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Forfchungen

zur

Brandenburgifäen und Preußiſchen Geſchichte.

Bene Folge der „Märhifchen Forſchungen“ des Wereius für Geſchtte der Work Grandendurg.

In Verbindung mit Kt. Hole, G. Schmoller, A. Stölzel und 3. v. Ereitfcke herausgegeben

von

Albert Naude.

Siebenter Band.

Leipzig, Verlag von Dunder & Humblot. 1894.

STANFORD UNIVERSITY LiBRAu1ee "TACKS AN 18 1971 4 Br '

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1 *

N EZ

Inhaltsvergeichnis des fiebenten Bandes, (Die angeführten Seitenzahlen beziehen fich auf die am inneren Rande ber Seiten

angegebenen.)

Arnbt, Dr. Wilhelm, Profefjor an ber Univerfität Leipzig: Schweden. Brandenburg, Magdeburg 1657. 1658 . . ‘Gebhardt, Dr. Bruno, Oberlehrer in Berlin: Wilgelm von "Sum: boldt und die Anfänge ber preußiſchen Gefanbtichaft in Rom Herrmann, Dr. Dito, in Berlin, Mitarbeiter an ber „Politifchen Korreiponbenz fyriebricha bes Großen": Bon Mollwik bis Chotufiß. Ein Beitrag zur Taktik Friedrichs bes Großen . Hirſch, Dr. Ferdinand, Profefior am Königftäbtifchen Symnafium zu Berlin: Die Erziehung ber älteren Sobne des Großen Kur

fürften Holtze jun., Dr. Friedrich, Amisrichter i in Berlin: "Der Bee ara Fonk und juriftifche Mythenbilbung in Preußen . . v Die älteften märtifchen Kanzler und ihre Familien . . Kofer, Dr. Reinhold, Profeffor an ber Univerfität Bonn: Aus ber Korreipondenz ber franzöfiichen Geſandtſchaft zu Berlin 1746— 1756. Mitteilungen aus dem Pariſer Ardhiv . . Eine franzdfifche Schilderung bed preußifchen beereh von 1748. /Rrauste, Dr. Otto, Privatdozent an ber Univerfität Berlin, Mit⸗ arbeiter an ben „Acta Borussica“: Die Briefe des Kronprinzen Friedrich von Preußen an ben Gatten Leopold und an bie Prinzen von Anhalt⸗Defſau Meinecke, Dr. Friedrich, Archivar am Rt. Geh. Stantdariv in Berlin: Zur Beurteilung Bernabottes im Herbftfeldzuge 1818 . vOnden, Dr. ®ilhelm, Profefior an ber Univerfität Gießen, Geb. Hofrat: Sir Charles Hotham und Friedrich Wilhelm I. im Jahre 1730. Urkundliche Auffchlüffe aus den Archiven zu London und Wien . . . JRoloff, Dr. Suftav, in Chariotienburg: Die Reuorganifation bes Minifteriume bes Auswärtigen von 1798—1802 Schwemann, Auguft, Bergaffeffor in Berlin, Mitarbeiter an ben „Acta Borussica”: Freiherr von Heinik ala Chef bes Salz: Departements (1786—96) . .. Ulmann, Dr. Heinrich, Profefſſor an der nniverfilat Greifswald: Aus amtlichen Berichten Wilhelms von Humboldt im Jahre 1816

Kleine Mitteilungen: J Arnheim, Dr. Fritz, in Stodholm: Cine ſchwediſche Dentichrift aus bem Jahre 1661 über die Wieberantnüpfung ber biplomatifchen Beziehungen zwifchen Schweben und Brandenburg . - -. .

Geite

1— 48

. 363-376

318 -861 141—171 127—139

479—581

712 %

. 299-811

49— 69

459—477

193—207

IV Inhaltsverzeichnis.

Bobe, Louis, in Kopenhagen: Das Haſeldorfer Familienarchiv und feine Brieffammlungen. Ein Beitrag zur ſeſchichte der Feld⸗ züge des großen Kurfürſten . .

Breitenbach, Dr. Otto, Oberlehrer in Fürftenwalbe: funden aus dem ftäbtilchen Archiv von Fürftenwalde .

Breyfig, Dr. Curt, Privatdocent an der Univerfität Berlin: Der Große Kurfürft und die nationale Idee . . .

Friedländer, Dr. Ernſt, Geh. Archivrat am Sal. Geheimen Etaais. archiv in Berlin: Gedike und Delbrüd . . .

Gruner, Juſtus von, in Berlin: Wittgenſeeins Aufenthalt in Teplitz im Jahre 1812 ..

Immich, Dr. Max, in Marburg: Die Stärke des Finchſchen Armee: korps bei Maren . . .

Kerler, Dr. Dietrich, Oberbibliothetar ber Univerfitätsbibliothet in Würzburg: Markgraf Karl Alerander von Brandenburg⸗ Ansbach und ſein Hof im Jahre 1758 ..

Kojer, Dr. Reinhold, Profeſſor an der Univerfität Bonn: Zur Be völferungaftatiftil des preußiichen Staat? von 1740—1756 . .

Naude, Dr. Albert, Profeifor an der Univerfität Marburg: Ein Schreiben Blücherd aus dem Feldzug von 1815 . .

PBetrelli, 7. J., Kal. ſchwediſcher Hauptmann, tommanbdiert zum Kal. Kriegsarchiv in Stockholm: Alte brandenburgiſche Fahnen und Standarten in Schweden

Ribbeck, Dr. Walter, Archivar am Kgl. Staatzarchiv zu Marburg: Ein Brief über den erwarteten Webertrilt des Großen Kurfürften zum Katholicismug . .. nenn

Stölzel, Dr. Abolf, Geh. Oberjuftigrat, Prajident der Juſtiz⸗ prüfungskommiſſion und Vortragender Rat im Juſtizminiſterium, Profefſor an der Univerfität Berlin: Zu Seite 345 Note 1 des VI. Bandes . .

Treuſch von Buttlar, Dr. Rutt, in Berlin, "Mitarbeiter a an ber „Bolitifchen Korreſpondenz Friedrichs des Großen": Zur Kapitu⸗ lation von Maren . .

Berichte der Königlich Preußiſchen Alademie der Wiſſenſchaften über

bie Publikationen der „Politiiden Korreſpondenz Friedrichs des Großen“ und der „Acta Borussica“ . .

Sitzungsberichte des Vereins für die Geſchichte der Mart Brandenburg

Verein für Geſchichte der Neumart im Jahre 1898/94 ...

Neue Erſcheinungen:

I. Zeitſchriftenſchau.

Sieben ur—

(Don M. Immich, K. Lohmeyer u. a.)

II. Univerfitätsſchriften und Sehulprogramme. (Sutammengeftelt von Hermann Runge). li}. Bücher 251-298 u.

Seite -

186—192 173—186 561-564 556—561 221 —224

548 - 506

209—216

225 —226

217—220

227— 228 565 —578 979-581 -

229—249

249—250 583—636

I. Schweden, Brandenburg, Magdeburg 1657. 1658. Bon Wilhelm Arndt.

In dem Auffag „Der große Kurfürft und die Altftadt Magdeburg bis zum Sabre 1666” Hat Prof. Ferdinand Hirſch in dankenswerter Weiſe auf Grundlage von Alten des Berliner Geheimen Staatsarchivs, fowie des Staats⸗ und Stadtarchivs zu Magdeburg die Bemühungen des Kurfürſten Friedrich Wilhelm die Stadt Magdeburg zur Ableiftung der Huldigung zu bewegen geichildert ).. Er ift dabei auch kurz auf die Sendung Bartholomäus Wolfsbergs gelommen, der auf Beiehl des Könige Karl Guſtav X von Schweden im Juli 1658 nach Magdeburg geichidt wurde, um „die Stadt zum ftandbaften Ausharren zu er= mahnen, fie vor den Anjchlägen des Kurfürften zu warnen und ihr, wenn Gewalt gegen fie angewendet würde, Hülfe zu verfprechen.” Prof. Hirſch giebt dann weiter an: „Leider Haben fich Über die Verhand⸗ bandlungen, welche er dort geführt Hat, Leine Aufzeichnungen finden lafien; jedenfall aber haben biejelben zu feinen weiteren Yolgen ge- fährt.” Dem Herrn Berf. flanden eben nur die von Pufendorf in feinem „Karl Guſtav“ gemachten Angaben zu Gebot, die der Woljaberg erteilten Inftruftion entftammen?). Bufendorf ift aber im Verlauf feines

1) Forſchungen zur brandenb. und preuß. Gefchichte IV, 491 ff., über Wolfsbergs Sendung nad Magdeburg, ©. 518. 2) De rebus a Carolo Gustavo Sueciae rege gestis, Buch V, $ 63 am Ende bes Paragraphen. Auch Droyfen, Gefchichte der preußischen Politik III, 2, Forſchungen z. brand. u. pröuß. Geſch. VII. 1. 1

2 Wilhelm Arndt. (2

Geſchichtswerks nicht weiter auf die Sache zurüdgelommen, fowie er auch in feinem fpäteren „Friedrich Wilhelm” gar nicht auf diefe Magdeburger Epifode eingegangen ift. Auf Grundlage anderweitigen Material, das namentlich dem ſchwediſchen Reichsarchiv entſtammt, foll von mir ver- fucht werden, das Vorgehen Wolfsbergs in Magdeburg und an anderen Orten Hlarzulegen und auf diefe Weife bedeutfame Pläne des Schweden- konigs gegen Brandenburg zu enthüllen. Zum Berfländnis der Sach- lage werde ich allerdings in manchen Punkten weit zurüdgreifen, auch fcheinbare Abfchweifungen vom Gegenftande mir erlauben mäflen; das geipannte Verhältnis, dag während der Berbandlungen, die zu dem Bertrage von Wehlau-Bromberg führten, zwiſchen Schweden und Brandenburg und dann bis zur Mitte des Jahres 1658 fich fortfekte, muß bdargeftellt werden, es giebt den Schlüffel zur Erkenntnis der fchwedifchen Apfichten. Auch manches, was Prof. Hirſch in dem ge nannten Auffag bereit? Tlargelegt bat, muß aus eben diefem Grunde, wenn auch in möglichiter Kürze, wiederholt werden.

Bekanntlich Hatte der weftfälifche Triede!) dem Kurfürften die Er- pectanz auf das Eraftift Magdeburg mit allen dazu gehörigen Terri- torien, Negalien und Gerechtfamen nach dem Tode oder nach dem etwaigen Abtritt des derzeitigen Adminiftratord Auguft von Sachſen er- öffnet, ebenfo ihm und feinen Nachfolgern das Recht gegeben, von dem vakant werdenden Graftift kraft eigener Machtvolllommenheit Beſitz zu nehmen. Hinzugefügt wurde ausdrüdlich: „Unterdeilen aber ſoll das Kapitel fammt den Ständen und Unterthanen des genannten Erzſtifts fofort nach gefchlofjenem Frieden vorbefagtem Herrn Kurfürften und dem ganzen kurfürſtlichen Haufe, für fich und für alle, die in diefem Haufe nachtolgen und erben, ſowie für die Agnaten männlichen Stammes, ſich durch einen Treu⸗ und Unterthanen-Eid für die Zukunft verpflichten” ?). Unmittelbar darauf folgen im Syriedensinftrument die Worte: „Der Stadt Magdeburg aber follen ihre alte Freiheit und dad Privileg Otto des Erften vom 7. Juni 940, welches, obfchon durch Ungunft der Zeiten verloren gegangen, auf unterthänigft einzureichendes Anfuchen, der- felben von der Kaiſerlichen Majeftät erneuert werden wird, fowie auch

S. 279 hat nur, obſchon man nad, feinen Worten fchließen könnte, daß ihm auch Schreiben bes Adminiftrators von Magdeburg, Auguft, an den Kurfürften Frieb⸗ rich Wilhelm vorgelegen, diefen Pufendorfiſchen Bericht benukt.

1) Instr. Pacis Osnabrug. XI, $ 6—8.

2) Se sacramento fidelitatis et subjectionis in eventum obstringere. Ohne Zweifel ift hier subjectio ala Unterthanfchaft aufzufaffen. Das in even- tum bezieht fich natürlich auf ben bereinftigen Heimfall.

3] Schweden, Brandenburg, Magdeburg 1657. 1658. 8

dag vom Kaifer Ferdinand II. verliehene Befeftigungsprivileg, welches mit aller Jurisdiction und Eigenthumsrecht!) auf eine viertel deutfche Meile außzudehnen ift, fowie auch die Übrigen Privilegien und Rechte derfelben in geiftlichen und weltlichen Sachen ungejchmälert und un- verlegt verbleiben, mit binzugefügter Klauſel, daß die Vorſtädte zum Nachteil der Stadt nicht wieder aufgebaut werden dürfen.“

Es Handelte ſich alfo um die Frage: gehört die Stadt Magdeburg zu dem Erzitift und muß fie als folches Zubehör, ala Unterthanin des Kapitels, dem Kurfürften, wenn er es verlangt, den Huldigungseid leiſten; jällt fie aljo nach Aufhören der Adminiftration ohne weiteres an denſelben; oder ift fie eine freie Reichaftadt, die weder zur Huldigung verpflichtet ift, noch fpäter an den Kurfürſten fommen darj? Unzweifel⸗ haft Liegt auch bier eine jener Unklarheiten vor, an denen dag weft: fälifche Friedensinftrument leidet, objchon, wenn man dem Buchſtaben nach interpretiert, der Wortlaut eher für als gegen die Reichefreiheit Meagdeburgs ausgelegt werden kann. ebenfalls aber bat die fyriedeng- urkunde an der angeführten Stelle auf das Sorgfältigfte vermieden, den Ausdruck libera imperialis civitas zu gebrauchen”). Der Kurfürft ver fangte daher die Huldigung der Stadt ala ein ihm auftehendes Recht, die Stadt ihrerfeitß Hat dagegen bei Kaifer und Reich einen jahrelangen Kampf um die Reichsfreibeit ausgefochten. Die Entfcheidung zu Un- gunften der Stadt erfolgte auf dem Regendburger Reichſtage. Am 12. Mai 1654 wurde im Kurfürftenrate, am 16. Mai im Fürften- und im GStädterate hierüber abgeftimmt?). Die beiden erjtgenannten erklärten fich gegen die Neichgfreiheit Magdeburg, der Städterat da= gegen bielt dafür, daß diefe durch den weftfäliichen Frieden gewährleiftet ſei und wollte höchſtens einige über die Stapelgerechtigleit und das Niederlagsrecht entjtandene Fragen entweder an den Reichsdeputationstag oder an den wieder aufzunehmenden Reichdtag vertiefen willen. In

1) Eine Erklärung, was auf dem weitfälifchen Friedenskongreß unter pro- prietas verflanden worden fei, gab den Magdeburgern am 4. Mai 1649 Johann Drenftierna, vgl. Meiern, Acta comitialia Ratisbonensia I, 688.

2) Daß Magdeburg nicht reichafreie Stadt gewejen, ergiebt ſich ſchon daraus, dab Guſtav Adolf nach ber Zerftörung verſprochen, er wolle fie dazu erheben; vgl. Wittich, Dietrich von Falkenberg, Magdeburg 1892, ©. 202, Ann. 3. Daß fie lange Zeit manche Rechte ausgeübt, die ſonſt nur den freien Reichaftädten zu: ftanden, hat Stödert erwiefen, Die Reichaunmittelbarfeit ber Altftabt Magbes burg, in v. Sybels Hiftor. Zeitichrift, Bd. 66, ©. 285 ff.

3) Hoffmann, Otto von Gueride, Magdeburg 1874, ©. 149 f.; Meiern a. a. O. I, 1131.

1 ur

4 Wilhelm Arndt. [4

dem Beichluß des Kurfürften- und YFürftenrates wird der Stadt auf- gegeben, von dem Privileg Kaifer Otto I. ein „belanntlid &remplar”, d. 5. doch wohl das Original oder eine vidimierte Abfchrift, vorzu- bringen, „welchen Falls Ihro Kaiferlide Majeftät die Gonfirmation nicht zu verweigern”, aber unmittelbar daran fchließen ſich die Worte: „Sodann, daß gleihwohl, wann es jchon die von der Stadt angezogene Beichaffenheit mit diefem privilegio hätte, doch nichts deftoweniger dieſe Stadt Magdeburg dem Erzitift und defien Adminiftratorn, als eine Land⸗ Stadt, die altehergebrachte Erbhuldigung und andere praestationes zu erftatten fchuldig, und von Ihro Kaiferlichen Majeftät billig dahin zu weiſen.“ Auch beichloß man dem Kaifer zu raten, „baß zu Determination der Viertel» Meil Weges, neben dem Yürftlichen Haufe Braunfchweig- Wolfenbüttel, noch einem andern niederfächfiichen Kreisftand eine kaiſer⸗ liche Commilfion aufgetragen werden follte.”

Segen diejen Beichluß des Kurfürften- und Fürftenrates legten die Magdedurger Gefandten auf dem Reichdtage, Otto von Gueride und Dr. Selle, fofort am folgenden Tage (17. Mai 1654) Proteſt ein, und übergaben fie dem Kaifer ein darauf bezügliches Memorial, wie fie au die ſchwediſchen Gefandten Bohle und Biörenklou beftimmten, ein jolches dem Kaiſer zu überreichen. Freilich wurde an dem Tage der Ueber- reihung der Reichstag geichloffen. Zu einem einhelligen „Reichs⸗ gutachten“ war es alfo nicht gelommen. Aber gerade auf diefem Reichs⸗ tage hatten filh die beiden höheren Kollegien auf das Schärffte gegen den Verſuch der Reichsſtädte ausgeſprochen, majora machen zu können. Die diffentierenden Vota gingen alfo zur Entfcheidung an den Kaifer. Daß war die alte, in diefem Fall auch von Gueride anerlannte!) Yorın Rechten. Ferdinand III. entfchied fich für den Spruch der beiden oberen Kollegien und ernannte am 19. Juni eine aus dem Kurfürften Marimilian Heinrid) von Köln und dem Herzog Auguft von Braun ichweig- Wolfenbüttel beftehende Kommilfion, welche die Stadt Magde⸗ burg anhalten follte, gemäß des kaiſerlichen Entfcheides zu Handeln. Damit war die Angelegenheit reichsrechtlich entichieden, die Stadt nicht al® Freie Reichsſtadt anerkannt, fondern als eine unter dem Admini⸗ ftrator ftehende Landftadt, die als ſolche zur Huldigung an denſelben und folglid auch zur Huldigung an den Kurfüriten von Brandenburg verpflichtet war. Friedrich Wilhelm Hatte ja ſchon im Jahre 1650

1) Vgl. Hoffmann, Guericke S. 150; vgl. auch Moſer, Bon Teutſchen Reichs⸗Tägen II, S. 445: „Worinn er (ber Kaiſer) die Majora approbiret, ſolches gedenhet zu einem Reichsſchluß.“

5] Schweden, Brandenburg, Magdeburg 1657. 1658. 5

einen ernfthaften Verſuch unternommen!), die Stadt zur Huldigung zu bewegen, feine Sejandten Burgsdorf und Fromhold erflärten am 3. April: „Weil Instrumentum pacis clar bejage, da8 das gante Erbftift Huldigen folle, vnd aber die Stadt Magdeburgk darunter begriffen, Ergo ſei die- felbe eodem jure zu Huldigen ſchuldigk,“ fie drohten, daB im Weige— rungafalle der Kurfürit den ihm damit zugefügten Schimpf jo wenig vertragen koͤnnte, „das Sie auch Lieber einen gueten particul Ihrer Lande darumb zufegen würde”; in einer zweiten, am folgenden Tage abgehaltenen Konferenz verftieg fi) Burgsdorf fogar zu der Frage, was die Magdeburger denn thun wollten, wenn der Kurfürft vor die Stadt täme, er müfle hier durch, Könnte er nicht zum Thore Hinein, fo möülle er zum Fenſter herein kommen.

Stand der Kurfürft dennoch im Jahre 1650 davon ab, mit Ge- walt die Huldigung zu erzwingen, er begnügte fi) damit dem Kaiſer die Angelegenheit zu unterbreiten und ihn zu erfuchen, die Stadt zur Erfüllung der im weftfälifchen Frieden ihr aufgelegten Berpflich- tungen anzubalten fo ift dies ficher daraus zu erflären, daß er wohl wußte, wie die Schweden, mit denen er fich noch wegen Bommern aus⸗ einanderzufeßen Hatte, die Stadt in ihrem Widerftande ermutigten, und er es mit diefen damals nicht verderben wollte und konnte. Möglich, daß auch in dem Nate des KHurfürften die Anfichten über den Rechtspunkt geteilt waren. Nach der im Jahre 1654 getroffenen Entjcheidung des Kaifer aber war Über dad dem Adminiftrator und dem KHurfürften von Brandenburg zuftehende Recht ein Zweifel nicht mehr möglih, und daran änderte auch nichts der von der Stadt mit Erfolg unternommene Berfuh, den Gndentfcheid der verorbneten kaiſerlichen Kommilfion herauszuziehen. Friedrich Wilhelm Hat fich gewiß nicht dadurch beftimmen lafien, von energifchen Maßnahmen gegen die Stadt im Jahre 1654 abzuftehen; auch hier find es ficherlich politifche Gründe geweſen, die ihn beeinflußten: die neuen Wege, die feine durch Graf Walde damals geleitete Politit in Deutfchland feit kurzer Zeit eingefchlagen hatte, der Kampf Schwedens mit Bremen, die XThronentfagung der Königin Ehriftine von Schweden, der am 9. Yuli erfolgte Tod des jungen rö- mifchen Könige Ferdinand IV., endlich die am Ende des Jahres bereits erkennbare Adficht Karl Guſtav X., den Strauß mit Polen zu wagen

1) Hertel, Magdeburg und die Eventualhuldigung des Erzftiftes 1650, in Geichichtäblätter für Stadt und Land Magdeburg, 15. Jahrgang, ©. 130 fi. namentlich ©. 135, 136, 142, 160, 162.

6 Wilhelm Arndt. (6

alles dies wird ihn veranlaßt haben, feine Pläne auf Magdeburg zu dertagen.

Die große Bedeutung Magdeburgs in militärifcher Beziehung Hat Friedrich Wilhelm gewiß frühzeitig genug erfannt. Er bat ficher ges wußt, daß Guſtav Adolf von vornherein diefe Stadt als die eigentliche Bafis des Krieges, den er in Deutichland zu führen unternahm, be⸗ zeichnet Hat !). Auch Tilly Hat in dem zu erobernden Magdeburg den fefteften Stützpunkt für feine ferneren Operationen zu finden gehofft ?). Die Stadt war in Wahrheit „der Schlüffel zum ober- und nieder- ſächfiſchen Kreife”, wie fich der Bruder des Reichskanzlers Orenftierna faum vierzehn Tage nach dem Falle Magdeburgs im Jahre 1631 ge= äußert haben ſoll?). Selbft nach ihrer Zerftörung und nach der Scleifung der Feſtungswerke blieb fie ein wichtiger ftrategifcher Punkt. Auch find ja die Befeftigungen bald wieder Hergeftellt worden*). Die militärifche Bedeutung Magdeburgs tritt uns entgegen in den Erklärungen Ottos von Gueride an die Minifter des Kaiferd, die er im Jahre 1650 auf feiner Gefandtichaftsreife nach Wien abgab und in welchen er vorftellte, wenn Ghurbrandenburg Herr über die Stadt werden follte, würde er ein Herr Über den NRheinftrom, Weiler, ja Elbe, Oder und Weichſel werden, „welches wohl zu confideriren” 5). Wie der große Kur⸗ fürft noch fpäter über die Wichtigleit Magdeburgs dachte, erjehen wir aus dem Befcheid, den die wegen des Eitadellenbaus nach Berlin ges ichieten Abgeordneten der Stadt im Jahre 1680 von dem kurfürftlichen Geheimrat Fuchs erhielten: „E83 wäre Ihrer kurfürſtlichen Durchlaucht mehr an der Stadt Magdeburg gelegen, ala an einigen Orten aller Ihrer Lande, und gleichſam das Herz, dadurch die Mark Brandenburg, das Fürftentum Magdeburg und Halberftadt müßte beichüßt werden, und darauß auf alle Benachbarte gleihjam ein wachendes Auge könnte gehalten, ja in Contribution gefeßt werden.” Und Friedrich Wilhelm verjehlte nicht den Abgeordneten felbft zu erklären, es fei ihm an der Stadt Magdeburg foviel gelegen, wie an feinem ganzen Estat®).

-

1) Wittich, Dietrich von Falkenberg, S. 36.

2) Ebenda ©. 172.

3) Wittich, Magdeburg, Guſtav Adolf und Tilly, Berlin 1874, I, ©. 98; derſ., Fallenberg, S. 198.

4) Hoffmann, Guericke, ©. 25.

5) Schreiben Guerides an ben Rat, 15.25. Juni 1650, bei Hoffmann, Gueride, S. 102; vgl. auch Hirſch a. a. D. ©. 501.

6) Holzapfel, Forichungen zur Geichichte Magdeburgs, Magdeburg 1892, ©. 49 u. 52.

7) Schweden, Brandenburg, Magdeburg 1657. 1658. 7

Auch in hHandelapolitifcher Beziehung ift der große Kurfürft in Bezug auf die im weftfälifchen Frieden ihm zugewiejenen oder in Ausficht geftellten Landesteile des niederfächfiichen Kreiſes beſtrebt geweſen, mög« lichſt zu beſſern und zu beben. Obſchon der Anfall Magdeburgs erft 1680 ftattfand, hat er doch in weiſer Vorſorge ſchon fruhzeitig fich be⸗ mäbt, den Elbhandel zu beleben und Magdeburg, das unter der Kon⸗ kurrenz von Leipzig und Hamburg wohl mehr eingebüßt hatte, ala durch feine Zerftörung, auf den früheren Rang einer Großhandelaftadt wieder zu erheben. Schon deswegen mußte er wünjchen, in Magdeburg, jo lange es noch unter dem churfächfiicden Adminiftrator fand, feſteren Fuß Taflen, feine Abfichten mit flärkerem Nachdrud an Ort und Stelle betonen zu können. Es find Ziele, die er auch in den Wirren des ichwedifchepolnifchen Krieges, und während feiner langjährigen Abweſen⸗ beit aus dem märkiſchen Stammlande niemals auß den Augen verloren bat. Auch Hier drehte fich ja alles um die Trage, wird Magdeburg der- einft Reichsſtadt oder eine brandenburgifch » preußifche Landftadt. Und immer war die Huldigung, die der Kurfürft von der Stadt verlangte, auch in diefer fyrage ein ausfchlaggebendes Moment !). |

Die Hauptfache war für Friedrich Wilhelm, fich gegen die Schweden zu fichern. Das trat namentlich jeit dem Sommer 1657 bei allen feinen Erwägungen, Plänen und Abmachungen in den Bordergrund. Er batte alle Urfache, Feindſeligkeiten des Schwedenkönigs zu befürchten. Noch ehe Karl Guſtav Preußen verlaffen hatte, um ſich in den dänifchen Krieg zu flürzgen, waren die Berhandlungen mit Polen und SOefterreich bereit3 angefnüpft. Wetteifernd bemühte fich die ſchwediſch⸗franzöfiſche und die polnifcheöfterreichifcehe Partei den Kurfürften zu gewinnen. In dem Spiel um die Meifterfchajt bat ohne Zweifel der Geſandte Oefter- reichs, Franz von Lifola, die entjcheidenden Züge gethan. Auch von Johann Kafımir von Polen beim Kurfüriten beglaubigt, tritt er für die Zeit von Mitte des Jahres 1657 an bis zum Abfchluß des Wehlau⸗ Bromberger Bertrage® durchaus in den Vordergrund. Er ift dag eigentlich treibende Element. Er vermittelt den im Lager von Wir- ballen am 22. Auguft 1657?) gejchloffenen Neutralitätsvertrag zwiſchen

1) Schmoller Hat in feinen „Studien über die wirtichaftliche Politik Fried⸗ richs des Großen” (Kahrbuch für Gejebgebung, Verwaltung und Volkswirtſchaft, 8. Jahrgang, 1884), diefe Bedeutung Magdeburgs und bes Elbhandels für ben großen Kurfürften überaus lichtvoll behandelt, ſ. namentlihd ©. 1012, 1049, 1052 f., 1058, 1060, 1078. Auf ein näheres Eingehen muß ich verzichten, es ge: nügt, auf die Wichtigkeit biejes Punktes aufmerffam zu machen.

2) Hier und im folgenden find die Taten fiet3 nach neuem Stil umgejeßt. Bei Tatierung nach altem Kalender gebe ich ed ausdrücklich an.

8 Wilhelm Arndt. [8

Bolen und Brandenburg, der, obſchon wie Lifola fich felbft aus⸗ drüädt!) nur für die Maffe beitimmt und dem gar kein Glaube beizu- mefien, da er nur eine inte fei?), doch eine Reihe der wichtigften Beſtimmungen traf, die da8 bisherige Berhältnis Brandenburgs zu Schweden wefentlich umgeftalten mußten. Liſola ift es geweſen, der den MWehlauer Bertrag ermöglichte und es in Bromberg erreichte, daß Punkte, die noch unentichieden gelaffen waren, zu Gunften Brandenburgs Aufnahme in dem Abkommen fanden. Neue, gewaltige Ausfichten thaten fich für den Kurfürften auf, aber auch neue Gefahren. Sein feuriger Geift neigte zu rafchem Losſchlagen gegen Schweden, er dachte?) wohl daran, noch vor ber Ratifilation des Traktates mit Polen nach Pommern zu marfchieren, Stettin zu belagen, auf dieſe Weife den bedrängten Dänen Luft zu machen. Der Gewinn Pommerns, des im weitjälifchen Frieden entriffenen, follte der Preis für Brandenburg fein. Noch nad Abſchluß des Wehlauer Vertrages, noch in Bromberg, bat Friedrich Wilhelm in diefem Sinne verhandelt. Alles kam freilich darauf an, ob Oeſterreich geneigt war, entjchloffenen Mutes mit Polen und Branden- burg gemeinfame Sale zu machen und feine Truppen zu einem gegen Karl Guftav gerichteten Angriff zur Verfügung zu ftellen. Noch in Wehlau, und zwar wahrjcheinlich erft nach Abjchluß des Vertrages, ber rieten der Kurfürſt und feine Generäle mit dem polnischen Feldmarſchall Gonſiewski über die gegen Schweden zu unternehmenden Schritte ?). Lifola, der im Laufe der Verhandlungen herbeigezgogen wurde, mußte dann freilich erklären, keinerlei Macht zu haben, dem öfterreichifchen in Polen jtehenden Hülfßheere irgend etwas vorfchreiben zu dürfen. Friedrich Wilhelm Hatte vorgejichlagen, die in Preußen zurüdgelaffenen ſchwediſchen Beſatzungen zu blodieren, und mit der Hauptmacht, bie aus Branden- burgern, Polen und Oeſterreichern zujammengejeßt und unter feinen Befehl geftellt werden follte, direkt auf Karl Guſtav loßzugehen, den König von Dänemark davon zu benachrichtigen und ihn aufzuforbern,

1) Liſola an Graf Portia, 28. Auguft 1657, Ardid Wien.

2) Perche e pura finta.

3) Schon im Auguft 1651; vgl. Liſolas Berichte, brögb. von Pribram, S. 314.

4) Relatio Vincentii Corvini Gosiewski ... . de colloquio habito cum S. Electore Brandeburgico eiusque Generalibus de ratione belli Suecici persequendi post conclusam pacem inter Polonos et Electorem. Ohne Datum. Archiv Wien. Da der Kurfürft ſchon am 24. September wieder in Königsberg war (UN. VII, 219), Gonfiewski auch erwähnt, daß er vom Kur: fürften Abjchied genommen, jo wird die Stonferenz wohl auf den 20. oder 21. Sep: tember anzufeßen fein. Ueber die gepflogenen Verhandlungen fiehe auch Liſolas Bericht vom 3. Oftober, a. a. D. 321 ff.

9] Schweden, Brandenburg, Magdeburg 1657. 1658. 9

zu gegebener Zeit den Schweden in den Rüden zu jallen, um fo den eingeichlofjenen Feind mit einem gewaltigen Schlage vollſtändig zu ver- nichten. Der Kurfürft ijt dabei jtet3 von der Borausfegung ausgegangen, daß die Defterreiher, am beiten unter der Führung Montecucolis, fich zu beteiligen hätten. Er erklärte geradezu, wenn man ihn allein Ließe, würde er folchen Schlag nicht unternehmen, fondern für ſich und feine Sicherheit in anderer Weife Sorge tragen. Da weder Gonflewsli noch Liſola Vollmacht Hatten, hierüber abzufchließen, bejchloß man, eine per- fönliche Zufammenkunft zwiſchen Johann Kafımir und Friedrich Wil- beim herbeizuführen und daß Lifola es übernehmen follte, durch Berichte auf den jungen König von Böhmen und deffen Minifter zu wirken. Auch Lifola ift von der Nichtigkeit und Tragweite des don Friedrich Wil- Helm gefaßten Planes völlig durchbrungen, klar und eingehend Iegte er dar, wie günftig die Gelegenheit, wie alle Teile aus der Vernichtung der Schweden unjehlbar Vorteil ziehen müßten, wie namentlich die Ge- winnung der Kaiſerkrone für Leopold dadurch erleichtert werbe!). Ebenfo bat Johann Kafımir nicht gezögert, durch ein eindringliches Schreiben ?) an Leopold in diefem Sinne zu wirken und gebeten, den Grafen Hatz⸗ teldt, den Beſehlshaber des nach Preußen gejandten öfterreichifchen Hülfskorps anzuweifen, daffelbe zu Friedrich Wilhelm ftoßen zu laſſen. Das aber Iehnten Leopold und feine Gebeimräte entjchieden ab. Allerhöchſtens wollten fie fich dazu verftehen, ein Defenfivbändnis mit Brandenburg zu fchließen?). Die Ausführungen, die im Gebeimrat Leopold8 angebracht wurden, find geradezu Täglich, fie zeigen, wie es dort an frifchem Wagemut durchaus gebrah. Noch ehe die Weifung Leopolds Lifola erreichte, fand die Zufammenkunft in Bromberg zwijchen dem Polenkönig und dem KHurfürften ftatt. Auch Habfelbt hatte fich an diefem Orte eingeftellt, auf ihn, den Soldaten, verjuchte Friedrih Wil⸗ beim einzuwirfen*). Gr wies darauf bin, daß gerade der Winter die paflendfte Gelegenheit fei, einen Schlag gegen die Schweden zu unter- nehmen; Moräjte und Gewäſſer jeien dann gefroren und leicht zu über- ſchreiten; brächte man dem PDänenkönig nicht fchleunige Hülfe, jo würde derfelbe wahrjcheinlich in die Notwendigkeit verfeßt, fih mit Schweden außeinanderzufegen, Karl Guftav aber Gelegenheit erhalten, fich nicht bloß aus den dänifchen Landen, fondern auch aus Pommern merklich zu

1) A. a. O. ©. 322 fi.

2) Warichau, 9. Oktober 1657. Archiv Wien.

3) Weifung Leopold an Lijola, Prag, 22. Oktober 1657; Protokoll des Ge: beimerats, 30. Oktober 1657. Archiv Wien. Bgl. auch Pribram, a.a. O. ©. 70 ff.

4) Hatzfeld an Leopold. Bromberg, 9. November 1657. Archiv Wien.

10 Milhelm Arndt. [10

veritärten. Ein Winterfeldgug war jedoch nicht nach dem Geſchmack des öfterreichifchen Generale. Er bielt es nicht für gut, im Winter und zudem mit folcher Eile dergleihen Operationen zu unternehmen, uns möglich könnten ſolche, zumal die öfterreichifche Armee jehr angejitrengt worben fei und gelitten babe, gedeihen. Gr führte ala warnendes Bei- ipiel Karl Guſtav felbft an, der nimmermehr in feine jebige Tage ge- kommen fein würde, wenn er die Winterzüge unterlaffen hätte, auch bie Polen hätten auf eben dieſe Weife alle ihre Heere ruinirt. Nur feine Uebereilung, in Ruhe wolle man überlegen und vorbereiten! Der über- £luge Feldherr ſah damals wohl kaum voraus, in welch geradezu genialer Meile der Schwedenlönig einige Wochen fpäter die Vorteile, die der Winter bot, gegen Dänemark ausnützen und die Welt von neuem mit feinem Kriegsruhm erfüllen follte!

Welche Gedanken mögen in jenen Tagen das Herz des Kurfürften bewegt haben? Auf der einen Seite gewiß Befriedigung über das Er- reichte, über die num auch von Polen gewährleiftete Souveränität über Preußen. Auf der anderen Seite aber ficherlich, bangſte Sorge vor der Zukunft. Noch war es gelungen, das Geheimnis zu bewahren, alle Verhandlungen waren bisher durch Schwerin und Somnig allein geführt; auf deren Verſchwiegenheit konnte man bauen. War Geheimhaltung aber nach dem Zage von Bromberg noch zu erwarten? Notgedrungen find dort eine ganze Anzahl polnifcher Großer in das Geheimnis eingeweiht worden. Und war bei dem djterreichifchen Hofe überhaupt auf Verfchwiegen- heit zu rechnen? Worauf hatte Friedrich Wilhelm zu zählen? Geine Lande waren durch den Krieg außgefogen, feine Armee hatte in Schlachten, und noch mehr durch eine peitartige Krankheit, die in Preußen tobte, gelitten, an Geld fehlte es faſt ganz, „nervus rerum gerendarum hat wie Schwerin damals ſehr bezeichnend an Weimann jchrieb!) ſchon fo abgenommen, daß man oft zu den nötigften und kleinen Aus⸗ gaben feinen Rat weiß.” Der Kurfürft kannte die Unfähigkeit der Polen, durchichaute die Hinterhaltige Politik Oeſterreichs. Er wußte, welche geniale Natur die des Schwedenkönigs war, er hatte in ben letzten Jahren mehr als einmal eg miterlebt, daß Karl Guſtav, ſelbſt wenn alles verloren zu fein fchien, den Sieg aufs neue an feine Fahnen zu fefleln wußte. Er kannte das Wort, mit dem der Schwedenkönig Polen verlaflen, um fih in den dänifchen Krieg zu ftürgen: „Wer nicht mit mir ift, ber ift wider mich.” Er war ein Mann und ein Herrjcher voll höchften Ehr-

1) Königsberg, 6. September 1657. Weimannſches Journal im Archiv Berlin.

11] Schweden, Brandenburg, Magdeburg 1657. 1658. 11

geized, der von Anfang feiner Regierung an fich und feinem Staat die größten Aufgaben und Ziele geftedt Hatte, ein Mann und ein Regent von feuriger Energie und unbeugfamem Willen. Schwellt der Wind feine Segel nicht geradeaus dem Ziele entgegen, er weiß es auch durch Fluges Lavieren zu erreichen. Mehr ala ihm Lieb geweſen, bat er dieſes in den legten Jahren anwenden müſſen. Und nun follte er wieder monatelang jein innerjtes Denken und Fühlen klug berechnend bergen, nach allen Seiten bin täufhen? Er wußte nur allzugut, daß Freund und Feind ihn für unguverläfftg hielt, allzeit bereit, den Mantel nad) dem Winde zu tragen, und er wird mit trübem Lächeln fich oft genug eingeftanden Haben, daß dies Urteil feiner Mitlebenden ein nicht ganz unberechtigtes ſei. Es war ihm ficherlich aus der Seele geiprochen, wenn am Schluffe des Jahres 1657 die Königin von Polen ihm einmal ver- traulich fchreibt ’): „Entweder muß man den König von Schweben rui⸗ nieren oder ſich mit ihm gütlich augeinanderfegen.“ Auch bei Karl Guſtav war der lebhafte Wunſch vorhanden , mit Polen zu einem Ab⸗ ſchluß zu kommen. Daran Tonnte der Kurfürft, nachdem SDefterreich feine Hülfe verjagt Hatte, anknüpfen. Gelang es ihm, Schweden zum Aufgeben feiner polnifchen Eroberungen zu beftimmen, oder wenn dies nicht möglich, doch wenigjtend die Verhandlungen in die Länge zu sieben, jo konnte er Hoffen, noch einmal den beraufziehenden Sturm be⸗ fhwören zu können.

Wir müflen bier die Berührungen, die zwifchen Brandenburg und Schweden während der geheim betriebenen Verhandlungen mit Polen itattfanden, noch genauer barlegen, felbft auf die Gefahr Hin, manches, was im Vorhergehenden fchon gejagt wurde, noch einmal zu ftreifen. Die Berichte bes ſchwediſchen Nefidenten am Hofe des Kurfüriten, Bar⸗ tbolomäug Wolfsberg, die und in ununterbrochener Reihenfolge vor= liegen, geben ein getreued Bild der Stimmungen, die damals Fried⸗ ri Wilhelm bewegten. Aus ihnen jei einzelnes bier hervorgehoben. Wolfsberg, im perjönlichen Dienfte bei Karl Guſtav emporgeflommen er war während des Nürnberger Crelutiongtages Sekretär des ſchwediſchen Generaliffimus ift ein guter Beobachter. Selbftändig hat er nie in die Politik einzugreifen verfucht, er hielt fih ſtreng an die Weifungen, die fein König ihm ſandte. Er Eonnte auch des⸗ wegen ſchon nicht anders, weil er beim Kurfürften nur als Refident be- glaubigt war. Während die wichtigen politifchen Verhandlungen zwifchen Schweden und Brandenburg jchwedifcherfeit durch Erich Oxenſtierna

1) ua. VIII, 274.

12 Wilhelm Arndt. [12

und Graf Schlippenbach geführt wurden, ift Wolfsberg nur ausnahms⸗ weife bei großen ragen mitbeteiligt geweſen, jo 3. B. bei dem Ber- trag von Labiau. Aber allmählich gewann er an politiichem Blid, er erwarb auch die Fähigkeit, die den Polititer am meijten auszeichnet, aus dem Einzelnen Schlüffe auf das Ganze zu machen und richtig zu erraten. So konnte fein König ihn, als feine Nefidintenftelung am drandenburgifchen Hofe im Laufe des Jahres 1658 unhaltbar geworden war, mit einer eigenen Miſſion höchſt delilater Natur, wie wir ſehen werben, beauftragen.

Bereitd in den eriten Tagen des Januars 1657 war Tifola am Hofe des Kurfürften, der damals in Labiau verweilte, erjchienen?), von Kaifer Ferdinand III. beauftragt, Yriedrih Wilhelms Ausföhnung mit Polen und deflen Aufgeben der ſchwediſchen Allianz zu bewirken. Auf einen unmittelbaren Erfolg konnte der öfterreichifche Unterhändler zu⸗ nächſt nicht rechnen, war doch erſt wenige Wochen vorber der Vertrag von Labiau zwiichen Schweden und Brandenburg abgejchloffen, Hatte ferner der Kurfürft fich ſchon bereit? zu einer perjönlichen Zuſammen⸗ funft mit dem Schwedentönig bereit erflärt. Immerhin war das, was Liſola in Labiau erreichte, bedeutend. Er Hatte gefehen, wie am Hofe des Kurfürften eine fchrwedenfeindliche Partei allmählich die Oberhand gewonnen hatte, wie der Einfluß Waldecks ſtark zurüdgegangen war, wie und das war das MWichtigfte Friedrich Wilhelm ſelbſt einem Ausgleich mit Polen keineswegs abgeneigt war. Er braucht für Die zwiſchen Schweden und Brandenburg noch beftehende Bereinigung den treffenden Vergleich, fie fei ein reines Handelagefchäft, Tein Freundſchafts⸗ bund. Endlich zögerte Schwerin nicht, ihm im Namen des KHurfürften zu eröffnen, nicht? könne demſelben willlommener fein, als wenn ihm ein ebrenvoller und ficherer Rückzug aus dem Labyrinth, in welchem er fi befinde, verichafft würde. Vorläufig fei die Sachlage aber noch eine fo belifate, daß er eine offene Verhandlung nur dann führen Lönne, wenn er des Erfolges von vornherein verfichert fei. Inzwiſchen möge Lifola die Anfichten der Polen zu erjorfchen ſuchen und fich über die Bedingungen derjelben unterrichten. Schwerin ftellte Hierbei als jelbit- verjtändlich Hin, daß die Souveränität über Preußen auch von den Polen anerfannt werden müſſe. Die nächften Monate bat Lifola diejer Aufgabe gewidmet, Anfang Juni konnte er fih, auch von Johann Kafimir bevollmäcdtigt, zur Reife nach Königsberg anſchicken. Am 9. Juli Hatte er feine erfte Audienz bei Friedrich Wilhelm.

1) Vgl. das Schreiben Liſolas vom 13. Januar 1657 bei Pribram ©. 212 ff.

13] Schweden, Brandenburg, Magdeburg 1657. 1658. 18

Schon am 13. Juni 1657 meldet Wolfsberg, daß man am kur⸗ fürftlichen Hofe wegen ber vom SKaiferhofe an die Krone Polen ver- fprochenen Hülfe, wegen der dänifchen Ruptur und wegen des drohenden Anzuges des Moslowiters überaus beforgt fei, daß man fürchte, Karl Guſtav werde dem König don Dänemart mit feiner gefammten Macht auf den Hals gehen und nur foviel ſchwediſche Truppen in Preußen laſſen, um die Weltungen befeßt zu Halten. Dan glaube, daß infolge defien die Abficht fei, den Kurfürften „hier allein ausbaden zu laſſen, derfelbe aber bei folcher Bewandniß kein anderes Mittel um fich wegen unaußbleiblicher gänzlicher Ruin zu befreien würbe abfehen können, als dahin zu trachten, wie man bei Zeiten fich mit der Krone Polen möchte vereinigen können.“ Am 19. Juni weiß Wolfsberg bereit, daß man Liſolas Ankunft erwarte. Ein brandenburgifcher Minifter habe fidh inter pocula vernehmen lafſſen, Liſolas Auftrag ginge dahin, den Kurfürften don Schweden zu trennen, dafür wilrde man Friedrich Wilhelm Pommern in die Hände liefern, denn folange diejes, ſage man auf der Seite der Kaiferlicden, in Schwedens Befitz fei, könne man auf eine bejtändige Ruhe im Reich rechnen. Am 3. Zuli Schreibt er: „S. Ch. Durchlaucht gedachte noch vorgeftern gegen mir, weggejtalt Sie einen Singer darum geben wollten, daß wir Frieden mit den Polen hätten, aladann Sie ein ander Wert mit Freuden antreten wollten. Wünfchten auch dabero, daß Ew. Königl. Majeftät fich wegen Preußens Abtretung (an die Polen) refolviren möchten. Wie ich nun Anlaß Hierdurch genommen zu fragen, was für Conditiones ©. Ch. D. von den Polen zu erhalten, und was für Sicherheit wegen dieſes Herzogthums, wenn Ew. K. Majeftät mit dero in Händen habende Feſtungen Ihro von der Seiten gebracht fein würden, Sie zu haben vermeinten; haben Diejelben geantwortet, daß Sie die Souveränität befommen und Ihre Strategema durch den Yrieden genugfam Haben könnten. Worauf ich replicirt, daß es bieße: Fistula dulce canit, und daß es mir vorkäme gleichwie der Frieden, fo die Wölfe mit den Schafen machten, da die vornehmſte Condition fein follte, daß man fürerft nur die Hunde abfchaffen follte.“

Am 9. Juli war Lifola, wie oben bemerlt, in Königeberg an» gelommen. Am 17. Juli meldet Wolfsberg bereitß feinem König, er babe erfahren, daß der dfterreichifche Bevollmächtigte hier nicht bloß die Kaiferwahl Leopolds, fondern auch die Trennung Brandenburgs von Schweden betrieben. Auch der Bifchof von Ermeland fei inzwiſchen ein» getroffen. Alle Verhandlungen gingen Lediglich durch Schwerind Hand, weder Waldet noch die anderen Geheimräte wüßten nicht, was eigentlich vorgehe. Eine genauere Auskunft über Lifola® Vorbringen,

14 Wilhelm Arndt. [14

die Wolfsberg von Schwerin einige Tage fpäter (Schreiben vom 27. Juli) erbat, wurde jedoch nicht gegeben; Schwerin begnügte fi damit, dem ſchwediſchen Nefidenten zu jagen, es feien zur Zeit nur bloße Diskurſe gehalten worden, da das Kreditiv Lifolad nicht ganz in Orbnung ge= wejen ſei. Die folgenden Schreiben zeigen dann, daB es Wolfsberg doc) gelungen ift, ziemlich tief in das Geheimniß einzubringen. Es fanden fi) au am kurfürſtlichen Hofe Verräter; ſelbſt Walde hat nad) An⸗ deutungen, die Wolfsberg macht, mehr gejagt, ala er feinem Herrn, dem Kurfüriten, gegenüber verantworten konnte. Bolljtändig Tonnte das Ge⸗ beimnig jedenfalls nicht bewahrt werden, es wurde wenigfteng bald genug befannt, daß Polen auf den Wunfch des Kurfürften, mit ihm einen ein» fachen Neutralitätövertrag zu fchließen, nimmermehr eingehen wolle. Den Schweden gegenüber hielt allerdings die brandenburgifche Diplo- matie daran feſt, daB es fi nur um einen folchden handle. Am 22. Auguft verficherte Friedrih Wilhelm dem Grafen Schlippenbach, daß wenn die Polen die verlangte Neutralität nicht gewähren ober dies jelbe „mit präjudicirlichen und fervilen Conditionen” beichränfen wollten, wolle er viel eher alles daran fegen, ala fich der polnifchen und öſter⸗ reichiſchen Diskretion übergeben oder deren Partei annehmen. Auch er« öffnete er bei diefer Gelegenheit dem fchwedifchen Diplomaten, daß er nunmehr, es möge aus der Neutralität etwas werden oder nicht, gänzlich entjchloffen fei, in kurzem Preußen zu verlaffen, die dortigen Feſtungen mit etwa 3000 Mann zu Fuß und gegen 2000 Reitern zu bejegen, den Reit feiner Armee aber, der immerhin noch in 5000 Mann beftebe, mit fi) zu nehmen und zwifchen Küftrin und Landsberg aufzuftellen, damit er, wenn die Dejterreicher mit Gewalt den Durchzug durch feine Sande erzwingen wollten, um in Pommern eine Diverfion gegen Karl Guſtav zu machen, imftande fei, dieſen kräftig unterftügen zu können. Er ſetze deshalb jeine Werbungen eifrig fort. Wolfsberg fügt Hinzu, ber Kurfürft folle noch gänzlich entichloffen fein, „gegen Oeſterreich mit anzufpannen”, fein Wunfch aber fei, daß Karl Guſtav auf eine oder die andere Weife mit Dänemark bald fertig werden möge.

Inzwiſchen Batten neue Verhandlungen mit den Polen ftattgefunden. Durch Liſolas Bemühungen!) war man dahin gekommen, fich über die Hauptjäße zu vereinigen. Rückgabe des Bistums Ermeland, gemeinjamer Kampf gegen die Schweden, Beitritt zu dem polnifch - öfterreichifchen Bündnis, das waren die Verpflichtungen, die Friedrich Wilhelm ein« gehen follte. Dafür follte ihm von jeiten Polens die Souveränität über

1) Schreiben Liſolas, 14. Auguft 1657, a. a. O. ©. 314 f.

15) Schweden, Brandenburg, Magdeburg 1657. 1658. 15

Preußen gewährleiftet, ſowie Elbing und zwei Staroftien in Bommerellen abgetreten werden. An Stelle des alten Bajallenverhältniffes tritt ein enges Bündnis mit Polen, Da der Biſchof von Ermeland nicht ohne Zu⸗ ſtimmung Gonſiewskis abjchließen wollte, begaben ſich Lifola, ein mit Vollmachten vom Biſchof von Ermeland verjehener Domherr und Somniß zu Gonfiewgfi!). Die Verhandlungen bei diefem wurden äußerft ſchwierig, fie waren nabe daran, abgebrochen zu werden. Endlich fam man zu einer Einigung. Bereit? am 28. Auguft find Lifola und Somnik wieber in Königsberg. Nichts ſchien dem formellen Abjchluß mehr im Wege zu ftehen. War es nun noch möglich, den Schweden gegenüber das Geheimnis zu wahren? Verſucht mußte es wenigftend® werden. Man teilte dem zu damaliger Zeit beim Kurfürſten weilenden Grafen Schlippen- bad mit, daß, obſchon Gonfiewski anfänglich eingewandt habe, feine Inſtruktion erlaube ihm nicht, einen Neutralitätövertrag zu fchließen, nur einen gänzlichen Vergleich dürfe er eingehen, er doch endlich dahin nachgegeben babe, daß ein Projekt einer Neutralität aufgejeßt werde. Diefes wurde Schlippenbach von Schwerin und Somnik vorgelegt?) und defien Urteil darüber erbeten. Schlippenbach erklärte den branden⸗ burgiſchen Bevollmächtigten, ſowie dem Kurfürften perjönlich, daß in dem Projelt in Bezug auf das Haus Defterreich, fowie in Bezug auf die den Schweden zu verfagende Pafjage durch die Furfürftlichen Sande, Beflimmungen enthalten feien, bie fein König nimmermehr gut» beißen könne Man verfprach darauf auf Seiten der Brandenburger, nochmals zu Gonfiewski zu jchiden, ihm dies alles vorzuftellen und um gelindere Bebingungen anzubalten. Der Kurfürft, meldet Wolfsberg am 81. Auguft, ſei aber feſt entichloffen, Preußen zu verlafien. In einem Nachwort fügt er Hinzu, man Höre in Bezug auf die Neutralität bei Hofe ſehr verjchiebene Urteile, teild verfichere man, „daß alleg mehr aus Furcht al® aus einer böshaftigen Intention herrühren thue, andere aber find der Meinung, daß folches proximus gradus zur völligen Ruptur fein dürfte.”

Es erhellt, daß man den Schweden verichwiegen hat, der Vertrag von Wirballen fei bereit? abgefchlofjen, nicht ein einfaches Projekt. Es erhellt weiter, daß man die dem Vertrag binzugefügten Geheimartikel nicht mitgeteilt hat, wohl, weil fie überhaupt nicht mitteilbar waren;

1) Zwifchen 14. und 17. Auguft.

2) Leider ift die von Wolfaberg feinem Schreiben vom 31. Auguft beigelegte Abſchrift nicht erhalten, eine Vergleichung mit dem Vertrage von Wirballen alfo nicht möglich.

16 Wilhelm Arndt. [16

Und endlich erhellt, daß man von den wichtigen geheimen Verhand⸗ ungen, die zu gleicher Zeit geführt und die, wie wir gejehen haben, Ende Auguf zu einem gewilfen Abichluß gefommen waren, den Schweben gegenüber fich gänzlich außgefchwiegen hat. Den Refidenten Wolfsberg ließ man in dem Glauben, man erwarte mit Ungebulb vom König von Polen die KRatifilation des Neutralitätsvertragee. Nur fonnte Wolfsberg nicht erfehen, ob das Projeft und der Vertrag gleich- lautend, oder ob man in dem letzteren den ſchwediſchen Erinnerungen Rechnung getragen habe. Entſchloß fich Wolfsberg auch zu wieder- holten Anfragen bei Schwerin und Somniß, jo wurde ihm daß eine Mal die Antwort, man babe ja von allem, was vorgebe, Schlippen- bach Nachricht gegeben, ein ander Mal, in wenigen Zagen werde man einen Erprefien an Karl Guſtav mit umftändlichen Mitteilungen fenden. „Sn summa,” fügt Wolfeberg feinem Schreiben hinzu, „das gegenwärtige Comportement bHiefigen Hofe kommt mir gar feltfam für, und kann ich nichts andere daraus fchließen, ala daß ein Theil endlich betrogen werden muß, es treffe, wen e8 wolle.” Gelbit als Friedrich Wilhelm jchon nach Wehlau abreifte, wußte Wolfsberg noch nichts Sichere. Man hatte alle diejenigen, mit denen ex im Verkehr ftand, gewarnt, fich in längere Unterredungen mit ihm einzulaflen, „weil ih Einen oder Andern audzufragen gar liftig wäre”!). Man verjuchte aber, ihn auf einer falfchen Fährte zu halten. Er berichtet darüber: „Am vergangenen Dienftag (11. September) hat man Dobrzenski zu mir geſchickt und fich erlundigen Laffen, weil die Sachen in ſolchen ter- minis verfirten, daß 3. Ch. D. mit ben Polen unumgänglich eine Neu⸗ tralität eingehen müßten, und e8 vornehmlich auf den Punkt wegen der Pafſage anlommen wollte, was auf den Yall, daß die Polen nicht davon abftehen wollten, zu thun wäre, ob ©. Ch. D. desfalls das Werk über Haufen werfen und die Extrema abwarten follten.“ Natürlich mußte Wolfsberg antworten, daß Karl Guftav unter allen Umftänden fic) das freie Durchzugsrecht vorbehalten müſſe.

Wie vorfihtig man auf des Kurfürften Seite glaubte fein gu mäüffen, zeigte der Umftand, daß, ala er nach Labiau gelommen und dort die Nachricht anlangte, Gonfiewski fei noch nicht nach Wehlau ge- gangen, weil ihm Bedenken gegen einige Beftimmungen des Vertrages aufgeftoßen, Einzelne vom Hofftaat nah Königsberg zurüdgeführt wurden, um dort die Nachricht zu verbreiten, man bejorge auf Seiten der Brandenburger, daß die Polen fich bedacht und wahrfjcheinlich nichte

1) Schreiben Wolfsbergs vom 14. Sept. 1657.

17] Schweden, Brandenburg, Magdeburg 1657. 1658. 17

auß der ganzen Sache werden würde!). Wolfsberg teilt dies feinem König ſofort mit und fügt Hinzu, er wife, daß die Polen allerdings von der Kleinmütigkeit des Eurfürftlichen Hofes gut unterrichtet feien. Dann aber fährt er fort: „Ach fürchte, man wird es bei der Neutralität allein nicht verbleiben laſſen, ſondern Außerften Fleiß anwenden, wie einesteild durch Pochen und Schreden, andererjeit3 aber durch allerhand Promeſſen und Offerten der Kurfürft ad pristinum statum reduciret und gegen Ew. K. M. wieder aufgewiegelt werden möge. Geftalt mir dann vorgeftern im höchſten Vertrauen entdedt worden, was geftalt gegen Ew. 8. M. und dero Kron gar gefährliche conspirationes unter Handen fein follen, insgefammt dahin gehend, wie Ew. K. M. von des römischen Reiches Boden abgetrieben werden mögen, weil boch ehe und bevor ſolches gejchehen, im Reich kein beftändiger Frieden zu Hoffen, zumal da nicht allein die fchwedifche Nation fehr Triegsbegierig wäre und ohne Kriege nicht leben könnte, noch man fichere Nachbarichaft von ihnen zu gewarten haben Lönnte, fondern auch Frankreich, fo lange Pommern und Bremen in Ew. K. M. Händen und einige Affiftenz von daraus zu boffen ftünde, das römifche Reich nicht in Ruhe laffen würde. Zu Voll» führung ißerwähnten Deſſeins wäre jeko, da Ew. K. M. mit foviel mächtigen Tyeinden umgeben, die eriwünfchtefte Gelegenheit, wenn, nebjt den Polen, Ofterreih und Brandenburg Pommern attadirten und dem König in Dänemark foviel Luft machten, bis fie ſich mit dem Haufe Braunfchweig » Lüneburg und den nächſt herumgelegenen Tatholifchen Bilchdfen (welche insgeſammt Ew. K. M. Nachbarſchaft fchon über- drüßig wären) conjungiren und entweder Ew. K. M. mit gefaınmter Macht in den Rüden gingen oder der FürftenthHümer Bremen und Berden fich bemeiftern könnten. Churbrandenburg joll man ganz Pommern in kurzem liefern zu können promittiren, weil die Plätze gar fchlecht ver⸗ fehen, auch ſchon gute Intelligenz vorhanden, Dänemark auch in der Dftfee Meifter wäre, daB alfo ab Waſſer ein Entſatz zu vermuthen ſtünde. Die Promefien und Kareffen fo von dem Haufe Üfterreich diefem Kurfürften, um ihn gegen Ew. K. M. mitanzufpannen, gethan werden, follen mannigfaltig fein, und anfänglich nicht jo eben die wirt- liche Eonjunction, als nur die freie Paſſage durch fein Land und Päſſe, gefucht worden fein.” Man erzähle auch, daß Üfterreich bereit einige Regimenter nad Pommern in Marſch gejett Habe.

Alarmierend genug war 'diefer Brief,” Dan fieht, daß Wolfsberg felbft fein Vertrauen zu einem gütlichen Ausgleih mit Brandenburg

——

1) Schreiben Wolfsbergs vom 18. Sept. 1657. Forſchungen z. brand. u. preuß. Geſch. VII. 1. 2

18 Wilhelm Arndt. [18

hatte. Was hätte er wohl gefagt, wenn er das Geheimnis von Wehlau ganz durchfchaut und gewußt Hätte, welche jchwerwiegende Verträge bort im Beifein des Kurfürften am 19. September unterzeichnet waren? Aber man verfchtwieg ihn alles, und troß aller angewandten Mübe konnte er auch nach der Rückkehr des Hofes nach Königäberg nicht das Ge- ringite erfahren; Hatte der Kurfürft doch fogar von Hoverbed noch von Wehlau aus geichrieben !), er werde den Vertrag vorfichtehalber zunächſt nicht publicieren, „fonbern, was gefchieht, auf die Neutralität nehmen.” So wurde es Wolfeberg, jo Karl Guftan felbft gegenüber gehalten. An Wolfeberg teilte Fürſt Radziwil nur mit, die Neutralität fei bis auf den Punkt, der die freie Paffage für Karl Guſtav beträfe, welche die Polen keinesfalls zugeben wollten, fo daB dies zur endgültigen Ent- ſcheidung des Königs von Polen hätte geftellt werden müſſen, gefchlofjen. An Karl Guſtav aber fjchrieb?) Friedrich Wilhelm felbft, drei Tage nach feiner Rückkehr, am 24. September 1657: ala der König, um den bänifchen Feldzug anzutreten, aus Preußen gegangen, babe er ihm durch Schlippenbach veriprechen Laffen, nach zwei Monaten wieder nach Polen zurückzukehren. Diefe Friſt fei verftrichen, noch zwei Monate Länger habe er, der Kurfürft, gewartet, ehe er fich zu entjcheidenden Schritten entjchloffen. Nun jei Krakau gefallen, das feindliche Heer bedrohe fein Land, deflen Bürger den Untergang fürchteten und ihn bejchworen hätten, fie diefem nicht auszuſetzen. Notgedrungen habe er mit Gon- fiewafi und anderen polnifchen Bevollmächtigten unterhandeln möüffen. Freilich) Hätten die Polen dabei hart darauf beitanden, daß die freie Pafſage durh Pillau und Memel ihren Feinden verichloffen würbe. Diejer Puntt, fowie der ganze Vertrag, bedürfe jedoch noch der Rati- fifation der Polen. Er Hoffe, daß auch der König der unvermeidbaren Notwendigkeit Rechnung tragen und fein Vorgehen billigen würde, zumal bderfelbe ja immer den Wunſch ausgedrüdt habe, mit den Polen zum Frieden zu kommen. Wenn Karl Guftav ihm mitteilen wolle, wie er in Bezug darauf jet denke, wolle er, der Kurfürft, alle Kraft an» fpannen, um den Frieden zu vermitteln. Cine Abſchrift des Neu- tralitätsvertrages war diefem Schreiben nicht beigelegt! Es wurbe übrigens don Karl Guftad unerbrochen zurüdgegeben, weil es in deutjcher ftatt in Iateinifcher Sprache abgejaßt fei, auch weil auf der Adreſſe

1) Urkunden und Altenftüde zur Geſchichte des KHurfürften Friedrich Wil: helm von Brandenburg VII, 218.

2) Das Schreiben im Auszug UN. VIII, 233 f. und ausführlicher bei Rufendorf, Friedrich Wilhelm, VII S 1.

19] Schweden, Brandenburg, Magdeburg 1657. 1658. 19

„Großmächtiger“ ftatt „Sroßmächtigfter” jtand. Der Verdacht Liegt fehr nahe, daß man diefe Yormfehler mit Vorbedacht begangen, entweder um bei der vorauszufehenden Zurüdweifung des Schreibens Zeit zu ge- winnen oder um den Schwebenkönig vor den Augen der Welt in? Un-« recht zu jeßen. Vielleicht Hatte man fogar darauf gerechnet, daß Karl Guſtav gleich gegen Brandenburg Losfchlagen werde. Dann konnte man den noch zögernden König von Böhmen mit fi} jortreißen, dann batte man nicht felbft den Krieg erklärt, jondern der in Kriegsruhm fich be» taufchende Schwedenlönig ihn vom Zaune gebrochen.

Wolfsberg Hat übrigens fchon frühzeitig richtig erraten, daß neben dem Neutralitätsvertrag ein Nebenreceß vorhanden fein müfle, daß binter der Zufammentunft in Wehlau mehr verborgen fein müfle, ala man ihm mitzuteilen für gut befunden. Nahm er am 1. Oktober Ge- legenheit, den Kurfürften direkt zu einer Ausfprache darüber zu be= wegen, jo gelang es ihm doch nicht und wie hätte das fein Lönnen ? aus demjelben etwas herauszulocken; nur das geftand Friedrich Wil- helm ein, daß Polen ihm, wenn es zu einer allgemeinen Friedens⸗ Handlung käme, die Souveränität ſowie einen teilweifen Erſatz der bisher aufgewandten Kriegskoſten zugejagt hätte. Jedenfalls Hat der ge⸗ wagte Schritt, den Kurfürften zum Reden zu bewegen, nicht dazu bei- getragen, die Stellung Woljebergg am Hofe zu befiern. Man wurde merklich „Laltfinnig“ gegen ihn, ja man deutete ihm fogar an, daß, wenn er bei der Abreife Friedrich Wilhelms fi auch auf den Weg machen wolle, er dies auf eigene Gefahr bin zu thun Habe. Wolfjsberg dachte infolge deffen zuerſt daran, mit den kurfürſtlichen Schiffen nach Kolberg au gehen, hat fich aber dann doch, da deren Abreife fich verzögerte, ent= ſchloſſen, im Gefolge des Kurfürften den Landweg einzufchlagen. In⸗ zwilchen war von Karl Guftav an Wolfsberg die Weiſung!) gefchidt, bei paſſender Gelegenheit beicheidentlich gegen die mit Polen gejchloffene Neutralität zu proteftieren, gleichwohl dabei aber zu verfichern, daß ber König nicht glaube, der Kurfürft würde Hierbei etwas eingegangen fein, was der Perfon des Königs oder der bisher zwiſchen ihnen beftandenen Freundſchaft nachteilig fein könne. In einer eigenhändigen Nachſchrift zu dieſem Schreiben jagt Karl Guſtav: „Ich beklage den guten Kur⸗ färften, dann ich genug feiner Affeltion gegen mich verfichert bin, aber die Apoftel taugen nicht; vielleicht das Wert kann fi) noch ändern, und dieſer Kurfürſt mehre Sicherheit in meine Treundichaft ala in anderer Bertröftungen ſetzen kann.“ Und in einer wenige Tage ſpäter

1) Schreiben Karl Guſtavs aus Wolgaft, 5. Oktober 1657. Archiv Stodholm. 2 *

20 Wilhelm Arndt. [20

abgejandten Nachfchrift") Heißt es noch bezeichnender: „Ihr müßt fuchen dem Kurfürften die unnöthige Yurcht zu benehmen, ala wenn ich nicht mit feiner Neutralität zufrieden wäre, welches dann viel ander? ift, und ich ihm Lieber die Neutralität gönne als jeiner Lande Ruin; ich auch aus der continuirlichen Experience habe, daß ich die Affiftenz vom Kur⸗ fürften nicht allemal babe habhaft können werden, befonders ich wohl judicire, daß dem Furfürftlichen Eftat nicht anftändig ift Krieg zu führen, fo lange die Ministri, welche nun das prae haben, beim Ruder fiten, und der Kurfürft ihrem Rath wohl folgen müßte, wie ich zum öftern und mit höchftem Schaden bin wahrgeworden.“

In Saalfeld, wohin Friedrich Wilhelm am 20. Oftober gelommen und wo ein mehrtägiger Aufenthalt genommen wurde, konnte fi) Wolfsberg feines Auftrages entledigen ). Er Hatte infolge deß mit Schwerin und Somnib eine längere Unterredung, in welcher jeboch dieje beiden branden- burgifchen Bevollmächtigten Teinerlei neue Eröffnung machten, jondern nochmal verficherten, außer der Einftellung der Feindſeligkeiten, fei nichts mit Polen abgemacht worden. Alles ziele ja nur darauf bin, den von Karl Guftav jeldft gewünſchten Frieden mit Polen zuftande zu bringen. Wie mißtrauiſch aber Wolfsberg ſchon geworden war, erfiebt man daraus, daB er feinem Bericht über diefe Verhandlung die Worte Hinzu- fügt: „Es muß zwar ifo alles den Namen haben, als wenn es zur Beförderung des Friedens angefehen ſei. Wenn ich aber die vorigen Zeiten mit den gegenwärtigen collationire und des biefigen Hofes Zu⸗ ftand und Humeur betrachte, jo fommt mir dies Weſen fait eben für, ala wenn es auf eine Pirnaifche Conferenz und Pragifchen Schluß aus⸗ laufen, und daß man conditiones nad; eigenem Gefallen aufjegen und folche anzunehmen Ew. Königl. Majeftät zumuthen dürfte” Das war deutlich geiprochen! Noch war ja die ganze evangelifche Welt voll von dem „Judaswerk der Albertiner”, wie die Mitlebenden den Prager Frieden nannten!

Kurze Zeit darauf erfolgte der Einzug ded Kurfürften in Brom⸗ berg. Wolfsberg fand, dab der Aufenthalt in diefer Stadt ihm feine Sicherheit biete, und blieb während der ganzen Zeit bei dem kurfürſt⸗ lichen Leibregiment, daB zwei Meilen von Bromberg entfernt ein- quartiert war. Bon dem was in Bromberg vorging, bat er perjönlich nichts nriterlebt, und feine vielfältigen Bemühungen etwas durch Andere zu erfahren, Hatten jo gut wie gar feinen Erfolg. Man hat auch bier

1) Schreiben aus Wollgaft vom 8. DOftober 1657, ebenda. 2) Schreiben Wolfsbergs aus Saalfeld vom 23. Dftober 1657.

21] Schweden, Brandenburg, Magdeburg 1657. 1658. 21

ihn abfichtlich irre geführt, denn „der gute Freund, der ihm im höchften Bertrauen offenbarte”, wie man dem Kurfürjten hart zugejett, fich ala» bald Teindlich gegen Schweden zu erklären und feine Truppen mit denen der Polen und Gefterreicher zu vereinigen, wie aber Friedrich Wilhelm teft an der Neutralität gehalten und den Polen auch die geringite mili- tärifche Hülfe verfagt habe, ja fogar feine ſchon bis in die Gegend von Schneidemühl vorgefchobene Armee nach Bromberg zurüdbejehligt babe, um den Bolen den Ernft der Sachlage klar zu machen, bat ficherlich Wolfsberg im höheren Auftrage tüchtig dupiert.

Am 16. November traf Wolfsberg in Berlin ein. Dieſe Refidenz des Kurfürften bietet in den folgenden Monaten ein wunderbares, an Abwechfelung überaus reiches Bild dar. Beinahe alle europäifchen Groß⸗ mächte find dort durch ihre Gefandten vertreten; es beginnt ein faft ver- zweijeltes Werben um die Allianz Brandenburgs. Während Schweden und Frankreich im Bunde e8 unternahmen, den Kurfüriten wieder ganz an Karl Guſtav zu fefleln, Haben Oefterreich, Polen und Dänemark mit befierem Erfolge verftanden, den ſchon geichlungenen Knoten fefter zu ſchürzen. Die Bolitifer der Generalftaaten find in fieberhafter Auf- tegung, die Trage nach ber Freiheit des Oſtſeehandels, oder vielmehr der alleinigen Ausnüßung deſſelben, fchien ihnen in Berlin zur Ent- fheidung zu fiehen. Auch nach England reichen ftarle, in Berlin an- geknüpfte Yäden, neigen fi die Generalftaaten Dänemark zu, jo be- gänftigt Cromwell Schweden. Dazu kommt die große, das damalige Deutichland bewegende Frage nach der Kaiferwahl, die längft aufgehört Hatte, eine rein innere Trage zu fein, die vielmehr, im eminenteften Sinne des Wortes, eine europäifche geworden war. Parallel Laufen die Berhandlungen unter den deutjchen Mächten, die fchon lange im Gange, in diefen Monaten mit größerem Eifer betrieben, endlich zu dem unter Frankreichs und Schwedens Aegide ftehenden Rheinbund des Jahres 1658 führen follten. Man darf wohl dreift behaupten, daß fich jelten den brandenburgifchen Diplomaten ein größere® Arbeitsfeld eröffnet batte, ala in diefen bewegten Monaten. Wie oft mögen in diejfer Zeit die leitenden Minifter des Kurfürften, wie oft er jelbft, fich die bange Stage vorgelegt haben, was aus allen diefen Wirrniffen für den jungen Staat, dem fie angehörten, entjprießen werde! Der getreue Weimann fchreibt einmal in jenen Tagen: „Männiglich ruft, Deutjchland müfſſe fih bei dieſer Gelegenheit jäubern, wäre man auch einig, fo wäre es leicht zu thun.” Die Einigkeit jollte erft nach mehr ala zweihundert⸗ jähriger harter Arbeit erftritten werden, aber in jenen Tagen zeigen fich uns die erften Regungen bes Großftaates Preußen !

22 Wilhelm Arndt. [22

Die Hauptforge des Kurfürften war die Ergänzung und Erneuerung feiner Armee. In jenen Zeiten, wo nur auf den Schall der Werbe- trommel bin die Regimenter gebildet werden konnten, Leine leichte Auf- gabe. Sie wurde erjchwert durch die Not des Landes, das nach den Stürmen des dreißigjährigen Krieges noch nicht zu dauernder Ruhe ge- fommen war, wo die nötigen Geldbewilligungen den widerftrebenden Ständen in unerquidlichiten Verhandlungen abgerungen werden mußten. Subfidien von fremden Mächten, die Friedrich Wilhelm ind Auge ge- faßt Hatte, blieben aus. DBerjprechungen folcher find ihm genug gemacht worden, aber fie jollten doch nur dazu dienen, ihn feft und willenlos mit dem Staate, der fie machte, zu verbinden. Im lebten Grunde war auch jetzt das Eleine Brandenburg ganz auf fich ſelbſt angewiefen.

Daß eine volle Löfung Brandenburg von Schweden eingetreten, wurde Karl Guſtav und feinen mit dem Kurfürften verhandelnden Diplo- maten Schlippenbach und Wolfsberg bald Mar. Mochte fih Schlippen- bach in feinem langathmigen Schreiben und Memorialen, die er an Friedrich Wilhelm richtete, auch den Anfchein geben, ala ob das Ber- hältnis zwilchen Brandenburg und Schweden noch das alte, oder ein nur dorübergehend getrübtes fei, in feinem Innern war er wohl vom Gegenteil überzeugt. Wolfsberg bat fi auch nicht einmal mehr folden Illuſionen Hingegeben. Seine Berichte werden an politifchem Anhalt von Tag zu Tag ärmer, reicher an Mitteilungen über Vor⸗ bereitungen zum Kriege, die man in des Hurfürften Landen treffe. Und dennoch hat in jenen Monaten Friedrich Wilhelm eg nicht an höchit ernfi= haften Verſuchen fehlen laffen, den Generalftieden zwiſchen Schweden einerjeit3 und Brandenburg, Polen, Dejterreih und Dänemark anderer- ſeits zuſtande zu bringen. Freilich mußte er fich bald genug fagen, daß Karl Guſtav kaum geneigt fein werde, den Preis, den man von ihm für das Zuftandebringen des Friedens forderte, nämlich den völligen Ver⸗ zicht auf das Lönigliche Preußen, zu zahlen.

Jedenfalls hat Karl Guftav bald genug nach dem MWehlauer Ab» fommen Mißtrauen gegen den Kurfürften gefaßt. Dafür fpricht fein am 21. Oftober an benjelben gerichteter Brief!), von dem Friedrich Wil⸗ helm in feinem Antwortfchreiben ?) jagt, er hätte erwartet, in ihm Vor⸗

1) In deuticher Ueberſetzung bei Londorp VILI, 200.

2) Bom 22. November 1657. Lateiniſch bei Rudawski, Historiarum Po- loniae ab excessu Vladislai IV ad pacem Olivensem usque libri VI, Warſchau u. Leipzig 1755, ©. 359, deutfch bei Londorp VIII, ©. 206. Die im Tert an- geführten Worte lauten im lateinifchen Original: „Verum praeter omnem

23] Schweden, Brandenburg, Magdeburg 1657. 1658. 28

fchläge zu finden, wie der Frieden herbeizuführen, habe aber gegen alles Hoffen und Erwarten nichts dergleichen , vielmehr eitel Verweiſe darin vernommen. Dieſes Schreiben de KHurfürften ift mit zwei anderen, an demſelben Zage außgefertigten Briefen, in dem einen fteht die Mitteilung, daB nach dem mit Polen gefchloffenen Vertrage er den ſchwediſchen Truppen weder durch Pillau, noch durch Preußen und Pom- man freien Durchzug geitatten dürfe, in dem andern bietet er fich als Friedensvermittler zwilchen Schweden und Polen an durch Ledebaur an Karl Guſtav überbracht und in Wismar am 7. Dezember übergeben. Der Beriht'), den Ledebaur dem Kurfürſten am 25. Dezember über feine Berrichtung abftattete, giebt ein getreue® Bild von der Stimmung, die am fchwedifchen Hofe gegen Brandenburg herrichte. Während Karl Guſtav fi zurüdhält und feine Worte vorfichtig abwägt, haben Schlippenbady und die fchwebifchen Generäle deutlicher geſprochen. Ein⸗ zelnes ſei daraus hier mitgeteilt. Am 7. Dezember abends ift Ledebaur zur Abendmahlzeit beim Generalmajor Mardenjeld. Als die Becher freifen, äußert fich Schlippenbah, „daß die Prosperität des Haufes Brandenburg nicht wohl beftehen könnte ohne gute Intelligenz mit J. 8. Maj. zu Schweden. Gleichwohl fuchte man fich zu fepariren.“ Ledebaur fchwieg dazu ftille, „weil er folches in Commiſſion hatte”. „Der Pfalzgraf von Sulzbach aber wollte einen Vers machen und fagte: Nec tecum vivere possum, nec sine te.“ Am 8. Dezember bejucht Ledebaur den Strafen Schlippenbah. „Wie fteht es, Was bringt Ahr uns, Gutes oder Böſes? Und feid Ihr noch unfere Freunde oder jeid Ihr unfere Feinde?" Mit diefen Worten beginnt der ſchwediſche Diplo- mat die Unterhaltung. Auf die Verficherung Ledebaurs, das hänge ganz von ihnen, den Schweden, ab, rüdt ihm Schlippenbach mit weiteren ragen und Borwürfen auf den Leib. Ob es wahr wäre, daß Branden- burg mit Dänemark eine Allianz gefchlofien Habe? Alle Anzeichen Iprächen dafür. Mit Defterreich Fünftele man im geheimen. „Ob das Freundſchaft zu nennen wäre, mit 3. Maj. Feinden zu correspondiren und Allianzen zu machen; und gefeßt, daB es nicht gegen fie wäre, warum man es dann jo heimlich Hielte? Allianzen dürfte man nicht heimlich halten.” Mißtrauen müſſe auch erweden, daß Schwerin und Somnitz allein alle Berhandlungen geführt, die anderen Minifter nichts

spem et exspectationem acceidit, ut nihil eius generis in istis literis, sed potius mera exprobratoria deprehenderemus.* Die beiden anderen Schreiben bei Rudawski, S. 361 und 362, Londorp S. 207 u. 208.

1) Im Auszug UA. VIII, 286 ff. Sch benute da3 im Berliner Archiv vorhandene Original.

24 Wilhelm Arndt. [24

don bdenjelben erfahren Hätten. Wenn Karl Guſtav dem Kurfürften nachgelaffen babe, ſich mit den Polen außeinanderzufeten, jo verftehe ſich doch wohl von felbit, daB die zwifchen Schweden und Brandenburg ge- Ichloffenen Verträge nicht dadurch berührt werden dürften. Man müfle annehmen, daß mehr darunter verborgen läge, ala man zugeben wolle; man wifle zudem, daß Brandenburg fich verpflichtet Habe, wenn fein Friede zwifchen den beiden Kronen zuftande käme, Kraft der alten, ebe- mals mit den Polen eingegangenen Verträge, diefen eine gewilfe Anzahl Volks zuzufenden. Daß wäre doch feine Freundichaftserweifung gegen Schweden. Ledebaur möge an Schwerin jagen, er, Schlippenbadh, ließe ihn dienftlich grüßen, bäte ihn jedoch, feine Maßnahmen fo einzurichten, daB Karl Guſtav und der Kurfürft Freunde bleiben könnten. Das werde dem edangelifchen Wejen nüben, dann würde es allzeit wohl um die beiden Herren ftehen. „Sollten aber Ew. Ch. ©. mit 3. 8. M. Teind werden, welches er nicht hoffen wolle, müßten e8 auch J. M. ge: ſchehen Laffen; eg würde J. M. etwas incommodiren, aber Ew. Eh. D. würden feine Seide dabei fpinnen, fondern den Krieg in berofelben Länder ziehen. Wann fie an ihrer Seite alſo fünfteln wollten, dürfte er wetten, daß fie die Polen, den Herzog von Neuburg und Andere wider Ew. Ch. D. animiren wollten.” Er wiſſe, daß Einige dem Kurfürſten ge- raten hätten, auf die Schweden, weil dafür jeßt die rechte Zeit gelommen fei, loszuſchlagen, daß man vorgeitellt, auf dieſe Weile könne Friedrich Wil- helm Pommern wiederbefommen. Auch der franzöfifche Gefandte Terlon, bei welchem Ledebaur am 11. Dezember fpeifte, ließ eg nicht an Warnungen fehlen. Er wolle nicht Hoffen, daß Friedrich Wilhelm die Partei von Deiterreich gegen Frankreich und Schweden!) nehmen würde Er er Härte, daß das von Frankreich erbetene Subfidiengeldb zur Auszahlung an Brandenburg in Frankfurt bereit läge, freilich müſſe man vor ber Auszahlung genau wiffen, was der Kurfürft beabfichtige. In einer legten Unterredung äußerte Schlippenbacdh , fein König ließe den Kur⸗ fürften verfichern, daß der Frieden, den derjelbe mit Polen gefchlofien, ihn nicht „irritiere”, und daß er nur wünjche, Friedrich Wilhelm möge fi bei demfelben „wohl befinden”. Dann teilte Schlippenbah an Ledebaur mit, daß allerdings er e8 geweien, der Karl Guſtav auf das Entjchiedenjte abgeraten habe, das königliche Preußen aufzugeben, darin beitände ihre Sicherheit. Wenn es aber wirklich zum Frieden kommen

1) Die Worte „und Schweden” fehlen in dem U.A. VIII ©. 238 gegebenen Auszug.

25] Schweden, Brandenburg, Magdeburg 1657. 1658. 25

würde, dann follte dies fein Hindernis fein, fie könnten dann wohl auf Preußen verzichten. „J. Maj. hätten vor, Preußen Em. Ch. Durchl. in die Hände zu fpielen; fo könnten Sie umſobeſſer verfichert jein und würde alle Jalouſie dadurch aufgehoben werden, weil man vermeinte, daß den Schweden Pillau und Memel in der Nafe ftedte, und aladann bätte man fich feiner Schweden zu bejabren und könnte Meifter von Preußen fein. Hernach müßte ein ewiger Frieden zwiſchen 9. M. und E. Ch. D. gemacht werden, fo würden fie beide allezeit confiderabel fein.” Schließlich ſprach Schlippenbach den Wunfch nach einer perjön- lichen Unterredung mit Schwerin au8.

Am 16. Dezember wurde Ledebaur von’ dem Schwedenkönig, der bei diejer Gelegenheit noch einmal jeine Friedensliebe beteuerte, entlaffen. Am 19. Dezember langte er wieder in Berlin an und überbrachte dem Kurfärften drei Schreiben!) Karl Guſtavs ala Antwort auf die oben er- wähnten, an ihn von Friedrich Wilhelm abgejandten Briefe. Es ftellte fich fofort heraus, daß Karl Guſtav auf die Bedingungen, die der Kur- fürſt mit den Polen in Bezug auf den einzugehenden Frieden an Schweden geftellt, gar nicht geantwortet, daß der große, weitläufige Brief jehr Heitig und „puyant“ ?) und dem KHurfürften alle Schuld zu⸗ ſchiebe. Dean Hatte im brandenburgifchen Minifterium wahrlich allen Grund, an der Friedensliebe, deren die Schweden fi rühmten, zu zweifeln. Dazu fam, daß man in Berlin fich allerlei von böfen Abe figten, die der Schwedenkönig bege, erzählte. Karl Guſtav folle fchon im Anfang Dezember bei Tiſch gefagt haben: es wäre ein vornehmer, der reformierten Religion zugethaner Herr, welcher allerhand Brouillerien anftifte, er wolle aber denjelben fo ein zu machen fuchen, daß man hinfort feinetwegen ungeirrt jein könne Auch hatte fi dad Gerücht verbreitet, Karl Guſtav habe die Abficht, mit 4000 Reitern und Dra-

1) Das ausführlichfte, welches die ganze von Brandenburg feit dem Anfang des Jahres 1656 innegehaltene Politik Eritifiert, Lateinifch bei Rudawski, S.368 ff., deutſch bei Londorp VIII, 211 ff. Ein anderes in deutſcher Spradde in UN. VIIE 234. Ein drittes, lateinisch, ungedrudt, im Berliner Archiv. Alle find vom 16. Dez. 1657 datiert.

2) Schwerin an Weimann, 25. Dezember 1657. Berliner Archiv. Ob zu lejen ift: piquant? Auch Wolfsberg fchreibt am 26. Dezember, das Antwort: ſchreiben Karl Guſtavs jei im Geheimenrat verlefen und beraten. „Die meiften follen ſich darüber formalifirt, e für jehr anzüglich und piquant gehalten haben.“ Derjelbe am 1. Januar 1658: im Geheimenrat fei zum zweiten Mal Beratung gepflogen und beichloffen, dab „ohne Verkleinerung ©. Ch. D. Reputation, ſolch Schreiben, ala welches mit allerhand choquanten Dingen befpidet und einem Manifeft gleich wäre, nicht unbeantwortet gelafjen werden müßte.“

26 Wilgelm Arndt. [26

gonern durch Hinterpommern nach Preußen zu gehen und dafelbit den Kurfürft anzugreifen). Die Eriegerifche Stimmung in der Refidenz und in der Mark Brandenburg wuchs von Zag zu Tag, alle Welt redete von Krieg, offen ſprach man es aus, daß jebt die rechte Zeit gekommen, um die Schweden aus Pommern und aus dem Reich überhaupt heraus⸗ zujagen. |

Dergleichden Gerüchte und, fo dürfen wir Dinzufügen, die Macht der Thatfachen, befümmerten den Schwedenlönig mehr, als er offen einzugeftehen wagte. Während er fich den Anfchein giebt, die Ab- machungen Brandenburgs mit Polen als einen ziemlich harmloſen Neu⸗ tralitätsvertrag aufzufafien, weiß er genau, welche Gefahren ihm don jener Seite drogen. Er Hat ein tiefe Bedürfnis nach Frieden. „Ich muß Frieden Haben, entweder mit Dänemark, Polen oder Rußland. Könnte ich Frieden mit ihnen allen befommen, wäre es freilich beſſer,“ fchreibt ?) er in jenen Tagen einmal an einen Bertrauten. Aber den Frieden mit Opfern, die ihm unverhältuismäßig erfcheinen mußten, zu erfaufen, fam ihm doch nicht in den Sinn. Er hätte damit ein Ver⸗ dammungaurteil über feine ganze bisher innegehaltene Politit aus» geiprochen, aber auch die Politik feiner Vorgänger, die auf die Oſtſee⸗ herrichaft zielte, damit getroffen. Bon Unterbandlungen bat er nie viel gehalten. Er war fein Bolitiler großen Schlages. Den Feind zu Boden werfen, ihm dann den Frieden zu biktieren, fchien ihm rühm⸗ lichfte Aufgabe. Darin unterfcheidet er ſich am meiften von Tyriedrich Wilhelm, der feine Erfolge bis dahin mehr in geſchickt geführten Ver⸗ handlungen al® auf dem Schlachtjelde erreicht Hatte. Karl Guſtav weiß genau, wie der Kurfürft veranlagt, mit Groll muß er fich geftehen, daß er im diplomatifchen Spiel ihm gegenüber bisher doch den Kürzeren ge⸗ zogen hat. „Sch habe nächſt Defterreich keinen mehr anzullagen als Brandenburg.” Das ift ein Bekenntnis, das er in jenen Tagen ge« macht hat®). Und da er den Kurfürften kennt, muß er gewärtig fein, daß diefer doch im Geheimen gegen ihn operiert, daB er eine Tages die vereinte Macht der Brandenburger, Defterreicher und Polen zu be= ftehen haben werde. Seine Eroberungen in Dänemark bejchräntten fich gegen Ende des Jahres auf das Feſtland. So Lange die Inſeln nicht in feinem Befit waren, hatte er nicht fo gefiegt, twie er zu fliegen wünſchte.

1) Schreiben Wolfebergd an Karl Guftav. Berlin 8. (18.) Dezember 1657.

2) An den Reichsdroſten P. Brabe, 8. (18.) November 1657, mitgeteilt von Carlſon, Gefchichte Schwedens, Bd. 4, ©. 248 ff.

3) Ebenda.

27] Schweben, Brandenburg, Magdeburg 1657. 1658. 27

Mit der Erftürmung von Syriebrichaöbde (3. November 1657) war wenigflen® der Webergang nach Fühnen ermöglicht worden. Wann er zu bewerfitelligen, war vorläufig nicht abzuſehen. Zeit mußte der König gewinnen, bis der Winter ihm die Möglichkeit ſchuf, von Schleswig aus über das Eis auf die Inſeln zu gelangen. Ob er nicht in- zwiſchen im Rüden von den Brandenburgern, Defterreichern und Polen angegriffen werden würde, wußte er nicht. Dafür, daß er es gefürchtet, ift doch der beite Beweis, daß er nach den erjten Tortichritten, die er auf dem dänischen Feſtland gemacht, fich nach Wismar zurüdbegab und dort monatelang Aufenthalt nahm, die Yortführung des dänifchen Krieges zunächft feinen Generälen überließ, freilich auch daneben auf Stärkung feiner maritimen Streitkräfte von diefem Orte aus jorgfamen Fleiß ver- wandte. Gewarnt war Karl Guſtav zu wiederholten Malen vor Brandenburg, am ftärkiten vielleicht von feinem Bruder Adolf Johann !), den er ala Generaliffimus in Preußen zurüdgelaffen Hatte. Auch Wolfsberg Hatte e8 in feinen Berichten nicht an Warnungen, wie wir geiehen haben, fehlen laſſen. Wenn der König dennoch dem allen nicht Gehör gab und alle feindfeligen Schritte gegen Friedrich Wilhelm unter- ließ, feinem Bruder ſogar ausdrüdlich anbejahl, fich nicht® merken zu laſſen, wohl aber im geheimen auf feiner Hut zu fein, jo läßt fich dies nur dadurch erfiären, daß dag Geheimnis von Wehlau anfänglich gut bewahrt blieb, jowie dadurch, daB Karl Guſtav Hoffte, durch neue, reichere Anerbietungen den Brandenburger gewinnen zu können, den er, wie alle Welt damals, für einen wankelmütigen, zu jeder Zeit don dem Meiſtbietenden Täuflichen Charakter bielt. Aber gegen Ende des Jahres mußte ex fich jagen, daB auch diefe Hoffnung fehlichlagen würde. Zunächſt will er möglichite Klarheit über die Sachlage haben. An Wolfsberg fchreibt er am 20. Dezember?): „Es iſt uns fehr hoch und merklich daran gelegen, daß wir um jelbigen Hofes Verſtäͤndniß mit den Öfterreichern und Bolen, und ob diefelbe zu einer Gonjunftion der Waffen ausfchlagen, und auf eine Invafion in Pommern oder Holftein angejehen jein jollte, gründliche Nachricht haben.“ Am 31. Dezember fragt er bei demfelben an, ob es wahr fei, daß an die im Kleviſchen und Mindenjchen Tiegenden Truppen der Bejehl ergangen fei, nach der Mark zu marfchieren, ob die in der Markt jelbft ſtehenden Völker angewiefen feien, fich zum Aufbruch bereit zu halten. Man melde ihm

1) Pufendorf, Karl Guſtav, IV, 8 32. 2) Dies fowie das Folgende nach ben Akten im Stodholmer Archiv.

28 Wilhelm Arndt. [28

von verfchiedenen Seiten, daB der Kurfürft nichts Gutes vorhabe, daß es namentli” mit feinem Grbieten, den Frieden zwiſchen Polen und Schweden zu vermitteln, nicht mehr Ernft fei, daß derjelbe nur zum Schein fih darum bemühe, in Wirklichleit aber „das Werk brouilliren und in Gonfufion jegen” wolle. Das Jahr 1657 follte nicht ablaufen, ohne dem König die Klarheit, die er wünſchte, zu verſchaffen.

Es iſt wunderlich, wie bisweilen Ereigniffe, die an und für fich geringfügiger Natur find, den Lauf der Dinge bejtimmen. Ein folches trat im Dezember 1657 ein. Dan erfieht aus dem Nachhall, den eg auf ſchwe⸗ difcher Seite wedte, feine allmählich fteigende Bedeutung. Hatte Karl Guſtav bis dahin geglaubt, daB er dennoch wieder zu einem Einver⸗ nehmen mit Friedrich Wilhelm gelangen könne, Hatte er bis dahin, viel- leicht in ftarker Selbfttäufchung, nicht annehmen wollen, daß der zwifchen Brandenburg und Polen gefchloffene Bertrag feine Spike doch gegen ihn ehren würde; jet mußte er feinen Irrtum erfennen. Es war ein offener, jeindfeliger Schritt, den Brandenburg wagte. Wie tief er den Schwedenkönig traf, erfieht man aus einer Fülle von Altenftüden jener Tage. Bis zum definitiven Bruch mit Brandenburg, felbft noch einige Zeit nachher, klingen die fchwedifchen Anklagen gegen den Kurfürften in der Erwähnung dieſes Ereigniſſes auß?).

Im Dezember 1657 landete in Pillau ein jchwebdifches mit Pulver beladenes, nach Elbing bejtimmtes Schiff. Das frifche Haff war mit Eis bededt und fomit keine Möglichkeit, das Schiff an feinen Be ftimmungsort zu bringen. Der jchwedifche Gouverneur von Preußen und Pommerellen, Lorenz von der Linde, wandte ſich deshalb brieflich an den Kommandanten von Pillau, Pierre de Ia Cave, mit dem Erfuchen, den Schuß des Schiffes zu übernehmen. La Cave, Oberftallmeifter des Kurfürften und Oberft in feiner Leibgarde, genoß das vollfte DBer- trauen?) ſeines Herrn; er ift fiherlich aus diefem Grunde zum Hüter des wichtigen Hafens beftellt worden. Die Vermutung wirb nicht abzu⸗ weifen fein, daß er, indem er auf dag Pulver Beſchlag legte, eine aus⸗ drüdliche Weifung Friedrich Wilhelms befolgte. Fürſt Radziwil, der brandenburgijche Statthalter über Preußen, an den von der Linde fich mit einer Bejchwerde wandte, erflärte feinerjeitt, das Pulver nicht frei- geben zu können, ehe er nicht darüber eine bejtimmte Erklärung dom

—_—.

1) Für das Folgende ſ. Pufendorf, Karl Guſtav V, 8 68, ſowie Schreiben Karl Guſtavs an Schlippenbach und Wolfsberg, des Letzteren Berichte an den König, ſämtlich im Stockholmer Archiv.

2) Dal. Rauchbar, Walde I, ©. 168 und U.X. II, ©. 60.

29] Schweden, Brandenburg, Magdeburg 1657. 1658. 29

Hofe des Kurfürften erhalten babe. Unzweifelhaft war Pulver Kriegs⸗ fontrebande, und der mit Polen gefchloffene Vertrag verpflichtete Branden- burg, dergleichen nicht paffieren zu laſſen. Es kommt binzu, daß der Kurfürft in dem einen feiner oben erwähnten Schreiben vom 22. No» vernber, den Schwedenkönig auf diefe von ihm eingegangene Verpflichtung Hingewiejen Hatte. Wenn Karl Guſtav wollte, jo konnte er in biejer Beſchlagnahme einen Kriegsfall ſehen?). Entjchloß er fich, zunächſt die Angelegenheit nicht auf die Spite zu treiben, fo ift daß nur daraus zu erlären, daß er am Ende des Jahres 1657 und zu Anfang 1658 die großen Pläne gegen Dänemark bereit? gejaßt Hatte und es keineswegs darauf ankommen laffen konnte, im Rüden neue Gejahren beraufzu- beihwören?). Somit erteilte er Wolfsberg den DBeiehl?), beim Kur- fürften vorftellig zu werden, um zu erreichen, daB das Pulver an feinen Beltimmungsort Elbing abgehe, oder „da folches nicht zu erhalten, aufs Wenigfte geichehen zu laſſen, daß es wieder zurückgehe.“ Wolfsberg ent» ledigte fich feines Auftrages am 29. Januar 1658. Der Kurfürft er- Härte, La Cave habe von ihm feinen folchen Befehl gehabt, das Pulver fei in die Feſtung gebracht, weil der Kapitän des durch das Eis feſt⸗ gehaltenen Schiffes die begehrt. Auch hätten die Danziger darauf einen Anjchlag gehabt. Auf dem Schiffe Hätte e8 nicht bleiben können, weil fih, „bei der Musketiere Unachtfamkeit und bei dem ZTobad- ſchmauchen durch Feuerverwahrloſung“ Leicht ein großes Unglüd hätte ereignen können. Er wolle dag Pulver dem König gerne wieder zu⸗ ftellen, müfje aber dabei erwähnen, daB Wrangel in Novodwor von ihm jechzig Gentner Pulver geliehen und er die Rüdgabe desſelben fomit noch zu fordern babe. Wolfsberg nahm daraus ab, daß der Kurfürit diefe fechzig Gentner von dem angehaltenen „gern rejtituirt willen möchte“. Karl Guſtav war Über diefen Verſuch des Kurfürften, die Sache zu drehen und zu deuteln, ungemein aufgebracht. „Der Kurfürft braucht mir keine NRepreffalien, ich werde fie fonjten felber gebrauchen,“ Khreibt er jofort ale Antwort an Wolfsberg zurüd. Immer wieder kehrt in den Briefen des Königs der Ausdrud feiner Entrüftung, noch am 81. Mai, wo fajt alle Hoffnung auf einen gütlichen Auögleich ges

1) Karl Guſtav an Schlippenbadh, Kiel, 22. Januar 1658: „Als wir es nun, warn man gedachtes Pulver jo wegnehmen wollte, e8 nicht anders denn vor ein Zeichen der Hoftilität annehmen könnten.“

2) Dad hat ſchon Pufendorf a. a. O. Har erfannt, oder wie ich glaube, darüber ein bireftes Zeugnis in dem Stodholmer Archiv das ich allerdings nicht nachweiten kann gefunden.

3) Schreiben an Wolfsberg, Kiel, 23. Januar 1658.

30 Wilhelm Arndt. [30

fchwunden war, jchließt er einen Brief an Schlippenbad mit den Morten: „Ih muß das Pulver und die Ammunition wieder haben, e& fofte auch was e8 wolle, muß man es urgiren.” Schlippenbach hat ſich feinerfeits alle erdenkliche Mühe gegeben, die Angelegenheit gütlich beizulegen. In einem feiner Schreiben!) an Schwerin lieft man: „Ich fehe nichts, wodurch man ſich Höher an S. Maj. vergriffen, ala durch Feſtnehmung des Pulvers in Pillau; darım bitte ich um Removirung aller Mißverftändniffe, und durch Relarirung defien eine rechte Freund⸗ fchaft zu bezeigen. Es ift nicht um das Pulver, fondern um den Schimpf zu thun.“ Augenjcheinlich wußte man auch am Hofe Friedrich Wilhelms anfangs nicht, wie man fich in diefer Sache verhalten follte, man fuchte Ausflüchte und fand fie Auch eine kategoriſche Antwort, die Wolfsberg endlich verlangte, wurde nicht gegeben, fondern auf Er⸗ Öffnungen verwiejen, die Schwerin und Weimann bei ihrer Sendung zum Schwedenfönig (Juni 1658) machen follten. Merkwürdig ift dabei jedoch der Umftand, daß in der diefen Beiden mitgegebenen Inſtruktion?) nicht mit einer Silbe des Pulver gedacht wird. Haben diefelben münd- lichen dabingehenden Auftrag gehabt? Aber mit dem Abbruch der Ver⸗ Handlungen in Flensburg waren auch alle weiteren Erörterungen über das Pulver Hinfällig geworden. Der Bruch zwifchen Brandenburg und Schweden war unbeilbar geworben.

Wir Haben bier in der Zeit vorgreifen müfjen, weil aus diefer An⸗ gelegenheit am deutlichjten der tiefe Groll, den Karl Guſtav gegen den Kurfürften feit dem Ende des Jahres 1657 begte, erkennbar ift. Wenn Brandenburg fich bei Beginn des Jahres 1658 noch fcheute, kriegeriſch auf den Plan zu treten, fo ift das erflärlich, waren doch zu jener Zeil in Berlin die Verhandlungen im Gange, die zum Abfchluß des Defenfiv- und Offenfivbündnifjes zwiſchen Defterreich und Brandenburg am 9. Fe⸗ bruar 1658 führten. An demfelben Tage wagte Karl Guſtav den kühnen Marſch Über das Eis nach Fühnen. Am 22. Februar fland er auf See= fand. „Gott legte für König Karl Guſtav und die ſchwediſche Armee eine Brüde über das Meer“ ?). Wird Karl Guſtav Hier Halt machen, oder wird er, der fchnelle, nun in rafchem, gewaltfamem Anfturm gegen Branden- burg ziehen? Man mußte alles erwarten ; erzählte *) man fi} doch am Hofe,

1) Bom 17. April 1658; bei Orlich, Geſchichte des Preußiſchen Staates im fiebzehnten Jahrhundert I, ©. 196.

2) U.A. VIII, 242, und auch das vollftändige Aktenftüd im Berliner Archiv.

3) Ausspruch Ehrenftend, bei Carlſon a. a. O. S. 257.

4) Wolfsbergs Schreiben vom 27. Yebruar (a. St.) 1658.

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wie der fiegreiche Schwedenkönig fich gerühmt, er babe den einen Bruder Fritz (den König von Dänemark) nunmehr brav gepubt, den anderen Bruder Fritz wolle er mit der Zeit auch fchon zu finden wiſſen, wie die Ihwedifchen Offiziere in trunfenem Uebermut geprablt, in kurzem bofften fie in der Mark zu Haufen. Aber nicht einen Augenbli wurde der Kurfürft mutlos. Wenige Tage nach Abfchluß der öfterreichifchen Allianz erließ er ein Patent, das alle Werbungen fremder Mächte in feinen Zanden verbot, und allen in oder außerhalb des Reichs in fremden Kriegadienften ftehenden Unterthanen befahl, innerhalb vier Wochen bei Berluft von Eigen und Lehn diefe Dienfte zu verlaffen. Die Werbungen nahmen einen neuen Aufichwung, zur Beipannung der Artillerie wurden die nötigen Pferde aufgelauft, die Refidenz gleich einem Kriegslager. Sechazehntaufend Dann erflärte der KHurfürft dem ſchwediſchen Nefi- denten, könne er ins Feld ftellen.

In jenen bewegten Monaten tritt ung auch die Magdeburger Frage wieder entgegen. Sie tollen wir jeßt genauer in® Auge Taflen, Brandenburgs und Schwedens Pläne fich der Stadt zu bemächtigen, um im beginnenden Kampf fich diefes wichtigen ftrategifchen Plate bedienen zu Können, näher entwideln. Wichtig ift, daß man fich im Dezember 1657 und Januar 1658 in Berlin erzählte, Friedrich Wilhelm babe feinen Plan, Magdeburg zur Huldigung zu bewegen, von neuem auf- genommen. Es handelte fih um die Reife des Kurfürſten zu der mit Johann Georg II. in LKichtenburg verabredeten Zufammenkunft. Sie fand am 11. Dezember 1657 ftatt. Weberall erwartete man, daß dort Beichlüffe von großer Tragweite gefaßt werden würden. Wolfsberg ſchreibt an Karl Guſtav !), Einige hielten dafür, diefe Konferenz fei der Grenzen wegen, andere, fie ſei wegen der Stadt Magdeburg, die fi widerwillig erzeigt und die der Kurfürft mit Hülfe Ehurfachjens zum Gehorfam bringen wolle, angejtellt, er dagegen halte dies alles für böchft unwahrfcheinlich, zumal ihm von einem guten Freunde mitgeteilt fei, daß diefe Zufammenkunft einzig und allein auf eine Allianz zwiſchen Defterreih, Polen, Dänemark, Brandenburg, Churſachſen und Braun- ſchweig angejehen fei; und er fügt Hinzu: „Es follen auch große und gefährliche Consilia gegen Ew. K. M. obhanden fein.” Es mußte ihn in diefer Anficht jedenfalls eine Aeußerung ?), die Friedrich Wilhelm nach feiner Zurüdkunft ihm gegenüber fallen ließ, beftärken, nämlich: der Kurfürft von Sachfen wolle ſich in Berfaffung ftellen und eheſtens 12000 Dann

1) Schreiben vom 11. Dezember 1657. 2) Schreiben vom 18. Dezember 1657.

32 Wilhelm Arndt. [32

werben!). Jedenfalls waren dergleichen Gerüchte auch von anderen Seiten an den Schwedenkönig gelommen, es ift fonft wohl faum er⸗ Härlih, daß Johann Georg am 4. Februar 1658 an den Schwieger⸗ vater Karl Guftavs, den Herzog Friedrich von Holftein, einen feierlichen Proteſt richtete?) und erklärte, wenn müßige Leute ausfprengten, daB er ſich mit Brandenburg gegen die Krone Schweden in Verbündnis ein- gelafien und daB zu Lichtenburg andere weit außfehende Dinge ab» gehandelt feien, fo ſei das eine reine Erfindung, man babe ſich mur über die Kaiferwahl und über die Fortſetzung freundnachbarfchaftlichen Ber- trauens beiprochen, er für feine Perſon denke nicht im entfernteften daran, feindfelig gegen die Schweden aufzutreten.

Am 29. Januar 1658 berichtet Wolfsberg: „Daß man die Stadt Magdeburg attadiren, oder dem Herzog von Neuburg eine Bifite geben wolle, davon wird unter dem gemeinen Mann zwar viel geredet, zu Hofe will man aber von dergleichen nichts wiſſen.“ Daß dieſe Gerüchte doch nicht fo unbegründet waren, wie man Wolfsberg einredete, zeigt die Sendung des Generalwachtmeifters Heinrich von Uffeln?) nad Magde⸗ burg, der der Stadt ein Schreiben des Kurfürjten vom 8. Februar über brachte, in welchem dieſelbe zur Huldigung aufgefordert und ihr zugleich angezeigt wurde, daß der Ueberbringer bevollmächtigt fei, im Namen des Kurfürften darüber in Verhandlungen zu treten. In drei bis vier Wochen, erklärte Uffeln in Magdeburg, werde der Kurfürft einige Näte dahin fenden, um die Huldigung entgegenzunehmen. Daß Friedrich Wilhelm aber diesmal alle Möglichkeiten ins Auge faßte, zeigen die ge heimen Aufträge, die er feinem Sendboten zu gleicher Zeit erteilt hat. Uffeln follte erforfchen, ob unter der Bürgerſchaft Anhänger Branden- burgs, deren man fich gegen den Rat der Stadt bedienen könne, vor= handen feien, wie die Verteidigungsmittel der Stadt beichaffen, und namentlich, ob eine ihm genau bezeichnete Stelle der Befeſtigungswerke geeignet fei, an ihr einen Ueberrumpelung®verfuch wagen zu können. Der Generalwachtmeiſter fand wenigfteng einen Zeil der Bürgerfchaft geneigt,

1) Auch fonft muß der Kurfürft dies geäußert haben. Weimann jchreibt am 28. Dezember 1657 an Prinz Wilhelm Friedrich von Naffau (Weimannſches Journal, Arhiv Berlin): Churfachien gehe mit einer Werbung von 12 000 Mann um und habe Friedrich Wilhelm verfprochen, ihm contra quoscumque beizu- ftehen. Leider verfagt das archivalifche Material, außer für die Wahlfrage, faft ganz über das, was in Xichtenburg beiprochen.

2) Archiv Dresden.

3) Bol. hierüber Hirſch a. a. ©. S. 506-508. Uffeln traf am 16. Februar dort "war er fohon wieder in Halberftabdt.

38] Schweden, Brandenburg, Magdeburg 1657. 1658. 38

es mit Brandenburg zu Halten; die Beſatzung, berichtete er, ſei ſchwach, fie beflände nur aus etwa zweihundertundzwanzig Dann; die ihm be— zeichnete Stelle der Befejtigungawerfe babe er nur von weitem fich an« ſehen können, fie jcheine ihm für den betwußten Zweck allerdings gecignet, dor derfelben Liege aber ein breiter Graben, deſſen Eis bei dem ſich an fündigenden Thauwetter leicht aufgehen, und der fomit ernftliche Schwierig» feiten bereiten könne. Dan war in Magdeburg überaus mißtrauifch gegen Uffeln geworden, man erzählte, der Kurfürft beabfichtige, eine Sarnifon in die Stadt zu legen, Uffeln fei zum Kommandanten der⸗ jelben beitimmt. Dem Rate fchien e8 nötig, fchon jebt auf Gegen- maßregeln bedacht zu fein. Bei den Beratungen darüber tritt bereits der Vorſchlag auf, Schub bei Schweden zu ſuchen. Das ift allerdings für diesmal abgelehnt, weil es gar zu gefährlich, man fich auch geſtehen mußte, daß im gefamten Deutfchen Reich die Stimmung gegen Schweden feine freundliche je. Die Auskunft, bei den Reichskommiſſaren bie Stadt zu empfehlen, wurde ergriffen, führte jedoch zu keinem einiger« maßen befriedigenden Refultat. Auch eine Sendung zu dem Kurfürften Sohann Georg II. von Sachſen, der alö Bruder des Adminiftrators mitinterejfiert war, der zudem in damaliger Zeit bei der Erledigung des Kaiſerthrones die Würde eines Reichsvikars bekleidete und als ſolcher die Berpflichtung Hatte, für Aufrechterhaltung von Ruhe und Frieden im Reich Sorge zu tragen, erbrachte fein Refultat, das der Stadt fichere Hoffnung auf Schuß gewährte. Johann Georg II. befand fich zu da⸗ maliger Zeit auf der Reife nach Frankfurt, um bei der Kaiſerwahl per- fönlich mitzuwirken. In Leipzig nahm er vom 25. Februar an einen längeren Aufenthalt. Hier traf ihn der Abgefandte der Stadt Magde⸗ burg, Rofenftod, der ſich bei der Weiterreife ihm anjchloß und in Weimar am 20. März feine Abfertigung erbielt, die aber durchaus nichtefagender Natur war. Am Herbit desfelben Jahres erzählte der öfterreichiiche Reichsvizekanzler Graf Kurz dem, von Friedrich Wilhelm nach Wien gefandten, Friedrich von Lena, Johann Georg habe die Ab- fiht gehabt, fich auf feiner Reife nach Frankfurt der Stadt Magdeburg zu bemächtigen!). ine Nachricht, die doch abjolut unglaublich er- Icheint, der ich nicht dag geringfte Gewicht beimeffen möchte?) und über

1) Bol. U.A. VIII, 365. 366. 370.

2) Nebenbei möchte ich bemerlen, daß noch im Jahre 1666 ber Kurfürft von Brandenburg dem kaiſerlichen Geſandten Goeß erzählt hat: „er hätte Nach- richt, ala wenn Churſachſen vorhabe ſich gemelter Stadt (Magdeburg) zu bemäch⸗ tigen.” Goeß an den Kaiſer Leopold, Eleve, 5. Juni 1666. U.A. XIV, ©. 275.

Forſchungen 5 brand. u. preuf. Geld. VL. 1. 3

94 Wilhelm Arndt. [34

welche auch Jena troß eifrig gepflogener Nachforjchungen nicht das Ge⸗ ringfte weiter erfahren konnte.

Wir haben eine Nachricht"), nach welcher Friedrich Wilhelm damals die Abficht gehabt Haben foll, fih in Perfon nach Magdeburg zu be- geben. Am 29. März erzählte er dem an feinem Hofe weilenden öſter⸗ reichiichen Gefandten Fernemont, daß er joeben eine Einladung des Polenkönigs Johann Kafimir erhalten habe, mit ihm an der Grenze zu- fammenzutreffen, um über die gemeinfam zu unternehmenden Kriegs⸗ operationen Rates zu pflegen. Er babe fich aber bereit entjchloffen, nach Magdeburg zu reifen, um dort mit den braunfchweigifchen Fürſten zu verhandeln, bei denen er den Verſuch unternehmen wolle, diefelben auf feine und des Königs von Böhmen Seite zu bringen. Allzuviel Glauben wird diefer Notiz jedoch nicht beizulegen fein. Möglich tft immerhin, daß der Kurfürft daran gedacht Hat, durch das Gewicht feiner eigenen Perfönlichkeit die Magdeburger Yrage zu löſen. Es liegt aber doch nicht der geringjte Anhalt dafür vor, daß die braunjchweigifchen Yürften die gedachte Reife beabfichtigt haben, auch hat die Konferenz ?) zwifchen den braunfchweigifchen und brandenburgifchen Räten (zu deren Beſchickung Friedrich Wilhelm feitend der Braunjchweiger fchon am 14. März eingeladen und worauf er bereit? am 22. März zuſtimmende Antwort gegeben) jchon am 5. April begonnen. Es bliebe alfo für eine folche beabfichtigte Reife Friedrich Wilhelms vom 29. März bis 5. April nur ſehr kurze Zeit, in der unmöglich alle Vorbereitungen getroffen werden konnten, übrig, An eine etwa mit Waffengewalt beabfichtigte Ueberrumpelung der Stadt wird noch weniger zu denfen fein.

Auch die nach Berlin geſchickten Bevollmächtigten Magdeburgs, Otto von Gueride und Iden, haben es nicht vermocht, einen Ausgleich zwiſchen dem, was Friedrich Wilhelm von der Stadt forderte und dem, was letztere bewilligen wollte, zuftande zu bringen. Ebenſowenig glüdlich waren Somnit und Tornow, die dom KHurfürften abgeordnet, in Magdeburg vom 5. April an verhandelten,; unverrichteter Sache reiften fie am 12. April von dort wieder ab. Den Borjchlag der braunjchweigifchen Geſandten, mit denen fie in Magdeburg über ben Beitritt zur rheinischen Allianz verhandelt Hatten, ob es nicht zu er- möglichen fei, daß in die Stadt eine aus Truppen Brandenburgs und

1) Fernemont an Leopold, Berlin, 29. März 1658. Archiv Wien, Auszug u.a. XIV, ©. 80.

2) Vgl. darüber Köcher, Gejchichte von Hannover und Braunſchweig 1648 bis 1714, Bd. I, ©. 243 ff.; Joachim, Die Entwidelung bes Rheinbundes vom Sabre 1658, ©. 398 f.

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des niederjächfifchen Kreiſes zufammengefehte Sarnifon gelegt werden fönne, mußte der Kurfürſt, da er damit entichieden feinen Rechten etwas vergeben Hätte, ablehnen. Die Hartnädigkeit, mit welcher Magdeburg fih dem Willen Friedrich Wilhelms entgegenjeßte, ift wohl daraus am beiten zu erklären, daß die ſchwediſche Partei in der Stadt inzwiſchen mutiger aufgetreten war, daß man allerdings Hoffen konnte, im äußerten Galle bei Karl Guſtav Hülfe gegen die Brandenburger zu erhalten. Schon nach der Rückkehr Guerides und Idens aus Berlin fanden im Rate von Magdeburg jehr erregte Verhandlungen ftatt, in welchen der Führer der ſchwediſchen Partei, der Confiliarius Jakob Stajus riet, auf den alten, ehemals von Erskein der Stadt vorgefchlagenen Ausweg, fich unter den Schuß Schwedens zu ſtellen, zurückzukommen. Als dann auch die Verhandlungen mit Somnik und Tornow refultatlog verliefen, bat man fi, noch während fie in Magdeburg weilten, dazu entichloflen, mit dem Schwebenkönig anzutnüpfen. Bon einem Anfuchen um mili« tärifche Hülfe, oder gar um eine Erklärung, daß fi) Magdeburg unter den Schuß des Königs Stellen wolle, ijt aber in dem am 8. April aus- gefertigten Schreiben an Karl Guftav nicht das Geringite enthalten. Man erfuchte ihn Lediglich bei Friedrich Wilhelm dahin vermitteln zu wollen, daß derjelbe fich mit der von der Stadt vorgeichlagenen Huldi« gungsformel begnügen, dagegen aber die Rechte, welche fie aus dem weitfälifchen yriedensinftrument ableite, ihr verbriefen möchte. Wenn der Kurfürft dies ablehne, dann möge der Streitpunft über die Eventualduldigung zur Entjcheidung des Kaiſers und des KHönigd von Schweden, als der beiden Teile, zwiſchen denen daß Tyriebensinftrument vereinbart war, gejtellt werden. Man fieht, die Stadt Hält an dem alten Standpunkt, fie fei eine freie Reichsſtadt, auch jet noch feſt. Sie erkennt den Kaifer ala ihr Oberhaupt und denkt am wenigften daran, etwa eine ſchwediſche Stadt zu werden. Karl Guftav war jedoch immer- Hin in diefem Schreiben eine Handhabe geboten, deren er fich bedienen fonnte, und er Hat nicht gezögert, fofort davon Gebrauch zu machen. Mit der Gewinnung der dänischen Inſeln ftand der Schwedenkönig auf dem Höhepunkte feines Ruhmes und feiner Macht. Der Friede, den er am 27. Februar in Roeskilde, man Tann wirklich fagen, mit dem Schwert in der Hand diktierte, fchien ihm die Möglichkeit zu gewähren, alle feine Pläne und vielleicht auch feine gebeimften Gedanken, in die That umzufegen. Er mag im Geijte damals die Frage nach dem do- minium maris Baltici als bereits gelöjt betrachtet Haben. Sein Zweifel kann darüber herrſchen, daß er in erfter Linie fich gegen Brandenburg wenden wollte Noch zeigt er eine gewiſſe Geneigtheit zu gütlichem 3*

36 Wilhelm Arndt. [36

Ausgleich, aber die Bedingungen !), die er Brandenburg für einen folchen ftellen will, find ungemein weitgehend. Freies Durchzugsrecht durch die turfürfilichen Lande und die Häfen Pillau und Memel, fofortige Zurüd- gabe de? angehaltenen Pulverd, Zurüdnahme der erlaffenen mandata avocatoria, freie Werbung in den kurfürſtlichen Landen, Aufhebung der mit Oefterreih und Polen gefchloffenen Allianzen. Wenn Oeſterreich mit gegen Polen eintreten will, ift er es zufrieden, dann Fönne man allerfeitö daran arbeiten, „Polen zur Raifon zu bringen oder über den Haufen zu werfen.” Verſteht fich aber Oefterreich dazu nicht, dann müfle fi) Brandenburg wieder mit Schweden verbinden, damit man mit gemeinfamen Kräften gegen Polen auftreten könne. Gebt Branden- burg diefe Bedingungen ein, fo kann Schweden e8 in dem Befi der Souveränität über Preußen und der gemachten Eroberungen lafjen. Die Berfiderung dürfe aber nicht feitens Brandenburgd nur „auf Papier”, wie es früher der Fall gewejen, geitellt, jondern eine „reale“ fein. Schon am Tage vorher am 14. April Hatte der von Karl Guſtav zu⸗ fammenberufene Reichsrat?) eine Sigung gehalten, in welcher die Mehr⸗ zahl der Stimmen dahin ging, fich Brandenburgs zu verfichern und den Gewinn des berzoglichen und königlichen Preußens, vielleicht im Bunde mit Oejterreich, für Schweden anzuftreben. Der König jaßte das Re—⸗ fultat der Beratungen in dem Sat zufammen, daß, „im Fall fein Friede mit Oefterreich und Brandenburg ſich machen laffen könnte, man zu dem Mittel greifen müßte, die Armee in des Kurfürften Land zu fegen und nach Kriegsraifon zu Handeln.“ Bon diefen Gedanken ging Karl Guſtav denn aus, al® er am 18. April die Berfammlung der Reicheftände im Gotenburger Schloß eröffnete?). Die Rede, die er den» jelben hielt, der Bericht Über den Berlauf feiner Kriegsunternehmungen und politifchen Arbeiten vom Februar 1657 an bis zu dem jüngft mit Dänemark gefchloffenen Frieden, ift wefentli eine Anklage gegen Brandenburg. Kein Wunder, daß, als am 1. Mai die Reichaftände zur Beichlußfaffung aufs neue zufammentraten, das faft einhellige Botum dahin fiel: die fehwedifche Armee ift in Churbrandenburg® Land zu jegen. Rüde der König in Brandenburg ein, fo ift es an Branden-

1) Karl Guſtav an Schlippenbady, Sotenburg, 5. (15.) April 1658. Archiv Stodholm.

2) Bol. Carlſon a. a. DO. 288.

3) Dal. für das Folgende: Sveriges Ridderskaps och Adels Riksdags- Protokoll, VL ®b., ©. 287—344, wo jehr wichtige Aufflärungen über des Königd und der Stände Anfichten in Bezug auf die bamalige politifche Lage ge: aeben find.

37] Schweden, Brandenburg, Magdeburg 1657. 1658. 87

burg, ſich zu erklären, was es thun wolle, e8 bat dann die Wahl, ent- weder Freund mit Schweden oder Feind desſelben zu fein.

Inzwiſchen war das Schreiben des Rates von Magdeburg in Karl Guftavs Hände gekommen. War der Bruch mit Brandenburg unver- meidlich, fo eröffnete die Gewinnung des wichtigen Punktes Magdeburg eine Ausficht, die bei dem zu erwartenden Kriege ein fchweres Gewicht zu Bunften Schwedens in die Wagſchale Hätte werfen ınüflen.. Am 16. Mai 1658 jendet der König an feinen Refidenten Bartholomäus Woljaberg ein ausführliches Schreiben!), in welchem er die Magde⸗ burger Frage ſcharf ins Auge faßt und fie zu Gunſten Schwedens zu loſen versucht. Da der Kurfürſt von Brandenburg den Wunjch auß- gedrüdt Habe, Gefandte zu ihm zu jenden, die, wenn irgend möglich, dad alte freundfchaftliche Verhältnis zu Schweden wieder berftellen follten, babe er bereit? den Grafen Schlippenbach fowie den Bice- präfidenten des Tribunal in Wismar, David Mävius, Vollmacht und SInftruftion ?) zu einer ſolchen Konferenz erteilt. Weil nach Wolfsbergs Mitteilungen in der gegenwärtigen Zeit, vermöge der mit Polen und Deiterreich geichlofienen Allianz, ein Losbrechen des Kurfürften täglich und ftündlich zu erwarten ftünde, halte der König dafür, daB es feiner Würde nicht gezieme, ihn, Wolfsberg, noch länger in feiner Stellung am Berliner Hofe zu belaffen, auch finde er, daß diefer fein Refident dort bei der augenblidlichen Sachlage nicht genugfame perjönliche Sicher- beit Haben könne Derjelbe babe fich alfo, fobald es nur geichehen fönne, unter dem Vorwand, er babe Aufträge des Königs bei dem Ad⸗ miniftrator von Magdeburg, Auguft, in Halle zu verrichten, von dem farfllichen Hofe zu erheben, nach Magdeburg zu reifen und unter der Hand den Konfidenten®), die Mävius dort habe, zu eröffnen, er, Karl Buftav, Habe das Schreiben des Rates vom 9. April erhalten und daraus ihren Zuftand und was man kurfürftlicherfeits „für ein gemeinter Stadt Höchft präjudicirliches und dem Instramento Pacis fehnurgleich zu= widerlaujende® homagium ihnen anmutbete, erjehen.” Gr babe freilich Bedenken getragen, da er augenblidlich noch anderweit engagiert, auch feine Armee abweſend jei, Maßregeln gegen den Kurfürften zu ergreifen, und babe er auch nicht das, was das Schreiben von ihm wünjche, voll- jiehen können. Gr fei aber entichloffen, dad, was das weftfälilche

1) Archiv Stodholm, dag Driginal mit zum Teil nicht aufgelöften Chiffren, Abſchrift mit vollftändiger Auflöſung in der Reichsregiftratur.

2) Sotenburg, 3. (13.) Mai 1658. Ardiv Stodholm.

3) Diefelben werden in allen Attenftüden nicht namentlich bezeichnet; ohne Zweifel gehörte zu ihnen ber oben bereit? genannte Jakob Stajus.

38 Wilhelm Arndt. [88

Sriedenginftrument zum beiten Magdeburgs feſtgeſetzt, aufrecht zu er» halten, die Stadt zu ſchützen und, wenn der Kurfürſt etwas gegen die- jelbe unternehmen follte, ihr feinen Fräftigen Beiftand zu leiten. Zu⸗ förderft aber rate er den Magdeburgern, fich, jo gut fie nur könnten, in Poftur zu ſetzen. Wenn fie glaubten, daB ihre eigenen Kräfte dazu nicht außreichten, und wenn fie annehmen follten, daß es befier fei, fich des⸗ halb unter feinen Schuß zu ftellen, jo wolle er ihnen, fobald er von ihrem Entſchluß benachrichtigt worden fei, etwa ſechs⸗ bis achthundert Mann zu Fuß oder Dragoner mit einem tüchtigen Offizier, auf den fie ich in der Zeit der Not verlaffen könnten, fenden. Sie könnten dieſe Soldaten, da fie in der Nähe ftünden, in wenigen Tagen erhalten. Fiele ihnen der Unterhalt derjelben zu ſchwer, fo fei er gerne erbötig, die Hälfte der erforderlichen Koften beizufteuern. Auch babe er nicht? da= gegen, wenn der betreffende Offizier von der Stadt in Eid und Pflicht genommen werde. Dean Tönne auch vorgeben, die Soldaten ſeien von ihm aus feinen Dienften völlig entlaffen und in die der Stadt getreten. Wenn der Kurfürſt die Stadt wirklich angreifen oder belagern wolle, werde er derjelben zeitig genug mit aller ihm zur Verfügung ftehenden Macht zu Hülfe fommen. Gehe die Stadt auf alles dieſes ein, fo folle Wolfsberg fjchleunigft den Reichgadmiral Graf Wrangel davon benadh- richtigen, der dann zur Ausführung des Nötigen fofort feine Befehle er⸗ teilen würde.

Don Magdeburg Toll ſich Wolfsberg zum Adminiftrator nach Halle begeben und ihm vorftellen, wie feindjelig ſich Brandenburg gegen Schweden bewiefen, und namentlich wie e8 mit Polen und Oeſterreich nur zu dem Behufe eine Allianz abgefchloffen, um Schweden in feinen deutfchen Provinzen anzugreifen. Da nun der Kurfürft die Ahficht habe, der Stadt Magdeburg einen Huldigunggeid, der dem weitfälifchen Friedenginftrument zumwiderlaufe, aufzuerlegen, er, wenn diejer geleiftet, auch aller Wahrfcheinlichkeit nah der Stadt mit Gewalt eine Sarnifon aufdrängen werde, der König aber, als einer der Garanten des Weſt⸗ Tälifchen Friedens, nicht gejchehen laſſen könne, daB das Friedensinſtru⸗ ment über den Haufen geworfen würde, fo Habe letzterer es für an- gezeigt gehalten, zu erforfchen, was der Adminiftrator zu thun gedenke, wenn Brandenburg die Stadt mit Gewalt angreife. Er meine, das In⸗ tereffe des Adminiftratorß fordere es gebieterifch, zu verhüten, daB die Stadt in die Hände des Kurfürften falle. Auch fei der Adminiftrator, ala Mitdirektor des niederfächftichen Kreifeg, neben Schweden und den übrigen Kreisjtänden verpflichtet, für die Verteidigung der Stadt zu forgen. Weiter jolle Wolfsberg den Adminiftrator davon in Kenntnis

89] Schweden, Brandenburg, Magdeburg 1657. 1658. 89

jegen, daß das Haus Oeſterreich auf vielerlei Weg und Weile gegen den Haren Buchflaben des wetfälifchen Tyriedensinftrumentes Öffentliche veindfeligleiten gegen Schweden verübt, fich namentlich nicht gefcheut babe, vor kurzer Zeit unweit Frankfurt in Gegenwart aller Reichsftände feinen Generälen den Befehl zuerteilen, ihn, den König, in jeinem Herzogtum Pommern feindlich anzugreifen. Er müfle deshalb darauf bedacht fein, die Beftimmungen des Friedens auch gegen Oefterreich zu ſchützen, vor allem dabei auf die Sicherheit der Evangelifchen im Reich ſehen. Deshalb wünfche er zu willen, wie der Adminiftrator hierüber denke. Er erfuche ihn aljo, gemeinfam mit den evangelifchen Fürften und Ständen des Reichs heilſame Ratſchläge zu faflen und fich mit ihm zu verbinden, um Oeſterreich und Brandenburg zur Raiſon zu bringen. Wenn nun Wolfsberg merken follte, daB der Adminiftrator geneigt fei, mit Schweden in ein näheres Verſtändnis und Bündnis zu treten, fo babe er ihm weiter zu eröffnen, daß Karl Guſtav ihm und feinem fürjt- lichen Haufe das Stift Magdeburg Lieber als dem Kurfürften von Brandenburg gönnen und alle aufbieten würde, um zu ermöglichen, daß er dasſelbe behaupten könne. Nach Verrichtung diefer Botichaft ſoll Wolfsberg fi nach Magdeburg zurüdbegeben, dort bis auf weiteren Befehl bleiben, der Stadt auf allen begebenden Yall mit gutem Nat beiftehen, auch fleißig über alles, was vorfällt, an den König und Wrangel berichten.

An demfelben Tage jchrieb Karl Guſtav auch an Mävius, daß er gewillt jei, der Stadt Magdeburg eine Garniſon von ſechs⸗ bis acht- hundert Dann zu überlaffen. Zweifellos follte Mävius, der in Magde- burg, wie wir gefehen, eine Reihe von Bertrauten hatte, diefe von dem Anerbieten des Königs in Kenntnis fegen und den Mut und die Zu« verficht derfelben ftärlen, um fo auf etwa noch Schweden abgeneigte Ratsmitglieder und Bürger einen entfcheidenden Drud auszuüben.

Am 23. Mai brachen Schwerin und Weimann von Berlin auf, um fih zu Karl Guſtav zu begeben. Es galt einen legten Verſuch für Brandenburg, die Gefinnungen des Schwedenkönigs zu erjorjchen, ob der⸗ felbe wirklich, wie er noch in feinem Schreiben vom 20. April an ben Kurfürften vorgegeben, zur Schließung eines Friedens mit Polen ges neigt, und welche Bedingungen er dafür zu ftellen gefonnen fei. Karl Guſtav, der damals ſich noch nicht feſt entichloffen Hatte, was er in der nächften Zeit thun wollte, der bereits mit fi) erwog, ob er den Friedensſchluß mit Dänemark endgültig ratificieren jollte oder nicht, der noch ſchwankte, ob er nicht in raſchem Zuge fich gegen Oeſterreich,

40 Wilhelm Arndt. [40

Brandenburg und Polen wenden jollte, der zudem vernommen batte, daß die Generaljtaaten die Abficht Hegten, eine Kriegäflotte in die Oftfee zu fenden, bie, fei e8 Brandenburg, jei eg Dänemark, wenn die Feind⸗ feligfeiten wieder ausbrächen, unterftüßen könne, bielt e& für geraten, noch eine Zeitlang an fi zu Halten und den Frieden zu bewahren. Auch daß die Kaiferwahl in Frankfurt demnächſt fich vollziehen follte, mag ihn zu vorläufigem Abwarten bewogen Haben. Sicherlich bat auch Schlippenbach in ihn gedrungen, die brandenburgiiche Befandtichait zu empfangen, die er, der unermüdlich für die Ausfühnung Branden- burga und Schwedens arbeitende Diplomat hauptſächlich angeregt hatte. So ift denn am 31. Mai an Wolfaberg der Befehl gejchidt, wenn er die Reife nach Magdeburg und Halle noch nicht angetreten, diejelbe bis auf weitere Weifung anftehen zu laffen und vorläufig in Berlin zu bleiben. Am 1. Juni aber fjchreibt Karl Guſtav dem Bicepräfidenten Mävius, er jolle feinen Bertrauten in Magdeburg eröffnen, daB bereits der Befehl an Wrangel ergangen, eins von den zunächſt ftehenden Regi⸗ mentern in Magdeburg einrüden zu laffen, fobald man es dort wünſche. In einem Nachwort fagt der König: „Sch Habe bisher Bedenken ge= tragen, jo wenig an Ehurbrandenburg als au an den Adminifirator in der Magdeburgiichen Sache einige Erwähnung zu thun, auf daB ich ihnen nicht die Augen öffne und der Kurfürft daraus Anlaß gewinne, etwas gegen die Stadt zu tentiren. Solltet Ihr belieben ein Project eines Schreiben jür mich aufzujegen an ben Kurfürften von Branden= burg in illa materia, follte e8 mir lieb und angenehm fein, dann Euch alle argumenta, welche vor der Stadt militiren, belannt fein.” Dazu kam es denn freilich nicht. Die Ereigniffe nahmen einen rafcheren Ver⸗ lauf, als es der König ſelbſt gewünſcht Hat.

Ende Juni fcheint Karl Guftav entjchloffen gewefen zu fein, den Krieg gegen Brandenburg und Oefterreich zu eröffnen. Am 6. Juni be⸗ fiehlt er Wolfsberg, ſich jebt ohne Verzug auf die Reife nach Magde⸗ burg und Kalle zu begeben, dort nach der ihm am 16. Mai erteilten Weilung zu handeln und vor allem dahin zu jehen, die Stadt Magde- burg zu bejtimmen, daß fie ſich ganz und gar unter feinen Schuß ftelle und eine Sarnifon auf die Weile, wie er vorgeichlagen, einnehme. Mävius würde ihn, Wolfsberg, „an einige Eonfidenten abreifieren, um das Werk in defto beflerer Secretesse zu incaminiren.” Wolfsberg er: bielt dies Schreiben des Königs am 18. Juni, am 22. Juni verließ er Berlin. Der Abbruch der diplomatischen Verhandlungen Schwedens mit Brandenburg war durch feine Abreife vollzogen. Der Kurfürft benach-

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richtigte ") davon fofort feine beiden zu Karl Guſtav geſchickten Ge- fandten, Schwerin und Weimann, und befahl ihnen, fich entweder nach Lübel oder nach Hamburg zu begeben und dort weitere Ordre abzu- warten. In der frühen Morgenftunde des 4. Juli verließen fie Flens⸗ burg. Cine Audienz bei Karl Guſtav hatten fie nicht gehabt. Wei- mann?) fpottet: „fie feien in Rom gewejen und bätten den Papſt nicht geſehen.

Inzwiſchen war Wolfsberg in Magdeburg angekommen. Am 26. Juni berichtet er ſeinem König, er habe die ihm von Mävius namhaft gemachten Vertrauten aufgeſucht und durch fie das, was Karl Guftav ihm anbefohlen, an den richtigen Ort binterbringen laffen. Man wolle, wenn er aus Halle zurückkehre, weiter mit ihm beraten, auch jemand im geheimen an den König fenden. So viel er merken könne, wäre der gemeine Dann nicht allzu geneigt, Truppen des Königs in die Stadt zu nehmen, und könnte es deshalb Teicht Schwierigkeiten ſetzen. Der Rat werde diefer Stimmung nachgeben müſſen und wohl eher ge= neigt fein, eine Geldhülfe vom König zu erbitten. Webrigens fee man fh nach Kräften in Berteidigungszuftand, man werbe ftart, babe fchon viertehbalbhundert Mann beifammen und Hoffe in der nächiten Woche von der Stadt Braunſchweig noch gegen hundert Soldaten zu erhalten. Man arbeite fleißig an den Befeſtigungswerken.

Bon Magdeburg begab ſich Wolfsberg nach Halle, wo er am 27. Juni abends anlangte und den folgenden Tag eine Audienz beim Adminiftrator Hatte. Er konnte fpüren, daß der Adminijtrator und feine Räte weder über Oeſterreichs noch über Brandenburgs Vorgehen erfreut fjeien, daB namentlich die Märfche, die brandenburgifche Truppen durch das Gebiet des Adminiſtrators unternommen, Mißfallen erregt hätten. Trotzdem fand Wolföberg, daß die Stimmung in Halle feine allzu mutige fei, man bege nach allen Seiten hin Bedenken, anzuftoßen, „Ombrage zu geben”, wie der wunderlihe Ausdrud damaliger Zeit lautet. Auch Habe der Adminiftrator geklagt, fein Land ſei ein ganz offenes, ex befäße in demſelben nicht einen jeften Play, in den er fich im Fall der Not zurädziehen könnte. Die Räte des Fürſten feien Äbrigene durchaus dahin einig, daß die Stadt Magdeburg zur Huldigung verpflichtet ſei. Jedenfalls ſei man, was diejen letzteren Punkt beträfe, wit Brandenburg in den Anfchauungen einig. Auch fände fich bereits am Hofe eine Partei, die es mit Brandenburg halte, die „aufgehende

1) Am 22. Juni. Archiv Berlin. 2) Weimann an Gopes, 4. Juli 1658. Archiv Berlin.

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Sonne” andete. Daß Brandenburg eine Garnifon in Magdeburg er- halte, würde man allerdings in Halle nicht gern jehen, wohl aber gönne man Magdeburg einige Unbequemlichkeit, in der Hoffnung, diefe Stadt dadurch den Abfichten des Kurfürften und des Adminiftrators geneigter zu machen. In der Antwort, die der Adminiftrator Auguſt am 30. uni auf die ihm von Wolfsberg gemäß feiner Inſtruktion gemachte Propo- fition erteilte, ift dann auch forgfältig vermieden, irgend eine bindende Zufage zu machen. Der Adminiftrator bellagt, daß Friedrich Wilhelm ih mit „päpftifchen Reichen“ in eine Allianz eingelaffen babe, bie Machinationen Defterreich® ftünden leider der ganzen Welt vor Augen, der Ausgang aber ftehe doch in Gottes Hand. Er Hoffe nicht, daß der Kurfürft gegen Magdeburg etwas Thätliches unternehmen werde, ge- ſchähe es troßdem, fo werde er, der Adminiftrator, Mittel treffen, jolches abzuwenden. Dem Nebel könne abgeholfen werden, wenn die Altſtadt Magdeburg fich entichließe, die gebührende Huldigung zu leiften.

Am 5. Juli kehrte Wolfsberg nach Magdeburg zuräd und verblieb dafelbft biß zum 11. desſelben Monate. Dort barrte feiner eine große Enttäufchung, und fchon nach wenigen Tagen mußte er an Karl Guſtav berichten), daß kaum etwas von der Stadt zu Hoffen fei. Die fchiwe- difchen Vertrauten hätten während feiner Abweſenheit nicht® erreicht, die Schidung, die man an den König zu thun fich vorgenommen, fei nicht im geringften befördert worden. Mit dem Ausfchuß fei über alles noch gar nicht beraten. Wenn auch zwei oder drei von den vornehmeren Bürgern für Schweden gewonnen feien, fo vermöchten diefe doch nicht viel, zumal der Rat gezwungen fei, ſtark auf den gemeinen Mann zu fehen, ber in der Stadt eine bedeutende Rolle fpiele und recht wankel⸗ mütig ſei. Ein Teil des Domkapitels fei brandenburgifch gefinnt, auch der Bürgermeifter Guericke fange bereits an, „zu hinten”. Zudem babe man unter der Bevölkerung außgeiprengt, der Nat wäre geneigt, einige ſchwediſche Völker in die Stadt zu nehmen, man habe demjelben zu ver- ftehen gegeben, wie das Scidfal der Stadt, das fie in früheren Jahren bei einem ſolchen Fall gehabt, noch unvergeflen fei, wie die Verbindung mit den Schweden die furchtbare Kataftrophe des Jahres 1631 herbei⸗ geführt babe. Nach Wolfsberg Anficht wird man alfo das Erbieten des Königs ablehnen und vorziehen, aus eigener Kraft eine Abwehr brandenburgiichen Vorgehens zu wagen. Man werbe weiter fort, man arbeite auch an den Befeftigungswerten. Ex wolle troßdem den Verſuch

1) Schreiben aus Magdeburg vom 28. Juni (8. Juli) 1658. Archiv Stodholm.

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machen, den Rat zu einer Abſchickung an Karl Guſtav zu beitimmen und ein weitere® Sicheinlaffen mit Brandenburg durch zmweddienliche BVorftellungen zu verhindern trachten.

Am 11. Juli berichtet Wolfäberg wiederum, es fei am 3. Juli eine gemeinfame Situng des Rates und des Ausſchuſſes angejagt ge= weien, in welcher man, nachdem allerfeits Verſchwiegenheit angelobt war, die Schreiben!) Karl Guſtavs verlefen Habe. Am 10. Juli Habe man eine neue Beratung gehalten, in ihr aber, weil die Meinungen zu weit audeinandergingen, zu kleinem Schluß kommen können. Endlich habe man fi) auf einige Tage vertagt. Inzwiſchen habe man den Bürger- meifter Gueride und den Stadtrat Iden zu ihm geſchickt, die fich für das Vertrauen, das der König der Stadt jchenke, bedankt und ihn ge- beten hätten, feine Abreife noch einige Tage aufzufchieben oder wenig» ftens in der Nähe feinen Aufenthalt zu nehmen, damit ihm die Refo- Iution des Rates und des Augfchuffes überbracht werden könne. Wolfs⸗ berg verfprach das Lebtere: daß er fich zur Abreife entfchloffen, begründet er dem König gegenüber damit, daB er gemerkt babe, wie man während feine Aufenthaltes in der Stadt ein wachſames Auge auf ihn gehabt. Ein längeres Berweilen würde Verdacht erregen. Das aber habe er be= reits gemerkt, daß man fi zur Aufnahme der von dem König an« gebotenen Truppen nicht verjtehen würde, zumal man überzeugt ſei, der Kurfürft werde die Stadt nicht angreifen, jo lange Karl Guftav eine hinreichende Truppenmacht, um ihn nötigenfalls daran hindern zu fönnen, zur Verfügung Habe. Was das Schlimmite fei, die Vertrauten Schwedenz fingen an, Kleinmütig zu werden. Dan beginne denfelben bereits vorzuwerjen, fie hätten fich tiefer mit den Schweden eingelaffen, ala fie vor der Bürgerichaft verantworten könnten. Schlüge es übel aus, würde man ihnen zweifellos die volle Verantwortlichkeit zufchieben. Es bieße zwar, daß einige Mitglieber des Nates fi) ausdrüdlich Hätten vernehmen lafſen, e8 wäre fein anderes Mittel zur Erhaltung ihrer Frei⸗ heit zu finden, als fi) an die Krone Schweden zu halten. Thäte man es nicht, fo fei man verloren. Der Ausſchuß jedoch, der in allen Dingen feine Zuftimmung geben müfje, mache Schwierigleiten und wende ein, jowie die Stadt ſich auf die vorgefchlagene Weife unter den Schuß Karl Guſtavs begebe und Truppen desfelben einnehme, würde der König freie® Durchzugsrecht durch die Stadt begehren, diefelbe fomit in den Krieg verwidelt werden. Auch würde fie den Haß aller Stände des

1) Sind das die an Wolfsberg geſchickten, oder find es beſondere, an bie Stabt Magdeburg gerichtete?

44 Wilhelm Arndt. [44

Reiche auf fich ziehen, wenn fie neuen Unordnungen im Reich durch ein derartiges Verhalten freie Bahn eröffne. Auch früher Habe man ihnen viel Verſprechungen gemacht, fich verpflichtet, für den Unterhalt der Hineingelegten ſchwediſchen Völker und für eine Entjchädigung alles an⸗ gerichteten Schadens aufzulommen. Nichts von alle bem fei gehalten worden, man babe Magdeburg dem Untergang preisgegeben, jei ihm in der höchſten Not nicht zu Hülfe gelommen. Sende man jebt eine bes fondere Geſandtſchaft an Karl Guſtav, jo würde dies die Stadt nur weiter engagieren und verdächtig machen. Nur dann könne man fich zu einer ſolchen Abſchickung entfchließen, wenn man fi) auch zu gleicher Zeit an Brandenburg wende. Aber von beiden Zeilen fei dann doch nichts weiter zu erbitten, ald Zuficherung der Neutralität.

Nichts von alle dem, was Karl Guſtav von Magdeburg zu er- halten Hoffte, war aljo zugeitanden worden?)). Die Abneigung gegen Schweden jcheint, ſelbſt auf die Gefahr Hin, fich mit dem Kurfürften von Brandenburg augeinanderjegen zu müſſen, in jenen Tagen fehr ſtark ge= weien zu fein. Die Furcht, daB Magdeburg, wie einft im dreißig- jährigen Kriege, ein Mittelpunft der kriegeriſchen Operationen werden fönne, war ficherlich feine unbegründete. Noch ſchien Karl Guſtav ent- Ichlofjen, den Srieg nach Deutichland zu tragen. In einem Rate, den er um diefe Zeit?) abbielt, ſprach er fich dahin aus, „daß er mit dem Erften aufbrechen und in Aktion treten wolle und das meift Magdeburgs wegen.“ Die Stadt gegen die Anfprüche des Kurfürſten zu jchüßen, ift gewiß nur der Vorwand gewefen, um den wichtigen militärifchen Punkt, den Schlüffel zum ober- und niederfächfiichen Kreis, der ihm die Ver—⸗ bindung mit Hinterpommern und der Oſtſee, mit den ſchwediſch⸗

1) Wohl in diefer Erkenntnis jchreibt Karl Guſtav an Wolfaberg, Oldes⸗ loh, 17. (27.) Juli 1658, feine Meinung ginge dahin, bei den übrigen Höfen, wohin hr beordert, die Sache wegen der Stadt Magbeburg, deren Ihr bei dem Adminiftrator Erwähnung gethan, gänzlich auszulaffen und Euern Vortrag aller: meift dahin einzurichten, daß des Sturfürften von Brandenburg wider un? gefaßte nachtheilige blutige Rathichläge und unjere deshalb gegen ihn habende Ein: wendungen und gravamina ausführlich entdedt und angebracht werden.” Wolfs: berg erhielt diefe Weifung des Königs erft am 31. Juli (10. Auguft) in Weimar, und erwiebert, daß er in Dresden, Altenburg und Weimar auch ber Magdeburger Sache gedacht babe.

2) Dal. Earlion a. a. DO. S. 304. Es erhellt aus Garlfon nicht mit Bes ftimmtheit, ob diefer Striegerat am 15. (25.) Juni oder am 28. Juni (8. Juli) gehalten ift. Die größere Wahricheinlichkeit jpricht für das leßtere Datum. Das fann, wie es jcheint, auch aus dem weiter unten angezogenen Schreiben bes Königs von legterem Tage geichloffen werben.

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bremifchen Befitungen und der Nordfee gewährleiftete, in feine Gewalt zu befommen. Wenn aber Karl Buftav eg unternehmen wollte, Branden- burg zu befriegen, jo kam es für ihn auch hauptfächlich darauf an, es zu ifolieren, ihm namentlich jede Unterftübung aus dem Reich, vor allem aus dem ober⸗ und niederjächfiichen Kreiſe, abzufchneiden. Wie er feinem Geſandten Snoilsky am Deputationstage in Frankfurt den Befehl zu- ſendet, keinenfalls zugugeben, daß Friedrich Wilhelm in die rheinifche Allianz aufgenommen werde, jo weilt er Wolfsberg an!), fi) nach Ver⸗ richtung feiner Aufträge von Magdeburg an die Höfe von Dresden, Weimar, Gotha, Altenburg und Merſeburg, ſowie nachgehend® zu den drei braumfchweigifchen Herzögen zu begeben, um ihnen darzulegen, welche jeindfeligen Pläne Brandenburg gegen Schweden jeit faft einem Jahre gehegt habe. Jetzt, wo dieß durch die Gejandtichaft Schwering und Weimanns nur noch ftärler an den Tag getreten fei, fei er ge nötigt worden, fi) auf den Berteidigungsfuß zu jtellen. Möglich fei immerhin, daß Brandenburg noch in letzter Stunde fi) zur Wieder aufrichtung der alten Freundſchaft beftimmen Lafjen werde; geichähe dies aber nicht, dann fei er gezwungen, mit Waffengewalt vorzugehen, um den weftfälifchen Frieden, der auf fo vielerlei Weile von den Feinden Schwedens gebrochen, wiederum feſtzuſetzen.

Als Karl Guſtav dies Schreiben an Wolfaberg abfandte, Hatte er erft den Bericht des lebteren vom 26. Yuni erhalten, der, wie wir ge« ſehen haben, noch Hoffnungen auf die Willfährigkeit der Stadt Magde- burg erweden mußte. Solche waren nad) den neueren Wteldungen Wolfsbergs faum mehr zu begen, umſoweniger, ala Wolfsberg in Köthen, wo er nach feiner Abreife aus Magdeburg einen mehrtägigen Aufenthalt genommen batte, um bier die verjprochene Refolution des Rates von Magdeburg abzuwarten, nur ein Entſchuldigungsſchreiben desjelben er- hielt und die Zufage, ihm nach Leipzig das Gewünſchte nachzufenden. Allem Anjchein nach ift dies Verſprechen von feiten der Magdeburger niemals eingelöft worden, wenigſtens findet fi in den Akten nichts. Magdeburg verftand fich feit Jahren meifterhaft auf das „auf die lange Bank ſchieben“ und hat ficherlich diejen oft erprobten und ebenſo ot be= währt gefundenen Kunftgriff auch jeht in Anwendung bringen wollen.

Am Abend des 22. Juli traf Wolfsberg in Dresden?) ein. Am folgenden Tage erhielt er bei Herzog Morig, dem Statthalter Ehur-

1) Flensburg, 28. Juni (8. Juli) 1658. Archiv Stodholm. 2) Krebitiv Karl Guſtavs, Flensburg, 29. Juni (9. Juli) 1658; Propo⸗ fition Wolfsbergs an Herzog Mori, Dresden, 13. (23.) Juli 1658; Rekreditiv

46 Wilhelm Arndi. [46

jachſens während der Abwejenheit Johann Georg II., Audienz. Gr flellte im Ramen feines Königs vor, daß der Kurfürft von Brandenburg eine geraume Zeit ber gegen Karl Guſtav jchäbliche Abfichten geführt, daß er mit den offenen Feinden Schwedens, Polen und Defterreich, ein Dffenfivbindnis gefchloffen, um den König in feinen deutfchen Provinzen feindlich anzuiallen. Yu diefem Bündni® nenne man Karl Buftav „unfern gemeinfamen Feind”, und babe neben der Invafion feiner in und außer dem Reich belegenen Lande, auch deren Raub und Teilung feſtgeſetzt. Das Bündnis fei bereits ratificiert, und jehle es jetzt Fried⸗ rich Wilhelm an nichts mehr, ala an guter Gelegenheit, folche Invaſion zu verrichten. Derſelbe Habe auch ſchon mancherlei Tyeindfeliges gegen den König verübt, er habe die Paflage durch Pillau nach den von den Schweden in Preußen befegt gehaltenen Feſtungen verweigert, er babe dem König gebörendes Pulver in Pillau mit DBeichlag belegt, er babe Frauenburg, nachdem die Dejterreicher es verlaflen, bejeßt. Die Werbe- offiziere, die Karl Guſtav in das Reich gefandt, die Leute, die fie ge- worben, feien in den kurfürſtlichen Landen übel behandelt und jeftgehalten, durch nachteilige und wider die beutfche Freiheit laufende Edikte Habe man die Werbungen gehemmt und die Furfürftlichen Unterthanen aug den fchwebdifchen Dienften zurüdberufen. Alle Gegenvorftellungen und fogar ein Handjchreiben des Königs feien wirkungslos geblieben. Karl Guſtav babe noch etwas von der Sendung Schwerin? und Weimannz gehofft, dieje aber hätten die vor der Audienz aus erheblichen Urfachen mit ihnen veranlaßte Konferenz nicht allein abgelehnt, fondern fih auch ohne vorhergehende Abmeldung beim König oder den zu der Konferenz verordneten Miniftern jchleunigft auf die Nüdreife gemadt. Da nun auch Defterreich im Widerfpruch zu den Haren Beitimmungen des weſt⸗ fälifchen Friedens Feindfeligfeiten gegen Schweden verübt babe, jüngft ſogar König Leopold auf feiner Reife nach Frankfurt in der Nähe dieſer Stadt, den Befehl erteilt habe, Karl Guſtav in feinem Herzogtum Pommern anzugreifen, fo fei der König gezwungen, ſich darüber zu ver- gewiflern, was Churſachſen zu folcher Durchlöcherung des weftfälifchen Friedens fage. Hoffentlich) werde Churfachſen im Verein mit den anderen evangelifchen Fürſten Deutjchlands der evangelifchen Sache zum Beſten dagegen Schritte thun und auf Mittel bedacht fein, wie Defterreich und

des Herzogs Mori für Wolfsberg, Refolution für benfelben, Dresden, 15. (25.) Juli 1658, jämtlich Archiv Dresden. Die im folgenden wiedergegebene Propofition Wolfsbergs ftimmt in vielen Punkten wörtlich mit feinem Vorbringen bei dem Adminiftrator überein.

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Brandenburg zur Raifon zu bringen fein. Der König babe auch er- fahren, daß Churſachſen vor kurzem an die oberjächfiichen Kreisſtände geichrieben und fie aufgefordert habe, die bewilligte Kreishülfe bereit zu halten. Gr Hoffe, daß dies nicht gegen ihn ginge, müffe aber darüber ießt Gewißheit haben. Auch babe er gehört, daß Friedrich Wilhelm der Stadt Magdeburg gegen den weitfälifchen Frieden den Huldigungseid und eine Barnijon mit Gewalt habe aufdringen wollen. Als einer ber beim Abſchluß des weitjälifchen Friedens bauptfächlich beteiligten Mächte dürfe Schweden dies nicht gejchehen laffen. Deshalb frage der König, wie Churſachſen fich verhalten werde, wenn der Kurfürft von Branden- burg die Stadt Magdeburg mit Gewalt angreife.

Wolfsberg wird fich wohl jelbft gejagt haben, daß feine Bor- ftelungen in Dresden ziemlich wirkungslos verhallen würden. An ein offenes Gintreten des Kurfürjten Johann Georg in den Kampf gegen Schweden war von vornherein nicht zu denken, obfchon die jämtlichen Minifter desfelben gut öfterreichifch gefinnt waren. Und was es mit der Kreishülfe in jenen Zeiten zu bedeuten hatte, wußte jeder, der Die ZJämmerlichleit der deutichen Verhältniffe damaliger Tage kannte. Gar für Brandenburg fich einzufegen, ift niemals Wille der churjächfiichen Politit geweien. Bon Werbungen zubem konnte Wolfsberg in Chur. fachjen nichts entdeden; man hatte zwar die Abficht, gegen viertaufend Mann zur Befagung der fehlen Pläbe zu werben, aber die Stände zeigten fchlechte Xuft, die dazu nötigen Geldfummen zu bewilligen. Bon einer Aufftellung von Truppen, die die von Brandenburg begehrte Kreishülfe Leiften jollen, war abfolut nichts zu ſpüren. In der Refo- Iution, die der Statthalter jchließlich dem ſchwediſchen Geſandten erteilte, wurde dann gejagt, er, Herzog Mori, könne in Abwelenheit des Kur- fürften Johann Georg nicht? beftimmen.

Wie e8 nachher an den Heinen Höfen, zu denen fi) Wolfsberg von Dreöden auß begab, erkennbar wurde, jchwebte man allerorts in der tötlichiten Angft, in den beginnenden Krieg mit Hineingezogen zu werden. Mochte der ehrgeizige brandenburgifche Nachbar doch fehen, wie er allein fertig werde! Gin deutjches Gemeingetühl fucht man in jenen Tagen vergebene. Und fo findet Wolfsberg an allen thüringifchen Höfen, in Altenburg, in Weimar, in Gotha, in Merjeburg diejelbe Stimmung. Ja in Gotha theilt man ihm mit, daß Ehurfachjen jüngft den Minifter von riefen an alle thüringifchen Fürſten gejandt und denjelben geraten habe, fich keineswegs in die brandenburgifchen Händel mifchen zu wollen. In Weimar ſpricht man fich dahin aus, daß man fih in Bezug auf die Kreishülfe keineswegs majorifteren lafſen werde,

48 Wilhelm Arndt. [48

man müſſe alles erſt gehörigerweife an einen Kreistag bringen, zu dem ja auch Schweden als Kreisſtand heranzuziehen fe. Mit anderen Morten: ein Kreistag ift das befte Mittel, die ganze Angelegenheit zu verfchleppen! In Bezug auf Magdeburg war von den Kleinen im Reich erſt recht nichts herauszulocken, manche fehienen, wie Wolfsberg bemerft zu haben glaubt, es Lieber zu wünjchen, daß die Stadt in den Händen der Schweden fei als in denen Brandenburgs; im großen und ganzen war die ganze Frage ihnen Herzlich gleichgültig. Als dann endlich Wolfsberg noch einmal ſich nach Magdeburg felbjt begab es geſchah dies auf feiner Reife zu den braunfchweigifchen Herzögen, zwiſchen dem 29. Auguft und dem 5. September hat er von den fchwedifchen Anhängern in derjelben erfahren, daB ein Teil des Rates und be Aus- ichuffeg zu einer Sendung von Bevollmächtigten nach Berlin hinneige, weil der Kurfürft dies begehre, man auch die Beſorgnis hege, daß der⸗ jelbe, da der Schwedenkönig wiederum den Krieg gegen Dänemark auf« genommen babe und nun feinenjalle Hülfe bringen könne, die Stadt mit Gewalt angreifen würde. Am meijten aber bejorge man, Tyriedrich Wilhelm könne in Perfon nad) Magdeburg kommen und die Stadt „mit allerhand Bertröftung in der Güte zu gewinnen fuchen“. Das ift ja nicht gefchehen: biß zum Jahre 1666 währte es, daß Magdeburg filh zur rüdhaltlofen Huldigung an Brandenburg entichloß.

Am Juli hatte Karl Guftav fich entichieden, noch einmal den Strauß mit Dänemark zu wagen; am 15. August lichteten feine Kriegs⸗ ichiffe im Hafen von Kiel den Anker zur Fahrt nach Seeland. Kaum zwei Wochen vorher fchien er noch entjchloffen, den Krieg nach Deutjch- land zu tragen. Was ihn legter Linie dazu beſtimmt bat, diefen Plan fallen zu lafjen, ift gewiß mancherlei Art gewejen; aber nicht zum ge= ringften dürfen wir es anfchlagen, daß er auf einen, im Norden Deutjch- lands gelegenen Centralwaffenplag nicht mehr zählen konnte. Und das war: Magdeburg!

I.

Die Briefe des Kronprinzen Friedrich von Preußen an den Fürften feopold und an die Prinzen von Anhalt⸗Deſſau.

Mitgeteilt von Otto ſtrauske.

Ein Forſcher, der einen Teil der Briefe des Kronprinzen Friedrich an Leopold von Anhalt⸗Defſau kannte, bat gemeint, das einzig wert⸗ volle an ihnen wäre die Unterfchrift!). Das Urteil ift allzu ab⸗ Iprechend. Allerdings neue Aufichlüffe über das intime Seelenleben Friedrichs darf man nicht daraus erwarten, denn der Prinz Hatte von früher Jugend an einen Widerwillen gegen Leopold, der in den Kreiſen der Königin Sophie Dorothea als gefährlicher Intrigant verfchrieen war; und durch die Entfremdung von dem Vater wurde feine Abneigung gegen deffen vertrauteiten freund noch vermehrt. Gr erblidte in dem „alten Schnurzbart” oder „Fuhrmann“, wie der Deffauer abwechjelnd von feinen Gegnern tituliert wurde, die Verkörperung des verhaßten Ga⸗ maſchendienſtes und des faft ebenfo widerwärtigen Jagdſports. Man kam wohl annehmen, daß die Briefe, die Friedrich während feiner Knabenzeit und der erften Zünglingsjahre an den Yürften richtete, faft ſaͤmtlich auf Befehl des Königs widerwillig gefchrieben find; von einem (19. Rovember 1728) willen wir e8 fogar beftimmt. Sie find durchaus fondentionell gehalten, und auch die eigenhändigen entbehren, vom Stile abgefehen, fat jedes individuellen Gepräges.

Auch die Ausföhnung Leopolds mit der Königin und feine Ylr- Iprache für den Küftriner VBerbannten änderten das ungünftige Urteil des Kronprinzen nicht weientlich.

1) Wibleben, Fürft Leopold und Kronprinz Friedrich von Preußen. Mit: theilungen des Vereins für Anhaltifche Gefchichte I, 424 f.

Forſchungen z. brand. u. preuß. Bei. VII. 1. 4

50 Dtto Krauske. [50

Erſt durch die Erfahrungen, die er als Regimentschef zu Ruppin und in dem Fyeldzuge von 1734 ſammelte, gewann fyriedrich das richtige Auge für die großen Verdienfte des Fürſten um das preußifche Heer. Er ſchätzte fi nun glüdlich, mit feinem Worte zu reden, von dem Alt- meifter der Armee etwas zu profitieren und bat ihn aus freien Stücken um Unterweifung in militärifchen Dingen. Leopold ergriff die Gelegen— heit, fich dem Thronerben gefällig zu erweifen, mit yreuden. Es ge- nügte ihm nicht, dem Kronprinzen militäriiche Nachrichten, Karten und gar das vor jedermann jonjt verborgene Exerzierreglement feines Halliſchen Mufterregiments mitzuteilen: er hat auch eigenhändig mehrere Denk⸗ Ichriften für Friedrich aufgefeßt. Sogar Pläne, von denen der König nichts erfahren durfte, ſandte er nach Rheinsberg. Seine Arbeiten fanden den ungeheuchelten Beifall des Kronprinzen. Damals jprach diefer von Leopold ala vielleicht dem erften Feldherrn des Jahrhundert, der nur wegen der mangelnden Gelegenheit zu großen Thaten ungewürdigt bliebe. Aber die Vulgata, welche den Sieger von Hohenfriedeberg und Leuthen einen Schüler des alten Deflauerd nennt, ift dennoch falſch. Die Haupt- bedeutung der bier veröffentlichten Schreiben Tiegt eben in dem Nach- weife, daB Friedrich nur in feiner tactifchen Ausbildung durch die Kehren des großen „Krieggmechanicus” gefördert worden if. Dan ſchmälert die wohlverdienten Lorbeern des Fürften nicht, wenn man ihm hervorragendes firategifches Talent abipricht. Die Erfolge der preußiſchen Waffen unter Leopolds Leitung berubten im wefentlichen auf feiner kalt⸗ blütigen Zapferfeit und feiner ftrengen, methodifchen Mannszucht, die feinen Unterfchied zwifchen dem Grerzierplag und dem Schlachtfeld fennen wollte. Zu dem kühnen Wagnifle der Schlacht von Keſſelsdorf, die fein militärisches Meiſterſtück war, ift er von Friedrich faſt gezwungen worden.

Das gute Einvernehmen zwifchen dem Deflauer und feinem Tünf- tigen Kriegsherrn Hat überdies Leinen langen Beſtand gehabt. Wie früher, fo fcheiterte auch diegmal die Kluge Diplomatie des Fürſten an feiner raſchen Art, jede ihm mißliebige Handlung als perfönliche Be— leidigung aufzufaffen, und an feiner jaft unbezähmbaren Rachſucht. Der Haß, mit dem er Fouqué, den Freund Friedrichs, aus einem gering» fügigen Anlaffe verfolgte, foftete ihn die kaum gewonnene Gunft. Ber: geblich fuchte er ſich zu rechtfertigen. „Sch babe,“ erwiberte ihm ber Kronprinz, „fo viel Eftime und Gonfideration vor Ihre Durchlaudht, daß ich mir inskünftige hüten werde, feinen meiner guten Freunde, fie mögen Namen haben, wie fie wollen, Ihnen zu recommandiren.”

511 Die Briefe d. Kronprinzen Friedrich v. Preußen an ben Fürften Leopold x. 531

Friedrich Hat feitdem nur noch zweimal bis zu feiner Throne befteigung, fo viel wir wiſſen, an den fFürften gefchrieben ; beide Briefe enthalten Lediglich nichtsbedeutende Komplimente.

In der Histoire de.mon temps rühmt König Friedrich den alten Deſſauer als den großen Zuchtmeiſter der preußiſchen Infanterie, aber er jet Hinzu: „Ce prince joignait beaucoup de prudence & une rare valeur; mais avec beaucoup de grandes qualits, il n’en avait guere de bonnes.“

Die Briefe des FKronpringen an die Söhne Leopolds bedürfen faum der Einführung. Der Ton, in dem er mit den Prinzen Wilhelm Guſtav und Leopold Marimilian fpricht, ift frei und ungezwungen, oft jogar vertraulih. Es find die Bertreter derfelben jüngeren Generation, die mit einander verkehren. Denn auch an dem unter ftrenger Disziplin gehaltenen Hofe von Deſſau war der Geift der neuen Zeit nicht ſpurlos voräbergegangen. Die Nachricht, daß Leopold feine Söhne ohne wifjen- Ihaftlichen Unterricht Hätte aufwachſen Laffen, ift eine alberne Fabel. Sreilich die geiftige Verfchiedenheit zwifchen dem Freunde Voltaire und den Lieblingen Friedrich Wilhelms I. war immerhin zu groß, um eine Sreundichaft, wie die der Väter, zu geftatten. Gigentlich verband doch nur dag militärifche Intereffe die. Prinzen. Dies erklärt die ungemwöhn- lich lebhafte Korrefpondenz des Jahres 1735. Mit zormigem Kummer fah Friedrich die Deffauifchen Prinzen ohne ihn ins Feld ziehen. Einſt batte Friedrich Wilhelm gewollt, der „effeminirte”, unfoldatifche Sohn follte im Sturm vorne beim erften Grenadierunteroffizier feine Tapferkeit beweifen, und nun verjagte er dem Thatendurftigen, dem in Wahrheit die Zwangsjacke der Uniform zum Ehrenkleid geworden war, den Herzend- wunſch, vor dem Feinde die erfehnten Lorbeern zu erringen. Die tieferen politiichen Gründe, die den König dazu bewogen, blieben dem Kron⸗ pringen verborgen. In feinem Unmute jchrieb Friedri an Leopold Maximilian: „Ich bitte ihnen recht jehr, feine Nachrichten mehr [vom Kriegsſchauplatze] zu fchreiben. Umb mir zu tröften, jo fchidet man mir na Preußen. Pauvre consolation! Ich wollte, daß mir der Donner vor ein Fahr in der Campagne geholt hätte.“

Mit der Rüdkunft der Prinzen aus dem ruhmloſen Feldzuge ver fegt die Korrefpondenz allmählich. Der legte im Zerbiter Archive auf⸗ bewahrte Brief des Kronpringen an Leopold Marimilian ift ein Beileid- Khreiben zum Zode Wilhelm Guſtavs. Wahrſcheinlich bat aber der brieflide Verkehr mit dem „lieben Polte“ in den lebten Tronprinzlichen Jahren nicht ganz geftodt.

Mit den Prinzen Dietrich und Morik ftand. Friedrich niemals in

4*

52 Otte Krause. [52

näßerenı Berhältnifie; Morik hat ſich fogar durch feinen Streit mit Fonqus den dauernden Groll dei Kronprinzen zugezogen.

Brieſe an Friedrich Heinrich Engen, den vorletzten Sohn des alten Fürſten, find mir nicht bekannt geworden.

Die hier mitgeteilten 95 Schreiben find alles, was von dem Briefe wechfel des Kronprinzen mit Leopold und feinen Söhnen im Herzoglich Anhaltifchen Haus⸗ und Staatsardjive zu Zerbſt aufbewahrt if. Daß dies nicht fämtliche Briefe find, ift felbfiverfländlid. Orlich Bringt z. B. in- feiner Geſchichte der fchlefiihen Kriege I, 288 ein eigenhändiges Schreiben Friedrich an den Fürften vom 27. Dezember 1737, das in Zerbft nicht aufzufinden war. Ob und wo etwa die Briefe Leopolds und feiner Prinzen an Friedrich erhalten find, konnte ich nicht ermitteln.

Die meiften Schriftftäde find wegen ihres unbebentenden Inhalts in Regeften wiedergegeben. Nur die eigenhändigen Aufzeichnungen Fried⸗ richs find ausnahmelos und mit Beibehaltung ihrer Ortbographie und Interpunktion vollftändig publiziert worden.

Ich möchte fchließlich meinen ergebenften Dank, den ich dem Herm Archivrat Profefior Dr. Kindſcher zu Zerbft ſchulde, nicht bis zur Ver⸗ Öffentlichung der Korrefpondenz Friedrich Wilhelms I. mit Leopold auf ichieben, fondern gleich bier ausjprechen, wie wertvoll mir feine mit ftet® gleicher &hte gewährte Anleitung geweien ift.

1. Briefe an den Fürjten Leopold.

Berlin, 22. Oltober 1720.

Dankt für die Sendung eines Grenabiers.

Berlin, 30. Sanuar 1722.

Dantt für die Geburtätagegratulation.

Undatiert!). [Eigenhänbig.)

Ich bedanke mich jeher vohr die gute wünjche, jo mich Ihre Dur- leücht bei eröffnung diefes Jahrs gethanhn Haben, nichts erfreüet mich mehr al® das ich mich der Continuation don Ihrer amityé verfichren fan, den beiten wunſch den ich Ihre Durchleücht tuhn kan der gewis auß aufrichtigen Herken kömt, ift viele gefundheit und vergnügen, und bite inen bier bei verfichert zu fein das ich mit vihle estime und amytis bin Ihrer Durchleüch jehr wol afectionirter freund und Veter

Frideric P. R.

Potzdam den 11. Novfember] 1728. [&igenhändig.]

Ich danke jhre Durchleuch nochmahls jeher vor die mühe welche fie id um meinethalben zu Desau gegeben haben?) ich Tan fie ver

1) Der Handichrift nach muß der Brief ungefähr um 1727 abgefakt fein. 2) RR mt hatte am 27. Oktober mit dem Hronprinzen ben Fürſten in Deſſau befucht. Vgl. Len tzius, Becmannus enucleatus, 465.

58] Die Briefeb. Kronprinzen Friedrich v. Preußen an den Fürften Leopold x. 58

fijern das ich nuhr alleine auf gelegenheit warte ihnen meine Dankbar⸗ keit zu bezeugen, welches mein Eintziger wunſch ift. die jagd gehet zimlich gubt Hier aber wegen der umneinichleit der jchefs!) Lömt Die armee oft in bredulie, und haben wihr auch fchohn eine campagne um- ſonſt gethan, und feind unferichter fachen in das winterquartir gerüfet, wihr Hoffen aber auf beſer geluk und guht weter?). im übrigen bin ich mit vielen atachement .. .

Potzdam d 19 November 1728. [Eigenhändig.]

Eurer lieben Pferd und die Hunde?) Habe geftern gekriget wohrbohr ih ihnen nicht genuhngfam danken Tan, ich wünjche nicht? mehr allg nubr gelegenheit zu haben Ihrer Durchleucht meine Dankbarkeit recht an den tach zu legen. Vorgangenen Freitach“) Habe ich fchon mit bie 12 Hunde vom Pring Eugenius einen Danenhirſch gefangen und morgen werde wieder mit der gantzen meute jagen. Die Rohte birjchjagd gehet ſehr guht bier, im anfang war es nicht des geleichen Den vorgangenen Montach ) Haben wihr zwei hirſche in wenig Zeit nach einander ge⸗ fangen darvon der legte eine halbe virtelftunde gedauret Hat, kein menſch fan die urfacde darvon geben, doch meinen die einige das fie im ein« dreiben zu viehl geengftiget worden jeind, und das fie fich nach ber Zeit nicht recht haben verbolen könen Die dinaftagiche jagd ift viel Rafcher geweien und haben die hunde geichwinder als die desauers®) gerenet, der hirſch hat auch 4 Halb flunden gelofen, bei gutergotz angeleget, und in das neue theil?) gegangen. heute Haben wihr die befte jagd von dis jahr gehabt dan die Hunde und piceurs haben fehr wohl gethan, die Hunde feind gehorfam und jagen ſehr vohrfichtich, zuleßt haben wihr jehr oft Tajo®), und endlich nachdem [der Hirſch] 2 ſtunden gelaufen bat

) Die Leithunde.

Der König fchrieb am felben Tage dem Fürſten, der ftarle Forſt hätte die Jagden verboten; „aber itzo ift es recht fchön wetter.“ Er hätte am voran: ggangenen Zage einen wölfenber nad) fiebenviertelftändiger zforeejagd ge:

ngen, von Hundert hun en hätten aber nur 23 die richtige Fährte behalten.

3) Friedrich Wilhelm fchreibt unter demfelben Datum dem Fürſten: „Euer Lieben haben mein gap jo ſſchlſon beſſchſeſucket ich wünſſchſe das er eine occa- sion finde das er ſich Ihre estime meritieret mache 44 und ich habe Ihn be: fohlen ba® er fie foll berichten wie meine acht gebet + id Habe eine Jacht gehat gefemn hr fchön aber es gehet jo Rahs[ch] das man faft nit folgen kan.“

) 12. Rovember.

5) 15. November.

6) Leopolds Hunde waren durch ihre Schnelligkeit berühmt, man erzählte RG, daß ber Fürſt einmal einen Diele von Deilau bis Zorgau ohne Aufenthalt geingt hätte. Friedrich Wilhelm fchreibt von ber hier erwähnten Jagd am 19. No⸗

t: „Die Rüdeste jacht die ich mein dage gefehen noch getahn ift vergangen

dinflag gewehben.“ BR

Sriedric Wilhelm hatte den Wildgarten bei Potsdam in diefem Jahre erweitern laſſen; der Park wurbe öftlih durch das Dorf Gütergotz und weftlich von dem Dorfe Dreiwiß een

8) „So ex [ber erfte Befuchtnecht] betände, dab der Hirſch feinem Gebrauche nad; einige Liftige Wiedergänge gethan, ehe er fich gelagert, müflen die andern hinter ihm ftodftille ftehen und bedürfenden Falls recht? und links vorgreifen, den Hirſch zu finden, mit dem Zufpruche Ho Zoo Ho Too, damit die Hunbe nochlommen.” Zebler, Univerjalleriton 26, 861.

54 ' Otto Krausle. Ä [54

jo haben wir halali gemachet und dasſelbe ift in drevitz gewefen!), im übrigen wünfche das fich mit ihrer Durchleücht gejundbeit tächlich befern möge ?), und das ich bald dag vergnügen haben könte Ihnen gank wohl bei ung zu feben.

Küſtrin, 31. December 1731. Dank und Erwiderung der Neujahrsgratulation.

Ruppin, 27. Juli 1732.

Sratulation für die Ehren, die Leopolds Regiment auf der Revue vor dem Könige geerntet hat.

Potsdam, 14. Oktober 1734.

Dant „für bie genoffene viele Höflichkeit“ ®).

[Eigenhändige Nachichrift]: ich Habe ihre Durchl: Compl[imente] am König gemacht er Läßet fehr danken, er ift Leider ſehr ſchlecht“) und leidet viehle angft jo das alle Ehrliche Leute uhrſache Haben fich daruber _ zu schagriniren Gott helfe ihm doch wieder zurechte?).

Berlin®), 15. November 1784. Dantt für die Meberjendung „de geboppelten Kriegsetats derer Holländer“.

Ruppin, 29. November 1784.

Bittet, den Erbprinzen Guſtav noch einige Zeit in Ruppin bei fih be- halten zu dürfen.

Berlin, 23. Mär; 1735. Wünſcht dem Fürften baldige Genefung n,

Ruppin, 9. November 1735. Zeilt die Meinung des Fürſten über ben „bewußten Marich“ ®)

1) Der König ſchrieb am 19. November, bon der Jagd des Kronpringen: „mein john jaget Beute Damhirs # die e age ift noch nit in ſtande den[n] feine jeger auf geleinte ausRangirte jachtp ehe Reitten.

2) Leopold war im November fchwer erfrant

3) Der Kronprinz war am 12. Dftober Sf Leopolds in Deilau gewejen. Dergl. CEuvres 27. 1, 24.

4) Friedrich Wilhelm war im Auguft zu Middagte im Geldrifchen jehr wer erfrantt und wurde am 14. September nach Potsdam gebracht. „Alle edici . aben an ber NR Sr ezweifelt.“ Vergl. Faßmann, Reben

und Thaten riderici Wilhelmi, 5 ichr: Wilhelm ließ am 13. Ot: tober 1734 dem Prinzen Leopold melden „Mein Zrftand ift noch ſchlecht, und erwarte Ich in Gela enbeit, wie es Gott mit Mir fügen wird.“ An den ürften ſelbſt [hrieb er am 16. Oftober: „mit mir gehet® ümer fchlegter.“

5) Ueber die Stimmung bes —** nzen während ber „grvantheit feines

Vaters vergl. Kofer, Friedrich der Große ald Kronprinz 201.

6) Der Kronprinz vertrat feinen franten Vater be den Soffeten in Berlin, mit benen ie PVermählung der ingeftin Eophie Dorothee Marie mit dem Schwebter Markgrafen Friedrich elm gefeiert wurde.

7) Xeopold war im März und April 1735 krank.

8) Der Zug bed Neichagenerals Friedrich Heinrich Grafen von Sedendorf an die Mofel, um die Trangofi ꝙe Aufſtellung in der linken Flanke zu überholen. ee ae en 2 8, 26 Verſuch einer Lebensbeſchreibung bes Grafen

eckendor

55] Die Briefe d. Kronprinzen Friedrich v. Preußen an den Fürſten Xeopold ꝛc. 55

Ruppin, 25. April 1736.

Dantt für eine Gefälligleit Leopolde.

Ruppin, 20. Auguft 1786.

Dankt für eine Gefälligfeit Leopolds.

[Eigenhändig.]) Ich bin Ihre Durchl: jeher obligiret vohr die guhtheit jo Sie haben wollen und fan ich mihr Glülckſlich Schegen, wen[n] ich von Ihnen was profitiren fan).

Rheinsberg, 31. Oktober 1736.

Dantt für die an Fouqué?) erteilte Erlaubnis, den Kronprinzen in Rheins: berg zu befuchen.

Eigenbändig.] ich Hoffe Ihre Durchl. werden nicht übel nehmen dach sic) ich den Capten Fouquet jo lange aufgehalten babe.

Berlin, 14. Dezember 1736.

Dantt, daß Leopold den jungen Grafen TFindenftein?) zum Lieutenant vor: ſchlagen will.

[Sigenhändig.] ic; erfene das plaisir recht was mihr Ihr Durchl. wegen des jungen grawen finten thun wollen und wolte wünfjchen ge= legenheit zu haben meine ertentlichkeit ann thag zu legen.

Rheinberg, 9. Yebruar 1737.

Dankt für eine Landkarte, zu der er ſich noch bie „Erplication” des Fürſten ausbitten will.

[Cigenhändig.] ich bedanke Ihre Durchl: jehr vohr den Schönnen RiB und werde mibr jehr lieb ſeind wenn Ihr: Durl. mihr fe[l)bigen expliciren werden wollen.

Ruppin, 24. November 1797.

Es ift „nicht nöthig dem Könige von denen verfertigten Plans Nachricht zu geben“ *). Der Fürſt Hat alfo „nicht Urfache, davon zu melden, indem der König davon nichts erfahren auch danach nicht fragen wird.“

1) Aahrideinlig war Leopold damals im Begriffe, feine eigenhändig auf peießie „Sdee von allen Militaicchargen” dem KHronprinzen zu ſchicken. Bergl. ber Zeitichrift für Kunft, Geſchichte und Wiſſenſchaft des Krieges, 8. Jabr-

(3

oder Stettiner SFortifilationen wiedergaben. Tem Könige meldete er erft am 5. Januar 1738 die Meberjendung der Schriſt und Pläne an Friedrich: „. . und

56 Otto Krauske. [56

Ruppin, 9. Dezember 1737.

Dantt dem Yürften für die Mühe, die er fih „wegen derer Blans geben wollen“, und bittet, dem Lieutenant Kleiſti), alles Nötige zeigen zu laflen. s

Berlin, 24. Dezember 1737. Beileidzfchreiben zum Zode bed Erbprinzen Wilhelm Guftan®).

Berlin, 27. Dezember 1737. Glückwünſche zum neuen Jahr.

Berlin, 10. Januar 1788. Sri übratm 6 des Leopold dem Lieutenant von Kleiſt die Pläne zu ferner [Eigenhändig.] ich bin Ihr Durchl: vohr alle guhtheit und mühe fo fie fi) wohl haben meinenthalben geben wollen von hertzen obligiret und wohlte tönen meine dankbahrkeit ann tag legen.

Berlin, 20. Januar 1788. Erneuter Dank für die Pläne.

Ruppin, 5. Mai 1738. Weberjendet bie Ranglifte und Maßrolle feines Regiments.

Ruppin, 14. Mai 1738.

Die Pläne find niemandem, auch nicht dem Obriften Wallrave®) gezeigt und werden auch künftig ohne Leopolds Genehmigung einem Menſchen gewiefen werden. Sie Liegen in Rheinsberg verjchloffen: „Wie ih denn damals dem Könige mit Ewr. Durchl. Conſens nichts anders als einen vom Lieutenant v. Kleiſt verfertigten Riß überfandt habe.“

Yofle, daß Ew. Königl. Majeftät jolches gnädigft genehm Halten werben, inbem e. Köntgl. Hoheit —8 gewiß eine Idee bekommen, wie die Tranchoͤe ſoll und muß geführet werden.“ Friedrich Withein bemerkte zu dem Schreiben: „sh Habe nicht gewußt, ſonſten würde es abgefordert haben, mir zuweilen.“ Dergl. die Antwort bes KHönigd an Leopold vom 8. Januar 1738 ber Witzleben in der Zeitfhrift für preußiiche Geichichte 9, 619. Das Urteil Friedrichs über die Arbeit ne Nürfen —* vres 16, 147, und Briefe Friedrichs an feinen ater ©.

1) Premierlieutenant Karl Wilhelm von Kleiſt. Vergl. über ihn Xecher, Der Kronprinz Friedrich in Ruppin, ©. 78.

2) Wilhelm Guſtav ftarb am 16. Dezember 1737. Leopold wurde burch ben Tod jo erjchüttert, „Daß ed einen Stein in der Erde erbarmen möchte (Schreiben bes Prinzen Leopold Marimilian an den König, Deſſau, 16. Dezember 1737). Dal. auch Lengius, 491. Der bei Orlich, Ge ichte des eriten fchle: Kichen Kriegs I, 288 abgedrudte Kombolenzbrie) Friedrichs an den Fürſten vom

. Dezember iſt meines Wiſſens nicht im Zerbſter Archive.

3) Gerhard Cornelius von Wallrave. Bergl. über ihn Preuß, Se der Große 3, 325 und Preußiiche Staatsfchriften 3, 487. Wallrave batte fi 1738 beim König beflagt, baß er bei Leopold in Ungnade gefallen wäre. Der Fürſt antivortete auf bie Süriprade des Königs, Deſſau, 16. April 1738: „Sollten Ew. Königl. Majeftät serieux befehlen, daß ich dem Obeiften Wallraven in das künftige alle feine ler, die er fo oft in Ew. Königl. Maj. Tienften begebet, feet paffiren laffen ſoll, ſo erwarte darüber Ew. Königl. Maj. gnädigften poft: tiven Befehl, auf daß ich aus aller Verantwortung geleßet werde und auch eın gerubiges Gewiſſen haben möge.“

57] Die Briefe b. Kronprinzen Friedrich v. Preußen an ben Fürften Beopold x. 57

Berlin, 25. Auguft 1738. eine Km dem aa ———— bei Aufſtellung derer Compagnien [Eigenhandig.) ich wünjche von hertzen das Ihre Durchleucht möhgen geſundt nach Desau gekomen fein®). bier höret man viel vom Krige?) raisoniren und wirbt braf geſchimpfet vohr die fo fi) vohr die Frantzoſen fürchten.

Ruppin, 10. September 1788.

Dankt für die Meberfendung ber Orbres bei Leopold Regiment. (Bergl. Orlich I, 289.)

[Eigenhändig.| ich Habe die ordres mit nachdenken durchgeleſen jo Ihre Durchleucht an die compagnien gegeben haben ſolche jeindt ſehr löblih, und werde ich unterfchidenes zu meinen Nutzen herausnehmen. gramkau) und da® ganke Directorium Hat einen ſtarken und Schrift- lichen Putzer vom König befomen®), worauf Grſumbkow] grimase gemacht Hatt, ala wolte er den abjcheit nehmen ber König foll obli- gant darauf geantwortet haben, und der inhalt were, es ſeie nuhr nicht Zeit darvon. ef fcheinet ala wen[n] fie fich beiderfeits nicht trauen und doch nicht von einander können. Ihr: Durl: kennen mein atachement vohr ihnen.

Rheinsberg, 5. November 1738.

Drüdt bie ‚preube aus, dem Tyürften einen Dienft erweilen zu können; „und

a w.

tan verſichern, mir nichts angeneömer in der Welt fein wird, ala Liebden einiges Plaifir zu erweden.“ Dantt für bie lieferung eines Deſerteurs.

Ruppin, 2. Dezember 1788. Dankt für die Beurlaubung Fouqus.

Berlin, 21. Januar 1789.

Er glaubt, daß ber Fürſt „Urjacde gehabt, dem Kapitain Fouqué ungnäbi werben) den, da ich i K —* ehrlichen Kerl Som io "Derden .Durchl. nicht übel nehmen, daß ich ihm meine bisherige Amitie continuire.“

——

1) Vergl. Wuvres 16, 153. 2) Leopold war in Preuben geweien. 3) Aus Anlaß der jülich-bergifchen Erbfolgefrage.. Vergl. Droyfen IV. 3,

‚8 Leopold ftand auf fchlechtem Fuße mit dem —— und Minifter im Generaldirektorium, Friedrich Wilhelm von Grumbkow. Vgl. über ihr Yrwürfnis Wibleben in den Sahrbüchern für die deutiche Armee und Ma⸗ a A f-; Ueber dag Verhältnis des Kronprinzen zu Grumbkow fiehe Hofer

ante eig Aa 5 28. Auguſt LID8. De

Rönig ıft „fehr übel mi en biöherigen Dienft zufrieden . ., indem Sie wahr:

nehmen, baß vi Generaldirectorium Dero . . . Inſtruction von anno 1722 unb Dero ferner ergangenen Ordres nicht nachgelebet.

) „1738 309 Fouqué ein Vorfall, da er nämlich den Lieutenant von Zeh:

men, der fi) von dem Prinzen Morik von Anhalt: Deifau beleidiget zu fein

glaubte, den Rath, gab, fich deshalb beim Stönige zu beichiweren, die Ungnade des

58 Otto Krauske. [88

Berlin, 81. Januar 1739.

Er Hat dem Kapitän Fouqué ben Abichied aus preuhilhen Dienften er⸗ wirkt; „werde mir auch Mühe geben, ihn an einen andern Orte, wo ich mehr Eredit ala hier habet), wieber unterzubringen.“ (Bgl. Orlich I, 290.)

Ruppin, 21. Februar 1739.

„Ew. Durchlaucht bin ich für die unterm 15. dieſes mir gegebene Berficherungen ?) gar fehr obligiret und bitte don mir perfuadiret zu fein, daB ich meinerjeit? niemalen Gelegenheit dazu geben werde, daß Urſache haben, die Aufrichtigkeit meiner Freundſchaft in Zweifel zu ziehen.“

Ruppin, 8. März 17392).

Dieſelben Verfſicherungen wie im voranſtehenden Schreiben.

[Tigenhändig.] Ich habe So viel Estime und Consideration vohr Ihr Durchl: das ich mihr ingkünftige hühten werde keiner meiner guhten Freunde fie Möhgen nahmen haben wie Sie Wollen Ihnen zu Reco- mandiren, ich Weiß wie das unfermubtende unglüf des Ehrlichen Fou- quets mihr nahe gegangen ift, und ich werde mihr gewiß auf folche art menagiren das Ihr Durl: feine uhrſache Haben werden mihr insfünftige dergleichen excusen nöhtig haben zu machen.

Ruppin, 4. April 1739. Allgemein gehaltene Komplimente.

Berlin, 26. Dezember 1739. Dank und Erwiderung ber Neujahrdgratulation.

Chefs zu.” Der König wollte ihn zu eihem anderen Regimente verjeßen, der Kronprinz vermittelte aber dem Freunde die Entlaffung in Gnaden und verhalf ihm zum Eintritt in den Fa Dienft. Bergl. (König) Biographiiches Lexikon aller‘ Helden u. ſ. w., welche ſich in ven n Dienften berühmt gemacht haben, I, 438; Koſer, 131. 2593; CEuvres 20, 109 f.

I) Der König war dem Kronprinzen im Dezember 1738 jehr gütig begegnet, zeigte ihm aber unerwartet im Januar 1739 wieder feine vollfte Ungnade.

uvres 16, 159 f.

2) Leopold hatte am 15. Februar dem Kronprinzen gefchrieben, „dab ich in Wahrheit und auf meine Ehre verfichern kann, daß wohl niemand in ber Welt gleich tief ergebenften Rejpect und wahre Beneration vor Ew. Königl. Hoheit hat ala ich und nicht aus Schuldigkeit, fondern allein aus tiefeften [?] Herzen, alfo werden Ew. Königl. Hoheit von ſelbſten gnädigſt belieben zu ermeſſen, wie sen- sible es mir jein würde, jo Ew. Königl. Hoheit von mir glauben würden, daß ich einer derjenigen wäre, der ac den gehörigen Reipect vor Ew. Königl. Hoheit in jeinem Herzen hegete, alfo hoffe und bin von Ew. Königl. Hoheit Einfichten jo feit verfichert, daß, wo man gegen mir einige übele Jmpreffionen det machen wollen, daß Ew. Königl. Hohei —* erleuchtet [?] finden werden, daß ich gewi nit capable wäre, den unterthänigiten Refpect, den ich Ew. Königl. Hoheit Fi bin, aus den Augen zu ſetzen und zu vergeſſen, mit welchen Sentimenten i auch erfterben und bis in mein Tod verbleiben werde . . .“

Orlich I, 289 feßt den Brief irrtümlich auf den 8. März 1738.

59] ie Briefe d. Kronprinzen Friedrich v. Preußen an den Fürften Leopold zc. 59

2. Briefe an den Prinzen Wilhelm Guftav.

Ruppin, 21. Yuli 1732. Sratulation zu ber Ernennung bes Erbprinzen zum Generallieutenant!),

Ruppin, 8. Oktober 1738.

Dankt für ein Schreiben und verſichert „aufrichtigft”, „daß des Fürſten Durchlaucht jeder Zeit mein guter Freund geweſen, und ich des⸗ falls an dem Ihm zugeftoßenen Accident?) nicht ander als großen Theil nehmen können. Wie ich denn von Herzen wünjche, daß es feine übele Suiten nach fich ziehen möge, welche® mir zu bejonderer Be⸗ rubigung gereichen wird.”

Potsdam, 6. März 1734.

„&w. Liebden bin ich dor die mir don Dero vorfeienden Reiſe nah Stalien®) gegebene Nachricht innigft verbunden und wiünfche von Herzen, dab Diefelben fothane Sampagne bei allen Wohljein und Ber« gnügen zurüd legen mögen. Bin ich im Stande, Ewr. Liebden einige angenehme Gejälligleiten zu erweifen, jo wird mir ſolches um fo an- genehmer fein, ala ich dadurch Gelegenheit Habe, zu zeigen die Aufs richtigleit, womit ich ftetß zu fein verfichere . . . .”

Ruppin, 4. Mai 1784.

Bebauert, daß die Reiſe bes Erbprinzen nach Italien rüdgängig gemacht worden ift.

Ruppin, 3. Dezember 1734.

Spricht fein Bedauern über ben allzu kurzen Beſuch bes Erbprinzen in Ruppin*) au,

„Ew. Liebden können inzwifchen verfichert fein, daß e& mir befon- ders angenehm fein wird, wenn Diefelben mir Dero Zufpruch bald wieder

1) Der Prinz wurde am 11. Yuli 1732 gem Generallieutenant beftallt.

2) Fürft Leopold war im September 1733 auf der Jagd von einem Hirſch verwundet worden. Friedrich Wilhelm I. fchrieb auf die Nachricht davon an Leopold, Wufterhaufen, 2. Oftober 1733: 2 bin in erfahrung gekommen als dad fie vom Hirſch gefpihet fein + fein fie Persuadiret das es mir bon hertzen leidt jey + Gott erhalte fie und bewahre fie weitter H Brauchen fie ich ihide Pallasch (bi Regimentsfeldſcheer Pallas] der ift Habile den könen ſie auf mein wordt [fi] anvertrauen + Gott bewar vor wundtfiber und ba3 keine arterie lediret jo wierdts mit Gottes Hülfe guht gehen + Mein lieber freundt nehmen fie ſich umb Gottes willen in acht und haben den herrn Jesus recht im berken und bekehren fie ſſich] den[n] wierdt Gott alles wohl machen H id) bin teilt] an pene vor fie biß ich wieder zeittung bekomme wie ed mit der wunde it # mer kan ich nit tuhn als Gott den allerhöchiten zu bitten das er möge Kur Sieben conserwiren und Ihn genehßen [laffen] füllig one lahm [zu

eiben) ...“

3) Der Prinz wollte an dem öfterreichifchen Feldzug in Italien teilnehmen. Friedrich Wilhelm zog aber am 19. April die vorher erteilte Erlaubnis ggrrüdt

Pi Suftad Wilhelm Hatte im November den Kronprinzen in Ruppin

t.

60 Dtto Krauske. | [60

gönnen wollen. Der ich nach Anwünſchung alle® Contentements mit aufrichtiger Freundſchaft verbleibe . . .“

[Eigenhändige Nachfchrift.] J’ai des lettres de Potzdam oux lon m’ecrit que la sente du Roy va mieux!), j’ai resscux aujourdui une tres dessagreable vissit6 c’est monsieur mon grand Beaufrere?) qui m’invite pour soi, aber 28 möchte wol nicht? draus werden ci toute les vissites m’etet aussi agreable que la Vostre mon cher Prince je me gaterez ci fort le gout que je ne pourres plus voir perssone d’autre.

Ruppin, 18. Mai 1735.

Sratuliert dem Erbprinzen zur Erlaubnis, wieder dem öfterreichifchen Feldzug am Rhein beimohnen zu Dürfen®), und wünjcht ihm beftändiges Ver: gnügen und gute Geſundheit.

| Eigenhändig.] bier fihet es ſehr confuß aus nuhn das andere im felde geben fpricht man das der Käißer die fridenspropossitions an- genomen babe*), ich babe mihr bei den Könige gemeldet, aber noch feine vechte antwort gefrigt, Si le Pr[ince] Leopoldt ecrivoit aux Roy, que le Prinsse Eugene avet demend6 ci je ne ferez pas la campagnie ich glaube das folte helfen ®).

& Berlin ce 6. de Juin 1785. [Eigenhändig. ]

Je Vous suis infiniment oblige de la bonte que Vous av6z eux de m’ecrire des nouvelles de L’Armee, vous pouv6z estre persuade mon tres cher Prinsse que je Vous en ai une obligation infinie,

J’ai enfein apris la raisson pour la quelle Le Roy ne m’a pas vouleux donner la permission d’aller à L’armee, et je me flate mo- yenent Vostre assistence de la lever, La chosse est telle, L’on a dit

1) Aus dem Supplement ber Leydener geitung vom 14. Dezember 1734 (bei Fahßmann, 522, „Man fehreibet aus Berlin vom 7. diges daß es fich mit bem König immer mehr und mehr zu Potsdam beſſere.“ Vergl. (Euvres 27. 3, 88 und hier S. 54 Anm. 4.

2) Der Mar af Friedrich Wilhelm von Schwedt. Vgl. Briefe Friedrichs an feinen Bater ©. 35.

3) Der Erbprinz war 1734 und 1735 als Bolontär beim öfterreichifchen

am Rhein. Vgl. Lentzius, 491.

4) Bol. Droyſen IV. 3, 262 f.

5) Ueber den Wunſch bes Ktonprinzen wieder am gelbdgu e teilzunehmen und die politiichen Gründe, die dem König bie a grung er nftändigen Bitten feines Sohnes unmöglich machten, vergl. Kofer 117 }. und 250. Friedrich Wil- helm Idrie an Leopold über das vorausfichtliche Ergebnis des Feldzuges. Pots- bam, 17. Mai 1735: „den[n] ich feft glaube das nits Passiren wierdt ala rechs und Lincs ab ben Rein auf und ab zu Marchir'en] fonder das eine kugell [ea wierdt.” Siehe auch Wihleben in ber Zeitichrift für preußiiche Ge: dichte 9, 613. Ueber die Achtung, welche der König vgl. feinen Brief an Leopold, Berlin, 29. Auguft 1735: ... [Sein] „fie fo Kan .. ben Printzen Eugenio mein compliment Gen machen und Ihn ver⸗

em Prinzen Eugen zollte,

cherſn] das ich alle estime und consideracio vor Ihn haben werde fo lange ich lehb und Ihrſo] von grundt des herken feine conservacion wünfche und er in allen ftuden mir finden würde fo wie er mich gelaßen bette.“

61) Die Briefe d. Kronpringen Friedrich a Breurien au deu Jüräer Zugelä 5323

aux Roy que le prinsse Eugene aroit ecrit zuı presse Z Ürenge: - pour le pryer de faire la Campagnie sux Bin. & Le Res ex cm que lon ne m’a pas pryé de allör, aind il me le vet pas permetee

voyer à L’Armee oux je pourez plus voir cet ande que L’zmre pussee. et ci il vouloit m’ecrire aussi use letire que je paizse munmzmfır SEX Roy, par la quelle il me marıne que je derrez dememder mux Bor la permission d’Aller à L’armee, et que je pourez v var pims que ande passee, ci il veut eerire ces dems letires ll a rum de plus sur que je vas a L’Armee, je vous prye de le Ere zuı Prommee. et de faire cependent que Le Roy n’aprene pas que ce mi fait cette intrige, Vous m’oblserez tone ma vie em me rendese be ecle fol ogmentdr L’rsime & Lremuse arme I sible cela feroit ogmenter L’estime et L’zmiıe zvegue la geriue # cerai toute ma vie...

[Rachichrift.] Ich gehe gewiße nad, der am Mönig, und an wife barhber kirribet aber m man = thun wie ich Ihnen fchreibe aui das ber w_ midr fomme taufendt complimente au den galten Pazza guhte Treunbe.

i 4 je Fin

3 B F *

was der Konig mihr erſtlich geiehlagen hat er meinen Bocruien 7— beurn habe ui De © laubnis zu Danten nach ber armee zu gehen, uh beuiz sie ia Dr order zu frigen iortzugehen ich bote fie aläden zu ze ihnen mü[n]dlidh zu verficdern, Des ich mit aufrictiger runtilgee zu aller erfinlicher estime bin...

[Rachichriit.] der Brit jo ich am Deu Piryex geri-ber Sehe‘ ift aus der Cantzelei, und Ehr ich erfanbers gehahe babe hlriber. 15

bitte es den Pringen zu jagen. Rupin d 11 Juli 1735. [Gigenpäubig | Ich bin ihnen ſehr obligiret vor bee gükte dur We keber mie w ofte zeitungen aus der armm6e zu Icheeiben, ich bir Te uch vr gew.

l) ®ilhelm IV., Karl Heinrich Ace, Yrray vor Arten - Core 6

lter der Niederlande. 2) Dem Leopold Marimilien, der em zw Arıtzuge se mfmmer Mucte Bgl. weiter unten © 65 t

3) Tas Regiment dee wunb be der Bere vr Tel des Rönigs. BL Eure 1, *:. zu —— kinen Bater, S. 3.

Hard Matte dem Bring Eng De m en hartem. abgrichleagen r

60 Dtto Krauske. [60

gönnen wollen. Der ih nah Anwünſchung alles Contentements mit aufrichtiger Freundſchaft verbleibe . . .“

[Eigenhändige Nachichrift.] J’ai des lettres de Potzdam oux lon m’ecrit que la sente du Roy va mieux!), j’ai resscux aujourdui une tres dessagreable vissit6 c’est monsieur mon grand Beaufrere?) qui m’invite pour soi, aber es möchte wol nicht? draus werden ci toute les vissites m’etet aussi agreable que la Vostre mon cher Prince je me gaterez ci fort le gout que je ne pourres plus voir perssone d’autre.

Ruppin, 18. Mai 1735.

Statuliert dem Erbprinzen zur Erlaubnis, wieder bem öfterreichiichen Teldzug am Rhein beiwohnen zu Dürfen®), und wünſcht ihm bejtändiges Ver: gnügen und gute Geſundheit.

| Eigenhändig.] Hier fihet es fehr confuß aus nuhn da® andere im felde gehen fpricht man das der Käißer die fridengpropossitions an« genomen babe *), ich babe mihr bei den Könige gemeldet, aber noch feine vechte antwort gefrigt, Si le Pr[ince] Leopoldt ecrivoit aux Roy, que le Prinsse Eugene avet demend6 ci je ne fer6z pas la campagnie ich glaube dag folte helfen ®).

& Berlin ce 6. de Juin 1785. [Eigenhändig. ]

Je Vous suis infiniment oblig6 de la bonte que Vous av6z eux de m’ecrire des nouvelles de L’Armde, vous pouv6z estre persuade mon tres cher Prinsse que je Vous en ai une obligation infinie,

J’ai enfein apris la raisson pour la quelle Le Roy ne m’a pas vouleux donnér la permission d’aller & L’armee, et je me flate mo- yenent Vostre assistence de la lever, La chosse est telle, L’on a dit

1) Aus dem Supplement ber Leydener geitung vom 14. Dezember 1734 (bei Yakınann, 522), „Man fchreibet auß Berlin vom 7. bieles, bo ea Ach mit bem König immer mehr und mehr zu Potsdam beffere.* Vergl. (Euvres 27. 3, 88 und hier S. 54 Anm. 4.

2) Der Markgraf Friedrich Wilhelm von Schwedt. Vgl. Briefe Friedrichs an feinen Bater ©. 85.

3) Der Erbprinz war 1734 und 1735 ala Bolontär beim öfterreichtichen

am Rhein. Vgl. Lentzius, 491.

4) Bol. Droyien IV. 3, 262 f.

5) Ueber den Wunſch bed Kronprinzen wieder am Feldzuge teilzunehmen und die politiichen Gründe, die dem König bie a grund er inſtändigen Bitten feine Sohnes unmöglich machten, vergl. Koſer 117 f. und 250. Friedrich Wil- helm Ichrieb an Leopold über das vorausfichtliche Ergebnis des Feldzuges. Pots⸗ bam, 17. Mai 1735: Be ich feft glaube das nits Passiren wierdt ala recha unb Lincs ab ben Rein auf unb ab zu Marchir'en] fonder das eine kugell u wierdt.” Siehe aud Witzleben in ber Zeitichrift für preußifche Ge: chichte 9, 613. Ueber die Achtung, melde der König dem Prinzen Eugen zollte, vgl. feinen Brief an Leopold, Berlin, 29. Auguft 1735: ... [Sein] „fie fo

uht . . den Printzen Eugenio mein compliment I) machen und Ihn ver: Nerfn das ich alle estime und consideracio vor Ihn haben werde jo lange ich lehb und Ihrſo] von grundt des herken feine conservacion wünſche und ex in allen ftuden mir finden würde fo wie er mich gelaßen hette.“

61] Die Briefe d. Kronprinzen Friedrich v. Preußen an ben Fürſten Leopold ꝛc. 61

aux Roy que le prinsse Eugene avoit ecrit aux prinsse d’Orenje!) pour le pryer de faire la Campagnie aux Rin, et Le Roy est faché que lon ne m’a pas pry6 de aller, ainci il ne le veut pas permetre per cette raisson la, je Vous prie donc mon chör Prinsse de parler aux Pr: de Savoye, et de faire en sorte quil ecrive aux Roy, ci il ne vouloit pas me laisser faire la Campagnie, et que comme je mar- quez beaucoup d’inclination pour la gere que Le Roy me devroit en- voyer à L’Armee oux je pourez plus voir cet ande que L’ande passee, et ci il vouloit m’ecrire aussi une lettre que je puisse montrer aux Roy, par la quelle il me maryue que je devrez demender aux Roy la permission d’Aller & L’armee, et que je pourez y voir plus que l’ande passee, ci il veut ecrire ces deuxs lettres il n’y a rien de plus sur que je vas a L’Armee, je vous prye de le dire aux Prinsse, et de faire cependent que Le Roy n’aprene pas que c’est moi qui ai fait cette intrige, Vous m’oblyerez toute ma vie en me rendent ce servisse, et je Vous en aurai une obligation eternelle, ci il etoit pos- sible cela feroit ogmenter L’estime et L’amity& aveque la quelle je cerai toute ma vie...

[Nahichrift.] Ich gehe gewiße nach der armee wohr der Prink am König, und an mihr darüber jchreibet aber er mus es auf der art thun wie ich Ihnen fchreibe auf das der König nicht merke das es von mihr komme taufendt complimente an den gubten Polten?) und alle

aubte freunde.

Ruppin, den 5. Juli 1735. [Cigenhändig.]

Ich Lan ihnen nicht genungfam Danken vohr die mühe fo fie fi) um meinethalben gegeben Haben und verfichere, das ich mihr eine freude maden werde, ihnen zu dinen warn fich gelegenbeit findet, was der König mihr erftlich und darnach den Printz Eugene ab« geichlagen Hat er meinen Recruten acordiret®), denen habe ich die Er- laubnis zu Danten nad) der armee zu gehen, ich denke alle Thage die order zu frigen fortzugehen ich Hoffe fie aladen zu ambrassiren und ihnen mü[n]dlich zu verfichern, das ich mit aufrichtiger freundichaft und aller erfinlicher estime bin ...

[Nachfchrift.] der brif fo ich an den Pringen gefchriben Habe *) ift aus der Cantzelei, und Ehr ich erlaubnig gehabt habe gefchriben, ich bitte e8 den Pringen zu fagen.

Rupin d 11 Julli 1785. [&igenhändig.]

Ich bin ihnen ſehr obligiret vor die gühte die fie haben mihr fo ofte zeitungen aus der armmee zu fchreiben, ich höre fie zwahr ſehr gerne,

1) Wilhelm IV., Karl Heinrich Friſo, Prinz von Naſſau⸗Oranien, Erb- ftatthalter der Niederlande.

2) Prinz Leopold Maximilian, der au am Feldzuge teilnehmen durfte. Vgl. weiter unten ©. 65 f.

3) Das Regiment des Kronpringen fand bei ber großen Revue den Beifall des Könige. Bol. CEuvres 20. 1, 28 f., und Friedrichs des Großen Briefe an

kinen Vater, S. 38. \ 4) Griebri hatte dem Prinzen Gugen gemeldet, daß ihm die Bitte, fich in? Feld begeben zu dürfen, abgeichlagen worden wäre.

