpflichten. Den fortwährenden Forderungen des Staates trat jedoch Starhemberg in der Finanz-Conferenz nicht selten mit Erfolg entgegen. „Gott und die Casualität hätte es geschickt," heisst es in dem Finanz-Conferenz-ProtocoUe vom 28. October 1720, „dass so viel Geld in der Stadtbank eingelegt wird imd gleichwie dieser Schatzkasten der landesfürstlichen Unterthanen, worin ihr Hab und Gut depossediert ist, wäre es nicht rathsam, den Credit derselben, der bereits über fünfzig Millionen extendiert sei, zu exponieren."

Die Bemühungen Starhemberg's, die Ansprüche des Staates einzuengen, blieben erfolglos. Auch die Schulden der Girobank wurden an die Stadtbank übertraigen, die statutengemäss für die Bedeckung festgestellten Normen nicht eingehalten. Die Stadtbank übernahm die Bancalitätschulden im Betrage von 25 Millionen Gulden, welche sammt den mit 28*8 Millionen berechneten Banco-Schulden in dem Zeiträume von 1721 1738 getilgt werden sollten. Das Erträgniss der ihr eingeräumten Gefälle belief sich auf IV2 Millionen, während statutengemäss die sicherzustellenden Einnahmen 2Va Millionen betragen sollten. Stetig wurden erhöhte Ansprüche von der Hofkammer gemacht. Die Bank musste Zahlungen übernelmien, sei es, wenn es sich um Apanagen handelte, wofür die Hofkammer mit ihren Mitteln nicht aufkommen koimte , oder auch bei Gewährung beträcht- licher Gnadengaben, endhch bei Bezahlung von Rückständen der Beamtengehalte. Nicht selten waren es geringfügige Summen,

Digitized by

Google

283

welche der Hofkammer Verlegenheit bereiteten und welche sie einfach mit oder ohne Bedeckung zur Berichtigung der Bank überwies. In Zeiten, als Einlagen der Bank in reichlichem Masse zuflössen, konnte sie mühelos den staatlichen Anforderungen ent- sprechen, aber zeitweilig hatte auch ihre Leistungsfähigkeit ihre Grenze. In solcher Lage sah sich die Bank genöthigt,^ die bean- spruchten Beträge bei Privaten aufzunehmen, nicht selten gegen hohe Verzinsung. So oft die Hof kammer mit den ihr zur Verfligung stehenden Einnahmen das Erfordemiss zu decken nicht im Stande war, verlangte sie die Unterstützung der Bank, wogegen sich Starhemberg vergebens sträubte. Die Bank wurde durch kaiser- liche Entschliessung vom 31. December 1721 angewiesen, allmonatlich einen Vorschuss von 100.000 Q-ulden an die Hof kammer zu leisten. Die gewichtigen Bedenken des Grafen Starhemberg, dass die Stadtbank den Betrag nicht zu leisten im Stande sei, da die Ein- lagen nicht mehr so bedeutend wie bisher wären, da bereits der grösste Theil des in Oesterreich befindlichen Vermögens in der Bank angelegt sei, bestimmten den Kaiser, drei Commissionen mit der Prüfung der Angelegenheit zu betrauen, die zwar in ihren Voten von einander abwichen und nur in Bezug auf eine abfällige Kritik der Stadtbank und in der Forderung einig waren, dass der Hofkammer und den Hofkanzleien ein grösserer Einfluss auf die Stadtbank einzuräumen sei. In einem ausgezeichneten Schriftstücke, formell und inhaltlich ein Meisterstück, widerlegte Starhemberg die Angriffe und Anträge der Commissionen. Man forderte Einfluss- nahme der Behörden auf das Bankinstitut, während sich der grosse Credit desselben zumeist durch die Unabhängigkeit von der Hof- kammer befestigt hatte ; die der Bank überwiesenen Gefälle hatten unter ihrer Verwaltimg beträchtlichere Ergebnisse geliefert, als unter der Hof kammer. Der klaren, einleuchtenden Darstellung des Banco-Deputations-Präsidenten gelang es, die weitgehenden Forde- rungen der Hofkammer insoweit abzuwehren, als die Geldaushülfe von 100.000 Gulden monatlich nur bei zulänglichem Cassabestande der Bank gegen Prolongierung der Gefälle geleistet werden sollte. Hiemit war jedoch die Angelegenheit nicht abgethan. Die Bank fiihrte im Jahre 1723 über eine Million Gulden ab, die Hofkammer forderte aber unbedingt eine jährliche Aushilfe von 1*2 Millionen. Nicht ohne harten Kampf gelang es Starhemberg, die neuerUchen Angriffe gegen die Bank abzuwehren. Die Schriftstücke Starhemberg's, worin er die Ztunuthungen der Hofkammer in energischer Weise zurückwies und die Nothwendigkeit einer soliden

Digitized by

Google

284

Wirthschaft beleuchtete, sind musterhafte Arbeiten und für seinen Charakter und Verstand ungemein ehrenvoll. Er müsse, heisst es in einem Referate, dringende Vorstellungen gegen die der Wiener Bank von der Hofkammer zugemutheten, ganz unbedeckten Vor- schüsse erheben, „damit, im Falle untereinsten das Stadtbanco zu- grunde und hingerichtet werden sollte, ich weder bei Eurer Maje- stät noch vor der ganzen Welt, am allerwenigsten aber bei dem allerhöchsten Gott mich einiger schwerer Verantwortung diesfalls schuldig wissen möge, noch auch, dass durch den, des ganzen Universi Zerfall nur allzu gewiss involvierenden Umsturz des an sich so heilsamen Bankinstitutes viele Tausende deren treuherzigsten Darleiher so unschuldiger, als unverantwortlicher Weise in das äusserste und unwiederbringliche Verderben gestürzt würden, ich vor dem strengen Richterstuhle des allwissenden Gottes, ubi nulla est exceptio personarum et nihil inultum remanebit, zwar bereuend, aber allzu spät imglückselig seufzen müsse: Vae mihi quoniam tacui".

Wenn es der einleuchtenden Darstellung Starhember g's gelang, die Angriffe der Hofkammer zurückzuweisen und die Unabhängigkeit der Bank zu wahren : die Uebemahme von Cameral- schulden „durch Einräumung einer Scheindotation" konnte er nicht abwehren. Auch ohne Bedeckung mussten zahlreiche Vorschüsse gewährt werden. In dem Zeitramne von 1721—1729 betrug die Gesammtleistung der Bajik über 44 Millio^ien Gulden, wovon sechzig Procent ohne statutenmässige Bedeckung. ^) Es war dies nur möglich, weil der Credit der Bank sich hob, so dass auch eine theilweise Herabminderung der Zinsenauslagen von sechs auf fünf Procent vorgenommen werden konnte. ^

So bedeutend auch die Unterstützung war, welche die Bank gewährt hatte, die Ansprüche der Hof kammer waren unerschöpflich. Am Schlüsse des dritten Jahrzehnts beliefen sich die Zahlungs- rückstände und die Cameralschulden abermals auf sechs Millionen Gulden, welche 1731 von der Bank übernommen werden mussten, und zwar ohne Bedeckung, blos durch Prolongierung der bereits überwiesenen Gefälle. Auch die Militär- Verwaltung erhielt ein Darlehen von zwei Millionen Gulden gegen Ueberweisung von 200.000 Gulden jährlich aus der Contribution Nieder-Oesterreichs auf fünfzehn Jahre. Vorstellungen Starhember g's gegen die stetigen

*) Die Einzelschulden ausführlich bei Mensi a. a. 0. 594 f. *) 1725 Herabsetzung auf fünf Procent, durch Verordnung vom 24. März 1727 auf sechs Procent erhöht; 1729 neue Einlagen mit fünf Procent verzinst.

Digitized by

Google

285

Forderungen von Aushilfen ohne statutengemässe Bedeckung hatten zwar vorübergehenden Erfolg, indem der Monarch der wahrheits- getreuen und eindringlichen Darlegung des Banco-Deputations- Präsidenten sich nicht verschliessen konnte, aber die Noth war gross und die Staatsbedürfnisse heischten Befriedigung. ^)

Im Jahre 1730 war fast der dritte Theil der von der Bank dem Staate vorgeschossenen Summen unbedeckt und wenn Starhemberg auf die Missverhältnisse aufmerksam machte und darauf hinwies, dass die Bank dadurch vielleicht in die Lage gebracht würde, dem Staate in Kriegszeiten keine Hilfe gewähren zu können, so fruchteten die Vorstellungen nur insofeme, dass eine Zeit hindurch neue Fordenmgen an die Bank nicht gestellt wurden. Ja, die Bank musste darein willigen, ihr überlassene Einnahmen an die Hofkammer abzutreten, wofür ihr die Prolongierung der anderen Gefälle auf eine grössere Anzahl von Jahren eingeräumt wiurde. Die Hofkammer konnte dann jene Gefälle, worüber sie durch das Entgegenkommen der Bank wieder verfügen konnte, zu einer anderweitigen Anlehensoperation benützen.

Das Jahr 1732 kann als der Höhepunct des Bankcredits bezeichnet werden. Der Cassastand der Bank belief sich auf mehr als dritthalb Millionen, Einlagen flössen reichlich zu und Graf Starhemberg schritt auch an die Herabsetzung des Zinsfusses

*) Für die Finanzlage des Staates bezeichnend ist die Thatsache, dass es sich bei den steten Ansprüchen der Hofkammer nicht immer um grosse Beträge handelte. Sehr oft musste die Bank verhältnissmässig unbedeutende Cameralschulden und verpfändete Objecte, sowie die Bezahlung von Schulden der Mitglieder des Kaiserhauses übernehmen.

Aus einem geheimen Schriftstücke vom Jahre 1729 sind die verscliiedenen Cameralschulden, zu deren Uebernahme sich die Bank verpflichten musste, ersichtlich. Ich hebe aus denselben einige Angaben hervor : Für geheime Hofausgaben, an die geheime Casse, wie auch an die regierende und verwittwete Kaiserin,

dann an die Erzherzoginnen 226.125 11.

Für das Hofküchenamt Rückstände 8.164

Rückstände des Hof keUeramtes, welche verzinst werden

raussten 126.892

Rückstände des Hoffutteramtes, ebenfalls verzinsb'ch 892.623

Für Pensionen 145.000

Für Gnadenrückstände 481.244

u. s. w., der Gesammtbetrag beÜef sich auf 6.520.199 Gulden, wobei aber bemerkt wird, da ,.verschiedene Cameral-Zahlamts-Extracte abgängig seien", könne man die Höhe des Betrages nicht ganz genau angeben.

Digitized by

Google

286

von sechs auf fünf Procent und an die Aufliündigung von, in festen Terminen rückzahlbaren Capitalien. Die Einlagen verminderten sich trotz dieser Conversionsoperation nioht tmd die Bank hatte ein nicht unbeträchtliches Zinsenerspamiss erzielt. Diese günstige Lage der Bank dauerte jedoch nur kurze Zeit. Die Anforderungen der Regierung in den nächsten Jahren waren beträchtlich; die Bank masste für den Krieg Vorschüsse machen, die neu eingeführten Steuern, wie: das ungarische Extraordinariimi, die Vermögens-Steuer und später die Türken-Steuer, das Subsidium charitativum der deutschen Reichsritterschaft, die geistliche Decima bildeten die Grundlage für die neuen Darlehen, allein es wurde auch an die Bank die Forderung gestellt, 800.000 Gulden ohne Sicherstellung vorzustrecken, wogegen Starhemberg in beweglichen Worten die Bedenklichkeit eines derartigen Vorgehens schilderte. Sein hohes Alter und sein Gewissen, fügte er hinzu, gestatteten ihm nicht, sich in diesem Geschäfte gebrauchen zu lassen, er verlange nichts, als sein Gewissen nicht zu verletzen und als ehrlicher Mann zu sterben. ^) Derartige Vorstellungen wirkten zumeist nur vorüber- gehend. Da die Einlagen nicht so reichlich flössen, sah sich die Bank genöthigt, das erforderliche Geld bei Privaten aufzubringen und höhere Zinsen zu entrichten. Die Gebrüder Palm und das Haus Tinti bildeten die Vermittler. Allein nicht blos für den Krieg gewähi'te die Bank Aushilfe. Im Jahre 1736 übernahm sie diu*ch Contract vom 15. December die Bezahlung der Apanage für die Erzherzogin Maria Theresia im Betrage von 20.000 Gulden gegen Ueberlassung der Zollgefälle im Glatzischen *), femer kaiserliche Gnadengaben an einzelne hervorragende Personen, Gehalt-sansprüche der Beamten u. s. w. Sie verpflichtete sich zur Verzinsung und Rückzahlung eines Zwangsdarlehens, wozu durch Hofdecret vom 3. September alle Wohlhabenden geistlichen und weltlichen Standes verhalten wurden. Während des zweiten Türkenkriegos waren die baaren Vorschüsse der Bank zwar nicht bedeutend, aber sie unterstützte die Hofkammer dadurch, dass sie den ihr verpfändeten schlesischen Fleischkreuzer, sowie auch die ihr überwiesene Quote des niederösterreichischen Contributionsfondes gegen Prolongierung der übrigen Bankgefälle abtrat, wodurch es möglich wurde, bei den niederländischen Ständen und in Holland

*) Conferenz-Protocoll vom 20. December 1734.

*) Die Zollgefälle betrugen 6000 Gulden jährlich, reichten daher nicht aus. Der Abgang wurde durch Prolongierung der übrigen incorporierfcen Gefälle bedeckt.

Digitized by

Google

287

neue Anlehen zu machen. *) Auch musste die Bank auf beträcht- liche Guthaben an das Aerar, im Ganzen 11*6 Millionen, verzichten. Wie ersichtlich, hat die Bank unter Carl VI. dem Staate die grössten Dienste geleistet. Eine Darlegung von Starhemberg beziflfert die gesammten, von der Bank übernommenen Staats- schulden seit ihrer Errichtung auf 60 Millionen. Allein auch viele Darlehen an Private wurden auf kaiserlichen Befehl gegeben. So nicht unbeträchtliche Summen an den Herzog Franz von Loth- ringen, an die orientalische Compagnie u. dergl.

Schuldentilgung.

Bald nach der Errichtung der Bancalität wurde auch eine Schulden-Commission zur Prüfung der aus der Zeit vor dem Jahre 1715 herrührenden Schuldforderungen errichtet. Dieselbe war einer Schulden-Conferenz untergeordnet, an deren Spitze der Bancal- Gubemator Fürst Trautson stand. Derselben gehörten auch der Präsident und der Vice-Präsident der Hofkammer an. Von dieser ergiengen die Aufträge an die Schulden-Casse. Zur Tilgung der Schulden wurde der Schulden-Casse eia bestimmter Fond zugewiesen.

^) Welch bedeutende Aushilfen die Stadtbank dem Staate gewährt, machen folgende Angaben anschaulich:

1715—1720 wurden von der Bank haar vorgestreckt 18,049.764 fl.

An Schulden übernommen gegen Fond . 41,322.287

An Schulden übernommen ohne Fond . 505.689

Einlösung verpfändeter Cameralgefälle . 579.842

1721—1729 Cameralschulden übernommen 17,118.501

Verschiedene Posten zur Zahlung über- nommen 12,150.502

Cameralgefälle eingelöst 332.611

Auf Rechnung der jährlichen Beitrags- summe von 500.000 fl 4,446.580

Femer im Jahre:

1719 den oberösterreichischen Ständen 500.000

den niederösterreichischen Ständen 240.000

1730 dem Staate vorgestreckt 8,884.549

1731 883.033

1732 898.932

1785 3,333.641

1736 624.752

1737—1739 dem Staate vorgestreckt 5,200.000

Ueberdies schuldete die Hofkammer der Bank: 1732: 449.539, 1733:

1,289.950, 1734: 390.483.

Digitized by

Google

288

Die Schulden-Commission hatte eine grosse Aufgabe, deren entschiedene Lösung jedoch nur dann möglich gewesen wäre, wenn die Mittel zur Tilgung der Staatsschuld aus Ueberschüssen der staatlichen Einnahmen vorhanden gewesen wären. In Folge der Verwirrung in allen finanziellen Angelegenheiten hatte man von der Höhe des Schuldenstandes keine genaue Kenntniss und eine vollständige Uebersicht scheint man auch nach längerer Zeit nicht gewonnen zu haben. Namentlich über die Höhe der Cameral- schulden herrschte Unwissenheit, da die Cameralämter Rückzahlungen oft gar nicht verbucht haben. ^) Die Schuld en-Conferenz entschied nicht selbstständig. Ihre Anträge wanderten zunächst zur Hof- kammer und Bancalität, in letzter Instanz an die Finanz-Conferenz, wodurch die Erledigung sich natürlich verzögerte. Die Grundsätze, welche bei den eingehenden Berathungen als Richtschnur für die Rückzahlung aufgestellt wurden, erfuhren auch später manche Ab- änderungen. Während Anfangs eine Liste je nach dem Alter der Schuld entworfen wurde, erhielten jene Gläubiger später eine Begünstigimg, die sich zu einem Nachlasse vom Capitale herbei- liessen, ja man nahm auch Anlehen auf, um derartige Rück- zahlimgen zu leisten, wofür nicht selten höhere Zinsen, als für die bisherigen Schulden gewährt werden mussten. Mancher Gläubiger bequemte sich zu einem Anlehen, um für seine alte Forderung bessere Rückzahlimgs-Bedingnisse zu erlangen. Während der Jahre 1716 bis 1719 wurden neue Anlehen im Betrage von 5-35 Millionen Gulden aufgenommen und von den alten Schuldposten gleichzeitig 3-G5 Millionen in die neue Schuldforderung eingerechnet. Nach mehrjährigen Prüfimgen der Schuldposten (der Militär- und Cameral- schulden) hatte man endlich annähernd eine vollständige Ueber- sicht über den gesammten Schuldenstand gewonnen, welche durch die kaiserlichen EntSchliessungen vom 17. Juli 1717 imd 31. Juli 1718 genehmigt und die Rückzahlungstermine festgestellt wurden. Natürlich konnten diese bei der Finanzlage nicht immer eingehalten werden. Die Thätigkeit der Commission erhielt nach einigen Jahren ihren Abscliluss, nachdem der Credit der Bancalität so gesunken war, dass, wie erwähnt, die gesammten Bancaütäts-Schulden von der Stadtbank übernommen werden mussten. Eine statutenmässige Schuldentilgung wiu*de erst nach Beendigung des österreichischen Erbfolgekrieges in Angriff genommen.

') Finanz-Conferenz-Protoooll vom 7. März 1720.

Digitized by

Google

289

Die venetianischen Botschafter spenden Carl VI. grosses Lob. Sein ausserordentliolier Fleiss bei Erledigung der Geschäfte, sein Eifer, sich mit den Verhältnissen der auswärtigen Politik und mit den inneren Zuständen seiner Länder vertraut zu machen, leuchten aus der Sorgfalt, welche er der Prüfung der ihm vor- gelegten Schriftstücke zuwendete, hervor; sie strotzen von eigen- händigen Randbemerkungen. Nahmen auch die schwierigen Be- ziehungen zu den europäischen Mächten den Monarchen stark in Anspruch, auch den inneren Verhältnissen, den wirthschaftlichen und finanziellen, wendete er vollste Aufmerksamkeit zu ; fortwährend beschäftigte ihn die Ordnung der trostlosen Fiaanzen und seine EntSchliessungen bekunden auch eine nicht gewöhnliche Vertraut- heit mit den einschlägigen Fragen. Nach einer mehr als drei Jahr- zehnte andauernden Regierung war es ihm nicht geglückt, das in^s Auge gefasste Ziel zu erreichen. Waren auch die Anforderungen an den Staatsschatz von Seite der Heeresverwaltung beträchtlich und in erster Linie die Ursache des chronischen Deficits, so kann doch darin allein nicht die Erklärung gesucht werden, dass die unleugbaren Bemühungen zur dauernden Ordnung des Staatshaus- haltes von Erfolg nicht gekrönt waren. Die Finanzverwaltung war eine mangelhafte. Graf Dietrichstein, seit 1719 mit der Leitung der Hofkammer betraut, war seiner Aufgabe nicht gewachsen. Viele Rathgeber, denen der Monarch mit besonderer Vorliebe lauschte, zeigten selbst mit den elementarsten Kenntnissen der Finanzwirthschaft geringe Vertrautheit. In der ersten Zeit scheint JPürst Trautson das volle Vertrauen OarTs besessen zu haben, der, wie schon erwähnt, das offene Geständniss ablegte, dass er in Cameral-Angelegenheiten nicht bewandert sei. Später war Graf* Harr ach mit der schwierigen Aufgabe beladen. Ersparungen zu ermitteln, ohne dass die mühevolle Arbeit erspriessliche Ergebnisse zu Tage gefördert hätte. Die grossen Verdienste des Prinzen von Savoyen, dessen Kraft auch auf diesem Gebiete in Anspruch genommen wurde, lagen auf anderen Feldern. Als Feldherr und Staatsmann ersten Ranges ist es nicht ersichtlich, dass er seinen mächtigen Einfluss darauf verw^endet hätte, dem Monarchen den richtigen Weg anzudeuten, der eingeschlagen werden musste, um den vielfachen Uebelständen ein Ende zu machen. Wie berichtet wird, waren die Beziehungen des Prinzen zum Grafen Starhemberg keineswegs inniger Natur, und wenn überhaupt, konnte nur diesem Manne die Ordnung des Staatshaushaltes gelingen. Von der Tüchtig- keit dieser an schöpferischen Ideen reichen Persönlichkeit kann

Oesterreichiicher Erbfolgekrieg. I. Bd. 19

Digitized by

Google

290

man nicht hoch genug denken. Die zahkeichen, seiner Feder ent- stammenden Schriftstücke zeichnen sich durch lichtvolle Klarheit und ausserordentliche Sachkenntniss aus. Starhemberg hatte aber auf die Finanzverwaltung keinen massgebenden Eiofluss. Als Präsident der Muiisterial-Banco-Deputation verwendete er seine ausgezeichnete Kraft, die Stadtbank musterhaft zu verwalten imd dadurch allein zu ermöglichen, dass dieses Institut dem Staate die Mittel gewährte, um seine finanzielle Existenz zu jßristen. Von allen Seiten angefochten, weil er den fortwährenden Forderungen der Hofkammer nicht selten energischen Widerstand entgegensetzte, hat er sich nur durch seine geistige Superiorität auf seinem schwierigen Posten behauptet. Mit berechtigtem Stolze sprach er einmal in einem Vortrage die selbstbewussten "Worte aus, dass er im Stande wäre, eine Vermehrung der staatlichen Einnahmen zu bewerkstelligen, wenn die Finanzverwaltung nur einige Monate in seinen Händen läge. Die Uebertragung aller, auf die Finanzen bezüglichen Angelegenheiten an Starhemberg wäre gewiss von folgenreicher Tragweite gewesen.

Die Finanz-Conferenz konnte der ihr zugewiesenen Aufgabe schon aus dem Grunde nicht entsprechen, weil die OentraJ-Behörden, in erster Linie die Hof-Kanzleien, ohne Rücksicht auf die zur Verfügung stehenden Einnahmen sich in finanzieller Beziehung keinerlei Be- schränkung auferlegten und den Aufwand nicht herabminderten. Es fehlte an einer Körperschaft, welche die Leiter aller Central- stellen in sich vereinigte, ein Mangel, der von einsichtigen Staats- männern wohl empfunden wurde. Ueber Eingriffe der böhmischen Kanzlei wurde in der Finanz-Conferenz fortwährend Klage geführt, namentlich darüber, dass von ihr Zahlungsanweisungen erlassen wurden, und der Antrag gestellt, dass die Referate der politischen Stelle der Conferenz mitzutheilen und erst dann die erforderlichen Beschlüsse zu fassen seien. *)

An gutem Willen, das Gleichgewicht im Staatshaushalte herzustellen und zu erhalten, fehlte es zwar nicht, Anläufe zur Erreichung dieses Zieles wurden wiederholt gemacht, allein die- selben verpufften. Soweit wir die Dinge überblicken können, stimmten die Rechnungsabschlüsse selten mit den Voranschlägen überein, die in der Regel optimistisch gefärbt waren. Die eigentliche Verwaltung entsprach auch massigen Anforderungen nicht imd die Apaltierung der Gefälle, d. h. die Verpachtung der-

*) Finanz -Conferenz-ProtocoU vom 25. September 1719.

Digitized by

Google

291

selben lieferte weit geringere Erträgnisse als unter staatlichen Organen. Die von der Pinanz-Conferenz gefassten Beschlüsse stiessen bei der DurohfÖhrung auf stetige Gegnerschaft. Die Hofkammer klagte, dass sie die Pächter der Gefalle in ihren Contracten nicht „manutenieren" könne, weil sie von den politischen und judiciellen Stellen vielfach gehemmt werde und die nöthige Unterstützung und schleunige summarische Justiz zu erhalten, nicht im Stande sei. ^) Dass die Militärverwaltung mit dem veranschlagten Betrage das Aus- langen schwer finden konnte, ist begreiflich, wenn die territorialen Verhältnisse und die politische Lage der Monarchie in Anschlag ge- bracht werden; allein alle Weisungen, bei der Civilverwaltung und bei dem Hofstaate eine Verminderung der Ausgaben eintreten zu lassen, hatten nur einen vorübergehenden Erfolg, da dieselben nach kurzer Zeit in Vergessenheit geriethen und die angeordnete Verminderung der Beamten im vollen Umfange nicht vorgenommen wurde. "Während die Bezüge der Staatsdiener nicht bezahlt werden konnten, spendete man anderseits mit vollen Händen und die Freigebigkeit des Monarchen bereitete der Finanzverwaltung Verlegenheiten. Die activen Beamten mussten sich eine Verkürzung ihrer Bezüge gefallen lassen, während hochgestellten Personen Geschenke und Pensionen in einem höheren Ausmasse, als sie forderten, zugesprochen wurden.

Ein grosser Uebelstand für die Verwaltung wcu:, dass die verschiedenen Oentralstellen ohne strengen Zusammenhalt unter einander waren, daher bei Fragen, woran mehrere derselben betheiligt waren, die Entschlussfassung verzögert wurde. Auch durch die Finanz-Conferenz, die für Finanzfragen in letzter Instanz als be- rathende Körperschaft bestellt war, wurden die Uebelstände nicht* beseitigt. An den Verhandlungen der Deputation in dem letzten Jahrzehnt der Regierung des Kaisers nahmen bei wichtigeren An- gelegenheiten die Präsidenten der österreichischen Oentralstellen, sowie der Lsuidmarschall in Nieder-Oesterreich und der Obristland- marschall in Böhmen Theil. Wurde nun ein Beschluss gefasst, der Ungarn, die Niederlande oder die italienischen Länder betraf, so musste wieder mit dem italienischen oder niederländischen Rathe unter grossem Zeitverlust Rücksprache gepflogen werden, ehe die betreffende Angelegenheit zum Abschlüsse gebracht werden konnte. Es fehlte an Politikern nicht, welche dieses sogenannte „Conferenz- system" bemängelten, dasselbe als „insufficient" bezeichneten und

*; Finanz-Conferenz-Protocoll vom 29. November 1721.

19*

Digitized by

Google

292

einer Conferenz, woran sich alle Minister ausnahmslos zu betheiligen hätten, warm das "Wort redeten. An den Deputations- Verhandlungen nahmen zwar die ersten Würdenträger des Staates theil, aber sie beschäftigten sich nur damit, durch welche Mittel der finanziellen Noth abgeholfen werden könne, ohne auf den Grang der Verwaltung Einfluss zu nehmen. Und gerade in dieser Beziehung wäre eine durchgreifende Neuordnung nothwendig gewesen. Die Verhandlungen mit den Ständen nahmen Kraft und Zeit in Anspruch und führten oft zu einem wenig befriedigenden Ergebniss. Von Starhemberg wurde ein Vorschlag gemacht, mit der Feststellung eines „äqualen beständigen Steuerfiisses'' und der Ordnung der Regalien eine Deputation zu betrauen, Abgeordnete aller Landtage und Vertreter des „gemeinen Mannes" beizuziehen; während die Deputation tage, die Landtage versammelt zu halten, um mit denselben rasch zur Erledigung der Geschäfte in Verbindung treten zu können. Eine Concentration der Geflllle, welche dem föderalistischen Charakter des Staates gemäss zersplittert waren, wäre die Folge gewesen. Dieser für die damalige Zeit gewiss grossartige Plan gelangte nicht zur Ausführung, ebensowenig andere Vorschläge, welche von Zeit zu Zeit auftauchten und der Vergessenheit anheimfielen.

Selbst auf jenen Grebieten, wo die Verwaltung durch lang- wierige Verhandlungen mit den Ständen nicht eingeengt ward, war dieselbe eine schleppende und erst nach langjährigen Be- rathungen kamen Fragen zum Abschlüsse, deren rasche Erledigung auch im Literesse der Finanzen nothwendig gewesen wäre. Carl VL bekundete für die wirthschaftlichen Verhältnisse, namentlich für Handel und Lidustrie, grosses Literesse, wofür beredte Zeugnisse in zahlreichen Weisimgen vorliegen, die Entwicklung Triests nahm seine Aufmerksamkeit in Anspruch, seine Rathgeber standen nicht auf der Höhe ihrer Aufgaben. Seit dem Passarowitzer Frieden for- derte der Monarch eine Neugestaltung des Zollwesens, eine Hof- Commerz -Commission wurde zu diesem Zwecke geschajffen; es dauerte Jahre, ehe die Berathungen zum Abschlüsse gelangten und die gefassten Beschlüsse Hessen viel zu wünschen übrig.

Ein trostloses Bild gewähren die letzten Jahre. Die Contri- bution stand nicht in der von den Ländern bewilligten Höhe zur Verfugimg. Nahezu die Hälfte musste den Ländern zur Verzinsung und Rückzahlung der von ümen übernommenen Schulden zurück- gelassen werden, der Rest war schwer einbringlich. Man unter- handelte im Auslande über neue Anlehen, aber der unglückliche Krieg war nicht ohne Einfluss, dass die Capitalisten sich spröde

Digitized by

Google

293

verhielten und viele Versuche, Gelder zu hohen Zinsen zu be- schaffen, scheiterten. Auch nach Herstellung des Friedens reichten die ordentlichen Einnahmen nicht aus. In einem Vortrage bemerkte die Hofkammer, dass selbst, wenn bessere Wirthschaft und eine grössere Ersparung beim Militär platzgreifen würden, der Staats- haushalt nicht ohne Anticipationen bestritten werden könne, und selbst, wenn es gelänge, gewisse Summen zu leidlichen Zinsen zu bekommen, neue Fonde zur Einhaltung der Verpflichtungen erst ausfindig gemacht werden müssten, da keine vorhanden seien. Für 1740 waren nicht unbedeutende Summen erforderlich, um die fälligen Zahlungs Verbindlichkeiten bestreiten zu können. Das Camerale war mit Schulden so beladen, dass kaum „der Hof zu leben finde". Die Stadtbank hatte Millionen ohne Fonde über- nommen, dass man ihr nicht mehr zumuthen konnte. Zur Bestreitung der Erfordernisse wurde Herabsetzung der Zinsen bei den Länder- schulden und die Verlängerung der Abzahlungstermine geplant, Tvozu jedoch erst Verhandlungen mit den Ständen eingeleitet werden mussten, während die Noth drängte. Der in Sicht stehende Krieg zwischen Spanien und England drohte, eine reiche Geldquelle zu verschliessen, da befürchtet wurde, dass die Holländer es vorziehen würden, sich an englischen Anlehen zu betheiligen. Von einigen Ejreisen Deutschlands erwartete man Geneigtheit zu Anlehen, wenn ihnen die „Malefizgerechtigkeit", wie Bartenstein anrieth, über- lassen würde, da diese „Jura dem Kaiser nichts eintragen, wohl aber grosse Kosten verursachen und vornehmlich die schwäbischen Ki*eis- stände sich sehr gekränkt fühlen und wider die Neckereien der ober- österreichischenBeamten sich beschweren", ein Gedanke, den natürlich die bedürftige Hof kammer vortrefflich fand und dringend empfahl. ^)

Zu solch' kleinlichen Massnahmen musste man greifen, um nur die Mittel zur Bestreitung des Staatshaushaltes zu finden. In den Staatscassen war vollständige Ebbe und die Eathgeber des Monarchen hielten nach allen Richtungen Umschau, um nur die nothwendigsten Summen zu beschaffen. Der Ansicht, dass „die Finanzlage im Todes- jahre Carl VE. unverkennbar eine weit minder ungünstige, als bei seinem Regierungsantritte" war, wird man schwerüch beistimmen können. Die Länder erschöpft, mit einer für die damalige Zeit grossen Staatsschuld beladen: in diesem Zustande hinterliess der letzte Habs- burger seine Staaten seiner grossen Tochter.

{Adolf Beer.)

») Conferenz-Protocoll, 23. November 1739.

Digitized by

Google

294

Uebersicht der Bewilligungen

Jahren 1716

Jahr

Böhmen

Mähren

Schlesien

Nieder- Oesterreich

fl. Ikr.

1

fl.

kr.

fl.

kr.

fl.

kr.

1716

2j6ß6,GG6

40

888.888

53V8

1,777.777

46V3

820.000

1717

2,700.000

900.000

1,800.000

900.000

1718

3,200.000

888.888

40

2,133.000

20

900.000

1719

2,866.666

40

955.555

20

1,911.102

40

900.000

1720

2,666.666

40

888.888

53V3

1,777.777

46«/3

866.666

40

1721

2,550.000

850.000

1,700.000

866.666

40

1722

2,400.000

800.000

1,600.000

700.000

1723

2,325.000

775.000

1,550.000

700.000

1724

2,275.000

758.333

20

1,516.666

40

700.000

1725

2,250.000

750.000

1,500.000

700.000

1726

2,225.000

741.666

40

1,483.333

20

700.000

1727

2,200.000

733.333

20

1,466.666

40

700.000

1728

2,500.000

833.333 20

1,666.666

40

700.000

1729

2,425.000

808.333

20

1,616.666

40

700.000

1730

2,425.000

808.333 20

1,616.666

40

733.333120

1731

2,600.000

866.666 ' 40

1,733.333

20

833.333,20

1732

2,400.000

800.000 1

1.600.000

733.333,20

1733

2,300.000

766.666 1 40

1,533.333

20

733 333

20

1734

2,300.000

766.666 ' 40

1,533.333

20

733.333 20

1735

3,152.000

1,050.666 40

2,101.333

20

900 000

1736

3,147.200

1,049.066,40

2,098.133

20

900.000;

1737

3,142.400

1,047.466

40

2,094.933

20

900.000

1738

3,137.600

1,045.866 40

2,091.733

20

900.000

1739

3,132.800

1,044.266 '40

2,088.533

20

900.000

Summe

62,987.000

20,817.888

26^3

41,991.324

53 V2

19,120.000

Digitized by

Google

der Erblande für Militärzwecke

den

bis 1789.

295

0 esterreich ob der Enns

Steyermark

Kämthen

Krain

Zusammen

fl.

kr.

fl.

kr.

fl.

kr.

fl.

kr.

fl.

kr.

1

410 000

430.000

_

100.000

_

70.000 !

7,163.333

20

450 000

430 000

150.000

70.000

7,400.000

450 000

390.000

120.000

70.000

8,152.222

450 000

320.000

100.000

60.000

7,563.324

40

1 400 000

j

280.000

120.000

60.000

7,060.000

400.000

280.000

120 000

60.000

6,826.666

40

375 000

290.000

120.000

60 000

6,345.000

350.000

290.000

120.000

60.000

6,170.000

350 000

290.000

100.000

60.000

6,050.000

350.000

260 000

100.000

60.000

5,970.000

350 000

260.000

120.000

60.000

5,940.000

350.000

260.000

120.000

60 000 -

5,890.000

350 000

280.000

120.000

60.000 i

6,510.000

350.000

280.000

120.000

60.000 ;

6,360.000

S6ßM6

40

250.000

120.000

60.000

6,380.000

450 000

300 000

120.000

80 000

6,983.333

20

see.eeß

40

280.000

120 000

60.000

6,360.000

350.000

280.000

120.000

60.000 ,—

6,143.333

20

350.000

280.000

120.000

60.000 |

6,143.333

20

450.000

300.000

160.000

60.000

8,174.000

450.000

300 000

120.000

60.000

8,124.400

425 000

300.000

120.000

60.000 1

8,089.800

450.000

300.000 '

120.000

60.000

8,105.200

400.000

300.000

120.000 1

60.000

8,045.600

9,443.333

20

7,230.000

2,870.000

1,490.000

165,949.546

40

Digitized by

Google

Digitized by

Google

Das Wehrwesen in Oesterreich.

Digitized by

Google

Digitized by

Google

k

Das Wehrwesen Oesterreichs in den ersten Eegierungsjahren Maria Theresia's hat bis jetzt keine eingehende Darstellung geftinden ; die vorhandenen Werke über die österreichische Heeres- geschichte berühren diese Zeit meistens nur kurz, indem sie von der glorreichen Periode unter Prinz Eugen von Savoyen mehr oder minder rasch zu der mit dem Jahre 1748 beginnenden Reform des Heeres übergehen. ^) Und doch bilden die Jahre 1740 bis 1748 einen sehr wichtigen Zeitabschnitt in der Geschichte der öster- reichischen Armee ; denn innerhalb derselben erhob sich die letztere aus einem, nicht nur allein durch die unglücklichen Kriege im letzten Jahrzehnt Carl VI., sondern nicht weniger durch die XJebel- stände der staatlichen Verwaltung, durch die geringe Fürsorge, welche dem Heere gewidmet wurde und durch die Schwäche so mancher mass- gebender Personen bei den obersten Stellen der Heeresleitung, ver- ursachten Zustand des Verfalles zu neuem Glänze und innerhalb der- selben vollzog sich ein bedeutsamer Schritt in der Fortführung des von Prinz Eugen begonnenen Baues ^, jener Schritt, welcher die Voraussetzung der späteren Reform wurde. In dem gewaltigen Ringen auf vier Kriegs-Schauplätzen, zum Theile mit überlegenen Gegnern, fand die Armee wieder das Bewusstsein neuerwachender BIraft. Diese Zeit harter Kämpfe zwang die junge Erbin des

*) Von den in Italien und den Niederlanden obwaltenden Verhältnissen wird dabei gewöhnlich abgesehen. So weit als thiinlich wurde auch auf diese in der Darstellung eingegangen. Die erhaltenen Acten sind hierüber leider wenig zureichend und auch sonstige Behelfe ergeben nur ein unvollständiges Büd. Muss doch ein im Jahre 1874 in Loewen erschienenes Buch (P i o t, Le r6gne de Marie - Th6r6se dans les Pays-bas Autrichiens) hinsichtlich der Niederlande für die Jahre xim 1740 von einer Darstellung des Wehrwesens überhaupt ganz Abstand nehmen und die Schilderung erst mit dem Aachener Frieden beginnen.

. ') Vergl. „Feldzüge des Prinzen Eugen", I, 182 f.

Digitized by

Google

300

habsburgischen Thrones, viel intensiver und umfassender, als e bis jetzt geschehen war, ihre Völker unmittelbar zur Vertheidigung von Thron und Vaterland aufzurufen ; damals zuerst drang das Wort „Patriotismus" in das Volk und in das Heer, welches bis jetzt lediglich durch das Band des Eides und der Fahnentreue an das Herrscherhaus geknüpft gewesen. ^) Wenn dieser Begriff auch noch lange nicht jene zündende Wirkung ausübte, wie später in den napoleonischen Kriegen, so rückte er doch den Bürger und Soldaten unvermerkt einander näher. Während die einzelnen Truppenköi^er der unmittelbar habsburgischen Länder sich früher immer nur als ein Theil des Heeres römisch-kaiserlicher Majestät fühlten, lernten sie sich jetzt, ohne Bundesgenossen „aus dem Reiche", ja, von dorther am meisten angefochten, als eigentlich öster- reichische Truppen kennen; dieses nur österreichische Heer, vorwiegend aus den österreichischen Kronländem sich recrutierend und von den verschiedenartig alt- und neugeformten Milizen dieser Länder willig und oft kräftig unterstützt, weckte und verbreitete zuerst in allen Gauen bei Hoch und Nieder das Gefühl der Zusammengehörigkeit, die Gesammtstaats-Idee.

Die ersten Kiiegsjahre unter Maria Theresia waren die Lehrjahre für jene Männer, welche nach dem Frieden den Staat und die Armee auf neue Grundlagen stellten und für fernere Kämpfe widerstandsfähig machten : sie haben auch gezeigt, wie die Länder, von der Monarchin klug zu gemeinsamem Ziele gelenkt, trotz aller Schwierigkeiten und finanziellen Calamitäten in sich selbst die Mittel zu ihrer Erhaltung und Vertheidigung in Hülle und Fülle bargen.

Wahrlich, Johannes v. Müller hat Recht, wenn er sagt ^) : „Aus der österreichischen Erde springen Männer und Hilfsquellen hervor, sobald eine selbstherrschende Hand mit Geschick sie berührt."

Das österreichische Heerwesen bewegte sich der Hauptsache nach noch in jenen Formen, die es unter Eugen's Hand an- genommen hatte, weil auch die allgemein staatlichen, socialen und volkswirthschaftlichen Bedingungen, von denen eine Armee immer abhängen wird, bis nach dem Aachener Frieden im Grossen die- selben blieben. Vielfach aber lassen sich die Bildungen nach dem- selben in ihren Wurzeln bis weit in die Zeit vor 1748 erkennen ; so z. B. die XJmgestaltiuig der Artillerie durch den Fürsten

*) Yergl ehendort I, 184.

2) J. V. Müller, Ueber die Geschichte Friedrich 11. (Berlin 1805.) 12 f.

Digitized by

Google

301

Liechtenstein, die „ordentliche Recrutierung und Ergänzung der Miliz" des Jahres 1753 (in dem böhmischen Landmiliz-System), die Umwandlung der Grenz-Truppen in reguläre Grenz-Regimenter, die Ausgestaltung des Lagenieur-Corps und der technischen Truppen u. 8. w. Auch die zahlreichen officiellen Reglements, welche von 1748 an erscheinen, sind als einNiederschlag'jener acht schicksalsschweren und kämpfereichen Jahre zu betrachten. Dagegen ist der Dienst der Chargen, der innere Dienstbetrieb bei den Truppen und in den Garnisonen, die Handhabung der Disciplin und der Militärjustiz bis zu den Reformen Daun's und theilweise selbst über diese hinaus so geblieben, wie sich die Dinge während und nach dem spanischen Erbfolgekriege entwickelt haben. Desshalb wurden Fragen solcher Art in der folgenden Darstellung nicht in ab- gesonderten Capiteln, sondern nur dort gelegentlich berührt, wo der Zusammenhang oder die Verständlichkeit es zu erfordern schienen.^) Als wichtigste Erscheinungen im Heerwesen während des Erbfolgekrieges müssen bezeichnet werden: die grössere Centrali- sierung der Armeeleitung im Hof-KJriegsrathe, welcher nur die gegen Ende der Periode genehmigte Sonderstellung des General-KJriegs- Commissariats einigermassen zu widersprechen schien, die Um- gestaltungen in den verschiedenen Gebieten der Militärgrenze, der Nachdruck, mit welchem die Heeres-Ergänzung sich mehr der eigenen Landeskinder bemächtigte, damit im Zusammenhange einerseits die wieder zunehmende Betheiligung des einheimischen Adels am Officiersdienste an Stelle der bisher unverhältnissmässig stark vertretenen Fremden, anderseits die erhöhte Bedeutung der leichten Truppen, vor Allem aber die gegenüber dem wenig soldatenfreundlichen Carl VI. sich gänzlich verändernde Werth- schätzung, welcher sich das Militär bei Hofe zu erfreuen begann, die allerdings erst nach dem Kriege in der Hoffähigkeit der Officiersurdform ihren offenen Ausdruck fand.

Die Heeresleitung.

Der Allerhöchste Oberbefehl.

Es liegt in der Entwicklung der stehenden Heere, als Stütze der sich den widerstrebenden Ständen gegenüber herausbildenden absoluten Herrschermacht, dass der Oberbefehl über die gesammte

') Eine ausführliche und quellenmässige Schilderung derselben findet sich in „Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen", I, 300 ff.

Digitized by

Google

302

Armee eines Staatswesens dem Landesfürsten zustand. So war Carl VI., wie seine Vorgänger im Besitze der wiedervereinigten habsburgischen Länder (deutscher Linie), der oberste Kriegsherr der aus diesen Ländern hervorgehenden Hausmaoht und vererbte diese Stellung auch auf seine Tochter Maria Theresia.^) Obwohl diese bald nach ihrem Regierungsantritte ihren Gemahl Franz Stephan, den Grossherzog von Toscana, zum Mitregenten er- nannte und die Anerkennung dieser Eigenschaft auch schliesslich durchsetzte (1741), Hess sie doch, wie überhaupt die gesammte Oberleitung des Staatswesens, auch das oberste Verfügungs- recht über das Heer nicht aus den Händen. Verhältnissmässig selten finden sich EntschUessiingen und Entscheidungen in mili- tärischen Dingen, die vom Grossherzog herstammen und dann meist nur mit der Formel „nomine reginae". Noch seltener geschah es und wahrscheinlich immer nur in Befolgung speciellen Befehles, dass Berichte oder Vorträge an den Grossherzog stilisiert wurden. Trotzdem darf man vielfach die Einfluss- nahme des Grossherzogs voraussetzen. Aber trotz derselben und trotz der pflichtgemässen Liformationen des Hof-Kriegsrathes bleibt es eine ewig denkwürdige Thatsache, dass die geniale Tochter Carl VI. wie in politischen, so auch in militärischen Fragen den entscheidenden Punct stets zu treffen wusste, eine Thatsache, die nur Derjenige voll zu würdigen weiss, der die äusserst zahlreichen eigenhändigen Bemerkungen auf den Acten des Kriegs- imd des Hofkammer- Archivs vor Augen gehabt. Und obwohl im Allgemeinen mit Recht angenommen wird, dass das Weib einem Fürworte leichter zugänglich sei, als der Mann, muss ausdrücklich betont werden, dass die Entscheidungen dieses männlichen Geistes in weiblicher Hülle stets mit dem Blick auf das Allgemeine, auf das Gesammtwohl des Staates und der Armee im Besonderen getroffen wurden und dass die mit hohem Gereohtigkeits- und Billigkeits- gefuhl begabte Frau auf Habsburgs Throne nur dann einen Ein- zehaen vor den Anderen bevorzugte, wenn sie dadurch dem Ganzen zu nützen glaubte. Li der Armee erkannte sie ihre festeste Stütze, als ihr der Thron von allen Seiten streitig gemacht wurde. Daher

*) Die Anneetrauer um Carl VI. (wie auch für Leopold L und Joseph I.) trat dadurch in die äussere Erscheinung, dass die Officiere vom Major aufwärts den Flor in der Form der Schärpe am Leibe, die Officiere vom Hauptmann abwärts den kleinen Flor am Arme, alle Officiere aber den Degen, Stock imd Hut durch sechs Wochen umflort trugen. (K, A., H. K. R. 1740, November, 892 Exp.; Prot. Exp. Fol. 8220, 3549.)

Digitized by

Google

303

war sie auch unermüdlich in Vorsorge für das Heer und sie schrieb am 4. December 1741 an ihren Gemahl, sie erkenne nur allzuwohl, dass jetzt ihr eigenes Heil und das des Erzhauses Oesterreich nach Gott auf den Truppen beruhe; mehr als Mutter, denn als Landes- fürstin wolle sie für dieselben sorgen, in der Zuversicht, sie würden sich dessen durch treue und tapfere Dienste würdig erzeigen. ^) Und diese Zuversicht wurde nicht enttäuscht; gegen den halben Welttheil vertheidigten die Truppen die Eechte imd das Erbe der jungen Königin, so dass nach achtjährigen Kämpfen nur Schlesien imd die kleinen italienischen Po-Herzogthümer verloren giengen, wtJirlich nicht viel im Vergleiche zu den länderhungrigen Projecten der Feinde. Die Truppen hatten auch das lebhafteste Gefühl dafür, dass Maria Theresia mit Heranziehung aller nur verfügbaren Kräfte des Staates für sie sorge imd desswegen erklärt es sich, dass schon im dritten Jahre ihrer Kegierung eine Medaille geprägt wurde mit der Umschrift „Mater castrorum". ^

Bei Antritt der Eegierung Maria Theresia's mussten alle Theile der bewaffiaeten Macht folgenden Eid leisten *) :

„Der Allerdurchlauchtigsten und Grossmächtigsten Frauen Frauen Maria Theresia, Königin in Hungam imd Böheim, Erzherzogin zu Oesterreich, Herzogin zu Burgund, in Steyer, Kämthen und Krain, dann Mailand, Mantova, Parma und Piacenza, Gräfin zu Flandern, Tyrol und Görz, vermählte Herzogin zu Lothringen und Bar, Grossherzogin in Toscana, als des weiland Allerdurchlauchtigsten, grossmächtigsten und ohnüberwindHchsten Fürsten und Herrn Herrn Carl des Sechsten, gewesten Römischen Kaisers erstgebomen leibhchen Frauen Tochter und alleinigen Erbnehmerin aller von dem Höchstseligen besessenen Erb-König- reiche imd Lande

schwören wir Gegenwärtige

Dero Reich, Land und Leute zu beschützen, Dero Nutz und Frommen zu befördern, Schaden und Nachtheil zu wenden, unsere Fahnen und Estandarten nie zu verlassen, sondern als getreue Soldaten, Unterthanen und Vasallen mit eben derjenigen Pflicht, womit wir Allerhöchstgedachter weiland kaiserlichen Majestät ver- bunden waren, gleich es unsere allerunterthänigste Schuldigkeit

*) Arneth, Maria Theresia, n, 2.

•) Meynert, Gresch. d. k. k. Armee, IV, 40.

») K. A., F. A Itaüen, 1740, X, ad 1.

Digitized by

Google

304

mit sich bringet, Höchstderoselben Gerechtsame zu verfechten und zu handhaben, auch in allen Occasionen zu Wasser und zu Land wider und gegen den Feind uns also zu verhalten, wie es mannhaften, getreuen imd ehrlichen Kriegsleuten zu- und wohl ansteht".

„Dass wir allem dem, so uns vorgelesen worden und wir wohl verstanden haben, getreu und ohnverbrüchlich nachkommen sollen und wollen, geloben wir mit au%ehobenen Schwörfingem, so wahr uns Gott helfe und sein heüiges Evangelium. Amen."

Die Ausübung der militärischen Oberhoheit durch die Landes- fürsten war übrigens um 1740 noch vielfach unterbunden und zwar durch manche althergebrachte Gepflogenheiten, dann durch ererbte Rechte und Pflichten der Stände in Bezug auf Stellung der Ee- cruten, Verpflegung der Truppen auf Märschen und in den Quar- tieren, Aufbringung des Geldes für die Armee, u. s. w. ; Graf Haugwitz erkannte frühzeitig das Schädliche dieser Sachlage und erklärte schon 1742 in einer kurz nach dem Breslauer Frieden an Maria Theresia gerichteten Denkschrift für nothwendig, alle Verfügungen, welche sich auf das Militärwesen bezögen, aus den Händen der Landstände zu nehmen und in denjenigen der Re- gierung zu vereinigen. ^) Li diesem Sinne setzte dann auch that- sächlich die Reorganisation der Armee nach dem Aachener Frieden ein.

Li Ausübung des Oberbefehles standen der Monarchie zur Verfügung: der Hofkriegsrath, die in einem der vorhergehenden Abschnitte dieses Buches zu würdigende Hofkammer und das zu diesen beiden in einem eigenthümlich schwankenden Verhältnisse stehende, formell beiden untergeordnete und doch factisch fast selbstständige , schliesslich ihnen gleichgestellte General-Kriegs- Commissariat.

An kaiserlichen Leibgarden bestanden im Jahre 1740 die Arcieren- (Hartschier-) Garde zu Pferde und die Trabanten- Garde zu Fuss. Beide unterstanden dem Obersthofmeister-Amte und verursachten demselben unter Carl VI. eine Ausgabe von 37.578, beziehungsweise 19.296 Gulden und unter Maria Theresia (1747) von 32.000, beziehungsweise 18.600 Gulden. 2)

*) Arneth, Maria Theresia, IV, 11.

«) Hofk. Arch., Homnanz, 3. October 1747; Unter Ferdinand m. 26.924, beziehungsweise 14.748 fl., unter Leopold L 25.512, beziehungs- weise 12.836 fl., unter Joseph J. 27.074, beziehungsweise 12.784 fl.

Digitized by

Google

305

Die Arcieren-Garde (welche erst 1763 in die deutsche adelige G-arde verwandelt wurde, nachdem drei Jahre vorher die ungarische adelige Leibgarde errichtet worden) hatte im Jahre 1740 folgenden Stand : ein Hauptmann (Feldzeugmeister Graf Heinrich Dann), eia Lieutenant, ein Oberfourier, ein TJnterfourier, ein Adju- tant, fünf (1747 : 5, 1748 : 4) Rottenmeister, 95 (1747 : 78, 1748 : 50) Arcieren, sechs Trompeter, ein Pauker, ein Feldscherer, ein Schmied und ein Wachtknecht.

Die Trabanten-Garde: ein Hauptmann (G. d. C. Graf Cordova), ein Oberfourier, ein TJnterfourier, zehn (1747 und 1748:9) BrOttenmeister, neunzig (1747:89, 1748 : 68) Trabanten, ein Tambour, ein Pfeifer und ein Wachtknecht. *)

Jeder Mann der beiden Qttrde-Oompagnien hatte seit den ältesten Zeiten das Privilegium, in seinem Quartier "Wein und Bier zu schänken oder dieses Recht an irgendjemand gegen Entgelt abzutreten. Da sich aber die bürgerlichen Gustwirthe Wien's hiedurch beeinträchtigt fiihlten, so zahlte die Stadt mit Zustimmung des Hofes jedem Manne der Garden jährlich 60 Gulden „Zapfengeld" als Privilegiums- Ablösung.

Jeder Mann der Arcieren-Gtu:de musste sich sein Pferd selbst beschaffen, wozu er „das gewöhnliche Pferde-Adjutum" von 25 Gulden erhielt. *)

Im Jahre 1745 wurde die grossherzoglich toscanische Schweizer-Garde in österreichische Dienste übernommen. ^)

Die Officiere derselben waren mit Partisanen, die Mannschaft mit Hellebarden, Officier und Mann noch mit Säbeln bewehrt. Die Schweizer-Garde, deren „Obrister" gleichfalls Graf Cordova war, bestand im Jahre 1747 aus einem Hauptmann, einem Lieu- tenant, einem Unterlieutenant, einem Fähnrich, einem Kaplan, einem Secretär, einem Wachtmeister, einem Fourier, einem Feld- scherer, einem Profossen, vier Corporalen, vier Spielleuten und 81 Mann; diese kosteten jährlich 15.710 Gulden.*)

») Staats-Kalender oder Hof-Schematismus 1740-1748; Hofk. Arch., Hoffinanz. 29. März 1747. Der Act: Hoffinanz, 28. März 1748 gibt fOr die Trabanten-Garde mir zwei Rottenmeister imd vierzig Trabanten an; diese Garde trog eine rothe Livree.

*) Hofk. Arch., 'Hoffinanz, 14 Juli 1747.

^ Ebenda, 19. August 1746.

*) Ebenda, 9. März 1747. Adam Wolf (Oesterreich unter Maria Theresia, 142) hält irrthümlich die Trabanten- und Schweiaer-Gfarde für eine und dieselbe Garde.

Oesterreiohisoher Erbfolgekrieg. I. Bd. 20

Digitized by

Google

306

InBrüssel bestanden für den Dienst beim Greneral-Gouvemeur zwei Leib-Oompagnien : 1. Die „Trabanten der adeligen Leibwache Seiner Majestät" und 2. die Compagnie der Hellebardiere. *) Ueber ihre Stärke und Kosten liegt keine weitere Nachricht vor.

Der Hof-Erlegsrath.

Nach der im Jahre 1705 „zur Verhütung grösserer Disconcerti" erfolgten Auflösung des innerösterreiohischen Hof-Kriegsrathes in Graz und der oberösterreichischen Kriegs-Stelle in Innsbruck war der iinter Kaiser Ferdinand I. entstandene kaiserliche Hof- Kriegsrath in Wien die alleinige Centralstelle für die Leitung des kaiserlichen Kriegswesens. ^

Nach dem Tode Carl VL, wie jedesmal nach dem Hin- scheiden eines Kaisers aus dem Hause Habsburg bis zur Neuwahl eines solchen, führte der Wiener Hof-Kriegsrath den Titel „Ihrer römisch- kaiserlichen Majestät hinterlassener kaiserlicher Hof-Kriegsrath", auch kürzer „Hinterlassener kaiserlicher Hof-Kriegsrath". Erst nach dem Frieden von Füssen (22. April 1746), in welchem Maria Theresia nachträglich die Kaiserwürde Carl VJLL. anerkannte, hiess der Hof kriegsrath „königlicher Hof-Kriegsrath".*) Seit der Kaiserwahl Franz I. (13. September 1745) hiess er „kaiserlich- königlich" und mit ihm ebenso die ganze Armee.**)

Die letzte Instruction, welche vor dem Tode Carl VI. für den kaiserlichen Hof-Kriegsrath erlassen worden war, stammte aus dem Jahre 1650.*) Sein Wirkungskreis, der sich im Laufe der Zeit herausgebildet hat, ist in folgenden Puncten runschrieben :

*) Actenstücke, zur Geschichte der österreichischen Niederlande gehörig (1787), 164.

•) Feldzüge des Prinzen Eugen, VHI, 57 £

«) K. A., H. K. R., 1745, April 1008, Exp. und 11, Reg.

*) K. A., H. K. R, 1745, Prot. Reg. fol. 2273 (September 6). Maria Theresia hatte vor ihrer Abreise nach Frankfurt den Befehl hinterlassen, dass nach solch' erwünschtem „glücklichem Ausgang der Wahl", der Hof-Kriegsrath und die Armee sich selbst „kaiserlich-königUch" nennen tind von andern so genannt werden sollten. (H. K. R. 1745, IX. 8).

^ K. A., Kanzlei- Archiv, IX, 7. Abgedruckt bei F im h ab er, Skizze der Entstehung des Hof-Kriegsrathes (Archiv für österreichische Geschichte, 30. Band, 163). Die ebendaselbst, 165 flf. mitgetheilte „Instruction für den Hof- Kriegsrath" vom 6. April 1675 gilt nicht, wie aus der unvoUständigen Ueber- schrift geschlossen werden könnte und aucK geschlossen worden ist, för den Hof-Kriegsrath zu Wien, sondern für den innerösterreichischen zu Graz.

Digitized by

Google

307

1. Vermittlung des Befehles zwischen dem Kaiser und den Feld- herm und Truppen durch Eeferate und Anträge an Allerhöchster Stelle, dann durchFormulierung der vonletzterer getroffenenEntecheidungen.

2. Beantragung und Durchführung aller organisatorischen Yerfiigungen.

3. Vorschläge zurEmennimg der Feldherren und ihrer Hilfs- organe, der Festungs-Commandanten und Regiments-Inhaber, Be- förderung der Generale, der Obersten und der ausserhalb der Regi- menter stehenden Stabsofficiere, Ausfertigung der Patente und Be- stallungsbriefe, Verfassung der Instructionen bei Verleihung besonderer Coromanden und sonstiger Functionen. In diesen Angelegenheiten sowohl, als auch bezüglich der Justizpflege über Individuen vom Stabsofficier aufwärts, dann in Hinsicht auf deren Beurlaubung und Entlassung blieb die Entscheidung dem Monarchen vorbehalten.

4. Die Heeresergänzung und Beschaflfimg des Kriegsmaterials im Einvernehmen mit der Hofkammer und dem Öeneral-Kriegs- Commissiariate ; mit letzterem auch die gesammte Standes-Controle.

5. Die Zusammenstellung von Directiven für das Gebühren- und Proviantwesen, im Einvernehmen mit dem General-Kriegs- Commissariate und dem Obrist-Proviant-Amte.

6. Das gesammte Artillerie- und Zeugwesen durch Vermittlung und nach Anhörung des Obrist-Land- und Haus-Zeugamtes,

7. Das Befestigungs- und Militär-Bauwesen durch das Forti- fications-Bau-Zahl-Amt und hiezu eigens berufene Ingenieure.

8. Die Angelegenheiten des Schiffs- und Brückenwesens durch das General-Küegs-Commissariat und das Obrist-Schiff-Amt. ^)

Hienach war der Hofkriegsrath schon instruotionsgemäss nur in wenigen Fragen ganz unbeschränkt und daher einer kraftvollen Initiative nicht fähig, ausser wenn ein Präsident von der Bedeutimg wie Prinz Eugen an seiner Spitze stand, dessen Gewicht übrigens noch dadurch wesentlich vermehrt wurde, dass er auch die äussere Politik des Kaisers leitete. Als aber diese Alle überragende Per- sönlichkeit aus dem Leben geschieden war, da machte sich ein solches Wettlaufen der verschiedenen Ministerien um den grösseren Einfluss geltend, dass Carl VI. sich gelegentlich der Berathungen über die Neugestaltung des Heerwesens nach dem letzten Türkenkriege bewogen fand, die Nothwendigkeit scharf zu betonen, dass nicht

*) Ausser diesen militärischen Aufgaben oblag dem Hofkriegsrathe bis 1720 auch der diplomatische Verkehr mit Eussland imd der Türkei, seit dem genannten Jahre bis zur Errichtung der Hof- und Staatskansdei (1742) nur noch mit der Türkei allein.

20*

Digitized by

Google

308

jede Hofstelle und Kanzlei auf ihr Ressort allein, sondern dass alle das Gesammtstaats-Interesse im Auge haben m ü 8 s t e n, damit die nöthige Sparsamkeit und Schonung der Länder mit der Sicherheit des Reiches in Einklang gebracht werde. ^) Aber die Mahnung des Kaisers fruchtete nicht viel.

Das General-Kriegs-Oommissariat liess sich dem Hofkriegs- rathe gegenüber manche Eigenmächtigkeiten zu Söhulden kommen, welche in den Acten ihren gelegentlichen Ausdruck finden. Und selbst nachdem das Commissariat im Jahre 1746 dem Hofkriegs- rathe gleichgestellt worden war, bestand der alte Zwiespalt zwischen beiden Behörden fort, so dass eine Stimme aus dem Jahre 1750 dem Hofkriegsrathe Mangel an genügender Autorität zuschrieb. ^ Nicht nur der italienische Hofrath in Mailand hinderte wieder- holt die militärische Befehlsgebung der Wiener Centralstelle durch ganz gegentheilige Anordnungen '), sondern auch die inner- österreichische Kriegs-Stelle opponierte vielfach derselben trotz wiederholter „scharfer Rescripte" aus Wien, indem sie z. B. im Jahre 1736 durch Nichtanlage von Magazinen den Durchmarsch der aus Italien kommenden Truppen bedeutend erschwerte.*) Die Grazer Kriegs-Stelle war 1735 sogar so weit gegangen, dass sie deutlichen kaiserlichen EntSchliessungen in Gtrenz-Angelegenheiten direct entgegenhandelte. *)

Schlimmer stand es um den Hof-Kriegsrath, wenn dessen Präsident auch in der Umgebung des Kaisers sehr gewichtige Ein- flüsse zu bekämpfen hatte, welche zwar nicht die Verantwortung für die Leitung des Militärwesens übernehmen, dieselbe aber doch von sich abhängig zu machen versuchten. Feldmarschall Graf Harr ach äusserte sich einmal sehr unwirsch darüber, dass Leute, die vom Kriegswesen und Friedensystemen gar nichts verstünden, trotzdem auch in militärischen Dingen auf den Kaiser Einfluss nähmen und ihn so verwirrten, „dass der Letztere nicht wisse, wem er glauben solle und in Gefahr stehe, allerlei verkehrte Resolutionen zu fassen.^

*) Hofk. Arch., Reichs-Acten, Fase. 165, Beputations-Protocoll, 5, No- vember 1739 (Resolution des Kaisers).

>) K. A. Memoiren, IX, 259.

») K. A., H. K. R., 1743, Prot. Reg. 1291.

*)Angeli, Der Krieg mit der Pforte 1736— 1739 (Mittheilungen des k. k. Kriegs-Archivs, VI, 1881), 262.

*) Vani6ek, Special-Geschichte der Militär-Grenze, I, 229 f.

^ K. A.; F. A. Türkenkrieg, 1739, XI, 5. Harrach an Prinz Hild- burghausen, 16. November 1739. (Original). „Die Nachwelt wird sagen.

Digitized by

Google

809

Am bedenklichsten aber mnss es scheinen, dass sich innerhalb des Hof-Kriegsrathes selbst Unregelmäesigkeiten eingebürgert hatten, welche die herbste Kritik berufener Zeitgenossen hervorriefen. Zu deren Verständniss ist es nothwendig, zuerst über die Zusammen- setzung und den Geschäftsgang des Hof-Kriegsrathes das Wichtigste zu sagen.

Im Jahre 1740 (respective 1741) hatte derselbe folgenden Personalstatus : einenPräsidenten seitEnde 1 738 (Feldmarschall Joseph Graf H a r r a c h) ; einen Vice-Präsidenten (Feldmarschall Ludwig An- dreas Graf Khevenhüller); 25 (29) EÄthe aus dem Herrenstande; davon waren jedoch instructionsgemäss nur die fünf ältesten der nicht durch ein Commando oder Landesamt von Wien abgehaltenen Ernannten zur Theilnahme an den Geschäften berufen und besoldet, darunter jedenfalls der Stadt-Commandant von Wien ; elf (fünßzehn) Käthe ausser dem Herrenstande (darunter die vier „geheimen ßeferendarien" : G. v. Lachawitz, von W ö b e r , Ignaz v. Koch und Ad. 0. Weingarten); femer 28 (27) Secretäre, 1 (1) Eegistrator, 2 (2) Adjuncten des Eegistrators, 3 (3) Kegistranten, 2 (2) Expeditores, 2 (2) Adjuncten der Expeditoren, 2 (3) Eegi- stranten, 16 (15) Concipisten, 2 (2) Concipisten-Accessisten, 17 (16) Kanzlisten, 20 (25) Accessisten, 2 (1) Thürhüter, 4 (4) Kanzlei- diener, 1 (1) Heizer, 1 (1) Archivar, 1 (1) Adjimct des Archivars, 1 (1) Archiv-Registrant, 1 (1) Archiv-Diener. ^) Von den Referen- daren angefangen nach abwärts war das ganze Personale vom Civü- stande.

Aus einer Zuschrift des Hof-Kriegsrathes vom 20. August 1743 ^ an die Hofkammer geht hervor, dass die Beamten des ersteren schon seitEnde October 1741 keine Bezahlimg mehr erhalten hatten, weil die ungarische Contribution, auf welche die Besoldimgen der Hof -Kriegskanzlei bis dahin gewöhnlich angewiesen waren, von diesem Zeitpuncte an ganz für die sechs neuen ungarischen Infanterie-Regimenter verwendet wurde. Der Präsident des Hof-

der H a r r a c h, selbmaliger Kriegs-Präsident, muss ein rcjghter .... gewesen sein, d&88 er dem Kaiser derlei verteufelte militärische Vor- und Anschläge gegeben und resol vieren machen ; man wird nicht wissen, dass solches Alles wider meinen Willen geschehe."

Auch unter Maria Theresia hat das auf grösseren Einfluss bei Hofe hinarbeitende Intriguenspiel verschiedener Persönlichkeiten lähmend auf den Hof-Kriegsrath eingewirkt, wie aus einem Schreiben des Hof kriegs-Justiz- Rathes Dierling an Khevenhüller erhellt. (K, A., H. K. R 1743, 1, 1)

*) Staats-Kalender oder Hof-Schematismus der Jahre 1740, 1741.

^ Hofk. Arch., Hoffinanz, 20, September 1743.

Digitized by

Google

810

Kriegsrathes bezog als solcher jährlich 18.000 Gulden, ausserdem die Q-ebühren eines activen Generals seiner Charge und wenn er ein Eegiment hatte, auch die Gebühr des „wirklichen Obersten". Die Bezüge des Vice-Präsidenten und der Eäthe aus dem Herren- stande waren mit Rücksicht auf die von ihnen gewöhnlich noch sonst bekleideten Aemter ziemlich gering bemessen, so z. B. für den Feldmarschall KhevenhüUer, welcher zugleich comman- dierender General -von Slavonien war und für den zugleich als Stadt-Oommandanten von Wien fungierenden Feldmarschall Heinrich GrafenDaunnur mit je 800 Gulden jährlich, wogegen dieGeneral-Feld- waohtmeister Rudofsky und Löwenwolde als Hof-Kriegsräthe jährlich je 2000 Gulden hatten. Von den eilf Hof-Kriegsräthen ausser dem Herrenstande (1741) erscheinen einer (Lachawitz) mit 3200 Gulden, drei (W ober, Koch, Dierling) mit 3000 Gulden, einer (Hefenstock) mit 2300 Gulden, vier mit 2000 Gulden und zwei mit 1500 Gulden Jahresgehalt. Von den Secretären genossen nur zehn einen Gehalt von je 1000 Gulden, die übrigen Secretäre und alle anderen Beamten der Hof-Küegskanzlei Besoldungen ver- schiedener Höhe unter 1000 Gulden. Die Gesammtkosten für das Personale des Hof-Kriegsrathes betrugen einschliesslich der bewil- ligten Pensionen jährlich 73.098 Gulden.

In allen Geld- Angelegenheiten hieng der Hof-Kriegsrath voll- ständig von den Mitteln und manchmal auch von dem guten Willen der Hofkammer ab. Sogar das Papier wurde von der letzteren zu- gewiesen. ^) Nur die Taxen bildeten eine eigene Einnahms-Quelle, welche dem Personale der Kanzlei zugute kam; deren ungleich- massige Auftheilung gab aber zu mancherlei Klagen Anlass.

Die Geschäfte des Hof-Küegsrathes theilten sich in „Publica" und „Judicalia". Letztere wurden meist von eigenen Hof-Kriegs- Justizräthen besorgt, waren aber bis 1745 noch nicht strenge ge- schieden, so dass hieraus manche TJebelstände erwuchsen. Die „Publica" zerfielen in die eigentlichen militärischen und in die

*) Hofk. Arob. Hoffinanz, 22. August 1714. „Von uralten Zeiten her" erhielt der Hof-Kriegsrath von der Hof kammer folgendes Quantum :

14 Ballen, 5 Eies weisses Papier, 8 Ballen, 5 Ries Concept-, 16 ßies Post-, 6 Ries Median-, 4 Ries Regal-Papier.

1744 verlangte der Hof-Kriegsrath „eine gefäUige Zulage" von acht bis neun Ballen weissen, sechs Ballen Concept- und acht Ries Postpapieres. Der Hofkammer-Präsident Graf Dietrichstein aber bewilligte eigenhändig „so lang der Krieg dauert, mithin ein grösseres Erfordemiss an Papier nöthig, jährlich über das ordinaro sechs BaUen Kanzlei-, vier Ballen Concept- und sechs Ries Post-Papier".

Digitized by

Google

311

ökonomisch-administrativen Geschäfte, welch' letztere dem mass- gebenden Einflüsse der Hof kammer und des General - Kriegs- Commissariats unterworfen waren.

Innerhalb des Hof-Kriegsrathes sollten instructionsgemäss alle Heeres-Angelegenheiten in commissionellen Sitzungen berathen werden.

Für Verpflegs- und Quartier- Angelegenheiten, fiir das Waffen- und Munitionswesen, für die Angelegenheiten der ungarischen Garnisonen und der immobilen Besatzungs-Truppen, für die Invaliden- Angelegenheiten, dann für die Truppenexcesse in den Winter- quartieren bestanden stabile Oommissionen. In besonders wichtigen Angelegenheiten, z. B. Truppen-Reductionen nach einem beendeten Kriege, wurden auf Befehl des Kaisers oder auf Anregung des Hof-Kriegsrathes die Gutachten hervorragender Generale eingeholt und dann erst ein endgiltiger Vortrag an den Kaiser verfasst. Militärische Fragen, bei welchen das Ressort einer oder mehrerer Hofstellen berührt wurde, gelangten sehr häufig auf Grund von gemeinsamen Oonferenz- oder Deputations-Sitzungen, deren Proto- coUe dann dem Kaiser vorgelegt wurden, zur Entscheidung.

Der normale Geschäftsgang war im Allgemeinen schwerftLllig und umständlich. Ueber die eingelaufenen Schriftstücke wurde ein Referat verfasst, welches weitschweifig den Inhalt der Einlaufe mit allen Gründen für und gegen wiedergab und mit dem Antrag des Hof-Kriegsrathes schloss. Nur selten und wenn der Gegenstand besondere Eile erforderte, fand eine Abweichung von dieser Ge- pflogenheit statt.

Der Verkehr mit den anderen Hofstellen war gleichfalls ein sehr langsamer ; gewöhnlich liegt zwischen dem Datum einer Aus- fertigung des Hof-Kriegsrathes und der Präsentierung bei der Hof- kammer eine Zeit von zwei bis vier Wochen. Nur sehr selten und in besonders dringenden Fällen vermindert sich dieser Zeitraum auf einen oder mehrere Tage. ^)

In der Armee empfand man die Schädlichkeiten dieses lang- samen Verkehrs zwischen den Behörden, welche bei damaligen

*) Die Verständigung der Hofkammer von der Ernennung des Feld- marschalls Grafen Königsegg zum Obrist-Land- und Haus-Zeugmeister war beim Hofkriegsrathe unter dem 7. August 1741 ausgefertigt, gelangte aber erst Anfangs Januar 1743 wirklich zur Hofkammer, welchen Umstand diese selbst eben nicht sehr eilfertige Hofstelle eigens constatierte. (Hofk. Arch., Hoffinanz, 10. Februar 1743.)

Digitized by

Google

312

Post- und Wegverhältaiissen zwischen Wien und den Provinzen sich nur potenzieren mnssten, . sehr wohl. ^)

Füi- den Verkehr zwischen den obersten Militärbehörden und den Truppen bestand kein geregelter Dienstweg. Der Hof-Kriegsrath verständigte zwar die General-Commanden von den Truppen- bewegungen, verkehrte aber sonst mit den Regimentern, ausser wenn sie bei der Armee im Felde eingetheilt waren, in allen An- gelegenheiten direct.

„Es ist aber nöthig, dass man wegen der Correspondenz mit dem Hof-Kriegsrath einige Ordnung einführe, dass nämlich keinem Subalternen erlaubt sei, dem Hof-Kiiegsräth zuzuschreiben, es wäre dann, dass Jemand sich zu beklagen habe und keine Aufrichtung von seinen Oberen bekommen könnte. Dann dieser Abusus ist also sehr eingeschlichen, dass sogar Fähndrich, auch Ünter-Officiers- und Primaplana-Personen dem Hof-Kriegsrath ohne Vorwissen ihrer Obern, um Avertamenten, Aggregationen, Verlaub, sich vom Eegimente zu begeben, dann abermal Prolongationen, die ünter- Of&ciers um Abschied etc. zugeschrieben, dass mehrmal die Com- mandanten der Regimenter sich beklagt, dass sie zu Jahr und Tag öfters die Officiere nicht gewusst, wo sie sind." ^ Ausdrücklich giebt der Verfasser des „Vorschlages' ^ welchem die vorstehenden Zeilen entnommen sind, Bestechung seitens der Officiere und Eigennutz seitens der Functionäre des Hof-Kriegsrathes als Ursachen der berührten Zustände an.

Kein Geringerer als Feldmarschall Graf Khevenhüller bestätigt das Vorhandensein solcher und anderer Uebelstände im Hof-KIriegsrathe. In einem Gutachten vom 7. September 1740^) bezichtigte er direct die bei demselben eingeschlichenen Unord- nungen und Missstäude der Mitschuld an dem im Militärwesen ein- gerissenen Verfall.

Er tadelte, dass die Einlaufe ad publica nur vom Präsidenten Grafen H a r r a c h und dem Referendar v. W ö b e r eröffiiet und

^) So bat Feldzeugmeister O'Gilvy in Prag im December 1740 den Hof- Kriegsrath, es möge doch bezüglich der für Glatz zu treffenden Vertheidigungs- anstalten die böhmische Hofkanzlei angegangen werden, diese Dinge direct zu veranlassen, „massen durch die hin und wieder zu erstattenden Berichte vieleZeit verzelirt und der Herrendienst gehemmtwerde. (Duncker, Die Invasion Schlesiens 1740; 53, Anm. 3.) Mittheüungen des k. k. Kriegs- Archivs, X, 1885.

') K. A., Memoiren, IX, 56. Der Name des Verfassers dieses „Vorschlags" über eine bessere Einrichtung des Hof-Kriegsrathes ist nicht bekannt.

8) K. A., H. K. K, 1740, September, 842, Exp. (Original)

Digitized by

Google

313

ohne jeden Einfluss der übrigen Hof-Kriegsräthe, aber doch im Namen des gesammten Hof-Kriegsrathes erledigt würden; ins- besondere handle Wöber oft nur allein nach seinem Ermessen; das sei unter Guido Starhemberg und Prinz Eugen nicht so gewesen. Durch verschiedene Anlässe hätten die Referendarien die Erledigungen an sich gebracht, die fiiiher nur nach Rathssitzungen getroffen worden seien. Die Referendare holten oft nur zum Scheine des Präsidenten Befehle ein, träfen aber dabei die Entscheidungen eigenmächtig, um ihre Macht und ihren Einfluss zu zeigen; wenn sich aber hinterher ein Nachtheil herausstellte, so wälzten sie die Schuld auf den Befehl des ahnungslosen Präsidenten. Auch liessen sie aus Bequemlichkeit die Referate an den Kaiser, wie es doch ihrem Titel nach ihnen zukomme, durch niederere Beamte und auch sonst wichtige Erledigungen durch nicht informierte Subaltem- beamte anfertigen und doch Namens des ganzen Hof-Kriegsrathes mit der allgemeinen Formel, ohne specielle Namensbeisetzung unter- zeichnen. So seien oft die gröbsten Irrthümer geschehen und der Dienst in Gefahr gerathen; davon zu geschweigen, was für Unter- schleife sieh bei dieser Art Geschäftsgebahrung einschleichen müssten. Diese Missbräuche hätten sich schon in der letzten Zeit des Prinzen Eugen eingebürgert. Der Kaiser habe nach dessen Tode schon angeordnet, dass Alles wieder, wie vorher, gemeinsam berathen und den Referendarien ressortmässig zur Erledigung zugewiesen, deren Concepte aber nachher vom Vice-Präsidenten durchgesehen werden, ob die Ausfertigung dem Rathsbeschlusse gemäss sei. Aber das kam nicht ganz zur Durchführung ; denn : „Obschon die Referendarii in denen Referaten zugegen seind, so weiss der Herr v. Wöber sich dannoch das Ober-Directorium zu attribuieren und dasjenige, was ihm beliebt und anständig, von anderen Departements heraus- zuklauben und sich zu arrogieren, ja in die „hacklichen" Justiz- geschäften selbst extra ordinem sich einzumengen und es existieren Exempla, dass er sogar, was in dem Rath ausgemacht worden, auf- gehalten (denen beliebten Parteien zu favorisieren) und autoritative bei sich expedieren lassen. Von denen geschiehet es, dass durch dergleichen a recto tramite deviierende Expeditionen die andern Referendarii, die von dem Vorgegangenen weder Nachricht, noch Einsehen haben, irre gemacht werden, änderst expedieren; mithin entstehen, wie es bekannt, Contradiotionen; diejenigen, an welche rescribieret wird, werden confus gemacht und in fine das ansehentliche Bjriegs- Dicasterium selbst mit denen Capi und membris vor der Welt prostituieret und verkleinert." Wenn er als Vice-Präsident, seiner

Digitized by

Google

314

Pflicht gemäss, die Concepte zur Einsicht verlange, so schicke man ihm meist nur unwichtige und selbst diese enthielten oft nicht den vollständigen Eathsbeschluss, nicht selten das Gegentheil desselben. Referate an den Kaiser und dessen Entscheidungen erfahre er als Vice-Präsident häufig von einem Dritten als Neuigkeit. Er müsse sich oft schämen, wegen mangelhafter Informationen über Dislo- cationen, Repartitionen, Commissions- Verhandlungen, Capitulationen und andere wichtige Angelegenheiten nicht abstimmen zu können. Ihm selbst sei dieser Zustand eigentlich nicht zur Unbequemlichkeit, aber er sei nicht im Interesse des Dienstes. Daher müsse durch feste Instructionen an die Referendarien jeder Eigenmächtigkeit derselben und Untergebenen vorgebeugt werden, der Präsident und Vice-Präsident müssten von allen Einlaufen und Ausfertigungen wissen; Standes-Tabellen, Musterungs- und Recrutierungs-Relationen, Magazins- und Sanitäts-Rapporte müssten sofort in eine Haupt- Tabelle zusammengefasst werden, Justiz- Angelegenheiten seien aus- schliesslich vom Justizrath zu behandeln und der Hof-Kriegsraths- Präsident monatlich über die abgewickelten und laufenden Processe zu informieren; eine Commission für das Fortificationswesen als Beirath des Hof-Kriegsraths-Präsidenten sei zu creiren, endlich über alle Einlaufe und Ausfertigungen an die commandierenden Generale, Festungs- und Regiments-Commandanten, dann über die Conferenzen und Correspondenzen mit den Hofstellen von nun die Register und ProtocoUe genauestens zu führen.

Es müsse femer der Chargenkauf, das Petitionieren von Ober- und selbst Unterofficieren bei dem Hof-Kriegsrath mit Umgehung des Regiments-Commandos aufhören, es dürfe nicht mehr geduldet werden, dass die Referendarien Urlaube und Verlängerungen der- selben ohne Wissen des Regiments ertheilten, dass selbst Leute aus der Kriegskanzlei Chargenhandel treiben und in dienstlichen Angelegenheiten Privat-Correspondenzen führen. Nur gerechte und gewichtige Beschwerden über den Regiments-Inhaber und Comman- danten sollen femer noch direct an. den Hof-Kriegsrath eingesendet werden dürfen. Sonstige directe Einlaufe sollen zur Begutachtung, aber auch zur Bestrafung an die Regimenter zurückgehen. Wichtige Entscheidungen solle der Hof-Kriegsraths-Präsident vorerst im Con- cepte genehmigen und dann erst expedieren lassen. Alles aber dürfe nur in der Kanzlei, nicht in den Privatwohnungen der Referendare geschrieben werden. Kein Act dürfe beim Secretär oder Referendar liegen bleiben, sondern solle sogleich in die Registratur oder in das Archiv hinterlegt werden, wohin nach des

Digitized by

Google

316

Archivars eigener Aussage schon seit 1722 kein Act mehr ge- kommen sei.

Endlich müsse auch eine feste Ordnung für die Einhebung und Vertheilung der Kanzleitaxen gemacht werden; die letztere habe bisher nur von dem Belieben des Eeferendeurs v. Laohawitz abgehangen.

Noch deutlicheren Einblick in die Geschäftsführung des Hof- Kriegsrathes, aber ein ebenso abträgliches Urtheil geben eines gleichzeitigen Unbekannten „Allerunterthänigste, treugehorsamste, wohlmeinende Gedanken" *) mit folgenden Worten :

„Selber (i. e. der Hof-Kriegsrath) besteht aus einem Präsidenten, einem Vice-Präsidenten und aus Räthen, deren zwei Bänke sind: eine die Herrenbank, darauf die Meisten Generalspersonen, die andere die Bitter- und Gelehrtenbank, darauf auch die vier Referen- darien als Räthe sich befinden und ein und andere Doctores, die vormals dahier (in Wien) Advocaten gewesen sind".

„Die Räthe von der Herrenbank, nämlich die Generalspersonen, werden dermalen nicht zu dem, was proprio militärisch ist, employieret, sondern sie werden alleinig zu dem unter Praesidio des Vice-Präsi- denten zweimal in der Woche gehaltenen Justiz-Rath gezogen. Hingegen werden alle Militaria bei dem Präsidenten zweimal in dem sogenannten Referat alleinig diu*ch die Referendarien tractiert und abgehandelt. Diese Referendarien informieren und votieren nach ihren Gedanken, schicken die machenden Concepte, ohne dass selbe der Präsident sieht, zum Schreiben in die Kanzlei. Sind es Decrete oder Intimationen, so wird daruntergesetzt: „Ex Consilio Bellico" und von demjenigen Referendario, dessen Ex- pedition es ist, alleinig unterschrieben; sind es aber hofkriegs- räthliche Schreiben, die von hier weggehen, wird nichts anderes daruntergesetzt als: „Von Ihro zu Hungam und Böheim Königl: Majestät Hof-Kriegsraths-Präsident, Vice-Präsident und Räthe" und weiter nichts. Sie, Referendarien, raisonnieren imd determinieren von allen vorkommenden Ejriegsmaterien, exempli gratia von der Qualität und Capacität eines Ingenieurs oder eines Artilleristen, ob er gut oder schlecht sei, ob er eine Emploi oder ein weiteres Avancement meritiere, wo doch keiner davon jemals die Ingenieurkunst oder das Artilleriewesen erlernt hat, dass also der Supplicant blos sich zu befleissen hat, vor allem andern, wie er sich

\ K. A., Memoiren, IX, 70.

Digitized by

Google

316

bei dem Referendarius gut zu insinuieren weiss: sonst ist alles Sollicitieren umsonst".

„Was die Hof-Kriegskanzlei anbetrifft, so haben die Officianten dabei, respective Andere, bei ihrer continuierliclien starken Arbeit sonderlich an den Posttagen, da dieselben bis eilf Uhr Nachts, auch öfters noch länger in der Kanzlei verbleiben müssen, eine recht geringe Besoldung, als specifice ein Kanzellist mehrers nicht als jährlich 450 Gulden Besoldung, mit welchen sie ohu möglich be- stehen können, wann nicht die eingehenden Kanzleitaxen denjenigen, die selbe zu gemessen haben, einiges Supplementum gäben. Gleichwie aber sothane Geniessung deren Taxen sehr ungleich ausgetheilt ist und einige schon viele Jahre Dienende zu diesem Genuss nicht kommen können, hingegen aber Einige das Glück haben, in Kurzem dazu zu gelangen, wie das Exempel an Hof- Kriegsrath v. Hefenstock ist, welcher zum allerlängsten bei der Kanzlei gedient, auch bereits etwelche Jahr vor dem Referen- dario v. W ö b e r ^) das hungarische Referat gehabt und dannoch nie höher, als in die Concipistens-Tax-Theilimg kommen können, wohingegen ein und andere Referendarien gleich bei Antretimg des Referats in die wirkliche Referendari-Tax-Theilung, welche jedesmal für einen Referendario 1000 Gulden ausmachet und der gleichen Theilung ein- und anderesmal, wann copiose Promotionen sind, drei- zehnmahl in einem Jahr geschehen,, eintreten und mithin Einer gar zu viel, der Andere wenig und Einige gar nichts davon bekommen".

„Also vermeinte ich, dass auch diesfalls eine andere Ordnung . . . gemacht werden könnte und dieses ist die dermalige Einrichtung des Hof-Kriegsraths imd der Kanzlei."

^) Der Hof-Kriegsrath Augustin Thomas v. Wöber war damals ungefähr vierzig Jahre alt. Er besass Verstand von nicht gewöhnlicher Schärfe, sowie das Talent, aus schwierigen Lagen leicht einen Ausweg zu finden. Er hatte als Beamter unterster Stufe begonnen, bald aber die Aufmerksamkeit des Prinzen Eugen auf sich gelenkt und besass dessen Vertrauen in so hohem Grade, dass man oft behauptete, nicht der Prinz, sondern Wöber regiere eigentlich den Hof-Kriegsrath. Wie Bartenstein, so war auch Wöber wegen seines Einflusses einer der bestgehassten Männer Wiens. Er dürfte nicht allein an den unleugbaren Missständen im Hof-Kriegsrathe die Schuld gewesen sein. Jedenfalls war er eine ausserordentHche Arbeitskraft und sein Wort wog nicht blos jetzt, sondern auch noch bei den Berathungen zur Reform des ganzen Heerwesens im Jahre 1748 schwer. 1755 wurde er durch den Grafen Neipporg verdrängt; Maria Theresia aber sah ihn ungern aus dem Hof- Kriegsrathe scheiden und verlieh ihm, der nie Officier gewesen, auf seinen Wmisch den Rang eines Feldmarschall-Lieutenants mit Gehalt und Ehren eines solchen. (Arnoth, Maria Theresia, IV, 89 ff.)

Digitized by

Google

317

Dass die Schilderungen Khevenhüller's und der „aller- nnterthänigsten, treugehorsamsten und wohlmeinenden Gedanken" nioht tibertirieben waren, ja dass es noch viel mehr grosse und kleine Uebelst&nde innerhalb des Hof-Kriegsrathes gab, erhellt am Besten daraus, dass schon im Juni 1741 der Entwurf einer neuen Instruction entstand, welcher durch Abstellung und Strafandrohung für Unzukömmlichkeiten deren Existenz eben bestätigte, sonst aber die damaligen Gepflogenheiten des Geschäftsganges möglichst zxi schonen und zum Gesetz zu machen suchte. ^) Dieser Entwurf scheint indessen nur provisorische Geltung gewonnen zu haben; sonst hätte Maria Theresia nicht schon wieder bis zum Jahre 1744 einen neuen Entwurf ausarbeiten lassen. Der neue und in vielen Puncten strengere, aber auch würdigere Entwurf, auf welchen die vorstehend mitgetheilten Denkschriften unverkennbaren Einfluss genommen haben, fand zwar weder die Zustimmung des Hof-Kxiegs- raths-Präsidenten Grafen H a r r a c h, noch die des Hof-Eoiegsrathes Wöber, wurde aber dennoch am 23. März 1745 im Wesentlichen unverändert als Norm für die Zukunft in Kraft gesetzt. *) Das Hauptgewicht derselben ruht, ausser auf einer Verminderung des Personals, besonders auf einer möglichst festen Regelung des Dienst- betriebes zum Zwecke der Vermeidung der bisherigen Unordnungen und Missbräuche.

Für die Geschäfte ,,in publicis" (d. i. für alle, die nicht dem J"ustiz-Collegium zufiele\i) blieben femer nur noch drei Referendare an- gestellt: Wöber, Lachawitz und Weingarten. Ersterer blieb auch jetzt wieder die wichtigste Person im Hof-Kriegsrathe, denn ihm ^urde ausdrücklich „das Universum, als da ist: die Militär- Systemata, Regulamente, Repartition und in's Feld bestellenden Armeen zu besorgen** aufgetragen. Starb einer dieser drei, so sollten fürderhia nur noch zwei Referendare bleiben. Der Hof-Schema- tismus des Jahres 1746 weist gegen jenen des Jahres 1740 eine Verminderung der Räthe vom Herrenstande von fünfundzwanzig anf drei, der Räthe ausser dem Herrenstande von elf auf acht, der Secretäre von aohtundzwanzig auf sechs, wovon vier für die Publica, des gesammten übrigen Personals von achtundsiebzig auf achtund- vierzig Köpfe auf.

>) K. A., Kanzlei-Archiv, IX, 11.

*) K. A., H. K R 1745, April, 1008 Exp. und 11. Heg.; Kanzlei- Archiv, IX. 12. Die neue Instruction scheint aus der Feder des früheren Hof-Kriegsrathes, nnnmehiigen Cabinets-Secretärs der Königin, v. Koch, zu stammen.

Digitized by

Google

318

Das Justizwesen sollte künftig j,als besonderes und separiertes "Werk tractiert werden" ; die vier Hof-Kriegsräthe fiir Justiz- An- gelegenheiten und ihr Grehilfenpersonale wurden abgesondert ernannt, sollten aber auch dem Hof-Kriegsraths-Präsidenten unterstehen.

„Nach der bisherigen Observanz" blieben dem Hof-Kjiegsrathe auch weiter untergeordnet : das General-Kriegs-Commissariat-Amt, das Obrist-Land- und Haus -Zeug- Amt, das General -Auditoriat, das Obrist-SchifF-Amt und der Feld-Schiffbrücken-Stand, „dann Alles, was immer zum Militare gehört", also auch die in den Pro- vinzen stehenden commandierenden Generale und Militär-Directoren, Festungs-Commandanten, National- und Grenz-Milizen.

Mehrere Puncte betreffen die TJebemahme und Behandlung der einlaufenden Geschäftsstücke durch den Präsidenten und Ee- ferendare, sowie über die hierüber zu verfassenden Referate. Dem Präsidenten stand zwar nicht das Kecht der Anstellung und Be- förderung des Personales, das hatte sich die Königin hia zum letzten Accessisten hinab vorbehalten, wohl aber das der Ein- theüung und Verwendung desselben zu ; er hatte die Referate und commissionellen Berathungen anzuordnen und eventuell die Bei- ziehung von Fachmännern zu veranlassen. Jedes einlaufende Schrift- stück musste er von nun an mit dem Präsentierungs-Datum ver- sehen und jedes Concept vor Anfertigung der Reinschrift vidieren; letzteres galt auch für die Referendare im Bereich ihres Ressorts.

Alle Erlässe an Armee - Commandaliten , oommandierende Generale, Grenzfestungs-Commandanten, im Küege selbst an Ge- nerale von minderem Range erforderten jetzt die Unterschrift der Königin. Die Unterfertigung im Namen des Hof-Eüegsrathes wurde nun auf weniger Fälle beschränkt als früher. Alle Ausfertigungen, mit Ausnahme der geheimen, mussten in der Küegskanzlei selbst geschrieben werden.

Officiere sollten nur in besonderen Fällen (z. B. wenn sie auf Recrutierung, Remontierung standen) directe an den Hof-Kriegsrath schreiben dürfen, letzteres auch dann, wenn es sich um Beschwerden von Officieren gegen den Regiments-Commandanten oder Inhaber, oder um Beschwerden der letzteren gegen den Commandierenden handelte. Für alle übrigen Fälle wurde damals der Dienstweg in auf- und absteigender Linie durch das Regiments- und General- (Armee-) Commando angeordnet.

Die Expeditionen sollten rasch imd derart eingerichtet sein, dass namentlich jene des Hof-Kriegsrathes und des Kriegs-Commis- sariates sich nicht widerstritten, sondern sich viel mehr ergänzten ;

Digitized by

Google

319

aucli sollien correspondierende Stücke gleichzeitig laufen. Einzelnen Personen des Hof-Kriegsrathes wurde das Correspondieren mit Offl- cieren in Dienstes-Angelegenlieiten strengstens untersagt. Dem Hof-Bjriegsratlis-Präsidenten wurde schliesslich ein jährlicher Gehalt Ton 12.000 Grulden (gegen früher 18.000 Grulden) bestimmt.

Der Taxen, welche für die Ausfertigungen des Hof-Kxiegsrathes an Parteien gezahlt werden mussten und deren willkürliche und ungleiche Vertheilung bisher zu vielen Klagen Anlass bot, wurde in dieser Instruction nicht gedacht; aber bald nach der Verlaut- barung der letzteren, mit dem 2. April 1745, trat eine eigene neue Tax-Ordnung fiir den Hof-Küegsrath in Kraft. ^)

Bei demselben wurde ein eigenes Tax-Amt eingerichtet und unter Controle der Hofkammer eine genaue Verrechnung der ein- laufenden Taxen eingeleitet. Um alle gleicher "Weise an den Taxen theilnehmen zu lassen und doch jene, welche bisher im Genüsse derselben gestanden waren, nicht zu benachtheiligen, wurde einer- seits bestimmt, dass die Taxen in Zukunft, soweit sie ausreichten, zur Bezahlung der Besoldungen beim Hof-Kriegsrathe verwendet werden sollten, anderseits aber damit eine Gehaltserhöhung ver- bunden, auch im Zusammentreffen mit der eben vollzogenen Ee- duction des Personalstandes beim Hof-Klriegsrathe und den ihm unterstehenden Feldkriegs-Kanzleien viele und ausreichende Ge- halte bewilligt.

Dem Freiherm v. Wöber wurden „wegen Besorgung des universi" jährlich 6000 Gulden zuerkannt, den beiden anderen Eeferendaren je 6000 Gulden, vier Secretären je 2000 Gulden etc. Sieben Beamte erhielten einen Jahres-Gehalt von je 1000 Gulden, drei eine solche von je 852 Gulden, zwei von je 800 Gulden, drei von je 700 Gulden u. s. w. zuerkannt.

Die Taxen wurden meist erhöht, oft um mehr als das Doppelte ^.

Zur schleunigen Administrierung der Justiz hinsichtlich aller seit vielen Jahren zwischen den Militär- und Civil-Behörden ent- standenen Jurisdictions-Irrungen hat Maria Theresia eine eigene

») K. A., H. K E. 1745, Mai, 1039, Exp. Hofk. Arch., Hoffinanz, 21. Juni 1745.

') Darauf beruht die Stelle: „Am 27. Juni (1745) nahm Maria Theresia eine grosse Militär- und Generals-Promotion vor. . . . Damit aber gleichwohl der Hof-Kriegskanzlei an ihren juribus nichts entgehe, so mussten die promovierten Herrn Generals doppelte Taxgelder zahlen", in der „Ge- schichte und Thaten der Königin Maria Theresia etc." (1745), lY, 366.

Digitized by

Google

320

Norm in den deutschen Erblanden publicieren lassen. ^) Im An- schlüsse an die Eeorganisation des Hof-Kriegsrathes (in publicis) vollzog sich auch eine innere Eeform des dem Hof-Kriegsraths- Präsidenten instructionsgemäss untergeordneten Hof-Kriegsjustiz- Rathes als der obersten Stelle in allen Militär-Rechts- Angelegen- heiten. ^ Das Personale wurde festgesetzt mit drei Käthen aus dem Herrenstand (Feldmarschall Graf Cord o va, Feldmarsohall-Lieutenant Graf Löwenwolde und Q^neral-Feldwachtmeister E u d o f s k y), vier Käthen auf der Ritter- oder Gelehrten-Bank (Dierling, Seppen bürg, Doctor Schloissnig und Doctor Dreyling mit je 3000 Gulden jährlich), ferner sieben Kanzlei-Individuen, «m

Hier einige Beispiele aus den äusserst zahlreichen Taxsätzen:

Nach der alten der neaen Tax-Ordnnng. Für das Patent eines Feldmarsohalls waren zu zahlen . . . 460 fl. 2000 fl.

V V u ji Feldzeugmeisters \

Generals der CavaUerie J ^öU luuu

,, FeldmarschaU-Lieutenants 450 800

j, General-Feld- Wachtmeisters 450 600

Ohersten (nicht Inhabers) 800 400

Decret Oberstlientenants 100 200 ^

Oberst- Wachtmeisters 75 150

Hauptmanns (Rittmeisters) 50 76

., ,, ,, Lieutenants 36 ,, 50

Fähnrichs (Comets) 30 40

Für die könig^che Erlaubniss, eine Compagnie „zu verhandeln", hatte nach der neuen Tax-Ordnung der bisherige Compagnie-Chef 109 Gulden, der neue aber zugleich für den Hauptmanns-(Bittmeisters-)Charakter und die Compagnie-Verleihung zusammen 200 Gulden zu bezahlen ; wenn er aber den Charakter schon hatte, nur 100 Gulden. Gelangte ein Fähnrich (Comet) zu einer Compagnie, so hatte er „den überspringenden Lieutenants- Gradum zu bezahlen mit 50 Gulden, ein Fremder hingegen alle Gradus mit 290 Gulden". Für Urlaube der Officiere in Privat- Angelegenheiten mussten per Monat vier Gulden Taxen gezahlt werden. Eigene Taxen waren für die Feld- und die Haus- Artillerie- Chargen ausgeworfen (für die Charge eines Oberstlieutenants 200 Gulden, eines Ober-Stuckhauptmannes oder Zeuglieutenants 150 Gulden, eines Stuckhauptmannes 100 Gulden, eines Stuckjimkers oder Zeugwarts 50 Gulden u. s. w. Eine grosse Gruppe zahlte den Betrag einer Quartalsbesoldung als Taxe. Für die Justiz- Angelegenheiten bHeb bis zur Neubemessung der Taxen durch das Patent vom 16. Mai 1746 die Leopoldinische Ordnung vom Jahre 1704 in Kraft.

*) Meynert, Geschichte des Kriegswesens etc., IIL 181. „Norma, wie es mit der Jurisdiction zwischen Militär- und Civilstellen gehalten werden soll" vom 6. November 1745.

«) Hofk. Arch., HoMnanz, 9. October 1745.

Digitized by

Google

321

deren Spitze ein Hof-Kriegssecretär (mit jährlich 1500 Grulden) stand. Jedem der Jostiz-ßäthe wurde ein streng abgegrenztes Eessort zugewiesen, wöchentlich zwei Rathssitzungen festgesetzt und andere Bestimmungen über den Geschäftsgang getroffen, auch das Justiz- Personale Yon den fiir die Geschäfte in publicis bestimmten Kanzlei- Beamten räumlich abgesondert.

Von allgemeinerem Interesse ist, dass die in Justiz-Sachen ein- gesetzte hofkriegsräthliche Commission auch über Diejenigen ihr Gut- achten abzugeben hatte, welche sich als Advocaten oder Agenten beim Hof-Kriegsrathe meldeten ; „und diese Anordnung will so viel nothwendiger sein, weil nach Zeugniss der täglichen Erfehrenheit die meisten Parteien durch die saumselig, schlecht oder aufzügliche Be- dienung der so oft ohnerfahrenen Bestellten in ihren Rechtshändeln vernachlässigt oder wohl gar verkürzt oder in ohnnöthige grosse Kosten gesetzt werden. . . . ^) Wäre auch zur Beförderung der heilsamen Justiz allerdings nöthig, ein Circulare an alle Regimenter zu erlassen, dass selbe keinen Auditor, der nicht vorher durch mehrwiederholte hofkriegsräthüche Commission examiniert und approbiert worden, annehmen sollen, in Bedenkung, dass von der Tauglich- und Tüchtigkeit eines Auditors sowohl eines Of&ciers, wie des gemeinen Mannes Ehre, Leib und Leben grösstentheils abhanget, auch überhaupt dem Militärdienst Selbsten an einem ver- ständigen, gewissenhaften Auditor Vieles gelegen ist." *)

Die innerösterreichische Kriegs-Stelle, welche seit 1705 ihre Selbstständigkeit verloren hatte und dem Wiener Hof-Kriegsrathe untergeordnet war, bildete bis zu ihrer, Ende des Jahres 1743 erfolgenden vöUigen Auflösung, das Bindeglied in gewissen, Liner-Oesterreich und die beiden Grenz-Generalate betreffenden Fragen zwischen diesen Ländern und der Wiener

*) Im Jahre 1740 gab es laut „Staats-Kalender oder Hof-Schenfatisinus" dreiunddreissig Hof-Kriegsraths- Advocaten und neunundneunzig beeidete, dann vier nicht beeidete Agenten. In der letzten Instruction für den Grafen £[ a r r a c h gab Maria Theresia die Ansicht kund, die Kriegs- Agenten successive auf die Maximal zahl von zwanzig herabsinken zu lassen und sie in TTinkunffc selbst zu ernennen. Diese Agenten waren Personen, welche mit der Vertretung der Interessen der in den Provinzen stehenden Regimenter und deren Officiere gegenüber dem Hof-Kriegsrathe, der Hofkammer, gegenüber Lieferanten von Monturs- und Rüst\mgsoi*ten, Pferdehändlern etc. betraut waren.

«) K. A., Kanzlei- Archiv, IX, 12; vergl. H. K. R 1745, November, 624 Exp.

Oesterreiohischer Erbfolgekrieg, I. Bd. 21

Digitized by

Google

322

Centralstelle. Ihr verblieben ressortmässig nur die Aufsicht über die Landes- und Grenzbefestigungen, die Erhaltung und Ver- waltung der in den Plätzen ihres Bereiches liegenden Haus-Artil- lerie, die Gebahrung mit den Bau-, Proviant- und Munitionsgeldem, die Aufsicht über die in Tnn er-Oesterreich und den Grenz-Generalaten beßjidlichen Proviant- und Munitionsmagazine, endlieh die Prüfung der hierauf bezüglichen Rechnungen. Bei Besetzung der Officiers- und Commandanten-Stellen fiir die Grenz-Miliz und in den Grenz- plätzen waren, soweit sie in den höheren Chargen nicht dem Kaiser vorbehalten blieb, der Vice-Präsident (um 1740 Graf Heister) und die Käthe der innerösterreichischen Stelle durch gewisse Vor- rechte der Stände von Kämtlien und Krain beschränkt. Seit dem Jahre 1737 unterstand die Warasdiner Grenze nur noch in Artil- lerie- und Justiz- Angelegenheiten der Grazer Kriegs-Stelle, in allen anderen aber unmittelbar dem Hof-Kriegsrathe in Wien. *) Dieser fällte auch in rein militärischen Fragen, wie z. B. Werbung durch die Regimenter, Bequartierung, hinsichtlich der hmerösterreichischen Länder die Entscheidung, allerdings gewöhnlich im Wege der innerösterreichischen Kriegs-Stelle. Die letzte Instruction für dieselbe stammt vom 20. August 1722. ^)

Der Feldherr, der „en chef [oder auch „in capite"] im Felde commandierende General", wurde vom Monarchen zumeist auf Vorschlag des Wiener Hof-Kriegsrathes ernannt. Da nur dieser vermöge seiner Verbindung mit der Diplomatie tmd weil er lange Zeit hindurch selbst die Orientpolitik leitete, die politischen Grund- lagen zur Aufstellung eines Kjriegs- oder Feldzugsplanes beschaffen konnte und da es femer einen Generalstab im heutigen Sinne des Wortes, ja, im Frieden gewöhnlich nicht einmal den General-Quartier- meisterstab (den „kleinen Generalstab") gab, welch' letzterem im Felde ohnehin nur ein sehr minderwerthiger Theil des heutigen General- stabsdienstes zufiel, so ist es klar, dass dem Hof-EIriegsrathe ein sehr wesentlicher Eiafluss nicht nur auf die erste Anlage des Krieges oder Feldzuges, sondern auch auf die weiteren Operationen zukam. War nun auch der Feldherr nur dem Kaiser allein verantwortlich, so war er doch auch wegen Vermittlung der Befehle des Monarchen, dann rücksichtlich der Beischaffimg von Kriegsmaterial und Kriegs- bedürfnissen aller Art an den Hof-KJriegsrath angewiesen. An diesen

*) Vaniöek, Specialgeschichte der Militär-Grenze, I, 464. ») K. A., H. K. R. 1744, Mai, 866, Exp.

Digitized by

Google

323

mussten schliesslich auch die an die Person des obersten Kriegs- herrn gerichteten Berichte des Feldherm aus mannigfachen Gründen gelangen. An die Zusammenfassung der militärischen und vielleicht mittlerweile geänderten politischen Situation und an die leicht sich daranschliessenden Vorschläge knüpfte sich naturgemäss ein grosser Einfluss des Hof-Kriegsrathes auch auf die nöthigen Abänderungen des Operations-, eventuell selbst des Kriegsplanes. Wohl ist hiebei nicht ausschliesslich an den eigentlichen Hof-Kriegsrath, sondern auch an die Heranziehung erfahrener Generale zu denken und auch dem General-Kriegs-Commissariate als Hilfsorgan des Hof- Kriegsrathes fiel wegen der für grössere Heereskörper damals meist sehr schwer zu beschaffenden Verpflegung tmd wegen der so häufig nothwendigen Neubasierung der Operationen auf die ebenso schwierig vorwärts oder rückwärts zu verschiebenden Proviantmagazine ein Theil dieses Einflusses zu. ^) Ohne dass die Sachlage immer gründlich erwogen worden wäre, wurden dem Hof-Kriegsrathe die angeführten Verhältnisse bisher häufig, aber ungerechtfertigt zum Vorwiu:fe gemacht.^)

Auch unter Maria Theresia blieb dem Hof-Ejriegsrathe der alte Einfluss auf Kriegs- und Operationsplan, aber es dürften sich wenige Beispiele finden lassen, einzelne Hof-Kriegraths-Präsidenten, wie einst Mannsfeld, ausgenommen, nach welchen derselbe durch Verschulden des Hof-Kriegsrathes wirklich ein hemmender gewesen

*) Der Hof-Kriegsraths-Referendarius v. Wöber erwähnt in seiner Begut- achtung der neuen Instruction für den Hof-Kriegsrath vom Jahre 1744 1745 ausdrücklich, dass Maria Theresia „wöchentlich zwei Commissionen bei S alab ur g (dem Oberst-Kriegs-Commissär) in Operationssachen anbefohlen" habe.

•) „Unter den Institutionen, welche mit so manchen historischen Ereig- nissen und Persönlichkeiten das Schicksal theilen, für Alles verantwortlich gemacht zu werden, was sich Generationen hindurch in dem Entwicklungs- processe eines Volkes Widerwärtiges ereignete, ist der Wiener Hof-Kriegsrath unbestritten diejenige, welche sich der Berücksichtigung aller Chronisten und Historiker in nahezu unbegrenzter Ausdehnung erfreut. Und ob auch mit Kecht? Um diese Frage endgiltig zu beantworten, müsste vorerst die Eiesenaufgabe gelöst sein, aus dem gesammten Actenmateriale von mehr als drei Jahrhunderten das Wirken des Hof-Kriegsrathes zusammenziifassen, die Verhältnisse klarzulegen, die sein Handeln bestimmten und aus aU' den verschlungenen Fäden .... ein übersichtliches Bild zu schaffen. Niemand noch hat sich an dieses Problem gewagt. Das Verdict aber ist dessenxmge- achtet längst schon vorweg gefällt: Alles Kriegsunglück während viert- halbhimdert Jahren fällt dem Hof-Kriegsrathe zur Last, AUes, was in dem- selben Zeiträume sich Günstiges ereignete, geschah trotz ihm !" (Mittheilungen des Kriegs- Archivs, VI. [1881] 239.)

21*

Digitized by

Google

324

wäre. Nicht nur dem Prinzen Carl von Lothringen oder hohen Befehlshabern, wie z.B. den Feldmarschällen Lobkowitz und Khevenhüller wurde von der Königin und ebenso vom Hof-Kriegsrathe oft nahegelegt, dass man von "Wien aus die Ver- hältnisse nicht richtig beurtheilen könne und sie daher nach eigenem Ermessen handeln müssten, sondern selbst Generale von geringerem Ea-nge mit selbstständigem Commando, wie z. B. Feldmarschall-Lieutenant Browne in Schlesien, Feldmarschall- Lieutenant Bärnklau in Bayern u. A. m. erhielten ähnliche Weisungen. *)

Der G-eschichtsschreiber Maria Theresia's sagt in Bezug auf die stehenden Anwürfe gegen den Hof kriegsrath :

„Es giebt Behauptungen, welche so oft wiederholt und so unumstösslich geglaubt werden, dass selbst die begründetste Wider- legung sich als machtlos erweiset und den Glauben an sie nicht zu erschüttern vermag. Zu ihnen gehört die Angabe, der öster- reichische Hof-Kriegsrath habe die Feldherren, welche an der Spitze der Heere sich befanden, in so strenger Abhängigkeit gehalten, dass er ihnen von Wien aus die Unternehmungen vorschrieb und auf deren Ausführung auch dann noch bestand, wenn die Umstände an Ort und Stelle sich völlig geändert hatten. Ebenso sei es ihnen untersagt gewesen, auch von den günstigsten Verhältnissen Nutzen zu ziehen und Entschlüsse zu verwirklichen, welche nicht zuvor die Billigung des Hof-Kriegsrathes erhalten hätten. Natürlich sei über die Anfrage und die Beantwortung derselben der günstige

Moment zur Unternehmung meistens versäumt worden Sieht

man jedoch näher zu, so ist es fast immer die Unschlüssigkeit des Feldherrn und die Furcht, auf eigene Verantwortung einen entscheidenden Schritt zu thun, wodurch die Anfrage an den Hof-Kriegsrath veranlasst wird. Und fast immer erfolgt die Antwort, dass man auf so weite Entfernung von Wien keine bestimmten Befehle zu ertheilen vermöge imd es lediglich dem Heerführer anheimstellen müsse, je nach der Lage

*) So ergieng am 15. December 1740 durch den Hof-Kriegsrath an Browne nach Schlesien ein königliches Rescript, welches sich ausdrücklich dagegen verwahrt, dem General etwas Bestimmtes vorschreiben zu wollen und es ihm canz überlässt, wo er die Truppen zusammenziehen wolle und wie er sich dem Feinde gegenüber verhalten solle. (Duncker, Die Invasion Schlesiens 1740. Mittheilungen des K. A., X. 1885, S. 37 ff.) Wer sich die Mühe nehmen will, die erhaltenen Acten jener Zeit zu lesen, wird für Obiges hundert Beispiele statt eines finden.

Digitized by

Google

825

der Dinge auf dem Exiegs-Sohauplatze selbst seine Entschlüsse zu fassen." ')

Der Einfluss also, den der Wiener Hof-Kriegsrath thatsächlich übte, kann wohl nur selten über das nothwendige Mass hinaus- gegangen sein und war nicht minder berechtigt, als der analoger Institutionen in anderen Staaten. Wenn aber der, nach allem bisher Gesagten ganz legale Einfluss nicht immer den er- wünschten Erfolg erzielte, so theilt der Hof-Kriegsrath darin nur das Schicksal aller menschlichen Einrichtungen; er konnte irren xind hat geirrt. *)

Für den schriftlicTien Dienstverkehr des Feldherm oder Armee- Commandanten mit dem Kaiser und dem Hof-Eoiegsrathe war jedem grösseren Armeekörper eine „Eeld-Kriegs-Expedition'' (auch „Feld - Kriegs - Kanzlei") beigegeben , die häufig einen eigenen Kanzlei-Director, gewöhnlich aber nur einen Feld-K!riegs-Secretär an ihrer Spitze hatte und sonst aus sechs bis fünfeehn Individuen bestand. Die Reformvorschläge für den Hof-Kriegsrath aus den Jahren 1740 und 1741 fordern, dass der letztere nur Leute in sich aufnehme, welche in den Feld-Kriegs-Kanzleien mit Erfolg practisch gedient hätten. Die Kosten der im Felde gestandenen kaiserlichen Feld-Kriegs-Expedition wurden flir das Jahr 1739 mit 33.579 Gulden angegeben. ^

Zur normalen Verbindung der Armeen mit dem Hof-Kriegsrathe war bei jedem selbstständigen Armeekörper im Felde ein „Feld- Post- Amt" aufgestellt, bestehend aus wenigstens zwei Post- officieren, mehreren Feld-Courieren und -Postillons, welche theils den Anschluss an die „Orduiari-Post'' besorgten, theils auch selbst nach Wien oder zu abgesonderten Armeetheilen giengen. Ihre Linien wurden nach Erfordemiss militärisch gesichert. Auch wurden zur Yerbiadung von Armeetheilen Ordonnanz-Linien aufgestellt, z. B. im Juni 1745 zwischen der Haupt-Armee und den ungarischen Insurgenten in Neustadt, Ziegenhals, Freiwaldau, Altstadt, Linsdorf, Opocno und Jaromeh*)

*) A rn e t h, Maria Theresia, IE, 356.

*) Das preussische Generalstabswerk „Die Kriege Friedrich's des Grossen", I, 176, exemplificiert zwar gerade an dem österreichischen Hof-Kriegsrathe die Entstehung der Kriegspläne, sagt aber doch zum Schlüsse : „Nicht viel besser gieng es damals in den anderen Staaten zu."

»» K. A., Memoiren, Vm, 12.

*) K. A., F. A. Sohlesien und Böhmen, 1746, VI, 62.

Digitized by

Google

326

General- und Festnngs-Commanden.

Zur Zeit der Entstehung des Hof-Kriegsrathes unterstand dem- selben die gesammte Kriegsmacht des deutsch-habsburgischen Be- sitzes. Mit der Theilung desselben unter den Söhnen Ferdinand I. entstand auch ein eigener Hof-Kriegsrath in Graz und im Zusammen- hange mit dem Landesvertheidigungswesen Tyrols eine eigene Kriegs-Stelle zu Innsbruck ^) ; dem Wiener Hof-Kriegsrathe blieb also nur der Einfluss auf Oesterreich unter und ob der Enns, die böhmischen Länder und die nicht in fremdem Besitze befindlichen Theile von Ungarn. Der unter Kaiser Rudolf ü. in Prag ent- standene Hof-Kriegsrath hatte niu' eine vorübergehende Bedeutung. Zur Einrichtung von General-Commanden lag also damals kein Bedürfuiss vor. Nur die Commandanten der Grenzfestungen und der Festungen im Innern des stets zu Aufinihr geneigten Ungarn hatten eine auch über die Festung hinaus sich erstreckende Be- deutung^), aber mehr im politischen, als im rein militärischen Sinne, da die Truppen ja immer unmittelbar dem Hof-Kriegsrathe unter- standen und mit ihm verkehrten.

Zuerst entwickelten sich auf Grund der durch das Brucker Libell (1578) zwischen den innerösterreichischen Ständen und dem croatischen und windischen Grenzvolke im Hinblicke auf die Türkengefahr geschaflFenen Verhältnisse in den Grenzgegenden nach und nach Organisationen, als deren Endergebniss sich nach dem Frieden von Carlowitz (1699) das („croatische") Carl- städter imd das („windische") "Warasdiner Generalat vorfinden.

Mittlerweile waren unter Leopold I. wieder alle deutsch- habsburgischen Länder vereinigt worden ; der Sohn imd Nachfolger dieses Kaisers, Joseph I., fand es daher im Staatsinteresse gelegen, den Kriegs-Stellen in Innsbruck und Graz ihre Unabhängigkeit zu nehmen und sie 1705 als „ober- und vorderösterreichisches Militär - Directorium", beziehungsweise als „inneröstor- reichische Kriegs-Stolle" dem Hof-Kriegsrathe in Wien unterzu- ordnen. Aber sowohl der neuen Innsbrucker, als der neuen Grazer Stelle blieb noch ein Schein von Selbstständigkeit, der sich an ihren Zusammenhang mit den an beiden Orten noch bestehenden Hof-

*) Ueber letztere siehe „Feldzüge des Prinzen Eugen", I, 434.

*) Insofeme von Alters her gewisse Plätze regelmässig nur von Generalen commandiert wurden (z.B. Raab), spricht man schon frühzeitig von„Generalaten", ohne dass sie solche im späteren "Wortsinne gewesen wären.

Digitized by

Google

327

kammem anleimte und welcher für das ober- und vorderöster- reichische Mi 1 i tär-Dir eo torium sich in einem erhöhten Einflüsse auf das Artillerie- und Zeugs-, Fortifications- und Verpflegswesen äusserte. Für diesen Bereich bestand noch im Jahre 1740 ein eigener Obrist-Land- und Haus-Zeugmeister (Q-raf Montrichier). In diesem Jahre hatte Feldmarschall-Lieutenant Johann Gaudentius Graf von Rost das ober- und vorderösterreichische Militär-Direc- torium inne und bezog in dieser Stellung einien jährlichen Gehalt von 5242 Gulden, i)

Seitdem die spanischen Niederlande in den Besitz der österreichischen Herrscher übergegangen waren, machten die eigen- artigen politischen Verhältnisse dieser Länder und ihre Entfernung von Wien die Schaffung der Stelle eines commandierenden Generals in Brüssel nothwendig, welcher einerseits wegen der Gelder für die dortigen Truppen an die kaiserliche (königliche) Statthalterschaft, anderseits in Bezug auf die Verwendung der im Lande stehenden Militärmacht dem Wiener Hof-Kriegsrathe untergeordnet war. Um das Jahr 1740 war Feldmarschall Leopold Herzog zu Aren- berg commandierender General in den österreichischen Nieder- landen.

Eine ähnliche Stellung wie dieser hatte um dieselbe Zeit ia Bezug auf die Streitmacht in der Lombardie und den öster- reichischen Po-Herzogthümem der mit dem Literims-Gubemium in Mailand betraute Feldmarschall Otto Ferdinand Graf zu Abens- perg-Traun; unter ihm commandierte Feldmarschall-Lieutenant W^ achtendonck die in Toscana stehenden kaiserlichen B-egi- menter.

Auch für Böhmen, Mähren, Schlesien und Sieben- bürgen waren damals schon aus den Commandanten der wichtigsten Festungen oder Städte des Landes zugleich commandierende G-eiierale geworden, welche Aemter um das Jahr 1740 ia Prag Feldzeugmeister Graf O'Gilvy, in Brunn (Spielberg) Feldmarschall- Lieutenant Graf Sinzendorff, in Gross-Glogau Feldmarschall- Jjieutenant Graf Wenzel Wallis, in Hermannstadt Feldmarschall Fürst Lobkowitz uinehatten. Sie waren die Vertreter des Hof- Kriegsrathes und der militärischen Literessen gegenüber den Land- ständen und sollten zur Erhaltung einer guten Disciplin der Soldaten in den Quartieren, zur Abstellung imd Untersuchung von

») Hofk. Arch., Hof-Finanz, 30. December 1741,

Digitized by

Google

328

Mehrforderungen und anderen Excessen der Truppen, sowie bei der ßegelong der Verpflegung, Anordnung der Märsche und Einquartierungen mitwirken, in welchen Fragen die Interessen der Länder zunächst durch die Land-Kriegs-Commissäre gewahrt wurden. Nach dem Verluste Schlesiens gehörte der bei Oesterreich ver- bliebene Theil dieses Landes zum Bereiche des General-Commandos in Brunn.

Von besonderer Bedeutung war der commandierende G-eneral für Slavonien, dessen Würde an das Commando der Festung Esseg geknüpft war. Seit 1733 hatte Feldmarschall Gh'af Khevenhüller diese Stellung inne und wurde während seiner vielfachen Abwesenheit auf den Kriegs-Schauplätzen in Italien, in Serbien und an der oberen Donau durch den Feldmarschall- Lieutenant Marchese G-uadagni vertreten. Das slavonische Generalat war nicht blos wegen ' der G-renzvertheidigung gegen die Türken, sondern auch wegen der, eben damals im Werden be- griffenen Einrichtung der slavonisch-syrmischen Militär-Grenze von grosser Wichtigkeit. *)

Aehnlich wie Slavonien seit dem Frieden von Carlowitz, wurde auch das Banat von Temesvdr nach dem Frieden von Pas- sarowitz nicht gleich Ungarn einverleibt, sondern auch daselbst eine eigene von Wien dependierende Administration eingerichtet, an deren Spitze seinerzeit Feldmarschall-Lieutenant Graf M e r c y als commandierender General von Temesvdr eine segens- reiche Thätigkeit entfaltet hatte. Nach dem Belgrader Friedens- schlüsse übernahm Feldmarschall-Lieutenant Suckow die Leitung des General-Commandos, welches zugleich mit dem Administrations- Präsidium am 13. März 1741 ad iaterim „bis zur Benennung eines wirklichen commandierenden Generals" dem Feldmarschall-Lieu- tenant Freiherm v. Engelshofen übertragen wurde. „Damit selber mit dem behörigen Splendor sich aufführen möge", wurden ihm hiebei nebst seiner charaktermässigen Gage jährlich 3000 Gulden zuerkannt. Zu seinem Stellvertreter wurde General-Feld- Wacht- meister deScotti ernannt.*) Aehnlich wie im slavonischenGeneralate, war auch hier die wichtigste militärische Aufgabe die bereits an- gebahnte Einrichtung des Grenzerwesens.

Es bestanden also zur Zeit des Todes CarTs VI. in allen habsburgischen Ländern, mit alleiniger Ausnahme von Ungarn, im

') VergL Feldzüge des Prinzen Eugen, I, 4B3.

«) K. A., H. K. K. 1741, März 547 Eeg. nnd Prot. Beg. Fol. BOO.

Digitized by

Google

329

engeren Sinne General-Commanden, wenn auch von ganz ungleicher Stellung und Wichtigkeit. Eine der ersten Eegierungshandlungen Maria Theresia's war es, dass sie den um ihr Haus als Krieger und Staatsmann gleich verdienten Feldmarschall G-rafen Johann Pilffy mittelst königlichen Rescriptes vom 24. October 1740 zum commandierenden G-eneral von Ungarn ernannte und alle daselbst liegenden regulären Truppen, Grenzer, Frei-Compag- nien und National-Milizen, dann alle Festungen, Artillerie-, SchiflFs- nnd Proviant- Vorräthe seiner Obhut unterstellte. *) Er sollte die Truppen in gutem Stande erhalten, fiir ihre richtige Verpflegung, dann für die Bildung eines unangreifbaren Verpflegsvorrathes sorgen, Excesse verhüten oder bestrafen, überhaupt Mannszucht und strenge Disciplin halten, die Besatzungen der Festungen, besonders jener in Ober-Ungarn verstärken. Mit den comman- dierenden Generalen von Siebenbürgen, Temesvdr, Slavonien, dann mit der innerösterreichischen Kriegs-Stelle sollte er in stetem Ver- kehre stehen, Nachrichten geben und empfangen, selbst aber nur von der Königin und dem Hof-Kriegsrathe Befehle empfangen. Zur Unterstützung wurden ihm auf seinen speciellen Wunsch der in Ober-Ungarn besonders angesehene Feldmarschall Graf Alexander KArolyi, weiters Feldmarschall -Lieutenant Römer und die General-Feldwachtmeister Saint-Ignon und Philibert zu- gewiesen. Auch eine kleine Feld-Kriegskanzlei wurde ihm bei- gegeben (ein Secretär imd drei Kanzlisten).

Schon unter Garl VI. hatte der Feld-Zeugmeister Prinz zu Sachsen - Hildburghausen sich mit Erfolg der Neu- regelung der verworrenen Verhältnisse im Warasdiner Generalat unterzogen. Nicht nur der Türkenkrieg, sondern auch starke gegnerische Einflüsse Hessen die Resultate seiner Arbeit nicht sogleich voll zu Tage treten. Die Gegnerschaft kam von den steye- rischen Ständen und fand in der Grazer Kriegs-Stelle Stütze und Ausdruck. *)

Die Warasdiner Grenz-Miliz war trotz alledem durch den Prinzen „auf einen so vortrefi'lich regulierten Fuss gesetzet und eingerichtet worden, dass seither in denen sowohl letzteren preussisch-, als (1744) noch fürdauemden französischen und bayerischen Kriegen so manchfältig Vortheile erfochten worden". In der Carlstädter

') K. A., H. K. K. 1740, October, 611 Eeg. Vergl. Arneth, Maria Theresia, I, 92.

«) Vaniöek, a. a. 0., I, 463 f.

Digitized by

Google

330

Grenze war dieselbe Arbeit noch zu leisten, liiebei aber ein ähn- licher Widerstand der kämthnerischen und krainerischen Stände und auch wieder der innerösterreichischen Kriegs-Stelle zu gewärtigen. Da man jedoch auf eine Weiterbildung der Carlstädter Grenz- verhältnisse zu Gunsten einer Stärkung der Kriegsmacht nicht mehr verzichten mochte, so lag der Gedanke nicht ferne, den bereits bewährten Prinzen einfach an die Stelle des Grazer Vice-Präsidenten und seiner Eäthe zu setzen. Dadurch kam nicht nur eine grössere Einheit und Energie in die militärische Leitung Inner-Oesterreichs, sondern wurde auch das hinderhche Provinzial-Interesse bei Seite geschoben durch einen Mann, der schon wegen seiner fürstlichen Geburt, aber ebenso wegen seiner Tüchtigkeit als Heerführer und Erfahrenheit als Organisator hohes Ansehen genoss und unbefan- genen Blickes für das Gesammtwohl wirken konnte. So wurde denn mit Ende des Jahres 1743 die innerösterreichische Kriegs-Stelle aufgehoben und dafür der mittlerweile zum Feldmarschall ernannte Prinz Sachsen-Hildburghausen Anfangs 1744 zum „Militär-Ober- Director und commandierenden General in denen innerösterreichi- schen Landen, wie auch beiden Warasdiner und Carlstädter Genera- laten" ernannt.^) Er sollte in diesen Gebieten, zu welchen auch das Litorale austriacum zählte, nach der Königin und dem Hof-Kriegs- rathe allein zu befehlen haben und mit nur wenigen Beschrän- kungen dieselbe Gewalt ausüben, wie vordem die Kriegs-Stelle. Alle Truppen, militärischen Branchen, Commanden und Aemter des Generalates sollten auch vom Hof-Kriegsrathe nur durch ihn Befehle empfangen dürfen. Er selbst unterstand nur der Königin und dem Hof-Kriegsrathe. Die im Warasdiner Grenz-Generalat bewährten Re- formen sollte er auch im Carlstädter Generalatsgebiete „ehemöglichst vor die Hand nehmen, die Einführung guter Kriegsdisciplin und Ordnung, wie auch die Unterrichtung der Soldatesca in allen Kriegsübungen (so, wie es bereits in dem Warasdiner Generalat eingeführt . . .) sich äusserst angelegen sein lassen" imd es dahin bringen, „dass nach dem Exempel des Warasdinischen (Generalats) auch hierin eine, Unserem Dienst so vortheilhafte Consistenz ein- geführt und beobachtet werde". Auch den Kundschafterdienst nach (Jer Türkei sollte er einrichten und leiten. Sein besonderes Augen- merk wurde auf die richtige imd volle Bezahlung der von der steyerischen Landschaft an die Warasdiner und von Kärnthen und Krain an die Carlstädter vertragsmässig zu leistenden Verpflegs-

») K. A., H. K. K. 1744, Mai 866 Exp.; Kanzlei- Archiv, VII, 283.

Digitized by

Google

331

gelder gelenkt. Das den inner österreichischen Ständen hinsichtlich der Ernennung von Commandanten mit Stabsofficiersrang in den Grenz-Generalaten zustehende Vorschlagsrecht blieb zwar bestehen, liinsichtlich der Oberofiiciersposten aber wurde es abgestellt und die Einholung der königlichen Entschliessung in jedem Falle an- geordnet. Nur die Leitimg des früher der Kriegs-Stelle imterworfenen Artillerie- imd Zeugswesens in Inner-Oesterreich und den Grenz- Generalaten wurde dem Prinzen entzogen und gänzlich dem neuen Land- und Haus-Zeugmeister Fürsten Wenzel Liechtenstein untergeordnet, was jedoch den Gehorsam gegen das neue General- Commando nicht ausschliessen sollte. Ausführliche Bestimmungen über die Justizpflege in den Gh-enz-Generalaten regelten die Be- rulüng an das Militär-Ober-Directorium als zweite, an den Hof- Kriegsrath als dritte Listanz.

Die bisher der innerösterreichischen Regierung (,,die Unser Hofmarschall-Amt daselbst vertreten thuet") untergeordnete inner- österreichische Kriegs-Kanzlei wurde dem Einflüsse derselben gänzlich entzogen und ausschliesslich dem Prinzen unterstellt.

