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JULIUS MEIER-GRAEFE

EUGENE DELACROIX

BEITRÄGE ZU EINER ANALYSE

MIT

HUNDERTFÜNFUNDVIERZIG

ABBILDUNGEN, ZWEI FACSIMILES UND EINER

ANZAHL UNVERÖFFENTLICHTER

BRIEFE

MÜNCHEN / R. PIPER & CO. / VERLAG

Vit)

553

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Seite

Der Romantiker i

Die Lehrer der Jugend 25

Analyse und Synthese 41

Rubens und Raffael 49

Die Farbenlehre 67

Die Dekoration 87

Der Graphiker 107

Rembrandt 115

La Maniera Magnifica 131

Abbildungen 139

Briefe an den Baron Schwiter 255

Vier Abbildungen 267

Verzeichnis der Abbildungen 271

DER ROMANTIKER

Les grandes pensdes viennent toujours du coeur.

Vauvenargues.

Der Vater, einer der Aufgeklärten des i8. Jahrhunderts, hatte mit über Louis X VI . zu Gericht gesessen, wurde unter dem Directoire Minister des Äußern, und in dieser Stellung von seinem Freunde, dem Prinzen Talleyrand, abgelöst^. Als Eugene Delacroix, sein dritter und letzter Sohn, geboren wurde es war am 7. Floreal des

'■ Die Legende, nach der Eugene Delacroix der Sohn des Prinzen Talleyrand sein soll, hat heute keine Anhänger mehr.

4 DER ROMANTIKER

Jahres VI, d. i. dem 26. April 1798, in seinem Landhause in Charenton bei Paris , war der Vater Gesandter Frankreichs in Holland. Die beiden anderen Söhne waren Soldaten; der eine tapferer General Napoleons, der andere fiel jung in der Schlacht bei Friedland. Eine Tochter, Henriette, zwanzig Jahre älter als der Bruder, war mit dem Gesandten de Verninac Saint- Maur verheiratet. An sie erinnert ein schönes Bildnis von David, das früher Delacroix gehört hat. Unter den nächsten Verwandten der Mutter, Victoire Geben, finden sich geschickte Kunstgewerbler aus der besten Zeit Frankreichs, deren Namen mit Wohlgefallen von den Sammlern der Bibelots des Dixhuitieme genannt werden. Ihr Vater war der Sieur Geben. Er hat für die Pompadour manchen kostbaren Spiegel kreiert und soll ein Lieblingsschüler des Alt- meisters Boule gewesen sein. Noch berühmter war und ist im selben Fach ihr Onkel Riesener, von dem die Pariser Museen viele schöne Möbel und Zeichnungen für Innendekorationen bewahren. Riesener und Geben haben viel zusammen gearbeitet und unter anderem mit Duplessis den kostbaren Sekretär Ludwigs XV. geschaffen, eins der Prunkstücke des Louvre. Es paßt nicht eben schlecht zu Delacroix, daß meisterliche Handwerker der Materie zu seiner Familie gehören. Der Sohn des Ebenisten Riesener, Delacroix' Onkel, der Maler Henri- Francois Riesener, ein Schüler Davids, bestimmte den Achtzehn- jährigen, in das Atelier Guerins einzutreten. Der Umstand, daß schon der Knabe großes Talent bewies, unterscheidet diese Bio- graphie nicht von vielen anderen. Auffallender als die Anlage für die Kunst war das musikalische Gehör des Kindes. Ein alter Musiker, ein persönlicher Freund Mozarts, damals Organist der Kathedrale von Bordeaux, wo Delacroix einen Teil seiner Jugend verlebte, tat alles mögliche, um die Mutter zu bestimmen, den Jungen das Komponieren lernen zu lassend

' Die meisten biographischen Details sind der autobiographischen Skizze ent- nommen, die am vollständigsten der Freund Delacroix', L. Veron, im ersten Band seiner Memoires d'un bourgeois de Paris (Gonet 1853, Paris) abgedruckt hat und die DelacroLx wahrscheinlich für ihn geschrieben hat (vgl. Journal II, 225). Dieselben Notizen haben Piron vorgelegen, der einige von V. nicht benützte Stellen wieder- gegeben hat (Eugene Delacroix, Sa vie et ses oeuvres, Imprimerie Jules Claye, Paris [anonym] 1865 S. 38 ff.). Die autobiographische Skizze Delacroix' enthält auch interessante Nachrichten über Gericault.

DER ROMANTIKER

Delacroix hatte von der Mutter die Zartheit der Empfindung und vielleicht die geschickte Hand, die auffallend klein war; von dem Vater den philosophischen Geist, die männliche Energie und etwas, das bei dem Umfang des Künstlers gering erscheint, den nie ver- hehlten Anstand des « homme du monde » und des klugen, wenn auch nie doppelzüngigen Diplomaten. Talleyrand hatte ihn auf den Knien gewiegt. Freilich besaß er nicht die Maske des nor- malen Weltmannes, überhaupt keine normale Maske. Der olivene Teint, das bis ins Alter rabenschwarze Haar, der breite Mund mit den breiten Zähnen, das energische Kinn, die stark zurück- liegenden, oft fieberhaften Augen gaben ihm etwas Fremdartiges, Exotisches. Er erschien auf einem Maskenball, den der Herzog von Orleans in den Tuilerien gab, in einem orientalischen Kostüm und hätte, berichten die Augenzeugen, wirklich für einen morgen- ländischen Fürsten gelten können^. Er war nicht schön, sah eher wild aus, und zu dieser Wildheit bildete die vollendete Ruhe, seine sehr gewählten Bewegungen und die stille, temperierte Liebens- würdigkeit einen seltsamen Kontrast. Hinter dem frühzeitig durch- gearbeiteten Antlitz ahnte man Stürme. Wenn Michelangelo zu seiner Zeit gelebt hätte, wäre er ähnlich gewesen. Er war ungemein leicht erregbar und verbarg es, um am nächsten Tag in seiner Klause dafür zu büßen. Die Stimme zitterte leicht, wenn er in ge- lassenen Worten einer Meinung widersprach. Er hatte oft zu wider- sprechen und tat es mit ausgesuchter Höflichkeit, aber kurz. Die Freunde rühmen seinen blendenden Witz. Er verstand, ihn zurück- zuhalten. Die Frauen muß schon das Äußere des Seltsamen gelockt haben. Doch kennt man keine seiner Lieben, und er hat keine, die ihn mehr als eine Stunde seiner Erholung gekostet hätte auch die nur in der ersten Jugend , gehabt. Er haßte den Vulgus mehr als seine Feinde. Als Laurent Jan von seiner nicht witzlosen Broschüre gegen Ingres eine Massenauflage veranstaltete, trat Delacroix mit großer Energie für den Gegner ein, dessen Schwächen er wie kein anderer durchschaute, und der ihm wie kein anderer im Wege war^

G. Dargenty, Eugtae Delacroix par lui-m6me (J. Rouam, Paris 1885).

* Laurent Jan, « Ingres, peintre et martyr i>. Theophile Silvestre (Eugene Delacroix, documents nouveaux, Paris 1864) verkennt in diesem Falle, so gut er ihn sonst ver- steht, die Koketterie des Meisters. Man braucht nur das Journal Delacroix' nach-

DER ROMANTIKER

Er war stolz und undurchdringlich und bezauberte jeden, zumal die ganz Einfachen, so die Handwerker, mit denen er zu tun hatte; war ungemein gesellig und lebte wie ein Anachoret, war skeptisch bis zur tiefsten Menschenverachtung und selbst beschränkten Ge- nossen der beste Freund. Er liebte sehr seine Mutter, die er noch als Jüngling verlor, und sah am Tage ihres Begräbnisses von einem Fenster gleichgültig der Aufstellung des Leichenzuges zu, so kühl, daß er sich seiner selbst schämte. Da erblickte er zufällig auf der anderen Seite der Straße eine Bettlerin, der seine Mutter stets ein Almosen zu geben pflegte. Er brach in solche Verzweiflung aus, dass die Seinigen um ihn besorgt wurden^.

Viele Widersprüche in seinem Schicksal. Dreimal im Verlauf eines Jahres wird das Leben des Kindes nur durch Wunder ge- rettet. Er lebt und scheint von seinem zwanzigsten Jahre an lang- sam zu sterben. Er beginnt um diese Zeit das größte Oeuvre, das die Geschichte der neueren Kunst besitzt. Er lebt vorsichtig wie ein Schwindsüchtiger nie traf man ihn in dem stets überhitzten Atelier anders als mit einem Riesenschal um den Hals und einer Mütze auf dem Kopf und gönnt sich trotz des Widerspruchs seines Arztes nur eine Mahlzeit am Abend, um tagsüber, von acht Uhr morgens an, besser arbeiten zu können. Er ist vom ersten Bilde an berühmt und hat nie ein Publikum gefunden. Ja, man könnte fast sagen, die Zahl der Verehrer seiner Kunst, namentlich seiner einflußreichen Verehrer, habe mit den Jahren im selben Maße abgenommen, in dem seine Berühmtheit, die Achtung, die seine Mitbürger dem Menschen entgegenbrachten, zunahmt Und er erscheint uns heute als der einzige der großen Künstler des 19. Jahrhunderts, der als ein Repräsentant im Sinne der alten Meister gelten kann.

zulesen und den Brief, den Delacroix an denselben Kritiker schrieb (Lettres, Burty S. 261), in dem er seinen Verehrer auf die Art von Diskussionen weist, die er allein für würdig und ersprießlich hielt.

* Vgl. die Erinnerungen seines Vetters, des Malers Leon Riesener, die Burty in der Vorrede zu den « Lettres d'Eugene Delacroix » (Quantin, Paris 1878) zitiert.

' Chesneau schrieb: « L'artiste, ä vrai dire, n'a jamais eu de pubUc. . . . C'est un singulier phenomene qu'un homme superieur reussissant par ses quaUtes personnelles, par l'elegance et la distinction de son esprit, et m a 1 g r e les qualites qui consti- tuent sa superiorite: ses qualites d'artiste. >

DER ROMANTIKER

In seiner Kunst glaubt mancher ebenso viele Widersprüche zu finden. Doch bestehen sie in Wirklichkeit hier so wenig wie irgend- wo in dem Dasein dieses Menschen, erscheinen nur so dem Kurz- sichtigen, der die Größe nicht zu überblicken vermag. Freilich, wer kann das? Das Werk liegt heute weit genug zurück. Man sollte meinen, Abstand nehmen zu können. Aber es fehlt, wenn nicht an Abstand, an Voraussetzungen, um ihn recht zu benützen. Und wenn einer schon die Empfindungen mitbrächte, um sich für sich ein schwankendes Bild aus den unzähligen Bildern zu malen, wie soll er es darstellen? Es fehlt an Worten, die stark genug wären, seinen Wert von den anderen, die so viel Worte verbraucht haben, abzuheben, und an der Möglichkeit einer Resonanz, auf die man rechnen müßte. Wie tief, könnte ich mit einem seiner unzähligen Biographen sagen, fühle ich mich der Aufgabe unterlegen, diesen Menschen zu schildern. Und wie tief, könnte man hinzufügen, ist unsere ganze Zeit dem Verständnis solcher Aufgaben entrückt!

Delacroix ist der letzte der Großen, deren Art Poussin die Ma- niera magnifica nennt. Er gehört zu dem göttlichen Meister der «Entführung der Sabinerinnen», des «Triumph der Flora», der «Bacchanale», gehört irgendwie zu ihm, z. B. weit eher als zu David, Ingres, Corot und Daumier. Das ist sehr sonderbar, wenn man es recht überdenkt. Wie wenig haben solche Zeitgenossen, die uns neben ihm als die bedeutendsten Meister seiner Epoche er- scheinen, mit ihm gemein! Weist ihm das etwa eine Stellung in der Vergangenheit an? ist er wirklich dem Meister Frankreichs, den man allein als seinen Vorgänger in der Würde, die er einnahm, bezeichnen kann, verwandt?

Vier Dinge sieht Poussin als wesentlich an: als erstes die große materia, so viel und mehr als das würdige Motiv; dann das argo- mento und concetto, das heißt, den schöpferischen, wohldurch- dachten Gedanken ; dann die struttura, den wohlgefügten Bau und den Stil «una maniera particolare e industria di dipingere e disegnare nata dal particolare genio di ciascuno» . . . Das paßt auch auf Delacroix. Diese vier Dinge hatte er ganz gewiß. Aber während sie Poussins Art, soweit es überhaupt solche Begriffe vermögen, ungefähr bestimmen, scheinen sie von Delacroix' Art nur ganz schemenhafte Umrisse zu geben. Eins bleibt von diesen Begriffen

8 DER ROMANTIKER

ganz unberührt oder erscheint nebensächlich, während es bei Delacroix zu dem Kern wird, der seiner materia, seinem argo- mento e concetto, seinem struttura e stilo eine ganz andere Be- deutung zuweist, eine, die es in der Maniera magnifica Poussins nicht gab, noch geben konnte weshalb Poussin nicht kleiner erscheint ^, die erst Jahrhunderte später entstehen konnte, nach Zeiten einer tiefgründigen Evolution des Menschlichen: die durch- aus zentrale, mit dramatischer Gewalt wirkende Teilnahme der Persönlichkeit an der Schöpfung, an einer Schöpfung, die mit der Umsicht und Gelassenheit eines Poussin zustande kommt.

Man hat in dieser Schöpfung immer nur den Teil gesehen, der dem Geiste Poussins, ich meine alles, was mit diesem Geiste zu- sammenhängt, zu widersprechen scheint, und hat auf Grund dieser Meinung die Stellung Delacroix' bestimmt. Die Kunstgeschichte nennt ihn Romantiker, weil er für den Überwinder des Klassizismus gilt, weil er romantische Dinge gemalt hat, und noch aus manchen anderen Gründen. Der Name wäre gut, wenn er ganz falsch oder ganz richtig wäre. Man kann mit ihm ungefähr alles machen und unter anderem auch das bezeichnen, das sicher in Delacroix war, und etwas anderes, das nicht weniger typisch für die Romantik gilt und von dem nicht das mindeste in ihm zu finden ist. Aber auch die weiteste, vom Historischen absehende Fassung des Begriffs der Romantik wird Delacroix zu eng nehmen, und eine Betrachtung, die von der Romantik ausgeht, um zu ihm zu gelangen, wird Mühe haben, gerade die Irrtümer zu vermeiden, die wesentliche Eigen- schaften des Künstlers und des Menschen in Frage stellen^. Ein- facher und ersprießlicher ist es, von dem Menschen und seiner Schöpfung auszugehen, von seinen Bildern, ihrer Entwicklung, ihrer Gesamtheit, und von der Beziehung dieser Gesamtheit zu dem Menschen. E^as aber geschah schon in früheren Zeiten, als sich in Frankreich noch geistvolle Menschen mit Kunststudien abgaben, selten, geschieht heute so gut wie gar nicht mehr. Baudelaire sagte einmal, er möchte sehr alt werden oder noch einmal wieder- kommen, nur um sich an dem Frohlocken der Generationen über Delacroix zu weiden. Wer weiß, wie lange er auf diese Wiederkunft

' Vgl. z. B. die lesenswerte Studie von Konrad Weiss: Eugen Delacroix, das Pro- blem des romantisclien Genies (Hochland, Septemberheft 1912).

DER ROMANTIKER

noch warten kann. Es gibt wenige Künstler, deren Namen ge- läufiger sind, und mit denen man leichtfertiger umgeht. Man spricht von ihm wie von einem Bilde, von dem man nur eine brutale Holzschnittreproduktion gesehen hat. Das romantische Klischee hat es fertig gebracht, daß die Wirkung des Meisters mit dem Anteil der Impressionisten erschöpft scheint und gegenwärtig überhaupt kaum noch gespürt wird. Unsere Zeit steht zu ihm etwa wie das Dixhuitieme zu Raffael und Michelangelo, vor denen Boucher seinen Schüler Fragonard, als dieser nach Rom ging, auf das eindringlichste warnte: Mein lieber Frago, ich sage dir als Freund und im Vertrauen : wenn du diese Leute ernst nimmst, bist du verloren. Wie wenig ernst ihn die Welt nahm und nimmt, beweist unter anderem die geringe Zahl der Werke in den Galerien außer Frank- reich. Bei Wallace und in der Jonides-Collection hängen ein paar gute Bilder, die National- Gallery hat erst jetzt dank dem Ver- mächtnis Cheramys ein würdiges Werk erhalten. Kleinigkeiten finden sich in englischem Privatbesitz; blutwenig. Kein franzö- sischer Meister war bei uns um die Mitte des 19. Jahrhunderts, in der Zeit der größten Schwärmerei für die Pariser Schule, so wenig geschätzt. Delaroche, Horace Vernet, Cogniet herrschten in den akademischen Ausstellungen Berlins, in der Gesellschaft und bei den Künstlern. Die jungen Deutschen zogen scharenweise zu Couture und Gleyre. Selten traf einen der Wissensdurstigen eine Ahnung von dem Meister, neben dem alle, die man zu ihm rechnet, wie Folien erscheinen. Und wenn der Forscher in der deutschen Kunst jener Zeit einmal auf so einen Reflex Delacroix' stößt, glaubt er in dem Geringsten einen Schimmer von Herrlichkeit zu entdecken. Heute aber wird das geringste von Manet und seinen Freunden mit Gold aufgewogen, man ist mit van Gogh und Gauguin intim, besitzt Signac und Groß, diskutiert die Jüngsten, und Dela- croix, ohne den sie alle nicht möglich wären, von dem sie das beste haben, den Schimmer von Herrlichkeit, der uns mit ihrer Nacktheit versöhnt, wird vergessen. Ein paar Privatsammler jüngeren Datums hier und da haben in den letzten Jahren einige Bilder Delacroix' erworben^ In deutschen Museen gibt es noch heute

' Die bedeutendste Sammlung dürfte die von Gerstenberg bei Berlin sein, in der sich mehrere kleine Ölgemälde und Aquarelle befinden.

10 DER ROMANTIKER

kaum ein einziges repräsentatives Werk^. Vielleicht stände manches anders bei uns, wenn man nicht die Betrachtung der französischen Kunst von hinten angefangen hätte. Die Sage von der bedingungs- losen Originalität der Impressionisten, die zu törichten Kämpfen und noch zweifelhafteren Siegen führte, hätte vielleicht weniger Nahrung gefunden. Man soll mir nicht weismachen, etwas Wesent- liches von Cezanne zu verstehen, wenn Delacroix für überwunden gilt. Wer ihn für zu dunkel hält, der hat nie das Dunkle in Cezannes Helligkeiten, das Hemmende in dem Glanz Renoirs genossen.

Delacroix' Landsleuten zu seinerzeit war er zu hell. Die Schwär- mer hielten sich an das Dämonische. Vielleicht hatten die miß- trauischen Naturalisten, die nachher kamen, recht, wenn sie sich von der Kühle seiner Doktrin abstoßen ließen. Das Herz, dessen überhitzte Pulse die Romantiker berauschte, schlug in einem kalten Menschen. Das gab ihm die Größe.

Alles, was sich über das Menschliche Delacroix' sagen läßt, über den kühnen Erfinder und den scharfsinnigen Entdecker, über seine Synthese und seine Analyse, enthält dieses Paradox. Er war ein Feuer, das versengend über die Leinwand fiel, und sah von oben zu, wie es brannte und lenkte das Feuer. Nur in der heißesten Erregung wurde er zum Schöpfer. Das hat er selbst oft gestanden. « Wenn ich nicht zittere, wie die Natter in der Hand des Schlangenbändigers, bin ich kalt. Das weiß ich und damit habe ich zu rechnen. Alles, was ich Brauchbares geschaffen habe, ist so entstanden»-. Das Geständnis eines Romantikers. Doch war ihm, wie Theophile Silvestre berichtet, nichts verhaßter als die Hymnen auf das Feurige seines Wesens. Er scheute keine Mühe, um seinen Freunden zu beweisen, daß alles, was er machte, kaltblütig vor- bedacht war. « Le mot f o u g u e , qui pourtant lui revient de droit naturel, l'horripilait; il ne voulait aucunement que l'on prit ses plus heiles inflammations pour des ardeurs inconscientes; il

* Swarzenski und Wiehert ( Städelsches Institut und das Mannheimer jMuseum) sind, soviel ich weiß, die einzigen deutschen Museumsdirektoren, die begonnen haben, diese Lücke zu füllen. In dem Bureau der Berliner Nationalgalerie wartet die « Medea >, die Tschudi zu erwerben versuchte, auf ihren Tag.

' « Si je ne suis pas agit6 comme le serpent dans la main de la Pjrthonisse, je suis froid ; il faut le reconnaitre et s'y soumettre. Tout ce que j 'ai fait de bien a ete fait ainsi. »

DER ROMANTIKER ii

ne souffrait pas que Ton supposät animal ce feu sacre qui le devorait »^

Er verstand seinen Dämon so weit zu objektivieren, daß selbst dem Beobachter, der ihn bei der Arbeit sah, die Erregung entging. Lady Egle Charlemont, für die Byron schwärmte und die Ingres für seine « Stratonice » saß, meint ganz naiv, Delacroix sei überall lebhaft und geistreich gewesen, nur nicht vor der Staffelei. Sie nennt Ingres « un perpetuel instrument d'enthousiasme », «un poeme epique enveloppe dans une grande redingote ». Delacroix habe nichts dergleichen, nicht den leisesten Zug zum Majestä- tischen, Feierlichen, Grandiosen gehabt. Nach seinen Bildern müsse man wohl schließen, daß er zuweilen nicht frei von feurigen Visionen gewesen sei, aber man hätte nie, wenn man ihn bei der Arbeit sah, etwas davon bemerkt^.

Romantik ist eine begrenzte Auseinandersetzung mit der Welt mit unbegrenzten Absichten. Eine persönliche Empfindung um- kreist die Höhen und Tiefen des Lebens, zumal die der Vergangen- heit oder abgelegener Zonen, wo die Details keine hemmende Rolle spielen. Die Teilnahme an den Leiden und Freuden dieser Welt wird Ziel der Darstellung. Der Romantiker gebraucht den erregten Gegenstand, der ihn fortreißt. Es bedroht ihn, sein Fortgerissen- werden für Kunst zu nehmen und sich von seinem Gefühle ab- halten zu lassen, erregende Momente aus der gesetzmäßigen Be- nützung der spezifischen Darstellungsmöglichkeiten seiner Kunst zu bilden; Dinge zu erzählen, zu deren verewigender Darstellung andere Mittel als die seinen geeigneter sind, die vielleicht schon mit anderen Mitteln erschöpfender dargestellt wurden, die sich vielleicht überhaupt der Sphäre seiner Kunst entziehen. Er stützt sich mit Vorliebe auf die Literatur und gerät in Gefahr, lediglich zu ihrem überflüssigen Gehilfen zu werden.

Wir können das Literarische Delacroix'^ soweit es den Be-

'■ La galerie Bruyas par Alfred Bruyas, avec le concours des dcrivains et des artistes contemporains. Introduction par Theophile Silvestre (Imprimerie de J. Claye, Paris 1876) S. 299.

« Reviie de Paris» vom 20. Januar 1867.

' Näheres darüber in der Vorrede zu den literarischen Werken Delacroix' (Insel- Verlag, Leipzig 1912).

12 DER ROMANTIKER

trachter angeht, lediglich als eine Titelfrage auffassen. Viele Bilder sind nach literarischen Werken benannt. Diesen Stand- punkt ergibt die Einsicht, daß keinerlei Vertrautheit mit der Literatur zu dem Verständnis irgendeines Delacroixschen Werkes gehört. Delacroix hat nie Erzählungen, immer nur Bilder ge- schaffen. Der Irrtum, etwas anderes in den Bildern zu sehen, entspringt der Tatsache, daß Delacroix der Literatur weitgehende Anregungen verdankte, eine Tatsache, die nur für die Biographie des Menschen mehr oder weniger wesentlich ist, für den Betrachter des Werkes so bedeutungslos ist wie die Frage, ob er bei der Arbeit Pantoffel oder Stiefel trug. Die Biographen haben Delacroix schlechte Dienste erwiesen. Wäre er in der Lage Grecos, von dessen persönlichem Dasein uns nichts bekannt ist, würde der Weg zu seinen Bildern freier sein. Es wird sich Gelegenheit geben, darauf hinzuweisen, daß die Vertrautheit des Betrachters mit dem literarischen Motiv, das Delacroix anregte, sobald sie den Be- trachter bestimmt, seinem Aufnahmevermögen schädlich werden kann. Nur der Zufall entscheidet, ob das, was der Maler dem Wort des Dichters entnahm, sofort mit der Vorstellung des Betrachters zusammenklingt. Das Bild läuft schneller als das Wort. Diese Verschiedenheit der Tempis kann ebensogut Steigerungen des Literarischen ergeben wie Schwächungen, ohne daß daraus eine Kritik gefolgert werden könnte. Wir brauchen vor der «Dante- barke» nichts von der Göttlichen Komödie zu wissen. Zwei hohe Gestalten treiben auf wildem Meer in einem Nachen, den wilde Nackte zu erklimmen suchen. Das Symbol läßt tausend Aus- legungen jenseits von Dante zu. Wir brauchen v/eder zu wissen, wer die hohen Gestalten sind, noch wo sie sich befinden. Das erregende Moment in dem Bilde ist nicht das Gedicht Dantes, sondern die Differenz zwischen der erhabenen Ruhe der hohen idealen Gestalten und dem Toben, das unter ihnen und um sie herum vorgeht; einfacher gesagt, das Aufragende neben dem Gewühl; noch einfacher, das stille Vertikale neben dem bewegten Hori- zontalen. Vernimmt man nun angesichts dieses ganz in sich ge- schlossenen, allen Deutungen geöffneten Symbols, daß sich der Maler, als er den Kopf der einen Höllengestalt, die sich an dem Nachen festbeißt, malte, die Verse Dantes vorlesen ließ, so mag

DER ROMANTIKER 13

in einem mit dem erhabenen Dichter vertrauten Gemüt die Be- geisterung über den Künstler noch größer werden, weil ihm gelang, unter der Fülle der Gesichte seiner Vision auch dieses eine überaus teure entstehen zu lassen, ein Urgebild der Göttlichen Komödie. In der Zeit, als man noch über ihn schrieb, spielte der Vergleich Delacroix' mit Victor Hugo eine große Rolle. Delacroix' Freund, Frederic de Mercey war es, glaube ich, der den Feuilletonisten diesen Brocken hinwarf, und zwar schon 1838 in einem Aufsatz der Revue des deux Mondes. Es lohnt sich, ein Stück daraus zu zitieren. «II y avait analogie entre les deux novateurs; tous deux etaient prodigues de couleurs vives et tranchantes, et possedaient si bien la science des grands coloristes qu'ils etaient tout a fait disposes ä sacrifier le fond a l'enveloppe, la pensee a l'expression. Le peintre neanmoins avait plus d'etendue d'esprit que le poete; il etait plus rationnel dans les sacrifices qu'il faisait a la couleur, la couleur etant une des parties constitutives de son art, tandis qu'elle n'est qu'un des accessoires de la poesie; il y avait aussi plus de pensee sur la toile du peintre que dans les pages de l'ecrivain. Le peintre comme le poete temoignaient peut-etre un dedain trop marque pour la verite simple, toute nue, et pour la perfection du contour. Ce fut la sans doute une des necessites attachees a leur titre de revolutionnaires . . . Quant a la maniere dont M.M. Hugo et Delacroix emploient la couleur, eile a aussi beaucoup d'ana- logie sans etre identiquement semblable. II y a chez Tun et chez l'autre la meme recherche, la meme puissance d'effet, le meme dedain du fini, le meme laisser-aller de la touche. M. Hugo empäte ses vers comme M. Delacroix ses tableaux; on voit trop la plume chez Tun, la brosse chez l'autre; seulement le peintre a plus d'esprit, de naturel et de souplesse que le poete, il est parfois sauvage, il n'est jamais faux. II est plus juste envers lui-meme, il se connait mieux: aussi, a notre avis, M. Eugene Delacroix restera-t-il plus grand peintre que M. V. Hugo grand poete. » Man braucht nur die Tendenzen des geistvollen Kritikers (den vielleicht nur der Um- stand hinderte, daß er selbst Maler war) auszudehnen, um zu der Wahrheit zu gelangen und zu erkennen, daß gerade das, was den beiden gemeinsam scheint, sie für die Ewigkeit scheidet. Baudelaire hat den Unterschied zu formulieren gewußt und in Hugo den

£4 DER ROMANTIKER

geborenen Akademiker gefunden, mit allen Kniffen der Routine gesegnet und immer nur imstande, Einzelheiten zu geben, deren Vielseitigkeit nicht die sterile Anschauung verbirgt. « Victor Hugo commence par le detail, Delacroix par l'intelligence intime du sujet; d'oü il arrive que celui-ci n'en prend que la peau, et que l'autre en arrache les entrailles »i. Delacroix hat sich selbst ent- schieden gegen den Vergleich gewehrt, der später fast zu einem Etikett für ihn wurde. « Je ne merite ni cet exces d'honneur, ni cette indignite, » soll er einmal gesagt haben-. Ihm war Victor Hugo nur der « brouillon d'un homme de talent »^, der Mensch, der « nie auf hundert Meilen der Wahrheit und Einfach- heit nahe gekommen ist »*, ein Neuerer ohne inneren gültigen Anlaß. Dieselbe Art von Kritik, die Delacroix mit Victor Hugo zusammenbrachte, nannte ihn wohl auch den Berlioz der Malerei. Nietzsche verstieg sich zu dem Vergleich mit Richard Wagner. Nie ist ein von allen Gekannter so verkannt worden,

Delacroix war nichts weniger als ein Romantiker. Er ver- achtete ebensosehr die Stimmungsmacherei wie die Verrohung des Handwerks. Mozarts Wort, die Musik müsse Musik bleiben, galt ihm für alle Künste. Er haßte jede bewußte und unbe- wußte Nachlässigkeit, in der Literatur den saloppen Stil, alle Versuche, mit unliterarischen Worten zu wirken, und war ein Feind aller Neuerungen der Syntax. Er meinte, solche Neuerungen äußerlicher Art könnten nur beitragen, die großen Dichter der Vergangenheit altmodisch zu machen und der Gegenwart zu ent- fremden. Er zeigte, daß sich mit einem so konservativen Sinn die liberalste Empfänglichkeit für alles wertvolle Neue verbinden konnte. Baudelaire hat ihn mit Stendhal verglichen und damit mindestens die Kategorie des Menschen zutreffend bezeichnet. Delacroix gehörte zu den wenigen Franzosen, die die Schriften des Unbe-

' CuriosiLes esthetiques. Salon de 1846.

^ V. G. Wautemiaux (Eugöne Delacroix, Imprim^ par Jacques Godenne, Liöge, 1891) zitiert den Ausspruch. Hier übrigens auch eine, ein wenig plumpe Zurück- weisung des Vergleichs Delacroix' mit Victor Hugo.

' Journal I, S. 210, 211.

* Dito, S. 363. Vgl. auch S. 371.

DER ROMANTIKER 15

rühmten lasen und in sich aufnahmen, (Stendhal begegnete ihm nicht mit dem gleichen Verständnis)^. Er war ein ähnlicher Esprit wie Stendhal, aber ein unendlich größerer Geist, besaß dieselbe unbewußte Freiheit, dieselbe Fähigkeit, sich im Moment, wenn der Moment gut war, unwiderstehlich zu äußern, sprach ebensogut, so gut, daß jemand einmal von ihm sagte: Dommage qu'il fasse de la peinture ! Er war instinktiver Aristokrat wie der Dichter, besaß eine ähnliche Noblesse in allen Dingen, aber hatte das alles noch einfacher und natürlicher, ohne die Nuance von Dixhui- tieme, die man selbst in den modernsten Werken Stendhals spürt. Das reizend Spielerische des Verfassers der «Chartreuse de Parme» kam weniger zum Vorschein und war doch auch in dem tieferen Ernst Delacroix' enthalten, war deshalb noch köstlicher, so etwa wie der Humor des stillen Flaubert, dem er in der natürlicheren breiteren Handhabung seiner Kunst so weit überlegen war.

Seltsam, wie schwer es ist, auch nur für gewisse Teile des Menschen und des Künstlers gültige Parallelen zu finden. An allen anderen ist immer irgendeine Seite und in jeder Seite irgend- ein Stück verblasst, das nicht mehr die volle Wirkung ausübt, das wir wie etwas Veraltetes ansehen, obwohl der Künstler oder der Mensch seiner Zeit ihm größtes Gewicht beilegte. Delacroix bleibt farbig selbst in den Bildern, die seitdem die Farbe verloren haben, und er bleibt ein unerschöpflicher Mensch selbst da, wo wir seine Irrtümer erkannt haben. Es mag daran liegen, daß er verstand, in seinen Auffassungen das Gewicht, wie in seinen Bildern das Licht, auf einzige Art zu verteilen.

Doch werden wir ihn immer einen Romantiker zu nennen haben, aber ohne ein Atom jenes Zusatzes schmälernder Bedeutung, der dem historischen Lustrum anhaftet. Nie war er den Don Quichottes der Kunst verwandt, deren Ehrgeiz keine Norm findet. Alle seine Kräfte wurden Form. Romantiker war er von jener größten Art, zu der die Geistesheroen aller Zeiten beitragen, der Shakespeare so gut wie Goethe, Lionardo so gut wie Rembrandt angehören: Leute, die romantisch genug sind, ihrem Ideal zu dienen. Dem eigenen. Das teilen sie wie Delacroix mit den Stürmern, die nur

' Vgl. Stendhals « Mölanges d'art et de litterature ». Über das Massacre de Chios: er könne weder das Werk, noch den Autor bewundern.

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stürmen wollen, daß sie nicht den Weg der Menge gehen; das sogar, daß sie vielleicht ihr letztes Ziel nie erreichen. Aber nicht eitler Dünkel entfernt sie von den Zeitgenossen, sondern die Er- kenntnis. Ihr Werk beweist, daß sie recht hatten. Und daß wir selbst in den schönsten Zeugnissen ihrer Kraft das Ziel immer noch über ihren Häuptern erblicken, ist uns nicht Zeichen ihrer Schwäche, sondern stärkster Beweis ihrer Kraft. Sie wären nicht unsterblich, wenn ihr Wollen im Endlichen bliebe.

Die Abneigung des Germanen gegen Delacroix ist eine Folge seines größten Stolzes, des Sieges über die Romantik. Unsere Meister warfen die Sentimentalität unserer Großväter über Bord und taten recht daran. Aber man warf manches andere aus Ver- sehen hinterdrein. Der Radikalismus der Aktion ist verdächtig. Er hinderte nicht die Pose, im scharlachroten Kleid Böcklins wieder- zukommen oder sich die farbige Maske Watts umzubinden, hindert heute nicht junge Leute, eine Romantik von wildester Herkunft zu treiben. Deutsche und Engländer haben unter den hundert Pinselträgern kaum einen Romantiker gehabt, der außer dem Zeichen seiner Zugehörigkeit zu der Romantik auch noch Genie besessen hätte. Die Erinnerung an trübe Stunden warnt sie vor Delacroix, dem Dichter, weil sie nicht wie er zu dichten ver- mögen, weil sie hinschmelzen wie Wachs, sobald sie warm werden, weil sie nicht seine Widerstände besitzen, zu deren Überwindung er just seiner Dichtung bedurfte. Den wohlbegründeten Ruf: Weg von der Poesie! sprach ein in Lumpen gehüllter Protestantismus, den seine Armut um den Glauben an die Allmacht der Kunst brachte. Ein barbarischer Bildersturm war seine Folge. Der Ekel über die Hohlheit der Phrasenmacher trübte die Freude an jeder Geste, auch an der edelsten, und hält noch heute die Verirrten von den großen Meistern fern. Als ob ein Michelangelo, ein Tizian, ein Rubens, ein Rembrandt ohne ihre königlichen Gebärden zu denken wären! Weil die Gebärden aus organischen Formen ge- wonnen wurden, schloß man, alles Organische müsse königlich sein, müsse lediglich auf Grund der mehr oder weniger weit- getriebenen Ökonomie der Kräfte bereits jenes geheime Ver- mögen, die Menschheit anzuziehen, die höchsten menschlichen Instinkte auszulösen, besitzen. So wurde aus der Empfindung, die

DANTE ET VIRGILE, 1S22. 2,40 : 1,80. (ROBAUT Nr. 49.; LOUVRE, PARIS.

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früher die Menschen mit dem Werke einte, die sie trieb, in dem Kunstwerk ihr eigenes höheres Bewußtsein zu erkennen, eine Rarität des Artisten. Dem gebrechlichen Artistentum ist die von keinem SpeziaHsmus getrübte Unbefangenheit Delacroix' ver- dächtig. ReaHsten sahen in ihm einen Barockmaler, weil sie eine seiner « Convenances », eine von vielen, für seine Kunst nehmen. Man projiziert den eigenen unwandelbaren Per- sönlichkeitsbegriff auf einen über jedes Klischee hinaus- ragenden Menschen, erkennt die heroischen Umrisse der Ge- stalt so wenig, daß man ihm am liebsten die Persönlichkeit absprechen möchte, weil er ebensowenig die Zugehörigkeit des Menschen zu seiner Zeit wie die Herkunft des Malers verleugnet. Sein Verhältnis zur eigenen Kunst wird genau so mißverstanden, wie seine Beziehungen zu anderen Künsten. Man wirft ihm vor, daß er anderen Meistern nahm, und übersieht das Resultat, macht den einen für die Genesis jedes großen Fortschrittes haftbar, nennt Schv/äche, was gerade seine Stärke offenbart. Der Enthusias- mus eines Menschen, dem die Kunst über das Leben, mithin auch über die erbärmliche Selbstgenügsamkeit des Eitlen ging, wurde für feile Berechnung genommen; die Selbstzucht, die dem schäu- menden Genius die Fessel strenger Schulung auferlegte, zur Nach- ahmung gestempelt. Noch heute sieht mancher Deutsche in ihm einen Epigonen und wiederholt die kümmerlichen Argumente, die der Neid einem Couture in die Feder diktierte'.

Es gibt keinen Fetzen Leinwand Delacroix', in deren flüchtigen Zeichen man nicht sofort seine Hand erkennt. Das ist das geringste. Es gibt kein Bild Delacroix', in dem sich nicht die Spuren der größten Meister kreuzen, das nicht wie ein Sammler höchster überlieferter Werte erscheint. Und es gibt kein einziges, in dem nicht das Ganze wie das Einzelne ausschließlich von seinem Geiste getragen wird. Nie war er auf die Neuheit seiner Formen stolz. Das lag ihm so fern, wie das Vorkehren seiner Originalität in Kleidung, Sprache, Sitte. Sein ganzes Zielen ging eher dahin, seine Neuheit verzeihlich, verständlich zu machen, sie so unter den Werten, die er zu erhalten suchte, zu verstecken, daß sie wie

' Thomas Couture: Methode et Entretiens d'atelier. (Paris 1868.)

Meier-Graefc, Delacroix

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Teil des Alten, das er in sich aufnahm, erschien. Einem Menschen, der in dem Schönen « le rencontre de toutes les convenances » er- kannte\ mußte die Durchdringung alles Schönen zur Aufgabe werden. Dafür nahm er, was er nehmen konnte. Er zeichnet und malt nach Raffael, Tizian, Michelangelo, Rubens, Veronese, Poussin, Bourdon, Tiepolo, Goya und vielen anderen, nach der Antike, nach Architektur, Möbeln, Medaillen; nach der Natur, wo immer sich Gelegenheit bietet, auf dem Lande, im Jardin des Plantes, auf der Reise, nach Bäumen, Pflanzen, Tieren und Menschen aller Rassen, Weißen und Schwarzen, Gelben und Braunen, Indiern, Türken, Arabern, Wilden. Er liest, wie andere träumen und lieben, umschlingt die Poesie wie einen Lebenszweck, der jedes Opfer lohnt, mit der Leidenschaft des Jägers, mit der Gründlichkeit des Gelehrten, mit der Wachsamkeit des Kritikers und der Willkür des Liebhabers. Die französischen Klassiker, zumal Corneille, Racine, Moliere, Bossuet, La Fontaine, und die Enzyklopädisten, namentlich Diderot, sind ihm schon früh aufs engste vertraut, auch Pascal, Montesquieu, Le Sage, und er kennt die Dinge von ihnen, die nicht an der Straße liegen. Er liebt die Alten, vor allem Horaz und Virgil, kennt die Tragödien der Griechen, liebt die Werke aller großen Geister der Antike, die er mit den Neueren zusammen in der Kuppel des Luxembourg vereint hat. Seine Säulen sind Dante, Homer, Shakespeare. Er liest sie in der Ursprache. Dante steht ihm über allem, ist ihm tägliches Brot. Er wird, während er liest, zum Schöpfer. In früher Zeit, 1824, notiert er einmal in fliegender Eile, ohne sich die Zeit zu nehmen, Sätze zu bilden: «On frisonne devant lui comme devant la chose ; superieur en cela a Michelange, ou plutot dif ferent, car il est sublime autrement mais pas par la verite. ,,Come colombe adunate alle pasture . . . Come si sta a gracidar la rana . . . Come il villanello . . ."» Und triumphierend wie über eine plötzliche Er- kenntnis: «Et c'est cela que j'ai toujours reve sans le definir, precisement cela. C'est une carriere unique»-. Dante ist ihm der blutverwandte Ahne, dem nachzueifern zu einem heiligen Gebot wird. Das Tagebuch der ersten Jahre ist voll von Ermahnungen

' Journal I, 266. ^ Journal I, iii.