62 Dtto Krauske. [62

wolte aber Viel lieber felber mit zu ſehen al® von andern leuten zu erfahren was dar passiret, Endlich habe permission nach der armee zu gehen aber mit den bedingen das fie ſich zuſamen zihet, thun fie mihr dag plaisir und fchreiben mihr recht aufrichtih ob es aparence darzu ift oder nicht, und wen]n] fie jo gühtig weren wen[n] fie den printzen Eugene jehen, ihm zu jagen da® wohrjferne aparence wehre die armee jufamen zu zhien fo würde ich gewife Bingehen indem es mihr der König verfprochen hat, in der Cruellen ungewißheit verbleibe und mögte noch wohl fo lange verbleiben biß der herbſt die bleter abwehet, und die armee in ihre winterquartire marjchiren thuht adieux mein lieber Pring, ich bitte Ihnen feindt fie veſte verfichert das fie feinen bejern freundt als mihr Haben und das ich mit vieler estime bin...

Ruppin, 18. Juli 1735.

Dankt für Nachrichten vom Kriegsſchauplatz.

„Und bitte nicht übel zu nehmen, daß ich nicht eigenhändig ge= ichrieben Habe, denn ich bin jeo im Begriffe mit dem Könige auf 8 Tage nach Pommern zu geben, und hiernächſt werde ich gewiß daß Bergnügen haben, Ew. Liebden bei der Armee zu ſehen.“

[Eigenhändige Nachichrift.} quand La Campagnie de L’oder cera finie ce qui cera en 8 jours le Roy m’a promis que jirez a L’armee.

Berlin, 28. Juli 17835.

Dankt für die Nadrichten vom Kriegsſchauplatz und verfichert ben Prinzen feiner „aufrichtigen Neigung“.

[Eigenhändige Nachichrift.] auf der große Herren wohrt ift fo wenich zu trauen das ich anfange zu zweillen ob die Campagnie ge- ſchelhe)jn wirdt oder nicht.

Potsdam, 31. Juli 1735.

Dankt für die Verficherungen ber Tyreundichaft nnd die Nachrichten vom Kriegsſchauplatz.

[Eigenhändige Nachſchrift wie es noch mit mihr gehen wirbt weis ich warhaftich nicht.

Ruppin, 8. Auguft 1735.

Dankt für die „gegebene Nachricht und gethanes Verſprechen“.

[Eigenhändige Nachſchrift.) ich bedanke mihr noch taußendtmahl vohr alle mühe ſo ſie fich geben.

Ruppin, 18. Auguſt 17385.

Dankt für ein Schreiben des Prinzen.

[Eigenhändige Nachfchrift.] 1’homme proposse et Dieux disposse mais morbleux lon ne sauroit s’empecher de ce facher de sa pre- distination !).

1) Ueber die Migſtimmung Friedrichs, dem Feldzuge fernbleiben zu müſſen, vgl. Quvres 27. 1, 32 f.

63] Lie Briefe d. Kronpringen Friedrich v. Preußen an den Fürſten Veopold x. 63

Nuppin, 25. Auguft 1735.

Dantt für die neuen Nachrichten.

„Die Zeitung aber, daß der Prinz Eugen die Parole an den General von Röder!) bis den 2. Septembr. überfchidet Hat, ift mir nicht angenehm, indem daraus zu fchließen, daß die Armee fich ſobald noch nicht zufammenziehen dürfte.“

Ruppin, 8. September 1735.

Dankt für bie Mitteilungen vom Sriegafchauplaß.

[Eigenhändige Nachichrift.] Le monde se fout de moi, et moi je me foux du monde vous comprenez fassillement ce que je veux dire car cela signifie que lon ne me laisse pas aller en Campagnie ?),

Berlin, 16. September 1785.

Dankt für neue Nachrichten aus dem Lager.

(Eigenhändige Nachſchrift.) je pars pour la prusse®) Dar finde ih weber armde noch jeindt L’anee qui vient je pryrai d’allör en Moscovie et lon m’envera aux Rin wen[n] man nuhr weis wie man e3 anfangen muß,

Elbing, 23. Oktober 1735.

Gratuliert zur glüdlicden Rückkunft des Prinzen aus dem Feldzuge.

[&igenhändige Nachichrift.] meine Campagnie *) ift noch nicht vor⸗ bei ich dente aber den 80ten in die Winterquartire einzurüfen.

Rheinsberg, 24. September 1736. Dantt für die Meberlaffung einiger Leute für fein Regiment.

[Eigenhändige Nadhjichrift.] je Vous suis infiniment redevable mon cher Prince.

RhHeinzberg, 16. November 1736. Dankt für die Heberlafiung von zehn Mann für fein Regiment.

[Sigenhändige Nachichrift.] je vous remercie mille foix mon cher Prince des beaux hommes que Vous m’avez bien voulux envoyer.

1) General Erhard Ernſt von Röder fommandierte das Preußifche Hülfstorpa.

Bol. (Euvres 27. 1, 34.

3) Ueber die Reife des Kronprinzen nach Preußen vgl. Kofer, 118, 119 und 250; Stabelmann, Friedrich Wilhelm J. in feiner Thätigleit für die Landes: kultur Preußens, 203 f. 348 f.; Preuß I, 106.

4) Die preußifche Reife. |

64 Otto Krauske. [6£

3. Briefe an den Prinzen Leopold Marimilian.

Berlin, 17. Mai 1734. at erfahren, daß Leopold im Lager de? breußil n Hülfscorps bei Mühl- - aufen „2 eingetroffen ift, und wünſcht ihm Gefundheit und «eine glüdliche pebiti [Cigenhändige Nachfchrift.] ich werde gegen den 8 oder 9Iten Tünf« tiges Mohnts bei ihnen feindt?) und wohrt Balten und den Lieben polten den Champagnier ausjaufen. adieux bis darbin.

Berlin, 4. Juni 1784.

Da die Revue vorbei ift, hofft ex noch in biefem Monat nach dem Kriegs⸗ Ihauplaß zu fommen.

[Eigenhändige Nachſchrift.]) ich bin Gottlop mit der Revue fertich und werde über 8 tage wie der König veriproden bat wek geben adieux cher Polte guht champ[agner] recomendire.

Berlin, 24. Juni 1784.

Wird Berlin am 1. Juli verlaflen und am 4. oder 5. bei der Armee fein. Bittet Leopold dafür zu forgen,

„daß ich etwas Holz finden und die Küche rauchen möge. Könnten Ew. Liebden es auch in die Wege richten, daß vors erfte einige Vic⸗ tualien vdorräthig wären, fo würden Diefelben mir dadurch ein be= fondere® Plaifir erzeigen.”

[Eigenhändige Nachichrift.] ich Hoffe cher Polte, den 5 oder 6ten in® lager zu fein ich gehe den erften ohnefehlbar wel, der König wird auch Hin fommen aber er bat feine Abreife erit auf den 14 geſetzt, ich hoffe fie noch in Heilbron®) an zu trefen den[n] fo unartlich werden fie hoffentlich nicht fein ohne uns zu Batailliren.

Potsdam, 24. Oktober 1734. Sankt für Nachrichten vom Kriegsſchauplatz.

[Eigenhändige Nachfchrift.] nous sommes ici entre la crainte et l’esperence *), les jambes du Roy se sont ouvertes apres quoi il a

I) Prinz Leopold war bei dem Corps, das zur Unterftüßung Oefterreichs an ben, Apein marfchierte. Der At verlieh Berlin am 30. Juni und kam ben 7. Juli in * "Eugen "hatte ſich nad Heilb da er fi rinz Eugen hatte na ei in zurückgezogen, u ihwad te, die Ettlinger Linien gegen Die die franz Er acht u zu baten. 4) Bal. hier ©. 54 Anm. 4 u Der König vi an Leopold, Pots: dam, 19. ftober 1734: „ih habe die maherfucht + fie haben mir heutte um die beine ein verbandt gemadyet das es foll auslaufen + ich habe kein gros vertrauen darin.“ Dem Prinzen Leopold Grieb ber König, Potsdam, 28. Of: tober: „mit meiner geſundtheit gehet es etwas beßer und offenung babe wieder in ftande zu kommen woſo e3 continuiret.” Val. auch das Supplement der Lendener Zeitung vom 19. Oftober und 2. November 1734 bei Faßmann, 515. Danach hatten die Aerzte in jenen Tagen den König bereits aufgegeben.

65) Die Briefe d. Kronprinzen Friedrich v. Preußen an den Fürften Leopold x. 65

quelgue soulajement mais les medecins dissent quil n’est pas tir6 d’a- faire et quil poura trener 2 oux 3 mois encore!), mais quil est in- qurable.

Potsdam, 8. November 1784.

Wünſcht dem Prinzen viel Vergnügen iniben Winterquartieren?).

„Mit dem Könige ftehet es noch ſehr fchledht, fo daB man noch nicht wiflen kann, wohin es ausfallen wird; inziwifchen wird dag Bei- lager?) dennoch den 10. hujus feinen Fortgang haben.“

[Eigenhändige Nachfchrift.] anjetzo ſtehen wier recht zwischen furdht und hoffnung indem man des Könige Fuhs auffchneiden wirdt und das das [!] fehr gefährlich iſt ).

Berlin, 31. Dezember 1794.

Dantt N ten unb tuliert d ti Derleihung der

burgi —*— an gratuliert dem Prinzen zur Verleihung

[&igenhändige Nahichrift.] Ich Hoffe das plaisir zu Haben von ihrem bierjein®) auch zu profitiren.

Ruppin, 26. April 1735.

Hofft mit dem Prinzen im Feldlager zufammenzutreffen ©).

[Gigenhändige Nahichrift.] wen[n] fie einKüken bei der Armee fo jein fie duch jo guht und Schreiben an passent an den König das der Printz Eugene gefragt Hätte ob ich nicht hin kommen würde? N).

Ruppin, 16. Mai 1785. Dankt für Rachrichten vom Kriegsſchauplatz.

„Dan Hört Hier von dort aus verſchiedene Zeitungen, wovon ich dem, jo Ew. Kiebden mir melden, nur einzig und allein Glauben beimefie.”

Bittet um Fortſetzung ber Berichte.

Berlin, 5. Juni 1795. Dankt für Nachrichten vom Kriegsſchauplatz.

vember er Grivarten eine günftige Wendung. V ya mann, 517 f. Am

19. Yanıar 1735 jchrieb der König dem Karen Leopold, daß er fchon eine halbe

Stunde zu Pferde A anne „aber auf und ab gehet nody ſchwer und mit bem echter

132 en Bistümern bes Kurfürften von Köln. Vgl. Droyfen

3) Die Hochzeit des Schwedter Markgrafen Friedrich wilden mit der veubilen 9 Boi Sophie Dorothee Mar Dot Wh SBmann, 5 das Befinden des Königs in nen "Sagen zel. bis Slippfement der sa —* eitung vom 16. November bei —F mann, 5 5) Der Fürſt Leopold war zum Neu ni ir me * ſeiner Prinzen nach Fotabam gereift. Wilhelm dankt e ihm am 12. Januar für feine gute Affiſtence und w Sefellichaft in Meinen fo (teen Umftänden.“ Vergl ir in der Serie r preußifche Gefchichte 9, u dieſen und den di Igenden Briefen vgl. hier s. 60 2 al. hier S. 61. Schreiben vom 6. Juni 1735.

Forſchungen z. brand. u. preuß. Geld. VII. 1. 5

1) —9— I. Cuvres 27. 1, 25. Die Krankheit des nahm Ende No:

zu Fußen

66 Otto Krauste. [66

„Meinerſeits werde nunmehr bald was Poſitives von bier aus melden können.“

[&igenhändige Nahichrift.] ſehr obligiret vohr gühtige nachricht und babe hoffnung die Ehre zu haben fie in der armee zu fehen.

Berlin, 15. Juni 1735,

Dankt für Nachrichten.

[Eigenhändige Nachichrift.] der König ift aufs neue krank!) und wirdt wohl fiel auf deßen gejundtheit anlommen ob ich nad) der armee Tome oder nicht. ich bitte den brif an den Pr: Lichtenstein?) zu geben wen[n] er in der armée wirbt angelommen feind.

Berlin, 19. Juni 1785.

Dantt für Nachrichten.

[&igenhändige Nachfchrift.] ihres bruderen?) brif und ihren habe wohl erhalten und warte jegunder wie es Gott und mein Schidfal es mit mihr fügen wirt adieux mein lieber Pofljtchen vergejen fie ihre guhte freunde nicht.

Berlin, 26. Juni 17835.

Dankt für Nachrichten.

[Eigenhändige Nachfchrift.] morgen ift meine revue und werde dan zu gubter leg anhalten ob ich nach der armee fomme oder nicht.

Ruppin, 4. Juli 1785. 4 Dantt für Nachrichten und hofft den Prinzen bei ber Armee begrüßen zu en.

[Eigenhändige Nachichrift.] endlich endtlich habe ich die Campagnie loß gefrigt, und wen[n] die armee zufammen ftoßet fo flige ich Hin, und hoffe ihnen dort mündlich ein mehreres zu fagen.

Ruppin, 18. Juli 17885.

Dantt für Nachrichten. „Übrigens hoffe ich nunmehro bald fo glüdlich zu fein, Diefelben zu jehen.“

[Eigenhändige Nachichrift.] Ich Hoffe baldt zu fprechen.

Berlin, 28. Yuli 1785. Dantt für Nachrichten.

[Sigenhändige Nachjehrift.] Gott weiß was auß meiner Campagnie werden wirdt.

1) Der König ſchrieb dem Prinzen Leopold, Berlin, 23. Juni 1735: „ic

bin wieder an glieder caput und liege auf den Rollwagen # wolte Gott das

in mein klein quartier in Postdam wehre den[n] ich nitö mehr nube bin.“

it dem kleinen Quartier meint ber König die Gruft in der Potöbamer

Garnifonfirche.) Am 5. Juli fchreibt Geier Wilhelm dem engen: ‚Mit mei[ne] gefundtbeit gehet —X ich gehe Ft reitte recht guht.“

) Der Fürſt Jofeph Wenzel von Liehtenftein nahm 1734 ala General: major am Rheinf Br teil und war im April 1735 ala außerordentlicher Ge: fan ter in Berlin agt. Droyien 4. 3. 2, 255 und Foͤrſter, Friedrich Wil⸗ beim L. Bd. 2, 148.) Ueber Sehne Begiehungen zu Friedrich dem Großen vgl.

—5 Deu Biographie 18, 6 3) Des Erbprinzen Wilhelm Guftav. Dal. bier ©. 61.

67) Die Briefe d. Kronprinzen Friedrich v. Preußen an den Fürften Leopold x. 67

Ruppin, 21. Auguft 1735.

Bittet den Prinzen, ihm bei einer Werbung behülflich zu fein.

[Eigenhändige Nachjchrift.] man faget die armde werde aufamen komen wohr ferne e8 wahr ift, ſo ſchreiben fie mihr e8 boch und‘)...

Ruppin, 8. September 1735.

Dantt für Nachrichten.

[Eigenhändige Nachſchrift.) ich Habe gethan was menfchen möchlich wahr umb Hin zu kommen, e8 war mihr verjprochen ich bin abgewißen, und mit vihlen zulünftigen zeiten abgejpeißet, ja fogar ich wolte nad) den Rein und Soll nach dem pregel?) ich Bitte ihnen wohr fie mihr lieb haben fo fchreiben fie mihr nichts was passiret.

Se K mer ns lag, „und b t

n r Nachrichten dom alcha „und Da meinerſeits nunmehro

alle Sofmung —— iſt, Ss Jah u , Armee au formen, fo bitte * mir nur ferner nicht zu melden, was dorten pafſiret...

[Eigenhändige Nachichrift.] ich bitte ihnen recht fehr feine nach⸗ richten mehr zu fchreiben, umb mihr zu tröften fo ſchiket man mihr nach Preussen pauvre conssolation ich wolte da8 mihr der doner vohr ein jahr in der Campagnie geholt bäte.

Berlin, 18. September 1785.

Dankt für ihmuerwiejene Gefälligkeiten.

[Sigenhändige Nachfchrift.] ich gedenke in wenich thagen von bier nach Preussen zu gehen und werde bei dantich bejehen, wie e8 ſich vohr ein jabr Zapfer gewehret hat?).

Sartenftein, 29. September 1735.

Schidt dem Prinzen einen anonymen Brief von der Armee bei Mainz und bittet ihn abi nad; dem Berfaffer, der wahrfcheinlich ein preußifcher Offizier wäre, zu nd

(Eigenhändige Nachſchrift.) ich mach ihre briwe nicht mehr leßen, und ergere mihr ich mögte die gelbe fucht frigen wenn] ich einen leße, meine ganke Reiße wirdt wohl Leinen anderen nußen haben ala den Patssificationstacd in Warſchau zu brechen. Die Schurkens denken, das weillen ich den Sakfichen BirEſel“) nicht gubt bin) und die Regimenter bier beſehe jo würde ich fie zu Halje gehen et de peur la Diete est comme rompue.

1) Der Reft des Fa if, abgeriffen. 3) —* ee iſchen Erbfolgek kreich und Ko ) Danzi e im po niſchen ol riege für Frankreich un nig Stanislaus erklärt. Die Rufſen und Polen be agerten bie —* vom 20. März 174 an und zwangen fie 9. Juli zur Pe apitulatlen. Friedrichs Urteil über * Belagerungsarmee ehe bei Koſer, 119 und 250 f. 4) Bierefel: ein Geſpenſt in den Bierhäuſern, das alles zerbricht, wenn ihm zist jede Nacht ein Krug Bier bingefeßt wird. Figürlich in den niedrigen rten ein dem Zrunfe ergebener Menſch. Adelung, remmakii ‚tritifches arten 2. Aufl., 1, 1009. ieras Pieraͤſel i ip Die guieberbeutiche ezeichnung für wi Sei Köder verwandten egenivurm. Ade ng 2 riebric) Bitt helm I. hatte der Wahl Augufts II. zum polniſchen Köni des —88* er beiden Kaiſerhöfe, die Anerkennung verweigert. Vgl. Droyfen 4 3.2, 191 ff. Weber Stimmung vgl. Wuvres 16, 134.

5*

68 Dtto Kranke. [68

Berlin, 81. Oltober 1735.

Komplimente.

[Eigenhändige Nachichrift.] und der hochdeutzſche general Hat eine renconter an der Mossel gemacht!) Hete ihm doch der Teufel geholt, mihr deucht ich höre ein echo das amen fagt.

Ruppin, 10. November 1785. Ueber den Rüdmarfch des Prinzen?)

[Eigenhändige Nachichrift.] Ich Hoffe die Ehre zu haben ihnen baldt zu jeben.

Ruppin, 16. Dezember 1785.

Der Prinz wird dem Kronpringen einen Soldaten ſchicken, „welcher Die lirung bes Gewehrs verfteht;" „und findet fich amilden den von Ewr. Lieb en überfandten und meinen Gewehrn kein ſonderlicher Unterſchied.“ Friedrich ladet den Prinzen ein.

Berlin, 12. Januar 1786. Glückwünſche für die Ernennung bes Prinzen zum Gouverneur von Küftrin ®).

Ruppin, 7. Dezember 1736.

Schickt „den Ritter*), um bdorten von jeiner Tapferkeit und übrigen Qualis täten bie Probe abzulegen.“ (Bgl. Orlidh I, 378.)

[Eigenhändige Nachſchrift.]) Es ift der gröfte nar der in der Welt fein mach er mus aber erbar tractiret werden und abjonderlich jehr Aber feiner tapferleit gelobet werden er machet fat) den Donquischot nachzu⸗ machen. fein Nahme ift Movius de Scandor des Donquichotomanchaifchen orden® Ritter und gouverneur der injel Corfui. ich bin verfichert das fie plaisir miht ihn haben werden.

Rheinzberg, 19. Januar 1737.

Freut ih, daß „der Ritter“ ben a” „bivertiret bat“. Spricht von le ftübt: näher bezeichneten Angelegenheit, in ber Leopold den Kronprinzen unte

[Eigenhändige Nachfchrift.] ich erwarte weiter nachri[ch]t von was fie mihr geichriben haben.

Rheinsberg, 9. Februar 1737.

Freut fi) über den nahen Beſuch bes Pringen®); „und Lönnen Ew. Liebden derfichert fein, daß ich mir allemal bie iii Sende" machen werde, wenn ich das Vergnügen haben kann, Diefelben bei mir zu jehen

ie Nachichrift.] ich werde mihr jederzeit jehr freuen wen[n] ich das plaisir Haben werde ihnen zu fehen.

1) Der Sieg Sedenborfd über Delle: ‚Dale bei Klofter Clauſen. Friedrichs Urteil über Sedendorf fiehe (Euvres 1, 16, 346. 2) Das preußifche Heer trat am * —S 1735 ſeinen a an. Dal. bo Verſuch einer Geichichte der Churmark Brandenburg 5 Der Prinz war 31. Dezember 1735 zum Gouverneur ernannt worden. 2 Es ift mir unbelannt geblieben, wen Friedri meint. Vergl. Preuß, Seiebeihe wi Großen Jugend und Thronbefteigung ©. N)

8) Leopold Marimilian ging am 27. Februar nad) Rheinsberg. Lentzius, 499.

69] Die Briefe d. Kronprinzen Friedrich v. Preußen an ben Fürften Leopold ꝛc. 69

Berlin, 21. Dezember 1737. Beileidfchreiben über ben Tod des Prinzen Wilhelm Guftav?).

[Eigenhändige Nachfchrift.] ich bin fo betrübt über den thot ihres Bruders gewejen als fie nimer fein Lünen ich verlihre einen ſehr guhten und aufrigtigen freundt das ift ein Peniks?).

4. Briefe an den Prinzen Dietrich,

Ruppin, 28. April 1735. Gratuliert dem Prinzen zur Erlaubnis, ins Feld zu ziehen. Ruppin, 11. Juli 1735; Berlin, 38. Juli 1735; Ruppin, 7. September 1735; —* pin, 8. September 1755. up p für Nachrichten vom Kriegsſchauplatz. —* Stargardt, 28. Oktober 1735. ratuliert dem Prinzen zur Rückkunft.

5. Briefe an den Prinzen Moritz..

Berlin, 3. Juni 173. Gratuliert bem Prinzen zur Erlaubnis, am Kriege teilzunehmen.

Rheinberg, 11. Ottober 1736. Gratuliert ihm nr ennung zum Negimentschef®).

Berlin, 20. Augu Dantt für Na ten ber das Regiment Alt-Anbalt.

Ruppin, 9. September 1738. aan ihm für die Meldung von Fouqués bevorftehendem Beſuche in Rheinsberg. Berlin, 21. Mai 1739. Verfichert, „daß ich mich niemals um Sachen, welche bei anderen Regi- mentern vorfallen, befümmere‘) auch meinerſeits Ew. Liebden keine Urfache gebe en werde zu zweifeln an der aufrichtigen Meinung, mit welcher ich verbleibe .

l. Me S. 5l und ©. 56 Anm. 2.

) 2 en Being wurde auf ber Magdeburg Fi Revue im Juni 1736 mit vor: datiert m Patent egiments Al ehr a auf den Streit des en mit Fouqué an. Vgl. hier nm

111.

Aus der Rorrefpondenz der franzöfifhen Geſandtſchaft zu Berlin 1746—1756 ’).

Mitteilungen aus dem Parifer Ardiv.

Bon Reinhold Koſer.

Die Inſtruktion, welche Valorys Nachfolger auf dem Berliner Geſandſchaftspoſten, Richard Franz Talbot, Earl of Tyrconnell?) am 1. März 1750 mit auf den Weg erhielt, geht aus von der noch andauern- den Unficherheit der Lage im Norden und von dem Gegenſatz zwiſchen Ocfterreih und Preußen:

„On peut &tablir pour principe certain et invariable que l’imp£era- trice-reine de Hongrie n’oubliera jamais la cession de la Silesie ni celles du traitE de Worms?) ... Il faut observer seulement que dans la pour- suite de ces deux objets l’Imperatrice-Reine &prouvera une grande diffe- rence de la part de ses allies; elle ne rencontrera que des obstacles de la part de l’Angleterre, quand elle voudra recouvrer les Etats c&des au roi de Sardaigne, et, tant par la distance des lieux que par la nature du pays, elle ne pourra se promettre l’assistance de l’imp6ratrice de Russie. Au contraire, des que le projet d’attaquer la Silesie avec succ&s semblera pestieable, elle peut compter sur l’assistance du roi d’Angleterre et de la Czarine.“

1) Fortſetzung. Vgl. Forſchungen VI, 451—481.

2) Perfönliches über Tyrconnell: Forſchungen VI, 160. 161. 481.

3) 18. September 1743. Traites publices de la royale maison de Savoie III, 7.

22 Reinhold Kofer. [72

Die Stellung Frankreichs angefichts diejer Gegenſätze faßt die In⸗ ftruftion dahin zufammen:

„... Dans une si grande contrariete de vues entre Sa Majest& et les trois cours allices, le Roi se reconnait non seulement oblige par la paix d’Aix-La-Chapelle de conserver la Sil&sie au roi de Prusse, mais il est encore persuade qu’il y a un inter&t direct. La jonction de cette province aux Etats de Sa Majeste Prussienne non seulement diminue la puissance de la cour de Vienne et augmente la consideration de celle de Berlin dans l’Empire, mais elle contribue encore fortement & y soutenir influence de Sa Majeste et & empöcher le Corps Germanique & entrer aveugl&ment dans toutes les vues des Autrichiens contre Elle. Le roi de Prusse doit reconnaitre de son cöte qu’il ne peut avoir d’alli6 plus sinc&re ni plus essentiel que le Roi, et que leur union mutuelle est la garantie la plus forte et la plus certaine tant de la Sil&sie que de leur süret& reciproque.“

Des Weiteren wird Tyrconnell ermächtigt, gegebenen Falls den König don Preußen zu verfichern, daß Frankreich zwar nur für Schlefien ausdrücklich Bürgichaft übernommen Habe, indes ſich auch verpflichtet glaube, gemäß feinem Beitritt zu dem preußiſch⸗ſchwediſchen Verteidigungs⸗ bündnis von 17471), für den Schuß der alten Befikungen Preußens einzutreten:

„La conservation de la Sil&sie est infiniment li&e & la conservation des anciens Etats du roi de Prusse; si faute de secours on lui laisse perdre ceux-ci, comment sera-t-il en Stat de maintenir la Silesie? Il n’y a donc d’autre parti & prendre que d’avouer de bonne foi la garantie contractee par l’accession du Roi. Mais le comte de Tyrconnell repr&sentera en m&me temps au roi de Prusse que l’engagement est respectif entre les trois puissances, que ce Prince est oblig& de secourir la Suede, si elle est attaquee; que le moment de remplir cet engagement est arriv&, et que, si ce Prince ne voulait pas donner les secours stipul&s & la Su&de, Sa Majest6 serait dis- pensee de lui en donner aucun dans le cas il serait attaqu& par la Russie. Que si, au contraire, il remplit son engagement & l’&gard de la Suede, Sa Majest& remplira tr&s ponctuellement le sien & son &gard; qu'à la verite ce ne sera point par une diversion contre la Russie, puisqu’elle n'est pas praticable; que par la même raison le Roi ne lui enverra point de troupes, mais qu’il lui donnera de l’argent, soit pour augmenter son armde, soit pour prendre à sa solde des troupes des Princes d'’Alle-

magne“ .

Etwaigen Bejorgniffen des Königs von Preußen anläßlich der Be⸗ ziehungen zwiſchen den Höfen von Berfailles und Wien ſoll Tyrconnell mit der Derlenung entgegentreten:

1) Val. Politiſche Korreſpondenz V, 406; VI, 36.

78] Ausb. Korrefpondenz d. franz. Gefandtichaft zu Berlin 1746—1756. 73

„U n’est pas douteux que Sa Majeste ne desire très sinc&rement d’entretenir la paix et l’union entre elle et la cour de Vienne, mais cette union n’aura jamais rien que de conforme aux constitutions d’Allemagne, et le Roi m’abandonnera jamais l’inter&tiqu'il prend et qu’il doit toujours prendre au bien du Corps Germanique*

Bon befonderem ntereffe find die VBerhaltungsmaßregeln die Tyr⸗ connell für den unmittelbaren Verkehr mit dem König von Preußen erhält:

„Comme Sa Majeste Prussienne s’entretient volontiers avec les mi- nistres &trangers, et que son intérôt fait tout son conseil, il faut lui ex- poser les choses avec nettet6 et franchise, et si l’on est oblig& d’employer la fermet£, elle ne doit jamais exclure la douceur, et il faut surtout lui faire apercevoir de la sfiret& dans le commerce pour toutes les saillies

qui peuvent lui &chapper, surtout quand les affaires ne tournent point au gre de ses desirs.

La grande vivacit& du roi de Prusse lui fait quelquefois saisir avec rapidite les premieres impressions, mais il les abandonne, des qu'il con- nait qu’elles sont contraires & la v£rite.

„Sa qualit& principale est de penser avec &l&vation et d’agir avec force et courage. Dans ces principes, nous ne doutons pas qu’il ne s'ex- plique nettement sur la proposition que le comte Tyreonnell doit lui faire et qu’il ne se determine & un grand parti, surtout &tant certain du con- <ours du Roi, et la seule r&putation de ce concert etant capable de dis- siper la ligue qui s'est forme&e contre lui et contre la Suede.

„Enfin, nous comptons absolument sur cette grandeur d’äme qui l'a toujours rendu superieur au danger et qui a force la fortune de la mai- son d’Autriche & c&der à ses projets.“

Zyreonnell traf in Berlin in der Nacht zum 23. März 1750 ein und erhielt am 24. im königlichen Schloß feine Empfangsaudienz. Bon 4. bis 8. April weilten er und jein Vorgänger Valory ala Gäſte des Könige in Potsdam. Bei der nächften Begegnung, am 25. April, jagte ihm Friedrich (Bericht vom 25. April):

„Vous devez &tre sür que je tächerai de vous rendre agr&eable votre sejour ici, et vous ne serez pas dans le cas de craindre que rien me desunisse avec le roi votre maitre, car il ne peut arriver aucune diffi-

eult& essentielle entre nous, tout au plus quelques petites tracasseries que des cours jalouses de notre union pourraient faire naitre.“

Zyreonnell jet Hinzu, daß dem Marquis Valory, der Berlin erit am 17. Mai verließ?!), zu zwei Malen zu verftehen gegeben ſei,

1) Rödenbed, Geſchichtskalender 1, 201. 202.

74 Reinhold Kofer. [74

daß man ihm gern beim Abfchied den Schwarzen Adler-Orden geben würde:

„l’une fois par M. de Podewils, qui ne s’est pas expliqu& si claire- ment, l’autre par Madame la princesse Am&lie, qui lui a dit qu’elle d&- sirerait bien vivement qu'en quittant ce pays-ci il en partit avec un cordon jaune; que cela lui serait un monument de l’amiti6 du Roi son frere, et qu’elle serait bien aise qu’on vit cet ordre port& par un liente- nant-general qui avait fait la guerre avec lui.“

Begreiflicherweife Hätte Valory gewünfcht, die Erlaubnis feines Hofes zur Annahme dieſer Auszeichnung zu erhalten. Schon am 10. Januar Hatte er eine Anfrage deshalb nach Verſailles gerichtet; Puyzieulx aber Hatte ihm damals geantwortet (Berfailles, 18. Januar 1750):

„Le Roi s’en fait une loi, Monsieur, de ne jamais permettre & aucun de ses sujets de recevoir des ordres &trangers. Celui de la Toison est en seul excepte. C’est en cons&quence de cette resolution que feu M. de Lanmarie n'a pas eu la permission d’accepter l’ordre du Seraphin .... Si les principes de Sa Majesté à cet &gard n’&taient pas aussi invariables, elle verrait avec plaisir dans sa cour l’ordre d’un prince qu’elle cherit et qu'elle regarde comme son prineipal allie.“

Als Valory ſich für einen Ring bedankte, der ihm zum Andenken geichentt wurde, ſagte ihm der König (Valorys Bericht vom 21. März 1750):

„Mon ami, il me semble que nous nous rechauffons l’un pour l’autre ä mesure que notre s&eparation s’approche.“

Richt lange nad) Tyrconnell traf auch) aus England ein neuer Ver⸗ treter in Berlin ein, Sir Charles Hanbury Williams. Tyrconnell bee richtete am 18. Juli 1750:

„Williams a eu jeudi dernier son audience de Sa Majest& Prussienne. Il ne resta que trois minutes & la montre dans le cabinet, pour lui re- mettre ses lettres et lui faire.son compliment. Ce ministre avait eu la veille une conversation avec M. de Podewils sur les affaires du Nord, il lui a dit que le Roi son maitre les regardait actuellement comme terminedes; que ce Prince croyait y avoir beaucoup contribu@ par ses soins et qu’il esperait que la France et le roi de Prusse concourraient .... M. de Williams me tint le lendemain le m&me propos. Comme j’etais prevenu de la r&ponse du ministre prussien, je me servis & peu pres des m&mes termes.“

Nach demfelben Berichte Hatte die Königin-Diutter zu Tyrconnell gejagt:

75] Ausb. Korreipondenz b. franz. Gefandtichaft zu Berlin 1746--1756. 75

„Le Roi votre maitre en agit avec nous, comme l’Angleterre devait faire, et nous sentons tout le prix de son amitie, que nous conserverons toujours, à ce que j’espere.... Aussi puis-je vous dire, Monseigneur, qu’elle s’occupe v£eritablement & faire un bon accueil & tous les Frangais qui arrivent en ce pays.“

Puyzieulx antwortete am 30. Juli:

„La conversation que vous avez eue avec la Reine-me£re. a touché Sa Majeste jusqu’au fond de l’Ame“!).

Ende Juli wurde der preußifche Hof durch die Ankunft eines tar⸗ tarifchen Gefandten, des Muſtapha Aga, überraſcht?). Puyzieulx erwähnt bad Greignid am 24. Juli mit der Bemerkung :

„Il parait que son arriv6e cause de l’inquietude & MM. de Puebla®), Williams et de Bülow, qui paraissent alarmes des qu’il vient ici qu'ils ne connaissent pas. Ilse ont m&me pris ombrage sur le nombre des Fran- cais qui arrivent.“

Am 28. Juli fährt Puyzieulx fort, auf Grund der Mitteilungen, die ihm Podewils gemacht bat:

„Le roi de Prusse sent fort bien tout l’avantage de ces propositions et combien ce kan peut &tre utile & la cause commune, si |. de Bestushew veut effectuer ses menaces. Il sait tr&s bien que cet envoyé enfle pro- digieusement les forces de son maitre, mais il est persuad& en möme temps qu’il serait tr&s possible, si l’occasion s’en presentät, de faire entrer un corps de 50 & 60,000 Tartares en Russie, ce qui op£rerait une fort grande diversion et calmerait beaucoup l’humeur guerriere du chan- celier.... Les alarmes de MM. de la Puebla, Williams, Gross et de Bülow redoublent. Ils ont été fort &tonnes de la longueur de l’audience du Tartare, qui a dur& pr&s d’une heure, et encore plus, je crois, de voir M. de Podewils me parler longtemps en partieulier. Ils n’ont pas s’em- p£cher de nous marquer leur inquietude, & M. de Wulfwenstjerna, M. de Rosencranz®) et & moi. Hier, apres un diner que le sieur de Gross nous donna, le ministre anglais, s’adressant à moi, me porta la parole pour savoir si je rendrais la visite au Tartare, en cas qu'il me fit une ou qu’il se fit annoncer, m’assurant fort que, pour lui, il ne la lui rendrait pas; que M. de Podewils ne lui eüt expliqu& cat&goriquement le caractere de ce ministre, et s’il etait envoy& extraordinaire ou simple secr6taire...

1) Aus einem Erlaß Puyzieulx’ an Valory vom 18. Januar 1750 ergiebt fih, daß der König von Frankreich für die Königin Mutter einen Strauß Por- zellanblumen zu Sevres beftellt hatte.

2) Bol. Pol. Korr. VI, 24 ff.; Preußiiche Staatzfchriften II, 235 ff.

3) Den öfterreihiichen Geſandten.

4) Bol. Forſchungen VI, 457.

5) Bertreter von Dänemark und Schweden.

76 Reinhold Kofer. j [76

Bülow ajouta qu’il y avait un mot polonais qui signifiait envoy& ou secré- taire, et que, comme le drogman £tait Polonais, on pourrait bien faire passer le secr&taire pour envoy& exterieurement... M. de Podewils m’a dit que M. de Wulfwenstjerna et moi ferions grand plaisir & Sa Majeste Prus- sienne, si nous pouvions trouver occasion de föter le Tartare.“

Am 1. Auguft gab auf diefe Anregung Tyrconnell zu Ehren des Zartaren ein Mahl; Puebla, Bülow und Williams Iehnten die Einladung Tyrconnells unter dem Vorwand eine® Diner? bei Williams ab. Der franzöfifche Hof war mit dem Verhalten feines Vertreters nicht ganz einverftanden ; Puyzieulx bemerkte ifm am 13. Auguft 1750:

„Un reste de soupgon me fait toujours craindre que cet envoyé ne soit qu’un aventurier ou un &missaire de la Russie.“

Einen erften zufammenfafjenden Bericht über feine Wahrnehmungen und Eindrüde erftattete Tyreonnell am 23. September 1750:

„Vous m’ordonnez de vous parler naturellement sur ce pays-ci. Je vais vous obéir et vous dire ce que j’en pense. Il est très vrai que Sa Majest€e Prussienne passe souvent tr&s vite de la crainte & la tranquillite et de la tranquillit6 & la crainte. Je vous avoue que j’ai souvent attri- bu& ces changements & l’embarras du moment et que je ne je crois pas plus & sa tranquillit€ qu'à ses craintes. Je croirais plutöt aux dermieres, parcequ’il a un fonds de timidite qui lui fait toujours voir en noir les ev&nements et par consequent craindre de se commettre. Je ne lui crois pas le caur fort droit, mais je suis persuade que, dans les circonstances presentes, nous pouvons compter sur lui, parceque c'est son inter&t, qu'il le connait et qu’il est persuad& qu’il serait accabl& dans le moment, si nous l’abandonnions. Je tächerai de le tenir toujours dans cet &tat. I m’a fait täter un jour par le baron de Pöllnitz!), qui m'a dit apres beaucoup de propos que le roi de Prusse &tait un Prince & me&nager, que la France avait grand besoin de lui et qu’il se cabrerait ais&ment, sur- tout s’il s'apercevait qu’on voulät prendre l’air de supériorité avec lui. Je lui r&pondis: »Je ne sais, M. le Baron, si vous avez mission pour me parler comme cela, mais en tout cas, soyez persuade que je sais tout le besoin que votre maitre a du mien, et il a trop de lumieres pour ne le pas sentir.e »Mais,« me dit le Baron, »il y a eu des temps malgre ses lumieres il a fait la paix de Breslau.- Je lui r&pondis: »Cela est vrai, mais cette même paix, en lui donnant la Silösie, l’a attache & nous à jamais pour la conserver, et c'est la base sur laquelle je fonde la so- lidit€ de notre union.e »Mais,« dit-il, »s’il changeait encore, que feriez-

1) Die Annahme Tyrconnells fcheint ganz abzuweiien; man weiß, mit welcher Sorgfalt Friedrich die Empfindlichkeit der Franzoſen fchonte (vgl. „König Friedrich ber Große” I, 568), und Pöllnig, die Iuftige Perſon des preußifchen Hofes, wäre der Letzte geweſen, deſſen Friedrich ſich für einen fo verfänglichen Auftrag bedient hätte.

77) Ausb. Korrefponbenz d. franz. Geſandtſchaft zu Berlin 1746—1756. 77

vous?« Je lui repondis: »Une visite & M. de Puebla«!), I se tut, et la conversation finit?).

Je ne doute pas que le baron n’ait mande& cette conversation mot & mot & son maitre, et j’ai cru remarquer, depuis, beaucoup plus de dou- ceur dans le caractöre de ce Prince, qui me traite & merveille depuis ce temps-lä. Il affecte m&me dans toutes les occasions de me donner des marques de bont6 et d’attention particuliöre.

Ses deux ministres?) me paraissent dans de tr&s bons principes pour nous et bien persuad&s que l’amitie du Roi est n&cessaire & leur maitre.

M. de Podewils est homme droit, & ce que je crois, mais faible et enthousiaste de la religion reformee. Je m’en suis apercgu en l’affaire de Hohenlohe).

Le comte de Finck est plus entreprenant, mais plus fin, et cherche, quand on traite avec lui, & faire parler beaucoup, pour voir s'il ne dé- me&lera pas quelque chose. Je le crois plus mefiant que son collegue, au reste, homme ferme dans les principes qu’il a sur la ne&cessit& de l’union de son maitre avec nous, et de la cimenter davantage, s’il est possible.

Presque tout ce qui entoure le roi de Prusse, a le caur frangais. Il y a encore quelques Autrichiens parmi ses généraux, mais il yen a peu. Peut-&tre le marechal Keith ne serait-il pas bon Frangais®), s’il haissait moins le roi d’Angleterre, mais je crois que cette haine fait l’effet dans son caur du plus fort attachement pour nous.“

Ende September ®) 1750 erklärte der franzöfiche Hof nach längeren Zaudern feine Bereitwilligleit zu der Eröffnung von Verhandlungen über einen Handelsvertrag und ftellte dem König von Preußen anheim, einen

1) Bel. ©. 75 Anm. 3.

2) Wie ber von Tyrconnell über Gebühr aufgebaufchte Vorgang von den Anekdotenträgern umgemodelt und ausgeſchmückt weitererzählt wurde, laſſen Balorya Memoiren (I, 297) exfehen: „Une reponse que fit milord au feu comte de Rothenbourg, acheva ce que des plaisanteries piquantes avaient &bauche. Ledit comte de Rothenbourg vint trouver milord et lui de- manda, de la part du roi son maitre, quels &taient les arrangements que la France se proposait de prendre pour le secourir dans le cas il se- rait attaque. Tyreonnell les lui detailla, et, entre autres moyens, il ex- posa les troupes allemandes des divers princes qui &taient en traité avec le roi pour lui fournir des secours abondants; puis il ajouta, apres cette &num6ration: Mais si vous nous trompez, mor ... . vous serez &crases.“

3) Die beiden Kabinetäminifter. Bol. Forſchungen VI, 465. 475.

4) Pgl. H. Meyer, Der Plan eines evangeliichen yürftenbundes im fiebens

jährigen Krieg (Bonner Diff. 1893) ©. 13.

5) Valory zählte in dem Bericht vom 22. Dezember 1747 (Forſchungen VI, 465) Keith zu feinen Vertrauten.

6) Einen Bericht Tyrconnell® vom 29. Eeptember 1750 habe ich in der Deutichen Zeitfchrift für Geſchichtswiſſenſchaft IX, 304 veröffentlicht.

78 Reinhold Kofer. [78

Bevollmächtigten zu diefem Behuf nach Paris abzuordnen !). Friedrich be= flimmte zu ber Sendung den Kammerherrn von Ammon, der fih in verfchiedenen bdiplomatifchen Stellungen feine Zufriedenheit erworben hatte. Tyrconnell fandte dem Unterhändler am 6. Oftober 1750, offen» bar durch den Minifter Podewils gegen ihn eingenommen?), das folgende wenig empfehlende Signalement voraus:

„C'est un choix que le Roi a fait lui-m&me, et dont ses ministres n’ont eu connaissance qu’apres sa nomination. M. de Podewils est, je crois, embarrasse de me le nommer, parcequ’il le connait aussi bien que moi. Ce M. Ammon est, je pense, l’'homme de ce pays-ci le moins propre & la commission dont il est charge. C’est un homme inquiet, difficile en affaires et toujours pr&t à donner & son maitre de mauvaises impressions sur les cours il l’envoie. C'est lui qui a brouill& irr&conciliablement son maitre et le roi de Pologne, parcequ’il n'y a pas trouve qu’on l’ait regu assez bien?) Enfin, M. le comte de Saint-S£&verin*) doit le con- naitre & fond, & ce que l’on m’assure ici. J’aurais fort desire que M. Le Chambrier en eũt &t& seul charge.“

In demfelben Bericht vom 6. Oktober 1750 verzeichnet Tyrconnell eine Aeußerung Friedrichs über den Konflikt Ludwigs XV. mit dem . franzöfifchen Klerus):

1) Vgl. Politifche Korreſpondenz VIII, 87. „König Friedrich ber Große* I, 447 ff.; 681.

2) Podewils’ Abneigung gegen Ammon tritt in den Alten mehrfach zu Zage; auch hat ber Minifter feiner ungünftigen Meinung über diefen Diplomaten dem Könige gegenüber offenen Ausdruck gegeben, jo in einem Bericht vom 15. Ofs tober 1745, ein Jahr nachdem Ammon ala Nachfolger bes Grafen Otto Podewils im Haag affreditiert worden war: „Il faut n&cessairement qu’avec le systeme que Votre Majest& adoptera alors (nach Abſchluß des Friedens mit Defterreich unter Bermittelung ber Seemächte), Elle ait un homme de poids en Hollande, en qui les r&gents et ministres de l’Etat puissent prendre de la confiance, ce qui ne se fera du grand jamais, si j’ose le dire, avec Ammon, malgr& son esprit et sa capacite.“ (Geh. St.⸗A.) Podewils ſchlug damals Klinggräffen vor, der feine Verſetzung nach dem Haag felber lebhaft wünjchte (vgl. Polit. Korreip. VIII, 158; Allg. Deutſche Biogr. XVI, 195). Ein Kabinetzfchreiben vom 3. Februar 1755 (Minüten des Kabinets) läßt erſehen, daß Ammon nad feinem Parifer Aufenthalte die Gunſt des Königs nicht mehr ſo wie früher befaß; e& wird ihm vorgehalten, daß er nicht immer Anlaß zur Zu⸗ friedenheit gegeben habe, fo wegen feiner Neigung zur Verfchwendung.

3) Ammon weilte ala Nefident am fächfiichen Hofe vom Eommer 1740 bis zum Sommer 1742.

4) Erfter Bevollmächtigter Frankreichs auf dem Kongreß zu Aachen (vgl, Forſchungen VI, 469), auf welchem Ammon, damals noch preußiicher Minifter im Haag, die preußifchen Sntereffen ohne offiziellen Charakter vertrat. Bol. Polit. Korreip. VI.

5) Bgl. Polit. Korreſp. VI, 6. 51. 55. 81. 91.

79] Aus d. Korreſpondenz d. franz. Geſandtſchaft zu Berlin 1746-1756. 79

„L’affaire du clerg& est l’objet de la plaisanterie ici. Le roi de Prusse me fit l’autre jour compliment & table devant 30 personnes sur le parti que le Roi avait d’envoyer les &v&ques & leurs dioc&ses. Il me dit que c’&tait le vrai moyen de les r&öduire sans scandale, et que dans six mois ils feraient tout ce qu’il voudrait pour avoir permission de revoir leurs maitresses de Paris. Je vous avoue que je fus trös embarrasse, ne sachant que repondre ... Au reste, le roi de Prusse m’a dit que le Roi ne pouvait les traiter trop durement, et qu'il Etait bien bon de leur per- mettre de r&pondre, quand il leur demandait quelque chose.“

In einem vertraulichen Schreiben an- Puyzieulg vom 4. Dezember 1750 gefällt fi) Tyrceonnell wieder, an den Brief vom 28. September anknüpfend, in Betrachtungen über den Charakter des König von Preußen und in der Beibringung neuer Beweife für feine große Entdedung von Friedrichs „Furchtſamkeit“. Den Ausgangepunlt bot ihm der Meinungsaustaufch zwiſchen den beiden Höfen über die Bewerbung bes Erzherzogs Joſeph um die römische Königskrone?):

ne » » Ce prince est sujet & jeter ses fautes sur les autres... Je crois, Monsieur, que vous ne serez pas content des lettres de Sa Majeste Prussienne que je vous ai envoy&es?). Je trouve qu'elles peignent le ca- ractere de mefiance, de variation et de timiditE de ce Prince. Je ne crois pas qu’il ait le projet d’abandonner l’Electeur palatin®), mais la crainte de s’engager perce dans tous les mots de ses lettres. Rappellez- vous, Monsieur, ce que j'ai eu l’honneur de vous €crire dans une petite lettre particuliöre, et vous le verrez tel que je vous l’ai peint. Son pre- mier mouvement n'est jamais droit; la crainte d’&tre d&couvert et de perdre toute confiance, le redressent souvent; mais la timidit€ qui combat ce second mouvement, en empöche les effets, et le rend obscur, n’osant plus tromper, et cependant ne se voulant plus ouvrir. Voilä sa situation presente; il a de trop grands inter&ts à menager avec nous pour oser nous tromper, ce qui lui fait refuser le traité avec l’Electeur palatin; mais il voudrait bien trouver un moyen mitoyen oü, sans nous d£plaire, il pät menager une sortie commode pour abandonner cet Electeur, si ses demandes sont trop fortes,

... M. le prince Henri, frere du roi de Prusse, desirerait fort avoir le portrait de Madame la marquise de Pompadour, pour le mettre dans un tres bon cabinet d'un palais qu’il fait bätir; il m’a prie de le lui faire venir.“

1) Vgl. Gehladorf, Die Frage der Wahl Erzherzog Joſephs zum römiichen Könige (Bonner Diff. 1887); Tropfen, Geſch. der preuß. Politit V, 4, 209.

2) D. d. Potsdam 30. Nov. und 2. Dez. 1751; Polit. Korreip. VIIL, 174 ff. Rr. 4657. 4659. 4660.

3) Neber die Aniprüche des Kurfürften von der Pfalz an den Wiener Hof, die marı im Zujammenhang der Wahlangelegenheit durchzufegen gedachte, vgl. Polit. Korreſp. VIIL, 601.

80 Reinhold Kofer. [80

Puyzieulx antwortete am 21. Dezember 1750:

„Je r&ponds, Monsieur, & votre lettre particulitre du 4 de ce mois. Tout ce qu’elle contient, est fort solide et fort juste. Je sens que vous: ne pouvez marcher que la sonde & la main. Je connais toute la delica- tesse du poste que vous occupez. Vous le remplissez avec distinction, nous ne vous rendrons jamais responsable des &venements ... Madame la marquise de Pompadour vient de me dire qu'on la peignait actuelle- ment, et que, si son portrait &tait ressemblant, elle vous l’enverrait volontiers.“

Inzwiſchen Hatte der Gefandte am 13. Dezember feine piycholo- giſche Studie fortgefegtl:

„Vous serez, je crois, aussi surpris que moi du changement de Sa Majeste Prussienne. Elle veut ce que nous voulons, Elle desire la réus- site du trait6 de Brunswick). Elle veut se livrer tout entier entre les mains du Roi, ne desirer que lui plaire et faire tout ce que Sa Majest& voudra. Je trouve que cela prouve peu de solidit&, mais je ne puis lui savoir mauvais gr& de son inconstance, dont je connais la cause. La lettre du Roi &crite de sa propre main?) a tout fait, J’ai prevu qu’elle ne pour- rait que flatter infiniment le roi de Prusse et je la lui ai envoyée des que je l’ai regue, en lui demandant la permission d’aller lui rendre compte des ordres que j'avais regus par le m&me courrier. Ce prince m’a mandé sur-le-champ de venir, et quoique depuis mon arrivde ici j’en aie ex- tr&mement lieu de me louer des bontes dont il m’honore, il ne m’en a jamais donne tant de marques que dans cette occasion. Il m’a parl& de toutes les affaires dont il était question avec un air ouvert d’intöret et de confiance que ne lui avais jamais vu; il l’a m&me poussde jusques & me consulter sur la fagon dont il r&pondrait au Roi. J'ai pris la libert& de lui dire qu’il ne pouvait rien faire qui füt plus agreable & Sa Majeste que de lui parler & cœur ouvert, et que je croyais que la vraie facon d’avoir sa confiance &tait de lui donner la sienne tout entière et surtout de lui bien expliquer ses !intentions sur le plan qu’il souhaitait suivre dans l’affaire de l’&lection.

... Je vous avoue, Monsieur, que plus je vois Sa Majeste Prussienne, et plus je m’apergois de son excessive timidite. Je la crains toujours, parceque souvent elle conduit sans le vouloir & des partis dont on se repent trop tard. Je crois que, si vous pouviez engager le Roi & entre- tenir un commerce regl& avec ce Prince, il en r&sulterait un grand bien, parcequ'il est trop glorieux pour pouvoir montrer sa faiblesse au Roi, et que chaque r&ponse qu’il lui ferait, serait un nouvel engagement auquel son amour-propre l’emp£cherait de manquer.“

1) Dgl. Polit. Korreſp. VIII, 183. 185. 2) D. d. Versailles 25 novembre 1750; Polit. Korreip. VIII, 185. Ebenda die Antwort, d. d. Potsdam 11 d&cembre 1750.

% 81] Ausb. Korreiponbenz d. franz. Gefandtichaft zu Berlin 1746-1756. 81

Die Situation verſchärfte fi) gerade jet nicht unerheblich durch! den Umftand, daß die ruſſiſche Kaiferin unter einem nichtigen Vorwand mit der Abberufung ihres Gefandten aus Berlin die bis dahin äußerlich noch auferhaltenen Beziehungen zu Preußen fchroff abbrach '). Puyzieulx erteilte aus Berfailles (4. Januar 1751) einen Ratjchlag, an den dag franzöfifche Minifterium ſechs Jahre jpäter, im Herbft 1756, fich nicht gern würde erinnert haben:

„Il ne faut pas que ce Prince s’alarme trop l&gerement, mais lors- qu’il sera bien assure que l’on n'attend que le moment d’&clater contre lui, il n’aura peut-&tre point de meilleur parti à prendre que de prevenir ses ennemis et de commencer par se debarrasser des plus petits qui l’en- vironnent et de les desarmer, et si la cour de Vienne s’en môle ou quelle en fasse la demonstration, le Roi, & l’instant, ne balancera pas & rentrer en guerre et prendra m&me d’avance les mesures ne&cessaires pour qu’il n’y eit pas un moment de retardement. Nous avons cru devoir vous communiquer d’avanee notre fagon de penser, parcequ’il pourrait arriver tel cas oü, pour rassurer le roi de Prusse, vous serez obligé d'en faire usage... Le Roi Ecrira volontiers de temps en temps et avec confiance au roi de Prusse. Il est bon cependant & vous observer, Monsieur, que oette correspondance n’a pas empäche ce prince de faire deux fois la paix, dans la dernitre guerre, sans consulter Sa Majeste. Elle s’est vue apres’ cette defection &puisde et seule contre touts, c’est ce qui nous a en partie: oblig6 de signer les preliminaires d’Aix-La-Chapelle plus töt qu'il ne con- venait peut-tre aux inter&ts du roi de Prusse“ ?),

Wie ſchon im Eingang bes vorjtehenden Schreibens, zeigt Puyzieulx auch in einer weiteren Darlegung (10. Februar 1751) eine unbefangenere Würdigung für die fchwierige Lage Preußens, ala der Berliner Bericht- erftatter in feiner mitleidigen Ueberlegenheit. Zugleich) verrät bier die Tranzöfiiche Politik, welche Rolle fie dem preußifchen Bundesgenoffen nnter Frankreich ſchützender Hand in Deutichland zudadhte:

„Nous voyons, Monsieur, par. votre lettre particuliere que le roi de. Prusse est quelquefois plus inquiet qu'il ne veut le paraitre. Il ne serait pas etonnant, au reste, que ce Prince changeät d’un jour & l’autre de lidee et de langage sur sa situation. Ce qu'il y a d’important, c'est ce qu'il ne change pas de systöme et qu’il soit préparé & tous les événe- ments... Si aux moyens que Sa MajestE met en mains du roi de Prusse pour gagner les princes d’Allemagne, il y joint la volonte de les. carresser et qu’il leur fasse insensiblement contracter l’'habitude de le re- garder comme leur ami, leur defenseur et leur protecteur, il fera dispa-

1) Bol. Preußifche Staatzfchriften DI, 238 fi. „König Friedrich ber Große” I, 560.

2) Bel. Forſchungen VI, 468.

FJorſchungen z. brand, u. preuß. Geld. VII. 1. 6

82 Reinhold SKofer. [82

raitre en peu d’annees la grande influence de la dignite imperiale et celle des cours de Vienne et de Londres en Allemagne. Vous ne pouvez pas mettre trop souvent ce tableau flatteur, mais fiddle, sous les yeux de Sa Majest& Prussienne et de son ministere.“

Des Königs politische Korrefpondenz aus dieſer Zeit zeigt, daß er dem bdiplomatifchen Bruche mit Rußland feine größere Tragweite bei- maß. So mußte fih auch Tyrconnell bald überzeugen, daß er die Rufſenfurcht zu Hoch in Anfchlag gebracht Hatte Am 7. März 1751 berichtet er:

„J’ai trouve le roi de Prusse avant-hier dans les meilleures dispo- sitions du monde, et M. de Podewils me parait dans les mömes sentiments. Il me parait même qu’il n'y a plus d’impression de crainte ni de timidite, et qu’ils regardent tous deux avec indifference toutes les d&marches que la cour de Vienne pourra faire faire à celle de Russie pour intimider Sa Majeste Prussienne. M. de Podewils m’a même dit hier que ces cours publieront que le roi de Prusse voulait envoyer un renfort de troupes en Prusse pour s’opposer aux desseins de la Russie, mais que Sa Majeste Prussienne &tait fort &loignee d’y penser, n’ayant d'autre parti à prendre, si la guerre commengait, que de réunir ses forces, d’abandonner la Prusse!), et de chercher des dedommagements chez ses voisins et de les reduire & faire une seconde paix réguliè re à Hanovre. Je mettrai tout en usage pour entretenir Sa Majeste Prussienne et son ministre dans ces bons principes, et j’espere que j'y reussirai. Mais je ne vous reponds pas qu’il n'y ait encore bien des moments de crainte et timidite, si la Russie pousse les demonstrations un peu loin, parceque la même vivacit& qui porte le roi de Prusse un jour & garder la Russie avec me£pris, la lui fait envisager differemment le lendemain.“

Den Gefundheitszuftand des Königs berührt ein Bericht Tyrconnells vom 27. März 1751:

„Son incommodite continue toujours. C'est une &bullition que ce Prince a peu mönagee, qu’il a fait rentrer deux ou trois fois, ce qui lui a cause un acces de fièvre assez violent. ... La vivacit& de ce Prince, un travail souvent force, les efforts qu’il fait pour paraitre en public dans les temps qu'il devrait &tre dans son lit, et la crainte d’&tre soupconn& d’ötre malade, fait trembler les gens qui lui sont vraiment attaches, et leur fait craindre qu'il ne fasse de trop grands efforts dans le temps des exercices et des revues nous entrons?), et ne fasse devenir par seri- eux un mal peu considerable et passager.“

1) Dal. „König Friedrich der Große“ I, 471. 566.

2) Aus dem nämlichen Anlaß jchreibt im folgenden Frühjahr (22. April 1752) Voltaire an Madame Denis, bei Erwähnung einer englifchen Weberjegung bes Philoftet: „Vous savez que le sujet de la piece est un homme qui a mal au pied. Il faudrait prendre un goutteux pour jouer le röle de

83] Ausb. Korreſpondenz d. franz. Geſandtſchaft zu Berlin 17461756. 88

Wie ſchon Balory, war auch fein Nachfolger der Vertraute des Prinzen von Preußen in den Mißhelligkeiten zwifchen dem Könige und den Geſchwiſtern). Tyrconnell fchreibt darüber am 18. April 1751 in einem auch jonft für feine perfönlichen Beziehungen zu der Töniglichen Familie charalteriftifchen Berichte:

„Je n’ai que lieu de me louer exträömement de toutes les marques de bont& dont ce Prince m’honore, j’ose même dire de confiance, car il me fait part, avec la plus grande franchise, de tous ses petits chagrins et de tous les sujets qu'il croit avoir de temps en temps de se plaindre du Roi son frere. J’espere, Monsieur, que vous me rendrez la justice de croire que je ne r&ponds & ces confidences qu’en l’assurant que ses plaintes ne sont pas fonde&es et qu'il n’y a que l’union avec le roi de Prusse, qui l'aime veritablement, qui puisse le rendre heureux et lui meriter la con- fiance du Roi son frere. Je prends même la liberte de lui repr&senter que c’est & lui, dans toutes les occasions, à faire les avances et & lui donner des marques de sa condescendance & ses volontes. Ce Prince veut bien recevoir mes conseils avec bonté, et j’ai me vu que, dans quelques occasions, il les a suivis et s’en est bien trouve. Au reste, il profite souvent de la permission que le roi de Prusse lui a donn&e, ainsi qu'au prince Henri, de venir chez moi. Ils me font souvent l’honneur d’y souper et plus souvent d’y venir apr&s souper. Ces princes ont aussi pour M. Baillif*) des bontes particulieres. ... Ainsi, Monseigneur, j’espere

Philoctete. Le roi de Prusse serait bien votre affaire; mais au lieu de erier Aic! Aie!, comme fait le heros grec, admire en cela par M. de Fénelon, il voudrait monter & cheval et exercer les soldats de Pyrrhus. Ila ac- tuellement la goutte bien serr&. Imaginez ce qu’il a pris; des bottes! Son pied est enfl& de plus belle.“ (CEuvres de Voltaire (1881) XXXVII, 415; vgl. ebenda ©. 428 den Brief an die Markgräfin von Baireuth (Ende Mai 1752): „Le Roi votre frere est all& faire la guerre dans les campagnes de Berlin. Vous savez qu’il a eu un acc&s de goutte assez long et assez violent,. Savez-vous, Madame, que pendant cet acc&s il mettait son pied enfl@ dans une botte et s’en allait faire des revues pendant la pluie? La posterit& ne s’e&tonnera pas après qu'il ait gagne des batailles.“

1) Dal. Forſchungen VI, 479.

2) Franzoͤſiſcher Geſandtſchaftskavalier. Podewils berichtet an den König, Berlin, 8. Okt. 1750 (Geh. St.:Q.): „Mylord Tyrceonnell m’a pr&sente aujourd’hui M. de Baillif, qui a été deja quelque temps ici et qui a le caractere de gentilhomme ordinaire du roi de France sur le pied d’un homme qui, depuis le d&part de l'abbe Loise, doit travailler sous lui pour sinitier dans les affaires, sans porter toutefois le titre de conseiller d’am- bassade. Il lui donna de grands Eloges de sagesse et de diser&tion, ajou- tant que c’&tait un homme qui avait 12 & 15,000 livres de rentes de lui- meme, et, ce qui fait peut-&tre son prineipal m£rite, il avait l’honneur d’appartenir de loin à Madame de Pompadour, qui le lui avait fortement recommande. Il m’a pourtant demande& le secret sur cette anecdote.“

6*

834 Reinhold Koſer. [84

que s'il arrivait quelque accident, ce qu’& Dieu ne plaise, vous trouveriez le prince royal aussi bon Frangais que nous; du moins vous devez ötre persuad& que nous ne negligerons rien pour cela. Cela s’est fait tout naturellement et sans donner d’inquietude ni de soupgon & personne, puisque cette grande liaison est venue par des come&dies que M. Le Baillif et ma femme jouent avec la princesse Amelie et les princes sur un petit theätre elev& dans l’appartement de la princesse, et on me permet d’assister avec M. Wulfwenstjerna!), comme ministres amis, avec l’ex- clusion de tous les autres. Tout cet arrangement de comedie s’est fait avec l’approbation du roi de Prusse et sous ses yeux, ainsi il n’en peut resulter aucun inconvénient.“

Desſelben Tages (18. April 1751) erwähnt Tyrconnell des Königs Kämmerer und Yaltotum Fredersdorff?) in nicht eben wohlmwollender Weiſe, wobei wir zugleich des Minifter Podewils’ Meinung von Freders⸗ dorff kennen lernen:

„I ya un valet de chambre du roi de Prusse, nomme& Freders- dorff, qui est son homme de confiance et qui a grand credit sur l’esprit de ce Prince dans toutes les affaires de l’interieur du pays. Ce valet de chambre prend volontiers de l’argent de tous les particuliers qui ont quelques affaires difficiles, et par ce moyen les fait souvent changer de face en 24 heures; heureusement il ne se möle point des affaires ötran- geres et n'y a nul credit. Lorsque M. de la Touche?) qui est parti d'ici il y a quelques jours, s’etant comport& avec beaucoup de sagesse depuis qu’il a remis son octroi, sera arrive en France, il sera fort en éêtat de vous devoiler toutes les manauvres de ce Fredersdorff et de vous en ins- truire beaucoup mieux que je ne pourrais faire par lettre. Ce Freders- dorff est done I’'homme, & ce que nous soupgonnons, M. de Podewils et moi, d’avoir recu de l’argent de Madame de Bentinck*) pour faire changer d’avis le roi de Prusse que nous avons presque determine & abandonner cette dame.“

Im Sommer 1751 verjebte ein Wechjel auf dem preußiichen Ge—⸗ Tandtichaft3poften zu Paris die politifche Welt in nicht geringe Auf regung. Am 26. Juni farb zu Wefel, wohin ihn der König behufs Entgegennahme mündlicher VBerhaltungsmaßregeln bejchieden Hatte, der alte Baron Le Chambrier, ein franzöfiicher Schweizer aus Neuenburg, der den preußifchen Hof über zwanzig Jahre in Parig vertreten Hatte. König Friedrich ernannte zu feinem Nachfolger den 1748 nach Preußen

——

1) Schwediſcher Geſandter.

2) Bal. „König Friedrich ber Große“ I, 491. 3) Bol. unten ©. 8. Polit. ſtorr. VII, 422. 4) Polit. Korr. VIII, 332.

5) Polit. Korr. VIII, 381.

85] Aus d. Korreipondenz d. franz. Gefandtichaft zu Berlin 1746—1756. 85

übergefiedelten Lord Marfchall von Schottland, George Keith!), ſodaß nun Preußen in Paris durch einen Schotten, Yrankreich in Berlin durch einen Iren vertreten war?). Tyrconnell berichtete die Defignation dieſes Geſandten am 3. Juli 1751:

„M. de Podewils a enfin d&couvert la personne que le roi de Prusse destine & envoyer en France®)... M. de Podewils lui a nomme& tout le monde, sans jamais penser & celui-ci; le roi de Prusse lui a r&pondu qu'il voulait envoyer un homme de qualit, sage, et qu’il füt sür qu’il ne serait ni Anglais ni Autrichien; qu’il n'en connaissait qu’un de la probit& et de la sagesse duquel il Etait sür; qu’il &tait venu expres icit) pour le determiner & l’accepter; que c’etait milord Mar&chal. M. de Pode- wils m’a assur6 qu’il avait tressailli et lui avait repondu: »Sire, je con- viens des qualites, mais que dira l’oncle:5)? Que le Roi lui avait re- pondu: »Je m’en f.. ., il est expatrie, je l’ai recueilli, c'est un honnäte homme, de grande naissance et qui me servira aussi bien dans les nego- ciations que son frere®) à la guerre.<

Deber jene anderen Bewerber bemerkt Tyrconnell in bemjelben Bericht: „Cagnony?) sollicite vivement cette place. C’est un Italien, ne en Angle- terre, qui a servi plusieurs cours, qui me parait assez honnäte homme, fort sage et dans de bons principes. Je crois que le choix aurait pu tomber sur lui, si le roi de Prusse n’avait voulu qu’un travailleur...... I y a le comte de Schaffgotsch, frere de l’&v&que de Breslau, qui est grand-&cuyer et qui desire vivement y aller; c'est un honn&te homme, fort b£te, qui sait & peine lire et écrire. Le roi de Prusse dit qu’il n’est propre qu’& parler & des chevaux.... Je suis persuad& que l’id6e de faire de la peine au roi d’Angleterre est un des motifs qui ont determine le roi de Prusse ... Le roi de Prusse avait et& enchante de M. le Cham- brier pendant son sejour & Wesel.

„Ce Prince le regrette beaucoup et &tait determine, & ce qu’on m’a assuré, à augmenter ses appointements et & lui donner le titre de ministre

1) Bol. „König Friedrich der Große“ I, 493. 561. Me&moires du duc de Lnynes XIII, 276.

2) Boltaire Schreibt an Graf d'Argental, 28. Auguft 1751 (CEuvres XXXVII, 311): „C'est d’ailleurs une bonne &pigramme contre le roi Georges que deux braves r&belles de chez lui ambassadeurs en France et en Prusse. Il est vrai que milord Marechal a plus l’air d’un philosophe que d'un conjur&; cependant il a été conjure.“ Vgl. auch Memoires du marquis d’Argenson VI, 473.

3) Am 4. Juli eröffnete {Friedrich II. feinen Entfchluß dem franzöfiichen Geſandten unmittelbar; Polit. Korreſp. VIII, 397.

4) Nach Berlin, 2. Juli 1751. Röbdenbed, Tagebudy I, 217.

5) Georg II. von England.

6) Eir James Keith, feit 1747 preußifcher Feldmarſchall. Vgl. oben S. 77.

7) Bol. Forſchungen VI 461.

86 Reinhold Kofer. [86

d’Etat s’il avait vecu. Tout le monde m’assure ici qu’il sera fort regrette en France. Je dis qu’oui. Au reste je dois la justice & sa mömoire de dire qu’il a employ& le peu de temps qu’il a et& & Wesel de faire l’&loge de la France tant au roi de Prusse qu’aux princes ses freres et qu'il a entretenu le prince de Prusse de la necessit& de cultiver l’amitie et la bonne intelligence qui r&gnent entre les deux cours. Je tiens cela du prince de Prusse lui-m&me et de Darget!), & qui M. Hecle?), ministre de confiance de Sa Majeste Prussienne, l'a dit.“

Wie in Frankreich die Ernennung des Lord Marſchall aufgenommen wurde, läßt Puyzieulx' Antwort an Tyreonnell (Compiegne, 21. Juli 1751) erfehen:

„La nomination de milord Marechal nous a fort surpris. Elle fait paroli & la vötre, bien qu’il y ait quelque difference, puisque vous &tes ne en France et sujet du Roi. Elle n’a pu cependant deplaire A Sa Ma- jeste; Elle connait la naissance et la vertu de milord Marächal. Il faut s’attendre que le roi d’Angleterre en prendra de l’ombrage contre nous, et c’6tait vraisemblablement le but. M. d’Ammon avait fort d’envie de rester ici; nous nous en serions peut-&tre assez accommodes®). M. de Pode- wils*) nous et le mieux convenu. M. de Cagnony n’a pas trop bonne r&eputation.“

Sn einem weiteren Bericht (Berlin, 15. Auguft 1751) bemerkt Tyrconnell zu demfelben Gegenjtande:

„Le roi de Prusse „m’a dit qu’il avait fait les m&mes röflexions que vous sur la nomination de milord Marechal avant de le proposer; qu’il aurait malgre cela change sa destination, s’il avait eu quelqu’un capable de le remplacer ... Que cette commission [l’ambassade de Paris] &tait la plus importante qu’il eft & donner; qu’il ne pouvait la confier & un jeune homme; que je savais pourtant qu’il n’avait que de jeunes gens qui eussent la naissance n&cessaire pour cet emploi. Que ces considerations l’avaient fait passer sur ses scrupules, parcequ’il valait mieux desobliger ses ennemis que faire un mauvais choix pour ses amis. Qu’il risquerait volontiers d’envoyer de jeunes gens & des cours qui l’interessaient peu, mais qu’il voulait & la nötre un homme incapable de deplaire ni de faire de petits rapports qui &taient toujours des sources de tracasserie,

Ce Prince s’est ensuite fort &tendu sur les bonnes qualit&s de milord Marechal et sur ce qu’il est sür qu’il ne serait jamais ni Anglais ni Au-

1) Claude Etienne Darget (vgl. Forſchungen VI, 453) ſeit 1746 Privat: fetretär des Könige.

2) Eichel. Dal. unten ©. 9.

3) Bgl. Pol. Korr. VIII, 396. 465.

4) Graf Otto Ehriftoph von Podewils, Neffe des Kabinetäminifters, big Anfang 1751 Gejandter in Wien, feitdem zur Dispofition geftellt. Bol. Allgem. Deutiche Biographie XXVI, 851.

87] Ausb. Korreipondenz b. franz. Gefandtihaft zu Berlin 1746-1756. 87

trichien. J’ai regarde ce dernier mot comme une &pigramme sur la facon dont M. de Podewils a réussi & la cour de Vienne, parceque M. de Rothen- burg même, parlant de lui, sur le bruit qui a couru qu'on l’envoyait en France, m’a dit: »Je ne crois pas que le roi de Prusse l'y envoie, car il le croit Autrichien« !)

Begleiten wird den neuen Gefandten Sinyphaufen?), homme de naissance, Sohn de früheren „Premierminifterd‘®). „On l'a fait revenir de Suede depuis peu, M. d’Havrincour*) le connait beaucoup et, par la fagon dont il m’en a &crit, je crois qu’il sera fäch& de le perdre. Si j’avais eu dans tout ce pays-ci quelqu’un & choisir, pour aider & milord Maréchal, j’aurais nomme M. de Knyphausen. ... Il me parait enchante de sa destination, il est fort en état de vous rendre compte de la Suede, qu’il connait & fond.“

Wir wiflen, daß König Friedrich es peinlich vermied, den Anſchein zu erweden, ala wenn er feine franzöfifchen Freunde beſtimmen oder fich in ihre häuslichen Angelegenheiten einmifchen wolle?). Um einen Auß« nahmefall handelt es fi) in Tyreonnella Bericht vom 24. Auguft 1751:

„Le roi de Prusse m’a fait appeler hier dans son cabinet, et m’a dit qu'il savait & n’en pouvoir douter que la Russie sollicitait vivement le mar&chal Löwendal pour le faire rentrer dans son service, et qu’il me priait, sans dire d’oü je tenais cette nouvelle, d’engager le Roi mon maitre & ne le pas laisser aller, parceque la Russie n’avait personne en état de commander ses armees et que, si elle faisait l’acquisition de ce mare£chal, cela la mettrait en Etat de faire beaucoup de mal & Sa Majeste Prussienne, et qu’Elle savait que le Mar£chal n’&tait pas &loign& d’accepter ces propo-

1) Bol: Polit. Korrefp. VIII, 243. Das Mißtrauen des Königs gegen dei Grafen D. Chr. Pobewils ging fo weit, daß nach ber Abberufung des Geſandten aus Wien fein Briefwechjel eine Zeitlang überwacht wurde. Zu feinen Korreſpon⸗ denten gehörte u. a. der dem Könige jehr mißliebige pfälziiche Gefandte in Wien, Freiherr v. Beckers, dem O. Podewils am 3. März 1751 von feinem Gute Guſow ichreibt: „Je suis ici depuis un mois le plus heureux des mortels, goftant & longs traits le plaisir de la libert& et de l’ind&pendance, mais helas, à la fin du mois prochain, je rentre dans ma galere.“ (Geh. St.⸗A.).

2) Dodo Heinrich Tyreiherr zu Inn: und Knyphauſen. Der Sabinet3- minifter Graf Podewils empfiehlt ihn dem König, Berlin, 18. April 1749, für bie Sendung als Legationsfekretär nach Stodholm: „C’est un garcon fort sage et circonspect, appliqu& & son devoir, d’un esprit plus solide que brillant, enveloppe d’une espece de timiditE que le sejour dans une cour &trangere et particuliörement parmi une nation du caractère de la sue&doise ne tar- dera pas vraisemblablement de dissiper.* (Geh. St.⸗A.)

3) Exrnft Friedrich Freiherr von Enyphaufen (fo feine Unterfchrift) bis 1730 zweiter Kabinetäminifter an der Seite des General A. B. v. Bord. Bergl. Forſchungen II, 173.

4) Franzöfiſcher Botichafter in Stockholm.

5) Bol. Pol Korr. IX, 219. „König Friedrich der Große“ I, 568.

88 Reinhold Koſer. [88

sitions. Ce Prince m’a ajoute qu’il s’6tait trouv& dans le même cas avec le mar&chal de Schmettau!), à qu’il avait toujours donné dix mille &eus ‚par an, pour le tenir, quoique r&esolu de ne jamais s’en servir, mais simple- ment pour l’enlever & la maison d’Autriche.“

Ich ſchließe meine Mitteilungen aus der Berichterſtattung Tyrcon- nells mit dem Geſamtbilde des Berliner Hofes, das der Geſandte wenige Wochen vor ſeinem Tode für den Marquis Puyzieulx entworfen bat. Allerdings ift dieg „Tableau de la cour de Berlin“ nach einer aus dem Nachlaß von Tyrconnells Nachfolger, dem Chevalier de Latouche, ftammenden, nur unerheblich von dem im folgenden zu Grunde liegenden Driginalaufzeichnung auß dem De6pöt des affaires Etrangeres abweichenden Abſchrift bereit3 früher veröffentlicht worden); indes die Zeitjchrift, in welcher 1836 zu Paris diefer Abdruck erfolgte®), ift in Deutichland fo felten und jo wenig befannt, daß weder damala noch in der Folge einer meiner Vorgänger in der Forſchung, jo viel ich ſehe, das merk⸗ würdige Schriftjtüd beachtet Hat. Auch leidet der ältere Abdrud an dem Mipftand, daß die Zufäße, mit denen Latouche im Februar 1756 dag „Tableau“ vermehrt hat, durch Unachtjamkeit des Herausgebers zum Zeil mit den Worten Tyrconnells zufammengeworfen find. DaB ich einige dieſer Zufäße von Latouche hier aus dem BParifer Abdrud wieber- hole, wird, wie ich denke, gleichfalla auf Zuftimmung rechnen können.

Tableau de la cour de Berlin. Envoye par le comte de Tyrconnell le 27 decembre 1751.

Le roi de Prusse est un compose& de tous les contraires. Il aime la grandeur, la gloire, et surtout les choses qui peuvent augmenter sa r&putation dans les pays etrangers. Malgre cela, il est !homme du monde le plus timide, le plus indeeis, et qui a le moins de courage d’esprit. Il voit les &venements d’avance toujours en noir, et les craint prodigieuse- ment. Il est naturellement paresseux et deteste tout ce qui s’appelle art militaire*), cependant il surmonte son caractere, et il faut qu’il ait une indisposition serieuse pour se dispenser de commander lui-m&me la parade qu'il fait faire tous les jours & ses troupes, et des details dans lesquels

1) Graf Samuel Schmettau war wenige Tage zuvor, am 18. Auguft 1751, geftorben. Vgl. auch Forſchungen VI, 464; Polit. Korreip. IV, 260.

2) Bal. Forſchungen VI, 164 Anm. 1.

3) Journal de l’Institut historique, Tome V.

4) Val. hierzu „Stönig Friedrich der Große“ I, 528.

89] Aus d. Korrefpondenz d. franz. Gejandtichaft zu Berlin 1746-1756. 89

il entre au sujet de son arme, parcequ’il est persuade que c’est-lä ce qui en impose & l’Europe et ce qui maintient cette grande discipline dans son arınde et cette exactitude dans les officiers de toute esp&ce et de tout grade, jusques aux Princes ses freres mömes, chose que ce Prince regarde avec raison comme necessaire & sa consideration en Europe et comme la base de sa puissance. Sans des raisons aussi fortes, peut-&tre se livrerait-il & son penchant naturel pour la solitude et se donnerait-il tout entier & la poésie et aux belles lettres.

Ce Prince est n& mefiant et a mauvaise opinion generalement de tous les hommes; cela l’emp&che de donner sa connaissance à aucun et fait que souvent même il trompe ses propres ministres, en leur faisant de fausses confidences dans le peu d’affaires qu’il leur confie; il fait toutes ses affaires lui-m&me et permet rarement & ses ministres les représen- tations, surtout sur les affaires ötrangeres, et ne les tol&re aux ministres de son Directoire que lorsqu’il s’agit de diminuer quelques bienfaits qu’il aura accordes. Il n’a pas le coeur droit, et son premier mouvement est toujours de tromper, ou du moins de se m&nager une porte pour &chapper ä ses engagements. Cependant, comme il a beaucoup d’esprit, il sent sou- vent qu’on peut le decouvrir, et la crainte de confirmer une re&putation trop 6tablie, le retient et le fait aller tout droit, surtout vis-&-vis des puissances qu’il croit avoir un grand interöt de menager. La France est seule dans ce cas vis-A-vis de lui, dans le moment present. Sa Majeste Prussienne sent qu’elle n’a de ressource qu’en elle, et que dans le mo- ment cette puissance l’abandonnerait, Elle le serait de tous ceux qui ont des liaisons avec Elle, et se {rouverait sur le chanıp accabl&e par la maison d’Autriche, la Russie, d’Angleterre et même la cour de Dresde. Le roi de Prusse regarde cette verit€ comme si demontree qu’on croit qu’elle doit faire sur lui l’effet de l’attachement le plus fort. On doit ce- pendant la justice & ce Prince de dire que, s’il est capable d’inclination ou d’attachement, c'est pour la France seule qu’il en a.

Le combat perpetuel de toutes les contrari&tes qui forment le carac- tere de ce Prince, le rendent leger et inconsidere et lui font quelquefois entreprendre tout-A-fois plusieurs choses incompatibles et dont il ne s’a- percoit de l’incompatibilite qu’& la reflexion, et lorsqu’il est trop engage pour ponvoir reculer. Alors il travaille d’esprit & trouver un expedient pour allier le tout et ne d&plaire A personne, son esprit lui-m&me en sug- gere qu’il croit bons dans le moment, il les met en usage sans trop les peser, et trouve par le secret d’entasser les embarras les uns sur les autres et de faire croire & chacun en particulier qu’il a voulu le tromper, quoique dans le commencement il n’ait eu que le dessein d'allier des ehoses qui, quoiqu’incompatibles, ne lui paraissaient pas telles, faute de les avoir bien examinees.

Ce Prince est ne indiscret, et commet à cet egard des fautes im- pardonnables & un homme qui a autant d’esprit. Il n'est point impossible, lorsqu’on est & port6e de le voir souvent dans le particulier et longtemps de suite, de le penetrer et m&me de lui tirer une partie de son secret, en le faisant parler beaucoup, chose qu’il aime assez. Mais la grande difhicult& est de distinguer ses vrais sentiments dans la quantit& de choses

90 Reinhold Hofer. [90

contradictoires que sa volubilite lui fait dire, surtout lorsqu’il s’apergoit qu’il a läch& quelque chose qu’il ne devait pas dire. Il faut avoir grande attention, Iorsqu’on a l’honneur de lui parler, de ne jamais hesiter ni avoir l’air de penser & ce qu’on va lui repondre; car sa mefiance naturelle lui fait imaginer sur le champ qu’on veut le tromper. Il a d’ailleurs pour prineipe qu’il faut presser les gens qui hesitent, et que cela les embar- rasse si fort que souvent leur secret leur €chappe, en parlant sans re- flexion. Ce Prince croit ce moyen infaillible et dit qu’il ne lui a jamais manque.

Le Prince Royal de Prusse est timide d’esprit et brave de sa personne. Il n’aura ni la sagacit& ni les talents du Roi son frere pour tout ce qui concernera les aflaires, son esprit &tant lent et faible. L’art militaire est le seul objet sur lequel il soit penetrant, et dont il decidera avec justesse et avec connaissance. Son coup d’eil dans cette partie est presque toujours juste, et l’on peut dire qu’il est n& bon officier et qu’il se perfectionne chaque jour par l’etude qu’il fait de cet art. C’est aussi le seul objet sur lequel il ne se laissera pas conduire, et quoiqu’ il soit dur, insensible, et faux, il y a apparence qu’il ne se se decidera sur tout le reste de ce qu’il aura & faire que par les avis de celui qui, sans avoir aucunes pretentions aupres de lui, aura su gagner sa cunfiance. L'on pourra lui reprocher trop d'indiseretion, mais ce defaut, ainsi que sa duret&, sont occasionnes par l’education peu soignee qu’a eue ce Prince, et peut-&tre l’un et l’autre diminueront-ils lorsque la fougue de ses pas- sions sera un peu calmee. L’on doit cependant lui rendre la justice de dire qu’il est tr&s bon Frangais et parait attache de bonne foi au systeme present, si ses sentiments ne changent point & cet &gard, ce qui n’est pas & presumer par l’air de verite avec laquelle il en parle et parait croire qu’il ne peut y en avoir de plus avantageux pour sa maison?).

Le Prince Henry, second frere du roi de Prusse, a les mœurs plus douces que les Princes ses freres. Son caractere est plus tranquille, il est compatissant generalement, et la magnificence est la seule passion qui parait dominer en lui, et il ne marque de hauteur et ne se roidit que contre le Roi son frere, qui le retient dans une gene continuelle?). Ce

1) Latouche (a.a. O. ©. 15. 16) macht den Einwand: „Il semble au che- valier de L. que le portrait du prince de Prusse est trop charge, ou bien que son caract£re est bien change depuis qu’il a éêté fait. Le chevalier de L. le croit honnête homme et point de tout indiscret; il est passionne pour les femmes, mais, soit avarice, soit manque d’argent, il en trouve de cruelles, surtout depuis que celles dont il a eu les faveurs, se sont plaintes de sa trop grande parcimonie et du peu d’egards qu’il a eu pour elles apres les avoir quittees. Le chevalier de L. ne le croit Frangais que par politique et parcequ’il n’ose jamais desapprouver le systäme de son frere, qui aujourd'hui, en fevrier 1756, parait vouloir prendre une autre face. On doit lui reprocher sa duret& et son me&pris pour la princesse son epouse.* Bol. auch Forſchungen I, 268.

2) Bgl. Forſchungen VI, 479.

91] Aus d. Korreipondenz d. franz. Gejandtichaft zu Berlin 1746—1756. 91

Prince n'a aucun goft pour l’etat militaire, le luxe de sa cour ferait une de ses principales occupations. L’on peut penser que ses intentions dans les affaires seraient toujours bonnes; mais, pour agir avec plus de certi- tude, il prendrait conseil de tant de personnes que, ei leurs avis étaient differents, il serait toujours flottant et ne pourrait se decider par lui- m&me, d’oü il resulterait une lenteur, et souvent, par cons&quent, de mau- vais effets de ce trop de bonne volonte. Il parait, aussi, attache par goüt & la France, et je crois qu’il faudrait un interöt bien fort pour le faire changer de facon de penser!),

Le Prince Royal parait avoir grande confiance dans les avis du Prince Henri, son frere, et s’il venait à r&gner un jour, je crois que les avis de ce dernier seraient d’un grand poids et influeraient prodigieuse- ment sur les decisions du premier.

Le Prince Ferdinand, troisi&me frere du roi de Prusse, ne parait jusqu’& present se decider sur aucun goüt ni marquer aucun carac- tere. Son esprit n’annonce rien qui puisse faire juger s'il deviendra quelque chose de plus que ce qu’il promet presentement?).

La Princesse Am&lie, saur du roi de Prusse, pourrait aussi influer sur la conduite du Prince Royal, s'il venait un jour & regner. Elle est hardie, entreprenante, et employerait tous les moyens possibles pour acquerir quelqu’ autorite. Comme elle a de l’esprit et encore plus de fausset& dans le caractöre, cette Princesse serait à craindre, si elle trouvait le secret de se faire consulter; son humeur inquitte la porterait à faire beaucoup de tracasseries®),

1) Latouche bemerft u. a.: „Quant au prince Henri, il est hautain avec tout le monde, mais il parait que c’est plutöt pour chercher d’acquerir de la consideration que pour humilier les personnes avec lesquelles il vit. II affecte plus de menagement que le prince son aine pour la princesse ea femme, qui & une hauteur mal place et mal dirig&e r&unit en sa per- sonne toutes les qualit&s brillantes et aimables; elle a avec cela une fi- gure charmante, dont le prince son &poux ne fait cependant aucun cas, parcequ’il a un goüt tout oppose.“

2) Zatoucdhe: „Ce prince n’a effectivement aucun caractere, et sa bonte ne peut ätre attribude qu’& un genie tr&s borne. Il est avare, au- tant que le prince Henri est gen6reux et prodigue; il ne se plait & rien et ne s’occupe que de frivolites et du me&canisme de l’exercice militaire. Il a &pouse sa niece, princesse qui aurait des qualites aimables, si elle tombait entre bonnes mains, mais il parait qu’elle donne sa confiance à deux jeunes personnes, qui, sans esprit, ne marquent du goüt que poür la coquetterie. Elle a d’ailleurs le cur bon, mais malheureusement sa gouvernante n’est pas en Etat de faire fructifier ce bon germe.“

$) Latoude (a.a. ©. ©. 17): „Cette princesse est de fait d’une hu- meur altiere, et n'a que des politesses exigeantes. Elle est haute et cherche toujours les occasions de sonder la conduite du roi son fröre, - t&moin ce que, dans la circonstance de la convention qu’il vient de signer avec l’Angleterre, elle a dit d’abondance de coeur à la comterse de Cama=-

92 Reinhold Koſer. [92

Les deux Reines sont d’une bont& inexprimable. Elles acca- blent de politesses tout ce qui porte le titre de Frangais, et les distin- guent toujours autant qu’il est dans leur pouvoir de le faire!).

Pour la Princesse Royale, son credit est encore moindre, s'il est possible, que celui de la Reine, leur sœur, et elle suit, autant qu’elle peut, son exemple. La Reine me£re, quoique sans credit, jouit ce- pendant seule de la consideration qui est düe & son rang.

Le comte de Podewils, premier ministre d’Etat et de cabi- net, quoique possedant la confiance du roi de Prusse, est souvent trompe par ce Prince sur la connaissance de beaucoup d’affaires. C’est un homme simple dans ses manieres, franc, juste et zel& pour les interäts du Roi son maitre; travailleur assidu, attach& à son service, et bien persuade que le systeme present et l’union du roi de Prusse avec la France est le seul bon et qui convienne & la gloire et aux avantages de ce Prince. Il marque autant qu’il peut combien il est sincere à cet égard; mais il est d’une timidit&E au delà de l’expression, lorsqu’il veut remontrer au Roi son maitre des choses qu’il a faites et qui lui sont desavantageuses. La vi- vacite de ce Prince le fait toujours trembler, et il est, sur cela, d’une faiblesse extraordinaire. D’ailleurs, reconnu avec justice pour @tre d’une probit& à toute &preuve et traitant toutes les affaires uniment et avec simplieite, et il joint à l’estime du public le suffrage du roi de Prusse, qui connait son attachement et son zele, mais qui malgre cela ne lui donne que très peu de credit dans la place qu'il occupe. Il porte la ti-

Eh bien! ma chere maman, voici encore une nouvelle coquinerie du roi, notre cher frere, qui doit lui &loigner pour toujours l’amitie et la con- fiance des autres princes ... .“

In anderm Zujammenhange bemerkt Latouche (S. 14): „Quant aux princes ses freres, il [le roi] ne leur marque aucune confiance, ce qui fait naitre des chipoteries frequentes dans la famille royale, chipoteries que la prin- cesse Amelie, la plus inegale de toutes les femmes, ne manque pas d’attiser.“

1) „Il parait au chevalier de L. que M[ilord] s’est trompe quant aux sentiments francais qu’il attribue & la reine mere, cette princesse, & la verite, hait mortellement le roi d’Angleterre, son frere; mais, jalouse de la gloire de la France, elle saisit volontiers les occasions de l’abaisser, et, si elle parait aimer cette nation, c'est parcequ’elle croit que le roi son fils, qui est son idole, a besoin du secours de la cour de Versailles. Il a paru etonnant au chevalier de L. que cette princesse, curieuse et questionneuse, et qui rabäche volontiers, n’ait point marque & ce ministre la moindre curiosit& à l’occasion de la convention en question. Quoique cette reine soit sensible aux attentions qu’on lui marque, elle ne parait pas les sentir avec autant d’onction que la reine regnante. Cela provient sans doute de ce que celle-ci, qui se voit meprisee du roi, est plus atten- tive aux &gards qu’on a pour elle, et qu’elle les regoit avec une vive re- connaissance.“

938) Aus d. Korrefpondenz d. franz. Geſandtſchaft zu Berlin 1746—1756. 98

midit& jusques & la poltronnerie, et il est malheureux que, r&unissant tant de bonnes qualites, il s’effraie et tremble au seul mot de faire la guerre et qu'il soit aussi timide sur les moindres projets!).

M. le comte de Finckenstein a moins de credit encore que M. le comte de Podewils, et il ignore bien des affaires dont ce der- nier ministre sait?), et ce dernier ne connait pas celles que le roi de Prusse traite lui-seul. Ce Prince charge cependant assez volontiers M. de Finckenstein de toutes les affaires qui regardent la Suède et le Nord en general. C’est un homme qui a des connaissances et de l’esprit, assez vrai dans les affaires qu’il traite, et tr&s persuade de la necessit& et de la bonté du systeme actuel, qu’il croit le seul bon et solide. Mais il veut toujours mêler de la finesse à ce qu’il dit, et quoiqu’il dise la verite, il ne l’annonce pas avec la même ouverture et. aussi uniment que le comte de Podewils. Ces deux ministres confient toutes les affaires qu'ils ont à terminer et travaillent avec

M. de Vockerodt, seer6taire d’Etat; c’est la seule personne qui soit instruite de ce qu’ils ont & traiter; puisqu’il n'est permis qu’& M. de Podewils d’avoir un seul secretaire. L'on ne peut point fr&quenter M. de Vockerodt; peut-etre lui est-il d&fendu de voir personne, mais on

1) Latoude: „Mlilord] T[yrconnell] aurait pu ajouter que le roi de Prusse, malgr& son amiti& apparente pour ce ministre, ne fait point de ses talents une grande estime; il le traite quelquefois comme un nögre et lui reproche son peu d’intelligence & s’expliquer par &crit et A rediger un memoire. Ce prince lui refuse m&me les plus petites gräces et n'a möme pas voulu recevoir pour militaire aucun de ses trois fils, dont l’aine a vingt ans, et cela sous pretexte qu’ils n’etaient pas d’une taille assez avantageuse. Ils sont actuellement & l’universite de Francfort, sans que le ptre sache ce qu’il en doit faire. Il est bien vrai que ce ministre est d’une timidit& extr&me; mais le chevalier de L. ne le croit frangais que parce que son maitre l'a &t& et l’est peut-&tre encore relativement & ses inter@ts; et, dans le vrai, le ministre prussien, basse (sic) jaloux de la gran- deur de la France, conserve encore toujours un cœur germanique.“

2) Latouche: „Messieurs les ministres de Podewils et de Fincken- stein paraissent &tre toujours d’accord, parce que celui-ci est necessaire- ment subordonne au premier, mais, pour cela, ils ne se parent d’une eonfiance reciproque, et la jalousie entre bien quelquefois dans leurs operation. Tout le monde n’accorde point de l’esprit au comte de Finckenstein; cela vient peut-&tre de ce qu’il est un peu caustique et qu’il aime & trouver du ridicule dans son prochain, qui, & cet egard, ne le paye point d’ingratitude; il est doucereux et narre volontiers, parce que la reine möre l'y a accoutum&; mais, & force de se r&peter, il devient insipide; c'est cependant par ce manege qu’il n’est point instruit & fond des affaires de son maitre, lorsqu’on lui en parle. Le chevalier de L. le croit cependant plus francais que M. de Podewils, et cela parce qu’il est moins timide que celui-ci, et qu’il sent que son maitre ne peut s’agrandir et même conserver ses conqu&tes qu’avec l’alliance de la France... .“

94 Reinhold Kofer. [94

le voit tres rarement, et il n’a jamais osé aller diner chez aucun ministre etranger!).

D est cependant moins difficile & voir qu’un nomme M. Hecle, dont on n’a point encore parl& et qui n’a jamais étéê apercu d’aucun mortel. C’est M. Hecle qui travaille tous les jours avec le roi de Prusse, et qui expedie toutes les affaires. Il a sous lui plusieurs secrötaires aussi invisibles que lui. Mais en quelque endroit que se trouve le roi de Prusse, M. Hecle le suit toujours et travaille tous les matins avec ce Prince. C'est la seule personne qui connaisse toutes les affaires que traite Sa Majeste Prussienne. Il sait tout ce que les ministres ignorent, et c’est de son bureau, qui est cense celui du roi de Prusse, qu’&manent - tous les ordres tant pour l’interieur du royaume que pour l’exterieur?). Peu de personnes ont jamais parl& a M. Hecle. L'on fait en vain les plus grands efforts pour le voir, mais il est impossible d'y réussir. Il vit seul et sait tout ce qui se passe, sans ätre connu que de très peu de gens, avec lesquels m&me il ne vit pas?°).

MM. de Viereck, de Boden et de Katt*) sont les seuls autres ministres que jouissent de quelque consideration, mais, pour de eredit, ils n’en ont pas plus que les autres. Ils font leur rapport exact de ce qui se passe dans leur d&epartement et exe&cutent les volontes du roi de Prusse, sans avoir même la voie de representation.

1) Latouche: „M. de Vockerodt se communique reellement tre&s peu. Le chevalier de L. a cependant diné plusieurs fois avec lui dans des maisons tierces; il l’a trouv& d’une bonne societe, mais d’une irreligion & faire trembler. Ce sentiment est inne en lui et n’est point de com- plaisance pour le roi son maitre, car il ne cherche ni la dignite ni & ame&liorer sa fortune. Il est souverain admirateur de la Russie, dont il porte la puissance et le gouvernement aux nues, et il ne cache point le goüt qu’il a pour un renouvellement d’alliance du Roi son maitre avec cette puissance.* Bgl. Forſchungen IL, 179; VI, 461.

2) Weber die Durchführung des Gcheimnifjes berichtet ein in befonderer Miffion an das preußifche Hauptquartier gejandter Offizier, Herouville, d. d. Glatz 18 octobre 1744, an ben Striegaminifter Graf d’Argenfon: „Tout est mystere dans ce pays-ci, armée, fortifications, tactique, discipline, adminis- tration militaire, de finance, de police, de commerce; ainsi, tout ce qui peut avoir rapport au gouvernement, est un secret impenetrable égale- ment pour les amis et pour les ennemis, que l’on ne peut absolument violer sans courir la risque de perdre ses fortunes et sa vie.“ (Campagne du marechal de Coigny V, 283).

3) Latouche: „M. Eichel est r&ellement invisible pour tout ce qui est etranger; mais il vit en societe A Potsdam, aussi bien qu’& Berlin, pendant le sejour qu’y fait le Roi son maitre. Il a le travail aussi facile que sa me&moire est heureuse, et le roi de Prusse serait bien embarrasse s'il venait & le perdre, parce qu'il n’a pas la permission de faire un élève.“

4) Vizepräfibenten bes vierten, zweiten und fechlten Departements im Generals

-ium.

95) Ausb. Korreipondenz d. franz. Gefandtichaft zu Berlin 1746—1756. 95

M.de Cocceji, grand-chancelier, est au nombre des autres mi- nistres, à l’exception de quelques affaires courantes sur lesquelles il a peut-£tre le libre arbitre. C’est un homme qui parait plein de probite, vers& dans son travail, et fort au fait de la justice, dont il est le chef!).

M. de Winterfeldt premier aide-de-camp de Sa Majeste Prussienne, et M. deBuddenbrock exercent la place de ministre de la guerre. Le premier a le detail de toute la cavalerie et sait son metier; le second a le detail de l'infanterie, est aussi bon officier; mais ils sont bornés l'un et l’autre sur tout le reste?),

Quant aux autres officiers, ils sont trop occup6s de petites choses pour avoir d’autres connaissances de leur metier, et on ne peut en distin- guer que M. le marechal Keith et M. le mar&chal Schwerin, qui savent ce que c’est que faire la guerre, et dont le m£rite est connu et distingue par Sa Majesté Prussienne.

D y a encore M. Fouque dont le roi de Prusse fait grand cas, et qui vraisemblablement remplacera dans sa confiance le prince d’Anhalt- Dessau) qui vient de mourir. On ne peut pas encore savoir quels seront ses sentiments pour la France, ayant toujours été &loign& de ce pays-ci. Pent-&tre, é tant originairement Frangais, n’aura-t-il pas hérité de la haine de celui auquel on croit qu’il succ&dera.

1) Latouche: „Ce ministre qui est mort en 1755, n'a pas eu gene- ralement la r&putation mentionnee ci-dessus, quant & la probite. On cite möme, et on le faisait avant m&me la maladie dont il est mort, des ex- emples dans lesquels on parait pouvoir prouver que souvent il employait, et m&me avec peu de delicatesse, des moyens de duplicit& pour parvenir & son but. Ceci est trait€ plus amplement dans un m&moire separe et fait en 1754. On sait que ce chancelier &tait ennemi juré de tous les chretiens [scil. catholiques], il n'en admettait aucun dans le civil, il en aurait m&me &t& le persecuteur, si l’esprit tolerant du prince ne l’avait arrete.“

2) Satouche: „M. T. a sans doute donne la preference & M. de Buddenbrock, sur M. de Winterfeldt, parce que celui-ci qui ne parle point du tout le frangois, lui a paru moins communicatif que l’autre, qui, & la verite, est plus prevenant et de meilleure societe, mais on accorde gene- ralement plus de talent et plus de capacite & M. de Winterfeldt qu’ä son coll&gue. Il passe pour avoir de la droiture, et son attachement pour l'Allemagne est connu parcequ’il ne cherche point à le cacher; mais Pautre, qui est faux, double et grossi&rement ruse, a le talent de ne pas se montrer tel qu'il est, et n’est sürement point port& pour la France. Tous deux ont par leurs emplois l’acc&s libre aupres de leur maitre, dont ils n’ont pas la confiance et dont ils ne sont estim&s que parcequ’ils ex&cutent exactement ses intentions.“

3) Leopold Marimilian, geftorben 16. Tezember 1751.

96 Reinhold Kofer. [96

Tyrconnell hat dieſes „Tableau” für den Empfänger Puyzieulx mit folgenden erläuternden Zeilen begleitet:

„Vous trouverez sans doute le tableau que y’ai l’'honneur de vous envoyer ci-joint, peint avec des couleurs un peu vifs; mais mon zele pour le service du Roi m’a paru exiger la verit& que j’ai employée & cet ou- vrage. J’aurais cru manque & mon devoir, si je vous avais cach& ce que je erois avoir apergu dans les caractères differents dont je viens de vous faire le tableau. Les bontes infinies avec lesquelles on me traite ici, m’ont mis & portee de connaitre l’interieur de toute la famille royale et de la voir agir devant moi sans aucune entrainte, mais j’ose vous supplier, Monseigneur, de ne jamais montrer ces portraits & qui que ce soit et de les r&server extrömement pour vous seul.“

Es verfteht fih, daß der Berichterftatter, troß diefer feften Neber- zeugung von der Richtigkeit feiner Wahrnehmungen, doch nicht ala ein ganz einwandsfreier Zeuge zu betrachten iſt. Die Vorbehalte und Berichtigungen, die jchon fein Nachfolger Latouche nicht unterbrüden fonnte, würden fich leicht vermehren laſſen. Tyrconnell war als Diplo- mat ein Neuling und in feinen Urteilen zu Spott und Webertreibung geneigt !). Der Staatzjetretär Puyzieulx, der Gefchultere, ber billiger und ruhiger UÜrteilende, konnte, wie wir fahen?), nicht umbin, den König von Preußen gegen Tyreonnell gelegentlich in Schuß zu nehmen. Immerhin Yaffen ſich einige der Bemerkungen diefeg Diplomaten zur Sharakterijtit des preußiichen König recht wohl verwerten, die an anderer Stelle?) zum Ausdrud gebrachte Auffafjung, daß der anfcheinend kalte Rechenmeifter mitunter auch in der Politit als Stimmungsmenſch handelte, fich durch die Eindrüde des Augenblids leiten und zu Fehlern Hinreißen ließ, wird fi auf die Beobachtungen Tyrconnells berufen dürfen.

1) Vgl. Forſchungen VI, 160. 161. 2) Bal. oben ©. 81. 9) „König Friedrich ber Große” I, 182.

(Schluß folgt.)

IV.

Die Nenorganifation des Minifteriums des Aus- wärtigen von 1798—1802.

Bon Guſtav Roloff.

Im fünften Bande dieſer Zeitſchrift Hatte ich mehrere von Köckritz, dem Generaladjutanten Friedrich Wilhelms III., Hinterlaffene Papiere mitgeteilt!), die einige Nachrichten über die Organifation des Mini- fteriums des Auswärtigen in den erjten Regierungsjahren Friedrich Wil- helms III. enthielten, aber kein vollftändiges Bild don den damals ge- troffenen Veränderungen gewährten. Diefe fpärlichen wenn auch nicht unwichtigen Notizen werden in erwünfchter Weife ergänzt durch die Akten des Geheimen Staatsarchivs in Berlin; wenn fie und auch nicht über alle Einzelheiten in der Genefld der Neuerungen aufklären, jo er⸗ fennt man doch, welche Erwägungen die Reformen veranlaßten und von welchen Perfonen fie ausgingen. Mit Sicherheit gewinnt man die An« ſchauung, daß das Kabinetsminifterium wie alle Gentralftellen des alten Preußen in feiner Organifation veraltet war, und daß man die Not- wenbigfeit fühlte, die Lollegialifch organifierten und ganz verjchiedenartige Geſchäfte umfaffenden Eentralbehörden in reine Yachminifterien mit einem Chef an der Spite umzuwandeln aber daß die feſte Hand fehlte, diefe Reform konſequent durchzuführen.

1) Forſchungen V, 265 ff. Forſchungen z. brand. u, preuß. Geſch. VII. 1. 7

98 Guſtav Roloff. [98

| Zum Reffort des Minifteriums des Auswärtigen gehörten gegen "Ende des vorigen Jahrhunderts folgende Gegenftände:

I. die Leitung der auswärtigen Politik,

II. die fogenannten deutjchen Angelegenheiten):

1) Königliche Haus- und Familienſachen, zerfallend in „Hiefige Verhandlungen wegen Geburten, Bermählungen, Teſtamenten, Erbfällen, Apanagen, Hausfideilommiffen” und „Gratulations- und Condolenz⸗ Correfpondenz mit fremden Höfen wegen hiefigen und dortigen Geburten und Todesfällen“;

2) Landeshoheitsſachen: Huldigungen ; Standeserhöhungen; Lehens⸗ ſachen ala Thronlehen ?), jchlefiiche Leben; geiftliche Angelegenheiten ala Beſetzung der Bistümer, Bigilanz wegen der fatholifchen Hierarchie ; Berbältniffe und Korreſpondenz mit dem römischen Hofe wegen der fa= tholifchen und ber uniert griechifchen Unterthanen, jowie wegen der nicht unierten Griechen mit dem Patriarchen von SKonftantinopel; Landes⸗ grenzfachen; Zruppendurchmarjchrequifitionen; SFreipaßfachen in biefigen Landen wegen fremden und in fremden Landen wegen biefigen Fürſten⸗ gutes; Landestommerzfachen in auswärtiger Beziehung; Abſchoßſachen; Cenſurſachen; Arreſtſachen; Aufficht Über die Regierung von Neufchatel mit Ausnahme der vom Generaldireftorium reffortierenden Sinanzfachen.

3) „Verwendung in Untertbanenfachen, ſowohl was biefige Unter- thanen im Auslande und was fremde Untertfanen im hiefigen Lande betrifft. Hierzu gehört die Anftellung ber Löniglichen Gonfuls im Aus⸗ lande und die Erteilung deg Erequatur für die fremden Conſuls in den föniglichen Staaten.”

4) Die Aufficht Über die Staats⸗ und Landesarchive zu Berlin, die Direltion des Hauptlandesarchivs zu Warſchau und die Direktion der Geheimen Staatslanzlei, und endlich die Konkurrenz in der Ver⸗ waltung der fränfifchen Yürftentümer Anspach und Baireuth?®).

1) Diefer Zeil nach einem von Haugwitz aufgeftellten Berzeichniffe. Bei: lage zu einem Briefe Beymes an Schulenburg. Potsdam, 26. Oktober 1802 Rep. 89. 9. Bol. ©. 26.

2) D. 5. Lehen von Reichafürften und Standesherren. In einer Denkichrift bes Geh. Leg.:Rat v. Raumer (Rep. 89. 9) werben noch die feuda extra eurtem, d. h. Lehen preußifcher Unterthanen in nichtpreußifchen Ländern, ala zum Kab.⸗ Min. gehörig bezeichnet. Die Verwaltung ber übrigen Lehenageichäfte führte das Behenabepartement.

3) Dieſe letzte Rubrik erwähnt Haugwitz nicht; daB dieje Gefchäfte aber zum Neffort des Kab.⸗Min. gehörten, ergiebt ficd aus dem folgenden und dem Anhang zum Handbuch über den Lönigl. Hof und Staat. Vgl. auch Hofer, Die Grün: dung des auswärtigen Amtes. Forſchungen IL, 160 ff.

99] Die Neuorganifation d. Minifteriums d. Auswärtigen v. 1798—1802. 99

Gleich den übrigen preußiichen Centralbehörden war auch das | KabinettSminifterium Lollegialifch organifiert. Drei Minifter ftanden an |der Spitze: Graf Finckenſtein, der feines Hohen Alter wegen nur noch

wenig an ben Geſchäften teilnahm, Frhr. v. Alvensleben und Graf Haugwitz. Sie leiteten die Angelegenheiten gemeinjchaftlih und waren für den ganzen Geſchäftskreis folidarifch verantwortlich. Unter ihnen arbeitete eine Anzahl vortragender Räte 1798 die Geheimen Le- gationgräte Marconnay, Lecog, Renfner, von Raumer, Kriegsrat Küfter denen je ein beftinmter Anteil an den Gejchäften zugewiefen war!).

Die meiften inneren Landesangelegenheiten konnte das Kabinetts⸗ minifterium nicht jelbftändig erledigen, jondern es mußte darüber mit den Generaldireltorium oder dem Auftizdepartement jchriftlich „kon⸗ jertiren”, „weil die Angelegenheiten in ein oder das andere Departement eingriffen“ ?). Dieſe zeitraubende Art der Geichäftsführung empfand Haugwig läſtig; mit feinem älteren Kollegen Alvensleben keineswegs immer in freundichaftlicden Beziehungen ftehend®), kränklich und fein ausdauernder Arbeiter *), juchte er filh von ber Teilnahme an den nicht« politiſchen Geſchäften zu befreien und fich auf die auswärtige Politit zu beichränten, um für diefe „mehr Muße“ zu gewinnen. Zugleich leitete ihn dabei wohl die Abficht, durch diefe neue Arbeitsteilung feine Kollegen von der Leitung der auswärtigen Politik, die ihm bereits vorzugsweiſe übertragen war, ganz auszuschließen. Den erjten Schritt in dieſer Rich» tung that er im Oftober 1798. Er wandte fi) vertraulich an Ködrik, trug ihm feinen Wunfch vor und bat um feine Anficht Über die Neue«

rung®). Welche Antwort der Generaladjutant erteilte, wiſſen wir nicht; fie muß aber wohl zuftimmend gelautet haben, denn wir finden Haug- wig bald darauf in Beratung mit Alvenaleben über diejelbe Angelegen- beit. Sie verftändigten fi) bald. Alvensleben erklärte fich nach einiger Ueberlegung bereit (16, X), die „Direktion der beutfchen Angelegen- beiten“ zu übernehmen, behielt fich jedoch die „Tortwährende Konkurrenz zu den eigentlichen politifchen Sachen vor”). Was den Gelchäftsgang im Departement anbetraf, jo wollte er wie bisher ala der ältere alle „an das Departement gerichteten Sachen” erbrechen, Haugwitz aber von

1) Ueber den Geſchäftsgang ſ. Kofer a. a. DO.

2) Schulenburg an Beyme. Hildesheim, 25. X. 1802. Rep. 89. 9. 3) Rante, Hardenberg I, 193 ff.

4) Hüffer, Die Kabinetteregierung in Preußen, ©. 9.

5) Haugwig an Köckritz. Berlin, 3. X. 1798. Forſchungen V, 267. 6) Alvenaleben an Haugwitz. Berlin, 16. X. 1798. R. 9 J. 3a.

7*

100 Guſtav Roloff. (100

nun an nur die von politiſchem Intereſſe überſenden. Von dieſen allein ſollte Haugwitz Kenntnis nehmen und die darauf zu erlaffenden Ver⸗ fügungen im Konzept zur Revifion vorgelegt erhalten. Alle übrigen deutfchen Angelegenheiten wollte Alvensleben mit indenftein allein er- Vedigen; die Verfügungen in diefen Gejchäften follte Haugwit nicht mehr im Konzept, wohl aber noch als Munda unterzeichnen, „weil fonft, ſchrieb Alvenzleben, eine förmliche Belanntmadhung an die Departe ments und SKollegia ergehn müßte, welche nur Aufjehen erregen würde. Ülberdem ift es jchon bei dem General-Directorio und dem Juſtiz⸗ departement hergebracht, daB die munda von allen Miniſtern unter- ichrieben werben, obgleich nur einer die Konzepte revidirt hat.” Ebenſo folle e8 mit den Berichten an den König gehalten werden, wenn Haug- wit bier nicht die Zufendung der Konzepte wünjche.

Haugwik war im weſentlichen einverftanden?!), nur wollte er fich nicht darauf beichränten, „die in die Politik einfchlagenden deutſchen Konzepte durchzuſehen“, jondern er wollte „den deutjchen Gonferenzen, injofern dieje Politika darin betrieben werden, fernerhin noch beiwohnen“ und ebenfo wollte er an der Erledigung der Töniglichen Haus⸗ und der Lehensſachen beteiligt bleiben. Wie bisher follte zweimal wöchentlich darüber Eonferiert werden, und nach den Konferenzen jollten ihm bie Konzepte über diefe Angelegenheiten, in ein befonderes Journal ein= getragen, zugejandt werden. Dagegen wollte er in den übrigen Ge— Ihäften, von denen er feine Kenntnis mehr nahm, weder Konzepte noch Munda oder Berichte an den König unterfchreiben und Hielt daher auch im Gegenjat zu Alvensleben eine Bekanntmachung an die Behörden für erforderlid. Aus den Alten ergiebt fich nicht, wie die weiteren Ber- bandlungen zwifchen den beiden Miniftern verliefen vermutlich einigten fie fi) mündlid ; das Refultat war, daß die von Haugmwi begehrte Berfügung an die Behörden unterblieb und der bisherige Gebrauch in der Unterzeichnung jener Attenftüde beibehalten wurde. In einem Bes richte?) an den König erbaten die Minifter die Lönigliche Genehmigung, die in einer Kabinettsordres) erjolgte (23. X), unter der Bedingung, daß Haugwiß feine Kollegen bei deren Abweſenheit vertreten müſſe.

1) Haugwitz an Alvenzleben. Berlin, 19. Oftbr. 1798. R. 9 J. 3a.

2) Bericht an den König, unterzeichnet Finckenſtein, Alvensleben, Haugwiß. In dem Bericht verpflichtet ſich Haugwitz, Alvensleben nötigenfall3 zu vertreten, von einer Vertretung Finckenſteins ift nicht die Rede: ein Beweis, daß diefer nur noch wenig an den Gefchäften beteiligt war. R. 9 J. 3a.

3) Potsdam, 23. Oftbr. 1798. R. 9 J. 3a.

Y

101] Die Neuorganifation d. Minifteriums d. Auswärtigen v. 1798—1802. 101

Die Kollegialität in der Leitung der auswärtigen Politik war aljo noch nicht bejeitigt; e8 war nur erreicht, daB ihr vorzugsweiſe berufener Lenker von einer Anzahl nichtpolitifcher Geſchäfte befreit und fein Wunfch, „zur eigentlichen Politit mehr Muße“ zu erhalten, erfüllt war. Die Berantwortung Für jene nichtpolitifchen Angelegenbeiten teilte er aber nach wie vor mit feinen Kollegen, wie feine nach zwei Jahren erneuerte Bitte, davon befreit zu werden, beweiſt). Alvenslebens Selbftändigkeit war dagegen durch die Neuerung vergrößert, womit offenbar ein Herzend- wunſch des Minifters erfüllt war. GEiferfüchtig wachte er darüber, daß feine Kompetenz in keinem Punkte gejchmälert würde; fo jprach er ſich gegen eine etwaige Teilnahme Hardenbergs in der Leitung der deutfchen Angelegenheiten jehr jchroff aus?) und feine Konkurrenz in der aus⸗ wärtigen Politik behielt er fich, wie wir ſahen, außbrüdfich vor. Wie es fcheint, gab er fogar dem Mißtrauen Ausdruck, daß Haugwib ihn von der Teilnahme an den politifchen Geichäften ganz verdrängen wolle, was Haugwit zu einem lebhaften Protefte und zu der Beteuerung ver- anlaßte, daB er niemalß eine folche Verantwortung auf ſich nehmen werde. Alvensleben erwiderte hierauf nichts, ſchenkte aber der Ver⸗ fiherung feinen Glauben?) wie das folgende lehren wird, mit Recht —: das Einvernehmen zwiſchen den Kollegen wird hierdurch nicht gebeffert worden fein.

Der Tod des Grafen Findenftein (3. I 1800) bot Haugwitz Ge- legenheit, von neuem eine Reform der Gejchäftsverteilung anzuregen. Was er noch vor kurzem gegen Alvensleben abgeleugnet hatte, ſprach er jett in einer Denkſchrift an den König offen aus: er beantragte, ihm ausfchließlich die Leitung der auswärtigen Politit und ebenfo Alvens⸗ leben die Bearbeitung der deutſchen Angelegenheiten zu übertragen, fo daß jeder nur für feinen ſpeziellen Gejchäftsfreis verantwortlich wäre. Nur fofern die deutichen Angelegenheiten politijchen Gehalts feien oder

werben könnten, wollte er von ihnen Slenntnis nehmen (6. I)*). Fried⸗

rich Wilhelm that feinen Entichluß kurz darauf in einer Kabinettsordre

1) Haugwiß an ben König. 6. I. 1800. Forſchungen V, 269.

2) Alvensleben an Haugwit. 16. X. 1798.

3) Dies beweift eine Bemerkung Alvenslebens auf dem Briefe Haugwitzens vom 19. X. Alvensleben erzählt hier, Haugwitz ſei am 23. Oftober zu ihm ge: tommen und babe dieje Verfiherung abgegeben: „wenn mich gleich diefe Er⸗ Härung nicht überzeugte, jo war doch nichts darauf zu antworten.”

4) Haugwik an den König. 6. L 1800. Forſchungen V, 269.

102 . Guſtav Roloff. [1 023

fund’). Er jcheint jeit Längerer Zeit mit dem Gefchäftsgange im Kabi⸗ nettäminifterium unzufrieden gewejen zu fein, denn, äußerte er in Der Ordre, wenn die Einrichtung, die er jebt treffen wolle, bereits feit 13 Jahren im Minifterium eingeführt worden wäre, würde fie „jchon Yängft der Thätigkeit desfelben eine noch nüblichere Richtung” gegeben baben. Er übertrug dann Haugwitz „die Leitung der Staatdangelegen- heiten an den fremden Höfen und der deutjchen Reichsſachen auf dem Reichstage und in den Kreiſen und die darüber ſowohl mit anderen Gouvernements und ihren Miniſteriis ala mit den Königlichen Sejandten, Refidenten, charges d’affaires zu führende Korreipondenz und die Com- munication mit den Hier refidirenden fremden Gejandten,” während Alvensleben alle übrigen Gejchäfte erhielt, wozu auch ala ein dem älteften Kabinettsminifter gebührendes Ehrenrecht die Präfentation der fremden Gefandten bei Hofe gehörte). Der König ging jo weit auf Haugwitz' Vorſchlag ein, daß er jeden Minifter nur für feinen Gejchäftg- freiß verantwortlich machen und in der Regel die Konkurrenz des andern ausichließen wollte, dagegen bebielt er fich vor, in Yällen, wo es ihm nötig dünken würde, „beider Minifter Gutachten einzuziehen und muß, um das einige alsdann gehörig motiviren zu Lönnen, der Graf?) Alvens⸗ leben nach wie vor von den ein- und abgebenden Depeichen Kenntnik nehmen”. Auch abgejehen von diefen Ausnahmefällen, fuhr er fort, würden wohl Hin und wieder Mitteilungen und Konferenzen zwiſchen beiden Miniſtern ftattfinden müflen, da fich die Reſſorts nicht jo fireng ſcheiden ließen, daB nicht die eine oder andere Angelegenheit beide be- rühren werde. Hierüber im einzelnen Anordnungen zu treffen, überließ der König den Miniftern, die fi „ohne zweckloſe Bekanntmachung“ über das Notwendige verftändigen follten.

Alvendleben und Haugwitz organifierten den Königlichen An⸗ mweifungen gemäß fogleich das Minifterium. Sie einigten fi, zur Er- ledigung der beide Reſſorts betreffenden Angelegenheiten wöchentlich eine Sitzung (Donnerstag 11 Uhr) abzuhalten, ſodann teilten fie einige bis— ber gemeinfam ausgeübte Funktionen“): Haugwitz erhielt die Bejegung der Poften der Geheimen Legationgräte mit dem franzöfiichen Vortrag

1) Kabinettgordre an Alvensleben und Haugwik. Berlin, 11. I. 1800. R. 9 J. 3a.

2) Lombard an Ködrig. 23. X. 1802. Forſchungen V, 271.

8) Alvenzleben war nach Findenfteind Tode in den Grafenftand erhoben.

4) Promemoria für des Heren Grafen von Haugwik Excellenz. Berlin, 17. L. 1800. Unterzeicynet Alvenzleben, Haugwitz. R. 9 J. 3a Vol. L

108] Die Neuorganifation d. Minifteriums d. Auswärtigen v. 1798—1802. 108

und der Offizianten des Büreaus!), jowie die Kompetenz Vorſchläge über das Perfonal der Sefandtfchaften zu machen; Alvensleben übernahm die Borfchläge über die Konfuln und Agenten, die Bejehung der übrigen Stellen innerhalb des Departements und die Aufficht über die Archive und die geheime Staatskanzlei?).

In der Führung der laufenden auswärtigen Geſchäfte war Haugwitz ganz unabhängig geworden. Er las zuerſt die einlaufenden Depeſchen und ſandte fie erſt Alvensleben „ad statum legendi“ zu, nachdem er bie darauf zu erlaffenden Verfügungen bereit? zur Vollziehung dem Könige vorgelegt hatte, und ebenjo erhielt Alvensleben von den übrigen Exlaffen im Haugwitzſchen Reffort erſt Kenntnis, „nach und nach fowie die munda abgegangen.” Alle Verfügungen in politifchen Angelegenheiten unter- zeichnete Haugwitz jest in Konzept und Mundis allein®). Auf bieje Weile war Alvensleben von jeder Beeinfluffung der Geichäftsführung ausgeſchlofſen, blieb aber immer orientiert über den Stand der auß- wärtigen Politik.

Entiprechend der Verteilung der Gejchäfte wurden die Geſandten angewiejen, Berichte Über politifche Angelegenheiten an Haugwitz, die übrigen an Alvenäleben zu adreffieren und nie über verichiedene An⸗ gelegenbeiten in einem Berichte zn referieren, um nicht einen Minifter mit Angelegenheiten außerhalb jeines Reflorts zu beläftigen. Die Kon⸗ fuln und Landesbehörden erhielten dagegen die Ordre, allein an Alvens⸗ leben zu berichten *), und Hardenberg, der ala Chef ber Fränlifchen Fürſten⸗ tümer in Berbindung mit dem Kabinettäminifterium ftand, wurde erfucht, alle Korreſpondenzen, jofern fie Reichs- und Kreisſachen betrafen, an Haugwitz, alle übrigen an Alvensleben zu richten).

Aeußerlich war jo alles nach dem Willen des Königd geordnet, und jeder Minifter war auf fein Neffort beichräntt, doch blieben Reibungen nicht aus. Haugwitz nahm ala verantwortlicher Leiter der auswärtigen Politit den direlten Verkehr mit den fremden Gejandten in

1) Einer Deputation ber Staatzlanzlei, die die eigentlich politifche Kor: teiponbenz beforgte.

2) Beilage zu dem Briefe Raumerd an Beyme. 21. X. 1802. Rep. 89. 9.

3) Inſtruktion für den Vicedireftor des Büreaus, Kriegsrat Noad. Unter: zeichnet Alvensleben. Berlin, 18. I. 1800. R. 9 J. 3a Vol. I.

4) Cirkular an die Gefandten, unterzeichnet Alvensleben, Haugwitz. 14. I. 1800 und Girkular an die Konfuln und Behörden, unterzeichnet Alvensleben. R.9 J. 3a VoL I.

5) Alvensleben und Haugwitz an Hardenberg. Berlin, 18. L 1800. R. 9 J. 3a Vol. I

104 Guſtav Roloff. [104

Anſpruch und behauptete, alle Angelegenheiten von Alvenslebens Reffort, die eine Kommunilation mit dem Auslande nötig machten, müßten durch feine Bermittelung den fremden Höfen mitgeteilt werden. Sein flollege beftritt das entjchieden, nicht der ganze Verkehr mit dem Aualande Tet Haugwitz vorbehalten, fondern nur foweit er fich auf politiſche Angelegen- beiten bezöge; in Sachen feine Geſchäſtskreiſes, aljo 3. B. bei Mit- teilung von Todesfällen, Geburten, Ehefchließungen im königlichen Haufe babe er fo gut wie Haugwik das Necht, mit den fremden Gefandten zur verhandeln. Haugwitz meinte zwar, um Einheit und Konfequenz in Die Stantsangelegenheiten zu bringen, dürfe nur ein Minifter mit dem Aus— lande fommunicieren, aber Alvensleben berief fi) auf den Wortlaut der Kabinettgordre, die Haugwig ausdrüdlich den Verkehr mit den fremden Geſandten nur in den politifchen Gefchäften zuweiſe!). Wie diefer Streit gejchlichtet wurde, ift nicht zu erſehen, jedenfalls feßte Alvenzleben jeinen Willen durch, wie aus dem Folgenden hervorgeht.

Seitdem dem Kabinettöminifterium wie zur Zeit Friedrichs des Großen nur zwei Minifter angehörten, konnte alfo der Leiter der aus- wärtigen Politik ungeftört feine ganze Arbeitskraft feiner Aufgabe widmen, wie er e& fo lange erjehnt Hatte. Der König freilich Hatte fich noch nicht entſchließen können, die Staatögefchäfte unter Beiftand nur eines verantwortlichen Beraters für die auswärtige Politik au führen; in be« fonders jchwierigen Fällen wollte er auch den Rat bes zweiten Kabi- nettsminifter8 in Anfpruch nehmen. Für diefen jelbft waren die Ge- ſchäfte infofern verwidelter geworden, als er von nun an nicht nur mit bem Generaldireftorium und Juſtizdepartement zu verhandeln hatte, fondern Häufig auch) mit Haugwik, da er viele Angelegenheiten, 3. 2. die Vertretung ber preußifchen Unterthanen im Auslande, fobald fie po= litifch von Bedeutung waren, nicht ohne deffen Mitwirkung erledigen fonntee Er war „eigentlich alfo nur Mittelöperfon oder Zwiſchen⸗ inftanz” ?) geworden, die mit jenen Behörden „in den mehreften und wichtigiten Yällen wegen feiner Meinung und Einftimmung kommuni= ziren“ mußte, „jo daß mithin doppelte Arbeit geichah“ ?).

1) Alvenaleben an Haugwig. Berlin, 30. I. 1800. Haugwiß an Alvens⸗ leben. Berlin, 18. IL. 1800. Alvensleben an Haugwit. 5. III. 1800. R. 9 J. 8 Nr. 21.

2) Schulenburg an Beyme. Hildesheim, 25. X. 1802. Rep. 89. 9.

3) Memoire Alvenalebend an ben König. Undatiert, nicht unterfchrieben. R.89.9. Es ift nach einer Bemerkung in Raumers Brief an Beyme, 21. X. 1802 (R. 89. 9) von Raumer angefertigt.

105] Die Neuorganifation d. Minifteriumd b. Auswärtigen v. 1798—1802. 105

Diefe Uebelflände war der Dlinifter bemüht, abzuftellen. Als es ih darum handelte, die für die abgetretenen linksrheiniſchen Gebiete nen erworbenen Provinzen in die preußifche Verwaltung einzugliebern, flug er dem Könige vor, alle „nicht die finanzen und nicht die Rechtspflege angehenden“ Iandeshoheitlichen Sachen feinem Departement zu überweiſen, um jene weitläufigen Kommunikationen zu bejeitigen. Für die neuen Provinzen forderte er daher für fich die Verwaltung der fämtlichen Lehensſachen und der Angelegenheiten der katholiſchen Geiftlich- teit; was von bdiefen Zweigen in den alten Provinzen von anderen Departements verwaltet würde, könne ibm bei etwaigen Perfjonal- veränderungen in den Departementschef? zugeichlagen werben!). Che diefe Neuordnung, die allerdings manche Kommunikation, 5.3. mit dem Lehensdepartement, überfläffig gemacht hätte, ausgeführt werben Tonnte, ftarb Alvensleben plößlich nach kurzer Krankheit (21. X. 1802), ein unerwwartetes Ereignis?), das zu umfafjenden Neuerungen Anlaß gab.

Die nächſte Frage war, ob man den alten Zuftand beibehalten, alfo einen neuen Dlinifter mit Alvenslebens Funktionen ernennen jollte. Im Deinifterium felbft beftand der Wunſch, den bisherigen Zuftand zu befeitigen ; die Zeriplitterung im Kabinettaminifterium, führte Geheimer Legationsrat von Raumer in einem Briefe an Beyme aug®), werde am beften vermieden, wenn man die Stelle des zweiten Kabinettäminifters unbejegt Lafje, Haugwitz dad Alvenslebenjche Reffort übertrage und mit diefem nach des Berftorbenen Wunſch noch die jämtlichen Lehens⸗ und katholischen Angelegenheiten verbinde. Hierdurch wäre Haugwitz aber- mals mit der Direktion zahlreicher unpolitifcher Gejchäfte belaftet worden, wovon er erft vor kurzem auf fein Betreiben befreit war, und die Kom⸗ muntlation mit dem Generaldirektorium und Yuftigdepartement wäre ge- blieben: auf den Beifall des Grafen Haugwitz hatte der Borfchlag alfo ſchwerlich zu rechnen, und einen Yortfchritt zur Bereinfachung bedeutete er auch nicht. Es fcheint daher auch kaum Notiz von ihm genommen zu fein.

Der König, der ſich, wie wir ſahen, lebhaft für die Neorganifation des Minifteriums intereffierte, beriet fich jogleich mit feiner Umgebung, wer Alvdenslebens Nachfolge antreten ſolle. Die erften, die er befragte, woren LZombard, Beyme und Haugwitz. Lombard wie auf drei

1) Ebenba. 2) Beyme an von ber Red. Potsdam, 9. XI.1802. R. 92. Hardenberg. J. 2. 3) Raumer an Beyme. Berlin, 21. X. 1802. R. 89. 9.

106 Guſtav Roloff. [106

Möglichkeiten Hin, den Gejchäftsgang neu zu regeln: entweder alles beim alten zu laffen und Alvensleben einen Nachfolger zu geben, oder wie auch Raumer vorgejchlagen hatte Haugwik Alvenslebens Ge⸗ Ihäfte mit zu übertragen, oder endlich das Refjort Alvenslebens zu teilen und die inneren Landesangelegenbeiten dem Lebensbepartement unter dem Juſtizminiſter von der Red, die übrigen mit der auswärtigen Politit in Beziehung ftehenden dem Grafen Haugwitz zu übertragen. Lombard empfahl, nach feinen Briefen an Ködrik zu fchließen!), be- ſonders den lebten Vorfchlag, und auch der König, der die Zahl der Minifter allmählich zu verringern wünjchte?), ſcheint fich ihm von An« fang an zugeneigt zu baben®).

Derfelben Meinung war auch Haugwitz. In einer „Überficht der Geſchaͤftszweige des feither von dem Herrn Kabinetsminiſter Grafen Alvensleben refpizirten Departements” *) forderte er für fich alle Gefchäfte des Alvenslebenſchen Refſorts, die für die auswärtigen Angelegenheiten von Wichtigkeit waren, aljo die außfchließliche Korrefpondenz mit dem Auglande in allen Angelegenheiten, ferner die Landesgrenzjachen, die Zruppendurchmarjch-Requifitionen, Freipaßſachen, Landestommerziachen in außtwärtiger Beziehung, die Vertretung der preußifchen Unterthanen im Auslande und der fremden in Preußen, die Konjulatsangelegenheiten und endlich die Präfentation der fremden Geſandten. Der Reſt follte mit dem Lehensbepartement verbunden werden ®).

Auch Beyme billigte im weſentlichen dieſe Vorfchläge, foweit fie die Vermehrung der Kompetenzen von Haugwitz betrafen; er wollte ihnen ſogar noch die Genjurangelegenheiten Hinzufügen. Für die Verbindung der übrigen Alvenslebenfchen Geichäfte mit dem Yuftigminifterium *) war er dagegen nit. „Auf Vereinfachung der böchften Zriebräder des Staates Hinzuarbeiten und darnach alle natürlichen Zweige eineß jeden Departements in eine Hand zu bringen,“ ſei fein oberjter Grundſatz, ichrieb er an Schulenburg”’), darum müſſe „da8 politische Departement ganz auf feinen eigentlichen Zweck bejchräntt werden” und ebenfo „das

1) Bal. Forſchungen V, 271. 272.

2) Schulenburg an Beyme. 25. X. 1802. R. 89. 9.

3) Lombard an Köckritz. Forſchungen V, 272.

4) Beilage bed Briefes von Beyme an Schulenburg. Potsdam, 26. X. 1802. R. 89. 9. Bel. ©. 3.

5) Beyme an Schulenburg. Potsdam, 26. X. 1802. Rep. 89. 9.

6) Das Lehensdepartement bildete einen Zeil des Juftizminifterium®.

7) Potsdam, 26. X. 1802. R. 89. 9.

107] Die Neuorganifation d. Minifteriums d. Auswärtigen v. 1798—1802. 107

Suftigdepartement von allen nicht dahin gehörigen Regierungs-Geiftlichen und Lebens - Sachen getrennt” werden. Da Beyme wie Haugwit unb Zombard den Reit des Alvenslebenſchen Refſorts mit dem Lehens⸗ bepartement verbinden wollte, jo wäre die Konjequenz jenes Grundſatzes geweien, dieje neu gejchaffene Behörde felbftändig neben die übrigen Minifterien zu ftellen. Beyme erlannte dies zwar als das wünſchens⸗ wertefte an, plädierte aber dennoch dafür, dies neue Departement „mit dem auswärtigen in Berbindung zu laffen“. Cine Konkurrenz in der auswärtigen Politik fei von dem Chef des neuen Departements bei der jegigen Scheidung des Refſorts nicht mehr zu befürchten, meinte er; auf der Verbindung der Löniglichen Haußangelegenheiten mit dem Kabinetts⸗ departement beruhe der Vorrang dieſes Minifteriums und überdies er- fordere ihre Verwaltung durchaus diefe Verbindung. Endlich fpräche für die Bereinigung, daB daB KHabinettsarchiv beiden Departements gemein- Iaftlich bleiben müffe.

Betrachten wir die Folgen aller diefer Vorſchläge. Haugwitz und Lombard wollten alſo fämtliche politifchen Angelegenheiten in einer Hand zulammenfaflen und das Kabinettsminifterium don allen nichtpolitifchen Geſchäften befreien. Die Verbindung diefer Geſchäfte mit dem Juſtiz⸗ minifterium hätte zwar ihre Verwaltung injofern erleichtert, als die be⸗ fondere fchriftlicde Kommunikation mit dem Juſtizminiſterium weggefallen wäre, aber die mit dem Generaldireftorium nad) Schulenburgs Zeugnis die umfangreichfte!) wäre geblieben, e8 hätte alfo immer noch zum großen Teil „Doppelte Arbeit” gejchehen müflen. Nach Beymes Willen wären zwar die inneren Landesangelegenheiten im Kabinett?» minifterium geblieben, aber ihr Zufammenhang mit den politifchen wäre nur jehr loſe gewejen und für ihre Verwaltung hätte fein Vorſchlag die⸗ jelben Folgen gehabt wie der der beiden anderen: die Kommunikation mit dem Lehensdepartement wäre aufgehoben, aber die mit dem General» diretorium geblieben.

Beymes Gründe überzeugten Haugwitz und Lombard nicht; beide blieben bei ihrer Meinung, weil fie, wie Beyme annahm, von dem zweiten Kabinettsminifter trotz aller Scheidung eine Konkurrenz in den auswärtigen Angelegenheiten beſorgten. Haugwig vor allem befämpfte fein Brojelt; um jede Konkurrenz auszufchließen, war ex fogar bereit, no mehr Gefchäfte von Alvenslebens Reffort zu übernehmen oder ala

I) Schulenburg an den König. Hildesheim, 30. X. 1802. Rep. 89. 9.

108 Guſtav Roloff. [108

Alvenslebens Nachfolger den Minifter v. Buchholz !), von dem er wohl feine Konkurrenz befürchtete?), vorzufchlagen.

Außer diefen befragte Friedrich Wilhelm noch auf Beymes Rat Den ehemaligen Kabinettsminifter Graf Schulenburg-Kehnert, damals Gou⸗ derneur der neu erworbenen Landesteile. Ehe diefer jedoch die könig⸗ liche Aufforderung, feine Meinung auszujprechen, erhielt, jandte er aus eigenem Antriebe ein Memoire an Beyme, worin er wie jene brei empfahl, den Poſten Alvenslebens eingehen zu laſſen, die Gejchäfte feines Reſſorts aber je nach ihrer Beichaffenheit unter die drei Behörden, mit denen Alvensleben fortwährend hatte fommunizieren müſſen, zu verteilen, um jo die weitläufigen Verhandlungen für immer zu befeitigen®). Diefe Maßregel empfahl er auch dem Könige als die beite Löfung *); wenn Se M. freilich aus Rüdfiht auf den Minifter Ned die Verbindung ber nichtpolitifchen Geſchäfte Alvenslebend mit dem Lehensdepartement wünjche, fei die Verbindung mit dem Kabinettsminifterium anzuraten, und wenn dem Haugwitz entgegen jei, jo müſſe man Red mit feinem Lehensdepartement und den neu übernommenen Gejchäften in das General- direftorium verfeßen, wohin ja ohnedies ein großer Teil jener inneren Landesangelegenheiten gehöre. Hierdurch wäre wenigfteng die jchriftliche Kommunikation mit dem Generaldireltorium bejeitigt worden. Habe der König aber auch hiergegen Bedenken, jo könne man Red jelbftändig neben die übrigen Miniſter Stellen; Hiermit habe man wenigftens bie Kollifionen zwiſchen Red und Goldhed, die in wenig freundichaftlichen Be«= ziehungen jtanden, bejeitigt und das Juſtizminiſterium von nicht dahin gehörigen Verwaltungsgeſchäften getrennt.

Die von Schulenburg vorgejchlagene Zerteilung des Alvenslebenſchen Refſorts, die fich dem Ziele, reine Yachminifterien zu fchaffen, mehr ala alle anderen Projekte näherte, lehnte der König ab, da er beforgte, „daß diefe große und gänzlicde Reform andere nachteilige Folgen haben dürfe” °), und entichloß fich zur Vereinigung der nicht von Haugwik übernommenen Gejchäfte mit dem Lehensdepartement. Diefe neue Be- hörde wollte er weder mit dem Juftigdepartement noch mit dem Kabinetts-

1) Ehemals preußiſcher Gefandter in Warfchau.

2) Unmittelbar nach Alvensleben? Tode war in Berlin bad Gerücht ver: breitet, daß Buchholz jein Nachfolger werden ſolle. Raumer bezeichnete ihn in feinem Briefe an Beyme als durchaus ungeeignet.

3), Schulenburg an Beyme. Hildesheim, 25. X. 1802. Rep. 89. 9.

4) Schulenburg an den König. Hildesheim, 30. X. 1802. Rep. 89. 9.

5) Beyme an Red. Potsdam, 7. XI. 1802. Rep. 92. Hardenberg J. 2.

109] Die Neuorganifation d. Minifteriums d. Auswärtigen v. 1798—-1802. 109

minifterium, fondern aus denfelben Sründen wie Schulenburg mit dem Seneralbireltorium verbinden. Als Chef dieſes Nefiort® nahm er tie feine Berater Red in Ausficht und Tieß deshalb durch Beyme diefem die Frage vorlegen, ob er geneigt ſei, „das SJufligdepartement und Prä- fidium des Obertribunals gegen das neue kombinierte Lehens-Haus⸗ und Landeshoheitd-Departement zu vertaufchen” und einen Pla nach feiner Anciennetät im Generalbireltorium einzunehmen (7. XI)").

Red gab nicht jogleich eine bejtimmte Antwort; er verlangte erft zu wiffen, ob außer diefer noch andere abminiftrative Reformen geplant wärden, ehe er feine Meinung äußern wolle?). Als ihm Beyme erklärt batte, daß es fich zunächft nur um das Alvenslebenſche Reffort handle?), erflärte er fich bereit, mit Beyme mündlich über die Neuerung zu Ton» ferieren*) (17. XI).

Wie diefe Unterredung verlief und wer jonft noch daran teilnahm, wiffen wir nicht, wie kennen nur ihr Reſultat. Es wurde beichlofien, „daB dem Lehenzdepartement alle Lehensſachen zugewiejen und mit diefem Departement die Hobeit?- und Familienſachen vereinigt würden, und diefe Bereinigung außer aller Verbindung mit dem Yuftizdepartement bliebe,“ daß ferner Red dag Präſidium des Obertribunala niederlegen, im übrigen aber fein Verhältnis im Sufligminifterium und Staatsrat keine Beränderung erleiden jolle?). Ned hatte fich alfo nicht zu der vom König gewünjchten Verſetzung ins Generaldireltorium verftanden, fondern Hatte e8 durchgefeßt, dab er zwar mit feinen juriftifchen Funktionen er hatte die Spezialaufficht Über die Auftizkollegien einer Anzahl Pro- dinzen im Auftigminifterium bliebe, aber als Chef der neuen Behörde jelbftändig neben die übrigen Gentralftellen treten ſolle. Friedrich Wil- beim genehmigte den Beichluß, wiewohl er feinen Anfichten nicht ganz entiprach, und beauftragte Red und Haugwis, ein „volljtändiges und beſtimmtes Nefiort-Regulativ“ über die Verteilung der Alvenglebenfchen Geichäfte zu entwerfen. Als vornehmſten Grundſatz ftellte er noch ein⸗ mal die Tendenz Hin, alle gleichartigen Geſchäftszweige in einer Hand zu vereinigen, insbejondere alle politifchen Gejchäfte und den Verkehr mit dem Auslande außjchließlich dem Grafen Haugwik zu übertragen‘).

—_

1) Ebenda.

2) Red an Beyme. Berlin, 11. XI. 1802. Rep. 89. 9.

3) Beyme an Red. Potsdam, 13. XI. 1802. Rep. 92. Hardenberg J. 2.

4) Red an Beyme. Berlin, 17. XI. 1802. Rep. 89. 9.

5) Red an Beyme. Berlin, 23. XI. 1802. R. 89. 60 D.

6) Kabinettäordre an Red und Haugwitz. Unbatiert. Darauf Bemerkung von Recks Hand: angel. den 27. Nov. 1802. Rep. 89. 9.

110 GZufſtav Roloff [110

Mie zwilchen Red und Beyme, fo wurden auch die Beratungen zwifchen Haugwitz und Red mündlich geführt. Als fie fich über die Hauptfachen geeinigt hatten, verabredeten fie, daß Haugwiß den Entwurf zum Regulativ abfaffen und Red mitteilen folle, um ihn dann gemein- ſam dem Könige vorzulegen (1. XII)Y). Ehe indeffen Haugwitz ben Entwurf fertiggejtellt Hatte, Tieß ihn Ned dur) Raumer auffegen und fandte ihn Haugwitz zur Prüfung zu (3. XIL)?). Nach wenigen Tagen ihidte ihn Haugwitz zurüd, und nun wurde er abgefchrieben und dem Könige vorgelegt ?).

Sein Inhalt war im weſentlichen eine detailliertere Ausführung der früheren Vorſchläge. Haugwig, nunmehr einziger wirflicher Kabi⸗ nett3minifter, erhielt von Alvenslebens Gefchäften zunächft die, die er nach feines Kollegen Tode gefordert hatte (S. 106), ferner die „Zeitungs cenfur und Genfur politiſcher und Hiftorifch = politifcher Schriften”, bie Aufficht über das geheime Staatsarchiv und Archivfabinett, die Auf bewaßrung der größeren Staats» und Majeftätzfiegl. Der Gebraud der Archive und Siegel follte jeboch auch dem Freiherrn v. d. Ned zu ftehen. Alles übrige erhielt Red; ſobald in jeinem Neffort die Kom- munilation mit dem Auslande oder den preußiichen Sefandten an fremben Höfen notwendig wurde, hatte er fi) mit Haugwitz fchriftlich ober mündlich ind Einvernehmen zu feßen und durch diefen die Verhandlung führen zu laffen. Entſprechend dieſer Gefchäftsteilung wurde auch die Aufficht Über die Verwaltung der fränfifchen Fürſtentümer geregelt, worüber eine nähere Beftimmung der Zukunft vorbehalten blieb. Das Beamtenperfonal wurde zwiſchen den beiden Reſſorts verteilt und bie Staatskanzlei, die unter der Leitung des SKabinettöminifteriums ge ftanden Hatte, wurde aufgelöft, und die Kanzliften den verfchiebenen Minifterien zugewiefen, jo daß jet jede Eentralftelle ihre eigene Kanzlei hatte *).

Der König genehmigte das Regulativ in allen materiellen Be flimmungen, nur in der Bezeichnung des Redichen Departements, dad die Minifter „Combinirtesg Departement der Sachen des Löniglichen Haufes, der Landeshoheitd« und Lehensſachen“ genannt hatten, ftrich et

1) Red an Haugwitz. Berlin, 3. XII. 1802. Rep. 92. Hardenberg J. 2.

2) Daſelbſt und Red an Beyme. Berlin, 7. XII. 1802. Rep. 89. 60 D.

3) Red an Beyme. 7. XII. 1802. R. 89. 60 D.

4) Das Reffortregulativ (datiert 6. XII.) in Rep. 89. 9. Ueber die Auf: löſung der Staatskanzlei vgl. Kofer, Forſchungen II, 188.

111] Die Neuorganifation d. Minifteriums d. Auswärtigen v. 1798—1802. 111

das Wort kombiniert und erklärte, ſich ſtets der herkömmlichen ab⸗ gelürzten Bezeichnung „Lehensdepartement” bedienen zu wollen).

Mit diefer Organifation hatte Haugtwit endlich dag, was er vor vier Jahren zum erftenmal erftrebt Hatte, erreicht: volle Selbftändigfeit in der Leitung der auswärtigen Politit und des Verkehrs mit dem Aus⸗ lande und Befreiung von allen nichtpolitifchen Geſchäften. Die Kollegialität im Minifterium des Auswärtigen war befeitigt, und der König auf einen verantwortlichen Ratgeber bejchräntt eine Einrichtung, die frei⸗ lich nicht Lange unverfehrt beftand, da, wie befannt, in den nächſten Jahren Hardenberg neben Haugwitz zur Führung der auswärtigen Politik berufen wurde. Bor der Hand war jedoch die Verwaltung des Kabi- nettöminifteriums vereinfacht, es war in ein reines Fachminiſterium ver⸗ wandelt worden. Durch die Gründung des jelbftändigen Lehensdeparte⸗ ments war dagegen die Zahl der Eentralftellen vermehrt worden: was das Kabinettminifterium an Einbeitlichkeit gewonnen hatte, hatte bie ganze Staatsverwaltung verloren.

1) Bemerkung von Beymes Hand auf dem Schreiben an den König, mit dem Red und Haugwitz dag Regulativ begleiteten. Rep. 92. Hardenberg J. 2.

V.

Aus amtlichen Verichten Wilhelms von HZumboldt im Zahre 1816.

Bon

Heinrih Ulmann.

11.

So lange eine aus umfaſſender Aufgrabung der Quellen geſchöpfte Würdigung des Staatsmanns Wilhelm von Humboldt uns noch gebricht, wird jede neue Mitteilung über ſeine politiſche Auffaſſung als erwünſchte Bereicherung gelten dürfen. Aus den Beſtänden des Geheimen Staatsarchivs in Berlin kann ich zwei Altenftüde darbieten, gewifſer⸗ maßen Ergänzungen der durch Rößler!) vor etiwa zwei Jahrzehnten ver- öffentlichten Denkſchrift vom 30. September 1816 über die Behandlung der Angelegenheiten des deutſchen Bundes durch Preußen. Diejelben find beitimmt, die Frage des Vorfiße in der Bundesvperfammlung und der Einführung der Preßfreibeit, bejonder? in Preußen, näher zu be= leuchten, als e8 in jener umfaſſenden Denkichrift gejchehen war. In diefer hat Humboldt ſelbſt fich auf jene bezogen?). Wir verfügen ſomit jegt im wejentlichen über das Material, mittelft deſſen Humboldt feine Anfchauung vom Wert des Bundes für Preußen zu begründen unter- nommen hatte. Man fpürt überall durch, daß feine Weberzeugung her⸗

1) Zeitfchrift für preußifche Gefchichte und Landestunde. 9. Band (1872) 84

2) ©. 110 u. 194. Außerdem noch auf zwei weitere Berichte, von denen der vom 15. November 1816 über Behandlung der Angelegenheiten der tatholifchen Kirche (S. 132) bereits veröffentlicht ift von O. Mejer: Zur Geichichte der zömifchedeutichen frage IL, 2. Abteil,, ©. 52, während der vom 13. März über die Bunbesfeftungen (S. 130) von Herrn Archivar Dr. Meinede in Bearbeitung genommen ift.

Forſchungen ;. brand. u. preuß. Geh. VL. 1. 8

114 Heinrih Ulmann. [114

fließt aus genauejter Kenntnis der DBerhältniffe und Perjonen, der Richtungen und Intereſſen der deutjchen Höfe, wie er fie insbeſondere während des Wiener Kongrefies, wo er belanntlich Hauptbearbeiter der Derfafjungsfragen geweſen, gewonnen haben mußte. Das giebt feinen Ausſprüchen Autorität troß der erft Furzlebigen Erfahrung in Frankfurt, wo er ala Mitglied der preußifchen Zerritoriallommiffion ſeit Monaten die Stimmung der allmählich zur Eröffnung des Bundestags eintreffen- den Negierungabevollmächtigten Hatte prüfen können. Seht war ihm gerade die jchwierige Aufgabe zugefallen, die durch die Hardenberg. Hän- leinſche Unvorfichtigkeit gründlich verdorbene Stellung Preußens im reis der Bundesgenoſſen durch die Macht feiner Perjönlichkeit und Gründe, fo gut e& ging, wieder zu beſſern, da er bis zum Eintreffen des am 9. Auguft zum Bevollmächtigten ernannten Grafen von Golg ver- tretungsweiſe bei den Gejchäften vorbereitender Art und ſchließlich bei der Eröffnung des Bundestags im November 1816 als preußiicher Ge» fandter zu wirlen Hatte. Mit um fo größerem Interefſe wird man daher feine Erörterungen über die Bedeutung des öfterreichifchen Bundes⸗ vorfitzes oder richtiger Bundesverfammlungsvorfißes hören, ala er gerade bei Beichwichtigung der in dieſer Angelegenheit erregten Leidenſchaften thätig zu fein hatte.

Der Frage der Preßfreiheit Legt der geiftvolle Verfaſſer in feiner großen Denkichrift (S. 132 f.) für die fogleich zu beginnende Thätigkeit der Bundesverfammlung eine völlig parallele Bedeutung bei wie der über die Einführung der Landftände in den einzelnen Bundesſtaaten. Ihre ernftlicde Inangriffnahme fei ein wahres Bedürfnis, wenn man die intelleftuelle Thätigleit und den lebendigen Geift, durch den fidh Deutfchland bisher in Europa außgezeichnet, erhalten wolle. Vorher wird die Wichtigkeit der Sache zur Gewinnung der Öffentlichen Meinung erwähnt, jo daß Rößler (S. 73) wenigſtens nicht ganz Recht hat, wenn er es bemerkenswert findet, daß es Humboldt gar nicht „in den Sinn zu fommen jcheine, wie Preußen für die entftehende Mißgunft der Höfe einen Erſatz in der Gunft der öffentlichen Meinung finden könne“. Weis läufig Hat übrigens Humboldt auch in feinen Vorfchlägen über die zur Regelung der Stellung der katholiſchen Kirche in Preußen einzufchlagenden Wege den hohen Wert einer Gewinnung der öffentlichen Meinung ſehr ernftlich in Anfchlag gebracht!). Wie dann der Bund die Verheißung

1) Meyer a. a. DO. 55 unten. Aehnlich über Gewinnung einer moralifchen Macht in Deutichland durch Leiftungen intellettueller Art in einem Brief an Altenftein im Jahre 1810, Sybels Hiftor. Zeitſchr, N. F. 29, 288. Ueber bie

115] Ans amtlichen Berichten Wilhelms v. Humboldt i. 3. 1816. 115

des Artikel 18d zur Wahrheit machen folle, Hat H. nicht angedeutet, fondern fich einfach auf den unten mitzuteilenden Bericht berufen. Der jaßt jedoch nur die preußischen Verhältniffe ind Auge. Hat Humboldt gemeint, daß für den Bund die Grundlinien in ähnlicher Weife gezogen werden follten? Oder wünſchte er, wie er a. a. D. dem beimatlichen Staat in der Landftändifchen Frage eine befondere Stellung zugewieſen bat, vielleicht daß Preußen durch autonomes Vorgehen in jener Sache, der er auß dem innerjten Kern feines Denkens heraus ein überaus großes Gewicht beizulegen gemeint war, die Gunft der Nation fich fichern jolle ? Ich meine doch, daB das erftere der Fall ift, wie er ja auch bei Be—⸗ handlung der firchlichen Trage feſte preußiiche Grundſätze unter die Garantie bundestägiger Normen zu ftellen vorgefchlagen hat.

Zum Verſtändnis der bisher unbelannten Ausflüffe de8 Hum— boldtjchen Geiſtes wird es bdienlich fein, von der befannten Denkſchrift auszugehen, ohne jedoch eine eigentliche Analyſe derjelben zu be= abfichtigen.

Der Standpunkt, von dem aus Humboldt die Maſſe der Er—⸗ ſcheinungen in der politiichen Welt zu verftehen trachtet, ijt bekanntlich ein durchweg preußifcher und nebenbei ein jo zu fagen europäifcher, infofern er die Thunlichkeit mancher in Deutjchland gewünfchten Ver⸗ faffungsformen nicht nur mißt an dem vorhandenen guten Willen ber Großmächte, ſondern abhängig macht von ihrer Wirkung auf das Ge- deihen und die Ruhe des europäifchen Ganzen. Die Erfüllung der beißen nationalpolitiichen Wünfche vieler Perfonen und Kreife in Deutfchland hält er nicht nur auf Grund feiner Wiener Erfahrungen für unmöglich: diefelbe wäre ihm keineswegs erwünſcht. Die über „Erhaltung des Gleichgewichts durch inwohnende Schwerkraft” fich erftredende Aktion eines gefamtbeutfchen, gleichviel wie geftalteten Staats, das Heraus- treten eines folchen befonderen deutichen Staates in die Reihe der euro⸗ päiihen Mächte „außer den größeren deutfchen einzeln genommen“, würde dem Zweck der Gründung entgegen fein. Ja „niemand könnte dann Bindern, daß nicht Deutjchland ala Deutichland auch ein erobernder Staat würde, was fein echter Deutjcher wünfchen Tann.” Der charakte⸗ riſtiſche Grund ift die Befürchtung, daß die geiftige Bildung der Nation, falls fie eine politifche Richtung nach außen erhielt, in die Brüche gehen tönntee Alfo zu Gunften der Stellung der Deutſchen als

Vedeutung der öffentlichen Meinung im allgemeinen vgl. Humboldts Erwiderung auf Steins Denkichrift vom Februar 1815 bei A. Schmidt, Gefchichte der deutfchen Berfafjungsfrage 417 und 422.

8*

116 Heintih Ulmann. [ 116

Nation durch einen Bund würde er keinen andern Bundeszweck, feine anderen Bundesorgane und Bundesmittel für erjtrebenawert ge- halten Haben, als durch die von ihm fo Herb beurteilte Alte vom 8. Juni 1815 gegeben find. Seine eifrigen Bemühungen, während des Kongrefles ein Direktorium als Grefutivorgan und Kreiſe als Ber- waltungseinheiten zu jchaffen, waren durch Erwägungen innerer, nicht äußerer Politik hervorgerufen. Wie er militärifch den Bundeszweck ſtreng auf Verteidigung der Unabhängigkeit begrenzen will, jo foll nicht etwa bloß wegen der ungeeignet geratenen Form der Bundesorgane, jondern planmäßig die diplomatifch-politiiche Wirkfamteit des Bundes auf das Unerläßlichite eingefchräntt werden.

Keineswegs dem Mangel energifcherer Bindung der nationalen Kräfte gilt daher feine Unbefriedigung Über das bis zulekt von ihm be> tämpfte Refultat der Wiener Beratungen. Und bier läßt ſich die Frage nicht umgeben, ob jene Unbefriedigung denn eine fo abfolute war, wie woHl angenommen worden ift!). Hat Humboldt in feiner großen Denk⸗ ichrift in der That Zeugnis davon abgelegt, daß in Frankfurt am Bunde nur die Phrafe der deutfchen Politik gedeihen könne, während alle Geſchäfte der nationalen Staatskunſt von Berlin aus durch Verhandlung mit den Einzyelftaaten betrieben werden müßten? Mir fcheint, daB Die von Zreitfchle neben anderen der Denkjchrift entnommene Stelle, wonach es in der (befonderen) Politik Preußens liegen follte, jene (d. h. die um- gebenden kleineren Nachbaritaaten) in fein politifches und ſelbſt abminiftratives Syſtem bis auf einen gewiffen Punkt zu verflechten, im Zuſammenhang einer anderen Auffafjung fähig und bedürftig if. Um nicht mißverftanden zu werden, hebe ich ausdrüdlich hervor, daß auch nach meiner Anfiht Humboldt eine diplomatifche Einwirkung außerhalb Frankfurts (befonders in Wien) zur Vorbebingung macht, daß er aber wichtige Refultate durch Mitwirkung der Bundesorgane und als Er⸗ füllung von Bundeszweden, nicht etwa neben dem Bund, in Ausficht nimmt. Darauf führt einmal die auf ©. 96 der Denkichrift voran gegangene Grörterung, der gemäß Preußen fich hüten müſſe, fich „eine Bormundfchaft über fie (die Fürſten beſonders Norddeutſchlands) in milie tärifcher oder anderer Rüdficht” anzumaßen. Insbeſondere jedoch Hat Humboldt (S. 89) ausdrücklich erklärt, daß Preußen den Bund mit allen feinen Gebrechen vielleicht nicht nur nicht hätte am Entſtehen hin⸗

1) Bon 9. dv. Treitichle, Deutiche Geichichte II, 144 nach dem, was ©. 98 der Denkichrift gejagt ifl. Der Herausgeber Rößler (S. 75) hat bie von ihm ver- worfene Auffafjung Humbolbts fich anders zu erflären gefucht.

117] Aus amtlichen Berichten Wilhelmd v. Humbolbt i. J. 1816. 117

bern können, fondern nie hätte hindern ſollen. Er beeilt fich hinzuzu⸗ fügen, daß nicht bloß der traurige Gewinn der Vermeidung don Nach⸗ teilen die Frucht des Bundes für Preußen fein werde, daß man vielmehr „berechtigt (ei), bedeutend mehr davon zu erwarten”. Und nun weift er dem preußifchen Bundestagagefandten die Aufgabe zu, auf dem durch die Bundesalte gegebenen Weg einzutreten für „diefe Verbeſſerung und Grweiterung der Bundesatte in Abficht aller inneren Ginrichtungen, welche dag Recht zu fichern und Willfür zu entfernen bezweden, wohin feftere Ständeverfaffung, Bundesgericht, Garantie der Verbältniffe ber Mediatifirten u. ſ. j. gehören.“ Alfo er erblickt in der Beſchützung bes Rechts und der Heranziehung der Mitfürften zu den Pflichten der Ver⸗ teidigung die Bahn geöffnet zu einer zwar durch unabänderliche Ver: bältniffe erjchwerten, aber nicht fruchtlofen Wirkſamkeit Preußens an und im Bund. ür das Gelingen legt er jehr ftarkes Gewicht auf die ebenjo tete wie würdevolle Haltung Preußens gegenüber den fchiwächeren Bundeagenofjen. Ganz bejonders aber rechnet auch er, wie Hardenberg, auf entgegenfommendes Berftändnis bei der anderen Großmacht, bei Oeſterreich. Trotz der ftärkeren Anziehungskraft Dejterreich® auf die norddeutfchen Bundesgenoffen, troß der begreiflichen Abneigung des kaiſer⸗ lichen Kabinetts, ſich Preußens halber ſeitens der Einzelſtaaten Ber- drieklichkeiten zuzuziehen, ift nach Humboldts „innerfter Ueberzeugung die Lage derart, daß fie Preußen nie hindern wird, dasjenige durch den Bund zu erlangen, worauf es mit Recht Anjpruch machen könnte” '). Ih verftehe nicht recht, wie Rößler bat herausleſen können, daß Hum- boldt auf die praftifche Einigung Preußens mit Oeſterreich für die Zu- funft wenig Hoffnung gefeßt Habe. Daß er, um in Frankfurt mit Oeſterreich jtets in gleichem Schritt zu marfchieren, die Idee vertrat, in Bien dauernd eine Art Berftändigungsjtelle zu errichten (S. 85), Tann unmöglich fo gedeutet werden! Hat er doch augdrüdlich den Bund als eined der ficherften Mittel bezeichnet, um dag Einvernehmen beider zu bewahren (©. 88). Es gehört zu den ftaatsmännifchiten Partien feines gedankenreichen Auffages, wenn er ausführt, wie eine gemeinfchaftliche Leitimg des Bundes nur ala eine don Formen freie, durch das Gewicht beider Mächte in ihrer Webereinftimmung getragene, ausführbar jei (8. 109). Cr bat damit nicht erjt jür fich die Konfequenz gezogen aud der Niederlage Hänleins bei dem Antrag einer formalen Teilung der Leitung unter beide Mächte. Schon in feiner erften

I) Tentichrift 9. Rößlers gleich zu erwähnende Anficht 82.

118 Heinrich Ulmann. [ 118

Denkichrift ?) über eine deutfche VBerfaffung im Dezember 1813 Hatte er ausgeführt: „Die feite, durchgängige, nie unterbrochene Uebereinftinmung Defterreih® und Preußens ift allein der Schlußjtein des ganzen Ge⸗ bäudes. Dieſe Uebereinftimmung Tann ebenfowenig durch den Berein (d. 5. feine Eatungen) gefichert, ala der Verein, wenn fie mangelt, er- halten werden. Es ift der fefte Punkt außerhalb des Bundes.“

Ausdrücklich heißt e8 dann, daß „zwifchen beiden Mächten weder Unterordnung noch Teilung der Gewalt gejtattet wird”.

Ich glaube jagen zu dürfen, daß die Ernſthaftigkeit dieſes Gedankens durch Thatfachen gerechtfertigt worden ift, wenngleich der vom Berfaffer erwartete Segen nicht eingetreten if. Man darf fich durch den Berbruß über die Rolle, welche Preußen zu den Zeiten des Fürſten Metternich am Bund gejpielt hat, nicht in der Erkenntnis beirren laffen, daß jie do berubte auf dem regelmäßigen vorgängigen Einvernehmen beider Großmächte über am Bund zu thuende Schritte?). Belanntlich hat der Bundestagagefandte Otto von Bißmard in dem Aufgeben dieſes Ver—⸗ haltens feit der Verwaltung des Fürſten Schwarzenberg den Hauptgrund des jchlechten Gangs der Dinge, in dem Wiedereinjchlagen diejes Piades die einzige Rettung vor dem Eintritt eines öfterreichifch-preußifchen Kon fliftes erblidt. Und nachdem Schwarzenbergs Nachfolger, Graf Buol, gefallen war, bat noch im Herbſt 1859 Graf Rechberg die Rückkehr zu diefem Syſtem jeinerfeit3 vorgeſchlagen ꝰ).

Die Erfahrungsweisheit unſeres genialen Staatsmannes hat alſo nach der Probe von vierzig Jahren dem don Humboldt intuitiv ge- wiefenen „feſten Punkt” feinen Beifall nicht verfagt.

Man muß in der That geftehen, daß, wenn einmal ein Bund mit

1) Adolf Schmidt, Gefchichte der deutichen Verfaſſungsfrage während der Befreiungsfriege und des Wiener Kongreſſes 108 vgl. 107. Auch gegen Steins Kaiferplan im Februar und März 1814 ift er diefem Grundgedanfen treu ge⸗ blieben, ebenda. 422. Vgl. Perk, Stein IV, 755.

2) Nicht von Anfang an. Aus der Denkſchrift Humboldts vom 15. November (Meier a. a. O. 55) erhellt, daß gleich die öfterreichiiche Präfibialpropofition bei Eröffnung des Bundestags ohne Verabredung mit Preußen vorgebracht war, wes: halb vorgeſchlagen wird, ebenfo zu verfahren bei den eigenen Anträgen bezüglich der katholiſchen Kirche. Uebrigens find wir im einzelnen über bie durchgängige Anwenbung jene® modus procedendi durch Defterreih noch nicht fo, wie wünfchenawert, unterrichtet. Der Beginn wird ind Jahr 1819 gefeßt. lie, Geichichte ber deutichen Bundesverfammlung I.

3) v. Sybel Begründung des deutſchen Reichs II, 340; 348. Hinfichtlic) Bismarcks vgl. befonders: Preußen am Bundestag, her. von Poſchinger III, 489}. Briefwechſel des Generals 8. v. Gerlach mit DO. v. Bismard 78. Hahn, Biss mard I, 82.

119] Aus amtlichen Berichten Wilhelm: v. Humboldt i. %. 1816. 119

Einſchluß beider Großmächte (und Humboldt dachte hierüber ficher ähn⸗ Lich wie Stein und faft alle anderen) verfucht werden müßte, jo war Die umerläßliche Borausfegung, das neben dem Bund und über den Bund hinaus vorhandene Einvernehmen beider, fei es gedacht ala ein natürlich erwachſendes, ſei es als ein mit bewußter Kunſt gepflegtes. Yür Hunt» boldt war diefer Gedanke erleichtert durch die internationale Nichtigkeit, Die ihm für einen deutjchen Bund das Naturgemäße jchien. Ueber die Grenzen des dfterreichifchen Entgegenfommen? war er nicht im Zweifel. In dem nur Defterreich zuftehenden Vorfſitz erfannte er aber um jo weniger etwas Bebenkliches, ala er mit volljtem Rechte ihn beftimmte ala den Vorſitz der Bundesverfammlung, nicht etwa des Bundes jelbft, wozu er fich be= kanntlich erſt nach der Reaktivierung von 1851 auszuwachſen drohte. Diefer Trage, auf die er auch in der Septemberdenkſchrift zurüdtommt, gilt jein Bericht an den König vom 17. Auguft 1816):

Einleitend erklärt er feine Bereitwilligfeit, bis zur Ankunft des Grafen Goltz die Geſchäſte wahrzunehmen und Täßt fi) aus über die notwendige DVerfchiebung der Gröffnung wegen der noch nicht ab» gefchlofjenen Territorialverhandlungen jowie über die von Graf Buol ge— begte Abfiht vorläufiger Sitzungen?). Als feine Aufgabe will er anſehen, ftreng getreu dem Bund doch jede Gelegenheit zur Verbeſſerung feiner Mängel und Lüden zu benußen und insbefondere die durch das Widerftreben einiger Fürſten in Rüdficht der äußeren und inneren Ber- bältniffe zu loſe gelafjenen Bande fefter anzuziehen.

Da, von den erjten Schritten an, das Verhältnis Preußens zu Oeſterreich am Bund zur Sprache kommen müfle, jchließe er um jo mebr jeine Gedanten hierüber an, als dieſe Frage gerade in den lebten Wochen Anlaß zu Miißverjtändniffen und Irrungen gegeben habe.

Dann fährt er fort: „Die Bundesacte jagt ausdrüdlich, daB alle Bundesglieder, alfo Defterreich eingejchloffen, gleiche Rechte Haben (Art. 3), fie ertheilt Defterreich bei der Bundesverfamnmlung den Vorſitz (Art. 5), aber fie beftimmt zugleich bei Gelegenheit der Abjtimmungsordnnung, daß diefe außer den Berhältniffen der Bundesverfammlung auf Rang und Bortritt keinen Einfluß haben fol (Art. 8). Dies findet daher auch auf den Borfit Defterreich® Anwendung. Der Bund ift daher eine Ver— fammlung von Gleichberechtigten, und die Beitinnmung eines Vorſitzes fließt bloß aus der Nothwendigfeit, die Berathungen und Verhandlungen in den Situngen doch einer gewiffen Leitung und Ordnung zu unter- werfen. Hierin habe ich auch den Grafen dv. Buol-Schauenftein durch⸗ aus einverftanden mit mir gefunden, und er Hat mir auß feinen Inſtruktionen vorgelefen, daß man ihm ausdrüdlich jagt, dab der Vor⸗ fh nur die materielle Gejchäftsleitung betreffe. In diefen Schranken

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1) Königl. Geh. Staatsarchiv in Berlin. Auswärt. Amt sect. I rep.5 N. 6. 2) Ilfe, Geichichte der deutichen Bunbesverfammlung I, 114.

120 Heinrich Ulmann. [120

werde ich nun auch denjelben immer Halten, und ich fürchte nicht, dabei bedeutende Schwierigleiten zu finden, weil das Oeſterreichiſche Eabinet in der That hierin nie bisher anmaßende Forderungen gemacht Bat, aud der übrige Theil der Berfammlung nicht geneigt fein dürfte, Diefen nachzu- geben. Preußen eigene Vorrechte, eine Art Mitdirectorium (da über- haupt nicht von Directorium,, fondern nur von Borfit Die Rede ſeyn ſoll) auszubedingen, Halte ich nicht für zweckmäßig. Weientlich können diefe Vorrechte nie jeygn, wenn man nicht die ganze Natur Des Bundes, der, Dejterreich mit eingeichlofien, aus Gleichberechtigten beitehen fol, umändern will, und folche, die fih bloß auf Form und äußere Geſchäfts⸗ führung beziehen, wären wohl mit der Ciferſucht, die fie bei Oeſterreich und den übrigen erregten, zu theuer erfauft. Uebrigens verläßt man bei einem folchen Plan ganz die einfache Idee eines nur zur Erbaltung der Ordnung in der Geſellſchaft nöthigen bloßen Vorfitzes. Denn dazu ift nur Ein Vorſitzender nothwendig. Man ftiitet eine wirkliche Un- gleichheit, in welcher Preußen doch nur die zweite Stelle erhält. Hätte Preußen, wie es aber wohl nicht ratbfam gewefen wäre, jchlechterdings Oeſterreich nicht den Vorſitz laſſen wollen, jo hätte er beiden angehören und abwechjelnd von ihren Gefandten ausgeübt werden müffen. Alles dies aber Hätte nur in Wien, nicht jet, nach abgefchloffener Bundes acte, ftipulirt werden können. Alle ähnliche Pläne von Kaifer- und Römiſcher KHönige-MWürde, von Theilung Deutjchlands in zwei Hälften, find während des Wiener Congreſſes jo mannichjaltig überlegt, beſprochen und verfucht worden, daß man wohl mit Sicherheit behaupten Tann, daß es nicht anzurathen ift auf diefelben zurüdzufommen. Preußen würde fich bei jedem in einer fehwierigeren, unbequemeren und nur fcheinbar mächtigeren Lage befinden. Bei der mir von Ew. Königl. Majeftät in Abficht meiner Inftruction Huldreichft gelaſſenen Freiheit habe ich daher in meinem Geſpräch mit Graf Buol, ohne alle neue Forderung, mid) ftreng an die Bundesacte gehalten, und nur meinen jo eben envähnten Begriff von dem Oeſterreichiſchen Vorfitz ausgeſprochen. Ueber die ein- zelnen zum Vorfitz gehörenden Rechte bin ich nur fo weit mit ihm ein- gegangen, daß ich der Protocollführung, weil diefe auch in den vor» läufigen Situngen vorlommen wird, gedacht Habe. Ich Habe ihm geäußert, daß diefe kein nothwendiges Attribut des Vorfiges, fondern ein Recht der ganzen Berfammlung fei, daß es daher, meiner Meynung nach, einen eigenen dazu beftellten Protocollführer geben müſſe, und daß bie organiichen Geſetze feſtſetzen könnten, wie diefer zu wählen ſey, daß aber, befonders für jebt, gar nichts dagegen jeyn werde, daß er der Verſamm⸗ lung ein Mitglied feiner Gejandtichaft dazu vorjchlage, welches un: ftreitig angenommen werden würde, wenn nur die Mitglied für feine Perfon, und nicht gerade ala zur Defterreichichen Gefandtichaft gehörig dieje Function verrichte. In der That Halte ich das Recht der Protocoll- führung für höchſt unbedeutend, da nicht nur jeder feine Meynung Ichriftlich, oder dictirend zum Protocol geben kann, jondern auch das unbeftreitbare Recht hat, Irrthümer, bie in der Darftellung der Mey: nungen anderer vorkommen, zu berichtigen. Auf ähnliche Weile und nach denfelben Srundjägen babe ich ihm über das Bundedardhiv und die

121] Aus amtlichen Berichten Wilhelm? dv. Humboldt i. %. 1816. 121

Bundeskanzley gefprochen, und wenn ich, wie ich glaube, feinen jeßigen Außerungen trauen darf, fo bat er biergegen nichts einzumenden, und wenn er gleich anfangs von der Protocollführung als von einem dem Vorfitz anklebenden Recht ſprach, jo kam er doch nachher nicht wieder darauf zurüd, fondern gab vielmehr mir volllonmen Recht.”

Es ift eingangs (S. 115) erwogen worden, inwiefern Humboldt in feinem Bericht über Preßfreiheit an bundesmäßige Behandlung der Sache gedacht haben könne. Ehe der Entwurf mitgeteilt wird, muß darauf bingewiefen werden, wie eng für Humboldt die Trage der Prekfreiheit immer in Verbindung jtand mit der Berfaffungdfrage. Ueber die Gründe Bat er fi) einmal in feinem Frankjurter Berfafjungsentwurf?) von 1819 Stein gegenüber geäußert: „Ehe in den ftändifchen Verſammlungen ber öffentlichen Meinung ein geeigneter Weg fich zu äußern gegeben ift, jo daß die Stimme des angreifenden Schriftfteller8 nicht die allein Hörbare bleibt, Liegt in dem Bemühen, Preßfreiheit zu gründen, immer etwas Steifes und Unzufammenhängendes.” Mittlerweile, meint er, folle man vernünſtige Deffentlichkeit auf jede Weife befördern, ja einzelnen Schrift⸗ ftellern völlige Genfurlofigkeit geftatten, um fie nach und nad zu ge- woͤhnen, fich jelbft in gehörige Schranken zu Halten. Die Wichtigkeit, bie er der Trage beimißt, ohne übrigens ein abfoluter Gegner jeder Genfur und ein einfeitiger Anhänger des Repreifiviyftems zu fein, hängt außerdem zujammen mit jeiner Wertichäßung der deutichen Geiftesarbeit für die gefammte Stellung ded Vaterlands im Kreis der Völker.

Bei der Gelegenheit darf nicht verſäumt werden, auf eine bisher, fo viel ich jehe, nie gewürdigte Ausſprache des ſtets tief ſchöpfenden Mannes über die durch die Bundesakte geforderte Einjegung von Land» Händen in den Bundesſtaaten Hinzumeifen. In der großen Denkfchrift vom 30. September ijt unmittelbar vor der Preßfreiheit die Rede von der Einführung von Landftänden, wobei das Heilfame der Stände für Heine Staaten und das Erfordernis, von Bundeswegen dieſe Angelegen- Heit mit foviel Teilnahme ala möglich zu behandeln, betont wird. Auf eine folche in Preußen zu dringen, fei der Bund nicht oder höchſtens dinfichtlich der zu ihm gehörigen Provinzen berechtigt. Nur dann, wenn dieſe unzähligen Schwierigkeiten unterworfene Angelegenheit in den Pro- dingen vorbereitet werde, Laffe fich abfehen, wie Preußen zu allgemeinen Ständen kommen könne. Diefelben könnten nicht vorfichtig und praftifch

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1) Denkſchriften des Miniſters von Stein herausg. von Pertz 172 und W. von Humboldts geſammelte Werke VII, 275. Ueber die Notwendigkeit der Preßfreiheit als Zeil der Konſtitution vgl. 8 7 und 8 desſelben Entwurfs. Wie er in Wien dafür eingetreten, ift befannt: vgl. auch A. Schmidt a. a. ©. 148; 464.

i22 Heinrih Ulmann. [122

genug gebildet werden!). Es fei ein fehr wichtiger Unterfchied zwiſchen Ständen, wie e8 in Deutfchland welche gegeben und dem Repräſentativ⸗ ſyſtem jeit der Tranzöfifchen Revolution. Diefe nachahmen zu wollen, wäre das Undeutjcheite, was man beginnen könne Humboldt ſteht auch hierbei faft genau auf demfelben Boden wie Hardenberg, der allgemeine Stände, d. 5. Vertreter der Gefamtheit, auf einer gejchichtlich gegebenen, jtändifchen Grundlage wollte. Seine Denkichrift von 1819 beweift das auf? deutlichite.e Aber immerhin gehört ein Mann von Humboldts geiftiger Wucht und Freiheit zu denen, die keineswegs in dem Artikel 13 der Bundesakte den Anfpruch auf Repräfentativverfaffung feſtgenagelt faben.

Der Bericht über Preßfreiheit nun beruft fih ausdrücklich auf Hardenberga Ideen, wie denn kein Zweifel ift, daß er in den Kreis der feit 1815 von dem Staatskanzler veranlaßten, vorbereitenden Daß» regeln?) gehört. Es ift ein eigentümliches Zufammentreffen, daß er jajt in demfelben Augenblid verfaßt ift, da Hardenberg fich genötigt glaubte, den treu es meinenden, aber allerdings ſtark ungeberdigen Rheinifchen Merkur zu verbieten.

Sn Preußen wurden bis dahin bekanntlich noch angewandt die Be— ftimmungen des fog. Wöllnerjchen Cenfureditts von 1788 mit den Ver—⸗ Ihärfungen, die feit 1792 eingetreten waren?). Die Zweifelhaftigkeit Binfichtlich der Geltung in verlorenen und tiedergewonnenen Landes— teilen, die feit 1813 mächtig ſchäumende Erregung der Geilter, die wachjende Bedeutung der Tagespreffe und das Wuchern einer Frechen Pamphletlitteratur machten einen gefeßgeberifechn Eingriff höchſt erwünicht.

Humboldt befand fih, wie er einleitend bemerft*), im Einver- ſtändnis mit Hardenberg, wenn er Hinfichtlich der bei der angelündigten Berfaffung unerläßlichen Preßfreiheit Berantwortlichkeit vor Gericht an

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1) A. a. ©. 133. Entſprechend ſchon in feinem deutſchen Verfaſſungsentwurf von 1813, wo als gefährlichſter Mißgriff die der neueren Zeit eigene Methode bezeichnet wird, theoretiſch gebildete Reglements ganzen Ländern vorzuſchreiben u. j. w. A. Schmidt a. a. ©. 117.

2) Stölzel, Brandenburgs Preußens Rechtzverwaltung und Nechtöverfaffung II, 456. Bgl. Treitſchke IL, 169.

3) F. Kapp, AUltenftüde 3. G. der preußiichen Genfur: und Prekverhältniife, im Archiv f. Gefchichte des deutichen Buchhandels IV u. V; vgl. Hinfichtlich der Anwendbarkeit in manchen Provinzen nach 1815, VI, 189. Berner, Lehrbuch des beutjchen Prebrechts 47 geht an diefer Frage vorüber.

4) W. v. Humboldt an ben Staatsfanzler, Frankfurt a. M., 9. Januar 1816. Geh. St.-Arch. Rep. 75a P. 9 vol. 1. Es ift die für Graf Golk am 3. Dezember angefertigte Abfchrift.

123] Aus amtlichen Berichten Wilhelms v. Humboldt i. 3. 1816. 128

Stelle der Cenſur jegen wollte. Grftere allein jei haltbar und trage eine den Mißbrauch der Preßfreiheit hindernde moraliſche Macht in fid. Gine Unterfcheidung cenfurfreier und cenfurpflichtiger Schriften jei zweck⸗ [08 und nicht zu raten bei der Wichtigkeit der Zeitungen für Leitung der Öffentlichen Meinung.

Aber es fer jchlechterdings notwendig, vor Aufhebung der Genfur Geſetzgebung und Prozekform zu diefem Zweck gehörig zu beftimmen, da die Geſetze bisher nur Rüdficht genommen hätten auf Berlegung der Rechte des Staats oder der Bürger durch Drudichriften, infojern Anlaß vorgelegen babe, ein beabfichtigted Verbrechen oder eine beleidigende Abficht anzunehmen.

Durch diefe einfeitigen Gefichtspunkte werde jedoch das Berhältnis des Heraußgeberd einer Schrift nicht erfchöpft. Auf eine jchnelle und nicht leicht widerlegbare Weife teile er Meinungen, Urteile und That⸗ ſachen mit und fordere vielleicht zu Aeußerungen und Handlungen auf. „Er unternimmt alſo eine öffentliche Handlung, von der er dem Staat Rechenschaft jchuldig iſt.“ Es komme nicht blog auf die Abficht, ſondern auf die der Menſchen⸗ und Bürgerpflicht entiprechenden Grundſätze und die pflichtmäßige Sorgfalt deffen an, „der freiwillig unternimmt, woraus feinen Mitbürgern Vortheil oder Nachtbeil erwachien kann.“

Die Gefebgebung müfje diefen Geſichtspunkten angepaßt werden.

„Die Feſtſetzung deflen, was geſetzlich ala Mikbrauch der Preß- freiheit gelten joll, muß fehr einfach, und ja nicht, weder in der Sache jelbft noch in der Ausfübrlichkeit der Beftimmung, zu ängftlich gemacht werden. Es iſt bier wie überall fonft unmöglich die Richter in Ma⸗ ſchinen zu verwandeln, und ed wäre furchtbar, wenn man ungerechte Beſchränkungen der Preßfreiheit, die bei Cenſurbehörden wenigſtens noch durch Perfönlichkeit und Zufall gemildert werben, zu geſetzlichem Zwang machen und fich des ehrwürdigen Namen? der Geſetze und Gerichte be= dienen wollte, ihnen ein geheiligtes Anfehen zu geben. Hiervon muß jelbft der Leifefte Verdacht vermieden werden. So jchwierig auch auf den erften Anblid die Beſtimmung des rechtmäßigen Gebrauchs der Pre» freiheit zu fein fcheint, fo wird man doch, wenn man auf der einen Seite ich Werke denkt, die irgend eine, auch das Staatenwohl jehr nah an⸗ gehende Materie blos theoretiich behandeln, und mit denen die Cenſur billigerweife gar nichts zu thun hat, und auf der anderen Geite eine Flugſchrift, die zu einer beflimmten und zwar unerlaubten Handlung auffordert, die mehr ein gedrudter Aufruf als ein Buch genannt zu werden verdient, und mit dem wieder die Preßfreiheit nichts zu jchaffen bat, nicht jo gar ſchwer die Mittellinie finden, jenſeits welcher ein Her- ausgeber vor aller Berantwortlichkeit ficher ift und dieſſeits der er zur Rechenjchaft gezogen werden Tann. Die Mittheilung wahrer Thatfachen, welcher Art fie auch fein möchten, die Erwähnung jelbft von Gerüchten, wenn nur die Abficht klar ift, dadurch der Wahrheit näher zu kommen, mdige, mit Gründen belegte, wenn übrigens auch ganz beftimmte Kritif

von vollendeten Maßregeln der Regierung oder einzelner Staatsbeamten, Berung von Wünfchen, Rath und Warnung bei noch nicht vollendeten, würde der Staat immer Unrecht haben zu erſchweren; über Fälle dieſer

124 Heinrich Ulmann. [1 24

Art dürfte daher der Schriftfteller nie verantwortlich gemacht werden- Sn diefen Dingen kann die DBerantwortlichteit exrft angehen, wenn er gegen befjeres Willen die Thatfachen entftellt oder die Mittel fih zu unterrichten verfäumt oder ſich Thatfachen zu erzählen unterfängt, deren Erforſchung ihm nicht möglich ift, und deren Verbreitung, wenn fie un= richtig wäre, gefährlich fein würde, wenn er das Unerwiejene, ohne es als ſolches zu bezeichnen, Hinjtellt und fich, bei erfolgender Widerlegung, noch rühmt zur Ausmittlung der Wahrheit beigetragen zu haben, wenn er die Maske deg Gerücht? nur gebraucht, um etwad Verunglimpfendes fagen zu dürfen, wenn Urtbeil, Rath und Warnung, dem Ton und Vor— trag nach, die Abficht verrathen, auch durch etwas anderes ala ihren inneren Gehalt wirken zu jollen und ſich daher als eine Art unrecht mäßiger Macht herandrängen. Geftattung großer Freiheit, aber unver- brüchliche Wachſamkeit Über diejenige Grenze, welche zum Wohl aller und nicht am wenigften zur Erhaltung der Würde der Schriftſteller jelbjt gezogen werden muß, find gewiß dag zuverläffigite Dlittel, die Rechte des Staats und der Bürger von diefer Seite ficher zu ftellen.

Der Proceß in diefen Angelegenheiten müßte jummarifch fein und in Einer Inſtanz entjchieden werden. Dagegen könnten Klagen diefer Art natürlich nur bei den Ober= Gerichten der Provinzen angebracht werden. In diefen müßte aber da8 ganze Gericht fie entjcheiden, und nicht etwa eine fortbauernde, nur aus einigen Mitgliedern beitehende Commiſſion.“

Als Kläger find die Beſchwerdeführer gedacht, wobei auswärtige Höfe wie Privatleute zu behandeln und nur die Regierung durch Die Fiscale zu vertreten wäre. Aber fo jelten wie möglich folle die Re— gierung Klage erheben wegen Verlegung ihrer Rechte oder der ihrer Ber amten. Empfehlenswerter ſei Berichtigung entitellter Thatfachen durch ein offizielles Blatt.

Allerdings gewährten gegen das abfichtliche Rüden von Regierungs- maßregeln in falfches Licht jene Prozeffe nicht mehr Schuß wie die Cenſur. Doc dürfe die Regierung bei einer aufmerfjamen Rüdficht- nahme auf beifallawürdige Außerungen der dffentliden Meinung und entiprechender Teftigkeit gegenüber unberechtigten fich Leicht Hinwegjegen über derartige Angriffe.

Sehr genau feien die Inſtruktionen der Fiscale zu bemefjen, denen zur Pflicht zu machen, vor Erhebung der Klage in den meilten Tyällen die Enticheidung des Gefammtminifteriums einzuholen. Als nothwendig fei die Nennung des Berjafiers, Verleger? oder Druders auf Drudwerken zu erachten, wobei billig der legte von Verantwortlichkeit zu befreien fei, wenn der DBerleger fich nenne.

MWörtlich Heißt es dann:

„Bei der Strafe ift eg vor allen Dingen nothwendig, die Privat- genugtäuung und Ahndung eines etwa durch eine Schrift beabfichtigten oder begangenen Verbrechens von der Strafe des bloßen Mißbrauchs der Preßfreigeit zu unterjcheiden. Denn es ift jchon oben bemerkt worden, daß diefer Begriff, jobald der freie Gebrauch, ohne vorhergehende Prä- fung, dem Schriftfteller überlafien wird, genauer beſtimmt werden muß,

125] Aus amtlidden Berichten Wilhelms dv. Humboldt i. 3. 1816. 125

als die Geſetzgebung bisher es zu thun veranlaßt war, da im jtrengen Berftand eigentlich Leine Prebfreiheit vorhanden war, ob man gleich den Zuftand, in welchem die einzige Beſchränkung eine gerechte und billige Genfur ift, nicht unrichtig gleichfalls mit diefem Namen benennt. Die fo beftimmten Strafen könnten nun feine anderen fein als jogenannte conventionelle, Warnung dor dem Gericht, öffentlich befannt gemachter Verweis, Geldbuße. Diefer aber würde es ſehr zweckmäßig fein, eine unmittelbar aus der Natur der Sache ſelbſt entipringende Hinzuzufügen, nämlich die Unterwerfung eines Schriftjtellerd, Verleger oder Druders (und dieſe Ichteren natürlich Für alle bei ihnen ericheinenden Schriften) unter wirkliche Genfur. Es kann nicht unbillig fcheinen, die Schriften desjenigen, der die Freiheit jelbft zu beurtheilen, was dem Geſetz ans gemefien ift, gemißbraucht bat, künftig der Beurtheilung anderer zu über- geben. Allein das müßte natürlich der äußerſte Grad der Strafe fein und könnte immer nur auf eine Zeit gejchehen, die bei Schriftftellern nicht über drei, bei Verlegen nicht über ein Jahr gehen dürfte. Die Genfur würde in diefen Yällen dem Gericht ſelbſt übertragen.“

Scließli wird das Verbot de Verkaufs oder die Anordnung der Vernichtung einer Schrift vom Ergehen eines Urteil® abhängig gemacht. Nur vorläufig, unter Verpflichtung zu unmittelbarer Erhebung der Klage, dürfe die Regierung den Verlauf oder die Fortſetzung eines Journals unterfagen.

Da infolge der Vorgänge von 1819 in Preußen auf das Prinzip der Repreifion gegen Preßausſchreitungen verzichtet und ftatt deffen auf die Genfur, zum Teil in noch fchärferer Weile ala der Bundesbeichluß vorſchrieb, zurüdgegriffen wurde, Haben Humboldts Ideen über Preß- freiheit jo wenig eine erfichtlicde Wirkung geübt, wie die über die Regelung der Stellung der Kirchengemeinjchaften. Man dari das be= dauern. Aber auch heute wird die eindringende und umfpannende Bes obachtungsweife wie auch die Originalität der Gefichtepunfte Intereſſe beanfpruchen dürfen.

VI.

Der Prozeß gegen Fonk und juriſtiſche Aythenbildung in Preußen.

Bon Friedrich Holtze jun.

Im letzten Halbbande der Forfchungen (S. 233 ff.) Hat Kofer einen Auflag über „die Abfchaffung der Tortur durch Friedrich den Großen“ veröffentlicht und darin des näheren ausgeführt, daB die bei Alter, „Handbuch des preußiichen Kriminalprozeßverfahrens“) (1842) ©. XVII enthaltene Bemerkung, zur gänzlichen Abjchaffung der Folter im Sabre 1754 babe ein damals nur durch Zufall abgewandter Juſtizmord an einem Kandidaten wegen Ermordung einer kinderlofen Wittwe zu Berlin die Beranlaffung gegeben, unrichtig fein müffe, denn jener Vorfall gehöre den Jahren 1786 und 1737 an, könne aljo Teinesfalls für die Ab- ſchaffung der Folter im Jahre 1754 in Betracht kommen. Letzteres trifft unzweifelhaft zu; die reiche Litteratur?), die uns über den von Kofer angeführten Prozeß aus den Jahren 1786—1737 gegen bie Scharfrichtergefellen Müller wegen Ermordung ihrer Tante, der Wittwe Fuchs zu Berlin, überliefert ift, macht e& in der That unmwahrjcheinlich, baß derjelbe in irgend einem Zufammenhange mit der Abſchaffung der Folter flieht. Denn bei manchen Aehnlichkeiten zwiſchen dem Prozeſſe von 1736— 1737 und den Berichten aus den Jahren 1825 und 1827

1) Heute würde man „Kriminalprozeh” oder „Kriminalverfahren” jagen.

2) Die von Koſer (5.2335 Anm. 1) eitierten Schriften befinden ſich in der

Bibliothet des Kammergerichts, außerdem noch ein längeres, That und Strafe be- ſchreibendes Lied von derber Komit.

128 Friedrich Holpe. [128

über die Veranlafjung zu der Kabinettäordre vom 3. Juni 1740 find bie Abweichungen doch weit überwiegend. Im Jahre 1736 wurde wie die gleichzeitigen Berichte ergeben die Scharfrichterwittwe Gupbrofine Fuchs, die im Haufe des Pierre Rouffet auf der Friedrichſtadt wohnte, todt in ihrer Kammer gefunden, und zwar an einem Nagel Hängend. Man nahm einen Selbfimord an und wollte fie jhon nad dem Ge brauche jener Zeit „auf dem Schindanger ala ein Luder verfcharren”, da ermittelte der damalige Generalfizfal Gerbet, daß fie kurz zuvor Beſuch don zwei vogtländiſchen Scharirichtergefellen, ihren Neffen, erhalten und daß dieſe Wertgegenftände, die offenbar ihrer Zante gehört, jpäter im Befite gehabt hätten. Diefe Entdelung verdantte man dem Scharf- richter zu Potsdam, bei dem die Gefellen in der auf die That folgenden Nacht geberbergt und dabei allerhand Silberfachen bei fich geführt hatten. Denn der Potsdamer Scharfrichter Koch mußte, fobald er davon Hörte, dat fi} die Scharfrichterwittiwe Fuchs erhängt habe, an einem Selbil- morde zweifeln und aus dem auffälligen Befite ihrer Neffen unmittelbar nach dem Zode ihrer Tante darauf fchließen, daß fie den Mord derjelben zum Zweck der Bereicherung begangen hätten. So leicht mithin Die Entdefung der Thäter war, jo war e8 doch jchwierig, ihrer habhaft zu werden. Zuerft wandte man fi an das Stadtgericht zu Jena, wo man fie vermutbete , als indes das Requifitionsjchreiben dorthin gelangte, waren fie bereit? don dort weggezogen. Der Magiftrat von Jena fandte deshalb das preußiiche Erfuchen an den Landesherrn der Gefuchten, den Grafen Reuß zu Gera, der nach damaligem ſehr jachgemäßem und ver- nünftigem Brauche feinen Anftand nahm, feine Landeskinder, die gerade wegen Pferdediebſtahls zu Gera in Haft ſaßen, ſammt ihrer Mutter und Schweiter, die unter Umftänden als Thatzeugen dienen fonnten, nad Preußen zur Strafverfolgung auszuliefern. In der Berliner Hausvogtei geftanden die Brüder auf dringendes Zureden des abgefeßten, dort inter- nierten Propjtes Waldmann ungefoltert, daB der ältere Bruder feine Zante erwürgt und daß fie dann, um einen Selbſtmord wahrfjcheinlich zu machen, die Ermordete mitteljt einer ihnen gehörigen Peitſche an einem Nagel aufgehängt hätten. Am 22. Januar 1737 wurde darauf an beiden die Strafe vollitredt. Die Verübung der That und ihre Sühne fällt alfo in den Zeitraum von kaum fieben Monaten, und das Ber- fahren war noch dazu durch die Verfolgung der befannten Thäter ver- jögert worden. Dies allein fchon läßt es ala ganz außgejchloffen ericheinen, daß in dieſem Prozeffe irgend jemand gefoltert if. Denn dazu hätte e8 eines, noch dazu revifibeln Urteil® des Berliner Kriminal« tollegium® oder einer fonftigen Spruchbehörde (Juriſtenfakultät oder

129] Der Prozeß gegen Fonk und juriſtiſche Mythenbildung in Preußen. [129

Schöffenftuhlse) bedurft, und der König hätte außerdem das Urteil noch tonfirmieren möäflen, da das Berliner Stadtgericht!), dem die Verfolgung der That oblag, feit dem Furisdiltionsvertrage vom 27. Dezember 1508 kein auf Folter lautendes Erkenntnis ohne vorgängige landesherrliche Ge⸗ nchmigung vollftreden durfte. Die Zeit, welche notwendig bis zur Voll⸗ ftredung der Folter an einem Unfjchuldigen verftreihen mußte, bätte, wenn man analoge Fälle aus jener Zeit vergleichend beranzieht, vier big fünf Donate beanſprucht; wo wäre dann noch Zeit übrig geblieben, um bis zum 22. Januar 1737 die wahren Thäter in Thüringen und im Bogtlande aufzufpüren, fic von Gera nach Berlin zu fchaffen, ein Ge⸗ ſtändnis von ihnen zu erzielen, fie auf Grund desſelben zu verurteilen und fchließlich Hinzurichten? Aber die Sache wird noch viel unmwahr- fcheinlicher. Denn nach dem Berichte des Hiftorifch-Genealogifchen Ka⸗ Iender8 von 1825 (S. 197) befichtigt der Berliner Scharfrichter, ala der Kandidat eben gefoltert werden jollte, den Strid am Leichnam ber Witte und entdedt dabei den „Lunftgerechten” Knoten. Wilden, der dies gefchrieben, hatte offenbar feine Ahnung von den Weitläuftigkeiten, an welche in Preußen um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts die Bollftredung der Folter gelnüpft war, oder er nahm an, daß die Er⸗ mordete mit dem Strid am Halſe al® corpus delicti monatelang un» beerdigt geblieben ſei!

Es ift bier ausdrücklich die innere Unmöglichkeit der Fabel vom ſchuldlos zur Folter verurteilten Kandidaten in erſter Reife betont worden, denn die Thatfache, daß die Berichte auß dem Jahre 1787 von ihm keine Spur enthalten, erjcheint minder erheblih, da man Urſache haben mochte, dieje für die Strafjuftiz wenig rühmliche Epifode damals in Stillſchweigen zu begraben. Aber diefe Rüdficht konnte bei den Me⸗ moirenfchreibern jener Zeit e3 fei nur an Faßmann erinnert nicht einmal vorhanden fei, und ein Vorgang wie diefer wäre alfo ſchwerlich von 1737 bis 1822 völlig verfchtwiegen geblieben 2. Daß aber im Jahre 1822 diefe Erzählung im Rheinifch-Weitfälifchen Anzeiger gebracht wurde, erllärt fi) aus dem Jahre und der Stelle der Veröffentlichung. Damals befand fi) nämlich infolge des Prozefles gegen den Kaufmann

1) Daß fchließlich da8 Kriegs⸗, Hof: und Kriminalgericht die Unterfuchung führte, erflärt fich daraus, daß die Delinquenten Scharfrichter waren, die ſtets unter der Hausvogtei⸗Jurisdiktion geftanden hatten.

2) Dies folgt daraus, daf der unermüdlich fleißige Forſcher Rödenbeck den gedachten Anzeiger von 1822 als erfte Quelle für jenen Vorgang citiert. Died geſtattet ausnahmsweiſe bie oben enthaltene Schlußfolgerung, denn im allgemeinen ift e8 gefährlich, aus dem Schweigen eine folche zu ziehen.

Forfdungen 3. brand. u. preuß. Geſch. VIL 1. 9

130 Friedrich Hole. [130

Fonk zu Köln nicht nur das zunächſt berührte Rheinland, jondern weite Kreife im ganzen übrigen Deutichland in brennender Erregung.

Ein flotter Handlungsdiener Könen war am 9. November 1816 abends in_Köln jpurlos verihwunden und einige Wochen fpäter etliche Meilen ftromabwärt?® im Rhein ala Leiche gelandet worden. Die Re- fognition wurde zwar dadurch erjchivert, daB der Strom damals Eis führte und diefes den Körper graufam zerſchunden Hatte, indeß machten die Kleidungsjtüde und Wertfachen es Höchjt wahrjcheinlich, daß Könens Leiche gelandet war. Obſchon derfelbe entiveder im Rheine, vielleicht in der Betruntenheit, verunglüdt, oder vom Gefindel in den Kölner Freuden» häuſern, wo er als Stammgaſt verkehrte, auß irgend welchen Gründen ermordet und ala Leiche in den Strom geworfen fein konnte, jo hatten doch gute Freunde des Verſtorbenen es verftanden, den Verdacht gegen den. völlig unbejcholtenen Großkaufmann Fonk zu Ienten, weil dieſer den anmaßenden und nafjeweifen Handlungsdiener, der ihm von einem aud« wärtigen Gefchäftsfreunde zur Prüfung der Handlungsbücher über ein zwijchen ihnen bejtehendes Kompagniegejchäft zugefandt worben war, in würdiger Yorm zurechtgewiejen hatte. Durch Schelmenkunftftüdichen aller Art, bei denen untergeordnete Polizeiorgane und verlotterte Spione Die Hauptrolle fpielten, wurde dann ein Küfer des Fonk, namen? Hamacher, ein beſchränkter Menſch, zur Haft gebracht und in derjelben auf ihn fo lange eingewirlt, bis er gejtand, daß Fonk mit feiner Hülfe den Könen ermordet babe. Obgleich die Einzelheiten des Geftändniffes, den jämmer⸗ Lichen Inſtinkten feiner Einbläſer entiprechend völlig finnlo® waren, ob⸗ gleich Fein irgendwie vernünftiger Grund zur Ermordung für Font vorlag, obgleich allenthalben die offenbare Unwahrbeit einzelner An⸗ gaben nachgewiejen wurde, jo machten fich doch bie Kölner Inquirenten in einer heute ganz unbegreiflichen Verblendung zu Helfershelfern der Polizeifpitel. Beim Becherllang wurde auf Hamacher im Kerker ein- gewirkt und feine moralifche Folter gefcheut, um den von ihm gebrachten Mordroman etwas wahrfcheinlicher zu machen. Dan war denn nad und nach allerdings diefem Ziele entjchieden näher gelommen ; da wider⸗ rief Hamacher fein Geftändnis ala ihm abgezwungen und bebarrte ſeitdem unerjchütterlich bei feinem Widerrufe. Trotzdem blieb das oft abgeänderte und fchließlich für immer aufgegebene und als eine ihm erpreßte Lüge bezeichnete Geftändnis des Hamacher das einzige, überhaupt ind Gewicht fallende Beweismaterial gegen ihn und feinen Brotheren Fonk. Diefer war unzweifelhaft fein jehr Liebenswürdiger Charakter und im Gefühle feiner Unſchuld durch die gegen ihn nach der Verurteilung des Hamacher erbobene Anklage und Verhaftung wegen Mordes aufs äußerſte erbittert;

Freunde ließen fich ebenfalls dazu verleiten, die fchlechteften Mittel

131] Der Prozeß gegen Fonk und juriftifche Mythenbildung in Preußen. 131

der Intrigue und DVerdächtigung gegen alle am Projeſſe beteiligten Per—⸗ fonen anzuwenden. Die rheinifchen Yuriften, Richter und Gtaatg= anwälte, die meilt unfchuldig an den Pranger als verfolgungsfüchtige Feinde eine Ehrenmannes geftellt wurden, verloren zum Teil die Un- berangendeit, und mancher wünjchte die Verurteilung des Fonk, darin eine GEhrenerklärung jür den Stand der rheinischen Juriſten erblidend. Alles dies muß man berüdfichtigen, che man den Stab über den „mwäh- xend der napoleonifchen Herrfchaft derderbten” Beamtenftand des Nhein- Iandes briht. Natürlid war er im Kampf mit den Anhängern Fonts der ſtärkere Teil; dag Schwurgericht zu Zrier, welches ebenfalls in diefer damals brennenden Tagesfrage bie objektive Ruhe kaum bewahren fonnte!), verurteilte Yont wegen Mordes zum Zode, was nad dem deutlich wintenden Schlußrefume des Präfidenten Matthieu nicht weiter Wunder nimmt. Formfehler hatte ˖man dabei forgfältig vermieden, und fo mußte der Berliner Kafjationshof den gegen das Urteil vom 9. Juni 1822 eingelegten Rekurs am 14. Auguſt 1822 verwerien. Aber dieſer Sieg kam den rheinifchen Juriſten ſehr theuer zu ftehen, derm es erhoben ſich jet mit ſchärfſtem Nachdrud aus allen Zeilen Deutjchlanda ehrenwerte Stimmen, fi bemühend, den himmelſchreienden Juftigmord, den man am Rheine mit kaltem Blute zur Sühne für die: beleidigte Amtsehre und gedeckt durch das Verdikt der Trierer Gefchworenen zu begeben im Be— griff fand, in letzter Stunde und an höchſter Stelle, dem preußijchen Throne, zu vderhüten. Wie fich einſt Yriedrich Wilhelm I. in feinen Gebieten nicht nur das ausjchließliche Recht der Begnadigung, fondern auch das prozefjuale Recht der Beltätigung aller jchweren Gtrafurteile erfämpfit und fit) damit zur lebten Inſtanz in GStraffachen gemacht hatte, fo hatte Friedrich Wilhelm III. dieſes Recht auch in den neu= erworbenen Rheinlanden als etivad Selbitverftändliches ausgeübt, ob⸗ wohl hier nicht Richterfollegien, fondern Geſchworene das zu beftätigende Urteil fanden, die feine Gründe, deren Nachprüfung möglich war, anzu- geben batten?). In dem gewaltigen Tederkriege?) war es daher ge-

1) Es bedarf wohl im Hinblid auf die befannten Verdikte franzöfifcher Ge: Ihworenen, ala es fich um Ermordung deutſcher Soldaten während der Offupation von 1871 handelte, feiner weiteren Ausführung, daß dag Gefchivorenengericht zu Zeiten politifcher Erregung am mangelhafteften funktioniert. "

2) Stölzel, Brandenburg: Preußen? Rechtsverwaltung und NRechtsverfaffung,. Bd. 2 S. 470 ff. giebt nach den Alten des kgl. Juſtizminiſteriums die Entwide: lungsgeſchichte jenes Beſtätigungsrechts in den neuen Lanbesteilen.

3) Das Verzeichnis der Litteratur über den Yonk Prozeß nimmt im Kataloge der Bibliothet des Kammergerichts (1862) über drei Drudfeiten ein, und doch find bier nur die oft mehrbändigen Monographien aufgeführt (S. 464—467).

9%

132 Friedrich Holke. - [182

boten, daß die zahlreichen Gönner Fonks die Güte und Vortrefflichkein des altpreußifchen Strafprozeſſes und die Weisheit der königlichen Ein- griffe in die Juftiz feierten, wobei dann allerdings mancher fcharfe und in der Webertreibung ganz ungerechte Vorwurf gegen die „napoleonifchen“ Geſchworenen geführt wurde. Letztere Lebertreibungen bewogen denn auch manchen Ehrenmann, der das Geichiworeneninftitut als fegenzreich und als einen bedeutfamen Fortichritt erkannt Hatte und es durch die warmen Verteidiger Fonks für gefährdet betrachtete!), zu ungerechten Angriffen gegen biefen und zu gefünftelten Verteidigungen des ihn verurteilenden Verdikts. Wenn man baber die Litteratur über den Fonkſchen Prozeß betrachtet, jo wird man finden, daß die unbefangenen Beurteiler des Falles dahin kommen, den Fonk für völlig unfchuldig zu erklären, dann aber in dem berechtigten Wunfche, ihm das Leben und die Ehre zu retten, zu blinden laudatores temporis acti werden, da fie durch koͤnig⸗ lichen Spruch eine Befeitigung des Geſchworenenverdikts herbeizuführen ftrebten. Denn nur dieſes Mittel konnte ihrem Schützling noch hellen. Andere und nicht nur die rheinischen Juriſten bielten dagegen diefes Mittel für Außerft gefährlich, unzeitgemäß und mit dem Weſen des Geſchworeneninſtituts für unvereinbar?). Mochte des Könige Gnade dem Font das Leben ſchenken, das Verdikt gegen ihn, welches übrigens mit knappſter Majorität gefällt war, mußte jedenfall beftehen bleiben ; darum gefünftelte Verteidigungen desfelben, maßloſes Aufbaufchen der ſchwächſten Indizien, planmäßige Berbächtigung aller Entlaftungszeugen und elender Klatſch. Der unglüdliche Könen Hatte gewiß nicht geahnt, daß er durch feinen Tod eine jo ausgedehnte Erörterung aller damals die Welt bewegenden Tagesfragen herbeiführen würde!