An Gebiüiren wurden ihm nebst der Feldmarschalls-Gage noch jährlich 10.000 Gulden zuerkannt. Wenigstens zwei Monate im Jahre musste er sich in seinem Commando-Bereiche aufhalten; in seiner Abwesenheit fungierte der auf seinen Antrag ernannte Stellvertreter; aber selbst dieser durfte nur durch ihn mit dem Hof-Kriegsrathe Verkehren, ausgenommen bei Gefahr im Verzuge. Alle Dienst-Correspondenzen genossen die Portofreiheit bei den königlichen Postämtern.

Nach dem Vorstehenden hatte von allen General-Commanden das Grazer Militär-Ober-Directorium die am weitesten gehenden Rechte und Pflichten, aber nur solange, als ihm Feldmarschall Prinz Hildburghausen vorstand. Als er seine Hauptaufgabe gelöst hatte und genügend befestigt glaubte, resignierte er 1749 sein schweres Amt, in welchem er sich viel Ehre, aber auch viele Feinde erworben hatte und welches hierauf wieder neu organisiert wurde.

Je nach der Wichtigkeit und dem Geschäfbsumfange eines General - Commandos waren demselben ausser dem eventuellen Stellvertreter und dem Personal- Adjutanten des commandierenden Generals, verschiedene Organe zur Ausübung des administrativen Dienstes und Verwaltung der Justiz-Angelegenheiten, öfter auch zur Leitung des Artillerie- und Fortificationswesens beigegeben ; so z. B. gab es für den innerösterreichischen Bereich in Graz einen

Digitized by

Google

332

Ober-Kriegs-Commissär , einen General - Auditor - Lieutenant , zwei Zeuglieutenante, einen Ingenieur-Officier, einen Fortifications-Bau- schreiber u. s. w.

Den schriftlichen Verkehr besorgten die Feld-Kriegs- Kanzleien, deren Dienst auch zur Aufiiahme in den Hof-Kxiegs- rath befähigte. Der Stand derselben war verschieden, je nach den Dienstgeschäften des General-Commandos. Khevenhüller gibt für Ende des Jahres 1739 die Kosten der „Feld-Kanzleien" von Belgrad, Walachei (beide bald aufgelöst), Temesvir, Siebenbürgen, Mailand, Mantua (Festungs-Commando), Toscana und den Nieder- landen mit jährlich 52.906 Gulden an. ^)

Im Jahre 1745 wurde das Personale der Feld-Kriegs-Kanzleien reduciert^) und gleichzeitig jene von Mantua aufgehoben, was schon früher auch in Toscaaia erfolgt war:

Feld-Kriegs-Kanzlei in

§ O

03

Mailand ... den Niederlanden Siebenbürgen . Temesvir . . Esseg .... Pressburg . . Innsbruck . .

Jährliche Friedens-Gebühr in Gulden

2 2

1 1 1

2000 1 1000 700

4 3 2 3 2 3 2

500

In Festungen waren gewöhnlich eigene Officiere oder Generale alsCommandanten angestellt und genossen die Gage ihres militärischen Ranges. Theilweise waren sie nicht mehr zu Feldkriegsdiensten tauglich; es lag also im Allgemeinen in der Verleihung eines Festungs-Commandos eine Wohlthat für verdiente Militärs, welche

*) K. A., Memoiren, VIU, 11. In Böhmen, Mähren und Schlesien gab es keine Feld-Kriegs-Kanzlei. Die commandierenden Generale dieser Länder waren zugleich Festungs-Commandanten und solche mussten ihre Correspondenz „selbst besorgen". Die innerösterreichische Kriegs-Kanzlei wurde damals von den innerösterreichischen Ländern mit jährlich 9600 Gulden unterhalten. (K. A.; H. K. R. 1744, m, 3.)

«) K. A ; H. K. R. 1745, Mai, 916 Exp., 479/3-8 Reg. und 489/1-3 Reg.

Digitized by

Google

333

sonst der Pensionierung verfallen wären. Gelegentlich der Be- rathungen über die Armee-Reductions-Projecte tauchte wiederholt der Vorschlag auf, die Institution eigener Festungs-Commandanten faUen zu lassen und successive nach dem Absterben der schon er- nannten keine neuen mehr anzustellen, sondern die Comman- danten der Besatzungs - Truppen mit dem Festungs-Commando zu betrauen. Der Vorschlag kam jedoch nur in Tyrol zur Durch- fuhrung und zwar im Jahre 1745 zu Grünsten des Tyroler Land- und Feld-Regiments.

Dem Festungs-Commandanten oblag die bauliche Instand- haltung der Werke, wozu freilich die Gelder weder von der Hof- kammer, noch von den dazu gewidmeten Mauthen und Gefällen immer richtig und ausreichend einliefen. Insbesondere die nicht nahe den Grenzen liegenden festen Plätze wurden in dieser Be- ziehung von der Regierung häufig recht lange vernachlässigt und so konnte es geschehen, dass beim Eintritte von Grenzver- schiebungen nach unglücklichen Kriegen, die nahe der neuen Grenze liegenden Plätze sich in gänzlich ungenügendem Bauzustand befanden und nun eiligst verstärkt werden mussten. So war es mit den Festungen in Slavonien, Sjrrmien und im Banat nach dem Belgrader Frieden, so auch mit Komom, Leopoldstadt, Trencsin, Brunn (Spielberg) und Olmütz nach dem Verluste von Schlesien der Fall.

Die Commandanten der Festungen hatten den ganzen Festungs- dienst zu leiten, über welchen es strenge und detaillierte Vor- schriften gab, die in ihrer Wesenheit noch in den modernen Reglements sich wiederfinden. Der Commandant sollte für die ihm unterstellte Garnison alle mögliche Sorge tragen, die Officiere und die Mannschaft nicht mit überflüssigen Commandierungen, Wachen, Bereitschaften und Arbeiten abmüden, gute Mannszucht und Ordnung halten, weder den Soldaten, noch den Bürger im eigenen Interesse ausnützen, die Bürgerschaft ia Handel und Wandel nicht stören, sich vielmehr bei ihr beliebt zu machen suchen; er sollte besonders darauf achten, dass die Munitions- und Proviant- Magazine immer genügenden Vorrath halten und sich von Zeit zu Zeit selbst von dessen Vorhandensein überzeugen. Ohne seine Be- willigung durfte kein Geschütz von oder auf die Wälle gebracht, keiu Schuss, ja, nicht einmal ein fiir den Wachdienst nicht vor- geschriebenes Trommelsignal gegeben werden. Wenn nöthig, konnte er Standrecht anordnen; verhaftete Soldaten durfte er jedoch nur innerhalb der ersten viermidzwanzig Stunden nach erfolgter

Digitized by

Google

334

Anhaltuiig strafen, sonst sollte er nicht gegen die ßegiments-Privi legien haaideln.

Die Besatzungs-Truppen durften nur in halber Zahl zur Kirche geführt werden; während des Gottesdienstes musste die andere Hälfte in den Quartieren sein. Die Wachmannschaft hatte das Gewehr scharf geladen und noch zwölf bis vierundzwanzig scharfe Patronen bei sich. Auf den Wällen sollten im Frieden an jeder Flanke zwei Geschütze scharf geladen sein, davon eines mit Kugeln, das andere mit Kartätschen.

Der Platz-Maj or und der Platz-Lieuten an t waren die Organe der Commandanten wichtigerer Festungen für die Ausübung und Ueberwachung des gesammten Festungsdienstes. Der Platz-Major sollte „weder gegen das Militare, noch Bürger- schaft, eine Passion oder ohnzulässiges Interesse zeigen, sondern vielmehr mit Gelindigkeit jeden zu seiner Schuldigkeit halten, damit er von beiden ästimiert werde, woran in einer Garnison Vieles gelegen ist".^)

Je nach der Wichtigkeit einer Festung wurden die Comman- danten aus den Generals- oder höheren Officierschargen gewählt. Nicht alle Plätze hatten auch eine Besatzung; von den vorder- österreichischen Waldstädten wird dies gelegentUch ausdrücklich constatiert.

Der Festungs-Stab von Wien wurde Ende 1743 neu geregelt. ^) Damach sollte der gegenwärtige Festungs-Commandant Feldmarschall Graf Khevenhüller (mit königlicher Resolution vom 12. April 1743 hiezu ernannt) als solcher jährlich 10.000 Gulden, dessen Nachfolger 12.000 Gulden, wenn er aber ein Regiment inne hatte, nur 8000 Gulden Gehalt haben und dieses „eine beständige Norma sein".^) Der Festungs-Stab bestand aus einem Platz-Major mit jährlich 1000 Guldon, einem Kriegsgerichts-Schultheiss mit jährlich 1200 Gulden, einem Ea*iegsgerichts-Schreiber mit jährlich 500 Gulden, einem Gerichtswebel mit jährlich 200 Gulden, einem Profossen mit jährlich 300 Gulden, einem Profoss-Lieutenant mit

*) „Regulament und Ordnung" für die kaiserliche Infanterie vom Jahre 1737 (letztes Gapitel).

*) Hof k. Arch., Hof-Finanz, 15. Januar 1744 (Hof-Kriegs rath, 28, November 1743, an die Hof kämm er).

*) Trotzdem musste der nach dem Tode Khevenhüller's zum Festungs-Commandanten von Wien ßmannte Feldmarschall Graf Königsegg sich mit seinem bisher genossenen Gehalt (ohne eigene Commandanten- Gage) begnügen. (Hofk. Arch., Hof-Finanz, 1. September 1744.)

Digitized by

Google

335

j&hrlich 200 Gulden, einigen Thorsclireibem, einem Ober-Ingenieur mit jährlich 1200 Gulden, einem Unter - Ingenieur mit jährlich 600 Gulden.

Das General-Eriegs-Commissarlats-Amt.

Dem seit dem Jahre 1650 bestehenden General - Kriegs- Commissariats-Amte wurde im Jahre 1726 Graf Nesselrode als „General-Kriegs-Commissaiius" vorgesetzt. Die bei dieser Gelegen- heit erlassene Instruction vom 11. Juli 1726^) fuhrt aus, dass das gesammte Kriegswesen „nach uralter Verfassung und beständigem Herkommen" nach der militärischen Seite einzig und allein dem Hof-Kriegsrathe, nach der öconomischen Seite einzig und allein von der Hofkammer abhänge imd diese beiden „Hofmitter* allein die bezüglichen kaiserlichen EntSchliessungen einzuholen hätten. AVenn es sich aber um die Ausführung der ertheilten Befehle handle, so könnten die genannten Hofstellen, besonders ausserhalb ihres Stand- ortes und vornehmlich bei den Armeen im Felde, „nicht anders, als per commissiones et commissarios operieren". Zur Oberaufsicht über diese in grosser Zahl nöthigen Commissäre und um sie ein- heitlich zu leiten und zu verhindern, dass sie weder durch Un- thätigkeit, noch durch eigenmächtiges Ueberschreiten ihrer Sphäre dem allgemeinen Besten Schaden zufügen, weiters, um einerseits alle Commissäre durch Subordination zu disciplinierter Thätigkeit verhalten zu können, um anderseits ein Organ zu haben, welches für ihr Thun und Lassen nach oben verantwortlich sei, habe der Kaiser den Grafen Nesselrode zum General -Kriegs-Commissarius ernannt, als welcher er Weisungen nur vom Hof-Kriegsrath und der Hof- kammer zu erhalten habe, auch nur diesen Bericht erstatten und von ihnen allein dependieren solle".

Trotz der hier ausdrücklich festgesetzten Abhängigkeit des Kriegs-Commissariats von Hof-Kriegsrath und Hofkammer lag in dem grossen Wirkungskreise des ersteren und seiner Wichtigkeit, besonders im Felde, der stete Anreiz zum Streben nach voller

') K. A., Kanzloi- Archiv, III, 7. Die Behauptung, dass das Commissariat schon von Leopold I. zu einer Hofstelle erhoben und dem Hof-Kriegsrath co- ordiniert worden sei, ist nach der ausdrücklichen Feststellung desHof-Kriegsraths- Präsidenten im Jahre 1746 irrig; doch strebten die General-Kriegs-Commissäre schon lange darnach, z. B. Feldmarschall Caraffa im Jahre 1689, ohne in- dessen zu reüssieren. (Vortrag des Grafen Harr ach vom 5. November 1746, H. K. R. 1747, Januar, 626 Exp.) Es geschah dies erst 1747.

Digitized by

Google

336

Unabhängigkeit. Als sich mit dem zunehmenden Alter und dem Tode des Prinzen Eugen ein wachsender Zerfall im Staats-, wie im Militärwesen einstellte, erstreckte sieh derselbe auch auf das Kriegs-Commissariat und sein Verhältniss zu den ihm vorgesetzten „Hofmitteln" und zu den Truppen, Die Zwietracht und die Eifer- süchteleien zwischen dem Hof-Kriegsrathe und dem Commissariate, worüber Maria Theresia sich wiederholt unzufrieden äusserte, waren armeebekannt und beeinträchtigten sehr das Ansehen des ersteren. Aber auch die Hofkammer fand oft Anlass, sich über den Mangel an Unterordnung seitens des Commissariats zu beklagen. Es bewies das Vorhandensein einer argen Verletzung ihres Rechtskreises, wenn sie im Jahre 1746 tadelnd constatieren musste, dass bei ihr schon seit drei Jahren fast gar keine Correspondenz des Commissariats eingelaufen sei und dass sie auch ebensolange von den Militär-Repartitionen nichts mehr wisse. ^) War so das Kriegs-Commissariat nach oben unbotmässig, so fand es auch seinerseits bei den Truppen activen und passiven Widerstand, indem sich dieselben nicht mustern Hessen und „nichts weniger als verlässliche' ^ Standestabellen einsendeten. ^) Das Amt sah sich daher ausser Stande, seiner eigentlichen Thätigkeit nach- zugehen und die Folge war, dass es Ende 1742 ohne Widerspruch in einer Ministerial-Deputations-Sitzung behaupten konnte, es ver- liere sich alle Disciplin, Jeder thue, was er wolle, die Truppen litten bei solchen Zuständen Mangel oder sie bedrückten die Länder. Maria Theresia fand sich damals veranlasst, zu resolvieren : „Vor Allem ist dem Verfalle der Militär-Disciplin . . . ernstlich zu steuern, des Commissariats Autorität herzustellen, nicht allein, um bessere Wirthschaft [zu erzielen], sondern um die Gebrechen all- sogleich anzuzeigen und zur Remedur zu bringen."

Uebrigens war das Kriegs-Commissariat an den wenig er- freulichen Verhältnissen nicht schuldlos. Es ist „in der That allgemein bekannt," sagte der Hof-Ej:iegsraths-Präsident in einem Vortrage vom 28. April 1745 an die Königin^), „wie es nicht minder Graf Nesselrode und der Oberst-Kriegs-Commissarius Graf Salaburg selbst bekennen, dass sonderheitlich die auswärtigen amtlichen Verrichtungen so unrichtig schlecht und langsam bisher

*) Ebendaselbst, Hof-Finanz, 30. November 1746.

«) K. A., F. A. Böhmen und Ober-Rhein 1744, XHI, 26 c. Die Weisungen, den schuldtragenden Commeuidanten die Gagen jener Monate einzustellen, von welchen die Eingaben ausblieben, scheinen nicht befolgt worden zu sein oder sie haben nichts gefruchtet.

») K. A., H. K. R. 1745, Mai, 912 Exp.

Digitized by

Google

337

versorgt worden, dass auch in minderen Sachen das hiesige General- Kriegs-Commissariats-Amt ans Mangel der Acten und Informationen nicht fortkonmien könne,, die von hier aus ergangenen Verordnungen gar nicht, oder nicht gebührend vollzögen werden".

Um die Verwirrung zu vermehren, kam es, wie der eben er- wähnte Vortrag ausfuhrt, häufig vor, dass die einzelnen Länder über die den Truppen gewährten Leistungen an Einquartierung, Etapen, Vorspann u. s. w. keine Rechnungen einsendeten, sich dieselben aber von ihrem Contributionale selbst abrechneten. Ver- fasste nun das Conmiissariat blos auf Grund der gestellten Landtags- Postulate und ohne Kenntniss solcher Leistungen die Militär- Repartition, so ergab sich dann oft, dass die für die Zukunft zu bestimmten Verwendungen au%etheilten Contributionen nicht mehr verfügbar waren. Personen und Truppen, welche mit ihren Gebühren inskünftig an die Contributionen bestimmter Länder verwiesen waren, giengen nun zunächst leer aus und mussten anderswoher versorgt werden.

So wuchs nicht nur die Geldnoth, sondern es wussten schliess- lich der Hof-Kriegsrath, die Hofkammer und das Commissariat nicht mehr, was sie von den Ländern noch zu fordern und was sie der Armee noch zu zahlen hatten.

Das Ansehen und die Macht, die jedem controlierenden Organe naturgemäss zukommen, verleiteten die Organe des Com- missariates häufig zu Eigenmächtigkeiten und Uebergrifien gegen- über den Truppen und Branchen des Heeres, ja selbst gegenüber den Literessen der Länder und ihrer Organe, so dass deis Commis- sariat sich nach allen Seiten hin der weitestgehenden Unbeliebtheit zu erfreuen hatte, was seiner Amtsthätigkeit in jeder Richtung sehr hinderlich wurde. Zu alledem kam, dass die Organe des Commis- sariates, in erster Linie berufen, die ehrliche Gebahrung überall zu controllieren und zu erzwingen, selbst nicht immer reine Hände bewahrten und ihr natürliches Uebergewicht in eigennütziger Weise missbrauchten. Eine Eingabe der böhmischen Stände in Angelegen- heit der ständischen Recrutierung aus dem Jahre 1746 behandelt die grobe Bestechlichkeit der assentierenden Kriegs-Commissäre als eine keines Beweises bedürftige und allgemein gekannte Thatsache ^) und auch dasjenige, was die Protomedici Doctor Brady im Jahre 1744 und Doctor Engel im Jahre 1746 über die kostspielige Ge- bahrung mit dem Sanitätsmateriale und über die Behandlung der

») K. A., F. A. Marsch der k. k. Truppen in die Niederlande 1746, XI, 3. Oesterreichischer Erbfolgekrieg. I. Bd. 22

Digitized by

Google

338

Feldspitäler und des ärztlichen Standes durcli die Commissariats- beamten vorbrachten^), lässt die letzteren in einem sehr bedenk- lichen Lichte erscheinen.

Eine Eeform war daher auf alle Fälle eine dringende Noth- wendigkeit und wurde von dem, nach Nesselrode's Resignation (Ende 1745) zum General- Kriegs -Commissär ernannten Grafen Salaburg durch die Selbstständigmachung des Commissariats ein- geleitet, wozu er gegen die eindringlichste Einsprache des Hof- Kriegsrathes und der Hofkammer die Beistimmung Maria There- 8 i a's erlangte. Ein Eescript der Kaiserin-Königin vom 6. Januar 1747 erhob das General-Kriegs-Oommissariat zum Eange einer un- mittelbaren Hofetelle (Ministerium) ^ ; die für dasselbe ausgearbeitete Instruction vom 28. December 1746*) hatte indessen nur noch auf das letzte Jahr des Krieges Einfluss.

Insoweit sich die "Wirksamkeit des Kriegs-Commissariates auf , die Ueberwachung der Oeconomie einschliesslich der Standesver- hältnisse der Regimenter bezog, ist dieselbe aus der, in jeder Be- ziehung sehr illustrativen Musterungs-Instruction vom Jahre 1748 zu ersehen.*) Musterungen waren jährlich zwei, im Frühjahr und im Herbste oder vor und nach einer Campagne vorzunehmen. Das Commisaariat war jedoch auch verpflichtet, die Truppen oderTheile derselben ausser den Musterungs-Terminen unvermuthet zu inspicieren, wofür der technische Ausdruck „Revision" in Gebrauch war. Ueber jede Musterung oder Revision war eine Relation zu erstatten und durch dieselbe die Behebung der vorgefundenen Uebelstände an- zuregen.

Sonst oblag dem Commissariate noch die Verfassung der ,,Militär-Repartition" (Budgetierung), die Ueberwachung der Schlag- fertigkeit der Armee, also auch die Ueberwachung der Müitär- Cassen, des Proviant-Stabes und der Proviant-Magazine, sowie endlich der Kranken- Anstalten und Apotheken, jedoch bis Ende 1746 im Einvernehmen und unter verantwortlicher Leitung der Hofkammer und des Hof-Kriegsrathes. Zur Geldanweisung bei den Militär- Gassen war es nur ausnahmsweise mit besonderer Bevollmächtigung seitens der Hofkammer, nie aber an deren Amtssitze und immer

') Siehe unten „Sanitätswesen".

^ K. A., H. K. R 1747, Januar, 626 Exp.

*) Hofk. Arch., Hoffinanz, 1. Januar, 30. November und 28. December 1746. K. A., Kanzlei- Archiv, DI, 8 ; H. K. E. 1746, December, 612 Exp. und 1747 Januar 626 Exp.

*) Anhang Nr. 9.

Digitized by

Google

339

nur auf begrenzte Zeit berechtigt; auch dann durfte es für seine eigenen Individuen sonst nichts, als die normale Besoldung anweisen.

Im Felde war jeder selbstständigen Armee, bei der nicht der General- oder Oberst-Kriegs-Commissär selbst anwesend war, eine „Oeneral-Kriegs-Commissariats- Amts-Feld-Substitution" beigegeben, welche unter Leitung eines Ober-Kjiegs-Commissärs stand und Kriegs-Commissäre und Amts-Officiere nach Erfordemiss zugewiesen erhielt.

Der Dienstverkehr des Kriegs-Commissariats concentrierte sich in dessen „Amts-Kanzlei" in Wien, mit welcher eine Buchhalterei (Controlstelle) verbunden war. An der Spitze derselben stand der Amts-Kanzlei-Director, unter demselben im Jahre 1740 vier Amts- Secretäre, ein Amts-Registrator und -Expeditor mit einem Ad- juncten, zwei Buchhaltern, fünf Concipisten, femer, in den Ländern zerstreut, sechsundzwanzig Kanzlisten und eilf Accessisten als Kanzlei- Personale der einzelnen Amtsdistricte. ^)

An Q-ebtihren bezog Graf Nesselrode als General - Kriegs - Conunissär jährlich 18.000 Gulden, Graf Salaburg als Oberst - Kriegs - Commissär 10.800 Gulden, überdies jeder die Gage der von ihm bekleideten Generals - Charge (General der Cavallerie, respective Feldmarschall -Lieutenant), der Amts- Kanzlei-Director von der Mark 2736 Gulden, ein Amts - Secretär 2160 Gulden, u. s. w.

Den eigentlichen Dienst bei den Truppen in den Ländern und im Felde versahen die Ober-Kriegs-Commissäre, die Kriegs- Commissäre und die Amts-Officiere. Ober-Kriegs-Commissäre waren schon seit Jahren für folgende Districte normiert: Italien, Nieder- lande, Böhmen, Mähren, Schlesien, Nieder-Oesterreich, Ober-Oester- reich, Inner-Oesterreich, Siebenbürgen, Banat, Slavonien, Pressbiirg, Oedenburg, Ofen, Kaschau, Grosswardein imd Neusohl; auch für das „Feld-Artülerie-Haupt-Corpo" war ein Ober-Kriegs-Commissär festgesetzt. Im Anfang des Jahres 1745 gab es deren jedoch nur dreizehn (mit einem Jahresgehalte von je 1584 Gulden), von welchen nach Nesselrode's eigener Angabe nur fünf feldkriegsdienst- tauglich waren, femer sechsundvierzig Kriegs-Commissäre (mit je 1200 Gulden) und zweiundzwanzig Amts-Officiere (mit je 540 Gulden). Im Laufe desselben Jahres erhöhte Maria Theresia dön Stand der Ober-Kriegs-Commissäre auf achtzehn, den der Kriegs-

*) Staats-Kalender oder Hof-Schematismus 1740.

22*

Digitized by

Google

340

Commissäre auf dreiundfünfeig und setzte jenen der Amts-Officiere auf zwanzig herab. ^)

Die Kosten für das Kriegs - Commissariat ausserhalb der Niederlande und Italiens betrugen für das Jahr 1739 die Summe von 141.972 Gulden. 2)

Nicht zu verwechseln mit dem (Feld-)Kriegs-Commis8ariate sind die Land-Kriegs-Commissariate, welche in jedem Kronlande bestanden. Sie gehörten nicht dem Kriegsstaate an, müssen aber hier erwähnt werden, weil sie oft in Verbindung mit Truppen genannt werden. Es erscheinen General-Land-Eüegs-Com- missäre, Viertels- oder auch Führungs-Commissäre, in Ungarn Pro- vincial-Commissäre u. s. w. Ihre Organisation war Sache jedes ein- zelnen Landes; ihre Aufgabe war überall die gleiche: das Land bei Gelegenheit von Truppendurchmärschen, von Transporten aller Art, von längeren Cantonnierungen und von Recrutierungen vor Schaden zu bewahren. Die krainerischen Stände fanden sich 1738 veranlasst, fiir ihre Land-Kriegs-Commissäre eine eigene Instruction ausarbeiten zu lassen; sie hatten unter anderem auch gefunden, dass die ihnen vom Küegs-Commissariate eingesendeten Marsch- documente und Verpflegsentwürfe „öfters mancos und unzuver- lässlich" seien. ^

Es kam vor, dass sich die Organe des Feld-Kriegs-Oommis- sariats mit jenen der Land-Commissariate nicht vertrugen; so wollten im Jahre 1741 in Böhmen beide sich einander nicht unter- ordnen, beschimpften sich gegenseitig und tractierten sich sogar mit Thätlichkeiten, hinderten die gegenseitigen Transports- und andere Dispositionen, machten sich aus den beiderseitig verwalteten Vorräthen ein Geheimniss, beschuldigten sich gegenseitig sogar bezüglich der Qualität der eingelieferten Naturalien, dann boshafter Schwierigkeitsmacherei. Und das Gleiche war der Fall zwischen den Beamten des Feld-Proviant- Amtes imd jenem des Land-Proviant- Amtes, so dass bestimmt werden musste, es seien sowohl die Feld-, als die Land-Kriegs-Commissäre, sowohl die Feld-, als die Land-Proviant- Organe „mit gleichen Würden und Ehrenbezeigungen anzusehen".*)

1) K. A., H. K. ß. 1745, Mai, 959 Exp. und 72 Reg.; auch H. K. R. 1745, IV, 3 a— e.

«) K. A., Memoiren, VIII, 12.

«) K. A., F. A., Böhmen und Schlesien 1740, VI, 6 (Instruction für die Herren Land-Kriegs- Commissarien vom 27. Juni 1740).

*) Hofk. Arch., Hoffinanz, 29. Juli 1741.

Digitized by

Google

341

Kein Wunder, dass bei solchen Zuständen die Verpflegung der Armee oftmals keine zureichende war.

Das Obrist-PrOTiant-Amt.

Das Obrist-(Feld-)Proviant-Amt war eigentlich ein Departement der Hofkammer und das ausführende Organ der letzteren in Bezug auf die Sicherstellung des für die Garnisonen (besonders in Ungarn) und die Armee im Felde nothwendigen Proviant - bedarfes, dessen Aufbringung, Vertheilung, Magazinierung, Con- servierung und Verrechnung. In Folge dessen war ihm das Militär- Fuhrwesen, sowie das Bäckerpersonale im Frieden und im Kjiege untergeordnet.

Befehle vom Hof-Kriegsrathe konnte es nur durch Vermittlung der Hofkammer erhalten. Dem Kriegs-Commissariate stand organi- sationsgemäss die Controle seines Standes, seiner Thätigkeit und der Proviantvorräthe zu. Im Felde waren die Organe des Proviant- Amtes nächst dem Feldherm an die Commissariats - Beamten gewiesen.

Sowohl das Obrist-Proviant-Amt in Wien, als auch meistens die Proviant-Stäbe der Armeen im Felde waren mit einer Proviant- Casse versehen, welche von der Hofkammer imd im Felde auch oft von der Operations-Casse dotiert wurde.

In der Regel wurden die Personen des Proviant-Stabes, sowie des Proviant-Fuhrwesens und der Bäcker-Compagnie nur auf Kriegsdauer aufgenommen und im Frieden nur die Tauglichsten beibehalten, insoweit es der Dienst beim Obrist-Proviant-Amte, bei Magazinen in den Ländern und wichtigeren Festungen unbedingt erforderte. Daher musste nach dem preussischen Einfalle in Schlesien erst an die Aufstellung des Feld-Proviant-Stabes und seiner Dependenzen geschritten werden. ^)

Die Stärke eines solchen Feld -Proviant- Stabes war nach der Stärke der Armee verschieden.

An der Spitze des Obrist-Proviant-Amtes stand der „Obrist- Proviant-Amts-Obristlieutenant". Im Jahre 1740 hatte der schon im spanischen Successions - Kriege vielverwendete Hofkammer- Eath Georg Freiherr von Harrucker diese Stelle inne; nach seinem bald erfolgten Tode trat 1742 der bisherige Pro viant-Ober- Commissär Ferdinand Bosch an seinen Platz.

*) Hofk.-Arch., Reichs- A., Fase. 165, Conferenz-Protocoll vom 5. und 9. Januar 1741.

Digitized by

Google

342

Die Proviant-Amts-Kanzlei in "Wien bestand* aus folgenden

Personen ^) :

Im Jahre

1740 1747

Obrist-Proviant-Amts-Obristlieutenant .... 1 1

Ober-Proviant-Commissar . 1 1

Proviant-Oommissär und Amts-Cassier ... 1 1

Proviant-Amts-Buchlialter 1 1

Proviant- Verwalter 1

Obrist-Proviant-Amts-Kanzlei-Officiere ... 6 2

Obrist-Proviant-Amts-Buchhalterei-Ofificiere . . 3 1

Obrist-Proviant-Amts-Fourier 1 1

Während im letzten Türkenkriege die Organe des Obrist- Proviant-Amtes im Allgemeinen gut ihren Dienst versahen und, wo dieser doch zu wünschen übrig Uess, mehr die unzureichende Zahl der Fuhrwerke und Tragthiere, sowie der trostlose Zustand oder Mangel der Wege die Ursache waren, scheint dies in den ersten Jahren des Erbfolgekrieges nicht immer der Fall gewesen zu sein. Prinz Carl beschwerte sich im Spätherbste des Jahres 1743 persönlich gegenüber Maria Theresia über den schlechten Stand des Proviantwesens. Die Königin erwiderte ihm mit Eescript vom 18. October: „Noch vor Einlaufung dieser Note [des Prinzen] habe jene Stellen, in welcher Sphaeram es einschlägt, sehr nachdrucksam hierüber zur Rede gestellt, diese aber mit dem sich entschuldigt, dass sie gar keine Kenntniss von des Werks Manipulation hätten. Nun ist aber ganz wohl begreiflich, dass, wann diese mangelt, einestheils sich von hier aus nicht helfen lasse und andemtheils ohnmöglich falle, geringerer Subalternen Eigennützigkeiten zu entdecken und abzustellen." ^ Auch herrschte oftmals Zwietracht und Eifersucht zwischen Beamten des Commissariats und des Feld-Proviant-Amtes und wollten letz- tere die von den ersteren mit Recht geforderte Subordination nicht leisten. ^)

üeber die Standes- und die Gebühren- Verhältnisse des Proviant- Stabes nach Abschluss des Dresdener Friedens gibt folgende Tabelle Aufechluss :

^) Staats-Kalender oder Hof-Schematismus 1740 und 1747. •) K. A., F. A. Bayern und Ober-Rhein, 1743, X, 35. ') Hofk. Arch., Hoffinanz, 7. Februar, 9. Mai 1742. An diesem Um- stände scheint übrigens das Commissariat auch nicht schuldlos zu sein.

Digitized by

Google

343

Digitized by

Google

B44

Das Obrist-Land- und Haas-Zeng-Amt.

Die Leitung des Festungs- Artillerie- und des Zeugwesens war Sache des Obrist-Land- und Haus-Zeug-Amtes, an dessen Spitze der Obrist-Land- und Haus-Zeugmeister in Wien stand. Doch waren seiner Amtswirksamkeit um das Jahr 1740 entzogen: Liner- Oesterreich, wo das Artilleriewesen der innerösterreichischen Kriegs- Stelle unterstand; Ober- und Vorder-Oesterreich, für welche Länder- gruppe im Jahre 1740 ein eigener Functionär in der Person des Feld-Zeugmeisters Grafen Montrichier in Innsbruck bestand imd dem Militär-Directorium daselbst untergeordnet war ; endlich Italien und die Niederlande, wo (neben Detachements der Feld-Artillerie) noch eine eigene National-Artillerie unter der vom Monarchen eingesetzten Landes-Regierung existierte. ^)

Eine solche vielköpfige Leitung konnte der Sache selbst nicht zuträglich sein. Der Vorschlag, Feld-, Land- und Haus-Artillerie unter einem Haupte zu vereinigen, wurde denn auch schon im Jahre 1741 gemacht^, ohne indessen sogleich 'durchzudringen.

Die Instruction, welche am 7. August 1741 für den (an Stelle des verstorbenen Feldmarschalls Grafen Wirich Dann) zum Obrist- Land- und Haus-Zeugmeister ernannten Feldmarschall Grafen Lothar Königsegg ausgefertigt wurde ^), weist demselben noch den eben bezeichneten begrenzten Amtskreis zu. Er war, wie sein Vorgänger und Amtsnachfolger, ganz an den Hof-Kriegsrath gewiesen und durfte mit keiner anderen Hofstelle direct verkehren. Seiner Obhut waren die in den Zeughäusern seines Bereiches befindlichen „grossen und kleinen Artillerie-Sorten, Wehr und Waflfen mit allen Kriegs- requisiten, wie solche immer Namen haben mögen", anvertraut. Von ihm wurde die Nothwendigkeit der Nachschaffungen dem Hof-Kriegsrathe begründet, ohne dessen Bewilligung er die Vorraths- ziffer der einzelnen Zeughäuser (gewöhnlich in Festungen) nicht ändern durfte. Ueber das ihm unterstellte Haus-Artillerie- und Zeugs-Personale übte er das Disciplinar-Stxafrecht aus; schwere Justiz-Fälle hatte er dem Hof-Kriegsrathe zu melden. Die Anstellung beim Haus-Artillerie- und Zeugswesen erfolgte auf seinen gut- achtlichen Antrag gleichfalls von dieser Centralstelle. Besondere

*) Oberst und Commandant des mailändischen National-Artillerie-Corps war seit 1726 Graf Stampa; die Instruction für diesen (mittlerweile General- Feld- Wachtmeister) vom Jahre 1730 im K. A., Kanzlei- Archiv, V, 62.

*) K. A., Memoiren, IX, 70 („Allerunterthänigste, treugehorsamste wohl- meinende Gedanken" von einem unbekannten Verfasser).

•) K. A., Kanzlei-Archiv, V, 69.

Digitized by

Google

345

Vorsicht sollten er und seine Organe bei Zeugslieferungen auf- wenden, damit das Aerar weder der Zahl, noch der Qualität nach tibervortheilt werde; immer aber sollten bei Lieferungen die in- ländischen Gewerkschaften, inländisches Material und die inländische Industrie zuerst berücksichtigt werden. Die Anregung von Fort- schritten und die Nutzbarmachung solcher auf dem Gebiete der Geschützgiesserei war seine besondere Pflicht ; doch war ihm hiebei, sowie in Bezug auf die Vorräthe der Zeughäuser die Geheimhaltung auf das Strengste geboten. Damit im Zusammenhange stand die Vorschrift, wenn möglich nur inländisches Personale römisoh- kathoHscher Iteligion zu verwenden, womit jedoch erprobte Aus- länder oder Akatholiken „ohne Nachtheil der ersteren keineswegs ausgeschlossen" wurden. Die Lieferungs-Contracte wurden bei ihm in Beisein von Organen des Hof-Kriegsrathes und der Hofkammer berathen; die Ausfertigung derselben aber geschah von der Hof- kammer allein. Derselben mussten auch alle Rechnungen jährlich eingesendet werden, während die Zeugs-Erfordemiss-Aufsätze und die monatliche Geldverwendung dem Hof-Kriegsrath nachzuweisen waren. Dem Feldmarschall Königsegg wurde nebst einer Naturalwohnimg neben dem Zeughause auf der Seilerstätte in Wien und nebst den sich ergebenden „Liefergeldem" (Taggeldem) „die gewöhnliche Besoldung mit jährlichen 1000 Gulden" zuerkannt.

Als derselbe durch seine Berufung nach den Niederlanden dauernd von Wien abgehalten wurde, kam die Function des Obrist- Land- und Haus-Zeugmeisters an den General der Cavallerie Fürsten Joseph Wenzel Liechtenstein, dessen Name eine neue und ruhmvolle Epoche im österreichischen Artilleriewesen einleitet. Indessen trat die Wendung zum Bessern erst deutlich erkennbar nach Wiederherstellung des Friedens ein und fällt daher nicht mehr in den Rahmen dieser Darstellung. Bevor der bald zum Feldmarschall beförderte Fürst ungestört an seine so erfolg- reiche Umwandlung der österreichischen Artillerie gehen konnte, war es ihm noch vergönnt, auf Italiens Schlachtfeldern den Lor- beer des siegreichen Feldherm zu pflücken.

In der ihm ertheilten Instruction vom 3. Juni 1744^) kam der schon berührte Gedanke der Unterordnung des ganzen Artillerie- wesens unter ein Haupt fast vollständig zum Durchbruch, wie es scheint, nicht ohne Widerstreben des Hof-Kriegsrathes. Mit der- selben wurde ihm „die Absicht und Besorgung nicht nur Unserer

>) K. A.,F. A. Böhmen u. Ob.-Bhein, 1744, VI, 5 u. H.K. A. 1741, Mäi, 718 Eeg.

Digitized by

Google

346

gesammten Feld- Artillerie, sondern auch über alle Haupt- und Filial- Zeughäuser in den hungarischen und böhmischen, wie auch ober-, vorder-, dann inner- und unterösterreichischen Erb-Königreichen und Landen inclusive der beiden Warasdiner und Carlstädter Generalate, nebst der Lombardei anvertraut und aufgegeben". Seinem Einflüsse bHeben also blos die Niederlande entzogen. Mit Aus- nahme zweier Puncte über die Feld-Artillerie, welche auf dem vom Feld-Zeugmeister Born er eingerichteten Fusse erhalten werden soUte, ist die Instruction für Liechtenstein gleich jener für Königsegg. In Folge des erweiterten Wirkungskreises des Zeug- Amtes sollte es seit 1 745 auf Befehl Mari a^T h e r e s i a's künftighin „Q-eneral-Feld- Land- und Haus- Artillerie- Zeug- Amt'' heissen. ^)

Dessen unmittelbare Organe in Wien waren die Zeug-Amts- Kanzlei, das Zeug-Zahlamt und der Zeug- Amts-Stab. Erstere bestand aus sechs Individuen, dem Zeug-Amts-Secretär, dem Zeug- Am ts- Expeditor und vier Zeug-Amts-Kanzlisten. *)

Dem Zeug-Zahlamte stand bis 1742 ein Zeug -Zahl- meister vor. Ein Vorschlag, welcher im Jahre 1741 dem Hof-Kriegs- rath wegen dieses Amtes gemacht wurde ^), erzählt, dass durch die von verschiedenen aufeinandergefolgten Zahlmeis^m „theils began- genen strjrfmässigen Cassa-Eingriffe, theils sonst bei ihnen erwach- senen anderen namhaften Abgänge das . . . Aerarium in einen so unersetzHchen Schaden von vielen Tausend Gulden verfallen sei'' und beantragt die Reform „dieses zu immerwährenden Unrichtig- keiten gleichsam verhängten officii". Diese erfolgte auch zufolge eines gemeinsamen Vortrages des Hof-Kriegsrathes und der Hof- kammer am 8. Januar 1742 an die Königin*) dahin, dass die Charge des mit jährlich 1325 Gulden besoldeten Zeugmeisters aufgehoben und an dessen Stelle nur ein Zeug-Cassier mit jährUch 600 Gulden eingesetzt wurde ; derselbe sollte dem Hof-Kriegsrathe unterstehen, aber nur das auszahlen dürfen, wofür er die Anweisung des Obrist-Land- und Haus-Zeugmeisters hatte. Der wichtigste

*) Hofk. Arch., Hoffinanz, 9. November 1745 (Zuschrift des Hof-KÜegs- rathes ddo. 30. October 1745).

«) K. A., H. K. E, 1746, August, 31 Exp., 736 Exp. und 7 Eeg.

») Hofk. Arch., Hoffinanz, 26. September 1741.

*) Ebenda, 30. Januar 1742. Worin die Missstände im Zeug-Zahlamte bestanden, wird aus dem Entwürfe einer Instruction für den Zeug-Zahlmeister vom Jahre 1741 (K. A., Kanzlei- Archiv, V, 69/1} klar; dieser Entwurf kam in Folge der Reform nicht zur Ausfertigung.

Digitized by

Google

347

Theil der Reform bestand jedoch darin, dass der jährliche Verlag des Zeug-Zahlamtes von 60.000 auf 20.000 Gulden herabgesetzt und die Bezahlung der in den Ländern zerstreuten Haus- Artillerie-Posten an die ihnen nächstgelegenen Militär -Gassen überwiesen wurde.*)

^) Diese 60.000 Gulden stammten aus den Contiibutionen der Erbländer und waren für die Haupt-Zeughäuser in Wien (56.000 Gulden) und Innsbruck (4000 Gulden) bestimmt. Ein Bericht des ober- und vorderösterreichisch en Militär - Directors Feldmarschall - Lieutenants Grafen v. Rost vom 17. Juni 1740 (Hofk. Arch., Ober-Oesterreich, 6. August 1740) klagt, dass die seit Jahren für das Zeugwesen „Ober-Oesterreich" ausgeworfenen 4000 Gulden von dor oberösterreichisohen Hofkammer zum Theile auf den Bau der verschiedenem Achen und andeier Dinge verwendet worden seien, woher es komme, d&hs die schon seit mehreren Jahren für Kufstein angetragenen sechs eiserne u Mörser noch immer nicht beigestellt seien.

Die für Wien ausgeworfenen 56.000 Gulden erhielten 1740 und 1741 folgende D etail Widmungen :

1740 1741

Zur Gussfortsetzung in Wien und Ofen (eventuell Sieben- bürgen) für Zinn aus Schlakenwalde und Kupfer

aus den Bergstädten fl. 1.830-— fl. 4.110-—

Für Artillerie-Fassung und andere Zeugarbeiten (Eisen

aus den Werken des Stiftes Admont) 6.584*30 2.182*30

Für die Armaturs - Meisterschaft zu Wiener - Neustadt

„wegen Erzeugung der jährlichen 2000 Stück

Flinten neuer Art" & 4 fl S.OOO*-- 8.000-

Für die Besoldung des Erzeugungspersonales daselbst . 392* ,, 392* Für 2000 Eeiter-Cürasse mit Hinter- und Vordertheil

ohne Caskett 15 fl. 5 kr.) 10.500--

Für 1000 solche Cürasse mit ,, gehöriger Weise auf Leder

gesetztem Caskett" (ä. 6 fl. 30 kr.) . . -6.500-—

Für Siebenbürgen (Gewehr-Reparatur, Zeugs-Eisen und

Verlag) 1.200-— 1.200'-

„Bleiben an diesjährigem Fondo auf Giesserei, Verdienste,

Zeugs-Arbeit, Gebäu, Liefergelder (Diäten) und

andere Bestreitungen zum Verlag an die Zeug-

Zahlamts-Cassa" „28.493-30 „33,615-30

An Zeugholz war in beiden Jahren genügender Vorrath vorhanden.

Die Lieferung der Cürasse wurde dem königlichen Stuckhauptmann und Ober-Feuerwerksmeister Anton Penzeneder „aus seiner zu Steyer im Lande ob der Enns stehenden Fabrique", aus welcher er in den vorhergehenden und nachfolgenden Jahren auch viele Tausende von Gewehren an das Aerar lieferte, übertragen. (Hofk. Arch., Hoffinanz 11. Januar 1740 und 12. Juli 1731). Din Vortrag des Hof-Kriegsrathes vom 2. December 1742 (K. A., H. K. R.* 1742, December, 120 Exp.) fuhrt aus, diese 60.000 fl. seien in früheren Jahren auch ausgezahlt und verwendet worden, sonst hätten die Vorräthe den bisherigen Anforderungen gar nicht genügt. Aber seit drei Jahren seien sie ganz ausgeblieben, was im Interesse des AUerTiöchsten Dienstes sehr zu be- dauern sei, da „die Artillerie die Seele der Feld- Operationen ist".

Digitized by

Google

848

Das Haupt-Zeug -Amts-Stab in Wien bestand 1740 aus folgenden Personen *) : ein Zeug-Lieutenant, ein Stuckhauptmann und Ober-Feuerwerksmeister (Penzeneder), ein Zeug- Amtsschreiber, vier Zeugdiener, ein Stuckgiesser , ein Stuckverschneider, ein Büchsenmeister-Corporal, fünfzehn Büchsenmeister, neim Zeughaus- werkmeister und noch einige untergeordnete Individuen.

Das Fortiflcationsbau-Zahlamt

Dieses Amt wird in den gleichzeitigen Acten so selten erwähnt, dass der Schluss nahe liegt, es habe seinen früheren Geschäftskreis zur Zeit des Todes CarTs VI. nicht mehr innegehabt, sondern nach und nach an andere Organe (Hofkammer, Commissariat, Proviant- Amt, Ingenieure, Haus-Zeugamt) abtreten müssen und seine Thätigkeit nur mehr auf Wien beschränkt. Seine frühere Aufgabe war die Besorgung der administrativen und finanziellen Angelegenheiten der auf Anordnung des Hof-Kriegsrathes durch eigens delegierte Ingenieure auszuführenden oder von den Festungs- Commandanten zu leitenden Festungsbauten, weiters die Beischaffung des Schanzzeuges und sogar die Verproviantierung der festen Plätze, insbesondere aber die Befestigung Wiens.

Der „Staats-Kalender oder Hof-Schematismus" für das Jahr 1740 führt beim Fortificationsbau-Zahlamte folgende Functionäre an : ein Fortificationsbau-Zahlmeister, ein Fortificationsbau-Zahlamts- Gegenhandler (Controlor), acht Sperr - Einlass - Nehmer, (welche Chargen auch noch in der hofkriegsräthlichen Taxordnung vom Jahre 1-745 genannt werden), vierzehn Supernumerarii, vier Schanz- oder Wallknechte, ein Ober- und ein Unter-Ingenieur.

Das Obrist-Schiff-Amt

Das Obrist-Schifi*-Amt ^ war eine Behörde, welche nicht nur militärischen Zwecken, sondern auch den Bedürfnissen des Hofes (Fahrten nach Pressburg, Jagdfahrten u. a.) und fiscalischen An- forderungen (Salztransporte auf der Donau und Theiss, Einhebung der üeberfuhr- und Brückengelder) genügen und schliesslich selbst den Strompolizei-Dienst versehen musste. Im Kriege wurde aus seinen Beständen das Material für die Kjiegsbrücken zusammen- gestellt. Zu all' diesen Aufgaben musste das Obrist-Schiff-Amt die

^) Staats-Kalender oder Hof- Schematismus v. J. 1740.

*) K. A., Memoiren, XV, 24 (ein Aufsatz des Bruckhauptmanns Eschen- auer vom 20. Februar 1749).' Vergl. Feldzüge des Prinzen Eugen, I, 200 ; auch den Staats-Kalender oder Hof- Schematismus vom Jahre 1740.

Digitized by

Google

349

nöfchigen Wassertransporfcmittel mit allem Zugehör, die erforderliche Mannschaft und fiir den „Gegentrieb" (bei der Fahrt gegen den Strom) die Zugthiere aiifbringen.

Der Dienst des Obrist-Schiff- Amtes in militärischer Besdehung bestand nebst der Aufstellung von Feld-Kjiegsbrücken, dann stabiler Schiffbrücken bei wichtigen Uebergangspuncten (z. B. Linz, Kxems [Stein], Wieu, Pressburg, Pesth, Esseg, Szegedin) und zahlreicher ständiger Ueberfahren, in der Verwahrung und Verwaltung des Materials in bestimmten Stationen und in der Besorgung der Wassertransporte von Mann, Kjiegsmaterial und Kjiegsbedürfaissen aller Art.

In den wichtigsten Stationen, besonders wo sich ständige Schiffbrücken befanden, waren Bruck-Hauptleute oder Bruck-Lieute- nants, in den minder wichtigen Schiffverwahrer oder Bruck-Ünter- ofi&ciere als Aulsichtsorgane in Verwendung. Solcher Stationen waren in Nieder-Oesterreich : Stein (bei Krems), Traismauer, Tulln, Komeuburg, Klostemeuburg ; in Ungarn: Pressburg, Raab, Komom, Gran (1745 aufgehoben), Pesth, Baja (1745 aufgehoben), Uj-Palanka, Peterwardein, Pancsova, Esseg, Szegedin, Zenta, Titel, Temesvir. Dem Ober-Bruokhauptmann in Pressburg oblag die Inspicierung der auf- gezählten Schiffämter und Schiffverwahrungen in Ungarn. Im August des Jahres 1740 befanden sich beim Obrist-Schiff- Amte in Wien und in den ungarischen Schiff-Stationen (ausser den zweiunddreissig blechernen Pontons zu Peterwardein) im Ganzen 842 Fahrzeuge, wovon jedoch nur 614 nach entsprechenden Reparaturen als brauchbar, 228 hingegen als völlig unbrauchbar ausgewiesen wurden. Die Fahr- zeuge hatten verschiedene Grössen und verschiedene Benennungen: Klobzillen, Kehlheimerui,GamsziLlen, Arztzillen (Erzzillen?), Siebnerin (ein Schiff, welches sieben Fuder Salz verfrachtete), Sechseria (analog wie vorher), eichene Brackl-Schiffe, Stock-Plätten, Steuer-Plätten, Rosenheimer-Plätten , Salzburger-Plätten. Mit den stärksten Vor- räthen waren versehen: Wien, Komom, Pesth und Peterwardein.^)

Der in Philippsburg befindliche, ebenfalls dem Obrist- Schiff- Amte in Wien untergeordnete Schiffbrückenstand wurde im Jahre 1743 abgedankt und dessen 53 fast durchgehends reparaturs- unfähige Schiffe verkauft. ^

•) Hofk. Arch., Hoffinanz, 16. November 1740. Das Schiff- Amt wurde bis zum Jahre 1748 „alljährlich mit einer namhaften Anzahl neuer Siebnerin und Sechserin aus dem Salzkammergut Gmunden versehen", in dem genannten Jahre aber war darauf keine Hoffiaung zu machen und derVorrath in Wien auf zwölf Stücke zurückgegangen. (Ebenda, 16. Juli 1748.)

«) Ebenda, 18. October 1743.

Digitized by

Google

3B0

Das Obrist-SchiflF-Amfc in der Leopoldstadt („am Tabor") zu Wien und dessen Dependenzen standen seit dem Jahre 1730 unter der Leitung des „Obrist- Schiff- Amts -Obristlieutenants" Claudius Le Fort du Plessy, welcher jährlich 2.764 Gulden Gehalt bezog. SeinPersonale bestand aus: einem Obrist-Schiff- Amts-Schreiber, einem Obrist-Schiff- Amts- Verwalter, einem Obrist-Schiff- Amts- Officier, einem Schuppenmeister, einem Stadel- (Schuppen-) Knecht und einem Profossen. Das Amt kostete jährlich 4.175 Gulden 15 Kreuzer. Seine Besoldungen und den Verlaig bezog es durch das Banco- Bruckbau-Zahlamt, welches aus dem Bruckbau-Zahlmeister und dem Bruckbau-Zahlamts-Controlor, dann noch drei Individuen bestand und indirect von der Hofkammer dependierte.

Das Obrist-Schiff- Amt und die Schiff- Aemter unterstanden der Controle des Kriegs-Commissariats. Die Erfordemiss-Aufsätze für das gesammte Schiffs- und Pontonswesen wurden von Delegierten des Hof-Kriegsrathes, der Hofkammer und des Commissariats unter Beiziehung des Obrist-Schiff'-Amts-Obristlieutenants berathen.

Das Obrist-Schiff- Amt und die ungarischen Schiff- Aemter waren im Jahre 1740 mit Schulden so überhäuft, dass Oberstlieutenant Le Fort im August die Hofkammer dringend um eine Abschlags- rate bitten musste, da er fast stündlich um Zahlungen angegangen werde; das angerufene „Hofmittel" bewilligte hierauf 1000 Gulden.

Das General-Feld-Kriegs- Anditoriats-Amt ^)

Diese höchste militärische Justizbehörde wurde von dem General-Feld-Kjriegs-Auditor (1740 von Summerau) geleitet, welcher Referent der militärischen Centralstelle und selbst meist Hof-Kriegs- rath war. Er fungierte in allen jenen criminal- und civilgerichtlichen Fällen, über welche dem Hof kriegsrathe die Gerichtsbarkeit zustand.

Ihm war ein General-Auditor-Lieutenant, ein Feld-Gerichts- schreiber und das sonst nöthige Kanzlei-Personale beigegeben. General- Auditor-Lieutenants standen im Jahre 1740 auch in Graz, Raab, Esseg, Hermannstadt, TemesvÄr, Szegedin, Mailand, Brüssel und in Toscana; Landes- Auditore zu Ofen, Komom, Kaschau, Peterwardein und Linsbruck.

Ln Felde befand sich bei jeder grö»seren Armee ein General- Auditor-Lieutenant eilige theilt und besorgte jene Gerichtsfälle, welche ausser der Competenz der mit dem , jus gladii" ausgestatteten Truppenchefs lagen, also dem commandierenden General zufielen.

*) Feldzüge des Prinzen Eugen, I, 202. Staats-Kaleuder etc. 1740.

Digitized by

Google

351

Dem General- Auditoriate wal* das kaiserliche Kjiegsgericlit und Begiments-Schidtheissen-Amt in Wien untergeordnet. Dasselbe übte die Gericlitsbarkeit über die im Bereiche von Wien befindlichen Militärpersonen aus, soweit sie nicht der Gerichtsherrlichkeit eines Regiments unterstanden; namentlich Schuldforderungen an höhere Officiere, Klagen von Civil-Personen gegen das Militär, Bechnungs- Processe und dergleichen wurden diesem Amte zugewiesen. Es bestand um 1740 aus dem Kriegs-Gerichts- und Regiments- Sohultheiss, dem Kriegs-Gerichts-Schreiber, vier Beisitzern, einem Gerichtswebel, einem Profossen und einem Profoss-Lieutenant.

Die Oeneraliat.

Grosser und kleiner Generalstab.

In der österreichischen Armee gab es von altersher immer nur einen General-Lieutenant als den Stellvertreter des obersten Kriegsherrn. Nach dem Tode des Prinzen Eugen wurde diese Charge im Jahre 1738 an den Gemahl Maria Theresia's, den Grossherzog Franz Stephan, verliehen.

Die Zahl der Feldmarsohalle, Generale der Cavallerie und Feld-Zeugmeister, dann Feldmarschall-Lieutenants und General- Feldwachtmeister (General-Majore) war nicht beschränkt. Soweit die in das Feld beorderten Generale nicht selbst Comman- danten einer Armee oder abgesonderter Armeetheile waren, standen sie zur Disposition des die Armee commandierenden Generals, welchem sie je nach Erfordemiss und Wunsch zugewiesen wurden. Die ursprüngliche Bedeutung der Generals-Chargen-Bezeiohnungen hatte sich schon grösstentheils abgeschliffen ; aus der Benennung früherer Functionen waren feste Generalsgrade geworden. Es gab jedoch noch nicht ständige Armeekörper höherer Ordnung (tacbische und strategische Einheiten) und desshalb wurden die Generale als Trefien- und Flügel-Commandanten oder deren Gehilfen in die Ordre de bataille eingetheilt. Obwohl das Wort „Brigade" schon häufig angewendet wird und auch meistens einer Truppenstärke von sechs bis zehn Bataillonen entsprach, so darf doch darunter immer nur eine vorübergehend, auf bestimmte Zeit angeordnete Formation verstanden werden. ^)

*) Die „Instruction für die, die Colonnen (in die "Winter-Quartiere) fährenden Generale" ddo. Hochstädt am 18. October 1743 (K. A., F. A. Bayern und Ober-Rhein 1743, X, 32) sagt: „Uebrigens dient hiermit zur weiteren Richtschnur, dass, nachdem die in Bayern zurückkehrenden Truppen

Digitized by

Google

352

Die Gesammtheit der Generale einer Armee bildete deren „grossen General st ab". Die Mitglieder desselben nalunen Theil an dem Kriegsrath, welchen der Armee-Commandant in wich- tigen Fällen zu berufen verpflichtet war, ohne an dessen Votum gebunden zu sein.

Im Frieden oblag der Generalstabsdienst hauptsächlich dem Hof-Küegsrathe, eventuell im Vereine mit mehreren von Fall zu Fall zur Berathung berufenen höheren Generalen.

Da es noch keinen eigenen Generalstab im heutigen Sinne gab, so fiel dessen Dienst im Felde ganz dem „grossen General- stab*', den Generalen selbst zu. Doch hatte sich schon seit langer Zeit zur Verrichtung des niederen Generalstabs-Dienstes eine Gehilfenschaft der Generale herausgebildet, welche im Gegensatze zum ,,grossen", der „kleine Generalstab" hiess. Die wichtigsten Repräsentanten derselben waren die General- Adjutanten und der General-Quartiermeister; zu ihm gehören femer der General- Quartiermeister-Lieutenant, der Stal^s-Quartiermeister (eventuell auch mit einem Lieutenant), der General- Wagenmeister, der General-Wagenmeister-Lieutenant, der Capitaine des guides (Chef der Wegweiser, Boten, Kundschafter), der General-Gewaltige (oberste Feld-Polizei, im Dienste immer in Begleitung einer Eeiter- bedeckung), der Stabs-Profoss (eventuell auch mit einem Lieutenant). Der Dienst dieser Chargen liegt durchaus in ihrer Benennung aus- gedrückt und erstreckte sich auf die Verhältnisse einer Armee und des Hauptquartiers. Der General-Adjutant war also nicht das, was wir heute darunter zu verstehen pflegen, sondern der. Gehilfe des commandierenden Generals, dessen Befehle er vermittelt, sowohl an den General-Quartiermeister und dessen Organe, als auch an

anheuer nicht, wie im vorigen Jahr, auf Postierung stehen, sondern ihre da- selbst ausgezeichneten Winter- Quartiere in der Ruhe gemessen können, so un- nöthig als überflüssig sei, die Regimenter an ihre bisherigen Brigadiers und Generale angewiesen zu lassen, einf olglich die Intention dahin gehe, dass,

wann sie Herren Generals ihre dermalen unterstehenden Regimenter in

dem ihnen zuerkannten Quartiersnumero eingeführt haben, sie sich mit diesen weiter nichts einmischen, sondern einem jedweden Regiments-Commandanten die Sorge überlassen sollen, sowohl die eigentliche Dislocation seines unter- habenden Regiments nach eigenem guten Befund zu veranstalten, als auch sonst zu Abhinderung aller Excesse die diensam ermessenden Dispositionen anzukehren, anerwogen auch selber hiervor zu repondieren haben wird, woraus sich jedoch femers von selbst ergiebt, dass die gesammten Regimenter nur allein an denjenigen General, so in ersagtem Bayern das Ober-Commando führen wird, kriegsgebräuchigermassen assigniert (sind)".

Digitized by

Google

B63

die Generale und Truppen-Commandanten. Der General-Quartier- meister hatte die Lager und Winter-Quartiere nach den allgemeinen Weisungen des Feldherm auszumitteln und anzuweisen ; ihm fiel also auch die Recognoscierung der Gegend in der angeordneten Marsch- richtung in Bezug auf Verpflegung und Gangbarkeit des Terrains zu. Der „kleine Q^neralstab" gieng daher unter entsprechender Bedeckung der marschierenden Armee voraus, soweit es die für Unter- kunft und Verpflegung zu treffenden Vorbereitungen erheischten.

„Die Mangelhaftigkeit, um nicht zu sagen Aermliohkeit der Einrichtung des Q^neral-Quartiermeister-Amtes tritt auf den ersten Blick hervor. Es waren eben nur die untergeordnetsten Functionen, welche die Oberleitung am meisten beirrten, die der Feldherr an besondere Ausführungs-Organe überliess. Die wichtigste war wohl darunter die Recognoscierung ; allein auch diese hatte bei Weitem nicht jene Bedeutung, die ihr heute zukommt. Bei dem grossen Mangel an topographischen Behelfen und dem gänzlichen Fehlen solcher, zum Gebrauche geeigneter, marschierte die Armee im eigenen Lande mit nicht minderen Schwierigkeiten, als im fremden; das eine war ihr nicht viel weniger unbekannt, als das andere. Mühsam tastend suchte sie von Lager zu Lager ihren Weg, von dessen Gangbarkeit, ja, oft sogar von dessen Vorhanden- sein sie erst durch unmittelbar vorgenommene Eecognoscierungen Kenntniss erhielt. Daher der heute oft unerklärlich langsam scheinende Gang der Operationen, welcher rasche Märsche, uner- wartetes Auftreten, zu den Seltenheiten machte. Die Recognoscierung erhielt hiedurch allerdings einen nicht zu unterschätzenden Werth, allein derselbe war nur relativ und stand bei den engen Grenzen, die diesem Dienste factisch gezogen waren, nicht viel über jenem der heutigen Quartiermacher." *)

Welche Bedeutimg man dem Dienste des „kleinen General- Stabes" beimass, erhellt allein schon daraus, dass sich seine Standes- ziffer nicht nach der Stärke des Heeres oder der Eigenthümlichkeit des B[rieges, sondern nach dem socialen Rang und militärischen Grad des commandierenden Generals richtete. Die Anforderungen an das Personale waren nicht eben grosse; nur der General- Wachtmeister und dessen Lieutenant sollten „in Etwas" die Ligenieurwissenschaft verstehen.

*) Angeli, Zur Geschichte des k. k. General-Stabes. (Wien 1876), 9. (Fusst für die Zeit des Erbfolgekrieges auf den Instructionen für das General- Quartiermeister-Amt und die General-Adjutanten vom Jahre 1725, K. A., Memoiren, XI, 58 und 69.)

Oesterreiohisober Erbfolgekrieg. I. Bd. 23

Digitized by

Google

354

Da der Dienst des „kleinen Generalstabes" von den General- Adjutanten geleitet wurde, zu welcher Stelle Manche oft in jungen Jahren und nicht jedesmal mit Rücksicht auf ihre inteUectuelle Eignung oder gewonnene Erfahrung durch die freie Wahl des Feldherm berufen wurden, da weiters die General-Adjutanten nicht stabil blieben, sondern mit der Person des commandierenden Generals wechselten und da auch der General-Quartiermeister-Stab erst unmittelbar vor jedem Kriege zusammengesetzt und nach dem- selben wieder aufgelöst wurde, so ist schon allein aus diesen Gründen eine hervorragende Leistung weder von der einen, noch der anderen Seite zu erwarten. „Mochten sich auch im Laufe der folgenden Jahrzehnte so manche Uebelstände abgeschliffen haben und die Erfahrungen des Krieges nicht verloren gegangen sein, so überzeugten doch schon die beiden schlesischen Kriege, dass gegen- über der durch rasche Operationen ausgezeichneten Tactik Friedrich des Grossen ein so schwerfälliger und ungenügender Apparat, wie er dem kaiserlichen Oberbefehle zur Verfügung stand, nicht aufkommen konnte."^) Aber es ist auch gerade in den schlesischen Kriegen nicht zu verkeimen, dass unter den General- Adjutanten mitunter ganz ausgezeichnete Kräfte sich fanden, wovon z. B. der geniale Parteigänger General- Adjutant Franquini einen Beweis liefert.

Häufig werden auch die übrigen Organe des Hauptquartiers unter die Bezeichnung „kleiner Generalstab" subsummiert, als : Die Stabs-Medici (immer Doctoren der Medicin), deren ältester als Chef-Arzt der Armee ftmgierte, die Stabs-Chirurgen (Stabs-Feld- scherer), die Beamten des Commissariats, des Proviant-Amts, der Feld-Kriegs-Cassa, des Auditoriats, der Feld-Apotheke, der Feld- post, einige Ligenieure und der Pater superior. ^

Sieht man genau zu, so gliederte sich der Dienst der Organe des Hauptquartieres gerade so, wie jener des „kleinen Stabes" beim Regimente und jener der „kleinen Prima-Plana" bei einer Compagnie, von welch' letzterer (da sie noch Fähnlein hiess) die Organisation ausgegangen ist. Folgende schematische Zusammenstellung macht dies ersichtlich:

>) AngelL a. a. 0. 13.

•) Der erste Oberst-Hofkanzler Graf Sinzendorff erhielt 1741 von der Bancalität 36 Scudi für ein päpstliches Breve, welches zu Eom „für Ihro Königlichen Majestät Beichtvater, des Patris Kampmüller Hochwürden als Christen Feld -Pater" ausgefertigt wurde. (Hofk. Arch., Hoffinanz, 22. Juli 1741.)

Digitized by

Google

355

Armee-Haup tquarüer

Begimeutsstab

CompagniA

General-Adjutant

Wachtmeister-Lieutenant (Adjutant)

Feldwebel

General-Quartiermeister

oder dessen Lieutenant,

Stabs-Quartiermeister u.

Capitaine des guides

Eegiments-Quartier- meister

Fourier

General-Kriegs-Commis- sariats -Amts -Feld - Sub- stitution

Derselbe als Eechnungs- filhrer

Fourier

General-Auditor-Lieut.

Auditor

(Compagnie - Comman-

dant, berechtigt zu Dis-

ciplinarstrafen)

Feld-Kriegs-Expedition

Derselbe als Secretarius

bis 1740 Musterschreiber, hernach Fourier

Pater superior

Caplan

(Einzebie Dienstesob- liegenheiten des Fähn- richs und Führers)

Proviantstab

Regiments-Proviant- meister

Fourier

1

General - Wagenmeister oder dessen Lieutenant

Regiments-Wagenmeister

(Zwei Mann zur Bagage- Wache)

G-eneral-Gewaltiger und Stabs-Profossen

Regiments-Profoss

1 (Corporal)

Stabs - Medicus, Stabs- Chirurgus, Feld - Apo- theker

Regiments - Feldscherer mit dem „Medicamenten- Kasten"

Feldscherer-Geselle mit 1 Verbandzeug

23*

Digitized by

Google

356

In dieser Zusammenstellung drückt sich zugleioli das Ver- fligungsrecht der höheren über die niederen Organe des Regiments und der Compagnie aus, wobei jedoch die Rechte des Regiments- Commandanten nicht geschmälert werden durften.

Anfangs des Jahres 1740 waren auf die Contributionen der habs- burgischen Länder, mit Ausnahme Italiens und der Niederlande, fol- gende Generale mit den beigefiigten jährlichen Gagen angewiesen^):

General-Lieutenant . 50.000 fl.,

Feldmarschälle k 11.804

Feldmarschall 9.900

Feldmarschälle (Titulare) k . . . 9.144 Feldmarschall .... 7.920

der Cavallerie 9.144

(Titular) .... 5.664 ,, .... 4.^40 ,,

Feldzeugmeister 7.824

12 Feldmarschall-Lieutenants k . . 4.740 2 (Titulare) 4 3.960

34 Feldwachtmeister a 3.960

1 » ,7 4.320

Unter den Feldmarschällen befindet sich der Hof-Kriegsraths- Präsident Graf Joseph Harr ach, welchem in dieser Eigenschaft jährlich 18.000 Gulden und überdies die Gebühren des Oberst- Inhabers zuflössen. Letzteres war auch bei allen anderen Generalen der Fall, welche „wirkliche Oberste'' (Inhaber) waren.

Es war „althergebrachte Observanz", dass die Generale im ersten Jahre nach ihrer Beförderung (im sogenannten „Carenz- Jahre'') die Gage der zuletzt innegehabten Charge genossen, sonach die General-Feldwachtmeister „allein die Obristens- imd Hauptmanns- (Rittmeisters-) Gage". Maria Theresia bestätigte am 13. Mai 1744 diese Gepflogenheit, nur sollten die Obersten-Gagen der neuen General-Feldwachtmeister künftig aus der Operations-Casse bezahlt werden, „damit die Regimenter mit dem Gelde besser die Stabs- Officiere bezahlen und die vacanten Compagnien an verdiente Offi- eiere vergeben werden könnten, sonach nicht ohne wirkliche Haupt- leute wären".

Auch die General- Adjutanten, gewöhnlich in einer der Chargen vom Hauptmann (Rittmeister) bis zum Obersten stehend, sollten

») K. A., Memoiren, VIII, 12.

Digitized by

Google

857

Ton diesem Zeitpunote an bei den Regimentern auf ihre Comipag- nien „resignieren" und ebenfalls aus der Operations-Casse die Gage beziehen ^). Diese wird für das Jahr 1740 mit jährlichen 1824 Gulden angegeben. Damals werden in den deutsch-böhmisch*ungarischen Erblanden sieben General-Adjutanten mit dieser Gage angeführt. Bei der Haupt- Armee des Prinzen Carl von Lothringen befanden sich im Mai 1 744 allein deren fOnf^ bei BatthyÄny in Bayern zwei.

Der General-Quartiermeister-Lieutenant Grämlich bezog 1739 auf ein Jahr 1740 fl., der Stabs-Quartiermeister 416, der General- "Wagenmeister 768, dessen Lieutenant 300, der Capitaine des guides 768, der General-Gewaltige 1080, der Stabsprofoss 800 Gxilden. «)

An Landes- Vorspann gebührten einem Feldmarschall fünf, einem Feldzeugmeister oder General der Cavallerie vier, einem Feldmarschall-Lieutenant drei xmd einem General-Feldwachtmeister oder einem nicht mit seinem Regimente marschierenden Obersten „im Herrendienste" zwei Wagen.

Die Truppen. Redactionen seit dem Frieden Ton Fassarowitz 1718.

Zur Zeit als die kaiserlichen Truppen unter des Prinzen Eugen von Savoyen genialer Führung in den Kämpfen von Peterwardein, Temesv&r und Belgrad sich unvergänglichen Ruhm und dem Kaiser das Temeser Banat, nebst Theilen von Serbien, Bosnien und der Walachei erwarben, bestand die habsburgische Hausmacht aus 53 Infanterie-, 22Cüra8sier-, 17 Dragoner- und 5 Husaren-Regimentern. Obwohl die dem Frieden von Passarowitz (Po2arevac) folgenden fünfzehn Jahre durchaus nicht ohne Kämpfe abliefen, gestatteten die Verhältnisse mehrfache Reductionen in der Zahl und Stärke der Eegimenter, wobei die finanzielle Lage des habsburgischen Länder- besitzes massgebend war. Mit Ende dieses Zeitraumes (1732) gab es an kaiserlichen „immediaten" Truppen 47 Infanterie-, 20 Cürassier-, 12 Dragoner- und 3 Husaren-Regimenter. In den Kämpfen um die polnische Thronfolge sah sich der Kaiser neuerdings zu grossen Anstrengungen genöthigt und es entstanden daher in den Jahren 1733 bis 1735 acht neue Infanterie - Eegimenter (wobei das 1733 errichtete und schon im folgenden Jahre wieder aufgelöste

») K. A., H. K. R. 1744, Mai, 241 Reg. «) K. A., Memoiren, VIU, 15.

Digitized by

Google

358

Regiment Mo Itke nicht mitgezählt wird), femer zwei Dragoner- und sechs Husaren-Regimenter. Nach dem Frieden wurden drei Infanterie-Regimenter (darunter die zwei neapolitanischen, Monte- leone und Spinelli), dann zwei Cürassier-Regimenter reduciert. ')

Im Jahre 1733 bestand jedes Infanterie-Regiment aus fün&ehn Musketier- (auch „Füsilier-" oder „Ofdinari-") Compagnien, ein- getheiltin drei Bataillone imd aus zwei Grenadier-Compagnien. Eine der letzteren zählte 100, eine Ordinari-Compagnie aber 140 Mann, so dass also ein BataUlon 700, das ganze In£ajxterie-Regiment mit dem „completen", d. h. dem vorgeschriebenen oder Sollstande 2300 Mann zählte. Jene Regimenter, welche im römischen Reiche standen oder dahin bestiomit waren, erhielten Ende 1733 ein viertes Bataillon, kamen sonach auf 3000 Mann.

Ein Cürassier-Regiment zählte auf dem Kriegsfiisse 1094 Mann, eingetheilt in zwölf Ordinari-Compagnien k 83 und in eine Cara- binier-Compagnie zu 98 Mann. Die Dragoner-Regimenter hatten dieselbe Stärke und Eintheilung, nur hiess die dreizehnte Compagnie die Grenadier-Compagnie. Ein Husaren-Regiment damaliger Zeit hatte den Sollstand von 1000 Mann, welche in zehn Compagnien von je 100 Mann abgetheilt wurden. Die Compagnie war die administrative Unter- Abtheilung ; im Gefechte oder beim Exercitium bildeten bei allen Reiter - Regimentern zwei Compagnien eine Escadron. ^

Die zu Anfang des Jahres 1736 beabsichtigte Auflösung zweier weiterer Infanterie-Regimenter und die Reduction jedes Infanterie- Regiments auf 2000 Mann, der Cürassier- imd Dragoner-Regimenter auf je 800 Mann und 440 Pferde, dann der Husaren-Regimenter auf 600 Mann und 300 Pferde *) kam mit Rücksicht auf den heran- rückenden Türkenkrieg nicht zur Durchführung. Noch vor dem eigentlichen Beginn dieses Krieges erfloss jedoch am 18. October 1736 die kaiserliche Resolution, dass alle Infanterie-Regimenter auf den „completen Stand" von 2300 Mann in drei Bataillonen und zwei Grenadier-Compagnien zu setzen, demnach die vierten Batail- lone, wo sie bestanden, mit 1. November 1736 zu reducieren seien *)

») Vergl. die Tabellen, Beilage 22 A und 22 B im 20. Bande der „Feld- züge des Prinzen Eugen". Auf die gemietheten und Auxiliar-Truppen wird hier und im Folgenden keine Rücksicht genommen. „Reduciert" bedeutet im militärischen Sprachgebrauch jener Zeit „aufgelöst".

•) Feldzüge des Prinzen Eugen XIX, 101, 106. 110.

») K. A., H. K R., 1736, Prot Reg. foL 243 (Februar 22).

*) K. A., H. K. R., 1736, Prot Reg. fol. 1421, 1660.

Digitized by

Google

359

und weiters am 23. Febmar 1737 die Allerliöcliste EntscKliessmig, die „Regimenter zu Pferd" (d. h.' Cürassiere und Dragoner) um vierzig Mann, also auf 1054 Mann herabzusetzen ^). Es ist ver- muthlich ein Ergebniss des unglücklichen Feldzuges von 1738 und der finanziellen Erschöpfhng des Staates, dass man gegen Ende dieses Jahres beschloss, die Ctirassier- und Dragoner-Regimenter nur mehr auf 1000, die Husaren-Regimenter gar nur mehr auf 800 Mann imd Pferde ergänzen zu lassen. ^

Nachdem während des Ttirkenkrieges die Zahl der Regimenter nur bei den Dragonern eine Aenderung erfuhr, indem der Kaiser vom Hause Württemberg, laut Capitulation vom 5. October 1737 mit demselben, das Dragoner-Regiment Ludwig "Württemberg übernahm^, so bestand die kaiserliche Hausmacht am Ende dieses KjHieges aus 52 Infanterie-, 18 Cürassier-, 15 Dragoner- und 9 Husaren - Regimentern. Diese repräsentierten nach dem eben gütigen Sollstande eine Armee von 118.700 Mann In- fanterie und 40.962 Reitern, somit im Ganzen von 159.662 Mann^), eine Zahl, die in Wirklichkeit in Folge der Verluste vor dem ^ Feinde, der Anstrengungen auf Märschen und in Lagern, des vielfach ungesunden Klimas imd oft sumpfigen Bodens, endlich der an den Südgrenzen des Reiches damals nie ganz erlöschenden Pest und anderen Krankheiten freilich nicht erreicht wurde. Eine Standes-Tabelle der kaiserlichen Armee in Ungarn und Slavonien vom 20. October 1739 weist fär 74 Bataillone und 56 Grenadier- Compagnien der Infanterie einen Abgang von 20.508 Mann gegen den „completen" Stand von 57.400 Mann auf ^), d. i. 35-7 Percent oder mehr als ein Drittel.

') K. A., H. K. E., 1737, Prot. Eeg. foL 283.

*) Ebenda, fol. 1522, 1881. Auch General der Cavallerie Graf Alexander Kdrolyi sollte (Ebenda, fol. 1949) bei seinem Hnsaren-Regimente die bisherige eilfte Compagnie auf die anderen zehn anftheüen und das Eegiment auf 800 Mann setzen ; das soheint aber nicht geschehen zu sein ; das Eegiment K & r o 1 y i wird auch in den folgenden Jahren um eine Compagnie stärker ausgewiesen, als die anderen Husaren-Eegimenter.

») K. A., H. K. E. 1740, März, 638, Reg,

*) Hiebei sind die in den Niederlanden befindlichen drei National-In- fanterie-Eegimenter Los Eios, Pri6 und de Ligne mit je 2000 Mann, die in Italien stehenden Gürassier-Eegimenter Miglio und Berlichingen, dcmn das Dragoner-Eegiment Sachsen- Gotha mit je 1094 Mann, die ebendaselbst stehen- den Husaren-Eegimenter Baranyay und Havor mit je lOOO, endlich das Husaren- Eegiment K4rolyi mit 880 Mann angenommen; diese Eegimenter erscheinen noch zur Zeit des Todes des Kaisers mit diesem vorgeschriebenen Stande.

*) K. A.; F. A. Türkenkrieg, 1739, X, 26.

Digitized by

Google

860

Die Bednctioiuiprojeete der Jahre 1789 und 1740.

Zahl und Stand der Regimenter beim Tode Carl VI. Dislocations-Aendernng im Jahre 1740.

Nachdem am 18. September 1739 mit den Türken der Friede von Belgrad abgeschlossen worden, richtete sich des Kaisers erste Sorge darauf, die durch den unglücklichen Krieg seinen Ländern geschlagenen Wunden wieder zu heilen, indem er anstrebte, die Lasten seiner Unterthanen soweit, als es sich mit der politischen und militärischen Ma,chtstellung seines Hauses vertrug, zu er- leichtem.

Das nächstliegende Mittel hiezu lag scheinbar abermals in einer Eeduction der Zahl und Stärke der kaiserlichen Regimenter. Diese konnten vermöge der geltenden Grundsätze hinsichtlich ihrer Er- gänzung, dann der Dienstzeit des gemeinen Mannes nicht derart leicht ihren Stand vermindern, wie dies heutzutage geschieht. Dazu bedurfte es einer ausdrücklichen und detaillierten kaiserlichen EntSchliessung. Hervorragende Generale, wie z. B. der Feldzeug- meister Joseph Prinz zu Sachsen-Hildburghausen waren der Meinung, dass mit Rücksicht auf das geschwächte Heer imd dessen im letzten Kriege untergrabenes Ansehen, dann aber auch auf die ganze politische Lage eher eine Vermehrung als eine Vermin- derung der Zahl der Regimenter platzgreifen solle; aber die Er- kenntniss der stark herabgekommenen materiellen Leistungsfähig- keit der Monarchie nöthigte ihn und auch Männer, wie den Feld- marschall Khevenhüller, sich trotz allen Widerstrebens mit dem Gedanken der Reduction vertraut zu machen. Als Vorbereitender Schritt zu derselben ergieng am 3. und 24. October 1739 an sämmt- liche Regimenter zu Fuss und zu Pferd die Vei*ordnung, dass die schon vacanten oder noch offen werdenden Stabs-, Ober- und Unterofficiers-Plätze bis auf weiteren Befehl nicht besetzt werden dürften ^).

Die Berathung der finanziellen Lage ergab, dass zum künf- tigen Unterhalt der Kriegsmacht jährlich nur auf acht Millionen Gulden zu rechnen sei, wovon sechseinhalb Millionen für den Unterhalt der Regimenter in den deutschen, böhmischen xmd ungarischen Erblanden, der Rest für die übrigen Militär-Erforder- nisse in Anschlag gebracht war^. Die Regimenter, welche nach

») K. A., H. K. K. 1739, Prot Keg. fol. 1872, 1992. ') Hofk. Arch., Eeichs- Archiv, Fascikel 165 Deputations-Protocoll, 6. No- vember 1739 und Conferenz-Protocoll, 6. April 1740.

Digitized by

Google

361

Italien und in die Niederlande zu stehen kamen, sollten aus den Einkünften dieser Provinzen erhalten werden. Der Hbf-Kriegsraths- Präsident Feldmarschall Graf Joseph H a r r a c h meinte zwar in einem Briefe vom 16. November 1739 an den Prinzen von Sachs en- Hildburghausen^), mit dieser Suiome könne so wenig das Auslangen gefunden werden, als sein Schneider aus den für ein Kleid aus- reichenden sieben Ellen Tuch sechs ganze Kleider machen könne, aber es blieb bei den trostlosen Umständen auch ihm nichts anderes übrig, als auch seinerseits zur Lösung des Problems bei- zutragen.

Die ersten Reductionsprojecte liefen schon im October 1739 von den Feldmarschällen Grafen Khevenhüller und S eck en- do rff (damals in Graz interniert) ein. Dasjenige des Letzteren^ beschäftigte sich mehr mit der allgemeinen Lage als mit der con- creten Frage und wurde daher, so beachtenswerth sonst sein Lihalt auch war, damals nicht weiter in Betracht gezogen. Kheven- hüller arbeitete seinen Entwurf wieder um und seine neue Arbeit kam im Laufe der ersten Hälfte *des Jahres 1740 mit noch vier anderen Entwürfen der Feldmarschälle Grafen Harr ach und Königsegg, des Feldzeugmeisters Prinzen von Sachsen- Hildburghausen und des Hof-Kriegsrathes von Koch zur commissionellen Berathung.^)

Die Vorschläge dieser fünf Männer von Erfahrung sind aus nachstehender Zusammenstellung zu entnehmen. Zu deren Verständniss muss nur noch erwähnt werden, dass vom Kaiser noch vor Beginn der Berathimgen die Auflösung des „illyrisch- raizischen" Husaren-Regiments Cantacuzene und des Dragoner- Regiments Ludwig Württemberg genehmigt wurde*), so dass die Projecte nur mehr von der Anzahl von 52 Lifanterie-, 18 Oürassier-, 14 Dragoner- und 8 Husaren-Regimentern ausgehen konnten.

0 K. A.; F. A. Türkenkrieg, 1739, XI, 5.

«) K. A., F. A. Türkenkrieg 1739, XHI, 20. Khe venhüller's Project vom 14. October 1739 ebendaselbst, Memoiren, VIII, 12.

•) Die ftinf Projecte im K. A. in dem umfangreichen Acten-Convolut H. K. K. 1740, Juni, 1002, Exp. Khevenhüller's Project in zweiter Original- Ausfertigung auch in den .,M6moiren", VI ET, 9, 10 a— e. Vergl. „Khe V einhülle r's Wehrsystem" in den „Mittheilungen des k. k. Kriegs- Archivs", Jahrgang 1881.

♦) Hofk, Arch., Eeichs-A., Fascikel 165, Conferenz-ProtocoU 10. Sep- tember 1789. K. A., H. K. E. 1739, October, 271, Exp. amd 1740, März, 633, Eeg.

Digitized by

Google

362

0

B

o

'^

w

O:

s.

i

^

k

Ä

O

l

H,

g'

-!j

2

0

D-

w

o

w

3.

ET <

O g-

o

p

g-f.

OB O CO

S

o

8

K ^

fei «»- 2 p-

Ol

CO

§

g CO 0 M

g; P-

ß P-

s s ^

0 a

S S

P o

i

o

s s

s

o

I

s

i

s «^ ^

s

'S. 5

s

s s

CO

00

o o

s

2

s

Od

8

►^

p

M

^

3 O

C5

o

Od

o

OD

o

o

o

GO

o

8

8

Infanterie

Mann stark

O

o

I

0

2 o

Q

s

o

Cürassiece

Mann

Pferde

O

o

0 o 3.S:

I

9

s-

5-»

Dragoner

Mann Pferde

s?

OD

er

o

§

©

o

5

^3 ' S I

? I

Husaren

Mann

Pferde

OB

I

eiD^etfaeilt in Com- pagnien

CO

03

to

CO

CD

Infanterie- , Lr f.

Cürassier- J ^ ?

SJ2.2.

Dragoner-

Hasaren-

Digitized by

Google

363

Allen Projecten gemeinsam ist, dass sie die Zahl der Cürassier- Regimenter unberührt lassen und höchstens zwei Dragoner-Regi- menter zur Auflösung beantragen. Darin prägt sich nicht nur die Schwierigkeit der Wiedererrichtung solcher Regimenter im Bedarfs- falle, insbesondere bezüglich der Pferdebeschaffiing, sondern ebenso stark auch die Werthschätzung aus, die sich die „deutschen" Caval- lerie-Regimenter in den Kämpfen unter Prinz Eugen erworben hatten. Weiters ist bei allen Reiter-Regimentern die Zahl der beizube- haltenden Pferde weit geringer, ja bis zur Hälfte schwächer, als die des projectierten Mannschaftsstandes entworfen; dies entsprach der bisherigen Gepflogenheit. Abgesehen von dem Projecte Königs- egg, handelte es sich also bei den anderen um die Auflassung mehrerer Infanterie-Regimenter, weil schlechterdings gespart werden musste und mehrerer Husaren-Regimenter, welche erfahrungsgemäss am leichtesten wieder errichtet werden konnten.

Khevenhüller's Hauptaugenmerk war auf die Erreichung eines möglichst hohen Feuergewehr-Standes, die thunlichste Ent- lastung des Aerars und der Länder von den kostspieligen Regiments- stäben und den „kleinen Prima-plana"- Parteien, dann die Ermög- lichung einer raschen Mobilisierung gerichtet. Die Officiere der aufzidösenden Regimenter sollten theils ganz abgedankt, theils mit halber, theils mit ganzer Gage den verbleibenden Regimentern zugetheilt, „aggregiert" werden, bis sich Aperturen ergäben. Die Zahl der Chargen sollte vermindert, die Gemeinen und die „kleine Primaplana", (d. h. die über dem Corporal stehenden Unteroffi- ciers-Parteien der Oompagnien) der aufzulösenden zwölf Regimenter als Gemeine in die verbleibenden vierzig Regimenter eingetheilt werden. Trotz der um zwölf verminderten Zahl derselben würde nach seinem Plane die kaiserliche Armee mehr Combattanten haben, als bisher; durch sein System werde auch der gemeine Mann mehr conserviert; „dieser kann zu Friedenszeiten ad exercitium armorum et operis gebracht werden ; sofort ist bei hervorbrechendem Krieg allezeit schon ein miles exercitatus vorhanden, da in con- trario die schwache Mannschaft in Wachten und Diensten strapaziert wird imd zu Grunde gehen muss". Im Ernstfälle könnten aus dem starken Mannschaftsstande leicht wieder neue Bataillone geschaffen werden mit einem starken Kern ausgebildeter Leute, unter welche ohne Gefahr noch leicht Recruten gesteckt werden könnten. Den Einwand, dass nach seinem Entwürfe in der Armee zu wenig Officiere seien, während es deren z. B. in Frankreich sehr viele gebe, liess er nicht gelten, „weil in Frankreich die Noblesse und

Digitized by

Google

864

Jugend zu dienen obligierfc, so aber bei uns nicht ist, dann unter den kaiserlichen Truppen die meisten Offioiere AuslÄnder, auch die Unteroffioiere und Gemeinen selbst in guter Anzahl Fremde sind". Es sollten fernerhin nicht so oft fremde, zum Theil unerfiethrene „Personalien" unter die Eegimenter gesteckt, sondern eher die mit halber Q-age aggregierten Officiere eingebracht werden; auch in der Generalität, in der Artillerie, bei den Ingenieuren, in den Kanz- leien und beim Kriegs-Commissariat hätten „viel überflüssige, ohn- nöthige und incapable Personen de praeterito zur Annehmung sich zu insinuieren gewusst", nun sei aber dagegen keine Abhilfe möglich, da „die Allerhöchst angestammte kaiserliche Clemenz und Pietät nicht verstattet, dergleichen wieder abzuschaffen". Man solle aber diese Leute doch entlassen, monatlich genaue Standes- Tabellen führen lassen, fiir jedes Ressort so, wie bei den Kegi- mentem, einen geschlossenen „Numerus der höchst nöthigen Leute" fixieren und hienach nur den wirklichen Abgang ersetzen; dann werde auch das Geld nach und nach auslangen.

Während Feldmarschall Khevenhüller bei seinen Plänen nur immer an den Erbfeind der Christenheit dachte, war der Prinz von Sachsen-Hildburghausen der Meinung, dass mit Rücksicht auf die überall offenen Grenzen und schlechten Festungen, dann gefährlichen Nachbarn, die Armee immer in Bereitschaft stehen müsse, „täglich und stündlich und da man es vielleicht am allerwenigsten vermuthen möchte, in die gefährlichsten und schärfsten Klriegs-Operationen verwickelt zu werden". Sein Project legte das Hauptgewicht auf die Erhaltung des Officiers- und Unterof&ciers-Cadres ; doch er- kannte er, dass Khevenhüller's Vorsorge für einen möglichst starken Mamischaftsstand eben nicht so unbegründet wäre imd er suchte daher diesem Mangel seines Vorschlages dadurch ab* zuhelfen, dass er für die Bildung von Eecruten - Reserven in Ungarn eintrat. Er dachte sich dieselbe derart, dass bei den ständigen Garnisonen in Raab, Komom und Ofen je 2000 und in Siebenbürgen ebenfalls 2000 „Supemumeräre" unterhalten würden, ohne grosse Montur und nur mit halbem Sold, von wo sich die Regimenter leicht imd dabei billiger hätten ergänzen können.

Das Project des Hof-Kriegsraths-Prä^identen, welches bei der Infanterie nur die Auflösung zweier Regimenter und bei jedem der verbleibenden noch die Reduction von je drei Compagnien

Digitized by

Google

365

forderte, ergab nach seiner DurchfÖhrung 2840 Mann zu Fuss weniger als das Khevenhüller's und fast 2000 Mann mehr als das Hildburghausen's und berührte auch nicht eine so grosse Anzahl Ton Officieren,

Die beiden anderen Vorschläge hätten noch eine viel geringere Anzahl von Fusssoldaten ergeben und wurden desshalb kaum ernstlich in Betracht gezogen.

Wenn von den Bestrebungen Carl VI. um die Anerkennung der pragmatischen Sanction die Bede ist, so verknüpft sich damit immer die Vorstellung, als hätte der Kaiser allzusehr auf den Werth von leicht zu brechenden Verträgen gebaut und die Bedeutung einer zahlreichen und tüchtigen Armee nicht richtig gewürdigt.

Aus der Begründung des Projectes des Prinzen von Sachsen- Hildburghausen aber geht hervor, dass Carl VI. bei der vor- zunehmenden Reorganisation nicht nur auf die Leistungsfähigkeit der Länder und ihren hinreichenden Schutz, sondern gar wohl auch auf die Eventualitäten gelegentlich der Erbfolge seiner Tochter und die Rolle, welche dabei der Armee zufallen musste, gedacht habe. Dies wird durch die Art und Weise, wie er sich zu der als unbedingt nothwendig erkannten Heeres - Reduction verhielt, bestätigt. Zwar hatte er zuerst mit Rücksicht auf die Finanzlage den Grafen Harr ach wegen der Betreibung der Vorlage von Entwürfen so sehr gedrängt, dass sich dieser in einem Briefe an den Prinzen von Sachsen-Hildburghausen darüber beklagte*); als aber die Berathungen endlich sich ihrem Ende näherten, da zögerte er mit der Entscheidung und es kamen nicht einmal schon beschlossene Verfugungen hinsichtlich der Reduction zur Aus- fuhrung, obwohl die immer gleich trostlose Finanzlage und die dringende Durchführung einer Aenderuiig in der Truppen-Dis- location einen ebenso raschen, als festen Entschluss erheischt hätten.

Nach dem Friedensschlüsse war nämlich die gegen die Türken im Felde gestandene Armee in die Winterquartiere verlegt worden, welche sich von Siebenbüi*gen bis nach Croatien und über ganz Ungarn erstreckten. Nach damaligem Gebrauche war zu Friedens- zeiten an einen längeren Marsch der Truppen im Winter zum Zwecke der Gamisonsänderungen nicht zu denken. So verblieb denn

») K. A.; F. A. Türkeukrieg, 1739, XI, 5

.Google

Digitized by ^

366

die ganze Armee die kalte Jahreszeit hindurch in Ungarn und dessen Nebenländem ; erst mit Eintritt des Frühjahres trat für diese Provinzen eine kleine Erleichterung ein. Es marschierten nämlich die bisher daselbst gestandenen Theile der „beiden Gamisons-Regi- menter" O'Gilvy und Wenzel Wallis nach Böhmen, beziehxmgsweise nach Schlesien; nach Vorder-Oesterreich, wo bisher nur zwei Ba- taillone von Salm und Walsegg sich befanden, der Best des letz- teren Regiments, dann Jung-Daun- und Damnitz-Infanterie ; nach den Niederlanden, welche bisher von fünf Infanterie- und zwei Dragoner-Regimentern beschützt wurden, noch drei ganze Infanterie- Regimenter, Salm, O'Nelly und Heister ; endlich nach Italien Gyulay- Infanterie.

Was sonst noch an Truppenverschiebungen im Sommer des Jahres 1740 vorgenommen wurde, geschah hauptsächlich nur zum Zwecke einer gleichmässigeren Vertheüung innerhalb Ungarns imd seiner Nebenländer, aus Rücksicht auf leichtere Verpflegung und um die durch die Ausmärsche entstandenen Lücken auszufüllen. Es befand sich sonach Mitte 1740 immer noch mehr als die Hälfte der gesammten Kriegsmacht in den ungarischen Ländern, darunter jene acht Infanterie- und ein bis drei Dragoner-Regimenter, welche noch in die deutsch-böhmischen Erblande verlegt werden sollten. Trotz alles Drängens von Seite Ungarns verwahrte sich aber der Hof-Kriegsrath gegen jede weitere Verschiebung, bis bestimmt sein werde, wie viel und welche Regimenter reduciert würden, da sonst ein zweckloses Hin- und Hermarschieren bei einigen Regimentern imvermeidlich wäre. ^)

Der Kaiser hatte endlich in einer Resolution zum Conferenz- ProtocoU vom 10. Juni *) sich für das Reductions-Project des Hof- Kriegsraths-Präsidenten Feldmarschall Grafen Harrach entschieden, aber zugleich bestimmt, dass drei Infanterie-Regimenter (statt zwei) aufgelöst werden sollten. Hof-ICriegsrath v. Koch verständigte am 30. Juli den Feldmarschall-Lieutenant Grafen Walsegg von der Allerhöchsten Resolution, drei Infanterie-, zwei Dragoner- imd drei Husaren-Regimenter aufzulösen, welche aber noch nicht benannt seien (sonach um ein Husaren-Regiment weniger als nach Harrach's Project), ferner dass bei jedem Infanterxe-Regimente drei, bei jedem Cavallerie-Regimente zwei Compagnien reduciert werden sollten,

^) Hof. K. Arch., Reichs- Acten, Fascikel 165, Deputations-Pro tocolle 27. Mai und 22. September 1740.

*) Erliegt bei den fünf Reductions-Projecten.

Digitized by

Google

367

fugte aber die Meinung bei, dass an dieser Resolution noch Aen- derungen vorgenommen werden dürften. ^) Thatsäclüich war es noch am 22. September zweifelhaft, ob nicht statt drei sechs Infanterie- Eegimenter reduciert werden sollten, in welchem Falle in die böhmischen Erblande weniger als acht Fuss-Regimenter verlegt worden wären *^). Aus KhevenhüUer's Project ist nämlich er- sichtlich, dass der Grossherzog von Toscana seinerzeit ftir die Auflösung von acht Infanterie-Regimentem gestimmt hatte ^); er kam damit der Ansicht Khevenhüller's am nächsten. Bei dem unzweifelhaften Einflüsse so gewichtiger Gegner des Projectes Harr ach und bei der politisch ebenso gewichtigen Meinung Hildburghausen's, man müsse die Armee eher vermehren, als vermindern, ist es dem Kaiser gewiss sehr schwer geworden, zu einem definitiven Entschlüsse zu gelangen und in der That war eia solcher bis zum 16. October noch nicht an den Hof-Kriegsrath herabgelangt *). "Wie aber aus den am 9. Juli an sämmtliche Regi- menter in den deutsch-böhmisch-ungarischen Erblanden, am 8. Oc- tober an jene in ItaHen und noch am 19. October an die in den Niederlanden ergangenen Befehlen, den Stand einer Compagnie um einen Corporal, zwei Gefreite und zwei Fourierschützen zu ver- mindern *), hervorgeht, muss die Entscheidung nahe bevorgestanden sein, sowohl hinsichtlich der Zahl, als der Auswahl der aufzxdösenden Regimenter.

Nachdem schon im August und September die Regimenter Botta-, Browne- und Harrach - Infanterie , dann Liechtenstein- Dragoner, wohl in der sicheren Annahme, dass sie nicht in Reduction verfallen würden, nach Schlesien und Mähren in Marsch gesetzt worden, ergiengen endlich am 15. und 19. October, also nur einige Tage vor dem Tode des Kaisers, die Befehle zu Dislocations- Aenderungen ^, nach welchen die „General-Tabellen pro anno 1740" des General-Eüegs-Oommissariates de dato 5. November 1740^ die zukünftige Vertheilimg der Regimenter, wie folgt, an- geben :

J) K. A. ; F. A. Böhmen und Schlesien, 1740, VII, 1. *) Hof. K. Arch., ßeichs-A. Fascikel 165, Conferenz-ProtocoU, 3. August tind Deputationa-Protocoll, 22. September 1740. ») K. A.; Memoiren, Vm, 10 d. *) K. A.; H. K. E. 1740, Prot. Seg. fol. 3286. *) Ebenda, fol 1062, 8248, 3304.

») Ebenda, fol. 3279, 3282, 8268. 3801, 8802, 8806, 8308. ^ K. A.; F. A. Böhmen und Schlesien, 1740, XI, 1.

Digitized by

Google

368

Länder

Regimenter

I I

ü

o

fl

3

Lombardei und Toscana

Niederlande

Ungarn, Croatien, Slavonien und Banat

Siebenbürgen

Böhmen

Mähren

Schlesien

Nieder-Oesterreich

Inner-Oesterreioh

Tyrol

Vorder-Oesterreich

In Summa

13 8

12 4 6 1 4

1

1 3

13 3

1 2 7 2

B 1

52

18

14

Die Abweichungen, welche sich durch diese Befehle vom 15. und 19. October gegen die bisherige Dislocation zur Zeit des Todes Carl VI. ^) ergaben, bezogen sich blos auf die zusammen- hängende Hauptgruppe der Erblande und bedurften zu ihrer Durch- führung noch langer Zeit. Das Regiment Königsegg-Infanteri© wiwde nach Tyrol beordert, wo es Mitte November eintraf, während um dieselbe Zeit Alt-Daun-Infanterie in Steyermark einrückte. Harrach-Infanterie betrat in der ersten Hälfte des November Schlesien, ihm folgten erst im December die Infanterie-Regi- menter Browne und Botta imd nahe um dieselbe Zeit die theils nach Mähren, theils nach Sohlesien bestimmten Liechtenstein- Dragoner. Da Grünne-Infanterie noch im November, Kolowrat- und Carl-Lothringen-Infanterie im December in den böhmischen Erblanden einlangten imd nur noch das Infanterie-Regiment Franz Lothringen dahin im Marsch war, so zeigt die vorstehende Tabelle zugleich annähernd die Truppen-Dislocation zur Zeit des preussischen Angriffes (16. December), an dessen Bevorstehen man in Wien so wenig glaubte, dass erst vom 10. December an neuerdings Befehle an mehrere Regimenter in Ungarn zum eiligsten Marsche nach Schlesien, Mähren imd Böhmen erflosaen.

*) Siehe Anhang Nr. 10. Dislocation der kaiserlichen Armee beim Tode Carl VI., dann Taf. lU. sammt Legende.

Digitized by

Google

869

Es war also glücklicherweise noch keine Reduction der Zahl der Regimenter wirklich durchgeführt. Der Tod Carl VI. am 20. October 1740 hatte die langen Berathungen vergeblich gemacht. Die neue Herrscherin konnte in dem Bewusstsein, dass ihre Thron- besteigung manchen Anfechtungen, insbesondere von bayerischer Seite, ausgesetzt sein würde, nicht auf die alten Projecte zurück- greifen und mochte froh sein, dass ihre Ausführung nicht in Angriff genommen worden war. Hatte sich aber auch die Zahl der Regi- menter nicht gemindert, so hatten doch die gutgemeinten Absichten des Kaisers und der Projectanten durch die Umstände jetzt die schädliche Folge, dass keine einheitliche Auffassung darüber bestand, was fiirderhin als der „complete'* Stand gelten solle und diese Schwankung machte sich auch der Armee fühlbar, gieng jedoch ohne grösseren Schaden für dieselbe ab, weil wenigstens an der bisher üblichen tactisehen Eintheilung der Regimenter noch fest- gehalten worden war. Für die Darstellimg des Wehrwesens hat diese Schwankung hinsichtlich der Sollstände aber insofeme Be- deutung, als darnach in Frage kommt, ob der Standes-Abgang aller Regimenter beim Regierungs- Antritte Maria Theresia's wirklich so gross war, als bisher angegeben wurde, nämlich fast 50.000 Mann (31-3%) und 9421 Pferde (23-8%) gegenüber einem angeblichen Sollstand von 157.000 Mann und 39.162 Pferden.^) Diese Ziffern sind nun wohl richtig, wenn die „completen" Stände der Regimenter vom Anfange des Jahres 1740 zur Grundlage der Berechnung gemacht werden. Einzebie Standes-TabeUen auch vom Ende des Jahres halten allerdings an diesen Ständen fest, weil die Allerhöchste Entscheidung vom 10. Juni hinsichtlich der Standes-Reductionen noch nicht öfficiell und allgemein verlautbart war, sondern die Angelegenheit sich im Stadium der durch des K^aisers Tod jäh unterbrochenen Durchführung befand. Doch hatte Carl VI. schon im Juli die Ergänzung der in den Niederlanden stehenden fünf deutschen Regimenter ausdrücklich auf nur je 2OO0 Mann angeordnet^ und auch für die drei in Vorder-Oester-

') Die Kriege Friedrichs des Grossen, I, 78 f. Vergl. Meynert, Gesch. d. k. k. österr, Armee, IV, 39, wo für ein Infanterie-Begiment ein durch- sclmittlicher Abgang von 720 Mann, fiir ein Cavallerie-Eegiment ein solcher von 194 Mann tind 167 Pferden angegeben wird, was einem Gesammtabgang von beiläufig 45.200 Mann imd 10.600 Pferden entspräche.

») K. A., H. K. R. 1740, Prot. Reg. fol. 1084; Prot. Exp. fol. 8292, 3498, 3Ö02» Die drei niederländischen National- Regimenter besassen schon diesen Sollstand.

OesterraiohUoher Erbfolgekrieg. I. Bd. 24

Digitized by

Google

370

reich befindlichen ist der gleiche Befehl sicher ergangen. ^) Wenn weiters im November acht in Ungarn und Slavonien liegende Regimenter ihren Abgang auch nur auf die letztgenannte Zahl nachwiesen^) und laut einer Weisung des Hof-Kriegsrathes vom 21. December, also bereits nach dem Einfall der Preussen in Schlesien, mehrere dahin marschierende Regimenter sich ebenfalls nur auf 2000 Mann ergänzen sollten^, so ist es zweifellos, dass auch Maria Theresia an der Entschliessung ihres Vaters vom 10. Juni principiell festhielt. Dem entspricht auch die hofkriegs- räthliche Circidar- Verordnung vom 31. December 1741 an sämmt- liche für die Armee Neipperg's bestimmten Fuss- und Reiter- Regimenter, kraft welcher den Inhabern die, seit mehr als einem Jahre verbotene Ersetzung abgängiger Chargen nach Massgabe des „dermaligen completen Standes von 2000 und respective 800 Köpf wieder gestattet wurde. ^) Also auch die Cürassier- und Dragoner-Regimenter hatten gemäss der Resolution des verewigten Kaisers ihren Stand nach dem Projecte Harrach's einzurichten und die einzige Wirkung der Preussen-Invasion war also nur, dass die Husaren nicht auf 600 Maim herabgesetzt wurden, sondern auf ihrem bisherigen completen Stande verblieben.

Vollständige Klarheit erhält die Sachlage durch die nach- träglich am 1. Februar 1741 erflossenen königlichen Resolutionen, dass sämmtliche Infanterie-Regimenter in den ungarischen und deutschen Erblanden ausser O'Gilvy und Wenzel Wallis „bei

*) Der Antrag hiezu erfolgte schon im April; der Abgang im November wurde nur mehr für den SoUstand von 2000 Mann berechnet. (Ebenda, Prot, Exp. fol. 1159, 3292; Prot. Eeg. fol. 3703.)

«} Ebenda, Prot. Exp. fol. 3132. (Wurmbrand-, Alt- Wolfenbüttel-, Bayreuth-^ Seckendorff-, Schmettau-, Göldy-, Thüngen- \md Moltke-Infanterie.)

») Ebenda, Prot. Reg. fol. 3637, 3648. (Baden-, Schmettau-, Thüngen-, Carl Lothringen-Infanterie.)

*) Infanterie: Franz Lothringen, Alt-Daun, Harrach, Starhemberg, Cari Lothringen, Hessen- Cassel, Schmettau, 0*Gilvy, Wenzel Wallis, Browne, Thüngen, Botta, Kolowrat, Grünne, Baden; Cürassiere: Hohenzollem, Hohen- ems, Lanthieri; Dragoner: Batthydny, Liechtenstein; Husaren: Csdky, Dessewffjr, Spl6nyi. (K. A., H. K. R. 1740, December, 821 Reg.) Nach dem Conferenz-Proto- coU vom 27. December 1740 (Hof k. Arch., Reichs-A., Fase. 165) soll die Gesammt- stärke dieser Regimenter nach dem geltenden Soll - Stande bei 86.000 Mann ausmachen, was bei der Infanterie dem Stande von 2000, bei der Reiterei jenem von 8(X) Mann per Regiment entspricht. Auch die genannten acht Reiter-Regimenter hatten schon früher Befehl erhalten, sich auf nur 803 Mann und Pferde zu completieren. (K. A., H. K. R. 1740, Prot. Reg. fol. 3665, 8661, 3666; Prot. Exp. fol. 2299.)

Digitized by

Google

371

dermaligen Umständen auf 2000 Köpf und sämmtliche Regimenter zu Pferde deutscher und ungarischer Nation in den ungarischen und deutschen Erblanden „bei dermaligen Zeiten und Umständen auf 800 Mann und Pferd gesetzt" und auf diesem Fuss mit dem Beginne des „1^^^^^^®^ ^iü^är- Jahrs, nämlich dem 1. November 1740" verpflegt und ergänzt werden sollten. ^) Die Infanterie-Regimenter O'Gilvy und Wenzel Wallis sollten jedoch auch fortan auf dem „althergebrachten Fuss" von 2400, beziehungs- weise 2100 Mann belassen werden. ^

Sonach wäre nur der Sollstand der in Italien stehenden Regi- menter zu Fuss -und zu Pferde, dann jener der zwei Dragoner- Regimenter in den Niederlanden unverändert geblieben; doch erhielt der commandierende General in Mailand, Feldmarschall Graf Traun, noch im Januar 1741 den Befehl, die ihm imterstehenden fünf Reiter-Regimenter nur auf 1000 Mann ergänzen zu lassen. ^) Nach vorstehenden Ausführungen gab es also beim Regierungs- antritte Maria Theresia's: ä) 13lnf.-Reg. (in Italien) m. d. Sollstande von je 2300 -=29.900 Mann

37 2000^=74.000

1 (O'Güvy) 2400= 2.400

1 (WenzelWallis)m.d. 2100= 2.100

52 Inf. -Reg. mit dem Sollstande von zusammen 108.400 Mann

b) 2 Oür.-Reg. (in Italien) m. d. Sollstande v. je 1000 = 2.000 M. u. Pf. 1^ 11 ,7 ,, 800=12.800 ,, ,y 18 Cür.-Reg. mit dem Sollstande von zusammen 14.800M. u. Pf.

c) 3 Drag.-Reg. mit dem Sollstande von je 1000 = 3000 M. u. Pf.

11 12. " " " " '* " 800 r= 8800

14 Drag.-Reg. mit dem Sollstande von zusammen 11.800 M. u. Pf.

d) 2 Hus.-Reg. mit dem Sollstande von je 1000 = 2000 M. u. Pf. 5 ,, ,, 800 = 4000 ,, ,} ,,

1 ?) 11 11 11 11 11 }i 880 = 880 ,j ,,

8 Hus.-Reg. mit dem Sollstande von zusammen 6880 M. u. Pf. Der Vergleich des vorgeschriebenen mit dem Effectivstande der „General-Tabella" vom 5. November 1740 ergibt sonach fol- gendes Bild :

>) K. A., H. K. E. 1741, Prot Keg. fol. 209. Der damaHge Sprach- gebrauch verstand unter den „deutschen" Erblanden auch die böhmische Ländergruppe.

') Ebenda, Prot. Exp. fol. 314.

») Ebenda, fol. 811, Prot. Reg. fol. 91.

24*

Digitized by

Google

372

Waffon^attung

Infanterie .... Cürassiere ....

Dragoner

Husaren

Reiterei zusammen

SolUtaod

108.400

14,800

11.800

6.880

33.480

14.800

11.800

6.880

38.480

75.658 14.594 11.818 5.827 32.23929.741

Totale |'|l41.880i33.48Oi07.892'29.74l!|84.006

ll ! II I Jl

Das ist immerhin wenigstens bezüglich der Standesverhält- nisse eine günstigere Situation der österreichischen Armee am Ende des Jahres 1740, als bisher angenommen wurde; bedenklich war in Wirklichkeit niu: der Abgang an Mannschaft der Infanterie und an Pferden bei den Cürassieren, während nach Ansicht der Zeit auch ein etwaiger grösserer Abgang an Husaren-Mannschaft luid -Pferden jederzeit leicht zu ersetzen war.

Die Fuss-Tnippen.

Die Fusstruppen gliederten sich um das Jahr 1740 in die re- gulären Infanterie-Regimenter, das regulierte Tyroler Land-BataiUon und die Gamisons- und Besatzungs-Truppen, an welche sich schon im Frieden die Grenz-Milizen im Warasdiner und Oarlstädter Generalate, dann an der Save, Donau, Theiss und Marcs, dazu im Kriege noch die Land-Milizen und die Frei-Corps anschliessen.

Die regulären Infanterie-Regimenter.

Carl VI. hin terliess seiner Tochter Maria Theresia 52 In- fanterie-Regimenter *). Je nach den Ländern, wo sich dieselben vorzugsweise zu ergänzen pflegten, unterschied man dieselben in 44 deutsche, 3 ungarische (Kökenyesdy de Vettes, Leopold PÄlflfy, Gyulay), 3 niederländische (de Ligne, Los Rios, Pri6-Turinetti) und 2 italienische Infanterie - Regimenter (Vasquez, MaruUi). Von diesen 52 Regimentern hatten zu Ende des Jahres 1740 die in Italien stehenden (dreizehn) einen completen Stand von 2300 Mann, die übrigen (mit Ausnalime von O'Gilvy mit 2400 und Wenzel Wallis mit 2100 Mann) einen solchen von 2000 Mann. Alle waren eingetheUt in zwei Grenadier-Compagnien zu 100 Mann und drei

*) Siehe Anhang Nr. XI: Verzeichniss der Inf.-Begimenter von 1736 1748.

Digitized by

Google

373

Bataillone (zu 600 oder 700 Mann), welch letztere sicli aus je fünf Füsilier- oder „Ordinari'^-Compagnien zusammensetzten. Die Com- pagnien hatten folgenden Stand:

Eine Grenadier- Compagnie

Eine Ordinari-

Compagnie, wenn das

Regiment den completen

Stand hatte von

2800 Mann

T

- (1)

4 2

2

87 (86)

1 1

(1) (0) 1

(1) (0)

6 (5)

4 (2)

12 (10)

4 (3)

106 (b. 112)

2000 Mann

(0)

5 2

10 (12) 3 (2) 92 (bis 95)

Benennung der Chargen

Hauptmann

Ober-Lieutenant

Unter-Lieutenant

Lieutenant

Fähnrich

Feldwebel

Foürier

(Musterschreiber)

Führer

Feldscherer

Corporale

Fourierschützen

Gefreite

Spielleute

Gemeine

Ein-

theilung

derselben

O

o

g

PM

.SP

r—i O

•3'

d

^

O J

100 |140 120 Köpfe

Die Chargen eines Oberlieutenants und Unterlieutenants der Grenadier-Compagnien waren gleichbedeutend mit jenen eines Lieutenants und Fähnrichs der FüsUier-Compagnien. Je nachdem zu Zeiten die Chargen des Musterschreibers, der Compagnie-Feld- scherer (-Gesellen), einiger Corporale, Gefreiten, Fourierschützen oder Spielleute wegfielen, erhöhte sich der Stand der Gemeinen um ebenso viel Köpfe. Bei jeder Compagnie waren zwei Gemeine „auf Regimentsunkosten" als ZLmmerleute ausgerüstet ; sie sollten auch von dieser Profession sein.

Der Regiments-Stab bestand im Frieden, ausser dem selten beim Regimente anwesenden Oberst-Inhaber, aus dem Oberst und Commandanten, dem Oberstlieutenant und dem Oberstwachtmeister, welche die „Stabs-Officiere" hiessen, dann aus folgenden Personen des „kleinen Stabes" : dem Regiments-Quartiermeister, dem Auditor und Secretarius, dem Caplan (Regiments-Pater), dem Wachtmeister- Lieutenant (Adjutanten), dem Regiments-Feldscherer und dem Pro- f ossen „cum suis", (d. h. mit seinen Gehilfen, welche der Scharfrichter

Digitized by

Google

374

und die Steckenknechte waren). Er zählte also im Frieden neun Köpfe, zu welchen im Kriege noch hinzu kamen: der Proviant- meister und der Wagenmeister.

Dem Quartiermeister und Auditor konnte eine Officiers-Charge als Titel verliehen werden. Der Auditor hatte immer auch die Dienste des Secretärs zu versehen. Die Charge des Wagenmeisters wurde häufig nur durch einen Unteroffioier vertreten. Wenn nicht bei jeder Compagnie ein Feldscherer-Geselle eingetheilt war, so wurden beimRegiments-Stabe deren zehn bis zwölf im Stande geführt. Die Kopfeahl desselben ist also nicht constant ; sie wurde übrigens nach damaligem Gebrauche nicht in die Stärkeziffer des Regiments mitgezählt. Dasselbe gilt auch von den Eegimentsmusiken, welche, wenn sie vorhanden waren, nur auf Kosten des Inhabers unterhalten werden durften^).

Auf dem Sollstande von 2000 Mann blieben die Infanterie- Regimenter auf dem deutschen Kriegs-Schauplatze bis nach dem Breslauer Frieden; denn die Resolution Maria Theresia's, welche der Hof-Kriegsrath am 30. September 1741 dem Feld-

^) EinErlass des Hof-Kriegsrathes vom 21. Februar 1750 (K. A., Memoi- ren, IV, 86) bedrohte sie mit der Abschaffung, „wann sie von denen Begiments- Inhabem nicht ex propriis und ohne Beschwerde des aerarii und des gemeinen Mannes bestritten würden". Die „Hautboisten" und „Pfeifer" standen unter der Leitimg und Ausbildung des gleichfalls als solchem nicht systemisierten „Regiments - Tambours" ; dieser zählte auf den Stand der gemeinen Tam- boure und erhielt aus Regimentsmitteln eine Uebergebühr. Die Kriegs- Oommissäre hatten die Pflicht, bei den Musterungen eigens darauf zu sehen, dass von den gebührlichen anderthalb Mundportionen der jüngeren Tamboure und Gefreiten nicht eine halbe Portion „zur Unterhaltung deren Hautboisten innenbehalten werde".

Die Hautboisten sollten sich eine Stunde vor der Ablösung der "Wachen, wenn diese Mittags stattfand, bei schönem Wetter vor der Hauptwache „hören lassen, jedoch dass sie nicht jedesmal einerlei Stuck aufmachen, sondern wie in denen Notenbüchem aufgeschrieben, immer damit variieren". Wenn im Lager zur Betstunde die Mannschaft zur Fahnen-(Haupt-) Wache geführt wurde und der Caplan das Gebet sprach, mussten sie das betreffende Lied spielen und die Mannschaft betete und sang entblössten Hauptes knieend mit. Beim Leichenbegängnisse des Regiments- Inhabers folgten die Hautboisten der ersten Hälfte des Regiments und spielten mit gedämpften Instrumenten ein „Sterbelied". Auf Märschen hatten sie, wenn sie überhaupt vorhanden waren, abwechselnd mit dem Spiele der Tamboure zu blasen. Die charakteristischen Instrumente, welche noch heute einer Musik-Capelle die Bezeichnung „türkische Musik" verleihen (türkische Trommel, Schellenbaum, Triangel, Tschinellen etc ), wurden nach dem Beispiele der Trenck*schen Panduren eingeführt.

Digitized by

Google

375

m€u:«ohall Grafen Khevenhüller mittheilte und womach die Eegimenter Seckendorff und Wenzel Wallis nach Prag verlegt und mit den böhmischen Recruten auf je 3000 Mann gebracht werden sollten, bekundete nur die Absicht, den in Böhmen einrückenden Feinden die jungen dienstfähigen Leute des Landes nicht in die Hände fallen zu lassen und ist daher keine organisatorische Mass- regeP). Hingegen ergieng schon im December desselben Jahres an die in den Niederlanden stehenden fünf deutschen Eegimenter (Arenberg, Heister, O'Nelly, Salm und Ludwig Wolfenbüttel) der Befehl, sich im Bömischen Reiche „auf den Feldfuss per 2300 Mann" zu ergänzen^; doohstiess diese Ergänzung und daher noch viel mehr die beabsichtigte Errichtung vierter Bataillone bei diesen fünf Regimentern auf solche Schwierigkeiten, dass schon im Mai des folgenden Jahres die Reduction eines derselben behufs Com- pletierung der andern vier, oder die Herabsetzung aller ftnf in's Auge gefasst wurde ^), wozu es jedoch nicht kam.

Auf dem süddeutschen Ejiegs-Schauplatze glaubte man bis Ende des Jahres 1743 bei dem Stande von 2000 Mann per Regi- ment bleiben zu können und hatte noch im Februar dieses Jahres die Ende 1741 aus Italien (wo bekanntlich der Sollstand von 2300 Mann normiert war) nach Oesterreich und Bayern gezogenen drei deutschen Regimenter (Neipperg, Sachsen - Hildburghausen, Jung- Königsegg) befehligt, gleichfalls diesen Stand anzunehmen*). Als aber die politische Lage durch die Nachrichten von den Unterhand- lungen, welche zum preussisch-französischen Bündnisse und zur Frank- furter Union führten, bedenklich zu werden begann, ordnete Maria Theresia am 18. December 1743 für alle deutschen Lifanterie- Regimenter, welche bisher noch den vorgeschriebenen Stand von 2000 Mann hatten, die Erhöhung desselben auf 2300 Mann an^), womit im Mai 1744 die Erlaubniss verbunden wurde, bei den Fü- silier-Competgnien „nach dem vorhinigen Gebrauch" wieder sechs Corporale (statt bisher fönf) und zwölf Gefreite (statt zehn) zu

*) K. A., F. A. Oesterreich und Bayern 1741, IX, 55. Thatsächlich werden diese zwei Eegimenter im December d. J. ,,pro tempore" mit dem Stande von 3000 Mann in nur siebzehn Compagnien angeführt. (Hofk. Arch., Reichs.-A., Fascikel 166, Beilage 2 zum Commissions-Prot. vom 15. December 1741.)

«) K. A., H. K. R. 1741, Prot. Exp. fol. 2299, 8053, 8181, 8182. Prot. Reg. fol. 8172, 8566.

') Ebenda, 1742, Prot. Reg. fol. 1090 f.

*) K. A., H. K. R. 1748, Prot. Reg. fol. 318 (Februar 9.); F. A. Bayern und Ober-Rhein 1748, 11, 12 c.

») Ebenda, 1748, Prot. Reg. fol. 2609, 2610 (December 18.)

Digitized by

Google

376

ernennen ^). In dieser Verfassung blieben die deutschen Regimenter bis zum Ende des Krieges und der darauffolgenden Reorganisation mit der einzigen Ausnahme, dass im Jahre 1747 das Regiment Sachsen-Hildburghausen um ein viertes Bataillon verstärkt, somit auf 3000 Mann gesetzt wurde, weil es nach Auflösung der Be- satzungs-Compagnien im Litorale (zu Triest, Fiume etc.) daselbst die Garnisonen versehen musste *). Auch das zufolge Capitulation vom 23. Januar 1744 vom Marchese Clerici in den österreichisch- italienischen Besitzimgen errichtete „wälsche National-Regiment" (gegenwärtig Erzherzog Albrecht Nr. 44) hatte den Stand und die Eintheilung der deutschen Regimenter, d. i. 2300 Mann in zwei Grenadier-Compagnien zu 100 und 15 Ordinari-Compagnien zu 140 Mann bis zum Ende des Jahres 1748. Ein Gleiches war seit dem Frühjahre von 1744 bei dem Trenck'schen Panduren-Frei-Corps der Fall, welches laut Decret des Hof-Kriegsrathes vom 17. März 1745 formell in das „slavonische Panduren-Regiment" mit dem Fusse der deutschen Regimenter umgewandelt wurde *).

Die Anzahl der deutschen Regimenter erlitt während des Krieges insofeme eine Aenderung, als 1741 Schmettau-, 1747 Heister- und Kheul-Infanterie aufgelöst wurden; hingegen wurden neu errichtet im Jahre 1743 das Regiment Sprecher und 1745 das Tyioler Land- und Feld-Regiment.

Die Aufstellung des ersteren wurde am 12. März 1743 mit dem Oberst Salomon Sprecher v. Bernegg vereinbart*); es sollte binnen vier Monaten aus Deutschen, Schweizern und Graubündtnern in der Stärke von 2300 Mann, welche nach Art der übrigen deutschen Regimenter einzutheilen waren, in Meran und Feldkirch marsch- und kriegsbereit hergesteUt sein ; doch wurde noch vor Ablauf des Kalenderjahres beschlossen, dasselbe auf vier Bataillone zu ver- stärken und zwar in der Gesammtstärke von 2600 Mann ^), wonach es in zwei Grenadier-Compagnien zu 100 und in zwanzig Ordinari- Compagnien zu 120 Mann eingetheilt war. In dieser Form bestand es in Italien bis zu seiner Ende 1749 erfolgenden Auflösung. Das „Graubündtner'' Regiment hatte eine von den deutschen Regimentern

Q1A

») K. A., H. K R. 1744, Mai, -j- Reg. (Circular-Rescript v. 18. Mai 1744.)

«) K.A.,H.K.R.1746, September, 576 Exp. u. 1747 Prot. Reg. fol. 1692 (September 19).

*) Vergl. unten „Frei- Corps zu Fuss".

*) K. A., F. A. Bayern und Ober-Rhein 1748, III, 8, ad 8. ' *) K. A., H. K. R. 1743, December, 623 Exp. (kgl. Resolution) und 1744, Prot. Reg. fol. 1166 (April 24, an den itaUeuischen Rath).

Digitized by

Google

377

abweichende BezaMung und auch die Privilegien, die Justiz und die Disciplin nach Schweizer Art.

Viel grössere Veränderungen giengen in der Zahl und Ein- theilung der National-ßegimenter vor sich.

Vor allem wurden die ungarischen in Folge der Pressburger Landtagsbeschlüsse des Jahres 1741 um sechs Regimenter von je 3000 Mann vermehrt*), welche unter den Namen ihrer ersten Oberste (Forgdch, Andr&ssy, Ujvdry, Haller, Szirmay und Bethlen) bekannt sind. Dieselben hatten Anfangs keine Grenadier-Compagnien, sondern wurden (abgesehen vom ßegiments-Stabe, welcher wie bei den deutschen Regimentern zusammengesetzt war und dazu noch zwölf Feldscherer-Gesellen zählte) in vier Bataillone k ftinf Compagnien zu je 150 Mann eingetheilt; unter diesen befanden sich ausser der gewöhnlichen Prima^-Plana : sechs Corporale, drei Spielleute, zwei Fourierschützen, zwölf Gefreite und 121 Gemeine. Diese neuen Regi- menter wünschten jedoch, nach Art der schon bestehenden, gleichfalls Grenadier-Compagnien zu besitzen ; General-Feld- Wachtmeister Baron Andrissy theilte daher im April 1745 ohne vorherige Anfrage sein Regiment in zwanzig Ordinari-Compagnien zu je 140 und in zwei Grenadier-Compagnien zu je 100 Mann ein und erhielt hiezu nach- träglich die Genehmigung^). Die Resolution Maria Theresia's vom 22. October 1746 erfüllte auch den übrigen jRinf neuen Regi- mentern ihren Wunsch, womach dieselben wie Andrissy-Infanterie eingetiheilt werden sollten, jedoch erst vom 1. Mai 1747 angefangen').

Bald nach der Errichtung der sechs neuen, hatten auch die drei alten imgarischen Regimenter Gyulay, Leopold PAlffy und Vettes, welche zu Ende des Jahres 1741 mit dem Stande von 2300 Mann aus Italien nach Bayern gezogen worden waren, die Soll- stärke von 3000 Mann erlangt und zwar das Regiment Gyiday schon im Laufe der Jahre 1742 und 1743. Die Regierung hatte nämlich die Bereitwilligkeit der siebenbürgischen Stände, anstatt der Lisurrection nach dem Vorgange der Ungarn ein Lifanterie- und ein Husaren-Regiment zu errichten, dahin zu leiten gewusst, dass die endgiltig auf 2000 festgesetzte Zahl siebenbürgischer Fuss- gänger für das im Stande sehr herabgekommene, bisher ungarische Regiment Gyulay verwendet wurden und zwar derart, dass 1300 Mann zur Ergänzung der schon bestehenden siebzehn Compagnien,

*) Eüerüber handelt ausführlich Alexich: Die freiwilligen Aufgebote aus Ungarn 1741 u. 1742. (Mittheilungen des k. u. k. Kriegs-Arch., NeueFolge, V, 1891). ») K. A., H. K. R 1746, Prot. Keg.« fol. 1287 (Mai 12). ») Ebenda, Prot. Reg. 1746, fol, 2321, 2322 (Octob. 22) u. 1747, fol. 2 (Jan. 1).

Digitized by

Google

378

die restlichen 700 hingegen zur Errichtung eines vierten Bataillons in der üblichen Eintheilung dienten ; dieses neue Bataillon marschierte Ende Juni 1743 zur königlichen Armee im Römischen Reiche ab*).

Um alle ungarischen Regimenter einander gleichzustellen, ergieng um das Neujahr 1743 die königliche Resolution, „dass die sämmtlichen sowohl alten, als neuen hungarischen Infanterie-Regi- menter auf 3000 Mann gesetzt werden sollen" ^. Die sonach auch bei den Regimentern Leopold Pdlffjr und Vettes zu errichtenden Bataillone sollten bis Ende Juli 1744 aufgestellt sein, was sich aber bis zum Beginne der Campagne des nächsten Jahres hinauszog.

Die zwei italienischen Regimenter Vasquez und MaruUi hatten mit Allerhöchster Entschliessung vom 25. Juli 1742 den Befehl er- halten, den completen Stand von 2300 Mann anzimehmen*); aber schon wenige Monate darnach (und nur kurz vor den gleichen Entschlüssen hinsichtlich der Regimenter Vettes und Leopold P&lflfy) ergieng für sie Weisung der Königin, dass sie mit einem vierten Bataillon verstärkt, d. h. auf 3000 Mann Sollstand gebracht werden sollten *).

Dieselbe Aenderung des vorgeschriebenen Standes betraf in diesem Jahre die drei niederländischen National - Regimenter (de Ligne, Los Rios, Pri6); gleichzeitig kam es auch in den Nieder- landen anstatt der vom Hofe gewünschten Errichtung einer Land- Miliz zur Aufstellung eines Wallonen - Regiments , welches am 9. Mai 1742 den Grafen d'Arberg zum Oommandanten erhielt. Bis Mitte August hatten diese vier National-Regimenter ihren neuen Sollstand von 3000 Mann fast erreicht *) und so günstig verlief die Completierung derselben, dass sofort an die Bildung eines fönfben National-Regiments, des zweiten Wallonen-Regimentes geschritten wurde, zu dessen Obersten und Oommandanten am 2. Juli 1743 Prinz Arenberg ernannt wurde ^. Dieses Regiment hatte

*) Hofk. Arch., Eeichs-A., Fascikel 165, Confei:enz-Prot. vom 2. und 17. April 1742 ; Hoffinanz, 29. Mai und 12. August 1743. K. A., F. A. Bayern 1742, V, 12 ; H. K. E. 1742, Prot. Beg. fol. 876 und noch oftmals.

«) K. A,, H. K. E Prot. Eeg. 1742, fol. 2464 (Dec. 18.) u. 1748 fol. 10 (Jan. 2.)

») Hofk. Arch., Eeichs-A., Fascikel 165, Conferenz - Prot., 18. Juni 1742, Beilage (Hof-Kriegsrath, 26. Juni 1742 an die Hof.-K.)

*) Hofk. Arch., Hoffinanz 17. Nov. u. 4. Dec. 1742. (Die bezüglichen Zu- schriften desHof-Kriegsrathes tragen das Datum 19. Sept., beziehungsw. 12. Nov.)

») K. A., H. K. E. 1741, Prot. Exp. fol. 8113 und Prot. Eeg. fol. 8678 (December 30.) ; 1742, Prot. Eeg. fol. 696, 968, 1090, 1263, 1872, 1682, 1707. Das erste Wallonen-Eegiment war ursprünglich dem General.Chanclo s zu- gedacht, wui'de ihm dann aber doch "nicht verliehen*

«) Ebenda, 1743, Prot Eeg. fol. 261, 262, 1446.