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an sich selbst. «Denke an Dante! Denke immer an Dante! lies ihn fortwährend, um auf große Ideen zu kommen!» Es ist nicht der Schatz von Stoffen, was ihn lockt und treibt, sondern die Reinigung der Inspiration, die er von dem großen Beispiel erhofft. Dante und Homer geben ihm ein Maß. Homer ist ihm der In- begriff künstlerischer Wahrheit. Was er darunter versteht, sagt der Titel, den er Rubens gibt, dem Homer des Nordens. Homerisch muß man schaffen, mit dieser Einfachheit, mit dieser Natur. Er nennt Rubens homerischer als VirgiU. Ähnlich steht er zu Shake- speare. Aber schon überwiegt um eine Nuance der Nutzen des Bildreichen für den Maler die Verehrung des Menschen. Seine Schwärmerei übersieht nicht die barbarischen Seiten, die dem klassisch gebildeten Franzosen wie Untiefen erscheinen, aber nie entgeht ihm die gewaltige Einheit des Bildners. Er entnimmt Shakespeare Erregungen; Ariost, Petrarca, Virgil die Stützen der Gesittung. Die Einsicht in die Überlegenheit des Geschmacks und die Sachlichkeit des Sprachlichen der französischen Klassiker kämpft oft mit der Freude an dem lebendigen Ausdruck eines Cervantes, eines Calderon. Sie macht ihn wählerisch einem Cor- neille gegenüber, ungerecht gegen Goethe, dem er nur Bilder ent- nimmt, trübt nicht sein Urteil vor einem Rousseau und vielen anderen, die ihm nicht nahestehen. Er studiert die Kritiken Diderots, amüsiert sich mit Lamartine über Chateaubriand, liest von der Jugend bis zum Alter immer wieder Voltaire und macht sich Auszüge aus Voltaires Korrespondenz und schwärmt mit derselben Beständigkeit für Casanova. Byron begeistert ihn zumal in der Jugend. Die Dankbarkeit für die Motive Walter Scotts treibt ihn zu keiner Überschätzung, ebensowenig die Freundschaft mit George Sand oder Dumas, dessen Niveau er unbarmherzig fixiert. Er liest mit seltenem Verständnis Stendhal, widersteht Balzac, verschließt sich nicht vor Baudelaire. Er verfolgt die Politik, treibt Weltgeschichte und die Geschichte der Kunst aller Länder. Er hinterläßt ein literarisches Oeuvre. Dabei geht er täg- lich in Gesellschaft, verkehrt mit unzähligen Menschen, ist mit allen geistigen Größen bekannt und pflegt eine verzweigte Korre-

Journal III, 240.

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spondenz. Er kennt das Theater, ist Habitue in den Italiens und im Theätre francais und gibt über Schauspiel und Schauspieler profunde Urteile. Den weitesten Platz in seinem Haushalt nimmt die Musik ein. In jungen Jahren spielte er mit Talent Violine und sang, solange ihn nicht das Halsleiden quälte. Moreau erzählt, er habe sogar einmal in einer Gesellschaft bei Herrn de Conflans mit seiner Stimme einen gewissen Erfolg davongetragen, für den er nicht unempfindlich gewesen sei'. In der späteren Zeit, auch in den letzten Jahren unterbrach er oft die Arbeit, um nach der Gitarre zu greifen, trällerte eine Melodie und kam wieder in Schwung. Es hat wenige Tage gegeben, an denen er nicht Musik gehört, an Musik gedacht hat. Sie war ihm vielleicht noch nötiger als die Dichtung. Sein Verhältnis zu ihr scheint eine Personifikation des Parallelismus zwischen den Vibrationen des Lichtes und der Töne. Sein Ohr reagierte wie sein Auge und übertrug jede sinn- liche Erfahrung auf das geistige Zentrum. Wie Liszt in seinem Aufsatz über Chopin erzählt, fehlte Delacroix nie unter den Zu- hörern des großen Komponisten, dessen Spiel ihn immer in tiefes Träumen versetzte, und Delacroix' Studie über ihn im « Journal » beweist, wie er ihn verstand. Er war, Bach ausgenommen, mit allen Alten intim, und trotz seiner Abneigung gegen die Moderne, die sich auf unwiderlegliche Argumente stützte, versäumte er keine Ge- legenheit, Neues zu hören und war für das Geringste dankbar, sobald das Neue ihm nicht das Alte verdarb. Es gibt im Geistes- leben seiner Zeit und aller Zeiten kaum einen Gipfel, den er nicht berührt hätte. Schon allein das Aufnahmevermögen des Menschen ist etwas Ungeheures, und so gut wir begreifen, daß diese Fähigkeit seiner Produktion unentbehrlich, nur dank seiner Produktion möglich war, so wenig vermögen wir uns neben diesen zahllosen Beschäftigungen die rein materiellen Möglichkeiten seiner Pro- duktion vorzustellen. Er wurde 65 Jahre alt und hat über neun- tausend Werke seiner Hand hinterlassen^ und war ein Mensch,

Adolphe Moreau: E. Delacroix et son oeuvre (Paris, Librairie de bibliophiles 1873). p. XII.

* Es ist schwer, den Umfang des Werkes genau anzugeben. Robauts Katalog (L'oeuvre complet de Eugene Delacroix, Charavay freres, Paris 1885) hat es versucht und als annähernde Zahl 9140 genannt. In dieser Summe ist natürlich alles inbegriffen.

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der es verschmähte, ohne Inspiration den Pinsel anzurühren, war fast jede Woche tagelang unfähig, der Inspiration zu gehorchen, selbst wenn sie den Kranken wie ein Dämon sein Opfer überfiel. Seine Oekonomie der Kräfte ist vielleicht das erstaunlichste und edelste Phänomen.

Delacroix nahm nicht, weil er mußte. Das Neue des Debütanten reichte für einen klangvollen Namen, auch wenn er auf derselben Stelle geblieben wäre. Die Erfindung in der «Dantebarke» stellt die Originalität außer jeden Zweifel. Die Mitwirkung anderer Meister ist weniger entscheidend als das, was wir in jedem Michel- angelo und Tizian von übernommenen Werten spüren. Kein Rubens hat je das Architektonische dieses Baues besessen. Gros vergaß sich in seiner Begeisterung so weit, zu behaupten, daß Rubens in dem Bilde « chätie » werde, und es gibt viele, die das noch heute nachsprechen und womöglich meinen, der ganze spätere Delacroix werde von dem Bilde «chätie», weil es die Origi- nalität auf einem jedem flüchtigen Blick zugänglichen Wege erweist. Gros' Behauptung war nicht gerecht, da das Wesentliche des Werkes außerhalb der Rubensschen Bahnen liegt. Eben das schien dem Maler der « Dantebarke », als er das Bild hinter sich hatte, ein Mangel. Er fand diese Art des Monumentalen zu leicht, die Struktur des Baus zu einfach, das Pathos, das uns wie eine gewaltige Woge umbraust, zu leer für das, was er in sich trug. Viele solcher wuchtig gerundeten Sätze mögen ihm damals ein- gefallen sein. Er widerstand. Wenn sein dichterischer Einfall den

was Robaut bekannt war, und die Einheit ist sowohl die geringfügigste Skizze wie das Werk größten Umfangs, an dem der Meister Monate und Jahre arbeitete. Der größte Teil der Summe kam erst nach dem Tode des Meisters beim Verkauf des Nachlasses zum Vorschein. Die einzelnen Kategorien des Werkes sind nach Robaut (Rückseite des Vortitels des Katalogs) 853 Malereien, 1525 Pastelle, Aquarelle und Tuschzeichnungen, 6629 Zeichnungen, 24 Radierungen, 109 Lithographien und mehr als 60 Skizzenbücher. Die letzteren sind in der Summe von 9140 nicht mit- gerechnet. Trotz der bewunderungswürdigen Sorgfalt, mit der der Katalog, eines der schönsten Denkmäler der Kunstwissenschaft, hergestellt wurde, sind seitdem noch viele nicht katalogisierte Werke zum Vorschein gekommen.

Im Jahre 1856 schrieb Delacroix an TheophUe Silvestre, der ihn nach seinen zu- künftigen Arbeiten fragte: an vollkommen feststehenden, fertigen Entwürfen habe er für zwei Menschenleben genug, und an Projekten, die geeignet seien, Geist und Hand zu beschäftigen, habe er für vierhundert Jahre (Lettres, 263).

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Raum im Fluge durchmessen hatte, kam ein scharf analysierender Geist hinterher und kontrollierte den Weg der Erfindung. Der Weg wurde ihm mit den Jahren immer wichtiger. Sein Leben hat sich auf viele Preise gerichtet, am stärksten auf die Erfindung einer vollendeten Disziplin, geeignet, die Macht seiner Dichtung vollkommen zu organisieren. Man kann nicht sagen, die Disziplin wäre ihm wichtiger geworden als die Kühnheit des dichterischen Flugs, denn wenn ihn diese nicht beseelt hätte, wäre jene ohne Inhalt, wäre Delacroix nicht Delacroix gewesen. Vermöchten wir in dem Resultate auch nur das eine von dem andern zu unter- scheiden oder gar die Überlegenheit der Reflexion festzustellen, so würde uns die beste Disziplin nicht den Mangel an Gefühl ersetzen. In Delacroix' Werken entscheidet nur das Gefühl, und nichts widerspricht der Vernunft. Er illustriert das Wort des Freundes Voltaires: les plus grandes pensees viennent toujours du coeur.

Nicht für seine Dichtung, sondern für seine Malerdisziplin be- durfte er der Hilfe anderer, zumal der großen Meister der Ver- gangenheit, da seine eigene Zeit abgewirtschaftet hatte. David war nicht infolge, sondern trotz seiner barbarischen Disziplin ein großer Maler. Seine Nachfolger zeigten, was sie wert war. Mit den Ingresschülern stand es nicht viel besser. Wenn nicht der Zufall dem Maler einen Porträtauftrag in die Hand spielte, versagte jedes natürliche Empfinden. Und selbst bei den Bildnissen Davids und seiner Schüler bedarf es zuweilen aller Freude an den Dingen, die der Maler nur reproduziert, zuweilen einer nicht geringen Duldsamkeit, um das künstlerische Niveau erträglich zu finden. Die Disziplin schien nur dazu da, dem Maler den Pinsel zu ent- winden. Hier setzt die wirkliche Rolle des Uberwinders der Klassi- zisten ein. Nicht der Romantiker kämpft mit seiner Geste gegen die Geste der Davidschule. Dieser Gegensatz, eine Äußerlichkeit, zum Teil Fiktion, ist ungeeignet, einen gültigen Fortschritt unzweideutig zu erweisen. Was die Klassizisten besiegt, ist der Klassiker, der große Organisator, der die Armut der Epoche erkennt, die Ursache sieht, begreift, was die Revolution und alles, was vorherging, der Kunst geraubt hat, und nach dem Niedergang, nach der ge- waltsamen Zerstörung der Überlieferung zum Erbauer wird und

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mit seinem unteilbaren Werk eine alle unentbehrlichen Werte umfassende Synthese vollbringt. Er gibt dem Gedanken, der unter dem Klassizismus erstarrte, die Freiheit zurück. Sicher ein Großes, das man ihm damals begeistert danken konnte, aber das für uns nur etwas Geschichtliches bedeutet, das auch ohne ihn gekommen wäre, ein Negatives, fast bedeutungslos neben dem, was er an Positivem brachte. Er reißt Schranken ein, aber stellt in dem gleichen Augenblick neue Gesetze von unvergänglicher Weisheit auf, unwiderleglich, weil sie nicht fesseln, sondern stützen, weil sie sich mit nichts gegen die Malerei richten, sondern alle Mög- lichkeiten des Malerischen bloßlegen. Die Malerei wird frei, und die neue Disziplin setzt sie instand, ihre Freiheit zur größten Aufbietung ihrer besonderen Macht zu verwenden.

Neben der Bedeutung dieser Tat, dieses Gedankens und der Art, wie er ausgeführt wurde, tritt jedes andere Moment, das zu Delacroix' Ruhm beiträgt, zurück. Die Kunst war damals aus anderem, gewaltsameren, im Grunde weniger bedenklichem An- laß — an einem ähnlichen Punkt angekommen wie heute, und mancher Kunstfreund gab sich dem finstersten Pessimismus hin. Da kam er. Sofort, so erscheint es dem Rückblickenden, ändert sich alles. Mit Delacroix beginnt eine neue Entwicklung. Das Stück, das ihm allein in ihr auszufüllen gelingt, gleicht einem vollendeten Dome.

DIE LEHRER DER JUGEND

Viele Künstler begleiteten ihn. Wollte man sie alle nennen, müßte man einen guten Teil des Louvrekatalogs zitieren, zumal fast alle Großen, die uns heute am nächsten stehen. Man könnte eine Kunstgeschichte im Geiste Delacroix' schreiben auch eine Geschichte der Literatur, auch eine Geschichte der Musik , und es wäre lohnend, bestände nicht die Gefahr, mit solchem Versuch alten Irrtümern über den Eklektizismus des Meisters neue Nah- rung zuzuführen. Er hat bis ins Alter unzählige Meister kopiert und zwar so, daß man das, was er von Rubens sagte er sei ori- gineller in seinen Werken nach anderen Meistern, als in seinen

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eigenen mit der gleichen Übertreibung von ihm selbst wieder- holen könnte. Geringer ist die Zahl der Zeitgenossen, die dem An- fänger dienten. Eine eigene Rolle scheint in der ersten Zeit der wenig bekannte Maler Hippolyte Poterlet gespielt zu haben, der 1829 starb. Theophile Silvestre berichtet*, Delacroix habe an- fangs kein bedeutendes Bild gemalt, ohne Poterlet vorher eine Skizze zu zeigen, und zwar habe er immer gleich eine zweite Lein- wand mitgebracht. Auf die habe der Kamerad jedesmal skizzieren müssen, wie er sich die Interpretation des Motivs nach seiner Art denken würde. Poterlet hat an selbständigen Werken nichts Be- deutendes hinterlassen. Dagegen gibt es glänzend skizzierte Kopien von ihm nach Delacroix-. Trotzdem braucht Silvestre nicht unbe- dingt falsch unterrichtet gewesen zu sein. Das Genie bedient sich zu- weilen in gewissen Stadien der Schöpfung fiktiver Stützen, die es auf unkontrollierbare Art unter Umständen nur durch eine negative Teilnahme, z. B. ihren Widerspruch fördern. Eine wirkliche Förderung verdankt der Anfänger Gericault, einem Vor- läufer, der wie so manche andere seit den Zeiten Masaccios sein Hellsehertum mit frühem Tode bezahlte. Delacroix hat vor 1821, dem Entstehungsjahr der «Dantebarke», nichts geschaffen, das als eine Voraussage des Werkes gelten könnte. Es gibt ein paar mehr oder weniger gelungene Porträts, eine ganze Reihe von lithographierten Karikaturen, deren politische Anspielungen keiner- lei Interesse erwecken, viele Banalitäten. Man hätte eher auf

' Eugene Delacroix, Documents nouveaux (Levy freres, Paris 1864).

' Eine zitiert Robaut unter Nr. 202 (Le Combat du Giaour et du Pacha), die im Besitz von Theophile Gautier war und später in die Sammlung Cheramy gelangte. Wir haben sie in dem Werk über diese Sammlung abgebildet (R. Piper & Co., München 1908, Nr. 160). Delacroix hat das Bildchen retuschiert. Der Katalog der Vente Cheramy, Mai 1908 Nr. 167, verschweigt die BeteiUgung Poterlcts an dem Bude. Der Katalog der Succession Cheramy, April 191 3 Nr. 20, behauptet, das Bild sei das Original. Er verwechselt das Original, von dem Theophile Gautier in einem Aufsatz der « Beaux- Arts en Europe » spricht, mit der von Delacroix retuschierten Kopie, die im Besitz Gautiers war. Robaut gibt die Maße des Originals mit 0,58x0,72 an, während das Bild bei Cheramy nur einen Umfang von 0,19x0,24 besitzt. Den «Christ au jardin des Oliviers », den Silvestre in diesem Zusammenhang zitiert, hat Poterlet litho- graphiert. Verschiedene Bilder und Zeichnungen Poterlets aus dem Nachlasse des Baron Schwiter befinden sich heute im Besitz des Baron v. BUttersdorff in Ottens- heim a. d. Donau. Poterlet endete durch Selbstmord.

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einen zukünftigen Raffet, allenfalls einen Daumier schließen können. Aus diesen meist belanglosen Dingen erhebt sich plötz- lich das Schiff mit den beiden Dichtern. Er malt das Bild binnen zweiundeinhalb Monaten, ohne den Pinsel abzusetzen. Ein großer Eindruck muß ihn bestürmt haben. Er hatte Gericaults Medusen- floß gesehen. Was er dabei empfand, hat er in seiner autobio- graphischen Notiz, die Piron zitiert, niedergeschrieben. Er sei, schrieb er, wie toll durch die Straßen gelaufen. Gericault war ihm damals einer der Größten.

Diese Episode hat am meisten zu einer Verkennung des Ein- flusses Gericaults beigetragen. Manche Kritiker sind so weit ge- gangen, geradezu den ganzen Delacroix von dieser Anregung ab- hängig zu machend Die Übertreibung hängt mit der Überschätzung des ganzen Oeuvre Gericaults zusammen, mit der man die Gleich- gültigkeit der Zeitgenossen Gericaults gutzumachen suchte, und ein großer Teil der Kritik außer Frankreichs macht sich noch heute diese Schätzung zu eigen. Delacroix selbst tat nichts gegen den Irrtum. Vornehmheit und Dankbarkeit hinderten ihn, sich öffentlich zu widerrufen, als er in reiferen Jahren die unausbleib- liche Revision seines Urteils vornahm, und in dem Schwung, der ihn in der Jugend begeistert hatte, hier und da den Mangel an Wärme und Einheit, in dem scheinbar Spontanen die versteckte Fessel allzu bewußten Willens erkannte. Er hat sich nur zu sich selbst über diese Revision geäussert, die übrigens nie den wirk- lichen Wert Gericaults in Frage stelltet

Gericault schien mit der Palette geboren, wie der kühne Reiter auf dem Sattel, aber sah in der Kunst etwas ganz anderes als Delacroix, mehr ein edles Roß, das ihn zum Siege tragen müsse, dem man in guten Augenblicken die Sporen gab, um sich ihm blindlings zu überlassen. Ein anderer Ehrgeiz, eine andere Welt- anschauung, ein anderes Resultat. Es hat wenig Zweck, die Über- legenheit Delacroix' mit dem Vergleich einzelner Werke nach- zuweisen. Die eine Seite bietet zu viel, die andere zu wenig. Das Dasein Gericaults war zu kurz für den Aufbau einer Delacroixschen Kunst, aber er hätte auch bei längerem Leben nichts Gleichwertiges

Vgl. z. B. Valbert Chevillard: Theodore Chasseriau (Lemerre, Paris 1893). - Journal II, 454, III, 120, 121.

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geschaffen. Dem Stück, das ihm vergönnt war, fehlt der Mörtel Delacroix'. Auch verrät es nicht die Sehnsucht nach höherer Ent- wicklung, das unentbehrliche Besonnene des Meisters, sondern die «dissipation», den Mangel an Konzentration, in dem Emerson das entscheidende Hindernis gegen das Heroentum erblickte. Gericaults Bilder sind zum Teil phänomenale Erscheinungen. Die Freude an ihrer Kraft beschwichtigt nicht den Zweifel an einer sicheren Norm, der sie entspringen müßten, um in uns das Staunen mit Zuversicht zu paaren. Obwohl Gericault wesentlich älter als Delacroix war, sehen wir ihn immer als den jüngeren der beiden Freunde vor uns. Er ist ein Teil des anderen. Wir finden seine Art oft in der Kunstgeschichte. Jeder Künstler ist einmal Geri- cault; wir nennen ihn Talent. Unter hundert Gericault kommt selten ein Delacroix zum Vorschein, das Genie.

Was Gericaults Ehrgeiz schmerzlich vermißte, fiel Delacroix mit seinem ersten Werke, das die Öffentlichkeit erblickte, mühe- los in den Schoß: ein beispielloser Erfolg. Der Vierundzwanzig- jährige war sofort berühmt. Die Kritik mit Thiers an der Spitze lobte fast einstimmig und, Seltenheit ohnegleichen, selbst die beiden Lehrer, Guerin und Gros, stimmten in den Chorus ein. Er hatte mit der «Dantebarke» wie- mit einer Wünschelrute den Teil Frankreichs berührt, aus dem der Enthusiasmus quillen mußte, den lateinischen Rasse-Instinkt. Das Bild machte Empfindungen frei, die seit undenklichen Zeiten keinem Werke mehr gegönnt gewesen waren. Es stellte plötzlich zwischen Volk und Kunst einen Kontakt her, den David und Gros nur mit Aktualitäten erreicht hatten, der ohne Kompromisse unmöglich erschienen war, und wirkte, noch bevor es allgemein bekannt wurde, mit der Suggestion dieses latenten Kontaktes. Noch heute ist das Generöse des Werkes, die warme Wallung eines großen Menschen, der zum erstenmal in die Welt tritt, unwiderstehlich. Die Form bietet sich so einzig in ihrer stolzen Geschlossenheit dar, daß die Analyse keinen Angel- punkt zur Teilung findet. Dadurch übertrifft diese Barke die andere, die ihr voranging. Gericaults Werk war nicht weniger kräftig, aber ließ die Anstrengung sehen, war nicht im gleichen Zuge als unteilbare Masse erfunden. Die Absicht verstimmte. Obwohl der Einfluß des Alteren auf den Jüngeren feststeht, ist man ver-

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sucht, Delacroix' Bild für das Original zu halten und neben ihm dem « Medusenfloß » die Spur von akademischer Pose anzurechnen, die ohne den Vergleich kaum bemerkt wird.

Das einzige, was ein Zeitgenosse der «Dantebarke» vorwerfen konnte, war ein Paradox: die Vollkommenheit des Werkes. Man mußte sich unwillkürlich mit Besorgnis die Laufbahn eines Menschen vorstellen, der mit seinem Debüt solche Ansprüche stillte. Würde er die zukünftigen erfüllen, die sein Sieg entstehen ließ ? Delacroix selbst war sich dessen kaum unbewußt. In dem Briefe ^ i-vom jj[i^April_i82i .^an seinen Freund Soulier spricht er von ^ dem «Coup de fortune», den er mit dem soeben vollendeten j Bilde wagt. Er hatte es in wenig mehr als zwei Monaten herunter ^ gemalt. An dem zweiten Salonbild arbeitete er mit äußerster An- ^ strengung zwei Jahre. Der Erfolg blieb ihm treu. Auch das «Massacre de Scio» wurde sofort vom Staate angekauft. Aber der Enthusiasmus hatte sich schon um viele Grade abgekühlt, um bald ganz zu vergehen. Das Bild rührte den Betrachter in ganz anderer Weise als die Dantebarke. Wieder mit einem Appell an die Rasse, der aber diesmal dem engen Kreis der Zeitgeschichte entnommen schien. Delacroix kam die Erinnerung an die Greuel der Türken gegen die Griechen zugute. Das Bild wurde als Illu- stration genommen. Von diesem Prestige eines glänzenden Illu- strators ist er seitdem bei seinen französischen Zeitgenossen kaum wieder losgekommen. «La Grece expirant sur les ruines de Misso- longhi», von 1827, im Museum von Bordeaux^, das Barrikadenbild, im Louvre, und ähnliche Werke bestätigten ihn als Tribun gene- röser Ideen. Der Nachruf, den ihm Cleuziou 1864 widmete^ ist typisch für alle andern. Dante, Griechenland, Byron, Goethe spielten in den meisten Epilogen eine größere Rolle als der Künstler. Die Zeit hat die Geschichte des « Massacre » längst verblaßt. Das Bild aber ist noch ebenso lebendig, erscheint uns sogar von größerer Leibhaftigkeit als den Zeitgenossen, die es miterlebten. Die wenigen Kritiker, die es lediglich auf ihren Kunstwert untersuchten, waren

' Die schöne Skizze zu dem Bilde, die bei Cheramy war (Robaut 206), ist vor kurzem in die Sammlung Schmitz in Blasewitz bei Dresden gelangt.

' Henri du Cleuziou: L'oeuvre de Delacroix (auch 1885 als Broschüre bei Mar- pon & Flammarion, Paris).

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mehr als bedenklich. Die Klassizisten schrieen Feuer, und Baron Gros nannte das Bild « le massacre de la peinture ».

Gerade Gros hätte auf dieses Werk des Malers, der sich dankbar seinen Schüler nannte^ stolz sein müssen. Es zeigt, wie kaum ein anderes, was sein Autor dem Verherrlicher Napoleons verdankte. Es ist die Atmosphäre der «Pestkranken von Jaffa», gelichtet und erleichtert, und die Geste der berühmten Schlachtenbilder, von aller Illustration befreit; eine Mischung der beiden Tendenzen, die Gericaults Erstlingswerke und die Details des « Medusenf losses » mit Gros verbinden. Freilich verschwinden diese Bestandteile vollkommen in der neuen Absicht des Künstlers. Gros war ein genialer Leutnant Napoleons und, solange ihn der Bann des Ge- bieters schützte, von unerschrockener Selbständigkeit. Der größte Schlachtenmaler seit Salvator Rosa und den Courtois, der einzige des Jahrhunderts, das diesem Genre so viel Unrat verdankt. Er verstand wie der von ihm verewigte Kaiser Massen zu erregen. Doch verbirgt die Kühnheit seiner Details nicht das Ungeregelte, Ungesicherte seiner Bewegung. Man ahnt, selbst in dem « Napoleon bei Eylau », mit dem Vordergrund von farbigen Kolossen, daß der Schwung eines Tages ebenso ungezügelt ins Reaktionäre Davids zurückschnellen konnte. Gros brannte nicht, er flackerte, be- geisterte sich, um andere zu entzünden. Seine Begeisterung entbehrte des flammenden Geistes. Charles Blanc hat seine Grenzen angedeutet. « II n'ecrit pas son Intention de ce style refl6chi, calme, austere, plein d'heureuses reticences, qui laisse travailler l'imagination en ne disant pas tout; mais il remue, il echauffe, il entraine, il nous communique l'en-

' Ohne unmittelbaren Grund. Delacroix war nur Schüler Gu6rins, aber er verehrte Gros, wie er selbst wörtlich sagte, wie ein Idol und schlug daher das Lob, das ihm der Abgott über die « Dantebarke » spendete, sehr hoch an. Er erzählt, wie er, glücklich über die Worte des Meisters, ilin bat, die Bilder Gros' aus der Kaiserzeit betrachten zu dürfen, die damals im Atelier standen. Gros gab ihm die Erlaubnis und ließ ihn allein im Atelier. Als er nach einigen Stunden wieder kam, war Delacroix immer noch in die Betrachtung der Gemälde versunken. Gros wollte Delacroix als Schüler auf- nehmen und ihm den Rompreis verschaffen. Delacroix lehnte ab, und das führte zu einer leisen Abkühlung der Beziehungen. (Vgl. Piron: Delacroix, Sa vie et ses ceuvres. Piron zitiert diese Details aus der obenerwähnteiii autobiographischen Skizze De- lacroix'.)

SCENES DES MASSACRES DE SCIO, 1824. 3,57 : 4,22. (ROBAUT Nr. 91.) LOUVRE, PARIS.

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thousiasme dont il est penetre. II nous montre l'exterieur de l'histoire, son allure, son costume; il la promene au soleil et nous la fait suivre des yeux comme on fait une revue eclatante »^. Das alles kann man ihm lassen. Er besaß ein gutes Stück Gericaults. Vielleicht war ihm Gericault nur durch die vornehmere Erziehung überlegen. Gros war Proletarier, so recht der Mann, um einen Murat zu malen, war ein Murat der Malerei, mit stierem Mut begabt, versagend, sobald ihn die abenteuerliche Lust verließ. Auch Delacroix verkannte nicht die Schwächen seines Meisters, den Mangel an Gleichgewicht, die übertriebene Detaillierung gewisser Teile. Aber der Mangel hinderte ihn nicht, seinen Aufsatz über Gros mit dem Satze zu beginnen: « Gros a eleve les sujets modernes jusqu'a l'ideal-. » Gerade das mißlang dem Enthusiasten. Was die Dankbarkeit dem Meister zuschrieb, hat erst der Schüler erreicht. Delacroix legte Gros die eigenen Tendenzen unter, weil er sie, zum Teil mit dem Ausbau der Mittel des Vorgängers, befolgte. Der zweideutige Begriff des Ideals wird sofort geklärt, sobald man das « Massacre » neben die « Pestkranken » oder ähnliche Bilder stellt. Gros gab für das « Massacre » das Gerüst her, die groß und rück- sichtslos hingestellen Massen. Sie blieben ungeschlacht in den meisten Gros'schen Bildern. Es fehlt diesen unklassischen Kom- positionen dasselbe, was Delacroix an den antikisierenden Bildern der Davidschule entbehrte, das, was er die « Execution » nannte. Die Malerei umschlang die groben Stücke nicht oder band nur Teile. Es ist, als habe Gros die Zeit gefehlt, seine Bilder fertig zu denken. Sobald er über den naiven Enthusiasmus in der ersten Anlage hinaus wollte, wurde er banal. Eine weitere Idealisierung Gros' hätte immer zu dem abgeblaßten Klassizismus geführt, in dem das unglückliche Medium Davids eines Tages endete. Die Phantasie Delacroix* schuf eine neue Form. Er idealisierte den Vorgang nicht nur mit der kühnen Geste der Komposition, obwohl ganz allein schon die Sprache der Delacroixschen Gebärde eine göttliche Her- kunft offenbart. Er ließ den in den Umrissen wirksamen Impuls die ganze Fläche gleichmäßig durchdringen und vervielfachte durch

' Histoire des peintres frangais au XVIII. siecle. (Paris 1845.) * Revue des Deux Mondes, Septembre 1848. Auch in der Pironschen Sammlung der Aufsätze Delacroix'. Deutsche Ausgabe im Inselverlag 1912.

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die Veredelung der Materie das Ideal. Diese differenzierte Er- höhung kam anfangs nicht ohne Opfer zustande. Man kann in der Gruppe des Reiters mit der ans Pferd gefesselten halbnackten Frau und in dem wunderbaren Stück, dem Ka- daver der Mutter mit dem Kinde an der Brust, etwas von der Schönheit der « Dantebarke » wiederfinden, ohne sich zu ver- hehlen, daß hier zu Fragmenten wird, was in dem Werke des Debüts gerade mit dem Gegenteil, einer vollkommenen Geschlossen- heit, wirkte. « Scenes des Massacres de Scio » war der offizielle Titel, und man möchte fast glauben, Delacroix habe mit dieser Prä- zisierung von vornherein einen berechtigten Vorwurf abschwächen wollen. Gros hatte nicht ganz unrecht mit seinem zornigen Spott. Das Bild sieht wirklich wie ein Massacre der Malerei aus. Es ist ein Haufen von schimmernden Trümmern, ein Golgatha der alten, bis dahin in Frankreich geübten Komposition. Aber aus diesen Ruinen blüht neues Leben. Man findet in der « Dantebarke » nicht eine Handbreit von dem zuckenden Fleisch, das sich im « Massacre » auf dem Boden windet. Niemand wird es entbehren. Der Dunst des höl- lischen Sees umhüllt die Gestalten der Dichter. Wir brauchen das Fleisch nicht zu sehen, es wäre sogar zu viel, würde uns die Stim- mung verderben. Aber stellen wir uns mit dieser Malerei einen anderen Gegenstand vor, der nicht mit gleicher Notwendigkeit für die mystische Hülle paßt, und suchen wir andere Vorgänge, die einer im wesentlichen auf Zeichnung gestützten Komposition einen glei- chen « Coup de f ortune » bieten wie dieses Wasser mit dem doppelten Bau nackter und bekleideter Körper. Darauf rechnen, hätte für Delacroix die Abhängigkeit vom Zufall bedeutet, und der Zufall konnte ihn nur um so leichter begünstigen, je mehr er sich in die Sklaverei einer Gruppe von Motiven begab. Dafür war er nicht der Mann, lebte im 19. Jahrhundert, entblößt von allen Möglichkeiten, die eine Komposition im Sinne der Alten züchten, dafür war er zu reich an Keimen neuer Gebilde. So entstand das «Massacre» und mußte entstehen. Ein Temperament, das den Kadaver der Frau mit dem Kinde, den tragischen Gegensatz zwischen Leben und Tod, ohne Benützung aller Symbole, mit stärkster Dramatik darzu- stellen vermochte, mußte eine Form zerbrechen, die es an eine einseitige Komposition band. Zerbrechen, um sie umzubilden und

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zu einer neuen zusammenzufügen. Kein Genie hat es je anders gemacht. Der Prozeß ist bei allen dieselbe Anwendung der römischen Regel: Divide et impera. Delacroix teilte die Komposition, um in der Einzelheit fortzuschreiten. Das Verfahren motiviert, aber ent- schuldigt nicht die Schwächen des « Massacre ». Man kann sich das Gemälde ungefähr in der Mitte durch eine Vertikale geschnitten denken; dann erhält man rechts ein Hochformat von schlechter- dings einzigem Reichtum. Es ist der neue Delacroix, der über das Bild des Jahres 1827, «Mort de Sardanapale», zum Hauptwerk von 1841, der « Eroberung von Konstantinopel», dem lichten Pendant zum «Massacre», fortschreitet. Die linke Hälfte enthält den ab- hängigen Delacroix, die Reste von Gros und Gericault. Freilich bleiben bei dieser Teilung die Schönheiten des zweiten Planes, die ganz modern aufgefaßte weite Ebene und der Himmel unberück- sichtigt. Sie entgehen dem Betrachter um so leichter, als das Bild wie so viele Delacroix' im Louvre viel zu hoch hängt^. Das schönste Stück, die tote Frau mit dem Kinde% hat Delacroix ein Dutzend Jahre später noch einmal gemalt, und schon diese Detaillierung verriet das Prinzip der zukünftigen Entwicklung.

' Wird sich die Direktion des Louvre nicht endlich entschließen, den Werken des größten Meisters Frankreichs den Platz zu geben, der ihnen erlaubt, ihre volle Wirksamkeit auszuüben ? Und wäre es wirkhch unmöglich, alle Bilder Delacroix' in einem Saal zu vereinen ? Wenn die egoistischen Bestimmungen der Stifter im Wege stehen, könnte man wenigstens zeitweise eine solche Zusammenstellung durch- setzen. Herr Leprieur, der neuerdings das Prestige der Leitung des Louvre so ent- schieden gehoben hat, würde sich mit dieser rationellen Ordnung der einzigen Dela- croix-Sammlung ein Verdienst sichern, das von keiner Neuerwerbung, sei sie auch noch so glücklich, übertroffen werden könnte.

War bis heute in der Sammlung Cheramy, in der sich auch noch eine kleine Wieder- holung des Fragmentes befand (Katalog Robaut Nr. 92, 93) und wurde von Cheramy der National GaUery in London vermacht. Bei Robaut irrtümUch mit der Bemerkung « Salon 1824 D. Der Irrtum kommt vermutlich von der falschen Datierung im Louvre- Katalog her. Hier wird das Hauptbild, das jetzt im Louvre hängt, mit « Salon 1834 » bezeichnet, während es tatsächlich im Jalire der Constable-Ausstellung, 1824, aus- gestellt war. Dagegen wird unser Detail vom Louvre- Katalog in den Salon 1824 gelegt. Delacroix malte das Detail, bevor er an die « Entree de Crois6s ä Constantinople t ging, « pour se faire la main », wie er sagte. Die Koloristik ist viel heller und prächtiger als im Gemälde des Louvre und entspricht der Entwicklung, die Delacroix inzwischen durchgemacht hatte. Klossowski hat in unserem Werk über die Sammlung Cheramy die genaue Farbenbeschreibung gegeben.

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Die Macht der Geste des Dantebildes hat sich auf das ganze Fleisch verteilt und dadurch an Kraft vervielfacht. Schon meint man das Vibrieren des Lebens zu spüren, das der «Medea» unbegreifliche Schönheit gibt.

Daß die beiden von mir improvisierten Hälften des Gemäldes hervortreten, verdankt das « Massacre » seiner Koloristik. In dem Braun des « Medusenf losses » oder in der diesem ähnlichen Technik der « Dantebarke » gemalt, würde das Diffuse der Gruppen weniger bemerkt werden. Die braune Sauce würde das ihrige tun. So ist das Bild tatsächlich gewesen, als Delacroix es in den Louvre den «Salon» zu seiner Zeit brachte und dort den «Hay- Wain» Constables erblickte. Wie Villot, ein Augenzeuge, berichtet, erbat und erhielt er die Erlaubnis, das Bild nochmal von der Wand zu nehmen, brachte es in den Saal der Karyatiden und übermalte binnen vier Tagen die ganze Fläche. Einer der englischen Aus- steller, Thaies Fielding, den er schon vorher durch Bonington kennen gelernt hatte, und sein Freund Soulier halfen ihm bei der Übermalung des Himmels^. Bei der Eröffnung des «Salon» hatte das Bild ein neues Gewand an. Das akademische Braun war einer gemäßigten aber wirksamen Palette gewichen, und der mehr oder v/eniger glatte Auftrag zu einer entschiedenen Struktur von Pinsel- strichen geworden. Die Komposition, mit der er sich zwei Jahre lang gequält hatte, ohne ein vollkommen befriedigendes Resultat zu erzielen, wurde mit dieser im Sturmschritt vollzogenen Änderung nicht verbessert. Sie zeigte ihm vielmehr jetzt erst, nachdem er sie zum Träger eines Organismus gemacht hatte, wo der Fehler lag. Die Einsicht hatte gewonnen.

Der Fall entscheidet über Delacroix' Zukunft und über die Zu- kunft der modernen Malerei. Er zeigt in der Form einer nahezu romanhaften Episode die ganz improvisierte, lediglich auf persön- liche Schicksale gestellte Tendenz zu Beginn der neuen Entwicklung. Delacroix hat Constable nie persönlich kennen gelernt. Beider Werke

' Vgl. E. Chesneau in der Vorrede des Robaut-Kataloges, Robauts Bemerkungen in dem Katalog zu Nr. 91 und 96, Maurice Toumeux in seiner Monographie über Delacroix (Paris, H. Laurens), S. 31 u. a. Wie Lassalle-Bordes berichtet, übermalte Delacroix 1847 auch den Himmel vollständig, so daß die Retuschen von fremder Hand ganz verschwanden.

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und beider Persönlichkeiten waren so verschieden, wie möglich; Constable reinster Engländer, der Repräsentant der edelsten Eigen- schaften seines Volkes, der Liebe zur freien Natur, zum Landleben, ohne eine Spur von Klassizismus und aller Romantik bar; Dela- croix reinster Franzose, tief durchdrungen von allen geistigen In- spirationen seines Volkes, durchaus Lateiner, ein Temperament, wie es nur seine Rasse hervorbringt. Und über alle Unterschiede siegte die Erkenntnis eines lichten Menschen. Delacroix sah durch die scheinbare Harmlosigkeit des ländlichen Künstlers hindurch, ließ sich nicht von den nichtssagenden Bauern und Pferden, von der einfachen Szenerie der Landschaften Constables abschrecken, sondern erkannte ein System, das, so einfach die gegenwärtigen Exempel waren, die Fähigkeit besaß, die ganze Historienmalerei großen Formates, wie sie in Frankreich geübt wurde, durch hand- große Flächen zu übertreffen. Er sah den Teilungsmodus des Eng- länders, die Möglichkeit einer Belebung und gleichzeitig eines Schmucks der Leinwand, an die keine zeitgenössische Komposition und wäre sie aus der Summe aller, der Linie dienenden Meister gewonnen, heranreichte. Nur so konnte man Farbe geben, indem man nicht die plastische Form deckte, sondern öffnete, statt des Anstrichs ein in sich wirksames Netz von Flecken erfand; nur so ließen sich Atmosphäre und Licht ohne Schwächung der Palette erreichen. Wenn anderen Constable materiell und beschränkt er- schien, sah Delacroix in ihm gerade das Gegenteil, den Bringer einer neuen, inbrünstig ersehnten Idealisierung. Sie war nichts anderes als die unbegrenzte Steigerung der Erscheinung über die Natur hinaus mit den in der Natur begründeten gesetzmäßigen Wirkungen. Ihm, dem der Geist alles war, mußte die Neuerung wie ein unentbehrlicher Zuwachs zu seinen eigenen Fähigkeiten er- scheinen.

Dieses Verhalten zu den Engländern unterschied sich recht gründlich von Gericaults Schwärmerei, der zuerst das Neuland ge- sehen hatte.

Auch Delacroix begeisterte nicht nur Constable, sondern die Neu- heit der ganzen englischen Kunst, wenn auch nicht so unbedingt wie Gericault. Im Sommer 1825 ist er drei Monate in London. Seine Briefe zeigen, daß er in England der Franzose blieb. « L'An-

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gleterre me semble peu amüsante, » schreibt er an Pierret. « II n'y aurait qu'un motif bien puissant comme par exemple, d'y faire des affaires qui püt m'y retenir»^. Dem feinfühligen Pariser ent- geht nicht die unter robustem Äußeren verborgene « mesquinerie generale ». Aber er verschließt sich ebensowenig den schönen Dingen Englands. Er kommt gerade in die Glanzzeit der Kean und Young, sieht zum erstenmal Shakespeare würdig auf der Bühne. Goethes Faust, gründlich verstümmelt, nach englischem Rezept halb als Oper arrangiert, aber phantastisch und wirksam, gibt ihm Eindrücke, die auch nach der Reise bleiben. Er kommt in alle berühmten Ateliers und entdeckt das, was einem Erben Davids wie eine Neuheit fruchtbarster Art erscheinen mußte: die von keiner Revolution unterbrochene handwerkliche Tradition der englischen Malerei. Auch er schätzt Lawrence « la fleur de la politesse et un veritable peintre de grands seigneurs »^ noch höher Wilkie, aber zumal seine Skizzen « il gäte regulierement ce qu'il fait de beau »' am höchsten Bonington, Turner und Constable. Mit Bonington, den er schon 1819 kennen gelernt hatte, teilte er nach seiner Rückkehr aus England sein Atelier, und die Anregung war für ihn nicht ohne Nutzen. « J'ai eu quelque temps Bonington dans mon atelier », schreibt er Anfang des Jahres 1826 an Soulier. « J'ai bien regrette que tu n'y sois pas. II y a terriblement a gagner dans la societe de ce luron-la et je te jure que je m'en suis bien trouve »*. Später modifiziert er nicht seine Sympathie für den Menschen, der ihm von allen Engländern am nächsten stand wohl aber die Schätzung des Künstlers. Er erkennt die Gefahren der Ge- schicklichkeit in Boningtons « touche coquette ». « Sa main l'entrai- nait, et c'est ce sacrifice des plus nobles qualites ä une malheureuse facilite, qui fait dechoir aujourd'hui ses ouvrages et les marque d'un

' Lettres 82.

2 Lettres 79. Ähnliche Äußerungen haben P. Dorbec dahin gebracht, den Einfluß von L. auf Delacroix' BUdnisse zu überschätzen. (Gaz. Beaux-Arts August 191 3 S. 100 ff).

" Lettres 74, 75. Er sagte zu Wilkie, als er die Skizze zum «John Knox» sah: « ApoUon lui meme prenant le pinceau ne pouvait que la gäter en la finissant ».