1) Der einflußreiche ſächſiſche Kriminalift Biſchoff ſchlägt 3. B. in feiner dem Font gewibmeten Schrift „P. A. Font und Chr. Hamacher“ (2. Abtlg., Dresden 1823) auf S. XIff. die Einführung der weit geadhteteren und weileren Königlich Preußischen Kriminalordnung für Rheinpreußen vor, ba nach dieſer Juftizmorde unmöglich feiern. Dergleichen fehr beftreitbare Behauptungen finden fich zu Hauf in jenem Buche, welches troßdem feinem Berfafler zur höchſten Ehre gereicht, da er aus uneigennüßigftem Eifer, einem Unfchuldigen zu helfen. unendliche Mühe, Scharfſinn und Koften aufgewendet hat. Auch läßt fich nicht beftreiten, daß Fonk den endlichen Sieg feiner guten Sache zum großen Zeile diefem rührigen Gönner verdankt. Auch Feuerbach erhob für ihn feine gewichtige Stimme.

2) Auch in Altpreußen trat eine allerdings nur Eleine Kriminaliftengruppe, die man als juriftifche Fortſchrittspartei bezeichnen könnte, gegen Fonk und für die Schwurgerichte in den Kampf; ihr gehörten namentlid Hikig und Häring (Wilibald Aleris) an. Lebterer bat noch 1842 im Neuen Pitaval Bd. 2 ©. 1 ff. den Fonkprozeß ausführlich behandelt; ex dürfte aber feinen unbefangenen Leſer von der Richtigkeit des gefällten Verdikts überzeugen.

183] Der Prozeh gegen Fonk und juriftiiche Mythenbildung in Preußen. 138

In diefem nach der Verurteilung Fonks entbrannten Streite, bei dem das deutiche Volt als Auditorium, die Verteidiger des Schwur- gericht? ala Ankläger und die Gönner Fonks ala feine Advolaten, der König aber und feine Ratgeber ala Richterkolleg letzter Inſtanz fun- gierten, war e8 natürlich, daß dieſem von feiten der Verteidiger auch captationes benevolentiae gejpendet wurden. Da wählte Biſchoff zum Motto der zweiten Abteilung feiner oben beiprochenen Schrift den Paſſus aus dem don Friedrich dem Großen am 11. Dezember 1779 über die Kammergerichtöräte Graun, Friedel und Rangleben gehaltenen Protokoll: „Gin Suftizcollegium, das Ungerechtigfeiten ausübt, ift gefährlicher und fchlimmer, wie eine Diebeöbande, vor die kann man fich fchüßen, aber vor Schelme, die den Mantel der Juſtiz gebrauchen, um ihre üble Passiones auszuführen, vor die kann fich kein Menfch hüten. Die find ärger, wie die größten Spitbuben, die in der Welt find, und meritiren eine doppelte Beitrafung.” Um die Pointe noch verftändlicher zu machen, fügte Bifchoff die Worte Hinzu: „Seitdem Haben ſich Gottlob auch hierin die Zeiten verbeffert, indefjen dürfte es nicht ſchaden, dieſe Warnung Tafel alle 40 bis 50 Jahre . . wieder aufzufriichen,“ und fordert Friedrich Wilhelm II. (Abtlg. 2, ©. 720) auf, des großen Friedrichs Beifpiel als würdiger Großneffe nachzuahmen. Auf derjelben Seite fteht nun der in Nr. 72 vom 6. September 1822 enthaltene ano» nyme Auffaß des zu Hamm und Miünfter verlegten Rheinifch-Weftfälifchen Anzeigerd. Dieſes Blatt, von ziemlich untergeordneter Bedeutung und von der Genjur offenbar wenig behindert, ftand im allgemeinen auf feiten Fonks, mit deffen breit außgetretener Sache e8 neben Wiben und Anekdoten aller Art den willtommenften Unterhaltungsftoff für fein Pu⸗ blikum beichaffte.e Am 14. Auguft 1822 war das Rekursgeſuch des Font verworfen, die Entjcheidung feiner Sache lag alfo jet augfchließlich beim Könige und feinem juriftijchen Ratgeber, dem damaligen Juftiz- minifter v. Kircheifen. Um dieſen wohlwollend für Fonk zu beeinfluffen, erihien nun ein feinen Amtövorgänger dv. Eocceji wegen der Rettung eined Unſchuldigen von der Schande und vom Tode verberrlichender Aufſatz. Derſelbe ſchloß mit der Bemerkung, daß dieſe That des Cocceji allein ſchon die marmorne Büfte verdiene, die ihm von Friedrich im Rammergericht gefebt fei. In diefem erhob fich aber feit einem Jahre auch die Marmorbüfte Kircheifens, dem offenbar der Wunſch nabegelegt werden Sollte, ſich auch eines in Todesgefahr befindlichen Unfchuldigen des Font anzunehmen, feinen Prozeß nachzuprüfen, daraujhin die Ungerechtigkeit des ihn verurteilenden Verdikts auizudeden und jo ben böchften Ruhm des Gocceji, Unfchuldigen Leben und Ehre erhalten zu

134 Friedrich Holtze. [1 34

haben, auch für ſich zu erwerben. Der Aufſatz ſelbſt enthält kaum einen Anklang an den Prozeß gegen die Scharfrichtergeſellen aus den Jahren 1736 - 1737. Am Alexanderplatze zu Berlin ſoll eines Tages die Be— fitzerin des Stelzenkruges (an der nördlichen Ecke der Neuen Königſtraße) ermordet gefunden fein und ſich der Verdacht gegen ihren einzigen Haus⸗ genofjen, einen Kandidaten, gelenkt haben, weil diefer jein Alibi während der Mordnacht nicht nachweifen konnte. Auf der Folter geitand er beim erjten Grade derfelben, die That und jollte zum Tode verurteilt werden, ala fich einflußreiche Bürger beim Großkanzler v. Gocceji für ihn verwandten. Diejer ftudierte die Alten, fand, daß die Frage, ob Celbftmord vorliegen könne, nicht genügend unterfucht fei und ordnete eine nochmalige Beſichtigung der Leiche an, „die man nach einem da= mals berrichenden Brauche nicht zu berühren gewagt hatte.” Der Schari- richter ftellte darauf feft, daB die Frau mittelft eines „Lunftgerechten” Knotens erwürgt fei. Nun hat Goccefi nach jenem Berichte eine dramatifch belebte Unterhaltung mit dem zu ihm entbotenen Berliner Scharfrichter, läßt dann nachjorfchen, ob die Ermordete mit Scharf- richtern, die allein jene Knoten „tunftgerecht” ſchürzen könnten, in Ber- bindung gejtanden, und ftellt jchließlich Felt, daB die Frau von ihren eigenen Brüdern und nächiten Erben, zwei auswärtigen Scharfrichter« getellen, die am Tage vor der That aus Spandau nad) Berlin ge- tonımen!), ermordet jei, um fchneller beerbt werden zu können. Der Kandidat wird darauf freigefprochen und auf Bericht Eoccejis die Folter., welche noch in den erjten Regierungsjahren Friedrichs beitanden hatte, ür immer abgeſchafft. Es bleiben alfo vom ganzen Prozeſſe gegen die beiden Müller nur die beiden fchließlich ala Mörder entdedten Scharf⸗ richter übrig, und dieſes gefällige Zufammentreffen Hat zunähft Wilden an der oben angegebenen Stelle veranlaßt, die tendenziöfe Erfindung des Anzeiger? vom 6. September 1822 durch Züge zu erweitern, welche dem in Berlin bekannten Prozefje gegen die Brüder Müller entlehnt find. Deshalb wird von ihm, und feitdbem von faft allen Nachjolgern be= bauptet, jener Borgang babe die Veranlaffung zur Bejchränfung der Folter im Jahre 1740 gegeben, und da fich dabei von einem gefolterten Kandidaten feine Spur findet, jo wird nur von einem Kandidaten ges iprochen, der beinahe gefoltert worden wäre. Nur Alter hält fi un mittelbar an die Darftelung im Anzeiger; er verlegt die Fabel vom

1) Sie Scharfrichtergejellen Müller haben nach den Berichten jener Zeit Berlin auch durch dag Spandauer Thor betreten, ob fie aber bei ihrer Reife von Kurjachien Her Spandau berührt haben, wirb nicht angegeben. Die hat ber Müller fiel übrigens auf den Vormittag ihrer Ankunft.

135] Der Prozeß gegen Font und juriftiiche Diythenbildung in Preußen. 135

ſchuldlos Gefolterten in das Jahr 1754, ohne fich die Frage dabei vorzu⸗ legen, ob denn nach damaligem Prozeßrechte jelbit angenommen, es ſei zu dieſer Zeit in Berlin noch gefoltert worden Akten bereits über den Mord geführt, die Folter vollitredt und die Ermordete noch immer mit dem Strid am Halſe unbeerdigt zur Schau geitellt werden konnte! Einen Borzug hat aber die Darftellung im Anzeiger infofern vor der bei Wilden, ala in jener die Schäbdlichkeit der Folter fo eklatant nach« gewieſen wird, daB man fich zu ihrer Aufhebung wohl veranlaßt jehen fonnte, was bei der anderen in feiner Weife der Yall ift, da bier gar fein auf der Folter erpreßtes, unwahres Geftändnis eines Unfchuldigen vorliegt).

Es ift ferner nicht zutreffend, wenn Cocceji feit dem Vorgange des Anzeiger als Bejeitiger der Folter gerihmt wird. Er war keineswegs ein unbedingter Gegner derſelben, forderte vielmehr nur, ebenfo wie Lauterbach und Thomafius?), genaue Borfichtsmaßregeln für ihre An«

1) Daß der fonft mit mufterhafter Genanigfeit arbeitende Wilden einen ſolchen Fehler beging, erklärt ji nur daraus, daß er mit dem Strafverfahren des vergangenen Jahrhunderts gar nicht vertraut war; immerhin ift fein Irrtum viel verzeihlicher ald der von Alter begangene. Auffälligerweife ift bei Alter nur einer der Scharfrichtergefellen ein leiblicher Bruder der Ermorbeten. Wurde er zu dieſer Annahme vielleicht dadurch veranlakt, daß in den zeitgenöffifchen Be: richten ftet3 vom älteren und jüngeren Müller die Rebe ift, hat alſo auch er ſchon Kenntnis von ihrem Prozeffe genommen? Uebrigens ſei hier zur Erklärung der Fabel des Anzeigers daran erinnert, daß unter den 42 Beifpielen, welche jchon Oldekop für unwahre, auf der Folter erpreßte Geftändbniffe in jeinem Appendir S. 349 ff. anführt, fich mehrere befinden, bei denen Scharfrichter die wahren Thäter geweien waren, meift fogar diefelben, welche das Geftändnis von den Uns ſchuldigen folternd erpreßten.

2) Ich kann mich hier der Meinung von Sofer a. a. D. ©. 236 Anm. 1 nicht anfchließen. Schärfer, ala Thomafius e3 in feinem Schreiben an Bern: hardi thut, konnte ex meines Erachtens nicht betonen, daß er biejem die volle Derantwortung für feine herzlich ſchwache, zum Teil auf Oldekop fußende Arbeit, De tortura e foris christianorum proscribenda, Halle 1705, überlafſen müffe Wie kritiklos Bernhardi beim Benutzen des Oldekop zu Werte gegangen ift, möge ein Yeifpiel zeigen. Diejer,führt in dem feinen Obfervationen beigefügten Appendizr (S. 349 ff.) 42 Fälle auf, aus denen hervorgehen foll, dat durch die Folter Un: ichuldige zum Geftänbnis gebradht und dann Hingerichtet feien. Hierauf bezieht ih Bernhardi. Hätte ex jene Fälle näher geprüft, jo würde er daraus eher zum Schlufſe berechtigt worden fein, daß die Schäden ber Folter unendlich übertrieben find. Denn was können jene 42 Beiſpiele aus allen Teilen der Erde, feit Er⸗ Ihaffung der Welt und ohne die geringfte Beglaubigung .beweifen? Höchſtens, daß durch meineidige Zeugen unb leichtfertig oder ungerecht urteilende Richter Juſtizmorde verurfacht werben können. Ob man aber auf Grund ber jchlechten

186 Friedrich Holke. [136

wendung. Auch der in feinem Jus civile controversum enthaltene Sa, es jei befler, im Zweifel einen Unfchuldigen ungeftraft zu laſſen, als einen Unfchuldigen zu ftrafen, kann nicht zum Beweife dafür angeführt werden, daß Cocceji jchon damals (1713 ff.) ein unbedingter Gegner der Folter geweſen ſei, denn er fchreibt an diejer Stelle wörtlich dei Oldelop observationes criminales practicae &. 181 aus, ift alfo nur ein Nachiprecher jener ſchönen Sentenz, deren lebtere Folgerungen er nie gezogen bat. So erjcheint Cocceji, um ala Vorbild für Kircheiſen zu dienen, in einer jchiefen Stellung; und die tendenziöfe Erfindung bat eine ſolche Nachhaltigkeit gehabt, daß noch heute nacherzählt wird, wie Cocceji den Berliner Kandidaten von Tode errettet und dann die Yolter abgefchafft Habe. Aber der Prozeß Fonk bat noch nach einer anderen Richtung auf die preußifche Rechtsgeichichte fälfchend eingewirkft, nämlid auf die Auffafjung des Eingreifen Friedrichd in die Müller Arnoldichen Prozeſſe im Jahre 1779. Nachdem ſich die erfte Aufregung über dieſen Vorgang, bei welchem der König in einer materiell und formell un gerechten Weiſe eine Anzahl ehrenwerter Yuftizbeamten Taffiert und zum Teil ind Gefängnis gejchict, gelegt hatte und eine unparteiifche Auf faffung des Vorganges ermöglicht war, hatte fich die Ueberzeugung durch⸗ gekämpft, daß Friedrich ſich damals im löblichſten Eifer, jedem feiner Unterthanen zum Rechte zu verhelfen, alfo aus dem edelen Berweggrunde Iandesväterlicher Fürſorge, doch zu einem Mißgriffe babe hinreißen Iaffen. Jedenfalls jehnte fich kein Einfichtiger nach einer Wiederholung einer folchen gewaltſamen Juſtizverbeſſerung; hatte fich felbft der Salomo des Nordens dabei vergriffen, jo wünſchte man ähnliche Mikgriffe feiner Epigonen vermieden zu jehen. Dies änderte ſich, ald das Leben und die Ehre Fonks von der Entjchliegung Friedrich Wilhelms III. abhing. Jet dachte man allenthalben anders über das Eingreifen des Könige im Prozefle, bei denen die ordentlichen Gerichte ihr letztes Wort ge ſprochen hatten, und Friedrichs Spruch in der Sache des Müller Arnold wurde damals in den weiteſten Kreifen warm gefeiert. Die überall ver-

oder gefälſchten Inzichten die unſchuldigen Angeklagten gleich zum Tode, oder erſt zur Folter verurteilt, bleibt unweſentlich. So war es ganz ſachgemäß, daß Zbomafius dem Bernhardi erklärte, er müfje auf die Frage, ob die Folter abzu⸗ ſchaffen oder beizubehalten fei, mit einem non liquet antworten; dies entiprad) feiner wejentlich praftifchen Richtung. Denn er erkannte, daß die Folter erft dann abzufchaffen ſei, wenn man auf das Geftändnis der Angellagten zur Redt: fertigung ber Verurteilung Verzicht Leiftete. Trotzdem wird von vielen Schrift: ftellern, 3. 3. von Teichmann (Rechtslexikon von F. v. Holtzendorff) Thomaſius als Verfaſſer der Schrift des Vernhardi angeführt.

137] zer Prozeß gegen Fonk und juriſtiſche Mythenbildung in Preußen. 137

folgte Unfchuld flüchtet zum rettenden Throne!): das wurde damals in allen Zonarten variiert, in vielen Schriften ausgeführt und in Bildern ſymbolifiert. Bon dem hierdurch bervorgerufenen Eindrud, der lange nachwirkte, find fogar fpäter noch die Arbeiten von Sengebuſch und Siege über den Arnoldichen Prozeß ftark beeinflußt worden, denn ſowohl der langweilige Sengebuſch wie der bis zur Ueberſpanntheit erregte Sietze gehen beide von der vorher gefaßten Meinung aus, fyriedrich habe im Jahre 1780 volllommen Recht gehabt. Sie kommen nicht, von den Thatjachen ausgehend zu einem Schluffe, jondern fie legen fich jede ein⸗ zelne Thatſache jo zurecht, daß fie zur Begründung des fchon zuvor bei ihnen feftftehenden Ergebniſſes paßt. Es bat längerer Zeit bedurft, ebe fih die allein richtige Auffaffung, wie fie bereits im Anfange des Jahr⸗ hunderts beftand, wieder zur Geltung durchgerungen bat. Erſt in neuefter Zeit hat Dicel in feinem Iehrreichen, von wärmfter Vaterlands⸗ Liebe diktierten Auffage „Triedrich der Große und die Prozefle des Müllers Arnold” (1891) einen Standpunft eingenommen, der dem bon Genge- buſch und Sietze verwandt ifl. Aber auch bei ihm ift die Unzufrieden- heit mit heutigen NRechtzuftänden, die, wenn fie wirklich in der an⸗ gegebenen Weiſe beitehen (S. 118 ff.), nicht nur zu beflagen, fondern zu

1) Schon die folgende Nummer 73 de3 Anzeigerd dom 10. September 1822 entgält an leitender Stelle folgende zwei Anekdoten, die indeß als hiftorifche Thatſachen aufgetifcht werden. Ferdinand, König von Arragonien, tröftet ein Weib, das ihn um Gerechtigkeit anfleht mit den Worten: „Wenn wir die Armen nicht Hören, wenn fie bei und Flagen, wie foll ung denn Gott mit unferen Klagen hören.” Avis au roi! Die andere gilt bem Erben der Hohenzollern. Kurfürft Johann Georg, „einer ber Fürſten, auf deren Wirken die Größe des preußifchen Staates beruht”, jagt zu einem feiner Unterthanen, der ihn um Gerechtigkeit ans pridt: „Sei ruhig, wärft Du ein Heide ober Türke, follte Dir Gerechtigkeit widerfahren, wie vielmehr, da Du mein Untertban bifl.” Selbft die Bibel wurbe citiext, um das erwünſchte Eingreifen des Königs zu rechtfertigen, denn ber Theo⸗ loge Paulus wählte ala Motto zu feiner Schrift „Warnung vor möglichen Juſtizmorden“ (Heidelberg 1823) die beiden erſten Verſe des 72. Pialms: „Gott gib Dein Gericht dem Könige, dab er Dein Vol bringe zur Gerechtigleit und Leine Unterdrüdten errette!" (Siehe auch die Anrede an den König ebenda &. 180—181.)

Dergleichen etwas archaiftiich - pietiftifch gefärbte Aufforderungen an den König, ja bei der abjoluten Regierungsweije zu beharren, mußten allerdings Die» jenigen zur Abwehr anjpornen, welche in der franzöfiichen Revolution nicht nur ein frevles Beginnen, fondern zugleich ein Erwachen neuen Lebens ſahen und im Geſchworenengerichte ber Rheinlande gleichſam einen Vorboten besfelben zu ver: teidigen meinten.

138 Friedrich Holke. [138

verbeilern fein dürften, eine fo ftarfe, daß ihn das Eingreifen Friedrichs in die ordentliche Juſtiz in einem zu verllärten Lichte erfcheint und ihm infolge deffen die unparteiiiche Beurteilung ‚des Sachverhalts in etwas getrübt if. Denn der Verfafler dürfte 3. B. die auf ©. 100 ent- widelten Grundſätze ala Nichter faum zur Anwendung bringen , von anderen Punkten abgefehen !).

War es wirklich geboten, daß um mit Bilchoff zu reden die Marnungstajel vom 11. Dezember 1779 wieder nach 50 Jahren auf gefrifcht wurde?

So verdanken Friedrich der Große und Eocceji dem Prozeffe gegen Fonk eine nachträgliche Idealifierung, welche beide in ein unrichtiges Licht ftellt, da fie den ihmen gejpendeten Ruhm zwar auf allen mög⸗ lichen anderen Gebieten, aber nicht in den beiprochenen Punkten verdient haben. Friedrich Wilhelm II. bat fich aber durch fein Verhalten im Fonkſchen Prozeſſe den Beinamen des Gerechten voll verdient. Auf den Bericht von Kircheifen, „deſſen Marmorbild im Kammergericht deshalb jeder Dtenjchenfreund mit Dankbarkeit betrachten follte”, verfagte der König feine Beitätigung durch Kabinett3ordre vom 28. Juli 1823?) und iprach in derjelben aus, daß Fonk, da jein Alibi zur Zeit der That hinreichend eriwiefen, freizufprechen fei. Damit auch fein Zweifel darüber beſtehe, ob damit etwa nur die altpreußifche absolutio ab instantia wegen mangelnden Beweifes zu verftehen fei, befahl der König auch aus eigenftem Entſchluſſe, die jpäter von Font eingeforderten Prozeßkoſten auf die Staatslaffe zu Übernehmen. Damit war einem Unfjchuldigen Ehre und Leben gerettet; aber Friedrich Wilhelm benutzte diefe Gelegen- heit nicht dazu, das Gefchtuorenengericht in den Rheinlanden zu be— jeitigen, wofür ihm damals eine ſtarke Partei, die auch in Rheinpreußen ihre Anhänger hatte, Dank gewußt hätte SYın richtigen Takte unter ihied er was die Gegner und die Gönner Fonks nicht immer gethan hatten zwijchen der Perfon des Font und dem Inſtitute deg Schwur- gerichts. Für ihn fchloß die Errettung jenes nicht eine Vernichtung des legteren in fih; denn er erkannte mit Recht, daß über ein Snjtitut darum noch nicht der Stab zu brechen ſei, weil es fich einmal als un⸗

1) Bergl. meine Bemerkungen in „Das juriftiihe Berlin beim Tode des erften Königs” S. 32—33 und im leßten Halbbande der Forſchungen ©. 352.

2) Die denfwürdige Kabinettsordre ift oft abgedrudt, 3. B. „Neuer Pitaval“ Bd. 2 ©. 101. Die fpätere Ordre, Inhalts welcher die Koften niedergefchlagen wurben, datiert vom 9. Oktober 1828.

139] Ter Prozeß gegen Font und juriftifche Mythenbildung in Preußen. 139

äureichend erwiejen Hatte!). Das follte man dem oft verfannten Mo- narchen nie vergefien.

Heute ift der Prozeß Fonk, der einſt ganz Deutichland bewegte faft vergefien, und doch darf man behaupten, daß Eocceji faum jemals ala Befeitiger der Folter gefeiert und Friedrich dem Großen unendlich viel weniger Lob für feinen Machtipruh in der Müller Arnoldichen Sache gejpendet worden wäre, wenn der Handlungsdiener Könen am 9. Rovember 1816 folide nach Haufe gegangen wäre.

1) Es ift ganz unverfennbar, daß diefe weile und gerechte Haltung des Königs ihm und der Hobenzollernherrichaft in den neu erworbenen linkselbiſchen Zanbdesteilen damals wertvolle Sympathien erworben und das Einleben derjelben in den preußiichen Staat erleichtert Hat. Diefe politische Folge ift bisher weniger, ala fie e3 verdiente, beachtet worden.

VII.

Die Erziehung der älteren Söhne des Großen Aurfürften.

Bon Ferdinand Hirſch.

Dem Kurfürſten Friedrich Wilhelm von Brandenburg ſind von ſeiner erſten Gemahlin Luiſe Henriette von Oranien ſechs Kinder geboren worden, don denen drei, der älteſte 1648 geborene Sohn und ein 1664 geborene Zwillingepaar im zarteften Kindesalter geftorben, die Drei anderen dagegen, der Kurprinz Karl Emil (geb. zu Berlin am 16. Yebruar 1655), der Prinz Friedrich (geb. zu Königsberg am 11. Yuli 1657) und der Prinz Ludwig (geb. zu Eleve am 8: Juli 1666) herangewachjen find. Auch von ihnen aber bat nur der mittlere, der fpätere König Friedrich J. den Vater überlebt, der ältere ift kaum zwanzig Jahre alt am 7. Dezember 1674, Prinz Ludwig kaum einundzwanzigjährig am 8. April 1687 geftorben. Auf die Erziehung diefer Söhne haben die Eltern die größte Sorgfalt verwendet. Die Leitung derfelben übertrugen fie einer geringeren Perjönlichkeit ala dem erften Minifter des Kurfürften, den Oberpräfidenten Freiherrn Otto von Schwerin, der beiden gegen- über eine ganz befondere Vertrauenzftellung einnahbm Der Kurfürſtin war er dadurch nahe getreten, daß er gleich nach ihrer Verheiratung 1646 zu ihrem Hofmeifter ernannt worden war, eng verbunden wurden beide durch die gleiche religidfe Richtung, eine aufrichtige, ernfte yrömmig- keit, Schwerin wurde fozufagen der Gewiſſensrat feiner Herrin, aber auch in allen praftifchen Fragen war er ihr Berater und Gehülfe, er verwaltete ihre Kaffe, beauffichtigte ihre Güter, leitete ihre Bauten und Anpflanzungen. Auch dem vier Jahre jüngeren Kurfürſten ftand Schwerin ſchon von Anfang feiner Regierung an zur Seite, er hatte ſich ihm

142 Ferdinand Hirſch. [142

durch feine Arbeitskraft, feine vielfeitige Gejchäftsfenntnis, durch das Eingehen auf die Intentionen des Yürften wert gemacht; 1658 war er duch die Ernennung zum OÖberpräfidenten an die Spitze der gejamten Civilverwaltung gejtellt worden, ein beſonders enges Band zwiſchen beiden bildete auch die gleiche kirchliche Anfchauung, da gemeinfame Be ftreben, obwohl fie überzeugte Anhänger der reformierten Lehre waren, ein friedliches Nebeneinanderwirken der verfchiedenen cHriftlichen Kon⸗ feffionen und Glaubensrichtungen anzubahnen. Bor allem fchäßte der Kurfürft die unwandelbare Treue, mit welcher Schwerin ihm und feinem Haufe ergeben war, auch im feinen Privatangelegenheiten Hat er deſſen Dienfte in Anſpruch genommen, auch ihm war Schwerin nicht nur ein Ratgeber und Diener, ſondern auch ein Freund. Erklärlich daher, daß das Kurfürftliche Paar Schwerin, zumal er ein Dann von vie- feitiger und gründlicher Bildung, von milden und freundlichem Weien und als Vater einer zahlreichen Familie auch mit der Erziehung der Jugend wohl vertraut war, die Obhut feiner Kinder anvertraute. Schon ſehr Früh ift davon die Rede geweien. Schwerin jelbft erzählt, daß, noch ehe der Kurprinz überhaupt das Licht der Welt erblickt Hatte, der Kurfürft wie die Kurfürftin erflärt hätten, wenn ihnen der lange erfehnte Sohn und Erbe geboren werben jollte, jo ‚jollte niemand anders ald Schwerin deſſen Erziehung übertragen werben, und als dann wirklich jene Hoffnung in Erfüllung ging, ift an diefem Plane feftgehalten und find ſchon früh Schritte zur Ausführung desfelben gethan worden. Schon ala Ende 1659 Schwerin ‚mit dem Kurfürften aus dem Kriege gegen Schweden heimfehrte, hat er angefangen dem jett fünfjährigen Kurprinzen den erjten Unterricht im Buchſtabieren zu erteilen und ift zu biefem Zwede täglich zweimal vor- und nachmittags zu ihm gekommen. Do fonnte er wegen Ueberbürdung mit anderen Gefchäften dieſes micht Lange durchführen, fondern e8 wurde bie Fortſetzung dieſes Unterrichts zuerſt dem Sekretär Friedeborn und nachher dem Hofprediger Contſchius über tragen. Nachher hat dann die längere Abwejenheit Schwering in Preußen (Mai 1661 bis Juli 1662), wo er die fchwierigen Verhandlungen mit den Ständen zu leiten Hatte, die Ausführung jenes Planes verzögert, aber der Kurfürft und feine Gemahlin haben an demſelben feftgehalten, namentlich die lebtere jehnte fich danach, ihren bisher unter der Obhut der Oberhofmeifterin Frau v. Göben ftehenden Sohn, bei dem fchon früh neben trefflichen Gigenfchaften de Herzens und Verſtandes auf manche Charakterfehler, bejonders Eigenfinn und Jaͤhzorn herbortraten, unter fefter männlicher Leitung zu ſehen und auch Schwerin bat ſchon damals vorbereitende Schritte gethan. Bon vornberein bat er fich auf

143) Die Grziehung der älteren Söhne des Großen Kurfürſten. 148

bedungen, daß die Auswahl der Perfonen, welche den Prinzen unter: richten und defien Umgebung bilden follten, ihm überlaffen werde, und er bat fich zunächſt nach einem geeigneten Lehrer jür denfelben umgefehen. Als ihm nach vielfältiger Erkundigung ein junger Gelehrter auß Bremen, Daniel Stephani, der foeben au: Frankreich zurüdgelehrt war, befonders empfohlen wurde, Tieß er diefen zu fich nach Preußen kommen, behielt ihn dort ein Halbes Fahr bei fi und erft, nachdem er ihn fo auf. das grüändlichite kennen gelernt Hatte, empfahl ex feine Berufung. Diejelbe erfolgte auch wirklich, doch mußte Stephani zunächſt, um vorher ein- gegangene Berpflichtungen zu erfüllen, nach Holland gehen und er bat et im September 1662 die Stellung als Lehrer des Kurprinzen an- getreten. Auch über die anderen Perfonen, welche den Hofhalt- bes Prinzen bilden follten, Hat Schwerin von Preußen aus mit den Eltern forreipondiert ; der Kurfürſt forderte ihn auf, fich nach zwei Edelleuten umzuſehen, welche ala Kammerjunker demfelben beizugeben ſeien, bie= jelben müßten reformierter Religion, gottesfürchtig und ebrbar, dazu gut unterrichtet und durch Reifen gebildet fein. Ende Juli 1662 kehrte Schwerin nach Berlin zurüd, infolge des üblen Standes der Dinge in Preußen entichloß fich der Kurfürft jelbft dorthin zu geben und aud) feine Gemahlin und einen großen Teil feines Hofe mitzunehmen, feine Kinder aber in Berlin zurüdzulaffen und Schwerin neben der Leitung der Regierungsgeichäfte die Obhut über diejelben, fpeciell über den Kur- prinzen zu übertragen. Während der fünfjährige Prinz Friedrich in den Händen der Oberhofmeifterin blieb, wurde jür den Kurprinzen ein eigener Hofftaat eingerichtet, zu welchem außer Schwerin und dem erjt etwas ipäter eintreffenden Lehrer Stephani zwei Kammerjunfer, die Herren du Pleifig Gouret und Hennig dv. Schwerin, ein Vetter des Oberpräfidenten, ein Kammerdiener und zwei franzöftiche Pagen gehörten. Am 22. Auguft wurde der Prinz von dem Kurfürften, in Gegenwart der Kurfärftin, Schwerin übergeben. Derjelbe bielt dabei an ihn eine feierliche Anfprache, in welcher er ihm feinen Sohn „mit gar beweglichen, unter anderen dieſen Borten anbefahl: Sie vertrauten mir ein jehr wertes Pfand und könnten ihr Vertrauen, das fie beiderfeits zu mir trügen, mit nichts höhers bezeugen, ala daß fie mir den Prinzen anvertrauten, wollten mir denfelben auf meine Seele übergeben haben und hofften, ich würde es alſo machen, daß ichs dermalen eins vor Gott verantworten könnte. Fragten darauf den Prinzen, ob er gerne bei mir fein, und mir auch willig jolgen wollte, worauf der Prinz Ja antwortete, auch gar feinen Verdruß begeugete und ging mit mir in feine Kammer”.

144 Ferdinand Hirte. (144

Bon demjelben Tage ift die Inſtruktion!), durch welche Schwerin zum Hojmeifter des Kurprinzen beftellt und in welcher die Grundjfätze angegeben werden, nach denen er die Erziehung desſelben Leiten fol. Zunächſt und vor allem foll er dem Herzen desſelben die wahre Gottes- furcht einzupflanzen juchen, zu dieſem Zwede ihn geeignete Bibeliprädhe, Palmen und Gebete auswendig lernen, täglich des Morgens und Abends ihn beten, ein Kapitel aus der Bibel leſen und den Inhalt desfelben wiedererzählen, auch jpäter befondere Betitunden mit ihm abhalten laffen. Im Katechismus und den Glaubenslehren der reformierten Religion foll einer der Hofprediger den Prinzen unterrichten, ferner ſoll derjelbe fleikig den Gottesdienft bejuchen, außerdem aber ſoll Schwerin öfters religiöfe Gefpräche mit ihm halten, ihn anleiten auf Gott zu vertrauen und ihm durch geeignete Beilpiele aus der Gejchichte die Folgen des Gehorſams oder Ungehorfams gegen die göttlichen Gebote vorführen. Ferner wird darauf Hingewiefen, wie nötig es für einen Fürſten fei, durch ein wär diges Benehmen und Auftreten fich Reſpekt und Autorität zu verfchaifen, (eg wird an den Ausſpruch des Tacituß von Germanicus erinnert, quod fuerit visu et auditu juxta venerabilis) und e& daher Schwerin aud) zur Pflicht gemacht, dahin zu wirken, daß der Kurprinz echt fürftliche Sitten und Geberden annehme, vor allem auch, daß er fih in ben ver Ichiedenen Sprachen einer deutlichen und reinen Ausfprache befleißige, daB er das Franzöfiiche aus dem Umgange lerne und daß daher von Anfang an möglichjt viel franzöfiih mit ihm gejiprochen werde. Inbetreff des übrigen Unterrichtes wird e8 Schwerin und dem Lehrer des Prinzen überlaffen die richtige Methode herauszufinden und anzuwenden, fie werben aber gemahnt, „jolche Moderation dabei zu gebrauchen, daß der» felbe Leinen Elel vor den Büchern und den Studien bekomme“. Zur nächſt foll ex fertig leſen und fchön fchreiben Iernen und das Lateinifche mit ihm angefangen werden, auch dieſes aber ſoll ihm möglichit Ipielend beigebracht und zu diefem Zwecke auch recht viel mit ihm Lateinijch ge Iprochen werden. Beſonderes Gewicht wird auch auf den Unterricht in der Geographie gelegt, derjelbe fol in anjchaulicher Weile, immer unter Benukung des Globus und von Wandkarten erteilt und, damit der Prinz die Namen der wichtigjten Orte leichter behalten könne, ihm immer merkwürdige Begebenheiten, welche ſich an diefelben fnüpfen, erzählt werden. Auch der Gefchichtaunterricht Toll in ähnlicher Weife von den

1) v. Orlich, Geihichte bes preußischen Staates im fiebzehnten Jahrhundert ; mit befonderer Beziehung auf das Leben Friedrich Wilhelms des Großen Kur fürften III, 352 ff.

145] Die Erziehung der älteren Söhne de3 Großen Kurfürſten. 145

Bildniffen der brandenburgifchen Kurfürften und der Prinzen von Oranien ausgehen, im Anjchluß daran foll dem Prinzen zunächit die Genealogie und die Thaten feiner Vorfahren gelehrt werden, damit er dereinit dem Beifpiele derfelben nachahmen könne, überhaupt fol dieſer Unterricht jo erteilt werden, daß dem Prinzen bejonders folche Ereigniffe, aus welchen ein Regent nübliche Lehren ziehen kann, eingeprägt werden. Weiter werden dann Redeübungen vorgefchrieben. „Weil die Eloquenz einem regierenden Yürften nicht allein ein großes Ornament, jonderft auch Hoch näglich ift”, joll der Prinz zunächſt kurze ihm diktierte Reden auswendig lernen, nachher aber jelbft folche außarbeiten und zwar über jolche Ge- genftände, welche einem regierenden Fürſten täglich vorkommen, und es ſollen jpäter, wenn er darin fchon mehr geübt ift, förmliche Redeaktus mit Zuziehung anderer Knaben veranitaltet werden, bei denen er immer bes Yürften Perfon darftellen, und zu denen, damit er fich die dazu nötige Unbefangenheit angewöhne, auch die Räte des Kurfürften und andere Zubörer eingeladen werden jollen. Später joll der Prinz auch in der Mathe- matit unterrichtet und zunächſt mit dem Zeichnen, namentlich wenn er dazu Neigung zeigt, der Anfang gemacht werden. Tür die Zukunft wird auch in Ausficht genommen, einige andere Knaben, wenn dieſes fih als rätlich herausſtellen jollte, an dem Unterrichte des Prinzen teil« nehmen zu laflen.

Ebenſo aber wie für die Ausbildung des Geiftes ſoll Schwerin auch für die des Körpers und für die Erhaltung und Stärkung der Geſund⸗ beit ſeines Zöglings jorgen, zu diefem Zwecke joll mit dem Tanzen, dag derfelde ichon angefangen, fortgefabren, ferner er zum Spagierenfahren und allerhand Spielen, aber immer unter genügender Aufficht und in guter Geſellſchaft, veranlaßt werben.

Darauf folgen Beitimmungen, durch welche Schwerin die für fein Amt als Hofmeilter nötige Autorität verliehen wird. Alle Perjonen in der Umgebung des Prinzen werden unter feinen Befehl geftellt, nur mit jenem Borwiffen und feiner Zuftimmung jollen ſolche ausgewählt und berufen werben, auch der Kurfürft felbft und feine Gemahlin wollen nur im Einverftändnis mit ihm Anordnungen in betreff der Erziehung des Prinzen treffen und niemanden ſonſt geftatten in jein Amt einzugreifen, Re wollen ferner, um dem Prinzen noch mehr Refpelt vor feinem Hof⸗ meifter einzuflößen, bei allen Gelegenheiten, wenn berjelbe fie um etwas bitten follte, erkennen lafſen, daß Schwerins Verwendung dabei von Gewicht ſei. Schlieklich wird Schwerin, um ihm die Erfüllung der aus diefem Amt bervorgehenden Pflichten zu ermöglichen und zu erleichtern,

Forſchungen 5. brand. u. preuß. Geſch. VII. 1. 10

146 Ferdiuand Hirſch. [146

eine gewiſſe Entlaſtung von anderen Amtsgeſchäften in Ausficht geſtellt, es wird ihm zugeſagt, daß auch ſpäter, wenn der Prinz etwa auf Reiſen geben und jemand anders ihm zur Begleitung mitgegeben werden ſollte. er die Charge als oberfter Hofmeifter desfelben behalten jolle, es wird ihm für diefe Mühewaltung ein befondereg Gehalt von 600 Thalern jähr- lich und, damit er nicht gänzlich von feiner Yamilie getrennt werde, für diefe eine Wohnung im kurfürſtlichen Schloffe angewieſen.

Menige Tage darauf reiften der Kurfürft und bald auch feine Ge mahlin, welche erſt noch die Ankunft Stephanig, den fie kennen lernen wollte, abgewartet Hatte, nach Königsberg ab, wo fie über ein Jahr geblieben find, und während diefer Zeit lag die Sorge für den Kurprinzen und zugleich auch die Oberaufficht über deffen jüngeren Bruder ganz in Schwerin® Händen. Mit welchem Eifer und welcher Sorgfalt er id dieſer Aufgabe, neben und troß aller feiner jonftigen Amtsgefchäfte, bin- gegeben bat, geht auch daraus hervor, daß er ein bejondere® Tagebuch über die Erziehung des Kurprinzen und fpäter der beiden Prinzen ge führt bat, in welchen er vom 1. Januar 1663 an täglich jelbft ver zeichnet hat, was die Prinzen an dem betreffenden Tage getrieben haben und was fonft bejondere® mit ihnen vorgegangen ift, namentlich wird über Vergehungen, welche fie fih haben zu Schulden kommen Laffen, und über die dagegen getroffenen Maßregeln berichtet. Das Tagebud) reicht ununterbrochen bis zum 28. Yebruar 1669, dann folgt eine durch eine damals ausbrechende fchwere und langwierige Erkrankung Schwerind ver- anlaßte großeLüde, mit dem 1. Januar 1671 aber hat er wieder begonnen, dasſelbe regelmäßig zu führen, und er hat dieſes, zuletzt etwas ſummariſch big zum Auguft 1672 fortgefeßt. Die Originalhandfchrift dieſes Tage buches befindet fich jet in dem Berliner geheimen Staatsarchive, Auß- züge aus demjelben Hat, Leider wenig vollftändig und wenig korrekt, v. Orlich!) veröffentlicht, dasfelbe bildet auch für dieſe Darjtellung bie Grundlage.

Don Anfang an bat Schwerin für den Prinzen eine jefte Tages» ordnung eingeführt. Er fchläft mit ihm in demfelben Zimmer, im Sommer um 6, im Winter um "s7 Uhr wedt er ihn auf, während der Prinz angelleidet wird, jpricht er mit ihm Lateinifch oder franzöfiſch und fucht ihn auch zum reden zu bewegen, dann wird das Morgen- gebet mit Geſang abgehalten, um */s7, im Winter um 7 erfcheint der Lehrer Stephani und unterrichtet den Prinzen bis 8, reſp. Vs9, dann

1) v. Orlich, Friedrich Wilhelm der Große Kurfürſt (Berlin 1836) ©. 28 fi. Geſch. des preußiichen Staates I (Berlin 1838) S. 573 fi.

147) Die Erziehung der älteren Söhne des Großen KHurfürften. 147

wird gefrühftüdt (eine Suppe gegefien) und darauf weiter ftudiert bis 10 reſp. sell Uhr. Um 11 wird, wie überhaupt damals am Hofe des Kurfürften, zu Mittag geipeift, dann Hat der Prinz bis 2 Uhr frei, von da an bis !/s5 oder 5 ift wieder Unterricht, außgenonmen Mitt« woh, an welchem Tage der ganze Nachmittag frei iſt. Den übrigen Teil des Tages verbringt der Prinz mit Spielen und anderen Befchäf- tigungen, um 1/s9 oder 9 Bringt ihn Schwerin felbft zu Bett und Hält mit ihm das Abendgebet. Unterricht erhält der Prinz in der erften Zeit im Leſen und Schreiben, in der Religion, im Lateinifchen, in der Geographie und Geſchichte, im Tanzen und bald auch in der Mufil und im Zeichnen, und zwar in den drei legteren Fächern von bejonderen Lehrern, während der gejamte übrige Unterricht von Stephani erteilt wird, erft feit dem November 1663 wird der Religionsunterricht dem Hofprediger Contſchius Abertragen. Was die einzelnen Gegenftände und zunächſt die Religion anbetrifft, jo läßt bei Gelegenheit de8 Morgen- und Abend- gebeteg Schwerin den Prinzen Bibeljprüche, Pjalmen und geiftliche Lieder, zum Teil auch in franzöfiicher Sprache, auswendig lernen, der Hof- prediger unterrichtet dann fpäter zweimal wöchentlich im Katechismus, d. h. er Läßt jedenfalls den Prinzen diefen auswendig lernen, erläutert denjelben und führt ihm fo die Glaubenslehre vor, feit dem Anfang bes Jahres 1665 Hält er dann ferner zweimal wöchentlich mit dem Prinzen Betftunden ab, an denen manchmal auch die Kurfürjtin und deren Um⸗ gebung teil nimmt, außerdem kommt er gewöhnlich Sonntagd nad) dem Gottesdienit ins Schloß, geht mit dem Prinzen, der diefem beigewohnt Bat, den Inhalt der Predigt durch und eraminiert ihn im Katechismus, Im Lateinifchen Iernt der Prinz anfangs nur Bolabeln auswendig, erft am 21. März 1663, alfo nad 8 Dtonaten, fängt er an zu deklinieren, bei dem Ende November nach der Rückkehr der Eltern mit ihm ab- gehaltenen erften Eramen Tann er fchon deklinieren und Tonjugieren, es werben ihm auch jchon Kleine Tateinifche Reden eingeübt. Sonft wird in der nächften Zeit nur Grammatik nach Donat getrieben, erſt wieder nach einem Jahre (20. März 1664) beginnt die Lektüre und zwar mit Corderii colloquia, und diefe dienen nun jehr lange Zeit bis zum De- sember 1668 als Lebrftoff, fie werden „analyfiert und expliciert”, da⸗ neben weiter Grammatik getrieben, Volabeln und Sentenzen gelernt, fowie Reden zu feftlichen Gelegenheiten eingeübt. Um den Eifer des Kurpringen in dieſem Lehrgegenftande anzufpornen, läßt Schwerin jeit dem Mai 1665 auch einige andere Knaben (den Prinzen fyriebrich, zwei feiner eigenen Söhne und den Sohn des Hofmarſchalls v. Kanik) regel- mäßig an einigen Unterrichtäftunden teil nehmen und diejelben mit ihm 10*

Ferdinand Hirich. [148

beim Abfragen der Vokabeln um den Plab certieren. Ginigemale wird auch erwähnt, daß der Kurprinz mit Stephani und einem Sohne Schwerins „gebejelt” (2) Habe, „welches zu dem Ende angeftellet, Dem Anfang des Iateinifchen Redens zu machen”.

Im Sranzöfiichen jcheint der Prinz eigentlichen Unterricht gar nicht erhalten, fondern diefe Sprache, wie e8 ja auch in der Inftruftion vor⸗ gejchrieben war, nur aus dem Gebrauch gelernt zu haben. Gleich frũh⸗ morgen? ſpricht Schwerin, wie ſchon erwähnt wurde, mit ihm jranzöftfch, er läßt ihn auch franzöfifche Sprüche und Pſalmen lernen, ähnlich Haben es auch bie anderen Perſonen feiner Umgebung gemacht, feit dem Yımi 1663 bat er dann eine franzöfliche Bonne, welche nach Tiſch und bes Abende immer mit ihm fpielt und fpriht. Schon von Anfang an fchreibt er franzöſiſche Briefe und bald wendet er auch jonft zu ſchrift⸗ Yichem Ausdrud diefe Sprache an. Als Ende Januar 1665 fein kleines im Sabre vorher geborenes Schwefterchen erfrantt, verjaßt er am 29. Januar ein franzöfiiches Gebet für dasſelbe und ſchickt es feiner Mutter, am folgenden Tage, als es fich mit ihm etwas gebeſſert, fchreibt er ein Dankgebet auf, und als ed dann doch nach einigen Tagen ftirbt, dichtet er ein franzöfiiches Sonnet auf ihren Tod und verfaßt eine Grabſchrift.

Was die Künfte anbetrifft, jo iſt mit der Muſik der Anfang ge macht worden, und zwar, wie es fcheint, auf den eigenen Wunſch des Kurprinzen. Am 6. Februar 1663 berichtet Schwerin, derjelbe Hätte um 10, alfo nad) Beendigung des Vormittagsunterrichts gebeten, er möchte den „Inſtrumentiſten“ kommen lafſſen, diejes ſei auch gejchehen und der Prinz babe angefangen, auf dem Clavicordio zu fpielen. Doc ift das nicht Lange fortgefeßt worden, am 23. März wird vermerkt, daß derjelbe angefangen babe, auf ber Viola di gamba zu lernen, auch diefes aber bat nicht lange gedauert, dann fängt am 19. uni 1664 der Prinz an Flöte zu jpielen, auf diefem Inſtrumente bat er nun in den nächſten Jahren, ebenfo wie fein Bruder, eifrig mufiziert und fie fcheinen es auch zu einiger Fertigkeit gebracht zu Haben, Schwerin erzählt, daß beide am 21. Juni 1666 mit ihrem Lehrer Johann Peter und dem Grafen Dönhoff von einem Schiffe aus vor dem Schloß ihren Eltern einige Stüde vorgeblajen Hätten. Später aber, jeit dem April 1667, bat det Kurprinz wieder die Viola da gamba vorgenommen und auf diefer fortan eifrig gejpielt, während fein Bruder daß Clavierſpiel trieb. Zeichenunterricht bat der Kurprinz feit dem Auguſt 1668 empfangen, fein .erfter Lehrer Hieß Eolombel, an defien Stelle trat feit dem Auguft des nächften Jahres der berühmte holländifche Architekt. und ingenieur

149] Die Erziehung ber älteren Söhne des Großen Kurfürften. 149

Memhard, der auch verfucht Hat, ihm die erjten Elemente des Feſtungs⸗ baues beizubringen. Später haben andere Lehrer (Blejendorf, Wolf- grübel, zulett ein Kupferftecher Blefendorf, wahrfcheinlich ein Bruder des erftgenannten , der den Prinzen Friedrich auch in der Kupferjtechkunft unterwiejen Hat) diefen Unterricht erteilt. Cine Anzahl Zeichenbeite der Prinzen find noch erhalten, fie find neuerdings von jachmännifcher Seite!) unterjucht und bejchrieben worden und lafſen ertennen, daß beide auch zu dieſer Kunjt Luft und Talent bejeffen und allmählich bedeutende Fortſchritte gemacht haben. Während in den älteren Heften nur die Borzeichnungen des Lehrers erft nachgezogen und dann nachgezeichnet werden, zeigen die fpäteren jchon felbjtändigere Mebungen im Zeichnen von Köpfen und Landfchaiten, andere Yruchte und Blumenftudien und Verſuche Köpfe idealen und portraitiftiichen Charakters darzuftellen. In Schwerins Tagebuch wird erwähnt, daß der Kurprinz im Jahre 1668, ale ir alfo 13 Jahre alt war, feinem Vater zum Geburtstage eine don ihm ausgeführte Zeichnung überreicht habe, welche die Scene dar⸗ Nellte, wie Kurfürft Johann Georg (f 1598), der noch die Geburt und dad Heranwachſen eines Urenkels, des jpäteren Kurfürften Georg Wil- helm (geb. 1595) erlebte, ausruft: „Sohn, fage Deinem Sohn, daß jein Sohn weint”.

Sehr fonderbar erfcheint es ung, daß die Prinzen in der ganzen Jet, welche das Tagebuch Schwerins behandelt, täglich (auögenommen nur das halbe Jahr nach dem Tode ihrer Mutter) Zanzitunde gehabt haben. Offenbar aber wird das Tanzen damals vomehmlich ala koöͤr⸗ perlihe Uebung betrachtet und nimmt fo die Stelle unfereß heutigen Turnens ein. Doch follten fie e8 in diefem Fach auch zu künftlerifchen keiftungen bringen und beide, namentlich der Kurprinz, haben dies an wirklich erreicht. Bei feftlichen Gelegenheiten wurden am Hofe Ballete aufgeführt, in denen auch die Prinzen auftraten, fo berichtet SEchwerin am 5. Oktober 1666, daß zu den in Gleve zur eier der Bermählung der Schwefter der Kurfürftin, der Prinzeffin Marie von Dranien, mit dem Pfalzgrafen Mori Ludwig von Simmern veranftalteten Feſtlichleiten auch ein Ballet gehört habe, welches im großen Saal auf einem eigens dazu errichteten Theater in Gegenwart des Hofes und der ftemden Fürſtlichkeiten aufgeführt worden ſei. „Beide Prinzen?) haben Nohe Ehre eingelegt, fonderlich der Kurprinz, welcher drei Entreeen

l) Salland, Der Große Kurfürft und Morik von Naffau, ber Brafilianer Frantjurt a. M. 1898) ©. 85 ff.

. YAuh am folgenden Tage wirken beide Prinzen in einem Ballet mit,

Prinz Friedrich wirb nach feiner erften Entree übel und er muß zu Bett ge:

150 Ferdinand Hirich. [150

getanzt.“ Uebrigens bemerkt er gelegentlich (5. Mai 1668), daß der Prinzen dieſes ewige Tanzen langweilig geworden fei, und daß er auf die Beichwerde des Tanzmeiſters, den fie dieſes Hatten entgelten Laffen, gegen fie mit harten Verweilen babe einfchreiten müflen. Damit das Tanzen aus einer bloßen Törperlichen Uehung zu einem Vergnügen werde, dazu gehört, daß beide Geſchlechter fich dazu vereinigen, und daB dieſes geichehe, dafür hat Schwerin auch ſchon frühzeitig Sorge getragen. Schon am 24. Yebruar 1663 bemerkt er: „Nach dem Efien bat der Prinz mit dem fyrauenzimmer, fo ich dazu gebeten, tanzen müflen, welches er Hin- füro die Woche zweimal continuiren joll, damit er, was er lernet, auch practifiere”, dieſes ift auch wirklich gejchehen und auch fpäter hören wir mehrfach von Bällen, zu denen die junge am Berliner Hofe erzogene Prinzeifin von Kurland, Schwerins Töchter und andere junge Mädchen aus der Hofgelellichaft Hinzugezogen wurden. Auch jonftige Leibes- übungen wurden nicht vernachläffigt, wir hören von Ballipielen, Springen, Wettlauf, Ringelrennen, auch zu Pferde und in einem Keinen Wagen. feit dem 5. Auguft 1664 bat der Kurprinz auch regelmäßig Fecht—⸗ unterricht. Auch zu Pferde fit derfelbe fchon von Anfang an und zeigt ihon früh Gefchidlichkeit im Neiten, obwohl er ordentlichen Reitunter- richt exit feit dem Herbft 1669 von dem Stallmeifter Froben erhalten hat. Bei günftigem Wetter werden Spazierfahrten nach dem Tiergarten, nicht felten auch Ausflüge in die weitere Umgegend von Berlin unter« nommen. SLängere Zeit bringt Schwerin alljährlich mit den Prinzen auf feinem Gute Alt-Landaberg zu, gewöhnlich die Oftern- und Pfingft- zeit und einen großen Zeil der eigentlichen Sommerzeit, von Ende Juni oder Anfang Juli an bis in den September oder gar Oktober Hinein. Auch dort wird der Unterricht regelmäßig fortgefeßt, aber daneben haben die Prinzen reichliche Gelegenheit, fich im Freien zu tummeln und fid an allerhand Ländlichen Beichäftigungen und Vergnügungen zu ergößen. Dort weilen fie daher auch fehr gern und können garnicht die Zeit er- warten, wenn es wieder nach Alt-Landeberg hinausgehen foll.

Unter den Spielen, welche die Prinzen treiben, nehmen Vorübungen zu Jagd und Krieg die Hauptrolle ein. Der Kurprinz ift von Anfang an paffionierter Militär; daß er und fein Bruder mit Bleifoldaten ge fpielt, wird allerdings erwähnt, daß fcheint aber felten vorgelommen zu fein, weit amüfanter war e8 natürlich, lebendige Soldaten zur Verfügung

bracht werben, ber Kurprinz aber „tanzt nicht nur feine drei Entreen ganz wohl, fondern hernach aud) die bransle und couranten bis nad) 12”. Auch 1669 in Königsberg findet am Geburtstage des KHurfürften ein Ballet ftatt, „worin der Kurprinz vier und Prinz Friedrich zwei Entrees gehabt“.

151] Die Erziehung der älteren Söhne des Großen Kurfürften. 151

zu Haben. Auch dafür Hat Schwerin geforgt; ſchon Anfang 1663 be- antragt er bei dem Knrfürſten, aus anderen Knaben eine Spiellompagnie zu bilden, mit welcher der Prinz militärifche Uebungen und Spiele ver- anftalten könnte. Der Kurfürft bat fich damit einverjtanden erflärt, und fogleich ift die Sache zur Ausführung gebracht worden. Der Kurprinz, Prinz Friedrich, ihre Pagen und Schwerind Söhne bildeten den Stamm diefer Kompagnie, zu der gelegentlich auch andere adlige Knaben hinzu⸗ gekommen find. Anfangs wurde diefelbe von dem einen dem Kurprinzen beigegebenen Kammerjunker, Herm du Pleſſis Gouret, der Offizier war und fpäter zu hoben militärifchen Stellungen aufgeftiegen iſt, einererziert; ſehr bald aber erhielt der Kurprinz ſelbſt das Kommando und er bat fie ererzieren, Wache aufziehen, Boten ausſtellen laſſen und dergleichen andere militärische Spiele aufgeführt. Wenn einer von ihnen fi) etwas zu ſchulden fommen läßt, jo wird Kriegsgericht gehalten; da gebt es ſehr ftreng ber, fo wird 3. B. einmal ein .Sohn Schwering, weil ex, jedenfalls auf der Straße, mit einem anderen Jungen gejpielt bat, degradiert. Der Kurprinz trieb dieſe militärifchen Uebungen mit ſolchem Eifer, daß er, ala im Oftober 1665 das Hoflager auf längere Zeit nach Cleve verlegt wurde, auch dort fofort aus Pagen und jungen Edelleuten eine ähnliche Spiellompagnie bildete, und ebenjo muß er es auch 1668 bei der Meberfiedlung nach Königsberg gemacht Haben, da wir auch dort von Ähnlichen Webungen hören. Wenn man in Alt- Landsberg ſich aufhielt, jo war ein Hauptvergnügen Schanzen anzulegen und diefelben zu ftürmen, wobei Bälle oder Nepfel ala Schießmaterial verwendet wurden, oder Minengänge zu graben. Dorthin hatte Schwerin auch ein paar Heine Kanonen bringen laffen, mit welchen bei feftlichen Gelegenheiten gefchofien wurde. Die Prinzen hatten im Berliner Schloß eine eigene Rüftlammer, auf die fie jehr ſtolz waren und welche fie oft befuchten. Bei der Weihnachtöbeicherung 1663 Täßt der Kurprinz alle anderen fchönen Geſchenke unbeachtet, ala er einen Küraß erblidt, den legt er an und ftolgiert mit ihm einher, und als die Prinzen 16. No— dember 1666 von Cleve nach Berlin zurückkehren, iſt ihr eriter Gang nad ihrer Rüſtkammer, um fi) ihre Waffen zu befehen. Auch für die Jagd zeigt der Kurprinz die lebhaftefte Neigung und diefe wird durch die Erziehungsmethode geflifjentlich geſteiger. Bon Anfang an übt er fh im Schießen ; zu den gewöhnlichiten Vergnügungen gehört das Heben vor Tieren nicht nur im Freien, fondern auch im Zimmer, wobei nach unferen Begriffen die ärgſte Tierquälerei verübt wird. Schon im Jahre 1664 wird er von dem Water, welcher der Jagdpaſſion im Uebermaß ergeben ift, mit auf die Jagd genommen; auch Schwerin, der jelbft ſchon

152 Ferdinand Hirſch [152

infolge „eines Fußleidens nur felten der Jagd ſich widmen konnte, jedenfalls fein paffionierter Jaͤger war, verzeichnet als beſonders bemerkens⸗ werte Ereigniffe, daß der Prinz am 19. Juli 1667 zum erftenmal Bögel im Flug geichoflen habe, ein Waſſerhuhn und eine Lerche, und daß er am 6. Auguft desfelben Jahres zum erftenmal Hafen mit Windhunden, die er am Strid geführt, gehetzt Habe.

Bei allen diefen Beichäftigungen des Prinzen hat Schwerin nur die Oberaufficht geführt, auf den Spazierritten und =fahrten aber bat er ihn meift begleitet, und beſonders gewidmet hat er fi) ihm und dem jüngeren Prinzen in den Abendftunden, welche diefelben meift in feinem Familien⸗ freife zugebracht haben. Da erzählt er ihnen Geichichten, zeigt ihnen Bilderbücher oder fpielt mit ihnen und den Seinigen Spiele, die zugleich zur Belehrung dienen follen (erwähnt wird ein ſolches, „da die jämt- lien Kurfürften von Brandenburg eingemalt find, um diefelben zu kennen“, und ein anderes, „worauf die vormehmften Städte abgebildet”) oder auch Brettipiel oder fcherzhajte Kartenfpiele (erwähnt wird ein „das Spiel in die Hölle fahren genannt“). Er erzählt!) auch, daß er jelbit ein abjonderliches Spiel für fie habe machen laffen: „Ein Brett von fieben Löchern, ein jedes bejonderd gezeichnet, auf einigen ift als Gewinn Geld geſetzt, auf einigen wurde Geld gezahlt, und auf den an« deren mußte, je nachdem die Kugel fiel, ein Iateinifcher Vers recitiert werden.” Sehr unterftüßt bat ihn dabei ſowie bei der ganzen Erziehung der Prinzen feine damalige zweite Frau, eine ganz vortreffliche Dame, die ebenſo wie für ihre Stieflinder auch für die Prinzen eine ziveite Mutter geweſen ijt, wenn fie frank waren, fie gepflegt, mit ihnen geipielt und in jeder Weile für fie geforgt Hat; zu ihr fowie zu Schwerins Kindern ftanden die Prinzen denn auch in dem freundfchaftlichiten Verhältnis.

Die Aufficht Über die Prinzen hat Schwerin fchon in diefer erften Zeit manche Sorge und Unannehmlichleit bereitet. Im November 1662 erfrantte der junge Neffe des Kurfürften, der Prinz Alexander von Kur land, welcher fi damals am Berliner Hofe aufbielt, an den in der Stadt graffierenden Poden. Sofort fiedelte Schwerin mit den Prinzen, um dieje dor Anftedung zu jchüßen, nad) Spandau über und fie kehrten erft im Januar 1663 wieder nach Berlin zurück. Dort aber erfrantte Anfang Auguft der Kurprinz jelbft und zwar fo, daß die Aerzte fürd- teten, es feien die Poden; doch erwies fich dieje Bejorgnig ala un- begründet und ber Prinz wurde bald wieder gefund. Auch das Ber

1) 13. Dezember 1665 (v. Orlich I, 595).

153] Die Erziehung der älteren Söhne des Großen KHurfürften. 153

halten des Kurprinzen gab zu manchem Zadel Veranlaffung. Ein fo liebenswürdiger, aujgerwedter und talentvoller Knabe derfelbe auch war, jo zeigte er ſich doch auch launiſch, eigenfinnig und jähzornig. Manch- mal ließ er e8 an Fleiß fehlen, benahm fich unbejcheiden gegen feinen Lehrer, übermütig und gewaltthätig gegen die andern Knaben; einmal zog er fogar gegen den Kammerjunker du Pleifis, der feinen Zorn erregt batte, den Degen. Alle jolche Yälle wurden Schwerin angezeigt und ex bat die nötige Strafe folgen lafien. Doch ift er nie, wie er voll Freude ſelbſt erzählt, geziwungen worden, zu körperlicher Züchtigung zu fhreiten, fondern ift mit gelinderen Strafen (Verweiſen, Drohungen, Arreſt, zeitweiler Entziehung des Degen? und anderer dem Prinzen be= ſonders lieben Gegenftände) ausgelommen. Bei folchen Gelegenheiten bat er fih immer bemübt, denjelben zur Erkenntnis des Unrechts, dag er begangen, zur Reue und Buße zu bringen. Auch falſche Anfichten und Vorurteile Hat er ihm auszureden gefucht, fo zeigte fich der Prinz 3. 2. ſehr ungebalten darüber, daß ihn die Univerfität Frankfurt a. O. zum Rektor gewählt Hatte, und meinte, das fei für ihn eine Schande, und bei einer anderen Gelegenheit mußte ihn Schwerin erſt darüber be= lehren, daß ein Bauer ebenfoviel Anfpruch auf Gerechtigkeit habe wie ein Offizier. Doch find dergleichen Konflikte in diefer erften Zeit nicht bäufig und nicht fchwer gewejen, und das Verhältnis des Prinzen zu jenem Hofmeifter war ein durchaus freundliches.

Am 18. November 1663 kehrten der Kurfürſt und feine Gemahlin aus Preußen nach Berlin zurüd; Schwerin mit den Prinzen empfing fie eine halbe Meile vor der Stadt; nach dem Einzuge in das Schloß be- willommnete der Prinz feinen Vater mit einer lateinifchen Rede, zwei Zage darauf tanzte er in dem zu diefer Gelegenheit eingeübten Ballet mit, und einige Tage ſpäter legte er in einem Examen zur großen Be— friedigung feiner Eltern die Kenntniffe dar, die er fich inzwifchen an= geeignet Hatte. Die Anweſenheit der Eltern und des Hofes hat in der Lebensweiſe und der Art der Erziehung des Kurprinzen keine erhebliche Veränderung hervorgebracht. Allerdings bringen er und fein jüngerer Bruder fortan täglich einige Zeit, meift die Stunden vor und nach dem Eſſen, bei den Eltern zu, jonft aber leben fie von ihnen getrennt, nur ausnahmsweiſe fpeifen fie mit den Eltern zufammen und auch die Abend⸗ funden haben fie gewöhnlich in ihren Gemächern oder im Schwerinjchen Samilienkreife zugebracht. In den letzten Monaten des Yahres 1664 und zu Anfang des folgenden Jahres fpeifte der Kurprinz meift mittags und abends bei frau v. Schwerin, da ihm das von feinem Koch an« gerichtete Efſen nicht ſchmecken wollte, exit Ende Januar machte der Kur⸗

154 Ferdinand Hirſch. [154

fürft dem ein Ende, indem er befahl, daß jür den Prinzen befjer gekocht werden ſollte. Trotzdem aber waren diefer und fein Bruder auch fpäter noch oft Gaſte an Frau dv. Schwerins Tafel, luden fi) mitunter fogar jelbft bei ihr zu Gaſte. Unter den Briefen der Prinzen aus dieſen Jahren, welche Schwerin auch in einem bejonderen Buche gefammelt bat, findet fich einer des Kurpringen an Schwering Yrau vom 30. Juli 1665 von Deffau aus, wohin damals der ganze Hof gereift war. Er lautet folgendermaßen: „Dielgeliebt Fraw von Schwerin

Weil Sie von mir begehret da® Ich Ihr berichten folte, wan wir wieder zu Berlin jein würden, So berichte Jch hiemit das folches negſt Sottlicher Hülfe künftigen Sontagk Tegen abendt gefchehen wirbtt, Ich hoffe Sie werde Ihrer Zuſage nicht vergeffen undt mich aladan ftatlich tractiren dan Ich werde fo fohrt mit meiner ganzen hofſtaht Ihr zu gafte kommen auch mein Brüderchen mitbringen, Sch wolte Ihr wol einen fpeifezettel jchiden, Sie weiß aber jelbft wol was Ich gene effe, Beiehl Sie Gottes Schub undt verbleib u. ſ. w.“

Der Unterricht des Kurprinzen ijt in den nächiten Jahren regel- mäßig in den verjchiedenen Fächern fortgefeßt worden. Ueber die Fort: ichritte, welche er gemacht Hat, geben Auskunft die Berichte Über die jährlich einmal angeftellten Eramina.. Am 19. April 1664 findet ein folcheg in Gegenwart des KHurfürften, der Kurfürjtin, des Fürſten und der Fürftin von Anhalt und des Grafen Dohna ftatt. Der Kurprinz recitiert lateinifche Volabeln und Berfe, dann alle Dellinationen und Konjugationen, darauf zufammen mit Schwering ein Jahr älterem Sohne einige Kolloguia des Corderius und endlich noch einige Regein aus dem Donat. Darauf wird er aus der Karte von der ganzen Welt, Europa und Deutſchland eraminiert. „Die Eltern find fehr vergnügt gewefen, haben dem Prinzen ein fchönes weißes Pferd und eine Uhr verehrt.“ An dem näcdjten, 18. April 1665 ftattfindenden Eramen nimmt aud) Ion Prinz Friedrich teil, der zwar noch unter der Obhut der Ober hofmeifterin ftand, aber auf Schwerins Betreiben fchon feit dem Sommer 1663 von einem befonderen Lehrer, dem damals ala zwanzigjähriger Süngling nad) Berlin gelommenen Eberhard Dandelmann, Unterricht erhielt. „Der Anfang ift ex grammaticis gemacht, hernach delliniert und fonjugiert, dann einige colloquia Corderi erpliciert, dann lateinifche Sentenzen recitiert, endlich den Globus, die General- und Speciallarten borgenommen, da dann beide Prinzen, ein jeder nach jeiner Art, ſehr wohl beftanden, und Haben die Eltern ein großes Vergnügen baran aebabt. Der Kurprinz that eine Rede auf franzöfiich an die Eltern und

155] Die Erziegung der älteren Söhne de Großen Kurfürften. 155

Prinz Friedrich beſchloß mit einem franzöftichen Kompliment.” Am 5. Auguft diefes Jahres wurde auch der damals acht Jahre alte Prinz Friedrich, der jpätere König, Schwerin zur Erziehung übergeben ; Schwerin jchlief binfort mit beiden Brüdern in demfelben Zimmer, wedte fie des Morgens beide, ließ fie abwechielnd da8 Morgen- und Abend⸗ gebet fprechen und bat auch font in gleicher Weife feine Sorgfalt auf beide fich erjtreden Lafien, doch Hat auch er ganz natürlicherweife das tritt auch in dem Zagebuche hervor fich für den älteren, förperlich und geiftig weit mehr beanlagten Bruder, der ihm mehr Not, aber auch mebr Freude gemacht hat, weit mehr intereffiert. Prinz Syriedrich behielt für den wifjenfchaftlichen Unterricht feinen bejonderen Lehrer, während die technijchen Lehrer beide zugleich unterrichteten, auch an den Spielen und Bergnügungen haben fich fortan meift beide zujammen beteiligt. Der jüngere Prinz war ein fehwächliches Kind, infolge eines unglüdlichen Tales in frühefter Jugend verwachſen, gerade daher aber der Liebling der Mutter, auch geiftig weniger glänzend begabt als fein Bruder, aber fleißig, ruhig und folgſam. Zwar Hat auch von ibm Schwerin manche Alte des Mutwillens zu verzeichnen, aber dieſelben waren leicht zu dämpfen, da der Prinz immer gleich zur Reue und Abbitte bereit war, während bei dem Kurprinzen nicht nur die Fälle von Ungezogendheit und Ungehorſam fich in diefer Zeit ſchon vermehren, fondern der Eigenfinn und Troß, den er bei folchen Gelegenheiten mehrfach zeigt, Schwerin zwingt, mit jchärferen Strafen gegen ihn vorzugehen, doch wirft die Drohung, ihn mit der Rute zu züchtigen, auf fein Ehrgefühl jo mächtig, daß Schwerin nie zur wirklichen Anwendung diefer Strafe zu fchreiten braucht. Andererfeit® aber zeigt ber Kurprinz auch befonders liebens⸗ würdige Seiten. Schon früh entwidelt fich bei ihm ein ritterlicher An» fand. Als im Mai 1663 Schwerin mit ihm nach Oranienburg fährt und bald darauf auch die pfälzifche Prinzeffin Elifabeth dort erjcheint, die ein oft und gern gejehener Gaft des Berliner Hofes war, reitet er ihr entgegen, bildet aus feinen Begleitern einen Trupp, hält vor dem- ſelben, grüßt die Pringeffin mit dem bloßen Degen in der Hand und reitet dann dor ihrer Kutfche her ing Schloß. Als der Kurfürſt Anfang Mai 1664 den Kurfürſten von Sachfen, welcher bei ihm zu Beſuch ericheint, feierlich einholt, reitet auch der Kurprinz mit; zwei Tage darauf fpeifen einige jächfiiche Räte und Offiziere an feiner Tafel, „mit denen der Kurprinz viel geſprochen und einem jeden ein Glas, die Ge- fundheiten nach einander, zugetrumfen.“ Gegen feinen Bruder zeigt er große Zärtlichkeit. Unter den von Schwerin gefammelten Briefen be-

156 Ferdinand Hirich. [156

findet fich der folgende, der wahrfcheinlih 1665 von Alt- Landsberg aus gejchrieben iſt, an Prinz Friedrich: Herballerliebfteg Brüderchen.

Weil Ihr bei eurer großen Glüdfeligleit da Ihr alzeit bei Papa undt Mama jeidt, meiner gan vergeflet, fo wil ich hiemit beweijen das ich fleiffig an euch gedende, Sch Hoffe mein Hertzen Brüderchen baldt wieder zu fehen, Aladan ich euch erzehlen wil was ich bie vor Luft gehabt, Ich Habe auch ein Klein Lebendige Rechen, auch habe ich viel Dögel geſchofſen, etliche mahl feindt die Federn mit weggeflogen, Ich bitte Ihr wollet Herken Papa undt Herken Mama meinentwegen unter- thenig die Hände küſſen, undt euch küſſe ich aus recht brüderlichen Hertzen undt verbleibe all mein Lebtage

Meines Allerliebiten Brüderchen Getreuejter Bruder undt willigfter Diener.

Als 17. Januar 1667 Schwerin den Prinzen Friedrich wegen einer am Tage vorher vorgelommenen Zänkerei jchilt, ift der Kurprinz fehr zornig darüber, daß man ihm davon Anzeige gemacht, und ſtößt heftige Drohungen gegen denjenigen aus, der ed getban, jo daß Schwerin nun ihn tadelt und mit der Rute bedroft. Am 1. Juli 1668 fchlägt wäh—⸗ rend des Spielens Prinz Friedrich den Kurprinzen fo heftig ins Geficht, daß feine Nafe zu bluten anfängt; Schwerin will ihn dafür mit ber Rute züchtigen, nun aber „that der Kurprinz jo erbärmlich, fiel auf die Knie und bat für feinen Bruder”, jo daß Schwerin demfelben, zumal da er ernftliche Reue bezeigte, die Strafe erließ. Nicht minder zärtlich zeigt fich der Kurprinz gegen feine Eltern, namentlich gegen die Mutter. Am 20. Juni 1665 jchreibt er derjelben:

Madame ma treshonoree Mere,

Scachant que V. A. El. prend plaisir quand on apprend de belles choses, ie desirerois bien de mappliquer & la Poesie si V. A. El, le trouve bon; je luy en envoye donc un petit eschantillon, suppliant V. A. El. de me dire si Elle y trouve du contentement afin dy continuer et de pouvoir tant mieux tesmoigner avec combien de respect que ie suis

Madame de V. A. El. le tres hamble et tres obeyssant serviteur et le plus complaisant Fils.

Darauf folgen die Berfe:

Fürchte Gott, undt jege blos zum Zwed dir Chriftum für, In dem zu leben füs, undt ſüs zu fterben bier.

157] Tie Erziehung der älteren Söhne des Großen Kurfürften. 157

Die Weldt undt ihre Luft ift lauter Eitelkeit, Woll dem, der fich allein in feinen Gott erfreut.

Eharle Emile. und am 8. Juli fchidt er ihr, um ihr zu zeigen, daß er fie in ihrer Frömmigkeit nachzuahmen fuche, folgende Verſe:

Traw Gott undt Hoff’ auf ihn, die Hoffnung bringet offt auch wieder Hoffen ein mehr ala man nicht gehofft.

Wir feindt nicht wehrt, dad wir nach Ehrifto Heiffen follen, Wan wir für Chriſto auch nicht etwas leiden wollen. Gott ſchlegt, das er uns tröft, er drüdt una zu erheben, Er töbdtet, dag er uns das eben könne geben.

Im Oltober 1665 veranlaßte der münfterjche Krieg den Kurfürften, mit feinen durch Werbungen bedeutend vermehrten Truppen nach feinen tbeinifch-weitfälifchen Landen zu ziehen, und er bat dort in Eleve ein Jahr lang bis Anfang November 1666 refidiert. Auch feine Gemahlin und die Prinzen, begleitet von Schwerin und ihrem ganzen Hofitaat, find ihm dorthin gefolgt. Schon während der Reife wurde im Wagen, joweit e8 anging, Unterricht gehalten und ebenfo wurde derjelbe und die fonftige Lebensweiſe in Kleve fortgefeht. Doch gab es dort mannigfache Zerſtreuungen. Zunächſt machte das militäriiche Treiben, welches fidh dafelbft entjaltete, auf den Kurprinzen einen folcden Eindrud, daß er Luft bekam, ſelbſt ein Regiment zu werben, und diefe Bitte feinem Vater (22. November 1665) in folgendem Briefe vortrug:

„Snedigfter Herballerliebfter Herr Bater.

Aldiweil Ich vernehme das E. Durchl. werbungen anftellen vndt ih von Jugendt auff groffe Iuft zu den Waffen gehabtt, So komme id) biemit meinen vnterthenigften Dienit anzubieten, vndt bitte gehorfamblich €. Durchl. wolten mir die gnade thun vndt mir ein Patent auf ein Regiment zu werben geben, Ich wil mich bemühen in kurtzer Zeit ein gut Regiment zu fus zu werben vndt gute Officirer, die nicht außsreiffen jollen, Ich bitte nochmalen &. Durchl. wolten mir diefe groſſe gnade erweilen, ich wil dan deſto fleiffiger ftudiren vndt allezeit fein u. ſ. w.“

Diefer Wunfch ift nicht erfüllt worden; wirklich zum Kriege ift es damald auch für die Brandenburger nicht gelommen, da es dem Fur fürften durch feine vermittelnde Tätigkeit gelang, den münſterſchen Krieg durch den clevifchen Frieden (18. April 1666) zu beendigen. @inen Monat fpäter erhielt Schwerin den Auftrag, mit beiden Prinzen nach Holland zu reifen, um den Prinzen Friedrich bei einem berühmten Orthopäden Schott auß Utrecht, der ſchon Ende 1665 nach Gleve ge-

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fommen war und vermittelt eines „Inſtruments“ (auch „Harnifch” wird es genannt), welches ihm umgefchnürt wurde, den Schaden am Rüdgrat zu befjern verfucht Hatte, eine weitere Kur durchmachen zu Iafien. Zu diefem Bwede haben fie fich faft drei Monate in dem nahe bei Utrecht gelegenen, dem Prinzen don Oranien gehörigen Iſſelſtein aufgehalten, wo zwar auch der Unterricht regelmäßig fortgefett, zugleich aber die Freuden des Landlebens genofjen und ein Iebhafter Verkehr mit der ganz in der Näbe, in Bianen wohnenden Gräfin von Brederode, einer nahen Verwandten des oranifchen Hauſes, und deren Familie gepflogen wurde, wobei bie Prinzen Gelegenheit fanden, ihren ritterlichen Anftand und ihre gefelligen Talente zu zeigen. Am 7. Juli kehrten fie nach Cleve zurüd, wo in⸗ zwiſchen die Mutter der Kurfürftin, die alte Prinzeiffin Amalie bon Dranien, und ihre drei Schweitern, die Yürftinnen von Anhalt und Nafſau und die noch unverheiratete Prinzeffin Marie erfchienen waren. Am 8. Juli wurde den Prinzen ein Bruder, der Prinz Ludwig geboren, am 18. wurde deſſen Taufe gefeiert, dann folgten, nachdem die Kur- fürſtin wieder bergeftellt war, glänzende Feſtlichkeiten, zueft am 28. Auguft zur Feier des Geburtstages der alten Prinzeffin von Oranien, wobei die Prinzen Reden hielten und mit an der Feſttafel teilnahmen, nachher, Ende September und Anfang Oftober, aus Beranlaflung der dort in Cleve gefeierten Hochzeit der Prinzeffin Marie mit dem Pfalz« grafen von Simmern, wobei die Prinzen, wie fchon erwähnt, auch in Balleten mitwirkten und an den wiederholten Ballfeftlichleiten mehrmals big mitten in die Nacht hinein teilnahmen. Am 25. Oktober trat Schwerin mit den Prinzen die Heimreife an, unterwegs trafen fie in Bielefeld mit dem KHurfürften, der einige Tage fpäter abgereift war, zu« fammen und am 16. November langten fie in Berlin an. Die wahr« Icheinlicd damals ſchon leidende Kurfürfiin war nicht mitgelommen, fondern mit ihrer Mutter nach Holland gereift, von wo aus fie exft im Mai des nächften Jahres ſchon totkrank nach Berlin zurückkehrte. Bei ber Abweſenheit der Mutter waren bie Prinzen um jo mehr auf die Fürſorge Schwerin und feiner Gattin angewiefen; zu den Vergnügungen, welche ihnen gewährt wurden, gehörten in diefer Zeit beſonders Leine Kindergejellichaften, zu denen fich meiſt die Damals auch am Berliner Hofe erzogene junge Prinzeffin Charlotte von Kurland, Schwerins Kinder und einige andere Kinder der Hofgejellfchaft bei ihnen einfanden und bei denen auch das franzöfiiche Sprechen geübt wurde. Daß die Prinzen - au in diefem Jahre in den verichiebenen Unterrichtsfächern Fortſchritte gemacht hatten, bewiejen fie bei dem Eramen, welches am 13. April 1667 in Gegenwart des Kurfürften, des Fürften von Anbalt, des Generald

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von Golf, des Geheimenrats von Somnit und des Oberftallmeifters von Pölnig mit ihnen abgehalten wurde. „Der Kurprinz machte den An« fang mit feiner Oration, darauf exrplicierte er vier Kolloquia aus dem Corderio mit Prinz Friedrich und dann noch zwei, jo etwas ſchwerer waren, mit meinem Sohn Friedrich Heinrich. Hiernächſt if der Kur⸗ prinz in der Geſchichte eraminiert und ift drei Monardhieen durch⸗ gegangen, das Vornehmſte, was darin geſchehen, memoriter erzählt, wie die Könige auf einander gefolgt und was jeber Merkwürdiges gethan. Darauf bat Prinz Friedrich den Erdglobus erpliciert, welches der Kur prinz Schon im vergangenen Examen gethan; nachdem bat der Kurprinz die Karte von Afrita und Amerika erpliciert und alle Specialia darin angezeigt, worauf Prinz Friedrich die Karte von Deutichland ausgelegt und darauf der Kurprinz die Karte von Spanien. Während dem Eramen hat der Kurprinz, wie Prinz Friedrich beichäftigt war, einige Verſe, fo der Kanzler Somni ihm vorgab, erpliciert und Prinz Friedrich, während fein Bruder gefragt, ein Kleines beutjcheg Erercitium ins Lateinische über- ſetzt. Zum Beichluß Hielt Prinz Friedrich eine Kleine Lateinische Oration. Sie beftanden beide überaus wohl und legten große Ehre ein.”

Es folgte eine für die Furfürftliche Familie ſehr traurige Zeit. Am 27. April reifte Schwerin mit den Prinzen wieder nach Alt-Landäberg, dort erhielten fie am 5. Mai Befehl, zu dem Kurfürften nah Nellin zu fommen, um mit ihm der fchwerfranten Mutter, welche trogdem, um bie Ihrigen noch wiederzufehen, heimkehrte, entgegenzureifen. Boch war ber Kurfürft auf die ſehr üblen Nachrichten von ihren Zuftande ſchon vor ihrer Ankunft derjelben entgegengeeilt und fie trafen am 8. hinter Ziefar mit beiden zufammen. Die Kurfürftin war fo ſchwach, daß fie kaum mit ihren Kindern fprechen konnte, doch befjerte ſich, nachdem fie in Berlin angelangt war, ihr Zufland wieder etwas, und fo erhielten bie Prinzen Erlaubnis, das Pfingftfeft mit Schwerin wieder in Alt-Lands- berg zuzubringen. Bei ihrer Rückkehr am 12. Juni fanden fie die Kur- fürflin wieder ſehr leidend, und am 18. Juni 6 Uhr abends ftarb fie. Die Prinzen waren bei ihrem Tode nicht zugegen, fie hatten, da es fich nachmittags mit ihr etwas gebeffert hatte, Erlaubnis bekommen, eine Spazierfahrt zu unternehmen, und ala fie zurüdlamen, war fie inzwiſchen geſtorben. Schwerin hat ihnen nachher in fchonender Weife die Nach- ht davon mitgeteilt, aber ihr Schmerz war ein ganz gewaltiger, namentlich war der Kurprinz untröftlih, während Prinz Friedrich fich bald beruhigen ließ. Auch am folgenden Tage weinte ber Kurprinz un aufhörlih „und Kezeigte ſich, wie Schwerin fchreibt, in allem wie ein alter Menſch, fo daß alle, die ihn befuchten, fich darüber vertvunberten”.

160 Ferdinand Hirſch. [160

Am 24. Juni erfolgte die vorläufige Beifegung in der Schloßlapelle, während das feierliche Leichenbegängnis erft am 6. Dezember ftattiand. Den größten Zeil der Zwifchenzeit (von Anfang Juli bie Ende Oktober) haben die Prinzen wieder mit Schwerin in Alt⸗Landsberg zugebradht. Im nächften Fahre hat dann Schwerin, nachdem der Kurfürft den Ent- ſchluß gefaßt Hatte, fich wieder zu verbeiraten, die fchiwierige Aufgabe gehabt, die Prinzen auf diefen Schritt des Vaters vorzubereiten und mit bemfelben außzuföhnen, wozu fie fih anfangs nicht verftehen wollten. Bei der Hochzeit, die am 24. Yuni zu Gröningen im Halberftädtiichen ftattfand, find die Prinzen nicht zugegen gewejen, fie waren am 18. Mai wieder nach Alt⸗Landsberg gereift und blieben dort bis zum 27. uni. An diefem Tage reiften fie nach Nellin, wo fie folgenden Tages mit Schwerin, der an der Hochzeit teilgenommen hatte, aber von dort voraus⸗ gereift war, zufammentrafen, und am 29. find fie dann dem mit feiner neuen Gemahlin berannabenden Kurfürften entgegengeritten und baben diefelben empfangen. In Schwering Tagebuch findet fi) nichts, was darauf fchließen ließe, daß fie in der Folgezeit zu ihrer Stiefmutter in einem irgendivie unfreundlichen Verhältniſſe geftanden hätten. Der Unterricht ift auch in diefer Zeit ebenſo wie früher erteilt worden und auch ſonſt Hat fih die Lebensweiſe der Prinzen wenig verändert. Statt einer Bonne haben fie jegt einen jungen yranzofen, den Sohn de Mar- quis de Ruvigny zum täglichen Gefährten, der auch an ihren Unterrichts- ftunden teilgenommen zu haben fcheint. Anfang 1668 ftand Schwerin !) mit einem angefehenen franzöfifchen Gelehrten und Dichter, Herrn de Pellicon, der am Hofe König Ludwigs XIV. eine beliebte Perfönlichkeit war, in Unterhandlung, um benfelben zum Lehrer für die Prinzen zu gewinnen; doch fcheiterte diefer Verfuch, da der franzöfiiche König den- jelben nicht fortlaffen wollte. Unter den Bergnügungen namentlich des Kurprinzen fpielen Jagd und militärifche -Uebungen auch weiter die Hauptrolle, abends fpielen fie jetzt öfter Karten, womit Schwerin nicht recht einverftanden geweſen ift, zumal da um Geld gefpielt wurde; er hat wenigſtens an Feiertagen nur unter der Bedingung die Erlaubnis dazu erteilt, daß der Gewinnft den Armen gegeben würde. Bei bem Kurprinzen bat ex jebt ſchon genen eine beginnende Unluft zum Studieren und Unzufriedenheit mit ber Lebensweiſe, wie fie ihm vorgefchrieben war, zu lämpfen gehabt. Schon am Schluffe feines Berichtes Über jene am

1) Wir erfahren diefe aus einem Briefe de3 damals in Paris ala Ge: fandter des Kurfürften befindlichen Geheimen Rates Meinderd an Schwerin vom Februar 1668.

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18, April 1667 abgehaltene Examen bemerkt er, der Kurprinz hätte anfangs etwas leiſe gejprochen, „welches auch nicht aus timidite geſchah, als daß er e8 für eine Schande hielt, eraminirt zu werden, wie er ſolches dfterß genugfam bezeigt”, daher Hatte ſich der Prinz auch ver- beten, daß noch mehr Perfonen bei dem Examen zugegen wären. Schwerin fügt Hinzu: „Alſo daß ich fürchte, wenn die Prinzen noch länger am Hofe bleiben, es mit dem Studiren gefchehen fei oder doch jehr fchwer damit hergeben werde,” und am 12. Januar 1668 erwähnt er, er babe dem Prinzen die erbetene Erlaubnis, im Balldaufe mit einigen Kavalieren Ball zu fpielen, verweigert, „weil der Kurprinz eine Zeit her dag Gemüt jo fehr auf allerhand Plaifirs gewandt und dag Studiren gar fchläfrig getrieben“. Bom Prinzen Friedrich erzählt Schwerin aus diefer Zeit Dinge, welche ſchon in ihm den hervorſtechenden Charakterzug des fpäteren Königs Friedrich I., die Vorliebe für prunkvolle Feierlichkeiten, erkennen laſſen. Der damals zehnjährige Prinz ftiftet im Frühjahr 1667 einen Orden, den Orden de la generosite, in welchen er ſowohl Ebdelleute feiner Umgebung als auch andere Hochitehende Perſonen, namentlich Militärs aufnimmt. So wird am 19. Mai ber Bruder Schwering, der Generalmajor Bogislav v. Schwerin, am 11. Yuni die beiden Rammerjunfer v. Podewils, am 18. April 1668 der Oberft de la Cave, der Hauptmann von Infterburg v. Kreyken und der Kammerjunker v. d. Rede zu Rittern desſelben gejchlagen, dabei werden genau die Geremonien nachgeahmt, welche in Sonnenburg bei der Aufnahme neuer Ritter in den Johanniterorden üblich find. Der Prinz fit in der Kirche, während die Orgel gefpielt wird, auf einem hoben Stuhl, ihm zur Seite werden ein entblößtes Schwert und ein Kreuz auf einem fammetnen Kiffen ge⸗ halten, die Aufzunehmenden werden einzeln von zwei Kavalieren heran⸗ giärt, müfſen auf feine Frage antworten und eine Rede halten, dann werden fie zu Rittern geichlagen und nachher bewirtet.

Ende Auguft 1668 fiedelte der Kurfürft wieder, veranlaßt durch die bevorftehende polnifche Königswahl, mit feiner Gemahlin, feinen Kindern und einem großen Teil des Hofes auf längere Zeit nach Königsberg Über. Auh Schwerin follte mitlommen, doch wurde ihm, da gerade zur Zeit der Abreife des Hofes feine rau ſchwer erkrankt war, gejtattet, vor⸗ läufig in Berlin zurüdzubleiben, er mußte fo nachreifen und kam erft ſechs Tage nach dem Kurfürften, am 17. September in Königaberg an. Der Umftand, daß fo faſt einen Monat lang die Prinzen feiner Aufficht entzogen waren, jollte üble Folge Haben. Inzwiſchen nämlich Hatten

andere Perfönlichkeiten, beionders der Fürſt Johann Georg von Anhalt, Forfhungen 3. brand. u. preuß. Geſch. VII. 1. 11

162 Ferdinand Hirſch. [162

ihr Onkel, und einige andere Militärs auf fie eingewirkt, ihnen vorgeredet, daß die Art, wie fie erzogen würden, nicht mehr für ſie paſſe, und ſo namentlich bei dem Kurprinzen die Abneigung, die er ſchon vorher gegen dag Studieren Hatte verſpüren laſſen, geſteigert. Schwerin erzählt, daß ihm gleich, als er in Königsberg angelommen, aufgefallen fei, daß Die Prinzen nicht die Freude bezeigt hätten, welche fie fonjt, wenn er wieder- fam, geäußert hätten. Wenige Tage darauf (dev Kurfürft und die Kur⸗ fürftin waren inzwifchen, um an verfchiedenen Orten Jagden abzubalten, don Königsberg abgereift) kam es zu heftigen Auftritten. As am 25. September Schwerin dem Kurprinzen, weil er fi} unluftig zum ar beiten und jtörrifch zeigte, einen Verweis erteilt Hatte, fing derfelbe, nachdem er weggegangen, an, auf das heftigfte über ihn loszuziehen. „sh meinte gewiß, daß ich fein Lakai wäre, wenn er nur groß fei, wollte er mich fchon wieder finden, und wie er don Herm Stepbani gefragt worden, was er dann thun wollte, Hat er gejagt, er wollte mich abjegen. Er entjeße fich recht, wenn er mich jehe, und wollte wohl gar aus dem Fenſter Springen. Wie er von Herrn Stephani gefragt: warum ? weil ich ja fo Höjlih und freundlich mit ihn umginge, bat er geant⸗ wortet, weil ich allezeit lateiniſch mit ihm redete. Er hätte einen Ab⸗ fcheu dor dem Studieren, hätte es bisher aus Zwang gethan, bielte fidh unglüdlich, daß er ein Prinz wäre, darum ftudieren und einen Hofmeifter baben müßte.” Nachdem fein Zorn verraucht war, bat er freilich Stephani, e8 Schwerin nicht wiederzufagen, und ala ihm nachher erzählt wurde, berfelbe hätte hinter ber Thüre geftanden und alles mit angehört, erſchrack er jehr und fchrieb fofort einen Lateinischen Entſchuldigungsbrief an ihn, aber Schwerin ließ ihm jagen, er werde dem Kurfürften Anzeige davon machen, ließ, um ihn zu bejchämen, bei Zafel an diefem und an den folgenden Tagen ihm nicht „das Serviet” geben, ließ fein Bett aus feinem Zimmer nehmen und erflärte, big zur Rückkehr des Kurfürften überhaupt fih gar nicht um ihn kümmern zu wollen. Der Prinz, da- durch fehr erichredt, machte nun die verjchiedenften DVerfuche, ihn zu bes gütigen, geitand auch gegen Stephani, der Fürſt von Anhalt Hätte ihn aufgereizt, der hätte zu ihm auf der Reife, ala fie allein in einem Wagen gejefien, gejagt, wenn er einft nach Frankreich reifen würde, dann würde wohl Schwerin nicht mitlommen, dann wollte er fein Hofmeijter fein und ihn zu fchönen Damen führen. Schwerin ließ ihn aber zwei Zage warten, erſt am 28., nachdem der Prinz aufs neue Stephani zu ihm geichiet und feinem Verlangen gemäß in einem jchriftlicden Revers erklärt hatte, wenn er dergleichen wieder thun würde, wollte er alle verdiente Strafe willig leiden, Tieß er ihn vor fich kommen, vermahnte ihn und

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verſprach, ihm zu verzeihen und ihn nicht zu verklagen. Er ift fo ver- ftändig geweſen zu verfuchen, durch eine veränderte Lehrmethode, die er mit Stepbani und Dandelmann verabredete, wonach der grammatiiche Unterricht zurüdtreten und dafür Hauptfächlich Lektüre getrieben werben follte (e8 wurde jet des jpanifchen Sefuiten Ludovicus Vives introductio ad sapientiam, von der er dazu eine bejondere Ausgabe Hatte bruden lafien, und fpäter daneben Cornelius Nepos gelefen), die Abneigung des Kurprinzen gegen das Studieren zu übenvinden, aber mit wenig Erfolg. Am 13. November, obwohl gerade am Tage vorher der inzwiſchen nach Koͤnigsberg zurüdgelehrte Kurfürjt in Gegenwart der Prinzen Schwerin ermabnt Hatte, diefelben zum Lateinifch Sprechen anzubalten, weigerte fich der Kurprinz, auf deſſen Iateinifche Anrede in diefer Sprache zu ant⸗ worten, verhöhnte den anmwejenden jungen Herrn v. Ruvigny, weil er lateiniſch redete, erklärte, überhaupt nicht ftudieren zu wollen, und benahm fih auch fonft ſehr trotzig. Diesmal machte Schwerin dem Kurfürften don dem Gefchehenen Anzeige, und diefer ließ feinem Sohne ankündigen, er folle in feinem Zimmer bleiben, und Iieß ihm feine Hunde, Waffen und jonſtiges Spielzeug wegnehmen. Der Kurprinz zeigte fich anfangs noch widerfpenftig und troßig, ala aber Schwerin ihn am nächlten Tage jehr art anredete, bat er um Verzeihung und um Verwendung bei feinem Vater, geftanb auch wieder, daß der Fürſt von Anhalt mehrmals und der Generalmajor Herzog Auguft von Holftein einmal zu ihm gefagt hätten, ein Prinz brauche nicht zu ftudieren. Der Kurfürft aber geitattete ihm erft am 17. vor ihm zu erfcheinen, da ließ er ihm in Gegenwart des Prinzen Friedrich, ihrer Kammerjunker und Lehrer zuerft durch den Geheimenrat v. Jena eine Strafpredigt halten, vermahnte ihn dann felbft und Tieß ihm am nächften Tage auf Schwering Verwendung feinen Degen und bie anderen weggenommenen Dinge wiedergeben. Dieſe Be- ftrafung Hat für längere Zeit gute Wirkung gethan, fo daß auch während ber langwierigen, ſchweren Krankheit, welche Schwerin im Februar 1669 befiel und an der er mehrere Monate daniederlag, aber doch von feinem Bette aus die Prinzen und deren Erziehung überwachte, nichts beſonderes dorgefallen ift. Nur einen Fall berichtet Schwerin. Aergerlich darüber, daß einer ihrer Pagen nicht fofort einen Befehl, den fie ihm bei Tiſch gegeben, erfüllt, fondern erſt Dandelmann gefragt hatte, fielen beide Prinzen nachher, als fie mit ihm allein waren, über denfelben her und prügelten ihn durch. Zur Strafe dafür verhängte der Kurfürft nicht nur Über fie einige Tage Stubenarzeft und ließ ihnen ihre Sachen weg⸗ nehmen, fondern er ließ auch „einen groben Studenten zu ihnen geben mit Anzeigung, weil fie bisher ihrer Informatoren höfliche Bezeigung 11*

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nicht geachtet, fo follten biefelden nicht mehr zu ihnen kommen, ſondern diefer nach feiner groben Manier fie unterrichten. Die Prinzen find einige Tage bindurch ſehr mortificiret worden, Haben nicht allein fehr ängstlich Pardon gebeten und Beſſerung zugeſagt, fondern auch gehalten.“ Auch hier in Königsberg boten der Geburtstag des KHurfürften, bie Ge- burt und Taufe des Prinzen Philipp Wilhelm, der Befuch der Herzogin von Kurland und ihrer Kinder, bie Berlobung einer Tochter berfelben mit dem jungen Landgrajfen Wilhelm von Heſſen⸗Kafſel und andere ähn⸗ liche Ereigniſſe Gelegenheit zu allerhand Teitlichleiten, an benen aud die Prinzen teilnahmen, ebenfo find diefelben mehrmals zu den Jagden des KHurfürften mitgenommen worden. Zuletzt brachte Schwerin, der in- zwiſchen einigermaßen genejen war, noch vierzehn Tage mit den Prinzen auf feinen Wildenhofſchen Gütern zu; am 16. Auguft trat er dann mit benjelben die Heimreife an. „Auf der Reife haben zwar die Prinzen nicht ordentlich ftudiren Lönnen, fie haben aber allemal, vornehmlich des Vormittags lateiniſch in der Hutfche reden müffen, zu welchem Ende ich ihnen Themata aufgegeben, worüber fie und wir alle kleine Orationes halten, auch mit einander disputiren müfjen, wobei fonderlich der Kur⸗ prinz allezeit jehr artig geweſen und viel erpeditiuß geredet, ala wenn es beim ordentlichen Studiren geweſen.“ Als nachher aber an der pommer- ſchen Grenze der Herzog von Croy, der Statthalter von Pommern, zu ihnen fam, „hat der Kurprinz zwar auch lateinifch geredet, aber jehr ungern und nur allein aus Furcht, daß ihm fonft nicht würde erlaubt werden zu reiten.” Bald nach der Rückkehr nach Berlin wurde ber jekt vierzehnjährige Kurprinz zwei Tage Hintereinander von fämtlichen Geift- lichen zwei Stunden lang, das zweitemal in Gegenwart des SKurfürften und der Kurfürftin, „aus dem Katechismus“ eraminiert und er bat daran, nachdem er wohl beitanden, das beilige Abendmahl empfangen, erft am 2. Mai 1671 aber Hat er zum erftenmal in der Kirche an der Kom munion teilgenommen. Bon einem befonderen vorbereitenden Unterricht und einer feierlichen Einſegnung wird nicht berichtet. Auch von Prinz Friedrich Heißt e8 nur, daß er im Juli 1672 nach vorheriger Prüfung durch die ſämtlichen Geiftlichen, die aber dieſes Mal nicht in Gegenwart des Kurfürften gejchah, mit zur Kommunion gegangen fei.

Aus dem Jahre 1670 Yiegen feine Aufzeichnungen über die Er- ziehung der Prinzen vor, erft im Januar 1671 Hat Schwerin wieder angefangen, jein Tagebuch fortzuführen. Wir erjehen aus demfelben, daß auch jebt noch für gewöhnlich diefelbe regelmäßige Tageseinteilung bei» behalten ift wie früher. Der Kurprinz Prinz Friedrich ift die ganze erfte Hälfte des Jahres in Caſſel abweſend und kehrt erft im Auguſt

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zurüd ſteht nach wie vor um 6 Uhr auf; nachdem Schwerin mit ibm das Gebet gehalten, hat er bis 9a oder 10 Unterricht, ebenfo nachmittags von 2—5. Zu den Unterrichtsgegenftänden tft jebt Rechnen, Mathematik und Reiten binzugelommen, Tanzen und auch Schreiben wird regelmäßig fortgefeßt, doch ift unter dem lebteren nicht bloßes Schönfchreiben, fondern auch ftiliftifche Webungen zu verftehen. Wöchent⸗ ih zweimal erfcheint auch ein Hofprediger, jebt D. Bergius, und erteilt Religionsunterricht, woran fich regelmäßig eine Betjtunde anjchließt. Seine freie Zeit verbringt der Prinz Hauptjächlich mit Törperlichen Nebungen, Ballfpielen, Reiten, echten, Schießen. An der turfärftlichen Tafel nehmen er und fein Bruder, nachbem berjelbe zurüdgelehrt ift, nur ausnahmsweiſe teil, dafür aber bringen fie den Abend jebt häufig bei den Eltern zu. Prinz Friedrich, dem jedenfalls fein Törperlicher Zuftand es unmöglich gemacht bat, an den Leibesübungen des Bruders teilzu- nehmen, bejchäftigt fich auch in feinen Freiftunden viel mit Zeichnen, bes Abends wird diters Karten gejpielt.

Doh Hat e8 Schwerin viel Mühe gemacht, die Fortführung diefer regelmäßigen Lebensweiſe durchzufegen. Schon nad) wenigen Zagen (8. Februar) bemerkt er in feinem Zagebuh, daB er mehr und mehr Mühe babe, den Kurprinzen „von den Divertifjements ab⸗ und bei dem Studieren anzubalten”, und daß er ihn täglich des⸗ wegen ermabnen müſſe. Er fügt aber Hinzu: „wie wohl ich gar nicht ftembb finde, bejondern mich vielmehr verwundere, daß ein junger Prinz von ſechzehn Jahren in tam numerosa aula, da nichts als Libertät zu ſehen, noch einigermaßen beim Studieren erhalten werden lönnen“. Die Schwierigkeiten für den Hofmeifter wurden um fo größer, da der Kurfürft felhft mehr und mehr Vergnügen daran fand, feine Söhne an den Beichäftigungen und Vergnügungen, die er liebte, fo namentlich an feinen Sagdausflügen teil nehmen zu laſſen, und fie auf Heinen Reifen, oder wenn fremde Fürftlichkeiten zum Beſuch waren, bei fih zu Haben, wodurch fortgefeßt der Unterricht und die regelmäßige Beſchaftigung auf längere oder kürzere Zeit unterbrochen wurde. Schwerin Bat mehrfach Vorftellungen dagegen gemacht, aber nicht immer damit Gehör gefunden. Natürlid war der Prinz nach folchen Berftreu- ungen um fo weniger geneigt, zu ben regelmäßigen ruhigen Arbeiten zu⸗ tädzulehren, und fo ift es denn, zumal ba der Verkehr mit der Hof» geiellichaft auch wenig günftig auf fein Betragen einwirkte, zwifchen ihm und Schwerin, der feinerjeits nach Möglichkeit den Studienplan durch. infähren fuchte und ihm kein unangemefjenes Benehmen durchgehen lie, wieder zu manchen heftigen Konflikten gekommen. Seit Mitte Yebruar

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1671 war der Prinz auf Wunſch des Vaters mehrere Wochen bei dem⸗ ſelben in Potsdam geweſen. Schwerin hatte zwar, da die Rückkehr des⸗ jelben ſich mehr und mehr verzögerte, auch Stephani und die anderen Lehrer Hingefchidt, war auch von Zeit zu Zeit ſelbſt hinüber gelommen, um nad dem rechten zu fehen, natürlich aber war dort aus dem Arbeiten nicht viel geworden. Endlich aber Hatte der Prinz durch un angemefjeneg und troßiges Betragen das Mißfallen feines Vaters erregt, jo daß diefer ihn am 12. April wieder nach Berlin zurückſchickte. Dort kam er natürlich in fehr fchlechter Laune an und ließ diefe an Schwerin aus. In heftiger Weile verlangte er fofort, daß diefer ihn nach Lands berg oder Köpenid bringen follte, und ließ ſich troß deſſen gütlichen Zu⸗ redens nicht beruhigen. Am nächſten Morgen fing er wieder ebenfo an, ſchalt auf Berlin, „die Stadt wäre nicht wert, daß man barin wohntt, er wollte auch nicht? gutes dort thun“, warf Schwerin vor, dieſer wäre Schuld, daß er hätte wiederfommen müſſen, und daß er nicht auf Land Hinaus dürfte, und zeigte ſich an diefem und den nächjten Zagen beim Arbeiten und fonft fehr verdroffen. Als ihm am 15. April Schwerin, nachdem er felbft vorher gellagt, daß ihm nicht wohl wäre, nicht ge⸗ ftatten wollte ins Ballhaus zu gehen und erft den Arzt befragen wollt, wurde er fehr ungeberdig, ſchmähte auf die Doltoren und dann au) Schwerin, der ihn durch Verzärtelung verderbe, erklärte, er wollte feinen Hofmeifter mehr haben, ging nach ber Thür und fagte: „Adieu, ich gebe ins Ballhaus”. Hierauf enwiderte Schwerin: „Und ich gehe hin und ſchreibe es fofort dem Kurfürſten“. „Darauf kehrte er zwar wieder um, hörte aber nicht auf, ſich Heitig zu erzürnen und fi) fo anzuftellen, als et noch fein Tage nicht gethan, alfo daß man wohl fpüren konnte, was el für Diecurfe in Potsdam gehört”. Zwar kam ſchon am Nachmittag der Prinz von ſelbſt zu ihm, bat ihn um Verzeihung und zeigte fh auch in den nächſten Tagen reumütig. Aber ſchon am 20. April mußte ihn Schwerin wegen troßigen Betragend gegen den Sammerjunler von Podewils, dem er fogar mit der Piftole gedroht Hatte, aufs heitigite außfchelten, und ähnliche Scenen haben fich auch fpäter noch wiederholt; doch gelang e8 Schwerin immer feinen Troß zu brechen und ihn zut Reue und Abbitte zu bringen, und auch in betreff der Studien hat © es durchgejebt, daß diefelben, wenn auch mit manchen Unterbrechungen, bis in das Frühjahr 1672 hinein fortgefeßt worden find. Da der Kur prinz fo große Abneigung gegen das Lateinische zeigte, fo ordnete det Kurfürft im September 1671 an, daß Hinfort der fonftige lateiniſche Unterricht ganz wegjallen und nur zweimal in ber Woche ein lateiniſcher Autor (damals Eurtius Rufus) mit ihm gelefen, auch der Unterridt in

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ber Geichichte und anderen Fächern, der bisher Lateinifch gegeben tworden war, deutſch erteilt werden ſollte. Statt des Lateinifchen wurden jet andere Gegenftände getrieben, welche die Prinzen mehr interejfieren mußten. Sm Oktober, als die Prinzen mit Schwerin in Alt-Tandsberg waren, Ihidte der Kurfürft den Oberft von der Artillerie Schört heraus, ber fie in der Belagerungsfunft unterwie® und praftifche Uebungen darin an einer dort erbauten Schanze vornehmen ließ. Seit Ende Januar 1672 fing Stephani an, „bie vornehmſten principia juris au8 den Anftitutionen“ dem Kurprinzen beizubringen. Eben damals wurde auch der Anfang gemadt, ihn in die Staatsgefchäfte einzuführen. Am 16. Februar 1672, feinem fiebzehnten Geburtstage, nahm Schwerin ihn zum erftenmale in den Geheimen Rat mit und er bat auch fpäter ein- zelnen Situngen desjelben beigewohnt. Damals ift die Rede davon geweien, daß der Kurprinz auf Reifen gehen follte, und auch Schwerin ?) bat diejes befürwortet, doch ift die Ausführung dieſes Planes durch den Ausbruch. des franzöfiich-Holländifchen Krieges vereitelt worden. Der Kurfürſt Hat befanntli an diefem Kriege ala Bunbdesgenoffe Hollands teilgenommen und ſchon die Vorbereitungen zu dem zu unternehmenden Feldzuge bewirkten eine ſolche Unruhe und eine ſolche Störung des ge= wöhnlichen Treibene am Berliner Hofe, daß dadurch auch die Fort⸗ fegung der bisherigen Erziehung der Prinzen unmöglich gemacht wurde. Schwerin bemerkt am 14. April dieſes Jahres: „Weil von diefer Zeit an ed mit dem Studieren angefangen ſehr unordentlich zu gehen, indem die Prinzen nicht allein eine geraume Zeit mit nach Potsdam, fondern auch fonft Aberall, wohin die Eltern gezogen, mitgenommen, der Ktur⸗ prinz auch je länger je mehr eine große Averfion gegen das Stubieren und einen Haß gegen diefelben bezeiget, welche J. D. zum Studieren anhalten, der bevorftehende Krieg, und da fie beide viel mit ihren ihnen gegebenen Regimentern zu thun gehabt und ihre Gedanken und Sinn viel darauf gewandt, fo babe ich unnötig geachtet, das Diarium hin⸗ füro jo ordentlich zu halten”. Leider hat er dieſes wirklich ausgeführt es folgen nur noch einzelne Aufzeichnungen und Anfang September hört das Tagebuch überhaupt ganz auf, und ſeitdem fehlt ung jede nähere Runde über die weitere Erziehung der Prinzen. Des Kurfürften Abficht war e8 durchaus nicht, daB der Unterricht derfelben gänzlich aufhören follte, am 17. Juli 1672 ordnete ex in einem Schreiben an Schwerin?)

1) Bol. den Brief der Prinzeffin Amalie von Oranien an Schwerin, jeden: jalls aus dem Anfang des Jahres 1672 (v. Orlich III, 585). 2) v. Orlich, Friedrich Wilhelm der Große Kurfürft, S. 46.

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an, daß der Kurprinz vormittags regelmäßig flubieren und dabei auch lateinifch fprecden, und daß er am Nachmittage vor dem Ausjahren ſich in der Fortifikation üben und franzöfiſch leſen ober, Talla er dazu keine Luft habe, auch ftudieren und bei Negenwetter auch nachher fich im Schreiben üben und felbft Briefe anfertigen follte.e Wenn dieſes auch zu Anfang wohl befolgt worden tft, jo bat nachher doch der Feldzug dieſem ganzen regelmäßigen Zreiben ein Ende gemacht. Der Kurfürft nämlich, der Ende Auguft 1672 Berlin verließ, um fi an die Spihe feiner bei Halberftabt zufammengezogenen Truppen zu fegen, nahm ebenfo wie feine Gemahlin, auch feine beiden älteften Söhne mit, und während Prinz Friedrich, für den jedenfalls die Strapazen bes Tyeldzuges und des Lagerlebens für zu anjtrengend erachtet worden find, nachher wieder in Gafjel zurüdigelaffen wurde, ift der Kurprinz während des ganzen Feld⸗ zuges an ber Seite bed Vaters geblieben. Er feheint auch ſchon wirf- lich militärischen Dienft gethan zu haben, wenigftens erzählt Schwerin, daß er zu Halberftadt am 5. September bei einer Revue immer ſelbſt vor feinem Regiment gehalten, die Pike präjentiert und nachher vor dem Wagen des Vater? marjchiert fei, „da man,” fo fügt er voll Stolz hin⸗ zu, „dann wohl gejehen, daß die ftete Mebungen, jo J. Durchl. in ber gleichen militar exercitiis gethan, ihr fehr zu passe gelommen, weil fte ohne einige Scheu alles jehr wohl gemachet.“ Auch Schwerin hat während des Feldzuges den Kurfürften begleitet und bat ohne Zweifel auch damals die Aufficht über den Kurprinzen geführt, doch fehlt es darüber an jeglichen Nachrichten. Als man nach der Beendigung diefes, infolge der von kaiſerlicher Seite bereiteten Hemmniffe thaten⸗ und ruhmlofen, Yeldzuges im Frühjahr 1673 wieder nach Berlin zurückkehrte, wurde der Plan, den Aurprinzen auf Reifen zu fchiden, wieder aufge. nommen. Schwerin, der damals ſowohl feiner Sränklichleit wegen, als auch aus anderen Gründen fi von ben Staatägefchäften ganz zurück⸗ zuziehen wünſchte, ift bereit gewejen !), denjelben zu begleiten, allein die Ausführung jenes Planes wurde wieder vertagt. Schwerin wurde damals der Obhut Über den jebt in das 19. Lebensjahr eingetreten Kurprinzen entbunden, blieb aber nicht nur noch weiter Hofmeifter des Prinzen Friedrich, ſondern der Kurfürft verlangte von ihm, daß er nun auch noch die Erziehung feines dritten Sohnes, des jetzt fiebenjährigen Prinzen Ludwig, übernehmen follte. Schwerin bat fich dagegen auf das heftigſte gefträubt, hat unter Hinweis auf feinen leidenden Zuftand feinen Abfchied gefordert;

1) Relation des kaiſerl. Gefandten de Goeß vom 30. Auguft 1673 (Ürk u. Akt. XIV, 715).

169] Die Erziehung der älteren Söhne des Großen Kurfürjten. 169

aber ohne Erfolg, der Kurfürft erwibderte ihm, in ber ſchwierigen Lage, in welcher er fich befinde, Tönne er feines Rates nicht entbehren, und auh in die Mebernahme der Hofmeifterftelle bei dem Prinzen Ludwig Bat er fich jchließlich fügen müfjen. Doch bat er einige Bedingungen geftellt, um fich die Erfüllung der Pflichten, welche er damit auf ſich nabm, etwas zu erleichtern. Zunächſt verlangte er, daß für den Brinzen Ludwig ein Edelmann angenommen werde, ber während feiner Abweſen⸗ heit die Aufficht über denfelben führen und auf den er fi) verlafien lönne Dieſem Wunſche ift der Kurfürſt nachgelommen und hat ihm in der Perſon des Hof⸗ und Legationsrats Hans Friedrich dv. Fleming eine geeignete Perjönlichleit beigegeben. Einen befonderen Lehrer Hatte der Prinz Schon im Jahre vorher in dem jüngeren Bruder Dandelmanns, dem Licentiaten der Rechte Ludolf Dandelmann erhalten. Sodann verlangte Schwerin auf Grund der bisher gemachten Erfahrungen die Befeitigung ge= wiffer Mebelftände, die ihm bisher bie Einwirkung auf die Prinzen erfchtwert hatten. Dazu gehörte vor allem der längere Aufenthalt der Prinzen in den oberen Räumen des Schloſſes, wo fie der Beauffichtigung durch ihn und ihre fonftige Umgebung entzogen waren, und der Verkehr mit dem Hof- perfonal. Er fchlägt vor, daß den Prinzen nur einmal des Tages er- laubt werde, nach oben zu gehen, und zwar nur zu den Eltern, daß fie, jo lange fie oben fich aufhielten, nicht von diefen weggehen und nur in deren Gegenwart mit anderen Perſonen reden dürften. Er bittet ferner, „weil junge Prinzen nicht wie andere Kinder durch Ruten und Schläge zum Gehorſam zu bringen fein und alfo nur das einzige Mittel übrig iR, wodurch ein Hofmeifter Liebe und Furcht bei Prinzen erhalten kann, daß die Beurlaubungen und recreationes bei dem Hofmeiſter ſtehen“, daß der Kurfürft, ehe er den Prinzen Urlaub erteile, fich erft bei ihm ertundige, wie fie fich verhalten haben, damit fie, wenn fie nicht fleibig oder mutwillig gewejen feien, Beranlafjung Hätten Beflerung zu ver- beißen umd fich künftig beffer in Acht zu nehmen. Schwerin bittet fo- dann, daß der Kurfürft, wenn er Veranlafjung haben follte, mit den Prinzen unzufrieden zu fein, ihm davon Mitteilung machen möge, damit er eh deſto befier korrigieren könne, er jchlägt ferner vor, „nachdent bie Er- jahrung auch bezeuget, daB die Prinzen nimmer beffer ftubieren, als wenn fie dom Hofe und auf dem Lande fein”, daß fie immer den Sommer draußen gubringen mögen, er macht dann noch darauf aufmerkſam, daß die für den

1) „Unterfchiebliche puncta, worüber Sr. Chf. D. gnädigſte Refolution ich igft erwarte”, d. 11/21. November 1673, mit eigenhänbdigen Ranb- bemertungen be Kurfürften (Rgl. Hausarchiv)

170 Ferdinand Hirſch. [170

Unterhalt des Hofhaltes der Prinzen ausgefehten Gelder jchon bisher nicht gereicht hätten, und daß daher eine Erhöhung derjelben notwendig jei, und er bittet endlich um eine gewiffe Entlaftung von feinen anderweitigen Amtsgefchäften. Der Kurfürft Hat zu allen diefen Borfchlägen feine Zu- flimmung erteilt, bei dem zweiten Punkte fügt er hinzu: „Wenn Ludwig mutwillig, fo Hat der H. von Schwerin die Macht ihn zu flreichen“, in betreff des Unterbaltes der Prinzen bat er durch den Hojmarichall mit Schwerin ein Ablommen!) treffen laffen, wonach lekterer es über: nahm, die Belöftigung für die Prinzen felbft und deren Umgebung (die Herren dv. Fleming, v. Podewils und dv. Brandt, die beiden Dandelmann, fowie zwei Kammerdiener und einen Tafeldeder) zu liefem, wofür er täglih 5 Thaler erhalten ſollte. Der nötige Wein (tägli 4 Quart) follte beſonders bezahlt, ferner dann und wann etwas Wildpret aus der Hoffüche geliefert und das Brot, zu dem aber Schwerin dag Kom zu liefern babe, auf dem Mühlenhof gebaden werden. Prinz Ludwig fcheint feinem älteren Bruder, dem Kurprinzen, ähnlich geweien zu fein. Schwerin fchreibt jpäter einmal (1. Oktober 1677) dem Vater, der Prinz halte fih recht wohl, er unterlaffe nicht, Kleine Mängel jederzeit mit guter Manier zu torrigieren, der bedeutendfte derfelben ſei, daß der Prinz „etwas zu gefchwindem Zorn geneigt” jei, doch Habe fich das fchon ge: beffert, und er hoffe, es werde fich mit der Zeit gänzlich ändern. Leider ift diefed die einzige Bemerkung von ihm über den Prinzen, welche wir befiten. Als im Fahre 1674 der Kurfürft aufs neue die Waffen gegen Frankreich ergriff und an der Spihe feiner Truppen nach dem Elſaß zog, bat ihn von jeinen Kindern nur der Kurprinz begleitet, der während diefes Feldzuges am 7. Dezember zu Straßburg geftorben ift. Schwerin erhielt den Befehl, mit ben beiden anderen Prinzen nach Cleve zu geben, um den Prinzen Friedrich wieder eine Kur bei einem berühmten holländi= ſchen Arzt Zeig, mit dem verabredet worden war, daß er zeitweilig dorthin kommen follte, durchmachen zu laflen, und fie haben fich dort, da dieje Kur von günftigem Erfolg war, der Arzt aber verlangte, den Prinzen länger unter feiner Aufficht zu behalten, vom September 1674 an bis Ende Mai 1676 aufgehalten. In den erhaltenen Briefen Schwerins an den Kurfürften aus diefer Zeit finden ſich nur kurze Nachrichten über den Gejundheitszuftand der Prinzen, von ihrem fonfligen Thun und Treiben ift gar nicht die Rede. Die Nüdreife ging über Kaſſel und bier bat fich der jetzige Kurprinz Friedrich, obwohl erft 19 Jahre alt, mit feiner Goufine, der Prinzeffin Elifabeth Henriette von Hefien, die er

1) d. 15./25. November 1673 (v. Orlich IIL, 362).

171] Die Erziehung ber älteren Söhne des Großen Kurfürften. 171

ſchon von Kindheit auf liebte, verlobt. Der Bater Hatte anfangs Be- denken dagegen gehabt, da er damals, mitten im Kriege gegen Schweden, die dadurch veranlaßten Koften fcheute, hatte aber fchließlich auf Schwering Berwendung feine Zuflimmung dazu erteilt. Mitte Juni 1676 traf Schwerin mit den Prinzen wieder in Berlin ein, auf feinen Antrag wurde er jebt von der Aufficht Über den Prinzen Friedrich entbunden. In dem betreffenden Schreiben vom 20. Juni 1676) jpricht der Kur⸗ fürſt ihm in den ehrendften Ausdrücden feinen Dank für die treue Sorg- jalt, welche er auf die Erziehung feines Sohnes verwendet, und feine Zufriedenheit mit den erzielten Erfolgen fowie das Bertrauen, daß auch der Prinz fich ihm dankbar zeigen werde, aus, und dieje Hoffnung hat fih durchaus erfüllt, der Kurprinz bat auch fortan zu Schwerin in dem freundlichften Verhältnis geftanden und hat fich mehrfach ala deflen Saft in Alt⸗Landsberg eingefunden. Prinz Ludwig ift noch weiter, jedenfalls bis zu Ende des Jahres 1678, unter Schwerin Obhut geblieben. Als Schwerin damals, ſchwer gekränkt durch Anfeindungen von feiten des Prinzen von Dranien, der ihn für den Urheber der Entfremdung bielt, welche zwiſchen dem Kurfüriten und der Holländifchen Regierung eingetreten war, und daher feine Entfernung zu bewirken juchte, ein neues Abſchieds⸗ gefuch einreichte, machte er den Borichlag, daß vorläufig, bis ein neuer Hofmeifter für den Prinzen ernannt fei, Fleming und Dandelmann denjelben überwachen follten; der Kurfürft aber hat auch jet nichts von feiner Entlaffung wifjen wollen, hat ihm jeboch aus Rüdficht auf fein Alter und feine Kränklichleit den größten Zeil feiner Amtsgeſchäfte ab- genommen und ihm geftattet, in Alt⸗Landsberg zu leben, von wo er nur bei bejonderen Gelegenheiten nach Berlin herübergekommen ift. Ob dort noch Prinz Ludwig bei ihm geweſeu ift, wiffen wir nicht. Infolge einer jchweren Erkrankung, die ihn am 17. September 1679 befiel, ließ Schwerin fich Anfang Oktober nach Berlin in jeine Wohnung im turfürftlichen Schlofje bringen, und bier ift er am 14. November geftorben. Seine Anhänglichkeit an feine Zöglinge hat er noch dadurch bewieſen, daß er in feinem Teftamente den Prinzen Friedrich und Lud—⸗ wig, fowie dem älteften Sohne des Kurfürften aus zweiter Ehe, Philipp Wilhelm, Eleine Andenken vermacht hat.

1) v. Orlich III, 864 f.

Bleine Mitteilungen.

Sieben Urkunden aus dem ſtädtiſchen Archiv von Fürftenwalde. Mitgeteilt von DO. Breitenbach in Fürſtenwalde.

Die meiften im fädtiichen Archiv von Fürftenwalde aufbewahrten Urkunden find von Wohlbrück in feiner Gefchichte des ehemaligen Bis⸗ tums und Landes Lebus (3 Bde., Berlin 1829—32) und von Bolt in feiner Chronik don Fürſtenwalde (Fürſtenwalde 1837) benutzt worden. Während Wohlbrück aus den Originalurlunden fchöpfte, fcheint Goltz wenigftena für die ältere Zeit das im Archiv befindliche Rotbiche Kopial- buch benutt zu Haben; denn die wenigen älteren Urkunden, die in diefem Dokumentenbuche nicht kopiert find, find auch bei Bolt nicht zum Ab⸗ drud gelommen; möglich, daß Goltz auch einige von ihnen nicht be= rüädfichtigte, weil fie ihm nicht zur Sache zu gehören fchienen. Wohl⸗ brück Hat aber von den Urkunden des vierzehnten Jahrhunderts nur bie wichtigften ganz abgedrudt; die unten folgende Urkunde Biſchof Wenzels hat er gar nicht gefannt. In Riedels Codex diplomaticus hat man Wohlbrück oder Golt ausgeſchrieben.

So find denn die folgenden fieben meift dem vierzehnten Jahr⸗ Hundert angehörigen Urkunden des ftädtifchen Archivs bisher noch nicht veröffentlicht. Die drei Urkunden von 1879, 1382, 1427 ftehen nicht im Rothſchen Dokumentenbuch, waren alſo zu der Zeit, al8 Roth fein Dokumentenbuch fchrieb (im Jahre 1714), jedenfalls nicht im ftädtifchen Archiv. Wir ſetzen diefe drei voran und laffen dann die vier auf Will- mersdorf bezüglichen Urkunden aus den Jahren 1356, 1368 und 1369, deren Inhalt Wohlbrück ſchon zum Zeil verwertet hat, folgen.

L

Der Jude Abraham von Arnswalde gelobt der Stadt Fürften: walde, ſich für erlittene Unbill nit rächen zu wollen.

Ort vermutli Frankfurt aD. d. 19. Mai 1379.

‚Ik Abraham jode van Arnswalde tu kunt unde bekenne openbar in dessim brive allen den jhenen dy yn syen aver horin lesin dat ik gelovet hebbe unde gelove in gudin truwin mit mynen nakömelengin den erbarn ratherren unde der ganzen gemeyne der stat Fürstinwalde vor allin schadin unde eyne ganze züne umme dat, dat dy jode David dar selvet gebernet wart und ouk umme dat, dat Smargam myn vadir tu Vrankın- torde van zynent weyn (wegen) an gegrepin wart umme drouwe wort, dy

174 Kleine Mitteilungen. (174

dy selve Smargam myn vadir von dez Davidis weyn gehat hod. Dar heft he an genoten der erbarn ratherren, richters und der schepin cu Vrankın- rörde, dy dar vliseclich gebetin hebbin, dat dy selve Smargam myn vadir ledich ist wurden; des ik unde myne nakömelinge yn allin vliseclch dank weten unde willin yn darumme gerne dynen. mme so love ik unde alle myne nakomen van der sake weyn nymande zu beschedegin nach vordenkin wedir mit wordin noch met werkin dy wyle wy leven, dat rede wy in gudin truwen an allirleye argelist, met orkunde des brives vorse- gilt met myme an gehangin ingesegil. Gezug dirre saken synt dy erbam rotherren cu Vrankinvorde, dy dat myt andirn bederwin lutin getedingit hebbin. Gegeven nach gotis gebort dritteynhundirt jar dar na indeme neghenundseventigistim jare an dem tage der heylegin himmelvart unsirs

errin. Das Siegel ift verloren.

E3 macht einen tragifomifchen Eindrud, auf dem Umſchlag obiger Urkunde den Inhalt derfelben folgendermaßen angegeben zu lefen: „Abrahams Jode von Arnswalde Erkenntlichleit gegen den Rat wegen der Gutthaten, feinem Bater und feinen Freunden erwiefen.” Da Sachverhalt ift offenbar der: Der Jude David ift in Fürſtenwalde ver- brannt worden vielleicht aus Anlaß einer der Peftepidemien, die fat der Mitte des vierzehnten Jahrhundert? die Mark wieder und wieder heimfuchten und in vielen Städten Judenverfolgungen veranlaßten. Der Jude Smargam, vermutlich ein Verwandter desfelben, hat besiegen in Frankfurt Drohworte gegen die Stadt Fürftenwalde ausgeftoßen und ift aus diefem Grunde eingeferfert worden. Er wird nun von den Frank—⸗ furter Behörden nur freigelafien, nachdem fich fein Sohn Abraham aus Arnswalde dafür verbürgt hat, daß er und fein Vater nichts Feind⸗ felige8 gegen Rat und Bürgerfchaft von Fürftenwalde unternehmen wollen. Dies die Gutthaten, die der Nat von Fürftenwalde dem Juden Abraham erwielen bat.

II. Bifhof Wenzel von Lebus beftätigt, daß Bernharb von Hambord, Arhidiafonus der Lebufer Kirche, und beffen Bruder Konrad von Hamborh das Dorf Neuenborf bei Hürftenwaldbe an das Lebufer Domkapitel geihhentt, bes ziehentlich verkauft haben, den 23. März 1382 zu. Gürftenwalde

Nos Wenceslaus, dei et apostolicae sedis gratia episcopus Lubucensis, ad universorum notitiam tam presentium quam futurorum et praesertim illorum, quorum interest, volumus pervenire, quod constituti in nostri pre- sentia venerabiles viri domini Petrus decanus, Paulus scolasticus, Nicolaus cantor, Johanes Seckil, VWölgwinus, Nicolaus Hünderii canonici totumque capitulum ecclesie Lubucensis ex una ac Bernhardus, archidiaconus eC- clesiae nostre predicte, sui ac Conradi Hamborch layci, fratris sui, nomine et Nicolaus Rossow, avunculus domini Bernhardi archidiaconi praefati, parte ex altera recognoverunt et dixerunt se quendam contractum de et super villa Nuendorff prope Furstenwald sita rite et rationabiliter inivisse et fecisse conditionibus et modis omnibus, prout in littera Bernhardi archi- diaconi et Conradi fratris sui praedictorum sigillata ac pro nobis producta

continetur, lucidius apparebit, cujus quidem literae tenor per omnia se- quitur in haec verba:

175] Kleine Mitteilungen. 175

Nos Bernhardus, archidiaconus Lubucensis, et Conradus laycus Camy- nensis dyocesis fratres dieti Hamborch ad universorum notitiam cupimus enire, quod villam dietam Nuendorff prope Furstenwaldis cum omni- bus suis pertinenciis et juribus, cum jure infimo et supremo, cum jure pstronatus, cum pactu, censu, precaria et servicio curruum, cum agris ceultis et incultis, cum lignis, pratis, pascuis et paludibus, greniciis et limitibus ad eandem villam ab olim spectantibus, prout ad nos et heredes nostros pertinere dinoscebantur et ut nos eandem villam ab ecclesia et domino nostro episcopo Lubucensi habuimus et tenuimus in feudum, quam quidem villam olim ab hostibus diruptam et quasi omnino desolatam nostris pecuniis a quibusdam civibus Frankenfordensibus conparavimus ac etiam nostris sumptibus non modicis et expensis reformavimus, honora- bilibus viris, dominis decano atque praelatis et canonicis, praesentibus et futuris totique capitulo ecclesiae Lubucensis predictae in parte vendidimus et in parte donacioni solempni donavimus ac coram reverendo in Christo patre ac domino nostro, domino Wenceslao, episcopo Lubucensi, dimisimus ac pro nobis et nostris heredibus sponte et libere resignavimus, pro qua quidem villa dieti domini praelati et canonici michi rado supradicto quadraginta sexagenas grossorum Pragensium in prompta et numerata pecunia dederunt et integre persolverunt ac michi dieto Bernhardo archi- iacono decem sexagenas grossorum Pragensium singulis annis ad tempora vitae meae quolibet anno in festo sancti Martini dilacionibus, contra- dietionibus atque exceptionibus quibuslibet postergatis de bursa seu curario dieti capituli ın omnem eventum dare et solvere debebunt, prout michi bona fide promiserunt atque sponte et ad hujus modi soluc..... 8. 8... essoresqne suos dietum capitulum obligaverunt annuentes michi Bernhardo archidiacono, ut de redditibus dictae villae Nuendorff ad summam oeto sexagenorum grossorum Pragensium annuorum reddituum testari valeam, prout jam feci et facio nichilominus per praesentes statuens hoc perpetuum meum testamentum in hune modum: Quod in anniversario meo, illo die, quo debitum naturae persolvere me contingat, duas sexagenas Groseorum Pragensium, item in anniversario parentum meorum videlicet radi Hamborch et Berthae, uxoris ejus, dominica Cantate unam sexa- nam, item in anniversario Heinrici Tupitz et Margaretae, uxoris ejus, e, quo eadem Margareta diem suum clauserit extremum, unam sexa- geuam, item in anniversario Alberti Pritzkow et Helewigis, uxoris ejus, unam sexagenam grossorum praesencium juxta morem et consuetudinem dietae ecclesie Lubucensis peragendum ac inter eos, ut infra dicetur, dictas pecunias dividendas, item ın festo Beatae Mariae Magdalenae unam sexa- genam grossorum praedictorum inter praelatos et canonicos Lubucenses ne praesentes duae partes ac inter vicarios dietae ecclesiae dictis anni- versariis et festo interessentes tertiam partem dictarum sexagenarum, prout in eadem ecclesia moris est dividendum; insuper pro lumine per- beruo in ecclesia kathedrali Lubucensi in medio chori sive eccelesiae!) ha- do, tenendo et perpetuis temporibus die noctuque ardendo singulis annis etiam perpetuis temporibus duas sexagenas grossorum praedictorum. Hujus rei testes sunt honorabiles et disereti viri Fredericus Belkow., Johanes Beyir, cives Frankinfordenses, Petrus Berenveld ac Ulricus, prae- dieti domini nostri episcopi notarius, in quorum omnium testimonium et evidenciam pleniorem nos Bernhardus archidiaconus ac Conradus Ham- borch supradicti sigilla nostra ‚praesentibus duximus appendenda. Datum et actum in dieta Förstenwald, anno domini 1382 vicesima tertia die mensis Marcii. . Nos vero Wenceslaus episcopus praefatus fratrum nostrorum in ansto praedictorum et Bernhardi archidiaconi, Conradi Hamborch et N at Rossow praedietorum justis peticionibus inclinati dietum contractum vendieionis, donacionis, resignacionis ac testamenti assignavimus ac ipsam

1) Undeutliche Korrektur.

176 Kleine Mitteilungen. [176

literam in omnibus suis punctis et clausulis ratificamus, approbamaus et tenore praesencium ex certa nostra sciencia confirmamus ac ta ipsorum Bernhardi archidiaconi, Conradi et Nicolai praedietorum resig- nacione, ut praefertur, praefatam villam Nuendorff cum pleno dominio utili et directo et omnimoda libertate judicioque supremo et infimo dei intuitu et animae nostrae salutis ob respectum eidem capitulo nostro libere et liberaliter contulimus ac in proprietatem et in proprium appro- priavimus et incorporavimus, libertavimus et exnunc tenore praesencium conferimus, appropriamus, incorporamus, donamus et libertamus modis praedictis perpetuis temporibus possidendam. In quorum testimonium omnium sigilluam nostrum majus praesentibus est appenssum. Datum Furstenwald anno domini millesimo trecentesimo octuagesimo secundo, dominica, qua in dei ecclesia Judica decantatur, praesentibus honorabilibus viris F’rederico Belkow, Johane Beyer civibus Frankfordensibus, Petro Berenveld et Ulrico, notario nostro, qui omnia praescripta habuit in com- misso. Das Siegel bes Biſchofs Wenzel ift verloren. . Nüdfeitige alte Notiz: super Nuendorf. Confirmacio domini Wenceslai episcopi.

Der Ausfteller der Urkunde, Bilchof Wenzel, ift ein Sohn bes Herzogs Wenzel von Liegnik. Er erfcheint 1377 zum erftenmal ur tundlich ala Biichof von Lebus (MWohlbrüd IL, 5) und wurde 1381 zum Adminiftrator des Bistums Breslau ernannt. Nachdem er dann von dem Domkapitel zu Breslau auch zum Biſchof poftuliert war, zog fich feine Beftätigung bi8 in den Sommer des Jahres 1382 Hin infolge des Konfliltes, in den da8 Breslauer Domkapitel mit der Stadt Brezlau und dem König Wenzel geraten war. Die äußere Veranlaffung zu diefem Streit war komiſcher Weife ein Fäßchen Schweidniter Bier (vgl. Srünbagen, Geſch. Schlefiens I, 207). Die obige Urkunde vom 23. März 1383 ijt die leßte ung befannte Urkunde, die Wenzel als Bifchof von Lebus ausſtellte. Die Hier vortommenden Mitglieder des Domkapitels find mit Ausnahme der lebten beiden Domherrn auch fonft in Urkunden genannt (vgl. Wohlbrüd I, 311 ff. und II, 36). Was ferner die beiden Ausfteller der in die Urkunde Wenzels eingefügten Verkaufs⸗- beziehungs- weife Schenkungsurkunde anbetrifft, jo ift der eritere Bernhard von Ham burg ala Lebuſer Domherr und dann ala Archidiafonus der Lebufer Kirche auch jonft von 1362 bis 1392 in Urkunden Häufig genannt. Gt war auch 1366—67 Protonotar des Markgrafen Otto von Brandenburg, und diefer fchenkte im Jahre 1867 dem ersamen manne B. van Ham- burg unserm ubersten scriver und feinem Bruder Conrad, der ja aud hier neben Bernhard ala Mitbefiker von Neuendorf erjcheint, das Dorf Beynekindorff in der Altmark (Riedel A XVII, 508). Die Familie Hamburg ſcheint mehr aus dem Welten der Mark zu ftammen; wenig» ſtens wird ein Kone Hamburg 1342 ala Ratmann in Alt-Brandenburg erwähnt, und der Oheim unfere® Brüderpaares, Nikolaus von Roffom, gehört ficher der altmärkifchen Familie an, deren Glieder in den Ur funden der Klöfter Arendfee und Neuendorf im 14. Jahrhundert Häufig genannt werden. Die Familie Tupitz war in Frankfurt angefeflen, und der bier erwähnte Heinrich Zupig, der alfo mit den Hamburgs ver wandt gewejen zu fein jcheint, dürfte identifch fein mit dem Heinrich, der 1355 mit feiner Mutter Margarethe in der Frankfurter Marien-

177] Kleine Mitteilungen. 177.

kirche einen Altar ftiltete (Riedel XXIII, 74). Die Zeugen Friedrich Bellow und Johann Beyer gehören ebenfalls Frankfurter Patrizier- familien an. Peter Berenjeld gehört zu der wahrjcheinlih nach dem Dorfe Berfelde bei Fürftenwalde genannten Yamilie. Ein Peter dv. Beren⸗ velde war 1358 Lehnfchulze in Roſenthal (Wohlbr. I, 226) und Johann und Peter, Gebrüder von Berenvelde werden 1364 in einer Urkunde des Könige Wenzel von Böhmen als Bafallen des Landes Lebus genannt. Auffällig wäre freilich, daB Peter hier Hinter den Frankfurter Bürgern genannt wird. Eine eigentümliche Schwierigleit erhebt fich bezüglich der Beitimmung, es folle eine ewige Lampe in ecclesia cathedrali Lubu- censi unterhalten werden. Welche Kirche war im Sabre 1382 die Kathedralkirche des Lebufer Bistums? Formell noch die Kirche auf dem Berge bei Lebus, faktiſch aber wohl ſchon die Pfarrfirche in Fürſten⸗ walde. Denn in einer Urkunde von 1373 jagt Bifchof Peter (Riedel A XX, 240) von jener Meinen Kirche auf dem Berge bei Lebus: Ipsa quoque ecclesia cathedrali et altaribus ejus inhumaniter vivlatis in stabulum jumentorum fuit et est commutata (scil. ecclesia), und die Domherrn werden aufgefordert, quatenus residenciam, quam in dicto opido Fürstenwalde tempore guerrarum, de. quibus supra dictum est (gemeint ift der Feldzug Karla IV. v. J. 1373) incepistis et ad quod dieto tempore pro salvatione corporis et rerum confugistis, perficiatis ipsamque residenciam, sic ut praefertur, dudum per vos inceptam de cetero et inantea perpetuis temporibus continuare studeatis, decantantes ibidem in ecclesia beatae Mariae virginis gloriose matutinas, missas et alias horas canonicas. Die Kathedrallirche in Lebus ijt alſo offenbar gar nicht wiederhergeftellt worden. Sie drohte endlich im Jahre 1385, in dem die definitive Verlegung ftattfand (Riedel XX, 242 obtenta licencia sedis apostolicae speciali), jogar einzuftürzen. Wahrfcheinlich iſt der Ausdruck in ecclesia cathedrali Lubucensi ohne den üblichen Zufaß in Fürstenwalde abfichtlich gewählt. Jedenfalls Hat aber die ewige Lanıpe in der Füriten- walder Marientirche gebrannt; denn diefe ift fchon feit 1373 vom Dom= tapitel zum regelmäßigen Gottesdienft benußt worden. Was endlich den fonftigen Inhalt der Urkunde angeht, fo gehört Neuendorf zu den im Jahre 1354 vom Markgrafen Ludwig dem Römer an den Bijchof Heinrich von Lebus abgetretenen Befigungen. Cs ift charakteriftiich für die finanzielle Lage der Wittelabacher, daß ein anjehnlicher Teil diefer Beſihungen mit allen Einkünften und den wefentlichen Hoheitsrechten teils an Getreue des Markgrafen verliehen, teild an reiche Frankfurter Bürger veräußert waren, deren Kredit die Wittelsbacher überhaupt in ausgedehnten Maße in Anipruch nahmen. So waren die Einkünfte und landesherrlichen Rechte in Fürftenwalde an Friedrich don Kochen ver- lieben. Die Entfchädigung diefes bairifchen Günftlings ſcheint Otto jelhft übernommen zu haben (Wohlbrüd I, 616). Dagegen mußte, wie 8 Icheint, das Domkapitel für die Einlöfung anderer Befigungen und Rechte felbft auffommen. So gehörte Neuendorf, wie aus unjerer Ur⸗ tunde hervorgeht, mit allen Rechten und Einkünften cum jure infimo et supremo Frankfurter Bürgern, don denen ed die Brüder Bernhard und Konrad von Hamburg gelauft haben. Sie haben mit fehweren Koften Fotſchungen 3. brand. u. preuß. Geld. VII. 1. 12

178 Kleine Mitteilungen. [178

dag don Feinden völlig zerftörte Dorf wieder aufgebaut. Bei welcher Gelegenheit die Umgegend von Fürſtenwalde fo Heimgefucht worden if, ob vor 1354 zur Zeit der Kämpfe der MWitteldbacher mit ihren zahl: reichen Gegnern oder vielleicht im Jahre 1373, ala auch Lebus von den Truppen Karla IV. zerftört wurde, läßt fich nicht feftftellen. Daß e mit Willmersdorf fich ganz ähnlich verhielt ala mit Neuendori, wird fih aus den unten folgenden Urkunden ergeben.

II. Bürgermeifter, Ratmannen, vier Gewerfe unb bie ganze Bürgerſchaft von Fürftenwalde geben der Schüßengilde daſelbſt ein Statut db. 15. Juni 1427.

In Gotes namen amen. Zu ewighem lobe und hocher ere des al- mechtighin gotis, von deme alle dingk und guthe wergk habin yre wesen und orsprunck, seiner liebin muter maghit Marien, alles hemmelischin heres, zu nutze und besserunge unser stad Furstinwalde synt zu sammene komen und eyntrechtigh worden wir burgermeister und rathman, vier ge werke und gemeyne burgher der unser stad Furstinwalde vorgnant umb ussatzunge und tichtunghe willen einer gotlichin und erlichin samelunghin, cumpenschaft und bruderschaft der schutthin nach andir lande und stethe gewonheit und habin usgesatzt und getichtet meistere, alderluthe und ge meyne cumpan der selbighin ersamen samelunghen, dy sy etzliche zeite von yare zu yare yn üznüwunge der selbighin meistere und alderluten vorweset und vorstandin haben, doch ane bestendicheit und der gemeynen kumpan gehorsamcheit. Uff das nu dy gotliche ussatzunge und tichtunghe der ersamen samelunghin der schuttin meerbenumpt!) nicht vordelget wurde ane redeliche ordenunghe und schigkunghe der selbighin glich eime schiffe, das do usgesatzt wirt den wilden flussen der wassere und ouch nicht vorswerzet wurde von luthin, dv do yn nuweheite der zeiten m wachsende synt von nebele der vorgessunge nnd zweitracht der e....unghe. sunder das sey glich so yn andern steten bestendiget und befestiget wurde, 80 synt vor uns yn unserm sitzenden ratlıe komen dy ersamen vor- sichtighin luthe meistere und alderlute der selbighin ersamen samelunghin und guldin der schuttin offte vorbenumpt und habin uns demuttichlichen gebeetin von geheise willen und vulbort der andirn gemeynen methegulde

rudern, das wir yn eyne bestendicheit und befestunghe der selbighin samelunghin offte vorbenumpt eynes briffes mit unser stad segil vorsegel geruchtin zu gebene. Wir adir burgermeistere und rathman vorbeschrebin sothane yre bethe anhorende zu hertzin namen gedenckende dy ussatzung? des rechtin, das allen gotlicher und erlicher dinge bittenden gunst, gute willen und vorderunge nicht zu vorsaghene steit, hirumb bekennen Wir burgermeistere und ratlıman der stad Furstinwalde meerbedacht vor allen, dy dessin unsern offin briff sehen adir horin leessin, das wir nach u8- satzunge, tichtunge, willen und fulbort der vier gewerke, der gemeynen burgere und alsam begere der ersamen methe guldebruder der same lunghin vorgenant befestiget und bestendiget habin, befestighen und be- stedighen mit craft dessis, unsers briffes dy ersame samelunghe, bruder- schaft und gulde der schuttin unser stad Furstinwalde obingenumpt un wollen ernstlich, das alle yre gerechticheit und gewonheit glich so 1 andirn steten der selbighin guldin von allen vren methebrudern stete un veste unzubrochen sulle gehaldin werdin. Dy gerechticheit und gewon- heit der merbedachtin samelunghin und guldin vorvolget sich yn dessen nachgeschrebin schrifften: |

l) Die Buchftabenberbinbungen e mit darüber ftehendem e, und y mit über Hebendem e haben in Urkunde III al® ee und ye wiedergegeben werden müflen.

179] Kleine Mitteilungen. 179

Zu dem erstin male, das wir burgermeistere und rathman vorgnant, dy nu synt adır nach uns komen werdin, umb ussatzunge und merer be- sledicheit der meerbedachtin samelunghbin und guldin alle yar, wen dy schuttebruder den vogil schissen, begnediget habin mit eyme vasse birs yn zu gebene. Darumb sal eyn yderman, der yn der ersamen samelunghin eyn methebruder wil syn, seyn eyghin schuttegerede habin. Das selbige zu eighin schuttegerede sal eyn yderman, wen her den pfennigk zu den viergezeiten des yares gibbet yn dy buchse zu erhebunge und stiftunge gotliches dinstes, brenghin vor dy meistere und aldirlute der ersamen samelunghin obin meerbedacht, was denne eyme ydermane nach urkent- nisse der selbigbin broch adir schelsam wirt seyn an seyme gerethe, darumb sal eyn yderman, wem so gebricht, ane wedirsproch seyne busse, eynen halbin groschin, gebin. Zum andirn male wolle wir gehaldin habin, das eyn itzlicher der eyn methebruder der selbighen ersamen samelunghin meerbedacht wil syn, der sal eyn from unvorsprochin bedder- man syn, unde eyr her dy gemeinschafft der kompan entpfanghin wirt, so sal her gebin eyn pfunt wachs zu den lichten und dry groschin den metheguldebrudern yn dy buchse und wer denne us der gemeinschafft der guldebrudere scheiden wil, der sal yn dv gulde und bruderschafft ufeagin mit liplicheit und yn, der bruderschaftt, fruntlichin danckin und eyn pfunt wachs gebin zu den lichten. Darnast wollin wir, wen d meistere adir aldirluthe adir weme das under yn bevolin wert dore nodis adir geschefftis wille dy methebrudire lassın vorbodin, wer under den metekunpan nicht dar zu kummet ane redeliche sachin, der sal synen broch, elbe pfennynghe, dor umb gebin. Wen abir ikeyme schuttebrudere syne husfrowe, seyne kyndere, adir her selbin nach gotis schickunghe von todis halbin abeginghen, wer under den methebrudern vorbotli wirt und der man adir seyn weip zu der vilghin eynes aldin menschin nicht kumet ane redeliche sache, der vorbüsset vier pfennyge, zu der Selemesse ouch so vil. Stirbt abir eyn kynt, so vorbüsset man zu der vilghin zwe pfennyge, zu der sclemesse ouch so vil. Abir wollin wir, wen dy schutte-

radere den vogil schisen und am suntagis abunde eyne gemeyne vilghe allin libin selen dye nicht meer won das gemeyne gebeth der heilighin eristenheit habin, sunderlich den libin selen, dy do itzund vorscheidin eynt und noch yn zukunftighin zeiten us der gemeynschafft der ersamen samclunghin vorgnant vorscheidin werdin zu hulffe und troste haldin lassen. Ist der man nicht do bey adir seyn weip, der vorbusset sechs pfennynghe, zu der selemesse ouch so vil. Abir wollen wir, wen dy schuttebrudere den vogil schisen, wer under yn den vogil abeschiset, der sal eyn yar yr konnyngk seyn, deme sollen sy zu erin gebin zwenzigk groschen vore eyn schoneparhosen (sie!). Unde der selbighe ir konnyngk sal den vogil alle suntage und heilige tage, wen her zu hüs ist, traghin allin methebrudirn und sich zu erin, unde welchir under yn den vogil dry yar nach enander abeschiset, des sal der vogil eyghin seyn; wen d schuttebrudere sollen en wedir von loosen umb eyne halbe ... rg silbers .. . . . schillinge groschen. Una der selbighe yre konningk, wen her den vogil abeschieset, so sal her dy methebrudere schenkin und erin mit eyner tunen birs, darumb sal der ire konnigk zerunge und bires zu der gu!din frye syn. Abir wollin wir stete unzubrochin gehaldin habin, weres sache, das der methebrudere der ersamen samelunghin vorgnant irkein breche adir vorworchte mit wortin adir thetin an den meistern, aldirluthin adir an eyme andirn metebrudere wen sey dy gulde habin, adir sich wedir dy bussin, wen her brochsam wurde, frevelich setzte, den h sollen sy under sich zu straffine habin. Weres denne das yrer erk- eyn dy straffunge vorsmahete und krichlich vor dy rathman syne sachin euchin wolde, der sal der stad nach erkentnisse und sines brochis hoghe und nederunge syne busse gebin. Was her denne der stad gibbet, so vil der helften sal her den methebrudern gebin. Zum letztin und erstin wollen wir, was von brochin adir anderleye sachin yn dy buchse wirt ge- gebin, das sollin dy meistere und alderlute mit truhen vorhaldin zu uf-

12 *

180 Kleine Mitteilungen. [180

richtunghe und buwunghe gotlicher werke und dinste. Das abir alle desse vorgeschrebene articel und ey........ ches besundern stete veste und unzubrochin werden gehaldin, so habe wir burgermeistere und rath- man vorgnant zu merer sicherheit und bekentnisse unser stad sigil mit wissen an dessin unsern offin briff lassin henghin, der gegebin ist nach gotis gebort vierzehnhundert und, darnach yn deme sebenundzwenzigstem Jare am abunde der heilighin gotis drifaldicheit.

Siegel der Stadt nicht mehr vorhanden.

Die Statuten der Fürftenwalder Schüßengilde aus dem Jahre 1427 bezeugen, daß diefe Gilde eine der älteſten ihrer Art in der Marl Brandenburg if. In dem Riedelſchen Codex dipl. Brandb. wird als die ältefte Schüßengilde der Mark die zu Frankfurt im Jahre 1406 ur kundlich erwähnt: Bilchof Johann von Lebus genehmigt die Ausstattung eine Altars von feiten der Schüßengilde zu Frankfurt (Riedel XXI, 143). Dann folgen im Jahre 1424 die Gründungsurkunden der Schüßen gilden zu Trenenbriegen und Beeskow (Riedel A IX, 411 u. XX, 385). Das nächſte Statut, welches überliefert ift, ift das der Fürſtenwalder Schügengilde. Aus unjerer Urkunde ift zu entnehmen, daß die Gilde fchon vor 1427 eriftierte. Die Meifter und Alderleute derfelben em- pianden aber das Bedürfnis, ihre eigene Autorität und den Beſtand der Gilde zu befeftigen durch unumftößliche Satzungen, welche von der Re präfentation der gelamten Bürgerfchaft hiermit feierlichit beftätigt und garantiert werden. Beiläufig bemerkt Liegt hier auch die erfte Erwäh- nung der Fürftenwalder vier Gewerke es find die Tuchmacher, Fleiſcher, Bäder, Schuhmacher refp. Lohgerber vor. Es ift interefjant zu ſehen, wie gefliffentlich in den Satungen, die fonft 3. B. Hinfichtlid der Wahl der Vorfteher Beitimmungen vermiffen Yaflen, der kirchliche Charakter der Gilde in der Biſchofsſtadt hervorgekehrt wird, fodaß eine folche Echüßengilde nach Zwed und Wejen einer religidfen Gilde ziem⸗ lich nahe Steht. Auch hier nehmen die Frauen an dem religiöfen Zeil des Programms mit gleichen Rechten und Pflichten teil. Im dem Scübenftatut im nahen Beeskow werden die kirchlichen Pflichten bet Mitglieder überhaupt gar nicht erwähnt. In Fürſtenwalde follen alle Einnahmen, die in die Büchfe fließen, jowohl die regelmäßigen viertel jährlichen Beiträge, als die Strafgelder zu ufrichtunghe und buwunge gotlicher werke und dinste verwandt werden, und wie ernſt man es hiermit nahm, geht aus zwei bei Goltz (S. 97 ff.) abgedrudten Urkunden des Jahres 1446 hervor. Die Schüßengilde erbaute und dotierte näm- (ich eine außerhalb der Stadtmauer gelegene St. Jakobskapelle; fie ftand, wie fich gleich zeigen wird, vielleicht dor dem Mühlenthor. Der Apoftel Jakobus ift jedenfalle ein ganz ungewöhnlicher Schußpatron einet Schützengeſellſchaft. Befler paßt fchon die Heilige Barbara, die Schuß: patronin der Schüßen, die neben der Heiligen Getrud als fonftige Heilige diefer Kapelle genannt werden. Die Dotierung dieſes Kirchleins, welche die Eiferfucht des Domkapitels erregte, beftätigte Bilchof Johannes 1446 unter gewiflen Beichränfungen binfichtlic des Gottesdienſtes. Gr gr ftattete jchon damals, daß in einem Häufelein bei diefer Kirche vier arme Leute wohnen follten, die von den Bürgern Almofen annehmen dürften. Aus diefem Häufelein wird ſich ein Hoſpital entwidelt haben

181] Kleine Mitterlungen. 181

in derfelben Weile, wie vor dem Müncheberger Thor neben der Heiligen Geiſt⸗Kapelle, die die Fürſtenwalder Elendagilde erbaute und unterhielt, das Hofpital zum Heiligen Geiſt entftand. Es findet fi) nämlich ſpäter ein Hoſpital vor dem Mühlenthor, welches 1659 niederbrannte und über defien Entftehung nichts Sicheres befannt zu fein ſcheint. Daß der Bogel, nach dem man jchoß, in faft ganz Norddeutſchland, aljo gewiß auch Hier, ein Papagei war, Hat Jacobs (Die Schüßenkleinodien und das Bapageienjchießen, Wernigerode 1887) überzeugend dargethan. Auch die Beitimmung, daß der Schübentönig dag filberne Schüßenkleinod, „den Vogel”, wie es kurzweg Heißt, an Sonn und Feiertagen tragen muß, findet fi) wie in anderen alten Statuten. Wie in Kiel, Braun ſchweig, Köln-Berlin gehört diejer filberne Vogel demjenigen zu eigen, der dreimal Hintereinander den Königsſchuß thut, ja der Vogel Hat jogar genau denjelben Wert, wie 1545 in Braunfchweig und 1572 in Köln⸗ Berlin, nämlich eine Halbe Mark Silberd. Denn die Schützengeſellſchaft kann ihn zu dieſem Preife von demjenigen, der ihn auf die oben- bezeichnete Weije erworben hat, wieder einlöjen. Die Urkunde trägt auf der Rückſeite die Notiz: „Johan Felbinger der Yünger von Yürften« walde anno 1611, nach Außgange dießes Briefes 184 Jahr.” Im Sabre 1610 verlieh nämlich der Magiltrat der Schübengilde neue Statuten, die und ebenfalls erhalten find (Golg ©. 247), und damit dürfte jene Bemerlung zufammenhängen. Johann Telbinger war 1610 Bürger- meilter (F 1613) und bat die neuen Statuten mit den drei andern Bhrgermeiftern unterzeichnet. Die neuen Saßungen von 1610 zeigen natürlich mancherlei Veränderungen gegen die früheren. Alle kirchlichen Berpflichtungen der Mitglieder find weggefallen; nur find die Schüßen- brüder verpflichtet, einen Genofjen oder deflen Angehörige zu Grabe zu tragen reſp. zu geleiten. Man fchießt auch beim Haupt- oder Frei⸗ ſchießen zu Pfingften nicht mehr nach dem Vogel, fondern nach der Scheibe, und der Preis ift nicht mehr das Hojentuch, jondern 20 Thaler und völlige Freiheit von allen bürgerlichen Laften. Nach dem Hoſen⸗ tuh wird nun im Sommerbalbjahr alle 14 Zage am Sonntage ge- ſchofſen. Infolge des dreißigjährigen Krieges, der alles Fröhliche Leben ertötete, ging, wie in vielen Städten der Mark, auch in Fürſtenwalde die Schügengilde ein, wurde dann zwar 1696 erneuert, do nur um 1713 wieder einzufchlummern. Friederich I. nämlich, der in Fürſten⸗ walde öfterd jagte und ſich bier 1700 ein Jagdſchloß erbauen ließ, weldhes noch fteht, hatte 1696 auf Bitten des Magiftrat® 40 Thaler zum Königsgewinnft ausgeſetzt, die aus der Xccifelaffe zu diefem Zweck überwiefen wurden. Der jparfame Friedrich Wilhelm I. zog aber 1713 fofort nach feinem Regierungsantritt diefe Prämien ein, und die Gilde ging infolge deffen zum zweiten Male ein, um erft 1837 zu neuen Leben zu erwachen.

182 Kleine Mitteilungen. [182

Vier Urkunden, das Dorf Willmersdorf betreffend.

I.

Die Brüder Bernt, Hans, Lutold und Heydan Wydener derfaufen das halbe Dorf Willmersdorf an die Brüder Benedict und Herman Boytil; d. 6. Januar 1356 zu Frankfurt.

In gotis namen amen. Ich Bernt, Hans, Lutold und Heyden, ge brüdere Wydenere genant, wir bekennen unde gezügen yn unsem 0 brive vor allen guten lüten, di en seen adir horen, daz wir mit vor be dachtem mute unde mit rate unsir fründe vorkouft haben alliz daz wir haben zu Willemsdorf, virzen l.uben anevalliz von Tile Glüsers wegen unsis vettirn mit allim rechte unde genaden, mit allir frucht unde nuz, mit deme halben kirchlene, mit deme halben schultheysen, mit deme obirsten unde mit deme nedirsten gerichte halb und mit den kosseten, di zu deme halben dorfe gehoren, und mit deme halben see unde mit allir gewonheyt unde vryheit unde mit alle deme, daz dor zu gehort, ewielichen und fredelichen zu haben unde zu besizen ane allirhande wedirrede unde ansprache, ane argelist den bescheyden lüten Benedictus unde Herman uebrüdirn unde eren waren erben vor acht unde drysig marg lotigis silbirs, dy genant syn Boytil. Ouch gelobe ich Benedictus unde Herman Boytil gebrudere den egenanten Bernt, Hans, Lutold unde Heydan gebrudirn Wydenere genant, ab si daz selbe egenante gut wedir unz koufen wolden zwisschen sente Mertynz tag, der neste kumt, daz sulle wir en wedir zu koufe geben umme so getan gelt, alz vore be schreben stet, acht und drysik mark lotigiz silbirs, ane allirhande wedir- rede unde ane argelist. Ouch gelobe wir egenanten gebrüdere Wydenere mit eynir samenden hant unde yn guteu truwen den egenanten Benedictus unde Herman unde eren erben, ab daz selbe egenante gut enege ane vechtunge adir ansprache ‚gewunne, iz were von weme iz were, Gr wir daz vorryten unde vorteydingen sullen unde wollen uf unse kost unde ebentüre glych unsim andirn gute ane argelist. Ouch gelobe wir ege nanten brüder Wydenere den egenanten Benedictus unde Herman gebrü- dirn, ab wir daz selbe egenante gut nicht wedir gekoufen mochten zwischen sente Mertynz tag unde wir iz ymande vor koufen wolden, 50 sulle wirs ersten an biten den egenanten Benedictus unde Herman brüdirn. Moge wir nicht obir eyn komen an deme koufe, so sulle wirs an beyden syten seszen zu unsen fründen, waz di dor zwischen vinden zu eyme mittil, unde daz gut bessir ist wen daz egenante beschreben gelt, do sulle wirs zu lasen an beyden syten unde sullen iz en gunnen vor ymande ane argelist. Ouch gelobe wir gebrüdere Wydenere mit samendir hant den egenanten Benedictus unde Herman dez selbin gutiz lesere unde geweren syn alz recht ist ane argelist. Dez sint gezüg desir dinge Gunther von Stabrendorf, Heynrich von Rlepzik, Henszil von Werben, Zabil Burchardisdorf, Henning Hake, Rudolf von Yericho unde anderer gutir lüte. Gegeben zu Frankentorde, mit unsirn anhangenden insegiln zu eyme grosirn kentnüsse. Noch Christi geburt dryzenhundert jar yn deme sechsunde fumfzigisten iare, an der mittewochen noch der besny- dunge unsers herren Jesu Christi.

Rüdfeitige alte Notiz: super XIIII mansis in Wilhelmsdory.

Bon den vier Siegeln, die daran gehangen haben, ift feind mehr vorhanden.

183] Kleine Mitteilungen. 188

II.

Tie verwittwete Agathe und die Brüder Widener ver— kaufen an das Tomfapitel das halbe Dorf Willmersdorf; d. 29. Dezember 1368 zu Lebus.

Coram universis, ad quos praesentes pervenerint, Nos Otto Haken, Hıynricus de Clepicz, Rannoldus Slaborondorph, Hennynqus Vulco, Ebel Herczeberah, Hermannus Wulco recognoseimus, profitemur et volumus esse notum, quod domina Ayatha relicta quondam Jenekini, Johanes, Heyda et Lutoldus dieti Wydener dimidiam villam suam Wyllamsdorph vendiderunt rite et racionabiliter cum omni proprietate et dominio utili et directo, su- remo et infimo, cum agris, lignis, pratis, pascuis, aquis, piscinis, stangnis, acubus, cum omni jure expresso et non expresso, prout in suis limitibus est distincta, venerabilibus viris et dominis preposito, decano, canonicis et capitulo ecelesiae Lubucensis, quodlibet frustum in bonis possessis pro VI marcis, quod vero non possessum est debetur solvi pro medio et prae- dicti domini acceptarunt empcionem praedictam. Sed in hoc claudicabat, quod Peterstorph eivis in Frankenvord habet ibidem sex mansos; adjece- runt si non poterunt [in totum pro partibus et pro iisdem]!) eos libertare, dederunt dominis potestatem emendi eos et renuncciaverunt juri suo et uod fratres Benedictus et Hermannus dicti Botel arrastabant praedietam imidiam, adjecerunt, quod de pecunia dictae villae deberent eis dari IX marcae, partem argenti, quas mandabant dari per canonicos fratribus praedietis, et ipsi dicebant se stare contentos et reddere literam suas (sic!) et remunciavere ipi villae et impeticioni et repeticioni. Et dieta Ayatha et fratres mandabant residuam partem pecuniarum dari ip- sorum nomine Heynrico de Clepe, Hennigo Wulco, elno Herczebergh et Hıermanno Wulco, et coram eodem capitaneo renunciaverunt pecuniis ad manus praedictorum, promiserunt insuper memorati relicta et fratres Wydener praedictam empcionem velle warandare et exbirgare ab omni inpugnacione et impeticione et ratum et gratum tenere in perpetuum, solucionem pecuniarum factam dictis quatuor et dietum contractum in omnibus suis clausulis sigillare sigillis propriis et literas antiquas et spe- cialiter literas, quas habent dicti fratres Botel, et novas, si quas habent, dietis dominis reddere et rusticis et bonis renuncciare et remittere ad ca- pitulum et canonicos memoratos, ipsos rusticos et bona memorata, et quia dominus noster episcopus non fuit in terris, renuncciaverunt illis bonis specialiter coram Federico Mildenhoupt, capitaneo venerabilis patris domini nostri episcopi Lubucensis, specialiter ipsa Ayatha, cujus dotalicium ex- titit, Johanes et Ludolfus (sic! oben Lutoldus) et Heyda fratres et petive- rant praepositum, decanum, canonicos et capitulum de ipsis investiri et capitaneus investivit cos de praedictis bonis et ad instanciam ipsorum fratrum fidejubemus una cum ipsis Agatha et fratribus principaliter et in solidum bona fide et sine fraude et dolo praedietam mediam villam cum suis bonis exbrigare et warandare ab omni vexacione, impeticione, arre- stacione infra annum et diem, prout est de consuetudine terrarum. Et quod dicti relicta et fratres, quando dictus vencrabilis pater ad terras venerit, debent personaliter et laeto vultu renuncciare dimidiae villae et bonis praedictis coram venerabili patre praedieto XIIII diebus post ipsius adventum. Quod si quis de nostris infra annum et diem suum clauderet estremum diem extunc insynuacione facta dictis fratribus, si infra mensem alıum non subrogaverint vel si ipsi non renunciaverint, ut est dietum, coram dicto domino nostro episcopo, extunc canonicis postulantibus per- mittimus ipsis dietos tenere obstagium in Lubus inde non recessuri, nisi e eorum fuerit voluntate speciali» donec omnia perfecta tenebuntur, ut

1) So lieft Roth diefe in winzigen Buchftaben geichriebenen Worte, welche von anderer Hand hineinkorrigiert Kind

184 Aa: Reerismper [184

„st erpresım. In qurmm quiiem wreprehenubil> 'stamenteum et pro aonem Iteralem siz..-mumm Metrorum Appenseme »ent-3 epistola- dam.+ At dedlimus er munccnitaa 2 Praeentübes bonorabllibas viris ei di eretis Froderun Myd'rıhom;t. Hrn wr-so Halır. Briekius Botel. Erachnu. presbstero et matarıo publieos. cum alı= pluribes fdelieniı Datum et artum in eastro Luhus. anıo demin: e imo trerentesinmo SEXIagesim mtayo AÄXKIX die mensa deeambris.

Ruckheitige Rotiz in gleichz. Schrre: Super media villa Wilkemsdor!.

Ton den he Segeln ud noch pret vorhanden. Tas reine ıR wohl m: halten mit der Umihr:ft S. Otto Hake. Schitd mit drei Haten: das andere if kart beichad: ⁊t, anickernend das Ziegel des Henning Vulcow.

III.

Heinrich v Glepiz, Henning Wälko, Ebel Herjebergb und Hermann Wulfto befennuen. vom Tomlapitel das Gelb für halb Willmersdboriempiangen zu haben, um es der Agathe und den Gebrüder Yudener 3u übergeben: db. 29. Tezgember 196 zu Lebnza

Coram universi«, ad quos praesentes enerint, Nos Heynriewi dr Clepice. Heunynpa Wulro, Ehe Herervrah et Herrmann recog- noreimns et volumus erse notum, quod facta empeione dimidiae villar Wyllamps»dorph cum Agatha, cujus dotalicium extitit, quondam Jendin: Wyrlruer, Johnne, Heyla et Ludolfo fratribus et universo contractu tota- liter celebrato dieti Agatha, Johanes, Heyda et Ludoljus exceptis novem marcis, quas mandabant dari fratribus Hermano et Benedicto Botel, per eanonicos renunciarunt assignabant nobis et per nos recipiendos & c4- nonicis praedietis. Coram F'rederico Myldenhoujt, capitaneo domini ep%- : Iaumucensin, totam residuam partem pecuniae recepimus, et ipei re

miserunt pecunias ad nos recipiendos a canonicis et renunciaverunt es. in quantum darentur nobis, et dederunt nobis auctoritatem qui canonicos. Perceptis igitur dietis pecuniis de tota villa dimidia salvo de sex mansis, quos (detinet Petersdorph damus nomine dietorum Agalar. Johanis, Heidae et Iadoldi praeposito, decano, canonicis et capitulo finem, quitacionem, renunciacionem, conclusionem, refutationem et pactum de ulterius non petendo per nos aut per ipsos. In cujus rei evidenciam si- gilla nostra praesentibus sunt affıxa, datum in castro ZLubus anno domin! millesimo trecentesimo sexagesimo octavo, XXIX die mensis decembrk, ‚raesentibus honorabilibus et discretis viris F’riderico Myldenhoupt. Henyngo laken, Betkino Botel et aliis pluribus fidedignis.

Rüdfeitige Notiz in gleichzeitiger Schrift: Item privilegium super alia medietate villae Wiflamsdorf.

Don den vier Siegeln [ind noch drei erhalten, aber jämtlich ftarf beichädigt; das erfte ift wahrfcheinlic) das des Heinrich von Elepiz (liegender Child), dat weite ift noch deutlich ala das des Henning Wulkow erfennbar, das britte durch as Wappen ala das des permann ullow. Auf der oberen Hälfte des Schilde befinden fich drei bedeutend erhabene, vieredige Felder nebeneinander, die bei Her mann etwas anders geftaltet find.

IV. Meter Petersborf verfauft dem Domkapitel ſechs Hufen in Willmersdborf; d. 4 März 1369, o. ©. In nomine domini amen. Cum humauae memoriae labilitas oblivi-

onem, quae mater estat erroris, ut plurimum inducat, actus igitur tempo- rancor cum tenpore labantur, expedit scripturae seu literarum testimonio

185] Kleine Mitteilungen. 185

berhenari. Hince est quod ego Petrus dietus Petersdorff, opidanus in rankenfürd, suprema praehabita deliberacione inspiciens evidentem utili- tatem meam, dum nil consulcius superesset, meo et heredum et succes- sorum meorum nomine ex certa sciencia unanimi quoque voluntate et consensu omnium, quorum interest vel poterit interesse, sex mansos in villa Willamsdorff rite et racionabiliter vendidi justo vendicionis tytulo, modo et forma, quibus hoc melius fieri potuit et debuit, vendendo donavi honorabilibus viris et discretis praeposito, decano, canonicis et capitulo Lubucensis ecclesiae cum omni censu et servicio et precaria tam denariorum aam frumenti agris, pascuis, pratis, insuper et cum omnibus juribus etibus, libertatibus, usufructibus, honoribus, redditibus et obvencionibus sex mansorum praedictorum jure vel consuetudine spectantibus et po- tissime, cum quibus sex mansos ibidem in Willamsdorff hucusque tenui et possedi et quemadmodum mihi a patre meo sunt jure hereditario divoluti nihil penitus excepto. Praeposito, decano, canonieis et capitulo in certis redditibus annis singulis inde jure et consuetudine derivantibus clara racione seu computacione, ut moris est, praehabita denumeravi quemlibet mansum possessum pro sex marcis Brandenburgens. argenti, non vero possessum pro tribus vendidi rite et racionabiliter et plenum frustorum numerum et aestimatorum ipsi de capitulo domini saepe dieti a me pro parata sua pecunia mihi numerata et soluta sex mansos supradictos compa- rarunt. Quas quidem pecunias integraliter et sine diminucione qualibet mihi persolverunt ita, quod de solucione sto conteritus, ipsam ecclesiam Lulnscensem cum praefatis dominis de capitulo una cum hominibus et bonis eorum de tota pecunia praedictorum mansorum comparacione mihi pumerata et tradita et qualibus ejus parte non immerito quitos omnino praesentibus dico et solutos. Quibus mansis cum tot frustis et redditibus, quod (sic!) ibi esse poterunt, cum omnibus et singulis juribus, honoribus et libertatibus et pertinenciis universis nominatis et non nominatis ex- presse racione dieta contractus renunciavi et libertate prompta dimisi raedictos mansos et coram venerabili in Christo patre et Somino, domino ro Lubucensis ecclesiae eyiscopo eis renunciavi ad apparandum et in corporandum eisdem canonicis et capitulo promittens nihflominus eisdem, quad per tempora debita et consueta ipsum capitulum et dominos ante- ictos in bonis, redditibus et obvencionibus praenarratis contra quoslibet inpetitores, uf racio juris dietaverit, per ipsos requisitus warandare et ab omni impeticione indempnes et illaesos servare voluntarie volo et teneor per annum et diem prout jura territorii postulant et requirunt. Ego quo- que Petrus supradietus publice recognosco in his scriptis omnia et singula, ut superius narrantur, praefatae vendicionis et empcionis contractum con- cernencia ex certa mea sciencia meo quoque consensu beneplacita et voluntate fore facta et tractata pro me, heredibus et successoribus meis firmiter promittens me omnia et singula, prout in quibuslibet suis punctis et clausulis superius expressa sunt et ordınata, firmata, grata et rata velle tenere et inviolabiliter observare contra omnia ea et quodlibet ipsorum consilio, verbo vel facto, quibus in predietorum bonorum fruicione turbari possent, nunquam quomodolibet veniendo. Renuncio insuper ego Petrus supradictus meo, heredum quoque et successorum meorum nomine omni jurı, actioni, postulacioni seu impeticioni, quod vel quae in et de dictis mansis cum omnihus utilitatibus, redditibus, juribus, honoribus, liber- tatibus et obvencionibus quomodolibet ipsis annexis et mihi quovis jure competebant seu quomodolibet competere possint in futurum cum ex- ceptionibus quibuslibet, dotis pecuniae quogue non numeratae ac omnibus allis, quibus praedictus contractus rescindi posset quomodolibet aut in- 1 cujus rei evidenciam sigillum meum praesentibus est appen-

sum. Praesentibus discretis viris Bethekino Boytel, F'ryderico Mildenhoubt, Henningo Haken armigeris, Andrea Quentyn, Nicolao Sybrechtstorff civibus in Frankenfürd, Johanne, Heila et Lutholdo fratribus dietis Widener et aliis pluribus testibus fidedignis. Datum et actum sub anno domini mil-

186 Kleine Mitteilungen. [186

lesimo tricentesimo sexagesimo nono, quarta die mensis marcii, quae erat proxima feria quinta ante dominicam, qua cantatur in sancta ecclesia culi mei semper ad dominum. Rückfeitige Notiz: super sex mansis villae Willkemsdorf. LI.

Das einzige Siegel, was darangehangen Hat, iſt abgerifien.

Bon obigen vier auf Willmersdorf bezüglichen Urkunden, die fi übrigens jämtlich auch im Rothſchen Kopialbuch finden, find die erflen drei auch Wohlbrück befannt geweien (vgl. I, 609 u. 628), und jeim Angaben über die adligen Güterbefiter des Landes Lebus und über Frankfurter Bürgerfamilien zur Zeit der Witteldbacher Markgrafen find zum Teil aus ihnen gefchöpft, dagegen fcheint er von der vierten nur durch eine ungenaue Notiz Kenntnis gehabt zu haben (vgl. I, 368). Diefe vier Urkunden find in der That in erfter Linie intereffant, weil wir aus ihnen viele Glieder der ältejten adligen Yamilien des Lande Lebus und der Frankfurter Patrizierfamilien Tennen Iernen. Im übrigen hat es mit MWillmersdorf eine Ähnliche Bewandtnis wie mit Neuendori. Es war ebenfall8 durch den Vergleich von 1854 vom Markgrafen an das Bistum abgetreten. Trokdem muß das Domkapitel von den Ga brüder Wydener Hier (in Urk. II und III) die Hälfte des Dorfes cam omni proprietate et dominio utili et directo, supremo et infimo erwerben und außerdem die Gebrüder Botel (alias Boytil) befriedigen , die durch den in Urkunde I vollzogenen Kaufakt von 1356 ebenfalls Anrechte auf diefe eine Hälfte des Dorfeg erworben hatten. Endlich mußten noch ſechs Hufen, die der Frankfurter Bürger Peter Petersdorf von dieſer Hälfte beſaß, vom Domkapitel gelauft werden (Urk. Nr. IV).

Das Bafeldorfer Samilienarchiv und feine Brieffammiungen. Ein Beitrag zur Gejchichte der Feldzüge bes großen Kurfürften.

Don Louis Bobe in Kopenhagen.

Das adelige Gut Hafeldorj, im Itzehoer Güterdiftrift am Ufer det Elbe gelegen, wird bereits im zwölften Jahrhundert ala Stammfig det Familie von Hafelthorp erwähnt. Diefe nannten fich Dienftleute de bremiſchen Eraftiites, unter deſſen Botmäßigfeit e8 big 1460 ftand, wo das Gut an die dänifche Krone kam. König Hans verkaufte darauf 1494 die Vogtei Hafeldorf an den 1500 in Dithmarfchen gefallenen Ritter Hans von Ahlefeldt. Bei deffen Nachlommen blieb das Gut bis zum Jahre 1739, wo es die Familie von Schilden fäuflich erwarb, in deren Beſitz es ſich bis auf den heutigen Tag erhalten hat.

Aus der langen Reihe von Befitern Hat fih Dethlevn v. Ahle feldt, dänifcher Geheimerat, Abgefandter am kurbrandenburgifchen Hole und Generalkriegskommiſſär in den Jahren 1657—59 (} 1686), einen Namen in der Geichichte erworben. Sein umfaffender handſchtiftlichet Nachlaß bildet die Hauptmaſſe des nach vielen Richtungen bin wert

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vollen und reichhaltigen Hafeldorfer Archive, tworauf ich dag Intereſſe deuticher Geſchichtsforſcher Hinleiten möchte. Zur Orientierung laſſe ich jedoch eine gedrängte Weberficht der wichtigften Lebensereigniffe diejes Mannes vorangehen.

Detblev v. Ahlefeldt, der Sohn des SKlofterprobftes zu Ueterſen, Bendir dv. Ablejeldt, wurde 1617 auf Gelting geboren und genoß unter der Leitung eines trefflichen Hofmeiſters eine forgfältige Erziehung und eine ungewöhnlich gründliche und vielfeitige Bildung. Nach einem mehr« jährigen Stubdienaufenthalt in Deutfchland, Holland, Frankreich und Italien übernahm er nach dem Tode des Vaters die teild durch Erb» haft, teild durch Heirat erworbenen Güter Hafeldorf, Hafelau und Kaden. 1644—45, bei Torſtenſons Invafton, führte er ala Ritt» meifter im Dienfte des bänijchen Könige zwei Kompagnien, eine zu Pierde und eine aus deutſchen Knechten geworben, zu Fuß, zwecks der Verteidigung des Elbufers und feiner Befitungen. Nach dem Frieden zu Brömfebro 1645 nahm er feinen Abſchied und trat in Hefſen⸗ Kaſſelſche Dienfte. Die Landgräfin Amalia Elifabeth ernannte ihn 1. Juli 1645 zum Geheimenrat und Oberfilieutenant. Später zum Öberften be» fördert, nahm er mit Auszeichnung an dem beffiichen Partikularkrieg, an den Belagerungen von Homburg, Kirchhain und Rheinfels teil. Nach dem Zode des Oberbefehlshabers der hefjen-kaflelichen Truppen, Mor» taigne, bei Reinjela, war Ablefeldt neben dem General Rabenhaupt zum Radiolger desfelben auserfehen, er mußte jedoch den Umtrieben feines Rebenbuhlers weichen und fchied im Februar 1648 aus beiflichen Dienften. Gr lebte darauf einige Jahre in Hamburg, umgeben bon Gelehrten, fich eifrig dem Studium der Gefchichte und Philofophie wid⸗ mend, bis er 1652 zum Amtmann über Flensburg beftellt wurde.

In den Kriegsjahren 1657—59 wurde Ahlefeldt berufen, eine bervorragende Rolle zu fpielen. Gleih zu Anfang der dänifchen Rüftungen wurde er zum Generalkriegskommiſſär und Oberften über ein Regiment Reiterei von 7000 Mann ernannt. Nebenbei war er au an; diplomatifchem Gebiete thätig. „So lange der Reichgmarjchall,” Ihreibt er in feinen Memoiren, „meinem Rath gefolget, ift alles noch glücklich und wohlgegongen, bis andere Leute mehr Gehör ala ich bei ihm bekommen.“ Zugleich wurde er als Abgefandter nach Berlin und Bolen geſchickt, um den Kurfürften für Dänemark zu gewinnen, und ihn, mit Czarnecki vereint, zum Einfall in die deutfchen Befigungen Karl Guſtabs zu bewegen. Der Eilmarfch des Schwedenkönigs nach Norden wnterbrach jedoch die Verhandlungen.

Nach dem Friedensbruch 1658 war A. wieder in Berlin. „Wie Kopenhagen von den Schweden belagert gewefen,“ fchreibt er barüber, „hat der König mich umb Rettung undt Hülffe in Deutichland und Polen verſchicket gehabt, habe auch den Kayferlichen, Bollnifchen und

enburgifchen succurs gehohlet.“ Zwifchen Kurfürft Friedrich Wil⸗ helm umd Detlev Ahlefeldt entwidelte ſich ein eigentümlich bertrautes Verhältnis, das während feiner fpäteren Gefandtfchaftsreifen nach Berlin immer fefter wurde. Auch durch feine geradezu freundfchaftlichen Be⸗ ziehungen zu den bervorragendften brandenburgifchen Staatsmännern,

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namentlich Schwerin hatte Ahlejeldt einen befonders erfolgreichen Cin⸗ fluß auf die dänifch-brandenburgifche Politik.

Nachdem der Kurfürft von der Verſchwörung Ulfelds gegen den däniſchen König 1663 benachrichtigt war, Ließ er durch den Fürften Johann Georg zu Anhalt, Adleieldt davon in Kenntnis fegen, worauf dieſer fi un: verzüglich nach Königsberg begab, wo beide Monarchen damals weilten. Seine Relation von dieſer Reife bildete die Grundlage des gegen Ul- feldt anhängig gemachten Prozefſes. „Ich bin der erfte gerveien,“ jagt Ahlefeldt darüber in feinen Memoiren, „der folches dem König Friederich entdedet bat und weilen Er font Leinmandt in der Sache bat traum wollen, ift dag vornehmbfte, was darinnen paafiret, durch meine Hand

egangen.“

1666 ſchloß er, wiederum in bdiplomatifher Miffioen, in Bern eine Defenfivalliance zwifchen Brandenburg und Dänemart. Bei den Berhandlungen, welche fi) an die Eheichließung des Kurprinzen Joham Seorg (UT) von Sachſen mit der Prinzeifin Anna Sophia von Düne mark tnüpfen, fpielte er eine hervorragende Rolle, ebenfalls bei der m folgenden Jahre zu Kaſſel vollzogenen Trauung des bdänifchen Krom prinzen Ehriftian (V) mit Charlotte Amalia von Heſſen⸗Kafſel. In den nächſten Jahren war er Abgefandter an mehreren nieberdeutjchen Höfen, 1671 in Heidelberg und 1678 am kurfächfifchen Hofe. Mit dem Ele phantenorden, dem höchften Ehrenzeichen des Landes gejchmüdt, wurde et 1672 zum Geheimerat ernannt. 1679 war er zum lektenmal Gefandtea in Berlin. Im Jahre darauf legte er alle feine Aemter nieder und 308 fih nad Hamburg zurüd, wo er, wiffenfchaftlichen Studien nachgehend, im November 1686 ftarb.

Seine Nachlommenfchaft aus der Ehe mit Ida dv. Pogwiſch (f 1679) blüht heute noch.

Gr Hinterließ außer feiner jorgfältig geordneten Korreſpondenz und feinen LZebenserinnerungen eine Reihe von hiſtoriſchen, politifchen und philofophiichen Abhandlungen, wovon einzelne gedrudt find. Für die Geheimwiſſenſchaften hatte er eine befondere Neigung (vgl. das eink fo beliebte Volksbuch, Höllifcher Morpheus, zuerft 1704 erichienen). Ahle feldt Hatte bei feinen Zeitgenoffen den Ruf hoher Gelehrſamkeit. Seine große, nach feinem Tode zerftreute Bibliothet war einft berühmt. Die zahl reichen Feſt- und Trauerreden von feiner Hand, lateinifche und deutſche, zeichnen ſich durch muſterhaften Stil aus. Seine Memoiren und Bri ſchildern ihn als einen beiteren, lebensfrohen Mann, als einen echten Sohn feiner Zeit, der fich des Betens wie Trinkens mit gleicher Beharrlichkeit be fleißigt hat. Er eüert in feinen Schrilten mit großer Beredfamteit gegen die Sittenverderbnis, die Spiel- und Duellenwut feiner Zeit.

Als ich zum eritenmal im Mai 1892, der Einladung des jepigen Beſitzers von Hafeldorf, Herrn f. dän. Kammerherrn v. Oppen-Scilden folgend, da8 dortige Archiv in Augenfchein nahm, Hatte ich bereits einen flüchtigen Einblid in die Maffe der dort aufgehäuften Papiere und

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Handichriften genommen, die, in größter Unordnung befindlich,, jedoch zum Glück troden aufbewahrt, jeit 1756 unberührt geblieben waren.

Im verwichenen Sommer ordnete ich, fo gut es fich in der mir zur Verfügung ftehenden Zeit thun ließ, das ganze Archiv, welches jekt, a olichen Ordnung unterworfen, aus etwa 1400 Nummern eſteht.

Es gelang mir, faſt blattweiſe, die zwei Teile umfaſſenden Memoiren des Geheimrats Dethlev von Ablefeldt beinahe vollſtändig herzuſtellen. Sie tragen den Titel:

Memoires Oder Kurtze Erzehlung meines Lebens Lauffes, und waß ſonder⸗

lich darinnen vorgegangen, zuſambt der Observationen undt Monita, ſo

darauß gezogen undt dabey beobachtet werden können, meinen Kindern

zur Nachricht hinterlaſſen. Angefangen zu Dresden, horis successivis den 5. January Anno 1678.

Der erite Teil umjaßt 662 Seiten Folio und geht von 1617—56, häufig don Exkurſen (über Duelle, Aftrologie zc.) unterbrochen. Ein Teil der Blätter ift am Rande verftünmelt, jedoch nicht fchlimmer, als daß die Lüden in den meiften Fällen leicht auszufüllen find. Eine kurze Inhaltsangabe dieſer, fremden Forfchern ſchwer zugänglichen Schrift dürfte hier am Orte fein.

Seite 1-21. Abftammung, Geburt und Kindheit.

3447. Erziehung, Studienreifen, bi® zur Heimfehr 1640.

161— 98. Aufenthalt am Hofe Chriſtian IV. Schilderung jeiner Perſon fowie der ihm nahe ftehenden Staatsmänner und Generäle.

211—80. An dänifchem Kriegsdienſt. Einfall der Schweden in Holftein. Leben am Heſſen-Kaſſelſchen Hofe. Landgräfin Amalia Elija: beth, ihre Minifter und eldherren, Kanzler Deihmann, Puls tejus, General Mortaigne und Rabenhaupt. Zujammentreffen mit Turenne und Wrangel. Der Krieg zwiichen Ober: und Niederheffen. Die Belagerungen von Marburg, Kirchhain und Rheinfels. Mortaignes Tod.

3240-83. Intriguen unter den heſſen-kaſſelſchen Feldherrn. Landgraf Ernft. Berfeindung und Duell mit Rabenhaupt. Er verläßt heifiiche Dienſte. Gründe feines Rücktritts.

>42—93. Privatleben in Hamburg. Neife nah Holland. Er rettet dem nachmaligen däniſchen Großkanzler Friedrich von: Ahlefeldt das Leben.

595—662. Amtmann in lensburg, König Friedrich III. und fein Hof. Graf Pens, Hannibal Scheftedt, Corfitz Ulfeldt, Kanzler Dethlev Reventlow. Charatteriftit der Lieblingsminifter des Königs, Ziongolter Chriſtoph Gabel und Kanzler Theodor Lente. Ulfeldts Prozeß.

Der Memoiren zweiter Teil:

©. 136. Ausbr⸗ des nordiſchen Krieges 1657, Urſprung und Folgen. Ueber⸗ ſicht der wichtigen Vorgänge bis zum Friedensſchluß 1658. Sendung nad Berlin. Er schließt die Alliance mit dem großen Kurfürften. Ginzug der brandenburgifchen Zruppen in Holitein. Hauptquartier des Kurfürften in Sonderburg und Kolding.

©. 36—97 find leider nicht mehr vorhanden.

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S. 98—135. Der Kurfürft verläßt Holftein. Eberftein und Schad mit der brandenburgilchen Hülfstruppen unter Quaſt und ben kaiſer lichen Auxiliärregimentern gehen nach Middelfart. Schlacht bei Nyburg.

Hiermit ſchließen die demnach bis 1660 fortgeführten Memoiren. Nach einer in den Memoiren enthaltenen Angabe Hatte der Ge— heimerat Ahlefeldt feine Korrefpondenz und Privatakten durch den Gekretär Hugo Lente in Glüdftadt ordnen und in zwanzig Folianten binden laffen. Bon diejen find ung noch folgende erhalten: l. Acta privata et publica (originale Beftallungen , hondhchreiben der Landgräfin Amalia Eliſabeth, des Königs Friedrich . x.) 2. Atten betreffend feine Dienftzeit in Heflensstaflel, 1645 —48. 3. Alten aus bem Rriegsjahre 1657. (Hierin tüniglidhe und fürftlid: gottorpfche Handfchreiben, Briefe vom Reichsmarſchall Anders Bille, Grat Chriſtian Rantzau zu Breitenburg, Karten, Pläne zc.) 4. Briefbud. Januar April 1659. 5. bo. April Juli 1659. 6. do. Auguft— Dezember 1659. Hierin Briefe von Derfflinger, Kittelman, Montecuccoli, Platen. Quaſt, Schiffer, Schwerin und ©. G.v. Sparre, ferner vom General: feldmarſchall E. A. v. Eberftein, Großtanzler Syriebrich v. Ahlefebl. eldmarichall Claus v. Ahlefeldt, Generaltientenant Friedrich d. Ahle eldt, Feldmarſchall Hans Schad, Graf Chriſtian Rankau, General Geei Gerhard von der Nath ꝛc. ıc.

7. Militaria ber alliierten Truppen, Stärkeliften, Ammunitions⸗, Run dierungs⸗ und Proviantjachen.

8. Gornfalls über den Mari}, die Stärke und Verpflegung der Trupprt

9. Abrechnungen mit den Truppen 1660.

10. Briefe und Akten betreffend die Legation am brandenburgifchen Heft. Anftruttionen, Kreditive. Briefe von Schwerin, Friedrich von Jena u vielen dänifchen Staatsmännern.

11. Sachen betreffend die Kaſſelſche Geſandtſchaft. Konzepte von Briefen OR ben großen Kurfürften u. f. w.

12. Privatakten. Tagebücher, geführt am Hofe zu Kopenhagen 1670.

13. Kopiebuch von Friedensſchlüſſen und Verträgen 1658—78.

Ferner in Quarto:

Zwei Bände mit Briefen von Griffenfeldt, Großkanzler Ahlefeldt, Held | marſchall Klaus v. Ahlefeldt, Kanzler Theodor Lente, Statthalter ‚Ehriftoftet

v. Bee, efomaricha Eberftein, Schack, Kanzler Johann Adolph Kielmansegg .ſ. w.

Unter den vielen, nunmehr chronologiſch geordneten, loſe vorgefundenen Briefen find zu nennen:

Fünfzig Handichreiben, alle eigenhändig unterzeichnet vom großen Kurfürften an Dethlev ee eine Sammlung Driginater, eigenhändiger Briefe von meift brandenburgiichen Staatzmännern und Seibhereen, Schwerin, Schiffer, Meinders, Kneſebeck, Montecuccoli, Terfflinger, Göß, Quaft und Somnif.

Es erübrigt noch, die viele Fascikel umfaffende, zum Teil ſchlecht bewahrte Sammlung von Konzepten, Tagebuchsaufzeichnungen, Brief⸗ entwürfen, Expof68 und Brouillong von der Hand des Geheimenrats Ahle |

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jeldt zu nennen. Ein günfligee Schidfal hat gerade feine Konzepte zu den Schreiben an den großen Kurfürften, fowie an bie obengenannten brandenburgiichen Diplomaten und Generäle ziemlich get erhalten, woraus man erfiebt, daß nicht wenig Briefe an ihn, zu denen die Kon⸗ zepte der Antwortichreiben fich noch vorfinden, frfiher vorhanden waren, im Laufe der Zeit aber durch den ungünftigen Aufbewahrungsort des Arhivs aber verloren gegangen find.

Bon dem Plan, die im folgenden verzeichneten Briefe in Auswahl herauszugeben, einftweilen abfehend, Tüge ich nachftehend ein chrono⸗ logiſches, mit Ortsangabe verfehenes Verzeichnis der wichtigften, für die he der däniſch⸗brandenburgiſchen Allianz in Betracht fommenden

tiefe bei.

Friedrich Wilhelm, der große Kurfürft. 1658: Flensburg 15./11., Düppel 18./12. 189: Wibura 9./2., 10J2., 26./2., 23.8. 5./4., 6./4., 9.4. (2 Briefe), 14./4. (2), 19./4., 22./4., 24.14. (2), 27.14. 3.15. (2), 5./5. (3), Frederiksodde 6./5., Wiburg 8./5., 9.5., Wedel 11.5., Frederiksodde 22./5., Kolbin

24.15., feeeritanbbe 27. 15., 4./6., Kolding 26./6., Steppen 9.18,, Bifto 13./8., Parchim 14./12.

1661: Cleve 10.8., 1.9.

1668: Göln 12.5.

1677: Coln 15./1., Stettin 14.112., 24.112.

1678: Botsdam 1. /1., Eöln 4./2., 1./5., 5./5., 25./5., 25./6, Wrangelburg 15.19.,

döln 27.1 . 1679: Rönigaberg u ‚112. Kurprinz Friedrid. 1678: 19.1. Suunenfels, Johann Ulri Sarhgi " von Oberkriegskommiſſär. Preetz 13./10., Gotiorp 1 en rs 120: März

669: Wibur be. 3./5., Weldtlager bey Holding Hafen 18./7., 20.77., ‚reling: hufen 28./8., "Grimma 20./9., Harz bei Greifswalde 8./10,, Barth 31./1 Goötz, Sigismund Friedrich, Graf v. 1659: Apenrade 8./4., Silkeburg 17./4., Zim 18./4., Br ./4. (2), Apen: trade 3./5. (2), 5./5. (2), 5./5. (2), Haftrup 1.15. 8./5., Apentade 9./5. Orobbur in, Caſpar Klueg von, Generatftaböauartiermeifter. chleswig 10./2. Arech 1./3., 17./4., 10.5. —* Friebrig von, 1664: Berlin 16.) 1666: Cleve 204, 15, 10./5., Berlin 31./5. Jonghen, {Franz von, von Hongrie genannt. 1659: Yottorp 6./3., 8./3., 21./4., 27./7., 21./9., 2./11., 11./11., 21./11., 12./12.,

Kittelmann, Lazarus. 1e8: Bambung 2 24.7., 28.9., Hufum 1./10., 23.112., 31.12.

Franz.

1677: Berlin 19./1., 3.12. 1678: Berlin 23./1., 17.18., 31.3., 7./4., 10./4., 24./4., 29.15.

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Montecuccoli, Raimund, Graf von. 1658: Schleswig 12./11., 19./11., Sandberg (3) 25.'12.

1659: Sbiborg 18./2., 26. 2., 8./4., Stenderup 13.6., Kolding 7./8., Schleswig 9., „Grimmen“ (Bommern) 20./9., Harz bei Greijswald 8./10., Praun bei Stralfund 23./10., Barth 31. 110.. Barth 13./11.

1661: Firta 24.12., Abba bei Zothmar 25.'10. Platen, Claus Ernſt von.

1659: Wiburg 28./1., 26./2., 24. 3., Zondern 21./5., 8.6., Kolding 26.7, Berlin 2./10., Barth 27.110., Grimme 16/11.

Quaſt, Albrecht Ehriftoph von. 1658: Flensburg 30./9., Toftorf bei Flensburg 1/11.

1659: Wiburg 20.,3., Lugumkloſter 1./10., „19110. Sedt 13./10., 16.'10., Wiburg 25./11., Zondern 21./12., 22./12., 24./12.

Schiffer, Alerander, Freiherr von.

1659: Ripen 2 2.1. „(Railerliche Generalftabalifte), Wiburg 8.2., 14.2., 2.3. 6./4., 15./4., Schleswig 10./6., 1./9., Rapeburg 16.9., Marin 19.;9., Tonbern 20./10., Barth 31./10., 10.12.

Schwerin, Otto, Freiherr von. 1657: ca. 19/11. 1658: Cöln 16./2. 1659: Wiburg 7.2., 16./2., 4. 5., 26.'5., Barth 25./10. 1661: Königsberg 13./2., Wildenhofe bei Königsberg 22.9.. Bartenftein 3.11. 1666: Cleve 8.5., Sielitein 5./6., 7.6. 1677: Göln 4.'4., Zandaberg 13.11. 1678: ? 26.3. 1679: ca. 7.11., ca. 5./4. Somniß, Lorenz Chriftoph von. 1668: Berlin 18./5.

Sparre, Otto Chriftoph von. 1658: Berlin 23./3., Schleswig 2./11., 10./11., Düppel 1.12. 1659: Ripen 3./1., 7.2., Wiburg 27.3. ECberftein, Ernft Albrecht, Freiherr, dänischer Generalfeldmarichall.

1658: Lunden 4./1., Glüdftabt 21./8., Heide 28./9., Lunden 3./10., 10.10, 13./10., 14./10., Glüdftadt 16./10., 2./11., 3..11.(2), Zunden 7./11., 9.112.

1659: Heide 6./1., 12./1., Glüdftabt 25.2., 26./2., Heide 12./8., 13.3., 19.3 24.13. 25.18,, 31. 13., 8./4., 13./4., Slücftadt 16./4. (2), eide 4.4. (2) Glücftadt 4./5., eide 8. 5, 12. —2 14./5., 20.5, 23./5., 1..6., Glüdftadt 10.'6., 11./6., 12, /6., 25 /6., 29.16. 37. UT. 11.7., ‚Habersleben BT. Heide 21.7., Slüdftadt 6. 8, 27. 8 6.9., ‚Umzi ien“ 18.9., Etedefand 16./10. TDiarium dee Feldmarichalle vom 20. Oftb. bie 18. Rov. Glückſtadt 27./10., Leuth (Xoit) 30./10.

1660: Oldensworth 2.4., 28.'3., Flensburg 1.8., Glückſtadt 15./10., 19.10. Wie beym Anmarfche der Alliirten die Räffe zu beießen =. d. 16.12.

1661: Kiel 2.7.

1662: Pinneberg 28.'11., 19./10.

1663: Pinneberg 29./10.

1666: Gehofen 23.10.

1671: Neuhaus 19./6., 29. 6., 9. 8.

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Eine ſchwediſche Denkſchrift aus dem Zahre 1661 über die Wiederanknüpfung der diplomatifhen Beziehungen zwiſchen Schweden und Brandenburg.

Mitgeteilt von Fri Arnheim.

Der Friede von Dliva hatte dem Kriegszuſtande zwiſchen Branden- burg und Schweden ein Ende bereitet. Allein die gegenfeitige Abneigung und dag gegenfeitige Mißtrauen war bei beiden Mächten allzu jeft und allzu tief eingewurzelt, um durch die bloßen Buchftaben eines Vertrages mit einem Schlage ausgerottet werden zu können. Wir willen jebt!), mit wie argwöhnifchem Blide der große Kurfürft die Zruppenbewegungen beobachtete, welche die jchwedifche Regierung während der erften Monate na Abichluß des Friedens in den Provinzen des Mutterlandes und ienfeits der Oſtſee anordnete, wie er die Hinderniffe, twelche fich der Durhführung der Vertragäbeftimmungen bezüglich Preußens in den Weg ſtellten, vornehmlich auf ſchwediſches Mebelwollen und auf ſchwediſche Ränke zurückführen zu müfjen glaubte Mochten nun auch die Beforg- niffe und Mutmaßungen, welche man damala hinfichtlich der ſchwediſchen Bolitit am Lurfürftlichen Hoje begte, zum Zeil auf irrigen Voraus⸗ jegungen beruhen, jo waren fie doch keineswegs völlig aus der Xuft ge= griffen. Denn ein näheres Studium der ſchwediſchen Alten aus jenen Tagen lehrt, daß die Regenten, denen nad) dem Tode Karl Guſtafs (23. Februar 1660) die Lenkung des fchwedifchen Staatsſchiffes provi⸗ forifch anvertraut war, die antibrandenburgifche Gefinnung ihres ver⸗ Rorbenen Herrſchers teilten, und daß ihnen nicht der Wille, ſondern einzig die Kraft fehlte, um die feindfeligen Worte, welche während des Sommer? 1660 in den Sitzungen des ſchwediſchen Senats nicht felten gegen den brandenburgifchen Kurfürften laut wurden ?), auch in die That umzuſetzen.

Wie ſchwer man in Schweden das traditionelle Mißtrauen gegen Brandenburg zu überwinden vermochte, davon zeugt nur allzu beredt die von dem Staatsſekretär Ehrenſteen im Auftrage der Regentſchaft ver⸗ ſjaßte „Relation über den Zuſtand des Baterlandes” 2), welche am 13. Oftober 1660 auf dem Stofholmer Ritterhaufe dem aus Depu⸗ tierten des Adels, der Geiftlichleit und der Bürgerſchaft beftehenden Reihstagsaußfchufie mitgeteilt wurde. Vergleicht man dieſes intereffante Atenftüd mit dem ebenfalls von Ehrenfteen verfaßten politifchen Rechen« \haftbericht *), welcher noch bei Lebzeiten des Königs am 14. Januar

1) Vgl. Urkunden u. Altenftüde zur Gefchichte des Kurfürften Friedr. Wilh. dv. Brandenburg. Bd. IX [ed. Th. ir] passim (Berlin, 1879). 9 2) Bol. z 3. die Reicheratsprotofolle vom 7. (17.) u. 8. (18. Juni), 30. u. 3. Auguft (9. u. 10. September), Stockholmer Reichsardhiv. ebrudt in: Sveriges ridderskaps och adels Riksdags-Protokoll. Vol. ed. Baron B. Taube] ©. 1 (Stodholm, 1886). 4) Abgebrudt in: Sveriges ridderskaps och adels Riksdags-Protokol. Vol. VII [ed. Baron B. Taube] S. 105—204 (Stodholm, 1881). Ferſchungen 5. brand, u. preuß. Geld. VII. 1. 13

194 Kleine Mitteilungen, [194

besfelben Jahres den zu Gothenburg verfammelten Neichsſtänden zur Kenntnianahme unterbreitet worden war, fo erfieht man nämlich, daß zwar die Sprache, welche man bezüglich Brandenburgs führte, nunmehr eine wefentlich höffichere und angemefjenere geworden ift, daß aber der Wille, die Vergangenheit zu vergeffen und zur Wiederanknüpfung der diplomatischen Beziehungen mit den ehemaligen Gegner zu fchreiten, noch in weite Ferne gerüdt erfcheint. Hatte man vordem zu Gothenburg die „natürliche Falſchheit“ des Kurfürften, die „ihm angeborene Treulofig- keit“ und feine „DMachinationen und Feindfeligleiten” feit Beginn des Nordifchen Krieges in den grellften Farben gefchildert, jo räumte man jet zu Stodholm allerdings ein, daB man von feiten des Kurs fürften jeit einiger Zeit „eine Art von Accommodement” verjpüren könne. Gleichwohl dürfe man nicht vergefien, daß Schweden von „übelwollenden“ Nachbarn umgeben fei, „die danach gelüften und darauf lauern“, „die Schweden in ihre alten Klippen und Bergklüfte wiederum zurädzu: treiben”, und daß zu diefen Mächten auch Brandenburg gehöre, welches mit der „Saumjeligfeit und Zögerung” bei der Räumung der während des letzten Krieges eroberten Plähe, wie mit der teils verſteckten, teil offenen Aufwerfung von Kontroverfen in Deutfchland anfcheinend nichts anderes bezwede, als daß es unter einem guten Borwand, bei der erften Nachricht vom Ausbruch innerer Unruhen in Schweden, deſſen Pros vinzen „mühelos und ohne MWiderftand zu finden“, angreifen Tönne?!).

Trotz der andauernden Berflinmung gegen den Kurfürften, welche fih in diefen Worten belundete, ift der Stodholmer Reichötag von 1660 doch von enticheidender Bedeutung für die jpätere Entwidelung der brandenburgifchefchwedischen Beziehungen gewefen, indem er nicht nur der Unficherheit und Planlofigkeit, welche Hinfichtlich der inneren Politik unter der proviſoriſchen Regentſchaſt in Schweden geherrfcht Hatte, ein fchnelles Ende bereitete, jondern auch durch fein Gutachten in der pol« niſchen Allianzfrage ?) die Regierung indirekt zu einer beftimmten Stellung. nahme in Bezug auf die künftige Geftaltung des Verhältnifſes zu Brandenburg nötigte.

Wenige Wochen nad Schluß des Reichstages findet ſich denn au ſchon in den Senatsprotofollen die erjte Spur von einer Erörterung der „brandenburgiichen”" Trage, indem der Weichslanzler Graf Magnus Gabriel de la Gardie in der Sigung vom 20. Dezember äußerte, er er achte es keineswegs für unmöglich, daß man den Kurfürften auf bie Seite Schwedens bringen könne, eine Anficht, welcher au) Graf Class Zott mit den Worten beipflichtete: „Wir haben ein großes Snterefie daran; und müßte man dem KHurfürften einige Konzeffionen machen, um ihn defto beſſer zu locken“8). Seitdem ift diefe Frage nicht wieder von der Tagesordnung verſchwunden. Kaum hatte der Senat nad Schluß der Weihnachtsferien Mitte Februar 1661 feine Sigungen wieder auf

1) Dal. Riksdags-Protokoll VIL, 119 f. u. 166—70; VIIL, 174 f. u. 185. 2) Das dom 10./20. Nov. datierte Gutachten ift gebrudt bei: A. Stiernman, Alla riksdagars och mötens beslut II, 1368 ff. (Stodholm, 1729). 8) Reichsratsprotokoll vom 10. (20.) Dez. 1660.

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genommen, fo befürmwortete Reichsdroft Graf Per Brahe in einer längeren Rede, daß der ehemalige fchwediiche Refident am brandenburgifchen Hofe, Bartholomäus Wolfsberg, von neuem dorthin entjandt würde, um dem Rurfärften die beiten Tyreundfchaftsverficherungen zu überbringen und ihn der Taiferlichen Partei zu entfremden, und daß auch Sten Bielle derfelbe war, anftatt des auf der See verunglüdten Grafen Schlippen- bad, ala Geſandter nach Polen in Augfiht genommen die Weifung erhielte!), mit Tyreundfchaftsverficherungen gegenüber den zu Warjchau befindlichen brandenburgifchen Bevollmächtigten nicht zu ſparen. Die Schlußworte Brabes, es fei für Schweden jedenfall® beffer, den Kur⸗ fürften, ala einen andern, zum Nachbarn zu haben, fanden die ungeteilte Zuftimmung des Kanzler. Zwar habe es fo fagte derfelbe vor- dem gelegentlich der Beratungen über die Allianz mit Polen geheißen: „Gratia unius est corruptio alterius; d. h. wenn Schweden ftehen joll, jo muß Elector Brandenburgicus fallen.” Allein nach feiner Meinung habe man von feiten des Kurfürften nichts zu beforgen, wofern man nur darauf Acht gäbe, daß er nicht allzu mächtig würde. Durch ſolche Arußerungen ermutigt, empfahl Brahe am folgenden Tage von neuem, „gute Freundfchaft mit dem brandenburgifchen Kurfürften zu kultivieren, infoweit er Kurfürft in Bommern iſt.“ Auch hielt er es keineswegs für „unratſam“, daß Schweden den Kurfürſten binfichtlich der Souveräni- tätöfrage „mainteniere”, wenn es wider Erwarten zwiſchen Rußland und Bolen zu einem fchnellen Friedensabfchluß käme. Seine abermalige Be- Hirwortung Wolfsbergs rief diesmal eine längere Debatte hervor. So wurde eingewandt, daB der vorgeichlagene Kandidat am brandenburgifchen Hofe „etwas exosus” fei, und daß der Kurfürft ſogar verfichert habe, er werde mit Wolfsberg niemals wieder verhandeln. Gleichwohl wollte Brahe feinen Schüßling nicht ohne weiteres fallen laffen, und, ala Sten Bielle unter anertennenden Worten über die „Kapabilität” Woljsbergs darauf hinwies, daB deſſen Ungnade am turfürfilichen Hofe vermutlich damit zufammenhänge, daß er dort auf Grund feiner Inſtruktionen „viel odiosa* Habe dorbringen müſſen, erklärte er kurz und bündig, biefem „odium® fei Leicht dadurch abzuhelfen, daB Wolfsberg beordert würde, „favorabilia zu proponieren” ?). Später freilich fcheint auch er die Be— denken, welche gegen die von ihm in Vorſchlag gebrachte Perjönlichkeit geäußert worden waren, nach ihrer vollen Tragweite gewürdigt zu haben. Wenigftens ift von einer etwaigen diplomatischen Verwendung Wolfs⸗ berga beim Lurfürftlichen Hofe fortan nicht mehr die Nede?).