Digitized by

Google

379

Anfangs vier Bataillone und die gewöhnlichen zwei Grenadier- Compagnien, vom August 1744 sogar fünf Bataillone mit einem Sollstande von 3560 Mann, welcher allerdings von der Effectivstärke nicht erreicht wurde ^) ; doch wurden bald nach dem Dresdner Frieden, als vom böhmischen Kriegs-Schauplatze eine Anzahl Regi- menter fiir di-e Niederlande verfügbar geworden, das vierte und flinfte Bataillon von Jung-Arenberg, dann die vierten Bataillone der drei alten National-Regimenter reduciert; dieselben kamen dadurch auf den Sollstand der deutschen Regimenter (2300 Mann). Nur das Wallonen-Regiment d' Arberg behielt bis zum Ende des Krieges den vorgeschriebenen Stand von 3000 Mann^.

Das regulierte Tyreler Land-Bataillon.

Dieser Truppenkörper war aus den gelegentlich des Einfalles der Bayern im Jahre 1703 aufgestellten sechs Scharfschützen- Compagnien hervorgegangen^) und versah bereits im Jahre 1713 die Garnison von Innsbruck; er konnte auch im Felde verwendet werden. Das Land-Bataülon war um das Jahr 1740 in vier Com- pagnien zu 150 Mann eingetheilt, zählte also mit dem Soll- stande 600 Mann, für welche das Land jährlich 45.000 Gulden zahlte. Im Frieden hatte es die Festungen und Pässe des Landes zu besetzen und auch auf abgelegenen Wegen gegen Schmuggler sogenannte „Wachtknechte" aufzustellen.

Zur Zeit des Todes Carl VI. konnte es nicht einmal die „etUch und fünfzig" Plätze des Landes genugsam besetzen, ge- schweige denn Recruten-Transporte aus und nach Italien escortieren, wesshalb es durch Werbungen in Innsbruck, Bozen, Brunecken und Kitzbühel verstärkt werden sollte *) und auch daa Infanterie-Regiment KÖnigsegg nach Tyrol beordert wurde. Maria Theresia fand 1743, dass das „Land-Bataillon in Tyrol nichts taugt und ausser Land gar nicht zu gebrauchen ist" und hätte desswegen gerne dem Projecte des oberösterreichischen Kammerrathes Neumeyer zur Errichtung eines Tyroler National-Regiments zugestimmt, wenn nur die Gelder zur Erhaltimg der alten Regimenter besser zugereicht

>) K. A., F. A. Niederlande 1744, V, U-f; VHI, 24 a; IX, 11 b.

«) K. A.; H. K. R 1746, Prot. Reg. fol. 536, 869, 937.

») K. A., H. K. R. 1746, Februar, 950 Exp. (Ein Proraemoria über ,.Das Defensionswesen in Tyrol" vom Jahre 1743 und ein Conferenz-Protocoll vom 10. Januar 1745. Dem Acte liegen wichtige Regesten zur Geschichte des Tyroler Land- und Feld-Regiments bis zum Jahre 1747 bei.)

*) Hofk, Arch.jOb.-Oesterreich. 28. Januar 1741. (H. K. R. 29. October 1740.)

Digitized by

Google

380

hätten. ^) Nach einer eigenhändigen Bemerkung der Königin vom Jahre 1744 soll das Bataillon effectiv nur 200 Mann gehabt haben und die Monarchin fragte entrüstet, wohin denn das für dasselbe bestimmte viele Geld komme. ^) Auf Grund der schon längere Zeit hindurch mit den Landständen gepflogenen Unter- handlungen resolvierte die Königin am 10. Januar 1745 die Auflösung des Land-Bataillons und die Errichtung des „Tyroler Land- und Feld-Regiments", zu dem die noch tauglichen Leute des ersteren eingetheilt wurden und für welches das bisher fiir dasselbe bestimmte Geld verwendet werden sollte. Die Stärke und Eintkeilung des Regiments sollte die der deutschen Regimenter sein. Doch wurden vorerst nur eine Grenadier-Compagnie und zwei Bataillone (zu fünf Compagnien), im Ganzen also nur 1500 Mann aufgestellt. Li diesem Zustande blieb das Regiment bis zur Heeresreform des Jahres 1748. Zum Obersten und Commandanten desselben wurde am 3. Februar 1745 der Oberstlieutenant Graf Spaur von Waldeck-Infanterie ernannt. Die zwei Bataillone sollten abwechselnd ausser Landes verwendet werden. ^ Noch gegen Ende des Jahres 1745 marschierte eines derselben zur Haupt -Armee nach Böhmen*) und stand hernach in Vorder-Oesterreich und „im Reiche". (Passau, Philippsburg, Burgau, Neuburg etc.)

Ausrfistnng^ Bewaffnnng^ Gebühren, Dienst.

Hinsichtlich der Bekleidung des Mannes wird auf die dem Bande beiliegenden Abbildungen verwiesen. ^) Das Lifanterie- Reglement vom Jahre 1737 schreibt vor: „Unsere unmittelbaren kaiserlichen Regimenter zu Fuss sind vermög schon von vorhin bekannter Verordnungen gleich zu mundieren (bemontieren) und zwar die Rock von gutem perLfarben Tuch in der altgebräuchig- und behörigen Länge und Weite, damit die Mannschaft, weil sie mit keinem Mantel versehen ist, sich imd das Gewehr damit genugsam bedecken möge; die Aufschlag, Camisöler und Hosen

») K. A., F. A. Bayern und Ober-Rhein 1743, X, 36 und ad 36. Bald hernach lag der Königin auch vom Feldmarschall-Lieutenant Stentsch em Vorschlag zur Errichtung eines regulierten Tyroler Eegiments vor. Da» Urtheil dieses Generals über das Land-Bataillon ist gleichfalls sehr abföllig. (K. A., I., H. K. R 1743, XI, 3, Vortrag des Hof-Kriegsrathes vom 27. Nov. 1743.)

«) K. A., Memoiren, X, 56.

») K. A., H. K. R 1745, Februar, 63, 64, 65 Reg.

*) Hofk. Arch., Hoffinanz, 12. October 1746.

*) Eine eingehende Beschreibung siehe in : Feldzüge des Prinzen Eugen, I, 212 ff.

Digitized by

Google

381

hingegen können von einer, den bestellten Obristen beliebigen Farbe sein ; doch sollen die Aufechläge durchgehends auf einerlei Art, nämlich nach dem alten Gebrauch unten zu mit drei Knöpfen und so viel Knopflöchern gemacht werden, xmi solche herunter- ziehen imd die Hände, auch das Gewehr bei Kälte und Regen decken zu können. Woraus sich von selbst ergibt, dass Wir die bei etlichen Regimentern ad imitationem fremder Truppen ein- geschlichene Monturs-Art, so gar zu kurz und eng gemacht, folgends auf die geringste Bewegung der Zersprengung, auch bei nassem Wetter dem noch mehrem Eingehen unterworfen, mithin niemals den Mann oder sein Gewehr zu bedecken hinlänglich oder tauglich ist, vollends eingestellt und respective abgethan wissen wollen.'' Zur Montur gehörten folgende Stücke : ein Rock, ein Camisol, ein Paar Hosen, ein Hut (bei den Grenadieren eine Bärenmtitze), zwei Halstücher, zwei Hemden, ein Paar Strümpfe, ein Paar Schuhe, eine Patrontasche mit Zugehör (Oelfläschchen, Raumnadel, Pulver- hom und Bürstchen), ein Bajonnett sammt Gehänge, ein Tornister (Schnappsack, Ranzen) aus Zwilch oder Kalbfell. Mit diesen Sorten musste jeder Recrut vor den assentierenden Kriegs-Oommissär gebracht werden. Die Kosten hiefiir betrugen damals zwischen I7V2 und I8V2 Gulden und waren im Werbegelde mitbegriffen. Die Uniform der ungarischen Regimenter hatte nationalen Schnitt. Die der Officiere war nur aus feinerem Tuch und trug Gold- stickereien. Sonstige Kennzeichen des Officiers waren der nach der Charge verschieden ausgestattete Stock, die ebenso verschieden- artige Partisane und vor Allem die schwarzgelb-seidene Feldbinde.

Die Hauptwaffe der kaiserlichen Infanterie war die anderthalblöthig-kalibermässige Bajonnettflinte mit Feuerstein- oder Batterieschloss, welche über eilf Pfund wog und einen hölzernen Ladestock besass. Das dreischneidig und hohl geschliffene, IV2 Fuss lange Bajonnett war seit dem Anfange des Jahrhunderts durch die über den Lauf zu steckende Düle imd den Querarm so vervoll- kommnet worden, dass nunmehr auch mit gepflanztem Bajonnett gefeuert werden konnte. Obwohl zur Zeit des Todes Carl VI. schon fertige Patronen in Gebrauch standen, bediente man sich zum Aufschütten des „Zündkrautes" auf die Pfanne doch noch längere Zeit hindurch eines Pulverhoms ; später schüttete man das Pulver aus der Patrone auf. Für jeden Mann des Feuergewehr- standes wurden vierzig Schuss in das Feld mitgenommen, wovon oftmals ein Theil nur als loses Pulver in Fässern und als ungegessenes

Digitized by

Google

382

Blei bei der Feld- Artillerie sich befand; zu deren Obliegenheiten in den Winter-Quartieren gehörte theilweise auch die Patronen-Erzeugung.

Der eiserne Ladestock, welcher in Oesterreich schon 1426 den Büchsenschützen vorgeschrieben, aber durch den hölzernen verdrängt worden war, wurde erst durch königliche Resolution vom 8. December 1744 wieder eingefiihrt. *)

Die Ober- und Unter-Officiere der Grenadier-Compagnien waren mit Bajonnettilinten bewafihet. Die Grenadiere trugen nebst dem Bajonnett auch einen Säbel. Ihren Namen hatten sie von der Handgranate, deren Gebrauch oft dem sie werfenden Manne gefiüirlicher wTirde, als dem Gegner und desshalb im Laufe der Zeiten sich allmählig verminderte. Die Zeughäuser der Zeit weisen noch grosse Vorräthe gefüllter und ungefüllter Granaten auf. Eine solche, gewöhnlich aus Gusseisen hergestellt, wog mit der Sprengladung zwei bis drei Pfiind.

Die Stabsofficiere (ausser dem Oberstwachtmeister, welcher mit gezogenem Degen commandierte) und die Oberofficiere der Füsilier- Compagnien trugen zur Uniform in und ausser Dienst den Degen, im Dienste auch noch die ungefähr sechs Fuss langen Partisanen. Jene des Obersten war ganz vergoldet und trug eine goldene Quaste; jene des Oberstlieutenants war zur oberen Hälfte vergoldet und mit Quasten von Gold und schwarzer Seide geziert; jene der Hauptleute war unten vergoldet und mit Quasten von schwarzer imd gelber Seide versehen; die Partisane des Lieutenants war gar nicht vergoldet und besass auch keine Quaste. Die Fähnriche waren mit ., Springstöcken", die Feldwebel und Corporale mit dem „Kurzgewehr" versehen, einer kürzeren Abart der Partisane. Das Kurzgewehr des Feldwebels war von jenem des Oorporals verschieden und musste von Ersterem mit der rechten, von Letzterem mit der linken Hand gehalten werden ; es wurde nur während des Marsches geschultert. Partisane und Kurzgewehr verschwanden erst nach dem siebenjährigen Bjriege aus der öster- reichischen Armee : doch dürften die Unterofficiere, vielleicht auch die Officiere, wenigstens theilweise, im österreichischen Erbfolgekriege mit dem Feuergewehr versehen gewesen sein, denn Ende 1748 wurde für die Officiere der Ordinari-Compagnien die Partisane, ftlr die LTnter-Officiere ausdrücklich „statt der Flinten" wieder das Kurz- gewehr normiert. ^

*) Nicht, wie man gewöhnlich liest, nach der Czaslauer Schlacht 1742. A., H. K. R 1744, Prot. Reg. fol. 8160.

«) K. A., H. K. R. 1748, Prot. Reg. fol. 2150 ff. (Decemher 18.)

Digitized by

Google

383

Das Infanterie-Reglement vom Jahre 1737 schreibt noch den Gebrar^ch und das Exercitium mit den „Schweinsfedem" vor. Das waren pikenartige Stäbe von BV« Fuss Länge, oben und unten mit einer spitzen Eisenkappe versehen, mit welchen in bestimmter Anzahl der neun Fuss lange und drei Zoll dicke, mit ent- sprechenden Löchern versehene Balken derart „gespickt" wurde, dass tragbare „spanische Reiter" entstanden, welche unter einander verbunden werden konnten und zum Schutze gegen Cavallerie- Angriflfe dienen sollten. Die Balken wurden im Regiments-Train auf eigenen Balkenkarren mitgefiihrt. Mit Beginn des öster- reichischen Erbfolgekrieges verschwanden die Schweinsfedem aus dem Inventar der Infanterie. Im December des Jahres 1740 und Anfangs 1741 erhielten die aus Ungarn nach Schlesien marschierenden Regimenter den Befehl, die Schweinsfedem in die nächsten Zeug- häuser abzugeben und den in Schlesien stehenden wurde 1741 wiederholt au%etragen, mit der Anschaffung der Schweinsfedem imd Balkenkarren zurückzuhalten.^)

Zur Ausrüstung einer Compagnie gehörten ausser der Fahne, den Trommeln der Tamboure und einigen Pionnier- und Zimmer- manns-Werkzeugen auch noch die Zelte, deren eines auf vier bis fiinf Mann gerechnet wurde und welche für jedes Bataillon auf einem eigenen Zeltwagen im Regiments-Train mitgeführt wurden. Auf vier bis fünf Mann kam auch ein kupferner Feldkochkessel.

Jede Ordinari-Compagnie besass eine Fahne, die Grenadier- Competgnie fiihrte keine und hatte desshalb auch keinen Fähnrich im Stande. Die Fahne der „Leib-Compagnie" (des Oberst-Inhabers) war von den Fahnen der anderen Compagnien verschieden. Als nach und nach die Compagnien, dann auch die Bataillone die Fahnen abzugeben hatten, wurde aus der Leibfahne die Regimentsfahne. Sie war der ganzen Fläche nach mit Ausnahme "eines weiss-roth- schwarz-gelb geflammten Randes weiss und trug auf der einen Seite den kaiserlichen Doppeladler, auf der andern das Bild der heiligen Dreifaltigkeit, der Mutter Gottes oder eines Heiligen. ^

») K. A., H. K. E. 1740 und 1741, Prot. Reg. laut Index unter den Namen der nach Schlesien beorderten Regimenter.

*) Bei den sechs neuen ungarischen Regimentern war eine Fahne weiss, die übrigen roth. (Alexich, a. a. 0., V, 126.) Gelegentlich der Errichtung des ersten Wallonen-Regiments (d' Arberg) hiess es ausdrücklich, die Farbe der Fahnen und der Partisanenquasten der Hauptleute sei gleichgiltig. (H. K. R. 1742, Prot. Reg. fol. 1263.)

Digitized by

Google

384

Im Jahre 1743 ordnete Maria Theresia an, dass nicht nur die Feldbinden der Officiere grün und je nach dem Range mit Gold oder Silber, gelber oder weisser Seide durchwirkt, sondern dass die Hauptfarbe auch der v Compagnie - Fahnen die grüne sein solle und dass auf der einen Seite derselben nunmehr das königliche (böhmisch-ungarische) Wappen, auf der andern ebenfalls das Wappen oder eine Devise angebracht werde. Die Leib- fahne aber blieb nach wie yor auf beiden Seiten weiss und sollte auf beiden Seiten das Muttergottesbild tragen. Die Abänderung der Fahnen nach der neuen Vorschrift sollte aber erst dann geschehen, wenn die bisherigen unbrauchbar geworden wären. ^) Als aber 1745 Grossherzog Franz Stephan zum römischen Kaiser gewählt und die österreichische Armee die „kaiserUch-königliche" ward, wurde auch die grüne Farbe der Feldzeichen wieder abge- schafft und die Fahnen waren wieder „nach dem ehemaligen kaiserlichen Fuss zu errichten." ^ Zu jeder Fahne war ein Ueber- zug aus Wachsleinwand vorhanden.

Der Eegiments-Train bestand aus einem Zeltwagen für jedes Bataillon und aus sechzehn Proviantwagen, deren jede Ordinari-Com- pagnie einen, die beiden Grenadier -Compagnien zusammen einen be- sassen. Zelt- undProviantwagen waren vierspännig.DasAerar zahlte zur Aufstellxmg dieses Trains bei eintretender Mobilisierung ftlrjedenWagen sammt Pferden und Zugehör 200 Gulden.^ Mit dem Verschwinden der Schweinsfedem kamen auch die Balkenkarren ausser Gebrauch.

Die Zeltwagen sollten nach einer Anordnung vom Jahre 1744 durch Tragthiere ersetzt werden*); dies wurde jedoch wegen des Kostenpunctes nicht durchgeführt und nach wie vor erhielten alle in das Feld beorderten Bataillone ihre Zeltwagen. Auch die Bagage-

1) K. A., F. A., Bayern und Ober-Bhein, 1743, X, 88V, j ung. Gen.- Comdo., 1743, II, 14. Die Aenderung der Fahnen, welche den kaiserlichen Doppeladler trugen, war in Folge der Wahl C arl VIL von Bayern zum römisch- deutschen Kaiser nothwendig geworden.

*) K. A., H. K. R. 1745, December 424, 425 Reg.

*) Hofk. Arch., Hoffinonz, 25. Juli 1744 (Berechnung des Gleneral- Kriegs-Commissariates fär den von Leopold Pdlflfy-Infanterie im Jahre 1741 angeschafften Regiments-Train).

*) K. A., H. K. R. 1748, Prot. Reg. fol. 659 und 1744, fol. 67. Die Ab- schaffimg der Zeltwagen und die Einfuhrung von Tragthieren, welche mit den Zelten, auch bei Detachierungen, der Truppe überallhin leicht folgen konnten, fand besonders an Feldmarschall Khevenhüller, im Interesse des gemeinen Mannes, einen warmen Fürsprecher.

Digitized by

Google

585

Ordnung vom Jahre 1747 kennt sie und weist ihnen die vorderste Stelle im Train, unmittelbar hinter dem Regimente ein.

Dagegen blieb es bei der Anfangs 1743 angeordneten Vermin- derung der Proviantwagen von fünf auf zwei per Bataillon.^) Hiebei wurde die Instandhaltung der zwei verbleibenden Wagen aus- drücklich als Obliegenheit der Hauptleute des Bataillons erklärt. Die nunmehr überzählig entfallenden Wagen wurden gegen eine billige Vergütimg an die Regimenter dem Feld-Proviant-Fuhrwesen der Armee zugewiesen.

Auf Märschen gebührten dem Regiments-Stabe imd jeder Com- pagnie zwei mit vier Pferden oder sechs Ochsen bespannte Wagen als Landesvorspann, einem Regimente von drei Bataillonen und zwei Grenadier-Compagnien im Ganzen also 36 Vorspann-Fuhrwerke.

Zum Train gehörten auch die Pferde aller Stabs- und Ober- Ofiiciere, des kleinen Stabes und der Prima-Plana, deren erlaubte Zahl aus den nachfolgenden Gebührsangaben zu ersehen ist, femer die Marketenderwagen, jene Fuhrwerke, welche die Officiere auf eigene Kosten in das Feld mitnahmen oder von Station zu Station mietheten, wogegen (freilich lange vergebens) immer angekämpft wurde ^), endlich die Soldaten- Weiber und das Gesinde.

Der Train stand unter Commando des Regiments- Wagen- meisters oder, wo dieser fehlte, eines Unterofficiers und unter Bewachung eines Corporals mit zwei Mann von jeder Compagnie.

Die Gebühren wurden nach monatlich bemessenen Mund- und Pferde-Portionen, deren jeder Charge eine bestimmte Anzahl

') K. A , H. K. R. 1743, Prot. Reg. fol. 506, 608, 671, 1164, 1185 u. s. w.; Hof k. Arch., Hoffinanz, 5. April 1743.

«) K. A., H. K. R. 1744, December, 212 Reg. (Kgl. Handschreiben d. d. 12. December an Carl v. Lothringen). Vergl. M e y n e r t, Geschichte der k. k. österreichischen Armee, IV, 71 ff. Die Bagage-Ordnung vom 8. Februar 1788 erlaubt jedem Obersten zwei, dem Oberstlieutenant und Oberstwachtmeister je einen, den Personen des kleinen Stabes zusammen drei, jedem Hauptmann einen, einem Lieutenant und Fähnrich zusammen einen, endlich bei jeder Compagnie dem Marketender einen Wagen. Die Bagage- Ordnung vom 16. Januar 1743 gestattete dem Oberstlieutenant zwei, den Per- sonen des kleinen Stabes zusammen nur zwei Wagen und hielt die übrigen Ziffern aufrecht. Die Bespannung dieser Wagen stand aber nicht im Genüsse der ärarischen Fourage-Portion, sondern musste vom Eigenthümer oder Benutzer auf seine eigenen Kosten erhalten werden.

Die Bagage-Ordnung Carl's v. Lothringen vom 7. September 1744 (K. A., F. A. Böhmen und Ober-Rhein 1744, IX, 20) ordnet noch weitere Re- striction der Wagenzahl an.

Oesterreiohischer Erbfolgekrieg. I. Bd. 26

Digitized by

Google

386

zukam, berechnet; sie sind aus nachfolgenden Tabellen, welche in den Jahren 1739 und 1740 anlässlich der damals im Zuge befind- lichen Heeres - Reduction vom General - Kriegs - Commissariate zu- sammengestellt wurden *), zu ersehen.

tD

Benennung der Chargengrade

Mund- portionen

Tfl. 14 V.

a ! S o ^

Ss-^'i - fl. ^ i fl.

Betragen

monatlich

in Geld

kr.

I

•So

•a

G o

O I

u

'S

OS

U

s

o O i

OS

! ^

Oberst

Oberstlieutenant .... Oberstwachtmeister . . . Auditor (zugleich Secretär) Regiments-Quartiermeister

Caplan

Wachtmeister-Lieutenant . Regiments-Feldscherer . . Feldscherer(-Geselle) . . Profoss cum suis . . .

50

13

5

5%

4

3V3

272

4

3

4

Hauptmann Oberlieutenant Unterlieutenant Feldwebel . . Fourier . . . Corpora! . . . Tambour . . Fourierschütze Grenadier . . Hauptmann Lieutenant . Fähnrich . . Feldwebel . . Führer . . . Fourier . . . Corporal . . . Tambour . . Fourierschütze Gefreiter . . Gemeiner . .

12 8 6 4 3 3 2 3

15 5

4 -

3 -

2 I - 2

IV2I -

IV2 -

1

] 236 . 76 t 38 34 25 23 16 25 12 25

15 5 4 3 2 2 2

1 Vsj 1 V2

1 V2 1

69

26

22

12

11

8

6

6

4

69

26

22

12

8

11

8

6

6

6

4

30

») K. A., Memoiren, YIII, 12.

Digitized by

Google

387

Hienach kostete monatlich ;

Unter- Abtheilung

Mund- portionen k

4 fl. 4 Vi Ü,

. g .

In Geld

fl. ,kr.

Ein Regiments-Stab (incl. 10 Feld- scherer-Gesellen)

Eine Grenadier-Compagnie . . .

EineFüsilier-Compagnie (mit 5 Cor- poralen, 3 Tambouren, 2 Fourier- sohützen, 12 Gefreiten, 92 Ge- meinen,, also zusammen) von 120 Mann

Eine Füsilier-Compagnie (mit 112 Gemeinen, sonst wie vorstehend, also zusammen) von 140 Mann

121 Vg

43

87

44

8

618 587

158^2

178 V,

658

738

30

Ein Regiment kostete somit (inclusive Regiments-Stab) monatlich

o >

o

TS

d

s a

©

<5>

2000

2300

3000

a

ö o

^

3 Batail- lonen

4 Batail- lonen

2585

2885

3777'A

174

174

174

180

180

220

11.663

12.863

16.553

I

Im Felde erhöhten sich diese Beträge um die Gebühren des Proviant- und des Wagenmeisters, deren jeder zwei Mundportionen zu vier Gulden und zwei Pferdeportionen zu drei Gulden genoss, dann um die Gebühren des Trains (für jeden Knecht eine Mund- portion zu vier Gulden, für ein Pferd eine Portion zu drei Gulden).

Da jeder der drei Stabsofficiere eines Regiments auch Chef einer Compagnie war, so fiel jedem nebst der Gebühr seiner Charge auch noch die Hauptmannsgebühr zu. Die Bezüge des wirklichen Obersten (des Inhabers) stellten sich sonach monatlich auf 236 mehr 69, gleich 305 Gulden *).

') Hiemit ist übrigens das Einkommen eines wirklichen Obersten nicht erschöpft. Wie hoch dasselbe amtlich angeschlagen wurde, lässt sich daraus entnehmen, dass gelegentlich der Einfiihrung der neuen Tax-Ordnung beim

25*

Digitized by

Google

388

Bezüglich der andern Stabsofficiere aber hatte sich seit dem Aufkommen eines zweiten Obersten, welcher anstatt des meist ab- wesenden Oberst-Inhabers oder im Falle der Vacanz das Regiment comraandierte, die Gepflogenheit herausgebildet, dass der Oberst- lieutenant und der Oberstwachtmeister nur so lange ihre chargen- mässigen Gebühren erhielten, als kein Oberst-Regiments-Comman- dant ernannt war. War dieser aber vorhanden, so erhielt e r nebst der Hauptmanns- noch die systemisierte Oberstlieutenants-Gebühr, wie er denn in Anwesenheit des Inhabers auch nur Oberstlieutenants- Dienste versah; der Oberstlieutenant aber erhielt dann nebst der Hauptmanns- noch die Oberstwachtmeisters-Gebühr, der Oberst- wachtmeister endlich allein die Hauptmanns-Gebühr ^).

Die wichtigste Person eines Regiments war der wirkliche Oberst oder Regiments-Inhaber, welchem das Regiment mit Be- stallungsbrief verliehen worden und nach welchem dasselbe benannt wurde. Nach dem Range des wirklichen Obersten wurde es in der Regel in die Ordre de bataille eingetheilt.

War der Inhaber nicht bei seinem Regimente anwesend, so übertrug er seine Rechte zum Theile an den zweiten Obersten oder an den Oberstlieutenant als Commandanten. Der Inhaber hatte das Beförderungsrecht bis zum Oberstlieutenant hinauf; das Recht, Officiere zu entlassen oder zu cassieren, stand ihm nur nach ordentlichem Kriegsrechtsschluss zu. Auch stand es nicht mehr in seiner unbeschränkten Macht, längere Urlaube an Officiere zu er- theilen, besonders nicht in das Ausland. Diese Befugniss war an den Hof-Kriegsrath und die commandierenden Generale über- gegangen. Der 'Inhaber ertheilt<5 die Bewilligung zum Heirathen für Officiere und Mannschaft, sollte aber bei den ersteren dahin einwirken, dass nicht solche Ehen geschlossen würden, welche auf die blosse

Hof-Kriegsrathe die Taxe für die Verleihung eines Regiments von 450 auf 1200 Gulden erhöht wurde mit der Begründung, das sei „gegen eine Regiments- Ertragniss nicht zu viel". (Siehe das Capitel „Hof-Kriegsrath".)

Als im Jahre 1744 Feldmarschall-Lieutenant Diesbach irrthümlich in Wien todt gesagt und dessen Regiment an den General-Feldwachtmeister Grafen Co 1 1 o r e d o verliehen worden war, wurde Diesbach von Maria Theresia dadiu*ch entschädigt, dass ihm eine jährliche Pension von 4000 Gulden imd ausserdem noch der Feldzeugmeisters-Character zuerkannt wurde. (Hofk. Arch., Hofananz, 3. Juli 1746.)

^) Hofk. Arch., Hoffinanz, 21. Juni 1746 (Vortrag des Hof-Kriegsraths- Präsi deuten Feldmarschall H a r r a c h vom 26. Mai 1745 zur neuen Tax-Ordnung). K. A., H. K. R. 1748, Prot. Reg. fol. 268, 979, 1028.

Digitized by

Google

389

Gage angewiesen wären. Das Recht, dem Regimente Reglements zu geben und dessen Uniform zu bestimmen, war durch das all- gemein giltige kaiserliche Infanterie-Reglement vom Jahre 1737 aufgehoben, beziehungsweise durch schon früher ergangene Ver- ordnungen eingeschränkt worden, was auch schon bezüglich der Fahnen galt.

Bei Todesfällen von Officieren, welche ohne Erben und ohne Testament verstorben, war der Inhaber Erbe des besten Pferdes oder von hundert Ducaten.

Er war der oberste Administrator des Regiments.

Der Oberst-Regiments-Commandant commandierte als Titular-Oberst (mit den Gebühren des Oberstlieutenants) das Regiment in Abwesenheit des Inhabers und übernahm auch alle Pflichten desselben, die aus der Entfernung nicht ausgeübt werden konnten. Er musste von allen wichtigeren Vorfällen im Regimente dem wirklichen Obersten berichten. Im Falle der Vacanz hieng er in allen höheren Justizfallen und in Bezug auf die Beför- derung der Officiere im Felde vom commandierenden General, im Quartier vom Hof-Kriegsrath ab. Ausser der gesammten Oeconomie und Cassagebahrung war seine besondere Pflicht, im besten Ein- vernehmen mit den Stabsofficieren den guten Geist im Ofifioiers- corps und 'bei der Mannschaft zu wecken und zu erhalten, über- haupt den Nutzen und das Ansehen des Regiments nach allen Kräften zu fördern.

Es würde zu weit ftihren, auf die Dienstes-Obliegenheiten der einzelnen Chargengrade im Detail einzugehen ^) ; insofeme eine Ohargenbenennung heute nicht mehr besteht oder eine gegen heute anders geartete Dienstessphäre hatte, sei hier kurz nur Fol- gendes bemerkt:

Der Wachtmeister-Lieutenant (Regiments -Adjutant) ist noch nicht Officier ; er war das die Befehle des Commandanten vermittelnde Organ ftlr den inneren Dienstbetrieb im Regimente und hatte alle hierauf bezüglichen Vormerkungen und die Standes- Tabellen zu ftihren. Die gesammte Correspondenz des Regiments nach aussen ftlhrte damals noch der Auditor in seiner Eigenschaft als Secretarius; ihm oblag auch die Vormerkung der für das Regiment wichtigen Ereignisse.

*) Zur näheren Information hierüber sei verwiesen auf R e g a l's Regle- ment, auf Khevenhüller's Observations-Puncte etc. ; in neuerer Bear- beitung auf Müller, Die k. k. österreichische Armee, 2. Band und auf „Die Feldzüge des Prinzen Eugen" I, 805 ff.

Digitized by

Google

390

Der Eegiments-Quartiermeister war der Rechnungs- führer und ZaJilmeister des Regiments, versah aber auch den Dienst, welchen sein Name andeutet; in dieser Eigenschaft gieng er mit den Fourieren und Fourierschützen der Compagnien auf Märschen dem Regimente stets voraus und leitete die Einquartierung.

Der Regiments-Pater (Caplan) durfte bei Verlust seiner St,ellung niemand ohne Bewilligung des Regiments trauen. Ihm war besonderer Einfluss gewährt auf die schulmässige Ausbildung der Kinder des Regiments, zu welcher Aufgabe ihm ein geeigneter Soldat beizugeben war.

Der Regime nts-Feldscherer sollte ein „ausgemachter Chirurgus", ein „habiler Anatomicus" sein und „auch die Manipu- lation der Medicin verstehen, wenigstens was zu den Ordinari- Zuständen der Soldaten erfordert wird, als Fieber, Dysenterie, Kolik und dergleichen". Er verwaltete den Feld-Medicamenten- Kasten des Regiments und leitete den Dienst der Feldscherer- Gesellen bei den Compagnien, die kaum auf einer höheren Stufe standen, als die heutigen Sanitäts-Soldaten.

Der Fähnrich hatte seinen Namen von der FcJine, die er trug; wurde dieselbe nicht mitgenommen, so versah er denselben Dienst, wie der Lieutenant. Seiner besonderen Aufsicht imterstanden die Kranken, wobei ihm der Führer an die Hand gehen musste; der letztere trug auch die Fahne in Verhinderug des Fähnrichs.

Der Fourier war der Quartiermeister, der Proviantmeister, der Rechnungsführer und seit dem Abkoromen der Charge des Musterschreibers um das Jahr 1740 auch der Secretär der Com- pagnie. In seiner ersten Fxmction wurde er von den Fourier- schützen unterstützt, welche sonst zur Bedienung des Haupt- mannes verpflichtet, aber mit dem Gewehre ausgerüstet waren. Die Bedienung der anderen Officiere kam den Spielleuten zu.

Beim Exercitium, auf Märschen und im Gefechte waren die fänf Compagnien jedes Bataillons in drei Divisionen, jede derselben in zwei halbe Divisionen und jede der letzteren in zwei Züge oder Pelotons eingetheilt. Die Mannschaft wurde gewöhnlich in vier (selten in drei) Gliedern aufgestellt, welche drei Schritte („oder Ellen") hintereinander standen. Zu jedem Bataillon gehörten vier Hauptleute; Chef der ersten Compagnie jedes Bataillons war einer der Stabs-Officiere des Regiments, nach dessen Weisungen sie der Capitain-Lieutenfint befehligte. Vor jeder Division stand ein Haupt- mann; der vierte Hauptmann hatte seinen Platz hinter den Divisionen;

Digitized by

Google

391

hinter jedem Hauptmann stand ein Lieutenant, hinter diesem ein Feldwebel. Fehlende Hauptleute wurden durch Lieutenant:s ver- treten, diese durch Fähnriche (in welchem Falle ein Führer die Fahne übernahm), die Feldwebel durch Corporale. Die Officiere sollten die Recruten, „wann es die Gelegenheit xmd Umstände ge- statten, so lange nach der Scheibe schiessen lassen, bis sie treffen".

Die Commandos für das Regiment gab nach den Weisungen des Obersten der Oberstwachtmeister stets mit gezogenem Degen und stets zu Pferde. Zur Ueberbringung der Befehle war der Wachtmeister-Lieutenant (Regiments-Adjutant) ebenfalls stets zu Pferde. Der Oberst stand bei Paraden vor dem Empfangs-Flügel, der Oberstlieutenant vor dem entgegengesetzten.

Auf Märschen befand sich der Oberst bei der Tete, der Oberstlieutenant am Ende des Regiments, je nach Umständen zu Fuss oder zu Pferde, letzteres immer, wenn „mit verkehrt- geschultertem Gewehr" (heute nach „Ruht") marschiert wurde und in Actionen. Vor dem Regiment wurden die Officiers-Reit- und Handpferde der ersten zwei Divisionen des ersten Bataillons geführt. Hierauf folgten der Feld-Pater, der Auditor und der Feldscherer nebeneinander zu Pferde, hinter ihnen die Zimmerleute des ganzen Regiments in Reüi und Glied unter Führung eines Corporals, dann die erste Grenadier-Compagnie, die Fouriere, Feldscherer(-Gesellen) und Fourierschützen, ebenfalls in Reih und GHed unter Führung des Quartiermeisters, weiters die „Hautboisten", der Oberst, ein Hauptmann, ein Lieutenant und die Tamboure des Bataillons mit dem Regiments- Tambour zur Rechten, endlich das Bataillon selbst, indiedreiDivisionen getheilt und die Ofificiers-Pferde der dritten Division. Die anderen Bataillone folgten in derselben Ordnimg. Beim letzten Bataillon marschierte der Profoss mit seiner Wache und den Arrestanten vor den Reitpferden der dritten Division. DenSchluss machten die Weiber und der Tross, endlich der Bagage-Train. Die Ober-Officiere mar- schierten zu Fuss, nach dem „Abschlagen" aber zu Pferde, vor- oder seitwärts der von ihnen befehligten Abtheilungen. Die Fahnen wiu'den in der Mitte des Bataillons getragen. „Wann von dem Oberstwacht- meister oder den Officieren, so Züge führen, das Commandowort „Marsch" gegeben wird, sollen alle Glieder zugleich mit dem linken Fuss antreten, gerade aufrecht und a tempo marschieren." ^)

^) Kaiserliches Infanterie - Beglement vom Jahre 1737. Letztcitierte Stelle besagt wohl, dass der gleiche Schritt und Tritt, welcher von Leopold von Dessau in der preussischen Armee eingeführt wurde, auch längst in der

Digitized by

Google

392

Die Lagerform eines Regiments war in manchen Dingen der gegenwärtig vorgeschriebenen ähnlich. Auch von den Lager- verhaltungsregeln haben sich viele bis heute erhalten.

Garnisons- und Besatzang^-Truppen.

Die Garnison von Wien bestand von Altersher nebst einem „zur Bedienung Diro Kaiserlichen Majestät" bestimmten deutschen Cavallerie - ßegimente (1740: Althann - Dragoner) nur aus dem „Wiener Stadt-Gruardia-Regimente", einem Truppen- körper, welcher nicht im Feld verwendet wurde, weil er zum guten Theile aus altgedienten oder im Felde durch Verwundimgen mehr oder weniger invalid gewordenen Officieren und Mannschaften bestand; letzteren war es gestattet, auch einen Nebenerwerb zu betreiben. In Folge des Mangels an militärischer Uebung, dann der Eintönigkeit des Wachdienstes, auch der oft mangelhaften Bezahlung war der kriegerische Werth der Stadtgarde sehr gering. Dieselbe hatte gegenüber dem Sollstande von 1200 Mann, welche in vier Compagnien eingetheilt waren, im Jahre 1740 eine Effeotivstärke von 1134 Mann und kostete jährlich 34.336 Gulden. Die Gagen der Stabs- und Ober-Officiere wurden von den niederösterreichischen Ständen bezahlt.

Schon 1741 hatte Maria Theresia die Auflösung des Stadtgarde-Regiments beschlossen ; dieselbe sollte bis zur Rückkehr des Hofes von Pressburg beendet sein, zog sich aber, besonders wegen der Soldforderungen der Mannschaft, in den Anfang des Jahres 1743 hinein. Ganz invalide Leute wurden in das Armenhaus übernommen (202) ; die sich als Professionisten ernähren konnten, erhielten das Bürgerrecht (385); Nicht-Professionisten, die sich selbst ernähren konnten, erhielten den Abschied (34); ein kleiner Theil (34) des Restes liess sich zu den Feld-Regimentern, der grössere Theil (377) zu den Frei-Compagnien in Raab, Komom, Gran und Graz eintheilen. Die Officiere erhielten theils Pensionen, theils wurden sie beim Festungsbau und als Platz-Officiere weiter verwendet. Die Garnison Wien sollte fernerhin von zwei regulären Infanterie-Regimentern versehen werden. *)

kaiserlichen Annee gefordert wurde, wenn es auch vielleicht damit nicht sehr genau gehalten ward. Uehrigens war der Gleichschritt schon im XVI. und XVII. Jahrhundert in Anwendung. Nach Thukydides kannten ihn schon die Spartaner.

>) K. A., Memoiren, VIII, 12, 15; H. K. K. 1742, Februar, 670 Exp.

Digitized by

Google

393

Von den im Jahre 1675 errichteten „Frei-Compagnien"^), welche nicht mit den im Felde auftretenden Freiwilligen-Formationen gleicher Bezeichnung verwechselt werden dürfen und welche wie die Wiener Stadtgarde zusammengesetzt waren und dieselbe Ver- wendung hatten, bestanden im Jahre 1740 noch: eine Frei-Compagnie in Brieg mit 302 Mann, welche jährlich

20.616 Gulden kosteten, eine Frei-Compagnie in Brunn (Spielberg) mit 153 Mann, welche

jährlich 17.274 Gulden kosteten, eine Frei-Compagnie in Ungarisch-Hxadisch mit 156 Mann, welche

jährlich 14.036 Gulden kosteten, zwei Frei-Compagnien in Graz mit 234 Mann, welche jährlich

15.928 Gulden kosteten, fünf deutsche Frei-Compagnien in Baab mit 795 Mann, welche

jährlich 32.798 Gulden kosteten, drei deutsche Frei-Compagnien in Komom mit 597 Mann, welche

23.626 Gulden kosteten, eine deutsche Frei-Compagnie in Gran mit 160 Mann, welche jährlich 9.390 Gulden kosteten. .

Für die fiinf Raaber Compagnien steuerten die niederöster- reichischen Stände noch überdiess 12.578 Gulden bei.

Die Frei-Compagnie von Ungarisch-Hradisch wurde im Jahre 1742 aufgelöst, Offioiere imd Mannschaft zu den Compagnien in EÄab und Komom, dann zur Invaliden-Compagnie in Erlau zugetheilt. ^)

Die Frei-Compagnie von Brieg, auch oft die de Fin'sche genannt, lag nach dem Verluste Schlesiens in Brunn (Spielberg); ihre Leute wurden dann vielfach zur Escortierung von Reoruten oder Kriegsgefangenen verwendet.

Von den zwei Frei-Compagnien in Graz stand eine in der Stadt, die andere auf dem Schlossberge. Beide wurden im Jahre 1747, die übrigen Frei-Compagnien schon im Jahre 1746 aufgelöst.*)

Die Besatzung von Erlau bildete ständig eine Invaliden- Compagnie von 160 Mann aus dem Pesther Invalidenhause, welche jährlich 11.763 Gulden Erhaltungskosten erforderte.^)

Im Litorale standen mehrere Besatzungs-Compagnien, deren Auflösung vom Feldmarsohall Prinzen Sachsen-Hildburg-

*) Feldztige des Prinzen Eugen, I, 308. •) Hofk. Arch., Hoffinanz, 26. Mai und 1. September 1742. ') K. A., H. K. R. 1746, Prot. Reg. foL 1797 bis 1799 (August 11.) und 1747 Prot. Reg. fol. 1849, 1360 (JuH 19.) *) K. A , Memoiren, Vin, 12, 15.

Digitized by

Google

394

hausen gleichzeitig mit jener der Grazer Stadt- und Schloss- Compagnie gemeldet wurde. Die Kaiserin-Königin hatte sie am 6. September 1746 resolviert. *) Sie bestanden vor ihrer Keduotion, und zwar einschliesslich der Officiere, in Grörz aus 56 Mann, in Gradisca aus 87 Mann, in Triest aus 55 Mann, in Fiume aus dem Commandanten ,,und etlichen Mann", welche die Stände von Krain bezahlten und in Buccari aus 25 Mann ; auch in Porto-R6 befand sich eine Besatzungs-Compagnie, deren Stand nicht bekannt ist. Alle Be- satzungen im Litorale kosteten zus£unmen jährlich 17.080 Gulden. Nach ihrer Auflösung wurden diese Plätze von dem, zu diesem Zwecke neuerrichteten vierten Bataillon des Infanterie-Regiments Sachsen- Hildburghausen besetzt. Da die Frei- imd Besatzungs-Compagnien in ihrem Stande Fähnriche hatten, so besassen sie jedenfalls Fahnen, was sich jedoch nur für die drei deutschen Oompagnien in Komom direct belegen lässt. *) Nach Analogie mit den Frei-Oompagnien hatte sicherlich auch die Wiener Stadtgarde ihre Compagnie-FaJinen, Zu den Besatzungs-Truppen sind auch zu rechnen das gleich- falls 1747 von Prinz Sachsen-Hildburghausen reducierte „deutsche Fähnlein" in Carlst^dt, welches 255 Mann zählte und den kämthnerischen und krainerischen Ständen jährlich 21.192 Gulden kostete, femer die 400 Mann starken „vier deutschen Oompagnien" in Warasdin und Petrinja, welche in den auf 1 745 folgenden Jahren, als sich die Bildung derWarasdiner Regimenter vollzog, .verschwanden.')

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass sich in Pressburg die königlich imgarische Kronwache *), welche 1748 aufgelöst wurde und in mehreren Städten, z. B. in Innsbruck, Bröim, Olmütz etc., Stadtwachen, in zaMreichen imgcaischen Städten (neunentlich in den Vororten der Comitate) „Hajduken-Compagnien" befanden, welche sämmtlich, wenn sie auch nach Art des regulären Militärs organisiert waren, doch nicht den Militär-Etat belasteten.

Dasselbe galt von den in Roveredo befindlichen zwei „Frei- Compagnien" „dell' arma bianca" und „dei fiicilieri", welche 1740

») K. A., H. K. R 1746, September, 384 und 576 Exp.

«) K. A., I., H. K. R. 1746, Vm, 2a-e. In Komorn befand sich ausser den drei Compagniefahnen auch noch von Altersher eine rothe „Blutfahne**, welche nur in sehr kritischen Momenten „zum Zeichen einer beständigen Gegenwehr", beim Aufgebot der allgemeinen Insurrection aufgepflanzt wurde.

•) Vaniöek, Special-Geschichte der Militärgrenze, I, 439, 463, 498.

*) Sie bestand 1741 aus einer deutschen und einer ungarischen Com- pagnie von je 58 Mann. (Hof k. Arch., Ungarn, 14. September 1741.)

Digitized by

Google

395

den militärischen Treu-Eid fiir Maria Theresia verweigerten, wenn sie nicht die Erlaubniss zum Gewehrtragen bekämen ^) ; sie waren also wahrscheinlich nur Bürger-Corps.

Frel-Corps za Fass.

Das bekannteste aller Frei-Corps ist das gleich nach Ausbruch des ersten schlesischen Krieges errichtete T r e n c k'sche, welches Mitte Juni 1741 in der beiläufigen Stärke von 1000 Mann beiNeipperg's Armee in Schlesien eintraf, dann aber die Operationen Khe venhüller's in Bayern mitmachte und von da wieder zur Haupt- Armee kam.*)

Trenck verstärkte wiederholt sein gefiirchtetes Corps aus Slavonien, so vor Beginn der Feldzüge von 1743 und 1744 jedes- mal um 1000 Mann^), war aber auch in der Annahme von Leuten von anderswoher nicht wählerisch. Ebenso stellte er zwei Husaren- Compagnien zu hundert Mann auf, welche aber Anfangs 1746 auf Befehl Maria Theresia's aufgelöst werden mussten. Nachdem Trenck, welcher mittlerweile vom Oberstwachtmeister zum Obersten war befördert worden, schon im Frühjahre 1744 sein Corps in zwei Grenadier- und fünfzehn Füsilier-Compagnien ge- gliedert hatte ^), wurde es, seinem heissen Streben entsprechend, endlich mit Decret des Hof-Kriegsrathes vom 17. März 1745 in ein reguläres Infanterie-Regiment mit der Verfassung der deutschen Regimenter umgewandelt^) und kämpfte in dieser Form in Böhmen und hernach in den Niederlanden.

In Schlesien stand 1741 noch die Frei-Compagnie Bischof, welche während der Belagerung von Neisse dem Obersten Roth gute Dienste leistete und sich aus 280 Mann zu Fuss und 50 Husaren zusammensetzte.^)

Wann und in welcher Stärke die „walachischen Frei- Compagnien" (Hannaken und Slovaken) des Freiherm Sedlnitzky')

') K. A., H. K. E. 1740, Prot. Eeg. foL 8663. (December 10.)

») Alexich, a.a.O., IV, 163 ff. und Hofk. Arch., Ungarn, 11. März 1741.

>) Hofk. Arch., Hofßnanz, 10. Juni 1745 (Hof - Kriegsrath, 27. April 1748) und 20. Mai 1744.

*) Wozu, wie auch zur Beibehaltung seiner Husaren, Maria Theresia am 20. Mai 1744 nachträglich die Zustimmung gab. (K. A., F. A. Böhmen und Ober-Ebein 1744, Xm, 26c.)

^) Ebenda, 27. März 1745. Hiemit war sein Antrag zur Aufstellimg von vier Bataillonen abgelehnt. (K. A., F. A. Böhmen und Ober-Ehein 1744, XTFT, 26 f, ad 26f und ad2ef Vi, dann F. A. Schlesien und Böhmen 1746, XHI, 60, ad 60.)

•) Hofk. Arch., Hoffinanz, 17. Juni 1746.

') Ebenda, 28. Aprü 1742; 18. Februar 1744;K.A.,F. A.Böhmen 1742,m,61V».

Digitized by

Google

396

zu Stande kamen, ist nicht zu eruieren; als Hauptleute derselben werden Charta und Marini genannt. Sie scheinen 1742 gegen die Preussen bestanden zu haben.

Die 1741 und 1742 beabsichtigte Aufstellung von Frei- Compagnien durch Major von Schlangen, Capitain Chlebowsky, Major Bukowsky und den Grafen Celari dürfte an den Kriegs- Ereignissen in den böhmischen Ländern gescheitert sein.

Der Krieg mit Bayern veranlasste die Aufstellung der „spanisohenFrei-Compagnie" des Obersten Oarasquet, welche in der Stärke von 81 Mann den Pass Klausen am Pyhm besetzte und vom 1. October 1741 bis Ende Mai 1742 bestand^), dann der Frei-Compagnie Hasslingen, welche 1743 in der Stärke von ungefähr 120 Mann in Bayern kämpfte und im folgenden Jahre in Italien aufgelöst wurde.*)

Im Beginne des Jahres 1744 entstanden zwei Frei-Corps von grösserem Umfange, welche in der Folge treffliche Dienste leisteten : das Dalraatiner-Corpetto und das Temesvirer Frei- Bataillon. Ersteres wurde zufolge einer mit dem Major Cognazzo am 11. Januar 1744 abgeschlossenen Oapitulation im Litorale (Sammelplatz Fiume) in der Stärke von 800 Mann, welche in ftlnf Compagnien zu 160 Mann abgetheilt waren, errichtet und traf im Juni bei BatthyAni in Bayern ein; Anfangs des nächsten Jahres wurde es dem Hauptmann Jaketich imterstellt und von diesem um eine sechste Compagnie verstärkt. Mit Beginn des Jahres 1746 wurden die Dalmatiner reduciert. ^

Das Temesvirer Frei -Bataillon zog unter Commando des Majors Simbschen in der Stärke von fünf Compagnien zu 140 Mann und einer Husaren-Compagnie von 75 Mann im Juni in's Feld, wurde im März des nächsten Jahres um zwei Compagnien zu Fuss und eine Husaren-Compagnie verstärkt und kehrte nach dem Dresdener Frieden in das Banat zurück, wo aus demselben später sich das „Banater Landes-Bataillon" bildete. "*)

Andere Frei - Compagnien , welche der zweite schlesische Kjieg in das Leben rief, waren die des Hauptmannes Crusaz

>) Hofk. Arch , Hoffinanz, 26. Juli, 6. September 1742; 4. Januar 1748.

«) Ebenda, 12. October 1748; 3. und 6. October 1744.

>) K. A., F. A. Böhmen und Ober- Rhein, 1744, I, 4; VI, 27; H. K. R. 1746, Prot. Reg. fol. 804. Hofk. Arch., Hoffinanz, 6. Februar 1745; März 1746; 8. Mai 1747.

*) Ebenda, 17. Juni 1744; 4. März 1746. Vanißek, Specialgeschichte der Militärgrenze, I, 518.

Digitized by

Google

397

(Anfangs 1745 ungefähr 130 Mann), die des Hauptmannes Pfeiler, welche auch Mannschaft zu Pferde besass, die Frei-Compagnie Prinz Carl (im April 1745 160 Mann), die Frei-Compagnie Podgorizani (Ende 1745 ungefähr 180 Mann) und die „fran- zösische Frei-Compagnie" *). Alle diese Compagnien wurden, soweit sie noch bestanden, Anfangs 1746 aufgelöst. ^ Doch befand sich Mitte Jidi 1746 bei den nach den Niederlanden marschierenden k. k. Truppen noch ein „Dalmatiner- und Jäger-Corpo" von nahezu 200 Mann, welches aber auch bald aufgelöst wurde.

In den Niederlanden sollten im Jahre 1744 mehrere Frei- Compagnien unter dem Commando des Generals de la Cerda errichtet werden.^ In demselben Jahre werden noch genannt die Compagnien Bethune, Lebrun, Jumeaux, Gauthoye (bald darauf de Ligny), Humbert, Bouvier, Pertuisseaux, Jamar dit Libois, Poncelet und Dieudonnö. Sie sollten jede 150 Mann haben, erreichten aber nie diesen Stand. Anfangs 1746 wurden alle bis auf zwei aufgelöst, welche noch bis 1748 bestanden.

In Italien entstand schon im Jahre 1742 eine Frei-Compagnie, aus spanischen Deserteuren („Miqueletten", Catalanen) errichtet, deren Commando FeldmarschaU Traun dem Obersten Soro überg'ab; die Deserteure kamen so zahlreich, dass S o r o's Corps im nächsten Jahre auf fünf Compagnien anwuchs. Dieses „Partitanten-Corpo", auch öfters nach dem Oberstlieutenant Minquella genannt, wurde Anfangs 1746 nach Slavonien geführt und aufgelöst; nur eine Compagnie des Corps Soro bestand noch bis 1748 fort und wuchs wieder auf 200 Mann an.

Nach Italien wurde auch die, unter Patronanz des Fürsten Wenzel Liechtenstein im October 1744 aus preussischen Deserteuren unter dem Hauptmann Campen errichtete Frei- Compagnie geschickt, dort aber schon im Juli oder August 1745 aufgelöst. ^)

In Italien bestand in der zweiten Hälfte des Jahres 1 745 auch eine Frei-Compagnie Rossi.

*) Die öfter als Frei-Compagnie angeführte Compagnie des Hauptmannes Mitterstiller gehörte der böhmischen Land-Miliz an.

*) K. A., H. K. B. 1745, December 672 Exp.

•) K. A., H. K. R. 1744, Prot Reg. fol. 59, 675 etc.

^) Hofk. Arch., Hoffinanz, 27., 80., 81. October und 2. December 1744. K. A., 1745, Prot. Reg. fol. 744, 1068, 1080; Prot. Exp. fol. 2307.

Digitized by

Google

398

Die Reiterei.

Die Reiterei gliederte sich um das Jahr 1740 in die regulären Cürassier-, Dragoner- und Husaren-Regimenter ^), in die ungarischen und siebenbürgischen National-Miliz- Abtheilungen zu Pferde und in die verschiedenen Grenzer zu Pferde, wozu im Kriege noch die un- garische Insurrection zu Pferde und berittene Frei-Compagnien kamen.

Die Cftr&ssiere und Dragoner.

Unter dem Ausdrucke „deutsche Cavallerie" oder auch schlecht- weg „Cavallerie" verstand man in der ersten Hälfte des XViii. Jahr- hunderts zuerst nur die Cürassiere, dann auch Dragoner; wollte man. die ganze reguläre Reiterei bezeichnen, so lautete der Ausdruck „Cavallerie und Husaren".

Maria Theresia fand bei ihrem Regierungs - Antritte 18 Cürassier- und 14 Dragoner - Regimenter vor. Wenn man von dem, Mitte 1745 errichteten und schon im Frühjahr des folgenden Jahres wieder aufgelösten Dragoner-Regimente Vinals absieht, so blieb die Zahl dieser Regimenter während des öster- reichischen Erbfolgekrieges unverändert. *)

Zu Beginn desselben betrug der „complete" Stand zweier Cürassier-Regimenter (Miglio und Berlichingen in Italien) und dreier Dragoner-Regimenter (Styrum und de Ligne in den Nieder- landen imd Sachsen-Gotha in Italien) 1000 Mann und Pferde, der aller anderen Cürassier- und Dragoner-Regimenter 800 Mann und Pferde.

*) Vergl. Anhang Nr. XII, Verzeichniss der österreichischen Cavallerie- Regimenter in der Zeit von 1736 bis 1748.

*) Das Dragoner-Eegiment Vinals y Verguez wurde zufolge königlicher Resolution vom 23. August 1745 aus spanischen Deserteuren errichtet und zwar vorläufig zu Fuss; aber schon am 8. März 1746 ordnete Maria Theresia an, dass das neue Regiment nach Slavonien geführt und dort (zugleich mit dem Soro'schen Partitanten-Corpo) aufgelöst werde. Man wollte offenbar die wenig zuverlässigen Elemente desselben nicht dem Feinde wieder in die Arme treiben. Mannschaft, welche w^eiter in k. k. Diensten verbleiben wollte, wurde bei Clerici- und Marulli -Infanterie (damals in Süd-Ungarn stehend) eingetheilt. (K. A., H. K. R. 1745, Prot. Reg. fol. 2155 und 1746, fol. 397. Hofk. Arch., HofBnanz, 3. und 11. October 1746; 13. April 1747). Wenn das von Graf fer's Geschichte der k. k. Regimenter, TTI, 229, angeführte, angeblich 1744 gegründete und 1748 aufgelöste Dragoner-Regiment de la Gerda wirklich existiert hätte, müsste sich in den Acten und ProtocoUen des Hof-Kriegsrathes oder der Hof kämm er von demselben doch wenigstens eine Spur finden lassen, was aber durchaus nicht der Fall ist.

Digitized by

Google

399

Alle waren eingetheilt in dreizehn Compagnien, deren erste bei den Cürassieren die Carabinier-, bei den Dragonern die Grenadier-Compagnie hiess, während die andern Ordinari-Com- pagnien genannt wurden. Zwei Compagnien bildeten eine Escadron.

Der Stand einer Compagnie war folgender:

Carabinier- ,

oder Ordinari- Grenadier-

iCarabinier-

oder Orenadier-

Ordinari-

Benennung der Chargen bei den

«0

P

1

Compagnie b. d. Stande des Regiments von

5 2

800 Mann n. Pferden

1000 Mann n. Pferden

*'*-»"*"""

1 1 1

1

1 1 1

1

Rittmeister

Oberlieut.

UnterUeut.

Lieutenant

Comet

Hauptmann

Oberlieut.

Unterlieut.

Lieutenant

Fähnrich

2

•3 SS o

1

1

3 S

o

2

1 1

1

1 1

1

1

Wachtmeister

Fourier

Feldscherer

Wachtmeister

Fourier

Feldscherer

1

l 1

4 67

3 48

1 1 1

4

8l(h.87)

1

8

63 (h. 64)

Trompeter

SatUer

Schmied

Corporale

Gemeine

Tambour

Sattler

Schmied

Corporale

Gemeine

80

60')

94(h.l00)

75 (b. 76)1

pfe

Die Subaltemofficiers-Chargen der Carabinier- und Grenadier- Compagnien sind gleichwerthig mit jenen der Ordinari-Compagnien.

Der Regiments-Stab bestand aus: einem Oberst (wirklicher Oberst , Inhaber) , einem Oberst - Regiments - Commandanten , einem Oberstlieutenant, einem Oberstwachtmeister, einem Regi- ments-Quartiermeister, einem Auditor (zugleich Secretarius), einem Caplan, einem Adjutanten, einem Regiments -Feldscherer, einem Profossen cum suis, wozu bei den Cürassier-Regimentem noch ein Pauker und bei Cürassieren und Dragonern im Felde noch ein Proviant- meister kam. Auch bei Stärkeangaben der Cavallerie - Regimenter wird gewöhnlich der Regiments-Stab nicht mitgezählt. In demselben wird die Charge des Wagenmeisters schon häufig nicht mehr genannt.

Zwischen den Cürassieren und Dragonern bestand in der Zeit des österreichischen Erbfolgekrieges, wenigstens hinsichtlich ihrer Verwendung im Felde, kein wesentlicher Unterschied mehr. Den

») K. A., Cab.-A. 1742, n, 8; Hofk. Arch., Hofßnanz, 13. Juni 1742.

Digitized by

Google

400

Dragonern hafteten aber noch die Merkmale ihrer Entstehung als berittener Infanterie in d^r Benennung der Grenadier-Compagnie und einzehier Chargen, auch theilweise in Gebühren, Bewaffnung und Ausrüstung an. Sie legten auch noch grosses Gewicht auf das Exer- citium zu Fuss, so dass das Wort : „Wenn ein Dragoner vom Pferde fällt, so steht ein Musketier auf", immer noch Berechtigung hatte.

Nachdem zu Anfang des Jahres 1 743 Feldmarschall K h e v e n- hüller jene, seinem Commando in Bayern unterstehenden, aus Italien gekommenen Cavallerie-Regimenter, welche bisher stärker als 800 Mann und Pferde gewesen, hatte anweisen müssen, sich successive auf diesen Stand herabzusetzen^), veranlasste noch am Ende desselben Jahres der bereits vorauszusehende Ausbruch neuer Feindseligkeiten Preussens, zugleich mit der Standes-Erhöhung der Infanterie, auch eine solche bei den Cavallerie-Regimentem. Am 18. December 1743 ergieng die Verfügung Maria Theresia's, „gesammte könig- liche Cürassier- und Dragoner-Regimenter weiters auf den sonst gewöhnlichen Feldfuss von 1094 Köpf und Pferd augmentieren zu lassen" -). Bei dieser Standeeziffer hatten gewöhnlich die Cara- binier-(Grenadier-)Compagnien 94, die anderen Compagnien 83 bis 84 Mann und Pferde, wobei sich nur die Zahl der Gemeinen bei den ersteren auf 81, bei den letzteren auf 71 72 erhöhte.

In Folge dieser Verfügung wurden auch von den deutsch- böhmischen Erblanden um 6000 Recruten mehr verlangt, als sie nach den bisherigen Postulaten zu stellen hatten ^). Aber schon im März 1744 wieder wurde verfügt, die in Bayern und der Ober- Pfalz unter Batthydny's Commando zurückzulassenden Oürassier- imd Dragoner-Regimenter nur auf 1000 Mann und Pferde sich recrutieren zu lassen*). Hiefiir wurden bestinmit Ballayra- und Preysing-Dragoner und die Cürassier-Regimenter Johann Pilffy, Portugal, Czemin, Carl Saint-Ignon, Birkenfeld, Lucchesi und Cor- dova*). Aber auch bezüglich der meisten anderen Cavallerie-Regi- menter blieb es de facto bei dem Sollstande von 1000 Mann; nur

1) K. A., F. A. Bayern und Ober-Rhein, 1748, 11, 12 c (Hof-Kriegsrath 9. Februar 1743 an den Feldmarschall).

•) K. A., H. K. R 1743, Prot. Reg. fol. 2610 (18. December), 2682 (28. December), 2779 (81. December).

») K. A., H. K. R. 1744, Prot. Reg. fol. 34 (4. Januar)

*) Ebenda, fol. 910 (28. Mäi-z).

») Ebenda, fol. 1636 (6. Juni), 1729, 1633 und 1634 (17. Juni), 1666 (20. Juni) und 1782 (4. JuU).

Digitized by

Google

401

jener der in den Niederlanden stehenden de Ligne- und Styrum- Dragoner wird schon vom Jahre 1744 an immer mit 1094 Mann angegeben. Man wird nicht felilgehen, als die Ursache dieses still- schweigenden Abweichens von dem einmal gegebenen Befehle die stete Geldnoth des Staates anzunehmen, die es Maria Theresia erst am 16. März 1745 ermöglichte, die znr Standeserhöhung der in Italien stehenden Dragoner-Regimenter Savoyen und Kohäry nothwendige Summe von 30.870 Gulden anzuweisen. ^)

Im Stande der Cürassier- und Dragoner-Regimenter wurde weiterhin keine Aenderung mehr vorgenommen; nur sollten die nach dem Ende des zweiten schlesischen Krieges nach Ungarn ver- legten zehn Cavallerie-Regimenter nicht remontiert, sondern in der Stärke an Pferden, wie sie eben waren, einquartiert werden.

Die regulären Husaren-Begimenter.

Eine viel intensivere Beweglichkeit des Standes zeigt sich bei den Husaren-Regimentern. Auf ihnen beruhte während des Erbfolge- krieges das Uebergewicht der östeiTeichischen Reiterei über die der Gegner. In den Jahren des polnischen Thronfolgekrieges waren sechs neue Husaren-Regimenter entstanden und sie hatten mit den damals schon bestehenden sich so bewährt, dass der Feldzug des Jahres 1735 am Rhein der „Husaren-Krieg*' genannt wurde. Feldmarschall Graf Khevenhtiller, ein erprobter Reiter-General, stellte ihnen gelegentlich der Berathungen über die Reductionen im Jahre 1740 das Zeugniss aus, dass sie sich schon „reguliert und discipliniert, auch in Diensten distinguieret haben, dass ... in zukünftigen Zeiten auch erspriessliche Dienste von ihnen zu gewarten wären" *) ; den kundigen Mann täuschten seine Erwartungen nicht und auch später noch fand er gelegentlich die Husaren zu loben.

Arneth sagt über die Husaren:

„Bald gab es weit und breit keine gefürchtetere Truppe als die der ungarischen leichten Reiter. Es ist auffallend, dass seit

') Hofk.-Arch., Hoffinanz, 16. März 1745. Ein Dragoner wurde also mit 52 fi. 20 kr. berechnet. Vergl. auch die Standesdocumente des K. A., z. B. F. A. Niederlande 1744, VIU, 24 a. Böhmen und Schlesien 1746, IV, 2 ; VII, 2 ; rX, 60. Am Main 1746, V, 2. Niederlande 1746, Vn, 29/2. H. K. R. Italien 1746, XII, ad 5 d. F. A. Niederlande 1747, XIII 9 und zahlreiche andere, wo alle Caval- lerie-Begimenter mit dem Sollstande von 1000, nur de Ligne-, Styrum-, Savoyen- und KohÄry-Dragoner mit dem von 1094 Mann und Pferden angeführt sind.

*) Auch die „Feldzüge des Prinzen Eugen" (XIX, 112) anerkennen die „vorzügliche Verwendbarkeit" der Husaren.

Oesterreichisoher Erbfolgekrieg. I. Bd. 26

Digitized by

Google

402

wenig mehr als flinfzig Jahren, welche der Thronbesteigung Maria Theresia's vorausgiengen, gleichsam abwechselnd immer andere Waffengattungen den ersten Rang in der österreichischen Armee behaupteten. ... In den grossen Schlachten des Herzogs Carl von Lothringen gegen die Türken, auf den weiten Blach- feldem Ungarns hatten sich die kaiserlichen Cürassiere den wohlgegründeten Ruhm erworben, die erste Truppe der "Welt zu sein. Während Eugen's und Guido Starhemberg's Kämpfen gegen die Franzosen, insbesondere auf dem coupierten italienischen Terrain war es das deutsche Fussvolk, welches den Kern des Heeres bildete und geradezu als unwiderstehlich angesehen wurde. Nun aber, in dem Kriege gegen Preussen, treten die Husaren in den Vordergrund. Sie erfüllten ihre Feinde mit Schrecken und zeigten sich denselben so sehr überlegen, dass sie auf den Gang des Krieges im Ganzen und Grossen einen weit gewichtigeren Einfluss nahmen, als dies den leichten Truppen gewöhnlich vergönnt ist" *).

Aber nicht nur das; auch auf die Gestaltung fremder Heere nahmen sie Einfluss; es dürfte wenig specifisch nationale Truppen gegeben haben, welche so häufig und in solchem Umfange im Aus- lande nachgeahmt wiu-den, als die Husaren. König Friedrich H. von Preussen, welcher bei seinem Regierungs-Antritte nur neun Husaren-Escadronen vorfand, hatte es bis Ende 1744 bereits auf acht Husaren-Regimenter gebracht*).

Auch in Oesterreich entstanden zu den 1740 bereits vor- handenen acht regulären Husaren-Regimentern im Laufe der nächsten zwei Jahre noch drei neue: 1741 Beleznay-, 1742 Esterhdzy- Husaren und das „siebenbürgische Husaren-Regiment" (Kilnoky- Husaren) ^).

•) Arneth, Maria Theresia, I, 164 f.

•} üeber die Art und Weise, wie der Preussen-König für seine neuen Husaren- Regimenter ungarische Landeskinder zu gewinnen trachtete und leider auch zahkeich gewann, siehe die Untersuchungen von Kienast, „König Friedrich H, und die Ungarn bis 1768", in den „Mittheilungen des k. und k. Kriegs-Archivs", Neue Folge IX.

") Das preussische Generalstabs werk „Die Kriege Friedrich's des Grossen", I, 56 nennt als 1741 neu errichtet die Husaren - Regimenter Belez- nay, Haldsz und Esterh4zy. Hier liegt eine Verwechslung vor; diese drei Regimenter gehörten der ersten partiellen ungarischen Insurrection an, standen im Sommer 1741 in Schlesien und wurden im Spätherbste wieder in die Heimath zurückgeführt und dort aufgelöst. (Alex ich, „Die freiwilligen Aufgebote aus Ungarn 1741 und 1742", in den „Mittheilungen des k. und k. Kriegs-Archivs",

Digitized by

Google

403

Die alten Regimenter hatten zu Beginn des ersten sohlesisehen Krieges den completen Stand von 800 Mann und Pferden und waren in zehn Compagnien eingetheilt, deren zwei wie bei der deutschen Cavallerie eine Escadron bildeten. Nur Kirolyi-Husaren hatten den Sollstand von 880 Mann, welche in eilf Compagnien gegliedert waren. Eine Compagnie hatte dieselben Chargengrade, wie eine Ordinari- Compagnie der Cürassiere, nur besass sie 4 Corporale und 67 Gemeine. Auch der Regiments-Stab derHusaren war gleich jenem der Cürassiere zusammengesetzt *).

Das zufolge königlichen Decretes vom 8. December 1741 zur Aufstellung gelangende reguläre Husaren-Regiment Beleznay wurde in der Stärke von 800 Mann errichtet, welche aber nicht in zehn, sondern nur in acht Compagnien zu 100 Mann (worunter 87 Gemeine) eingetheilt sein sollten. Die ersten fänf Compagnien warb Oberst Beleznay an, die anderen drei wurden Anfangs aus berittenen PortaHsten der Insurrection gebildet, mussten aber nach Auflösung der letzteren vom Inhaber durch Werbung ersetzt werden ^).

Die Errichtung des Husaren - Regiments Esterhdzy ist ein Erfolg des Appells Maria Theresia's an die Magnaten zur Ausrüstung von Mann und Pferden auf eigene Kosten zu Gunsten der bedrängten Königin. Fürst Paul Anton Esterhdzy hatte Anfangs December 1741 schon 500 Mann beisammen. Die Capitu- lation zur Aufstellung des Regiments kam aber erst am 15. Januar 1742 zur Ausfertigung. Das Regiment sollte 1000 Mann stark sein, welche in zehn Compagnien zu 100 Mann (darunter 87 Gemeine) einzutheilen waren. Zur Beschleunigimg und Erleichterung der

Neue Folge, IV, 1890.) Das reguläre Husaren-Eegiment Beleznay entstand erst im December dieses Jahres, allerdings grossentheils aus Mannschaften der aufgelösten drei Insurrections-Regimenter ; es wird aber in den gleichzeitigen Acten immer strenge von diesen letzteren unterschieden. Das reguläre Husaren- Regiment (Fürst) EsterhÄzy steht mit dem Insurrections-Regimente des Grafen Stephan £sterh4zy in gar keinem Zusammenhange und wiuxle auch nicht in Siebenbürgen, sondern in Oedenburg errichtet.

*) Grenadier- Compagnien gab es bei den Husaren nicht. Ganz vereinzelt wird eine solche 1743 bei NÄdasdy-Husaren genannt, wahrscheinlich durch Irrthum. (K. A., Ung. Gen. Comdo 1748, I, 2/6, Beilage).

Vorübergehend wurden im Jahre 1741 bei den nach Schlesien bestimmten CavaUerie- und Husaren-Regimentern die Escadronen aus drei (statt aus zwei) Compagnien formiert und bei jeder derselben nur eine Standarte belassen. (Ebenda, H. K. R. 1741, Prot. Exp. fol. 183, 184, 318 ; Prot. Reg. foL 249.)

«) K. A., F. A. Schlesien und Mähren, 1741, XII, 10 a bis c. Zur Vor- geschichte des Regiments siehe die Commissions-Protocolle vom 31. October und 17. November 1741 (Hofk. Arch., Reichs-A., Fase. 165).

26*

Digitized by

Google

404

Regimentsbildung wurde dem Fürsten gestattet, die von seinen Herrschaften laut des Insurrections-Articels beizustellenden Por- talisten (ungefiüir 400) bei seinem Regimente einzutheilen, welche aber nach Ablauf der Insurrection durch geworbene Mannschaft zu ersetzen waren. Die ersten sechs obHgaten Compagnien waren schon Ende Febniar 1742 gestellt^).

Dieselben Verhandlungen, welche 1742 zur Verstärkung des Infanterie-Eegiments Gyulay führten, hatten auch die Aufstellung des „siebenbürgischen Husaren-Regiments" zur Folge ; das könig- liche ,,Placet" wurde in der Minister-Conferenz vom 17. April 1742 ertheilt. Das Regiment sollte die Stärke von 1000 Mann in zehn Com- pagnien haben. Zum Oberst und Commandanten wurde am 1. Sep- tember Graf Anton Kdlnoky ernannt, nach welchem das Regi- ment von Anfang an genannt wurde, obwohl er erst laut des Patentes vom 19. Juli 1749 dessen Inhaber ward. Das Regiment marschierte im Frühjahre 1743 nach Bayern ab*).

Als mit Ende des Militär- Jahres 1742 (Ende October) die Verpflichtung Ungarns zur Aufrechterhaltung der Insurrection erlosch, gedachte man dm'ch Werbung unter den heimkehrenden Insurgenten die Husaren-Regimenter mit Erfolg verstärken zu können ; eine königliche Resolution vom 1 . December 1 742 erhöhte daher den Sollstand aller Husaren-Regimenter (also auch bei Belez- nay- und EsterhAzy-Husaren, wo jetzt die Portalisten entfielen) auf 1000 Mann und Pferde (zehn Compagnien) ^). Da sich aber voraus- setzen liess, dass sich unter den gewesenen Insurgenten mehr dienstwillige Mannschaft finden würde, als diese Standeserhöhung in Anspruch nahm, zu weiteren Werbungen aber das Geld man- gelte, so wurde auf Anrathen der Minister-Conferenz vom 25. Oc- tober 1742*) die facultative Verstärkung der Husaren-Regimenter über den nunmehr vorgeschriebeneu Stand von 1000 Mann derart angebahnt, dass angesehene Edelleute und besonders ehemalige Officiere der Insurrection bewogen werden sollten, wenn thunlich aus den gewesenen Insurgenten auf ihre Kosten „ohne Ent^gelt des

>) K. A., F. A. Böhmen 1742, I, 2. Hofk. Arch., Reichs-A., Fase. 165, Conferenz-Prot., 2. December 1741 ; Hofdnanz, 26. Februar 1742.

») Ebenda, Reichs-A., Fase. 165, Conferenz-Prot , 17. April 1742 ; Hof- finanz, 6. Febraar 1743. K. A., Archivalische Erhebung Nr. 429 ex 1892.

«) K. A., H. K. R. 1742, Prot. Reg. fol. 2364, 2365 ; F. A. Bayern 1742, XII, 16; üng. den. Comdo 1742, 11, 11. Hofk. Arch., Hoffinanz, 12. De- cember 1742. Im October wurde die ötandeserhöhung sogar auf 1500 Mann geplant

*) K. A., F. A. Böhmen 1742, XI, ad 2 c.

Digitized by

Google

405

aerarii" weitere Compagnien k 100 berittene Mann zu den Regi- mentern zu stellen. Jedem derselben waren drei solcher „Auctions- Compagnien" zugedacht ; doch sollte für diese nicht eher ttssentiert werden, als bis die Regimenter ihre 1000 Mann vollzählig hätten ^). Die Bemühungen um das Zustandekommen von Auotions-Compag- nien wurden trotzdem nicht ausgesetzt und in einzehien Fällen durch die Zusage von besonderen persönlichen Begünstigungen im Laufe des Jahres 1744 bestens gefördert*). Bis zum 27. Februar 1745 waren „nunmehr die sämmtüchen Husaren-Regimenter . . . mit der Anzahl sothaner bewilligter drei Auctions-Compagnien vermehrt" ^, allerdings nur auf dem Papiere, denn die Vollendung einzelner dieser Compagnien zog sich bis weit in den Sommer dieses Jahres hinein. Die Regimenter Kdrolyi und Festetics kamen durch die Auctions-Compagnien auf den SoUstand von 1400 Mann (in vierzehn Compagnien), ersteres, weü es von jeher eine Com- pagnie mehr besass als die anderen, letzteres weil ihm, statt drei, vier Auctions-Compagnien zugetheilt wurden*).

Die Erschöpfung des Staates an Geld imd Recrutenmaterisü. führte Anfangs 1747 zur Reduction der Auctions-Compagnien bei allen Husaren-Regimentern imd diese sollten fortan wieder den completen Stand von 1000, Kirolyi-Husaren den von 1100 Mann imd Pferden haben. Die hiedurch entfallende Mannschaft wurde zur Ergänzung der verbleibenden zehn (beziehungsweise eilf) Compagnien verwendet und desswegen für diese im bevorstehenden Jahre nicht recrutiert^).

Hinsichtlich der Bekleidung der regulären Reiterei wird auf die dem Bande beigegebenen Abbildungen verwiesen^). Die

*) Der alte FeldmarschaU Pdlffy hatte nämlich die Errichtung von Auctions-Compagnien, deren jede einem Edelmanne wenigstens auf 10 12.000 Gulden zu stehen kam, in Zweifel gesetzt, weil sich nach seiner Meinung hiezu die gewesenen Insurgenten nicht in genügender Zahl bereit finden lassen durften und dadurch die vorsichtige Einschränkung veranlasst. (K. A., H. K R. 1743, Prot. Reg. fol. 709, 844 ; Ung. Gen. Comdo., 1743, I, 2/8.)

*) So verpflichteten sich zur Errichtung von Auctions-Compagnien : Graf Sz^chenyi für N4dasdy-Husaren, Graf K & 1 n o k y für sein Regiment, Graf Adam Teleky und Graf Nicolaus Esterhdzy für Esterhdzy-Husaren, Graf Szluha für K&rolyi- Husaren, Graf Samuel Teleky für Festetics-Husaren, etc.

») K. A., H. K. R. 1745, Prot. Reg. fol. 587, 595 (Februar 27).

*) Hofk. Arch., Hoffinanz, 13. Juni imd 14. November 1744.

^ K. A., H. K. R. 1747, Prot. Reg. fol. 201, 202, 204 (Januar 28), 380 (Februar 7, an Feldmarschall B a 1 1 h y 4 n y).

•) Eine eingehende Beschreibung siehe in „Feldzüge des Prinzen Eugen", I, 219 ff.

Digitized by

Google

406

der Cürassiere und Dragoner war, abgesehen von dem Cürass und dem Helm (Caskett) der ersteren ziemlich gleichartig imd bestand aus Mantel, Rock, Camisol, Stiefelhosen, Sporenstiefeln, Leder- handschuhen und der „kleinen Montur".

Die Pferderüstung bestand aus dem Kopfgestell mit Stange und Trense, dem Vorder- und Hinterzeug mit Messingschnallen und -Buckeln, einer Decke und dem deutschen Sattel. Letzterer war von Buchenholz, gut gehärtet und geblecht, mit Birkenrinde überzogen, der Sitz von Kalbleder, die Pistolenhalfter zweimal gehäutet und mit Schweinsleder überzogen. Zur Pferderüstung gehörten noch : ein Paar Steigbügel, eine Kreuzgurte, ein Paar doppelte Steigriemen und eine Schabracke.

Ueber die Zäumung, Sattelung und Packmig des Pferdes geben die „Observations-Puncte" des Grafen Khevenhüller detaillierte Aufschlüsse ^).

Ein Cürass aus Vorder- und Hintertheil wurde um das Jahr 1740 mit 5 Gulden 15 Kreuzer, zugleich mit dem Caskett (Eisen- helm mit Nasenfeder) mit 6 Gulden 30 Kreuzer bewerthet. Die Caskette wurden nicht immer in's Feld mitgenommen; so erhielten mehrere Cürassier - Regimenter 1741 auf ihrem Marsche nach Schlesien den Befehl, die ihrigen im Brünner Zeughause ab- zuliefern ^.

Die Kosten der Bekleidung, Ausrüstung und Bewaffnung eines Dragoners berechnete Khevenhüller einschliesslich des ganzen Sattelzeuges mit 61 Gulden 5 V^ Kreuzer').

Die Husaren-Montur bestand nach einem Kosten-Uebersohlag aus dem Jahre 1747^) aus einem Mantel, einem Pelz, einer Tuch- haube, einem Rock, einem „Röckl" (Camisol), Czismen (Stiefeln) und war nach nationalem Gebrauch geschnitten und verziert. Ein- schliesslich des Sattelzeuges und der Macherlöhne kam die Be- kleidimg, Bewaffnung und Ausrüstung eines Husaren auf 65 fl. 13 kr. zu stehen. *) .

') Siehe „Feldzüge des Prinzen Eugen", I, 220.

«) Z. B. Hohenems- und Carl PÄlify-Cürassiere. (K. A., IL K. R. 1741, Prot. Exp. foL 301, 1928). In diesem Falle trugen auch die Cürassiere den Hut, wie die Dragoner.

') Vergl. Müller, Die k. k. österreichische Armee, I, 698 ff.

*) K. A., Memoiren, Vm, 22.

*) Eine andere Berechnung (Hofk. Arch., Reichs-A., Fase. 166, Bei- lage B zum Commi8s.-Prot vom 20. September 1744) gibt diese Kosten nur mit 55 fl. 84 kr. an.

Digitized by

Google

407

Die Pferderüstung der Husaren hielt sich im Allgemeinen nach jener der Cavallerie, nur hatte sie statt des deutschen Sattels den ungarischen Bock im Gebrauche.

Als Bewaffnung hatte jeder Reiter nebst dem Feuergewehr noch ein Paar Pistolen ; ersteres war bei den Dragonern eine etwas kürzere Flinte, bei den Cürassieren und Husaren ein Carabiner mit Batterieschloss.

Die Cürassiere und Dragoner führten den Pallasch, die Husaren den krummen Säbel als Handwaffe.

Zur Ausrüstung einer Ereiter-Compagnie gehörten ausser den Instrumenten der Spielleute noch die Zelte und Feldkochkessel, deren je ein Stück auf vier bis ftlnf Reiter gerechnet wurde, dann (mit Ausnahme der Carabmier- und Dragoner-Grenadier-Oom- pagnien) die Standarte. Wie bei der Infanterie, so war auch bei den Reiter-Regimentern die Standarte der „Leib - Compagnie" vor jener der anderen Compagnien ausgezeichnet. Die Veränderung, welche im Jahre 1743 in Betreff der Grundfarbe (grün) der Infanterie-Fahnen anbefohlen wurde, galt auf dieselbe Weise und für dieselbe Zeitdauer auch fiir die Standarten der Cavallerie- und Husaren-Regimenter.

Der ärarische Regiments-Train der Reiter-Regimenter bestand nur aus den Proviantwagen, deren einer auf je zwei Ordinari-Compagnien gerechnet wurde. Er zählte daher bei den Cürassieren und Dragonern im Regiment sechs, bei den Husaren fünf (und auf die Zeit des Bestandes der „Auctions''-Compagnien bis sieben) Proviantwagen. Zeltwagen gab es bei den Cavallerie- Regimentem nicht, obwohl sie Zelte besassen, welche wahrscheinlich auf die Proviant- und Vorspannwagen vertheilt wurden. An letz- teren gebührten auf dem Marsche jedem Regiments-Stabe zwei, jeder Reiter-Compagnie ein Wagen mit vier Pferden oder sechs Ochsen.

Im Uebrigen war der. Train analog jenem eines Infanterie- Regiments zusammengesetzt.

Die Gebühren der Reiter-Regimenter sind aus nachfolgenden Zusammenstellungen, welche nach Berechnungen des General- Kriegs-Commissariats aus dem Jahre 1740 angefertigt wurden, zu ersehen :

Digitized by

Google

408

tD

=3

a P

Benennung der Chargengrade

Mund- portionen monatlich

äfl.

An- zahl

1^

O

Monatlich

in

Geld

o

TU

o

I SP

^

Ö ® fc

•S 2 «• «

o

ü

I

§

" S SP

II

O" 9

Oberst

Oberstlieutenant

Oberst- Wachtmeister

Regiments-Quartiermeister . . . Auditor (zugleich Secretär) . . .

Caplan

Adjutant

Regiments-Feldscherer . . . .

Feldscherer(-Geselle)

Pauker (fehlt bei den Dragonern) Profoss cum suis

Rittmeister

Oberlieutenant (Lieutenant) Unterlieutenant (Comet) . .

Hauptmann

Oberlieutenant (Lieutenant) , Unterlieutenant (Fähnrich) .

Wachtmeister

Fourier

Trompeter (b. d. Drag. Tambour)

Sattler

Schmied

Berittener Corporal

Berittener Carabinier (Grenadier)

Wachtmeister

Fourier

Trompeter (b. d. Drag. Tambour)

Sattler

Schmied

Berittener Corporal

Berittener Gemeiner

4V, 4V,

4V2

5V, 5Vj

5V2

4 4 4 5 5 5 5

50 13 5 4 5 2 3 4 3 2 4

17 ;

10 8 4 5 2 3 3 1 2 3

19 6 7 ' 4 5 I 3

16 5 4

251 82 44 28 35 14 21 25 15 14 25

94 40 29

79 32 25

22 15 12

8

8

17

8

21

14

11

8

8

16

8

30

30 30

30

Digitized by

Google

409

tD

=3

I

s

Benennung der Chargengrade

Mund- portionen monatlioh

k fl.

o

O

I fl

Rittmeister . . . Lieutenant ...

Comet

Wachtmeister . .

Fourier

Trompeter ....

Sattler

Schmied .... Berittener Corporal Berittener Gemeiner

An- zahl

16 5 4 3 2 2 1 1 2 1

g o

Monatlich

in

Geld

fl.

79

32

25

21

14

11

7

7

14

7

kr.

Somit kostete monatlioh

Der Regiments-Stab j b. d. Cürassieren u. Husaren (ohne Feldscherer-Gesellen) j bei den Dragonern ....

Eine Carabinier-Compagnie von 94 Mann

Eine Grenadier-Comp. von 94 Mann bei den Dragonern Eine Ordinari-Comp. von 75 Mann bei den Cürassieren Eine Ordinari-Comp. von 75 Mann bei den Dragonern Eine Husaren-Compagnie von 100 Mann

539 525 1.001 974 792 765 876

11.092

10.727 9.299

Ein Cür.-Reg. zu 1000 Mann mit dem Regiments-Stabe Ein Drag.-Reg. zu 1000

Ein Hus.-Reg. zu 1000

Im Felde erhöhten sich diese Beträge um die Gebühren des Proviantmeisters (drei Mundportionen k vier Gulden, drei Pferde- portionen a drei Gulden), eventuell um die des Wagenmeisters (zwei Mund- und zwei Pferdeportionen), endlich um die der Knechte und Pferde des Trains (je eine Mund- imd eine Pferdeportion).

Wie bei der Infanterie, so war auch bei den Reiter-Regi- mentern jeder Stabsofficier zugleich Chef einer Compagnie {der „Leib-Compagnie") und erhielt daher nebst seiner chargenmässigen Gebühr noch die Rittmeisters-(Hauptmanns-)Gage. Der wirkliche Oberst (Inhaber) bezog also monatlich an Gage bei den Cürassieren 345 Gulden, bei den Dragonern und Husaren 330 Gulden.

Digitized by

Google

410

Auch bei den Oavallerie-Regimentem galt es als Regel, dass, wenn nebst dem wirklichen noch ein zweiter (Titular-) Oberst als Regiments-Commandant fiingierte, dieser letztere die Oberst- lieutenants-Gage, der Oberstlieutenant die Oberstwachtmeisters-Gage, der Oberstwachtmeister endlich nur die Rittmeisters-(Hauptmanns-) Gage erhielt.

Der Dienst der einzelnen Chargen bei den Reiter-Regimentern war, soweit sie überhaupt bestanden, analog dem der gleichartigen Chargen der Infanterie und nur insoferne ein verschiedener, als dies ^urch die Pflege imd Wartimg, sowie die Abriohtung des Pferdes und den speciellen Reiterdienst bedingt war.

Die Oberst-Inhaber der Cürassier-Regimenter besassen nicht das , jus gladii et aggratiandi" ; denn zur Zeit der Entstehung dieser Truppengattung bestand dieselbe zumeist aus Adeligen, welche sich nicht unter die Gerichtshoheit eines Obersten stellen Hessen, sondern das (trotz der geänderten Zusammensetzung bis in späte Zeiten erhaltene) Vorrecht genossen, nur unter der Gerichtsherrlichkeit des Hof-Kriegsrathes, im Felde des commandierenden Generals zu stehen. *)

Die National-Milizen za Pferde in Ungarn und Siebenbfirgen.

In den Tagen, da sich ganz Mittel- und Süd-Ungarn noch in den Händen des Erbfeindes der Christenheit befanden, hatte sich in mehreren damaligen Grenzplätzen eine Grenz-Miliz gebildet zu demselben Zwecke, wie später an der Save, Donau, Theiss imd Marcs; sie bestand noch fort, als jene Plätze schon längst nicht mehr an der Grenze des Reiches lagen und hiess in der Folge die ungarische National-Miliz zu Pferde. Ihre Mannschaft erhielt beständigen Sold, musste aber ohne Beitrag des Aerars recrutiert und remontiert werden, weil hiefür besondere Widmungen (auch an Grundstücken) vorhanden waren. *)

Im Jahre 1740 waren jedoch nicht alle National-Miliz-Ab- theilungen wirklich vollständig beritten, wie ja ein solcher Zustand

*) Khevenhüller's Observations-Puncte.

«) K. A., H. K. R , 1741 Juni, 769 Exp. („Unvorgreifliohe Gedanken wegen der Militär- Oeconomie" 20). Ung. Gen.-Comdo., 1745, I, 56. Man muss sich hüten, diese „National-Milizen", wie dies bisweilen geschieht, für Theile der ungarischen Insurrection zu halten, mit welcher vereint einzelne derselben wiederholt im Felde standen. Sie sind meistens an dem beigesetzten Ortsnamen zu erkennen (z. B. „R a a b e r Husaren" etc.).

Digitized by

Google

411

selbst bei den regulären Husaren-Regimentern im Frieden gebräuch- lich war. Einschliesslich der National-Milizen zu Fuss (Tschaikisten) von Raab, Komom und Gran hatten sie damals folgenden Stand und zwar in

Raab 388 Mann, 162 Pferde, welche jährl. 13.356 fl. kosteten,

8.520

Komom . . .212

66

Gran 137

57

Szigetvir . . 131

Szolnok ... 59

Gross wardein 121

5.257 4.628 4.980 7.116

')

Graf Salaburg, der Oberst-Kriegs-Oommissär, schätzte die ,,Eaaber, Komomer, Graner etc. National-Husaren" im Jahre 1745 auf acht Compagnien (und die Tschaikisten auf fiinf), welche jedoch nicht so stark gedacht werden dürfen, als die regulären Husaren- Compagnien. Die National-Husaren standen zum Theile während der schlesischen Kriege im Felde; ihre einzelnen Contingente er- scheinen damals mit recht schwachen Ständen, meistens in der Stärke von 40 bis 60 Reitern. Nach dem Dresdener Frieden kehrten sie in die Heimath zurück und wurden Ende des Jahres 1746 gänzlich aufgelöst, die OfBciere versorgt, die taugliche und dienstwillige Mannschaft in die Regimenter vertheilt, die untaugliche entlassen und im Sinne des 18. Artikels der letzten Pressburger Landtags- beschlüsse der Civiljurisdiction überwiesen^. Da die National- Husaren Comets im Stande hatten, so besassen sie wahrscheinlich auch Fahnen.

Die siebenbürg ische National-Miliz, nach ihrem Commandanten um 1740 und in den folgenden Jahren auch die Springer 'sehe genannt und oft ausdrücklich als „raizisch" be- zeichnet, zählte im October des genannten Jahres 633 Mann 'und 448 Pferde, im November nur noch 460 Mann und 360 Pferde. Sie war in Compagnien eingetheilt und stand zu jener Zeit mit 248 Mann und 148 Pferden in verschiedenen Posten (von drei bis

*) K. A., Memoiren, VIII, 15. Wie viel Mann und Kosten auf die Tschai- kisten entfallen, wird nicht angegeben.

Die National-Miliz zu Fuss und zu Pferde in Komom stand unter einem gemeinsamen „Ober-Capitain" (1740 Zahler; an dessen Stelle wurde 1743 der Rittmeister Alexander Nagy von Festetits-Husaren ernannt. K. A., I., H. K. R. 1743, XI, 1). Ein Verpflegsaufsatz aus dem Ajifange des Jahres 1746 con- statiert in Baab drei Husaren- Compagnien, in den übrigen fünf Orten je eine Husaren- Compagnie. (K. A., I., H. K. R 1746, XIII, 66 c).

*) K. A , H. K. R. 1746, Prot. Reg. fol. 2708 (December 14).

Digitized by

Google

412

39 Mann) in den Pässen und wichtigeren Orten des südlichen und östlichen Grenzgebirges vertheilt, mit dem Reste, wie es scheint, in Hermannstadt ^). Sie bestand während der Zeit des Erbfolge- krieges ungestört fort; in's Feld rückten aber nur die, analog wie bei den Husaren-Regimentern, aufgestellten drei „Auctions-Compag- nien", zu deren Errichtung nach dem Fusse einer regulären Husaren- Compagnie sich schon im October 1744 Baron Moses Josika de Branicka verpflichtet hatte. Die zwei ersten Oompagnien waren Ende August 1745 bereits zur Haupt- Armee nach Böhmen abmar- schiert, die dritte passierte am 24. October die Musterung und folgte den andern. Alle drei marschierten 1746 mit dem sieben- bürgischen Husaren-Regimente (Kilnoky) nach den Niederlanden. Als die Reduction der Auctions-Compagnien der Husaren-Regi- menter beschlossen wurde, wurde auch die weitere Reorutierung und Remontierung der drei Josika*sohen Oompagnien eingestellt*).

Die Frei-Corps zu Pferde.

Ausser den schon erwähnten Reiter- Abtheilungen, welche sich bei den Frei-Corps zu Fuss (Bischof, Trenck, Pfeiler) bildeten, ent- standen im Verlaufe des Krieges auch eigene Frei-Corps zu Pferde. Das bekannteste derselben ist jenes Husaren-Corps, welches Oberst Menzel zufolge eines am 27. April 1743 zu Prag mit ihm ab- geschlossenen Vertrages in der Stärke von drei Oompagnien ä 100 Mann errichtete. Nach Menzel's Tode wurde dessen Frei- Corps am 9. September 1744 dem Grafen Bartolotti verliehen unter der Bedingung, dass er noch drei weitere Oompagnien ä 100 Mann in Ungarn, ganz auf eigene Kosten, errichte und mit allem Kriegsbedarf ausrüste, wofür ihm unter anderem der Oberstens- Charakter und die Rechte eines Husaren-Regiments-Inhabers zu- gesichert wurden. Das Frei-Corps, welches aus diesen Gründen öfters, jedoch irrthümlich, auch als Husaren-Regiment aufgeführt wird,

>) K. A., H. K. R. 1740, December, 971 Exp. Vergl für das Jahr 1716 die Feldzüge des Prinzen Eugen, XVI, 81 ; darnach hatte die sieben- bürgische Miliz ehemals sechs Oompagnien zu Fuss und 21 zu Pferde, von welchen jetzt nur noch zwei Oompagnien zu Fuss und zehn Husaren- Oom- pagnien (ausschliesslich der drei in den Niederlanden stehenden „Auotions- Oompagnien") übrig waren, die im November 1745 zusamjnen 782 Mann zählten. (K. A., I., H. K. R. 1746, XHI, 66 c und 70 h).

«) K. A., H. K. R. 1744, Prot. Exp. fol. 3446. 1747, Prot. Reg. fol. 201, 202, 204. Hof k. Arch., Hofdnanz, 12. Mai, 28. August 1746 ; 14. Februar, 14. JuU 1746.

Digitized by

Google

413

stand im Herbste 1745 bei der Armee Traun's im Römischen Reich und zählte damals effectiv 650 Mann und 579 Pferde. Ende dieses Jahres wurde die Reduction beschlossen mid bis April 1746 durch- geführt 1).

Während des zweiten schlesischen Krieges entstanden noch folgende Frei-Corps zu Pferde:

Die drei Grenz-Husaren-Frei-Compagnien des Oberstwacht- raeisters Johann Csernovich de Matsa, welche im Juni 1745 mit der Bestimmung zu Traun's Armee am Rhein, in Bayern anlangten und im October 282 Mann und 299 Pferde zählten^); die Frei-Com- pagnie Franquini, welche in Ungarn und Slavonien geworben war und im Mai 1745 zur Armee des Prinzen Carl nach Schlesien in- stradiert wurde, wo schon seit Februar ungefähr 80 Mann derselben standen; die Frei-Compagnie Pokitsch, welche im Februar und April 1745 nur zwischen 30 und 40 Mann hatte und schon im September au%elöst ward; die Husaren - Frei - Compagnie Magyary, 1745 meistens bei 100 Mann und darüber stark und die Frei-Com- pagnie (auch „ungarische Volontäre") des Lieutenants Strozzi, im Februar 1745 ungefähr 80, später 130 bis 140 Mann und Pferde stark.

In den Niederlanden entstanden im Jahre 1744 die Husaren- Frei-Compagnie Wiedebach und die Dragoner - Frei - Compagnie Chappuy, welche Ende 1745 nur 56, beziehungsweise gar nur 15 Mann und beüäufig so viel Pferde hatten.

Alle diese Frei-Compagnien zu Pferde wurden Anfangs 1746, soweit sie noch bestanden, gleich denen zu Fuss reduciert.

Innere Zustände und Schwierigkeiten bei den Truppen um das Jahr 1740.

Seit dem Frieden von Passarowitz hatten zwar Theile der kaiserlichen Armee wieder in halb Europa gekämpft, aber nirgends nennenswerthe Erfolge errungen, manchmal sogar schmerzliche Niederlage erlitten. Speciell im letzten Ttirkenkrieg ^) wurde sie durch die unglückliche Führung in eine um so trostlosere Lage gebracht, als ursprünglich füi- Hilfstruppen, Mannschafts-Ersatz und

») Hofk. Arch., Hoffinanz, 21. Mai 1743; ö. October 1744; 18. April 1747. K. A.; H. K. R. 1744, September, 272 Reg.; 1745, Prot. Reg. fol 3058; F. A Böhmen imd Schlesien 1745, IX, 50.

«) Hofk. Arch., Hoffinanz, 12. Mai, 21. Juni 1745; 27. JuU, 27. No- vember 1746.

*) Angeli, Der Krieg mit der Pforte 1786—1779 in „Mittheilungen des Kriegs-Archivs", VI. 1881.

Digitized by

Google

414

alle Kriegsbedürfnisse vom Kaiser in ausreichender Weise vor- gesorgt worden war. Nach dem Urtheile des russischen Obersten Darewsky war die in das Feld ziehende Armee des Kaisers im Jahre 1738 wirklich noch über jeden Tadel erhaben. Trotzdem und obwohl sie in diesem Jahre eigentlich keine Schlacht oder ein grösseres Gefecht verloren hatte, sah sie sich fast stets auf dem Rück- zuge. Selbst die eigentlich unentschiedene Schlacht von Grotzka (1 739), in welcher die Regimenter trotz so gänzlich fehlender zweckent- sprechender Dispositionen nach hartem Kampfe schliesslich doch das Schlachtfeld bis in die Nacht hinein behauptet hatten, erhielt nur durch den unmotivierten Rückzug des Feldmarschalls Grafen Wallis vor Anbruch des nächsten Tages, die Bedeutung einer Niederlage. Solche Vorkommnisse konnten weder dem Officier, noch dem Manne verborgen bleiben luid die Wirkung derselben auf den kriegerischen Geist der Soldaten war eine tiefgreifende. Dazu kam nun noch, dass die Verpflegung trotz der genügenden Zufuhr auf der Donau und ihren grösseren Nebenflüssen wegen des Mangeins der nöthi- gen Landtransportmittel und wegen schlechter Beschaffenheit der Wege unzureichend war. Auch grassierten im Heere Pest, Ruhr, Scorbut, Fieber und andere epidemische Krankheiten; die Pflege in den Spitälern, in denen zeitweilig fast der vierte Theil der Armee lag, war völlig unzulänglich und es sollen in denselben täglich oft 80 bis 100 SterbeftLlle vorgekommen sein. Hiedurch, wie nicht minder durch lange, zwecklose, aber aufreibende Märsche in Serbien und Süd-Ungarn, dann wieder durch den eiligen Marsch nach Böhmen, Mähren und Schlesien kamen die Regimenter nicht nur hinsichtlich ihrer Kriegsausrüstung, sondern hauptsächlich in ihrem Stand an altgedienten Leuten sehr herab und besassen bei den ersten Zusammenstössen mit den gut gerüsteten und exercierten Preussen fast mehr Recruten, als kriegserfahrene Mannschaft^).

Der ohnehin gereizte und verstimmte, wie zu stetem Tadeln geneigte Feldmarschall Graf Neipperg fand zwar nach der Schlacht bei Mollwitz, dass im Gegensatze zu den Preussen, bei denen „sowohl Officiers, als Gemeine sich in allem Vorfall auf der Stelle zu helfen wissen und von Allem . . . vollkommen unter- richtet sind", bei seiner Infanterie „das gerade Widerspiel fttrwaltet und weder die meisten Officiers, noch Andere Dasjenige, so ihnen in ein und anderem Fall obliegt, verstehen" ^). Aber schon vier

>) K. A., F. A. Schlesien 1741, V, 6. (Neipperg).

*) Ebenda, Schlesien 1741, VI, 46 (26. Juni, an den Grossherzog Franz).

Digitized by

Google

415

Monate später, nachdem er die Infanterie durch Feldzeugmeister Thüngen und die Cavallerie durch General der Cavallerie Grafen Hohenems tüchtig hatte exercieren lassen, meldete er doch wieder an den Grossherzog, an Kampflust fehle es den Truppen keineswegs und wenn es nur hierauf ankäooie, würde man den Feind unfehlbar schlagen, doch herrsche bei einem grossen Theil der Officiere eine grosse Unwissenheit und Bequemlichkeit ^). Das Officiers-Corps war seit der grossen Zeit E u g e n's that- sächlich in seiner Qualität zurückgegangen, einen weiteren wunden Punct bildete die Mangelhaftigkeit der Bezahlung der Truppen. Beides datierte nicht seit gestern.

Ein „allerunterthänigster Vortrag" vom Jahre 1736 ^ an den Kaiser, wahrscheinlich vom Feldzeugmeister Prinzen Sachsen- Hildburghausen stammend, gibt einem gewissen, unter einem Theil der OflSciere eingerissenem Streberthume die Schuld an dem Niedergange der kaiserlichen Armee. Ehemals hätten die Officiere alle Chargen hindurch, vom Fähnrich und Comet an- gefangen, gedient und seien stufenweise bis in die höchsten Stellen emporgestiegen ; jetzt aber wolle Jeder gleich Oberst oder Oberst- lieutenant sein und meine, ihm geschehe das grösste Unrecht, wenn er es nicht sofort werde. Die Ursache hiervon seien zwei Uebel: die „Aggregation" (Zutheilung oder in richtigerem Sinne Einschub) und die wieder zunehmende Käuflichkeit der Officiersstellen.

Die Aggregation war ein unvermeidliches Uebel bei Auflösung von Truppenkörpem oder Theilen derselben, wenn man die betroffenen Officiere nicht brodlos machen oder in fremde Dienste treiben wollte;

') K. A , F. A. X, 100 (30. October ; . . . parceque il regne une grande ignorance et paresse parmi un bon nombre de Vos officiers".)

Khevenhüller betonte in seinen Reductionsprojecten (1740) die grosse Wichtigkeit tüchtiger UnterofBciere, auf denen hauptsächlich eine gute Disciplin und die Ausführung der Befehle beruhe, „wie vor Zeiten die kaiserliche Armee diessfalls präcelliert und von den Feinden selbst ist admiriert worden". Das lässt auch hinsichtlich der Unterofficiere einen un- günstigen Schluss für die Zeit um 1740 zu. Ein andermal äussert sich Khevenhüller (laut Conferenz-Protocoll vom 10. Juni 1740) : Der kaiser- liche Fuss und Observanz sei vor Alters gewesen, dass „Einer commandiert und die Anderen es vollzogen haben ; anjetzo sei leider die ausländische Liber- tät und das ohnfundierte und Confusion nach sich ziehende Raisonnieron einge- schlichen" ; die gute Ordnung sei früher durch tüchtige Unterofficiere erhalten worden, etc.

*) K. A., Memoiren, IX, 58.

Digitized by

Google

416

Aggregierte mussten oder sollten wenigstens bei ihrer neuen Truppe in die zuerst offen werdenden Stellen gleichen Ranges mit voller Gebühr einrücken, während sie auf die Dauer des Aggregations- verhältnisses meist mit halber Gage den chargenmässigen Dienst zu leisten hatten. Gegen Aggregationen aus diesem Grunde hatte die Armee auch nichts einzuwenden. Es kam jedoch vor, dass solche Zutheilungen „zuweilen aus höchsten Gnaden" geschahen*), besonders häufig aber muss sich der Hof-Kriegsrath zu solchen Aggregationen haben bewegen lassen und zwar, wie durchsichtig genug angedeutet wird, nicht immer gerade aus den lautersten Motiven oder aus Rücksicht auf persönliches Verdienst. Da durch dieses Vorgehen sehr häufig junge adelige, jedoch kriegsunerfahrene Leute in Stabsofficiers-Chargen in die Regimenter eingeschaltet wurden, so war nicht nur den gedienten und verdienten Officieren die Vorrückung erschwert und mit der Zahl der Aggregationen fast immöglich gemacht, sondern es sank damit parallel auch die Qualität der Stabsoflficiere mid der aus ihnen hervorgehenden Generale, welche dann aus Mangel an Praxis ihren Commandop Osten nicht genügend entsprachen, „auch von den Subalternen aus heim- licher Rage, dass man ihnen diese vorgezogen und selbe, ob sie gleich mehrere Meriten und länger gedient haben, präteriert, unter allerlei Prätexten debito tempore et modo nicht secundieit worden sind, wodurch, wann solche Secundierung zu rechter Zeit geschehen wäre, mancher Schaden und Unglück hätte köimen verhütet oder um Vieles verringert werden". ^ Diese Bevorzugten aber waren zudem durchaus nicht alle eifrige oder fleissige Officiere und Manche fanden auch den Dienst bei der Truppe nicht nach ihrem Geschmack, so dass in einem Referate vom Jahre 1745 an Maria Theresia ausdrücklich constatiert wurde, dass „die Officiers zu Friedenszeiten öfters jahrweis von iliren Regimentern oder Func- tionen abwesend sind, ihre Dienstbesorgungen aber Anderen über- lassen". ^) Selbst im Felde blieben die mit Glücksgütem Gesegneten nicht immer bei iliren Abtheilungen ; sie fuhren oft auf ihren beim Train befindlichen Wagen, was erst die Bagage-Ordnungen der Jalire 174G und 1747 nachdrücklich abstellten ; Generale und Stabsoflficiere

*) K. A , Memoiren, IX, 259. („Nota über die Gutachten etc." vom 12. Juli 1760.)

*) K. A., Memoiren, IX, 70. („Allerunterthänigste . . . Gedanken . . . *0 V. J. 1741.

«) K.A., H. K. R. 1745, Mai. 1039 Exp. Vergl. Arneth, Maria Theresia, T, 59 f.

Digitized by

Google

417

canipierten oder canfconnierten auch gewöhnlich nicht bei den Truppen, weder während der Operationen, noch im Winter-Quartiere, sondern sie logierten sich manchmal recht weit von der Armee in die um- liegenden Ortschaften ein^).

Drückten die zahlreichen Aggregationen, welche die Organe des Hof-Kriegsrathes um ihres Vortheils willen durchzusetzen wussten, den Geist des Officiers-Corps, so verfehlte sich auch mancher Oberst-Inhaber schwer dagegen, der da vielleicht bei Neu- besetzungen oder Beförderungen Nutzen oder Gimst walten liess. Den Schaden trugen auch in diesem Falle wieder die im Eegimente altgedienten Officiere. Die Sache war so allgemein bekannt, dass die Küegs-Commissäre angewiesen wurden, bei den Musterungen die neuen oder neubeförderten Officiere eventuell unter Eid zu be- fragen, ob sie durch Geld oder Protection ihre Stelle erreicht hätten.

Nebst den ungeordneten Zuständen bei der Emennimg gab es auch noch die Möglichkeit, dass ein Officier selbst seine Charge verkaufen konnte, um sich, mehr oder minder betagt, mit einer Rente vom Kriegsdienste zmückzuziehen ; es geschah auch dabei häufig, dass junge Herren an die Stelle alter erfahrener Kjiegs- männer in hohe Stabsofficiers-Posten traten und dann die Regi- menter statt zum Siege in's Verderben führten.

Der obenerwähnte „allerunterthänigste Vortrag" vom Jahre 1738 erweist ferner, dass es sogar möglich war, die Regiments- inhaberschaft zu verkaufen, was immer (wie auch der Verkauf einer Compagnie) den Verdacht errege, dass der Käufer sein aus- gegebenes Geld auf Kosten der Qualität des Regiments (beziehungs- weise der Compagnie) wieder hereinzubringen gedenke und was den Werth der Inhaberschaft herabdrücke, da sie nicht mehr nur um Verdienst zu erlangen sei.

Mochten auch in wiederholten Befehlen sowohl Carl VI. ^), als Maria Theresia^) erklären, dass nicht „um das Geld oder

') K. A., H. K. R. 1744, December 212 Reg. (In der Resolution zu dem Vortrage des Hof-Kriegsrathes vom 12. December 1744 kommt Maria Theresia auf diesen Gegenstand, ohne dass der Vortrag selbst hiezu Anlass böte.) H. K. R 1745, Januar, 652 Reg. (Kgl. Rescript, 29. Januar 1746 an die Armee-Commandanten ) VergL A r n e t h, a. a. 0., III, 67 f.

*) Z. B. in der Resolution zum Conferenz-Protocoll über die Heeres- reduction vom 10. Juni 1740. (K. A., H. K. R. 1740, Juni, 1002 Exp.)

') Z. B. in der Circular- Verordnung ddo 5. Juli 1742 an alle Regiments- Inhaber (K. A., Memoiren, XXIV, 192 und F. A. Bayern 1742, VII, 4). In einem Armeebefehle erklärte Prinz Carl von Lothringen vor der Schlacht von Czaslau, „wenn einem der Officiere durch die Bevorzugung anderer Unrecht

OesterreiohischoT Erbfolgekrieg, I. Bd. 27

Digitized by

Google

418

Anverwandtschaft untüchtige junge Leute altdienenden Officieren sollten vorgezogen werden, so der Ruin des Militaris ist", dass nur Verdienste und Rang bei der Beförderung massgebend sein dürften und dass die Vergebung von Chargen um Geld oder Befiirwortung mit Cassation an dem Geber und Nehmer zu bestrafen seien: das Uebel war so tief eingefressen, dass man die eigennützigen Inhaber mit Namen nannte und ihnen doch weiter nichts geschah. Und auch mit den Aggregationen änderte sich die Sache lange nicht zum Bessern ; 1748 wurde endlich erklärt, man wolle furderhin solche nicht mehr ertheilen, „um den meritierten Officiers den Weg zu ihrem Avancement nicht abzuschneiden". ^)

Solche Uebelstände zeitigten aber auch im Heere einen Geist der Uneinigkeit und der Parteiungen unter den Generalen und selbst den untergeordneten Officieren, so dass sogar der Kaiser sich ver- anlasst sah, durch den Feldmarschall Grafen Harr ach auf den Grafen Wallis und den Prinzen von Sachsen-Hildburghausen beschwichtigend und mahnend einzuwirken.^

Anderseits aber bewirkten Abstammung und Verbindungen wohl auch mitunter Ungleichheiten der Behandlung, so dass im Jahre 1741 die Forderung erhoben werden konnte, dass „derjenige, er sei ein hoher oder niederer Officier oder auch ein Gemeiner, wann er be- fanden wird, untreu gewesen zu sein, oder seine Schuldigkeit nicht genugsam observiert zu haben, ohne Unterschied nach den Kriegs- Artikein ohne Verzug auf das Schärfste jederzeit gestraft . . . würde".')

geschehen sein sollte, möge er sich ungescheut melden ; die Königin ver- pfände ihr Wort dafür, dass ihm sein Recht zu Theil werde, wie denn künftighin alle Beförderung nur nach dem Bange und ohne Berücksichtigung des Glaubens- bekenntnisses stattfinden solle". A r n e t h, Maria Theresia, II, 62. Nach einem Vortrage des Grafen Harr ach ddo. 24. Februar 1746 an den Kaiser hatte Carl VI. seinerzeit angeordnet, dass die Inhaber die Beförderung der Officiere „auf die Ordnung und den Bang restringieren" mussten ; Maria Theresia jedoch hob (offenbar nach 1742) diese Verfugung theil weise auf, weil sie den Eifer der Officiere abschwäche imd nicht jeder an der Bangstour zur Beförderung stehende Officier auch wirklich für die höhere Charge (be- sonders zum Stabsofficier) geeignet sei. Das Verbot imgerechter Bevorzugung Einzelner, besonders aus eigennützigen Motiven, blieb jedoch aufrecht. (K. A., H. K. B. 1746, n, 6.)

>) K. A., H. K. B. 1748, Prot. Beg. fol. 70. (Januar 13.) «) K. A., F. A. Türkenkrieg 1789, VII, 10 (Harr ach, 18. und 22. Juli an Hildburghausen).

') Hatte doch der Hof-Kriegsrath im Jahre 1740 den traurigen Muth, die Bitte eines Oberst-Begiments-Conmiandanten um Beförderung zum General- major, obwohl derselbe sich an der Begimentscasse vergriffen hatte, dem Kaiser

Digitized by

Google

419

Es würde aber der damaligen österreicliisclien Armee schweres Unrecht thun heissen, wollte man nur bei den düsteren Seiten des Bildes verweilen, ohne daran zu erinnern, dass die Zustände im Officierscorps, welches in den höheren Graden vornehmlich aus Adeligen bestand, in den allgemeinen Verhältnissen der Zeit und speciell in der Stellung des Adels in allen Ländern ihre tiefere Begründimg finden. Hiefür gibt es keine bessere Zeugin als Maria Theresia selbst, welche bald nach dem Aachener Frieden in einer Denkschrift mit klarem Blicke ein äusserst scharfes Urtheil über die Ausbeutung des Staates durch den Adel fällte.') Man darf dabei nicht vergessen, dass das kaiserliche Heer beinahe das einzige war, in welchem unter den Officieren das bürgerliche Element ebenso zahlreich vertreten war, als das adelige und gewisse Gegen- sätzlichkeiten enstehen konnten, welche in fast ganz homogenen Offi- cierscorps, wie das preussische, weniger hervortraten. Dennoch sind die glänzenden Thaten dieser Truppen und ihrer Officiere im ganzen Ver- lauf der Kriege der grossen Königin Beweis genug, dass die innere Tüchtigkeit des Heeres noch immer äussere Uebel weit überwog. Die Strebereien und Parteiungen wurden übrigens in den Organismus des Staates und der Armee auch durch die vielen Fremden, namentlich aus Italien und Spanien, hineingetragen, welche sich Carl VI., dem ehemaligen Bewerber um das Erbe der spanischen Habsburger gegenüber, vielfach als politische Märtyrer darzustellen wussten und denen der Kaiser sich desshalb verpflichtet glaubte. Der Fremdenzufluss nach Oesterreich war aber auch eine Folge der geschichtlichen Stellung des Kaiserhauses. Für die Söhne besonders des süddeutschen katholischen Adels und ebensolcher Bürgerschaft, welche Kriegsdienste nehmen wollten, galt es als eine natürliche

befürwortend vorzutragen mit der sonderbaren Begründung, man bringe dadurch den Betreffenden auf gute Art aus dem Dienste und müsse ihn ja in einem künftigen Kriege nicht als General-Feld Wachtmeister in's Feld berufen. Carl VI. aber resolvierte, dass die üble Wirthschaft „ohne Ansehung der Personen, Anderen zur Warnung auf das Schärfeste zu bestrafen und wäre von übelster Folge, bei dieser Gelegenheit noch einem solchen eine Promotion auch nur ad honores angedeihen zu lassen". Der Hof-Kriegsrath solle vielmehr dem Obersten die Quittierung und den Schadenersatz durch dessen FamiHe anbefehlen und bei ähnlichen Vorkommnissen ohne Rücksicht mit aller Schärfe vorgehen, sowie auch das Kriegs-Commissariat dazu beauftragen. (K. A., H. K. R. 1740, Februar, 820 Exp.). Auch Feldzeugmeister Samuel von Schmettau, der zu König Friedrich 11. übertrat, wie sein Bruder, musste sich älmlicher Unterschleife bezichtigen lassen, ohne sich rechtfertigen zu können. *; Arneth, Maria Theresia, IV, 2 ff.

27*

Digitized by

Google

420

Pflicht, ihn nur unter des Kaisers Fahnen, als dem Sinnbild des Reiches und des grossen Vaterlandes zu thun. In der Zeit der Zerrissenheit des Reiches und des widerlichen Buhlens deutscher Fürsten um die Gunst Frankreichs muss dieser freiwillige Kriegs- dienst deutscher Jugend im kaiserlichen Heere vielfach geradezu als ein Act höheren und edleren patriotisohen Empfindens aof- gefasst werden. Es bleibt sicher unbestreitbar, dass das Zuströmen von Ausländern dem Vaterlande eine reiche Zahl tüchtiger Männer zugeführt hat ; sind doch die zwei berühmtesten kaiserlichen Feld- herren des vorigen Jahrhunderts, Prinz Eugen und London, wie so viele andere ausgezeichnete Generale, nicht auf öster- reichischem Boden geboren.

"Was nun die nicht ausreichende Bezahlung der Truppen an- betrifift, so sind die Gründe derselben bereits bei der Betrachtung des Finanzwesens besprochen worden; aber die Thatsache selbst, welche allerdings keine neue Erscheinung bildete, mag immerhin durch einige Beispiele erhärtet werden. So betrugen die Rückstände der 1739 in Toscana stehenden vier Regimenter um die Mitte dieses Jahres 225.305 Gulden ^) ; die Ofi&ciere derselben hatten schon seit Jahr und Tag keine Gage erhalten und wussten bei gänzlicher Creditlosigkeit und trotz hohen Zinsenanbots die Löhnungen nicht mehr aufzutreiben. *) In ähnlicher Lage befand sich Ende 1740 das tifanterie-Regiment Leopold Dann. ') Die Mannschaft der in Essegg befindlichen blechernen Pontons hatte mit Ende 1740 an Verpflegsgebühren 9188 Gulden zu fordern und konnte 1741 wegen ihrer vielen Schulden nicht ausrücken.*) Unter den drei in den vorderösterreichischen Festungen liegenden Infanterie-Regimentern herrschte 1741 solche Noth, dass zwei Lieutenants mit Hinterlassung von Weib imd Kind flüchtig wurden imd Feldmarschall-Lieutenant Damnitz nicht dafür gutstehen wollte, „wozu die Desparation wegen des allzu grossen Elends ein und andere verleiten dürfte" ; die Officiere in Freiburg und Alt-Breisach hatten ihre Gage „schon auf sehr viele Monate^^ rückständig. ^) Das Dragoner-Regiment Herzog von Württemberg hatte flir die anderthalb Jahre vom

») Hofk. Arch., Hoffinanz, 12. August 1789. •) Ebenda, 13. September 1739. ^ Ebenda, Ungarn, 24. December 1740.

*) Duncker, Die Invasion Schlesiens 1740 (Mitth. d. K. A., 1886), 60, Anm. 4.

») Hofk. Arch., Hoffinanz, 21. April und 16. Mai 1741.

Digitized by

Google

421

November 1739 bis Ende April 1741 35.600 Gulden zu fordern und der Oberst Baron Brettlach stellte vor, dass das Regiment ohne Geld weiter nicht in dienstbarem Stand erhalten werden könne, da sonst der Officier unmöglich zu bestehen vermöge „imd der gemeine Mann entweder zugrunde gehen oder wider Willen mein- eidig werden müsse".*) Es war „eine uralt beständig beobachtete Observanz, dass die Truppen wenigst auf den Winter complet bezahlt worden"; trotzdem hatten die im Sommer 1741 in Schlesien stehenden Regimenter 324.662 Gulden an winterlichem Verpflegs- rückstand zu fordern und da ihnen auch die Gebühren von ein- zelnen Sommermonaten verschiedener JjJire waren vorenthalten worden und die meisten Schulden und keinen Credit mehr hatten, so liefen von Neipperg und dessen Regimentern mit jeder Post „bewegliche Klagen" um Geld ein. ^) Feldmarschall-Lieutenant Damnitz besorgte auch 1743 wieder wegen der grossen Noth seines Regiments seitens desselben starke Desertionen oder gar einen Aufstand.^ Besonders schlecht' stand es 1742 um das in Slavonien stehende Infanterie-Regiment MarulH ; dessen Leute traten „am hellen Tage zu den Türken hinüber, keiner anderen Ursach willen, als weil sie keine Löhnung empfangen".*) Laut eines Summar-Extractes der Hof-Kriegs-Buchhalterei betrugen die beim Wiener Kiiegs-Zahlamte und anderen Zahlstellen ausständigen Forderungen der Regimenter, Militär-Stabs-Parteien und anderer Assignatarien mit Ende October 1746 beiläufig 4,005.598 Gulden. *) Diese Beispiele liessen sich noch bedeutend vermehren und erhalten ein Pendant durch die zahlreich nachweisbaren Gage- rückstände von Einzelpersonen; so hatte 1740 Oberstlieutenant Chabot einen Rechnungsrest von 1115 Gulden, Oberst von

*) Hofk. Arch., Hoffinanz, 5. März 1742.

') Ebenda, 12. August 1741. Aehnliohes finanzielles Elend war indessen doch auch während des spanischen Successions-Krieges fortwährend vorhanden (siehe Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen) und man darf nicht ganz übersehen, dass von Seiten der Generale und Truppen die Berichte in Geld- fragen stets sehr drastisch gehalten wurden, um einen Erfolg derselben etwas wahrscheinHcher zu machen.

») Ebenda, 12, März 1743.

*) Ebenda, Reichs- A., Fase. 165, Conferenz-Prot. 14. August 1742. Dem Acte jjaoffinanz, 14. September 1742" liegt die Zuschrift des Hof-Kriegsrathes ddo. 25. August 1742 an die Hofkammer bei, welche, wie nicht bald ein anderes Document, die finanzielle Leidensgeschichte des nun nicht mehr be- stehenden Regiments Marulli illustriert.

•} Ebenda, Hoffinanz, 4. August 1748.

Digitized by

Google

422

Güntherode 1739 einen Verpflegsrückstand von 2001 Gnlden, Oberstlieutenant Vicout im selben Jahre einen solchen von 1718 Gulden, General-Feldwachtmeister Graf de la Gerda mit Ende Januar 1744 einen solchen von 17.844 Gulden*) zu fordern u. s. w.

Wie schon aus den vorstehenden Andeutungen erhellt, war die übelste Folge der mangelhaften Bezahlung der Truppen, nebst der sozusagen ex officio geförderten Verschuldung der Eegi- menter und der einzelnen Officiere *), die ihre letzten Mittel zur Löhnung und Verpflegung der Mannschaft aufbrauchten, eine staxke Desertion, in einzelnen Fällen selbst Meuterei. Alle Generale und Regiments-Commandanten führten bei längerem Geldmangel die schon eingerissene oder .bereits drohende Fahnenflucht der Mannschaft als stärkstes Argmnent für ihre Forderungen m's Treffen und sie hatten damit, weil die ganze Welt seine Richtigkeit und Bedeutung kannte, sowohl bei dem Hof-Kriegsrathe, als auch bei der meist sehr spröden Hofkammer wenigstens manchmal Erfolg. Uebrigens war der Sold- mangel nicht die einzige Ursache der Desertion ; eine andere lag in der Aufbringung eines grossen Theils der Armee diu-ch die Werbung: besonders die im Auslande brachte oft recht zweifelhaftie Element* in die Regimenter. Gar Mancher Hess sich um des Handgeldes willen anwerben und braimte dann bei nächster Gelegenheit durch, um das- selbe Spiel bei einem anderen Werbetische zu erneuern. In den Kriegen mit Preussen trat, insbesondere iiir die Ungarn, noch ein neuer Grund zur schlimmsten Sorte von Desertion, dem Uebergang zum Feinde, auf: die Religionsverwandtschaft der Calviner und Lutheraner, welche gegen den protestantischen König nicht fechten

») Hofk. Arch., Hoffinanz, 21. Jiüi 1740; 4. und 12. Aug. 1739; 22. Febr. 17^. Für die Begleichung solcher Rückstände hatte sich eine eigenthümlicbe Praxis herausgebildet. Ursprünglich that man sie ab mit der Auszahlung einer zwei* monatlichen Verptiegsgebühr; später wurde das Drittel der Forderung liquidiert seit ungefähr 1700 aber die Hälfte. Maria Theresia wollte wenigstens Anspruch« bis zu 50 Gulden ganz auszahlen lassen, aber die Hof kammer protestieiv dagegen, „weil notorie die Regimenter sowohl in ihren Quartieren, als auch in andere Wege mehr gemessen, als ihnen gebührt". Könnte dieser Uebergenoss^ argumentierte die Hof kammer, genau eruiert werden, so würde sich herao^* stellen, dass mit der Anweisung der Hälfte der ausgewiesenen Forderong ncr in wenigen Fällen die wirkliche Gebühr nicht ganz bezahlt sei; damit Uieb es, nach wie vor, auch für die geringeren Rückstände bei der „gewöhnlicbea Reduction zur Hälfte". (Hoffinanz, 23. November 1744.)

•) Die Verschuldung der Ofßoiere in Folge unregelmässiger BezahhiB^ ihres Gehalts war übrigens durchaus keine specifisch österreichische Er^ scheinung.

Digitized by

Google

423

wollten. Auch zogen die bekannten Namen zahkeiclier in den feind- lichen Iteihen dienender ungarischer Emigranten der EÄk6ozy'schen Partei manchen Mann ebenso gut in das preussische, als in das französische Lager ^).

Die Desertion war so gross, dass nach Feldmarschall S e c k e n- dorffs Schätzung vom Jahre 1740 ein Infanterie-Regiment, welches mit dem Kriegs-Stande (2300 Mann) aus den deutschen Erblanden in die Niederlande marschierte, dort nur mehr mit dem Friedens- stande (2000 Mann) anlangte. Seckendorff hielt auch die lebens- längliche Dienstpflicht des gemeinen Mannes für eine Ursache der Fahnenflucht und meinte, bei Einführung der Capitulation auf eine gewisse Zahl von Jahren würden die Offioiere die Mannschaft glimpflicher behandeln, um sie zur Erneuerung der abgelaufenen Capitulation umso eher zu bewegen ^).

War einerseits die Nichtbezahlung des Soldes eine Ursache der Desertion, so bildete anderseits die häufige Nichtbezahlimg der Deserteurs-Taglia an die Landleute ein ebenso schädliches Correlat hiezu, dessen Wirkung sich potenzieren musste, wenn Hof-Kriegsrath und Hofkammer sich darüber nicht einigen konnten, ^wer zunächst die Taglia erlegen solle ^).

Alle Mittel, welche gegen die Desertion ergriffen wurden, als : die wiederholte Verkündung eines General-Pardons, z. B. am 10. De- cember 1740 für alle Erblande, am 5. Januar 1743 für die Fahnen- flüchtigen der ungarischen Regimenter, am 13. März desselben Jahres für die aller königlichen Regimenter *) ; die Publication von sehr strengen Strafpatenten sowohl gegen Deserteure, als ihre Hehler ^) ; der Abschluss von Deserteurs- Auslief erungs-Cartellen mit benachbarten und befreundeten Staaten ^ : alle diese Mittel waren doch nie im Stande, das Uebel ganz zu unterdrücken.

*) Kienast, König Friedrich 11. von Preussen und die Ungarn bis 1763. (Mittheilungen des k. u. k. ICriegs-Archivs, Neue Folge, IX.)

•) K. A., F. A. Türkenkrieg 1739, XIU, 20.

3) Hofk. Arch., Hoffinanz, 12. August 1743.

*) K. A., H. K. E. 1740, December, 202 Reg. Kanzlei- Archiv, Müt.-Syst. Kr. 201 und 201.

•) Z. B. am 8. Juli 1749, womit für die Einbringung des Deserteurs 24 Gulden, für jene des Deserteurs sammt seinem Pferde 40 Gulden, fiir den Angeber eines Hehlers zwölf Gulden als Taglia festgesetzt wurden. Katona, Historia critica, XXXIX, 372.

«) Z. B. 1731 und 1745 mit Bayern (K. A., H. K. ß. 1745, August, 93 xmd 105 Exp ), 1743 mit Sachsen (K. A., F. A. Bayern und Ober-Ehein 1743, IX, 48 Vi), 1747 mit Chur-Mainz Meynert, Geschichte des Kriegswesens in

Digitized by

Google

424

Eine österreichfeindliche Geschichtschreibtmg hat sich bisher leider mit Erfolg bemüht, die unzweifelhaft vorgekommenen Aus- schreitungen österreichischer Soldaten gegen Freund und Feind in der einseitigsten und missgünstigsten Weise darzustellen; selbst Historiker, welche der österreichischen Armee nicht mit Abneigung gegenüberstehen, unterscheiden manchmal nicht mitwünschenswerther Schärfe zwischen den regulären und irregulären Truppen. Erstere hatten in den meist sehr streng gehandhabten Kriegsartikeln und in dem Disciplinarstrafrechte, welches selbst dem Corporal den Stock über den Gemeinen zu fuhren erlaubte, eine genügend kräf- tige Stütze der Mannszucht *) ; dieselbe liess trotz einiger bedenk- licher Vorkommnisse, z. B. der noch in Ungarn erfolgten Emeute des, in Folge der Pressburger Landtagsbeschlüsse neu angestellten Regiments Ujviry im Jahre 1742, oder des Complotes zwischen Mannschaften des italienischen Regiments Clerici und den von ihnen zu escortierenden Kriegsgefangenen zu gemeinsamer Flucht im Jahre 1746, im Allgemeinen nicht mehr zu wünschen übrig, als dies auch bei den fremden und feindlichen Armeen der Fall war. Wenn auch zugegeben werden muss, dass den bayerischen Bauern hart mitgespielt wiirde, so steht ebensosehr fest, dass der Aufruf Maria Theresia's an die Bewohner Böhmens und Mährens zur Vertheidigimg des Vaterlandes an der Behandlung dieser Länder durch die Preussen die wirksamste Unterstützung fand *). Man wird übrigens bei der gegenseitigen Beurtheiltmg gut thun, sich die allgemeinen Culturzustände der Zeit vor Augen zu halten, mit welchen der Krieg und seine Begleit-

Europa, III, 186). Auch mit dem schwäbischen und fränkischen Beichskreise, mit den Generalstaaten u. s. w. bestanden Deserteur-Cartelle.