* Lettres 84. Delacroix verdankte dem Einfluß Boningtons zumal die Bekanntschaft mit dem Aquarell, das für ihn zum größten Vorteil werden sollte.

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cachet de faiblesse comme ceux des Vanloo »^ Auch von Lawrence kommt er später zurück. Er spricht in dem Briefe an Th. Silvestre, von 1858, von der « Exageration des moyens d'effet qui sentent un peu trop l'ecole de Reynolds »^. Und sein reifes Urteil überTurner, den er persönlich kannte, und der ihm früher mit Constable auf gleicher Höhe erschienen war, klang wesentlich anders^. Dagegen blieb sein Verhältnis zu Constable unverändert. «Homme admirable, une des gloires anglaises» nennt er ihn in dem Brief an Silvestre. Dem Zusammentreffen mit Constable wird in den Biographien Delacroix' keine oder nur eine ganz nebensächliche Bedeutung zugewiesen. Das ist weiter nicht auffallend. Chesneau nennt noch 1885 als einen der Gründe für die Unpopularität Delacroix' die Unfähigkeit des Betrachters, sich vom Gegenstand loszumachen, und meint damit einen spezifischen Fehler seiner Landsleute zu treffen. Er ist offen- bar nie jenseits der Grenze gewesen. Die Unfähigkeit ist inter- national wie die meisten Laster. Einer Kunstbetrachtung, die das Werk in Form und Gegenstand zerlegte, und die Technik als eine nebensächliche Zutat ansah, über die zu reden, nicht ganz an- ständig erschien, mußte der Beitrag Constables gleichgültig bleiben. Den anderen aber, den Chevillard und Couture der Kunstbetrachtung, denen der Nachweis einer Abhängigkeit genügte, um den Künstler ihrer Verachtung zu überliefern, bestätigte diese eklatante Entlehnung vor allen Augen den schwärzesten Argwohn. Die erste Kategorie hatte im Falle Delacroix', wenigstens in Frankreich, das Übergewicht. Da Delacroix, so dachte man etwa, unmöglich seine romantischen Entwürfe einem Landschafter ver- dankte, konnte es sich nur um eine Kleinigkeit handeln. Die Schnelligkeit der Hinnahme und die Einfachheit, mit der Delacroix darüber sprach, bestätigten diese Vermutung. Den Nutzen enthält der simple Satz im Tagebuch des Meisters: « Constable dit que la superiorite du vert de ses prairies tient a ce qu'il est un compose d'une multitude de verts differents. Ce qui donne le defaut d'in- tensite et de vie a la verdure du commun des paysagistes, c'est qu'ils

' Journal II, 279, 278. Später mildert er das Urteil, vgl. III, iS

" Lettres 296, vgl. auch Journal III, 377.

' Journal III, 19 und 377. Vgl. damit Journal I, 39.

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la fönt ordinairement d'une teinte uniforme». Und er fügt hinzu: « Ce qu'il dit ici du vert des prairies peut s'appliquer a tous les autres tons^. » In der Tat beruht das ganze Geheimnis des « Hay- Wain » auf dieser einfachen Überlegung. Also lediglich eine Frage der Palette, sagt der Laie, « une question de cuisine », und stützt sich auf die Tatsache, daß Delacroix vorher und ohne jede Beihilfe Con- stables die « Dantebarke » gemalt hat, die mindestens ebenso schön ist wie das « Massacre », v/enn nicht noch schöner. Aber diese Überlegung behält nur so lange einen Schein von Recht, als man sie auf die beiden Bilder beschränkt. Sobald man nur noch ein paar Werke aus den nächsten zehn Jahren dazu- nimmt, z. B. den « Boissy d'Anglas », das Dogenbild in der Wallace Collection, den « Meurtre de l'Eveque de Liege » oder gar die «Femmes d'Alger», so ändert sich zusehends die Bedeutung jener Äußerlichkeit. Nimmt man gar das ganze Werk dazu, die Schlach- tenbilder, die «Eroberung Konstantinopels», den «Raub der Re- bekka» und die vielen anderen strahlenden Meisterwerke, so er- kennt man den alten Delacroix, der einen Moment, ohne von Constable getroffen zu sein, malte, kaum noch wieder. Der Meister ist nicht der primitive Künstler. Diesen finden wir ungeklärt, er erscheint uns, wenn wir von seinen Spätwerken zurückblicken, abhängig von Gericault und anderen. Der Selbständige ist der Delacroix, der Constables Maxime annimmt. Constable unterjochte ihn nicht, denn wir finden keinerlei Ähnlichkeit zwischen beiden, weder vor noch nach dem «Massacre». So befreite er ihn also, machte den neuen Künstler aus ihm, trieb ihn auf den eigenen zur Höhe führenden Weg. Der Zweifel an der Bedeutung der Technik und Farbe in diesem Werden ist nicht klüger als die Frage, was im Smaragd der Stein bedeutet.

' Journal I, 234.

ANALYSE UND SYNTHESE

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Constable hatte ein zeitgenössisches Mittel gefunden; nicht er- funden. Viele Meister vom i6, bis i8. Jahrhundert haben sich instinktiv desselben Mittels bedient, nur war es keinem so klar zum Bewußtsein gelangt. Ahnte Constable die Tragweite ? Die Kunst war in den Händen eines so einfachen Menschen ein verhältnismäßig materieller Faktor. Sein unmittelbares Verhältnis zur Natur, der unverhohlene Utilitarismus des Landschafters, hielt von der Er- oberung alle psychologischen Weiterungen fern, und es darf nicht verschwiegen werden: das Mittel schützte das Naturkind nicht immer vor Banalitäten; es glich zuweilen dem subtilen Instrument,

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das bei der Verwendung zu wenig subtilen Zwecken die Schneide verliert.

Delacroix machte etwas Ungeheures daraus. Es wurde zu einer der Handhaben jener Entmaterialisierung, die das Ziel aller seiner technischen Spekulationen war. Nach einem bekannten Wort malte er nicht den Degen, sondern das Leuchten der Klinge ; so wie Greco und die anderen großen Vergeistiger früherer Zeiten. Nicht dem Sein des Dings galt seine Gestaltung, sondern der vom Dinghaften möglichst befreiten Funktion; nicht der Natur als solcher, sondern dem, was sie ihm an Ausdruck geben konnte ; nicht der Farbe, dem Rot, Gelb, Grün, sondern dem Rieseln und Glühen, Drohen und Schmeicheln des Farbigen, dem Akkord, der, verbunden mit an- derem, einen Gefühlsinhalt darstellen konnte. Die Teilung Con- stables wurde von dem Forscher durch ständige Beobachtung der Natur fortwährend erweitert. Sie war ihm nie hemmende Maßregel, sondern ein weites System, das dem kühnen Subjektiven, dem jedes Erlebnis zum Gleichnis wurde, einen wie ein wissenschaftliches Resultat objektiven Schutz, auf den er sich verlassen konnte, darbot. Das wunderbar Segenreiche war das Zusammenwirken dieser analytischen und synthetischen Tendenzen, auf dem die einzigartige Mischung von Komposition und Koloristik im Werke Delacroix' beruht, die Wirkung einer absolut rationellen Methode in einem Künstler, den keine Wissenschaft gefährden konnte, die Handhabung eines Teilungsmodus durch einen ganz unteilbaren Geist, dessen Regung in jedem Augenblick über der Technik blieb. So wurde der Romantiker zu dem Klassiker. Mit der Erfindung taumelnder Gesichte entsteht im selben Augenblick die unfehl- bare Struktur, die das zuweilen tollkühne Gerüst vor jedem Schwanken bewahrt. So allein wurde das Barock Delacroix' ge- sichert und die Übernahme einer Form, die unserem Realismus zu widersprechen scheint, von der Willkür befreit. Auch das Barock ist, ähnlich wie bei Greco, nur so ein Teilungsmodus und wird selbst durch die strahlende Objektivierung des Meisters geteilt.

Den Vorteil der Koloristik erweisen am deutlichsten die mit der « Dantebarke » verwandten und daher dem Vergleich am leich- testen zugänglichen Motive, also die «Don-Juan-Barke» im Louvre, von 1840 oder die verschiedenen Fassungen des« Christ sur le lac

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ANALYSE UND SYNTHESE 45

de Genesareth». «Le Naufrage de Don Juan» zeigt einen Kahn mit Menschen allein auf dem Meer. Die eng zusammengedrängte Gruppe ist stark bewegt. Aber die Bewegung liegt weniger in den Gesten als in der fleckenhaften Beleuchtung, die immer nur einige Teile der Kleider und des Fleisches hervorhebt, und vor allem in dem Gegensatz dieses flackernden Knäuels von Menschen zu der weiten Fläche des Wassers und des Himmels. Das Erlebnis ist ähnlich wie vor der « Dantebarke », nur viel tiefer und kompli- zierter, auf reichere verzweigtere Formenwirkungen aufgebaut. Nur der Byron-Kenner, der genau zusieht, kann mit einiger Phantasie die schaudervolle Szene aus dem zweiten Gesänge wiedererkennen, die Auslösung des Genossen, der den Hungernden die Mahlzeit geben soll. Nicht im mindesten trägt dieser Vorgang zum Eindruck bei. Keiner meiner Leser, die das Bild kennen, wird sich je gefragt haben, was diese Unglücklichen auf dem Schiffe treiben, und keinem wird die Nachricht, um was es sich handelt, den Eindruck verstärken. Empfindliche Kenner des Bildes werden sogar peinlich berührt sein und mit Unbehagen diese verengende Auslegung hinnehmen. Sie sehen etwas viel weiteres darin, als eine reproduzierte Dichterstelle. Keine Episode kann ihren Eindruck zusammenfassen. Farbe und Licht haben eine Abstraktion der Dichtung vollbracht, in der das Gedicht nur noch eine historische Bedeutung besitzt. Was daraus wurde, geht weit darüber hinweg. Darauf beruht der Fort- schritt. Man kann ihn schrittweise von David an vorwärtsdringen sehen, von einem Gemälde des Klassizisten zu Gros, von Gros zu Gericault, von Gericault zum frühen Delacroix, von dem zum Meister, und wird dann trotz der Progression zwischen den einzelnen Stationen immer noch den größten Abstand innerhalb der Lauf- bahn desselben Menschen finden. Vom «Massacre» zu diesem Bilde ist weiter, als von David zu Delacroix. Gericaults « Medusen- floß», dessen Motiv in dem Schiffe Don Juans ausklingt, verhält sich dazu etwa wie die Schale zum Kern.

Die « Don-Juan-Barke », sagte der treuste Kritiker des Meisters, Th. Gautier, « c'est le radeau de la Meduse depouille de son appareil tragique et theätral et ramene ä la plus simple expression».

Die glänzende Formel gilt nur in einem durchaus übertragenen Sinne. Es ist im Grunde gar keine Gemeinschaft zwischen dem

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«Medusenfloß» und der « Don- Juan- Barke »; wenn man sehr streng sein will, nicht mehr als zwischen einer wundervoll erzählten tragischen Episode der Wirklichkeit und einer dichterischen Vision. Ob diese unbedingt eine Vereinfachung jener ist, bleibt dahin- gestellt, so sicher sie eine Vereinfachung ist. Es fehlt der Formel die Bezeichnung der positiven Zugabe des Vereinfachers, die im Geistigen liegt und so bedeutend ist, daß sie keine Beziehung zu dem scheinbar gemeinsamen Objekt zuläßt. Der Geist Delacroix' steht über der Gestaltung Gericaults etwa wie Goethe über Schiller. Auch die entscheidendste Anregung Schillers könnte zwischen ihm und dem Dichter des Faust kein wesentliches gemeinsames Niveau herstellen. Eher paßt die Formel Gautiers auf das Verhältnis der beiden Barken Delacroix' zueinander. Don Juans Schiff ist eine Vereinfachung der «Dantebarke». Der «tragische und theatrale Apparat» des Frühwerks wird auf Abstraktionen reduziert, an die der Debütant nie gedacht hat. Und diese Reduktion bereichert die Wirkung des Bildhaften. Statt einer Gattung von Formen, die wir in dem Frühwerk mit dem Gegensatz zwischen Vertikal und Hori- zontal grob bezeichnen konnten, wirken viele Arten von Formen zusammen. Es ist, als übernähmen Farben und Töne, das flackernde Licht über Gesichtern und Stoffen die dra- matische Rolle der dantesken Gebärden. Das Prinzip dieser Ent- wicklung ist bei vielen, um nicht zu sagen, allen neueren Meistern das gleiche. Der Geist sucht sich von der mehr oder weniger engen Personifikation früherer Vorstellungen zu befreien und die wort- reiche Rolle des Helden immer mehr der Regie zu überweisen. Die Frage ist, ob bei dieser Reduktion nicht Werte, die sich der Verschiebung widersetzen, verloren gehen, ob der Gewinn ohne Opfer an wesentlichen Dingen zustande kommt. Man konnte sich auch bei Delacroix fragen, ob hinter solcher Weisheit nicht die Schwäche lauerte, ob dem Sucher mit seinem neuen, unendlich differenzierten Mittel ein Kraftausdruck von der Wucht der « Dante- barke » gelingen würde. Darauf geben hundert meisterliche Werke vor und nach dem «Don Juan» Antwort. In diesem verbietet das Motiv eine grössere Wucht. Aber auch hier sieht man das Tempera- ment ganz frei von den Erwägungen, die es in der «Dantebarke» zurückhielten, ohne auch nur im mindesten in die Unordnung des

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«Massacre» zu geraten. Es löst spielend die Aufgabe, ohne ein Atom von Kraft zu vergeuden. Man findet die Steigerung des Dramas innerhalb desselben Motivs in der Serie von sieben Bildern des Jahres 1853 mit dem «Christ sur le lac de Genesareth», von denen Gallimard in Paris eins der schönsten besitzt^ Es geht einem merkwürdig mit diesem Christus. Bevor man noch mit Sicherheit die Gestalt des Heilands, die sich hier in so ungewohnter Form zeigt, erkannt hat, glaubt man vor dem See Genezareth zu stehen. Es ist natürlich eine Selbsttäuschung. Wie sollte man die Legende ahnen ohne den Inhalt! Und doch etwas Ähnliches wenig- stens geht in uns vor. Ohne Kulissen, ohne irgend eins der Mittel, mit denen wir gewohnt sind, das Religiöse zu assoziieren, entsteht eine Stimmung, die uns zur Legende treibt. Es liegt an der Be- wegung dieser tosenden Wellen, dieses Segels, das die Wellen des Wassers vergrößert, dieser drei oder vier Menschen, von denen jeder nach einer anderen Himmelsrichtung gerissen wird. Aber diese vervielfachte Bewegung müßte uns mit in Taumel versetzen, uns krampfhaft erregen, niederschmettern oder in die Höhe reißen, wie etwa Gericaults Barke. Wir aber stehen ganz still davor, von einem seltsamen Rauschen gebannt, das mit in die Bewegung klingt wie erhabene Stimmen von Glocken, die, vom Sturm in Bewegung gesetzt, das Getöse mit tiefem Baß übertönen. Das ist die Farbe. Das Geheime liegt darin, daß wir erst sie sehen, den schimmernden Rhythmus ihrer aus Edelsteinen, aus Prunkgewändern, aus prangenden Früchten gewonnenen Akkorde, bevor wir die düstere Szene entdecken. Und haben wir dann in dem leuchtendsten Juwel die unendlich naive Gestalt des schlafenden Mannes entdeckt, so sammeln sich hundert Kräfte statt einer zur Deutung des Heiligen. Fromentin schrieb: «Chez Delacroix la couleur n'a jamais cesse d'etre un langage. » Van Gogh verstand diese Sprache: «Oh le

' Sowohl der « Naufrage de Don Juan » wie der « Christ sur le lac de G. » gehen auf eine Skizze zurück, die schon 1821, also noch vor der «Dantebarke» entstand (Robaut, Nr. 1473) ; ein Schiff mit gebrochenem Mast mit einer gehäuften Menge von Insassen, das von einer riesigen Woge bedroht wird. Der Einfluß Gericaults ist unverkennbar. Ein dem Don Juan ähnliches Motiv, ebenfalls ohne die christliche Legende, war 1847 im Salon (Robaut, Nr. loio). Die sieben Bilder mit dem Christ, bei Robaut, Nr. 1214 bis 1220.

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beau tableau d' Eugene Delacroix» schreibt er in einem seiner Briefe, «la Barque du Christ sur la mer de Genesareth, Lui avec son aureole d'un pale citron dormant, lumineux, dans la tache de violet dramatique, de bleu sombre, de rouge sang, du groupe des disciples ahuris, sur la terrible mer d'emeraude, montant, montant jusque tout en haut du cadre. » Van Gogh nennt zwei Menschen, die Christus gemalt haben: Rembrandt und Delacroix. Man muß von der Kunst so klare Vorstellungen haben, wie dieser letzte Schüler des Meisters, um die ganze Wahrheit seiner Behaup- tung zu fassen. Die Gott-Darstellung Delacroix' ist, obwohl aus ganz anderen Quellen stammend, die einzige Folge der Rem- brandtschen, die bis dahin die glaubhafteste war, weil auch ihr eine Atmosphäre gelingt, in der heilige Legenden existieren können.

Dies Vermögen, nicht ein Stück, sondern die Welt in einen Strahlenkranz von Farben zu konzipieren, ist Delacroix' Genie. An diese unersetzliche Gabe mag Taine gedacht haben, als er die Tadler mahnte: «Grondez, en le comparant aux vieux maitres; mais songez qu'il a dit une chose neuve et la seule dont nous ayons besoin»i.

War es wirklich ein Neues, nicht lediglich ein Seltenes, das früher, als die Menschheit noch großen gemeinsamen Ideen zu- gänglicher war, zuweilen sichtbar wurde? Die Form, an der wir Tausende beteiligt glauben, die jeden Gedanken an das herrsch- süchtige Individuum fernhält, und die einer macht, ein Gott- begnadeter, der uns eint, wie er in seinem Werk die Fülle einte.

Die kosmische Konzeption scheidet Delacroix ebenso von seinen französischen wie von seinen englischen Zeitgenossen. Mit Constable behält er nur peripherische Beziehungen, mit Gericault und Gros hat er bald nichts mehr gemein. Dagegen nähert er sich all den Meistern, von denen er eine Bereicherung jenes Allweltlichen erhoffte. Man sieht in seinem « Journal », wie er nach und nach immer weitere Kreise der Erkenntnis umfaßt. Seine Bilder zeigen dasselbe. Zwei Meister stehen hier und dort immer im Mittelpunkt der Handlung, zwei Meister, die sich die Kunstgeschichte als einander entgegengesetzte Pole denkt. Sie begegnen sich im Denken und Schaffen Delacroix' wie Geschwister.

' Essais de Critique et d'histoire.

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Schon David hatte, wenn er ein Bildnis auf der Staffelei hatte, verstohlen nach Rubens gesehen. Für Gros und Gericault war er der Schild gegen den Klassizismus gewesen. Aber dafür ge- nügte schon das erlösende Temperament des Vorbildes. Niemand außer Constable hatte seit dem Dixhuitieme die Rubenssche Palette gesucht, und auch dem Dixhuitieme war schließlich nur ein enger artistischer Begriff von Rubens, eine Spezialität, zugänglich geworden.

Delacroix war von allen diesen nachgeborenen Rubensschülern der kongeniale, der einzige, der Raum für den Riesen hatte in

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seiner Empfindung, in seinem Schöpfervermögen, in seiner Kunst. Man verwechselt zu leicht die Ähnlichkeit zwischen Bildern, die keinem tiefer dringenden Auge anders als oberflächlich erscheint, mit der Ähnlichkeit zwischen den Gelüsten beider. Delacroix hatte teil an demselben ins Ungeheure gehenden Pantheismus, war eine bis zu einem gewissen Grade ähnliche Psyche, nur in einem ganz anderen Körper, in einer ganz anderen Umgebung. Die Ähnlich- keit gab der Beziehung der beiden Künstler zueinander eine nie wiederholte Gültigkeit. Leicht war es einem Stillebenmaler, aus der wogenden Fülle Rubensscher Formen brauchbare Elemente für eine einzige Gattung zu finden, dieses oder jenes Detail des Riesen zum Mittelpunkt einer bescheidenen Welt zu machen, mit einem Strahl des Gestirns einen kleinen Winkel taghell zu er- leuchten. Delacroix bemaß seine Aufgabe an dem Umfang des Vorgängers. Er trat der unübersehbaren Rubensschen Welt von Motiven mit einer gleich reichen Welt gegenüber und durchdrang mit demselben, ganz einzigen Erobererglück alle Gebiete der Malerei vom kleinsten Staffeleibild bis zur größten Wand- dekoration. Und war allein, ein einziger gegen alle. Die Eigenhändig- keit der Schöpfung Delacroix' läßt einen neuen Begriff von Reich- tum entstehen, der jetzt noch dunkel oder an die enge Bedeutung ge- bunden bleiben mag, die der kunstwissenschaftliche Forscher im Sinne hat; den wir am Ende des Werkes von der Höhe des Zieles Delacroix' wie eine unvergleichliche Tat erkennen werden. Rubens war ein Heerführer. Delacroix war allein. Der Unterschied ist gewaltig. Die klare Einsicht in diesen Unterschied hat Delacroix eine Gewalt gegeben, die jede schmälernde Bedeutung seiner Beziehung zu Rubens aufhebt. Rubens' Bilder waren die natürliche Dekoration eines glanzvollen Daseins. So wie er malte, lebte der Liebling der Fürsten. Delacroix wäre mit einem ähn- lichen Lebensideal banal geworden und mit zwanzig Jahren ge- storben. Ihm, dem aller Prunk der Lebensführung verhaßt war, der die notwendige Heimlichkeit aller unserer Genüsse erkannte, wurden die Bilder allein zur fürstlichen Heimat. Er dichtete, wie Rubens lebte, malte mit der Lust, mit der Rubens die Weiber, den Ruhm, das Leben umschlang, und das künstliche Band, diese Projizierung auf das Geistige, gewann Bestand, wuchs über die

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Fiktion hinaus, weil der Erbauer ein Umschlinger war, nicht weniger als Rubens. Man könnte wagen zu sagen, die freiwillige Beschränkung auf den einzigen Ort, wo ihm das Schwelgen erlaubt schien, habe Delacroix eine noch höhere Dramatik verliehen. Sein Geist steht leibhaftiger, mächtiger, prunkvoller vor uns als das, unseren sozialen Bedingungen längst entrückte. Künstlerleben des Flamen.

Keinen Meister hat Delacroix mehr kopiert. Robaut hat nur einen Teil der Kopien registrieren können. Es gibt Dutzende^, Vor einigen Jahren war bei Kleinberger in Paris die berühmteste ausgestellt, « Die Mirakel des H. Benoit », aus dem Jahre 1841, und daneben hing das Riesenoriginal von Rubens, das mit dem Delacroix im Besitz des verstorbenen Königs der Belgier war. Der Blick irrte von dem einen Bild zu dem anderen, um festzustellen, was der Kopist eigentlich nachgeahmt habe. Die Tatsache, daß es sich um dieselbe Komposition handelte, die hier anders wie dort « ge- malt » sei, genügte dem Sinn nicht. Eher hätte man glauben können, ein Gedanke habe den beiden vorgelegen und habe zu zwei ganz verschiedenen Äußerungen geführt. Die Interpretation Delacroix' war so überzeugend, daß man die Genesis des Werkes vergaß. Und wenn man dieser Fiktion nachgab, hätte man folgern müssen, in der Kopie sei die Erfindung größer als im Original, so voll- kommen hatte Delacroix alle Bedingungen des Motivs erfüllt.

Delacroix sah in dem Meister das Fundament der von der Revo- lution unterbrochenen Entwicklung. Rubens hatte nicht alles, aber die Hauptsache, die der Zeit am meisten not tat: gesundes Fleisch. Und noch ein zweites: er zeigte die Möglichkeiten einer Malerei in schnellem Tempo. Vielleicht war diese Aussicht noch wichtiger als die Palette. An der Palette Delacroix' haben die Venezianer größeren Anteil gehabt. Der Vorgänger der Im- pressionisten brauchte vor allem eine rapide Malerei, um nichts von seiner Empfindung zu verlieren. Er sagte einmal zu einem jungen Maler: «Wenn Sie nicht einen Menschen, der sich aus dem Fenster stürzt, in der Zeit, bis er vom vierten Stock auf den Boden ankommt, zeichnen können, werden Sie nie große

' Eine der schönsten, die Robaut entgangen sind, ist die Kopie oder vielmehr Variation nach der Dresdner Wolfsjagd in der Münchener Pinakothek.

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Bilder fertig bringen»^. Und Dumas bezeugt mit der hübschen Geschichte einer Skizze, daß Delacroix, annähernd wenigstens, dieses Verlangen erfüllte-. Behendigkeit hatte aber auch das i8. Jahrhundert von Rubens gelernt, und die Eile hatte nur gedient, um die Nachfolger Bouchers noch schneller der Deko- ration auszuliefern. Nicht diese Eile war Delacroix' Ziel.

Er sagte oft: « Da der dem Künstler von der Natur übermittelte Eindruck das wichtigste ist, das er wiedergeben muß, ist es not- wendig, daß er sich vorher mit allen Mitteln der schnellsten Über- setzung versieht. » Also um der Wahrheit willen brauchte er die Geschwindschrift. Das Dixhuitieme malte fix, um graziös zu er- scheinen.

Die Zeit Delacroix' hatte sich noch nicht von der Reaktion des Empire gegen das Dixhuitieme erholt. Die Nachfolger Davids

"■ Baudelaire, L'Axt Romantique, S. 35. Auch der folgende Ausspruch stammt aus derselben Quelle.

' Es handelt sich um die herrliche Skizze großen Umfangs « le roi Rodrigue perdant sa couronne », früher bei Dumas, dann in der Sammlung Cheramy, hier abgebildet. Dumas hatte seine Malerfreunde Decamps, Barye, u. a. auch Dela- croix, gebeten, für eine Gesellschaft, die er geben wollte, einen Saal mit Panneaux zu schmücken. Die Bilder sollten an einem bestimmten Tage fertig sein, an dem Dumas einen Ball gab. Alles ist so weit, nur das für Delacroix bestimmte Panneau ist noch leer. Der Maler kommt am Nachmittag zu Dumas und erschrickt über die große Fläche ; er hatte geglaubt, sich mit ein paar Blumen aus der Affäre zu ziehen. « Hören Sie, » sagt Dumas, « ich habe soeben etwas für Sie gelesen », und erzählt ihm den ersten Gesang des Romancero, wo Rodrigo, der Verführer der Cava, im Kampf mit den Mauren sein Reich verliert. Delacroix geht augenblicklich im Salon- rock an die Arbeit und malt die ganze Szene herunter, noch dazu in den seltensten Farben, einer Harmonie in Gelb, die in seinem Frühwerke allein steht. « Dela- croix », so erzählt Dumas, « commenja par prendre son fusain ; en trois ou quatre coups, il eut esquisse le cheval, en cinq ou six, le cavalier; en sept ou huit le paysage, morts, mourants et fuyards compris ; puis, faisant assez de ce croquis inintelligible pour tout autre quo lui il prit brosses et pinceaux, et commenfa ä peindre. Alors en un instant, et comme si Ton eüt dechire une teile, on vit sous sa main apparaitre d'abord un cavalier tout sanglant ....

Tout cela etait merveilleux ä voir: aussi un cercle s'etait-il fait autour du maitre, et chacun, sans Jalousie, Sans envie, avait quitte sa besogne pour venir battre des mains ä cet autre Rubens qui improvisait tout ä la fois la composition et l'execution. En deux ou trois heures tout fut fini ». (Memoires de Alexandre Dumas, Paris, Calman L^vy 1898, IV, S. 110 ff.) Man denkt unwillkürlich an das ähnliche Stückchen Cour- bets vor den Münchener Akademikern im Jahre 1869.

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hielten die Amoretten in festen Banden. Noch war kein Goncourt auf der Suche nach den verschleuderten Schätzen. Delacroix unter- lag nicht der Mode, dieser so wenig wie irgendeiner. Er bewunderte das Metier, das glänzende Farbenspiel, «l'admirable artifice» der Maler Ludwigs XV., besaß selbst einen Watteau und studierte ihn eifrigS aber seiner ganzen Anschauung von der Kunst widersprach zu sehr der zweifelhafte Standpunkt des Amateurs, um ihn den Unterschied zwischen der Geschicklichkeit der Watteau-Schule und der Natur ihrer größeren Vorgänger übersehen zu lassen. Ein so tief von Rubens durchdrungener Geist, der gleich Großes zu schaffen hoffte, durfte und mußte in dem 18. Jahrhundert nur eine niedliche Spielerei erblicken. Er trank an der Quelle, trank in vollen Zügen. Unverdünnt drang der wie Milch und Blut fruchtbare Strom Rubensscher Empfindung in ihn hinein, und nie hat ein anderer den Flamen tiefer durchdrungen. Doch verlor der Trinker nicht die Besinnung. Dies mag er, wenn man überhaupt für die Mäßigung, die kein Kompromiß war, nach einem äußeren Anlaß suchen soll, dem Meister verdankt haben, der in seinem Herzen den zweiten Platz einnahm: Raffael.

Es ist nicht leicht, die Beziehung Delacroix' zu Raffael anschau- lich zu machen, schon weil uns Raffael selbst nicht mehr anschau- lich wird. Die Zeit geht nach schärfer ausgeprägten, vor allem nach bewegteren Individuen. Wir sind für so stille Leute zu träge und blasiert geworden. Was konnte, fragen wir uns skeptisch, der Jüngling von Urbino dem glühenden Temperamente eines Dela- croix geben ? Doch ist unser Begriff des Temperaments recht winzig neben dem Temperamente Delacroix'. Wir achten nur auf das Ungestüme, das jeder flinke Strich verrät, nicht auf die Wider- stände, die es überwindet. Auch entgeht uns die Stellung der ganzen Zeit Delacroix' zu dem Urbinaten. Ihr war er keineswegs der respektable aber längst abgenutzte Wert, sondern unentbehr- liches Glied einer ganz aktuellen Entwicklung. Die Minorität vornehmer Geister sah in ihm das unangreifbare Dokument gegen jenen undifferenzierten Klassizismus, der noch in der Jugend Delacroix' herrschte. Er wurde das Terrain, auf dem sich damals

' Vgl. Journal I, 295 ; II, 397 u. a. St. Er besass « les Apothicaires » Watteaus, die er gegen eines seiner Bilder eingetauscht hatte. Vgl. Journal III, 316, 317.

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viele Fortschrittler, selbst so feindliche Gegensätze wie der Maler der « Dantebarke » und der Maler des « Homere deifie » be- gegnen konnten. Delacroix fand in Raffael den Ausdruck eines edleren klassischen Geistes, der ihn nicht nur vor dem Pseudo- klassizismus rechtfertigte, sondern auch das von proletarischen Gelüsten nicht freie Heroentum der Gros und Gericault, seiner Paten, zu läutern vermochte. Die Differenz der Temperamente, die Delacroix mit den Jahren vielleicht stärker als anfangs emp- fand, hinderte nicht diesen idealen Nutzen, machte ihn vielleicht größer. Weil ihm die Natur wenig von der gelassenen Art des Madonnenmalers gegeben hatte, suchte er so zu werden. 1824 dik- tiert ihm Raffael den Satz von der unbedingten Bedeutung zeich- nerischer Umrisse^. Der Satz wäre, von der Feder eines anderen, z. B. Ingres geschrieben, mehr als bedenklich. Er treibt uns bei Delacroix nicht zum Widerspruch, da wir wissen, wie wenig er ihm zur allein gültigen Richtschnur wurde, sondern zum Nach- denken, wie weit er von einem Delacroix befolgt werden konnte und wirklich befolgt wurde. Immer wieder bewundert er die Grazie des Raffaelschen Linienspiels, und noch 1847 schreibt er, man dürfe nicht zu viel an Raffael denken, um nicht getrieben zu werden, «alles aus dem Fenster zuwerfen»-. Eine unmittelbare Folge mag die Disposition der Pinselschrift gewesen sein, die Vor- liebe, die Bilder, die immer mit rubenshaftem Schwung in großen Strichen begonnen worden, mit kleinen Strichen zu vollenden. (Wenigstens betont er wiederholt in seinen Notizen das feinmaschige Gewebe der Bilder Raffaels.) Aber diese Methode, die sich aus seiner differenzierten « Teilung » von selbst ergab, finden wir auch schon, freilich in primitiver Form, bei David und vielen David- schülern, und sie entsprach seinem ganzen altmeisterlichen Emp- finden. Entscheidend wird die Annäherung an Raffael in der Komposition. Sie ist am deutlichsten in den meisten Monumental- werken, zumal in der Dekoration der Bibliothek des Palais Bourbon und in den Fresken der S. Sulpice. Hier hat Delacroix das Kom- positionsschema, wenn auch nicht bestimmte Kompositionen Raffaels, so frei benutzt wie Raffael die Antike. Aber auch da,

' Journal I, 82. » Journal I, 284.

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wo die Aufgabe dem Maler keinerlei Beschränkung befahl, auch in den reichsten Tafelbildern, in Skizzen, die wie Improvisation erscheinen, in Legenden, deren Art Raffael ganz fern liegt, eher auf Rubens oder auf Venedig hinweist, in den Legenden kleinen Um- fangs, neben deren Pracht der Meister der vatikanischen Fresken wie ein Primitiver erscheint, bleibt die Beziehung wie eine sehr zarte aber unverkennbare Melodie erhalten; ja, sie enthüllt hier, wo an die Stelle künstlerischer Vergleichsmöglichkeiten rein mensch- liche Eigenschaften, wie Grazie, Jugendlichkeit, Anstand treten, ihren wirklichen Charakter. Delacroix sah Raffael mit seinen Augen an und fand einen Verwandten. Man könnte sagen, er habe in allen großen Dingen, weil er sie mit seinen schöpferischen Augen ansah. Verwandte gefunden. Es ist nicht nur Wahlverwandtschaft. Etwas im Wesen Delacroix' scheint von der Natur in die Nähe einer raffaelschen Lieblichkeit gerückt und es verträgt sich durchaus mit seiner Kraft, seinem Ungestüm, vollbringt wie alles, was wir unter seinen Eigenschaften mit dem Namen anderer Größen bezeichnen oder wenigstens andeuten können, eine Veredelung seiner Natur und eine Veredelung des Wertes, der uns zum Ver- gleich dient. Viele Gestalten seiner Bilder scheinen seltsam ver- wandelte Götter, Propheten, Engel Raffaels. Irgend etwas unter den vielen Schönheiten, die sie schmücken, scheint ganz unmittelbar dem Urbinaten entsprungen, und oft ist es, als ob ihre Art auf einen erhöhten, gleich belebten wie erhabeneren Raffael hin- weise.

Der Maler besaß nicht von vornherein dieses hohe geistige Ver- hältnis zu dem geliebten Meister, ebenso wie der Kritiker nicht gleich ein gültiges Urteil über ihn fand. Man kann die Entwicklung an manchen Bildern verfolgen. Es ist eine der vielen Entwick- lungen Delacroix'.

1838 malt er seine erste Medea. Es ist die kleine Skizze im Museum von Lille^, der noch im gleichen Jahre das Hauptwerk, der Stolz der Liller Galerie, folgte. Die Idee des Bildes ist nichts weniger als Raffael, sie ist auch nicht Rubens, noch venezianisch.

' Diese Skizze übermalte er vollständig im Jahre 1847 (vgl. Journal I, 324) Repris une ancienno esquisse de Medee qua j'ai metamorphosee ; daraus erklärt sich die Verschiedenheit der Materien in Skizze und Bild.

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Die Erfindung der ungeheuren Geste, « ce geste de lionne », wie Gautier sagte, in der sich die Tragik dieser Mutter zum Sprunge sammelt, ist reinster Delacroix. Diese ganz elementare Art von Symbolik hat ihn keiner gelehrt, sie war sein Empfinden, In den Kindern zwischen den Armen der Heldin, die wie die Jungen am Leibe der gereizten Löwin zappeln, kommt ein Lächeln Raffaels, eine Erinnerung an die Kindlichkeit der Sixtinischen Madonna, zum Vorschein. Es bleibt in dem Liller Bilde ein isoliertes Detail, das zur Kontrastwirkung beiträgt und die Dramatik steigert. Diese erste Fassung trägt noch die Schlacken der Jugend, obwohl sie bereits einen wesentlichen Fortschritt gegen die erste Skizze darstellt, in der die Kinder noch nicht ihren rechten Platz haben und das Haupt der Medea noch von dem Mantel umwallt wird, (ein romantisches Hilfsmittel, das die Einfachheit beeinträchtigt)^. Das Liller Werk ist die bei weitem größte Fassung und gilt als die beste; mir scheint, mit Unrecht. Wohl ist die Komposition der Gruppe ideal gelöst, sie hat das Gefundene des Meisterwerks, das uns sofort die Überzeugung gibt: so und nicht anders muß es sein, nie wird man diese Gruppe anders gestalten können, so wird die Medea immer vor uns stehen. Auch das landschaftliche Motiv ist glänzend als Rahmen für die Gruppe getroffen. Doch möchte man zwischen einer Komposition der Gruppe und der Komposition des Bildes unterscheiden. Das große Format wird nicht in allen Teilen gleichmäßig von der Gestaltung belebt. Das Ungestüme des gewaltigen Einfalls scheint über dem Willen des Künstlers zu stehen, der Erfinder wurde fortgerissen von seiner Erfindung. Wohl trägt die Farbe den Ausdruck, in jedem Pinsel- strich zuckt die Empfindung des Visionärs, aber die Farbe versagt die ganz abgeklärte, verewigende Harmonie, versagt sie zumal in dem heutigen Zustand des Bildes, der nicht die verheerenden Schäden schlechter Pigmente verschweigt. Das unbestimmte Grau- schwarz des Gewandes, das den Unterkörper der Medea bedeckt, mit dem stumpfen Umschlag in Türkischrot ist nahezu erblindet und die vergilbten Braun, Gelb und Grün der Szene haben ihre Wirkung verloren. Mächtig ergreift uns das fahle gespenstische

' Man kann den Fortschritt in der Komposition fast schrittweise an der Hand der Serie von Zeichnungen zur « Medea » im Museum von Lille verfolgen.

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Fleisch der Medea, fast zu mächtig; wir werden zu schnell, zu gewaltsam in die düstere Stimmung getrieben, als daß unser Empfinden in alle Tiefen dringen könnte. Nur in den Kindern, zumal in dem Knaben zur Linken siegt das blonde Licht, das wir schon in dem Kind an der Brust der toten Mutter des « Massacre » bewundern und das uns auch da schon wie eine Verklärung Raf faels erscheint. In jedem der folgenden Jahrzehnte beschäftigt ihn die Medea aufs neue. 1847 fällt ihm die Skizze zu dem Liller Bild in die Hand, und er übermalt sie vollständig. 1856 wiederholt er das Motiv in ganz veränderter Disposition. Es ist das Bild, das früher in der Amsterdamer Sammlung van Eghen war und das Tschudi vergeblich für die Nationalgalerie zu sichern suchte, datiert 1859. Delacroix hatte die Mängel der ersten Fassung eingesehen und erfand die wundervolle Harmonie der grünen und blauen Töne. Als Materie steht das Bild unvergleichlich höher als die Liller Fassung. Das Fleisch der Medea ist eine göttliche Malerei. Aber die Beschäftigung mit dem koloristischen Problem, die das « Journal » von 1856 bezeugt^, scheint ihn von allem übrigen ab- gezogen zu haben. Die Komposition büßt viele, fast alle Vorzüge der ersten Fassung ein. Medea sitzt nicht zum Sprunge bereit, sondern bewegt sich, sie geht nach der Seite hin. Dadurch gerät das ganze Motiv ins Schwanken. Die Gestalt verliert die könig- liche Würde und die sichere Statik, die Gruppe das ganz geschlossene Zusammensein der Kinder mit der Mutter; zumal die selbständige Bewegung des Knaben zur Rechten löst den Zusammenhang. Die Hinzufügung des Zuges der Verfolger in der engen Schlucht bereichert das Farbige, aber schmälert empfindlich das dramatische Moment. Denn wie könnte ein Sichtbares das Drohen des ver- borgenen Feindes ersetzen, den wir mit den Augen der Medea erblicken 1 Die Unruhe des Ganzen wird dadurch noch ver- größert. Man könnte glauben, der Kolorist habe die frühere Kom- position zu gelungen gefunden und sich mit Absicht Hemmungen geschaffen, um mit dem malerischen Mittel allein zu triumphieren. Er erreicht eine modernere Form. Die Unruhe verscheucht jeden Gedanken an die Antike, auch den an Raffael, und

' Journal III, 157, 158. Hier viele Einzelheiten über die Koloristik dieser Medea.

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setzt an die Stelle der Unsterblichen, die die Sage in den elysäischen Gefilden zur Gattin des Achilles werden ließ, ein verfolgtes Weib. Das Bild behält Schönheiten genug, um es jeder Galerie würdig zu machen, aber ist nichts- destoweniger eines der sehr seltenen Beispiele für das Versagen jener einzigartigen Ökonomie des Meisters, in der wir den stärksten Hebel seiner Größe erblicken. Er besann sich. 1862 nimmt er die alte Komposition wieder vor. Mit ganz unwesentlichen Ver- änderungen, nur in einem mäßig verkleinerten Format wird das Liller Bild wiederholt, und jetzt entsteht die Medea des Louvre^ Aus der dunkelschimmernden Wölbung der Schlucht wächst, gleich einer Vegetation, die nur in dieser weltfernen Grotte er- blühen konnte, das Leuchten, das sich zu der dreifachen Nackt- heit verdichtet. Die Gestalten sind von vollendeter Körperlichkeit; nicht das geringste Detail, das wir sehen wollen, bleibt uns verborgen. Und doch ist das Ganze nur ein Leuchten, eine über- irdische, ganz unteilbare Erscheinung, die jede Frage nach dem Detail unterdrückt. Selbst die vollendete Harmonie der Farben wird zu einem Detail, ja selbst die Tragödie der Medea. Das ist der Unter- schied zwischen diesem Bilde und dem in Lille. Wohl mag das rohe Sehen im ersten Augenblick etwas Ähnliches ergeben. Die hier nicht weniger konzentrierte Dramatik mag einen Moment den Atem des Betrachters ebenso hemmen wie die einem Schrei ver- gleichbare Gebärde der ersten Fassung. Das dauert nur Sekunden. Bleibt man einen Augenblick, so geht die Spannung in ruhige, wohltuende Schwingung über, und es ist, als weite sich unser Emp- finden, das vor dem Bilde in Lille krampfhaft erstarrt. Die unter dem Farbigen, unter dem Leuchten verborgenen, mit allen Linien verbundenen rhythmischen Kräfte steigen zu derselben Höhe hinauf, auf die uns der dramatische Gedanke des Motivs versetzte, und halten uns oben in einer unverlierbaren, unendlich reinen Sphäre. Und wieder meldet sich hier, zarter als eine in der Ferne klingende Melodie, der Gedanke an Raffael. So abstrakt uns jetzt diese Erinnerung dünkt, so befreit von allem engeren Utilitarismus war Delacroix' Denken an den geliebten Meister. Wir werden viele

' Gleichzeitig entstand die kleine JNIedea der Sammlung Bischoffsheiin in Paris, eine Wiederholung des Louvrebildes (Robaut Nr. 1437).