1) Dies ift denn auch gefchehen; vgl. Urt. u. Alten IX, 257 u. 259.

2) zuichhratäprotofolle vom 4. (14.) u. 5. (15.) Febr. 1661.

3) Aus den Reichsratsprototollen vom 26. Februar (8. März) geht hervor, daß der Reichadroft feinen Schügling vormittags ala Geſandten nad) Wien, nad): zur Verwendung in Polen empfahl; letzteres, „da er mit den branden⸗ bargi in Angelegenheiten jo ſehr vertraut wäre*. Auch diesmal erwiejen ſich jdoch ſeine Bemü ungen ala vergeblich, und zwar, wie es ſcheint, aus finan-

ellen Gründen, indem die Regierung die von W. geſtellte Bedingung die *zahlung feines ſeit mehreren Jahren rückſtändigen Gehalte nicht zu er Uen vermochte. Bol. auch das Natsprotokoli vom 4/14. April.

13 *

196 Kleine Mitteilungen. [196

Inzwiſchen war in Stodholm das Schreiben eingetroffen, in welchem der Kurfürſt, unter Berufung auf das Schweden durch den Meitiälifchen Frieden zugefprochene Recht der Simultaninveftitur Tür Bommern, die ſchwediſche Regierung offiziell davon benachritigte, daß er zur Lehnsempfängnis Bebollmädtigte nach Wien zu jenden be- abfichtige '). Der Inhalt diefeg Schreibens muß bei der Berlefung auf die Mitglieder de Senats einen entjchieden günftigen Eindrud gemacht haben und als ein von brandenburgifcher Seite ausgehender Schritt zur Verſöhnung betrachtet worden fein. Denn abgejehen davon, daB die Antwort, der ſchwediſchen Regentichaft auf das Lurfürftlide Schreiben in äußerft zuvorlommendem Ton abgefaßt war?), fo beihloß man gleichzeitig auch auf Antrag Karl Guſtav Wrangels, dem in ſchwediſchen Dienften jtehenden General Graf Chriſtopher dv. Dohna, welcher ſich da⸗ mals privater Angelegenheiten halber auf dem Wege nach den Rieder- landen befand ?), die Weifung zu erteilen, er möge während feine Aut enthalt? in Cleve dem Kurfürften „ein und andere Thätlichkeiten, welche an unfern durch deſſen Märkiſche und Hinter Pommerifche Lande ge= gangenen Poften verübet worden, vorftellen und um deſſen Reme- dierung anhalten” *).

Allein Ber Brahe, der unermüdliche Vorkämpfer für eine beflere Seftaltung der jchwediich-brandenburgifchen Beziehungen, war mit diefem Erfolge feiner Bemühungen noch nicht zufrieden, jondern fuchte feine Kollegen im Senat auch für eine offizielle Vertretung Schwedend am furfürftlichen Hofe zu erwärmen. In der Nachmittagsfigung vom 8. März proponierte er abermals „renovationem amicitiae cum Electore Brandenburgico*, indem er hervorhob, daß man alsdann für die ſchwe⸗ diſchen Truppen bei ihrer etwaigen Diglocierung im kommenden Frühjahr vielleicht freien Durchzug durch brandenburgifches Gebiet erlangen künne. Mit der Anführung diefeg Moments Hatte der Reichädroft den richtigen Ton angefchlagen, um auch die ehemaligen Gegner Brandenburgs zu ber kehren. Sein Vorſchlag fand allgemeine Zuftimmung, nicht minder ein Antrag des Reichskanzlers, den Grafen v. Dohna mit diefer offiziellen Milfion zu betrauen, da derjelbe fich ohnehin bereit? auf dem Wege nach Gleve bejände®). Auch der von Brahe in derfelben Situng ge

1) Der Brief ift datiert Eleve, 13. Jan. 1661. Weber iene Jnveki angelegenheit vgl. Urkunden u. Alten Bb. XI (ed. Ferd. Hirſch] (Berlin, 1 Dritter Abſchnitt.

2) Dat. crocholm, 9.719. Febr. ee im Stodh. Reichsarchiv.

3) Am 10./20. Januar Hatte die ‚regierung Mi r Do ein Empfehlungs⸗ chreiben an den Kurfürften audgeferti Dasjelbe fteht jedenfalla in engem = ammenhang mit ber Diskuſſion, le wie oben erwähnt, am 20. Desbr.

im Senate Hattf tfanbd.

4) Die ſchwed. uaven an Tohn, Stodh. 9./19. Febr.; vgl. auch Reicht ratöprotofoll vom 8. (1 ebr. lieber die treitigfeiten wegen bes Poften: lauf3 fiehe Urk. u. Akt. $ IX. Erſter Abfchnitt.

5) Ta ber Senat in der Vormittagsſihun Kan 26. Febr. (8. März) auf Antrag Brahes beichlofjen hatte, den Kriegsrat n Sambrotins darü

„Jondieren“, ob er die brandenburgif Piffion ur ch nehmen wolle, fo tft die Antwort jedenfalls in verneinendem Sinne auägefallen.

197] Kleine Mitteilungen. 197

äußerte Wunſch, man möge den für die franzöfifche Legation defignierten Grafen Zott beauftragen, bei Ludwig XIV. darum anzubalten, daß er den Kurfärften „ad veterem amicitiam poujfiere”, fiel keineswegs auf unfruchtbaren Boden. Zwar meinte Zott jelber, der franzdfifche König werde fchon aus freien Stüden darauf hinarbeiten, da ein gutes Ein« vernehmen zwiſchen Schweden und Brandenburg für Frankreich ja „eine ganz bebagliche Sache” ſei. Aber die Berlefung der Kopie eines Schreiben? von Mazarin an den franzöfifhen Gefandten Terlon zu Stodholm des Inhalts, der Kurfürft fei mit Defterreich unzufrieden und daher gern gewillt, mit Schweden wieder in ein freundjchaftliches Berhältnis zu treten, wofern nur erjt die pommerfchen Grenzſtreitigkeiten eine befriedigende Löfung gefunden hätten gab den Ausſchlag zu Gunſten der von dem Neichsdroft vertretenen Auffaflung, und Zott hat ipäter in der That die Weifung empfangen, in Frankreich die „Geneigt« beit“ Schwedens „zu aller Tünftigen, guten und näheren Bertraulichkeit mit dem Lurfürftlichen Hofe zu Tonteftieren”, und zudem zu betonen, daß man in Schweden keineswegs ungern fehen würde, „wenn Frank⸗ veih zu deren noch größeren Korroboration, salvis tamen et illibate conservatis pactis tam universalibus quam particularibus, tontribuieren wolle” ?).

Am 11. März wurde die Inftruftion für Dohna im Senat ver- leſen und mit wenigen Abänderungen gutgeheißen. Sie erteilte dem Grafen den Befehl, dem Kurfürften die „ungleiche Impreſſion“ zu be« nehmen, „daß wir die offense, welche der Kurfürft in den jüngften Kriegen St. Maj. unferm bochjeligen Herrn Vatern gethan, nimmer ver- gefin, befondern fie an demfelben zu rächen uns der erften guten Ge- legenheit bedienen würden.“ Vielmehr fei Schweden feit Abfchluß des Friedens von Dliva ſtets befliffen getwejen, „beides, den legibus Pacis ein Gnügen zu thun und dann Sr. %b. zu bezeugen, daß wir eine jonderbare Begierde Hätten, mit Ihro wiederum zu einem nachbarlichen gutem Benehmen zu gelangen”, fowie ferner alle „Mittel” anzuwenden, „weiche jelben Frieden zu befejtigen dieneten. Und weilen unter jelben Er. &. Freundſchaft nicht das geringfte, jo würde uns deren Beobacht« und Kultivierung auch umb fo viel angelegener und dabei nichts liebers kin, als wann wir dergleichen Dispofition auch an des Herrn Kur fürften &d. Seiten finden möchten.” Schließlich wurde daun noch Dohna beauftragt, er folle dem Kurfürften die „Billigkeit” der von dem Grafen Waldeck erhobenen Anfprüche” repräfentieren und, damit folcher ein Ges nägen geichehe, inftändigft anhalten” 2). Mit anderen Worten: der erfte Schritt zur Wiederaufnahme des offiziellen diplomatifchen Verkehrs mit Brandenburg war fchwebdifcherfeits gethan.

Da indeflen Graf Dohna, wie bereit? erwähnt, in perjünlichen Ge⸗ Käften nach Holland zu reifen beabfichtigte und daher auf einen

1) Reichöratäprotofoll vom 26. Febr. (8. März) [Nachmittagsfikung]. Fri o 50 der Inſtruktion für Tott (dat. Stockholm, 9./19. April 1661,

tegiftratur).

2) Reicharatsprotofoll vom 1. (11.) März; Inſtruktion für Dohna, dat. Etoch. 1.11. März. Bol. auch Url. u. At. IX, 733 fg.

198 Kleine Mitteilungen. [198

längeren Aufenthalt desſelben in Cleve kaum gerechnet werden fonnte, fo mußte fchon nach kurzer Zeit naturgemäß die weitere Frage auf tauchen, ob es fich nicht vielleicht empfehle, eine ftändige Vertretung beim Zurfürftlichen Hofe zu unterhalten. Demgemäß kam es denn auf am 24. März im jchwedilchen Senat zu einer hochinterefjanten und hochwichtigen Verhandlung über das „brandendurgiiche Weſen“. Der Reichskanzler eröffnete die Diekuffion, indem er den Antrag einbrachte, „in welcher Weife bezw. ob überhaupt vetus amicitia mit Brandenburg redintegriert werden folle”, und indem er ferner davon Mitteilung machte, daß der ehemalige Refident Wolfsberg fein „Sentiment” be züglich diefer Trage fchriftlich aufgefeßt habe. Der zweite Redner war der Reichsdroſt. Wie früher bei allen Gelegenheiten, fo befürwortete at auch diesmal aufs wärmfte die „amicitia cum Electore“, welche ihm beionders deshalb nötig und nützlich erfcheine, weil man dann in Friedenszeiten die Präfenzflärke der in den pommerfchen Garnifonen be findlichen Truppen beträchtlich herabmindern könne. Der eingefleiichte Gegner Brandenburgs, K. G. Wrangel, bezweifelte num freilich, „dab eine gute und beftändige Freundſchaft mit dem Kurfürften zu erlangen jei”. Allein der Reichskanzler erachtete diefen Zweifel für um fo weniger gerechtfertigt, ala der Kurfürft ja „nunmehr alle die andern Alliierten erprobt und dabei befunden habe, daß von ihnen ein wejentlicher Profi für feine eigenen Intereſſen nicht zu erholen fei*. Hierauf wurde bie Debatte zunächft unterbrochen und das von Wolfsberg verfaßte „Con- silium“ verlejen, welches die Frage behandelte, „ob ein Gejandter am Eurfürftlichen Hofe nötig und nüßlich fei, oder nicht“. Diefe Dent- fchrift, deren Wortlaut weiter unten wiedergegeben wird, machte auf die Reichsräte einen tiefgehenden Eindrud und führte zu einer längeren Er Örterung,, welche damit endigte, daß der Reichskanzler nochmals ver fiherte, „er könne nichts anderes judizieren, ala daß der Kurfürft inter ambiguos amicos, sc. Caesarem et Polonum, fortan bie $yreundicaft Schweden? gern ampleltieren werde". Was die von Wolfsberg vor geichlagene „Beichikung“ beträfe, fo Halte er diefelbe, ganz abgefehen don anderen Gründen, ſchon deshalb für „keineswegs unnütz“, um zu verhüten, „daß die übrigen Stände im Deutfchen Reiche widrige Ge danken faffen, ala wolle Schweden de industria fi) den Weg zu Feind⸗ jeligkeiten für alle Zeiten offen halten und auf folche Weife fortwährend partes Imperiü turbare“ !). |

Zu einer Abjtimmung über die don dem Reichskanzler geftellte Propofition ift e& damals nicht gefommen. Auch währte es befanntlid noch mehr als fünf Jahre, bis die fchwebifche Regierung fich endlich veranlaßt fand, einen fländigen Refidenten, den pommerjchen Hofgericht#”

1) Ratöprotofol vom 14. (4. März). Schon Wild. Tham, Bidrag til} Svenska riksdagarnes och regeringsformernas historia frän midten af sjuttonde ärhundradet I, 151 (Stodh., 184547) Hat bie Wichtigkeit bieket enatsſi ung erkannt und ihren Derlauf in kurzen Bügen aefchildert. Fr. Gar on, Geichichte Schwebenz u. he: Bd. IV (Gotha, ) würdigt Hingegen die orgänge, welche mit der Wiederanfnüpfung der diplomatiſchen Beziehun zwilchen Brandenburg und Schweden in Zufammenhang ftehen, mit feiner Std

199] Kleine Mitteilungen. 199

rat Hermann Wolftadt, an den brandenburgifchen Hof zu entjenden. Gleichwohl hat die Denkſchrift Wolfsbergs fchon nach wenigen Wochen reiche Frucht getragen. Die von ihm zu Gunften einer Vertretung Schwedens beim Kurfürften angeführten Beweisgründe waren nämlich jo ichlagend und entiprachen, wie die bald darauf auß Cleve in der ſchwe⸗ diſchen Hauptſtadt eintreffenden Relationen Dohnas aufs Ddeutlichite zeigten, jo ſehr der allgemeinen politifchen Situation, daß die Zived- mäßigleit des Vorichlags, dem Kurfürften auch nach der Abreife Dohnas dann und wann durch einen Abgefandten „gute Impreffionen“ beizu- bringen, fich den Reicheräten mit logiſcher Notwendigkeit aufdrängen mußte. In der Sikung vom 5. Mai beantragte denn auch der Hofe fanzler Mathias Biödrenllou die Sendung eined „Kavaliers” an den brandenburgifchen Hof, um den Kurfürften aufzufordern, er möge einen Bevollmächtigten ernennen, der mit einem ſchwediſchen Delegierten die in allererfter Linie hierbei in Betracht kommende Perfönlichkeit war nach der Anficht des Hoflanzlerd der pommerjche Regierungspräfident Andr. Gyldenklou über gewiffe Angelegenheiten zu verhandeln ermächtigt fi. Zwar wurden zunächft von verfchiedenen Seiten gegen die Zweck⸗ mäßigfeit des eingebrachten Antrags Bedenken geltend gemacht. Allein der rednerischen Gewandtheit Brahes gelang e8, nicht nur die Oppofition zum Schweigen zu bringen, fondern auch zu erwirten, daß die abwejenden Mitglieder der Regentſchaft, de la Gardie und K. G. Wrangel, im Intereſſe einer Beichleunigung des „Conclusum“ fofort brieflich zur Rück⸗ tehr nah Stodholm aufgefordert wurden!). Zwei Tage fpäter wurde im Senat die Snftruftion für Gyldenklou verlefen. Daß das Wolfs⸗ bergfche „Consilium* auf den Anhalt derfelben eingewirft bat, läßt fich unfchwer erkennen. Die fchwedifche Regierung fo heißt es nämlid habe nunmehr „aus vielerhand wichtigen Konfiderationen” für nüßlich und nötig erachtet, die von dem Grafen Dohna „inkaminierte Sache aus⸗ arbeiten, das Vornehmen [leg. Einvernehmen] mit des Hrn. Kf. 2b. in ein Band näherer und jeiterer Sreundfchaft verfnüpfen zu laſſen und, wann es geichehen könnte, S. Ld. alfo von dem bisherigen Mißtrauen und daraus herrührende nachteiligen Intriguen ganz abauziehen.“ Zu diefem Behufe folle Gyldenklou „mit einem der fl. Miniftren, welchem Ihr eine dergleichen importante Sache vertrauen zu können ur« theilet“, in Korrefpondenz treten, demfelben „die contestationes, fo mehr« ermeldeter Graf von Dona am fl. Hofe getban”, wiederholen und er⸗ HMären, „daß im Fall man fl. Seiten eine reale Intention führete, mit und wiederumb in ein ficheres, gutes Vertrauen zu gelangen, Ihr von und Kommiffion befommen würdet, mit denjenigen, jo des Hrn. Kf. Ld. dazu bevollmächtigen würden, unter der Hand zu traftieren und unferer Seiten dergleichen Anerbieten zu thun, welches nicht anders, dann Sr. Ld.

I) Ratsprotofoll vom 25. April (5. Mai). Während der Eibung richtete

der —E an den Hofkanzler u. a. die Frage, „ob es zwiſchen Legatum et esidentem ein medium gäbe“. Zie Antwort lautete verneinend, wojern es fich

am eine Oxrdinarie:Miffion handle; bezüglich einer Extraordinarie⸗Miſſion Liebe & hingegen wohl ein medium finden.

200 Kleine Mitteilungen. [200

angenehm und zu beider unfer und unſerer Eſtats Sicherheit und Beſtem erfprießlich jein Könnte”. Schließlich erhielt Gyldenklou die Weifung, die am Hofe zu Cleve verbreiteten „ungegründete spargements” von antibrandenburgiichen Intriguen Schweden? in Polen und von eimer gegen den Kurfürften gerichteten jchwedifchen „Armatur“ nach Möglid- feit zu widerlegen. Auch in den Reden, twelche die Annahme jener In⸗ ftruftion begleiteten, macht ſich der Einfluß der Wolfsbergichen Argu- mentationen deutlih bemerkbar. So „deducierte” beifpielaweije der Hoffanzler, „ein wie hohes Intereſſe die Krone an einer Kooperation mit dem Kurfürften babe”, und aivar nicht allein mit Rüdficht auf „die gute Partei in Romano Imperio*, fondern auch, weil e& andernfalls leicht geichehen könne, daß Brandenburg fchließlich „metu nostri® fi offen auf die Seite der Gegner Schwedens ftellen wärbe N).

Am 30. Zuni 1661 erichien der pommerſche Kanzler H. €. v. Stem: bad im Auftrage Gyldenklous in Zehdenid, um dort auf Grund der oben kurz flizzierten Inftrultion vom 7. Mai mit dem brandenburgifchen Geh. Rat dv. Somniß zu Lonferieren’). Zieht man in Betracht, daß diefe Konferenz zu weiteren „außerordentlichen” Sendungen der ſchwe⸗ diſchen Regierung nach Brandenburg und fomit indirelt auch zur Gr nennung eines ftändigen Refidenten am turfürftlichen Hofe Veranlaffung gab, jo wird man dem Wolfsbergſchen „Conclusum“ einen enticheidenden Einfluß auf die Geftaltung der brandenburgifch-fchwedifchen Beziehungen nad) dem Frieden von Dliva kaum abiprechen können und demzufolge eine wörtliche Wiedergabe jener intereffanten Denkichrift keineswegs für Hberflüffig erachten.

Gleich mehreren anderen berborragenden ſchwediſchen Diplomaten des 17. Jahrhunderts entftammte auch Bartholomäus Wolfrath einer alten pommerjchen Patrizierfamilie®). Die Angabe *), er ſei bereits von ob. Baner in deffen Feldkanzlei beſchäftigt worden, erweiſt ſich als zutreffend. Auch wiſſen wir, daß er während der Weſtfäliſchen Friedens⸗ verhandlungen als „Referendar“ bei der ſchwediſchen Legation in Osna⸗ brüd thätig war. In wie hohem Maße er fich Hier die Zufriedenheit feiner Borgejegten zu erwerben wußte, da8 zeigt feine Ernennung zum Königlichen Sekretär (25. Mai 1648), fowie feine gleich darauf unter

l) Reichsratsprotokoll vom 2 April (7. Mai); Inftruftion für Gyldentlon, d. Stodholm, 27. April / 7. Mai 1661. 2) Bgl. darüber Urf. u. At. XL, 109 3) Er felbft fchrieb ſich „MWolffraht. ermutlich war er zu Stralſund ge: boren, wo mehrere Syamilien des Namens „Wolfrath“ damals anjälfig waren. Die biographiſchen Notizen ſind auf Grund von Briefen von und an W., die ih in verfhiebenen Sammlungen des Stockholmer Reichsarchivs befinden, bon ie ufammengeftellt worden. Herr Dr. Per Sonden hatte die Güte, meine —* en ga forfpungen du un m manchen aa af Anger erzeig zu erleichtern. venska Adelns or, rep. IV, 638

(Etodh, Ki (Artikel, Wolfsberg“ ; derſelbe jr: "edit dürftig und ehferhaft)

201] Kleine Mitteilungen. 201

dem Ramen Wolfsberg erfolgende Erhebung in den Adelaftand (15. Juni). Während der Friedensexekution in Deutichland (1648—50) fungierte er ala Chef der Feldlanzlei und Geheimfefretär bei dem ſchwediſchen Generaliffimus, dem Pfalzgrafen Karl Guſtaf. Die wertvollen Dienite, welche er in diejer Stellung dem ſchwediſchen Staate Leijtete, blieben nicht unbelohnt. Auf Verwendung Karl Guftafd erhielt er nämlich be- trächtliche Geldmittel, die ihn in Stand feßten, eine längere Studien- reife 1650—52 durch Holland, Frankreich, die Schweiz, Italien, Oefter- reih-Ungarn und Deutfchland zu unternehmen. Die Berichte, die er während dieſer Reife von Zeit zu Zeit an feinen Gönner fandte, zeigen feine Scharfe Beobachtungagabe in fo glängendem Lichte, daß es nicht Bunder nehmen fann, wenn Karl X. Guftaf bald nach feiner Thron- befteigung feinen (inzwifchen zum Hofrat ernannten) ehemaligen Geheim⸗ jetretär mit einer bochwichtigen diplomatischen Sendung an den branden- burgiichen Hof betraut. Die ebenfo anziehend gejchriebenen wie wertvollen Relationen Wolfsbergs während feines dortigen Aufenthalts (März 1655 bis Juni 1658) werden fpäter in der Abteilung „Schweden“ der „Urkunden und Alten” veröffentlicht werden. Nach Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwiſchen Brandenburg und Schweden finden wir Wolfsberg im Auftrage feiner Regierung bald an diefem, bald an jenem deutſchen Fürftenhofe, jo 1658 zu Magdeburg, Köthen, Dresden, Braunfchweig u. ſ. w., 1659—60 zu Hamburg, Braunfchweig, Eifenach, Leipzig, Meißen, Kaflel u. |.w. Im Spätfrühling 1660 kam er nad) Stodholm. Welch Hervorragende politiiche Rolle er dort gefpielt bat, it oben des weiteren ausgeführt worden. Infolge feiner Ernennung zum Regierungsrat in Bremen Tehrte er 1661 nach Deutichland zurüd, wo er verfchiedentlich, wenngleich nur vorübergehend, Gelegenheit erhielt, feine diplomatischen Fähigkeiten von neuem zu befunden. In den Monaten März und April 1671 weilte ex nämlich ala Gejandter auf dem nieder- fähfiichen Kreistage in Lüneburg, Oktober bis November 1678 zu Braunfchweig, November 1674 bis Januar 1675 zu Hannover. Wolfg- berg ftarb 1684 in Hamburg, wo er fich feit 1681 ala Refident für den niederfächfiichen Kreis aufhielt.

Das eigenhändige Original des Wolfsbergichen „Consilium“, welches am 24. März 1661 in der Sikung des fchwedilchen Senats zur Ver⸗ leſung kam, wurde von mir in dem Depefchenbande: „Wolfsbergs bref till Kongl. Maj. 1655* aufgefunden. Die Denkfchrift ift undatiert, do ergiebt fich daB Datum der Berlefung aus den Reichsratsproto⸗ tollen, annähernd auch aus dem Inhalt ſelbſt. In Bezug auf die ortho⸗ graphiſche Wiedergabe des Textes find im weſentlichen die Grundfähe maßgebend geweſen, welche bei der Herausgabe der „Urkunden und Alten“ zur Anwendung zu gelangen pflegen.

202 Kleine Mitteilungen. [202

„Consilium* des Hofrat Bartholomäus Wolfsberg, verleſen au Stodholm am 14.24 März 1661 in der Situng des ſchwediſchen Senat?.

Nachdeme die Frage vorgekommen 1)ob es nöthig und nützlich, das von I. K. M. und hiesiger Cron ein Publicus Minister an den Churfürstl. Brandenburgischen Hof wieder verordnet werde, und 2) ob solche depeche fürderlichst an Hand zu nehmen, oder ob damit solange anzustehen sein wolle, bis zufürderst der Churf. Jemand anhero ahfertigt, als wird nach- folgender gestalt, jedoch unvorgreiflich, darauf geantwortet:

I.

1) Was es ins gemein ein und anderm Estat in den Consiliis für Nachricht und Handbietung giebt, wenn man an unierschiedlichen aus wärtigen, vornehmen Höfen versicherte und in den affairen geübete Ni- nistros unterhält, so nicht allein wegen ihrer hohen Principalen interesse bei allen Vorfallenheiten gebührender massen vigiliren, sondern auch die consilia und actiones, jeder seines Orts, penetriren und durch ihre wochentlich abstattende relationes alles fideliter überschreiben, solches ist durch die tägliche Erfahrenheit bekannt und bedarf keiner weiteren re monstration. Massen denn dergleichen speculatores die geringe ech so auf dieselben gewandt werden müssen, ins gemein mit gutem Nutzen wieder einbringen und oftmals das Glück haben, viele geheime und noth- wendige Nachrichten zur Hand zu schaffen können.

2) So ist nicht zu zweifeln, es werde der Churf., wann er LK.M. und der Cron inclination zu restabilirung der vorhin gepflogenen Freund- schaft solcher gestalt wird versichert werden, allgemach von der Öster- reichischen Parthey, als welcher er sich mehr aus vermeinter Noth als au sonderbarem Vertrauen und affection zugesellet, sich wieder ab ziehen,

3) mit I. K. M. und dero Cron in vorige gute correspondence hin- wiederumb zu treten und wegen beiderseits in ÄAufrechthaltung und c00- servation des allgemeinen Evangelischen Wesens versirenden interesse vertrauliche communication zu pflegen Gelegenheit haben. Gestalt denn bekannt und sowoll von I. K. M. Ministris als andern, und insonderheit der Evangelischen Chur- und Fürsten Abgesandten, bezeuget worden, dass der Churf. auf denen Reichstagen, so für Anfang des letzten Polnischen Krie ehalten worden, für der Chur-, Fürsten und Stände wolherg® prac te Freyheit- und Gerechtigkeiten recht mascule sprechen und votiren assen. 4) werden alle Evangelische Chur- und Fürsten solche reconciliation und gute intelligence zwischen I. K. M. und dem Churf. überaus gerne vernehmen und dadurch desto grössern Muth fassen, dasjenige, was ver- mittelst I. K. M. und dieser Cron siegreichen Waffen in dem Osnabrug- Rischen Friedensschluss sowoll ihnen selber wegen restabilirung ihrer

ignität, Freyheit und jurium, als andern interessenten zu gute gestiftet aufs äusserste mainteniren zu helfen. Allermassen man bey denen von I. K. M. Glorwürdigster Gedächtnuss an die meisten Evangelischen Chur- und Fürsten in nächsten beyden Jahren beschehene Abschickungen dieses erfahren, dass sich keiner zu etwas reales resolviren wollen, 8% lange I. K. M. und die Cron mit dem Könige in Dennemarck und dem Churf. von Brandenburg nicht wieder vereiniget wäre; vorgebende, das bey solcher Bewandtnuss, da die vornehmsten Säulen der Evangelischen Kirchen mit einander zerfallen, sie ohne appuy und nicht capabel wären. dasjenige, was die Nothdurft und ihre Schuldigkeit woll erforderte, zu praestiren. Sobald aber diese Partheyen wieder mit einander verglichen und in gutes Vernehmen sein würden, alsdenn wollten sie auch andere consilia ergreifen.

203] Kleine Mitteilungen. 203

5) Imgleichen wird es bey Engelland und Holland in consideration kommen und ihnen nicht unlieb sein, wenn I. K. M. und diese Cron mit dem Churf. in guter correspondence sich wieder befinden und zu solchem Ende einen Ministrum bey Hofe haben.

6) Denn gleich wie gewiss ist, dass eben in solcher Zeit, wenn eine Regimentsveränderung bey Cronen und hohen Potentaten vorgehet, die Gemüther auf der Schau stehen und alle erste Sachen zum fleissigsten beobachten, also wird dergleichen Bezeigung, so I. K. M. und die Cron ein und andern Orts itzo äussern, woll beobachtet und angemerket werden.

7) Unter andern wird auch anitzo, da der Churf. in der Reise nach Cleve begriffen und daselbst, der vorigen Gewohnheit nach, aufs wenigste ein par Jahre sich aufzuhalten gemeinet sein soll, umbsoviel nöthiger sein, Jemand bei Hofe zu haben, weiln wegen I. K.M. mit demChurf. grenzenden ausländischen Provincien, und insonderheit in Pommern, es zum oftern, bald wegen der commerceien gehinderten Lauf[s] (wie anitzo, dem ein-

angten Bericht nach, solche aus der Marck und die Oder hinunter auf tetin gehemmet sein sollen) oder der Licenten halber, so in den Hinter- Pommerischen Häfen gehoben werden, bald wegen der Niederlags- Gerechtigkeit, als wesfalls die Städte Stetin und Franckfurt noch in Streitigkeit leben, oder wegen der Grenzen und anderer Sachen halber einige differentien abgiebt, welche die hinterlassene Statthalter und Räthe allemal nicht decidiren können, sondern nur blos ad referendum annehmen und nach Hofe [zu] berichten pflegen. Wie solches alles diejenigen Mi- nistri, so hiebevor im Namen I. K. M. an selbigem Hofe residiret, aus der Erfahrenheit mit mehrem bezeugen können.

8) Zu geschweigen, dass bey solcher Bewandtnuss, wenn einiger Minister an den Churfl. Hof würde abgefertiget werden, derselbe nicht alleine, wozu diese Clevische Reise eigentlich angesehen, und ob nicht dem Hrn. Pfaltzgrafen von Neuburg in praejudieium tertii etwas abermal anzumuthen und [ihn] abzuschrecken intendiret werden dürfte, sollte penetriren, sondern auch entweder durch Kgl. creditiven, umb einig complement [leg. compliment] bey Pfaltz-Neuburg abzulegen, oder sonsten einige adresse an selbigem Hofe zu gewinnen und dadurch die Churfl. intention und des Pfaltzgrafen resolution zu erförschen, wie auch wegen LK.M. interesse dabey zu vigiliren Gelegenheit erlangen können.

I.

Nun kann zwar hierauf eingewendet werden: 1) dass der Churf. durch sein widerwärtiges comportement und zuletzt geäusserte feindselige proceduren viel ein anders, als dergleichen zu restabilirung voriger

reundschaft gerichtete inclination, meritiret habe; 2) dafs man denselben

nicht sonderlich consideriren, sondern sich frembd und kaltsinnig gegen ihn stellen, ja gar inter spem et metum solange hinzappeln lassen soll, bis er etwa genöthiget wird, der Crone Freundschaft zuerst wieder zu suchen, und vorhero Jemand an I. K. M. abfertiget.

f wird repliciret: 1) Dass, gleich wie Missverständnussen und empfangene torten endlich den Krieg gebären, also durch Friedens- handlungen das streitige verglichen, das passirte, wo nicht gar vergessen, Jedoch bis zu gelegener Zeit an einen Nagel gehenket und inzwischen die

ne zu der vorigen Freundschaft wieder gemachet wird. Und pflegt aladenn demjenigen Theil für die grösseste Politique und Genereusität z&eleget [zu] werden, welcher hierunter am besten dissimuliren kann. Zudeme ist auch nichts ungewöhnliches, dass aus Freunden Feinde und aus verbittert gewesenen Feinden wieder gute Freunde geworden; denn

Gesellenspiel sich solcher gestalt gar oft verändert.

2) Einigen froideur oder frembde Bezeigung gegen den Churf. merken zu lassen, wird keinen Nutzen schaffen, dieses aber gewiss verursacheu, dass der Churf. in der bereits geschöpfeten opinion, näml. dass zu der reconciliation keine Hoffnung obhanden, sondern dass man hier bey Hofe

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auf die Rache und seines Hauses ruin meditiret, gestärket werden [dürfte] Massen ihme denn allerhand nachdenkliche Reden und gleichsam rach-

ierige Bedrohungen, so von hohen Kgl.Ministern noch nach geschlossenem jüngsten Frieden geführet sein sollen, schon zu Ohren gekommen; wie solche dem Pommerischen Estats-Secretario Hr. Faltzburgen, als von des Hrn. Reichs- Admirals Hochgräfl. Exc. derselbe in gewissen Angelegen- heiten nach dem Berlinschen Hofe für einiger Zeit abgeschicket gewesen, mit Umbständen beygebracht worden! Zugeschweigen, dass der Churf. vor diesem schon in der opinion gestanden, was gestalt er und sein Churfl. Haus, wenn mit der nächstabgelebeten K. M. Glorwürdigster Gedächtnuss ein menschlicher Fall sich begeben und es zu einem inter- regno gelangen sollte, von den Herren Reichs-Räthen Excellentien wenig guts sich zu versehen haben würden. Worauf denn, daferne ihme der- gleichen impression bey Zeiten nicht benommen werden sollte, ungezweifelt erfolgen dürfte, dass er sich gegen alle besorgende Gefahr, so gut er kann, hin und wieder verwalhren und insonderheit mit dem Hause

sterreich, zu nicht geringem praejuditz des Evang. Wesens, je länger je stärker verbinden und hingegen I. K. M. interessen, so viel er kann und mag, wo nicht offentlich, jedoch per indireetum ein und andem Ort sich opponiren und selbige zu hintertreiben suchen wird.

3) Und ob zwar dem Churf. zur Gnüge bekannt, dass die Wolfahrt und Sicherheit seines Estats viel ein anders erfordert, und dass of- gedachtes Österreichische Haus gegen ihn und seine Vorfahren einen ab- sonderlichen Hass zum oftern verspüren lassen massen der zuletzt abgelebte Kaiser wegen des itzigen Churf. diese nachdenkliche und

leichsam verbitterte Wort fahren lassen: er wäre Feind beydes, von der Person und der Religion; zugeschweigen, dass ihme, dem Churf., ver- borgen sein sollte, was gestalt der Ertzhertzogen von Österreich wegen des Grossmeisterthumbs auf Preussen führende praetension noch nicht in die Tiefe des Meers versenket, sondern bis zu der Zeit, dass etwa aus selbigem Hause, der itzo habenden grossen Hoffnung nach, ein König ın Pohlen erwählet worden, und es alsdenn vielleicht bessere Gelegenheit, diese praetention zu urgiren, geben dürfte, gar fleissig verwahret und beybehalten wird und also von verständigen und weltweisen Leuten zu raisonniren sein könnte, dass extra casum summae necessitatis er sich vielgedachtem Hause Österreich nicht ferner anvertrauen würde, so atehet doch nicht unzeitig zu vermuthen, dass, ehe und bevor er dieser Cron inclination zu voriger Freundschaft allerdings wieder versichert, derselbe weder die Österreichische Parthey gänzlich quittiren noch durch eine Abschickung an diesen Kgl. Hof sich beim Kaiser suspect machen, son dern dem Exempel derjenigen folgen dürfte, so Schiffbruch erlitten oder sonst in ein tief Wasser gefallen und in soleher Noth, ehe sie ersaufen, sich lieber an Dornen- und Distelsträuche halten, auch selbige, wie scharf und tackig [leg. zackig] sie sein, nicht ehe gerne verlassen, sie etwas anders, womit sie das Leben zu retten Hoffnung haben, er blicken und erlangen können.

4) Inzwischen wird er die Cron hin und wieder für irreconeiliabel ausschreien und sowoll in Engel- als Holland, auch bey den Evang. Chur-, Fürsten und Ständen im Röm. Reich sich damit excusiren, dass er desfals genöthiget werde, an Österreich sich feste zu halten. Massen denn

1) Die biöher von mir eingejehenen Attenfammlungen im Stodholmet Reichsarchiv geben über diefe Sendung Faltzburgs feine weiteren Aufichlüffe Ar 15.'25. September 1660 ergeht an K. G. Wrangel die Ordre, er jolle, „wann die Evatuation der Pläße in Pommern geichehen unb er, Hr. Graf v. Walded, währender Zeit nicht ſatisfaciret würde, einige von unſern daſelbigen Bedienten. umb des Hrn. Grafen und anderer Gravirten habende fundamenta zu leuchten, kommittiren ....“ Vielleicht hängt die Mifſion Faltzburgs mit dieſen Befehl zuſammen.

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ex praeteritis bekannt, wie er seine Sachen zu coloriren, insonderheit die aus gewisseu Ursachen zu Flensburg in etwas verzügerte audientz seiner Gesandten und deroselben darauf mehr aus Eigensinnigkeit als gehabter raison erfolgete heimbliche Abreise zu exaggeriren gewusst!). Und dürfte woll zu glauben stehen, dass I. K. M. und Dero Cron der Churf., nach- deme er von dieser Parthey ausgesetzet, mehr durch seine consilia als durch die würkliche Waffen Schaden gethan hat, indeme bekannt, welcher gestalt er viele Feinde gegen die Crone aufgewiegelt und den wenigen Freunden ungleiche impressionen von I. K. M. und der Cron intention beygebracht und dieselbe[n] dadurch, wo nicht gar abwendig, jedoch zu denen Zeiten, wenn man ıhrer Hülfe am nöthigsten gehabt, stutzend gemachet hat. Und haben I. K. M. Christmildester Gedächtnuss solches alles zuletzt höchst vernünftig und woll erwogen und dahero wenig Monat für Ihrem hochbeklagenswürdigen Falle alle Mittel und Drege, wie Sie diesen Churf. wieder gewinnen, von der Österreichischen Partlie abziehen und, wo nicht zur coniunction, dennoch nur zu voriger Freundschaft und zu der Neutralität vermögen möchten, versuchen zu lassen resolviret, auch kein Bedenken getragen, diese inclination unter der Hand und per tertium bey dem Churfl. Hofe bekannt zu machen. Massen deun bereits der Graf von Waldeck und der Resident Wolfsberg auf I. K. M. gnädigsten Befehl an dem Cassel’schen Hofe hierin negotiire

und die intention dahin gangen, dass sie entweder beiderseits oder Wolfsberg alleine, kraft der für sie zu solchem Ende in duplo aus- gefertigten Vollmachten, mit einigen Churfl. geheimen Ministris, so hierzu ebener gestalt gnugsam legitimiret gewesen, in loco aliquo tertio zu- sammen koınmen und die conditiones (worunter an seiten I. K. M. gar advantageuse für den Churf., als näml. Elbingen gegen Gottorff und andere mehr Dinge sollten auf den Tapet geworfen werden, und da- hero, wenn es zum congress gekommen, an Erreichung des Zwecks, weiln der appetit zu solchen niedlichen Bisgen viel guts gewürket haben dürfte, nicht zu zweifeln gewesen sein würde) von einander vernehmen und, wo immer müglich, darin schliessen sollten ®2). Alleine der Verlust auf Fühnen?) und darauf nach der Hand erfolgete klägliche Fall des Königs brachten dieses Werk in retardat, verursachten andere consilia auf beyden Seiten, worauf endlich der Friede erfolget ist.

5) Es sollte zwar dem Churf. nicht übel anstehen, sondern vielmelır geziemen, dass er mit einer Abschickung den Anfang machete. Man hat aber auch Exempel, dass, wenn Veränderungen in Kgl. Regierungen vor- gegangen, solches nicht alleine durch Schreiben, sondern auch durch eigene Abschickungen ein und andern Orts notifieiret worden. Aller- massen denn I. K.M. Glorwürdigster Gedächtnuss, sobald Sie nach L. K. M. der Königin Christinen abdication zum Regiment gekommen, sowoll an diesen Churf. (unangesehen man die nächstvorhergegangene Jahre wegen der Pommerschen Grenzscheidung an dem Kais. Hofe und auf dem Reichstage mit gar verbitterten Schriften gegen einander geagiret und

1) ®. erinnert hier an die Sendung Schwerin und Weimans nad) Trlens: burg (Ende Juni 1658), jene damals „vielbefprocdhene diplomatifche cause celebre“. VL Urkunden u. Atten Bd. VIII [ed. 8. Erbmannadörffer] (Berlin, 1884) €. 192 Anm. 2 u. S. 242 ff. fowie die bort citierten Quellen.

., 2 Dal. „Memorial, welches J. K. M.... dem .. . Grafen zu Walbed etc., bei feiner nach Teutſchland vorhabenden Reife an dem Caſſelſchen Hofe und jonft dienfamer Orten wegen Projektierung eines Vergleichen zwiſchen I. M. und Drandenburg in Acht zu nehmen, gnädigit rekommendieren“, dat. Friedrichsburg, %. Aug. / 5. Sept. 1659; Voillmachtf. Waldert, Srebrifebor ‚27. Aug. / 6. Eept.; Vollmacht f. Wolfsberg, Nytjöbing (Falfter) 5./15. Oft.; Karl Guftaf an Wolfss berg 8.18. Oft.; an Katder 11./21. Ott. u. 26. Ott. / 5. Nov.; Anftruftion f. wolfäberg, dat. 20.130. Oft. u. |. w. u. |. w.

3) Lie Niederlage der Schweden bei Nyborg, 24. Nov. 1659.

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die Grenz-Tractaten erst neulich geschlossen, auch in den nächsten Jahren und seit des Hrn. Kleisten und des Residenten Schletzern!) darauf ge folgeten Abreise keine Abschickung von Churbrandenburg hier! gewesen als an andere Chur- und Fürsten Jemand abgeschicket, und, nächst der notification von fürgegangener Veränderung, Ihre inclination und Be ierde zu Unterhaltung guter Freundschaft und vertraulicher correspon- dence contestiren lassen. Welches denn aller orten woll aufgenommen und dadurch nach der Hand so woll bey den angestellten und connivirten Werbungen als sonsten alles Wollwollen verspüret worden ?). 6) Und kann von Niemandem, deme die ınteressen und vorerzählten Ümbstände bekannt, für frembd gehalten, vielweniger ungleich aus edeutet oder für verkleinerlich genommen werden, dass I. K. M. auf iesen Churfl. Hof mehr als auf andere Churfürsten reflexion richten. Sintemalen ja bekannt, wie für etwa drey Jahren an selbigem Hofe fast von allen in Europa befindlichen gekrönten Häuptern und Republiquen Gesandte und Residenten, und zwar auf einmal zugleich, nachfolgende sich befunden: als wegen I. K.M. der Resident Wolfsberg, wegen Franek- reich Monsr. Blondel?), von dem Könige in Ungarn und Böhmen der Greneralwachtmeister Fernemond®) und der Isola°) (welcher letzte wegen des abgestorbenen Kaisers sich vorher schon eine geraume Zeit an dem Churfl. Hofe befunden, wegen Pohlen der Herr Lijssijnski®), wegen Dennemarcks Monsr. Ahlefeld?), wegen des Hrn. Protectoris in Engelland Monsr. Jepsohn®), und wegen des ausserhalb Landen gewesenen Königs in Schotland ein ander Englischer Cavalier?), wegen Holland Monsr. Yserbrand'°); zugeschweigen des Churfi. Collegii, item der Fürstl. Häuser Braunschweig, Lüneburg, Meckelburg, Hessen-Cassel'!), und des Cur-

1) Ewald v. Kleift. Seine Berichte gedr. in: Urkunden u. Alten Bd. IV Ir B. Erdmannzdörffer] S. 843 ff. (Berlin, 1867). abol| Sriebric ei eine Relationen gedr. in Urkunden u. Akten Bd. VI [ed. B. Erdmannabö ©. 651 ff. (Berlin, 1872).

2) Gemeint ift die Sendung des Grafen Chriftoph v. Schlippenbad 1654; vgl. W. Arndt, Die Sendung des Grafen Schlippenbach zu Kurbrandenburg und Sadjen, in: Zeitichr. f. Geichichte u. Politit, herausgegeben von Zwiedined: Südenhorit. Jahrgang 1888, Heit 1.

3) Frangçois Blondel, Seigneur de Croifettes; biographifche Notizen ſowie feine Relationen in: Urkunden u. Akten Bd. II [ed. Ed. Simjon) ©. 117 ff. "Berlin, oo) Barwib, Fr gF keine 8

tanz d. Barwiß, Frhr. zu Fernemont; feine Berichte gedr. in: Urkunden u. Alten Bd. XIV [ed. N. F. Sribram] ©. 76 ff. (Berlin, 1890). Vgl. auch Urk. u. Akt. VIII, 382.

5) Franz v. Lifola; feine Berichte bei A. F. Pribram, Die Berichte des kaiferl.

Gefandten F. v. Lifola aus den Jakken 1655-60, in: Archiv f. öjterr. Geſch

rancis Roper; Dal. Urk. u. Att. VIL 710. 10) Johann pl randts; feine Relationen gedr. in: Urk. u. Atten Bd. IH [ed. Heine. Peter] S. 113 ff. (Berlin, 1866). 11) Die Abgefandten des KHurfürftentollegiums waren Pet. Jak. Ebelbad, Phil. Ehrift. Weingarten, Joh. Friedr. Burkersrode u. Herm. Wolframaborf; l. Bufenbort, De rebus gestis Frid. Wilh. VII 8 61 p. 445. Die braun: jhweigslüneburgischen Abgelandten waren: der Kammerpräfident v. Bülow, der Kanzler Jo. v. Shwarste f und der Statthalter Friebe. Schent v. Winter ſtädt: vgl. Urt. n. Alt. VIII, 479 u. 540 fo.

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ländischen, ja des Moskowitischeu, Siebenburgischen und tartarischen Ab- eschickten ', Dergleichen frequentz denn von Publiquen Ministren an einem Hofe zugleich wird neulich zu verspüren gewesen sein; dahero man auch an seiten des Churf. sich zu selbiger Zeit desfals nicht wenig vanitiret hat.

7) Sollte nun die Abschickung in Bedenken genommen und ferner aufgeschoben werden, so wird doch nöthig sein, auf des Churf. actiones genaue Acht zu haben und, da man vermerken sollte, dass er vermittelst

ea Hauses Ouranien (als welches durch des Königs von Engelland resti-

tution wieder zimbliche appuy bekommen und considerabel zu werden beginnet) Behelf und adresse, es sey in Holland oder Engelland, mit einigen auf das Übelwollen gerichteten consiliis schwanger gehen sollte, ihme per cuniculos entgegen zu gehen und vorzubauen, wie auch auf nächsten Reichs- und Creystagen, als da ins gemein die Majora gelten und durchdringen, Parthey zu machen und vermittelst guter intelligentz mit ‚ein und anderm Churfl. oder Fürstl. Hause sich gegen ihu zu ver- stärken.

8) Es falle aber die resolution, dass über kurz oder lang einiger Minister nach dem Churfl. Hofe wieder abgeorduet werden möchte, so ist billig nicht ausser consideration zu setzen, dass hierzu ein solch sub-

jectum erfordert wird, deme 1. des Churf. humeur, 2. des Hofes intriguen, der Ministrorum facetiones und welcher Parthey dieser oder jener zu- gethan, insonderheit aber 4. die praeterita allerdings bekannt sein, und er ö. einige adresse zu Erforsch- und Penetrirung der consilıen haben kann,

Ein Brief Über den erwarteten Mebertritt des großen Rurfürften zum Ratholicismus.

Mitgeteilt von Walter Ribbed in Marburg.

Das nachjolgende Schrütftüd, ein Brief des Sekretärs der päpft- lihen Breven, P. Agoftino Favorito, an den ihm befreundeten Bifchof don Paderborn, Ferdinand von Fürftenberg, vom 8. März 1677 findet fh unter den Fürjtenbergfchen Papieren in der Bibliothet des Grafen von Eiterhazy- Plettenberg zu Nordkirchen. Es behandelt die Ausfichten auf eine Konverfion des Kurfürften Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Seinen Ausgangspunkt nimmt e8 von einer dahin zielenden Bemerkung des Kurfürften jelbft. Diefer Hatte nämlich gegenüber dem Kardinal don Hefien geäußert, e8 wundere ihn, daß man fich von Rom aus nicht mehr Mühe um ihn gebe. Wenn nun auf diefe Aeußerung jelbit, die unzweifeldaft nur im Scherz gefallen ift, fein weiteres Gewicht zu legen fein wird, jo ift es doch nicht ohne Intereſſe zu fehen, welche Aufnahme diefelbe in Rom fand. Wohl verhehlte man fich nicht, ein wie ſchwieriges

e8 jein werde, den Protektor des Kalvinismus, deffen Völker einen Slaubenswechjel nur mit tiefftem Wißtrauen betrachten würden, zur Nädtehr in den Schoß der römifchen Kirche zu beivegen, wenn man ihm nicht ganz erhebliche politifche Vorteile dieſes Schrittes in Ausficht Rellen könnte. Aber warum follte nicht auch ein Wunder möglich fein,

1) Der uff. Geſandte hieß Ivanowitſch Nefteroff; vgl. Urk. u. Akt. VIII, 60 ff.

208 Kleine Mitteilungen. [208

ein Wunder degjelben Gottes, der fi) anheiſchig machte, dem Abraham aus Steinen Kinder zu erweden? So wurden nicht nur der Kardinal, fondern auch andere Prälaten, wie beifpielaweife der Bifchof von Pader born erjucht, die Gefinnungen des Kurfürften genauer zu erforjchen und nötigen Falles auf ihn einzuwirten. So gab man filh jetzt in Rom ähnlichen Illuſionen Hin, wie einige Jahre früber, im Jahre 1670 auf der Nuntiatur zu Warſchau, wo man infolge der Berichte eines an- geblich konverſionsluſtigen Predigerd Dreyer an die Geneigtheit des Kur fürften zum Webertritt glaubte!). Eine weitere Ausfpinnung derartiger Ideen ftellt dann das belannte gefälfchte Teftament dar?).

Favoritus an Yürftenberg. 1677, März 6.

Illustrissimo e Reverendissimo Signore mio Prineipe adrone Colendissimo.

Dal S. Card. d’Hassia®) vien scritto, che il Marchese di Brandeburg si lasciato intendere con S. Eminenza di restar maravigliato, che ds Roma non si procuri la sua conversione signifieando con questo d'haverri qualche propensione. N. S.*) ch'è pieno di santo zelo e che non hıa alt nel cuore che la propagatione della fede e la Conversione dell’ Eresis e tutto cio ene concerne la quiete publica e l’acerescimento del cultu divino (queste cose le posso dire a V. A. con asseveranza trattando ogni sera col apa di queste materie per una 6 due ore) si & grandemente appli- eato ad intraprendere questa grande opera. La quale se bene quanto sia difficile per la professione del Marchese riputato il principal Protettore del Calvinismo; si per l’alienatione de’ popoli dal mutar religione e beuch® cereda che qualche fine Politico di avvanzarsi & pilı ampla fortuna posss dare impulso & simili ostentationi sapendo tuttavıa che Diu suole excitare de lapidibus filios Abrahe e che questo non sarebbe il primo miracolo; non vuol mancare & se stessa et al suo debito Pastorale; usando ogm diligenza per invitare il Marchese & cosi pia e salutare determinatione. HA però ordinato al med. Card. d’Hassia, che procuri d’esplorar meglio e d’ecciter l’animo di lui et havendo io significato a 8. Stä che V. A. ba particolare amicitiae confidenza con esso h& imposto & me di significarle con ogni segretezza il negotio: accioche possa ella far quelle parti; che le verranno dettata della sua somma pieta et prudenza e dalla singolar osservanza, colla quale riverisse la santa Sede. esser soverchio il darle stimolo per un opera cosi degna edi tanta importanza, ma 10 goderd grandemente dentro me stesso che V. A. habbia opportunitä di

imostrare in questa occasione il suo gran zelo e la sua prontezza ad in- contrar le sodisfattioni di N. S. e le riverenza umilissima.

Roma 6 Marte 1677.

D. V. A.

Umilissimo devotissimo osservantissimo servitore Agostino Favorito.

1) Vergl. den von Höfler im Archiv zur Kunde öſterreichiſcher Geſchichts— quellen Bd. ©. Fr abgedructen Bericht, und Lehmann: Preußen und die te e Kirche Bd. IE. 118. er ebb. 3) Friedrich von Heffen-Darmftadt, Bruder des Landgrafen Georg II. 1651, Kardinal 1671, Bilchof von Breslau 1682. 4) Bapft Innocenz XI.

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Markgraf Karl Alexander von Brandenburg- Ansbad . und fein Hof im Iahre 1758.

Don Dietrich Kerler in Würzburg.

Zwilchen König Yriedrih IL von Preußen und jeinem Schwager Karl Wilheln Friedrich von Brandenburg» Ansbach) hat wohl nie ein freundichaftliches Verhältnis bejtanden. Auf den König konnte das un« gezägelte feidenfchaftliche Temperament, die maßloje Jagdluft und Trunk⸗ ſucht des Fürſten!), die vollftändige Zerrüttung der Finanzen?) und die Sünftlingswirtichaft in Ansbach nur abftoßend wirken. Er behandelte iin etwas von oben herab?), mochte nicht perjönlich mit ihm verkehren, und hielt ihn überhaupt nicht Tür geeignet zu feinerem gejellichaftlichem Umgang *). Es konnte nicht ausbleiben, daß der Markgraf fich durch feinen in jeder Hinſicht weit überlegenen königlichen Schwager zurüd- gefegt fühlte?) und daß er die Haußverträge, welche die preußifche Linie der Hohenzollern mit den beiden fränkifchen verbanden und die Bolitit der leteren an die Zuftimmung des Chefs des Gefamthaufes knüpften, als Lältige Fefſeln empiand®). Am Ansbacher Hofe befämpften fich lange die öfterreichiichen und die preußifchen Einflüffe. Hier war die Situation eine andere als zu Bayreuth, wo die Martgräfin Wilhelmine mit ihrem ftarten Willen und fcharfen Verſtande den Gatten nicht zu weit von den Wegen ihres Föniglichen Bruder abweichen ließ. In Bay—⸗ reuth die Bundesgenoffin Preußens eine geiftesmächtige Herrin, Hier in Ansbach eine mißhandelte, aurüdgeftoßene, hyſteriſche Frau”), der eine glüdlichere Zukunft nur durch ihren einzigen Sohn, den Erbprinzen Karl Alexander, verbürgt jchien.

AB einundzwanzigjähriger Jüngling übernahm diefer nach dem am 3. Auguft 1757 erfolgten Tode feines Vaters die Regierung der Mark⸗ graiſchaft. Zroß der ernfteiten Mahnungen und der nachdrüdlichiten Srohungen des Könige war die Entfcheidung der Ansbacher Staate-

1) Bgl. den Brief des Königs Friedrich II. an feine Schweiter, die Mark: gräfin von Bayreuth, aus dem J. 1751 in Politifche Korrefpondenz Friedrichs des Gr. 8, 530. Tab man bei dem Markgrafen nicht ankommen fünne, weil er von früh bie fpät auf ber Jagd ke EA tagt im J. 1748 der öſterreichiſche Sefandte, :gL dv. Aretin, Beiträge 6, res über den Fürſten, feine Perjönlichkeit und feine Regierung findet man in ber wohlunterrichteten €. H. v. vang Geihichte des ur ten Markgrafen von Brandenburg: Ansbach, vgl. Sonden

gl. unten Tableau de la cour. Der König ließ, ohne fi auf heiter, einzulafien,, feinem mager ihon 1752 une Sonomie regl&e em- biehlen, 9 Pol. Korr. 9, 52 und olit. Korr. 9, 92 mit 39.

r BL. orr. 8, 550.

5) Yang a. a. D. S. 73. Der Markgraf glaubte vom Chef des Hauſes al ansgiere Prin —* zu werden, vgl. Pol. Korr. 14, 316.

he Vorwi en Br Königs ſchloß er mit Großbritannien einen Sub: Fbinberten 1755, vgl. Pol. Kor. 11, 391 und 409; 12, 174. T) Dal. unten * Schreibend xc. und Tableau de la cour ıc. Beriäungen 3. brand. u. preuß. Gel. VII. 1. 14

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männer ſchon Tänaft für Defterreich gefallen: der Markgraf Hatte im Sanuar 1757 durch feinen Gefandten in Regensburg der Kriegserklärunz - an Preußen zugeftimmt*). Aber nicht bei den Laiferlichen und nidt bei den Neichötruppen war der junge Hobenzoller mit feinen Sympe thieen. Als die Siegesbotichaft von Prag erfcholl, da beglüdwänidte a den großen Obeim, obwohl er ja mit ihm nach dem Willen des Bates in Kriegszuſtand lebte, und bat ihn um feinen ferneren Schu. Ta danfenden Antwort fügte der König die bezeichnenden Worte bei, er kb es mit Unwillen, daß der Prinz unter den Thorheiten leide, die fen Bater unaufhörlich begehe und noch bitter zu bereuen haben werde"). Der Tod des Markgrafen konnte keinen jofortigen Umſchlag der ma einmal feftgelegten Ansbacher Politik herbeiführen. Friedrich IL. ſah wohl ein, daß der junge Regent die Fefſeln weiter tragen müſſe, die ihm jein Bater ala Erbſtück binterlaffen, forderte feine Schritte, die für ihn und das Fürſtentum nur verberblich fein könnten, und hoffte, ik dereinft, wenn er frei jei, an feiner Seite zu jehen®). Inzwiſchen be friedigte und erfreute ihn die politifche Haltung des Neffen‘), der, um ſich nicht an weiteren feindlichen Schritten der dfterreichifchen Mehrheit gegen Preußen beteiligen zu müſſen, fich nicht beeilte, den often feine Geſandten bei dem fräntifchen Kreis zu bejeßen®).

Daß die Laiferliche Partei nicht mit Sicherheit auf den Wartgrafen glaubte zählen zu können, läßt das unten folgende Schreiben des Baron! von Widmann an die öfterreichifchen Minifter Colloredo, Kaunig und Haugwitz vermuten. Dasſelbe Schriftftüd zeigt aber auch, daß der jung Hürft mit der Klugheit eines gereiften Politilers dem Andringen dei Geſandten begegnete. Der Zeitpunkt für die Thätigleit des letzteren am Ansbacher Hofe war gefchict gewählt. Während im Frühjahr 1758 die Stimmung unter den Gegnern Preußens eine gedrüdte war hatte doch dv. Widmann in Bayreuth davon geiprochen, daß man um jeben Preis mit dem Könige Frieden jchließen müſſe ) fo waren jet durch den Sieg bei Hochkirch die Hoffnungen neu belebt. Seht konnte man unficheren Reicheftänden den öfterreichifchen Heerführer Daun und feine Waffenerfolge vorführen, und jet mußte man um ihr Yohm werben für ein rüdfichtelofes Vorgehen des Reichstags gegen Preuben, für die Zuftimmung zur beabfichtigten Aechtung des Königs. Bei dem

1 F ekränkt und äußerſt erbittert war Friedrich LI. durch dieſen Ueber: tritt feines Schwagers zur kaiſerlichen Partei; vgl. die beiden Schreiben bes Köͤnige an ihn. Pol. Korr. 14, 206 und 315. Eine quellenmäßige Darelum kr Borgänge am Reichätan vgl Schäfer, Gefch. des fiebenjähr. Kriegs 1, 250 1.

2) Polit. Korr. 15, 144.

3) Dal. den Brief Friedrichs an den eben erft zur Regierung gelangen Neffen und an die verwittwete Markgräfin, 1757 Eept. 24. Polit. Korr. 15, 3.

4) Seiner Freude gab der König Ausdrud in einem Briefe an bie Schwefter in Barent 1758 Mai 10 in Polit. Korr. 17, 10.

) Vgl. unten Copia Schreibens.

6) Polit. Korr. 17, 9. v. Widmann, bevollmächtigter Minifter Oefter reichs am bayrifchen Hofe und bei dem fränkifchen Kreis, ſprach nicht aus, gegen wen fich Oefterreih und Preußen nach dem Friedensſchluß vereinigen follten; 1 4. aber ficher Frankreich Stuhr, Forſchungen und Erläuterungen zc 3, 19

211] ‚Kleine Mitteilungen. 211

tiefverfchuldeten Markgrafen von Ansbach ließ man es auch nicht an einem nachdrüdlichen Hinweis auf feine finanzielle Abhängigkeit von Frankreich fehlen. Hören wir nun, wie Baron v. Widmann in diefem Sinne an dem Kleinen fränkiſchen Hofe arbeitete und wie er die dort maßgebenden Perfönlichkeiten jchildert! Gin gemwandter, vielerfahrener und fcharfblidender Staatsmann ift e8, der ung in den beiden Schrift» ftüden entgegentritt; daB er von feinem Parteiftandpuntt aus die Ge⸗ jellichaft beurteilt und bejchreibt, darf Freilich nicht vergeffen werben. Als Borlage für unjeren Abdrud diente die don Widmann dem Fürftbiſchoff Adam Friedrich von Würzburg überfchidte und im E. Kreis⸗ archiv Würzburg unter der Signatur „D 24 ad 46° verwahrte Abfchrift.

I. Copia Schreibens an derer Herren Grafen von Eolloredo Rauniz und Haugwitz Ercellenzieen von mir Freyherren von Widmann d. d. Nürnberg den!) Novembris 1758

In Derfolg meines lezteren unterthänigen Bericht-Schreiben vom 13. diejes

be ich die Gnade, Euer etc. hiemit von meinem Aufenthalt an dem Anspadhifchen Hof die gebührend Anzeige zu thun. Bei denen zweimaligen Audienzien habe ih alle Gnade und Achtung dor meine Perfohn und Caracter anzurühmen. Eine Probe Hiervon ift unter andern, daß S. Durchlaucht in folcher Abficht einen Tag dero Jagd⸗Luſt eingeftellet, mich recht angelegen: und inftändigft zu etlichen malen fonderheitlich aber noch beim Abſchied erſuchet öfters zu Ihnen zu kommen, und erlaubet Haben, daß ich in künftigen VBorfallenheiten unmittelbahr an Sie fchreiben fönte. Als ich von Öffentlichen Angelegenheiten und denen Unternehmungen des Feldmarſchallen Grafen von Daun Excellenz redete, hörte er mich erne an

und fagte viel Schönes zum Lob dieſes hochverdienten Feldherren. Ich unter- lieffe nicht die Abführung derer groffen Reftanzien in die General-Admodiations⸗ und Reichs⸗Operations⸗Cafſa nachdruckſam zu erinnern und die wibrigenfall® er- folgende Qwangämittel mit gehöriger Behutjamteit anqubrohen. Ch aber gleich der aragraf über feine Umftände und über die Mängel der Generals: admodiation ſehr klagte, fo gabe er mir doch die Verfiherung, dab er ohnverlängt mit jeinen Miniftris reden wurde, um iwenigftens einige Bezahlung obiger Reſte, foviel man dermalen zu thun immer im Stand wäre, zu verfügen. egen der winterlichen Berpflegung |chiene er mir von dem Porſchlag einer Privatlieferung eines jeden Standes eingenommen zu ſein, worwider ich ihme aber die behörige Einwendung machte. Die Beſezung des creißgelandichaftlichen Poftend belangend bewies ich ihme zu verichiedenen Malen, wie jehr e3 wider die Anftänbigkeit und keine creisftänbifche Obliegenheit ja jelbften wider feine eigene Würde und Bor: teile wäre, damit nger Anftand zu nehmen. Er ſchiene folches auch einzu» eben. Ich rieth ihm daher, je eher je lieber einen ehrlichen Mann, wehn er wolte, dahin abzuorbnen. Nachdem ich zugleich alle Mittel anmwendete, dieſem dürften die wunderlichen und untauglichen Eigenichaften bes v. Appolt, als welchem er ehedem felbft abgeneigt geweſen wäre, mit lebhaften en abzuſchildern, auch dieſes hörte er gelaſſen an und fagte, er wolte der Sache zu rathen fuchen. Trfo mehr aber war er unfchlüffig und verlegen, ala ich ihn an die von feinem Batter mit dem kaiſ. Hof und der Eron Frankreich eingegangene?) aud)

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1) Die Angabe des Monatätages fehlt in unſerer Vorlage.

2) Bon den Verträgen mit Defterreich und Frankreich handelt Lang a. a. O. €. 85. Wie ſehr der Dlarkgraf durch dieſe Abmachungen gebunden war, erhellt aus einem Schreiben des Bitchof3 Adam ryriedrich von moüraburg an bie kaiſer— lien Rinifter Raunik und Eolloredo, 1757 Apr. 4 (im Würzbg. Kreisarch. D. 11 Rr. 11 und 12), auf das aber hier nicht näher einzugehen ift.

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212 Aleine Mitteilungen. [2 12

von ihme felbft mit der lezteren feierlich erneuerte Verbindungen erinnerte, deren Werth und die daraus entftehende Folgen zeigte, ja fallen Liefe, dab es nur von ihme abhangete völlig in die vätterliche Yußftapfen einzutretten, aud beim leg: gehen noch des Herren Grafen von Goertz hiernächſtige Ankunft in Nürnberg als anderten Franzöfiſchen Miniftri in Francken eröffnete. Zwar blieb ex unver: änberid bei ferner Freundlichkeit, jedoch brache er das Geſpräch hievon allzeit ar bald ab. u i Ter Erfolg wird nun zeigen, wieweit obige gute a Ki en erjũllet werden. Wa3 aber den Lezteren Bunct anlanget, \ balte ich o amabgebtich de- für, daß es nunmehr vom franzöfifchen Hofe abhange, den Herrn Marggrafen auf diefer Seite anzugreifen, und befonders ihn wegen feines trage gegen bie Hannoverifche Anfinnungen auffichtig zu maden. Sie ift meines Erachtens dire ſchwächſte, weilen es dieſem Be allenthalben an Gelb manglet, und die vor- theilhaftefte, weilen er ſchwehrlich Ih nothwendigen Bortheilen entfagen und mit: hin am beiten dadurch zu Beobachtung feiner Reiche: und Creisſtändiſchen Echuldigfeiten angetrieben werden wird. Keinen von denen dermaligen Miniftris habe ich befuchet, auch mit dem Appolt!) und Sched?), welche beede ich bei gejehen, nichts von Geſchäften geſprochen, einestheils weil mit diefen fanati und unbeholfenen Leuthen nichts zu machen, anderen theild und baubtiächlid aber, weilen ich feine Anträge zu thun und lediglich die ohnehin aufhabende Obliegenheiten zu erinneren welches ich auc hin und wider unter bem zeilag gelten gemacht, daß ich nur eigentlich gefommen wäre, um der jo gütigen Einladung des Herrn Marggrafen ein Genügen zu leiften, und daß es eigentlid) dem Herrn Darggrafen ufomme, den faif. Hof anzugeben. Euer etc. lege ich Fer ein aus den verläffigften Nachrichten und Quellen fo: wohl ala meinen jelbftigen Beobacht- und Anmerkungen verfaftes Tablcau ber ganzen Anzpachiſten Verfaſſung und gewiſſer ſonderheitlicher Umſtänden ge— horſamſt bei. Ich habe ſolches gefliſſentlich in IE Sprache verfaflet, um es, wie ich es auch untereinftens bewürfe, dem Chevalier de yolard?) mitzutheilm. Soviel aus allem abzunehmen ift, jo niet e3 dem Herrn Marggrafen vor: nehmlich an gefchiften und wohlgeſinnten Miniftrig, derfelbe würde ſodann nicht unterlaffen guten Rath anzunchmen. Die Herren von Altenftein®) und Reigen: ftein ®), welche jenen Abgang äufjerft beklagen, rühmen mir fein Herz, welches ihn oft dahin verleitete, daß er nicht leicht was abſchlagen könte auch keinem von den eweſten Dienern ſeines Herrn Vatters etwas zu leid thäte und ſeine fln ——— bei öfteren zu Anspach vorgeſallenen Grzehlung- und auf ebreiteten Zeitungen über die fürfeiende Ariegs-Begebenheiten, womit das blinde Bublicum alldorten Hintergangen worden und worzu er fein Wort geredet. Tier Neizenftein wird auch von ihme in Ehren gehalten, und, wie er Nic) bei meinem mir Öffentlich abgeftatteten Bejuch vertraulich gegen mich ra ra öfter? von ihme um eins und anderes gefraget, wo er immer als ein ehrlicher und dem faiferlichen Hof vor allzeit gewidmeter Mann redet. Den redlich gefinnten Boit habe ih au geiehen, und abgemerket, daß der Marggraf gegen ihn noch ziemlid gnädig handle, habe aber mit ihm, um ihn nicht verdächtig zu machen, nıcht viel eiprochen, weder ihn bei mir noch bei ihn Fe und bem Marggrafen nur fo Sin einorlen, daß der abgelebte Herr Marggraf ihn von Voit zum Creis-Geſandten zu Nürnberg würklich beftimmt gehabt hätte.

n Gotthard Friedrich Appolt, Präfident des Regierungd: und Juſtizrats (Xang 1. c. 86, ſchon oben erwähnt).

2) Jakob Karl Schenk, Geheimrat. 3) Franzöfiſcher Spezialgefandter an deutjchen Fürſtenhöfen. 4) Philipp Gottfried von Stein zum Altenftein, Hofmarſchall

5) Wolff Ehrenfried von Reigenftein, Oberftftallmeifter und Oberftlieute: nant. Er ftand in hoher Gunſt bei dem Dlarkgrafen Karl Wilhelm Friedrich. König Friedrich II. war auf dieſes „mauvais sujet“ jehr übel zu fprechen, vgl. Polit. Korr. 15, 218 und Lang a. a. DO. ©. 89- W.

218] Kleine Mitteilungen. 918

Von dem gnädigen Bezeigen der regierenden Frauen Marggräfin!) kann ich mich ebenfallö allerdings beloben. Diefe junge Yürftin vereiniget mit den An: nehmlichleiten ihrer Perjohn ein jo vernünftiges Weeſen, fonberheitlich durch die Art, mit welcher fie ſich bei der jo unbeichreiblichen Kaltjinnigfeit des Marg⸗ grafen gegen fie betraget, daß fie fih eine allgemeine Verehrung und Liebe zu: ziehet, und zu wünſchen wäre, daß ihre Umftände in allem die vergnüglichite fein möchten. Ste bat beim Abjchied die Worte gegen mich gebraucht, ich möchte fie und ihr ganzes ES beeberfeits kaiſ. fönigl. May. May. zu Gnaden empfehlen. Die verwittibte Frau Marggräfin?) hat mir unter Boik In Aa ber Betrübnus über den Zodtestall der Frauen Marggräfin von Bayreuth ®) Die gebettene Audienz abgeichla en. Überhaubt Babe ich fchon zuvor gezweiflet, diefe Ehre zu erhalten,

nd ich funte mich noch weniger darüber verwundern, ala ich ficher erfuhr, dat

berfelben jeit einiger Zeit ein ſehr fchwehrer Wahnfinn angewandelt jeie. Zu: verläffig ift es, Daß der Marggraf dieſes Betragen meift billiget hat, und nad) meinem Befund getraue ich mir don dieſem Fürſten fo viel zu fagen, daB, o zwar folches wohl nicht jo geichwind gehen dörfte, es doch nicht ohnmöglich feie, ihn mit der Zeit und guter Art, befonders durch den oben von mir angezeigten aa wan er nur allem bevor einen einzigen rechtichaffenen Minifter an der Hand hätte, auf den rechten Weeg zu bringen.

Womit etc.

1. Tableau de la cour d’Anspach.

M. le marcgrave d’Anspach cst un prince assez aimable ct d’assez polie figure. Il possöde l’art de se faire aimer des qu’il veut s’en donner peine, chose qu’on lui a déjà remarque& dans sa plus grande jeunesse. La contrainte, il etait du vivant de feu son pere, devait naturelle- ment être la cause de cette politesse, mais l’evenement a demontre, qu'elle derive d’une source plus noble, tant il est vrai, que ce prince a läme genereuse. A peine se peut il permettre, au rapport de ser cour- tisans les moins flatteurs, de refuser quelque gräce quon lui demande, aimant mieux retrancher ses plaisirs qu’incommoder ses sujets. Quoique tout le monde eüt cru, qu’il vengerait la dite contrainte sur les favoris de son pere, au lieu de confirmer cette mauvaise idee de son cœur, il les eonserva dans leurs emplois, les avanca même, ou, s’il les congedia, ce fut toujours sauf leurs pensions ordinaires. Attentif & la sürete publique il donna ordre & son av&nement & la regence de retenir les malheureux enfermes dans le chäteau de Wilzbourg*) dans les fers, et de n’en re- er que ceux dont la correction indubitable assurerait le repos public.

On pretend, qu'il n’a ni ne veut jamais signer aucune sentence de mort. Avec tant d’humanite ce prince ne semble aimer que les plaisirs les moins conteux. Ennemi du jeu et des delices de la table il aime passi- onement la chasse (surtout la chasse parforce, u’il va, dit-on, etablir s ses Etats) et les chevaux. Mme. de Falckenliausen, nee baronne de Beust et belle fille de la fameuse personne de ce nom®), quoique peu

1) Friederike Staroline von Sachſen⸗-Koburg-Saalfeld, vermählt 1754. Bon der unglüdlichen Ehe ift weiter die Rede im Tableau de la cour; ein freund: licheres Bild in Memoirs of the Margr. of Anspach formerly lady Craven 1, 119 f.

2) Friederite Zouife, vgl. Tableau de la cour.

3) Wilhelmine, geftorben 14. Ott. 1758.

j 2 Die bei Weißenburg am Sand gelegene ehemalige Feſtung, dann Staats: nanis.

5) Ein Mädchen aus dem Volk, das der alte Markgraf zu ſeiner Geliebten erhob und das dann in dem Falkenhaus bei Gunzenhauſen wohnte. Ihre beiden

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Kr M :Erdri. „m ar 0 nrcr des afarr« dest au prince. lie ion. omme „are "or dom Top par “rtaines Tuee secretes di mer ze ls werz 3 a zarze de ezzeiller de rözenee d’Anzpach ei Diener .e ne gpeeitser de Miscien et de Geneimer Referendariaa, a pin ne *2.07.%2 gear etorr or \arerzismen? don une maitre ennemi du ir Tal. nie poor pemp.r Äzeemest on poste. Prossien & brüler ı ex af'arıe = 1% FLarezrave (ie zairiere. yoi. tant quielie avait voiz en hd pi'se, 12 m. bien avınt dacz lee bonres gräce de MN. son hils.

Me. la marıgrave regnante parait une prinerse sccomplie. Ast! heile, henfaire. eraigrant dieu. aimant et caressant toujours de la m# niere la jun» soble um Fpoux, elle ıwrerite l’eloge de tout le monde

Zobne Friedrich Karl und Friedrich Ferdinand, Freiherren von Fallkenhounſea. wurden von dem inritlichen Vater gut bedacht (Xang a. a. O. 62-63) hy Noch im Jchre 1762 ichreibt v. Sedendorf an Golloredo, dah der Fürk ſich nıht um die Geichäfte befümmern möge, fondern in Pferden und allen Gattungen von Jagden beitehenden Tivertifiements denen ernſthaften Berrihlumn borziehe, und nur Ruhe und ‚Frieden wüniche (Würzbg. Kreisarchiv R. 56) f ın ſpateren Jahren wandte der Markgraf mit rühmlichem Eifer und zum Ha hin Iein Intereffe wichtigeren Angelegenheiten zu; er wurde ein VOR trefflicher Regent. , 2) Franz Georg Schilling von Ganftatt, Kammerjunker und Oberforftmeiſter. 3) Wohl —**— Karl IT. Wilhelm, Markgraf von Baden-Durlad, be— ruhmt ale Priegsheld und Regent, berüchtigt durch feine maßlofe Sinnlidfet. 4) Karl Wilhelm Arel von Marbefeld, Hauptmann und Rammerjunte h) Ter befannte Beheimrat Ehriftoph Ludwig von Sedendorf: r. viele Jahre hindurch Miniſter des Markgrafen von Ansbach und Haupt ber lane ſichen Kartei, ein fchlimmer Jntriguant und gefährlicher Projektenmacher, t König Friedrich das böfe Prinzip feines Ansbacher Echwagerd. wie ans DM N Iebenen Selle der Polit. Korrefp. zu erjehen iſt. Vgl. über ihn Lang a. 0. 783 un . 6) Meorg Hartmann von Erffa.

215] Kleine Mitteilungen. 215

Malgre toutes ces qualités pr&venantes elle a le malheur, devenu presque n dans la maison de Brandebourg, d’ötre peu estim6e de M. son epoux. Rien n'est plus cruel que de la voir vainement combattre, par les soins les plus tendres la froideur d’un prince, qui & peine daigne lui adresser la parole ni l’&couter quand elle parle. La constance et la dou- eeur qu’elle oppose à ces traitements prouvent aussi bien 8a vertu que son infortane, dont il faut attribuer la plus grande partie aux intrigues de sa belle-mere, qui par la jalousie la plus criminelle a employe les artifices les moins scrupuleux, pour lui donner une rivale et rendre son sort egal au sien. ne conduite si denaturee peut seule inspirer de l’aversion pour S. A. Rie Mme, la marcgrave douairiere. Au lieu de profiter de ses dis- gräces et de celles de sa maison, elle les augmente par la desunion sus- dite, et les aurait augmentees, si le prince son fils avait suivi les conseils violens, qu’elle lui donna apres la mort de son père. Il y a mäme dejä eu des moments, dit-on, ol il s’est lou& et a rendu gräces & dieu, de ne les avoir pas écoutés. Il a approfondi les replis de ce cœur inhumain, elle n’a quasi plus de part au gouvernement, son credit baisse & vue d’eil. Je ne sais si c'est par une suite de son desespoir, que la t&te commence & lui tourner, au moins donne-t-elle toutes les marques d’un esprit egare. Elle a resolu d’ötre toute sa vie en deuil, elle voit peu de personnes, du nombre des quelles est de temps en temps Mme. la gene- rale de St. Andre!), la quelle est m&me tres bien & la cour regnante, et M. de Forstner®) mar&chal de la cour, homme au dessous de la medio- erite, qui s’est deja oublie quelques fois au point d’avoir manque de respect & la jeune marcgrave. Elle mange seule, porte des bottes, a des vısıons. Elle voit des gens aux cheveux flamboiants®), elle thesaurise et na pas voulu voir le duc regnant de Wurtemberg®), Voil& quelques traits de cette princesse.

A en juger par le nombre le ministere se trouve dans une situation avantageuse. M. de Baumgärtner") ne pouvant plus vaquer aux affaires d’etat à cause de son grand äge et des infirmites, M. d’Appolt est & la ttte du conseil prive. Voir dans ce premier poste un homme sans genie sang connaissances sans credit enfin destitu& de toutes les qualites essen- tielles A un digne ministre: c’est, ce me semble, donner d’abord mauvaise idee de tout le corps. M. d’Appolt est peu fete & la cour.

M. de Knebel®) est connu par son poste de Ratisbonne ami et singe de Plotho?) eamerade de Rothkirch et de Wülckeniz®); que peut-on se promettre de lui? Cependant M. le marcgrave l’estime assez.

. Jung?) serait un grand homme, s’il n'&tait jamais sorti des ar-

1) Friedrich Daniel von St. Andre, kaiſ. fgt. Generalfeldmarſchall⸗Lieute⸗ nant und Inhaber derſelben Würde bei dem fränkiſchen Kreis. 2) Wolfgang einer Forſtner von Dambenots. 3) Tie viſionären Zuftände ber verwittweten Dlarkgräfin werden auch er: wähnt von Lang a. a. O. 61. 4) Herzog Karl Eugen, in erfter Ehe mit Eliſabeth Sophie, Tochter des —e Friedrich von Brandenburg: Baireuth vermählt, entichiedener Ans ger erreichd 5) Chriftoph Konrad Baumgärtner, Geheim. und Appell.:Rat, früher auch Pwistagtgelanbter, 6) Johann Georg Friedrich von Knebel, Seheimrat. 7) Erich Chriſtoph don Plotho, der befannte Geſandte Brandenburgs auf dem Reichstag zu Regensburg. 8) Auguft Ludwig von Wülkenitz, Vertreter von Heſſen⸗Kafſel, Naffau und Netlenburg-Strelig zu Regensburg. \ 9 Karl Ferdinand Jung, Konfiftorialpräjident und Geheimrat, „ein feltfam deutich-franzöfi geziertes, auf ben Zehen flehendes und ſich bis zur Nafe ver: beugendes Männchen“ (Zang 1. c. 84

215 ie Beier [216

eniv»s in + -Onle- supereuremenf. [ n'est point du tout politique, DADL une ir ur. ıvanf Ar uzarım et les manierer antesques [ Sur peurrsur srımr pe > minstre me favorise pas le despotisme prussien. >t ınP. si ae mit ıma mr svsteme d’Anspach serait auss peruGygur ıne Sat auflz®_ k 2 c'est un esprit subalterne, gai Ze Amais »e woener Dr pins peisamt parti. Il est sans credit.

W a rg = mimes farblewes et connaissances que W am. mais 'i st pin: Mkeiwane Dauer ıe saaintien de ce systeme Ant- au ienten. je (meigimm ces de mepire out etabli avec aussi pru de on ment ie Irmiemve. Adyane sernellement à la boisson, ıl hait samant e Tara one (anne Taume U aa pomt de credit.

W Scherk?® se le jemier ies minntres et le ler dans la faveur da malte. Le pabie nie 3 ame ie sa uupleme et de son travail. arten Inlme »C ernr Die Avır e>3 avam il peut aisement eap&rer . sprir br mamırı"=. La martzrare douairiere l'a protegé. et Ist Ariement ifTwfe Dersenn- yranı interets du roi, son frere. Syn Sunalme 3 Sart. mmmite emo et avec M. de Knebel Ir 2. juni dc lien a ia (ckim- ‚ie mumistre eelle de courtisan.

L est eräiene we - peinee. zrhle par wa ministöre qui pärtage le —ünntſ.Ä“ =t \es Yrezes DI Deilze. mer dere plaint, et quiil est im- poräzt par I “Care Jen je 2 vamm eommune, qu'il y ait quel-

eqe Qanzenmut MW ie Beumnst:ı: amıme son zele ordinaire pour l re » wa zT et wur ern LL JJ. zouhaite, en ren-

ante Faser auE enüneun ie SA XS gem l’om mit quelque habile mi- um a a Re PP as sfurs, vmre bunt depend 1. bonheur de #s peupivs et a ewaversien Um pen ui ma jamals ete ennemi du part. que 3 zuns Jat Imprualemmen? ierile.

Outer» ce tramees de W le marczrave sont dans une situation afeame. Tiat ewanae gr est la mecessite dure encore & la wur. es wis wor wildes ot ax zems ılyat om le surcharge continuelle- wert. ut mal pavres Les derer Ju De manrgrave monfant & plus de AI mio Woanzzeut lo meracer ve paavre para Le conzeil de finances, et le hur-aa de a pie mindert des eris ef des lamentations d’une foule d’ erfaneier ‚iewsperiä U est vrai. il ordonne chaque jour de parer gueigues ‚Iren mal om dewösit impunement. tant lindigence est grande. En attemisat ie prome sg sersinl> a ers eris sans pouvoir les eontenter.

Accable cum: il est. larmot. grül a de la France, est une re sure Jun prix irEui pour iuk et .a (urwrrafion de cet avantage sera toujours um Jes pias inpertarts ohi'ts dur esprit si deonome. M verait dene. je ervis wurvnad.». que pur lenzarer ir ses engagements aver la eour de Versailes vu pour lui re faire prendre. si l’on voulait, aver la cvur impertäl® et weriper par li 3 [eanemt commun tout le secours quül en peut tirer. partwalierweet vr & vis de la conr d’Hanorre, v la disposition peu favorahi" des ministres, que, dis-je, la cour de France trourät bon. dy faire fair ds repr&entatiuns, et Zermpächer que l’argen! ne wit pas donne inufilement. Jr vis. que le marcgrave se rendra des raisons Si fortes. et qu'it ne swerifiera pas des avantages reels et ne cessaire: aux chimeriies et & un? paxion. qui pe somble plus appartenir qu’an vulzaire.

1: Jodanı Sigrund Ste Belezmn 2) Bal. 2.4, X 2. 3: E03. A. >.

217] Kleine Mitteilungen. 217

3ur Rapitulation von Maren. Bon Kurt Treufh von Buttlar.

Die Schuldfrage in dem Zrauerfpiel, das fich auf den Höhen von Maren abfpielte, hängt aufs engite zufammen mit der frage: was be= zwedte Friedrich mit der Detachierung Fincks nad Maren? Ludwig Molwo hat in feiner hübſchen Arbeit über die Kapitulation von Maren !) einleuchtend nachgewieien, daß der König durch die Entjendung Fincks den Feind nicht erft zum Rückzug aus Sachſen bewegen wollte; dieſen Rückzug hielt ex für ſelbſtverſtändlich, für jo felbftverftändlich, daß er ihn Schon als geichehen anfah und in einem langen Gedicht das Glück pries, das den Kleber zum Sieger über den Geweihten des Papſtes ge- macht bätte?). Und zwar glaubte er, daß Daun nach Böhmen abziehen müfle, fchon nach den Erfolgen de8 Prinzen Heinrich”), vor feinem eignen Eintreffen in Sachſen. Er war der Meinung, daß er gar nichts mehr dazu zu thun brauche, für ihn kam es nur noch darauf an, Daun, bevor er Sachſen verließ, möglichlt viel Verluſte beizubringen. Aus diefem Gefichtspunkte find die Handlungen des Königs zu beurteilen: er ging von einer falfchen Berechnung aus, als er Find nah Maren detachierte, und infofern trägt er Schuld an dem folgenden Unglüd. Find aber, um dies bier gleich hinzuzufügen, trifft die Schuld, die eigentliche Kataftrophe durch jaljche taktifche Maßnahmen *) und fchlecht geordneten Rachrichtendienft unvermeidlich gemacht zu haben.

Mollwo will das Verhalten des Königs aus deffen „ftrategifchen Anſchauungen“ erllären. Er fagt®): „Ganz im Geifte feiner Zeit glaubte er auch ohne gefährliche Unternehmungen oder eine Schlacht den Feind zum Aufgeben Sachſens zwingen zu können, und auch für ihn gab es, wie für feine Zeitgenoffen, unangreifbare Stellungen. Delbrücks Anficht über die Strategie Friedrich! des Großen findet fich durchaus beftätigt. Rur, wenn man ihr zuftimmt, Tann man zu einem völligen Verftändnis der Handlungsweife des Königs kommen.” Ich bin weit davon entfernt, bier in eine Diskuffion über die Aufftelungen Delbrücks einzutreten. Aber ich glaube nicht, daß man aus der Gefchichte der Niederlage von Moren, gerade wie Mollwo fie dargeftellt hat, die eben angeführten Schlußfolgerungen ziehen fanı. Mollwo jelbit Hat ja eben nachgewielen, dab der König Daun Überhaupt nicht zum Aufgeben Sachſens Hat „zwingen“ wollen, daB er meinte, Daun fei ſchon jelbft im Begriff, Sachſen aufzugeben; und andererjeits, wenn Friedrich glaubte, daß Daun den General ind nicht angreifen werde, fo fam er zu diefer Anficht,

1) Bgl. Forſchungen VL, 627. 2) An d'Argens, 19. Nov. 1759. (KEuvres XIX, 104: „En Bohäme il Daun] s’est &lanc&, En haletant, tout harasse, Comme un dogue etranger t, en hurlant de rage, Le cuisinier qui l'a fesse.“ 3) Mollwo, Kapitulation von Maren, ©. 46. 4) Mollwo S. 63. 9) ©. 56.

umd Tie Aufgabe, welche der König dem General Find jiellte, war

Heer machen konnten.” Ich meine aber, nicht um Anjälle Finde ar die Oeſterreicher handelte e& ſich, vielmehr Friedrich felbft wollte „bie Früchte diefer Dispofition ernten“). Im demfelben i an be Prinzen Heinrich (vom 12. Rovember) *), in welchem zuerft der Gedanle an ein Detachement der Art auftaucht, wie e8 dam von Fink aus geführt wurde, fagt der König zugleih: „Je menage toutes mes forces pour une journee d’arriere-garde, afin que cet homme, qui & accumule sur sa t&te tous les symboles de la vanité humaine, ne sorte pas de Saxe sans être &conduit solennellement à grands coups de pieds au derriere.* An demfelben Tage fchreibt Friedrich an den Mar quis d’Argens®): „Hier j’ai joint l’armee, et Daun est decampe. Je Pai suivi jusqu’ici, et je continuerai jusqu’aux frontiöres de la Boheme; . . il oe pourra sortir de la Saxe qu’apres avoir fait des per considerables.“ Gr felbft alfo will Daun bis an die böhmifche Grenz folgen. Dem entiprechen auch feine weiteren Maßnahmen. Am 14. Re vember erfolgt die Entjendung Finde nad) Dlaren, wie gejagt zu dem Zwed, den Feind in Beftürzung zu verfeben und zu Fehlern zu ver⸗ anlaflen, und jo den Angriff des Königs mit feiner ganzen Armee votzu⸗ bereiten. Am 16. November fchreibt der König aus KHrögis (füdweftlih von Meißen) an Find: „Die [öfterreihifche) Armee foll Ordre Haben, | diefe Nacht oder morgen jrüh aujzubrechen, und, wenn folches geſchiehet, folge ich ihnen mit der Armee auf dem Fuße nach; allein zwifchen hier und Kefieladorf ift feine affaire d’arriere-garde zu engagieren, went

1) Als Inftruftion für Find kann man das Schreiben an ihn vom 15. Ro vember (Pol. Korr. Friedr. d. Gr. XVIN, Nr. 11598) anfehen. Außerdem muß Finck dom Könige mündlich eine Inftruktion erhalten haben. Ein Hinweis au diefe findet fich ın dem Schreiben an Ferdinand von Braunſchweig vom 25. A vember (ebenda Nr. 11627) und in der Orbre an Knyphauſen vom 23. Novbt. (Nr. 11622). An der lebteren findet fich die wichtige Bemerkung, Find habe fi „eonforrmeme nt à ses instructions“ nad) Freiberg zurüdziehen follen. 2) ©. 55.

3) Bol. Korr. XVIIL Nr. 11 604. 4) Ebenda Nr. 11595.

5) Euvres Bd. XIX, 101.

219] Kleine Mitteilungen. 919

man auch ſolches thun wollte, und wird nichts eher zu thun fein, bis fie Kefſelsdorf paffirt haben.” (Nr. 11597.) Hier ift die Abficht des Königs jo deutlid) wie nur möglich außgeiprochen: er will „mit der Armee”, alfo mit allen Truppen, die er bei fih bat, dem zurüdgehenden Feinde ein Gefecht Tiefen. Am 17. November fcheint es ihm zweifel⸗ bait, ob bei dem Gefecht viel herauskommen wird (Nr. 11598); aber noch an demielben Tage jchreibt er an Find (Nr. 11599): „Nach allen eingelommenen Nachrichten joll Daun mit der Armee Hinter Keffelsdorf ſtehen; e8 kann alfo noch leicht fommen, daß wir eine affaire d’arriere- garde mit ihnen haben können,“ und an den Prinzen Yerdinand von Braunſchweig (Nr. 11600): „Comme il [Daun] veut passer avec tout son corps du cöte de Zehist et de Nollendorf, je crois qu'il lui sera difficile d’eviter quelque mauvaise affaire d’arriöre-garde, et c’est iA oa je l’attends.“ An diefem Tage, dem 17. November, war der König mit feiner Armee bis Limbach bei Wilsdruff vorgerüdt, feine Avant⸗ garde (unter Zieten) ftand fchon bei Keffeladorf; am 18. marjchiert der König nach Wilzdruff, er will Daun auf den Ferſen bleiben: „Sollte Daun wieder marfchieren, jo gebe ich bis an die Weißritz“ (an ind am 18. Rov., Nr. 11605); „Sollte der Feind Heute bis Nickern marſchiren, werde Ich an den Plauenihen Grund rüden und Deine Avantgarde hinüberichiden . . . Wenn der Sad enge wird, jo wird es auf daß Drängen losgehen.“ (Zweites Schreiben an ind vom 18. November, Rt, 11607).

Noch im Laufe des 18. November änderte ſich aber die Sachlage. Es traf ein Bericht Zietend beim Könige ein, daß der General Sincere fh von der Hauptarmee getrennt und gegen Dippoldiswalde gewendet babe. Bisher war nicht anzunehmen geweſen, daß Sind in ein ernſt⸗ liches Gefecht verwidelt werden würde; ja, feiner Inſtruktion gemäß durfte er fich darauf gar nicht einlaffen. Schob fich aber ein feindliches Korps bei Dippoldiswalde ein, fo mußte Find nach der Meinung des Königs dieſes Corps angreifen, denn fonft wurde er von Freiberg ab⸗ geichnitten, wohin er ſich nach jeiner Inſtruktion zurückziehen follte. Daß Find angreifen mußte, dad war ein „unangenehmer Umftand“, „der dem König viel Gutes verdarb“ !). Friedrich jandte den Bericht Zietens an Find und fchrieb dabei, „ich überlaſſe dieſes alles Euern Dispofitione® und nöthigen Anſtalten.“ Gigenhändig aber fügte er Hinzu: „Er wird entweder mit den Reicherß oder mit Sincere einen Gang Haben“ ?). Aber noch glaubt er, daß fein Plan, felbft dem Feinde

1) Ordre an Schendendorff vom 19. November (Mollwo S.5 und €. 51).

Rur jo kann die Ordre verftanden werben. Der König konnte unmöglich, wie

annimmt, in einem Gefecht Fi mit-Sincere eine Verlegung jeiner In:

fruftion exbliden, nachdem er ihm am Zage zuvor geichrieben hatte, er merbe mit der Reichaarmee ober mit Sincere „einen Gang haben“.

2) Nr. 11609. Mollwo will (E. 50 f.) im Gegenjaß zu ben bisherigen orichern nachweifen, daß durch die Meldung Zietens und durch dieſe Ordre an ind fi) die Sachlage nicht geändert habe. ch glaube allerdings auch, daß der önig babei noch „weiter an feine Gefahr“ für feinen General dachte. er:

aber mußte er jehen, daß Finck jeßt nicht mehr, wenn „was ftarfes kaͤme“, „jolche vaffiren laffen“ könne, wie ihm dies feine Inftruftion (Nr. 11598) angab. Die

318 Kleine Mitteilungen. [218

nicht, weil er Finde Stellung für „unangreifbar” hielt, jondern, weil er annahm, daß Daun fo jchnell wie möglich Böhmen erreichen wollte und gar nicht daran dachte, irgend einen Angriff zu machen.

Ganz „ohne gefährliche Unternehmungen oder eine Schlacht” wollte aber Tyriedrich den Feind nicht nach Böhmen abziehen lafſen. Seine Abficht war vielmehr, die Dejterreicher in ein ernftliches Rückzugsgefecht zu verwideln, lediglich zu dem Zwede, ihnen noch beträchtliche Verluſte beizubringen. Die Entjendung Fincks nah Maren war nur eine Bor: bereitung zu diefem Rückzugsgefecht. Nach diefer Richtung Hin ift die Darftellung Mollwos noch zu ergänzen und richtig zu ftellen.

Die Aufgabe, welche der König dem General Find ftellte, war nicht die, fih in einen Kampf einzulafien!). „Die Feſtſtellung de Corps bei Maren,“ jagt Mollwo?), „jollte den öfterreichifchen Yeldherm nur in Beitürzung verfeßen,” „io daß bei der dann entftehenden Ber wirrung entweder Friedrich ſelbſt oder ind erfolgreiche Anfälle auf das Heer machen konnten.” Ich meine aber, nicht um Anjälle Yinds auf die Oejterreicher handelte es fi), vielmehr Friedrich ſelbſt wollte „die Früchte diefer Dispofition ernten” ®). In demjelben Schreiben an ben Prinzen Heinrich (vom 12. November) *), in welchem zuerft der Gedante an ein Detachement der Art auftaucht, wie e8 dann von Fink. aus geführt wurde, jagt der König zugleih: „Je menage toutes mes forces pour une journee d’arriere-garde, afin que cet homme, qui & accumul6 sur sa tête tous les symboles de la vanit€e humaine, ne sorte pas de Saxe sans être 6conduit solennellement à grands coups de pieds au derriere.* An demjelben Tage jchreibt Friedrich an den Mar- qui d’Argena5): „Hier j’ai joint l’armee, et Daun est decampe. Je ai suivi jusqu’ici, et je continuerai jusqu’aux frontieres de la Bohême;

. il ne pourra sortir de la Saxe qu’apres avoir fait des pertes considerables.“ Er jelbft alfo will Daun bis an die böhmifche Grenze folgen. Dem entiprechen auch jeine weiteren Maßnahmen. Am 14. Ro vember erfolgt die Entjendung Fincks nach Maren, wie gefagt zu dem Zwed, den Feind in Beftürzung zu verfeen und zu Fehlern zu ver anlafjen, und fo den Angriff des Königs mit feiner ganzen Armee vorzu⸗ bereiten. Am 16. November fchreibt der König aus Krögis (füdweſtlich von Meißen) an Find: „Die [öfterreichiiche) Armee joll Ordre haben, diefe Nacht oder morgen früh aufzubrechen, und, wenn ſolches geichiehet, folge ich ihnen mit der Armee auf dem Fuße nad); allein zwiſchen hier und Keſſelsdorf ift feine affaire d’arriere- garde zu engagieren, went

1) Als Inftruftion für Find kann man das Schreiben an ihn vom 15. Ro vember (Pol. Korr. Friedr. d. Gr. XVII, Nr. 11593) anjehen. Außerdem m Finck vom Könige mündlich eine Inftruftion erhalten haben. Ein Hinweis au diefe findet fich in dem Schreiben an Ferdinand von Braunfchweig vom 25. Ro: vember (ebenda Nr. 11627) und in der Ordre an Knyphauſen vom 23. Rovbr. (Nr. 11622). In der lehteren findet fich die wichtige Bemerkung, Finck habe fich „conformeme nt à ses instructions“ nach Freiberg zurüdziehen follen.

)e. 55.

2 Bol. Korr. XVIII, Nr. 11 604.

4) Ebenda Nr. 1159.

5) CEuvres 3b. XIX, 101.

219] Kleine Mitteilungen. 219

man auch folches thun wollte, und wird nichts eher zu thun fein, bis fie Kefſelsdorf paffirt haben.“ (Mr. 11597.) Hier ift die Abficht des Königs fo deutli” wie nur möglich auägefprochen: er will „mit der Armee”, aljo mit allen Truppen, die er bei fich Hat, dem zurüdgehenden Feinde ein Gejecht Tiefen. Am 17. November fcheint e8 ihm zweifel⸗ haft, ob bei dem Gefecht viel herauskommen wird (Nr. 11598); aber noch an demfelben Tage jchreibt er an Find (Nr. 11599): „Nach allen eingelommenen Rachrichten foll Daun mit der Armee Hinter Kefjeladorf Reben; e8 kann aljo noch leicht fommen, daß wir eine affaire d’arriere- garde mit ihnen haben Tönnen,” und an den Prinzen Ferdinand von Braunfchweig (Nr. 11600): „Comme il [Daun] veut passer avec tout son Corps du cöte de Zehist et de Nollendorf, je crois qu'il lui sera difficile d’6viter quelque mauvaise affaire d’arriöre-garde, et c’est h oa je lattends.“ An diefem Tage, dem 17. November, war der König mit feiner Armee bis Limbach bei Wilsdruff vorgerüdt, feine Avant⸗ garde (unter Zieten) ftand jchon bei Keffeladorf; am 18. marjchiert der König nah Wilsdruff, er will Daun auf den Ferien bleiben: „Sollte Daun wieder marfchieren, fo gehe ich bis an die Weißritz“ (an Yind am 18. Rov., Nr. 11605); „Sollte der Feind Heute bis Nickern marjchiren, werde Ich an den Plauenfchen Grund rüden und Deine Avantgarde hinũberſchicken. .. Wenn der Sad enge wird, fo wird es auf das Drängen losgehen.“ (Zweites Schreiben an Find vom 18. November, Rr. 11607).

Noch im Laufe des 18. November änderte fi) aber die Sachlage. Es traf ein Bericht Zietens beim Könige ein, daB der General Sincere fi) von der Hauptarmee getrennt und gegen Dippoldiswalde gewendet habe. Bisher war nicht anzunehmen geweien, daB ind in ein ernit= liches Gefecht verwidelt werden würde; ja, feiner Inſtruktion gemäß durfte er fich darauf gar nicht einlafien. Schob ſich aber ein feindliches Corps bei Dippoldiswalde ein, jo mußte ind nach der Meinung des Königs diefes Corps angreifen, denn fonft wurde er von fyreiberg ab⸗ geichnitten, wohin er fih nach feiner Inſtruktion zurüdziehen follte. Daß Find angreifen mußte, daB war ein „unangenehmer Umftand”, „der dem König viel Gutes verdarb” 1). Friedrich ſandte den Bericht Zietens an Find und ſchrieb dabei, „ich überlaffe dieſes alles Euern Dispofitioned und nöthigen Anftalten.” Gigenhändig aber fügte er hinzu: „&r wird entweder mit den Reicher® oder mit Sincere einen Bang haben“ ?). Aber noch glaubt er, daß jein Plan, felbft dem Feinde

1) Ordre an Schendendorff vom 19. November (Mollwo ©. 5 und €. 51). Rur fo kann die Ordre verftanden werden. Der König konnte unmöglich, wie M. annimmt, in einem Gefecht Fi mit Sincere eine Verlegung feiner In: firuftion erbliden, nachdem er ihm am Tage zuvor geichrieben hatte, er werde mit der Reichgarmee ober mit Sincere „einen Gang haben“.

2) Rr. 11609. Mollwo will (E. 50 f.) im Gegenſatz zu den bisherigen orichern nachweilen, daß durch die Meldung Zietens und durch diefe Ordre an ind fi) die Sadjlage nicht geändert habe. Ich glaube allerdings aud, daß der önig babei ee Yah an feine Gefahr” für feinen General dachte. Wohl

aber mußte er fehen, daß Finck jeßt nicht mehr, wenn „was ſtarkes käme“, „ſolche paffiren lafien” könne, wie ihm dies feine Inſtruktion (Nr. 11598) angab. Die

220 Heine Mitteilungen. [220

ein Geiecht zu Tiefen, dadurch nicht berührt werden wird. Als ihm daber Find am 18. Rovember jchreibt: „Ich glaube fchwerlich, daß ich eine affaire generale mit die Leute befommen werde,” da erteilt ex die Beifung, dem General zu antworten: „Generalaffaire rechne nicht, die muß noch nicht fein, wäre nicht gut“ (Rr. 11610). Am 21. Rodember kommt die Rachricht, Wunſch habe die Reichgarmee zurüdgejagt, Find den General Eincere geſchlagen. Daun, jo nimmt der König an, wird nunmehr über Zittau nad Böhmen gehen müfſen; zu einer „General affaire” fommt es nicht mehr: „Les armees ne se battront pas,“ fo fchreibt er am 21. November an feine Schwefler Amalie!), ala er ihr die Nachricht von dem angeblichen Siege Yinda mitteilt. Bis dahin alfo Hatte er geglaubt, daß die beiden Hauptarıneen fich jchlagen würden. In folder Giegesftiimmung traf ihn die furchtbare Kunde von der Kapitulation von Maren.

Nah dem, was oben dargelegt worden, müſſen wir als den Zweck der Entjendung Finde nah Maren anfehen: den Feind zu verwirren, zu Wehlern zu veranlafien und dadurch einen Angriff des Königs ſelbſt auf die Hauptmacht des Feindes vorzubereiten. Meine Ausführungen derändern nicht wejentli das Bild, das Mollwo entworfen bat; aber gerade, weil Mollwo eine fo anjchauliche und in der Hauptfache ab- fchließende Darftellung der Vorgänge giebt, verlohnte es fich, feine Dar- Legung in einem nicht unwichtigen Punkte zu ergänzen und richtig zu ftellen.

Ordre an Schendendorff beweift, twie eben gejagt, nicht? dagegen. Der König überließ jeßt alles dem General, während er ihm bis dahin ſehr genaue Bor: ichriften gegeben hatte. Er mußte annehmen, daß Find nicht mehr „mit dem ganzen Klumpen“ in Magen bleiben und fein Hauptaugenmerk auf Dippoldid walde richten würde. Dat ind nach jener Ordre bes Könige dies thun mußte, war auch die Meinung bes viegägericht8, und das fällt m. 6. Iehr ins Gewicht. Daß der König die Situation als verändert anſah, beweift auch die Entiendung gi ſens und Schendendorff3 nach Dippolbiswalde. Vgl. dazu die Hier zutreffende

arlegung Winter? (Die kriegsgeſchichtl. Ucberlieferg. üb. Friedr. d. Gr. xc. S. 52. Daß Find die Verbindung mit Dippoldiswalde aufgab, ift jedenfalls der ſchwerſte Vorwurf, der ihm zu machen ift.

Nr. 11615: „Pour satisfaire votre curiosit€ je vous dirai... que les troupes de l’Empire ont &t& chassees par Wunsch qui campe & Dohna, que Finck a battu hier A Maxen le general Sincere, que Daun sera oblige

e passer l’Elbe pour se sauver par Zittau en Bohäme, et que les armees ne se battront pas.“

221] Kleine Mitteilungen. 2921

Wittgenfleins Aufenthalt in Teplik im Iahre 1812. Bon Juſtus von Gruner.

Unter der großen Maſſe der Alten, welche ich für die Biographie Juſtus Gruner? durchgejehen habe, fanden fich auch jolche, die über den Aufenthalt Friedrih Wilhelm II. und des Fürften Wittgenftein in Teplig während des Auguft und September 1812 Kunde geben. Nament- lich war das Benehmen des Fürſten Wittgenjtein gegen den Tepliber Inſpektionskommiſſar Hoc ein höchſt auffallendes, und es dürfte viel- leicht nicht uninterefjant fein, dagfelbe kennen zu lernen.

Der Fürſt Wittgenftein traf in ZTeplig noch vor dem Könige, welcher von Prag dorthin kam, etwa Mitte Auguft ein. Er befuchte den Inſpektionskommiſſar Hoc, um ihn von dem Wunfche des Königs, der unter dem Namen eines Grafen von Ruppin nach Teplig kam, jo unbelannt wie möglich dort eintreffen zu wollen, in Kenntnis zu feßen. Am 18. Auguft berichtete Hoch an feinen Vorgeſetzten, den Oberſtburg⸗ grajen Grajen Kolowrat: „Der Yürft Wittgenftein bat mich foeben erfucht, ihm Auskunft zu verſchaffen, ob der ehemalige Polizei Präfident Grunert (sic) im Augenblid der Anweſenheit des Königs zu Prag, dort auch anweſend gewefen ift, dann ob der im Geiolge des Königs befind- liche Major von Thiele!) oder ſonſt jemand aus dem Gefolge des Königs bei ihm gewejen ſey. Ich verſprach mich danach zu erkundigen, und erbitte mir nun die hohe Weifung, was ich ihm darauf zu erwiedern babe. _ Er verfichert mich übrigens, daß er mit feiner Excellenz dem Heren Grafen Metternich wegen des Tugendvereins in vertraulem Brief- wechfel ftehe, und daß er auch mir darüber Aufichlüffe geben würde, weil fi) derfelbe auch Hier Landes verbreite und nicht? ala Umſturz aller Ordnung beabfichtige.“

Don Prag aus erhielt Hoch nun die Weifung, er möge dem Fürſten mitteilen, daB Gruner während der Anweſenheit des Königs in Prag frank darniedergelegen habe, die Übrigen Umftände, welche Wittgenftein wiffen wolle, wären ihm noch nicht mitgeteilt, aber er würde fich be= mähen, diefelben zu erjahren. Uebrigens ſolle Hoch ſich mit aller mög» lichen Klugheit und Gewandtheit an den Fürſten Wittgenftein anfchließen „um Auffchlüffe über den Tugendverein zu erlangen und womöglich defjen bierländige Verbindungen en detail zu erjahren.“

Weiteres auf Wittgenfteing Frage mitzuteilen, wagte Graf Kolowrat ohne Grlaubnis des Dicepräfidenten der Volizeihofftelle Freiherrn von Hager nicht, fondern fragte deswegen am 19. Auguft bei diefem an. Hager aber antwortete, daß es in keiner Weile räilich ei, „dem Fürſten Wittgenftein über Gruner und fein Treiben in Prag durch den Inſpektions⸗ kommiſſar in Zeplit Mitteilungen zu machen, im Gegenteil aber hätte

4 Major von Thiele war als Nachfolger von Boyen Chef bee Militärs nette.

lab

222 Kleine Mitteilungen. [222

der dortige Inſpektionskommifſſar beſſer getban, dem Fürften Wittgenftein ftatt der gewünfchten Auskunft zugufichern, fie mit feinen Dienftverhält- niffen abzulehnen, was er ald Kreistommifjär, bloß mit der Badeinfpektion beauftragt, leicht konnte”. Hoch möge „den Fürſten in diefer Angelegen- beit anhören und feine Anfichten und Wünjche annehmen, jowie Bericht eritatten” ; „er bat fich aber in feine Diskuffionen, in Rückſprechungen und gegenfeitigen Mitteilungen einzulaflen und von dem, was ihm allenjalls befannt fein dürfte, nichts zu wifſen“.

Indeſſen war die Neugierde des yürflen Wittgenftein eine fo große, daß er ſchon am 19. Auguft feine Frage in betreff des Major von Thiele wiederholte. Gr „fcheint fehr viel Verlangen nach einer baldigen Aus» funft zu haben. Er fchilderte mir zugleich den Grunert ala einen äußerft gefährlichen Mann, der damit umgehe, alle Ordnung umzuflärzen. & verficherte mich, daß Grunert von England 24000 Thaler bezieht, um dieſe Gefinnungen überall zu verbreiten und daß er bejoldete Agenten zu diefem Ende nach allen Richtungen Deutfchlands verjende. Ein ſolcher ſoll auch Knod don Helmenftreit!) feyn.

Bon Prag joll die Calveſche Buchhandlung feine Eorreipondenz be forgen, indem fie in Bücherballen nach Leipzig und weiter verjendet wird. Ich dankte ihm für diefe vertrauliche Mitteilung mit der Verſicherung, daß es der öfterreichiichen Regierung fehr angenehm feyn würde, dieſe Notizen zu erhalten, da fie dadurd in den Stand gefeht werde, allen Einwirkungen de Grunert und feiner Agenten wirkſam zu begegnen.“

Helmftreit Hatte fih in Teplit aufgehalten und Hoch von Wittgen- ftein ſolche Winke befommen, daß er daraus entnahm, die Anweſenheit Helmftreits fei ihm unangenehm. „Ich bot mich daher an, Helmenftreit unter ſchicklichem Vorwande von hier au entfernen, was jedoch der Yürft nicht annahm, fondern dagegen um eine genaue Aufficht auf ihn erjuchte, weil er bejorge, daß er fih an den König drängen würde.“ KHelmftreit der dies geahnt zu haben jcheint, forderte daber feinen Paß, um nach Sachſen zu geben. Hoch fertigte denjelben dahin aus und holte bei diefer Gelegenheit Helmftreit über den Fürſten Wittgenftein aus. Er entnahm aus den Aeußerungen Helmftreit®, daß derſelbe „zur. Partey des Zugendvereind gehört, und von dem vormaligen Polizeipräfidenten Grunert mit Borwiffen des Minifters Hardenberg nad) Weſtphalen und Niederfachjen gejfandt worden war um die Meinungen zu fondieren. Wahrſcheinlich hatte er feine Gefinnungen über die franzöfifche Unter: drädung der Deutfchen am unrechten Orte geäußert, daher er zuräd- geruffen und fpäterfin ganz bdefavoirt (sic!) wurde. Er ift nun über da3 wanlelmüthige Benehmen Hardenbergs übel zu ſprechen und fchildert den Fürſten Wittgenjtein ala einen eiftigen Anhänger des fran- zöfiſchen Syſtems“.

Den ihm zugekommenen Befehle gemäß juchte Hoch insbeſondere das Vertrauen des Fürften MWittgenftein zu gewinnen und ſchien dabei Erfolg zu Haben, denn am 20. Auguft teilte der Fürſt dem Inſpektions⸗ kommiſſar mehrere Notizen über die Glieder des Tugendvereins mit,

1) Knod von Helinftreit, früher Offizier, jet Agent Gruners.

223] Kleine Mitteilungen. 293

„indem er mir den f. k. Hauptmann von Pfuhl!) der jebt in Berlin fein foll dann die erft geitern bier angelommenen E. k. Lieutenants Barnhagen ?) und Baron Willifer?) (sic!) ala freunde des ehemaligen Berliner Polizei Präfidenten Grunert bezeichnete, die mit demjelben in genauer Berbindung ſtehen. Pfuhl und Barnbagen find noch furz vor der Abreije des Fürſten Wittgenftein aus Berlin vom dortigen Gefandten St. Marſan als fehr gefährliche Leute bezeichnet worden, die auf fran« zöfiſchem Boden ohne weitered arretiert werden würden. Pfuhl wurde daher auch gewarnt, jeine vorhabende Reife nad Hamburg aufzugeben. Der Fürſt Wittgenftein fcheint jogar zu bejorgen, daß Pfuhl und Varn⸗ bagen felbft in Berlin nicht ficher wären, weil der franzöfiiche Gouverneur olle Macht in Händen habe. Er wird daher auch Varnhagen abrathen, fih nicht nach Berlin zu begeben. Varnhagen und Willifer haben geftern auf der Promnade den König gefprochen und diefem ihre vorhabende Reife gemeldet. Der König fragte den Baron Willifer ob er Urlaub dazu Babe? O ja antwortete diefer, auf drey Monate und nah Um: ftänden au noch Länger. Darüber machte der Fürſt Wittgenftein gegen mich die Bemerkung: „daß e3 äußerſt unklug geweſen jey diefe Ant- wort dem König zu geben, welche zu verrathen fcheine, ala ob man glaube, daß der König jelbft diefe geheimen Machinationen begünftige. Der Fürſt Bittgenftein nannte mir jerner noch den ?. f. Obriften Grafen Bentheim ala Theilnehmer an diefem Bunde, ohne jedoch einen beitimmten Grund dazu anzugeben. Der k. k. General Graf Neuperg joll nach des Yürften Meinung ebenialla ſolche Sefinnungen an den Tag gelegt haben, wie fie der Tugend⸗ verein propagirt, weshalben der Kaiſer Napoleon feine Miffion ausdrück⸗ lich verboten habe.” Dieſe Mitteilungen des Fürſten Wittgenitein mußten in der That um fo aufjälliger erjcheinen, ala es fich in denſelben um lauter Perſonen handelte, die in Öfterreichtiichen Dienften ftanden oder geftanden hatten und zum größten Zeil durchaus noch feine bedeutende Rolle ge- fpielt hatten.

Am 23. Auguft kam der frühere ruffiiche Geſandte von Alopäus von Prag nach Zeplik und erzählte dem Fürften MWittgenftein, daß Gruner in Prag auf Requifition des franzöfifchen Gejandten in Wien, Otto, verhaftet worden ſei. NAlopäus Hatte bei jeinem Aufenthalt in Prag diefe Nachricht vom Grafen Bentheim erhalten und auch erfahren, daß Gruner am Tage vor feiner Verhaftung Beforgniffe diefer Art ge⸗ äußert Habe. Deshalb hege Wittgenftein die Meinung, berichtet Hoch, daß Gruner einen Teil feiner Papiere beifeite gefchafft haben dürfte.

„Fürft Wittgenftein erklärte mir Heute,” fchreibt Hoch am 24. Auguft, „daß er froh ſey, daß diefe Arretirung in Prag und nicht in Sachen Statt gefunden Habe; denn er fey überzeugt, daB man jene Papiere durch welche hohe Perjonen compromittirt werden könnten für fid)

‚_ D Gemeint ift Ernft Heinrich Adolf von Pfuel, der berühmte Schwimm: neiſter und fpätere preußilche Minifter, welcher im Juli 1812 den öfterreichiichen Tienft verlaffen Hatte, um nach Rußland zu gehen.

2) Gemeint ift der befannte Barnhagen von Enje. 3) Muß wohl Willifen heißen.

224 Kleine Mitteilungen. [224

behalten würde, was in den unter franzöfiihem Einfluß jtehenden Län» dern nicht gefchehen konnte. Er bedauert übrigens, daß Grunert fich in Dinge eingelaffen hätte, die ihn in feine gegenwärtige Lage gebradt haben; denn er jey ala Polizeipräfident zu Berlin gar nicht zu erjeken.

Der Fürſt Wittgenftein glaubt endlih auch, daß Grunert auf etwaiges Verlangen an die franzöfifchen Behörden nicht ausgeliefert werde, was jedoch ſelbſt in Berlin unter den gegenwärtigen Umftänden nicht wohl hätte vermieden werden können. Als Zeilnehmer an Grumer’s Planen nannte er mir nebjt dem fchon befannten Müßel noch den aus preußifchen Dienften übergetretenen 8. E. Major von Noftit und einen fiheren Forjtmeifter Otto, deſſen Aufenthaltsort ihm unbelannt ift. De Fürſt Wittgenftein hat mich angegangen, ihm den Erjolg der Unter juchung fo viel ala möglich mitzutheilen, wogegen er mir feine Notizen eröffnen will.”

Schon früher Haben wir gejehen, daß der Fürft Wittgenftein cin ungeduldiger Herr war, welcher den Inſpektionskommifſar durch feine Tragen bedrängte. Es ift daher durchaus nicht wunderbar, daß er aud jet wieder lebhaft wünjchte, über die Vorgänge in Prag genaueres zu hören. Hoch kam deshalb in die Lage, am 25. an Kolowrat berichten zu müflen: „Der Fürft Wittgenftein kann feine Neugierde nach den näheren Umftänden von Grunert? Arretierung nicht verbergen, und fragt mid, fo oft er mich fieht, danach. Dabei äußert er vorzüglich die Bejorg nifje, daß Grunert den intereffanteften Zeil feiner Papiere bei Seite ge ſchafft haben möchte, weil er jchon Winke über feine Arretierung gehabt hatte. Auch wiederholte er Heute die Verficherung, daß er, ſowie ber König felbft froh find, daB die Arretierung nicht in Sachjen gejchehen it. Mit der Arretierung fei der König ganz zufrieden. Da ich von dem E. k. Rat Eichler in Erfahrung brachte, daB Grunert nah Wien gejendet worden fei, jo teilte ich diefe Nachricht Heut dem Fürſten mit und bemerkte dabei, daß fie ihm unerwartet fam. Er frug mich dann no: ob es gewiß ſey, daß Grunert auf Requifition des franzöſiſchen Geſandten verhaftet wurde, worauf ich erwiderte, daß man dies nur ver mutbe. Es jchien mir dabey, ala ob ihm daran gelegen ſey, diefe Meinung ala wahr geltend zu machen.“

Ein Schreiben Blühers aus dem Feldzug von 1815. Mitgeteilt von Albert Naude.

Das jolgende eigenhändige Schreiben Blüchers, in welchem der alte Held mit draftifchen Worten feinen Wünfchen für die Verhandlungen mit Frankreich und jeiner Abneigung gegen die Franzoſen Ausdruck giebt, fand fich in dem Archiv des Herrn Majord von Wedel zu Lubtwigadorf in Schlefien. Es ift vermutlich an General Knefebe gerichtet, zu dem Blücher in freundichaftlichen Beziehungen ftand. Kneſebeck war neben

225] Kleine Mitteilungen. 225

Hardenberg, Sneifenau und Humboldt an den Friedensverhandlungen be- teiligt. Ein Schreiben an Kneſebeck aus den erften Tagen des Juli, das fih in manchen Punkten mit dem neuaufgefundenen berührt, ift veröffent- licht bei Wigger, Fürſt Blücher, S. 267, und bei Blafendorf, Blücher, —8 Die Schreibweiſe des Originals iſt im folgenden Abdruck bei⸗ ehalten.

St. Cloud, d. 10t July 1815. Libſter Freund Gneiſenau wird ihnen von allen unterrichten, ich bitte ſie in ſtendig machen fie daß man uns in unfren opperation nicht hinderlig wird. ein ſolche gelegenheit komt uns nicht wider vor, unfre finanten bebürffen einge Zubuße und wihr müſſen nicht wider auß Frankreich gehen, und den borwurff uf und laden, von biejen verdorben Volk überliftet zu fein, Herr Zallieran konte und in Wien drohen. hir in Paris lan er num bezahlen, waß unfre armeeh betriit, jo habe ich jelbiger verfprochen daß ih wen Paris erobert wird, fie da neu Heiden wollte, und fie ein Zmonatlih Zraftament zum Douceur erhalten jollten; verdint haben fie diefeß, und ich muß word hallten. fommen fie doch in ballde zu uns, ich wollte noch gerne ins badt, zu Ihlagen gibts hir wahrfcheinlig nicht mehr vill, ift der ſtatskatzler!) da fo bitte mich zu Emfehlen ich blibe Hir in St. Cloud, den ich mag ludwig d 18! und alle Fyrancofen nicht. adio. in Eill Blücher.

3u Seite 345 Note 1 des VI. Bandes. Bon A. Stölzel.

An der oben genannten Stelle bemerkt Fr. Holtze jun.:

„In den neueſten Darftellungen der (Juſtiz⸗) Reorganiſations⸗ verfuche (der Jahre 1705 bis 1709) find einige Kleine Verſehen unter« gelaufen: Stölzel, Fünfzehn Vorträge aus der brand.-preuß. Rechte- geichichte S. 109 läßt den (Kammergerichtöpräfidenten) Sturm im Jahre 1709 über 500 in den lebten fünjviertel Jahren an das Kammergericht ergangene Tonträre Reſkripte Klagen.”

Holge fügt dann hinzu: „Dies Hatte (NKammergerichtspräfident) Bord im Jahre 1705 gethan”, und berührt weiter einige zu berichtigende Angaben in Dickels: „Friedrich d. Sr. und die Prozefle des Müller Arnold.“

Wie es fih mit den Berichten der beiden Präfidenten Bord (1705) und Sturm (1709) verhält, ift in Bd. 2 ©. 12. 17. 28

1) Hardenberg kam am 15. Juli nach Paris. In dem oben erwähnten Schreiben bei Minger und Blafendorf ift mit „Katzeler“ ficher ebenfalls der „Kanzler“ Hardenberg gemeint, nicht etwa ber General Katzeler.

Ferſchuugen z. brand. u. preuß. Geſch. VII. 1. 15

296 Kleine Mitteilungen. [236

meiner Schrift: „Brandenburg Preußens Rechtövertwaltung ıc.“ genau ben Alten entiprechend folgendermaßen dargeltellt:

„Einen Einblid, welche Bedeutung überhaupt diefe Frage Hatte, gewährt die Darftellung des nach Wedeld Tode mit Leitung bes Kammergerichts vorübergehend betraut geivejenen geheimen Rats von Bord über die beim KHammergericht eingeriffenen Mißbräuche. Er berichtet, daß vom Januar 1704 big zum Mai 1705 nid weniger als fünfhundert „kontraire Reſtripte und Delete” durch „un gleiche Borftellungen der Parteien und Advolaten” veranlaßt, zu den Alten eingegangen feien und den Lauf der Juſtiz geftört hätten... ..

Kaum acht Wochen nach dem Inkrafttreten jener Ordnung (ber Kammergerichtsordnung von 1709) wandte fich der Sammergerichts- präfident Sturm, um, wie jeinBorgänger im Jahre 1705, jede Berantwortlichkeit von fi} abzulehnen, mit einem Berichte an den König und ftellte vor, er könne nicht vermeiden, daß viel Beichwerben gegen die immer zunehmenden „desordres“ im Kammergericht laut würden.”

Diefe Mitteilungen find in meinen „Yünfzehn Vorträgen” &. 109 dahin zufammengefaßt:

„Für das Berliner Kammergericht fam... im Jahre 1709 eine neue Kammergerichtsordnung zu ftande. Keineswegs genügte fie aber die empfundenen Schäden der Juſtiz zu heilen; denn fehr bald berich- tete der Kammergerichtöpräfident Sturm ähnlich, wie jein Bor- gänger im Jahre 1705. Er ließ dabei einfließen, daß nicht weniger als 500 konträre Reſkripte ... in den letzten fünfviertel Jahren an dad Kammergericht ergangen jeien.“

Ein Berjehen meinerfeit? Tiegt biernach nicht vor; höchſtens könnte davon die Rede fein, daß daB Pronomen „Er“ im lebten Sabe ben Zweifel läßt, ob damit Sturm oder fein Vorgänger Bord gemeint fei. Die zu Grunde liegende Darftellung in meiner „Rechtöverwaltung pp.“ ftellt die Sache aber Kar.

Berichte der Königlich Preußiſchen Akademie der Wiffenfchaften zu Berlin.

Anz dem Situngsbericht vom 25. Januar 1894, über das Jahr 1893.

h —— *

Politiſche Korreſpondenz Friedrichs des Großen.

Bericht der HH. von Sybel, Schmoller und Naudé.

WVon der Publikation der „Politiſchen Korreſpondenz Friedrichs des Großen“ if im Berichtsjahr der 20. Band erſchienen; er umfaßt die Akten vom 1. Oktober 1760 bis zum 1. Oktober 1761, die zum größten Teil dem Geheimen Staatsarchiv und dem Archiv des Großen Generalftabes entnommen find. Um die Alten über die auftöfung ber preußifchsenglifchen Allianz zu durchforfchen, wurde von unferem Mitarbeiter Dr. von Buttlar eine kurze Reife nach London unternommen. Die wechjelnden Beziehungen zu dem englifchen Minifterium und vor allem die Ver: bandlungen König Friedrichs in Konftantinopel zur Begründung eines preußifch- türfiichen Kriegabündniffes gegen Rußland und Gefterreich bilden den wichtigften Beftandteil ber politifchen riftftüde de3 20. Bandes; auch die militäriichen Vorgänge erhalten vielfache neue Aufklärung. zofefior Dr. X. Naude, der ſeit dem Jahre 1883 für die Publikation der Politiihen Korrefpondenz thätig geweſen ift, wurde zu Oftern ala Ordinarius an die Univerfität Marburg berufen und darauf, auf Grund eines Beichluffes der vhntofophilch-Biftorifchen Klaſſe vom 27. April, zum Mitgliede unferer Kommiffion wählt. eichäftigt bei der Herausgabe find jet Dr. von Buttlar und Dr. ann.

Acta Borussica.

Bericht ber HH. von Sybel und Schmoller.

L Der 1. Band ber von Hrn. Dr. Krauske bearbeiteten Behördenorganifation, we die Epoche von 1700-1713 ſowie von der Regierung Friedrich Wilhelms die Zeit bis Ende Juni 1714 nebft einem Regifter umfaßt, ift auf etwa 900 Seiten fertig gedrudt und kann in den nächiten Wochen ausgegeben werden, fobald Bor: wort und Einleitung von Profeſſor Schmoller vollends fertiggeftellt und gedruct pin werden. Bon dem folgenden Bande ift auch bereits ein erheblicher Zeil des

anuftriptes der Vollendung nahe. . IL Bezüglich ber preußifchen Getreidehandelspolitif, welche Dr. W. Naube in Händen hat, Ionnte vor einem Jahre gemeldet werden, daß die Aktenfammlung

15*

228 Berichte der Kal. Preuß. Akademie d. Wiflenfchaften zu Berlin. [228

bis 1786 in der Hauptſache fertig fei. Bei dem großen Umfang derſelben jchien e3 angezeigt, die vor 1713 fallenden Stüde weder in extenjo, nocd in Regeftform abzudruden, jondern Dee Zeil des Stoffes in Form einer Einleitung zu geben. Mit der Seritellung berjelben war Dr. Naude diefes Jahr beichäftigt; Sie wird ala beſonderer Band erjcheinen und neben den handelspolitiſchen brandenburgild- preußi iſchen Maßregeln bezüglich des Getreides die Anfänge des Dlagaginmeiens ie Gefchichte der Yeik, Ernten und Zeuerungen bie 1713, jowie einen eberblid über die analoge Politit der übrigen europärfchen Staaten im 17. Jahrhundert und bi3 1713 enthalten. Das Bändchen wird, ſobald es fertig ift, Para und ausgegeben werden. Der Drud der Alten von 1713 wird fih dann fofort an:

ſchließen

Hr. Dr. Hintze hat die Materialien für die Behörden organ und innere Staatsverwaltung unter Friedrich dem Großen zunddit bis 1756 zu ſammeln. Er hat hau tägl die Coccej ii en Suftizreformen in Bearbeitung und ift zu diefem Zwecke im Sommer 1893 ängere Zeit im Brek lauer Arhir thätig geweſen.

V. Hr. Bergaſſeſſor Schweemann, weicher jeit Oftober 1892 an Stelle von Bergafefjr Knops getreten ift, hat im Laufe des Jahres 1893 die Akten ber Bergabteilung des Minifteriums für Handel und Gewerbe ind des hiefigen Staaii: archivs, welche fih auf das Salinenweien (das Salzregal, den Salzhandel, Scehandlung, die an bon Salinen) von 17 —1805 be ziehen, ausgezogen und bearbeitet. Es ft an zu hoffen, daß er dieſes ganze Gebiet, abfolviert Bj wird, wenn er im Laufe des „Jahres 1894, wie er wünſcht, von biefer Thätigkeit zurüd: und in eine praftifche Stellung ai

. Der Lieutenant a. D. Dr. Freiherr von Schrötter In fortgefahren, bie

auf bie „pranbenburgifch: preußifche Wollinduftrie des 18. Jahrhunderts bezüglichen

kten burchguarbeiten ; im Oftober 1893 iſt er nad Breslau über gefiedelt, um

at ein halb Jahr am Breslauer Staatsarchiv die ſchleſiſchen Atem, Die fih a anf

Nee ra den Wollhandel und die einfchlägige Handelspolitit beziehen, urchzujehen

Neue Erſcheinungen.

I. Zeitſchriftenſchau!).

Altpreußiſche Monatsſchrift. Herausgeg. von Rudolf Reide und Emjt Wichert. Band 30. Konigsberg 1898.

S. 1—-100: Sembrzydi, Die polnifchen Reformierten und Unitarier in Preußen. [Siehe unter Bücher.)

E. 39-350: Bont, Ortönamen in Altpreußen. II. [Bgl. Forſch. IV, 310. Aud hier hat der Berf., Gründungsurlunden wieder völlig außer Acht Laffend, zu mehrfach einfeitig übertriebenen Behauptungen fih verleiten laffen, von denen ex übrigens, wie verraten werden darf, einige bereits zurüdgenommen bat.)

S. 373—429: Bedherrn, Merktwürdige Steine in Oft: und Weftpreußen.

S. 656-651: Bedherrn, Die Wiefenburg (Wallewona). ſEs wird auf Grund von —— en wabriheintich zu machen verjucht, daß die „Wiefenburg, wel ie Preußen Wallewona nannten”, eine Burg, die der Orden gleich bei feinem erften Ericheinen im Barterlande an der uber erbaut hat, noch heute vorhanden fei, und zwar in einer Beidenihange bei Unterplehnen. Möglich immerhin, aber zwingend er: icheint der Veweis doch nicht.)

S. 652-668: Simfon, Die Sprache bed Ebert Ferber-Buches. [Durch ſprachliche Unterfuchungen will der nd die Ergebnifle, Bu welchen Gehrke in der von mir Forſch. VI, 273 beiprochenen Abhandlung über die Danziger Chroniken gelommen ift, erfchüttern. Daß &. in manchen Buntten über das Biel Binau eihoffen hat, ift keineswegs zu leugnen, ob aber wirflich fo weit, wie S. meint, bedarf uch noch erft weiterer Unterfuchungen; auch ©. jelbft Halt doch feine Arbeit nicht für enbd- gültig abgeichlofien.]

Einen fehr großen Raum nehmen auch in diefem SJahrgange wieder die Arbeiten Aber Kant ein (von ee r, Rubolf Reicke und Emil Arnolbdt). L.

D Alle nicht gezeichneten Berichte von Dr. Mar Immich in Marburg; Die mit L. gezeichneten von Prof. Dr. Lohmeyer in Königsberg; die mit H. ge: zeichneten lin, Brandenburg) von Amtsrichter Dr. Holte in Berlin.

230 Neue Erjcheinungen. [230

Sitzungsberichte der Altertumsgeſellſchaft Prufſia jür das 48. Vereins- jahr (1892/98). 18. Heft. Herausgeg. von U. Bezzenberger. Königäberg 1893.

Gegen gelegentliche Bemerkungen Virchows über die altpreußiſche Bevölkerung und über das altpreußifche Haus wendet fich widerlegend Bezzenberger (S. 1—8) und gegen einige Bedenken, welche derjelbe Berliner Gelehrte in feinem Bericht über den Stand der archäologiſchen Forſchung in Weft: und Oftpreußen geäußert hatte, Heyded(©. 48.80) auf Grund einiger Beobachtungen und Aufnahmen.

Die „Erlebniffe aus ber Schladht bei Pr. Eylau am 7. und 8. Februar 1807”, welche ein Einwohner der Stadt jpäter aus feiner eigenen Erinnerung (er war zur Fit der Schlacht 9 Jahre alt) und nach den Mitteilungen älterer Perſonen aufgezeichnet bat (S. 61—75), berichten nicht über die Schlacht felbft, fon ern erzählen nur, was fıd) während und nach derjelben in der Stadt zugetragen Hat.

S. 89-95 handelt v. Shimmelfennig über „Rauchtabalsdofen aus ber Zeit Friedrichs des Großen”. Auf Grund zweier Augenzeugenberichte beipriht S. 104—112 A. v. Mierzynski in Warichau, der Herausgeber ber Mythologiae Lituanicae Monumenta (1892), den Eid, welchen der Yitauerrärft Keiftut, ald er fih im Srühjahr 1351 dem Ungarntönige Ludwig unter: warf und Annahme bes Chriftentums verſprach, „nach heidniſch | Sitten”, „auf dem Blut nad feiner Art” geleiftet hat, aber freilich troßdem fofort brad). | L.

Zeitichrift für die Geichichte und Altertumsfunde Ermlauds. Herausgeg. von Bender. Jahrgang 1892. X. Bd. 2. Heit. Braungberg 1893.

©. 297—511: Das Leben ber feligen Dorothea von Preußen. Nach der beutichen Lebensbeſchreibung des „Johannes Marienwecder in neuerer | Schriftſprache heransgegeben von Dr. Franz Hipler.

S. 512—532: Liedtle, Beiträge zur Gefchichte der Jagd in Ermlanb und Altpreußen. [In der bis in das 18. Jahrhundert Hineinreichenden Abhand ung werden an der Hand von Urkunden unb anderem archi⸗ valiichen Dlaterial geiähilbert: das Yagdwild, die Jagdbefugnis, die Ausübung der Jagd, die Beichräntung ber Jagd durch die Landes⸗ ordnungen und die Jagd ald Regal.

©. 533-575: Hipler, Karl Peter Wölty (1822—1891). Ein Gedenk⸗ blatt. [Ein überaus warm gehaltener Refzolog des eng befreundeten Berfafiers über den um ermländiiche und altpreußifche Geihichtö- forſchung, gan— beſonders durch Bearbeitung und Herausgabe von Ur: funden und anderm Quellenmaterial hochverdienten Gelehrten, einen Geiſtlichen am Frauenburger Tom.] L.

Zeitichrift des Weſtpreußiſchen Geſchichtsvereins. Heft XXXII. Danzig 1893, Bertling (VII u. 200 ©. 8°. 3 Mt.).

Zoeppen, Die Elbinger Geſchichtsſchreiber und Geſchichtsforſcher in kri⸗ tiſcher Weberficht vorgeführt. or diefer das ganze Heft füllenden Abhandlung, der letzten Arbeit, welche der am 3. Dezember v. J. ver» ftorbene „zweite Begründer und Vater” der altpreuhilchen Geſchichts⸗ forſchung zum Druck befördert Far werden alle diejenigen Männer, elehrte und ungelehrte, aufgeführt und ſehr ausführlich, einzelne ohne tage viel zu ausführlich, abgehandelt, welche, ſei es als Sammler von Material, oder ala Kompilatoren und als Verfaffer eigener jchrift- ftelerifcher Arbeiten, für die Gejchichte Elbings erhaltend und fördernd thätig geweien find. Vom Anfange des 16. Jahrhunderts bis auf fich

231] Neue Ericheinungen. 281

ſelbſt hat ber Verf. nicht weniger ala 53 Arbeiter auf diefem Felde zufammengebracdht. DBollendet war die Arbeit bereits im Jahre 189.]

Zeitſchrift der Altertumsgeſellſchaft Infterburg. Heft 8. Inſterburg 1898. S. 0 p Dachgiebelverzierungen in Preußiſch⸗Litauen. [Mit

Mitteilungen der litaniſchen litterariſchen Geſellſchaft (in Tilſit). 18. Heit. Heidelberg 1898.

©. 497--505: Kurſchat, Zur Gefchichte der Litauer in Oftpreußen. [In dem erften, nur auszugsweiſe wiedergegebenen Zeile feines Vortrages ſchließt fich der Berf. denjenigen an, welche die undeutfche Bevölkerung ım preußiichen Litauen nicht erft und allein durch fpätere Kolonifation entftanden jein laflen, fondern für eine Urbevölterung halten, und weiter denjenigen, twelchen bie heutigen „Litauer” der drei blicgen Kreile (Goldapp, Darkehmen und Stallupönen) Nachkommen der alten Subauer oder Jadzwinger find. Im zweiten Zeile wird bie utige Statiftit der Litauer in Oſtpreußen behanbelt. ier nur Igendes: Nach der Volkszählung von 1890 betrug die Zahl der in Oftpreußen ſich zur Litauifchen Sprache befennenden Perſonen 121 265, davon im Regierungsbezirt Gumbinnen 86 367.] L.

Mitteilungen des Bereins für die Geſchichte Berlins. Im Auftrage des Vereins herausgegeben von Dr. Hans Brendide. 10. Jahrgang (1898). Berlag des Bereins für die Gefchichte Berlins,

Bon den größeren Aufjäßen verdienen bejondere Beachtung: Berlins Aud« tritt aus dem Hanfabunde von Profeffor Hoffmann in Lübeck ©. 82; zophie Charlotte, Königin in en von Dr. Krauske ©. 2; Boltaire und Leſſing in Berlin von rofeflor Magner ©. 34; ber

uftand der öffentlichen Sicherheit in ber Mark im Sahre 1810 von

uſtus dv. Gruner ©.5. Es tft anzuerfennen, daß die Summe ber in diefen Mitteilungen gebotenen wertvolleren Arbeiten im Gegeniabe zu den minderwertigen von Jahr zu Jahr fteigt. .

Schriften des Vereins für die Geſchichte Berlins. Heit XXX. Berlin 1893. Berlag des Bereins für die Gefchichte Berlins.

Das Heft enthält folgende fünf Auffätze:

S. 1-18: Eın Berliner Kaufmann aus ber Zeit Friedrichs des Großen (Fohann Ernft Goglowsty) von Otto Hinke. [Der Mitarbeiter an den Acta Borussica und Darfteller ber tvidelung ber Seidens induftrie in Preußen giebt eine treffliche Charakteriſtik des mannigfad verdienten Mannes.)

S. 19-40: Das Amt Mühlenhof bis 1600 von Friedrich Holge. [Eine nad den Alten geaxbeitete Darſtellung der Geichichte und volkswirt⸗ Ichaftlichen Bedeutung diejes Amtes, welches in mancher Beziehung eine

usnahmeftellung unter den furfürftlichen Aemtern einnahm.

©. 41—66: König Ehriftiand V. Dänisches Geſetz ala Vorbild für die preußiſche Suki reform 1713 von Friedrich Holke. [Behandelt nach den Akten den Plan Friedrich Wilhelms I., das däniſche Geſetz von 1683 in feinem ganzen Umfange in Preußen einzuführen.)

&. 67-96: Eliſabeth Stargemann und ihr Kreis von Herman v. Peter» dorff. [Ein feinfinnig ausgeführtes, kulturgeſchichtlich wertvolles Bild beö gefelligen Lebens im gaftlichen Haufe des Staatörats dv. Stäge: mann, des befannten Dichters und Mitarbeiters Hardenbergs.)

9893 Neue Ericheinungen. [232

©. 97—129: Aus einer gefchriebenen Berliner Zeitung vom Sch 1718. [Otto Krauske giebt ein jorgfältig fommentiertes Bruchſtück aus einem gejchriebenen Journale, welches hochinterefiante Berichte über bie Pe Monate der Regierung des vielverlannten Solbatenfänige en .

Die franzöſiſche Kolonie. Zeitfchrift für Vergangenheit und Gegenwart der franzöfiſch⸗ reformierten Gemeinden Deutichlande. Organ des deutfchen Hugenottenvereind. Herausgegeben von R. Beringuier. 7. Jahrgang (1893), E. S. Mittler u. Sohn.

Neben der überwiegenden Menge von Mitteilungen, welche nur das innere Leben ber Kolonie betreffen, findet der Heralditer manches Dankenswerte in den umfangreichen Auffägen von Gerland über Die Hamilie du Ry, welche na durch ben ganzen Jahrgang Dingichen.

benfo wird berjenige, ber ſich mit ber Gehhichte der franzoͤſiſchen Ein: wanderung in Deutichland eihaltigen will, mande brauchbare Notiz benußen lönnen. Im übrigen ift diefer Jahrgang für den Hiftorifer nicht gerade ergiebig. H.

Zeitichrift des Vereins für Gefchichte und Altertum Schleſiens. Heraudgeg. von C. Grünhagen. Bd. 27. Breslau 1898.

©. 1-27: €. Grünhagen, Der Kampf gegen „die Aufklärung“ unter Friedrich Wilhelm II. mit bejonderer auf Schlefien [behandelt die Beſtrebungen Wöllners und weiſt darauf hin, daß in den Pro⸗ dinzen und vor allem in gleñen fih die Wöllnerſche Epoche nur wenig bemerkbar gemacht hat.

©. 28-53: 9. v. Wiefe, Die patriotifche Thätigkeit des Grafen &5 in Schlefien in den Jahren 1808 und 1809. Bgl. des Ver⸗ jafers Aufjag über Götzen in Bd. 68 der Preußischen Jahrbücher und sie Fr Meinedes in der Hiftorifchen Zeitichrift Bd. 70

©. 204-237: C. Grünhagen, Der fchlefiiche aaa 1770—1809 [be: handelt nach den Akten bes Breslauer Staatsardivs die Gründung und das Anmwachien des fchlefiichen Zrefordepot3 unter Oriebrih dem Großen, die Serivenbung unter riedrich Wilhelm IL. und das Schaf: i

bepot unter Friedrich Wilhelm III. bis zum Jahre 1809.)

Zeitſchrift der Hifterifchen Geſellſchaft für die Provinz Poſen. Herausgeg. bon R. Prümers. Bd. 8. Heft 1 und 2. Pojen 1893. S. 47—70; 121-210: M. Beheim-Schwarzbach, Der Nepediftrift in

feinem Beftande zur Zeit der erften Teilung Polens. Fortſetzung und Schluß, vgl. Forſch. VI, 274; Buch III: Die Holländereten.)

Baltifche Studien. Herausgeg. von der Gejellichaft für Pommerſche Ge- Ihichte und Altertumskunde. 43. Jahrgang. Stettin 1893.

©. 1-60: Taeglichsbeck, Die Belagerung der Stadt Anklam durch ben Großen Kurfürften im Jahre 1676. [Auch feparat erjchienen Stettin 1892, vgl. Forſch. VI, 318.)

©. 117-127: W. Wiefener, Die Grenzen des Bistums Cammin. [In der Stiftungaurfunde von 1140 waren dem Bistum Cammin feine feften Grenzen zugewieſen; c3 bergingen noch etwa Hundert Jahre, ehe eine beſtimmte Abgrenzung des Bistums gegen die benachbarten Did⸗ zefen, zu denen Brandenburg, Havelberg und Lebus gehörten, zuftande kam.)

238] Neue Ericheinungen. 2883

Zeitihrift ver Geſellſchaft für Schleswig Helftein- Lanenburgifche Ge⸗ ſchichte. Bd. 22. Kiel 1892,

S. 285—296: E. Micheljen, Eine Salvaguardia des Großen Kurfückten für die Paftoren zu Friedrichſtadt vom 13. Oftober 1658. Gin Bei trag zur Geichichte des Kriegs 1657— 1660.

Jahrbuch der Geſellſchaft für bildende Kunft und vaterländiſche Alter- tümer zn Emden. Band 10. Emden 1892/93.

ft 1 © 124-126: N. Pannenborg, Tyriedrih ber Große an den Oftfriefifchen Kammerpräfidenten Leng über Streitigfeiten unter den Direltoren der Ahatilhen Handlungslompagnie zu Emden. [Ein Brief riebriche vom 7. März 1752 als Antwort auf den Bericht bes ammerpräfidenten vom 28. Februar. Zur Ergänzung von Bictor Ring, A atüiche Danblungsfompagnien Friedrichs des Großen S. 100 ff. Dal. Forſch. III, 644.)

S. 130—131:_ 3. Fr. de Bries, ger eigenhändig unterzeichnete Dant: fchreiben Fpriedrih Wilhelms III., Königs von Preußen [vom 2. No: vember 1801 und vom 21. März 1803, gerichtet an die Prediger Gerdes und Gittermann; der König dantt fiir Neberjendung bes 3. und 4. Bandes

der oftfriefiichen Zeitichrift Pallas.)

Zeitſchrift für vaterländiiche Geſchichte nud Altertumstunde Weftfalens. Herausgeg. von U. Tibus und C. Mertens. Bd. 50 und 51. Münfter 1892 und 1898.

2b. 50 ©. 1-68; Bd. 51 ©. 1-89: F. Darpe, Die Anfänge der Res formation und ber Streit über das Kirchenvermögen in den Gemeinden der Oraftepaft Mark. [Auszüge aus den amtlichen Berichten über die Streitigleiten, die während bes hätt? clevifchen Erbfolgeftreites durch das Einfchreiten der Hurfürften von Brandenburg und durch die mit Pfalz:Neuburg gefchlofjenen Berträge zwiſchen Katholiken, Qutheranern und Reformierten iiber das Hirchenvermögen entbrannt waren.]

Beiträge zur Geſchichte des Niederrheins. Jahrbuch des Düſſeldorfer Geichichtevereind. 7. Bd. Düffeldorf 1893.

S. 441444: GSoldatenlieb von 1758. [Befingt die Tapferkeit ber breubüfchen Iömazgen Hufaren in einem Scharmützel mit franzöfiichen ruppen in der Nähe von Lüdenſcheid 1758.)

Zeitihrift des Vereins zur Erforſchung der Rheiniſchen Geſchichte und Altertümer in Mainz. Bd. 4. Mainz; 1893.

Heft 1 S. 1-14: 8 6. Bodenheimer, Die Wiebereroberung von Mainz durch die Deutichen im Sommer 1793. Mit ‚zwei Plänen. [Die Einſchließung von Mainz fiel hauptſächlich den preußiichen Truppen u. Der Mangel einer einheitlichen Leitung der Belagerungsarmee, eren Oberbefcehlähaber Graf Kalckreuth von den anmwejenden fürftlichen Berfönlichkeiten, vor allem vom König ae Wilhelm abhängig blieb, und die Zuverſicht, daß die Franzoſen bie Geltung bald räumen würden, erklären da3 langfame VBorrüden der Belagerung. Erft nad) dem kühnen Berfuche bes zyeindes, durch Meberrumpelung fich bes Hauptquartierd zu bemächtigen, drang Friedrich Wilhelm auf ener: ifchen Angriff und Beſchießung der Stadt, die am 22. Juli fapitu: ierte. Verf. tritt der Behauptung entgegen, dab die ‘Preußen bei den im Anfang der Belagerung angelnüpften Verhandlungen durch ges fälfchte Briefe der Beſatzung Fallen zu ftellen gejucht hätten.)

294 Neue Ericheinungen. [234

Neues Lanfigifches Magazin. Herauageg. von Richard Jecht. 69. 2b. Görlik 1898.

S. 215—231: v. Werlhof, Friedrich II. und Napoleon bei Kitten 1757 und 1813 [behandelt auf Grund ſehr mangelhafter Quellen bie teiegerifihen Greigniffe bei Zittau im Sommer 1757 nad der Eier

bei Kolın und im Auguft 1813 und vergleicht das Verhalten Friedri

mit dem Napoleon3].

Riederlaufiter Mitteilungen. Zeitichriit der Niederlaufiter Geſellſchait für Anthropologie und Altertumsfunde. Bd. 3. Guben 1898.

&. 116-126: ©. Schlobach, Erinnerungen aus der Niederlaufih an die fieben jchweren Jahre 1806— 1813.

©. 202—207: W. eippert, Ber angebliche Friede zu Spremberg zwiſchen Brandenburg und Böhmen 1345. [Diefer angebliche Friede war mır ein Waffenftillftand von begrenzter Dauer und wurde am 15. Augufl eichloffen, nicht am 11. Auguft, wo nur vorbereitende Maßregeln ges roffen wurden, ferner nicht ın Spremberg, fondern in Guben, endlich auch nicht von den FFürftlichkeiten perfünlich, wie biäher angenommen, ſondern durch Bevollmächtigte.)

©. 208—210: W. Lippert, Graf Günther von Schwarzburg : Wadien- burg, Herr zu Spremberg, und bie gleichzeitig in der Mark auftretenden Schwarzenburger. [Zujammenftellung der verfchiedenen neben Günther auftretenden, Pufig miteinander verwechjelten Schwarzburger.]

Nenes Archiv für ſächſiſche Befchichte uud Altertumstunde. Heraus⸗ gegeben von Ermiſch. Bd. 14. Dresden 1893. S. 211-266: ©. Yhleib, Die Gejangenteaft hilipps von Helen (1547— 1552). Red den Alten in Dresden, Berlin und Warburg. Die mannigfacdhen Bemühungen Joachims UI. von Brandenburg um die Befreiung Philipps treten vor ber ungleich energifcheren Thätigfeit bed ſturfürſten Morig von Sachſen zurüd; auf die endlich erfolgte Freilaſſung bat Brandenburg feinen Einfluß gehabt.) ©. 330-336: W. Altmann, Sadıjen und Brandenburgs gemeinſames Vorgehen bei der Refignation Karla V. und der Ferdi⸗ nands I. [Abdrud des von den Kurfürſten von Sachſen und Branden: burg für ein gemeinjames Dorgehen getroffenen Uebereinkommens; vgl den Hinweis bei Rante, S. W. V, 297.]

Feſtſchrift zur Feier des fünfnndzwanzigjährigen Regierungsjubilaumi des regierenden Fürften Reuß 3. 8. Heinrich XIV. Dargeboten von dem Bogtländifchen Altertumsforjchenden Verein zu Hohenleuben 1892.

©. 40-78: W. Böhme, Heinrich der Jüngere Reuß von Plauen ald

geb hauptmann der Nürnberger [im Kampf mit Albrecht Achilles von Brandenburg.

Archiv für öſterreichiſche Geſchichte. Herausgeg. von der zur Pflege vaterländifcher Gefchichte auigeftellten Kommilfion der kaiſerlichen Akademie der Wiſſenſchaften. Bd. 79, Heft 2. Wien 1898.

S. 401—669: A. Beer, Tie handelapolitiichen Beziehungen Lefterreihs zu den deutfchen Staaten unter Maria Therefia. [In bielem Auflage nehmen die anbeläbegichun en Oeſterreichs au Preußen den größten Raum ein. Geſtützt auf keihhaltiges, urtundliches Dlaterial, das am Zeil im Anhang abgedrudt ift, legt B. eingehend den Gang der Der

235] Neue Ericheinungen. 995

handlungen bar, die zwecks Abjchluffes eines Handelsvertrages feit Be⸗ endigung des weiten ſchleſiſchen Krieges ununterbrochen aber erfolglos epflogen wurden, bis der Krieg von neuem ausbrach. Das ältere ud von jeher wird dur) B. vielfah ergänzt und berichtigt. An gutem Willen hat es auch Oeſterreich bei den Unterhandlungen nicht gefehlt; aber die widerſpruchsvollen Beitimmungen der Friedensſchlüſſe von 1742 und 1745, die Vermiſchung der Handeläfragen mit dem Streit über die Reichagarantie und die fchlefiihen Schulden, vor allem das Miktrauen, das zwiichen Berlin und Wien herrichte und jede Maß: regel der einen Partei nur als Ausfluß feindjeliger Gefinnung gegen die andere anſah, mußten von vornherein eine DVerftändigung er: fchweren. ginanzielle Erwägungen ließen beide Staaten an Yen ein: ſeitigen Forderungen ftarrer —A als es das beiderſeitige Intereſſe erforderte. Der Artikel iſt auch ſeparat erſchienen, Wien, Tempel]

Schweizeriſche Rundſchau. Herausgeg. von Ferd. Vetter. 2. Jahr⸗ gang. Zürih 1892, A. Müller,

Bd. 2 ©. 326—338: Karl Stichler, Ein Schweizer am furbrandens burgifchen Hofe vor dreihundert Jahren [giebt nach gedrudtem Material eine biographiiche Skizze des Basler? Leonhard Ihurneifler, der, 1571 gum ‚brandenburgifchen Hof: und Leibmedilus ernannt, jahrelang in erlin ala Arzt, Alchymiſt, Kalendermader, auch ala Kunftgewerbes unternehmer und Buchdruder, vor allem aber als Finanzgenie und KIT eine außerordentlich vieljeitige und rege Thätigkeit ents widelte.

Hiſtoriſche Zeitſchrift. Herausgeg. von H. v. Sybel und M. Leh— mann. München und Leipzig 1893, R. Oldenbourg.

Neue Folge Bd. 34 (der ganzen Reihe 70. Bd.).

S. 18—232: KH. Varrentrapp, Briefe von Pufendorf. Zweiter Zeil. [Bgl. Forſch. VI, 279. Die Briefe enthalten u. a. verjchiebene Bes merkungen über Perfönlichfeiten am Berliner Hofe; im 16. Brief hebt P. hervor, daß Johann Sigismund weniger durch politifche, ala dur veligiöfe Gründe zum Mebertritt zur reformierten Kirche veranlaß worden jei, vgl. hierüber auch Forſch. III, 624.)

S. 232—242: 9. vd. Sybel, Eine Zochter dreier Väter [widerlegt bie einft von Sugenheim aufgebrachte, neuerdings von Geffden wiederholte Pc Dr atharina U. von Rußland eine Tochter Friedrichs des

roßen jet.

S. 281—291: General Müffling über die Landwehr. [Abdrud einer Denl⸗ fchrift, die Müffling am 5. Juli 1821 an den Prinzen Auguft von Preußen richtete; M. tritt unbedingt für die Inftitution der Landwehr ein, ohne jedoch die Mängel des damals beftehenden Landwehrſyſtems zu verlennen.]

©. 464-467: Tr. Meinede, Ein Beitrag zur Geichichte des Jahres 1809. Graf Gößen, der Führer der oberichlefifchen Brigade, wies den ihm mitgeteilten Plan, die von den Franzoſen beſetzte Feſtung Glogau zu überrumpeln, nicht ohne weitered von der Hand, wie fi} aus zwei ın feinem Nachlaß befindlichen Briefen ergiebt. Tas Unternehmen kam a ur Ausführung, vermutlich weil das Geheimnis nicht bes wahrt blieb.

Neue Folge Bd. 35 (der ganzen Reihe 71. Bd.). Herausgeg. don H. v. Sybel.

©. 48-67: : v. Sybel, Hans Taniel Haffenpflug. [Ueber den wid bewegten Xebensgang des bekannten kurheſſiſchen Miniſters giebt ©. neue Auffchlüffe. Er fieht den Grundzug in Haflenpflugs Charakter in

236

Neue Erfcheinungen. [236

der Unfähigkeit, in feinen Affelten Maß zu halten. Radikaler Frei⸗ heitsſchwaͤrmer in ber Jugend, wurde er ſpaͤter fanatiſcher für monarchiſch-kirchlichen Abſolutismus. Seine grenzen FR ſucht verbunden mit vollftändiger Gewifienlofigteit I ber Wahl feiner Mittel, machte fi während Seiner furzen Zhätigfeit in Velen Dienften ebenfo geltend, wie in_den langen Jahren, wo er Kur! in ärgſter Seiß e mißhaudeite. Seine hiſtoriſche Bedeutung Liegt he entfcheidenben Rolle, die er in dem Rivalitätätampf wifchen und Defterreih um die Mitte dieſes Jahrhunderts fpielte. Ei. I auch den Grund zu dem ‚politifchen Fiasko, mit dem er feine Minifter: lau bahn in Helfen beichloß.]

©. 68-76: Max) Lehmann): Eine ‚Bentihrif, von Johannes Müller aus dem Jahre 1787. [Aus dem Berliner Geh. Staatsarchiv. M&moire sur la conveniance et les moyens d’attacher les princes ec- elesiastiques —B au systeme de l'Union. ia hierüber Kante S. W. XXXI

S. 19-259: Ferd. Hirſch, Otto von Schwerin. Eriter Keil. Giebt

mit Benußung noch ungedrudter Quellen eine Darftellun und Wirkens Schwerina; der erfte Teil führt Ar zum aber 1002) ©. 308-310: W. Eauer, Bier eigenhändige Briefe des Feldmarſchalls von Blücher aus dem Frühjahr 1814. Nach den Originalen im Geb. Staatsarchiv in Berlin [vom 15. und 2. Januar, 16. und 23. Februar 1814, Die drei erften an Hardenberg, ber vierte an den König; vgl. hierzu die Berichtigung S. 584.) ©. 456458: Plaul) B(aillen), Zwei Briefe Alerander v. Humbolti⸗ an Hardenberg aus bein Jahre 1794. [Betreffen die Sendung boldts in da3 Hauptquartier Möllendorfs und enthalten unter an rem bie Mitteilung, daß der Rüdzug der preußifchen Armee auf das rechte Rheinufer dem Einfluß Biſchoffwerders zuzufchreiben ift.]

Dentiche Zeitichrift für Seihichiswifenfiheft. Herausgeg. von L. Quidde. Freiburg i. B. 1893, Mohr.

Bd. 9 ©. 62—99: A. Stern, Die et eneraffungäfre e im Jahre 1817 und die Rundreife von Altenftei Beyme. or Beginn der Deratungen der Verfaſſungskommi *8 im oh: 1817 wurden auf —— Vorſchlag Altenftein, ſtlewiz und Beyme in die ver:

chiedenen Provinzen entfandt, um fich eine gründliche Kenntnis der beftehenben Berhältniffe zu verschaffen und die Anfichten der Bewohner über eine zufünftige Berfafjung zu hören. Berf. erörtert die Ergebnifie dieſer, freilich ſehr willkürlich Befragungen. Die Ein: richtung von Provinzialftänden wurde faft überall gemäß der Ber- orbnung vom 22. Maı 1815 gefordert. Si eine jelbftändige Repräfen: tation de3 gefamten Staates erklärten ſich die Rheinlande und Weitfalen mit wenigen Ausnahmen. In den anderen Provinzen lauteten bie Antworten weniger übereinftimmend. Der Wunich nad allgemeiner Zandesrepräfentation war in diefen in weit geringerem Maße vor: handen, zum Zeil verhielten ſich bie „oefragten vollftändig ablehnen gegen eine Gentralverfammlung. Aus ber Reihe der von St. mit: eteilten Antworten und Gutachten ift die Dentichrift des Oberpräft: enten von Pojen, Zerboni di Spofetti, eines eifrigen Verteidigerd einer allgemeinen Landesvertretung, bemertenawert.]

< 103—111: a Demerfungendgur „Passio s. Adalperti martiris“. .113—119: J. v. Gruner, Gneifenau, Chafot, Boyen und Tohna in Defterreich. "jr Abſchluß des preußiſch-franzöſiſchen Bündnifjes im

1812 en ſich Gneiſenau, Ghafot, "Boyen und Dohna nad) Hub and und auf, ihrer uk einige Zage in erreich. Ueber ihren Aufenthalt giebt G. in obigem einige Mitteilungen, welche

237]

Neue Ericheinungen. 237

die Lächerliche Angft der öfterreichiichen Behörden vor den verdbächtigen Mitgliedern des fogenannten Zugendbundes offenbaren.)

S. 303-312: R. Kofer, Bon beutichen Fürftenhöfen nm 1750. [Bericht

bes franzöfifchen Gefandten in Berlin, Grafen Tyrconnell, über ein Deiprädh mit Friedrich dem Großen, in dem ber König eine äuberft Harfe Sharakteriftif der deutjchen Kurfürften gab. Ferner eine Sn: rmation für den im November 1755 nach Berlin gefandten Herzog von Nivernois über Perfönlichkeiten an beutjchen und nordifchen Höfen, beruhend auf ben eingereichten Berichten der franzöfiichen Sefandten. Beide Aktenſtücke Ind dem Archiv des auswärtigen Minifteriums zu Paris entnommen.

Preußziſche Jahrbücher. Herausgeg. von Hans Delbrüd. Berlin

1898,

9. Walther.

Bd. 71 ©. 515-524: 9. Fritjche, Zwei Briefe des ſtronprinzen, nach:

Bd.

S. 193—200: 5 Delb rück, General von Gerlach [verjucht im ebü

maligen Königs Geiebrich ilhelm IV., in Saden des Halliſchen Bilderftreits. Tor egentlich der Renovierung der Marienkirche in Halle entbrannte ein heftiger Streit über das foftbare, aber jehr verdorbene Altarbild, welches einſt Kardinal Albrecht von Brandenburg geitiftet hatte; die einen wünjchten Wieberherftellung bes Kunſtwerkes, andere wollten es wegen feines durchaus latholiſchen Charaktere bejeiligt willen. Die beiden Briefe Friedrich Wilhelms find von Intereſſe für (eine inſtleriſche und religiöſe Richtung, zugleich Zeugniſſe feines Witzes. 72 S. 105—151: G. Roloff, Der Menſchenverbrauch in den Haupt: ſchlachten der legten Jahrhunderte [Fucht nachzuweiſen, daß die Schlachten des 17. und 18. Jahrhunderts im Verhältnis zur Stärke der Heere und zur Leichtigkeit des Erſatzes blutiger, aber im allgemeinen weniger erfolgreich waren als die des 19. Jahrhunderts, und folgert daraus, daß die Schlacht in der modernen Strategie eine andere Bedeutun haben müſſe, als in der der früheren —A Dies Reſulta dient zur Beſtätigung der Delbrückſchen Anſchauung von der Verſchieden⸗ heit friederizianiſcher und napoleoniſcher Strategie. Gegen dieſe Folgerung wendet ſich v. Lettow-Vorbeck in Nr. 43 und 44 des Militär: Wochen: blatts, während in Nr. 46 Bleibtreu die Methode der Verluſtberechnung beanſtandet; letzterem tritt A. v. Boguslawski in Nr. 51 entgegen. Siehe auch „Deutſche Heereszeitung“.)

nfchluß

: A

an die Tag er des Generals v. Gerlach (vgl. Forſch. VI, 279. 284) die in dem Gerlachichen Kreife herrichende Denkweiſe zu veranfchaulichen. G. wünjchte keineswegs den Abtolutismus, er trat für Wicderherftellung der ariftofratijch = ftändifchen Oruppierung ald der gottgewollten Orb: nung ein. Chef der Partei war der König felbft, aber vr vermochte jeine Ideale nicht zu verwirklichen, denn es gab feinen Menſchen mehr,

x mit dem Berftändnis für diefe Ideen auch die Fähigkeit zum Mi— nifter gehabt Hütte. Die oftroyierte Verfaflung ging nicht aus bes wußter, politischer Abſicht hervor, fie war ein Notbehelt und der König hoffte fie noch nach feinen Intentionen umformen zu können. Indes Die dee des Konftitutionalismus erwies fich ſtärker als alle reaktio⸗ nären Wünſche, und bie faljchen Ideen fcheiterten, weil fein Menſch fie durchzuführen ve te. Gerlach jelbft iſt an feinen Idealen irre ges worden. Dal. Bb. 73 ©. 147—149.]

S. 01-238: R. Fiſcher, Das Polentum in Weftpreußen. [Berf. nr

ch einen Ueberblick über die kulturgeſchichtliche Entwickelung Weſtpreußens von 1280 ab. Am Schluß der erſten Periode, zur Zeit des Abfalls vom Orden, war Weſtprenßen ein beutiches Yand. Die Inkorporations⸗ urkunde von 1454 gab durch widerfpruchsvolfe und unklare Bes ftimmungen der bolntihen Regierung Handhaben zu willfürlichen Eins

238

Bd.

Bd.

Neue Erſcheinungen. [288

riffen. Das Dekret von 1469 machte der Selbſtändigkeit der preußziſchen

tände ein Ende, und die Realunion mit der Krone Polen wurde zur Thatſache. Das Land erfreute fich anfänglich unter polnifcher Herr⸗ fchaft einer hohen Blüte, der Handel nadın fteten Aufſchwung. Erft nad) dem Ausfterben ber Jagiellonen brady mit dem indringen ber Sefuiten die Zeit des Verfalls herein. Kine jchrantenlofe kirchliche Reaktion begann, die Bildungsanftalten verfümmerten, die intelligenten Bewohner wanderten aus, die freien ‚Danernichaften verſchwanden, jedes jelbftändige provinziale Xeben erloſch, die Polonifierung machte un: aufhaltfame Gert Nur Danzig vermodte in ruhmvollem Kampf fih eine günftigere Stellung zu wahren. 1772 übernahm Friedrich ber Große ein völlig verfommenes Land; feine unermüdliche Yürforge war indes von glängendem Erfolg gekrönt, und bald gab Weſtpreußen an materiellem Wohlitand den alten Provinzen nicht? nad). Das Deutich- tum blübte wieder auf. Seit Ende der dreißiger Jahre des 19. Fahr: Aunbertö beginnt die polnifche Propaganda wieder in Weftpreußen

oben zu gewinnen; die Urſache dieſes Wechſels ift vor allem in kirch⸗ lichen und wirtichaftlicden Verhältniffen zu finden.)

73 ©. 296-3: R. Wille, Ein Märtyrer des „Roten Kreuzes“ vor hundert Jahren. [Ber Rückzug bes preubiichen Heeres nad) der Stanonade von Balmy 1792 führte zur Mebergabe der eroberten Berdun an die Franzoſen. Bei den Berhandlungen wurde vereinbart, daß die in den Lazarethen befindlichen Kranken bes preußifchen Heeres unter Befehl eines preußifchen Offiziera und preußifcher Aerzte zurüd: bleiben und, wenn fie wieder marichfähig feien, mit gefamter Be: waffnung und Ausrüftung bis über die luremburgifche Grenze geleitet werden follten. Der zurüdbleibende Lieutenant v. Beulwik führte über feinen Aufenthalt und Rückmarſch ein Zagebud), das W. im Auszuge mitteilt. Dieje Aufzeichnungen lafjen die Leiden und Drangjale er- tennen, die Beulwig und feine Schugbefohlenen durch die Wortbrüchig: keit ber Behörben zu erdulden hatten; fie geben ein äußerft intereflantes Bild von den zuftänben in Verdun, ber Juchtlo gteit der franzöfiichen Zruppen, der Auflöfung jeder Ordnung, der Allmadht der Kommiffare des Konvents und der Schredensherrichaft der Sanzculotten.] . 714 ©. 570—575: H. Delbrüd, Zur Ya bei Prag. [Antwort auf meine Ausführungen Forſch. VL, 584 ff. D. fieht fich veranlaßt, eine früheren Ausftellungen teil offen zurüdzunehmen durch „eine brenerflärung*, in der er gefteht, meine Darlegungen in einem Haupt: puutte nicht richtig wiedergegeben zu haben; zum anderen Zeil giebt ex das nberechtigte feiner erften Angriffe ſtillſchweigend Per zu, daß er wichtige Punkte, die er früher moniert und auf die ich geantwortet babe, jet gar nicht mehr berührt (3. B. meine Benutzun Auches bon Ammann, b. h. gerabe die Sache, mit der er fein abiprechendes Urteil da3 erfte Mal hauptjächlich begründen zu Tönnen glaubte, Auf bie m. E. etwas gelünftelte und bie Hauptlache nicht treffende Argumen: tation, mit der ex diefes Mal meine Ihefen anzugreifen verfucht, will ich nicht näher eingehen, um die Kontroverfe nicht noch weiter zu ver: längern. D. ift genötigt, jebt felbft fogenannte „felundäre Aufgaben“ des Keithſchen Corps gi ugeben ; daß Wr eben dieſe, mit Unrecht ala ſekundär bezeichneten ufacben (die Bedrohung des Öfterreichiichen Rück⸗ zug?) von mir eriwiefen worden find, verichweigt ©. feinen Leſern. Seine eigene Vermutung (Dedung der Magazine in Saghen) t D. auch diesmal nicht erweiſen können; ex erklärt, daß man fie „als eine im Geifte der Zeit notwendige Maßregel präfumieren müfle”: ein jolches Verfahren jcheint mir, wie auch Meinede in der Hiſtoriſchen Zeitichrift 72 ©. 379 bemerkt hat, nicht ftatthaft für einen Hiftorifer, zu- mal dann, wenn bereits gegen bie bloße Möglichkeit der D.jchen Ber: mutung bie gewichtigften Gründe angeführt werben können (vgl. Forſch. VI, 594. 595). Auf diefe gegen feine Theſe erhobenen Ein-

239] Neue Erfcheinungen. 299

wände bat D. nichts geantwortet. Daß D. weber ©. 267 feiner „Auffäße”, wie ex früher fagte, no auch ©. 267 ff. wie ex di jest, den Prager Feldzug ala Annäherung an die napoleonifche ategie bezeichnet Hat, dieſe meine Behauptung wird man bei Einficht der Stelle beftätigt finden.) A. Naude.

Korreipendenzblatt der Weftdeutichen Zeitſchrift für Geſchichte uud Kunf. Redigiert von F. Hettner, H. Lehner und 3. Hanſen. 12. Jahrgang. Trier 1898.

Rr.6: R. Hofer, Die Worte des Prinzregenten auf dem ahnbofe Saar- brüden am 25. Mai 1860. [Im Gegenjah au einem Artitel der Saar: brüder Zeitung vom 27. Mai 1893 verficht K. die Authenticität ber Worte des Brinzregenten: „Preußen werde niemals zugeben, dab auch nur ein Fuß breit beutichen Landes verloren gehe" ; vgl. hierzu den Suffah von KR. im 11. Jahrgang der Weftbeutichen Zeitihrift Forſch

Hiſtoriſches Jahrbuch der Görreß⸗Geſellſchaft. Herausgeg. von H. Grauert. Jahrgang XIV. Münden 1893.

S. 493 -500: Kaindl, Zur Geihichte Bruns von Querfurt. [1. Brun, der zweite Preußenapoftel, bat die erſte Redaktion feiner Lebens: beichreibung bes h. Adalbert nicht in Ungarn angefertigt, er kam viel: mehr bortfin „mit der fchon über das 24. Kapitel hinans fertig» gehellten ita*. 2. Auch bei den „Ichwarzen Ungarn”, alfo in dem

ilfürftentum Achtums, ift Brun thätig geweſen.) L.

Abhandlungen der !. bayr. Alabemie der Wiflenichaften. III. Klaſſe. XX. Bd. III. Abt. München 1893.

S. 621—660: Mar Loffen, Der Magdeburger Seffionäftreit auf dem Augsburger Reichstag von 1582. [Mit Benußung neuer Quellen, unter anderen ber NReichätagsberichte des Kardinallegaten Madruzzo an den Kardinal-Staatzfelretär von Gomo.]

Dentſche Revue. Herausgeg. von Rihard Fleiſcher. 18. Yahı- gang. Breslau 1893, Trewendt.

Bd. 2 S. 323-339; Bd.3 S. 36-57. 171— 187. 295 - 309; Wd.4 S.44—61. 194—211. 319-327: Heinrich dv. Pofchinger, Lothar Bucher. Laut Ergänzung des von bemjelben Verfafſer veröffentlichten Buches:

in Achtundvierziger, Lothar Bucher Leben und Werte. 2 Bände, 1890/91. Wird Gortgefeht.

Rord und Süd. Herausgeg. von Paul Lindau. Breslau 1898,

Bd. 64 ©. 224-236: F. X. v. Winterfeld, Ehriftian Wolff und fein Verhältnis zu Driebri Wilhelm I. und {Friedrich dem Großen. * 1723 gelang es den raſtloſen Bemühungen ber theologiſchen

ner Ehriftian Wolffs, beim König Friedrich Wilhelm die Amts⸗ entiegung und Ausweiſung des Hallenſer Philofophen durchzuſetzen. Vergeblich ſuchten Wolffs Freunde in Berlin, zu denen namentlich der ſpätere Großkanzler v. Cocceji gehörte den König umzuftimmen und von der Haltiofgteit der gegen olff erhobenen Beſchuldigungen zu überzeugen. Erſt nad) zehn Jahren ſah Friedrich Wilhelm fein Un: zecht ein; von da ab ließ er aber auch fein Mittel unverfucht, Das Ge: ſchehene wieber gut zu maden und Wolff zur Rüdtehr zu bewegen. Sein Wunſch ging nit in Grfüllung; Wolff blieb felbit den glän= zendften Anerbieten gegenüber taub. Erſt nad) des Königs Tode fehrte er nach Halle zurüd zur größten Freude Friebrichs IL., der ihm auch ipäterhin fortdauernd Beweife feiner Huld gab.]

240

Neue Ericheinungen. [240

Allgemeine Zeitung. Beilagen. München 1893. Nr. 38. 39: Hans Pruß, Die Jugend und die Anfänge be3 Großen

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Kurfürften. Cine Hiftorisch- pfochologifche Studie [hebt hervor, dat Friedrich Wilhelm nach feiner Ihronbefteigung keineswegs jeinen Geg⸗ nern mit Energie entgegentrat, jondern entpredhend feinem bisherigen Entwidelungsgang und Verhalten eine abmwartende Haltung beobadhtete. Am Grunde eıne diplomatische Natur, trieb er keine Politif der fühnen That; er zog piemehn kleine Mittel und Umwege vor und ſuchte den Konflikten aus dem Wege zu gehen, fie gütlich zu löſen. Was ihn in den jchweren Gefahren aufrecht en war weniger der Glaube an I

1

jetbft, als das fefte Vertrauen auf einen beionderen göttlichen Schuß. 181: Hans Pruß, J. G. Fichte in Königsberg. [Nad) den Akten des königl. Univerfitätsfuratoriums; Fichte weilte vom 20. Dezember 1806 bis 13. Juni 1807 in Königsberg ala ordentlicher Profeſſor der Philoſophie; zugleich bekleidete er das Amt eines Cenſors der Zeitungen mit dem fpeziellen Auftrage, auf patriotifhe Haltung und Wieder: belebung des geſunkenen Mutes einzumwirfen.]

184: 2. Geiger, Ein Brief Voltaires an Friedrich IL. [Der Brief iſt gelhrichen auf der Rückreiſe von Bayreuth nach Berlin am 27. Sep tember 1743 und betrifft Hauptfächlich Friedrichs Freund Chafot.] 227. 228. 230. 231: Erich Marcks, Hermann Baumgarten [vgl unten bei den Wüchern].

Germaniftiihe Abhandlungen zum 70. Geburtstag Konrad von Mau:

ter?.

Göttingen 1898, Dieterich.

©. 65—123: Philipp Zorn, Lie ftaatsrechtliche Stellung des preußiſchen

Gejantminifteriums. Die Verordnung vom 16. Dezember 1808 if die Grundlage des geltenden Rechtes Hinfichtlich der Organiſation des a Minifleriums. Cie bedeutete indes wohl einen Foriſchritt durh Schaffung einer wohlgeorbneten Refjortverwaltung, ſtellte aber feine Einheit in der ‚oberften Staatsgewalt her. Dieſem Mangel fuchte Hardenberg durch die Verordnung vom 24. November 1810 abzubelien, durch welche ber Staatskanzler eine faft unbegrenzte Mtadiftelung 1

ni

“hielt. Seine Kompetenz wurde auch durch das Edift vom 3.

814 nicht, wie bisher behauptet, beſchränkt; ein kollegialiſches Geſamt⸗ Naatgminifterinm wurde nicht geichaffen, ebenſowenig durch Einführung es Staatsrats am 20. März 1817 und durch die Beftimmungen vom 3. November besfelben Jahres. Nach Hardenberge Tode war übers aupt feine feſt organijierte Behörde zur Mahrung der Einheit in ber taatsverwaltung vorhanden. Eine gewaltige Umgeftaltung hatte die Verfaſſungsurkunde von 1850 zur Folge, aber weder dieje noch die jpütere Spezialgeießgebung bieten eine allgemeine Norjchrift über den irkungskreis des ejamtfiaatäminiftertums. Kine rechtliche Präroga: tive des Minifterpräfidenten über die Reffortminijter bejtcht nicht, 0b» wohl ſchon feit langem dieſer Zuftand völliger rechtlicher Unbefcräntt- heit der Reffortminifter als fchwierig und unhaltbar empfunden if]

Zeitichrift für den deutſchen Unterricht. Herausgeg. von Otto Lyon. 7. Jahrgang. Leipzig 1893, Teubner. Heft 8 ©. 521-534: Karl Bilg, Wer ift der eigentliche Verfaſſer der

bisher der Kurfürftin Louife zugefchriebenen Lieder. [Auf Grund von Betrachtungen und Gebeten, welche die Kurfürftin Louife jetoft far lich auf eaeiäne hatte, find jene Lieder, ficher wenigftens bie drei „Gott, der Reihtum Deiner Güte“, „Jeſus, meine Zuverſicht“, „Ih will von meiner Miffethat”, von Paul Gerhardt verfaht morden.]

241] Neue Erfcheinungen. 241

Zeitſchrift für dentiche Philologie. Begründet von Julius Lacher. Heraufgeg. von 9. Gering und DO. Erdmann. 25. Bd. Halle 1893.

e. 29—36: Joh. Bolte, Licderhandichriften des 16. und 17. Jahrhunderte. III: Das Liederbuch der Prinzeifin Luife Charlotte von Brandenburg. Aus der Bibliothet der Petersburger Alademie der Wiflenichaften. . &h., geb. 1617, geft. 1676, ältere Schwefter des Großen Kurfürſten, Gemahlin des Her 093 Jakob von Kurland, trat während ihres Königsberger Aufenthalts in Beziehungen zu dem Lichter Stmon Dadh.]

Anzeiger des germanischen Rationalmuſeums. Nürnberg 1893.

Kr. 5 Crreilage) ©. 98-108: H. Peters, Tie Chemie de Markgrafen Friedrich J. von Brandenburg. [Im Beſitz des germanischen Muſeums efindet ſich eines ber älteſten größeren alchemiſtiſchen Werte in deutſcher Sprache. Der Pergamentkoder iſt dem Surggrafen Friedrich VL, jpäteren Markgrafen und erftem Kurfürften von Brandenburg gewwidmet, deilen Vorliebe für alchemiftifche Studien lange Zeit hindurch im Hohenzollerngefchlecht traditionell blieb.]

Archiv für Anthropologie. Begründet von A. Eder und 8. Linden- ſchmit, herausgeg. von Johannes Ranke. Bd. 22. Braunfchweig 1893.

S. 219 -249: M. Weigel, Das Gräberfeld von Tahlhaufen, Kreis Oft: priegnitz, Provinz Brandenburg Ur eine Beichreibung der Gräber und ihres Inventars; das Grabjeld gehört ber open germanischen Jeriobe, dem 4. und 5. Jahrhundert an. Auch jeparat erfchıenen,

raunjchweig, Vieweg und Sohn, 3,50 M.].

Zeitſchrift für Numismatik. Herausgeg. von A. v. Sallet. Bd. 19. Berlin 1898.

Hit 2 S. 113—116: Fr. Bardt, Der Fenarfund von Zweinert. [Ver⸗ zeichnis und Beſchreibung der 1892 auf em Kirchhoſe de3 Dorfes Zweinert im Kreis Welt-Sternberg gefundenen Münzen, worunter fid) einundzwanzig brandenburgifche Denare aus ber 2. Hälfte des 13. Jahr: hunberts befinden.]

S. 117—127: Fr. Bardt, Meber dag Münzrecht der Biſchöfe von Lebus rührt den Nachweis, daß die Bilchöfe von Lebus nicht im Beſitz des

ünzrechtes gewejen find und es auch thatjächlidh nicht ausgeübt haben; jeit 1252 münzten bie Erzbifchöfe von Magdeburg im Lebufer Yande].

Bierteljahrsfchrift für Wappen-, Siegel: uud Familienkunde. Herausgeg. vom Verein „Herold” unter Leitung von U. M. Hildebrandt. 20. Jahrgang. Berlin 1892, &. Heymann.

€. 1-72: ©. v. Jernidt, Bafallenlifte de im Jahre 1772 Preußen huldigenden polnischen Adels in Weftpreußen. [Nach den Huldigungs: aften im Staatsarchiv zu Berlin. Auch ſeparat erichienen, Berlin, Sittenfeld, 72 ©.]

21. Jahrgang. 1898. €. 56-58: Verzeichnis der Familien, welche mit der von Burgsbdorffichen verfchwägert worden find.

©. 429-485: M. Wertner, Kunigunde von Brandenburg, Prinzeifin von Ungarn. [Biographifche Notizen über Kunigunde von Branden:

Jorſchungen 5. brand. u. preuß. Geſch. VII. 1. 16

942 Neue Erfcheinungen. [242

burg, Tochter des Markgrafen Otto, welche fi 1264 mit Bela, Sonn König Belag IV. von Ungarn, und nad deſſen Tode mit Walram IV. von Limburg verheiratete und nach 1288 ftarb.]

Der Dentiche Herold. Zeitichrift für Wappen-, Siegel» und Yamilien- tunde. Heraußgeg. vom Berein „Herold“. Berlin 1892 und 1893.

Bd. 23 ©. 63: Das Grabmal des Grafen Eitel Friedrich II. von Hoben- zollern. [Eitel Bd II. ftarb während des Reichstages zu Trier 1512, das ſchöne von Peter Viſcher gearbeitete Grabdenkmal befindet fih in der St. Jakobi-Pfarrkirche zu Hechingen.)

©. 1422—145: W. Zahn, Altmärkifhe Wappen und Hausmarken. Mit einer Tafel.

©. 176—177: Frhr. Schenk zu Schweinsberg, Unbekanntes Siegel bes Margrafen Friedrich 1. von Brandenburg. zus reich ausgeftattete Siegel ift an einer Urkunde vom 25. Mai 1417 und wurbe wahrſchein⸗ lid aus Anlaß der Belehnung mit der Kurwürde neu angefertigt.)

B. 24 ©. 41-42: Frhr. Schent zu eämweinäberg, Mittelalterliches Wappenbuch aus dem Breisgau. [Des nbappen uch enthält unter anderem eine bemerkenswerte Darftelung der Ahnen des Grafen Eitel Friedrich II. von Zollern, 1488—1512.]

S. 4-95:W. Zahn, Genealogifche Mitteilungen aus den älteften Kirchen: büchern der Stephansficche in Tangermünde. [Bgl. Hierzu S. 132 bie Bemerkungen von G. A. v. M.

Beide Jahrgänge enthalten außerdem in beſonderen Beilagen eine für Syamiliengefchichten wertvolle Ueberfiht der in Schlöflern, Kirchen und in Privatbefik befindlichen Porträts, Wappen, Epi: taphien und Ahnentafeln adliger Familien.

Der Sammler. Herausgeg. von H. Brendide Band 14 und 15. Berlin 1892 und 1893.

Bd. 14 Heit 5 und 6: G. Wintel, Rauchtabaksdoſen aus ber get ried⸗ richs des Großen. [Soweit fie ſich auf iltorifche Greignifte und die veubiiche wre beziehen. Dazu ein Nachtrag von H. Vrendide in

and XV Heft 1.]

Bd. 15 Heft 1: Ferdinand Meyer, Joſef Werner, der erfte Direktor ber Berliner Akademie der Künſte. [Yojeph de Werner war von 1695 bi3 1705 Direktor der vom Kurfürften Friedrich III. gegründeten Kunſt⸗ akademie in Berlin.]

Het 5: Walther Schwarz, Tas Porzellan im Schloſſe Sanzfouci.

Heft 9: Friedrich Hole, Aus alten märkifchen Bilderbüchern. [Eine 1511 ın Frankfurt a. O. erichienene Trudichrift mit 23 Holzfchnitten, Szenen aus dem Strafverfahren gegen die Juden barftellenb.]

eft 10: G. Winkel, Der brandenburgiiche Adler in ben Wappen der altmärtifchen Städte.)

Jahrbücher für Rationalökonomie und Statiftil. Gegründet von B. Hilde brand. Herausgeg. von J. Conrad und L. Elfter. Dritte Folge. Sena 1892/93, Fifcher.

Bd. 3 (Bd. 58) ©. 161—283: E. Loening, Landgemeinden und Gute: bezirte in den öftlichen Provinzen Preußend duehandeit nach einander bie Gutsherrſchaft im 18. Jahrhundert, die Löfung der Landgemeinde aus dem gutöherrlichen Verbande, die Lanbgemeindeordnung von 1891, Landgemeinde und felbftändige Gutsbezirke, die Verfaſſung der Land: gemeinden und bie Gemeindefinanzen.]

243] Neue Erſcheinungen. 243

Bd. 4 (Bd. 59) ©. 688— 727: 8: Wehner, Die induftriellen Etabliffements der geiftlichen Stijter in Schlefien unter riedrich dem Großen. Nach den Alten des föniglichen Staatsarchivs zu Breslau. [er Gedante, die Reichtümer der Khleiifchen Stifte: und Kloftergeiftlichkeit zur Grün: bung induftrieller Anlagen nubbar zu machen, ging von dem Minifter v. Echlabrendorff aus. König Friedrich war mıt diefem Plan einver: ftanden. Dan begann damit, bei Beftätigung von Neuwahlen die Anlage von Fabriken, Spinnereien, Bleihen, Mühlen und Steinbrüchen und dergleichen zur Pflicht zu machen: doch dem raftlofen Schlabrenborff genügte ieg nicht, und im Jahre 1764 erteilte ein von der Breslauer

ammer auägearbeiteter Plan an 46 Stifter und Kloſter⸗Kapitel Auf: träge zur Gründung induftrieller Etabliſſements. Zuerſt hatte dies Verfahren guten Erfolg. Bald aber beganı der Abſatz zu ftoden und einzelne Fabriken konnten ihren Betrieb nicht aufrechterhalten. Schlabren- dorffs Nachfolger, v. Hoym, gab ſich in betreff des Abfabes weniger Illuſionen Hin, als fein Borgänger und der König. Troß aller Pe- mühungen vermochte er den Verfall der Gründungen nicht aufzuhalten, und da3 mit großen Erwartungen begonnene Unternehmen nahm, wie Derf. im einzelnen ausführt, ein Elägliches Ende. Der einzige Erfol blieb die allgemeine Verbreitung der lache: und Wollipinnereien un bie Einwanderung tüchtiger Manufakturiften.]

Bd. 5 (Bd. 60) S. 313—8362; 510-527; 793—847: K. v. Rohrſcheidt, Unter dem aunftztvange in Preußen während des 18. Rach den Alten der Staatsarchive in Berlin und Königsberg und des

rent bes Innern. Kap. 1: Organifation der Zünfte. Kap. 2: Die Zunftmißbräuche und ihre Bekämpfung im 18. Jahrhundert.)

Bd. 6 (Bd. 61) S. 230-247: K.v.Rohricheidt, Unter dem Zunftziwange in Preußen während des 18. Jahrhunderts. [Schluß. Dieran veiht fich des Verfaſſers Aufſatz über die öenverbefreiheit in Preußen; vgl. Zeitfchrift für Litteratur und Gefchichte der Staatswiſſenſchaſten“.]

Jahrbuch für Gejehgebung, Verwaltung und Bollswirtichaft im dentichen Neid. Herausgeg. von Guſtav Schmoller. 17. Jahrgang. Reipzig 1893.

©. 3—60: Ott i ‚Di Geideninbuftrie bes 18. hunderts. —* unten a een] ideninduſtrie Jahr

S. 907 -913: €. Elkan, Zur Geſchichte des miderrhainiſcheahhatihen Bergbaues. Nach einer amtlichen Denkſchrift [Reuß, Mitteilungen aus der Geſchichte des fönigl. Oberbergamts zu Dortmund und Des niederrheinifch-weitfäliichen Bergbaues. gr. 4°. 117 ©. Berlin, Ernſt und Sohn 1892.)

Zeitſchrift für Sozial. und Wirtichaftsgefchichtee Herausgeg. von St. Bauer, C. Grünberg, L. M. Hartmann und E. Szanto. 1. Bd. Freiburg und Leipzig 1893.

©. 318-340: &. Brentano, Weber ben grundherrlichen Charakter des haus: inbuftriellen Leinengewerbed in Echlefien. [Verf. fieht die Urfache der —8 Webernot in dem grundherrlichen Charakter der Weberei. riedrichs des Großen Maßnahmen waren ganz verfehlt, denn er fuchte mit Swangömahregein bem wirtichaftlichen Notftand abzuhelfen, während allein die eleitigung ber Unfreiheit, de Grundübelg der ganzen Organi: ation, Rettung bringen fonnte. Gegen diefe Ausführungen wendet fich . Sombart im 6. Band der Jahrbücher für Nationalökonomie und Statiftit S. 756 ff.] 16*

244 Neue Erfcheinungen. [244

Zeitichrift Für Litteratur und Geſchichte der Staatswiſſenſchaften. Hrag. von R.Frankenſtein. Bd. 1. Leipzig 1893, Hirichield.

S. 277-325; 418-437: 8. v. Rohrſcheidt, Auf dem Wege zur Ge: twerbefreiheit in Preußen. [Berf. charafterifiert zuerft die perſonliche Stellung von Stein und Hardenberg zur NReorganilation des Gewerbe weien®. Er befpricht Iobann eingehend die einzelnen Edikte uud Verordnungen, welche die Proflamierung der allgemeinen Gewerbe freiheit vorbereiteten, indem er ich bejonders bemüht, den Standpuntt und die Abficht der Geſetzgeber herbortreten zu laſſen. Vgl. hierzu des Derfallers Auffaß über das Zunftweien unter „Jahrbücher für Nationalökonomie und Statiftil“.]

Zeitiehrift für Berg, Hütten und Salinenweien. 40. Bd. ©. 1-10: 9. yehner Die et der Eifen- und Stahl: warenfabrit Königahuld in Oberfchlefien. Friedrich der Große forderte 1783 die Breslauer Kaufmannſchaft zur Errichtung einer Eifen: und Stahlwarenfabrif auf, um die Einfuhr fteirifcher Eifen: und Stahl: waren in ie überflüffig zu machen und erteilte ihr am 6. Juli 1785 ein darauf bezügliches Privileg; da e8 jedoch den München der Kaufmannſchaft nicht völlig entipradh währte e3 noch fünf Jahre, ehe ih die Kaufmannichaft zu diefem Zweck ala Aftiengefellichart mit 90 000 Zhalern Einzahlung fonftituierte; fie erhielt nad und nad eine königliche Unterftüßung don 70000 Thalern. Die Fabrik, an der Malapane unweit Szarnowanz errichtet, erhielt den Namen Königs⸗ dulb. Sie verjandte ſchon zu Anfang ihre Waren bis Dee anzig und in andere Oftfeehäfen und erlebte um 1800 eine ho Blüte; fie bejteht noch jet ala einziges Stahlwerf in Oberjchlefien.

Archiv für Poft und Telegraphie. Beihefte zum Amtsblatt des Reich pojtamtes. 19./20./21. Jahrgang. Berlin 1891/92/93.

Bd. 19 ©. 189-190: Erlaß aus dem Jahre 1728 betreffend Rortohinter ziehungen. [In einer Kabinetsordre vom 2. November 1728 wird den Soldaten und Ordonanzen verboten, wenn fie in Regimentsſachen ver: ſchickt wurden, andere Briefe zum Nachteil der Poſten mitzunchmen und zu beftellen.]

©. 744—148: A. Schmidt, Verteidigung des preußifchen Poftregala gegen hie. Uebergriffe des Fürſten von Thurn und un im fiebenjährigen riege.

Bd. 20 ©. 705-714: Mod, Entwidelung des Portofreiheitsweſens in Preußen und im deutichen Reiche.

Bd. 21 ©. 1-9; 33-45; 65—74; IT—104: Mod, Entwidelung de Tarifweſens bei der preußischen und der Reichs-Poſtverwaltung ſeit 1824.

S. 335—337: Kurbrandenburgiiche Poftboten und die Berliner Buchbinder: Annung [Die Berliner Buchhändler beſchwerten fich beim Großen Kurfürften über die ihnen don den PVoftboten durch den Vertrieb von falenbern gemachte, den Innungs- Privilegien zumiderlaufende Kon: urrenz.

©. 404 -406: Franzöfiſche Sauvegardes für die Poſten zur Zeit der Schlacht bei den 1806. [Napoleon ließ fich die Sicherheit der Poften in Preußen beſonders angelegen fein, wie gahlreidhe Schutzbriefe bemeiien, die freilich nicht immer die gewünschte Wi

Jahrbuch der königlich preußiſchen Kunſtſammluugen. Bd. 14. Berlin 1893.

rkung hatten.)

©. 26—40: Fr. Sarre, Die Ausftellung von Kunftwerken aus dem Zeit alter Friedrichs des Großen. II. Erzeugnifle der Silberfchmiebelunft.

245]

Neue Ericheinungen. 245

Mit einer Lichtdructafel und zwei Abbildungen im Zert. [Bgl. —*8 VI, . Seit der zweiten Ifte des 17. Jahrhunderts er: reute jich die Silberfchmiedetunft in Berlin einer bisher ‘nicht beach: teten Ausdehnung und Vollendung. Die Cinwanderung franzöfiicher Gold- und Silberarbeiter und die Heachtliche des eriten Königs hatten auf bie Ausbildung dieſes Kunſthandwerks großen Auch —— Wilhelm 1., dem keineswegs jedes Kunſtverſtändnis abzu⸗ prechen iſt, beförderte die Gold- und Silberſchmiedekunſt in jeder Weiſe, und nicht weniger lag Friedrich dem Großen die Entwickelung dieſes ae am Herzen. An den Angtüdajahren u Anſang des 19. Jahr⸗ underts wurden ein großer Teil der 5 in den königlichen Schlöſſern und viele koſtbare Silbergeräte in Privatbefit eingefchmolzen.]

S. 101—126: Paul Seidel, Die Ausftelung von Kunſtwerken aus dem

Zeitalter Friedrichs des Großen. III. Tas Bildhaueratelier Friedrichs des Großen und feine Inhaber. [Dem von tyriedrich dem Großen ge: gründeten Bildhaueratelievr im ehemaligen Gartenhaufe des Luft: gertens am Berliner Schloß verdankt Berlin bie babe Blüte der

ildhauerkunft jeit Ende des vorigen Jahrhunderti. Auf feinem Ge: biet der bildenden Künfte hat des Königs Fürſorge in foldem Maße andauernd befruchtend und fördernd gewirkt, wie auf Diefem. Der erfte Reiter des Ateliers war Syrancois Gaspard Adam; von ihm rührt unter anderem die Marmorbüfte des 1755 geftorbenen Großkanzlers v. Cocceji her, die heute im Sitzungsſaal des Kammergerichts fteht. Sein Nadı folger war Sigisbert François Michel, der fich aber des ihm geſchenkten Mertrauens wenig würdig zeigte. An jeine Stelle trat Sean Pierre Antoine Taffaert aus Antwerpen; er ſchuf die Denkmäler von Keith und Seydlitz. Aus feiner Schule ift Gottfried Schadow hervor: gegangen. ]

S. 127-135: R. Graul, Die Ausftellung von Kunſtwerken aus dem Zeit:

alter Friedrichs de3 Großen. IV. Das Mobiliar. Mit zwei Abs bildungen im Text. [Die unter dem erften König in Berlin aufblühende Möbeltifchlerei machte unter feinem Nachfolger keine Forſchritte. iiedaeh II. zog franzöſiſche Kunſthandwerker herbei. Nach ihrem

orbild haben die —8 Möbeltiſchler anerkennenswerte Lei ungen geſchaffen und mit der Zeit in dieſem Kunſthandwerk eine ſelbſtändige Tüchtigkeit entfaltet.]

S. 135—157: W. v. Seidlitz und R. Stettiner, Die Ausſtellung von

Kunſtwerken aus dem Zeitalter Friedrichs des Großen. V. Das Por: ellan: 1. Die Meißener Manufaktur, mit zwei Lichtdrucktafeln. . Vincennes und Sevres, mit zwei Abbildungen im Text.

Zeitſchrift für chriſtliche Kunft. Herausgeg. von Y.Schnütgen. 6. Jahr⸗ gang. Düffeldorf 1893, Schwann.

Heft 3 &.81—87: 8. Hoene, Die alten Glasgemälde im Dom zu Stendal.

Mit zwei Abbildungen.

Rene Chriſtoterpe. Herausgeg. von E. Frommel, W. Baur, RK. Kögel. 13. Jahrgang. Bremen und Leipzig 1892, Müller.

S. 211-255: 9. Weber, Curriculum Vitae Militaris Dom. Neubauer.

[Aufzeichnungen des 1725 mit Gewalt zum Soldatendienft gezwungenen stud. theol. Neubauer über feine ame jäbrige Militärzeit; nach einer Handichrift der königl. Bibliothek zu Berlin.)

Allgemeine Konſervative Monatsichrift für das chriftliche Deutichland. Herausgeg. von D. v. Oertzen und M. v. Nathuſius. 50. Jahr⸗ gang. Leipzig 1893, E. Ungleich.

S. 656-661; 765—776; 882—892: v. Schulk, Ter FAR Schills du

Medlenburg. [Nach den Akten des großherzogl. Archivs in Schwerin.

246 Neue Ericheinungen. [246

Militär- Wochenblatt. 78. Jahrgang. Herausgeg. von vd. Eftorif. Berlin 1893, &. ©. Mittler u. Sohn.

Nr. 21 Sp. 583-605: Die Berteidigung des Schloſſes Goldenfels durch den Sefondelieutenant dv. Gauvaın am 20. Mär; 1793. [Gauvein fapitulierte nach tapferer Gegenwehr, griff aber, al3 er in Gegenwart franzöfticher Offiziere von den Soldaten infultiert wurde, von neuem

zu den Waffen, worauf er niedergemacht wurde.

Nr. 24 Sp. 1005-1014; Nr. 25 Ep. 1042—1051: Zur Gedichte des preußilchen Generalftabes von 1808 -—1870. [Entitehung und weitere Sntwicfelung.]

Nr. 43; 44; 46; 51: Siehe unter „Preußiiche Jahrbücher” Bd. 72 ©. 105 bis 151 die Aufjäße von Lettow-Vorbeck, Bleibtreu und Boguslawski im Anichluß an den Auffaß von Roloff über den Menjchenverbrauch in den Hauptſchlachten der Ichten Jahrhunderte.

Nr. 98 Sp. 2560-2562: Prin Alerander Alerandromwitich Menſchikow, ein jugendlicher Kompa niechen und Ritter des Echwarzen Adlerordena. 5* Wilhelm I. verlieh dem Sohne des Fürſten Alexander Dani—⸗ owitſch Meuſchikow zum Tank für die Ueberlaſſung langer Rekruten im Jahre 1718 den Schwarzen NAdlerorden und ernannte 1724 den ehnjährigen Prinzen zum Kapitän im Regiment v. Yoeben, in deſſen Biften er vier Jahre lang geführt wurde.)

Beihefte zum Militär- Wochenblatt. Herausgeg. von v. Eitorfi. Berlin 1893, E. ©. Mittler u. Sohn.

Heft 1 ©. 25—42: v. Lettow-Vorbeck, Tie Verfolgung von Jena bis Prenzlau. Mit einer Ueberfichtsfarte. [Darftellung der Ereigniffe, die die Kapitulation der Armee Hohenlohes bei Prenzlau herbeiführten,

mit bejonderer Rückſicht auf die Leiſtungen der franzöfiichen Kavallerie.)

Heft 2 ©. 43—72: Geißler, Abriß der Geihiähte des föniglich preußischen ingenieu-Rtomitees während der erften 25 Jahre feines BVeſtehens 1867— 1893.

Heft 10 ©. 321-365: Freih. v. Bothmer, Einiges aus der Geihihte der furhannoverfchen leichten Truppen während des fiebenjährigen Krieges. [Die Zazftellung beruht auf den Materialien ded Staats: archibs in Hannover und bisher unbefannten privaten Aufzeichnungen und enthält Nachrichten über die Entftehung und Bermehrung der leichten Truppen nebft einigen lehrreichen Beiiptelen ihrer Verwendung.]

Jahrbücher für die deuiiche Armee und Marine. Herausgeg. von E. Schnadenburg. Berlin 1893.

Bd. 86 S. 1-24: E. Schnadenburg, Zur Gelchichte der brandenburgiſch⸗ preußifchen Grenadiere. [Ein geihichtlicher Rüdblid auf die organifa- ER e Entwidelung mit befonderer Berüdfichtigung der fridericianifchen

eit.

©. 172—74: E. Schnadenburg, Eine fridericianiiche Feldpioniervorſchrift Ir die Infanterie [Kurz vor Ausbruch des ee Fir andte König Friedrich an jämtliche Jufanterieregimenter zur Belehrung der Litigiere Sremplare einer vom Ängenieur:Lieutenant Mardart ver: ſoßten. eider nicht erhaltenen dadpionieworſchrint anch dies ein Bei:

tel, wie fehr der König für die Ausbildung feiner Offiziere in allen weigen der Kriegskunſt und Kriegswiſſenſchaft forgte.]

&.219—221: E. Schnacken burg, Haben fi} die Regimenter ber fridericia- Een Armee eines Echlachtenrufes beim Angriff bedient? [Bejaht bie tage.

247] Neue Ericheinungen. 247

Bd. 88 ©. 154-177: v. Wedelftaedt, Die Schlacht an der Katzbach am 26. Auguft 1813. Nebft einer Skizze. [Nach befanntem Material.)

S. 2835-301: Stavenhagen, Ter Operationsentwurf Napoleon? und die Berfammlung feiner Armee im September und Oftober 1806.

Ad. 89 S. 227—231: E. Schnadenburg, Kleine heeresgeichichtliche Mit: teilungen. [S. 230: einige Beifpiele für das hohe Lebensalter der Soldaten der fridericianifchen Armee.)

Rene Militärifche Blätter. Herausgeg. von ©. v. Glajenapp. Dieve⸗ now a. d. Oſtſee 1893.

Bd. 42 ©. 2-35; 103 -111: ©. E. v. Natzmer, yet Geihichte bes preußischen Rejerveforpa im Jahre 1806. Bon DVlagdeburg bis zur Kapitulation von Prenzlau. [Bgl. Forſch. VI, 289.)

©. 58—64: Grlaf) Lippe), Preußens jchiwarze Cine Regiments⸗ did (gm Anſchluß an Madenjen, jchwarze Hufaren. Bal. For ch. VI, 342.)

ES. 193—201; 302—310; 393—398: &. €. v. Natzmer, N Geſchichte bes Freußiſchen Referbekorps unter Blücher. Von Prenzlau nach übeck.

Bd. 43 S. 49—67; 192- 209; 307—316; 412—450; 478—491: G. €. v. Naßzmer, Eine Skizze zur Schlacht von Lübeck. Eine ung der Aufſätze: Zur Geichtähte des preußischen Refervelorpa im Jahre 1806.

Allgemeine Militäar- Zeitung. Redigiert von Zernin. 68. Jahrgang. Darmitadt 1893, Zernin.

N. 72; 73: dv. Rlößler), Eine Königsrevue bei Berlin im Jahre 1739. Nach der im Geheimen Staatsarchiv zu Berlin befindlichen „Dispo: ition, auf wa® Art die Regimenter bey der Revue 1739 auf dem Rendezvous: Pla auf und abzumarſchiren und zu chargıren haben.“]

Nr. 74; 75; 76: Fr. von der Wengen’ Die Gefechte bei Zrautenau am 27. und 28. Juni 1866. [Im Anſchluß an das Buch von R. Schmitt, vgl. Forſch. V, 674.)

Nr. 96; 97: Gr(af) Lippe), Aus eines altpreubiichen jungen Offiziers Mupeltunden 1802—1804. [Handichriftliche Mitteilungen über die wiſſenſchaftlichen Studien des Lieutenants Georg Wilhelm dv. Balentini, des Freundes Yorks.]

Deutſche Heeres⸗Zeitung. Redigiert von F. Hoenig. 18. Jahrgang. Berlin 1893, Luckhardt.

Nr. 24; 25; 28; 29; 30; 31: Oberſtlieutenant von Benkendorf und dag ſächſiſche Regiment „Prinz Karl Chevauxlegers“ in der Schlacht bei Kollin. Mit Benugung eines im Beli des Regiments (jehige fächſiſche Königs: Hufaren Nr. 18) befindlichen Tagebuches des damaligen Kom: mandeurs Oberftlieutenant von Venkendorf. Be brachte den Oefterreichern zuerft die Nachricht vom Anmarſch der preußilchen Armee am 17. Juni und trug in entjcheidender Weife zum Gewinn der Schlacht bei.]

Nr. 36—43: Der preußiiche Selbaug in den Niederlanden im Jahre 1787. Die politische Spaltung, der Mangel an Entſchloſſenheit und Pflicht:

eue, das Fehlen eines einheitlichen Oberbefehls und die verräterifche

Räumung Utrechts durch den Rheingrafen von Salm ftellten einen Sieg der Holländer von vornherein in ange und erinöglichten bie länzenden Erfolge der feindlichen Waffen. Die preußiiche Kriegs⸗ Fahrung zeichnete ER durch umfichtige Leitung und fühnes unerjchrodenes Vorgehen ay2.)

248

Nr.

Nr.

Neue Erſcheinungen. [248

. 49-55: Die franzdfifhe Occupation von Küftrin 1806-1814. [Im

Anichluß an einen Auflat der Revue du genie militaire.]

57—64: Fritz Hoeni 8; Die Gefechte von Boiscommun und Lorzy am 24. und 26. November 1870. Nach amtliden Quellen und hand rift⸗ lichen Aufzeichnungen von Mitkämpfern.

69: G. Roloff, Entgegnung [auf den Aufſatz von Lettow-Vorbeck im Militär-Wochenblatt Nr. 43 und 44. Bgl. dazu ebenda in Nr. 46 und Nr. 51 die Aufläge von Bleibtreu und v. Boguslawski. Ueber die Streitfrage fiehe oben die Abhandlung von Roloff unter „Preußiiche Jahrbücher“ Bd. 72.]

. 98-101: DD d. Wengen, Moltke und Bernhardi über den Kriegs—

lan von [Beipricht den von Bernhardi im April 1866 dem ldmarſchall Moltke unterbreiteten Seldaugaptan und die von dieſem Dagegen erhobenen Einwände. Moltie ftimmte dem Gedanken einer Offenfive auf Wien zu, hielt aber mit Rüdficht auf die Ueberlegenheit der Defterreicher ftatt der von Bernhardi vorgeichlagenen Aufftellung der preußiſchen Armee in DOberjchlefien die Konzentration der ganzen Armee in der Saul. für erforderlih. Der von beiden verabrebete Operations lan für Die italienifche Armee fand nicht den Beifall La armoras.