^) Vergl. M e y n e r t, Geschichte der k. k österreichischen Armee, III, 199, IV, 92, 99.

*; Dahin gehört das Wegführen der Kinder von Beamten, um diese zur AusHeferung herrschaftUcher Gelder zu zwingen, das lebendig Verbrennen von armen Bauern zwischen Strohbündebi, wie es in Mähren geschah u. A. m., über welche Dinge zahlreiche Berichte böhmischer und mährischer Beamten in den Acten des K. A. sich vorfinden. Friedrich II. soll indessen 1742 in Mähren, trotz der Vorstellimgen seines Ministers, nur das gethan haben, „was die Baison de guerre erlaubt" (Droysen, Geschichte der preussischen PoUtik, V, 1, 406 Anm.). Das ist eine Behauptung, welche denOesterreichem gegenüber, von preus- sischen Autoren gewiss selir verargt würde. Es mag noch bemerkt werden, dass die Königin, wo es möglich war, solche Ausschreitungen strenge strafte, dass sie selbst brauchbare und im Felde erprobte Männer, wie Trenck, für ihre Unthaten mit eiserner Energie unschädlich machte. Ein Gleiches ist bei ihren Gegnern nicht zu constatieren.

Digitized by

Google

^ 425

erscheinungen stets in ursächlichem Zusammenhange stehen. Für die österreichische Armee aber wird noch ganz besonders berück- sichtigt werden müssen, dass sie in den Land - Milizen, den Grenzern und den ungarischen Insurgenten accessorische Elemente in verhältnissmässig grosser Zahl besass, welche mit jenen der „deutschen" Regimenter, weder in Hinsicht ihres Bildungsniveaus, noch ihrer militärischen Disciplin, den Vergleich aushielten, durch ihre Kampfesweise zu Ungunsten der regulären Truppen auf die Beurtheilung der österreichischen Kjiegfiihrung einwirkten und dem eigenen Lande oft nicht minder wehe thaten, als dem feindlichen^). Die militärischen Qualitäten der ungarischen Lisurgenten sind auch weder in Wien, noch in den mass- gebenden ungarischen Kreisen verkannt worden und Niemand hat sie richtiger beurtheilt, als der alte Feldmarschall und Palatin PAlffy*). Die Grenzer aber haben gerade während des Erbfolge- krieges grosse Fortschritte in der Disciplin gemacht. Ihr Streben in dieser Richtung wird am besten durch die Thatsache docu- mentiert, dass viele Ofificiere der Carlstädter imd Warasdiner im Jahre 1747 quittieren wollten, wenn man ihre Mannschaft immer zu den Irregulären zähle. Maria Theresia erhob damals wirklich

^) Die Land-Milizen, Insurgenten und Grenzer führten fast ausschliesslich den „kleinen Krieg", eine Kampfesart, bei welcher auch in den jüngsten grossen Kriegen Erscheinungen zu Tage traten, die in der Beurtheilung des vorigen Jahrhunderts einige Vorsicht empfehlen werden.

„Berücksichtigt man die durch den kleinen Krieg hervorgerufenen Re- pressalien, die h&ufige Verrohung und Erbitterung der Kämpfenden und die Gefahren, welche sich dadurch für das eigene Land ergeben, so ist es wohl nicht ungerechtfertigt, wenn manche Schriftsteller ihn als ein zweischneidiges Schwert hinstellen und abrathen, den Volkskrieg ohne äusserste Nothwendig- keit zu führen." So äussert sich auf Grund der Erfahrungen der letzten Jahr- zehnte ein erst jüngst erschienenes Buch. (Bookenheim-Arz, Grundbegriffe der Strategie, Wien, 1895, Seite 118.)

•) Das Deputations - Protocoll vom 2. November 1746 (Hofk. Arch., Reichs -A., Fase. 166) enthält folgende Stelle : „Wegen der Insurrection, die nunmehr gänzUch nach Haus gegangen, die so Vieles gekostet und so weniges Anderes gefruchtet, als wegen deren unzählbaren Excessen die Länder bedrängt (zu haben) und (welche) so üblen Nachklang Ihro Majestät Waffen verursacht hat, wird wohl in Zukunft für unnöthig und schädlich angesehen werden. Und sollte statt solcher eine anderweitige Verstärkung der Armeen für nöthig erachtet werden, so würde allezeit besser gerathen, bei einigen Keichsfursten Truppen zu erhandeln, als sich dieser Leute zu gebrauchen". Thatsächlich wurde im siebenjährigen Kriege die Insurrection nicht mehr aufgerufen.

Urtheile des Palatins P41ffy über dieselbe befinden sich auch in den Acten des ungarischen General-Commandos vom Jahre 1744 ^ A.).

Digitized by

Google

426

die "Warasdiner und Carlstädter Regimenter zum lUnge regulärer Truppen *).

Was übrigens die Ausschreitungen der österreichischen Truppen in Bayern anbelangt, so wird die alte Abneigung zwischen Bayern und Oesterreichem nicht ausser Acht zu lassen sein. Wenn aber Jemand auf die im eigenen Lande begangenen „Excesse" dieser Truppen verweisen möchte, so sei daran erinnert, dass auch die eigenen Unterthanen sich keineswegs immer gutwillig den Lasten fügten, die fiir das Militär zu tragen ihnen Gesetz imd Herkommen nun einmal vorschrieben*). Li der Zeit der Berufsheere war der Gegensatz zwischen Bürger, Bauer und Soldat überall ein grösserer, als heute; vollends in Ungarn war derselbe, was besonders den „deutschen" Soldaten anbelangt, ein fast historischer. Die Acten weisen nach, dass gerade in Ungarn dem „deutschen" Militär, auch wenn dasselbe im Interesse Ungarns thätig war, mit nahezu offener Feindseligkeit begegnet wurde. „Wann auch der Hof-Küegsrath insinuiert, geschieht nichts; wann dann ex parte militari in der Noth Bath geschaflft wird, sollen es Excesse sein und heissen, man solle dem Provinziale nicht eingreifen. . . . Die Provinzial- Commissiarü geben Vorspann, wann und wem sie wollen, auch denen, so vigore regulamenti es nicht begehren können ; das odium darüber fallt ad mihtare. . . . Wann im Land contra occultatores desertorum judicialiter gesprochen wird, folgt keine Ersetzung; wami aber ein Soldat excediert, solle dstö Regiment zahlen" . . . ') u. s. w. Der Hof-Kriegsraths-Präsident gab in einer Minister-Con- ferenz des Jahres 1740 auf die Klagen des ungarischen Hofkanzlers wegen Ueberlastung Ungarns die Antwort, es mögen seitens der oft mangelhaft bezahlten Truppen wohl Excesse vorfallen, welche gewiss nicht unbestraft blieben, wenn man sie anzeige. Allein „man mache von Seiten des Königreiches für Excesse gelten, was keine sind"; Graf Harr ach begründete dies näherund fuhr dann fort:

») K. A., H. K. R. 1747, Mai, 408 Exp.

•) Maria Theresia's Resolution zum Deputations-Protocoll vom 17. März 1742 (Hofk. Arch , Reichs- A., Fase. 165) betont, dass die Länder die Postulate nicht nur bewilligen, sondern auch wirklich bezahlen m ü s s t e n, damit die Truppen befriedigt werden könnten ; dann würden auch die Excesse aufhören oder wenigstens scharf bestraft werden können. Nicht allein beim Militär, sondern auch bei den Ständen sei ein Theü der Schuld an den Excessen zu suchen.

•) K. A., H. K. R. 1745, Mai, 964, Exp. (Ein vom Kriegs-CommissariÄte stammendes „Promemoria zur Verfassung des neuen hungarischen Verpflegs- Regnlament", welches am 6. Mai 1745 ausgegeben wurde.)

Digitized by

Google

427

„Die Miliz aber dürfte melirere Ursach haben, sich wider die Abneigung zu beklagen, da man in Comitaten so weit gehe, dass auch jener, so freiwillig dem Soldaten was geben will, hierum bestraft wird" ^).

Wenn es nie ganz gelang, die Excesse abzustellen, so hatte daran ausser allen bereits angeführten Ursachen auch die eigen- thümliche Art der Verpflegung des Militärs durch die Länder ihren Antheü ; erst die Reformen nach dem Aachener Frieden, durch welche die Contribution der Länder erhöht, ihnen aber alle directen Leistungen für die Armee abgenommen wurden, schufen hier Wandel. Maria Theresia constatierte später mit Freuden, dass in Folge des neuen Systems die Länder über Excesse der Truppen keine Klage mehr führten, da durch dasselbe das Militär „in Ordnung und billige Schranken gesetzt worden" ^).

Es fehlte aber auch früher nicht an dem Streben der mass- gebenden Stellen, allen Eigenmächtigkeiten durch strenge Befehle einen Riegel vorzuschieben. Die Marsch- uud Bagage-Reglements, das Verpflegs-Reglement vom Jahre 1745 fiir Ungarn, die Regle- ments für die Winter-Quartiere, Befehle des Armee-Commandos, wie z. B. jener Carl's von Lothringen vom 22. Jimi 1745^) sind dessen Zeuge. Auch durch sonstige Mittel suchte man den Geist der Truppen zu heben, vor allem durch die Pflege der Religiosität, dann aber durch Belohnungen. Gewöhnlich bestanden diese in Geldgeschenken oder in Beförderungen ; doch kommen auch bereits andere Auszeichnungen vor; so wurde 1747 der Oberstwachtmeister Georg Binder von Kolowrat-Lifanterie zur Belohnung seiner sechsunddreissigj ährigen erspriesslichen Dienstleistung för sich und seine Nachkommen in den Ritterstand des Römischen Reiches luid aller k. k. Erblande erhoben*), während der Feld- Artillerie-Stuck- hauptmann Peitscher für seine Thätigkeit zur Zeit der Be- lagerung Brunns 1742 von der Königin „eine goldene Medaille von 50 Ducaten zur etwelchen Belohnung" erhielt 5). Bekannt ist

») Hofk. Arch., Keichs-A., Faso. 165, Conferenz-Protocoll, 5. Juli 1740. Unter „Miliz" wird hier und in den gleichzeitigen Acten immer das stehende Heer verstanden, im Gegensatze zur „Land-Miliz"^

») Arneth, Maria Theresia, IV, 34.

•) K. A., Cab.-A., 1745, VI, 7.

*) Hofk. Arch., Hoffinanz, 18. April 1747.

*) Ebenda, 16. Mai 1842. Carl VI. verlieh vier ungarischen Grossen, welche sich um die Niederwerfung des sogenannten P 6 r o 'sehen Serben- aufstandes 1785 besonders verdient gemacht hatten (darunter dem nachmaligen

Digitized by

Google

428

die Absendung eines Allerhöchsten Handschreibens mit dem Bilde der Monarchin an Peldmarschall Khevenhüller, eines Säbels und eines Pferdes gleichfalls mit einem Handschreiben der Königin an den „Vater" Pilffy. Auf den militärischen Geist muss es auch von grosser Wirkung gewesen sein, dass die in Kronweissen- burg 1744 erbeuteten Siegeszeichen an den Palatin gesendet wurden^ um sie „zur Ehre der Nation und künftigen Angedenken in denen Kirchen gewöhnlichermassen aufrichten zu lassen" *).

Von massgebender Bedeutung für den Zustand der öster- reichischen Armee ist, dass dieselbe erst seit dem Jahre 1737, aber ^ nur für die Infanterie ein officielles gemeinsames Exercier- und 1 D i e n s t-R eglement hatte. Bis dahin war es Sache jedes Oberst- Inhabers, seinem Regimente auch die Exercier- und Dienstvorschriften zu geben. Solche Reglements sind mehrfach bekannt und zwar bei der Infanterie jene für die Regimenter Alt-Wallis vom Jahre 1705, Browne (später Thüngen) vom Jahre 1719, Leopold (später Franz) Lothringen vom Jahre 1725, Regal (später Ulysses Browne) vom Jahre 1728, O'Güvy vom Jahre 1730, Alt-Daun (später Mercy) vom Jahre 1733, bei der Cavallerie jenes für KhevenhüUer-Dragoner vom Jahre 1726. Mehrere derselben sind gedruckt worden und erhielten dadm-ch Einfluss auch auf andere Regimenter. Die berühmtesten sind die Reglements von Regal und von Khevenhüller geworden; das letztere erschien in den späteren Auflagen immer zugleich mit desselben Verfassers ebenso berühmten „Observations-Punoten" vom Jahre 1729.

Wie wenig noch das Infanterie-Reglement Carl VI. vom Jahre 1737 sich Anfangs allgemeiner Geltung erfreute, beweist folgendes Wort Maria Theresia's aus der Zeit nach dem Aachener Frieden: „Wer würde glauben, dass nicht die mindeste Regel eingeführt war bei meinen Truppen? Jeder machte ein anderes Manöver im Marsch, im Exercieren und im Alarm; Einer schoss geschwind, der Andere langsam, die nämlichen Worte xmd Befehle wurden bei Einem so und bei dem Anderen anders ausgedrückt imd da ist es kein Wunder, wenn zehn Jahre vor meiner Regierung der Kaiser allzeit geschlagen worden und, wie ich selbst das Militär gefunden, nicht zu beschreiben ist."^

Husaren-Obersten und -General Johann B e 1 e z n a y), goldene Ketten. (Papp, A 1735-diki ndpzendül^s tört^nete [Gesch. des Yolksaufstandes v. J. 1785], 12ßfL)

») Hofk. Arch., Hofünanz, 4. August 1744.

*) Arneth, Maria Theresia, IV, 86.

Digitized by

Google

420

Nach KhevenhüUer (Vorrede zu den „Obsorvations-Puncfcen") war schon im Jahre 1714 ein Anlauf gemacht worden zur Ver- fassung allgemein giltiger Reglements; die Ausführung scheiterte wahrscheinlich an der Achtung der, deii „wirklichen" Obersten zustehenden Rechte und Prärogative. Erst 1736 wieder wurde der Gedanke neu aufgenommen und für die Infanterie eine Commission eingesetzt, bestehend aus den Generalen H a r r a c h, Olivier Wallis, Fürstenbusch und Wenzel Wallis, aus deren Berathungen das erwähnte kaiserliche Reglement vom 1. März 1737 hervorgieng. Für die Cavallerie sollte damals Feldmarschall Philipp i, nach ihm Graf KhevenhüUer ein gleiches Exercitium „einrichten"^), was wohl in Folge der kriegerischen Ereignisse nicht zur Aus- führung kam.

Die unglückliche Schlacht von Mollwitz hatte die Noth- wendigkeit eines gemeinsamen Reglements aufs Neue dargethan, wofür der beste Ausdruck die offenkundig auf die Initiative des Feldmarschalls Neipperg verfassten und für alle Regimenter in Schlesien geltenden „Observations-Puncte bei der Infanterie" des Feldzeugmeisters Thüngen, dd. Neisse, 10. Juli 1741 ^ und die ,,Observationspuncte für die Cavallerie" des Generals der Cavallerie Grafen Hohenems vom 19. Juli 1741^ sind. Auch während des Erbfolgekrieges drang aus den Reihen der Armee der Wunsch nach allgemein verpflichtenden Reglements, sowohl für die Infanterie, als für die Cavallerie, an die Stufen des Thrones*); dieser Wunsch gieng erst nach Eintritt des Friedens in Erfüllung.

») K. A., H. K. E. Prot.-Reg. 1736, fol. 493, 979, 1134; 1737, fol., 899.

•) K. A., F. A. Schlesien 1741, VII,* 14. Die Ansicht Jahns' (Gesch. der Kr.- Wissen Schäften, III, 2559), dass Thüngen die Observations-Puncte nur für sein Regiment gegeben habe, ist irrthümUch; deren Punct 10 betont aus- drücklich, es sei gefahrlich, wenn die Regimenter brigadenweise avancierten; man müsse sie vielmehr so abrichten, dass die Bewegung eines ganzen Flügels oder Treffens auf einmal, zugleich geschehe ; dabei müsse bei allen Regimentern die nämliche Maxime beobachtet werden, u. s. f.

') K. A., M6moiren, V, 82 (Abschrift aus dem Neipperg'schen Archiv zu Schwaigern). Thüngen's und Hohenems' Observations-Puncte bieten wichtige Anhaltspuncte über den Zustand der damaligen Regimenter.

*) K. A., Cab.-A., 1745, XIII, 10 und ad 10 (am Schlüsse dieses umfang- reichen Gutachtens über die Regimenter und Generale vom Ende des Jahres 1745, wahrscheinlich vom Feldzeugmeister Leopold Dann herrührend). Vergl. auch: Memoiren, VII, 31 (vom Jahre 1750) und IX, 259 (vom 12. Juli 1750) j wo sich nebst der Begründung der Einheitlichkeit des Reglements offenbar in Folge der Erfahrungen des abgelaufenen Krieges auch der Ruf nach General- Inspectoren erhebt.

Digitized by

Google

480

Die Artillerie.

Die Artillerie*) zerfiel in das Feld-Artillerie-Haupt-Corpo, in die National-Artillerie-Abtheilungen in der Lombardie und in den Niederlanden und in die Haus- und Zeugs- Artillerie. Erst gelegentlich der Ernennung des Fürsten "Wenzel Liechtenstein zum Oberst- Land- und Haus-Zeugmeister im Jahre 1744 kamen diese bisher fast in keinem Zusammenhang gestandenen Theile unter eine ein- heitliche Leitung, von der aus besonderen Gründen nur die nieder- ländische National-Artillerie ausgenommen blieb.

Das Feld-Artillerie-Haupt-Corpo stand unter Conunando eines Generals (1740: General-Feldwachtmeister Franz v. Fischer, nach dessen Tode 1742 General-Feldwachtmeister Anton von Feuer- stein), welcher mit ähnlichen Befugnissen, wie der Obersfc-Lihaber eines Regiments, ausgestattet war. Dasselbe lag im Frieden ge- wöhnlich in Böhmen, aus welchem Lande es sich auch vorzugs- weise ergänzte.

Theile desselben befanden sich in Luxemburg, im Römischen Reiche, in Italien und in mehreren Plätzen längs der türkischen Grenze.

Sein Stand wurde im Frieden immer herabgesetzt, so z. B. nach dem letzten Türkenkriege mit Ende Mai 1740. Eine Gliederung in Compagnien oder ähnliche Unter-Abtheilimgen ist nicht nach- weisbar, dürfte aber, wie aus dem wiederholten Vorkonunen z. B. von gerade neun Fourieren geschlossen werden kann, doch existiert haben.

Die Stärke der Feld- Artülerie- Abtheilungen bei den einzelnen Armeen und Armee-Corps richtete sich nach der Anzahl der bei ihnen eingetheilten Geschütze, worüber leider in sehr zahlreichen Fällen ausreichende Angaben fehlen.

Die Feld -Artillerie hatte auch ihr eigenes Fuhrwesen, die „Ross-Partei", welch' letztere im Frieden gewöhnlich fast gänzlich aufgelöst wurde. Der Artillerie war damals (und noch bis zum Jahre 1772) die Mineur-Oompagnie zugetheilt.

Ueber die Stärke und Vertheilung des Feld-Artillerie-Haupt- Corpo zu verschiedenen Zeiten, dessen Chargengrade und deren Gebühren geben folgende zwei Tabellen^) Aufschluss:

*) DoUeczek, Cxeschichte der österr. Artillerie (Wien 1887).

2) Zusammengestellt nach den Acten: K. A., H. K. R. 1740, Jnli, 193 Reg ; Memoiren, Vni, 12, XHI, 315; I, H. K. R. 1746, Xin, 70a und Hofk, Arch , Hoffinauz, 18. Juni 1742.

Digitized by

Google

4SI

a 2

2 ._

I

o Ph

CQ

<0

Chargengrade

^ O

p 'S

O

a

fl. kr.

1 1 3

1 1 3

19 1 1 2 1 1

12

11

30 56 23 58 476

1 1 3 1 1 2 16 1 1 2

1 12

30 50 14 50 450

1 1 3 1 1 3 18 1 1 2

1 12

30 50 14 50 450

3 1 1

1 15 1 2 1 1 1 8

30 42 26 48 617

General

Oberst

Oberstlieutenante

Ober-Kriegs-Commissarius . .

Zeug-Lieutenant

Ober-Stuck-Hauptleute . . .

Stuck-Hauptleute

Secretarius

Zeugwarte

Quartiermeister

Ober-Petardier

Feld-Caplan

Stuckjunker

Feldscherer u. seine Gesellen .

Alt-Feuerwerker

Jung-Feuerwerker

Sonstige Prima-Plana-Personen Büchsenmeister-Oorporale . . Büchsenmeister

je nach der Charge

240 144 144 120 120

72

72

60

48

36

36

24

48

15

16 8

(ver- schieden)

12

699 641

644

805

189

47

94

123

Zeugamts-Personale .

1 1 2 1 1 6 53

1 1 2 1 1 7 53 34

1

1 2 1 1

130

1 1 2 1 1 5 33 78

Mineur-Oberhauptmann Mineur-Hauptmann Mineur-Lieutenante Mineur-Feldwebel Mineurmeister . Mineur-Corporale Alte Mineure . Junge Mineure .

(ver- lohieden)

9

B

120 72 30 24 18 15 12 6

66

100

136

122

Digitized by

Google

432

TS fl O

Ca

a 2 § o £

^

na

d

Chargengrade

'S «

^. .g 8

o ^ fl. ;kr.

1

1

1

2

16

16

513

3681

1

1

2

1

15

14

402

Ober- Wagenmeister Ober-Gescliimneister. Geschirrschreiber ßossarzt . . . Wagemneister . Geschirrknechte Stuckknechte .

72

48 18 36 24 12 4,30

550

11

372

1503

799

1246

1452 Summa

I {

Ausserdem befanden sich vom Feld-Artillerie-Haupt-Corpo :

Commandierte in

Luxemburg

Philippsburg

Vorder-Oesterreich . . . .

Bei der Armee in den Nieder- landen und im Kömischen Reich

Temesvdr

Peterwardein

Slavonien

Siebenbürgen

Italien

Mitte 1740

Mitte 1742

Summe . . .

Die Stärke der gesammten Feld-Artillerie betrug also

imd deren jährliche Kosten

295 Mann 29 32

84 Mann 29 12 33

200 (?;

714 Mann

1513 Mann

ungefähr 213.300 fl.

127 Mann 29 32

48 Mann 29 12 33 201

511 Mann

Ende 1745

142 Mann 32

?

965 Mann 43 29

229 Mann

1440 Mann

1757 Mann

ungefähr 288.000 fl.

2892 Mann

321.400 fl.

Digitized by

Google

453

Die Personen des Zeugamtes sind ausser einigen „Zeugdienem", dem „Pulverhüter", den Handlangem, den Tambouren und dem Profossen, durchwegs Handwerker (Meister und Gesellen) : Büchsen- macher, Schlosser, Schmiede, Wagner, Riemer, Zimmerleute.

Die National-Artillerie in den Niederlanden und in Italien wurde gleich den deutschen Feld- Artillerie-Corps und neben Abtheilungen desselben theils im offenen Felde, tlieils in Festungen verwendet

Die National-Artilleristen der Niederlande waren um das Jahr 1740 in keinem festen Verbände; über ihre damalige Zahl, Vertheilung imd Besoldung fehlen nähere Angaben. Im October 1742 wurde der Vorschlag des Gouverneurs von Luxemburg, Grafen Neipperg, „die sämmtlichen dasigen National-Artilleristen imter des Stuck-Hauptmanns Miller Commando in eine Compagnie zusammenzuziehen" vom Hof-Kriegsrathe genehmigt ^). Die National- ArtiUerie-Compagnie in den westlichen Provinzen war 1744 (Mitte Mai) 151 Mann stark imd wurde nach dem Vorschlage des Herzogs V. Arenberg auf 184 Mann verstärkt, von welchen 85 Mann unter Commando des Ober-Capitains Baxeras ausmarschierten, der Rest in mehrere feste Plätze vertheilt wurde ^).

Die lombardische National-Artillerie lag in Mailand und Pavia*). Sie bestand aus zwei Compagnien, deren Sollstand im Jahre 1730 auf zusammen 180 Mann (darunter 138 Büchsenmeister) erhöht wurde ^), von welcher Zahl jedoch um 1740 ein bedeutender Abgang bestanden haben dürfte. Die Besoldungsverhältnisse waren analog, wie bei der deutschen Feld- Artillerie. Im Jahre 1745 wurden die zwei Compagnien auf 200 Mann verstärkt und zwei Jahre später ganz dem General -Feld -Land- und Haus -Artillerie -Zeug- Amte in Wien untergeordnet^), nachdem sie bisher durch den, dem

») K. A , H. K, B. 1742, Prot. Reg. fol. 2084 (October 20).

») K. A., F. A. Niederlande 1744, V, 10, ad 10; H. K. R. 1744, Prot. Reg. fol. 1463 (Mai 27). Wahrscheinlich stammte die National- Aiüllerie, wie in der Lombardie und in Neapel-Sicilien, aus der Zeit der spanischen Herrschaft. Piot, Le rögne de Marie-Th6r6se dans les Pays-bas Autrichiens (Louvain, 1874) p. 98, weiss über die niederländische National-Artillerie sonst nichts anzugeben, als dass sie nach dem Aachener Frieden 365 Mann stark war und unter einem Oberstlieutenant stand.

») K. A., F. A. Itaüen 1740, XI, ad 7.

*) Die Erhöhung betrug 54 Büchsenmeister. (Instruction vom 1. No- vember 1730 für den Grafen S t a m p a, K. A., Kanzlei- Archiv, V, 62).

*) K. A., H. K. R. Prot. Reg. 1745, fol. 1837; 1748, fol. 153, 1824.

Oeiterreiohiioher Erbfolgekrieg. I. Bd. 28

Digitized by

Google

434

mailändischen Artillerie-Wesen seit 1726 vorgesetzten G-eneral-Feld- wachtmeister Grafen S t a m p a dem lombardischen Öeneral-Capitain und dem Hof-Kriegsrathe untergeben gewesen. Ihre Bezahlung geschah von der mailändischen Kammer.

Die italienische National-Miliz besass noch aui* der Zeit der spanischen Könige her zwei Artillerieschulen und inrar eine zu Mailand mit 60 und die andere zu Pavia mit 40 Scholaren, welche besonders aus den, dem Zeugwesen nahestehenden Professioimtfn genommen und von je einem bei den Compagnien ab Feuerwerke eingereihten „Capo d'artigleria" in der Feuerwerkerei, dann in der Bedienung der Stücke und Mörser, wie auch im Zeichnen unter- richtet wurden. Dieselben mussten im Frieden ohne Entgelt bei den National-Compagnien Dienst leisten und auch mit detisolb^u in das Feld ziehen ^).

Die Land- und Haus- Artillerie zählte ungefabr &0O Köpfe an Officieren und Mannschaft, einschliesslich der ZetigBarbeit-er, welche in die zahlreichen Plätze des Reiches vertheilt waren*'»* Je nach deren "Wichtigkeit standen die einzelnen Haus-Artillerie Posten unter Zeug-Lieutenanten, Stuck-Hauptleuten , Zeugw^rten und Feuerwerkern; in mindei-wichtigen Stationen stand oft nur ei» einziger Feuerwerker, oder gar nur einfache Büchsenmeister. Zeug- Lieutenante standen an der Spitze der Haupt-Zeughäuser, in Wi^eu. Kaschau, Ofen, Hermannstadt, Esseg, Prag, Graz uitrl Lmsbrack: ihr jährlicher Gehalt schwankt zwischen 740 und 1272 Guldeit Stuck-Hauptleute mit einem Gehalte zwischen 300 und G52 Galdou standen den Posten in Wiener - Neustadt, Linz, KomorxL, Eaab. Pressburg, Eperies, Leutschau, Erlau, Szegedin, Carleburg, Glatt. Brtlnn, Ung.-Hradisch, Glogau, Brieg, Kopreinitz und Innsbruck tot. Zeugwarte (Gehalt zwischen 180 imd 420 Gulden jährlich) leiteten die Posten in Brod, Munk&cs, Peterwardein, Sziget, Stuhlweissea- bürg, Trencsin, Kronstadt, Eger, Pilsen, Petrinja, Carlstadt, Gari(> pago, Zengg, Triest, Gradisca (in Friaul), Görz, Fiume, Laibaek Ehrenberg und Trient.

Während die Feld-Artilleristen nach der Ansicht der Zen meistens ihr „Handwerk" gut verstanden, entsprachen die Leute

^) Instruction vom Jahre 1730 für Stampa.

-) Gewöhnlich heisst es, sie seien in fünf Bü.chs8nnieLst<?r-Coiiipagnic* eingetheilt gewesen ; doch fehlt eine solche Eintheilung in den Acten nm I7i\ ObwoW es schon lange keine ständische (Land-)Artillerie mehr gab, Wieb dci die Bezeichnung „Land- und Haus- (d. i. kaiserliche) Artillerie" fort im Gebrmacb^

Digitized by

Google

435

der Haus- Artillerie nicht den an sie zu stellenden Anforderungen; die Schidd lag aber darin, dass sie ,, stadtkundig" als Büclisen- meister angenommen und auf die Festungen vertheilt wurden, obwohl sie „niemals vorher diese Kunst erlernt, ja nicht einmal ein Stück zu calibrieren oder zu richten gewusst haben" ^). In Graz hatten die 32 Büchsenmeister der Land- und Haus-Artillerie fast seit zwölf Jahren kein Exercitium im Feuer, Batteriebau etc. vor- genommen, sondern waren nur theoretisch geschult worden; die Kriegsstelle fand es endlich 1740, nachdem die alten, im Feuer geübten Artilleristen beinahe sämmtlich abgestorben waren, wieder an der Zeit, für die Einübung der Büchsenmeister einen Betrag von 350 Gulden zu widmen, um welchen aber auch die zur Uebung nöthigen, mittlerweile aber abhanden gekommenen Zeugsorten an- geschafft werden mussten^). Maria Theresia fand sich 1742 bewogen, Erhebungen darüber anzuordnen, „woher es komme, dass viele schlechte Büchsenmacher oder Gemeine vorhanden und wie man zu derlei besseren und tauglicheren Leuten gelangen möge" *). Ueber das Resultat fehlen leider bestimmte Angaben,

Die Artilleristen im Allgemeinen trugen zwar das Soldaten- kleid, blieben aber noch lange in zünftigen und bürgerlichen An- schauungen befangen; sie schwankten so zwischen dem Bürger und dem Soldaten hin und her und entfremdeten sich beiden. Da sie hieduroh auf ihren engen Körper angewiesen waren, bildete sich unter ihnen ein starker Corpsgeist aus, welcher noch dadurch gestärkt ward, dass der grösste Theil der Artilleristen in Böhmen angeworben wurde. Sie hielten sich für etwas Besseres als die Fuss-Soldaten und Reiter, standen aber bei diesen lange nur insofern in Achtung, als dieselbe durch die Scheu vor ihren vermeintlich geheimnissvollen Kenntnissen hervorgerufen wurde. Die oftmalige Verwendung von Füsilieren zur Geschützbedienung, nur unter Leitung eines Büchsenmeisters, hatte wohl eine beiderseits aufklärende Wirkung und förderte die Erkenntniss der soldatischen Zusammen- gehörigkeit. Die ArtUleristen besassen manche Vorrechte ; so durfte ihre Bagage unmittelber den Geschützen und Munitionswagen folgen ; ihre Weiber und Kinder durften auf den Kugelwagen auf- sitzen; in eroberten Städten oder Festungen verfielen ihnen die Glocken und mussten ihnen abgelöst werden, was Feldmarschall

*) K. A., Memoiren, IX, 70 (ex 1741).

*) Hofk. Arch., Inner-Oesterreich, 10. August 1740.

») Ebenda, Hoffinanz, 4. April 1742,

28*

Digitized by

Google

436

Khevenhüller noch bei der Einnahme von Linz ausdrücklich anerkannte; auch war es alter Brauch, dass das Feld-Artillerie- Haupt-Corpo immer durch einen Allerhöchst unterschriebenen Befehl zur Armee in's Feld beordert werde, was offenbar als Auszeichnung galt und aufgefasst wurde *).

Das Geschfltz-MateriaL

Li den Jahren 1716 imd 1722 ergieng eine Verordnung, dass in Hinkunft alle „Stücke" nach neuen Dimensionen erzeugt und die alten unbrauchbaren nach eben denselben umgegossen werden sollten. Jedes Stück sollte den kaiserlichen Adler und das "Wappen des Land- und Haus-Zeugmeisters tragen, auf jedem das Erzeugungs- jahr, der Name des Stückgiessers und das Rohrgewicht ersichtlich sein. Nach der neuen Vorschrift gab es nunmehr an Kanonen: den 48-Pfünder, die ganze Karthaune (Rohrgewicht 84 Centner,

Bohrungslänge 17 Caliber), den 24-Pfünder, die halbe Karthaune (Rolnrgewicht 57 Centner,

Bohrungslänge 23 Caliber), den 22-Pfünder, die Viertel-Karthaune oder die Quartierschlange

(Rohrgewicht 32 Centner, Bohrungslänge 27 Caliber), den G-Pfunder, die Falkaune (RohrgeAvicht 18 Centner, Bohrungs- länge 30 Caliber), den 3-Pfünder, das Regimentsstück (Rohrgewicht 9 Centner,

Bohnmgslänge 28 Caliber), den 2-Pfänder, das doppelte Falkonett (Rohrgewicht 6 Centner,

Bohrungslänge 29 Caliber), den 1-Pfünder, das einfache Falkonett (Rohrgewicht 4 Vj Centner,

Bohrungslänge 33 Caliber), die 36-pfündige doppelte Nothschlange (Rohrgewicht 80 Centner,

Bohrungslänge 21 Caliber), die 18-pfündige einfache Nothschlange (Rohrgewicht 46 Centner,

Bohrungslänge 28 Caliber), die 3-pftindige Feldsclilange (Rohrgewicht 12 Centner, Bohrungs- länge 33 Caliber); femer an Kammergeschützen:

die 16-pfündige Haubitze (Rohrgewicht 12 Centner)

n 12- 10 ^

und folgende Mörser:

>) K. A., F. A. Schlesien 1741, U, 26.

*) Doch waren im Erbfolgekriege auch noch acht- imd vierpföndige Haubitzen in Verwendung.

Digitized by

Google

437

den 100-pfiindigen Böller (Bohrgewiclit 30 Centner),

»» 6Ö- n 19

V 30- 10

^d n 10- 3

Neben den Geschützen, welche nach der neuen Norm ge- gossen wurden, bestand aber in den Festungen und Plätzen aus fiiiheren Zeiten eine erstaunliche Mannigfaltigkeit von Geschützen aller Art und Caliber fort, deren Zahl, soweit sie für die Zeit um das Jahr 1740 zu ermitteln war, in einer Tabelle^), mit- getheilt wird.

Die Feldstücke, worunter man die Kanonen von zwölf and weniger Pfund Caliber verstand, hatten sich im ersten schlesischen Kriege als zu schwerfälUg erwiesen und erforderten vermöge ihres Gewichtes auch zu viele Pferde zu ihrer Fort- schaffung (das Regimentsstück vier Pferde). In der Schlacht konnten die einmal, sei es einzeln oder in Batterien postierten Geschütze selten mein* ihre Stellung ändern; sie fielen gewöhnlich dem Sieger in die Hände. So geschah es auch bei Mollwitz. Es wurden daher schon im Winter von 1742 auf 1743 zwei neue dreipfündige, in Metall imd Länge „verjüngte Stücke" in Wien erprobt und trotz des ungünstigen Gutachtens des Chefs der Feld - Artillerie , des Generals Anton von Feuerstein^) die

*) Anhang Nr. XIII. Da die ausserordentliche Mannigfaltigkeit der Geschützarten und Caliber wegen des Raumes sich in der Tabelle nicht zum Ausdrucke bringen lässt, so wird im Anschlüsse an dieselbe als Beispiel der Artillerie- Vorrath von Wien im Detail mitgetheilt.

*) K. A., H. K. R. 1743, März, 442 Exp. (Langenlois bei Krems, 6. März 1743). Aus den Gründen sei hervorgehoben: Kurze Stücke sind, wenn auch im Metall genügend stark, in und vor Festungen in Schiessscharten nicht zu gebrauchen, „weil sie nicht hinauslangen und die Erfahrnuss lehrt, dass bei allen kurzen Stucken der Dunst bei ihrer Abfeuerung in dem engsten Theil der Scharten die Kugel bald links, bald rechts, bald über sich verwirft imd die Schussscharten vor der anprallenden Gewalt gleich zerrissen und ruinieret werden. Eben diese sind auch in den Bataillen &uf dem flachen Felde nicht vermögend, den behörigon Effect zu thuen, weil der Kemschuss (oder auf den halben Mann gerichtet) kaum 50 Schritt die gerade Linie haltet und sodann durch nehmende Auf kehlung die Kugel per modum eines Bogen in die Höhe prellt."

Bei dem schwächeren Metall der kurzen Stücke ist der Rückstoss viel wirksamer, „mithin (derselbe) noth wendig in Ausstossung der Kugel das Rohr hupfen und ein langes, ungleiches Zuruckprellen der Lafetten macht, folglich auch einen ungleichen Trieb der Kugel geben \md die Schuss verwerfen müssen". Es nütze dem Allerhöchsten Dienste nichts, Stücke zu erzeugen, die zwar

Digitized by

Google

438

Herstellung von 60 ,,verjüngten Stüoldn*' fitr die im Felde stehenden Infanterie-Regimenter (zwei für jedes derselben) beschlossen^). Jedes neue Stück erforderte nur zwei Pferde, ebensoviel der dazu gehörige Munitionskarren mit 60 Schüssen; zu jedem Stück musste die Feld- Artillerie einen erfahrenen Büchsenmeister mitgeben, welcher die Bedienung durch je vier Füsiliere einleitete und hernach (Anfangs 1745) wieder zu seiner Stammtruppe zurückgezogen wurde. I>ie Erfahrungen mit den dreipfündigen verjüngten Eegimentsstücken mussten günstig ausgefallen sein, denn Ende des Jahres 1745 ward auch die Herstellung von verjüngten sechs- und zwölipfiindigen Stücken beschlossen; hiefür und fiir die gleichzeitige Vermehrung der Regimentsstücke wurden auf ein Jahr monatlich 12.000 Gulden gewidmet *).

Als Liga für neue Geschütze waren seit 1722 festgesetzt: 100 Theile geschmiedetes Plattenkupfer, gewöhnlich aus den Berg- städten bezogen, zehn bis zwölf Theile Schlackenwalder Zinn und

leichter fortzubringen seien, aber vor dem nur knallen und nicht treifen. „Solche Stücke machen dem Feinde Muth, nehmen aber der eigenen Artillerie die Courage".

Ueber die Dimensionen der „verjüngten Stücke" fehlen nähere Daten.

') Hofk. Arch., Hoffinanz, 12. April 1743. K. A., H. K. K. 1743, Prot. Reg. foL 747, 850, 986, 1113, 2585, 2605, 2669 u. s. w. F. A. Bayern 1743, IV, 43 a imd b. Die Kosten für die CO Stücke sammt Munition, Requisiten, Mannschaft und Bespannung betrugen nach Feuerstein 23.965 Gulden. Der Guss misslang theilweise ; im Mai giengen 30 neue Regimentsstücke zur Armee ab, standen also schon im Feldzuge von 1743 in Verwendung. Feld- marschall Khevenhüller bestätigte, dass sie gute Dienste leisteten, ohne die bisherige Feld-Artillerie entbehrlich zu machen. (Hoffinanz, 17. December

1743, Extract aus dem Conferenz-Prot. vom 18. November 1743.) Im März 1744 erhielten die commandierenden Generale in den Niederlanden (Arenberg) und in Italien (Lobkowitz) die „Risse", um darnach auch für ihre In- fanterie-Regimenter je zwei verjüngte Stücke giessen zu lassen. (H. K. R.

1744, Prot. Reg. fol. 866 ui^d 899). Schon im Februar waren deren 50 zu d6n Infanterie -Regimentern und zehn zum Feld- Artillerie-Corps der an den Rhein gehenden Armee bestimmt worden. 30 davon verfrachtete der Wiener Fuhr- mann Högelmüller im März nach Straubing. (Ebenda, fol. 1, 27, 35, 331, 567, 719, 866, 3201 u. s. w., dann Hoffinanz 3. März 1743.)

') Hofk. Arch., Hoffinanz, 21. December 1745. Der Act spricht nur sum- marisch von 160 verjüngten drei-, sechs- imd zwöl^fündigen Stücken.

Die sieben sechspfündigen imd die drei zwöl^fündigen „leichten Stücke", mit welchen das Feld-Artillerie-Haupt-Corpo, Anfangs 1747 zu seinem Marsche nach den Niederlanden, ausgerüstet wurde, (Hoffinanz, 28. Februar 1747), sind eben verjüngte Stücke.

Digitized by

Google

439

sechs Theile Messing. Die ganze Giessmasse mussfce in Gegenwart von Officieren auf einmal in den Ofen eingetragen werden. Für jeden Oentner des fertigen Stückes erhielt der Giesser (welcher bei Lebensstrafe kein Geschütz für eine Privatperson erzeugen durfte) acht Gulden, überdiess einen jährlichen Gehalt von 300 Gulden und eventuell Diäten von drei Gulden. Guss-Stätten befanden sich 1740 in Wien, Ofen, Hermannstadt, Graz ^) und Innsbruck^; bald wurde auch im Gebiete der ungarischen Bergstädte (zu Rohnitz) ein ärarisches Gusswerk errichtet und in demselben zunächst nur Mimition (Voll- und Hohlgeschosse) erzeugt.^ Die Büchsenmeisterei . als erzeugende Privat-Industrie gieng nach und nach ein ; doch er- hielten sich städtische Gusshütten an einigen Orten bis in die Mitte des XVni. Jahrhunderts.

Da um jene Zeit meistens Bruchmetall von unbekannter Her- kunft zum Gusse verwendet wurde, so konnte bei dem niedrigen Stande der Chemie der Giesser eigentlich nie wissen, welche Metalle und wie viel von jedem er in der Legierung habe und es blieb Alles seiner Erfahrung überlassen. Daher kam es, dass in jener Zeit ungemein viel bronzene („metallene") Geschützrohre sprangen. Hingegen zeichnen sich die damaligen österreichischen Geschütze, deren das Artillerie-Arsenal in Wien mehrere aufbewahrt, durch äusserliche Zierlichkeit und Genauigkeit der Ausführung aus. Zu Gusseisen hatte man kein Vertrauen; nur wegen seiner Billigkeit erzeugte man daraus eine geringe Zahl leichterer Festungs-Geschütze und kleinerer Mörser (Böller).

Von Lafetten gab es vier Formen: die Wandlafette für alle langen Rohre zum Feld- und Festungsgebrauche, das Bock- gestell für die kleinen Wall-Geschütze, die Schiffslafette in Schiffen und Casematten und die Mörserlafette oder Schleife. Jede Wand- lafette hatte zwischen den Wänden das „Lafettentrücherl" für Munition und Requisiten. Räder gab es mit 170, 140, 120 und 97 Oentimeter Durchmesser.

Das Richten der Geschütze geschah bei den kleinen Stücken über Korn, Metall oder Aufsatz; letzterer, das „Visierstöckel", war bereits allgemein eingeführt und wurde in verschiedener Form aus Holz oder Messing erzeugt. Das Hauptrichtmittel blieb jedoch der

*) Erst seit Kurzem aufgestellt und eingerichtet. (Hofk. Arch., Inner- Oesterreich, 20. Februar 1740.)

*) Das Innsbrucker Haupt- Zeughaus bezog seine Munition (zum Theile wenigstens) aus Fügen im Zillerthale.

>) Ebenda, Hofdnanz, 7. December 1742; 28. März 1744.

Digitized by

Google

440

hölzerne Senkelquadrant mit einer Eintheilimg nach äquatorialen Graden oder noch häufiger nach empirisch bestimmten Puncten. Das Geschützrohr wurde durch den „Schusskeil'' in die Geschoss- abgangsrichtung gebracht. Unter den übrigen Requisiten spielte die Ladeschaufel noch eine grosse Eolle; doch wurden bei den Feld-Geschützen sehr häufig auch schon Patronen (aus Wollenzeug oder Pergament-Papier) verwendet. *)

An Pulversorten gab es : das Pürschpulver fiir Jagdgewehre und einige Feuerwerkskörper (Salpeter 75, Schwefel 9, Kohle 14 Theile), das Musketenpulver ^ für die Handfeuerwaffen und leichten Feldgeschütze (75:14:18) und das Stückpulver für das grobe Geschütz (75:16:21). Die Darstellung des Pulvers galt als die wesentlichste aller artilleristischen Kenntnisse. Die vielen und langen Kriege und der durch dieselben gesteigerte Ver- brauch an Pulver hatte viel zu einer rationellen Erzeugung des- selben beigetragen, ohne indessen seine Qualität merklich zu bessern. ^)

Betreffs der Wirkung des Pulvers huldigte man noch den Ansichten des XV. Jahi-hunderts. Dass der Salpeter („Salniter") der wichtigste Bestandtheil desselben sei, wusste man zwar schon, aber die Art seiner Wirkung war ein dunkles Geheimniss. Dbs8 die Gas- entwicklung und Gasspannung die Wirkung bedinge, ward noch

*) So besass die Feld- Artillerie in Schlesien im October 1741: 408 drei- pfündige und 128 sechspfündig „pergamentene" Kugelpatronen, dann 100 drei- pfündige und 40 sechspfündige „pergamentene" Kartätschpatronen. Die Zahl der ersteren war nach einem Monat auf 1315, respective 268 gestiegen. Femer gab es dort über 500 sechslöthige bis einpfündige „pergamentene" Haubitz- Pulver-Patronen. (K. A., F. A. Schlesien und Mähren 1741, X, 110 und XI, 82.) Ende 1741 wurden in das Wiener Haupt-Zeughaus 80 Eies „Patronen- Papier" zu 1 fl. 27 kr. eingeliefert. (Contract im Hofk. Arch., Hoffinanz, 3. October 1741.)

*) Im Jahre 1741 wurden Versuche angeordnet zur Beantwortung der Frage, ob nicht statt des bei den Kriegsvölkem im Gebrauche stehenden groben Musketenpulvers das „Purst- oder Reuter-Pulver" sowohl bei der Infanterie, als Cavallerie einzuführen sei. (Hofßnanz, 14. Juli 1741.)

•) Aus dem Patente Maria Theresia's vom 6. Februar 1742 über das Pulver- imd Saliter-Wesen, welches sich auf mehrere Patente früherer Regenten beruft, erhellt, dass schon lange im Inlande genügend Pulver erzeug wurde, um vom Auslande unabhängig zu sein. Die Pulver-Erzeugung und dessen Vorschleiss wurden als Staatsmonopol behandelt; der Kleinverkauf war an die behördliche Licenz und an strenge und detaillierte Vorschriften ge- bunden. Ausländer imd „einf olglich alle Juden" waren vom Handel mit Pulver bei Strafe ausgeschlossen.

Digitized by

Google

441

nicht erkannt, wiewohl man lehrte, dass sich bei der Pulver- verbrennung (für giftig gehaltene) „Dünste" entwickeln. ^)

An Projectilen wurden verwendet: eiserne Vollkugeln (Stuckkugeln), Kartätschen und Schrotbüchsen, Haubitz-Granaten von verschiedener Form und Füllung, endlich Brand- und Leucht- geschosse. ^

Die Schussdistanzen waren folgende : die halbe Karthaune (24pfiindig) trug „nach dem gemeinen Visierschuss, das ist bei seinen mittleren Kräften'' 900 bis 1000 Schritte, die Quartierschlange (12pftmdig) 800, auch bis 900 Schritte, die Falkaune (Gpfundig) 900 bis 1000 Schritte, das Regimentsstück 750 bis 800 Schritte. Der Stuck-Hauptmann Berthold rühmte sich, bei Deggendorf mit einer Falkaune noch auf 1500 Schritte französische Brückenschiffe mit Erfolg durchlöchert zu haben. ^) General Feuerstein hob mit Befriedigung hervor, dass mit den gewöhnlichen Eegiments- stücken bei Moldau-Thein viel weiter geschossen worden sei, als dies die sächsischen Geschwindstücke vermocht hätten (nur 400 bis 500 Schritte). „Geschwindstücke" gab es (schon seit Anfang des Jahr- hunderts) auch in Oesterreich in geringer Zahl und in den ver- schiedenartigsten Formen. Die meisten suchten das Princip der Hinterladung zu lösen, jedoch ohne bleibenden Erfolg.

An Bespannung waren erforderlich:

für ein dreipfundiges verjüngtes Regimentsstück ... 2 Pferde,

Kegimentsstück (alter Art) ... 4

,, eine dreipfündige Feldschlange 6

sechspfündige Falkaune 8 ,,

,, zwöUpfiindige Quartierschlango 12

,, achtpfündige Haubitze 4

zwöl^fündige 4

,, einen Munitionskarren 2 ,,

^) Vergleiche das S. 437, Anmerkung 2, auszugsweise mitgetheilte ürtheil des Generals Feuerstein über die „verjüngten" Stücke.

*) Die Handgranaten, welche noch in grosser Anzahl erzeugt imd verbraucht wurden, warfen die Grenadiere der Infanterie, woher sie ihren Namen haben. Die Gefährlichkeit der Handhabung veranlasste wiederholt die Erfindung von Wurfmaschinen (so 1737 durch den Oberstlieutenant La Chasse, 1743 durch den Ingenieur-H!auptmann Bayer), ohne dass es zur allgemeinen Einfüirrung derselben gekommen wäre. Das Werfen der Handgranaten kam erst ^egen Ende des siebenjährigen Krieges ganz ausser Uebimg.

») K A., I., H. K. B. 17^5, XIII, 8-j.

Digitized by

Google

442

für einen Munitions-, Schanzzeug- und Rüstwagen . . 6 Pferde,

Kugelwagen 6

Feuerwerkskasten 6

Medioamenten- oder Rossarzuei- Wagen . . 4

eine mittlere Feldschmiede 8

kleine 6

Special - Corps. Ingenieure.

Die Kriegsbaukunst hatte bei dem Einflüsse des Festungs- krieges auf die Kriegführung in der ersten Hälfte des XVJLLL. Jahr- hunderts eine sehr grosse Bedeutung. Oesterreich aber mit seinen zahlreichen, zum Theile sehr wichtigen Festungen brachte fast keine Ingenieure hervor, sondern war in dieser Beziehung beinahe an das Ausland angewiesen. Schon Prinz Eugen trachtete daher, in- ländische Ingenieure heranbilden zu lassen und setzte 1718 die Errichtung von Ingenieur-Akademien in Wien und Brüssel durch. Einem Berichte des Directors Marinoni der dem Hof-Kriegsrathe unterstehenden Wiener Akademie vom 9. December 1743^) ist zu entnehmen, dass in derselben in drei- bis vierjährigen Cursen sowohl Officiere, als andere Scholaren in den mathematischen und fortificatorischen Disciplinen unterwiesen wurden. Der theoretische Unterricht wurde im Hause Marino ni's, der practische „Am Tabor" ertheilt. Bis Ende 1743 waren aus dieser Schule 317 Scholaren hervorgegangen, deren einiget sich zu den Regimentern hatten enga- gieren lassen, während andere als wirkliche Kriegs-Ingenieure dienten.

Die Brüsseler Schule blieb mehr eine allgemeine Militär- Bildungsanstalt. *)

Obwohl auch das „Chaos-Stift" in Wien seit seinpr 1715 er- folgten Reorganisierung gleichfalls dem Unterrichte in der Klriegs- baukunst diente ^) und sogar in den Dreissiger Jahren mit der

») K. A., H. K. R. 1744, Mai, 927 Exp.

*) Meynert, Gesch. d. Kriegswesens etc. in Europa, II T, 158.

^) Die Stiftung des Johann Conrad Richthofe n, Preiherm von Chaos, stammte aus dem Jahre 1668 und war ursprünglich eine Waisenstiftung. 1736 und 1737 wurde sie durch bedeutende Geldwidmungen des G. Fr. G r i e n e r (Grüner) ansehnlich gekräftigt. (Meynert, Gesch. d. k. k. ö. Armee, IV, 93, Organ der milit.-wis8enschaftl. Vereine, Jahrgang 1884.) Noch 1746 unterschied der Hof-Kriegsrath deutlich zwischen der Ingenieur-Akademie und dem „Kauzischen" (Chaotischen) Stift.

Digitized by

Google

448

Schule Marin oni^s vereinigt wurde (ohne dass jedoch eine In- stitution in der andern aufgegangen wäre), so wurde doch noch um das Jahr 1740 der Mangel an inländischen Ingenieuren lebhaft empfunden; es musste auch jetzt noch vorwiegend auf Ausländer gegriffen werden, „von derer beständigen Treue man sehr selten nach den bereits vielfältig habenden Exempeln zu unserem Schaden versichert sein kann", wesshalb schon im folgenden Jahre ein Vorschlag zur kräftigeren Unterstützimg der Akademie in Wien in dem Sinne gemacht wurde, dass, wie in Frankreich mit so viel Vortheil geschehe, der practischen Ausbildung erhöhtes Gewicht beigelegt werde. ')

Auch Marinoni's Vorschlag vom Jahre 1743 bewegte sich in dieser Richtung und berechnete die Mehrkosten einschliesslich einer Erweiterung der Unterrichts-Localitäten („um die Herren Officiers von den anderen schlechten und jüngeren Scholaren zu separieren") mit jährlich etwa 1000 Gulden. Zugleich regte er die Errichtung eines Ingenieur-Corps an.

Bis jetzt bestand nämlich seit 1732 ein solches nur in den Niederlanden; dasselbe war in zwei Brigaden mit dem Sitze in Brüssel und Mecheln eingetheilt, deren jede nebst dem Comman- danten einen Hauptmann und sechs Subaltem-Officiere zählte. *) In der Hauptgruppe der habsburgischen Besitzungen hingegen be- fanden sich zwar im Jahre 1 740 von Alt-Breisach bis nach Sieben- bürgen 86 Ingenieur- Officiere ^) (worunter 30 mit ständigen Posten)^ aber ohne allen Verband und ohne dass deren Zahl irgendwie fixiert gewesen wäre. Marinoni's Gedanke hatte den Erfolg, dass noch vor Ende des Jahres 1743 dem Prinzen Carl von Lothringen die „Einrichtung des gesammten Ingenieur-Per- sonalis" aufgetragen wurde*), wie der erste, vom Hof-Kriegsrathe in dieser Angelegenheit erstattete Vortrag vom 21. April 1744*) zeigt, mit der ausgesprochenen Absicht, von der Fremde unab- hängig zu werden. Die Kriegsereignisse und mannigfache Schwierig- keiten liessen den Gegenstand erst 1747 zur Eeife kommen; in

») K. A., Memoiren, IX, 70.

«) Meynert, Gesch. d. Kriegswesens, lU, 168. K. A., H. K. E. 1741, Prot Exp. fol. 806, 1087.

») K. A., H. K. E. 1740, September, 816. (Beüage 15.) unter denSOOffi- deren waren 3 Oberste, 4 Oberstlieutenante, 11 Majore, 27 Hauptleute, 17 Ober- lieutenante.

*) K. A., H. K. E. 1748; Prot. Eeg. fol. 2779. (Deceinber 31.)

») K. A., P. A. Niederlande 1744, IV, 11 Vi.

Digitized by

Google

444

diesem Jahre genehmigte endlich Maria Theresia den Vorschlag des Hof-Kriegsrathes vom 6. Februar, wonach das österreichische Ingenieur-Corps in eine deutsche, ungarische, italienische und eine niederländische Brigade eingetheilt wurde. Jede derselben bestand aus 1 Oberst als Chef (mit jährlich 2400 Gulden), 1 OberstUeutenant (mit jährlich 1800 Gulden), 2 Oberstwachtmeistern (mit je 1200 Gulden), 4 Hauptleuten (mit je 900 Gulden), 5 Oberlieutenanten (mit je 600 Gulden), 5 Unterlieutenanten (mit je 360 Gulden) und 5 Conducteuren (mit je 240 Gulden). Das General-Directorium ward dem Prinzen Carl von Lothringen übertragen, zum Pro-Director General - Feldwachtmeister B o h n ernannt. Der Directorial-Stab wurde mit 1 General-Fortifications-Cassa- Verwalter, 1 Hauptmann als Archivar, 1 Auditor und Secretär (Oberlieutenant), 1 Lieutenant als Adjutanten und 2 Conducteuren als Zeichnern und Rechnern systemisiert. ^)

Die Fortifications-Arbeiten wurden theils von der Infanterie- Mannschaft, theils von Robot- oder gemietheten Arbeitern, in Festungen, wo Sträflinge imtergebracht waren, auch zum Theile von diesen ausgeführt.

Eigentliche Sappeure gab es damals noch nicht; die Mineure standen noch im Verbände der Artillerie. General - Feldwacht- meister Bohn regte noch vor der definitiven Errichtung der Ligenieur-Brigaden die Schaffung von vier Pionnier-Compagnien im Anschlüsse an die ersteren an und fand dabei die Zustimmung des Hof-Kriegsrathes und des Fürsten Liechtenstein; für diesmal kam aber der Gedanke noch nicht zur Ausfährung.

Pontonniere und KriegsbrUckenwesen.

Das Kriegsbrückenwesen unterstand dem Obrist-Schiff-Amte zu Wien. Ausser dem Personale der verschiedenen Schiff- Aemter und Schiffverwahrungen gehörte zu den Dependenzen des Obrist-Schiff- Amtes im Jahre 1740 noch der, in den Darstellungen über öster- reichisches Heerwesen gewöhnlich als ,,Haus-Compagnie" bezeich- nete, „blecherne Pontons-Stand", bestehend aus 1 Bruck- Hauptmann, 1 Bruckschreiber, 1 Feldwebel, 1 Corporal, 1 Spengler, 1 Sattler, 1 Schmied, 1 Wagner und 60 Pontonniers. ^) Dieselben standen in Peterwardein, nach anderen Angaben in Essegg ; die

») K. A., H. K. E. 1746, August, 676 Exp.; September, 609 Exp.; 1747 März, 582 Exp.; März, 3 bis 18 Reg. und 180 bis 182 Reg. •) StaÄts -Kalender oder Hof-Schematiamufi 1740.

Digitized by

Google

445

Vennehrung oder Verminderung des Personals nach den jeweiligen Erfordernissen, wie auch die Sorge für das Kjiegsbrücken-Materiale war Sache des Obrist-Schiff-Amtes im Einverständnisse mit der Hofkammer xmd dem General-Kriegs-Commissariate.

An Brückenschüfen gab es hölzerne, blecherne und kupferne Pontons. ^) Die Ausrüstung einer Armee mit solchen richtete sich ausser nach ihrer Stärke und nach der hydrographischen Be- schafienlieit des KIriegs-Schauplatzes zum guten Theile auch nach den vorhandenen Mitteln. Zur Armee Neipperg's nach Sohlesien wurden 1741 erstlich 32, dann aber 40 blecherne Pontons beordert.^) Bei der Haupt- Armee in Böhmen befanden sich Anfangs 1744 (im Winter-Quartiere zu Kuttenberg) 27 blecherne, 15 kupferne und 24 hölzerne Pontons ^) ; die blechernen wurden für den Feldzug 1745 in Schlesien auf 38 vermehrt*) und überdies zum ungarischen Insurrections-Corps des Feldmarschalls Esterhdzy 20 derartige Pontons aus Poterwardein herangezogen. ^) Zur doppelten Ueber- brückung der Elbe in Böhmen oder der Oder in Schlesien waren nach der Ansicht des Bruck-Hauptmannes Eschenauer 63 metallene Pontons nöthig.

Zu der 1741 beabsichtigten SchifilDrücke über die Donau in Ober - Oesterreich ^) hielt man 90 bis 100 Sechser- und Siebnerin-Zillen fiir nothwendig, an Personale dazu 1 Bruck- Hauptmann, 1 Bruckschreiber, 1 Bruckmeister, 1 Brück- Corporal, 1 Profossen, 1 Tambour, 4 Schopper, 25 Bruckknechte und 25 „Wässerer".

Ueber den „c o m p 1 e t e n" Stand und die Gebühren dos Kriegs- brückenpersonals bei der Haupt- Armee und beim Insurrections-Corps gibt folgende Tabelle Aufschluss:

*) In Mantua war 1741 noch eine „lederne Feld-Schiffbrücke" repariert worden. (K. A., H. K.K. 1741, Prot Eeg. fol. 451.) Vergl. Feldzüge des Prinzen Eugen, I, 251 f

») Hofk. Arch., Hoffinanz, 17. Januar, 18. Februar 1741; 26. Januar, 11. April 1742; Ungarn, 12. und 27. Januar, 8. April 1741.

•) Ebenda, Hoffinanz, 8. Februar 1744

*) Ebenda, 7. Februar 1745.

*) Ebenda, 29. Mai, 12. Juni 1745.

«) Ebenda, 10. und 14. August, 1. September 1741. Am 13. April 1741 "wnrde die Lieferung von 40 Stück Zillen zu 70 Gulden conti ahiert, deren je ein Drittel gegen 600, 800 und 1000 Centner Tragfähigkeit haben sollte. Sonst fehlen Angaben über Tragkraft und Dimensionen sowohl der Holz-, als Metall-Brückenschiffe. Vermuthlich liegt gegen die Eugen'sche Periode keine wesentliche Aenderung vor*

Digitized by

Google

446

o

flu

Chargengrade

Gebühren per Kopf

1^

Täglich Portionen

Brod- Pferde

2

4

43

2

1 16

7

1 2

20

Bruck-Hauptmann .... Bruck-Lieutenant . . . .

Bruckschreiber

Fouriere .......

Feldscherer

Feldwebel

Corporale

Spengler u. Kupferschmiede

Pontonniere

Schopper

Zimmermann

Bruckknechte

Wässerer

Vi.;

I

ii

=5

m I

'S

pH

50 36 24 18 18 24 18 15 15 15 15 12 8

4

2

2

2

2

2

IV,

1

1

2

2

2

2

7 3

1

1 2 1 4 4

Fuhrwesens-Officier . . Wagenmeister ....

Oberknecht ig

Schmiedgesellen W

Wagnergesellen

27

2

19V»

1»/*

12

1

13'/*

1

13V»

1

Zur FortschafFung der Pontons und des zugehörigen Eisen-, Holz- und Süilwerks dienten meist ärarische, eigens construierte Pontons- und Requisiten-Wagen, welche manchmal mit Vorspann- pferden, gewöhnlich aber mit contractlich sichergestellten Pferden bespannt wurden. *) Für jeden blechernen oder kupfernen Ponton

*) So wurden 1744 für den Feldzug am Bhein bei den Wiener Land- kutschem Nadlinger und Dietrich 662 Pferde und die nöthigen Eiiechte fiir das Pontons-Fuhrwesen sichergestellt; ebenso 1745 fdr die Armee in Schlesien bei Dietrich 510 Pferde, für die Armee in Bayern bei dem Handelsmann J. G. Grechtler in Villingen 480 Pferde. Gewöhnlich wurden drei Knechte auf acht Pferde gerechnet. (Hofk. Arch., Hofdnanz, 30. März 1744; 5. und 10. Mäns 1745.) Durch Zwiespalt zwischen dem Fuhren-Oontrahenten xmd dem Commandanten des SchifHDrücken-Standes waren für die Operationen manchmal nachtheilige Folgen entstanden, wesshalb man im Winter von 1747 auf 1748 die Beistellung des Pontonsfuhrwesens in den Niederlanden con- tractlich dem Bruck-Hauptmann Eschenauer übertrug. (Ebenda, 13* Feb. 1748.)

Digitized by

Google

447

waren sechs, für jeden hölzernen acht Pferde erforderlich. Zum Pontonsstand der Haupt- Armee in Böhmen 1744 gehörten 3 Vor- rathswagen mit je 6 Pferden bespannt, 9 Requisiten wagen mit je 4 Pferden bespannt und 2 Feldschmieden mit je 6 Pferden bespannt.

Wie nach dem Belgrader Frieden, so wurde auch nach jenem von Dresden der Feld-Pontonsstand bis auf einen geringfügigen Rest von Leuten entlassen ; deren zweimonatliche Soldgebühr betrug 1127 Gulden*), was auf ungefähr 50 Mann schliessen lässt.

Ueber das Kriegsbrückenwesen auf dem niederländischen und italienischen Kriegs-Schauplatze liegen nur spärliche Nachrichten vor. Sowohl bei der niederländischen, als auch bei der mailändischen National-Artillerie waren ganz schwache Detachements von Pon- tonnieren eingetheilt, welche also nicht dem Obrist-Schiff-Amte in Wien, sondern den Chefs der National- Artillerien unterstellt waren. Auch hinsichtlich des dort vorhandenen Materials ist nichts Näheres bekannt. Es scheint, dass wenigstens in den letzten Kriegsjahren Brückenmateriale aus den deutschen Erblanden sich in den Niederlanden befunden habe. In den Jahren 1744 imd 1747 war der Vorrath daselbst 16 blecherne Pontons, deren Zahl dann auf 40 vermehrt werden sollte.^) Die Bespannung stellte con- tractlich der Verpflegs-Admodiator und Ober-Proviant-Commissär J. G. Grechtler bei. In Deutz bei Oöln befanden sich damals 50 hölzerne Pontons mit den erforderlichen Wagen, einer Feld- schmiede und den nöthigen Requisiten. Einer weiteren Verwendung derselben in den Niederlanden, sowie auch der bereits beschlossenen Umgestaltung der hölzernen Pontons nach einem neuen Systeme des Bruck-Hauptmannes Esohenauer trat der Abschluss des Friedens entgegen. ^)

Feld-Proviant-FuhrweseD.

Das Trainwesen stand fast gänzlich noch auf derselben Stufe, die es schon am Anfange des Jahrhunderts innegehabt. Das Fuhr- wesen wurde mit ganz geringen Ausnahmen im Frieden nicht

Die von Carl von Lothringen schon 1742 erhobene Forderung nach einem „beständigen" ärarischen Pontonsfuhrwesen kam wegen Geldmangel nicht zur Ausführung.

») Ebenda, 25. Mai 1746.

^ K. A, F. A., Niederlande 1744, V, ad 10; H. K. R, 1747, Prot. Reg. Fol. 1194. (Juni 23.)

«) Hofk. Arch., Hoffinanz, 13. Februar xmd 2. September 1748.

Digitized by

Google

448

erhalten, sondern mit Eintritt desselben, oder bald darnach iuniier reduciert, die Mannschaft entlassen, Pferde und Wagen veräussert. Dasselbe war auch mit dem Train der Regimenter, der Feld* Artillerie und der Schiffbrücken der Fall, wesswegen schliesslich bei einem ausbrechenden Kriege die Schwierigkeiten der Neuaufstellung des Fuhrwesens geradezu ungeheure wurden, weil die allseitige Con- currenz sich gegenseitig behinderte.

Das dem Feld-Proviant-Stabe unterstehende Feld-Proviantfuhr- wesen war berufen, die operierende Armee aus den Magazinen mit Brod und Fourage zu versehen, die Magazinsvorräthe selbst, im Falle der Gefährdung der Magazine durch den Feind, in Sicherheit zu bringen, oder aber bei günstigen Fortschritten der eigenen Armee neu angelegte Magazine der ersten Linie aus den rück- wärtigen zu füllen, insoweit hiezu die Naturallieferungen der Um- gebung und der Handeinkauf des Proviant-Stabes oder sonstige besondere Vorsorgen nicht ausreichten. Aus der Abhängigkeit der damaligen Armeen von den Magazinen ergiebt sich sonach von selbst die grosse Wichtigkeit des Proviantfuhrwesens, dessen ganz ungenügende Stärke beispielsweise im Jahre 1738 nicht gestattete, die Operationen früher zu beginnen, als bis die Vegetation selbst zum grössten Tlieile die Verpflegung des Heeres bestreiten konnte.*) Das in diesem Türkenkriege verwendete Fulirwesen war zum Theile ein Pferdefuhrwesen, zum Theile Ochsenfidirwesen; im April 1740 zählte ersteres 376 Mann (darunter 304 Knechte) imd 899 Pferde, letzteres 610 Mann (darunter 456 Knechte) und ungefähr 1300 Ochsen. Dieses Fuhrwerk wurde mit 1. Juni desselben Jahres aufgelöst, nachdem dem Personale von der Hofkammer 6000 fl. an Sold- rückständen waren angewiesen worden.^

Das Proviantfuhrwesen war in Verwalterschaften gegliedert, (leren jede ungefähr 200 vierspännige Wagen und beiläufig folgenden Personalstand hatte :

1 Verwalter (mit monatlich 57 fl.), 4 6 Fuhrwesens-Ofificiere (je 23 fl.), 1 Fourier (30 fl.), 1 Geschirrschreiber (20 fl.), 1 Ober- Wagenmeister (30 fl.), 1 Feldscherer-Geaelle (20 fl.), 1 Schmied-, 1 Wagner- mid 1 Sattlermeister (je 15 fl.), 12 Schmied-, 6 Wagner- und 6 Sattlergesellen (je 12 fl), 16 Wageimieister (je 15 fl.), 12 Oberknechte (je 7 fl.) und 300 Knechte (je 5 fl.); auf zwei

*) A n g e 1 i, Der Krieg gegen die Pforte 1736 bis 1789 (Mittheilungen des Kriegs-Archivs, 1881), S. 420..

>) Hofk, Arch., Hoffinanz, 1. Juni 1740.

Digitized by

Google

449

Wagen kamen sonach 3 Knechte. Diese Ziffern sind keineswegs unabänderlich; so war z. B. zur Armee Neippergs 1741 eine Fuhrwesen -Verwalterschaft von 250 Wagen mit 1000 Pferden beantragt^), wozu natürlich auch ein grösserer Personalstand er- forderlich war. Je nach der Stärke der Armee waren bei derselben mehrere Verwalterschaften eingetheilt, wie z. B. 1743 bei der Haupt- Armee am Rhein deren 6 mit einem Sollstande von 2196 Köpfen, die einen Kostenaufwand von monatlich 14.845 fl. verursachten. In diesen und ähnlichen Fällen unterstanden die Verwalterschaften einem Feld-Proviant-Fuhrwesens-Stabe, welcher aus einem Directions- Oommissär oder Ober- Verwalter (mit monatlich 132 fl.), einem Pro viant- Fuhrwesens-Cassier (75 fl.), 3 Caplänen (je 30 fl.), 1 Ober-Feld- scherer (30 fl.), 1 bis 2 ErOssärzten (je 20 fl.) und 1 bis 2 Profossen (je 15 fl.) zusammengesetzt war.*) Einzelne dieser Stabspersonen waren auch bei selbstständigen Verwalterschaften eingetheilt. Bei ein bis zwei Verwalterschaften befand sich eine Feldschmiede, welche mit 400 fl. in Anschlag gebracht wurde. Die Wagen zerfielen in schwere und leichte, welche von schweren oder leichten, aber immer von vier Pferden gezogen wurden. Die Wagen waren der Mehrzahl nach gedeckt und sahen übrigens den heutigen Rüstwagen ziemlich ähnlich. Ein schwerer Wagen wurde einschliesslich der Pferde und deren Beschirrung im Jahre 1745 mit 400 fl., ein leichter mit 300 fl. bewerthet.

Da es bei der grossen Nachfrage nach Pferden für die Cavallerie, die Artillerie, die Trains der Regimenter und höheren Stäbe, dann der Pontons schwer war, auch noch für das Feld-Proviantfuhrwesen genügend solche Zugthiere und Wagen aufzutreiben, so befand sich dieser wichtige Armeetheil gewöhnlich unter dem Sollstande; es hatten z. B. im October 1744 die fttnf Verwalterschaften der Armeen in Böhmen und Bayern gegenüber einem completen Stande von 1998 Mann, 4430 Pferden und 1105 Wagen einen Abgang von über 400 Mann, über 150 Pferden und fast 100 Wagen.') Dennoch sollte das Fuhrwesen dieselbe Arbeit leisten, als ob es

>) Ebenda, 16. Februar 1741.

2) Hofk. Arch., Hoffinanz, 28. August 1743.

*) Hofk Arcb., Hoffinanz, 81. October 1744. Nach den Ausführungen des Oberst-Kriegs-Commissärs Grafen Salaburg vom 22. Mai 1744 (K. A., F. A. Böhmen und am Rhein 1744, V, Sö^/j) waren bisher beim Proviant-Fuhrwesen grosse ünterschleife vorgekommen; insbesondere wird der grosse Abgang an Knechten als Folge der, wegen unstatthafter Soldabzüge seitens der Fuhr- wesensbeamten, stark um sich greifenden Desertion hingestellt.

Oesterreichisoher Erbfolgekrieg. I. Bd. 29

Digitized by

Google

450

vollzählig gewesen wäre; die Folge davon war meist ein sehr herabgekommener Zustand von Pferden und Wagen, deren Er- gänzung und Wiederherstellung während der Winter-Quartiere grosse Summen verschlang. Trotz alledem mussten noch die Erbländer zur Beistellung einer oft bedeutenden Anzahl von Vorspannwagen verhalten werden, wie z. B. Mitte 1742 die Stände von Nieder- Oesterreich, Mäliren und Böhmen 8000 Fuhrwerke zum Proviant- Transporte von Wien bis Pisek beistellten, wobei die österreichisclien Eobotbauern von Wien bis Fratting, die mährischen von da bi^ Neuhaus, die böhmischen von da bis Pisek fuhren. ^) Obwohl damals das Feld-Proviant-Fuhrwesen durch 200 bei den Wiener Fuhr- werkem („Fliegenschützen") gemiethete Wagen war verstärkt worden, wurde trotzdem besonders das Land Nieder-Oesterreich durch Vor- spann derart in Anspruch genommen, dass man schliesslich auch sogar auf die Heranziehung von 1000 sechsspännigen Ochsenwagen aus den westungarischen Comitaten reflectieren musst«.*) Damit hatte es nun auch seine guten Wege; von den 1000 Ochsenwagen, welche gemäss der Anfangs Jimi geschehenen Ausschreibung schon Ende desselben Monats hätten in Wien sein sollen, waren am 10. Juli erst 310 in Wien wirklich eingelangt; deren Knechte aber verübten so viele Excesse, dass Nieder-Oesterreich dringend um ihK Hintanhaltung bat.^)

Im Römischen Reiche und in den Niederlanden war da^ Proviant-Fuhrwesen meist an Fuhren-Contrahenten vergeben, welche innerhalb der österreichischen Besitzungen am Nieder-Rhein manch- mal von Landesvorspann unterstützt wurden.

Bei der Armee in dem ressourcenreichen Italien scheint es in den ersten Kriegsjahren kein eigenes Feld-Proviant- Fuhrwesen gegeben zu haben. Dagegen sind schon ün Sommer des Jahres 1 74i daselbst 1000 Tragthiere für den Proviant-Transport nachweisbar* . welche im Mai 1746 auf 3636 (mit 808 Treibern) vermehrt waren^: nach Erfordemiss wurden Land-Ochsenwagen zur Aushilfe heran-

») Hofk. Arch., Eeichs-A., Fase. 165, Conferenz-Prot, 3. Juli 1742.

«) Ebenda, Conferenz-Prot., 21. April 1742. (Die Resolution der Königin hiezu lautet: „Ich zweifle nicht daran, dass die hungarische Kanzlei Alles ihres- orts beitragen wird, die Sach in Ordnung zu bringen. Von den hiesigw: [nieder-österreichischen] Ständen habe schon ausnehmende Probeo. . . .") ^^' ferenz-Prot., 23. Aprü und 10. Mai 1742.

*) Ebenda, Conferenz-Prot., 6. und 18. Juni, dann 10. Juli 1742.

♦) Staats- Archiv, Lombard. Collect., Fase. 63 (Entwurf über den sommer- lichen Geldbedarf dd. Mailand 16. Mai 1742).

*) Hofk. Arch., Hoffinanz, 28. Mai 1746.

Digitized by

Google

451

gezogen. Im letztgenannten Jahre befand sich daselbst jedoch auch eine ärarisohe Proviant - Fuhrwesens - Verwalterschaft mit 351 Mann, 877 Pferden, 78 Ochsen und 224 Wagen, unter letzteren 20 schwere, 178 „Ordinari"- und 25 Ochsenwagen. ^)

Tschalkisten und Donau-Flottille.

Die österreichische Donau-Flottille oder das „Schiffs-Armament", dessen Geschichte in das 17. Jahrhundert zurückreicht, hatte sich an den letzten Türkenkriegen nicht ohne Erfolg betheiligt.*) Was an Schiffen und Materiale nach dem Frieden von Belgrad noch übrig war, blieb inPeterwardein; das Personale, welches theilweise bis 1744 beibehalten wurde, gelangte bis ungefähr 30 Köpfe in diesem Jahre zur Eeduction.')

Die Kriegsschiffe des Schiffs- Armaments wären vermöge ihrer Dimensionen auf den Schauplätzen des nächsten Krieges nicht ver- wendbar gewesen; dagegen konnten die kleineren Fahrzeuge der ungarischen National-Miliz zu Fuss leicht bis in die obere Donau vordringen und haben thätigen Antheil genommen an den Kämpfen der Oesterreicher und Bayern bis zum Frieden von Füssen. Die Fahrzeuge dieser National-Miliz waren Kanonenboote, deren jedes mit drei einpföndigen Geschützen und 30 Mann bewehrt war^) und hiessen von dem türkischen Worte Tschai (Wasser, Fluss) „Tschaiken"; von diesem Worte stammt auch die gewöhnliche Be- zeichnung der ungarischen National-Miliz zu Fuss als der „Tschai- kisten."*) Sie bestanden seit dem Jahre 1593 und waren 1740

>) Hofk. Arch., Hoffinanz, 29. Juni 1746.

>) Vergl. Feldzüge d. Pr. Eugen, I, 263, XVI, 71, XVH, 2S, 49, 287, dann Angeli, Der Krieg mit der Pforte 1736 bis 1739 (Mittheilungend.K.A. 1881) an zahlreichen Orten.

Ueber den Zusammenhang derDonau-Flottille mit der bis 1739 bestandenen „Triester Marine" siehe Rechberge r, Q-esch. d. k. k. Kriegs-Marine (Wien 1882), I, 29 £P.

Die 1742 in den Küstenstädten gebildete Flottille war nicht ärarisch; sie hatte nur kurzen Bestand und nur unbedeutende Leistungen aufzuweisen. «) K. A., H. K. B. 1742, Aprü, 914 Exp. (Beüage, Pct. 7). Hofk. Arch., Hoffinanz, 27. April 1744.

*) Gömöry, Die Invasion Ober-Oesterreichs 1741/42 (Mittheil. d. K. A. 1882), S. 424, 426.

•) Ein Rescript Maria Theresia's vom 28. Juni 1745, an P & 1 f f y (K. A., Ung. Gen.-Comdo., 1745, I, 9/11) erwähnt die ungarische National-Miliz zu Fuss „oder sogenannten Tschaikisten". Ebenso auch H. K. R. 1744. Prot. Heg. fol. 452 (Februar 15.), I, H. K. R. 1742, V, 1, wo sie auch kurz „National- Tschaikisten - Compagnien" genannt werden und sonst noch öfter. Jede

29*

Digitized by

Google

452

in Raab, Komom und Gran stationiert. Ihre damalige Stärke ist nicht gesondert angegeben, doch in den weiter oben mit- getheilten Ziffern über die ungarische National-Miliz zu Pferde mit- begriffen.^) Der Oberst-Küegs-Commissär Graf Salaburg ver- anschlagte 1745 die Tschaikisten als fünf Compagnien, über deren Sollstärke die Angaben auseinandergehen.^ Auch über die Zahl der unterhaltenen Tschaiken fehlen verlässUche Nachrichten; doch scheint es, dass die Eaaber, Komomer und Graner National-Müiz- Abtheilungen zu Fuss je vier Fahrzeuge hatten.

Gleichzeitig mit den ungarischen National-Milizen zu Pferde und aus denselben Gründen wurden Ende 1746 auch jene zu Fass aufgelöst.

Weil die Tschaikisten im Kampfe gegen den westlichen Nachbar erspriessliche Dienste geleistet hatten^, so wurde schon gleich nach Auflösimg der Raaber, Komorner und Graner Ab- theilungen daran gedacht, derartige zwei Compagnien an der unteren Donau, Theiss und Save zu errichten ; die eingeleiteten Verhandlungen blieben aber längere Zeit ohne practisches Ergebniss imd '^^^urden später ganz fallen gelassen.^)

Sanitätswesen.

Die erhöhte Fürsorge von Seiten des Staates fiir die ver- wundeten und kranken Soldaten findet ausser in der Aufstellung

derselben bestand aus dem Capitain (Wajda), dem Vice-Wajda, dem Fähnrich, dem Wachtmeister, den Corporalen, dem Tambour imd den Gemeinen.

*) Siehe das Capitel „Reiterei" (Die National-MiHzen zu Pferde).

*j Nach Gjuki (5, Ein Eückblick auf die Geschichte der österreichisch- ungaiischen Donau-Flottille (Wien, 1889), Seite 9 f. sollen die Tschaikisten in drei Compagnien mit einem vorgeschriebenen Stande von je 3 Officieren und 1 67 Mann eingetheilt gewesen sein. Nach einem hof kriegsräthlichen Acte vom Jahre 1743 befanden sich aber in Komorn allein zwei Tschaikisten-Compagnien mit einem Sollstande von zusammen 146 Mann. (K. A., L, H. K. R. 1743, in, 5). Anlässlich eines Antrages zur Erbauung von 30 neuen Tschaiken, „welche gewöhnlich in Gmunden bearbeitet werden", wird der „complete" Stand der Baaber Tschaikisten einschliesslich der Officiere mit 100, der Komomer mit 170 und der Graner mit 84 Mann angegeben. (Hofk. Archiv, Hofhnanz, 7. Februar 1746). Es scheinen also in Raab und Komom je zwei, in Gran eine Tschaikisten- Compagnie bestanden zu haben. Im Felde wurden sehr häufig Grenzer von der unteren Donau, Theiss und Save zur Bemannung der Tschaiken herangezogen.

») K. A,, H. K. R. 1746, December, 211 Reg. (Maria Theresia an Pdlffy); auch F. A., Bayern 1742, VI, 8 (Khevenhüller an die Königin).

*) K. A., H. K. R. 1747, August, 186 und 188 Reg.; Prot. Reg. fol. 121; 1748, Prot. Reg. fol. 1046. Gjukiö a. a. O.

Digitized by

Google

45B

von Feld- und Gamisons-Spitälem ihren besten Ausdruck in der Erkssung einer Feld-Spitals-Ordnung, welche in Verbindung mit Instructionen für die Feld-Medici und Stabs-Chirurgen am 1. Mai 1738 vom Hof-Küegsrathe zunächst für die Armee in Ungarn und Serbien ausgegeben wurde, dann aber auch fiir die Feldzüge des Erbfolge- krieges in Kraft blieb.*)

Darnach sollten für jede operierende Armee ein Feld-Haupt- Spital und nach Erfordemiss mehrere Filial-Spitäler errichtet werden, in welche alle jene Kranken und Verwundeten, die bei den Re- gimentern aus irgend einer Ursache (Mangel an Unterkunft, an Medicamenten etc.) nicht behandelt werden konnten, dann die mit gefährlichen oder lange dauernden Krankheiten behafteten Soldaten abzugeben waren. Ueber die Abgabe in ein Feld-Spital entschied der Stabs-Medicus (Doctor) oder Stabs-Chirurg auf Grund der Eapport- zettel der Regiments-Feldscherer.

Jedes Feld-Spital stand unter dem Commando eines Stabs- officiers (kleinere unter dem eines Hauptmannes), welchem je ein Beamter des Kriegs-Commissariats (zugleich Cassier und Rechnungs- führer) und des Feld-Proviant-Stabes mit zwei Gehilfen (der eine zum Victualien-Einkauf, der andere für den Weinvorrath und das Bettenmateriale) beigegeben waren. Den ärztlichen Dienst in einem grösseren Spitale versahen zwei Stabs-Medici und ein Stabs- Chirurg, denen durch Vermittlimg des KJriegs-Commissariats auch Barmherzige Brüder beizugeben waren, ebensowohl wegen der Be- handlung der Kranken, als wegen der Manipulation mit den Medi- camenten. Auch ein Geistlicher war fiir jedes Spital aufeunehmen.

Von den Regimentern war auf ungefähr 100 Kranke ein „betagter'^ Lieutenant oder Fähnrich, ein Führer und ein Feld- scherer, auf je 20 Kranke ein „guter, alter, getreuer imd nüchterner" Soldat als Krankenwärter mit einem kupfernen Feldkessel k 9 Mann in das Spital beizustellen. An Köchen wurden zu jedem Haupt- Spital wenigstens drei, zu jedem Filial-Spital zwei, wenn thunlich von den Regimentern, eingetheilt. Von je 5 Krankenwärtern mussten sich zwei als Gehilfen und Lehrlinge der Köche verwenden lassen. Die Spitalswäsche war von den "Weibern der kranken Soldaten gegen eine Entlohnung aus der Spitalcasse zu besorgen.

Die kranke Mannschaft musste von den Regimentern bis zum Eintreffen im Spital nebst der Löhnung und Brod noch mit ,, einem

») Hofk. Arch., Hoffinanz 10. Mai 1742. Ein Original-Druck der Spitals- Ordnung vom Jahre 1788 im K A., Kanzlei-Archiv, Militär- Systeme, Nr. 181,

Digitized by

Google

454

Extrabeitrags-Groschen'^ verpflegt werden; dasselbe oblag dem Spi- tale gelegentlich der Rücksendung des Mannes zum Eegimente, wobei die Löhnung und Brodgebühr dem letzteren, der Extra- beitrags-Groschen in beiden Fällen dem Aerar zur Last fiel. Im Spitale selbst erhielt der Mann vom Spitalverlagsgelde die vom Arzte angeordnete Diät, wofür dem Eegimente nur die Löhnung und das Brod abgerechnet wurde. Die Commandierten mussten ganz von den Standeskörpem verpflegt werden; die Wärter erhielten täglich 2 Kreuzer als Zubesserung.

Ln Spitale waren die Kranken ohne alle Rücksicht auf die Regimentszugehörigkeit nur im Hinblicke auf die Krankheiten zusammenzulegen, respective abzusondern. Mit Ausnahme der Officiere und der syphilitisch Erkrankten gebührte in und ausserhalb des Spitals dem Soldaten die Medicin unentgeltlich.

Wenn nöthig, waren in Ungarn und Serbien eigens „auf raizische Art anzulegende Häuser" (aus Brettern mit Erde und Lehm gefüttert und mit Rohr gedeckt) zu erbauen; ausdrücklich wurde verboten. Kranke, wie es vordem gebräuchlich gewesen, in Scheunen oder einfache Bretterhütten zu legen. Li den deutschen Erblanden, in Italien und den Niederlanden war dieses Auskunftsmittel nicht nöthig; hier gab es geschlossene Ortschaften und Schlösser genug, in welchen die Kranken meist so nahe aneinander untergebracht werden konnten, als es die Behandlung durch das nicht gerade zahlreiche ärztliche Personale erforderte. So befanden sich in den ersten Kriegsjahren ein Haupt-Spital in Weitra (zuerst in der Stadt, dann im dortigen Fürstenberg'schen Schloss), welches Ende 1742 nach Pisek verlegt wurde; theils Haupt-, theils Filial-Spitäler in Olmütz, Iglau, Znaym, Ybbs, Linz (im dortigen königlichen Schlosse), später in Ottensheim und dem gräflich Kufstein'schen Schlosse zu Buchenau, in Passau, Mantua, Pozzolo, Cremona etc.

Bei jeder Armee, wurde eine ihrer Stärke angemessene (eine „Vierter'-, eine „halbe", eine „Dreiviertel"-, eine „ganze") Feld- Apotheke mitgefuhrt, deren Inhaber nur die wirklich abgegebenen Medicamente dem Aerar anrechnen durfte. Aus der Feld- Apotheke wurde nach specieller Anordnung des Protomedicus oder eines Stabs-Medicus gegen Quittung des Obersten auf künftige Berechnimg der „Medicamenten-Kasten" des Regiments-Feldscherers mit jenen Medicamenten gefüllt, welche für die minderen, bei den Truppen selbst zu behandelnden, Krankheitsfälle nothwendig waren.

Die Beistellung der für die Spitäler erforderlichen Einrichtung, der Spitalswäsche und des Bettzeuges, sowie des Geldverlages war

Digitized by

Google

455

Sache der Hofkammer. Wenn man die zahlreich erhaltenen Lief erungs- Contracte besonders für Spitalswäsche und Betten durchsieht^), so muss man zugestehen, dass die Finanzbehörde zwar nicht aus- reichend, aber doch in weit ausgiebigerer Weise für die Ausstattung der Feld-Spitäler Sorge trug, als das nach der äusserst unregelmässigen und mangelhaften Bezahlung der Officiers- und Mannschaftsgebühren erwartet, werden durfte. Die steten Q-eldnöthen führten freilich auch auf dem Gebiete des Sanitätswesens zu recht sonderbaren Er- scheinungen, z. B. dass der Feld-Apotheker Eulenschenk im Jahre 1742 eine Forderung von 54.000 fl. an das Aerar hatte und hierauf erst zwei Jahre später „nach Mass der vorhandenen Mittel" 20.000 fl. erhalten sollte, während er mit dem Rest auf das Jahr 1745 vertröstet werden musste^; oder dass die Gasse des Haupt-Feld- Spitales in Weitra im Jahre 1742 sich von der Stadt 100 fl. musste vorschiessen lassen und die (ungefähr 1200) Kranken und die Functionäre des Spitals weder Geld, noch Credit mehr hatten.^)

An Verbandzeug wurde 1743 für die im Felde stehenden Armeen sichergestellt:

Für die Inf.-Reg., Cav.-Reg., Feld-Spitäler einfache Faschen a 5 V^ Ellen (je 6 kr.) 3600 St. 1500 St. 8000 St. doppelte Faschen k 6 Ellen (je 6 kr.) 2000 400 4000

grosse Tücher (je IW^ kr.). . . . 1500 400 4000 .,

mittlere Tücher (je 5 kr.) . . . . 3000 1000 6000 kleine Tücher (je 4 kr.) ... . 5000 2500 10.000 „Copey" (=Copaiva) 15 Pf. 10 Pf. 50 Pf.

Ausserdem für ein Feld - Spital noch „12 Stück weisse Leinwand [k 6 fl.] zu dem Pflasterstreichen, welche aber in der Mitte durchschnitten sein kann, damit selbe nicht eigen-

*) Dieselben erliegen im Hofkammer- Archiv, zerstreut unter den Acten „Hoffinanz", z. B. 7. und 8. Aprü 1741, 10. Mai 1743, 11. December 1744, 18. Juni 1745, 2. Mai und 16. Juni 1747 u. s. f. Am häufigsten wurde die Lieferung dem erprobten Wiener Leinwandhändler Franz Te übler über- tragen. Die Preise nach dem damaligen Gelde waren gewöhnlich für: 1 Hemd 45 Kreuzer,

1 Leintuch auf 2 Personen fl. —.56, auf 1 Person fl. —.42,

1 Kopfpolster

V 2

11

-.12V„

1 11

11 ~

-.09V»,

1 Strohsack

11 2

11

1.03,

11

1 11

•» "

-.48,

1 Decke

»» 2

11

3.22,

1 M

11

2.32,

Kotzen (Wolldecken)

zu 1 fl. 54 kr.,

, 2 fl.

80 kr.

und 2 fl. u

. s. w.

«) Hof k. Arch.,

Hoffinanz, 13.

März 1742,

28.

August

1744.

') Ebenda, 27. Juni 1742.

Digitized by

Google

456

nützig verschleppt, sondern zu der Gehörte verwendet werden kann".»)

War nach dem Vorgesagten der Staatsverwaltung hinsichtlich der Militär-Sanitätspflege wenigstens nur insofeme ein Vorwurf zu machen, als die letztere von der leidigen Geldfrage nothwendiger- weise sehr ungünstig beeinflusst wurde, so stand die Sache viel trauriger im Hinblicke auf den ärztlichen Stand und zwar weniger rücksichtlich seiner wissenschaftlichen Fähigkeiten, mit denen es ja im Allgemeinen zu jener Zeit noch seine Schwierigkeiten hatte, als in Bezug auf den mangelnden Eifer für den kranken Soldaten und auf die Gewissenhaftigkeit, Nach dem Zeugnisse des Feld- marschalls Seckendorff *) kümmerte sich eigentlich Niemand viel um die Mannschaft und die Leute wurden vernachlässigt, so dass viele, „welche oft die Aufwendung eines halben Guldens hätte retten können", in Folge dieser Unachtsamkeit dahinstarben.

Derselbe General sagt von den Spitälern in den Gramisonen und Städten: „Sie kommen dem gemeinen Mann so schrecklich vor, dass sie beim Hineingehen schon halb todt sind^), wie denn auch von allen denen, so da hineinkommen, kaum jährlich der halbe Theil wieder gesund herauskommt. Man kann nicht sagen, dass das Aerariiun nicht zureichende Kosten darauf verwende; weil aber der Fehler darin besteht, dass sich keine Leute finden, so sich der Kranken recht und eifrig annehmen, die Führer und Krankenwärter, so man von den Regimentern dazu commandiert, es theils nicht verstehen, theils unachtsam und nachlässig sind", so solle man Alles, was man bisher auf Spitäler ausgab, den Barmherzigen Brüdern zuwenden, wofür sie die Spitäler erhalten und die Kranken pflegen würden; dazu hätten sie auch gute Chirurgen und Apotheker.

Dass S eckender ff nicht Unrecht hatte, beweisen die sehr gravierenden Eingaben des Protomedicus Doctor Brady vom

*) Hofk. Arch., Hoffinanz, 10. Mai 1743. Dieses Quantum erwies sich als ausreichend und wurde, wie es scheint, für alle folgenden Feldzugsjahre, jedenfalls wieder für 1746 von dem bewährten Wiener Kaufmann Teubler geUefert (K. A., I., H. K. K. 1746, UI, 7 a, b.)

') K. A., F. A. Türkenkrieg 1739, XIII, 20 (Project zur Neueinrichtung der kaiserlichen Armee vom 30. October 1739.)

') Dem gegenüber steht „der Medicorum bisherig alleinige Klage : dass die Regimenter die Kranken sehr aufhalten und fast halb todt ehevor in die Spitäler abgesendet haben". (Verordnung des H. K. R. zur Spitals- Ordnung).

Digitized by

Google

457

29. Januar 1744^) und des seit September 1746 zum Feld-Proto- medicus ernannten Leibarztes Doctor Engel aus dem Anfange des letztgenannten Jahres ^). Beide stimmten überein in Betreff der geringen Eignung der Regiments- und Compagnie-Feldscherer für ihre berufsmässigen Obliegenheiten und forderten mit Nachdruck, dass dieselben vor ihrer Aufnahme einer Prüftmg unterzogen werden sollten. Beide betonten, dass die Eegiments-Feldscherer ganz unver- hältnissmässig viele Medicamente anfordern und dieselben dadurch auch zu erlangen wissen, dass sie sich deren Nothwendigkeit bald von diesem, bald von jenem Feld-Medicus bestätigen lassen; in Folge dessen sei jede ControUe umso sicherer illusorisch, als die Feld-Medici und Stabs-Chirurgen unter sich uneinig und ohne Sub- ordination seien. Nach Doctor Engel soll es vorgekommen sein, dass Infanterie-Eegimenter jährlich 8000 bis 10.000 Gulden und auch mehr an Medicinen aufrechneten. Das war möglich, weil bisher die Eegiments-Feldscherer sich über die Verwendung der Medicamente nicht ausweisen mussten. Sie erhielten vom Obersten carta bianca und im Einverständniss mit den bestochenen Medicis und Apo- thekern wurden nun viele und kostspielige Arzneien auf den Conto des Eegiments gesetzt; bezogen aber wurden meist statt der an- geforderten theueren die billigeren und am häufigsten gangbaren Medicinen, welche jedoch nicht dem Soldaten zugute kamen, sondern mit denen die Feldscherer vorzüglich während der Winter- Quartiere eine einträgliche Privatpraxis ausübten oder die sie an Civil-Apotheker verkauften. Findige Köpfe sparten auch längere Zeit auf solche unrechtmässige Weise Arzneien im Werthe von Tausenden von Gulden zusammen, um dann den Dienst zu quittieren und sich in irgend einer kleinen Stadt niederzulassen. Auch in den Spitälern fehlte es so sehr an der Controle, dass Medicamente als ausgegeben verrechnet wurden, welche in der Feld- Apotheke gar nicht vorhanden gewesen waren.

Die Kriegs-Commissäre, denen doch der Schutz des Aerars vor Uebervortheilung pflichtgemäss oblag, versahen die Medica- menten-Anforderungen der Feldscherer mit der Anweisung zm* Ansfolgung, ungewiss ob aus Unwissenheit oder sträflicher Sorg- losigkeit, in welcher die Feldscherer dieselben dadurch zu erhalten

») K. A., H. K. E. 1744, Februar, 966 Exp. ; 1745, Prot. Reg. fol. 3146 (28. December an Dr. Engel).

«) Ebenda, 1746, September 248 Exp. und 190 Eeg., fol. 2082 (14. Sep- tember), wozu das Rescript an den Grafen C h o t e k, d. d. 12. November 1746 (Hof k, Arch., Hoffinanz).

Digitized by

Google

458

suchten, dass sie das ganze Commissariat sammt Weib und Kind unentgeltlich behandelten und mit Arzneien versahen. Graf Salaburg wies freilich diese Behauptung des Doctors Engel zurück, so lange keine Namen genannt würden, aber er unterliess es, eine energische Untersuchung anziu-egen, wozu er wohl die Macht gehabt hätte.

Nach Doctor Brady's Angaben hatte überhaupt das Kriegs- Commissariat seine Befugnisse über das ärztliche Personale sehr missbraucht und sich auch andere grobe Nachlässigkeiten zu Schulden kommen lassen. So seien oft Spitäler aus mangelnder Für- sorge um den Transport ohne genügende Spitals- und Bettwäsche geblieben, während solche an anderen Orten massenhaft lag und zugrunde gieng. Es versetze die Aerzte eigenmächtig und ohne Rücksicht auf Eignung und Bedarf; dabei walte Bevorzugung für den einen, Missgunst gegen den andern Medicus. Eine Visitierung der Feld-Spitäler oder gar der Feld-Apotheke durch den Proto- medicus lasse das Commissariat gar nicht zu, die Verantwortung für Uebelstände werde ihm aber dennoch zugeschoben; es lasse jährlich um viele Tausende von Gulden Medicamente einschaffen, ohne den Rath des Protomedious einholen zu müssen imd ohne zu wissen, ob die Lieferungen qualitäts- und preismässig seien.

Solche Zustände schrieen förmlich nach Abhilfe; doch wurde erst im Jahre 1746 dem Protomedious der ihm hinsichtlich der Verwendung der Aerzte und Chirurgen, sowie der Anschafitmg der Arzneien zweifellos zukommende Einfluss zuerkannt, während dem Commissariate fernerhin nur die öconomische Ueberwachrmg vor- behalten blieb ^). Diese Grundsätze behielten dann auch ihre Geltung bei der im folgenden Jahre resolvierten Neueinrichtung von Haupt- Feld-Spitälem in Italien und in den Niederlanden^).

Die Feldmedici rnid Stabs-Chirurgen pflegten im Frieden meist nur ein Wartegeld zu erhalten; erstere waren jederzeit leicht zu haben, die Chirurgen jedoch nicht, da sie vorwiegend aus der Fremde herangezogen werden mussten^).

Eine namentliche Nachweisimg vom Jahre 1741^) führt in den gesammten Ländern Maria Theresia's mit Ausschluss der im Felde stehenden Armee 15 Feld- imd Gamisons-Medici und 11 Stabs- Chirurgen mit jährlichen Bezügen zwischen 150 und 1565 Gulden an; es ist kaum anzunehmen, dass diese Liste vollständig ist.

») K. A., H. K. R 1747, April, 414 Exp. ; Prot Reg. foL 869 bis 372 (la Febr.). *) Ebenda, 1747, Februar, 274 bis 276 Reg., April, 215 bis 222 Reg. ») K. A., Memoiren, Vni, 12, 15. *) K. A., H. K. R. 1741, Juni, 769 Exp.

Digitized by

Google

459

Die Heeres-Ergänzung. Eintritt und Abgang Ton Offlcieren und Mannschaft.

Die Ergänzung des Ober- und Un ter officiers-Corps liieng bei den Regimentern, welche einen „wirklichen Obristen" hatten, gänzlich von diesem ab und zwar bis einschliesslich des Oberstlieutenants. Die Ernennung zum Obersten, sowie zum (Titular-) Oberst-Eegiments-Commandanten geschah durch den Monarchen im Wege des Hof-Kriegsrathes. Der wirkliche Oberst konnte dem Titular- Oberst das Ernennungs- und Beförderungsrecht nach seinem Be- lieben ganz oder mit gewissen Beschränkungen übertragen. Bei den meisten im Laufe der ersten Kriegsjahre neu errichteten Regi- mentern (sowie auch bei den Frei-Corps) behielt sich Maria Theresia die Ernennung und Beförderung der Oberofficiere eine Zeit hindurch vor; in diesen Fällen musste bei jeder Vacanz ein Tema- Vorschlag durch den im Felde commandierenden General und den Hof-Kjiegsrath eingesendet und des Letzteren Mittheilung über die erfolgte Allerhöchste Resolution abgewartet werden. So war es auch bei den Grenzern und allen anderen Truppen, mit Ausnahme des Feld-Artillerie-Haupt-Corpo, dessen Commandant ähnliche Befugnisse, wie ein wirklicher Oberst hatte. ^)

Der Abgang der Officiere, der Lidividuen des kleinen Stabes und der nicht obligaten Prima - Plana - Personen erfolgte entweder durch Tod oder eintretende Dienstunfähigkeit, durch megsrechtliche Urtheile oder durch freiwillige Resignation. Die ^uittierung der Officiere war an keine andere Bedingung ge- >unden, als dass sie schriftlich angesucht und die Entscheidung ei der Truppe abgewartet werde, auch dass ein zur Rechnungs- ^gung Verpflichteter nicht vor Ertheilung des Absolutoriums om Eegimente sich entferne. Weder die Entscheidung über as Quittierungsgesuch, noch über die Rechnungslegung durfte nger, als unbedingt nothwendig war, hinausgeschoben werden. i Kriegszeiten kam noch die billige Forderung hinzu, dass der- iiige, welcher in den Winter-Quartieren die Verpflegung genossen tfce, auch die nächstfolgende Campagne mitzumachen verpflichtet ir. Am 13. Mai 1744 fand sich Maria Theresia genöthigt, ^sen letzteren, in Steige des Einflusses preussischer „Volontäre"

*J Doch hatte derselbe auf die Beförderung vom Hauptmann aufwärts durch, das ihm zustehende Vorscblagsrecht Einfluss. Vergl. K o s tk a, ;ervatioiies militares, 2. Aufl. (Wien, 1738), Art. 1, 28—34.

Digitized by

Google

460

und geheimer Agenten mehrfach verletzten „althergebrachten Militär- gebrauch" eigens in Erinnerung zu bringen, wobei sie hinsichtlich des Rechtes zur Quittierung sich folgendermassen aussprach : „Wider seinen Willen Jemanden in Unserem Dienst au&uhalten sind Wir zwar weder -gewohnt, noch gesinnt, steht also jedem Oberofficier, der keine Lust weiter zu dienen hat, sich zu retirieren frei, wenn anders selber zu rechter Zeit und auf geziemende Art quittieret" ^).

Unterofficiere , deren Ernennmig vom Obersten abhieng, wurden mit „Abschied" entlassen*).

Die Entlassung der häufig nur auf Küegsdauer aufgenom- menen Personen des kleinen Generalstabes, des Commissariates, Proviant-Amtes, Fuhrwesens, des feldärztlichen Personales, etc. erfolgte nach wiederhergestelltem Frieden entweder mit halber Gage oder mit „Expectanz-Decreten", oder aber bei erwiesener minderer Verwendbarkeit ohne alle weitere Aussicht auf Gebühr imd Wiederanstellung.

Die Mannschafts-Ergänzung geschah in der älteren Zeit durch Werbung der Regimenter; hiezu wurde jedem der- selben ein bestinmiter, jedoch keineswegs immer derselbe Rayon zugewiesen.*) Auf Grund des, anfänglich vom Obersten, später vom Hof-Kriegsrath ausgefertigten Werbepatentes begab sich ein Officier und mehrere Commandierte des Regiments (darunter meist Schreiber und Tamboure) dahin und luden durch den „öffentUohen Umschlag" die männliche Bevölkerung zur Annahme des Dienstes ein. *) Um

») K. A., H. K. E. 1743, Mai, 244 Reg.

*) Nach K o s t k ft (Observationes militares, Artikel 57, Punct 3) konnten von den Prima-Planisten, welche hiezu vom „obligaten" Stand avanciert waren, nur jene frei resignieren, welche seit ihrem Avancement an ihrer Statt und auf ihre Kosten einen andern obligaten Mann gestellt hatten ; die das nicht thaten, blieben auch femer selbst obligat, d. h. zu beständigem Kriegsdienste verpflichtet«

') Die Eintheilung der Monarchie in Militär-Cantone geschah erst 1771; das auf Grund derselben verfasste Conscriptions- und Werbebezirks-System stanamt gar erst vom Jahre 1781. (Meynert, Gesch. d. k. k. österreichischen Armee, IV, 47.)

♦) Im Sommer 1742 befanden sich von neun Regimentern in Wien und Umgebung auf Werbung : 1 Major, 6 Hauptleute, 6 Lieutenante, 5 Fähnriche, 6 Feldwebel, 6 Führer, 14 Fouriere, 3 Feldscherer, 26 Corporale, 12 Fourier- schützen, 13 Tamboure, 83 Gefreite und 202 Gemeine. (Hofk. Arch., Reichs-A., Fase. 165, Beilage zum Conferenz-Prot. vom 11. Juni 1742.) Die Werbung, Be- wachung und Escortierung entzog also den Regimentern ziemlich viel vom Dienststande. Erfahrungsgemäss hatten die Werbetische der Carallerie mehr

Digitized by

Google

461

die Eegimenter durch die Absendung der Werbe-Commaoiden nicht allzusehr und allzulange zu schwächen, wurden auch seitens des Hof-Kriegsrathes einzelne Officiere und selbst vertrauenswürdige Mannschaften der Leibgarde, anderseits die in Qtimison stehenden Theile von Feld-Eegimentem und selbst die Besatzungs-Truppen („Frei-Compagnien") und National-Miliz-Abtheilungen in ihrem Bereiche mit der Werbung betraut („Particularwerbung").

Man unterschied die inländische und die Reichswerbung ; zu letzterer waren die Kaiser in den reichsunmittelbaren Gebieten vermöge der ßeichsverfassung berechtigt; in anderen Theilen des Reiches war die vorhergängige Zustimmung des Landesherm er- forderlich. Die Erlangung derselben gestaltete sich manchmal recht schwierig, besonders wenn sich Concurrenten den Rang abzulaufen suchten. Reichsfürsten hingegen, denen ein kaiserliches Regiment verliehen war, gestatteten die freie Werbung für ihr Regiment in ihrem Lande ohne Schwierigkeiten und stellten dieselbe auch (meistens zufolge der mit ihnen abgeschlossenen Capitulationen) selbst an, natürlich gegen Empfang des stipulierten Werbegeldes. *) Die Reichswerbung stand gewöhnlich imter der Leitung eines Generals, z. B. um 1740 unter der des General-Feld- Wachtmeisters Freiherm von Tornacco, später unter den Generalen Hagen- bach und Geusau. Die deutschen Regimenter in den Nieder- landen warben aber unabhängig von ihnen in den nächstgelegenen Reichskreisen. Alle „deutschen" Regimenter durften sich nämlich nur aus deutschen Gebieten, sei es nun der Erblande oder des Reiches ergänzen. Vorübergehend nur wurde den in Italien stehenden deutschen Regimentern gestattet, auch Italiener in be- schränkter Zahl anzuwerben. ^) Ebenso ergänzten sich die „National- Regimenter" nur aus Angehörigen ihrer Nation, so also z. B. Vasquez- und Marulli-Infanterie aus der italienisch sprechenden Bevölkerung des Litorales und aus Italien, Clerici vorwiegend aus

Zulauf, als jene der Infanterie ; desswegen wurde fär die Cavallerie der „öffent- liche Umschlag" meistens verboten; dieselbe durfte, um die Ergänzung der Infanterie nicht in Frage zu stellen, gewöhnlich nur „unter der Hand" werben lassen.

0 So meldete Prinz Carl am 25. October 1748 (K. A., F. A. Bayern und Ober-Rhein 1743, X, 49) an die Königin: „Der Fürst Wal deck hat sich anheischig gemacht, aus seinem Land 300 Mann, jeden nach Dero gnädigster Determinierung per 36 Gulden diensttauglich zu stellen. . . ."

') 20 per Compagnie. Hofk. Aroh., Reichs-A, Conferenz-ProtocoU vom 7. Februar 1742.

Digitized by

Google

462

dem Gebiete des Herzogthiims Mailand, die ungarischen Infanterie- und Husaren-Regimenter nur aus Ungarn u. s. w. Angehörige anderer Nationen hiessen die „verbotenen" Nationen, zu welchen für alle Regimenter auch die Juden und Zigeuner unbedingt gehörten.

Die Werbung im Auslande muss ziemlich ergiebig gewesen sein; wenigstens constatierte Feldmarschall Khevenhüller im Jahre 1740, dass „auch die Unterofficiere und Gemeinen in guter Anzahl Fremde sind", was durchaus nicht seinen Beifall fand imd auch im Jahre 1750 noch führte eine „Nota" die starke Desertion darauf zurück, dass „mehr Ausländer als Nationalisten (d. i. In- länder) bei den Truppen befindlich" seien. ^)

Von der Regiments- und Auslandswerbung verschieden war die ständische Werbung oder die Recrutierung in den deutschen und böhmischen Erblanden. Dieselbe bestand erst seit dem Jahre 1690*); damals, „als Belgrad selbigesmal in die Feindes- hände gekommen und die Armee zugrunde gerichtet war", wurden von diesen Erblanden zum erstenmale 12.000 Recruten verlangt; im Laufe der Jahre wurde diese Summe erhöht auf 18.000 und 20.000 Mann, 1739 auf 25.000, 1746 sogar auf 30.000 Mann. Doch wurde gewöhnlich höchstens die Hälfte dieser Zahl in natura ge- stellt, der andere Theil aber „redimiert", in Geld abgelöst. Die damalige Recrutierung war eine Folge des Geldmangels des Staates, der, weil er den Regimentern das Werbegeld nicht in aus- reichendem Masse verabfolgen konnte, den Ländern die Aufbringung einer gewissen Anzahl von Recruten anrepartierte ; sie bedeutete also eine erhöhte Belastung der Länder, von welchen nebstdem die Contribution „postuliert" wurde. Die „Redemption" eines Mannes wurde nicht immer und überall gleich hoch berechnet. Ln Jahre 1739 mussten die böhmischen Stände für jeden Mann 61 Gulden zahlen ^), 1744 wurde den mährischen Ständen ein solcher

*) K. A., Mömovren, IX, 260. In Kriegszeiten kamen viele Ausländer durch Anwerbung feindlicher Deserteure zu den Regimentern, deren z. B. 1742 in Italien über 700 assentiert und wofür in diesem Jahre einmal 10.000 Gulden, ein andermal bis 15.000 Gulden gewidmet wurden. (Hofk. Arch., HofHnanz, 15. September 1742.)

■) Hofk. Arch., Reichs-A., Fase 165, Deputations-Prot. 6. November 1789. Die vorderöst^rreichischen Länder hatten bis 1740 nie Recruten in natura gestellt; dies geschah 1741 zum ersten Male. (Hofk. Arch., Ober-Oesterreich, 6. August, 5. November 1740, 21. April 1741.)

») Ebenda, Hoffinanz, 1. September 1739.

Digitized by

Google

463

mit 41 Gulden angerechnet. ^) In beiden FäUen wurde von den Ständen betont, dass die wirkliche Grestellung eines Mannes dem Lande an 100 Gulden Kosten verursache. Die Länder zogen es daher vor, die Eeoruten möglichst zahlreich zu redimieren; aus ganz ähnlichen Gründen jedoch sah die Regierung die Natural- steilung lieber als den Loskauf, denn nicht nur, dass die Länder die Recrutengelder nicht immer zur Zeit, wann sie für die Begiments- werbung am nothwendigsten gewesen wären, pünctlich bezahlten, so war auch diese letztere selbst häufig unverlässlich und musste noch dazu dort, wo auch die Stände selbst warben, auf eine be- stimmte Zeit gänzlich eingestellt werden. Zu der oft auftretenden Klage, dass sich Eegiments- und ständische Werbung gegenseitig behindern, trat nicht selten noch die Beschwerde einzelner Länder, welche (wie die böhmischen) mit der Naturalstellung der Recruten vermeintlich stärker in Anspruch genommen wurden, als andere, (meist die innerösterreichischen). ^) Die ständische Werbung ergab meistens ein minderwerthiges Soldatenmaterial, weil die einzelnen Herrschaften und Gemeinden ihre arbeitskräftigen jungen Männer nicht gerne als Recruten abgaben, sondern lieber ihrerseits Fremde, licht- und arbeitsscheue Gesellen, die auch körperlich gar oft den Anforderungen nicht entsprachen, anzuwerben suchten. Die Folge davon waren einerseits häufige Zurückweisung solchen Materials durch die assentierenden Kriegs-Commissäre und Klagen der Regimenter

») Hofk. Arch., Hoffinanz, 17. März 1744.

•) Von den Mitte 1741 verlangten 15.000 Recruten hatten zu stellen

Böhmen 6258 Mann, d. i. 41-72 Percent,

Mähren 2086 18-91

Nieder-Oesterreich . 2219 14-79 Ober-OesteiTeich . . 1109 7*30 Steyermark .... 1664 11-09

Kämthen 971 6'88

Krain . 698 4-62

15.000 Mann. (K. A., I., H. K. R. 1741, VII, 14, ad 14 und Vm, 2.) VeimuthHch ent« spricht die Anrepartierung an die einzelnen Länder annähernd dem Verhält- nisse ihrer Bevölkerungszahl. Diese Percentzifi'em kamen auch bei späteren Recruten-Postulaten zur Anwendung, z. B. für das Jahr 1744 (Hofk. Arch., Reichs-A., Fase. 166, Vortrag der Hofkammer vom 8. October 1748). Auf das österreichische Schlesien entfielen damals 2*7 Percent Recruten. Die seit 1741 von den österreichischen Vorlanden postulierten 1600 Recruten ver- theilten sich mit 417 Mann auf den Breisgau, mit 768 Mann auf Schwäbisch- Oesterreich und mit 825 Mann auf Vorarlberg. (K. A., F. A. Bayern und Ober-Rhein 1748, XIII, ad 6 b.)

Digitized by

Google

.464

über die „Buben", die sie anstatt Männern erhielten, ander- seits Beschwerden der Länder über übertriebene „Heikliehkeiten" der Commissäre und Regimenter. Bis ein Land sein Contingent beisammen hatte, was an und für sich schon wegen der schwer- fälligen Functionienmg des Administrations- Apparates lange genug dauerte, bis dann die Gestellten assentiert waren und nach manchmal Wochen-, ja monatelangen Märschen bei ihren Regimentern ein- trafen, waren nicht selten schon die Operationen im Gang.

Die Heeresergänzung war also damaliger Zeit nach allen Seiten hin eine der schwierigsten Aufgaben der Staatsverwaltung und wurde erst einigermassen dadurch erleichtert, dass nach dem Aachener Frieden den Ländern die Recrutenstellung abgenommen imd eine „beständige Werbung" durch die Regimenter eingeführt wurde. ^) Manche Mittel waren versucht worden, das Geschäft zu erleichtem. So hatte Carl VL 1722 gestattet, eine Anzahl Sol- daten jeder Compagnie durch mehrere Monate des Jahres zu be- m'lauben; die auf solche Weise ersparten Mund-Portionen sollten zur Gründung eines Recrutierungsfonds zusammengelegt werden ; wenn aber der Sold selbst, wie gewöhnlich, unregelmässig floss, so konnte ein Augenblick kommen, wo die Soldaten nicht zur Stelle und die Recrutierungs-Casse leer war. Jedenfalls hielt der Gedanke nicht lange vor und wurde auch 1745, als er bei der Errichtung des Tyroler Land- und Feld -Regiments neuerdings auftauchte, bald wieder fallen gelassen.

Selbst die in Oesterreioh damals bestehende lebenslängliche Dienstpflicht*) preiszugeben, zeigte man sich im Augenblicke der Noth bereit und gestattete 1741 den in Schlesien tmd in Vorder- Oesterreich stehenden Regimentern die Anwerbung auf eine bestimmte Anzahl Dienstjahre, d. i. die „Capitulation", ohne dass dieses Mittel indess besonders verfangen hätte ; desshalb wurde auch bald wieder davon abgegangen. ^)

*) M e y n e r t, Gesch. d. Kriegswesens in Europa, III, 163. Die Ein- führung einer „ordentlichen Recrutierung und Ergänzung der Miliz" geschah erst mit Patent vom 4. August 1753.

') Wurde erst mit kaiserlichem Patent vom Jahre 1802 aufgehohen. Meynert, Gesch. d k. k. ö. Armee, IV, 119.

3) K. A., H K. R. 1740, Prot. Reg. fol. 8708 (31. Decemher) ; 1741, Prot. Exp. fol. 48, 63, 236, BOl, 691, 636 ; Prot. Reg. 3040. Beim Regimento Damnitz Hessen sich 1743 über 100 Mann ihre Capitulation für vier bis sechs Gulden ablösen. (Hofk. Arch,, Hoffinanz, 12. März, 12. Juni 1748.) Das Project Neumayer zur Errichtung eines Tyroler Kational-Regiments vom Jahre 1743 ^^K. A-, F. A. Bayern und Ober-Rhein, 1748, X, ad 86) gibt Kunde,

Digitized by

Google

465

Die wirksamste Massregel zur leichteren Aufbringung der so zahlreich erforderlichen Eecruten war die Erhöhung des Werbe- geldes, welches nach Ort und Zeit seit jeher verschieden hoch bemessen ward. So wurde 1744 das Werbegeld für das Infanterie- Regiment Vasquez von 25 auf 36 Gulden, schon 1742 jenes für einen Infanterie-Recruten aus den deutschen Erblanden von 27 auf 30 Gidden, aus Ungarn von 25 ebenfalls auf 30 Gulden erhöht. Das Werbegeld für einen aus dem Reiche geworbenen Infanterie- Recruten betrug gewöhnlich 34 Gulden; 1744 und wieder 1746 -wurde es mit 40 Gidden bemessen. Auch in den Erblanden und für Bayern betrug vorübergehend im Jahre 1744 das Werbegeld 34 Gulden. Derselbe Betrag galt 1745 für einen Mann aus dem Reiche, aus Italien und dem österreichischen Litorale, 30 Gulden für einen Mann aus den deutschen Erblanden, 25 Gulden für einen aus Ungarn. Das Werbegeld für die CavaUerie-Regimenter blieb ziemlich gleichmässig für einen Cürassier oder Dragoner 527,, für einen Husaren auf 25 Gulden stehen. ^)

Vom Werbegelde war zunächst die Bekleidung und theilweise die Ausrüstung des Mannes (einschliesslich des Seitengewehres, jedoch ausschliesslich der Flinte) zu beschaffen, welche für einen Infanterie-Recruten auf ungefähr 18 Gulden zu stehen kam, während der Rest dem Manne ausgefolgt werden soUte.

Die angeworbene Mannschaft musste mit den fast in jeder Werbe-Capitulation stückweise specificierten Bekleidungs- und Aus- rüstungsgegenständen auf den vereinbarten Orten in Gruppen von 10 bis 50 Köpfen vor den Kriegs-Oommissär gebracht werden, welcher, unterstützt von einem ärztlichen Organe über Annahme oder Rückstellung des Mannes entschied, d. h. nach dem schon damals in Oesterreich gangbaren Worte die „Assentierung" vor- nahm, mit welcher der taugUch Befundene in die ärarische Ver- pflegung übergieng. Dem Lebensalter nach durften die Recruten im Jahre 1746 nicht unter 18 und nicht über 40 Jahre zählen. *)

dass „in österreichischen Kriegsdiensten die Capitulation zwar öfters in Pro- position gekommen ist, noch niemals aber Ingress und Approbation gefunden hat". Unter dem Eindrucke der vom Feinde in dem occupieiten Böhmen vorgenommenen Aushebung schlug der Hof-Kriegsrath auch einmal die zwangsweise Recrutierung in den bedrohten Erblanden vor, ohne jedoch durchzudringen. (Hof k. Arch., Reichs-A., Fase. 165, Deput.-Prot. v. 16. Jan. 1742.)

*) Nach zahlreichen Acten des Kriegs- und des Hofkammer- Archivs.

*) Hofk. Arch., Hoffinanz, 4. Februar und 16. November 1746. (Contracte mit General-Feld- Wachtmeister Baron G e u s a u). Weitere Details über die

Oesterreiohischer Erbfolgekrieg. I. Bd. 30

Digitized by

Google

466

In früheren Zeiten nahm man (nach Khevenhüller) nur Eecruten zwischen 24 und 35 Jahren.

Die Uebelstände, welche in grosser Zahl mit dem Systeme der freien Werbung verbunden waren, sind so oft besprochen worden und so allgemein bekannt, dass es genügt, daran erinnert zu haben. Auch gelegentlich der Vorführung der von den Land- ständen aufgebrachten Recruten zur „Assentierung" hatten sich zahlreiche Missbräuche eingeschlichen, welche in der Habsucht der assentierenden Kriegs-Commissäre und Regiments - Feldscherer, sowie der Recruten-Uebemahms-Officiere, aber auch in dem Mangel einer festen Norm über den Vorgang bei der Assentierung ihren Grund hatten. Die böhmischen Stände schätzen den Schaden, den das Land bei Stellung von etwa 8000 Recruten erleide, auf circa 40.000 Gulden. Für die Grösse dieser Auslagen, deren zehnter Theil die Kosten der Assentierung von 8000 Mann hätte decken sollen, traf übrigens auch die betheiligten Herrschafts- und Landes- functionäre viele Schuld. ^)

Die Errichtung von ganz neuen Regimentern oder Theilen von solchen geschah dadurch, dass die Regierung mit einzelnen Ländern oder der Hof-Kriegsrath mit einzelnen Personen die Be- dingungen vereinbarte, nach welchen sich sodann die Länder oder die Lihaber verpflichteten, die neue Truppe herzustellen. Das Er- gebniss eines solchen Vergleiches liegt bezüglich der im Jahre 1741 aufgestellten sechs neuen ungarischen Regimenter im 63. Gesetz- Artikel der Pressburger Landtagsbeschlüsse vor. Mit Einzelpersonen (gewöhnlich den nachherigen Oberst-Lihabem) wurden die Be- dingungen durch ein „Capitulation" genanntes Vertrags-Document fixiert; demselben wurde anstatt oder neben der Fertigung der Capitulation häufig ein Revers des sich Verpflichtenden gegenüber- gestellt, wie z. B. gelegentlich der Errichtung des vierten Bataillons von Vasquez-Infanterie oder der Aufstellung des Husaren-Regi- ments Esterh&zy im Jahre 1742. Während sonst die Verleihung von Officiersposten gegen materielle Leistimgen an den zur Ver- gebung berechtigten Inhaber wenigstens theoretisch auf das Strengste verpönt wurde, tritt in mehreren Oapitulationen vorgedachter Art ganz inconsequent das off'ene Zugeständniss auf, dass der Inhaber

Recrutierung luid die erforderlichen Eigenschaften der Recruten sind zu er- sehen z. B. in Khevenhüller's Observations-Puncten.

») K. A.; F. A. Marsch der k. k. Truppen in die Niederlande 1746, XI, 3 und ad 3, dann I., H. K. R. 1746, XIII, 63.

Digitized by

Google

467

die Officiers-Ohargen an solche Personen zu verleihen befugt sein solle, welche sich ihm zur Beistellung einer bestimmten Anzahl von Eecruten, ganz oder theilweise auf ihre Kosten, verpflichteten. Von dem Feldmarschall-Lieutenant Vettes, dessen Infanterie- Eegiment bis Mitte 1744 um ein viertes Bataillon verstärkt werden sollte, hat sich dessen „Project, auf was fiir Art ich mir vorsetze, die Aufiichtung des vierten Bataillons bei dem mir Allergnädigst anvertrauten löblichen Regiment vorzunehmen" erhalten. *)

Hienach sollten vier von den fünf neu zu ernennenden Haupt- leuten je 80, der fünfte, weil er vermögend war, 100 Mann dem Inhaber zum neuen Bataillon stellen; den ersteren gab Vettes aus seiner Tasche zehn Gulden per Kopf als Beihilfe. Die fünf neuen Lieutenants mussten jeder 24, die fünf neuen Fähnriche jeder 16 Mann zum neuen Bataillone beistellen. So waren schon 620 Mann gesichert, welche dem Lihaber nur 3200 Gulden kosteten. Vier der neuen Hauptleute wurden den schon bestehenden Bataillonen entnommen; bei denselben mussten also vier Lieutenants- und in weiterer Folge vier Fähnrichsstellen neu besetzt werden. Jeder dieser neuen Lieutenants und Fähnriche musste für seine Beförderung sechs, beziehungsweise vier Mann zum neuen Bataillon stellen, was weitere 40 Mann betrug. Zehn Spielleute sollten von den schon bestehenden zu den neuen Compagnien eingetheilt werden und bei den ersteren durch Recruten ersetzt werden. Somit fehlten auf den completen Stand des Bataillons (700 Mann) nur noch per Compagnie 1 Feldwebel, 1 Führer und 1 Fourier. Da auch diese von den alten Bataillonen genommen werden konnten und es allgemein Brauch war, dass ein obligater Mann bei Be- förderung in eine der nicht obligaten Prima-Plana-Chargen einen obligaten Ersatzmann stellen musste, so kostete die Errichtung des neuen Bataillons nach dem vorstehenden Plane nicht mehr als 3200 Gulden und das Werbegeld für zehn Recruten.

Dieses Project wurde vom Hof-Kriegsrathe am 18. März 1744 gutgeheissen mit der Bedingung, dass die Officiere ihre ßecruten- Contingente in natura und nicht in Geld stellen. Gleichzeitig wurde dem in gleicher Lage wie Vettes befindlichen Grafen Leopold Pilffy aufgetragen, auch bei seinem Regimente bezüglich des neu zu er- richtenden vierten Bataillons nach demselben Plane vorzugehen. 2)

*) Hofk. Arch., Hoffinanz, 15. September 1745. (Beilage zur Zuschrift des Hof-Kriegsrathes vom 18. Juni 1746, wonach das neue Bataillon Vettes sich bereits auf dem Marsche nach Böhmen befand.)

2) K. A., H. K. R. 1744, Prot. Reg. fol. 814.

30*

Digitized by

Google

468

Diese Eigenthümlichkeit tritt nicht etwa nur in den eben- berührten Fällen, sondern auch sonst öfter zu Tage und entspricht ganz der damaligen Anschauung. Als Beweis daför sei nur noch erwähnt, dass dem Marchese Clerici im Jahre 1744 capitulations- mässig gewisse Vortheile in der Bezahlung der Officiere zuerkannt wurden, „weil er, Marchese Clerici, zweifelsfrei ihnen ein gewisses Quantum an Leuten zu stellen auftragen oder gegen eine sonstige Convenienz mit ihnen pactieren wird". ^)

Ein Gesammtbild, wie sich vermittelst der verschiedenen Arten der Aufbringung von Mannschaft die Ergänzung der österreichischen Regimenter vollzog, ist durch folgende Ziffern gegeben:

Für das Jahr 1744 waren 52.391 Recruten fiir die Infanterie, 7285 für die deutschen und 1358 fiir die ungarischen Reiter-Regi- menter, endlich 200 für die Feld-Artillerie als erforderlich ver- anschlagt worden. ^ Letztere sollten in Böhmen, die Recruten für die Husaren in Ungarn, jene für die Cürassiere und Dragoner „in verschiedenen Ländern" (Li- und Ausland) aufgebracht werden ; die Infanterie-Recruten hingegen :

1. Durch die Naturalsteilung (Recrutierung der Landstände): der deutsch-böhmischen Erblande (inclusive Vorlande) 18.349 Mann, aus Ungarn und Siebenbürgen als Rückstände aus

dem Jahre 1742 (neue Regimenter) 2.140

von deutschen Fürsten (Baden-Baden, Bayreuth,

Waldeck, Reuss) versprochen 657

2. Durch Regimentswerbung;

a) imlnlande:i.d. Niederlanden f. deutsche Regimenter 3.855 ,,

in den Niederlanden für National-Regimenter . . 4.933

im Litorale imd in Italien 1.882

in den deutsch-böhmischen Erblanden .... 1.807

in Ungarn für deutsche Regimenter 381

in Ungarn für ungarische Regimenter .... 5.334

in Siebenbürgen für deutsche Regimenter . . . 1.010

in Siebenbürgen für ungarische Regimenter . . 831 ,,

in Croatien, Slavonien und im Banat 1.002 ,,

*) K. A. ; F. A. Böhmen und Ober-Rhein 1744, I, 5. (Capitulation vom 23. Januar 1744.)

*) K. A., I. H. K. R. 1744, VU, 1 und 2. Das Recruten-Quantum für die „completen" Stände der Regimenter betrug also 61.234 Mann, wozu noch der Bedarf für die damals in Ungarn zu errichtenden „Auctions-Compagnien" der Husaren-Regimenter kam (siehe oben „Reiterei").

Digitized by

Google

469

b) im Auslande : im Römischen Reiche 2.000 Mann,

in Bayern und der Ober-Pfak 6.000

3. Durch „Particular- Werbung" (d. i. durch be- sonders beauftragte Personen und Garnison-Truppen) :

a) im Inlande 684

6) in Bayern und im Römischen Reiche 1.526

Zusammen . . 52.391 Mann.

Da die Dienstverpflichtung des „gemeinen Mannes" (d. i. der Mannschaft vom Oorporal abwärts) lebenslänglich dauerte, so konnte es ausser dem Ableben und der schon besprochenen Desertion keine andere Abgangsart geben, als Invalidität oder Kriegs- gefangenschaft.