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Meister, viele Erfahrungen an der Entwicklung Delacroix' be- teiligt finden. Hinter allem steht wie ein ungreifbares Gefühl Raffael. So erhaben uns in der Serie der Medea die Verklärung des jungen Delacroix durch den reifen scheint, eine Verklärung, die wir in hundert anderen Beispielen wiederfinden können, so erhaben erschien seinem schöpferischen Auge die stille Anmut des Jünglings von Urbino. Stille werden, hieß ihn das Beispiel. Es bedeutet alles für den von Stürmen gepeitschten Genius. Es wurde auch Rubens gegenüber zur Richtschnur. Wo wir in dem unergründlichen Verhältnis zu dem Flamen auf den geheimen Widerstand stoßen, der kein Ablehnen, sondern ein höheres Auf- nehmen ist, da steht Raffael, nicht wie ein Persönliches, sondern wie ein Begriff vor uns. Raffael, seine Art Raffael, ist das klärende Element, das ihn treibt, auf die kühle Gliederung des rubens- haften Chaos zu achten. Raffael bringt ihn zu Rubens in ein ähn- liches und noch höheres Verhältnis wie das zwischen Poussin und Tizian. Es ist höher, weil es die Erfindung des Jüngers noch weniger berührt. Delacroix lehrt uns das zu erkennen, was der barocke Raffael schon von Rubens vorhersagte und was Rubens in einem Winkel seines Herzens von Raffael behielt. Er macht die Ver- bindung zwischen den Teppichen des Vatikans und den Medici- Bildern, die uns längst entging, wieder leuchtend.

Selten verdrängte der unbändige Flame die Mahnung des Römers. Nur einmal, scheint es, hat Rubens den Jünger trunken gemacht. Es war in der ersten Zeit, als Delacroix an das merk- würdigste Werk seiner Jugend ging, den « Tod des Sardanapal ». Er nannte das Bild in dem Brief an seinen Freund Soulier, als er es zu Beginn des Jahres 1828 in den Salon von 1827 gebracht hatte, sein « Massacre Nr. 2 ». Nachher, als das Publikum gesprochen hatte, nannte er es sein «Waterloo».

Das wurde es für ihn. Selbst die Freunde verstummten. Die Wag- nisse des « Massacre » schienen verzehnfacht. Statt der Leere eine Überfülle, aber um ebensoviel größer die Unordnung; der Schlaf eines Erwachenden, in dem sich die Reste der Traumbilder mit Realitäten vermischen; ein asiatischer Teppich eher als ein Historienbild, und als Teppich wiederum viel zu fleischlich, von einem Sensualismus, wie ihn eben nur Rubens besaß. Hier mag

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sich Delacroix wirklich einmal als Enkel des nordischen Giganten gefühlt haben, dem alles erlaubt schien. Den kalten Magier, der nie das Maß verlor, packte das Bewußtsein seines Übermenschen- tums. Die Wollust, sich mit Unmöglichem zu versuchen, riß ihn hin. Hier mag er sich wirklich einmal ganz als Romantiker ge- fühlt haben, aber wurde es auch hier nicht auf Kosten der Dichtung. Byron treibt die Phantastik nicht annähernd so weit, und die Un- aufführbarkeit seines Dramas beruht nicht auf dem Übermaß des Delacroixschen Gemäldes. Auf seinem Scheiterhaufen zum Schluß thront nur der König, neben ihm die verzückte Myrrha. Delacroix macht einen Weltbrand daraus, als würden alle Juwelen der Erde geopfert, und dazu Männer, Weiber, Tiere im Knäuel um das hohe Pfühl. Sogar ein Roß das Profil eines guten Bekannten wiehert mit in den Taumel hinein. Es wäre vollkommener Wahn- sinn, wenn die Form dieser « dantesken Vision der orien- talischen Antike», wie Vachon das Bild nannte^ nicht Möglich- keiten enthielte, an die wir zu glauben vermögen, wenn der Vor- gang nicht gemalt, nicht von Delacroix gemalt wäre. Es gibt wenig Werke, in denen das Wunder jener theoretisch so unfaß- baren Übertragung des Gegenstands in die Form gleich berückend zutage tritt, in denen die Widerstände und die Kräfte, die sie bannen, eine gleich hohe Spannung erreichen. Schöne Einzelheiten haben sicher teil an diesem Sieg über den Realismus des Betrachters. Nie sah man seit Rubens ein Fleisch wie den Rücken der über das Polster gelehnten Favoritin, ein Detail, das Delacroix noch einmal in dem großen Fragment gemalt hat, das jetzt das Museum von Angers besitzt. Kaum hat Delacroix selbst einen erhabeneren Ausdruck von Würde geschaffen als jene Pose des Herrschers, der seinen eigenen Untergang befiehlt; selten einen größeren Zauber als die delirierende Wollust der das Lager des Satrapen um- ringenden Gestalten. Doch würde alles das nicht unsere Skepsis überwinden, wären nicht alle Einzelheiten, die möglichen so gut wie die scheinbar unmöglichen, einem Zusammenhang Untertan, der keine Vereinzelung erlaubt und an Stelle des mit bedachtsamer Reflexion aufzunehmenden Dinghaften ein blitzschnell Fühl-

' Marius Vachon: Eugene Delacroix ä l'Ecole des Beaux-Arts (L. Baschet, Paris s. d. [1885]) mit großen Abbildungen.

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bares, auf viel weitere Erfahrungskomplexe bezogenes Rhyth- misches setzt. Fühlen wir den Rhythmus, so glauben wir an alles, würden noch an tollere Dinge glauben. Es ist eine höchst organisch wirksame Kraft, die alle Dinge in ein Gewebe von wunderbaren Farben wirkt, uns da, wo wir das Übertragene in unser gewohntes Dasein zurücktragen möchten, einen Teppich von wunderbaren Farben vorzaubert, der das einzelne der Diskussion entzieht; uns da, wo wir dem Reiz der Dekoration folgen möchten, mit flam- menden Gebärden zum Visionären fortreißt'. In den kleinen Skizzen oder Wiederholungen, von denen die schönste bei Cheramy war^, eine andere bei dem Händler Sortais in Paris bewahrt wird, ist der Rhythmus deutlicher, das Juwelenhafte des Farbigen noch berauschender, aber man gelangt nicht in jenen tieferen Rausch, der die vollkommene Vorstellungswelt des Hellsichtigen erschließt und uns in einem höchst gesteigerten Moment « einen tieferen Einblick in jenes monstruöse, fast übermenschliche Altertum ge- stattet, als es die Kolossalbauten der Paläste von Khorsobad und Saigon und die zyklopischen Reliefs von Ninive und Babylon zu tun vermögen »^.

Delacroix' Temperament ging in dem « Sardanapal » durch, aber das Genie des Malers machte das Tempo mit, organisierte auch diese, entlegenen Gefilden entsprungene, Laune, ordnete das Durcheinander. Darin, in diesem Ausgleich, steckt die wahre

' Leider ist das BUd nicht mehr vollkommen intakt. Es mußte schon zu Lebzeiten DelacroLx' restauriert werden. Andrieu, der Schüler Delacroix', der die Restauration mit bestem Erfolg übernahm, führt die Schäden, zumal die schweren Risse, auf die Kombination der Temperauntermalung mit der Oelübermalung zurück. (Vgl. La Galerie Bruyas S. 367.) Andrieu hat 1857 auch die Dantebarke restauriert.

^ Die Vente-Kataloge der Auktionen Cheramy (Mai 1908, Nr. 226, und April 1913. Nr. 57) nehmen ohne ersichtlichen Grund die Beteiligung Poterlets an dem Bilde an, während sie bei dem « Combat du Giaour et du P;,cha » die vollkommen fest- stehende Autorschaft Poterlets verschweigen. S. S. 28. Wenn wirklich Poterlet einen Anteil an dem « Sardanapal » gehabt haben sollte, könnte dieser nur ganz äußer- licher Art gewesen sein und wäre dann von Delacroix vollständig verwischt worden. Die Juwelenhafte Oberfläche des Bildes kann nur von dem Meister selbst herrühren. Der Irrtum beruht wahrscheinlich auf einer von dem verstorbenen Haro begangenen Verwechslung. Auch Cheramy war von der lückenlosen Eigenhändigkeit des Bildes vollkommen überzeugt.

' Marius Vachon. S. oben.

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Verwandtschaft mit Rubens, viel mehr als in Einzelheiten der Farbe oder der Linie. Es gibt Skizzen von Fragonard, die man fast für gefälschte Skizzen von Rubens nehmen könnte. Die Variation bedingt lediglich das geminderte geistige Niveau. Die Flüssigkeit ist vielleicht noch geschmeidiger, weil alles Steinige aus dem Flussbett entfernt ist. Das ist große Geschicklichkeit kleinen Kalibers. In der Stellung Delacroix' zu Rubens spricht ein Geist zu einem anderen Geiste. Auf dem immensen Wege zu einer Leistung universellen Grades findet er einen Vorgänger und läßt sich die Etappen, die jener durchgemacht hat, dienen, um weiter zu dringen auf der Fahrt zum Pole. Nicht ohne sie gründlich zu kontrollieren. Wir werden Rubens noch oft finden. Er kommt auch in den Monumentalwerken Delacroix', gleich neben Raffael zum Vorschein, Wir werden ihn in fast allen Werken jeglicher Art finden. Aber nie etwa als Bau- stein, den man so wie er ist, zum Gebäude verwendet, immer von einem unendlich sorgsamen Analytiker gesiebt und gesäubert, auf das reduziert, was dem Gebäude nottut, und doch nie verkleinert. An der großen « Bataille de Taillebourg » von 1837 hat sicher der Flame gewichtigen Anteil. Dafür spricht deutlich manches Detail, so das weit ausgreifende Schlachtroß in der Mitte. Es hätte ebensogut Gros und Gericault als Modell dienen können, und man glaubt es noch bei Chasseriau in dem Rosse des Macbeth wieder- zufinden, das sich vor den Hexen bäumt. Aber während in den Leiberverschlingungen des Flamen die Lust am Fleisch grandiose Orgien feiert, mildert Delacroix das Schlachten und vergrößert die Schlacht. Und über der Wucht, ganz unabhängig von den bewegten Einzelheiten, wirkt noch etwas anderes mit, das man schwächer auch in allen schönen Rubens spürt, etwas ganz Friedliches, das den Sinn gelassen macht und zu sehr viel tieferen, sehr viel ruhigeren Empfindungen treibt, als der Anblick einer wirklichen Schlacht einzuflößen vermöchte. Es ist der Farbenrhythmus. Wir nennen ihn bei Rubens das Rubenshafte, weil er uns wie die Essenz des Meisters erscheint. Diese Essenz ist bei Delacroix vollkommen ersetzt. Wo wir Rubens zu finden glauben, stoßen wir auf einen viel reicheren Begriff, dessen Quelle wir eher von Veronese ab- leiten möchten und in dem schließlich auch Veronese nur eine Eigenschaft darstellt.

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Der Farbenrhythmus ist deutlicher als in dem großen Bilde, von dem man keinen rechten Abstand nehmen kann, in den beiden Skizzen, von denen die eine bei Haro war, die andere in der Samm- lung Gallimard hängt. Als Renoir die zweite von diesen sah, meinte er, sie gleiche einem Rosenbukett. Vielleicht hätte Delacroix dasselbe von der Amazonenschlacht seines Vorgängers gesagt.

Die endgültige « Bataille de Taillebourg », in der der S. Ludwig die von den Engländern besetzte Brücke nimmt (die Brücke auf dem Bilde ist später abgeschnitten worden), hängt in Versailles, in der berühmten « Galerie des Batailles » mit den riesigen Szenen von Gros. Man muß sich zwingen, an ihnen nicht vorüberzueilen. Es fehlt ihnen das Blumenhafte, und sie machen zu viel Geräusch. Schon das 1831 entstandene Schlachtenbild von Delacroix, « Bataille de Nancy », im Museum von Nancy, das der Komposition Gros' nähersteht, besiegt mit derselben Entschiedenheit alle Bilder des Lehrers. Der ganze Unterschied zwischen Gros und Delacroix ist vielleicht nur der, daß der eine ein Schlachtenmaler ist und der andere noch etwas anderes. Delacroix hat wie Rembrandt alles gemalt und ist gar nicht denkbar ohne die Fähigkeit, alles zu können. Und hat alles gleich leidenschaftlich gemalt; ob es Stilleben sind oder Morde. Man kann verfolgen, wie sich das Schreckhafte des Stoffs der ersten Jahre später immer mehr verflüchtet. In den Greuelszenen des «Meurtre de l'Eveque de Liege» und des «Boissy d' Anglas», von 1829 und 1831 scheint der Tumult den Raum zu sprengen. Frei- lich bezwingt die Architektur auf diesen Bildern das Getümmel. Man weiß, welche Suggestionen Delacroix aus den Raumwirkungen schöner Säle gewann, und er wußte sie zu benutzen^. Aber das

' Robaut erzählt darüber eine hübsche Geschichte. Er hatte mit Corot die « Amanda honorable » Delacroix' im « Salon » von 1831 bewundert, auch eines der Bilder, auf dem die Architektur eine bedeutsame RoUe spielt (Robaut Nr. 351). Delacroix war das in Spanien spielende Motiv in dem großen Saale des Palais de justice von Rouen eingefallen. Ein paar Tage nach der Eröffnung des « Salon » waren Corot und Robaut in Rouen und besuchten den alten Palast. Robaut war in die Bewunderung des be- rühmten pfeilerlosen Holzgewölbes versunken. Und Corot rief plötzlich aus: « Quel homme! quel homme! » Er dachte nur an das, was Delacroix aus dieser Architektur gemacht hatte.

In einem anderen Bilde derselben Zeit gelingt der Architektur nicht, die mangel-

Meier-Graefe, Delacroix C

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RUBENS UND RAFFAEL

Mittel bleibt, zumal in dem « Meurtre de l'Eveque de Liege », physischer Art, eine Architektur von außen, wird nicht ganz zu der inneren Baukunst, zu der spezifisch malerischen Struktur. Die Malerei läuft auf den nicht ganz ungekünstelten Beleuchtungs- effekt mit dem Tischtuch hinaus, den schon die Bestimmung des Werkes charakterisiert. Sollte doch das Bild, nach Delacroix' Idee, zumal abends bei Lampenlicht wirken. Die Ausstellung des be- rühmten Gemäldes im vorigen Jahre auf der Vente Carcano ent- täuschte ein wenig. Mir fiel eine flämische Derbheit in der Schil- derung der wilden Tafelrunde auf, die nicht ganz der Noblesse entspricht, an die wir bei Delacroix gewöhnt sind, und die Ab- stammung von Raffael verleugnet.

Je mehr später die Bilder Farbe aufnehmen, desto ferner tönt das Lärmen der dargestellten Menge, trotzdem die Massen leben- diger werden. Bei Rubens und bei Rembrandt ist es geradeso.

hafte Bewegung der Menge zu ersetzen. Ich meine das Bild « Mirabeau et Dreux », das 1907 auf der Delacroix-Ausstellung bei Cassirer figurierte. Es stellt die Worte Mirabeaus dar, mit denen die Revolution begann, ein unglücklicher Einfall, der auf das Konto des öffentlichen Preisausschreibens zu setzen ist, an dem sich Delacroix vielleicht ohne Begeisterung (man denke an seinen Aufsatz über Preisausschreiben) beteiligte. Auch das « Boissy d'Anglas » entstand aus gleichem Anlaß. In der schönen Skizze zu dem « Mirabeau », die der Baron Denys-Cochin besitzt, hat Delacroix das Motiv überwunden.

DIE FARBENLEHRE

Eine Ergänzung aller künstlerischen Erlebnisse seiner Jugend fand Delacroix im Orient. Im Januar 1832 schifft er sich in Toulon nach Marokko ein. Die Reise ist die wichtigste Station seines Lebens^. Das halbe Jahr an der Küste Afrikas ist für seine Entwicklung das gewaltige Stück Natur, das zu allen künstle- rischen Einflüssen hinzukommen mußte, um ihnen Erde, Humus

' Näheres über die Reise in dem von Jean Guiffrey herausgegebenen Textband zu dem faksimilierten Skizzenbuch des Louvre « Le Voyage de Eugene Delacroix au Maroc » (Andre Marty, Paris 1909). Vor kurzem ist, ebenfalls auf Veranlassung von Andre Marty, auch das schöne Skizzenbuch der Reise, das sich im Museum von

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zu geben, und bedeutet mehr als sie. Er fand in Marokko das « Dictionnaire » für alle kommenden Bilder, die Motive, die seiner Art angemessen waren, die Modelle, die er brauchte, die Farbe für seine Palette, und mehr als alles das: das Land seiner Träume. Das gilt im engen und im weitesten Sinne. Er hatte bis dahin die Szenen seiner Bilder, die schon vor der Reise gern im Süden spielen, erdacht, und zuweilen spürt man das Erdachte. Jetzt findet er das Objekt für das geheime Sehnen seines Temperaments, das immer im Norden fröstelte, das ein rätselhafter Wille der Natur für diesen Süden bestimmte, auf den schon manches an der äußeren Erscheinung des Menschen hinzuweisen schien. Er bleibt trotzdem im vollen Besitz seiner Subjektivität, wird so wenig Orientalist, wie er vorher Schlachtenmaler war oder Dante- oder Goethe- bilder gemalt hat, aber entdeckt eine Heimat, das ideale Gefäß für seinen Geist, so wie Greco in Spanien seine Heimat entdeckte. Und wenn ihn vorher die ärmere Natur zum Glühen brachte, hier, unter dem leuchtenden Himmel, flammte er.

Diese Europaflucht könnte als wohlbekanntes Symptom der Romantik gelten, wüßten wir nichts Näheres über die Reise. Delacroix war nichts weniger als Träumer und Dichter in dem fremden Lande. Geträumt hat er von seinen Erlebnissen, als er wieder in der Heimat war. In Marokko tat er nichts als seine Augen gebrauchen. Er erscheint als Forscher. Die schönen Skizzenbücher der Reise könnten einem genial begabten Ethno- graphen gehören, der in das Land geht, um Sitten und Gebräuche zu studieren. Sie sind voll von allen nur erdenklichen Angaben. Wir können uns bei vielen, auch wenn alle auf dem Gebiet des Sichtbaren liegen, kaum erklären, warum sie gerade ihm, dem kühnen Dichter, wesentlich erscheinen konnten. Er beschreibt eingehend in Wort und Bild die Kostüme der Männer und Frauen, die er zuweilen nur mit Lebensgefahr zeichnen konnte; wie die Leute der verschiedenen Klassen den Burnus binden, wie der « Halle » gerafft wird. Unten auf einer Seite ermahnt er sich, zu

Chantilly befindet, faksimiliert und von Guiffrey herausgegeben worden. (J.Terquem & Co. und P. Lemare, Paris 191 3.) Der Aufenthalt in Afrika dauerte vom 24. Januar bis 28. Juni, wurde aber durch einen Ausflug von mehreren Wochen nach Spanien (Cadiz und Sevilla) unterbrochen.

DIE FARBENLEHRE 71

lernen den Haik « a la mode de Tripoli » zu tragen. Natürlich werden die verschiedensten Arten von Behausungen skizziert und das, was darin vorgeht, das Leben des Alltags und das der Feste. Er beschreibt mit minutiösen Einzelheiten eine jüdische Hochzeit, und wir erleben in der Form einer objektiven, peinlich genauen Darstellung die « Noce juive au Maroc » des Louvre, die sieben Jahre nach der Reise entstand. Wir finden die Doku- mente für Werke, die dreißig Jahre später entstanden. Fast gilt von Delacroix dasselbe wie von Flaubert, von dem man sagen könnte, jedes Wort sei durch Bände belegt. Und die Sicherung unseres Gefühls ist in diesem Falle noch um vieles merkwürdiger. Es gelingt uns leichter, uns vorzustellen, daß Delacroix aus der Phantasie allein seine die Erde kaum berührenden Gestalten schuf, als uns klar zu werden, daß er Dinge benützte, die auch jeder von uns gesehen haben könnte. Nichtsdestoweniger ist dieser Zusammenhang von Dichtung und Wahrheit das a und w seiner ganzen Kunst.

Man hat sich oft gefragt, warum der begeisterte Verehrer der Römer und Venezianer nie die geplante Reise nach Italien unter- nahm; zumal nach Venedig, der Stadt des Veronese, dem er, wie er einmal sagte, sein ganzes Wissen verdankte. Die Fahrt nach Marokko ist die Antwort. Sie war eine Reise über Venedig und Rom hinaus, ein dichterisches Erleben jener die Jahrhunderte umfassenden Befruchtung des Okzidents durch den Orient, das ihm keine Galerie Italiens zu ersetzen vermocht hätte. Vor den Augen des Reisenden verwirklicht sich der kühne Traum von der Vereinigung Raffaels mit Rubens, von der Wiederauferstehung eines Veronese. Und noch Höheres. Er erblickte, nicht in Marmor oder Erz, sondern in Fleisch und Blut, die Antike, seine Antike.

Die Leute in Tanger wirkten auf ihn wie wahre « personnages consulaires » des alten Rom. In dem entlegenen Mequinez, dem Endpunkt der Expedition, der er durch die Freundschaft des französischen Gesandten zugeteilt war, scheint er keine skanda- lierenden Wilde, sondern Tizian, Veronese, Tintoretto gefunden zu haben.

Der afrikanische Himmel war das denkbar günstigste Ver- suchsobjekt, um hinter das Physiologische der Venezianer zu

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kommen, Delacroix erkannte hier die Notwendigkeit, die Gesetze der Optik für die Konfektion der Palette zu verwenden, die Chevreul wissenschaftlich bestätigen sollte; die entscheidende Fortsetzung Constables, die wesentliche Ergänzung der Koloristik des späteren Turner. Auf eine der ersten Seiten des Skizzenbuches, das dem Museum von Chantilly gehört, hat Delacroix folgendes Dreieck gezeichnet :

Darunter steht:

« Des trois couleurs primitives se forment les trois binaires. Si au ton binaire vous ajoutez le ton primitif qui lui est oppose, vous l'annihilez, c'est a dire vous en produisez la demi-teinte necessaire. » Damit war das für die moderne Malerei unentbehrliche Prinzip der « Contrastes simultanes des couleurs » gegeben. Der Maler zog die Sonne, die Urheberin aller Pracht, zur Mithelferin heran. Wie sich die Strahlen in der Linse des Auges brechen, so mußten sie auf die Leinwand kommen. Also vor allem keine schmutzigen Mischtöne mehr, kein Anlehnen an den Zufall in der Patina alter Bilder, womit doch nie, Reynolds und die anderen zeigten es deutlich, die Pracht der Alten wieder zu erreichen war. Im Licht gab es keinen Schmutz, auch nicht im Schatten des Lichtes. Das Schwarz oder Braun, mit dem die Klassizisten die Modellierung machten, war eine ganz willkür- liche Zutat. «Ajouterdu noir n'est pas ajouter de la demi-teinte, c'est salir le ton dont la demi-teinte veritable se trouve dans le ton

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kommen. Delacroix erkannte hier die Notwendigkeit, die Gesetze der Optik für die Konfektion der Palette zu verwenden, die Chevreul wissenschaftlich bestätigen sollte; die entscheidende Fortsetzung Constables, die wesentliche Ergänzung der Koloristik des späteren Turner. Auf eine der ersten Seiten des Skizzenbuches, das dem Museum von Chantilly gehört, hat Delacroix folgendes Dreieck gezeichnet :

Darunter steht:

« Des trois couleurs primitives se forment les trois binaires. Si au ton binaire vous ajoutez le ton primitif qui lui est oppose, vous l'annihilez, c'est a dire vous en produisez la demi-teinte necessaire. » Damit war das für die moderne Malerei unentbehrliche Prinzip der « Contrastes simultanes des couleurs » gegeben. Der Maler zog die Sonne, die Urheberin aller Pracht, zur Mithelferin heran. Wie sich die Strahlen in der Linse des Auges brechen, so mußten sie auf die Leinwand kommen. Also vor allem keine schmutzigen Mischtöne mehr, kein Anlehnen an den Zufall in der Patina alter Bilder, womit doch nie, Reynolds und die anderen zeigten es deutlich, die Pracht der Alten wieder zu erreichen war. Im Licht gab es keinen Schmutz, auch nicht im Schatten des Lichtes. Das Schwarz oder Braun, mit dem die Klassizisten die Modellierung machten, war eine ganz willkür- liche Zutat. «Aj outer du noir n'est pas aj outer de la demi-teinte, c'est salir le ton dont la demi-teinte veritable se trouve dans le ton

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oppose que nous avons dit.» Und die Konsequenz: «De la, les ombres vertes dans le rouge. » Er hat es an zwei Eingeborenen be- obachtet: «Celui qui etait jaune avait des ombres violettes; celui qui etait le plus sanguin et le plus rouge, des ombres vertes.»

Übrigens hatte Delacroix das Wesentliche dieses Gesetzes von der Tönung einer Farbe im Schatten durch die Komplementäre derselben Farbe im Licht, das ihm der Orient in tausend An- wendungen zeigte, schon vorher in Paris entdeckt, und zwar ebenso spontan, wie zu gleicher Zeit Goethe vor dem Krokus- beet in Weimar. « Er war eines Tages gegen 1830 dabei, einen gelben Vorhang zu malen und außer sich, weil es ihm nicht gelang, dem Gelb den Glanz zu geben, der ihm vorschwebte. Wie haben, fragt er sich, Rubens und Veronese ihre schönen leuchtenden Gelbs erreicht? Er beschließt, in den Louvre zu gehen und läßt einen Wagen holen. Man bringt ihm eines der kanariengelben Kabrioletts, die damals im Gebrauch waren. Wie er einsteigen will, hält er plötzlich inne und sieht zu seinem Erstaunen, daß das Gelb des Wagens im Schatten Violett erzeugt. Er entläßt den Kutscher, läuft die Treppen wieder hinauf und gibt sich sofort daran, das soeben Gesehene auf die Leinwand zu bringen. » Die Episode ist Charles Blanc entnommen, dem wir die beste Darstellung der Entdeckerrolle Delacroix' verdanken^. Die beste (die glänzende Analyse Signacs^ nicht ausgenommen), weil er nicht die durch keine noch so rationelle Formel zu fassende Gesetzmäßigkeit Delacroix' zu verengen versucht hat. Sein Hin- weis auf die Tatsache, daß der Kolorist, da ihm die Bestimmung der Mengen seiner chromatisch angeordneten Farben^ und un- zählige Modifikationsmöglichkeiten bleiben, in seiner Gestaltung nicht gehindert ist, findet sich auch in den Theorien der Spezialisten, aber wird immer im Nebensatz behandelt, während er in Wirk- lichkeit die Hauptsache betrifft. Die Farbenlehre blieb bei

' Grammaire des Arts du Dessin, zuerst in der Gazette des Beaux Arts vom I. April 1866. Vgl. auch den Aufsatz Blancs über Delacroix in derselben Zeitschrift vom I. Januar 1864, -wiederholt in Les Artistes de mon temps (Didot, Paris 1876).

' De Delacroix au neoimpressionisme (Revue Blanche, Paris 1890).

' Man denke an den glänzenden Vergleich mit der durch den Wind bewegten Trikolore (Ziegler).

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Delacroix im Unterbewußtsein des Dramatikers. Sein Schwung ließ die Farben zu Handlangern seiner Leidenschaft werden, ohne sie ihrer Rechte zu berauben. Er dachte, wenn er malte, nicht an den « Chronometer », den er sich, um die gesetzmäßigen Wirkungsverhältnisse der Farben immer vor Augen zu haben, gemacht hatte^. Er sah nur hin, wenn ihm der Dämon Zeit ließ. Sein Genius war dem edlen Renner vergleichbar, der auch in der rasendsten Bewegung das Ebenmaß der Glieder, ein stets wechselndes Maß, behält.

Aber ebensowenig war er der Mensch, Erfahrungen unbenutzt zu lassen, am wenigsten so elementare Erfahrungen, die seiner ganzen Geistesart entsprachen. Der Mensch, dem nichts so ver- haßt war, wie der Zufall, der in der Struktur des Bildes die « infer- nale commodite de la brosse» über alles fürchtete und schon da- mals in der von keiner Erkenntnis geleiteten Geschicklichkeit der Hand das größte Hindernis gegen den Fortschritt sah hätte er geahnt, was diese «manie universelle» uns bescheren würde! dem mußte diese Farbenlehre, soweit er sie erkannte, zur Not- wendigkeit werden. Nicht weil er sie brauchte, gerade weil er sie nicht gebraucht hätte, weil sie dem Instinkt des Dichters so ent- gegengesetzt wie möglich war. Er sah in ihr das, was alle vernünf- tige Konvention dem adeligen Menschen bedeutet, ein Mittel gegen die Willkür des Individuellen, in diesem Falle nahezu eine Hygiene.

Man kann nicht genug betonen, wie rein geistiger Art diese Hygiene war. Wohl liebte Delacroix die Farbe als solche wie der Krieger seine Waffe und hatte an der Palette, die er stets mit größter Sorgfalt zusammenstellte, bevor er an eine neue Arbeit ging, die größte, man darf sagen, animalische Freude. Nie aber mischte sich ein verengender Materialismus in die Spekulation des mit Farben deduzierenden Philosophen. Ja, er vernach- lässigte sogar mit genialer Sorglosigkeit gewisse rein äußerliche Vorsichtsmaßregeln des Handwerks, die der Erhaltung seiner

1 Pour l'application de ce Systeme (des Gesetzes von den Komplementäxfarben), Delacroix s'6tait fait une espece de cadran en carton que l'on pourrait appeler son chronometre. A chacun des degres etait dispose, comme autour d'une palette, un petit tas de couleur qui avait ses voisinages immediats et ses oppositions diametrales. (Th. Silvestre, E. Delacroix, Documents nouveaux, S. 17.)

DIE FARBENLEHRE 75

Bilder von Vorteil gewesen wären. Darüber hat uns Villot, derselbe, dem wir die erste Nachricht von Delacroix' Beziehungen zu Con- stable verdanken, eine lehrreiche, wenn auch nicht ganz gültige Nachricht hinterlassen. Sensier hatte in einem Aufsatz über die Restauration der Kuppel des Luxembourg auf Delacroix' Sorgfalt in der Bereitung des Malgrundes usw. hingewiesen^ Darauf antwortet Villot in einem Brief an Sensier: «Delacroix war, solange er lebte, unfähig, eine gute Leinwand von einer schlechten, haltbare Farben von schädlichen und vergänglichen zu unterscheiden. Sobald ihm das Korn der Leinwand oder die Nuance der Farbe gefielen, waren alle Warnungen, um ihn von der Verwendung solcher Materialien abzuhalten, vergebens. Ich habe es mehr als tausendmal erfahren. Trotzdem sich seine Bilder schon nach sehr kurzer Zeit ver- änderten und er diese Veränderungen bitter beklagte, konnte er sich nie entschließen, von dem bequemen, aber gefährlichen Asphalt und den fetten Ölen zu lassen oder Stellen, die noch naß waren und die er ändern wollte, zu übergehen. Die einfachsten Elemente der Physik, der Chemie und der Mathematik (Perspektive) gingen ihm vollständig ab; die exakten Wissenschaften waren ihm toter Buchstabe und fast zuwider ( ?). Die Leute, die sich damit abgaben, mit dem Kompaß arbeiteten, saubere Linien zogen etc., nannte er C o 1 1 e u r s. Ich war für ihn der Colleur par excellence. In dieser Eigenschaft bediente er sich meiner bei gewissen Anlässen, die ihn langweilten und ihm im Grunde gleichgültig waren. Aber wenn sein Colleur ihn von seiner schrecklichen Methode abbringen wollte und ihm bessere, die seit drei Jahrhunderten von Paul Veronese, Tizian, Rubens usw. befolgt wurden, vorschlug, antwortete er, obwohl ich ihm die Beweise und die zeitgenössischen Schriften vor Augen hielt, stets mit derselben Frage: «Sind Sie dessen wirklich sicher?» Dieser stereotype Satz wollte höflich sagen: «Schere dich zum Teufel! ich habe vielleicht im Grunde unrecht, aber will vor allem nach meiner Idee handeln und mir genug tun.» Und selt- sam, derselbe Delacroix, der uneigennützigen, auf wissenschaft- liche Tatsachen gestützten Ratschlägen so unzugänglich war, fiel auf alle Erfindungen der Farbenhändler herein, obwohl er mehrere

' In der Revue internationale de TArt et de la Curiosit6 vom 15. Juli 1869 unter dem Pseudonym Jean Ravenal.

76 DIE FARBENLEHRE

Male grausam dafür bestraft wurde. Aufsaugende, halbsaugende Leinwand, Kombinationen von Wachs, öl und den Firnissen (die schon Reynolds so schlecht bekommen waren), neue, unsolide Farben, alles das fand in ihm einen Bewunderer, sobald es den Bedürfnissen des Augenblicks entsprach. Dasselbe wiederholte sich, wenn es galt, seine Bilder in Wölbungen oder Plafonds anzubringen. Ich konnte ihm noch so oft empfehlen, die Dekoration in zahl- reichere Stücke zu zerlegen und die Teile nach der Methode der Dekorateure, die die großen Plafonds der Theater malen, zu befestigen (übermalte Nägel anzubringen, d. h. ein Verfahren, das im Falle eines Unfalls erlaubte, das Leinwandstück von der Mauer oder dem Balken zu entfernen) : alles vergebens. Er hielt sich aus- schließlich an die Erfahrung der Herren Haro senior und junior »^ Wir dürfen bei dieser Epistel nicht vergessen, daß der Schreiber zu der besonderen Kategorie von Malern gehörte, die sich mit der Restaurierung von Bildern beschäftigen. Einige Hauptwerke des Louvre tragen noch heute die unglücklichen Spuren Villotscher Tätigkeit; zumal der große Veronese, den Villot nach dem Worte Delacroix', «unter sich tötete »2. Delacroix sah in dem Freund, mit dem er gern verkehrte, tatsächlich das, was dieser vermutete. «Le bon Villot,» sagt er einmal, «qui ne peut rien tirer de son fonds sterile, est orne des connaissances les plus variees et les plus inutiles ; il a ainsi la satisfaction de se trouver ä tout instant superieur a l'homme le plus rare ou les plus eminent, qui ne Test dans une partie il excelle »^. Übrigens hat sich später Delacroix mit seinem C o 1 1 e u r überworfen*.

' Villot schreibt der Beteiligung der beiden Haro (der Leibhändler Delacroix') die Schicksale der Monumentalmalereien Delacroix' zu, von denen die Dekoration des Luxembourg bekanntlich eines Tages von der Kuppel herunterfiel und nur mit großen Schwierigkeiten restauriert werden konnte. Der Louvreplafond mußte neu geklebt werden und die Dekorationen der Chambre des deputes sind in ruinösem Zustand. Der erste Teil des ausführlichen Briefes gibt interessante Details über Delacroix' Konzeption seiner literarischen Motive. Den Brief hat Toumeux in seinem ausgezeichneten Buch « Eugene Delacroix devant ses Contemporains » (Jules Rouam, Paris 1886) veröffentlicht.

- Journal II, S. 237.

^ Journal II, S. 100.

' Vgl. den im Anhang unseres Buches veröffentlichten Brief an Schwitervom27. 1.61.

DIE FARBENLEHRE 77

Der von Villot behaupteten Abneigung Delacroix' gegen die Wissenschaft widerspricht nicht nur das Verhältnis des Meisters zur Farbenlehre, sondern alles, was wir von seiner Lebensan- schauung wissen. Er war nur gegen das unnütze Wissen eines Villot, nicht gegen eine Wissenschaft aus geistigen Quellen und geistigen Grades. Ich erinnere an die Spazierfahrt mit Chopin im Frühling 1849, von der eine schöne Seite im Journal berichtet. Der Freund hatte ihn über den Kontrapunkt und die Fuge unter- richtet, «die reine Logik in der Musik». Dieser Ideengang führt Delacroix zu einem Exkurs über die Wissenschaft. «La vraie Science n'est pas ce que Ton entend ordinairement par ce mot, c'est a dire une partie de la connaissance differente de l'art, non! La science envisagee ainsi, demontree par un homme comme Chopin, est l'art lui meme, et par contre l'art n'est plus alors ce que le croit le vulgaire, c'est a dire une sorte d'inspiration qui vient de je ne sais oü, qui marche au hasard et ne presente que l'exterieur pittoresque des choses. C'est la raison elle-meme ornee par le genie, mais suivant une marche necessaire et contenue par des lois super ieures»^.

Trotzdem hat Villot, nicht im wesentlichen, aber in der Einzel- heit, recht. Wohl verschmähte Delacroix nicht, sich um alle großen, kleinen und kleinsten Fragen des Handwerks zu kümmern, und die Frage nach den besten Pigmenten und Firnissen gehört sicher nicht zu den kleinen. Aber er ließ sich im gegebenen Moment ver- führen, wäre mit seinem Pensum, wenn er anders gehandelt hätte, nicht fertig gev/orden, vergaß die Vorsicht, eigene Erfahrung und gute Ratschläge, wenn es höhere Interessen galt.

Das beweist manches Bild Delacroix' zumal aus der frühen und mittleren Zeit, das nur noch die Ruine des Palastes ist, den der Meister mit unzureichendem Baumaterial errichtete. Gerade viele Bilder, die auf die Marokkoreise folgten, z. B. die « Noce juive », im Louvre, haben am schwersten gelitten. Freilich triumphiert der Geist auch noch in diesen Fragmenten über die Materie. Sie sind wie die Münzen der Alten, denen keine Abnützung die Größe zu rauben vermag, weil sie groß komponiert sind.

' Journal I, S. 365.

78 DIE FARBENLEHRE

Das erste leuchtende Resultat des Koloristen war das Louvre- bild « Femmes d'Alger dans leur appartement », von 1833; das letzte wurde erst mit dem letzten Bilde seiner Hand erschöpft. Die Entwicklung des Farbigen ist mindestens fünfundzwanzig Jahre lang von der Reise nach Marokko an im stetigen Fortschritt. Und zwar sei unter dem Farbigen nicht nur die aus der Palette gewonnene Harmonie verstanden, sondern auch das, was die mechanische Behandlung der Farbenpartikel ergibt. Delacroix vergaß nie, daß eine Fläche, auf der die Farbe in mehreren Strichen verteilt ist, eine viel reichere Wirkung hervorbringt als eine, auf der dieselbe Farbe in einem einzigen Pinselstrich aufgetragen wurde. So wenig er sich verleiten ließ, aus dem Strich ein be- sonderes Zeichen seiner Persönlichkeit zu machen was uns nicht hindert, seine Art in jedem Strich zu erkennen , so wenig übersah er die Hilfen, die aus dem Ziselieren des Farbenflecks zu erreichen waren. Auch darin brachte er es mit den Jahren zu einer Meisterschaft, die um so erstaunlicher wirkt, je verhüllter sie auftritt.

Die « Femmes d'Alger » zeigen die ganze Pracht der Palette und die Weisheit des Koloristen, der aus dem Pigment die größte Wirkung gewinnt. Die Rot und Grün, Orange und Blau mischen sich im Auge zu reinen Harmonien. Delacroix hat sie nicht immer rein nebeneinander gesetzt, aber durch ein Spiel von verwandten Tönen wenigstens so genähert, daß der Kontrast erreicht wird. So findet man das Rot mit Orange gemischt, das Blau mit Grün. Die verwandten Farben liegen oft in kleinen Strichen über- einander. Das Gelb wird durch Rot gekräftigt, das Orange gewinnt durch kleinere Teile von Gelb ein erhöhtes Leuchten. Der Be- trachter, der nicht näher tritt, glaubt an eine starke Beteiligung grauer Mischtöne. In Wirklichkeit bildet er selbst erst das Grau. Es entsteht aus Rosa und Grün auf Weiß usw. Diese unbewußte Beteiligung des Betrachters, die sich bei jedem Schritt ändert, gibt den Reichtum des Bildes. Es ist, als wäre der ganze Orient in diesem stillen Raum mit der glitzernden Fayencewand und dem unerhörten Prunk der Stoffe eingeschlossen. Die Frauen liegen da wie träumende Schlangen, die ein tier- anbetender Kult mit Juwelen schmückt. Es muß ein merk-

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würdiger Eindruck gewesen sein, in demselben Salon von 1834 dieses Bild neben der Schlacht von Nancy zu sehen, die erst damals ausgestellt wurde. Das Blumige des erregten Schlachtenbildes wirkt schwach neben der Kostbarkeit des stillen Harems^. Doch war der Harem erst der Anfang. Das Bild zeigt noch nicht die volle Kon- sequenz des Koloristen. Noch sind die Fleischteile wenn auch mit größter Meisterschaft gesondert behandelt, ohne die Farben- teilung, die den Stoffen und den Einzelheiten des Raumes die Pracht gibt. Noch fehlt das Selbstverständliche in der Handhabung des komplizierten Mittels. Das Bild bedeutet für den Koloristen dasselbe wie die «Dantebarke» für die erste Zeit. Mit den zwanzig Jahre später entstehenden Werken verglichen, wirkt die Pracht materiell. Freilich, was hätte besser den Spiritus loci schildern können als diese ungeistige Schönheit! In der späteren kleineren Variante zu dem Bilde- hat Delacroix diesen Eindruck gemildert. 1840 entsteht die «Justice de Trajan» mit der schönen Gruppe zu Füßen des sprengenden Cäsars, eins der Lieblingsbilder des Meisters. « Brillant quoique en general le ton soit sombre, » notiert er in sein Tagebuch, als er es später in einer Ausstellung wieder- sieht, glücklich, keine Enttäuschung zu erleben^. Das Bild hat die rauhe Luft von Rouen nicht vertragen. Von der Farbe ist nur das « Sombre » übriggeblieben. Das « Brillant » hat die Zeit und die Arbeit der Restauratoren verzehrt. Doch kann es auch in Zeiten seiner Pracht nur die Vorstufe für ein gleich darauf entstandenes Werk gewesen sein, das noch heute, als Zentrum des Louvre-

' Zu den wenigen Kritikern, die der Bedeutung des Werkes gerecht wurden, gehörte Alexandre Decamps, der Bruder des Malers, Verfasser von « Le Musee, Revue du Salon de 1834», (A. Ledoux, Paris 1834), mit radierten Reproduktionen, u. a. nach den « Femmes d 'Alger ». Auch Laviron (Le Salon de 1834, L. Janet, Paris 1834) lobte « la rare finesse du coloris » und « la transparence extraordinaire », konnte sich aber, wie die meisten, selbst die milderen Kritiker, nicht enthalten, die Zeichnung zu tadeln ; der ewige Refrain aller Einwände. Immerhin sieht Laviron in dem Bilde das bisher vollkommenste Werk Delacroix'.