Internationale Revue über die geſamten Armeen und Flotten. Her⸗ ausgegeben von F. v. Witzleben-Wendelſtein. Rathenow 1892 und 1893.

11. Jahraang. Bd. 1 ©. 43—58; 124 —133; 219—232: Bd. 2 ©. 303 bie 313;

Bd.

414; 511-520. ®b. 3 ©. 622-632; 699708; 780 bis 799. Bd. 4 ©. 883-897: v. Scriba, Erfurt unter der Franzoſen⸗ ee, Auszige aus der Erfurter Chronik und dem Stadtarchid

4 ©. 1059—1071: Zernin, Blücher in Lüttich 1815. Eine neue belgifche Legende und eine deutiche Berichtigung. [Widerlegt mit Ve nußung der Mitteilungen des Adjutanten Mücers, Grafen Noſtizz, die unwahre Darftellung, welde 4. glapcan von dem Aufitand der fächfiichen Zruppen ın Lüttich am 2. Mai 1815 in der Zeitung „La 18921 veröffentlicht Hat; vgl. „Le proges militaire* vom 3. Mär

12. Jahrgang. Bd. 1 ©. 28—52: Die preußischen Hufaren nach dem Regle:

ment von 1764. [ntereffante Mitteilungen aus der Dienſtinſtruktion und Felddienjtordnung für die Hufarenregimenter.]

Mitteilungen des k. und k. Kriegsarchivs in Wien. Neue folge. Bd. 7. Wien 1893.

S.

1275: Hauſenblas, Oeſterreich im Kriege ggesen die franzöfiiche Revolution 1792. [Fortſetzung vgl. Forſch. V, 348;

perjönlichen Anwejenheit König Friedrich Wilhelms im Hauptquartier uzufchreiben, dab der eraon von Braunſchweig in den Briefen an den rer der Öfterreichiichen Armee zu energifcherem Handeln drängte.)

Journal des sciences militaires. 68°. 69° annde. Paris 1892. 1893. 3b. 45-52: Weil, La campagne de 1814. La cavalerie des

armees allices pendant la campagne de 1814 [Fortjeßung; vgl. Forſch. V, 349).

Bd. 45 ©. 86—108; 209—229: C. M., Campagne de 1813. Poaur-

quoi, apoldon a été vaincu & Leipzig Fortſetzung; vgl. Forſch. ‚349].

249] Neue Ericheinungen. 249

Bd. 46 ©. 135—156: La gucrre de 1870: Observations eritiques sur l'ourrage du marechal comte de Moltke.

Bd. 48 ©. 290—308: Bonnet de Tuves, Kollin - Austerlitz—Saint- Privat—Leuthen. Etude comparee.

Revue des deux mondes. LXIII® année. Paris 1893.

Bd. 115 ©. 285—8311: Ernest Lavisse, L’avenement du grand Frederic [FFortjekung. Vgl. Forſch. V, 349; VI, 290.)

11. Univerfitätsfchriften und Schulprogramme ).

6 Salchow, Der Webergang der Mark Brandenburg an da® Haus Wittelabach. Hallifche Diff. 1893 (42 ©. u. 1 BL. 8°).

Bella, Feſtſchrift zur 800jährigen Gedächtnisjeier der Einweihung der Königl. Schloßlirche in Königsberg in Pr. am 9. Juli 1893. Königs- berg 1893 (24 u. 3 Bl. 8°).

M. Töppen, Die preußiichen Landtage während der Regentichait der brandenburgifchen Kurfürften Joachim Friedrih und Johann Sigis- mund 16038—1619. Nach den Kandtagealten dargeſtellt. Dritte Abteilung. Beilage zum Programm des Tal. Gymnafii zu Elbing 1893 (1 BL. u. 41 ©. 4°). Bol. Forſchungen V, 350 u. VI, 291.

6. Hirſchberg, Geſchichte der Grafſchaft Moͤrs. Beilage zum Jahresbericht des Gymnafiums Adolfinum zu Mörs 1893 (2 Bl. u. 123 ©. 80). Dol. Forſchungen VI, 623.

6. Gruber, Die Salzburger Emigranten. Wifjenjchaftliche Beilage zum Programm des kgl. Gymnafiums zu Marienburg 1893 (71 ©. 8°).

8. Ehwark, Zur Geſchichte der Neumark während des fiebenjährigen

Krieges. MWilflenichaftliche Beilage zum Programm der 6. Realjchule

(Höheren Bürgerjchule) zu Berlin 1893 (28 ©. 4°). Vgl. Forſchungen 29.

'

2. Mollwo, Die Kapitulation von Maren. Marburger Diff. 1893 (4 Bl. u. 83 ©. u. 1 Taf. 8%). Vgl. Forſchungen VI, 627.

8. Ihimme, Die Okkupation des Kurfürftentums Hannover durch die Preußen im Sabre 1806. Göttinger Diff. 1898 (57 ©.) Bal. unten bei den Büchern.

®. Eygan, Die Publitanda des Magiftrats zu Königsberg, die Kriegs⸗ tontribution im Jahre 1807 betreffend, nebſt ihrer Entftehungsgefchichte. Rach den Akten des ftädtifchen Archivs dargeftellt I. Programm der ſtäͤdt. Realfchule zu Königsberg i. Pr. 1893 (81 ©. 4°).

W. Ballentin, Weltpreußen feit den erjten Jahrzehnten dieſes Jahr⸗ Bunderte. Ein Beitrag zur Gefchichte der Entwidelung des allgemeinen

l) Zuſammengeſtellt von PBibliothefar Dr. Runge in Berlin.

250 Neue Erfcheinungen. [250

Mohljtandes in diefer Provinz und ihren einzelnen Teilen. [A.u.d. Titel: Beiträge zur Gejchichte der Bevölkerung in Deutfchland jeit dem Anfange diejes Jahrhunderts. Hrsg. v. F. 3. Neumann. Bd. 4.] Tübinger Diff. 1893 (X ©. u. 1 Bl. u. 225 ©. 8%). Vgl. Forſch ungen VI, 642.

R. Birhow, Die Gründung der Berliner Univerfität und der Uebergang aus dem philofophifchen in das naturwiffenichaftliche Zeitalter. Rede am 8. Auguft 1893 in der Aula der kgl. Friedrich Wilhelmd-Uni- verjität zu Berlin gehalten (29 ©. 4°).

€. v. Bergmann, Der Einfluß des preußiichen Königehaufes auf das Lehren und Lernen der Chirurgie. Rede zur Feier des Geburtätages des Kaiſers in der Aula der kgl. Friedrich Wilhelms-Univerfität am 27. Januar 1898. Berlin 1893 (31 ©. 4°).

8. Rowe, Die Gemeindefinanzen von Berlin und Paris. Hallifche Sifl. [und im Buchhandel auch unt. d. T.: Sammlung nationalölonom. und ftatiftiicher Abdandlungen ... Hrsg. dv. J. Conrad, Het >. Sena, Fiſcherſ. Halle a. S. 1893 (XIV ©. u. 1 Bl. und 236 ©. 8°).

O. Tſchierſch, Zur Sefchichte des Küftriner Gymnaſiums. Programm des fol. Gymnafiums zu Küftrin 1893 (19 ©. 4°).

O. Tſchirch, Urkunden zur älteren Gefchichte der Saldernfchen Schule. Beilage zum Programm des Saldernſchen Realgymnafiums zu Branden- burg a. d. 9. 1893 (27 ©. 4°).

6. Wendt, Gefchichte der Königlichen Ritter-Afademie zu Liegnig. Teil l. 1708—1840. Beilage zum Programm der kgl. Ritter-Afademie zu Liegnig 1893 (79 ©. 4°).

€. Borlowäly, Aus der Vergangenheit der Stadt Naumburg. Wiflen- Ichaftliche Beilage zum Programm der Realfchule in Naumburg a. d. Saale 1893 (2 Bl. u. 60 ©. u. 1 Bl. 89).

J. Buſchmann, Zur Geichichte des Bonner Gymnaſiums. Zweiter Teil. Sahresbericht des kgl. Gymnafiums zu Bonn 1898 (40 ©. 4°).

Nachträge sum Iahre 1892.

F. Schwill, Ueber das Verhältnis der Texte der Histoire de mon temps Friedrichs des Großen. Freiburger Diff. 1892 (104 S. 8%). Bol. unten bei den Büchern.

G. Gärtner, Ueber Friedrichs des Großen Schrift: „De la litterature allemande*. Programm der kgl. Oberrealichule und Baugewerfichule zu Breslau 1892 (1 BL. u. 27 ©. 4°).

D. Wehner, Earl Johann und Bülow in den erften Tagen nach der Schlacht bei Großbeeren. Ein Beitrag zur Gefchichte der Norbarmee im Jahre 1813. Programm des ftädtifchen Gymnafiums und Reale progymnafiumg zu Greifswald 1892 (16 ©. 4°).

251] Neue Ericheinungen. 951

I. Büder)).

8. Lewinsli: Die Brandenburgifche Kanzlei und dad Urkundenweien während der Negierung der beiden eriten SHohenzollernichen Mark: grafen (1411—1470). Ein Beitrag zur Verwaltungspraxis der Hohen- zollern in der Mark Brandenburg im 15. Jahrhundert. Straßburg 1893, Heiß u. Mündel (VII u. 188 S.; 4 Mt.).

Verf. weift mit Recht darauf hin, dab bisher eine Behandlung der brandenburgifchen Urkunden des 15. Jahrhunderts nach ihrer formalen Seite noch nicht in einer der Wichtigkeit der daraus zu ziehenden Schlüffe entiprechenden Weiſe vorliegt. Er jucht dieſe Lücke auszufüllen und giebt in ſorgfältiger und fcharflinniger Weife auf Grund des Urkundenmaterialg ein Bild der äußeren und inneren Srganijation ber brandenburgifchen Kanzlei. In 10 Kapiteln behanbert er demgemäß die Quellen, die Ge: Ihichte der Kanzlei, die Einteilung der Urkunden, die Stanzleivermerfe, die Zeugen und Datierung, die Regiftrierung, die Beurfundungsbefehle, Kon: ept und Neinfchrift, das Archivweſen und die Befiegelung. Ein Anhang heitt die Stanzleivermerfe unter den Urkunden von 1442—1470 zuſammen und ein zweiter giebt das brandenburgifche Archivregifter zur Zeit der Kurjürften Friedrich II. und Albrecht auf Grund des im Geheimen Staat: archivs befindlichen Originals. Tiefe faubere und gewiſſenhafte Unter: ſuchung der Formalien führt auch zu wichtigen hiftoriichen Ergebniffen, jo } B. zur Feſtſtellung (S. 64 ff), daß Friedrich der Fette die ihm über: aſſene Altınark und Priegnig nicht unter, fondern neben feinem furfürftlichen Pruder regiert hat.

Darin dürste Verf. indes irren, daß er (S. 30) Joachim Steinbrecher als erften Lehnsſekretär Degeichnet (vgl. hierüber Bd. 6 diefer Forſchungen ©. 58 ff), Ich meine auch, daß die Stanzlei-Ordnung von 1577 den ſchon jeit 1558 durchgeführten Neifortabgrenzungen nur feitere Maße gab, und daß Yampert Tiftelmeier fein dahin abzielendes Programm (Gefchichte des Kammergericht3 Bd. 2 S. 322 ff.) jchon unmittelbar nach feiner Berufung zum Sanzler im wejentlichen dur hgeführt hat. „ebenfalls ift ſeitdem (1558) ein eigener Lehusſekretär in Brandenburg nachweisbar, ebenfo eine getrennte Behandlung der Lehnsfachen.

Mit vollem Rechte weift Verf. auf die jchweren Mängel der eine Menſchenkraft weit überfteigenden Riedelſchen Urkundenpublifation hin, aber ich meine, gerade DBerf. hat durch feine Arbeit bewieſen, daß durch gewiſſenhafte kritiſche Forſchung ein Teil jener Mängel zu heilen ift. Jedenfalls wird jeder, der Lewinskis Hochwichtiges Werk eifrig ftudiert hat, mit ‚greiteinber orjicht an Riedels Coder herantreten, zugleich aber mit den Mitteln ausgerüftet, troßdem denſelben mit Nutzen gebraucen zu fönnen. . Holtze.

Eberhart Windedes Dentwürdigleiten zur Gefchichte des Zeitalters Kaiſer Sigmunde. Zum erjten Male vollitändig herausgegeben von Dr. W. Altmann. Berlin 1893, Gärtner (XLVIII u. 592 S.; 28 Mt.).

Tentihe Reichstagsalten. Jüngere Reihe. I. Bd. Deutfche Reichstags⸗ akten unter Kaifer Karl V. I. Bd. Bearbeitet von Auguſt Kluck⸗

1) Die wichtigeren unter den vorläufig nur mit dem Zitel angeführten werben im mächften Heft beiprochen werben.

252 Neue Erfcheinungen. [252

Hohn. Herausgeg. durch die Hiftoriihe Kommiffion bei der Kgl. Akad. d. Wiffenih. München. Gotha 1893, %. A. Perthes (IV und 939 ©.; 48 Mt.). Enthält zahlreiche Attenftücde über die Stellung Joachims L von a enburg zur Wahl Karla V. Eine Beiprehung wird im Oftoberbeft olgen.

Joh. Rindfleiſch: Markgraf Georg von Hohenzollern, der Belenner 1484— 1543. Cine Denkichrift zum Andenken an den 350. Jahrestag feine® Todes, den 15. Dezember 1543. Danzig 1893, Akademiſche Buchhandlung [W. Faber] (16 ©.; 0,50 Mk.).

Hohenzollerifche Forſchungen. Herausgeg. von Chriftian Meyer. Jahrgang II. Berlin 1894, Hansa Lüftenöder (10 Mi.).

Der Jahrgang enthält 1. Enoch Widmanns Chronik der Stadt Hof.

2. Heller® Chronik der Stadt Bayreuth mit Stadtplan von 1605, 3. Die

Defangenpaltung Markgraf Friedrichs des Aelteren auf der Plaſſenburg.

4. Die Beſuche Friedrich Wilhelms J. und Friedrichs des Großen in

Franken, 5. Der letzte Markgraf von Bayreuth. 6. Die Herkunft der urggrafen von Nürnberg. Kleinere Mitteilungen.

Protokolle und Nelationen des Brandenburgiſchen Geheimen Raths aus der Zeit des Kurfürſten Friedrich Wilhelm. Herausgegeben don Archivar Dr. Otto Meinardus, Privatdozent an der Uni⸗ verſität. II und III (CXLII und 684 ©., 840 ©. 8°). Leipzig 1893, Hirzel. [A. u. d. T.: Publikationen aus den K. Preußifchen Staatsarchiven LIV. LV.]

Tie beiden vorliegenden Bände der Publitation der „Protofolle und Relationen“, iiber deren Editionzprincipien an dieſer Stelle ſchon bei Ge: Vegenheit des Erſcheinens des erjten Bandes ausführlich berichtet worden ift (Bd. III ©. 316), haben im wejentlichen die Ki bewährte Einrid: tung beibehalten. Nur Hat es den Anichein, als habe der Herausgeber noch mehr als früher Aktenſtücke herangezogen, die nicht zu den beiden im Titel genannten Kategorien gehören. So finden fi), um ein Beifpiel Deran ögugreifen auf den eriten 100 Seiten des III. Bandes 11 derartige Stüde unter im Ganzen 58 Nummern. Man wird diefe Grenzüberfchret: tung als eine Vermehrung unferer Kenntniß an und für jih nur will: lommen heißen können, doc wäre im Intereſſe der Auffindbarteit dieſer Sachen zu wünjchen, daß für fie ein befonderes Inhaltsverzeichnis gedruckt würde, das mıt furzem Stichwort den Inhalt und im übrigen nur Art und Datum jedes einge'nen diefer Aftenftüde aufführt. Wenn der Her: auögeber im nächften Bande ein derartiges Verzeichnis noch für die jchon vorliegenden drei Zeile nachliefern möchte, fo würde er alle auf di Gebiete Forſchenden zu Dank verpflichten. Für die jpäteren Bände aber möchte id; einige von demfelben Gefichtöpunft ausgehende, aber ſehr viel radilalere Bedenken äußern, die der Herausgeber vielleicht ebenfalls der Berüdfichtigung für wert hält. Ba

Bei der Anlage der „Protokolle und Relationen” ıft mit dem grund: legenden Princip, das die Herausgeber der „Urkunden und Altenftüde zur Geichichte des Kurfürften Friedrich Fr don „randenburg” geleitet t, völlig gebrochen worden. Das ift um jo bemerfenswerter, als dieſes bier nicht bloß ala die nächſt benachbarte und zum Zeil fi) mit ben „Protofollen nnd Relationen” dedende Publikation in Betracht fam, fon- dern ebenfofehr ala das erfte und bisher nicht nachgeahmte Editionsunter: nehmen. dag die Gejchichte eines Staates in einer Epoche völlig und nad) allen Richtungen hin erfaffen will. Für die „Urkunden und Attenftüde

253] Neue Ericheinungen. 258

hatte num die erite Hommilfion, der Droyfen, Mörner und under, ange: hörten, einen Plan entworfen, der auf dem Grundſatz der Sadhteilung bes ruht; man fchied wie befannt, nicht bloß die beiden Serien zur Geſchichte der Ziplomatie Brandenburg von der erften zur inneren Gejchichte in Angriff genommenen, jondern verfuhr auch innerhalb der einzelnen Serien und Bände nicht nur nach hronologijcher Einteilung und behandelte die Peziehungen Brandenburgs zu jedem Staate gefondert. Dies Syſtem mag Mängel Haben, namentlid; werden die Akten aus dem organiſchen Zu: jammenhang ihrer Provenienz herausgeriſſen, aber immer wirb man bei derartigen Anorbnungäfragen einen Vorteil für einen anderen preisgeben müfſen, und man wird der Publikation, wie fie jeßt zu einem großen Zeil vollendet vorliegt, das Lob nicht verfagen dürfen, dab fie den wejent: lichſten Borzug einer Aktenedition ſich bewahrt hat: fie iſt überaus über: fichtlich geordnet und der Benutzung ſehr leicht zugänglih. Wenn man nun bei Bearbeitung der „Protofolle und Relationen“ von dem Princip der Sachteilung ab und zu Gunften der Provenienz zu dem der rein chrono= logijchen Anordnung übergegangen ft fo lagen dafür, wie feiner Zeit auch an diefer Stelle auseinandergeſetzt worden ift, gute Gründe vor. Es handelte fih um die große Aktenmaſſe der Gentralbehörde, die fchon um diefer felbft willen verdient in ihrem Zuſammenhange reproduziert zu werden. Nun ift aber jchon im erften, noch mehr aber in den beiden jet vorliegenden Bänden das uriprüngliche Programın vielfach überfchritten worden: e3 find Altenftüde aufgenommen, die mit dem Geheimen Kate in feinerlei bejons derem Zufammenhang ftehen. Wer vermutet z. B. um bei den oben eitierten erſten 100 Seiten des III. Bandes ftehen zu bleiben, hier einen Bericht der Amtskammer zu Gölln a. d. Spree über die Reparatur einer Stromſchutzanlage bei Fürſtenwalde (S. 34), oder ein Rejkript des Kur⸗ fürften an das —** sberger Gofgericht über die Drudkoften eines muſika— lichen Werkes (S. 82), oder die Jnftruftion für den Königsberger Zoll: verwalter (S. 79)? Auch da3 befte und überfichtlichite Sachregifter, an dem e3 denn aud) die befannte mufterhafte Sorgfalt des Herausgebers nicht iehlen läßt, kann derartige Stücke nicht genügend nachweiſen und aud) dag oben vdorgeichlagene bejondere Verzeichnis würde nur ein Notbehelf fein. Man könnte einwenden, daß die hier aufgeführten Stüde nt in irgend welchem jahlichen Zufammenhang mit den Protofollen ftehen, da: gegen aber ıft geltend zu machen, daß das leitende Princip der Publikation eben das der Provenienz und der chronologifchen Anordnung ift, und daß deshalb gerade alle Abweichungen au Sunften des im allgemeinen veriwor: fenen Princips der fachlichen Einteilung beffer vermieden würden. Nur eine Ausnahme könnte man gelten laſſen: es wäre unpraktiſch, die Ge- legenheit, die Lücken ber älteren Publikation auszufüllen, die fich hier fo bequem bietet, vorüber gehen zu laffen. Unter dieſe Rubrik fällt denn auch ein Zeil der von dem Herausgeber über die urfprünglichen Srenzen hinaus aufgenommenen Stüde. Für fie allein aber würde ſich ſchon die Anlage eines VBerzeichnifies lohnen.

Tas ausfchlaggebende Motiv für eine derartige Einſchränkung der fünftigen Aände würde die Weberfichtlichkeit und Zugänglichkeit der ubli- fation fein. Aus dem gleichen Grunde möchte ich noch einen weiteren Abänderungsvorihlag machen, der ebenfalls den Umfang der Beröffent: lihung vermindern würde. Zer Herausgeber hat ſich die Vollftändigteit der Reproduktion gum Princip gemacht; ich glaube, er wird darauf doch Berzicht leiften müflen. Im lebten Jahrzehnt des fiebzehnten Kai re derts, deſſen Grpeimrafeprotofolle ich einmal zu befonderen Zweden flüchtig duxchgefehen habe, laufen zwei deutlich von einander zu ſcheidende Serien nebeneinander her: eine, in der ber Geheime Rat als ricterliche Behörde fungiert, eine andere, in der im wefentlichen Derhandlungen über Ange: legenheiten ber Verwaltung und der auswärtigen Politik wiedergegeben find. Ich weiß nicht, ob diefe Teilung mit der Inftitution des Geheimen Juſtizrats, über die man bisher nur —* mangelhaft unterrichtet iſt, zu⸗

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fammenbängt, jedenfall3 jcheint fie in der biäher in den „Protofollen und Relationen“ bearbeiteten Epoche noch nicht beftanden zu haben: juris biktionelle und adminiftrative Veratungsgegenftände find in den einzelnen Sitzungen bunt durcheinander gewürfelt. Bier, meine ich nun, fönnte die Zhätigleit des Herausgebers eingreifen und die fpätere Scheidung jchon jetzt palgiehen. ie meiſten der richterlichen Entſcheidungen des Kollegiums * nicht ſo wichtig, daß Urſache wäre, ſie abzudrucken. Nicht als ob ie brandenburgiſch-preußiſche Rechtsgeſchichte —8* eitalters nicht noch der mannigfaltigſten Förderung bedürfte: aber was ſoll man mit dieſen Schlußurteilen beginnen, die noch dazu den zu Grunde liegenden Sad: verhalt in einer fehr häufig bis zur Unverftändlichkeit gehenden Kürze refü: mieren: Selbft bei einem Zeil der abminiftrativen Beichlüffe hemmt dieſe Kürze die Verwertbarkeit des Abdruds. Auch Yen fönnte in Erwägung ezogen werden, ob das Material nicht beijer gelichtet würde. Es würde h umjomehr empfehlen, als in der Regel die den Geheimeratsbefchlüfien entiprechenden Refkripte noch vorhanden fein werden, fo daß man fpater doch immer Lieber auf diefe, als den vollftändigeren und genaueren Zeil ber Weberlieferung refurrieren wird. Weberhaupt dürfte Bu —* ſein, daß auf dem Gebiete ber inneren Verwaltung die Protokolle nur in den Punkten einen eigentümlichen Wert befiben, wo fie eine Beratung, eine Diskuſſion reproduzieren oder doch kurz flizzieren. In allen übrigen Füllen ftellen fie im Grunde nur Material zur Beftimmung der Kom: petenagrenzen dar, und es könnte erwogen werden, ob nicht diefer Zeil nur als Baſis für Yeftftellungen folcher Art in der Einleitung benußt werden fönnte. Denn nur etwa in Anmerkungen die forrefpondierenden Reſtripte ah uziehen, was auch nahe lag, möchte nicht rätlich fein; man wırd ie helfen den noch zu erwartenden Specialpublifationen überlaffen. Das Facit aller diefer Wünfche für die nächften Bände iſt alfo: je fürzer dieſe Veröffentlichung ift, deſto überfichtlicher wird fie fein, und efto größere Dienfte wird fie der 20 ung leiften. Für fieben bre ſind 3 Bände verbraucht worden; ich halte nicht für unmöglich, daß für ie übrigen 40 Jahre der Regierung des Großen Kurfürften nicht allzuviel mehr Raum nötig wäre, wenn feinerlei nicht von dem Geheimen Rat aus: ehende Stücke aufgenommen würden, wenn alle rein jurisdiftionellen Pe: if aus den Protofollen fortgelaffen würden, und wenn die admini— trativen Refolutionen in der angedeuteten Weiſe gefichtet und zum Zeil jefort verarbeitet und nicht ediert würden. Bei aller Munifizenz, mit der ie königliche Skaatärenierung und der Leiter unferer Archivverwaltung in der dantenswerteften Weije die Hiftorifchen Studien fördern, find doch bie Mittel, die für diefe Werke zur Serfügung ftehen, nicht jo groß, daß man nicht ich überall auf das zunächft Notwendige befchränfen ſollte. Denn einen wie großen Borteil würde die Forſchung nicht daraus ek wenn mit den Erſparniſſen an dieſer Stelle eine andere Veröffentli ung jur inneren Geſchichte diefer Periode ind Leben gerufen würde, zumal die Publikation der Geheimeratsatten dadurch felbft an Ueberſichtlichkeit und Brauchbarteit jehr viel gewönne.

Dem Berdienft, das fich der Herausgeber, wie man von ihm ſchon erwartet, durch feine außerordentlich große Akribie auch bei dieſer Edition erworben hat, joll durch dieſe Vorfchläge keinerlei Eintrag ariöehen. 63 wird gefteigert durch eine ſehr wertvolle Einleitung, die den II. Band er- öffnet. Meinardus liefert darin wieder, wie ſchon im I. Bande, vornehmlich

eiträge zur Geſchichte der Periode, die der in feiner Publikation behan— delten unmittelbar vorausging, ber letzten Jahre des Schwarzenbergichen Regimentee. Tas erfte Kapitel der vorliegenden Einleitung bedandelt ben Kampf des Minifters mit den märlifchen Landftänden, und auch das dritte „Umkehr zur Politit der bewaffneten Neutralität“ betitelt, greift bieljach auf Echwarzenbergs Politik zurüd. Das leitende Motiv faft aller dieſer engen ift das Beftreben, ben Wert der Politik Schwarzen» bergs als Höher zu eriweifen, als man ihn bisher angefchlagen hat. Es ift

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hier nicht der Ort, auf Einzelheiten einzugehen, im Ganzen aber habe ich nicht den Eindrud, als könne man Meinardus ganz folgen; ich glaube nit, dab fi die Meinung durchießen wird, daß Schwarzenberg ein Richelieu im Kleinen geweſen jei. Die Zhätigfeit eines Staatamannz wird man, wie alle Tinge die der Welt des Handelns der zoafıs ange: hören, doch immer nur nad) Iren Erfolgen beurteilen dürfen, nicht nad) Plänen und Abfichten. Nun aber wird man nimmermehr erweifen können, daß dad Ergebnis der Regierung Georg Wilhelms und feines Schwarzen- berg nicht ein ſehr übles gewejen fei. Der jchlimmen N die fie ge: ftellt waren und die freilich Großes forderte, waren ſie Beide nicht ge: wachſen. Manchen kleinen Sieg haben fie auswärts wie daheim davon getragen, jo über Polen und die preußiichen Stände im Jahre 1621 und ann wieder 1633 und 35; aber Pofitives zu fchaffen, neuen Gebanten au zu brechen, Haben fie auch dort nicht vermocht, und an den Aufgaben der großen auswärtigen Politit ward ihre Kraft vollends zu Schanden. Und dem, der mit Meinardus vielleicht einwenden möchte, daß der Größere, der num folgte, doch wenigſtens abjolutiftiiche Tendenzen überfam, kann man entgegenhalten, daß von ihnen ja die ganze politifche Atmofphäre ber Zeit geihwängert war; zyriedri Wilhelm, der bei dem Oranier Wilhelm dem Zweiten in die Schule gegangen war, in deſſen Jugend— zeit Richelieu vor den Augen von Europa ein großes Werk vollendete, Ontte nicht nötig, von einem Stleinmeifter der Staatskunſt zu lernen, der Schwar: aenberg doch immer geweien ift. Dennoch wird die neue Auffaflung, die

einardus vorträgt, dazu beitragen, das definitive Urteil der Hiftorie über Schwarzenberg, bis zu deſſen Fällung ja noch mancherlei Einzelftudien ge: macht werden müſſen, vielfach zu modifizieren, und man fann nur wünichen, daß er feine Anficht,, über die man fich jetzt am jehr vielen Stellen unterrichten muß, noch einmal im Zuſammenhang vorbringt. Und ohne jede Einfchränhfng zu Dank verbunden ift man dem Verf. für eine große Anzahl von Nachrichten und Detailunterfuchungen, die er in diefen wie den übrigen Kapiteln zur Gefchichte der auswärtigen und der ftändiichen Politif, des Heerweſens, der Sinangen und der Bevölferungs- bewegung in den Jahren dicht vor und nach 1640 bringt.

K. Breysig.

Urkunden und Nltenftüde zur Gefchichte des Kurfürften Friedrich Wil. heim v. Brandenburg. Bd. XV. K. Breyfig, Ständiſche Ber en MI. Preußen Bd. I. Berlin 1893 (XII u. 775 ©.; 20 Mt.).

9. Landwehr: Die KHircdenpolitit Friedrich Wilhelms des Großen ſtur⸗ fürfen. Auf Grund archivalifcher Quellen. Berlin 1894, €. Hof. mann u. Co. (VIII, 384 ©.).

N. Barrenirapp: Der Grobe Kurfürft und die Univerſitäten. Rede zur Feier des Geburtstages Sr. Majeftät des Kaiſers, am 27. Januar 1894 gehalten in der Univerfität zu Straßburg. Straßburg 1894, Heitz u. Mündel (42 ©.).

In üblem Zuftande befanden ſich beim Negierungsantritt Friedrich Wilhelms die beiden brandenburgiichen Univerfitäten Frankfurt und Königs: berg. Der junge Yürft hatte während feines Aufenthalts in Holland die blühende Leydener —— kennen gelernt, gegen die die heimiſchen Univerfitäten mit ihrem pennaliſtiſchen Unweſen unter den Studenten, ihren engherzigen fonfeifionellen Streitigkeiten unter den Profefjoren weit urüdftanden. Friedrich Wilhelm ging mit ftrengen Edikten gegen den

ennalismus vor, damit nicht „Die edle Zeit, jo zum Studieren ſollte an: gewendet werben, durch allerhand unanftändige commissiones benommen

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Neue Erſcheinungen. [256

und der Eltern Hoffnung zu nichte gemacht und das Kirchen: und Polizei⸗ weien um mand) tüchtiges Subjettum gebracht werde.” Unter feinem Ein— fluß wurde zwar nicht völlige Unterdrüdung der Rohheiten, aber doch eine entjchiedene Beſſerung des Treibens der Studenten erreicht. Tie Lehr: mittel, befonders die Bibliothefen wurden vergrößert, den Theologen das Studium der Bibel anempfohlen; die Lehrjtühle wurden, troß des Wider: ftande3 der LZutheraner, mit ireniſch gelinnten tüchtigen Gelehrten beſetzt. fo Dreier und Zeidler in nömigeberg, Brunnemann in Frankfurt. Kine dritte Hochiehule wurde vom Kurfürſten für feine niederrheinifchen Lande in Duisburg begründet, im Gegenjat zu dem Jeſuitenkolleg. das feine Ri: valen, die latholifch gewordenen Neuburger in Düffeldorf geftiftet batten. Der bedeutendfte philofophiiche Lehrer in Duisburg war Slauberg, cin Anhänger Tescartes; Friedrich Wilhelm. duldete e8 war dies von ent= et Bedeutung auch die moderne Philojophie an feinen Hoch» ulen. In das Jahr 1667 fällt das Projekt einer brandenburgi UniverfaleUniverfität der Völker, Wiffenjchaften und Künſte, das fich aber, erllärlicherweiſe, jehr bald ala undurdhführbar erwies. Im „Rolitiichen En legte der Kurfürft feinem Nachfolger die Univerfitäten und ihre Pflege aufs wärmſte ang Herz. Varrentrapp hat fi das Verdienit er: worben, diefe bisher wenig beachtete Seite der Thätigkeit des großen Kur: hirften in das rechte Licht geftellt zu haben; feinen ſchön gejchriebenen ortrag wird man gern lefen. Die dem Druck im Anhang beigefügten Anmerkungen zeugen von der ausgebreiteten Belefenheit des Ver afers,

Wilhelm Arndt: Waldes erfte Berwendung im brandenburgifchen Dienf. 1651. [„Kleine Beiträge. zur Gefhichte” von Do- centen der Leipziger Hochſchule. Feſtſchrift zum Deutichen Hiftoritertage in Leipzig Oſtern 1894. S.215— 239.] Leipzig 1894, Dunder u. Humblot (da8 ganze Wert 253 ©.).

Während des Külichichen Krieges im Juli 1651 fuchte der Reichsgraf G. Fr. von Waldek den Aurfürften Friedrich Wilhelm ın Eleve auf, mit der Abficht, in brandenburgifche Dienſte einzutreten. Es ward ihm bie Stelle eines Generalwachtmeiſters zu Pferde angeboten; W., durch dic ver: bindliche Art de3 Kurfürſten eingenommen, tagte fofort zu; doch bie weiteren Verhandlungen über die Bedingungen bei Uebernahme des Amtes ichlugen fehl. W. ftand im Begriff, nach Düſſeldorf abzureiſen; da cr öffnete ihm Schwerin, daß er dem Sturfürften einen großen Dienft letiten werde, wenn er in Tüfleldorf den Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm zu einer berfönlichen Zuſammenkunft mit dem Kurfürften werde beftimmen fünnen. . nahm den Auftrag an; durch gefhidte Unterhandlungen wußte er den Ausgleich zwifchen den zwei ftreitenden Parteien vorzubereiten, die beiden unerwünjchte Vermittelung der Generalftaaten [een uhalten und die Zu— fammenfunft von Angerort einzuleiten. Diele Ddiplomatifche Miſſion Waldes, die den vollen Beifall des Kurfürften fand, und Wis Berbleiben im brandenburgifchen Tienft entfchied, wird von Arndt in aniprechender Weiſe geichildert, auptſachlich auf Grund von Briefen Waldecks und des Pfalzgrafen von Neuburg. Die übrigen trefflichen Beiträge der Feſt⸗ yriſt fallen außerhalb des Bereichs der preußiſchen Geſchichte: hingewieſen ei aus verwandten Gebieten auf die Beiträge von Lamprecht „Die Stufen der deutſchen Verfaſſungsentwige lum vom 14. bis zum 18. Jahrhundert“ und von Brieger „Ueber den Prozch des Erzbiichofs Albrecht (des Hohen: zolleen) gegen Luther“. Mit lebhaftem Tank wird ein jeder diefe Feſt⸗ kp der Leipziger begrüßen, zu deren Herftellung mit den FFachhiftorifern ich Theologen und Philologen, Nationalötonomen, Kunft: und Litterar⸗ biftorifer vereinigt haben. A.N.

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Bribram: Franz von Lifola (1612— 1674) und die Politik feiner Zeit. Leipzig 1894, Beit u. Co. (VIII u. 714 ©.; 18 Mt.).

Baul Gerhardt. Nach feinem Leben und Wirken aus zum Teil un- gedrudten Nachrichten dargeftellt von Ernft Gottlob Roth, weil. Paftor primarius zu Lübben in der Niederlaufig. Aufs neue Heraus: gegeben. Mit einer Einleitung von Prof. Dr, ©. Lommasijd. Berlin 1894, Friede. Schulze Verlag (XXIV u. 63 ©.).

Eicher war Roths im Yahre 1829 zuerft, 1832 in zweiter Auflage erichienene fleine Schrift bahnbrechend, denn fie erzählte zum erftenmale das Leben des Dichters auf urkundlicher Grundlage Ch Ni aber gegen: wärtig ein ee Abdrud, bei dem nur ein deraltcter Anhang fort: gelafjen wurde, lohnte, ift mir mehr ala zweifelhaft. Der Verleger empfand nun das Bedürfnis, diefem Neudrud „eine das Nötigfte ergängenbe und das Berftändnie der Perfon wie der Schidjale Gerhardt erleichternde Einleitung“ voranzufchiden, die Prof. Lommapich ſchrieb. Allein fie ift ſehr fnapp gehalten und trägt nicht im entfernteften alles nad), was feit Roth über Paul Gerhardt erforscht if. Wir find z. DB. jebt über die

ugendgejchichte des Dichters vicl genauer unterrichtet. Zuſätze Ließen 16

ier im großer Zahl machen. Ter Streit Friedrich Wilhelms mit den

utherifchen ift richtig „als faum vermeidlich“ Hingeftellt, „indem er viel- mehr als Frucht einer Erbichaft von Anjchauungen früherer Generationen betrachtet werden muß, ala daß man ihn aus beriönhhem Eigenfinn der Beteiligten erflären könnte“ Fälſchlich wird ©. VIII behauptet, Oft reußen habe „überwiegend fatholifche Unterthanen” gehabt. In Wahrheit

—* es wohl kaum mer als 2 Prozent geweien, vgl. Lehmann, Preußen und die katholiſche Kirche, Bd. I ©. 76. 104. Mit Unrecht wird Rein: Hardt S. X ein Fanatiker genannt, vgl. dieſe Zeitichrift Bd. I S. 202 ff. Anderes, 3. 2. über Geburts: und Todesdatum, hoffe ich demnädjit in einer befonderen Studie richtig zu ftellen. Jedenfalls zeigt auch diefer Neudrud, wie notwendig eine wirklich kritiſche Niographie Gerhardts if. ugo Landwehr.

3. Sembrzycki: Die polnischen Reformierten und Unitarier in Preußen. Rah gedrudten und ungedrudten Quellen. Königsberg 1893, Beyer (1 3. u. 100 ©.; 2 Mt.).

Nah der Aufzählung und Belpregung der größeren gedructen Quellen und Hülfsmittel (die ungedrudten, aftenmäßigen Quellen werden leider nur ganz obenhin bezeichnet, über ihre Herkunft gar nichts an: gegeben) behandelt der Vertaifer dieſes Sonderabdrudes aus der Alt: preußischen Monatsjchrift feinen Gegenitand in vier Abfchnitten: 1) (S. 6) Tie Litauifch:polnifchen Reformierten bis zum Bertrage von Wehlau 1657, 2) (S. 27) Die Unitarier in Oftpreubßen, 3) (©. 42) Die litauiſch⸗-polniſchen Reformierten jeit enennung Pogustams Radziwill zum Statthalter von Areußen bi3 zur Gründung der Königsberger Gemeinde, endlid 4) (S. 72)

ie polniich:reformierte Gemeinde zu Königsberg. Alle dieſe Abichnitte find auf Grund der ſtaunenswerten Belejenheit des Verfaſſers wieder über: reich an Einzelnheiten, aber doch verliert fich die Tarjtellung bisweilen, auch für eine folche Spesialunterfuchung, gar zu jehr in eine Geſchichte einzelner Familien nicht bloß, jondern auch einzelner Perjönlichkeiten, von denen nicht immer gelagt werden kann, daß fie eine fonderliche hiſtoriſche Bedeutung gehabt ſutten. Von ganz beſonderer Wichtigkeit ſind, weil oft ſchwer herbeizuſchaffen, die zahlreichen bibliographiſchen Nachweiſungen und Angaben natürlich, worüber ich nicht voll abzuurteilen vermag, ihre Richtigkeit vorausgeſetzt. In Bezug auf die Arbeitsweiſe des Herrn

Forſchnagen z. brand. u. preuß. Gel. VII. 1. 17

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Verfaſſers glaube ich es doch nicht mit Stillfchweigen übergehen zu können, daß ich dieſes Mal eine Beobachtung gemacht habe, die mich perfönlich um fo fchmerzlicher berührt, als ich feinen fleißigen, gefchidten und oft recht erfolgreichen Unterſuchungen ftet3 gern die vollite Anerkennung babe zu teil werden laſſen. Während der DVerfafler bisher auch den firchlichen und den fonfelfionellen Dingen und Berhältnifien eine durchaus un- befangene Auffaljung entgegengebradht, auch hiefür feine Zarftellung ſtets völlig jachgemäß zu balten gewußt hat, hat er fich Hier plößlich auf eine be- dentlich jchtefe Ebene begeben: zumal_der erfte, einleitende Abfchnitt zeigt in Gruppierung und Verwertung der Thatſachen, in Auffaffung und Dar: ſtellungsweiſe leider einen zwar ſehr jchüchternen, aber doch unverfennbaren Anflug Ianfjenicher Art. Lohmeyer.

A. Seraphim: Kur, Liv und Eftländer auf der Univerfität Stönigs- berg i. Pr. Riga 1893 (261 ©.). [Sonderabdrud aus den Mit- teilungen aus der Livländiſchen Geichichte.]

Die Arbeit, die fich mit den von 1544— 1710 in Königäberg ftudierenden Balten beichäftigt, Hat auch für die Entwidelungsgeldichte der Königs: berger Univerfität eine nicht geringe Bedeutung durch die in der Einleitung (5: 1—50) vorangefandten Ausführungen, 3. 3. über die verjchiedenen

ten der Eintragung in das Univerfitätsalbum, über die damit ver: bundenen Formalitäten, über den Pennaliemus und Schorismus, bie akademiſchen Nationen, die Borbildung der Studierenden, die Frequenz⸗ äiffern u. a. m. \ Lohmeyer.

Wilhelm Schrader: Geſchichte der Friedrichs - Univerfität zu elle. Berlin ih Dümmler. Zwei Bände (VII u. 640, Vu. 5883 ©.; 30 Mk.).

Der Kurator der Friedrichsuniverſität in Halle legt hier zur bevor: ftchenden zweihundertjährigen Subelfeier feiner Hochichule ein Wert von hohem wiffenfehaftlichen erte vor, welches weit über den Charakter einer ſolchen Gelegenheitsjchrift Ichon wegen feines Umfangs hinausgeht. Es ift das Nejultat eines jahrelang anhaltenden Fleißes und einer erftaunlichen Meite des Willens. Fir die Darftellung find nicht nur die Alten Des Univerſitätsarchivs, jondern auch des Geheimen Staatsarchivs in Verlin mit großer Sachkunde ausgebeutet, I daß es nicht zu viel gejagt ift, wenn man behauptet, hier fei eine Nachleje fruchtlos; das Thema ift eben durch Schrader nad) allen Seiten hin erichöpft. In der Zenrteilung der ein⸗ zelnen Perſonen und Zeiten tritt überall ein maßvolles, den Umftänden und Richtungen Pr werdendes Streben zu Tage, jo daß hier nur an wenigen Stellen ein Widerſpruch möglid) wäre.

Der Stoff ift im ſechs Bücher geichieden: Gründung und Befeftigung der Univerfität; die Blüte von 1700-1730; Der Rüdgang der urjprüng: lichen Kraft, neue Anfäpe 1730-1768; Neues Aufblühen 17681806; gulammenbrud) und Herftellung der Univerfität, weiterer Aufbau: Die

egenfäße und ih usgleich, fortichreitende Teilung der Lehrgebiete. Innerhalb diefer Bücher wird dann in ziemlich ähnlicher Weile ın ein: elnen Kapiteln die betreffende Periode behandelt. Nicht nur die äußeren

chickſale der Univerfität. ihre Neuerungen in Verfaſſung und Verwaltung werden erzählt, fondern es werden ug Aufſchlüſſe über Die einzelnen im Halle wirfenden Profefloren gegeben. Je nach ihrer Bedeutung wird ihr Lebensgang und ihre Lehre ausführlich behandelt. Man ftaunt billig darüber, wie es Schrader möglich war, gleich jachgemäß über Theologen und Juriſten zu Schreiben. plerdur wird aber dag Buch ein wertvoller Veitrog zur deutſchen Gelehrtengejchichte.

Ber der Behandlung der Gründungsgefchichte der Untverfität betont Schrader mit Recht die Notwendigkeit einer Intherifchen Hochſchule tür die brandenburgifchen Lande. Trotz aller Verbote waren nämlich die Landes-

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finder doch immer wieder nach Wittenberg und Leipzig gezogen, um hiex fich ihre theologiiche Bildung zu holen, denn igeberg lag für die ge: wöhnlicen DBerhältniffe viel zu fern, als da ein Dlärfer dorthin gezogen wäre. ie jehr aber diefe Gründung ein Bedürfnis der Zeit war, zeigt das fchnelle Wachstum der Zahl der Studierenden. Leider befigen wir für die ältere Zeit feine genaue Statiftit der in jedem Jahre anmejenden Mufenjöhne, jondern nur Angabe über die Zahl der Immatrikulierten. Nach glaubhufter Angabe waren bei ber feierlichen Cinweihung am 1/11. Juli 1694 (ber 1/12. Juli, Bd. J ©. 63, ift wohl nur Drudjehler) bereit3 700 Studenten zugegen. Dieſe Zahl ftieg dann bald und hatte während ber erften Hälfte des bergangenen Sahrbunberts nach Schraders Schäßung immer eine Höhe von 1400—1600 Stöpfen. Wie jehr damit Dale die anderen brandenburgifchen Univerfitäten überragt, mag ein zu: fällig überlieferter Vergleich zeigen. Im Jahre 1717 bejuchten 1202 Shi. bierende Die dortige Univerfität, während Frankfurt a. O. im Jahre zuvor nur 190, Stönigsberg 400 und Duisburg gar nur 163 Mufenfühne auf: wied. Die beiden reformierten Sodjäulen, Frankfurt und Duisburg, fanden aljo im Lande gar feinen Anklang.

Im vergangenen Jahrhundert war die theologijche und juriftifche tultät gleich ſtark befucht, während die beiden anderen ſehr zurücktraten. ied war wohl jchon in der Gründung bedingt, welche durch die beiden

Namen Aug. Herm. Yrande und Thomaſius charakterifiert wird. Sie gaben auch der jungen Pe das Gepräge. Die philofo hiſche Fa: ultät erhielt erjt durch Ehriftian Wolff Bedeutung. Seine befannte Ver: treibung durch den Ukas Friedrich Wilhelms I. hat Schrader auf Grund ber Alten des Geh. Staatsarchiv behandelt uub ift dabei zu einer ähn: lichen zuffaflung gelommen, wie fie früher bereits Ed. Zeller vorgetragen Yan riedrich Wilhelm war eben durch Hofintriguen hintergangen und atte fich gegen Wolff aufbringen laffen; fpäter Hat er dies erfannt und den Ge wieber gut machen wollen. Der in der theologiichen Fakultät vorherrichende Pietismus wurde dann durch den Rationalismus abgelöft, der bis in dies Jahrhundert hinein in Halle ausfchlieglich die Oberhand hatte, bis daß Tholud gegen ihn auftrat. Die Lehre und der Entwidelungs- gang des Rationalismus mußten deshalb in einer Gefchichte ber Friedrichs⸗ uniderfität genau verfolgt werden, weil dieje Richtung auf feiner anderen deutichen Hochſchule jo zur alleinigen Geltung gelangt war. Seine Schwächen und Irrtümer werden namentlich bei Wegſcheiders institutiones Theo- logiae christianae dogmaticae mit feiner Ironie (namentlid) Bd. TI ©. 132) dargelegt. Deu erften Vorſtoß gegen den Rationaligmus hatte bereit3 am Ende des vorigen Jahrhunderts der Minifter Wöllner mit feinem befannten NReligionsedifi gemadt. Da ihn der Erlaß desjelben hauptfähli in einen Kampf mit der Univerfität Halle verwidelte, jo jah ih Schrader zu einer genaueren Behandlung diefer Vorgänge an ber Hand der Akten des Ge. Staatsardjivg bewogen und lieferte dadurch einen wertvollen Beitrag für die Gefchichte des preußischen Staates. Die Frage, weshalb MWöllner jcheiterte, troßdem doch der Rationalismus An- griffspuntte genug bot, beantwortet Schrader (Bd. I ©. 526): „Einmal allerding3 wegen feiner groben Natur und jeiner gen errich: fucht, welche ihn zu den plumpften Mitteln greifen ließ, ebenjo aud) wegen ber elenden aus aller Willenichaft herausfallenden Männer, deren er Hi ur Durchführung feiner Abficht bediente und welche auf feine Verwaltung ie verdiente Verachtung herabzogen. Der hauptfächliche Grund jeines Mißlingens lag indes in feiner Unfähigfeit, das Weſen der Wiſſenſchaft zu begreifen, welche ſich nicht durch äußeren Zwang, fondern nur durch eigne Bewegung don den Irrgängen zum rechten Ziele Ienten läßt, ihre kranken und abgejtandenen —— abſtößt und in lebendiger Ent— wickelung durch neue Früchte erſetzt.“

Taf die Friedrichsuniverſität vecht eigentlich die Landesuniverfität

des preußifchen Staat? geworden war, zeigt auch ihr ganz außerorbent: 17*

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licher Rüdgang während ber mweitfäliichen Zeit, wo aller MWahricheinlid; feit nach die Kreuben fortblieben. Lehrreich würde nach dieſer Richtung bin die To des Albums der Univerfität fein, aus dem man dann intereffante Zufammenftellungen über die Heimat der Studenten während der verfchiedenen Perioden machen könnte.

Das ftubentifche Leben wird in den einzelnen Abjchnitten jedesmal einer eingehenden Prüfung unterworfen und nachgewieſen, wie es fidh im einzelnen verſchieden entmwidelt hat. Dabei wird der burfchenfchaftlichen Bewegung auch ein befondere3 Kapitel gewidmet Bd. II ©. 95 ff., in dem wir wieder wertvolle Aufichlüffe für die allgemeine Gefchichte erhalten. Schrader urteilt in einzelnen Punkten milder ala Treitjchfe, vgl. Bd. II, 125. Auch den focialen Berhältnifien der Studenten wird Aufmerkjamteit eichentt. Lehrreich find in diefer Hinficht die Voranſchläge für den Haus —* der Studenten, Bd. II, 522.

Erſt in dieſem Jahrhundert hat bie Friedrichsuniverſität ihren aus ießli theologiſchen Charakter angenommen, wie fich an der gan der Bd. IT ©. 568 mitgeteilten Tabelle genauer verfolgen läßt. eit den fiebziger Jahren hat fich dies Verhältnis etwas verfhoben, indem e3 vorgekommen iſt, daß die Zahl der Philoſophen die der Theologen über: zagte. Dem entiprechend hat ſich auch der Lehrkörper geändert, wenn auch

ier ſich infolge der modernen Entwickelung ſich ein größeres Hin: und

erwogen bemerkbar machte. Die philoſophiſche und namentlich die medi⸗ Ak Fakultät Hat in den lebten Jahrzehnten Kräfte erften Ranges gehabt.

Schließlich mag nicht unerwähnt bleiben, daB der zweite Band zur Hälfte Urkunden zur Erläuterung der Darftellung bietet. Die ältere Zeit ift natürlic) reicher vertreten, namentlid wird die Gründungsge chichte durch verſchiedene Beilagen erläutert. Daneben iſt die Finan eich! te ber Univerfität durch verſchiedene Stüde vertreten. Bon den andern hebe id hervor den Erlaß Friedrich Wilhelms I. über bie abfepun Wolfe, die

eftimmungen über die Reifeprüfung, ferner die Alten der Anklage gegen Wegicheider und Geſenius, die von Hengftenberg3 Kiehenzeitung 1830 aus⸗ gegangen ivar. . ugo Landwehr.

Bernd. Erdmannsdörffer: Deutſche Geſchichte vom weſtfäliſchen Frieden bis zum Regierungsantritt Friedrichs des Großen. 1648 -1740. II. Band. 1688—1740. [A. u. d. Titel: Allgemeine Geſchichte in Einzeldarftellungen, berausgeg. von W. Onden. III. Abteil. 7. Zeil, Bd. 2.) Berlin 1893, Grote (527 ©.; 15 Mk.).

Die eigenhandigen Briefe König Karla XII. Gefammelt und herausgeg. von Ernft Carlſon, überfcht von F. Mewius. Berlin 189, G. Reimer (XLVIII u. 455 ©.).

Enthält einige Briefe an König Friedrich I. und Friedrich Wilhelm J.

dr. Halte: Strafrechtöpflege unter Friedrich Wilhelm I. Berlin 189%, Bahlen (VI u. 92 ©.; 2 Mt.).

F. Frensdorff: Briefe König Friedrich Wilhelms I. von Preußen an Hermann Reinhold Pauli. [Aus dem 39. Band der Abb. der Kyl. u der Wiſſenſch. zu Göttingen.] Göttingen 1898, Dieterid (58 ©.).

Die Abhandlung bietet weit mehr, ala der Titel erwarten laähßt. Es ift eine anziehend gejchriebene Getchichte der Familie Pauli feit dem Anfang bes XVI Jahrhunderts in fteter Verbindung mit ben Ziter niſſen, welche die Familie durchlebt hat. Die bedeutenbft

en älteren Mitglieder Det

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milie find reformierte Theologen; kirchliche Kämpfe und Gegenſätze, be: onders die Streitigfeiten Wiſchen Reformierten und Lutheranern beſtimmen ihre Geſchichte, „Die Geſchichte der Familie lieſt ſich wie ein Stück Kirchen: efhichte”, in Danzig beginnend, dann in Marburg, Braunſchweig, in der falz ſich weiter fortjegend, fchließlich durch den becoorragenbfe Träger bes Namens, den Hallenjer Profeffor und Domprediger, Herrmann Rein: hold Pauli, in die preußiiche Kırchengeichichte einmündend. Der Kirchen⸗ poliit und den religiöfen Anjchauungen König Friedrich Wilhelms J., owie der Wirkſamkeit Baulis in Halle ift der zweite Zeil der Arbeit ges widmet. Die verſöhnliche Haltung Paulis und feine Richtung auf das Vraktiſche und Erbauliche hatten den König für ihn eingenommen. Bon den vierzehn hier abgedrudten Briefen des Königs an Pauli (den Urgroß: vater des Hiſtorikers Reinhold Pauli) haben einige nur perfün (chen Interefie, bie meiften befchäftigen ſich mit religidjen Fragen: einer, Der dom Februar 1731, berührt die neue Einrichtung der Enrolierun die dem Kantonreglement voranging. Wichtiger als die Briefe jelbft fin bie feinfinnigen und ſehr leſenswerten Ausführungen Frensdorffs über Die kirchlichen Zuftände, auf das Einzelne kann an diefer Stelle leider nicht eingegangen werden. A.N.

Ernest Lavisse: Le @rand Frederic avant l’avönement. Paris 1893, Hachette et Cie (XVII u. 373 ©.; 7,50 Fr.).

Ter durch verjchiedene Arbeiten über preußiiche Gefchichte befannte Pariſer Profefjor Erneft Laviffe hat der Jugendzeit Friedrichs des Großen bis um Regierungsdantritt eine „gel umfangreiche Bände umfajlende Tar- Hellung ewidmet. Er rechtfertigt die ungewöhnlich eingehende Behandlung eines fo furzen Zeitraums mit dem hohen Werte, den die Erkenntnis der Entwidelung eines ſolchen Geiftes für das Verftehen feiner jpäteren Größe befigt. Hatte er in dem erften Bande (La Jeunesse du Grand Frederic, vgl. Forſch. IV, 313) das Leben ran im Elternhaufe und den Kon⸗ flitt mit dem Vater gefchildert, fo jucht er in dem obigen Buche darzulegen, wie Friedrich die ihm nad) ber Ausjöhnung verftattete Freiheit zu feiner Eelbfterziehung und Bildung verwendete und wie er ſich zu feinem Herrfcherberufe vorbereitete. L. war für die Löfung dieſer Aufgabe vor- tre i geeignet. Er beherrſcht die Litteratur vollſtändig und beſitzt die Gabe feiner pfychologiſcher Beobachtung; er bringt der Perſönlichkeit Fried⸗— richs ein warmes Intereſſe und ein mit Bervunderung verbundenes Ber: ſtaͤndnis entgegen; er ine fich enblid), was in dem zweiten Werke noch mehr Hervortritt ala im eriten, eines un elapenen Urteils. Onno Klopps verfehrte, blindem Haß entiprungene An FAR erfahren gelegentlich Die verdiente Zurückweiſung. Laviſſe bemüht fich felbit ber ihm wie leicht bes greiflich nicht gerade Inmpathichen Geſtalt Friedrich Wilhelms I. gerecht zu werden, und nur an wenigen Ctellen läßt er jeiner Abneigung willen die Zügel ichießen, fo wenn er die Schilderung bed Todeskampfes zu der wenig jchönen Bemerkung benußt: „Le tourmenteur d’hommes apparut tourmente jusque dans la mort.

Im großen und ganzen möchte ich Laviſſes Verſuch einer voll: fändigen Analyſe der Charakterentwidelung und bes Bildungsganges

riedrichs für gelungen erklären, ohne allen feinen Urteilen zuzuftimmen.

ex Abjcmitt über das Leben in Rheinsberg und das „Les lettres et la philosophie“ überfchriebene Kapitel verdienen beſonders beachtet zu werden. Die breite, vhs Ay ermüdende Schilderung, die bid ins geringfte Detail Iorgfältig durchgeführte lebensvolle Kleinmalerei des franzöliichen Buches bildet zu der fnappen, nur andeutenden Darſtellung Koſers eine meit ice Ergänzung. In der Auffallung Friedrichs geben Kojer und Lavifje nicht unwefentlic auseinander und eine Gegenüberftellung und 1 gleihung beider Schriften nach diefem Gefihtspunfte dürfte ein recht dankbares Thema fein. M. Immich.

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Neinhold Kofer: König Friedrich der Große. Bd. I. [Auch u.d. Titel: Bibliothek deuticher Gefchichte, herauggeg. von H. v. Zwiedined- Südenhorft, Abteilung XVIIL) Stuttgart 1893, Gotta Nad» folger (XII u. 640 S.; 8 Mt.).

Dank der eifrigen Thätigkeit der letzten Jahrzehnte liegt jebt zu Geſchichte Friedrichs des Großen ein außerordentlich reiches Aftenmaterial vor dem eine faum noch zu überjehende darftellende Literatur zur Seite fteht. Die Fülle diefeg Stoffes zu einer neuen Biographie zu verarbeiten und die Ergebniffe der Einzelforkäum zufammenzufafjen zu einem Werke, das über den Kreis der Fachgelehrten hinaus in alle gebildeten Kreiſe dringen fann, das iſt die ſchöne aber auch ſchwere Aufgabe, die fich Koſer geftellt und zu der er fich in jahrelangem Studium vorbereitet hat. Koſers Be: ginnen verfpricht jet endlich dem Wunfche Erfüllung, den fchon vor ſiebzig In ren ein begeifterter Verchrer des großen Könige, Chriſtian Wilhelm Dohm, ausgeiprochen Hat, und verheibt ung das erfehnte Werk, das, auf ftrenge Wahr eitsliebe x ründet, den König in allen Verhältniffer, ganz wie er war, darftellt, een Berfafjer ſich völlig in jene vergangene get hineinzudenfen und ſich im Geift zu der hohen Gelinnung feines He zu erheben vermag.

er zum Andenken an den hundertjährigen Todestag Friedricht gefondert erichienenen Echrift: „Friedrich der Große ald Kronprinz' iſt jeßt der erite Band der Negterungsgeicht te des Königs gefolgt, der von der Thronbefteigung bis zum Ausbruch des fiebenjährigen Strieges führt. Ter Tarftellung ift ein Anhang beigefügt, der in knapper und doc) völl ausreichender Form die benußten Quellen und litterariſchen Hülfemitt nachweiſt. Außer ungedrudten Alten in den Berliner und Wiener Archiven hat K. auch die biöher nicht verwerteten, in Paris befindlichen Berichte der jranzöfiichen Gejandten am preußiichen Hofe herangezogen.

Der in diefem erften Bande behandelte Zeitabichnitt ift verhältnis: mäßig fehr oft bearbeitet worden. Tem mit der Litteratur vertrauten Lefer offenbart fich aber bald, daß K., unbeeinflußt von früheren Anfichten, fich zu einer jelbitändigen Anſchauung durchgearbeitet hat, Durch feine Be: obadytungen, treffende Vergleiche und Eigenart der Auffallung bie That⸗ ſachen in ein neues Licht zu vüden weiß. Und auch das Belannte vermag er zudem durch die ihm eigene Kunſt ber Tarftellung reizvoll zu geftalten. Dem ift e3 zu danken, dab in dem Wirrwarr ber politischen Herhand- lungen und Intriguen, in die ung K. führt, das Intereſſe des Lejers nicht erfaltet, daß andererfeits die Echlachtichilderungen ein fo überaus Lebens: volles anfchauliches Bild gewähren. Dennoch ließen ſich wohl am eheften gerade gegen feine Auffaſſung einzelner Schlachten Einwendungen erheben, was ſich eben aus ber Echwierigfeit, ja teilweijen Unmöglichkeit, den Ber: lauf einer Schlacht mit Sicherheit zu tefonftruieren, hinreichend erflärt?)

Mit vollem Recht hat K. in feiner Biographie nicht jo den Menjchen, als den König darftellen wollen. Aber unverftänblic) würbe Friedrichs Regententhätigkeit bleiben, wollte man na nicht jederzeit auch fein menſch⸗ liches Weſen vor Augen Halten, nicht verfuchen, in das Geheimnis feiner Perfönlichkeit einzubringen. In ber Erkenntnis feines Charakters Liegt erft der Schlüffel zum Berftändnis feines Lebens und Wirkens. Thatfädhlid bat denn au K. an mehr als einer Stelle eine pfychologifche Analyie der menschlichen Entwidetung riedrichs zu geben verfucht. Er zeigt, wie Friedrich allmählich lernte, feine Reizbarfeit und Leidenfchaftlichkeit zu zügeln und feine widerftrebenden Neigungen der Herrfcherpflicht untergnorbnen. Der „Lategorifche Imperativ feiner Königäpflicht“ war der Trieb, der dieſer vielſeitig veranlagten und von den ſchaͤrfſten Stontraften erfüllten Berfönlid; feit innere Einheit und feften Halt verlieh.

1) Ein Berjehen des Verfaſſers liegt ©. 23 vor, wo ftatt „Salantamen’

wohl „Zenta” zu ſetzen ıft.

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In der Darftellung des erften fchlefifchen Krieges weiſt der Verf. darauf Hin, wie fehr die Handlungen Friedrichs noch den Sanguiniter verraten, den „Etimmungsmenfchen, der bald übermütig und bald fchier verzagt feine Haltung Leicht durch die Eindrücke des Augenblicks beftimmt werden läßt, der in Mebereilung und Hitze und aus Mangel au Gefahrung Fehler genug macht, nicht im Felde, ſondern auch in der Politik.” Un doc) tritt auch Schon in dieſen pabren feine Größe als Feldherr und Staatsmann hervor, an die die Welt damals noch nicht glauben wollte, offenbart fich feine feltene Arbeitskraft und Willenzftärke und fein uns erihütterliches Prlichtbewußtjein. Beſeelt von dem hohen Be der Siwitterftellung Preußens zwiichen Kurfürſtentum und Königreich ein Ende zu maden und es in die Reihe der Großmächte einzuführen, gehoben von ftolzem Selbftvertrauen und dem ea des moralischen und materiellen Uebergewicht3 feiner Armee, fett er raftlos alle Kräfte ein, in der Wahl feiner Mittel allerdings auch ſtrupellos. Friedrich bediente fich der gleichen diplomatischen Kunftgriffe wie feine Gegner und wandte das „trompez le trompeur“ unbedenklih an, indem er als Pflicht des Fürſten rg da3 eigene Ich zu opfern, wenn das Wohl des Landes es erfordere. Fried⸗ richs Verfahren ift die praftiiche Durchführung der Gedanken, die er ala Kronprinz in feinem Antimacchtavell ausgeſprochen hatte. Er ift Reals politifer durch und durch. Steine bagen allgemeinen Ideen, feine Sympa⸗ thieen und Vorurteile trüben feinen Blid. reicht Frankreich die Hand, weil es ihm nutzen kann, troß der Kinreden der Minifter, die von ben Zeiten Ludwigs XIV. her die Franzoſen als Erbfeinde anzujehen gewohnt waren, ähnlich wie ein Jahrhundert Ipäter Bismard der „Lleinen aber mächtigen Partei” am Hofe Friedrich Wilhelms IV., die in Frankreich nur den ftets zu befämpfenden Träger der revolutionären ‘dee jah, die Notwendigkeit entgegenhielt, das Verfahren gegen fremde Regierungen nicht nach ftagnierenden Antipathieen, ſondern nach der Nützlichkeit ober Schädlichkeit jür Preußen zu regeln. Die Politik ift eben, wie Ranke es einmal ausdrüdt, der Verſuch inmitten des Konflittes der Wetmächte das eigene Intereffe zu wahren und zu fördern. Indem Friedrich es offen ausiprad), daß man mit Bündniſſen wechjeln müjle, wenn die Intereſſen wechjelten, und indem er diefem Grundfaß entiprechend handelte, ift er in den Ruf eines unzuvderläffigen Bundesgenofjen gefommen, ift er dem Bor: mwurf des Berrates nicht entgangen. er wollte auch das Gaukelſpiel der Kleinichnellendorfer Konvention beichönigen? Kaum je ift in einem Kriege eine tollere Komödie aufgeführt wordeu, als die Echeinbelagerung Neißes aut Täujchung der Srangofen. K. verurteilt die Stleinfchnellendorfer Ab⸗

ınft durchaus. Er tadelt die Eleinlichen Mittel, deren fich Friedrich bes diente; er fieht zubem in dem Abkommen aud einen politiichen Fehler, infofern Friedrich Die Gelegenheit zur völligen Temütigung Oeſterreichs unbenußt lief. „Der Fehler von Nleinfchnellendorf (ich —F in einem langen Leben nicht wett machen, die Schuld mußte dereinſt geſühnt werden in unermeßlichem Leiden.“ Dieſe Auffaſſung der Konvention ſcheint mir allerdings nicht ganz gerechtfertigt zu ſein, wie ich auch der Anſicht K.s nicht beitreten kann, dab die Ungulänglichkeit ber franzöfiichen Kriegfiihrung und der Gewinn ber Feſtung Neiße allein den König zum be⸗ wogen hätten. Darin hat aber K. durchaus Recht, daß Friedrich in dieſer Zeit noch als der Lernende, Werdende anzufehen iſt, den jugendliches Un— geftüm zuweilen bie Gebote der Klugheit und Vorficht vergeifen läßt und er feine Erfolge nicht zum wenigſten dem Glüd und dem —* verdankt.

Schnell genug ſollte ſich die Wandlung in Friedrich vollziehen, die jmeite Sturm: und Trangperiode feines Lebens ihren Abjchluß finden.

Rit feinem DVerftändnis für das innere Wachstum Friedrichs Hat N. diefen Wandel hervorgehoben. Die Unglüdsfälle im Beginn des zweiten Krieges riſſen Friedrich ans der allzu großen Siegesgewißheit und —** ihn zur Mäßigung und Selbſtprüfung. Unter ſchweren Verluſten aus Böhmen zurüdgeworfen, ohne Ausſicht auf Hülfe der Vundesgenoſſen oder

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auf tyrieden, umgeben von Berzagtheit und Kleimut, jah er fich ganz auf fi felbft angewiefen. In r bemerfendwerter Darlegung jchildert 8. wie der König im Bewußtfein der ſchweren Verantwortung, die auf ihm laftete, jeine Kraft wiederfand und in jenen Gewifſensqualen aus dem Schickſalsglauben, aus der Annahme, daß der Ausgang vorherbeftimmt fei, Beru igung ichöpfte. Es mag dies auf den erſten Blick jeltiam er einen und man follte eher glauben, daß diefer fataliftifche Gedanke auf ebensmut und Schaffenztraft lähmend hätte einwirken müſſen. Friedrich leitete indes gerade aus dem Glauben an eine Vorherbeſtimmung die Forderung unermüdlicher Thätigfeit und peinlichfter Pflichttreue ab. Fit einmal, jo folgerte er, die Zukunft beftimmt, dann bleibt dem Menice

nur das Bewußtfein treu erfüllter Pflicht und redlich gethaner Arbeit, das ihn befähigt, mit ruhigem Gewiſſen und ohne Furcht fich dem blind waltenden Schickſal zu unterwerfen. Solcher Sinnesart entiprang jene bewundernawerte Schaffensfraft und jene rüdjichtslofe Härte und Ent: ichlofjenheit, mit der Friedrich unerbittlich ſtreng en ſich und ander, daran ging, fein entmutigtes Heer mit neuer uberncht zu erfüllen. Und als dann der wunderbare Umſchwung bei Hobenfriedberg und Soor er: folgt war, da jchrieb der König, der in der peit des Unglüds Zroft nur ın Sich feldft und in der Pflichterfüllung gefunden, feine Stege, überwältt

von der Größe des Erfolgs, göttlihem Beiftand zu. ie weihevo

Stimmung, die jich des Königs bemädhtigte, hat K. * hön zum Aus: druck gebracht. Er fieht dieje Zeit als den Höhepuuft in Friedrichs Leben an. „Sein Chrgeis war gefättigt und innerlich überwunden. Doch war der mit Ruhm bedbedte Held zu feinem ſchönſten Glück noch ganz fähig, fih feine Ruhmes von Herzen zu erfreuen.“

Wie ſchon einft Tropfen, jo hebt auch K. deſſen Auffaffung fich über: aupt mehrfach mit der Droyſenſchen berührt, fcharf hervor, daß bie riedensthätigkeit Friedrichs einen durchaus konſervativen Charakter trägt. riedrich wollte in der inneren Politik der Fortſetzer ſeines Vaters ſein.

und er tft es geweſen; er hat das überkommene Syftem ausgebaut, aber die Grundlagen nicht angetaftet.

So lebhaft auch in den letzten Jahren nad) der von Schmoller ge gebenen Anregung auf dem Gebiet ber preußiichen Verwaltungs, Wirt: ſchaſts- und Kechtsgeichichte gearbeitet worden iſt, noch blieben zahlreicke Lücken, die Koſer durch eigene Forſchung ausfüllen mußte. Es i ihm elungen, zum erſtenmal ein vollſtändiges, zuſammenhängendes Bild von T riebeiche innerer Politik zu geben, was um jo dantbarer zu begrüßen ifl, als dieſe Seite der Regententhätigkeit Friedrich in weiteren Streifen immer noch Hr die gebührende Beachtung cefunden hat. K. bat au hierbei das Geſchick der Darftellung bewährt, das ihn troß der Mannig: faltigfeit des Stoffes bei jorgfältigem Cingehen auf? Einzelne dennoch nie in Detail fich verlieren, ftet3 dag Wichtige vom Unwejentlichen ſcheiden läbt.

Beiondere Aufmerkfamfeit verdient ber „Der König:Connetable* über jchriebene Abjchnitt. Er bringt unwiderlegliche Zeugniffe für bie oft be: ftrittene Richtigkeit des Satzes, den K. an die Spiße geftellt Hat: Friedrich war Soldat mit Leib und Seele, und vor allem andern Soldat.” Bor: trefflich find des Verf. ruhige und maßvolle Erörterungen über bie Strategie Friedrichs, das feit Jahren jo lebhaft erörterte Thema.

In einem überaus anziehenden Kapitel beichreibt ſodann K. dat Leben des Königs in Sansfouci und die Schar ber Freunde und Schön eifter, in deren Gefellichaft Frichtich nach den Stunden der Arbeit Er⸗ * ſuchte. Leider hat ſich keine Aufzeichnung über die Geſpraäche der afelrunde in Sansſouci erhalten; ein glücklicher Gedanke des Verf.s war es daher, uns die Denk: und Lebensweiſe jenes Kreiſes aus den poetiſchen Berfuchen heraus zu entwideln, in denen der König feiner Stimmung Ausdruck zu geben und zugleich Die Eigenart feiner Gefährten zu de: ratterifieren pflegte. Er nımmt bei diefer Gelegenheit Beranlaflung, Verhältnis Friebrichs zu feiner Familie, feine Stellung zu der beflagent

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bliden, wie jehr doch auch die eigentümlicye Schroffheit im Weſen des Könige und die verlekende Schärfe jeines Urteils über alle ihm unſym⸗ pain Eigenichaften zu den Zwiftigfeiten in der Töniglichen Familie eigetragen haben. Die perjönliche Liebenswürdigkeit, durch die Friedrich in den eriten Jahren fo viele Herzen bezaubert hatte, begann fich zu vers lieren und einer unnachfichtigen,, herben Strenge jan zu machen. Cha⸗ rakteriſtiſch erſcheint es doch auch, daß er nach dem zeitigen Tode ſeiner Jugendgefährten keinen mehr zum Freunde gewann, und jeltiam mutet uns vi Klage ded Königs an, dab er einfieblerifcher Ieben müſſe, ala ihm ieb fei.

Zum Schluß wendet ſich K. wieder der auswärtigen Politik zu. Das Jahrzehnt nach dem Dresdener Frieden bi? zum Ausbruch des fieben: jährigen Krieges war lange Zeit faft ganz unbelannt geblieben. Droyjen tachte zuerft einige Aufklärung; dann hat K. feloft in einigen Auffäßen die politi che Situation jener Jahre, Die eigenartige, vielfach ſchwankende Stellung Preußens zu den Weftmächten, die Verhandlungen zwijchen Wien und Peteröburg eingehend erörtert und auf die bedeutungsvolle, Lange Zeit nicht genug beachtete Rolle hingewielen, die Rußland bei der Bildung einer antipreußijchen Koalition geipielt hat. An diefe feine eigenen Aus— engen und an Naudés Unterſuchung über den Urfprung des fieben: jährigen Krieges antnüpfend, faßt er das Urteil über Friedrichs Politik jener Zeit in dem Satze zujammen: „Nur mit äußerftem Widerftreben det fid) Friedrich von der Thatjache überzeugt, daß es feinen Gegnern auf

ampf, auf den Vernichtungsfampf gegen Beeuken ankam.“ ie aber Fiſdrich dieſem Vernichtungskriege getrotzt, wie er den Kampf gegen eine

elt in Waffen geführt hat, das zu aibern, wird eine nicht minder Knmierige Aufgabe fein, wie die, welche der erſte Band des Stoferfchen

erfez zu löjen hatte. Möchte dem zweiten Zeile ein gleich glänzen es Gelingen bei M. Immich.

Tie Preußifche Seideninduftrie des XVII. Jahrhunderts und ihre Be grundung durch Friedrich den Großen. Bd. I und II: Alten, be= arbeitet von G. Schmoller und O. Hintze. Bd. III: Darftellung von ©. Hintze. [Auch u. d. Titel: Acta Borussica Denk— mäler der Preußifhen Staatsverwaltung des XVIN. Jahrhunderts. Herausgegeben von der Königlichen Akademie der Wiffenfchaften. Die einzelnen Gebiete der Staatsverwaltung. Zeil I. Seideninduftrie. Bd. I—IU.] Berlin 1892, Parey (XXIV u. 652 S.; 766 S.; IX u. 340 ©.; aujammen geb. 41 ME.)?).

6. Schmoller: Die Preußiſche Seidenindnfirie und ihre Begründung durch Friedrich den Großen. (Vortrag in der Akademie ber Wiffen- Ichaften.) Sonderabdrud aus der Beilage zur „Allgemeinen Zeitung“ Nr. 117 und 120 von 19. und 20. Mai 1892. München 1892, Gotta Nachfolger (38 ©.).

D. Hinke: Die Preußiſche Seideninduftrie de8 XVIII. Zahrhunderts, Jahrbuch für Gefeßgebung u. |. w., heraußgegeben von Schmoller. Jahrgang XVII, 1 ©. 23—60. Leipzig 1893, Dunder u. Humblot.

werten Gattin und den Gefchwiftern zu the ©i Er läßt dabei durch—

ieden jein!

1) Ein uns in Ausficht geftellter befonderer Aufjag über die Publikationen hat noch nicht vollendet werben können. Bei der großen Bedeutung des Inter: nehmens aber ift es angebracht, vorläufig wenigftens durch eine eingehende Be: prehung die Leſer der Zeitſchrift mit den Iwictigften Ergebniffen des Wertes

fannt zu machen.

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Die lange Zeit arg vernadjläffigte innere Geſchichte des preußiſchen Etaated Hat erft durch G. Schmollerd bahnbrechende Arbeiten rechte Würdigung und angemeflene Behandlung gefunden. Ihm verdanken wir nun auch die Anregung, du der neuen großen Publikation, Die von ber Berliner Akademie der Wilfenfchaften unternommen worden ift. Wie die „Urkunden und Aftenftüde” bes großen Kurfürften jebt unter Echmollers Zeitung neben den bisherigen drei, der auswärtigen Politik und den ftändifchen Kämpfen gewidmeten Serien eine neue vierte Abteilung für Die: innere Verwaltung des Staates im XVII. Jahrhundert eröffnen werben, fo jollen die „Acta Borussica“ für das XVII. Jahrhundert. für die enticheidende Epoche der preugiichen Staatsentwidelung, die Regierung Friedrich Wil helms I. und Friedrichs IL, das bislang Berfäumte nachholen und in großen Attenveröffentlichungen die fo notwendige authentifche Aufklärung über die Verwaltung der beiden groben breufiichen Könige bieten; fe werden fich für bie Zeit Friedrichs Il. ald eine Ergänzung zu der „Ro: litiſchen Korreſpondenz Friedrichs des Großen“ darftellen. Das neue Inter: nehmen foll in zwei Hauptabtelungen fich gliedern: in einen allgemeinen Zeil, der die Organijation der Staatsbehörden, die allgemeinen Tyragen der gefamten Werwaltung behandeln wird; der erfte Band dicker Reihe, die Anfänge Friedrich Wilhelms I. umfafjend, von Krauske be arbeitet, wird in den nächſten Wochen ericheinen; ex wird zugleich die Einleitung Schmollers zu der ganzen Publikation enthalten. Die zweite Hauptabteilung wird einzelnen bejonderd wichtigen Gebieten der Ber: waltung gewidmet fein: die Militär: und Münzverwaltung, das Zolls und Accifeweien, bie Pflege der Induſtrie und bes Handels find zunächſt in Ausficht genommen?).

Diefer zweiten Abteilung gehört die vorliegende zuerft fertig geftellte Publikation über die preußiiche Seibeninduftrie des X VIII. Jahrhunderts an. Aeußere Umftände, u. a. die von Schmoller bereits früher begonnenen Vorarbeiten über dieſe Induſtrie, haben das erfte Gricheinen gerade dieſes Teils veranlaft. Dur das Zulammenwirken ber beiden Herausgeber iſt ed gelungen, ein Werk zu ftande zu bringen, das jeder, der es im einzelnen pet alz ein mufterhaftes bezeichnen wird. Hintze, dem unter Schmollers

eitung bie eigentliche Arbeit zugefallen war, beſaß zur Vollendung der Aufgabe nicht bloß Die umfa ende biftorifche Vorbildung; er vereinigte damıt zugleich gediegene nationalöfonomifche Kenntniſſe, die Fähigkeit eines unbefangenen und feinerwogenen hiſtoriſchen Urteils, ſowie den treffenden Sinn für das wirklich bedeutungsvolle, um aus der übergroßen Maſſe der Archivalien das entjcheidende und typiſche herauszufinden. Die Art jeiner Edition ſowohl wie die gedanfenreiche und ſchön gejchriebene Darſtellung verdienen volle Anerkennung. Bei der Auswahl und dem Abdrud der Alten find nur die widtigften Stüde, die Stabinettsordres und Rand⸗ verfügungen bes Königs, im Wortlaut wiedergegeben; das meifte ift ın Auszügen gedrudt; ganz zu billigen und au Fir andere Publikationen gu empfehlen ift das eingefchlagene Derfahren, daß von der rein chrono: ogiſchen Anordnung häufig abgewichen ift und um ein wid;tiges Altens ſtück die dazu gehori en vorangehenden und nachfolgenden Verhandlungen gruppiert find; fo ift jedes in fich zufammenhängende Geichäft in einer

ummer vereint. Tem in 5 Abjchnitte geteilten, bis 1806 reichenden Aktenmaterial zur Gefchichte der Berliner Induſtrie folgen ftatiftiiche Nach⸗ weilungen und eine Anzahl Urkunden der Krefelder Seibeninduftrie; den Beichluß der zwei Attenbände machen das Regifter ſowie 40 Seiten „te niſche Erläuterungen“ über die Art ber a ae im 18. Jahr: fie zeigen, wie trefflich Hintze ſich auch in dieſe rein techniſchen ragen einzuarbeiten verftanden hat.

——

ied 1) Ueber Beginn und Fortichreiten der einzelnen Publikationen vgl. bie in jedem

ande dieſer Zeitſchrift wieder abgedruckten Akademie-Verichte.

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Der dritte Band, allein von Bine berrührend, giebt zunächſt einen Meberblid über die Einführung der Seideninduftrie in den abendländifchen Staaten und eine allgemeine Zarftelung der Berfaffung ber Induſtrie in den verfchiedenen Ländern. Erſt auf diefem cohen hiftorifchen Hinter: grund wird es möglich, die Begründung der In uftrie in Preußen und ihre dortigen Verfaſſungsformen in das rechte Licht zu ftellen. Der Geſchichte der preußiichen Induſtrie find die vierzehn weiteren Stapitel gewidmet. Zwei furze ſehr lefenswerte Artikel find von Schmoller und von Hiutze in ber „Allgemeinen Zeitung” und im „Jahrbuch für Geſetzgebung“ erichienen; fie treten mit Nachdruck und mit überzeugender Beweisſührung dem nahe: liegenden Einwand entgegen, daß die von Friedrich nad Berlin ver: pflanzte, jegt aber dort faft gänzlich verfchwundene Jnduftrie von vornherein auf märfifchem Boden ein verjchlteg Unternehmen geweſen fei.

Tie allgemeine hiſtoriſche und wirtfchaftsgejchichtliche Bedeutung ber Publikation darf man darin jehen, daß wir damit die erfte urkundlich bes gründete Geſchichte einer groben Induſtrie zur Zeit und unter Einwirkun

s Merkantiliyftems erhalten haben: weder (ir einen anderen Staat, no für ein anderes Gewerbe bes XVII. und XVIII. Jahrhunderts liegt bie: her eine ſolche Hrtundenfammlung vor. Es bietet fich hier ein eLatfilches

eijpiel für Die Beſtrebungen und für die Leiftungen des Merkantilismus; jo wird die Publikation nicht bloß für die preußiche Geſchichte, ſondern auch für die allgemeine Wirtſchafts- und Verwaltungegeſchichte von weit: tragender Bedeutung fein.

Die Einführung der Seideninduftrie in Preußen ift keineswegs ein Produkt perjönlicher Liebhaberei des Königs geweſen. Sie war vielmehr (wir folgen hier den trefflichen Ausführungen Schmoller® und Hintzes) eine notwendige Phafe in dem großen wirtichaftlichen Umbildungsprogeß, ber gum Ergebnis hatte, daß das verarmte und zurüdgebliebene preußifche

derbauland in eine ber blühendften und regſamſten Wirtichaftägebiete Deutſchlands umgewandelt wurde. Da die Handel: und Seemadjtspläne des großen KHurfürften fich nicht durchführbar gezeigt, da andererjeitö Die Zandwirtichaft einer tiefgreifenden Reform, wie fie Anfang des XIX. Jahr: hundert3 erfolgte, noch ſchwer zugänglich war, jo konnte allein in der Pflege und dem Schuß der Gewerbe und der Induftrie das Mittel ges funden werden, um Preußen wirtfchaftlich zu ftärfen, um es zu einer den Meftmächten ebenbürtigen Kultur emporzubeben; nur durch die merkan⸗ tiliftifche Echußpolitit wurde es ermöglicht, die Kernlande der preußischen Monardie zu einem einheitlihden Wirtichaftsgebiet zufammenzufaffen und be zu befreien von der Ausbeutung durch die Fremden. England und Frankreich Hatten 100 Jahre zuvor den gleihen Weg eingefchlagen, Die vom Staate geſchützten Manufakturen hatten den Weſtmächten abe Wa tümer gebracht. Unter diefen Manufakturen aber und im Handelsverkehr nahmen damals, vor der heutigen Derrichaft von Kohle und Eifen, den erften Plaß ein die Tertilgewebe; und wiederum unter ihnen ftanden, da ein fauffräftiger Mlittelftand noch nicht eriftierte und hauptfüchlic für den Dedarf der reichen prachtliebenden Klaſſen gearbeitet wurde, im Borber:

rund die Luxusgewebe, vor allem die Seideninduftrie mit den damit zu: Kummen ängenden Fabrikationezweigen, der Sammetherftellung, der Gold: und Eilberjpinneret, ber Borten- und Treffenfabrikation, der feinen Band⸗ und Strumpfwirferei. Lie Nachfrage nad; Seidenwaren, die für Koftüme, für Möbel, für Zimmerdeforationen jo beliebt waren, war eine verhältnid: mäßig weit größere als Heutzutage. Sowohl mit Hinfiht auf ben Wert des Materiald, wie mit Gin auf die hohen Anforderungen, die hier an die Technif geftellt wurden, galt die Seideninduftrie als die Krone aller Donufafturen. Bon fäntlichen Einfuhrartiteln in Preußen erichienen in der Handelabilanz neben den franzöfiichen Weinen die Seidenwaren mit den höchſten Summen. Nicht zum wenigften diejer Umſtand beivog den König zu dem Verſuch, gerade auf diefem Gebiet die Abhängigkeit von Frankreich, bon der Lyoner Induftrie zu burchbrechen. Klima und Natur des preukifchen

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Landes boten feinen Hinde runggund Denn, wie Hintze in dem Nebr-— bli® über bie Sei te der Seideninduftrie unumftößlich darlegt. kein Land Europas verdantte die Induſtrie nur feiner natürlichen B : pet, überall war fie eine künſtliche Schöpfung gewelen; nicht die Moͤglich⸗ eit des Seidenbaus, jondern dag politiiche und wirtichaftlicde Aufftreben der Staaten war allerorten die Urjache zu ihrer Begründung geweſen; mit der politiſhen und wirtſchaftlichen Machtentfaltung war die Seiben: induftrie von Byzanz nach Italien, von dort nach Sranfreid, Holland, England, ſogar nah Schweden und Rukland gewandert. Sie war in Sadjen und in Hamburg ein Ahr Wenn nicht auch bereits in ben übrigen Zeilen Deutichlands, jo hatte died nur an der politifchen und twirtigaftlichen Schwäche Deutichlands gelegen. Und gäbe war fie meift, zumal in Frankreich und England, mit ftaatlichen Mitteln, durch ſtaat⸗ iche Initiative und nur durch Diele geigarfen worden. Auch wo der Ceidenbau unmöglich, hatte fie Nic) entwiite t, und, wie Yeiedriche Ber: fuche zeigten, war das Klima ber Mark Brandenburg durchaus nicht um: geeignet für die Kultur des Maulbeerbaums und fir die Zucht der Seidenraupe; noch auf der Parifer Weltausftellnng von 1878 iſt die in unjerem Klima genonnene Geide als vorzüglich anerfannt worden. Die Seideninduftrie bilbete vom XILL— XVII. Jahrhundert gewiſſermaßen einen Gradmeiler für den AR und den allgemeinen Hulturzuftend der Länder. So gut wie —* und England, wie Sachſen und Ham: burg konnte und mußte auch Preußen feine Seideninduftrie fich Es war eine gewerbepolitiſche Forderung, der fi ein jo energiſch vor: wärts ftrebender Staat, wie das friebericianifche Preußen, auf Die Dauer gi nicht entziehen fonntee Die Einführung der Seideninduftrie im reußen bezeichnet den zwar nicht erften, aber enticheidenden Schritt, durch den diejes twirtfchastlich bisher zurücditehende Land wie früber politiich und militäriſch fo nun aud inbuftriel in den Wettbewerb der großen Mächte eintrat. Die Verſuche vor dem Negierungsantritt Friedrichs des Großen waren geringfügig geweien. Friedrich ſchuf aldbald nach feiner Thron: befteigung das —16 Departement des Generaldirektoriums, ein erſtes preußiſches Haude⸗ und Gewerbeminiſterium, das unter Leitung Des Mi: niſters von arfehall die Pflege der Manufalturen, u. a. die Begründung von Seidenfabrifen, fyitematifch betreiben follte. Die Hauptthätigfeit des Königs und feiner getreuen Helfer, Marſchalls und des Kaufmanns Gof- kowsty, fällt in die Friedensjahre von 1746—1756. Es wurden gelernte Ceidenweber ala Koloniften in dag Land gerufen; wohlhabende Kaufleute, zunächit auptjächlich Rejugies und Juden, wurben ermuntert, den Verlag er im hausinbuftriellen Betrieb von den Webern bergeftellten Eeibden: twaren zu übernehmen; um ben Bezug der Robjeide zu erleichtern, ward die Acciſe auf Rohſeide aufgehoben und ein ftaatliches Seidenmagazin er- richtet, das die Verforgung der Berliner Fabriken mit Rohjeide beförberte; geiftliche Stifte, Prediger und Schulmeifter auf dem Lande wurden an- gehalten, Maulbeerplantagen anzulegen und Seibenaupen zu züchten, An: weifungen für den Eeidenbau wurden unter der ländlichen Bevölkerung verteilt. Ein Schutzzoll beſchränkte die auswärtige Konkurrenz: einzelne fremde Stoffarten, die im Inlande bereit? gut hergeftellt wurden, wurben gänzlich verboten; Exportprämien wurden ausgeſeht, jpäter von Staats: wegen Stuhlgelder für jeden im Betrieb ftehenden Stuhl, jowie Borjchüffe an die Unternehmer gezahlt. Die Bevölferung mußte für die Induſtrie exit erzogen werden durch Begünftigungen und Belohnungen. Denn jo ab: geneigt Die Bauern zuerft dem ibnen fremden Seidenbau waren, fo un: erfahren waren die ftädtiichen Arbeiter in den technifchen gertigfeiten, und den Kaufleuten fehlte die Luft und der MWagemut a en toftjpieligen Unternehmungen. Obne Taatlichen Antrieb und ftaatlicde Begünſtigung war an eine? egelmdung der Induſtrie gar nicht zu denfen. Aber anderer: feits blieb der König weit davon entfernt, Die dindeimifche Konrurrenz zu

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indern und Monopole zu verleihen. Nur zur erften Einrichtung bes

ihäfts wurden Dergünftigungen erteilt. Den oriätag, einen Staats⸗ betrieb einzurichten, lehnte der König entichieden ab. Unermüdli und allerorten griff Friedrich jelbft ein, ratend und Helfend, ermunternd und neue Wege weilend. Seine perfönliche Wirkſamkeit ift nicht hoch genug anzuichlagen. Aud auf diefem Gebiet belebte und leitete er felbft das Ganze durch feinen nie ermattenden Eifer. Nicht minder wie in ber Politit und in der KHriegführung tritt Hier auf induftriellem Gebiet feine perfönliche Thätigfeit und fein ganz perfönliches Verdienſt in ben Vorder⸗ rund. Auch in focialer Hinficht orgte er für das Gewerbe und für bie rbeiter; Frauen- und Kinderarbeit wurde verboten, ebenfo die Herab⸗ drüdung des Arbeitslohne® und die beliebige Arbeitsentlaffung. Ber tleine Mann, der Arbeiter, follte durch den Staat gegen die Ausbeutung der Unternehmer fichergeftellt werben. Der König erreichte, daß ſchon im Jahre 1756 über 1000 Stühle im Betrieb ftanden. Nicht der fieben- jährige Krieg, wohl aber die nachfolgende Abſatzkriſis im Jahre 1766 zog einen erheblichen Rüdgang nad) ſich. Doc mit verboppeltem Eifer nahm jich Friedrich feiner Lieblingsſchöpfung an und brachte es fchon in ben fiebziger Sen zu einem glänzenden Aufihwung. Die ganze Energie des friedericianifchen Staates, der durch die Koncentrierung und zielbewußte Derwendung aller Kräfte dag Höchfte zu erreichen imftande war, kommt bei der Begründung und Feſtigung der Seideninduftrie deutlich zur Er⸗ iheinung. Bei Friedrichs Zode war das große und jchwere Werk voll: ftändig gelungen. Die öftlichen Provinzen waren zu einem einheitlichen Produktions- und Konfumtionsgebiet verfehmolgen, der gejamte innere Markt war gewonnen, Die Hamburger und Leipziger Konkurrenz lahm: gelegt. Noch glanzvoller entwickelte fich die blühende Induſtrie in den neunziger Jahren, wo in der Kurmark die Zahl der Stühle auf 4500, die lährlice roduftion auf jaft es Millionen Thaler ftieg. Berlin ftand bis 1806 den übrigen Seidenorten faft ebenbürtig zur Seite. Man ernte jet, erllärte Minifter Struenfee, was Friedrich gejät habe. Hanptjächlich durch die Erideninduftrie war Berlin eine bedeutende Induftrieftadt und, wie Mirabeau äußerte, die Stadt des beften Geſchmacks in Deutſchland geworben, König Friedrich Hat ungreifelhaft feinen Zweck damals erreicht, ie befte Rechtfertigung jeines Wertes liegt in den thatfächlichen Erfolgen.

Ein lehrreiches Gegenbild zu der vom Staate herborgerufenen und großgegogenen Berliner Anduftrie ftellt die Strefelder ae dar, ie ich faft ohne jedes Eingreifen des Staates entwicelt hat. Sie hat ihren Auficwung aber nicht eiwa diefer Zurücdhaltung des Staates, fondern weientlich dem bejonderen Umftande zu danken, daß fie die Erbichaft der niebergehenben holländifchen Induſtrie an fich ziehen konnte; inſofern kann ihre Entwidelung nicht ohne weiteres ala eine „ıormale*, ala die „natur: emäße“ betrachtet werden. Sie arbeitete hauptfächlich für den Erport in en Branchen, die bisher von Holland vertreten worden waren. Für die Zwede, bie Friedrich verfolgte, für die FA Julammenfaftung der öftlichen Hauptmafie ‚eines Landes, dafür konnte ihm Die weit entfernte rheiniſche Inbuſtrie in Krefeld nichts nügen. Deswegen wurde Strefeld zolpolitiich ala Ausland behandelt, aud die Krefelder Seidenwaren im öftlichen Preußen verboten. Andererfeits in Strefeld, wo die Gunft ber Lage bereits eine leiftungsfähige Induſtrie hervorgebracht hatte, ließ üriebrid eine weitgehende Handels: und Gewerbefreibeit, faft ohne jeden

ingriff des Staates, zu; er verfolgte hier eine ganz entgegengefeßte Politik als in der Kurmart. Dies ein deut icher Beweis, wie Friedrich nicht nach einem Syſtem, nicht nog der Schablone, ſondern nach den that» fählichen Verhältniſſen ſeine Maßnahmen regelte.

Wenn nun trotz der bedeutenden Erfolge, die Friedäach mit Ein: führung ber Seideninduftrie in Berlin gegen usgang des XVIII. Xahr: hunderts erzielt hat, dieſe feine Schöpfung in der Marl doch untergegangen ift, fo liegt dies nicht etwa an ber ftaatlihen Schußzollpolitif des König,

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Reue Ericheinungen. [270

fondern vielmehr daran, dab dieſe allzu fchnell, allzu unvermittelt aut: hörte und einer übermäßigen Gewerbe: und Handelsfreiheit Pla machte. Tranfreih und England haben Jahrhunderte lang ihre Seideninduftrie durch Zölle Set, und von oben her fie befördert; der jungen preußifchen Induftrie war diefer Schuß nur etwa 50 Jahre zu teil geworden; fo vie: deriprechend fie emporgewadjien war, noch war fie doch nicht jo feſt ge: wurzelt, um jeit 1806 die verwüjtenden Sriege, die völlige Geichäftäftodung, die entiegliche Berarmung des Landes, die plößliche Beſeitigung der Zunft: verfafiung und der Staatäunterftüßungen und, neben der Gewerbefreiheit. feit 1818 auch noch die fait uneingeichränfte Handelsfreiheit, ohne weiter: vertragen zu können. Der freihändlerifche Uebereifer und der fich vieljah egen das Syſtem Friedrichs regende Gegenjag hatten fein Berftändniz Fir die Echöpfung de3 Königs. Die wirtichaftlichen Anſchauungen br ſonders in der preußischen Beamtenwelt Hatten ſich fchnell gänzlich ge: ändert. Aber andererjeit3 mit der Neugeftaltung der preußiichen Monarghie waren die Hulturaufgaben des Staates auch in der That durchaus andere geworden. Seitdem ganz Preußen, aud) die Rheinprovinz mit den Seiden: induftrieftädten Krefeld und Elberfeld, zu einem einzigen ee verbunden war, feitdem die preußiihen Staatgmänner das Ziel fh ftecten, ganz Deutichland wirtichaftlid zu einen, jeitdem waren bie Borand: feßungen und SKulturaufgaben der friedericianiihen Epoche bie wirt: ſchaftliche Zufammenfafiung des Oftens der preußiichen Monarchie din: ällig geworden und damıt auch eine beſondere Induſtrie im Oſten der onarchie unnötig geworden. Jetzt konnten Krefeld und Elberfeld bie Verſorgung des ganzen Staates übernehmen. „Die friedericianiſche Schöpfung,“ urteilt Hintze, „ift eingegangen, nicht weil fie ein Werk wider die Naturgejeße menschlicher Wirtichaft geweien, jondern weil bie Dorauk* fegungen, auf denen fie begründet wurde, fich fchneller geändert haben. als ihr Urheber ahnen konnte für ein partikulariftiich abgegrenzted Preußen, wie es das 18. Jahrhundert geichaffen hat, war fie ein Bedürfnis, nicht aber für ein nationales en Wirtichaftögebiet, wie es fich ſchon in der erften Hälfte des 19. Jahrhunderts bildete.“ Aber wenn auch dieje fpezielle Schöpfung Friedrichs nicht bis zum peut en Tage gebauert hat, von einem weiteren Standpunkt betrachtet. at —** ſeine Zwecke doch dauernd erreicht. Es Hatte bisher im den verarmten aderbautreibenden Territorien des Oſtens an den Unternehmern und Arbeitern für die feineren Induſtrieen geiehtt Durch die Cinführung der Seideninduftrie, durch die Anfieblung der fremden Arbeiter, bie An lernung ber einheimifchen, durch die Unterftügung und Aufmunterung det Kaufleute zu großen gewerblichen und fommerziellen Unternehmungen, de: durch iſt zunächſt in Berlin eine techniſch geichulte beiten \chaft und ein jähige, weitblictendes, tapitalfräftiges Unternehmertum gefchaffen worden. nd dies Ergebnis iſt dauernd eimeien, einerlei ob nun Ipegiell ie Seiden⸗ induftrie fortdauerte, oder ob die Unternehmer und Arbeiter, unter der: änderten Verhältniſſen, ſich lohnenderen Gewerbözweigen zumandten Briebridh hat dauernd das erreicht, was feine Schöpfung im [eblen Gru ezweckte und nur bezwecken konnte: er hat in dem damaligen preußi irtihaftsgebiet „die probuftiven Kräfte geweckt, ohne welche bie Ent: wicelung eines induftriellen Lebens nicht möglich war.” In dieſem Rejultat darf man den Haupterfolg und ben bleibenden Erfolg der friedericianiſchen Gründung jehen. Wenn Berlin zu einer bedeutenden Induſtrieſtadt er wachſen iſt, ſo verdankt es dafür die erſte und entſcheidende re

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feinem anderen als bem Großen Könige.

Ferd. Schwill: Ueber das Verhältnis der Texte der Histoire de mei temps Friedrichs des Großen. Differtation. Freiburg 1892, Lech mann (103 ©.).

Die Frage nach dem Verhältnis der Terte ber Histoire de mon Temps, insbeſondere die frage, ob bei der Redaktion von 1775, auf

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der Redaktion von 1746, auch die ältefte, jet verlorene Saltung von 1742 mit benußt worden ift, dieje Frage war furz von Dove in feiner beutfchen geiichte, dann von Kofer und Lehmann (Hiftorifche Zeitichrift Bd. 52 ©. 385 fi. und 62, 193 ff.) berührt worden. F. Schwill, ein Ameritaner, ſucht nun in der vorliegenden Freiburger Doktordiſſertation, bie durch Hare Zispofition, emfigen Wleib, und kritiſches Geſchick ausgezeichnet ift, zu einer vollftändigen und endgültigen Löſung der Frage zu gelangen. Das Rejultat feiner Unterfuchung iſt folgendes. Die Vergleichung der Faſſungen von 1746 und 1775 zeigt, daß der König jſpäter eine gründliche ſtiliſtiſche Weber: arbeitung ſeines Manuffripts vorgenommen, dann aber auch jachliche Su: füge und Abänderungen gemacht hat, die fich als richtig, unrichtig oder nicht prüfbar erweilen. Stellt man nun die Abweichungen der beiden Dallungen in ihren beiden Zeilen, dem mit dem Jahr 1742 abjchlie: enden, Kapitel 1—7 umfaſſenden eriten Zeil und dem von diefem durch die Schlußworte „Corrige à Sans-Souei sur l'original de mes moires de 1741 et de 1742“ getrennten zweiten Zeil (Napitel 8—14) unter fich in Dergleich, fo ergiebt fich, daß der erfte Zeil eine größere und wichtigere Anzahl von Zufäken und Abänderungen auisuweilen hat ala der zweite (70 gegen 3) Diefe Bermehrung mit detaillierten Ans aben, bie auf eine mit den Ereigniſſen gleichzeitige Quelle zu beuten Nheinen, glaubt der Verf. den verloren gegangenen urfprünglichen Memoiren von 1742/43 zuichreiben zu müſſen; der König babe 1775 wieder an ber Uriprünglichtett der Mitteilungen in der älteften Faſſung Geſchmack ges funden. Unferes Erachtens? ift aber Sicheres noch immer nicht erreicht; vor allem wird Schwill niemals im einzelnen nachweifen können, in wel: chem Umfange die zeichnungen von 1742/43 im Jahre 1775 wieder zur Derwendung gelommen find. Warum foll denn gerade die Faſſun von 1742/43 wieder zu Rate gezogen worden fein, und nicht etwa au

Briefe, Akten u. ſ. w. Friedrichs bit, Aufzeichnungen feiner Generale, bei der Zafelrunde aufgerriichte Erinnerungen u. dgl. dem zu detaillierter Geſchichtſchreibung jett geneigten Könige eine bequeme Handhabe bei der Meberarbeitung im Jahre 1775 geboten haben? Um eine derartige Gegen: frage zu eliminieren, hätte alfo der Berf. zum britten Die allerdings ſchwierige Beweisführung verjuchen jollen, 7 die Zuſätze, Abände: zungen u. dgl. foldden Cuellen nicht entnommen find oder nicht entnommen fein können. F. Sauerhering.

8. TH. Gaedertz: Friedrich der Große und General Chaſot. Nach der bisher ungedrucdten Handfchrift eines Zeitgenoffen. Bremen 1893, 6. Ed. Müller (101 ©. 8°; 2 Mt.).

Es ift immer mißlich, wenn ein Nichtyachmann die Herausgabe eines rein biftorifchen Werkes unternimmt. G. ift von Haufe aus Aefthetiter, er hat Sich, wie feine früheren Arbeiten beweifen, vorwiegend mit Erzeug: niſſen der Dichtkunſt beichäftigt. Das Ziel der äfthetiichen Forſchung ift aber ein anderes als das der hiſtoriſchen: erſtere will das Schöne, letztere das Wahre ergründen. Darin, daß ©. die ihm von früher her geläufige und damals richtige Methode im vorliegenden Falle anwendete, liegt m. &. der Hauptjehler feiner Arbeit und zum Zeil ber Grund, weshalb die: jelbe von den Fachmännern fo jchroff abgelehnt wurde.

Jeder Hiftorifer weiß, mie gering ım allgemeinen bie Glaubwürdig- feit von Memoiren ift, beſonders wenn deren Verf. fich zu rechtfertigen wünſcht. Hier aber haben wir nicht einmal bie eigentli en Memoiren Chafots, eines fich von Friedrich dem Großen gekränkt fühlenden preußis hen Offiziers normannischer Abitammung vor und nach diejen Me- moiren hat &. in Kopenhagen Nachforichungen angeftellt, von denen er ein „günftiges“ Refultat erwartet (weshalb, fragt man, hat er dann nicht auch mit der ausgabe feines iehigen Buches gewartet?) jondern einen im Sabre 1797 auf Grund der Memoiren gehaltenen uud niedergeichrie:

Rene Eckbernuugen. [272

been Vortrag eines Freundes von Sharot. Echsen bie änßere Ant mar al’v efttteller. daß ums gier mr eime übe Cwelle vorliegt. Und m nmeren Kahrheit der Ergiblung ? Dei Chotufiß w:i Ebafot mit wenigen Volontaren und Bedienten 5 ieindliche Schwa⸗

m Felde geſchlagen haben: im der Rache vor Hobeniriebbrrg er nud ir Regiment rich ohne Pereht ‚Friedrich nene Uniformen der König toll mit dem Frozen won Fremden und dem Prinzen t ei ante Kuppler geipielt,

wahrkmitigteit Shatotz; &. dagegen hilt fe für „lanter” un „unträglig”

t. Er erhebt die „jo überaus foitbare Handichrift” zu einem „Hiftoriihen Tentmal erften Ranges”, mit defien Enideckung er „der Welt” eine „ebenio lehrreiche wie interertante Babe‘ dargebradht habe.

O. Herrmann.

A. Raube: Friedrichs des Großen Angriföpläne gegen Oeſterreich im

fiebenjäßrigen Kriege. Teil J. Marburger Univerfitätsprogramm 1893 (im Buchhandel: Marburg 1893, Elwert; 39 S.; 1,50 Mk.).

Neber den Feldzugsplan Friedrichs des Großen im Jahre 1757 bat fig befanntlih in neuerer Zeit eine Kontroverſe vornehmlich zwiſchen Bernhardi und feinen Anhängern einerfeit3 und Delbrück andererjeitz ent: iponnen. In der vorliegenden Schrift greift Naude in diefen Streit ein und gelangt dabei, hauptjächlich auf Grund nochmaliger Prüfung bes Pe: reits gedrudten Materials, zu neuen Grgebnijien. Naude ftimmt mit Zelbrüd injofern überein, als aud) er annimmt, daß urfprünglich im Sinne Friedrichs die ftrategifche Teienfive mit taktiicher Offenſive gelegen habe; über D. hinausgehend, weiſt er aber nach, daß die ſtrategiſche DTeienttnt nur die Vorbereitung eines größeren, umfaflenderen Projektes gernehen ſei. Die Feldzugeplan Friedrichs im Winter 175657 ſtellen ſich nach N. dat al3 eine Kombination von ftrategifcher Defenfive mit gleichzeitiger taktiſcher und fich ſpäter daran ſchließender ftrategifcher Offenfive. Der Hönig wollte zunächſt in den von den Preußen beſetzten Ländern (Sachſen, Lauſißz oder Schleſien) den Angriff ber Oefterreicher erwarten; dieſe ſtrategiſche Tefen: five follte verbunden fein mit taktifcher Offenfive, indem der König zugleih auf eine möglichſt enticheidende Schlacht drängen wollte. Errang cr dabei ben erhofften Erfolg, fo follte jich die ftrategiiche Defenfive verwandeln In eine ftrategiiche Offenfive, deren Ziel Mähren war. Erft im März 1757 ließ Friedrich diefen feinen urjprünglichen und eigenften Plan zu Guniten bes Winterfeldtichen Projektes fallen, das fich bekanntlich durch fofortigrs er Fa der Initiative und ftrategifchen Dffenfive gegen Böhmen charakb⸗ erifiert.

N. ift au dieſem Rejultate gelangt in erfter Reihe auf Grund de in der „Politifchen Korreipondenz“ veröffentlichten Cuellenzeugniffe; auch die Grfahrungen des Königs aus dem Tyeldzuge don 1744, ſowie die ın ber großen theoretiſchen Schrift über „die Generalprincipien dom Kriege” niedergelegten Anſchanungen Friedrichs hat N. zur Beweisführung heran: gr en. Aber nicht nur bei der Crörterung des Feldzugsplanes von

757 bleibt N. ftehen; ex weift vielmehr darauf hin, daß, . ſchwankend und wechſelnd auch ſcheinbar das Angriffsobjekt Friedrichs in den einzelnen

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Gaiden des fiebenjährigen Krieges geweſen ift, dennoch ein ein eitlicher ngriffsplan dem ganzen Kriege zu Grunde liegt, nämlich die Offenfive gegen Mähren. Bereits 1756, vor allem 1757 richteten ſich Friedrichs Ibfichten gegen Mähren; 1758 marjchierte er in der That in Drähren ein, und noch 1760 und 1762, als günftigere Wendungen de3 Krieges dem Könige zu geftatten fchienen, eine andere ala eine rein bdefenfive daltım einzunehmen, kehrte er zu feinen Offenfivplänen gegen Mähren zurüd. Wie fi im erften —2* Kriege die Offenſive gegen Schleſien, im zweiten gegen Böhmen richtete, ſo ward im dritten ſchleſiſchen Kriege die Offenſive gegen Mähren geplant, ohne daß man dabei freilich an dauernde Sroberungen in Mähren dachte. Als Normalfeldzug Friedrichs IL. im legten ſchleſiſchen Kriege erfcheint derjenige Zeil bes Krieges, der fi in der zweiten Hälfte des Jahres 1757 und dann 1758 abfpielte. Nach dem Scheitern des Winterfeldtichen Projettes nahm Friedrich nämlich bie Ge: danken wieder auf, Die ihn im Winter 175657 beichäftigt hatten, und brachte fie auch wirklich zur Ausführung. Beweis dafür ift, bie ftra- tegiiche Zeefenfive im Hodfommer und im Herbſt 1757 in Sadjfen, in der Lauſitz, in Schlefien und Thüringen mit den in taftifcher Offenfive eichlagenen fiegreichen Schlachten bei Roßbach und Leuthen; daran jchloß ch dann im Frühjahr 1758 die ah e Effenfive gegen Mähren; über diefe Offenfive von 1758 und über die Pläne des Königs in den Jahren 1756, 1760, 1762 ftellt R. eine weitere Abhandlung in Ausficht.

Der die in Kürze angedeutete Inhalt der Ausführungen Ns., bie, wie wir Hinzufügen wollen, auf durchaus geficherter Grundlage beruhen, genügt, um die Bedeutung der Schrift für die Veſchichie des ſiebenjaͤhrigen

rieges und Friedrichs des Großen erkennen zu laſſen. Felix Rachfahl.

Hermann Meyer: Der Plan eines evangelifchen Fürftenbundes im fiebenjährigen Kriege. Difjertation. Bonn 1893, Behrendt (85 ©.; 1 Mt.).

Kante (S. W. Bd. 31/32 und Bailleu (Hiftor. Zeitfchr. Bd. 41) beginnen befanntlich ihre Unterfuchung über den deutichen Fürſtenbund erft etwa mit dem Jahre 1780. Ter Wert, hat fich dagegen die Aufgabe geftellt, nach: zuweifen, daB Sriebeic) der Gr. bereits im Tiebenjährigen Kriege 1756 bis 1759 für das Zuſtandekommen eines ſolchen Bundes politiſch thätig ge: weſen iſt; er hat zu dieſem Zwecke außer den Vorarbeiten von Brunner (Zeitſchrift des Vereins für heil. Geſchichte und Landeskunde N. F. XII, Caſſel 1888) und von Ad. Schmidt (Befchicte der preuß.:deutichen Unions— beftrebungen, Berl. 1851) die Polit. Storrefpondenz Friedrich des Gr. (2b. —XVI) und die Aften des fünigl. Staatsarchivs zu Hannover benugen können.

Nachdem der König Friedrich bereit? am 22. Mai 1744 die Frank— furter Union zwifchen Bayern, den Höfen von Mannheim und Caſſel ges ichlofjen Hatte, fam er beim nn des fichenjährigen Krieges auf das Projekt eines Bundes deuticher und zwar, bedingt durch die Abftim: mungen auf den Regensburger Reichdtagen und Die allgemeine politifche Yage, dießmal nur evangelifcher Fürſten zurüd. Tes Königs Zweck dabei war, mit einem foldyen Bündnis auf Pine zahlreichen Gegner Ein- drud zu machen und ein Einjchreiten des Reichs zu Gunſten Defterreichs zu verhindern. Die erfte VBeranlaffung zu dieſer preuß. Unionspolitif bot der Abichluß des Bündniffes zwiſchen Leflerreih und Frankreich am 1. Mai 1756 und die Verſuche diefer Verbündeten, die von dem 1749 zum Katholizismus übergetretenen Erbprinzen von Heflen im Oftober 1754 auf Verlangen feines proteftantifchen Vaters, des Yandgrafen Wilhelm VIIL, ausgeſtellte Aſſekurationsurkunde wieder zu bejeitigen. Die Beunruhigung, welche diefe antisevangeliihen Machinationen hervorriefen, fuchte ſich

Forſchungen 4. brand. u. preuß. Geld. VII. 1. 18

nl

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Preußen nuße zu machen, indem es im ‘Mai, 1756 eine Anfrage be: treffend Bildung einer evangeliichen Union an bie Dot von Hannover, Caſſel und Gotha ergehen Ließ; jedoch war nur Heilen für dad Projekt, Hannover antwortete zurüdhaltend. Als dann nad der im Jan. 1757

egen Friedrich erlaflenen Reichöfriegserklärung über die Meyer im Ropitel III. eine eingehende Unterfuhung vom reichsrechtlichen Stanb- punkt anftellt, ohne allerding® weder in Rückſicht auf die Reichögefeke noch auf dad Herlommen eine letzte Ent] gibumg treffen zu können (vgl. auch | Thudichums Feſtſchrift, Tübingen 1892) der proteftantifche Fürftenftand, | der in der Mehrzahl gegen jene geftimmt hatte, den Beweis in Händen | gu haben glaubte, daß „man unter dem Prätext der faiferlichen Autorität | ie Reichsftände in die Privatabfichten des Wienerifchen Del zu Flechten” fuche, fchlug der Landgraf von Heilen jeinerfeit3 im April 1757 ein Bünd— ni? zwiichen Preußen, Hannover und Heilen-Gaffel vor, zu dem „no an: dere wohlgefinnte proteftantifche Fürſten“ herangezogen werden follten. Friedrich ging natürlich auf diefen Vorſchlag ein . €. XIV 518; XV 54, 69, 70, 116). Die bezüglichen diplomatifchen Berhandlungen ber nächſten Jahre wurden jedoch beeinträchtigt durch die Niederlage bei Kolin und die Konvention von Zeven; indeilen der Erlaß der Reichsacht gegen den Kurfürften von Brandenburg im Auguft 1758 madte aud das

isher zurüdhaltende Hannover der Union mehr geneigt nabefondere auf fein Betreiben fam am 29. November 1758 ein Beichluß ber evan: geliihen Stände (28 gegen 6 Bota) gegen das Reichshofratsmandat zu

tande, wodurch der Atöprogeh gegen Friedrich vereitelt wurde; zugleich billigte das hannoverſche Miniſterium die ihm am 18. Dezember 1758 von dem hannoverfchen Kommitialgefandten Gemmingen gemachten beftimmten Vorſchläge zur Union. Aber da die hannoverſchen Geheimräte in ihrem fpätern Bericht an König Georg II. die Anficht vertraten, daß Hannover durch den Abſchluß der Union nur Verpflichtungen übernehme, ohne Aus

icht auf entiprechende Vorteile, und ihr Monarch (18. Mai 1759) biefe

teinung billigte, fo erreichten damit die Verhandlungen über den prote: ftantifchen Fürſtenbund fürs erfte ohne weiteres Ergebnis ihr Ende.

F. Sauerhering.

Bolitifche Korreſpondenz Friedrichs des Broken. 20. Band. 1760—1761. (Oktober 1760 bis September 1761.) Redigiert von Dr. Kurt Zreufh von Buttlar und Dr. Otto Herrmann. Berlin 1893, U. Dunder (678 ©.).

Der neue Band der Pol. Corr. Friedrich? des Großen jebt in dem Augenblide ein, ala der König, infolge der Nachrichten von dem Anmarſch ruſſiſcher und Öfterreichifcher Korps gegen Berlin, den Entſchluß faßt aus Schleſien na) der Mark aufzubrechen. Freilich feine Hauptitadt vermag er nicht mehr zu retten, am 9. Oktober 1760 fällt Berlin in die Hände jeiner Feinde und wird das Opfer ihrer Rache. Aber kn Nahen jchredt

oh die Rufen von weiterem Vordringen ab und befreit den arg be: drängten General Püfen bon der Reichsarmee. Daun ift König Friedrich aus Schlefien gelo gt: ihn zur Schlacht zu wingen iſt Friedrichs Ent⸗ ſchlußz. Dieſe lacht ſoll entſcheiden über in a fie ſoll „alles decidieren.” In der That, es gelingt dem Könige die öfterreichiiche Armee in glänzendem Siege bei Torgau zu Boden zu werfen. Aber was er an Hoffnungen auf diefen Sieg geießt hat, wird nicht alles erfüllt. Tas efultat des Tyeldzugs von 1760 ift, bab Friedrich, troß Liegnitz und Torgau, genau auf demjelben Punkte fteht wie ein Jahr vorher. Vor allem eine Hoffnung hat FR getäufcht: er ift Durch den Torgauer Sieg dem Frieden nicht einen Schritt näher gerüdt. So muß er den Sieg nur als einen glüdlichen Zufall anfehen, der ihn vor Schlimmerem bewahrt hat. Frieden aber braucht er notwendig; er glaubt, daß die Menge feiner

eguer, dieſe „Hydra“, wie er jagt, ihn erdrüden müffe, daß er unfehlbar

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verloren ſei, wenn er noch einen (Feldzug zu beftehen habe. Er hat nicht mehr das alte fefte Vertrauen zu feinen Truppen, ihm bangt davor mit ihnen noch einmal eine ernite Schladht wagen zu müflen. Wenige Tage nad ber Schladht don Torgau regt er bei feinen Sclandten in London den Gedanken an, durch geheime Verhandlungen mit Sit einer Mittelöperfon zum Frieden zu gelangen. Er hofft, dab England fich bereit finden räht endlich den Separatfrieden mit Frankreich zu ſchließen, denn er glaubt beftimmt, daß, wenn dieje beiden Mächte erſt einig find, fie der Welt den Hrieben ebieten können. Darum drängt er immer, von neuem die eng: iſchen Miniſter zur Nachgiebigkeit, ftellt ihnen die fchlimmen Yolgen vor, die quch England aus der Fortdauer des Krieges erwachſen müſſen. Als dann die gegneriihen Mächte, auf Frankreichs Anregung, einen Schritt zum Frieden thun und einen Friedenskongreß in Augsburg vor: ſchlagen, glaubt Drerid daß nicht diefer Kongreß, ſondern die gleich- zeitig dom franzöfiſchen Hofe in Fluß gebrachten Verhandlungen in Lon: don und Paris den allgemeinen Frieden zur notwendigen Folge haben werden. zyreilidh, wenn er den Engländern mit aller Wärme zu einem Sonberfrieden rät, jo will er nicht Gefahr laufen, dabei jelbft Schaden zu leiden. Ex fordert, daß England für diefen Tyall eine formelle Kon: vention mit ihm abjchließt, fich zu beftimmten Leiftungen verpflichtet, um ihm eine thatkräftige Fortſetzung des Krieges gegen Oeſterreich zu ermög: lichen. Ueber dieſe Stonvention kommt es zwifchen Friedrich und dem englifchen Minifterium zu ernfthafter Verftimmung; Friedrich beginnt an der englifchen Aufrichtigkeit und Bundestreue zu zweifeln; in heftigen Worten macht er feinem Unwillen über die englijchen Minifter Luft. Als dann gar von der englifchen Regierung an ihn bie nt geitellt wird, ſich zu erklären, zu welchen Cpfern er für den Fall des Friedens bereit fei, brauft er auf in zorniger Entrüftung Denn immer hatte er aufs entichiedenjte betont, daß er nicht einen ut breit Erde abtreten werde. Der Brief, den er aus diefem Anlaß an Pitt richtete (am 3. Juli 1761), ift ein ee Zeugnis für feine Vaterlandsliebe, für feinen edlen Stolz, für feine Auffaflung von feiner Pflicht. Die riebendunterhanblun en zwiichen England und Frankreich führten nicht zu dem gewünfchten Sg nid; weder ein allgemeiner Waffenftillftand, noch die erjehnte Hülfe der Türken rilfen den König aus jeiner verzwei: felten Lage. Die Pforte fchloß allerdingd mit Preußen einen Treund: ichaftsvertrag, aber ehe daraus ein Schutz- und Zrußbündnis wurde, ehe die Pforte wirklich in den Krieg eingriff, fonnte das Schlimmſie geichehen jein. Auch Die Geldjummen, die Friedrich nach Schweden jandte, um feiner Echwefter eine ftarle zum Frieden geneigte Partei zu gewinnen, blieben ohne Wirkung; und wenn er im ade 1761 wiederum den Verſuch macht, durch einen geheimen Emiſſär die leitenden Perjönlichkeiten in Petersburg zu beftechen, fo gefteht er jelbft ein, daß dazu feine ernftliche Ausficht ſei. So mußte der Feldzug von 1761 noch durchgeführt werben, und es war nicht der Iehte des Strieges. Mit ein paar glüdlichen Treffen in Thüringen nahm der Treldzug einen guten Anfang. In Schleſien aber geitaltete er fich zu einer Reihe von mühjamen, aufreibenden Opera: tionen, deren Biel war, die Vereinigung der Ruflen und Lefterreicher zu vereiteln. In Oberfchlefien gelang dies der überaus geſchickten Kriegs— führung bes Königs. (Gerade hierfür giebt der neue Band ein reiches Material.) In Nieberichlefien aber ging die Vereinigung doch vor Sid), und im Lager von Bunzelwik erwartete yriedrich den gemeinfamen An: griff der beiden Armeen. Aber der Angriff erfolgte nicht. Ganz über: rafchend kam die Nachricht, daß die Ruflen nach Polen abzögen. Ten Abziehenden brachte die fühne Expedition des Generals Platen nach Poſen nod empfindliche Berlufte bei. Der König atmete auf. Er ahnte nicht, daß ihm ein jchwerer Schlag bevorftand. Mit dem 30. September 1761 ichließt diefer Band, am 1. Oktober fiel Schweidnig. Und noch tiefer mußte Friedrich den Kelch der Bitternis leeren. Am 16. Tezember fapi:

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Reue Ericheinungen. [276

tulierte Colberg; es folgte die Löſung des Bündniſſes mit England. Aber die erften Monate des Jahres 1762 brachten die enticheidende glüd: liche Wendung. Am 5. Januar ftarb die Zarin Eliſabeth. Aus erbit:

terten Gegnern wurden die Ruſſen zu Bundesgenoffen. ; Kur Treusch von Buttlar.

Jenny von der Ofen: Luiſe Dorsihee, Herzogin von Sachſen⸗Gotha. 1732—1767. Dit Benugung archivalifchen Materials. Mit ſechs Bildniffen. Leipzig 1893, Breitlopf u. Härtel (VIII u. 428 S.; 7,50 Mt.).

Tie geiftreiche und anmutige Fürſtin, an deren lebensfreudigen Hof uns dies überaus ansprechende Buch führt, hat He mehr ala einer Rich— tung hin eine nıcht unbedeutende Rolle in der Gefchichte der Auftlärungs: zeit gejpielt; gar mannigjaltig find die Geltalten, die an dem fleinen Hofe aus: und eingehen, Gotter und Graf Manteuffel, Boltaire, Grimm und riedrich der Große haben das gaftlihe Gotha aufgeſucht, mit ihnen allen und mit anderen führenden Gerftern jteht „die Schülerin Molfs” ın anregendem Briefwechjel: fie gehört zu den jeltenen Frauen, welche fich einen Freundeskreis von bedeutenden Männern durch ıhr eigenes geiftiges Intereſſe zu Schaffen, durch den Zauber ihrer Perjönlichkeit Rn erbalten wiſſen. So finden wir in diefem Buche einen wertvollen Veitrag zur

eiltigen Geſchichte des vorigen Jahrhunderts. Aber neben der erniten und der Beſchäftigung mit ſchöngeiſtigen Dingen hatte dieſe ürſtin auch Sinn für die liebenswürdigen Spielereien des maskenfrohen Zeitalters: kulturhiftoriſch intereſſant iſt die Schilderung des Eremiten: ordens mit der Parole „Vive la joie“. Auch an der politifchen Ge: chichte der Zeit au Luiſe Torothee ihren Anteil gehabt, jo bat fe tiedrichs des Großen geheime Korreipondenz nach Frankreich in der Zeit es großen Krieges vermittelt, fie hat die Sendung Edelsheims nach Paris im Jahr 1760 ins Werk geſetzt u. |. w. Daneben lernen wir fie fernen in ihrer Fürſorge für das Ländehen, das ihr Gemahl beherrichte, und in ihrem Haufe als treue Mutter, die für die Erziehung ihrer Kinder die höchſten Geſichtspunkte aufftellt. Das Buch ift die Frucht von lang: jährigen Studien, die mit Fleiß und liebevoller Hingebung gemacht find, aus den Archiven von Berlin und Dresden, vor allem natürlih aus dem Gothaer Archiv ift das reiche Material zufammengetragen. In beſchei⸗ derter Form führt es uns die Verfaſſerin vor: fie läßt die Dergogin und ihre Freunde jelbft jprechen; Brief reiht fi) an Brief, ſie beichränft fi auf meift furze vermittelnde Zwiſchenbemerkungen. Das hat den Vorteil, daß man die Perfönlichkeiten aus dem Kreife Luiſe Dorotheens unmittels barer kennen lernt; aber es bat den Nachteil, dab die Ueberſichtlichkeit ver⸗ loren geht daß der Lejer erſt jelbft aus dem bunten Durcheinander der Briefe das Wichtige herausfuchen muß, und daß dabei das viele Gleichgiltige und Diinderwertige, das einem in den Weg kommt, ermüdet. Leider hat die Verfaſſerin, wenn fie deutiche Zexte citiert, häufig unterlafien, die Anz führungöftriche Hinzuzufeßen, fo daß man an manchen Stellen nicht weiß, ob fie citiert oder erzählt, zumal fie aus Vorliebe für altertümliche Orthographie fie nennt dies den Staub auf den ee ine agein und will die „zarte Piyche” der originalen Wortichreibung bewahren Sich jelbft angewöhnt hat alte Schreibformen („jey”, „Freyherr“) zu ebrauchden. Aber troß diefer Erjchwerung der Lektüre muß man der Ber afferin für die hübſche und ee abe dankbar fein. Ber Abdrud der Briefe läßt, jo weit ich ihn Habe nachprüfen können, nichts zu wünſchen übrig. Kurt Treusch von Buttlar.

277] Neue Ericheinungen. 977

Konrad Wntle: Tie Berforgung Schlefiens mit Salz (1772—1790), vornehmlich Siedfalz, künſtlichem und englifchem Steinfalz durch Halle, Großen-Salte und die Kal. Seehandlung. Berlin 1894, Stargarbt (135 ©.).

Der Verf. de3 vorliegenden Buches, der fich fchon mehrfach mit dem Salzweien Schleſiens beichäftigt hat, giebt in feiner Arbeit ein Bild der Verſuche, das polnifche Steinjalz aus Schlefien zu verdrängen. Für Sölefien war das Gteinjalz, wegen der Nähe von Wielikfa von großer Bedeutung, welche noch befonderd daburch gefteigent wurde, daß man ın dem polniſchen Steinfalze das befte Mittel gegen Viehſeuchen und für Verfeinerung der Wolle Jah, jo daß Friedrich der Grobe es im Jahre 1769 in fäntlichen Provinzen einführte und Su den Gebrauch desjelben bei Viehkrankheiten mehrfach zurüdtam. Um diejes für Schlefien jo wich: tige Salz aus dem Inlande zu beziehen und zu gleicher Zeit den not: leidenden ſächſiſchen Pfännerſchaften einen neuen Erwerbszweig zu fchaffen, wurden unter Seitung des Minifterd von Heinig jahrelange Verſuche an: geftellt, künſtliches Steinfalz zu verfertigen. Dieſe Berfuche mißlangen aber alle; ala Erfatz für die aufgewandten Koften wurde der adligen x fännerichaft u Großen Salztze jährlih ein Quantum Siedſalz abgenommen. benjo verjuchte die Seehandlung, welche ſich mit der Enfübrung des englifchen Steinjalge befaßte, das Wieligfaer Steinfalz aus Schlefien zu verdrängen. Aber auch diefe Verſuche Ale auf die Dauer feinen Er- folg, weil da3 Salzweſen in den preußiichen Staaten nicht einheitlich eregelt war, und man in Schlefien der Einführung des engliichen Stein: —** abhold war.

Die Arbeit iſt ein dankenswerter Beitrag Er Kunde de3 fchlefiichen Salzweſens, obwohl die eigentliche Verforgung Cchlefiend mit Salz durch das Salzdepartement nur ee wird. Die Verfuche der länneriaft u Großen Salte, welche auf Betehl des Minifterd von Hein durch das Bergiwerfsdepartement geleitet und nur durch erhebliche Staatszuſchüſſe ermöglicht wurden, zeigen von neuem die patriotijchen Abfichten diefes trefflichen, noch zu wenig befannten Minifterd. Die Arbeit beweift uns aber auch, beſonders burch Die Berhanblungen der Minifter von Heinik und von Per: den Nachteil, dab das Salzweien nicht wie das Berg: weien in antlichen rovinzen der Monarchie einheitlich geleitet wurde. Tie ſchleſiſche O! Fi zkaſſe ftand nicht unter dem Salzdepartement; für fie war, weil Schlefien fein Salz produzierte, nur das fiskaliſche Intereſſe maßgebend, während dem Salzdepartement, neben einer günftigen Ein- nahme für den Staatsfädel, eine Leiftungafähige Anduftrie am Herzen lag. Es war daher naturgemäß, dab viele Neibereien zwijchen dem Salz— departement und dem Miniſter für Schlejien vorfielen, welche meiſtens erft durch den Machtſpruch des Königs gefchlichtet werden mußten.

Meniger glüdlich ift der Verf. mit der Tarftellung der Notlage der Piännerichaften zu Halle und Großen Salbe geweien, ones bei Halle ind die Berhandlungen über die Reorganifation der Prännerichaft und der Kampf der Pfänner mit ihren Arbeitern, den Salzwirfern, welcher Sahrzehnte hindurch gedauert hat, nicht in Rückſicht gezogen. Dieſer Teil der Arbeit ließe ich Duxch die im Gcheimen Staatsarchiv zu Berlin be: findlicden Atten des Salzdepartements leicht ergänzen und berichtigen.

A. Schwemann.

€. Fromm: Immannel Sant und die Preußiſche Genjur. Nebit Heineren Beiträgen zur Lebensgeſchichte Kante. Hamburg u. Leipzig 1894, 2. Boß (VI u. 64 ©.).

278 Neue Erfcheinungen. [378

G. Krauſe: Gottſched und Flottwell, die Begründer der Deutfchen GSejellichaft in Königsberg. Feſtſchrift zur Erinnerung an das 150= jährige Beitehen der Königlichen Deutfchen Gefellichait zu Königsberg in Preußen. Leipzig 1893, Dunder u. Humblot (IX u. 292 S.; 6 Mk.).

Der Berf. der obigen zyeitichrift, eines Buches ber Ichönften Klein» malerei, hat ſowohl durch ſeine Taritellung, wie durch ben beigefügten Briefwechiel der an der Spitze des Titels ftebenden Männer den Schleier gelüftet über die zu Königsberg um die Mitte des borigen ee ob- waltenden bolitiichen, Litterarifchen und gejellichaftlichen Zuftände.. Der barftellende Zeil des Buches (S. 1— 128) behandelt zunächſt die Entftehung. die elusgeftaltung und die eriten Schidfale der Gefellicaft bis zu Ihrer Auflöfung in ber Zeit der xuffiichen Herrichaft in Preußen (1758; 1766 wurde fie wieder eröffnet), Urfprünglich eine rein akademiſch-ſeminariſtiſche, unter der Leitung eines Dozenten ftehende Bereinigung, welche den Zweck Hatte, ihren ſtudentiſchen Zeilnehmern einen geichieten, gewandten, freien @e: brauch) der deutjchen Sprache zu rigen zu machen, wie es deren damals dem Zuge der Zeit gemäß an vielen deutjchen Univerfitäten gab, ſah id) die Koͤnigsberger deuiſche Gejellichaft durch ihren Leiter, den äußerft ftreb» famen, philofophifch geichulten und vielfeitig gebildeten, darım audy, zu— mal nach dem Maße der Zeit gemeilen, höhere Intereſſen verfolgenden Göleftin ‚plottweil, bald in den Stand geſetzt, ihre Schwefteranftalten zu überflügeln. Die königliche Beltätigung ficherte ihre Dauer, die leihung von Mitgliedsdiplomen verichiedener Grade an Einheimiſche und mehr noch an Fremde führte fie aus dem engen Sreife des alabemi Hörſaales weit hinaus; der engſte Anſchluß, die innigſte Freundſchaft, Die überzeugtefte Hingabe und Unterordnung Flottwells feinem „Meifter” und „Bater” Gottiched gegenüber veranlaßte diefen, je mehr fein Litterariiches Anſehen jonft dahinjank, gerade feine Königsberger „Zochter" zu jtüßen und hochzuhalten. Belehrender noch und zugleich höchſt intereflant find die übrigen, die größere arte der Darftelung ausmachenden Partien, welche uns jo recht ın das Denken, Veben und Treiben der höheren Geſellſchafts⸗ freife Königsbergs einführen, und eben hierfür bietet der Brieftwechtel mit den überaus reichen und dankenswerten Anmerkungen des Bearbeiters lehr: reiche Ergänzung. Wer Briefe jener Zeit richtig derftehen und auf ihren wahren Kern würdigen will, darf an dem in MWeberfluß vorhandenen

opfig⸗ſteiſen Floskelwerk keinen Anſtoß nehmen; ganz ıfo ift es mit ben en en jener Zeit: fieht man an dem uns fchon faſt lächerlich anmuten⸗ den Außenwerk vorbei, jo wird man leicht gewahr, dab fie nicht blo auch glei) und Menſchen von TFleifch und Blut geweſen find, fondern da fie auch in ihrem Streben nach höheren Zielen den Menfchen von heute faum nachgeſtanden paben. Dieſes gerade erfennen zu ln ift dem Ber faſſer nicht troß, fondern eben, jcheint mir, wegen der maßvollen Vorliebe für feine Helden, Die er zu verbergen fi) gar nicht die Mühe giebt, auf das Zrefflichite gelungen. Nur zwei Punkte möchte ich da erwähnen, die jo recht geeignet find, alte irrige Vorftellungen zu vernichten. Wieder: holentlich erhalten wir Gelegenheit, die überaus rege und volllommen ver: ftändnnisvolle Teilnahme vor allem Flottwells und ganz ebenfo Gottſcheds an den politifchen Creignifien, zumal während der ſch enfhen Kriege, zu beobachten, faft zu bewundern. Und weiter fei ınabeiondere auf den 7. Abſchnitt aufmerffam gemacht, der und einen fo reigenden Blid auf

das Familienleben der hier in Betracht fommenden Kreiſe gewährt und auch dort ſchon eine Frauenfrage und einen Verſuch ihrer praftifchen Söfung kennen Ichrt. Auch der Gegenfak zwiſchen Wolfianismus und

Pietismus, die Berhältniffe bei der Univerfität, die Berührungen des Theaters mit den Beitrebungen Gottſcheds mögen noch wenigftens erwähnt werden. Bon den in Xeipzig vorhandenen 22 Folianten ber Gott- ſchedſchen Brieffammlung hat der Verf. wenigſtens einen guten Zeil durch⸗

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arbeiten müflen, bazı die reichen Akten der Gejellichaft jelbft und der Königsberger Univerfität, endlich eine jeher umpfafjende gedrudte Litte⸗ ratur, wovon zumal die Anmerkungen zum Briefmeggie! in jeder Zeile ya nis ablegen. Der vom Auguft 1743 bi3 zum Juli 1752 reichende riefwechſel enthält 17 wörtlich abgedructe Briefe Gottſcheds, welche die deutſche Geſellſchaft aufbewahrt, und 16 Hin und wieder etwas gekürzte Briefe Flottwells. Ein Regiſter, in welchem ich Übrigens Kaſpar Schoppe, Scioppius und Scoptica (S. 178) vermiffe, ſchließt das vers dienftvolle Buch. Lohmeyer.

Ditsfar Lorenz: Goethes politifche Lehrjahre. Ein in der VIIT. General- verfammlung der Goethegeſellſchaft gehaltener und erweiterter Vortrag mit Anmerlungen, Zufäßen und einem Anhang: Goethe ala Hiftorifer. Berlin 1893, W. Herb (3 Mk.).

Ueber ben Bortrag und über die Anficht von Lorenz, dat Goethe ala ein Urheber de deutichen Fürſtenbundes anzujehen fei, vgl. die ausführs lihen Tarlegungen von Bailleu in der Situn des Vereins für Geſchichte

der Mark Brandenburg vom 10. Januar (abgedruckt im folgenden Heft der „Forſchungen?, VII, 2).

Kriegägeichichtliche Einzelſchriften. Herausgeg. vom Großen General« ftab, Abteilung für Kriegsgeſchiche. Heit 16: Pirmafens und Kaijerslautern. Eine Erinnerung an dad Jahr 1798. Berlin 1898, €. S. Mittler u. Sohn (S. 275— 397).

Die Schlacht bei Kaiſerslantern am 28. 29. und 30. November 1798, jowie Bericht über die Gefechte bei Kaiferdlautern am 23. Mai und 18.—20. September 1794. Zufammengeftellt von %. 8. Kaiſers⸗ lautern 1898, &. Thieme (52 u. 16 ©.).

Die Schlacht bei Ktaiſerslautern am 28., 29., 30. November 1798. Geſchildert von einem Militär auf Grund autbentifcher Quellen. Kaiferslautern 1898, E. Crufius (62 S. mit 3 Mbbildungen; 0,30 ME).

Reben, gehalten bei der Erbhuldigung Südprenkens zu Poſen am 7. Mai 1793. Zur Erinnerung an die eindundertjährige Wiederlehr des Huldi⸗ gungstages, Herausgegeben von Franz Schwart. Poſen 1893, Merzbad (15 ©.).

Neudrud der 1793 ala Flugblätter gedrudten, aber überaus felten

gewordenen Reden des Juftizminifter® von Danckelmann jowie der Ber: treter der Geiftlichkeit und des Adels von Gneſen, Pofen und Eujavien.

Semran: Gedenlſchrift zur hundertjährigen Feier der Bereinigung Thorns mit dem Königreiche Preußen. („Mitteilungen des Kopperikns⸗ verein für MWiffenfchaft und Kunft. VIII Heſt.“) Thorn 1898, Schwark (91 S.; 2 Mt.).

Der Hauptteil diejer Feſtſchrift (S. 3—44) enthält einen Vortrag des Herausgebers, der „feine erihöpfende Tarftellung ber Zeit von 1770 bis 1793 geben will, aber beanfprucht die weſentlichſten Fragen und Intereſſen, welche in jener Zeit die Bewohner unferer Stadt bewegten, erörtert zu haben.“ Zie hübjche Arbeit beruht ganz und gar auf Archivalien, borzugd: weife auf Briefen und anderen uheidhnungen maßgebender mitwirtenber

280 Neue Erſcheinungen. [280 |

Perjönlichleiten (Bürgermeifter, Stadtjekretär u. |. w.). Dann rolgen uerſt zwei Briefe des Ratmannes Geret, des Reſidenten der Stadt in arthau, aus dem Jahre 1784, endlich eine recht belehrende Schrift „über den gegen: wärtigen Zuftand der Stadt Thorn“ aus den Jahren 1784'86.

Lohmeyer.

Hermann Ehrendberg: Geſchichte der Kunſt im Gebiete der Provinz Poſen. (Sonderabdrud der Zeitjchrift für Bauweſen, Jahrg. 1893). Berlin 1893, Wild. Ernft u. Sohn (VIII u. 204 ©.; 8 Mt.).

Ter Verß welcher früher fünf Jahre in Poſen als Archivar thaͤtig geweſen iſt und zu den Begründern und eifrigſten Mitarbeitern der dortigen zipiltor. Geſellſch.“ für die Provinz Poſen gehört hat, legt in obigem

erfe das Ergebnis zehnjährigen, emfigen Fleikes vor. Waren bie Jahre des Aufenthaltes in der Provinz zunächſt dem Studium der Denkmäler jelbft und der Durcharbeitung der Pofener en gewidmet , To hat der Berf. in fpäterer Zeit die fich ihm reichlich bietende Gelegenheit be nußt, das bis dahin gewonnene Material durch joldyes aus anderen Archiven Ri ergänzen. Daneben aber hat er auch die einfohtä ige Litteratur aller in Betradyt fommenden Sprachen, nicht nur der deutichen und pol: nifchen, durchforfcht, jo daß in diefem Punkte eine faſt abfolute Bol: fänbigfeit erreicht fein dürfte.

a3 den materiellen Inhalt des Werkes anbelangt, die Schilderung

der Entwidelung der Kunſt und des Kunftgewerbes im Mittelalter unter im wejentlichen rein deutichen Einflüffen, darauf bes mächtigen Cinbringen der italienischen Renaiffance im 16. Jahrhundert, und endlich der wicelung der nächſten Jahrhunderte unter Einwirkung fowohl deutſchet wie italienischer, daneben dann audy polnischer Künftler, jo dürften diele Grundzüge den wenigen Eingeweibten ja aus ihren eigenen Studien viel: leicht mehr oder minder bruchſtückweiſe befannt fein: irgendiwie im Zu: fammenhange aber und ausführlicher behandelt, ja auch nur mit fol Klarheit überhaupt öffentlich ausgeſprochen det fie bisher niemand. Ties Verdienft darf der Verf. unbeftritten für ſich in Anfpruch I Daß er durch fortlaufende Zrifügung des kritiſchen Materials, einerſeits in An: merkungen mit Verweiſen auf die Litteratur und auf Archivalien, anderer: feit3 durch Beigabe ungedruckter Urkunden in den Beilagen eine genaue Kontrolle feiner Ausführungen geftattet, muß als befonders wertvoll an: geſehen werden.

63 unterliegt ja feinem Zweifel, daß jpätere Spezialunterfuchungen, insbefondere die jekt im Gang befindliche Inventariſierung der Kunf: denfmäler in betreff mancher Cinzelheiten teilweiſe andere Nejultate zu Tage fördern werden, ala es in obigem Werke geſchieht. Das Gejamtbild aber, wie Ehrenberg e3 hier zum erſten Male entworfen hat, wird ın irgend welchen weientlichen Bunften feine Aenderung mehr erleiden können. In diefer Hinfiht wird die Chrenbergfche Arbeit ftet3 dauernden Wert und ihre grundlegende Bedeutung behalten. Franz Schwartz (Posen).

M. Lehmann: Preußen und die Tatholifche Kirche. Bd. VII. [Aud u. d. Titel: Publikationen a. d. Preuß. Staatzardhiven, Bd. 56.] Schlußband. Leipzig 1894, Hirzel (880 ©.).

Bolitifche Korreipondenz Karl Friedrichsß von Baden. 1788—1806. Herausgegeben don der Badifchen Hiftorifchen Kommiſſion, bearbeitet von B. Erdmannsdörffer und 8. Obfer. Dritter Band (1797—1801). Bearbeitet von 8. Objer. Heidelberg 1893, Winter (LXI u. 440 ©.; 16 Mt.).

Der dritte Band der Korreſpondenz Karl Friedrichs behandelt die Politit Badens in der Zeit des Naftadter Kongreſſes und des Krieges der

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zweiten Koalition gegen Frankreich. Die äußere Behandlung und Grup: Diezung des Stoffes ıft auch in dieſem von K. Objer beforgten Bande die: elbe geblieben, wie fie Erdmannsdörffer für die beiden eriten gewählt hat. Auch diefes Mal reicht die Bedeutung der veröffentlichten Aften weit über das Gebiet der badifchen Geſchichte hinaus.

Wenn fie gleihmwohl nicht eben viele Berührungspunkte mit der ee Preußens enthalten, jo ‚Liegt der Grund doch Ha nur in der Beſchränkung der preußifchen Politik jener Jahre. Preußen hielt fich, wie man weiß, lit dem „ale Frieden don den großen Welthändeln fern, dem Kriege der zweiten Koalition hat es hinter Feiner Demarlations- linie unthätig ugeſchaut Und gerade dadurch hat es auch wieder dazu beigetragen, dab er Portgraf von Baden zu er vielfach ſo undeutſchen Politik gezwungen ward, die uns aus dieſen Akten entgegentritt.

Auf dem Naſtadter Kongreſſe hat Baden aus zwei Urſachen eine nicht unbedeutende Rolle geſpielt; als eines der 10 Ricgueder der Reichs⸗ deputation und ferner, weil der Kongreßort, einſt die Reſidenz des glor— reichen Markgrafen Ludwig, in badiſchen Landen lag. Schon vor der Er: öffnung des Hongrefies war es den badiichen Tiplomaten Klar, daß ein freier Entichluß nicht mehr möglich, daß die Reichsdeputation nur ad audiendam sententiam berufen jei. Und jet erfchien Bonaparte und legte ihnen die Grundſätze einer Politik dar, wie fie wenige jahre jpäter zur Richtichnur genommen worden ift: das ul der großen Staaten richte ich nad) den geographiichen Verhältniſſen. Frankreich wolle nicht, dat die Lleineren Staaten Deutſchlands von den größeren verjchlungen werden. Lefterreich und Preußen feien den fleineren Reichsſtänden gleich efährlich; Frankreich aber fer „ihr natürlicher Cchußgeift und Advofat um Feines eigenen Intereſſes willen.“

Tie traurige Aufgabe des Kongreſſes offenbarte ſich ſchon bei den erften Verhandlungen über die Bafis des zu fehließenden Friedens. Die Franzoſen forderten mit aller Schroffheit die Abtretung des linten Rhein: uſers; jedem geringeren Angebote Degegneten fie mit der Drohung der Wiedereröffnung des Krieges oder der Ausbreitung der Revolution auf das rechte Rheinufer. Nach dem Borangegangenen konnte es ſich denn auch eigentlich um nichts anderes handeln, als wie man da3 Notwendige mit dem beiten Anftande thun könne. Tarum das Angebot des halben linfen Rheinufer8 oder de3 ganzen, aber mit Ausnahme des Erzbistums Köln. as linke Rheinufer, fagte Er a Va jet wie ein hübſches Mädchen, das ſich nicht bei ber erften Aufforderung ergeben fünne. Aber der Franzoſe Treilhard erwiderte barjch, fie verftänden jeßt feinen Scher mehr. Baden? Haltung im Diefer Frage war übrigens fo, wie Franfreid fie nicht beiler wünfchen konnte. Als die Deputation noch beim Angebote des halben Linfen Rheinufer® beharrte, beantragte Baden jchon die Ab: tretung des ganzen. Am 9. März 1798 ward in dieſem Sinne entjchieden und damit „ein Abtritt don Landen beträchtlicher als manches Königreich“ beichlojjen.

Alsbald forderten num die Franzoſen ala zweite Friedensbaſis Die Annahme des Säkulariſationsprinzips. Es ging damit nicht anders, als mit der erften; auch Baden trat wieder daflır ein. Wie hätte ed aud) anders fein follen, da Preußen erklärte, e3 würde jelbit im Falle feiner Zeilnahme an einem neuen Kriege für die „Jüdlichen Erbfürften“ nichts thun können, und dieſen riet, fich Lieber Frankreich in die Arme zu werfen, ala einen Angriff zu wagen.

Als im Jahre 1799 der Krieg von neuem begann, löſte fich der Raftadter Kongreß. der anfangs jelbjt nach der Abberufung des kaiſerlichen Bevollmächtigten feine Verhandlungen noch fortgefebt hatte, allmählich auf. Und nun gejchah bei der Abreife der franzöfiichen Diplomaten die furcht: barfte Berlegung des Völkerrecht?, der Gejandtenmord. Dan fennt die mannigfachen Vermutungen über die Urheberſchaſt des Verbrechens, bie doch mit Beftimmtheit noch niemandem aufgebürdet werden fonnte. Auch

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Yar Frnemumger [282

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3. v. Tresen: Unerisst und Jene. 2 Bände, davon 1 Band Beiazen. Mit 16 Karı:z. Durzoner 1893, Helwing (X und 452 S., 202 2. gr. 8°; 20 Mei

Zer Uzirzzez NE ae. surmrihen Staates ift in der neueften Zeit wierzizz wieztet worden 4:2 ı% das umiafiende Merk von Lettoiw: Vorbec 2:5: beendet, ed sa Srınst ums ein anderer Militärichriftfteller e:ne nere Zartteiany der Kunurieriguite dei Unglücksjahres entgegen Als des Paz va Yertcm erikiez. war Zunemfelds Arbeit bereits voll: endet, to detß er damen unmtrteitaren Vorgänger nur noch in einigen Nechtrigen bexrzen fazate Auf eine Einleitung, die, faft ausſchließüch eu? Hiurer end TreitSte benerend, eine wenig überfichtliche und im ein: zelnen nıtt feisem criechtbare Tarficiung der Sabre 1795 1806 enthält, tolgt eine furzge Schilderung des preußischen, ſächſiſchen und franzöfikchen Heeres, hierauf die Beſchteibung der Maßregeln auf fran ofilder und preusiicher Seite. Bon dem Beginne der Feindſeligkeiten an (8. X.) werben alle Norgänge tagewerie aufs genaneite dargelegt. Treuenfeld reiht bie Beiehle der Feldherren, die Märiche der Truppen an einander, und if dabrı nicht jelten ausführlicher als Lettow, den er freilich an Klarheit der Zaritellung bei weitem nicht erreicht. Auch die lehrreichen Betrachtungen dieies Forſchers fehlen bei Tr. jaft gänzlich. Die allgemeine Anſchauung ift diefelbe wie bei Lettow: beide erflären die preußiiche Armee für ver altet und die Führung für unfähig, und beide finden auch in ber fan zöfiſchen Armee gewiſſe Mängel, z. 2. in der Pefehläerteilung. Hin und wieder weicht Zr. von Lettow ab; fo hat er namentlich deſſen Schilderung der Vorgänge im Hohenloheſchen Hauptquartier am 9. Okiober berichtigt. An anderen Stellen fann man ihm dagegen nicht zuftimmen: die abs ſprechende Beurteilung Kalckreuths, die e ganz an Lehmann anſchließt, ift nach Lettows Ausführungen offenbar ungeredhtfertigt. Milde und vor: fihtig ift Tr.s Urteil überhaupt keineswegs; fo ift es im höchften Grade ungerecht, wen er Rüchel tadelt, daß er zu fpät auf dem Jenaer Schlaqt⸗ felde eingetroffen fei und Hinzufügt, daß ber General nach dem Frieden von der Unterfuchun stommiffon nit zur Rechenichaft gejogen ei, er⸗ innere bedenklich an das Sprichwort von den großen und tleinen Dieben. Abgefehen davon, daß man der Unterfuchungstommilfion gewiß nicht Neigung zur Nachficht vorwerfen kann, konnte Rüchel gar nicht früher a dem Schlachtfelde een: da ihm der Befehl zum Abmarjch zu | uging (vgl. Telbrüd, Preuß. Jahrbb. Bd. 68 ©. 758). An berglei

tigen ließe fich in dem Buche noch mancherlei berichtigen. G. Roloff oft.

wifchen ja eine neue Erörterung derfelben fchon begonnen. Vergl.

1) In Jeitſchrift —* bie Geſchichte des Oberrheins, N. F. XL 49 fl.

288] Neue Ericheinungen. 283

O. v. Lettow-Borbed: Der Krieg von 1806 und 1807. 3. Band, Der Feldzug in Polen. Mit 1 Weberfichtälarte und 8 Skizzen. Berlin 1893, E. S. Mittler u. Sohn (XV u. 209 ©.; 5 Mt.).

Eo große welterfchütternde Ereigniffe wie die beiden erften!) fchildert ber dritte Band nicht; weder große Schlachten noch Berfolgungen, fondern Märiche, Berpflegungsmaßregeln, Kleine Scharmüßel und diplomatifche Verhandlungen füllen die eben Wochen vom 20. November bis 14. Januar, die der vorliegende Band umfaht. Wie in der vorhergehenden Zeit herricht auf feangöfilcier Seite Energie und Entichloffenheit, auf der anderen Zer⸗ jahrenheit und Ratlofigkeit, die da3 den Franzoſen ungünftige Gefecht von Pultust die einzige größere Aktion der Periode nicht zu benutzen verftanden. Auf die Einzelheiten der Darſtellung einzugehen, müfjen wir ung verfagen; wir begnügen und hervorzuheben, dat Lettow dieſe Dinge mit gewohnter Srümblichfeit und Sachkunde behandelt und namentlich Napoleons Sorge für die VBerproviantierung und Verſtärkung feiner Armee vorzüglich Far aha

Nur einen Punkt wollen wir näher betrachten. Lettow legt be: fonderen Wert auf die tyeftftellung der Stärke der franzöfifchen Armee. Er wendet fih da gegen die von Glaufewit begründete und von der Gelehrten: welt acceptierte Anſchauung, dat Napoleon fi) auf die ganze Volkskraft geftüßt und viel größere Heere, ala die früheren Feldherren, 3. B. Friedrich der Große, ins Feld geftellt de Tem gegenüber weilt er nad, daß Napoleon feineswegs unbeichränft über Die ganze Wehrkraft Frant: reichs gebot. fondern nur einen Bruchteil der Mehrfähtgen ausheben onnte. Daher war auch fein Heer im Herbft 1806 nur wenig ftärfer, als das

riedrichs 1756. So meit können wir Lettom zuftimmen, nicht aber ben olgerungen, bie er aus dieſem Verhältnis zieht, indem er die Verſchieden⸗ eit der Friebericianifchen Strategie, die nur auf die Offupation eines ges ringen Gebietes aus ing, und der napoleonifchen, die ben Krieg im Fluge von der Saale nach er Weichſel trug, zu erklären ſucht. Er meint, Friedrich habe zwar wie Napoleon das wahre Weſen der Schlacht erfannt und bie Nieberwerfung des Gegners eritrebt, ſei aber zu jehr Kind feiner Fr geweſen, um die Feſſeln der Magazinverpflegung und der übrigen ategifchen Meberlieferungen, die nur zum Zeil durch die Zuſammenſetzun des Heeres begründet gewefen jeien, abzuſtreifen und riüdfichtslos na jenen Grundjäßen zu handeln. Zieje Erklärung würde Friedrich aus ber eihe der großen Feldherren aa denn fie würde bedeuten, daß ihn Mangel an Einficht oder Kraft hinderte, das als richtig Erkannte auszu: führen. Aber die Erklärung ift unrichtig. Zunächft erhebt ſich Friedrich in ſeiner theoretiſchen Erkenntnis der Schlacht und des Krieges nicht über ſeine Zeitgenoſſen; Feuquières & B. vertritt im großen und ganzen Dies felben Grundfäße (vgl. Jähns, Geſch. der Kriegswiſſ. Ab. III, meine Aus: führungen in der Allgemeinen a8: 1892 Beilage 16, Hofer, Friedrich d. Gr. E. 551). Ferner aber überfieht Lettow, daß Napoleon über ganz andere Mittel gebot ala Friedrich. Allerdings war Napoleon bei Jena nur weni ſtärker ala Friedrich 50 De früher, aber Napoleon konnte, wie 8. jelb ausführt, alljährli” mehr ala 50000 Franzoſen neu ausheben und fein im Felde ftehendes Heer fortwährend verftärfen, Friedrich hatte dagegen während des Feldzuges fat nie Gelegenheit, feinem Heere Rekruten zuzus führen. So vergrößerte fich aug Napoleons Armee während des Feld⸗ uges von 1806 beträchtlich; im November, Tezember und Januar war fie fer ala zur Zeit der Schlacht bei Jena: Friedrichs Heer nahm da⸗ gegen vom Beginn ber Campagne an dur Tejertion und Schlachtverlufte ab, und erft ın den Winterquartieren konnte wieder zur Kompletierung geieritten werden. Daß mit diefer Möglichkeit einer Steigerung feiner treitkräfte ber Kaifer den Krieg in anderer Weiſe führen konnte und

1) Vgl. Forſchungen IV, 281; VI, 662.

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mußte al3 der König, deilen Truppen von Tag zu zug zufammenjchmo liegt auf der Hand. Dazu kommt, daß De ruppen gm g Teile zur Defertion geneigt waren und daher eine ganz andere Behandlung verlangten als die napoleonijchen, die mit dieſem Uebel nicht behaftet waren, denn wie 2. wiederum ſehr jchön nagmeift waren nad) der Schlag von Eylau nicht mehr ala 24 franzöfiiche Deferteurs im ruffiichen Lager. Die Behauptung, daß Friedrich mit Unrecht an überlieferten Grundiä feftgehalten habe, dürfte daher verfehlt jein. G. Rolo

6. Köhler: Geſchichte der Feitungen Danzig und Weichſelmünde bis zum Sabre 1814 in Verbindung mit der Kriegögeichichte der freien Stadt Danzig. 2 Bände mit 20 Skizzen und Plänen. Breslau 1893, Wilhelm Köbner (X und 506 und V und 532 ©.; 40 Mi)

Don diefem mühevollen Werke, das die Geichichte der Danziger yeltun äwerfe in Krieg und Frieden vom erften Auftreten Danzig? in der eichichte an bis zur Neuzeit auf3 eingehendfte aa interejfieren un: hier nur die beiden Belagerungen, die das preußiſche Danzig erfahren hat, 807 und 1813. Ueber die erfte Hat Köhler im großen und ganaeı die: ſelben Quellen benußt wie Höpfner (Der Krieg von 1806 und 1807, Berlin 1855) und geht daher nur in Einzelheiten von geringer Bedeutung über diejen Ungleich wertvoller iſt dagegen die Schilderung der frei⸗ lich hiſtoriſch weit weniger bedeutenden Belagerung von 1813. Hier hat Köhler eingeende archivalifche Studien gemacht, und auf Grund diekr werden die einzelnen Phaſen des Angriffs und der Verteidigung detailliert, aber anfchaulich dargeftellt. Die Stadt, von dem durch feine Erprefjungen in Danzig befannten General app mit großer Bravour verteidigt, hielt fih faft das ganze Jahr 1813 hindurch und wurde erft, als infolge der Auflöjung des Rheinbundes die deutſchen Beſatzungstruppen ſchwierig wurden, dem Derzog von Würtemberg, dem Kommandeur des ruffiſch preußilchen Belagerungstorps, übergeben. Zum Schluß madt Köhler einige archivalifche Mitteilungen, die beweifen, daß die Ruflen Danzig den Preußen nur hogſt ungern zurückgaben und es vorher an Munition und Proviant möglichſt auszuplündern ſuchten. G. Roloff.

Friedrich Thimme: Die inneren Zuſtände des Kurfürſtentums Han nover unter der franzöſiſch-weſtfäliſchen Herrſchaft. 1806-1818. Bd. I. Hannover 1893, Hahn (448 ©.).

Dies von der philofophifchen Fakultät in Göttingen preisgekrönte Merk beruht auf fleißigen Studien in den Hannöverfchen und Berliner Akten. Der erfte Band reicht bis zu der 1810 erfolgten Einverleibung Hannovers in das Königreich Weltfalen. Einleitende Kapitel behandeln die durch den Revolutionskrieg geichaffenen Berhältniffe, Die Neutralttät unter preußischen Schuß, die preußiiche Beſetzung im Jahre 1801, die erfte franzöſiſche Okkupation von 1808—1805, die preußische Befikergreifung und Berwaltung im Jahre 1806.

Seitens der englijchhannöverichen Behörden ließ man fich den Schuß Preußens zwar wohl gefallen, war aber dabei von tiefem Miktrauen er: füllt; Kabinettsminifter Lenthe ſprach 1803 offen aus, eine franzöfide Beſeßung werde das Land ſehr viel mehr belaften, doch ſei man ſicher, daB je nur vorübergehend fein werde, bei einer preußiichen Delehung dei

andes könne man nicht wiſſen, was fich weiter daraus entwidle Tie Mißtrauen Hinderte damals eine Verftändigung mit Preußen, die dem Lande jchwere Sorge und Not erfpart haben würde, und erjchwerte jpäter die Befreiung des Landes. Im Jahre 1809 wünfchte Defterreich, daß England die Erhebung Hannovers betreiben und die Kräfte desſelben unter ben Oberbefehl des preußifchen Könige jtellen möchte. Die engliſche Re gierung proteftierte indefjen gegen ſolches Anfinnen: der König ſei zwar

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a Derhandlungen mit Cefterreich bereit, fünne aber, nicht zugeben, „que . M. Prussienne se m&le des interets de ses Etats au cas que la uerre Eclate dans le Nord.“ Natürlicy wirkte dies lähmend auf die ntichliegung des preußijchen Königs, der ohnehin die Kriegsluſt feiner Umgebung nicht teilte und Die Berftändigung mit England ala unerläß: liche VBorbedingung für das Eintreten Preußens betrachtete.

Auch die geichichtliche Betrachtung ift bisher durch diefe Abneigung gegen Preußen beeinflußt worden. Die hannöverſchen Gefchichtöfchreiber willen arge Tinge von der preußifchen Verwaltung im Jahre 1806 zu erzählen. Nach der Behauptung Havemanns wurde „die bis dahin un: befannte Strenge, mit welcher die neuen Abgaben eingetrieben, der Zwang, welcher bei der Aushebung der jungen Mannjchaft zum Kriegsdienft an: gewandt wurde,“ mit dem höchften Unwillen empfunden; „wenn man einen DBergleich zwiſchen den neuen Machthabern und ben franzöſiſchen Generalen anitelite, jo fiel jolcher entjchieden zum Vorteil der letzteren aus.“ Aud von Heinemann meint, daß die preuifche Okkupation den Ruin des Landes vollendete. Wie Thimmes forgfältige und eingehende, aftenmäßige Tarftellung zeigt, find aber während der preußischen Offupation gar feine neuen Abgaben erhoben worden, auch von der beabfichtigten Aushebung um SKriegadienjte hat man auf Bitten der hannöverichen Behörden Ab: Hand genommen. Die preußilche Verwaltung ift mit dem größten Wohl: wollen geführt worden und hat jich Zufrichtig bemüht, die Leiden des von den Franzoſen ausgeplünderten Landes zu mildern; ſie hat keinen Pfennig aus dem Lande gezogen, ſondern im Gegenteil noch Zuſchüſſe aus alt— preußiſchen Kaſſen erhalten.

Der franzöſiſche Kaiſer verſtand es in ganz anderer Weiſe, die Kräfte des Landes * dienſtbar zu machen. Nach ſeinen Befehlen ſollten die— ſelben rückſichtslos ausgebeutet werden. Wenn hier und da Milderungen eingetreten ſind, ſo geſchah es in der Weiſe, daß die franzöſiſchen Afiee und Beamten, hohe wie niedere, ſich beſtechen ließen und oft ſelbſt die Summen nannten, für welche fie ſich bereit erklärten, durch Die Finger zu ſehen. General Mortier 3. 2. forderte und erhielt ein Gefchent von einer Million Frs. Bernabdotte war ſchon mit 100000 Frs. zufrieden und ließ dafür feine Uneigennübigfeit öffentlich preifen. Einige Generale Haben geradezu erklärt, fe feien in das Land geſchickt worden, um fich ein Ber: mögen Mr erwerben.

ährend der zweiten franzöfiichen Offupation (18061810) ift die Beftechlichkeit nicht in offen hervorgetreten, die oberjten Beamten haben fih nicht von perfönlichen Intereffen leiten laffen, fondern ſich bemüht, für das Wohl des Landes zu forgen, obwohl die hannöverichen Beamten ihnen das Leben jchwer machten und immer aufs neue verfuchten, fie zu bintergehen und zu täufchen. Die Forderungen Napoleou® aber waren noch größer als vorher. Abgeſehen von den Kontributionen und den hohen Aniprücen für den Unterhalt der franzöfiichen Truppen wurden nach und nad 600 Zotationen von 4000 bis 140000 Frs—. jährlicher Einnahme, mit zufammen 4 720000 Frs. Jahresertrag auf die hanndver chen Tomänen angemiejen. aul Goldschmidt.

h. Grobbel: Die Sonvention von Tanroggen. Marburger Difiert. 1894 (V u. 78 ©.).

In Band 64 ber v. Sybeljichen Zeitichrift meinte Dar Cehmann auf Grund einer Mitteilung Hardenbergs über Yorks Adjutanten, den Major von Seydlitz, den fchlagenden Nachweis erbracht zu haben, dag York die berühmte Konvention von Zauroggen nit nur ohne, fondern jogar gegen den ausdrücklichen Steht feines Königs abgeichloffen habe. Hierauf aut im mejentlichen auch der Verf. feine durch fleibige Yitteraturbenußung ausgezeichnete Arbeit auf. Cr giebt eine genaue Echilderung der erft von Ellen, dann von Paulucci ſchon vor Riga mit York bez. feines eventuellen Uebertritts angeknüpften Unterhandlungen, erweift vielleicht ein mwenia

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u optimiftiich die militärifche Lage beim Abichluß der Konvention ali Kr die Preußen jo günftig, daß York bei gutem Willen fich der Rufen mit Leichtigkeit hätte eriwebren fonnen, und gelangt nun zur Darftellung ber wichtigen Verhandlungen zwiſchen Diebitſch und York, jowie ber für unfere Frage enticheidenden Miffion Seydligens nach Berlin. Dieſe legten nun freilich nebft der Schilderung der eigentlichen Konvention dürfte vor der Kritik nicht beftehen fönnen. Indem G. nämlich die erwähnte Mit: teilung Harbenbergg über Seydli zur Grundlage feiner Ausführungen madt, ift e3 ihm wie fchon feinem Lehrer M. Lehmann entgangen, daß „das ausdrüdliche Verbot (des Königs), daß Seydlig dergleichen Schrittt nicht thun folle*, ſich gar nicht auf den Abſchluß der Stonvention, jondern nur auf das Verhalten Seydlitens bei der Memeler Kapitulation beziehen kann. Damit fällt der einzige Grund, die gegen G.3 Auffafſung fprechende Darftellung bes Seydlikfchen Tagebuches ala tendenziös zu deriverien, und wird die ebenſo gefünftelte wie jeglichen quellenmäßigen Anhaltes ent: Schilderung der Thätigkeit Seydlitzens am 29. Dezember un: altbar.

Seydlig war am 13. Dezember im Auftrage Yorks in Berlin ar: eftommen, um den König von dem Vorſchlage Pauluccis, daß York pa ußland übertreten folle, zu benachrichtigen und um Verhaltungsmaßregeln zu erfuchen, war aber erft am 21. Zezember mit Weifungen verfeben worden. Schon damals waren, meint ©., „die preußifchen Staatgmäm recht wohl in den Stand gejebt, Die politiiche Lage Klar zu überjchauen‘, da ihnen ſowohl die freundichaftliche Gefinnung Rußlands, als auch die völlige Niederlage der franzöfiichen Armee befannt fein mußten. Aber es ift doch, wa G. nicht bemerkt, zu unterjcheiden, wie man in Rußland über

reußen und wie man in Beer über Rußland dachte. G. bedentt nicht, welch tiefes und berechtigtes Mißtrauen Friedrich Wilhelm III. nad dem ſchmählichen Treubruch Aleranders bei Tilſit gegen diefen hegen mußte, er bemerkt nicht, ala wie unzuverläffig in Berlin die ganz allgemein ge haltenen ruffifchen Anträge erfcheinen mußten, und wie dieſes Verhaͤltnis erſt in dem Moment ſich änderte und ändern konnte, als Henkel von Donnersmark am 2. Januar 1813 das präciſe Anerbieten Alexanders über: brachte, bei Abſchluß eines preußiſch-ruſſiſchen Bündniſſes Preußen in dem Zuſtande von 1806 wieder herzuſtellen. Die Wirkung dieſer Rad: richt ift in der Sendung Natzmers fowie in dem charakteriftifchen Zufape erfichtlih, den die Inſtruktion des nach Wien beftimmten Kneſebeck mit <eaug auf Rußland erhielt. Wie wenig man ferner bei der Abreije von Seydlitz über das Schidfal der Kanzöftigen Armee genau unterrichtet war, darüber Tann uns deſſen Tagebuch (II, 243) und Dropfens ort 1, 32 aufflären; auch da3 jet noch erwähnt, daß G. ſehr mit Unrecht hier die Boyenichen Konferenzen mit Alexander vom 13. November erwähnt, um zu zeigen, wie man ruſſiſcherſeits „alles (that), was geeignet war, reußen u ſich herüberzuziehen“: denn einmal kam Boyen, wie G. ſich wohl hätte iberzeugen ſouen erſt Mitte Januar zum Könige, ferner aber war die exanders, im Falle Preußen bei der franzöſiſchen Allianz der: harre, Oftpreußen auneftieren zu wollen man vgl. die gleichen Pe: ftrebungen Aleranders in den Tilfiter Friedensverhandlungen, bie Lenz Forſch. VI, 222) re ans Licht gebracht hat Leine allzuitarte Garantır ir die ruſſiſche Preußenfreundichaft! ar alſo einmal eine Zurüd⸗ haltung feitens der preußifchen Regierung Rußland gegenüber im Dezember 1812 burchaus erflärlih, fo galt andererfeits keineswegs „nur Die Seftigfeit der Herrſchaft Napoleons beim Könige als ausgemacht.“ »iel: mehr ift es Damals ber politische rundſeß Friedrich Wilhelms II. was ©. nicht [hart genug hervorhebt ſich gänzlich nach ben Ent: ſchließungen Oeſterreichs zu richten. Diefe kannte man am 21. Dezember noch nicht; daher paßt es vorzüglich in die politifche Lage, wenn Seyhliß an York berichten fol, „daß der König ent Aloffen fei, dad von Napoleon o vielfach verlekte Bündnis aufzuheben, fobald fich die andern politiſchen

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Verhältniſſe nur erſt näher aufgeklärt haben würden“, daß alfo Port offenbar die Rufen Hinhalten follte, ohne gänzlich die Unterhandlungen abzubrechen. Es ıft demnach nicht richtig, daß York (nach G.) gegen den ausdrüdlichen Befehl feine Königs die Konvention gefchloffen hat. Biel: mehr dürfte die richtige Löſung diejenige fein, die auch das Rechtfertigungs: Ichreiben Yorts an den König beitätigt, daß er ae Befehl des Königs gehandelt hat. Will man diefen Entichluß begreifen, fo wird man gut tdun, fich folgendes vor Augen zu kl die Abfertigung Seydlitzens in Berlin war unter dem Eindrud wejentlic von 3 bedingenden Momenten erfolgt: 1) der Unflarheit über die Abfichten Oeſterreichs, 2) Unklarheit über das Schickſal der franzöfiſchen Armee, 3) Unbeftimmtheit der ruffiichen mißtrauifch aufgenommenen Anerbietungen. Nun hatten fich aber, bi? Seydliß am 29. Dezember bei York eintrat, die Verhältniſſe weſentlich geändert: an der völligen Vernichtung der franzöfiichen Armee durfte Yort nicht mehr zweifeln; vor allem aber war ihm am 22. Dezember das oben erwähnte Schreiben Alerander3 überfandt worden, welches, weit über die —2— unbeſtimmten Freundſchaftsverſicherungen hinausgehend, das Ver: prechen enthielt, Preußen eventuell in der Stellung von 1806 piederhezu ſtellen. Unter ſo veränderten Umſtänden entſchloß ſich York zu ſeiner verantwortungsvollen That. Indem er aber nicht im Auftrage ſeines König, jondern ausdrücklich nur für feine eigene Perjon die Konvention abichloß, gab er dem Könige die Gelegenheit, dieſe günftige Konftellation der Berhältniffe zu benußen, ohne ihm doch feinen Willen aufzuzwingen; denn Friedrich Wilhelm behielt Die gyreiheit, durch eine Verleugnung von Horts Entfchliegung feiner alten politifhen Haltung treu zu bleiben. Es will mir fcheinen, ald ob diefe Handlungsweiſe Yorks Verdienſt ficherlich nicht herabſetzt, ihn im Gegenteil vielleicht ala einen in noch höherem Grade als bei der G.ſchen Auffaffung -- entfagungsvollen, hochherzigen, von altpreußifchem Pflichtbewußtjein erfüllten Mann fennzeichnet. 5

halte deawegen and den Saß (S. 68), „der königstreue Stodpreuße York war dahin gelommen, zwiichen König und Vaterland zu wählen,” weder für zutreffend noch geichmadvoll. Georg Küntzel.

Urkunden des Brovinzialardjivs in SKönigeberg und bes Gräflich Dohnaſchen Majoratsarchivs in Schlobitten, betreffend die Erhebung Oftprenkens im Jahre 1813 und die Errichtung der Landwehr. Heraudgegeben von Dr. A. Bezzenberger. Königsberg 1894 (2 Bl. u. 87 ©.).

Da diefe im Auftrag ber oftpreußiichen Landesverwaltung von dem Sandesarchivar veröffentlichte hochwichtige Aktenſammlung nicht im Buch: handel ienen ift, jo glaube ich mich zunächft auf ıhre einfache An: führung beichränten, mich jeder Beiprehung enthalten zu müſſen. Dod) kann ich nicht umhin auf die Behandlung der Frage nach dem eigentlichen Urheber des Landwehrgeſetzes (S. 10 ff.) ausdrüdlich Hinzuweifen. „laufe: wiß verfaßte in Königsberg auf Steins Wunfch den „erften militärischen —A— zur Bildung der preußiſchen Landwehr“; Graf Alexander Dohna machte hiernach „den erſten Entwurf zu einer Verordnung über Dielen Gegenftand”; ein in derjelben Zeit von York übergebener „Entwurf zur Landesbewaffnung“ hat auf die Geftaltung des Königsberger Landwehr: geiegentwurfs feinen maßgebenden Einfluß gehabt“. ohmeyer.

®. v. Ouiftorp: Geſchichte der Nordarmee im Jahre 1813. 3 Bde. Berlin 1894, E. ©. Mittler u. Sohn (XII u. 552 S., VIII u. 488 ©,, VI u. 329 ©.; 30 Mt.).

Tie Beſprechung folgt im nächiten Heft.

22 Nee IE SIERT. [288

z.». Gier: Geihichte des Gelpegs 1314 gegen Stenfreich, unter be: under Beitrag Mer Ya: um der Muigl. wũrtembergiſchen

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Zhesder u. Beruhardi: Unier Rilslani I und Friedrich Wilhelm IV. Briefe um) Tageſsuαtter auns den Jahren 1834 —57. Zweiter Band des Dertes: Aas dem Neben Tester v. Bernhardiä. Yeipzig 1893, Hiryl 1358 ©. mt Pıldais).

Ardelf Schleiden: Erinnerungen eines Schleſwig Holſteiners. Zweite Folge ıd.5. Bard II: Schleswig Holſteins erſte Erhebung 1848— 1549. Bierter Band: Schleswig⸗ Holftein im zweiten Kriegejahre 1849—1850. Biesbaden 1891 ud 1894, Bergmann (371 u 491 S.; je 8 ME.

Ter 1215 geberene Ber. botte ñch im däniſchen Staatsdienſit her⸗ rorgethen und befleidete I4 bereits einem mwichtigen often bei der Generalzgefammer ın Korenhagen, als die Erhebung Schleswig-Holfteins ihn beweg, in Amt niederzulegen und fih der Bewegung anzuſchließen. In mannigiacher Beide bat er derielben gedient. zumeift als diplomatiſchet und publizitiicher Agent in Berlin, in ‚yranfrurt a. M. und in Paris. Al3 die Herzogtümer wieder von Tänemark unterworfen waren, iſt er in den diplomatischen Tienft der Hanſaftädte getreten, ipäter iſt er Mitglied des norddeutichen und des beutichen Reichätages geweien. Aus feinen früheren Jahren ftammen einige Dentichriften über die ſtaatsrechtliche Stellung jeines engeren Baterlandes, in deuticher. franzöfiicher und eng: liicher Sprache hat er für die Anerkennung der Rechte derjelben zu wirlen geiucht. Gin fruchtbarer Schriftfteller aber iſt er erit geworden, ſeilden er jich für feine alten Tage in Freiburg zur Ruhe geieht Hat. Zunädft hat er in zwei Bänden die Erinnerungen feiner Jugend und feiner erften Dannesjahre bis 1848 aufgezeichnet und im lebhajter, feſſelnder Zar ftellung nicht nur die eigene Entwidelung geichildert, ſondern zugleich ein fulturgefchichtliches Zeitbild egeben?)

Kine Fortſetzung diejer Erinnerungen bilden die beiden in der Ueber ae genannten Bände. Als einer der legten Ueberlebenden von deu ännern, welche damals im Mittelpuntte der jchleswig : holfteinfchen Er bung geftanden haben, glaubt der Verf. eine patriotifche Pflicht zu er illen, wenn er jeine Erlebnifje mitteilt. In der That ift er durch feine Stellung und ducch feine nahen Beziehungen zu vielen ber leitenden fönlichleiten gut unterrichtet und vermag manchen dunflen Punkt aufyt tlären. Namentlich treten die Schwierigkeiten deutlich hervor, welche die

1) Jugenberinnerungen eines Schleswig: Holfteinere. Wiesbaden 1886. Er⸗ innerungen eines Schleswig⸗Holſteiners. Neue Folge (d. h. Yd. IN 1841-1846. Wiesbaden 1890.

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roviſoriſche Regierung und fpäter die Statthalterfchaft zu überwinden

tte, nicht nur im Kampfe gegen bie Dänen, jondern faft mehr noch in ihrer Bemühung, die radifaleren Elemente im eigenen Lager zu beichwich- tigen in den Verhandlungen mit ber —2* Regierung, mit der Deutfchen Gentralgewalt und mit ben einmilcyenden fremben Mächten. Bert. jucht diefe mannigfachen Schwierigkeiten klarzuſtellen und die Beweggründe verftändlih zu machen, nad denen die Leiter der Bewegung Hanbelten, indem fie ihr Ziel feft im Auge behielten, während „fe doch je nad) den Umftänden hierhin und dorthin aus: biegen mußten, um ihr Scifflein durch die immer neu fih auftürmenden Dinbernifi hindurchzuführen. Alles, was Verf. hierüber aus eigener enntnie und Mitwirkung anführt, ift intereffant und lehrreich. In ge: geringerem Grade gilt Dies von dem, was ex nad) Berichten anderer über ie Tonftigen Vorgänge in Berlin und in Frankfurt mitteilt. Ex betrachtet die Entwidlung der deutichen Berhältniffe und namentlich die wechjelnden Dhalen der preußiſchen Politit aus dem ſchleswi hotiteimichen eficht2= winfel. Das ift erflärlich bei der Innigkeit und % digkeit feines Batrio: tismus, und er ift dabei in feinem guten Recht, fo lange er fih beanügt die eigenen Erinnerungen zu erzählen, aber auch nur foweit. Um biejer Einfeitigleit der Auffafung willen ftehen die Abichnitte über die deutſchen und preußifchen Angelegenheiten hinter den anderen zurüd. Im ganzen aber bietet Schleidens Werk einen wertvollen Beitrag für die genauere Kenntnis jener bewegten Jahre. Es ift gut gefchrieben und angenehm zu lefen. Auch die gefällige und bequeme Ausſtattung ift gu rühmen.

Paul Goldschmidt.

Heros von Borde: Mit Prinz Friedrich ſtarl. Kriege» und Jagd⸗ fahrten Yu am häuslichen Heerd. Berlin 1893, P. Kittel (VII und 819 ©.).

Der Bert. iſt zuerſt de Kavallerieoffizier geweſen, dann während des amerikaniſchen Sezeffionskrieges in den Dienſt der Sübdftaaten getreten und bort unter General Stuart zum Oberft und Chef des Haupt: quartierd anfgeftiegen. 1866 trat er ala Selonbelientenant wieder ın das preußilche ger ein und wurde dem Stabe des Prinzen Friedrich Karl ugeteilt. Welcher Art feine Stellung in bemfelben und feine militärifchen ar geimelen find, erfährt man aus feiner Erzählung nicht, dieſelbe beichäftigt fi vorwiegend mit ben kleinen Erlebnifen des friege: riſchen Lebens, mit Jagdabenteuern und Tyeftlichkeiten, von denen in frifcher und heiteren Weife erzählt wird, hier und da unter ie ſcherzhafter Anekdoten über Wrangel, Witzleben u. a. Auf geſchichtliches Initereſſe kann höchftena die eingehende Charakterifierung des Prinzen Anſpruch machen, der man es anmerft, daß fie aus dem warmen Herzen eines Freundes und Bewunderers ftammt. Paul Goldschmidt.

diſteriſche und politifche Aufſätze und Reden von Hermann Danm- serten. Mit einer biographiſchen Einleitung von Erih Marcks. Straßburg 1894, Trübner (141 u. 538 S.; 10 Mt.).

K. Barrentrapp hat nach dem Tode Baumgartenz die beften der Aufläbe und Reden des Derftorbenen ausgewählt und von neuem ver: öffentlicht, eine höchft willlommene Gabe für jeden Hiftorifer. Ein Schriftenverzeichniß giebt einer Ueberblick über die geſamte Litterarifche Thätigkeit Bs. Die neugedrudten Hiftoriichen Auffäße ‚gehören zum guten Zeil der Reformationsgeſchichte an; dagegen unter den politiichen Arbeiten Baumgartens find mehrere auch für die neuefte preußiiche Geſchichte von erheblicher Bedeutung, jo vor allem die berühmte, tief wirkende Schrift von 1 „Der deutfche Liberalismus, eine Selbftkritit.” Der Samm-

Forſchungen 3. brand, u. preuß. Geſch. VII. 1. 19

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Neue Erjcheinungen. [29

lung ift eine warm empfundene, nad) Form und Inhalt gleich ausgezeich⸗ nete Lebensgeſchichte Bs. vorang id. fie wird man zu den beiten neueren Gelehrtenbiographien zählen dürfen; die B. als Diitglied feiner hiſtorio⸗ gar iſchen Gruppe Aaratterifierenden Abfchnitte zeigen manche inneren erührungen mit dem in biefer Zeitichrift (VI, 159 ff.) erſchienen Auf: ſatze Brodes über Mar Dunder. Der Berf. der Biographie, Eric) Mards, ıft mit feinem liebevollen Verſtändnis, doch frei von Ueberſchätzung feines Helden, der nicht leicht zu erfaſſenden eigenartigen Perfönlichteit Baumgartend gerecht geworden; er hat augleid), wodurch feine Arbeit aud für unfere_ Zeitſchrift bemerfendwert wird, ben politiſchen Dintergrun, auf dem fi die Wirkſamkeit B3. abhebt, die beutiche und preußiſche Bewegung dex 50er und 60er Jahre in den Bereich feiner anziehenden Darfellung hineingezogen. B. war, abgeſehen von kurzen Zwiſchen je der Berftimmung, einer ber entichiedenften und thätiaften preußiſchen Hegemonie; während der neuen Aera trat er ſelbſt in den Dienft des preußiichen Staates leitete neben Zunder das Preßbureau in Berlin, freilihd nicht ohne mande Enttäufhungen zu erfahren. Ja enger Verbindung ftand er mit den litterarifchen Derfechtern der klein⸗ beutichen Sache: da3 bezeugen bie zahlreichen Briefe an und von Dunder, Sybel, Treitichle, Haym, Droyſen, aus denen fein Biograph geichidt her⸗ ausgehobene Mitteilungen macht. Dieje Briefe, es jei u. a. auf zwei töftliche Schreiben von E. M. Arndt (S. XXVI u. XXVII, aufmertiem gemacht beleben höchft wirkungsvoll die Erzählung, der man mit ebenjo viel Genuß wie mit eigenem innerlichen Gewinn folgen wird. Die Art aumgartens, zunächſt in manchem für uns jüngere jchwer verftändlid, weift doch vieles auf, was Heute faft ganz verloren zu Haben wir nur beflagen können. A. X.

Karl Biedermann: Geſchichte des deutſchen Einheitsgedankens. Wies-

baden 1894, Bergmann (68 S.).

Der Verf. ein Veteran unter ben parlamentart| en und teen Kämpfern für die deutiche Einheit giebt in dem vorliegenden Schrifte

einen „Abriß der deutichen Verfaffungsgeichichte” von den älteften Zeiten bis zur Errichtung des neuen beutichen Kaiſertums, indem er „das wid: tigfte Moment derjelben, nämlich den Kampf der Sinpeit mit dem Partı: kularismus, des nationalen mit dem Sondergeifte" durch die Jahrhun: derte hindurch verfolgt. yuerbinge ericheinen dieſe Gegenſätze in ber furzen Faſſung bes Abriffes bisweilen allaufehe zugeipißt und nicht wenige Stellen erweden den Zweifel, ob Verf. mit der neueren Forſchung über die Geſchichte des Mittelalters hinlänglich vertraut ift. Behauptungen z B. wie (S. 17), daß die italienische Politik der Ottonen und ihrer Nachfolger

[ebiglich ihre _perfönliche Sache, nicht bie der Nation geweſen fei; dab

22) die Wahl Ottofard von Böhmen zum deutichen Könige mit der ahl eines Jpantieen oder englüfhen rinzen faft gleichbebeutend geweſen wäre; daß (S. 23) die deutſchen Könige ſeit Rudolf von Habsburg ini geſamt den Titel „Saifer” führten; dab (S. 24) Albrecht I. verjucht habe, die Schweizer ihrer Reichgunmittelbarkeit zu berauben und manche ander find zum mindeften vecht anfechtbar. Erſt vom dreißigjährigen Kriege an, two ber Verf. dur eigene Studien beſſer Beicheid weiß und mehr aut dem Vollen |chöpfen kann, wird bie Darftellung troß aller ſtnappheit farbenreicher, zutreffender und anziehender. Daß fie nıcht unparteiiſch fein kann, liegt in der Natur der Sad. Sie fteht auf dem Boden ber Parteı, die in der Paulskirche für dad Erblaifertum eingetreten ift, deren Mit: glieder feitdem für die Verwirklichung des Einheitögedantens gewirkt und meift auch gelitten haben’ .Etwas ftörend wirft bei der Lektüre, daß Verf. ausſchließlich feine eigenen Werke und biefe fehr oft anführt. Paul Goldschmidt.

291] Neue Ericheinungen. 291

Gefammelte Schriften und Dentwürdigleiten des Generalfeldmarjchalls Srafen Helmuth von Moltke. 8. Band. Briefe über Zuftände und Begebenheiten in der Zürfei aus den Jahren 1835—1839. 6. Auf- lage, eingeleitet und mit Anmerkungen verfehen von Dr. Guſtav Hirſchfeld, ord. Profeſſor an der Univerfität zu Königsberg. Mit einem Bildnis des Verfafſers aus dem Jahre 1851, 11 Abbildungen, 3 Karten und Plänen und einer Meberfichtsfarte der Reiſewege in Kleinafien nad des Berfaffers eigenhändigen Eintragungen. Berlin 1898, E. &. Mittler u. Sohn (LXXVII u. 546 ©.; 9 Mt.).

Tas vor 53 Den 1841, bei E. S. Mittler anonym erſchienene Werk, das feinem Verf. einen Plab in der Litteratur figerte, bevor jeine Kriegsthaten die Welt mit feinem Ruhme erfüllten. liegt nun in einer um ein Drittel des bisherigen Umfanges durch Einleitung und. Anmer: Lungen verftärtten Ausgabe dor, zugleich wenigftens vorläufig den Schlußband der „Sejammelten S —38* bildend. Wie aus dem General: ftabshauptmann von damals der Feldmarſchall geworden, ohne daß doch der Kern der Perfönlichkeit ſich änderte, jo Hat auch die neue Ausgabe feines Wertes in der glänzenderen Schale den alten Inhalt treu bewahrt. Stellte jchon bie Einleitung von Carl Ritter zur 1. Ausgabe, welche die vor: liegende mit richtigem Zafte mit übernommen hat, die Bedeutung ber „Türkiſchen Briefe” in hellſtes Licht, fo hat der neue Herausgeber, der jelber Sleinafien wiederholt bereifte, in Liebe und Berftändnis für den Gegenftand, in Kenntnis der einichlägigen Literatur und in aufrichtiger Pietät für den Verf. das Bollftändigite geleiftet, was. fich nur erwarten läßt. Seine Einleitung „Moltle und der Orient” ift eine Studie für fid. Hier ift alles Herangezogen und ufammengefteilt was Moltfe außer den „Briefen“ über feinen Aufenthalt in der Zürfei noch geichrieben hat, namentlich das noch umgebende Material des Kriegsarchivs, bie offiziellen Berichte der nach der Türkei fommandierten Offiziere über ihre „Sen: bung“; die „Darftellung“ des türkiich-ägyptifchen Feb uge® im Sommer 1839, da3 „Reife-Tagebudh”, das Memoir zur Karte von Kleinafien. —5 auch die —— zweier Gefährten Moltke's, von Vincke und Fiſcher, und die Berichte des vierten Genoſſen, Hauptmanns von ar fowie die Gefandtichaftsberichte aus Stonftantinopel, die im Geheimen Staatsarchive beruhen. An der Bereitftellung dieſes veichen Materials hat der Redakteur der „Geſam. Schriften”, Oberftlieutenant v. Leszczynski, ‚unihätbaren werkthätigen Anteil“ genommen, was der Herausgeber mit warmen Worten beruht, Auf Grund diefer Quellen wird die Ent: ftehung der „Zürkiichen Briefe“ bargelcat: zum. weitaus größten Teile be: ruhen fie auf den Originalbriefen, die b & geringen redaktionellen Zurecht: rüdungen unterworfen worden find. Nur einige Partien find aus den Berichten eingefügt oder auch direkt für die Buchausgabe geſchrieben. Als Suelle für bie hiftoriichrantinuariichen Angaben hat der Herausgeber Gibbons „History of the decline and fall of the Roman Empire“ erfannt, mit deren Ueberfehung ind Deutiche Moltfe jahrelang beichäftigt eweien war (f. Gef. Schriften IV, ©. 59 u. a. m.). In bejonderen Ab: * wird dann die ſchriftſtelleriſche Eigenart Moltke's, wie fie aus en „Türkiſchen Briefen“ fich ergiebt, die allgemeine Vedeutung ſeiner Reiſen für die Erforſchung des Orients, ſchließlich ſeine Wirkſamkeit für die Kenntnis andrer Länder klaffiſcher Kultur, teils ar eigne Thätigteit in der Gampagna, teil durch fein bleibendes Intereſſe ala Chef des Generalſtabs, anfchaulich dargeftellt, wobei die Detonung bes Wertes ber „klaffiſchen Bildung“ für ung nicht fehlt (S. LXXVLXI). Dem Zerte find nicht weniger ala 321 Anmerfungen im Anbange, außer den Fuß—⸗ noten, beigefügt. Der "Gefahr diefer Unterbrechungen war ſich der Her: auögeber wohl bewußt (S. XV). Und fo viel des Willens» und Wün- ichenswerten wir auch durch feine Mühe und Umficht erfahren; fo war es

19*

292 Reue Erfcjeinungen. [292

eben nicht zu vermeiben, daß bad „Leien in einem Zuge”, wodurch erft uch als „Darlegung eines zujammenhängenden, einheitlichen Dramas’ ©. VII), in feiner künftlerifchen Abrund doll gewürdigt werden nn, durch die Fülle der Hinweije geftört vd. Le mieux est l’ennem du bien! Vielleicht hätten wenigfteng die zahlreichen Gibboncitate etwas eingefchräntt und 3. ®. bei der Mauerbeſchreibung (S. 196 ff.) gewiß zu: jammengezogen werben können. Im Zert felbft find einige Worte dem heutigen Spradigebraud) angepaßt worden (3. B. S. 227 „meiften“ für „mehrfien® in der 1. Ausgabe, „Diman“ für „Divan”); aber aud be Abdrud vom Fakſimile des Zagebuchblattes in ber Anmerkung 26 zeigt ein Dußend Abweichungen, bie, wenn auch an ſich unerheblich, in dieſen Bel wohl hätten vermieden werben follen. Auch ift auffallenderweife die eihnung Moltte’3 vom Fenſter einer Srabfammer bei ©. 214 weagelaffen worden, welche fich in ber 1. Ausgabe S. 204 findet. Sonft find die acht einfachen, übrigen? recht Hübichen, Kleinen Holzſchnitte im Texte ber 1. Ausgabe einer reicheren Ausjtattung mit größeren Abbildungen, fogar einer bunten, gewicdhen. Die Starten und Pläne, fowie auch bad Orts⸗ und Sad: Regifter bilden eine jehr erwünichte Zugabe. Wir verdanken dem Herausge edenfalls eine laſfiche Vearbeitung des klaffiſchen Bucher; er darf das Bewußtſein haben, daß über ihn hinaus nicht wird geganger werden können. Herman Grauier.

Fritz Hoenig: Der Vollskrieg an der Loire im Herbſt 1870. Rad amtlichen Quellen und bandfchriftlichen Aufzeichnungen von Mit fämpfern dargeftellt. II. Band. Mit 1 Plan und 5 Skizzen in —— Berlin 1893, E. ©. Mittler u. Sohn (VII u. 378 S.; 8,50 .

Ter I. Band de3 von der militärifchen Kritit ausnahmslos als ein hervorragendes begrüßten Werkes hat die Erwartungen, bie ber I. Band (m März 1893 erichienen) erwedte, vollauf erfüllt. Er giebt bie Tar:

elung ber Schlacht von Beaune la Rolande, jened ruhmvollen Kampfes dreier Brigaden des X. Korps gegen 2 franzöfifche Armeekorps, die fi in dem Ausharren von 8 Zügen weſtfäliſcher Infanterie im Stirchhofe von Beaune gegenüber dem tapferen Anftürmen der Hauptkräfte einer un fiſchen Divifion zu einer Heldenthat erften Ranges fteigerte. Die u: tung dieſes Tages in ftrategifcher wie in taftiicher inf t zuerft völlig Hargelegt zu haben, ift das enticheibenfte Verdienſt bes er. wozu bie —A Kraft ſeiner Schilderung, die von ſtets ruhig abwägender, dem

einde gegenüber völlig objektiver kritiſcher Unterſuchung getragen wird, als weiterer Vorzug tritt. Der Vergleich mit ber Darſtellung im General: ftaböwerfe oder in dem neueften franzöfiichen Buche von Lehautcourt (Cam- pagne de la Loire, 1893 Paris) zeigt am einfachften, was hier geleiftet worden ift. Es ift nichts geringeres ala die Schaffung einer ganz neuen, der exit wahrhaft Hiftorifchen Grundlage für die Geſchichtsſchreibung jener Winterfeldzüge, zu der hier der zwingende Anfto garden wird. Der Kenner bon Hoent 3 Schriften wird mit freude erfehen, daß zu diefem Werte ihm das Rricadardjiv geöffnet worden ift, eine That, wofür der mabgebene) Stelle großer Dank gebührt. Namentlich werden bie intereffanten und wichtigen Berichte bes Grafen Walderfee an den König hier zum erftenmal benugt. War damit dem Verf. erft das eigentliche Material für feinen Scarffinn und. fein Arbeitskraft „geboten, jo haben dieje „offiziellen Alten auch auf ihn die erfreuliche Wirkung geübt, fein ungeſchwächt ein: ee den Ürteil in eine Form zu zwingen, bie mit der gleichen Wirk: amleit den Sorzug des Nichtverleßens verbindet. Wie würbe wohl ber erbarmungslofe Richter von Schwarkloppen (in en Brigaden“, Berlin Eon) und von Steinmeg (in „24 Stunden Moltteicher Strategie”, Verlin 1891) den General von Hartmann fonft zerzauft haben; der Sache nad) wird hier dasſelbe erreicht mit dem ruhigen Worte über dieſen Kavallerie:

293] Neue Erſcheinungen. 298

öglichfter Klarheit zu gelangen: wie fchwieri Schlacht klar zu Then, tritt und daber

Thatjſachen gefü der er glei ! Ichaftlichen Urteile vorausſetzen; ob fie, wie ihn vorgeworfen, eimfeitige, d. h.

Bier Momente der Schlacht vom 28. November find ed, an denen Hoenigs kritiſche Betrachtungen vor allem anjeken und über die er bie eins e Unterfudungen ung vorführt: der jpäte Abmarfch der 5. Divi⸗ on zur Unterftüßung des X. Korps, das ſpäte Erjcheinen des Oberkom⸗ mandos anf dem Echlachtfelde, die Unthätigfeit der Kavalleriedivifion artmann, das Ausbleiben der Verfolgung am Tage nach der Schlacht. erabe dieſe Punkte haben auch zu kri iichen Einwürfen gegen dnigs Sarftellungen geführt (Milit. Wochenbl. 1 Nr. 1, 2, 8, 12, 26), auf weldye Hönig repliziert hat (a. a. DO. Nr. 20. Für den Kriegshiſtoriker ift es inte t und lehrreich, daß auch durch dieje wechſelnden Erörte⸗ rungen nicht überall der Thatbeftand dieſer boch noch nahelie enden Creignifle völlig feftgeftellt worden if. Daß General von Alvenzleben aus eigenem Entichluffe feiner 5. Divifion den Befehl zum Aufbruch erteilte, hat fein Sohn, Major von Alvenaleben, gegenüber Hoenig gezeigt (Mil. Wochenbl. Nr. 12); warum aber diefer Deich don 104 Uhr erft um 11V Uhr zum General von Stülpnagel gelangt ift, darüber hilft auch er fich mit der Wendung weg „das Bi nicht beſonders auffallend und käme jogar im rieden vor” (a. a. DO. Nr. 26), womit man bei der Wichtigteit dieſes eitveriuftes nicht zufrieden geftellt fein kann.

Sehr eingehend und treffend ſchildert Hoenig die Schwierigleiten, welche dem Oberlommando ber II. Armee aus den eigenartigen Verhält⸗ niffen bes „Volkskriegs“ erwuchſen. Etwas überrajchend wirft dann die fcharfe Pa vom Prinzen er Karl gewählten „Cordon: ftellung“, welche bei energiſcher franzöfiicher Führung gute durchbrochen werben können. Auch vertritt Hoenig ebenfo jcharf die Anficht, das Ober: fommando wäre am 28. November in der Lage geweſen, den Ernſt des Gefechts bei Beaune eher zu erfennen und alfo auch eher auf dag Schlacht: feld abzureiten. Hiergegen ift zu bemerten, daß Prinz Friedrich Karl die

hren der —E —— wohl erkannte, ſie aber trotzdem der opera⸗ tiven Freiheit einer „Gentralftellung” vorzog, welche der Umgehung aus: gefegt war, und daß der Prinz am 28. aus den Dielbungen bes X. Korps allerdings erft mittags exrjah, ed handle fi um eine Schladt. Wie flarf die Thätigfeit des Oberkommandos grade am 28. nach verichiedenen Rich- tungen beanfprudht war, zeigt Hoenig jelbft ausführlich; ganz fonfequent er

zu verftehen, daß er auch hier die theoretifch volllommenfte Löfung als bie

294 Neue Erfcheinungen. [294

zigen zur Klarlegung möglichen Weg, indem er nachweift, daß da3 Terrain, das ſich für das Eingreifen der Tivifion bot, jowohl einzelne Reiter al; Batterien in ftarfer Öangart durchkreuzt haben. Gewiß ift damit bie Möglichkeit einer großen Attade der ſchweren Regimenter nicht erwieien, wohl aber die Unmöglichkeit jeder Thätigkeit gänzlich widerlegt. Ritt die Divifion nur rechtzeitig vorwärt3 und ritten nur einzelne wadronen wirklich an, ſo fielen die am Kirchhof und der Südſeite von Beaune ge: cheiterten franzöſiſchen Brigaden gänzlicher Auflöfung anheim; Hatte doc a3 ferne Auftauchen der Reitermaffen auf die Franzoſen ſchon ben größten Einfluß, wie u. a. aus Lehautcourt (a. a. DO.) wieder hervorgeht. Dann wäre auch die Größe der franzöfiichen Niederlage an leitender Stelle recht⸗ eitig erfannt und die Verfolgung am 29. ins Werk gefeßt worden, berem

usbleiben, wie Koenig gmih mit Recht, nur vielleicht zu weitgehend, auzführt, für den ganzen Loirefeldzug nachwirtte.

In richtiger Würdigung der Wichtigkeit des bindnlo ifchen Elements für die Beurteilung und Schilderung kriegeriſcher Erei nie, iebt Hoenig am Schluſſe dieſes Bandes _geiftvolle und anziehende Char eriftiten der 3 Korpsfommandeure der II. Armee: von Boigts:RHek, von Alvensleben, und von Manftein; dem Prinzen Friedrich Karl hatte er bereits 1885 eine jSöng Charafterfligzge als Lorbeer auf das frifhe Grab gelegt. Auch in

er Darftellung tritt die Thätigfeit der einzelnen Perſönlichkeiten in helles

Sicht, fo namentlich Die des Generalftaböchete des Korps, Oberftliente nant? von Gaprivi, des Generalftabzoffizier der 19. Dıvifion, Majors von Scherff, des Bataillonzführere im 91. Regiment, uptmanns von Tayſen, dreier ſpäter ſo bekannt gewordenen Männer. Von Tayſens That, der aus eigener Initiative entſprungenen Wiedereinnahme von Auranville, und von der de Hauptmanns Feige vom 57. Regiment, ber dem Befehl zuwider in Elarer Erfenntnis der Situation im Kirchhof bon Beaune ftehen blieb, jagt Hönig (S. 321), daß fie „geradezu zur Rettung‘ der Shladıt gereichten. Durch die vielen erfönlihen üge, welche die einzelnen Momente dramatiſch beleben, ee Hoenigd Schilderung ben befonderen Reiz greifbarer Anſchaulichkeit. In manchen Erörterungen aber ift der Berf., gfei ich mit vollem Bewußtſein (S. VE, etwas weitichweifig; hierin ift wohl des Guten zu viel gethban. Und auch die En ufigen Miederholungen, die der Verf. anderwärts ebenfalls ala abfichtliche be: eichnet, können wir als notwendig oder wünſchenswert nicht erachten: für den aufmerkfamen Lefer find fie direkt ftörend; vor unaufmerkſamen Leſern aber ift ein Buch wie Hoenigs „Volkskrieg“ ausreichend gefichert durch feinen Wert. . Herman Granier.

Georg Cardinal von Widdern: Deniſch franzöſiſcher Krieg 1870/71. Der Krieg an den rüdwärtigen Verbindungen der deutjchen Heere und der Etappendienft nach den Feldakten und Privatberichten. Zeil I: Hinter der Front der Maasarmee (XI u. 214 S.; 5 Mk.). Teil II: Die Bekämpfung des Volkskrieges im Generalgouvernement Reims. Berlin 1893, Eijenfchmibt (IV u. 212 ©.; 10 Mt.).

Weide: Die Urſachen der Siege und Niederlagen im Striege 1870. Verſuch einer Eritiichen Darftellung des deutich « franzöfifchen Krieges bis zur Schlacht bei Sedan. Aus dem Ruſſiſchen überjet von Klingender 1.3. Mit 7 Skizzen in Steindrud und ein Ueberfichtätarte. Berlin 1894, Mittler u. Sohn (V u. 371 ©; 7,50 ME).

Hans Blum: Das Deutjche Reich zur Zeit Bismarcks. Politiſche Ge fchichte von 1871—1890. Leipzig und Wien 1898, Bibliographiſches SInftitut (XX u. 708 ©.)

295] Neue Erfcheinungen. 295

9. son Pohhinger: Fürſt Vismard und die Parlamentarier. Breslau 1894, Trewendt (IV u. 3839 S.; 7,50 Mt.).

Enthält Berichte über die parlamentarifchen Gejellfchaften Bismarcks und Ziufgeichnungen von Parlamentariern über Geſpräche mit dem Reiche: nzler.

Die Politiſchen Reden des Fürſten Bismard. Hiſtoriſch⸗kritiſche Gefamt- awögabe von Horjt Kohl. Bd. VII, VIII u. IX. Stuttgart 1893 und 1894, Gotta Nachfolg. (XXIV u. 448 S., XX u. 436 S., XXN u. 479 ©.).

Bd. VII enthält die Reden von 1876-1879, Bd. VIII von 1879 bis 181, Bd. IX von 1881—1888.

N. Philippfon: Friedrich III. als Kronprinz und Kaiſer. Im Auf- trage des Komitees zur Errichtung der Oberlaufiter Ruhmeshalle zu Goͤrlitz. Berlin 1893, ©. Grote. (Mit dem Bildnis des Kaiſers nad) dem Gemälde von 9. v. Angeli. VIII u. 810 ©. ; geb. 7,50 ME.)

Die umfafjenden Studien Philippfon?, die fein Buch zur vollftändigften und ausführlichften der bisher veröffentlichten Biographien Kaiſer Fried⸗ richs III. maden, fein Eingehen auf das Welen bes Helben und feine warme Begeifterung werden mit Recht hervorgehoben. Neue Züge aus bem Leben de3 Yürften werben bier zum erftenmal mitgeteilt... Um nur eines zu gedenken, wer hörte nicht mit Stolz, daß der Kronprinz mit den Haffiiden Stätten Athens vertrauter tvar ala der Griechenköni R.rbf und ihm als Führer dienen konnte? Auch die Bemühungen bed Verf. ſich in ber Darftellung von der Parteien Hab und Gunft fern zu halten, jollen anerfannt werden. Leider find fie aber meine® Erachtens nicht gerade überall erfolgreich geweien. Ein tiefer Peſſimismus, ber in den Beftrebungen der neueften Zeit den Rüdjchritt zu vernehmen glaubt und in ber gungen Generation Bewunderer nur ber Kraft, bed Zwangs, des äußeren 8 und Beräcdhter idealerer Beitrebungen ſieht (vgl. 3. B. ©. 194 umd 234),

t ihn zu harten, einfeitigen Urteilen verleitet und feiner Schrift eine immte Barteifärbung verliehen. In einem Volksbuche und ala Kar ift Doch wohl das Phitippenſhe edacht dürften nicht ſo be⸗ eitbare Behauptungen ſtehen, wie die &. 108), Bismard hätte nad) 1866 „mehr ala je eine unbedingte Herrichaft über die Entichließungen des Monarchen” geübt, oder (S. 210) die Auflöfung des Reichstages nach ‚der Ablehnung des erften Socialiftengefeßes wäre ein „politilcher Staataftreich“ ewejen. Laskers fubjeltive Anſicht (S. 162), dab zu Bismarcks Wiber- and gegen bie Einrichtung verantwortlicher Reichaminifterien. „abjolut tein Grund vorhanden ala Kin Wunfch, die Leitung der ReichBangelegen- beiten widerſpruchslos in feiner Hand zu vereinen”, kann dod nicht fo ohne weiteres als feftftehende Thatſache übernommen werden. Bei der Erzählung (S. 130), der Kronprinz hätte nur mit Mühe die. Verleihung bes Eiſernen Ktreuzes an Nichtpreußen durchgelebt, hätte zum mindeften in einer Anmerkung der gerade entgegen geſetzten Angabe de3 Reichskanzlers in dem Immediatberichte vom 23. September 1883 gedacht werden müſſen. Wo bleibt die Unbefangenheit der Kritik, wenn einer unjerer hervorragend: fen Hiftoriler und feine Anhänger kurzweg (S. 221) ala „eine gewiſſe in patriotijchen und abjolutiftifchen Phrafen bramarbafierende hiftoriiche Schule“ abgethan werden? Troßt diefer und mancher anderen Einwände wird der Wunſch des Verf., dab von der tiefen feelifchen Orregung, die er beim Schreiben des Buches empfand, eine Nachwirkung auf den Leſer übergehen möchte, gewiß an vielen erfüllt werden. Welcher Teuticher hörte nicht immer wieder gerne vom Kaiſer Friedrich! O. Krauske.