Für die Invaliden waren durch die Fürsorge des Kaiser- hauses und zahlreicher Privater seit dem Ende des 17. Jahrhundertes manche und recht bedeutende Stiftungen gemacht worden^), zu einem eigentlichen Invalidenhaus war es aber nur in Pesth gekommen, während in "Wien 1730 als Nebengebäude des Gross- Armenhauses (Aiserstrasse) ein Invaliden-Spital entstanden war. In das erstere waren die aus den ungarischen, italienischen und sonstigen fremden Ländern stammenden Invaliden abzugeben; die aus den deutsch- österreichischen Ländern fanden, soweit der Raum und die Mittel reichten, im Wiener Armenhause Aufnahme oder fielen ihren Heimathsländem zur Last, von welchen sie täglich eine Sustentation von 4 Kjeuzem zu beziehen hatten. Letzteres Verhältniss galt in den ersten Jahren der Regierung Maria Theresia's auch für die böhmischen Länder, weil die von Carl VI. schon im Jahre 1728 angeordnete Erbauung eines Soldaten-Spitals in Böhmen noch nicht in Angriff genommen war. Für die Niederlande bestand eine Invaliden- Frei-Compagnie in Limburg.^

Wer als Invalide anzusehen und daher in eine der vorgedachten Invaliden- Anstalten oder aber in seine Heimath zu instradieren war, entschied nach Anhörung ärztlichen Gutachtens ein Beamter des Kriegs-Commissariats. Demselben wurde jedoch 1743 auf die Klage der Regimenter, dass ihnen zu viele noch diensttaugliche oder

') Benkovich, Gesch. desWienerk.k. Militär-Invalidenhauses („Organ der milit.-wissensohaffcl. Vereine", 1886). Meynert, Gesch. d. k. k. österr. Armee, in. 182, IV, 98; Gesch. d. Kriegswesens etc. III, 161. Das Heerwesen der Ungarn, 225. Arneth, Maria Theresia, IV, 98 f.

') Dieselhe kostete Anfangs 1746 monatlich 1941 fl. 37 kr. und bezog auf 30 Tage 10.367 Brod-Portionen. (K. A., I., H. K. B. 1746, XHI, 67 e).

Digitized by

Google

470

höchstens halbinvalide Leute als invalid in Abgang kämen, das Einvernehmen mit den Truppen zur Pflicht gemacht.*) In demselben Jahre wurde auch angeordnet, dass alle Invaliden, welche sich über ihren künftigen Lebensunterhalt nicht hinlänglich legitimieren konnten, fernerhin jedesmal in das Pesther Invalidenhaus abzusenden seien.*) Hiezu gaben ausser dem Umstände, dass dasselbe verhältnissmässig reich dotiert war, jedenfalls die Klagen der anderen, insbesondere der böhmischen Länder Anlass, welche einerseits geltend machten, dass aus ihnen am meisten Recruten in natura gezogen würden und ihnen in Folge dessen auch percentuell mehr Invaliden zur Last fielen'*), anderseits aber mit Recht es unbillig fanden, dass trotz alledem der seit nahezu zwei Jahrzehnten eingeführte Abzug von einem Kreuzer von jeder Mund-Portion nur dem Pesther Invaliden- hause zugute kam.

In demselben befanden sich im Jahre 1743 sieben Invaliden- Compagnien k 196 Mann (mit einem den Füsüier-Compcignien ähnlichen Chargenstande); eine achte Compagnie war damals zu errichten eben beabsichtigt.'') Die Officiere, deren Aufnahme und Eintheilung in die Compagnien von der zur Ueberwachung des Invalidenwesens eingesetzten Invaliden-Hof-Commission in Wien abhieng, genossen nebst der Unterkunft, Brod und Service nur noch einen bescheidenen Gehalt (der Hauptmann jährlich 200 fl., der Lieutenant 150 fl., der Fähnrich 100 fl.)*)> die Mannschcrft Wohnung,

1) K. A., H. K. E. 1743, Prot. Eeg. fol. 1670 (7. Aagust).

«) Ebenda, fol. 1648 (3. August).

*) Der böhmische Gbrist-Kanzler bezeichnete im Jahre 1739 deren Zahl „gering gerechnet" mit 16.000 Köpfen. (Hofk. Arch., Reichs- A., Fase 166, Deputat. -Prot., 1. September 1739.) Feldmarschall Khevenhüller meinte 1740, man solle die Invaliden nicht „müssig und zur allgemeinen Last und Beschwerde des Landmannes" liegen lassen. (K. A., Memoiren, VIII, ad 10.)

*) Instructions-Extract für den Invalidenhaus- Commandanten in Pesth vom Jahre 1743 im K. A., Kanzlei-Aichiv, IV, 14.

^) Auch ausserhalb des InvaUdenhauses wurden an besonders verdiente oder durch Verwundungen im Kriege undienstbar gewordene Officiere Pen- sionen ausbezahlt, worüber jedoch voq Fall zu Fall die Entscheidung des Monarchen eingeholt wurde.

Für Officierswittwen war schon unter Carl VI. ein Betrag von jährUch 45.000 fl. ausgeworfen, von welchem im Anfange des Jahres 1740 durch Todes- fälle 4350 fl. frei wurden. Der Kaiser verlieh dieselben und noch lOüO fl. darüber an 3 Wittwen von Genersden, 5 Wittwen von Stabs-Officieren, 10 Wittwen von Hauptleuten, 3 Wittwen von Lieutenanten und 5 Waisen eines Ober-Kriegs-Commissärs im Mindestbetrage von 100 fl. und im Höchstbetrage von 500 fl (Hofk. Arch., Hoffinanz, 15. Mai 1740.) Unter Maria Theresia

Digitized by

Google

471

Brod, Service, Montur Und eine tagliche Löknüng (der Feldwebel 9 kr., der Führer und Corporal 6 kr., der Tambour und Gefreite 4}/\ kr., der Gemeine 3 kr.) Die bei den Regimentern schon Ver- heü'atheten wurden mit Weib und Kind aufgenommen, Kjiaben aber nur bis zum 15., Mädchen bis zum 13. Lebensjahre erhalten. Nach dem Tode des Mannes musste das Weib mit den Eondem das Haus verlassen. Die Kranken wurden von Barmherzigen Brüdern behandelt; die Medicin gebührte unentgeltlich aus der Hausapotheke; für den täglichen Gottesdienst bestand eine Hauscapelle.

Die Invaliden durften sich zwar durch Ausübung etwaiger Handwerksfertigkeiten oder durch Betheiligung an der Bauarbeit des Hauses einen Nebenverdienst schaffen, büeben aber übrigens Soldaten und unterstanden den Kriegsartikeln imd dem Disciplinar- Strafrechte des Commandanten, welcher jedoch nicht das jus gladii besass und hinsichtlich der Disciplinarstrafen eine mildere Praxis, als bei den Regimentern zu beobachten hatte.

Alle Invaüden inner- und ausserhalb des Pesther Hauses waren verpflichtet, sich im Falle derNoth zu Besafczungsdiensten gebrauchen zu lassen; in solcher Verwendung findet man sie während des letzten Türkenkrieges und auch z. B. 1740 und 1741 standen In- validen in Glatz, Glogau, Brieg, Prag, Eger, im Salzkammergute in grösserer Anzahl.

Beim Ausbruche des zweiten schlesischen Krieges wurden aus dem Wiener Armenhause 90 Invaliden unter einem Hauptmann und einem Lieutenant nach Ungarisch-Hradisch geschickt (an Stelle der aufgelösten Frei-Compagnie), von wo sie erst nach dem 30. Juni 1746 zurückkehrten.^) In Erlau stand vor und nach 1740 als Besatzung eine von Pesth dependierende Invaliden-Compagnie unter einem Oberstwachtmeister und drei Oberofficieren, welche einen jährlichen Aufwand von 11.763 fl. 40 kr. verursachte.^) Auch in Gran waren Invaliden stationiert.

Die Kriegsgefangenen^ bedeuten zwar einen Verlust an kriegerischer Kraft des Gegners, wurden aber auch zugleich auf beiden Seiten als Last empfunden. Denn das Völkerrecht hatte schon längst den Punct überschritten, wo der gefangene Mann als

wurde es ebenso gehalten. Arneth (Maria Theresia, IV, 66) ist sonach mit der Behauptung, dass die 45.000 fl. für Wittwenpensionen unter Mari aTheresia zum erstenmal auftreten, im Irrthum.

») Hofk. Arch., Hoffinanz, 19. August 1744 und 3. Juli 1746.

•) K. A., M6moiren, VIII, 12.

■) Vergl. Kostka, Observationes militares (53. Artikel).

Digitized by

Google

472

Beutestück galt und schon seit geraumer Zeit pflegten sich auch die gegnerischen Parteien immer darüber abzufinden, einerseits, wie die beiderseitigen Gefangenen während ihrer Intemierung zu verpflegen seien, anderseits, dass sie nicht gegen ihren Willen zu Kriegs- diensten im feindlichen Heere gezwungen werden dürften. Mit letzterer Bedingung hat es namentlich König Friedrich 11. von Preussen, wie das Schicksal der 1744 in Prag gefangenen Oester- reicher beweist, nicht sehr genau genommen, obwohl sie ausdrückhch in dem zwischen seinen und MariaTheresia's Bevollmächtigten am 9. Juli 1741 zu Grottkau auf sechs Jalu'e abgeschlossenen CartelP) enthalten war. Aehnliche Verträge wurden zwischen Oesterreich und Frankreich in den Jahren 1742, 1743 und 1746 geschlossen^; auch mit Bayern imd Spanien müssen solche Cartelle vereinbart worden sein. Sie sind alle einander sehr ähnlich; in jedem derselben findet sich die Bestimmimg, dass in gewissen Terminen die beiderseitigen Gefangenen Kopf für Kopf und zwar mit Rücksicht auf Gleichheit oder Gleichwerthigkeit der Chargen ausgetauscht und dass, wenn hiebei auf der einen Seite sich ein Ueberschuss in den einzelnen Chargen oder in der Gesammtzahl ergab, jede Charge mit einem ge- wissen Geldbetrage ausgelöst, „ranzioniert" oder jede höhere Charge mit einer bestimmten Anzahl von Gemeinen ausgeglichen werden müsse; die Cartelle mit Frankreich gestatteten auch die Aus- wechselimg einer höheren Charge durch mehrere geringere derart, dass die Ranzionierungssumme des höheren Grades durch jene mehrerer niederen gedeckt wurde. Bei der Auswechselung musste die Ueberzahl der Gefangenen auf der einen Seite durch Geld auf der anderen Seite ausgeglichen werden. Feldgeistliche, ärztliches Personale j eder Art, Feld-Postbeamte, Feld- Apotheker, Soldaten weiber und deren Kinder wurden gegenseitig mittelst Passes kostenlos zurückgestellt. Aus den zahlreichen Tarifansätzen werden hier nur einige beispielsweise mitgetheilt. Es wurden gerechnet:

Im Vertrage mit

Preussen Frankreich

ein Feldmarschall . . . . för 3000 Mann od. 15.000 ii., für 15.000 fl.

Feldzeugmeister . . . 2000 10.000 6.000

General der Cavallerie 2000 10.000 10.000,,

Feldmarschall-Lieutnt. . 1000 5.000 5.000

») K. A. ; F. A. Schlesien 1741, XIII, 6140; Memoiren, XXIV, a ») Hof k. Arch., Hoffinanz, 22. April 1742. K. A , Kanzlei-Archiv, Militär- Systeme, Nr. 205; I., H. K. R 1745, V, 1.

Digitized by

Google

473

Im Vertrage mit Preussen Frankreich

ein General-Feldwacht-

meister fiir 300 Mann od. 1.500 fl., für 1.500 ii.

Oberst der Cavallerie u.

Artillerie 130 ., 650 700

,, Oberst der Infanterie . 130 ,, ,, 050 600 ,,

Rittmeister 16 ,, 80 ,, ,, 100

Hauptmann der Lif. u.

Artillerie 16 80 ,, 70

Lieutenant der Inf. . ., 6 ., 30 ,, ,, 24

Lieutenant der Cav. . ., 6 ,, ,, 30 ,, 40

gemeiner Reiter . . . 1 ,, 5 ,, 7 ,,

,, Gemeiner der Infanterie ,, 1 ,, 5 4

Trotz der ziemlich eingehenden Bestimmungen der Cartelle kam es vor, dass dem österreichischen Aerar der Rückersatz ein- zelner nicht vorhergesehener Auslagen (für Holz, Licht, Stroh, Monturen, Reinigung der Bettensorten u. dgl.) beim Gefangenen- Austausch verweigert wurde, wesshalb sich die Hofkammer 1743 sogar zur Drohung veranlasst sah, dass sie die Leistungen für die gegnerischen Gefangenen einstellen werde und für die unvermeidlich härtere Lage derselben die Verantwortung dennoch ablehnen müsse.') Um die kriegsgefangene Mannschaft zu veranlassen, sich aus der feindlichen Gefangenschaft selbst loszumachen, war es seit dem Ende des spanischen Erbfolgekrieges „Observanz" geworden, dass die Regimenter vom Aerar für jeden rückgekehrten Cürassier 30 ii., für jeden Dragoner 25 fl., für jeden Husaren 20 fl. und für jeden Unterofficier oder Gemeinen zu Fuss 10 fl. aus der Küegscasse ausbezahlt erhielten, wovon mindestens ein Drittel dem Manne unmittelbar zugute kommen musste.^)

Pferdewesen«

Aehnlich wie die Mannschafts-Ergänzung geschah auch die Pferde-Ergänzung theilweise durch die Regimenter selbst, theilweise durch die contractliche Fürsorge der Hofkammer, theilweise durch Naturalstellung der Länder, endlich auch theilweise durch die als

^) Hofk. Arch., Hoffinanz, 12. October 1748. Am 2. Januax 1744 wurde die Bancalität angewiesen, die fraglichen Auslagen wieder zu liquidieren. (Hofk. Arch., Ungarn, 2. Januar 1744.)

«) Hofk. Arch., Hoffinanz, 29. October 1744.

Digitized by

Google

474

Staatseigenthum geltenden, aber trotzdem öfter um Q-eld abgelösten Beutepferde.

"Während in früheren Zeiten gewöhnlich die Regimenter ihren Pferdestand gegen Empfang eines Durchschnittsbetrages für jedes Pferd durch Selbstankauf aufbrachten, lehnten denselben 1741 sowohl die Cavallerie, als auch die Feld-Artillerie ab und verlangten ausdrücklich den Ankauf durch die Hofkammer ^); kein Theil nahm gerne die Mühe und Verantwortung des schwierigen und damals dringenden Geschäftes auf sich. Den Regimentern war es übrigens, was bei der gewöhnlich im Rückstande befindlichen Soldzahlung nicht Wunder nehmen kann, wiederholt geschehen, dass sie far Ergänzungszwecke gewidmete Gelder zum Unterhalt verwenden mussten. Um sicher zu gehen, dass die Reiterei wirklich mit den nöthigen Pferden versehen werde, wurde nun an der contractUchen Beistellung der Pferde durch die Hofkammer festgehalten und Maria Theresia resolvierte einmal, nur einigen Regiments- Inhabem, „wo man sicher der Verwendung halber ist", das Geld zum Selbstankaufe ausfolgen zu lassen.^)

Die Pferde durften gewöhnlich nicht jünger als vier, für die Artillerie und das Fuhrwesen nicht jünger als fiinf und nicht älter als sieben, respective acht Jahre sein. Die Cürassier-Remonten mussten 16 Faust, die für die Dragoner 15 Faust hoch sein. Husaren- Pferde sollten annähernd denen der Dragoner gleichkommen. Die Zugpferde für die Artillerie und das Fuhrwesen wurden meist „dragonermässig" , zum Theile auch „cürassiermässig" gefordert. Hengste und trächtige Stuten waren von der Assentierung, welche durch einen Klriegs-Commissär in Gegenwart eines Reiter- Ofificiera vorzunehmen war, ausgeschlossen; ebenso Weissschimmel xmd Thiere mit gestutzten Ohren oder Schweifen. Bei den Husaren- Pferden wurden gewöhnlich alle Farben zugelassen.

Die zum grössten Theile jüdischen Pferdehändler mussten die zu liefern übernommenen Pferde, welche sie ausser dem Inlande auch aus der Moldau, aus Polen, aus verschiedenen deutschen Staaten, für die Cürjwsiere häufig sogar aus Dänemark bezogen, gezäumt und gesattelt und wenigstens vorne beschlagen zur Assen- tierung bringen. Die Preise waren je nach Umständen sehr ver- schieden; sie schwankten fiir ein Cürassier-Pferd zwischen 81 und 87 Gulden, für ein Dragoner-Pferd zwischen 65 und 74 Gulden,

») Hofk. Arch., Hoffinanz, 22. Juli 1741.

«) K. A., H. K. R. 1746, November, 495 Exp.

Digitized by

Google

476

für ein Husaren-Pferd zwischen 40 und 4B Q-ulden, fiir ein Fuhr- wesens-Pferd zwischen 57 und 65 Gulden, für ein Artillerie-Pferd zwischen 69 und 80 Gulden ').

Den deutschen Erblanden, denen jährlich nebst der Contribution und den Recruten meist auch die Lieferung einer Anzahl Pferde, theils in natura zu stellen, theils in Geld zu „redimieren", abver- langt („postuliert") wurde, ward im letzteren Falle gewöhnlich ein Cürassier-Pferd mit 90 Gulden, ein Dragoner-Pferd mit 75 Gulden und ein Husaren-Pferd mit 45 Gulden angerechnet*). Doch findet sich einmal für ein Cürassier-Pferd auch der Betrag von nur 777^ Gulden und für ein Dragoner-Pferd der von 62 Gulden 40 Kreuzer *). Anderseits bewilligten die Erblande 1745 zweimal die Zahlung von 100 Gulden für ein zu redimierendes Cürassier- und von 85 Gulden für ein Dragoner-Pferd^).

An Beutepferden wurden im Mai 1742 dem Husaren-Eegimente Beleznay 250 Stück (von Friedrich Dessau-Cürassieren) k 30 Gulden abgelöst und zur Bespannung der Feld- Artillerie, der Pontons und des Proviant-Fuhrwesens verwendet^). Aus der Niedrigkeit des Preises geht hervor, dgiss die Ablösung mehr den Charakter einer Belohnung und Aufinimterung hatte ^.

Sowohl vor, als nach dem Erbfolgekriege war es gebräuchlich, dass in Friedenszeiten die Reiter-Regimenter einen geringeren Pferde-, als Mannschafts-Stand besassen; der Unterschied betrug manchmal sogar die Hälfte, war aber stets am geringsten bei den Cürassieren, deren Pferde am schwersten zu beschafien waren.

Hobilisierang.

Einen im Frieden schon im Vorhinein ausgearbeiteten Mobili- sierungsplan gab es zu Maria Theresia's Zeiten noch nicht. Ein solcher reifte gewöhnlich erst mit dem eigenen Entschlüsse zu einem Kriege oder auf Grund von Meldungen der diplomatischen

*) Das Hofk. Arch., bewahrt sehr viele Contracte der Zeit auf (unter „Hoffinanz"; z. B. sub 19. Januar, 31. Juli 1741, 29. März 1742, 27. August 1743, 6. Januar, 12. und 17. März, 30. December 1744, 27. Januar, 11. Februar, 5. Mai, 12. und 22. November 1746, 16. December 1746, u. s. w.).

») Hofk. Aroh., Hofananz, 29. December 1743. K. A., Gab. A. 1746, X, 6.

») Hofk. Arch., HofOnanz, 22. October 1744.

*) Ebenda, 10. Januar und 27. November 1746.

») Ebenda, 26. Mai 1742.

^) Bei einem ähnlichen Anlasse im Jahre 1744 betonte Maria The- resia dies ausdrücklich. (K. A. ; F, A. Böhmen und am Bhein 1744, X, 40.)

Digitized by

Google

476

Vertreter im Auslande von einem drohenden feindlichen üeberfalle. Der wirkliche Beginn der Mobilisierung hieng aber im letzteren Falle auch noch davon ab, ob man den Warnungen der Diplomaten Bedeutung beimass oder nicht. Gerade in dieser Beziehung sind beim Regierungsantritte Maria Theresia's folgenschwere Irr- thümer zu verzeichnen.

Die MobiUsierung der österreichischen Armee hatte damals besondere Hemmnisse zu überwinden. Denn auf der einen Seite war sie an Mannschaft, Pferden, Montur und Rüstung in Folge eines unglücklichen Krieges sehr herabgekommen und befand sich in Folge der halb beschlossenen und theilweise begonnenen Re- ductionen des Jahres 1740 in sehr schwankenden Verhältnissen, welche durch den Tod des Kaisers und den bald erfolgenden feind- lichen Angriff noch imsicherer wurden, weil es gänzlich an einer energischen Leitung fehlte. Anderseits stand die Armee über weite Länderstrecken vertheilt, mit der Hauptmasse in Ungarn. Was dies bedeutete, geht, ganz abgesehen von den Wegverhältnissen in Schlesien und im nordwest-ungarischen Grebirgslande, daraus hervor, dass die Entfernung von Ofen bis Gross-Glogau, nur flüchtig gemessen, 75 Meilen, von Berlin aus ebendahin nur wenig über 25 Meilen beträgt^).

Nun war aber die Abrüstung nach dem Türkenkriege grössten- theils vollzogen, d. i. die Trainfuhrwerke der Truppen und deren Zugthiere verkauft 2), die nur im Felde erforderlichen Chargen des kleinen Stabes und der kleinen Prima-Plana entlassen, das Proviant- Fuhrwesen und die Rosspartei der Artillerie abgeschafft, das Per- sonale der Feld-Artülerie, des Proviant-Stabes, der Bäcker-Abthei- lungen, des Schiffbrückenstandea, der Feld-Spitäler etc. und das zugehörige Küegsmateriale verringert oder auch gänzlich ausser Stand gebracht worden und alles das musste jetzt neu angeworben, neu aufgestellt, neu angeschafft werden. Dazu gebrach es aber aller Orten an Geld, mit welchem die Regimenter und Branchen nur nach und nach in kleineren Raten, oft auch die Regimenter nicht einmal ganz, sondern nur bataillons- und sogar compagnie-

^) Vergl. Duncker, Die Invasion Schlesiens a. a. 0., S. 64.

*)„... allermassen diesen (Begimentem) das Fuhrwesen nach ge- endigtem Krieg zum Verkaufe überlassen und das darauf abgereichte Geld- quantum von alten Rückständen abzuschreiben gepflogen wird". (Hof k. Arch., Hoffinanz, 28. Juli 1741). Die Regimenter in Ungarn und dessen Neben landein durften den Train bis Ende April 1740 beibehalten. (K. A., H. K. R* 1739, Prot. Reg. foL 2026 October 28.)

Digitized by

Google

477

weise versehen wurden ^). Zu all' dem kamen noch die Schwierig- keiten, welche den gebräuchlichen Formen der Mannschafts- und Pferde-Ergän2sung und dem ganz decentralisierten Verwaltungs- Organismus des Staates anhafteten und welche überdies aus den mangelhaften Zuständen der militärischen Centralbehörden sich ab- leiteten. So wird es denn begreiflich, dass Feldzeugmeister Graf Neipperg noch Anfangs März 1741, also dritthalb Monate nach dem preussisohen Einfalle die beweglichsten Vorstellungen über den Zustand seiner Armee machen konnte. Da waren der Regimenter zu wenig, diese selbst aber weit unter dem Stande, nicht mit der Feldausrüstung versehen, der Proviant-Stab und das Proviant-Fuhrwesen erst in der Errichtung, in den Proviant-Maga- zinen noch viel zu wenig Vorrath, die Feld- Artillerie erst im lang- samen Anmärsche aus Böhmen auf dem "Wege über Mähren nach Schlesien, die Pontons aus Peterwardein noch weit unten in Ungarn, die in schlechtem Bauzustande befindlichen Festungen weder mit Besatzung, noch mit Artilleristen hinreichend versehen u. s. w.*) Fürwahr ein so trostloses Bild, dass auch eine starke Männerseele hätte verzweifeln können. Aber Maria Theresia verlor den Muth nicht; das Gottverfcrauen und der G-laube an ihr gutes Recht hielten sie aufrecht und sie, die junge, unerfahrene Frau, wusste die schlummernden Kräfte ihrer Länder zu wecken und in be- wunderungswürdiger "Weise nach und nach zur erfolgreichen Ver- theidigung in Bewegung zu setzen.

Die Verwaltung des Heeres. GeldbesehalTiiDg und Cassaweseii.

Die Geldbeschaflfting für alle Bedürfnisse des Heeres war Sache der Hof kammer ; sie wies alle erforderlichen Summen nach den Berechnungen des ihr in diesen Fragen untergebenen Küegs-Commis- sariates bei dem Militär-Zahlamte in Vitien oder bei den Provinzial- Oassen an; nur bei den Armeen im Felde besassen die Beamten des Kriegs-Commissariates ein beschränktes Anweisungsrecht ; dieses Verhältniss änderte sich erst, als das General-Kriegs-Commissariat zu einer selbstständigen Hofstelle erhoben wurde (1747).

Die vorzüglichsten Geldquellen waren die von der Regierung alljährlich an die einzelnen Ländern postulierten und von den

*) Das 'Al^es im Einzekien zu belegen, würde zu weit fuhren. *) K. A.; F. A. Schlesien, 1741, HI, 9.

Digitized by

Google

478

letzteren meistens nahezu in der geforderten Höhe bewilligten Contributionen. Diese betrugen beiläufig in Gulden^): von den Ländern itn Jahre 1740 im Jahre 1744

Böhmen 3,000.000 2,720.000

Mähren 1,000.000 9(K)-000

Sohlesien 2,000.000 180.000

Nieder-Oesterreich 900.000 900.000

Ober-Oesterreich 400.000 400.000

Steyermark 300.000 400.000

Kämthen 120.000 200.000

Krain 60.000 100.000

Görz 4.600 7.800

Gradisca 6.000

Tyrol 70.000 70.000

Vorder-Oesterreich . . . . . 65.000 65.000

Ungarn 2,462.193 2,462.193

Siebenbürgen 537.806 587.806

Temeser Banat 212.000 283,382

Slavonien 70.000 87.990

Militär-Ansiedlungen . . . 47.000

11,248.599 9,370.171

Diese Summen kamen aber nicht immer vollständig herein ; denn während einzelne Länder durch Mehrleistungen in einem Jahre sich das Recht erworben hatten, von der zu bewilligenden Contribution des folgenden Jahres einen Theil zurückzuhalten, blieben andere Länder mit der Contribution im Rückstande. So betrugen die „Retentionsposten'* der deutsch-böhmischen Erblande mit Ausschluss von Tyrol imd Vorder-Oesterreich im Jahre 1739 zusammen fast 3,324.000 Gulden*-^), während beispielsweise Ungarn mit Ende 1740 noch 1,168.250 Gulden an Contribution und Sub- sidien auf die letzten sechs Jahre nachträglich zu leisten hatte ^. Zudem waren auf die Contribution der meisten Länder schon lange vor ihrer Fälligkeit Schulden aufgenommen worden, welche sammt den Zinsen in Raten abgezahlt werden mussten. So z. B. entfielen im Jahre 1740 auf die Contribution der deutsch-böhmischen Erblande, ausser Tyrol und Vorder-Oesterreich, zusammen als Rückzahlungs- rate an Capital und Zinsen für „Anticipationen" 2,297.574 Gulden*).

>) K. A., M6moiren, VIII, ad 19.

«) Hofk. Arch., Eeichs-A,, Fase. 165, Deputat.-Prot. 6. November 1739

») Ebenda, Deputat.-Prot., 27. Mai 1740.

*) Ebenda, Hofönanz, 18. Mai 1740.

Digitized by

Google

479

Ueberdies musste in Folge der Kriegsereignisse auf die Contri- bution ganzer Länder verzichtet werden, so für 1745 auf jene von Böhmen, Schlesien und Vorder-Oesterreich. Unter diesen und noch verschiedenen andern, die Finanzlage des Staates auf das un- günstigste beeinflussenden Verhältnissen wird die unzureichende Bezahlung des Heeres, von welcher weiter oben einige Beispiele angeflihrt wurden, theilweise begreiflich.

Alljährlich wurde von der Hofkammer dem General-Kriegs- Commissariate die rechnungsmässige Summe bekannt gegeben, welche fiir die Heeresbedtirfoisse erübrigte; letzteres verfasste hierauf die „Militär-Repartition" des bevorstehenden (manchmal aber des schon begonnenen) Militär-Jahres, welches zwei Monate vor dem bürgerlichen, d. i. mit 1. November begann und um eben- soviel früher (mit Ende October) ablief. Die Reparation wurde von der Hofkammer, dem Commissariat und dem Hofkriegsrathe com- missionell behandelt und sodann vom Monarchen genehmigt. Hiemach flössen die Gelder nach den Dispositionen der Hof kammer in die Militär-Cassen in den Ländern oder in die Feld-Kriegs-Cassen ; von diesen, zuweilen aber auch von Landes -Gassen (in welchem Falle das Commissariat die Ueberrechnung vermitteln musste) kamen sie an die Truppen, Personen und Anstalten des Heeres.

Alle Posten, welche für die Armee verwendet wurden, sei es nun im Felde durch die Kriegs-Cassen, oder in den einzelnen Ländern, mussten rechnungsmässig in den nach bestimmten Detail- verfiigungen zu verfassenden Ausweisen der militärischen Central- und Haupt-Casse in Wien , des „Bancalitäts-Militär-Zahlamtes" erscheinen. Dieses unterstand durch die Bancalität der Hofkammer und hatte im Jahre 1740 einen Bancalitäts-Militär-Zahlmeister ziun Vorstande, welchem 1 Controlor, 1 Cassier, 2 Militär-Zahlamts- Officiere und 8 Militär-Zahlamts- Accessisten beigegeben waren ^). Deren Gehalte waren verhältnissmässig gering; der Zahlmeister bezog jährlich 1200 Gulden, der Controlor 800 Gulden, die anderen Cassa-Beamten zwischen 500 und 200 Gulden jährlich^). Neben dem Zahlamte bestand innerhalb der Bancalität als Controlstelle des ersteren die Militär-Buchhalterei (sieben Personen).

Mit Ende des Jahres 1744 wurde diese Casse imd Buch- halterei unter Direction des Freiherm von Wiesenhütter^)

>) Staats- Kalender etc. 1740.

«) Hofk. ATch., Hoffinanz, 6. Mai 1743.

•) Ueber diesen siehe A r n e t h, Maiia Theresia, IV, 81 ff.

Digitized by

Google

480

aus der Banoalität ausgeschieden und als „Milit&r-General-Casse" als selbstständige Stelle der Hofkeunmer direct untergeordnet^). Als Wiesenhütter nach zwei Jahren persönlich.Bankerott machte, gieng die Leitung des neu benannten „Kriegs - Zahlamtes" an den Kriegs-Zahlmeister von Schröder über ^ und unterstand ebenfalls directe der Hofkammer.

Von dieser erhielten auch die in den Provinzen stehenden Militär- (auch „Kriegs-") Gassen zu Prag, Breslau, Brunn, Linz, Graz, Innsbruck, Pressburg, Neusohl, Kaschau, Ofen, Grosswardein, Oedenbiurg, Esseg, Temesvir, Hermannstadt, Freiburg, Brüssel und Mailand, welche zum Theile an Provinzial-Cassen angelehnt waren, unmittelbar ihre Befehle, mussten aber auch mit dem Ejiegs-Zahl- Amte in Correspondenz bleiben.

Bei jeder grösseren Armee im Felde wurden Feld-, Kriegs- oder Operations-Cassen etabliert und gleichfalls von der Hofkammer dotiert.

Alle Cassenbeamten wurden von der letzteren aufgenommen; das blieb auch so, als mit der Erhebimg des General - Kjriegs- Commissariates zur Hof stelle sämmtliche Militär -Gassen gänzlich diesem neuen „Hofmittel" untergeordnet wurden.

Alle Militär - Gassen jeder Benennung imd jeden ßanges mussten ihre Rechnungen der obersten Gontrolbehörde, der bei der Hofkammer eingerichteten Hof-Kriegs-Buchhalterei ein- senden, welche die nöthigen Informationen von der Hofkammer und vom General-Kriegs-Gommissariate empfieng. Sie stand unter der Leitung des Hof-Kriegs-Buchhalters (Gehalt 3000 Gulden) und war in fünf Sectionen (Vormerkimgs-, Gassa-, Gonmiissariats-, Pro- viant- und Zeugs-Expedition) eingetheilt, deren jede unter einem Eechnungsrath (1500 Gulden) stand. Ihr Personale zählte im Jahre 1740 ausserdem noch 46 Köpfe imd wuchs bis 1747 auf 62 Köpfe an, welches aber nach Aufarbeitung der Rückstände wieder auf die ur8prüngly3he Ziffer reduciert werden sollte^.

Yerpflegang der. Trappen and deren Yerreebnnng.

Die Gebühren von Officier und Mann beruhten auf der Zu- erkennmig einer je nach dem Ghargengrade bemessenen Anzahl^ von „Mund- und Pferde-Portionen". Die Mund-Portion war bei der

*) Hofk. Arch., Hoffinanz, 12, December 1744, 16. Mai 1745, u. a. m.

2) Ebenda, IL October 1746.

») StBÄts-Kalender etc. 1740 ; Hofk. Arch,, Hoffinanz, 29. Januar 1747.

Digitized by

Google

481

Infanterie allgemein monatlich mit vier Gulden und nur für die gemeinen Grenadiere mit 472 Gulden bemessen; auch bei der Cavallerie und Artillerie bestand sie monatlich in vier Gulden, nur die obligate Mannschaft der Ctirassiere und Dragoner genoss eine solche von fünf Gulden; die Mannschaft der Carabinier- und Gre- nadier-Compagnien der Cavallerie hatte eine um einen halben Gulden höhere Mund-Portion als die der Ordinari-Compagnien. Die Pferde- Portion war ohne Ausnahme mit drei Gulden monatlich bemessen. Von dieser „ordonnanzmässigen" Gebühr mussten Officier und Mann sich und ihre Pferde erhalten. Die Durchftlhrung dieser Ver- pflichtung oblag den Regiments- und Compagnie-Commandanten. Den Of&cieren und den Personen des kleinen Stabes gebührte die „Gage" oder der „Monats-Sold" monatlich im Vorhinein. An normalen Ab- zügen gab es von der Mimd-Portion : neun Kreuzer für Regiments- unkosten*), einen Kreuzer für das Pesther Invalidenhaus. Der Mannschaft wurde die Mund-Portion von fünf zu fünf oder von zehn zu zehn Tagen als „Löhnung" verabfolgt; da aber (seit 1669) bei der Friedens-Einquartierung, ausser in Inner-Oesterreich, das Brod vom Quartierträger, in Festungen und im Felde meist durch das Proviant-Amt beigestellt wurde und aus naheliegenden Gründen die Beschaffimg von Bekleidung und Ausrüstimg von Truppen- körpem gewöhnlich durch contractliche Lieferungen veranlasst wurde, so erhielt der Mann statt der täglich auf jede Mund-Portion entfallenden acht Kreuzer entsprechend weniger. Je nach den Preisen des Brodes (im Stand- und "Winter-Quartier gewöhnlich zwei Kreuzer, im Felde einen Kreuzer für die Portion) und je nach dem Abschlüsse mehr oder minder günstiger Montuirslieferungs-Contracte musste also die tägliche Löhnung von Zeit zu Zeit schwanken; dieselbe wurde durch die Regimentsunkosten, den Invalidenkreuzer, eventuell durch das dem Compagnie - Feldscherer zu zahlende Beckengeld und häufig sogar, wenn wegen Ausbleiben der Bezahlung vom Aerar Gelder für das Regiment aufgenommen wurden, durch die Zinsenquote beeinfliisst *).

*) Das sind Auslagen für Monturs-Transportanslagen, für Zimmermanns^ Werkzeuge, für den Regiments- Agenten, Regiments-Tambour, Kanzleispesen und andere Ausgaben im Interesse des Regiments, für welche dasselbe ohne Beihilfe des Aerars in eigener Wirthschaft aufkommen musste. Heute gibt es dafür allerlei Pauschalien und directe Beistellung vom Aerar.

*) Nach Seckendorffs Aeusserungen aus dem Jahre 1739 (K. A., F. A. Türkenkrieg 1739, XTTT, 20 b) mussten manche Regimenter Gelder zu 12, 15 ja 20 imd selbst mehr Percenten aufnehmen.

Oesterreiohischer Erbfuls^ekrieg. I. Bd. 31

Digitized by

Google

482

Da übrigens die meisten Erblande dem Militär auf die Dauer der Einquartierung und des Durchmarsches in ihrem Bereiche den „Landesbeitrag", d. i. eine Zubesserung von einem Gulden bis zu einem Gulden dreissig Kreuzer bewilligten, weil sie nicht im Stande waren, die Lebensmittelpreise auf einem so niedrigen Satze zu er- halten, dass der Soldat mit dem auf die Hand erfolgten Theile der Löhnung leben konnte ^), so erhöhte sich hiedurch diese letztere wieder je nach Umständen. Das geschah auch manchmal durch besondere Zulagen ; so bewilligte z. B. Maria Theresia am 12. December 1744 der Armee des Prinzen Carl von Loth- ringen für die sechs "Wintermonate einen Zuschuss von drei Kreuzern auf jede Mund-Portion*). Die E[riegs-Commissäre hatten daher die Pflicht, bei den Musterungen und Revisionen besonders darauf zu achten, dass diese schwankenden Verhältnisse von den Officieren und den mit der Rechnung betrauten Individuen zu Ungunsten des Mannes nicht ausgebeutet wurden. Ln Allgemeinen lässt sich sagen, dass sonach in der Regel bei der Infanterie täglich an Löhnung ausbezahlt wurden: dem Feldwebel 15 bis 18 Kreuzer, dem Führer, Fourier und Corporal 10 bis 12 Kreuzer, dem Tambour, Fourierschützen und Gefreiten V/^ bis 9 Kreuzer, dem Gemeinen 5 bis 6V2 Kreuzer, oft auch weniger, als die niedrigere Ziffer angibt ^).

') Seckendorff berichtet (ebendaselbst), dass seit der vor ungefähr 100 Jahren geschehenen Bemessung der Soldgebühren die Preise allenthalben um die Hälfte gestiegen seien ; nun koste das Pfund Fleisch wenigstens drei Kreuzer, in manchen Garnisonen auch mehr; Wein oder Bier sechs bis acht und zehn Kreuzer. Gemüse sei oft gar nicht zu haben, dort aber, wo es vor- komme, wegen der Mauthen imd Aufschläge für den Soldaten nicht er- schwingUch ; dennoch sei die Löhnung (bei der Infanterie) die alte geblieben, nämlich drei Kreuzer per Mund-Portion, etc.

«) K. A., H. K. E. 1744, December, 212 Eeg.

') In einem Berichte des General-Kriegs- Commissariates aus dem De- cember 1741 heisst es : . . . obwohl man (d. i. das Commissariat) dafürhalte, dass sie (die Mannschaften) in denen mehristen Orten mit ihrer dermalen zu- geworfenen Gebühr wohl subsistieren werden, allermassen ganz was Neues ist, dem gemeinen Mann bei der Infanterie die hohe Löhnung ifünfKreuzer zu geben, da derselbe vorhin in Hungam nur drei Kreuzer und in den übrigen Ländern vier ICreuzer empfangen hat, wohin es auch wiederum wird gebracht werden müssen, wann die Regimenter sich von ihrem Gehalte montieren sollen und das Aerarium nicht immer ein so Grosses, wie bisher bei der Armee in Böheim und ItÄlien beschiehet, an dem Brod einbüssen will. . . ." (Hofk. Arch., Ungarn, 24. Januar 1742, Beilage). Vergl. auch Anmerkung 1.

Digitized by

Google

483

Wie das Brod, so wurde auch die Pferde-Portion entweder vom Lande, oder in Festungen und im Felde aus den äorarischen (Feld-) Proviant-Magazinen beigestellt. Der Mannschaft und im Kriege (wenigstens der Vorschrift gemäss) auch den Officieren, war es nicht gestattet, die Pferde-Portionen anders, als in natura und zwar nach der effectiven Anzahl der Pferde zu fassen; mit dieser Bestimmung wurde es aber hinsichtlich der Officiere und der kleinen Prima-Plana in der Praxis nicht besonders genau gehalten. Sowohl die einzelnen Provinzen, als das Feld-Proviant-Amt stellten Brod und Fourage grösstentheils durch contractliche Lieferungen sicher. Doch wurde, besonders in Kriegszeiten, Brod auch in eigener Regie gebacken (durch die den Proviant-Stäben beigegebenen Bäcker- Compagnien), die Fourage auch durch Handeinkauf beigeschaffb^). Zuweilen wurde den Ständen die Natural-Lieferung in die Feld- Proviant-Magazine aufgetragen und ihnen an der Geld-Contribution gutgeschrieben. Dasselbe geschah auch mit der in den Stand- quartieren den Truppen gereichten Verpflegung (Brod und Fourage).

Um die Beschaffung des Fleisches, anderer Lebensmittel und des Getränkes hatten sich in den Quartieren und Feldletgem die Truppen selbst zu bekümmern^; sie führten daher immer eine Anzahl Fleischhauer und Marketender mit sich, deren Waare man einerseits in regelmässigen Zeitintervallen visitierte und genau taxierte, denen aber anderseits auf Grund von Legitimations- Documenten auch eine weitgehende Befreiung von Mauthen, Ver- zehrungssteuem und derartigen Abgaben zugestanden wurde. Solche Begünstigungen genoss in der Nähe von Feldlagern überhaupt jedermann, der den Soldaten Lebensbedarf zum Kaufe anbieten

*) Das Hofk. Archiv bewalirt zahlreiche Kom-, Mehl- und Fourage- Artikel-Lieferungs-Contracte und auch auf den Handeinkauf bezügliche Docu- mente auf.

Eine Pferde-Portion in natura bestand täglich aus sechs Pfund Hafer, acht Pfand Heu und wöchentlich aus zwei bis drei Bünden Stroh (14 Pfund). Im Sommer trat nach Umständen die Grasfütterung ein.

*) Am 19. Januar 1743 schrieb Maria Theresia an Feldmarschall Khevenhüller: „und obwohl den Eegimentem obliegt, sich selbst je und allezeit mit Fleisch zu versehen, da ihnen eben der Ursachen willen die Marquetanter verstattet worden, so haben Wir jedoch in gnädigster Erwägung, dass die Begimenter dermalen ihren Marquetantem, vorgeblich mit keinen Anticipationen aus ihren Gassen auszuhelfen vermögen, hingegen Unserem höchsten Dienst imd der Conservation der Truppen allerdings daran gelegen ist, dass an Fleisch kein Abgang erscheine. Unserer Hofkammer bereits verordnet", dass den Khevenhüller unterstehenden Eegimentem Geld Vorschüsse gemacht werden sollen, (K. A., F. A. Bayern 1743, I, 38).

31*

Digitized by

Google

484

wollte. Nur selten sorgte der Staat selbst für den Zutrieb von Schlacht- vieh, am häufigsten nach Italien (aus Ungarn und Inner-Oesterreich).

Ausser Getge, Löhnung und Pferde-Portion hatte das Militär im Frieden und während der Winter-Quartiere noch Anspruch auf eine competenzmässige Unterkunft für Mann und Pferd; mit ersterer stand die Service-Gebühr in Zusammenhang. Edelsitze, Pfarrhöfe, Mauth- und Zollamtsgebäude, Schulen, Mühlen, Wirths- häuser und Meierhöfe waren von der Einquartierung befreit. Wo sich also noch keine Kasernen befanden (mit deren Bau im letzten Jahrzehnt Carl VI., besonders gegen die türkische Grenze zu, be- gonnen worden war) und ausserhalb der Festungen mussten Offi- ciere und Mannschaft bei Bürger und Bauer eingelegt werden. In Ungarn gebührten seit 1727: einem Obersten drei Zimmer für sich und zwei für sein Gefolge ; dem Oberstlieutenant und Oberstwacht- meister drei Zimmer für sich und eines für sein Gefolge; dem Hauptmann zwei, dem Lieutenant imd Fähnrich ein Zimmer für sich und je eines für das Gefolge ; dazu jedem dieser Officiere noch eine Kammer und Küche, dann die Stallung für soviele Pferde, als ihm ordonnanzmässig Pferde-Portionen zukamen ^). In den anderen Erblanden, wo ja die Quartierverhältnisse günstiger waren, als in Ungarn, dürfte wohl eine analoge Quartiersgebühr bestanden haben, doch wurde auf die jedem Kronlande eigenthümlichen Zustände billige Rücksicht genommen*).

Zum Service gehörten Beleuchtung, Heizmateriale und Liegestätte. Derlei Erfordernisse mussten sich die Gagisten selbst besorgen; in Ungarn war ihnen ein genau fixiertes Holzquantum in natura angewiesen, in den deutsch-böhmischen Ländern hin- gegen dafür häufig der „Landesbeitrag" zu den Officiers-Mund- Portionen etwas höher bemessen. Die Mannschaft hatte auf Service nur insoweit Anspruch, als der Quartierträger selbst damit versehen war und gemeinsam mit demselben.

Auf Märschen war die E tap en Verpflegung eingeführt; dieselbe wurde von allen Ländern (mit Ausnahme von Inner- Oesterreich und Schlesien, welche sich durch einen Pauschalerlag in die Kriegs-Casse loskauften) in natiura geliefert und den Ländern von ihrer Contribution abgerechnet und zw.ar in Tyrol die Mund- Portion mit dem Tiiink für zwölf Kreuzer, ohne den Tnmk für

^) Einquartierungs-Reglement für Ungarn vom 6. Mai 1745.

*) Wie z. B. das Marsch- und Verpflegs-Beglement vom 30. October 1736 für Steyermark beweist. Hier wurde das Militär schon seit 1710 nicht in die Dörfer und Bauernhöfe, sondern nur in die Städte und Märkte verlegt.

Digitized by

Google

485

zehn Kreuzer, in den anderen Ländern die Mund-Portion mit dem Trunk für sechs Kreuzer, ohne den Trunk für vier Kreuzer, ein Pfund Fleisch fiir zwei Kreuzer, eine Brod - Portion für zwei Kreuzer, eine Pferde-Portion fiir sechs Kreuzer; dieselben Beträge wurden von den Gebühren der marschierenden Truppe in Abzug gebracht, wenn sie nicht die Etapen auf der Stelle baar bezahlten. Eine Natural-Mimd-Portion bestand aus zwei Pfund Brod, einem Pfund Fleisch und einer Mass Bier (eventuell einer halben Mass Wein). Während aber die Pferde-Portion sowohl auf Märschen, als im Stand- quartier immer in demselben Ausmasse nach der ordonnanzmässigen Anzahl gebührte, bestand hinsichtlich der Zahl der Mund-Portionen auf Märschen der sogenannte „restringierte Fuss", wonach in natura nur verlangen durften: der Oberst 20, der Oberstlieutenant 10 (Reiterei 12), der Oberstwachtmeister 8, die Personen des kleinen Stabes je 2, der Profoss, der Pauker und Feldscherer-Geselle je 1, der Hauptmann (Rittmeister) 6, der Lieutenant (Oberlieutenant) 2V2, der Fähnrich (Comet, Unterlieutenant) 2, die kleine Prima-Plana der Reiterei je 2, der Reiter-Corporal ly^, die kleine Prima-Plana der Infanterie, dann die gesammte übrige Mannschaft zuFuss und zu Pferde je 1 Portion. Ein ähnlicher „restringierter Fuss" an Mund- portionen galt auch für die Artillerie und Specialbranchen,

An Landes-Vorspann gebührte auf Märschen ausser den schon beim Regiments-Train angegebenen Wagen noch solche für marschunfähige Leichtkranke und fiir einen kleinen Montursvorrath ; die Feld- und Land-Kriegs-Commissäre hatten die besondere Ver- pflichtung, darauf zu achten, dass nicht unter allerlei Vorwänden mehr, als die imbedingt erforderlichen Wagen angefordert wurden. Die Officiere mussten ihre Feldbagagen mittelst ihrer eigenen Pferde fortbringen lassen, doch stand es ihnen im Frieden frei, auf eigene Kosten Vorspann zu nehmen.

Da die Fuhrwerke in den einzelnen Ländern hinsichtlich üirer Tragfähigkeit sehr verschieden waren, so gab es über die Anzahl der gebührenden und wirklich erforderlichen Wagenanzahl oft Streit. Das Marsch-Reglement vom 28. December 1747 basierte daher die Vorspanngebühr auf das Gewicht und es blieb die Anzahl der Wagen festzusetzen dem Einvernehmen der Feld-Kriegs- und Land-Kriegs-Commissiäre überlassen. Kein Vorspannwagen war verpflichtet, schneller als im Schritt und weiter als einen Tage- marsch zu fahren; ein solcher betrug normal nicht weniger als zwei und nicht mehr als drei Meilen. Die Lifanterie rastete dabei jeden dritten, die Cavallerie jeden vierten Tag.

Digitized by

Google

486

Wo schiffbare Flüsse waren, sollten Bagage und Kranke auf Kosten der Kriegs-Casse zu Wasser befördert werden.

Die Anordnung der Truppenmärsche geschah durch den Hof- Kriegsrath, im Felde durch den commandierenden General. Das Küegs-Commissaiiat musste die Truppen vor dem Abmärsche revi- dieren und die constatierten effectiven Verpflegs-Stände den Land- Kriegs-Oommissären der betroffenen Länder rechtzeitig bekannt- geben. Diese letzteren wurden auch im Wege der betreffenden Hofkanzlei vom bevorstehenden Marsche verständigt. In einzelnen Ländern gab es für die Friedensmärsche im Voraus festgesetzte Marschrouten ; so giengen z. B. fast alle Märsche nach Italien durch das Drau-, Eisack- und Etsch-Thal ^) ; wo solche feste Marschlinien aber nicht bestanden und im Kriege, war bei Einhaltung des vor- geschriebenen Instanzenzuges in Anbetracht der bureaukratischen Langsamkeit*), demn der Post- imd Wegverhältnisse die Vor- bereitung von Truppenverschiebimgen im üfnlande eine sehr um- ständliche Sache, welche umso schwerfalliger wurde, wenn bei dem oft nothwendigen Durchmarsche durch fremde Territorien die Einwilligimg des Landesherm erwirkt werden musste. Während der Operationen mussten sich allerdings die zunächst betroffenen Civilbehörden mit der auf Befehl des Armee-Commandos ertheilten Verständigung eines Feld-Kriegs-Commissärs vorläufig zufiieden geben. Nach vollzogenem Marsche musste jeder Truppenkörper dem Kriegs-Commissär ein Marsch-Diarium einsenden, in welchem jede Gebühr und der hierauf erfolgte Empfang oder die verbliebene Schuldigkeit documentarisch belegt nachzuweisen war.

*) Wiederholt wurde der Seeweg von Triest in den Po, der mit Proviant- Transporten (freilich in steter Gefahr vor den spanisch -neapolitanischen Kriegs- schiffen) öfter eingeschlagen wurde, auch für Truppen-Transporte proponiert, ohne dass die Anregung wlQirend des Erhfolgekrieges zur Ausführung ge- kommen wäre.

•) Der Commandant des Feld -Artillerie- Haupt -Corpo, General-Feld- wachtmeister Fischer erklärte (d. d. Brandeis a. E. 21. Februar 1741) dem Feldmarschall Neipperg die Langsamkeit des Aufbruches der Artillerie nach Schlesien unter anderem damit, dass dieselbe nicht weiter marschieren könne, bis die Kreishauptleute für ihren Bereich die Weisungen der Landesbehörde empfangen hätten, „folghch die Miliz erst an der Gräniz erfahren kum, wie diese weiters von Station zu Station, also auch in Mähren, vorrücken kann". Ein specieller Grund für die Artillerie war, dass sie erst die Brücken und Wege recognoscieren lassen musste und zwar im vorliegenden Falle sowohl in der Eichtung nach Olmütz, als nach Glatz. (K. A., F. A. Schlesien, 1741, U, 26.)

Digitized by

Google

487

An besonderen Gebühren von Fall zu Fall wären zu erwähnen die „Anticipat-Monate" und die „Liefergelder".

Erstere wurden nach einem Berichte des Kriegs-Commissariates vom 15. August 1741 seit Anfang des Jahrhunderts ausgezahlt und umfassten gewöhnlich die dreimonatliche chargenmässige Gebühr (daher häufig die Eede von den „drei Anticipat-Monaten"). Sie wurde jenen Generalen und Stabspaxteien (als eine Art Feld- ausrüstungsbeitrag) ausgezahlt, welche am Anfaaag der Campagne in das Feld beordert wurden, ohne dass sie vorher eine charakter- mässige Gfibge oder ein adäquates Einkommen vom Aerar bezogen hatten. Wurden solche Personen im späteren Verlauf des Feldzuges in das Feld berufen, so erhielten sie keine „Anticipat-Monate", weU sie durch den bald folgenden Genuss der Winter-Quartiere ent- schädigt würden ^).

Die „Liefergelder" sind die für besondere Verwendung ausser- halb der ständigen Station gebührenden Taggelder (die heutigen „Diäten"). Sie betrugen *) :

für einen * bis Ende 1743

Feldmarsohall fl. 20.-

Feldzeugmeister (General d. Oavall.) Feldmarschall-Lieutenant . . General-Feldwachtmeister . . .

Oberst

Oberstlieutenant

Oberstwaohtmeister

Hauptmann

Lieutenant

Fähnrich

Stuck-Hauptmann

Stuck- Junker

Büchsenmeister

Ober-Kriegs-Commissär ....

Proviant-Commissär

u. s. w.

16.40,

13.20.

13.20

10.-

8.-

6.—

3.—

2.-

1.—

3.—

1.30.

—.30,

10.—

3.—

seit 1744

fl, 13.20,

11.07,

8.54,

8.54,

6,40,

5.20,

4.-,

2.-,

1.20,

1-,

?7 2. ,

L-

—.30,

6.4C,

2.—,

') K. A., H. K. R. 1741, August, 717 Exp. Hingegen werden jene „Anti- cipations-Monate", welche anlässlich der ständischen Recrutierung seitens der Länder für jeden assentierten Mann in der Höhe von zwölf Gulden (d. i. drei einmonatlichen Mund-Portionen) regelmässig bezahlt werden mussten, aus- drücklich als „Verpflegsgelder" bezeichnet, welche dem Officier, der die Re- cruten übernahm und zum Regimente führte, auszufolgen waren. (K. A., F. A. Marsch der k. k. Truppen in die Niederlande 1746, XI, ad 3).

«) Hofk. Arch., Hoffinanz, 30. Januar 1744.

Digitized by

Google

488

Es hat den Anschein, dass mit der Aufrechnung der „Liefer- gelder" ein grosser Missbrauch zu Ungunsten des Aerars getrieben wurde, wozu allerdings der Mangel hinreichend genauer Bestim- mu ngen über den Eintritt und die Dauer dieser Gebühr genügende Handhaben geboten haben mag. Musste doch die Hofkammer noch 1743 den Unterschied zwischen dem, was wir heute unter „vorüber- gehender*' und „dauernder Commandierung'* verstehen, statuieren und that es auch jetzt noch nicht mit der nöthigen Schärfe *).

Es wurde bereits erwähnt, dass im zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts in der kaiserlichen Armee der Versuch gemacht wurde, die Regimenter nach dem „completen Fuss" zu bezahlen und dass aus den, durch Abgänge in Ersparung kommenden Mimd- Portionen die Recrutierung ohne Zuschuss des Aerars bestritten werden sollte. Da aber in Folge der steten Geldnoth des Staates die Regimenter oft lange nicht bezahlt wurden, so war bald von einer Recrutierungs-Cassa nicht mehr die Rede und die Regimenter durften von Glück reden, wenn sie nur nach dem effectiven Stande bezahlt wurden. Die- Geldgebühren des Regiments wurden gegen Quittung des Obersten empfangen und unter Mitsperre der Stabs- Officiere in die Regiments - Cassa gelegt, aus welcher die Com- pagnien ihren Geldverlag erhielten. Die Gebahrung war lediglich Sache der Regimenter und der Staat nahm auf dieselbe nur insofeme Einfluss, als er es wegen Handhabung der Ordnung und Richtigkeit thun musste und soweit es nothwendig war, um wegen des jeweiligen Effectiv-Standes der Regimenter und wegen des ihm zustehenden Erbrechtes auf die Cassa-Guthabungen der im Dienste ohne Erben Verstorbenen oder wegen der in die Invaliden -Versorgung übertretenden Soldaten in Kenntniss zu sein. Die Eingaben der Regimenter beschränkten sich dabei Anfangs auf die Nachweisung

*) Hof k. Arch , Hofifinanz, 8. Januar 1743. Der Ober-Kriegs-Commissär Kitz in g bat 1744 um doppelte Gage, da er im Felde mit der einfachen nicht auskommen könne. Das General-Kriegs-Commissariat beantragte entweder die doppelte Gage oder die Zuerkennung der halbmonatlichen Liefergelder in der alten Höhe. K i t z i n g hätte hienach monatlich 264, beziehungsweise 282 Gulden bezogen. Maria Theresia resolvierte : ,,dass er (Kitzing) capable, ist ganz gewiss, aber auch so gewiss, dass er seiner gewiss nicht vergessen, dann (er) einer der Habilsten in dem ist. Die Liefergelder passiere Keinem mehr und hat das Commissariat sehr Unrecht gethan, ihren Leuten zuzulegen, dann sie schuldig, überall zu dienen, weil sie (während des Krieges) keinen stabilen Posto haben. Pro tempore accordiere die halbe Gage" (K. A., H. K. R 1744, November, 778 Exp.) Kitzing erhielt also nur 198 Gulden.

Digitized by

Google

489

des „Zuwachses" (Recruten, Reverfcierte, Transferierte) und des „Abganges'' (Verstorbene, Entlassene, Deserteure, Transferierte), weiter auf den Vergleich zwischen effectivem und completem Stand mit Specificierung der Conunandierten und Absenten. Ebenso kurz gehalten waren die Zahlungs- und Naturalien-Entwürfe. Die Com- pagnie-Cassabücher und die fiir die Musterung aus denselben ent- nommenen „Individual-Cassa-Extracte" enthielten für jeden Mann vom Hauptmann abwärts nur die Rubriken: Gebühr, Empfang, Forderung und Schuld im Rechnirngsjahre. Je nachdem der Staat mit der Soldzahlung über das letztere im Rückstande blieb und sich die Lage der Regimenter und ihrer Angehörigen verschlimmerte, kamen noch die beiden Rubriken der von Jahr zu J«Jir verbliebenen Forderungen und Schulden hinzu.

Das Jahr 1725 brachte eine neue „Ordnung, nach welcher die kaiserlichen Regimenter die Berechnungen einzurichten und zu pflegen haben" (vom 5. September), welche bis zum Jahre 1749 in Geltung blieb. Hienach musste im Regiments-Cassabuche in halb- jährigen Abschlüssen zu Ende der Monate April und October der Empfang als Rest bei der letzten Abrechnung, als seither auf die Anweisung der künftigen Gebühr wirklich „gefallenes" Geld, als Brod aus kaiserlichen Magazinen und eventuell als Etapen nach Mund- und Pferde-Portionen, beide letzteren in Geld berechnet, ausgewiesen werden. Die Ausgaben gliederten sich in die (bald verschwindende) Recrutierungs-Cassa und in die Empfaaige des Regiments-Stabes und der Compagnien. Letzter^ waren gesondert in Officierssold, Löhnung für Unterofficiere und Gemeine, Extra- gebühren, Betrag für erfolgte „grosse" (Röcke, Hosen, Camisole) und „kleine" Montur (Hemden, Hüte, Schuhe, Strümpfe), Betrag für das empfangene Brod und eventuell die genossenen Etapen u. s. w. Ein Auszug aus deu^ so geführten Cassabuch wurde als „summarische Cassa-Berechnung" bei jeder Mustenmg dem inspicierenden Kriegs- Commissär vorgelegt; dieselbe musste die Unterschrift der drei in solidum verantwortlichen Stabs-Of&ciere und die Gegenfertigung des Regiments-Quartiermeisters tragen.

Der Lidividual-Cassa-Extract der Compagnien, welcher gleich- falls von den Compagnie-Officieren gefertigt und vom Fourier „als Rechnungssteller contrasigniert" dem musternden Kriegs-Commissär zu producieren war, wies jetzt für jeden Mann der Compagnie vom Hauptmann abwärts aus: die Gebühr des betreffenden Semesters und daneben sub „Hierauf empfangen" : Monatssold, beziehungsweise Löhnung, Extragebühren, grosse und kleine Montur, Brod, Etapen,

Digitized by

Google

490

Regiments-Unkosten, Beckengeld, Invaüdenkreuzer, Interessen vom au%enommenen Geld und die Summe dieser Empfänge. „Diese Cassae-Extracten nun sind das Hauptwerk, so der Musterungs- Commissarius bei jeder Musterung ausfindig machen kann und solle, indem die mehristen Rechnungs-Irrungen und Streit aus dem ohnrichtig angesetzten Empfang entstehen, nachdem sie aber einmal ihre Richtigkeit haben, keiner Veränderung mehr unterliegen."^).

Den Regimentern wurden die Geld- und Natural-G^bühren auf Grund der monatlich in drei Parien (für den Hof-Kriegsrath, Commissariat und Hofkammer) einzusendenden „Stand- und Dienst- Tabelle", dann der Zahlungs- und Proviant-Entwürfe angewiesen. Erstere war sehr umfangreich und detailliert; sie schloss immer an den effectiven Stand der letzten Eingabe an, wies hierauf compagnie- weise den Zuwachs und Abgang und den sonach verbleibenden effectiven Stand und zwar in jedem einzelnen Chargengrade aus, woran sich die Specification der Absenten (commandiert, auf "Werbung, im Anmärsche, im Spitale) anschloss. Die Differenz zwischen dem Effectiv-Stande und den Absenten ergab den „Loco- Stand", welcher wieder chcurgenweise in Dienstbare und Undienstbare getheilt wurde. Den Schluss bildete der Vergleich des effectiven mit dem „completen" oder vorgeschriebenen Stand, woraus sich der Standesabgang ergab. Die Standestabelle wurde vom Wachtmeister- Lieutenant geführt imd vom Oberstwachtmeister imterschrieben. Die Standestabelle, der Löhnungs- und Proviant-Entwurf waren auch die wichtigsten Dcfcumente, welche die Compagnien dem Regiments- Commando monatlich einzusenden hatten. Für den innem Gebrauch derselben dienten die Monturs- und Gewehr-Berechnung und noch manche andere Vormerkungen.

Im Rechnungswesen waren seit der neigen Vorschrift vom Jahre 1725 zahlreiche Missbräuche eingeschlichen; die Truppen fanden die neue Verrechnungsweise gegenüber der alten zu compliciert. Obwohl es dem General-Kriegs-Commissariate erlaubt war, die für die richtige und rechtzeitige Vorlage der Monats-Acten verantwortlichen Commandanten mit zeitweiliger Gage-Suspension zu belegen, so blieben diese Rechnungs-Documente doch häufiger ausständig, als es durch die Kriegs- und die allgemeinen Verkehrs- verhältnisse zu rechtfertigen war. Hiedurch hob sich die controllierende

*) Vergleiche das Capitel General- Kriegs-Commissariat" und die «u demselben (im Anhange) raitgetheilte Mnsterungs-Instniction.

Digitized by

Google

491

Wirksamkeit des Kriegs-Commissariates in den ersten Jahren der Zeit Maria Theresia^s beinaJie von selbst auf und dies war nebst anderen bereits besprochenen Gründen eine der Haupt- ursachen zu einer gänzlichen Eeform des Commissariats und damit zu einer wieder in ihrö Eechte tretenden Controle der Truppen durch die Staatsgewalt. Bevor diese noch in Wirksamkeit trat, war auch jetzt noch eine der häufigsten Formen der Benachtheiligung des Aerars die Fälschung der Standes- und Verpflegseingaben durch Ansetzung einer höheren, als der wirklichen Standesziffer und durch die Empfangnahme der Gebühren für Verstorbene, welche als absent ausgewiesen wurden, oder fär die Absenten, deren ander- wärtige Verpflegung am Orte ihrer Dienstesverwendung man gleich- wohl einzuleiten ^^sste,^) Die Acten erheben nur selten Anklagen gegen bestimmte Personen oder Chargengrade, am meisten noch, aber auch hier in unbestimmter Form, gegen die rechnunglegenden Quartiermeister und Fouriere; doch ist leider nicht zu verkennen, dass manchmal selbst Officiere an der Unlauterkeit betheiligt waren. Diese kam übrigens häufiger und bis in die höchsten Stellen hinauf in der Civilverwaltung vor.

Die Grenzer.*)

Die Geschichte der Militär-Grenze hängt enge zusammen mit den Türkenkämpfen. Diese hörten trotz der verschiedenen Friedens- schlüsse doch eigentlich nie ganz auf, weil sich die türkischen Befehlshaber an den Grenzen häufig unvermuthete und verwüstende Einfalle in kaiserliches Gebiet erlaubten; diese führten fast mit J^othwendigkeit in den betreffenden Gemeinden zur Organisierung von landmilizartigen Formationen, als deren Kern mit Geschick jene slavischen Christen (meist nichtunierten Glaubens) verwendet

*) K. A., F. A. Böhmen und Ober-Rhein 1744, XTTT, 26 c. (Kgl. Rescript, 26. Mai 1744 an Traun.) Vergl. Feldz. d. Pr. E u g e n, I, 287. Bis zum Jahre L660 -war die Einstellung „blinder Leute" in den Listen gesetzlich erlaubt. Dieser später trotz der schärfsten Verbote dennoch geübte Unfug wurde inter Carl VI. durch den Versuch der Bezahlung nach dem completen Stande vegen Bildung der Recrutierungscassa zu neuem Leben gerufen. Das Ein- chieben eines „Strohmannes" in die Reihen der obligaten Mannschaft bei der fliisterung wurde indessen an dem schuldigen Officier mit der Cassierung nd der Strafe des Meineides geahndet.

•) Vaniöek, Specialgeschichte der Militär-Grenze, 4 Bände. Schwicker, 'escldchte der österr. Militär-Grenze. Vergl. Hub er, Geschichte Oesterreiohs V^, 866 fP., 870 (mit Anm. 4) und 394.

Digitized by

Google

492

wurden, welche, vor dem Halbmond fliehend, sich unter des Kaisers Schutz begaben. Sie wurden in den, eben in Folge der fortgesetzten räuberischen Einfälle dünnbevölkerten Grenzgebieten angesiedelt und übernahmen gegen Belehnung mit Grund und Sold nach Mass- gabe bestimmter Abmachungen die Pflicht ieiner beständigen Kriegs- bereitschaft und der ersten Vertheidigung gegen die verhassten Osmanen. Die angrenzenden Erblande förderten in ihrem eigensten Interesse diese Bemühungen und so finden sich am Anfange des XVlLL. Jahrhunderts bereits die Grenzgebiete des Warasdiner und CarlstädterGeneralats in ziemlich festen Organisations- formen. Erstere wurden von den steyerischen, letztere von den anderen innerösterreichischen Ständen mit den nöthigen Geldern versehen. Mit dem Beginne des Jahrhunderts bildete sich unter der Einwirkung der croatischen Stände und unter der Leitung des Banus auch die Banal-Grenze (zwischen Kulpa und Unna) heraus.

Während des grossen Kampfes, welcher unter der Führung Carl's von Lothringen, Ludwig's von Baden und Eugen's von Savoyen den Halbmond bis an die Save, die untere Donau, Theiss und Marosch zurückdrängte, war neuerdings . eine grosse Anzahl christlicher Familien aus Serbien und Bosnien auf kaiserliches Gebiet übergetreten und da es der Friede von Carlowitz nicht möglich machte, sie in ihre Heimath wieder zurück- zuführen, so blieben sie definitiv in den Gebieten zwischen Dran und Save, zwischen Donau und Theiss und an der Marosch, wo sie zuerst nur vorübergehend waren angesiedelt worden und zwar gemäss der ihnen schon bei der Einwanderung gemachten Zu- geständnisse mit einer ausgedehnten politischen und religiösen Autonomie. Gegen die Verleihung von Grund und Boden und gegen Ueberlassung gewisser Nutzniessungen an Wiese und "Wald ver- pflichteten sich auch in Slavonien, an der Donau, Theiss und Marosch die neuen Ansiedler zu einem beständigen Grenzdienste behufs Abwehr feindlichen Ueberfalles, sei es nun von Seite der Türken oder von Eäubem, aber auch zur Verhinderung von Schmuggel und von Verschleppung ansteckender Krankheiten. Ihre erste Organisierung stammt von den kaiserlichen Conmiissären Grafen L a m b e r g und Freiherm von Schlichtin g. Diese Grenzer zerfielen in die eigentliche Land-Miliz und in das Tschardakenvolk, welch' letzteres in je eine halbe Stunde von einander entfernten Wachhäusem (Tschardaken) oder Schanzen längs der ganzen Grenze bis nach Siebenbürgen hin eine Postenkette bildete. Dass die unter

Digit-ized by

Google

493

Militär-Jurisdiction stehenden „Raizen" (Serben) noch nicht örtlich von den anderen Unterthanen getrennt waren, gab allseitig Anlass zu häufigen Conflicten sowohl zwischen den Behörden, als auch den Bewohnern der Grenzgebiete und bildete nebst den Q-renz- verschiebungen durch den Frieden von Passarowitz und Belgrad den Ausgangspunct der nächsten Reformen.

Solche hatten sich auch in Folge der unzureichenden inneren Einrichtungen der Grenzverwaltung, der Zwiespältigkeit der Ad- ministration, der Willkür der Oflficiere und Beamten, der Ver- schiedenheit des religiösen Bekenntnisses zwischen den meist kathoUschen Croaten und den vorzugsweise orthodoxen Serben, endlich der Ungebimdenheit der Grenzer selbst in den alten Grmiz- Districten als nothwendig herausgestellt. Zu Reformen drängte hier auch die Lässigkeit der innerösterreichischen Stände in der Geld- zahlung, welche mit dem Schwinden der unmittelbaren Türken- gefahr immer unregelmässiger wurde und die wichtigste Ursache einerseits der Bedrückung der Grenzer durch ihre Officiere, ander- seits des öconomischen Nothstandes der ersteren war. Eine^ Neu- regelimg der Beitragsleistung der Steyermark für das "Warasdiner Generalat und der Soldverhältnisse in demselben durch den Grafen Cordova (1732— 1734) erwies sich als undurchfiihrbar. Wie hier die Geldfrage, so gab im Carlstädter Generalate nebstdem auch noch die Gerechtigkeitspflege Anlass zu aufständischen Bewegungen, welche nur mühsam niedergehalten werden konnten.

Zur Neueinrichtung des Warasdiner Generalates wurde endlich 1736 Feldzeugmeister Prinz JosephFriedrich von Sachsen-Hildburghausen designiert, welcher in den Grenzern ,einen Schatz des kaiserlichen Hofes, der sich weder erkaufen, noch nit Geld bezahlen Hesse", erkannte und auch wohl erwog, dass lieselben „mehr aus Vaterlandsliebe, als aus Furcht an ihre Fahnen gebunden seien, nie zum Feinde übergehen", immer vollzählig eien und dem Staate alle Recrutierungs- Auslagen ersparten. Daher rat er auch trotz des wiederholten Verlangens der croatischen und ngarischen Stände nach Reincorporierung der schon längst nicht lelir eigentliches Grenzgebiet bildenden Territorien des Warasdiner eneralats für dessen Erhaltung ein. Er schlug vor, die bisher in opreinitz und Petrinja zur Zähmung der empörungslustigen Grenzer it erhaltenen, aber mit der zunehmenden Seelenzahl derselben ihrem ;vecke nicht mehr entsprechenden vier „deutschen Compagnien" j. 1 OO Mann) aufzulösen, bei den Warasdinern selbst eine strenge 'iegsdisciplin einzuführen, sie zum Dienste im Felde auch

Digitized by

Google

494

ausserhalb des Landes zu verpflichten, übrigens in dem neuen Grenz- statute die Eigenthümlichkeiten des Volkes klug zu schonen und dem militärischen Endzwecke dienstbar zu machen. Die Statuten fanden die Billigung des Kaisers und der Grenz-Miliz, welche sie am 26. Januar 1737 zu Kreutz beschwor. Sie enthielten eingehende Bestinmiungen über die Magistrate, die Gerichte, den Grundbesitz, die privaten und öffentlichen Vergehen, über Mass und Gewicht, die öffentliche Sicherheitspolizei, endlich über das Kriegswesen. Letztere verpflichteten alle diensttauglichen männlichen Grenzer jederzeit und überall zum persönlichen Kriegsdienste und unter- stellte sie der Militär-Jurisdiction, eximierte sie von der Gewalt der Knesen (Ortsrichter) und unterordnete sie ganz den Wojwoden (in jeder Gemeinde oder „Haramie" einer), durch diese den Capi- tanaten (Hauptmannsohaften) und dem General-Amts-Verwalter, welcher selbst durch den General-Obersten (und die Grazer Kriegs- Stelle) dem Hof-Kriegsrathe untergeordnet war. Jeder Grenzer vom 18. Lebensjahre aufwärts, ob Officier oder Gemeiner, musste sich auf das Alarmzeichen oder auf Befehl zum Ausmarsche in's Feld unter seinem Commandanten auf den bestimmten Sammelplatz begeben und jeder kriegerischen Verwendung gewärtig sein. Zu seinen Diensten gehörten auch unentgeltliche Hilfe bei Militär- Transporten, bei Befestigungen aller Art und bei Herstellung von Verhauen zum Schutze gegen die ersten Angriffe des Feindes.

Gleichzeitig formierte Prinz Sachsen-Hildburghausen aus den Warasdinem zwei Grenz-Lifanterie-Regimenter zu je 4000 Mann (vier Bataillone von je fünf Compagnien zu 200 Mann) und fiinf Husaren-Compagnien zu 100 Mann. Einschliesslich 34 Artilleristen hatte hiemach das Warasdiner Generalat 8534 Mann Soldaten zu stellen, von denen die Hälfte zum Ausmarsche in's Feld bestimmt war und nicht früher zurückkehren sollte, als bis die andere ab- lösende Hälfte eintraf. Zwar scheiterte die Durchführung der Reform Hildburghause n's für diesmal an dem Ausbruche des Türkenkrieges und vorzüglich an dem Widerstände der inner- österreichischen Stände, welche nach dem neuen Werke zu einer höheren Geldleistung sich hätten verstehen müssen. Aber die Warasdiner nahmen bereits nach der neuen tactischen Eintheilung an dem Türkenkriege theil *). Nachdem 1742 mit den steyrischen

*) In den ersten Jahren des Erbfolgekrieges erschienen hie und da auch Warasdiner Compagnien nur zu 150 Mann, 1744 Hessen sie sich bewegen, ein ganzes Jahr im Felde zu bleiben. (Hofk, A., Hoffinanz 14. Januar, 13. Juni 1742. K. A., H. K. R. 1744, Mai, 569 Reg.)

Digitized by

Google

496

Ständen die jährliche Beitragsquote für das windische Generalat auf 120.190 Gulden vereinbart und Hildburghausen An- fangs 1744 als Militär-Ober-Director für Inner-Oesterreich bestellt worden war, brachte der mittlerweile zum Feldmarschall ernannte Prinz endlich im September des Jahres 1745 das schon vor acht Jahren entworfene Eeorganisations-Project nach geringem Widerstände der Warasdiner selbst zur Ausführung. Seit dieser Zeit gab es also zwei Warasdiner Grenz-Eegimenter und fünf Warasdiner Husaren-Compagnien ; erstere wurden 1749 territorial getrennt und existierten hernach als Kreutzer und St. Georger Grenz-Infanterie-Regim enter bis fast in unsere Tage fort; letztere wurden gleichzeitig auf zwei Compagnien reduciert.

Die Husaren waren durchwegs besoldet und zwar erhielten sie

den Sold theils in Baarem, theils in Grundbesitz, hatten sich aber

selbst zu bekleiden, auszurüsten und beritten zu machen, auch sich

und ihre Pferde selbst zu erhalten. Beim Fussvolke erhielten nur

die Officiere und in jeder Wojwodschafb zwölf Gefreite Sold; die

übrigen mussten für die erhaltenen Grundstücke dienen. Nach der

Vereinbarung vom Jahre 1742 mit den steyerischen Ständen wurden

monatlich unter Anderem ausgeworfen : dem Obersten und Regiments-

Commandanten 375 Gulden, dem Oberstlieutenant 333 Gulden

20 Kreuzer, dem Oberstwachtmeister 250 Gulden 20 Kreuzer; bei

den Husaren: dem Oberstlieutenant 166 Gulden 40 Ej:euzer, dem

Rittmeister 50 Gulden, dem Lieutenant 20 Gulden, dem Comet

15 Gulden, dem Wachtmeister 9 Gulden, dem Corporal 6 Gulden,

dem Gemeinen 4 Gulden; bei den Infanterie-Compagnien : dem

CapitaixL 18 Gulden, dem Lieutenant 12 Giilden, dem Fähnrich

10 Gulden, dem Feldwebel 6 Gulden, dem Corporal 3 Gulden

30 Klreuzer, dem besoldeten Gemeinen (Gefreiten) 3 Gulden. Die

Compagnie-Officiere standen nebst dem Sold noch im Nutzgenusse

von Grundstücken. ^)

Im Felde erhielten die Grenzer die Bezahlung wie die deutschen rruppen derart, dass von denselben jene Gebühren, welche sie lus ihrem Generalate bezogen, abgerechnet wurden.^) Die Feld- •equisiten, die Zelt- und Proviantwagen stellte das Aerar bei. läufig wurden fehlende Waffen aus den königlichen Zeughäusern

*) Die Gebühren aller Chargen der Regimenter und des Grenzstabes zehe bei Vaniöek, I, 465 ff.

«) Hofk. A., Hoffinanz, 27. September 1743. K. A., H. K. R. 1744, Mai, f59 ßeg. Die bei VaniÖek, I, 479 angegebenen Gebührensätze galten idenfalls nur für die slavonischen Grenzer.

Digitized by

Google

496

ergänzt. Auch in der Bekleidung musste das Aerar öfters helfend eingreifen. ^)

Schwieriger gestaltete sich die Reform im Oarlstädter Generalate und sie wäre wohl nicht so rasch durchgeführt worden, wenn nicht die Regierung mit energischem Griflte die die Privat-Interessen der kämthnerischen und krainerischen Stände und der verschiedenen Grenz-Commandanten am meisten stützende inner- österreichische Kriegs-Stelle durch den Prinzen von Sachsen-Hild- burghausen ersetzt hätte.*) Die Stände von Kämthen hatten bisher für die Erhaltung des Carlstädter öeneralates jährKch 86.566 Gulden, die von Krain (speoiell für die „Meergrenze") 44.052 Gulden beigesteuert. Die Ref orm vorschlage H i 1 d b u r g- hausen's bedingten nicht nur eine erhebliche Herabminderung der Rechte und Einkünfte der einzelnen, vielfach aus dem Adel der beitragleistenden Erblande stammenden Grenz-Commandanten, sondern forderten von den beiden Ländern auch eine bedeutend höhere jährliche Zahlung (270.576 Gnlden); doch konnten von Kämthen nur 80.000 Gulden, von Krain nur 53.000 Gulden erlangt werden; der Mehrbedarf musste von der Hofkammer getragen werden. So kam trotz des von einzelnen geschädigten Officieren im Geheimen angeregten kurzen Aufruhrs zufolge der Entschliessung Maria Theresia's vom 28. December 1745, also bald nach der in demselben Jahre neu erfolgten Publication der Warasdiner Statuten auch im croatischen Generalate die Reorganisation zu Stande, bei welchem Anlasse auch das „deutsche Fähnlein" in Carlstadt (255 Mann) der Auflösrmg anheimfiel. Die Carlstädter Grenzer, welche schon 1735 in Compagnien von 200 Mann zu Fuss im Felde gedient hatten und auch im österreichischen Erbfolge- krieg in Compagnien derselben Stärke^, wie auch stets mit mehreren Husaren-Compagnien erscheinen, wurden darnach seit dem Jahre 1746 in vier Infanterie-Regimenter und acht Husaren- Compagnien zu 100 Mann eingetheilt. Das Regiment Guicciardi (nachher das „Likaner Grenz-Infanterie-Regiment") mit 8980 Dienst- baren zwischen 16 und 60 Lebensjahren wurde in sechs Bataillone,

*) So worden 1742 beim Wiener bürgerlichen Handelsmanne Steck- holz er 2740 rothe Mäntel mit Kapuzen zu 25 Gulden angefertigt. (Hofk. A^ Hoffinanz, 17. Februar und 18. April 1742.) Auch die Feldrequisiten wurden durch die Privat-Industrie beigestellt.

*) Siehe das Capitel „General-Commanden".

») Z. B. laut Hofk. Arch., Hoffinanz, 13. und 15. Juni 1742, 3. No- vember 1744.

Digitized by

Google

497

die Regimenter Herberstein (nachher ,,Otocaner Grenz-Infanterie- Regiment"), Dillis (nachher „Oguliner Grenz-Infanterie-ßegiment") und Petazzi (nachher „Sluiner Grenz-Infanterie-Regiment") mit 5014, respective 4801 und 5215 Dienstbaren wurden in je vier Bataillone eingetheilt. ^) Jedes der letzteren hatte vier Compagnien zu 240 Mann (darunter 4 Officiere, 8 Corporale, 16 Gefreite und 203 Gemeine). *) Die Carlstädter zählten sonach 17.280 Mann zu Fuss und 800 Mann zu Pferde, welche Anfangs wie die Warasdiner zur Hälfte in's Feld rücken sollten ; bald aber wurde der Ausmarsch in drei Gruppen eingeführt.

Die normierten Gebühren waren den abweichenden Besitz- verhältnissen entsprechend andere, als im windischen Generalat; es erhielten beispielsweise monatlich: der Oberst 200 Gulden, der Oberstlieutenant 150 Gulden, der Oberstwachtmeister 83 Gulden 20 Kreuzer; bei der Infanterie: der eingeborene Hauptmann 20 Gulden, der Oberlieutenant 12 Gulden, der Unterlieutenant 11 Gulden, der Fähnrich 10 Gulden, Fremde dieser vier Chargen aber das Doppelte ; der Feldwebel 5 Gulden, der Corporal 3 Gulden, der Gemeine 2 Gulden 18 Kreuzer; bei den Husaren: der Oberst- lieutenant 150 Gulden, der Rittmeister 40 Gulden, der Lieutenant 18 Gulden, der Comet 14 Gulden, der Wachtmeister 8 Gulden, der Corporal 5 Gulden, die Hälfte der Gemeinen 3 Gulden 30 Kreuzer, die andere Hälfte 2 Gulden. ^ Die Unterofficiere der Infanterie erhielten monatlich an Montursbeitrag 30 Kreuzer, die Gemeinen 18 Kreuzer, die Husaren-Mannschaft durchwegs 30 Kreuzer.

Bezüglich der Gebühren im Felde, dann der Feld-Requisiten und des Trains, auch hinsichtlich der Ergänzung der oft mangel- haften Bewaffnimg gilt das für die Warasdiner Gesagte.

Die Banal-Grenze, deren Commandant der Ban von Croatien war und deren Kosten die Stände dieses Landes trugen, war vermöge ihrer ungeordneten Verhältnisse (welche übrigens denen der Save-Grenze ähneln) für den Feldkrieg nur mit geringen Contingenten heranzuziehen. Die „Banal-Croaten" oder „Banalisten",

*) Die Oberste, nach welchen die Kegimenter benannt wurden, be- sassen weder das jus gladii, noch das Recht der Officiersbeförderung.

«) Hofk. Arch., Hoffinanz, 17. August 1746.

') Die Gebühren aller Chargen der Truppen und des Grenz-Stabes bei Vanißek, I, 494 ff.

Oesterraiohisoher Erbfolgekrieg. I. Bd. 32

Digitized by

Google

40B

auch „banatische Croaten" genannt, rückten wahrscheinlieli in Compagnien von 200 Mann zu Fuss und 100 Mann zu Pferd in das Feld. ^) Im Generalate selbst waren 200 Mann zu Fuss mi 300 Husaren besoldet. Die hier seit 1597 angesiedelten Serien erhielten Grundstücke statt des Soldes. Trotz eines im Jahre 1128 erschienenen Reglements kam es zu keiner stabilen OrdnuDgin der Banal-Grenze, bis an die Bildung der Banal-Regimenter ge- schritten wurde, was aber erst 1749 geschah.

In der Save-Grenze hatte das Reglement des Grafen O'Dvyet vom Jahre 1727 die Verhältnisse wenig zu bessern vermocht. Xact den Reformen des Grafen Ludwig Andreas Khe venhüller. welcher 1733 an die Spitze des slavonischen Generalaks ffat wurden die Grenzer schliesslich getheilt in 3112 Mann zu Fns^ (Hajduken) und 667 Husaren für den Felddienst, in 7392 Hajdnkei und 1286 Husaren zur Landesvertheidigung und 2561 Mann zum Landbau. *) Das kaiserliche Patent vom 8. Februar 1735 verpflicktfitt sie zum Dienste auch ausserhalb ihres Landes und sichert« ihnen die Belassung als ,,Militares'* zu. Im Frieden mussten sie neben öei Landesbewachung (Tschardakendienst) auch Gamisonsdienste urni Roboten bei Befestigungsarbeiten leisten, sich selbst und ite Officiere von ihren Bodenerträgnissen erhalten und sich die R- waöhung und Bekleidimg selbst verschaffen.

Während und nach dem letzten Türkenkriege entwickelte sd aus der Einwandenmg von Serben („Servianem") aus dem biski österreichischen Serbien, dann der Clementiner und Albanesen aiy der Türkei ') die syrmische Grenze (längs der Save). Erster* waren im November 1740 571 Mann (worunter 154 zu Pferde. letztere 419 Mann (worunter 367 zu Pferde) stark. ^

>) Hofk. Arch., Hoffinanz, 7. September 1744 (CoinmissariÄtischer Ent- wurf vom 25. April). Im Jahre 1741 standen 2000 Mann zu Fuss und 400 Mm zu Pferde beim Corps Batthyany in Bayern und Böhmen.

*) Es ist zu beachten, dass damals die Save-Grenze auch die durch «fe^ Frieden von Passarowitz gewonnenen Landstriche südlich der Sare xunhs^ Die Eintheilung in die obere (Gradiscaner), mittlere (Broder) mid untcfi (Racaner) Save-Grenze blieb „nach wie vor" bestehen.

') Langer, Nord- Albaniens und der Hercegowina Ünterwertog^ Anerbieten an Gestenreich 1737—1739. (Archiv für österreichische Gesciäd^^ LXn, 1880.)

*) K. A., H. K. R 1740, August, 909 Exp. (Beüage „Status der Naüo^- Miliz etc.")

Digitized by

Google

499

Damals bestand auch schon die Donau-Grrenze (zwischen Sid undPeterwardein), welche wenige Jahre später 1307 Familien zählte. Diesen Gebieten an der Save und Donau standen zur Zeit des Eegierungs- Antrittes MariaTheresia's grosse Veränderungen bevor. Aufständische Bewegungen, der Türkenkrieg, die Pest, der stete Wechsel im slavonischen General-Commando (von welchem Khevenhüller durch die Kriegs-Ereignisse seit 1735 wiederholt abberufen wurde), das unglückliche Eingreifen verschiedener, mit Khevenhüller's Plänen nicht einverstandener Hof-Commissionen, das Streben der Privatherrschaften, die unter den Provinzialen zer- streuten Militär-Grenzer zu Robotbauem herabzudrücken, dazu die durch Soldrückstände und durch die in Folge mangelhafter Be- bauung des Bodens veranlasste Noth, wie nicht minder die eigen- mächtigen Bedrückungen der Grenzer durch ihre Officiere hatten unhaltbare Verhältnisse geschaffen, deren Regelung Kheven- hüller 1740 dringend forderte. Eine solche war übrigens auch wegen des Verlustes von Belgrad, welcher der Grenz-Lastitution an der Save erhöhte Wichtigkeit verlieh und vor Allem wegen der Zusagen Maria Theresia^s im 18. Gesetz-Articel der Press- burger Landtags-Beschlüsse dringend geboten. Sie erfolgte in Ausführung des königlichen Rescriptes vom 30. October 1743 ^) dahin, dass Slavonien in drei Comitate (Verovitica, Po2ega, Syrmien) und in die bis in das XIX. Jahrhundert bestandene Militär-Grenze abgetheilt und darnach auch die steuerpflichtigen Provinzialen von den privilegierten Militär-Grenzern örtKch getrennt angesiedelt wau-den. Hiebei wurde die alte Eintheilung der Save-Grenze zwischen den Mün- dungen der Kulpa und Bossut in die obere, mittlere und untere belassen und nur die obere durch den bisherigen Cameral-District von Subotzka (mit 1059 Diensttauglichen) verstärkt; die syrmischen 3frenzer sollten künftig mit Rücksicht auf die Lage bei Belgrad ins vier Compagnien zu Fuss und zehn Compagnien zu Pferde )estehen ; aus demselben Grunde wurden die Donau-Gränzer in der )isherigen Anzahl aus der Gegend der FruSka Gora in die Strecke ^eterwardein-Semlin versetzt. Die Stärke der Compagnien zu Fuss, 7elch& bisher zwischen 150 und 200 Mann schwankte, wurde 1745 uf die letztangegebene Höhe normiert und dabei für jede der- ilb&iL vier Officiere und zwei Feldwebel gestattet. ^

I>en Abschluss dieser ganzen Entwicklung in militärischer ezieliiing bildete 1747 die Aufhebung der bisherigen Grenz-

>) K. A., H. K. E., 1743, October, 599/6 ßeg «) X. A., F. A. ItaUen 1745, ni, 1.

82*

Digitized by

Google

500

Eiiitheilung und die Schaffimg von drei Bezirken mit den Voromn Gradisca, Brod und Peterwardein, aus welchen die drei hiemacli benannten slavonischen Grenz-Infanterie-Regimenter zu je 6300 Mann und ein Grenz-Husaren-Regiment von 3200 Mann hervorgehen sollten; deren Ausbau filllt schon in die Zeit nach dem Frieden von Aachen.

In der Theiss- und Maros-Grenze, deren Mittelpuncte Szegedin und Arad waren, herrschten von allem Anfange an unklarp Verhältnisse, weil die Grenzer unter der Bevölkerung der Comitaie Bdcs-Bodrog, Csongrid, Arad, Bikös imd Zar&nd wohnten m von diesen erhalten wurden, wesshalb die ungarischen Central- Behörden auf diese Grenzgebiete einen anhaltenden Einfluss aus- üben konnten. Ihre eigentliche Bedeutung hatten sie mit den Vorrücken der Grenze nach Süden in Folge des Passarowitzer Friedens verloren. So lange übrigens die verödeten Gebiete i^ Banates von Temesvär nicht neu bevölkert imd mit ausreichend starken Schutzwehren versehen waren, beliess man die Theiss- umi Marcs - Grenzer in ihren bisherigen Verhältnissen. Da sie abeT voraussichtlich der Auflösung anheimfallen mussten, so nalm man sich ihrer umso weniger eifrig an, als ihre religiösen mi politischen Privilegien, sowie ihre Haltung gegen das nationale Ungarthum ihnen nur das Gegentheil von Sympathien versciaf hatten. Trotz der geringen Stütze, welche namentlich ihre kirci- lichei^ Vorrechte von Wien aus erhielten, ist es mindestens fraglich ob der gewöhnlich nach dem serbischen Obersten Peter Szegedinäc genannte Piro'sche Aufstand des Jahres 1735 nicht mehr an! Rechimng der agrarischen und socialen Verhältnisse des ungarisch Bauernstandes und auf die Einwirkung der Rdköczy^schen Emi- gration zurückzufahren ist, als auf die der Grenzer, welche u^ Jahre 1740 an 3200 Mann (wonmter 2381 zu Pferde) zählten.

Der 18. Gesetz- Artioel des Pressburger Landtages bedeutete für sie das Ende, welches nur durch Kriegs-Ereignisse um einige Jahre hinausgeschoben wurde. In den Jahren 1741 bis 1746 staudeL unter Aufrechthaltung der bei allen Grenzern gebräuchlichen Ab- lösung immer auch Theisser und Maroser Grenzer zu Fuss uBd r^ Pferde im Felde, aber schon 1743 wurde mit der Auflassung e^i- zelner Schanzen begonnen und 1750 gab es keine Militär-Grenzf' mehr in jenen Gebieten. Sie mussten sich entschliessen, auf ihr? bisherigen Vorrechte zu verzichten, um als steuerpflichtige ünw> thanen der Comitats- Jurisdiction anheimzufallen oder aber n*^^

Digitized by

Google

501

dem Süden des Banats zu übersiedeln, wo seit 1726 durch das segensreiche Wirken des FML. Florimund Grafen Mercy der Grund zur Entwicklung der späteren Banater Grenze gelegt worden war. Die Abneigung der Grenzer gegen die Provinziali- sierung war so gross, dass russische Agenten leichte Mühe hatten, eine bedeutende Anzahl von Serben zur Auswanderung nach Euss- land zu bewegen.

Die Banater Land-Miliz war in vier Capitanate (Temesvär, Cakalova, Hedjak und Mutnik) eingetheilt und ward 1726 auf 3960 Mann, einschliesslich der Officiere auf 4200 Mann zu Fuss und zu Pferd in einer grösseren Anzahl verschieden starker Com- pagnien festgesetzt. Sie marschierte nicht in's Feld; hauptsächlich aus ihr und den übersiedelten Theiss- und Maros-Grenzem giengen die späteren Banater Grenz-Regimenter hervor.

Die ersten Regierungsjahre Maria Theresia's sind also für die Militär-Grenzgebiete eine Epoche von entscheidender Be- deutung. Es vollzieht sich in derselben die Umwandlung der irregulären und bisher auch nicht flir regulierbar gehaltenen Grenzer in regulierte Grenz-Regimenter; die Kaiserin- Königin entschied auf den diesbezüglichen Vortrag des Hof- Kriegsrathes vom 23. April 1747 hinsichtlich der Warasdiner und Carlstädter: „Sollen in Allem gehalten werden, als wie die andern Regi- menter, ausser dass sie „Grenz-Regimenter^' benennet sollen werden und allezeit die letzten im Rang nach allen andern gehen sollen." ^) Drei Jahre später verordnete sie, dass nach den deutschen und ungajdschen Regimentern die Warasdiner und Carlstädter die ersten, die Banalisten die zweiten und die Slavonier die dritten im Range sein sollten. Die Grenzer wurden jedoch wegen ihrer eigen-

>) K. A., H. K. R. 1747, Mai, 403 Exp. und 137 Reg. Die Anregung hiezu kam vom Prinzen von Sachsen-Hildburghausen. Nach seiner Versicherung hatten sich die Grenzer sehr gebessert und übten so fleissig, dass angeblich ein Grenzer-Recrut in einer Woche so viel lernte, als ein deutscher in einem halben Jahre. Wenn dieses Urtheil auch gerade nicht streng wörtHch ge- nommen werden darf, so erhält es doch durch eine Meldung K h e v e n- h ü 11 e r's vom 14. Juni 1742 (K. A., F. A. Bayern 1742, VI, 8) bezüglich der Warasdiner eine Bestätigung: . . kann auch Eure Königliche Majestät aUerunterthänigst versichern, dass sie erstaunungswürdig exercieren . . . ." Lhre, in der Gewöhnung an unaufhörHche, grausam geführte Grenzkämpfe mit den Türken begründete natürliche Wildheit streiften sie freilich nicht so rasch ib, als sie das Exercitium leicht erlernten.

Digitized by

Google

502

thümlichon Gefechbsweise nicht in die Ordre de bafcaille eingetheill, sondern bildeten stets ein eigenes Corps oder wurden (gewöhiilicli mit Husaren-Regimentern) im letzten Treffen aufgestellt.

Beim Tode Carl "VT. hatten die Militär-Grenzer effecöv folgenden Stand:

Carlstädter und Banalisten 20.416 Mann,

Warasdiner 8.534

Save-Grenzer 10.704

Syrmische Grenzer 990

Donau-Grenzer 1.733

Theiss-Grenzer 1.916

Maros-Grenzer 1.292

zusammen . . : 45.585 Mann für den Feld dienst, worunter beUäufig 39.085 Mann zu Fuss mA 6500 Mann zu Pferde. Da um dieselbe Zeit das stehende Heer effectiv 75.653 Mann Infanterie und 32.239 Eeiter zählte, so ist die militärische Kraft der Grenze selbst bei Berücksichtigang dessen, dass nach den verschiedenen Grenz-Statuten immer nur eii Drittel oder die Hälfte zugleich ausmarschierte, sehr hoch anzu- schlagen, umso höher, als hier alle Recrutierungssorgen entfielen und über die für das Feld bestimmten Leute noch gegen 20.000 ManE zum Schutze der Grenze im Lande selbst verfügbar blieben.

Die Landes -Aufgebote.

Carl VL hatte im Jahre 1734 beabsichtigt, in allen seinen Erblanden, wo sie nicht bestand, eine permanente Land-Miliz iia*i dem Muster Tyrols errichten zu lassen ; auf eine Anzahl von Feuer- stätten (acht bis zelm) sollte je nach den Populationsverhältni^^ ein Mann gerechnet werden. Das Gewehr wollte gegen geringe Entgelt der Kaiser liefern, das Bajonnett sollten die Stände gehet und die Mannschaften nach Gerichtsbezirken jeden Sonntag ^ Exercier- und Schiess-Uebungen zusammengezogen werden. Es ws: beabsichtigt, auch Scharfschtitzen-Compagnien zu organisieren nnd die Officiersstellen jenen Ständemitgliedem vorzubehalten, welebr in einem regulären Eegimente gedient hatten. Die Kosten sollte auf das geringste Mass beschränkt bleiben; der Kaiser gedachte einen Theil der Weggelder dafür zu widmen^).

') Kurz, Geschichte der Landwehr in Oesterreich ob der Enns (li^ 1811), U, 132 ff.

Digitized by

Google

503

Der gut gemeinte Plan kam damals nicht zur Ausführung. Er wurde gelegentlich der Conferenzen über die Heeresreduction im Jahre 1 740 vom Peldmarschall Grafen Khevenhüller und auch vom Feldzeugmeister Prinzen zu Sachsen-Hildburghausen von Neuem angeregt; da aber der eigentliche Gegenstand der Berathungen in Folge des unerwarteten Todes des Kaisers unerledigt blieb, so war diess umso mehr auch iq Betreff der Land-Milizen der Fall. Solche bestanden also um jene Zeit sicher nur in Tyrol und Vorarlberg, im Breisgau, dann in Görz und Gradisoa, femer im Gebiete der ungari- schen Krone in der als „Insurrection" bekannten Form, endlich in den Grenzgebieten gegen die Türkei zu. Letztere waren gerade auf dem Puncte der Entwicklung zwischen Land-Miliz und reguliertem Militär^).

Der Tyrol er Landsturm war von Alters her in vier Regi- menter eingetheilt, deren Mannschaft je nach dem Grade der Gefahr in drei Aufgeboten, „Zuzügen*', aufgerufen wurde. Nach einer gleich- zeitigen Darstellung ^ hatten dieselben folgende Stärke :

der erste „Zuzug'' 6000 Mann, mit den Officieren 6228 Mann, zweite 3000 3072

dritte 3000 3090

zusammen . . . 12.000 Mann, mit den Officieren 12.390 Mann. Die Stellung dieser Landsturmmänner oder „Militioten" war auf die Höfe des ganzen Landes anrepartiert ^. Das Aufgebot diente ganz in der landesüblichen Bekleidung und erhielt Flinte, Munition und Patrontaschen vom Aerar. Ln Frieden genossen von der Landschaft bei jedem Regimente ein jährliches „Wartegeld" und zwar: der Oberst 300 Gulden, sechs Hauptleute je 200 Gulden, sechs Lieutenante je 150 Gulden xmd sechs Feldwebel je 125 Gulden. Diese Chargen ernannte der Landesherr ; die übrigen wurden zufolge eines auch von Maria Theresia bestätigten Privilegs von den Müitioten gewählt luid nur von der oberösterreichischen Kammer

^) D esshalb wurden sie auch in einem eigenen Abschnitte besprochen.

*) K. A., H. K. ß. 1746, Februar, 950 Exp. („Das Defensionswesen in Tyrol" wahrscheinlich im Sonmier 1743 verfasst). Hiezu ist auch zu vergleichen der Vortrag des Grafen H a r r a c h vom 27. November 1743 (K. A., I., H. K. E. 1743, XI, 3), welchem Projecte über die Landesvertheidigung Tyrols vom Feldzeugmeister Wallsegg und vom FeldmarschaU^Lieutenant Stentsch beiliegen.

*) Vergl. Feldzüge des Prinzen Eugen, I, Beilage D, wo übrigens die drei Zuzüge noch in der Stärke von 10.000, 5000 und wieder 5000 Mann erscheinen.

Digitized by

Google

504

bestätigt. Auf Postierung erhielten (und zwar auf Kosten des Aerars der Oberst täglich 6 Gulden, der Hauptmann 2 Gulden, der lieu- tenant 1 Gulden, der Fähnrich ^4 Gulden, der Feldwebel V, Gulden, der Führer, Fourier, Feldscherer und Corporal 24 Kreuzer, der Fourierschütze 20 Kreuzer, der gemeine Militiot 15 Kreuzer.

Die Stärke und Eintheilung der Militioten-Eegimenter war (ohne auf nähere Details einzugehen) folgende :

Oberst

Das Regiment bildet sich aas

mit dem 1. Zuzug

mit dem 1. u. 2. Zuzug

mit «Uendiei' Zosllgen !

ti s

' I

B a

Graf Lodron Graf Spaor

Baron Fels (Völs) Graf Wolkenstein

dem Ober- und Unter-Inn-Thale

dem Wipp-, Pu- ster- undEisack- Thale

Südwest-Tyrol Südost-Tyrol .

1680

1412 1588 1326

6(

601 66

Summe

88

6000

2281

|50

2521

2118 2374 1987

72

72 84 72

l

336 »: %

2824! (^ 3166108!

a65o! 90'

9000 300j65.1200a39a

(

lOOOjS

Im Frühjahr und Herbst wurden die Militioten gemustert und bei dieser Gelegenheit von ihren Hauptleuten auch einen Tag eier- eiert; sie übten sich auch im Scheibenschiessen.

Seit dem Jahre 1741 gab es in Tyrol auch noch zweiLandes- Schützen-Eegimenter; ein drittes und viertes zu errichten, war beabsichtigt, zum dritten Mitte 1743 die Mannschaft bereits vorhanden; diese letzten zwei scheinen aber nicht perfect gewordea zu sein. Die Schützen waren durchwegs Freiwillige, mit Eadschloss- flinten bewaffnet und wurden nicht in Reih und Glied geübt oder verwendet. Kein Hof war zur Stellung eines Schützen verpflichtet; wo sich aber ein solcher meldete, war der Hof von der StelluDg eines auf ihn entfallenden Militioten befreit.

Ihre Officiere wählten die Schützen selbst; Maria Theresia bestätigte am 4. April 1742 die Stabs-Officiere der zwei bereits bestehenden Schützen-Regimenter. Im Frieden erhielt Niemand ein Wartegeld. Bei Verwendung im Küege erhielten die Schützeß- Of&ciere täglich die Gebühren, wie die der Militioten; von dtf

Digitized by

Google

506

Mannschaft der Schützen bekamen der Feldwebel täglich 36 Kreuzer, die anderen Prima - Plana-Personen je 27 Kreuzer, die Gefreiten, Tamboure, Fourierschützen und die gemeinen Schützen je 24 Kreuzer. Dieser Mannschaft zahlte die Landschaft per Tag und Kopf sechs Kreuzer; für den Rest'musste der Landesfürst aufkommen.

Das Ober-Innthaler-Schützen-Regiment (Oberst Baron Stern- bach) bestand ohne Stab aus 1686 Mann, welche in acht gewöhn- liche und eine Minier- (Bergknappen-) Compagnie in der Stärke zwischen 125 und 300 Mann eingetheilt waren. Das Unter-Linthaler Schützen-Regiment (Oberst Baron Zech) zählte 1355 Mann und hatte eine dem ersten ähnliche Eintheilung.

Während des Erbfolgekrieges wurde einigemale eine geringe Anzahl von Militioten einberufen; doch hoffte der Militär-Director Feldmarschall-Lieutenant von Stentsch im Falle der ernstlichen Bedrohung Tyrols auf Zusendung von regulärem Militär, „weil sich nicht allerdings auf die hierländische Land-Miliz zu verlassen ist". ^) Li Vorarlberg dürfte die Land-Miliz, welche hier im An- fange des Jahrhundertes einen „Auszug" von 3000 Mann aufstellen i:onnte, nach dem Muster der tyrolischen eingerichtet gewesen sein. *) Auch im Breisgau bestand die alte Land-Miliz-Einriohtung, in deren Rahmen der Bezirk Hauenstein allein eine „Landfahne'' von ungefähr 900 Mann (in vier Compagnien) beizustellen hatte, fort.') Ln Küstenlande*) bestand seit Alters her eine Land- Miliz, die sogenannte „Cemida", die noch im spanischen Erb- folgekriege zur Verwendung gekommen war; ein Eeorganisations- Entvrorf des Grenerals Kheul vom Jahre 1738 kam nicht zur Durchführung.

Besser bestellt waren die Cemiden der Grafschaften Görz und 31-radisca. Erstere zählte im Ganzen 2000 Mann zuFuss, welche in

*) K. A., F. A. Bayern 1742, X, ad 10. Eine nähere Begründung dieser LTLsiclit findet sich in dem Projecte des genannten Generals über die Landes- ertKeidigung Tyrols ans dem folgenden Jahre (siehe vorletzte Anmerkung). •) Laut des Actes „Ober-Oesterreich, 3. Mai 1741" (Hofk. Arch.) wurde em Xdeutenant Finger von Arenberg-Infanterie die Land-Miliz-Hauptmanns- ;elle „iui Arlberg" verliehen.

*) Vergl. Feldzüge des Prinzen Eugen, I, 486 und IV, 62. Schon am

3f ärz 1741 wurde angeordnet, dass statt zweier, aus Alt-Breisach und Frei-

ix-g a"bberufenen Bataillone „eine Anzahl von dem Hauenstein- und Breis-

ttLLSclien Landvolk in sothane beide Plätze einzurücken habe". (K. A., H.

R. 1741, Prot. Eeg. Fol. 420, 507, 689.)

-•) Wallner, Krain und das Küstenland zu Beginn des österreichischen l>£ol^©kriege8. (Mittheilungen des Museal -Vereines für Krain, 1892.)

Digitized by

Google

506

drei Compagnien (Görzer, Tolmeiner und Karst-Compagnie'i ein- getheilt waren; jede derselben hatte 1 Hauptmann, 2 Fähnriclie. 2 Feldwebel, 1 Tambour und 600 bis 700 Gemeine. Die Haupir leute bezogen jährlich je 100 Gulden an Besoldung vom Aerar, die ersten Fähnriche je 50 Gulden. Das Land zahlte dem ersten Feldwebel der Compagnien jährlich je 50 Gulden, den Tambouren je 10 Gulden. Der Oberst über die Görzer Land-Miliz (Graf Stras- se 1 d o) wurde vom Hof-Kriegsrathe aus dem landständischen Adel ernannt. Jeder Mann trug seine eigenen Waflfen, die desswegen viel zu wünschen übrig Hessen.

Die Gradiscaner Cemida war etwa 1000 Mann zu Fuss und 100 Mann zu Pferde stark. Letztere genoss gewisse Vorrechte und war gut ausgerüstet. Beide Cemiden wurden alle zwei bis drei Jahre gemustert, um ein zu starkes Anwachsen durch die junge Mannschaft mittelst Ausscheidung von älteren Leuten zu para- lysieren, damit im Aufstellungsfalle dem Lande nicht zu hohe Kosten erwüchsen. Neben und unter den regulären Truppen liessen sich diese Cemiden mit Vortheil verwenden.

In den anderen innerösterreichischen Erblanden bestanden keine Land-Miliz-Einrichtungen mehr; als die Regiemng im Anfange der Kriegswirren auf die Herstellung solcher inKrain hinarbeitete, gaben die Stände dieses Landes deutlich ihre geringe Bereitwilligkeit zu erkennen und forderten die Einholung ihrer Zustimmung*). Auch in Steyermark war die Miliz-Institution seit der Verschiebung der türkischen Grenzen nach Südosten fast gänzlich in Vergessenheit gerathen. Nur schwer kam es, als mit dem Einfalle der Bayern in Ober-Oesterreich auch fiir das Land Steyer eine Gefahr zu drohen schien, zur Aufstelliuig einiger Hunden Jäger und Schützen, welche im Vereine mit Warasdiner Grenzeru. der bei Klausen am Pyhm aufgestellten „spanischen Frei-Compag- nie", zwei Invaliden-Compagnien in Aussee und einer Anzahl von Commandierten einiger Regimenter die Pässe gegen Norden und Westen mit wenig Eifer bewachten ^).

In Nieder-Oesterreich fand, obwohl das Land nament- lich vom Zuge der Bayern und Franzosen hart betroffen wurde, kein*

1) W a 1 1 n e r, a. a. 0., 7 und 36.

') Kematmüller, Die Vertheidigungs- Anstalten in Nieder- und Iiii«r- Oesterreich 1741 (Mittheilungen des K. A., Neue Folge, VII.) ; K. A., F, A Oesterreich und Bayern 1741; X, 14 a— e, 22; H. K. E. 1741, Prot. Exp. foL »6&

Digitized by

Google

507

Land-Miliz- Aufstellung statt; hier galt es vor allem Wien zu retten, welchem von den Bayern eine grosse Gefahr drohte. Die Stände stellten daher eine grosse Anzahl Schanzarbeiter bei, um die Wälle auszubessern und neue Bollwerke zu schaffen. Die Wiener Bürgerwehr aber stellte in acht Compagnien (je zwei aus jedem Viertel, dem Stuben-, Kämthner-, Wiedmer- und Schottenviertel) zusammen 4474 Mann zum Kampfe bereit, zu dem es in Folge des Abmarsches der Feinde nach Böhmen nicht kam. Ihr schlössen sich an die Compagnie der Universität (157 Mann), 181 Hofbefreite, 798 Mann Schutzverwandte, Professionisten oder Decretisten, 67 Mann von der Maler-Akademie, 292 Mann aus den Freihäusem und Klöstern, endlich 132 königliche Jäger. So waren also 1741 in Wien ausser dem regulären Militär zusammen 6101 Mann an Milizen verfügbar, welche aus dem bürgerlichen Zeughause bewaffiiet wurden, sofeme sie es nicht schon aus eigenen Mitteln waren ^).

InOesterreich ob derEnns^, wo es nach einer im Juli 1741 vorgenommenen Zählimg 209 Jäger, 2959 Schützen, und im Ganzen 8383 Waffenfähige gab und wo das Aufgebot der Jahre 1703 und 1704 gegen die Bayern noch in guter Erinnerung stand, veranlasste derselbe Feind wieder die Aufbietung jedes zehnten Mannes, wozu Maria Theresia schon am 3. August 1741, d. i. gleich nach dem Falle von Passau, die Anregung gab; die Stände kamen derselben mit dem Patente von 10. August nach. In Folge dessen kam es zur Aufstellung von:

3 Compagnien k 352 Mann = 1056 Mann im Hausruck- Viertel, 3 319 = 957 Traun-

2 277 = 554 Mühl-

und 3 302 = 906 Machland-

Die Oberofficiere wurden aus den Ständemitgliedem, die Unterofficiere aus tauglichen Invaliden genommen. Jede Compagnie sollte 1 Hauptmann, 1 Ober- und 1 Unterlieutenant, 1 Feldwebel, 1 Führer, 1 Musterschreiber, 2 Tamboure und 12 Corporale haben. Das ganze Aufgebot war sonach 36Ö3 Mann stark, welche täglich exercieren sollten und von den Ständen bezahlt wurden. Doch waren sie nicht verpflichtet, im offenen Felde und ausserhalb des eigenen Landes, sondern niu* an den Landesgrenzen und be- sonders gefährdeten Puncten bei Verschanzungen und Verhauen zu

») Kematmüller, a. a. 0., 156. ') Kurz, a. a. 0., H, 137 ff.

Digitized by

Google

508

dienen. Joseph Willinger von der Au war als „Ob3rhauptmanii'* der Commandant des ganzen Aufgebotes, welches aber angesichts der Machtentfaltung der Bayern und Franzosen noch vor dem Ein- märsche derselben in Ober-Oesterreich als nutzlos wieder entlassen wurde. Als die Fortschritte der Franzosen im Jahre 1742 das Land von Norden her wieder zu bedrohen schienen, wurden am 30. Mai die fünf Compagnien des Mühl- und Machlandviertels links der Donau neuerlich einberufen, aber schon nach zwei Wochen wieder entlassen.

Als im Herbste desselben Jahres das Corps Bämklau vor Seckendorffs Schaaren gegen Ober-Oesterreich zurückweichen musste, wurden diesmal nicht nur alle Jäger, sondern am 20. Oc- tober auch jeder fünfte und am 30. October sogeff jeder dritte waffenfähige Mann angerufen, doch nur der dritte Theil an die Grenze geschickt, während die andern zwei Drittel die Ablösung besorgten. Commandant des Aufgebots war jetzt Franz Ferdinand Graf Khevenhüller. Mit Zustimmung des Feldmarschalls Ludwig Andreas Khevenhüller, dd. Altheim, 27. November 1742 ^), wurden femer nur noch die Passagen von Haag, Frankenmarkt, Franken- burg und Mondsee besetzt gehalten und daher das Aufgebot bis auf 1000 Mann entlassen. Aus dem Hauptquartier der königlichen Armee zu Ried kam am 14. December*) die Billigung des stän- dischen Beschlusses,, auch diese letzten Tausend nach Hause zu schicken, weil nunmehr das Land durch die Postierung regulärer Truppen genügend geschützt war.

Nur noch einmal, als der zweite schlesische Krieg die Preussen in das südliche Böhmen führte, ward im September 1744 zum Landesaufgebot gegriffen und damit im Mühlviertel auch begonnen, ohne dass es jedoch nothwendig gewesen wäre, dasselbe fort- zusetzen und über den genannten Monat hinaus zu erhalten. Nur 300 Schützen blieben bis Ende des Jahres in Passau (Feste Ober- haus) zur Verstärkung der dortigen Garnison').

Auch in Böhmen musste die Land-Miliz erst im Augenblicke der Gefahr geschaffen werden. Schon im September 1741 wurden

1) K. A., F. A. Bayern 1742, XI, 66. «) Ebenda, XII, 39.

*) Die den Ständen von Oesterreich ob der Enns durch Carl von Lothringen vorgeschlagene Errichtung eines Land-Regiments von 2000 Mann an Stelle der Land-Miliz, wie dies schon 1703 einmal geschehen, wurde mit dem Hinweise auf die finanzielle Erschöpfung des Landes abgelehnt (K. A., F. A. Böhmen und am Rhein 1744, IX, 60.)

Digitized by

Google

509

im Nordosten des Landes Schützen und Jäger gegen die preussische Gefahr aufgerufen ^) und während der ersten Belagerung Prags stand in dieser Stadt die Bürger- und Studenten-Miliz in der Stärke von 5317 Mann der schwachen regulären Garnison, freilich mit wenig Eifer zur Seite. ^ Auch um die Mitte des folgenden Jahres wurde ein Versuch mit der Land-Miliz in den vom Feinde freien Theilen Böhmens gemacht, ohne dass diesmal schon ein Erfolg errungen worden wäre. •) Erst der Ende 1743 einberufene Landtag beschloss nach dem Beispiele der Ungarn für die böhmischen Länder die Aufstellung einer beständig auf den Beinen zu haltenden regulierten Land-Miliz von 20.000 Mann^), von welchen zu Kriegszeiten die Hälfte in's Feld ziehen sollte. Viele Adelige erboten sich, auf ihren Herrschaften ganze Compagnien („Privat- Compagnien" im Gegensätze zu den „Kreis-Compagnien") aufzu- stellen. An Gebühren wurden für den Hauptmann monatlich 40 Gulden, für den Lieutenant 25 Gulden, für den Fähnrich 15 Gulden festgesetzt. Die Königin befahl, den Gemeinen jährlich drei Gulden als Kirchweihgeld zu verabreichen, „damit sie sich das Jahr einmal lustig machen können". Sie liess auch die Gewehre beistellen ; die Seitengewehre gaben die Herrschaften, die Geistlichkeit die Montur. Letztere bestand aus einem weissen Zwilchkittel mit rothem Aufschlag, rother Halsbinde, einem Paar Schuhen, einem Paar weisser Strümpfe, Hut und Patrontasche. ^) Die ganze Miliz dependierte von den Landständen und wurde von dem General-Land-Kriegs-Commissär Baron Netolitzky ge- ieitet. Die Compagnien, deren Stand über 150 Mann betrug, sollten im Ganzen mehrmals des Jahres, die einzelnen Corporalschaften mehr- mals des Monats an Sonn- und Feiertagen exercieren.

Der zweite schlesische Krieg gab Gelegenheit zur Einberufung dieser Land-Mihz, welche zu Kriegszeiten vom Aerar die Löhnung erhielt. 10.000 Mann derselben wurden binnen wenigen Wochen nach. Prag geführt, wo auch die Bürger, die Kaufmannschaft und

») K. A., F. A. Schlesien 1741, IX,6 (S chaf fgo t s ch an Neipperg, '). September).

*) Ebenda, Böhmen 1741, X, 6 und XI, 35.

*) Ebenda, Böhmen 1742, VI, 15 (Franz Hochberg an Grossherzog ''ranz, Münchengrätz, 18. Juni 1742) und VI, 20 (Promemoria des Barons T Gta litzky, 24. Juni 1742).

^) Geschichte und Thaten der Königin Maria Theresia, III, 30. K. A., , H K. R. 1744, Vm, 5.

*) K. A., Gab. A. 1744, XI, 3 a bis e.

Digitized by

Google

510

die Studenten wieder ihre Abtheilungen formierten. Bei der üebergabe der Stadt an die Preussen (16. September 1744) befanden sich daselbst 8000 bis 9000 Mann der Land-Miliz. ^) Trotz äem Unglücksfalles wurde in der Aufstellung der Milizen fortgefahren und dieselben während der Dauer der Operationen in diesem und im folgenden Jahre auf den Beinen erhalten. Im August 1745 berief Carl von Lothringen zwei Bataillone Miliz znr Versehung der Stabswachen in das Hauptquartier*) und noch im September d. J. giengen zwei andere Bataillone aus Böhmen und eines m Mähren zur Versehung des Gamisonsdienstes an Stelle der naA Schlesien abberufenen regulären Bataillone nach Wien, wo sie Ende des Monates ankamen. ^

In Mähren, welches durch den Einfall der Preussen in Schlesien am nächsten bedroht schien, hatte die böhmische Hof- kanzlei schon Anfangs Januar 1741 die Hannaken und Walachei (Slovaken) zur Besetzung der Zugänge an die Grenze gegen Nordei aufgerufen, aus dem Brünner Zeughause mit Waffen betheilt und Jäger und Schützen auch zu B r o w n e's kleiner Armee abgesendet, der mit ihnen allerdings wenig zufrieden war. Mit Zustimmung Neipperg's wurde dieses Landvolk, dem sich auch schlesischr Goralen angeschlossen hatten, Anfangs Juni wieder entlassen ^ um Ende des Jahres, als die Preussen nach Mähren kamen, wied^ zu den Waffen gerufen zu werden. ^) Die Grausamkeiten de^ Feindes bewirkten diesmal, dass das „Bauemgesindel" 'wie Friedrich 11. die mährischen Milizen nannte) für die preussiscbet Truppen zu einer wahren Plage wurde, indem es die Verbindutl und Verpflegung derselben nach Kräften störte, dabei aber jedei Gefechte auswich.

Im Jahre 1744 wurde, wie in Böhmen, so auch in Mähren di^ Land-Miliz wieder aufgerufen und nach Brunn und Olmütz verlegt.' Ueber Winter blieben in ersterer Stadt jedoch nur 840 Mann (drei Kreis- und zwei Privat-Compagnien), in letzterer nur 700 Mann [^

>) Arneth, Maria Theresia, II, 426.

«) K. A., F. A. Schlesien und Böhmen 1746, XUI, 58a.

») Hofk. Arch., Hoffinanz, 16. und 23. September, 4. October 1746.

*) K. A., H. K. K. 1741, Prot. Exp. fol. 834 und Prot Reg. foL 215 F. A. Schlesien 1741, I, 7 und 11, V, 61V« und 105, VI, 11.

^) Notizenblatt der hist.-stat. Section der mährisch-schlesischen Gesell- schaft etc., 1876, Nr. 7.

®) M e y n 0 r t, Gesch. des Kriegswesens etc., III, 169 ff.

Digitized by

Google

511

Kreis- und einer Privat-Compagnie) unter Waffen ^), die anderen wurden nach Hause geschickt. Als dann das Kriegsjahr 1745 mit der Schlacht von Hohenfriedberg so unglücklich für Oesterreich begann, erschien auch die mährische Land-Miliz wieder mit sechs Kreis-Compagnien zu je 202 und 36 Privat-Compagnien zu je 121 Mann, also in der Stärke von 5568 Köpfen in Brunn und Olmütz ; sie wurde im Laufe des Jahres auf acht Bataillone gebracht und zur Hälfte in den beiden Hauptstädten, zur anderen Hälfte an der schlesischen Grenze verwendet.

In Ungarn hatten die Hussiten- und Türkeneinfälle eine eigene Art von Landesvertheidigung zur Ausbildung gebracht, welche unter dem Namen „Lisurrection" bekannt ist. ^) Ursprünglich ein Eeiter- Aufgebot (woher der Name: insurgere = aufsitzen), bildete sich diese Listitution seit Beginn des XVH. Jahrhunderts dahin aus, dass sie auch annähernd zur Hälfte Fussvolk in sich fasste. Die Insurrectionspflicht bestand aus der persönlichen Heerfolge der Adeligen und aus der Pflicht der Herrschaftsbesitzer, gleichviel, ob dieselben adelige oder geistliche oder nur juristische Personen waren, je nach der Anzahl der unterthänigen Bauernhöfe (nach den Thoren gezählt imd daher metonymisch als „Porten" bezeichnet) eine bestimmte Anzahl von Streitern zu Fuss oder zu Pferd gerüstet in's Feld zu stellen und zu verpflegen. Diese beiden Bestandtheile heissen Personal - Lisurrection und Portal - Miliz (Portalisten). Herrschaften, welche mindestens 50 Portalisten bei- zustellen hatten, konnten dieselben als eigenes ,,Banderium" bei- sammenhalten ; geringere Contingente sammelten sich in den Comi- tats-Banderien, welche in unregelmässige Compagnien unter von den Gespanschaften ernannten Officieren eingetheilt wurden. Gelegentlich finden sich eine Anzahl Compagnien zu „Brigaden" vereinigt. Seit 1609 wurden vier Bauernhöfe oder zwölf Kleinhäusler als je eine „Porta" gezählt. Den Frei- und Bergstädten, dann gewissen Personen geistlichen und weltlichen Standes wurde auch, nach Mass ihrer Einkünfte, ein Beitrag in Geld auferlegt, welcher zur Ausrüstung von „Insurgenten'* bestimmt war.

Der Reichstag vom Jahre 1715 erkannte die Unzulänglichkeit des geltenden Landesvertheidigungs-Systems und votierte desshalb

') Hofk. Arch., Hoffinanz, 11. Februar 1745.

*) Siehe Grellmann, Statistische Aufklärungen über Oesterreich (Ööttingen 1797.), II, 281 ff. ; Pi ring er, Ungarns Banderien (2 Bde., Wien 1810) und Meyuert, Das Kriegswesen der Ungarn (Wien 1876).

Digitized by

Google

512

im Gesetz- Articel Vlii. unter ausdrückliclier Anerkennung des Fortbestandes der bisherigen Insurrectionspflieht eine jäMche Qeld-Contribution, deren Höhe zwischen dem König und den Ständen vereinbart werden sollte, zin: Unterhaltung einer grösseren (und im Gegensatze zur irregulären Insurrection) regulierten Armee. ^)

Den nächsten Anlass nach diesem Reichstagsbeschlusse, auf die Insurrection wieder zurückzugreifen, boten erst die Bedrängnisse Maria Theresia's unmittelbar nach ihrer Thronbesteigung. Id Folge eines Aufrufes des nachmaligen Palatins Johann Pilffy vom 26. Januar 1741 erschien im Sommer dieses Jahres eine partielle In- surrection zu Pferde in Schlesien, welche von den Comitaten Pressbuig, Raab, Komom, Pest und dem Districte der Jazygier und Kiunamer beigestellt wurde und aus 2741 Mann bestehen sollte, eingeüieilt in drei Regimenter (unter Beleznay, Peter Hal&sz und dem Grafen Stephan Esterhizy) und die zwei abgesonderten Com- pagnien der Jazygier und Kumanier (unter Podratzky); Feld- marschall Neipperg rechnete sie jedoch schon gleich nach ihrem Eintreffen bei seiner Armee nur für ungefähr 1700 Dienstbare. Sie kehrten Ende October wieder in ihre Heimath zurück. *)

Mittlerweile hatte der Pressburger Landtag vom Jahre 1741 auf persönliches Betreiben Maria Theresia's im 63. Articei seiner Beschlüsse eine G e n e r a 1 - Insurrection bewilligt. Dieselbe sollte bestehen aus 21.622 Mann zu Fuss und aus der Insurrectioü zu Pferde, welche letztere sich in althergebrachter "Weise aus dec persönlich „aufsitzenden" Adeligen oder ihren Stellvertretern Tsnd aus den Portalisten zusammensetzte. Der angezogene DiätÄl-Artkei enthält über die Verpflichtung zur Beistellung von Portalisten xmA Geldbeiträgen sehr detaillierte Bestimmungen. Das Fussvolk wurd^ in sechs Infanterie-Regimenter eingetheilt (Andrdssy, Bethlen. Forgdch, Haller, Szirmay, Ujvdry), welche nach der Auf- lösung der bis Ende des Militär-Jahres, d. i. bis Ende October 174^ bemessenen Insurrection fortbestehen blieben. Die Insurrection k

*) Eine Intimation der ungarischen Hof kanzlei vom 29. November 1T4J an den Hof-Kriegsrath (K. A., H. K. K. 1745, December, 353 Exp.) &^^ comitatsweise 5383'/4 Porten auf, deren jede 455 Vi Gulden als Contribau:^ zu zahlen hatte, wonach dieselbe von den Porten des ganzen Lasd^ 2,452.298 Gulden betrug. Eine Beilage des Actes Hofkammer-Archiv, "Cngtrs 1. Mai 1742, gibt die Zahl der Porten mit 5405 Vi an.

*) Alexich, Die freiwilligen Aufgebote aus Ungarn 1741 und H*. (Mittheilungen des k. und k. Kriegs-Archivs, N. F., IV, 1889).

Digitized by

Google

513

Pferde, von welcher man sich 15.000 Reiter versprach*), rückte in der üblichen Banderial- Verfassung in's Feld. Das Gesammt- Ergebniss blieb quantitativ und qualitativ hinter den gehegten Er- wartungen zurück, es betrug nicht mehr als gegen 14.900 Mann Infanterie und 13.700 Reiter, von welchen etwa 9000 Mann zu Puss und wenig über 10.000 Reiter im Felde standen. ^

Noch einmal wurde in jener Zeit die ungarische Insurrection aufgerufen, als der Preussenkönig zum zweiten Male die Be- sitzungen Maria Theresia's anfiel.») Der Gemahl derselben schrieb, man habe sich diesmal eine doppelt so starke Insurrection versprochen, als im Jahre 1741.*) Dieselbe war aber fast ein halbes Jahr nach dem Aufrufe der Königin, Anfangs Februar 1745 in

') Ameth, Maria Theresia, I, 302.

») Alexich, a, a. 0. (V, 1891, 205 fF.) Wenn König Friedrich H. im März 1742 (Polit. Corresp., 11, 90) von 88.000 Mann bei Tymau und hinter dem Jahlunka-Passe redet, Prinz Dietrich von Anhalt beiläufig um dieselbe Zeit 60.000 Mann unter dem alten P41ffy aus Ungarn anmarschieren lässt und (nach Droysen, Gesch. d. preuss. Politik, V, 1, 408, Anm.) ein diplomatischer Zeitgenosse erzählt, man habe auf 84.000 Mann aus Ungarn ge- rechnet, so mag dies immerhin begreiflich scheinen und den ausserordent- lichen Eindruck documentieren, welchen Maria Theresia*s Erfolge wider alles Erwarten hervorriefen. Wenn aber Droysen, welcher doch nach der bereits zehn Jahre früher erschienenen Darstellung Arneth*s genug Anhalts- puncte zur kritischen Beurtheilimg solcher Ziffern hatte, dieselben ohne jede Bemerkung mit absichtlicher Verschweigtmg seines besseren Wissens den Lesern auftischt und sowohl für 1742 als für 1744—1745 fortgesetzt nur mit „Massen" ungarischen Volkes operiert, ohne auch nur den Versuch zu machen, sie einmal selbst zu zähl^, so wirft dies, gelinde gesagt, abermals ein recht eigenthümliches Licht auf die sattsam bekannte Geschichts- mache. Ganz räthselhaft sind Droysen's Mittheilimgen von einem Auf- rufe Maria Theresia's vom 16. Februar 1742, der eigentlich erst die Massen aufgeboten haben soll, „die man noch im September sich gescheut hatte, in Bewegung zu setzen" (Preuss. Staatsschriften, I, 325 f.); als ob es auf dem Landtage nicht genug Mühe gekostet hätte, auch nur die 21.622 Mann vmd die so wenig zahlreiche Lisurrection zu Pferde durchzusetzen imd als ob die Ungarn sich die eigenmächtige Ueberschreitung der landtäglich festgesetzten Ziffer je hätten gefallen lassen!

») Circular-Resotipt vom 18. August 1744 an alle Gespanschaften. *) Ameth, Maria Theresia, U, 415. Nach Acten, welche sich mit der Verpflegung der aufzustellenden Insurrection befassen, hoffte man in Wien, dass dieselbe 25.000 Mann erreichen könnte, wovon nach den Versicherangen der Magnaten wenigstens 12.000 Mann zu Pferde sein sollten. (Hofk. Arch., Ungarn, 2. und 3. September 1744.) Das preussische Generalstabswerk: „Die Kriege Friedrich d. Gr.", 2. Theil, I, 66, gibt für die Behauptung, dass 60.000 Mann versprochen worden seien, leider keinen Beleg.