' Diese Variante erschien im Salon von 1849 (Robaut Nr. 1077), heute im Museum von Montpellier. A. Bruyas, der frühere Besitzer, meint in seinem interessanten Galeriewerk («La Galerie Bruyas», J. Claye, Paris 1876), Delacroix sei, als er die Variante malte, von Correggio « besessen » gewesen, und nennt das Bild von allen « le plus corregesque ». ( ?)

" Journal I, S. 386.

8o DIE FARBENLEHRE

saals, als Zentrum der Kunst des 19. Jahrhunderts, in vollem Glänze erstrahlt.

Die « Eroberung von Konstantinopel »gilt manchem Nüchternen als Theater. Was könnte es anders sein? Es fragt sich nur, welche Art von Theater, ob die Bühne und ihr Spiel würdig ist oder nicht und ob das Gleichnis zustande kommt. Schließlich kommt es auch darauf an, ob wir zu folgen verstehen. Das Bild ist Theater wie jenes riesige Festspiel des Veronese im Louvre, « Die Hochzeit von Canaa », an die der farbige Dunst auf dem Delacroix erinnert; Theater wie das Begräbnis von Courbet und Manets Olympia, wie Renoirs Tanz im Luxembourg und Cezannes Stilleben. Wehe dem Bilde, das nicht Theater ist! Delacroix spielt die erhabene, die größte Gattung, zu der es gefesselter Sklaven, strahlender Ritter, hoher Säulen und riesiger Hintergründe bedarf. Wer die Gebärden innerhalb dieses Theaters nicht für echt, sondern für theatralisch, wer die Architektur dieser Säulen oder den Hintergrund für Kulissen nimmt, der sieht nicht das Spiel. « Die Eroberung von Konstantinopel » ist die Erfüllung des Versprechens, das Dela- croix mit dem « Massacre » gegeben hatte. Die kahle Fläche zwischen den grandiosen Bruchstücken, deren Schönheit hier, in den Gruppen des Vordergrundes verzehnfacht, wiederkommt, hat sich gefüllt, und alle Teile des Riesengemäldes wirken wie dort ein Detail. So ein Detail, das schönste, ist hier die Frauengruppe auf der rechten Seite zu Füßen des gewaltigen Ritters. Aus dem herunterhängenden Haar der Frau, die sich über die Leiche bückt, tropft Gold. So schön das ist, so unwiderstehlich der göttliche Rücken dieses Weibes den Blick anzieht, man bleibt nicht haften. Dahinter winden sich, halb im Schatten, andere wunderbare Ge- stalten. Der Rücken ist nur ein Beginn. Auf der anderen Seite wartet die Gruppe mit dem barhäuptigen Greis, um die Form, die unser Auge pfeilschnell bildet, zu ergänzen. Der gebogene Hals des Rosses Balduins und Balduin selbst weist darauf hin. Aus Lichtern entsteht ein sicher wirkendes Dreieck. Von dem Greis steigt dasselbe Spiel über belebte Treppenstufen zu der Gruppe zwischen den Säulen hinauf; nochmal, auf einem zweiten Plan, ein Gegenspiel für den Frauenrücken. Die Säulen schnellen den Blick noch höher hinauf, und nun empfängt er mit aller Wucht

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und riesiger Hintergründe bedarf. Wer die Gebärde inner iiaib dieses Theaters nicht für echt, sonderr wer die Architektur dieser Säulen oder den iix.>.,i£,.u.iu ^ Kulissen nimmt, der sieht nicht dcis Spiel. « Die Eroberung v. Konstantinopel » ist die Erfüllung des Versprechens, das Del ; croix mit dem '" ' ' " "^ie kahle Fläcl

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DIE FARBENLEHRE 8i

das kolossale Zentrum des Bildes, dieses wie ein Herz wirkende Bündel der Reiter mit ihren Fahnen. Die unendliche Perspektive im Hintergrund ist gerade groß genug, um die Wallung zu ver- teilen.

Ich will mit dieser Tonleiter nicht behaupten, so sähe jeder das Bild. Es gibt tausend andere Stufen. Man kann im Hintergrund anfangen und zu den Reitern emporsteigen, kann von den Reitern aus Umschau halten, sich von den Säulen in die Ebene stürzen: immer wird irgendwo die Schwingung den Blick fassen und ihn durch alle Winkel, über alle Täler und Höhen geleiten. Die Un- ebenheiten dieses scheinbar so unsymmetrischen Gebildes werden den Blick nicht verwirren, sondern stählen, und schließlich wird das Spiel nicht die naturgetreue Historie, nicht das echte Detail, sondern das Verbindende, der Rhythmus, das Theater die not- wendige, hier mit wunderbarem Takt respektierte Fiktion über- winden und uns jene Wirklichkeit geben, für die wir nur ganz allgemeine Begriffe wie Reichtum, Frohsinn, Gesundheit als Namen zu finden wissen.

Mit der « Eroberung Konstantinopels » erringt Delacroix einen jener Siege, die in der Geschichte der Kunst stehen v/ie entscheidende Wendepunkte der Weltgeschichte. Es be- deutet für die Neuzeit ebensoviel, wie das « Embarquement pour Cythere » für das Dixhuitieme. Es bedeutet mehr. Kein Spiel, dem die Zeitgenossen mit lässiger Zärtlichkeit, dem wir verwundert mit neidischen oder fremden Augen zusehen, ist sein Inhalt. Wir einen uns leichter mit diesen wehenden Fahnen, mit dem Eroberer, der diese Eroberung malte, als mit der genialen Tändelei eines Watteau, der ein primus inter pares war. Ein einziger rief der verarmten und verirrten Epoche neuen Enthusiasmus zu, bewies, daß einer allein kraft seiner Einsicht, kraft seines Macht- bewußtseins, kraft seiner eigenen Gesittung fähig sei, alle ver- lorenen Schätze zurückzubringen und zu erneuen. Der Enthusias- mus übertrug sich auf die Betrachter. Leute in farblosen Röcken, die nichts von Kreuzfahrern hatten, nicht viele, aber nicht die schlechtesten, standen davor mit leuchtenden Augen und fühlten ihre heimliche Kreuzfahrt, hinweg von dem drückenden Joch der David-Schule zur Freiheit, hier zu flammenden Farben werden.

Meicr-Graefe, Delacroix 6

82 DIE FARBENLEHRE

Ein Dutzend Jahre später, als die Weltausstellung von 1855 dem Meister die ersten großen Triumphe bereitete, waren ihrer schon mehr geworden. Noch heute überträgt sich der Enthusiasmus auf jeden fühlenden Betrachter, und auch heute noch steigen zu dem Werke wie zu einem Heiligenbilde die Hoffnungen derer hinan, die eine Erlösung von den Dumpfheiten der Zeit erwarten. Für Delacroix war das Bild eine schmetternde Ouvertüre, Die Struktur der Bilder wird mit den Jahren immer reicher. Er sagte einmal zu Baudelaire, als sie über Technik sprachen: « Ein gutes Bild, das dem Traum, der es geboren hat, treu ist und ihm gleichkommt, muß wie eine Welt geschaffen sein. Wie die Schöpfung, die wir vor Augen haben, das Resultat vieler Schöp- fungen ist, von denen die früheren immer von den folgenden ver- vollständigt werden, so besteht ein harmonisch vollendetes Bild aus einer Reihe von übereinander gelegten Bildern, und jede neue Lage gibt dem Traum größere Realität und nähert ihn um einen Grad der Vollkommenheit. » Es ist das Bekenntnis eines alten Meisters. Delacroix hat in der Tat meistens mit Tempera unter- malt und dann mit mehreren ölschichten gedeckt. Sein Ideal war, die Tempera mit der öltechnik zu kombinieren^. Nichts lag ihm ferner als die Primamalerei eines Manet, der das Schicksal des Bildes auf das Gelingen des « premier coup » setzte und daher dem Pinselstrich alles überließ. Delacroix' Temperament hatte längeren Atem und erlaubte jede Differenzierung des Ausdrucks. Der feine Haarpinsel, mit dem er seine Bilder vollendete, wurde ihm zur Feder. Er schrieb damit^. Aber noch energischer wies er das isolierte Ausführen des Bildes zurück, das in der Davidschule üblich war. Jede Bildschicht ging über das Ganze und stellte einen in sich abgeschlossenen Zustand dar, der sich wiederum nur im Ganzen verändern ließ. Früher, als er nicht die Technik besaß, die mit

' Vgl. Andrieu in dem Kommentar zu den Paletten Delacroix' in « La Galerie Bruyas ». (Mehrere der Paletten Delacroix' von der Jugend bis zur Spätzeit sind hier farbig schematisch reproduziert.) Auch Bruyas selbst hat in demselben Werk manchen interessanten Beitrag zur Technik Delacroix' erbracht. Vgl. endlich auch die Vorrede zu dem Katalog der Vente de M. F. V. vom ii. Februar 1865 (Vente Frederic Villot).

' Ueber seine Pinsel vgl. La Galerie Bruyas S. 359, 360.

DIE FARBENLEHRE 83

Übermalungen rechnete, hat das Verfahren zuweilen üble Folgen gehabt. Später wurde es geradezu zu einer Bedingung für das letzte Resultat. Ich glaube nicht, daß Delacroix jede Wirkung seiner Farbenschichten wie ein alter Meister vorausbestimmte er sagt selbst einmal, oft habe sich ihm das Bild unter der Hand verändert , er rechnete instinktmäßig damit und gewöhnte sich immer mehr daran, so dünn wie möglich zu malen. Daher die wunderbare Durchsichtigkeit, die zuweilen an die Malerei Grecos erinnert, und gleichzeitig die Dichtigkeit des Gewebes. « La pein- ture de Delacroix est comme la nature », schrieb Baudelaire über den ersten «Raub der Rebekka » von 1846, «eile a horreur du vide ». Baudelaires kluge Bemerkung paßt noch viel besser auf die sowohl in der Komposition wie in der Farbe wesentlich verbesserte zweite Fassung des Bildes von 1859, heute im Louvre, einer der Gipfel des Meisters. Die Kurve von dem kühn gebogenen Pferd über den die Rebekka tragenden Ritter hinweg zu dem Schildknappen zuckt wie ein roter Blitz aus dem rauchenden Ge- mäuer hervor und schlängelt sich doch so geschmeidig durch das Bild wie ein Bach durch üppiges Gefilde.

Einer der Gipfel, vor dem Publikum und Kritik gemeine Witze rissen. Robaut nennt die Art, wie das Bild im Salon beurteilt wurde, den schmählichsten Skandal seiner Kritikerlaufbahn, und Burty den ganzen Salon von 1859 ein «veritable Waterloo» des Meisters. Man muß bei Burty die gelassenen Dankschreiben Delacroix' an die wenigen Kritiker, die für ihn eintraten, lesen, um ein Bild des Menschen zu erhalten. Seine Freunde gaben die wildesten Angriffe in einem Bändchen heraus, das man heute mit der melancholischen Empfindung durchblättert, ob sich der Unsinn nicht bei passender Gelegenheit in wenig gemilderter Form wiederholen würde^.

Das war einer der Gipfel unter vielen anderen. Ich kann mir Leute denken, die eine der winzigen, wie fließendes Blut leuchten- den Legenden, wie z. B. jene Befreiung Angelicas durch Roger, aus dem Jahre 1847, in derselben Sammlung Thomy Thiery, über alles stellen; andere, die dem farbentrunkenen und wuchtigen Hauptbild der «Eroberung Konstantinopels» die zehn Jahre später

' Les Quatorze Stations du Salon 1859 suivies d'un recit douloureux. (Poulet- Malassis et de Broise, Paris 1859.)

6*

84 DIE FARBENLEHRE

entstandene kleinere und stillere Fassung in der Sammlung Moreau, wegen ihrer reicheren Atmosphäre, wegen der höheren Subjektivität des Malers und des Komponisten vorziehen; wiederum andere, die das Ritterliche und Prächtige seiner Reiterkämpfe oder die Mystik der Christusbilder oder die Wildheit einer Tiger jagd als höchste Gipfel bewundern. Und sie haben alle recht, die einen wie die andern, wie Leute, die den Morgen dem Mittag, den Mittag dem Abend, den Abend dem Morgen vorziehen. Innerhalb der zwanzig Jahre vom Erscheinen der «Eroberung Konstantinopels» bis zum Tode kann der Forscher allerlei kon- statieren, Entwicklungen hierhin und dorthin, Bereicherungen, Vereinfachungen, eine immer Neues erfindende Verfeinerung in der Ökonomie der Mittel, die sowohl in stark bewegten wie in ruhigen Motiven, in Bildern mit reicher und in solchen mit beschränkter Palette zutage tritt; nur findet er keinen bestimmten Anhalt, das eine Werk über das andere zu stellen. Jedes oder fast jedes hat die Vollkommenheit einer in den zwanzig vorhergehenden Jahren vor- bereiteten Art, erfüllt das Ideal einer Gattung. Wohl kann der kühne Eroberer immer noch höher. Nie fühlt er sich am Ende, nie hat er alles gesagt. Auf seinem letzten Krankenlager, während der sieche Körper zerfällt, stürmen im Geiste die Bilder. « In meinem Hirn kocht es», murmelt er. «Wenn ich wieder gesund bin, mache ich wunderbare Dinge »i. Das Wunder steht immer über ihm, in den letzten Jahrzehnten wie in den ersten. Aber während man an- fangs verfolgen kann, wie sich der Meister des Dantebildes zum Licht erhebt, entgeht unserem unzureichenden Auge später, wo immer zahlreichere Elemente an der Bewegung teilnehmen, ihr Tempo. Farben, Flecken, Dinge entwickeln sich in der ersten Zeit. Schon das Vertrautwerden mit seinem unübersehbaren Personal gibt Bewegung. Nachher zieht langsam und majestätisch ein Gestirn.

Um so enden zu können, mußte Delacroix mit einem «Massacre de Scio» anfangen. Das Geheimnis der Entwicklung eines großen Künstlers besteht vielleicht nur darin, seine Erregung durch immer engere Kanäle zu pressen. Dazu gehört die brutale Kraft der Erst-

Theophile Silvestre hat in den zitierten « Nouveaux Documents » genau die letzten Tage beschrieben.

DIE FARBENLEHRE

85

lingswerke. Die hatten viele, Gros und Gericault. Gericault hatte vielleicht noch mehr davon. Aber es gehört notwendiger ein anderes dazu, der Geist, der die Kanäle erfindet, das Göttliche jenseits der Kraft, das die angeborenen Gaben der Natur unablässig zu höherem Nutzen treibt, die weise Ökonomie der Verteilung, die Fähigkeit, die Kunst jung zu halten, auch wenn des Körpers Kräfte versagen. Ein ganz ungebrochener Jugendmut malte den zweiten «Raub der Rebekka». Die Malerei scheint in dem Bilde glühende Zungen zu bekommen. Ihr Schöpfer hatte damals die Sechzig überschritten und widerstand nur mit spartanischer Hygiene den Gebrechen des Leibes. « J'ai trouve la peinture lorsque je n'avais plus ni dents, ni Souffle.»

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V--

DIE DEKORATION

Die Monumentalkunst Delacroix' zeigt den gleichen Aufstieg. 1 86 1 , zwei Jahre vor dem Tode, war die Dekoration der Kapelle in der St. Sulpice vollendet. 1833 hatte ihm Thiers den ersten Auf- trag ähnlicher Art verschafft, den Schmuck des Salon du Roi im Palais Bourbon. Zwischen den beiden Endpunkten liegen nicht weniger als noch sechs umfangreiche Monumentalaufgaben^ Die

' 1833 37, Salon du Roi, Palais Bourbon (öl).

1834, Drei Freskenversuche für Supraporten in Valmont.

1843, Pietä. Kirche St. Denis du St. Sacrement, Paris (Wachsmalerei auf die Mauer).

1

90 DIE DEKORATION

Summe entspricht der Lebensarbeit eines recht fleißigen Fresken- malers des Quattrocento. Die Serie spiegelt die Entwicklung von der «Dantebarke» an bis zu den Bildern der Reife, gedämpft und ver- einfacht, nicht weniger deutlich. Die Rücksicht auf die Bestimmung der Arbeiten schloß das Experimentieren aus. Wir begegnen keinem «Massacre» und keinem «Sar danapal». Die Bewegung der Re- aktionen des Künstlers sendet in diese großen Flächen nur ge- glättete Wellen, bis der Meister fertig ist und dann im größten Rahmen die Vorteile des Siegers erweist.

Im «Salon du Roi» des Palais Bourbon sind die nackten Ge- stalten der « Dantebarke » vereinfacht. Dabei tritt deutlicher als sonst im Werke Delacroix' der Meister hervor, zu dem er sich nächst Rubens am meisten hingezogen fühlte, auch wenn er es vielleicht nicht unumwunden zugab: Michelangelo. Ein von weicher Malerei gedämpfter Michelangelo. Gleich bei dieser ersten Aufgabe großen Stils zeigt er den edlen Rationalismus, zu dem sich sein erhabenes Vorbild nicht immer gleich willig verstand. Er unter- wirft seinen Genius einem endlichen Zweck, legt ihm die jedem Staffeleimaler und zumal einem solchen Staffeleimaler ungewohnte Fessel eines von der Architektur diktierten Gefüges an und äußert sich trotzdem, wenigstens in dem Hauptteil des Werkes, so vollendet, daß die Fessel zu einer Qualität wird. Karyatiden, die Flüsse und Meere Frankreichs, teilen die Wände. Solche Kolossal- gestalten, Nachahmungen der Plastik, gehören seit der fran- zösischen Renaissance zu den Requisiten der großen Dekoration. Sie behalten auch bei Delacroix etwas von ihrer traditionellen Rolle, aber dies ist mehr ein Schmuck ihrer Art, mehr Zeichen einer guten Erziehung als ihr eigentliches Wesen. Sie bereichern sich um ein Element, das ihren vielen Genossen auf der langen Reise allmählich abhanden kam, sind lebendig. Ihr Dasein beruht

1838 47, Bibliothek des Palais Bourbon. (Die beiden großen Halbkreise Wachs- malerei auf die Mauer; die 20 Kuppelbüder [5 Kuppeln mit je 4 Bildern] 01 auf Leinwand.)

1845 47, Bibliothek des Palais du Luxembourg. Die Kuppel, Halbkreis und 4 Sechsecke (öl).

1849—51, Plafond d'Apollon, Louvre (öl).

1849 53, Salon de la Paix im alten Rathaus. Verbrannt, (öl auf geleimte Lwd.)

1849 61. St. Sulpice (Fresco).

I

DIE DEKORATION 91

nicht auf einem schwachen Reflex der Plastik, sie sind aus dem Farbigen gewonnene Geschöpfe, in einem sehr diskreten, fast grisaillenhaften Blond gemalt, das sich unmerklich zu einer bei aller materiellen Beschränkung der Palette reichen Tonfülle aus- dehnt. Diese Malerei erlaubt nicht das strenge Gepränge der edlen Gestalten eines Jean Goujon, noch die proletarische Wucht der Riesen Pugets. An die Stelle des Pathos der Epigonen, das nicht immer die Hohlheit verbirgt, tritt der weiche urbane Anstand eines neuzeitlichen Geistes, der sich rnit einem Lächeln zu der pomp- reichen Rolle versteht.

Diese Karyatiden sind der einzige Teil des Raumes, der einiger- maßen gut belichtet ist, und daran mag es liegen, daß sie den Rest der Dekoration so weit übertreffen. Die Friese und der Plafond haben so wenig mit den schönen Pilastern gemein, daß man glauben könnte, sie seien von anderer Hand^. In dieser Disharmonie der Teile zeigt sich der Anfänger. Vielleicht wäre sie vermieden worden, wenn Delacroix die Dekoration in einem Zug und al fresco gemalt hätte. Während er bei der Arbeit war, versuchte er sich in Valmont mit ein paar antiken Motiven kleinen Umfanges, und ein Brief darüber an Villot bezeugt, daß ihm die Vorteile des Fresco nicht verschlossen blieben-. Aber man kann zweifeln, ob er in diesem Stadium nicht Fiasko gemacht hätte. Sein Ausdrucks- vermögen war damals viel zu sehr auf die pastose Art der Öl- malerei gestützt, und die Hand besaß noch nicht die notwendige Schnelligkeit der Bewegung.

Die Bibliothek desselben Palais beherbergt Delacroix' monu- mentales Hauptwerk der vierziger Jahre, eine vielgegliederte und sehr schön gegliederte, an zahllosen Schönheiten reiche, nie über- ladene Schöpfung, das Werk einer fruchtbaren Phantasie und ein vielleicht noch überzeugenderes Dokument der Selbstzucht. Der lange Saal hat sehr schöne Verhältnisse, und die Einteilung des

' Doch ist von der Mitarbeit eines Schülers nichts bekannt. Mit dem Maler Lassalle- Bordes, der ihm bei der Bibliothek des Palais de Bourbon half, trat Delacroix erst 1838 nach der Vollendung des Salon du Roi in Verbindung. Andrieu wurde erst 1845 sein Schüler.

' Fragmentarisch mitgeteilt von Robaut, als Kommentar zu Robaut, Nr. 545, 546, 547. Fehlt in der Burtyschen Sammlung der Lettres.

92 DIE DEKORATION

Plafonds in die fünf Kuppeln ist eine selten schöne architektonische Lösung, die Delacroix glänzend benützt hat. Doch fragt es sich, ob der Raum für einen Künstler geeignet war, der sich nicht mit Ornamenten begnügte. Es geht uns hier wie bei so vielen Monu- mentalwerken der größten Meister. Die Bewunderung beschwich- tigt nicht das Bedauern des Betrachters, dem Fluge der Erfindung nicht so in allen Einzelheiten folgen zu können, wie es der Wert des Gebotenen verlangt. Das Auge stolpert über die fünf Kuppeln, von denen jede einzelne immer neue Bilder zeigt. Man besitzt nicht die Gelassenheit, auf die die Bescheidenheit des Schöpfers rechnete, das Mannigfaltige mit der Selbstverständlichkeit hinzu- nehmen, mit der man rein schematischen Wiederholungen in denselben Kuppeln gegenüberstehen würde. Man darf aus diesem Eingeständnis nicht den leisesten Vorwurf gegen den Meister herauslesen, nur einen Vorwurf gegen uns selbst, gegen unsere Armut, der die einfältige Hinnahme des Großartigen fremd ge- worden ist. Das Preziöse unserer Kunst hat die Organe künst- lerischen Aufnahmevermögens zu sensibel gemacht. Wir sind zu sehr gewöhnt, in alle Ecken zu blicken und das Kleine und Kleinste zu genießen, und schrecken zurück, wenn der Ecken zu viel werden, auch wenn jede vollkommen eine maßvolle Harmonie erfüllt.

Delacroix tat alles, um dem Plafond die notwendige Ruhe zu geben. Die Mannigfaltigkeit kommt in einer reichen, aber einzigen Art zustande. Die Bilder, ausschließlich von weitem leserliche Motive antiken Geistes, sind in Farbe und Materie nicht individuell konzipiert, sondern immer in Rücksicht auf die Kuppeln ge- schaffen, wo sie mit anderen zusammenstehen, und eine Kuppel paßt zu der anderen^. Von allen Bildern gibt es Studien; manche Motive führten zu selbständigen Staffeleibildern, z. B. «Der Tod des Johannes» zu dem schönen farbenprächtigen Kabinettstück (Robaut Nr. 858), das neben dem Hexagon wie Drama neben Epos erscheint. Der Vergleich der Studien und solcher Bilder mit den

' Die beiden dem Orpheusbilde zunächst liegenden Kuppeln sind, wie schon Delacroix' Schüler Planet bemerkt hat, dunkler als die anderen. Sie waren als Grisailles untermalt. Die anderen drei Kuppeln entstanden ohne diese Präparation und sind leuchtender gebUeben. Nach Planet war diese Verschiedenheit be- absichtigt. — Unsere Abbildungen bringen wenigstens diese Dekoration vollständig.

DIE DEKORATION ^93

Stücken in der Kuppel zeigt, wie bewußt der Meister opferte. Der Rubensschüler wappnete sich mit der Strenge Poussins und ging nicht um Haaresbreite über das vom Raum gegebene Gesetz hinaus. Die Bilder sind nur für die Kuppeln gedacht, kommen nur an dieser Stelle zu ihrer Wirkung und würden, wenn man sie, wie Geffroy vorgeschlagen hat, von der Wand löste, um sie zu schützen, und an der Wand durch Kopien ersetzte^ vielleicht den Forscher belehren, aber den Freund Delacroix' enttäuschen und sicher der Bestimmung, die sie vollkommen erfüllen, entzogen werden.

Einen seltsamen Kontrast zu diesen stillen Deckenausschnitten, in denen der Epiker mit Gelassenheit die schönsten Geschichten der Menschheit aneinanderreiht, bilden die beiden großen Hauptbilder, die an den Enden der Galerie je eine halbe Kuppel einnehmen. Den ein wenig gewagten Vergleich der Bibliothek mit der Sixtinischen Kapelle- legitimiert wenigstens dieser Wechsel des Stils in den beiden Teilen. Bis zum ge- wissen Grade erklärt den Wechsel die Verschiedenheit der Zeiten. Die beiden Kuppelhälften entstanden später als die Ausschnitte. Vielleicht hat auch die Verschiedenheit des Materials die beiden Bilder wurden mit Wachsfarben direkt auf die Mauer gemalt mitgewirkt. Das Entscheidende dürfte die Verschiedenheit der Dimensionen gewesen sein. Die größeren Flächen führten den Meister zu größerer Beweglichkeit. In dem friedlichen Orpheus- bilde dringt eine fast gestenlose Lyrik hervor, die mit einem Lächeln Poussin ade winkt. In dem Attilabilde bewegt das Dramatische, wie der Sturm das Meer, die Fläche. Es bedarf der vielen Zwischenglieder zwischen diesen Enden, um solche Extreme in einem Raum zu vereinen. Die Unruhe, mit der man die Mittelglieder überfliegt, mag wohl auch von der Ungeduld be- stimmt werden, zu diesen Endpunkten zu gelangen, wo der Meister mit weniger verhaltener Stimme von seinen eigensten Dingen erzählt.

Die Dekoration der Bibliothek im Luxembourg, der genial komponierte Halbkreis mit dem trauernden Alexander, die Sechs-

1 Les Peintures d'Eugene Delacroix ä la bibliotheque de la Chambre des Deputes (Librairie de l'Art ancien et moderne, Paris 1903).

' Jules Rais, Le Palais et la Chambre des Deputes (Revue universelle [Larousse] vom 15. Oktober 1902).

94 DIE DEKORATION

ecke und die prachtvolle Kuppel, ist einheitlicher erdacht. Die Kuppel setzt gewissermaßen das gleichzeitig entstandene, in der Gestaltung verwandte Friedensbild im Palais Bourbon fort. Es ist Delacroix' Parnaß mit seinen Lieblingsgestalten der Antike und der Renaissance, freier, loser, lebendiger als der Parnaß Raffaels, an den er gedacht haben mag, von derselben Würde; ein Garten, in dem die vielen, vielartigen Gestalten wie die Vegetation der üppigen Flur erscheinen. Ein Teil des Reizes liegt in der ver- hüllten kompositioneilen Tendenz. Die Dekoration erscheint als ganz freie Schöpfung, Resultat einer Empfindung, nicht im geringsten einer Berechnung, und überliefert dem Betrachter trotzdem ein ge- schlossenes Bild. Die kleinen einfarbigen Sechsecke haben die Ein- fachheit und Größe griechischer Reliefs, an die sie sicher erinnern sollen, und sind ungehemmte Niederschriften wie alles andere. Delacroix komponiert nicht mit Linien, sondern mit Massen und mit allen dem Maler gehörenden Mitteln. Das bindende Element ist genau dasselbe wie in den Staffeleibildern, nur dem Zwecke, den Raum- und Lichtverhältnissen angepaßt. Was das in diesem Falle, schon allein in rein materiellem Sinne, bedeutet, das läßt sich nur angesichts des Raumes ermessen. Die geschlossene Kuppel erhält nur von einem tief unten, seitlich gelegenen Fenster ein zweifelhaftes Licht. Infolgedessen ist ein großer Teil der Fläche stets in einen Schatten gehüllt, dessen Intensität von der Witterung abhängt. Darum hätten sich die Früheren wenig gekümmert. Gros, dessen Pantheon-Kuppel Delacroix gerade damals wiedersah « helas ! maigreur ! inutilite ! » ist der Eindruck des Werkes des ge- liebten Meisters^ hätte sich einen, mit einer Lampe versehenen, Betrachter auf Riesenstelzen gedacht, dem es gelang, das Bild auf- gerollt und in der Nähe zu betrachten. Ein findigerer Kopf hätte, wie Chesneau meint ^, mit starken Kontrasten gewirtschaftet und der Belichtung des dunklen Drittels die Harmonie des Ganzen ge- opfert. Delacroix findet hier eine einzigartige Verwendung seines Kolorismus. Es gelingt ihm, mit weisen Abtönungen und Be- nützung der Komplementärfarben wenigstens ein Dämmer-

' Journal I, p. 235; vgl. auch den Aufsatz Delacroix' über Gros (Literarische Werke, Insel- Verlag).

" In dem Kommentar zu dem Katalog Robauts; dort S. 251.

DIE DEKORATION 95

licht in das Dunkel zu bringen, ein Licht, das die ganze Komposition gleichmäßig durchströmt. Als Charles Blanc ein- mal mit einem Maler, einem Bekannten Delacroix', den zarten Fleischton des Oberkörpers der Frau unter dem Baum, einer der schönsten Gestalten des Werkes, bewunderte, sagte ihm der Maler, der, als Delacroix an dieser Stelle arbeitete, zugegen ge- wesen war: « Sie wären nicht wenig erstaunt, wenn Sie wüßten, mit welchen Farben dieses Fleischrosa zustande gekommen ist. Einzeln gesehen, wären Ihnen diese Töne straf mich der Himmel I ebenso farblos erschienen wie Straßenschmutz.» Und Blanc fügt hinzu: «Wie kam das Wunder zustande? Durch die Kühn- heit Delacroix', den nackten Torso der Frau rücksichtslos mit ge- hackten Strichen eines entschiedenen Grüns zu bearbeiten, das zum Teil durch seine Komplementärfarbe, das Rosa, neutralisiert wird und mit dem Rosa einen frischen Mischton ergibt, der nur aus der Entfernung wirkt . . . »^

Wir können heute solche Wirkungen nur noch ahnen. Die Be- richte der Zeitgenossen erwecken Erwartungen an die Farbe der Dekorationen, die nur zum Teil erfüllt werden. Man hofft, wenn man von den Komplementärfarben hört, auf eine leuchtende Sonne und steht nachher ein wenig verdutzt im Dunkel und reibt sich die Augen. Villots Mahnungen waren nicht ganz ungerechtfertigt. Das Material der Farben hat nicht gehalten. Oder sind unsere an stärkere Reize gewöhnten Augen daran schuld .? Man betrachtet die anormal tiefe Kuppel, deren höchste Stellen nie von dem jämmer- lichen Licht erreicht werden, mit wahrem Ingrimm über die Zu- mutung, die dem Genius so unerhörte Bedingungen vorschrieb. Wer von den Prätentiösen unserer Zeit würde sich verstehen, den Halbkreis über dem Fenster zu bemalen ? Doch ist es rat- sam, den Grimm zu bekämpfen und Geduld zu fassen. Dann be- ginnt es sich in der Kuppel und über dem Fenster zu regen. Nicht die Grüns und die Rosas, von denen die Berichte melden, treten hervor, aber besseres. Gestalten, die von aller Materialität befreit scheinen, wandeln in der Kuppel wie im Äther, und ihre aus der Oberwelt zu uns dringenden Gesten ersetzen dem Geiste, was die Ungunst des Raums die Sinne entbehren läßt.

' In dem oben zitierten « Grammaire des Arts du Dessin ».

96 DIE DEKORATION

Mit noch weniger günstigen Lichtverhältnissen hat Delacroix einige Jahre vorher in der Kirche St. Denis du St. Sacrement bei seiner Pietä zu kämpfen gehabt, die er direkt auf die Mauer malte. Er half sich, indem er die Lichter mit reinem Chromgelb, die Schatten und Halbtöne mit Preußischblau machte^ und so sich eine künstliche Beleuchtung schuf. Auch sie hat mit den Jahren viel von ihrer Kraft verloren. Das Motiv hat Delacroix mehrmals in schönen Staffeleibildern wiederholt.

Von den Monumentalwerken der fünfziger Jahre ist die Deko- ration des Salon de la Paix im alten Pariser Rathaus durch den Brand von 1871 zerstört worden. Sie war nächst der Biblio- thek des Palais Bourbon das umfangreichste Werk Delacroix'. Außer dem großen Mittelbild der Decke gab es, im Plafond ein- gelassen, acht Ovale (jedes über einen Meter hoch und fast zwei- einhalb Meter breit) mit den Gottheiten des Friedens, und elf Halbkreise von ähnlicher Größe, die zu einem Fries zusammen- gesetzt waren, mit den Arbeiten des Herkules. Er mag an die zerstörten Herkules-Medaillons Poussins für die Große Galerie des Louvre gedacht haben, von denen er in seinem Aufsatze über den Meister mit Bitterkeit spricht. Den seinen erging es nicht besser. Von der Schönheit des verlorenen Schatzes berichten nur noch die Skizzen. Das Ensemble muß, obwohl auch die Lichtverhältnisse dieses Saales nicht ideal waren, einzig gewesen sein.

Zum Glück bleibt uns der Plafond im Louvre, das Werk, das heute noch die ganze Realität, die ihm der Meister gab, besitzt, ein so glanzvolles Werk, so vollkommen im ganzen wie in allen Teilen, so unentbehrlich in dem Oeuvre, daß die Opfer an Zeit und Anstrengung, die Delacroix vorher der Monumentalmalerei brachte, die ungeheuren Verluste, die uns das Gebiet seit seinem Tode gekostet hat, zurücktreten. Delacroix füllte den Platz, den Lebrun unbesetzt gelassen hatte, als diesen Louis XIV. zwang, die Galerie d'ApoUon aufzugeben und sein vielfältiges Talent dem Schloß von Versailles zu widmen. Wir verdanken der Laune des Königs die merkwürdigste und glorreichste Probe auf das Exempel Delacroix'. Kein Besucher dieser Galerie, die man mit

1 Bericht seines Schülers und Mitarbeiters Henry de Planet, mitgeteilt von Th. Silvestre in Eugene Delacroix, Nouveaux Documents.

ROGER DELIVRANT ANGELIQUE, 1847. 0,36 : 0,28. [ROBAUT Nr. 1003.) LOUVRE, PARIS. (COL. THOMY-THIKRY.) PHOTO BRAUN.

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DEKORATION

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ah, siegreich aus und ist doch nur, nicht mehr,

^^^fti Delacroix, ein Stück seines ureigenen Ruhms.

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^^^P ergeht vor den Wundern dieses Roi-Soleil.

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das übrigens etwas später entstand, und scheint

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» I^ouvrc, geborgt h.ittc. (Journal III, S. 14. Die Fußnote

auf einem Irrtum. Im Robaut befindet sich nur eine Zeich-

Decke ; ca ist die nach dem schönen Lcbrunschen Rahmen-

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DIE DEKORATION 97

Recht eine der schönsten der Welt nennt, wird, wenn er die Dekoration der langen Decke überfliegt, in dem Mittelstück ein dem übrigen widersprechendes Idiom erkennen. Delacroix hielt sich nicht nur an das Apollo-Motiv, das Lebrun vorgeschrieben hatte, den siegreichen Sonnengott auf seinem Wagen, nicht nur ' an den üppigen Rahmen, den der Restaurator der Galerie in seiner alten Pracht wiederhergestellt hatte und dessen Motiv, eines der Glanzstücke Lebruns, Delacroix mit Bedacht in sich aufnahm^. Er traf die wirkliche Bestimmung dieser Pracht, die kein Bild von Lebrun je vollkommen in Einklang mit den Zieraten des kunst- gewerblichen Pomps der Epoche zu erfüllen vermocht hätte, über- traf alles, was dem verwöhnten König je in Farben gelacht hat. Das Bild füllt die Mitte, nicht wie dafür gemacht, sondern als ob die Umgebung nach ihm gemacht sei, wie ein Stein in seiner Fassung. Es hält den Wettkampf mit dem massenhaften Gold, mit all der Verschwendung der verschwenderischsten Epoche, die je die Neue Welt sah, siegreich aus und ist doch nur, nicht mehr, nicht weniger, ein Delacroix, ein Stück seines ureigenen Ruhms. Die Bewunderung der gleißenden Schmeichelei, die königlicher Eitelkeit diente, vergeht vor den Wundern dieses Roi-Soleil.

Die Komposition nähert sich dem rubenshaften Schema des Rat- hausplafondbildes, das übrigens etwas später entstand, und scheint es zu verbessern. Was in diesem, wenn wir uns an die Abbildungen halten, ein wenig verworren wirken könnte, wird geklärt. Freilich ist die Beurteilung nach Abbildungen, auf die man bei dem Rathaus an- gewiesen ist, gerade bei Delacroix vom Übel. Die wunderbare Skizze zu dem Rathausbild, die Cheramy besaß- und die alles Wesentliche der Komposition mit geringen Modifikationen an- deutet, ist von jeder Verworrenheit frei. Die Differenz der Töne rückt die Massen, die in den oft mäßigen Abbildungen nach dem verbrannten Bilde auf einer Fläche und deshalb unorganisch er-

' Er kopierte viele Motive der Decke teils direkt, teils nach einem Werk, das ihm Duban, der Architekt des Louvre, geborgt hatte. (Journal III, S. 14. Die Fußnote unter dieser Seite beruht auf einem Irrtum. Im Robaut befindet sich nur eine Zeich- nung Delacroix' nach der Decke ; es ist die nach dem schönen Lebrunschen Rahmen- Motiv, Robaut Nr. 11 17.)

Robaut Nr. 11 20.

Meier-Gracfe, Delacroix 7

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scheinen, auf verschiedene Pläne und enthüllt uns die herrlich ge- schmückte Tiefe, die dem Bilde einen ganz anderen Sinn, der Komposition die Vollendung gibt. Waren die Massen in dem end- gültigen Werke ebenso äquilibriert wie in der Skizze? Das be- geisterte Lob Gautiers scheint einen leisen Einwand dieser Art frei zu lassen^. Das Auge suchte vielleicht die Stelle, die es als Mittelpunkt nehmen konnte. Die regelmäßige Form der Leinwand hat möglicherweise den Meister, der von allen Lösungen nie die leichteste wählte, zu einer zu weitgehenden Komplikation ge- trieben. Ich betone, daß alles das gegenstandslose Vermutungen sein können.

In dem Louvreplafond kam schon die weniger regelmäßige Form der Malfläche den Instinkten des Künstlers entgegen. Die Lein- wand ist nicht wie im Salon de la Paix ein Kreis, sondern eine aus Rundungen und Graden zusammengesetzte Figur, etwa eine in einen unsichtbaren Kreis gebaute Ellipse mit rechtwinklig aus- gebauchten Längsseiten. Die Extremitäten der Ellipse und des Rechtecks berühren die Peripherie des gedachten Kreises. Diese gegebene Fläche, die einen anderen zur Verzweiflung gebracht hätte, wurde zu einem idealen Stadion für die Muse Delacroix'. Die Komposition verwandelt die unregelmäßige Ellipse in einen idealen Kreis. Sie verteilt alle Massen zentrifugal, häuft sie in den ausgebauchten Seiten der Ellipse, wo aus eilenden Leibern grotesk gewundene Säulen entstehen und gewinnt jede Gruppe aus kon- trastierenden Bewegungen, die scheinbar zufällig zu der Rundung beitragen. Wo die Ellipse entscheidet, oberhalb Apolls in den Ge- nien, unterhalb Apolls, wo der Panther mit ungeheurer Wucht dahinstürzt, wird die Rundung am deutlichsten, und diese Bewegung genügt dem Auge, um die motorischen Andeutungen in den anderen Teilen richtig zu interpretieren. Wie die Koloristik Delacroix' ist sein kompositionelles Prinzip ein Zielen auf die produktiven Kräfte des betrachtenden Auges. Es gibt die einander zuströmenden komplementären Teile. Frei- lich muß man sehen wollend

^ Moniteur universel vom 25. März 1854. Über die Farben der Dekoration des Salon de la Paix vgl. Andrieu in « La Galerie Bruyas ».