296 Neue Erſcheinungen . [2%

Die Eutwidelung der Feldartillerie von 1815—1892. Mit belonberer Berüdfichtigung der preußifchen und deutſchen Artillerie. Zwei Bände (XIV u. 388 S., IX u. 465 ©.). Berlin 189, Mittler u. Sohn (16 Mt.).

Beutner: Geſchichte der Gardeartillerie, insbeſondere Geſchichte bes 1. Gardefeldartillerie Regiments und des 2. GardefeldartillerieRegi ments. Zweiter Band. Berlin 1894, Mittler u. Sohn (VII n. 320 ©. u. 172 ©. Anlagen, 12,50 Mt.).

v. Wechmar: Braune Huſaren. Geichichte des braunen Hufarentegimats der friederigianifchen Armee 1742—1807 und des jebigen Huſaren⸗ regiments v. Schill (1. Schlefifcher) Ar. 4 von 1807—1893. Berlin 1898, 9. Peter (VI u. 338 S.; 12,50 Mt.)

v. Eramen: Geſſhichte des Leibküraſſierregimenis Großer Kurfärk —— Nr. 1. Berlin 1893, Mittler u. Sohn (VI u. 240 6. 10 .).

Gotiſchall: Geſchichte des 1. Thüringiſchen Infanterieregiments Ar. 81. Berlin 1894, Mittler u. Sohn (IX u. 589 S.; 12,50 Mt.).

Rintelen: Gelchichte des Niederrheiniichen Yüfilierregiments Ar. 39. Berlin m), Mittler u. Sohn (XU u. 586 &. u. 98 ©. Anlagen; 10,50 Mt.).

v. Eck: Gefchichte des 2. Weſtfäliſchen Onfarenregiments Ar. 11 und feiner Stammirupypen ven 1807—1893. Mainz 1894, Militär Berlagsanftalt (IX n. 433 S.; 15 Mt.).

Altprenbifche Militärmäriche aus dem Muſikarchiv der Königl. Hau bibliothek zu Berlin. Ausgabe für Klavier von Georg Thouret. Leipzig 1894, Breitlopf u. Härtel.

Rangliften der Königlich Prenkifchen Marine aus den Jahren 1848 1861. Anhang: Abdrud der in den dorbezeichneten Zeiträumen erfchienenen geichriebenen Liſten der Königl. Preußiſchen Marine für die Jahre 1854, 1855, 1857 unb 1858. Herausgegeben von dem Ober tommando der Marine, Dezember 1893. Berlin 1894, Mittler u. Sohn (4,25 Mi).

Geſchichten Ingenottifcher Familien. Heit I: Gerland, Die Familie Srandidier. Heft II: Mila, Die Yamilie Mila. Het III: Gerland, Die Familie Du Ry. Berlin 1891 —1898, €. S. Mittler u. Sohn.

Ködrik- Mombihäh: Geſchichte des Geſchlechts von Köckritz. Breslau 1893, Dar u.

297] Neue Ericheinungen. 297

Ertlärung.

Auf die B „Aus der M % ee Me Be

bler Heiner ar darin N von dieſem Peite ausg Me meiner ein >. 3 fteht einigen au Dim he

+ unbelannte, 4 wichtige Lehnsurkunden hr wad N. bereit jo wie meine ek ungen zu 5 anbern Bnsurkunden, au einfach bon neuem Abdrud —* der Bruder riedrichs Abbankung für Gs. Bl pätte Ni 8 teils in bieler Schrift, teils in „einen früheren Arbeiten en Önnen. hatte, um mit Mer rede w mie t fo „wenig hiſto⸗ zi nie Kenntni ie bei R Leſern vorauszuſe da och ude eine beſondere Einleitung über ihre be glaub tte NN icken müflen. Um fo Inemiger bedaure ich demnad in den Anmerkungen des Guten zu viel gethan und, wie ein anderer Recenſent bemerkt, „reichliche Denn ih aus der teilieile ehe ent enen Vitteratur” gegeben zu haben. Wenn ich in der Regel je ie wichtigſ en hiographiſchen Daten beifügte, was R. vorent I atte das bei K. Ludwig noch feinen be: —* Grund. Hier hatte i eranlaſſun Be gute. Stammtafeln zu richtigen x i. m. a? . Geneal. ſch rot. Si rften i. 8 2. f. —8 78 dieſem Beiſpiel hat R. a Un lüd. —— der zite a ein "anderer Kritiker „beicheiden“ nennt, muß nad ge: en ee werden. & verieife auf ©. 53, two ich von ber Entftehung der appe ſpreche, und S. 3, wo ich bie SHeranziehung Weiteren Materials aus verfchiedenen nediven begründe. Deber den Wert der Pehlitation urteilt ein Berufener, Th. Kolde, i. d. Ziſchr. f. Ktiirchengeſch. XV, 3, 484, daß fie „fich den früheren ver⸗ Vienftos en Leiſtungen es Verf. auf biefem Gebiete würdig anreiht”. Er et es „als eine Ehrenpflicht des preußifchen Staates“ die Heraudgabe riefwechjelö „zu unterſtützen oder in den Publitationen ber preuß. aatsurhiie zu veranlaflen“. Dies dürfte vor der Ham genügen. Louis Neustadt.

Auf die obige Erklärung des Herrn Louis Neuftadt erwidere ich:

1) F * beſtaͤtigt on in hine en die Richtigkeit bes Born das von mir beiprochene n kb r wenig von ben Gegenftänden Ne gäle, die er im Vorworte a en hr das eigentliche Thema feiner Publikation bezeichnet bat. Wenn ber Briefwechlel des

! Nie eo aloga handlung W. Köbner in Breslau erſucht und_ mitzuteilen, wähnte Buch ſeit dem Januar 1893 von ihr in Kommiſſions⸗ übernoumen fei. Auf dem Zitel des Buches war dies nicht bemertt,

19**

298

Neue Erjicheinungen. [28

Markgrafen Georg „im großen und ganzen mit bem Jahre 1517 ——— In mut —* Ns. Publikation „im großen und ganzen mit dem Jake 1517 einfeßen 2) Herr L. N. beruft Ns darauf, dab 1 unter ben auf —— Schlecker bezüglichen Nummern „il neue und bis kunden“ befänden. —5— ſogar die Reihe Kai a an —— anz unbekannten“ ichle ihen Urkunden um ein Beträchtl tliches vermehren Önnen, wenn er eben noch mehr a 4 Schlefien bezügliche Urkunden auf: genommen hätte, die mit der Politit Georgs gbenfomemig zu wie jene 11. Seine „Ergänzungen“ zu den ſchon bei Grünhagen- abgedrudten Lehnaurkunden find jo geringwertig, dab fie eine Hervoghehung keineswegs verdienen. Sin meiner Be pregjung hatte ich einen Zeil der Nihen Aumes kungen, ala überflüffig begeichnet und als Beilpiel dafür Anm. 35 ange ihrt. N. meint, ıd habe mit diefem_Beiipiele „Unglüd*, da er her eranlaffung gehabt habe, „ganz gute Stammtafeln zu berichtigen.” & hondeit ſich dabei um den Todestag Köni Fa Ser von m. Grste: end, Edlei. Stammtafeln, Aufl. rezlau 1875, XX) gran allerdings irrtümlich den 28. Auguft ee dieſes Verſehen ift aber ſches in der zweiten Auflage (von 1889) berichtigt; aud) die Coh nſchen Ztaum- tafeln (Zafel 43) haben das richtige Datum (29. Auguf) Ein neues Bedürfnis zu einer „oerichtigung, lag hier alſo nicht vor. Indem ich meine früheren Ausführungen über den Wert ber R. ichen Jubiſatien, aufrecht erhalte, bemerke ich zugleich, ſchon wegen der geringen edeutung der Sache auf weitere Augeinanderjegungen mit Herrn Lonis Neuftabt verzichten zu müffen. Felix chfahi.

Pierer'ſche Hofbuchdrucerei. Stephan Geibel & Co. in Altenburg.

Forſchungen

brandenburgiſchen und Preußiſchen Geſchichte.

Bene Folge der Aarkiſchen Forſchungen“‘ des Nereins für Geſchihte der Mark Grandenburg.

In Verbindung mit Se. Holke, G. Schmoller, A. Stölzel und BZ. v. Treitſchke herausgegeben von

Albert Naude,

Siebenter Band, zweite Hälfte.

Leipzig, Verlag von Dunder & Humblot. 1894.

Inhaltsaverzeichnis.

Seits

L Eine franzöfiſche Schilderung des preußiſchen Heeres von 1748. Mitgeteilt von R. KRoier . . » vr een. 1— 18

HD. Bon Mollwitz bis Chotufig. Ein Beitrag zur Zattit Friedrichs bes Großen. Bon Otto Herrmann. . - 15 63

IH. Wilhelm v. Humboldt und die Anfänge ber preußiſchen Ge. ſandtſchaft in Rom. Bon Bruno Gebhardt . . . ... 65 —- 78

IV. Sir Charles Hotham und Friedrich Wilhelm I. im Jahre

1730. Urkundliche Aufichlüffe aus den Archiven zu London und Biss Bas. Miſhel Duden - - 2" 2 200. 79—109

V. Freiherr v. Heinit ala Chef des Salzdepartements (T786— 86). Don Auguft Shwemann - . » 2 2 2 111—159

VI. Zur Beurteilung Bernadottes im Herbftfelbzuge 18183. Bon Sriedrih Meinede - - - - 2 2000 en 161—179

VN. Die älteften märklifchen Kanzler unb ihre Gamitien. Bon F. Hole jun. . . 2... ... 181—238

Kleine Mitteilungen: Alte beanbenhusgifie Fahnen und Stand» arten in Schweden. Bon 3. J. Petrelli. S. 2385. Zur Bevöllerungsftatiftit des preubiichen Staates von 1740 —1756. Bon Reinhold Kojer. ©. 242. Die Stärke bes Finckſchen Armeelorpa bei Maren. Bon Mar Immid. S. 250. Gedide und Delbrüd. Bon Ernft Friedländer. ©. 258 Der Große Kurfürft und die nationale Idee. Bon Kurt Breyfig ©. 268. Gigungsberichte des Vereins für Geſchichte der Mark Brandenburg . 267—280 Verein für Gefchichte der Neumark im Jahre 189874 . . . . 281—283

Neue Eriheinungen: Bücher . 1.2082 082 8 TR Tr LT 8 EL EL Er . .o . 285—838

..

I.

Eine franzöſiſche Schilderung des preußifden Heeres von 1748.

Mitgeteilt von R. Koſer.

Der Krieggmann, dem wir die folgende, dem Archiv des auswärtigen Minifteriums zu Paris entnommene Denkichrift verdanfen, iſt der fran- zöfifche Gefandte Valory, der fie in den eriten Tagen dez ihm im Sommer 1748 bewilligten längeren Urlaubg!) zu Verſailles überreicht hat. Die „Observations sur le service militaire du roi de Prusse“ fordern zum Bergleich auf mit gelegentlichen Bemerkungen in Valorys diplomatischen Berichten, mit feiner Schilderung der Schlacht bei Hohenfriedeberg ?) und mit einigen Stellen feiner Memoiren, die der DVerfafler übrigens nicht verwertet Hat?) ; fie reihen fich einer Anzahl anderer Charakteriſtiken

an, die und fremde Berichterjtatter über das Heer Friedrichs des Großen gegeben haben ?).

2) Bgl. Forſchungen VI, 466.

2) Gedrudt ın dem Recueil de quelques lettres et autres pieces inte- ressantes pour servir & l’histoire de la paix de Dresde, Berlin 1746, &.49—60. gl. Aeubilhe Staatsſchr. aus der Regierungszeit Friedrichs IL., IL, 13. 3) Bergl. Peukert, Die Diemoiren des Marquis? don Valory, ©. 28.

4) Belle - ale zerichte vom 27. April, 1. Mai 1741 bei Rante, S. W.

VIIXXVIII, 578. 586. - La tactique et les manneuvres des Prussiens observ&es par Mr. le d[uc] de Gfisom), Francfort et Leipzig 1770 (über die Manöver von 1754; vgl. Bolitifche Korzelponbenz Friedricho des Großen X, 336. 338; Me&moires du duc de Luynes XIII. 28 ; Roufiet, Le comte de Gisors, Paris 1868). Observations sur la constitution militaire et poli- tique des arm&es de Sa Majesté Prussienne, Berlin 1777 (zwei Nachdrude „Amsterdam“ und „en Suisse“ von 1778; vgl. Bellona * von Seidl] I, 91 ff.

Barbier, Dictionnaire des ouvrages anonymes L, 618 (3. Aufl. 1874) faͤlichlich Guibert zugelörieben. Gutbert, Journal d’un voyage en Alle- magne fait en 1773, Paris 1808; Guibert, Essai general de tactique (Euvres militaires I, 89). Me&moire sur l’armee prussienne fait en 1783 (in en Ausang bei Berenhorft, Betrachtungen über die Kriegskunſt, 3. Aufl. S. 23 ff), Une mission militaire en Prusse, en 1786, p.p. Finot et Galmiche-Bouvier, Pari3 1881 (das S. 267 ff. abgedrudte M&moire sur l’ar- me€e prussienne ift identifch mit dem Me&moire von 1783 bei Perenhorft).

Forſchungen 5. brand, u. preuß. Geld. VII. 2. 1

2 Reinhold SKofer. [300

Ich benüte die Gelegenheit, um auf die zulett erjchienene diejer Charakteriſtiken auf die Schilderung der ſchleſiſchen Manöver von 1773 aufmerkfam zu machen, die ein jpanifcher Oberft, Don Carlos Conde dr Fernan Nunez, in einem jet von Morel= Yatio herausgegebenen Bride aus Warſchau an einen Yreund in der Heimat niedergelegt hat!). Der Berfaffer war und bereits befannt aus dem Neifetagebuch des Grafen Buibert, der den Grafen Fernan Nunez in Wien fennen gelernt hatte und in der zweiten Hälfte des Auguft 1773 in Breslau wieder antra'?). Der ſpaniſche Grande wurde zu Neiße, wo Friedrich am 21. Auguſt ans langte, dem Könige vorgeftellt: „J'ai été present a Sa Majeste par un general qu’Elle avait depute à cet effet, car il n’y a ici ni cere- monial ni chambellans.. Le Roi me recut fort bien et me causa plus d’une demi-heure, me questionnant sur l’Espagne, dont il s’est formé une bonne idee par milord Marechal; il traite fort honnötement les Espagnols“ 8). Als die Uebungen bei Breslau fortgejegt wurden, ſprach der König den Spanier noch einmal, in einem Augenblid, wo dichter Nebel die Bewegungen der Truppen unterbrad. Graj Guibert erzählt, daß der König jenen diesmal mit allerhand jeltiamen Fragen über die ſpaniſchen Kolonieen in Amerika, Chili, Paraguay u. f. w., in Berlegen- beit gejett habe und fügt Hinzu: „persiflage ou questions embarrassantes sont la recreation favorite du Roi, surtout vis-A-vis des &trangers“ ®). Am lebten Manövertage kam der ftolge Spanier, wie wieder Buibert erzählt, in eine neue Verlegenheit. Der König fpeifte, wie immer bei diefen Anläffen, mit feinen Generalen, ohne einen Fremden zu feine Zafel hinzuziehen. Graj Anhalt, der Generaladiutant, präfibierte der zweiten Tafel und lud auch Guibert und den Spanier zu Gafte. Ver Grande war lange im Zweifel, ob fein Erfcheinen mit feiner Grandezzo vereinbar jei, leiftete endlich Folge, aber mit halbem Herzen: „Mon grand d’Espagne ne desserrait pas les dents: se trouvait deplace; c’etait peut-&tre vrai: moi, qui me trouvais fort bien, je mangeai comme un diable,“

Die Künfte der preußifchen Truppen hatten die volle Bewunderung des fpanifchen Oberften, mehr ala alles die Leiftungen der preußifhen Reiterei: „plus que tout le reste la cavalerie, ce que je n’aurais pas cru. Que ne ferait-il pas avec nos chevaux! ... Amities & Borghesi?)

1) Morel-Fatio, Etudes sur l’Espagne II (Paris 1890) 352—358.

2) Journal d'un voyage en Allemagne fait en 1773, IL, 122: „Ben- contre d’un grand d’Espagne, colonel d’un r&giment d’infanterie, que j'avais vu & Vienne et qui venait aussi aux Tevues; un cApitaine de son regiment l’accompagnait; liaison form&e fort vite, nos objets &tant communs; j'etais bien aise de voir comment les Espagnols observent.“

3) Morel⸗Fatio IL, 112, nach der dort gegebenen franzöfiichen leberickung eines Briefes vom 27. Auguft. Irrtümlich giebt Morel Fatio bier an, daß die im Anhang im fpanifchen Srundtert von ihm mitgeteilte Schilderung der Ma: növer in diefem Briefe vom 27. enthalten fei, denn der Brief mit hiefer Schilderung ift nach S. 352 aus Warichau datiert und begleitet die Vorgänge im preußiſchen Lager big zum 3. September.

4) Morel-Fatio IL, 116, nach Guibert, Vovage II, 205.

5) Kommandeur des Ravallerieregiment? Montela.

301] Eine franzöfiiche Schilderung des preußilchen Heeres von 1748. g

et à Revellagigedo!), Dis au premier que je pense à lui, surtout quand je vois deux lignes de cavaliers: en bataille, I’une de deux mille chevaux, l’autre de quatorze cents, charger au grand galop à travers un mauvais terrain et faire halte tous à la fois, aussi bien alignes que la meilleure infanterie. Villadarias?) n’a pas idee de cela, ni moi non plus je ne l’avais pas. Que ne serait pas ce Frederic s’il avait une douzaine de regiments de Montesa! A Revillagigedo, dis- lui que j’essayerai, si j’en trouve le temps, de lui donner une idee de cette armee qui est tout autre que ce que j’avais pense, car à la petit-maitrise et aux minuties elle a tr&s heureusement substitus la soliditE et lintrepidite*®). Den bier in Ausſicht genommenen aus: führlichen Bericht mögen die Yachmänner in dem fpanifchen Grundtert bei Morel⸗Fatio nachlefen.

Observations sur le service militaire du roi de Prusse.,

Remis par le marquis de Valory dans les premiers jours de septembre 1748 ä Versailles,

La reputation des troupes prussiennes est montée au point d’ex- citer l’attention de toute l’Europe et les sp6eculations des militaires. Les details qui concourent à cette discipline, qui en fait la principale force, sont énoncés dans une espece de cöde, confi6 aux officiers sur le serment de ne le montrer & personne*), On a eu des moyens de l'avoir, mais avec de grandes difficultes,

La singuliöre beaut6 de ces troupes, & la mort du feu roi Fre- deric- Guillaume, et tous les autres arrangements qui concernaient la guerre, que ce Prince a laiss6es dans un ordre admirable, ne pou- vaient ötre que l’ouvrage d’un souverain qui, pendant vint-cing ans, y avait mis non seulement toute sa depense, mais encore son unique application, son goft, sa volupte, s’il est permis de se servir de ce terme. Cet ouvrage singulier n’a pu se faire sans maltraiter, je dis

1) Generaltapitän ber fpanifchen Heere.

2) Kommandeur ber fpanifchen Gardes du corps.

3) Aus einem Briefe an eine Dame, die Schwefter, d. d. Neike, 27. Auguft; nach der franzöfifchen Ueberſetzung bei Morel-Fatio IL, 110.

4) Die Reglements von 1743. Die Anftruftionen für die Generalmajor von ber Infanterie bezw. von ber Kavallerie famen erft gerade im Augenblid der Abreile Valorys von Berlin, am 14. Auguft 1748 zur Berteilung (vgl. (Euvres de Frederic le grand XXX p. XXIX); die General-Principia vom Krieg exft 1753 (CEuvres XXVIII p. XV).

1*

4 Reinhold Kofer. [302

plus m&me sans avilir les autres ordres de son 6tat. DI a fallu im- primer dans la töte des officiers comme du soldat une sup£riorite d’etat et leur persuader que tout ce qui n’6tait pas militaire ne me£ritait que le mepris.

Ces troupes se montaient, & sa mort en 1740, cavalerie et in- fanterie, en tout de 85 & 86000 hommes!). A peine de ce nombre le tiers 6tait de ces sujets, les deux autres tiers 6taient de toutes na- tions?). Les pre&cautions qu’il est possible de prendre, ont 6t6 mises en usage et le sont encore pour empöcher la desertion, c’est à pre- sent comme autrefois le crime irr6missible, il n’est puni de mort qu’& la quatriöme ou cinquiöme re&cidive.

C’est avec cette armée que le roi de Prusse actuellement r&gnant a commenc6 la guerre en Sil6&ie. Ce Prince la mena lui-m&me,. 11 avait et, comme le reste de ses sujets, assujetti aux plus petits details de la discipline militaire, et s’etait applique à la theorie de la guerre de campagne. Quand il la commenca, il ne fut secouru, dans l’immense detail qu’une armee demande, que par des officiers generaux dont peu avaient servi dans d’autres emplois que celui de lieutenant-colonel, ou, au plus, de colonel, à la paix de 1712, et dont les talents se tron- vaient circonserits dans les petits details. On peut dire que le seul feld-marechal de Schwerin connaissait la guerre; les autres officiers generaux ne se rappelaient que le service qu’ils avaient fait, et ainsi n’etaient propres qu’& tenir leurs regiments en ordre®),

Avant de suivre l’armde prussienne & la conquäte de la Silesie,

1) Der Immediatbericht des Generalmajors von Maſſow vom 10. Januar 1748 (Militärwochenblatt 1840 ©. 37 ff.) giebt 83468 Mann an; im Auäzug aus der monatlichen Generallifte der preußifchen Armee für 1739 (mitgeteilt von Lehmann, Hiftor. Zeitichrift LXVIL, 286) 77065 Dann, wobei die fog. neuen Sarnifonen nicht mitgezählt find.

2) Die monatlichen Generalliften führen erft feit Auguft 1740 Landeskinder und Ausländer getrennt auf. Vgl. die Kriege Friedrichs des Großen, her. vom Großen Generalftabe I, 33 Anm. 2. Das Verhältnis von %s zu Us, das Valory angiebt, fchreiben die Reglements von 1743 als Norm vor. Bol. „König Friedrich der Große I, 542.

3) &. H. v. Berenhorft, Betrachtungen über die Kriegskunſt, Abfchnitt 13 (3. Aufl. S. 150) erzählt in feiner farrifierenden Weile: „Im Jahre 1741 waren die Preußen 26 Jahre abweſend vom Kriege; wenn nun bei der Parole von Go: lonnen geſprochen, und wie die Bataillone in denfelben folgen follten, befohlen ward, jo traten die braven Jdioten zufammen und fragten fich im Vertrauen: Wat is denn nu Kolunnige? und das Refultat fiel: Eh wat! if folge opp mim Naddermann, wo deh hinmarfchiert, ick och.“

803] Eine franzöfiiche Schilderung bes preußifchen Heeres von 1748. 5

et parler des inconvönients qui se rencontrent dans cette armée quand elle est en campagne, je crois & propos de parler de la discipline qu’elle observe en garnison, et des remarques que j’y ai faites. Je ne me flatte pas de rien omettre. Ces details sont immenses et com- poses d’un nombre infini de minuties, qui, combindes, forment un corps de discipline aussi surprenant par ses effets que difficile & imiter.

Les regiments ne changent point de garnison commun6ment, hors ceux qui sont dans les grandes places; encore n’est-ce que dans des circonstances qui se pr6sentent rarement. Les autres troupes sont distribuses dans plusieurs petites places; chaque officier en parti- culier veille au maintien de la discipline avec soin. Les soldats ne sont en aucun endroit casernes, et sont loges chez le bourgeois, ils occupent les meilleures chambres sur le devant de la maison. A Pots- dam, est le sejour ordinaire de ce Prince et la garnison de son regiment particalier, il n'y a des bourgeois que pour servir les soldats. L’ordre de les loger sur le devant de la maison et au premier etage est etabli pour que l’appel puisse se faire commodement, ce qui se pratique avec la plus grande exactitude. Les officiers de chaque regi- ment sont log6s dans le quartier de leurs soldats. Les princes m&me, les feld-mar&chaux et lieutenants-generaux sont assujettis à cette rögle. Par la le capitaine, et ensuite le colonel, est instruit sur le champ du soldat qui ne r&epond point à l’appel. Les plus rigoureuses per- quisitions sont faites pour le retrouver, et le bourgeois chez qui il loge, était autrefois oblige d’y repondre ou d’avertir les bas-officiers, lorsqu’un soldat sortait apres ledit appel.

A l’heure marquee, le bas-officier, qui est ce que nous appelons chez nous le sergent, rassemble ceux de la compagnie qui doivent monter la garde. C'est ordinairement à sept heures du matin l’ete, et à neuf heures l’hiver. Ces bas-officiers examinent soigneusement P’habillement et l’armement du soldat; chacun d’eux fait marcher son escouade, lui fait faire le maniement des armes, les pr&senter, charger, mettre en joue, recharger etc. Le moins ancien des bas- officiers se joint à l’autre. Les escouades assemblees recommencent la möme ma- n@uvre; puis, elles sont conduites chez le lieutenant, qui en fait une seconde inspection et recommence le möme mouvement de presenter les armes, charger et de marcher A pas comptes, les conduisant en ordre chez le capitaine, qui les möne lui-möme chez le major. Autre repetition de ce qui a été fait, et nouvelle conduite en troupe chez le lieutenant-colonel, observant toujours de marcher le m&me pas. Le lieutenant-colonel les möne chez le general, de sorte qu’un soldat qui

6 Reinhold Koſer. [304

monte la garde, a pass6 par quatre ou cinq inspections et a repete autant de fois l’exercice de marcher la töte lev6e et le regard tourne du môme cöte, avoir charge et mis en joue. Aussi leur promptitude à tirer leurs baquettes de fer, les retirer et les mettre en place, est- elle surprenante; ce sont des machines dont on polit les ressorts journellement.

Il y a en temps de paix deux mois de printemps, et quelquefois trois, les regiments entiers s’exercent. Ce sont les mois qui pre- cedent la revue generale. Ce n’est pas deux ou trois fois au plus, comme chez nous, c’est tous }es jours except6 les dimanches; encore les soldats sont-ils ensemble et marchent aux &glises comme s’ils etaient armés, toujours le möme pas, plus ou moins precipite, selon que l'offi- cier qui les conduit le veut, mais egal, il en donne lui- mäme l'ex- emple.

Dans ces temps d’exercices, tous les congedies sont rappeles. On entend par congedies tous les naturels du pays qui ont permission d’aller travailler dans leurs villages.. Ces permissions font l’aisance du capitaine; ils l’etendent aussi loin qu’ils peuvent. Ces congedies, de retour & la troupe, recommencent chaque annde à s’exercer comme s’ils etaient des recrues. Les &volutions, dans ce temps d’exercice, se bornent à marcher par divisions, & compter le pas, à partir du möme pied en même temps, de sorte que, lorsque le colonel l&ve la jambe, tout part en m&me temps. Ou tire par peloton, chaque peloton est commande& par un officier qui se tient dans le rang. Le soldat attend le commandement pour preparer ses armes. Le premier rang met son genouil en terre, le second se plie un peu, et le troisieme se löre. Ces trois rangs de chaque peloton font fen au commandement. Le premier se löve vite et recharge, les deux rangs de derriere font trois pas de cöte vite, et comme des chevaux qui fuient les talons, pour avoir la libertE de recharger. Dans ce temps d’exercice, la poudre n’est pas 6pargude; le roi de Prusse en donne une assez grande quantite, mais elle ne suffit pas, et chaque capitaine en achäte; car il repond & son chef de l’adresse de ses soldats, et le chef au Roi. ll n’y a guöre de soldats qui n’aient tiré leurs vingt coups dans la matinde, aucune excuse n’est recue, pour une arme qui a manguß, le soldat est puni,

J’ai observe que toutes les evolutions se bornent a marcher en bataille, en comptant ses pas, les faisant avec une proportion designee, et & tirer par peloton, ou par demi-bataillon, ou par bataillon entier.

305] ine franzöfiſche Schilderung bes preußiichen Heeres von 1748, 7

Quelqu’epais que soit un soldat, quand on lui fait faire la m&me chose aussi souvent, il est difficile qu'il ne re&ussisse.

Chaque regiment d’infanterie est compose de deux bataillons, chaque bataillon de six compagnies, chaque compagnie de 140 hommes, y compris officiers et bas-officiers, et d’une compagnie de grena- diers!).

L’usage du roi de Prusse est de rassembler ces dergiers et d’en faire des bataillons, qu’il donne à commander à qui bon lui semble, notamment à ses aides-de-camp, qui n’ont que le rang de majors dans l’armee, car ses adjudants generaux, portant ses uniformes en or, ont rang de colonels. Ces bataillons de grenadiers sont de quatre com- pagnies de 150 hommes chacune?); leur poste en ligne est ordinaire- ment en droite et gauche, et souvent ils ferment les intervalles des premieres et secondes lignes. Quelquefois il en a fait camper à peu pres au centre pour former une espece de carr& long entre les deux lignes. Les tentes du roi de Prusse et de ses adjudants se trouvent dans cet intervalle. Les m&mes bataillons sont aussi envoyés dans des postes pour la communication de l’armee avec les subsistances ou dans d’autres, en avant ou en arriöre, pour la sürete.

Chaque bataillon a deux pieces de canon de trois livres, balle, et la premiere ligne une piece de 12 livres. Toutes ces piöces mar- chent à la töte de chaque bataillon et sont attelees de trois chevaux pour les pieces de trois livres, et de quatre à cing pour les autres, suivies d’un fourgeon qui porte les munitions à l’usage des pieces. Il y a ordinairement quatre hommes pour servir les pièces de trois livres, et six pour celle de douze livres. Ces pieces font le möme chemin et passent partout avec l’infanterie et ne quittent jamais les bataillons. Ce sont des canoniers d’un corps à part, formant un regiment, qui les mönent et les servent, qu’on ne change point dans le cours de la campagne.

Un camp prussien a toujours beaucoup d’etendue, plus que les nötres. Cette difference est au moins d’un quart, en sür. Ces troupes se forment et combattent sur trois d’bauteur.

Les faisceaux touchent quasi les tentes des bas-officiers, dont le cal de lampe appuye A celle des soldats. Immediatement apres, suivent

1) Sie Grenabdierfompagnie ift bereit3 in der angegebenen Zahl von ſechs Rompagnieen inbegriffen.

2) Die Kriegsſtärke der Grenabierfompagnie belief fih, die Meberfompletten hinzugerechnet, nur auf 122 Mann einfchließlih Offiziere. Bol. „Tie Kriege dtiebrich des Großen“ I, 69.

8 Reinhold Kofer. [306

celles des lieutenants, & quelques pas de distance celles des capitaines, & quelques autres pas sont les tentes des officiers de l’etat major, puis celle du general ou colonel. Il faut observer que toutes ces tentes sont uniformes, selon le grade; deux lieutenants dans une tente, Ile capitaine seul, et sa tente sur le modele donne; le seul colonel ou general peut en avoir une doublee, mais tous les autres sont uniformes entre elles, sans qu’il soit permis, sous quelque pretexte que ce puisse Etre, d’ötre mieux qu’un autre n’y d’avoir plus d’öquipages.

Les vivandiers et cuisiniers des soldats sont derriere, avec une garde qu’on appelle la garde du feu. Cette garde pose les sentinelles le long des bataillons, en arriere, et l’environnant. Je ne sais si cette maniere de camper n'y a des inconvenients; à moins a-t-elle beaucoup d’incommodite et peu de gräce. Dans l’ordre exact il n’est permis à aucun soldat de sortir sans permission de sa compagnie, qui campe à deux hayes, faisant face à elle-mäme. Cette permission se donne rarement, encore moins d’aller d’un bataillon & un autre; un officier möme ne peut aller dans le regiment voisin sans la permission du chef. Mais ces sortes de regles sont, & mon gre, trop austöres, et d’autant moins admissibles qu'elles sont plus souvent entreintes sans qu’on s'en apercoive.

L’armee prussienne n’a point d’etat major; c’est le general major du jour qui recoit l’ordre du Roi, qui le distribue aux majors des regiments et lieutenants des generaux. Le grade de general major est le m&me que brigadier chez nous; au moins a-t-il le m&me com- mandement et les m&mes fonctions à l’armee.

Un camp prussien est mal garde, une troupe de dragons, ave quelque infanterie en croupe, mende vigoureusement, pourrait l’insulter et y mettre la confusion au centre comme aux ailes, je dis m&me l’armee en desordre. Voici sur quoi je fonde mon opinion. Il n’ya ni piquets ni grandes gardes; l’espece à laquelle il leur plaft de donner ce double nom, sont des gardes postes à très peu de distance des faisceaux, qui n’exc&dent que tr&s peu nos gardes de camp, de manière qu’une troupe qui irait brasquement en attaquer une aile, serait dans les tentes avant que l’alarme y füt parvenue, La retraite battue, on pose des sentinelles de deux en deux, chaque paire asse& pres les uns des autres, pour pouvoir se parler. Ces sentinelles for- ment devant et derriöre une enceinte plutöt contre la desertion que pour la süret6 du camp. Ainsi il est sensible qu’une tronpe ennemie qui se serait propose de l’attaquer, serait au milieu d’eux à la droite avant qu’on en eüt le moindre avis sur la gauche.

307] Eine frangöfiiche Schilderung des preußifchen Heeres von 1748. 9

ll arrive bien que le roi de Prusse mette en avant quelques ba- taillons de grenadiers, m&me un regiment de dragons, qui se tiennent toajoars fort ensemble; mais il est aise de concevoir que ces troupes laissent de grands intervalles entre lesquels une troupe considerable pourrait passer sans être apercue, à arriver, comme je l’ai dit, jus- qu’aux faisceaux,

L’usage de l’armee prussienne ou celui du roi de Prusse n’est pas de faire des detachements assembles de divers corps; c'est tou- jours d’un bataillon ou d’un regiment avec ses drapeaux et avec son canon. On est étonné de voir les matins des vides dans une ligne qui n’y etaient pas la veille. Cette methode peut avoir son bon, et jestime qu’& son camp de Chlum, il a sejourne six semaines!), sil avait eu affaire & un ennemi vigoureux et entreprenant, son armee eht é te mise en desordre et peut-&tre battue sans ressource dans une action de nuit. Sa seconde ligne 6tait presque toute en detachement pour aller au devant des subsistances; à peine avait-il 20,000 hommes en face des ennemis, qui €taient maftres de passer l’Elbe sans que le roi de Prusse s’en apercht. Ce Prince comprit en partie le danger de son situation; en consequence, il ordonna des redoutes à quelque distance du camp; mais elles n’etaient pas suffisantes pour le garantir des entreprises d’un ennemi entreprenant et audacieux, instruit de son etat et de sa position.

Ce que je dis du peu de süret& des camps des Prussiens, eet constate, ce me semble, par mon aventure de Jaromircz?). J’etais loge dans le faux-bourg de cette petite ville; j’occupais une maison qui m’avait éêté assignee; il y avait dans cette ville deux bataillons, ind&pendamment de 200 hommes qui gardaient le fauxbourg, qui joignit un camp command& par le general Lehwaldt et bordait la Motta, petite riviöre qui se jetait dans l’Elbe.. La grande armee appuyait par sa gauche & Jaromircz, ma maison 6tait distante d’une garde de 60 hommes d’environ cent pas, et une autre de 10 hommes, y com- pris le bas-officier, était, pour ainsi dire, & ma porte et me four- nissait un sentinelle.e Le fauxbourg appuyait & l’Elbe d’un cöt6, sur cette riviere &tait encore une garde pour les fours de l’armee. Dans cette position, il n’est pas &tonnant que je me sois cru en sürete; je devais compter sur des patrouilles d’un poste à l’autre, mais c’est une Precaution qui n’est point encore d’usage dans l’armee prussienne,

1) 20. Juli bis 28. Auguft 1745. 2) Pol. Forſchungen VI, 480.

10 Reinhold Hofer. [308

Franquini, qui avait un corps assez considerable de mauvaises troupes sur les derriöres de notre camp, s’est avanc& avec 200 hommes d’in- fanterie et 100 hussards & 200 pas de la maisons que j’occupais, dont il a detach6 60 qui sont venus par une grange chez moi, et ont en- lev6 mon secr6taire!), croyant me prendre. Ils ont eu le temps, apres l’avoir emmene, de piller mon &quipage et mes chevaux, et sans cetie garde de 10 hommes ils eussent eu celui de les brider et seller, peut- &tre m&me celui de faire la soupe. La garde de 60 hommes, à deux cent pas de chez moi, ne branla pas et se contenta de se mettre en peloton sous les armes. Une seule patrouille de deux hommes qui edt tir6E un coup de fusil, eüt deconcerte l’entree de Franguini, selon son propre aveu; mais, comme je l’ai dit, on ignore cet usage, et toujours dans la crainte de la desertion, cette frayeur fait commettre bien des fautes, à ce qui me semble, et cela en pure perte, car on ne parvient pas & l’empöcher en campagne.

Je dois ajouter à tout ce que j’ai dit de la discipline journaliere de cette armée, que les soldats sont conduits en ordre & la paille, au bois et & l’eau par lears officiers, qui en r&pondent, les mönent et ramenent.

Il est certain que le feu de cette infanterie est redoutable, mais assurement moins qu’on ne se le figure. Leur ordre, qui est dif- cilement rompu, l’est, & mon gre, davantage. Je m’explique,. Ce sont des machines qui tirent et ne regardent point oü; les Prussiens tirent trop bas et souvent à quatre ou cing pas d’eux; ils commencent leur feu & des distances tr&s eloignees; & Mollwitz, ils ont tir6 & 800 pas, meme & 1000: & Friedberg, on a vu une partie de la ligne de la gauche tirer sans voir aucun ennemi; la machine 6tant montee, les pelotons de la droite et du centre faisant feu, le reste a suivi machi- nalement, mais toujours en ordre de pelotons.

La cavalerie prussienne se trouvait & la mort du feu Roi dans un ordre egal & celui de l’infanterie. Les chevaux accoutumes au feu et le cavalier descendant de son cheval, lui laissant la bride sur le col et se rangeant & la tête de l’escadron pour faire fen de rang de pelotons et de bataillons, comme les fantassins, sans qu’aucun cheval branlät de sa place. J’ai vu des demi-escadrons entiers doubler les rangs en fuyant les talons.

Dans Berlin, comme dans les autres villes du roi de Prusse se trouve des &curies communes, il y a des manöges qui sont dans le

1) Darget.

809] Eine franzöfifcde Schilderung des preußiichen Heeres von 1748. 11

centre des bätiments desdites &curies, les officiers se rendent jour- nellement sans oser y manquer. On y fait monter les cavaliers et on les instruit & manier leurs chevaux. Ü’est le roi de Prusse qui les fournit, et, selon les endroits la cavalerie est en quartier, il donne tant suit peu par cheval pour leur nourriture. Les dragons et hus- sards sont trait6ss de mäme. Les premiers ne different de la cavallerie qu’en ce quils n’ont point de cuirasses et portent des fusils au lieu de mousquetons. Ils ne paraissent pas faits pour combattre & pied, quoiqu’ils soient exerces dans tous les mouvements de l’infanterie, et quils les mettent en usage aux revues avec autant de precision. Les hussards möme sont exerc&s comme cette infanterie,

Les dragons sont montes aussi haut que l’est notre cavalerie, il n’y a pas eu d’exemple jusques & prösent qu’ils aient combattu à pied; en general, les dragons allemands ne sont que de la cavalerie sans cuirasses; ils ont un juste-au-corps dans les Prussiens, et les cavaliers ont une espece de buffle qui fait leur habillement ordinaire, avec une veste aussi courte qu’une camisole, bleue ou rouge, une poche attachee & une ceinture et couverte comme celle des hussards.

Les chevaux de la cavalerie et des dragons sont pen charges des hardes des cavaliers, qui ne portent que deux chemises dans une es- pöce de petit porte-manteau, avec ce qui est necessaire & la propret6 de leur ajustement, dans laquelle ils sont entretenus en campagne comme en garnison. La cavalerie prussienne est peu &accoutumee A fourrager; il y parüt & la derniöre campagne de Bohöme elle fut pour la premiöre fois soumise à la nécessité de faucher et faire des trousses; jusque lA on leur avait apport6 le fourrage au camp, on n'en avait eu que la peine de le prendre dans les granges; les offi- ciers generaux ne m’ont pas paru avoir plus de connaissance de la facon de former des chaines pour la süret6 des fourrages.

On vit fondre les chevaux en six semaines ou deux mois; la Consommation en est considefable, l’espöce en general ne m’en a pas para bonne. Le roi de Prusse ne veut dans la cavalerie que des chevaux noirs, de sorte qu’on rebute un bon cheval parcequ’il est bai, et qu’on en prend un mauvais ou me&diocre parcequ’il est noir. Les chevaux des dragons sont moins uniformes, mais ce relächement, si cela se peut appeler ainsi, cesse pendant la paix et on revient à T'aniformite.

I n’y a pas & l’armde des detachements composes de divers Corps comme chez nous; les escadrons et les regiments même sont de- tach&s ensemble, ainsi que cela se pratique dans l’infanterie; en general,

23 .rımmb Dre [310

iseı m u 7 Imem= ir (ırzs ommmilerables; ce sont les hu sr WE ME mE 0 Zum I "mie

2 "5 u de sa cavalerie à Mol- Iz “le it des machines mor- ze. Z GMT _ Em: elrıTEr pe: je: emmemmis que leur Courage zz rer Ju m ar ıı ü* ses ıeSelers principaex qui s'est [ge 3 8 scxı ec des escadrons entiers et © seire amt pers de Temmemi par les chevanz, et zue Tırmt me. I Sur Dre ex carııers de frapper!): ils ne se br pe nn »ur fire Ju mel. Mais il faut dire ue. ige » simmsmmemene > m beilaste campagne de 1745, „pet je ce: TEE I Pirna 2 eumicep change. et leur Courage set zum d- © m am:cs wi de Tordre et de la dis are & ; zu Pearzanım Talsonnde, ce qu’elles Ianaen! axırei.s 700 \rEleze et mar atioe: Is crainte seule du kin drermai: var ilie cu issser dire em presence de l'ennemi.

Si fen ie rrä Je Praze a re som infanterie, sur laquelle il avait une grarde prof:ertion. ie Rat regmant a form6 sa cavalerie et en 3 fait ce zuieiie est ausarlyai La depemse en chevaux est con- siderable, et un röziment de cavalerie dam: les temps d’exercice rentre rarement sans avoir perde plwsieurs chevamı et souvent des caraliers avec bras, jambes ou cötes easses. Om les exerce à charger au grand galop, et ce quil y a de plus surprenant c'est qu’au moindre signal du chef de l’escadron, il s’arröte en pleine course et se trouve form comme s’il n'avait &t€ que sar le trot. II ya plus, c'est qu'au milieu de ce galop general de l’escadron, le sesl premier rang poursuit 5% course, et les desx asutres s’arrötent et suivent au trot ce premier rang, abandonné à la poursuite de l’ennemi. Cette nouvelle maniere d’aller à la charge est l'ouvrage du Roi regnant, qui en general & retranche des exercices que le feu Roi son pere avait établi dans le troupes, tout ce qu'il a jugé être absolument inutile. Ce Prince set attach6 à rendre les mouvements de la cavalerie d’une promptitade egale & la justesse, il commenga à l’accoutumer & seller et brider, et le cavalier & cheval, en moins d’un quart d’heure. J’ai vu cette ca- valerie au camp devant Brieg dans des villages à la verite peu eloignes de son camp et celui de l’infanterie, en une demi-heare &tr

1) Dasſelbe verficherte König Friedrich 1754 dem Grafen Giford. 2gl La Tactique et les manauvres des Prussiens observ6es par M. le D. de ©. p. 17. Rousset, Le comte de Gisors p. 105.

311] Eine franzöfifche Schilderung des preußifchen Heeres von 1749. 18

en bataille sur les ailes, les plus eloignes mesurant la celerit& de leur marche selon les distances, pour arriver ensemble sur le champ de bataille, |

La methode de ce Prince &tait de ne laisser aucun intervalle entre ses escadrons; il s’est cependant laissé aller & en admettre dans la cavalerie, mais trös petit. Son principe est qu’il n’en faut point dans l’infanterie; aussi forme-t-elle une ligne contiguö qui ne laisse aucune place & son artillerie, quand la ligne marche en avant.

Un vice que j’ai remarque dans l’etat militaire du roi de Prusse, c'est que les officiers sont riches en temps de paix, et souffrent en temps de guerre, pour le peu qu'elle se prolonge!). J’ai 6&t6 t&moin de leurs g&emissements. On pourrait dire qu'ils combattent avec joie quand ils ont en perspective de quartiers d’hiver abondants. Je les ai va y songer le lendemain de la bataille de Friedberg. Les revenus, bons pendant la paix, sont considerablement; ils cessent en guerre, de sorte que le decouragement suit de pres les fatigues et l’indigence. N leur faut du pays ennemi et abondant. Je crois que le roi de Prusse aurait peine à continuer une guerre defensive pendant deux campagnes ; ses alli6s ne sauraient trop se presser de profiter d’une diversion & laquelle ils l’eussent engage.

1) Eine Urſache mehr für die von dem Könige in den Generalprinzipien vom Krieg aufgeftellte Regel: „Que nos guerres doivent être courtes et vives“ ((Euvres XXVIII, 84).

1. Don Mollwit bis Chotuſitz. Ein Beitrag zur Taktik Friedrichs des Großen. Bon

Dtto Herrmann.

Alle bedeutenden Weldherren der Weltgefchichte, von Alerander dem Großen bis auf Moltke, haben von den beiden Formen des Kriegführens, dem Angriff und der Verteidigung, erfterer den Vorzug gegeben. Natür- ih! denn um ein bebeutender Feldherr zu fein, dazu gehört in erjter Linie ein hoher Grad von Kühnheit; wer aber kühn ift, der verteidigt fh nit, fondern er greift an. Auch Friedrich II. hat fich zwar in der Strategie wegen ber großen Ueberlegenheit feiner Gegner zeitweife wohl oder übel auf die Berteidigung beichränten mäfjen; in taktifcher Beziehung aber war er ftet? don offenfivem Geifte erfüllt, wie man nit bloß aus der großen Zahl der Schlachten, die er wirklich ge- ſchlagen, fondern auch derjenigen, die ex zu jchlagen beabfichtigt, deutlich erkennen kann. Die intereflante frage, nach welchen Grundjähen er bei dieſer taktiſchen Offenfive verfuhr, ſoll hier wenigitens für einen Kleinen Abſchnitt feiner kriegeriſchen Thätigkeit zu beantworten verfucht werden. Zum befieren Verſtändnis fei es geitattet, einige allgemeine Bemerkungen vorauszuſchicken.

Es ſind nur zwei Hauptrichtungen denkbar, in denen man einen zur Schlacht entwickelten Gegner angreifen kann: die Richtung auf ſeine Front und die Richtung auf ſeine Flanke bezw. ſeinen Rücken. Demnach tonn es alſo auch nur zwei Hauptangriffsarten geben: den frontalen

16 Dtto Herrmann. [314

und den umfaffenden Angriff; alle anderen Angriffsformen find Unter arten oder Kombinationen der beiden genannten).

Bei dem frontalen Angriff richtet fi der Hauptſtoß gegen die Front, bei dem umfafjenden gegen einen Flügel. Den letzteren Angriff nennt man deshalb auch Flügelangriff. Dan Hat ihn aber auch „jchräge“ oder „ſchiefe“ Schlachtordnung genannt, weil die angreifenden Truppen dabei nicht in einer der feindlichen Aufftellung parallelen, fondern, eben wegen der Umfafjung, mehr oder weniger jchrägen Yormation vorfloßen. Die Ausführung diejer Angriffsart kann naturgemäß nur in der Weile geichehen, daß, während der eine fchwächer gemachte Flügel zuräd« gehalten („refüfiert”) wird oder doch nur ein hinhaltendes Gefecht führt, der andere, verftärkte, den gegenüberftehenden feindlichen zu umfaflen und zurüdzufchlagen fucht, wodurch dann von ſelbſt der noch jeftjtehende Flügel des Gegner? zum Berlaffen feiner Stellung gezwungen wird?).

1) Berned (Elemente der Taktik) unterſcheidet drei Hauptformen des An- griffs: den Parallel-, den umfaſſenden und den durchbrechenden ober keilförmigen Angriff. Aber ber Parallel: und der durchbrechende Angriff find doch offenbar nur Unterarten des frontalen. Unterarten des umfalfenden Angriffs find ber einfach umfaflende und der doppelt umfaſſende; ber letztere erfordert, da man gleichzeitig beide Flügel des Gegners einzubrüden jucht, zwei Hauptangriffe, jet alfo große Ueberlegenheit bei dem angreifenden Teile voraus (Wörth). [Ser Kürze wegen ift oben ftatt ‚einfach umfaffend‘ fchlechtweg ‚umfaffenb‘ gejagt.) Do jelbe gilt von der Kombination bed Parallel: bezw. durchbrechenden Angriffs mit dem umfaſſenden (Leipzig).

2) Dbige Erklärung des Namens „Ichiefe Schlachtorbnung”, der fo allgemein befannt ift und mit bem doch die wenigften eine klare Vorftellung verbinden, ftimmt nicht nur mit der Definition Friedrichs bes Großen (vgl. unten S. 326) überein, fondern ift auch die einzige, welche für alle Schlachten, in denen fe angewendet wurde, paßt. Napoleon hat in feinen Memoiren das Weſen dieſer Angriffsart in dem Parallelmarſch längs der feindlichen Front bis zur Auf ftelung in ber Flanke gefunden; aber das ift ein nur von Friedrich dem Großen, und auch von bdiefem keineswegs ausſchließlich angewendetes Mittel zur ſchnelleren und enticheibenderen Ausführung des Flankenangriffs. Im Ahr: Licher Weife wird eine mehr oder weniger häufig angemwendete Form mit det Sache verwechjelt, wenn man annimmt, das wejentliche Kennzeichen der fchiefen Schlachtordnung Liege in dem Angriff mit Echelons oder Staffeln; Epaminondas, den man, wenn auch nicht ala Erfinder, jo doch als glänzenden Reformator ber fchiefen Schladhtordnung bezeichnen darf, wußte nichts von dem zuerft in der macedoniſchen Epoche angewendeten Staffelangriff ; fein Stoßflügel war ala Kolonne (Soſloc Acyos) gegliedert. Don dem bisweilen ebenfalls ala ſchiefe Schlacht⸗ ordnung verftandenen Deplopieren aus geichloffenen Stolonnen oder, wie Napoleon fi ausdrüdt, „Potsdamer Revuen“, einer Aufmarichart, die Friedrich der Großt gelegentli im Mandver anwendete, um dem markierten Feinde möglichſt

815] Bon Mollwitz bis Chotufitz. 17

Friedrich der Große Hatte offenbar ſchon ala Kronprinz durch das Studium der Kriegsgeichichte, namentlich der Memoiren Tyeuquidreg, defien geiſtvolle Kritik ihn beſonders anzog, und durch den Unterricht des Fürſten Leopold von Deffau die Weberzeugung gewonnen, daß bie Ihwächfte Stelle jedes Heeres feine Flanke ift, da durch die Bedrohung derſelben zugleich die natürliche Nücdzugslinie bedroht wird. Dieſe Ueber- zeugung mußte ihn folgerichtig zu der Anficht führen, daB es vorteilhaft fei, die feindliche Flanke anzugreifen, die eigene zu fichern, oder zu „über- flägeln, ohne überflügelt zu werden“, wie er es fpäter in prägnanter Weile ausgedrüdt Hat, kurz: mußte ihn auf den umjaffenden Angriff oder die ſchiefe Schlachtordnung führen. Die erfte Probe auf die Richtig. feit feiner Anficht machte Friedrich bei Mollwiß!); aber auch aus der Zeit unmittelbar nach diefer Schlacht bis zum Ausgang des erften fchlefiichen Krieges Liegen, wie wir nun fehen werden, deutliche Spuren dafür vor, daB er an dem Gedanken bes Flügelangriffs beharrlich feft- bieft, diefen Angriff durch zwedmäßige Beitimmungen fo entjcheidend wie möglich zu machen fuchte und ihn jchließlich in einer zweiten Schlacht mit ächter Feldherrnkunſt anwendete.

1. Die Dispoſitionen des Königs vom April bis Auguſt 1741.

Am 27. April 1741, alſo wenige Tage nach der Schlacht bei Mollwitz, ſchreibt der König an den Fürſten Leopold ?): „Ich habe nicht anſtehen wollen, Ew. Liebden hierbei die Dispoſitiones zuzuſenden, welche Ich ſowohl wegen Eröffnung der Tranchées vor Brieg als auch wegen verfchiedener don dem Feinde aladenn zu vermuthenden Mouvements ge= macht habe.” Diefer Dispofitionen find im ganzen vier abgejehen von der Ordre für Kalkſtein zur Eröffnung der Belagerung von Brieg?) —,

lange zu verbergen, gegen welchen Flügel fich der Hauptftoß richten jollte, gilt dasfelbe wie von dem Parallelmarſch nach der Flanke und dem Echelonangriff: es lann unmöglich ala weientliches Merkmal des Begriffes bezeichnet werden.

1) Bgl. meinen Aufjag in den „Forfchungen zur brand. u. preuß. Geſchichte“ V, 459 fi.

2) Zerbfter Archiv.

3) Diefe Ordre ift nach einem Vermerk von archivalifcher Hand am 26. April entworfen worden; jedenfall3 kann fie, ebenfo wie die übrigen Pispofitionen, nicht Ipäter ala vom 27. zu batiexen fein, da ber König fie bereits an dieſem Tage abſchickt. An dem Generalftabawerke über die Kriege Friedrichs des Großen, in welchen die Zerbfter Akten benußt find, find die vier Dispofitionen dreimal (Bd. U ©. 37. 47, und in dem Abdrud ibid. Anlage Nr. 2) ſatchich vom

Geriäungen 3. brand. u. preuß. Geſch. VII. 2.

1s Cr Gerzmazz. [316

Ba der Ring auee Un der Criberrricher zum Gntiah dieſer Feſtung zu Fi weriioteme Wiegen vermmiete. In der erfien biefer Luxe ııı ei &: „db. Uri weldem Flügel es wird be’sSiex werden, es Sei iziches ber tete oder der line, au-u ler Tr 2: Cicztıces mi dem erden Treffen mit einem ſtarken Zıab am’ die variihe Navallerie ettafiren; je näher fie an folche fcermıea, je kit ke tem wıd müren he fuchen, bie feindliche Ka⸗ vallesie zu über’: zgelı Die Tragener Sacadrons aus dem 2. Treffen weten zusieih Ichen ım guter Ordre noch ſtärker zu traben ala die Kanalleriz, damıt in hrerder Zeit, daß die feindliche Kavallerie von der w:frigen von vorne ergestimem wird, fie der feindlichen in Die Flanken fomme und icihe alio übern Haufen ſchmeißen. Da fich dann untere Kavallerie alidann wieder tormiren unb die feindliche In⸗ fanterie mit der größeiten Gontenance, Bravour und Tapferleit attafızen und einbrechen muß. GE fol und muß unjere Kavallerie fich mit nichts anders als mit den Tegen einlafien.“

Aus diefer Stelle gebt, wie ich meine, deutlich hervor: erſtens, daß der König, für den Tall, daß es zur Schlacht käme, zunächſt nur mit einem lügel anzugreiten, den anderen alſo zurädzubalten beabfichtigte, in derjelben Weile, wie er es bei Mollwit verfucht Hatte. Zweitens aber, daß er den Kadallerieangriff, welcher die Schlacht einleiten follte, jo enticheidend wie möglich zu machen wänjchte.e Es if für den König, ber zwar viele theoretiiche Schritten über den Krieg verfaßt bat, aber feiner ganzen Anlage nad}, ebenfo wie fein Bater, viel mehr Praktiker ala Theoretifer war, anßerordentlich charakteriftiich, daß er aus den üblen Erfahrungen, weldde er mit der Kavallerie in feiner erſten Schladht ge- macht Hatte, fofort zu lernen fuchte. Bei Mollwitz war e8 gar nicht zu einem geordneten Aufmarſch der preußifchen Kavallerie des Angriffe- flügelö, gefchweige denn zu einem Angriff derfelben gelommen, jondern fie war, noch mit Yormationsänderungen beichäftigt, von der dfter reichiſchen Reiterei Aberflügelt und in die Flucht geichlagen worben. Dem follte nun dadurch vorgebeugt werden, daß jchon das erſte Treffen der Kavallerie des Angriffsflügels, noch mehr aber dag zweite, vielmehr ihrerfeitd den Gegner überflügeln follten. Der Piſtolenſchießerei der öfterreichifchen Reiter hat der König dagegen, wie man aus dem Schluß- fate des obigen Abfchnittes erfieht, Leinen Einfluß auf ihren Sieg zu-

28. April datiert. Offenbar ift hierbei das Datum des königlichen Schreibens, das übrigens fchon in den (Euvres Bd. 30 S. 39 veröffentlicht if, nicht be achtet worben.

317] Don Mollwig bis Chotufih. 19

geichrieben , jonft würde er fie jedenfalls nicht verboten, fondern, wie ihren ftarlen Trab, ebenfall® adoptiert haben.

Bei diefer allgemeinen Inſtruktion für das Verhalten der Kavallerie beim Angriff konnte ſich jedoch ein fo einfichtiger und energifcher Feld⸗ berx, wie Friedrich es war, nicht beruhigen. Zu mächtig wirkte in ihm der perfönliche Eindrud, den er von der Hilflofigleit feiner berittenen Zruppen gegenüber den öfterreichiichen getvonnen hatte; war er doch ſelbſt bei Mollwig in die fchmähliche Flucht feiner Reiter mit fort- gerifien worden. Da es nur felten angeben Tonnte, für die Schlacht ein ſolches Gelände auszuwählen, auf welchem die Kavallerie auf eine unter« geordnete Rolle beſchränkt war!), fo mußte fie total neu ausgebildet und durch fortwährende Dreffur allmählich jo weit geführt werden, daß fie imftande war, die feindliche aus dem Felde zu fchlagen. Denn die preußifche Infanterie desjenigen Flügels, welcher angreifen follte, konnte ihre Präzifion in allen Bewegungen, ihr fchnelles Schießen, ihre Feuer⸗ disziplin, kurz ihre ganze Weberlegenheit in dem von dem Slönige ger planten umfafjenden Hauptangriff nur dann voll zur Geltung bringen, wenn ihre eigene Flanke nicht beitändig durch feindliche Reiterei be- drobt war.

Der König zeigte alfo, wie aus einem Parolebejehl vom 14. Mai bervorgebt, nicht nur perjönlich feinen Kavallerieoifizieren, was er ein- geführt Haben wollte, fondern er fuchte fich auch jelbft fort und fort zu belebten , indem er Gutachten des bewährten und erfahrenen Fürſten Leopold von Deffau einfordert.e Am 25. Mai fchrieb er ihm?), es fei „nöthig, daß die Kavallerie noch befier zum wahren Dienft in Cam⸗ Pagne dreffiret werde. Was ich bei der hiefigen Armee desfalls einführe, foldhes werden Ew. Liehden aus anliegender Dispofition zu erfehen be- lieben, und haben diejelbe demnach die Veranftaltung zu machen, damit, außer etwa den Mittwoch und Sonntag, ober auch wenn übel Wetter ift, die Kavallerie täglich reiten und exerciren müffe, und zwar eine Stimbe jedesmal. Es können dabei jo Leute als Pferde in einem guten Stande bleiben, der Nuten aber davon wird fich gelegentlich gewiß zeigen. Ew. Liebden obligiren mich, wenn Sie mir über gedachte Die- pofition Dero Sentiment melden wollen.” Beſonders wünſchte der König darüber informiert zu fein, ob weite Intervalle zwijchen den einzelnen Schwadronen, die ja zur Neberflügelung fehr vorteilhaft fein mußten, im übrigen keine Nachteile zur Folge Haben würden. Er jchrieb deshalb

1) Bel. GR63.:W. II ©. 46 u. 54.

2) Zerbfter Archiv. 9%

90 Dtto Herrmann. [818

am 7. Auguſt an den Fürften!): „Ew. Liebden werden Mir eine be- fondere Gefälligkeit erweifen, wenn biefelbe nach Dero großen und viel jährigen Striegeßerperience diefen Umftand, auf welchen Mir fo vieles antommt, wohl und recht gründlich in Überlegung nehmen und Mir fodann Dero wahres Sentiment und Gutachten nebft allen Raiſons pour et contre ausführlich melden werden.“

Mit dem Berhalten ber Infanterie bei Mollwit konnte der König nur zufrieden fein; auch die Artillerie hatte fich bewährt, doch ließ der König, um derfelben eine noch größere Beweglichkeit zu geben und die Schnellig- feit ihres Teuer zu erhöhen, ftatt der biß dahin üblichen Sechäpfünder num auch Dreipfünder gießen.

Diefe eingehende Beichäftigung des Könige mit der Elementartattit war indeffen nur ein Mittel zum Zweck, zu einer möglichft entfcheidenden Durchführung des umfafenden Angriffe. Der Gedante dieſes letzteren begegnet un® gleich wieder in der erjten Angriffedispofition nach jenem obenerwähnten aus dem April. Im Juni 1741 machte der König don Srottlau aus einen Vorftoß nach Friedewalde. Da ihm belannt war, daß der Gegner in Friedewalde (ſüdlich von Grottkau) ftehe, fo gab er am 8. Juni eine Dispofition für den Yall eine Zufammenftoßed. Nach diefer Dispofition ?) follte die Infanterie allerdings in ſüdlicher Richtung gerade auf Friedewalde vorrüden, die Kavallerie aber, unterftüßt von ben Grenadierbataillonen Winterfeld und Reibnik mit ihren Kanonen, foweit ſüdweſtlich ausholen, daß Friedewalde „von Mogwit?) coupiret wird". Der König wollte alfo die Defterreicher nicht bloß in der Flanke, fondern auh im Rüden angreifen laffer und fie dadurch völlig von ihrem Stützpunkt, der Feſtung Neiße (ſüdlich von Mog⸗ wit), abſchneiden. Wie er fi) dann den Angriff feiner Infanterie dachte, willen wir leider nicht; nach der Beichaffenheit des Tertains läßt fi) vermuten, daB er mit feinem rechten Tylügel vorgeben wollte, um den Feind gegen das fumpfige Ufer ber Neiße zu drängen. Wir fehen jedenfalls, daB hier mit der noch vielfach Herrichenden Anficht von der Zwedmäßigleit des Parallelangriffe, wie fie noch Neipperg in feiner Relation über die Schlacht bei Mollwik zum Ausdrud gebradit hatte, noch vollkommener als in der Dispofition vom April gebrochen ift.

Der Entwurf fam nicht zur Ausführung, da der Gegner fich recht⸗ zeitig der drohenden Umfaffung entzog und auf Mogwitz zuridging.

1) Zerbfter Archiv. 2) Abgedrudt im Gſtbs.⸗W. IL, Anlage Nr. 5. 3) Südlich von Friedewalde.

819] Don Molwig bis CHotufih. 21

Um ihn von dort zu vertreiben, erließ der König bereit zwei Tage ipäter, am 10. Juni, einen neuen Angriffsbejehl („Wie wir den Feind attafiren wollen und unfer Lager vor Mogwit nad voraus nehmen wollen“), der abermals für feine Auffafſung charakteriftifch ift!). Danach follte der General von Riedefel nämlich mit 5 Grenadierbataillonen und 15 Gefäßen ein Vortreſſen vor der Infanterie bilden. Schon in der Schlacht bei Mollwig begegnet uns ein jolches Vortreffen, eine folche Avantgarde oder „Attade” vor dem Angriffsflügel?). Diefe „Attacke“ machte e8 möglich, den Feind nicht bloß zweimal, wie e8 die gewöhn- lie Stellung in zwei Treffen mit fich gebracht hätte, fondern dreimal und noch dfter je nachdem die Attade ſelbſt in einem oder mehreren Treffen formiert war an der entjheidenden Stelle mit frifchen Zruppen anzugreifen. Durch dieſe Yormation konnte alfo dem um« faffenden Angriff eine große Wucht gegeben werden. Uebrigens hat fie der König nicht ſelbſt erfunden, ſondern erſt adoptiert. Sie findet fich ſchon in der Schlacht bei Turin (1706), wo Jämtliche Grenadiere, alfo die Elite der Infanterie, vor dem zum Angriff beftimmten fylügel in zwei Treffen auigeftellt wurben. Fürſt Leopold von Deſſau, der ſelbſt bei Turin an der Spibe der Grenadiere mit großem Erfolge gejochten Batte, wird dem Könige auch in dieſer taftifchen Anordnung als Vor⸗ Bild gedient haben. Es ift übrigens intereffant zu beobachten, wie ber junge Herrfcher die Frage, welche Stärke man der „Attade” geben müſſe, auf Grund feiner praftifchen Erfahrungen zu Löfen fucht. Bei Mollwit Batte fie nur auß einem oder einigen Bataillonen bejtanden und war deshalb zurüdgeichlagen worden?); in obiger Dispofition finden wir fie 5 Bataillone und 15 Geſchütze ſtark, alfo bedeutenb größer.

1) Dal. Gftba.-W. II, 68.

2) Bol. Forſchungen z. brand. u. preuß. Geſch. V, 466. 467. Zu der dort angeführten Beweiaftelle möchte ich noch eine andere hinzufügen, auf welche mich Herr Major v. Rößler aufmerffam gemacht hat. Sie findet fich in der „Relation der Schlacht bei Mollwig den 10. April 1741" (Bellona, Stüd 20, ©. 67 ff.) Hier heißt es: Sobald der König feinen rechten Flügel nach dem Angriff der Öfterreichifchen Kavallerie des Generals Römer wiederhergeftellt, „detachirte ex den noch übrigen Reft ber Kavallerie feines rechten Flügels nebſt einigen Ba— taillonen, dem linken Flügel ber Oefterreicher, der nunmehr von Stavallerie entblößt war, in die Flanke zu fallen. Der Feldmarſchall Neipperg ließ ſogleich das Regiment Franz Lothringen und einige Escadronen nach biefem Flügel marſchieren, um mit dem daſelbſt befindlichen überreſte der Kavallerie des Gene» rals Römer das preußijche detahirte Corps aufzuhalten, welches denn auch völlig zurückgeſchlagen und das Schulenburgifche Regiment von neuem über den Haufen geworfen wurde.“

3) So möchte ich jegt mit dem oben citierten DBerichterftatter der Bellona annehmen, benn die Behauptung des fonft gut unterrichteten „Laiferlichen Offi⸗

22 Otto Herrmann. [820

Wir haben bisher geſehen, wie der König ſeit der Schlacht bei Mollwitz nicht nur beftändig an dem Gedanken ber ſchiefen Schlacht⸗ ordnung feſthielt, jondern auch fort und fort bemüht war, den um- faffenden Angriff fo entjcheidend wie möglich zu machen. Wir kommen nun zu einem Schlachtentwurfe, in welchem faft die ganze Kraft des Heeres zu dem enticheidenden Stoße in die Flanke des Gegners ver⸗ wendet und der ſchwache Defenfivflügel ganz zurüdgehalten wir. Es ift eine Dispofition, die der König für den Fall eines feindlichen An: griffe entwarf und dem alten Deffauer mit einem Schreiben, d. d. Streblen 6. Auguſt 1741, überfandtee Da die im Zerbfter Archiv befindliche Ausfertigung diejer Dispofition von den Heraußgebern des Generalitabt- werles nur ungenau abgedrudt ift?), jo laſſen wir fie bier noch einmal folgen, da fie eineß der wichtigften Belegftüde für unjere Auffaffung von Friedrichs Taktik bildet.

Dispofition auf was Art wir die feindliche Armee attaliren wollen, im Fall die felbe zu ung kommen follte.

Die Ordre de Bataille von der Armee erjolget biebei.

Der Generalfeldmarfhall Graf von Schwerin commanbiret den rechten Flügel des 1. Treffens, der General von der Infanterie Prinz Leopold den Linken Flügel des 1. Treffens. Der Generalfeldmarſchall Herzog don Holftein und der Generallieutenant von Kalkftein comman- diren das 2. Treffen. Der Generallieutenant von Jeetze commandiret bei dem König in der Mitte des 1. Treffens bei der Sinfanterie.

Die Armee marfchiret in 8 Colonnen rechts ab. Die Ge zelter, Padpferde und die übrige jämmtliche Bagage Toll unter Gom-

cierd*, daß nach der Niederlage der preußifchen Kavallerie des rechten Flügels nur da8 eine, an der Téête diefes Flügels fiegreich vorbringenbe Bataillonzcarre ben Sieg der Defterreicher vereitelt hätte, klingt doch gar zu wunderlich; auch bleibt es nach diefer Darftellung unaufgellärt, weshalb ber König bie angeblich bon jenem Bataillon errungenen Vorteile nicht weiter verfolgt bat. Was ber „Laiferlicde Officier“ von der Erſchütterung bes öſterreichiſchen linken Flügels be richtet, wird nicht dem Angriffe jenes einen vorbetadhierten Bataillons, fondern des ganzen, oder eines großen Teiles bes preußifchen rechten Anfanterieflügeld zu danten jein. Leider laſſen Die diesjeitigen Quellen das Borgehen einer „Attade bei Molwik überhaupt ganz unerwähnt, fobaß ein abfchließenbes Urteil über die Bedeutung diefer, von ben beiden öfterreichiichen Berichten doch offenbar nicht er fundenen Epifobe des Kampfes nicht wohl möglich ift. 1) Bal. den Exkurs.

921] Bon Mollwig bis ChHotufig. 98

mando ber 4 Brigademajord und derer fämmtlichen Regimentsquartier- meiſters, jeder bei der Bagage von feinem Regiment, nad) der Stabt Strehlen gebracht werben.

Die 1. Eolonne der Armee beitehet auß denen Regimentern Prinz Friedrich und Biffing; folche führet der Generalmajor Pannewik und Generalmajor Bilfing.

Die 2. Eolonne beftehet aus denen Grenadierbataillong Bolftern und Winterfeldt, auch aus denen Regimentern Schwerin, Sydow und Grävenig ; folche führet der Generalfeldmarſchall Schwerin. Die Eolonne bricht Hinter das Regiment von Sydow.

Die 3. Colonne beftehet aus den Regimentern La Motte, ecke, Truchſeß und Prinz Dietrich; die führet der Generallieutenant Jeetze. Die Eolonne aber bricht Hinter das Regiment von Jeetze.

Die 4. Eolonne führt der König und der Generalmajor Prinz Karl. Solche beftehet aus 2 Bataillond SKönigsregiment, 2 Prinz Karl, 2 Slafenapp, 2 Prinz Heinrih und 2 Bredow. Die Colonne bricht binter Slafenapp.

Die 5. Colonne beftehet aus der ſämmtlichen Fyeldartillerie.

Die 6. Eolonne führet der General von der Infanterie Prinz Leo⸗ pold und beftehet aus 2 Bataillons Kallkſtein, 2 Prinz Leopold, die Grenadierbataillons Düring, Puttlamer, Reibnit, KHleift und Salderm 2 Bataillons Prinz Morit und 2 Derfhau. Die Colonne bricht hinter das Bataillon von Galdern.

(Die Grenadierbataillond von Buddenbrod, Wedel und Wylich ſollen Hinter der Feldartillerie marfchiren und zu des Königs Dispofition bleiben, als welcher bejehlen wird, wohin ſolche marfchiren follen.)

Die 7. Colonne beftehet aus denen Regimentern Geßler, Bubden- brock, Carabiniers, Pojadowsty und Rothenburg; die führet ber Generalmajor Geßler. Die Eolonne bricht Hinter dag Regiment von Poladowsty.

Die 8. Eolonne beftehet aus den Regimentern Bredow, Prinz Wil- beim, Gensdarmes und Baireuth. Die führet der Generallieutenant Waldow und bricht die Golonne Hinter das Regiment Gensdarmes.

Die Bataillon müfjen mit ganzen Divifionen, die Kavallerie aber mit ganzen Escadrons marfchiren.

Wenn die Kavallerie aus dem Lager aufbricht, fo marſchiret das Regiment von Baireuth vorwärts um die Gensdarmes herum vor der

Linie lang und feßet fich in diejenige Eolonne, wo es laut Dißpofition angewieſen ift.

So wie aufmarfchiret wird, fo ſoll die jämmtliche Artillerie ſich

24 Dtto Herrmann. [322

vor dag 1. Treffen vorbeiziehen und ſich dor die Infanterie und Ba- taillons bi? auf 50 Schritt poftiren. In der Zeit nun, daß die Armee aufmarjchiret, ſoll die Artillerie auf 2000 Schritt in einem Kanoniren auf die Öfterreicher feuern und dergeftalt continuiren; in der Zeit aud, daß die Infanterie marjchiret, ſoll felbige auch die Canons immer bie auf 50 Schritt vorrüäden Laffen.

Die Grenadierbataillong von Bolftern und Winterfeld deden bie rechte Flanke, im Fall der Feind auf foldde Flanke kommen wollt. Diefe Bataillonz Soll der Generalmajor Riedeſel mit commandiren. Die Grenadierbataillong von Puttlamer, Reibnig, KHleift und Saldem jollen die linke Flanke von der Infanterie decken und Toll felbige der Generalmajor Prinz Dietrih aufmarjhiren Laffen, welcher dann aud zugleich auf die Kavallerie vom Linken Ylügel und deren Mouvements mit Acht haben fol, nach der Ordre, wie hiernach folgen wird; wie er dann auch den König von allem, fo dafelbft vorgehen wird, durch bie bei ihm feiende Abjutanten in Zeiten avertiren laſſen Toll.

Dann die Kavallerie aufmarfchiret, jo formiret fie fich dergeitalt:

Die 10 Escadrons Kavallerie vom rechten Flügel marjchiren in einem Treffen auf.

Die Kavallerie vom linken Flügel, und zwar vom 1. Treiten, marſchiret auf: Das Regiment von Geßler an das Grenadierbataillen von Düring; das Regiment von Buddenbrod an das von Geßler; das Regiment von Garabinier® 100 Schritt Hinter das Regiment von Geßler; dag Regiment von Poſadowsky 100 Schritt Hinter da von Budden⸗ brock dergeftalt, daß dieſe beide Regimenter gleich einrücken können; das Regiment von Bredow an das von Buddenbrod, Prinz Wilhelm an das von Bredow. Die Gensdarmes aber haben den Linken Flügel. Das Regiment von Geßler und von Buddenbrock fol zwifchen ihnen und Bredow folche weite Diftance Laflen, damit das Regiment don Poſadowsky oder wenigftens die Carabiniers dazwiſchen kommen können. Meilen diefe beide Negimenter aber jo nahe Hinter die von Geßler und Buddenbrod ftehen, jollen fie nicht eher reinmarſchiren ala nur kurz bot der Attake.“

Im 2. Treffen auf dem Linken Flügel der Kavallerie jollen die Ecadrong von Rothenburg in gleicher Linie mit der Infanterie auf⸗ marſchiren, die Escadrons von Baireuth aber an die don Rotenburg.

Der Generallieutenant von Waldow commandirt bie Kavallerie vom Linken Flügel; der Generalmajor Geßler commandiret die Regi⸗ menter Geßler, Buddenbrod und Carabiniers; der Generalmajor BredoW

die Regimenter Bredow, Brinz Wilhelm, Gensdarmes; der Generalmajı!

323] Bon Molwig bis Chotufik. 95

Poſadowsky die Regimenter Pofadowsty, Rothenburg und Baireuth. Der Generalmajor Pannewig commandiret die Kavallerie vom rechten Tlügel; dafern derjelbe aber frank wäre, fo commanbdiret der General» major Bilfing den rechten Ylügel von der Kavallerie.

Sobald wie die Armee aufmarſchiret ift, jo fol der ganze Linke Flügel von der Kavallerie mit Standhaftigleit an den Feind marjchiren; je näher fie an folcden fommen, je ſtärker fie traben mäffen, bis auf 30 Schritt von dem Yeinde, da fie ftark auf den Feind bereinreiten und folchen übern Haufen ſchmeißen follen. Worauf die Eska⸗ drons ſich ſogleich und Hurtig wieder jormiren und alles, was ihnen vom Feinde vorlommt, fogleich übern Haufen ſchmeißen follen. Das 2. Treffen Kavallerie foll 200 Schritt hinter das 1. Treffen marfchiren und etwas weite Diftancen zwifchen denen Escadrons halten, fat an 100 Schritt, um diejenigen Escadrons, welche von dem Feinde etwa durch das 1. Treffen dringen möchten, fogleich zu attafiren und zu repouffiren, her⸗ gegen die Yormirung unferer Escadrons, welche etwa repouffiret worden fein möchten, Hinter fi) zu protegiren.

Sobald die Kavallerie attafiret, jo muß auch der linke Ylügel von der Infanterie ſchrem [d. i. ſchräg]j vorwärts mar- ſchiren und den Feind attaliren.

Das fämmtliche Corps Hufaren joll Hinter dem Tinten Flügel derer beiden Treffen, hinter der Kavallerie, halten, auf daß, wenn etwa dafelbit von dem Feinde was durchkäme, fie fi) mit ſolchen Leuten meliren und fie repouffiren follen, es mag vom Tyeinde fein was vor Bolt es will.

Auf jeden Flügel der Infanterie vom 2. Treffen follen zwei 6pfünbige Canons von der Artillerie bingejchidlet werben, und jollen die General- major Riedefel und La Motte, welche auf dem rechten und Tinten Flügel fein, wohl achtgeben, daß, woferne ſich ein feindlicher Schwarm Hufaren oder dergleichen Bolt von Hinten wollte jehen laſſen, fie mit ihren Canons einige Schüffe von hinten darauf thun Laffen.

Der Deutlichleit wegen fei e8 geftattet, die Ordre be Bataille in einem Bilde auf der folgenden Seite zu relonftruieren.

Da die 3 Grenadierbataillone, die der König zu feiner Verfügung bebielt, ebenfo wie die Hujaren nur ala eine Reſerve für den linken, zur Entſcheidung beftimmten Flügel aufgefaßt werden können, fo beziffert fich die Stärke diefes Flügels an Infanterie auf 26 Bataillone, darunter das Regiment Garde und 8 Grenadierbataillone, an Kavallerie auf 62 Schwadronen (40 Küraffir-, 10 Dragoner- und 12 Hufaren-

26

Rechter Flügel

Erſtos Ersffen.

Linter Ylügel

Otto Herrmann.

Pr. Friedrich I r Bilfing l on

Bolftern | Winterfeldt |

|

Grenadierbataillone in der Ylante

ν OR ER E REEL ER —4.

(324

Barde \ h he. Seine Pr. Karl : | 2 | Vredow ? J | | ®. 8. Suddensred | 5 Blajenapp 5: z | 3* 3 | 28 | | 4. ©. Vedel & Kaltftein | &3 | Br. Roriz 5 u V Pr. Leopold N v . i Ä A | 5 E S 2 G. 3. Düring | 3 3 Ki 3 Derſchau Gehler I r | I 2 I Rottenburg Buddenbroc R a 2 Baireuth 8 Bredow |- a 3 8 Pr. Wilhelm ]- Gensdarmes l n

325] Don Mollwik bis Chotufik. 97

Ihwadronen ?)), während der rechte Flügel nur 16 Bataillone, worunter 2 Grenabdierbataillone, und 10 Schwadronen ſtark war. Nicht nur an Qualität, fondern au an Zahl war aljo der Offenfiv- dem Defenfiv- flügel bedeutend überlegen. Auffällig ift die Kühnheit, mit welcher der (egtere Taft gänzlich von Kavallerie entblößt wurde. Wir haben fchon gejehen, daß der König im Juni bei dem Vormarſch auf Friedewalde die ganze Kavallerie auf dem Angriffsflügel vereinigte; damals aber be» durfte der zurüdgehaltene Teil des Heeres wohl keiner bejonderen Flanken⸗ ficherung durch Kavallerie, da das fumpfige Gelände ihn ausreichend dedte. Anders bier, wo die Möglichkeit, ja Wahrfcheinlichkeit vorlag, daß der Gegner mit einer überlegenen SKavalleriemaffe die wenigen Schwadronen auf dem preußifchen rechten Flügel zeriprengte und fidh dann auf die Amfanterie dieſes Flügels war. Der König Hatte aller- dinge für einen foldhen Fall 2 Srenadierbataillone in die Flanke be ordert, auch war befohlen, daß „der Linke Flügel von der Infanterie Ihrem vorwärts marſchiren“ follte, wodurch naturgemäß der rechte zurückbleiben mußte; aber dem Fürften Leopold erſchien dieſe Fafſung noch nicht präzife genug. Bon dem König in einem Schreiben vom 15. Auguft ?) abermals um feine Meinung befragt, antwortete er am 20.:

Ew. König. Majeftät werden „gnädigit erlauben, daB ich dieſes als ein alter Officier erinnere, daß, weilen Ew. Königl. Majeftät den Iinten Flügel von der Kavallerie 50 Escadrons gejeßet, ohne die 12 Ercadrons derer Hufaren mitzurechnen, und bergegen der rechte Flügel nur aus 10 Escadrons beftehet, ich nicht zweifle, daß nach diefer Diß- »ofition Ew. Königl. Majeftät alsdenn gnädigft beiehlen werben, daß, wenn die Armee an den Feind zu marjchirt, jelbige fo ſchrem und en biais marfdhiren muß, daß der rechte Flügel [d. i. die Kavallerie des rechten Flügels] jo weit, doch geichloffen an der Infanterie zurüd- bleiben muß, daß derfelbe vom Feinde nicht kann attakirt nod weniger culbutirt werden.” |

Der Grund, weshalb Friedrich die Hauptmafle feiner Kavallerie auf dem Angriffäflägel anjegte, ift deutlich genug. Da anzunehmen war, daß der Gegner nach der herkömmlichen Aufftellung feine Reiterei ungeiäht gleichmäßig auf feine beiden Flügel verteilen würde, fo mußte der gewaltige Choc der 50 preußischen Schwadronen die feindlichen aller Wahrſcheinlichkeit nach ſofort Über den Haufen werfen und fo die Schlacht aujs günftigfte einleiten. Die Erfahrung von Mollwig, daß man über-

l) Die Stärke ber Hufaren ergiebt ſich aus dem unten folgenden Berichte des Fürſten Leopold.

2) Nicht vom 14., wie es im Gſtbs.⸗W. II, 109 Anm. Heißt.

2 Urs FerzmunTz. [326

tägetr ucife,. Sum ur der Zurcheumg der Tırten zum Ausdrud: 35 Siwormm u 2: 127 Ame Eımroee leicha den Geguer in der Flauke um Zeh de Meymerter Sohraumilg umb Garabiniers zunächſft Sinter Fusbenbent an Geiler aufmackdiren amd erit im lebten Augen: blut „*ır sur der Izufe‘ iu Re Sfr pewüchen Bredoro und Bubben- beack emmifer Sullıen. war ee 'eir amgelegte Sıiesslih, um den Feind über de EcA es intern Menelrrietügeli zu täwichen und ibn zu ver ’üsren, z Ye Yale ecbseher

Mın ücht, wir Safer im ber Diäporitige om 6. Auguft 1741 wst ur em alrmems Fi) dei Alınfemengeins, wie in der vom 8. Irai, ſondera ir selliter Plrheit genan des, was Friedrich im 32 Uri Ver „Genernisrerigen vom Sriege” ala „feine“ ſchiefe EtliStotmrıg beprdaet: „On refwze wme aile à l’ennemi, et l'on fortiie eele zui dei aizpwer. Avec celle-B vow faites tous vos eforts sur wıne alle je [ennemi que voms prenez en flanc.” Es er⸗ Kheint mir mist umrihtig, dieſe Thatiache teftzuftellen, weil man, in einem: Irrtum über das ren der ſchieöen Schlachtordnung im all: gemeinen und ber Triederictanitien im ipeziellen beiangen !), noch viellad annimmt, die legtere dutirre ertt aus der Zeit des fiebenjährigen Kriegei. Merhrüärdigerweiie it dieſe Anficht gerade im denjenigen kriegsgeſchicht⸗ lichen Werke ausgeiprochen worden, weldem das Berdienft gebührt, den intereffianten Entwuri vom 6. Auguit dem Dunkel der Vergeſſenheit ent- rifien und zum Gemeingut der Forſchung gemacht zu haben: im General” ſtabswerke über die Kriege Friedrichs des Großen. Der erſte Band desfelben ?) enthält die Behauptung, da eine „Übertragung der jchiefen Schlachtordnung auf die Lineartaktif” erft im fiebenjährigen Kriege durch Friedrich den Großen flattgerunden babe. Freilich wird der, welder feiner Zeit diefer Anſchauung Auadrud gegeben?) und fie, offenbar mit dem Gefühl nicht auf ganz ficherem Boden zu gehen, fo allgemein wie möglich formuliert bat, von dem Daſein des wichtigen Gegenbeiveik ftüdes, eben unſerer Dispofition, damals noch feine Ahnung gepabt haben. Angefichts diefes letzteren ſieht ſich das Generalftabgwert dem auch jetzt) zu dem Zugeſtändnis gendtigt: „Gs find Die Anfänge bet fchrägen Schlachtordnung mit verfagtem inneren und verftärktem Angrifft- flägel, die fih in diefen Anorbnungen zeigen.” Aber diefer Ausbmd

1) Vgl. oben €. 314.

2) ©. 163 Anm.

8) Zwilchen dem Erſcheinen des 1. Bandes des Gſtbs.-W. und ber Fort⸗ feßung liegt ein Zeitraum von brei Jahren.

4,3. II, ©. 110.

327] Don Mollwitz bis Chotufitz. 99

it viel zu ſchwach; es find nicht bloß Anfäte, ſondern es ift die ſchräge Schlachtordnung ſelbſt, und zwar die typiſch friedericianijche mit einem gänzlich refüfierten Tylügel, die wir in dem Strehlener Entwurf vor Augen baben.

Daß übrigens dieſe Dispofition keinen neuen, unerhörten Gedanken enthielt, geht aus dem Schreiben des Fürſten Leopold deutlich hervor. Wäre diefer ein Anhänger der alten Schule gewefen, hätte ex nichts ala den fimplen PBarallelangriff gefannt, fo würde er zweifellos dem Könige dringend abgeraten haben, fich auf fo gefährliche Experimente einzulaffen. Aber nichts von alle dem: er Hält es für ganz natürlich und zweck⸗ mäßig, daß die ſchiefe Schlachtordnung angewendet und der Angriffs: flügel außerordentlich verftärkt werden ſoll; ja biefe Yormation ift ihm fo gang und gäbe, er Hat fidh fo eingehend mit ihr befaßt, daß er jo- fort den ſchwachen Punkt derfelben, eine nicht genügende Verſagung des Deienfivflügels, herauserkennt und den König darauf aufmerkfam macht. Die Annahme, daß Friedrich felbjt den Fürſten in feine Ideen ein⸗ geweiht Habe, muß außgefchloffen werden. Dagegen fpricht ihr Brief. wechjel, in welchem ber junge König mit Bezug auf taktiſche Tragen nicht als der belehrende, fondern als der ratheifchende Teil erfcheint; dagegen die Thatjache, dag Friedrich fchon als Kronprinz die Methode des Fürſten bewunderte, dagegen endlich die reiche Erfahrung Leopolds und der Umftand, daß er den Tylügelangriff vom ſpaniſchen Erbjolge- friege ber kannte. Als einen bahnbrechenden Geift auf dem Felde der Taktit dürfen wir den König aljo nicht, wenigſtens nicht in dem Sinne bezeichnen, daß er etwas fchlechthin neues, die fchiefe Schlachtordnnung, erfunden oder auch nur aus den Trümmern bes Altertums zuerſt hervor⸗ gezogen bat; fein wahrlich nicht geringeres DVerdienft befteht darin, daß er den Gedanken des Flankenangriffs in feiner ganzen Bedeutung er- fannt und ihn, mit jortwährender Berüdfichtigung praftiicher Erfahrungen fowie der damaligen SHeeresverhältniffe und eben deshalb mit großem Erfolge zur Anwendung gebradht Hat. Wenn er aljo von „ſeiner“ ſchiefen Schlachtordnung fpricht, fo heißt das nicht die von ihm ertundene, jonbern die von ihm acceptierte und verbeflerte Angriffsart.

Auch die Beitimmung der Dispofition, daß der linke Flügel, und nicht der rechte, den umfaſſenden Hauptangriff machen follte, enthielt gegenüber der Praxis des ſpaniſchen Erbfolgekrieges nicht? durchaus neues, und konnte fomit auch dem Fürſten Leopold nicht auffallen: Prinz Eugen Hatte bei Zurin, Marlborough bei Ramillies den linken Flügel enticheiden laffen. Und doch lag Hierin eine gewiſſe Gefahr, da die Truppen, wie noch heute, viel mehr daran gewöhnt waren, nach recht?

30 Otto Herrmann. [328

als nad Links Fühlung und Richtung zu nehmen, ber rechte Ylägd alfo inftinktiv das Beitreben Hatte, dem linken vorzulommen. Dick Gefahr, follte der König aber erft in fpäteren Schlachten!) kennen fernen. Was ihn im vorliegenden Falle beftimmte, mit dem int Flügel anzugreifen, waren nicht fowohl taktifche als ftrategiiche Räd- fichten; denn mur fo Eonnte er, wie im Generalftabswerte richtig hervorgehoben wird, die im Anmarfh vom Gebirge Her eriwartelm Feinde Neipperg war am 31. Juli nad) Frankenſtein aufgebrochen von ihrem Stützpunkt, der Feſtung Neiße, abfchneiden.

Aus den Iekten Augufttagen des Jahres 1741 liegt ein Entwu zum Angriff auf die öfterreichifche Stellung bei Frankenſtein vor?). E it zwar von Schwerin verfaßt, aber auf außsdrüdlichen Befehl de Könige und wohl teilweife auch nach feinen direften Weifungen. Die Aufmarfchlinie des preußifchen Heeres war hier folgendermaßen gedadt: in Schönheide „Lünnte man feinen rechten Flügel anlehnen , den linken aber vorwärts Kleutſch oder Dittmannsdorf, in der Richtung auf ben Weg, welcher von Nimptich auf Frankenſtein führt.“ Berüdfichtigt man, daß die Defterreicher zwiſchen Peterwig und Olbersdorf in weſtöſtlicher Richtung ftanden, daß Schönheide nördlich von Peterwitz, Dittmannsdoij und Kleutſch norbnorböftlich bezw. nordöſtlich von Schönheide Liegen und daß die Straße Nimptich-Frankenftein meridional und öſtlich von den genannten Orten läuft, jo fieht man, daß ber preußifche rechte Flügel vorgefchoben werben follte und kann ſchon daraus fchließen, dab e8 auf den feindlichen Linken abgejehen war. Um die Entjcheidung zu befchleunigen, ſollte diesmal die Artillerie eine befondere Rolle fpielen. Es wurde nämlich empfohlen, auf dem Höhenzuge öſtlich von Schön beide „eine Brigade der fchwerften Artillerie” aufzuſtellen, „um mit diefer eine Batterie gegen die linke Flanke des Feindes in Richtung auf Peterwig zu bilden.” Schon damals führte eine größere Straße von Schönheide aus in füdöftlicher Richtung Aber diefen Hügel, auf beifen Rüden das Dorf Löwenftein Liegt, nach Olbersdorf; längs dieſes Weges jollte die Batterie auffahren. Da die Entfernung von Loöwen⸗ ftein bis Peterwitz 3 km beträgt, jo wird man bei der geringen Trag fähigkeit der damaligen Kanonen annehmen müfſen, daß die Batterie fih ihrem Standort noch füblich bezw. füböftlih von Löwenftein ge wählt haben würde. Um die Gefahr, welche in einer fo erponierten Stellung lag, zu paralyfieren, hatte man, ganz in modernem Sinne, an

1) Kolin, Zorndorf. 2) Abgedrudt im Gſtbs.⸗W. Bd. II, Anlage.

829] Don Mollwik bis Chotufi. 91

geordnet, daß den Geſchützen eine Bedeckung von Injanterie beizugeben wäre. Es war offenbar ein fehr glüdlicher Gedanke, die Stellung des Feindes gerade an dem enticheidenden Punkte durch die Thätigkeit einer großen Batterie mit Geſchützen fchweren Kalibers erjchättern zu laſſen; vielleicht Hat bei diefer Beſtimmung der Erfolg der preußifchen Artillerie gegenüber der Kavallerie des Generals Römer in der Schlacht bei Moll» wis mitgewirtt. Auch in der folgenden Zeit hielt Friedrich, wie wir jeden werden, an diefem Gedanken feſt.

Wie fchon früher, begegnet uns in diefer Dispofition ein Vortreffen, eine „Attacke“ vor dem Angriffeflügel, und zwar follte die Bededungs- mannjchaft der großen Batterie einen Zeil der Hierzu beftimmten Truppen bilden. Schwerin ſchlug vor: die Brigadeartillerie „muß durch In⸗ fanterie gedeckt und bejchüßt werben. Die beiben Bataillone, welche an der Spike der erften Kavallerielolonne marjchiren?), können Hierzu ver⸗ wendet werden und die Höhen befeßen, welche zwiſchen den beiden Bächen don Kleutſch und Schönheide Liegen. Diefe beiden Bataillone können, wenn das Gelände ſich hierzu eignet, durch die Bataillone verftärkt werden, welche der erſten und zweiten Kolonne folgen, um gegen die linte Flanke des Feindes zu wirken.“

Die Trage, ob vorwiegend taktifche oder ſtrategiſche Geſichtspunkte für den Entſchluß, gegen die Linke zu operieren, den Ausfchlag gegeben Baden, ift nicht ganz TYeicht zu beantworten. Im Generalſtabswerke beißt es: „Der Angriff war, der Oertlichleit entiprechend, hauptfächlich gegen den Linken feindlichen Flügel gedacht. Es würde fich babei er⸗ geben Haben, daß der Feind von feiner Rückzugsſtraße nach Glatz ab⸗ gedrängt wurde.” Danach wäre die Beichaffenheit des Terrains für die Schlachtordnung entfcheidend geweſen; ob die Verdrängung der Oeſter⸗ reicher von der Straße nadh.Glah dabei ausdrüdlich ins Auge gefaßt kin mag oder ſich nur als eine notwendige Konfequenz aus der An⸗ ordnung des Angriffes ergeben haben würde, wird nicht weiter erörtert. Ich vermute, daß das erjtere der Fall war, bin alfo der Meinung, da mon fi auch von ftrategifchen Rüdfichten Ieiten ließ. Nun flimmt aber die Ahficht, den Feind von Glatz abzufchneiden, um fich demnächſt diefer Syeftung zu bemächtigen denn das konnte doch nur der Zwed des Abſchneidens fein in keiner Weife mit der Abficht zufammen, die der König fonft in diefer ganzen Zeit von der Schlacht bei Mollwig

1) Die Armee follte, wie bei Mollwiß, in 5 Kolonnen flügelweife ab: marſchieren und die Avantgarde der Außerften rechten (Kavallerie) Stolonne von 2 Grenabierbataillonen mit einer Abteilung Hufaren gebildet werden.

33 Otto Herrmann. [330

bis zum Oktober 1741 verfolgte: für ihn Handelte es fich immer mm darım, Neiße zu eroben. Schon im Inni wollte er, wie wir geſehen haben, bei dem Vormarſch von Grottlau auf Friedewalde die Defter- reicher von Mogwitz, d. 5. von Neiße, coupieren. Der Beſtimmung ber Dispofition vom 6. Auguft, mit dem Linten Flügel umfafjend vorzu⸗ geben, lag, wie im Generalſtabswerke ſelbſt' hervorgehoben wird, die Abficht zu Grunde, den Feldmarſchall Neipperg, der fich einige Märſche von Neiße entfernt Hatte, ganz don diefer Feſtung abzufchneiden. Den- felben Zweck verfolgte der König, als er im September von Reichenbach über Nimptf und Münfterberg nah Ottmachau an der Neiße auf⸗ brach; an Ießterem Orte wollte er den Fluß überfchreiten und ſich dann den Oeſterreichern, von denen er nicht erwartete, daß fie jchneller mar ichieren würden als er, vorlegen. ine wichtige Bedingung, die Friedrich bei den Berhandlungen von Klein-Schnellendorf im Oktober 1741 ftellte, war die, daß Neiße nach einer 14tägigen Scheinbelagerung Tapitulieren foflte. Schließlich hat er eg in einem Briefe an den Fürften Leopold aus⸗ drüdlich betont, daß jeine Hauptabficht fei, ih „von Neiße Meifter zu machen”.

Es iſt mir daher wahrfcheinlich, daß der Gedanke Schwerind, den linken Flügel der öfterreichiichen Stellung bei Frankenſtein anzugveiten, vom Könige nicht infpiriert und auch nicht gebilligt worden if. So er⸗ Hört e8 fich fehr einfach, weshalb die Dispofition nicht zur Ausführung fam, wofür das Generalftabawert!) Leine bejonderen Gründe anzugeben vermag.

2. Die Dispofitionen aus dem März 1742.

Nachdem am 2. November 1741 Neike Tapituliert und der König dann für den Reit des Jahres feinen Truppen die ihnen fo nötigen Er⸗ holungsquartiere gegönnt hatte, brach er im Januar 1742, unterftäßt durch ein fächfifches Corps, nach Mähren auf. Aber diefer Kühne Vor⸗ ftoß in daß Herz des feindlichen Gebietes kam troß der Eroberung von DOlmüß und der Einfchließung von Brünn an der Grenze von Nieder öfterreih zum Stillftand, teil weil e8 an der nötigen Derpflegung mangelte, teils weil der König von den Franzoſen nicht genügend unter ftägt wurde. Er erwartete jogar, daß die Oefterreicger ihn angreilen würden. Am 16. März fchrieb er an den Chevalier de Saxe, ben

8. II, ©. 118.

331] Bon Molwih bis Chotufitz. 93

Kommandeur des unter feinen Befehlen ftehenden jächfiichen Hülfskorps: „Sobald e& das Wetter zuläßt, wird Prinz Karl [von Lothringen] mit dem größten Theil feines Korps, in Verbindung mit Loblowig und einigen Zaufend Ungarn, gerade auf uns los marfchiren. In diefem Falle werde ich . . ihnen entgegengehen. Ich glaube, daß in den Ebenen von Irritz [nordöftlid von Znaim] fich das Schidfal von Europa enticheiden wird. Wenn nicht alle Elemente gegen uns Tämpfen, fehe ih in der unübertroffenen Tapferkeit unferer Truppen, der Weisheit und dem Muth der Officiere und dem Bertrauen der Mannfchaft zu ihnen die ficherften Zeichen von Sieg und Süd").

Der König rechnete alfo mit ziemlicher Beitimmtheit darauf, daR es in Südmähren zur Schlacht kommen werde. In diefer Vorausſetzung entwarf er in feinem Lager von Seelowit (jüdlich von Brünn) folgende Erlaffe: am 17. März eine „Inſtruktion für die Kavallerie für den Fall einer Bataille”; am 21. März eine „Inftruftion für die Oberften und lammtliche Officiere von den Regimentern Hufaren” ; am 23. März eine „Dispofition zur Verſammlung der Armee bei Pohrlitz“; endlih am 25. März eine „Dispofition für die jämmtlichen Regimenter Infanterie, wie ſolche fich bei dem vorfallenden Marſche gegen den Tyeind und bei ber darauf folgenden Bataille zu verhalten haben.” Aus der im Ge— heimen Staatsarchiv?) befindlichen Dispofition zur Verſammlung bei Pohrlitz (zwei Meilen norböftlich von Irritz) geht hervor, daß der König dort die gefammte preußifche Armee zu verfanmeln gedachte; auch das ſaͤchſfiſche Corps jollte, wie man aus einem Schreiben an den Chevalier de Sare erfieht, an der Entſcheidungsſchlacht teilnehmen. Strategifch ift alfo diefe Dispofition von hoher Bedeutung, injofern fie lehrt, daß der König nah dem Grundfage: „getrennt marfchieren vereint jchlagen”, defien Richtigkeit unfere letzten Kriege wieder erwieſen haben, zu handeln beftrebt war; für unfere Unterfuchung kommt fie nicht in Betracht. Ebenſo intereffiert ung die Inftrultion für die Hufaren mit ihren Vor⸗ Ihriften für Aufflärung und Sicherung hier weniger ; don einfchneidender Wichtigkeit für Friedrich taktiſche Anfchauung find dagegen die Erlaſſe für die Kavallerie und das Fußvolf?). Es fei uns daher geftattet, einige Säße daraus hervorzuheben.

1) Eigenhändiger Zufaß des Königs, im Gftb3.:W. Bd. III, S. 129 jeden: falls nach ber Ausfertigung des Schreibens im Dresdener Archiv abgebrudt.

2) Rep. 96. 83 Pp.

3) Sie find, ebenfo wie die Inſtruktion für die Hufaren, in den „Militär. la. des In: und Auslandes“ abgedrudt. Der Herausgeber Tayfen bemerkt. dazu, fie feien zu einer Zeit entworfen worden, „als die Operationen in Mähren

Foriäungen 5. brand. u. preuß. Geſch. VII. 2. 3

84 Otto Herrmann. [832

Aus der Inftruftion für die Kavallerie.

„Wenn der Feind angegriffen wird, fo wird ein Flügel von der Armee den Angriff thun; wenn folder nun gefchiebet, fo fol &8 etwas ſſchräge geſchehen, dergeitalt, daß dasjenige Regiment, fo auf dem Flügel ftehet, in etwas eher attafiret ala das neben ihm ftehende Regiment, und jo ferner die andern, fo nachiteben.

Sobald befohlen wird, daß die Kavallerie avanciren foll, jo muß fie gleich in Trab fallen; wenn fie aber ohngefähr 100 Schritt von den feindlichen Escadrons find, aladann follen fie, gut geichlofien, die Pferde aus vollem Halſe bereinjagen und jo einbauen.

Die Commandeurs der Escadrons und die Rittmeiſter müflen vor allen Dingen wohl Acht haben, daB, wenn fie die feindlichen Escadrons pouffirt haben, fie fihd gleich wieder formiren und jchließen .. und alsdann allererfti müflen fie das 2. Treffen vom fyeinde attakiren.

Diejenigen Escadrons, fo zum nächſten an der feindlichen Infanterie attaliren, müffen, jofern fie die Kavallerie von der Infanterie fepariret und weggefchlagen haben, nachher ſuchen, die feindliche Infanterie in bie Flanke zu bekommen und in foldde einzubauen.“

Aus der Dispofition für die Infanterie,

„Derjenige Flügel, welcher attakiren ſoll, muß in guter Ordnung und wohl gefchloffen an den Feind marjchiren. Sollte fi noch etwas von der feindlichen Kavallerie finden, welche die unfrige nicht veriagt hat, [jo muß man fich gegen diefelbe] nicht ganz ver» hießen, fondern e8 muß nur allein dasjenige Peloton, wo die feind- liche Kavallerie am nächſten herankommt, auf 40, höchſtens 50 Schriti eine Salve geben. Die Regimenter müſſen indejjen immer im Adanciren bleiben, und möüflen die Commandeurs Sorge tragen, daß man nicht ftille ſtehe noch fich zurückziehe.

Haben wir mit nichts als mit der feindlichen Infanterie zu thun, und daß feine Kavallerie ſchon in Defordre ift, fo muß in währendem Heranmarfdiren ſtark auf den Yeind Tanoniret werden, und können diejenigen Bataillon, jo an dem Ylügel find, wo atta-

infolge ber Unthätigkeit der Sachſen und Franzoſen ins Stocken geraten waren.’ Danach ſcheint ihm die fichere Erwartung des Könige, daß es bei Irriß zur Schlacht kommen werde, noch nicht bekannt geweſen zu ſein.

838] Don Mollwik bis Chotuſitz. 95

firet wird, auf 200 Schritt das Pelotonfeuer machen. [Auf200 Schritt] tönnen die Kanonen nachgerade mit Kartätjchen geladen werben.

Da Seine Königliche Majeftät der gewiffen Meinung find, daß man den Feind nicht jo ſehr mit dem Chargiren wegfchlägt, al® daB man ihn vielmehr, fo zu jagen, wegdrängen muß, als recomman- diren Seine Königliche Majeftät den Chefs und Commandeurs der Regimenter, welche auf dem Slügel find, wo attakiret wird, vor allen Dingen, daß felbe, fo viel fie Tönnen, immer in guter Ord⸗ mng in währendem Chargiren auf den Yeind zudrängen. Wofern auch der Feind gegen alles menjchliche Vermuthen einige Stand» baftigfeit zeigen möchte, jo müflen die Bataillons fo attaliren: wenn fie bis auf 20 Schritt, oder auch wohl bis auf 10 Schritt (nachdem es die Commandeurs judiciren werben) vom Feinde find, ihm eine ſtarke Salve in die Naſe geben und darauf fofort demſelben mit den Bajonetten in Die Rippen fiten, dem Feinde auch immer gleich zuſchreien, das Gewehr wegzufchmeißen und fich gefangen zu geben.

NB. Nach aller menfchlicden Apparence wird es den fterreichern nicht in den Sinn kommen, fi) mit uns auf die Bajonette einzulaffen, fondern es iſt wohl eher zu vermuthen, daß, wenn fie ihre Ka⸗ dallerie gefchlagen fehen, der Überreft bald durchgehen wird.“

Aus beiden Dispofltionen das wird dem Leer jofort auf- fallen gebt zunächft wieder deutlich die Thatſache hervor, daß der König an der jchiefen Schlachtorbnung, dem Angriff mit einem fylügel, ſeſthält. Ya die betreffenden Ausdrüde, namentlich in der Dispofition Mr die Infanterie, Mind jo gewählt, daß dieſe Angriffgart bereits als etwas regelmäßiges, felbftverftändliches erſcheint. „Derjenige Flügel, welder attakiren fol” würde der König nicht jagen, wenn ihm die Überzeugung, daß man fich von der offenfiven fylügelichlacht, rein theo- tetiich, einen höheren Erfolg als von dem Parallelangriff zu verfprechen Gabe, nicht bereits in Fleiſch und Blut übergegangen wäre, wenn er ed RG nicht zum taktifchen Prinzip gemacht Hätte, nicht anders ala mit einem Flügel anzugreifen. Aus der Fafſung der vom Könige gewählten Ansdrüde maß man notwendig diefe Schluffolgerung ziehen, die ja auch mit den vorhergehenden Diepofitionen aufs befte übereinflimmt. Im Generalftabawerfe werden zwar u. a. auch die Worte: „Regimenter, welche auf dem Flügel find, wo attafiret wird“ citiert, aber es wird daraus weiter nichts für die taktiſchen Anſchauungen de jungen Herrſchers gefolgert. Dagegen hebt Hofer!) mit Recht bervor, daß in der Schlacht»

—_

1) König Friedrich der Große I, 546.

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36 Otto Herrmann. [334

dispofition, die Friedrich am 25. März in Mähren für die Infanterie erließ, e8 „ohne weiteres vorausgeſetzt“ wird, „daß nur der eine Tylügel den Angriff ausführen wird.” Die weiteren Darlegungen Hofer, um dies Bier gleich anzufchließen, erfcheinen mir allerdings nicht einwanbfrei. Kofer betont, daß, der obigen Dispofition entiprechend, der rechte preu- Bijche Flügel bei Chotufi feine Kraft bis zur letzten Entſcheidung ges ſchont und daß er bei Hohenfriebberg mit den Sachſen ſchon aufgeräumt babe, bevor der Linfe aufgeftellt war. „Wenn jomit diefe Schlachten wenigftens die Anfäbe zu dem enthalten, was Friedrich 1748 (nämlich in den „Generalprinzipien“ vgl. oben ©. 326) unter fchiefer Schlacht⸗ ordnung verfteht, jo weilt dag Kampfbild von Soor zu dem negativen Merkmal des Begriffs, der Zurücdhaltung des einen Flügels, bereits auch dag pofitive auf: die Verftärtung des andern Flügels auf Koften des refüfierten und die Umfafjung des Tyeindes durch den Entſcheidungsflügel.“ Danach ſcheint Koſer anzunehmen, daß bei Chotufit und Hohenfriedberg eine Verſtärkung und ein umfafjende® Borgehen des Entſcheidungsflügels nicht ftattgefunden Hat. Diefe Annahme ift jedoch unzutreffend, wie ich bezüglich der Schlacht bei Chotufit wenigftend weiter unten bar legen werde, auf Hobenfriebberg einzugehen, muß ich mir für fpäter vorbehalten. Webrigen® bat der Angriff mit einem fylügel nur dann Zwed, verfpricgt nur dann Erfolg, wenn der Gegner dabei umfaßt wird; dag Umfaffen und Flankieren, die dadurch erzielte Wirkung auf die Rüdzugslinie des Gegners, die Furcht, in die er durch jede Bedrohung derjelben verjeßt wird, und die gänzliche Auflöfung, in die er geraten muß, wenn fie ihm wirklich abgejchnitten ift all das ift der taktiſche Zweck, und der Angriff mit einem Flügel wäre ein jchlechtes Mittel für diefen Zwed, wenn er nicht von vornherein umfaffend angeſeßt würde. Daß der König nicht erft vor der Schladht bei Soor ſich dieſer Thatſache bewußt wurde, geht, wie ich meine, ſchon aus der April- dispofition vom Sabre 1741 Hervor!). Natürlich giebt es verjchiedene Grade des Umfaſſens, und e8 muß zugegeben werden, daß der König in feinen Anfangsfchlachten hierin taftender, vorfichtiger ala ſpäter auftrat. Diefe verfchiedenen Arten der Umfaffung bezeichnen aber nur eine jpeziell verfchiedene Anwendung der jchiefen Schlachtordnung; generell gehören fie alle unter den Begriff diefer Angriffsart, fofern fie nicht den Zwed einer bloßen Demonftration haben, fondern zur Entjcheidung beitragen ſollen. Inſofern fcheint mir auch der Ausdrud „Anfänge“ oder „Anläge der fchiefen Schlachtordnung?) nicht gerade ſehr glüdlich gewählt zu fein.

1) Bergl. ©. 315. 316. 2) Vergl. ©. 326. 327.

885] Bon Mollwitz bis Chotufig. 97

Man kann wohl von einer verjchiedenen Art des Umfaffens, einem mehr oder weniger ausholenden, vorfichtigeren oder kühneren, ftärferen oder Ihwächeren Flankenangriff fprechen ; aber entweder ift eine Weberflügelung derfucht worden oder nicht, ein brittes giebt e& nicht, und daß in der Ueberflügelung das wejentlichfte Merkmal der jchiefen Schlachtordnnung, auch der friedericianifchen, Liegt, beweift deutlich der fich an die Definition des Königs (oben S. 326) anjchließende Zufag: „une armée de 100 000 hommes, prise en flanc, peut ötre battue par 30000 hommes,“

Sehr lehrreich find die beiden Inſtruktionen jodann für die Art, wie fih der König im einzelnen den umfafienden Angriff bes Ent« ſcheidungsflügels dachte. Was zunächit die Kavallerie betrifft, fo ift una die Beftimmung, im Trab anzureiten und im Galopp einzubrechen, jchon befannt!), nur wurde die im Galopp zu durchmeffende Strede ver- (längert; aud daß die Kavallerie, nach Befiegung der feindlichen, fich gegen die Infanterie wenden jollte, war jchon früher angeordnet worden ?). Ein neuer Gedanke ift es aber, die Negimenter nicht in einer graden Linie, fondern in Staffeln, über deren Abftand leider nichts genaueres gefagt wird, attadieren zu lafien. Wie der König zu dieſer Idee ger kommen ift, habe ich nicht feftftellen können; wenigſtens läßt uns feine gleichzeitige Korrefpondenz betreffs diefer Frage im Stich. Der Zweck der Formation in Staffeln fann wohl nur der gewejen fein, den Gegner in Verwirrung zu bringen, ihn zu veranlaffen, das jedesmal einbrechende Regiment zu überflügeln und jo dem nächftfolgenden jelbft die Flanke zu bieten. Freilich ift auch die Möglichkeit nicht ausgeſchloſſen, daß be= abfichtigt wurde, die zunächft in frontaler Richtung anreitenden, ſtaffel⸗ förmig gegliederten Regimenter durch eine Achtelſchwenkung die Linie for- mieren und fo von der Seite ber einbauen zu laſſen. Dieſe Erklärung würde auch zu Friedrichs taktiſchem Hauptprinzip einer Umfaflung des Gegners recht gut paflen; auffallend bliebe dabei allerdings, daB das Einſchwenken zur Linie in der Dispofition gar nicht erwähnt wird.

Neu ift ferner die Beftimmung, daß die Schwabronen, nachdem fie das 1. feindliche Treffen geworfen, fich „wieder formiren und fchließen“ follten, bevor fie das 2. Treffen angriffen®). Der Sinn dieſer Ver⸗ fügung iſt Mar: eine Beflegung des 2. Treffens konnte nur dann er- wartet werben, wenn fich die Kavallerie gefchlofien auf dasfelbe ftürzte,

1) Bel. ©. 323,

2) Bel. S. 316.

3) Nach der Dispofition vom April 1741 follte ſich die Kavallerie erft vor dem Einbruch in die feindliche Infanterie wieder formieren. Vgl. ©. 316.

38 Otto Herrmann. [336

nicht aber bei einem regellojen Rachjagen einzelner Reitertruppe. Diefe Abficht ſcheint von den Difizieren nicht recht verftanden worden zu fein, wie wir unten feben werden.

Aus der Inianterieinftruftion ift wohl das wichtigfte die Forderung, daß die Truppen während des Feuerns im Avancieren bleiben follten; der Hauptnahdrud wurde weniger auf die phyſiſche Erichütterung des Gegners durch Berlufte im Yerulampf ala auf die moralijche durch das ftetige Näberlommen einer geichlofienen Phalanı gelegt. Man fieht hier, wie genau dem König die Eigenart der menjchlichen Natur belannt war: er wußte, daß die Furcht vor einer unaufbörlich, wenn auch langiam dordringenden dunklen Maſſe die Kräfte gemeiner Soldaten mehr als Berwundungen lähmt und daB andererfeit3 Teerraingewinn ihren Wut erfriſcht, wenn die Verluſte ein gewiſſes Maß nicht überfleigen. Aber jelbft für diejen Fall konnte er fih auf jeine Infanterie verlafien; fie war darauf gedrillt, auch ſtarke Berlufte zu ertragen, denn jedem Mann im Gliede war es eingeprägt, daß ibn Sponton oder Säbel der hinter ihm marfchierenden Difigiere und Unteroffiziere treffen würde, falls er es wagte, fi umzudrehen. Webrigend unterfagte Friedrich dad Schießen nicht gänzlicd dazu war die Erinnerung an den Erfolg des preußiſchen Schnellfeuers bei Mollwig offenbar noch zu friſch in feinem Ge dächtnis —, er wollte nur, daß erft auf wirkſamere Entfernungen „chargirt“ würde. Aber e8 war gewiß ſchon damals mehr eine Rom zeifton, die er feinen Soldaten mit dem Schießen machte, da ihre natär lie Aufregung während der Schlacht durch die Thätigleit des Char gierend abgelenkt und ihre Zuverſicht durch das bloße belebende Getöke des Knalla beim Salvenfeuer erwedt werden mußte; fehon in diejer Zeit wird er, das jcheint mir aus der Dispofition hervorzugehen, die wenige Sahre jpäter außgeiprochene Weberzeugung gehabt zu haben: „Ce n’est point & coups de fusil qu’on gagne les batailles, je le sais par ex- perience que j’en ai faite; on ne peut r&epondre du succös d’une journde que lorsque l’on parvient & faire porter les armes & une ligne d’in- fanterie, et qu’on la determine à marcher à l’ennemi“!). Auch bei Molwig war ja die GEnticheidung weniger durch das immerhin fer wirkungsvolle Schnellfeuer ala dur) dag Vordringen der preußiſchen

Infanterie herbeigeführt worden.

1) Bgl. Giſors: La tactique et les manoeuvres des Prussiens, S. 14. Der franzöfifche Gewährsmann, welcher diefe Worte bei einem pommerſchen Ma⸗ növer gehört hatte, berichtet außerdem, der König habe ihm beim Abichiede er faubt, fo viel er wolle, auszuplaudern „du feu surprenant que faisait son infanterie.“

337] Don Mollwig bis Chotufih. 89

Das Kanonieren „in währendem Heranmarichiren” dürfte gleichfalls in erſter Linie zur Belebung der Courage haben dienen follen; ebenfo der Verweis auf das Bajonett als letztes und Fräftigftes Mittel, um den Widerſtand des Gegner? zu brechen und die Bemerkung, daß die öfter- reichiſche Infanterie einen Bajonettangriff nicht abwarten werde, wenn ihre Kavallerie geichlagen fei. Lebteres ift ohne Zweifel die wirkliche und durchaus berechtigte Erwartung des Königs geweſen; Hatte er doch bei Mollwik den gewaltigen Unterfchied in der Qualität des Fußvolks und der Reiterei feiner Feinde Tennen gelernt. Auch traute er den öfter- reihifchen Neitern zu, daB fie wieder feine Infanterie angreifen würden und ſchärfte derfelben deshalb ein, fich ja nicht gegen die Kavallerie zu verſchießen, damit kein Munitiongmangel, wie bei Mollwiß, eintrete.

3. Chotuſitz.

Man kann ſich, wie wir glauben, aus dem Material, welches ung über Friedrich taktiiche Anfchauungen vom April 1741 bis zum März 1742 überliefert ift und das wir eben betrachtet haben, eine ziemlich deutliche Vorftellung davon machen, wie fich der König in den Tagen vor CHotufit die Anlage und Leitung einer Offenfivichlacht dachte. Die Grundlage jeiner Theorie bildete die Meberzeugung, daß nicht die Front, ſondern die Flanke die ſchwächſte Stelle bes Heeres jei, da durch jede Umgebung berjelben die Rüdzugslinie gejährdet werde. Daraus ergab NH, daß er, um den höchſten Erfolg zu erringen, den Parallelangrifi verwerfen und zum Flüugelangriff jchreiten mußte. Welcher Flügel an« gegriffen werden jollte, war nicht generell zu beftimmen; dies mußte in jedem einzelnen Fall nach den jeweiligen taktifchen und ftrategifchen Ver⸗ hältuiffen angeordnet werden. Dagegen ließ ſich im voraus erfennen oder doch vermuten, durch welche Anordnungen auf alle Fälle der Flugelangriff jo enticheidend wie möglich gemacht werden könnte. Dazu gehörte vor allem eine bedeutende Verſtärkung desjenigen Flügels, welcher angreifen jollte, und zwar jowohl an Quantität wie an Qualität der Zruppen. Ber Kampf diefes Flügels war zwedmäßig durch das Feuer ſchwerer Geichüge einzuleiten; dann folgte der überflügelnde Angriff der Kavallerie, die zumächft die feindliche aus dem Felde fchlagen und erft dann die Infanterie in der Flanke angreifen follte; erſt wenn dies ge- ſchehen war, konnte der Infanterieangriff Erfolg veriprechen. Letzterer mußte um jo wirkungsvoller werden, wenn vor den beiden Treffen fich noch eine Avantgarde oder „Attade” befand und die Infanterie ohne vieles Schießen auf den Gegner losdrängte. Sie follte „ſchräg“ vor-

40 Dtto Herrmann. [338

wärt? marjchieren, damit der Defenfivflügel weit genug zurückbliebe, um nicht felbft überflügelt zu werden und daburch den Erfolg des anderen Flügels zu paralyfieren.

Lafien fich diefe Anfichten Friedrichs nun auch in der Anlage und Leitung der Schlacht bei Chotufik nachweiſen?

In militärischen Kreifen ift noch heute die Auffafjung vertreten, daß der Wert der Theorie für die Kriegsführung ein fehr geringer ſei, da die in der Wirklichkeit eintretenden Friktionen die jchönften Pläne über den Haufen werfen. Aber ſchon Claufewig hat hervorgehoben, daß die Taftif viel weniger Schwierigleit für eine Theorie bietet ala die Strategie. Es fei leichter, „die innere Ordnung, die Anlage und Führung eines Geiechts durch eine theoretifche Gefeßgebung zu beitimmen ala den Gebrauch bei- jelben; dort ringen die phyfiichen Waffen miteinander, und wenn aud der Geift darin nicht fehlen fann, fo muß doc der Materie ihr Recht gelafien werden.” Iſt die Theorie in der Taktik aber an fich leichter als die in der Strategie, jo muß fie auch Leichter durchzuführen fein. Auch ift bier von keiner Theorie die Rede, die der Feldherr fi mır oberflächlich angeeignet hätte, hier ift fie von ihm nicht nur gründlid durchdacht worden, er bat fie auch jelbft auf Grund feiner Erfahrung verbeſſert. Dazu kommt, daß ihr Grundgedanke fo flar und einleuchtend ift, daß das Willen notwendig zu einem Können werden mußte. Selbſt wenn uns aljo gar nichts Näheres über den Berlauf der Schlacht bai Chotufit befannt wäre, müßten wir bloß aus der Theorie Friedrich ſchließen, daß er fie auch in diefer Schlacht zur Anwendung gebradit hat. Natürlich fehlte eg, wie wir jehen werden, auch hierbei nicht an mancherlei Sriktionen, aber e8 kann doch keinem Zweifel unterliegen, daß die wefentlichiten Züge der fchiefen Schlachtordnung Friedrichs fi auch bei Chotufiß erkennen Lafien.

Eine genaue Darftellung der Schlacht bietet in doppelter Hinficht große Schwierigkeiten. Zunächſt deshalb, weil fich das Gelände ſeit der Schlacht jehr verändert Hat. Die Lage der Ortfchaften zwar ift biefelbe geblieben: in der Mitte Chotufig, 4 km weftlich davon Cirkwitz (von wo weitere 5 km weitlich Kuttenberg), 2 km nordnorböftlich von Chotufif Schujhig und etwa S1/s km ſüdlich das Städtchen Tichaslau. Aber das Dorf Chotufit Hat ficdh nach Norden und Süden erweitert, der große Cirkwitzer See ift verjchwunden, die Parkmauer des Sehuſchitzer Tier garten hatte eine andere Lage und ein anderes Ausſehen als jetzt; es ift unbeftimmt, welche Geftalt die Inſel Hatte, die durch die Gabelung des von Tſchaslau nach Chotuſitz fließenden Brslenkabaches (auch Tichad-

339] Bon Mollwitz bis Chotufitz. 41

lawa genannt) ') öftlich von letzterem Orte gebildet wurde und die da- malige Beichaffenheit des Terrains zwifchen Chotufig und dem Sehufchiker Park ift ung unbekannt. Dazu kommt zweitens, wie ja faft bei allen Schlachten, auch der neueften Kriegsgeſchichte, daß die Quellen nicht nur unzulänglich find, ſondern fich auch in vieler Beziehung wiberjprechen, und zwar nicht nur die Öfterreichifchen und preußifchen Berichte, jondern auch die letzteren unter fi. Für unferen Zwed, nur die Hauptpuntte bervorzubeben, Tommen allerdings einige bdiefer Schwierigkeiten in Wegfall.

Die erſte „Friktion“, welche eine einheitliche Anlage der Schlacht ſeitens des Königs ſtörte, beſtand darin, daß er durch das Anrücken der Oeſterreicher Uberraſcht wurde. Er hatte dem Erbprinzen Leopold von Anhalt⸗Defſau befohlen, mit dem größten Teile des Heeres bei Tſchaslau Stellung zu nehmen, während er felbft mit der Avantgarde nach Kutten⸗ berg marfchierte. Er glaubte offenbar, daß Prinz Karl von Lothringen weiter weftlich marfchiert jei, um ihn von der Straße nach Prag, das damals von den Franzoſen belagert wurde, abzufchneiden und womöglich die preußiichen Magazine an der Elbe bei Kolin, Podiebrad und Nienburg zu zerftören; auch mußte er zumächlt in Kuttenberg für den notiwendigiten Brotvorrat jorgen. Daß die Defterreicher dem erbprinzlicden Haupt⸗ beere näher ftanden ala ihm ſelbſt, war ihm jedenfalls unbelannt. Nun jand aber der Erbprinz Tſchaslau bereit? vom Feinde befeht; es blieb ihm alfo nichts übrig, als fein Lager zwiſchen Sehufchik und dem Cirk⸗ witzer See (oder etwas nördlich von lekterem) zu nehmen. Dies geſchah in der Nacht vom 16. auf den 17. Mai, aber ſchon in der frühe des 17. rüdten die Oefterreicher heran. Der König, welchem der Erbprinz die Nähe des Feindes fchon vorher gemeldet Hatte, konnte wegen der Uebermüdung feiner Truppen nicht während der Nacht marjchieren; nur eine8 feiner Grenadierbataillone ftieß noch in der Nacht zur Haupt» armee. Der Erbprinz war aljo für die Schlachtaufftellung zum Zeil auf ſich ſelbſt angewieſen; der König, welcher von Neuhof und St. Jakob (nördlih von Cirkwitz) aus den feindlichen Anmarſch beobachtet hatte, tonnte ihm, wie er jelbft erzählt, nur noch jagen laſſen, daß er für feine (des Könige) Truppen Pla im 2. Treffen des rechten Flügels Laffen und auf die nächte Höhe (zwifchen dem Cirkwitzer See und Chotufiß)

1) Droyſen fagt: Tſchaslauer Mühlenbach; „den Namen Brtlinkabach kennt man an Ort und Stelle nicht mehr.“ Im Generalſtabswerke, welches auf neueren Unterſuchungen an Ort und Stelle beruht, wird ber Bach ſtets Brslenka genannt, einer Echreibung, ber ich mich angefchloffen habe.

jprechen: nach den einen hat der Erbprinz jelbftändig gehandelt, nadı den andern auf Beichl des König. GE kommt indefjen für unfer Unterfuhung bauptjädhlicd darauf an, daß überhaupt dem linken Flügel der Beiehl gegeben wurde, zwiſchen Chotufig und der Parkmauer von Sehuſchitz Aufftellung zu nehmen; die Frage, ob dieſer Befehl zuerl vom Erbprinzen erteilt und dann vom König gebilligt wurde, oder ob er von letzterem allein ausging, darf für die Beurteilung der Taktik Yrie- richs außer Acht bleiben. Jedenjalle aber war der König infolge der Ueberrafchung durch die Defterreicher weder im flande, das Terrain, auf dem fih der linke Flügel aufftellen jollte, genauer zu erkunden, noch dafür zu jorgen, daß die Aufftellung bdesfelben auch wirklich auf ber be» johlenen Linie jtattfand. Sein Unftern wollte, daß, wie er dem Aus- gang feiner erften Schlacht nicht perfönlich beiwohnen, er zu fpät auf dem Schlachtielde der zweiten eintreffen follte.

Berjegen wir uns in die Lage ded jungen Feldherrn, ala er von der Höhe des Kirchturms in St. Jakob aus den Aufmarfch der öfter reichifchen Armee beobachtete. Nach feiner uns belannten Theorie mußte es fich jür ihn Hauptfädhlich um die Frage handeln: mit welchem Flügel fann ich den Gegner am vorteilhafteften umfaffend angreifen? Für dide Frage kam in erfter Linie das Gelände in Betracht. Friedrich Hatte ein paar Tage vorher die Gegend bis Tſchaslau erfunden laſſen, er mußte alfo wiffen, felbft wenn ihm keine genügende Karte zu Gebote ftand, daß Hinter der Hochfläche, auf der fich die Defterreicher ausbreiteten, der fumpfige Brslenkabach floß. Wollte er feinem linken Flügel, der öͤſtlich dieſes Baches ftand, die Entſcheidung übertragen, jo mußte zunächft der Bach Überfchritten werden. Mit entwidelter Front wäre dies unmöglih geweien; man hätte in Kolonne die bei Chotufit befindlichen Webergängt benugen müflen und fi dann dem jchlachtbereiten Feinde in nmächtte Nähe gegenüber befunden. Eine Umfaffung mit dem Linten Flügel war alfo taktiſch ausgeſchlofſen.

Viel günftiger lagen die Verhältniſſe für den rechten preußiſchen Flügel. Unmittelbar vor diefem breitete fi), wie der König von feinem Standpunkt aus ſehr gut bemerken konnte, die ſanft anfleigende Hoch⸗ fläche aus, welche nicht nur dem Vormarſch einer Infanterielinie keine

341] Bon Mollwitz bis Chotuſitz. 48

Schwierigkeiten bereitete, ſondern auch für die Reiterei ein vorzügliches Attadenfeld abgab. Hier war nicht nur eine Umfaffung leicht möglich, wenn fich die Kavallerie halbrechts vorwärts am Cirkwitzer See entlang 308, fondern man jand auch an diefem See zugleich eine jehr erwünſchte Flügeldedung. Für den Angriff mit dem rechten Flügel ſprach ferner der ftrategifche Gefichtäpuntt, daß der Gegner dadurh von Prag ab- gedrängt und die eigene Verbindung mit diefer Feſtung gefichert wurde; fonnte Prinz Karl der Hauptitadt Böhmens aber keinen Entſatz bringen, jo mußte dieſe vorausfichtlich fallen und dadurch die politifche Lage Raifer Karla VII. verbefiert, diejenige Maria Therefias verfchlechtert werden.

Sole Erwägungen beftimmten offenbar den König zu dem Ent- ichluffe, feinen rechten Flügel zu verſtärken und dann umfaffend angreifen zu laffen, den linken dagegen zu verjagen. Wir haben fchon gejehen, daß er dem Erbprinzen befahl, auf dem rechten Flügel des 2. Treffens für die von ihm berangeführten Truppen Platz zu Laffen, wir müflen aber jegt noch etwaß näher auf dad Stärteverhältnis zwilchen dem rechten und Linken Sylügel eingehen, da ja hierin ein wichtige Kenn⸗ zeichen der fchiefen Schlachtordnnung liegt. Man könnte dies Berhältnis licht aus den Ordres de Bataille feſtſtellen, die befanntlich zur Zeit Friedrichs des Großen nicht nur, wie jeßt, die Namen der Truppenteile und ihrer Anführer enthielten, ſondern ein vollftändiges Bild des zur Schlacht aufgeftellten Heeres darboten.

Gerade für die Schlacht bei Chotufitz aber widerjprechen fich die vorhandenen Ordres de Bataille!); die eine iſt befler, die andere fchlechter, feine ganz genau. Zum Glüd läßt fich aber aus den Berichten über die Schlacht jelbft das Stärkeverhältnis ermitteln. Danach kämpften auf dem rechten wie auf dem linken Flügel 30 oder, mit Hinzurechnung der Hufaren, 85 Schwadronen. An Anfanterie befanden fi auf dem rechten Flügel 28, auf dem linken 10 Bataillone; unter jenen 23 be= fanden fich 5 Grenadierbataillone (Itzenplitz, Uchtländer, Geift, Jeetze,

1) Eie ſtammen von dem Erbprinzen. Schmettau und Stille; eine vierte ift anonym. Diejenige Schmettaus bat der König ſelbſt ala fehlerhaft bezeichnet. Einen Abdrud der Ordres fowie fämtlicher übrigen Quellen, mit Ausnahme der von den Mitarbeitern des Generalftabswerfes neu entdedten und publizierten, enthält Droyfen: Zur Schlacht bei Chotufig (Gitungsberichte ber Berliner Aa: demie 1872). Bgl. auch meine Anzeige des Gſtba.⸗W. in ben „Forſch.“ VI, 624, bie allerdings durch die obigen Ausführungen in einigen Punkten modifiziert wird.

41 Tu Gern. [342

Sarg. sub Ye 2 Ramillone ei Swigfichen Gerbderegiments!), alle 7 Zumillose Pecıtzunger, währen zur dem [min Flügel nur Musletier lamillane Hunter Eommüi ı= Imentisit wie an Cualität war alſo die Jrfanzere Dei rerhtenr Fiigefä der Dei Einlen erheblich fiberlegen, au uam Eimnte ko allem ums dicier Ihatfache den Schluß ziehen, ba der Ping der Dausttog mu reits ber rühren wollte Die glei» mäßige Berteilıug der Sunalecr hat der General Stille, ſonſt ein Freund und Pemurrderer Friedrichs. wie es ſcheint mit Recht getadelt. Gr jagt ur em 13. Priore Kur „Campegnes da rei”, mau bätte die Kavallerie des techten Flügel} fu weit veritirtee müäiten, daß fie die ihr gegenüber- itehende an Zıjl üdertrsten bitte. Des war vielleicht ſchwer, da die Ceſterreicher an Jmunterie poar nur wenig, am Reiterei aber erheblid überlegen warm ?,, aber es bürte ah immerhin durchrühren laffen. Denn man noch etwa 2) oder 25 Schwadronen mehr auf dem Ent⸗ Kheibungstiigel gehabt Hirte, wäre allerdings mur 10 bis 15 auf dem linten übrig gebiichen; aber des Termin; wegen würde dieſe geringe Zahl ausgrricht Haben Wie man ich erinnern wirb, war der Gedanke, die Hauptuzafte der Kavallerie au? dem Angriffejlägel anzuſetzen, dem Könige durchaus nicht unbefamnt, hatte er Boch ſelbſt in der Dispofition vom 6. Auguft 1741 beitimmt, dag 62 Schwabronen auf dem Offenfid- flügel und nur 10 au’ dem Zerenfivflägel ftehen follten. Wie kam es, daß er diefen Gedanfen mm nicht verwirklichte? Ge ift nicht zu be fireiten, daß im allgemeinen die Aufregung vor einer Schlacht den Feld⸗ berm nicht immer an dem iefthalten Iaffen wird, was er vorher, bei fühler Ueberlegung , theoretiſch ala richtig erkannt bat, beſonders wenn diefe Erkenntnis dem taktiſchen Herlommen widerfpricht, jondern daß er, wenn es zu handeln gilt, nun doch an diefem als unzweckmäßig er: fannten Herlommen fefthält; aber ich glaube, wir brauchen zur Moti⸗ vierung umfjeres alles Teineswegs irgend eine Furcht vor Gefahr und Verantwortung, für die man fich bei Friedrich auch nur auf parteiikhe Quellen, 3. B. Gaudi, berufen könnte, anzunehmen. Die wahrſchein⸗ lichſte Erklärung ift wohl die, daß der König wegen feines jpäten Ein treffend auf dem Schlachtjelde fih nicht mehr durch eigene Anjchauung

1) Man rechnet gewöhnlich das Regiment Garde zu drei Bataillonen, aber bad 1. aus ber Riefengarde Friedrich Wilhelms gebildete Bataillon nahm ald Leib» oder Grenadiergarbe eine befondere Stellung ein, hatte auch eine ander Uniform ala die beiben übrigen Bataillone.

2) Kofer, König Friedrich d. Gr. I, 167 berechnet die Stärke der Oeſter zeicher auf 18 300 Dann Infanterie (inkl. 1300 Kroaten) und 10000 Reiter, bie ber Preußen auf 17000 Mann zu Fuß und 7000 Reiter.

343] Don Mollwitz bis Chotufitz. 45

davon Überzeugen konnte, ob er e8 wagen dürfe, feine linke Flanke nur durch wenige Schwadronen zu fichern und e8 deshalb bei der vom Erb⸗ prinzen dem Brauche gemäß befohlenen gleichmäßigen Verteilung der Kavallerie auf die Flügel belief. Auch hierbei fcheint alfo die „Frittion” der Ueberraſchung durch die Defterreicher mitgefpielt zu haben !).

Was die Artillerie betrifft, jo wurden die 4 fchweren Geſchütze derfelben auf eine Bodenerhebung vor dem rechten Flügel gebracht, von wo fie ein gutes Schußfeld Hatten und aljo den Angriff dieſes Flügels wirkfam einleiten konnten. Es entiprach dies, wie man weiß, einem Gedanken der Dispofition Schwerins?) und den Erfahrungen der Schlacht bei Mollwik.

Das Umfafjen follte in der Weiſe ftattfinden, daß die Kavallerie des preußifchen rechten Flügels unter dem General Buddenbrod fi am Cirkwitzer See entlang zog und die Infanterie an ihr geichloflen blieb. Im Generalftabswerte heißt es über die Aufitellung der Kavallerie: „Benerallieutenant v. Bubdenbrod, auf der Höhe vor feinen Schwadronen baltend, beobachtete den feindlichen Vormarſch und erkannte alabald die Schwäche der Öfterreichiichen Linken Flanke. Ex ließ daher die Schwadrons⸗ zwiichenräume nach feinem rechten Flügel Hin vergrößern, um im Ans reiten noch mehr zu überflügeln. Die Regimenter Buddenbrod und Möllendorf mußten fich recht? vorwärtd ziehen, um Hinter der Höbe gedeckt zu bleiben, jo daR die 20 Schwadronen des erjten Treffens einen Halten bildeten, deffen weftlicher Zeil der Einficht des Feindes entzogen war.“ Dieſe Darftelung kann im ganzen richtig fein. Das bedeutet durchaus feinen Vorwurf, denn die Beichaffenheit unferer Quellen läßt eben auch bier Kein fichereg Urteil zu. Wir willen nicht, ob Budden⸗ brock felbftändig oder auf Befehl des Erbprinzen oder, was mir am wahrfcheinlichften ift, des Königs gehandelt hat; wir wiſſen ebenjowenig, ob die Kavallerie mit 10 Schwadronen, wie dag Generalſtabswerk auf Grund eines Berichtes Schmettaus vermutet, oder nur mit i6, Wie Droyfen und Kofer mit Stille annehmen, die Defterreicher überflügelt dat. Kür unfern Zweck genügt e8 aber feftzuftellen, daß Buddenbrock, wenn auch jelbftändig, fo doch jedenfalls im Sinne des Königs, eine größere Anzahl feiner Schwadronen, wie Friedrich fich ausdrüdt, „en potence“, d. h. in einem rechtwinkligen Hafen aufftellte und jo dem

Gegner von vornherein die Flanke abgewann.

Wie ftand e8 nun auf dem preußifchen Linken Flügel? Der König

wollte, wie wir bemerkten, diefen Flügel verfagen. Er bedient fich zwar

1) Bagl. auch Hoyer, Geſch. d. Kriegskunſt II, 2, 567. 2) Dal. S. 328. 329.

Ette Herrmann. [844

nicht im der „Histuire de mon temps“, wie bei der Schilderung der Mollwiger Schlacht, dei techaiichen Ansdruds „refuser" ; feine Abſicht aber, deu lınfen Flügel zuräczubalten, ergiebt fich jchon allein aus der bedeutenden Bertirtung dei rechten. Sodann aber auch aus ber be ichleuen Aumſtellung dei größten Teiles des Tinten Flügels zwiſchen Ghotutg und der ötlih daven beiegenen Parkmauer von Sehuſchiß. der linke Flügel mämlich dieſe Stellung bei, jo war e8 unwahr-

ih, daß er, wielleicht mit Ausnahme des Regiments Schwerin, welches das Tori Ghetuiig beiekt Katie und jo zunächſt einen borgefho- denen Roten bildete, überhaupt in ein Geſecht mit den Oeſterreichern i er ſtand ja in dieſer Weiſe öftlich de Bralmmta-Badyes, und hätte, um ihn anzugreiien, die Bach⸗ ie dazwiſchenliegende fumpfige Inſel paffieren müfjen.

Aber, wie ſchon bemerft, waren die Anordnungen zum Aufmarid des tinten Flügels vom General Jeehe, dem Kommandeur desſelben, nicht

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x 13

pprechend dradt fich hierüber Koſer aus: „Statt von feinen 8 Batail⸗ lonen 4 linta neben Shotufig in der Richtung nach DOften unterzubringen, batte ex [Ierge) wur eines bier aufgeftellt und 3 vor das Dorf ge jogen. Die Folge war, daß die Keiterei [des Linken Sylügels], um feinen

bloß die Anlehnung an die Parkmaner won Sehuſchitz verlor, jondemn auch ein äußert fchwieriges Gelände wor fich hatte, ftatt des offenen Feldes die langgeſtreckte Inſel zwifchen den beiden Waſſerarmen“)).

D Der König jagt allerdings im feiner Kritik der Schlacht bei Chotufik in der Histoire de mon temps, Prinz Leopold hätte das Dorf Chotufik mit dem linken Flügel hinter ſich lafſen follen: aber das ift ja thatfächlich, wenn auch nicht auf Befehl des Prinzen, fo doch des General Jeetze geichehen, und doch hat Friedrich diefen General eben deswegen vor ein Kriegagericht ſtellen laffen wollen. Ter König bat offenbar, ala er diefen Vorwurf wieberichrieb, das Terrain nicht mebr genau im Kopfe gehabt und alio nicht beachtet, daß ber ſchwache Linie Ylügel ſelbſt bei einem georbneien Aufmarſch vorwärts Chotufitz in eine feiner Abficht, den Hauptftoß mit dem gewaltig verftärkten, aber erſt zu Veginn ber Schlacht verfammelten rechten Flügel zu führen, keineswegs entiprechenbe, höchſt egponierte Stellung kommen mußte. Die Auffaffung bes Königs im Jahre 1746, ala er die „Histoire“ verfaßte, ſteht alfo mit feiner Auffaſſung zur Zeit ber Schlacht im Wiberiprud. Eine von beiden, und das kann nur bie fpätere fin, muß aufgegeben werben. Wenn Droyſen (Geſch. d. preuß. Pol. V, 1, 447) dies nicht gethan Hat, fo ift feine Darftellung eben ſich widerfprecdend: „Dem Prinzen Seopold ift nachmald der Vorwurf gemacht worden, dab er Ghotufiß im einer Weiſe befeht habe, ala wolle er nicht darüber hinausgehm, während ex vor dem

845] Bon Mollwizt bis Chotufitz. 47

Rah Koſer waren die Anordnungen des Prinzen Leopold vom General Jeetze nicht richtig „aufgefaßt” worden. Weſentlich ander® ift die Darftellung des Generalſtabswerkes. Danach hätte fi die Un- möglichleit herausgeflellt, dem Befehle gemäß von Sehuſchitz aus mit Anlehnung an die Parkmauer in entwidelter Linie vorzugehen: „Die zahlreichen Sumpfitreden und nafjen Wiefen zwiſchen Chotufik und der Mauer ded Ziergartend von Sehufchig ließen die Bewegung geichlofiener Zruppenmaffen nicht zu.” Dan fei daher in Kolonne auf dem Wege von Sehufchik nach Chotufig marfchiert, um fpäter füdöftlich dieſes Ortes die Linie wieder herzuftellen. Aber diefe Abficht ſei nicht mehr durchführbar geweien, da man, in Chotufiß angelangt, dem von den Defterreichern eben angegriffenen Regiment Schwerin zu Hülfe kom⸗ men mußte, welches von General Jeetze, „dba e8 in der Tiefe Fein Schußfeld Hatte”, auf ben Höhenrand, 200 m füblich ded Dorfes, vor⸗ gegogen war !).

Diefe Darftellung ftügt fi), wie man flieht, wejentlich auf die Be⸗ Khaffenheit des Terrains; quellmmäßig zu belegen ift es wenigften® nicht, daß der Linke Flügel den ganzen Weg von Sehufchit nad) Cho—⸗ tufig in Marſchkolonne zurüdgelegt babe. Bei der jchon oft betonten Art unferer Quellen, ihren vielen Widerſprüchen u. ſ. w. wäre das natür- Ich durchaus kein fehler, nur müßte man ganz genau wiffen, wie das Gelände im Mai 1742 auögefehen hat. Die Berjafjer des Generalftab3- werles Haben zu biefem Zwecke bei bem jeßigen Geiftlichen von Ehotufit und bei Sehufchiger Forſtbeamten Nachfragen angeftellt ; erfterer jagte aus, daß bis 1888 die Beipannung beim Heueinbringen eingefunten, Iehterer, daB bie Gegend früher ein gutes Entenrevier geweſen ſei. Nun wollen wir durchaus nicht beftreiten, daß der aus dieſen Angaben ge» zogene Schluß auf eine jumpfige Beichaffenheit des Geländes zur Zeit der Schlacht richtig fein kann, unbedingt zwingend ift er aber nicht; au find die Angaben von Yägern befanntlich nicht immer zuderläffig. Die Behauptung Kofers, General Jeetze habe den ihm mitgeteilten Be⸗

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Fleden ſeine Linie hätte bilden ſollen. Um fo übler war, daß .. Gen. Jeetze die Bataillone, die fi Links von bem Flecken aufftellen follten, über benfelben hinaus vor führte.“ Mebrigens wird unfere Bermutung, dab dem Könige zur Zeit der Abfaffung ber „Histoire“ fi) das Bild des Gchlachtfelbes bereitö ver: wiſcht Hatte, noch dadurch unterſtützt, daß in biefem Werke der Dobrawafluß mit des Brölenka und dad Dorf Sbislau mit Sehuſchitz verwechſelt wir.

1) Es fcheint vielmehr, ala habe das Regiment Schwerin das Dorf CHotufik eh verlafien, nachdem der Höhensand von andern Bataillonen bes linken Flagels beſeht war, vermutlich zur Verſtärkung berfelben.

48 Dtto Herrmann. [346

fehl falſch „aufgefaßt“, ift alfo durch die Ausführungen des Generalftabi werkes jedenfalls nicht erfhüttert. Wir müfjen ung nur fragen: wie fam der General zu diejer falſchen Auffafiung ?

Die Beantwortung bdiefer Frage fcheint mir nicht allzu ſchwierig König Friedrich Hatte zwar noch in feiner Dispofition vom März au drüdlich betont, daß er nur mit einem Flügel angreifen werde, wor ja fchon implicite lag, daß der andere zurüdzuhbalten fei; aber biee Gedanke der fchiefen Schlachtorbnung war doch feinen Generalen nod bei weitem nicht in Fleifh und Blut übergegangen; finden wir doch noch im fiebenjährigen Kriege diefelbe falſche „Auffaffung”, Daß beide Flügel gleichzeitig angreifen müßten. Das völlige Zurüdhalten Hatte ja an fih etwas Künftliches; e8 war um fo fchwieriger durchzuführen, ala man immer nur in einer feftgeichloffenen Linie aufmarfchierte. Dazu kommt in unferem alle, daß infolge der Ueberraſchung durch die Defter reicher es jedenfall an Zeit gebrach, um dem General Jeetze noch ein- mal deutlich einzufchärfen, daß der rechte Flügel den enticheidenden Angriff zu machen babe, daß er in die Idee der Heereßleitung alfo ber mutlich nicht eingeweiht war. So batte er die Empfindung, richtig zu handeln, wenn er feine Bataillone fo ſchnell wie möglich gegen ben Feind führte, und da diefer auf der Hochfläche weitlich des Brslenka⸗ baches ſtand, üÜberjchritt er den Bach mit allen Truppen und enis widelte fie demnächſt auf der Hochfläche.

Mag nun die Handlungsweife Jeetzes die Folge einer faljchen „Auf faſſung“ des Schlachtplanes geweſen, oder mag fie durch die Terrain verhältniffe beftimmt worden fein, fo viel ift jedenfalls Mar, daß durch die Art, wie er verfuhr, gerade das Gegenteil deſſen erreicht wurde, was König Friedrich bezwedte, nämlich ſtatt eine® Verſagens des Linken Flü⸗ gels vielmehr ein Vorſchieben desfelben. Die Wirkung diejes fehlerhaften Aufmarfches des einen Flügels werden wir fogleich erkennen, indem wit nun unjere Blicke auf den eigentlichen Berlauf ber Schlacht werfen.

Die Preußen eröffneten den Angriff, ebenfo wie bei Mollwik, durch Artilleriefeuer. Es war jedenfalls im Sinne des Königs, wenn es auf nicht auf feinen unmittelbaren Befehl geſchah!), daß die 4 ſchweren Ge⸗ ſchütze vor dem rechten Flügel, wahrjcheinlich verftärft durch die Ba

1) Auch Hier widerfprechen fich unfere Berichte. Der Erbprinz fagt, Friedrich fei angetommen, „als ich den erften Kanonenſchuß auf den Feind thun lie‘, ebenfo Schmettau („que le premier coup de canon se läche sur les ennemis“) Dagegen berichtet Stille: „Le Roi... entra pr&cisement entre les deux lignes, lorsque par son ordre le combat fut commenc& par le feu de notre artillerie.“

847] Don Mollwig bis Chotufiß. 49

taillonslanonen desſelben, den feindlichen linken, das eigentliche Angriffs⸗ objeft, heftig beſchoſſen. Prinz Karl von Lothringen jagt darüber in feiner Relation: „Ehe und bevor noch beede Armeen auf 2000 Schritt fich gegen einander näherten, wurde fich feindlicherfeit3 ſchon bemühet, und mit bejtigem Ganoniren zuzubeizen;“ nach der „Histoire“ war dag euer von einer „vivacit6 prodigieuse“.

Auch der Yortgang der Schlacht entiprach zunächft der Abſicht des Königs. Während bei Mollwik die preußifche Kavallerie des Angriffs- flügelö gerade zu der Zeit, al fie noch mit ihrer Formierung befchäftigt war, von dem öÖfterreichifcehen General Römer in der Flanke gefaßt und vollftändig über den Haufen geworfen wurde, hatte Syriedrich es durch wnermüdliche Erercitien durchgejeßt, daß nun feine Kavallerie nicht nur fertig formiert daftand, fondern, wie wir wiſſen, ſchon durch ihre Auf. Rellung den Gegner beträchtlich überflügelte. Es bedurfte nur des Zeichens zum Angriff"), und General Bubdenbrod warf fich mit feinem erſten Treffen in vollem Galopp auf das feindliche. Der Ehoc war fo mächtig und, gerade infolge der Meberflügelung, fo entfcheidend, daß die oͤſterreichiſchen Schwadronen „wie Kartenhäufer” zufammenfielen.

Der weitere Verlauf des Neiterfampfes auf dem preußifchen rechten Flügel aber geftaltete fich, das dürfen wir als zweifellos betrachten, unglüdlich für den jungen König, Wie war diefer Umfchlag möglich? Wir erinnern uns, daß die Kavallerie ſich nach dem erſten Choc wieder formieren follte?); die Abficht dabei war, den Gegner nicht mit ein- jelnen zahlreichen Reitertrupps, ſondern mit einer gejchloffenen Maſſe verfolgen zu laſſen. Diefe Abficht nun ſcheint infofern mißverjtanden zu fein, ala es die Escadronchefs wahrfcheinlich für ihre Pflicht be— trachteten, ihre Leute genau ebenfo zu ordnen, wie fie dor dem Angriff geftanden Hatten. Das Loftete naturgemäß viel Zeit, und dieſe Zeit be= nußten die fchneller georbneten öfterreichiichen Regimenter, um wieder vorzugehen und das 1. preußiſche Treffen ihrerjeits zu überrafchen. Der König beabfichtigte natürlich nur ein unrangiertes Sammeln, wie er e& in einer fpäteren Dispofition deutlicher ausgefprochen hat. Dazu fam, daß das 2. preußifche Treffen, jtatt die erneut vorgehende feindliche Kavallerie zu flankieren, zu weit nach links kam und ſich an der öfter»

——

1) Dieſen Befehl Hat jedenfalls der König allein gegeben, der ja um die Zeit des Angriffe 8 Uhr zweifellos anweſend war. Die Annahme des Generalftabswertes, daß der Befehl zuerft vom Erbprinzen gegeben und dann vom König wiederholt worden fei, hat m. E. wenig innere Wahrjcheinlichfeit, denn eine ſolche Ordre wird doch gewöhnlich, heute wie damals, fofort ausgeführt. 2) Bol. ©. 832. Forſchungen 5. brand. u. preuß. Geſch. VII. 2. 4

5J [og FerZzanTt [348

recrder Jıraıere Ted ok dies geſchah gegen den Willen be Kings, dr a de Jtunme rt Bumr ztmfiert wifjen wollte, wenn te Rıyulme 2: mm mie aröungee wäre. Gmdlich aber und das T das Eridetende mr de prewfiiche Kavallerie des rechten igels zu Gwah 31%... wem, trig afler Zapierleit, des Gegnei zer meer zz Siımer; sueimefe umhte Re, ala fich noch etwa 8000 rer die Cuduzzr CI das Sernht muren wud ſich nun alles in Einzel⸗ fünyre art ite, 6:4 den Mjeren ziehen Die Frage, weshalb der rechte Ravallerifizel mist vertiäctt worden war, haben wir bereitö chen za Seanmwertm geacht

Inpoichen Hatte ah auch ar’ dem Linfen preußiichen Flugel eine ſehr angünftige Gejechtslege entwidelt. Prinz Karl von Lothringen hatte bechad;tet, wie General Jerke einige Bataillone auf der Höhe vor Chotufitz formierm ließ, während die durch und neben Chotuſitz vor gegangene preubiihe Kavallerie ebenalls im Aufmarſch begriffen war. Zum Unglüd tür Friedrich erwies fi) der Prinz an Feldherrntüchtigkeit dem Marſchall Reipperg bedeutend überlegen. Denn während dieſer bei Mollwit ruhig den preußiichen Angriff erwartete die Attade Römer war gegen feinen Befehl erfolgt iakte Prinz Karl, in richtiger Er fenntnis der Eituation ımd mit vieler Geifteögegenwart, den Entſchluß, den Tsehler des Gegners ſofort auszunutzen und ſich mit ganzer Kraft auf feine ſchwächſte Stelle, eben den linken preußifchen Flügel zu werten, feinen eigenen linken aber zurüdzubalten. Hier haben wir eine weite „Friction“, welche die glatte Durchführung der fchiefen Schlachtordnung jeitens des Königs verhinderte, indem der Feind fich ſelbſt in gejchidter Weile und zunächft wenigften® mit großem Erfolge diefer Angriffsart bediente.

Die Einzelheiten des Kampfes, der ſich nun auf diefer Seite ent⸗ ipann, kommen für ung nicht weiter in Betradht!); nur dag Wichtigſte ſei erwähnt. Zwei preußifchen Küraffierregimentern, Prinz Wilhelm und Alt-Waldow, gelang es, fich durch feindliche Kavallerie und Infanterie durchaufchlagen und fo, an dem Rüden der feindlichen Aufitellung ent lang, auf dem eigenen rechten Flügel wieder anzulommen ein Tode ritt, noch blutiger und erfolglofer wie der von Mars la Tour. Die übrige Kavallerie des preußifchen Linken Flügels wurde geworfen, die Infanterie jah fih, ald der umfafjende Angriff der Oefterreicher wir famer wurde, zum Berlafien des Dorfes Chotufiß gezwungen. Sie bildete num teil® weftlich des Dorjes eine Flanke gegen dasjelbe, teilt

1) Sie find im Anhang des Generalſtabswerkes ausführlich erörtert worden.

349] Don Mollwik bis Chotufitz. 51

hatte fie fich gegen die in der Tyront von Süden ber andringenden Oeſterreicher zu verteidigen, die bier zur Verſtärkung des Angriffe auch ihre Geſchüutze kräftig jpielen ließen.

So war allmählich eine jchwere Krifiß entitanden, die vielleicht ihon genügt Hätte, einen rein theoretijch veranlagten Geift zu erdrüden. Aber der junge 3Ojährige König bewies in diefer gefährlichen Lage, daß er eben fein „reiner“ Theoretiker war, fondern daB er die Theorie troß ſchwerer, un vorhergeſehener Hemmniffe und Störungen doch zu berwirtlichen wußte; er zeigte in jenen Stunden, daß er in ber That eine Feldherrnnatur beſaß. Sein Scharfblid wurde durch den Drud der Gefahr nicht getrübt, feine Entjchloffenheit nicht erjchüttert. Die Oefterreicher hatten undorfichtigerweife das Dorf Chotufig in Brand geftedt, um die letzten Verteidiger daraus zu vertreiben; dieſes Dorf, defien fie fich als eines wichtigen Stützpunktes für die Fortſetzung ihres Flankenangriffes hätten bedienen follen, bildete nun mit feinen Flammen eine Scheidewand, durch welche die preußifche Infanterie des linken Flügels einigermaßen gededt war. Immerhin blieb die Lage hier nicht unbedenklich, aber wie konnte fie verbeflert werden? Das war auf zweierlei Art möglich, entweder durch direlte oder durch indirekte Unter⸗ ſtützung des linken Flügels. Im erſten fralle Hätte der König feinen noch unverjehrten rechten Snjanterieflügel halblinks rückwärts Yront gegen Ehotufig nehmen laſſen müſſen, um dann rechts und links an den Flammen des brennenden Dorfes vorbei weiter vorzugehen. Dadurch wäre der linke Flügel zwar unmittelbar entlaftet worden, aber bie Truppen würden zu fchtwierigen taktifchen Evolutionen genötigt und, ſelbſt nach glüclicher Ausführung derfelben, in ein höchſt ungünftiges Gelände, die fumpfige Brslenkaniederung, geraten fein. Biel Leichter taktiſch durchzuführen und zugleich viel entjcheidender mußte es fein, wenn der rechte Amfanterieflügel gefchloffen auf der Hochfläche mit einer Linkzwendung vormarſchierte und dadurch den Rüdzug der Defterreicher nad Tſchaslau bedrohte; fie mußten dann von jelbft ihre Stellung bei CHotufig aufgeben, um ſich der drohenden Umklammerung zu entziehen. So konnte die Grundidee Friedrich, den Gegner mit einem Flügel zu umfaffen, troß aller Friktionen doch noch zu ihrem Rechte kommen.

Der enticheidende Stoß in den Rüden des Gegners mußte freilich ſo lange unterbleiben, als noch ftarke feindliche Kavallerie die rechte Slanke bedrohte. Nachdem aber die Öfterreichifchen Reiter, teils in Ver— folgung der preußiichen, teil® um die Bagage zu plündern, fich mehr und mehr zerftreut hatten, gab Friedrich der Infanterie feines rechten Flugels, die bisher wegen der Bedrohung durch die Kavallerie nur lang»

4*

52 Dtto Herrmann. [350

jam vorgerädt war und wohl auch öfter Halt gemacht Hatte!), den Befehl zum Avanciermarſch mit gleichzeitiger Schwenkung nad links, Als Seitendeddung gegen die Kavallerie waren 3 Grenadierbataillone auj dem äußerften rechten Flügel zwiichen dem 1. und 2. Treffen aufgeftellt worden ; wahrjcheinlich diefe und noch 5 andere Bataillone des Außerfim rechten Flügels bildeten nun, ihre 16 Kanonen vor fich, eine „Attade* ?),

ein Bortreffen, hinter welchem die Hauptmafle des Flügels Teftgeichlofien avancierte.

So viel ſich unjere Berichte in manchen Einzelheiten widerjprechen, jo find fie doch darin einig, daR die vom König wiederergriffene JIn'⸗ tiative, welche ihm die Defterreicher eine Zeitlang entriffen Hatten, die Schlacht zu feinen Gunften entfchieden Hat. Friedrich jelbft jagt in der „Histoire“ von 1746: „Je saisis ce moment pour porter are promptitude ma droite sur le flanc gauche de l’infanterie au- trichienne. [Ce mouvement d&cida la victoire]®). Les enne mis se rejeterent sur leur droite et lA, se trouvant accules & la

1) Sowohl nach den Quellen wie nach der Inſtruktion vom März 1142 muß dem Gſtbs.⸗W. gegenüber daran feitgehalten werden, daß die Infanterie dei rechten Flügels gleich vom Beginne der Schlacht vorgerüdt ift, wenn bies and nit, wie Stille berichtet, „d’un pas fort rapide“ geſchah.

2) In dem wahrſcheinlich von Schmettau, einem Augenzeugen ber Schladit, herrührenden Briefe an den Herzog von Weißenfels heißt eg: „Le Roi qui, des le commencement de la bataille s’&tait trouve partout . ., remarquant que vers la gauche de l’infanterie ennemie leur cavalerie l’avait laissee à dèé- couvert en passant par notre droite, y fit marcher en diligence les 2 bri- gades de sa droite de l’infanterie, & la töte desquelles se trouverent 16 pieces de canon.“ Aehnlich berichtet Schmettau in feiner Relation, d. d. Nürnberg, 22. Mai (vgl. S. 351). Wie bei Molwit, haben wir alfo auf hier ein Vortreffen, das aber bedeutend flärker war (vgl. oben S. 319, Wenn man aus der Zujammenfeßung ber „Attaden” in Friedrichs jpäteren Schlachten einen Nüdfchluß ziehen darf, jo wird die „Attade“ bei Chotufiß jedenfalls aus den RKerntruppen des äußerften rechten fylügels beftanden haben, den 5 Grenadier: und den beiden Gardebataillonen, denen fi), wenn Schmettau fich nicht in det Zahl geirrt hat, vielleicht noch 1 Mustetierbataillon angeichlofien hat. Wie dide Elite unzweifelhaft ſchon durch ihre äußere Erfeheinung, die hohen Grenadiermühßen und die ausgefuchten, großgewachfenen und kräftigen Mannichaften die feindliche Kavallerie am Einhauen verhindert hatte, fo follte fie num zuerſt die feindlicke Infanterie durch ihren Angriff erichüttern. Ob fie dabei die urſprüngliche For— mation mit 5 Bataillonen Tiefe beibehielt, wie Droyſen annimmt, läßt ſich ans den Quellen nicht feitftellen, iſt aber unwahrſcheinlich; in ſpaͤterer Zeit war die „Attacke“ meiſt in 2 Treffen gegliedert.

3) Zuſatz der Redaktion von 1775.

351] Don Molwik bis Ehotufih. 58

Dobrawa !), ils craignirent d’&tre pris dans un terrain ils n’auraient pas pu combattre, ce qui rendit leur confusion general. Alors toute cette arme6e s’enfuit.“

Stille zählt: „Sa Majeste fit faire un quart de con- version & gauche, tant pour marcher droit à ces canons?) que pour enfermer ce qu’il y pouvait avoir de troupes derriöre cette batterie. Mais dös qu’il s’apercurent de ce mouvement, ils commenctrent A plier.“

Schmettau berichtet an den Raifer: „Sa Majest6, ayant re- marqué qu’en gagnant une hanteur vis-A-vis de la droite de son infanterie, on pouvait donner dans le flanc de celle de la gauche des ennemis abandonnde de sa cavalerie, fit avancer à grands pasladroite de [son] infanterie avec une quinzaine de pieces de canon à la tee Ce mouvement eut J’effet qu’on en espérait.“

Derſelbe in der Nürnberger Relation: „Comme . . leur aile gauche de cavalerie avait &t& denuse tout-A-fait de cavalerie, le Roi remarqua cela d’abord et fit avancer & grands pas les huit bataillons de la droite... Les ennemis furent si e&tourdis de la premiere decharge du peloton de ces bataillons . . que toute leur in- fanterie commenca, de la premiere et la seconde ligne de leur gauche jasqu’& la droite, de prendre une fuite pr6cipitse.* Aud in dem Schreiben an den Herzog von Weißenfels fchildert er, wie ber König der „Attade” Befehl zum Vormarſch gegeben (vgl. die vorige Seite). „Et comme, en m&me temps, tout le front avanca plus vivement, Vennemi fut bientöt obligg à prendre la fuite.“

Die öfterreichifchen Quellen drüden fi im allgemeinen über den Grund des Rückzuges viel unflarer als die preußischen auß, aber aus dem Berichte de Öfterreichifchen Oberftlieutenants Graf Spaur fieht man wenigftens, daß der Beiehl, „ich nach Tichaslau zu retiriren”, erfolgte, als der Feind „mit friichem Volt ankam“. Hiermit kann nur der Vorſtoß des rechten preußiſchen Flügels gemeint fein, dem man fich, wie ein anderer Öfterreichifcher Bericht jagt, „A la barbe de l’ennemi“ entzogen habe.

Srünhagen hat in feiner Geichichte des erften ſchleſiſchen Krieges die Trage aufgewworfen, weshalb der König den umjaflenden Angriff feines rechten Infanterieflügels fo lange verſchoben, weshalb er von 8U/s bis nah 11 Uhr „nichts gethan Hat, um feinem bedrängten linken Flügel

1) Ein Irrtum des Königs; er meint bie Brslenka, vgl. S. 345. 2) Tie gegen Chotufitz feuernde öfterreichiiche Artillerie, vgl. S. 349.

—34 I —— [352

x CI az Torme" Bi ml Zu „wit recht in den Kopf“, daß As vs wie m vw pie lie smigerährt wurde, nicht fchon x er pair Tem ‚Ei mögen wir eimgebent bleiben, N3 5 il per cc we nr aber das Recht, ja die Pflicht a wu rem In: je Ders Irrerung bis auf den lekten Blute⸗ Fr za mimgT ze arr Tre Teil Rh für die Rettung dei Surar ser zu ca vit gr Gereumumg eines großen, taktischen Werums, zii wo Ira Borergihen zu erfparen vermag, wer» vos Is permitm um" Gine derartige Hoffnung Mr Erg uiye ir Rıınz 22% rS! gehabt haben, wenn wir and CEta Suriser witz, ver s mi” „söoer Sollen zuaugeben, daß der hliäiike Frei, Ye rechte Jrifiriagung des Feindes, nur dadurd eier weder Kurz, Seh, müseed em Drittel der preußifchen In⸗ Sur zer pre Drrrol der Tndiihen in ungleihem Kampfe rang, die Bıhr durın Anden Reise. . 272 Stunden lang am Kampie fe gat rie sar ir immun”

Rır durs ae nude Iormrıteng glaubt alſo Grünhagen das Zögern des Korige adlier a Bazm. Tiefe Bermutung macht dem Sitertr Schleñens immersın Ehre, denn fie beweift, daß er Friedricht Genie dech mit ganz unterkhägte, vielmehr die richtige Empfindung Batte, daß Fe! dherren ebenio wie andere Künitler zu ihrem Berufe ge» boren, nicht erzogen werten, daB alio der Sieger von Noßbach und Leuten unmöglich durch zweckloſes Zögern in einer feiner früheren Schlachten fih ala Etümper erwieien haben faun. Aber mag Friedrich auch gehofft haben, einen größeren taktiſchen Erfolg zu erringen, eine fotche Hoffnung war nit der Grund für das Ipäte Eingreifen der Ini⸗ tiative, ſondern dieſer lag, wie wir geſehen haben, in der lange an dauernden Bedrohung feiner rechten Infanterieflanke durch die fiegreiche Öfterreichiiche Kavallerie. Grünhagen bat weder die Luellenftellen ge nügend beachtet, welche ausdrüdlich die Unordnung und das Yuräd- weichen der preußiichen Reiterei des rechten Flügels bezeugen, noch Scheint er den gewaltigen Unterfchied in Betracht gezogen zu haben, ber zwilden heute und damals in dem Krajtverhältnis von Kavallerie und Infanterie befteht. Denken wir ung das preußiſche Fußvolk bei Chotufig mit unferem jeigen Hleinkalibrigen Gewehr ausgerüftet, jo würde ihr Vorgehen durch die Anweſenheit feindlicher Schwadronen in ihrer Flanke allerdings nicht aufge halten worden fein: ein minutenlanges Schnellfeuer auch nur eines einzigen Bataillon hätte die Reiter vom Erbboden weggefegt. Wie anders damalö! Don Fürft Leopold von Defjau wiffen wir, daß er im Jahre 1703 bei Höch ſtädt feinen Bataillonen befahl, auf die anreitende Kavallerie ja nicht zu

853] Bon Mollwik bis Chotufiß. 55

ſchießen, denn dieſe wünschte eben nichts weiter, als das Feuer „heraus⸗ zulocken“, um dann fofort einzuhauen, während die Infanterie zum jweitenmale lud. Mochten nun die Preußen inzwifchen feit Einführung des eifernen Ladeftodes immerhin eine größere Fertigkeit im Chargieren erlangt Haben, jo fchnell ging es doch nicht, erft die Patrone abzubeißen, Bulver in den Lauf und auf die Pfanne zu fchütten, die Kugel in den Lauf zu thun und fie mit dem Labdeftod, der damals noch nicht zy⸗ Indrif war und deshalb nur an einem bejtimmten Ende angefaßt werden konnte, feſt Hineinzuftoßen. Und welcher Unterjchied in den Schußleiſtungen des jehigen und damaligen Gewehr! Zwar Hatte Die preußifche Infanterie bei Mollwit gezeigt, daß fie es mit der Neiterei aummehmen konnte, aber an ein energifches Vorrücken war auch bei Mollwig erft zu denken gewefen, nachdem die Öfterreichifchen Reiter die Flanke frei gemacht Hatten ?).

Nur wenn man fi) diefe Verhältniſſe Mar macht, wird mau den König richtig verftehen und beurteilen. Gewiß brannte er vor DBer- langen, energifch vorzugehen, er Hätte ja fonft nicht den fühnen, leiden- ihaftlichen Charakter befiten müffen, den wir an ihm bewundern, und wäre es dem General Buddenbrod gelungen, die öfterreichifchen Reiter durch feinen umfafjenden Angriff gänzlich aus dem Felde zu fchlagen, jo hätte Friedrich ohne Zweifel den umjaflenden Angriff feines rechten In⸗ janterieflügels unmittelbar darauf folgen laffen. Nun, da diejer eigent- lich erwartete Fall nicht eintrat, fondern im Gegenteil die öfterreichifche Kavallerie dag Mebergewicht erlangte, mußte er feinem Feuereifer Zügel anlegen, er mußte Halt machen laffen, um feine Grenadierbataillone nach der Flanke aufmarjchieren zu laſſen, er konnte dann jedenfall nur lang⸗ ſam und auf Heine Strecken vorrlüden, wollte er feine Infanterie nicht einer unerwarteten Savallerieattade von der Seite oder vom Rüden aus preiägeben. Und alles das, während er ſehen und hören mußte, wie fein linter Flügel von den Oeſterreichern mit Webermacht angegriffen und zurädgedrängt wurde. Welch hoher Grad von Selbftbeberrichung gehörte dazu, um bier geduldig auszuharren und den erlöfenden Moment jum energiichen Angriff abzuwarten !

Bernichtet wurden die DOefterreicher durch den Vorſtoß des teten Infanterieflügels allerdings nicht, wie man nach den preußilchen

1) Der König jchrieb darüber am 25. April an den Fürſten Leopold: „Die Kavallerie hielt ung über eine Stunde auf, daß wir nicht adanciren tonnten, brach beim rechten und Linten Flügel zugleich ein, umringelte ung von hinten, jo da ich alles verloren zu fein erachtete.” Diefe perjönlichen Erlebniffe mußten den König um jo vorfichtiger machen.

56 Otto Herrmann. [854

Duellen annehmen möchte; dazu find ihre Berlufte an Gefangenen doch zu gering. Wahrjcheinlicd immer noch aus Beſorgnis vor der jeind- lichen Kavallerie bat Friedrich nämlich den Vorftoß nicht bis an die Brslenka geführt, jo daB der größte Teil der öfterreichifchen Armee fid in leidlicher Ordnung nach Tſchaslau Über die bortigen Brüden zuräd- ziehen konnte. DBielleicht aber Haben, wie man mit Droyſen annehmen möchte, auch politifche Motive dabei mitgefpielt, indem der König eime völlige Niederlage feine Gegner? zu vermeiden wünfjchte, um daburd ben Franzoſen, deren Bundesgenoffenichaft er überbrüffig war, und bie er vielleicht jchon damals preißzugeben beabfichtigte, nicht allaufehr in die Hände zu arbeiten. Wenigftens ift die Verfolgung des geile genen Feindes nicht fo emergiich betrieben worden, wie es ſonſt wohl möglich gewejen wäre. Die preußifche Armee rüdte am 17. Mai mm bis Tſchaslau; am 18. drang fie bis Schleb (etwa 1 Meile oftjädöft. von Tſchaslau) vor, kehrte aber noch an demjelben Tage nach Tſchaslau zurüd; am 19. und 20. Mai war Ruhetag. Das Generalftabsiverl ſucht diefen Mangel an Energie teild durch Berpflegungsfchwierigfeiten und Erſchöpfung der Truppen, teils durch den allgemeinen Satz zu er tlären, daß überhaupt die Ausbeute eines taktifchen Erfolges durch räd- fichtslofe Verfolgung der damaligen Kriegsführung fremd war. Erſteres mag zugegeben werden; aber die damals allerdings berrjchende An ſchauung, daß man ſich mit der Ehre des Siege begnügen müffe, kann doch nicht ohne weiteres auf einen Friedrich den Großen , ebenfotvenig wie etwa auf Karl XII., Eugen, Marlborough übertragen werden; et würde, wie man aus feinem Verhalten in fpäteren Jahren jchließen darf, auch bei Chotufik kräftig verfolgt Haben, wenn ihn nicht ganz bee ftimmte, fich auf den vorliegenden Fall beziehende Erwägungen, jeien ed nun vorwiegend politifche oder militärifche, daran verhindert hätten. Wir können bier nicht näher auf diefe Frage eingehen, da fie mit ber Taktik eigentlich nichts mehr zu thun bat, fondern bereits ganz in das Gebiet der Strategie gehört.

Ziehen wir die Summe aus unferen Betrachtungen. Friedrich ber Große Hat in feinen Dißpofitionen von der Schlacht bei Mollwit 51 zur Schlacht bei Chotufi nicht nur den Gedanken der ſchiefen Schladt- ordnung, den er fich durch frühere Studien angeeignet, und deſſen Wert er bei Mollwitz erprobt Hatte, energifch feftgehalten, ſondern dieſe An- griffsart mit ſtets vorſchauendem Blicke auch fo entfcheidend wie möglid zu machen gefucht. Zu diefem Zwede jollte der erheblich verftärkte Ent jcheidungaflügel in der Weife angreifen, daß nach ſtarker artilleriftiicet

355] Don Mollwig bis Chotufitz. 57

Borbereitung die unermüdlich gebrillte Kavallerie in umfafjender Attade „aus vollem Halſe“ einbrechend die gegenüberftehende feindliche Reiterei von ihrer Infanterie „wegichlug”, während die eigene Infanterie mit einem Bortreffen von Kerntruppen in ftetem, „jchremmen“ Adancieren und erft auf nahe Entfernungen feuernd, den Gegner „wegdrängen“ ſollte. Friedrich hat dann bei Ehotufiß den fo geplanten Angriff trotz mancher Briltionen, feines fpäten Eintreffens auf dem Schlachtfelde, der falfchen Auffaffung des Generals Jeetze, des dadurch bebingten fehlerhaften, weil zu erponierten und überflürzten Aufmarjches des linken Flügels, bes umfafjenden und anfangs fiegreichen Vorgehens der diefen Fehler geichidt benugenden Feinde, endlich des unglüdlichen Verlaufs der Reiterlämpfe auf dem rechten Flügel, dennoch mit Berldfichtigung der gegebenen taktifchen und ftrategifchen Verhältniffe erfolgreich durchgeführt.

Wenn Sybel treffend behauptet, daß man von Frankfurter Lehr⸗ jahren bes Staatsmannes Bismard ebenfowenig reden dürfe, wie bon der Schwimmfchule eines jungen Fiſches, jo gilt dasfelbe von der be= prochenen Anjangeperiode des Feldherrn Friedrich. Wenn er auch bin und wieder den alten Defjauer um Rat befragte, jo war er doch in feinem Handeln bereit? ganz jelbftändig; nicht ala Schüler, fondern ala Meifter erfcheint er und. Schon bewundern wir an ihm die glänzenden Eigenfchaiten, welche für die taktische Offenfive feiner fpäteren Jahre be« zeichnend find: das jcharfe Auge für die verwundbarfte Stelle des Geg- ners, den ficheren Takt, mit dem er die für die damalige Zeit im all« gemeinen und für den Einzelfall im befonderen geeignetjten Mittel fand, um ibn Bier enticheidend zu jchlagen; die furchtloſe Enfchloffenheit end⸗ lich, die ihn befähigte, troß aller Schwierigfeiten und unvorhergefehenen Ereignifie daB einmal als richtig Erkannte feitzuhalten und zur That werden zu laffen.

Erkurs

ir:T Lır..2.1ıJ2Yortizıg ım Generalftabswerte.

R Tary we = von Feweehung dei 2, und 3. Bandes dei eıtınmets Terise Deemixitung vom 28. Oftober 1893): „Fromehr rar rnize je os Yen Beltgeift' und der “Weltanfchauung‘, m: tt 2a az re Mir Korte, Sybel, Treitichle, Mommſen. Orr zum ır mini Gebiet erichloſſen wurden, die Kon⸗ Wert ım 2 m % ei men ‘gleich thun'; oder fe thut es Tat. nıı gt E mon Leben eine antiquierte Form und WMrae rr AA om und zum Bergleich mit anderen zrmaon Brei IS! grıezzppgen werden darf, vielmehr eft me DIT oT ET NQeT menge durchgeatbeitetes Material Tür em Armistne Kurteut rer * Tr Irma Tase Ping ur dieien Worten auöfpricht, iſt dom rare arg ur m Shin Moßftab anlegenden Kritiferd Kir ma me. Der pe terüttiche Gutitehung bes Seneraljtabi

mn in aemıgerin Fr, m2mdig arbeitender Federn ſcheint dabei Aa ri: priem Vito ız im Eollte die Sorderung Hönigs arte vr Bo mir eher an der Spike des TInternehmen

ser Diimir tar, Re Rz gene iten zudem an geiflreichem ımd Burmregan Kirte I —e Bedingungen, ſowie an Mannig Saint großer Im 222 Sorfssiler Gruppierung des Stoffe anzlme, are „Win km zum einmal ihrer Natur nad mSrar Ro armtade, azmıng argelegts Kunſtwerk“ mie ber E. Ze ⁊e sm. Sr zz ugegra don ihr erwarten kann und er⸗ warten iR. das ire ur: eım im jeder Beziehung zu ver⸗ MEZERTZ Natrraal bietet. art em die Forjchung ficher weiter: jadanza wu Ti; Kermitsbiioert dar, wie fich mir aus eine nimmer Bıdtanyg und era Vergiah mit den Alten ergeben bat, feinen Arzt us mıder ke Grmumeng poll beiriedigt zu haben.

In Kemmer? vr Bd. II. S.108 der Brief des Könige an den Karen Y vevdord der 6, Anguet 1041 abgedrndt, mit welchem dem Fürſten die Taptrion Eirlundt wurde, weiche der König, wie er fagt, für ben Reh eines eindticden Angrites entirorien hatte (vergl. oben ©. 320 fj) In einer Note derielben Seite ı 108) wird bemerkt, diefe dem Fürſten üdrrierdte Disdention fi in Anlage Rr. 4 abgedrudt. Schlagen wir tegt Anlage Ar. 4 nach. fo finden wir dort eine Tispofition, datiert it: „Im Nuger bei Streblen, den 16. Anguft 1741“. Alſo: Der König üdertundte dem Fürften bereit? am 6. Auguſt eine Dip“ ftien, die er rt am 16. Auguft verfaßt oder fertig geftellt hat. Dice Widerſpruch if dem Bearbeiter nicht aurgerallen. Aber weiter!

Auf der tolgenden Geite (109) beißt es: „Aus den erften tagen ftammt eine Dispofition?: “Auf was Art die feindliche Armee attaquiret werden foll, im Fall diefelbe zu uns kommen wollte." „Gine

357] Bon Molwig bis Chotuſitz. 59

Dispofition !" Das muß doch alfo wohl eine andere fein, als die auf der vorhergehenden Seite (108) genannte, denn jonft könnte fie doch un- möglich fo unbeftimmt bezeichnet werden. In der That wird nun aud) im tolgenden der Inhalt diefer Dispofition fo angegeben, ala wäre fie noch nie erwähnt worden; daß die Weberjchrift mit der Weberjchrift der in Anlage Nr. 4 gedrudten Dispofition wörtlich übereinftimmt, woraus allein fchon die Identität beider Schriitftüde gefolgert werden konnte, ift nicht beachtet worden. Dagegen finden wir zu der fcheinbar neuen, „aus den erften Augufttagen” ſtammenden Dispofition die erläuternde Anmertung (*** auf ©. 109): „Die “Dispofition’ trägt die Taged- angabe des 16. Auguit, ift jedoch fchon früher gefchrieben, wahrfcheinlich auf die erfte Nachricht, daß Neipperg aus feinem Lager aufgebrochen fei. Am 14. Auguft [muß heißen am 15. Bf.) fchreibt der König, er habe fie ſchon vor etlichen Tagen dem Yürften geſchickt (Orlich I, 345), und im Zerbfter Archiv befindet fie fih ala Anlage zum Briefe vom 6. Au- auft.” Aus Anhalt und Form diefer Anmerkung der Seite 109 fcheint mir hervorzugehen, daB der Autor derjelben weder von der Anlage Nr. 4, noch don der vorhergehenden Seite 108 Kenntnis genommen hat, jonft müßte er bemerkt haben, daß die in Anlage Nr. 4 abgedrudte Dispo» ftion vom 16. Auguft datiert und daß eine Anlage zu dem königlichen Schreiben vom 6. Auguft bereit? auf S. 108 erwähnt ift.

Durch einfaches Nachdenken und Vergleichen hätte man, falls der Generalftabsabfchreiber der Dispofition in Zerbft fie wirklich vom 16. Auguft datiert bat, erkennen müflen, daß dieſes Datum faljch fein mußte, und daß bier nur eine, nicht zwei Dispofttionen vorliegen können. Der größeren Sicherheit wegen nahm ich jedoch Einficht in die Zerbfter Alten und fand nun beftätigt, was ich vorausfeßte, daß fich darin aus dem Auguft nur eine Diepofition, und zwar als Anlage zu dem Schreiben vom 6. befindet. Diejelbe trägt überhaupt gar keine Tages», übrigens auch Feine Ortsangabe; nur von archivalifcher Hand ift auf der erften Seite mit Bleiftift die Notiz: „6/8/41” (nicht 16!) gemacht.

Da mir die Zerbfter Alten zur Hand waren, konnte ich nun auch den Abdrud der Dispofition in Anlage 4 des Generalſtabswerkes (Bd. IT) mit dem Original vergleichen. Bevor das Nefultat diefer Kollationie- tung mitgeteilt wird, möchte ich darauf binweifen, daß es fich für die Hrrausgabe fpäterer Bände bes Generalftabswerkeg empfehlen würde, grund⸗ fühlich entweder deutfche oder Lateinijche Buchftaben, neuere Orthographie bei voller Beibehaltung der Eigenarten des Stile und eine dem Inhalt entiprechende Gliederung in Abjchnitte anzuwenden. Der Tert wird da- dich viel überfichtlicher als bei der jetzigen Methode werden. Aud) dirite es ratfam fein, alle Wörter auszufchreiben , die vielen Abkürzungen Rören nur, und was kann jchließlich ihr Zwed fein? Doch nur der, eine äußere Aehnlichkeit mit dem Original berzuftellen. Die Erreichung dieſes an fich irrelevanten Zweckes bedingt num aber, daß die Abkürzungen des Abdrucks mit dem Original genau übereinftimmen. Das ift jedoch im Generalftabswert damit kommen wir auf unfere Dispofition zurüd und bezeichnen zugleich den erften Mangel derfelben durchaus nicht

me Irre mescirer -ugäger. bey. ch zu ver: rer ey. Irı rı. Ybdhrud. Tr kom Gm 03 Te Tr Geyer, Bed: Pferde und bie zı2- 2. mm Io zei Burare Im I Im ur mu mi Rue Im Ir Imien die Esg. von

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Te farre A nm md Ion: zıa Yo die Golonne hinter dei zer au Sonommest Zr zz Beitenbrock und hinter dei z Fra:

Kt x In! u Semi triiwer? Kütte Diele Kolonne alſo im Gerrüg jr Dim irre rt mom! ade zweimal abbrechen mäflen

ze: ein an wo Te von Gessler und vos Fınertznt %. ;m2’2ex ı\%zex Beiie joll zwifchen Bredow Ss r3 zır Euz ve mez Size wette distance laflen

Des rum (Zwei Regimenter icllen yowixben einem dritten einen Zwiſchenraun laſſen?!) 63 kommandiert „ter Gmeralmajor Prebow bie „Der Gen. Major v. d. Cavalle- Regimenter Predom, Prinz W:ibelm, rie Bredow die . Bredow, Gensdarmes.“ Wilhelm und Gens d’Armes.“

(Sa hier nur von den Kavallerieregimentern be Linken Flügels die Rede ift, fo muß jeder Commandeunr derjelben felbftverftändlic ein General der Kavallerie fein; wenn alſo bei Bredow allein hervor gehoben wird, daß er der Kavallerie angehörte, bei den übrigen Com mandeuren des linken Kavallerieflügels aber nicht, jo fünnte man zu det Annahme verleitet werden, daß diefe Offiziere feine Generalmajore von der Kavallerie geweſen feien.)

Wir erwähnen noch zu dieſer Fehlerkategorie, daß der erſte Sah der Dispofition im Abdrud gänzlich fehlt, und daB auch der Titel ungenau wiedergegeben ift.

Der dritte, ſchwerſte und eigentlich ganz unverftändliche fehler if * »elne Sätze von der Stelle, die fie im Original innehaben,

859] Don Mollwitz bis Chotufig.

61 entfernt und an einem Orte untergebracht find, wohin fie dem Sinne nad abjolut nicht gehören. Aus unſerem Reuabdrud der Dispofition wird man fehen, daß in ſehr überfichtlicher Weile zuerft von den Gre- nabierbataillonen und dann von der Kavallerie, und zwar zuerſt von der Kavallerie des rechten, dann von der des Linten Flügels die Rede if. Die Beitimmung über die Kavallerie des rechten Flügels wird nun im Abdrud des Generalſtabswerkes aus ihrem Zufammenbang herausgeriffen und vor den Abfchnitt über die Srenadierbataillone gefegt (daneben auch wieder ein bier verhängnisvoller Fehler der 2. Kategorie gemacht). Dan

vergleiche: Driginal.

Die Grenadierbataillong von Bolftern und Winterfeldt decken die rechte Flanke, im Fall ber Feind auf folche Flanlke

men wollte. Diefe Bataillons joll der Generalmajor Riedefel mit comman: diren. Die Grenabierbataillond? von Puttkamer, Reibnit, Kleift und Saldern follen die linke Flanke von der Ins fanterie decken und fol jelbige der Gene- Lanmajor Prinz Dietrich aufmarfchiren

en

Wann die Kavallerie aufmarfchiret, jo formiert fie fi} dergeftalt: Die 10 Escadrons Kavallerievomredten lügel marjdiren in einem reifen auf. Die Kavallerie vom Iinten Flügel, unb zwar vom 1. Treffen, marſchiret auf: Das Regiment von Gehler an das Grenadierbataillon von Türing; das Regiment von Buddenbrod an dad von Geßler u. ſ. w.

AUbdrud.

Die 10 EsquadronsCavalle- rie v. rechten Bet marchiren in einem Treffen auf, bie Grenad. Battl. v. Bolstern und Winterfeldt decken die rechte flanque, im Fall der Feind in ſolche Ranque fommen wolte.

Der Gen. Maj. Riedesel mit die Grenad. Battaill.e von Puttkamer, Reibnitz, Kleist und Saldern follen die linfe flanque von ber Infanterie decken und foll jelbige der Gen. Major Pr. Diederich aufmarchiren laffen!)...

Wann bie Cavall. aufmarchiret, 10 formiret fie 49 dergeftalt, nemlich a8 Regt. von Gessler an das Battl. von Düring, da Regt. von Budden- brock an Gessler u. }. w.

Diefer dritte Fehler des Abdruds, das Umitellen eines ganzen Sabes der Vorlage, erſchien mir jo außergewöhnlich, jo unerklärlich, daß ich zunächſt nur an ein gelegentliches Verſehen glauben konnte. Daß dies Verjehen aber nicht nur einmal vorkommt, lehrt ein Vergleich des oben ©. 317 auf Grund der Zerbfter Alten abgedrudten Schrei« bens deg Königs vom 25. Mai 1741 an den Fürſten Leopold mit dem

Abdruck im Generalſtabswerke.

Der König betont in dieſem Schreiben

zunächſt die Notwendigkeit einer befſeren Ausbildung, der Kavallerie, und

fährt dann fort:

1) Dies ift nicht nur ein Widerfpruch mit dem Original, fondern Elingt

man

Dietri mit a die Rote:

„gehlt‘

auch jebr ſeltſam, denn einem General, der 4 Grenabierbataillone führt, wird och wohl zutrauen, daß er fie auch aufmarfchieren la merke hier noch, daB zu ber oben durch Punkte angedeuteten Stelle, wonach Prinz „zugleich auf die Kavallerie vom Linken An | haben foll, nach ber Ordre, wie hiernach folgen wird“ von dem Bearbeiter inzugefeßt ift. Mit biefer Ordre“ ift aber offenbar feine be:

fien kann. bes

ügel und deren Mouvements

ondere Kabinettäordre an ben Prinzen gemeint, wie ber Bearbeiter anzunchmen

nt, fondern die in der Dispo

ition felbft folgende genaue Anweifung

ide dad Verhalten ber Kavallerie des linken Flügels.

i i ı B R 4

pehtzu jır Ausbildung der Xavallerie, aber nicht zum Entjak

Bas ıd icun noch von dem Brierwechlel des Königs mit dem

Züriten Pecvcld verglichen babe, läßt erfennen, daß der Stil der Bor Ser Jh

würde bier alic wieder die zweite Fehlerquelle in Betracht fommen. So ſchreibt , B. der Fürtt am 24. Auguit nad) dem Generalſtabswerk (Bd. I, ©. 45): „Dingegm erinnere ich, daB, wenn eine Armse einen Fluß paffizen jollte m. |. w.”, nad) dem Original dagegen: „Hingegen erden Erw. Königl. Majeftät nicht in Ungnaden deuten, daB ich dieſes ganz obnmaßgeblich doch ſchuldigſt umterthänigft beifüge und erinnere, daß, wenn Ew. Königl. Majeftät follten nöthig finden und gnädigft beieblen, daß eine Armee von Ew. Königl. Majeſtät einen Fluß paffiren follte u.f. w.” Dan fieht, wie außerordentlich iormell und devot fich der alte Deflauer ausdrüdte; die jalſche Wiedergabe der Borlage im General ftabswert könnte eher eine gegenteilige Borftellung erweden. (68 ſchadet natürlich nicht, wenn diefe Formalien unter den Tiſch Tallen; aber dann mußten entweder die fehlenden Worte durch Punkte gekennzeichnet (wie ©. 50) oder es mußte auf wörtliche Anführung des Schreibens verzichtet werden.

Zum Schluß bemerke ich noch, daB weber dieſes Schreiben dei Fürſten vom 24. Auguft, noch da® vom 25. Mai, wie in den Not von ©. 45 und 48 angeben ift, dem Zerbſter Archiv entftammen; & tönnten dann natürlich nur Konzepte fein; Konzepte der fürftlichen Schreiben, fpeziell der beiden genannten, find aber, wie mir auf ent Anfrage mitgeteilt wurde, in Zerbft nicht aufzufinden!). Der Abdrud

1) Fur Ueberfendung ber Atten und freundliche Auskunft bin ich Herrn Archivrat Prof. Kinbicher, dem Vorfteher des Zerbfter Haus: und Staatsardivk, zu großem Danle verpflichtet.

861] Don Mollwitz bis Chotufiß. 63

im Generaljtabswert kann aljo nur nach den Ausfertigungen im Berliner Geh. Staatsarchiv erfolgt fein, mit denen ich ihn auch verglichen babe. Ich Hoffe, daß meine zwar freimütige, aber rein fachliche Kritik an beteiligter Stelle nicht verlegen, ſondern in ihrer gutgemeinten Abficht, einen bejcheidenen Wink für die Edition fjpäterer Bände zu geben, er- fannt werden wird. Daß Generaljtabswerf über die Kriege Friedriche des Großen erregt nicht nur wegen feines Gegenftandes das Intereſſe jedes gebildeten Patrioten, jondern dag reiche in ihm aufgefpeicherte Material macht e8 auch zu einer Yundgrube erften Ranges für den Hiftorifer ; dies Habe ich ſelbſt während meiner Arbeit mit lebhaften Dante empfunden. Die Methode, wichtige und ſchwer zugängliche Stüde in den Anlagen vollftändig wiederzugeben, muß als eine fehr glückliche bezeichnet werden, und es könnte in Zukunft Hierin eher mehr ala we- niger gejchehen ; auch gegen den mwörtlichen Abdrud von Briefen u. dergl. innerhalb des Textes wird ſich durchaus nichts einmwenden laffen, hat doch auch Sybel, ein Meifter geichmadvoller Form, e8 nicht verſchmäht, in der „Begründung des Deutichen Reiches” feine Darjtellung durch Aufnahme feitenlanger Berichte zu unterbrechen, um die Quellen jelbft auf uns wirken zu laffen. Eins aber thut hierbei not die peinlichfte Accurateffe, da8 werden meine Ausführungen, wie ich glaube, außer Zweifel geftellt haben. Wie bedauerlich, wenn man auch fpäteren Bänden ähnliche Willfürlichleiten und Ungenauigkeiten, wie die er- wähnten, zum Vorwurf machen müßte; das Vertrauen auf die Eraftheit der Herausgabe würde dann ficherlich fchwinden. Hoffen wir, daß das Generalſtabswerk diefe Beſorgnis zu fchanden machen wird!

62 Otto Herrmann. [360

Driginal im Zerbiter Ariv. Adınd im Gſtba-B. LU, 47. Was ich bei der biefigen Armee Ew. Liebden obligiren mich, wen desfalls einführe, folches werden Ew.| Sie mir über gedachte dispositionen Liebden aus anliegenber Dispofition zu | Dero sentiment melden wollen. ai erjehen belieben und haben diefelbe bem: | ich bei der hiefigen Armee desfalls ein: nad . .. Ew. Liebben obligixen mich, , führe, jolches werden Ew. Liebden aus wenn Sie mir über gedachte Dispofition anliegender disposition zu erfahren be dero Sentiment melden wollen. ‚lieben, und haben biejelben demnad)...

Welcher Wirrwarr entfteht Hier durch die Umftellung! Aus „Die pofition” wird „Dispofitionen“ gemacht, und um das Wort „gedachte“ zu erflären, dag natürlich auffallen muß, da in dem Abdrud vorder noch von feiner Dispofition die Rede war, wird folgende Note dazu geſetzt: „Der König meint hiermit die “Dispofitionen? gegen einen Entfaß verfuch von Brieg vom 28. April.” Dieje Anmerkung ift nit um falfch, fondern fie ijt auch unfinnig; falfch, weil der König diefe Ti pofitionen, die übrigens ſpäteſtens vom 27. April ftammen können (vgl. auch oben ©. 315 Anm. 3), bereit an diefem Tage dem Fürſten Leo pold überſandte; unfinnig, weil es fich bier natürlich nur um eine Di* pofition zur Ausbildung der Kavallerie, aber nicht zum Entſah einer Feſtung handeln kann.

Was ich fonft noch von dem Briefwechjel des Königs mit dem Fürſten Leopold verglichen habe, läßt ertennen, daß der Stil der Bor lagen im Abdrud des Generalſtabswerkes willkürlich geändert if; & würde bier aljo wieder die zweite Fehlerquelle in Betracht kommen. So fchreibt 3. B. der Fürſt am 24. Auguſt nad) dem Generalftabswert (Bd. I, ©. 45): „Hingegen erinnere ih, daß, wenn eine Armee einen Fluß paffiren jollte u. j. w.”, nach dem Original dagegen: „Hingegen werden Ew. Königl. Majeftät nicht in Ungnaden deuten, daB ich dieſes gan ohnmaßgeblich doch ſchuldigſt unterthänigft beifüge und erinnere, daB, wenn Ew. Königl. Majeftät jollten nöthig finden und gnädigft befehlen, daß eine Armee von Ew. Königl. Majeftät einen Fluß paffiren ſollte u. j. w.“ Dean fieht, wie außerordentlich formell und devot fi der alte Deffauer ausdrüdte; die faljche Wiedergabe der Borlage im General⸗ ſtabswerk Könnte eher eine gegenteilige Vorſtellung erweden. Es ſchadet natürlich nicht, wenn diefe Formalien unter den Tiſch fallen; aber dam mußten entweder die fehlenden Worte durch Punkte gelennzeichnet (wie ©. 50) oder es mußte auf wörtliche Anführung des Schreibens verzichtet werden.

Zum Schluß bemerkte ich noch, daß weder dieſes Schreiben de Hürften vom 24. Auguft, noch das vom 25. Mai, wie in den Noten von ©. 45 und 48 angeben ift, dem Zerbfter Archiv entflammen; & tönnten dann natürlich” nur Konzepte fein; Konzepte der fürftlichen Schreiben, fpeziell der beiden genannten, find aber, wie mir auf eine Anfrage mitgeteilt wurde, in Zerbft nicht aufzufinden!). Der Abdrud

1) Für Ueberſendung der Atten und freundliche Auskunft bin ich KHerm Arhivrat Prof. Kindicher, dem Vorfteher des Zerbfter Haus: und Staatiarchivh— zu großem Dante verpflichtet.

861] Don Mollwik bis Chotufiß. 63

im Generaljtabawert kann aljo nur nach den Ausfertigungen im Berliner Geh. Staatsarchiv erfolgt fein, mit denen ich ihn auch verglichen habe. Ich Hoffe, daß meine zwar freimütige, aber rein fachliche Kritik an beteiligter Stelle nicht verlegen, fondern in ihrer gutgemeinten Abficht, einen beicheidenen Wint für die Edition fpäterer Bände zu geben, er- fannt werden wird. Das Generalftabswert über die Kriege Friedrichs des Großen erregt micht nur wegen feine Gegenftanded das Intereſſe jedes gebildeten Patrioten, jondern das reiche in ihm aufgeipeicherte Material macht e8 auch zu einer Sundgrube eriten Ranges für den Hiſtoriler; dies Habe ich jelbjt während meiner Arbeit mit Lebhaftem Dante empfunden. Die Methode, wichtige und ſchwer zugängliche Stüde in den Anlagen vollftändig wiederzugeben, muß ala eine jehr glückliche bezeichnet werden, und es könnte in Zufunft hierin eher mehr als we= niger gejcheben ; auch gegen den wörtlichen Abdrud von Briefen u. dergl. innerhalb des Textes wird fich durchaus nichts einwenden laſſen, hat doch auch Sybel, ein Meifter gefchmadvoller Form, es nicht verſchmäht, in der „Begründung des Deutichen Reiches” feine PDarftellung durch) Aufnahme feitenlanger Berichte zu unterbrechen, um die Quellen felbft auf uns wirken zu lafjen. Eins aber thut hierbei not die peinlichlte Accurateffe, das werden meine Ausführungen, wie ich glaube, außer Zweifel geftellt Haben. Wie bedauerlih, wenn man auch ipäteren Bänden ähnliche Willlürlichkeiten und Ungenauigteiten, wie die er- wähnten, zum Vorwurf machen müßte; das Vertrauen auf die Eraftheit der Heraudgabe würde dann ficherlich jchwinden. Hoffen wir, daß das Generalſtabswerk diefe Bejorgnis zu fchanden machen wird!

II.

Wilhelm v. Humboldt und die Anfänge der preußifchen Geſandtſchaft in Rom.

Von Bruno Gebhardt,

ee

Am 25. Mai 1802 wurde Wilhelm von Humboldt zum preußiſchen Reſidenten in Rom ernannt. |

Zweihundert Jahre lang, jeit der Reformation hatte feine Verbindung des brandenburgifchen und fpäteren preußifchen Hofes mit der Kurie ftatt« gefunden. Noch im Jahre 1728 erwiderte der Minifter von Enyphaufen, auf den Befehl des Königs in einer Angelegenheit „gebetener Maßen: an den Papft zu jchreiben”, „daß fein Exempel vorhanden, daB das Bniglihe und Kurhaus Brandenburg feit der Reformation her noch fonft ein evangelifher König, Kurfürjt oder Stand des Reichs mit dem Papft einige Correspondenz gehabt, noch ‚haben wollen, weilen feine edangeliiche Puiffance, die ihn als den Antichrift Halten, (ihn) mit dem Zitul von Allerheiligfter Vater würde haben beehren noch wifjentlich geitatten wollen, daß er einige jura papalia in feinen Landen exerciren mögen. E. K. M. ererciren auch in Ihren Landen nicht allein die jura episcopalia, ſondern auch die jura papalia ſelbſt.“ Und der König ftinmte mit einem „Gut“ bei‘). Die Erwerbung Schlefiens, die Beftimmung - des Friedenstraktats, die den Schuß der Katholilen enthielt, und der. Zuwachs der katholiſchen Bevölkerung zwangen fyriedrich den Großen zu einem anderen Verhalten. Zwar war von einer direkten Verbindung des preußifchen Staat? mit der Kurie noch lange feine Rede, aber e8

1) Lehmann, Preußen und die katholifche Kirche VII, 513. Forigungen z. brand. u. preuß. Geſch. VII. 2. 5

65 Su Gehherhe. [364

scıaor uf Fcupr um x, We zur Auknpfung wenigſtens in- yortr Fer nenger Reiter unten Chen aus dem Sabre 1741 tt ı EAAAÆMAÛA€;2(-C, Nes Firteier Eirartäfefrrtärd Kardbinal3 Balenti an Yer zurjher Liierzr FEeæedog, Gatamen, befannt, in dem jener we Some im Ye Sees Emgenderh anspricht, eine diplo⸗ me Frziterur Io. women nz kehen, che Folge blieb. Die nicht x zurfemer Wehen oger art der Surie warden ſonſt durch bie zur Kummer = Fir u Rosmiburg mit dem päpfllichen XCCAM pi, mo Kaum TS ach der Bermittelung des Wiener Nur RE Doom Ders zo gerten Pebingungen ließ auch ein⸗ ze. Ir King a. nE gr with Bevollicchtigter nach Breslaı giöck mu, ir zer zer ice Iren Stentlichen Charalter haben aa! Ihr ii mot ame Ammberung ein. Im April tr.e Nr Kin - wer’iliichen Kreife, von Dieft, dem Ric ui mn ur arme zer Freunde ein Mann von Staub x AÄıız i ade re, um Rizige Mitteilung von Klagen, die bie Kata a Site zurrtitih em römikhen Hofe erhoben, und u iox % karh com area Dot wıterflägt werden, zu machen. Er weruzirt ix Nr zunhieeee Keiieiihlet einen ylälziichen Agenten, und de Nr Kiıy air enziız wr> dem noch Unbelannten für geleiftete Diene cr Reııntıt in Ehlftem oder ſenſtwo verſprach, jo wurde beid der Nıme Klimt: & wur der Chevalier Goltrolini, wie Die richtg amgusunem butıe, der päljühe Agent”). Gr wurde ala ſehr gekkitter Yixım durattrriiet, der die Welt kennt und in Rom, be fcadert m Hauie OEttoboni, kr geachtet je. Er war einft Sekretaͤr dei Kardinals Pamenei ia der Schweiz und beim Utrechter Kongreß ge wern. Sie Geuebmigung der Tralz zur Uchernahme der preußiſchen Bertretung wurde bereitwillig erteilt und Goltrolini für feine Berichte durch Bermittelung eines Sram Riario eine Chiffre überfanbt, da es fich nicht vermeiden lich, daß feine Briefe öfterreichiiche Territorium paſſierten. Amung Juni war die Angelegenheit joweit georbnet, daß der nene Agent feinen Tank für die Peauitragung anstpradh*). Gine rechte Schwierigkeit bot aber ncch die Art, Goltrolimi der Kurie gegenüber iM autoriiieren, da, wie der König an Dieſt fchreibt®), „meine Religion

N vLehmann I, 8,

2) A. a. ©. IL 416 ñ.

IX a. O. II. 8Io. 212 816.

4) A. a. OC. II, S19. SI. X S. 5) A. a. O. II 832.

865) W. v. Humboldt u. d. Anfänge ber preuß. Geſandtſchaft in Rom. 67

und meine Lage gegenüber dieſem Hofe mir nicht erlaubt, mich nach dem Beifpiel der katholiſchen Fürſten zu richten.” Schließlich wurde Eoltrolini ſelbſt aufgefordert, den Entwurf einer Vollmacht einzureichen, die am 27. Auguft ausgeftellt, aber erft am 7. Oftober erpediert wird. Die Stelle der Inſtruktion vertrat ein Erlaß vom gleichen Tage an ibn, in dem als der gewöhnliche Gegenjtand feiner Aufmerkfamfeit die Neber- wachung der Intriguen bezeichnet wird, die fih zu Ungunften des preußifchen Hofes an der Kurie entjpinnen Tönnten, der Klagen und anderer unangenehmer Infinuationen, die der römifch-latholifche Klerus in Preußen, beſonders in Schlefien, nah Rom Bringen koönnte. Dann aber wird er beſonders veranlaßt, die Anerkennung der Kurie für den zum Biſchof von Breslau gewählten Grafen Schaffgotich zu erwirken 1). Dabei wird aber der beachtenswerte Grundſatz ausgeſprochen, daß es unter der Würde des Königs fein würde, in irgend einer Art der Ent⸗ iheidung der Kurie Rechte zu unterwerfen, die er nur von Gott allein babe, oder ſelbſt nur in Diskuffion darüber einzutreten. Seinem Ge⸗ ſandten am kaiſerlichen Hofe gegenüber, wo die Beauftragung Eoltxolinis Aufichen erregt Hatte, fpricht fi) der König deutlich genug aus, wie er biefe Ernennung auffaffe. Einen aftreditierten und charakterifierten Mann bort zu ernennen, fei ihm niemals in den Sinn gelommen, nur aus Iandesväterlicher Fürſorge für feine katholiſchen Unterthanen habe er jenen, ohne ihn mit einem Charakter feinerjeits oder mit Beglaubigungs« briefen zu verſehen, zum Schuß von deren Intereſſen autorifiert ?).

Die Angelegenheit Schaffgotſch war in der That der Hauptgegen- Rand don Coltrolinis Thätigkeit und Berichten, obgleih, um fie zu fördern, auch der Breslauer Domherr Baftiani in Rom weilte, noch Bäufiger als jener an den König berichtete und don diefem Aufträge empfing. Sehr interefiant ift Übrigens die Mitteilung Baflianis, daß Coltrolini lebhafte Furcht vor der Anquifition empfinde, und bevor er die Vollmacht des Königs überreichte, vor dem Papft das Glaubenz- befenntnis abgelegt und von ihm die beruhigende Zuficherung erhalten babe, er folle dem großen Fürften nur mit gutem Gewifſen dienen. Das heundliche Verhältnis zwifchen dem König und dem Papft kommt ja auch 1748 durch eine Bücherjendung nad Rom, 1751 durch den Aus» tauſch von Komplimenten unter Bermittelung von Algarotti oder durch den Bredlauer Bifchof zum Ausdrud?). Goltrolinis Berichte beivegen

l) Lehmann II, 838. 849; III, 24. 2) %. a. 9. III, 57. 3) A. a. DO. III, 132. 95. 355. 368. 825. 5.

a,

Sc Schere [366

Ti sm G om je Söutzirce Amgelegenbeit, felten wohl um er wmioize Img d Pohiams für diefe ganze Zeit za og oa mer TR. Du legten Berichte der Agenten ſtammen ns yon Mi; am Arm 175% Minh der viel bedrängten Kriegs „se Ger re Ber x are zum gebt zu haben.