Oesterreiohigdier Erbfolgekrieg. I. Bd. 33

Digitized by

Google

514

Schlesien erst 9182 Mann stark (worunter 2198 zn Fuss) ^) und ist auch in ihrem Verlaufe niemals viel zahlreicher gewesen, wenn man von dem weit über das Mass der Insurrectionspflicht gehenden Aufgebote der Jazygier und Kumanier (Husaren-Regiment Grat' Haller zu 1000 Mann) und der Hajdukenstädte (400 Mann) absieit Denn fast ebensoviel, als aus den rückständigen Comitaten an Verstärkung nachrückten, desertierten anderseits wieder nach Hause.*

In Croatien und Siebenbürgen bestand das Insurrec- tions-Institut nach denselben Grundsätzen wie in Ungarn und wurde auch aus denselben Anlässen in Bewegung gesetzt; so wie hier, so nahm es 1742 auch in Siebenbürgen auf die BUdung regulärer Tinippenkörper (viertes Bataillon bei Gyulay-Infanterie, Kdlnoky-Husaren) einen fördernden Einfluss, während die For- mationen des Jahres 1745 (Szent-Kereszti-Husaren 1000 Mann. Sachsen-Bataillon* 500 Mann) nach dem Kriege sich wieder aul- lösten.

Die croatische Insurrections-Miliz vom Jahre 1742 diente in der Stärke von 3000 Mann zu Fuss und 400 Mann zu Pferde in Italien, wo sie im Juni in vier Colonnen ankam. ^)

Indem Feldmarschall Khevenhüller im Jahre 1740 im Allgemeinen die Wiederbelebung der alten Land-Miliz-Institutionen empfahl und hiebei auf das Muster Tyrols hinwies, sagte er be- züglich Italiens: ,,Ein gleiches könnte geschehen respectn de? Lombardie und Stato di Milaiio, dass man die Landstände bei mo+io veranlassete, dass sie von selbst in dergleichen die geweste alte Einrichtung von der militia urbana und forense die erstere i^t im Mailäudischen in (3000 und die andere in annis 1667 und 1672 in 5000 Mann bestanden, die eben annoch zu Anfang des spanischen Successionskrieges auf dem Fuss gestanden item in dem Mantuanischen, Parmesanischen und Piacentinisehen, wo sie unter den herzoglichen Regierungen allezeit in 48.000 Mann be^tÄndeo,

^) K. A , F. A. Schlesien und Böhmen, 1745, II, 12.

*) Im August 1745 war die Insurreotion in Schlesien nicht mehr viel über 4700 Mann stark. (Hofk. Arch., Reichs-A., Fase. 166, Confereni-Prow 20. August 1745.) Nach dem Berichte des Feldmarschalls Esterhaaj vob 27. October 1745 waren bis dahin so viele Insurgenten nach Hanse ent- wichen, dass er sich veranlasst fand, auch den geringen "Rest derselben sb entlassen. (K. A., F. A. Böhmen imd Schlesien 1745, X, 84.)

*) Staats -Archiv, Lombard. Collect., Fase. 63. (Cassa-Exö»ct voa 31. Mai 1742.)

Digitized by

Google

515

deren Rötablissement und Wiederherstellung, wie vor Alters gewest, ansuchten und sofort solches gewährte." ^) Hienach gab es 1740 im österreichischen Italien keine Land-Miliz. Gleichwohl trug die Königin mit Rescript vom 2G. November 1741 dem Feldmarschall Traun auf, von der Land-Miliz „oder sogenannten militia urbana" etwas nach Mailand und Pizzighettone, „von der mantuanischen Cemide" aber sogleich 1500 Mann nach Mantua zu verlegen und sich derselben überhaupt überall je nach Erfordemiss und Einsicht zu bedienen. ^) Sie muss also trotz Khevenhüllers Zeugniss, der übrigens Italien aus eigener Anschauung kannte, wenigstens in Rudimenten noch bestanden haben ^) und seither wieder in's Leben gerufen woräen sem, allerdings in einer Verfassung, welche Feld- marschall-Lieutenant Wals egg (den Commandanten von Mantua) zur Vorlage eines Organisations - Projectes veranlasste (Decem- ber 1741).'*) Thatsächlich bestanden während des Krieges Land- Miliz-Abtheilungen in Mantua imd Mailand und Pallavicini erhielt um die Mitte des Jahres 1744 den Auftrag, sie so viel als immer möglich zu vermehren.^)

Ob in den österreichischen Niederlanden um 1740 eine Land-Miliz bestand, ist zweifelhaft. Das 1741 an die dortigen Stände gestellte Ansinnen zur Errichtung einer solchen in der Stärke von 2000 bis 4000 Mann wurde diu'ch die Aufstellung der zwei Wallonen-Regimenter erledigt.

{A. Kienast)

') K. A., H. K. R. 1740, 1002 Exp (Khevonhüller\s Begründung seines Reductions-Projectes im Puncte 4). Vergl. Arneth, Maria Theresia, 11, 147.

«) K. A., F. A. Italien, 1742, XI, 8.

^) Hiefür spricht deren Erwähnung schon im Januar 1741 für Mantua. (K. A., H. K. R. 1741, Prot. Exp. fol. 125. Auch Staats-Arch., Mantua, Collect., Fase. 3., Convol. 2.)

*} K. A., F. A. Italien, 1741, XII. 3. Das Project fehlt leider bei diesem Acte.

*) K. A., H. K. R. 1744, Prot. Reg. fol. 1680 (23. Juni). Staats-Arch ,

Lombard. Collect., Fase. 63.

Digitized by

Google

Digitized by

Google

Das Wehrwesen fremder Staaten.

Digitized by

Google

Digitized by

Google

Das Wehrwesen in Preussen.')

Hiine wohlorganisierte, festgefügte Verwaltung, ein in Bezug auf Ausbildung, Disciplin und Ausrüstung mustergiltiges Heer von über 80.000 Mann und ein Staatsschatz von neim Millionen Thalem bildeten die Hinterlassenschaft des am 31. Mai 1740 heimgegangenen Königs Friedrich Wilhelm I. von Preussen und sein Sohn und Nachfolger, Friedrich 11. hätte sich für die eigenen weitaus- greifenden Aspirationen kaum eine mit treuerer Fürsorge vorbereitete, besser fundierte, sicherere Basis wünschen können, als dieses reiche Erbe des so viel verkannten Vaters. Wenn Ohurfürst Friedrich Wilhelm als der Begründer der Unabhängigkeit seines Hauses gilt und sein Sohn, der erste König von Preussen, den Glanz einer Königskrone für dasselbe erwarb, so darf der Nachkomme beider, König Friedrich Wilhelm I., wohl mit vollem Recht das Verdienst in Anspruch nehmen, Preussens innere Macht und

*) Quellen: „T)es Königs von Preussen Abhandlung von der preussi- schen Kriegsverfassung .in den ältesten Zeiten bis äu Ende der Regierung des Königs Friedrich Wilhelm I." Aus dem Französischen. Frankfurt und Leipzig, 1771. (Das Original, von Friedrich 11., in der 1767 veranstalteten Ausgabe der „M6moires pour servir k Thistoire de Brandenbourg" unter dem Titel „du Militaire depuis son institution jusqu'ä la fin du Rfegne de Fr^deric Guillaume.) Jahns „Gescliichte der Kriegs Wissenschaften, vornehmlich in Deutschland". München und Leipzig 1890/91. (2. und 3. Abtheilung) Grosser Generalstab, Abtheilung für Kriegsgeschichte : „Die Kriege Friedrich's des Grossen." I./l . Berlin 1890. Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine : .^Kriegs- und Friedens-Stärke des fridericianischen Heeres". Berlin 1892. „Militär- Wochenblatt**, Berlin 1891. Mittheilungen aus dem Archive des König- lichen Kriegs-Ministeriums : „Statistische Nachrichten über die Armee Friedrich Wilhelm I." Mittheilungen des k. und k. Kriegs- Archivs. Neue Folge. I, bis YL Bapd. Wiei^ 1887—1892,

Digitized by

Google

520

Stärke mit seinem vorzüglichen Heere geschaffen und gefestigt zu haben.

Von dem Augenblicke an, da er in einem Alter von noch nicht ganz 25 Jahren die Regierung übernehmend (25. Februar 1713), der Neigung nachgeben konnte, welche ihn von der frühesten Jugend an am meisten beherrscht hatte und durch natürliche Anlage, wie Erziehung in gleicher Weise entwickelt worden war, jener für das Militärwesen, war der König, von dem Grundsatze ausgehend, dass ein zahlreiches, wohlausgerüstetes Heer das beste Mittel sei, um die Sicherheit und Selbst- ständigkeit des Staates zu sichern, unablässig darauf bedacht, die Wehrmacht seines Reiches zu heben, zu vervollkommnen und zu vermehren.

Die Keime, welche in dieser Richtung von dem Markgrafen Philipp von Branden bürg imd dem Fürsten von Anhalt, den ruhmreichen Feldherren seines Vaters, in die Seele des jungen Fürsten gepflanzt wurden, hatten durch seine Bekanntschaft noit den beiden grössten Heerführern seiner Zeit, dem Prinzen Eugen von Savoyen und dem Herzog von Marlborough, in ihrer Entwicklung naturgemäss nur eine mächtige Förderung erfahren können und nachdem das thatkräftige, willensstarke, entschiedene Naturell Friedrich Wilhelm I. bei seinen ernsten, stolzen Er- ziehern, den Grafen D o h n a und Finckenstein überdies durch eine strenge Schulung gegangen und an strafiFe Thätigkeit und Ordnungsliebe gewöhnt worden war, konnte der jugendhehe Monarch wohl mit voller, zeitweilig sogar rücksichtsloser Energie an die Durchführung jener Grundsätze und Institutionen schreiten, die er als die richtigen und nutzbringenden erkannt hatte.

In seiner eigenen Lebensweise an Ordnung, Einfachheit und Sparsamkeit festhaltend, wusste er diese Tugenden auch auf alle Zweige der öffentlichen Verwaltung zu übertragen und wenn er einerseits den Luxus einschränkte, der unter der Regierung seines Vaters am Hofe geherrscht hatte, so war er anderseits nicht minder eifrig darauf bedacht, die Staatseinkünfte durchBegünstigungen, welche er dem Ackerbau, den Gewerben, insbesondere der Woll- manufactur und dem Handel zuwendete, durch intensivere Cultur des Bodens, Aufiiahme von Einwanderern aus fremden Staaten und eine möglichst geregelte und sparsame Finanz-Administration zu erhöhen. Die aus der eigensten Initiative des Königs hervorgegangene und 1723 erfolgte Einsetzung des „General-Directoriums" als Central- behörde der gesammten Civilverwaltung, welche als Grund- und

Digitized by

Google

521

Eckstein des preussischen Beamtenstaates bezeiclmet werden kann, ist in einer Eiohtung ebenso charakteristisch für das Wesen und die Denkungsweise dieses, trotz mannigfacher Schwächen hochbedeu- tenden Mannes, wie es jene denkwürdigen Worte in einer anderen sind, die er kurz nach seiner Tlironbesteigung niederschrieb : „Saget dem Fürsten von Anhalt, dass ich der Finanzminister und Feld- marschall des Königs von Preussen bin. Dew wird den König von Preussen aufrechterhalten".

Thatsächlich giengen denn auch air die zahlreichen Ver- fügungen, welche auf eine Verbesserung und Stärkung der Wehr- macht abzielten, unmittelbar aus den persönlichen EntSchliessungen des Königs hervor und wenngleich sich dieselben bei der prac- tischen Durchführung nicht in allen Fällen als reiflich erwogen und daher auch nicht immer als lebensfähig erwiesen, die Absicht des Monarchen war stets die beste und zumal im Hinblicke auf die Zeit, in der er lebte und die schwierigen Verhältnisse, unter welchen er zu arbeiten hatte, des vollsten Lobes würdig. Dass eine so impulsive, thatendurstige Natur, wie die des Königs, sich weniger von festen Principien, als von den Erfordernissen des Augenblickes leiten und in Folge dessen häufig die wünschenswerthe Consequenz vermissen Hess, erscheint psychologisch erklärlich; allein, mochte er in den Mitteln, welche ihm zur Erreichung seiner Zwecke dienlich zu sein dünkten, immerhin unvermittelt und rücksichtslos wechseln oder ab und zu auch fehlgreifen, die Tendenz, sich ein gutes und starkes Heer zu schaflFen, behielt er unverrückbar im Auge und ihr mussten sich nach zähem Widerstände selbst Adel und Stände unterwerfen.

Vor Allem war der König selbst durch imd durch Soldat, trug ausschliesslich die Uniform eines solchen, betrachtete sich als den ersten Officier seines Heeres und machte den „Rock des Königs" zum Galakleid des Hofes und zur Ehrentracht des Mannes; er trat jedem Officier als Kamerad gegenüber und verlieh dadurch dem ganzen Corps den Charakter der Einheitlichkeit, Gleichförmig- keit und gesellschaftlichen Gleichberechtigung. Dabei war er aber gleichwohl unausgesetzt darauf bedacht, die Machtbefugnisse der Krone zu wahren, ihre Prärogative zu befestigen und der eigenen Willensmeinung Jedermann gegenüber mit unbeugsamer Energie und Härte Geltung zu verschaffen. Die Macht des Adels, an welche weder Friedrich I. noch der Churfürst Friedrich Wilhelm je zu rühren geTvagt, warf Friedrich Wilhelm I. rücksichtslos nieder, durch

Digitized by

Google

522

die ausschliessliche Einrangiening desselben in das OflSciers-Gorps machte er ihn aber auch zu der festesten Säule des Staates und kaum minder segensreich erwies sich die mit jener Massregelnng im Zusammenhange stehende Aufhebung der persönlichen Leibeigen- schaft und die Umformung der letzteren in eine Erbunterthänigkeit. War die, wenn auch nur theil weise Beibehaltung der Auslands- werbung dazu angethan, die eigene Volkskraft zu schonen, so wurden die Härfcen der, mit der Einftlhrung des Canton-Systems wenigstens im Principe inaugurierten, allgemeinen Dienstverpflich- tung, durch die zahlreichen Befreiungen und besonders durch Ax^ auf der breitesten Basis construierte Beurlaubungs-System wesentlich gemildert und die Durchfuhrung des letzteren ward nicht nur in volkswirthschaftlicher Hinsicht von der höchsten Bedeutung, sondern trug auch der Staatscasse sehr namhafte Ersparnisse ein. Diese im Vereine mit den übrigen, auf die Vereinfachung und Ordnung der administrativen Verwaltung hinzielenden Schöpfungen des Königs waren es, die es ihm ermöglichten, schon nach verhältnissmässig kurzer Zeit alle von seinem Vater hinterlassenen Staatsschulden abzahlen zu können. Wenn der aus der Initiative Friedrich Wilhelm I. hervorgegangene Modus der permanenten Beurlaubung, als der Vorläufer des heutigen, beinahe in allen Heeren Europa^ acceptierten Cadre-Systems betrachtet werden kann, so ninss das mit jener in unmittelbarem Zusammenhange stehende Canton- Reglement vom Jahre 1733 als der wichtigste, weit über das XVin. Jahrhundert hinauswirkende Schritt bezeichnet werden, welcher in Bezug auf die Entwicklung des Heerwesens überhaup: gethan worden ist. Speciell für Preussen wurde er durch der Umstand, dass die Führung der unteren Massen den Händen der Gutsherren, den Söhnen des Landadels anvertraut ward, von einer Bedeutung und Tragweite, die der Schöpfer dieser Einrichtunge.i selbst wohl nicht annähernd geahnt haben mochte. Dass die Ein- fühnmg des Canton-Systems schliesslich auch auf pädagogischem Gebiete von der günstigsten Einflussnahme werden rausste, ist ein- leuchtend.

Die Ausgehobenen wurden bei den Regimentern im Ijesez und Schreiben unterrichtet, zu Gehorsam, Ordnung imd Reinlieb- keit erzogen, sie sahen, sprachen vielleicht sogar den König. nahmen eine Welt von neuen Eindrücken und Vorstellungen i^ sich auf, die Erinnerung an die beim Regiment verlebt-e Zeit wm-de ihr eigener Stolz und indem der Einzelne sich auf di«?«' Weise als der Angehörige des Staates flihlen lernte, konnte di-r

Digitized by

Google

523

Wirkung all dieser Factoren auf die Bevölkerung im Allgemeinen nur eine anregende und vortheilhafte sein.

Vor allem war dem Monarehen daran gelegen, bei den Offi-

cieren ein entschiedenes und starkes Standesgefühl zu erwecken

und desshalb sollte jeder, auch der geringste Dienst, als „im Namen

des Königs" geschehend, aufgefasst werden, die Oberste allezeit

so verfahren, als wenn der König zugegen wäre und alle Com-

mandanten den Dienst täglich so handhaben, als ob der Feind vor

den Thoren stünde. Dabei suchte der Fürst die Vortrefflichkeit

aber doch keineswegs in blossen Aeusserlichkeiten, sondern vielmehr

in echtem, wahrem Manneswerthe, was schon aus der Bestimmung

hervorgeht, dass der untergebene Officier im Dienste stets und

unbedingt zu gehorchen habe, „es sei denn, dass er an seiner Ehre

angegriffen wird", ein Grundsatz, welcher bekanntlich auch in dem

Reglement, welches der kaiserliche Feldmarschall Grraf Kheven-

hüller 1739 für sein Dragoner-Regiment herausgab, Aufnahme

gefunden hat.

Die stetige Vermehrung der Armee bildete für Friedrich Wilhelm I. eine ebenso wichtige Aufgabe, als die Festigung ihres inneren Gefüges und die Förderung ihrer Schlagfertigkeit. Wenn die letztere durch die Verlegung der Regimenter in die Städte, die Einführung des Canton-Systems, die Regelung des Urlauberwesens, die alljährlich durch den König selbst vor- genommenen Musterungen, die Bestimmungen bezüglich des Ver- haltens im Mobilisierungsfalle, die periodischen Waffenübungen und die Anlage von Vorrathshäusem ^) in allen Theilen des Reiches, insoweit als es überhaupt möglich erschien, gewährleistet ward, so manifestierte sich des Monarchen Fürsorge in den beiden anderen Richtungen intensiv und extensiv in einer kaum minder ent- schiedenen und umfassenden Weise.

Schon in den ersten Jahren seiner Regierung (1716, beziehungs- weise 1719) hatte der König die, noch aus der Zeit des Churförsten Friedrich Wilhelm stammenden imd in Berlin, Colberg und Magdeburg J3estandenen ,,Cadetten-Compagnien" als „Neues Corps des Cadets" in Berlin vereinigt und diese, nach dem Etat von

*) Der Inhalt der Vorrathshäiiser sollte in Kriegszeiten dem Heere dienen, in Missjahren jedoch nnd bei grosser Theuerung der Bevölkerung j5Ugu"te kommen.

Digitized by

Google

524

1731 bis 1732 einen Stand von 272 Cadetten zählende Anstalt, aus welcher jährlich etwa 50 bis 60 junge Leute und zwar je nacli ' Alter und Befähigung als Fähnrichs, Gefreiten-Corporal oder ünter- officiere in die Armee traten^), bildete den Stamm des Officiers- ersatzes.

Eine numerisch nicht unbedeutende Ergänzung erfuhr letztere durch die sogenannten „Junker", welche von den Regimentern unmittelbar aufgenommen und mit Unterofficiers-Distinction ein- gereiht werden durften. Dieselben mussten aber dessenungeachtet während der ersten drei Monate die Dienste eines G-emeinen ver- sehen und konnten erst nach dieser Zeit als wirkliche Unterofficiere oder Grefreiten-Corporale in Verwendung treten. Nach einer weiteren Dienstzeit von drei Jahren in der Ünterofi&ciers-Charge war es gestattet, die Junker zur Beförderung zum Officier in Vorschlag zu bringen. Aehnliche Verhältnisse bestanden bezüglich jener jungen Adeligen, welche von den Generalen als Pagen angenommen wurden; auch diese durften und zwar als Jimker, erst nach einer ihnen zutheil gewordenen militärischen Erziehung in die Front ein- gestellt werden.

Die Cadetten sowohl, als die Pagen und Junker giengen vor- zugsweise aus den Reihen des Adels hervor und dementsprechend bestand das brandenburgisch - preussische Officiers - Corps fast gänzlich schon zur Zeit Friedrich Wilhelm I. aus den Söhnen adeliger Familien, wenngleich principiell auch BürgerUd» zu Officieren ernannt werden durften. Doch konnte ein Unter- officier, der kein Edelmann war, erst nach einer zwölQälirig^ tadellosen Dienstzeit zur Beförderung zum Officier in Vorschlag gebracht werden und auch dann nur in dem Falle, wenn er hervorragende geistige und körperliche Eigenschaft;en besass. Ab und zu erfolgte die Beförderung eines Bürgerlichen zwar auch schon nach einer kürzeren Dienstzeit, doch geschah dies nur aus- nahmsweise und in Folge dessen ergaben sich, namentlich in de^ Lieutenants-Charge, bei einzelnen Regimentern ganz erhebliche DijBFerenzen in dem Lebensalter der Officiere.

Die Beförderung im Allgemeinen erfolgte in der Kegel nack dem Dienstalter und zwar über Vorschlag der Chefs oder Com- mandeure durch eine Cabinets-Ordre des Königs. Hohe Geburt war

^) Die „Fähnrichs" zählten zu den Officieren, während die y,Gefireit^ Corporals" die Fahnen zu tragen hatten; bei den Eegimentem zu Pferfe hiessen sie „Standarten-", bei den Dragonern und Husai*en „Fahneiyonke«' <

Digitized by

Google

525

dem Avancement zwar niemals abträglich, an sich und allein aber für schnelleres Vorwärtskommen zumeist doch nicht hinreichend und auch die Versuche, ein solches auf dem Wege des damals allenthalben üblichen Stellenkaufes oder Tausches zu ermöglichen, zählten in Preussen zu den Ausnahmen. Dagegen war die Dienst- pflichtigkeit der Officiere eine völlig unbeschränkte und fand that- sächlich nur mit der eingetretenen Dienstuntauglichkeit ihren Abschluss. Von ganz besonderen Veranlassungen abgesehen, mag denn auch ein freiwilliges Ausscheiden aus dem Dienste nur in dem Falle ausgesprochener Invalidität vorgekommen sein, was umso wahrscheinlicher ist, als es keine Pensionsberechtigung gab und die Zuerkennung eines Ruhegehaltes immer dem Ermessen und der Gnade des Königs anheimgegeben blieb, der dienstunfähig gewordene Officiere häufig auch durch die Zuwendung von Civil- Bedienstungen versorgte.

Die Regiments - Commandeure waren verpflichtet , dem

Könige am 1. Januar eines jeden Jahres genaue Conduite-

Listen über die ihnen miterstehenden Officiere einzureichen und

in denselben bei jedem Einzelnen zu bemerken, ob er ein „Säuffer",

„ob er guten Verstand*' und einen „offenen Kopf' habe, oder

ob er „dumm" sei. Die sorgfältige, wahrheitsgetreue und

unparteiische Verfassung dieser Listen wiurde den Betheiligten

bei Ehre und Gewissen und mit dem Beifügen zur Pflicht

gemacht, dass die Vorlage eines unrichtigen Rapports unnachsichtlich

die Cassation des betreffenden Commandanten zur Folge haben

würde. Dessgleichen sollte jeder Officier cassiert werden, der „eine

liächetÄ begeht oder auf sich was sitzen hat und nicht ein braver

Kerl ist"; auch in einem solchen Falle war der Oberst gehalten,

die Angelegenheit dem Könige sofort zur Kenntniss zu bringen.

Die unmittelbare Berichterstattung an seine Person hatte Friedrich Wilhelm I. den Commandeuren schon in der aller- ersten Zeit seiner Regierung zur unabweislichen Pflicht gemacht und selbst in jenen Angelegenheiten, bezüglich welcher zunächst nur die Competenz des General - Kriegs - Commissariates in An- spruch zu nehmen und daher der Weg an diese Behörde erlaubt war, musste, sobald es sich um Märsche der Regimenter handelte „immediate'' Mittheilung an den königlichen Kriegsherrn erfolgen^).

*) „Seine königliche Majestät etc. Unser Allergnädigster Herr haben in Gnaden verordnet, dass die Commandeure derer gesammten Regimenter und

Digitized by

Google

526

Der General - Adjutant des Königs hatte aus den Rapporten der einzelnen Truppenkörper allmonatlieh „General-Listen^za- sammenzustellen, während die Erledigung der Berichte, Anfragen u. 8. w. im Allgemeinen dem königlichen Cabinete oblag und den Betreffenden in der Form sogenannter Handschreiben zugieng. welch' letztere eigenthümlicherweise portopflichtig waren. Mit Aus- nahme der verhältnissmässig kurzen Zeit von Januar bis Xovember 1716 sind die „General-Listen", welche dereinst Friedrich Wilhelm I. vorgelegt wurden, nahezu vollständig erhalten ge- blieben und die Aufschlüsse, welche diesen Documenten sowohl in Bezug auf die Entwicklungsgeschichte, als die internen Verhältnisse des brand^nburgisch-preussischen Heeres überhaupt zu entnehmen sind, müssen ebenso ihrer Authenticität, als ihrer Mannigfaltigkeit wegen als äusserst werthvoUe bezeichnet werden.

Aufbringung und Ergänzung des. Heeres.

Die grössten und nachhaltigsten Schwierigkeiten waren stet^ mit der Aufbringung und Ergänzung des Heeres verbunden und in Folge dessen ergaben sich auch bezüglich der hiebei in Fragt kommenden Systeme, Inlands- imd Auslands- Werbung, Aushebung etc., fortwährende Schwankungen imd Widersprüche. Nach den An- schauungen des Königs war, wenigstens ideell, allerdings jeder Angehörige des Landes unbedingt zum Heeresdienste verpflichte-;

Corps, wenn dieselbe von ihrer Detaille oder bei ereignenden Vacanzen, Ver- änderungen, wie auch vrie die Werbungen avancieren und anderen extra- ordinairen Zufällen etwas zii berichten haben, solches jedesmal immediate a: Dero Allerhöchste Person Allerunterthänigst adressieren und überschreibrs sollen. Was aber ausserdem in Verpflegungs-, Marsch-, Quartier- und Mu?ter- Sachen vorfällt, auch die ordinären Quartalrollen und Listen, wollen S. e<e. an Dero General-Kriegs-Commissariat couvertiert wissen und zwar mit B^ nennung der Rubrik von denen darin enthaltenen Materien, wobei doch u notieren, dass, was die Märsche der Regimenter anbelanget, an Dero AU«''- höchste Person immediate auch alsobald soll notiiicieret werden, welches ^ Dero Generalmajor von Gnunbkow als Commandeur seines unterhaben*!*^ Regiments zu Fuss hiermit in Gnaden zu wissen fugen und Allergnädigst *s- befehlen, sich danach allergehorsamst zu achten.

Signatum zu Cöln an der Spree den 2'^. April 1713. Friedrich "Wilhels:

An den Generalmajor von Grurabkow, wie es hinkunftig mit Couvtrti'-r und Adressirung aller und jeder Berichte gehalten werden soll."

Auf dem zweiten Blatte der Ausfertigung steht:

„Die Ueberschrift an Seine Königliche Majestät Allerhöchste P^3>ci

muss folgendergestalt eingerichtet werden :

Au Roy

Rapport vom Grumbko wischen Regiment am Fa^

Digiti?ed by

Google

527

und es stand vollkommen in Uebereinstimmung mit diesem Grund- satze, wenn er erst 1713 und 1718 nochmals verfügte, dass jeder ünterthan, „er sei von was Condition er wolle", welcher ohne Er- laubniss ausser Landes gehe, als Deserteur tractiert und an Leib und Leben gestraft werden solle. Thatsächlich aber waren diese, der allgemeinen Wehrpflicht gleichkommenden Principien vor nahezu zwei Jahrhunderten denn doch nicht durchführbar und somit masste sowohl von Seite des Monarchen, als von jener seiner militärischen Organe, zu welchen in der damaligen Zeit fiir die Er- gänzung namentlich die Capitains (Compagniechefs) gezählt werden müssen, zu anderen Auskunftsmitteln gegriffen werden.

Zunächst (Mai 1713) verbot Friedrich Wilhelm L den- selben „bei Cassation", mit den Mannschaften „Capitulationen" auf eine gewisse Zeitdauer abzuschliessen ; er bestimmte vielmehr, dass diejenigen, welche einmal angeworben waren, so lange zu dienen hätten, als es „Seiner königlichen Majestät" gefallen würde also so ziemlich lebenslänglich ^). Wenige Wochen später wurde die Werbung im Lalande auf einer ganz neuen, einseitig militärischen Grundlage geregelt und dabei den Regimentern aufgetragen, sich „in ihren Standquartieren" zu ergänzen; allein schon im nächsten Jahre verfügte der König, dass von der Aushebung im Lilande ab- zusehen, dieselbe auf die Annahme freiwillig Eintretender zu be- schränken und der Mehrbedarf im Auslande zu decken sei. Hiebei scheint jedoch zumeist eine Unterdrückung der damals allgemein üblichen gewaltsamen Werbungen beabsichtigt gewesen zu sein, denn der Monarch weist bald nachher (December 1715) nicht nur darauf hin, dass, wenn nicht mit Gewalt, so doch „mit guter Manier, 2fe Linden Worten und möglichster Listigkeit" zu Kriegsdiensten süchtige Leute ohneweiteres angeworben werden können, sondern )efiehlt zu Beginn des Jahres 1716 überdiess, dass die Regimenter die Aufbringung der nothwendigen Mannschaften im Einvernehmen nit den Landräthen und Commissaren, welche die ßecruten uf die verschiedenen Ortschaften repartieren sollten, zu bewirken aben Tvürden.

Hatte schon diese Massregel bei Ständen und Städten grosse Un- ifriedenheit erweckt und zu zahlreichen Beschwerden Veranlassung

') Thatsächlich scheint diese Bestimmung nicht allenthalben durchgeführt er wenigstens nicht dauernd befolgt worden zu sein, denn später (1732) van Beengagierungen die Rede.

Digitized by

Google

528

gegeben, so wurde beides durch den königlichen Erlass vom 5. Januar 1717, welcher bestimmte: „dass alle adeligen, Schulzen- und Bauem-Höfe vor allodieret erklärt und nexus feudalis au%eholwii werden soll, wenn dafür ein jährlicher Canon gewilligt wird", namentlich auf Seite der magdeburgischen Ritterschaft noch erhebUch gesteigert ').

Als der König zu Gunsten der Heeresbedürfhisse die Präro- gative des Adels neuerlich beschränkte, indem er mehrere ake unzweckmässige Abgaben der Grundbesitzer in einen festen Hufen- schoss umwandeln Hess, da erhob FeldmarschaU Graf D o h n a im Namen der preussischen Stände entschiedene Einsprache, erklart* diese Einftlhrung für landesverderblich und schloss seinen Protest mit den Worten : ,.tout le pays sera ruin6*'. Die Erledigung, welche Friedrich Wilhelm L diesem Schriftstücke zutheil werden Hess, beschränkte sich auf den bekannten lapidaren Satz, mit dem der König dem aufsässigen Adel den Handschuh hinwarf: „Tont le pay? sera ruin6? Nihil Kredo, aber das Kredo, dass die Junkers ihi^ Autorität Nie pos volam wird ruiniert werden^. Ich stabiliere di^ Souverainet6 wie einen Rocher von Bronce".

Trotz der ihm eigenen Energie vermochte Friedricl Wilhelm I. indessen die Werbungen im Inlande ebensowenig voll- ständig zu unterdrücken, als die bei denselben sowohl im In-, ab im Auslande vorkommenden Gewaltacte imd der Umstand, dass & sich genöthigt sah, seine diesbezügHchen Verbote immer wieder n erneuern, dies aber gleichwohl that, ohne besonderes Erstaunen oder grossen Zorn über den Ungehorsam der Betheüigten erkennt« zu lassen, gestattet den Schluss, dass er es mit jenen selbst nicht aUzu ernst gemeint haben woUte und die Betreflfenden dies ganz gir wussten.

Einerseits reichten die Werbungen im Auslande eben nicht aus, anderseits aber kamen sie den damit belasteten CompagTiie- chefs zu theuer zu stehen und so suchten sich diese, die entweder

*) In dieselbe Zeit fällt ^uch die Aufhebung der „SchützengQ^BB'* deren Privilegien der König als unnütze Vorrechte ohne GegenleistosLgcs bezeichnete.

*) Hinweis auf das den polnischen Adeligen bei den Beichstags -Verha»:- lungen zukommende „Liberum veto", welches den Einzelnen zu dem senb^ historisch gewordenen „Nie pozwalani" (Ich erlaube es nicht) und damit n- Verwerfung jedes auf der Tagesordnung stehenden Antrages oder H^ratlmsf^ gegenständes ermächtigte.

Digitized by

Google

529

selbst Gutsherren oder mit solchen nahe verwandt waren, im Vereine mit den Regiments-Commandeiiren dadurch zu helfen, dass sie wenigstens zum Theile und selbstverständlich „ohne Zwang oder Ueberredung" eigene Gutsunterthanen einstellten. Immerhin aber bildete die Auslandswerbung zunächst und bis zu Beginn der Dreissiger Jahre noch die weitaus ergiebigste Quelle für die Er- gänzung des Heeres, lieferte in körperlicher Hinsicht ein vorzüg- liches Material und kam der Leidenschaft des Königs für „lange Kerls" ungemein zu Gute. Die reichste Ernte in dieser Richtung ergaben zumeist die Nachbarländer Mecklenburg und Sachsen, aber auch die Reichsstädte, sowie Franken und die Pfalz brachten ganz an- sehnliche Werbe-Ergebnisse ; dagegen stand es in den österreichischen Landen weniger gut, der König musste wiederholt „behutsame mesures" vorschreiben, daran erinnern, dass ohne Expresspass des Prinzen Eugen oder des Grafen Pdlffy in den Erblanden nicht geworben werden dürfe, die Werbung in Ungarn ausschliesslich dem Regimente des Königs vorbehalten sei u. s. w.

Die Geworbenen, beziehungsweise Eingestellten wurden bei Empfang des Handgeldes allerdings in der Regel auf eine gewisse Zahl von Jahren verpflichtet und konnten nach Ablauf dieser Zeit neuerlich und zwar auf sechs Jahre capitulieren ; allein nachdem in einem solchen Falle schon der Anspruch auf den abermaligen Empfang des Handgeldes von einer gewissen Körpergrösse abhängig gemacht war und der König bekanntlich noch 1732 decretiert hatte: ,,Q- rosse Kerls, die zwar alt, aber noch gesund sind, sollen, so lange sie noch marschieren können, nicht ausrangiert werde n", so mag eine Entlassung aus dem Dienstverbande, namentlich wenn dabei besonders stramme oder Leute von an- sehnlicher Körpergrösse in Frage kommen, wohl nur in den seltensten Fällen auf einem anderen "Wege, als auf jenem un- zweifelhafter Invalidität zu erlangen gewesen sein.

Bezüglich des Körpermasses bei den anzuwerbenden „Kerls" giengen die Anforderungen des Königs nicht nur an und für sich ungeheuer weit, er schrieb auch ganz genau vor, mit welcher Minimalgrösse die Leute in den einzelnen Zügen, beziehungsweise Q-üedem der Unter-Abtheilungen noch einrangiert werden durften rind was dementsprechend in seinen Augen als eine „gute", „eben noch passable" oder „schlechte Compagnie" gelten werde. Bei Compagnien, „die immer schlecht" sind, bleibt es „eine grosse Frage, ob die Capitains auch das Geld zur Werbung angewandt

Oesterreichiscber Erbfolgekrieg, I. Bd. 84

Digitized by VjOOQIC

530

haben oder nicht"? Den Füsilier-Reginientem waren etwas geringem Grössen gestattet, erwünscht war das aber keineswegs.^)

Dabei kostete ein „grosser Kerl" aber 700 Thaler imd mek und für besonders schöne Leute wurden gelegentlich auch ein paar tausend Thaler bezahlt; überdies waren die Compagniecliefs ge- halten, dafür zu sorgen, dass alljährlich einige schöne Leute ,,voi. sechs Schuh und darüber" für des Königs Regiment angeworber. würden, in welchem Falle ihnen das Werbegeld allerdings zurück- erstattet werden musste.

Wie weit die Vorliebe Fr i e drich Wilhelm's I. fürgro>5«r Leute gieng Vmd welcher Berücksichtigung sich dieselben zn erfreuen hatten, geht u. A. auch aus den Puncten 15 mii 21 der bereits erw'ähnten ,, Disposition und Ordre etc." voe September 1732 hervor. „Neu-Capitulationen mit ausgedient*-! Kerls", heisst es in Punct 15, „sollen immer airf sechs Jahr ge- schlossen werden. Das dabei zu zahlende Handgeld beträgt tar einen Mann aus dem ersten Zuge des ersten Gliedes 40 Thak. aus den anderen Zügen 30 Thaler, aus dem vierten Gliedt 25 Thaler, für einen Kerl aus dem zweiten und dritten Ghede aber nichts." Und Punct 21 bestimmt: „Grosse Kerls, die zwar a.t. aber noch gesund sind, sollen, so lange sie noch marschieren könneü. nicht ausrangiert werden."

Trotz alledem aber war die Werbung im Auslande auf t^? Dauer nicht aufrecht zu erhalten. Abgesehen davon, dass sie ii der Regel mit noch bedenklicheren Mitteln arbeitete, als die Inland- werbimg und in Folge dessen auch politisch häufig zu recht im>?- liehen Auseinandersetzungen fiihrte, war sie überaus kostspielig und in ihren numerischen Ergebnissen dennoch nicht völlig fc Bedarfe entsprechend.

Dieser Erkenntniss vermochte sich endlich selbst der Kö:ig nicht länger zu versclüiessen und sie war es auch, die ^ allmählich zu dem hn Beginne seiner Regierung so leiden schaftlich verfolgten Milizwesen zurückführte und zur Aufstelluri; von Formationen nöthigte, wie sie, wenngleich in einem andere: Rahmen, schon zur Zeit seines Vaters bestanden hatten.

*) „Disposition und Ordre, wonach die Königlich Preussischen InfAnttr.'^ ßegimenter von dato des 1. October 1732 wegen der Werbung sich m ^• halten haben sollen." Wusterhausen, 13. September 1732.

*) In der Zeit von 1713 bis 1735 soll für Auslands Werbungen ^er. '^' die damaligen Verhältnisse ganz horrende Betrag von zwölf Millionen Tbi-f^' aufgewendet worden sein.

Digitized by

Google

531 Land-Miliz und Land-Regimenter.

Eine der ersten Verfügungen des Königs hatte die Auf- hebung der seit 1701 bestandenen Land -Miliz zuni Zwecke und der beste Beweis für die entschiedene, ja leidenschafthche Gegnerschaft, welche er dieser Institution anfänglich entgegen- brachte, ergiebt sich aus der Thatsache, dass der diesbezügliche Befehl schon zwölf Tage nach der Thronbesteigtuig des Königs hinausgegeben wurde. Dass dem „Soldatenkönige" par ey- cellence das Halbe des Milizwesens an und für sich widerwärtig sein musste, imterliegt kaum einem Zweifel, zumal die Miliz durch den Umstand, dass sie niu* aus den königlichen Aemtem ausgehoben wurde, von vornherein ein fremdartiges Glied im Staatsorganismus gebildet hatte. Auch der tiefgehende Hass, von welchem Friedrich Wilhelm I. gegen die Franzosen und das französische "Wesen erfüllt wai*, mochte bei jener Massregel mit- bestimmend gewesen sein, denn später wurde den königlichen Kanzleien bei 100 Ducaten Strafe sogar der Gebrauch der bis dahin allgemein üblich gewesenen Bezeichnungen ,, Miliz'* und „Militär-' untersagt; in Bezug auf das Heer sollte nur noch von Regimentern, Officieren und Soldaten gesprochen werden ').

Im Principe hielt der König an dem Bestreben, der Ver- besserung und Vermehrung der Wehrmacht Alles dienstbar zu machen, unerschütterlich fest und zahlreiche seiner Erlässe geben hiefür Zeugniss; die stricte Durchfülirung der letzteren vermochte aber selbst sein eiserner Wille nicht in allen Fällen zu erzwingen und es zeugt nur . für das klare gesunde Urtheil, wie für die Gerechtigkeitsliebe des Monarchen, dass er es trotz des ihm inne- wohnenden Hanges zur WUlkür und Gewaltthätigkeit fertig brachte, eventuell auch mit den Verhältnissen zu rechnen und sich diesen zu accommodieren.

So griff er in veränderter Form schliesslich doch meder auf Einrichtungen zurück, die er zuerst beseitigt hatte.

*) Consequent und allgemein schien der Widerwille des Königs gegen französisches Wesen und französische Bezeichnungen sich allerdings nicht manifestiert zu haben ; während der verhältnissmässig harmlose Ausdruck „Militär" auf den Index kam, bHeben ungezählte andere unbeanstandet, die von früher her bestandenen „Cadetten-Compagnien" in Berlin, Colberg und Magdeburg vereinigte Friedrich Wilhelm I. selbst in ein „Neues Corps des Cadets" und ebenso wimmelt es in allen aus seiner Begierungszeit stam- menden Cabinetsordres, Reglements u. s. w. von GalUcismen.

34*

Digitized by

Google

532

Die erste derselben war die 1729 begonnene Enichtmig der Land-Regimenter^), welcher 1733 bei Ausbruch des polnischcL Thronfolgekrieges der „Entwurf eines Landes-Aufgebotes in Ost- Preussen" folgte.

Wenngleich dieser Entwurf nicht zur Ausführung gelangte, weü Friedrich Wilhelm I. sich zu einer stricten Neutralität entr schlössen hatte, so liefern beide Verfügungen doch den Beweis, dass der König dem Milizwesen nicht mehr so unbedingt abweisend gegen- überstand, wie zu Beginn seiner Regierung. Zudem durften in die Land-Regimenter nur Landeskinder und höchstens einzehie, m Preussen bereits naturalisierte und angesiedelte Ausländer eingetheilt werden, so dass diese Formationen schon damals dem Wesen der um vieles später zur Errichtung gelangten Landwehren gleichkamen.

Das Canton-Systeiti.

Eine imgleich ausgiebigere Verstärkung für die Armee und zugleich eine noch weit entschiedenere Annäherung an die Heeres- Listitutionen der heutigen Zeit bildete die, über königlichen Befehl imd gleichfalls im Jahre 1733 erfolgte Einführung des Canton- Systems und es unterliegt kaum einem Zweifel, dass die damit von Preussen initiierte Umwälzung seiner Heeresorganisation zu einer kaum minder tiefgehenden und eingreifenden geworden ist, als die acht Jahrzehnte später in demselben Staate erfolgte und seither in alle anderen Armeen übergegangene Schaflfiing der all- gemeinen Wehrpflicht.

') Am 16. Juli 1729, anlässlich der Mobilmachung gegen HannoTei. hatte Friedrich Wilhelm I. von allen Begimentem Listen über diejeni§«*i Of&ciere abgefordert, die früher bei ihnen gedient hatten und noch sbc Gamisonsdienst „capable" seien. Im August wurden alle ausrangierten, ab«! noch dienstfähigen Soldaten in Berlin, Magdeburg, Stettin und CoIbä:g zusammengezogen, unter jenen Officieren in Compagnien vereinigt und xas Ersätze, beziehungsweise zur Verstärkung der resp. G^amisonen bestinasi. Nach der Abrüstung wurden diese Abtheilungen beibehalten, die gleiek Massregel auf Ost-Preussen ausgedehnt und endlich vier Land-Regi- menter errichtet und zwar 1729 in Berlin, 1730 in Königsberg und in der Folge in Stettin und Magdeburg. Das Berliner und das Stettiner Begizor^ hatten jedes sieben, die beiden anderen fünf, beziehungsweise vier Compci^ nien. Officiere, Unterofficiere und Spielleute blieben ständig im DieiisÄ und erhielten Halbsold; die (aus Ausrangierten und später ans EnroDierGe unter fünf Schuh zusammengesetzten) Mannschaften waren für geTröhnSd beurlaubt, mussten aber vom April bis Juni, während die Feld-Regim€sti?r mit den grossen Uebungen beschäftigt waren, für dieselben den Wachtdies»' übernehmen und sollten im Kriege als Besatzungs-Truppon dienen.

Digitized by

Google

533

Eigenthümlicherweise ist die am 1. Mai 1733 erfolgte, vom König decretierte Canton-Eintheilung als Staatsgeheimniss behÄüdelt und in Folge dessen in ihren Details niemals bekannt worden. Fest steht nur, dass auf Grund des in den einzelnen Provinzen schon seit 1726 durchgeführten „EnroUements" allen in Preussen, Pommern, Brandenburg, Magdeburg und Halberstadt stehenden Regimentern bestimmte „Cantons" (Bezirke) zur Recru- tierung angewiesen wurden ^), aus welchen dieselben künftig ihre Ergänzung zu bewirken hatten, sowie dass kein Regiment einen Mann anwerben durfte, welcher in dem Canton eines anderen Regiments geboren war. Principiell und in der Theorie ward die Verpflichtung zum Waffendienste für alle Einwohner des Landes schon in diesem Erlasse ausgesprochen und zwar hatten sie der- selben in jenem Regimente zu genügen, zu dessen Cantons-District die Feuerstelle gehörte ^, auf welcher sie geboren waren ; in der Praxis aber wurden, der damaligen Zeitrichtung entsprechend, natürlich zahlreiche Ausnahmen zugestanden^), was umso leichter möglich war, als der dritte Theil des activen Dienststandes nach wie vor aus angeworbenen Ausländem bestehen sollte, der Bedarf an inländischen Recruten daher nur ein sehr geringer wurde. Allerdings unterlag die Verpflichtung der Ausgehobenen zum Kriegsdienste zeitlich keiner Beschränkung imd wenngleich die Zahl derselben pro Regiment und Jahr die Ziffer von 30 durch- schnittlich nicht überstieg, so wären doch in volkswirthschaftlicher Beziehung schwere und empfindliche Störungen nicht zu vermeiden gewesen, wenn jene Bestimmung buchstäbliche und schonungslose Anwendung gefunden hätte. Es erscheint daher nur natürlich, dass

*) Im Jahre 1785 wurde das Canton-System auch auf die rheinisch- \«restphälischen Lande ausgedehnt.

•) Einem Cavallerie-Kegimente wurden ungefähr 1800, einem Infanterie- ßataillon 4000—5000 Feuerstellen zugewiesen; die Grenadiere hatten keine eigenen Cantons, sondern waren durch die Abgabe .,grenadiermässiger" Musketiere zu ergänzen. Dagegen bekam die Artillerie ihren Canton in den neu angesiedelten Colonistendörfem und wenn diese nicht ausreichten, so konnte aus anderen Cantonen Aushilfe genommen werden. Das Feld-Artillerie- Hataillon durfte nach den Bestinjmungen des Königs nur aus Inländern bestehen.

•) Befreit waren die Söhne des Adels und derjenigen Eltern bürger- lichen Standes, die ein sicheres Vermögen von 10.000 Thalem besassen ; weiters <iie Söhne von Officieren, der gelehrten Stände, der Beamtenschaft; die Woll- Ärbeiter imd Fabrikanten; die ländlichen Wirthschaftsbediensteten adeliger Oüter, die Grundbesitzer und von 1737 ab auch die Söhne von Predigern, ßofem sie Theologie studierten.

Digitized by

Google

534

der König darauf bedacht war, auch diese Härten thunlichst zu mildem und zu diesem Behufe ein ausgedehntes Beurlaubung^ System einführte, nach welchem im Frieden alle ausgebildeten In- länder nur während der beiden Exerciermonate präsent zu dienen hatten, die übrige Zeit des Jahres aber ihrem bürgerlichen Er- werbe nachgehen konnten. Auch die Beibehaltung der AuslandU- werbmig war im Interesse einer möglichst migestörten wdrthschafi- liehen Entwicklung der eigenen Volkskraft verfügt worden ; zugleich sollte sie aber der unausgesetzten Bejfriedigung der königlichen Leidenschaft für grosse und schöne Leute dienen.

Air dieser Begünstigimgen ungeachtet begegnete auch die Einfährung des Canton-Systems, zumal in der ersten Zeit, scharfer. Anfechtimgen und zwar ebenso sehr in den Kreisen des Adels, aL< in jenen der Bevölkerung überhaupt. Wenn der erstere sich den neuen Verhältnissen relativ rascher accommodierte, so hielt die Unzufriedenheit im Volke umso länger vor und nöthigt« der. Monarchen mehrfach und selbst nach Jahren noch zu erngreifendtr und vermittelnder Intervention.

Die Gutsherrschaften sahen sich durch das Canton-Reglemeiü in ihrer bisherigen Autorität auf das Empfindlichste getroffen, tlenii der hörige Bauer unterstand fortan nicht so sehr der Herrschaö, als der Aushebungsbehörde, die Urlauber wurden des König> Leute und lernten sich bald umso mehr als solche fühlen, nachden. die zum Dienste bezeichneten Männer dem Gutsherrn und deni Vogte gegenüber mannigfache Vorrechte genossen. ALnderseit- aber wurden auch die Ausgehobenen und ihre Familien diurch di:- Gewaltthätigkeiten der mit dem EnroUierungsgeschäfte betrauten Unterofficiere und mehr noch durch die Willkür und Eigen- mächtigkeit der Compagniechefs hart mitgenommen und geschädi^. Die letzteren stellten ein, wen und wann sie wollten, entlieöger ebenso nach ihrem Belieben, mussten von den Cantonisten wegti; Heirath oder Ansässigmachimg lun ihren Consens angegang^i werden imd schufen sich namentlich durch den heimlichen Verkair von Abschieden an erst Enrollierte oder schon gediente Leute eine ausserordentlich' ergiebige Einnahmsquelle. Im Allgemeiiitr. benützten sie die ilmen übertragene Gewalt zu eigennützigtü Speculationen, entliessen reiche Stellungspflichtige, lun ärmeiv Unterthanen heranzuziehen und während die Aushebung bei der Prädomination des Militärs unter diesen Umständen fiir mancLr Capitains zu einer wahren Goldgrube wurde, ward sie für das Lai^ zu einer verzehrenden Wmide.

Digitized by

Google

535

Die Bedrückungen und Erpressungen wapren kaum geringer, als zur Zeit, da das Aushebnngsgeschäft noch in den Händen von Civilbeamten lag und die natürliche Folge davon wurden massen- hafte Auswanderungen und Desertionen, gegen die der König immer wieder von Neuem, häufig auch durch die Erlassung von sogenannten ,, Generalpardons" ankämpfen musste. Nachdem Friedrich wilhelm L u. a. schon im Jahre 1733 daran erinnert hatte, dass laut Eeglement ohne Zustimmung des Obersten kein Capitain „einem Kerl seine Demission geben und dieser Vorschrift besser nachgelebt werden solle", wurde mit Cabinetsordre vom 9. October 1739 den Compagniechefs überhaupt untersagt, Abschiede zu ertheilen und dieses Recht an die Regiments-Commandeure übertragen, welche dieselben unentgeltlich und über Requisition der Kammer- und Landräthe zu geben hatten, allerdings wieder nur solchen Leuten, die über 25 Jahre alt und zum Dienste nicht besonders qualificiert waren.

Die Compagniewirthschaft war eben zu innig mit den Agenden der Heeresaufbrmgung verbunden, als dass sich auf dem Boden derselben nicht zahlreiche Mängel und Schäden hätten entwickeln sollen. Dessenungeachtet wird den durch Friedrich Wilhelm I. auf militärischem Gebiete geschaffenen Einrichtungen die weit- gehendste Anerkennung umso weniger versagt werden können, da namentlich jene aus dem letzten Jahrzehnt seiner Regententhätig- keit geradezu als mustergiltige und in mannigfacher Richtung bahn- brechende bezeichnet werden müssen.

Beurlaubungs-System.

Nachdem bei voller etatsmässiger Stärke durchschnittlich 3V2 Procent der damaligen mämilichen Bevölkerungsziffer Preussens unter den Fahnen standen, so verfügte Friedrich Wilhelm L, um dem Lande nicht zu viele Arbeitskräfte zu entziehen, nach Einführung des Canton- Systems, dass die volle Sollstärke bei den Regimentern nur während der acht- bis zehnwöchentlichen Exercierzeit im Frühjahre aufrecht zu erhalten sei, in den übrigen Monaten aber ein gewisser Bruchtheil der Cantonisten ohne Gehalt in seine Heimath beurlaubt werden könne. In grösserer Anzahl und zwar per Grenadier-Compagnie 20, per Musketier-Compagnie 45, per Escadron 30 Mann, durften nur Gemeine beurlaubt werden, Unterofficiere per XJnter-Abtheilung höchstens zwei, Pfeifer und Tambours dagegen gar nicht und überdies ward festgesetzt, dass ,,kein Unterofficier oder Gemeiner länger, als neun Monate beurlaubt

Digitized by

Google

5B6

werden solle, damit sie das Handwerk nicht vergessen nicht Bauer oder Bürger wieder werden, sondern Soldaten wovon die Commandeurs und Stabsofficiers repondieren Bezüglich der Entfernung des Urlaubsortes von dem Standquamer des betreffenden Regiments galt als Norm, dass Niemand beurlaubt werden solle, der sich im Bedarfsfalle nicht innerhalb zwölfTagen wieder stellen konnte. Die Artillerie als Fuss-Truppe wurde in Beztig auf die Beurlaubungen der Infanterie gleichgeachtet.

Der Sold der Urlauber verblieb dem Compagnie-Chef, welcher dafiir die Verpflichtung hatte, die Kosten der Auslandswerbung zu bestreiten; überdies war ihm das Recht eingeräumt, ausser der Exercierzeit eine gewisse Anzahl von Mannschaften zeitweilige der Garnison selbst zu beurlauben, die stets zur Verfiigung ihwr Abtheilung blieben, aber vom Wachdienste befreit waren und wohl aus diesem Grunde „Freiwächter" genannt wurden. Sie be trieben ein Handwerk oder einen kleinen Handel und verdienten sich meist soviel, dass sie dem Compagnie-Chef nicht nur ikei: Sold lassen, sondern ausserdem noch einen Einsteher für des Wachdienst bezahlen konnten. Ihre Anzahl war eine nach der Grösse und Wohlhabenheit der Gamisonsstädte verschiedene; äe unterlag nur insofeme einer Beschränkung, als principiell festgesetzt war, dass mindestens so viele Mannschaften zum Dienste vor- handen sein mussten, um jedem Manne zwei aufeinanderfolgende wachfreie Nächte zu gewährleisten, bei der E.eiterei aber eineü Mann nicht mehr, als zwei Pferde warten zu lassen.

Die verhältnissmässig bedeutende Zahl der etatsmässigen Tr- lauber im Vereine mit den „Freiwächtem", zu welch' letztere! auch die Ausländer herangezogen werden durften, reducierte dir der Bevölkerung aus der Wehrpflicht erwachsende Belastung diat- sächlich auf nicht ganz 2V2 Procent und war in volkswirthschaÄ- licher Beziehung demnach von nicht geringer Bedeutung; ungleieß weniger günstig dürfte das System vom moralischen und rem militärischen Standpuncte zu beurtheilen sein, denn die ohneto mit mannigfachen Auswüchsen behaftete Conoipagnie-Wirtlischai^ konnte durch die nahezu imcontroUerbare Manipulation der Cbet? mit dem Solde der zahlreichen Urlauber nur zu neuen Schäden führen und musste die Fälschung von Rapporten und Listen, sowif Unterschleife und Ausschreitungen aller Art naturgemäss im (kW haben. Bezeichnend in dieser Richtung ist der Umstand, di^ zeitgenössische Schriftsteller ausdrücklich darauf hinwiesen, da&' die Ausnahme der Garde von dem allgemeinen Beurlaubung^

Digitized by

Google

537

Systeme, an welchem bis zum siebenjährigen Kriege auch Friedrich IL keine wesentlichen Aenderungen vornahm, wesentlich dazu beigetragen habe, diese Truppe zu einer vor- züglichen zu machen. In der That fanden bei der Potsdamer Riesengarde, deren stets yoUzählig erhaltene Abtheilungen als die Stämme der späteren Garde-Truppen anzusehen sind, gar keine Beurlaubungen statt, weil dieselbe keinen eigenen Canton hatte, sondern überall werben durfte und ihre weitere Ergänzung theils durch Abgabe geeigneter Leute von anderen Regimentern, theils durch solche erhielt, die ihrer Körpergrösse wegen mit bedeutenden Kosten in aller Herren Ländern angeworben worden waren. ^) Ana- loge Bestimmungen bestanden bezüglich der zumeist aus ge- worbenen Polen und Ungarn formierten Husaren, welche übrigens nur 1200 Pferde in neun Escadronen stark und schon aus diesem Grunde von der Beurlaubung ausgeschlossen waren, da sie bei diesem geringen Stande ihren Dienstverpflichtungen ohnehin nur schiwer zu genügen vermochten.

') Die Zusammensetzung und Stärke des „Königlichen Eegiments Grenadiere", eben der Potsdamer Riesengarde, dieses Schosskindes Friedrich Wilhelm L, ist aus der nachstehenden Liste ersichtlich, welche den Stand des Regiments am 1. Mai 1739 aufweist.

Stärke des Königlichen Regiments „Grenadiere" am 1. Mai 1739.

Bintheilong

S

o

1

1

«

«>

2

1

S

i

ri

a o

|i

ig II

1

1

H

1

1

der Offioiere und

1

II

1

o

i

§ &

o

1

P

20

11

5S

1

o

1

O

tD

o

Em

PC4

Q

o

Pk

M

n

o

0

ßM

S

M

beim 1. Bataill.

38

26

5

4

4

26

5

2

25

780

90

6

6

7

» 2.

29

24

5

5

4

25

5

,

1

20

645

90

6

6

,

8.

28

22

5

5

1

3

29

5

.

1

20

645

90

6

6

Zusammen . .

90

72

16a

^

5^

11

80

15

69

2020

270

18

18

7

Für den Ersatz bei diesem nach der „Rangier - Rolle" zusammen 90 Officiere und 2610 Mann starken Regimente bestanden die sogenannten , jKaukittel" und „Unrangierten", in welche die directe oder seitens anderer Truppentheile angeworbenen, beziehungsweise von diesen abgegebenen Leute zunächst eingestellt wurden. Am 1. Mai 1739 waren von diesen vor- liajiden: 4 Officiere, 43 ünterofficiere und Fouriere und 875 Mann, unter den letzteren ein „Landspassat" und neun Pfeifer-Mohren. Unter den „Grossen Un- iTÄDgierten" figuriert als „der erste": James Kirkland mit einer Körpergrösse von sechs Fuss elf Zoll und nachdem schon in einer Liste vom Jahre 1735 ver- liältnissmässig zahlreiche Mohren angeführt werden, so lässt dies darauf schlies- sen, dass der König dieselben, eine entsprechende Körpergrösse vorausgesetzt, xxicht ungeme als Pfeifer bei seinem Grenadier-Regimente einstellen Hess.

Digitized by

Google

538

Wenn die namentlich von 1730 ab geradezu zur Leiden^cliaft gewordene Vorliebe Friedrich Wilhelm L für grosse stattliche Soldaten schon aus dem Grunde als eine Schwäche bezeichnet werden muss, weil er ihrer Befriedigung selbst die Grundsatze der Sparsamkeit zum Opfer brachte, welche eine der hervorragendsten Charakter-Eigenschal*ten dieses Monarchen bildete und tur seine eigene Lebensführung ebenso richtunggebend ward, als für seine E-egententhätigkeit überhaupt, so mag darauf hingewiesen seia, dass jene Vorliebe möglicherweise durch das Beispiel seines Oheims, des Markgrafen Philipp Wilhelm von Brandec- burg-Schwedt in ihm erweckt worden sein mochte, in dem Vorgehen seines ersten militärischen Gehilfen und Berathers, de? Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau aber jedenfalls mäch- tige Förderung und Unterstützung gefunden hat. Wenigstens wird der 1711 als General-Feldzeugmeister, sowie Oberst eines ßegimenu zu Fuss und eines zu Pferde verstorbene Markgraf Philipp in autoritativer Form als der Erste bezeichnet, welcher sein Augenmerk auf die Grösse der Mannschaft gerichtet habe, so dass die Grena- diere seines Regiments von einer mehr als gewöhnlichen Grösse gewesen seien. Da der Fürst von Anhalt und der damalige Kronprinz diesem Beispiele folgten, so waren die Officiere seit jener Zeit bemüht, nur möglichst grosse, starke und dauerhafte Leute zu Kriegsdiensten einzureihen.

Jedenfalls treten die Mängel und Ausschreitungen, mit welchen die Acquisition „langer Kerls" in der Eegel verbunden war, dei ungleich zahlreicheren, in Wahrheit glänzenden und erfolgreicher Schöpfungen gegenüber, die aus der unmittelbaren InitiaÜT-e Friedrich Wilhelm L luid seines ruhmreichen Paladins in Interesse der brandenburgisch-preussischen Wehrmacht in der Ze:: von 1713 bis 1740 hervorgegangen sind, vollständig in den Hinter- grund, denn die letzteren haben sich im Allgemeinen nicht inr unter den damaligen Verhältnissen als lebensfähig erwie-s^n ui^i bewährt, einzelne derselben, wie das Cantons- und das Beurlaubung*- System, sind, wenngleich in theilweise veränderter Form, bis aar unsere Tage gekommen und Gemeingut nahezu aller Heere Europa' geworden.

Standesbewegung im Heere.

Unter der Regierung Friedrich L, des ersten Königs i: Preussen, hat es an Vermehrungen und Abdankungen bei der Heere selbstverständlich auch nicht gefehlt, doch erreichte ui*

Digitized by

Google

539

Standesbeweguiig niemals jenen Umfang, den sie unter seinem Nachfolger gewonnen hat, zumal in der Zeit von 1688 bis 1713 die Höhe der von den verschiedenen Mächten fallweise an Preussen zu zahlenden Subsidien in erster Linie das Regulativ für die jeweilige Stärke des Heeres bildete. Derartige Einflüsse konnten bei Friedrich Wilhelm I. nicht zur Geltung kommen und schon die Aufzeichnungen aus dem ersten Jahre seiner Regierung erscheinen characteristisch für die Principien, von welchen der Monarch sich in Bezug auf das Heerwesen bestimmen zu lassen ent- schlossen war. Verabschiedungen oder Entlassungen von Mann- schaften aus dem Dienstverbande kamen im Jahre 1713 bei der Infanterie ebensowenig vor, als bei der Reiterei und der Gesammt- abgang von 2200 Köpfen setzte sich aus Verstorbenen (330) und Deserteuren (1870) zusammen, wiu-de aber durch 11.546 Neu- angeworbene bei beiden Waffengattungen mehr als aufgewogen. Selbstverständlich vennochten Werbung , beziehungsweise ,,Enrollierung", nicht auf die Dauer so hohe Ergebnisse zu liefern und ebensowenig war die Nothwendigkeit zu umgehen, den Ab- gängen, welche durch Tod oder Desertion eintraten, schon vom Jahre 1714 ab auch jene, mitunter recht bedeutende Ziffer zuzählen zu müssen, die alljährlich unter der Rubrik „dimittiert" verzeichnet ward. Immerhin gelang es den Bemühungen des Königs, die Armee im Verlaufe seiner Regierung nicht nur allezeit vollzählig zu er- halten, sondern auch stetig zu veimehren, so dass bei seinem Ab- leben für die Zeit von 1713 bis 1740 einem Gesammt-Zuwachse von 140.601 Mann ein Gesammt- Abgang von 116.282 Mann an Unter- officieren und Gemeinen gegenüberstand. In Bezug auf die letzt- erwähnte Zahl erscheint die ganz ausserordentliche Höhe be- raerkenswerth, mit welcher die Desertionen an dem Abgang parti- cipierten; während die Armee von 1713 bis 1740 durch den Tod 21.476 Mann, durch Entlassungen (beiläufig) 64.590 Mann eingebüsst hatte, wurden nicht weniger als 30.216 Mann fahnen- flüchtig und speciell 1714, in welchem Jahre die Desertion am stärksten war, kam die Zahl der Entwichenen, den Verpflegs-Stand eines Bataillons mit 600 Gemeinen berechnet, der Stärke von 5"V2 Bataillonen gleich. Doch besserten sich die Verhältnisse auch in dieser Richtung nachhaltig und erst 1734 und 1735, als ein Theil des Heeres im Felde stand und dadurch „Debauchierungen" ausgesetzt war, machte sich vorübergehend wieder ein Anschwellen der Desertionen bemerkbar. Die Gruppe der Pfeifer und Tam- bours, naturgemäss die am wenigsten zahlreiche in der Reihe der

Digitized by

Google

540

Streitbaren, stellte eigenthtimlicherweise relativ beinahe immer das stärkste Contingent zu den Fahnenflüchtigen, was wohl aof die Thatsache zurückzufahren sein dürfte, dass dieselben im Gregensaiie zu den Unterofl&cieren, Grenadieren und Musketieren von der Be- urlaubung ausgeschlossen waren. ^)

MobilniaehiiBg.

Wie sehr der König bemüht war, die Schlagfertigkeit seines Heeres zu steigern und wie richtig er die hiezu geeigneten Mitte! zu wählen verstand, geht unter Anderem auch aus den schon in die Reglements von 1726 und 1727 aufgenommenen Bestimmungen hervor, welche eine thunlichst rasche Mobilmachung der Armee zu sichern hatten und die im Hinblicke auf die damaligen Zeit- verhältnisse geradezu als musterhaft bezeichnet werden messen Zwölf Tage nach Empfang der diesbezüglictes Ordre hatten die Regimenter zum Ausmarsch ins Feld bereit zu sein^ und schon die Kenntniss dieser m dem Jahre 1726 stammenden Verfiigung allein wäre hinreichend. um den Beweis zu erbringen, dass Friedrich Wilhelm Idei grossen Vortheil, fiiiher auf dem Kriegs-Schauplatze erscheinen zu können, als der Gegner, nicht nur selbst in seiner ganzen Trag- weite erkannt haben, sondern auch von dem Augenblicke, da er die Regierung antrat, eifiig und unausgesetzt darauf bedach gewesen sein musste, den gesammten complicierten und s schwerfällig ftmotionierenden Mechanismus der Verwaltung vd

*) Die Standesbewegung im Officiers-Corps war in der gleichen Zei- Periode im Allgemeinen keine sehr starke ; sie ist nicht vollständig ^^ nachzuweisen, da die Abgänge unter den Titeln Cassation, Desertion a^ Hinrichtung in den vorhandenen Listen nicht specificiert sind, ebensoweEii die Rubrik „degradiert", die übrigens niu: bis zum Jahre 1713 vorkomDit immerhin ist es auffallend, dass die Zahl der verabschiedeten (dimittiei^ Offi eiere jene der mit Tode abgegangenen beträchtlich übersteigt In der2e^ von 1718 bis 1740 werden ausgewiesen imd zwar:

bei der Infanterie : gestorben 382 Officiere, dimittiert 868 Offidwe.

den Garnisonen: 106 78

der CavaUerie: 186 ,, 256 -,

Zusammen : gestorben 624 Officiere, dimittiert 1202 Offideff-

') „In solchen zwölf Tagen werden die Beurlaubten eingeholet vai ^ Officiers kaufen sich die Pferde; das Uebrige aber, was man zur Cainp*r-' nöthig hat, es mag Namen haben, wie es will, sollen die Capitains iöx^ Compagnien, auch die Officiers für sich fertig haben; dann bei eibHa^ Ordre zum Marsche in Campagne ausser die Pferde nicht das Greringst« fr^^^ sondern Alles in recht gutem Stande sein muss." (Reglement vom Jahre 1«*-

Digitized by

Google

541

des Heeres in die Lage zu versetzen, jene Möglichkeit auch reali- sieren zu können.

Eine andere, gleichfalls nur in der preussischen Armee vor- kommende Institution, deren Werth hinter der gegebenen Falles gewährleisteten raschen Mobilisierungs - Möglichkeit nur wenig zurückstand, bildeten die bei allen Waffen etatsmässig systemisierten „Uebercomplete n", deren (bis zum Jahre 1740) jede Musketier- Compagnie fünf, jede Grenadier-Compagnie vier, jede Cürassier- oder Dragoner-Escadron sechs im Stande führte.

Sie wurden in denselben Cantons ausgehoben, aus welchen die betreffenden Regimenter normalmässig ihre Ersatzmannschaften erhielten, waren in der Regel beurlaubt und gelangten nur während der Exer derzeit zur Einberufung, um den durch Krankheit oder aus anderen Ursachen vorübergehend eingetretenen Abgang bei ihren Unter-Abtheilungen zu ersetzen. Sie waren demnach auch weder bewaffiiet, noch beritten, sondern hatten Gewehr oder Pferd von dem jeweilig Erkrankten, beziehungsweise Ab- gängigen zu übernehmen und wurden, insofeme sie bei ihren Com- pagnien keine Verwendung fanden, bei allen Ausrückungen des Regi- ments, bataUlonsweise vereinigt unter dem Commando eines Unter- officiers in einem Zuge hinter der Mitte der Bataillone aufgestellt. Den zutreffendsten, weil vom Gegner ausgehenden Massstab für den hohen militärischen Werth der „Uebercompleten" liefert Feldmarschall Graf Neipperg in einem Berichte an die Königin, aus Neisse, 23. April 1741, also wenige Tage nach der Schlacht bei MoUwitz, in welchem er, diese und ihre unmittel- baren Consequenzen besprechend, schreibt: ,,Das Schlimmste aber bei der Sache für xms ist. dass der Feind, des erlittenen Verlustes unerachtet, seine Bataillone gleich wieder auf die gehörige Zahl zu setzen weiss, inmassen bei jeder Compagnie 20—30 Supernumeraire vorhanden, welche, sobald sie in die Compagnie wirklich eingetheilt, wieder durch andere, aus seinen Ländern Nachkommende remplaciert werden. . . ." Die thatsächliche Anzahl der „Supemumerairen" war allerdings geringer, als der Feldmarschall sie voraussetzen zu dürfen glaubte, denn sie betrug per Infanterie-Regiment nur 80, per Grenadier- Sataillon 32 und per Cürassier- oder Dragoner-Regiment 60 Mann.

Pferde - Anfbringnng.

Nachdem die inländische Pferdezucht zur Zeit Friedrich W i 1 h e 1 m I. selbst in der Provinz Preussen noch auf einer sehr niederen Stufe stand, so wurde der für die Armee nöthige Ersatz

Digitized by

Google

542

an Pferden durch Lieferanten besorgt, welche das erforderlich Material in der Regel im Auslande ankauften und dann den Regimentern zuführten. Die von den letzteren zu zahlenden Prek unterlagen natürlich Schwankungen, waren im Allgemeinen aber ungemein gering und konnten von den bei jedem Regimente k- stehenden Pferde-Cassen lunso leichter aufgebracht werden, nacMeni die Ausmusterung unbrauchbar gewordener Pferde alljährlich sekon im Sommer nach den Uebungen, die Einstellung der Eemont^n aber erst im October oder November erfolgte und die in der Zwischenzeit ersparten Rationen zu Gunsten der Pferde-Cassen b Empfang gestellt werden mussten. Auch durften bei einem Eegiment? zu fiinf Escadronen jährlich nur 70 Pferde ausgemustert, beziehnng«- weise eingestellt werden und bei den Husaren war die Quote m noch geringere. Ausser öconomischen Rücksichten im Allgemeinen - Geschütze imd Fahrzeuge der Artillerie waren im Frieden über- haupt nicht bespannt mögen für diesen kärglichen Ersatewoii nicht in letzter Linie auch die Schwierigkeiten bestimmend gevesei sein, die sich der Aufbringung der zumeist verlangten, ausnahmr weise grossen und starken Pferde entgegenstellten. Jedenfalls bildete die geringe Zahl der alljährlich zur Einstellung gelangenden ß?- monten eines der wesentlichsten Motive für die Chefs imd Com- mandeure, das vorhandene Pferdematerial so viel als nur irgend thunlich zu schonen.

Die Aasbildung der Trappen.

Dass Friedrich Wilhelm I. es nicht an Bemühungen fefe liess, um das Heer, dessen Aufbringung und Ergänzung ihm so s^a^ am Herzen lag, auch nach jeder Richtung schlagfertig mid v^> wendbar zu machen, bedarf kaum einer besonderen Erwähnnct' Thatsächlich liefert eine Fülle diesbezüglicher Detailverfügung«'^ den Beweis, dass der König während der ganzen Dauer seiiif- Regierung imablässig darauf bedacht war, in alle Zweige des rm- tärischen Dienstes und der Ausbildung richtunggebend einzngreUtL veraltete Vorschriften auszuscheiden imd durch zeitgemässe r ersetzen.

Unter den letzteren bildete die im Juli 1713 erfolgte E^^^'' gäbe der „Neuapprobierten Kriegs-Articul" für die UnterofSei^-^ und Gemeinen der Infanterie, Dragoner, Cavallerie und Aitillf" einen seiner ersten Regieioingsacte. Sie erscheinen nicht nur insotV" bemerkenswerth, dass sie gegen früher im Allgemeinen auf mild'^rrf

Digitized by

Google

543

Principien aufgebaut sind, sondern hauptsächlich auch dadurch, dass ihre Wirksamkeit sich nur airf ünterofficiere und Soldaten, nicht aber auf die Officiere erstreckte, eine Scheidung, welche bis dahni noch niemals und nirgends vorgenommen worden war und die Officiere daher zum erstenmale als einen besonderen, gleich- sam privilegierten Stand angesehen wissen wollte. Bald nachher wurde das noch aus dem Jahre 1688 stammende Duell-Edict er- neuert, beziehungsweise geändert und Anfangs 1714 erhielten die Regimenter ein „Reglement, nach dem die Officiers hinfüro sich zu achten haben", welches ihnen die Dienstvorschriften der Kriegs- Articel zu ersetzen hatte und später wiederholt, insbesonders aber 1726, eine weitere Ausgestaltung erfiihr. Die letztere, als preus- sisches Kriegs-Reglement von Friedrich Wilhelm I. im Vereine mit dem Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau und einigen anderen Generalen ausgearbeitet, enthielt genaue Vor- schriften über Alles, ,,was zur schönsten Armierung, Mondierung, Exercieren und Oeconomie" nothwendig war und erscheint insofeme bemerkenswerth, weil dem Monarchen bei dieser Arbeit das spanische Reglement vom Jahre 1684 als Muster gedient hatte, welches ihm nach sorgfältiger Prüfung aller bei den vor- nehmsten Mächten Europas in Kraft stehenden diesfälligen Re- gulative am geeignetsten erschien, die dem preussischen Heere zu jener Zeit noch mangelnde Einheitlichkeit und Harmonie der Vor- schriften herbeizuführen. *)

*) Das Reglement wurde über Befehl König Carl II. von dem General- Lieutenant Sala y Ubarca verfasst und unter dem Titel „Obligacion y glosa de ordenes militares" 1681 in Neapel gedruckt. Es setzt die spanischen Kriegsgesetze in der Form von Dialogen, welche zwischen einem Rechts- gelehrten und einem Soldaten geführt werden, auseinander und bespricht alle Pflichten des Soldatenstandes, alle Forderungen der Ehre und alle Erwägungen über die Verfassimg der Trappen in einer ebenso einsichtsvollen, als anschau- lichen Weise. Feldmarschall Guidobald Graf Starhemberg Hess das Werk 1784 in's Italienische übersetzen (,.Regolamenti militari colla loro glosa") und als König Friedrich Wilhelm I. hievon Kenntniss erlangte, ertheilte er seinem Kammerherrn und Vice-Präsidenten der köriiglichen Societät der Wissenschaften, Otto von Graben zum Stein den Befehl, das Buch zu verdeutschen, obgleich der König das spanische Original schon von früher her in zahlreichen Exemplaren besessen hatte. Die deutsche Ausgabe erschien als „Spanisches Kriegs-Reglement mit nöthigen Anmerkungen u. s. w." 1735, wurde dem Grafen Starhemberg gewidmet luid wurde von Friedrich Wilhelm I. mit einer eigenen, von Münsterhausen 9. November 1735 aus- g^e fertigten Cabinetsordre in je 24 Exemplaren an die einzelnen Regimenter versendet.

Digitized by

Google

544

Als eine der wichtigsten und eingreifendsten unter den mAnnig- fachen Verbesserungen, welche das brandenburgisch-preussische Heer- wesen der Initiative des Königs zu danken hatte, muss unbedingt die für die damalige Zeit ganz ausserordentlich hohe Fertigkeit bezeichnet werden, zu welcher die Infanterie unter der ver- ständnissvollen Leitung des Prinzen Leopold von Anhalt- Dessau speciell im Laden und Feuern herangebildet wurde. Während zu Beginn des XV 111. Jahrhunderts unter König Friedrich L noch das langsame Feuer ausdrücklich vor- geschrieben war, hiess es in dem Reglement von 1726: „Die Keik müssen sehr geschwinde, indem das Gewehr flach an die rechte Seite gebracht wird, den Hahn in Euhe bringen; biemaci sehr geschwinde die Patron ergreifen. Sobald die Patron ergriflten, müssen die Bursche selbige sehr geschwinde kurz abbeissen, dass sie Pulver in's Maul bekommen, darauf geschwinde Pulver auf die Pfanne schütten" u. s. w. und Fürst von Anhalt fasste das, was er von der Infanterie verlangte, in die Worte za- sammen: „Gut schiessen, rasch laden, Unerschrockenheit und muthiger Angriff."

Die Erkenntniss, dass die Feuerwirkung nicht allein von der Anzahl der in Thätigkeit gesetzten Gewehre, sondern mehr n<xh von der in einem gegebenen Zeitabschnitte abgeschossenen Summe von Geschossen bedingt werde, konnte dem „Dessauer" ebensowenig verborgen bleiben, als seinem thatkräftigen Monarchen. Dif unmittelbare Folge dieser Erkenntniss war der Entschluss, das SchneUfeuer, wenn irgend möglich, so sehr zu steigern, dass dm: Gegner gleich bei seinem Eintritte in die Wirkungszone des Klein- gewehrfeuers durch dieses niedergeworfen werden müsse und dem- entsprechend wurde die „Chargierung" nicht nur im Allgemeiner zur Hauptübung bei den Fusstruppen gemacht, sondern auch in allen ihren Formen (Chargierung auf der Stelle und im Avancieren . im Retirieren ; bei Schwenkungen ; im Quarr6 ; Peloton- und Hecken- feuer u. s. w.) mit einer solchen Genauigkeit, Begebnässigkeit und Sicherheit durchgeführt, dass die Bataillone dabei tactischer. Maschinen glichen und Dressur, Mannszucht und Disc^lin dk grössten Triumphe feierten. Beim Pelotonfeuer (zugsweise ab- gegebenes Salvenfeuer) z. B., welches hauptsächlich zur Anwendmu: kam, hatten die das Feuern commandierenden zugführenden. Oft- eiere drei Schritte vor den rechten Flügel ihrer Pelotons zu treten und das erste mit dem Feuer zu beginnen; nach diesem scbos» das dritte und so fort alle ungeraden bis zum siebenten, vroiaur

Digitized by

Google

545

das Feuer vom zweiten anfgenommen und wieder von allen geraden der Reihe nach abgegeben wurde, um zuletzt nochmals an das erste überzugehen. In dieser Weise rollte das Feuer ununterbrochen und in gleichmässiger Schnelligkeit vom rechten gegen den linken Flügel des Bataillons und nahm die vollste Aufmerksamkeit der Officiere imd Mannschaften imiso mehr in Anspruch, als die Kugeln der eigenen Leute auf Zollweite an Brust imd Rücken der vor der Front ihrer Züge stehenden commandierenden Officiere vorüberflogen.

Die durch den „Dessauer" bei seinem Regimente versuchs- weise schon in den Jahren 1698 und 1699 in Gebrauch genommenen, in der preussischen Armee aber erst zwei Decennien später (1718/19) allgemein eingeführten eisernen Ladestöcke trugen natürlich sehr wesentlich dazu bei, die Abrichtung und Ausbildung der Truppen in der „Chargierung" zu unterstützen und zu fördern. Die manuelle Fertigkeit der Leute erreichte zuletzt einen so hohen Grad, dass in der Minute bis zu fünfmal geladen und gefeuert werden konnte.

Der ebenfalls durch Leopold von Anhalt-Dessau zur Wiedereinfölirung gelangte und mit der grössten Strenge geforderte Gleichschritt bei allen Bewegungen ward zu einem mächtigen Festigungsmittel in Bezug auf Ruhe, Ordnung und Zusammenhalt. Er hatte in allen Heeren längst bestanden, war aber zu Ende des XVn. Jahrhunderts, da man ihn der linearen Aufstellung der Truppen wegen entbehren zu können meinte, vernachlässigt worden. Der „alte Dessauer", für den möglichste Strammheit und unbedingte Unterordnung des Einzelnen stets als Endzweck der militärischen Ausbildung galten und der über die letztere tief und reiflich nach- zudenken gewohnt war, erkannte sehr wohl, dass gerade im Gleich- schritt eines der wesentlichsten Hilfsmittel enthalten sei, um körperliche und seelische Ruhe und Gleichmässigkeit in die Truppe zu bringen, ihr inneres Gefüge zu festigen und die Widerstands- fähigkeit ihrer langen dünnen Linien zvl erhöhen. Zudem waren „Fühlung" und „Richtung" nur unter Anwendung des Gleichschrittes dauernd einzuhalten und dementsprechend wurde derselbe bei allen Bewegungen mit rücksichtsloser Strenge gefordert. Er musste bei Frontalmärschen ebenso eingehalten werden, wie beim Flankenmarsch und der letztere speciell ward unter der Bezeichnimg Alignement- marsch in Zügen (Marsch in geöfi&ieter Zugscolonne) hauptsächlich

Oesterreicbiscber Erbfolgekrieg. I. Bd. 35

Digitized by

Google

546

zu dem Zwecke unablässig geübt, um im Bedarfsfalle durch Ein- schwenken der Züge jeden Augenblick wieder die Linie (Front) herstellen zu können, was selbstverständlich die peinlichste Ein- haltung der Distanzen während der Seitenbewegung zur Voraus- setzung hatte.

Ein nicht geringer Uebelstand, den eigenthümlicherweise auch das sonst so vielfach bessernd eingreifende Reglement von 1726 nicht beseitigt hatte, war die Verschiedenartigkeit der Rang;ierung bei der Infanterie. In allen Aufstellungen und Bewegungen, bei welchen nicht chargiert wurde, stand sie in vier öliedem, während zum Feuern deren drei formiert werden mussten, eine Bestimmung, die aus dem Reglement von 1718 herübergenommen und ganz gegen den Willen Leopold 's von Dessau beibehalten worden war. Dieser erkannte nämlich schon damals den hohen Werth der zwei- gliedrigen Aufstellung und trat unter Hinweis auf ihre ungleich grössere Feuerwirkung wärmstens fiir dieselbe ein; er vermochte mit seiner Ansicht aber nicht durchzudringen, es blieb bei den Satzungen von 1718 die man bei ihrem Erscheinen allerdings auch schon als einen Fortschritt begrüsst hatte, „wenn man mit dem Feind in Bataille oder in einer Action ist, sollen die Bataillons niemals vier Mann hoch, sondern allezeit drei Mann hoch chargieren" und nach wie vor musste das erste ölied zum Feuern niederknieen, um das dritte in der Regel in die Luft sclüessen zu lassen.

Kaum weniger misslich und noch viel eigenthümlicher, als die abwechslungsweise drei- oder viergliedrige Aufstellung erscheint das Zerreissen der Compagnie- Verbände in dem Augenblicke, wo es sich um die Formierung und Eintheilung des Bataillons handelte. Während dieses administrativ in fünf Unter-Abtheilungen (Com- pagnien) gegliedert war, wurde es tactisch in vier Divisionen for- miert und in Folge dessen der Einfluss des Compagnie-Chefs auf seine Truppe gerade im wichtigsten Augenblicke lahmgelegt. Nach- dem die Stellung eines solchen mit nicht unbedeutenden materiellen Vortheilen verbunden war, so mag die Rücksicht auf die Chefe, deren Zahl man nicht vermindern wollte, wohl in erster Linie dazu beigetragen haben, an dem althergebrachten Systeme der fünf Com- pagnien festzuhalten, während anderseits die Schwierigkeit, eine ungerade Anzahl von Unter- Abtheilungen, in einem tactischen Körper vereint, zu bewegen und zu commandieren, naturgemäss zur GUede- rung in vier Divisionen fähren musste. Der, jedenfalls sonderbare,

Digitized by

Google

647

Gebrauch erhielt sich, wohl aus denselben Motiven, auch noch unter Friedrich 11. bis zum siebenjährigen Kriege. Erst von dem Tage von Kolin ab rangierten die Bataillone, der Zahl ihrer Com- pagnien entsprechend, in fünf Divisionen und bei dieser Gruppierung blieb es bis zum Hubertsburger Frieden; nach diesem wurde das Bataillon administrativ zwar noch immer in fünf Compagnien, tactisch aber, der bedeutenden Standesherabsetzungen wegen, wieder nur in vier Divisionen gegliedert.

Das ebenso unbequeme jedesmalige Herausziehen der Grenadiere aus den fünf Compagnien eines Bataillons jedoch, welches gleich- falls vorgenommen werden musste, wenn das Bataillon formiert wurde, schaffte König Friedrich Wilhelm I. schon im Jahre 1735 ab, indem er aus den 18 Grenadieren einer jeden Compagnie^) per Bataillon eine eigene „Grenadier-Compagnie" errichtete, welche im Gegensatze zu den Musketier-Compagnien, in drei Glieder rangiert und sechs Schritte rechts seitwärts vom rechten Flügel des Bataillons aufgestellt zu werden hatte. Im ersten schlesischen Klriege wurden diese Compagnien von je zwei Regimentern in selbstständige „Grenadier-Bataillone" zu Compagnien vereint.

Bei der eingehenden und rastlosen Fürsorge, welche Friedrich Wilhelm I. der Entwicklung und Vervollständigung des Wehr- wesens in allen seinen Details zutheil werden Hess, erscheint es auf- fallend, dass die Aufmerksamkeit des Monarchen sich vorwiegend doch nur der Infanterie zuwandte und die Ausbildung und Ver- wendbarkeit der letzteren in Folge dessen einen Höhegrad er- reichte, welcher jene der Reiterei auch nicht annähernd an die Seite gestellt werden konnten.

An Vorschriften und Reglements für die Cavallerie hatte der König es zwar ebensowenig fehlen lassen, als sein Vater Friedrich I. und die Rangierung in drei Gliedern war bei der brandenburgischen

*) In dem Reglement vou 1726 heisst es bezüglich der zu jener Zeit noch im dritten Gliede der Compagnien eingetheilten „Grenadiere", dass sie nicht über 35 Jahre alt sein sollen und „wohl anssehn, nämlich nicht kurze Nasen, magere und schmale Gesichter haben. So Barte haben, sollen sie stehen lassen und sie auf polnische Manier tragen". Ihre Zahl betrug ursprünglich (1714) 12, später 13 und zuletzt 18 per Musketier- oder Füsilier-Gompagnie. Sie waren anfanglich mit Handgranaten und Gewehrpatronen ausgerüstet, doch "wurde von 1735 ab die Verwendung der ersteren im Feldkriege nicht mehr in Aussicht genommen und dafür die Zahl der Gewehrpatronen bei den Grenadieren vermehrt.

35*

Digitized by

Google

548

Reiterei schon 1689 eingeführt worden. Dessgleichen enthielt hereiu das für die Regimenter zu Pferde und die Dragoner erlassene Reglement vom Jahre 1727 die Bestimmung: . . Wenn die Esquadrons attaquieren, muss es im Trabe geschehen nnd keine Esquadron soll abwarten, bis sie attaquieret wird, sondern allenul zuerst den Feind attaquieren . . " und 1734, als der König die Mannschaft von drei ausgerückten Dragoner-Regimentern mit neuen Degen betheilte, bemerkte er ausdrückUch: „Das Forte der Cavalleiie besteht darin, allemal gute Seitengewehre zu haben" allein jenet echten und kühnen Reitergeist, welcher die brandenbnrgischen Schwadronen unter ChurfÜrst Friedrich Wilhelm noch beseelt hatte, vermochten ihnen Sohn und Enkel desselben nicht mehr einzuflössen, umso weniger, da beide ihrer Anlage und ihrem ganzai Wesen nach ebenso ausgesprochene und entschiedene Infanteristen waren, als der „alte Dessauer", ihr hervorragendster nnd vor- zügUchster Mitarbeiter.

Das nöthige Verständniss für diesen Geist besassen Friedrich Wilhelm I. und Leopold von Dessau allerdings, aber sie waren niemals von ihm beseelt und erfüllt und dieser Mangel ma^t*» naturgemäss von schädigender Einwirkung auf die WaflTe werden. Während das unter Friedrich I. im Jahre 1708 erlassene ;^glt- ment bezüglich der Attaque noch vorgeschrieben hatte, dass dieselbe „in eiaem starken trapp oder gutten Gallop" geritten werden müss^. begnügte man sich 1727 schon damit, dass dies „im Trabe" zu ge- schehen habe und da die Vorliebe fiir die Einstellung grosser Leut*- auch in Bezug auf die Cavallerie zur Geltimg gelangte, so mus^«' diese selbstverständlich mit sehr grossen, schweren und massiges: Pferden beritten gemacht werden und damit war das Lebenselemeir einer jeden Reiterei: die Beweglichkeit, absolut unvereinbar.

Die in der damaligen Zeit allenthalben üblichen, in der preussischen Armee ganz besonders cultivierten, umständlichen ini': gekünstelten Formen bei den Exercitien imd Entwicklungen, dir kurzen Tempi, eine völlig unzureichende Uebung in der für die plumpen Gäule ohnehin schwierigen Ueberwindung von Terrain- hindernissen und der lange Friede mussten die Feldtüchtigkeit dei Cavallerie in gleicher Weise gefährden imd einer Entfaltung de? unter Churfürst Friedrich Wilhelm noch vorhandenen fiiscber Reitergeistes immer hemmender entgegenwirken.

Die Forderung des Cavallerie-Reglements vom Jahre 1727 „dass jeder einzelne Reiter vollkommen Herr seines Pferder sei, dasselbe kenne und verstehe", dass die Commandeure nsv

Digitized by

Google

1

549

Rittmeister „die Pferde nicht unvermögend dick füttern, sondern in Athem setzen und in dem Stande halten, jederzeit zu marschieren und Fatiguen damit zu thun; dass der Hauptdienst des Reiters und Dragoners zu Pferde geschiehet, folglich auch am meisten darauf gehalten werden muss, dass ein Regiment Cavallerie oder Dragoner zu Pferde in vollkommen gute Ordnung gebracht und beständig darin erhalten werden möge", lässt, zumal im Hinblicke auf die militärischen Gepflogenheiten zu Beginn des XVHI. Jalu*- hunderts, principiell gewiss kaum etwas zu wünschen übrig. Allein um die Befolgung und consequente Durchführung dieserBestimmungen scheint sich Niemand gekümmert zu haben, denn die Commandeure waren nur bemüht, die Pferde zu mästen und liessen sie zu diesem Zwecke so wenig Bewegung als möglich machen, während die Mann- schaften desto fleissiger zu Fuss exercieren mussten, nachdem man dieselben doch nicht in gleicher Weise müssig stehen lassen konnte.

Bei dem Regierungsantritte FriedrichWilhelmL waren nebst zahlreichen anderen Mängeln im Heerwesen bei den Re- gimentern auch Ordnung und Disciplin nicht allzu stramme gewesen und diese wieder herzustellen, bildete eine der ersten Bemühungen des Königs. Da er niemals mit halben Mitteln arbeitete und vom „alten Dessauer" auf das werkthätigste unterstützt wurde, so blieb in dieser Richtung sehr bald nur melu* wenig zu thun und man wandte sich, wie immer bei einem länger andauernden Frieden, Aeusserlichkeiten zu, die den Soldaten zwar in Athem erhielten, mit seiner eigentlichen Bestimmung aber doch nur wenig zu thun hatten. Insbesondere die Anforderungen, welche in Bezug auf die äussere Erscheinung des Mannes, das Glänzen seiner Armatur und Rüstung, gestellt wurden, giengen weit über das Nothwendige hinaus.

Dessenungeachtet war, nach Ansicht Friedrich H., die Infanterie in gutem Zustande, ihre Mannszucht und Disciplin musterhaft und die Officiere bei den Fuss-Truppen zeigten sich von dem Bestreben erfüllt, den Anforderungen ihres Berufes nach Möglichkeit zu entsprechen. Die meist in kleinen Städten unter- gebrachte Reiterei dagegen ward vollständig vernachlässigt und das Vorurtheil, welches ihr FriedrichWilhelm L, beziehungsweise Leopold von A n h a 1 t-D e s s a u noch aus der Zeit des spanischen Successionskrieges bewahrt hatte, konnte am allerwenigsten dazu beitragen, in den Officieren Lust und Liebe für ihren schwierigen Dienst zu erwecken.

Digitized by

Google

550

Dieser ward denn auch vollständig vernachlässigt. Zwar leuchteten Sattel und Zaum bei allen Ausrückungen, ebenso die glänzend gewichsten Stiefel der Reiter und die Mähnen der Pferde waren mit farbigen Bändern^ durchflochten aber es waren Co- losse auf Elephanten, die sich weder gehörig zu bewegen, noch zu fechten verstanden und keine Musterung gieng vorüber, bei der nicht zahlreiche Reiter gestürzt wären. Die Officiere hatten keinen Begriff von dem Dienste zu Pferde, von den Anforderungen des Krieges überhaupt, keine Kenntniss der Gegend und noch weniger jener mannigfaltigen Obliegenheiten, deren Erfüllung von der Reiterei an Schlacht- oder Gefechtstagen erwartet und verlangt wird. Sie betrachteten sich in erster Linie als Pächter ihrer Com- pagnien und waren bemüht, das Erträgniss dieses Pachtgates si» hoch als möglich zu steigern. Unter solchen Umständen und bei dem Mangel jeglicher Anregung von leitender Stelle darf es nieii* verwundem, wenn die Reiterei Friedrich Wilhelm I. ihrem Dienste mid ihrer Bestimmung immer mehr entfremdet wurde, allmählich auch in ihrer Mannszucht Schaden litt und sich in der Folge zunächst als nahezu völlig unbrauchbar erwies. Nicht un- gerechtfertigt waren ihre Chefs, beziehungsweise Commandeure vl-d Friedrich 11. als „Pächter und Bauern" bezeichnet worden un-i es bedurfte der ganzen rücksichtslosen und eisernen Energie dt^ jungen Königs, um ihnen diese Eigenschaften gründlich und daueiBG abzustreifen. ')

*) In dem schon einmal erwähnten Berichte des Feldmirschallü Graiec Neipperg an Maria Theresia ddto. NeLsse, 28. April 1741 heis:^ e^ im Hinweise auf die preussische Reiterei und deren Verhalten bei Mollwitz; . . . Ihre CavaUerie hiogegen ist nicht viel werth; unsere Infanterie wiri durch die ihrige gering geachtet, vor der Cavallerie aber haben sie, vermuthÜrh um des brusquen Anfallens willen, Respect, welches denn eben auch eine ie^ von den Hauptursachen, wie schon angeführt, gewesen sein mag. dass -^ uns in der Ketraite nicht verfolgt, oder seither was nntemommeu habeiL** Der diesbezügliche, in demselben Berichte enthaltene Passus lautet wdrtiics . . . weil er sich auf seine Cavallerie, die aller Orten übel gethan und vc^ der Infanterie ganz difform ist, der König auch darüber sein Missfalleii is erkennen gegeben haben solle, nicht wohl verlassen konnte".)

In einem Berichte vom 5. Mai 1741 aber schreibt der Feldmarschaü äet Königin: . . Die einbringenden preussischen Cavallerie-Pferde sind einer, bei E. k. M. Truppen ungewöhnliche q Grösse, schwer \uid hoch urt^ jetztbesagter ihrer (Grösse, Schwere und Höhe halber nicht einmal für »1:- Cürassiers, zu geschweige erst für die Dragoner anstandig, derohalben hierKiJ kein Antrag zu machen; überdies ist auch hiebei zu bedenken, dass zu «efi anzuscbaflenden Pferden auch Sattel imd Zeug beigescba^ werden mi»'

Digitized by

Google

I

B51

Artillerie-, lofi^eniear- und Befestigungs- Wesen.

Die Artillerie spielte in den ersten Decennien des XViii. Jahr- hunderts im Allgemeinen zwar noch nicht annähernd jene hervor- ragende Rolle, welche ihr später zufiel, speciell die preussisohe zählte aber schon damals zu den besten Europa's und Friedrich Wilhelm L war eifrig bemüht, die Waffe auf den Bahnen des Fortschrittes und der Entwicklung weiter zu fiihren, welche ihr schon Churfiirst Friedrich Wilhelm und König Friedrich I. eröffnet hatten.

Den ersten Rang unter den drei Waffen, welche ihr der Churftirst im Hinblicke auf ihre Leistungen in dem Kriege von 1689 bis 1697 zuerkannt, hatte sie auf die Dauer allerdings noch nicht zu behaupten vermocht ; immerhin aber waren die Verdienste, welche sich speciell Markgraf Philipp Wilhelm von Bran- denburg-Schwedt als Öeneral-Feldzeugmeister um die Ver- vollkommnung des Artilleriewesens erworben hatte, so bedeutende, dass auf diesen Traditionen nur weiter gebaut zu werden brauchte, um neuer Erfolge sicher zu sein.

Nach dem Kriege mit Schweden, in welchem der Nachfolger PhilippWilhel m's als General-Inspecteur der Artillerie, General von Kühlen, vor Stralsund den Heldentod gefunden hatte, über- trug Friedrich Wilhelm I. die Oberleitung der Artillerie an den General Christian vonLinger, in dessen Händen sie, zu ihrem und des Staates Bestem durch volle 39 Jahre verblieb *). Beinahe gleichzeitig mit dieser Ernennung erfolgte die Theilung der Waffe in eine Feld- und eine Gamisons- Artillerie, von welchen die erstere die Bedienimg der Feld- und Belagerungs-Geschütze zu besorgen, die letztere den Dienst in den befestigten Plätzen zu versehen hatte.

General von Linger reducierte die bis dahin vorhanden gewesenen, zahlreichen verschiedenen Calibergattmigen bei den Kanonen auf vier Normalcaliber 3-, 6-, 12- und 24-pfundige

indem, wann ein Pferd in einer Action todtgeschossen wird, oder sonst auf derlei Art zu Grunde geht, gemeiniglich auch Sattel und Zeug damit verloren wird, in deren wiederumiger Beischaflung sich nach dem Pferd zu richten unumgänglich erforderlich sein wül ..."

*) Zunächst hatte sich der König allerdings bemüht, den sächsischen Oberst Obmauss (Obenaus) in preussische Dienste zu ziehen, nachdem er, eben vor Stralsund, die ausgezeichneten imd namentlich durch rasches Feuern hervorragenden Leistungen der sächsischen Artillerie bewundert. Obmauss war auf den Antrag aber nicht eingegangen.

Digitized by

Google

552

und richtete in Berlin eine grosse Pulverfabrik nach holländischem Muster ein, aus welcher später, während der langen Kriege unter Friedrich ü., beinahe der ganze, sehr bedeutende Pulverbedarf der Armee gedeckt werden konnte. Ausser den vier Kanonen- gattungen standen zur Zeit Friedrich Wilhelm I. noch 18-pfiindige Haubitzen, sowie 10-, 25- und 50-pfändige Mörser in Verwendung und in Berlin sowohl, als in sämmtlichen Festungen des Reiches wurden schon von 1713 ab alljährlich Geschütz-Schiess- übungen abgehalten, welche 14 Tage dauerten und mit Rücksicht auf die damaligen Verhältnisse als etwas ganz Ungewöhnliclie^ bezeichnet werden müssen. Eine „Instruction, wie das Geschütz in Schlachten, Belagerungen und Vertheidigungen zu gebrauchen sei", regelte die Verwendung der Artillerie, welch' letztere namentlich mit Regiments- und Feldstücken sehr reich dotiert war, zur For- cierung von, Pässen, Beschiessung von Oertlichkeiten und Deckung der Flügel in Schlachten aber auch grössere Caliber, 12- oder 24-pfündige mitführte. Die Regiments - Stücke, als welche im allgemeinen die 3-Pfunder galten, wurden in den Intervallen der Bataillone oder Regimenter einzeln oder zu zweien vertheilt, mitunter aber auch, in grössere Verbände zusammengezogen, zwischen den Brigaden postiert. Sie mussten sich den Bewegungen der Truppen anpassen, feuernd mit diesen vor- oder zurückgehen und hatten im Allgemeinen artilleristisch die Hauptarbeit zu thun, weil sie am schnellsten schössen und auf eine grosse ^enge von feuern- den Geschützen mehr Werth gelegt wurde, als auf grosse Caliber^). Das Feld-Bataillon der Artillerie, in eine Bombardier- und fönf Kanonier-Compagnien gegliedert, stand in Berlin, die Ab- theilungen des Garnisons-Bataillons in 15 verschiedenen festen Plätzen von Wesel bis Königsberg; beide Bataillone zusammen wurden das „Corps Artillerie" genannt, dessen technisches und Verwaltungs-Personale, im ganzen eilf Officiere xmd neun Beamte, den sogenannten Unterstab bildete, zu welchem, beziehungsweise zur Artillerie auch ein Officier und vier Mann Mineure, sowie ein Officier und 27 Mann Pontonniere gehörten.

Ungleich zäher noch, als bei der Artillerie, war bei den Ingenieuren an dem Zunftwesen festgehalten worden und viele

*) Auch bei der Artillerie war man auf das „Geschwindschiessen" eingerichtet und die ßegiments-Stücke sollen angeblich in der Minute zehn, eventuell sogar zwölf Schuss abzugeben im Stande gewesen sein. (?)

Digitized by

Google

553

Jahrzehnte hindurch blieben sie ., Staatsbediente", Beamte, welchen die mannigfaltigsten einschlägigen Arbeiten (Fortification, Civil- Bauwesen, Vermessungen, Fluss-Regulierungen u. s. w.) übertragen wurden, ohne dass ihnen selbst im Kriegsfalle ein militärischer Grad oder Titel zuerkannt worden wäre. Zumeist mag hiezu wohl auch der Umstand beigetragen haben, dass die Kunst des In- genieurs in früherer Zeit von einem noch viel kleineren Kreise zum Lebensberufe erwählt wurde, als jene des Artilleristen und dieser Kreis sich überdies abwechselnd beinahe nur aus einzelnen ausserdeutschen Ländern ergänzte. Im XVI. Jahrhimdert waren die italienischen Kriegsbaumeister die richtunggebenden gewesen, im XVn. gieng das Scepter an die holländischen über und diese mussten es im XVHI. Jahrhundert wieder an die Franzosen ab- geben, nachdem der Stern Vauban^s alle seine Vorgänger ver- dunkelt hatte. Erst im XVTE. Jahrhundert wurde den Ingenieuren, welche an der Spitze der einer Armee oder einem Belagerungs- Corps zugewiesenen Techniker standen, ab und zu der Titel eines „General-Quartiermeisters'' gegeben; manchmal werden sie auch „Chef der Ingenieure und Conducteure" genannt und zur Zeit des spanischen Successionskrieges endlich findet sich für die jüngeren die Bezeichnung „Ingenieur-Lieutenant" oder „Fähnrich".

Auch auf diesem Gebiete griff Friedrich Wilhelm I. reformatorisch ein und mit besserem Erfolge, als bei der Artillerie, warb er unter den Fortificateuren um den Mann, der ihm von dem Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau als der für seine Zwecke geeignetste bezeichnet worden war. Gerhard Cornelius Walrawe, aus einer westphälischen Familie stammend und um 1692 geboren, trat 1715 aus holländischen als Major in branden- burgisch-preussische Dienste und wurde mit der militärischen Or- ganisation des Ingenieurwesens betraut, das einer solchen bis dahin vollständig entbehrt hatte.

Walrawe war es, der die grossen Befestigungsbauten leitete, welche über Befehl des Königs in Magdeburg, Stettin und Wesel errichtet wurden und 1727 erhielt er, inzwischen zum Oberst- lieutenant vorgerückt, den Befehl, eine Rangliste der Ingenieure vorzulegen. Auf Basis dieser Liste und im Einvernehmen mit Walrawe erfolgte zwei Jahre später die definitive Scheidung des Civil- von dem Militär - Bauwesen , indem Friedrich Wilhelm I. bestimmte, dass die Ingenieure nicht gleichzeitig Baumeister bei der Kammer sein dürften, „entweder das eine oder das andere^'. Eine Instruction für Walrawe, der zum Oberst

Digitized by

Google

554

ernannt und in den Adelstand erhoben wurde, sowie eine ,,Ordre an alle Gouverneure" ddto. Potsdam 21. März 1729 enthielt die näheren Bestimmungen über die Art und Weise, in welcher fe Monarch den Dienst der Ingenieure geregelt und gehandh&bt wissen wollte.

Auf die Geheimhaltung aUer mit dem Befestigungs-Wesen in Verbindung stehenden Angelegenheiten wurde mit der äussersten Strenge gehalten und diese gieng so weit, dass von denjenigen Ingenieuren, welche den Abschied nehmen wollten, sogar eine eidliche Verpflichtung abgegeben werden musste, in keine änderet Dienste zu treten. Walrawe scheint in diesem Puncte mitunter selbst über die Intentionen Friedrich Wilhelm I. hinaus- gegangen zu sein, denn als er einen Ingenieur-Hauptmann, welcher über das Befestigungs-System Georg ßimpler's (1634 1683)' eine Brochure geschrieben imd diese dem Kronprinzen gewidm« hatte, hiefur mit Arrest bestrafte, zog ihm dies eine scharfe Rüge des Königs zu, der dabei bemerkte, Schreiben und Drucken sei keineswegs verboten, niu* über seine Sachen dürfe nichts ver- öiFentlioht werden.

Immerhin erwies sich die seinerzeitige Wahl des Königs aL eine für das preussische Ingenieurwesen in jeder Beziehung glück- liche, denn Walrawe leitete nicht nur die Herstellung der grossen fortificatorischen Anlagen in Preussen, sondern wurde auch bei den Befestigimgsarbeiten verwendet, die 1734 und 1735 durci das Reich in Kehl, Philippsburg und Mainz zin: Ausfuhrung ge- langten. Auf Geist und Dienstbetrieb bei seinen UntergebeneE wusste er günstig einzuwirken und dass das unter seiner Leitung entstandene Coq)s sich auch nach aussen eine achtunggebietende

^) Der erst in schwedischen, dann in hraunschweigischen, später in fna- zösischeii und zuletzt in kaiserlichen Diensten gestandene Sachse Gecrs R i m p 1 e r war auf dem Gebiete des Befestigungs Wesens namenUich toc 1670 1683 schriftstellerisch thätig und galt geraume Zeit hindurch als eise Capacität ersten Ranges, über deren thatsächliche Bedeutung sich unter d^ Ingenieuren eine heftige Fehde entspann, die vom Ende des XVII. bis in St Mitte des XVIII. Jahrhunderts währte und den erst kürzUch wieder erfoigtö! Nachweis ziw Folge hatte, dass Rimpler in Wahrheit sehr übern^bitzt worden war. Nachdem er in Riga, vor Bremen, Candia, Duisburg, Nymweg» Bonn imd Philippsburg gefochten imd 1673 in kaiserlichen Diensten Pressbur^. Raab, Komorn und Gran recognosciert hatte, kam er mit Starhember« nach Wien, nahm als Ober-Ingenieur an der Vertheidigung der Stadt gegtz die Türken ruhmvollen Antlieil imd erlag am 2. August einer schweren Ter- wundung, die er bei einem Ausfalle am 26. Juli empfangen hatte.

Digitized by

Google

556

Stellung zu erwerben verstanden hatte, geht aus der, für die damalige Zeit verhältnissmässig bedeutenden numerischen Stärke desselben hervor. Im Mai 1740 zählte das Ingenieur-Corps nämlich 10 Stabs-Officiere, 15 Oapitains und 18 Lieutenemts ^).

Bezüglich der Grundsätze der Fortification im Allgemeinen stand man zur Zeit des Regierungsantrittes FriedrichWilhelml. und noch lange nachher, in Preussen, sowie überall anders, voll- ständig unter dem Einflüsse der V au b aussehen Schule und Tradition.

Der Bau von festen Plätzen, ihre Ausrüstung und Ver- theidigung ebenso, wie der methodische, belagerungsmässige Angriflf derselben, waren der militärischen Welt von diesem gewaltigen Kriegsbaumeister theoretisch und practisch so gründlich, so häufig und in so zahlreichen, mannigfaltigen Beispielen vorgeführt und gelehrt worden, dass es zunächst wohl Niemand wagen konnte, an den von einer solchen Autorität aufgestellten Grundsätzen zu rütteln.

Zudem hatten die in den Kriegen an der Wende des XVII. imd XVin. Jahrhunderts geradezu massenhaft vorgekommenen Belagerungen die Festungen naturgemäss mit einem gewissen Nimbus umgeben und ihre militärische Bedeutung und Wichtigkeit in der öffentlichen Meinung umso mehr gesteigert, nachdem An- greifer und Vertheidiger gar oft Zeuge davon gewesen waren, dass die Bezwingung eines einzigen Platzes beinahe eine ganze Cam- pagne ausgefüllt hatte.

Dessenungeachtet vermochte man sich in fachmännischen Kreisen auch über einzelne Mängel in den herrschenden Befestigungs- systemen nicht zu täuschen, verfiel aber in dem Bestreben, diese zu verbessern und namentlich die Defensionskraft zu erhöhen, häufig in Ueberladung und Künstelei, die dem eigentlichem Zwecke nur abträglich sein konnte, zumal Befestigungskunst und Belagerungs-

') Sowohl Walrawe, als Linger blieben übrigens auch unter dem Nachfolger Friedrich Wilhelm I. noch Jahre lang in ihren Stellungen (Walrawe bis 1748, Linger bis 1755) imd wurden von Friedrich If. sehr geschätzt, Linger war Chef des Feld-Bataillons Artillerie und wurde 1743 zum (4eueral der Artillerie befördert, während Walrawe, welcher schon unter Friedrich Wilhelm I. den Orden de la gen^rosit^ (später in den Orden pour le raörite umgewandelt) erhalten hatte und in den Adelstand er- hoben worden war, von Friedrich 11. zum Generälmajor und Chef eines Regiments Pionniere ernannt ward.

Digitized by

Google

556

krieg in der Zeit nach dem spanischen Successionskriege nur literarisch behandelt wurden und daher der belebenden und über- zeugenden Praxis entbehrten. Auch in Deutschland begann man den Werth der Bastionärbefestigung zu bestreiten, der Gegensatz zwischen deutscher und französischer Schule trat immer schärfer hervor und in dem Verlangen, sich von der letzteren völlig zu emancipieren, wendete man sich, gewiss nicht zum Vortheile der Sache, in erster Linie den Lehren Georg ßimpler's und seiner Jünger zu *).

Besoldung^ Bekleidung^ Bewaffnung, Yerpflegnng.

Sparsam, wie in allen Dingen, war man in der Besoldung und Bekleidung des Heeres. Zwar hatte Friedrich Wilhelm L den Sold bald nach seinem Regierungsantritte erhöht und für den Ge- meinen monatlich zwei Thaler und per Mann überdies sechs Groschen zur Anschaffung und Instandhaltung von Hemden, Gamaschen, Schuhen u. s. w. ausgeworfen, doch wurde Unterofificieren und Soldaten, nach wie vor, ein Theil der Löhnung abgezogen und an die unter Verwaltung des Commandeurs stehende „Kleider-Casse'' abgeführt, aus welcher die Bekleidung des Regiments bestritten

*) Friedrich Wilhelm I, konnte der Frage natürlich nicht ^leich- giltig gegenüberstehen und trat ihr alsbald in seiner Weise naher. Er gab dem Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau, seinem militärischen Alterego, den Befehl, ein für den Unterricht des Kronprinzen bestimmtes Werk über den belagerungsmässigen Angriff einer Festung zu schreiben und drucken zu lassen. Der Fürst gieng nicht unberufen an diese Arbeit, denn er hatte in der Zeit von 1695 bis 1718 in Flandern, Deutschland, Frankreich und Italien nicht weniger als 16 Belagerungen beigewohnt und bei mehreren derselben Landau 1704, Susa 1707, Aire 1710, Landrecies 1712 und Stralsund 1718 eine ganz hervorragende Rolle gespielt. Er beschränkte sich jetzt aber darauf, seine diesbezüglichen Erfahrungen in der Form früherer Tagesbefehle aneinander- zureihen und unter dem Titel „Deutliche und ausführliche Beschreibung, wie eine Stadt soll belagert und nachher die Belagerung mit gutem Success bis zur üebergabe geführt, auch was dabei alltäglich muss commandiert und fürgenommen werden. Wozu sich kein anderer Stylus geschickt, als wie es nach altem Kriegs- Gebrauch den Oberstwachtmeisters bei der Parole in die Schreibe-Tafeln dictieret wird und wird also der geneigte Leser belieben, das Kritisieren darüber zu Tinterlassen" 1737 zu veröffentlichen. Seiner Ansicht nach dauert eine Belagerung normalmässig 38 Tage und zum Sturme kommt es gewöhnlich nicht, denn „da die beiden Gallerien so avancieret sind, dass dieselben nicht über 15 oder 18 Schritt von der Mauer sind und dass die beiden Bresche-Batterien so gut und Üeissig geschossen, dass die Bresche beginnet ziemlich zu fallen, so hat der Feind Chamade geschlagen und die weisse Fahne aufgestochen imd begehret zu capitulieren".

Digitized by

Google

557

werden musste. Die letztere war in Bezug auf Farbe, Schnitt imd Abzeichen sowohl für die Fuss-Truppen, als für die Reiterei genau vorgeschrieben und zeigte schon damals blau als Grundfarbe für den Rock der Infanterie, deren Regimenter wieder durch ver- schiedenfarbige Aufschläge, Westen und Beinkleider, sowie Litzen, Rabatten, gelbe und weisse Knöpfe unterschieden wurden. Analog wie in Oesterreich hinsichtlich Böhmens und Mährens war auch in Preussen vorgeschrieben, dass, mit Ausnahme des blauen, alles farbige Tuch aus dem königlichen Lagerhause in Berlin bezogen werden müsse; die Lieferung jenes konnte von den ausserhalb Berlin stehenden Regimentern an Händler im Lilande vergeben werden.

Die noch unter seinem königlichen Vater gebräuchliche, ausser- ordentlich schwere Belastung des Mannes wurde durch Friedrich Wilhelm I. erheblich vermindert. Zunächst durch die Abschaffung des Mantels, den er im Hinblicke auf die, den Mann ohnehin zur Genüge schützenden Röcke und Kamisols, umso mehr für überflüssig erachtete, da zu LagerzweckeA Zelte vorhanden waren und mit- geführt wurden; weiters durch Kürzung der übermässig lang ge- haltenen Röcke; endlich durch die Systemisierung von zwei Pack- pferden per Compagnie zur Fortbringung der Zelte, welch' letztere bis dahin von den Mannschaften getragen werden mussten.

Die Bewaffnung der Infanterie bestand in einem Steinschloss- gewehre mit aufzupflanzendem DüUen-Bajonnet und für jeden in der Front stehenden Soldaten, inclusive der Tambours, Pfeifer und Hautboisten aus einem kurzen Säbel mit Messinggefäss. Die Unter- officiere führten ausserdem noch das „Kurzgewehr", eine ähnliche nur etwas längere Wafi^ wie der „Sponton", welchen die Officiere neben dem Degen trugen; Ober- und Unterofficiere waren überdies mit einem Rohrstocke versehen. Zu den Ausrüstungsstücken ge- hörten das Säbelgehenk, der Tornister, der Brodbeutel, gemeinhin „Schnappsack" genannt und die Patrontasche. Das Gewehrcaliber war, wie in allen Armeen jener Zeit, ziemlich gross, über 20 mm. und in Folge dessen das Kugelgewicht ein bedeutendes ; es giengen 17 Stück auf ein Pfund; dagegen betrug die Lauflänge nur wenig über einen Meter und das Laden der Gewehre wurde durch die eisernen Ladestöcke wesentlich erleichtert und beschleunigt. Jeder Mann hatte 30 Stück Patronen bei sich zu tragen, die mit zwei Taschen ausgerüsteten Grenadiere 60, welch' letzteres Ausmass von Friedrich H. im April 1741 für alle Mannschaften der Fuss-Truppen

Digitized by

Google

558

vorgeschrieben wurde. ^) Die eine Hälfte war, wie früher, von den Leuten zu tragen, die andere von den Kegimentem auf eigenen Munitionswagen mitzufuhren und erst an dem Tage vor der Schlacht an die Mannschaft auszugeben. Weitere Ausrüstungsstücke für den Gebrauch im Feld bildeten Feldkessel, Feldflaschen, Zelthacken, Krampen und Schaufeln, die für jede Compagnie in einer ent- sprechenden Anzahl syst^misiert waren und von den Leuten auf dem Mfu^che abwechselnd getragen werden mussten.

Die Hauptwaffe der Reiterei bildete der Säbel, der von den Regimentern zu Pferde und den Dragonern in der Form eines geraden zweischneidigen Pallasches, von den Husaren in jener eines gebogenen Säbels geführt wurde. Ausserdem war die gesammte Reiterei mit Carabinem ausgerüstet, welche im Allgemeinen glatt und von verschiedener Länge, je nachdem Cürassiere und Husaren oder Dragoner sie zu benützen hatten, ein etwas geringeres Caliber besassen, als die Gewehre der Infanterie und für die Dragoner mit einem aufzupflanzenden Bajonnete versehen waren. Bei den Husaren befanden sich bei jeder Escadron zehn Carabiner mit gezogenen Rohren und bei allen drei Reitergattungen war jeder Mann mit zwei Pistolen ausgerüstet; an Munition führten die Leute je 18 Pa- tronen für den Carabiner und je 12 für die Pistole mit sich und Degengehenk, Patrontasohe, Carabiner-Bandelier u. s. w. vervoll- ständigten die Ausrüstungen des einzelnen Reiters. Der aus Eisen geschmiedete Cürass der Regimenter zu Pferde bestand nur aus einem mit Leinwand gefütterten Bruststücke und war schwarz lackiert.^ Diese, sowie die Dragoner-Regimenter hatten deutsche, die Husaren hingegen ungarische Sättel und alle Cavallerie-Regimenter Schabracken.

Dem wichtigen Zweige der Verpflegung des Heeres war von Seite König Friedrich Wilhelm I. stets die vollste Beachtimg zugewendet worden. Normalmässig hatte die Ernährung des Sol- daten durch Selbstbeköstigung unter Aufsicht der Compagniechefs zu erfolgen und lun denselben gegen Uebervortheilmig zu schützen, wurden für die wichtigsten Articel, Brod, Fleisch und Bier, in

*) Weitere 60 Stück Patronen per Mann bildeten die Beserve-Munition für die Infanterie und befanden sich in den Fuhrwerken des „Artillerie- Trains", der bei Beginn eines Feldzuges durch das Feld-Bataillon Artillerie aufzustellen war.

•) Die Escadron der Gardes du Corps, welche König Friedrich II. im Jahre 1740 errichtete, erhielt Cürasse aus poliertem Stahl.

Digitized by

Google

569

jeder Garnison den Örtlichen Verhältnissen entsprechende Preis- tarife fixiert, deren Einhaltung der höchste Officier oder ein Auditeur überwachen musste. Ward den Leuten Brod in natura geliefert, so mussten sie dasselbe und zwar mit zwölf Groschen per Kopf und Monat, von ihrer Löhnung bezahlen ; ähnliche Be- stimmungen bestanden während des Mobilitäts-Verhältnisses in den Winter-Quartieren, wo den Mannschaften die ganze Mundverpflegung gereicht wurde und dann allerdings auch die für die letztere zu leistende Vergütung beinahe die gesammte Löhnung in Anspruch nahm, ein Modus, durch dessen Anwendung man die Desertion zu verhindern gedachte. Auf Märschen oblag den Land- und Steuer- Bäthen die Verpflichtung, für die rechtzeitige Bereitstellung der nöthigen Lebensmittel in den respectiven Marsch-, beziehungsweise Nächtigungs-Stationen Sorge zu tragen; doch waren die Truppen auch in diesem Falle gehalten, die ihnen gelieferten Verpflegs- articel baar zu bezahlen.

Während die Verpflegung im Frieden zumeist durch Hand- einkauf erfolgte imd bei den Fuss-Truppen sowohl, als bei der Reiterei durch die Commandeure in den einzelnen Gamisonsorten oder in deren nächster Umgebung aufgebracht wurde, trat im Mobilisierungs-, beziehungsweise Kriegsfalle die durch Lieferungen, eventuell auch Requisitionen, unterstützte Magazins -Ver- pflegung in Kraft. Zunächst gelangte ein Feld-Kriegs-Commis- sariat zur Errichtung, welchem die Feld-Kriegs-Casse, das Feld- Proviant- Amt, die Feld-Bäckerei und die Feld-Lazarethe unterstellt wurden. Bestimmung und Wirkungskreis dieser Verwaltungs- behörden, die natürlich mit dem entsprechenden Personale dotiert waren, lassen sich schon aus ihren Bezeichnungen erkennen. Die Feld-Kriegs-Casse bildete die Zahlungsstelle für die Ge- bühren der mobilisierten Regimenter, während Einnahmen, welche aus besetzten Landestheilen des Feindes flössen, bei ihr in Empfang zu nehmen waren. Das Feld-Pro viant- Amt war mit der Aufstellung und Füllung der Magazine einerseits, mit der Zufahr der Verpflegs-Articel an die Truppen anderseits betraut. So viel als möglich war man bemüht, auch die Magazinsvorräthe auf dein Wege directen freien Ankaufes aufzubringen, weil sich bei dem Abschlüsse von Liefenmgs- Verträgen mit einzelnen Persönlichkeiten zumeist grobe Unzukömmlichkeiten ergaben. Ein beliebtes Auskunfts- mittel zur Umgehung der letzteren bildete die Heranziehung von Verpflegs-Articeln in grösserer Menge aus jenen Gegenden des eigenen Landes, welche keine Einquartierungslasten zu tragen

Digitized by

Google

560

gehabt hatten. In Feindesland wurden die vorhandenen Lebena- mittel-Vorräthe in den einzelnen Ortschaften zunächst durch eigens hiezu commandierte Officiere aufgenommen und der den Bedarf für die zeitweilige Ernährung der Einwohner, sowie der bei diesen untergebrachten Truppen-Abtheilungen übersteigende Rest dem Feld-Proviant-Amte zugeführt.

Da die Mannschaften ihre Nahrungsbedürfnisse auch im Kriege bezahlen mussten, so war fiir jede Compagnie oder Escadron ein Marketender systemisiert, der beeidet wurde und dieselbe stets zu begleiten hatte; auch ergiengen Aufforderungen an die Bewohner der umliegenden Ortschaften, Lebensmittel zum Verkaufe in's Lager zu bringen. Der vorgeschriebene monatliche Rücklass von zv^rölf Groschen fiir das Brod galt zwar auch im Kriege, doch wurde im Hinblicke auf die Wichtigkeit gerade dieses Nahrungsmittels von einer Bezahlung desselben namentlich dann Umgang genommen, wenn die Feld-Bäckerei in Thätigkeit war ; in diesem Falle erhielt der Soldat seine mit zwei Pfund per Tag bemessene Brod-Portion häufig unentgeltlich. Zur Bereitung des Brodes wurden eiserne Feld-Backöfen oder eigens erbaute Magazinsöfen verwendet; die Leistungsfähigkeit derselben bezifferte sich bei den ersteren auf 1000, bei den letzteren auf 1500 Brode in je 24 Stunden. Die Zuftihr an die Truppen hatten die bei jeder Compagnie, beziehungs- weise Escadron eingetheilten vierspännigen Brodwagen zu besorgen und nur wenn die Bäckereien sich zu weit ab von der Armee be- fanden, konnten Landesfuhren oder Wagen des Proviant-Fulirwesens insoweit zur Unterstützung herangezogen werden, dass das Brod mit ihrer Hilfe den Truppen näher gebracht und dann auf die eigenen Wagen der letzteren umgeladen wurde.

Die Sicherstellung des Fleisches, von welchem der Mann im Kriege dreimal wöchentlich je ein halbes Pfund erhalten sollte, wurde durch die Zuweisung bestimmter monatlicher Fleischgelder an die Regimenter angestrebt. Sache des Capitains war es dann, das nöthige Vieh ankaufen, mitführen und schlachten zu lassen; wenn sich während der Operationen die erforderliche Quantität nicht beschaffen Hess, so musste das Feld-Kriegs-Commissariat ein- greifen und dm-ch Lieferungen oder Requisitionen Abhilfe schaffen. Zu den letzteren und zwar in Bezug auf Lebensmittel und Ver- pflegsbedürfiiisse im Allgemeinen, konnte übrigens im Feindesland auch dann gegriffen werden, wenn eine Vereinbarung über die Beistellung derselben mit den betreffenden Staats- oder Communal- Organen nicht zustande zu bringen war oder wenn dem Q-egner

Digitized by

Google

661

bei der Räumung eines Landstriches die Möglichkeit der Existenz durch die Wegnahme der Lebensmittel entzogen werden sollte. In allen diesen Fällen aber musste das Ergebniss der Lieferungen, beziehungsweise Requisitionen, insofeme es den zehntägigen Ver- pflegsbedarf der Truppen überstieg, an das Feld-Kriegs-Commissariat abgeliefert werden, weil die Truppen nur für zehn Tage Proviant- Vorräthe mit sich führen durften. Das Gleiche galt für etwaiges Beutevieh, welches gleichmässig an die Regimenter zu ver- theilen war.

Sanitätswesen.

Auf einer relativ hohen Stufe stand zur Zeit Friedrich Wilhelm L das Militär-Sanitätswesen und wenngleich die Compagnie-Feldscherer ebenso zum Besuche der Kranken und Verwundeten, als zum Rasieren der Mannschaft verpflichtet waren und die letztere, den damaligen Anschauungen über Gesundheits- pflege entsprechend, im Frühjahre und Herbste regelmässig zum Aderlassen und Purgieren verhalten wurde, wird die Güte und der Werth der in, den ersten Decennien des XViil. Jahrhunderts hinausgegebenen einschlägigen Bestimmungen am zutreffendsten durch die Thatsache charakterisiert, dass beispielsweise die in den Reglements von 1720 bis 1727 enthaltenen Vorschriften für den Sanitätsdienst im Felde in dem Reglement von 1743 unver- änderte Aufnahme gefimden haben.

Die Träger und Leiter des Sanitätsdienstes bei den Truppen waren die den Chefs beziehungsweise Commandeuren unterstehenden Regiments-Feldscherer, welche, seit 1725 geprüfte Mediciner, auf den in Berlin bestehenden militärärztlichen Bildungs-Listituten, der Anatomie-Kammer und dem Collegium medico-chirurgicum aus- gebildet und in fach wissenschaftlichen Angelegenheiten dem General- Chirurgen der Armee, als Chef dieser Anstalten, unterstellt waren. Der Regiments-Feldscherer allein war berechtigt, Kranke selbst- ständig zu behandeln; die Compagnie-Feldscherer, welche er auf- nehmen und entlassen konnte, aber auch zu bezahlen hatte, mussten ihm über den Zustand der Kranken Bericht erstatten, durften ohne sein Vorwissen aber kemerlei Medicament verabreichen. Zur Auf- nahme und Behandlmig der erkrankten Soldaten bestanden in den meisten Garnisonen Lazarethe, in den grösseren waren überdies ständige Aerzte und Chirurgen angestellt, um bei gefährlichen oder ansteckenden Kranklieiten eine zuverlässigere Behandlung zu ermög- lichen, wozu eventuell auch CivUärzte herangezogen werden durften.

Oesterreichisoher Erb folgekrieg. I. Bd. 36

Digitized by

Google

562

Für den Kriegsfall war die Aufstellung von Feld-Lazarethen bereits durch die Reglements von 1726 bis 1727 systemisiert worden, wenngleich auch diese die Pflege und Behandlung der Erkrankten zunächst den Truppen, beziehungsweise den Regiments- Feldscherem übertrugen und insbesonders die Compagnie- und Esoadrons-Chefs dafür verantwortlich machten, dass beispielsweise auf Märschen kein Kranker liegen blieb. MarschunfUhige waren bei dem Bagage-Train zurückzulassen oder auf requirierten Wagen nachzubringen ; fiir ihre, sowie für die erste Pflege und Behandlung der Maroden und Kranken überhaupt hatten Feldscherer und Krankenknechte zu sorgen, von welchen per Compagnie oder Escadron je einer im Stande geführt wurde. Verwundete sollten nach jedem Gefechte von dem Truppenkörper, welchem sie an- gehörten, aufgelesen und nach dem Verbandplatze geschaßt werden. Im Jahre 1734, als Preussen ein Hilfscorps zu der Armee E u g e n's am Ober-Rhein zu stellen hatte, ernannte FriedrichWilhelml. den Capitain von Langeier zum Lazareth-Inspector bei diesem Corps und versah ihn schon im April 1 734 mit einer eigenen Instruction, welche als das erste Reglement in Bezug auf Organisation und Dienstordnung der preussischen Fold-Lazarethe zu betrachten ist

Beelitspflege.

Die Behandlung der Mannschaften durch ihre Officiere war in der preussischen Armee, im Geiste jener Zeit, eine oft bar- barische und schon während der ersten Abrichtung wurde von Stockschlägen ausgiebiger Gebrauch gemacht, die später auch als Disciplinarstrafmittel nicht fehlton, gegen Unterofficiere als Flach- hiebe mit der „Fuchtel" (Degenklinge) ziu* Anwendung kamen und mit Krummschliessen, Eselsreiten, Arrest und namentlich dem sehr beliebten „Gassenlaufen" alternierten, welches für Tnmkenheit im Dienste oder Raisonnieren unter dem Gewehre von den Chefs oder Commandeuren der Regimenter sogar im Disciplinarwege dictiert werden konnte, während ihr Zuerkennen bei sonstigen Ausschreitungen einem richterlichen, im Wege eines Kriegs- oder Standgerichtes geschöpften Urtheile vorbehalten blieb.')