- Chesneau, der Vorredner des Robaut-Katalogs, meint, Delacroix habe in dem

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Die Komposition interpretiert in idealer Weise den Siegeszug des Sonnengotts, der mit seinen Pfeilen die Gewalten der Finsternis verscheucht. Der Gedanke an den Ursprung der Aufgabe ver- schwindet, wenn man in ihre Lösung eindringt, und der Geist eines Erhabenen, dem Delacroix schon in seinem frühesten Monumental- werke einen Tribut darbrachte, dem er sich jetzt wie ein gleich- gestellter Genosse nahen darf, übernimmt die Führung. Etwas von der Wucht, mit der Roms größter Meister in seinem größten Werk die Gestalten in den Abgrund schleudert, steckt in dem Gemälde. Die Wucht drang zu Delacroix, der nie den Boden Italiens betrat, über Rubens, der es sich angelegen sein ließ, sie zu vermenschlichen, und gleichzeitig jene Vergeistigung des Un- geheuerlichen begann, die allein das Erbe Michelangelos zu retten vermochte. Das Stück, das der Flame bezwang, ist nicht größer als das, was Delacroix in gleicher Richtung errang, indem er der Wucht seine Harmonie entgegenstellte und doch die Kraft frei ließ. Man versteht vor keinem Bilde wie vor diesem Plafond so gut die Tiefe seiner Kritik Michelangelos, des zerstörenden und hin- reißenden Genius. Und man versteht das tiefe Wort Montesquieus : zwei gemeine Schönheiten heben sich auf, zwei große heben sich hervor. Nirgend ist die geistige Rolle der Koloristik Delacroix', die wir seine Hygiene nannten, so deutlich. Die Farbe^ scheint der Sage von dem Sonnengotte eine noch großartigere Auslegung, zu geben, als es der gewaltigen Komposition gelingt. Freilich, wer kann in dieser Sonnenlegende zwischen Farbe und Komposition unterscheiden? Der materiellen Substanz mag der Umstand von Vorteil gewesen sein, daß Delacroix hier ausnahmsweise auf den Zusatz von Wachs zu seinen Ölfarben, den er bei den meisten anderen wenn nicht allen Dekorationen anwendete, verzichtete. ,

Plafond nicht ganz die Irrtümer großer Vorgänger vermieden, und wirft ihm den Mangel an « vertikaler Perspektive », die Unlogik in den Gestalten der Peripherie, die nach seiner Ansicht in die Galerie zu fallen drohen, usw., vor. Solche Ein- wände einer primitiven Ornamentik oder eines ebenso primitiven Naturalismus suchen die Kunst mit üirem Rahmen zu widerlegen und erinnern an den braven Zu- schauer im Theater, der, nachdem er eine Weile dem Faust zugehört hatte, meinte: Was gehen mich eigentlich diese Leute an ?

Delacroix hat selbst eine zum Teil ins Detail gehende Farbenbeschreibung des Werkes gegeben. Vgl. Journal I S. 448 ff., II S. 54 ff. Vgl. auch Andrieu.

7*

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Die Skizze zu dem Plafond, in der Brüsseler Galerie, nach der wir leider, da nach dem Louvrebilde ebensowenig wie nach den meisten anderen Dekorationen Aufnahmen zu erreichen waren, unsere Abbildung machen mußten, hat gelitten und durch schlechten Firnis ein speckiges Gesicht erhalten. Die Farben geben nur die rohe Substanz des Gemäldes.

Während Delacroix an dem Plafond malte, machte er die Ent- würfe für die zehn Jahre später nach zahllosen Unterbrechungen vollendete Kapelle des Saints Anges in St. Sulpice mit der Ver- treibung Heliodors, dem Kampf Jakobs mit dem Engel und dem Erzengel Michael mit dem Drachen. Es wurde daraus die Probe auf ein anderes Exempel, der Beweis, wie ernst es dem Geschickten mit seinem Kampf gegen die Geschicklichkeit war, wie wenig das wunderbare Gespinst seiner Pinselzüge für das Wesen seiner Kunst bedeutete, wie unabhängig der Gestalter von den Zufälligkeiten der Materie war, die seinen Staffeleibildern so viele Reize verleiht. Die Materie, auf die Delacroix in der Kapelle angewiesen war, schloß mindestens einen sehr großen Teil der gewohnten Reize aus : er malte die Dekoration als Fresco^.

Die Freskenmalerei erlebte in Frankreich, eine Generation später als bei uns, eine ähnliche Renaissance wie die von den Deutschen in Rom versuchte. Die Ingres-Schüler brachten sie. Victor Mottez, Amaury Duval, Orsel und andere bedeckten stille Kapellen mit ausführlichen Geschichten, ein wenig zurückhaltender, vorsich- tiger als die Cornelius, Overbeck, in ähnlichem Geiste, im Grunde noch öder. Man übertrug mit Fleiß und Artigkeit Zeichnungen, die schon auf dem Papier keine Kraft hatten, auf die Mauer und ins Große. Das Resultat war der vollkommene Ausdruck einer geistigen Unzulänglichkeit. Delacroix war schon gegen den Meister dieser Schüler, zumal wenn dieser sich in der Dekoration ver- suchte, von unbeugsamer Kritik^, weil er nie die Folgen einer

'■ Ich behalte Robauts Bezeichnung « Fresken » bei, obwohl ich die Dekorationen nicht für reine al fresco-Malerei, vielmehr für eine Art Tempera halte.

2 Als er den Plafond im Hotel de Ville malte, hatte er wiederholt Gelegenheit, die Schöpfungen des <i Ulustre confrere en plafond » zu sehen, die einen anderen Saal desselben Gebäudes nicht eben vorteilhaft schmückten. Merkwürdig, daß die Kritik es nie gewagt hat, den Unterschied zwischen dem Monumentalstil Delacroix' und

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kompilierenden Inspiration zu übersehen vermochte, die An- strengung, sich in einem Gebiet zurecht zu finden, für das Ingres als Wesentlichstes nur seine Bildung und eine verschrobene Methode mitbrachte. So wenig wir das Recht haben, Delacroix in allen Einzelheiten seiner wohl begründeten Kritik zu folgen, der Meister der Kapelle des Saints Anges durfte so urteilen. Was in der Ingres-Schule geschwollene Phrase blieb, wurde in Dela- croix' Fresken Tatsache. Er gab ein den Alten ebenbürtiges Werk, mit den Mitteln der Alten, sogar aus ihrem Gedankenkreis ge- wonnen; und ein ganz persönliches Werk, so persönlich wie der Louvreplafond, von dem die Fresken um eine Welt entfernt sind.

Wiederum eine Pracht, aber von ganz anderer, man könnte sagen, weniger weltlicher Art; wiederum ein Rauschen von Farben, eine gewaltige Bewegung, weniger überweltlich, schlichter, zumal unter den Bäumen, die Riesen sind, wo seitlich die Karawane fröh- lich mit Jakobs reichen Geschenken zieht, und vorn der stierige Mensch mit dem gutmütigen Engel kämpft; ein Engel breit- schultrig mit festen Armen und Beinen und dabei ganz leicht beschwingt; eine Mischung, die den Griechen be- kannt war, die Delacroix allen seinen Frauen gab; ein leise sich wiegender Engel, der spielend den Stürmenden bezwingt, nicht mit der Kraft der Muskeln, sondern mit einer viel überzeugenderen Gewalt, mit dem Rhythmus, der die Woge hinab und hinauf bis in die Baumwipfel schwingt, der die ganze Mauer, die zum Bild wurde, in ein leises Schwingen bringt und das Wunder ist, das pulsierende Herz dieser Legende.

Gegenüber aber glitzert die Pracht des Palastes mit dem ge- bärdenreichen Wunder. Der Palast gehört zu denen, die man nie bauen, immer nur malen könnte; mit Säulen, die nicht zwei Menschen umspannen und die um keinen Preis dünner sein dürften, Kolonnaden, die nie enden, Treppen, so breit, daß zehn Reiter

Ingres' in unzweideutiger Weise festzustellen. Zu Lebzeiten des Meisters hat, glaube ich, nur L. Vitet (Revue des Deux Mondes, Aprü 1862) eine für Delacroix nicht ungünstige Parallele angedeutet. Delacroix hatte für Ingres' wesentliche Eigen- schaften ein vorurteüloses Verständnis. Wie Baudelaire erzählt (l'Art Romantique S. 37), kopierte er sorgfältig verschiedene Photographien nach BleistiftbUdnissen Ingres'.

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nebeneinander hinaufreiten könnten, Balustraden, wo die Menge wogt, inmitten der würdige Priester mit dem langen Bart und den weitgeöffneten Armen. Vielleicht hat man dergleichen schon irgendwo, irgendwann gesehen, als Kind, als man zum erstenmal in das große Theater geführt wurde und alles glaubte, was da vorne in dem strahlenden Lichte vorging, das furchtbar Schöne und schöne Furchtbare. Der Traum machte es nachher noch viel schöner. Auch dieser Palast mit dem stürmischen Getöse, das nicht ans Ohr dringt, obwohl die ganze Begebenheit fest und sicher wie in Mosaik geschnitten erscheint, mit der Gewalt des ein- zelnen, das nie greifbar wird, obwohl man drei Schritte davor steht, mit dem gewaltigen Schwung, der nur das Bildhafte kräftigt, ist Traum, der Traum eines Künstlers, der das größte Vorrecht des Kindes, an Erschautes zu glauben, zu realisieren weiß.

Was haben die beiden Wände, dieser stille Wald auf der einen, das prunkende Tempelvestibül auf der anderen gemein? Den Geist des Schöpfers, der sie entstehen ließ. Es ist, als habe sein Genius mit der Farbe herausgelockt, was in der Architektur eines Baum- geästes und in der eines Tempels, in zwei Geschichten von so grund- verschiedener Art an Gemeinsamem enthalten sei, was den Wind, der die Blätter regt, mit dem sausenden Flug eines züchtenden Engels verbindet. Sicher findet man es nicht so schnell wie das Gemeinsame zwischen den Wänden eines byzantinischen Mosai- kisten oder zwischen den Fresken, die ein Meister des Quattrocento ersann. Dafür ist es ergreifender, von tieferer Bedeutung, von edlerem Nutzen, wenn man es gefunden hat.

Seltsam, daß der Kolorist Delacroix in diesem Werk einer ver- gleichsweise primitiven Technik einen seiner Höhepunkte erreicht, wenn nicht überhaupt seinen höchsten Gipfel; seltsam und be- greiflich. Auf dem Gipfel alles Großen steht immer das Einfache. Die Farbe scheint allen Reichtum Venedigs zu kondensieren. Sie beherrscht dies Bild ohne den milden Schleier, den Veronese über seine Hochzeit deckte, und ist einfach wie die Farbe frühchrist- licher Mosaiken. « Er malt nur noch », schreibt Signac, « mit den einfachsten und reinsten Farben und verzichtet endgültig darauf, seine Farbe dem Clair-obscur zu unterwerfen. Das Licht ist überall. Nirgend mehr ein schwarzes Loch, kein einziger dunkler Fleck,

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der mit anderen Teilen des Bildes nicht übereinstimmte, keine undurchsichtigen Schatten, keine flachen Stellen, Er gewinnt seine Töne aus allen Elementen, die sie verstärken und beleben können, und verzichtet auf jede Nachahmung des Scheins, auf alle natura- listische Färbung. Die Farbe für die Farbe ohne andere Rücksicht! Fleisch, Szenerie, Nebensachen alles ist in derselben Art be- handelt, kein Teilchen der Malerei, das nicht klingt, nicht schwingt, nicht spiegelt. Jede Lokalfarbe ist auf den höchsten Grad ihrer Kraft getrieben und trotzdem immer im Einklang mit der benach- barten, von der sie bestimmt wird und die sie bestimmt. Alle fließen mit den Lichtern und den Schatten zusammen in einem farbigen ganz harmonischen Ganzen. Klar und deutlich strömt die Melodie aus den vielartigen und mächtigen Instrumenten, Delacroix hat endlich die Einheit in Vielem, die Pracht in der Harmonie erreicht, die er sein ganzes Leben gesucht hat^ ».

Gerechte Einwände können allenfalls den kleinen Plafond treffen, den Delacroix nach Robauts Meinung vielleicht von Helfern fertig machen ließ. Er begnügte sich, ihn vollkommen harmonisch in das Ensemble einzuordnen, an dem die Decke übrigens infolge ihrer Höhe nie wesentlichen Anteil hätte nehmen können. Auch gegen die beiden Hauptwände bringt man vielerlei vor. In früheren Jahren pflegte ich deutsche Bekannte, die mich in Paris besuchten und etwas sehen wollten, hierher zu führen. Mir schien immer diese Kapelle der passendste Ort für die friedliche Eroberung der Ungläubigen, weil man darin nicht zu laut sprechen darf. Ein Mensch, der zwei Wände solcher Art in Gleichgewicht halten konnte, müßte, so glaubte ich, dem Betrachter genügend Respekt einflößen, um ihn dahin zu bringen, die Schönheit zu empfangen. Die Probe trügt nie, nicht weil es nicht suggestivere Delacroix' gibt, sondern weil gerade dieses Werk, um verstanden zu werden, zu jener Klarheit der Anschauung zwingt, ohne die alles Aufnehmen von Kunst willkürliche Suggestion bleibt. Was grobe Bären ein-

' « De Delacroix au Neo-impressionisme », S. 40. Über die Palette Delacroix' in der Chapelle des S. Anges vgl. Andrieu, der in ihr vielleicht nicht ganz mit Recht die letzte Palette des Meisters erblickt. (La Galeric Bruyas, S. 376.) Viele der letzten Staffeleibilder Delacroix' sind, so scheint mir, mit einer einfacheren, gedämpfteren Palette gemalt.

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wenden, nennen sie die Unwahrheit; literarisch Gebildete fühlen hier wieder die alte Romantik oder das Barock. Damit kann man den ganzen Delacroix abtun und ach, wie viele andere noch. Dazu kommt das Durchsichtige des Vorbildes für Leute, die morgens im Louvre gesehen haben, wie Raffael seinen heiligen Michael den Teufel niederwerfen lässt. Denen wird nie aufgehen, warum Dela- croix ein Genie wäre, auch wenn er sich noch viel enger an Raffael gehalten hätte, als er wirklich getan. Die Begründung hat Delacroix selbst gegeben, nicht um sich, sondern um gegen denselben Vorwurf den Meister zu verteidigen, auf dessen Art man die Einwände gegen ihn aufbaut. Er schreibt während der Arbeit in St. Sulpice in sein Tagebuch: «Poussin sagte in einer leichtsinnigen Stunde, Raffael sei ein Esel neben der Antike, und hatte recht, weil er nur Zeichnung und Beherrschung des Nackten zum Vergleich zu- ließ. Ebensogut hätte er auch sich selbst über Raffael stellen können, nur in einer anderen Richtung. Wenn er dagegen die Wunder an Grazie und den aufs höchste verfeinerten Sinn für die Komposition bedacht hätte, so wäre ihm aufgegangen, daß Raffael in mancherlei Teilen der Kunst selbst der Antike überlegen war, nämlich in denen, die Poussin verschlossen geblieben sind. Raffaels Anatomie und seine Farbenerfindung waren so gut, als er konnte ; nicht gerade schlecht, aber so, wie sie sind, mit den Leistungen Tizians, Correggios und der alten Flamen auf diesem Gebiet ver- glichen, geringer und mußten geringer sein, Sie hätten noch viel mäßiger sein können, ohne die Vorzüge wesentlich zu verringern, die Raffael nicht nur in die erste Reihe, sondern in der Art seiner Gaben über alle alten und neuen Künstler stellen. Ich möchte sogar fast behaupten, daß diese Eigenschaften durch eine stärkere Betonung der Anatomie und des Pinselstrichs vermindert worden wären. Und dasselbe könnte man nahezu von Poussin selbst sagen »^.

Es läßt sich viel gegen die Monumentalkunst Delacroix' sagen, z. B., daß sie nicht stilisiert ist, nicht so ornamental wie die Pro- dukte späterer Stilisten. Kein Wunder, daß eine Konstruktion konstruktiver ist, als ein Gemälde. Diese Konstruktion ist der

Journal II, 131, 132.

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Teilungsmodus unserer Tage. Er erreicht das den Zielen Delacroix' Entgegengesetzte, erlaubt, Ausdruck, Geist und Leben als bild- fremde Störungen auszuscheiden und überliefert das Kunst- werk dem Tapezierer. Delacroix hielt das Dekorative für einen relativen Wert, der nur in Verbindung mit anderen, weniger greifbaren Faktoren eine Rolle spielen dürfe und erst dann als Errungenschaft zu gelten habe, wenn er sich trotz Ausdruck, Geist und Leben erhielt. Unter den vielen Kunst- problemen, die den Denker beschäftigten, sucht man vergebens das Monumentale oder das Dekorative, Dinge, deren Diskussion heute im Vordergrund steht, vielleicht, weil wir sie nicht be- sitzen, und über die sich zu äußern, er nicht der Mühe wert fand, vielleicht, weil er sie besaß. Dagegen findet man unzählige Hinweise auf die Notwendigkeit, dem Kunstwerk auf jede mögliche Weise Größe zuzuführen. Eigentlich drehte sich sein ganzes Denken um nichts anderes, als dem Rat Stendhals zu folgen, der ihm schrieb : « Ne negligez rien de ce qui peut vous faire grand!» Daher beschäftigte er sich viel mit den Opfern, die jede auf Geist zielende Gestaltung zu bringen hat, und die Verein- fachung, ein terminus technicus, der heute eine große Rolle spielt, war ihm nicht fremd. Doch schrieb er einmal : « Könnte man nicht oft die Abwesenheit der Kunst für den Gipfel der Kunst nehmen? Wenn die Entwicklung der Kunst nur dahin führt, immer simplere Dinge hervorzubringen, so verzeihe man meine tiefe Sympathie mit den Epochen, die nicht der komplizierten künstlerischen Arbeit entraten konnten. Man sollte sich vor einem großen Wort, dem Schlagwort aller Pedanten von heute, in acht nehmen: dem von der Einfachheit. Es kann nicht das Gesetz einer Zeit werden, in der diese Einfachheit nicht mehr möglich ist. . . Diese ver- götterte Einfalt hängt oft nur an den barbarischen Floskeln primi- tiver Literaturen, d. h. mehr an dem Kleid des Gedankens als an dem Gedanken selbst. . . Du mußt die Mittel nehmen, die deiner Zeit angemessen sind, sonst wirst du nicht verstanden werden und nicht bleiben. Das Mittel einer anderen Zeit, dessen du dich bedienst, um zu deinen Zeitgenossen zu reden, wird immer ein Scheinmittel sein. Die Menschen, die nach dir kommen, werden deine entliehene Art mit den Werken der Epochen vergleichen,

io6 DIE DEKORATION

als diese Art die einzig bekannte und verstandene und infolge- dessen besser geübte war, und werden dich zu den Geringen rechnen, zu denen du dich selbst gestellt hast»^

Goldene Worte!

Die Reihe der Dekorationen ist mit den hier genannten öffent- lichen Werken Delacroix' nicht erschöpft und läßt sich wohl überhaupt nicht genau begrenzen. Welcher Delacroix ließe sich nicht als Dekoration verwenden? Welche seiner Dekorationen wäre kein vollgültiger Delacroix? Robaut berichtet von vier halb- runden Füllungen mit den Jahreszeiten, die 1831 den Speisesaal Talmas geschmückt haben sollen. Die Jahreszeiten, die Delacroix ursprünglich für den Salon von 1863 bestimmt hatte, ließ er unvollendet zurück^ Zwei wundervolle Supraporten, ein Triumph des Bacchus und ein Triumph der Amphitrite wurden vor einigen Jahren im Hotel Drouot als Schule Tiepolos verkauft und hängen jetzt in der Sammlung Biermann in Bremen^. Sie stammen aus der letzten Zeit und scheinen mit Nervenenden ge- malt. Der Experte, der sie Tiepolo zuschrieb, war nicht fein be- saitet.

Was man gegen Delacroix' Monumentalkunst im Louvre- plafond und in der St. Sulpice einwenden kann, ist der Hinweis auf unsere Armut, daß wir uns kaum noch ein Zeitalter, in dem ein Veronese und ein Tintoretto die Wände schmückten, vorzustellen vermögen, geschweige einen Prunk fassen können, der die Vene- zianer zu Essenzen verdichtet. Dazu kommt, daß Delacroix seine Staffeleibilder so verführerisch gemacht hat, gerade seine aller- kleinsten, wie die Perlen in dem Saal Thomy Thiery. Gerade zur Zeit der Fresken in der St. Sulpice entstanden die schönsten Historien- bilder in Diminutiv. Manche von ihnen sehen wie kleine Skizzen von Rubens aus, die Tintoretto und Veronese mit Saphiren und Smaragden gespickt haben. Das Blut auf seinen Löwenjagden gleicht flüssig gewordenen Rubinen.

' Journal III, S. 264 266.

'^ Robaut Nr. 1428, 1430, 1431, 1432. Vgl. auch Theophile Silvestre: Eugöne Dela- croix, Documents nouveaux (Paris 1864) S. 14 ff.

^ Robaut Nr. 1419, 1420. Robauts Angabe, die Bilder seien auf Holz gemalt, beruht auf einem Irrtum.

DER GRAPHIKER

Delacroix machte mit der Farbe Bilder, nicht mit Gegenständen. Manchmal könnte man sogar glauben, die Farbe vollbringe selbsttätig das Bildhafte. Sie liegt nicht auf der Leinwand, sondern kommt aus der Tafel heraus, scheint, sobald sie ihren Erzeuger verlassen, ein eigenes Leben zu beginnen. Deshalb hat man ihm den Titel eines Koloristen zuerkannt. Doch zeigt die Verwandt- schaft der späteren Werke mit den früheren, die den Glanz der Palette entbehren, und wiederum der Vergleich der mittleren Zeit, die dem Materialismus des Farbigen huldigt, mit den viel einfacheren und doch reicheren, ganz geeinten Bildern

I

HO DER GRAPHIKER

der letzten Jahre, daß nicht die Palette allein das Werden des Malers bestimmte, und wir wissen von Chesneau, wie bitter der Meister lächelte, wenn man ihn mit der Anerkennung abspeiste, ein guter Kolorist zu sein^. Einem Liebhaber, der seine Farben pries, erzählte er, Michelangelo habe einem Verehrer, der seine Anatomie lobte, gesagt, die Natur sei ihm zuwider. Ich kann mir denken, daß er lieber gar nicht gelten wollte, als nur als Farben- mischer.

Manche Bilder sind zuerst als Steindrucke entstanden. Der Vergleich der Lithographien mit den Gemälden ist lehrreich. Er erweist, daß Delacroix keiner Palette bedurfte, um mindestens die Umrisse seiner Art zu begründen. Er begann als Graphiker und brachte es auch auf diesem Gebiet, obwohl er es später vernach- lässigte, zu einem umfangreichen Oeuvre-. Die Entwicklung ist in anderen Formen dieselbe, die Delacroix als Staffeleimaler und als Dekorateur durchlief.

Seine meisten graphischen Werke fallen in die zwanziger und dreißiger Jahre. Die Radierungen treten zurück. Das Metall wider- setzte sich seiner Handschrift. Er versuchte als ganz junger Mensch Radierungen von Rembrandt zu vereinfachen und gab die Haupt- gruppe der großen « Auf erweckung des Lazarus ». Eine unvollendete Platte « Scene d'interieur » steht anscheinend Goya nahe, den er schon vor der spanischen Reise kannte. 1833 entstehen mehrere Radierungen mit orientalischen Motiven, flüchtige Niederschläge der Reise nach Marokko, die wenig von dem Eindruck verraten, den jedes Aquarell der Zeit zu erkennen gibt. Ein einziges Blatt, die Löwin mit dem Araber, datiert 1849, gibt die wahren Umrisse des Künstlers. Es ist seine letzte Radierung.

Viel früher gibt ihm die Lithographie eine eigene Form. Die beiden frühesten Blätter stellen Orientalen dar, den persischen Gesandten und seine Favoritin. Dann folgt die seltsame Reihe von teilweise politischen Karikaturen, die man ohne sichere Be- weise ihm nie zuschreiben würde. Aus welchen Niederungen stieg

' Peintres et Statuaires romantiques (Charavay freres, Paris 1879).

' Loys Delteil hat im dritten Bande des « Le peintre graveur illustre 9 (Paris 1908) das graphische Werk Delacroix' mit gewohnter Sorgfalt katalogisiert und 25 Radierungen und 106 Lithographien gefunden.

DER GRAPHIKER iii

dieser Geist empor! Nach der Londoner Reise zeichnet er sechs Blätter mit antiken Medaillons, die bereits eine Richtung geben, und reproduziert die Metope mit dem Theseus, der den Kentauren besiegt. Man meint in die Werkstatt des werdenden Genius zu blicken. 1827, im Jahre des « Sar danapal », entsteht die Serie der Faustillustrationen, die Goethe ergötzte^. Den Goethe- forschern könnte zu denken geben, daß der Dichter mit dieser Darstellung des Künstlers zufrieden war. Sie deckt sich durchaus nicht mit seinem Geiste, noch weniger mit den modernen Vor- stellungen der Tragödie; vor allem ist es keine Tragödie, sondern ein krauses Volksstück. Delacroix scheint Goethe nur benutzt zu haben, um die Quellen aufzudecken, aus denen Goethe schöpfte. Es ist der primitive Faust, noch ganz in der schlackenreichen derben Fülle, von der der Dichter nur Teile behielt, der Faust des Mittelalters, den ein kaum merklicher Hauch des Dixhuitieme glättet, nicht der Faust der Hofschauspieler, eher der von der alten Puppenbühne: der arme dumpfe, gierige Abenteurer, der vom Teufel besessen ist, den auf seiner Fahrt mehr Galgen, Hexen und wüste Gesellen als tiefsinnige Gedanken begleiten*. Eckermann beschreibt das Blatt, « wo Faust und Mephistopheles, um Gretchen aus dem Kerker zu befreyen, in der Nacht auf zwey Pferden an einem Hochgerichte vorbeysausen. Faust reitet ein schwarzes, das im gestrecktesten Galopp ausgreift und sich, so wie sein Reiter, vor den Gespenstern unter dem Galgen zu fürchten scheint. Sie reiten so schnell, daß Faust Mühe hat, sich zu halten; die stark entgegenwirkende Luft hat seine Mütze entführt, die, von dem

' Der Inselverlag hat 191 2 einen Faust mit Lichtdrucken nach den 17 Lithographien DelacroLx' herausgegeben. Umschlag und Titel der Originalausgabe, die bekanntlich nicht von Delacroix herrühren, fehlen.

' Die Anregung kam von der erwähnten Londoner Faustaufführung. In einem Brief aus London vom 18. Juni 1825 an Pierret schreibt er: « J'ai vu ici une piöce de Faust qui est la plus diabolique qu'on puisse imaginer. Le Mephistophdlös est un chef d'ceuvre de caricature et d'intelligence. C'est le Faust de Goethe, mais arrange: le principal est conserve. Ils en ont fait un opera mele de Comique et de tout ce qu'il y a de plus noir. On voit la scöne de l'eglise avec le chant du prStre et l'orgue dans le lointain. L'effet ne peut aller plus loin sur le theätre. i> Lettres/s. Vgl. auch den Brief an Burty vom i. März 1862 (Lettres 351), in dem Delacroix auf die Londoner Anregung verweist und als Darsteller des Mephisto Terry nennt.

112 DER GRAPHIKER

Sturmriemen am Halse gehalten, weit hinter ihm herfliegt. Er hat sein furchtsam fragendes Gesicht dem Mephistopheles zu- gewendet und lauscht auf dessen Worte. Dieser sitzt ruhig, un- angefochten, wie ein höheres Wesen. Er reitet kein lebendiges Pferd, denn er liebt nicht das Lebendige. Auch hat er es nicht von- nöten, denn schon sein Wollen bewegt ihn in der gewünschten Schnelle. Er hat bloß ein Pferd, weil er einmal reitend gedacht werden muß; und da genügt es ihm, ein bloß noch in der Haut zusammenhängendes Gerippe vom ersten besten Anger aufzu- raffen. Es ist heller Farbe und scheint in der Dunkelheit zu phosphoreszieren. Es ist weder gezügelt noch gesattelt, es geht ohne das. Der überirdische Reiter sitzt leicht und nachlässig im Gespräch zu Faust gewendet; das entgegenwirkende Element ist für ihn nicht da, er wie sein Pferd empfinden nichts, es wird ihnen kein Haar bewegt ».

Goethe fügt hinzu:

« Da muß man doch gestehen, daß man es sich selbst nicht so vollkommen gedacht hat. »

Dann betrachten sie die Trinkszene in Auerbachs Keller, « wo der verschüttete Wein als Flamme auflodert und die Bestialität der Trinkenden sich auf die verschiedenste Weise kund gibt. Alles ist Leidenschaft und Bewegung, und nur Mephistopheles bleibt in der gewohnten heiteren Ruhe. Das wilde Fluchen und Schreien und das gezückte Messer des ihm zunächst Stehenden sind ihm nichts. Er hat sich auf eine Tischecke gesetzt und baumelt mit den Beinen; sein aufgehobener Finger ist genug, um Flamme und Leidenschaft zu dämpfen ».

Goethe fügt hinzu: « Herr Delacroix ist ein großes Talent, das gerade am Faust die rechte Nahrung gefunden hat. Die Franzosen tadeln an ihm seine Wildheit, allein hier kommt sie ihm recht zu- statten. Er wird, wie man hofft, den ganzen Faust durchführen, und ich freue mich besonders auf die Hexenküche und die Brocken- szenen. Man sieht ihm an, daß er das Leben recht durchgemacht hat, wozu ihm denn eine Stadt wie Paris die beste Gelegenheit geboten. »

Eckermann rühmt, wie viel solche Bilder zum besseren Ver- stehen des Gedichtes beitragen. Darauf Goethe: « Das ist keine

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Frage, denn die vollkommenere Einbildungskraft eines solchen Künstlers zwingt uns, die Situationen so gut zu denken, wie er sie selber gedacht hat. Und wenn ich nun gestehen muß, daß Herr Delacroix meine eigene Vorstellung bey Szenen übertroffen hat, die ich selber gemacht habe, um wie viel mehr werden nicht die Leser alles lebendig und über ihre Imagination hinausgehend finden ! »

Kurz nach dem Faust entsteht eine Reihe von radierten und lithographierten Tieren, darunter der « Lion d'Atlas », der das Kaninchen verspeist, und der « Tigre royal », eins der schönsten Blätter. Das Schwarz des Steindrucks wird zu dem tiefen, saugenden Sammet der Streifen des Fells. Der Gegenstand ist aufs äußerste detailliert; man denkt, der Künstler müsse neben dem Modell ge- standen haben. Und alle Details dienen nur dazu, die Größe des Ausdrucks zu steigern.

1834 beginnt die Hamlet-Serie\ Auch dieses Theater bleibt Theater. Was die Geste gibt, wird zur Darstellung gebracht. Schau- spieler können daran lernen. Der Ausdruck ist ganz unzweideutig. Jeder weiß sofort: Dies ist das Bild aus der und der Szene. Die Vereinfachung ist weniger primitiv als in den Faust-Illustrationen. An diese Serie erinnert nur noch der Hamlet vor dem Vorhang und allenfalls die Szene: Geh in ein Kloster. In den anderen kommt es zu reicheren Linien und Flächen, doch wird nie die treibende Handlung verdunkelt. Man könnte Hamlet, fühlt man, mit Marionetten geben, die nach solchen Bildern gemacht wären. Eine einzige Welle vielartigen Gefühls hält alle Gestalten der Szene am Bande. Arabesken werden zu Begebenheiten! Diese Ophelia mit dem phantastischen Flor am Boden vor den beiden in Entsetzen und Tücke erstarrten Gestalten; der wüste Kampf auf dem Kirch- hof; die Theaterszene ein vervielfachtes Theater; Arabesken, die ein Nichts ein halbgeschlossenes Auge, ein Zucken um den Mund, eine Linie lebenden Fleisches zu unerbittlichen Tra- gödien macht. Die Arabesken wirken flächig und gehen gleich- zeitig in die Tiefe. Der betende König ist eine gotische Holzplastik,

' Auch die 16 Blätter dieser Serie hat der Inselverlag in einem mit Lichtdrucken nach den Lithos illustrierten Hamlet gesammelt (Leipzig, 191 3). Hoffentlich bringt er auch noch den Götz mit den sieben Lithos, die zwischen 1836 und 1843 entstanden.

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DER GRAPHIKER

Hamlet steht wie ein heiliger Georg Donatellos hinter ihm, und das Ganze ist in vollendet malerischer Einheit. Die Beschränkung auf das spröde Material läßt den Genius Delacroix'wie einen König, der sich verkleidet, erkennen. Viele Motive der Lithographien kehren in berühmten Bildern wieder. Der « Jeune tigre jouant avec sa mere » in dem gleichzeitigen großen Gemälde des Louvre ; der « Lion d 'Atlas » in dem dreißig Jahre später entstandenen Ge- mälde^; Hamlet und Horatio vor dem Schädel Yoricks mit etwas veränderter Komposition in dem Gemälde des Louvre von 1859"; und das reichste Blatt der Hamletserie, die ertrunkene Ophelia, in mehreren Bildern, von denen der Louvre das schönste besitzt. Man wird nicht die juwelenhafte Farbe dieses Bildes in dem Blatte finden und wird sie nicht suchen, aber dafür ein anderes mit dem Bilde Gemeinsames finden, das im Grunde noch wesentlicher ist: Das Farbige, das man auch den Geist Dela- croix' nennen kann. Man begreift vor seinen Lithographien den Satz, den ein Freund von ihm sagte: « Donnez-lui de la boue, il en fera des chefs-d'oeuvre. »

' Robaut Nr. 1299.

" Robaut Nr. 660, 790 und 1386.

REM BRANDT

I

Das Farbige war Delacroix' Blut, seine Sprache, sein Leben, der ganz organische Bestandteil einer unübersehbaren Welt, war trotz allem Verstandes- und Gesetzmäßigen, das ihn leitete, von dem wir winzige Bruchstücke erblicken können, rätsel- haft wie der Blick auf ein Antlitz, in dem wir plötzlich, weil die Stirn sich ein wenig verzieht, weil der Mund einen Laut ausstößt, in einer Sekunde ein Verbrechen, ein Unglück, ein Drama, eine höchst verwickelte Situation entdecken. Seine Farben sind wie seine Natur, und das, was uns bei ihm Natur scheint, ist wie seine Farben. Wir wissen, wie gewissenhaft er studierte. Doch scheint

ii8 REMBRANDT

er nicht den Umweg über die Natur gebraucht zu haben, um seine Menschen lebendig zu machen. Sie sind nur für das Bild gedacht, sind Lichter und Schatten. Auch die Ophelia im Wasser, der Christ im ölgarten, die Kreuzfahrer sind Lichter und Schatten. Und sie erscheinen uns deshalb im Bilde so natürlich wie die rätselhaften Er- scheinungen der Luft und des Lichts in der Natur, vielleicht sogar natürlicher als in den Werken der Dichter. Das eine, das Delacroix gibt, indem er sich auf das Bildhafte beschränkt, gibt so voll- kommen alles übrige, daß wir, fern von dem Werk, das Ge- denken an die Gestalten mit uns tragen, so, als ob wir mit ihnen gelebt hätten. Sind seine Tiere Natur? Wir wissen von Taine über Delacroix' Tierstudien^ und besitzen viele Dokumente darüber von Delacroix selbst. Doch erklären sie nicht die Wahrschein- lichkeit seiner Löwen, Tiger und Panther. Man sieht selten Löwen bei uns in der Wirklichkeit, die nicht ein wenig komisch wirken. Delacroix wird in der Natur auch keine anderen gesehen haben. Er hat mehr an zahmen Katzen gelernt, als an den Raubtieren im Jardin des Plantes, wo er mit Barye zeichnete. Sein Schüler Planet erzählt, daß ihm, als er einmal für Delacroix eine Palme malen sollte und kein Modell zur Hand war, der Meister einen Topf Nelken gab mit der Weisung, ihn für die Palme zu benutzen^. Auf dem gleichen Wege wurde vielleicht der Hühnerknochen, den der Kater verzehrte, zu dem Kadaver des Indiers, den der Löwe zerfleischt. Doch sind die Löwen, Tiger, Panther usw. wilde

1 In seiner «Philosophie de l'art en Italie » (Paris 1866) spricht Taine von den « Divinations zoologiques de Delacroix o. Delacroix erzählte ihm von seinen ana- tomischen Studien nach einem toten Löwen. «Ce qui l'avait le plus frappe, c'est que la patte anterieure du lion etait le bras monstrueux d'un homme, rnais tordu et renverse. Selon lui il y a ainsi dans toutes les formes humaines des formes animales plus ou moins vagues qu'il s'agit de demeler; et U ajoutait qu'en poursuivant l'etude de ces analogies entre les animaux et l'homme on arrive ä decouvrir en celui-ci ses instincts plus ou moins vagues par lesquels sa nature intime le rapproche de tel ou tel animal.

' Delacroix fügte hinzu: « Tout ce qui dans la nature se rapproche en petit ou en grand de l'objet que vous avez ä. peindre doit vous servir, ä defaut du modele veritable. » (Publiziert von Th. SUvestre in dem erwähnten Eugdne Delacroix, Nouveaux documents.) Vgl. auch die freilich nicht zuverlässigen Bemerkungen des Gehilfen Lassalle-Bordes in dem bekannten Briefe an Burty, der in der zweibändigen Ausgabe der Lettres von 1880 wiedergegeben ist.

REMBRANDT 119

Bestien, die irgendwo in der Wildnis hausen. Man glaubt an diese Rachen, diese « mächoire montee sur deux pattes », wie Taine sagt; noch mehr an das Fletschen des Rachens, an das Schleichende, Geduckte und das Phantastische der Sprünge, an die ungeheuerlichen Kämpfe, an das Hingeschleuderte, Ge- lähmte, Lächerliche der Beute unter den Pranken. Und das ist alles trotz der Wahrheit nicht schrecklich, sondern weich und anziehend, daß man streicheln möchte. Man sieht dem Furcht- baren zu wie einem Feste.

So wirken alle Dramen Delacroix'. Die Handlung gibt ihr aktuelles Element einer höheren Welt ab und erscheint nur noch als bewegte Form. Das Höhere, das eigentlich Löv/enhafte ist die Hand des Malers. « Quand Delacroix peint », schrieb van Gogh, der auch etwas von der gleichen Art besaß, « c'est comme le Hon qui devore le morceau». Ich habe die große Skizze mit dem Löwen und dem toten Pferd vor mir, das Motiv, das ähnlich in der Litho- graphie von 1844 wiederkommt. Auf dem Bilde liegt der Leichnam des Gaules auf der rechten Seite. Der Löwe ist von links darauf gesprungen und hat beide Vorderpranken, die ungeheuren Hebel einer Höllenmaschine, auf dem Kadaver. Der Kopf blickt fletschend zurück nach einem verborgenen Feind, der auch auf die Beute lauert. Das ganze Bild ist in ein paar Stunden gemalt, die Lein- wand ist kaum bedeckt. Man sieht nur die Bewegung, die aufs äußerste gespannte Vitalität des Raubtiers, das absolut Tote der Beute. Die Bewegung des Löwen füllt das ganze Bild. Ein Blond, von etwas Weiß in den Lichtern erhellt, geschwärzt in den kolos- salen Konturen, dehnt sich über die ganze Fläche und scheint das fahle Grau des Kadavers zu verschlingen. Die pfeilschnellen Striche sind wie Miasmen des Löwenhaften. Das Schauspiel steckt in der ganzen Atmosphäre.

Das Schauspiel ist durchaus nicht immer tragisch, der Löwe ist nie eo ipso das schreckliche Ungeheuer, er ist das, was Delacroix aus ihm macht. In dem « Daniel in der Löwengrube » unterwerfen sich die Bestien gehorsam der Legende, wie gebannt von dem Zauber eines Orpheus, und die Wildheit, die ihnen Delacroix läßt, paart sich mit einer Nuance von Komik. Und die Komik ist keines- wegs willkürlich, entstammt so gut der Natur wie das Grausige.

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Sie interpretiert ebenso sicher das Motiv, das nicht geistvoller dargestellt werden könnte, vsrie eine tatsächliche Eigenschaft der Tiere. So ist es immer bei Delacroix. « Nul apres Shakespeare », schrieb Baudelaire, « n'excelle comme Delacroix a fondre dans une unite mysterieuse le drame et la verite ! » Das unterscheidet ihn von allen Nachfolgern. Sie sind nicht weniger wahr, aber ihre Wahrheit hat nicht den Preis der seinen, ist nie den Gefahren der seinen ausgesetzt, überwindet sie nicht ebenso siegreich. Nie erscheint die Natur als das Primäre, das ihn zur Gestaltung trieb. Sie bleibt das Mittel, eine gehorsame Gehilfin. Tiere, Menschen, Landschaft, selbst die gleichgültigsten Dinge spielen das Stück, das er aufführt. Aber die Gehilfin büßt nie ihre Würde ein. Sie muß sich Opfer gefallen lassen, notwendige, rationelle Opfer, die der Kritik zu Zeiten Delacroix' und auch ihm selbst, dem un- erbittlichsten seiner Kritiker, zuweilen wie Fehler erschienen^

'■ Der Maler Jean Gigoux hat darüber in seinen «Causeries sur les Artistes » amü- sante Anekdoten aufgehoben. « Tout le monde peut voir ä Versailles son « Entree des Cioises ä Constantinople » (heute das Hauptwerk des Louvre). Dans cette grande tolle toutes les figures sont ä leur place, et il semble qu'elles y respirent l'air ä pleins poumons. Vous diriez une fenetre ouverte sur le passe. Vous voilä transporte comme par enchantement sur le Bosphore ; vous voyez la ville avec ses rues etroites et blanches ; au pemier plan un de ces rüdes croises maltraite un senateur, peut-6tre le Paleologue lui-meme ; le vieülard se cramponnc aux colonnes de porphyre ; une femme ä genoux implore la clemence de ce brutal ; ä droite, voici les guerriers ä cheval ; tout cela est süperbe de vie et de couleur ; mais le Croise qui renverse le vicillard en rohe violet et or montre-t-il son dos ou sa poitrine ? Ne me fiant pas ä mon seul juge- ment, j'ai consulte des artistes et des amateurs, nul ne put me repondre. Le mau- grabin que je citais plus haut est dans les memes conditions vagues, si bien que Ricourt, grand partisan de Delacroix, repondit plaisamment ä quelqu'un qui lui dcmandait: « Est-ce une poitrine ou un dos? » Ricourt, dis-je, repondit: « Ni l'un ni l'autre, c'est de la peinture. » Delacroix etait le premier ä convenir de ces choses, mais il n'en riait point. Un jour que mon ami Frangais (Schüler Gigoux', Freund Delacroix') faisait une lithographie d'apres la « Barque de Don Juan », il pria Delacroix de venir voir son travail. Celui-ci, afflige outre mesure en voyant froide- ment les defauts de son tableau, lui dit: « Que voulez-vous que je fasse ä present! Voilä une epaule de profil sur une poitrine de face ! Voici un homme qui meuit de faim au milieu de l'Ocean et je Tai fait gras et bien portant! C'est insense! Comment ai-je pu faire cela ? » Franfais lui dit : « Est-ce que vous ne pourriez pas y retoucher un peu ? » « Y retoucher ? II y aurait trop ä faire. J'avais la fievre de la production dans ce moment-lä. Que voulez-vous ? Faites comme vous pourrez. Est-ce que Audran a copie Le Brun litteralement ? II l'a recale. Eh bien, recalez-moi aussi. « « Mais,

LE LION AU LAPIN, 1856. 0,56:0,46. (ROBAUT Nr. 1299.) LOUVRE, PARIS. (COL. THOMY-THIERY.) PHOTO BRAUN.