TI zz Ir 2 Rome, Im Imi 1763, berichtet das LEAaÆE,eaoet TCCGAT. pr m ùAB. Ccltrolini fei im vergangenen Ute girr S Nom Kt für den Voſten zahlreiche Bewerber gurım. x Irma Azur we die firchlichen Angelegenheiten Sk rt ri MT Fonda medea graammt, an erfter Stelle der Ar Yıumrıım erun, X Zr Agent des Markgrafen von Bai: wer um Ni NE Ws Soettereme emprobhlen werde. Da ber Kıız vw Dumm Du Zbertie, To entichied es für diefen. Ir miete Im Ermrui re wer durch den Warſchauer Rei- Berta Te zer Zum arts Le®m, aber der König hielt bie pin Vemmarz zu N küriım für unvereinbar!). Die Wahl era em RA 2a ze Kir slifiıde, denn er bat in den langen Im em Dt er ten der Regierung gewirkt. Neben dr Dedieta Kiicte mern in deu Fclgmmden Jahren ſchwerwiegende Ka er’, Me am der Kurz bedandelt werden mußten: die Ber minieurz der Serien reiertzze in dem verſchiedenen Ländern der punkten Vmearkie, die eriitung der Jeſuiten nach der Aufhebung des Ordene, die Froge der genitten Ehen, die Beitätigung von Bilhor% urd Keadtuterwodica,. die Bereinigung preußischer Anteile fremder Did zeien mit dreußichen, To der polmiiden mit Gulm, die Errichtung eined Generalvikariats in den ıweitrüliiden Provinzen, die Uebertragung der Rerettigung zu Ehedisdenſen an die Biſchöje und zahlreiche andere Geichaẽte, die mit der dur die polniſchen Teilungen wachjenden Zahl der Katholiken geiteigert wurden. Bor allem aber war es bie An erfennung der preußiihen Königawürde, die immer wieder zu Rekrimi⸗ nationen Anlaß gab. Um fie durchzufegen, bediente man fich auch ge⸗ legentlich anderer Perſonen. So ftellte fich im Dezember 1776 der Gral Thomas Antici, der polniiche Agent in Rom, vor und fprach den Wunſch aus, im preußiſchen Intereſſe an der Kurie thätig fein zu dürfen. Zroß dem Minifter Herkberg aus mancherlei Gründen abriet er ſcheint ihm mit Recht mißtraut zu haben, nennt ihn fpäter ambitids, und Zuchefini bezeichnet ihn dann geradezu als einen Menfchen, der nad einander die Geheimniffe und Interefſen feiner verjchiedenen Herren dem

1) Lehmann IV, 38. 24. 125. 641.

367] W. v. Humboldt u. d. Anfänge der preuß. Geſandtſchaft in Rom. 69

befier Bezahlenden verlaufe wird er doch zum Geheimen Rat er nannt, auf Beflriwortung Finkenſteins, dem er wohl mit feinen hoben Berbindungen in Rom imponiert hatte, und, da ber König fchon in der Yefuitenfache den Wunſch kundgethan, einen geſchickten Mann an die Kurie zu fenden, mit der Bertretung beauftragt‘). iofani gegen« über wird die Notwendigkeit diefes Auftrags mit Antici® Rang und Ver⸗ bindungen begründet und ihm ein Zuſammenwirken mit jenem zur Pflicht gemacht. Allerdingd gab Antici fchon im Februar 1778 fein Bes glaubigungafchreiben zurück mit der Begründung, er könne die Anerkennung der preußifchen Königewürde nicht durchfegen?). Auch der preußifche Kammerherr Graf Maſſini de la Mafla erhielt gelegentlich einmal einen Auftrag); die Anerkennung der Königswürde wurde während des Auf- enthalt Pius VI. in Wien durch den dortigen Gejandten von Riedejel verhandelt, und während des Nuntiaturftreites ging Luchefini zur Ver—⸗ tretung der preußifchen Vermittelung nach Rom.

Abgeſehen von diefen Spezialmiffionen war und blieb Ciofani in den gezogenen Grenzen ala Vertreter Preußen? an der Kurie eifrig thätig. Im Jahre 1777, nach 15jähriger Dienftzeit, bat er dann, ihm ein jähr- liches Fixum von einigen hundert Dulaten zu bewilligen, wogegen der König ihm ein Kanonikat in Schlefieun anbot*). Trotzdem Hertzberg ihm ſehr wohlgefinnt war und fich mehrfach für ihn verwandtes), erhielt er nichts, fo lange König Friedrich lebte. Erſt unter feinem Nachiolger wurde ihm unter Anerkennung feiner Dienfte, bejonders in der Angelegen- beit des Koͤnigstitels, ein jährlicher Gehalt von 1000 Thalern und der Zitel Refident verliehen‘). Ob es nun mit der zeitweifen Verſchlechterung der Beziehungen Preußens zur Kurie zufammenhängt, oder ob das vor⸗ gerüdte Alter Ciofanis feine Thätigkeit erlahmen Tieß, man wurde in Berlin bald unzufrieden mit ihm und ‚dachte fchon 1790 daran, ihm einen Koadjutor cum futura successione zu geben, jür welche Stellung der damals in Berlin weilende päpftliche Gejchäftsträger Gr. Guiccioli einen gewifien Stampa vorjchlug”). Damals wurbe in der Sache nichts weiter verfügt. In der Folgezeit ging aber in der Form der preußifchen Beziehungen zur Kurie infofern eine wichtige Aenderung vor fi, als

1) Lehmann V, 281. 233. 310; VI, 123; V, 235. 82. 582, 2) A. a. O. V, 336.

A. a. O. V, 108.

9 A. a. O. V, 308.

5) A. a. O. V, 691. 749 6)%. a. O. VL 52. 55. 57 4. a. O. VL 408.

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EZ 5 Humboldt u. d. Anfänge der preuß. Geſandtſchaft in Rom. 71 Pr

7

> u Am 6. April 1802 ſchrieb Beyme an Haugwitz: % - des p. Uhden betrifft, fo Hoffe ich, daß fi in Ye" Subjekt bei Ew. Hochgraflichen Erzellenz präfen- 2, RN > nicht alles trügt, von Hochbenenfelben mit ua ar wird. Um die Wirkung der Überrafchung u; davon.” Dieſes „Subjelt” war Wil %, 4 3 "pril Haugwiß erflärte?), er fei zur

3 4 " 'nen Abfichten paßte?). 9 77,3%? Tdt aus feinem Turzen Staats» u h gelebt, Spanien durchreift au ı gehen, was durch den ir, T J— der Gedanke, wieder Ic icht fen®), und fo en. chen durchaus überein, ws u”, . Im Minifterium ſah man 7 a” . den König*), durch den Hum⸗ IL ., wird ausdrüdlich darauf bingewiejen, DE u erften Ranges gerechnet Habe, doch die 0, “a Rom annehmen wolle, wenn der König ihm na Atiffion, die in Italien frei oder gegründet würde, " „en. Wenn Uhden fchon die Milfion aus ihrer Nullheit » ‚e, fo würde Humboldt dies erft recht thun, der mit tiefen „tischen Kenntniffen noch andere, des Poſtens wurdige Eigen- “cm verbaͤnde. „Geborener Untertfan Ew. Majeftät, im Beſitz von Sandgütern in Ihren Staaten, Sohn eine Vaters, der beim verftorbenen König in Gunft ftand, in der proteftantifchen Religion erzogen, und von den Grunbfägen einer gefunden Philofophie erfüllt, ift er vor dem Blend» were Roms ficher (& l’abri des prestiges de Rome); feine Reifen in dꝛankreich und Spanien und die Kenntnis der Sprache, die er mit kinen Talenten verbindet, machen ihn des Poſtens würdig." Allerdings machten noch die Gehaltsverhältniſſe Schwierigkeiten. Uhden hatte 1100 Thaler und eine perfönliche Zulage von 500 Thaler aus den Ein- Hinften des erledigten Grbistums Gnefen bezogen; für Humboldt wurbe eine Erhöhung von 2000 Thlr. beantragt. Durch Kabinettsordre vom

1) Humboldt an Haugwiß, Tegel, 24. April 1802.

%) In gleicher Weile fpricht fi) Caroline von Humboldt Schweighäufer degenüber aus (Lettres A Schw. ©. 93).

9) Humboldt an feinen Schwiegervater, Paris, 22. April 1800 (Gabriele d. Bülow S. 17),

9 Vom 7. Mai 1802.

70 Bruno Gebhardt. [868

im März 1794 der König ein Dankfchreiben für die Erhebung Maurys zum Kardinal an den Papſt richtete, und im Mai d. J. zum erftenmale ein Nuntius, der auf der Durchreife in Berlin weilte, bei Hofe Zutritt erhielt ?).

Im Sabre 1795 berichtet nun dad Auswärtige Departement an Hoym, Ciofani beweife in allen bem römifchen Hof unangenehmen An- gelegenheiten eine an Widerfpenftigleit grenzende Saumfeligfeit, und ein undollzogener Entwurf zu einem Erlaß an Luchefini fordert Bericht, ob Ciofani durch eine geeignete Perfönlichkeit zu erjeßen ober ihm ein zweiter Refident an die Seite zu ftellen fei?). Die Kenntnis von diefer Stime mung gegen Ciofani war ohne Zweifel auch nach Rom gedrungen, dem Wilhelm Uhden bewarb ſich jebt um die Stelles). Er Iebte ſchon mehrere Jahre in Nom, mit dem Studium des Altertumd und der Ichönen Künfte befchäftigt, und wies in feinem Gefuch an den König auf feine Belanntichaft mit der Sprache und den Sitten des Landes Bin, meinte auch mit Recht, daß es beſſer wäre, einem preußifchen Unterthan als einem Ausländer die Stelle zu übertragen, und bat, da bei Ciofanis Alter die baldige Erledigung zu erwarten fei, daß diefer angewieſen würde, ihn als jeinen zukünftigen Nachfolger in die Gefchäfte einzuführen. Da die Auskunft, die Ciofani über Uhden gab, ſehr günftig lautete, Te wurde auf Antrag des Minifteriums diefer beauftragt, fich in die An gelegenheiten einzuarbeiten und gegebenen alles den Refidenten zu ver treten. Am 23. November 1795 wurden für Uhden die Beglaubigung briefe außgefertigt*). Wenig über zwei Jahre waren beide gemein ſchaftlich thätig, al am 21. Januar 1798 Giofani ftarb. Uhden übernahm nun auch formell das Amt eined Nefidenten®) , behielt es aber mur wenige Jahre. Schon Anfang 1802 wandte er fi) an Beyme, mit dem ihn alte freundfchaftliche Verhältniffe verbanden, und bat um eine An ftellung in der Heimat, da er dag Klima in Italien nicht mehr ver tragen konne. Beyme ſchlug ihn auch für eine Ratsſtelle im Ne oftpreußifchen Departement für geiftliche, Schul» und Landeshobeitfachen vor). he aber diefe Anftellung erfolgen konnte, mußte ein Nachjolger

1) Lehmann VII, 111. 120.

2) A. a. DO. VII, 250 u. 9. 1.

3) An den König. Rom, 15. Juli 1795.

4) K. O. an Ciofani, 9. Auguft 1795; Ciofani an den König, 9. Septbt. 1795; das Auswärt. Departement a. d. König, 6. Oftbr. 1795 (Lehmann VII, 275) K. O. v. 8. Ott. 1795.

5) Uhden an den König, 22. Ian. 1798.

6) Uhden an Beyme, 6. Febr. 1802, und Beyme an Haugwiß, 3. April 180%

869] W. v. Humboldt u. d. Anfänge ber preuß. Geſandtſchaft in Rom. 71

gefunden werden. Am 6. April 1802 ſchrieb Beyme an Haugwitz: Was den Nachfolger bed p. Uhden betrifft, jo Hoffe ich, daß fich im einigen Tagen dazu ein Gubjelt bei Ew. Hochgräflichen Exzellenz präfen« tiren wird, der, wann mich nicht alles trägt, von Hochdenenfelben mit Freuden angenommen werben wird. Um die Wirkung der Überraſchung nicht zu verberben fage ich nichts davon." Dieſes „Subjelt” war Wil« helm von Humboldt, der am 24. April Haugmwih erflärte?), er fei zur Annahme für Rom bereit, da e8 zu feinen Abfichten paßte?).

Zehn Jahre war es her, daß Humboldt aus feinem kurzen Staats - dienſt gefchieden war; er hatte in Frankreich gelebt, Spanien durchreift und Tängft die Abficht gehabt, nach Italien zu gehen, was durch den Krieg bisher immer wieber verhindert war. Auch der Gedanke, wieder eine ftaatliche Stellung anzunehmen, lag ihm nicht jern®), und fo fimmte der angebotene Poften mit feinen Wünfjchen durchaus überein, obgleich er ettwa® untergeorbneter Art war. Im Minifterium fah man dad auch ein, und in dem Bericht an den König*), durch den Hum⸗ bolbts Ernennung beantragt wurde, wird ausdrücklich darauf hingewieſen, daß er wohl auf eine Miffion erften Ranges gerechnet habe, doch die Stelle eines Refidenten in Rom annehmen wolle, wenn der König ihm verfpräche, die erfte Miſſion, die in Italien frei oder gegründet würde, ihm zu Übertragen. Wenn Uhden ſchon die Miffion aus ihrer Nullgeit gehoben Habe, jo würde Humboldt dies erft recht thun, der mit tiefen und praktifchen Kenntniffen noch andere, des Poftend würdige Eigen Khalten verbände. „Geborener Untertfan Em. Majeftät, im Befig von Landgütern in Ihren Staaten, Sohn eines Vaters, der beim verftorbenen König in Gunft fland, in der proteftantifchen Religion erzogen, und von den Grundjäßen einer gefunden Philofophie erfüllt, ift er vor dem Blend» wert Roms ficher (& l’abri des prestiges de Rome); feine Reifen in drankreich und Spanien und die Kenntnis der Sprache, die er mit feinen Zalenten verbindet, machen ihn des Poftens machten noch die Gehaltsverhältnifie Schwierig 1100 Thaler und eine perjönlicye Zulage von 500 fünften des erledigten Erzbislums Gnefen bezogen eine Erhöhung bon 2000 Thlr. beantragt. Durd

1) Humboldt an Haugwih, Tegel, 24. April 1805

2) In gleicher Weife ſpricht ſich Garoline von : gegenüber aus (Lettres & Schw. ©. 98).

3) Humboldt an feinen Schwiegervater, Paris, 2 d. Bülow ©. 17).

4) Bom 7. Mai 1802.

29 Bruno Gebharbt. [370

15. Mai 1802 billigte der König alle Vorſchläge, ermäßigte aber bie Gehaltserhöhung auf 1800 Thlr., fo dab Humboldt 3400 Thlr. bezog, während Uhden die 500 Thlr. Zulage bebielt, die an Humboldt aus der Königl. Dispofitionslaffe gezahlt wurden‘). Durch Kabinettsordre vom 25. Mai wurde ihm alfo der Poſten eines Refidenten in Rom über tragen, und im Auguft wurde er zum Kammerherrn ernannt. Humboldt benüßte nun die Zeit bis zu feiner Abreife, um die Alten einfchlägiger Art zu ftudieren und fprach fi Haugwitz gegenüber über defien Entwurf zum Generalrejtript vom 12. Auguft 1796, der die für die auswärtigen Vertreter im allgemeinen leitenden Gefichtspunfte ent- hielt, folgendermaßen aus ?): „Es hat mir dazu gedient, den von Ihnen dabei beabfichtigten Zwed genauer einzujehen, und es wird mir nun mehr künftig beffer gelingen können, demjelben Genüge zu leiften. Arbeiten diefer Art find nicht allein vortrefflich, um einen neu ankommenden Ge fandten bei feinen erften Schritten zu leiten, fondern mit Ginficht und Genauigkeit außgeführt, müſſen fie auch das Departement der auswärtigen Angelegenheiten zu einem Mittelpunkt vollftändiger und authentiſcher Nachrichten über alle fremden Höfe machen, ohne welche eine wahrhaft gründliche Meberficht aller politifchen Verhältniſſe kaum gedacht werden kann. Da zugleich die wichtigften ftatiftifchen Fragen mit in den Fri aufgenommen find, auf welchen der Gefandte feine Aufmerkjamteit richten fol, fo ließen ſich ſowohl für den Handel ala die Induftrie und die ge ſamte Adminiftration aus diefen Berichten noch ein ſehr bedeutender Vorteil ziehen. Auf diefe Weile gehört die Veranlaffung diefeg General bericht3 zu den allgemeinen Ideen, von denen Ew. Excellenz die Gnade hatten, einige Male mit mir zu fprechen, in den Kreis der gewöhnlichen politifchen Gorrespondenz noch einige fich weiter erſtreckende Arbeiten aufzunehmen, oder vielmehr, wie e8 immer der all fein follte, die po litiſchen ragen aus den höchften und auf alle wmejentlichen Staat* verhältniffe gegründeten Geſichtspunlt zu beurteilen. Je wichtiger diet Idee ift, deito jchmeichelhafter muß es fein, an der Ausführung derjelben mitzuarbeiten, und wenn ich es gewagt habe, Ew. Exzellenz meine eigene Meinung über diefe Arbeiten zu jagen, fo geichah es nur, um Ihnen zu zeigen, wie ſehr ich den Nuten derfelben erfenne, und mit welchem Pe: gnügen ich fie auch, wenn ich irgend Gelegenheit dazu habe, über ander italienifche Staaten ala gerade den Kirchenftaat machen werde.“

1) Voß an das Kabinett, 6. Auguft 1802; 8.0. v. 27. Oft. 1802. 2) An Haugwiß, 27. Auguft 1802.

371] W. dv. Humboldt u. d. Anfänge der preuß. Gejandtichaft in Rom. 78

Haugwitz Tieß nun durch Raumer!) eine umfangreiche Snftruftion außarbeiten, die erſte für einen preußifchen Vertreter bei der Kurie. Der Minifter überreichte fie dem König zur Vollziehfung mit einem Bericht, der die leitenden Gefichtspunfte angibt?): „Außer den eigentlichen politiichen Zwecken feiner Miffion bat dieſelbe die Verhältniffe der tatholifchen Unterthanen Ew. Kön. Majeftät zum Gegenftande. Diefe Materie ift von jeher der Gegenftand forgfältigfter Aufmerkſamkeit und Wachſamkeit des Kabinets-Miniſteriums geweſen. In dem größten Geſchaft wie in dem Eleinften, weil auch dieſes durch Conſequenz wichtig if, hat der Kabinets-Minifter immer den Gefichtspunlt vor Augen ge= babt, auf der einen Seite einer weifen und wohlverftandenen Toleranz, auf der andern Seite aber den hoben Majeſtätsrechten und überhaupt allen und jeden Gerechtiamen Ew. Königl. Majejtät in geiltlichen und weltlichen Angelegenheiten nicht das mindefte zu vergeben.”

Die jehr umfangreiche Inftruftion dom 22. Auguft 1802 umfaßt 32 Puntte?). Dem Schriftftüd Liegen durchaus die kirchenrechtlichen Anihauungen des Landrecht? zu Grunde. Für die Kenntnis der da- maligen kirchenpolitiſchen Stellung der preußifchen Regierung iſt bie Inſtruktion von grundlegender Bedeutung, Als Hauptgefichtspunft wird bezeichnet: „Als ein proteftantifcher Souverän kennen Wir den vollen Umfang Unferer Majeftätsrechte circa sacra und aller Unferer Gerecht- fame in geiftlichen Angelegebeiten und halten ſolche unwandelbar auf« recht wider alle und jede Angriffe und Anmaßungen, üben jene Rechte ſtets aus und haben ein wachſames Auge auf alles, was fich darauf besiehet. Als König und Souverän fovieler taufend, Unſerem landes⸗ väterlichen Herzen theurer Tatholifcher Unterthanen laſſen Wir diefelben die Früchte einer weifen, wohlverftandenen Toleranz genießen und geben nicht zu, daß ihre Gewiflenzfreiheit gefräntt werde.” Aus dieſem doppelten Gefichtspunfte find alle Angelegenheiten zu betrachten. Preußen eriennt den Papſt nur ala weltlichen Fürſten an*), geftattet aber den tatholifchen Unterthanen, ihn al® Oberhaupt der katholiſchen Kirche zu

1) Tas ergiebt ſich aus einem Schreiben Raumers an Goltz vom 21. Januar 1809.

2) Bericht an den König vom 22. Auguft 1802.

3) Mejer, Zur Gefch. d. röm.=deutfch. Frage I, 414 ff., doch kennt er fie nicht, und feine Vermutung über Punkt IV (6. 429) ift falſch. Der Paſſus fteht nicht darin. Einiges ſchon bei Frank, Deutſche Ziſch. f. Kirchenrecht J.

4) Humboldt ſah fich allerdings, als Vertreter beim Haupt der Kirche, nicht beim Souverän des Kirchenſtaats an, wie ex fpäter, ala Nom von den Franzofen beſezt wurde, erklärte. Vgl. feinen Bericht v. 9. Febr. 1808.

74 Bruno Gebhardt. [372

verehrten, unbejchadet aller Löniglichen Rechte. Die Vertretung der Kurie gegenüber wird „durch eine geſchickte Verbindung von Würde und Freie heit” am beften gewahrt. Nie darf bei den Unterhandlungen, bie im Auftrage des Konigs oder unter feiner Zuftimmung geführt werben, bie Form eines Konkordats oder überhaupt eines bilateralen Altus ans gewendet werden, da dieſe Form eine für einen proteftantifchen Souverän ungehörige Art des gegenfeitigen Bewilligens von Vor- und Nachteilen bedingt (1—6). Keine päpftliche Verordnung u. dergl. oder folche eines auswärtigen Obern darf ohne königliche Genehmigung bekannt gemadt oder zur Ausführung gebracht werden; dabei fchleichen ſich oft Mib- bräuche ein, deshalb muß alles, was Unterthanen in Rom zu verhandeln haben, durch das Kabinettsminifterium und den Refidenten gehen (9—10). Die Verſuche der Kurie, einen päpftlichen Legaten ober Nuntius abzu⸗ fenden, einen Vicarius apostolicus generalis für die preußifchen Katholiken zu ernennen oder auswärtigen Prälaten für preußifche Unterthanen Auf träge zu erteilen!), find von vornherein abzumweifen (11—12). Eine Einmifchung der Kurie, jelbft in geiftlicden Sachen, ift nur zuzulafien, foweit die Löniglichen Rechte es geftatten, und die Auswahl defien, was an die Kurie zu bringen ift, bleibt der preußifchen Regierung vor⸗ behalten (18). Der neue Vertreter wird dann angewiefen, „ben Gang der Angelegenheiten der fatholifchen Kirche im allgemeinen, ingbejondere in Stalien, das Syſtem des römifchen Hof? als einer bierarchifchen Macht und da Treiben und die Bewegungen der Erjefuiten zu be obachten.“ „Es wird,” Heißt e8 weiter, „in gegenwärtiger Inſtruktion eine leichte Berührung der wichtigen Gegenftände Eurer Beobachtung ſchon Hinlänglich fein, 3. B. auf der einen Seite die Yortjchritte des Geiftes der Zeit und deffen, was von demſelben gut und was von demfelben nicht gut ift, ferner die Fortſchritte der Aufklärung, der Philoſophie, der MWiffenjchaften, die dem Katholizismus, der Hierardjie, dem Kloſterweſen widrige Wirkung Hiervon, die heimliche oder öffentliche Reaktion diefer alten auf Opinion beruhenden Kräfte, die verborgenen Machinationen oder öffentlichen Angriffe der leßteren wider jene, die Der ftärtung, welche das hierarchiſche Syftem aus den lebten Zeitbegeben⸗ heiten, dem Konkordat des römischen Stuhls mit der franzöfiichen Republik hergenommen zu haben glaubt; die ftete Gejchäftigkeit der &r jefuiten, ihr dermaliger Zuftand, ihre Hoffungen, Ausfichten, Pläne, Diittel, Machinationen u. f. w. Die genaue Kenntnis diefer Gegenftände ift Uns darum interefjant, weil man die auf Meinung beruhenden, im Dunteln

1) Es wird dabei auf den Fall Litta hingewicjen ; darüber Lehmann VII, Mf.

878) W. v. Humboldt u. d. Anfänge der preuß. Gefandffchaft in Rom. 75

wirtenden Kräfte der Hierarchie genau beleuchten und Tennen muß, um ihre fchädlichen Einflüffe abzuhalten und unwirffam zu machen“ (15).

63 folgt dann ein Weberblid über die katholiſchen kirchlichen Ein- richtungen im preußifchen Staate. An allen Punkten wird die Aufrecht- erhaltung der Majeftätsrechte circa sacra fcharf betont; her Weſtfäliſche Friede und das Normaljahr erteilen dem Herricher Rechte, die durch bie römischen Protefte gegen beides unberührt bleiben. Die Inſtanzen der geiftlichen Gerichte, die Fakultäten für die Bilchöfe werben aufgezählt; Dispenſationsgeſuche in Ehefachen gehen durch das Minifterium und den Refidenten; gegen Slaufeln, wie fie die Kurie dabei anzubängen liebt, brauche er nicht zu proteftieren, „indem Wir Unfern Geſetzen, welche (und nicht die Kirche) über die Legitimität zu enticheiden haben und enticheiden, fchon Achtung und Befolgung zu verfchaffen wiffen werden.” Nur die Bedingung, daß ein Proteftant zur katholiſchen Kirche über treten folle, dürfe er nicht geftatten. Hinfichtlich der Klöfter wird be» merkt, daB „Wir, was die Temporalien, die Einkünfte und die allgemeine Ordnung der Klöfter betrifft, aus Königlicher Machtvolllommenheit An⸗ ordnung treffen, was Didzefan-Recht und Saframente betrifft, durch den Biſchof unter Unferer Oberauffiht und Leitung, und was die innere Klofterdisziplin, die Ordensregel betrifft, durch inländifche Ordensobere unter Unſerer Oberauffiht und Leitung perſpiziren laſſen werden” ; ihr Verhältnis zu den Ordensgeneralen ift zu einer leeren Förmlichkeit ge⸗ worden. Auf das Recht, einen Kardinal zu nominieren oder zu em⸗ pieblen, wird nicht der geringite Wert gelegt, im Gegenteil es als „unter Unferer ala eines proteftantifchen Souveräns Würde liegend” an« geſehen. „Wir werden e8 daher auch niemals geftatten,” beißt es Abs khnitt 26, „daß einer Unferer Erz⸗ und Biſchöfe oder anderer Prälaten die Karbinala- Würde fuche oder erhalten, ala welche ihn dem Papſte näher verbinden und vinculiten, ihn zu den belannten ganz aus—⸗ khweifenden Rang⸗ und Eremtiond-Prätenfionen und in dem Beltreben na den fo fchädlichen Bereinbarungen mehrerer großen Pfründen in feiner Perſon anreizen, dem Ehrgeiz anderer Prälaten Nahrung und Stoff geben, und bie jo fchädlichen Ideen von Nuntiatur, Zegationen a latere, Generalvicariaten u. f. w. ebenfalls wieder rege machen, auch endlich viele andere, glüdlicherweife noch ganz unbelannte Übel hervorbringen würde.” Anläßlich der Erledigung bes Erzſtifts Gnefen wird bei Wiederbeiegung der Stelle die Erlangung des Palliums verworfen, im Streit über den von den Bifchdfen dem Papft zu Ieiftenden Eid wird die Regierung fejtbleiben. In Kürze wird auf die Stellung der geift- lichen Ritterorden hingewieſen.

76 Bruno Gebhardt. [874

Die Schlußabfchnitte zählen die preußifchen Konfulate in italientfchen Häfen her: Livorno, Neapel, Genua, Parma, Ancona, fait alle damals unbejeßt, die eventuell unter Humboldts Oberaufficht ftehen, weiſt den Refidenten darauf bin, den allerdings unbedeutenden Seehandel Preußens nach dem Mittelländifchen Deere gegebenen alles zu fördern, und auf die augenblidliche Unmöglichkeit, mit den Barbaresten Verhandlungen anzufnüpfen, doch follte er immerhin diefe Verhältniffe im Auge behalten.

Humboldt Sprach fih in einem Briefe an Haugwik vom 21. Augufl 1802 über feine Inſtruktion dahin aus, daß die ftrenge Befolgung der darin entwidelten Grundjäße fchneller, als fonft möglich fein dürfte, auch in dem katholiſchen Teil der Löniglichen Staaten Aufllärung und Ge wifjengireiheit verbreiten würde, und dba bdiejelben zugleich durchaus auf den Geift der Zeit berechnet feien, fo würden fich die Folgen davon weiter und zugleich über andere Teile Deutichlands erftreden. „Wie der preußifche Staat lange den Proteftanten Deutichlande ein Vorbild ge wejen ift, jo wird er dies auch jet jür das katholiſche werden und in der Verwaltung der neu erworbenen Provinzen zeigen, wie man zugleid die unumſchränkteſte Gewiffenzfreiheit geftatten und die landesherrlichen Rechte mit unerjchütterlicher Feſtigkeit gegen fremde Eingriffe behaupten kann.“

Humboldt erhielt noch den Auftrag, dem Könige don Etrurien die Glückwünſche zu feiner Thronbejteigung zu überbringen und dem Vize präfidenten Melzi in Mailand, der ihm fchon von Paris ber bekannt war, einen Beſuch zu machen und einen Brief Haugwitz' zu über reihen). Am 14. September reifte er mit feiner Familie aus Tegel ab und traf nach einem Aufenthalt in Verona und Mailand am 25. Ro- dember in Rom ein.

Auf feine Tätigkeit dort einzugehen, iſt bier nicht der Ort; nur die Entwidelung feiner äußeren Stellung bedarf noch einer Erwähnung. Am 27. April 1803 ftellte der hefſfiſch-darmſtädtiſche Dtinifterrefident Lichtenberg in Berlin bei Haugwitz den Antrag, daß Humboldt auf die Vertretung feiner Regierung übernehme, und am 6. Mai fprad der Prinz von Oranien, ber durch ben Reichs⸗Deputationshauptſchluß die Bistümer Fulda und Corvey, die Abtei Weingarten und andere Stifter nebft der Neichaftadt Dortmund als Fürftentum Yulda erhalten batte, die gleiche Bitte aus. Kurz vorher Hatte Humboldt felbft in feinem Berihte an den König und einem Brief an Haugwih?) darauf hin

1) K.O. dv. 31. Auguft 1802. 2) Beides v. 25. Dezember 1802.

875] W. v. Humboldt u. d. Anfänge der preuß. Gefandtihaft in Rom. 77

gewiejen, wie nühlich e8 wäre, wenn die Tleinen proteftantifchen Fürſten, die durch die Sälularifationen katholiiche Unterthanen gewonnen hatten, ihre Agenten anwiefen, gemeinfam mit dem preußifchen Vertreter bei der Kurie zu handeln, oder eine Art Kollektivvertretung ſchüfen. Man Hatte in Berlin den Gedanken nicht von der Hand gewieſen!), wollte aber nur erſt die innere Organijation der betreffenden Länder abwarten und fand befonders für die Preußen näher ftehenden Kleinſtaaten Nord⸗ deutſchlands die vorgefchlagene Einrichtung paffend. Kein Wunder alfo, dag Haugwitz die Anträge von Heffen-Darmftadt, Oranien und Fulda jet befürtwortete, und daß der König die Genehmigung zu diefen und etwaigen ähnlichen Anträgen erteilte?) mit der für Humboldt fchmeichel« baften Begründung, „daß jener einfichtsvolle Diener folche Nebengejchäfte jeder Zeit feinem größeren Berufe unterordnen und in Gollifionsfällen nur Preuße fein wird. Unter der Bedingung gönne Ich ihm ſowohl ala feinen neuen Committenten den wechjeljeitigen Vorteil.” Nach einer allerdingd ungenauen Privatnachricht follen ihm die neuen Vertretungen ein Eintommen von 2000 ZThlr. gebracht Haben, fo daß er im ganzen ein amtliche Einfommen von 5600 (?) Thlr. bezog®).

Zwei Jahre darauf wandte fih Humboldt an Harbenberg*) mit der Bitte, ihm den Titel Minifterrefident zu bewilligen, den Alvens⸗ (eben, bei feinem Dienjtantritt Miniſter des Auswärtigen, aus Aengitlich- feit nicht zugelafien Habe. Er lege zwar auf Titel feinen Wert, doch würde der beantragte Titel feine Lage günstiger geftalten. Jetzt rechne er nur zu den Agenten, wenn er auch an der Kurie immer mit Auge zeichnung behandelt würde. Dazu fommt, daß der Landgraf von Hefien ihn zum Minifterrefidenten ernannt babe‘). Sein Antrag wurde ge= nehmigt®); auch feine Anträge?) auf Gehaltzerhöhung fanden bei Hardenberg ein gemeigtes Obr, doch machte die Beichaffung der auf 1600 Thlr. geplanten Zulage Verhandlungen mit den Bijchöfen nötig, unter denen der Breslauer fi) energiſch und mit Erfolg fträubte?), die ihm zugeteilten 500 Thlr. zu tragen. Sie wurden vorläufig auf den Provinzialfond übernommen, und endlich war die Sache foweit geordnet,

1) Antwort des Minifterd vom 21. Januar 1809. 2) 8.:D. vom 18. Mai 1808.

3) Meier J, 40 A. 1.

4) An Hardenberg 9. März 1805.

5) Meier a. a. D. A. 2.

6) An Humboldt 30. März 1805.

7) An Hardenberg 22. Mai und 6. Oftober 1805. 8) An ben König 8. März 1806.

78 Bruno Gebharbt. [376

dat durch Kabinettsordre vom 10. April 1806 Humboldt eine Zulage von 1600 Thlr. und den Charakter ala bevollmächtigter Minifter erhielt.

Damit war die Entwidelung der preußifchen Vertretung an der Kurie in ihrer äußern Form abgeſchloſſen. Während Friedrich der Große es für undenfbar erklärte, einen charakterifierten Vertreter bei der Kurie zu haben, nahm jet ein bevollmächtigter Minifter dort die preußifchen Snterefien wahr. Was Haugwik einft außgeiprochen, daß Humboldt die Stelle aus ihrer Nullität heben würde, war eingetroffen, wie twenigften für die äußere Seite nachgewiefen if. Don Anfang an war allerbings Humboldts Stellung eine andere ala die feiner Vorgänger: jene beforgten bloß die nötigen Geichäfte an der Kurie, er bekleidete ein politiſches Amt, war mit politischen Beobachtungen beauftragt, fandte politiſche Berichte an feine Regierung. Bon vornherein hob auch feine Perjönlid- feit dag Amt: mit der bloßen Agentur zur Durchführung von Säkulari« fationen und Habilitationen für Ordenzgeiftlihe, zur Erlangung von Ehedispenjen, Beitätigung von Wahlen und was dergleichen Gefchäite mehr find, wie fie die Coltrolini und Ciofani und ſelbſt Uhden bejorgt hatten, konnte Humboldt nicht beauftragt werden. Und je größer dann die Umwälzungen in S$talien wurden, je wichtiger die dortigen Vorgänge für die Geſamtpolitik fich erwiefen, defto bedeutender wurde naturgemäß auch feine Stellung, und der äußere Ausdrud dafür war dag Auffteigen vom Refidenten zum bevollmächtigten Miniſter.

IV.

Sir Charles Hotham und Sriedrich Wilhelm I. im Iahre 1730.

Urlundlide Aufſchlüſſe aus den Archiven zu London und Wien.

Bon Wilhelm Onden.

I

Die Audienzen vom 4. April in Charlottenburg und vom 5. Mai in Potsdam.

Die meiften Irrtümer über Lehren der Geſchichte Haben ihren Grund in Verkennung defien, worauf e8 ankommt, und die meilten Faͤlſchungen der Meberlieferung der Gejchichte entftehen aus dem Schweigen über Thatfachen und Urkunden, deren Kenntnis entfcheidend ift für die Bildung des Urteils.

Auch im letzteren Falle wird viel mehr, ala man glaubt, unmwifjentlich und unwilltärlich gefündigt. Der Drud von Strömungen der Zeit und Meinungen der Partei, die Macht perfönlicher und politifcher, kirchlicher umd wifjenfchaftlicher Vorurteile ift jo groß, daß ber darin Befangene trotz gefunden Verſtandes nicht fucht, trotz gefunder Augen nicht fieht, was dem Unbefangenen vielleicht beim erften Blick ins Auge Fällt.

Als Friedrich von Raumer im Jahre 1835 auf dem Public Record Difiee zu London zum erftenmal die noch von niemand benukten Papiere über die preußifch-englifche Heiratsverhandlung von 1730 in die Hände beta, da las er darin nicht wie der Foricher, der Iernen will, jondern wie der Dilettant, der ſchon alles weiß; nicht mit der bejcheidenen Abfiht, zu unterſuchen, wie e8 dabei eigentlich zugegangen das glaubte er aus den Denkwürbigkeiten der Markgräfin ganz genau zu wiffen

- Ilm [378

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1) Beiträge zur neueren Gefchichte aus dem britifchen und franzöfikhen Reichsarchiv, III. T. 1. Bd., 1839, S. 509.

379] Sir Charles Hotham u. Friedrich Wilhelm L im Jahre 1730. 81

„Sie haben mir, meine liebe Schweiter, immer fo lebhaft den Wunſch zu erkennen gegeben, daß der Prinz von Wales, Ahr Sohn, meine ältefte Tochter beirathe, daß ich richtig zu handeln glaube, wenn ih Sie jeßt daran erinnere, daB es nach meiner Anfiht an der Zeit wäre, diefe Angelegenheit zum Schluß zu bringen, namentlich weil ich fürchte, daß wenn ſich das noch lange hinauszieht, der König andre Enticheidung treffen dürfte Dazu wäre nöthig, fie ohne Bedingungen zu fordern und fogar das zu thun zwifchen heute und dem 1. Februar N. St. (Il faudroit pour cet effet la demander saus conditions et möme le faire entre & cette heure et le premier Février N. S.). Ich hoffe, dad Em. Majeftät mir die Freude machen wird, mir baldigft zu ant« worten, daß das möglich fein wird und daß Sie überzeugt find von der zärtlichen Anhänglichkeit, die ich für Sie hege. Sophie.

Berlin den 17. Dec. 1729. N. St.

Ich bitte Sie, meine liebe Schweiter, den König meinen Bruder meiner volllommenen Zuneigung zu verfichern.“

Bon diefem Brief war bis zum Jahre 1886 weder Wortlaut noch Anhalt belannt. Seit dem genannten Jahre wußte man?) von dem Anhalt wenigftend das Eine, daß von feiten de preußiichen Hofes die „einfache Heirat” angeboten, aber dieje auch sans aucune condition ge= fordert war, während jetzt erft befannt wird, daß dem englifchen Hofe zu feiner Entſcheidung fogar eine Friſt bis zum 1. Februar n. St. geftellt ward.

Ganz unbelannt aber war die Antwort, welche die Königin Karoline auf diefen Brief erteilt Hat. Sie lautet auf deutjch wie folgt:

„Ich kann, meine Liebe Schweiter, Ihnen die Ueberraſchung nicht bergen, welche mir der Brief bereitet Hat, den Sie mir am 17. d. M. n. St. gefchrieben haben. Sch Hatte mir gefchmeichelt, daß mein Eifer für die Heirat zwifchen meinem Sohn, dem Prinzen von Wales, und der Kronprinzeffin, Ihrer Tochter, Ihnen fo befannt wäre, daß Sie nicht mehr nötig gefunden hätten, mich an eine Angelegenheit zu er- innern, deren Zuftandefommen ich fo glühend (ardemment) wiünfche. Ew. Majeftät weiß wohl, daß der König längft erflärt hat: fobald der König von Preußen für den Kronprinzen Ihren Sohn diejenige meiner

1) Durch SKofer, Friedrich) der Große als Kronprinz. Stuttgart 1886. €. 226. Das Datum 8. Dezember 1729, das er nad) dem von Droyſen an: geführten Protokoll giebt, erklärt fid) offenbar daraus, bat das wirkliche Datum 17. Dezember für ein folches alten Stils gehalten und nun die nach dem neuen Stil erforderlichen 11 Tage Hinzugerechnet wurden. Wir jehen aus bem Briefe klbft, daß der 17. Dezember nach dem neuen Stil zu verſtehen ift.

Forigungen z. brand. u. preuß. Geſch. VII. 2.

3 S: em Infer [380

Zum mm L mi Ne gerügeetite wäre, würde auch Sem Tor m vier Iıgmn? re we Tochter für den Prinzen = Sue zum Ir Sry H mb wie wor desſelben Einne: ei Zum s ur cr wi Zirg zm Tioruhen an, dieſe Heiraten we x mm Try ml Me BRpy ui die Aeußerung sure Error ne dom Tepe oem, dab der König Ihr Lane Immer nz Former yore, tr i5 Yen die Berfihenung rar 293 pr Dem m ce ine g rn Zartlichkeit empfindet, ın rim u mie 23 ma ze Sote, in der ihr Blüd an Sm im em mer Dorupom mes, die wicht unmittelbar

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Jr Rz 0 wolemer Ir mi Res Schreiben fein Datum. Ye os ERXA u Eomor 3 ore gue Vous m’ards eerite ara NECE X. S pirWmur ne nch im Dezember 1723 wur So munter tt Ex am Rerentung des Schreibens aber tar or ı rt RI om EL, Tex Fr dex Königin don Preußen wur se I Iomiue a cm Fir John viel beiprochenen Sadıı, zzı ir Ef m fınga em Oozimr wer die Ablehnung des Ulli⸗

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aus der jeßt adtzebrisbrige Kronprinz don Treuen erft um eine eng liche Yrinyeifin werden ſollte, bevor mit Bezug auf feine um drei Jabıt ältere Schweñer der Öerjenewunich der Königin Sophie, der angeblid auch der Herzenswunſch ibrer Schwägerin war, in Erfüllung ging? In dein Augenblid, da die Königin Sophie diejen Brief erhielt, wußte fie, daß der Antrag auf einfache Heirat nad) wie vor ausfichtelo⸗ war. Wenn aber der König Friedrich Wilhelm ein Vierteljahr darın] einen aufßerordentlichen Geſandten des engliichen Hofes empfängt in det

381] Sir Charles Hotham u. Friedrich Wilhelm I. im Jahre 1730. 83

Borausfegung, daß diefe Abfendung fchon das bedingungsloſe Eingehen auf die einfache Heirat bedeute und dann in der Unterredung mit diefem den Brief feiner Gemahlin vom 17. Dezember zum unerfchätterlichen Ausgangspunkt nimmt, fo fcheint das nur erflärbar, wenn wir an« nehmen, daß ihm von der Zurüdweifung feines darin gejtellten Antrages auf einfache Heirat nichts belannt, daß ihm die Antwort der Königin Karoline nicht mitgeteilt worden ift, daß diefe vielmehr einen Teil jenes perjönlichen Briefaußtaufches zwifchen Berlin und London gebildet haben muß, der für Friedrich Wilhelm Geheimnis geblieben ift und von dem wir noch ganz Überrafchende Spuren entdeden werden.

In feinem Glauben an die Herzlichfeit der Heiratswünſche des eng« chen Hofe würde Raumer durch diefen Brief fchwerlich beftärkt worden fein, noch weniger wäre das gefchehen durch die Weifungen, welche der König Georg II. jelber am 5. März 1780 dem Sir Charles Hotham für feine Sendung nach Berlin außgeftellt und von denen Raumer natür= ih auch Leine Kenntnis genommen bat.

Dies Aktenſtück ift Überjchrieben: Private instructions for our truly and well beloved Sir Charles Hotham Bart., whom we have ap- pointed to go upon a particular commission to the Court of our good Brother the king of Prussia.. Given St. James 5 March 1729’30 und beginnt mit einem Gingang, der in deutſcher Sprache lautet: „Da ſich aus Guy Dickens' Brief an den Sieur Billa ergiebt, daß der Sieur Enyphaufen der Meinung ift, Ihre Sendung in diefem Augenblid würde ein Mittel fein, um den König von Preußen zu beflimmen, die Maß« regeln aufzugeben, zu welchen er gegenüber dem SKaiferhof verpflichtet Iheint und fich den Verbündeten von Hannover anzufchließen und da, damit Sie in Stand geſetzt werden, der gemeinjfamen Sache einen fo großen Dienft zu leiften, Sie Kenntnis haben müſſen von unferen An» fihten über die jet zwilchen Uns und dem König von Preußen Iäwebenden Händel, fo haben wir zu Ihrer Unterweifung in allen hier⸗ der gehörigen ragen angeordnet, daß Ihnen der Ausgleichsvorſchlag, welchen im September Iehlen Jahres der Sieur Enyphaufen unferem Sefandten Dubourgay gegeben hat, fammt den Bemerkungen behändigt werde, welche auf Unfern Befehl vom Lorb Viscount Townshend, einem unjerer erften Staatsſekretäre, dazu gemacht, im letzten Oktober in Berlin übergeben und bis jeht ohne jede Anttvort geblieben find. Darin werden Sie eine erjchöpfende Auseinanderſetzung deſſen finden, was zur Begleihung des Hauptftreitpunftes, der Mecklenburgiſchen Angelegenheit !)

1 Hierüber wie über die allgemeine politifche Cage iiberhaupt vgl. Tropfen, Geigichte der preußifchen Politit IV, 3. 2, S. 75 ff. 6*

84 Bilfelm Onden. [382

vorgeichlagen worden ift; Sie werben ferner leſen, was wir jagen über die Frage der Erbfolge in Jülich und Berg, und Sie werben aud den Ausgleich finden, den wir vorgefchlagen haben mit Bezug auf die Heirath des Kronprinzen mit einer unjerer Töchter, um die Laften dieſer Che (the charges of that match) dem König don Preußen zu erleichtern. Der Sieur Cnyphauſen wird Ihuen über jeden biefer Punkte fprechen und Sie werden ihm verfiddern, daß wir in berfelben Gefinnung ver harten und hoffen, daß unfere Anerbietungen ſowohl feinen Gebieter al ihn jelbft von der Aufrichtigleit unſerer Abfichten überzeugen werben.“ Was nun noch folgt, bezieht fich Lediglich auf den beborftehenden Spruch des Schiedögericht in Braunfchweig und fpricht den Entſchluß des Königs aus, fich diefem in allen Stüden zu unterwerfen, obwohl man Urfache Habe zu beforgen, daß der Minifter von Sachſen-Gotha durch⸗ weg den Weifungen folge, die ihm der preußifche Hof erteile.

Schon die Eingangsworte dieſes Schriftftüdes enthalten mehr al der Unkundige beim erften Blick entdedt. Es ergiebt fi, daß Her Billa, welcher Kaplan bei der englifchen Gefandtichaft in Berlin, neben⸗ bei der Lehrer der Prinzeffin Friederike Sophie Wilhelmine im Eng- Liichen, und im Januar 1730 nad London gejchiet worden war, mit Guy Diden?, den Sekretär der englifchen Gefandtichaft in Berlin, in einem Briefwechjel ftand, durch den der Töniglich preußiiche Dtinifter dv. Enyphaufen insgeheim den Rat nach England Tonnte gelangen Iaflen, den Sir Charles Hotham nach Berlin zu fchiden, d. h. aljo, daß der Urheber diefer Sendung nicht der König von England, noch irgend einer feiner Minifter, fondern der Minifter Friedrich Wilhelms jelber war, der fih, um feinen Rat nach England zu vermitteln, dazu eined ge⸗ heimen Weges bediente. Und was wollte der preußifche Diinifter durch den engliſchen Staatsmann Hotham erreichen? Daß der König, fein Herr, vom Kaifer Losgeriffen und zum Anfchluß an die Verbündeten von Hannover beftimmt, d. h. einer Politik dienfibar gemacht wurde, welche dem Kaifer in Deutjchland wie in Italien Krieg machen wollte, auf dem Krieg in Deutfchland aber fo lange verzichten mußte, ala Preußen nad) wie vor feſt zum Kaifer und zum Reiche ftand. Das ift der Zweck, dem der König von England auf den Rat des preußischen Miniſters zum Auftrag feines Geſandten Hotham macht. Wenn nun diefem rein vo⸗ litifchen Hauptauftrag etwa der Nebenauftrag folgte, auf Grund dei Briefes der Königin Sophie vom 17. Dezember um die Sand der Prin- zeffin Wilhelmine für den Prinzen von Wales zu werben, fo würde die Verhandlung über diefe Heirat doch nur ala Mittel zum Zweck, niemals ala Selbſtzweck erfcheinen, aber ein folcher Auftrag wird in keiner Weile

383] Sir Charles Hotham u. Friedrich Wilhelm I im Jahre 1730. 85

gegeben. Bon dem Brief der Königin Sophie ift in diefer Weifung des Königs nicht die Rede, ebenfo wenig von einem Widerruf ber Antwort der Königin Karoline, die wir kennen: ein Befehl, fei e8 die einfache, ſei es die doppelte Heirat anzuregen, wirb nicht erteilt, eine Vollmacht, um die Prinzeffin oder den Prinzen zu werben, einen Ehevertrag zu fchließen für den einen oder den anderen Fall, wird nicht gegeben: nur mitgeteilt wird dem Gefandten, daß der König im Oktober 1729 eine Ehe des Kronprinzen von Preußen mit einer feiner Töchter angeregt hat, und befannt gegeben werden ihm die Bedingungen, durch welche dem König von Preußen die charges of that match more easy gemacht werben follten. Aber diefer Vorſchlag („expedient* jagt der König in der Weiſung vom 5. März) war preußifcherjeits nicht beantwortet und durch da8 Schreiben der Königin vom 17. Dezember, daß nur die bedingungs⸗ (oje Heirat der Prinzeifin wollte, geradezu abgelehnt worden.

Folglich Hatte Hotham gar nicht den Befehl erhalten, den Mitwelt und Nachwelt einmütig bei ihm vorausgeſetzt, und hatte demgemäß auch, wie wir jehen werden, den „Borfchlag” nicht zu machen, dem man in Berlin mit fo großer Spannung entgegenſah.

Seinen erften kurzen Bericht aus Berlin erftattet er am 4. April (24. März a. St.) an Lord Townshend. Er lautet wie folgt:

„Da die Poſt gerade abgeht, fo babe ich nur noch Zeit, Ew. Lord⸗ Ihaft mitzuteilen, daß ich am Iekten Sonntag hier angekommen bin, noh am felben Abend den König von Preußen davon in Kenntnis gelegt und mich wiflen zu Laffen gebeten babe, warn ih Sr. Majeftät würde aufwarten dürfen. Er beſchied mich auf heute Morgen elf Uhr nach Charlottenburg, wo ich ihn erwartete und in der Audienz, die ich erhielt, ihm fagte, ich fei gelommen mit dem Befehle des Könige, meines Herrn, ihn feiner aufrichtigen Abficht zu verficdern, zwiſchen den beiden Höfen ein volllommen gutes Ginvernehmen zu pflegen; ich würde mich glücklich ſchätzen, wenn ich in irgend einer Weife zu einem fo großen und guten Werk beitragen könnte; von Sr. Majeftät aufrichtiger Ab- ſicht, mit ihm auf gutem Fuß zu Ieben, brauchte ich ihm einen ſprechenderen Beweis nicht zu geben, als das durch den Schritt gejchehen fei, den er füngft getfan Habe in Bezug auf die Braunfchweiger Angelegenheit, und der, wie ich Hoffe, allem Streit in diefer Sache ein Ende gemacht haben werde. Als fernerer Beweis von St. Majeſtät guter und red» licher Abſicht, jede Art von freundfchaftlichem Zujammenleben mit ihm zu pflegen und zwiſchen beiden Kronen eine engere Verbindung herzu⸗ Rellen, fei ich beauftragt, mit Sr. Majeftät zu verhandeln über den Gegenftand (the subject matter) des Briefes der Königin von Preußen

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Ir er x Hrtoı Suse UT, wie wir und erinnem, eine Year Iruogp: x . m der englijche Hof die Hand de FEAA Ei xime u an Fuer a2 Bales und zweitens, will ex % iur Eoruyımy?! Te Kinmzz Kırcliee hatte die letztere Frage xt cm ve erben Irz Sertzwereet, daß ein Ja auf die erſtere gr sr ei ja amuoz mer Dem Rönig, welcher von biefem Eimer ver Ehrögri Fur ſKeratais hatte, antwortete jegt ber Grrmre Dchum gar wtr, kadım er richtete Fragen an ihn, ala ob in jenem Schziten wc 14. Tezember nicht ſchon enthalten geweſen gwüre, mus jeder gerügen mußte, der überhaupt verftehen wollte.

As dat nun der König gejagt, als er, flatt das Jawort, das er erwartete, zu vernehmen, ſelber germugt wurbe ?

1; In einem an: Wfitebal vom 2. Febrnuar 1730 batierten Erlaß an Tubourgay jagt der Miniſter Zownihend: „Auf Befehl des Königs jende id) dieien Boten ab, um Sie wirten zu laiten, daß S. M. beichlofien hat, eine Perfon nad Berlin gu ſchicken „to treat upon the subject matter of the Queen of Prussia's letter of the 17. Dec. 1729 N. S. to the Queen“. Bon Hothams Auftrag heißt es weiter, er laute „expressiy to treat upon the contents of the above mentioned letter and upon them only.“ Ser Gefandte Tubourgay jelbft aber wird angewiefen, die erfte Gelegenheit zu ergreifen „of acquainting the king of Prussia with the resolution His Majesty is come to of sen- ding Sir Charles Hotham“ und ihn wiſſen zu lafien „upon what commizsion he is sent, taking care in what you say to stick to the terms of this letter“ b. h. offenbar von dem Brief der Königin von Preußen vom 17. Te. feinen anderen Ausdruck zu gebrauchen ala die Worte: the subject matter oder the contents of the Queen of Prussia’s letter und ja fein Wort von Heirat fallen zu laffen eine Weifung, der benn auch, wie der Hergang zeigt, pünktlich nachgefommen worden it.

385] Sir Charles Hotham u. Friedrich Wilhelm I. im Jahre 1790. 87

Unfer Bericht fährt fort: „Nach einigen perjönlichen Artigkeiten, die er an mich richtete, fagte mir Seine Preußifche Majeftät, Nichts auf Erden werde ihm erwünfchter fein als vollftändige Freundſchaft und Uebereinftimmung mit Seiner Majeftät. Was die Braunfchweiger Händel angebe, fo möchte ich S. Majeftät verfichern, fie ſeien beendigt und was den Gegenſtand meines Auftraga betreffe, fo wolle er mir nächſten Samstag eine Antwort geben.” Diefe Antwort de Königs beweiſt, daß er auf eine fo gänzlich inhaltloje Aniprache wie die, die er eben vernommen, nicht gefaßt war. „Danach, erzählt Hotham weiter, Bingen wir zur Tafel, wo wir alle unendlich trunken wurden (where we all got immoderately drunk). Die Geſellſchaft beitand aus Grumb⸗ tow, Sedendorff, Bord, Enyphaufen, einigen fremden Miniftern und anderen Perjonen von Auszeichnung. In der Weinlaune brachte der König die Gefundheit Seiner Majeftät ſowie die der Königin aus und trant auf die Heirat (to the marriage) und die gute Verbindung ber beiden Familien. ch bemerkte, daß ihm ſcharf eingeprägt worden war, die Heirat des Prinzen von Wales und der Kronprinzelfin, feiner Tochter, jei der einzige Gegenftand meines Auftrags, und obwohl id oft Ge- legenheit nahm, ihm beizubringen, ich wünſchte St. Majeftät Abfichten und Borfchläge Über den Gegenftand des oben erwähnten Briefe zu vernehmen, um darüber Str. Majeftät zu berichten, jo konnte ich damals doch nicht mehr herausbringen, als daß ih am Samftag meinen Beſcheid erhalten follte, und deßhalb glaubte ich, bei der guten Laune, in ber er ih befand, nicht weiter in ihn dringen zu follen. Ich habe Ew. Lord» haft eine Menge Einzelheiten mitzutheilen, die ich aber den Briefen vorbehalte, welche ich am Sonntag durch einen Boten abfenden werde: bis dahin will ich auch den Ausdrud meiner Meinung zurückhalten über die eigentlichen Abfichten Sr. Majeftät in diefer Sache wie über das Verhalten der Dlinifter Hier am Ort. Hauptmann Guy Didens bat mir Ew. Lordſchaft Brief an ihn vom 10. März A. St. mitgeteilt, ben er durch den erjten Kurier beantworten wird. Ich habe die Ehre u. |. mw.“

Da die Poft in England gewohnt war, den politifchen Briefwechſel fremder Kabinette mit ihren Miniftern rückſichtslos zu unterjchlagen und aufzubrechen, fo traute Hotham der preußiichen Poſt dieſelbe Nichts- nußigfeit zu und hütete fich wohl, den Berichten, die er durch die Poft abjandte, mehr anzuvertrauen, als im fchlimmften Fall auch der preußifchen Regierung befannt werden durfte. Wir Haben folglich erft von dem Bericht, den Hotham feinem Kurier vorbehalten hat, über die Vorgänge des 4. April zu Charlottenburg vollftändigen Auffchluß zu erwarten.

88 Wilhelm Onden. [386

Immerhin gehen ſchon aus diefem kurzen Vorbericht zwei Thatfachen bervor, die mit einander in einem auffallenden Widerfpruch ſtehen. In der Audienz vom 4. April ift zwoifchen dem König und Hotham das Wort Heirat nicht geiprochen worden, Hotham bat um die Hand der Prinzeffin nicht angehalten und der König ſich auch Über feine Werbung zu äußern gehabt, und dennoch bat er bei der Tafel, die dann folgte, getrunfen „auf die Heirat und die gute Verbindung der beiden Fa: milien”. Wie er bazu gelommen ift, werben wir nachher aus feinen eigenen Worten an Graf Sedendorff fehen. Hier fchon fei darauf aufs merffam gemacht, daß diefer jedenfalls übereilte Trinkſpruch immerhin ein Beweis war für den herzlichen Wunfch des Königs, feine Tochter an den Pringen von Wales verheiratet zu jehen. Wenn nun, wie man doch anzunehmen gewohnt ift, Hotham die Abfiht und den Auftrag Batte, eine Yamilienverbindung zwifchen den Häufern Braunfchweig und Brandenburg zuftande zu bringen, fo mußte ihm diefer unwillkürliche Durchbruch des Heiratswunfches des Könige von Preußen ala ein hod- erfreuliche® Ereignis erfcheinen. Statt deſſen beobachten wir das gerade Gegenteil. In feinem zweiten Bericht fchreibt Hotham am 8. April: „Da ich den König von Preußen, ſeit ich in Charlottenburg mit ihm fpeifte, nicht mehr geſehen babe, ift Ew. Lorbfchaft nichts zu be richten, al® daß ich am Tage nach meiner Audienz (alfo am 5. April) zu einer Zufammenktunft mit den Miniftern befchieden worden bin, bie mir die vom König eigenhändig außgeitellten Befehle zeigten, von benen Sie die Ueberſetzung famt meiner Antwort darauf beigefchloffen finden. S. Preußifche Majeftät kam heute zur Stadt, und ich will verfuchen, auf morgen oder Montag eine zweite Audienz zu erlangen; alsdann werde ich Hoffentlich in der Lage fein, mit einiger Sicherheit über den Stand unferer Gefchäfte bier mich auszusprechen, obgleich ich glaube, jchon jeht foviel fagen zu können, daß die Dinge weit davon entfernt find, den Erwartungen zu entiprechen, welche wir begten, als ich England ver ließ.“ So enttäufcht Außert ſich Hotham, obgleich er außer dem Heiratstoaft de Königs, den er ſchon gemeldet, jetzt noch eine Neuigkeit zu melden bat, die ihm wie jedem Engländer höchſt willkommen fein mußte. Er fährt nämlich in feinem Bericht fort: „Immerhin freut eb mich, Ihnen mitteilen zu können, daß nach dem, was uns der König felbft gefagt und feine Minifter feitbem wiederholt Haben, alle Händel in Braunfchweig jet zu Ende find. Auch muß ich Ew. Lordſchaft ber richten, daß der König von Preußen den Grafen Degenfeld ernannt hat, um nach England zu gehen. Er ift jet in Frankfurt und die Minifle

987] Sir Charles Hotham u. Friedrich Wilhelm I im Jahre 1730. 89

Haben ihm gefchrieben, um ihm auf Befehl ded König? von dieſer Er- nennung Kenntnid zu geben. Ich babe die Ehre u. f. mw.“

Der Bertreter Preußens in England war damals der NRefident Reichenbach. Der Sturmlauf, welchen Hotham wegen der Berichte unter- nehmen follte, die diefer Reichenbach aus London ſchrieb, ift befannt. Bisher mußte man annehmen, e8 babe fich dabei um die Abberufung diefeg Reichenbach gehandelt. Aus diefem Bericht aber entnehmen wir, daß diefer Anfang April ſchon beichloffen, feine Erfegung durch Graf Degenjeld ſchon entjchieden war, und das beweift, daß jener Sturmlauf nur fcheinbar gegen Reichenbach, in Wahrheit gegen den Minifter Grumblow gerichtet war, wie denn deflen Sturz fi) un® immer mehr als der einzige ernſthafte Zweck der Sendung Hothams herausſtellen wird, obwohl gerade davon in den ſchriftlichen Weiſungen an Hotham gar nicht die Rede iſt.

Der in dem Bericht erwähnte Beſcheid vom 5. April iſt in fran⸗ zöfiicher Sprache beigelegt und lautet deutjch wie folgt: „Nachdem der Nitter Hotham, Minijter Sr. M. des KHönigd don Großbritannien, geftern feine erfte Audienz bei Sr. M. dem König von Preußen gehabt bat, Hat Sie ung, den unterzeichneten Staatsminiftern, befohlen, dem genannten Ritter Hotham Ihrerſeits zu erklären, daß Sie erfreut, ja wahrhaft entzüdt ift, die gute Freundſchaft zwifchen Ihr und dem König von Großbritannien glücklich twiederhergeftellt zu jehen. Daß Sie hofft, es werde auch in Zukunft nichts auf der Welt mehr imftande fein, fie zu trüben, und fie werde, weit entfernt don irgend einer neuen Unter- bredung, jeden Tag inniger und ftärfer werden. Was die zwiſchen ©. 8. H. dem Prinzen von Wales und Ihrer K. H. ber Prinzeffin von Preußen, älteften Tochter Sr. M., zu jchließende Heirat angeht, jo wird Eie jehr gern Ihre Zuftimmung geben, wenn S. M. der König von Großbritannien diefe Verbindung für genannte K. Hoheit, den Prinzen von Wales, angemefjen findet, und S. Preußiſche Majeftät wird fie jederzeit für 3. K. H. die Prinzeffin als vorteilhaft betrachten und ala eined der angenehmften Greigniffe, welche® jemals den beiden Löniglichen Häufern begegnen kann. Auch hat und Seine Majeftät ermächtigt, mit Herrn Ritter Hotham den Heiratsvertrag fowie alles andere zu ver⸗ abreben und abzufchlichen, was für dieſe Angelegenheit gut und nötig fein wird. Und da ©. M. der König von Preußen fehr wünfcht, fo- bald wie möglich zu erfahren, welches hierüber die Abfichten Sr. M. bes Könige von Großbritannien find, jo wird Herr Ritter Hotham gebeten, und darüber, fobald es ihm möglich ift, Mitteilung zu machen, damit

Ze een 2 wor cum m Zeigt: Actum & Berlin 1 zummeie (iur ei2nilti Ihe die Antwort Hotham⸗ pre rum BIZrume

Sozer & FD rer Io Begmu Ein deu Her Ritter Hotham MA II on rs m ı we ca im 5. d. M. er⸗ zuzı x zum gencrm Ritter Hotham ge⸗ CChè:hoCo og . We XX eder gejandt, um mit 9 am Erg mr Same Deore lt dei Brig det izupr or 33 TI gumme- jr meuccir wor Kerũber die Abſichten za 25 im mr u er vme re Borkhläge, die er in ra moizer yo mese Aùe er Bejehl Habe, dem x, Ten A ERMCA. ı FEMA inner ſerneren Beieble EMOC. 8ul> mo am mon ibergeben, was man ihn mr ma Zoo. u oo m Ss zsehlidlih nad England Auer II zur Eourener. vr m pe Kricı Zwede bereit hallı. Frr Ir Wien. Der Or ze va Rönig wuuterthänigft zu be A or jez zus Er Si eier zu beiehlen gefallen wird. zıun we er Thulemeyer.

Tr en, erauı ur 8 za 5. April gemacht wie am 4. Eu Re Baby zu die Erz omäpuiprchen, bie alle Welt al ibkyerrizri$ betzzchiete, te er am 4. nur geitagt, was ber König von dem brie.igen Antrag teuer Semuuhlin vom 17. Dezember eigentlih Heite? Und dieie Frage hatte er am Tage darauf lediglich wiederholt, als fie, mehrere Zage früher ais der König verheißen, beantwortet war mit der ganz beitimmten Erklärung, Friedrich Wilhelm wünſche die Heirat feiner Tochter mit dem Prinzen von Wales, und feine Winife jeien bereit, den Heiratsvertrag mit Hotham abzujchließen.

Was dies Beriahren bedeuten follte, ergiebt fi ganz Kar aus den Geftändniffen in dem ausführlichen Bericht, welchen Hotham am 12. April durch Kurier nach London fandte. Aus bdiefem Bericht haben ſowohl Raumer als Carlyle Mitteilungen gemacht; beide aber haben gerade das nicht gejehen und nicht wiedergegeben, worauf es anfommt, und peahalb ift, was fie darüber fagen, nicht etwa ungenügend, ſondem

1) Tas wirkliche Datum des Briefes iſt, wie wir geſehen haben, der 17. 2e zernber neuen Stile. Bielleicht rührt von Thulemeyer das Verſehen her.

389) Sir Charles Hotham u. Friedrich Wilhelm I. im Jahre 1730. 91

geradezu irreleitend. Insbeſondere ift vor gutgläubigem Vertrauen auf Garlyle ausdrüdlich zu warnen. Seine ganze Darftellung diefer Dinge it jo einfeitig, feine Art, die Alten zu benutzen, fo willfürlich und kritik⸗ los, ſelbſt die mit Anführungszeichen verfehenen Aktenauszüge find derart mit eignen Zuthaten ununterfcheidbar vermengt oder durch Weglafſungen in ihrem Sinn entftellt, daß auf fein Zeugnis allein gar nichts gegeben werden Tann. So giebt er (Buch VII Kapitel 1) von der Audienz vom 4, April eine Darftelung, aus der jedermann entnehmen muß, Hotham Habe um die Hand der Prinzeffin angehalten, während wir willen, daß davon nicht mit einem Wort die Rede war, weder in ben Aufträgen noch den perjönlichen Abfichten, noch in den Aeußerungen Hothams, und von Audienz wie Tafel behauptet er fteif und feft, fie hätten Montag den 3. April ftattgefunden, während er den Bericht vor fh Hatte, in welchem, wie wir ſahen, unter dem deutlichen Datum des 4. April gejagt ift, „Heute um 11 Uhr” fei der Verfaffer in Char⸗ lottenburg zur Audienz und zur Tafel beichieden geweſen. Ja dies falſche Datum: „Montag, den 3. April” ſetzt er fogar (Buch VII Kap. 2) in feinen Auszug aus der gleich zu beiprechenden Depeiche vom 12. April an der Stelle hinein, wo auf jene Audienz zurückverwieſen wird. Da der Auszug mit Anführungszeichen verfehen ift, muß jeder glauben, er habe, wenn auch in ſtark gefürzter Faſſung, lauter eigne Worte Hothams vor fih, aber in dem Urtext jelbft fteht von diefem falſchen Datum natürlich kin Wort. Wegen der Mißhandlungen, welche diefe Depeiche Hothams durch Raumer und Garlyle erlitten hat, ift e8 notwendig, fie bis aul den Schlußteil wörtlich wiederzugeben.

„Sie werden,” jchreibt Hotham an Lord Townshend, „aus meinen Briefen vom 24. und 28. März A. St. erfehen haben, was feit meiner Ankunft bis zu jener Zeit gefcheben ift; da ich aber dieſe Depefchen durch Du Commun ala Kurier jchide, fo muß ich auf einige Einzel- heiten zurüdlommen und andere Hinzufügen, die ich der gewöhnlichen Poſt nicht anvertrauen dar. Em. Lordſchaft ift bereit? unterrichtet von dem, was ſich in meiner eriten Audienz zu Charlottenburg ereignet hat, in der ich dem König von Preußen über die Heirat nichts gejagt hatte, ala daß ich gelommen fei, um über den Gegenjtand des Briefes der Königin vom 17. Dezember zu verhandeln, fo daß ich aufs Außerfte über- ft war, als der König von Preußen in der Weinlaune eine Geſund⸗ heit ausbrachte au bon mariage, und während ich draußen war (whilst I was out of the room) der Geſellſchaft ankündigte, eine Heirat fei bes Ihlofien zwifchen dem Prinzen von Wales und feiner Tochter. Und dies wurde fogleich jo befannt, daß es zum allgemeinen Stadtgeipräch

92 Wilhelm Onden. [3%

ward. Das Erfte, wa ih am andern Tage hörte, war, daß ©. Preußiſche Majeftät, ala er nüchtern war, einfah, er ſei zu weit ge gangen und nun feinen Miniftern befahl, von dem, was am Tage vor: her gejchehen, nichts weiter zu fagen bei Strafe feiner Ungnade. Ich überlaffe Ew. Lordfchaft zu beurteilen, wie wirkſam das war, in eine Geſellſchaft von 16—17 Perfonen und mindeftens ebenfo viel Diener. Den Tag nad) meiner Audienz wurde ich zu einer Konferenz geladen, in welcher mich die Minifter mit den vom König erhaltenen Befehlen be kannt machten, welche Ießtere ich famt meiner Antwort Ew. Lordichait durch mein Schreiben vom 28. März eingefandt babe. Der König if Heute Nacht allein zur Stadt gelommen, und zwar, wie mir von feh glaubwürdiger Seite mitgeteilt worden ift, in Außerft übler Laune, viel⸗ leicht, weil er fühlt, daß er in Charlottenburg zu weit gegangen if. Er war gar nicht gnädig gegen die Königin, und jemand, der ben Brie gejehen, hat mir erzählt, der Kronprinz habe feiner Schwefter gefchrieben, der König fei in den lebten zwei oder drei Tagen fehr fchlecht aufgelegt gewejen und babe ihn in Potsdam dahinten gelafien, „de peur que le vent anglais ne le touchät*. Am Sonntag, dem nächften Tag nach dei Könige Ankunft, ging ich zur Parade, wo er mich wider Erwarten ſehr gnädig empfing und mich zur Tafel einlud, und bei paſſender Gelegen- beit erbat ich die Erlaubnis, ihn im Vertrauen zu fprechen, was er aud gleich bewilligte; darauf fagte ich ihm, mit feiner Erlaubnis hätte ih bereit# dem König mitgeteilt, daß die Händel in Braunfchweig zu Ende jeien, und daß in Befolgung der Befehle Sr. Preußifchen Majeät id die Minifter in einer Konferenz geiprochen, daß ich fie auch mit Er. Majeftät Befehlen befannt gemacht, und fie meine Antwort zu Protokoll genommen hätten. Ich fei nur wenig vertraut mit Unterhandlungsgefchäften ımb da alles fchriftlich gemacht werde, unendlich vorfichtig in meinen Aenße⸗ rungen, zumal, da ich guten Grund hätte zu glauben, daB, was immer da geichehe, eine Stunde danach in der ganzen Stadt bekannt fei: id Häte deshalb unterthänig, S. M. möchte mir, da ich ja doch nur mit Haußangelegendeiten betraut fei, und dann mit weniger Zurüdhal ung reden Lönnte, mir geftatten, mit Sr. Majeftät allein zu verhandeln; was er auch bewilligte. Alsdann ftellte ich ihm auf Cnyphauſens Rat, da ich ihn bei guter Laune fand, vor, der König mein Herr habe ver fchiedene Schritte getfan, um mit ihm gute Yreundichaft und Leber einftimmung zu pflegen: jo die Beilegung der Braunfchweiger Streitjſache und meine Herfendung; ob das denn nicht auch einiges Entgegenkommen von feiner Seite fordere? Und obwohl ich ſelbſt keine Vorſchläge machte, Boffte ich doch, jolche von Sr. Preußifchen Majeftät zu empfangen. Et

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fagte mir, er ſei jehr erfreut über die Beendigung der Braunfchweiger Angelegenheit, „wenn man vernünftig (raisonable) fei gegen ihn, werde er auch feinerfeit? vernünftig fein,” und was das Vorſchlägemachen an« gebe, fo denke er daran und werde reiflich darüber nachdenken. Hier endete das Geſpräch. Ich weiß, daß Grumbkow bald danach bei ihm war, und das Nächſte, was ich hörte, war, daß ich auf geſtern Morgen zu einer neuen Konferenz geladen ward, in welcher General Borck, der durchaus nicht unſer Freund iſt, mir mitteilte, daß ſie wiederum vom König beauftragt ſeien, mir zu ſagen, der König von Preußen gebe feine Zuftimmung zur Heirat feiner Tochter, und deshalb wollten fie von mir wifien, ob ich gekommen fei, um förmlich um fie anzubalten und ob ich Vollmacht Hätte, endgültig abzufchließen. Wieder fagte ich ihnen, ich fei nur ermächtigt, über den Brief der Königin vom 17. Dezember zu verhandeln: ich hätte dem König, meinem Herm, mitgeteilt, was in der eriten Konferenz vorgejallen fei, und hätte feinen Zweifel, daß ich bei Rückkehr des Kuriers fernere Weifungen über die Sache erhalten würde. Doh muß ih Erw. Lordſchaſt bemerken, daß, was in diefer Konferenz, vorgefallen, nicht jchriftlich gemacht worden ift. Durch vorftehende Er⸗ zäblung ift Ew. Lordfchaft num mit all den Schritten bekannt, die in diefer Sache bisher gejcheben find, und Sie fehen, daß ich nach Kräften vermieden habe, unmittelbar Antwort zu geben, bis ich des Königs fernere Beiehle haben könnte, aber ich bin von den Miniftern in diefer Sache jo in die Enge getrieben worden, daß der König jebt ſelbſt durchichaut, daß die einfache Heirat nicht mein einziger Auftrag ift, und deshalb wird es durchaus nötig fein, daß bei der Rückkehr diejes Kurier? mir ganz Klare Befehle zugehen über das, was ich weiterhin im Namen Sr. Majeftät vorzufchlagen babe und damit ih Sr. Majeftät alle nur erreichbare Klarheit über diefe Sache geben Tann.”

Diefer erfte Abſchnitt der Depeiche enthält zweierlei: erſtens bie Ihatjache, daß der Trinkfpruch des Königs au bon mariage auf der Hof- tafel zu Charlottenburg, famt nachfolgender Belanntmachung der angeb- lihen Verlobung feiner Tochter, eine Webereilung des Königs war, bie er in der Weinlaune begangen Hatte und nachher dadurch wieder gut maden wollte, daß er feinen Miniftern Schweigen über den Vorfall auferlegte, und zweiten? das Geftändnig Hothams, daß er fein faljches Epiel vom König bereits durchichaut ſehe. Bevor Hotham kam, Hatte der Geſandte Dubourgay auf ausdrücklichen Befehl Lord Townshends) dem König die Verficherung gegeben, jener werde nur über die einjache-

l) Bgl. ©. 86 Aum.

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Heirat zu verhandeln haben. In diefem Glauben wurde der König ber ftärkt, als Hotham an den Brief der Königin vom 17. Dezember ar nüpfte im Sinne einer innigen reundfchaftzverbindung zwifchen England und Preußen, denn in diefem Brief war fo ausdrüdlich wie möglich mır don der einfachen Heirat die Rede. Hiernach fchien ihm die foͤrmliche Merbung um die Hand feiner Tochter fo jelbitverftändlich, daß er im der Freude feines Herzens ala Thatſache berausplauderte, was in Wahrbeit nur fein und der Königin Wunfch war. Darauf war er nicht geiaßt, daß die Berufung auf den Brief der Königin nur eine Kriegelijt war, um ihn reden zu machen, während der Geſandte felber nichts, gar nichts von Heirat fagte, noch zu fagen Hatte. Der König ift mithin über Hothams Auftrag abfichtlich getäufcht worden, und Hotham fieht aus der Enttäufchung des Könige, dab er mit diefem Mittel nichts mehr erreichen wird und deshalb neue Weifungen haben muß. Ueber das alles haben Raumer und Garlyle binmweggelefen, von dem ganzen oben mitgeteilten Abſchnitt der Depeiche giebt jener fein Wort, diefer nur ein paar ab gerifjene Fetzen, exit bei dem num beginnenden Abfchnitt merken beide auf.

Hotbam fährt fort: „ch werde Ahnen mitteilen, was fich über Sr. Preußiſchen Majeftät Abfichten aus feinen eigenen Aeußerungen gegen feine Minifter ar ergiebt. Nach meiner vorgeftrigen Audienz (allo am 10. April) Hatte er nach feinen Miniftern Borck und Enpphaufen geichidt und ihnen gejagt, er durchichaue ſehr wohl, daß ich auf die Doppel beirat hinaus wolle. Dit Bezug auf feine Tochter fei der Antrag jehr vorteilhaft, was aber feinen Sohn angehe, fo fehe er nicht ein, warum nicht, wenn er ihn hergebe, etwas zum Vorteil feines Haufe ans bedungen werden follte, 3. B. in Berg und Jülich. Ja, er ging nod) weiter und fagte: „Wenn fie mich vom SKaifer abziehen wollen, warım machen fie mir nicht einige Vorſchläge?“ Diefe Aeußerungen des Könige bat Raumer ausgeboben, aber unter Weglaffung der beiden Eingang füge und unter falfchem Datum. Da er die beiden Sätze von „Ic werde” bis „hinaus wolle” wegläßt, fo erfahren feine Leſer nicht, daß diefe Worte an die Minifter Bord und Cnyphauſen gerichtet worden find, und da Raumer die Depeiche fälichlid vom 5. April datiert, während fie vom 12. ift, fo mußte man annehmen, die Aeußerung fei gegen Hotham gethan worden, was der ganzen Sache ein anderes An⸗ jehen gegeben hätte. Erſt aus Carlyle ergab ſich der wirkliche Sad» verhalt. Weiter lefen wir bei Hotbam: „Und Heute Morgen hat der König im Gefpräch ber diefe Dinge zu Marſchall, feinem Geheim⸗ ſchreiber, der in unferem Intereſſe und ein Geſchöpf Enyphaufens ift (who is in our interest and a creature of Cnyphausen’s) gejagt, er für

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fein Zeil hafle feinen Sohn und wiſſe, daß fein Eohn ihn haſſe, Folglich lebten fie am beften fern von einander, wenn daher der König unſer Hert S. königliche Hoheit zum Statthalter von Hannover machen wollte, würde er zuftimmen, daß die beiden Heiraten zu gleicher Zeit ftatt- fänden.“ Es ift fchon anderwärt bemerkt worden, daß folcherlei Aeußerung von Friedrich Wilhelm nicht gethan worden jein kann, denn me bat er feinen Sohn gehaßt, nie hat er aus Haß fih von ihm trennen wollen und nie kann er die hannöverſche Etatthalterichait, die er, ala England fie vorſchlug, mit Entrüftung zurückwies, felber beantragt haben). Diefer Klatſch ift erfunden und zwar offenbar von demjenigen, der auf difem Wege dem Gedanken einer Statthalterfchait in Hannover beim britiichen Hofe Eingang verfchaffen wollte, und das war der Minifter Enyphaufen, deffen „Kreatur“ diefer Marfhall war. Denn Hotham fhreibt weiter: „Sch felbft bin nicht imflande und Halte mich auch nit befugt, über diefe Dinge ein eigenes Urteil abzugeben. Es ift jehr far, er will wohl feinen Sohn verlauien?), aber nicht fich felbft, und deshalb wird ©. M. der befte Richter darüber fein, was bier anzu⸗ bieten if.” Mitteilen muß ich Ew. Lordfchait, daß Herr Enyphaufen, an defien gutem Willen in diefen Dingen fein Zweifel fein kann, der Anfiht ift, daß, wenn bier kein Vorteil in Ausficht geftellt wird, es bei dem grenzenlofen Argwohn und Geiz, der in Sr. Preußifchen Majeftät Charakter Liegt, unmöglich fein wird, ihn in diefer Sache zur Vernunft zu bringen. Herr Cnyphauſen fieht zahlloje Schwierigkeiten und be⸗ fändige Steigerung der Anſprüche an uns voraus, wenn wir auf diejen Ausweg (expedient) nicht eingehen und betont, allen Bedenken in Bezug auf die beiderjeitigen Koften werde damit auf einen Schlag ein Ende gemacht; der Aufwand würde in Hannover ganz berjelbe jein, wenn dort augenblidlich ein Regent an Ort und Stelle wäre, während für einen etwaigen Ueberſchuß an Ausgaben der Prinz bereitwilligft jede Verpflichtung zur Rückzahlung eingehen würde. Dabei würde es ja immer in den Händen des Königs Tiegen, feine Gerechtfame zu be— Ichränfen oder der Zeit nach abzulürzen. Es würde uns den Prinzen für alle Zwede und Abfichten ebenfo wirkſam fichern, ala wenn die von Ihrer Majeftät an die Königin und den Kronprinzen von Preußen ge machten Vorſchläge ſchon zur Ausführung gelangt wären. Dieje Iehtere Erwägung ift nicht von Cnyphauſen, denn er ift nicht im Geheimnis

1) Bernbed, Die Denkwürdigkeilen der Marfgräfin Fr. S. Wilhelmine von Bayreuth, und die preußißch:engliiche Heiratsverhandlung von 1730. Mit einem Borwort don W. Onden (Giekener Studien VD. Gießen 189. |. 43/44.

2) Niemals hat Friedrich Wilhelm das vorgehabt.

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Ratur fein mäflen, wenn jelbft der jouft fo tie] eingeweihte haufen nichts davon weiß noch wifen dari. Hotham genau fennt, ijl der Meinung, berfelbe loffe Ad) anderen Mittel erreichen; es gebe noch einen anderen Kronpringen „für alle Zwede und Abfıchten zu verfüchern“,

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Das Gefländnis, das wir eben der Depeſche Hothams hierüber ent⸗ nommen haben, giebt aljo der Handlungsweife des Königs im voruns Recht, und eben darin Liegt der Grund, weshalb Raumer und Gariple von diefer Enthüllung nichts gejehen und nichts gejagt haben; denn in ihren Augen fteht einmal feit, daß Friedrich Wilhelm in dieſer Sache Unredt Hat und Unrecht behalten muß.

Die Depeſche Hothams ift auch weiterhin voll des belehrenditen Inhalts. Der Text fährt fort: „Diefe Borfchläge (nämlih Cnyp baufens) find fo gewichtig und folgenreich, daß ich nicht beamfpruche, irgend eine eigene Meinung darüber abzugeben, aber da fie mir rröffne worden find, Halte ich für meine Pflicht, fie Sr. Majeſtät zur Erwägung vorzulegen. ine andere Trage, Über welche ich um bejondere Am weifung bitten muß, ijt die: welche Antwort ich geben foll, wenn man mir einwirft, der Kronprinz fei augenblidlich noch zu jung zum Hei⸗ taten, aber möglicherweife würde der König feine Verlobung gleich zu⸗ laffen und die Hochzeit auf ein oder zwei Jahre verjchieben ?

Was das Minifterium Hier angeht, fo muß ich berichten, daß ich Herrn Enyphaufen unendlich dankbar fand für die Ehre, die ihm der König dadurch erweift, daß er ihm folches Vertrauen ſchenkt und hochſt

1) And that it will to all interests and purposes secure tbe Prince as eflectunliy to us, as if the propositions made by her Majesty to tbe Queen and Prince Royal of Prussia had already taken effect. This last reflexion is not of Cnyphausen’s, for he is not in the secret of that matter.

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bereitwillig zu allen guten Dienjten, die in feinen Kräften ftehen; aber zugleich muß ich Ew. Lordfchaft mitteilen, daß ich keine Anzeichen von einem überwiegenden Einfluß auf feiner Seite oder einer Minderung der Geltung Grumbkows entdeden kann: Enyphaufen wagt es nicht einmal, von den aufgefangenen Briefen Gebrauch zu machen, die ihm in bie Hände gegeben worden find, er fagte uns fogar, er fände allein, der ganze Hof ftehe im Sold des Kaiſers, und ich jehe Kar, vor dem König bat er ſolche Angjt (awe), daß er nicht wagen wird, feinen Herm zu irgend etwa® zu verleiten, wozu er den König nicht ohnehin gewillt fieht, und es ift ganz gewiß: die wenigen freunde, die wir haben, find ängitlich und thatlos, während unfere Feinde unternehmend und thätig find.“ So fchildert Hotham die Lage, die er, wie er ſchon zu Anfang geichrieben, wider Erwarten in Berlin vorgefunden bat. Offenbar hatte man in London aus den Briefen der Königin und des Kronprinzen, den Schilderungen Villas und Dubourgaya den Eindrud gewonnen, daß e8 nur eines herzhaften Stoßes bedürjen werde, um den fchon wankenden Srumblow über Bord zu werfen und Enyphaufen das Uebergewicht zu geben hatte und deshalb auch gar nicht der Mühe wert gefunden, Hotham mit An« weifungen auszuräften, die jo waren, daß er nicht jeden Augenblid durch jelbftverjtändliche yragen und unvermeidliche Einwände in die peinlichite Berlegenbeit gejfebt ward. Aus dem Schlußteil der Depefche ift nur noch eine Stelle bemerkenswert, welche zeigt, wie dieſer Geſandte noch allerlei geheimen Briefwechjel vermittelt Hat. Er bittet Lord Townshend, der Königin und dem Prinzen von Wales zu fagen, daß er ihre Briefe nicht jelbft Habe beitellen können, weil er weder die Königin, die noch immer ſehr unwohl ſei, noch den Kronprinzen oder die Kronprinzeffin zu ſehen befommen habe; „aber ich Habe Sorge dafür getragen, daß fie in fihere Hände gelommen find und glaube: die eingefchloffenen Briefe, die ih gleichfalls der Sorgfalt Ew. Lordſchaft empfehle, find die Antworten darauf. Ich Habe noch von Herm Bülow, einem unferer befonderen Freunde (a particular friend of ours) einen Brief beigefchloffen, ben Herr Cuyphauſen diltiert hat und auf deflen Einjendung an Ew. Lord⸗ Ihaft fie beſtehen. Bon mir felbft will ich weiter nichts hinzufügen, ala die Bitte, daß, was immer die Gmtichließungen des Königs fein mögen, Sie Sr. Majeftät in die Erinnerung zurückrufen möchten, daß mein Auftrag beendet iſt in dem Augenblid. in welchem dieje Angelegen« heit anj dem einen oder anderen Wege zum Schluß gebracht wird, wie dies dor meiner Abreife Ew. Lordſchaft erflärt worden iſt.“

Diefer langen Depeiche hängt Hotham noch am 12. April ein kurzes Privatichreiben an, in welchem er die Bitte emeuert, ihm bei Rüdkehr

Forkgungen ;. brand. u. yreuf. Geſch. VII. 2. 7

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Das if, was ich über den Anfang der Berhandlung Hothams und die Abfichten, welche England damit verfnäprte, aus englifchen Alten bie ber Habe ermitteln können. Ueber die Aufnahme, die er geiunden, die Eindrüde, die er geweckt bat, werden wir jet den König Friedrich Wil⸗

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belm felbft vernehmen auf Grund der Eröffnungen, die er perjönlich dem kaiſerlichen Gejandten, Grafen Sedendorff, gemacht und die diefer wörtlich nach Wien berichtet hat. Bisher Haben wir aus Papieren gejchöpft, welche teilweife ſchon benußt waren, wenn auch, wie wir ſahen, höchft einfeitig und unzulängli: was wir jet mitzuteilen haben, ift voll fländig neu und durchiweg don überrafchendftem Inhalt.

In feinem Bericht vom 4. April fchreibt Graf Sedendorff an den Kaifer: „Da der Chevalier Hotham den 2. dieſes allhier angelanget, jo eröffnete mir der König fchriftlich den 3. dieſes, daB Hotham von ihm die Erlaubniß fich außgebeten, nach Potsdam zu kommen und feine ihm aufgetragene angenehme Commiſfion abzulegen, weil der König aber nicht für gut fänden, gemelbeten Hotham zum erften Mal in Potsdam zu empfangen, fo wollte er, ala heute den 4. diefeg, in Charlottenburg jelbigem die erfte Audienz ertheilen und bathe, mich ebenfalls allda einzufinden, zumal ex zu gleicher Zeit alle fremden Minifter® und auch Ew. Kaiferliche Majeftät allhier refidirenden Refidenten den von Demeradt nebft feinen eigenen Miniſters dazu eingeladen und zu kommen befebligt hatte. Als dieſes königliche eigenhändige Schreiben früh morgens ben 3. dieſes empfangen, jo hatte die Gnade Ihro königliche Majeftät noch perfönlich zufprechen, da bigfelben mündlich mit Mebrerem eröffneten, wie Hotham an fein Minifterium declariret, daB er keine andere Gom- miffion hätte, als auf das von der Königin von Preußen an die von England im Monat December verwichenen Jahres ergangene Schreiben eine zureichende Erklärung zu thun und dahero wünjchte, Ihrer König- Iihen Majeftät fobald als möglich aufzuwarten. Der König fand in dem Gedanken, daß dieſes Anbringen allein in der einfachen Heirath be- ftehen würde und als ihm hierüber einige Einwände und unter anderen machte, daß vermuthlich man zugleich wenigftens die Verficherung haben wollte, daß bei Vermählung des Kronprinzen man auch eine englische Prinzeſſin wiederum zu nehmen fich declariren möchte: fo verficherte mir der König bei Ehre, Treu und Glauben, daß er Feine einige Bedingniß hiebei annehme, noch weniger fo Tange er lebte, eine englifche Prinzeffin für feinen Kronprinzen nehmen wollte: es gejchehe aber für Vermählung, was es wollte, nimmermebhr von denjenigen Engagements geben würde, welde er mit E. Kaiferl. Majeftät hätte.

Ich bin nun mit diefem Verſprechen gejtern Nacht in die Stadt tommen, babe aber fogleich den allgemeinen Ruf gefunden, daß bie Heirath mit der älteften Prinzeffin ganz richtig und jo gut als ge Khloflen, indefjen mich diefen Morgen gegen 10 Uhr nad) Charlotten« burg erhoben, da der: König bereit? angelanget war.

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Sedendorff in einer Zifferndepefche an den Kaiſer, es gehe ihm die ver⸗ traute Nachricht zu, der König wolle nicht haben, daß man, was jüngft in Charlottenburg gefchehen, für eine Ankündigung der Heirath halten follte, „er babe zwar in guter Hoffnung au bon mariage getrunten, wolle aber nun erſt abwarten, was aus England dor conditiones bei der Heirath mit wollten angehänget werden.” Warum aber hatte er dann überhaupt gethan, was ingwifchen allgemein bekannt geworden war und jet dem Gerede der Leute gar nicht mehr entriffen werden konnte? Auf diefe Frage antwortete er jelbft, ala er am 9. April den Grafen Sedendorff empfing und ihm mitteilte, wie er zu bdiefem in der That Höchit auffallenden Schritt gebracht worden war durch Hotham und den König Georg II. jelbft; durch den erfteren, weil er jüngft in Eharlotten- durg fid mündlich dahin babe verlauten lafien, daß feine Herjendung Yediglich die einfache Heirat betreffe und durch den König von England, weil diefer in dem Briefe, den ihm Hotham zu übergeben hatte, gejagt, „ec babe dieſen Hotham befehligt, über den von der Königin von Preußen zu Ende verwichenen Jahres an die Königin von England ergangenen Brief (welcher von diejer einfachen Heirat allein geiprochen) vergnüg- liche Refolution zu geben”. &o babe er, der König, geglaubt, um allen etwa noch anzubängenden Bedingungen zuvorzulommen, werde er am beiten thun, „Togleich Damals der ganzen Gefellfchaft, jo zu Charlotten- Burg geivefen, feine Meinung wegen dieſer Heirat zu eröffnen,” d. h. feftzuftellen vor der ganzen amtlichen Welt, daß er nur die einfache Heirat, nur die Vermählung feiner Tochter, nur ein unpolitifche® Fa⸗ milienband, nicht aber ein politifchee Bündnis mit England fchließen wollte. Was der König nun noch über die Verhandlungen mit Hotham erzählte, die am 5. April begannen, flimmt überein mit dem, was wir ſchon wiſſen. Neu ift nur, was er auß einer vertraulichen Beiprechung mit feinen eigenen Miniftern über Hothams Auftreten dem Grafen Seden- dorff mitgeteilt hat. In diefer Beziehung fchreibt der letztere in feiner hier benugten Depeiche vom 11. April: „Der König giebt dem General Bord daB Zeugnis, daß er hierüber ala ein ehrlicher Mann gefprochen und weitläufig dargetban, es ſei diefe englifche Abſendung auf Betrligerei abgefehen, indem durch Dubourgay noch vor des Hotham Ankunft ver fihert worden, daß er mit feinem anderen Geichäft ala mit dem Vortrag der einfachen Heirat nach Inhalt des von der Königin von Preußen an die von England im vorigen Jahre erlaffenen Schreibens betraut, und da der König bereits durch feine Minifter habe deklariren laſſen, er wolle diefe accordiren, dinge fit aber aus, daß man don feiner zweiten Heirat iprechen, noch weniger dem König zumuten follte, fich um der einfachen

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v m 7 Ir. „raf Sedendorff dem SKaifer, 9 , , 2 „onig aus Potsdam nach Berlin 9 IL wo," „or€ und den Geheimen Rat Thule- 4 y 9,7, A, RF Stunden mit ihnen eingeſchloſſen, ſei nr 9, [> J Jdem gewöhnlichen Paradeplatz beim Aufzug * PD ”, s fih gemeiniglich alle fremden Minifter einzu- - "4 . {ud der König den kaiſerlichen Geſandten, fowie * wurde, ein, nach Aufzug der Wache auf ſein Zimmer an Sedendorff fand fich ein. Der König verſchloß die Thüren z te ihm nun unter der Bedingung, daß niemand als der Kaifer

eriabren dürfe, was fich in der Audienz vom 5. Mai zu Potsdam

seben Hatte. Die Rede Hothams Hatte gelautet: „Der König von England Habe mit vielem Vergnügen die Abthuung ber bisher ob« geſchwebten Streitigkeiten vernommen: er wollte nun auf Seiten feiner (sie) Alles, was zu Erhaltung diefer aufrichtigen Freundſchaft nöthig, willigft beitragen, und damit diefe fo nühliche und dem gemeinen Weſen lo beilfame gute Berftändniß zwiſchen beiden königlichen Häufern möge mehr und mehr befeftigt werden, fo hätte der König von England die ältefte preußifche Prinzeffin zu einer Gemahlin für den Prinzen von Wallis auserfehen und um dieſes Blutband deito mehr zu verknüpfen, lo offerire der König von England die Wahl unter all feinen Prin- zeffinnen, um davon eine für feinen Kronprinzen zu nehmen, indem ber ganzen englifchen Nation Wunſch und Verlangen wäre, das englifche

l) Dies Datum ergiebt fi) aus einem noch nicht gedrudten Bericht Hothams dom 6. Mai. Bisher wurde der 4. Mai als ber Tag der Audienz angenommen. Ücher dad, was biaher darüber belannt war, vgl. Bernbed a. a. D. €. 46 ff.

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Heirat willen von Ew. Kaiferlicden Majeftät und dem Reich zu trennen, jo müfle fih England nun erllären, ob ihm diefe Antwort anflände oder nicht? Kein treuer preußifcher Diener könne dem König raten, dieſe patriotifche Meinung zu ändern. Die ältefte Prinzeffin an England zu verbeiraten, wäre ein großes Glück, aber um der Urjache willen Ew. Kaiſerl. Majeftät Yreundfchaft und Bündnis wollen verlieren, Tönne fein techtichaffener Mann anraten, jo wenig ala nun durch eine doppelte Heirat dem König gleichſam Geſetze vorzufchreiben, an wen ex feinen Kronprinzen, wenn die Zeit käme, vermählen folltee Daß Hotham mit dem König allein feine negotia abhandeln wolle und fich über die Haltung des Protofolls bejchwerte, wären Zumutungen, fo von feinem fremden Miniftro bis dato verlangt worden. Es ftände zwar alles bei des Königs Refolution, allein bielte er, Bord, dafür, man möchte ſich wohl bedenken, dem Hotham beides zuagugeftehen, weil fehr gefährlich mit dergleichen liſtigen Seuten allein zu traftieren. Cnyphauſen jo, foviel uns ber König eröffnet, wenig oder gar nicht? dazu gefprochen, hingegen Thule meyer fi mit Bordd Meinung conformieret und beigefügt haben, daß die Hauptabficht von England auf die doppelte Heirat gerichtet, ala wo⸗ durch fie fich fchmeichelten, den König Ew. Kaiferl. Majeftät und des ruffiſchen Hofe Freundfchaft verlieren zu machen.”

Mit dem derben Wort „Betrügerei” bat General Bord den Zwed bezeichnet, den er in dem ganzen bisherigen Verfahren Englands entdedt hat, und doch beruft er fih nur auf den Widerſpruch, der fich zwiſchen Dubourgays Ankündigung und Hothams Handlungsweife offenbarte. Viel ernjter noch erjcheint und, daß Hotham in Berlin feinen Auftrag als eine dem König „angenehme Commilfion” bezeichnet, über den De zemberbrief der Königin von Preußen eine „zureichende Erklärung” an⸗ fündigt und in Eharlottenburg dem König ein Schreiben des Königs von England übergiebt mit der Bemerkung, der Inhalt desſelben werde dem König „angenehm“ fein, diefer Brief auch wirklich fagt, dem Ueber⸗ bringer ſei über jenem Dezemberbrief „vergnügliche Reſolution“ mit gegeben, während von all dem fein Wort richtig war; denn wir willen, Hotham Hatte dem König in der Heiratöfache, von der doch der Brief vom 17. Dezember allein handelte, nichts „Angenehmes“ und nicht „DBergnügliches” auszurichten, feine „Erklärung“ zu thun und keine „Rejor Iution” zu eröffnen, fondern lediglich zu fragen nach Dingen, die man längſt wußte. Durch abfichtliche wohlberechnete Vorſpiegelungen iſt det König Friedrich Wilhelm in die Feſtſtimmung verfegt worden, in der et Minifter und Gefandte zur Hoftafel nach Charlottenburg befchied, um dort das frohe Familienereignis zu feiern, von dem er nicht ahnte, daR

401] Sir Charles Hotham u. Friedrich Wilhelm I. im Jahre 1730. 108

es nichts war und nichts fein follte als ein Trugbild, um ihn ſchon durch das bloße Gerede davon mit dem Kaifer und dem Reich zu über- werfen. Denn auf das Mißtrauen, das zu Wien und Peteröburg aus einer folchen Heiratsverhandlung zwifchen Berlin und London entftehen mußte, ganz einerlei, ob nachher etwas daraus wurde ober nicht, war, wie fi) nachweiſen läßt, in London von vornherein mit weiſem Bedacht gerechnet worden. Für das alles Hatte General Bord, der darüber viel- leicht lange nicht jo genau unterrichtet war wie wir jetzt, mit glüdlichem Inſtinkt das Wort „Betrügerei“ gefunden, und König Friedrich Wilhelm betrachtete fein Votum als die Stimme eined „ehrlichen Mannes“ ; für ihn felbft Fam der Tag der Entſcheidung erft am 5. Mai!), als ipm Hotham in feierlicher Audienz Gröffmingen machte, an deren GEindrud er auf lange hinaus genug Hatte.

Unter dem 11. Mai 1730 berichtet Graf Gedendorff dem Kaifer, am frühen Morgen des 9. Mai fei der König aus Potsdam nach Berlin gelommen, Habe ſofort den General Bord und den Geheimen Rat Thule meier rufen Lafien, fich etwa zwei Stunden mit ihnen eingefchloffen, fei aber um 10 Uhr morgens auf bem gewöhnlichen Paradeplat beim Aufzug der Wache erfchienen, wo ſich gemeiniglich alle fremden Minifter einzu« finden pflegten. Hier lud der König den Kaiferlichen Gefandten, fowie ex feiner anfichtig wurde, ein, nad Aufzug der Wache auf fein Zimmer su kommen. Seckendorff fand ſich ein. Der König verſchloß die Thüren und eröffnete ihm nun unter der Bedingung, daß niemand als der Kaiſer davon erfahren dürfe, was fich in det Audienz dom 5. Mai zu Potsdam begeben Hatte. Die Rebe Hothams Hatte gelautet: „Der König von England habe mit vielem Vergnügen bie Abthuung der bisher ob⸗ geſchwebten Streitigkeiten vernommen: er wollte nun auf Geiten feiner (sic) Alles, was zu Erhaltung dieſer aufrichtigen Freundſchaft nöthig, willigft beitragen, und damit diefe | fo heilſame gute Verſtändniß zwiſch mehr und mehr befeftigt werden, | alteſte preußifche Pringeffin zu ein Wallis auderjehen und um biejes ſo offerire der König don Englanl zeffinnen, um davon eine für feinen ganzen englifchen Nation Wunf ı

1) Dies Datum ergiebt fid) aus ein dom 6. Mai. Bisher wurbe der 4. Me Ueber bad, was biäher darüber befann!

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Heirat willen von Ew. Kaiferlichen Majeftät und dem Reich zu trennen, jo müfle fih England nun erflären, ob ihm biefe Antwort anftände oder nicht? Kein treuer preußifcher Diener könne dem König raten, dieje patriotifche Meinung zu ändern. Die ältefte Prinzeffin an England zu verbeiraten, wäre ein großes Glück, aber um der Urfache willen Ew. Kaiſerl. Majeftät Freundſchaft und Bündnis wollen verlieren, könne fein techtichaffener Dann anraten, fo wenig ale nun durch eine doppelte Heirat dem König gleichfam Geſetze vorzufchreiben, an wen er feinen Kronprinzen, wenn die Zeit käme, vermählen follte. Daß Hotham mit dem König allein feine negotia abhandeln wolle und fi) über die Haltung des Protokolls beſchwerte, wären Zumutungen, fo von Teinem fremden Miniftro bis dato verlangt worden. Es ftände zwar alles bei bes Königs Reſolution, allein Hielte er, Bord, dafür, man möchte ſich wohl bedenten, dem Hotham beides zuagugeftehen, weil ſehr gefährlich mit dergleichen liftigen Seuten allein zu traktieren. Cnyphauſen foll, foviel uns der König eröffnet, wenig oder gar nicht? dazu gejprochen, hingegen Thule meyer fih mit Borcks Meinung conformieret und beigefügt haben, daß die Hauptabficht von England auf die doppelte Heirat gerichtet, als wo⸗ durch fie fich fchmeichelten, den König Ew. Kaiferl. Majeftät und des ruffiichen Hofes Freundſchaft verlieren zu machen.”

Mit dem derben Wort „Betrügerei” hat General Bord den Zwed bezeichnet, den er in dem ganzen bisherigen Verfahren Englands entdedt hat, und doch beruft er fih nur auf den Widerfpruch, der fich zwiſchen Dubourgays Ankündigung und Hothams Handlungsweife offenbarte. Viel ernfter noch erfcheint und, daB Hotham in Berlin feinen Auftrag ala eine dem König „angenehme Commiffion“ bezeichnet, über den De zemberbrief der Königin von Preußen eine „zureichende Erklärung“ an» fündigt und in Charlottenburg dem König ein Schreiben des Königs von England übergiebt mit der Bemerkung, der Inhalt desſelben werde dem König „angenehm“ fein, diefer Brief auch wirklich ſagt, bem Weber» bringer fei über jenem Dezemberbrief „vergnügliche Reſolution“ mit gegeben, während von all dem fein Wort richtig war; denn wir willen, Hotham Hatte dem König in der Heiratsfache, von der doch der Brief vom 17. Dezember allein Handelte, nichts „Angenehmes“ und nicht „Dergnügliches” außzurichten, keine „Erklärung“ zu thun und keine „Reo- lution” zu eröffnen, fondern lediglich zu fragen nach Dingen, die man längft wußte. Durch abfichtliche wohlberechnete Vorſpiegelungen ift der König Friedrih Wilhelm in die Feſtſtimmung verjeht worden, in der et Minifter und Gefandte zur Hoftafel nach Charlottenburg befchied, um hart das frohe Familienereignis zu feiern, von dem er nicht ahnte, daR

401] Sir Charles Hotham u. Friedrih Wilhelm I. im Jahre 1730. 108

es nichts war und nichts fein follte als ein Trugbild, um ihn jchon durch dag bloße Gerede davon mit dem Kaifer und dem Reich zu üher- werfen. Denn auf das Mißtrauen, das zu Wien und Peterburg aus einer folchden Heiratsverhandlung zwifchen Berlin und London entjtehen mußte, ganz einerlei, ob nachher etwas daraus wurbe oder nicht, war, wie fich nachweifen läßt, in London von vornherein mit weilem Bedacht gerechnet worden. Für das alles hatte General Bord, der darüber viel« leicht lange nicht fo genau unterrichtet war wie wir jetzt, mit glüdlichem Inſtinkt das Wort „Betrlügerei” gefunden, und König Friedrich Wilhelm betrachtete fein Botum als die Stimme eines „ehrlichen Mannes“ ; für ihn jelbft kam der Tag der Entfcheidung erft am 5. Mai!), als ibm Hotham in feierlicher Audienz Gröffnungen machte, an deren Eindrud er auf lange hinaus genug Batte.

Unter dem 11. Mai 1730 berichtet Graf Sedendorff dem SKaifer, am frühen Morgen des 9. Mai fei der König aus Potsdam nach Berlin gelommen, babe fofort den General Bord und den Geheimen Rat Thule- meier rufen laffen, fich etwa zwei Stunden mit ihnen eingefchloffen, fei aber um 10 Uhr morgens auf dem gewöhnlichen Paradepla beim Aufzug dev Wache erfchienen, wo fich gemeiniglich alle fremden Minifter einzu⸗ finden pflegten. Hier lud der König den kaiſerlichen Geſandten, fowie er jeiner anfichtig wurde, ein, nach Aufzug der Wache auf fein Zimmer zu kommen. Sedendorff fand fih ein. Der König verfchloß die Thüren und eröffnete ihm nun unter der Bedingung, daß niemand als der Kaifer davon erfahren dürfe, was fich in der Audienz vom 5. Mai zu Potsdam begeben hatte. Die Rede Hothams hatte gelautet: „Der König von England babe mit vielem Bergnügen die Abthuung der bisher ob⸗ geſchwebten Streitigkeiten vernommen: er wollte nun auf Seiten feiner (sic) Alles, was zu Erhaltung diefer aufrichtigen Freundſchaft nöthig, willigft beitragen, und damit diefe fo nühliche und dem gemeinen Weſen fo Heilfame gute Verſtändniß zwijchen beiden königlichen Häufern möge mehr und mehr befeftigt werden, fo hätte der König von England die äftefte preußifche Prinzeffin zu einer Gemahlin für den Prinzen von Wallis auserfehen und um dieſes Blutband deſto mehr zu verfnüpfen, ſo offerire der König von England die Wahl unter all feinen Prin- zeſſfinnen, um davon eine für feinen Kronprinzen zu nehmen, indem der ganzen englifchen Nation Wunſch und Verlangen wäre, das englifche

1) Dies Datum ergiebt fi) aus einem noch nicht gedrudten Bericht Hothama vom 6. Mai. Bisher wurde der 4. Mai ala der Zag ber Audienz angenommen. Ueber das, was bisher darliber befannt war, vgl. Bernbed a. a. D. S. 46 ff.

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Geblüt mit dem preußifchen zu vereinbaren: um aber Ihrer Königl. Majeftät von Preußen zu bezeugen, daß man durch dieſe lebte Ver⸗ mählung nicht etwa vorbabe, ihm einen größeren Aufwand zuzuziehen, fo wolle der König von England die zur Braut erwählte englifche Prin- zeffin, jogleich zur Statthalterin von Hannoverfchen Landen und folglid hiernach den Kronprinzen ihren Gemahl zum Statthalter ernennen und aus dafigen Landen ihren ftandesgemäßen Unterhalt hergeben, ohne daß jolched dem König von Preußen zur Laft fallen ſolle. Dabei wäre be} Königd von England Abſehen nicht, ihn durch dieſe Doppelheirath don Ew. Kaiferlicden Majeftät Freundſchaft abzuziehen, vielmehr wäre jein Wunſch, fich auf billige Art mit Ew. Kaiferl. Majeftät auszuföhnen, wenn man nur dorher wüßte, was man don dem König von England verlangte: doch hätte er, Hotham, Ordre dem König im Vertrauen und mit der Bedingniß, daß er es Niemand wieder fage, zu eröffnen, wie man in England Hinter den Grund von der bis dato zwijchen beiden Höfen obgefchwebten großen Mißverftändniß gelommen, indem man er fahren, daß der preußifche in London angeftellte Refident Reichenbach die einzige Urfache davon, indem dieſer all feine Berichte nah Maß und Weile eingerichtet, wie folches von mir (Sedendorff) und einem in de KHönigd von Preußen Dienften ftehenden Miniſter (beffen Name er zu nennen fi) aber nicht getraute) dem Reichenbach an Handen gegeben worden, dabei diefer Mann fo vertvegen gewejen und des Königs von England Perfon in feinen Relationen nicht verſchonet, ſondern jelbigen fogar vor einen petit maitre tituliret: der König von England boffet dahero, man würde dieſen Reichenbach rappelliren und an feiner Stelle einen gut intentionirten Minifter dahin fenden, der die gute Harmonie zu unterhalten, fich angelegen fein laffe.“

An dem Auszug, welchen Raumer aus Hothams Bericht über feine Rede giebt, ift gerade die Hauptfache ausgelafien; für ihn kam nur ber Antrag auf Doppelheirat in Betracht, weil er ja an ben Emft dieſer Heiratverhandlung glaubte, und deshalb ließ er den Ausjall auf Neichenbach weg, den er gar nicht verfland, während wir darin die Hauptjache bei dieſer Rede, nämlich den politifchen Angriff auf Grumblow ertennen. Der Zufammenhang, in welchem der König biefen Vorſtoß auf Reichenbach mit dem Doppelheiratsantrag twiedergiebt, verleiht feinem Bericht einen befonders Tennzeichnenden Wert.

Sedendorff berichtet weiter: „Der König von Preußen verficert mich, daß er Mühe gehabt, das Ende von Hothams Nebe anzuhören, hätte fich aber doch refolligirt und ihm geantwortet, daß ihm des Könige von England Sreundfchaft ſehr wert, er wolle folche feinesorts zu unter

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halten fi) alle Mühe geben: wäre ein Glüd für feine ältefte Tochter, wo fie den Prinzen von Wales zum Gemahl befomme. Was aber feinen Prinzen anbelangte, jo bliebe er bei feiner Entichließung, jelbigen bei fo jungen Jahren nicht zu verheirathen, er felbft wäre noch von Alter und Kräften, daß er nach Gottes Willen noch Lange regieren Tönnte, hätte auch, Gottlob, mehrere männliche Erben, folgli” mit der Vermählung feines älteften Sohnes nicht nöthig fich zu übereilen: von Ew. Kaifer- lichen Majeftät Freundſchaft trennte ihn ohnedem nicht? in der Welt. Bäre er fo glüdlih um zu Heritellung des alten Syftematis etwas beizutragen, follte es mit vielen Freuden gefchehen. Bon Reichenbachs unmanierlicher Aufführung wäre ihm nichts belannt, und da er ohne⸗ dem fchon einen Minifter von mehrerer Diftinktion nach England zu fhiden refolviret!), würde e& feine Mühe often, den Reichenbach zu rappelliren: daB aber ich (Sedendorff) dem (dorerwähnten) Reichenbach follte Anlaß zu feinen Berichten gegeben haben, wäre er eines befleren don mir überzeugt, in den Berichten jelber auch nichts dergleichen ent« halten, fo ihm etwas Widriged zu argwöhnen Urfach geben könnte. Da man aber von einem feiner Minifter fpreche, der daran Antheil Habe, fo hoffe er, Hotham möchte ihn nennen, damit er Hinter die Wahrheit von der Sache kommen könnte. Im Übrigen wäre fein Anbringen fo be» ſchaffen, daß es mehrere Überlegung nöthig, und müßte fi) Hotham ge« dulden, bis der König in die Stadt käme, welches in wenig Tagen geichehen follte: Hotham hätte Hierauf, jedoch mit vielen Proteftationen, daß es nicht möchte wieder gefagt werden, ben Grumblow genannt, welcher derjenige, fo Reichenbach Alles an die Hand gegeben, was er an den König zu berichten, und anbei gemeldet, wie man in England wohl wüßte, daß Srumblow von Ew. Majeftät erlauft und alſo bei allen Gelegenheiten, das Taiferliche Intereſſe deiendirte, Hingegen gegen Eng⸗ Iond animirte: Mir, ala einem kaiſerlichen Diener wäre nicht zu ver⸗ übeln, wenn auch gleich den Reichenbach zu dergleichen favorablen Relationen Tür Kaiferliche Diajeftät verleitet, aber Grumbkow wäre nicht zu pardonniren, daß er fi) dazu gebrauchen lafin. Boch Hätte Hotham ehr gebeten, Niemand etwas davon wieder zu fagen, in den König aber ſtark gedrungen, ihm zur Stund eine Finalreſolution zu geben; er hätte aber dem Hotham geantwortet, daß er vorher erſt mit Bord und Thule meyer die Sache überlegen müfje, darüber Hotham beftürzt gefraget, ob

1) Ten Grafen Tegenfelb vgl. oben ©. 88.

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nicht auch mit Enyphaufen!)? Worauf er replicieret, ex würde hierin bei feiner Rüdkunft thun, was er für nöthig erachtete.”

So ber Bericht des Königs Über die Antwort, die er noch vor Be fragung feiner Minifter jofort an Hotham erteilt und von ber früher fo gut wie nichts befannt war, weil Raumer auß dem Bericht Hothams vom 6. Mai wiederum die Hauptjache, nämlich die Aeußerungen über Reichenbach und Grumbkow weggelaffen Hat; außerdem Hat er auch) bie Worte: Yesterday I went to Potsdam and in the audience I had of the King übergangen und dadurch verfchuldet, daß das richtige Datum diefer Audienz unbekannt geblieben ift.

Bon jehr großer Wichtigkeit find nun die Worte, welche der König am Schluffe feiner Erzählung an Sedendorff gerichtet bat. Dieſe Worte lauteten nach des letzteren Bericht vom 11. Mai: „Diefe Sache fei ihm etliche Zage jo zu Herzen gegangen, daß er jajt nicht wußte, was er für eine Entfchließung nehmen follte: gegen die einfache Heirath hätte er nicht? zu jagen, doch wäre es ihm indifferent, fie gejchehe oder fie geichehe nicht; Hingegen wäre der Antrag wegen der zweiten Heirath und der angehängten StattHalterjchaft von Hannover jo impertinent, daß er ſich nicht einbilden könnte, wer die Verwegenheit gehabt, in England dergleichen Vorſchläge zu thun: fo viel merkte ex wohl, daß der Leute ihr Gedanke, ihn als einen kargen Filz auszuſchreien, der nicht das Herz entweder Hätte, feinem Sohn aus Geiz eine Frau zu geben oder bem es an Mitteln fehle, feine Kinder zu unterhalten: nicht weniger er belle Elar, aus dem was man fich gegen Reichenbach befchwerte, daß man bisher all feine Briefe erbrochen, weil in der That Reichenbach ben König von England vor einen petit maitre in feinen Rapporten au gegeben: ob ich mit Reichenbach cotrespondirte, wüßte er nicht, wäre aber vollfommen perjuadirt, daß, wenn das auch geichehen, boch nichts dergleichen in ben Briefen enthalten, was nun die Engländer fäͤlſchlich angebeten (angäben). An Grumbkow follte ich von diefem allen nichts jagen, er würde ihn ſelbſt darüber fprechen: ihm wäre unverborgen, daß die Engländer dem Grumblow gram, er wäre aber ein ehrlicher Mam, der ihm wohl und getreu diente. Er hätte nun nach feiner hente Morgen gejchehenen Zurüdtunft den General Bord und Thulemeyer zu fih kommen laffen und Hätte ihnen Alles, gleich ex mir erzählt, bekannt gemacht, auch weil es zu ihrer Verantwortung ausſchlagen möchte, feine an Hotham zu gebende Antwort in die Feder diktirt, doch anbei die

1) Tiefe „beftürzte" Frage erklärt fi) aus dem, was Hotham oben S. N über die Stellung Enyphaufens gejagt hat.

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Grlaubniß gegeben, wo fie nach ihren Pflichten glaubten, daß man eine und die andere Sache befier faflen könnte, dabei zu erinnern und wollte ex feine Meinung gar gerne ändern, wenn man mit zulänglichen Gründen ihn eined Befſern bereden Lönnte: indeß wäre feine Refolution, die er an Hotham zu geben vermeinte, darin beitanden, daß wenn der König von England feine ältefte Tochter wollte für den Prinzen von Wales haben, er bei diefer Heirath nichts einzuwenden: die® aber von feinem Kronprinzen und einer englifchen Prinzeifin könnte wegen feiner Jugend und anderer Urſachen willen nicht gejchehen. Dabei ihm aber fehr em⸗ pfindlich, daß man ihm nebft der Statthalterfchaft von hannoverſchen Landen auch den Unterhalt für feinen Kronprinzen und deſſen augedachte Gemahlin offerirte, gleich ala ob «8 ihm an Willen oder Mitteln fehlte, feine Kinder jelbft zu ernähren; feinen Kronprinzen in hannoverſchen prin- cipiis erziehen zu laſſen würde er ebenfo wenig zugeben, als England wohl fchwerlich einen von ihren Prinzen in den biefigen zu unterrichten gelegen wäre: damit aber gleich wohl England jehen möchte, daß man. diefe zweite Heirath nicht ganz verwärfe, fo wolle er fich für feinen FKronprinzen dazu rejolviren, wenn man fich von Seiten Englands im Voraus bereit erflärte, etliche Ämter und Provinzen von den Hannoverfchen Landen zum Heiratsgut mitzugeben: doch bevingte er noch dabei, daß man die Vollziehung dergleichen Heirath noch einige Jahre und fo lange ausfetste, biß er die Vermählung für gut finde: es gefchehe aber was ba wolle, jo müfle England vor allen Dingen wiffen, daß all diefe Allianzen von Geblüt ihn und fein Haus niemalen von Ew. Kaiſerlichen Majeftät und dem Reich abziehen würden, als deſſen Hoheit, Gerechtſame und Freiheit nach allen Kräften zu beſchützen feine Pflicht und Schuldigkeit erforderte.” Diefe Worte bekräftigte der König am Schluffe mit der Betbeuerung, daß er feine gegenüber dem Kaifer eingegangenen Ver⸗ pflichtungen und Bünbdniffe „Heiliglich“ vollziehen wolle, aber ſeitens des Kaiſers auch ein Gleiches Hoffe. Für feine Zufage dankte ihm Graf Sedendorff mit warmen Worten und fügte Hinzu: „ch wäre nicht ge- wohnt, dem König feine Diener verhaßt zu machen, könnte aber aus Eifer für feine Ehre nicht bergen, daß alle diefe Vorfchläge von hier aus nad) England geſchehen und weil Hotham fich nicht fcheute, den Grumb⸗ kow und mich unſchuldig zu nennen, fo könnte ihn verfichern, daß. Enyphaufen an all diefen Rathichlägen Theil Hätte !), des Hotham Eurier wäre kaum zu Berlin angelangt gewejen, jo hätte er fich zu Enyphaufen verfügt und vermuthlich mit ihm Abrede genommen, was er beim König,

1) Bgl. oben ©. 83. 84.

108 Wilhelm Onden. [406

zu jagen: auch da er wieder von Potsdam zurückkam, babe er fich aber mals erft den eigenften Abend bei Cnyphauſen wieder eingefunden und den Morgen darauf den Bord jprechen wollen. Sch meines Orts Könnte zwar in ſolchen häuslichen Angelegenheiten dem König keinen Rath geben, ‚glaube aber, daß die Antwort, fo er auf den englifchen hoffärtigen An⸗ trag wegen des Kronprinzen Unterhaltung geben wollte, wohl meritirte, daß man ihnen eine glatte abfchlägige Antivort gäbe, da obnedem nicht zu vermutben, daB der König von England von feinen deutſchen Pro vinzen einige zu Verbeiratungen feiner Prinzeffin abgeben follte Was Hotham gegen mich angebracht, ala ob den Reichenbach zu Ablegung favorabler Relationen verleitet, käme mit den Verleumbungen überein, fo am ſächfiſchen Hof und anderen Orten gegen mich außgeftreuet wärden: den Reichenbach hätte ich Zeit meines Lebens nur einmal geſprochen, zwei Mal aber occasione der vom König an ihn mir anvertranten Briefe gefchrieben ; doch wäre mir lieb, wenn fie in England die Briefe erbrochen, jo würden fie jelbft ala ehrliche Leute jagen müſſen, daß fie mir Unrecht gethan: ob Grumbkow mit Reichenbach in Correspondenz wäre, wäre mir nicht gewußt, aber wohl, daß es ſchändliche und grobe Unwahrheiten, wenn man vorgeben wollte, ala ob er von Em. Kaiſer⸗ lichen Majeftät erkauft: die Engländer judicirten vermuthlich Ew. Kaifer- che Majeftät nach ihren jchändlichen prineipüs, da fie mit fo viel Zaufend Pfund Sterling ganz Deutfchland zu ihrer Dispofition haben wollten: an anderen Höfen könnte vielleicht die Gewinnung der Minifter einigen Nuben haben, aber da der König feine Geichäfte alle ſelbſt thäte und refolvirte, fo würbe man fein Geld umſonſt anwenden: Hätte der König die Gnade und fpräche dem Grumblow davon, wärde er fi der: muthlich ſehr Leicht entichuldigen können: wäre es wahr, daß Neichen- bach in disrefpectueufen terminis vom König von England geſprochen, fo glaube ich zwar, daß der König nicht wohl anders könnte, ala felbigen von den englifchen Gefchäften zu entfernen, weil er aber doch ehrlich und treu gedient, auch eine große connaissance in England, fo Hielte dat, ber König follte ihn in London Laffen, um feine Privatcommiffionen zu verrichten, denn, wo er ihn ganz wollte fallen Lafien, jo würden die jenigen, fo ihm noch mit Treue zugethan, ſich wohl in Acht nehmen, damit fie nicht durch ihre wahrhaftigen Relationen dem Hof mißjallen möchten, an ben fie geichidt. Bei der an Hotham zu gebenden Antwort hätte noch das zu erinnern, dab der König in Zukunft nicht perfönlic mit Hotham handlen, fondern felbigen feine Refolutionen durch Bord und Thulemeyer follte wiffen laſſen, mit der Vorfichtigkeit jedoch, daß jelbige

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an Hotham nichts weiter fagten, ala was fie ſchrijtlich vom König in Beiehl hätten.”

Alle diefe lange Unterredung geſchah vor der Mahlzeit, ich mußte auch bei felbiger bleiben, wobei nur die drei Töniglichen Prinzen und fünf Offiziere; der König felbft machte die Kleinen Prinzen, deren einer von 4 Jahren, die Gefundheit aller rechtfchaffenen Deutjchen trinken und Ichien nicht mit dem Kronprinzen ſelbſt aufrieden zu fein.”

Vorſtehende Unterfuchung gehört zu den Studien, welche der eben beginnende Neudrud meine Buches über „das Zeitalter Friedrichs des Großen” notwendig gemacht bat. Ihre Veröffentlichung aber ift ver» anlaßt durch ein Vorwort, welches ich jüngft dem ſchon erwähnten jechften Hefte der „Gießener Studien auf dem Gebiet der Geſchichte“ mitgegeben babe. In diefem Vorwort habe ich gejagt: „Ich ſelbſt war bei erneutem Studium diejer Epoche zu der Weberzeugung gelommen, daß der englifche Hof im diefer ganzen Sache durch und durch unreblich verfahren ift, daß er weder die einfache noch die doppelte Heirat gewollt, fondern durch eine bloße Scheinverhandlung, deren angeblicher Zwed gar nicht gelingen follte, Lediglich beabfichtigt hat, den preußifchen Hof vom Kaiſer Loszureißen, in London die Abberufung des preußifchen Nefidenten Reichenbach, in Berlin die Entlaffung des Miniſters v. Grumbkow durchzuſetzen, durch beides den Einfluß des kaiſerlichen Geſandten dv. Sedendorff zu brechen und den König Friedrich Wilhelm der eng⸗ lichen Politik für immer zu unterwerfen. Ich riet dem Berfaffer, die duch Raumer und Garlyle, Ranke, Droyfen und Kofer überlieferten ur⸗ tundlichen Angaben über den Gang der Verhandlung Hothams einmal abgelöft von allen Zuthaten jpäterer Beurteiler außfchließlih unter diefem Geſichtspunkt zu bearbeiten und zu fehen, ob fich derjelbe ge= eignet und zureichend erweiſen würde, alles das aufzuklären, wa8 an dem Ihatjachenverlauf bisher der Aufflärung bebürftig ſchien.“ Als ich mir die eben entwidelte Anficht bildete und im Dezember 1893 Herrn Dr. Bernbeck den Hier angegebenen Nat erteilte, hatte ich noch feinen Verſuch gemacht, mi um archivaliiche Aufichlüffe zu bemühen und ahnte nichts don ber Fülle Überzeugender Belege, welche ſich aus den Schäben der Archive zu London und Wien jür meine Anficht ergeben würde. Was fi) aus den gedrudten Quellen für meine Aufiaffung gewinnen läßt, ift in den Abſchnitten III und IV der Schrift von Bernbeck aus⸗ einandergeſetzt: was die bisher ungedrudten darüber bieten, veröffentliche ih an diefer Stelle. Diefem erften Auffah denke ich einen zweiten folgen zu Laflen, welcher den „Sturmlauf wider Grumbkow“ enthalten foll.

V.

Freiherr von Beinik als Chef des Salzdepartements (1786—96).

Bon

Auguſt Schwemauu!).

Am 2. Oktober 1786 ernannte König Friedrich Wilhelm II, den Minifter Treibern von Werder zum Chef des Acciſe⸗ und Zolls departements und übertrug zu gleicher Zeit das von Werder bis dahin geleitete Salzdepartement dem Minifter Freiherrn don Heinitz. Dies war ein glüdlicher Griff des Könige; denn das Salzdepartement bedurfte eines thatlräftigen Mannes, um aus der Stagnation, welche unter den

1) Die Hier zum Abdruck gebrachte Abhandlung ift ein Kleiner Zeil ber feit Jahren im Gange befindlichen Vorarbeiten der Acta borussica in Bezug auf die preußifche Bergwerks⸗, Hütten: und Salinenverwaltung des 18. Jahrhunderts. Ih kann natürlich für gewöhnlich nicht geftatten, daß einzelne wertvolle Atten oder zufammenfaflende Stücke ber Darftellung im voraus publiziert werden. Hier aber Liegt die Sache infofern eigentümlich. Vergaſſefſor Schwemann, welcher ſeit Ditober 1892 dag Salinenwefen bearbeitet, wird wahrfcheinlich zum Schluß des Jahres 1894 aus ber Reihe der Mitarbeiter ausſcheiden, um in bie praftifche Vergverwaltung zurüdzufehren. Er wirb aljo bie lebte Hand an jeine Vor⸗ arbeiten nicht legen können, mit welchen bie akademiſche Kommilfion fo ſehr zu: frieden war. Deshalb erjcheint es angezeigt, ihm zu geftatten, daß er wenigitend einen Zeil feiner Darftellung jebt fchon und unter feinem Namen veröffentliche. Tie Studie gehört überdies der Zeit nach 1786 an, bie ja nur anhangsweiſe, fo: weit es zum abfchließenden Urteil nötig erfcheint, in ben Rahmen der Acta bo- russica einbezogen werben foll. Diefe felbft werden jomit durch eine auf bieje Zeit bezügliche Veröffentlichung in erwünjchter Weiſe entlaftet.

G. Schmoller.

112 Auguft Schwemann. [410

Miniftern Derſchau, Michaelis und Werder allınählich eingetreten war, zu neuem Leben zu erwachen. Und bierzu war Heinit der rechte Mam. Er war nicht allein im Salzweſen jachtundig, fondern auch ein Organi- fator erjten Ranges. Das Hatte er feit Uebernahme des Bergwerts- und SHlüttendepartemente am 7. September 1777 in ausreichenden Maße bewiejen !).

Ein Mann von umfaffenden Kenntniffen, organifatoriichem Talent und ftaatsmännifch weiten Blick bat er auf die Entwidelung der ge ſamten Snduftrie Preußens er war auch zweimal Leiter des 5. De partements den größten Einfluß gehabt. In feinem eigentlichen Sache, auf dem Gebiete des Berg- und Hüttenweſens aber bat er ge radezu Grftaunliches geleiftet. In den 25 Jahren, in denen er bem Bergwerks⸗ und Hüttendepartement vorſtand, wurde dieſer Induftrie zweig auf eine Höhe gebracht, daß man Heinit ala den Begründer des preußifchen Bergbaus anfehen darf. Allerdings verftand er eg auch wie faum ein zweiter, die richtigen Hülfekräfte heranzuziehen. So waren es vor allem feine Nachfolger, der fpätere Minifter Graf von Reden und ber Oberberghauptmann Gerhard, welche ihm treulich halfen und in feinem Sinne auch fortwirkten.

Schon unter Friedrihd dem Großen Hatte Heinib Gelegenheit ge- habt, fi) mit den Salzweien näher zu befaffen?).

Die pfännerfchaftlicden Salinen zu Halle, Staßfurt und Er. Salze hatten ihr Abſatzgebiet, Churfachien, faſt gänzlich verloren und baten Friedrich den Großen fortgefeßt um Hülfe. Der König verfchaffte ihnen Abſatz, indem er dag für die neuerworbene Provinz MWeftpreußen nötige Salz den Pjännerfchaften abnahm. Dies war aber nicht genug, um bie Salinen vor dem Ruin zu retten. Der König beauftragte daher am 2. Auguft 1783 den Minifter Heinig, darüber nachzudenten: „ob man aus der Salz⸗Sohle nicht ein anderes Product als etwa einen Salpeter oder was es fonften fei zu Wege bringen könne, damit die Leute ſich einigermaßen helfen und dies Product dann verkaufen können.“ Heinig fam auf den Gedanken, aus der Soole ein fünftliches Steinfalz herzu⸗ ftellen und dieſes nach Schleken, welches jährlich ein bebeutendek Quantum für das Vieh gebrauchte, abzujeken. Er vermochte die Pfänner Ihaft zu Gr. Salze, die Hierzu nötigen Verfuche anzuftellen und ver- Ichaffte ihnen vom Könige einen Zufchuß von 2000 Thlr. Diele Ber:

1) Reimann, Abhandlungen zur Gefchichte Friedrichs des Großen. Gotha 1892. ©. 124 fi. 2) Wutke, Die Verforgung Schlefiens mit Ealz. Berlin 189. S. 32 fi.

411] Freiherr v. Heinig ala Chef des Salzdepartements (1786—96)., 118

fuche fanden zu Frohſe ftatt, mißglüdten jedoch gänzlih. Die Oefen, in denen das Steinjalz geſchmolzen werben follte, ftürzten ein, weil fie zu ſchwach gebaut waren und die große Hite nicht außbalten konnten. Nun ließ Heinig einen neuen Plan und Koftenanfchlag von Räten des Berg⸗ werks⸗ und Hüttendepartement® anfertigen und ſchoß aus feinen Dige pofitionageldern 6000 Thlr. vor. Die neuen Oefen wurden gebaut, aber erft nach vielen Verfuchen gelang es, ein einigermaßen brauchbares Produkt herzuſtellen. Inzwiſchen hatte Heinig nach langen Verhand⸗ Iungen den Minifter für Schlefien v. Hoym bewogen, zur Probe 8000 Ctr. des Kunftprodufts zu laufen. Dieſes Quantum wurde im Sonmer des Jahres 1786 geliefert, fiel aber jo ungünftig aus und war außerdem jo teuer, daB Hoym fich weigerte, weiteres Fünftliches Steinjalz abzunehmen. Auf Beranlaffung von Heinig erklärte fih dann Hoym damit einverjtanden, der Pjännerfchaft zu Gr. Salze als Entſchädigung für die aufgewandten Koften jährlich 500 Laſt Siedfalz abzunehmen.

Diefe Berfuche zeigen, daß Heinig auch ein reges Intereſſe für die ihm ferner liegende Induftrie Hatte und keine Mühe fcheute, die Ent- wickelung derfelben zu fördern.

Heinitz ftand, als der König ihn zum Chef des Salgdepartements machte, in der Vollkraft feines Schaffens, und wahrlich, er fand ein weites Gebiet für feine Thätigkeit vor, denn das Salzweien war unter feinen Borgängem ſtark vernachläffigt. Das Salzdepartement wurde von 1768—1769 von dem Minifter v. Blumenthal!) geleitet. Diefer verftand es in feiner jechgjährigen Amtsthätigkeit, die nachteiligen Folgen bes fiebenjährigen Krieges zu verwilchen. Er wußte bei dem Könige durchzufegen, daB mit einem Koftenaufvand von über 200000 Thlr. die Cokturen zu Halle und Schönebed ſowohl wie die zu Koͤnigsborn und Neufalzwert gänzlich umgebaut, neue Gradierwerke angelegt, die Koblengruben bei Wettin, welche die Kohlen für die Saline Halle Lieferten und daber zum Salzdepartement gehörten, wieder in Stand gejeht wurden u. f. w. Zwar mußte der Salzpreis im Lande pro Metze um 4 Pf. erhöht werden, aber Hierdurch war eine Reorganifation des Salzweſens geficdert und die durch den Krieg bervorgerufenen technifchen Mikjtände konnten nachhaltig befeitigt werden.

Auch fein Nachfolger, der Minifter von Derſchau, der am 15. April 1769 die Leitung des Salzweſens erhielt, fehte anfangs die Reformen fort 2). Ihm war bei Gelegenheit von Kaffendefraudationen, welche

1) Geh. Staatsarchiv. Gen.:Dir. Salzbepartement Nr. 175d. 2) Geh. Staatsarchiv. Gen.⸗Dir. Salzdepartement Rr. 6. Forichnugen 3. brand. u. preuß. Geſch. VII. 2. 8

114 Auguft Schwemann. [112

durch den Rendanten Krüger und den Kontrolleur Grundmann der General: falzfaffe begangen waren, eine Unterfuchung des gefamten Salzweiens aufgetragen. Bei diefer Selegenbeit hatte er in Schönebet und Hall neue, für den Fiskus günftige Verträge mit den Siede- und Schiffahrts⸗ pächtern abgejchloffen und das Kafjen- und Rechnungsweſen neugeordnet. Da aber der König am 20. Mai 1774 ihm nicht allein die für Ren einrichtungen beantragten Gelder verweigerte, fondern ihm auch nidt geitattete, die über den Etat erzielten Ueberſchüfſe Für Verbeſſerungen anzuwenden, jo bejchräntte fich Derſchau in den jpäteren Jahren ſeiner Amtstbhätigkeit darauf, das Beitehende zu erhalten und zu fichern!)

Sein Nachfolger, der Minifter Michaelis, welcher vom 9. Dezember 1779 bi8 zum 3. Juli 1781 dem Salzdepartement vorstand, war zu turze Zeit Leiter des Salzweſens um irgend welche nennenswerte Ber befjerungen einführen zu können.

Nah Michaelis Tode erhielt am 31. Dezember 1781 der Miniiter don Werder das Salzdepartement, welches er biß zur Nebernahme durch Heinig führte. Werder that gar nicht®, um das Salzivejen aus ber Berfumpfung, in welche e8 zu geraten drohte, berauszubringen. GT tümmerte fi nicht um das Galzdepartement und brachte es daher zu Wege, daß fich daß Salzwefen, als er das Departement abgab, in einer traurigen Berfafjung befand, wie jpäter des näheren gezeigt werden wird. Heinitz ſtand alfo vor einer großen Aufgabe. Bevor jedoch feine Thätigkeit geichildert werden ſoll, möge hier eine Beichreibung des Salz weſens zu jener Zeit Pla finden,

Die Rechte des Staates?) in Bezug auf daB Salzweien, jchlechthin Salzregal genannt, beitanden aus dem Salzhandelamonopol und dem Salzgewinnungsmonopol. Griteres ſtand dem Staate für den ganzen Umfang der Monarchie zu und wurde in allen neuerworbenen Ländern jofort nach der Befibergreifung eingeführt, letzteres war durch bie fo. genannten rebidierten Bergordnungen von 1766, 69 und 72 in Kleve Marl, Schlefien und Magdeburg - Halberftadt in Kraft getreten. Die Rechte des Staates in Bezug auf den Salzhandel wurden durch dai Salzdepartement, in Bezug auf die Salzgewinnung durd) das Berg: werks⸗ und Hüttendepartement ausgeübt; von erfteren joll jedoch hier lediglich die Rede fein.

1) Geh. Staatsarchiv. Gen.⸗Dir. Salzdepartement Nr. 164 vol. 17. 2) Kloſtermann, Das allgemeine Berggeſetz für die preußiſchen Staaten vom 24. Juni 1865, S. 78.

413] Freiherr d. Heinik ala Chef des Dalzdepartements (1786—96). 115

Das Salzwejen, wie e8 dem Salzdepartement unterftand, war nicht gleih dem Berg- und Hüttenweien im ganzen Staate einheitlich geregelt. Während es in Schlefien dem dortigen Minifter unterftand, Hatte für fämtlide anderen Provinzen das Salzdepartement die oberfte Leitung. Hieraus entftanden viele Mißhelligkeiten und Neibereien zwifchen dem Salzdepartement und dem Minifter für Schlefien, beſonders da Schlefien, mit Ausnahme eines Heinen Poſtens, den die abliche Pfännerichaft zu Gr. Salye lieferte !), ſämtliches Salz von dem Salzdepartement bezog.

Direlt unter dem Departement ftand die Generalfalzkaffe, welche mit der churmärkifchen Provinzialfalzfaffe verbunden war.

Die Seneraljalztaffe vereinnahmte die von den Provinziallafien ein- fommenden Salzdebitsgelder und fonftigen Salzgefälle und mußte die Ansgabe ber Betriebagelder Für die Salinen zu Halle und Schönebed, für den Anlauf des pfännerfhaftlichen Salzes, der etatsmäßigen Schiffe fahrt?» und Schleufengelder, fowie der Gelder für Neu- und Reparatur« bauten und der etatsmäßigen Gehälter bejtreiten.

Aus den fich ergebenden Weberjchüffen wurde das Etatsquantum an die Generaldomänenkaſſe abgeführt und der dann verbleibende außer: etatsmäßige Ueberſchuß nach Anweifung des Salzdepartements verrechnet.

In den Provinzen war bei jeder Kammer unter Aufficht derfelben eine Provinzialfalztafje errichtet, welche die von den Salzfaktoren ein- tommenden Salzdebitägelder zu vereinnahmen und auf Anweiſung der betreffenden Kammer die vorkommenden Ausgaben zu beftreiten hatte, im übrigen mit der Generalfalztaffe aufrechnete.

In dem Gebiete diesſeits der Weſer waren zwei Salinen, bie dein Staate gehörten, Schönebed und Halle, welche ungefähr 17 500 und 4500 Laſt Salz jährlich zu liefern im ftande waren?). Beide Salinen waren verpachtet, Schönebek an die Geheime Rätin von Gansauge und Halle an die Frau von Billerbed. Diefe Unternehmerinnen hatten die Fabrikation des Salzes zu beforgen und es in Tonnen von 270 Pfund Inhalt an die Salzichiffahrt, welche dem Schiffahrtsdirektor Wieſel verpachtet war, abzuliefern. Die Aufficht und Kontrolle über bie Salinen übte die Magdeburgifche Kammer und die Kammerdeputation zu Halle aus. Diefe Behörden Hatten beſonders darauf zu jehen, daß das Salz in gehöriger Güte und Trodenbeit geliefert wurde, die Zonnen daß feftgefeßte Gewicht enthielten und dicht gebunden waren, ferner daß das Tontraftmäßige Quantum Salz in beftimmten Terminen der Schiff⸗

1) Wutfe, Die Berforgung von Echlefien mit Salz. Berlin 1894. ©. 69 ff. 2) Geh. Staatsarchiv. Gen.:Dir. Salzdepartement, Abt. III Nr. I, 3. 8*

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Ir Keintem x or Year Sxlumen zur Schiuebed und Halle ge mr Ss me vr zer Arm au den Schiffahrtsdireltor, or m Semiemer Sie memuter Die Berſchiffung geſchah at va Betr un Erteimiamgazieen fämtlicher Brovinzen sr me Er pa Tr eine Terre Zu Aumſang eines jeden I: TIR ra Toter Berl ur detaillierter Shiffahrtäplan zu⸗ yezg wer as u$ fer Beferfriteei im dem Propingen Chur ar, Kun? Taıaı Retro und Repediftrikt für das laufende Ir Ardeie Carter aryräihrt war. Dieſer Plan wurde nad) dea cu den Aımmrm becber eingegengenen Nachweifungen und Be usa antalt und eatüelt auberdem die Edhiffahrtätermine und bie Bactüge

Das für die Frowinzen Ciivrenfen und Litauen jährlich erforder liche Salz wınde durch Wieſfel Bis Stettin gebradht, wo der weiter Seetrausport unter Auficht der pommerkhen Kammer durch bie Stettiner ſegenannte Schifferkompagnie nach den im biefen Provinzen errichteten Magazinen und Yaltoreien geſchah.

Die übrigen Provinzen diesfeits der Weſer, Halberftabt und Magde- burg, holten ihr Ealz, nicht in Zomnen, ſondern in Säcken derpadt, direft von der Saline Schönebed. Gbenjo bezogen die Grafſchaften

1) Geh. Staatdariv. Gen.⸗Dir. Ealzdepartement Nr. 173 v. 1—2.

415] Freiherr v. Heinik als Chef des Salgbepartements (1736—96). 117

Mandfeld und Hohnſtein und der Saalekreis ihren Salzbedarf von der Saline Halle. In gleicher Weile, von Halle aus, geſchah auch der Salztransport nach den tbüringifchen Ländern und Franken.

Schlefien dagegen holte das Salz von Schönebed, wo ein bejonderer Schiffahrtsinſpektor angeftellt war, in eigenen Kähnen ab. Außerdem wurden diefer Provinz noch 1000 Laſt Hallifches Salz franko Berlin ge- Liefert, wo es ebenfalls mit fchlefiichen Schiffsgefäßen abgeholt wurde.

Das übrige auf der Saline Halle gejottene, ſowie das von ber Hallefchen Pfännerjchaft gekaufte Salz wurde, infofern es nicht zum Landdebit abgeholt wurde, von der Saaleſchiffahrt bis Saalhorn ge= bracht und von dort nach den Beitimmungen des Schiffahrtsplanes weiter verſchifft.

Der Salztransport von ben beiden weitjäliichen Salinen geſchah in den ihnen zur Verſorgung zuerteilten Provinzen größtenteil® zu Lande; dad Salz wurde von den SKonjumenten, teil® von den altoreien, teild direkt von den Salinen abgeholt, dagegen wurde, unter Aufficht der Mindenfchen Kammer, der Salzbedarf für Oftfriesland von ber Saline Neufalzwert zu Wafler His nach Vegeſack gebracht, wo dann ein Spedi« teur den Transport des Salzes nach ben oftfriefiichen Faktoreien durch Seeſchiffe beſorgte. Don Dftfriesland aus wurde die Grafſchaft Lingen verſorgt.

Das für Kleve erforderliche Salzquantum wurde von der Saline Königsborn auf der Nuhr nach Ruhrort und von dort in die ver- ſchiedenen Kleveſchen Faltoreien transportiert.

Das Salzdebitsweien, die Faktoreien und Sellereim waren der Auf⸗ fiht und Leitung der Kammern untergeordnet. Die wichtigfte Angelegen- Beit war hierbei, den Bedarf des Landes jo genau wie möglich auszumitteln. Hierzu diente die in faft jämtlichen SAndern eingeführte Salzkonſkription.

Zur jpeziellen Aufficht über den Salzhandel waren in jeder Pro» vinz Salzinfpeftoren angeftellt, welche die ihnen auerteilten Ortſchaften zweimal jährlich bereifen mußten, um eine Lifte über die Anzahl der Talgpflichtigen Perſonen ſowohl, wie über den Biehftand aufzunehmen. Jedem Konfument wurde ein Salzbuch ausgehändigt, worin das für ihn, feinen Haushalt und Viehſtand nad) Durchſchnittsſätzen ausgemittelte Salzquantum nebft der angewiefenen Faltorei oder Sellerei verzeichnet war. Die Inſpektoren mußten diefe Salzbücher revidieren und nach⸗ ſehen, ob das darin eingejchriebene Quantum auch genommen und bon den Faktoren oder Sellern richtig eingefchrieben war. Die Salzbücher mußten dann mit den Extrakten der Faktoren oder Seller übereinftimmen. Die Einwohner der accifebaren Städte, die Adlichen, Beamten und

118 Auguft Schwemann. [416

Klöfter waren von der Haltung eines Salzbuches befreit, ihr Salzbedarf wurde aber von den Inſpektoren ebenfall® ermittelt und in die Liſten eingetragen. Die Städte Gr. Salze und Staßfurt, ebenfo die Piänner Ichaft und die Salzwirker zu Halle durften Salz für ihren Bedarf aus den SKoten nehmen, mußten aber dafür jährlihd 18 Pf. die Perion Salzregalgeld bezahlen. Aus fämtlicden Konfkriptiongliften wurde dat jogenannte Salgproberegifter angefertigt, welches ala Grundlage bei Auf ftelung des Provinzialetats diente.

Der Salzinipeftor mußte vierteljährlich die in feinem Bezirk be findlichen Faktoreien revidieren und zu diefem Zwed die Salz mb Geldbeitände aufnehmen und die Beichaffenbeit des Salzes und der Tonnen unterfuchen. Ferner hatte der Inſpektor die Aufficht über die in den Städten fowohl wie auf dem platten Lande im Verhältnis der Bevölkerung angeftellten Salzjeller, durch welche, da die Faktoreien das Salz nur in ganzen Tonnen verlauften, ber Detailverlauf ftattfand. Die Seller wurden auf Borfchlag des Inſpektors von der Kammer ans geitellt und erhielten deshalb eine Konzeifion. Sie mußten das Salz aus den ihnen angewiejenen Faktoreien für den beflimmten aktoreipreis entnehmen und waren verpflichtet, nach der für jeden Wohnort de Sellers jejtgejegten und öffentlich belannt gemachten ‚Sellertare, welche Preis, Transportloften bis zur Sellerei und Berlaufsprovifion mit in begriff, da8 Salz zu verlaufen. Diefe Sellertaren, welche von Zeit zu Zeit don den Kammern revidiert und je nach Umftänden abgeändert wurden, enthielten den Verkaufspreis von / Metze bis zum Scheffel. Ferner war e8 Pflicht der Salzinjpektoren, auf den Einzelverkauf zu achten, damit die Seller reines und trodnes Salz nach den feftgejegten Breifen und richtigem Gemäß verkauften. Endlich war es Sache der Inſpektoren, auf den Salzſchmuggel Obacht zu geben. für dieſen Zurd waren ihnen die in den Grenzörtern angeftellten Salzausreuter unter geordnet,

Wie erinnerlich, hatte Heinitz das Salzdepartement am 2. Oftober 1786 übernommen. In welcher Berfafjung er das Salzweſen vorland, davon jagt der Immediatbericht der Unterfuchungstommiffion (fiefe unten) vom 11. Dezember 1788?):

„Der vorige Salz Etat war überjpannt, die Salz:Cafje konnte in Ermangelung eines binlänglichen eifernen Geld-Beitandes niemals zu rechter Zeit die erforderlichen Gelder behuf der Siedung an die Entreprenturs

1) Geh. Staatsarchiv. Gen.:Tep. Tit. III Nr. 32.

417) Freiherr v. Heinitz als Chef des Salzdepartements (1786-96). 119

übermachen und mußte fid immer mit Vorſchüſſen bis 100 000 Thlr. aus der Magdeb. Domänen-Cafje von einem Jahre zum anderen zu helfen juchen, zu den erforderlichen und nothwendigen Bauten bei ben Gocturen und Salz. Magazinen war nicht der nöthige Fonds vorhanden, vielmehr fand der Minifter von Heinit bei den Schönebedfchen Salz« werten noch über 10 000 Thlr. alte Baufchulden und aus anliegendem Tableau erhellt, daß die General-Salz-Eafje innerhalb 5 Jahren durch den gänzlich aufgehörten Debit des Salzes nach Pohlen, durch die Ver⸗ minderung de3 Frankiſchen, Säcfifchen und Mecklenburgiſchen Debits und durch die große Abnahme der von den Pfännerſchaftlichen Werken auffommen follenden Revenues um mehr den 400/m Thlr. zurüd ges tommen, welche durch Angreifung der eifernen natural Salz» und Geld- Cafien Beſtände, durch ertraordinairen Debit, beſonders nad Schlefien, durch Negligirung vieler Bauten, bejonders bei den Salz Magazinen in den Provinzien auch durch Anticipirung der Schlefiichen Salz ⸗Siede⸗ Gelder von einem Jahr ind andre, ſcheinbar gededt werben müflen. Zu allen Bauten Hatte die General⸗Salz⸗Cafſe nur 7200 Thlr. auf dem Etat und die Schönebedichen Bauten betrugen allein jährlich zwiſchen 10 u. 13 000 Thlr. Diejer Haushalt konnte nicht länger dauern, und die General⸗Salz⸗Cafſe würde in etlichen Jahren einen förmlichen Ban- querout gemacht haben.“

Die wichtigſten Salinen Halle und Schönebel waren in Händen bon Unternehmerinnen, welche nur auf ihren Vorteil jahen. Das Salz wurde fchlecht gefotten und getrodnet, die Tonnen, welche von den Unter« nehmerinnen geliefert wurden, hatten nicht die gehörige Haltbarleit. Die zur Uebernahbme des Salzes auf beiden Salinen beftimmten Beamten waren meift alte Militärinvaliden, welche vom Salzweſen nicht ver- fanden; fie waren noch nicht einmal in Hinlänglicher Anzahl vorhanden. Die Bauten Tofteten troß der größten Erſparnis viel, weil man die Unter- nehmer nicht anhielt, fie aus ihren Mitteln dasjenige herzuſtellen, wozu fie nach den Kontrakten verpflichtet waren!).

Der inländiiche Abſatz war ebenfalls fehr vernachläffigt. Die Kammern hatten feit mehreren Jahren die Revifion der Salzproberegifter unterlaffen. Da keine genaue Sellertare eriftierte und die Seller das Salz nach dem Gewicht übernahmen und nad) Maß verkauften, fo wurden die Käufer in Bezug auf die Menge ſowohl wie auf ben Preis betrogen. Dieſes bewirkte aber auch, daß ein ausgedehnter Salzſchmuggel

1) Geh. Staatsarchiv. Gen.:Dir. Salzdepartement, Abt. IL . Oberfte Salz: Verw. Nr. 2 u. Abt. III Nr. I, 5.

120 Auguſt Schwemann. [418

im Gange war, beſonders da an den Grenzen nicht genügend Aufeher angeftellt waren.

Die zum Salzdepartement gehörigen Steinkohlenwerke bei Wettin, Löbejün und Dölau waren gleichfalls ſehr vernachläffigt. Die dortigen Beamten hatten fein anderes Bergwerk gejehen und waren daher mit deu Reuerungen im Bergbau unbelannt. Die Werte waren mit Arbeitern über legt, Gedingearbeit kannte man nicht. Zu Lobejün Hatte man zur Er⸗ ſparnis von Koften das Tieifte erfäuien lafien. Dan kann fich daher nicht wundern, daß die Werle mit 16—20000 Thlr. Zubuße arbeiteten!).

An Brauntohlenwerle dachte man noch gar nicht, obwohl die Siedepächterin Yrau von Billerbek in Halle jehr viel jächfifche Braun- kohlen brannte.

Es läßt fich Leicht denken, daß bei diefen Umjtänden die Privat: ſalzwerke ohne alle Unterflügung blieben, ja man batte jogar im Jahre 1781 der Halleihen Piännerichaft 300 Laſt und der zu Staßfurt 100 Laſt Salz des jährlichen Abſatzes nach Weſtpreußen entzogen.

Heinig’ Thätigkeit in Bezug auf das ftaatlide Salzweſen.

Die ungünſtige Lage des Salzweſens mußte Heinitz gegen ſeinen Willen, gleich nachdem er Chef der Salzverwaltung geworden war, noch verſchlimmern 2).

Als König Friedrich Wilhelm II. bei feinem Regierungẽantritt die Generaltabalgadminiftration aufhob, wurde vorgefchlagen, die Ge⸗ hälter und Penfionen für die außfcheibenden Beamten, bis dieſe geftorben oder anderweitig verforgt wären, durch die Salzverwaltung aufbringen zu laffen. SHeinig widerſetzte fich diefem Vorſchlage mit allen Kräften, aber e8 half ihm nichts. Das einzige, was er erreichte, war, daß Oſt⸗ und Meftpreußen von der Erhöhung befreit blieben, weil dort der Salzpreis jeit Einführung des Salzregald in Weftpreußen im Jahre 1772 erheblich höher war als fonft im Lande. Die anderen Provinzen diesſeits der Meier inkl. Schlefien dagegen mußten 115 000 Zhlr. für diefen Zwed aufbringen. Man glaubte, da jedermann Salz brauchte, jo könnte fich auch feiner der Auflage entziehen, und hielt daher bie Er⸗ höhung des Salzpreiſes für die befte Art, dieſe Gelder flüffig zu machen. Das Salz kam von nun an in der Churmark um 6 Thlr. 16 Gr., in

1) Geh. Staatsarchiv. Gen.:Dir. Salzdep. Abt. II. Oberfte Salz: Bert Nr. 2 u. Abt. III Nr. IL, 5. 2) Geh. Staatsarchiv. Salzd. Abt. II. Oberſte Salz: Verw. Nr. 2.

419] Freiherr v. Heinitz ala Chef des Salzdepartements (1786—96). 121

Pommern und Schlefin um 7 Thlr., in der Neumark um 7 Thlr. 13 ®r., und in Magdeburg, Halberjtadt, Hohnftein, Mansfeld, Saale- freis um 10 Thlr. pro Laft höher zu ftehen. Hierdurch machte fich aber Heinik im Lande fehr mißbeliebt, denn ihm ſchob man bie Schuld dafür zu.

Nichtsbeftoweniger ging Heinik mit feinen Reformen energifch vor. Der erfte Schritt, den er that, war der, daß er das GSalzdepartement als ſolches zwedentiprechend umänderte!). Bis dahin beſaß dag De» partement nur einen vortragenden Nat, den Geheimen Finanzrat Struve, welcher zu gleicher Zeit Direktor des Oberbaudepartements war. Diefem zur Seite ſtand als einziger Sefretär der Kriegsrat Koch, der aber auch Salzfaktor für Berlin war und außerdem die Salzipedition für die Chur- mar! etwa 1200 Laſt zu beforgen Hatte. Beide Beamte waren daher mit Arbeiten überhäuft, und es war naturgemäß, daß der Dienft: betrieb im Departement bierunter Litt und Abhülfe notwendig war. Heiniß berief daher den Geheimen Finanzrat dv. Bärenjprung dom Berg: werle- und Hüttendepartement, der fchon aushülfsweile beim Salz- dbepartement gearbeitet hatte und den Geheimen Finanzrat Gerhard vom Oberbaudepartement zu vortragenden Räten; ferner übernahm er dom Bergwerks⸗ und Hüttendepartement ala Sekretär den Bergrat Mölter und vom Forſtdepartement den Kriegarat Gerhard. Hierbei kam ihm zu flatten, daß Werder, um Gehalt zu fparen, mehrere Beamtenftellen, unter anderen ſechs Salzinjpeftorenftellen, eingezogen hatte. Die Decer- nate wurden darauf folgendermaßen feſtgeſetzt:

Geh. Finanzrat Struve?) wurde von allen technifchen Sachen be» freit und behielt nur die Generalia und das Kaflen- und Rechnungs⸗ weien.

Geb. Finanzrat v. Bärenjprung erhielt die weftfälifchen Salzwerke zu Dinden und Unna, ferner die Konſkriptions⸗ und Sellereifachen, und endlich die preußifchen und weltfälifchen Debitsfachen.

Geh. Finanzrat Gerhard bekam die Werke zu Schönebed und Halle nebft den einfchlägigen Verbefferunge-, Bau⸗, Kaſſen⸗ und Debitsfachen, die Kohlenwerfe zu Wettin, Löbejün und Dölau, die Salzſchiffahrt und endlich gemeinſam mit Struve das Kuratel der Generalfalztafle.

1) Geh. Staatdardiv. Gen.: Dir. Salzdepartem. Abt. II. Oberfte Salz: Verw. Nr. II.

2) Der Geh. Finanzrat Struve ftarb im Jahre 1791, an feine Stelle trat im folgenden Jahre ber Geh. Finanzrat v. Hagen vom Magdeb.: Halberit. Des partement.

122 Augut Shwemaun. [420

Man erfieht hieraus, daR der Schwerpunkt des Salzwefens in Ger⸗ hards Hand lag. Darin bewährte fich der Schariblid von Heiniß, der den rechten Mann an bie rechte Stelle zu ſetzen wußte, denn Gerhard war ein außerordentlich thätiger und praktiſch veranlagter Beamter, der Hemk in feinen Beitrebungen aufs kräftigſte unterſtützte und bald für dag Salz Departement jeine rechte Hand wurde.

Nachdem dies geordnet war, that Heinib einen Schritt weiter"). Er Hatte nach einigen Monaten den jchlechten Stand der Generalfalzlafke vollauf kennen gelernt, um die Unmöglichkeit, den Etat ohne Kunſtkniffe zu erfüllen, einzufehen. Lebtere aber lagen Heinitz bei feinem offenen und geraden Charakter fern. Er that daher nichts, um den Abſchluß der Generaljalztafle zu beichönigen, und thatjächlich ſchloß die Kaffe für das Etatjahr 1786 87 mit einem Minus von 49 408 Thlr. 6 Er. 11 Bi. ab. So unangenehm e3 für Heiniß fein mußte, dem Könige einen derartigen Kafſenabſchluß vorzulegen, fo nahm er nicht nur dies auf ich, ſondern forgte auch dafür, daß bei der Gtatsaufftellung für das Jahr 178788 den thatjächlichen Berhältniffen Rüdficht getragen wurde. Während früher der Etat von dem Rendanten der Generalſalzkaſſe allein aufgeſtellt wurde und während der Amtszeit Werders ſtets derjelbe blieb, beſtimmte Heinig, daß die Aufitellung in gemeinjamer Konferenz der drei vor tragenden Räte und des Rendanten und Kontrolleurs der Generaljalzlafk fortan gefchehen ſolle. Dies war fehr wichtig, denn die Dezernenten waren ganz anders mit den Verhältniffen vertraut als der Rendant der Kafle.

Da man feinen Anhalt über den Abſatz hatte, jo wurde, um vorfichtig zu verfahren, die Einnahme nach einem jechsjährlichen Durchichnitt an geſetzt, ferner Schlefiens Salzbeitellung über den Etat als außerordentliche Einnahme abgefeht und der Abſatz ins Ausland fowie die Einnahmen von ben Pfännerfchaften nach dem niedrigften, dem vorjährigen Stande angenommen. Dagegen wurde in den Ausgaben der Fond für Bauten von 10 auf über 17000 Thlr. erhöht und außerdem ein „Dtelioration fond“ von 12000 Thlr. neugeichaffen. Das Gejamtrefultat war eine Einnahmeverminderung von 42255 Thlr. 5 Gr. 7 Pf. gegen den vorjährigen Etat. Nachdem fi) Heinitz von der Richtigkeit dieſes Etats überzeugt hatte, berichtete er am 25. März 1787 an den König. & feßte die Berhältniffe der Generalfalzlaffe genau auseinander und bat dann, die Einnahmeverminderung zu genehmigen. Gr legte ferner einen

1) Sch. Staatsardiv. Gen. - Fir. Salzdepartement, Etatsverhandlungen von 1787 88.

421] Freiherr v. Heinik ala Chef bes Salzdepartemend (178696). 128

Plan dor, wie er den Ausfall wieder einzubringen hoffte und bat um die Erlaubnis, 60—80 000 Thlr. für diefen Zweck von der Königlichen Bank aufnehmen zu dürfen. Auf diefen Plan ſoll fpäter noch näher eingegangen werden. Der König mußte wohl oder übel feine Erlaubnis erteilen. Durch die Kabinettsordre vom 80. März genehmigte er, unter Ausdrüden Lebhaften Bedauerns, den neuen Etat.

Nachdem Heinik das Kaſſenweſen auf eine folide Grundlage geftellt batte, benußte er den Sommer 1787, um die Salzwerke perjönlich Tennen- zu lernen. Er bereifte ſowohl die magdeburgifchen wie die weftfäliichen Salinen und kümmerte fi um alle einichlägigen Verhältniffe. Auch den plännerfchaftlichen Salinen zu Halle und Gr. Salze ftattete er einen Beſuch ab. Zu gleicher Zeit ließ er die Dezernenten ebenfalls die Werte befuchen, um Borfchläge zu Berbeflerungen zu machen.

Als Heinik dann Ende Oktober, mit den Berhältniffen und Oertlich⸗ teiten genau belannt, nach Berlin zurückkehrte, ſtand der Plan, was nun zu thun fei, bei ihm feſt. Er hatte auf der Reife den Unterfchied zwischen den verpachteten Salinen Halle und Schönebel und den unter eigner Leitung ftehenden weitfälifchen Salinen kennen gelernt und eingefehen, daß techniſche Fortfchritte und Verbefferungen burch die Verpachtung faſt unmöglich gemacht waren. Er war baber feit entfchloffen, die technijche Leitung der Werke Halle und Schönebed ſelbſt in die Hand zu nehmen.

Allerdings war dies in Halle erft im Jahre 1790 und in Schönes bed erſt 1792 möglich, da bis dahin die Kontralte der Pächterinnen liefen. Bis zur Uebernahme des Betriebes war aber noch viel zu thun, denn Heinig hatte erkannt, daB zu diefem Zwecke erft die Lolal- bebörden umgeändert werden mußten. Die technifche und abminiftrative Leitung der Werke mußte von der Kammer zu Magdeburg gänzlich los⸗ getrennt und Salzämter mit fachtundigen Beamten errichtet werben. Lebtere mußten dann direkt dem Salzdepartement unterftellt, oder mit den Provinzialbergbehörden vereinigt werden. Sodann plante Heinitz eine nähere Verbindung oder Verſchmelzung des Salzdepartements mit dem Bergwerks⸗ und Hüttenbepartement.

Bevor er jedoch an diefen Plan berantreten konnte, harrten feiner andere Reformen, zu denen er den Anftoß gegeben unb deren weitere Bearbeitung ex Gerhard übertragen Hatte.

Heinitz Hatte am 25. März mit dem Bericht über die Einnahme» berminderung dem Könige einen Plan!) vorgelegt, wie er den Etat⸗

1) Geh. Staatsarchiv. Gen. » Dir. Salzbepartement, Gtatsverhandlungen pro 1787/88.

124 Auguft Schwemann. [423

ausfall wieder deden wollte. Dieſer Plan beſtand aus folgendm Buntten:

1) der Transport des Salzes nach ben öftlichen Provinzen follte durch verdedte Kähne gejchehen und Hierdurch die Tonnenpadung fort fallen;

2) wollte man die Feuerungskoſten beim Giebebetriebe, befonders durch Verwendung von Braunlohlen, verringern;

3) jollte der Salzhandel von den weiljäliichen Werken längs dr Rheines ausgedehnt werden;

4) wollte man einen Zeil der Salzfiedung durch das pfännerjchait- liche Werk bei Colberg geichehen Iafjen, und

5) endlich glaubte Heinit durch Wiederherſtellung des alten Saly werls zu Bonno bei Infterburg und Anlegung einer Saline in Ober jchlefien bei Nicolai die Salzproduftion zu heben.

Den lebten Punkt Tieß er durch das Hütten und Bergwert* departement weiter verfolgen, da er in Schlefien ala Chef der Saljver: waltung nichts zu jagen Hatte; jedoch mit negativem Erfolg, es wurde feine reichhaltige Sole angetroffen. Auch bei Ponno fand Gerhard im Mai 1787 die Sole jo minderwertig, daB von einer Wiederherftellung des Salzwerts Abftand genommen werden mußte. Da fich mun bie Verhandlungen mit der Pjännerfchaft zu Goldberg ebenfalls zerſchlugen und der Salzhandel am Rhein nicht eher außgebehnt werden konnte, bi die Produktion der Saline Königaborn bei Unna gehoben war, fo kamen eigentlich nur die Fenerungs- und Transporterſparnifſe in Betradt. In Bezug auf erftere berief Heinig den bänifchen Bergrat Abich, den Er finder einer neuen Siedepfanne, und verſprach ihm den fünften Zeil der von ihm angegebenen Erfparnifie eines Jahres. Er ſchickte ſodann Ger Hard und Abich auf jämtliche Salzwerle, um Berfuche anzuftellen und einen Plan für die DVerbefferungen auszuarbeiten. Zu gleicher Zeit wurde Gerhard beauftragt, Verfuche mit dem Transport des Salzes in verdeckten Kähnen anzuftellen. Dies geſchah ſowohl von Halle ald von Schönebeck aus, aber ohne Erfolg. Die Bedeckungen kofteten viel und waren beim Rüdtransport für Holzlabungen Hinderlih. Da man außer dem viel Salzverluft hatte, fo nahm man von diefer Transportart Ab- ftand, befonder da durch eine andere Badweife große Erſparniſſe gemacht werden konnten.

Gerhard Hatte nämlich bei Gelegenheit der Reife nach Preußen, am 24. Mai, das große Salzmagazin der Seehandlung zu Neuſahwaſſer

423] Freiherr v. Heinitz als Chef des Salzdepartements (1786—%) 125

beſucht und dort die fogenannte Feftpadung kennen gelernt‘). Diefe beftand in einer Einftampfung des Salzes in Fällen. Gerhard, nad Berlin zurückgekehrt, ftellte am 30. Mai Verſuche auf dem dortigen Salzhofe an, und da diefe günftig auafielen, jo ſetzte er fie in Halle und Schönebed fort. Er fand, daß man 6 Scheffel Salz bequem in 5 Scheffel- tonnen einftampfen konnte. Hierdurch wurden Us der Tonnen gefpart- Mas diefe Erjparnis bei einem jährlichen Verbrauch von ungefähr 200 000 Tonnen zu bedeuten Hatte, Tag auf der Hand.

Gerhard berechnete die Koſtenerſparnis auf über 15000 Thlr. jährlih. Dabei fprach für die Feſtpackung noch der Umjtand, daß fidh das Salz auf dem Transporte, bejonder® wenn eine Umladung ftatt« fand, beſſer hielt. Diefe Vorteile waren jo augenjcheinlich, daß Heinitz am 7. Auguft bei feiner Anwefenheit in Halle die neue Padart ge= nehmigte. Für ihn fam wohl noch der Umftand Hinzu, daß er durch die großen Erfparniffe in den Stand geſetzt wurde, einen Fond für Ver⸗ befierungen zu fchaffen, ohne den vom Könige genehmigten Kredit in Anfpruch zu nehmen.

Gerhards Thätigleit war nun auf eine weitere Revifion des Pad» weſens auf den Salinen gerichtet ?). Er ftellte zur befferen Aufficht bei der Uebernahme und Padung des Salzes mehr Inſpektoren an, machte ferner die Oberböttcher, welche früher ſelbſt Tonnen anfertigen mußten, zu Beamten und übertrug ihnen die Aufficht über die Böttchereien, ſetzte die Zeit jeft, wie lange das Salz auf den Trodenfammern liegen mußte, gab eine neue Padordnung und eine neue Böttcherinftruktion beraus, kurz er ordnete ben Böttchereir und Padbetrieb von Grund auf.

Auch die Kohlenwerke bei Wettin wurden von ihm revidiert. Er ftellte dort einen genauen Betriebsplan auf und führte die Gedingenrbeit ein. Die tiefften unter Wafler ftehenden Betriebspunkte wurden wieder flott gemacht und die Kohlenförderung gehoben. Dies alles wurde ohne Zuſchuß, bloß durch Erſparungen bewirkt.

Endlich machte Gerhard noch weitere Berfuche mit der Yeltpadung- Er ftellte jeft, daß man 7 /3 Scheffel Salz in eine 5 Scheffeltonne ein« ſtampfen Konnte, wodurch er die Abficht, daß Salz für den Transport noch geeigneter zu machen, erreichte. Mit diefem Ergebnis kam er nad) Berlin zurück und unterbreitete e8 den: Minifter.

Heinig war foiort bereit, die Nefultate Gerhards zu verwerten?). Er mußte aber zugleich eine andere Reform einführen, ohne welche die

1) Geh. Staatsarchiv. Gen.-Dir. Salzbepartement Nr. 197 u. 198. 2) Geh. Staatsarchiv. Gen.:Dir. Salzd. Abt. II, Oberfte Salzverwaltung Rtr. 2. 3) Geh. Staatsarchiv. Gen.Dir. Ealzdepartement Nr. 199.

126 Auguft Schwemann. [424

Yeltpadung nicht beftehen konnte. Das Salz wurde nämlich von ben Eiedeunternehmerinnen nach dem Gewicht angenommen und von ben Taltoreien und Sellereien nah Maß verlauft. Dies war nicht richtig, denn beim Baden und Transportieren fiel das Salz zufammen, weshalb ein Scheffel Salz in Halle und Schönebed 48—54 Pd. wog, währen) er in Schlefien 3. B. 60—70 Pfd. ſchwer war. Wenn nun jeht 7’ Scheffel in 5 Scheffeltonnen gepadt werben follten, jo wurde das Ber bältnis zwiichen Gewicht und Maß noch mehr verfchoben, und e& war notwendig, ala einzige Grundlage, ſowohl für den Einkauf ala den Ber auf, das Gewicht einzuführen. Heinit berichtete Daher am 26. Dezember 1787 ausführlich an den König und bat die Feſtpackung und den Ber fauf nach Gewicht zu genehmigen, aladann würden auch die Klagen über mangelhaft gepadte Tonnen aufhören. Zu gleicher Zeit unterbreitete er dem Könige zur Unterfchrift ein Publilandum, von 24. Dezember datiert, in welchem beftimmt wurde, daß vom 1. Juni 1788 an das Salz mur nad Gewicht verkauft werben dürfte und fortan die jogenannten 5 Scheffel« tonnen nicht wie früher 270, fondern 405 Bid. Salz enthalten jollten. Der König genehmigte und unterjchrieb das Publitandum am 30. Der zember 1787.

Hierdurch war Heinitz wieberum einen Schritt vorwärts gekommen; denn durch diefe Anordnungen wurden nicht allein 24—25 000 Thlr. jährlich bie Selbftfoften verminderten ſich pro Laft um 1 Thlr. 5 Gr. 5 Pi. gejpart, und der einzig richtige Verkauf nach Gewicht eingeführt, ſondem Heiniß erhielt auch durch diefe Erfparung Geld, um weitere Verbefferungen durchzuführen. Den Kredit, welchen ber König ihm gewährt Hatte, brauchte er thatfächlich nicht mehr. In erfter Linie verwandte Heinik dies Geld nun, um die unter Werber fo ſehr zuſammengeſchmolzenen Satzbeftände in den Provinzen zu ergänzen. Er ließ daher wie aud Ihon im Jahre 1787, fo auch in den folgenden Jahren einige Hundert Laft Salz jährlich mehr fieden, als abgefet werden konnten, und die Salz nach den weitentlegenen Provinzen, beſonders nach Preußen geben, weil diefe Provinzen durch frühes Froftwetter leicht von der Zufuhr ab- geſchnitten wurden und daher eines großen Beftandes bedurften. Heinik hat während feiner Amtszeit 80000 Thlr. zu diefem Zwecke verwandt.

Die Frage der Feftpadung hatte, um dies hier gleich vorweg zu nehmen, noch harte Kämpfe zu beftehen!). Der Minifter für Schlefien, v. Hoym, wat nämlich mit diefer Einrichtung gar nicht einverftanden und wollte durch⸗

1) Geh. Staatsarchiv. Gen.⸗Dir. Salzbepartement Nr. 197 u. 18.

425] Freiherr v. Heinik als Chef des Salzdepartements (1786—96)., 127

aus die alte Padung wieder eingeführt Haben. Heinitz ſetzte daher am 16. November 1787 in einem ausführlichen Schreiben die Vorteile der neuen Padart außeinander und empfahl feinem Kollegen ebenjall®, den Verkanf des Salzes nach Gewicht einzuführen. Dies wollte aber Hoym nicht, jondern beantragte wieder und wieder die alte Badart für das nah Schlefien zu jendende Salz. Er drohte auch dem Könige hiervon Anzeige zu machen. Heinig ließ dies jedoch kühl, da feine Anordnungen dom Könige genehmigt waren. Es entipann fi nun in der Folge ein wahrer Yederkrieg, und bier erkennt man jo recht den Nachteil, daB das Salzwejen in der ganzen Monarchie nicht unter einer Leitung ſtand. Hoym dachte gar nicht daran, die Salzpreije zu Ungunjten der Breglauer Oberſalzkafſe, die außerordentlich hohe Abfchlüffe erzielte, herabzufeßen ; Mir ihn war es bequen, alle Klagen über hohe Salzpreife auf die neue Padart zu ſchieben und die fich befchwerenden Stände an den König zu verweiſen. Dieſer hatte am 27. November 1788 die Miniſter Blumen- thal und Heinik zu berichten beauftragt, wie den Klagen ber Schlefier über Hohe Ealzpreife abgeholfen werden könnte, worauf beide Miniſter die Einführung des Verkaufs nach Gewicht befürworteten. Am 13. Januar 1790 aber befahl der König in einer gemeinfamen Konferenz zu Berlin zwiſchen Hoym und Heinik, die Klagen der Schlefier abzuitellen. Bei diefer Gelegenheit wußte Heinitz die Vorteile der Feſtpackung jo Klar- äulegen, daß Hoym Halb und Halb zuftimmte und veriprach, den Ständen die neue Padart zu empfehlen. Als dann Hoym fpäter auf fein altes Anfinnen zurückkam, hielt ihm Heinitz vor, was er in Berlin beriprochen hatte, und es blieb fo, wie e8 Heinit wollte Für letzteren wäre e8 ein leichtes geweſen, das jchlefiiche Salz in der alten Padung zu liefern, beſonders da ſich Hoym bereit erklärt Hatte, die Koften hier» für zu tragen. Man kann hieraus erfehen, daß Heinik, wenn er eine Maßregel als günftig für das Wohl des Staates erkannte, er fie big aufs Außerfte verteidigte und ſelbſt den Unwillen bes Königs nicht fcheute.

Do zurüd zum Ende des Jahres 1787. Schon ehe Heinik die Feſtpackung und den Verlauf des Salzes nach Gewicht beantragte, hatte er dem Könige am 24. Dezember über die Arbeiten, welche im ver- Hoffenenen Sommer auf den weftfäliichen Salinen gemacht waren, be richtet). Heinit hatte nämlich von Halle aus den Bergrat Abich mit nah Weitjalen genommen und dort Verfuche mit den von Abich er- fundenen fogenannten Cirkulierpfannen angeftellt, und da diejelben günftig ausgefallen waren, befchloffen, fie nach und nach einzuführen; ferner eine

1) Geh. Staatsarchiv. Gen.:Dir. Salzb. Abt. IL, Oberfte Salz-⸗Verw. Nr. 2.

128 Auguft Schwemann. [426

neue Gradierungsart anzuwenden, und endlich auf der Saline Unna, we Heinig Gelegenheit Hatte, den König perfönlich berumzuführen, einen neuen Solſchacht, den Fyriedrich- Anton» Brunnen !), abzuteufen. Die Koften bierfür follten aus Erſparniſſen genommen werden, und Heinik hoffte hierdurch die Produktion der Salinen bedeutend zu heben. Wahrſcheinlich mit mündlicher Erlaubnis? des Königs Hatte Heini auch den Verkauf des Salzes nach Gewicht in den Provinzen jenfeit? der Weſer eingeführt. Nun berichtete er, daB, wenn man die in Weitjalen erprobten Eripar nifje bei der Feuerung in Halle und Schönebed erreichen wollte, fo müßte man fich fchon während der Pachtzeit mit den Unternehmerinnen verjtändigen, und er bat hierüber um eine zuftimmende Kabinettsordre. Sie wurde ihm auch ſchon am folgenden Tage, am 25. Dezember, zu teil.

Nun trat Heinig in Unterhandlung mit den Siedepächterinnen. Et vereinbarte mit der Frau von Gansauge, der Pächterin bes Schönebed- chen Wertes, daß Berbefferungen im Giedebetriebe ſchon während ber Pachtjahre nach Anordnung des Salzdepartements eingeführt werben fonnten. Die Koften für die nötigen Mafchinen, Gerätfchaften u. |. m. hatte die Generaljalzlaffe vorzufchießen, dagegen hatte die Pächterin dab Kapital, welches für Verbefferungen angewandt wurde, zu verzinfen. Tie hierdurch gemachten Eripariffe follten geteilt werden. Die Frau von Billerbed, die Pächterin der Saline Halle, wollte fich hierauf, mit Aus nahme einiger Feuerungsverbeſſerungen, nicht einlaffen. Letzteres war aber nicht fo wichtig, da das Werk zu Halle nur Ns der Produktion von Schönebed hatte und außerdem die Pachtzeit im Jahre 1790 ſchon ablif. Man nahm deshalb von weiteren Verhandlungen in Halle Abftand.

Dies Ergebnis unterbreitete Heinig dem Könige in dem Bericht vom 6. Mär; 1788 ?).

Zu gleicher Zeit ging er nun vor, um feinen Plan betreffend die Umänderung der Lofalbehörden durchzufegen. Er berichtete, daß ei not⸗ wendig fei, um die Reformen auf den Salinen durchführen zu koͤmen, 2 Salzämter mit Sachverftändigen zu Halle und Schönebed zu errichten, deren Direktion dem Geh. Oberbergrat von Beltheim, dem Chef des Ober bergamts zu Rothenburg übertragen werden folltee Hierdurch wäre & dann möglich, Feuerungserſparniſſe von 12—14 000 after Holz zu machen und 36—40 000 Thlr. jährlich zu gewinnen. Die Salzämter jollten

1) Vermutlich nach dem Könige und Heinitz fo benannt. 2) Hanbelsminifterium, Bergabteilung F. X s, 1 Rr. 5.

427] Freiherr v. Heinik als Chef des Salzdepartements (1786-96). 129

„nach und nach mit Kunftverfländigen und einigen mit ausländijchen Anftalten belannten Bedienten, welche phyfiſche und mechaniſche Kennt⸗ nifie befäßen, beſetzt werden.“

Der König genehmigte am 11. April, nachdem er fchon am 10. März v. Beltheim zum Berghauptmann und Geh. Yinanzrat ernannt hatte, dieſe Vorſchläge, und nun Hatte Heinit freie Hand für die technifchen Verbeſſerungen. Die Salzämter traten jedoch erft zwei Jahre fpäter in Wirkſamkeit, da man mit Verfuchen noch vollauf zu thun Hatte.

Im April 1788 wurde der neue Etat für 1788/89 aufgeftellt'), und Heinit Hatte die Genugthuung, troß der vielen Reformen den etats⸗ mäßigen Ueberſchuß um 6000 Thlr. höher anfeßen zu können. Außer- dem lieferte die Generalfalzlaffe am Schluß des Etatsjahres 1787/88, am 1. Juni 1788, noch einen außerordentlichen Ueberſchuß von 6875 Thlr. 4 Er. 4 Pi. ab?).

Nun wandte fich Heini einem anderen Zweige der Salzverwaltung zu, nämlich der Thätigkeit der Kammern in Bezug auf das Galz- weien?). Hier war es der Geheime Yinanzrat dv. Bäreniprung, welcher den Minifter kräftig unterjtüßte. Die Kammern wurden in einem jehr ſcharjen Erlaß angewiefen, ſich des Salzweſens befjer als vorher anzu= nehmen, die Salztonfkriptionen wieder jährlich vornehmen zu laffen und die Thätigkeit der Salzinfpektoren zu kontrollieren ; den Inſpektoren wurde bei Strafe der Entlaffung befohlen, die Liften genau aufzuftellen *). Ferner wurden die Kammern angewieſen, eine Revifion ber Sellertaren an Ort und Stelle vorzunehmen und zu gleicher Zeit die Salamagazine auf ihre Salz- und Kafjenbeitände zu prüfen.

Die Revifion der Sellertaxen hatte großen Erfolg. Der Salzpreis war überall zu hoch und konnte pro Mebe um 2—5 Pf. heruntergeſetzt werden, was für die Laft 6—14 Thlr. ausmachte. Bei Prüfung der Salzmagazine wurden große Unterjchleife entdedt, deren Betrag jpäter auf 15 556 Thlr. 12 Gr. 4 Pi. feftgeftellt wurde. Die meiften Maga— jine wurden auch in reparaturbedürjtigem Zuftande angetroffen. Es wurden daher die Reparaturkoften außgemittelt und über diefe Bauten ein Etat aufgeſtellt.

In Litauen, Oft und Weftpreußen, wo der Salzſchmuggel, be= ſonders von Danzig aus, blühte, wurden mehr Beamte angeltellt und

1) Geh. Staatsarchiv. Gen.⸗Dir. Salzdep., Etatsverhandlung f. 1788/89. 2) Geh. Staatsarchiv. Gen.:Dir. Ealzdepartement Nr. 162. 3) Geh. Staatsarchiv. Gen.⸗Dir. Salzdepartement Abt. II, Oberfalzver: waltug Nr. 2. 4) Geh. Staatsarchiv. Gen.:Dir. Salzdepartement Nr. 159. Forſchungen 3. brand. u. preuß. Geſch. VII. 2. 9

130 Auguſt Schwemann. [428

eine befjere Aufficht eingeführt. Endlich übertrug der Minifter den Handel ins Ausland, nach Meklenburg und Sachſen, den bis dahin die General: falztafje geleitet Hatte, den Kammern, welche viel zweckmäßiger die Auj fiht führen konnten. Dur alle diefe Maßregeln wurde erreicht, daß der Abſatz von 1788—1793 um über 1000 Laſt ftieg.

Auh mit dem Geh. Kriegsrat Wiefel, dem Pächter der Salp Ihiffahrt, wurde ein neuer Kontrakt abgefchloffen und ein neues Schiff fahrtsreglement herausgegeben !). Der Kontrakt war in vieler Hinfict günftiger ala der alte, beſonders aber die Beitimmung, daB das Sal; von Weltpreußen nicht über Stettin zur See, fondern durch den Brom: berger Kanal gehen mußte, wodurch jährlich 5176 Thlr. 3 Gr. 4 Fi. geipart wurden. Endlich wurde wegen des nad) Dftpreußen und Litauen zu verfendenden Salzes mit der Schiffergilde zu Stettin ein neuer Kon⸗ traft abgeichloffen. Hierdurch wurden ebenfalls 1000 Thlr. gefpart, vor allem waren aber von nun an die Schiffer verpflichtet, zu beitimmten Zeiten zu fahren und durften nicht wie früher Schiffägelegenbeit abwarten.

Man fieht, überall war die ordnende und befierende Hand des Mi⸗ nifter8 thätig. Bei dieſen Reformen ging aber Heinit ſehr felbitändig vor und holte nicht immer die Erlaubnis des Königs ein. So hob er 3. B. am 2. Augujt 1787 den Salzimpoft in Halle auf und zeigte erft nachträglich, am 26. Dezember desjelben Jahres, dies dem Könige an. Ferner bejtimmte er ohne Höhere Erlaubnis, am 14. Dezember 1787, dag vom 1. Juni des folgenden Jahres an die Salzrentheikaſſe, welde ala Betriebskafſe der Saline Halle fungierte, und die Münzeikaſſe, welde die Salzjteuern in Halle zu erheben Hatte, vereinigt werben follten?)- Er legte auch den fogenannten Melivrationgetat dem Könige nicht vor. Wegen diefes felbftändigen Verfahrens war aber der König nicht gut auf Heini zu ſprechen, bejonders da mehrfach Klagen über hohe Preije und jchlechte Beichaffenheit des Salzes vor fein Ohr gelangten und ber Monarch biergegen jehr empfindlich war. Als nun am 11. November 1788 von den Ständen des Fürſtentums Minden wiederum eine Br ſchwerde über hohe Salzpreiſe einlief, und zu gleicher Zeit der ſchlefiſche Minifter dv. Hoym über die Anordnungen don Heinik Elagte, nahm der König am 22. November Beranlafjung, eine Kommilfion zur Unter ſuchung des gefamten Salzweſens zu ernennen®). Diefe Kommiffion be

1) Geh. Staatsarchiv. Gen.⸗Dir. Salzdep. Abt. II Nr. 1,

2) Dunfer, Die Salinen in Niederfachfen, Halle 1828. * Zeil I ©. 187.

3) Geh. Staatsarhiv. Gen.:Dir. Gen.⸗Departement Tit. III Nr. 3.

429] Freiherr v. Heinik ala Chef des Salzdepartements (1786—96). 191

ftand aus den Miniftern Gaudi, Blumenthal und Werder, welch letztere beide früher Leiter des Salzdepartements gewejen waren. Der König beauftragte die Kommilfion zu unterfuchen, „ob nicht Fehler in der Führung des Salzdepartements lägen, und ob nicht vieles dabei geſpart werden könnte?” Die Unterfuchung follte fi) „vornehmlich auf den Koftenaufwand und die ganze innere Einrichtung erjtreden.” Der Bericht biefer Kommilfion, von: 27. Novenber 1788, ijt ein glänzendes Zeugnis für Heinitz. Es Heißt dort: „Der Etat?-Minifter von Heinitz hat fich alle nur erdenkliche Mühe gegeben, nicht nur mehrere Menage bei der Fenerung einzuführen, fondern auch das Salz jelbit zu wohlfeileren Preifen und in befjerer Qualität zu liefern, am allerwenigjten aber hat er fih eine eigenmächtige Erhöhung des Salzpreifes zu fchulden kommen laſſen.“ Es werden ſodann die ganzen Reiormen, welche Heinik in feiner zweijährigen Amtszeit durchgeführt Hatte, einzeln aufgeführt. Mit diefem Bericht war aber der König nicht zufrieden, Am 2. Dezember beauftragte er deshalb die Kommiffion, zu berichten, ob die gegenwärtige Berwaltung des Salzweſens mehr koſte, als früher, und ob nicht die Inftrultion für das Generaldireltorium vom 4. Dezember 1786 übers ſchritten ſei. Der 8 11 diefer Inſtruktion bejagte nämlich, daß eine Ausgabe von 100 Thlrn. an nur mit Löniglicher Genehmigung in den Etat gelegt werden dürfe. Der darauf erftattete Bericht vom 11. Dezember, befundete, daß die Salzverwaltung etwa 20 000 Thlr. jährlich weniger fofte, mußte aber zugeben, daß die Inſtruktion vom 4. Dezember 1786 übertreten fei. Durch die Anftellung von Beanıten fei dem Etat eine Ausgabe von 514 Thlen. ohne Höhere Genehmigung erwachſen. Nun bielt e8 der König für angebracht, folgende gehamifchte Kabinettzordre, am 18. Dezember, an die Kommiſſion zu erlaffen: „Dem Etat3-Miniftre Schr. von Heinig werdet Ihr vigore Commissionis in Meinem Nahmen lagen, daß fo wie Ich in feiner ganzen Bepartement2:Adminiftration ein gewiſſes independentes Verfahren bemerfe, welches Mir nicht anftehet und er ablegen muß, wenn wir gute Freunde bleiben: jollen, jo zeige fonderlich der Punkt von der offenbahr überfchrittenen und hinten an⸗ gejehten neuen Verordnung für daß General-Dircctorium, in Abficht der Dispofition über Kal. Gelder, einen Ungehorfam gegen Meine ausdrück— lien Befehle an, den er mit nicht entfchuldigen kann. Es fei in dem preußischen Dienft neben der Ehrlichkeit und Thätigkeit auch noch eine nothwendige Pflicht gehorfam zu fein. Denn Ich fordere bei dem Givil- dienft von meinen Miniftres eben die Folgſamkeit und den ftrengen Ge- horſam, ala Ich von Meinen Generals bei der Armee fordere. Ich unter- ziehe Mich der Regierungs-Gefchäfte jelbjt, und werde daher Niemand 9*

132 Auguft Schwemann. [450

erlauben in den Departement? eigenmächtige Verfügungen zu machen, ſondern Ich will von allem vorher unterrichtet fein und verlange, daß man meine Bejehle abwarte. Bon diefen Meinen Grundfähen werde Ich niemals abgehen und will eg Keinem rathen, er fei wer er ſei, ſolche aus den Augen zu feßen.”

Mie muß Heinit zumute geweſen fein, als er diefe Kabinettsordte zu fehen befam? Muß fih ihm da nicht der Vergleich zwiſchen dem verstorbenen großen Könige und feinem jebigen Herrn aufgedrängt haben?! Welch Verſtändnis Hatte Friedrich der Große in den neun Jahren, in denn Heinit Chef der Bergverwaltung gewejen war, feinen Reformen entgegen: gebracht; welch neue Anregungen hatte er ihm gegeben, und was hatte Heinitz großes mit Hülfe des Königs leiften können! Und nun! Fried⸗ rich Wilhelm II. Hatte nicht allein kein Verftändnis für die außerordent- liche Thätigleit don Heinitz, jondern er gab fich auch gar feine Mühe, fie kennen zu lernen. Heinitz aber war nicht der Mann, der fidh bier durch entmutigen ließ. Unentwegt feßte er fein Reformwerk fort. Bor ber jedoch verteidigte er fich gegen den Vorwurf, das Salz verteuert zu haben, in dem Immediatbericht vom 12. Dezember‘). Er zählte all Einrichtungen auf, welche zu Gunften der Salzläufer getroffen waren, und führte ala Beiſpiel an, dab in Berlin durch feine Veranftaltungen das Salz pro Laſt um 16—20 Thlr. billiger verlauft würde.

Im Jahre 1789 bejchäftigte man fich vorzüglich damit, in Halle und Schönebed technifche Verfuche auszuführen. Nachdem im April bie Gtatsverhandlungen beendigt waren, wodurch fi) der Ueberſchuß für 1789/90 wieder um 6921 Thlr. 18 Gr. 1 Pf. erhöhte?), wurden durch Gerhard und BVeltheim im Mai und Juni Berfuche mit den Abichjchen Girkulier-Pfannen in Halle und Schönebeck ausgeführt, wobei zur Probe auch 300 Scheffel oberjchlefiiche Steinkohlen verwandt wurden®). Dice Probefiebungen fielen günftig aus, befonder® nachdem der Oberbergrat Büdling, welcher den Verſuchen beiwohnte, für jede Pfanne zwei Roſte angeordnet hatte. Man hoffte U/s der Feuerungskoſten zu ſparen. Die? verwirklichte fich zwar nicht, denn die Erfparniffe betrugen nach jpäteren Ermittelungen in Halle Yıo und in Schönebeck Y/s, immerhin aber wurden durch die neuen Pfannen 18—19 000 Thlr. jährlich gewonnen. Zudem hatten die Pfannen noch den großen Vorteil, daß die Winter fiedung gänzlich fortfallen konnte.

1) Geh. Staatsardhiv. Gen.sDir. Salzdepartement Nr. 199 vol. 3. 2) Geh. Staatsarchiv. Gen.-Dir. Salzdep., Etatöverhandl. pr. 1789. 3) Tunter, Niederfächfiiche Salinen Teil I S. 347.

431] Freiherr v. Heinig als Chef des Salzdepartements (1786—%). 188

Sm Anfang Juli fand in Berlin, unter Mitwirlung des Mi- nifter3, eine Konferenz ftatt, durch welche der Plan für die technifche Umänderung der Werke auf Grund der Verfuche im großen feftgeftellt wurde '). Es wurde bejchloffen, die neuen Pfannen auf beiden Salinen einzuführen, in Schönebed die Gradierung umzuändern und eine Dampi« machine für die Hebung der Sole zu erbauen. Um diejen Plan ordent- lid durchführen zu können, erachtete man es jebt für notwendig, die ſchon im vorigen Jahre genehmigten Salzämter zu errichten und vor allem die Salinen in eigene Berwaltung zu nehmen. Diefer Plan wurde dem Könige am 15. Juli unterbreitet?) und ihm berichtet, e8 wäre hier⸗ durch möglich, Feuerungserſparniſſe von 12—14 000 Klafter Holz zu machen und 34000 Thlr. jährlich zu gewinnen. Friedrich Wilhelm gab am 1. Auguft feine Genehmigung.

Nun kündigte Heinik ſofort die Verträge mit den Siedepächterinnen und wußte e8 auch durchzujeben, obwohl fich die Pfännerjchaft zu Halle und die Frau don Billerbed an den König perfönlich wandten, daß fie nicht erneuert wurden.

Nachdem die Berwaltung befchloffiene Sache war, handelte es fich in Halle um den Erfah der von der Pächterin bis dahin gelieferten Braunkohlen. Yrau von Billerbeck verlangte nämlich foviel für ihre Roblen, daß man Abjtand nahm, fie zu verwenden. Heinitz ſah aber den Vorteil der Brauntohlenfeuerung ein, und beauftragte daher den Berghauptmann v. Veltheim, Verſuche mit anderen Braunlohlen an⸗ äuftellen. Bei diefen Verſuchen wurde Beltheim der Erfinder der Braun« kohlendarrſteine. Er ließ feine Braunkohle in Ziegelformen ftreichen, und diefe Steine an der Luft trodnen.

Am 21. Februar 1790 beauftragte Heinig den Berghauptmann dv. Beltheim, unter Zuziehung des Kriege» und Domänenrats Leyßer, des Direltord der Kammerdeputation zu Halle und des Oberbergrats Bückling einen Plan auszuarbeiten, wonach das Salzwert allmählich umgebaut werben jollte, und zwar fo, daß es im Frühjahr 1792 den vollen Betrieb mit fieben großen Pfannen aufnehmen konnte. Die Salzdarftellung jollte jedoch während des Umbaues feine Einbuße er« leiden. Diefer Plan nebft dem Etat für 1790/91 wurde am 18. März eingereicht und am 16. April vom Könige vollzogen.

Nachdem am 10. Mai die Auflöfung der Kammerdeputation in Halle durch das Generaldireltorium verfügt war, wurde am 21. Mai das Salzamt

1) Geh. Staatsarchiv. Gen.Dir. Salzdepartement Nr. 64. 2) Hanbdeldminifterium, Bergabteilung F Xh 1 Nr. 1.

134 Auguft Schwemann. [432

errichtet !). Der Berghauptmann von Veltheim wurde mit der Einrichtung de3 Salzamts betraut und ihm außerdem aufgetragen, Inſtruktionen für die Beamten und ein Reglement für die Obermeifter und Sieder audp: arbeiten. Zu Mitgliedern wurden der Kriegs und Domänenrat Leyker ala Chef des Werkes, der Oberbergrat Büdling ala Bauverftändiger, der Aſſeſſer v. la Roche ala Betrieböleiter, der Afjeffor Rüdiger ala Zuftitiar und der Affeffor Vopel als Hülfsarbeiter angeftellt. Die Unterbeamten, Meifter und Gejellen der Pächterin wurden fämtlich über nommen. Am 27. Mat nahm da8 neuerrichtete Salzamt den vollm Betrieb auf. Zu gleicher Zeit wurde das Langenbogener Braunkohlen⸗ wert übernommen, welches von nun an die Braunkohlen für die Saline zu liefern hatte.

Mitte Oktober befichtigte Heinik die Saline, um fi) von der Ber waltung derfelben perfönlich zu unterrichten ?). Hierbei wurde auch der Plan für den beabfichtigten Umbau big ins einzelne feftgeitellt. Sodann befahl Heinig dem Salzamte, auf einen ftärleren Verbrauch von Braun- kohle Hinzumirten. Um nun den Transport der Langenbogener Braun- kohlen zu verbilligen, plante Heinig die Schiffbarntachung der Salgzle. Die Braunlohlen follten in Kleinen Kähnen bis Salgmünde gebracht und dort in Saalefähne übergeladen werden. Der Berghauptmann von Deltheim wurde beauftragt, diejen Plan auszuarbeiten, wobei jedoch be jtimmt wurde, daß der Plan nicht eher ausgeführt werden fönnte, bis der Verbrauch der Saline auf Über 2000 Winspel er betrug etwa 1700 geftiegen wäre. Zu gleicher Zeit regte der Minifter an, daß don neuem Verſuche angeftellt würden, Salz mit Kähnen, die mit Segel« tuch überjpannt wären, in Säcke verpadt zu verjchiffen. Nebenbei fei bier bemerkt, daß diefe Verfuche, wie die früheren, mißlangen.

Bon Halle ging der Minifter in Begleitung von Gerhard, Veltheim und Büdling nach Schönebed, um dort den Plan für die Verbefjerungen ebenfalls feftzufeßen. Es wurde beichlofien, von dem Umbau der Kotbe vor der Hand Abſtand zu nehmen, bis die Sradierung verbeflert wär. Es wurde dann beftimmt, die Gradierwände umzubauen, die Baffim zu bededen und mit NRegenhähnen zu verfehen, und zugleich auf dieſen Bedeckungen eine Tafelgradierung borzunehmen®). Durch diefe Veran ftaltungen hoffte man 28lötige Sole verfieden zu können, wodurch gegen die 20lötige, welche bis dahin verjotten wurde, etwa 2500 Klafter Hal gefpart werben konnte. Sobann plante man den Bau einer Dampf

. 1) Handelsminifterium, Vergabteilung X Fh Nr. 2. 2) Handelaminifterium, Bergabteilung F Xh 1 Nr. 1 v. 2. 3) Geh. Staatsarchiv. Gen.-Tir. Salzdepartement Abt. III Nr. I, 3.

433] Freiherr v. Heinitz ala Chef des Salzdepartements (1786—96). 195

mafchine. Die vorhandenen Roß- und Windkünfte hatten nämlich nur jo wenig Kraft, daß fie den 236 Fuß tiefen Solbrunnen, welcher 14lötige Sole enthielt, nur bis auf 116 Fuß wältigen fonnten. Man war daher gezwungen, die Hälfte der Sole aus einem anderen, nur 10lötige Sole enthaltenden Brunnen zu nehmen, fo daß man durch⸗ ſchnittlich 12lötige Sole gradierte. Durch den Bau der Dampfmalchine fonnte man aber jtändig 14lötige Sole erhalten und außerdem eine ge= nägende Menge auf den Bau Heben, jo daß dann, beſonders bei gutem Wetter, der Gradierbau beffer als bei den unzulänglichen Kräften aus⸗ genutt werden Eonnte.

Heinit ſah aber ein, daß diefe Verbefferungen nur dann zweckmäßig durchgeführt werden konnten, wenn in Schönebeck das Salzamt ebenfalls ihon jet errichtet wurde!). Der Pachtvertrag lief zwar bis zum 1. Juli 1793, jo daß das Salzamt bis dahin mit dem Siebebetriebe und der Böttcherei nichts zu thun Hatte, aber es konnte bis zu dem genannten Zeitpunkte den Verbeilerungsplan ausführen, und außerdem die Aufficht über die Annahme des Salzes, über den Packbetrieb und über die Bauten, welche die Pächterin auszuführen Hatte, übernehmen. Heinig gründete daher, bald nachdem er in Berlin wieder angelangt war, am 10. November das vom Könige genehmigte Salzamt und be- flimmte, daß es am 1. Dezember 1790 in Kraft treten follte. Die Mit- glieder der neuen Behörde wurden fämtlich ernannt, traten aber vor der Hand nicht in Wirkjamfeit. Bis zur Uebernahme des Betriebes behielt der Kriegs- und Domänenrat Klewitz, der Dezernent für Salziachen bei der Magdeburgifchen Kanımer, die Leitung, und der Affeffor Yoyard ward mit der Durchführung des Verbeſſerungsplans betraut.

Sm Jahre 1791 war man in Halle fowohl als in Schönebef mit Durchführung der Pläne beichäftigt.

In Halle wurde unter Leitung des Oberbergrats Büdling ein neues Eiedehaus von 404 Fuß Länge und 48 Fuß Breite erbaut?). Dag- jelbe enthielt jech® große Piannen und einen Padraum, während ınan über drei Gebäude mit 54 fleinen Pfannen Hatte. Die Pfannen waren 28 Fuß lang und 26 Fuß breit, mit doppelter Feuerung verſehen. Bei Herftellung diefer Pannen Hatte Büdling, um das Ausreißen der Bleche zu verhüten, zum erjtenmal nach engliicher Methode rotglühende Nieten angewandt ?). Diele Art des Nieten hatte Büdling auf einer Reife im Anftrage des Miniſters Heinik in England fennen gelernt und hier mit

1) Handelsminifterium, Bergabteilung PXS 1 Nr. 6. 2) Hanbdelöminifterium, Bergabteilung F Xh 1 Nr. 1 vol. 3. 3) Dunter, Beſchreibung der niederfächliichen Salinen, Zeil II S. W.

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gutem Erfolge verwendet. Der Bau wurde im Frühjahr 1792 fertig geftellt, er Koftete im ganzen 28371 Thlr. 23 Gr. 5 Pf.

Der Borteil der eigenen Verwaltung zeigte fich bald aufs Harfte'). Es wurde nicht allein, wie die Analyjen des Profefiord Gren ergaben, da® Salz in größerer Güte hergeſtellt, jondern die Selbflloften gingen auch außerordentlich herunter. Schon im erften Jahre fielen die Koften von 16 Thlr. 19 Gr. 1 Pf. auf 15 Thlr. 12 Gr. 4 Pi. pro Laſt, und jtellten fich nach Yertigftellung de Umbaues auf 15 Thlr. 9 Er. 5 Pr; es wurde aljo gegenüber der Pächterin das Salz pro Laft um 1 Zhlr. 9 Gr. 8 Pi. billiger hergeſtellt. Dabei flieg die Produktion von 1791 bis 1795 von 4730 auf 5913 Laft, alfo um 2500. Ber Berbrauud von Braunkohlen fteigerte fih von 1736 Wispel im Jahre 1789 au 3000 im Sabre 1795.

Mit Ausnahme einiger Kleiner Verbefferungen blieb nun die © Line Halle, folange Heinit das Galzdepartement hatte, wie fie war”). Zwar verjuchte Gerhard im Jahre 1794 noch eine Verbefferung einzu führen, indem er vorjchlug , die veraltete Püfchelkunft über dem Haupt Brunnen, dem fogenannten deutfchen Brunnen durch eine Söpelkunft zu er fegen, wodurch jährlich 653 Thlr. gefpart werden konnten. Dies Projekt zerichlug fich aber, weil die Piännerjchaft, welche den Brunnen ebenfalls benutte, feinen Beitrag Hierzu zahlen wollte. Infolge deſſen mußte der Vorſchlag Bücklings, ſtatt der 52 Solfäfſer ein großes Solbaffin von 300 Fuß Länge, 22 Fuß Breite und 6 Fuß Höhe zu erbauen, ebenfalls aufgegeben werden. Erſt im Jahre 1798 wurden diefe Neuerungen nach dem Bäd- Iingfchen Plane ausgeführt. Für die Kohlenwerke bei Wettin ordnete Heinig im Jahre 1791 eine durchgreifende Aenderung an?). Seit dem Sabre 1731 war nämlich der Preis für die Steinkohlen, welche nad den Siedeverträgen den Pächtern und der Piännerjchaft geliefert werben mußten, nicht erhöht. Da die Preife, befonders in den fpäteren Jahren, außerordentlich niedrig waren, jo arbeitete das Wettiner Bergamt ftetd mit Zubuße. Als Heinit die Leitung des Salzweſens übernahm, betrug der Zufchuß im Sabre 1786/87 16215 Thlr. 9 Sr. 8 Pf. Da nun der Wert der Steintohlen ein weit höherer war, ala er für das Ealy fieden angenommen wurde, fo Half man fich damit, daß man zwei Preiſe führte, den fogenannten Cokturpreis und den Landdebitpreis. Heinig ordnete an, daß fortan nur ein Preis, der wahre Wert,

1) Geh. Staatdardiv. Gen.-Dir. Saldep. Abt. II Nr. I, 3. 2) Dunker, Beichreibung der niederſächſiſchen Salinen I S. 105. 3) Geh. Staatsarchiv. Gen.-Tir. Salzdepartement Abt. III Nr. I, 3.

485] Sreiherr dv. Heinit ala Chef bes Salzdepartements (1786—9). 137

gelten follte, und daß die Etats der Saline Halle fowohl wie des Berg» amtes zu Wettin hiernach eingerichtet werden follten. infolge deſſen wurden die Preife für die Wettiner Steinkohlen von 6 auf 20 Thlr., die Dölauer von 6 auf 18 Thlr. und die LXöbejüner von 12 auf 16 Thlr. pro Wispel erhöht.

Hierdurch wurden are Verhältniffe geichaffen, während früher in dem Weberjchuffe der Saline Halle ftet? eine Zubuße bei den Bergwerken ftedte. Außerdem wurden die hoben Preife ein Sporn für das Salz. amt, fich der billigen Braunkohle zu bedienen, befonder® da Heinitz den Beamten der Saline eine Gratifitatian von 8%o der Feuerungserſpar⸗ nifje verſprochen Hatte.

Im Sabre 1793 veranlaßte Heinig eine Befahrung der Steintohlen- werke durch den fchlefifchen Berghauptmann Grafen v. Reden und den Geh. Sinanzrat Gerhard. Durch diefe Kommiffarien wurde ein unfafjender Betriebsplan aufgeftellt.. Nach diefen Plane ftellte man in Xöbejün durch Bohrungen die Fortſetzung der Flöte in ftreichender Richtung feſt und Ihritt dann zur Erbauung einer Dampfmaſchine. Dan ficherte Hierdurch den Betrieb in den tieflten Streden und verbilligte die Selbftloften. Als Heinik das Salzdepartement abgab, wies der Abjchluß für 1795/96 bei dem Wettiner Bergamt, obwohl die Schächte tiefer und die Mate- rialien teurer geworden waren, einen Ueberſchuß von 16127 Thlr. 7 Gr. IP. auf. Nach Gerhards Berechnungen ftedte Hierin eine dauernde jährliche Verbefferung von 4092 Thlr. 17 Gr. 5 Pf. gegen früher.

Im Sabre 1792 wurden auf der Saline Schönebed die Aenderungen bei der Sradierung und die Dampfmafchine fertig geftellt. Schon im borbergehenden Jahre hatte man den Gradierbau umgelegt reſp. neu« gebaut und im folgenden Jahre den Bau der Dampjmajchine jo gefördert, daß diefelbe im Dezember in Betrieb gejeßt werden konnte. Es war dies eine 40zÖllige, einfach wirkende Dampjmafchine nach Wattſchen Princip, welche 20997 Thlr. koftete und 109 Pferde entbehrlich machte. Die Er- wartungen, welche man an dieſe Berbeflerungen knüpfte, wurden erfüllt. Während früher 19—20ldtige Sole verjotten werden mußte, war fortan die Sole ftets 2210tig. Außerdem konnte man nicht allein die Pro- duktion verflärken, fondern die Unterhaltung der Dampfmafchine war auch billiger als die. vielen älteren Roß⸗ und Windkünſte.

Die Zurüdgabe des Werkes jeitend der Pächterin jollte kontrakt⸗ mäßig am 1. Juli 17983 gefchehen, aber da es um dieſe Zeit im vollen Betriebe geweſen wäre, und die Uebergabe nur mit großem Nach- teil Hätte gefchehen Können, jo wurde mit der Pächterin eine Vereinigung dahin getroffen, daß fie fich die Webergabe ſchon mit Eintritt des Kalt-

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lagers 1792 gefallen ließ; fie ging darauf auch am 28. bis 30. Dezember 1792 vor fi).