*) Bei Desertionen, Meuterei oder ähnlichen schweren Ausschreitungen vor dem Feinde trat selbstverständlich ein abgekürztes Verfahren und zwar in der Eegel das Standrecht, welches vom Kriegsherrn oder dem Höchst- commandierenden angeordnet und zusammenberufen werden konnte, in Wirk- samkeit und in einem solchen Falle folgten ürtheüspruoh und Vollstreckung

Digitized by

Google

563

Es spricht für die ritterliche Denlamgsweise und den Ge- rechtigkeitssinn des Königs, dass er trotz seines impulsiven, zur Gewaltthätigkeit neigenden Naturells auch in dieser Richtung ordnend und mildernd einzugreifen bemüht war. Bei dem Mangel eines eigentlichen Militär-Strafgesetzbuches konnte die Handhabung der Rechtspflege allerdings niu* auf Grund der Satzungen des Dienst- reglements und der Kriegs-Articel erfolgen ; allein schon die That- sache, dass die 1713 erlassenen und 1724 umgearbeiteten Kriegs- Articel blos für die Unterofficiere und Soldaten bestimmt waren, während die Officiere ihre Disciplinarvorschriften mit den Regle- ments von 1726 und' 1727 erhielten, liefert den Beweis, dass Friedrich Wilhelm L auf die Hebung des Ehr- und Standes- gefdhls im Officiers-Corps hinarbeiten und die demselben zukommende besondere bevorzugte Stellung auch äusserlich durch Hinausgabe separater Dienstvorschriften markieren wollte. Ebenso sprach der Monarch in dem Reglement von 1726 die Erwartung aus, dass es auch ohne Schelte und Schläge gelingen werde, in ,,dem neuen Kerl" Lust und Liebe zum Soldatenstande und zum Dienste zu erwecken imd damit trat er der, bis dahin allgemein gebräuchlichen, übertriebenen Anwendung des Stockes directe entgegen.

St&rke der Armee Im Febraar 1713, beziehungsweise im Mai 1740.

a) Feld-Truppen.

Im Februar 1713, als Friedrich Wilhelm L den Thron seiner Väter bestieg, übernahm er eine Armee von circa 35.000 Mann, darunter 5000 Mann Land-Miliz, welche alljährlich nur einmal auf 14 Tage einberufen wurde, um in den WaflFen geübt zu werden, während der übrigen Zeit aber beurlaubt war und deren Ober- und Unterofficiere auf Halbsold standen. Ln Mai 1740, als die Regierung in die Hände Friedrich 11. übergieng, zählte das preussische Heer an Feld- und Gamisons-Truppen zusammen 83.468 Mann. Die Differenz zwischen diesen beiden Ziffern wird dadurch noch be- merkenswerther, dass die letztere sich zum weitaus grössten Theile aus den Feld-Truppen zusammensetzt, da nur vier Bataillone und zehn einzelne Compagnien Infanterie, vier Compagnien Artillerie

einer kurzen mündUchen Thatbestandsauf nähme auf dem Fusse. Bei Feigheits- fällen waren Officiere und Unterofficiere befugt, dem Weichenden „Degen, Sponton oder Kurzgewehr in die Rippen zu stossen", wie dies schon das Reglement vom 28. Februar 1714 (ein Jahr nach dem Regierungs- Antritte König Friedrich Wilhelm I.) angeordnet hatte.

36*

Digitized by

Google

564

und die vier sogenannten „Land-Regimenter'' zu den G^amisons- Truppen gehörten. In Folge dessen rangierte denn auch Preussen bezüglich seiner Heeresstärke im Jahre 1740 unter den Staaten Europa's bereits an dritter oder vierter Stelle, während es sein^ Flächeninhaltes nach der zehnte, der Bevölkerungszahl nach der dreizehnte oder vierzehnte in der Reihe derselben war.

Die Vergrösserung der preussischen Wehrmacht wnrde von Friedrich Wilhelm L, beinahe unmittelbar, nachdem er die Regierung angetreten hatte, in Angriff genommen und mit geringen Unterbrechungen stets im Äuge behalten : zunächst in einer Er- höhung der Kopfstärke bei den einzelnen Unter-Abtheilungen, dann in einer Vermehrung der letzteren bei den einzelnen Truppen- körpem , endlich in der Neuerrichtung von Compagnien (Escadronem, Bataillonen oder Regimentern. Der letztgenannte Modus kam namentlich bei der Infanterie zur Anwendung, während die Stabe bei der Reiterei nur geringe Veränderungen erfuhren, die ZiJiI d^ Schwadronen bei den Cürassieren und Dragonern dagegen in der Zeit von 1713 bis 1740 verdoppelt und überdies zwei „Corps" Husaren mit neun Escadronen neu aufgestellt wurden. *)

Die erste Errichtung eines ganzen Truppenkörpers fallt in da# Jahr 1715, wo aus den auf der Insel Rügen gefangen genommener Schweden ein Regiment zu Fuss errichtet und dem Zweitältesten Sohne des Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau verliehen wurde.

Zwei Jahre später folgte die Neuaufstellung des aus ab- gegebenen Leuten anderer Regimenter formierten Grenadier-Eegi- ments zu Pferde Schulenberg, welches, zu den Dragonern zählend, zunächst mit vier Schwadronen (acht Compagnien) errichtet*), im folgenden Jahre, gleich allen übrigen Regimentern zu Pferde und Dragonern der Armee, auf fünf Schwadronen (zehn Compagnien^ vermehrt und 1725, ebenso wie die Dragoner-Regimenter von der Wense, Wuthenow und Platen, sogar auf zehn Schwadronen gesetzt

*) Im Jahre 1714 wurden die Infanterie-Compagnien auf 120 SCasa gesetzt, in der Folge die Zahl der Officiere per Compagnie um je einen -«-«r- mehrt, die Grenadiere in selbstständige Compagnien zu je 100 Mann T€««Bt und die (zur Infanterie zählende) Artillerie in zwei Bataillone gegliedert deret eines den Dienst im Felde (sechs Compagnien), das andere jenen in den festaex Plätzen (vier Compagnien) zu versehen hatte.

*) Bei den Cürassieren (Regimentern zu Pferde) und Dragonern bildet«» je zwei Compagnien zu je 60 Reitern eine Escadron; im Allgemeinen diese Regimenter je fünf Escadronen stark.

Digitized by

Google

565

wurde. ^) In die folgenden Regieriingsjahre des Königs fiel dann die Errichtung der Infanterie-Regimenter Dossow, Thiele, von der Mosel, Bardeleben, der Bataillone Beaufort, Roeseler u. s. w.

Als die eigenthümlichste Art und Weise, welche bei der Er- richtung eines Truppenkörpers jemals zur Anwendung gelangte, darf jedenfalls die Procedur bezeichnet werden, mit welcher 1717 dasDragoner-RegimentWuthenow dem brandenburgisch-preussischen Heere einverleibt worden ist.

Friedrich Wilhelm I. hatte nämlich in Erfahrung ge- bracht, dass König Friedrich August I. von Sachsen-Polen ein Reiter-Regiment abdanken woUe. Sofort machte er sich an- heischig, dasselbe in seine Dienste zu übernehmen, nur sollte der Kaufpreis statt in baarem Gelde, zu dessen Verausgabung der sparsame Monarch sich nicht leicht entschliessen koimte, in Kunstr- gegenständen entrichtet werden, deren Erwerbung dem pracht- liebenden Regenten Sachsen-Polens jederzeit willkommen war. Thatsächlich kam der Handel auf dieser Basis auch zu Stande und gegen Ablieferung eines kostbaren Porcellan- und Bern- stein-Services wurden am 1. Mai 1717 in Baruth 600 Cüras- siere durch den sächsischen Oberst Wichmann von Klingen- berg an den preussischen Generalmajor von Wuthenow über- geben und in der Stärke von vier Escadronen (zu welchen im nächsten Jahre noch eine fünfte kam) als sechstes preussisches Dragoner-Regiment eingereiht ; Generalmaj or von Wuthenow ward sein erster Chef und bUeb es bis zu seinem 1727 erfolgten Ableben. ^

*) Nach der Schlacht bei Molwitz verlor das Regiment die Grenadier- mützen und wurde in ein Dragoner-Regiment umgewandelt; überdies wnxrden fünf Escadronen von demselben abgetrennt und aus diesen das neue Dragoner- Keginient Bissing formiert Das bisher als Grenadier-Regiment zu Pferde bestandene Regiment erhielt an Stelle des bei Molwitz gefallenen Schulenburg den Obersten Grafen von Rothenburg zum Chef.

') Das der preussischen Armee unter so eigenthümlichen Bedingungen einverleibte Reiter-Regiment wurde noch viele Jahre nachher das „P orcel lau- ft egiment" genannt und besteht als Cürassier-Regiment Graf Wrangel (Ost- preussisches) Nr. 8 noch heute, nachdem es 106 Jahre (1717—1823) Dragoner- Kegiment gewesen war. Den ersten Feldzug machte das als Dragoner-Regi- ment Wuthenow in die preussische Armee eingereihte Regiment damals „Möllendorff" imter dem Prinzen Eugen von Savoyen 1734—1786 am Rhein mit; zehn Jahre später focht es bei Landshut, Hohenfriedberg und Kesselsdorf, in der Folge bei Gross-Jägemdorf, Zomdorf, Kunersdorf u. ö. w.

Digitized by

Google

666

b) Garnisons-Truppen.

Die Gamisons-Compagnien, von welchen Friedrich Wil- heim I. bei seinem Regierungsantritte 18 vorgefunden hatte, ver- mehrte er nach und nach auf 36, welche vier Bataillone (Memel, PiUau, Colberg und Magdeburg) und zehn einzelne Compagnien formierten. Systemmässig sollte jedes dieser Bataülone aus fünf Musketier- nnd einer Grenadier-Compagnie bestehen, wie es für die Feld-Truppen bestimmt war, welch' letzteren sie im Allgemeinen auch in Bezug auf die Ergänzung (Auslandswerbung und Oanton-System) gleich- gestellt wurden; doch hatten jene in Memel und Pillau je zwei Grenadier-Compagnien und in Folge dessen betrug die Gesammt- zahl der in Bataillonsverbänden stehenden Compagnien nicht 24, sondern 26. Die zehn einzelnen Compagnien waren als Besatzungs- Truppen in kleineren Plätzen des Reiches vertheilt, übrigens auch von verschiedener Stärke.

Das letztere gilt auch bezüglich der schon einmal erwähnten, anlässlich der Mobilmachiuig gegen Hannover im Jahre 1729 zur Aufstellung gelangten vier ,, neuen Garnisone n", welch' eigen- thümliche Bezeichnung später in den Namen „Land-Regimenter ' umgewandelt wurde. Sie standen in Berlin, Stettin, Königsberg und Magdeburg und waren die beiden ersteren je sieben, die beiden anderen je vier Compagnien stark. Ursprünglich hatte man aus- rangierte, aber noch dienstfähige Soldaten dazu genommen, die-se unter verabschiedeten OlB&cieren in Compagnien vereinigt und in jenen Städten zimi Dienste verwendet, deren Besatzungen ihren Standort verlassen hatten. Später wurde die Einrichtung zu einer bleibenden; alle Ausrangierten wurden principiell den „neuen Garnisonen" überwiesen und in der Folge participierten diese auch an den Vortheilen des Canton-Systems, indem noch mindermässige EnroUierte aus je vier Regimen ts-Can tonen dahin eingetheilt wurden. Die Mannschaften waren in der Regel zwar beurlaubt und wurden alljährlich nur einmal einberufen, um zu üben und Wachdienst zu thun ; Officiere, Unterofficiere und Tambours aber blieben, wenn- gleich auf Halbsold, präsent und dadurch erlangten die Abtheilungen schon nach kurzer Zeit so viel Festigkeit in ihrem inneren Gefuge und eine so gute militärische Haltung, dass sie sich nur wenig von den Feld-Truppen unterschieden.

Principiell wai'en die „neuen Garnisonen", wie die Gamisons- Truppeii überhaupt, nur zu Besatzungszwocken bestimmt und sollten nicht iir s Feld rücken. Nach dem Ableben FriedrichWilhelml. wurde dieser Grundsatz aber nicht mehr aufrecht erhalten und ein

Digitized by

Google

567

grosser Theil von ihnen, namentlich beinahe alle Grenadier-Com- pagnien, mussten mit dazu verwendet werden, um die Aufstellung der zahlreichen, von Friedrich ü. nach seiner Thronbesteigung anbefohlenen Neuformationen bewerkstelligen zu können. Das in Magdeburg stehende Gamisons-Bataillon Persode wurde sogar voll- ständig in die Reihen der Feld-Truppen übergeflihrfc und bildete den Stamm für das unter demselben Namen zur Errichtung gelangende Füsilier-Regiment^), während an dessen Stelle in Magdeburg das Gamisons-Bataillon Weyher neu formiert wurde.

Zunächst sanken die Etats der Gamisons-Truppen in Folge dieser Abgaben allerdings ganz erheblich unter ihre Sollstärke und es bedurfte längerer Zeit, um sie wieder zu completieren. Die Mög- lichkeit aber, Officiere und Mannschaften, welche organisations- gemäss im Falle einer Mobilisierung nur zu Besatzungszwecken zu dienen und nicht in^s Feld zu rücken hatten, ohneweiters und in so grosser Anzahl zur Ergänzung, beziehungsweise Vermehrung der Feld-Truppen heranziehen zu können, spricht am deutlichsten dafür, dass sie den Charakter einer Miliz vollständig abgestreift hatten und unter der energischen, zielbewussten Einflussnahme Friedrich Wilhelm I. zu einem ebenso streng militärisch geschulten, gründlich ausgebildeten Bestandtheil des brandenburgisch-preussi- schen Heeres geworden sein mussten, wie die gesammte übrige Wehrmacht des Staates.

In dieser Weise wurde während der 27jährigen Regentenlaufbahn König Friedrich Wilhelm I. nicht nur stetig und unausgesetzt an der Verbesserung und Vervollkommnung der gesammten Heeres- einrichtungen in allen ihren Zweigen gearbeitet, sondern allmählich auch eine ganz namhafte Vermehrung der Wehrmacht zur Durch- flihrung gebracht, so dass der Monarch mit voller und berechtigter Genugthuung auf die zahlreichen, theilweise geradezu musterhaften Einrichtungen (Canton-, Beurlaubungs-System u. s. w.) zurückblicken konnte, welche seine Initiative in's Leben gerufen hatte. Jedenfalls befanden sich Staat, Volk und Heer in dem Augenblicke, da er am 31. Mai 1740 die Augen für immer schloss, in einem ganz

*) Die Infanterie war ihrem tac tischen Werthe nach eine vollkommen einheitliche und der Unterschied zwischen Musketieren und Füsüieren lag nur in der Bekleidung. Die letzteren trugen statt der Hüte nämlich eine der spitzen Grenadiermütze ähnliche, etwas niedrigere Kopfbedeckung, die soge- nannte Füsiliermütze. Sonst waren alle Einrichtungen vollkommen gleich und auch die Füsüier-Regimenter hatten per Bataillon je eine Grenadier-Com- pagnie.

Digitized by

Google

568

anderen und nach jeder Richtung weitaus besseren Zustande, als 2V2 Decennien frülier, da er die Zügel der Regierung aus den Händen Friedrich L, des ersten Königs in Preussen, übernahm und wenngleich auch den durch ihn geschaffenen Institutionen, wie jedem Werke aus Menschenhand, mannigfache Mängel an- hafteten und er nicht in allen Fällen die Schwerfälligkeit und Pedanterie seiner Zeit zu überwinden vermocht hatte, im Grossen imd Clanzen verdienen die Schöpfimgen des „Soldatenkönigs" rück- haltlose Anerkennung und wurden Ginuid- imd Eckstein für jene blendenden Erfolge, durch die sein Sohn und Nachfolger fast mi- mittelbar nach Antritt dieses reichen Erbes die Welt in Staunen versetzen sollte. ^)

Weitere Vermetariuig der Armee im Laufe des Jahres 1740.

Zur Realisierung der weitgehenden Aspirationen, von welchen der neue Tlerrscher erfüllt war, erscliien allerdings selbst diese für die damalige Zeit schon sehr ansehnliche und zudem nahezu in voller Soll - Stärke vorhandene Streitmacht^ nicht ausreichend und in dieser Ueberzeugung verfugte Friedrich 11. sofort nach seiner Thronbesteigung die Aufstellung von sieben neuen Infanterie-Regimentern, von welchen vier (Prinz Heinrich von Preussen, Prinz Ferdinand von Preussen, Camas, Münchow) durch nougeworbeue Recruten und zwei (Jung-Dohna, Persode) durch Abgabe geeigneter schon dienender Mannschaften anderer Truppentheile zu formieren waren, während das letzte Regiment von dem regierenden Herzog von Braun schweig an Preussen überlassen werden sollte und dafür den Prinzen Ferdinand von Braunschweig als Chef erhielt.

Die Aufstellung der preussischen Regimenter, welche in der Mark zur Durchführung gelangte, vollzog sich im Allgemeinen ohne nennenswerthe Schwierigkeiten mid die Regimenter Persode, Münchow, Jung-Dohna und Prinz Ferdinand von Preussen waren bereits im November 1740 vollzählig; bei den Regimentern Camas und Prinz Heinrich dauerte es um zwei Monate länger und nur bezüglich des Regiments Braunschweig hatten an den Herzog

*j Stand und Stäike des Heeros im Februar 1713, beziehungsweiso Mai 1740, siehe Anhang Nr. 14.

*) Bei der gesammten Infanterie fehlten Ende Mai 1740 22 Mann; bei der Ileitoroi 4 Unterofticiere, 2 Trompeter und 127 Pferde, dagegen waren 10 Ofticiere über den systemisierten Etat vorhanden.

Digitized by

Google

I

669

gerichtete Bitten und Beschwörungen, beziehungsweise Drohungen von Seite des preussischen Königspaares zur Anwendung kommen müssen, um die Completierung des Eegiments wenigstens binnen Jahresfrist (Juli 1741) zu ermöglichen.

Der Tendenz, die eigene Volkskraft so viel als nur irgend angängig, zu schonen und die Armee trotzdem auch numerisch aul* einem achtunggebietenden Fusse zu erhalten, huldigte Friedrich 11. noch weit mehr als sein verewigter Vater und zu diesem Behufe wurde nicht nur die Ziffer der Aus- landswerbung beträchtlich erhöht und die Einstellung von Fremden geradezu bevorzugt, sondern auch die Uebemahme grösserer oder kleinerer fremdherrlicher (deutscher) Contingente in preussische Kriegsdienste in das Auge gefasst und in der Folge auch mehrfach realisiert. ^) Im Zusammenhange mit diesen Bestrebungen stand einerseits der schon im August 1740 erlassene königliche Befehl, dass Ausländer nach ihrer Entlassung aus dem Heere unbe- dingt im Lande zu bleiben hätten, anderseits die wesentliche Erleichterung, welche Friedrich U. den eigenen Unterbhanen bezüglich einer eventuellen Befreiimg von der Wehrpflicht ge- währte; die Städte Berlin, Potsdam und Brandenburg beispiels- weise, wurden schon vom Januar 1741 ab vom „Enrollement" völlig befreit.

Eine andere, kaum minder einschneidende Verfügung, welche ebenfalls in den ersten Tagen der Regierung Friedrich 11. er- lassen wurde, betraf die Auflösung des „grossen Grenadier-Regiments" der Potsdamer Riesengarde.

An dem Tage der Leichenfeier fiir Friedrich Wilhelm I. that dasselbe zum letztenmale in seiner Gesammtheit Dienst, denn unmittelbar darauf ergieng der Befehl, dass aus diesem und dem bisherigen Regimente Kronprinz miter dem Namen „Königs- Regiment" ein neues Garde-Regiment zu bUden sei. Ein Theil der Officiere, sowie die besten von der Mannschaft traten zum Bataillon des bisherigen Regiments Kronprinz über und bildeten, mit den

*) Sachsen-Eisenach stellte ein Bataillon, Württemberg ein Kegiment gegen entsprechende Geldentschädigung ; einige hundert ßecruten wurden von einem Prinzen von Holstein-Gottorp geliefert, welcher dafür die Inhaberschaft jenes niederländischen Regiments eintauschte, das von den Generalstaaten seinerzeit als Pathengeschenk Friedrich IL verliehen worden war. Der „alte Dessauer" wieder warb ein ganzes Regiment im Anhaltischen, weil sein Lieblingssohn M o r i z Chef desselben werden sollte.

Digitized by

Google

570

auserwählten Leuten desselben, das 1. Bataillon des neuen Regiments; in ähnlicher "Weise und durch Neugeworbene ergänzt, wurde das 2. und 3. Bataillon Garde formiert, der Ueberrest des grossen Grenadier-Regiments aber in ein „Grenadier-Garde-Bataillon" umgewandelt, während die Reste des Regiments Kronprinz den Stamm für das neu zu errichtende Regiment Prinz Ferdinand von Preussen zu bilden hatten.

Das dem Oberstlieutenant von Einsiedel unterstellte neue „Grenadier-Garde-Bataillon" sollte in Bezug auf Bekleidung, Aus- rüstung, Bewaffnung u. s. w. zum Andenken an König Friedrich Wilhelm I. zwar für alle Zeiten auf dem Fusse des grossen Grenadier-Regiments gehalten werden und die Officiere desselben rangierten in ihrem respectiven Range auch um einen Grad höher als jene der Armee ; allein schon der Umstand, dass das bisherige Regiment Kronprinz an die erste Stelle trat und den Stamm für das neue Königs - Regiment bildete, während das einzig übrig bleibende Bataillon des grossen Grenadier-Regiments jenem an- gegliedert aber als dessen 4. Bataillon geführt wurde ^), lässt es naiiezu unzweifelhaft erscheinen, dass es dem neuen Monarchen in erster Linie doch nur um die Vernichtung der Lieblingsschöpfung seines Vaters zu thun gewesen sei, umso mehr, da die veränderte Formation auch mit keiner Vermehrung der Unter- Abtheilungen verbunden war. Wohl wurde das Königs - Regiment mit drei Bataillonen formiert, während das bis dahin bestandene Regiment Kronprinz deren nur zwei gehabt hatte; dafür von den drei Bataillonen des ehemaligen grossen Grenadier-Regiments nur eines beibehalten, der Rest seiner Mannschaften aber, ,,die felddienst- unfähigen Leute, sowie Diejenigen, welche von schlechter Führung waren oder nicht hatten schwören wollen", zu dem Gamisons- Bataillon übersetzt, welches unter Oberst von Weyher statt des Bataillons Persode in Magdeburg neu formiert wurde. Nachdem nicht wohl angenommen werden kann, dass FriedrichWilhelmL in seiner Riesengarde felddienstuntaugliche oder schlechtconduisierte Leute geduldet haben könne und die Leib-Compagnie thatsäohlich sogar den Stamm für das neu zu errichtende Regiment Prinz Heinrich von Preussen zu büden hatte, so dürfte, zumal im Hinblicke auf die erwähnten Eidesverweigerungen, die Annahme einer tief- gehenden persönlichen Abneigung, welche der neue Herrscher dem

^) Später schied das Bataillon unter Beibehaltung seines Namens aus dem Verbände des Regiments allerdings wieder aus.

Digitized by

Google

671

grossen Grenadier-Regiment entgegenbrachte, an Wahrscheinlichkeit nur noch gewinnen.

Eine weitere, sehr ausgiebige Vermehrung erfuhr die Infanterie durch die im November 1740 anbefohlene Verdoppelung der „Ueber- completen" und die gleichzeitige Einführung der dreigliederigen Aufstellung auch bei den Musketier- und Füsilier-Compagnien. Diese, ebenso wie die Grenadier-Compagnien, führten von da ab je acht Uebercomplete im Stande imd die aus dieser Verfügimg resultierende Standeserhöhung für die Fuss-Truppen bezifferte sich auf 1896 Mann.

Im Ganzen wurde die Infanterie im Laufe des Jahres 1740 von 66 auf 79 Feld-Bataillone vermehrt, welche in 37 Regimenter von verschiedener Stärke gegliedert waren. Höhere Truppenverbände als das Regiment gab es im Frieden nicht und jedes Regiment oder selbstständige Bataillon bildete ein abgeschlossenes Ganzes, für dessen Führung, Ausbildung, Vollzähligkeit, Dienstbetrieb und Verwendbarkeit die Chefs, beziehungsweise Oommandeure, aus- schhessUch dem König verantwortlich waren. Mindestens zur Hevuezeit musste der Chef seinen Dienst beim Regiment daher auch persönlich versehen.

Bei der Reiterei war die durch König Friedrich 11. in den ersten Monaten seiner Regierung vorgenommene Vermehrung naturgemäss eine weniger umfangreiche als bei den Fuss-Truppen. Zunächst wurde nur eine Escadron Gardes du Corps in Charlotten- burg imd ein Regiment Husaren zu fünf Escadronen in Preussen neu errichtet. Das Husaren-Regiment erhielt Oberst von Bandemer zum Chef und sollte am 1. December 1740 vollzählig sein, doch konnte dieser Termin nicht eingehalten werden und erst im März 1741 waren die Escadronen complet und alle OfficierssteUen besetzt. XJm dieselbe Zeit gelangte auch eine andere, bereits im November 1740 hin ausgegebene Verfügung zur Durchführung, nach welcher die Dragoner-Regimenter MöUendorf, Platen und Thümen um je fünf Escadronen zu vermehren waren. Das Regiment Platen, welches schon seit 1735 aus fünf schweren und fünf leichten Escadronen bestanden hatte, erlangte hiedurch eine Stärke von 15 Escadronen ^).

Die Verdoppelung der vorhandenen „Uebercompleten" auch bei der Cavallerie, sowie die im November 1740 anbefohlene

^) Der Unterschied zwischen schweren und leichten Escadronen lag lediglich in den Pferden und bezog sich auf solche leichten oder schweren Schlages; die neuerrichteteu Escp'lronen waren leichte.

Digitized by

Google

572

Errichtung einer zum Boten- und Ordonnanzdienst im Hauptquartier bestimmten Abtheilung berittener Jäger, welche zunächst in der Stärke eines capitaine des guides, eines Gehilfen und zwölf Jägern in's Feld rückte, vervollständigte die von Friedrich ü. für das Jahr 1740 in Aussicht genommene Vermehrung der Armee, brachten dieselbe jedoch keineswegs zum Abschlüsse, denn 1741, ebenso wie in den folgenden Jahren, wurden die E-üstungen emsig fortgesetzt*). Immerhin hatte man schon im December 1740 alle Ursache, mit den bis dahin erzielten Resultaten zufrieden zu sein, denn in den wenigen Monaten der Regierung Friedrich IE., welche der Eröflhung des Krieges vorangiengen, war die Armee von 83.468 auf 99.446 Mann verstärkt \ind somit die vom König am 23. Juni 1740 deoretierte Vermehrung um 10.000 Mann noch weit überboten worden.

Mitte December 1740 zählte die Infanterie imd zwar mit Officieren, Unterofficieren, Spielleuten und Gemeinen, bei den:

Feld-Truppen 65.762 Mann

Gamisons-Truppen 4.863

„Neuen Garnisonen'' B.244 ,,

Zusammen 75.842 Mann, die Cavallerie bei den:

Gardes du Corps und den

Regimentern zu Pferde 10.319 Mann, 9.052 Pferde,

Dragonern 10.133 8.920

Husaren 1.879 1.816

berittenen Jägern ... 13 13

Zusammen 22.344 Mann, 19.801 Pferde ohne die Pferde der Officiere und des Unterstabes, die Artillerie bei dem:

Feld-Bataillon 28 Officiere, 761 Mann,

Garnisons-Bataülon .... 15 360

Unterstabe 53 Köpfe

Zusammen 1.217 Köpfe, die Ingenieure zählten 43 Officiere, die Gesammtstärke des Heeres betrug daher:

*) Schon im Laufe des ersten schlesischen Krieges wurde die Armee neuerdings um 8 Feld-Bataillone, 10 Gamisons-Bataillone und 2 Grenadier- Compagnien, 10 Escadronen Dragoner, 46 Escadronen Husaren, 1 Bataillon Feld- Artillerie, 1 Compagnie Gamisons-ArtiDerie, 1 Pionnier-Regiment zu 2 Ba- taillonen und 93 Maxm bei dem berittenen Jäger-Corps vermehrt.

Digitized by

Google

573

Infanterie ' . . . 75.842 Mann,

Cavallerie 22.344

Axtillerie 1.217

Ingenieure 43

Zusammen . . . 99.446 Mann^).

Die sieben Infanterie - Regimenter, deren Errichtung König Friedrich n. unmittelbar nach seiner Thronbesteigung anbefohlen hatte, wurden auf demselben Fusse formiert, wie die schon fiüher bestandenen, nämlich in zwei Bataillone zu je fünf Musketier- oder Füsilier- imd einer Qrenadier-Compagnie. Der Stand eines mobilen Feld-Regiments ohne die Grenadiere, welche von je vier Regimentern in ein selbstständiges BataiUon zusammen- zuziehen waren, zählte daher:

42 Officiere, 100 Unterofficiere, 32 Tambours, 2 Pfeifer, 6 Haut- boisten, 1140 Gemeine, zusam^ien 1322 Streitbare, zu welchen noch 80 Uebercomplete und 17 Personen des Unterstabes ^ zu zählen sind. In der Front eines Musketier- oder Füsilier-Bataillons standen demnach 190 dreigliederige Rotten mit 570 Gewehren.

Ein Grenadier-Bataillon') bestand aus: 18 Officieren, 36 Unterofificieren, 12 Tambours, 8 Pfeifern, 24 Zimmerleuten'') und 360 Grenadieren, zusammen 458 Streitbaren mit 32 Ueber- completen und 4 Personen des Unterstabes.

Bei der Reiterei betrug die KJriegs-Stärke für ein Regiment zu Pferde: 32 Officiere, 60 Unterofficiere, 10 Trompeter, 1 Stabs- Trompeter (bei der Leib-Compagnie), 1 Pauker (bei derLeib-Com- pagnie), 660 Reiter, 10 Fahnenschmiede ^), zusammen 774 Mann mit 742 Pferden (ohne jene der Officiere), dann 60 Uebercomplete und 12 Personen des Unterstabes.

Bei einem Dragoner-Regiment zu 5 Escadronen : 32 Offi- ciere, 60 Unterofficiere, 15 Tambours, 1 Pauker, 4 Hautboisten, 660 Dragoner, 5 Fahnenschmiede, zusammen 777 Mann mit 745 Pferden (ohne jene der Officiere), dann 60 Uebercomplete und 19 Personen des Unterstabes.

') Uebersicht der preussischen Infanterie-, beziehungsweise Cavallerie- Regimenter im December 1740, siehe Anhang Nr. 15 und 16.

') Zum „ünterstabe" gehörten Feldscherer, Feldprediger, Auditeure. Quartiermeister u. s. w.

^) Die Grenadier-Bataillone gelangten erst nach imd nach zur Aufstellung.

*) Die Zimmerleute waren mit Aexten und Schurzfellen ausgerüstet.

*) Beschlagschmiede.

Digitized by

Google

574

Die Organisation der Husaren war bei Ausbruch des Krieges im December 1740 noch nicht zum Abschlüsse gelangt. Gegen Ende des Jahres 1741 formierten dieselben 10 Escadronen per Eegiment und hatten eine Ejriegsstärke von je : 36 Officieren, 80 Unter- officieren, 10 Trompetern, 1000 Husaren und 10 Fahnenschmieden. zusammen 1136 Mann und 1130 Pferden (ohne jene der Officiere), dann 11 Personen des Unterstabes.

Mit Fuhrwerken (Stabs-, Pack- und Proviant -Wagen), sowie Packpferden und Knechten waren die Truppen sehr reich dotiert und nur bei den Husaren wurde, ihrer Bestimmung entsprechend, der Tross in etwas engeren Q-renzen gehalten*). Ein Infanterie- Regiment beispielsweise führte 34 Fahrzeuge, 50 Pack- und 57 Seit- pferde mit sich, dazu kamen noch eine Anzahl von Packpferden für die Krankendecken und Zelte, Wagen und Pferde für die Personen des Unterstabes, die sehr zahlreiche Dienerschaft der Generale und Stabsofficiere, fiir jede Oompagnie ein Marketender mit 10 Knechten u. s. w. Analoge Verhältnisse bestanden bei den Reiter-Regimentern, bei welchen die Privat-Dienerschaft der Offi- ciere und die Officiers-Reitpferde natürlich eine noch höhere Zahl erreichte; Infanterie sowohl, als Cavallerie führte übrigens per Regiment auch noch einen Traiteur als Koch für die Officiere mit sich.

Die Führung des Heeres im Jahi*e 1740.

König Friedrich H. übernahm den Oberbefehl über die Armee gleichzeitig mit der Regierung, nachdem er bis dahin Generalmajor und Chef des Infanterie-Regiments Kronprinz ge- wesen und in strenger, mehrfach fast zu harter, aber gründlicher Schulung für das Amt des königlichen Kriegsherrn vorgebildet worden war.

Vom Jahre 1732 ab, wo er wieder Rang und Stellung Inder Armee erhalten hatte, widmete sich der damals 20 Lebensjahre zählende, zum Regiments-Commandeur ernannte Prinz mit voller Hingebung dem militärischen Dienste und erntete fiir die gute Haltung, Ausbildung und Bekleidung des seiner Leitung anvertrauten Truppenkörpers wiederholt die Anerkennung seines königlichen Vaters. Zwei Jahre später, im Sommer 1734, sah der Kronprini zum erstenmale den Krieg, welchen er an der Seite des Prinzen

*) Die Bespannungen für die sämratlichen Fuhrwerke, sowie für di* Artillerie, den „Artillerie-Train", u. s. w. waren erst bei einem ausbrechender Kriege zu beschaffen.

Digitized by

Google

575

Eugen von Savoyen am Rhein mitmachte und obgleich ihm die ereignisslose Campagne keine Gelegenheit bot, sich persönlich hervorzuthun, konnte schon der Verkehr mit dem grössten Feld- herm seiner Zeit nicht anders als belehrend und nach jeder Richtung nutzbringend auf den jugendlichen Sprossen des Hauses Branden- burg einwirken.

Wie für das unter General von R ö d e r an den Rhein rückende, 10.000 Mann starke preussische Contingent überhaupt, hatte Friedrich Wilhelm I. anlässig des bevorstehenden Feldzuges auch für seinen Sohn schon im Frühjahre 1734 eine eigene In- struction erlassen und in dieser befohlen, dass der Kronprinz am Tage einer Schlacht zwar an der Seite Eugen's zu bleiben, bei Eintritt der Entscheidung aber zur preussischen Infanterie zu reiten habe. Wenngleich diese Bestimmung zum Theile wenigstens auf die ausgesprochene Vorliebe zurückzuführen gewesen sein mochte, von welcher der König dem Fussvolk gegenüber allezeit erfüllt war, so könnte sie anderseits ihre Erklärung auch in dem ganz vorzüglichen Zustande finden, welchen die preussische Infanterie danials schon erreicht hatte und der bei entsprechender Verwendung allerdings die glänzendsten Resultate gewährleistete.*)

Der Vergleich zwischen den eigenen und den Truppen der übrigen unter dem Oberbefehle des Prinzen Eugen versammelten Reichs-Contingenten, musste sich dem preussischen Thronerben von selbst aufdrängen und konnte nicht zu Gunsten der letzteren aus- fallen. Ebenso erscheint es naheliegend, dass der mehrwöchentliche Aufenthalt im Hauptquartier des Siegers von Zenta, Turin und Belgrad zur Anknüpfung jener intimen Beziehungen zwischen Friedrich imd dem Generalquartiermeister des General-Lieutenants, Feldmarschall-Lieutenant Baron Schmettau führte, welche sechs Jcthre später, unmittelbar nach der Thronbesteigung des Königs, den kaiserlichen General veranlassen konnten, in preussische Dienste überzutreten.

Nach seiner Rückkehr aus dem Felde trieb der Kronprinz ernste kriegswissensohaftliche Studien, unterhielt mit dem Fürsten

*) Weder die Special-Instruction des Königs, noch die bei den preussischen Truppen im Allgemeinen sehr strenge Mannszucht vermochte übrigens jene sch'weren und andauernden Ausschreitungen zu verhindern, welche sich die- selben auf dem Marsche gegen die Bevölkerung zu Schulden kommen Hessen. . . ' les exc^s commis par les Prussiens dans le pays de Würzbourg sont terribles. On n'en sait pas encore toutes les particularitös . ." schreibt Sinzendorff an den Prinzen Eugen über dieses Thema am 7. Juni 1734.

Digitized by

Google

576

Leopold von Anhalt-Dessau sowie mit dem Obersten V. 0 a m a s einen lebhaften Briefw^echsel über militärische Fragen und nahm eifrigen Antheil an der Thätigkeit eines militär- wissenschaft- lichen Vereines, welcher sich unter seiner Patronanz über Anregung des Oapitains de la Motte-Fouqu6 gebildet hatte, der „Bayard- Orden" hiess und zwölf Officiere zu Mitgliedern zählte. Der Kron- prinz trat der Verbindung, welche sich gemeinschaftliche Studien tactischer und fortificatorischer Werke, sowie älterer und neuerer Kriegsgeschichte ztu* Aufgabe stellte, unter dem Namen „le Con- stant" bei.

Wenngleich sich selbst ein Feuergeist, wie jener Friedrich's, nicht mit einem Male und vollständig von dem Einflüsse jener Theorien zu befreien vermochte, welche in Bezug auf Truppen- und Kriegführung aus dem spanischen Successionskriege erwachsen und für die Anschauungen in den ersten Decennien des XViJLL. Jahr- hunderts massgebend geworden und geblieben waren, war doch die bedingungslose Anerkennung ihrer Lehrsätze keineswegs Art und Sache des jugendlichen Fürsten, der über die Ursachen des Erfolges oder des Misslingens in den verschiedenen Kriegen ebenso reiflich nachgedacht hatte, wie über die persönlichen und militäri- schen Eigenschaften der jeweiligen Führer. Er gelangte in Folge dessen bei der ihm eigenen Selbstständigkeit des Urtheils natur- gemäss sehr bald zu Ansichten und Grundsätzen über Heeresleitung, welche diejenigen seiner Zeitgenossen hoch überragten und, wenig über ein Lustrum später, in der Anlage und Leitung der Operationen die glänzendste Probe auf ihre Richtigkeit bestanden. Dass der Kj'onprinz sich eingehend mit dem Kriege beschäftigt und sich in einem solchen von vorneherein die Liitiative zu wahren geplant hatte, geht aus seinem „Antimachiavell" hervor: „Es ist besser, sich in einen offensiven Krieg einzulassen, so lange man noch die Wahl zwischen Oelzweig und Lorbeer frei hat, als bis zu jenem ver- zweifelten Zeitpunct zu warten, wo eine Kriegserklärung die völlige Sclaverei und den Ruin (Untergang) nur noch um wenige Augen- blicke verzögern kann. Obwohl dies eine missliche Lage für einen Souverain ist, thäte er doch am besten, sich seiner Kräfte zu be- dienen, ehe er, gebimden durch die Unternehmungen seiner Femde, die Macht verloren hat."

Die Generalität in Preussen, verhältnissmässig weniger zahl- reich als in den anderen grossen Heeren Europa's, führte im De- cember 1740 5 Feldmarschälle, 2 Generale (Generale der Lifanterie),

Digitized by

Google

B77

13 Generallieutenants und 23 Generalmajore in iliren Listen. Nach- dem die Feldmarschälle Graf von B o r c k e und von Köder zu alt waren, um noch im Felde verwendet werden zu können, Graf von K a 1 1 e aber bald nach dem Ausbruche des ersten schlesischen Kj'ieges starb, reducierte sich die Zahl der höheren Führer zunächst auf zwei, die FeldmarschäUe Fürst von Anhalt-Dessau und Graf von Schwerin, welche ihrem Monarchen dann allerdings und auch als Führer selbstständiger Heereskörper hervorragende Dienste geleistet haben.

Der „alte Dessauer'' (geboren 3. Juli 1676) war schon in seinem 18. Lebensjahre in brandenburgische Dienste getreten und von dem Churfursten Friedrich III., dem späteren ersten König von Preussen, zum Oberst und Chef des Regiments zu Fuss er- nannt worden, an dessen Spitze bis dahin L e o p o 1 d's Vater, Fürst Johann Georg m. gestanden hatte. Er war in dem Augenblicke, als die Eröffnung des Krieges gegen die Königin von Böhmen und Ungarn von Seite Preussens unmittelbar bevorstand, nicht nur der älteste, sondern auch weitaus der erfahrenste imd bewährteste der von König Friedrich 11. zur Verwendung im Felde in Aussicht genommenen Generale, denn er hatte mit geringen Unterbrechungen von 1695 bis 1715 eigentlich fortwährend vor dem Femde ge- standen, in den Niederlanden, am Khein, an der Donau, in Italien, Süd-Frankreich, Brabant und Pommern gefochten und sich in alP diesen Kriegszügen als ein hervorragend tapferer, umsichtiger und thatkräftiger Führer erwiesen.

Die Summe von Kriegs erfahrung, welche der Fürst sich in seiner reichbewegten militärischen Laufbahn erworben, wurde da- durch, dass er Gelegenheit gehabt hatte, abwechselnd unter, neben oder gegenüber den bedeutendsten Feldherm zu dienen, zu einer noch grösseren, werthvoUeren und wenngleich in Bezug auf die Leitung der Operationen und die Kriegführung im Allgemeinen auch Leopold von Anhalt-Dessau den hergebrachten, streng metho- dischen Bahnen seiner Zeit folgte, so hinderte ihn dieser Forma- lismus doch keineswegs, sich eifrig militärwissenschaftlich und literarisch zu beschäftigen und während der Friedensjahre eine so eingehende, erfolgreiche Thätigkeit im Interesse der Organisation und Ausbildung des Heeres zu entwickeln, dass ihn Friedrich II. geradezu als den „Schöpfer der preussischen Armee" bezeichnete.

Gleichwohl waren die Beziehungen zwischen dem Könige und seinem schlachtergrauten Paladin von vorneherein nicht die besten, wozu die grossen Alters- und Oharakterunterschiede wohl ebenso

Oesterreiohisclier Erbfolgekrieg. I. Bd. 37

Digitized by

Google

578

sehr beigetragen haben mochten, als der vieljäbrige intime Preund- schaftsbimd, welcher zwischen FriedrichWilhelnil. und dem , .alten Dessauer" bestanden hatte. Allerdings war der letztere siel seines Werthes und seiner mannigfachen Verdienste um Dynastie und Heer wohl bewusst, auch Regungen des Misstrauens, der Eifersucht und rasch aufwallender Empfindlichkeit unterworfeL und zudem von dem so begreiflichen Verlangen beseelt, die Autorität, welche ihm zwei frühere Monarchen auf militarischein Gebiete eingeräumt hatten, auch unter dem dritten zu behaupteiL Allein Friedrich 11. war anders geartet als sein Vater, be- ziehungsweise Grossvater und Jugend im Verein mit hochent- wickelter Selbstständigkeit sträubten sich in gleich entschieden«" Weise gegen eine Beeinflussung des eigenen Willens und Thuns. mochte diese auch von Leopold von Anhalt-Dessau aus- gehen oder versucht werden. Auch lautete das Urtheil des Königs über den treuen Diener dreier preussischer Monarchen durehaas nicht immer so günstig, wie man es dem „Schöpfer der preussi- schen Armee" gegenüber meinen sollte. So heisst es in der 17t>7, also 20 Jahre nach dem Tode des Dessauers veranstalteten Aus- gabe der „Mömoires pour servir ä Thistoire de Brandenbourg" bei der Schilderung der militärischen Verhältnisse in Preussen zur Zeit des Ablebens König Friedrich Wilhelm I. : ,,Der einzige Fürst von Anhalt war im Stande, ein Heer anzuführen. & wusste es und zog von diesem Vorzuge allen Vortheil, um sich nothwendig zu machen und über die andern zu erheben." Und an anderer Stelle : „Dieser Fürst" (Leopold vonAnhalt-Dessan „verband mit einer seltenen Tapferkeit sehr viele Klugheit, aWr unter der Anzahl grosser Eigenschaften hatte er auch solche, di^ nicht sehr gut waren."

Auch zwischen dem zweiten der höheren preussischen Führer- dem Feldmarschall Kurt Christoph Grafen von Schwerin und dem Könige war das Verhältniss namentlich in der Folge nicLt immer ein ungetrübtes, was um so eigenthümlicher erscheint, als Schwerin nicht nur eine sorgfaltige Erziehung genösse® und sich ein reiches, auf verschiedenen Universitäten geschultes Wissen erworben hatte, geistig daher mit Friedrich IL «tr völlig gleichem Niveau stand, sondern seinerzeit auch einer d«ff Richter in dem über den Kronprinzen in Köpenick zusammei>- gesetzten Kriegsrechte gewesen und mit ihm während seiner Küstrin verbüssten Festungshaft im Briefwechsel gebUeben war.

Digitized by

Google

679

Er galt zwar als einer von Friedrich's Günstlingen und wurde bei der Thronbesteigung auch in den Grafenstand erhoben und ziun Feldmarsehall ernannt, konnte aber 1740 schon auf eine so glänzende militärische Vergangenheit zurückblicken, dass er diese Gnadenbezeigungen keineswegs als nicht vollauf verdiente anzusehen berechtigt gewesen wäre. Zudem bosass Schwerin brennenden Ehrgeiz, eine äusserst lebhafte, empfindliche Gemüthsart und ein häufig allzuscharfes Urtheil, war also ein nichts weniger als fügsamer Charakter. Diese Eigenschaften im Vereine mit dem steten Hervorkehren der eigenen Fähigkeiten und allerdings hervor- ragenden kriegerischen Leistungen hatten ihm in der Armee viele Feinde gemacht, den Beinamen „der kleine Marlborough" eingetragen und mochten wohl auch den König nicht immer günstig beeinflussen.

Aus Löwitz in dem damals schwedischen Pommern gebürtig (1684), hatte Schwerin zuerst in mecklenburgischen Diensten gestanden, imter Marlborough im spanischen Successions-, später imter dem Marschall Steenbock im nordischen Kriege gegen die Dänen mit Auszeichnung gefochten und rasch Carrien^ gemacht. Als er 1719, da jener Theil von Pommern, in welchem die Besitzungen seiner Familie lagen, an Preussen gefallen war, dem neuen Landesherrn seine Dienste anbot, nahm ihn Friedrich Wilhelm L zwar mit offenen Armen auf, konnte ihn aber der vielen bei weitem älteren Generale wegen vorerst niu* als General- major eintheilen. Erst im Mai 1631 wurde er Generallieutenant, was er in Mecklenburg schon elf Jahre früher gewesen war, erhielt 1736 den Schwarzen Adler-Orden und rückte 1739 zum General der Lifanterie auf. Anlässlich der Verwicklungen in Mecklenburg war Schwerin (1733) an die Spitze der preussischen Occupations- truppen gestellt imd später auch mit der Führung der Verhland- lungen mit den mecklenburgischen Ständen betraut worden. Li beiden Richtungen gelang es ihm, die volle Zufriedenheit seines Königs zu erlangen und die oben erwähnten Auszeichnungen waren das unmittelbare Ergebniss derselben. Er war übrigens schon lange Jahre vorher auf diplomatischem Felde thätig gewesen. Nachdem er am 20. December 1712 in der für die Schweden siegreichen Schlacht bei Gadebusch mitgefochton, wurde Schwerin im fol- genden Jahre in geheimer Mission zu Carl Xu. nach Bender geschickt. Da dieser in der Zwischenzeit nach Demirtasch gebracht worden war, gelang es Schwerin erst nach längeren Irrfahrten, den König zu finden, worauf er bis November 1712 in dessen Um- gebung blieb.

37*

Digitized by

Google

680

Schwerin war zwar tun aclit Jalire jünger als der Fürst Leopold von Anhalt-Dessau und zwischen den Feld- marscheills-Patenten beider lagen nahezu drei Decennien, allein seine geistige Capacität übertraf jene des „alten Dessauers" er- heblich und auch an Untemehmungsgeist, Weite des Blickes und weltmännischer Gewandtheit war dieser mit Schwerin nicht zu vergleichen.

Von den zwei Generalen (Generale der Infanterie) kam der eine, Caspar Otto von Glasenapp, seines hohen Alters wegen nicht mehr in Betracht. Der zweite, 1740 erst 53 Jahre zählende Herzog Friedrich Wilhelm von Holstein- Beck war, obgleich seit März 1728 regierender Fürst, in preussi- schen Diensten geblieben. Er hatte 1715 in Pommern gegen die Schweden gekämpft, bekleidete seit 1732 die Stelle eines General-Lieutenants und wurde von Friedrich TL. im Juni 1740 zum General der Infanterie ernannt, in welcher Charge er bei dem Einmärsche in Schlesien das Commando des zweiten Corps übernahm.

Als General-Lieutenant stand ihm bei diesem Corps der wenig über 40 Lebensjahre zählende, aber schon eine ziemlich reiche miü- tärische Erfahrung aufweisende Erbprinz von Anhalt-Dessau, der zweitgeborene Sohn des Feldmarschalls, zur Seite. Am 25. Sep- tember 1700 geboren, ward Leopold Maximilian von seinem Vater bereits im eilften Lebensjahre in's Feld mitgenommen, focht 1715 gegen die Schweden in Pommern, wurde nach der Einnahme von Stralsund zum Chef eines aus schwedischen Kriegsgefangenen errichteten preussischen Infanterie-Regiments zu Fuss und im Mai 1717 zum Oberst ernannt. In demselben Jahre als Freiwilliger an dem Kriege der Oesterreicher gegen die Türken theil- nehmend, befehligte der in der Zwischenzeit zum Generalmajor ernannte Prinz 1733 die anlässlich der Wirren in Mecklenburg von Preussen dahin entsendeten Executions-Truppen, als Schwerin, der Oberbefehlshaber, die Verhandlimgen mit den Ständen zu führen hatte und später die preussische Infanterie unter dem Prinzen Eugen von Savoyen am Rhein. Das Jahr 1735 brachte ihm zunächst die Ernennimg zum General-Lieutenant mit dem Patente vom Juni 1732 imd später auch noch jene zum Gouverneur von Küstrin.

Wenngleich Leopold Maximilian, welcher 1737 nach dem Tode seines älteren Bruders Erbprinz geworden war, seine

Digitized by

Google

581

glänzende militärische Laufbahn und die reiche Fülle der ihm von Friedrich. Wilhelm I. zugewendeten Auszeichnungen zum Theile wenigstens dem Ansehen und der Stellung seines berühmten Vaters sowie den vieljährigen freundschaftlichen Beziehungen, welche zwischen diesem und dem Könige bestanden, zu verdanken haben mochte, so war er andererseits doch auch in jeder Hinsicht der würdige Sohn dieses Vaters, hatte sich bei zahlreichen Anlässen als entschlossener, umsichtiger Truppenführer bewährt imd wurde auch von Friedrich 11. sehr hoch gehalten.

Der ihm im Range als General-Lieutenant unmittelbar voran- gehende, 50 Jahre alte Prinz Christian August vonAnhalt- Z e r b 8 1, der dem Rang nach älteste preussische General-Lieutenant, fand, gleich dem „alten Dessauer", bei Eröf&iung des ersten schlesischen Küeges zunächst keine Verwendung.

{Br. Hipmch.)

Digitized by

Google

Das Webrwesen in Sachsen.

i/as Chiirfürsfconthum Sachsen war seit dem Jahre 1732 in vier Generalate oder General-Commanden eingetheilt, wodurch eine raschere Kriegsbereitschaft und eine exacte Disciplin erzielt werden sollte. Diese Eintheiluug, welche sich längere Zeit erhielt, erwies sich als selir zweckmässig, entlastete in vieler Beziehung das Armee- Ober-Commando und erleichterte wesentlich den ganzen militärischen Dienstesverkehr.

Den Generalaten entsprechend war die Armee in vier Militär- Divisionen eingetheilt, an deren Spitze je ein commandierender General mit grosser Machtbefugniss stand.

Die Eintheilung des Churturstenthums und seiner Armee war demnach folgende ^) :

1. Militär-Division: Churkreis und Leipziger Kreis mit dem General-Commando in Wittenberg;

2. Militär-Division: Thüringen mit dem General-Commando in Zeitz;

3. Militär-Division : Voigtländischer und Erzgebirgischer Kreis mit dem General-Commando in Freiberg;

4. Militär-Division : Ober- und Nieder-Lausitz mit dem General- Commando in Dahme.

Das Centrum der vier General-Commanden bildete der Meissner Kreis mit dem Generalquartier zu Dresden, dessen Functionen der General-Feldmarschall mit dem Generalstabe versah.

Der Kriegsherr, Churfürst Friedrich August 11., als König von Polen August m., legte im Allgemeinen nur geringe Neigungen

*) Schuster und Franke, Geschichte der sächsischen Armee, I. Theil, 204.

Digitized by

Google

583

für die militärischen Angelegenheiten an den Tag. Im Sommer des Jahres 1741 fUhrte Genieral Baudissin das Ober-Commando über die sächsische Armee ; kurz vor Ausbruch des österreichischen Erb- folgekrieges übernahm es der Herzog zu Saohsen-Weissenfels^).

Zahlreiche Kriege vorher gaben der sächsischen Armee Ge- legenheit, Beweise grosser Tüchtigkeit, Ausdauer, Disciplin und glänzender Tapferkeit zu geben. Noch im Jahre 1740 kehrten einige Regimenter erst aus dem Feldzuge in Ungarn zurück.

In den Reihen der kriegsgeübten, wenn auch nicht sehr zahl- reichen sächsischen Armee befanden sich erfahrene, im Felde er- probte Generale. Die Armee besass nebst dem Ober-Commandanten 11 Generale, 10 General-Lieutenants und 23 Generalmajore.

Drei Halbbrüder des Königs August IH. dienten in der sächsischen Armee, während der vierte und älteste Graf Moriz von Sachsen in französischen Diensten stand. Der jüngste Bruder, FriedrichAugust Graf von C o s e 1, war zu Beginn des Krieges Oberst und Regiments-Commaiidant ; von den beiden mittleren führte Friedrich August Graf von Rutowski^) öfters in den schlesischen Kriegen den Oberbefehl, ebenso der Ritter von Sachsen^) einigemal in Vertretung des Ersteren.

Das Officiers - Corps der sächsischen Armee ergänzte sich hauptsächlich aus dem Adel des Landes und dem Cadetten-Corps zu Dresden, das unter dem Namen Ritter-Akademie im Jahi-e 1725 errichtet worden war.

Das sächsische Erziehungswesen genoss einen guten Ruf; viele ausgezeichnete Officiere und höhere Beamte legten auf Grund

^) Geboren 1686. Er hatte schon in jungen Jahren in hessischen Diensten bei Hochstädt, Turin und MaJplaquet mit Auszeichnung gekämpft; trat im Jahre 1709 als Generaknajor in die chursächsische Armee, wo er nach 26jäbriger Dienstzeit den Marschallsrang erreichte. Er führte in Ungiim 1718 und im polnischen Erbfolgekriege selbstständige Commandos, wobei er die Umsicht eines tüchtigen Generals zeigte. Im Jahre 1736 übeniahm er als Herzog Johann Adolf II. die Kegierung seines Herzogthums, um aber wieder bei Ausbruch des österreichischen Erbfolgekrieges an die Spitze des sächsischen

Heeres zu treten.

*) Geboren 1702 ; zeichnete sieb im Jahre 1734 bei der Belagerung von

I>anzig aus, focht 1736 am Ehein und kämpfte 1737 in den Türkenkriegen, wo

er kurze Zeit auch den Oberbefehl über das sächsische Coi-ps führte. (Kriege

Friedrich d. Gr., I. lOB).

^) Johann Georg Rittor von Sachsen (le Chevalier de Saxe) geboren 1704,

sächsischer Oberst 1726, Generalmajor 1734, General-Lieutenant 1738, kämpfte

mit Auszeichnung am Timok 1737.

Digitized by

Google

584

dieses Systems eine glänzende Laufbahn zurück. Graf von Ru- t o w s k i wirkte in hohem Masse günstig aul* den guten G-eist, auf die tüt'htige Ausbildung und einen gediegenen Nachwuclis des OfiBciers- Corps ein.

Die Regiment^-Commandanten ernannten und bef<jrderten »lie Oflioiere auf (Irund der höhernorts zur Vorlage gebrachten Qaali- ücations-Eingaben bis zum Oberstlieutenant.

Als sichtbares Zeichen fiir militärische Thaten stiftete der Kcmig-Churfürst im Jahre 17B() den Militär-St. Heiiirichs-Orien mit der Inschrift „Pietate et virtute bellica".

Das Unterofficiers-Corps ergänzte sich durch Beförderung der hiezu geeigneten Mannschaft der Compagnie. Längere Dienstzeit, gute Aufführung und practisch-militärische Fähigkeiten bildeut die (rrundsätze für die Wahl und Beförderung.

Gleichwie mn die Erziehung des Officiers-Corps, hatte sid Graf von R u t o w s k i auch um die Ausbildung der säehsisthen Armee sehr verdient gemacht. Sie war im Allgemeinen tactisci sehr gut geschult und discipliniert. Wie in der preussischen, so legte man auch in der sächsischen Infanterie den Hauptwerth aul' die Ausbildung im Feuergefechte.

Die Armee zählte zu Beginn des österreichischen Erbfolge ki-ieges 13 Infanterie-, 14 Cavallerie-Regimenter und 4 Artillerie- Compagnien.

Ausser der Schweizer Leibgarde und einer Compagnie Cadetut bestanden noch fünf in Wittenberg, Königstein, Soimensteb. Stolpen luid Pleissenburg dislocierte, verschieden starke ,,Ganii- sonen", in welche alle Halbinvaliden eingereiht wurden und ein- Frei-Compagnie mit dem Stande von 195 Mann.

Die Gesammtstärke der sächsischen Armee beUef sich Anfaiig^ November inclusive der zwei in Polen stehenden Chevauxlegei^- Eegimenter auf ungefähr 27.800 Mann und 6.900 Pferde^).

Vor Ausbruch des österreichischen Erbfolgekrieges \nraren 'ür einzelnen Regimenter ziemlich gleichmässig im Lande vertheilt- schon im Monate April des Jahres 1741 wurden aber die Truppen ii

») Siehe Anhang XVII : „Etat de toutes les troupes de Son Alte»* Electorale de Saxe . . . 1741".

*) Siehe die Kai-tenbeilage : „Dislocations-Karte der kaiserlichen AnEr. beim Tode Cai'l VI. etc." saramt Legende, Taf. III.

Digitized by

Google

585

zwei Lager bei Torgau und Eileiiburg versammelt, welcher Con- ceutrienmg im October desselben Jahres eine noch engere bei Pirna und Freiberg folgte.

Zur Uebernahmo des Dienstes im Innern des Landes waren nach Ueb erschreit ung der Grenze seitens der Armee ausser den Cxarnisons-Truppen die vier Kreis-Eegimenter bestimmt, deren jedes 2000 Mann zählte. Sie bildeten eine Art Land-Miliz , welche jährlich zweimal im Sommer und Herbste zu compagnieweisen Hebungen auf je 14 Tage einberufen wHU'de ; die Aufbringung derselben obhig den Ständen, die Bewaflnung bestritt der Churfürst.

Die Ergänzung des Heeres geschah ausschliesslich durch Werbung im Lande, zu welchem Zwecke den Regimentern entsprechende Geldmittel zugewiesen w^urden. Die in früherer Zeit versuchten Aushebungen lieferten keine befriedigenden Er- gebnisse.

Zur Erreichung gi'össerer Stände wurde die Verstärkungs- mannschaft den auf Friedensfuss verbleibenden Truppenkörpern entnommen.

Die aus polnischen Diensten im Jahre 1740 zur Vermehrung der Armee übernommenen 12 Uhlanen Hof -Fahnen ^) recrutierten sich besonders aus Litthauen und wurden zur Sicherung der Communicationen zwischen Sachsen imd Warschau im Vereine mit den beiden Chevauxlegers-Kegimenteni verwendet.

Die Pferdebeschaffung für die gesammte Reiterei geschah im Wege des freihändigen Ankaufes ; der Preis einer Remonte belief sich auf durchschnittlich 66 Thaler.

Infanterie. Jedes der 13 Lafanterie-Regimenter gliederte sich in zwei Bataillone ä sechs Musketier-Compagnien.

Die Compagnie hatte eine Kriegs-Stärko von ungefähr 100 Mann und zwar^: 1 Hauptmann, 1 Lieutenant, 1 Fähnrich, 3 Sergeanten, 1 Fahnenträger, 1 Fourier, 1 ärztlicher Gehilfe, 2 Cor- porale, 2 Tamboure, 2 Zimmerleute, 12 Grenadiere und 88 Mus- ketiere. Die Gesammtstärke eines Infanterie-Regiments, einschliesslich des Stabes, betrug 1604 Mann, hievon 1422 Streitbare.

*) Im Jahre 1741 wurden drei weitere Ublanen-Hof-Falmen errichtet. (Kriege Friedrich d. Gr., I. Anlage 4, 67.)

•) Paris, Ministerium^ des Aeusseren, Volume „Saxe", 1741, 23.

Digitized by

Google

586

Die Infanterie war mit Flinten bewaffiiet; jeder Mann vom Corporal abwärts mit 30 Stück Patronen versehen. In einzelnen Regimentern wurden die eisernen Ladestöcke erprobt.

Die Cavallerie M theilte sich in zwei Garde-, 8 Cürassier-, 4 Dra- goner- und 2 inPolen dislocierteChevauxlegers-Regimenter. ZurGarde zählte das Regiment Garde du corps und die Carabiniers : ersteres war in 8 Compagnien und 4 Escadronen, letzteres in 12 Compag- nien und il Escadronen formiert. Die Stärke der beiden Eegiment^r war aber so ziemlich dieselbe, weil die Unter- Abtheilung des Cara- binier-Regiments einen schwächeren Küegs-Stand vorgescliriebeu hatte. Eine (Kompagnie Gai'de du corps setzte sich aus 1 Rittmeister.

1 Lieutenant, 1 Sous-Lieutenant, 1 Comet, 2 Marechaiix de logt,

2 Standartenträgem, (> Cor{)oralen, 1 Quartiermeister, 1 ärztHchen Gehilfen, 2 Ti'ompetern und 75 Garden zusammen, während eint Carabinier-Compagnie nur 50 Reiter zählte.

Die Cürassier- und Dragoner- Regimenter waren in sechs Compagnien, gleich drei Escadronen gegliedert mit denselben Standesverhältnissen wie das Carabinier-Regiment. Ein jedes hatt- eine Kriegs-Stärke von 400 Mann mit 362 Pferden. Die Chevaai- legors - Regimenter '-^j waren zu vier Escadronen fonuiert und besasson einen etwas höheren Stand als die vorgenannten.

Die Stärke einer Uhlanen-Hof-Fahne betrug 1 Rittmeister. 1 Lieutenant, 1 Fähnrich, 1 Pauker, 46 Towarczys (polnische Edel- leute) und 46 Pocztowi (Gemeine). Zusammen 96 Mann. Die Be- waffnung der Cavallerio war die damals allgemein übliche^).

Artillerie. Das Artillerie-Corps, mit welchem eine Poe- tonnier- und Mineur-Abtheilung vereint war, formierte vier Com- pagnien mit einer Gesammtstärke von 600 Köpfen ; der Stab setzte sich aus 24 Personen zusammen, darunter 1 Oberst, 1 Oberstlieutenant und 1 Major. Als Chef des Artillerie-Corps fungierte im Jahiv 1740 Graf Rutowsky.

>) Paris, Ministerium des Aeusseren, Volome „Saxe", 1741, 23.

') Die Errichtung von Chevauxlegers, einer Art leichter Reiterei zum Aufklärungs- und Sicherungsdienste, erwies sich schon in den Käniptem gegen die meist berittenen polnischen Streif - Gommanden sehr nothweadiC Die beiden Chevauxlegers - Regimenter erhielten Anfangs November 174! den Befehl zum Aufbruche nach Sachsen. (Schuster und Franke O^ schichte der sächsischen Armee I. 209.)

^) Eine besondere Bewafihung hatten die Uhlanen-Hof-Fahnen. Jedtr Mann erhielt zu seiner Ausriistung eine Pistole nebst Patrontasche, der gem^D'- Uhlan ausserdem einen Carabiner ; Säbel und Lanze musste sich jeder selb^ anschaffen. (Schuster und Franke, Geschichte der sächsischen Armee, H. "

Digitized by

Google

687

Für das im Jahre 1741 mobilisierte Corps wurden 21 leichte Feldgeschütze, ein Munitions-Park, ein Pontonnier-Train von 20 Pontons bestimmt und später ein Belagenmgs-Park mit schweren Geschützen aufgestellt. Ein Feldgeschütz erhielt zur Bedienung 1 Unterofficier, 2 Kanoniere und 5 Füsiliere.

Jedem ausmarschierenden Infanterie-Regimente wurden zwei solche Feldgeschütze und ein Artillerie - Officier zugewiesen, während das Bataillon Leibgarde imr mit einem Feldgeschütze dotiert wurde.

In den verschiedenen Zeughäusern und kleinen Festungen des Cluufürstenthums befand sich ein ziendich zahlreiches Be- lagerungs-Artillerie-Material, welches nach längeren Unterhandlungen den Verbündeten Anfangs November 1741 ziu* Verfügung gestellt wurde. Hiezu gelangte das im Haupt-Zeughause zu Dresden und in der Festung Königstein d('])ouierto Material zur Ausgabe inid wurde vom französischen Artillerie- Com missär Duyne über- nommen.

Es bestand aus : ^) 20 Stück 24-pfündigen metallenen Halb-Karthaunen mit Lafetten, 20 12- ,, Kanonen,

6 ,, 48- ,, Mörsern mit Blöcken,

^ ?? '^^ ?? ?? 7? 5> M »

4 ,, 24- ,, Haubitzen mit Lafetten

nebst dazu gehörigen Requisiten, einer bedeutenden Menge Munition, darunter allein 300.000 Pfund Pulver; hiezu kam noch ausserdem eine Menge Schanzzeug.

Das gesammte Material wurde zu Schiffe auf der Elbe gegen Lobositz fortgeschafft, von wo nur zwölf Geschütze nach Prag ge- sendet wurden, wälu'end der Rest nach der Einnahme dies(?r Stadt wieder nach Sachsen zurückkam.

Die Verwaltung des Heeres leitete im Frieden das geheime Kriegsraths-CoUegium zu Dresden.

Die Bekleidung, sowie Ausrüstung und Bewaffnung wurde seit dem Jahre 172i) nicht mehr durch die Capitains, sondern im Ganzen durch den Staat besorgt.

Die Waffen hatte die Gewelir-Fabrik in Suhl zu Uefern.

Die Verpflegung der Mamischaft geschah unter Aufsicht der Capitains durch Selbstbeköstigung. Für Brod, wenn in natura

') Kriegsgeschichtliclie EinzelgeschichteUj 11, 1889, 3.

Digitized by

Google

588

gereicht, wurden von der Löhnung ^) monathch zwölf Groschen abgezogen.

Zu Kriegszeiten trat die Natural - Verpflegung ein, deren Leitung dem Oberbefehlshaber oblag, welchem hiebei weitgehende Keclite eingeräumt waren.

Um gegen die Schwankungen der Marktpreise des Getreides geschützt zu sein und behufs Sicherstellung eines Verpflegs-Vorrathes für alle Fälle waren schon im Frieden die vier Hauptmagazine zu Leipzig, Dresden, Torgau und Wittenberg entsprechend dotiert.

[Polak V. Mürzsprufig.)

*) Der Reiter erhielt monatUch B Thaler 22 (Jroschen. der Infanterist 2 Thaler.

Digitized by

Google

Das Wehrwesen in Bayern.

JLf er Beginn des Eaieges fand die bayerische Armee in ziemlich unfertigem Zustande. Sie bestand auf dem Papier aus 40.100 Mami

und gliederte sich in^):

Sollbestand Mann Infanterie Cavallerie Artillerie

7 Feld - Infanterie - Eegimenter (das Leib - Regiment zu 20 Füsilier- Compagnien k 140 Mann in 4 Bataillonen, die übrigen 6 Regi- menter zu 15 Füsilier-Compagnien ä 140 Mann in SBataillonen, ausser- dem jedes Regiment 2 Grenadier- Compagnien k 100 Mann) . . . 16.800

5 reguläre Land-Miliz-Regimenter zu 20 Füsilier-Compagnien in 5 Ba- taillone formiert 2) 15.000

Die Reserve der Miliz 4.000

(Die beiden letzteren wurden auch als „mobile Landwehr" od. als „engerer Land-Ausschuss'' bezeichnet.)

*) Dr. Töpfer, VII. Erasmus Graf von Deroy, Beiträge zur Ge- schichte des österr. Erbfolgekrieges. E n d r e s, Abriss der bayerischen Heeresgeschichte. Münnich, Geschichte der bayerischen Aimee seit zwei Jahrhunderten.

*) Es scheinen jedoch nur drei Bataillone per Eegiment completiert gewesen zu sein. Euer sei bemerkt, dass die Angaben über die Gesammt- stärke der churbayerischen Armee sehr stark schwanken. Die hier ausgewiesene Stärke von fast 40.000 Mann dürfte diese Armee nie erreicht haben ; in obigem Bahmen mochte der streitbare Stand 20.000 Mann betragen haben.

Digitized by

Google

590

Sollbestand Manu Infanterie Cavallerie Artillerie 5 Cavallerie-Regimenter zu 10 Com- pagnien in 5 Escadronen formiert, die Escadrou zu 160 Pferden . . 4000 -

1 Artillerie-Brigade 200

1 Frei-Compagnie 100

Summe . . 35.900 4000 200

Zur Landesvertheidigung bestimmt waren die sogenannten „Landfahnen" (d. i. Landsturm- Abtheilungen u. zw. : 30 in Ober- und Nieder-Bayem, nebst den Frei-Fahnen zu Fürth und 1 1 solchen in der Ober-Pfalz, sowie die Bürgerwehren mancher Städte. Die Stärke der Land-Fahnen betrug in der Ober-Pfalz 3000, in Ober- und Nieder-Bayem 12.727 Mann Lifanterie. Die Land-Fahnen, so\ne die Leibgarden der Hartschiere und der Trabanten kommen jedoct für die kriegsmässige Stäarke nicht in Betracht.

Ausserdem waren noch verschiedene Truppenkörper in dieser Zeit in Errichtung begriffen, wurden jedoch erst im Spätherbst 1742 dienstbar.

Die bayerische Armee zählte an Generalen: 1 Feldmarschall 5 Feldzeugmeister (General der Cavallerie), 8 Feldmarschall-Lien- teiiants, 10 General-Feld- Wachtmeister und 5 Brigadiere.

Die Dislocation der churbayerischen Armee vor dem Krieg? ist nicht genau festzustellen. Zu Ingolstadt lagen zwei Lifanterie- Eegimenter, in Landshut 1500 Mann zu Fuss, in Braunau föni' Compagnien Reiter, in München bei 1000 Mann Infanterie, in Burghausen 20 (?) Mann Infanterie. Die Reiterei war grösstentheil> in den kleinen Städten und Märkten untergebracht. ^)

Militär-Behörden.

Die oberste Militär-Verwaltungs-Behörde war der Hof- Kriegsrath in München ^, dem die alten churbayerischen Regimenter direct unterstellt waren, während die nach 1741 errichteten Tnippen- körper verscliiedene Privilegien hatten. Der Hof-Kjiegsrath bestan-l aus 1 Präsidenten, 1 Vice-Präsidenten, 2 General-Feld -Wachtmeister . und 5 besoldeten Kriegsräthen, nebst einem Kanzleipersonale vol Personen.

') K. A., F. A. Bayern, 1741, XIII, ad 13~gVi.

*) Vom 18. Mai 1741 an war Feldmarschall Graf Ignaz Törrinr- Jettenbach Hof - Kriegsraths - Präsident. (M ü n n i c h, Geschidite ^ bayerischen Armee, 66.)

Digitized by

Google

691

Der Hof-Kriegsrath befasste sich mit Justiz -Angelegenheiten, Avancements - Vorschlägen, Heirathserlaubnissen , Militäa: - Oeco- nomie etc.

Für die Verpflegung der Truppen sorgte das Kriegs-Commis- sariat, weiters gab es das Hof-Kriegszahlamt, die Kriegs-Haupt- buchhalterei (für die Revision), das Q-eneral- Quartiermeisteramt (erst 1742 wieder errichtet). Für das Justizwesen befand sich bei jedem Regiment ein Auditor, ebenso solche in den Garnisonen in Ingolstadt, Landshut, Straubing und Amberg unter der Leitung eines Ober-Auditors in München.

Heeres-Ergänzung.

Die Ergänzung des stehenden Heeres geschah durch Assen- tierung; wemi diese nicht ausreichte, wurden ausgewählte Mann- schaften der Land-Fahnen in die Regimenter eingereiht. Ein Theil der nothwendigen Recruten wurde auch dadurch beschafft, dass Verbrecher xmd Landstreicher gewaltsam zu Soldaten gemacht wurden.

Jedes Regiment hatte übrigens ledige Bauemsöhne von den Land -Fahnen in Vormerkung, die zur Ergänzung des Standes herangezogen werden konnten; wurden sie nicht benöthigt, so hatten sie die Exercitien bei den Land-Fahnen mitzumachen. Diese und die Auserwählten der Regimenter verübten aber im Lande mehr Excesse, als sie diesem Dienste leisteten.

Unmittelbar vor Ausbruch des Krieges wurde in allen Städten und Märkten öffentlich von der Lifanterie geworben. Das Handgeld betrug sechs Gulden. Die Cavallerie warb nicht öffentlich und es „musste einer schon ein schöner Kerl sein", falls er dazu genommen wurde.

Man nahm auch Franzosen und Lutheraner, aber keine Calviner. *)

Während des Krieges wurden viele Regimenter neu geworben, darunter auch zwei Regimenter ungarischer Husaren (Frangipani- und Ferrari-Husaren).

*) Feldmarschall-Lieutenant Graf Salaburg an den Hof- Kriegsrath in Wien. K. A., F. A. Bayern, 1741, XIII, ad 13— g*/t. Unter den Franzosen und Lutheranern sind wohl jene „Ausreisser" zu verstehen, von denen der Bericht spricht. Auch österreichische „Ausreisser" wurden genommen und ihnen zu- gesagt, dass sie nicht ausgeliefert werden sollten, da ein AusHeferungs-Cartell wohl mit dem Kaiser (Carl VI.), nicht aber mit der Königin von Ungarn geschlossen worden sei.

Digitized by

Google

592

OfHeiers-Nachwuclis.

Die Officiers -Chargen waren käuflich ; die des Fähnrichs kostete 300, des Hauptmannes 800, des Obristwachtmeisters 2000 und die Charge des Oberstlieutenants 4000 Gulden.

Unter Chiu'fürst Carl Albrecht schuf Abt Placidius die Ritter- Akademie in Ettal auf Veranlassung des Monarchen in ein Erziehungs-Institut für Officiers-Candidaten um, doch war dieses Institut für den von der Armee benöthigten Officiers-Nach- wuchs nicht ausreichend.

Die pensionierten Officiere und Unterofficiere hatten im Nothfalle bei den Land-Fahnen einzutreten, die Hauptleute waren meist Beamte.

Kriegsniuterial.

Für die Deponierung, Reparatur und theilweise Neuerzeugung von Kriegsmaterial bestand in München das Haupt-Zeughaus, doch wurden Geschütze und Munitionswagen meist im Accord von bürgerlichen Meistern geliefert.

Die Artillerie war der schwächste Theil des churbayerischen Heeres. Die Noth an Geschützen war so gross, dass Churfürst Carl Albrecht noch von Enns aus am 27. September 1741 den Cardinal-Bischof von Passau schriftlich bat, ihm zwei auf dem Oberhause in Passau befindliche halbe Karthaunen auf kurze Zeit zu überlassen und dieselben, trotz dos Protestes des Cardinais, nach Oesterreioh abführen Hess. ^)

Viele bayerische Städte besassen jedoch einige Geschütze ver- schiedenen Caübers zur Selbstvertheidigung.

Das vorhandene Kriegsmaterial, wenn von einem solchen überhaupt gesprochen werden kann, war daher ein sehr geringes und die Zahl der Geschütze lässt sich selbst gegen Ende des Erb- folgekrieges nicht feststellen. Im Jahre 1738 fiihrte die bayerische Artillerie unter Comimando eines Lieutenants 8 Gesohwindstücke, wozu 4 Mimitions- und 4 Kugel wagen, jeder mit vier Pferden bespannt, gehörten und 1741 dürfte, alle Neuanschaffungen ein- gerechnet, die Geschützzahl 20 nicht überschritten haben.

Die Munitions- und Kugelwagen führten ausser der Munition noch Zelte, die der Rosspartei (Bespannung) zugehörigen Requisiten, Handwerkszeug (Schanzzeug) für die Arbeitsleute und etwas Vorrath

*) Carl V. V a 11 u d e, Passau und die Veste Oberhaus. 30.

an Holz- und Eisenwerk mit. (

Digitized by

Google

593

Die Infanterie hatte per Bataillon einen Balkenkarren zum Fort- bringen der aus den „Schweinsfedem" herzustellenden spanischen Reiter, die damals noch ab und zu zum Schutze gegen die Reiterei verwendet wurden.

Verpflegung.

Die Verpflegung der Mannschaft geschah durch Geld und Naturalien und wurde analog, wie in der kaiserlichen Armee nach monatlich bemessenen „Mund- imd Pferde-Portionen" berechnet. ^) Der Sold betrug monatlich für die einzelnen Mannschaftsgrade 4 bis 10 Gulden bei der Infanterie, 5Va bis 14 Gulden bei der Reiterei. Vom Sold wiu-de jedoph ein Kreuzer per Gulden „Gnaden- haus-Abzug" (d. i. Abzug für das Invalidenhaus in München) gemacht.

Für das in natura gereichte Brod wurden von jeder Mund- Portion monatlich 30 Kreuzer in Abzug gebracht. ^

Die Pferde-Portion war für alle Dienstpferde gleich bemessen und bestand aus sechs Pfund Hafer, zehn Pfund Heu und drei Pfund Stroh. »)

Die Gagen der Officiere waren für die damalige Zeit ziemlich hoch bemessen und variierten vom Unterheutenant bis zum Obersten monatlich von 28 bis 191 Gulden, bei der Cavallerie um einige Gulden mehr.

Mit Pferde-Portionen wurde nicht sehr freigebig umgegangen (Oberst acht, Rittmeister fünf Pferde-Portionen) und wurden dieselben per Portion mit fünf Gulden monatKch vergütet.

Das Quartiergeld der Officiere betrug (vom Fähnrich aufwärts) monatlich 1 fl. 30 kr. bis 6 fl.

Die Armee lebte „von der Hand in den Mund", denn es be- standen bis zum Ausbruch des Krieges keine Proviant-Magazine. *)

Die Verleihung von Pensionen war reine Gnadensache und richtete sich lediglich nach dem Stande der churfiirstHchen Gassen.

Gelderforderniss.

Im Jahre 1734 bewilligte die Landschaft die Summe von jährlich 900.000 Gulden zum Unterhalt der Truppen. Hiezu kam

*) Siehe Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen, I, 480.

'j Die Brod-Portion bestand aus einem Gebäck, zu dem 2 Pfund Weizen- mehl (oder eine Mischung von '/s Weizen und Vs Kommehl) genommen / wurde ; bei letzterer Mischung musste der Laib Brod jedoch nur IV» Pfund

* schwer sein. (K. b. Staats-Archiv, B. Succ.-Krieg, 1744.)

») K. b. St. A., B. Succ.-Krieg, 1744.

*) K. A., F. A. Bayern, 1741, XHI, ad 13— gV».

Oesterreiohischer Erbfolgekries^. I. Bd. 38

Digitized by

Google

594

1741 nooli das Erfordemiss für die Erhaltung der Miliz-Regimenter mit monatlich 49.300 Gulden und die laufenden Ausgaben für die Kriegsrüstungen.

Die churfürstlichen Gassen wären nicht im Stande gewesen, die Kosten für den Unterhalt der Armee zu decken und so griff Frankreich seit Jaliren in diesem Puncte helfend ein und zahlte an Bayern „Subsidiengelder", die per Jahr 800.000 Gulden betrugen imd über welche der Churfürst frei verfugen konnte. ^) Trotzdem war die Verpflegung der Armee, sowie deren Ausrüstung während des Erbfolgekrieges oft genug ganz unzulänglich und die Officiere erhielten selten Gebühren, obwohl der Bürger für die Verpflegung der bei ihm einquartierten Soldaten vom Staate keine Vergütung bekam und der Feldmarschall Graf T ö r r i n g die Leistungsfähigkeit der Ober-Pfalz allein auf 200.000 Gulden imd 400.000 Brod- imd Fourage-Portionen im Jahre taxierte.

Beiqontiernng und Aasr&stang.

In der Adjustierung und im ßemontierungswesen hatte sich seit 1726 im Wesentlichen nichts geändert. Die schon vom Vorgänger des regierenden Churfürsten eingerichtete Fabrik in München lieferte dem Manne die Montur für zwei Jahre, wofür er in dieser Zeit 24 Gulden in Baten von seinem Sold zu erlegen hatte.

Für je vier Mann war ein Zelt berechnet, das alle drei Jahre erneuert wurde und vier Gulden kostete. Ein von den Land-Fahnen Ausgewählter hatte bei seinem Einrücken zum Regimente zwei Gulden mitzubringen, wovon für ihn Hafersack (Tornister), Streif- strümpfe, Handschuhe, eine Hutmasche und ein Haarband an- geschafit wurden.

Als Feldzeichen trugen die Officiere während des Blrieges blau-weisse Bänder auf den Hüten, welches Abzeichen auch die Franzosen annahmen.

Die Fahnen und Standarten änderten sich erst mit der Wahl Carl Albrech t's zum römisch-deutschen Kaiser (Carl VII.), seit welcher Zeit sie auf blau-weissem Grunde den doppelköpfigen schwarzen Reichsadler mit blau und weiss gerautetem Herzschild zeigten.

*) Die Unterstützung Bayerns kostete Frankreich vom Jahre 1741 bis August 1743 an Geld allein über 20 Millionen Gulden. (K. bayr. Seichs- Archiv. Belationes comitiales, 1748.)

Digitized by

Google

595

DieiiBtTOr^ehriften.

Die von früher her vorhandenen Exeroier-Reglements waren wenig geändert worden. Die Aufstellung der Infanterie geschah in vier Grliedem. Das Feuern begann mit dem vierten Gliede, wobei sich die vorderen drei auf die Kniee warfen. Die Handgriffe mit dem Gewehre waren sehr einfach. Die Bewegungen der Ab- theilung bestanden im Verändern der Front, Doublieren der Reihen und Glieder und Formationen im Bataillon.

Die Reiterei hatte kein einheitliches Reglement. Die Vor- schriften gab der Regiments-Commandant nach eigenem Ermessen heraus ; sie waren ebenfalls sehr einfach und behandelten den Sitz zu Pferd, den Abmarsch in Vieren, Schwenkungen, Contremarsch, das Herstellen und das Exercieren im Feuer. Alles Weitere musste sich vor dem Feinde von selbst ergeben.

Es konnte auch nicht viel verlangt werden, denn der Präsenz- stand an Pferden bei der Reiterei war im Frieden sehr gering und das Pferdematerial wurde erst bei der Mobilisierung beschafft imd angeritten. ^)

Znstand der bayerischen Armee.

Die bayerische Infanterie war mittelmässig geübt, schlecht bekleidet und ausgerüstet. Die Mobilmachung derselben glich 1741 einer völligen Neuerrichtung. Schon war das Lager bei Schärding bezogen und noch immer ein Theil der Mannschaft nicht ein- gekleidet. Auch der Geist der Truppen litt unter diesen Verhält- nissen. Ein innerer Zusammenhang fehlte, die Disciplin war mangelhaft, *)

Die Reiterei kann bei dem Abgange an Pferden im Frieden kaum entsprechend ausgebildet gewesen sein. Grell traten alle genannten Mängel bei den Land-Fahnen hervor, welche aus Mangel an Geld nicht mobilisiert werden konnten.

Auch das Officiers-Corps entsprach nicht jenen Anforderungen, die gestellt werden mussten, wenn die Armee bestimmt sein sollte, <iiirch den Einmarsch in Feindesland weittragende politische Pläne zu verwirkHchen und die Stellung Bayerns gewichtig und angesehen zji machen.

*) So hatten jüdische Lieferanten bei Beginn der Campagne 1741 den Auftrag, 4O0O Pferde zu liefern, wodurch man hoflPte, eine Compagnie auf Pferde zu setzen. Die Pferde kamen damals aus Hannover, Lübeck, dem Allgäu uud dem engeren Bayern. (K. A., F. A. Bayern, 1741, XIII, ad 13— 9»/s.)

>) D e r o y, Beiträge zur Geschichte des österr. Erbfolgekrieges, 7 ff.

3S*

Digitized by

Google

696

Das Missgeschick des bayerischen Hilfs-Corps im Türkenkriege 1737 1739, ^us welchem kaum die Hälfte der Mannschaft heim- kehrte, wirkte 1741 noch nach und selbst das organisatorische Talent des Ohurfürsten Carl Albrecht, der im Januar 1741 mit der vollkommenen Neuschöpfong der Armee begann, konnte bis zum Ausbruch des Krieges kein schlagfertiges Heer schaffen.

Ob die Führer der churbayerischen Armee, Feldmarschall Graf Ignaz von Törring-Jettenbach und Feldmarschall Graf Seckendorff, die Männer waren, Carl Albreoht's weit- ausgreifende Pläne zu verwirklichen, ist bei den geringen Mitteln, mit denen sie zu rechnen hatten, schwer zu sagen.

Törring war mehr Diplomat, als Soldat und hatte bis 1741 noch keine Proben von Feldhermtalent abzulegen Gelegenheit gehabt, auch war er kein Mann der That; Seckendorff konnte wegen seinen endlosen Intriguen und seinem rücksichtslosen Wesen nirgends Vertrauen gewinnen und selbst dort keine dauernden Erfolge erzielen, wo solche möglich gewesen wären.

Dass die höheren Officiere meist Ausländer waren *), gab wohl zu manchen, dem Dienste gewiss nicht forderlichen Reibungen Anlass, erklärt aber nicht ausreichend die Misserfolge der Armee im bevorstehenden Kriege.

Das bayerische Officiers-Corps war in kleinen Garnisonen dem Dienste entwöhnt worden, unregelmässig bezahlt, ohne sociale Stellmig und daher ohne Ambition. Seine Qualität entsprach keines- wegs jener eines Heeres, mit dem Churfürst Carl Albrecht das Ringen um das Erbe des letzten Habsburgers und um die römisch- deutsche Kaiserkrone hätte beginnen müssen; das Heer und dessen Officiere befanden sich in einem unfertigen Zustande, ein Erfolg der bayerischen Waffen stand schon bei Ausbruch des Krieges

sehr hl Frage.

{KematmüUer,)

*) D e r o y, Beiträge z\ir Geschichte des österr. Erbfolgekrieges, 8 u. 9. Bayerische Historiker bringen gern die Unglücksfälle der bayerischen Waffen mit der fremden Herkunft der Führer in Zusammenhang.

Digitized by

Google

Das Wehrwesen des Deutschen Eeiches und einiger

Eeichs-Stände/)

Die Reichs -Armee.

Jüie Wehrkraft des Deutschen Eeiches zerfiel beim Ausbruch des österreichischen Erbfolgekrieges in zwei Gruppen:

1. die Reichs-Armee und

2. die Haustruppen der einzelnen Fürsten.

Auf die zur Reichs-Armee gehörigen Contingente, natürlich mit Ausnahme des österreichischen, machte Kaiser Carl VII. An- sprüche, jedoch fanden es die betreffenden Fürsten und Herren meist gerathener, sich durch eine Neutralitäts - Erklärung oder sonstige Ausflüchte aus der Affaire zu ziehen.

Die Reichs-Contingente stellten die Stände eines Kreises ge- meinsam'^). Die einfache Stärke der Reichs-Armee betrug 12.200 Reiter imd 28.000 Mann zu Fuss, an Artillerie von jedem der zehn Kreise 1 Falkon, bei jedem Regiment 1 Feldstück; alle Kreise zusammen stellten grobes Geschütz u. zw. : 5 Stück V4 Karthaunen oder 36-Pfünder, 10 Stück V2 Karthaunen oder 24-Pfünder und 10 Feuermörser, die 100 bis 200 Pfunde warfen. Das Reich besass mehrere Reichs-Festungen wie z. B. Philippsburg, die nur von der Reichs-Armee besetzt werden durfte, was aber im österreichischen

') Mit Ausschluss der in diesem Bande abgesondert behandelten (Oesterreich, Preussen, Sachsen, Bayern, Hannover und Hessen-Cassel).

*) Das schwäbische Kreis -Contingent von 1302 Eeitem und 2707 Mann zu Fuss stellten z. B. bei : 4 geistliche und 13 weltliche Fürsten, 19 Eeichs- Prälaten, 26 Grafen und Herren und 81 Reichsstädte, (Loen, Kriegsverfassung des deutschen Eeiches. Dessau 1860.)

Digitized by

Google

598

Erbfolgekrieg den Reichs - Feldmarsehall Seckendorf Ä hinderte, auch bayerische Truppen hineinzulegen.

Der Kaiser, als aller Kreise Q-eneral-Oberst, führte im Frieden wie im Kriege den Oberbefehl über das Reichs-Heer, dassek (Reichs-)Greneralität hatte und an dessen Spitze der Eeichs-Feld- marschall stand, der im Range den Feldmarschällen der Stände vorangieng. Für die Reiterei war ein Reichs-General der Cavi- lerie, für die Artillerie ein Reichs-Feldzeugmeister im Etat Di^ Reichs-Operations-Casse, die durch dieMatricxilarbeiträgederEeich?- stände gespeist werden sollte und welche zur Bestreitung dtj Gebühren der Reichs-Generalität und ihrer Stäbe, dann g^T&M Kriegsbedürfhisse (z. B. Kriegsbrücken-Materiale) diente, welcb nicht contingentmässig von den Kreisen beigestellt wurden, staii dem Reichs-Feldmarschall zur „Disposition und Äustheilung" m Verfügung. Die Auszahlungen besorgte der General-Kriegs-Commisär mit dem Kriegs-Secretär.

Die Bewaffnung und Ausrüstung der einzelne! Contingente war Sache der sie beistellenden StSnde, daher seir ungleichartig.

Die Verpflegung geschah durch Lieferungen in 6di und in natura, auf Kosten der beistellenden Stände, aus m Kreis-Kriegs- Gassen durch eigene Kreis-Commissäre. Der Dwi- marsch der Truppen durch fremde Kreise musste vorher angezei? werden.

Die Beistellung von Mannschaft wurde von den Kreiseu de:: Ständen anrepartiert. Da jeder Stand nebst der auf ihn entfallende! Mannschaft auch eine entsprechende Zahl von Ober- und UnitJ- officieren in genau bestimmter Charge beistellen musste undK^ der Nominierung derselben oft alles eher, als die Eignung cAr Tüchtigkeit ausschlaggebend war, so hatte die Reichs-Armee cer Mehrzahl nach untüchtige Officiere und Unterofficiere, deren B^' dadurch wenig gestachelt wurde, dass eben in Folge dieser Cbaig^^' auftheilung eine Beförderung unter normalen Umstanden fastnx- möglich war.

Die Soldaten waren gewöhnlich ein Haufen zusammengeraffte- Leute, meist erst im Bedarfsfalle geworben, denn im Frieden li*tt^' die Stände wenig oder auch gar kein stehendes Militär. ^'^^ :- schwäbischen und fränkischen Kreise standen die Verhütnisse -^ dieser Beziehung in Etwas günstiger, weil die Stände dieser Ki?^'

Digitized by

Google

599

zufolge der 1681 geschlossenen Associationen, auch im Frieden zwei Drittel der ihnen zukommenden Contingente auf den Beinen zu erhalten sich verpflichtet hatten^).

Hätten übrigens die Reichs-Stände Kaiser Carl VII. auch thatsächlich ihre Contingente gestellt, so würde derselbe sie doch nur dann haben verwenden können, wenn er in die Reichs- Armee zwei Dinge zu verpflanzen im Stande gewesen wäre : Disciplin und vor Allem militärischen Geist.

Für die Operationen der österreichischen Armee in Bayern war die Haltung des schwäbischen Kreises von "Wichtigkeit, denn die Stände dieses wehrfähigsten Kreises stellten zu ihrer Vertheidigung in's Feld ^) : 5 Infanterie-Regimenter zu 1 Grenadier- und 12 Füsilier- Compagnien, ä Regiment 884 Mann; 3 Cavallerie-Regimenter zu 8 Compagnien, h Regiment 312 Mann ; an Artillerie : 1 Detachement in Kehl, zusammen 11 Köpfe und ausserhalb Kehls einen Artillerie- Commissär, der zugleich Zeugwart war. Der ganze Friedens-Stand betrug 5417 Mann. 1741 erhöhte der schwäbische Kreis diesen Stand auf den Feldfuss, der etwa 7000 Mann betrug, was bis zum April 1749 andauerte.

Diese Kreis-Truppen hatten an Generalität: 1 General-Feld- marschall, 1 General - Feldzeugmeister, 1 General der Cavallerie, 1 General-Feldmarschall-Lieutenant, 1 Generalmajor und 1 General- Quartiermeister, femer ein aus vier Personen bestehendes (Kriegs-) Commissariat (inclusive Buchhalterei).

Das Herzogthimi Württemberg, das dem schwäbischen Kreise angehörte , hatte ausser dem Kreis - Contingent , bei Beginn des österreichischen Erbfolgekrieges noch überdies an Haustruppen :

die Garde zu Pferd 1 Escadron 106 Mann

Husaren 1 Escadron 73

Artillerie 1 Compagnie 72

Leib-Infanterie-Regiment, 2 Bataillone . . .1175

Zusammen . . . 142G Mann.

*) Die Stärke der einfachen Kreis- Contingente siehe „Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen", 1, 466. Vergl. übrigens auch Jahns, Geschichte der Kriegs- wissenschaften, 1531 iF., besonders 1533, dann 1640 ff.

*) Stadlinger, Geschichte des württembergischen Kriegswesens. Stuttgart 1856, 94 f.

Digitized by

Google

600

1734 wurde für den schwäbischen Kreis ein Infanterie-Regi- ment errichtet und 1752 der Stand der württembergischen Truppen auf 6000 Mann gebracht. Erst 1754 wurde ein Reglement fttr die Infanterie herausgegeben, das genaue Vorschriften über HandgriflTe, Evolutionen, Gamisons-Dienst, Märsche und Adjustierung enthielt.*)

Die Truppen einiger bedeutenderer Reichsfürsten.

Die Haustruppen der kleineren Eeichs-Stände bestanden aus Infanterie und Dragonern, selten aus Cavsdlerie (d. i. Cürassieren); sie wurden je nach Bedarf vermehrt oder vermindert und bildeten das eigentliche stehende Militär, aus dem, wenn das nicht von der Miliz geschah, das Eeichs-Contingent entnommen wurde. Die Ergänzungsart war überall die gleiche, die Werbung unter Autorität des Kriegsherrn; die persönliche Dienstpflicht konnte überall abgelöst werden *j.

In allen Staaten erscheint zunächst die Miliz, die, mehr oder weniger organisiert, als Landwehr oder Bürgerwehr (nach den heutigen Begriffen) auftritt. Neben der Uebersetzung aus den Landesdefensions-Truppen in das reguläre Militär, diente zur Bildung der Regimenter:

1. die Werbung in fremdem und im eigenen Lande und

2. die Auswahl dienstpflichtiger Unterthanen (ßecrutierung) mit Berücksichtigung der Grösse und der bürgerlichen Verhältnisse derselben.

Auch wurde um die Mitte des XYlLL. Jahrhunderts bereits eine Art Reserveverhältniss bei dem regulären Militär eingeführt, verschwand jedoch wieder 1763.

Für die eigentliche Landesvertheidigung bestand überall der Landsturm, im schwäbischen Kreis 1 703 aufgerufen *) , in Sachsen 1704 u. s. w.

Gesetze zum Schutze der Soldaten bestanden zwar, doch erlitten diese, ebenso wie die Mandate zum Schutze der Unterthanen die vielfältigste Intei-pretation seitens der Civil- und Militär-Behörden und die Edicte gegen gewaltsame Werbungen wurden nie beob- achtet. Fast so zahlreich wie die „Heere" waren in Deutschland auch die Reglements für dieselben.

*) Stadlinger, Geschichte des württembergischen Kriegswesens, 398 ff.

•) L o e n, Kriegsverfassnng des Deutschen Eeiches. Dessau 1860. ') Stadlinger, Kriegsgeschichte Württembergs.

Digitized by

Google

601

Chur-Pfalz.

Die churpfälzische Armee bestand bei Beginne des öster- reichiscken Erbfolgekrieges ^)

Sollstand : aus : Mann

1 Compagnie Leibgarde zu Pferde 100

1 Schweizer Leibgarde 100

6 Lifanterie-Eegimentem u. zw. :

Hildesheim 2 Bataillone, 14 Compagnien 1568

Sachsen-Meiningen . , 2

Harscamp 2

La Marck 2

Garde-Grenadiere . . 2

Effem 2

und dem Land-Bataillon 1

Summe 13 Bataillone = 9272

6 Regimentern Reiterei u. zw.:

Manderscheid . . Leibreiter . . . Taxis-Reiter . . Hatzfeld-Dragoner EUiot-

14

1568

14

1400

14

1568

10

1000

14

1568

6

600

)J

jedes zu 2 Escadron., 3 Comp. = 174 M. u. Pf.

Hatzfeld-Reiter . Oberrhein. Kreis-Escadr. : 1 Escadr., ä 4 Comp. =^ 116 M. u. Pf. Eynatten-Husaren . . : 1 =^ 53 ,,

Summe 13 Escadronen 1213 M. u. Pf.

Die Artillerie zählte 3 Compagnien mit 232 Mann, das Ingenieur-Corps „15

Totalsumme: 10.732 Mann, 1213 Pf. Die oberste Militär-Behörde war die „hohe geheime Militär- Conferenz" unter Vorsitz des Churfiirst- Pfalzgrafen. Das Regle- ment von 1740 beschäftigte sich vorzugsweise mit der Caval- lerie, enthielt Vorschriften über Ab- und Aufmärsche, Schwenkungen und das Beziehen und Abbrechen des Lagers, femer über das Exercieren der Dragoner zu Fuss, die gleich der Lifanterie manöv- rierten, das Bajonnet führten und in der Carr^bildung geübt wurden. Die churpfälzische Cavallerie kannte die Frontmärsche und Attaquen xiicht. Zum Marsch und zu den Evolutionen war jede Escadron in

') Münnich, Geschichte der Entwicklung der bayerischen Armee. 180 und 131.

Digitized by

Google

602

drei Züge und diese „zu Vieren" abgetheilt. Bei Evolutionen zu Fnss war ein Dragoner-Regiment in 10 Pelotons getheilt, das 1. und 10. davon in Halbpelotons, welch' letztere die Ecken der CarrÄs bildeten- In diesem Reglement finden sich auch Bestimmungen über den Feld- und Gamisonsdienst und über das Kriegsrecht.

Chur-Maynz.

In Chur-Majmz bestanden eine Leibgarde zu Pferde, eine Anzahl Dragoner und drei Regimenter zu Fuss, sowie drei Land- Regimenter. Dieselben unterstanden einer „Kriegs-Conferenz"' und hatten an Generalität 1 General-Feldzeugmeister, 1 General-Feld- marschall-Lieutenant und 1 General-Feld -Wachtmeister.

Majmz war Reichs-Grenz-Festung und hatte auch oberrheinische Kreisvölker zur Besatzung. Ein „Chur-Mayntzisches Kriegs-Regle- ment" erliess Churfürst Johann Friedrich Carl Reichsgraf von Ostein im Mai 1743, das eine Instruction fiir die Musketiere und Artillerie, ein Baiegs-Exercitium, Freiheiten und Privilegien de< Soldaten und die Kriegs- Articel enthält*).

Chur-Coln.

Chur-Cöln besass eine Hartschier-Trabanten-Leibgarde raid ein Leib-Regiment zu Fuss, die einem Kriegsrath und einem General-Lieutenant unterstellt waren. „Militärische Verordnungen'^ erschienen 1747, die gegen fremde Werbungen gerichtet waren, aber auch über Recruten mid Deserteurs handelten. Am 23. April 1744 wurde die Quartiersgebühr der Soldaten dahin geregelt, dass kebi Soldat ausser dem Quartier auch noch Quartiergeld verlangen durfte.

Chur-Trier.

Chur-Trier hatte im Frieden blos sein KJreis-Contingent von 1100 bis 1200 Mann, 40 Mann Leibgarde, überdies einen Hof- Kriegsrath, ein Oberkriegs-Commissariat und zwei Generalmajore. Im Kriege hatte Chur-Trier etwa zwei bis drei Bataillone mit zwei dreipfiindigen Bataillons-Kanonen ; auch gab es eine Land-]Miliz von 2O0O bis 3000 Mann, die im Frieden alle 14 Tage üben sollten.

Hessen-D armstadt.

Darmstadt stellte in's Feld : Leibgarde zu Pferd, 2 Compagmen Leib-Grenadiere, 2 Escadronen Dragoner, 2 Regimenter zu Fnss uml

*) Jahns, Geschichte der Kriegs Wissenschaften,

Digitized by

Google

603

4 Bataillone regelmässige Land-Miliz. Eingetheilt waren 2 General- Lieutenants und 4 Generalmajore.

Baden.

Li Baden-Baden überstieg der Stand der Truppen nicht 8 Compagnien (1 Compagnie Reiter, 6 Compagnien zu Fuss und 1 Husaren-Corps) ; Baden-Durlach hatte ungefähr 5 Compagnien. Besondere Kriegsgesetze bestanden nicht, sondern jene des schwä- bischen Kreises waren massgebend.

Die sächsischeii Herzogthflmer.

Die Herzogthümer Sachsen - Weimar , Sachsen - Gotha und Sachsen-Coburg hatten verhältnissmässig viel Truppen, doch wird deren Stand erst nach 1763 ein definitiver.

Geistliche Beichs-Stftnde.

Die geistlichen Fürsten Süd-Deutschlands hatten meist nur Leib- garden und stellten überdies die Kreis-Contingente ; nur Würzburg hielt 5 Regimenter zu Fuss und zu Pferd unter einem Kriegs- CoUegium, dann 1 General-Feldzeugmeister, 1 General-Lieutenant und 4 Generalmajore. Bamberg hatte gleichfalls 1 General; Eichstädt hatte ausser einer Garde 3 Compagnien zu Fuss, 1 Com- pagnie Cürassiere und 1 Compagnie Dragoner ; Salzburg 1 Regiment Infanterie von 1000 Mann und überdies bei 25.000 Mann Landes- schützen aus den Pflegschaften ^). Das Erzbisthum Salzburg hatte auch einen militärischen Orden, St. Ruprecht, mit einem Com- mandeur, 6 Rittern und 6 Exspectanten. Das Hochstift Osnabrück hatte gar kein Militär, dagegen das Hochstift Hildesheim als Be- satzimg für die Stadt Peina 1 Compagnie zxi Fuss. Das Hochstift Lüttich hatte 3 Generalmajore, die Truppenanzahl ist unbekannt.

Ln Allgemeinen hatten die kleinen Stände das Bestreben, in

ihren militärischen Einrichtungen, wenigstens in Titeln und Aemtem,

genau die grösseren Militärmächte nachzuahmen; von Feld-Truppen

aber kann um diese Zeit bei den wenigsten Reichs-Ständen die

Rede sein.

(KanatmüUer.)

*) Jahns, Geschichte der Kriegswissenschaften. 2332 ff.

Digitized by

Google

Wehrwesen von Hessen-Cassel/)

Behörden.

Als oberste militärische Commando- und Verwaltungs-Behörde fungierte die ,,General-Kriegs-Commission".

Nach dem Eescript vom 24. September 1714 „sollten dahin gehören : alle in das Kriegswesen einschlagenden Materien ; sie sollte beobachten: die Articelsbriefe, Militair -Verordnungen, Reglements, Decrete, Rescripte, Duell- und andere, der Balg- und Schlägerei halber ergangene Verbote und Edicte; die Auf- sicht auf die Verwaltung der Justiz; imgl eichen, was zur Er- haltimg der Truppen, deren Completierung und Eecrutierung, wie auch Bezahlung derselben, sodann deren richtigen Abrechnimg erfordert werde ; die Einrichtung der Magazine , die Ein- haltung der Desordres und Excesse; die Untersuchung der Memorialien wegen der Soldatendimission ; des Consenses zu heirathen; der Aufnahme in das Siegburger Lazareth; oder Ver- willigung einiger Gnadentractamenten etc."

Der General - Kriegs - Commission unterstanden zur Durch- führung und Besorgung dieser verschiedenen Agenden das „Kriegs- pfennig-Amt", das „General-Kriegs-Commissariat", das „Feld-Kriegs- Commissariat", das „Proviant- Amt" und endlich die „zur Recrutier-, Remontier- und Montierung der löblichen Kriegs-Truppen Gnädigst verordnete Commission".

Als Zwischenbehörden zwischen der obersten Centralbehörde und den Truppen-Commanden bestanden die „Gouvernements" in Cassel, Rheinfels, Ziegenhain und Rinteln.

*) Nach J. A. Hof mann, Abhandlung von dem vonnaligen und heutigen Kriegsstaate. Lemgo, 1796.

Digitized by

Google

605

Bahmen und Bestand. .

Die hessischen Truppen formierten in dieser Periode :

An Infanterie: 1 Garde-, 1 Grenadier-, 1 Leib-Füsilier-, 3 Füsilier-, 4 Infanterie- ^) und 3 Gamisons-Regimenter ^), sämmtlich zu 13 Compagnien, zusammen 27 Bataillone mit einer Stärke von 17.966 Mann.

An Cavallerie: 1 Regiment Garde du corps, 1 Regiment Gensdarmes, 1 Leib-Dragoner-, 1 Cürassier-, 1 Reiter-, 1 Husaren- ^) und 2 Dragoner-Regimenter in der Gesammtstärke von 21 Escadronen und 3955 Reitern.

An Artillerie : 900 Mann. Sie gliederte sich in die Feld-, Gamisons- und schwere Artillerie.

Ueberdies bestand ein Ingenieur- und Mineur-Corps.

Die Aufbringung des Heeres erfolgte durch Werbung.

Artillerie- und Zeughäuser bestanden in Cassel, Rheinfels, Ziegenhain und Rinteln.

Für die Verpflegung, mit Ausnahme von Brod und Futter, welches den Truppen im Frieden und im Kriege imentgeltlich verabfolgt wurde, hatten die Truppenkörper aufzukommen imd das erforderliche Geld durch Abzüge vom Sold zu beschaffen.

Fuhrwerke, Fuhrleute und Bespannungen für den gesammten Train mit Ausnahme einiger Artillerie-Fahrzeuge wurden auf Kriegsdauer von contractlich verpflichteten Privat-Unter- nehmem beigestellt.

Gewehre, Fahnen und Trommeln lieferten die landesfiirstlichen Zeughäuser den Truppen unentgeltlich. Die übrige Adjustierung, Ausrüstung und Bewaffnung wurde durch die bei der General- Kriegs-Commission aufgestellte Montierungs-Commission beschaflfl und hatten die Truppenkörper die hiefür entfallenden Geldbeträge durch Rücklässe aus dem Sold aufzubringen.

Die Grundfarbe der hessischen Uniform war blau. Nur die Garde du corps, Gensdarmes und das Cürassier-Regiment trugen paillefarbene CoUets. Aufschläge und Besatz waren je nach den Regimentern verschieden.

Normal waren die Truppen beim Bürger bequartiert; ein Theil der Infanterie war kaserniert. Die Officiere hatten entweder

*) Hievon wurde das Eegiment Anhalt im Jahre 1746 errichtet. *) Die Gamisons-Eegimenter waren nur für den Dienst im Innern des Landes bestimmt und repräsentierten eine Art Landwehr. •) Wurde im Jahre 1744 errichtet.

Digitized by

Google

606

ÜTatural-Quartiere oder Quartiergelder. Letetere schwankten zwischen drei Thalern für den Capitain und zehn Thalem fiir den Oberst monatlich.

Im Felde waren die Regimenter in Zeltlagern, bei längeren Operationsstillständen in Cantonnierungen untergebracht.

Tersorgangswesen.

Angehörige des hessischen Heeres mussten, um pensioniert oder mit jährlichen Gnadengehalten dotiert werden zu können, eine gewisse Minimal-Dienstzeit zurückgelegt haben und nicht mehr dienstfähig sein.

Bei Verwundungen oder im Dienste eingetretener Untauglichkeit wurde auf eine Minimal-Dienstzeit nicht reflectiert.

Für die freie, vollkommene Versorgung invalider Of&ciere und

Soldaten bestanden die Invalidenhäuser in Carlshafen (Siegburg),

Spangenberg, Auburg und Herzberg.

(r. Rebracha.)

Digitized by

Google

Wehrwesen Dänemarks/)

In der Periode 1740 bis 1748 verfügte Dänemark über folgende Truppen :

Geworbene Begimenter.

Infanterie.

Das Garde-Regiment zu Fuss, das Grenadier-Corps, die In- fanterie-Regimenter Königin, Kronprinz, Prinz Friedrich, Seeland, Falster, Bomholm, Möln, Schleswig und Holstein.

Hievon wurden zwei Regimenter im Jahre 1747 errichtet.

Jedes dieser Regimenter gliederte sich in zwei Bataillone mit zusammen zwölf Compagnien.

Sie hatten einen Sollbestand von 1500 Mann, doch betrug derselbe thatsächlich 2000 Mann.

Die Gesammtstärke der Infanterie belief sich auf 28.000 Mann.

Cavallerie.

Das Garde-Regiment zu Pferd, das Reiter-Leibregiment, das erste und zweite fünische, das erste, zweite, dritte, vierte und fünfte jütische Reiter - Regiment, Neuburg- Cürassiere und das Dragoner-Leibregim ent .

Jedes Regiment bestand aus acht Compagnien und hatte einen Stand von nmd 800 Reitern.

Die Gesammtstärke der Cavallerie betrug 8866 Reiter.

Artillerie. 14 Compagnien Festungs-Artillerie und 1 Zeugs-Compagnie.

^) Nach Angaben des dänischen Premierlieutenants Bockstroh.

Digitized by

Google

608

Im Felde wurde jedem Infanterie-Bataillon ein Feldgeschütz zugetheilt, welches von Infanteristen bedient wurde.

Ueberdies bestanden an regulären Truppen die Trabantengarde und ein Gamisons-Regiment in Kopenhagen, letzteres zu 16 Com- pagnien. Diese beiden Truppenkörper waren nicht für den Dienst im Felde bestimmt.

2. Nationale Regimenter.

Jeder wehrfähige Däne war nach Massgabe des Bedarfes vom 18. bis zum 35. Lebensjahre zum Dienste in der „Land-Miliz" ver- pflichtet, welche die Fuss-Regimenter Seeland, erstes und zweites jütisches, Füllen, Schleswig, Holstein und Glücksburg formierte.

Im Kriege war die gesammte diensttaugliche Bevölkerung obschon eigentlich gesetzwidrig als Reserve für die geworbenen und nationalen Regimenter bestimmt.

Die nationalen Regimenter formierten zusammen 90 Com- pagnien mit einem Stand von 13.050 Mann. Sie waren trotz der kurzen Ausbildungszeit wohl discipliniert und vor dem Feinde gut verwendbar.

Der Gesammtstand der dänischen Wehrmacht einschliessUch der nationalen Regimenter betrug 41.050 Mann und 8866 Reiter.

(r. Rd>radM.)

Digitized by

Google

Wehrwesen Hannovers/)

JJas Wehrwesen des in der Person des Monarchen mit England vereinigten Churfiirstenthnms Hannover war und blieb ein von dem englischen durchaus unabhängiges.

Behörden.

Als oberste militärische Verwaltungs-Behörde fungierte das Kriegs-Departement mit der Eoiegs-Kanzlei in Hannover. Demselben stand ein vom König-Churfürsten ernannter „geheimer Rath" vor, welchem ein Ober-Zahl-Commissär, ein Invaliden- Commissär und einige weitere Hilfsorgane fiir das Geld-, Versorgungs-, Ver- rechnungs-, Ausrüstungs-, Verpflegs-, TJnterkunfts-, Sanitätswesen und die Militär-Gerichtsbarkeit unterstellt waren.

Den mihtärischen Oberbefehl führte der commandierende General, General en chef genannt, über dessen Vorschlag auch die Ernennung, respective Beförderung der Ofificiere durch den Chur- fUrsten (zugleich König von England) erfolgte. Die Ausfertigung der Patente besorgte der geheime Rath. Zur Besorgung der be- züglichen Agenden stand ihm ein General-Stabs-Secretär zur Seite.

Rahmen^ Bestand^ Adjastierung und Bewaffnung.

Garden. Die Garden gliederten sich in das Leib-Regiment zu Fuss mit 2 Bataillonen zu je 812 Mann, die Garde du corps zu Pferd 1 Escadron mit 188 Reitern und 1 Garde-Grenadier-Escadron ^) mit

*) Nach Sichart, Geschichte der königlich Hannoverischen Armee (Hannover, 1870).

•) Errichtet im December 1742.

Oesterraiohisoher Erbfolgekrieg. I. Bd. ^^

Digitized by

Google

610

233 Eeitern. Die Gesammtstärke betrug demnach 2 Bataillone, 2 Escadronen mit 1624 Mann und 421 Eeitern.

Das Leib-Regiment hatte rothe Röcke mit dunkelblauen Auf- schlägen und Goldbesatz, die Garde du corps und Garde-Grena- diere gleichfalls rothe Röcke mit rothem Aufschlag und Süber- besatz, beziehungsweise schwarzem Aufschlag und Goldbesatz; Weste bei allen paille.

Infanterie.

Die Infanterie bestand aus 19 Regimentern zu je einem Bataillon und 1 Regiment zu 3 Bataillonen. ^) Jedes Bataillon gliederte sich in 1 Grenadier- imd 7 Musketier-Compagnien mit einem Stajide von zusammen 812 Mann. Die Gesammtstärke der Infanterie betrug 22 Bataillone mit 17.537 Mann. Die Adjustierung war rother Rock mit nach den Regimentern verschiedenem Auf- schlag und Silber- imd Goldbesatz, paillefarbene oder gelbe Weste und Beinkleid.

Bewaffnet war die Infanterie mit dem Bajonnetgewehr mit eisernem Ladstock und einem Säbel als Seitengewehr.

Jedes Infanterie-Regiment (Bataillon) führte zwei Fahnen: die Leibfahne und die Regimentsfahne. Die Leibfahnen waren weiss, hatten das königlich englische Wappen mit dem Motto : „Hony soit, qui mal y pense" im blauen Hosenbande und die Unterschrift „Dieu et mon droit" ; die Regimentsfahnen waren von verschiedener Farbe und mit den ihnen bei der Errichtung ver- liehenen Emblemen und Wahlsprüchen geschmückt.

Cavallerie.

Die CavaUerie zählte 8 Reiter-Regimenter^) zu je 2 Es- cadronen, die Esoadron zu 3 Compagnien, mit einem Stand von 359 Reitern per Regiment und 4 Dragoner-Regimenter zu je 1 Grenadier-Compagnie und 4 Escadronen zu je 2 Compagnien, mit einem Stand von 715 Reitern per Regiment; die Cavallerie bestand demnach aus 32 Escadronen mit 5373 Reitern.

Bekleidet war die Cavallerie mit weissen Röcken, deren Auf- schläge nach den Regimentern verschieden waren, mit Gold- oder

^) Dieses Regiment (Bourdon) wurde 1741 neu errichtet. 1745 wurden zwei Bataillone von demselben abgetrennt und zu zwei neuen besonderen Regimentern formiert.

2) Hievon wurde das Regiment Graf Platen-Hallennund erst 1745 errichtet.

Digitized by

Google

611

Silberbesatz und Westen in paüle ; die Reiter trugen Hüte, die Dragoner Helme.

Die Bewaffnung bestand in Carabinem, Pistolen, Degen und Pallaschen.

Jede Escadron führte eine Standarte, von welchen eine im Regiment die Leib-Standarte desselben war. Farbe und Ausführung derselben und der Escadrons-Standarten waren ähnlich jener der Infanterie-Fahnen. Ueberdies hatte jedes Regiment Pauken, welche zu jener Zeit, ebenso wie die Standarten zu den Siegestrophäen zählten. Sie waren mit Ausnahme jener der Garde du corps, welche silberne und der des 1. Reiter- und 4. Dragoner-Regiments, welche messingene führten, aus Kupfer erzeugt und mit reich in Gold und Silber gestickten Decken behängt.

Artillerie.

An Artillerie war vorhanden ein Regiment zu drei Com- pagnien. Der Stand desselben betrug 1742 und 1743 360 Mann, 1744, 1745 und 1746 475 Mann, 1747 und 1748 531 Mann.

Die Adjustierung bestand in stahlgrauem Rock mit rothem Aufschlag und Goldbesatz und rother Weste.

Das Feldgeschütz gliederte sich in leichte, mittlere und schwere Stücke von 3, 6, 12 und 24 Pfund Caliber mit einem zwischen 9 und 54 Centnem schwankenden Gewichte.

Im Kriege gab das Artillerie-Regiment an jedes Infanterie- Regiment (Bataillon) 1 Officier, 2 Stuckjunker, 2 Feuerwerker und 14 Constabler mit zwei dreispännigen leichten Dreipfündem, vier dreispännigen Munitionskarren und den nöthigen Artillerieknechten zur Pferdewartung ab, welche daselbst in permanenter Zutheilung verblieben und stellte den Artillerie-Train auf. Dieser bestand aus einer Anzahl meist sechsspänniger Feldschmiede-, Hospital-, Apo- theker-, Cassa- und Rüstwagen. Von den letzteren führte jeder 100 Schaufeln, 10 Hacken, 10 Aexte, 40 Beile, 100 Faschinen- inesser und 8 Vorrathsräder für Geschütze und Munitionskarren mit sich.

Ingenieure.

Die Zahl der Ingenieure war nicht fixiert imd wurde je nach Bedarf vermehrt, beziehungsweise vermindert. 1745 bestand das Ingenieur-Corps aus 1. Oberst, 1 Major, 3 Capitains, 1 Capitain- Lieutenant, 3 Lieutenants, 4 Fähnrichen und 10 Conducteuren ; der Stand an Mannschaft ist nicht bekannt.

39*

Digitized by

Google

612

Die Ingenieiire hatten hellblauen Book mit rothem Aufsohla^ und Goldbesatz und rothe Weste.

(jtesammtst&rke des Heeres.

Die Gesammtstärke des Heeres betrug 24 Bataillone, 34 Es- oadronen und 3 Artillerie-Oompagnien mit 26.101 Mann.

OfHeiers-Corps.

Das Officiers-Corps gliederte sich in drei Gruppen: Generalstab: gebildet aus 1 Feldmarschall, einer Anzahl von Generalen der Infanterie und Cavallerie, General-Lieutenants der Infanterie und Cavallerie, Generalmajoren der Infanterie und Cavallerie, Brigade-Majoren, 1 Generalquartiermeister sammt Ge- hilfen, 1 General-Stabs - Secretär mit einigen Stabs - Secretären, 1 General-Auditor xmd 1 General-Hospital-Chinirgus.

Stab : bestand aus den Obersten, Oberstlieutenants, Majoren, Capitains und Rittmeistern, Capitain-Lieutenants, Lieutenants und Fähnrichen.

'Unterstab : Hiezu gehörten die Regiments-Quartiermeister, Ad- jutanten, Regiments-Feldscherer, Feldprediger, Auditore, Regiments- Tambours, respective Stabs-Trompeter, Profossen und Steckenknechte.

Ein Infanterie-, Cavallerie- und das Artillerie-Regiment hatte 1 Oberst und 1 Oberstlieutenant; eine Infanterie- oder CavaUerie- Compagnie 1 Major, Capitain oder Rittmeister als Compagnie-Chef, 1 Capitain-Lieutenant oder Lieutenant und 1 Fähnrich; eine Artülerie- Compagnie 1 Oberstlieutenant oder Major als Chef, 2 Capitains, 1 Capitain-Lieutenant, 2 Lieutenants und 3 Fähnriche im Stande.

Die Officiere aller Chargengrade wurden vom König- Churfiirsten ernannt; die Beförderung bis zum Regiments-C ommandanten erfolgte nach der Anciennität oder Wahl, vom Regiments-Commandanten aufwärts nur nach Wahl.

Sämmtliche Officiere waren mit dem Degen bewafl&iet. Als Dienstesabzeichen trugen sie silberne oder goldene Ringkragen, gelbseidene Feldbiaden und Spontons , die Artillerie - Officiere statt der letzteren Bajonnetflinten.

Unterofflciere.

Eine Infanterie-Compagnie fährte 2 Sergeants, 1 Gefreiten- Corporal, 1 Fourier, 3 Corporale und 2 Tambours, eine Cavallerie-

Digitized by

Google

618

Compagnie 2 Wachtmeister, 1 Quartiermeister, 4 Corporale und 2 Tambours, eine Artillerie-Compagnie 8 Sergeants, 10 Stuckjunker, 20 Feuerwerker und 2 Tambours im Stande.

Ergftnzuiig.

Die Aufbringung der Mannschaft erfolgte durch freie Werbung, die Beschaflfting der Pferde für die Cavallerie durch fireien Ankauf; die Artillerie-Bespannungen wurden erst bei Ausbruch des Krieges durch Ankauf vom Lande oder von Händlern beschaflft.

Hilitftr-Oerichtsbarkeit.

Der Officier und Soldat unterstand im Frieden und im Kriege einer besonderen Militär-Gerichtsbarkeit. Das Militär-Straf- und Disciplinjur-Gesetz war sehr strenge und ermöglichte die Erhaltung einer strammen, eisernen Disciplin. Recht gesprochen und gestraft wurde nach dem „Articuls - Brieff ' des Churfiirsten Georg Ludwig, „wonach hohe und niedere Kriegs-Officiere, auch ge- meine Soldaten zu Eoss und zu Fuss sich zu verhalten". Derselbe regelte in 47 Articeln das Verhalten, die Pflichten und Obliegen- heiten von Officieren und Mannschaft im Frieden und im Kriege, in und ausser Dienst. Damit „diese Articul sammt und sonders zu aller männiglichen Wissenschaft gelangten", mussten sie jährlich viermal den Compagnien und Regimentern vorgelesen werden. Uebrigens musste die „gesammte Soldatesca" ohne Unterschied der Person und Charge sich durch einen feierlichen Eid verbindlich machen, diesen Articeln bei „vorfallenden Occasionen" nachzuleben.

Waffen-Industrie.

Zur Erzeugung, Reparatur und Vorrathhaltung der Geschütze und Geschützmunition und der flir ihre Fortbringung nöthigen Fuhrwerke, der Gewehre und Gewehrmunition, sowie der blanken Waffen bestanden Zeughäuser in Hannover, Hameln, Nienburg, Celle, Lüneburg, Stade, Harburg, Ratzeburg und Göttingen und die 1738 neu angelegte Öewehrfabrik in Herzberg.

Geld- and Natural -Yerpflegang.

Die monatlichen Gagen der Officiere bewegten sich in den Grenzen zwischen 14 Thalem für den Fähnrich und 150 Thalem für den Feldmarschall. Die Garde- \md Cavallerie-Officiere waren besser gezahlt, als die Officiere der Lifanterie, doch wurde dieser

Digitized by

Google

614

Unterschied dadurch etwas ausgeglichen, dass die Infanterife-Officiere Sogenannte Wagengelder erhielten.

Der monatliche Sold eines Garde-Reiters betrug sieben, eines gewöhnlichen Reiters oder Dragoners drei, eines Musketiers zwei Thaler.

Die Of&ciersgagen wurden monatlich im Vorhinein, der Mannschaftssold decadenweise am 10., 20. und 30. jeden Monats nachträglich ausgezahlt.

Die Mannschaft der Infanterie und Artillerie erhielt im Frieden nur das Brod in natura und zwar die Unterofficiere und Corporale täglich eine doppelte, die Gefreiten, Tambours und Ge- meinen eine einfache Portion zu iVg Pfund. Für die übrige Ver- pflegung hatten die Regimenter aufzukommen, welche das nöthige Geld durch Rticklässe vom Sold beschafflen. Die Mannschaft der Cavallerie wurde vom Quartierträger verpflegt, das Futter für die Pferde lieferten Händler, welche aber von den Regimentern gezahlt werden mussten. Bemerkenswerth ist die Grasfiitterung für die Cavalleriepferde an Stelle des Hart- und Rauhfutters in den Monaten Juni, Juli und August.

Im Kriege wurden Officiersgagen und Sold entsprechend erhöht. Sämmtliche Truppen, auch die Cavallerie, erhielten ver- stärkte Brod-Portionen im Gewichte von zwei Pfund ; der Cavallerie und den berittenen Officieren wurden Futter-Rationen bewilligt. *) Doch bestanden nicht weniger als drei verschiedene Ordonnanzen für das „Feld-Tractament", nach welchen die Erhöhung der Geld- gebühren und Zuweisung der Verpflegung jeweilig verschieden war. Es gab den ordinären Landfass für die Truppen, so lange sie in Hannover waren, den rheinischen Fuss für den Fall eines Reichskrieges und den brabantischen Fuss. Der letztere zerfiel wieder in den eigentlichen brabantischen Fuss, wenn die Truppen in englischem Sold wirklich in Brabant standen und den reducierten brabantischen Fuss, wenn sie zwar in englischem Solde, aber am Rhein dienten.

Transportwesen.

Das Train- und Etapenwesen im Kriege lag in den Händen von Privatunternehmern, welche die Fuhrwerke sammt Bespannungen und Fuhrleuten für den gesammten Train, den Artillerie-Train aus- genommen, auf Küegsdauer beizustellen hatten.

*) Die tägliche Futter-Eation bestand aus acht Pfand Hafer, zehn Pfund Heu und fünf Pfund Stroh.

Digitized by

Google

615

ßemontierongsweseii.

Für die Adjustierung, Ausrüstung und Bewaffnung der Garde du Corps wurden alle drei Jahre 9000 Thaler aus der Civilliste des Königs angewiesen. Die übrigen Truppen hatten dieselbe regiments- weise selbst zu beschaffen (nur die Infanterie erhielt die Bajonnet- gewehre kostenlos aus den Zeughäusern) und das hiefiir erforder- liche Geld durch Rücklässe aus dem Sold aufzubringen.

Die Ausrüstungskosten fiir einen Infanteristen beKefen sich auf etwas über 19, für einen Reiter oder Dragoner einschliesslich des Pferdes auf etwas über 174 Thaler.

Unterknnftswesen.

Die Bequartierung der Truppen belastete im Allgemeinen die Gemeiaden. Die für das Quartierwesen dieses Zeitraumes mass- gebenden Vorschriften datieren vom 26. Mai 1707 imd 26. De- cember 1713. Die Officiere erhielten nur ausnahmsweise Natural- Quartiere, zumeist von den Gemeinden aufeubringende Quartier- gelder. In Stade, Nienburg, Ratzeburg, Hameln und Minden be- fanden sich Kasernen (Baracken) zur Unterbringung von Infanterie.

Beim Kriegsausbruche erhielten die Regimenter für die Unter- bringung der Mamnschaft Zelte zu je fünf Mann. Fortgebracht wurden dieselben bei der Infanterie auf Paokpferden (zwei per Compagnie), bei der Cavallerie wurden sie hinten am Sattel auf- geschnallt, bei der Artillerie auf den Munitionskarren verladen. Im Jahre 1744 wurde den im Felde stehenden Bataillonen noch per Zelt eine wollene Decke und für deren Transport ein vierspänniger Wagen per BataiUon bewilligt. In den Winter-Quartieren erhielten die Officiere entweder Natural- Wohnungen oder Quartiergeld, die Mannschcfcft wurde in Kasernen oder beim Bürger bequartiert, erhielt bei letzterem aber nur das Bett.

Sanitätswesen.

Im Frieden gab es keine sanitären Einrichtungen. Die Aus- lagen für kranke Mannschaft deckten die Regimenter aus den Compagnie-Krankencassen.

Im Kriege erhielt vor dem Ausmarsche jedes Infanterie- Regiment 80, jedes Reiter- und Dragoner-Regiment 40, respective 80 Thaler zur Beschaffung der „Medicin-Feldkasten" und deren Dotierung mit den nöthigen Heilmitteln; für den Ersatz der letz- teren hatten die Truppen selbst aufzukommen.

Digitized by

Google

616

Beim Abmärsche aus den Winter-Quartieren wurden Hospitäler errichtet, mit dem nöthigen Personale an Aerzten, Chirurgen, Apo- thekern und Hospitalverwaltem dotiert und die EZranken und Ver- wundeten an dieselben abgegeben.

Yersorgunsswesen.

Sämmtlichen Truppen wurden monatlich per Thaler Glage od^ Sold drei Pfennige abgezogen und an die Invalidencassa in Hannover abgefiihrt. Ueberdies fielen derselben laut einer Ver- ordnung vom 13. December 1709 alle dem Fiscus zufallenden Eib- schaften, die Hälfte der dem Staatsärar zufliessenden Stra%elder, eine monatliche Gage der jeweilig beforderten OfiB eiere und Staats- beamten und verschiedene kleinere Regalien zu,

Officiere, welche Alters oder Krankheits halber pensioniert za werden wünschten, hatten die Genehmigung des Königs einzuholen ; ihre Pensionierung war an keine Minimaldienstzeit gebunden. Per- sonen des Mannschaftsstandes mussten, um in Pension treten zu. können, 20 Jahre gedient haben und nicht mehr dienstfähig sein- Bei im Dienste zugezogener Untaugliohkeit wurde von der vor- geschriebenen Minimaldienstzeit abgesehen; derlei Leute erhielten eine jährliche Pension von IB Mtinzgroschen für jedes zurückgelegte Dienstjahr. Im Jahre 1733 fixierte eine königliche Verordnung die Maximalzahl der Gemeinen, welche jährlich im Frieden pensioniert werden durften, mit 7 Mann per Infanterie-, 3 Mann per Reiter-. 6 Mann per Dragoner-Regiment, je 2 Mann bei der Garde du Corps und Artillerie ; die Zahl der Unterofficiere blieb unbeschränkt

Alle imKJriege dienstuntauglich Gewordenen erhielten Invahden- Versorgung. Für die Generalität war die Pension nicht reguliert; die jährliche Pension für Officiere des Stabes schwankte zwisciai 72 Thalem für den Fähnrich und 400 Thalem für den Oberst ffir die Unterofficiere zwischen 24 und 36 Thalem] die Q^fi-eiten und Gemeinen erhielten 12 Thaler.

Bestehende DienstTorschriften.