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REMBRANDT 121

die wir, an Opfer nur zu Gewöhnte, nicht mehr bemerken; nie wird sie zur mißhandelten Sklavin. Gleich neben unserer Be- wunderung der kühnen Phantasie steht die sichere Zuversicht: das muß so sein. Die Möglichkeit, Delacroix könne je gegen die Natur sündigen, ist ausgeschlossen. Man führt diesen Eindruck gern allein auf die Macht der Empfindung zurück, die keine Kon- trolle erlaubt. Aber auch solche Erklärungen sind unkontrollier- bar. Die Sicherheit Delacroix' beruht auf dem Reichtum des Reper- toire, das für alle Empfindungen, für alle Übertreibungen im Namen der Empfindung, Belege des Natürlichen bereit hat.

Diese größte Eigenschaft entfernt Delacroix ein wenig von seinen lateinischen Verwandten, auch von seinem geliebten Rubens, und nähert ihn dem großen Erhöher der nordischen Vorstellungs- welt. Rembrandt hat an der Genesis Delacroix' keinen unmittel- baren Anteil. Den Werdenden trieb es immer wieder, das Un- gestüme seiner Jugend an der stillen Erhabenheit des Urbinaten zu klären. Über der Auseinandersetzung mit Veronese und Rubens und mit dem Gegensatz zwischen Rubens und Raffael, in dem er einen der vielen Gegensätze seines eigenen Wesens wiederfand, vergaß er anfangs den dritten, der von beiden gleich fern war. Rubens und Raffael waren ihm Gehilfen. Er soll des Morgens, bevor er an die Malerei ging, imimer ein paar Augenblicke nach Werken der beiden gezeichnet haben. Wir können uns denken, daß er, wenn der rubenshafte Drang die Hand zittern machte, nach Raffael griff, um sich ruhig zu machen; wenn er die gefürchtete « Paresse » fühlte, die Lässigkeit des Träumenden, der das Bild lieber im Geiste behielt, nach Rubens. Die Beziehung zu Rem- brandt war platonischer, stellte sich ohne sein Dazutun ein, kam mit der Reife. Sie gibt der Maniera magnifica die sonore Tiefe.

Im « Journal » kann man das Verhältnis verfolgen. In den ersten Jahrzehnten kommt kaum der Name vor. Raffael ist der Gott. Die schöne Geste, die Perfektion in jeder Einzelheit, die

monsieur Delacroix ? . . . » « Non, non, recalez-moi tout ccla ; vous faites des choses süperbes tous les jours. » Cette anecdote vous prouvc que Delacroix eüt ecrit tres bien sa propre critique. » Lasalle-Bordes, der das Andenken Delacroix' nicht ver- schönt hat, schrieb: «II n'etait pas content lorsqu'il s'examinait ; mais lorsqu'il se comparait, c'etait different. »

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Majestät aller Gestalten des Urbinaten gehen ihm über alles. 1851 vertraut er dem Tagebuch eine «Blasphemie» an. Er hat mit unbegreiflicher Härte die vermeintliche Trockenheit und Inkohärenz der Teile in den Bildern Poussins gerügt und findet denselben Mangel an Zusammenhang in Raffael. Wie anders Rembrandt! Vielleicht, schreibt er, wird man entdecken, daß Rembrandt ein viel größerer Maler als Raffael war. Er beschränkt die Überlegenheit nicht nach bekanntem Rezept auf das handwerk- liche Gebiet. Wohl ist ihm Rembrandt mehr Maler, « plus native- ment peintre », gleichzeitig aber auch ein schlechterdings höherer Wert, der Repräsentant eines größeren Ausdrucks, eines geistigeren Begriffs der Wahrheit. Rembrandt besitzt vielleicht nicht im einzelnen die absolute Erhabenheit, die der Größe gewisser Gegen- stände Raffaels entspricht; dafür besitzt er sie in der Erfassung des Motivs, in der tiefen Einfalt des Ausdrucks.

Auf einer Seite des «Journal» von 1853 kommt es zu einer weit- gehenden Auseinandersetzung mit Rembrandt, Rubens und den Venezianern, aus der sich die Stellung zu Rembrandt mit aller Deutlichkeit ergibt. Es ist von den Verzichten die Rede, die das Malen verlangt. Delacroix glaubt an die Notwendigkeit vieler Opfer, aber mag nicht, daß der Künstler sie sehen läßt. Rembrandt erreicht mit diesen sichtbaren Opfern schöne Wirkungen, und an ihm stört die Art nicht, weil sie ihm natürlich ist. Dem Schreiber des « Jour- nal » wären sie nicht natürlich. Auf diese Betrachtung bringt ihn das soeben gemalte Porträt des Sammlers Bruyas, das in jeder Hinsicht vollendetste der wenigen Bildnisse. « Rembrandt hätte nur den Kopf gezeigt, Hände und Kleidung wären kaum ange- deutet worden. Ohne sagen zu wollen, daß mir die Art, die alle Einzelheiten gemäß ihrer Bedeutung sehen läßt, unbedingt lieber ist denn ich verehre Rembrandt über alle Maßen , fühle ich, daß mir seine Wirkungen nicht liegen. Darin gehöre ich zu den Italienern. Veronese ist das Nec-plus-ultra der Darstellung aller Teile, auch Rubens, der vielleicht in seinen pathetischen Bildern vor Veronese den Vorteil besitzt, mittels gewisser Übertreibungen die Aufmerksamkeit auf die Hauptsache zu lenken und die Stärke des Ausdrucks zu vergrößern. Bei alledem liegt in dieser Art etwas Künstliches, das ebenso fühlbar und vielleicht noch fühl-

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barer ist als die Verzichte Rembrandts und das Unbestimmte seiner nebensächlichen Dinge. Weder der eine noch der andere befriedigen mich ganz für das, was ich brauche. Ich möchte und glaube, ich erreiche es oft daß das Künstliche gar nicht ge- fühlt und das Wichtige doch hervorgehoben wird. Das läßt sich wiederum nur mit Verzichten erreichen. Aber diese Opfer müssen, um meinen Wünschen genug zu tun, viel versteckter (infiniment plus delicats) sein als in der Art Rembrandts. » Soweit der Theo- retiker und Kritiker Delacroix, der trotz seines einzigartigen Scharfsinns immer weit hinter der Intuition des Malers zurück blieb. Er hat hier das Wesentliche seines Verhältnisses zu Rem- brandt mindestens angedeutet. Die Ergänzung ist leicht in den Bildern zu finden.

Der vorhin erwähnte « Daniel in der Löwengrube » ist eine der vielen Brücken und wohl die deutlichste. Es gibt zwei Fassungen des Motivs. Die erste, im Museum von Montpellier, wo auch der Bruyas hängt, entstand 1849; die zweite, viel glücklichere, in der Sammlung Th. Behrens in Hamburg, ist 1853 datiert. Beide weisen, und zwar in ganz verschiedener Weise, auf die Welt Rem- brandts. Die erste Fassung erinnert sogar in einer Schwäche der Komposition an ihn, dem etwas willkürlichen Ausschnitt mit den Zuschauern oberhalb der Höhle. Es steckt etwas von nordischer Unbeholfenheit in dem Bilde, von der Schwerfälligkeit der Engel Rembrandts, von dem Rembrandt der mittleren Zeit, als die Wucht noch nicht alle Einzelheiten gleichmäßig durchdrang. Ich glaube, Delacroix hat diese Schwere wie Würze genossen, so wie sie uns erscheint, wenn wir im Louvre nach der Schwelgerei in den Vene- zianern vor das Dunkel des Holländers treten. Er hat sie oft als Würze in seinen eigenen Bildern, wo sie dem kühnen Schwung irgendwo eine wohlbewußte Hemmung entgegensetzt, wie um unsere Lust einen Augenblick zu Bewußtsein kommen zu lassen. Diese beschwichtigende Hemmung, die zu Steigerungen führt, trägt auch in der späteren Fassung des Daniel zu der geheimnis- vollen Wirkung bei. Das Bild wirkt langsamer als das frühere. Es sieht dunkler aus, dunkel wie ein Rembrandt. Aber das Dunkel ist wie bei Rembrandt Tiefe. Es hindert nicht die Gestalten. Sie erscheinen viel harmonischer und reiner als auf der ersten Fassung.

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Alles, was dort Materie blieb, ist hier Geist geworden. Auch das Rembrandthafte scheint vergeistigt. Die Bewegung, die der alte Meister mit gehäuften Farben erreichte, kommt mit einem spiegel- glatten dünnen Auftrag zustande und läßt trotzdem die ganze Fläche fibrieren, sondert trotzdem die Licht- und Schattenteile zu ordnenden Massen. Der Pinsel entlockt spielend die Erscheinung der Fläche. Die drollige Löwin im Hintergrund links ist noch halb Pinselstrich geblieben und scheint die zarte Farbe zu lecken, die sie entstehen ließ. Trotzdem dröhnt die Höhle von der Wucht der Körper. Der Engel, kräftig wie der Engel Rembrandts auf dem Tobiasbilde des Louvre, hat doch das Magische, das unsere Vor- stellung beflügelt. Und das Magische ist ein tiefer aber kristall- klarer Farbenakkord, mit einem gedämpften Rosa im Licht, da wo sich die Erscheinung zu der rührenden Jünglingsgestalt ver- dichtet, und einem leuchtenden Smaragd im Dunkel. Man versteht, was in dem « Journal » mit den « delikateren » Opfern gemeint ist.

Delacroix steht zu Rembrandt wie zu Raffael. Der Vorgänger erscheint wie die breite Vorstufe einer rein geistigen Macht. Poussin steht ähnlich zu Tizian. Nur bedroht seinen Verzicht die Durch- sichtigkeit der wundervollen Methode. Delacroix scheint Rem- brandt zu lösen und wiederum gleich dicht und mächtig zu einer nicht weniger tiefen Mystik zusammenzuballen. Vergessen wir nicht, daß, wenn auch der Maler Delacroix ohne Rembrandt zu denken ist, wir nicht fähig wären, ihn zu begreifen, hätte nicht Rembrandt jene Welt von Gleichnissen erschlossen.

Die Tierbilder haben Delacroix die kühnsten Gleichnisse ge- geben. Auf einem Bilde, das 1856 datiert istS wird eine halb- nackte Frau von einem Tiger angefallen. Die Situation ist, in die Wirklichkeit übertragen, so kraß wie möglich. Die Bestie beißt die Unglückliche in die Brust. Der Künstler erfindet eine das Bild wie eine lose Schlinge durchziehende Arabeske. Tier und Mensch werden eins. Der schmerzliche Seufzer, mit dem die Getroffene über den geschmeidigen Leib des Tigers hinsinkt, könnte höchste Wollust sein. Und nichts wie eine wahrhaft gött- liche Wollust empfindet man beim Betrachten der blutigen Idylle.

I

' Robaut legt es in das Jahr 1852 (Nr. 1200).

REMBRANDT 125

Eine verwandte Umschlingung von Mann und Löwin hat Robaut in seiner schönen Faksimile-Sammlung lithographiert^. Der Mann mit dem Schwert in der Faust liegt halb sitzend auf der Erde. Die Bestie umarmt ihn mit einer ungeheuerlichen Gebärde. Die Sach- lichkeit, mit der der Besiegte, dem nicht einmal zum Entsetzen Zeit bleibt, und der mörderische Mechanismus der Löwin erfaßt ist, rivalisiert mit der statuarischen Größe der Gruppe.

Wie viel Monumente stecken in Delacroix! Manche seiner Tier- bilder, wo die Bestie sich allein in Umrissen, die Gebirgen gleichen, vom Horizont abhebt, könnten, meint man, so wie sie sind, in Plastik übertragen werden. Nie wurde es versucht. Nie hat ein Barye diese Monumente geahnt. Rodin kam in sehr seltenen Mo- menten in die Nähe der Sphäre. Neuere haben sich durch sche- matische Vereinfachungen die Arbeit zu leicht gemacht. Delacroix' Vereinfachung ist immer ein Bereichern der Natur, nicht nach einer Richtung, sondern nach unzähligen. Nie hemmt das Plastische die Fülle des Malerischen. Da, wo man soeben noch das Statuarische der Gruppen bewunderte, löst die Farbe alles in fließenden Prunk. Auf der Löwenjagd der Sammlung Wolde formen sich unmerklich die farbigen Flecken zu gewundenen, gestreckten, springenden Leibern. In der Löwenjagd der Akademie in Petersburg ist der Vorgang zu einer fließenden Materie geworden, deren hin- reißende Schönheit die Gespanntheit des Motivs überwindet. Die blauen Töne auf der rechten Seite des Bildes, wo sich nur die Land- schaft den Blicken zeigt, halten die stark bewegte Szene auf der anderen Seite im Gleichgewicht und produzieren die Quelle des Rhythmus, der sich über die ganze Fläche ergießt.

Das große Löwenbild von 1854, im Museum von Bordeaux, war die reichste Beute dieser unerschöpflichenjagdgründe des Künstlers. Es wurde 1870 durch den Brand des Rathauses von Bordeaux schwer beschädigt. Wir können uns aber mit dem übrig gebliebenen Fragment und der ein Jahr später gemalten viel kleineren Variante, in der nur die Landschaft wesentlich verändert ist, einen Begriff

' Alf. Robaut, Eugene Delacroix. Facsimile de dessins et croquis originaux. Zwei Serien. Bei Dusacq & Cie., Paris 1864. Die erwähnte Zeichnung ist Nr. 35 der II. Serie.

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von dem Werke machen. Es hat ungefähr das Format der großen Löwenjagd von Rubens in der Münchener Pinakothek (3,60 breit, 2,60 hoch) und erscheint vielleicht schon aus diesem Grunde als der am meisten rubenshafte Delacroix. Es ist eines seiner kühnsten und wildesten Phantasien. Ein Knäuel von Löwentatzen, Löwen- rachen, von flatternden Mähnen, sich bäumenden Leibern, von sprengenden und gestürzten Pferden, kämpfenden, schreienden, sterbenden Menschen, von Flinten und Säbeln, von flatternden bunten Mänteln und zerfetztem Fleisch. Alles das findet sich auch auf dem Rubens, auch das Temperament, auch die Wildheit. Ein ungeheurer Windstoß scheint auf dem Münchener Bilde die Massen von links nach rechts in das Bild zu schleudern bis zu dem Pferd hin auf der äußersten Rechten, das dem Anprall mit stämmigen Beinen standzuhalten scheint.

Wie oft wünscht man sich, die Macht zu haben, Bilder desselben Geistes oder die von demselben Geiste erscheinen, und die der Zufall hierher oder dorthin gebracht hat, einmal auf eine Stunde zusammenzubringen, so wie damals bei Kleinberger die beiden « Mirakel des S. Benoit ». Was damals nur mit einer Fiktion möglich zu werden schien, die Überlegenheit der Erfindung Dela- croix', das ist jetzt beweisbar geworden. Von der Mitgift des Vor- gängers ist jetzt wirklich nur noch allenfalls eine Idee übrig ge- blieben : der Vorwurf, eine Löwenjagd zu malen ; und wir brauchen aus den gewohnten Faktoren des Vergleichs nichts, auch nicht die Komposition mehr auszuscheiden.

Die Überlegenheit gilt in jeder Hinsicht. Rubens ist trotz seiner Wucht von viel geringerer Dramatik. Er schleudert den Betrachter ebenso nach einer einzigen Richtung wie die Massen des Bildes und gibt mehr die Folgen der Handlung, die erregten Rosse, die stürzenden Reiter, die Leiche, als die Handlung selbst. Seine riesigen Einzelheiten scheinen die Bewegung eher zu hemmen als zu fördern, und füllen und bedrängen uns, wie sie die grosse Lein- wand des Bildes vom unteren Rande bis zum oberen hin füllen.

Dieser empfindliche Mangel an Horizont (er wird nur unter- halb der Gruppe zwischen den Gliedern sichtbar und bleibt des- halb wirkungslos) drängt uns wiederum zu dem Detail. Wir stehen, wie wir uns auch stellen mögen, viel zu nahe, um mehr

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als Einzelheiten zu sehen. Die Folge ist eine Verwirrung, die uns die Verehrung des Meisters als Wirkung der Größe auslegen läßt, die wir sonst Verworrenheit nennen würden. Delacroix hinderte die Bewunderung des Bildes nicht, diese Schwäche in ihrem ganzen Umfang zu erkennen^.

Er gibt in seiner Jagd nicht weniger Einzelheiten. Wir sehen alle Phasen der Begebenheit, sehen sie, obwohl sie nicht so detailliert sind, viel deutlicher, weil sie besser gegliedert sind und weil alles Wichtige, z. B. die Löwen (die bei Rubens zurücktreten), im ganzen Umfang gezeigt wird, aber sehen sie immer im Zusammenhang mit der zentralen Handlung, dem Kampf, der Jagd. Das allein, das Kämpfen, das Jagen, die zuckende Bewegung, ist der wahre Gegenstand des Werkes, und es erscheint uns als solcher wesent- licher, natürlicher und bedeutender, als der Rubenssche Inhalt. Was kümmert uns in dem Rubens, daß da ein Mensch tot ist, da einer entsetzlich der ganzen Länge nach, mit dem Kopf zu Unterst, hinstürzt und dabei sein von Schreck zerfetztes Gesicht zeigt, oder daß ein anderer, der auf der Erde liegt, noch gerade dem anderen Löwen ins Maul spießt. Mag das möglich sein, ob- wohl manches daran recht unwahrscheinlich aussieht, wir würden es weder in Wirklichkeit sehen, noch wollen wir es hier sehen, weil wir nicht so nahe ständen, noch so nahe stehen wollen. Aber den Kampf wollen wir, die Wut der Angreifer, den Widerstand der Angegriffenen, die Lust am Kampfe, nicht das Aufgeregte, sondern das Aufregende. Das gibt uns Delacroix in allen Nuancen, so, als wenn wir mitten darin wären, und doch so, daß wir frei bleiben, von keinem Entsetzen, nur von der Schönheit getroffen werden. Er erreicht diese ideale Nähe und Ferne mit der wunder- baren Komposition von Linie und Farbe, von Licht und Schatten. Vor allem stellt er den Kampf in eine durchaus mitwirkende Land- schaft, deren Beteiligung uns allein schon ein Objektivieren der

' In seiner eingehenden Beschreibung des Bildes, das ihm freilich nur durch den Stich von Sontman bekannt war, meint Delacroix, nachdem er alle Details und die wunderbare « Execution » bewundert hat : « Mais l'aspect est conf us, l'oeil ne sait se fixer, il a le sentiment d'un affreux desordre; il semble que l'art n'y a pas assez preside pour augmenter par une prudente distribution ou par des sacrifices l'effet de tant d'inventions de genie. » (Journal I, 244.)

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Handlung erleichtert; und dann macht er aus dem Kampf un- merklich, ohne ihn im mindesten zu beschränken, eine riesige Woge, die in dem mittleren Reiter die Höhe erreicht und in wunder- baren unregelmäßigen Terrassen nach allen Seiten abfließt. Wir wissen nicht, ob die Bewegung den Kampf, oder der Kampf die Bewegung bestimmt, aber sie leitet uns an, im Fluge da ihre Stützpunkte zu suchen, wo die Flecken und Lichter, die Schatten und Dunkelheiten sitzen. Da sitzen gleichzeitig die Hebel der prachtvollen Koloristik, und da sitzen gleichzeitig die Bewegungs- elemente der Tiere und Menschen, deren wir zur Erfassung und Ergänzung bedürfen. Glaubt man nicht in dem Bilde die Reali- sierung jener Forderung Delacroix' zu finden, die der Literat zwischen der Detaillierung des Rubens und den Verzichten eines Rembrandt suchte?

Der Rubens ist nicht ganz eigenhändig, lehrt uns die Kunst- geschichte. Deshalb tut die Überlegenheit Delacroix' in diesem Bilde dem großen Flamen keinen Abbruch. Doch fühlen wir, wenn wir es nicht wissen, daß die Eigenart der Rubensschen Löwenjagd mit ihrer Macht und Schönheit und auch mit allem, was uns daran im Vergleich mit dem Delacroix' als Schwächen erscheint, im Grunde von der Frage, ob Rubens das Bild selbst vom Anfang bis zu Ende gemalt hat, unabhängig ist. Nur sehr seltene Kenner vermögen in den großen Gemälden mit Sicherheit die Hand des Meisters von Schülerhänden zu unterscheiden, und diese Kennerschaft bedingt keine Steigerung des Genusses. Die Gesellen, die Rubens halfen, wußten, wie er es wollte. Er war zufrieden mit ihnen; wir sind es auch. Diese Unabhängigkeit des Rubensschen Werkes ehrt den Meister und seine Zeit. Es war seine Größe, eine Welt hinzustellen, an deren Bau viele die Hände rühren konnten, ohne sie zu verderben. Der Gedanke, der ihn be- seelte, durchdrang die anderen. Sie vermochten ihm zu folgen, sich ihm zu unterwerfen, ohne dumpfes Werkzeug zu werden. Sie waren Künstler, wurden Meister, nicht Meister wie Rubens, aber würdige Verwandte, die wir heute noch gern in seiner Nähe erblicken.

Delacroix' Größe war, allein eine Welt hinzustellen. Seine Ge- hilfen, wenn von ihnen überhaupt die Rede sein kann, waren namenlose Handlanger. Er ließ sich zuweilen von ihnen, wie er

CHASSE AUX LIONS, 1858. 0,98 : 0,76. (ROBAUT Nr. 1 349.) MUSEUM VON BOSTON. PHOTO BRAUN.

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einmal mit einerai Worte Tizians sagte, das Bett der Farbe bereiten, die primitive erste Deckung des Grundes bei großen Dekorationen, und sah selbst diesen Manipulationen mit Ungeduld und Miß- trauen zu. Es gibt keinen nicht eigenhändigen Delacroix. Das, was man bei Rubens Atelierstück nennt, dem der Meister allenfalls zuletzt ein paar Lichter aufsetzte, ist bei Delacroix Fälschung.

Den Begriff dieser Eigenhändigkeit sehen wir heute von dunklen Trabanten umgeben. Hinweise tragischer Art verbergen sich dar- unter. Er kann mit Bitternis gefüllt sein und uns deshalb groß erscheinen, weil er allein steht. Er ist, aus Delacroix gewonnen, notwendig höher als der Begriff, der sich mit dem gleichen Wert, auf Rubens angewendet, verbindet. Nicht das entscheidet, daß Delacroix' Meisterwerke nur von seiner Hand sein können. Was geht uns der eine an, der sich eine Persönlichkeit zurecht macht? Es ist das Wunderbare, daß wir an Stelle des Persönlichen mit seinem bestimmten Namen, seinen Gewohnheiten, Lastern und Vorzügen einen großen Unbekannten setzen können, der nichts dergleichen hatte, der ein Künstler war, wie Gott der Herr- gott ist.

Delacroix' Bilder können nur von einer Hand gemalt sein, weil der ungeheure Komplex von Wirkungsmöglichkeiten nur von einem Hirn erdacht und beherrscht werden konnte.

Rubens ist ein lachendes Ungeheuer. Wir hören ihn schmatzen, wenn er die Körper durcheinander wirft. Wir hören die stillen Seufzer Rembrandts, von dem man auch sagen kann, er habe nur eigenhändige Bilder gemalt. Dieses Hervortreten des Persönlichen stört uns nicht. Es gehört zu unseren Lieblingen. Sie sind ohne das nicht denkbar.

Delacroix hat uns eine höhere Gattung der Spezies Künstler erwiesen. Wir sehen keine Gebärde an ihm, die nicht Form wäre, hören keinen Laut von seinen Lippen, der nicht in Melodie auf- ginge. Er ist ganz drin in der Kunst, der Mensch scheint über- wunden. Er steht ganz außerhalb der Kunst, der Mensch ist alles.

Bevor die Göttin, die Jahrtausende der Menschheit geleuchtet hatte, langsam begann, der fremden Epoche ihr Antlitz zu ver-

Meier-Graefe , Delacroix Q

130

REMBRANDT

schieiern, kam ihr einer näher, als es je einem Sterblichen ver- gönnt war.

Er kam ihr so nahe, daß man zwischen beiden nicht mehr zu unterscheiden vermag.

LA MANIERA MAGNIFICA

Was muß dieser Mensch gedacht, gesehen und empfunden haben, welche Meere von Wonnen müssen ihn berauscht, welche Erscheinungen überirdischer Art ihm geleuchtet haben, wenn das, was wir in seinen Bildern sehen, nur ein schwacher Reflex seines Innern war ! Darüber hat er oft geklagt, und es stimmte ihn traurig wie alles Irdische, dessen Gebrechlichkeit er erkannte. Er, der das Unaussprechliche mit Posaunen ertönen ließ, der die Dämme- rung über den tiefsten Dingen unserer Seele lichtete, der alle Natur, alle Geistesgeschichte durchdrang, für den es, scheint es, keine Grenzen gab, sagte einmal seufzend zu Maxime Du Camp,

134 LA MANIERA MAGNIFICA

er sei doch nur ein Ixion^. Er sehe wohl das Schöne, betrachte es, gestalte es in seinem Hirn zu sichtbarer Vollkommenheit, und wenn er es auf die Leinwand bringen wolle, entgleite es ihm und lasse ihm nur eine Wolke. Ist vielleicht diese Differenz, die, wenn wir sie in den Werken anderer bemerken, tödlich werden kann, die bei ihm wie ein unfaßbares Gnadengeschenk wirkt, ist sie etwa die mystische Kraft, die seine Bilder mit Fruchtkeimen schwängert und jedem Strich seiner Hand das Göttliche gibt? Ist sie es, was uns sagen läßt, er war mehr als Maler, mehr als Künstler, war ein Universum? Danken wir es etwa jenem Un- endlichen, neben dem ihm sein Werk schwach und vergänglich erschien, daß die Geschichte seiner Entwicklung über sein irdisches Dasein hinausgeht?

Weit über seinen Tod hinaus wirken die Kräfte, die er einen Augenblick bannte. Kein Meister Frankreichs hat so großen Ein- fluß gehabt. Alle bedeutenden Künstler Frankreichs, die nach ihm kamen, Courbet und Manet, und mehr als alle anderen die beiden Maler, die wie Leuchten in die Zukunft weisen, Renoir und Cezanne, hat er befruchtet. Bei uns gab er Marees in einem entscheidenden Moment die Richtung. Auf seiner Koloristik beruht eine ganze Schule. Seine «Hygiene» ist den Neo-Impressionisten zur Doktrin geworden.

Doch kann man ebensogut sagen: Kein Meister hat so geringen Einfluß gehabt. Wie Michelangelo, Rembrandt und Rubens turm- hoch über den nahen und fernen Nachfolgern stehen, wie uns das, was andere in ihrem Geiste brachten oder zu bringen ver- suchten, so groß es, am Zeitgenössischen gemessen, sein mag, winzig erscheint: so gering dünkt uns das Ergebnis der Schule Delacroix' neben dem Löwengriff des einzigen. Sein Einfluß war nicht so verderblich wie der seiner erhabenen Vorbilder. Er gab den Epigonen keine leichte Ware. Die Schwachen schreckten vor ihm zurück. Aber so hoch wir unsere großen Zeitgenossen stellen mögen, die wenigen, die von ihm zu nehmen wußten: der Geist, der ihnen in aller Herrlichkeit vorschwebte, entglitt ihnen und ließ ihnen nur eine Wolke.

^ Souvenirs litteraires. Les uns et les autres. Ateliers de peintres. (Revue des deux Mondes, 15. Juli 1882, wiederholt in den 1883 bei Hachette, Paris, erschienenen « Souvenirs ».)

LA MANIERA MAGNIFICA 135

Unsere Kunst steht und fällt mit Delacroix. Wie von der Musik gelten könnte, sie sei verloren, sobald ihr jede lebendige Ver- bindung mit Bach und Mozart abhanden komme, so kann man, und vielleicht mit noch größerem Recht, das Schicksal der Kunst von dem Grade ihrer Beziehung zu Delacroix abhängig machen. Natürlich meine ich nicht die besonderen Formen Delacroix', noch weniger seine Motive, sondern den Geist und die Gesittung des Meisters, seine Ansprüche, seinen Ausgleich zwischen Persönlich- keit und der Übereinkunft, zwischen dem Romantiker und dem Klassiker. Die Welt hat eine Personifikation seines Verhältnisses zur Kunst nicht zum zweitenmal erlebt. Er war der große Erbauer in einer stürzenden Zeit, der einzige Allumfasser, den die Kunst unserer Zeit einem Goethe zur Seite zu stellen hat. Schon die nächsten Nachfolger haben den Umfang jenes Verhältnisses reduziert. Sie konnten nicht anders, waren nicht mehr naiv genug, die Zeit mit anderen Dingen, als denen, die sie vor Augen hatten, zu überwinden, aber überwanden sie, haben Großes geschaffen, und in ihren Bildern, die neben denen Delacroix' wie Fragmente erscheinen, spricht immer noch vernehmlich sein Idealismus, seine Einsicht, seine Umsicht. Was wurde aus seiner Disziplin? Ich meine nicht die seines Lebens, sondern die seiner Kunst. Vielleicht kann man die eine nicht von der andern trennen, und daran mag es liegen, daß heute kein Künstler mehr auch nur einen Begriff von den Ansprüchen besitzt, die Delacroix an die gemalte Fläche stellte. Schon der Schritt von ihm zu den Im- pressionisten, die auftraten als er starb, deren Führer noch bei ihm war und nachher von «eisigen Doktrinen» sprach, bedeutet für die Disziplin Delacroix' den Verlust einer Welthälfte. Die Im- pressionisten vereinfachten Delacroix so wie der Gärtner einen Baum vereinfacht, dessen Aste er bis zum Stamme köpft. Renoir besann sich, als er dem Greisenalter nahe war. Unter den Nach- folgern des Impressionismus hat die Reduktion der Disziplin Delacroix' reißende Fortschritte gemacht, und heute sind nur noch Reste übrig, die der eine oder andere, fern vom Strom der Menge, zaghaft bewahrt. Das Gefühl von der Notwendigkeit, die Ver- bindung mit den Werten zu erhalten, die Delacroix noch einmal zu sammeln vermochte, ist so gut wie verschwunden.

136 LA MANIERA MAGNIFICA

Es ist kaum übertrieben, zu sagen : unsere Kultur steht und fällt mit Delacroix. Nicht mit seiner Malerei; vielleicht lernt eine Zeit, ohne große Maler zu leben. Das Gewicht der künstlerischen Tätig- keit, so groß es sein mag, und es umfaßt das bedeutendste Oeuvre seit Rubens und Rembrandt, kann man von Delacroix abziehen, ohne die Bedeutung der Persönlichkeit zu vernichten. Das Vor- bildliche des Menschen ist unvergänglich, muß uns unvergänglich sein, wollen wir den Grad von Kultur, mit dem sein Dasein seine ganze Epoche auszeichnet, behalten. Vorbildlich für jeden, sei er Künstler oder nicht, ist sein Weltbild, die Art, wie er sich mit der Welt abfand, wie er sie verstand, welche Pflichten er daraus für sein Dasein gewann, wie er lebte. Er widerstand den Illusionen des Romantikers, jener dem Enthusiasten naheliegenden Ver- mengung des Scheins mit dem Sein, und seine Skepsis war Weis- heit. Er sah das Leben, erkannte es, und nie krümmte die Erfahrung die stolze Linie seines Idealismus. Umgeben von den hervorragend- sten Geistern seiner Zeit, engverbunden mit einem gesellschaftlichen Getriebe, das uns heute wie ein nie endender Festtag erscheint, er- kannte er das Gebrechliche aller gesellschaftlichen Realitäten und wandte sich an die höheren des Geistes. Seine Klugheit ließ ihn Menschen und Dinge, die seiner Sache dienen konnten, brauchen. Er lächelte, wenn es gelang, und lächelte, wenn sein bescheidener Anspruch unerfüllt blieb. Seine Skepsis war milde. Man hat das Ge- fühl, es hätte ihm von Menschen nichts Böses zugefügt werden können, weil er sein Inneres unverletzbar hielt. Er war der gesellige Einsame. Eine zur Schau getragene Zurückgezogenheit wäre ihm formlos erschienen. Er sah in der würdigen sozialen Repräsen- tation seiner Persönlichkeit eine Notwendigkeit. Die Biographen haben für die Hartnäckigkeit, mit der er darauf bestand, in die Akademie zu gelangen, Entschuldigungen gesuchte Uns dünkt der Eitle bescheiden, und wir erkennen in der vermeintlichen Schwäche sein Gefühl für Pflichten. « II y a plus de fatuite que de veritable estime de soi-meme a rester dans sa tente » ; schrieb

' Er stellte sich fünfmal vergeblich zur Wahl, das erstemal 1837, zweimal im Jahre 1838, dann wieder erst 1849, dann 1856. Man zog ihm die Langlois, Couder, Schnetz und Cogniet vor. Erst seine Kandidatur im Januar 1857, sechs Jahre vor seinem Tode, hatte Erfolg.

LA MANIERA MAGNIFICA 137

er darüber anDutilleux^. Doch blieb sein Inneres auch denen unnah- bar, die ihm mehr als Tischgenossen bei der wechselnden Mahlzeit waren. Was er den anderen unmerkbar vorenthielt, gab er seinen Gedanken hin. Er war der Meister göttlicher Fiktionen. Leuchtender noch als seine Bilder, baute er seine Einsamkeit aus. Nicht die Minister, nicht die Herzöge und Prinzen, die seinen Verstand schätzten, nicht die schönen und geistvollen Frauen, die sein An- stand ergötzte, noch die Tuilerien, noch die leuchtenden Säle der vornehmen Welt, wo es still wurde, wenn er sprach, noch die Aka- demie, die, solange er ihr Mitglied war, zu einer Pairskammer wurde, noch das Rathaus, wo er nicht verschmähte, als pflicht- treuer Bürgerrat zu wirken, vernahmen sein Inneres; sondern sein Atelier, wo er sann und träumte, wenn kein Besucher ihn störte, die stille Wohnung der Rue Furstenberg mit der langen Treppe, die ohne Biegung hinaufführt, die man mit ähnlichen Empfin- dungen betritt wie Goethes Haus in Weimar-. Da schwelgte er, nicht ohne Anstand er war einer der Menschen, die man nie überrascht hätte , aber hingegeben, mit einer Leidenschaft, die sicher war, sich nicht umsonst zu verschenken, der das Ziel, an das sie sich richtete, alle Last hinwegnahm. Da trieb er seine geheime Maniera magnifica. Die Wände dehnten sich, das Dunkel wurde leuchtend; es war, als ließe sein brennender Blick vielfältige Ge- stalten zu feurigen Umrissen werden, leuchtender, als er je sie ge- malt. Musik ertönte, erhabene und liebliche Weisen. In langem Zuge schritten hohe mit Lorbeer geschmückte Gestalten und grüßten ihn.

' Lettres S. 274. Daß es ihm übrigens nicht lediglich auf den Titel ankam, beweist der Brief an Perignon, in dem er sich bitter beklagt, nicht zum Professor an der ficole des Beaux-Arts ernannt worden zu sein.

^ Da man schon lange dort einen Straßendurchbruch machen will, habe ich das Haus nebst dem im Garten gelegenen Atelier photographieren lassen. (Siehe die Abbildungen im Anhang.) Hier ist Delacroix am 13. August 1863 gestorben. Er bezog die Wohnung Ende Dezember 1857. Von 1845 57 wohnte er Rue Notre Dame de Lorette Nr. 54. Das Atelier in diesem Hause ist in einem Holzschnitt abgebildet, der in der « Illustration » vom 25. September 1852 erschienen ist und den Robaut in seinem Katalog (S. LI Nr. 29) verkleinert wiedergegeben hat. Von 1829 45 wohnte er Quai Voltaire Nr. 1 5 ; vorher hatte er sein Atelier Rue St. Dominique- St. Germain Nr. 36, und eines seiner ersten Ateliers, das er nach Piron gegen 1820 bezog, lag in der Rue de Varenne (damals Rue de la Planche).

138 LA MANIERA MAGNIFICA

Neben ihm saß über einer Handarbeit seine treue Pflegerin, die alte Jenny, eine Bäuerin aus der Nähe von Brest, ein kleines verhutzeltes Geschöpf, das den Freunden des Meisters zum Cerberus wurde, und hörte zu, wenn er zu ihr, zu sich, zu den Gestalten von seiner Welt erzählte.

ABBILDUNGEN

140

ALIXE LA MULÄTRESSE, gegen li 0,65 : 0,80. (Robaut Nr. 47.) Museum von IMonlpcllier. Photographie E. Bulloz.

141

CHEVAL EFFRAYfe PAR L'ORAGE, Aquarell, 1824. 0,32 : 0,235. (Robaut Nr. loi.) Vente Cheramy 190S.

142

ODALISQL'E, 1Ö25. 0,445 : (^■37- (Kobaut Nr. 140.) Sammlung Rothermund, Dresden.

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LES NATCHEZ, 1824. 1,15 : 0,90. {Rchaul Xr. 108.) Photo Durand-Rucl, Paris.

143

LE CHRIST AU JARDIN DES OLIVIERS, 1826 ( ?).

0,35 : 0,27. (Robaut Nr. 181.)

Sammlung Strölin, Paris (früher Cheramy).

144

LE CHRIST AU JARDIX DES OLIVIERS, Pastell, 1826. 0,35 : 0,27. (Wahrscheinlich Robaut Nr. 1523.) Photo Durand-Rucl, Paris.

145

LE BARON SCHWITER, Lithographie, 1826.

0,22; : o,29v

Sammlung Baron Blittersdorff, Otterslieim a. d. Donau.

146

LA MORT DE SARD ANAPALE, 1827. 4.95 : 3.95- (Robaut Nr. 198.) Sammlung Baron Vitta, Paris. Photo Durand-Ruel, Paris.

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147

LE TASSE DANS I.A MATSON DES FOUS, 0,50 : 0,60. (Robaut Nr. 199.) Sammlung Baron Denys Cochin, Paris. Photo Durand-Ruel, Paris.

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148

CHI- \ AI. SAI NAGl' rKl<.KAbbE PAK LX 0,276 : 0,20. Lithographie. (Robaut Nr. 288.

iiijRli, 1S2S. Delteü Nr. yj III. E.)

149

SELBSTPORTRÄT, 18:19. 0,51 : 0,64. (Robaut Nr. 295. Louvre, Paris.

ISO

LE ROI JEAN A LA BATAILLE DE POITIERS, 0,54 : 0,65. (Robaut Nr. ^22.) Photo Durand-Ruel, Paris.

ASSASSINAT DE JEAN SANS PEUR, gegen 1S30 (i

0,25 : 0,41.

München, Moderne Galerie Thannhauser.

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SELBSTBILDNIS, Blei, 1832.

Originalgröße. Skizzenbuch der Rlarokkoreise.

Louvre, Paris.

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FRAUEN IN MAROKKO, 1832.

0,12 : 0,17 (Blattgröße). Skizzenbuch der Marokkoreise.

Musce Conde, Chantilly.

154

FRAUEN IN MAROKKO, 1832.

0,12 : o, !/ (Blattgröße). Skizzenbuch der Marokkorcise.

Musee Conde, Chantilly.

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FEMMES JUIVES ARABES, Aquarell, 1832. 0,10 : 0,29. (Kobaut Nr. 169.) Früher Sammlung Cheramy.

156

TUSCHZEICHNUNG, gegen 1832.

Sammlung Freiherr v. Blitlersdorff, Ottersheim a. d. Donau.

157

JEUNE LlÜNNE MARCHANT, 183J 0,325 : 0,245. (Robaiit Nr. 421.) Photo Durand-Ruel, Paris.

158

BOAS ET RUTH, gegen 1S32.

0,555 : 0.46-

Photo Durand-Rucl, Paris.

159

FANTASIA MAROCAINE, 1832. 0,72 : 0,59. (Robaut Nr. 408.) Museum von Montpellier.

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£TUDE de FEMME, Radierung, 1833.

0,163 0,113. (Robaut Nr. 463 ; Delteil 21 II. Etat.

Bremer Kunsthalle.

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6TUDES D'INDIENNES, Aquarell, gegen 1835 ( ?).

0,34 : 0,37.

Sammlung Moreau Nelaton, Paris.

Photo Druet, Verlag Bernheim jeune, Paris.

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BATAILLE DE TAILLEBOURG, 1837 Skizze 0,66 : 0,54. (Robaut Nr. 651.) Sammlung P. Gallimard, Paris.

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HENRI IV PARTANT POUR LA GUERRE (nach Rubens) 1,15 : 0,88. (Robaut Nr. 1947.) Photo Durand-Ruel, ParLs.

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L'ARABE AU TOMBEAU, 1S3S. 0,55 : 0,45. (Robaut Nr. 663.) Photographie Braun.

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LES CONVULSIONNAIRES DE TANGER,

1,35 ■■ i.oo. (Robaut Nr. 662.) Sammlung Balcnsi, Paris.

1838.

i67

UtDtE, Skizze, 1S3S.

0,37 : 0,45. (Robaut Nr. 667.

Museum von Lille.

i68

m£diiE, 1838.

1,65 : 2,60. Museum von Lille

i69

ZEICHNUNGEN ZUR MEDEA. Museum von Lille.

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ZEICHNUNGEN ZUR MEDEA. Museum von Lille.

MEDEA, 1859.

||,>)S : 1,31. (Robaut Nr. 140.5.)

Im Besitz Berliner Kunstfreunde (Nalionalgalerie).

171

MllDfiE, 1862.

0,85 : 1,22. (Robaut Nr. 1436.)

Louvre (Sammlung Thomy-T hiery), Paris.

Photographie Braun.

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LA JUSTICE DE TRAJAN (Entwirf), Bleizeichnung gegen 1839. (Zu Robaut Nr. 1605.) jMuseum von Ronen. Photo J. E. Bulloz, Paris.

174

LA JUSTICE DE TKAJAxV, 1840. 3,96 : 4,95. (Robaut Nr. 714.) Museum von Rouen. Photographie E. Bulloz.

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ARABE SE CHAUFFANT, 1841.

0,29 : 0,34. (Robaut Nr. yyj.)

Sammlung Martell, Paris.

\'erlag Bernheim jeune, Paris. Procede E. Druet

177

PRISE DE CONSTANTINOPLE PAR LES CROISltS, 1841, Ausschnitt.