Die Infanterie war vier Glieder tief formiert ; innerhalb d«r einzelnen Glieder standen die Leute bei Pcuiwien mit ganzen Distanzen, wenn der ,,Kerl" den rechten Arm ausstreckte und mk den Fingerspitzen seinen Nebenmann an der Schulter berührte : bei Bewegungen mit halber Distanz, wenn der „Kerl" den Ann in die Hüfte setzend mit dem Ellbogen seinen Nebenmann berührte; endlict beim Schiessen imd allen Schwenkungen mit geschlossener DistÄiB

Digitized by

Google

617

Schulter an Schulter. Die Grliederdistanz betrug bei ganzer und halber Distanz vier Schritte, bei geschlossener Distanz schlössen die rück- wärtigen Glieder bis auf die Pallaschspitze des vorderen Gliedes an.

Das Bataillon formierte sich unter Auflösung des administrativen Compagnieverbandes in 4 Divisionen mit 8 Halbdivisionen und 16 Pelotons und einer 6 Rotten (24 Mann) starken Reserve; die Grenadier-Compagnie mit den Zimmerleuten stand als besondere Abtheilung am rechten Flügel des Bataillons. Da das Bataillon beim Schiessen nur drei Glieder tief war, zu welchem Zwecke das vierte Glied in die drei vorderen eindoubliert wurde, musste dasselbe bei der Formierung des Bataillons stets besonders abgetheilt werden.

Die CavaUerie stand in drei Gliedern mit einer Gliederdistanz von acht Schritten bei der Parade, vier Schritten bei den Be- wegungen, dicht aufgeschlossen beim Schwenken. Das dritte Glied konnte zur Verstärkung der beiden vorderen Glieder verwendet werden. Innerhalb der Regimenter betrug das Escadrons-Intervall 25 Schritte. Attaquiert wurde in starkem Trabe.

Die einem Bataillon ständig zugetheüte Artillerie war bei Märschen an der Tete des Bataillons eingetheilt. Im Gefechte wurden per Bataillon 18 Mann zur Verstärkung der Bedienungsmannschaft abgegeben. Die Geschütze stemden im Intervalle auf dem rechten Flügel mit einem Frontraum von 12 Schritten per Geschütz, die unbespannten Munitionskarren 10 Schritte, sämmtliche Bespannungen 30 Schritte hinter dem Bataillon. War die Infanterie in zwei Treffen formiert, so fuhren die Geschütze des zweiten Treffens neben jenen des ersten auf, sämmtliche Bespannungen postierten sich 30 Schritte hinter dem zweiten Treffen. Gieng das erste Treffen vor, so folgten Geschütze und Munitionskarren, wobei jene in der Regel von der Mannschaft gezogen, diese nur mit einem Pferde bespannt wurden, welches man beim Halt sofort wieder ausspannte und zurückdirigierte.

Auf 1500—1000 Schritte sollte mit Kugeln, auf 700—600 Schritte mit „Trauben" gefeuert werden.

Gegen feindliche Artillerie sollte hiebei mit allen Geschützen „so geschwind als möglich bei guter Vorsichtigkeit salvenweise" gefeuert werden, um die gegnerischen Geschütze zu demontieren und „lahm zu machen". Der Oberstlieutenant der Artillerie leitete speciell das Feuer des rechten, der Major jenes des linken Flügels ; der Oberst konnte nach Einholung der Befehle des commandierenden Generals über sämmtliche Geschütze verfiigen (z.B. Geschütze von einem Flügel auf den anderen dirigieren). /^ Bebradui,)

Digitized by

Google

Das Wehrwesen Englands.^)

1. Landmacht.

1/ie englische Landmacht gliederte sich in:

1. Das stehende Heer,

2. Die Frei-Corps,

3. Das Seesoldaten-Corps,

4. Die Miliz.

Stehendes Heer.

Behörden.

Eine oberste Central-Behörde für das Heerwesen in dem Sinne, wie solche bei den Staaten auf dem Continente bestanden, besass England nicht.

An der Spitze der Kriegsverwaltung stand ein von der Kjone ernannter „Feldzeugmeister", welcher, obwohl die politische Soli- darität der Regierung theilend, selten Mitglied des Cabinets war. Er verfügte directe über dfibs Befestigungs-, Ausrüstungs-, Waffen- und Unterkunftswesen und war nur der Krone verantwortlich.

Ihm unterstanden nominell der Oberbefehlshaber der Armee und der Secretär fiir das Kriegswesen (secretary at war).

Der Oberbefehlshaber der Armee hatte, unterstützt vom General-Adjutanten und einem General-Quartiermeister, den Truppen die Befehle zu ertheilen, die Ernennungen und Beförderungen zu regeln und war ftir die Disciplin des Heeres verantwortlich.

') Quellen: G-eisler, Zustand der kÖnigUch Grossbritannischen Kriegsmacht zu Wasser und zu Lande. Dessau und Leipzig 1784. M e y n e r t, Geschichte des Kriegswesens, III, Wien 1869. Hassell, Aufstand des Carl Eduai-d Stuart 1745 bis 1746, Leipzig 1876. Mahon, Geschichte Englands, HI, Braunschweig 1865. John Lingard, Geschichte, von England, XV, Tübingen 1847. Heinrich, Geschichte von England 4. Theil, Leipzig 1810.

Digitized by

Google

619

Der Kriegs-Secretär beantragte und vertrat im Parlamente das Heeres- und Kriegs-Budget, war oberstes Organ für Geld- und Verrechnungswesen und hatte die Beziehungen zwischen den Militär- und Civil-Behörden zu regeln, wenn es sich hiebei nicht um die öffentliche Sicherheit oder die Colonien handelte, in welchen Fällen der Minister des Inneren, beziehungsweise der Colonien an seine Stelle trat. Ihm stand zur Besorgung des Soldwesens der Kriegs-Zahlmeister zur Seite.

Die oberste Leitung des Sanitätswesens besorgte ein „Ober- Arzt", welcher militärisch dem Oberfeldherm, administrativ dem Kriegs-Secretär verantwortlich war.

Die Leitung der Militär-Gerichtsbarkeit war einem „Richter- Advocat" übertragen, welcher dem Cabinete, von dem er ernannt wurde, directe unterstellt war.

Für das Verpflegswesen bestand das „Commissariat", welches an das Schatzamt des Cabinets gewiesen war.

So existierten für die Armee sechs oberste Behörden, welche einander weder untergeordnet waren, noch de facto einen gemein- schaftlichen Vorgesetzten hatten.

Ergänzung und Bestand.

Das stehende Heer wurde durch freie "Werbung aufgebracht und ergänzt.

1740 und 1741 zählte das Heer 28.000 Mann, 1742, 1743 und 1744 39.000 Mann (hievon 16.000 Mann in Flandern, 23.000 Mann in England), 1745, 1746 und 1747 49.000 Mann (hievon 28.000 Mann in Flandern, von welchen 1746 zur Bekämpfung des Auf- standes der Hochsohotten unter dem Prinzen Carl Eduard Stuart der grösste Theil nach England zurückberufen, nach der Niederwerfang desselben aber nach Flandern zurückdirigiert wurde) ; 1748 wurde nach dem Frieden von Aachen der Effectivstand der Armee auf 18.000 Mann reduciert.

Die Truppen.

Das stehende Heer gliederte sich in die königlichen Garden, die Fuss-Truppen, die Cavallerie und die independenten Invaliden- Compagnien.

Die Garden zerfielen in die „besondere Garde" oder könig- liche Leibwache imd die „Feld-Leibgarden".

Digitized by

Google

620

Zur ersteren, welche nur zum persönlichen Dienste um den König bestimmt war, gehörten die berittene „adelige Staats-Leib- wache'' (the Band of Gentleman Pensioners), aus 40 Edelleaten der ältesten und berühmtesten Geschlechter Englands zrisammeii- gesetzt und die 100 Mann starke „Garde*' zu Fuss (yeomen of the Guards), aus wenigstens sechs Schuh grossen, eingeborenen Leuten bestehend.

Die Feld-Leibgarden, auch zum ausnahmsweisen Dienste im Felde bestimmt, gliederten sich in die Garde zu Pferde und die Garde zu Fuss.

Die Garde zu Pferd bestand aus der Leibgarde zu Pferd mit zwei Escadronen k 300 Eeiter (ähnlich der adeligen Leibwache nur aus Edelleuten zusammengestellt), aus der Grenadier-Garde m Pferd mit zwei Escadronen ä 150 Keiter, dem Königs-fiegiment Garde zu Pferd mit zwei Escadronen ä 175 Keiter und drei Begi- mentem Garde-Dragoner k 900 Reiter, von welchen das erste drei, die beiden anderen je zwei Escadronen zählten.

Die Garde zu Fuss zählte drei Regimenter zu etwa 1 100 Mann, von welchen das erste in drei, die beiden anderen in je zwei Bataillone formiert waren.

Die Gesammtstärke der Feld-Leibgarde betrug acht Bataillone und 13 Escadronen.

Die Infanterie zählte 47 Infanterie-Regimenter zu je einem und zwei Regimenter zu je zwei B^ataülonen ^), Jedes Bataillon ghederte sich in eitie Grenadier-, eine leichte Infanterie- und acht Musketier- oder Füsilier-Compagnien ; der Stand eines Bataillons schwankte zwischen 360 und 800 Mann.

Jedes Infanterie-Regiment (Bataillon) führte zwei Fahnen^ die Leibfahne und die Regimentsfahne. Die Leibfahne sämmtlichä' Regimenter war weiss und hatte das königlich engüsche Wappen mit der Devise des Hosenband-Ordens „Hony soit, qui mal y pense" und die Unterschrift „Dieu et mon droit"; die Regiments- fahnen waren von verschiedener Farbe und mit den ihnen ihrer Errichtung verliehenen Emblemen und Devisen versehen.

Bewaffnet war die Infanterie mit dem Bayonnetgewehr mit hölzernem Ladstock.

Die Gesammtstärke der Infanterie belief sich auf 51 Bataillone.

*) Das 43. wurde 1740, das 44., 45., 46., 47. und 48. Infanterie-Regina«»^ wurde 1741, das 49. Infanterie-Eegiment 1743 errichtet.

Digitized by

Google

621

Die Artillerie wurde zur Infanterie gezählt und bestand aus dem königlichen Artillerie-Regiment zu vier Bataillonen, jedes aus einer Anzahl von Compagnien zusammengesetzt, mit einem bei- läufigen Gesammtstande von 2000 Mann, dann dem Artillerie-Train.

Zum ArtiUerie-Train gehörten das Feldgeschütz^) sammt Munitions- und Bagagewagen und deren auf Kriegsdauer auf- genommenen Bespannungen, dann die Pontonniere, Mineure, Pionniere und Guiden. Diese vier Truppengattungen standen unter eigenen Ingenieur-Offioieren und waren directe dem General-Quartier- meister unterstellt. Die übrige Artillerie stand unter dem Befehle eines General - Feldzeugmeisters „Grossmeister der Artillerie'' genannt.

Die Cavallerie bestand aus zwei schweren Reiter-, zwei Carabinier- und 14 Dragoner-Regimentern zu je zwei bis vier Esca- dronen, die Escadron zu zwei Compagnien, Der Stand einer Escadron schwankte zwischen 62 und 93 Reitern.

Bewaffnet war die Cavallerie mit einem langen Gewehre (Reiter und Carabiniers mit dem Carabiner, einem gezogenen Gewehre), Pistolen und Pallasch. Als besondere Ausrüstungsgegen- stände verdienen Erwähnung da.s breite Leder-Bandelier der Reiter, welches über die Schulter geschwungen zum Schutze der Brust, und das Leder-Collett der Dragoner, welches über dem Rocke getragen wurde.

Jede Escadron führte eine Standarte, von welchen eine im Regiment die Leibstandarte desselben war. Farbe und Ausführung dieser, sowie der übrigen Escadrons-Stcmdarten, war analog wie bei den Fahnen der Infanterie.

Die Gesammtstärke der Cavallerie betrug 37 Escadronen.

Die independenten Invaliden-Compagnien bildeten ein be- sonderes Corps mit eigenen Officieren, deren Zahl bei einem bei- läufigen Gesammtstande von 900 Mann wechselte. Sie wurden ziun Besatzungs- und Gamisonsdienst in festen Plätzen und Städten verwendet.

*) Es bestanden leichte und mittlere Feldgeschütze. Die ersteren waren 3-, 6- und 12-Pfünder, 14 CaUber lang und 300, 500, respective 1000 Pfund schwer. An mittlerem Feldgeschütz, auch Mittel- oder Gamisons-Stücke genannt, existierten gleichfalls 3-, 6- und 12-Pfünder, 16 Caliber lang und 11. 18 respective 28 Centner schwer.

Digitized by

Google

^

622

Das Officiers-Corps.

Der Generalstab bestand aus den General-FeldmarscMlleiL Generalen der Infanterie und Cavallerie, General-Lieutenants,Gkneral- majoren, Brigadieren und General- Adjutanten,

Der Stab; zu diesem gehörten die Oberste, Oberstlieutenank Majore, Capitains und Rittmeister, Capitain-Lieutenants und Comets.

Der Unter-Stab wurde gebildet aus den ßegiments-Quartiff- meistem, Adjutanten, Eegiments-Feldscherem, Feldpredigem, Audi- toren, Regiments-Tambours und Profossen.

Die Officiere der Garden rangierten vor jenen der gleicken Charge und Waffengattung der Armee, Die Rittmeister der adeligen Leibwache und der Leibgarde zu Pferd ränderten vor den Obersten, ihre Capitain-Lieutenants vor den ObersÜieutenants, ihre Comets vor den Majoren, endlich ihre Gefreiten vor des Capitains der Armee.

Jedes Infanterie- und Cavallerie-Regiment hatte einen Obern oder OberstHeutenant als Commandeur, jedes Lifanterie- nnd Artillerie-Bataillon, sowie jede Escadron einen Major, jede Infanterie. CavaUerie- und Artillerie-Compagnie einen Capitain, respective Bin- meister, einen Capitain-Lieutenant oder Lieutenant und einen Coraei.

Die Infanterie- und Artillerie-Officiere waren mit Pardsana und Piken, die Cavallerie-Officiere mit Pallasch und Pistolen be- waffiiet. Als Dienstesabzeichen trugen alle Officiere ohne Unterschied der Charge und Waffen Ringkragen von Gold oder Silber, orange- seidene, goldgestickte Feldbinden und Spontons.

Das Officiers-Corps ergänzte sich durch Gentlemen, welek Lust und Liebe zum Berufe und das nöthige Geld zum Anbal? der Chargen hatten. Die Officiersstellen vom Comet bis ein- schliesslich Oberstlieutenant wurden durch Kauf erworben, be ziehungsweise durch Beförderung nach der Anciennität und ^4!u jene vom Oberst aufwärts durch Beförderung nach der VsL besetzt. Die erste amtliche Regelung des Preises der Cbargei^ datiert vom Jahre 1720; der Preis für die einzelnen Cliargt' betrug :

Dragoner Infanicc- Pf. Sterling

Oberstlieutenant 4700 3j*>'

Major 3600 26i^"

Capitain 2500 l'^

Capitain-Lieutenant 1150 5«>^

Comet lOoo ^^'

Digitized by

Google

623

Offioiere und Mannschaft waren durch eine breite Kluft getrennt. Der Gentleman-Offioier verkehrte mit dem Soldaten nur im eigentlichen Dienst; um die Verpflegung, Unterkunft und Gesundheit des Soldaten kümmerte er sich nicht.

Nur für die Heranbildimg von Artillerie-Officieren imd In- genieuren bestand die imter König Georg ü, gegründete Militär- Akademie in Woolwich, welche dem Grossmeister der Artillerie unterstellt war. Die Zöglings- Aspiranten wurden von diesem ernannt und gehörten beinahe ausschliesslich der Geburts- oder Geld- Aristokratie an. Nach ihrer Ernennung hatten sie eine Art Eintrittsprüftmg vor den Professoren der Schule abzulegen. Ein Abiturienten-Examen scheint nicht bestanden zu haben.

Untere f f i cie-rs-Corps.

Jede Infanterie-, Cavallerie- oder Artillerie-Compagnie hatte einen Feldwebel, Wachtmeister respective Feuerwerker, 1 Fourier, 1 Capitain d'armes (Stuokjunker bei der Artillerie), 1 Fahnen- oder Standartenjunker, 6 Corporale (Stuck-Corporale bei der Artillerie), 3 Trommelschläger imd 1 Feldscherer.

Militär-Gerichtsbarkeit.

Im Frieden unterstanden Officiere und Mannschaft der auf englischem Boden befindlichen Truppen der ordentlichen Civil- Geriohtsbarkeit (Obrigkeit) jenes Ortes, in welchem sie gami- sonierten.

Das gemeine Kecht Englands machte demnach keinen Unter- schied zwischen dem Soldaten und den übrigen Unterthanen. So konnte es z. B. geschehen, dass ein Soldat, der sich an seinem Oberst vergriff, nur die gewöhnlichen auf Misshandlung und Schlägerei gesetzten Strafen erhielt ; lehnte er sich gegen Befehle auf, schlief er auf der "Wache oder verliess er seine Fahne, so gab es gar keine gesetzliche Strafe für ihn.

Officiere und Mannschaft der ausserhalb Englands oder im Gefolge eines mobilen Heereskörpera befindlichen Truppen unter- standen dem Kriegs-Gesetze (lex castrensis), welches je nach den Verhältnissen vom Könige geändert werden konnte, im Allgemeinen aber sehr strenge war und es ermöglichte, in die im Frieden oder auf englischem Boden ziemlich schlaffen , wenig disciplinierten Truppen in der kürzesten Zeit eine treffliche Mannszucht zu bringen.

Digitized by

Google

624

"Waffen-Industrie,

Zur Erzeugung, beziehungsweise Deponierung von Geschützen und Gewehren, der zugehörigen Munition, Artillerie-Fuhrwerken (Munitions- und Trainwagen), sowie von blanken Waffen bestanden Zeughäuser in London, Portsmouth, Plymouth, Windsor-Castle und Dublin. Das bedeutendste war der Tower in London, in welchem grosse Vorräthe an Kanonen, Mörsern, Artillerie -Material und Wagen aller Art, circa 60.000 Gewehre und bedeutende Mengen an Artillerie- und Gewehr-Munition deponiert waren. Die Zeug- häuser waren dem Grossmeister der Artillerie unterstellt.

Geld und Natural- Verpflegung.

Der tägliche volle Sold (ohne Abzüge) der Officiere der Armee- Infanterie betrug für einen

Oberst 1 Pfund 4 Shilling,

Oberstlieutenant 17

Major 15

Capitain 10

Capitain-Lieutenant .... 4 8 Pence,

Cornet -3 8

Die Garde-, Cavallerie- und Dragoner-Officiere waren ent- sprechend höher dotiert.

Der tägliche volle Sold eines Gemeinen der berittenen Qturden war 4 Shilling, beziehungsweise 2 Shilling 6 Pence, eines Armee- Reiters oder Dragoners 1 Shilling 9 Pence, eines Gemeinen der Fuss-Garden 10 Pence, eines Armee-Infanteristen 8 Pence.

Doch erhielten Officiere sowohl, als Mannschaft in Folge der mannigfachen Abzüge für Adjustierung, Ausrüstung, Waffen, Ver- pflegung und dergleichen nur im Eoiege diesen sehr reich bemes- senen vollen Sold, im Frieden selten mehr als den halben Sold. Bei Bemessung des Soldes wurde der Monat mit 28 Tagen, das Jahr zu 13 Monaten gezählt.

Im Frieden verabfolgte der Staat der Meuinschaft nur das Brod in natura, für die übrige Verpflegung von Mann und Pferd hatten die Regimenter zu sorgen; das hiezu nöthige Geld wurde durch Abzüge vom Sold beschafft.

Im Kriege wurde für den ganzen Unterhalt des Heeres aus Staatsmitteln gesorgt. Brod, Hafer, Heu und Stroh wurden in natura, zumeist durch von der Militär- Verwaltung angenommene Unternehmer, geliefert; Fleisch hatten die Regimenter selbst zu

Digitized by

Google

625

beschaffen, erhielten aber hieflir den jeweilig festgestellten Re- luitions-Preis.

Die nöthigen Vorräthe wurden in besonderen Magazinen ge- sammelt und der Armee nachgeschoben.

Transportswesen. Das Train- und Etapenwesen im Elriege lag in den Händen von Privat-Untemehmem, welche die Fuhrwerke sammt Bespan- nungen und Fuhrleuten fiir den gesammten Train auf Kriegsdauer beizustellen hatten.

Bemontierung.

Die Adjustierung des Heeres bestand in scharlachrothen Röcken mit nach den Regimentern verschiedenen Aufschlägen und Gold- oder Silberbesatz (bei den G-arden reich in Gold und Silber gestickt), paillefarbenen "Westen und Beinkleidern, zumeist weissen Federhüten für alle Garden, schwarzen Hüten für die Infanterie, Reiter und Carabiniers, Mützen fiir die Grenadiere und Füsiliere, Helmen mit verschiedenfarbigen Federbüschen für die Dragoner.

Die für den persönlichen Dienst um den König bestimmten Garden wurden aus der Civilliste bekleidet, bewaffnet und aus- gerüstet; die übrigen Garden und Truppen hatten regimenterweise für Officiere und Mannschaft Alles selbst zu beschaffen und wurde das erforderliche Geld durch Abzüge vom Sold eingebracht.

Die Ausrüstungskosten für einen Armee-Infanteristen beliefen sich auf circa 150, für einen Reiter oder Dragoner einschliesslich des Pferdes auf etwas über 200 Thaler.

Unterkunftswesen.

Nur die Garden waren kaserniert; fiir die übrigen Truppen ifvaren im Frieden seitens der Militär -Verwaltung keine besonderen Vorsorgen getroffen, Sie waren beim Bürger bequartiert; die Mannschaft hatte nur auf ein Bett Anspruch.

Im Klriege waren die Truppen während der Operationen und bei kurzen Operations-Sfcillständen in Zeltlagern, während längeren Operations-Stillständen und im Winter in Cantonnierungen unter- gebracht.

Vers orgungsweson.

Trat der Officier oder Mann nach einer entsprechenden Dienst- zeit oder wegen im Dienste eingetretener Untauglichkeit aus dem Heere, so wurde er entweder in eine Invaliden-Compagnie eingetheilt,

Oesterreiohischer Erbfolgekrieg. I. Bd. ^^

Digitized by

Google

626

wenn er hiefür noch genügend rüstig war, oder er erhielt je nach den Umständen eine einmalige Abfertigung, respective lebens- längliche Pension, deren Höhe sich nach der Länge der Dienstzeit und besonderen Verdiensten richtete und bis zum halben und ganzen Activitäts-Sold steigen konnte.

Ueberdies bestanden das Chelsey-Hospital nächst London, welches 400 und das Kilmainham-Hospital bei Dublin, welches 500 vermögenslosen, dienstunfähigen Officieren und Soldaten freien Unterhalt bot.

Frei-Cdrps.

Die nicht regulären Truppen, sogenannte Frei-Corps, wurden nur auf Kjiegsdauer von unternehmungslustigen, vermögenden Privatpersonen aufgestellt und nach Beendigung des Feldzuges in der Regel wieder aufgelöst. Ln Kriege gehörten sie in den EÄhmen der operierenden Armee, unterstanden deren Ober-Commandanten und waren dem Kriegsgesetze und der militärischen Disciplin unter- worfen. Zum Theile aus Fussgehem, zum Theile aus Keitem be- stehend, wurden sie je nach ihrer Stärke in Regimenter, Bataillone, Compagnien, respective Esoadronen, formiert und zur Führung des kleinen Krieges verwendet.

See-Soldaten-Corps.

Das Seesoldaten-Corps wurde, obwohl eigentlich für den Dienst auf der Flotte bestimmt, zum Landheer gerechnet.

Es besass eine nach dem Bedürfniss wechselnde Gesammt- stärke. 1740 und 1741 zählte es 6000 Mann, von 1742 bis inclusive 1745 11.550 Mann, 1748 wurde es nach dem Frieden von Aachen auf 8000 Mann reduciert. Es gliederte sich in eine Anzahl von Compagnien, deren Offioiere mit jenen der Armee-Tnfan terie einen gemeinsamen Concretual-Status bildeten. Ln Frieden versahen die See-Soldaten den Besatzungsdienst in den Seehäfen, im Kriege auf den in Ausrüstung gesetzten Kriegsfahrzeugen.

Miliz.

Die englische Land-Miliz (Trained Bands) gliederte sich in Lifanterie und Cavallerie. Jeder G-rundbesitzer mit 500 Pfimd Sterling Jahreseinkommen, sowie jeder Staatsbürger mit einem Vermögen von 6000 Pfund Sterling hatte einen Reiter, jeder Grund- besitzer mit 50 Pfund Sterling Jahreseinkommen und jeder Staats- bürger mit 600 Pfund Sterling Vermögen einen Musketier auf seine Kosten in das Feld zu stellen, auszurüsten und zu besolden.

Digitized by

Google

627

Kleinere Gutsbesitzer und Rentiers bildeten Gruppen, deren jede, je nach Einkommen und Vermögen, einen Reiter oder Musketier ausrüsten mussten. Die Gesammtzahl der so aufgestellten Streit- kräfte wurde auf 130.000 Mann geschätzt imd zerfiel in Regim enter und Bataillone, Escadronen und Compagnien. Die Hauptstadt L ondon speciell stellte im Bedarfsfalle sechs Infanterie-Regimenter und eine Artillerie-Compagnie in der Gesammtstärke von 9000 Mann auf.

Nach der alten Reichsverfassung und wiederholten feierlichen Anerkennungen seitens des Oberhauses und des Hauses der Ge- meinen war der König General-Capitain der Milizen und besass das alleinige Verftigungsrecht über dieselben. Die Lord-Statthalter und deren Stellvertreter führten unter ihm den Befehl und be- stimmten die Sammelplätze flir die Uebungen und Musterungen. Die hiefür gewidmete Zeit durfte 14 Tage im Jahre nicht über- schreiten. Die Friedensrichter waren beftigt, für Disciplinar- Ver- gehen leichte Strafen zu verhängen; für die Verpflegung hatte jeder Mann selbst aufeukommen.

Im Kriege durfte die Miliz nur bei directer Gef&hrdung des ■englischen Bodens zur Landes- Vertheidigung aufgeboten werden, imterstand dann der vollen Strenge des ICriegsgesetzes und wurde vom Staate verpflegt. D«r militärische "Werth dieser, aus minder geschulten Landleuten bestehenden, von Friedensrichtern geführten, einem kriegsgeübten Feinde gegenüber sehr zweifelhaften Truppen, w^ax ein ziemlich geringer.

Schottische KriegsrerfassuBg.

Zur Vervollständigung des Bildes des englischen Heerwesens jener Zeit ist es nöthig, die damalige schottische Klriegsverfessung in ihren Grundzügen zu erörtern.

Der Bergschotte war von Jugend auf in der Führung der Waffen geübt. Da jeder Mann eine gewisse Zeit in der Leibwache seines Häuptlings gedient und auch in den Fehden mit benach- barten Stämmen (Clane) gekämpft hatte, waren die Hochländer selbst in der Bewegung grösserer Ahtheilungen erfahren. Das Leben in einem rauhen Klima und die Gewöhnung an die amweg- samen Gebirgspfade machte sie gegen Strapazen und Witterungs- unbilden unempfindlich.

Die patriarchalische Einrichtung innerhalb der Clane von Jugend auf hatten die einzelnen Stamm-Mitglieder dem Pächter, auf dessen Ländereien sie arbeiteten, dessen Heerden sie weideten, gehorcht, in ihrem Häuptling verehrten sie den angestammten

40*

Digitized by

Google

628

Fürsten ermöglichte deren rasche Umformung inwohldiscipliniene Regimenter. Nur mussten die militärischen Einrichtungen eben mit diesen Gebräuchen in Einklang gebracht werden. Der Lehensheir musste Oberst, dessen Oheim, Bruder oder Vetter Major werden: die Gutspächter fährten ihm ihre Hintersassen zu und rascl bildeten sich unter ihrem Befehle die Compagnien. Die Zugb- Commandetnten wurden aus den kleinen Pächtern, den auf & Adlerfeder stolzen „Vctösals", fürgewählt; die Dudelsackpfeifer bildeten die Musik.

Diese Regimenter konnten wohl nicht nach der Tactik jener Zeit in tadellos langen Linien aufmarschieren und geordnete Salren abgeben, aber sie verstanden es vortrefflich, an die feindlick Linien heranzuschleichen und die Schwächen ihrer AufetellungE erspähen. Auf kurze Entfernung vom Gegner schlugen sie m Art Trab an, gaben einige Dechargen ab, warfen, wenn sie h Feind durch ihr Feuer erschüttert glaubten, plötzUoh die Gewehrt weg und brachen, das geschwungene Schwert (olaymore) in dt: Rechten, Dolch und Schild in der Linken, mit dem Schlachte „claymore" gegen die feindlichen Linien vor. Sie unterliefen (ic Feind und schlugen, durch ihr Schild gedeckt, mit dem Schwer. die überraschten Gegner nieder.

Die oberwähnten patriarchalischen Einrichtungen aber, welck die denselben Namen ftihrenden und demselben Heerführer miter- gebenen Hochländer so furchtbar im Kampfe machten, entK^ der Nation die fiir eine ausgedehnte KriegftLhrung erforderiicie Eigenschafben. Es war nichts schwieriger, als aus den eiiaebei Regimentern eine einheitliche Armee zu bilden. Mit dem Eegimeci- Commandanten endete die Subordinationskette. Dieser verstand ns: zu befehlen und hatte nie gehorchen gelernt. Er hielt sieh ^ rechtigt, über die Angemessenheit jedes Befehles und hatte erfc auch vom Könige erhalten, sein Urtheil zu fällen. Die übrige ßegiments-Commandanten (Clan-Chefs) waren theils seine Feina« theils seine Rivalen ; Niemand konnte ihn überzeugen, dass si: nichts gegen ihn im Schilde führten. Alle seine Stammesgeno^- theilten diese feindselige Stimmung, betrachteten seine Ehre ^^ die ihre und waren jeden Augenblick bereit, dem Armee-Coming^* danten die Spitze zu bieten.

Der verhängnissvolle Ausgang der Schlacht von CuIlodeD äi: 27. April 1746 zog die Aufhebung der schottischen Clan-Verfessna: die Entwaflftiung des Landes imd das Verbot des Tragens »i^ Volkstracht nach sich. Dadurch sank die Macht und das Anseb-

Digitized by

Google

629

der Stammhäupter, die patriarchalische Verbindung zwischen ihnen und den Stammgenossen verschwand und es trat stellenweise sogar Entfremdung ein.

Die erste reguläre, im Jahre 1730 aus Hochschotten formierte Truppe war die Black watch (schwarze Wache), so genannt nach der dunklen Farbe ihrer Nationaltracht. Sie bestand aus sechs von einander unabhängigen Compagnien in der Gesammtstärke von 500 Mann, die von ihren eigenen Clan-Obersten befehligt und be- soldet wurden. 1740 wurde aus ihr das erste hochländische Regiment errichtet (Royal Ecossais Nr. 43), indem sie vom Staate in Sold genommen, um vier Compagnien vermehrt und in das stehende Heer eingereiht wurde. Die landesübliche Bekleidung und Bewaflftiung wurde dem Regimente belassen, nur die Grundfarbe der ersteren mit jener der Armee in Uebereinstimmung gebracht und das schlechte Gewehr gegen eine Bajonnetmuskete umgetauscht. Das Regiment nahm an allen Kriegen dieser Epoche am Continente Theil.

Nach dem Jahre 1748 wurden jeweilig auf Kriegsdauer mehrere hochländische Regimenter errichtet, die nach dem Friedens- schluss theils wieder aufgelöst, theils als hochländische Infanterie- Regimenter beibehalten, theils ganz in Linien-Infanterie-Regimenter umgewandelt wurden. Seit ihrer Errichtung fochten die hoch- ländischen Regimenter in fast allen auswärtigen Kjiegen Englands ; überall erregten sie durch ihre aussergewöhnliche Kampf weise und ganz hervorragende Tapferkeit Bewunderung beim Freund, Schrecken beim Feind. Commandanten und Officiere dieser Regimenter waxen meist hochschottische Edelleute, weil sie allein ihre Landsleute am besten kannten und zu behandeln verstanden.

Die Seemacht.

Die oberste Centralbehörde für die gemze Seemacht war das „Amt der Flotte", welches dem vom Könige ernannten und nur diesem verantwortlichen „Gross-Admiral der Flotte"^) imterstellt war. Es gliederte sich in vier „Commissarien der Flotte" und das „Ober- Admiralitäts-Gericht", deren Chefs vom Könige ernannt wurden.

Die Ergänzung des Matrosen-Corps erfolgte durch freie Werbung und wenn diese nicht ausreichte, durch gewaltsame Pressung.

Die vollständige Flotte theilte sich in drei Geschwader, welche nach der Verschiedenheit der Farben ihrer Flaggen das rothe, weisse und blaue Geschwader genannt und von Admiralen commandiert

') Dieser Posten war seit dem Jahre 1709 nicht besetzt.

Digitized by

Google

630

wurden. Der Commandant des rothen Geschwaders war gleich- zeitig Oberbefehlshaber des gesammten See-Etats und wurde Gross- Admiral der Flotte, kurz auch „Admiral der Flotte" genannt.

Die Schiflfe der Flotte waren in sechs Rangsclassen eingetheilt:

!• Linienschiffe mit 100 u. mehr Kanonen^

2. 90 bis 98

^* >j ?? . 64 86

4. Mittelschiffe oder grosse Fregatten mit . 50 70

5. Fregatten mit 32 44

"• n ?) 20 28

kleine Fregatten mit weniger als 18 Kanonen, Schaluppen, Cor- vetten, Brander, Galiotten, Yachten u. s. w.

Die Linien- und Mittelschiffe waren die eigentlichen Schlacht- schiffe, während die übrigen nur Begleitschiffe der Geschwader bildeten.

Li der Periode vom Jahre 1740 bis zum Jahre 1748 zählte die Flotte 90 Linienschiffe zu 60 bis 100 Kanonen, 34 Mittel- schiffe und grosse Fregatten, Schaluppen, Corvetten, Brander, Kiiperschiffe u. s. w. mit einem Gesammt-Bemannungsstand von 40.000 Matrosen. Die Bemannungsziffer der einzelnen Schiffe schwankte je nach ihrer Grösse zwischen 70 und 850 Mann.

Die 'Flotten-Gerichtsbarkeit, erstreckte sich auf alle auf den Schiffen, dann in den englischen Häfen imd Flüssen (ohne unterschied, ob sie zum Mutterlande gehörten, oder in Amerika^ "West- und Ost-Lidien Colonialbesitz waren) bis an die erste Brücke vom Meere begangenen Verbrechen und Streitigkeiten. Brecht ge- sprochen wurde nach dem römischen Rechte (das englische galt nur zu Lande).

Li Folge der äusserst drakonischen, mit grosser Strenge ge- handhabten Disciplinarstrafen war die Mannszucht auf der Flotte eine musterhafte.

Li Chatham, Deptford, Harwich, Plymouth, Portsmouth, Shemess und Woolwich bestanden für den Bau, die Reparatur und Ausrüstung von Kriegsschiffen reich dotierte, mit Magazinen, Fabriken und Docks wohlversehene Ausrüstungs-Stationen.

Versorgungswesen.

Für die Versorgung von ausgedienten oder dienstuntauglichen

Angehörigen der Flotte bestanden ähnliche Listitutionen, wie beim

Landheere. Das Greenwich-Hospital bot 2000 vermögenslosen,

dienstuntauglichen Schiffs-Officieren imd Matrosen freien Unterhalt.

(V, Bebra€ha.)

Digitized by

Google

Das Wehrwesen Frankreichs.

Auf brin^ng und Stärke des Heeres.

Jd rankreiclis Heer, zu Beginn des österreichischen Erbfolge- krieges das zahh:eichste in ganz Europa, war irotz mancher Ver- vollkommnung in der Organisation, doch nicht derart beschaffen, dass es an innerem Werthe die Heere der Nachbarstaaten über- troffen hätte. Es zählte ungefähr 16.642 Officiere, dann 182.350 UnterojEficiere und Soldaten ; in dieser Ziffer sind 30.000 -Mann Miliz-Soldaten inbegriffen.

Das Officiers-Corps, dfessen Stärke zimächst auffallt, ergänzte sich vorzugsweise aus der Aristokratie. Frankreich stand damals sowohl in socialer, als militärischer Beziehung unter der Vor- herrschaft des Adels, der bereits die zersetzenden Keime in sich trug, die seinen Untergang zeitigten und der trotzdem so wenig inneren Zusammenhalt besass, dass man selbst im Heere es liebte, genau den hohen Adel vom Land-Edelmann zu unterscheiden.

Bei Beförderungen und Ernennungen herrschte seit jeher die grösste Willkür. Auch unter Ludwig XV. wurde in dieser Be- ziehung nichts geändert und die Of&ciersstellen bildeten aus- schliesslich eine Ausstattung des Adels. Höhere Officiere, sowie die Generalität giengen nur aus dem Hochadel hervor.

Die Oberste pflegten das Commando gewöhnlich dem Oberst- lieutenant zu überlassen, sich entweder bei Hofe aufzuhalten, um dort ihren Einfluss zu Gunsten des Regiments geltend zu machen oder unerlaubt auf ihren Gütern zu leben, um sich dem Vergnügen hiozugeben. Durch diese Verhältnisse erklärt sich die geringe oder ganz fehlende Diensteserfahrung der höheren Officiere, sowie die Verweichlichung des Adels, der am Königshofe zudem nur das häss- liohste Beispiel der Sittenlosigkeit und Corruption vor Augen hatte.

Digitized by

Google

632

Jenen Officieren, welche dem hohen Adel nicht angehörten, blieben die höheren Stellen meist versagt; sie erreichten schon sehr viel, wenn es ihnen gelang, die Compagnie eines abgehenden Capitains zu erkaufen.

Auf Kosten der Soldaten und Disciplin zogen dann diese Officiere die grösstmöglichen Vortheile aus den Unter- Abtheilungen, um nach 25 Jahren den Abschied zu nehmen und die Compagnie wieder zu verkaufen ; denn ein Regiment zu erwerben, dazu reichte das Vermögen des armen Land-Edelmannes nicht aus; übrigens waren Obersten-Stellen selten käuflich und wurden fast nur nach Hofgunst vergeben.

Jene Lieutenants en seconde, welche nicht mit Bezügen versehen werden konnten und über die vorgeschriebene Zahl hinaus vorhanden waren, blieben in der Erwartung der freien Stellen im Stande des Regiments, erhielten Quartier und Etapen-Kost imd hatten nur während der Monate Mai bis August den regelmässigen Compagnie-Dienst zu leisten.

Das Unterofficiers-Corps ergänzte sich gewöhnlich aus den luizuverlässigen Elementen der grossen Städte, namentlich aus Paris, war daher wenig geeignet, den keineswegs guten Einfiuss des Officiers-Corps einigermassen zu ersetzen.

Die Mannschaft wurde durch "Werbung aufgebracht. Die Sol- daten wurden unter Ludwig XV. auf sechs Jahre engagiert und durften vor dem voUstrecktem 17. und 18. Jahre nur in gewissen Fällen aufgenommen werden. Die grösste Zahl der Recruten war zwischen 20 und 30 Jahre alt. Li die reguläre Armee konnte man bis zum 40., in die französische Garde bis zum 50. Jahre eintreten. Was die Grösse anbelangt, so war jene von 1*62 Meter das geringste Mass, unter welches nicht herabgegangen werden durfte ^). Die Werber sahen auch darauf, dass die Mannschaft schön gewachsen und von gefiilligem Aeusseren war. Der Werbepreis war verschieden je nach der Zeit, der Waflengattung und der Qualität der Leute; er betrug gewöhnlich 30 Francs mit Versprechen auf Erhöhung des Soldes, wenn sich der Soldat reengagieren liess.

Die Werber in Frankreich spottweise Racoleurs*) (Seelen- verkäufer) genannt übten, wie damals überall in Europa eine

*) Das Begiment de Champagne, sowie das Grenadier-Eegiment forderten 1'70 bis 1*7 2 Meter als vorgeschriebene Grösse.

•) Paj ol, Les guerres sous Louis XV. (Paris, 1891), VII, 492.

Digitized by

Google

633

Art geduldeter, obgleich öffentlich nicht gebilligter Pression bei ihrer Amtsthätigkeit aus.

Als Freiwillige wurden Edelleute, Söhne von Officieren, sowie Studenten zugelassen, welche kein Handgeld ausgezahlt erhielten. Diese „Soldats gentilhommes" waren im Frieden meist beurlaubt, doch giengen aus dieser Kategorie von Angeworbenen auch Offi- ciere hervor, welche man „Officiers de Forbune" oder „Officiers bleus" nannte.

Den Capitains war es untersagt, öffentlich abgestrafte Indi- viduen, sowie Küstenbewohner anzuwerben, welch' letztere für die Küsten-Miliz bestimmt waren. Franzosen durften nicht in die fremden Regimenter („r^giments 6trangers") eingereiht werden, ebenso wie Ausländer nicht in national-frsuizösische Regimenter. Den Elsässem allein war es gestattet, in deutsche, schweizerische oder französische Regimenter einzutreten. Die Werbung deckte im Inlande bei den national-französischen Regimentern nicht den gesammten Bedarf, denn die Bataillone rückten einschliesslich der Officiere vor dem Jahre 1740 statt mit 7CK) nur mit 550 Köpfen aus. In den Nachbar- ländern hingegen hatte die "Werbung einen derartigen Erfolg, dass eine Anzahl von Regimentern ganz aus Ausländem sich zusajnmen- setzte. Diese „fremden Regimenter" (r^giments ötrangers) genossen besondere Vorrechte, galten neben der Garde als besonders zu- verlässig und hatten meist Mitglieder des königlichen Hauses als Chefe. Sie schieden sich durch Benennung, Ersatz, Sprache und Uniform von den einheimischen Regimentern; es waren dies die deutschen, italienischen, irländischen und schweizerischen Regi- menter.

Die von Louvois im Jahre 1688 eingeführten Milizen, eine AtTt mobile Landwehr, wurden nun zur Completierung der Feld- Bataillone herangezogen und der bisher übliche Brauch, sie haupt- sächlich zur Besetzung der festen Plätze und als Küstenbewachung zu verwenden, hörte damit auf.

Die Pfarre, welche den Miliz-Soldaten stellte, musste ihn bekleiden imd die Kosten für seine Bewaffnung tragen. Der König ernannte die Officiere, wobei fast ausschliesslich auch auf den Adel und die reiche Bürgerschaft der betreffenden Generalate gegriffen wurde. Die Unterofficiere waren theüs den Feld-, theüs den Miliz-Truppen entnommen.

Jedes der Generalate hatte eine Anzahl von Miliz-Bataillonen mit dem Stfiuade von 13 Officieren und 300 Mann aufzustellen.

Digitized by

Google

634

Im Jahre 1741 betrug diese Vermehrung 30.000 Mann, welche in 100 Miliz-Bataillone gegliedert waren. Hiezu kamen noch neun Bataillone neuer Aushebung in Lothringen und drei Bataillone der Stadt Paris, so dass die Qesammtzahl sich auf 112 Bataillone er- höhte. Diese Miliz-Bataillone standen gewöhnlich en cadre, denn die Mannschaft wurde im Frieden nur zur Uebungszeit einberufen.

Eine weitere Vermehrung der Miliz um 30.000 Mann geschah im October 1743, zu welcher Zeit sie auch schon, wie die anderen Truppen, die Nummern ihrer Bataillone auf den Knöpfen trugen. Diese Ergänzimgsweise des Heeres durch Aushebung und Aus- bildung in der Miliz, sowie durch Einstellung in die Feld-Armee verdrängte fast ganz die Werbung. Die Milizen reichten aber nicht aus, um Frankreich zu einer seiner damaligen Grösse und Be- deutung würdigen Armee zu verhelfen; zu einer solchen bedurfte dieses Land auch im 18. Jahrhunderte der Ausländer, die mehr als ein Viertel der Armee ausmachten. Die Oavallerie ergänzte sich nur durch Freiwerbung.

Der Pferdebedarf ^) des französischen Heeres wurde schon Anfangs des XVni. Jahrhunderts grösstentheils aus dem Auslande, namentlich aus Deutschland durch Liefenmgsverträge mit Unter- nehmern und durch Handeinkauf der Regimenter selbst gedeckt Während der vielen Kriege griff häufig die Opferwilligkeit des Adels dem Staate in der Pferdebeschaffung wirksam unter die Arme. Die Eegierung gab fiir das Oavalleriepferd sammt Sattel 150 Livres, für das Dragonerpferd 120 Livres; thatsächlich war aber kein schweres Pferd mehr in Frankreich unter 4 bis 500 Livres, kein Dragonerpferd imter 350 bis 380 Livres zu bekommen. Ludwig XV. bemühte sich, durch Errichtung von Staats-Gestüten das Pferde-Material zu verbessern.

BefaSrden, BefeUgebong und Militär-Hierarchie.

Der König war der oberste Kriegsherr der gesammten be- waffneten Macht Frankreichs; einen mächtigen Einfluss, wie auf alle politischen, so auch auf die militärischen Fragen besass der Cardinal Fleury.

Für wichtige militärische Angelegenheiten stand dem König der „Oonseil de guerre" zur Seite, welcher sich aus den Prinzen, den Marschällen und den sonst hiezu berufenen Greneral-Lieutenants

^) Feldzüge des Prinzen Eugen, I, 511.

Digitized by

Google

635

der Armee zusammensetzte. Die oberste Behörde für Kriegs-An- gelegenheiten bildete das Kriegs-Ministerium, welohe auf alle ad- ministrativen und trotz der oft grossen Entfernung der Armee vom heimathlichen Boden auch in hohem Maase auf die operativen Massnahmen Einfluss übte.

Zu Beginn des österreichischen Erbfolgekrieges war Marquis de Br6teuil Küegs-Minister, seinem Nachfolger seit 1743 Grafen d'Argenson verdankt Frankreich viele organisatorische und ad- ministrative Einrichtungen.

Das Land war in 33 Gouvernements eingetheilt, wodurch eine Art Territorial-Eintheilung in Militär-Bezirke geschaffen wurde. Obgleich der Kriegsminister alle wichtigen militärischen und juri- dischen Angelegenheiten des Generalates sich vorbehielt, waren die Gouverneure doch in keiner Weise seiner Autorität unterstellt.

Jeder Feldherr hatte seine Entwürfe dem Kriegs-Minister vor- zulegen, welcher sein Gutachten beifügte und die Entscheidung des Königs einholte. Der Verkehr zwischen dem Feldherrn und der sehr centralisierten Heeresleitung war wegen der mangelhaften Communi- cationen ein -schleppender imd wirkte erheblich auf die Langsamkeit der Kriegführung ein. Der Operationsplan des Feldherm wurde zumeist in der Form eines sehr umfangreichen Mömoires ausgesir- beitet. Für ein und dasselbe Operationsziel wurde oft eine Unzahl von Plänen entworfen, was dann ein Hin- und Herschwanken in der Ausführung zur Folge hatte ^).

Nicht nur jeder Armee-Commandant, sondern auch jeder mit der Führung einer grösseren Colonne betraute General erhielt eine Instruction mit genauen Verhaltungsmassregeln ; dadurch wurde den französischen Generalen fast alle Selbstständigkeit benommen.

Zu Beginn des österreichischen Erbfolgekrieges bekleideten sieben Generale den B^ng eines Marechal de France.

Ln Laufe des Krieges wurden deren noch zehn ernannt.

Das von Ludwig XTV. geschaffene System von General- Laspectoren für die Lifanterie und Cavallerie wurde auch von Ludwig XV. beibehalten. Für die Artillerie bestand der Grand-maitre-g6n6ral, welchen Titel Ludwig XV. später auch in den eines General - Laspectors umwandelte. Die

*) Operationspläne znr Befreiung des in Prag eingeschlossenen Heeres 1742. (Feldacten aus dem französischen Kriegs-Ministerium.)

Digitized by

Google

636

Inspectoren hatten die Aufrechthaltung des militärisohen Q-eistes, der Disciplin, sowie die einheitliche Ausbildung ihrer "Waffe zu über- wachen, sich von den Fähigkeiten der Officiere und Unterof&ciere zu überzeugen, endlich die Kasernen, Schulen und Magazine zu visitieren.

Ein Generalstab bestand unter Ludwig XV. nicht. Die jeweiligen Stäbe wurden von den commandierenden Generalen aus den ihnen geeignet erscheinenden Persönlichkeiten zusammen- gestellt. Zum grossen Hauptquartier gehörten der Artillerie-Chef, ein höherer General und der Ingenieur-Chef. Bei jeder Brigade befand sich ein „major de brigade", eine Art Generalstabs-Officier oder Brigade- Adjutant, dessen Rang dem eines Capitains gleichkam.

Die Ohargengrade der französischen Armee waren: Mar6chal de France (Feldmarschall), Lieutenant-gänäral (Generallieutenant), Maröchal de camp (Generalfeldwachtmeister), Colonel oder Maitre de camp (Oberst), Lieutenant-colonel (Oberstlieutenant), Major (Oberst- wachtmeister), Capitaine (Hauptmann oder Rittmeister), Capitaine-. Lieutenant (Stellvertreter des Stabs-Of&ciers im Commando seiner Leib - Compagnie) , Lieutenant , Souslieutenant (Unterlieutenant), Comet oder Enseigne (Fähnrich), Mar6chal de logis (Wachtmeister), Sergent (Feldwebel), Brigadier und Caporal (Unterof&cier), An- spessade (Gefreiter), Cavalier oder Maitre (der Reiter), Dragons, Soldat (die niederste Sold-Classe).

Ausser diesen eigentlichen Chargengraden gab es noch eine Anzahl von Functions-Titeln, z. B. : Colonel-g6n6ral de la cavalerie, des Dragons, des Suisses, der älteste Oberst seiner Waffe beim Heere; der nahezu in allen Regimentern seiner Waffe eine ihm gehörende Compagnie (Compagnie colonelle) hatte. Während der König den Officieren den Rang verlieh, oblag es dem Colonel- göneral, das Officiers-Patent zu vervollständigen, den Truppen- körper zu bestimmen und das ausgefertigte Befehlsschreiben den Officieren zuzusenden.

Als bei Aufstellung der grösseren Armeen unter Ludwig XV. mehrere Marschälle bei derselben Armee vereinigt waren, entstanden Streitigkeiten, welche zu neuen Titeln fährten. Diese waren: Mar6chal-g6n6ral, Capitaine-g6n^ral als zunächst dem Marschall rangierende Generale, Mar6chal de camp et d'armee. Den General- Lieutenants kam eigentlich kein organisationsgemäss bestimmtes Commando zu, sondern dieses wurde ihnen von dem General en chef jeweilig für einen concreten Fall übertragen; sie kannten

Digitized by

Google

657

daher nicht die ihnen zeitweilig unterstellten Truppen, ebenso wie sie von diesen nicht gekannt waren. Sie wurden stets dem Kriegsrathe beigezogen.

Der „Mar6chal-g6n6ral des logis de Parmöe" kam der Stellung eines General-Quartiermeisters im engeren Sinne gleich. Es gab solche fiir die Infanterie und Cavallerie. Der „Major-gönöral de ParmÄe" versah den Dienst eines General-Adjutanten ; er über- mittelte alle Befehle des Armee-Commandanten an die diesem unterstehenden Gruppen.

Die „Marechaux de camp" unterstützten im Felde die General- Lieutenants in ihren Functionen; sie leiteten die Lagerung und Can- tonnierung, den Wach- und Vorpostendienst und marschierten an der Tete der zur Ausmittludg der Ruhestellungen bestimmten Truppen. Zu diesem Zwecke übernahm abwechselnd einer dieser Generale den Dienst „du jour". Am Schlachttage blieben sie bis zum Beginne des Kampfes bei der Vorhut und stellten sich nach Einbeziehung der Vortruppen rechts des commandierenden Generals auf.

Die Brigaden wurden durch Oberst-Brigadiere commandiert und nach dem Namen des ältesten BrCgiments in der Brigade benannt.

Die Zahl der „Aides-de-camp" (Adjutanten) war in der Armee übermässig gross; die hiezu berufenen, sehr jungen Officiere ver- dankten ihre Ernennung zumeist der Protection. Die „Capitaines des Guides" hatten im Umkreise der Lagerplätze alle Wege zu recognoscieren imd waren verpflichtet, stets eine Anzahl ortskundiger Einwohner bei sich zu haben, die als Boten und Wegweiser für die Truppenmärsche verwendet wurden. Der „Vaguemestre-g6n6ral" (der deutsche „Wagenmeister") war der Trainleiter der Armee, dem die „Vaguemestres" der Brigaden und Regimenter imterstellt waren.

Dem „Litendant de Tarmöe" oblag die Oberleitung der Natural- und Geldverpflegung, die Polizei und die Justizpflege beim ope- rierenden Heere. Er erfreute sich eines grossen Ansehens imd wurde stets dem Kriegsrathe der Generale beigezogen. Während des österreichischen Erbfolgekrieges fungierte Hörault deSö- c h e 1 1 e s als „Litendant de Parmöe", dessen Thätigkeit von den Frajizosen sehr anerkannt wurde. Er hatte einen gewissen Einfluss in Versailles, correspondierte zumeist directe mit dem Kriegsminister und versuchte hiebei nicht selten auf operative Entschlüsse einzu- wirken. Dem „Litendfiint de l'armöe" unterstanden die „Commissaires

Digitized by

Google

638

de guerre", welche mit den Details der Verpflegung betraut wurden. Man unterschied solche 1., 2. und 3. Classe. An der Spitze derselben standen die „Commissaires provinciaux ordonnateurs", welche die stricte Ausfiihrung der ergangenen Verfugungen zu überwachen hatten.

Der „Directeur-gönöral des vivres" war in betreff der Lebens- mittel-Lieferung der Vermittler zwischen dem „Litendant de Tarmee" und den grossen Lieferanten und Speculanten. Er hatte eine halbmili- tärische Stellung und hielt sich im Hauptquartier auf. Li sein Ressort fielen auch die Zusammenstellung der Transporte, die Errichtung von Backöfen und die Verwendung der Mühlen.

Die „Aumöniers" (Feld-Capläne, Feld-Geistliche) hatten die Stellung und Bezahlung eines Capitüns und waren bei den Truppen und im Hauptquartier eingetheilt.

Mit der Verwaltung der Kriegs-Csisse war der bei jeder Armee systemisierte „Tr^sorier" beauftragt.

Die juridischen Angelegenheiten lagen in der Hand des „Pr6v6t-g6n6ral de Parmöe*', welcher den Rang eines Obersten bekleidete. Zum Stabe desselben gehörten 2 Lieutenants und 2 Exempts, dann ein königlicher Procurator und 2 Qreffiers; dem Pr6v6t-g6n6ral stand eine eigens für ihn errichtete berittene Schützen- Compagnie zur Verfiigung.

Trappen.

Maison du roi. Die Garden führten seit Ludwig XIV. den Namen „Maison militaire du roi". Ludwig XV. behielt die ursprüngliche Gliederung der Garde in zwei Divisionen bei; die erste Division umfasste die berittenen Grenadiere und acht Escadronen Leibgarden, während die zweite Division, wegen der Farbe des Rockes „Maison rouge" genannt, aus zwei Escadronen Gensdarmen und Garde-Chevaux- legers bestand; dazu gehörten noch zwei Escadronen Musketiere und acht Escadronen der französischen Gensdarmerie. Die be- rittenen Grenadiere hatten den Ruf grosser Tapferkeit. Sie mar- schierten an der Tete der Leibgarde. Um das Commando dieser Compagnien bewarben sich Persönlichkeiten vom höchsten mih- tärischen Remg, da jede Abtheilung der „Maison militaire du roi" ihre Privilegien und besonderen Aufgaben hatte. ^)

') Zur Zulassung in dieses Corps waren besondere Eigenschaften der Bewerber nöthig. Um beispielsweise den Eintritt in das königliche Leibgarde-

Digitized by

Google

639

Ein Mitglied der Garde du corps du roi leistete nur dem Könige, den königlichen Prinzen und im Felde noch den Mar- schällen die Ehrenbezeugung. Die Bezüge waren bedeutend höher als bei den übrigen "Waffengattungen.

Infanterie. Im December 1740 war die französische Infanterie in 122 Regi- menter, deren ein jedes eine verschiedene Anzahl von Bataillonen zählte, gegliedert. ; sie formierten zusammen 193 Bataillone mit 2974 Compagnien in der Gesammtstärke von 7547 Officieren, 102.950 Mann, sowohl Grenadiere, als Füsiliere.

Die Infanterie besass Ende des Jahres 1740^): 99 französische Regimenter und zwar:

5 Regimenter ä 4 Bataillone 20 Bataillone

,, a«j «...•. öu ,,

16 ä 2 32

65 kl 65 ,,

1 Regiment Royal-Artillerie 5

9 Schweizer Regimenter (inbegriffen das Regiment

Karrer) 17

1 Regiment Graubündtner k 2 Bataillonen ... 2 5 deutsche Regimenter (1 Regiment k 2 Bataillone,

4 Regimenter a 1 Bataillon) 6

5 irländische Regimenter k 1 Bataillon .... 5 1 Regiment Roy al-Italien kl .... 1

1 -Corse ä 1 . . . . 1

122 Regimenter 193 Bataillone

Im Jahre 1741 imd 1743 wurde die Infanterie durch Auf- stellung von Miliz-Formationen bedeutend verstärkt. Ausserdem wurden bis zum Jahre 1744 vier neue Infanterie-Regimenter er- richtet, so dass sich die Zahl derselben auf 126 erhöhte. Zur Zeit des Friedensschlusses von Aachen zählte die Infanterie 143 Regi- menter.

An der Spitze jedes Regiments stand als Commandant der Oberst, welcher zugleich auch Inhaber desselben sein konnte. Nach

Corps (Garde du corps du roi) zu erreichen, musste der Aspirant 1*68 Meter hoch, von starkem Körperbau, katholisch und ein geborener Franzose sein, femer gute Augen besitzen. (P a j o 1, Les guerres sous Louis XV., XII, 3.)

*) Ausführlich handelt darüber: Pajol, Les guerres sous Louis XV. Tome VII, 62 und 68.

Digitized by

Google

640

ihm führte das Regiment auch den Namen, wenn es nicht nach dem Territorialbezirke bezeichnet wurde, in dem die Ergänzung erfolgte. Jedes Bataillon^) zählte 16 Füsilier- und eine Grrenadier-Compagnie. Jede Compagnie war aus zwei bis drei Officieren und 30 Mann zu- sammengesetzt. Die Stärke des Bataillons belief sich somit aal' 510 Köpfe ohne Einbeziehung von Milizen.

Die Einheitlichkeit der Bekleidung datiert aus dem Jahre 1743; eine besondere Ordonnanz setzte die Beschafiimgs€urt der StoflFe fest, regelte die Preise derselben und verbot die phantastische Kleidung der Officiere; diese hatten nunmehr statt der reieh- gestickten Röcke von verschiedenartiger Farbe solche analog der Mannschaft zu tragen.

Die Uniform der französischen Infanterie bestand aus einem grauen Waffenrock (juste au corps), Weste und Hose, an den Farben der Aufschläge wurden gewöhnlich die Regimenter unter- schieden. Der Soldat trug femer Gamaschen rmd Schuhe, daim einen schwarzen dreieckigen FUzhut, der bei den Officieren eine silberne oder goldene Einfassung, bei der Mannschaft eine solche aus weissem Wollstoff hatte imd mit einer später zur Cocarde ge- wordenen Masche in den Regimentsfarben geschmückt war.

Im Dienste mussten die Officiere mit dem Ringkragen ver- sehen sein, der bei den Franzosen imd Irländem aus Grold, bei der Schweizern aus Silber und bei den deutschen aus brüniertem oder vergoldetem Stahl angefertigt wurde. Zu Beginn des österreichisches Erbfolgekrieges waren die Officiere äusserlich noch nicht nach Grrad und Charge kenntlich; dies geschah erst in der zweit«: Hälfte des XVIIL Jahrhunderts durch Einführung der EpaulettsL

Als Bewaffnung trugen die höheren Officiere eine Art Parti- sane (Sponton), die Subaltemofficiere die Bajonnetflinte und & Patrontasche vorne am Degengürtel. Ausserdem trugen alle Ofß- ciere den Degen.

Der Infanterist war mit dem Steinschlossgewehre ^ sammt Bajonnet und dem Stossdegen bewaffnet. Die Sergeants tmge£

*) Die Miliz -Bataillone hatten zwölf Füsilier- und eine Grrenadi«-- Compagnie.

*) Als einheitliches Gewehrmodell im Jahre 1728 eingeführt, Di© Wait- hatten früher die Hanptleute für die Unter- Abtheilungen zu bescb&ffe wesshalb eine sehr ungleichm&ssige BewaflBiung vorherrschend war. Yon a::i an wurden die Kegim enter an die der ControUe der Artillerie untersteliwr

Digitized by

Google

641

noch eine 2-5 Meter lange Hellebarde, die Patrontasche, mit der geringen Zahl von 20 Patronen dotiert, wurde en bandouliere von links, nach rechts, die Stofftomister an Tragbändem wie eine Jagd- tasche getragen. Die Soldaten tragen im Felde Lebensmittel fiir vier Tage mit, weiters ein Trinkgeschirr und ein Geföas für den Fleischtransport. * Einige Soldaten bei jeder Compagnie waren als Pionniere mit Hacken, Krampen und Schaufeln ausgerüstet.

Die Belastung des Infanteristen erreichte ein Gewicht von 29-310 Kilogramm.

Jedes Infanterie-Regiment hatte eine weisse ßegiinents- und per Bataillon drei Ordonnanzfahnen von der jeweiligen Farbe des Regiments, welche in der Mitte ein weisses Ki-euz trugen. Die Fahne der Garde-Infanterie war blau mit goldenen Lilien besäet, an den Enden des weissen Kreuzes befand sich je eine Krone,

Die fremden Regimenter, die sich in Frankreich stets des Rufes grosser Tüchtigkeit erfreuten, galten als ein bedeutender Machtfactor im französischen Heere.

Die Commandosprache in denselben blieb jene ihrer Heimath; im Frieden hatten sie einen grösseren eflfectiven Stand, weil die Ergänzung zur Zeit des Krieges schwieriger war; ihre Officiere und Soldaten erhielten einen grösseren Sold als jene der anderen. Die Orgamisation und Bewaffiiung der fremden Regimenter war gleich jener der nationalen ; sie imterschieden sich nur durch die Farben der Uniformen und Fahnen von einander.

Die Grenadiere waren die eigentlichen Eclaireurs der Fuss- truppen und kämpften nur ausserhalb der geschlossenen Linie ; sie bildeten zuerst Elite-Oompagnien, dann im Jahre 1741 ein Corps, aus welchem im Jahre 1749 „Grenadiers de France" formiert wurde.

Seit dem Jahre 1744 wurde ausserdem jedem Müiz-Bataillon je eine Grenadier - Compagnie beigegeben, aus welchen bei Beginn des Feldzuges 1745 eilf Regimenter „Grenadiers Royaux'' zu je einem Bataillon mit dem Namen ihrer Oberste gebildet wurden.

Waffenfabriken zu St. Etienne, Charleville und Maabeuge gewiesen und für die Infanterie und Cavallerie eine Einheitswaffe festgesetzt. Die Patronen waren aus Papier erzeugt und die Anfertigungsart den Soldaten in Foi*m einer Instruction bekannt gegeben. Im Jahre 1746 wurde ein neues GewehrmodeU, bei welchem der hölzerne Ladstock durch einen eisernen ersetzt wurde, nach dem Systeme der Preussen eingeführt. (Pajol, Les guerres sous Louis XV., VII, 503.)

0lB8terreichischer Erbfolgokrieg, I. Bd. 41

Digitized by

Google

642

Cavallerie.

In der französischen Reiterei, die etwa ein Sechstel der Gesammtstärke des Heeres ausmaohte, rechnete man die Husaren und Dragoner, sowie die verschiedenen freiwilligen Corps zu den „Troupes 16g6res*' und unterschied sie von den eigentlichen Cavallerie-Regimentem, deren Zahl im Jahre 1740 sich auf 60 belief. Diese letzteren waren theils nationale, theils fremde Regi- menter; sie waren hinsichtlich Stärke und Gliederung sehr ver- schieden und wurden entweder nach dem Inhaber oder nach der Aushebungs-Provinz benannt. Sie wstren wie folgt gegliedert^); 37 Regimenter zu je 3 Escadronen, 1 Regiment Royal-Carabiniers zu 10 Escadronen, 21 Regimenter zu je 2 Escadronen, 1 Regi- ment zu 1 Escadron. Jede Escadron zählte 4 Compagnien, die Compagnie 2 bis 4 Officiere und 25 Reiter.

Die Gesammtstärke dieser 60 Regimenter betrug 1787 Offi- ciere und 17.056 Mann mit ebensovielen Pferden. Im Jahre 1743 wurden noch 148 Compagnien ausgehoben und in die bisher aus drei Escadronen bestehenden 37 CavaUerie-Regimenter eingetheilt, die sich somit auf je vier Escadronen vermehrten.

Die Husaren, welche vor Ludwig XTV. in Frankreich nicht bekannt waren, wurden daselbst bald nach österreichischem Muster nachgebildet; sie waren bei ihrer Entstehung nur aus Ausländem zusammengesetzt. Später nahm man Recruten aus der Rheingegend, liess sie aber den Eid in ungarischer Sprache leisten.

Beim Regierungsantritte Ludwig XV. war nur das Husaren- Regiment Ratky vorhanden. Dann wurden jene Husaren, welche Ladislaus Bercsönyi (der Sohn des aufrührerischen Nicolaus Bercs6nyi aus der Gefolgschaft Franz Riköczy's) im Jahre 1720 aus Süd-Ungarn heranzog und dem König von Frankreich zur Verfügung stellte, in ein Regiment formiert.

Ueber Ermächtigung des Königs stellte Graf Esterhdzy, gleichfalls ein ungarischer Emigrant, im Jahre 1735 ein Husaren- Regiment in Strassburg aus Mannschaft verschiedener Nationalität auf. Im Verlaufe des österreichischen Erbfolgekrieges wurden noch weitere fünf Hu-saren-Regimenter gebildet und zwar : de Polleretzky, de Beausobre, Rangrave, Ferrary und Ohamborant.

Die Dragoner, schon im XVI. Jahrhundert von den Franzosen als berittene Infanterie mit Erfolg verwendet, bildeten unter Ludwig XV. 14 Regimenter, die sich im Jahre 1741 um ein

*) Pajol, Les guerres sous Louis XV. VIII, 298.

Digitized by

Google

643

N

Regiment, im Jahre 1745 um weitere zwei vermehrten. Jedes Regiment zählte vier Escadronen zu je vier Oompagnien; der Gesammtstand' der Dragoner im Jahre 1740 belief sich auf 634 Officiere, 6240 Mann mit nur 4740 Pferden, weü im Frieden un- gefähr ein Drittel der Leute nicht beritten war.

Die Standesverhältnisse der Compagnien waren bei den Husaren und Dragonern nahezu dieselben, wie bei den Cavallerie-Eegimentem.

An der Uniform der Cavallerie war ebenso, wie bei der Infanterie die lichtgraue Grundfarbe vorherrschend; als Unter- scheidungszeichen diente die Verschiedenfärbigkeit der Aufschläge, des Rockfutters, der Bänder am Hut und der Knöpfe. Ein Cürass, eine lederne Hose und weiche Stiefel vervollständigten die Be- kleidung des Cavalleristen. Von den Dragoner-Regimentern trugen zwölf rothen, drei blauen Rock und Mantel; drei Regimenter hatten blaue, die übrigen rothe Hosen. Alle Dragoner waren mit weissen Strümpfen wie die Infanterie und mit langen ledernen Gamaschen bekleidet. Als Kopfbedeckung trugen sie abwechselnd Mütze und Hut.

Die Husaren hatten bis zum Jahre 1743 einen Pelz von blauer, dann "Weste, Hose, Mantel und die mit Bärenfell geschmückte Mütze von rother Farbe. Später erhielten die Husaren einen Dolman von himmelblauer Farbe, der mit weissem Schafpelz ge- füttert, mit schwarzem Pelz verbrämt und dessen Knopflöcher, Taschen und Aermel mit goldenen Schnüren, verziert waren.

Die Bewaffiaung der gesammten französischen Reiterei bestand aus einem Säbel, zwei Pistolen und einer kurzen Muskete.

Die Carabiniers jedoch trugen eine etwas längere Feuerwaffe, den Carabiner und das Bajonnet, femer zum Schutze gegen Säbel- hiebe einen Stahlschutz über der Kopfbedeckung.

Jede Compagnie besass eine Standarte, welche mit Ausnahme jener der „Compagnie colonelle'' ^) untereinander gleich waren.

Letztere hatte weiss zu sein, während bei den Compagnie- Standarten regimentsweise die blaue, rothe, grüne, carmoisinrothe und schwarze Farbe wechselte. Die Standarten waren mit Gold- oder Silberfransen geschmückt und führten eine Sonne, sowie die Devise Ludwig XIV.: „Nee pluribus impar". Einige Regimenter hatten in herkömnüicher "Weise auf einer Seite der Standarte das Wappen und die Farbe des Inhabers.

*) Das Eigenthum des Colonel-g^neral.

41*

Digitized by

Google

044

Frei-Corps.

Zur Zeit des österreichischen Erbfolgekrieges -svurden, ähnKcli wie in Oesterreich, auch in Frankreich Frei- Corps aufgestellt^)

Diese Freiwilligen- Abtheilungen führten zumeist den Namen jenes Parteigängers, der sie aufstellte und zählten während des österreichischen Erbfolgekrieges 4749 Mann. Die Compagnien mit je 9 bis 10 Officieren waren bis zu 150 Mann stark.

Die Bewaffnung war ähnlich wie bei den übrigen Truppen. Zu den Frei-Corps gehörten die Frei-Compagnie der Dragoner unJ Infanterie, die Fusiliers-Guides, Füsiliers de montagne, die Arque- busiers, Chasseurs, die Volontaires und Compagnies des Croate^,

Erwähnenswerth ist das Corps „Volontaires de Saxe", welches vom Marschall von Sachsen mit einem Stande von 1000 Mann zn Pferde (Uhlanen) im Jahre 1743 aufgestellt wurde und durch seine Schnelligkeit, gute Haltiuig und Disciplin sich hervorthat. Diese Volontairs waren mit einer 2.84 Meter langen Lanze, einem SSbfl und einer in einem Gürtel zu verwahrenden Pistole bewafinet.

Artillerie.

Unter Ludwig XV. wurden sämmtliche ArtiUerie-Trappec in ein einziges Corps vereinigt, das aus 5 Bataillonen zu je 5 Kanonier-, 2 Bombardier- und einer Sappeur-Compagnie bestand.

Da der König selbst Oberst-Lihaber dieses Regiments war, su nahmen die Bataillone Namen imd Rang ihrer Oberstlieutenante an-

Die Artillerie-Truppe zählte circa 220 Officiere und 2800 Mann, worunter jene Abtheilungen, denen die theilweise Anfertigung, dann die Aufbewalirung des Artillerie-Materials und der Munition zufiel, nicht inbegrifien waren.

An der Spitze des Artillerie-Oorps stand der Grand-Maiti>f d'artillerie (zur Zeit des österreichischen Erbfolgekrieges Gral' d'Eu), dem die Oberleitung des Dienstes und die AusbUdung des Corps, dann die Ueberwachung des Materials und die Aufrechthaltung des militärischen Geistes oblag. Ein besonderes Verdienst für die Artillerie erwarb sich Valliere, der als Be- gründer des Einheits-Calibers der Feldgeschütze angesehen -werden kann und sich bestrebte, das Material in Ordnung zu bringen und zu vereinfachen.

*) Ludwig XV. organisierte sie später als Legion leichter TmppeE. aus der Ende des XVIII. Jahrhunderts die leichte Infanterie und die berittenes Chasseur-Regimenter entstanden. (Paj ol, Los guerres souis Loois XV., VII. 2:^

Digitized by

Google

645

Es gab:

24-Pfiinder mit dem Gewichte von 3000 Pfand,

16- » ,, 2500

12- 2000

ö- V }J ?> » 1000

4- ,j V 600

Weiters standen 8-zöllige Haubitzen und 16-zöllige Stein- mörser im Gebrauche. Ein Theil der Geschütze wurde den Truppen- Divisionen zugewiesen, doch zog die Armee daraus keine sehr grossen Vortheile.

Im Verlaufe des österreichischen Erbfolgekriegs griff eine Aenderung in der Organisation der Artillerie Platz, darin bestehend, dass man Ende des Jahres 1742 zunächst jeder Division, in welche die Armee damals sich gliederte, eine Artillerie-Brigade mit 10 bis 20 Geschützen zutheilte, welche mit der Division marschierte und lagerte. Nach den Ereignissen in Böhmen gab der Marschall von Sachsen jedem Infanterie-Bataillon zwei leichte Geschütze nach dem schwedischen Systeme, weil die ö Artillerie-Bataillone nicht im Stande waren, die Armee mit Geschützen zu versehen. Die Uniform der Artillerie bestand aus einem blauen Kock mit rothen Aufschlägen, dann einer rothen Weste imd gleichfarbiger Hose; die Knöpfe waren gelb, die Huteinfassung vergoldet.

Ingenieur-Corps. Das aus der Schule V a u b a n's hervorgegangene Ingenieur- Corps nahm unter Ludwig XV. einen grossen Aufschwung. Die Mehrzahl der Ingenieur-Officiere brachte es jedoch nicht über den Hauptmannsrang, obgleich sie bei den Belagerungsarbeiten den grössten Gefahren ausgesetzt waren und mit dem wichtigsten Detail betraut wurden. V a u b a n schlug in einem Memoire die Creierung eines Sappeur-Eegiments oder die Errichtung einer Sappeur- und Mineur-Compagnie in jedem Infanterie-Eegiment vor, welche Ab- theilungen eine speciell technische Ausbildung erhalten sollten. Er erschöpfte sich jedoch in vergeblichen Anstrengungen und erreichte blos die Einführung eines militärischen Ingenieur-Corps, an dessen Spitze in der Eigenschaft eines General-Directors der Befestigungen Marschall dLA^sfeldt stand. Das Corps theilte sich in die ordent- lichen Ingenieure, welche bei der Erbauung fester Plätze verwendet ^vtlrden und die ausserordentlichen, welche häufig Infanterie-Capitaine, mit einem Patent versehen und zur Dienstleistung mit ihren Com- pagnien bei den Belagerungsarbeiten bestimmt wurden. Die Stellung

Digitized by

Google

646

dieser Officiere war aber eine schwierige; Vauban nannte sie „les martyrs de Tinfanterie".

Anfänglich waren die technischen Truppen beim Artillerie- Regiment eingetheilt; die Organisation vom Jahre 1720 bestimmfee für jede Compagnie dieses Regiments eine Sappeur- und eine Mineur-Abtheilung ; eine Ordonnance vom Jahre 1729 ordnete die Aufstellung von 5 Mineur-Compagnien im Verbände der Artillerie- Waffe an.

Erst im Jahre 1747 entstand das Genie-Corps, dem als mili- tärische Aufgabe ein Theil des Angriffes und der Vertheidigong fester Plätze speoiell zufiel und welches im darauffolgenden Jahre den Namen „königliches Genie-Corps" erhielt. Später erkcuinte man auch die Nothwendigkeit, bei den Unter- Abtheilungen der Infanterie technisch ausgebildete Leute zu haben und Hess per Grenadier- Compagnie 10 Soldaten mit Hacken und Pionnier-Werkzeug«: versehen.

Als Uniform trug das Ingenieur-Corps zuerst rothen Eock mit blauen Aufschlägen, welche später durch einen stckhlgraiiei Rock mit schwarzen Sammt-Aufschlägen, goldgestickten Knofrf- löchem und Bordüre am Hute ersetzt wurde.

Eine selbstständige Abtheilung bildete seit 1736 das Ingenienr- Geographen-Corps, welches mit dem Vermessungs- und Karter- wesen betraut wj«*, aber auch zu Aufnahmen von Ijagem und militärischen Recognoscierungen verwendet wurde.

Eine besondere Pontonnier - Truppe bestand noch nicht - Zu Fluss-Uebergängen wurden alle auf dem betreffenden Fliisr aufgefundenen Schiffe und Flösse gesammelt und die ConstructiaL der Brücke durch Arbeiter-Compagnien unter Leitung von teck- nischen Officieren dinrchgeftihrt.

Trainwesen.

Das Train- und Etapenwesen lag in den Händen von Privat- unternehmern, welche Wagen und Pferde für den gesammten Tiai:! und für die Artillerie vertragsmässig beizustellen verpflichtet waren: dafür nährte der Staat Pferde und Fuhrleute.

*) Marschall Belleisle führt zwar in seinem Operationsplane für da Feldzug 1741 an, dass zum Rhein- Uebergange von der Artillerie kupferne Pontons mitzvmehmen seien, die definitive Einfuhrung derselben, sowie di- Aufstellung von Pionnier-Abtheilimgen geschah erst Ende des XTTTT. J«^ hunderts.

Digitized by

Google

647

Den Generalen und höheren Officieren war die Mitnahme einer übermässig grossen Zahl von Privat-Carossen imd Tragthieren gestattet, so dass der überhaupt schon von vielen Nicht-Com- battanten begleitete Train noch schwerfälliger wurde, als er schon an sich war. Ludwig XV., der dem übermässigen Luxus des Feldlebens steuern wollte, befahl, dass der General-Lieutenant nur 30 Tragthiere oder Pferde, der Mar6chal de camp 20, die Brigadiere und Oberste 16 und die anderen Officiere nur so viele Pferde in das Feld mitnehmen durften, als sie Fourage-Portionen erhielten. Bei den verschiedenen Regimentern waren Fleisch-, Marketender-, Proviant- und Zelt- Wagen in sehr reichlichem Ausmasse systemisiert. Als anlässlich der Concentrierungsmärsche im Jahre 1741 vom Bhein nach Bayern von den Generalen über die mangelhafte Trtdn-Ordnung und über das späte Eintreffen der an der Queue eingetheilten Artillerie in den Nächtigungs-Stationen Klage gefuhrt wurde, erliess Ludwig XV. eine 18 Articel enthaltende Train-Instruction^), die im Allgemeinen nachstehende VerRigungen enthielt: Li jeder Brigade wurde ein Officier als Brigade -Wagenmeister ftirgewählt, dem zwei Gehilfen beigegeben waren; dessgleichön wurde für jedes Regiment ein Wagenmeister bestimmt, welcher jenem der Brigade unterstellt war. Die Oberleitung des gesammten Trainwesens vollzog sich beim Trainleiter der Armee „le vaguemestre-g6n6ral de Farmöe", bei dem sich die genannten Functionäre, femer ein Commissär des Artillerie- und Verpflegs-Trains an dem, einem Marsche voran- gehenden Tage zur Entgegennahme der Befehle einzufinden hatten. Die Trains marschierten in derselben Reihenfolge, wie ihre in der Colonne eingetheilten Regimenter. Zur Bewachung des Trains war immer eine ganze Truppen-Abtheilung bestimmt und die unbefugte Abgabe einer Esoorte war ebenso verboten, wie die Benützung landesüblicher Pferde und Wagen zu einem anderen, als dem speciellen Zwecke.

Für eine Armee war nachstehende Bagage-Ordnung festgesetzt : An der Tete marschierte der Cassawagen, dann die Bagage des Königs, der Prinzen von Geblüt, sowie jene der Suite des Königs, hierauf die Bagagen des Armee-Commandanten und der General- nach dem Armee-Rang, weiters die Bagage des Maitre-de-camp- g6n6ral de la cavallerie und jene des Maröchal des logis des camps et arm6es, des General-Profossen und des im königlichen Haupt-

*) Campagne de M. les mar^chaux de Broglie et de Belleisle en Boheme et en Bavi^re 1741.

Digitized by

Google

648

Quartier befiudliehen Kriegs-Commissärs ; sodann folgten die Ver- pflegs-Trains der Artillerie, wenn diese nicht als besondere Colonne marschierte. Hierauf die Trains der Vorhut, jene der In£euiterie und der in der Colonne eingetheilten Cavallerie, schliesslich die verschiedenen Marketender- Wagen.

Sanititswesem. *

Das Sanitätswesen in Frankreich lag wie bei allen Staaten in der Mitte des XVm. Jahrhunderts sehr im Argen ; es mangelte an Aerzten, Medicamenten, Betten, Wäsche und es fehlte im Kriege selbst oft an einer dem Kranken nothwendigen Suppe.

Eigentliche Feldärzte höheren Ranges waren nicht systemisiert ; Heerftihrer oder sonst vornehme Personen nahmen sich zweu: in das Feld tüchtige Aerzte mit, die jedoch nur in der Eigenschaft als Leibärzte ftmgierten, erkrankten Ofificieren und Soldaten leisteten sie keine Bülfe. Bei jedem Lifanterie - Regimente befand sich nur ein Chirurgien (Feldscherer) im Stande, bei den Cavallerie-, Dragoner- und Husaren-Regimentern hingegen oblag es dem je- weiligen Oberst-Inhaber, sich einen solchen Chirurgen aufzunehmen. Diese in einer nicht beneidenswerthen Stellung sich befindenden Chirurgiens richteten sich zuweilen nach eigenem Gutdünken Apo- theken ein und waren Apotheker imd Aerzte in einer Person. Das französische Heer besass auch mobile Feld-Spitäler, welche der Armee während der Märsche, in's Lager und im Gefechte folgen sollten. Der König unterhielt auf die Zeit des Krieges eine gewisse Anzahl solcher unter Verwaltung des Intendanten stehender „Ambulancen" auf seine Kosten; zur Lieferung des Materials wurden Privat- unternehmer herangezogen, die sich in zwei Kategorien theilten. Die eine hatte für Nahrungsmittel imd Medicamente, die andere für das Bettzeug und Zugehör zu sorgen. Die missUchen Zustände des Sanitätswesens damaliger Zeit kemizeichnet eine Briefstelle ^) des Grafen Clermont, der an den Kriegsminister schrieb: „Die Spitäler sind in einem so erbärmlichen Zustande, dass auch das härteste Herz davon gerührt werden muss."

Yerwaltung und Gebühren.

Das Kriegsbudget theilte sich in ein gewöhnliches und ausser- gewölmliches.

*) Pajol, Les guerres sous Louis XV., VII., 516. „Les hopitaux sont dans un etat si pitoyable que le coeur le plus dur en serait touche".

Digitized by

Google

G49

Zum gewöhnlichen zählten die Auslagen*) de la maison militaire du roi, der Grensdarmerie, der französischen Garden und der Schweizer; zum ausserordentlichen gehörten der Sold und die Erhaltung der Infanterie, Cavallerie, Artillerie und Genie -Waffe, der Stäbe von festen Plätzen und Garnisonen, die Auslagen für die Gerichtsbarkeit und Invalidenversorgung.

Die Verwaltung war derart geregelt, dass die Regimenter im Frieden dem Kriegsministerium ohne Zwischenstufe unterstellt waren.

Bei der Truppe lag die Verwaltung in den Händen des Regiments- und Compagnie - Commandanten, welche von jenen Conmiissären, die mit einer Ermächtigung des Königs ausgestattet waren, zeitweise controlliert wurden. In die innere Wirthschaft des Regiments gehörte die Beschaffung der Bekleidung, Bewaffnung und Ausrüstung. Den Compagnie-Commandanten fiel speoiell die Instandhaltung und Nachschaffung dieser Gegenstände, dann die Verpflegung und Auszahlung des Soldes zu. ^)

Da die Marktpreise für Tuchlieferungen von den Unternehmern willkürlich festgesetzt wurden, ziemlich hoch stiegen und der Qualität nicht angemessen waren, ordnete Ludwig XV. an, dass die Stoffe von der „Compagnie des Indes" ^) zu beziehen seien, die ein gleich- massiges Tuch zu liefern hatte.

Die Bekleidung sollte drei Jahre dauern; die Capitains ver- boten das Tragen der Uniform während zwei Drittel des Jahres, damit ihre Mannschaft bei den Revuen besser aussehe und be- schränkten die Bekleidung zur Friedenszeit und während der Winter-Quartiere auf einen Leinwandkittel und eine abgenützte Weste, was zur kalten Jahreszeit eine Ueberfüllung der Spitäler zur Folge hatte. Gewisse Regimenter wusslen es dahin zu bringen, dass die Kleidung sieben Jahre dauerte.*)

*) Ein Garde des schottischen Corps kam dem Könige auf 1540 liv. 1 s. 6 d., ein Garde des gewöhnlichen Corps auf 1564 liv., ein Gensdarm der Garde auf 1156 liv. 2 s. 10 d,; ein Chevauxleger auf 1088 liv. 11 s. 8 d.; ein Musketier auf 1086 liv., ein Grenadier zu Pferd auf 970 liv., ein gewöhn- licher Gensdarm auf 814 liv., ein Carabinier auf 736 liv., ein Reiter (Cavalier) auf 618 liv. (Pajol, Les guerres sous Louis XV., VII, 2.)

*) Zu Friedenszeiten waren hiezu zehn Procent Ersatz bestimmt, zu Kriegszeiten wurde der Ausrüstungsbeitrag verabfolgt.

') Ursprünglich eine Vereinigung grosser Capitalisten zu Handelszwecken, später zur Eroberung von Ländern imd Pflege des Seehandels vom Staate autorisiert. (Pajol, VII, 474.)

*) Verstanden es die Capitains, ihre Compagnien ziemlich complet und gut bekleidet zu erhalten, so hatten sie Anspruch auf eine Gratification.

Digitized by

Google

650

Die Gebühren theilten sich in Mund- oder Brod-, dann Pferde- Portionen, Geld- und Tabakgebühren. Die Mund- und Pferde- Portionen, deren Preise sehr schwankend waren, konnten von den Officieren auch reluiert werden. An Fourage erhielten im Winter- Quartiere der Oberst S, Oberstlieutenant 6, Capitain 4, der Subaltem- officier 2 Portionen.

Bei der Cavallerie hatte der Capitain 6, der Lieutenant und Souslieutenant 4, jeder Reiter 1 Portion.

Jede Pferde-Ba-tion bestand aus 12 Pfund Heu, 8 Pfund Stroh und etwa 12 Liter Hafer.

Jeder Infanterist erhielt täglich 24 Unzen (720 Gramm) Brod, ein Pfiind Fleisch und eine Kanne Wein, der Reiter zwei Pftmd Fleisch, 36 Unzen (1 Kilogramm) Brod und dasselbe Ausmass an Getränk wie der Lifanterist.

An Geldgebühren, die im Kriege um ein Drittel vermehrt wurden, waren systemisiert :

Marschall 16.000 Livres

Lieutenant-G6n6ral 8.000

Mar^chal de camp 4.000

Colonel (ausser der Gebühr für seine Com-

pagnie [compagnie colonelle]) . . . 2.500

Capitain 1.500

Lieutenant 900

Souslieutenant 600

auserdem eine gewisse Anzahl täglicher Brod- oder Mund- Portionen.

Der tägliche Sold des Infanteristen betrug 6 Sols 4 Deniers, jener des Reiters 7 Sols 10 Deniers (114, beziehungsweise 126 Livres per Jahr). Der Tabak wurde in der Epoche des österreichischen Erbfolgekrieges zu einem Bedürfniss. ^) Zuerst wurde der Tabak den Truppen zu herabgesetzten Preisen und dann selbst zum Kostenpreise bewilligt. Jede Compagnie erhielt 25 Pfund zu je 12 Sols, später zu 8 und 6 Sols geliefert; in den Grenzländem gieng man selbst zur Duldimg von 2 Pfund geschwärzten Tabaks per Kopf.

*) Das Livre war damals 1 Franc 66 Centimes werth.

') Ein MarschAÜ schreibt diesbezüglich an den Kriegsminister: „Cette manie va si loin parmi les soldats qu'ä defaut de tabac ils fument des feuilles de chene et de noyer. La v^rite est que rien ne contribue plus k d^sennuyer Foisivete et k 6mousser le grand besoin que le soldat a de manger." (Pajol, Vni, 581.)

Digitized by

Google

651

Yerpflegswesen.

In der Mitte des XVm. Jahrhunderts machte sich auch in Frankreich das Bedtirfiiiss geltend, die Armee auf ärarische Kosten zu verpflegen und ihr die Vorräthe nachzuführen ; nur das Pferde- futter wurde ganz oder theilweise durch Fouragierungen verschaflEl.

Mit der Mobilmachung des Heeres wurde eine grosse Anzahl von Magazinen, deren Einführung in Frankreich als eine Schöpftmg Ludwig XV. angesehen wird, errichtet und zum Nachschübe Wagen, Schiffe, Tragthiere herangezogen, wobei die auf den Fluss- linien in Benützung stehenden Proviantschiffe leichtbewegliche Magazine bildeten. Für die Beschaffung des Fleisches erhielten die Regimenter monatlich bestbnmte Fleischgelder, aus denen die Unter-Abtheilungen die Schlachtthiere ankaufen, dieselben auch mitfiihren und schlachten Hessen, zu welch' letzterem Zwecke jedoch kein eigentlicher Schlächtereibetrieb bestand.

Das Brod wurde an den Rasttagen im Vorhinein gebacken; auch schickte man Detachements den Colonnenspitzen voraus, um die Vorbereitungen zur raschen Inbetriebsetzung der in das Feld mit- genommenen Backöfen zu besorgen; endlich sendete man professions- kundige Bäcker mittelst Wagen voraus, um die Backöfen der grösseren Ortschaften auszunützen. Zwieback, ein in der fran- zösischen Armee besonders beliebtes Nahrungsmittel, wurde bei den weiter rückwärts gelegenen Verpflegsdepots in grosser Menge bereitet.

Jede Compagnie der Fuss-Truppen und Reiterei fiihrte Hand- mühlen mit, deren Erzeugniss entweder in die Magazine geschafft oder an Ort und Stelle zur Bereitung von Speisen verwendet wurde.

Zur Diurchföhrung von Fouragierungen wendeten die Fran- zosen gerne besondere Mittel an, welche sich freilich bald ab- gebraucht hatten. Es wurden beispielsweise behufs Täuschung des Feindes Reiter - Abtheilungen mit von weitem wahrnehmbaren Sicheln gegen den Feind entsendet, um zunächst dessen Auf- merksamkeit auf sich zu ziehen ; Tag und Ort der Fouragierung dabei aber stets geheim gehalten. Die eigentliche Fouragierung vollzog sich dann an einer der Demonstrationsrichtung abgewendeten Stelle, von wo aus eine gegenseitige Verbindung unterhalten wurde. Sollte die Demonstrations - Abtheilung angegriffen und verfolgt werden, so hatten sich die Fouragem'e rasch zu sammeln und dem Verfolger in die Flanke zu fallen. Uebrigens geschahen die Fouragie- rungen auch, wie bei anderen Heeren, unter dem Schutze eigener

Digitized by

Google

652

Abtheilungen, wobei sich die Franzosen gegen die gegnerischen Reiterangriffe gelegentlich auch verschanzten.^)

Zur leichteren Durchfuhrung von Marschbewegungen wurden in Frankreich in Entfernungen von 80 bis 40 Kilometern Ortschaften als Etapenorte eingerichtet. Das Etapenwesen lag in den Händen von Untemehmem (Etapiers), die zu bestimmten Zeiten und an be- stimmten Orten den durchziehenden Truppen die Etapen-Eationen^ zu liefern hatten.

Um das Verpflegswesen machte sich zur Zeit des öster- reichischen Erbfolgekrieges der frajizösische General-Intendant S^chelles verdient. Er sorgte dafür, dass im Aufinarschraume in allen grösseren Städten, Festungen und wichtig erkannten Ort- schaften Magazine angelegt, zum Nachschübe eingerichtet und mit Massenvorräthen an Mehl und Hafer dotiert wurden.

Beförderungen und Anszeichnnngen.

Ludwig XV. machte die Beförderung von einer gewissen Anzahl Dienstjahre abhängig und ernannte die in das Heer ein- tretenden Adeligen zu Lieutenants und Cadetten, während firüher den Obersten das Recht eingeräumt war, die Officiere in ihren Eegi- mentem zu befordern.

Zur Erreichung des Patents eines Regiments-Commandanten wurden mindestens sieben Dienstjahre gefordert und zwar zwei Jahre als Fähnrich oder Lieutenant imd fünf Jahre als Capitain. Für Tapferkeit und sonstige wesentlich kriegerische Verdienste avancierten die Officiere rascher, aber nur in den Grenzen bis zum Oberst. Die Beförderung geschah aber nicht nur nach der Anciennität und nach Verdienst, sondern auch durch Gunst und Stellenkauf. Die Lieutenants mussten sich beispielsweise den Hauptmannsgrad meist erkaufen; die Chargen vom Obersten auf- wärts waren seltener durch Geld, als durch Gunst zu erreichen.

In Frankreich bestand für kriegerische Verdienste der von Ludwig XIV. gestiftete Orden des heiligen Ludwig mit der Inschrift „bellicae virtutis praemium", der vielfach verliehen woirde. Um Mitglied dieses Ordens zu werden, musste man katholischer Religion sein und mindestens zehn Jahre als Officier

*) Zu diesen Manövem, welche hauptsächlich bei der Belagerung von Prag durchgeführt wurden, verwendeten die Franzosen ihre tüchtigsten Beiter- officiere.

*) Eine Etapen-Eation kostete damals acht Sols.

Digitized by

Google

653

gedient haben. Gewöhnlich wurden die Oberste nach 18, die Oberstlieutenants nach 20, die Capitains, Lieutenants und Fähn- riche nach 28 Dienstjahren zu Rittern dieses Ordens ernannt. Zwei im Range eines gemeinen Soldaten oder eines Unter- offioiers zugebrachte Jahre wurden hiebei als ein Dienstjahr, das Kriegsjahr aber doppelt gerechnet.

Da die Officiere protestantischer Religion auf Grund der Statuten das Ludwigskreuz nicht erhalten konnten, stiftete Ludwig XV. für diese den Orden „Du m6rite militaire" mit der Devise „Pro virtute bellica".

Die Marine-Truppen erhielten bis Ludwig XIV. nur Geld- prämien als Belohnung für ihre Verdienste und weil die Stiftung des Ludwigs-Ordens auch bei ihnen das Verlangen nach einem sicht- baren äusseren Zeichen der Anerkennung rege machte, wurde für sie die silberne MedaiUe mit der Lischrift „Virtuti nauticae praemia" creiert.

Versorgungswesen.

Da das von Ludwig XIV. gegründete Ehrenasyl „Hotel des invalides" nicht die Zahl aller versorgungsbedürftigen Soldaten fassen konnte, wurden die Leichtverwundeten und die noch zu irgend welchen Diensten fähigen Invaliden in Compagnien vereint, deren es im Jahre 1740 177 gab. Die Soldaten konnten nach 25- oder 30jähriger Dienstzeit in diese Compagnien eintreten, welche damals die einzigen Gamisons-Truppen für die Schlösser und Festungen im Innern des Reiches bildeten. Die Invaliden erhielten ausnahmsweise den monatlichen Sold stets zu 31 Tagen berechnet.

Ludwig XV. sorgte auch für die im Dienste alt gewordenen Officiere und bewilligte ihnen aus seiner Privatcasse Pensionen, ohne hiefür Regeln festzusetzen. Diese Pensionen waren somit nur ein Ausfluss der königlichen Gnade, wesshalb um Verleihung derselben stets gebeten werden musste. Durch Protectionen kam es aber zu solchen Missbräuchen, dass Ludwig XV. später den Anspruch auf Pensionen gesetzmässig regelte.

Die Armee Im Felde.

Die langandauemden Märsche zur Concentrierung der Armee wurden mit Rücksicht auf die Bequemlichkeit zumeist auf Grund eines Marsch-Tableau's ausgeführt, welches jedoch nur die Marsch- Stationen und Rasttage enthielt, während die Verpflegsmassnahmen

Digitized by

Google

654

gewöhnKch erst im Aufimarschraume von eigens hiefur bestimmten Commissären oder vorgeschobenen Detacbements besorgt wurden ^).

Bei den Concentrierungsmärschen Hessen die Franzosen gerne die Colonnen einen Tagmarsch von einander getrennt marschieren, wobei die Colonnen entweder nach Waffengattungen zusammen- gesetzt waren, oder Truppen-Divisionen, aus allen drei Waffen- gattungen formiert, bildeten. Mit dieser Anordnung wurden die Ver- sammlungs-Märsche im Jahre 1741 vom Rhein nach Bayern aus- geführt und benützte zeitweise der grössere Theil der Reiterei einen Weg für sich. Die im Herbste desselben Jahres heran- gezogenen Ergänzungs-Truppen marschierten nach Waffengattungen in mehreren Colonnen, Die in der zweiten Hälfte August 1741 durchgeführten Marschbewegungen wurden von Donauwörth bis Passau auch mit einer Fluss-Instradierung combiniert, bei welcher es zwar theüs wegen Mangel an Schiffen, theils wegen nicht genauer Disposition mit den Betriebsmitteln an Unzukömmlich- keiten nicht fehlte.

Die Gefechtsmärsche gelangten unter grösseren Vorsichtsmass- regeln in mehreren Colonnen oder auch mit ganzer Frontbreite, aber unter steter Aufrechthaltung der Ordre de bataille imd Treffen-For- mation zur Ausführung. Vor allem war hiezu eine sichere Kenntniss des Landes und Terrains erforderlich, wesshalb solchen Märschen sehr gewissenhafte Recognoscierungen vorangiengen. Da die eigentUche Gliederung zum Gefechte sich erst auf dem Kampfifelde vollzog, wurden erst dort die Commandanten zur Führung der einzelnen Theüe der Schlachtordnung bestimmt, wobei auffallenderweise die Colonnen-Commandanten nicht immer das Commando der Gefechts- Gruppen übernahmen. Da die General-Lieutenants und Maröchaux de camp untereinander im täglichen Dienste wechselten, bUeb ihnen bei Commando-Uebemahme nur selten die Zeit, das Terrain zu recognoscieren, welches die ihnen unterstellten AbtheUungen besetzen sollten. Die Avantgarde, mit welcher der zur Einrichtung des Lagers bestimmte General-Quartiermeister, der Mar6chal de camp, nebst den Fourierschützen der Truppentheüe, endlich die für den Vorposten- und Wachdienst bezeichneten Truppen zu marschieren

*) Obgleich der Rhein-Uebergang im Jahre 1741 erst für den halben August bestimmt wurde, eilte der französische General Mortaigne schon im Frühjahre nach Bayern voraus, recognoscierte das ganze Gebiet, welches die Franzosen zu durchziehen hatten und bestunmte für die einzelnen Eayons des Aufmarschraumes Commissäre, welche für die nöthigen Marschbedürfnisse zu sorgen hatten.

Digitized by

Google

655

hatten, bestand nach Angabe eines damaligen Militär-Schriftstellers *) in der Regel aus 2000 Mann Infanterie, 2000 Reitern und einigen Geschützen. Sie sollte der Armee auf circa 15 Kilometer vorausgehen. Als die Franzosen anlässlioh des Rückzuges des Marschalls Belleisle von Prag nach Eger im Winter des Jahres 1742 auf 1743 die Zweckmässigkeit der Eintheilung von Artillerie in die Arrieregarde zur Abwehr der nachdrängenden feindlichen Cavallerie erkannten, machten sie es sich zur Regel, bei Rückzügen die Nachhut aus allen drei Waffengattungen zusammenzusetzen.

Der Grleichschritt wurde nach dem Muster der preussischen Armee erst im Jahre 1742 vom Marschall von Sachsen angeregt und auch eingeführt. Man unterschied dann den gewöhnlichen Schritt mit 70, den Marschschritt mit 90 und den Manövrierschritt mit 120 in der Minute, wobei die Länge des Schrittes auf 54 Cen- timeter festgesetzt war. Auf die Marschtüchtigkeit legte dieser Mar- schall, welcher zu sagen pflegte „Le secret de la guerre est dans les jambes", grossen Werth. Die täglichen Marschleistungen erreichten höchstens 15 Kilometer, wobei jeden zweiten, seltener jeden dritten Tag gerastet wurde. Neben dieser Durchschnittsleistung kamen freilich namentlich bei Rückzügen bedeutend grössere Märsche fallweise vor. ^

Die Recognoscierungen, welche den Märschen und allen Arten von Lagern vorangiengen, wurden gewöhnlich vom Mar^chal gen6ral des logis de l'armöe, dem Mar^chal de camp, ja sogar oft vom commandierenden General selbst vorgenommen. Handelte es sich um Ausmittlung eines Lagers, so nahm man hiezu auch eine Anzahl von Capitaines des guides, verlässliche Landesbewohner, Wagenmeister und berittene Jäger mit, wovon die ersteren als Wegweiser, die letzteren als Zeichner von Situations- Skizzen Verwendung fanden.

*) Puysogur, Art de la guerre (Paris, 1748), 11, 1.

*) Marschall B r o g 1 i e benöthigte im Jahre 1742 für den Eückmarsch seiner Armee von Protiwin über Pisek nach Przibram, eine Strecke von 13 Meilen, 26 Stunden, wobei Tag und Nacht marschiert und nur einmal in Mirowitz zwei Stunden gerastet wurde. Marschall Belleisle legte anlässlich seines Eückzuges von Prag nach Eger im Winter 1742 auf 1743 in 11 Tagen zwar nur 18 Meüen zurück, jedoch auf den beschwerlichsten "Wegen, zur strengsten Winterszeit, wobei den Truppen Freilager und Nachtmärsche nicht erspart blieben.

Digitized by

Google

656

Das Lagerleben gewann nächst dem Kampfe die grösste Be- deutung für den Soldaten und den höchsten Einfluss auf die damalige Kriegführung. Die Tüchtigkeit der Generale und Offi- ciere wurde auch in der französischen Armee nach der richtigen Ausmittlung und zweckmässigen Verschanzung eines Lagers beurtheilt.

Die Lager mussten im Terrain sehr stark sein; deren Flügel lehnten die Franzosen mit Vorliebe an Ortschaften an. Die Ge- schütze wurden gewöhnlich vor dem Centrum des ersten Treffens, die Cavallerie an den Flügeln aufgestellt. Die Lager wurden nebst Vorkehrungen fortificatorischer Natur noch dm-ch Wachen geschützt, welche dieselben in unmittelbarer Nähe umstellten, dann durch Feld- wachen, die gegen die Feindesseite hin etwas vorgeschoben waren. Die in der Nähe einer grossen Stadt oder Festung gelegenen Winter-Quartiere wurden hingegen durch eine Postierung gesichert.

Die in Regimenter und Brigaden formierte Armee theilte sich sowohl im Lager, als auch im Kampfe in zwei Treffen mit je einem rechten und einem linken Flügel; zeitweise wurde für die Schlacht auch noch eine Reserve bestimmt. Die Tu m arschse tzung der Armee erfolgte demnach entweder nach Treffen oder Flügeln, wobei im letzteren Falle, da zwei Cavallerie- und zwei Lifanterieflügel normiert waren, vier Colonnen, im ersteren Falle zwei Colonnen sich ergaben.

Von dieser Formation wich man selten ab; sie entsprach am besten der damaligen Kriegführung.

Die Schlachtordnung war vollkommen linear und nach den Anschauungen damaliger Zeit von schematischer Auffassung ; dess- gleichen die Durchführung der den Charakter von Parallel-Schlachten tragenden Kämpfe, bei welchen die Cavallerie-Gefechte meist ent- scheidend waren. Dieselben bestanden entweder in einem Anreiten im Trab, Abgabe des Feuers während der Bewegung luid Angriff mit dem Säbel ohne Verschärfung der Gangart oder aber auch im Vorgehen im Gtdopp ohne Benützung der Feuerwaffen.

Während des Artillerie - Kampfes , welchen die leichten Geschütze (2 per Bataillon) eröffiieten und zu welchem suc- cessive die schweren Geschütze vorgezogen wurden, blieb die Lifanterie ausserhalb des Gewehrertrages , rückte dann unter strenger Beobachtung der Intervalle und Distanzen ziemlich nahe gegen die feindliche Stellung heran, begann das Feuergefecht und vollführte endlich, wenn sie noch genügende Gefechtskraft besass, den Bajonnetanlauf unter grossem Lärm.

(Polak V, Mürzspnmg,)

Digitized by

Google

657

Zustände im französischen Heere.

Der innere Werth des französischen Heeres stand um die Mitte des XVm. Jahrhunderts keineswegs auf entsprechender Höhe.

Die Officiere betrachteten ihre Compagnie wie ein ausschliesslich ihnen gehörendes Eigenthmn, aus welchem sie den grösstmöglichen Nutzen zu ziehen bestrebt waren. Ein französischer Schriftsteller*) sagt, „dass sie nicht mehr die tapferen und fanatischen Kämpfer des XVn. Jahrhunderts, die begeisterten und dem grossen König er- gebenen Edelleute waren. Es war eine Generation von Stutzern, von leichtlebigen Wüstlingen, frivolen Spöttern, die fleissiger in den Freuden- und Weinhäusern als bei ihren Compagnien sich ein- zufinden pflegten, dabei tapfer und stets bereit, zu sterben, aber nicht mit den Soldaten die Entbehrungen zu theilen".

Die Bürgerschaft, im Laufe der letzten Decennien zu Reich- thimi und Bildung gelangt, war aus dem Officiersstande vollkommen verschwunden, da der Nichtadelige dort gewöhnlich höchstens die Hellebarde eines Sergeants zu erhoffen hatte.

Die DiscipKn war zur Zeit des Friedens übrigens eine ziemlich gute, änderte sich jedoch vollkommen zu Kriegszeiten, während welcher es eine Achtung fremden Eigenthumes nicht gab.

Die Einquartierung war mit vielen Missbräuohen verbunden; der Soldat sah sich als Herrn des Hauses an, in welchem er wohnte und nichts schützte den Eigenthümer gegen die Bedrückung der Truppen: es herrschte desshalb auch ein grosser Schrecken bei der Bevölkerung vor dieser Art von Kriegsleistungen ^.

Nach Beendigung eines Feldzuges wurden die Regimenter auf verminderten Stand gesetzt und die Mehrzahl der Officiere beurlaubt, der Rest hingegen verblieb in den Friedens-Gamisonen, wo die Officiere aus Langweile fast verdarben. Auf diese Art wurde der Kern der Armee zum Theile seiner Führer beraubt und die Erschlaffung der Disciplin war eine unausweichliche Folge dieses Zustandes. Der Soldat konnte zur Friedenszeit seine Arbeit in der Stadt versehen und war nur verpflichtet, zu einer gewissen Tagesstunde in seinem Quartier *) zu sein, wo er täglich als einzigen Vorgesetzten nur den Sergeant und Aide-major sah.

*) S u z a n e, Histoire de l'infanterie fran9aise, I, 232.

*) Paj ol, Les guerres sous Louis XV. VII, 526.

') Die Erbauung einzelner Kasernen fällt in die Zeit zu Beginn des XVni, Jahrhunderts; zu Ende desselben befanden sich beinahe in jeder Stadt schon Kasernen. (Pajol, Les guerres sous Louis XV., VII, 466.)

OeBterreiohiscLer Erbfolgekrie g. I. Bd. 42

Digitized by

Google

658

Bei Beginn des Krieges erhielten die zur Friedenszeit auf vermindertem Stand befindlichen Regimenter Ergänzungen aus den Miliz-Truppen eingetheüt An die Spitze dieser so ungleich ausgebildeten Truppen traten dann Officiere, die weder ihre Mann- schaft kannten, noch von dieser gekannt waren. Trotz alledem war ein gewisser militärischer Geist bei den Truppen nicht zu verkennen der zum Theil in den Traditionen des Heeres, zum grossen Theil aber gewiss in dem starken Nationalgefühl der Franzosen seine Quelle fand.

Für die Existenz des Soldaten wurde gut gesorgt; er erhielt eine genügende Bezahlung und eine fast reichliche Ernährung. Die frühere Verpflichtung der französischen Generale, bis zu einem gewissen Grade für ihre Officiere offene Tafel zu halten, bei welcher ein wahrhaft fürstlicher Glanz, ein sehr gewählter Ton und ein besonderes Ceremoniell herrschte, erhielt sich durch die Macht der Gewohnheit trotz der Weisungen Ludwig XV., welcher den übergrossen Aufwand zu beseitigen suchte. Um den finanziellen Euin zu verhüten, weil Verwöhnung und Luxus auf den militärischen Geist nicht forderlich einwirken konnten, erliess der König, wie einst Ludwig XIV. strenge Befehle. Der Officier hatte demgemäss von seinen Gebühren mit Würde und ohne Aufwand zu leben, um Anderen em Beispiel der Genügsamkeit zu geben. Die Art und Zahl der Speisen, sowie die Beschaffenheit des Tafelgeräthes wurde fest- gesetzt und der Train der Officiere restringiert. Gegen die herr- schende Mode Hess sich aber schwer ankämpfen; diese Massnahmen waren zwar der Weisheit eines Souverains würdig, hätten aber auch der Kraft zur Durchführung bedurft.

Es fehlte nicht an strengen königlichen Ordonnanzen, welche Vergehen und Verbrechen mit schwerer Strafe belegten. Vom Jahre 1733 an gab es besondere Gesetze für die Militär-Gerichts- barkeit. Li Friedenszeiten erfolgte das Urtheil auf Tod durch ein aus sieben Officieren zusammengesetztes Kriegsgericht; im Kriege konnte es auch standrechtlich verhängt werden. Das gefällte Urtheil gelangte in jedem Falle an demselben Tage zur Ausführung. Der Tod am Galgen war entehrend, jener durch Pulver und Blei nicht. Die Desertion, der Verrath, die Spionage wurden nicht durch Er- schiessen bestraft, die Bestrafung dieser Vergehungen bheb theil- weise der Willkür des Commandanten überlassen. Auf Diebstahl, Missbrauch der Amtsgewalt, Mord, Verletzung der guten Sitte, unerlaubtes Beutemachen war der Tod am Galgen oder die Galeeren-

Digitized by

Google

\

659

Strafe gesetzt. Das Gefängniss, das flir schimpflich geltende Spiessruthenlaufen und die körperliche Züchtigung wurde verhängt, wenn Soldaten das Lager oder die Garnison verliessen, wenn sie sich an dem Leben eines Privatmannes vergriffen, nicht ihre Fahnen vertheidigten etc. Durch die Degradierung vor den ver- sammelten Truppen glaubte man am meisten auf das Ehrgefühl zu wirken.

Die Disciplinar-Strafen bestanden im Anbinden an einem Pfahl, Zimmer- Arrest, Straf-Exercieren und in verschiedenen Frohn- dienst-Leistimgen, welche der Soldat mit der Bonnet de police, versehen mit zwei verschiedenfarbigen Strümpfen oder mit einem Strumpf auf dem einen Fusse und mit Gamaschen auf dem anderen ausführte. Das Schuldenmachen bei den Officieren wurde mit dem Gefängniss bestraft, das so lange währte, bis die Schulden be- glichen waren. Auf das in der Mitte des XVlii. Jahrhunderts über- handnehmende Duell war die Todesstrafe gesetzt, ohne den ge- wünschten Effect damit zu erreichen.

Seemacht.

Während unter Ludwig XTV. die Marine Frankreichs sich zu imponierender Stärke erhoben hatte, verfiel das Seewesen unter seinem Nachfolger mehr und mehr. Den Stab der Marine bildeten die Vice-Admirale (Lieutenant-g6n6ral), die Chefs der Escadre, deren Rang jenem der heutigen Contre-Admirale gleichkam, femer die Schiffs-Capitaines, die Majore, Lieutenants und Fähnriche. Um Marine-Officier zu werden, war der Eintritt in die Marinegarde nothwendig, welcher schon mit dem vollstreckten 14. Lebensjahre gestattet wurde. Es gab drei solcher Marinegarde-Compagnien und zwar je eine zu Brest, Toulon und Eochefort. Für die Ergänzung der Marine-Truppen war die von C o 1 b e r t geschaffene „Inscription maritime" massgebend, wonach jeder Küstenbewohner ein Jahr in der Kriegsmarine dienen musste. Frankreich erreichte dadurch eine bedeutende Zahl geschulter Matrosen. Zur Bewachung der Küsten wurden Milizen („Milice-garde-cöte") herangezogen und zu Wach- Compagnien vereinigt, die aus jenen Küstenbewohnem ausgehoben wurden, welche von dem Dienste bei den Provinzial-Regimentem enthoben waren. Die Stärke dieser Compagnien, denen in einigen Gegenden auch Dragoner-Compagnien zugewiesen waren, wechselte je nach den örtlichen Verhältnissen.

Die Kriegsflotte zählte über 50 grosse Schiffe. Unter Ludwig XV. waren die Arbeiten zur Erweiterung des Hafens

42*

Digitized by VjOOQIC

660

von Brest und der Ausbau des Hafens von Toulon beendet worden.

Als Uniform trug die Marine einen blauen Rock mit rothen Aufschlägen; von gleicher Farbe waren auch Weste, Hose und Strümpfe. Bei den Ofi&cieren waren Rock und Weste nach den verschiedenen Ghraden mehr oder weniger reich mit Borden verziert

Die Administration der Marine war Intendanten und Commis-

sären anvertraut, dem Elriegs-Ministerium hingegen blieb der Einfluss

auf den Seehandel, die Befestigungen maritimer Plätze und Häfen,

dsÄ öaleerenwesen und die Verwaltung der Colonien imd Consulate

gewahrt.

{Polak V. Mürzsprung,)

Digitized by

Google

Wehrwesen Sardiniens/)

Infanterie.

30 Regimenter und zwar: 10 permanente, 10 Provinzial- und 10 fremde.

Die permanenten Regimenter, je 2 Bataillone zu je 8 Com- pagnien zählend, deren Stand seit 1741 mit 600 bis 700 Mann fixiert war, befanden sich immer, also auch im Frieden unter den Waflfen.

Die Provinzial-Regimenter formierten je ein Bataillon, dessen Stand seit 1714 mit 1000 Mann normiert war; die Mannschaft wurde nur bei Kriegszeiten ausgehoben.

Die Stärke der fremden Regimenter war ungleich. Dieselbe hieng von dem jeweilig mit dem Inhaber geschlossenen Vertrag ab.

Ebenso ungleich war auch die Anzahl der Bataillone, wie dies aus nachstehender Tabelle hervorgeht.

Permanent

Bat.

Frovinsial

Bat.

Fremd

Bat.

Guardie Savoia Monferrato Piomonte Saluzzo . Fucilieri Marina . Sicilia . Begina . Lombardia

Chablais . Tarantasia Torino . Mondovi Asti . . Pinerolo Casale . Nizza . . Aosta . Vercelli .

Schulenburg Kalbermatten Andibert Burgsdorf Guibert . Boguin . Bheidt . Keller . Baden . Meyer .

Stärke 14.000

20

Stärke 10.000

10 II Stärke 16.800

Zusammen 64 Bataillone in der Stärke von 40.800 Mann.

») Buf fa di Perrero, Carlo Emanuele m. di Savoia, Turin 1887, 18 ff.

Digitized by

Google

662

Cayallerie.

6 Regimenter, darunter 4 Dragoner-Regimenter. Jedes Regiment zählte 5 Escadronen zu je 130 Reitern. Im Verlaufe des Krieges erftihr die Cavallerie eine Reorganisierung. So wurden seit 1744 statt der 5 Escadronen 11 Compagnien aufgestellt, worunter eine Carabinier-Compagnie. Der Stand einer solchen Compagnie betmg 76 Reiter.

Regimenter

3o

Begimenter

IMl

Dragoner del Re

di Piemonte . . .

di S. Altezza Beale della Regina . . .

Piemonte Beale .

Savoia

Guardie del corpo

5 5 IVi

.11

11' 3'

Dragoni leggieii Sardi . . - IVii 3

20|44!l

13 28

^usanmien 83 Escadr. (72 Comp.) in der Stärke von 1690 (5400) Reitera.

Digitized by

Google

Das Welirwesen Spaniens.

Oeit Philipp von Anjou sich des Thrones von Spanien bemächtigt hatte, war grosse Sorgfalt auf den Ausbau der "Wehr- macht verwendet worden. Das Beispiel Frankreichs nachahmejid, wo die Armee ein Gegenstand besonderer Fürsorge seitens des Königs war, sparte die spanische Heeresleitung weder Mühe, noch Kosten, um im Bedarfsfalle mit Kraft und Energie auf- treten zu können. Thatsächlich wurde dieser Eifer auch belohnt. Die spanische Armee erwarb sich ein gewisses Ansehen auch im Auslande, speciell in Italien. Seitdem spanische Waffen das König- reich, beider Sicilien geschaffen hatten, wurden die Bourbonen ein doppelt gefährlicher Gegner.

Der Oberbefehl über die gesammte Wehrmacht war dem Könige vorbehalten. Als berathendes, theils auch als fahrendes Organ stand ihm der Kriegsminister zur Seite, doch erhielt jeder selbstständige Heerführer die nöthigen Weisungen stets direct vom Hofe. Bindende Befehle erfolgten nur selten und wenn solche erlassen wurden, waren dieselben meist bereits gegenstandslos geworden. Wenn der Courier aus Madrid beim Heere eintraf, hatte sich die Situation gewöhnlich schon derart verändert, dass der mitgebrachte Befehl nicht befolgt werden konnte. In keiner Armee wachten die Generale so eifersüchtig über die ihnen ein- geräumten Vollmachten, eis gerade bei der spanischen. Die Per- sönlichkeit des Einzelnen, sein Charakter und sein Temperament übten auf den Gang der Operationen den grössten Einfluss aus. In einer Beziehung aber waren sie Alle gleich: im Entfalten von Pomp. Die spanische Grandezza liebte den Prunk, das Blenden der Massen durch glänzende Schaustellungen, theils aus angeborener

Digitized by

Google

664

Neigung dazu, theils auchy um der italienischen Bevölkerung die Ueberzeugung aufeudrängen, dass Spanien enorm reich seL Darum bildete der Gegner nicht immer die Hauptsache. Im spanischen Hauptquartier wurde die Politik fast mehr gepflegt, als der Ejieg selbst. Den italienischen Adel für das Interesse Spaniens zu er- wärmen, wurde kein Mittel unversucht gelassen. Rauschende Festlichkeiten folgten einander in bunter Folge, Bälle, Concerte, Opemvorstellungen waren an der Tagesordnung.

Auffallend ist die Bestimmung, dass der jeweilige Ober-Feldherr das Hecht besass, an Schlaohttagen eine eigene Leibwache zu- sanmienzustellen. Der Commandant derselben, zumeist auch ein Greneral, haftete mit seinem Kopfe für das Leben des Höchst- commandierenden. ^)

Vor Ausbruch des Erbfolgekrieges war General-Capitain Graf von Montemar die bedeutendste Persönlichkeit im spanischen Heere.

Seit dem Siege bei Bitonto galt er als erste Autorität. Nur desshalb wurde ihm der Oberbefehl anvertraut. Die ihm zu- gemuthete Aufgabe war nicht leicht, doch zweifelte Niemand an deren Gelingen. An sich ein fähiger Kopf mit viel Energie und Erfahrung, fehlte ihm jedoch das zähe Ausharren im Verfolgen des einmal gefassten Planes. Mehrere örtlich von einander ge- trennte Gruppen zu leiten, dazu war er nicht geschaffen. Zugleich kannte seine Eigenliebe keine Grenzen. Er opferte lieber die Sache, bevor er seinem Stolze eine Demüthigung auferlegte. Schroff bestand er auf seiner Meinung und Hess sich von derselben nicht abbringen. Den Herzog von M o d e n a, dem er sich vertragsmässig hätte imter- ordnen sollen, würdigte er kaiun eines Blickes. Darum zögerte er denn auch, die Grenzen des Herzogthimis zu betreten, weil er den Herzog nicht über sich dulden mochte. *) Mit Untergebenen verfiihr er rauh und hart, um sie fühlen zu lassen, wie hoch er über ihnen stehe. Bezeichnend ist der Ausspruch, den er 1735 machte: Er hoffe, bis nach Wien vorzudringen. Den Oesterreichem war er überhaupt nicht gewogen, dennoch trachtete er stets, die Kriegs- gefangenen, deren er hatte habhaft werden können, ziun Uebertritt in spanische Dienste zu bewegen. Wer nicht freiwillig sich dazu entschloss, bekam einfach so lange keine Nahrung, bis er den Willen des General-Capitains erfüllte.

*) Saint Simon, Guerre des Alpes, Amsterdam 1770, 120.

') Siehe „EröiFming der Offensive von Seite Spaniens" im V. Bande.

Digitized by

Google

665

Sein Nachfolger im Commando, G-eneral-Lieutenant Graf von Q-ages^) war wohl tüchtig, doch noch nicht erprobt als Führer einer selbstständigen Armee. Zudem befand er sich bereits in vor- gerückten Jahren. Den Oberbefehl im eigentlichen Sinne besass er nicht lange, da er in der Folge dem Könige beider Sicilien untergeordnet wurde. Q-ages pflegte rasch zu marschieren, versäumte auch nie, sich dabei entsprechend zu sichern. "Wenn er irgendwo für längere Zeit ein Lager bezog, machte er von flüch- tigen Befestigungen den ausgedehntesten Gebrauch.

General-Lieutenant Las Minas hatte seinen Ruhm als Heer- ftihrer ausschliesslich nur auf spanischem Boden erworben. Vor Ausbruch des Krieges war er eine Zeit lang in Paris in diplo- matischer Mission anwesend. Li Frankreich persönlich unbeliebt, wurde er dem Infanten Don Philipp als Adlatus zugetheilt, weil er im Eufe stand, das Wesen des Gebirgskrieges vollkommen inne- zuhaben. Des Lifanten Einfluss auf die Operationen war unerheblich. Er besass weder genügend Autorität, noch auch Erfahrung genug, um einen ihm vorgelegten Plan prüfen zu können und Las Minas hatte also vollkommen freie Hand. ^

Das Officiers- Corps bestand der überwiegenden Mehrheit nach aus Spaniern und Portugiesen. Doch gab es auch viele L:en, Wallonen, Italiener, selbst Deutsche und auch Oesterreicher, welche vom Schicksal nach der iberischen Halbinsel verschlagen worden waren.

Die einflussreichen Stellen blieben selbstredend dem ein- heimischen hohen Adel vorbehalten. Dieser betrachtete das Er- langen des Officierspatents wie eine selbstverständliche Sache, die ihm von Rechtswegen gebührte. Darum war denn auch das bei jedem Regimente eingetheilte Officiers-Corps der Anzahl nach er- staunlich gross. An und für sich war der Officier nicht schlecht, er focht brav und trug willig die ihm auferlegten Strapazen, wenn er wusste, dass der gegebene Augenblick es so verlangte. Für gewöhnlich aber durfte sein Hang nach Zerstreuung und Unter- haltung nicht eingedämmt werden. Das Kartenspiel wurde sehr eifrig gepflegt, mancher Officier lebte vom Gewinnst. Die jungen Officiere und es gab deren sehr viele neigten zu Uebermuth und tollen Streichen, ohne aber dabei ihrer Würde

*) Ueber Gages siehe „Die Vorbereitungen" im V. Bande.

') S a 1 u z z o, Histoire militaire de Pi^mont, Turin 1818, V., 896 und 398.

Digitized by

Google

666

etwas zu vergeben. Zu straffe Disciplin erzeugte unter ihnen Missstimmung, das leichtlebige Naturell vertrug rauhe Behandlung nicht.

Die Truppen.

Ansdog wie in den anderen Staaten kannte die spanische Armee nur zwei grosse Gruppen: Infanterie und Cavallerie. Eine selbstständig organisierte Artillerie gab es noch nicht. Die Infanterie schied sich der Hauptsache nach in reguläre Regi- menter und solche Abtheilungen, welche nur von Fall zu Fall und fiir ganz besondere Zwecke errichtet wurden. Unter den regulären Regimentern standen die Garden obenan; dieselben zählten sechs, die andern Regimenter blos zwei Bataillone mit einem systemisierten Stande von 350 Mann ^), wobei die Grenadier-Compagnie schon mit inbegriffen war. Benannt wurden die Regimenter theils nach ihrem Inhaber, theils führten dieselben den Namen jener Provinz, aus welcher die Maimschaft entstammte. *) Die überwiegende Mehrheit der letzteren bestand aus Einheimischen, doch fanden sich neben diesen auch viele Ausländer, die entweder freiwillig sich hatten anwerben lassen oder aber mit Gewalt verhalten wurden, unter den spanischen Fahnen zu dienen. So gab es eine immerhin grosse Anzahl von ehemals österreichischer Mannschaft, welche 1735 in Kriegsgefangenschaft gerathen und seither nicht wieder in Freiheit gesetzt worden war. Im Verlaufe des Feldzuges zeigte sich das Missliche dieses Verfahrens ; die Leute desertierten, um dem ihnen lästigen Zwange zu entkommen. Die so entstandenen Lücken wurden durch neuangeworbene Deserteurs gedeckt.') Eigenartig organisiert und abweichend von der bei den Spaniern üblichen Tactik verwendet wurden die „Miqueletten", los Mignones, wie sie bei den Spaniern hiessen. Ihre Aufgabe war der Gebirgs- krieg, das Fechten in kleinen Abtheilungen weit abseits vom Gros. Sie repräsentierten den Begriff Gebirgsjäger, es waren abgehärtete, anspruchslose Leute, denen kaum eine Anstrengung zu gross schien. *)

*) Ar vor 8, Guerre de la Succession d*Autriche, I, 142.

*) Die Bezeichnung nach Inhabern war sehr selten gebräuchlich ; in der Kegel walten die geographischen Namen vor. Siehe V. Band : „Der Krieg in Italien".

•) Wiederholt wurde dem Hof-Kriegsrath berichtet, dass spanische Agenten die österreichischen Truppen zur Desertion verleiteten.

*) Arvers, a. a. 0., 1, 148.

Digitized by

Google

667

Die Cavallerie-Eegimenter zählten durchwegs drei Escadronen; ein Unterschied in der Benennung bestand nur inso- fern, als ein Theil der Eegimenter zu den Dragonern gerechnet wurde, indess die Mehrheit Cavallerie-(Cürassier-) Regimenter waren.

Heeres-Ergänznng.

Die grosse Masse war durch "Werbung aufgebracht. ^) Die

Anzahl der freiwillig Eintretenden erreichte keine grosse Höhe

und bestand der Mehrheit nach aus Deserteuren, die wohl das

Handgeld nahmen, bei nächster Gelegenheit aber wieder das Weite

suchten.

{Ströbl V, Bavelsberg.)

^) Details fehlen hierüber. Es scheint aber, dass Spanien bis zu einer gewissen Grenze das Beispiel Frankreichs nachahmte. Auffallend ist der Umstand, dass Spanien ganze Regimenter dem Könige beider Sicilien abtrat und auf eigene Kosten daselbst beliess. Die Massregel war durch politische Gründe motiviert, indem Spanien, namentlich zu Beginn des Feldzuges, bei den Engländern keinen Verdacht erwecken wollte.

Digitized by

Google

Das Wehrwesen des Königreiches beider Sicilien.

JJer Staat als solcher war viel zu jung, um eine Armee haben zu können, die ihren Geist aus althergebrachten Traditionen geschöpft hätte. Von einer eigentlich neapolitanischen Armee konnte schon darum keine Rede gewesen sein, weil Officiere, wie Mannschaft noch vor Kurzem in spanischen Diensten gestanden hatten. Im grossen Ganzen besass das Königreich beider Sicilien so ziemlich alle jene Einrichtungen, welche bei der spanischen Armee üblich waren, nur war darauf Bedacht genommen worden, den ein- heimischen Adel zum Dienen im Heere zu veranlassen.

Den Oberbefehl führte der König nicht nur dem Namen nach, sondern auch in Wirkliclikeit. Don Carlos hatte zwar Anfangs sich darauf beschränkt, einem Stellvertreter das Commando anzu- vertrauen, allein später begab er sich in eigener Person nach dem Kriegs-Schauplatze. Die so nothwendige Harmonie unter den Per- sonen des Hauptquartiers aufrecht zu erhalten, war Niemand so berufen, wie er. Abgesehen von seiner Stellung als König, war er als gebomer Spanier am ehesten in der Lage' die spanischen Generale in der richtigen Weise zu behandeln. Seine Machtbefiigniss scheint aber nicht genau abgegrenzt gewesen zu sein, da seinerseits auf den Gang der Operationen nicht viel Einfluss genommen wurde. Neben dem Könige tritt nur eine Persönlichkeit in den Vordergrund, der General-Lieutenant Herzog von Castropignano. ^) Vor Ausbruch des Krieges war derselbe Botschafter in Paris gewesen. Von dort zurückberufen, übernahm er über Auftrag des Königs

^) Im Verlauf des Feldzuges 1733 bis 1734 hatte Castropignano die Luniggiana besetzt und später Pescara belagert; siehe „Feldzüge des Prinzen Eugen", XIX.

Digitized by

Google

669

das Commando. Mit Montemar, dem der Herzog coordiniert war, vertrug er sich nicht. Es gab häufig Keibungen, obschon beide G-enerale seinerzeit Waffengefährten gewesen waren.

Vom Officiers- Corps gilt dasselbe, was bei Spanien gesagt wurde.

Bei dem Mangel verlässlicher Angaben über die Einrichtungen des neapolitanischen Heeres ist eine präcise Darstellung der Organisation kaum möglich. Nur ab und zu, gelegentlich von den zeitgenössischen Schriftstellern berührt, finden sich Andeutungen, die kaum annähernd einen Zusammenhang gestatten. Nur zweimal ist ein tieferer Einblick möglich: in der Aufstellung am Panaro im Frühjahre 1743 und in der Stellung bei Velletri im Sommer 1744. Durch Vergleichimg der in der Ordre de bataille ange- führten Abtheilungen ergibt sich für die Infanterie - Regimenter ein Stand von einem Bataillon. Sind deren zwei oder gar drei angegeben, so ist dasselbe spanischen Ursprungs und gehört nur leihweise dem König von Neapel. Schlecht bestellt war es xxm die Cavallerie. Ausser einer berittenen Leibwache in der Stärke einer Escadron besass die neapolitanische Armee nicht einen einzigen Cavalleristen. Die angeblich neapolitanische Cavallerie befand sich nur für die Dauer des Feldzuges beim Könige, sie war, gleich den vorhin erwähnten Infanterie-Regimentern, nur leihweise dem Reiche beider Sicilien überlassen worden.

{Strobl V, Bavelsherg.)

Digitized by

Google

Digitized by

Google

Digitized by

Google

Digitized by

Google

U(,

kdby Google