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LE PARC DE NOHANT, 1842.

0,545 : 0,435.

Frühei" Sammlung Cheramy.

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LA FlAXCllE D'ABYDOS, 1S43. 0,41 : 0,33. (Robaut Nr. 773.) Photo Durand-Ruel, Paris.

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LA FIAN'Ctli D'ABYDUS, 1^43.

0,27 : 0,35. (Robaut Nr. 772.)

Louvre (Sammlung Thomy-Thi6ry), Paris.

Photographie Braun.

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CHEVAL TERRASSE PAR LINE PANTHERS, gegen 1843. 0,42 : 0,35. (V'ariante zu Robaut Nr. 761.) Photo Durand-Ruel, Paris.

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L'EMPEREUR DU MARüC Mrt.EY-ABD-KI.-RAlIMAN, Aquarell, o,i6 : 0,25. (Robaut Nr. 799.) 184.4.

Sammlung Grosdidier, Paris. Photo Druet. Verlag Bernheim jeuno, Paris.

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LION DllVORANT UN CHEVAL, Bleizeichnung, 1844. 0,235 0,120. (Robaut Nr. 804.) Musee du I.uxembourg, Paris.

10^

LION DliVORANT UN CHEVAL, Skizze, gegen 1844. 2,06 : 1,36. (Robaut Nr. 842.) Privatsammlung Berlin. Photographie BoU, Berlin.

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L':^DUCATION D'ACHILLE. 1844.

Skizze zu einem Pendentif des Palais Bourbon.

0,44 : 0,35.

Photo Durand-RucI, Paris.

JEUNES FILLES DE SPARTE, Bleistiftzeichnung, 1844.

0,26 : 0,22. (Robaut Nr. 810.)

Nicht ausgeführtes Projekt für die Dekoration des Palais Bourbon.

i87

ALEXANDRE ET LES POEMES D'HOM^RE. 2,91 : 2,21. (Robaut Nr. 898.)

L'liDUCATION D'ACHILLE. 2,91 : 2,21. (Robaut Nr. 899.)

DEKORATIONEN DES PALAIS BOURBON. I. KUPPEL: I A PO]£SIE.

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OVIDE CHEZ LES BARBARES. 2,91 : 2,2 1. (Robaut Nr. goo.)

HltSIODE ET LA MUSE, Skizze, 1844. 0,44 :o,35. Photo Durand-Ruel, Paris.

DEKORATIONEN DES PALAIS BOURBON. I. KUPPEL: LA POESIE.

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ADAM ET EVE, Skizze, 1844.

0,44 : 0,35.

Photo Durand-Ruel, Paris.

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LA CAlTIVITli A HABYLONE, Skizze, 1S44. 044 : 0,35. Photo I )iirand-Rucl, Paris.

DKKÖKATIONEN DES l^VLAIS ]«)UKB()N. 11. KUPPEL: LA THliDLOGIE.

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LA RIORT DE ST. JEAN BAFUSTE, Skizze, 1844.

0,44 : 0,35.

Photo Durand-Ruel,^ Paris.

LA DRACHME DU TRIBUT, Skizze, 1844. 0,44 : 0,35. Photo Durand-Ruel, Paris.

DEKORATIONEN DES PATATS BOURBON. II. KUPPEL: LA TH6OLOGIE.

192

NUMA ET £g£RIE. Skizze, 1S44.

0,44 : 0,35.

Photo Durand-Ruel, Paris.

LYCURGUE CONSULTE LA PVI illE. 2,91 : 2,21. (Robaut Nr. 907.)

DEKORATIONEN DES PALAIS BOLRHON. III. KUPPEL: LA LliOiSLATlON.

193

DfiMOSTH^NES HARANGUE LES FLOTS. 2,Qi : 2,21. (Robaut Nr. 908.)

CICERON ACCUSE VERRES, Skizze, 1844. 0,44 : 0,35. Photo Durand-Rucl, Paris.

DEKORATIONEN DES PALAIS BOURBON. HI. KUPPEL: LA LEGISLATION.

194

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H]&RODOTE INTERROGE LES TRADITIONS DES MAGES. 2,91 : 2,21. (Robaut Nr. 910.)

LES BERGERS CHALDliENS INVENTEUJ<S DE L'ASTRONOMIE. 2,91 : 2,21. (Robaut Nr. 911.)

DEKORATIONEN DES PALAIS BOURBON. IV. KUPPEL: LA PHILOSOPHIE

195

SlfeNtQUE SE FAIT OUVRIR LES VEINES, 1844. 2,01 : 2,21. (Robaut Nr. 91J.)

SOCRATE ET SON D]£mON. 2,91 : 2,21. (Robaut Nr. 913.)

DEKOR.\TI0NEN DES PALAIS BüURBON. IV. KtH'l'EL: LA l'HILOSOPHIE.

196

MORT DE PLINE L'ANCIEN. 2,91 : 2,21. (Robaut Nr. 914.)

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ARISTOTE DECKIT LES ANIMAUX, Skizze. 1844. 0,44 : o,.^5.

DEKORATIONEN DES PAI.AIS BOURBON. V. KUPPEL: LA SCIENCE.

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HIPPOCRATE REFUSE LES PRÄSENTS DU ROI DE PERSE 2,91 : 2,21. (Robaut Nr. i_;i6.)

ARCHIMfeDE rVt PAR LE SOLDAT. 2,91 : 2,21. (Robaut Nr. 917.)

DEKOI^TIONEN DES PALAIS BOURBÜN. V. KUPPEL: LA SCIENCE.

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ROMEO ET JULIETTE, 1845.

0,50 : 0,62. (Robaut Nr. 939.)

Früher Sammlung Marquise Carcano, Paris.

Photo Durand-Ruel, Paris.

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L'ENLEVEMENT, Zeichnung, 1846. 0,203 : 0,227. (Robaut Nr. 975.) Museum von Lille.

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L'ENLEVEMEN' Zeichnung, 1846. 0,203 : 0,227. (Roaut Nr. 975.) Museum von Lill

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CHEF ARABE, Pastell, 1040.

0,27 : 0,34. (Robaut Nr. q8i.)

Sammlung Alphonsc Kann, Paris.

Verlag Bcrnhcim jcunc, Paris. Proccde E. Dnict.

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CHASSE AU LION, 1847.

0,54 : 0,44. (Robaut Nr. 1019.)

Sammlung Bessoneau, Angeis.

V'eilag Bernlieim jeune, Paris. Procede E. Druet.

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LION DltCHIRANT UN CADAVRE, Aquarell, 1848. 0,27 : 0,215. (Robaut Nr. 1054.) Früher Sammlung Cheramy, Paris.

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LA MADELEINE EN FRIERE, gegen 1S4;.

0,23 : 0,31. (Robaut Nr. 920) Früher Sammlung Clicramy, Faris.

MISE AU TOMBEAU, gegen 184« ( ?).

Eine der Varianten zu der Pietäin der Kirche St. Dcnis-du-Sa.int-Sacrement in Faris (vielleicht Robaut Nr. 1038). Fhoto Durand-lvuel, Faris.

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SKIZZE ZUM PLAFOND DES LOUVRE, 1,05 : 1,40. (Robaut Nr. im.) Museum von Brüssel.

1849.

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Sammlung Eisslcr, Wien.

\'erlag Berntnim jcune, Paris. Procedc E. Druet.

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0'59 : >~\74. (Hob.ui Xr. i ifnil

Sammlung Eisslor, 'icii.

Verlag Bemhcim j. ne, Paris. Procede E. Druet.

MICHELANGE DAN.t S( »:\ Alhl,ll-:iv, 1851. 0,40 : 0,60. (Robaut Nr. 1184.)

Museum von Montpellier. Photographie Bulloz.

211

ANGJiLIQüE ET MADUR BLESSli, 1S5C 0,66 : 0,81. (Robaut Nr. 1164.) Vcnte DoIIfus, 191 2.

212

LA R^SURRECTION DE LAZARE, 0,50:0,58. (Robaut Nr. 1163.) Photographie Braun.

1850.

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LE LEVER, 1850.

0,36 : 0,45. (Robaut Nr. 1165.)

Sammlung A. Vacqvierie, Paris.

214

ARIANE ABANDOXNEE, 185U.

0,36 : 0,27. (Robaut Nr. 1167.)

Sammlung Barnes, New York.

V^erlag Bernheim jeune. Procede E. Druct.

215

LES PELERINS D'EMMAÜS, 1850—52.

0,46 : 0,56. (Robaut Nr. iiq2.)

Verlag Bernheim jcune, Paris. Procede E. Druet.

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LE CHRIST SUR LE LAC DE GliNfiSARETH, 1853. 0,46 : 0,39. (Skizze zu Robaut Nr. 1214.) Photo Durand-Rucl, Paris.

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LE CHRIST SUR LE LAC DE GIiN:6SARETH, 1853. 0,60 : 0,49. (Robaut Nr. 1215.) Photo Durand-Ruel, Paris.

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DANIEL DANS LA FOSSE AUX LIONS, 0,60 : 0,73. (Robaut Nr. 1213.) Sammlung Theo Behrens, Hamburg. Photo Durand-Ruel, Paris.

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LE CHRIST SUR LE LAC DE g6n6SARETH, 0,54 : 0,46. (Skizze zu Robaut Nr. 12 17.) Photo Durand-Ruel, Paris.

1853.

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LE CHRIST SUR LE LAC DE g6n6SARETH, 1853. 0,54 : 0,46. (Robaiit Nr. 1219.) Photo Durand-Ruel, Paris.

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BILDNIS DES SAMMLERS BRUYAS, 1853. 0,8g : 1,16. (Robaut Nr. 1209.) Museum von Montpellier. Photographie J. E. Bulloz, Paris.

226

LION GUETTANT SA PROIE, 1854.

0,33 : 0,25. (Robaut Nr. 1249.)

Vente Dollfus 1912.

Verlag Bernheim jeune, Paris. Procede E. Druct.

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LE LION AU C AI MAN, 1855. 0,42 : 0,32. (Robaut Nr. 1281.) Louvre (Sammlung Thomy-Thiery), Paris. Photographie Braun.

230

CAV ALIER ARABE, 1S56. 0,46 : 0,56. (Robaut Nr. 1294.) Photo Durand-Ruel, Paris.

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CO.MBAT D'UNXION ET D"UN TIGKE, Aquarell, 1856.

0,20 : 0,245. (Robaut Nr. 1305.)

Sammlung Lebargy, Paris.

Verlag Bernheim jcune, Paris. Procede E. Druct.

233

CHRIST EN CROIX, gegen 1856. 0,60 : 0,73. (Variante zu Robaut Nr. 1289.) Sammlung Baron Denys-Cochin, Paris. Verlag Bernheim jeune. Procede E. Druet.

234

MAROCAIN ET SON CHEVAL, 1S57. 0,61 : 0,50. (Robaut Nr. 1317.) Photo Durand-Ruel, Paris.

235

LES COTES DU MAROC, 1S58. 1,00 : 0,73. (Robaut Nr. 13^8.) Photo Durand-Ruel, Paris.

236

MORT DE LARA, 1S58.

0,50 : 0,62. (Robaut Nr. 1355.)

Sammlung Neil Demelette, Paris.

Verlag Bernheim jeune, Paris. Procede E. Druet.

237

HfiLIODORE CHASSfi DU TEMPLE, Fresko, 4,85 : 7,15. (Robaut Nr. 1340.) St. Sulpice, Paris. Photo E. Bulloz.

1S57— 1861.

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L'KNLEVK.MENT DE REBECCA, 1K59. 0,80 : 0,98. (Robaut Nr. 1383.) Loiivre (Sammlung Thomy-Thiery), Paris. Photographic Braun.

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TRIUMPHE DE BACCHUS, gegen 1861. 1,41 : 0,91. (Robaut Nr. 1419.) Sammlung Biermann, Bremen.

TRIUMPHE D'AMPHITRITE, gegen 1861. 1,41 : o,Qi. (Robaut Nr. 1420.) Sammlung Biermann, Bremen.

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i,02 : 0,71.

Sammlung Frau Georg Woldc, Bremen.

244

LE NAUFRAGE, 1862. 0,54 : 0,46. (Robaut Nr. 1444.) Sammlung Baron Denys-Cochin, Paris. Verlag Bernheim jeunc, Paris. Procedc E.

Druet.

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ORPH6e et EURYDICÄE, Sluzze, 1S62 0,50 : 0,61. {Robaut Nr. 1435 ) Museum von Montpellier. Photo J. E. Bulloz, Paris.

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MULEY-ABD-EL-RHAMAN PASSANT LA REVUE DE SA GARDE, 0,65 : 0,81. (Robaut Nr. 1441.)

(Variante des Gemäldes von 1845 im Museum von Toulouse.) Photographie Braun.

1862.

248

BACCHUS^ET ARIANE, 1862. 0,46 : 0,56. (Robaut Nr. 1431.) Früher Sammlung Cheramy, Paris.

249

LE PRINTEMPS, 1862.

1,63 : 2,03. (Robaut Nr. 1430.)

Photo Durand-Ruel, Paris.

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COMBAT D'ARABES, 1862. (La perception de l'impöt arabe.) o,7i •■ 0,92. (Robaut Nr. 1448.) Photo Durand-Ruel, Paris.

251

L'HIVER, Skizze, 1862.

1,63 : 2,10. (Robaut Nr. 1432.)

Photo Durand-Rucl, Paris.

252

L'ABREUVOIR, 1862.

o,Q2 : 0,74.

Verlag Bernheim jeune, Paris. Procede E. Druct.

253

LIONNE PRETE Ä S'^LANCER. 1863. 0,39 : o,2Q. (Robaut Nr. 1456.) LouvTe (Sammlung Thomy-Thiery), Paris. Photographie Braun.

BRIEFE AN DEN BARON SCHWITER

T^aron Schwiter, an den die folgenden Briefe gerichtet sind, war ■^^ ein Schüler Delacroix'. Die Bekanntschaft datiert aus der ersten Zeit (1823), wurde von dem Intimus Delacroix', Pierret, dessen Vetter Schwiter war, vermittelt und dauerte bis zum Tode des Meisters. Delacroix ernannte Schwiter zu einem seiner Testa- mentsvollstrecker, die beauftragt wurden, die Zeichnungen zu ordnen.

Baron Louis Auguste Schwiter wurde 1805 in Nienburg an der Weser geboren als Sohn des französischen Kapitäns Henry Cesar Auguste Schwiter (geb. 1768 in Rueil), der sich als General unter Napoleon namentlich in dem Krieg gegen Spanien ausgezeichnet hat. Die Familie des Vaters stammte aus der Schweiz und siedelte sich gegen 1700 in Frankreich an. Seine Mutter war eine Deutsche und stammte aus Frankfurt a. M. Er starb 1889 in Paris (nicht, wie Delteil behauptet, 1865).

Schwiter war seinerzeit ein geachteter Bildnismaler und emi- nenter Sammler und ist mit Unrecht dem Bereich der zeitge- nössischen Kunstgeschichte entrückt. Er stellte von 1831 bis 1859 regelmäßig im Salon aus und war ein energischer Förderer des englischen Einflusses auf die französische Malerei. Seine meisten Bilder befinden sich in Nancy und in den Schlössern Chambord und Chatillon; einige, darunter das im Katalog Robaut erwähnte Brust- bild Delacroix' von 1831 (am Tage vor dem Antritt der Marokko-

258 BRIEFE AN DEN BARON SCHWITER

reise gemalt) in der Sammlung seiner Tochter bzw. seines Schwie- gersohns, des Freiherrn v. Blittersdorff in Ottensheim a. d. Donau, der auch die hier veröffentlichten Dokumente besitzt. Der Ver- fasser ist ihm für die leihweise Hergabe der Briefe und des kost- baren Testamententwurfs sowie für die Erlaubnis, diese Reliquien und das Bildnis Delacroix' zu publizieren, sehr verpflichtet. Auch die Reproduktion des sehr seltenen Bildnisses Schwiters, das Delacroix im Jahre 1826, also noch vor den Faustillustrationen, auf den Stein zeichnete, wurde nach einem Originaldruck im gleichen Besitz angefertigt.

Außer verschiedenen, bereits bekannten Briefen an Schwiter, die wir unberücksichtigt gelassen haben, hat Burty aus den Briefen vom 3. Juli 1833 und vom 8. August 1862 in seinen «Lettres de Eugene Delacroix» je ein Bruchstück abgedruckt.

Wir haben uns möglichst an die Orthographie der Originale gehalten.

Der faksimilierte Testamententwurf stimmt, abgesehen von einer unwesentlichen grammatikalischen Änderung, wörtlich mit dem von Burty u. a. mitgeteilten Testament überein, dessen Fort- setzung Delacroix diktiert hat. Wir haben in dem Entwurf offenbar das letzte Zeichen seiner Hand vor uns.

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BRIEFE AN DEN BARON SCHWITER 259

(1828 oder 18291.) Monsieur Louis Schwiter Chez Ml le baron Schwiter marechal de camp

a Nancy.

Mon eher Louis, J'ai recu avec grand plaisir votre lettre et vous ne serez pas surpris cependant de ma paresse a y repondre. Vous me connaissez assez pour savoir que c'eut ete un phenomene par trop extraordinaire. Je vous dirai que le sieur Crozet s'est trouve indispose a la suite de ses immenses travaux du salon et que votre commande a du en souffrir. Mais il ne me l'a pas dit tout de suite. Ce qui fait que je n'ai pu m'adresser a d'autres. Si vous partez le 20 comme vous l'annonciez il faudra vous resigner a ne pas voir vos portraits encadres. II est meme sur que ma lettre ne vous trouvera pas. Dans tous les cas je suppose que vous aurez laisse des Instructions concernant la maniere de vernir les tableaux. Le salon est comme toutes les annees un salmi de detestables peintures parmi lesquelles quelquesunes ont du merite. Vous en serez bien vite degoute. Je suis bien charme que vous ayez bien employe votre temps. Pour ce qui est de moi j'ai passe quelque temps a. Mantes ce qui a un peu retarde l'achevement de mon tableau qui neanmoins a fait des pas notables. Je vous dirai pour nouvelle que le portrait du petit Lambton que vous avez vu grave a la maniere noire chez tous les marchands de Paris est au salon depuis une semaine et y fait l'admiration generale. On y attend aussi une tete d'enfant par une Anglaise, dont j'ai par paranthese ete regale par avance et qui surpasse ou egale au moins tout ce qu'on peut imaginer. Je vous souhaite donc de voir ces belles choses qui outre le plaisir qu'elles ne manqueront pas de vous faire, contribueront puissamment a vous faire faire des progres. Poterlet qui travaille a cote de moi^ vous fait mille compliments

' Der Brief ist 1829 klassiert, dürfte aber aus 1828 kommen, da in diesem Jahre Delacroix in Mantes war. Vgl. den aus Mantes datierten Brief an Victor Hugo in den Lettres S. 96.

* Vielleicht an der (S. 28 Fußnote erwähnten) Kopie des « Combat du Giaour et du Pacha », der in diesem Jahre im « Salon » gewesen war.

26o BRIEFE AN DEN BARON SCHWITER

ainsi que tous les amis qui m'ont plusieurs fois demande de vos nouvelles.

Je vous prie d'offrir ä Monsieur votre pere et a Madame votre mere l'assurance de mon respect. Croyez en particulier, mon eher Louis, ä mon bien sincere attachement

Eug. Delacroix.

Ca mercredi 21 novembre.

(1828 oder 1829.)

Vous me feriez bien plaisir de me faire le plutot possible une etude d'apres la tete du cardinal de Richelieu de Philippe de Champaigne qui est au musee. Ce ne serait pas je pense tout a fait du temps perdu. C'est une des bonnes choses de ce maitre. D'ailleurs eile rentrera dans votre musee quand j'aurai pris la liberte de m'en servir.

Adieu et mille compliments

Eug. Delacroix.

Voulez vous dire a Poterlet que je ne pourrai avoir le plaisir de diner avec lui demain jeudi.

3 juillet (1833) (nach London adressiert).

Mon eher Schwiter, je re^ois votre lettre qui me met dans un assez grand embarras. Triqueti est parti depuis deux jours au moins de sorte que je ne sais comment vous faire parvenir ce dont je puis disposer en votre faveur. Je ne puis reellement vous envoyer que 300 fr. et croyez que c'est avec grand et sincere regret de ne pouvoir d'avantage. Si cependant vous vous etiez engage pour d'avantage et qu'il vous füt absolument necessaire d'avoir 500 fr., comme je puis vous y avoir induit par ma promesse, je le pourrais. Mais je vous avoue que cela me serait onereux.

BRIEFE AN DEN BARON SCHWITER 261

J'ai vu avec chagrin par votre lettre a Pierret que vous n'etes pas content de la maniere dont on avait place vos tableaux. II parait aussi que John Bull ne se laisse pas attraper facilement, en peinture j'entends et pour son argent. Quant a des pratiques benevoles, vous en trouverez tout autour du globe. Du reste je dois vous avouer que je vous en ai souffle une. Maurice qui est ici a voulu absolument avoir un portrait: il voulait qu'il füt fait par vous, et en votre Heu et place il m'a accepte. Vous voyez que souvent la fortune nous attend quand nous courons apres eile. Vous la trouverez peut-etre a votre porte ou sur une borne.

Faites, je vous prie, mille compliments aux Elmore, a Rochard, aux Fielding. Savez-vous que sur votre lettre vous parliez des expositions de Lawrence et de Reynolds, j'ai ete sur le point de partir? Mais j'ai passe Tage des etourderies.

Adieu, donnez-moi une prompte reponse et croyez, mon eher Schwiter, a mon amitie bien sincere

Eug. Delacroix.

Ce jeudi matin (August 1856).

Mon eher Schwiter,

II faut que vous sachiez que je profite maintenant des beaux

jours pour travailler a St. Sulpiee. C'est un travail tres fatigant

et il me serait penible de penser le soir a un deplacement comme

eelui de St. Germain contre lequel j'ai d'ailleurs eertaines objeetions.

Si vous voulez nous irions tout simplement chez l'anglais de la

rue St. Marc nous boirions de l'ale, la meilleure chose du monde

dans cette Saison. Dans le cas vous voudriez un autre lieu dites

moi je pourrais me rendre et a quelle heure. Mille amities et

compliments sinceres

E. Delacroix.

Ce 9 juillet 1858. Mon eher Schwiter, J'ai vivement regrette de ne pas me trouver chez moi quand vous avez pris la peine d'y passer; je eomptais aller vous voir

262 BRIEFE AN DEN BARON SCHWITER

avant de repartir pour les eaux; mais le temps me presse et je suis oblige d'y renoncer. Depuis trois semaines j'ai ete fort souffrant d'un refroidissement qui m'a rendu une partie des accidents dont j'ai souffert. C'est ce qui m'a retenu chez moi presque tout le temps.

Aussitot mon retour j'espere pouvoir passer chez vous. Recevez en attendant l'assurance de ma vieille et bien sincere amitie

Eg. Delacroix.

Champrosay 2 septembre 1858. Mon eher Schwiter,

Je regois ici votre lettre. Je m'empresse de vous en remercier et de vous dire que si je n'ai pas ete vous voir a mon retour de Plombieres c'est que je m'en suis trouve plutot mal que bien et que je suis revenu aussitot m'etablir ici je retrouve plus de sante que dans les deplacements lointains. Je suis bien afflige de votre Indisposition: ne negligez pas tous les soins necessaires tant que vous ne vous sentirez pas tout a fait remis. Ce qui a autant prolonge l'etat de souffrance je me suis trouve, ca ete l'impatience de reprendre trop tot les habitudes d'un homme en sante. Je compte etre a Paris a la fin de la semaine prochaine, et cette fois je vous verrai ainsi que votre belle curiosite. Cela doit etre effectivement de la plus grande rarete et du plus grand interet.

Recevez en attendant, mon eher Schwiter, l'assurance de ma

vieille et bien sincere amitie. ^r t\ 1

Eug. Delacroix.

Ce dimanche matin (27. Januar 1861).

Mon eher Schwiter, je suis tres fache d'avoir manque votre visite. Je sors des le matin et ne rentre que pour diner. Hier vers 6 heures j'ai trouve vos deux lettres: apres mon diner j'ai ete chez Merimee a tout hasard. II est encore absent mais on m'a dit qu'il serait peut-etre de retour dans peu de jours. Je vais faire mettre chez lui une lettre qu'il trouvera a son arrivee. Je serais

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BRIEFE AN DEN BARON SCHWITER

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bien heureux de vous voir placer vos heiles antiquites; je m'en rejouirais surtout si elles etaient placees au musee.

Je vais ecrire dans la journee une lettre pressante ä Mr. le duc de Tascher, premier chambellan de l'imperatrice qui peut agir de maniere ä vous etre favorable. Malheureusement le peu de relations que j'avais aux Tuileries se sont terriblement relachees par deux ou trois ans de maladie qui m'en ont eloigne. Je vais aussi prevenir Mr. Saulcy qui sera probablement consulte. Quant ä Longperier je Tai rencontre depuis ma brouille avec Villot et il m' a fait mauvaise mine. Je lui avais parle avec l'insistance de votre casque; il n'a pas daigne remuer. Si vous etes bien avec Villot, comme ils sont tres bien ensemble, je ne doute pas qu'il ne puisse vous etre utile. II serait bien regrettable comme vous dites que Ton achetät isolement l'admirable casque; je ne com- prends meme pas que l'idee puisse en venir, si ce n'est a un petit particulier qui n'aurait pas les moyens d'acquerir le tout.

Recevez mille amities bien devouees avec l'expression de mon desir de vous voir reussir dans volre affaire

Eug. Delacroix.

Ce lundi soir (28. Januar 1861). Mon eher Schwiter,

Je re9ois cette lettre de Mr. de Tascher en reponse ä la mienne. Je vous l'envoie pour que vous ne pensiez pas que tout est manque. Je crois que Saulcy n'avait pas r€9u la mienne quand il a fixe un prix si ridicule pour des objets si remarquables. II est courtisan et n'aura pas ete sincere dans cette estimation. Si Merimee avait ete ici, je crois qu'il eut ete plus juste. Ne le trouvant pas, je lui ai adresse une lettre tres pressante.

Je vous prie, voulant repondre ä Mr. de Tascher, de mettre sa lettre sous enveloppe et de me la renvoyer quand vous l'avez lue.

Votre sincerement devoue

Eug. Delacroix.

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; BRIEFE AN DEN BARON SCHWITER 263

bien heureux de vous voir placer vos belies antiquites; je m'en rejouirais surtout si elles etaient placees au musee.

Je vais ecrire dans la journee une lettre pressante a Mr. le duc de Tascher, premier chambellan de l'imperatrice qui peut agir de maniere ä vous etre favorable. Malheureusement le peu de relations que j'avais aux Tuileries se sont terriblement relachees par deux ou trois ans de maladie qui m'en ont eloigne. Je vais aussi prevenir Mr. Saulcy qui sera probablement consulte. Quant a Longperier je Tai rencontre depuis ma brouille avec Villot et il m' a fait mauvaise mine. Je lui avais parle avec l'insistance de votre casque; il n'a pas daigne remuer. Si vous etes bien avec Villot, comme ils sont tres bien ensemble, je ne doute pas qu'il ne puisse vous etre utile. II serait bien regrettable comme vous dites que l'on achetät isolement l'admirable casque; je ne com- prends meme pas que l'idee puisse en venir, si ce n'est a un petit particulier qui n'aurait pas les moyens d'acquerir le tout.

Recevez mille amities bien devouees avec l'expression de mon desir de vous voir reussir dans votre affaire

Eug. Delacroix.

Ce lundi soir (28. Januar 1861). Mon eher Schwiter,

Je re9ois cette lettre de Mr. de Tascher en reponse a la mienne. Je vous l'envoie pour que vous ne pensiez pas que tout est manque. Je crois que Saulcy n'avait pas regu la mienne quand il a fixe un prix si ridicule pour des objets si remarquables. II est courtisan et n'aura pas ete sincere dans cette estimation. Si Merimee avait ete ici, je crois qu'il eut ete plus juste. Ne le trouvant pas, je lui ai adresse une lettre tres pressante.

Je vous prie, voulant repondre a Mr. de Tascher, de mettre sa lettre sous enveloppe et de me la renvoyer quand vous l'avez lue.

Votre sincerement devoue

Eug. Delacroix.

264 BRIEFE AN DEN BARON SCHWITER

Le 31 janvier 1861. Mon eher Schwiter,

Sur votre avant-derniere lettre je m'applaudissais de ce que les objets en question restassent definitivement en France bien que vous ne fussiez pas entierement satisfait quant au prix. Je vois par Celle d'hier qu'il y a encore de nouvelles difficultes. Mal- heureusement mon credit n'est pas grand et je ne pourrais guere me permettre d'insister aupres de Mr. de Tascher dans les termes nous sommes. Je ne crois pas d'ailleurs qu'il voulüt ou püt dans sa position aller bien loin dans ses recommandations. Long- perier et Saulcy n'ont pas ete ce qu'ils devraient etre en presence d'objets aussi rares. Je me flatte encore cependant qu'il y aura de part ou d'autre quelque regret de laisser echapper cette occasion.

Je vous felicite de votre distinction d'Italie si toutefois vous pouvez la porter. Ce qui se passe par la est bien extraordinaire.

Mille amities sinceres et devouees

Eug. Delacroix.

Champrosay par Draveil (Seine et Oise).

Ce 8 aoüt 1862. Mon eher Sehwiter,

Je suis force par ma sante d'une part, et de l'autre par des eonsiderations que je vais vous dire, d'ajourner un projet de voyage en Italie. J'ai eu une aggravation de l'indisposition dont je vous ai parle (maladie de la vessie, sonde, etc.), laquelle rend les de- placements difficiles. Peut-etre les chaleurs y ont-elles contribue; mais en tout eas il y a un inconvenient que je craindrais de rendre serieux. En second Heu votre belle Italie me parait se remettre en eampagne pour de nouvelles aventures. II serait desagreable quand on voyage pour s'amuser de se voir pris dans quelque bagarre ou simplement detourne de ses projets par les circon- stances ou simplement par la qualite de Francais surtout a Rome qui est mon objet essentiel. Tout cela ne sera peut-etre que de la fumee malgre des apparences qui me paraissent assez serieuses. Vous habitez si souvent le pays que j'espere ne pas perdre l'occasion

BRIEFE AN DEN BARON SCHWITER 265

dont j'etais tres heureux de faire avec vous ce voyage; je me berce encore de cet espoir et je tacherai alors de choisir un moment nous n'aurions a craindre ni l'ardeur du climat ni les excentri- cites des patriotes.

Voilä, mon eher Schwiter, le resultat de mes reflexions sur notre projet que je suis loin d'abandonner et qui me sera agreable surtout avec vous. Recevez en attendant l'assurance de ma vieille amitie et de mon bien sincere devouement

Eug. Delacroix.

Champrosay, 21 acut 1862. Mon eher Schwiter,

Je suis bien desole du desappointement que vous m'annoncez et du changement que vous aviez bien voulu faire a vos projets en vue de notre rencontre en Italie. Je ne voudrais pas cependant que ce desagrement veritable que je regrette autant que vous, me laissät completement dans votre esprit l'air d'un homme par trop leger et inconsequent.

Veuillez vous rappeler que mon objection principale porta sur l'insupportable chaleur du moment que vous m'aviez designe et d cet egard, les chaleurs que nous avons eues ici ne m'ont que trop confirme dans ma juste apprehension. Si je ne me trompe vous me dites qu'il vous etait impossible de vous trouver ä Venice au mois de septembre. Quant a une excursion un peu etendue dans le reste de l'Italie qui etait mon but egalement, vous me par- lätes de la raison d'economie, excuse trop legitime pour qu'il me füt permis d'insister.

J'eus ä la suite de notre entrevue des renseignements tellement unanimes sur les inconvenients de la saison que je dus a part moi et a mon grand regret, puisque le nouveau projet devait me priver de votre societe, remettre mon voyage a l'automne. Je ne vous reparle pas de ma sante au point de vue de l'incommodite dont je vous ai parle; c'est un obstacle qui n'est bien compris que de ceux qui l'eprouvent et qui devenait plus incommode en voyage. C'est dans cette Situation d'esprit que la nouvelle des mouvements

266 BRIEFE AN DEN BARON SCHWITER

de Garibaldi, que je me suis figure a tort ou a raison comme pouvant augmenter les desagrements d'un voyage entrepris seule- ment pour mon plaisir, m'a fait ajourner tout-a-fait et me reprendre a mes travaux qui me tiraillent beaucoup et ä de petit voyages d'agrement chez des parents et amis. Pardonnez-moi donc, mon eher Schwiter, et soyez bien persuade que j'eprouve un veritable chagrin du desagrement que je vous ai cause, mais j'espere que cette lettre diminuera dans votre esprit mes torts apparents dans cette occasion. Je n'ose encore faire de nouveaux projets, je me borne a vous reiterer l'assurance d'un attachement deja bien ancien et qui, j'espere, durera autant que moi. Votre bien devoue

Eug. Delacroix.

Champrosay le 8 juin (1863), Mon eher Sehwiter,

On m'apporte votre earte et je viens vous exprimer combien je regrette de ne pas vous voir. J'ai eprouve des accidents assez graves pour lesquels on m'envoie dans un lieu je serai a meme d'observer un silence absolu. Vous aurez demain ee mot car presque tous les jours j'ai besoin pour diverses affaires d'envoyer a Paris. Je erains que eette Indisposition soit longue quoique depuis quelques jours je sois mieux. Comme j'envie votre belle sante et votre aetivite! au reste vous avez ete comme eela toute votre vie et Dieu merci, j'espere que eela continuera. Moi j'ai toujours ete accroche par quelque eote. Le plus ennuyeux pour moi, c'est l'impossibilite de m'oceuper et en outre eelle de ne pouvoir faire assez d'exeer- cice pour me desennuyer.

Si j'etais assez heureux pour aller mieux d'ici a la fin du mois, je vous ecrirais le jour que je pourrais aller vous serrer la main et je n'y manquerais pas

Votre bien devoue

Eg. Delaeroix.

267

Baron Schwiter: BILDNIS DELACROIX', 1831. Sammlung Freifrau v. Blittcrsdorff, Ottenshcim a. d. Donau.

BILDNIS DELACROIX'. Künstler unbekannt. Mcsdag-Muscum, Haag.

270

LETZTES ATELIER DELACROIX'.

Ll-nZTLS ATEr.IEK IJKLACRCJIX',

VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN

Eugene Delacroix, Photographie nach dem Leben, 1862 Tafel I vor dem

Dante et Virgile, 1822 Tafel II vor Seite

Seines des massacres de Scio, 1824 Tafel III

Le naufrage de Don Juan, 1840 Tafel IV

Prise de Constantinople par les Croises, 1841 . . Tafel V

L'enldvement de Rebecca, 1846 Tafel VI

Roger delivrant Angelique, 1847 Tafel VII

Le Lion au lapin, 1856 Tafel VIII

Chasse aux lions, 1858 Tafel IX

Mort de Caton, 1824 Tafel X

Le 28 Juillet 1830, 1830 Tafel XI

Lion devorant un arabe, 1847 Tafel XII

Michelange dans son atelier, 1851 Tafel XIII

Chasse aux lions, 1855 Tafel XIV

Medea, 1859 Tafel XV

Aline la Mulätresse, gegen 1821

Cheval effraye par l'orage, Aquarell, 1824

Odalisque, 1825

Les Natchez, 1824

Le Christ au Jardin des Ohviers, 1826 (?)

Le Christ au Jardin des Oliviers, Pastell, 1826 ....

Le Baron Schwiter, Lithographie, 1826

La Mort de Sardanapale, 1827

Le Tasse dans la maison des fous, 1827

Cheval sauvage terrasse par un tigre, 1828 ....

Selbstporträt, 1829

Le roi Jean ä la bataille de Poitiers, Skizze, 1830

Assassinat de Jean Sans Peur, gegen 1830 ( ?) .

Mort de Charles le Tem6iaire ä la bataille de Nancy, 1831

Selbstbildnis, Blei, 1832

Frauen in Marokko, 1832

Frauen in Marokko, 1832

Femmes juives arabes, Aquarell, 1832

Araber mit Pfeife, Tuschzeichnung, gegen 1832 ....

Jeune lionne marchant, 1832

Boas et Ruth, gegen 1832

Fantasia marocaine, 1832

fitude de femme, Radierung, 1833

Titel 17 33 45 71 81

97 121 129

147 155 203 211 219 243

Seite

140 141 142 142

143 144

145 146

147

148,

149

150

150

152

153 154 155 156

157 158 159 160

272 VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN

Seite

Femmes d'Alger dans leur appartement, 1834 161

£tudes d'indiennes, Aquarell, gegen 1835 (?) 162

Bataille de Taillebourg, 1837 163

Henri IV partant pour la guerre (nach Rubens), gegen 1835 (?) ... 164

L'arabe au tombeau, 1838 165

Les convulsionnaires de Tanger, 1838 166

Medee, Skizze, 1838 167

Medee, 1838 168

Zwei Zeichnungen zur Medea 169

Zwei Zeichnungen zur Medea 170

Medee, 1862 171

Noce'^juive dans le Maroc, 1839 172

La justice de Trajan (Entwurf), Bleizeichnung, gegen 1839 173

La justice de Trajan, 1840 174

S. Sebastien secouru par les Saintes Femmes, 1840 ... ... 175

Arabe se chauffant, 1841 176

Prise de Constantinople par les Croises, 1841, Ausschnitt 177

Paysage ä Champrosay, 1842 178

Le Parc de Nohant, 1842 179

La Fiancee d'Abydos, 1843 180

La Fiancee d'Abydos, 1843 181

Cheval terrasse par une panthöre, gegen 1843 182

L'empereur du Maroc Muley-Abd-el-Rahman, Aquarell, 1844 183

Lion devorant un cheval, Bleizeichnung, 1844 184

Lion devorant un cheval, Skizze, gegen 1844 184

La mort d'Ophelie, 1844 185

L'education d'Achille, 1844 186

Jeunes filles de Sparte, Bleistiftzeichnung, 1844 186

Attila et les Barbares foulant aux pieds ITtalie et les arts, 1844 ... 187

Alexandre et les poömes d'Homöre 188

L'6ducation d'Achille 188

Ovide chez les barbares 189

Hesiode et la muse, Skizze, 1844 189

Adam et feve, Skizze, 1844 190

La captivite ä Babylone, Skizze, 1844 190

La Mort de St. Jean Baptiste, Skizze, 1844 191

La Drachme du Tribut, Skizze, 1844 191

Numa et 6gerie, Skizze, 1844 192

Lycurgue consulte la Pythie 192

Demosthdnes harangue les flots 193

Ciceron accuse Verrös, Skizze, 1844 193

Herodote Lnterroge les traditions des Mages 194

Les bergers chaldeens inventeurs de Tastronomie 194

Senöque se fait ouvrir les veines, 1844 195

VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN 273

Seite

Socrate et son demon 195

Mort de Pline l'ancien 196

Aristote decrit les anünaux, Skizze, 1844 196

Hippocrate refuse les presents du roi de Perse 197

ArchimÄde tue par le soldat 197

Orphee vient enseigner aux Grecs les arts de la paix, 1844 198

Romeo et Juliette, 1845 199

L'enlevement, Zeichnung, 1846 200

Chef arabe, Pastell, 1846 ., 201

Chasse au üon, 1847 202

Comediens et bouffons arabes, 1848 203

Lion dechirant un cadavre, Aquarell, 1848 204

La Madeleine en pridre, gegen 1847 205

Mise au tombeau, gegen 1848 (?) 205

Ugohn et ses fils, 1849 206

Femmes d 'Alger dans leur interieur, 1849 207

Daniel dans la fosse aux lions, 1849 208

Skizze zum Plafond des Louvre, 1849 209

Weisslingen enlev6 par les gens de Götz, 1850 210

Angelique et Mador blesse, 1850 211

La Resurrection de Lazare, 1850 212

Le lever, 1850 213

Ariane abandonnee, 1850 214

Les pelerins d'Emmaüs, 1850 1852 215

L'education de la Vierge, gegen 1852 216

L'enlövement par les pirates, 1852 217

Arabe ä l'affüt, Zeichnung, 1853 218

Chasse au lion, 1853 219

Le Christ sur le lac de Genesareth, 1853 220

Le Christ sur le lac de Genesareth, 1853 221

Daniel dans la fosse aux lions, 1853 222

Le Christ sur le lac de Genesareth, 1853 223

Le Christ sur le lac de Genesareth, 1853 224

Bildnis des Sammlers Bruyas, 1853 225

Lion guettant sa proie, 1854 226

St. Georges, 1854 227

Rubens: Löwenjagd 228

Le Lion au caiman, 1855 229

Cavalier arabe, 1856 230

Indienne mordue par un tigre, 1856 231

Combat d'un lion et d'un tigre, Aquarell, 1856 232

Christ en croix, gegen 1856 233

Marocain et son cheval, 1857 234

Les cötes du Maroc, 1858 235

274 VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN

Seite

Mort de Lara, 1858 236

Heliodore chasse du temple, Fresko, 1857 1861 237

Hermione chez les bergers, 1859 238

Hamlet et Horatio, 1859 239

L'enlövement de Rebecca, 1859 240

Chevaux se battant dans une 6curie, 1860 241

Triomphe de Bacchus, gegen 1861 242

Triomphe d'Amphitrite, gegen 1861 242

Chasse aux Hons, gegen 1860 243

Le naufrage, 1862 244

Orphee et Eurydic6e, Skizze, 1862 245

Ovide chez les scjrthes, 1862 246

Muley-Abd-el-Rhaman passant la revue de sa garde, 1862 247

Bacchus et Ariane, 1862 248

Le Printemps, 1862 249

Combat d'arabes, 1862 250

L'hiver, Skizze, 1862 251

L'abreuvoir, 1862 252

Lionne prete ä s'elancer, 1863 253

Baron Schwiter: Bildnis Delacroix', 1831 267

Bildnis Delacroix'. Künstler unbekannt 268

Treppe zur Wohnung Delacroix' 269

Letzte Wohnung Delacroix' 269

Letztes Atelier Delacroix' 270

Zeichnungen Delacroix' befinden sich im Text auf folgenden Seiten: 3, 23, 27, 43, 51, 66, 69, 72, 85, 89, 109, 114, 117, 130, 133.

K. B. Hofbuchdruckerei von Gebrüder Reiche! in Augsburg.

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8INDING SECT. AUG 2 6 1982

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Meier-Graefe, Julius Eugene Delacrolx

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