Nun wurde auch das Salzamt voll beſetzt?). Zum Direktor wurde der Kriege» und Domänenrat, Baudireltor Schlönbach, der bis dahin ala Dezernent der Kammer zu Minden die Saline Neufalzwer geleitet hatte, ernannt; den technijchen Betrieb erhielt der Affefjor von la Roche, der in Halle Betriebainfpeftor geweſen war, während der Afſeſſor Yoyard die Stelle von la Roche erhielt. Als Bauverftändiger wurde der Oberbergrat Büdling und ala Juſtitiar der Bürgermeifte von Schönebed, Graßhoff, angeftellt.e Später, am 18. Oftober 1794, erhielt da3 Salzamt noch den Affefior Vopel aus Halle ala Hülle arbeiter. Am 12. Januar 1793, wurde der Kriegs- und Domänenrat Klewitz, welcher das Salzamt interimiftifch geführt Hatte, von der Dir reftion entbunden.

Das Salzamt übernahm am 1. Yuli 1793 auch den Böttcherei- betrieb, fo daß es fortan den geſamten technifchen Betrieb, die Padung und Berichiffung zu beforgen Hatte. Außerdem erhielt es die Aufficht über die pfännerjchaftlichen Salinen zu Staßfurt und Gr. Salze, fowie über die Salzimpoſtkaſſen daſelbſt.

Nachdem der Betrieb vom Staate übernommen war, wurde durd Gerhard im Frühjahr 1793 der Plan für den weiteren Umbau jef- gefegt. Man ging dabei von der Abficht aus, die Produktion der Sa- fine von 18 auf 20000 Laſt zu erhöhen und den Bezug don Brenn: material hierfür ficherzuftellen. Zu diefem Zwecke war es aber nötig, jowohl neue Siedehäufer, wie neue Magazine zu errichten; denn von einem Umbau mußte man abfehen, wenn man den Betrieb zmedmäßig einrichten und an Unterhaltungskoſten jparen wollte. So wurde zu⸗ nächjt der Bau eines großen Giedehaufes, welches jpäter den Namen Heinitz erhielt, geplant?). Dasſelbe konnte jedoch, weil die Vollendung der Sradierung noch Zeit in Anfprud nahm und kleines Wafler die Anfuhr von Baumaterialien erjchwerte, erjt im Jahre 1794 fertig ge stellt und in Betrieb gejeßt werden. Dies Siedehaus erhielt ſechs große Piannen und koſtete 28489 Thlr. 15 Gr. 6 Pi. Gleichzeitig wurden im Jahre 1794 zmei neue Salzmagazine erbaut, welche 11236 Zhlr 7 Gr. 10 Pf. Eofteten. Gleich im folgenden Jahre baute man ein zweites Koth mit fieben großen Piannen; es erhielt den Ramen

1) Dunker, Beichreibung der niederfächfiichen Salinen Teil I ©. 352. 2) Handelsminifterium, Bergabteilung F X s 1 Nr. 6. 3) Dunker, Beichreibung der niederſächſiſchen Salinen Teil I ©. 359.

437] Freiherr v. Heinig ala Chef des Salzdepartements (1786-96). 189

feines Erbauers Bückling. Es wurde im Winter 1795/96 fertiggeftellt. Die Baufumme betrug 29488 Thlr. 19 Gr. I Pf. Ferner wurde im Sabre 1795 ein Schiffshafen bei dem Koth Heinig angelegt und acht Elbkähne angejchafft, wodurch bedeutend an Transportloften gejpart wurde. Der weitere Umbau wurde jedoch, nachdem Heinig das Salz« departement abgegeben Hatte, eingejtellt. Heinik bat auf den Umbau 143306 Zhlr. 9 Gr. 9 Pi. angewendet ?).

Der Bezug don Brennmaterialien jür die Saline Schönebel war äußerft jchwierig ?). Bis dahin hatte die Pächterin den Siedebetrieb mit Holzbrand geführt und außerdem Braunkohlen von ihrer Grube bei Alten« weddingen verwendet. Für letztere Kohlen verlangte aber die Frau von Sanzauge einen jo hoben Preis, daB man fich nach einer anderen Be— zugsquelle umjehen mußte, denn der Holzbrand allein war auf die Dauer zu koſtſpielig, Dan kam daher auf den Gedanken, Torf für die Feuerung zu verwenden, und da diefe Verſuche günftig ausfielen, fo fuchte man den Zorfbezug durch Anlauf von Torfland zu fichern. Um nun nicht in die Hand von Lieferanten zu fallen, war man auf eigne Gewinnung des Torfes bedacht. Es wurde daher im Jahre 1792 für Rechnung der Generalfalzlafie das Gut Fienerode bei Genthin für 126000 Thlr. angefauft und nad) Abwäflerung der Zorjablagerung ein ausgedehnter Torfjtich errichtet, der fpäter 70—80 Arbeiter beſchäf⸗ tigte und 3— 4 Millionen Stüden jährlich Tieferte. Die Verſuche ergaben, daß etwa 2000 Stüd Torf die gleiche Wirkung eines Klafters Holz Hatten, und daB durch die Torffeuerung pro Klafter Holz 8 Srofchen erfpart wurden. Da aber die Torffeuerung nur Notbehelf war, jo mußte man ih, um den Betrieb ficherzuitellen, mit einem Brennbolzbeftand von 3—4 Jahren verjehen und Hierzu 300000 Thlr. aufnehmen. Diefer hohe Beitand war notwendig, weil e8 oft Jahre lang dauerte, bis das in den Wäldern angelaufte Holz auf der Saline zur Verwendung kommen fonnte Man ſchloß daher mit dem Hofbaurat Itzig in Berlin und dem Kammer⸗ tommifjarius Stephan in Torgau Lieferungsverträge auf zehn Jahre ab. Da fi aber das Salzamt mit den Einzelheiten des Holzankaufs nicht gut bejaflen konnte, fo ſetzte Heinig eine Kommiffion mit dem Sitze in Berlin ein, welche, aus den Geh. Räten Gerhard, Mölter, Wiefel, Henkel beftehend,, die Anfchaffung und Berichiffung des Brenn⸗ und Stabholzes zu beforgen hatte, und der die Hauptniederlagen in Berlin und Spandau anvertraut wurden. Der Torjbrand fowohl, wie die

1) Geh. Staatsarchiv. Akt. des Kab. Fr. W. II. K. 96 Nr. 224 H. 2) Geh. Staatsarhiv. Gen.:Dir. Salzdepartement Abt. III Nr. I, 3.

140 Auguft Schwemann. [438

ſtarken Holzankäufe Hatten zur Folge, daB die Frau von Gansauge mit den Preijen für ihre Braunkohlen etwas herunterging, fo daß man biete mit verwenden konnte. Da man ferner don der Verwendung der Stein kohlen Abſtand nehmen mußte, weil dag Bergamt zu Wettin dem Be darf an Steinfohlen für die Saline Halle faum befriedigen Tonnte, und oberjchlefiiche Steinkohlen zu teuer waren, fo juchte man weitere Zufuhr von Braunfohlen zu ermöglichen. Es wurde daher wieder Bebacht darauf genommen, die Saltzke jchiffbar zu machen, aber dies Projekt mußte der vielen anderen Reformen wegen aufgeichoben werden. Als Ziel für bie Berforgung mit Brennmaterialien ftellte Gerhard im Jahre 1795 fol« genden Plan auf. Zu 20000 Laſt Salz gebrauchte man 24 000 Klafter Holz. Statt Holz follten von Altenwebdinger Braunkohlen 5000 Slaiter, don Fieneroder Torf 8000 Klafter und Langenbogener Brauntohlen, wenn die Saltzke ſchiffbar wäre, 3000 Klafter, zujammen 16000 SKlaiter verwendet werden, jo daß der jährliche Bedarf an Holz nur 8000 Klafter betragen jollte.e Auf dies Ziel follte Hingearbeitet werden, weil man dadurch nur einen Brennmaterialbeftand von höchſtens zwei Fahren nötig batte. Diefer Plan wurde aber ebenfo wie der weitere Umbau ber Saline, nach Uebernahme de Salgdepartements durch den Minifter von Struenfee Liegen gelaffen.

Eine andere Verbeſſerung führte Gerhard noch mit Erfolg durch. Um den Verbrauch an Stabholz zu vermindern und dadurch Eripamifie zu erzielen, ordnete er in Jahre 1793 an, daß die alten Tonnen zu: rüdgeliefert werden follten. Jeder Käufer mußte bei Abholung einer Tonne Salz eine leere wieder mitbringen oder 4 Groſchen Piand Hinterlegen. Diefe Maßregel bewirkte, daß im Jahre 1794 ſchon 40 000 Tonnen zu⸗ rüdgeliefert wurden.

Der günftige Erfolg der jtaatlichen Verwaltung zeigte fich auch hier bald nach Uebernahme des Betriebes. Die Produktion bob fich auf über 21000 Laft und die Selbſtkoſten ftellten fich in Jahre 1794 auf 13 Zhlr. 14 Gr. 3 Pi, während fie im Jahre 1792, alfo vor Uebernahme des Wertes 16 Thlr. 6 Gr. pro Laft betrugen. Hierbei war der Vorteil, der durch die Feſtpackung erreicht war, nicht mitgerechnet. Die Laft Salz wurde aljo 2 Thlr. 15 Gr. 9 Bi. billiger hergeſtellt. Dadurch wurde es der Seneralfalztaffe möglich gemacht, außer den fonftigen Weberfchäfien 20 000 Thle. jährlich an die Generalinvalidentafle fortan zu zahlen.

Noch eine Aenderung des Salzamts muB an diefer Stelle erwähnt werden). Im Jahre 1793 wurde auf Geheiß des Minifterd, das Domänen:

1) Dunter, Beichreibung der niederfächfiichen Salinen I &. 570.

439) Freiherr v. Heinik als Chef des Salzdepartements (1786-96). 141

amt Schönebed vom Salzamt gegen eine jährliche Abgabe von 2560 Thlr. 15 Gr. 2 Pf. in Erbpacht genommen. Die Uebernahme der Domäne war nämlich notwendig, weil das Salzamt die Gebäude zu Magazinen für Holz und Kohlen, und zu Beamtenwohnungen nötig Hatte. Man er= richtete jpäter eine außgedehnte Schwarzdornenkultur, um die für die Gra- dierung nötigen Dornen zu erhalten. Das übrige Land wurde in Keinen Parzellen an die Salinenarbeiter wieder verpachtet.

Für die Arbeiter forgte Heinig noch in anderer Weile. Gleich nach Uebernahme des Schönebeder Werkes richtete er nach dem Mufter der Knapp⸗ Ihaftslafien bei den Bergwerken, eine Unterftüßungsfafle ſür die Salinen⸗ arbeiter ein, ebenjo wie er die vorhandene der Saline Halle durch das Reglement vom 17. Januar 1793 reformierte!). Jedem Salinenarbeiter wurde wöchentlich 1 Groſchen von feinem Lohne abgezogen. Dafür wurde in Krankheitsfällen eine wöchentliche Unterflüßung von 6—12 Grofchen, ärztliche Hülfe und freie Arznei gewährleiftet. Ferner erhielten beim Ab⸗ fterben eine Mitgliedes die Nachlommen 8 Thlr. ala Beibülfe zum Begräbnis und die Wittwen und Wailen wurden notdürftig unterftüßt. Außerdem wurde jür die Kinder der Salinenarbeiter vom Werke eine Schule errichtet und zu diefem Zwecke für jedes fchulpflichtige Kind 6 Pf. Schulgeld erhoben. Konnte die Unterſtützungskaſſe mit ihren Mitteln nicht auskommen, jo ſchoß die Salinenbetriebskaſſe dad Fehlende zu.

Mas nun die Reiormen des Dkinifters auf den weitfälifchen Salinen anlangt, fo befiten wir keine ausführlichen Nachrichten darüber. Wir wiſſen aber, daß der Minifter die Ausführung dem Geh. Oberbergrat- und Kammerdirektor, Frhrn. von Stein übertrug, auf deſſen Urteil Hei« nig großen Wert legte.

Auf der Saline Neufalzwert bei Minden wurde ein neuer Sol⸗ brunnen abgeteuft, zwei neue Siedehäufer errichtet und große Stau- anlagen gefchaffen. Diefe technifchen Umänderungen wurden im Jahre 1794 beendigt?). Die Produktion ftieg im Jahre 1795 auf 1234 Laft.

Auf der Saline Königsborn bei Unna wurde ebenfalld ein neuer Solſchacht abgeteuft und reiche Sole angetroffen. Ferner wurde ein neues Gradierhaus und ein großes Solrejervoir gebaut und umfafjende Berbefferungen an der Solfunft angebracht, befonder® durch Erbauung einer Dampfmaſchine. Diefe Saline war mit ihren Veränderungen noch

1) Zunter, Beichreibung der niederſächſ. Salinen Teil I ©. 624, und Schwetichle, Gewerbegeidhichte von Halle, Halle 1883, ©. 154. 2) Geh. Staatsarchiv. Gen.⸗Dir. Salzdep. Abt. IH Nr. I, 3.

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nicht ganz fertig, ala Heinit die Salzverwaltung abgab. Sie follte nach Tertigitellung des Umbaues 2100 Laſten liefern.

Die günjtige Wirkung der Reformen trat auch bei diefen Werken jehr bald hervor. Der etatsmäßige Ueberſchuß wurde von 75468 Thlr. 1 Gr. 10 Pi. pro 1787/88 auf 99432 Thlr. 11 Gr. pro 1794 erhöht und außerdem über den Etat noch 36859 Thlr. 9 Gr. 7 Pf. abgeliefert. Sm Jahre 1794 Hatten die Verbefferungen auf den weſtfäliſchen Salinen ſchon 97655 Thlr. 3 Pi. gefoftet.

Im Sabre 1792 führte Heinig noch eine wichtige Aenderung ein, wodurch er das gefamte Kaflen- und Rechnungsweſen bedeutend verein: fachte ). Bis dahin begannen nämlich die Etatsjahre jür das Salz weſen am 1. Juni, und dies war für die Rechnungslegung mit großen Schwierigkeiten verknüpft. Die Siedung konnte nämlich nicht anders eingerichtet werden, als daß der für ein Jahr nötige Salzbedarj in zwei Etatsjahren gejotten wurde. Ebenſo mußte die Herbeifchaffung der Materialien und die Verfchiffung in zwei Etatsjahren erfolgen. Diee Umftände machten ſowohl bei der Generaljalzlaffe wie bei den Werts: fafien wegen der vielen Vorſchüſſe aus einem Etatsjahre in das andere beträchtliche Schwierigkeiten, ebenfo war die Abrechnung der General ſalzkafſe mit den Provinzialfaffen befehwerli und umftändlih. Allen diefen NRechnungsfchwierigleiten machte Heinig am 7. April 1792 ein Ende, inden er bejtimmte, daß vom 1. Januar 1793 an das Etatzjahr bei dem ganzen Salzwejen mit dem Kalenderjahre zufammenfiel.

Im Sabre 1794 gelang es Heinig, den König für einen ſchon lange gebegten Wunſch, nämlich die Verbindung des Salzdepartements mit dem Bergwerks- und Hüttendepartement geneigt zu machen?). Dide praktiſche und zwedmäßige Verbindung wurde durch die Kabinettäordre vom 14. Yebruar 1794 genehmigt. Heinitz richtete das „kombinierte Bergwerks⸗ und Salzdepartement” in der Weife ein, daB die vortragen. den Räte beiderlei Sachen zu bearbeiten Hatten, dagegen Kaflen und Regiftraturen getrennt blieben. Dieje Einrichtung follte jo Lange bleiben, biß die von Heini geplante Salzadminiftration zu Berlin ins Leben gerufen wäre. Aladann follte eine vollitändige Verſchmelzung beider Departements flattfinden. Der Minifter wollte nämlich durch Errich⸗ tung einer Salzadminiftration, welche ala Zwifcheninftanz diefelbe Stel⸗ lung wie die Oberbergämter haben follte, dem Departement die Details im Salzwejen abnehmen. Hierzu ift es jedoch nicht mehr gelommen;

1) Geh. Staatsarchiv. Gen.:Dir. Salzdepartement Nr. 18 v. 2. 2) Geh. Staatsarchiv. Gen.:Dir. Salzdepartement Abt. III Rr. L 5.

441) Freiherr v. Heinit als Chef des Salzdepartements (1786—96). 143

Heinig mußte, bevor er dieſe Berwaltungsorganijation durchlegen konnte, das Feld räumen. Vorher Hatte er jedoch noch das Bergamt zu Wettin dem Oberbergamte zu Rothenburg unterftellt und es damit von der Salz⸗ verwaltung getrennt. Diejes Bergamt hatte ja gar keinen Zufammenhang mit dem Salzweſen; jet wurde es zwedentiprechend den Bergbehörden angegliedert.

Stellung des Salzdepartements zur Seehandlung®- ſocietät.

Der Ländererwerb Preußens durch die zweite und dritte Teilung Polens führte zu Konflikten zwiſchen Heinitz als Leiter des Salzdeparte⸗ ments und dem Miniſter von Struenſee als Chef der Seehandlung. Bevor dieje gefchildert werden jollen, muß jedoch das Verhältnis der Seehandlung zum Salzdepartement näher betrachtet werden.

Die Seehandlungsfocietät wurde von Friedrich dem Großen durch Patent vom 14. Oktober 1772 gegründet!). Der Zwed war in erfter Linie ein politischer. Durch die Teilung Polen® im Jahre 1772 kam Defterreich in den Beſitz der ausgedehnten Steinfalzggruben bei Wielitzka und Bochnia und der leiftungzfähigen Saline Sambor. Damit erhielt Defterreich , neben anfehnlichen Ginnahmen aus dem Salzhandel, einen wichtigen Einfluß in Polen. Um nun diefen dfterreichiichen Einfluß einzu= ſchränken und zu gleicher Zeit Nuben aus dem Salzhandel zu ziehen, wurde, nachdem der Salzbandel in Polen frei erflärt war, die See Bandlungsfocietät gegründet und ihr allein das Recht zugeltanden, Salz nah Polen zu verlaufen. Hätte man den Salzhandel durch die preußiichen Provinzen frei gelaffen, jo würde die polnische Stadt Danzig vermöge ihrer günjtigen Lage den ganzen Salzbandel und damit aud) den Produftenhandel an fich geriffen haben. Die Städte Königäberg, Memel und Elbing hätten dann ihren Zmwifchenhandel nach Polen faft ganz verloren. Es wurde daher die Einfuhr von Salz in die preußifchen Oftfeehäfen, vom 1. Januar 1778 an, nur der Seehandlunge- forietät geſtattet. Dieſe Gejellichaft kaufte ſpaniſches, Pportugiefifches, franzöfifches und engliſches Salz auf und brachte es in die Magazine zu Stettin, Neufahrwafler, Elbing, Königsberg und Memel. Dort wurde es zu einem bejtimmten Preife von der Salzhandlungscompagnie, welche einen Teil der Societät bildete, übernommen und nad Polen vertrieben. Der Handel nach Litauen geſchah von Konigsberg und

1) Geh. Staatsarchiv. Gen.⸗Dir. Salzdepartement Nr. 221.

144 Auguft Schwenann. [442

Memel aus; ex war fait ausſchließlich Taufchhandel!). Die Berforgung des eigentlichen Polens geſchah auf der Weichſel bis Warſchau binanf. Zu diefem Zwecke war ein großes Magazin in Neufahrwafier angelegt, welches den Hauptbedarf zu liefern hatte. Bon Elbing aus wurde eben- falls Salz nach Polen verfandt, doch nur ala Rüdfracht gegen polnifche Produkte. Endlich geichah die Verſorgung Großpolens von Stettin aus. Das Salz ging entweder die Oder hinauf bis Schwuſen, wo fi ein großes Magazin befand, und wurde von dort mittelft Landfracht nach Polen gebracht, oder e& wurde die Warthe und Nebe hinauf in die dortigen Salzmagazine verſchifft. Die Seehandlungsfocietät war eine Aktiengeſellſchaft mit einem Betriebafapital von 1200 000 Thlr. in 2400 Aktien à 500 Thlr. eingeteilt. Der König befaß 2100 Aktien.

Obwohl diefer Salzhandel jehr ausgedehnt war er betrug in der eriten Zeit 15—18 000 Laft jährlich, fpäter über 20 000 Laſt —, fo machte doch die Seehandlungsfocietät durch ungejchidte Leitung jehr ichlechte Gejchäfte, biß nach dem Sturze de Miniſters von Göme die Geſellſchaft durch den Minifter dv. d. Schulenburg im Anfange des jahres 1782 reorganifiert wurbe.

Mit diefer Handelagejellichaft, die von fyriedrich dem Großen jehr begünftigt wurde, kam der Minifter v. Derſchau bald nach ihrer Er» richtung ala Leiter des Salzdepartements in Konflikt.

Das Salzdepartement Hatte nämlich, bevor die Seehandlung ge gründet wurde, nad) Polen einen Abſatz, der jährlich etiva 442 Vaft ber trug und einen Nutzen von annähernd 10000 Thlr. abwarf?). Dieſer Handel mußte nach Errichtung der Seehandlung aufgegeben werben, da fie jet allein berechtigt war, Salz nad) Polen zu verkaufen. Derjchau fragte daher am 12. Oktober 1772 beim Könige an, ob die Seehandlung verpflichtet wäre, den bisherigen Ueberſchuß dieſes Handels dem Salzdepartement zu vergüten, worauf der König beſtimmte, daß die Seehandlung das Salz abzunehmen und zu verlaufen hätte Dies gejchah jedoch Sabre lang nicht, jo daß fi) Derſchau veranlaßt ſah, die Enticheidung des Königs nochmals anzurufen, der aber am 31. Mai 1776 das Salgdepartement mit feinen Anfprüchen abwies.

Nachdem dieſe Streitigfeit aus der Welt geichafft war, hatte dad Salzdepartement jowohl wie die Seehandlung ihre beftimmt abgegvengten Gebiete; diefes den Salzhandel im Inlande, jene im Auslande. Al

1) Geh. Staatsarchiv. Gen.-Dir. Salzdepartement Nr. 208. 2) Geh. Staatsarchiv. Gen.⸗Dir. Salzdepartement Nr. 186.

443) Freiherr v. Heinig ala Chef des Salzdepartements (1786—96). 145

Breußen nun durch die zweite Teilung Polens Länderzuwachs erhielt, mußte e8 notwendig ander werden.

Heinig nahm an, daß die Neuerwerbungen in Bezug auf den Salze handel unter das Salzdepartement gejtellt werden follten. Dies war auch der Fall bei Danzig und Thorn, da diefe Gebiete mit MWeft- preußen vereinigt wurben. Dagegen jträubte fi) der Minifter von Struenfee ala Chef der Seehandlung, die Übrigen Länder, welche unter dem Namen Südpreußen vereinigt wurden, als Abfatgebiet aufzugeben, befonder® da in der dortigen Gegend der Salzhandel am meiften ein- brachte. Er berichtete an den König und bat, Südpreußen ber See⸗ handlung zu belaffen, was auch Friedrich Wilhelm am 22. Februar 1798 genehmigte. Aber jchon am 2. März änderte der König feine Meinung und beftimmte auf den Bericht von Heinig, daB die Salzverſorgung Südpreußen® durch das Salzdepartement gefcheben ſollte; Heinitz und Struenjee jollten jedoch hierüber gemeinjchaftlich berichten. Heiniz teilte am 12. März Struenfee diefe Kabinettsordre mit und fchrieb dabei:

„Die Gefichtspuntte, von welchen ich ausgehe, find:

1. Ausübung des Salzregal® durch das Salzdepartement, mithin

2. Gteicäftellung der neuen Provinzen mit allen übrigen königlichen Provinzen.

3. Benubung inländifcher Materialien und Produkte zu inländijchen Bebürfniffen, Erweiterung der inländifchen Gewerbſamkeit durch die für die vermehrte Salzjabrifation in Umlauf zu bringende Summe von 240000 Thlr.

4. Erhaltung und womöglid Emporbringung der ohne ihr Ver—⸗ fchulden heruntergelommenen Pfännerfchajten zu Halle, Staßfurt, Sr. Salze und Kolberg durch Zuwendung eine Teils der Liefe- rung des Salzbedürfniffeg von Großpolen.

5. Vergrößerung der von der Generaljalzlafje an des Königs Ma: jeftät abauliefernden Ueberſchüſſe.

Ich babe aljo die Pflichten bes Staatswirtes und Staatshaushälters ind Auge genommen und babe geglaubt, daß die Vorteile einer nur noch auf wenige Jahre octroyierten Handelagefellichaft bie aus einer ver⸗ hältnismäßig Kleinen Anzahl begüterter Kapitaliften beftehet, nicht in Betracht kommen können, wenn von DBermehrung inländijcher Induſtrie und Benubung der Naturſchätze des biefigen Staates die Frage ift; ger

1) Geh. Staatsarchiv. Gen.:Dir. Salzbepartement Nr. 148. Forigungen ;. brand. u. preuß. Geld. VII. 2. 10

146 Auguft Schwemann. [44

jegt auch, daß jene Handelßvorteile weit größer wären, als ber reine Ueberſchuß von dem erweiterten inländifchen Verkehr für die General⸗ falztafje fein kann,

Bisher wurde polnifches Geld Für englifches Salz ausgegeben und ber Vorteil dieſes Handeld floß dem hieſigen Staate zu; das würde ünftig nicht mehr der Fall fein, wenn die Salzverforgung von Groß polen auf dem zeitherigen Fuße verbliebe; man würde das Geld preußi- jcher Unterthanen für eine Ware in? Ausland jchiden, die man im preußiichen Staate jelbft bat.

So lange indeflen die Erweiterung der föniglichen und pfänner Ichaftlichen Salinen nicht dahin gediehen fein wird, das ganze Galz bedürfnis für die acquirierte Provinz zu Tiefern, ift e8 ratſam, der Ser handlungsfocietät an der Verjorgung diefer Provinz mit dem benötigten Salz Anteil zu geben.“

Man fieht, welche weite Geſichtspunkte Heinitz leiteten, während e8 Struenfee nur darum zu thun war, hohe Einnahmen zu erzielen, um damit vor dem Könige zu glänzen.

Der gemeinfame Bericht der beiden Minifter vom 15. März 1793 ſchlug vor, der Seehandlung bis zu Ende ihres Privilegiums, bis Januar 1796, den Salzvertrieb gegen eine jährlich zu zahlende Summe von 150000 Thlr. zu überlaffen, aber mit der Bedingung, daß die Ser: handlung den notleidenden Plännerfchaften zu Halle und Gr. Sale 500 Laft Salz abnehmen follte.e Am 20. März genehmigte der König diefe Vorſchläge. Struenjee wollte aber das pfännerjchaftliche Sal, welches 4,9 Pi. das Pfund an Ort und Stelle koſtete, nicht abnehmen; er behauptete, der Preis fei ihm viel zu hoch, die Seehandlung müffe 3 Bi. am Pfund verdienen, fonft könne fie ihren Verpflichtungen nicht nachtommen. Obwohl nun Heinig ſich erbot, die 500 Laſt Piännerfah durch die Generalſalzkafſe abzunehmen und dafür dieſelbe Menge Schöne beckſches Salz für den Preis von 3U/s Pf. pro Pfund Franco Polen zu liefern, fo weigerte fi) Struenfee dennoch, da8 Salz zu nehmen. Run erbot fich Heinig, um den Piännerjchaiten diefe Lieferung zuzumenden, das Salz für 8 Pi. pro Pfund in die Magazine an der Warthe und Netze zu. liefern, wobei die Generalſalzkaſſe offenbar Schaden hatte, aber Struenfee blieb doch bei feiner Weigerung. Da der Verkaufspreis in jenen Gegenden 6 Pf. pro Pfund war, fo wurden 3 Pi. am Piunde ver dient, er mußte alfo einen neuen Grund erfinden, um die Weigerung aufrecht zu erhalten. Er behauptete jet, da Magdeburgiſche Salz ki jchwerer verkäuflich, ala das englifche Steinſalz, der Preis müßte daher noch weiter beruntergejeßt werden. In Wahrheit wollte er nur von

445] Freiherr v. Heinitz ala Chef des Salzdepartements (1786-9%). 147

ber Täftigen Bedingung losßkommen. Er verwies auf einen gemeinfchait- lichen Bericht an den König. Auf diefen verzichtete aber Heinitz, denn er wußte ganz genau, daß er beim Könige nicht Recht befommen würde. Er ließ daher die ganze Angelegenheit fallen in der Hoffnung, daß er im Anfang Januar 1796 die Berforgung Südpreußens in die Hände befäme, da das Privilegium der Seehandlung dann ablief und er alles dann nad) feinen Wünfchen einrichten Fonnte. Dagegen hatte Struenfee in Bezug auf die Salzverforgung von Danzig und Thorn nicht mitzu- iprechen, da biefe Gebiete zu Weftpreußen geichlagen wurden, und Welt: preußen. durch das Salzdepartement mit Salz verforgt wurde. SHeinik überließ den Plännerjchaften die Salzlieferung für diefe Gebiete, worauf jpäter noch näher eingegangen werben fol. Hierbei Hatte auch die Generalfalztafje Nugen, denn durch die Stellung don Danzig unter dem Salzdepartenient wurde einem ausgiebigem Schleichhandel der Boden entzogen‘). Man Hatte nämlich den Danzigern geftattet, das Salz, welches fie zu ihrem Gebrauche nötig hatten, einzuführen. Diele Ein- fuhr betrug aber nach den Ermittelungen de Miniſters v. d. Schulen- burg im Jahre 1788 etwa 700 Laft mehr, als die Einwohner ber Stadt gebrauchen konnten. Der Salzſchmuggel Danzig ftand aljo in voller Blüte. Jetzt wurde die Einfuhr fremden Salzes nicht mehr ge ftattet, und die bis dahin eingefchmuggelte Dienge mußte notwendig ber Generalfalzlaffe zu gute kommen.

Die Hoffnungen von Heinig, Südpreußen unter das Salzdeparte- ment geftellt zu ſehen, jchwanden jedoch bald?), Ende 1794 wußte nämlich Struenfee den König zu bewegen, dad BPrivilegium ber See⸗ handlung zu verlängern, und zwar geichah dies, ohne daß das General direftorium oder der zunächſt beteiligte Miniſter Heinig zum Gutachten aufgefordert wurden. Mit diefem Erfolge begnügte fich jedoch Struenfee nicht; gar bald verftand er es, Heinit als Leiter des Salzweſens gänzlich ju verdrängen.

Die Kriege Preußen? gegen Frankreich und Polen Hatten bie Fi⸗ nanzen des Staates nicht allein erjchöpft, jondern auch erhebliche Schulden bervorgerufen?). Als nun auch der Jahresabſchluß des Staatshaushalts für 1794/95 ebenfalls ungünftig ausfiel, mußte man auf neue Mittel und Wege finnen, diefe Schulden zu tilgen. Der König, von Struenfee veranlaßt, beauftragte daher am 18. Juni die Minifter, Vorfchläge in

1) Seh. Staatsardiv. Gen.⸗Dir. Salzdepartement Nr. 220.

2) Geh. Staatsarchiv. Akten des Kab. Fr. W. HI. R. 89 Nr. 1327.

3) Seh. Staatsarchiv. Alten des Kab. Fr. W. I. R. 96 Nr. 220 G. 10*

148 Auguft Schwemann. [446

diefer Richtung zu thun. Struenfee trat nun, am 22. Yuni, mit dem Plane hervor, die Seehandlung mit dem Salzdepartement zu vereinigen. Cr Hoffte Hieraus eine Mehreinnahme von einer halben Million Thaler zu erzielen und mit dieſer Einnahme dann die über 8 Millionen Zhala betragenden Schulden zu verzinjen und zu amaortifieren. 300 000 Zhlr. wollte Struenjee durch Berbot des fremden Salzhandels aus den durch die Teilung Polens erworbenen Ländern erzielen und 200 000 Thlr. dadurch gewinnen, daß er Dft- und Weitpreußen nebſt dem Netzediſtrilte mit engliidem fatt mit magdeburgifchem Salze verfah. Das englifce Salz kojtete nämlich in den preußiichen Dftfeehäfen etwa 12 Thlr. die Laft, während das Salz von Schönebel auf ungefähr 23 Thlr. mu jtehen kam.

Lebterer Gedanke war nicht neu‘). Struenfee Hatte ihn ſchon em mal, bald nachdem er Miniſter geworden war, im Sjahre 1791 dem Könige unterbreitet, worauf biefer am 8. September ein Gutachten von Heinitz eingefordert hatte. Heinit hatte darauf berichtet, daß neben der Schädigung der inländifchen Induftrie es vor allem verwerflich ſei, fih vom Auslande abhängig zu machen. Das Projekt war daher liegen geblieben. Set wurde es von Struenſee aufs neue angeregt. Da er aber wußte, daß Heinig fi mit Händen und Füßen gegen dieſen Vorſchlag fträubte, und fo lange er Leiter des Salzweſens war, nie mals zugeftimmt hätte, fo fchlug er vor, daß Salzdepartement mit ber Seebandlung zu vereinigen, um dadurch Heinitz beifeite zu fchieben. Statt beider wollte Struenjee eine Generalfalzadminiftration errichten, welche allein berechtigt fein follte, Salz im In⸗ und Auslande zu kaufen und zu verlaufen und welche zu gleicher Zeit die Direktion der Salz jabrikation führen follte, um „nad Maßgabe des Bedarfs und der Lokalität die Produktion einjchränfen zu können.“ Ban fiebt alfo, worauf e8 Struenfee vor allen ankam. &r wollte die Salzverjorgung der Provinzen kaufmänniſch betreiben und auf Koften ber inländifchen Salzerzeugung große Weberfchüffe erzielen, während Heinig, der in erfter Linie Staatsmann war, als Leiter der Salzverwaltung vor allem das Piel hatte, die Einwohner mit gutem und billigem Salze zu verforgen und die inländiſche Salzprobuftion zu heben. Bet ihn fland die Grwerbung großer Ueberſchüfſe erſt in zweiter Linie. Struenſee wear es einerlei, woher er das Salz bezog, wenn er nur gut dabei werbimnk. Heinit dagegen bezahlte Lieber einen höheren Preis, ala fi vom Yu lande abhängig zu machen, befonders, da dies wegen des Neichtums an

Il) Geh. Staatsarchiv. Gen.⸗Dir. Salzdepartement Abt. II Nr. 18.

447] Freiherr v. Heinit ala Chef des Salzdepartements (1786—9). 149

Salzquellen nicht nötig war. Nach Anficht des Minifters v. d. Schulen burg, der die Berhältniffe ala Kontrolleur der Schuldenverwaltung genau fannte, waren die Beweggründe Struenjees noch ganz anderer Art. Er meinte, daß Struenjee die Verbindung der Seehandlung mit dem Salz» Departement nur betrieben hätte, um die Seehandlung vor dem Ruin zu retten.” So fchrieb er u. a. am 18. April 1798 an den Geb. Kabi- nettsrat Beyme!): „Bor Verbindung der Salzpartie mit der See- Bandlung war lebtere allen Umftänden nach und in Bezug auf die Ver- bältniffe mit anderen Handel3häufern zu urtheilen, wenn gleichwohl nicht apodictifch zu behaupten, ſchon banquerot, und diefe Verbindung war ein verſtecktes Rettungsmittel, deſſen Anwendung jedoch immer lobens⸗ werth ift, indem ber Endawed dadurch erreicht worden.“

Heinig wurde am 15. Juli vom Könige aufgefordert, einige Fragen über das Salzweien zu beantworten?)., Wan follte erwarten, der König Hätte ihn als ben beteiligten Reffjortminifter zum Bericht aufs gefordert. Dies geſchah jedoch nicht. Da aber Heini von den Ab» fichten Struenſees unterrichtet war, jo ging er in dem Immediatberichte dom 20. Yuli dennoch näher auf ben Plan Struenfees ein. Er fpricht darin die Beſorgnis aus, daB die Salinen Halle und Schönebed fehr zurückgehen und dadurch viele Yamilien brotlo® würden, daß den Pro- vinzen Magdeburg und Pommern große Summen entzogen würden, daß die Stromfchiffahrt leiden würde und endlih, daß der erhoffte Ueber⸗ ſchuß nur auf Handlungsfpelulationen mit dem Auslande berube. Er foreibt dann: „Im Jahre 1791 blieb das ganze Projelt Liegen. ch hoffe und wünfche aus reinem Patriotigmus, daß diejes auch jet wieder der Fall fein möge.” Falls aber der Plan dennoch in Erwägung ge- zogen werben follte, fo bat Heinig, ihn vorher durch jämtliche Minifter prüfen zu laffen, da er für das allgemeine Staatsinterefje au wichtig ſei. Heinitz wußte, daß feine Kollegen mit ihm übereinjtimmien.

Der Plan blieb vorläufig liegen. Erſt am 31. Dezember trat Struenfee wieber von neuem damit hervor. Er legte feinen früheren Plan dem Könige vor und bat noch, um bie erwarteten Ueberſchüfſe fider zu erzielen, den fchlefiichen Minifter von Hoym zu beauftragen, das für Schlefien nötige Salz, auch Steinjalz, durch die zu bildende Generalfalzgadminiftration einzulaufen und alle über den Etat gemachten Ueberichäffe an fie abzuliefern.

1) Geh. Staatsarchiv. Akten des Kab. Fr. W. III. R. 89 Nr. II F. 2) Geh. Staatzardjiv. Gen.Dir. Salzbep. Abt. II, Generalia Nr. 18.

150 Auguft Schwemann. [448

Der König genehmigte im allgemeinen den Plan, befahl aber am 3. Januar 1796 Struenfee, die Tilgung jämtlicher Schulden des Staat intlufive der Schulden des neuerworbenen polnischen Zanbes, der einzelnen Departement? u. |. w. vorzufehen. Hierauf berichtete Struenfee am 16. Januar, daB die Schulden 24 Millionen Thaler betrügen es famen jpäter noch einige hinzu, fo daß es 30 Millionen wurden und daß zur Tilgung diefer Schuld außer der halben Million aus dem Salzweſen noch eine Million nötig fei. Da aber zu diefem Zweck weder neue Steuern außgejchrieben, noch die Zölle erhöht werden follten, jo müßte der König eine Million aus feinem PDispofitionsfond noch be willigen.

Am 20. Januar 1796 genehmigte der König diefen Plan. Struenjee wurde mit der Leitung der Schuldentilgung betraut und die Minifter v. d. Schulenburg und v. Schrötter ihm zur Seite geftellt.

Der König bewilligte zu diefem Zwecke 1 Million aus feinen Die pofitionggeldern und "se Million aus dem Salzwejen. fyerner wurde beftimmt, daß unter Struenjeeß Leitung die Seehandlungsfocietät mit dem Salzdepartement ala Generaladminiftration verbunden werden jollte, „um dag gelamte Salzwejen nad; merkantilen Grundfäßen zu ver: walten.“ Die etatgmäßigen Weberjchüffe mußten in berjelben Höhe wie früher abgeliefert und der Salzpreis burfte nicht erhöht werden. Dagegen wurde ausdrüdlich erlaubt, die inländilche Produktion einzu ſchränken, um dafür Salz aus bem Auslande zu beziehen. Der Salz verlauf im In⸗ und Auglande durfte nur durch die Generaljalzadmini- jtration geſchehen und auch der fchlefiiche Minifter wurde gebunden, das Salz durch die neue Behörde zu beziehen.

Heinitz wurde am ſelben Tage durch folgende Kabinettsordre, deren Berfaffer Struenfee ijt, als Leiter des Salzweſens entlaffen:

„Um meine Untertanen mit neuen Auflagen zu verfchonen, habe Ih auf Mittel denken müfjen, die während des Krieges contrahirten Staatefchulden auf andere Art fucceffive zu tilgen und die Zinjen ba von bezahlen zu Lönnen. In diefer Rückſicht habe Ich die Überſchüffe der Salz Revenues dazu beftimmt. Wenn aber der dabei beabfichtigte Zwed erreicht werden ſoll, jo ift es nothwendig, daß das von Eud adminiftrirte Salzregale mit dem von der Seehandlungs Sorietät be triebenen Handel mit fremdem Salze verbunden werde. Ihr werdet eb alfo nicht ala ein Zeichen Meiner Unzufriedenheit mit Eurer bisherigen Führung anfehen, wenn Ich dem Minifter von Struenfee die Admini⸗ ftration des ganzen Salzweſens in Meinen Staaten aufgetragen habe, wir Ihr ſolches aus Meiner Verfügung des General-Directorium des mebreren erjehen könnt. Dagegen werbet Ihr das Salzdepartement bed

449] Freiherr v. Heinitz als Chef des Salzdepartements (1786°—9). 151

General-Directoriumd vom Bergwerld- und SHüttendepartement hin⸗ wiederum jeparieren und erſteres mit allem, was vormals dazu gehört bat, dem Minifter von Struenfee übergeben, damit er meiner Intention gemäß dag Nöthige beforgen könne.“ Gr. Wilhelm.

So mußte denn Heinitz das Salzdepartement nicht allein, fondern auch das Bergamt Wettin von feiner Verwaltung wieder lostrennen.

Struenjee hatte num erreicht, was er wollte, aber zum Segen ift diefe Bereinigung nicht außgefchlagen!). Er war kein organifatorisches Zalent, weshalb auch die von ihm ins Leben gerufene Verwaltung ein koftipieliger und umftändlicher Apparat wurde. Zwar wurde eine Generalſalzadminiſtration gebildet, diefelbe erhielt aber nicht, wie es ur« iprünglich beabfichtigt war, das gefamte Salzweien unterftellt, jondern trat einfach an Stelle des Salzdepartement?. Den Salzbandel ins Aug- land und die Beichaffung des fremden Salzes behielt die Seehandlung nach wie vor. Es trat alfo keine Gentralifation ein und infolge deſſen wurde eine umftändliche und büreaufratifche Behörde gefchaffen, was am beften daraus hervorgeht, daß an Gehältern fortan 41 211 Thlr. gezahlt wurden, bie Bejoldungen aber unter Heinik nur 12 567 Thlr. 21 Gr. 4 Bi., aljo weniger als !/s betrugen. Dabei waren die jämtlichen Ber amten nicht fachveritändig, denn das Perfonal des Salzdepartements trat zum Bergwerks- und Hüttendepartement über.

Man kann fidh daher auch nicht wundern, daß die Produktion der Saline Halle, welche im Sabre 1795 eine Höhe von 5914 Laſt erreicht hatte, bei Auflöfung der Generalfalzadminijtration im Jahre 1805 nur 4043 Laſt noch betrug?) und bie Salzerzeugung ber Saline Schönebed von 21 043 Laft im Jahre 1795 auf 14237 Lafl im Jahre 1804 fiel?). Es ift natürlich, daß die Selbftloften hierdurch bedeutend ge= fteigert wurden. Und dabei Hatte Heinit die Salinen in der denkbar beiten technifchen Verfafſung übergeben.

Die großen erwarteten Weberjchäffe blieben ebenjalls aus. Die Generaljalzadminijtration lieferte nur mäßige Ueberſchüſſe über das Etats quantum, was gegenüber ber früheren Verwaltung, da für VBerbefferungen nichts mehr angewendet wurde, einen jährlichen VBerluft von 25—30 000 Thlr. bedeutete‘). Hierbei ift die Verminderung des Vermögensbeſtandes nicht mitgerechnet. Den einzigen Vorteil von der Beränderung batte

1) Geh. Staatsarchiv. Gen.:Dir. Salzdepartement Abt. IH Nr. I, 5. 2) Dunker, Beichreibung der nieberfächfiichen Salinen Zeil II ©. 114. 3) Dunker p. Teil I S. 371.

4) Geh. Staatsarchiv. Gen.-Dir. Salzbep. Abt. III Ne. 1, 5.

152 Auguft Schwemann. [450

die Seehandlung durch die Verforgung von Oft- und Weitpreußen mit englifchem Salze, wodurdy im Jahre 1797 etwas über 194 000 Thlr. mehr erzielt wurden !). Später wurden jedoch die Seefrachten durch bie Kriege Englands fo Hoch, daß der Vorteil fi) immer mehr verringerte, und ala England im Jahre 1804 noch einen Zoll auf das ausgehende Salz legte, war das von auswärts bezogene Salz ſelbſt in den Offſee⸗ bäfen teurer als das im Inlande erzeugte. Es wurde baber auch, bald nachdem der Minifter Struenfee geftorben war, auf Antrag feines Rad: folger8 Stein am 14. Mai 1805 die Generalfalzgadminiftration wieder aufgehoben ?). Die Salzfabrilation wurde dem Bergwerks⸗ und Hütten departement unterftellt.e. Den Salzhandel behielt die Seehandlung, wäh. rend die Aufficht über ihn das Zolle und Xccifedepartement ausübte.

Heinitz' Thätigleit in Bezug auf die private Salz— induftrie.

Um nun ein Gejamtbild der Thätigleit von Heinig auf dem Ge. biete des Salzweſens zu befommen, müſſen wir noch feine Bemühungen, die private Salzinduftrie zu Heben, ins Auge faffen.

Heinig war ganz im Sinne Friedrichs des Großen der Anficht, daß jede gewerbliche Thätigkeit im Staate unterftügt werden mußte. E nahm daher alle Gelegenheiten wahr, den notleidenden Piännerjchaften zu Halle, Gr. Salze, Staßfurt und Eolberg zu Helfen. Dieje Salinen beruhten auf dem Abfat ins Ausland, bejonders nad) Sachien. Da fie aber durch dad Emporblühen fächfiicher Salzwerle den Abſatz faſt ganz verloren Hatten, fo waren fie alle in trauriger Berfaffung. Friedrich der Große befahl daher nach Erwerbung von Weftpreußen dieje Provinz mit pfännerfchaftlihdem Salze zu verfehen. Durch die Kontrafte vom 11. und 22. Mai 1773 wurde den Pfännerjchaften zu Halle 1500, zu Staßfurt 500 Laſt Salz abgenommen?). Die Gr. Salzer Pfännerjcait hatte, da fie noch einen leiblichen Abja nach Sachfen Hatte, zu hohe Preife gefordert. Später, im Jahre 1781, wurden jedoch dieſe Lieferung quanta auf 1200 und 400 Laft herabgejegt, da man den Salzbebarf für Weſtpreußen zu hoch angeichlagen hatte.

Als Heinig num Leiter des Salzweſens wurde, wandten fid bie Pfännerſchaften an ihn und baten um thätige Unterftügung. Er anf

1) Geh. Staatsarchiv. Akten des Kab. Fr. W. IM. R. 89 Rr. 199f. 2) Geh. Staatsarchiv. Gen.:Depart. Tit. III Nr. 60. 3) Geh. Staatsarchiv. Gen.:Dir. Salzdepartement Nr. 173 v. 4

451] Freiherr v. Heinik als Chef bes Salzbepartements (1786-9). 158

twortete am 28. November 1787 der Pfännerfchaft zu Staßfurt: „Seien Sie feft von mir verfichert, daß fobald filh nur irgend eine Gelegenheit darbietet, Ihnen zu helfen, ich folche gewiß nicht vorbeigehen, fondern fie vielmehr mit Vergnügen ergreifen werbe” 1). Dies hat Heinik, fo- weit es in feinen Kräften fland, ehrlich gethan, allerdings in einem anderen Sinne als e8 die Pfännerjchaften wollten. Lebteren lag nur daran, daB ihnen eine möglichſt große Menge Salz zu hohen Preijen abgenommen wurde, während Heinig vor allem wollte, daß die Ver⸗ faffungen und Einrichtungen der Pfännerfchaften zeitgemäß reformiert würden. Er erlannte, daß der hohe Salzpreis die Pfännerfchajten rui⸗ niert Hatte, und daß biefer nicht eher herabgefeßt werden konnte, bis die Berfaffung und befonders die technifchen Einrichtungen verbefjert waren. Die Pjännerfchaft zu Halle gab 3.3. das Salz zu 83 Thlr. 8 Gr. die Laft ab, während die Selbitkoften der Töniglichen Saline zu jener Zeit nur 16 Thlr. 19 Gr. betrugen, und da ber pfännerfchaftliche Scheffel nur 48 Pd. wog, jo war der richtige Preis 36 Thlr. 23 Gr. Man fieht, mit einem derartig Hohen Preiſe konnte man keine Konkurrenz Ihlagen. Dabei war der technifche Betrieb faſt fo primitiv, wie er vor hundert Jahren geweien war. Die Sole wurde noch in die einzelnen Kote mit Kübeln getragen, während die Königlichen Rote fchon im Jahre 1708 eine Solleitung erhalten Hatten, Braunkohlenfeuerung Tannten die Pänner in ihrem Betriebe noch gar nicht, dagegen war noch jaft ?/s der Yeuerung Holzfeuerung. Ein großes Siebehauß eriftierte auch noch nicht, ſondern lauter Kleine Kote. Dabei waren dreimal fo viel Arbeiter als nötig im Betriebe beſchäftigt. Obwohl man mehrfah ſchon Ver⸗ fuche gemacht Hatte, DBerbeflerungen einzuführen, jo Hintertrieb doch die Vielköpfigkeit der Geſellſchaft jeden Fortſchritt. Heinit verfuchte nun die Pjännerfchaft zu Reformen zu bewegen. Er ernannte am 12. Juni 1787 eine Kommiffion, welche Vorſchläge machen follte, wie der pfänner- ſchaftliche Haushalt beffer eingerichtet werden könnte?). Um bdiefer Kommilfion mehr Nachdrud zu geben, veriprach man der Pfännerfchaft, ihr jährlich 400 Laft Salz zu dem alten Preiſe mehr abzunehmen, falls fie die Beichlüffe der Kommilfion annahm und ausführte, wobei noch die Quart- und Münzeigefälle, welche 8 Thlr. pro Laſt betrugen, er loffen werden follten. Die Kommilfion ftellte einen Plan auf, wodurch viele Auagaben, befonders Bejoldungen abgefchafft und vor allem befjere Einrihtungen beim Sieden geichaffen werden konnten. Zu gleicher Zeit

1) Geh. Staatsarchiv. Gen.:Dir. Salzdepartement Nr. 173 v. 4. 2) Schwetichte, Gewerbegefchichte der Stadt Halle S. 97 u. ſ. f.

154 Auguft Schwemann. | [452

wurde der Pfännerjchaft für das Jahr 1787 eine Lieferung von 400 Laß überlaffen ). Die Pfännerfchaft ging aber auf diefe Vorſchläge nicht ein, ſondern Tieß fich den Faktor Sempf aus Dürrenberg kommen und überließ diefem ihre neue technifche Einrichtung, welche jedoch jehr un günftig ausfiel. Infolge deffen wurde auch von einer weiteren Lieferung der 400 Laſt abgeſehen. Diefer Beichluß der Pfännerfchaft ift um jo unbegreiflicher, ala Heinik fchon vorher mehrfach auf andere Weile der Pfännerichaft zu Hülfe gelommen war. Go hatte er am 2. Auguft 1787, wie fchon berichtet, den Salzimpoft für das außer Landes gehende Salz aufgehoben?) und am 29. März 1788 angeordnet, daß das für MWeftpreußen bejtimmte Sala auch fernerhin der Scheffel zu 48 Pi. angenommen, aber auf Kojten des Löniglichen Werkes zu 54 Pfd. ver padt werden follte?).

Der Minifter verfuchte fpäter noch einmal, Einfluß auf die inneren Angelegenheiten der Pfännerfchaft zu gewinnen, indem er im Jahre 17% das Thalgericht, die Auffichtsbehörde der Pfännerfchaft, mit dem Sala amte vereinigte. Als fi) dann aber dag Salzamt auch um die inneren Berhältniffe und um den Betrieb kümmerte, proteftierte letztere und erw hielt au am 7. September 1791 Recht, jo daß der Minifter weitere Berbefierungen nicht durchdrüden konnte.

Inzwiſchen war der große Streit zwifchen den Pfännern und ihren Salzwirkern don neuem ausgebrochen. Durch die Ginfchränkung und Koncentrierung des Betriebe wurden nämlich Arbeitskräfte überflüffg, die Pfänner entließen daher nach und nach einige Arbeiter. Diefe ber baupteten aber, baß fie ein Recht auf Arbeit bei der Pfännerfchaft hätten und thaten daher alles mögliche, um jede Neuerung zu hintertreiben. Diefer Streit war jo alt wie die Anftrengungen ber Pijännerfchaft, den Betrieb zu vereinfachen. Als nun im Jahre 1790 ein großes Siebe haus erbaut wurde, war die Aufregung unter den Arbeitern groß, denn viele follten wieder entlaffen werden. Heinik erteilte daher der Piänner ſchaft am 8. Februar 1790 durch das Oberbergamt zu Rothenburg die Erlaubnis, in der Nähe der Stadt Halle unter gewiffen Bedingungen nach Braunkohle zu jchürfen*). Einesteils, um dem überflüffig werdenden Arbeitskräften ein Feld ber Thätigkeit zu fchaffen, und anderenteild um die Pfännerfchaft zum Braunfohlenbrand zu bewegen. Die Pfaännerſchaft

1) Geh. Staatsarchiv. Gen.⸗Dir. Salzbepartement Abt. III Nr. I, 3. 2) Dunter, Beichreibung der niederſächſ. Salinen Teil II ©. 340.

3) Geh. Staatsardiv. Gen.⸗Dir. Salzbepartement Nr. 173.

4) Dunter, Beichreibung ber niederfächfiihen Salinen Zeil II S. 2.

453] Freiherr v. Heinitz ala Chef des Salzdepartements (1786-96). 155

machte jedoch von der Erlaubnis feinen Gebrauch. Infolge deifen und befonders, als das jogenannte Wechfelfieden eingeführt wurde, um allen Salzwirkern die Arbeit zu erhalten, wurden die Streitigkeiten jo Heftig, daß Heinig im Jahre 1791 fich veranlaßt jah, den Berghauptmann von Beltheim zu beauftragen, einen Vermittelungsverſuch zu machen ?). Diejer wies die abgelegten Arbeiter mit ihren Gejuchen ab. Diefelben hätten fein Recht, bei der Pfännerfchaft Arbeit zu verlangen, außerdem hätten fie auch andere Lohnende Arbeit gefunden. Die Pjännerfchaft wurde ermahnt, fi) mit ihren Arbeitern gütig außeinander zu ſetzen und diefelben klaglos zu Stellen. Um diefen Mahnungen mehr Nachdrud zu geben, ver» iprach Heinit wiederum eine jährliche Mehrabnahme von 100 Laft, wenn fie den Anordnungen des Berghauptmanns von Beltheim nachlämen. Da die Pfänner fich hiermit einverjtanden erklärten, fo wurde das Lieferungs⸗ quantum nach Weftpreußen für das Jahr 1798 um 100 Lait erhößt.

Als nun im folgenden Jahre Danzig und Thorn von Magdeburg aus mit Salz verforgt werden follten, nahm Heinig am 11. Februar 1794 der Piännerfchaft 1500 Laſt ab das frühere Quantum war 1200 Laſt —, aber unter der außdrüdlichen Bedingung, „daß bie Pfännerſchaft ihr Engagement gegen die fänmtlichen Arbeiter auf das pũünktlichſte eriülle” 2).

Gern Hätte Heinitz ihnen, felbjt wenn die Generaljalzkaffe Schaden gehabt Hätte, einen Teil der Lieferung für Südpreußen zugewendet, doch fcheiterten dieſe Abfichten, wie oben näher ausgeführt ift, an dem Wider⸗ Ipruche des Miniſters Struenjee.

Im Jahre 1793 verfuchte Heini den Wert der Pfannenteile da» durch zu Heben, daB er auf das Geſuch der Pfännerjchaft einging, ihr die Abnahme von 1500 Laft auf immer zugufichern®). Bis dahin wurde jedes Jahr ein neuer Lieferungskontrakt abgejchloffen. Nach langen Berhandlungen troß des Widerfpruch® des Berghauptmanns Grafen von Reden befahl Heinig am 6. Januar 1796, einen Kontraftgentwurf zur „beftändigen Abnahme von 1500 Laſt auszuarbeiten, um den Thalgütern der Piännerjchaft durch eine folche firierte Abnahme einen beftändigen Wert” zu geben. Heinitz fonnte jedoch dieſen Vertrag nicht mehr abjchließen, erft unter Struenfee iſt er am 21. Februar 1797 zu ftandegefommen,

Man fieht, Heinig fam es vor allem darauf an, die Pfännerjchaft zu Berbefferungen zu bewegen; alle feine Maßnahmen zielten auf diefen einen Punkt Hin.

1) Handeläminifterium, Bergabteilung F Xb 1 Nr. 2. 2) Geh. Staatsardjiv. Gen.:Dir. Salzbepartement Nr. 173. 8) Ebendajelbft.

156 Auguft Schwemann. [454

Die Thätigleit des Minifterß gegenüber den kleineren Pfänmerſchaften war naturgemäß eine geringere.

Der Pfännerſchaft zu Staßfurt wurden, um ihr Gelb für Ber befferungen in die Hände zu fpielen, im Jahre 1788 ebenfalls 200 Laſt mebr, im ganzen 600 Laft für Weitpreußen abgenommen!). Ba aber die Pfännerfchaft auf die Abfichten des Minifter gar nicht einging, fo ließ Heinitz fie Links Liegen. Im Sabre 1793 wollte Heinig ihnen nochmals ein Quantum für die neuerworbenen Länder zuwenden ?). Die Pfännerfchaft forderte aber einen viel höheren Preis als fonft, infolge deſſen nahm der Minifter Hiervon Abftand. Später wurden Berhand- lungen angelnüpjt über den Ankauf der Saline. Der Kauf fam jedoch erjt unter dem Minifter Struenfee am 28. Februar 1799 zu ftande?).

Die Piännerichait zu Gr. Salze Hatte durch Vermittelung von Heinig mit dem Minifter für Schlefien einen Kieferungsvertrag don 500 Laſt auf 6 Jahre abgeichloffen, der im Fahre 1792 zu Ende ging. Heinik derfuchte bei Ablauf des Vertrages, ben fchlefifchen Miniſter zur Ab» nahme eined höheren Quantums zu bewegen. Hoym wollte fich hierauf nicht einlaffen und es wurde daher der alte Bertrag auf Lieferung von 500 Laſt & 33 Thlr. 12 Gr. auf weitere 6 Jahre verlängert. Da nun die Pfännerjhaft klagte, daB fie zu dieſem Preiſe nicht gut Tiefern könnte, erbot fi) Heinik, die Siedung der 500 Laſt in Schöne: bet zu übernehmen und dafür pro Laſt 7 Thlr. 12 Gr., alfo im ganzen 3750 Thlr., an die Pfännerjchaft jährlich zu zahlen*). Diele ging gern auf den Vorſchlag ein, weil ihre Sole nur 10— 12lötig war, und da fie fein Gradierwerk beſaß, auch Tein Geld Hatte, eins zu bauen; fo war wegen ded hohen Brennmaterialaufwandes der Verdienſt weit ger tinger al® die gebotene Summe. Das Salzdepartement hatte ebenfalle Nuten davon, es verdiente ungefähr 10 Thlr. pro Lafl. Die Folge hiervon war die gänzliche Einjtelung des Betriebes in Gr. Sale. Später wurden Verhandlungen über eine Kapitalabfindung der Pjänner« ſchaft gepflogen, die aber erft unter dem Minifter Struenfee ihren Ab- ſchluß fanden.

Mit der Pfännerfchaft zu Colberg ſtand Heinig ebenfalls in Unter Handlung wegen Lieferung von Salz. Obſchon diefe fich zerfchlugen, hat er das Werk doch durch Sachverftändige unterfuchen laſſen und Bor- fchläge zu Berbefferungen gemacht.

1) Seh. Staatsarchiv. Gen.-Dir. Salzdep. Abt. III Nr. I, 3.

2) Geh. Staatsarchiv. Gen.-Dir. Salzdepartement Nr. 173.

3) Dunker, Beichreibung ber niederſächſ. Salinen Teil II ©. 538.

4) Geh. Staatsarchiv. Akten des Kab. Fr. W. IU. R. 89 Nr. 132].

455] Freiherr v. Heinig als Chef des Ealzdepartements (1786-9). 157

Als Heinig im Januar 1796 das Salzdepartement abgeben mußte, war er mit feinen Reformen bes Salzweſens noch durchaus nicht fertig. Das Berg, Hütten und Salinenwefen wollte er in feiner oberften Leitung - noch inniger verjchmelzen, jerner eine Zwiſcheninſtanz, die Salzadmini- ftration zwiſchen dem Departement und den Salzämtern fchaffen und diefer die Bearbeitung ber Detailfachen in Bezug auf Technik und Ber: waltung übertragen, auch wollte er die Salzichiffahrt, wie aus fpäteren Aufzeichnungen des Oberberghauptmanns Gerhard hervorgeht, in ftaat« liche Berwaltung nehmen. Sodann beabfichtigte Heinitz, umfafjende Magazinbauten in den Provinzen auszuführen!) Der Geb. Finanzrat von Bärenfprung batte jeftgejtellt, daB diefe Bauten nicht allein für die Aufbewahrung des Salzes befier, jondern auch billiger wären. Die Mieten machten viel mehr aus als die Zinfen des zu Neubauten nötigen Kapitalde. Bor allem plante Heinig ein großes Magazin in Spandau, welches im Frühjahr bei angehender Schiffahrt die entfernteren Pro- vinzen zunächſt verforgen follte. Endlich follte zum Zweck des billigen Bezug? von Braunkohlen die Saltzke jchiffbar gemacht und der Umbau der Salinen Schönebed und Königsborn vollendet werben.

Obwohl diefe Pläne nicht mehr ausgeführt werben konnten, muß man doch die Ergebnifie der Verwaltung des Minifters Heinig erftaunlich nennen. Sie find kurz zufammengefaßt in dem Berichte des Minijter® an ben König vom 10. November 1796, nachdem von ber Oberrechenfammer Decharge über feine Gefchäftsführung erteilt war ?).

Es heißt dort:

„Die Reſultate meiner Yjährigen Arbeiten im Salzdepartement, wobei mich die Sachlenntnis und der Dienfteifer der zugleich beim Berg» departement arbeitenden Geheimen Räte von Bärenfprung, Gerhard, Gr. Reden und Rofenftiel vorzüglich unterftüßt haben, find erfreulich und beitehen fürzlich in folgendem:

1) Das Salz ift in feiner Güte ſehr verbefjert worben, und bie

Klagen des Publicums gegen das Salz, welche die ehemaligen Siede Entrepreneurs Lieferten, haben aufgehört.

3) Die Salzfahrication auf den Ew. Majeftät zugehörigen Salz-

werten ift anjeßnlich verftärft und foweit gebracht worden, daß

1) eh. Staatsarchiv. Gen.⸗Dir. Salzbepartement Abt. III Nr. I, 3. 2) Seh. Staatsarchiv. Alten bes Kab. Fr. W. IL R. 96. Nr. 224 H.

158 Auguft Schwemann. 1456

fie nöthigenfalls die Siedeſalz-Bedürfniſſe der ſämmtlichen alten Provinzen allein liefern können.

3) Der Betrieb und Haushalt diefer Salinen iſt wefentlich ver beffert, durch Anfchaffung und Aufſuchung von Yeuerungs- und Berpadungs- Materialien auf viele Jahre hinaus gefichert und dabei überall zwedmäßige Erſparung angebracht worden.

4) Bei dem Berpaden des gefottenen Salzes find große Erſparungen deö immer feltner werdenden Zannenfalzes gemacht und zugleih anfehnliche Ausgaben menagiret worden.

5) Beim Salzverlauf ift für dag Publicum ein bedeutender Gewinn daraus entitanden, daB das unfichere und ojt betrügliche Aus- meffen nach Scheffeln und Metzen abgeichafft und das weit zu: verläjfigere Auswiegen des Salzes eingeführt worden.

6) Bei dem Transport des Salzes für MWeftpreußen find Vortheile für die General-Salzlafje durch Benutzung der Fahrt durch den Bromberger Kanal geitijtet worden.

7) Für die beiden Hauptpfännerfchaften zu Halle und Gr. Salze ifl ebenfall3 gut gejorget und deren vormaliges Beſchwerdeführen gehoben worden.

8) Die Salzbeftände in den Provinzial-Dlagazinen find gegen vor- malige Zeiten verglichen, beträchtlich verſtärkt, und dadurch if ehemaligen Salzmangel, bejonder8 zur Frühjahrszeit, che die Schifffahrt angieng, vorgebeuget worden.

9) Das im Jahre 1787 um 42255 Thlr. verminderte Etatd- Überfhuß- Quantum der General-Salzlaffe ift nach und nad), ohne Erhöhung der Salzpreife, blos durch vermehrten Debit und angebrachte Erfparung bei ber Salztabrilation, wieder berbei- geichafft worden, jo daß zwar an jenem Etats-Quanto nod 2981 Thlr. 19 Gr. 5 Pi. zulett gefehlt Haben, dagegen zu Ew. Kal. Maj. Dispofitiong Kaffe 42 749 Thlr. 5 Gr. 11 Pf. ertiw ordinarie abgeliefert worden !).

10) Der baare Geldbeitand der Generalfalzlaffe und der damit ver bundenen Special Kaflen ift gegen das Jahr 1787 verglichen an fehnlich verflärft und deren Vermögen nach Abzug fämmtlicer Schulden auf die bedeutende Summe von 649 070 Thlr. 31 Br. 6 Pf. hinauf gebracht worden, ftatt daß folche® nach dem der

1) Hierbei find bie Ueberſchüſſe, welche wieder für Berbeflernngen aus gegeben twurben und auf dem fogenannten Meliorationgetat ftanden, nicht mit: gerechnet, biefe betrugen nachweislich über 290 000 Thlr.

457] Freiherr dv. Heinik ala Chef des Salzdepartement3 (1786—96). 159

Dberrechenflammer überreichten stata activorum et passivorum pro 1786/7, damals nur 292 969 Thlr. 16 Gr. 2 Pf. betragen bat, daß alfo während meiner Yjährigen Berwaltung des Salz- bepartements und bejonders während der letzten 5 Jahre, da die Salinen zu Halle und Schönebed aus der Pacht genommen und adminiftrirt worden, das Bermögen der General-Salzlafje um 356 101 Thlr. 5 Gr. 4 Pf. zugenommen hat.

Ich darf Hoffen, daß Ew. Kgl. Majeftät diefe Rejultate, welche fich auf die vorhandenen Alten und Rechnungen gründen, gnädigſt zu be= merken, und um derjelben willen, meiner Verwaltung des Salzdeparte- ments jo wie der treu eifrigen Arbeiten der vorhin gedachten, dabei bauptfächlich bejchäftigt gewejenen Räthe, allerhöchſt dero Beifall zu ſchenken geruben werden.”

Diejem Berichte hatte Heinig einen Nachtrag zu der von ihm im Sabre 1786 herausgegebenen Abhandlung über „die Producte des MineralsReiches in den Kgl. Preuß. Staaten” beigefügt, worin er das Salzweſen und beſonders die Berbefferungen der letzten Jahre genau be» ſchreibt. Es ift dies ein glänzendes Zeugnis für die Verwaltung von Heinik.

Wie wenig aber die Verdienfte des Minifter® dom Könige anerlannt wurden, geht aus dem Antwortfchreiben vom 12. November 1796 hervor. Der König ſchrieb weiter nichts ala: „Ich danke Euch, daß Ahr mir diejen Beweiß Eurer dabei bezeugten Thätigteit habt geben wollen.“ Ob der Bericht wohl geleſen iſt?

Heinitz' großes Verdienſt um die innere Entwickelung Preußens und um die heimiſche Induſtrie liegt fraglos auf dem Gebiete des Berg⸗ und Hüttenweſens, aber auch auf dem Gebiete des Salzweſens, beſonders durch die zweckmäßige Einrichtung der Lokalbehörden hat er große Er⸗ folge aufzuweifen, die auch dauernd gewejen wären, wenn er die Gunft des Königs befeflen hätte.

v1. Zur Beurteilung Bernadoties im Berbfifeldsuge 1813.

Don Friedrich Meinede.

Die Frage, ob Bernadotte oder Bülow der Sieger von Großbeeren und Dennewi geweſen ift, ift neuerdings von Wiehr (Napoleon und Bernadotte im Herbitfeldguge 1818. Berlin 1893; vgl. die Beiprechung Graniers in dieſer Zeitjchrift Bd. VI, 639) entichieden zu Gunften Bernadotte®, von Quiftorp in feiner Neubearbeitung der „Geſchichte der Nordarmee” (Berlin 1894) ebenjo entjchieden zu Gunſten Bülows beantwortet worden. Weinen eigenen Standpuntt, den ich auf Grund einer Durcharbeitung desfelben archivalifchen Material, das auch Quiſtorp und Wiehr zu Gebote ftand, gewonnen, habe ich in einer Be- iprechung der beiden Bücher in der Hiftorifchen Zeitichriit Bd. 73, ©. 498 furz angedeutet; er ift jedenfalls der Quiſtorpſchen Auffafiung bedeutend näher, ala der Wiehrſchen. Sch muß es mir leider vorläufig verfagen, ihn näher zu begründen. Aber da die Streitfrage in nächlter Zeit ohne Zweifel noch oft wird beiprochen werden, möchte ich wenigftens zu den reihen Zeugniflen, die namentlich Quiftorp zur Kenntnis der Perfönliche feit und der Anjchauungen Bernadottes bringt, einige nicht unintereffante Beiträge geben. Die Perjönlichkeit Bernabottes ift ja, wie Granier mit vollem Recht bemerkt, unbedingt dag, wovon die Unterfuchung ausgehen muß. Dan wird fi) wohl dem Eindrude nicht verfchließen können, daß ein wirkliches inneres Verſtändnis zwifchen einem folchen Oberfeld- herren und Naturen wie Bülow und Boden unmöglich war. Der ge- wiß hochbegabte und energifche, aber prablerifche und eitle Südfranzoſe,

der im Flufſe feiner erftaunlichen Beredſamkeit feine eigenttichen Ab⸗ Forſchungen z. brand. u. preuß. Geſch. VLI. 2.

162 Fricdrich Meineke. [460

fichten bald zu verhällen fuchte, bald naiv berborjprudelte, blendete wohl den eimen und belufligte auch den anderen Beobachter, aber mußte firengere und ernftere Gharaltere von der Art Bülow und Boyens bee fremden und abfloßen. Damit ift natürlich erft eine Seite des Kon: fliktes zwifchen Bülow und ihm erflärt. Aber auch auf den allgemeineren Gegenſatz ihrer politifchmilitärifchen Ziele wirft namentlich der Bericht von Martens, wie mir fcheint, einiges Licht. Es ift ja der @egenfat, der die Koalition gegen Rapoleon überhaupt charafterifiert. Bernabotte führte, wie Defterreich, den Kampf gegen ihn mehr im Stile der Kriege des 18. Jahrhunderts, durch feine begrenzten politischen Ziele und durch die Unficherheit feiner Stellung in Schweden gebunden. Das einmal an genommene Princip, möglichit wenig aufs Spiel zu fegen, lähmt aber, wie Delbräd einmal vortrefflich auseinander ſetzt, die Energie der Krieg: führung auch da, wo wirklich nicht fo viel auf dem Spiele ſteht. So kann man von Delbrüd, dem Lehrer Wiehrs, wohl an Delbrüd, den Biographen Gneifenaus appellieren, welcher jagt’): „Ein Krieg ohne Wagnis ijt ein Taltes euer. Fehler auf Fehler im allgemeinen und im einzelnen muß ein folcher Entjchluß nach fich ziehen.“

Bülow war gewiß kein Sneifenau; fein Verhalten dor der Schladt bei Ligny war ein jchlimmer Rüädjall in die alte methodiſche Krieg führung, welche die Dedung von Terrain für wichtiger hielt, als die Konzentrierung aller Kräfte auf dem Schlacdhtfelde?). Aber im Herbft- feldzuge von 1813 war er ein entjchiedener Vertreter der SKriegführung, die den Gegner niederwerfen und vernichten wollte. Ob er an ber Spite des Heeres und mit der Verantwortung der Oberleitung be» Yaftet, auch immer jo kühn und durchgreifend wie Gneiſenau vorgegangen wäre, könnte man bezweifeln. Bei feinem fyeldzuge in Holland wenig. ſtens legte er neben vieler Thatkraft nicht felten auch große Vorficht und Behutſamkeit an den Tag. Aber in dem DBerhältnis, in dem er zu Bernadotte ftand, reizte ihn vielleicht gerade neben dem Schwunge, der überhaupt damals jeden entfchloffenen Preußen zu äußerfter Anſpan⸗ nung aller Kraft trieb der Widerfpruch gegen den ihm unſympathi⸗ chen, zögernden und zurüdhaltenden Vorgeſetzten zu einer ftärkeren Ent- widlung von Kühnheit. Kritiker von der Art Wiehrs haben es leicht, feinem teten Zreiben zur Offenfive Unvorfichtigkeit und Mangel an Meberlegung vorzuwerfen. Möchte er ſich doch nur jenes Wort feines Lehrers Delbrüd recht ind Herz fchreiben.

1) Gneifenau II, 100 (RL. Ausg); IV, 115 (Gr. Ausg.). 2) Bol. fein Schreiben an feine Gemahlin vom 15. Juni 1815 bei Born: bagen, Pillow S. 412.

461] Zur Beurteilung Yernadottes im Herbftfelbzuge 1813. 163

Es kommt uns nicht darauf an, die „preußifche” Legende zu retten, chauviniſtiſche Verherrlichung unferer Thaten auf Koften fremden Ver⸗ dienftes ift ung auch zuwider. Hier Handelt es fih nur darum, den biftorifchen Charakter des Konfliktes zwifchen Bülow und Bernabotte nicht verwiſchen zu laſſen durch fpibfindige Konſtruktionen.

Daß erfte Altenftäd ift mir von Herrn Dr. Roloff aus den Köck⸗ ritzſchen Papieren mitgeteilt worden. Der Schreiber, Major Graf Kald- reuth, war von Bülow zu Bernadotte entjandt worden, um deſſen Pläne Iennen zu lernen. Das zweite (ebenjo wie das dritte aus dem General- ſtabsarchiv ftammende) Aktenſtück betrifft die fyrage, ob Bernadotte zu Beginn des Feldzuges Berlin bat preisgeben wollen. Varnhagen und die Geichichte der Nordarmee Haben es ſchon benutzt, Wiehr bat es ichwer begreiflicher Weiſe überfehen. v. Lettow⸗Vorbeck bat dann neuer- dings die wichtigften Stellen im Mil. Wochenblatt 1894 Nr. 29 mit- geteilt und gegen Wiehr verwertet. Da es das einzige gleichzeitige Zeugnis bisher ift, jo ift feine vollitändige Veröffentlichung für die weitere Unterfuchung der, wie mir fcheint, noch nicht ganz ſpruchreifen Frage nötig. Zweifellos ift e8 danach und wird auch von Wiehr jebt halb und halb zugeftanden: daß die Ausführung des urfprünglichen Planes Bernadottes, ſich hinter der Havel zu Tonzentrieren, gegenüber einer fran- zöfifchen Offenfive eine mindeſtens vorübergehende Preisgebung Berlins be> deutete. Merkwürdig ift aber, wie fchnell der Kronprinz auf Bülows Wider- ſpruch Hin den Plan fallen läßt. Zurückzuweiſen ift jedenfalls die Hypothefe Wiehrs, die er in einem neulich gehaltenen Vortrage entwidelt bat!), daß nämlich Bernadotte diefe Poftierung Hinter der Havel ala eine Deienfivftellung für den Tall gewählt habe, daß Napoleon ſelbſt mit feiner Hauptmacht vorrüdte, fie aber aufgegeben habe, ala nur einer feiner Marichälle nahte. Denn gerade für die Zeit, nachdem Bernadotte jenen Plan aufgegeben hatte, ift feine Beforgnis vor Napoleons perfönlicdem An⸗ marjch bezeugt). Bernadotte felbft ftellt in einem Schreiben an Blücher vom 16. Auguft?) den Verlauf jo dar, ala habe er urjprünglich einen Ueber⸗ gang über die Elbe geplant, infolge der Nachricht von Napoleons droben- der Dffenfive aber die Verteidigungaftelung füdlich von Berlin gewählt. Das Hingt fehr unmwahrfcheinlih. In der Oranienburger Konferenz, in

1) Prototoll ber Hiftoriichen Gelellichaft zu Berlin vom 7. Mai 1894.

2) Quiftorp I, 118. 197.

3) Euiftorp I, 197. Val. den Brief an Blücher vom 19. Auguft, bajelbft 218. 11*

164 Friedrich Meinede. [462

welcher doch die Aenderung feines Beſchlufſes erfolgt ift, war weder von dem Elbübergang noch von dem drohenden Angriffe Napoleons die Rede. Durchſchlagend dürfte auch fein, daß die Stellung hinter der Havel zwifchen Brandenburg und Spandau viel zu weit zurüdgelegen war, um ala Ausgangspunkt für eine Offenfive über die Elbe nach Sachen dienm zu können. Sie trägt vielmehr, wie uns fcheint, einen rein paffiven, abwartenden Charakter. Der Kronprinz wollte wohl in ihr, geſchüßt durch die Havel, einige Tage zubringen, bis fih die Abfichten da Teindes geklärt Hätten?), aber hatte vielleicht gleich ſchon daneben darauf deutet die fchnelle Sinnegänderung in Oranienburg die Stellung füdlih von Berlin ind Auge gefaßt, die bereits durch die während des MWaffenftillftandes bejeftigte Nuthe- und Nottelinie vor gezeichnet war.

Das dritte Aktenftüc mit feiner Beilage aus der Zeit Ende Seh tember, Anfang Oltober, ftammt aus der Feder des preußifchen Diplo- maten Friedrich von Martens (geb. 1778, gef. 1856), der beim Aus hruche des Krieges ala Freiwilliger eingetreten war und zuerſt im Yord» fchen, dann im Bülowfchen Hauptquartier verwendet wurde. Er bat fih als Unterhändler einen Namen gemacht durch den glüdlichen Ab- ſchluß der Kapitulation von Soiſſons am 3. März 1814, welde die Bereinigung des jchlefifchen Heeres mit den von Belgien kommenden Truppen Bülows und Winzingerodes erleichterte. Die Thatſachen feines von Quiftorp ſchon benusten Berichtes an Kneſebeck find zum großem Teile befannt, aber feine lebendige und eigentlich recht objektive Auf faffung Bernadottes und die frifche Wiedergabe von deflen charakteriftifchen Ergüſſen rechtfertigt wohl den vollftändigen Abdrud,

I. Kaldreutb an Köckritz.

Stralfund, 28. Juni 1813.

.... Wenn der Krieg wieder losgehn follte, jo glaube ich ſicher, daß der Kronprinz don Schweden falls man ihn nur irgend dazu In den Stand ſetzt der guten Sache erfprießliche Dienfte leiften wird. Wenn Ew. Ercellenz ihn indeffen fehen follten, fo würden Sie ohnftreitig finden, daß er fein eigentliches Vaterland nicht verläugnen kann. Mit Redenz- Arten kann er etwad machen. Da er mir größtentheild Bor

1) Bgl. den Befehl für Hirfchfeld bei Quiftorp I, 139.

463] Zur Beurteilung Bernadottes im Herbftfelbzuge 1813. 165

mittags (der bei ihm bis 6%/s Uhr Nachmittags dauert) Audienz giebt, fo Hat e8 fich größtentheils getroffen, daB ich ihn beim Balbiren das heißt um 1 Uhr Bormittagd gefunden Habe. So lange dag Einfeifen gedauert Hat, bin ich nie zu Worte gelommen: aber wenn dag Balbirmefler blinkt, habe ich Hoffnung geſchöpft und habe denn auch, beim wirklichen Balbiren, mein Wörtchen anbringen können. Zumeilen ift e8 aber auch gejchehen, daß er halbbalbirt den Kammer- diener hinausgeſchickt hat, um erft audzureden. Was man nicht alles in der Welt erlebt!

Dem Miniſter Stein iſt der Kronprinz aber nicht gewogen und nennt ihn nie anders, als: ce polisson! ich Habe indeſſen nie hiervon gegen den König Gebrauch gemacht, damit man dies nicht als anti= mineralifche Gefinnung auslegen fol. Ew. Excellenz bitte ich alfo fo inftändig als unterthänig, hiervon gnädigft gegen Niemand Ge- brauch zu machen!

II. Immediatbericht Bülow. Berlin, 15. Auguft 1813.

Eurer Töniglichen Majeftät, verfehle ich nicht, über dag, was bei der, unter dem Oberbefehl des Kronprinzen von Schweden Königliche Hokeit, ftehenden combinirten Armee gejchehen und zu meiner Kenntniß gelommen ift, folgendes allerunterthänigft zu berichten.

Nach dem Willen des Kronprinzen wollte derſelbe am 11ten d. M. von Prenzlow aus in Oranienburg eintreffen, und ich begab mich daher am 12%" früh nach leßterem Ort, um feine Befehle zu empfangen und mich fo viel als möglich von feinen Anfihten in Kenntnis zu ſetzen. Seine Königliche Hoheit hatte fi) jedoch verjpätet und kam erſt am ı2tn Abends um 10 Uhr in Oranienburg an. Da ed nun an diefem Tage nicht mehr möglich war, dergleichen wichtige Gegenftände ausführ- lich zu verhandeln, fo ward der gleichfalls anmwejende Generallieutenant Straf Zauenzien nebſt mir auf den 13%" Vormittags um 10 Uhr zu Seiner Königlichen Hoheit beichieden, bei Höchftwelchem wir auch um 11 Uhr vorgelaſſen wurden.

Nach Berührung allgemeiner Angelegenheiten ertheilte der Prinz an feinen General-Adjutanten den Generalmajor v. Tawaſt für den General Gr. Wallmoden die Ordre:

„daB fi derjelbe mit feinem Corps von Gadebufh ab, die „Schweriner See vor fich laffend und den Linken Flügel gegen „Boißenburg aufitellen und von dort durch Leine Poften die „Sommunication mit den bei Havelberg flehenden Truppen „unterhalten folle”. Der Generallientenant Er. Tauenzien erhielt hierauf den Beiehl:

„von dem bisher bei Havelberg geitandenen Detachement des „Generalmajors don PButli nur 2 Bataillon® und 2 Eskadrons

166 Friedrich Meinecke. [464

„unter dem Beiehl des Oberjtlieutenant3 von Marwik dort zu „Laflen, den General von Putlitz aber mit dem Webrigen, nämlid „mit 6 Bataillon und 2 Eskadrons, zu dem Generallieutenent „dv. Hirſchfeld ftoßen zu laſſen.“

„Das unter diefem General ftehende Corps ſolle demnach „dergeftalt aufgeftellt werden, daß ca. 5000 Mann in den Linien „vor Magdeburg und das Uebrige in Echellons rückwärts gegen „den PBlauenfchen Kanal dergeftalt poftirt wird, daß ein ſolches „Schellon bei Burg, ein anderes bei Parchen und das dritte bei „Genthin zu ftehen kommt.

„Mit der Reſerve ſoll demnächſt der General Tauenzien, „nachden er folche jo viel ala möglich von den Blokade-Cowp „von Stettin und Cüftrin verjtärkt, fich gleichfalls in Echellons „bei Müncheberg, Strausberg und Alt-Landsberg aufftellen, und „da es ihm in dieſer Poftirung an Kavallerie fehlen dürfte, jo „habe ich ihm einjtweilen das Brandenburgiiche Dragoner Regi- „ment überweilen müffen, um damit die Chaine Tängft dem „Friedrich-Wilhelm⸗Kanal biß zur Spree zu ziehen.”

Die Idee im Ganzen war demnächſt: ſich hinter der Havel zu concentriren, und Seine Königliche Hoheit bejtimmte daher an- fänglich, daß das dritte Armee-Eorp?:

„zwilchen Spandau, Marquardt und Paret fich aufftellen und da⸗

„dei Potsdam und die Inſel beſetzen folle.“

Da ich indeflen zu einer folcden retrograden Bewegung durchaus feinen zureichenden Grund abſehen konnte, indem nach allen eingegangenen zuverläffigen Nachrichten die kombinirte Armee mindeſtens noch ein halb mal fo ſtark ala der gegenüberftehende Feind ift, jo hielt ich es für Pflicht, mir dagegen kräftige Vorjtellungen zu erlauben, und Se. König: liche Hoheit wurden dadurch bewogen, mein unterhabendes Armee⸗Cotps:

„in feiner bisherigen Stellung, zwifchen Berlin und Potsdam „und in der Linie Hinter der Notte und Nuthe, die Vorpoften „zwiſchen Luckenwalde und Beeskow, an der Grenze babend, „zu belafjen.”

„In Folge deifen bleibt das ruffiſche Corps unter dem „General Winzigerode gleichfalls in feiner Stellung bei Bran⸗ „denburg ftehen und behält, wie biäher, einen Vorpoſten ın „Zreuenbriegen.”

„Das ſchwediſche Corps ftellt fih in zwei Colonnen; die „Eine zwiſchen Berlin und Oranienburg, die Téte bei Dalldori „Habend; die Andere in der Gegend von Nauen.“

Freilich konnte ich auch nicht ganz der angeordneten Aufftellung des Hirfchfeldichen Detachements und des Reſerve⸗-Corps beipflichten, denn nach meiner Ueberzeugung wäre es befler geweſen, die von Havel- berg abgerüdten Zruppen, mit einigen Bataillons und Eskadrons don dem Blofade-Corps bei Magdeburg verftärtt, bei Mödern und Lo burg; das Reſerve⸗Corps aber zwifchen Müncheberg und Fürſten⸗ walde zu pofliren. Ich Habe auch nicht verfehlt, diefes Seiner König lichen Hoheit vorzuftellen und vorzüglich deshalb darauf zu appäyiren,

465] Zur Beurteilung Bernadottes im Herbftfeldzuge 1813. 167

weil wir und nach meiner Meinung fo aufitellen müſſen, um bereit zu jein die Offenfive zu ergreifen.

Daß diefer Fall bald eintreten dürfte, erhellet daraus, daß, wie es fi) aus fo manchen Urjachen vorberjehen ließ, der Feind bereits wirklich im Abmarjch nach der oberen Elbe begriffen iſt, wenigſtens hat ein von mir außgefandter, ſehr zuverläffiger Kundſchafter das bisher bei Witten- berg und Deffau geftandene Armee-Corp8 unter Bandamme bereits int Abmarſch nach Dresden binauf gejehen, und die verjchiedenen Ab» theilungen des XII" (Oudinotſchen) Corps rüfteten fich gleichfalls zum Abmarſch, der nach ihren eigenen Aeußerungen nach der Ober -Laufik gehen follte. Eben jo iſt es gewiß, daß die verjchiedenen Läger des Victorfchen II!" Armee⸗Corps bei Fürftenberg, Friedland und Lieberoſe fich fchon in Marfch gefeßt Haben und ohne Zweifel gleichfalls jener Richtung folgen.

Geruhen Euere Königliche Majeflät, dieſe detaillierte Auseinander⸗ jegung mit dem Wunfche zu entjchuldigen, Allerhöchitdiejelben, fo viel ala ich es vermag, von der hiefigen Lage der Dinge und von den mili« tärifchen Ideen und Anfichten des KHronprinzen von Schweden in Kennt» niß zu feßen, welcher übrigens beute fein Quartier in Potsdam ge= nommen , wohin auch 4 jchwebiiche Bataillone, wahrjcheinlih Garden, gerüct find.

So eben geht noch der Befehl bei mir ein, in der Nacht vom 16ten zum 17!" die Feindfeligleiten zu beginnen und auf den Grund der ein- gegangenen Nachrichten eine allgemeine Recognoscirung zu veranftalten, von deren Refultaten, jo wie überhaupt von dem weiteren Fortgange der Operationen, ich nicht verjehlen werde, Eurer Königlichen Majeftät meinen allerunterthänigiten Rapport abzuftatten.

Ill, Martens an Knefebed.

9. ©. Jesnitz, den 6. October 1818,

Zum erjtenmale in meinem Leben, Herr General, habe ich die Ueber- jeugung dem Könige einen wirklichen Dienft geleiftet und ihm eine verdrießliche Empfindung erjpart zu haben. Ich würde da die Sache jo beigelegt worden ganz davon jchiweigen, wenn ich es nicht für meine Pflicht Hielte, Ew. Hochwohlgeboren in kurzen davon zu unter richten, um daß biefige Verhältniß zwilchen General Bülow und dem Kronpringen beurteilen zu können und vielleicht indirelt dahin zu wirken, daß einem neuen Ausbruch vorgebeugt werden dürfte.

Seit Gr. Beeren und Dennewi war Bülow immer für dag offen« five Vorgehen, der Kronprinz für die vorfichtige Defenfive. Geleitet durch reinen Eifer beantwortete daher Häufig der General Bülow bie Ordres des Kronprinzen mit Plänen zum Angriff und Borgehen, in

168 Friedrich Meinede. [466

welchen der Prinz Vorwürfe feines Benehmen zu finden glaubte. Ginige Ausdrücke in den Bulletins beleidigten wieder den General, und beide waren in der dee, daß einer dem andern abfichtlich und perjönlich wehe thun wollte. Durch dad Zutrauen, was mir der General ſchenkt und was der Kronprinz wenigftens fcheinbar mir zeigte, war ich bemüht und im Stande, einem vom andern allmählich eine befjere Idee beizubringen. Diez verbefierte Vernehmen zu erhalten gelang mir felbjt, ale der General mich mit dem Brief an ihn ſchickte, worin er denjelben vorfchlug am 26. September über die Elbe zu gehen und das 30000 Mann ftarte Corps von Ney aufzureiben. Die anliegende Converfation war davon die Folge und ift die, welcher ich neulich in meinem vorigen Briefe gegen Ew. Hochwohlgeboren erwähnte. Seitdem herrfchten zwar fcheinbar verichiedene Meinungen über die Anficht Wittenberg zu belagern ober zu blokiren indefjen gewann es das Anfehen eines befjern Bernehmens, als in der Nacht des 3. Bombardements ein jchwedifcher Offizier kam, gegen den fich der General Bülow wohl nicht genug mäßigte und (mie letzterer mir felbft jagte) etwas heftig über die Anfichten des Kronprinzen loszog.

General Bülow erhielt Hierauf eine Ordre, die Belagerung Werke von Wittenberg beffer zu pouffiren und ein Journal der Arbeiten davon täglich einzufchiden. „D’ailleurs“ Hieß es weiter!) „le general „Bülow est pr&evenu que les mouvements de la grande armee du nord „ont été jusqu’ici paralyses par la faiblesse des ouvrages devant Wit- „tenberg.* Nach allem, was vorhergegangen, war diefe Aeußerung frei- lich etwas hämifch, Bülow ward aber ungeheuer darüber aufgebracht und trug mir auf, einen Brief an General Adlerkreuß zu jchreiben, wo rin er darthat, daß Wittenberg nicht wirklich belagert werden könne, Io lange es auf der andern Seite eine freie Kommunikation habe übri⸗ gend aber fich bitter bejchtwerte, wie man gegen ihn verfahre und daß man jchiene ihn zwingen zu wollen, öffentlich fich zu juftifizieren und die Wahrheit an den Tag zu bringen. Mit diefem Briefe (den ich mög» lichſt gemäßigt abgejaßt Hatte) und den nöthigen mündlichen Auf—⸗ trägen ſchickte mich Bülow in das Schwediſche Hauptquartier. Adler: kreutz (der es jehr aufrichtig mit uns meint), gab dem General in feinen Ideen jehr recht, wünjchte, daß er jelbft feine Stelle unter folden Umftänden niederlegen könne und bat mich mit Wetterftädt?) mich zu beiprechen, weil diefer der franzöftichen Sprache mehr gewachſen und Ein- fluß auf den Prinzen habe: er würde mir jagen ob und was aus diefem Briefe dem Prinzen am beften vorzutragen fei, um ihn nicht wieder von neuem zu reizen. MWetterftädt (wie überhaupt faft alle Schweden von Einfluß) nahm fich fehr gut bei diefer Gelegenheit, meinte aber, daB wenn diefer Brief dem Prinzen vorgelegt würde, er fi} auf der Stelle vom Commando losſagen und ihn (sic) vielleicht zu weiteren Schritten bewegen würde, bejonders da er nach der Konvention von Trachenberg

1) 2efehl vom 1. Oktober. Cuiftorp IL, 56 f. . 2) Schwediſcher Hoflanzler, aber durchaus fein bloßer Hofbeamter, MIE Wiehr S. 357 meint.

467] Zur Beurteilung Vernadottes im Herbftfeldzuge 1813. 169

nur gemeinſchaftlich mit der großen Armee in Sadjen zu deboufhiren und über die Elbe zu geben verfproden hätte!). Wir famen überein, daß ich den Prinzen nur jo befuchen und bei diefer Gelegenheit eg anbringen würde, wie weh er dem General Bülow durch diefe Ordre gethan hätte. Dieß that ich und blieb von 9 big 11 Uhr den Abend bei ihm; er meinte aber vollkommen recht zu Haben und ſprach empfindlicher über Bülow ala je, indem er wohl wiffe (wie er jagte), daß Bülow fich bei jeder Gelegenheit über ihn aufhalte, an allen feinen Be» jehlen etwas auszuſetzen fände und keine Gelegenheit vorbeilaffe, chlecht von ihm zu ſprechen: mit dem Zufaß er wiſſe die aus dem Munde preußifcher Difiziere, und Habe fi) davon ganz Türzlich feit unferer neu- lichen Unterhaltung überzeugt, fo daß ihm fein Zweifel bleibe: er würde den General Bülow nicht mehr als camerade militaire fondern ala chef behandeln und, wenn es nicht ander würde, dem Könige jchreiben, dag er ih mit ihm nicht länger vertragen könne. Ich vertheidigte Bülow jo gut es ging erfuhr aber erft von Kruſemark, den ich unmittelbar darauf bejuchte, daß der Prinz noch in der Nacht den Graf Hade mit einem Briefe an den König abgefertigt habe, um fich über den General Bülow zu beichweren und den König zu erfuchen, ihm geſchärfte DBe- fehle zum Gehorfam zu ſchicken pp.2). Im Gefühl der Verlegenheit und Unannebmlichkeit, worin diefe direkte Klage gegen einen glüdlichen General den König gefeßt haben würde, und doch der Nothwendigkeit, aus poli= tiichen Gründen gegen ihn wider fein Gefühl entfcheiden zu müflen, bat id Kruſemark, den Graf Hade nur einige Stunden zurüdzubalten Mit feiner gewöhnlichen Furchtſamkeit getraute er fich dieß nicht. Amfrühen. Morgen fiel mir ein, felbft einen Verſuch bei dem Kronprinzen zu machen, und nachdem Adlerkreutz, Tavaft und Wetterftädt darin mich beftätigt hatten (ſelbſt mußten fie es fcheinbar ignoriren, weil der Prinz den p. Hade weggeſchickt Hatte, ohne ihnen etwas zu fagen, feiner fich aljo getraute ihm davon zu fprechen), vermochte ich den General Kruſemark, dem Graf Hade, der fo lange durch anderweite Depechen aufgehalten worden, aufzugeben, im Hauptquartier des General Bülow fo lange zu bleiben, 6i8 ich nachfommen würde. (5 Meilen von Zerbft.)

Früh um 9 ging ich zum Kronprinzen und fagte ihm „que sans avoir & faire je venais aujourd’hui pour en appeller & la loyaute et

1) Der Sinn bes befannten Trachenberger Protokolls vom 12. Juli ift das edenfalls nicht. Danach jollten vielmehr, wie Roloff in feiner vortrefflichen Interfuchung darüber (Mil.⸗Wochenbl. 1892 ©. 1613) ausführt, „die kronprinz- lihen Truppen nicht bloß Berlin und die Marken deden, um jpäterhin Witten: berg zu belagern, Jonbern fogleich die Elbe paflieren und auf Xeipzig dor: dringen.” Ob in dem nicht befannt gewordenen endgültigen Operations: plane das vom Stronprinzen Behauptete geftanden Fa ift nad) dem, was man darüber weiß, ſehr unwahrſcheinlich. Denn es follten danach diejenigen Ar: meen, welche einen ſchwächeren Gegner vor ſich Hatten, gerade durch Träftige Aktion dem von Napoleon bedrängten Deae zu Hülfe fommen. (Weder Cuiftorp noch Wiehr haben leider die Roloffiche rbeit beachtet.) Die Behauptung Berna⸗ dottes beruht, wie mir fcheint, auf einer willfürlichen Interpretation des Trachen⸗ berger Protololls vom 12. Zuli.

2) Oder ftatt feiner jeden anderen General, den ber König wollte, zu er: nennen (Anmerlung Martens’).

170 Friedrich Meinede. [468

à la bont6 de son caractere“, fette Hinzu, was die Umftände an die Hand gaben, daß Bülow wirklich nie die Abficht gehabt, ihm wehe zu thun, und gewiß die erſte Gelegenheit ergreifen würde, es ihm perſoönlich zu jagen, daß der große Zweck diefes Krieges alle Eleinlichen Rüdfichten verdrängen müfle pp. und appuyirte vorzüglich darauf, daß er dadurd einem glüdlichen General wehe thun insbefondere aber dem Könige natürlich” eine jehr unangenehme Empfindung machen würde Unter allen Rüdfichten jchien die Teßtere vorzüglich auf ihn zu wirken, und er jagte „mais Hacke est parti“. „Eh bien, Monseigneur, peut£tre qu'en faisant diligence, je le rattrape“, antwortete ich, und fo genehmigte er zulett, daß, wenn ich Hade einholen follte, ich ihm in feinem Ramen den Beiehl geben follte, den Brief zurüdzubringen. „Je veux tout oublier, je n’en veux point & votre general, je ne veux point faire de la peine au roi, dites & Hacke de me rendre la lettre, je la brulerai, il n’en sera plus question.“ Er jeßte einiges jchmeichelhafte für mich Hinzu und daß ich ihm immer wüßte die ſchwache Seite abzugewinnen: die Schweden aber (MWetterftädt, Tavaft, Adlerkreutz zc.) kamen mir in dem Borzimmer alle entgegen und drüdten mir herzlich die Hände, als ich ihnen fagte, daß ich reuffirt wäre. Adlerkreutz ſetzte ſpaßhaft Hinzu, daß er in jchwierigen Fällen mich künftig immer zu feinem Miniſter negocia- teur niachen würde; .. und ich ging herzlich froh, unferem braven und geliebten König einen Verdruß erfpart zu haben, davon. Ich fand Hade bei dem General Bülow und hieß ihn zurüdtehren !): verficherte den General Bülow, daß der Prinz eigentlich nie ihm fuche abfichtlid webe zu thun, in feinen Anfichten aber von ihm abweiche und genau wiffe, wie er über ihn fpreche: allen dieſen Klatichereien ein Ende zu machen und dem Prinzen zu zeigen, daB auch er feiner Seits nichts gegen ihn perfünlich habe, fchiene es mir (befonder® da der Prinz jo eben die Hand biete und den erſten Schritt getban) natürlich, daß er ihm einmal ſelbſt einen Beſuch mache und ganz frei auch den Wunſch äußere, daß alles vergangene vergefjen würde. Hierdurch vergab fid der General gewiß nichts, aber er war nicht dazu zu bewegen, und nur Oberſt Boyen ging bin über Operationspläne zu ſprechen. Rur geitern in Deſſau erft nach dem Webergang der Truppen über die Elbe haben fie fich bei der Defilirung der Truppen auf der Straße öffentlid geiprochen. Ich kann nicht fagen, ob fie die Sache beigelegt haben, aber etwas mehr Deferenz für den Prinzen wäre von Seiten des Gene rals Bülow wohl zu wünfchen, wenn das Vernehmen gut bleiben fol; und um der guten Sache willen babe ich auch feinen Anftand genommen,

1) Die Beichwerde des Kronprinzen gelangte aber doch gleich damals zur Kenntnis des Königs, da Kruſemarck gleichzeitig eine Abjchrift an Harbenberg geiandt hatte. Tiefer entwarf darauf die Kabinettsorbre an Bülow vom 3. Oft. welche Cuiftorp 1I, 59 mitteilt und Martens unten auch jchon erwähnt. Bat Martens aber nicht erfuhr: der Kronprinz forderte ſchon am 5. Oktober, wahr: fcheinlich nach der Begegnung mit Bülow ın Deſſau und wohl geärgert I den von Boyen III, 182 erzählten Etikettefehler Bülows, daß Krufemard jenen von Hade wieder zurücgebrachten Brief doch noch zur Kennntnis des Königs brachte (Krufemard an Barden erg, 5. Okt.)

469] Zur Beurteilung Bernadottes im Herbitfeldzuge 1813. 171

den General darauf aufmerkſam zu machen mit der Bitte, vor Perfonen, die er nicht genau Tennt, gemäßigter vom Kronprinzen zu fprechen, da er militärisch und politifch do nun einmal verbraucht werden muß wie er ilt. Der Mangel an Menjchentenntniß bat eigentlich wohl dag ganze Uebel angerichtet. Hätte der Prinz im Gefühl feiner Würde den General Bülow bei Gr.Beeren mehr geltend gemacht, nach der Schlacht von Dennewig dem General und den Truppen einen Beſuch gemacht und gleich damals den Schwert-Orden ihm unigehangen, hätte er im Bülletin etwas mehr Wahrheit gefagt Bülow wäre gewonnen ge= weſen. Hätte dagegen Bülow weniger den Prinzen wollen fühlen lafſen, daß er alles gethan, und ftatt an allen Befehlen etwas auszufeßen zu finden, fie fcheinbar wenigften® gelobt und feiner Eitelkeit etwas mehr geihmeichelt, fo war der Prinz gewonnen. Man muß ihm nichts ihuldig bleiben, braucht fi nichts zu vergeben und Tann ihn doch leicht gewinnen, wenn man in feinen Charakter eingeht, auspoltern läßt, Plaifantirt und feiner Eigenliebe einige Phrafen opfert, die ja nicht koſt⸗ bar find. Ob er militärifch zu rechtfertigen und alles gethan, was er hätte thun können, wage ich nicht zu entjcheiden noch weniger zu bejahen. Daß aber ein Kronprinz don Schweden nicht Handeln fann und wird wie ein preußifcher General, läßt fi) von felbft erwarten, und don einen Menjchen muß man jo billig fen nicht mehr zu ver- langen, ala man feinen Umftänden nach erwarten kann. Dazu kommt, daß, wie Krufemark mir fagte, der Prinz vom Hauptquartier beftändig cajolirt wird, und wir bei feinen Verbindungen mit England uns nicht von ihm losſagen können, daß er (m. €.) es gewiß aufrichtig meint, wenn er auch feine politifchen Rüdfichten nicht vergißt; daß jeder Same von Uneinigleit ein wahres um fich freffendes Gift ift bei jeder Koalition; daß endlich m. E. gerade in diefem fo entfcheidenden Augen» blick alles aufgeboten werden muß, das Ganze mit allen feinen Zeilen zufammenzubalten. ... Alle diefe Gründe und Umftände ließen mich fo Handeln und fcheinen mir die Pflicht aufzuerlegen, Ew. Hochwohl⸗ geboren von diefem Berhältniß genau zu unterrichten, um darauf in der Art zu wirken, wie Sie e8 für die gute Sache am gerathenften halten.

Während der Konverfation fagte mir auch der Prinz, daß nach einem Briefe, den er in Händen babe, er den General Blücher bejehlige, jobald er über die Elbe gegangen fein würde!).

Abends um 9 Uhr. Eben jett bat der Zufall vielleicht befler ge- wirkt, ala alle Bemühungen. Der Kronprinz kam eben jetzt bier durch, fid mit dem General Blücher in Mühlbeck zu beiprechen er ftieg bier bei dem General ab, lud ihn ein, mit ihm in feinen Wagen zu iahren, beide kamen zufammen von einander satisfaits zurück und was noch zur völligen Ausgleichung gejehlt Hatte, bewirkte die eben er⸗

1) Befanntli hat Bernabotte das einige Zage jpäter, am 13. Oftober, ala er, Durch Rapoleons Vorſtoß eingefhüchtert, wieder zurüd über die Elbe wollte, auch gegenüber Blücher geltend gemacht, aber, weder jeine Abficht erreicht, noch feine Berechtigung authentiich hewieſen. Quiftorp II, 197.

172 Friedrich Meinede. [470

baltene Gabinetzordre des Königs!), weldde Bülow an Boyen und mir im im Dertrauen mittheilte und worin er auf eine freundliche Art ermahnt

wird, ohne perjönlidde Rüdfichten um der guten Sache willen mehr Deierenz dem Prinzen zu zeigen pp

Mit einem Herzlich troben Seht fchließe ich daher dieſen Briei und glaube Ew. Hochwohlgeboren verfichern zu können, daß die Einig- feit wieder bergeftellt ift. Bielleicht verliert num wohl die Anlage an pofitivdem Intereſſe, da ich fie indefien einmal auigejeßt babe, fo er laube ich mir doch fie noch Ihnen zu überfenden, weil fie doch hiſtoriſch und wegen einzelner Aeußerungen, die den Prinzen charakterifieren, nidt ganz ohne Intereſſe bleibt.

Euer Hocdhwohlgeboren fennen meine Gefinnungen und im Ge fühl immer nüßlicder ala Militär auch dem Staate fein zu fünnen würde es mir jett ganz lieb fein, wenn der König mir einen militä- riſchen Charakter verliehe. Ich Habe Früher an Thile deshalb ge ſchrieben dürfte ich auf Ihre güätige Mitwirkung auch dazu hoffen?!

Ich babe die Ehre zu fein mit der ausgezeichnetſten Hochachtung

Ew. Hochwohlgeboren gehorjamfter Diener Marten?. PS.

Entichuldigen Ew. Hochwohlgeboren die mancherlei vielleicht ein geichlichenen errata und Mängel des Stils. Bei Tage giebts zu thun, und ich habe einen Theil der Racht zu Hülfe nehmen müſſen, um fertig au werden.

Mir bleiben morgen noch wahrfcheinlich Bier, um nähere Notizen von den Bewegungen des Kaiſers Rapoleon zu erhalten, und räden dann übermorgen gegen Leipzig.

Anlage.

Bon einem intereffanten Geipräch, das der Zujall neulich (dem 24. Septbr.) herbeiführte, war Folgendes ungefähr der Hergang und das erheblichite.

Schon jeit der Schlacht von Dennewig hatte Bülow nicht auf gehört, dem Kronprinzen zu fehreiben und ‚ihn zur größeren Thaͤtigkeit aufzuforden. Es fruchtete nicht. Mit einem kurzen Brief an ben Kronprinzen und der nöthigen mündlichen Inſtruktion, denjelben wo⸗ möglich zu einer ofjenfiven Bewegung zu vermögen, wurde ich den 24. Septbr. an ihn nach Zerbſt abgeſchickt und kam in dem Augenblid an, wo eben eine Scene gewejen war, in der er fi) gegen Krufematl, Pozzo und Bincent jehr über Bülow beſchwert hatte.

„Je viens avec les deux plus belles commissions que je puisse avoir pour vous, Monseigneur, celle de vous feliciter pour des lauriers cueillis (Bülow hatte mir aufgetragen, ihm zugleich zu die erhaltenen Ordens zu gratulieren) et celle de faire observer & V. A. l’occasion d’en obtenir de nouveaux‘‘ war die Phrafe, mit der ich debätirt«,

1) Dom 3. Okt. ſ. oben ©. 170 Anm.

471] Zur Beurteilung Bernabottes im Hexbftfeldzuge 1818. 173

um feine humeur zu bejänftigen. Sie verfehlte nicht ganz ihre Wirkung er war aber wirklich jehr aufgebracht und vielleicht nicht ganz mit Unrecht, weil Bülow wohl 8 Zage fpäter vor Wittenberg gegangen war, ala ihm befohlen worden. ch verteidigte Bülow ftundenlang und wurde bald kalt und indignirt, wenn er in feiner braufenden Hite fich unangenehmer Aeußerungen bediente bald ſo gelaffen und ruhig als möglich, um ihn zu überzeugen, daß Bülow vom beſten Willen ſtets beſeelt ſei. Er wurde zulegt immer gelafjeneer und war es, daß ihm meine volllommene Rube dabei ein Borwurf erfchien, oder daß ihm mein Betragen gefiel kurz er wurde allmählich immer freundichaft- licher, unterhielt fi) mit mir über 5 Stunden und fprach zuleßt ganz vertraulich über feine Lage, Ausfichten, Projekte, Pläne und Wünjche.

„Eh bien quelles nouvelles me portez-vous? avez-vous ouvert la tranchee ?* Meine Antwort waren die gefchehenen Thatjachen, und daß diefen Abend die Vorſtädte wirden weggenommen werden. Zus gleich übergab ich ihm eine mitgebrachte Meldung von General Tauen- jien, daß er eine Bewegung gegen Blücher gemacht habe, um vereinigt etwas zu unternehmen (dadurch war Tauenzien noch mehr entfernt und dies brachte ihn noch mehr auf). „C'est quelque chose,* fing er an, „il fallait le faire quand je vous l’ordonnais, il y a 8 jours que vous „deviez le faire, mais on ne veut point faire ce que j’ordonne, „dans ce cas je ne puis plus commander. Si Mr. de Bülow veut le faire, qu’il prenne le commandement, je n’en suis pas jaloux. Quel interät ai-je & me battre sur le continent, je depense beaucoup plus que je ne devrais; la baltique me garantit de l’Empereur Napoleon, je m’en vais avec mes Suedois, je prendrai la Norwege: Vous retombez dans votre ancien defaut, votre presomption vous perdra, et je me moquerai de vös defaites.“

„Vous deployez un caractere, Monseigneur, qui n’est pas le votre; nous vous avons cru v£eritablement attaclıe & la bonne cause, ami de la Prusse: nous pouvons &tre malheureux, mais nous ne märiterons jamais qu’on se moque de nous, nous avons montre trop de courage.“

„C’est votre devoir,“ fiel er wieder ein, „vous le devez & votre patrie et personne ne nous en remercie: mais vous ne savez point obeir, il n’y a point de discipline, chacun veut commander, il n’y a personne tenez-vous möme vous vous croyez plus grand general que moi. C'est cette presomtion qui a perdu la monarchie prussienne et qui la perdra encore, si vous ne changez. J’ai tout fait pour vous, jai quitte ce qui m’est le plus cher et je ne fais que des ingrats. Je ne compte pas sur vous: j’aime votre Roi, il m'a donne sa con- fiance, je veux de l’obeissance. Il ne me faut point de talents Le general en chef doit en avoir ou il ne merite point de l’ötre: je de- mande de la vigilance, du courage et surtout de l’obeissance.“

„Je doute que nous meritious les reproches que vous nous faites, Monseigneur, et le general Bülow ne vous a point desobei que je sache: il est devant Wittenberg et s’il y est venu plus tard que V. A, !’a ordonne, c’est qu’il manquait de moyens pour entreprendre quelgue chose: il ouvre sa tranchee, et s’il a cru devoir faire observer &

174 Friedrich Meinede. [472

V. Altesse qu on pourvait remporter une victoire aisee, il n'a pas crı vous deplaire assarement.*

„Je le repete. je nai pas besoin de conseil, jai mes plans et on ne les derange: Voyez-moi ces Russes, ils font ce qu’on leur dit, je n'ai point à m’en plaindre, ils savent obeir. Le general Tauenzien merite que je le mette aux arrets et du temps de Frederic aucun general n’aurait osé lui ecrire une telle lettre sans &tre envoyé & la forteresse. Tenez. lisez-la.* Hier gab er mir den Priei des General Bülow. „Frederic“ antwortete ich, „rexut souvent les meilleurs conseils de ceux qu’il en- voya & la forteresse, et n’en aima pas moins ceux qui lui parlaient avec franchise. Le general Bülow a le caractere franc et loyal, il n’est attache qu’& son devoir et & la bonne cause: je suis fäche de voir que V. A. lui substitue d’autres motifs.“ ch las darauf den Brief oder that vielmehr fo, da ich ihn ſelbſt concipirt hatte, und fagte dann: „Jen’y reconnais que le desir de faire & l’ennemi tout le tort possible et de fixer l’attention de V. A. sur un objet qui parait le me£riter.

Run fing eine neue Diskuffion über die Operationen ſelbſt an: id detaillierte ihm genau die Stellung des Feindes jenjeit? der Elbe (Woͤr⸗ fig, Kemberg pp.) feine Stärke (28000 M.) den Geiſt der Sachſfen zu una überzugehen und ſprach fo überredend ala möglich sur l’avantage de gagner sur l’ennemi l'initiative des mouvements et d’aneantir une force deja paralysee physiquement et moralement, d’&tre maitre de l’Elbe et de couper à l’ennemi la ligne de communication sur Dresde en avancant sur Halle et Leipzig.“

„C’est fort bien,“ fiel er bier ein, „mais qui vous re&pond que l’Empereur Napoleon, apres avoir fait des tentatives plus ou moins heureuses contre la grande armee et Blücher, ne se jette ou par Luckau sur Berlin, ou sur moi, et qu’il ne renforce le corps de Ney par une ou deux divisions.“ „Reunie,“ antwortete ich, „votre armde sera en- core assez forte m&me pour ce cas et Wittenberg se rendra probable- ment plus facilement.“ „J’en doute* fiel er ein und bdiltirte einen empfindlichen Brief an Tauenzien und einen zweiten an Bülow, wo er damit fchloß „quil rendait justice au motif qui l’avait engage à lui €crire, mais que cela ne pouvait pas changer ses plans“ im ganzen einen böflichen und artigen Brief.

„Vous ötes bien maitre de vous-m&me et je vous admire” fing ih an, al® er mit feiner Antwort fertig war, „'ose croire que V.A.R. rend justice au general Bülow et A son activite, qui le porte à vouloir profiter le mieux possible des avantages d’une victoire. Malgre ce que vous venez de me dire tantöt sur mon propre compte, je ne crains pas de dire que dans un moment plus tranquille beaucoup de choses que vous m’avez dit, vous feront de la peine, et. . .*

„Mon cher,* fing er darauf in einem ganz freundfchajtlichen Zone an, „ne soyez plus porteur d’une telle lettre, elle me conte une de ma vie, vous m’avez vu homme, on se laisse entrafner, et puisque

473] Zur Beurteilung Bernadottes im Herbſtſeldzuge 1813. 175

vous avez voyag6 dans le midi de l’Europe, vous savez que nous avons les nerfs plus irritables: Mettez-vous un instant A ma place, et vous verrez si je puis ötre content. Separ€ de ma femme dont je n’ai point de nouvelles depuis 4 mois, et de mon fils, le Roi étant tres malade, ayant depense 12 millions (de francs?) de plus que je n’ai recu de l’Angleterre, ayant amené contre le voeu de la nation mon armde A votre secours, m’etant charge d’une grande besogne difficile a remplir, que voulez-vous ce qui me dedommage de tout cela, si ce n’est l’amour et l’obeissance du soldat j’entends par soldat les generaux et officiers egalement? Croyez-vous que la gloriole militaire rende plus heureux qu’une autre?“ „Monseigneur,“ antwortete ich, „je crois que votre röle est un des plus beaux qu’on puisse remplir et pour la gloire et pour le sentiment. Vous defendez la plus belle cause, vous jouissez de la confiance des souverains les plus estimes, et vous avez éêté heureux jusqu’ici.“

„C'est vrai,“ fiel er mir ein, „mais aussi j'ai été toujours circon- spect: je n’ai jamais perdu un canon, un drapeau, un regiment mais j’aime pour cela qu’on me t6emoigne de la confiance. Dites A votre general qu’il vienne me parler quand il voudra, mais qu’il ne m’6crive pas de la sorte. Je donnerais 50 mille &cus pour ne pas avoir recu cette lettre: je n’aime pas les coups d’epingles: je suis soldat, je suis franc. Nous nous entendrons. Le jour d’une bataille, entour6 de morts, extenu6 de fatigue, harrass&e de tous les cötes, con- trarie et souvent mal compris c’est alors que je demanderai de ses conseils: qu’il me les dise à l’oreille et j’en reconnaitrai son amitie je vous en donne la permission & vous, mon cher, et je vous en saurai gr&: mais lorsque je suis à combiner tranquillement mes operations, comment voulez-vous que je change mes plans sur le senti- ment de chaque general. Monsieur de Bülow peut fort bien juger de son Coin sa partie, mais prenez la carte, voyez ma ligne depuis la Stekniz jusqu’a Torgau. Un chef ne peut pas dire ce qu’il va faire. Qui vous dit, que d’un jour à l’autre je ne passe avec tous mes Su6dois et Russes l’Elbe et ne vous attire & moi pour en faire mon corps de reserve, en laissant Tauenzien et Hirschfeld devant Wittenberg, car Torgau au fond ne me regarde pas.“

„Nous ne demandons pas mieux, Monseigneur, et c’est cette idee mö&me que le general Bülow osait vous proposer.“

„Mais il me faut Wittenberg, il me faut une place d’armes, une place pour les munitions, malades et dans le cas d’un échec de l’autre cöte, L’Empereur Napoleon, s’il est battu, peut r&parer ses pertes, il a Leipzig, Naumburg, Torgau, Halle .. . moi je dois repasser !’Elbe et je n’ai aucun point depuis l’Elbe jusqu’&a Berlin.“ So ging das Geſpräch noch fort über die militärischen Vorteile der einen oder anderen Partie. ch bemühte mich ihm zu beweifen, daß das Bülowfche Korps durch feine eparpillirte Stellung um Wittenberg, und da der Feind nur einen Heinen Tagemarſch (mit 28—30000 Mann) zu machen und über die Brüde zu gehen brauche, um uns befonderd Nacht? zu überfallen, einem échec offenbar ausgeſetzt ſei. Er bejahl darauf, daß Bülow eine

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Brigade vor Wittenberg jtehen laſſen und die übrigen 3 nach Coswig zu conzentriren folle. Sch fchloß damit, daß man bald ſehen würde, ob, wie er glaube, Wittenberg fich auf ein bloßes Bombardement ergeben würde, und wenn dies nicht der Fall wäre, könne es nicht eher belagert werden, als bis Belagerungsgefchüße herbeigeführt und die Kommunikation jenfeitß unterbrochen worden weil bei einem 40 Fuß breiten Graben, der nicht abzuleiten, Wittenberg fich nicht jtürmen und bei fo großen Vorräthen nicht aushungern lafle.

Hier unterbrach uns die Anıneldung eines ſächſiſchen Ojfiziers von dem Übergegangenen Bataillon König unter Oberft Bünau. Der Prinz frug denfelben ſehr gefickt aus und vermochte ihn, an den General, der die noch Übrigen Sachjen fommandierte (unter Neynier) zu fchreiben, um ihn zum Uebergang zu vermögen: mit dem Zuſatz, er würde eine ſächfiſche Legion formiren und böte ihm an, unter ihm ein Korps als Divifiond- general zu fommandieren: er würde dies bei den alliierten Mächten aus⸗ wirken. Das Ganze wurde noch, während ich da war, aufgeſetzt, bejorgt und abgeſchickt (durch einen Spion).

Die Rede fam hierauf, daß ich Hirfchfeld den Morgen geſprochen hätte, wo er noch feine Ordre gehabt zum Aufbruch. General Tavaſt (fein chef d’Etat-major) fam Hinzu, mußte Rechenfchaft geben, wie das fäme, und wurde hart vom Prinzen angefahren und ihm gejagt, daß er fih ein beſſeres Gedächtnis anfchaffen möchte. „Ne vous l’ai-je pas dit et repete dix fois que vous deviez l’ecrire au general Hirschfeld ? Dorenavant je dicterai tout moi-möme. Tavaft ſchien etwas betreten und beſchämt, und ala er weg war, jagte mir der Prinz: „Voyez comme le service se fait, ils ne savent pas encore ce que c’est que de faire la guerre. (Tavajt fagte mir twieder jpäter: „Vous voyez comme le prince nous traite, c’est sa vivacit&, ne la prenez pas en mauvaise part, un instant après cela lui fait de la peine: il est si bon enfant, il ne veut que le bien.“ Wittlerweile fam die an Bülow über die zu nehmende Poſition gerichtete Ordre: er ließ fie fich (wie er gewöhn- lich zu thun pflegt) mehreremal langjam laut vorlejen, die Karte in der Hand, und fchidte fie erft dann ab. (Seine Ordres find immer fehr präzise aber des Vorleſens ungeachtet oft noch zu rafch entworfen und nicht immer Tonfequent. Große Maffen zu bewegen, fcheint er ein vorzügliches Talent zu Haben.)

Ich wollte mi nun zum zweitenmal empfehlen er bat mid aber zu bleiben und mit ihm zu eflen. Died tete & téte (denn zulet ſchickte er alle Leute weg) gab die Gelegenheit zu einem Geſpräch, worin er Über mehrere Gegenstände des Krieges, der Politit, über Napoleon und feine eigene Lage und Wünſche beinahe vertraulich ſprach. Folgendes ift mir noch ungefähr davon erinnerlich: „Moreau ne croyait pas que je devais risquer une bataille pour conserver Berlin, il est reste jusqu’& une heure du matin pour me le prouver?!): il en a pre-

m ——

1) Neber dies Geſpräch mit Moreau vgl. die Auf Ar in dem Recueil der Befehle Bernadottes S. 11 (Cuiftorp I, 141; Wie

475] Zur Beurteilung Bernadottes im Herbftfeldzuge 1813. 177

veuu le roi, je le sais, mais le rei l'a entendu avec cette fermet6 et cette resignation qui le caracterisent, et Moreau m’en a écrit.“ „Votre Altesse a éêté priee certainement de faire le possible pour conserver Berlin?“ „Le roi m’en a jamais dit un mot, et c’est pour cela justement que je m’y croyais le plus oblige.. Et puis l’opinion publique: c'est au general Suchtelen!) principalement que je dois la resolation d’avoir livr6 bataille pres de Berlin, aussi j’en ai 6crit au roi et je desire une distinction pour lui: c’est mon- vieux mentor. I me conseille souvent et il est de mes amis...... je me suis embarqu& dans une affaire dont je me serais repenti sans mon attache- ment pour le roi, que je conserverai toute ma vie.“ Er jprach mehreres über die Bataille von Görfchen, deren Detail er zu wiſſen wäünjchte, über Trachenberg, fing mehrmals über den König an, und daß er ihm fein Wort gegeben, ihn nie zu verlaffen und daß es zu jeiner Zufrieden» beit gehöre, ihm nüßlich zu jein. Er kam auf unjern Kronprinzen zu prehen, der ihm außerordentlich gefallen bat, freute fich über die Achnlichleit, die er zwifchen ihm und feinem Sohn Oskar jand. Er fhien mir ſogar auf künftige nähere Verhältniffe anzufpielen und daß dies beide Staaten an einander fetten könne. Diefen Sohn ſcheint er jehr zu Lieben und für ihn fi) zu pouffieren. „Je vous assure, fuhr er fort, que j’aspire & une autre gloire... . Vous voudrez imiter Washington,“ fiel ich ein, nachdem er über die Annehmlichkeiten des füdlichen Klimas und über das wärmere Blut der Menfchen und Naturgenuß mit Lebhajtigkeit gefprochen hatte; „oai vraiment je serai roi jusqu’& l’äge mon fils sera en etat de regner, et puis je me retirerai, et je montrerai au monde que je n’ai pas besoin d’un tröne pour ötre heureux: j’aime le bonheur domestique, je vivrai heu- reusement.” Bei diejer Gelegenheit erzählte ex die Anekdote von feinem Sohne, der, als ihm der Thron zuerft angeboten worden und er mit feiner Frau auf einem Spaziergang geäußert, daß er wenig Luft Habe, es anzunehmen ihm jagte „mais pourquoi refuseras-tu les voeux de tout un peuple?* Der Vater fchien fich über den Kleinen entjtehenden Herrichergeift zu freuen pp. ch meinte, daß feine Grau wohl nie in feine Refignation flimmen würde er antwortete mir aber, daB fie ebenjo dächte wie ex und daß er nur für feinen Sohn arbeite. (Wie ich gehört, jpricht derjelbe ſchon jehr gut ſchwediſch und dient jeinem Bater, der es etwas, aber wenig fpricht, zum Dollmeticher, wenn er mit ben Ständen oder einzelnen Offizier fpricht, die nicht franzöfifch ver- ftehen.) Je dois former mon fils pour ma nation. Il a voulu faire la campagne avec moi, mais il est trop jeune. Le roi lui a permis de me suivre a la 24° campagne. Je suis inquiet, si le roi qui est malade, venait à mourir: j’ai quelqu’un la-bas auquel je puis me fier, et j’ai an brave officier qui commandera contre les Danois, j’en suis sür; mais je ne dois pas oublier que la nation n’a pas vu de bon oeil que je parte: beaucoup ont cru que je pouvais mieux conquerir la Nor- wege depuis la Suède qu’en Allemagne. J’en ai eu même des desagre-

1) Einer ber militärifchen Vertreter Rußlands beim Kronprinzen. Forſcuungen 3. brand. u. preuß. Geld. VII. 2. 12

178 Hriedrih Meinede. [476

ments, parmi lesquels je ne vous citerai qu’un Mr. de. . . (der Rame ift mir entfallen) allie à 1a famille Bonde, l'une des meilleures de la Suède et apparentee aux rois, m’ecrivit une lettre à Wismar, dans laquelle il me dit qu’il lui paraissait que j’avais grand tort de passer en Allemagne, que c’etait pour gagner la Norwege, mais que cela était incertain, et que je sacrifiais les troupes pour une cause &trangere. J’assemblais un conseil. Si je parlais le su6dois, leur ai-je dit, je parlerais à cet officier et puis le ferais fusiller mais de cette maniöre dites lui ce qu'il merite je ne lui Öte que sa place et son regiment.“

„N’oubliez pas“ (jeßte der Prinz Hinzu) que cet officier était chef d’Etat major sous le feu roi et vous voyez ce que j'ai à combattre. Je le repète, j’ai une täche difficile. Je dois tenir 20 000 hommes pour l’Angleterre, j’en ai 24 mille, dont 2 milles sont restes en ar- riere, jai 1800 malades et la plupart de nouvelles. Il faut les aguerrir. Croyez-moi et dites-le à votre general, il ne s’agit pas tou- jours de se battre, c’est le desir du simple soldat un general pense plus loin. Tout ce que je desire, c’est d’avoir une affaire in- decise avec l’Empereur Napoleon, comme vous en avez eu à Lötzen. Alors le lendemain venez à moi et dites qu'il faut attaquer et quil faut tout risquer pour tout gagner .. . . jusques-lA soyez sur vos gardes et circonspects. Moi dans ma position et pour l'opinion je ne dois point subir d’Echec. Quand nous aurons une place forte sur l’Elbe, je passerai avec tout mon corps d’armec, Blücher se joindra & nous et que l’Empereur vienne, je ne crains plus.“ (Dieſe Aeußerung icheint freilich nicht mit dem zu ftimmen, was mir Kruſemark und andere geiagt haben, daß er im voraus zittert, wenn er nur an die Möglichkeit denkt, ihn zu befämpfen: mir fchien aber daß er (und vielleicht mit Recht) gegen ihn (Napoleon) ſelbſt fich nicht einlaffen will, wenn et nicht gleiche Kräfte Hat und mohl weiß, daß eine überlegene, nie in der Schlacht angetaftete Reſerve die eigentliche Stärke Napoleons macht, um zulett den Ausfchlag zu geben.)

Die Konverfation fiel auf Detail? von Paris, don Napoleon und defien Despotismus. „Mais concevez-vous, Monseigneur,“ ſagte id, „le roi de Naples qui vient se plier de nouveau sons la ferule?* Er erzählte mir darauf die Art, wie er unter dem Borwande, daß er zur Pacifilation mit Oefterreich feiner Hülfe bebürfe, weil er doch der vorzüglichite und talentvollfte feiner Familie wäre ihn zu fich gelodt, dann aber mit den Worten angeredet habe: „Vous avez ma sceur et voes avez cru pouvoir me desobeir. Maintenant que vous &tes ici, vous 00M- manderez ou je vous fais fusiller. Mis6rable! Vous ne meritez-pas que je vous donne mes troupes à commander, mai j’ai besoin de vous et vous ferez votre devoir.“

„Quant & moi,“ fuhr der Prinz weiter fort, „quoiqu’il puisse ar- river, je ne serai plus jamais son ami et je ne l’ai jamais ete. Jele connais. Lorsque j’etais A Stralsund et que le traite avec la Prusse n’etait point encore signe, il me fit faire (par un homme condamne 3 mort, charge de cette mission) la proposition de prendre les

477] Zur Beurteilung Bernabottes im Herbftfeldzuge 1813. 179

Pomeranies, le Meklenbourg et Berlin si je voulais, pourvu que j’agisse de concert avec lui: il me fit tout plein de promesses.“

„Mais V. A. sait ce qu’en vaut l’aune,“ fiel ih ein. „In'ya pas quinze jours,* fagte der Prinz weiter, „qu'il a voulu me faire de nouvelles propositions. Que veut-il? (a-t-il dit de moi & un de ses alentours), veut-il (der Kronprinz) &tre Empereur de France? Son ambition ne va pas jusques-IA. Veut-il &tre roi de Prusse? qu’il le dis. Mais s’il ne veut rien de cela, qu’il s’en retourne en Sudde.*

Da er nie ein Wort über den ruffiichen Kaiſer äußerte, fo nahm ih die Gelegenheit wahr, ihm über das Großkreuz des eijernen Kreuzes ju jagen que l’Empereur de Russie serait jaloux de me£riter la croix qu'il portait. Er freute fih doppelt, es zu haben, als ich ihm die Statuten des Ordens erllärte!), und jagte, daB der König und Kaiſer nur daß Kleine trügen. Ueber den Kaiſer fügte er nichts Hinzu, ergoß fi) aber von neuem in Lob und Verehrung über unfern geliebten König, für den er perfönlich wirklich eine ritterlicde innige Anhänglichkeit zu baben fcheint. .

1) Nach der Stiftungaurkunde toltte das Großkreuz nur für den Gewinn einer enticheidenden S id, die Eroberung einer bedeutenden Feſtung oder bie anhaltende erfolgreiche eibigung einer Feſtung verliehen werden.

12 *

VII.

Die älteſten märkiſchen Banzler und ihre Familien. Don %. Hole jun.

Ginleitung.

Schmollers foeben erjchienener Auffah „Weber Behörbenorganijation, Amtsweien und Beamtentum im allgemeinen und fpeciell in Deutjch- land und Preußen bis zum Sabre 1718”, welcher die Einleitung zum erſten Bande des die Behördenorganifation Preußens behandelnden Teile® der Acta Borussica!) bildet, gemahnt unwilllürlih an einen vor über 200 Jahren gemachten, allerdings gefcheiterten Verſuch. Der Kammergerichtsrat Martin Friedrich Seidel (1621—1693), Sohn des belannten Geheimen Rate Grasmus Geidel und Schwieger- fohn des Vicekanzlers Andreas Kohl, ein Dann von bober -Bildung, von Sammeleifer und im Beſitze eines feine Bedürfniffe weit über⸗ fteigenden Vermögens?), war in Brandenburg ber erjte, welcher ber biftorifchen Entwidelung de heimiſchen Beamtentums, welche jebt von Schmoller ſcharf beleuchtet vor uns Liegt, forfchend näher getreten ift. Allerdings darf man feine langjährigen Bemühungen auf diefem Gebiete nicht nach den Keinen Aufjägen meffen, welche bisher in die Deffentlich- feit gedrungen find, etwa nad) den von ihm im Auguft 1657 in den

1) Die Behördenorganifation und die allgemeine Staatöverwaltung Preußen? - im 18. Jahrhundert. Erſter Band. Alten von 1701 bis Ende Juni 1714, be: arbeitet von G. Schmoller und DO. Krauske. Berlin, Parey, 1894.

2) Ueber fein Leben vergl. Küfter, Gefchichte dee Altadeligen Gefchlechts derer dv. Seibel, Berlin 1751, S. 29 ff.

182 Friedrich Holke. [480

Knopf der Berliner Marienkirche niedergelegten Notizen !), oder feine drei Jahre fpäter verfaßten kurzen Geſchichte des Berliner Ramme: geriht3 2). So dankenswert das von ihm dort Gebotene ift, um fo dankenswerter, ala er, ohne Vorarbeiten benußen zu koͤnnen, überall auj ſich allein angewiefen war, fo liegen Seidel Verdienſte doch mehr nad einer anderen Richtung, nämlich nach der de Sammler. Durch feine Familienbeziehungen und mannigfacdden Tyreundichaftsbande mit den brandenburgifchen Staatsbeamten feiner Zeit und, da biefelben in Ge mäßbheit de8 damals in vollfter Blüte ftehenden Nepotismus aus den älteren Beamtengenerationen hervorgegangen waren, auch mit biefen in engfter Verbindung ftehend, vermochte e8 der umfichtige Mann, reide Erinnerungn an die märkiſchen Gtaatsbeamten und Gelehrten ans feiner und früherer Zeit zufammenzutragen. Gr beichaffte fich, zum Zeil nach heute verjchiwundenen Originalen, ihre Bildniffe, er ſammelte intereffante Briefe, welche einft von ihnen oder an fie gejchrieben waren, und notierte gewiſſenhaft, was er über fie an irgend einer Stelle über liefert fand.

Diel, vielleicht da® Meifte von feinen Sammlungen ift durch die jpäter erfolgte Zerfplitterung feines Litterarifchen Nachlaffes verloren ge gangen, aber doch noch jo manches erhalten geblieben, das unfere Kennt⸗ nis von den älteiten märlifchen Beamten zu ergänzen geeignet if. Seidel Tieß einen Zeil feiner reichen Bildberfammlung in Kupfer ftechen, um das fo bergeftellte Album im Sabre 1670 an feine Freunde zu verichenten, im folgenden Jahre vermehrte er biefes Album auf 102 Bilder von 100 berühmten Märkern. Da die Kupferplatten erhalten blieben, war dann Küfter im Jahre 1751 in der Lage, eine mit einem heute veralteten Texte verfehene, ſehr verbreitete Neuausgabe zu beram ftalten®). Seidel hatte nur einen Teil feiner Porträtfammlung ia Kupfer ftechen Lafien, auch nicht einmal alle bereit# Hergeftellten Kupfer

1) Küfter, Altes und Neues Berlin, 1. Bd. 2. Abt. S. 468 ff.

2) Ktüfter, Collectio opuscul. historiam March. illustrantium“, Etüd 21, und Holbe, Geichichte des Kammergerichts in Brandenburg: Preußen, 2. Bd. &.370f Hier ift auch ein Bildnis des Verfafſers beigegeben.

3) Intereffante Nachrichten über das eigenartige Zuſtandekommen bieler Neuausgabe bringt Sello im 23. Jahresbericht des Altmärkifchen Vereins, Abt. für Geichichte. Magdeburg 1890. S. 57 Note 2. Es fei auch an diefer Stelle betont, daß eine mit den Hülfsmitteln unferer Zeit veranftaltete, verbefferte Aus:

gabe der berühmten Märfer eine dankenswerte und nicht zu fchwierige Auf⸗ anhe märe,

481] Die älteften märkiſchen Kanzler und ihre Familien. 188

veröffentlicht); ala nach dem Tode feines gleichitrebenden Sohnes Erasmus auch die Bilderfammlung unter den Hammer kam, erwarb fie ganz oder teilweife der Leibarzt Friedrichs des Großen, der bekannte Geſchichtsforſcher Möhſen, und nach feinem Abfterben die Kgl. Bibliothek zu Berlin. Band B. 26 der libri picturati derfelben enthält vor⸗ wiegend Bildnifje der brandenburgifch-preußifchen Juriften und Staats⸗ männer bis auf die Zeit Friedrich des Großen, von denen die auß der Zeit bis zum Tode des Kurfürſten Friedrich Wilhelm aus Seidels Sammlung berrühten. Unter denfelben befinden fich die in Tuſche ge⸗ zeichneten Porträt? der Kanzler v. Kracht, Zerer und Stublinger, deren Reproduktion ung gütigft geftattet if. Das Bildnis Seffelmanna befindet fih auf feinem noch erhaltenen Grabſteine in der Marienkirche zu Fürften- walde, dem Lebufer Biſchofsfitze?), und die Porträts der auf Stublinger folgenden märkifchen Kanzler find von Seidel und demnädjt von Küfter in die oben gedachte Bilderfammlung aufgenommen worden. Da nun das Porträt geeignet ift, das Bild, welches wir uns nach der urkund⸗ lichen Weberlieferung vom Dargeftellten machen, zu beleben, fo erjchien es nicht unangebracht, die Bilder Hier den Kleinen Lebensſkizzen der älteften märkifchen Kanzler beizugeben. Daneben ift auch verfucht worden, dasjenige zufammenzuftellen, was wir über ihre Nachlommenfchaft. wiffen. Denn, was uns davon bekannt ift, knüpft fich meift an den Befik an, welchen bie Kanzler ihrer Familie Hinterlaffen. So beleuchtet denn die Familiengeſchichte eine beachtenswerte Seite im Charakter derfelben, zeigt fie ung nämli da, wo fie nicht für den Staat, fondern für fich ge⸗ arbeitet haben. Andererjeits ift es auch Iehrreich genug, zu fehen, ob und auf welche Weife fich die Söhne von Männern, die zun Zeil aus Franken (Zerer), zum Teil aus Leipzig (Ketwig und Breitenbach) in die Mark gefommen waren, bier eingelebt haben oder nicht, und wie fih die Kinder zweier Kanzlerfamilien ehelich verbanden. Da endlich die Entwidelung des Kanzleramtes von den Perfonen feiner Träger ab» bängig geweſen ift, jo wirb auch die jprunghafte Art diefer Entwidelung durch die folgenden Lebensſkizzen vielleicht einige Aufhellung erfahren.

1) So enthält mein Exemplar der Ausgabe vom Jahre 1671 noch die Por: trätd des Vizekanzlers Matthias Kemnitz und bes berühmten Feſtungsbaumeiſters Matthias Dögen, welchem Berlin den Plan feiner unter dem großen Kurfürften angelegten Fortifitation verdankt. (Holtze, Geſchichte der Vefeſtigung von Berlin, 1874, ©. 47 ff.)

2) Bgl. Kunftbeilagen zu Golf, Fürftenwalde. 1837.

184 Friedrich Hole. (182

1. Heingev. Kradt. 1440—1444.

! Der erſte, welcher unter den Hohenzollern al? Kanzler in der Marl

"gewirkt Hat, ift Heinge v. Kracht geweſen. Er entftammte dem im Spreewalde anfäffigen alten Adelsgeſchlechte, welches die auch auf feinem Bildniſſe angebrachte Greifenflaue im Wappen führte. Aus dem Bilde ergiebt fi) auch, daß er dem weltlichen Stande angehört hat.

Keinge v. Kracht. Da num in den Urkunden oft „zur Czucho geſefſen“ feinem Ramen

beigefügt wird!), fo dürfte das Gut Altzauche ober Neuzaude im heutigen Kreife Lübben fein Stammgut gewejen fein. Frühzeitig trat

1) Riebel, Cod. dipl. Brandenb., 1. Hpth. 8b. 11 €. 349.

483] Tie älteften märkifchen Kanzler und ihre Familien. 185

er in Beziehungen zu den Hobenzollen, und zwar zum Markgrafen Johann, welchen der reiche, dicht an den märkifchen Grenzen begüterte Edelmann mannigiah mit Rat und That bei der Regierung des dem fränkifchen Prinzen fremdartigen Knrfürſtentums unterftügt hat. Seine Stellung im Rate des Fürſten ift die einer fachverjtändigen Vertrauens⸗ perfon, eines Ratgeber bei der inneren Landesverwaltung‘), Daß er damals feine feſte Thätigkeit in der Mark auszuüben hatte, folgt fchon daraus, daß er im Jahre 1435 die Markgrafen Johann und Albrecht auf ihrer Fahrt zum heiligen Grabe begleiten Tonnte?). Dies ſchließt indes nicht aus, daß er fchon vor und nach diefer Wallfahrt in der Markt auch ala Vorſteher der markgräflichen Kanzlei thätig geweſen ift. Seit dem NRegierungsantritte des Kurfürften Friedrich II. erſcheint v. Kracht bis 1444 abwechjelnd mit dem Titel „oberfler Schreiber”, „protonotarius und Rat” und daneben ala „Kanzler“8); auch aus dem oben mitgeteilten Bilde vom Jahre 1442 ergiebt fih, daß er damals die Kanzlerwürde bekleidet bat, denn er ift mit dem Attribute derjelben, dem furfürftlichen Siegelringe um den Hals, dargeftellt. „Protonotarius” ift nur die griechifch-Tateinifche Ueberſetzung des „oberften Schreibers” ; der Titel „Kanzler“ bedeutete damals, daß dem oberiten Schreiber des Sürften zugleich eine mit befonderen Ehren ausgeftattete Stellung am Hofe eingeräumt ift, deren äußeres Wahrzeichen eben der öffentlich von ihm getragene fürftliche Ring war. Die Thätigleit des Kanzler ergiebt fi deutlih aus dem von ihm geleifteten Eide; es ift zwar der von v. Kracht geichworene nicht mehr vorhanden, wohl aber der im Jahre 1535 von feinem Nachfolger dv. Ketwig geleiftete. Derjelbe ift der ge wöhnliche Ratseid, jedoch mit dem Zuſatze: „auch irer gn. sigl und secret getreulich nach irer gn. bevelh und nicht weiter gebrauchen, auch von der herschaft privilegien, lehen und anderen briefen, darin irer gn. gelegen, one irer gn. bevelh abschriften nicht machen, noch geben lassen +), Mag aber v. Kracht feinen Anitseid in dieſer Form ge« leiftet haben, ober in einer etwas anderen, keinesfalls war der Umfang der ihm als Kanzler obliegenden Pflichten ein weiterer, Er war ber Vorſteher der markgräflichen Kanzlei, überwachte deren Geſchäftsgang, vollzog die Ausfertigungen u. |. w., Hatte jedoch in biefer Stellung

1) Bgl. nach den Angaben des Perfonenregifters zu Riedeld Koder die in den Bänden 9—11 mitgeteilten Urkunden.

2) Geisheim, Die Wallfahrt Johann und Albrechts 1435 zum heiligen Grabe, ©. 251. -

3) Riedel a. a. D., 1. Hpth. Bd. 10 ©. 529 u. 278, Bd. 9 ©. 160.

4) Holte, Kammergericht Bd. I ©. 257 f.

186 Friedrich Holpe. [484

feinen Ginfluß auf die Politit des Landesheren; er beurkundete das Ger ichehene, aber was gejchah und wie es geichah, ging ihn ala Kanzler nichts an!). Aber da er eine bevorzugte Hofftellung inne Hatte, wurde der Kanzler in der Mark davor bewahrt, zu einer jubalternen Perſon zu werben; vd. Kracht ſaß ebenjo, wie feine Nachfolger, zugleich im Rate des Kurfürften. Dies wurde, zumal da faft jeder Kanzler vorher furfürftlicder Rat geweien war, jpäter als etwas ganz jelbftverftändliches betrachtet. Kracht wird dagegen auch in der Zeit, ala er Kanzler war, ausdrüdlich ala „Rat“ bezeichnet. Dies beweilt, daB zu feiner Zeit ber Begriff des Kanzleramtes noch in der engen Abgeichloffenheit des Kanzleivorftandes aufgefaßt wurde. Aus dem Vorangeſchickten erhellt, daß v. Krachts Stellung als Kanzler einen dreifachen Inhalt Hatte, weldde in den ibm beigelegten Titeln zum Ausdrud kommt; er war Borfteder der Kanzlei (oberfter Schreiber), dabei in einer bevorzugten Hofſtell ung (cancellarius) und Rat des Kurfürften. Diefer Inhalt ließe fih jehr wohl in die einzelnen Beſtandteile anflöfen, jo begegnen wir bald genug oberften Schreibern, alſo Borftehern der Kanzlei, ohne ben Kanzlertitel, d. h. ohne die Ehrenrechte ihrer Stellung?). Auch in der Derfon dv. Kracht? vollzog ſich Ende 1444 eine Scheidung dahin, daß er aufhörte, märkifcher Kanzler zu fein, dagegen als Rat im Dienfte des Kurfürften blieb). Diefe Entlafjung dv. Kracht? erjolgte, wenn nicht alle Anzeichen trügen, im vollften Einvernehmen mit ihn; er mochte ala wohlhabender Gutsbefiter nicht mehr in ber Lage fein, ein ihn forte dauernd in Anſpruch nehmendes Amt zu verfehen. Als Rat Bat er dem Kurfürften noch bis zum Jahre 1466 zur Geite geftanden, nament- lich bei der folgenreichen Unterwerfung von Berlin-Cölln*). Geitdem ift er nicht mehr als Urkundenzeuge nachweisbar und wird daher kurz hernach geftorben fein; Nitter des von Friedrich II. geftifteten Schwanen- ordens iſt er nicht geweſen.

1) Ueber die innere Organifation der Kanzlei zu jener Zeit find wir feit kurzem durch das treffliche Werk Lewinstis, Die brandenburgifche Kanzlei und das Urkundenweſen während ber Regierung ber beiben erſten hobenzollerichen Markgrafen, aufs befte unterrichtet (Forſchungen Bd. 7 ©. 251). Bol. namentlich S. 46 ff., und Hierzu die oben citierte „Einleitung“ von Schmoller &. 58 Anm. 1.

2) Bgl. unten bei „Seflelmann”.

3) Noch am 29. März 1454 heißt eg in einer Begnadigung, „das wir angesehn und erkant habn getreue .. dinste, die unser Rat und lieber getreuer Hencze Kracht, zue der Tzuchen gesessen, unsern lieben Bruder Marg- graven Johansen, uns und unser herschaft ofte gethan . . (Alten des Geh Staatsarchivs copiar. March. No. XIX fol. 73.

4) Urkundenbuch zur Berlinifchen Chronik, Yerlin 1869, S. 400 f.

485] Die älteften märkiſchen Kanzler und ihre Familien. 187

v. Kracht befaß außer den oben gedachten Gütern Altzauche und Neuzauche noch das im jelben Kreiſe belegene Buben; ferner im heutigen Kottbufer Kreife: Lehnsſtücke in Diffen und Branik, im Kreiſe Guben: Strega, und im Kreife Schwiebus: Schloß Züllihau und einige Kleinere Lehnsſtücke. Da Kurfürft Friedrich II. die Herrfchaften Peig und Kott⸗ bus im Sabre 1445 faufte, fo wurde Kracht feitdem mit einem Zeile feiner Befitungen brandenburgifcher Vaſall. Er und fein ebenfalls im kurfürſtlichen Dienfte als Vogt von Trebbin thätiger Bruder Albrecht erweiterten diefen Befib in umfangreicher Weile; fo erwarben fie das Gut Barkwitz in der Zauche und um 1450 von den vd. Lofjow das Dorf Biegen im Lebufifchen. Auch das Gut Werben im Spreewalde erftand Heinke dv. Kracht, zur Verbeflerung dieſes Lehnſtückes belieh ihn der Kurfürft am 29. März 1454 mit dem Kirchlehn und dem halben Gerichte in diefem Dorfe. Der Befiter war infolge diefer Ver⸗ befferungen in der Lage, daB Gut für 38 Schod Groſchen an ben Bi- ſchöflich Meißniſchen Yeldhauptmann Czaslow v. Schönfeldbt zu ver⸗ kaufen, welcher am 9. Auguſt 1564 zu Kottbus vom Kurfurſten die Belehnung empfing!), Das Gut ift bis auf unfere Tage Eigentum der Familie Schönjeldt geblieben. v. Kracht fcheint auch immer im Befie nicht unbedeutender Barmittel geweſen zu fein, wir erfahren von Darlehen, die er dem Markgrafen Johann gemacht hat?), und noch am Sonntag nach Walpurgis 1449 quittierten er und fein Bruder Albrecht in Rathenow dem Kurfürjten Friedrich II. über zurüdempiangene 138 Schock Groſchen?).

Ferner befaß Heintze v. Kracht ſeit 1442 das Angefälle auf Hebungen in den Dörfern Fredersdorf, Wildenbruch, Zauchwitz und Röben; ob er zum Genufje dieſer Einkünfte gelangt iſt, erhellt nicht.

Jedenfalls Hatte es der Kanzler verftanden, feiner Familie ein ftattlihes Vermögen zu ſchaffen. Da ſich einige von ihm bejeflene Lehnaftäde, 3. B. Strega, ein Menſchenalter fpäter im Befike des Bar- tufch dv. Kracht befinden, fo ift es nicht ausgeſchlofſen, daß diefer Mann, der eine Hauptrolle unter dem gegen Joachim I. frondierenden Adel ge ſpielt hat‘), ein Sohn des Heinge geweſen ift, welcher den erften Hohen⸗

1) Atten bes Geh. Staatsarchivs, copiar. March. No. XIX fol. 73.

2) Riebel a. a. ©. 1. Hpth. Bd. 10 ©. 516.

8) Akten bes Geh. Staatsarchivs R. 61. 10. An der Urkunde find die beiden Siegel bis zur Unfenntlichfeit verftlimmelt.

4) Bol. hierüber die Iehrreiche Schrift von Treuſch v. Buttlar, „Der Kampf Joachims I. von Brandenburg gegen ben Abel jeines Landes“. Auf diefen Kracht

188 Friedrich Holhe. [486

zollern die in der Dark einzufchlagenden Wege bat bahnen helfen. €s ift begründete Ausficht vorhanden, daB jeitens der Familie v. Kracht baldigft eine Gefchichte diefes Geſchlechts erjcheint, welches mit vielen ihrer Mitglieder, dem Kanzler Heinke, jenem Bartufch und dem aus den Stärmen des dreißigjährigen Srieges bekannt gewordenen Oberſten Dietrich eine bedeutende Rolle in der Mark geſpielt Bat.

2. Sriedrih Seſſelmann. 1445— 1483.

Friedrich Seffelmann. war aus der Stadt Culmbach gebürtig, welche mehr als irgend eine andere in Franken, den Hohenzollern ihre Söhne zur Befejtigung der Herrfchaft in der entlegenen Mark zur Berfügung geftellt Hat!). Sein Vater war vielleicht jener Peter Sefjelmann, defien im Jahre 1424 ala Nat des Kurfürften Friedrichs I. gedacht wird?); ex jelbft war im Sabre 1427 Piarrer zu Kadolsburg, der bekannten Hohenzollern-Refidenz in Franken?). Der junge Geiſtliche, das Bild eines geiftlichen Diplomaten jener Zeit, denen die übertragenen kirchlichen Aemter die Mittel zu einer angemeffenen Eriftenz boten, gab das Piarramt bald genug auf, um feit 1436 ala Landfchreiber am Hofgerichte in Franken zu wirken). Es war dies eine bortreffliche praktiſche Schule, ihm unterjtand die Kanzlei des Gerichts, und er konnte fich einen Einblid in die NRegierungsmafchine jener. Zeit erwerben. Nach dieſen praftiichen Studien erwarb er ſich alsbald auch die gelehrte Bildung, denn er be 30g im Jahre 1439 die Univerfität zu Bologna, wo ihn, den ſchon ge reifteren Mann, die Stubiengenofjen im folgenden Jahre zu einem ihrer beiden Profuratoren wählten®). Unterftügt wurde er bei dieſen koſt⸗

bezieht fich das befannte, einer Mitteilung des Chroniften Ereufing nachgedichtete „Stobgebet“ ber Märker: „Bor Lüderitz und KHöderiß, Bor Krachte und vor Itzenplitz Behüt und, Lieber Herre Gott!“ 1) Aus Culmbach ftammten, um nur von namhafteren Perfonen zu jprechen, der Kammermeifter Georg dv. Waldenfeld und ber Kanzler Sebaftian Stublinger. 2) Mit Recht macht Stölzel, Rechtöverwaltung und Rechtsverfafſung in Brandenburg- Preußen, Bd. I S. 63 barauf aufmerffam, dat 1424 ausſchließlich Geiſtliche Doctores juris gewejen jeien; aber nur von bem ungenauen Gundling wird dem Peter Seffelmann der Doktortitel beigelegt. 8) erden, Cod. dipl. Brandenb. Bd. VIII ©. 428. 4) Lewinski, Kanzlei ©. 54}. 5) Nach der Univerfitätsmatrifel von Bologna (Berlin 1887) beim Jahre 1499.

487] Die älteften märkifchen Kanzler und ihre Familien. 189

Ipieligen Studien dadurch, daß ihm die Gunſt feined Landesherrn den Bezug einkunftreicher Piründen beim Papſte verſchaffte ). Zum Doktor ber Rechte promoviert, kehrte er nach Deutfchland zurüd, und auf ihn, den praktiſch ausgebildeten, mit den höchſten Ehren in der Wiſſenſchaft auägeftatteten Geiftlichen, übertrug Kurfürft Yriedrich anfangs 1445 das Kanzleramt in der Mark, nachdem der bisherige Inhaber v. Kracht von bemfelben zurücdgetreten war?). Seitdem bat Seflelmann dieſe Stel- lung bis zu feinem am 21. September 14883 erfolgten Tode inne gehabt. 63 lafſen fich dabei drei Perioden unterfcheiden, von 1445— 1455, von 1455—1470 und von da bis zu feinem Zode. In den erften zehn Jahren wirkte er genau in derjelben Weife als Kanzler und Rat, wie fein Borgänger dv. Kracht, doch ift zu vermuten, daß die Ratjchläge des auf einer italienischen Hochſchule gebildeten, in praktifcher Thätigkeit be reit® bewährten Geiftlicden ein größeres Gewicht beim Landesherrn batten, als die de& einfachen Edelmanns von Kracht, welcher jet unter dem überlegenen Seffelmann feine Stellung ala Rat beibehielt. Beide wirkten nebeneinander ftehend bei den Verhandlungen mit, welche der Niederwerfung der aufrührerifchen Städte Berlin und Kölln folgten, und ebenfo bei manchen anderen Gelegenheiten?). Aber bei allem Einflufſe, welcher Sefjelmann vom Kurfürften gewährt werden mochte, Hatte er doch lediglich eine Vertrauengftellung ; die hohen Kirchenfürften des Landes, die vornehmften Hofbeamten, 3. B. der einflußreiche Georg v. Waldenfels, waren dagegen in der Lage, die Boten, welche fie im Rate des Kurfürften abgaben,, durch das Gewicht zu unterftügen, welches fie infolge ihrer Stellung und ihres Reichtums im Lande hatten. Sie waren Herren in der Marl, mit dem ftarken Anfpruch, überall gehört und befragt zu wer⸗ den, fie bewilligten die Steuern, fie entjchieden im Kammergerichte; was bedeutete diefen, in dem Boden eigener Macht wurzelnden Magnaten des Landes gegenüber der lediglich auf die Gunſt des Yürften angewiefene fräntifche Gelehrte, der Iandenherrliche Beamte? Da erreichte die Staatsfunft des im beften Einvernehmen mit dem Papfte und dem Klerus ftehenden Kurfürften einen großen Erfolg; e& gelang, den gelehrten Franken zum Dompropft von Lebus (1453) und zwei Sabre fpäter zum Biſchof da⸗

1) So waren ihm die Einkünfte der Probftei am Hochſtifte zu Conſtanz verliehen. Dad Vatikaniſche Archiv enthält nach diefer Richtung Hin noch interefiante® Material. (Gütige Mitteilung des Herrn Archivars Dr. Arnold.)

2) Wenn auf Gundlings Autorität hier behauptet wird, Seflelmann fet erft nad Krachts Tode Hanzler geworben, fo wird dies burch das oben über

ı Kracht Ausgeführte widerlegt. 3) Val. 3. B. Urkundenbuch zur Berlinifchen Chronik S. 400 f.

190 Friedrich Holpe. [488

ſelbſt wählen zu lafſſen?). Wenn der Chroniſt Angelus anführt, daR diefe Wahl einflimmig erfolgt fei?), jo wird man ſich eine etwaige &in- flimmigfeit der Domberren nur dadurch erklären können, daß ihre Ab- neigung,, einen nicht dem märlifchen Adel angehörigen Mann an ihrer Spike zu fehen, durch die Rüdficht Überwogen wurde, welche fie auf den Nurfürſten und feinen Günftling nahmen, vielleicht auch durch die Hoff« nung, don beiden Borteile für fi und das Stift zu erlangen. Kein Zweifel, daß einem einftimmigen Botum fchwere Kämpfe der Botieren- den dvorangegangen find, denn das Ergebnis änderte die Stellung bes Gewählten im Lande von Grund aus. Er war jebt, da die Bilchöfe von Brandenburg umd Havelberg noch die Prätenfion der Reichsunmittel⸗ barkeit aufrecht erhielten, der erfte Landftand, auch dem Kurfürften gegen über mit jelbftändigen Rechten und Herr zahlreicher Hinterfafieen. Was bebeutete dabei noch die Stellung ala Kanzler, die des landesherrlichen Beamten? GE mußten fich bier alsbald vielleicht lange verftedkt durch das Pietätöverhältnis des jungen Bifchofs gegen feinen fürftlichen Gönner Widerſprüche Herausftellen. Daß dem Kurfürften dies ent⸗ gangen, läßt fi) faum annehmen, und es ift feine Unterflägung der Wahl des Kauzlers zum Bijchof nur aus folgendem Grunde zu erklären. Friedrich II. wollte den ihm ergebenen und tief verpflichteten Mann eine machtvolle Stellung im Staate geben, um dieſe für fich jelbft nutzbar zu machen, zugleich aber auch die Scheidung zwilchen dem Amte und dem Titel des Kanzler® vornehmen. Dies ließ fich dadurch erreichen, daß man dem Bifchof den Titel und den Köwenanteil der Einnahmen des Kanzler mit einer Art Ehrenaufſichtsrecht beließ, welches ſich namentlid darin äußerte, daß man ihm wichtigere Urkunden zur Unterſchrift vorlegte, den wejentlichen Zeil der Arbeit aber einem oberften Schreiber anvertraute, welcher thatfächlich zum Kanzleichef wurde. Man Hatte auf diefe Weife einen Landesbiſchof als Zitularlanzler und einen Subalternen als thatfächlichen Kanzler. Berfolgt man die Thätig« keit Seſſelmanns während der Jahre 1455 bis zum Negierungsantritt Albrecht Achillz, fo erkennt man, daß fie immer durch feine Stellung

1) Wohlbrück, Lebus Ab. II ©. 1527.

2) Annales Marchiae (1598) ©. 223. Es fei übrigens daran erinnert, daß bei berartigen Wahlen Häufig die Diffentierenden in der Ertenntnis, ihren Kandi⸗ baten nicht durchbringen zu können, jchließlich dem ber Majorität ihre Stimme gaben, einmal um dem obfiegenden Kandidaten, der ihr Vorgeſetzter wurde, ge: fällig zu fein, dann aber au, um bie Fiktion, daß die Wahl auf göttlicher Inſpiration beruhe, zu bewahren. Mit bdiejer Einfchräntung mag Angelus Recht haben.

489] Die Alteften märkiſchen Kanzler und ihre familien. 191

ala Landesbifchof bedingt ift; als folcher dotierte er als einer der erften im Sande (nur die Bringen des Haufes und die Bilchöfe von Branden- burg und Havelberg waren ihm übergeordnet) !) im Rate des Kurfürften, als ſolcher präfidierte er im Kammergerichte?) und übernahm Geſandt⸗ fchaften. Es war ſomit unter ihm die Kanzlerwürde zu einem Annerum des Bistums Lebus geworden, und Seffelmanns langes Leben und die dadurch bedingte Tangjährige Verbindung der Kanzlerwürde mit der Bifchofswärde von Lebus hat ſelbſt einen fo feinen Kenner der Gefchichte des brandenburgifchen Benntentums, wie M. %. Seidel, zu dem Irr⸗ tum veranlaßt, daß in alten Zeiten die Biſchöfe von Lebus Kanzler und Borfigende des Kammergerichts geweſen ſeien“). Andererſeits ift der von Gundling begangene Irrtum, daB die Selkretäre Hauwecke und Schrage zu jener Zeit Kanzler geweſen feien, verzeihlich; er vergreift ſich nur im Ausdrnde. Hätte er fie als Vorſteher der Kanzlei bezeichnet, würde man ihm zuftimmen Tönnen®).

Als nach dem FYortzuge des Kurfürften Friedrich II. nach Franken und feinem dort (1471) bald erfolgten Abſcheiden Kurfürft Albrecht Achill zur Huldigung und zur Ordnung der Regierung in die Mart kam, war er darauf angewieien, Seflelmann an fich zu feffeln, um fidh diejen einflußreichen Prälaten als Stütze für feine märkiſche Politik zu erhalten. Die Städte Hatten es hart zu empfinden, daß ein glänzender Kirhenfärft den Kanzlertitel führte. Da Lagten die Salzwebdeler, daß fie zuvor bei Konfirmation ihrer Stadtrechte durch den neuen Landes» herrn dem Kanzler höchſtens 2 Gulden Rheiniſch als „Trinkgeld“ ge geben Hätten; jeßt verlangte Albrecht 100 Gulden für feinen Kanzler und verweigerte die Konfirmation dor Erlegung diefr Summe Nach langen Berhandlungen einte man fi auf 51 Gulden und 2 Gulden, von denen erftere offenbar an Sefjelmann, letztere an den thatfächlichen

1) Siehe 3. B. Urkundenbuch zur Berlinifchen Chronik ©. 431.

2) Siehe Holge, Kammergeriht Bd. I ©. 114 f.

3) Siehe Wohlbrüd, Lebus Bd. 2 ©. 154 ff. Der ganze Inhali der ein- greifenden Thätigleit Sefſelmanns wird ſich erft erfennen laflen, wenn die ur- tundlichen Refte deſſen, was una von ben Landtagsverhanblungen jener Zeit im Geh. Staatsarchive und den Archiven ber märkifchen, vorwiegend altmärkifchen EStäbte erhalten geblieben ift, gefammelt und veröffentlicht fein wirb.

4) Bol. die von M. %. Seidel im Auguft 1657 in den Zurmfnopf ber Ber: liner Marienkirche gelegten Notizen über das märkifche Beamtentum (Küfter, Altes und Neues Berlin 1. Bd. 2. Abt. S. 468).

5) Lewinski, Kanzlei ©. 60.

192 0 Friedrich Holge. [490

Kanzleichef fielm'). Auch Berlin?), auch Frankfurt?) Haben damals ihre Konfirmationen mit fchweren Summen vom Kanzler Iöfen müſſen, nur Stendal verfland es, diefes Opfer zu vermeiden. Damals begann die Glanzepoche der Wirkſamkeit Sefjelmanns, er vertrat auf dem Land» tage des Jahres 1472 geichidt und thatkräftig die kurfürſtlichen Horde rungen auf Bewilligung neuer Steuern (Bierziefe), und er verftand es, die infolge diefer Bewilligung in den altmärfifchen Städten auflodernde Empörung mit Daranfegung feiner eigenen Perſon zu dämpfen. Drohten doch die erhigten Stendaler, ihm und dem Sammermeifter, Georg von Waldenfels, welcher ebenfalls ala ein Förderer der kurfürſtlichen Politik galt, die Köpfe herunterzuſchlagen“). Seinem Einfluffe war es zum guten Zeile zu danken, daß die noch kaum feſt genug in ber Mark ges wurzelte Hohenzollernherrſchaft diefe gefährliche Krifis ſchnell überftand; deshalb war e8 nicht nur die Rüdficht auf den hervorragenden Prälaten, fondern zugleich die dankbare Anerkennung dei von ihm Geleifteten, daß Kurfürft Albrecht ihn am 9. März 1473 an die Spike der Re gierung in der Mark ſetzte. Denn damals war der zum Bertreter des Vaters beftellte Markgraf Johann (der fpätere Kurfürft Johann Cicero) erjt 18 Sabre alt und in allem an ben Rat, ja man kann fagen an die Anordnung des gejchäftstundigen Biſchofs getwiefen®). So war „der Better” oder „unfer Freund“ von Lebuß Sabre lang der thatfächliche Regent, wurde auch als folcher bezeichnet; was bedeutete jegt noch fein Kanzlertitel! Aber auch Hier bewährte fich troß aller Klugheit Sefjelmanns die alte Lehre, daß es gefährlich ift, wenn Fürſten zuviel von ihrer Macht auf einen Untertfan übertragen. &8 war für den Unterthan in diefem Falle um fo fehwieriger, als die Anfichten det in Franken weilenden Kurfürften und feine® Sohnes in der Mark nicht immer übereinflimmten, und Geflelmann vor die Aufgabe geftellt war, die fich ergebenden Gegenjäge zu verfühnen‘). Die Folge davon war,

1) Goetze. Stendal S. 215. j

2) Chronik des Poſth (Schriften des Vereins für bie Geichichte Berlins, Heft 4) ©. 18.

3) Wohlbrüd, Lebus Bd. 2 S. 199.

4) Goetze, Stendal ©. 221 f.

5) Abdrud der Beitallung bei Wohlbrüd, Lebus Br. 2 S. 156 ff.

6) Intereffante Einblide in die Schwierigkeit ber Stellung bes Kanzlers ger währt der im 19. Jahrgange ber „Zeitjchrift für preußifche Geſchichte und Landes: kunde“ von E. Meyer veröffentlichte Briefwechſel zwiſchen Albrecht und Johann. Eine befondere Erſchwerung der Lage bildete die allzugroße Sparjamteit bes

alternden Kurfürften, welcher eine augenblidliche Ausgabe felbft dann ſcheute, menn er Dabei Gefahr lief, nächftens vor einer viel größeren zu fliehen. Um ben

491] Die älteiten märkifchen Kanzler und ihre Yamilien. 198-

daß beide Fürſten gegen ihn erfalteten, da feiner ihm völlig vertrauen zu können glaubte. Markgraf Johann war älter, reifer und jelbftändiger geworben, Kleine Hofintriguen kamen Hinzu, da Sefjelmann die jüngfte Tochter, Margarete, des verjtorbenen Kurfürften Friedrich II. zu ver mählen wünfchte, Kurfürft Albrecht aber die Koſten der Ausſtattung gern eripart Hätte. So fchwand denn nach und nach das einft jo vortreffliche Einvernehmen mit dem zu mächtig geworbenen Lebufer Bilchofe, dem fein Zod, welcher nach einer bis zum lebten Zage geführten raftlofen Thätigleit erfolgte, ficherlich fchwere Enttäufchungen erjpart Bat. Er hatte dem Throne zu nahe geftanden, um ſich noch auf dem Bifchof- ftuhle von Lebus befriedigt fühlen zu können, und doch hätte er fih bald auf diefen zurückziehen müſſen.

Sefſelmann, welcher wohl faum Zeit genug hatte, um ſich ein⸗ gehender mit der Verwaltung feines Bistums zu befchäftigen, bat doch demfelben infolge feiner Stellung mancherlei Vorteile erworben‘). Er erſtand für 24 Schod märkifcher Grofchen im Jahre 1462 zu Berlin, wo er den größeren Teil des Jahres verweilte, ein umfangreiches Gebäude in der Klofterftraße zur Nefidenz jür fich und feine Nachfolger im Bistum bei ihrer Anmefenbeit in der feit einigen Jahren zur fländigen Refidenz ge» wordenen Doppelftadt an der Spree?). Außerdem fehte er für fein Bis⸗ tum einige Privilegien durch und erweiterte durch Kauf und durch kur⸗ färftliche Geſchenke den ftiftifchen Lehnabefib.°). Daneben verbantte ihm Fürſtenwalde, die bifchöfliche Reſidenz, manche Verbeſſerung; fo ließ er an die dortige Domlirche eine dem heiligen Adalbert geweihte Kapelle

Abel, auf welchen er fi) Hauptjächlich ſtützte, möglichft zu fchonen und die Durch neue Steuern ſchon erbitterten Städte nicht noch mehr zu erregen, wurden felbft notwenbige Ausgaben immer wieder verichoben. Das Fordern von Mitteln ſeitens Seflelmanna war deshalb dem Kurfürften unangenehm und nahm ihn gegen biefen ein; das Abſchlagen des Notwendigften aber verlette wieder den Marl: grafen Johann, der auf Seffelmann den Verdacht warf, nicht eindringlich genug gefordert zu haben.

1) Angelus a.a. O. ©. 223 nennt ihn deshalb, etwas überſchwänglich, den zweiten Fundator des Bistums.

2) Wohldrüd, Lebus Bd. 2 ©. 1827.

3) Er erfaufte 1465 für 77 Schod einen Anteil am Dorfe Tſchernow, 1467 für 900 Schod das Torf Hafenfelde, 1468 für 32 Schod das Gericht zu Fürſten⸗ walde und jeit 1473 das Gut Zeßdorf und das Dorf Eggersdorf. 1482 Ichentte ber Rurfürk ihm bie Lehnäherrlichkeit über das Dorf Steinhöfel, dagegen verkaufte Seſſelmann das Stiftagut Kleffin. Hiernach ift der Wert der Verbefferung der Stiftsgüter durch ihn auf rund 2000 Goldgulben zu berechnen.

Forfhungen 3. brand. u. preuß. Geld. VII. 2. 13

194 Friedrich Holke. [492

anbauen, welche er zu jeiner lebten Ruheſtätte beftimmte!). Cr Hinter ließ ein für jene Zeit ftattliches Vermögen von mehr ala 2000 unga« rifhen Goldgulden, über welches er mit Bewilligung des Domkapitels letztwillig zu Gunften feiner Dienerfchaft, feines Nachfolgers, dem er zur Berichtigung der Annaten 700 Goldgulden vermachte, und zu Gunften des Domkapitels verfügt batte?). Sein noch erhaltener Grabſtein zeigt den verdienten Staatsmann im bijchöflichen Ornate in ganzer Figm, mit einer lateinifchen Umfchrift, welche feinen Namen, Stand und Tode-

tag enthält?). Cine andere Grabfchrift wird von Angelus überliefert,

heute ift fie verfchwunden. Sie joll gelautet Haben*):

Fridericus moritur et corpus hic sepelitur,

De Culmbach natus et Sesselmann cognominatus. Adalberti vultum, aurum hic dedit et multum?®), Alia multa bona large sparsit sus dona. Ecclesiae dignus qui praesul extitit huius, Doctor laudabilis, cedat sibi vita perennis.

Auf feiner Grabtafel lehnt neben dem Bilchof ein Schild mit dem von feiner Familie geführten Wappen, einem quergeteilten Schilde, welches in der oberen filbernen Hälfte einen mit den Spiten nach oben gerichteten voten Halbmond zeigt, während die untere Schildhälfte rot iſt. Das von ihm geführte Siegel zeigt einen viergeteilten Schild, in welchem dieſes Gefchlechtöwappen mit dem des Bistums, den beiden ins Kreuz gelegten Haken, abwechjelt®).

Was die Yamilie des Biſchofs betrifft, jo war er, wie ſelbſtverſtänd⸗ lich, beftrebt gewefen, in dag Domkapitel Freunde und Verwandte auf nehmen zu laffen, weil er diefen hierdurch nicht allein gefällig war, das Anfehen feiner Yamilie bob, fondern auch feinen Einfluß im Stifte ver- mebrte. So finden wir einen Dechanten Hieronymus Seffelmann, der um 1460 ala Profeſſor an der Univerfität Erfurt lehrte, und dem bie Stiftsftelle zu Lebug wohl nur ala Pfründe verliehen war”). Seit 1470

1) Wohlbrüd, Lebus Bd. II ©. 163, wo auch die Notizen über die Stift} güter zu finden.

2) Wohlbrüd, Lebus Bd. 2 ©. 164, und Angelus a. a. DO. ©. 248.

3) Abgebilbet in den Beilagen zu Golk, Fürſtenwalde.

4) Angelus a. a. O. ©. 248.

5) Bezieht fich offenbar auf ein vom Biſchofe in der von ihm erbauten Ka: pelle geftifteteg Bildnis des heiligen Adalbert.

6) Dal. die Beilagen zu Golk, Fürſtenwalde.

7) Wohlbrück, Lebus Bb. ITS. 171.

498] Die älteften märkiſchen Kanzler und ihre Familien. 195

war ein Thomas Seffelmann Domherr im Stifte, welcher zwei Jahre fpäter Dechant und 1491 Domküſter wurde. Er bekleidete dieſes Amt noch im Sabre 1507, wo er ala Senior des Kapitels bezeichnet wird‘). Da er einen Bruder Hatte, der den Vornamen Peter führte?), alfo denfelben

Friedrich Seffelmann.

wie der Bater des Kanzlers, jo ift zu vermuten, daß beide Neffen des Kanzler geweien find. Als Better desfelben wird der Stiftehauptmann von Lebus, Paul Seffelmann, bezeichnet, welchem ficherlih die Gunſt

1) Wohlbrüd, Lebus Bd. IT S. 171 und ©. 383. 2) Wohlbrück, Lebud Bd. II S. 171 Anm. **. 18*

196 Friedrich Holke. [494

des Kanzlers jein einträgliches Amt verſchafft Hatte!). Don 1490 bis 15083, aljo noch nach dem Zode des Kanzlers, erjcheint ein ihm gleich“ namiger Domherr im EStifte?), und im Jahre 1506 bezogen ein Fried⸗ rich und ein Stephan Sefjelmann aus Kulmbach unter den erſten Stu- dierenden die eben ind Leben gerufene Univerfität Franffurt®). So find drei Generationen der Fränfifchen Familie der Sefjelmann, durch Den Glanz ihres großen Berwandten angezogen, in die Marl gelommen, one indes, da fie vorwiegend dem geiftlicden Stande angehörten, Bier dauernd Wurzel zu fchlagen; nach dem erften Jahrzehnt des 16. Jahr⸗ hundert fommt die Yamilie in der Mark nicht mehr vor.

Man bat oft davon gefprochen, daß der Kanzler auch eine natür⸗ liche Tochter Hinterlaflen Habe. Dieſe Ueberlieferung beruht darauf, DaB er in feinem Teftamente eine Rente von zwei Schod Srofchen der Nonne Barbara Episcopi (Biſchofs) im Klofter Friedland vermachte, welche er einft in dieſes Klofter gebracht hatte. Das Lebufer Kapitelsregifter beim Sabre 1486 führt zwar an, daß Barbara Biſchofs „non fuit sibi aliqua consanguinitate vel affınitate coniuncta, vero propter Deum fecit“ *), aber gerade dieje eigentümliche Erklärung einer auffälligen Freigebigkeit gegen ein Mädchen, deſſen Namen zugleich auf eine Beziehung zu ihrem biichöflicden Wohlthäter deutet, wird den Zweifel beftehen lafſen, ob Friedrich Seffelmann das Gelübde der Keufchheit immer treu be wahrt bat.

3. Sigismund Zerer. 1483—1509.

Wir wiflen nicht ander, als daß die Heimat der Familie Zerer die Burggraffchaft Nürmberg oberhalb Gebirges war; am 1. Mai 1397 begegnen wir einem Dietrich Zerer zu Kautendorj®), und am 5. fyebruar 1407 einem Hans Zerer zu Zauperlit bei Hof®). Aus dem im Seibel- Then Nachlafje befindlichen Bilde des Kanzlers Sigiemund ergiebt fich, daß derfelbe im Jahre 1444 geboren ifl. Seit fpäteftene 1477 befand

1) Wohlbrück, Lebus Bd. 3 S. 185.

2) Wohlbrück, Lebus Bd. 2 S. 384.

3) Univerſitätsmatrikel Bd. I S. 2—8.

4) Wohlbrück, Lebus Bd. 2 S. 164.

5) Monumenta Zollerana Bd. V Nr. 389; Vdggraf Friedrich verſchenkte „villam in Kautendorff, quam Ditericus Zehrer olim feudi titulo habuerat.*

6) Monumenta Zollerana Bb. VI Nr. 363. Ten Bornamen Han führte anch ein Enkel des Kanzlers.

495] Die älteften märkifchen Kanzler und ihre Familien. 197

er fih ala D. jur. can. unter den Räten des Kurfürften Albrecht Achilles in Franten!). Wenn es auch nicht undenkbar wäre, daß Zerer, welcher in diefem Jahre ala Abgefandter des Kurfüriten von Franken aus zum Könige von Böhmen nach Prag geſchickt wurde, um über die Teilnahme Brandenburgs am Kriege gegen Ungarn zu unterhandeln ®), einer ber märkiichen Räte des Kurfürſten geweſen, welcher zuvor zum Empfange von Inſtruktionen und zur Beiprechung von Einzelheiten nach Franken gelommen war, dag ja ohnedies auf dem Wege nach Prag lag, fo ift es doch mwahrjcheinlicher, daß er damals zu den fränfifchen Räten des Kurfüriten gehört bat. Hierfür fpricht nicht nur bie Provenienz der Familie, fondem dor allem die Thatfache, daß twir zu jener Zeit dem Eigismund Zerer in den märkifchen Urkunden noch nicht begegnen. Brei Jahre fpäter ſandte ihn der Kurfürft für immer in die Matk. Es war ganz fachgemäß, daB der Landedherr, welcher zwar dem Markgrafen⸗ Statthalter die Verwaltung der Mark überlaffen, ſich felbft aber die Oberleitung und die Entfcheidung aller wichtigeren Fragen vorbehalten hatte, neben den feinem Sohne ala Mentoren beigegebenen Bilchofe und Kanzler Friedrich Seffelmann und Georg dv. Waldenfela auch noch den in feiner Schule gebildeten und ihm ergebenen Zerer den Ratgebern des Kurprinzen Hinzufügte. Er that dies vielleicht mit der Abficht, diefem Manne dereinft das märkifche Kanzleramt zu Übertragen, denn Geffel- mann war bereit betagt und der Kurfürft nicht gewillt, das Kanzlertum dauernd an das Lebufer Bistum zu knupfen. Denn da er jelbft der Kirche gegenüber nicht fo willfährig war, wie fein Bruder Friedrich es geweſen, jo konnte ihm folche Verbindung unter Umftänden ebenfo ge- fährlich werden, wie fle feinem Bruder nützlich geweſen war. War doch das gute Einvernehmen mit Sefjelmann ſchließlich in Kälte und Gleich- gültigkeit wingefchlagen, wie dies namentlich beim Tode des einft in der Mark allmächtigen Mannes unverhüllt hervortrat. Zerer wurde fo= fort nach dem Abjcheiden Sefjelmanng zum Kanzler emannt, und be⸗ Heidete dieſe Stellung, bei welcher fich jet wieder der Titel mit dem Amte vereinigte, bis in das Jahr 1509, unter drei Negenten bon ver⸗ ſchiedenen Regierungagrundfägen und eigen gearteter Perjönlichkeit. Allein

1) Buchholtz, Verſuch einer Geſchichte der Churmark Brandenburg Bd. III ©. 259 -260. Er zählt die am Hofe zu Colln Lebenden Perſonen auf, nad ‚Dr. &igismund Zerer“ Mgen verfchiedene Mitglieber bes fränkiſchen Adels und am Gchlufle der Zufak „lauter Fraͤnkiſche von Abel“. Diefer Zufab kann ſich indes auf Zerer nicht beziehen, da es zu jener Zeit eine fräntifche Adelsfamilie „Zerer” nicht gegeben hat.

2) Riedel a. a. D. 3. Hauptt. Bd. II S. 199 fi.

198 Friedrich Holpe. [496

Zerer war doch nur ebenjo wie früher v. Kracht ein Rat, welchem die Kanzlei des Fürſten unterftellt war, deffen Einfluß auf die Regie rung jedoch ein geringer war, da Hinter feinen Ratjchlägen nit mehr die Wucht einer imponierenden Stellung ftand. Er jaß al Rat im Kammergerichte, aber Hinter den mächtigen Herren vom Klerus und Zandesadel an der Spike der bürgerlichen Räte!), er wurde ala Ge ſandter verſchickt, aber dasſelbe geſchah auch mit feinen jüngeren Kollegen. Als Markgraf Johann im Schreiben des Vaters vom 22. Juni 1485 in Landesangelegenbeiten an den Beirat von fieben kurfürſtlichen Ber» trauensperfonen gewiefen wurde, da wird Georg von Waldenfel® an erjter, der junge Kanzler aber erft an vorlehter Stelle genannt ?). Cine bedeutendere Rolle hat er indes in den Strafverfahren geipielt, welche unter Kurfürft Johann Cicero gegen die altmärkifchen Städte wegen ihrer Aufleynung gegen die furfürftliche Steuerpolitit®), und unter Joachim I. gegen den unbotmäßigen Adel des Landes ftattjanden *). Aber feine Beteiligung war lediglich die des Vorſtehers der Lehnskanzlei, da die Strafe der fompromittierten Perfonen meift in Entziefung und Beichräntung ihrer Gerechtfame, Privilegien und Lehnsgüter beftanden, und dem Borfteher der Lehnzlanzlei durch die Belundung dieſer Alte eine gewaltige Arbeitslaft auferlegt wurde. Aber auf die enticheidenden Maßnahmen in diefen politischen Händeln Hat er nur einen untergeorb« neten Einfluß ausgeübt. Ihm haben die Stendaler nicht, wie einft dem Kanzler Sefjelmann, mit Aufhängen gedroht. Troß feiner nirgends hervor⸗ tretenden Stellung bat e8 aber Zerer verftanden, fich den Ruhm eines be gabten und gerechten Mannes zu erwerben, und mit Stolz durfte fi jein Sohn wie unten zu zeigen dem Kurfürften Joachim I. gegen- über auf die Verdienfte ſeines Vaters berufen. Kurz vor jeinem Aus icheiden aus dem Amte erhielt der Kanzler ein wertvolles Gefchent, näm- lich das Lehn Schöneiche in der Herrichaft Zoffen, welches der im Jahre 1509 wegen Landfriedensbruchs verurteilte Ritter dv. Otterſtedt dem Kurfürften ex felonia Hatte zurüdgeben müflen. Der Kanzler veräußerte dieſes Gut alabald, und die aus dem Erlöfe Herrührenden 2000 Bulden

1) Holte, Kammergeriht Bd. TS. 114}.

2) Zeitfchrift für preußifche Gefchichte und Landestunde, 19. Jahrg. S. 86,

3) Riedel a. a. DO. 1. Hauptt. Bd. 6 ©. 149. 384, Bd. 14 ©. 419 und Bd. 15 ©. 408; ferner Goethe, Stendal S. 237.

4) IH kann hier auf die lehrreiche Arbeit von Treufch v. Buttlar „Der Kampf Joachims L von Brandenburg gegen den Adel feines Landes“ verweilen. Zerer ift einer der geichulten Juriſten gewefen, welche der mit Hülfe der Büreau⸗ fratie aufftrebenden Fürſtenmacht zum endlichen Siege über den Feudalismus verholfen haben.

497] Die älteften märtiſchen Kanzler und ihre Familien. 199

bildeten das in feiner Familie ſich vererbende Geldlehn!). Daneben bes ſaß er noch vorübergehend das Angefäle auf Lehnſtücke im Dorj Lind» Horft in der Udermark?) und im Dorje Falkenberg, beide ebenfalls ale

Sigiemund gerer.

turfürftliche Geſchenke?). Auch Hieraus ift zu jolgern, daß fich der Kanzler das Wohlwollen feiner Fürften zu erhalten und für fich nußbar zu

h v. Raumer, Codex diplom. Brandenb. continuatus Teil II ©. 244. Die Herrſchaft Zoffen war zur Zeit, als Zerer Kanzler war, durch friedliche Ber- handlungen der Mark einverleibt worden; Johann Cicero Hatte im Jahre 1490 dem Ritter v. Otterſtedt die Anwartichaft auf das damals auf den Fall ftehende Lehn Echöneiche erteilt.

2) Riedel a. a. D. 1. Hptt. Bd. 13 ©. 412. Der Kanzler verkaufte das ihm nad} dem Tode. des Johann v. Holendorfi angefallene Lehuftüd im Jahre 1486 an Melchior v. Sydow auf Baumgarten.

3) Riedel a. a. D. 3. Hptt. Bb. 2 ©. 486. Der Kanzlerd Sohn Joachim verfaufte das Angefälle an Joachim Luatjajjel, welcher bamit im November 1531 belichen wurbe.

200 Friedrich Holke. [48

machen wohl verftanden bat. Was die Privatverbältniffe des Kanzlers betrifft, jo erhellt, wie oben angegeben, fein Geburtsjahr 1444 am: feinem uns von Seibel erhaltenen Bildniſſe.

Zur Erklärung des etwas undeutlichen Bildes der Schildfigur mögen zwei Siegel dienen, von denen daB eine vom Sohne des Kanz⸗ lers, dem Hofrichter Joachim Zerer, 1588), das andere vom Neffen bes Ranzlers, dem Sekretär Nidel Zerer, zehn Jahre früher?) geführt worben ift. Hiernach fcheint ein Bogellopf die Wappenfigur und eine Menfchengeftalt die Schildfigur der Zerer geweſen zu fein.

Siegel bes Joachim Zerer. Siegel des Nidel Zerer.

Es ift nicht unwahrſcheinlich, daß Sigismund Zerer, welcher als mittlerer Dreißiger dauernd in der märkiſchen Hauptftadt feine Wirkfam- feit gefunden, fich bier auch feine Ehegenoifin gewählt bat. Sein Sohn Joachim fehrieb im Jahre 1588 aus dem Garten (Lanbbaufe) feiner Mutter vor Berlin an den Kurfürften®), und ale er zehn Jahre jpäter geftorben, traten die Berliner Bürgermeifter Gans Blantenjelde und Hieronymus Reiche als Bornränder feiner Kinder auf*). Leicht möglich, daß die Gattin bes Kanzlers einem dieſer vornehmen Berliner Batrijier« geichlechter angehört Hat. Ob der Kanzler bereits im Jahre 1509 ge⸗ ftorben, oder feinen Austritt aus dem Dienfte noch überlebt bat, läßt fih nicht feſtſtellen; er Hinterließ mehrere Mitglieder aus feiner näheren und weiteren Yamilie, welche fi, wie er, der Beamtenlaufbahn wid⸗ meten und feiner, foweit erfennbar, würdig waren. Da war zunächſt fein Sohn Joachim, eine intereffante Erjcheinung in den Religions« fämpfen jener Zeit. Er Hatte 1518 die Univerfität Frankfurt bezogen ®),

1) Alten des Geh. Staatsarchivs R. 61. 22.

2) Alten des Geh. Staatsarchiv a. a. D.

8) Forſchungen Bd. 6 ©. 598 |. (Bericht über einen vom Profefjor Brecher im Vereine für Gefchichte der Mark Brandenburg gehaltenen Bortrag).

4) Alten ded Kal. Kammergerichtd „Städte der Neumark Nr. III“, feit 1889 im Geh. Staatsarchive; biefen Akten find bie Angaben über die Lehen: mntungen ber Zerer im fechzehnten Jahrhundert entnommen.

5) Univerfitätämatrifel Bd. I ©. 49.

499] Die älteften märkiſchen Kanzler und ihre Familien. 201

war 1521 turfürftlicher Sekretaͤr gemorden!), hatte fich ſpäteſtens 1528 verheiratet, denn ein Jahr fpäter befaß er bereitd einen gleichnamigen Sohn. Er muß mit ganz befonderem Eifer fich der Wittenberger Re formation angefchloffen Haben, denn der kurfürſtliche Beamte, der Ehe⸗ mann umd Vater bezog noch im Jahre 1532 die Wittenberger Uni« verfität?). Mit diefem auffälligen Schritte fcheint er aber die Gunft des in jenen Iehten Lebensjahren nachſichtiger gewordenen Fürften doch vericherzt zu Haben, denn als er im Jahre 1533 in die Mark zurid- gekehrt war, machte der Kurfürft feine Wiederanftellung von der Erfüllung eines „Borbehalts” abhängig. Zerer wollte diefer Bedingung nicht ge nügen, jchried dem Kurfüriten in Beantwortung eines eigenhändigen Schreibens desfelben unter Hinweis auf „feiner lieben Eltern und unfer aller der Zerer Lange und getreue Dienfte” ab, verließ die Dart und begab fi in die Laufig, nachdem er fich des Schuhe des Könige Ferdinand von Ungarn und Böhmen verfichert Hatte?). Es fcheint, ala babe Zerer in Wittenberg Aufträge des Kurprinzen zu erfüllen gehabt, jedenfalls hatte er fich feinen Rüdzug in bie Mark gebedt, denn un- mitteldar nach dem Regierungswechjel finden wir ihn als Lurfürftlichen Sekretär, und zwar in befonderer Vertrauensftellung, thätig. Er unter- fükte den jungen Kurfürften bei feinem Verfuche, den durch das väter Tihe Teftament zum Souverän erhobenen Bruder Johann in die Stel Iung eines erſten Bafallen Herabzudrüden, und Tieß, als diefer Verſuch am MWiderftande Johanns jcheiterte, die Verantwortung für den kurfürſt⸗ lichen Schritt, einfeitig den Landtag zu berufm, auf fi} abwälzen ). Der Kurflrft dankte ihm durch Nebertragung des Ratstitels und der Stelle des Berliner Hofrichters, welche mit 40 Gulden Beſoldung ) und mannigfachen Nebeneintünften ausgeftattet war. Dieſes Amt bekleidete Zerer von 1587 bis zu feinem am 18. Januar 1543 erjolgtem Tode, mach welchem biefe infolge der Kammergerichtäreformation dom 8. März 1540 überfläffig gewordene Stellung einging. Auch im Schreiben Berer® vom Sabre 1589, in welchem er ben Niedergang des ihm übertragenen Gerichts betonte, giebt er feinem Bedauern über die Schwächung des

1) Dies ergeben die im Geh. Staatarchive befindlichen Kopiarien R. 78. 4 unb R. 78. 26. Markiſche Forſchungen Bd. 14 ©. 338.

9) Forſchungen zur brand. u. preuß. Geſch. Bd. 6 ©. 598 f.

4) Alten des Geh. Staatdarcdhiva R. 20. C.

5) Akten a. a. O. R. 61. 22; das oben gegebene Siegel Idachim Zerers rührt von einer Gehaltsquittung her, welche derſelbe am 30. September 1538 andgeftellt hat.

202 Friedrich Hole. [500

Landes durch die Zeilung der Gebiete Ausdrud; ein Beweis, daß er ein Mann von Harem Blide war und würdig des von ihm geführten Namenz!). Er fand fein Grab in der Marienkirche zu Berlin?). Be erbt wurde er don vier Söhnen: Joachim, Sigismund, Amdt und Hang, von denen der ältefte im Jahre 1529 geboren war. Ihre Bor- münder, Hans Blankenfelde und Hieronymus Reiche?), hatten für fie ein anjehnliches Vermögen zu verwalten, nämlich außer dem von ihrem Großvater erworbenen Geldlehn von 2000 Gulden, welche bei der Land» ichaft ftanden, ein Burglehn dor dem Lebufer Thore zu Frankfurt und ein beim Magiftrate zu Gardelegen ftehendes , mit jährlich 45 Gulden zu verzinſendes Kapital. Bon den Brüdern ftarb Hans bereit® im Auguft 1553 *), wie fein ebenfalls in der Berliner Marienkirche befind⸗ liches Grabmal beweift; auch Arndt und Sigismund fcheinen unvermählt verstorben zu fein. Joachim erhielt im Jahre 1541 die Exſpektanz auf dad Lehn trium regum im Zangermünder Stifte), wurde kurfürft⸗ licher Rat, heiratete die zweite Tochter Anna des Kanzler Weinleben (fiebe bajelbit); befaß aus dieſer Ehe einen Sohn Joachim, lebte jpäter in Frankfurt an der Oder und fcheint nicht imftande gewejen zu fein, das ftattliche, ihm angefallene Yamilienvermögen zu erhalten. Bald nad) 1600 verftarb der Rat Joachim, fein gleichnamiger Sohn Iebte noch im Sabre 1636 zu Frankfurt a. O. und unterhielt Beziehungen zur dortigen berühmten Yuriftenfamilie dv. d. Straßen. Er bediente fih wie manche andere, dem höheren märkiſchen Beamtenftande "angehörige Yamilie des Adelsprädifates „von“, ohne daß eine befondere Robili= tierung belannt wäre‘). Mit ihm dürfte das Gejchlecht der Zerer in der Dark erlofchen fein.

1) Holte, Kammergericht Bd. II ©. 314 ff.

2) Nikolai, Beichreibung von Berlin und Potsdam, Berlin 1786, Bb. 2 ©. 859, und Küfter, Altes und Neues Berlin Abt. 2 S. 476. Das Denkmal mit langer lateinifcher Grabfchrift ift noch heute erhalten.

3) Hieronymus Reiche fungiert am 26, März 1547 allein als VBormund und quittiert ala folder über 45 Gulden Zinfen, welche die Stadt Garbelegen ihm für feine Pflegebefohlenen gezahlt hat. (Akten des Geh. Staatsarchivs R. 61. 22),

4) Küfter a. a. O. 2. Abt. ©. 479.

5) Riedel a. a. ©. 1. Hptt. Bd. 16 ©. 222,

6) Ueber diefe märkifche noblesse de robe vgl. Holte, Kammergericht Bb. 2 ©. 306 f. Nachdem im 16. Jahrhundert der Begriff der Zurnierfähigteit bes beutungslos geworden war, verlieren die Standesvorrechte des Adels dem höheren Beamtenftande gegenüber jeden Inhalt. Auch diefer Hatte diefelben Privilegien in Bezug auf den Gerichtäftand, er erwarb, wie jener, abliche Lehnsgüter und verheiratete feine Kinder mit denen des Adels. Tas „von“, das der Abel feinem

501] Die älteften märkiſchen Kanzler und ihre Familien. 208

Außer dem Kanzler Sigismund war noch ein anfcheinend jüngerer Bruder desfelben, Namen® Georg, in ben brandenburgifchen Dienft ge= treten, wenigſtens werben ihre beiberjeitigen Kinder ala Vettern bezeichnet, auch war der Sohn ded Georg an den Lehnzftüden des Kanzlerzweiges zur gefamten Hand verfammelt. Georg war im Jahre 1506 Furfürft- Licher Rat und lebte noch 1513, wo er zu Stendal bei einer Auflafjung als Bevollmächtigter der auflafjenden Familie Vinzelberg erjcheint !). Deflen Sohn Nikolaus (Nidel) trat ebenfalls in den kurfürftlichen Dienft, am 22. Diai 1518 wurde er von Joachim I. zum Kaftner in Küftrin mit beiderſeits freiftehender balbjährlicher Kündigung angenommen?) ; er blieb indes nicht lange in biefer Stellung, denn einige Jahre ſpäter begegnen wir ihm als turfürftlichen Sekretär in der Hauptitabt. Als jolcher fpielte er im Telonieprogefle gegen den Thürhüter v. Goetze die eigentümliche, unten bei Nr. 5 näher beleuchtete Rolle. Er überlebte feinen Better Joachim (f 1543), und erhielt bei beffen Mannfalle die Mitbelehnung auf das Geldlehn und das Burglehn bes Hauptzweiges. Einem ungenannten Sohne Nidels Hatte der Kurfürft die Folge in das Lehn Barbarae zu Wufterhaufen zugedacht dieſelbe kam indes nicht zur DBerwirklichung, denn dag Lehn warb 1548 zum Göllner Domftifte geichlagen?). Wahrfcheinlich war diefer Sohn beim Tode bed Vaters bereitö verftorben, denn beim SHerrenfall 1571 mutete der belannte natürliche Sohn des Kurfürften Joachim I., der Nat Achaz von Bran- denburg, ala Bormund des minderjährigen Sohnes Wolf bes bereits veritorbenen Nickel Zerer, das Angefälle auf die Yamilienlehnaftüde. Wolf, welcher damala zu Halle lebte, proteftierte noch im Sabre 1599 gegen den burch feinen Better Joachim erfolgten Verlauf de Burglehns zu Frankfurt, wobei er betonte, daß durch biefen auch der Kurfürft als Lehnsherr gefchädigt werde, da das Ausſterben der belehnten Yamilie bald zu erwarten ftehe. Denn außer dem bereits fiebzigjährigen Lehnd- befiter und ihm felbft fei nur noch ein einziger zur Lehnsfolge berech⸗ tigter Zerer (der jüngere Joachim) vorhanden. Trotzdem blieb ber ‘Pro- teft, foweit erkennbar, ohne Wirkung ®).

Namen vorjeßte, war ſchon damals das lebte Unterfheidungsmittel, aber auch diejes wurdevon höheren Beamtenfamilien (Striepe, Tornow u. |. w.) einfach offupiert.

1) Alten des Geh. Staatsarchivs R. 78. 4 fol. 281.

2) Riedel a. a. ©. 1. Hptt. Bd. 19 S. 61. Tas dort angegebene Datum „80. Mai 1518* ift, wie oben angeführt, zu verbeffern.

3) Riedel a. a. ©. 1. Hptt. Bd. 4 ©. 409.

4) Das Burglehn befand fich fchon längere Zeit im Beſitze des Profeflors ber Rechte, Hieronymus Lindener, und ging fpäter in ben des berühmten Polenius über (fiehe Wohlbrüd, Lebus Abd. 3 ©. 33).

204 Friedrich Holke. [502

So erlof denn um die Mitte des 17. Jahrhunderts ein aus Franken eingetvandertet Geſchlecht, welches beinahe 200 Jahre in der Mark gebläht und eine Reihe tüchtiger Beamten hervorgebracht bat; mit Recht durfte demnach der fpätere Hofrichter Joahim im Jahre 1533 den Kurfürften auf die Verdienſte hinweifen , welche fich alle Zerer um das kurfürftliche Haus erworben hatten.

Stammtafel der Zerer.

Sigismund 3., Kanzler Georg 3. Nat 1444, 1 um 1510 | Soadim 83., Rat und Hofrichter Nidel 3., Sekretär ® um 1500, + 1548 + nad 1560 0 u aa, “oadtm 8., Rat Sigismund 83. Arndt B. Sm d. PB. Wolf 2. * 1529, + nad 1600 rt 1553 * um 1560, + nad 1600 obne Erben

Soadim v. 8. lebte noch 1688.

4. Sebaftian Stublinger. 1509 - 1529.

Stublinger war um 1475 zu Kulmbach, welches der Mark ſchon den Kanzler Seſſelmann geſchenkt hatte, geboren, hatte zu Bologna ſeit 1496 ftudiert!) und war Doktor beider Rechte geworden. Seit dem Anfange des 16. Jahrhunderts fungierte er als Rat im Dienfte dei erften Joachim und bereit? am 2. November 1509 war er an Stelle Zerers märkifcher Kanzler?) und als folcher in gleicher Weiſe wie diefer thätig®). Welchen Anteil er an den geſetgeberiſchen Arbeiten jener Zeit gehabt, läßt fich nicht mehr feftftellen; dag eine aber ift Klar, daß der Entwurf einer Kammergerichtsorbnung von 1516, der, wie ander« weit nachgewiefen, in vielen Punkten zur Ausführung gelangt ift, ohne Mitwirkung des Kanzlers, dem bei der Neugeftaltung felbft eine Rolle zugedacht war, nicht entfliehen konnte. Dies wird durch die vielfachen

1) Nach der von FFriedlaender und Malagola heraudgegebenen Matrikel der Univerſität beim Jahre 1496.

2) Atten des Geh. Staatsarchivs R. 78 4 fol. 295 v.

3) Er verhandelte 3. B. mit den märkifchen Städten über das Biergelb, und von ihm wurde der benfelben unter bem 16. Januar 1513 ausgeſtellte fur: fürftliche Revers gegengezeichnet (Myliud, Corp. const. Marchic. T. IV Abt. 4 Riedel a. a. DO. 3. Hptt. Bd. III S. 220 ff.

508] Die älteften märkiſchen Ranzler und ihre Familien. 205

Gnadenbeweiſe unterftäßt, die der Kurfürft feinem Kanzler nach Yertig- ftellung des Entwurjes in den Jahren 1516 und 1517 zu teil werben ließ). Die Rolle aber, welche dem Kanzler nach der neuen Ordnung zugebacht wurde, war zunächſt eine recht beicheibene, inden für bie ſpä⸗ tere Zeit einer Steigerung wohl fähig. Bisher: hatte der Kanzler nur deshalb, weil er zugleich vechtögelehrter Rat war, im Sammer gericht gejeflen, jetzt wurde ein vechtögelehrter, beftändig in Berlin-Edlln ſeßhafter Doktor dazu beftimmt, in den Zmwifchenzeiten während der vier Sahresfeffionen des Kammergericht? die Alten in Ordnung zu balten und die für die nächfte Seffionsperiode zur Verhandlung kommenden Sachen altenmäßig vorzubereiten. Diefe Stellung, welche an ſich nur die des Kanzleichefs war, fiel dem Kanzler zu. Denn da alle auß dem Kammergericht erlaffenen Schreiben, ſoweit erfichtlih, vom Kanzler felbft oder don einem der ihm unterflellten Sekretäre außgefertigt wurden, auch da8 GSiegel- und Geleitöbrieigeld in die Kanzlei floß, mithin eine vom Kanzler unabhängige Gerichtstanzlei nicht gebildet wurde, jo mußte ihm gewiffermaßen von ſelbſt die Stelle jenes Doktors zulommen. Es läßt fich denn auch nachweifen, daß Stublinger in diefer Weiſe thätig gewefen ift. Der Kanzler war damit allerdings nicht zum Borfigenden, wohl aber zum einzig feiten Punkte dieſes Gerichts geworden: Vorfitzende und Beifiter wechjelten, er erhielt den Zufammendang im Kollegium. Nicht au&bleiben konnte e8, und ift auch nicht ausgeblieben, daß ſchließlich der Kanzler zum Vorfitzenden des Gerichts wurde. Allerdings bat die Eiferfucht der Stände, welche jeden Einfluß des vom VLandesherrn ab- hängigen Beamtentums auf daB Kammergericht ala einen Eingriff in ihre Rechte belämpften, diefe naturgemäße Entwidelung lange gemug ver⸗ zögert ?).

Stublinger verfiel früh in Giechtum; ſchon im Jahre 1515 war ihm Kewig (fiehe Nr. 5) cum spe succedendi al& Adlatus beigegeben worden; dennoch blieb er big zum Sabre 1529 im Amte?), ohne daß

1) Alten des Geh. Staatsarchivs R. 78. 26 fol. 257v ff.; vergleiche Hierzu Holte, Kammergeriht Bd. I ©. 127 ff.

2) Holge, Kammergeriht Bd. I ©. 174 |. Als das SKammergericht ben Berliner Hofrichter im Jahre 1517 mit der Erledigung eines Beweisbeichluffes beauftragt hatte, eröffnete dieſer das Ergebnis zunächft dem Kanzler (Alten bes Geh. Staatsarchivs R. 78. 4; Abdruck bei v. Raumer, Cod. dipl. Brandenb, contin. ®d. II ©. 211).

3) Als der Kurfürft feit dem Jahre 1527 damit umging, feine Gemahlin: entweder zur alten Lehre zurüdzuführen, ober fich von ihr jcheiden zu lafien, ließ ex fi) von ben Prälaten feines Landes und ben Doktoren Schulenburg und Reb:

206 Friedrich Hole. [504

er in ber beginnenden reformatorifchen Bewegung irgend eine erkennbare Rolle geipielt Hätte. Im Fruhjahr 1529 wurde er wegen der Ummög- lichkeit, feinem Amte länger vorzuftehen, entlaffen und ift anfcheinend drei Jahre fpäter geflorben.

Stublingers Bilbnis ift ung bon Seibel überliefert worben.

Sedaſtian Stublinger.

Er erſcheint auf dem Bilde als lebensmüder Greis, und doch ift er bei feinem Tode ſchwerlich 60 Jahre alt geweſen.

dorffer berathen. Auch fonft habe ich vergeblich gefucht, Stublingers Zhätigteit in biefer Preiode feftzuftelfen.

505] Die älteften märkiſchen Kanzler und ihre Familien. 207

Sein Siegel auf einer von ihm am 12. Dezember 1518 ausgeſtellten Quittung!) war dag folgende:

Sm Sabre 1515 war er bereit? verheiratet, doch ift nur der Bor: name feiner Gattin und das Siegel ihres Bruders bekannt, deffen fie fih bei Ausftellung einer Quittung vom 2. Dezember 1532 bedient Hat?). Sachverftändige werben vielleicht hieraus ihren Geſchlechtsnamen zu beflimmen in der Lage fein.

Der Befitz des Kanzler beitand in dem ihm dom Kurfürften ge- ſchenkten Anteile am Gute Rothitod im Lebuſiſchen, dag er indes bald wieder aufgegeben zu Haben ſcheint?), und im Lehngute Bergholz nebit Bertinenzien in der Nähe don Kottbus. Seiner Ehefrau, mit welcher er in kinderloſer Ehe lebte, waren durch die Gnade des Kurfürften wert- volle Rechte am Befike des Gatten gewährt worden *).

Borübergehend hatte der Kanzler auch ein Haus in Eölln an der Spree beieffen, dasſelbe jedoch ſchon im Jahre 1518 an den Kurfürften verkauft, da er unter dem 12. Dezember 1518 über 100 &ulden, welche er auf das Haus empfangen, Quittung leiftete®).

Wann Stublinger geftorben ift, läßt fich nicht mit Sicherheit feft- ftellen; da indes unter dem 2. Dezember 1532 feine Witwe Anna dem Kurfürften über 50 rheinifche Gulden Gehaltsrüditände ihres Mannes quittierte®), jo ift anzunehmen, daß fein Tod im Laufe diefeg Jahres erfolgt iſt. Denn die Regelung eines fo unbedeutenden Rüdftandes wird ichwerlich Tange verzögert worden fein.

1) Alten des Geh. Staatsarchivs R. 61. 17.

2) Alten a. a. ©.

3) Riedel a. a. ©. 3. Hptt. Bd. 2 ©. 506; vergleiche indeß Wohlbrück, Lebus Bd. III ©. 261 fi.

4) Alten des Geh. Staatsarchivs R. 78. 26 fol. 257 ff.

5) Akten a. a. ©. R. 61. 17.

6) Alten a. a. ©.

208 Friedrich Holpe. [508

5. Woligang v. Ketwig. 1529—1540.

Die Familie Ketwig ftammt wahrjcheinlicd aus der gleichnamigen weitjälifchen Stadt, und zwar von einem Zweige des Geſchlechts, der bereite im 15. Jahrhundert nach Leipzig übergefiedelt war!), während ein anberer, noch heute blühender in das benachbarte Holland verpflanzt wurde. Nach der non Triedlaender und Malagola herausgegebenen Matrilel ber Deutichen Nation der Univerfität Bologna wurde Wolfgang Ketwig aus Leipzig im Sabre 1500 zu Bologna immatrilulirt und am 1. Mai 1505 zum Rektor gewählt. Es war dies eine Stellung, zu welcher damals weniger wifjenfchaftliche Bedeutung und praftifche Tüch- tigkeit und Gewandtheit in Finanzſachen befähigten; die Berufung Ketwigs beweift mithin, daB er fich im Sreife feiner Studiengenoffen eines guten Rufes und großer Beliebtheit erfreute. Bald hernach dürfte Ketwig, der inzwijchen, anfcheinend in Leipzig, zum Doktor promoviert war, in den Dienit der Stadt Breslau getreten fein, wenn er aud) nicht gerade wie Wohlbrück?) meint dort als Syndikus gewirkt bat. Seine Gemahlin Hebwig war dem befannten Breslaner Patrizier- geichlechte der Amann entiproffen, und feine Vermählung mit derfelben icheint bald nach 1505 gefchloffen zu fein, da ſchon im Jahre 1525 zwei feiner Söhne die Uniderfität Frankfurt bezogen. Der Aufenthalt Ketwigs in Breslau war keinesfalls von langer Dauer, denn bereits im Sabre 1514 finden wir ihn als Rat im Furfürftlich brandenburgifchen Dienfte, da fid am 1. Juli 1514 zu Cölln an der Spree einige Per- fonen für einen Günther Pryſoll verbürgen, ber „üppige und bebrobliche Reden“ gegen Dr. Ketwig geführt Hatte und deshalb in Haft genommen war?). Bisweilen wird angegeben, daß Ketwig damals noch Lizentiat gewefen fei, in Dienſten bei Herzog Georg von Sachfen geftanden Habe und unter dem 14. Januar 1515 zum brandenburgifchen Rat von Haus aus (Leipzig) beftellt fei, e& dürfte Hier indeß eine Verwechſelung mit dem in diefen Stellungen befindlich gewejenen Wolfgang Blick oder Plid vor-

liegen, der um dieſelbe Zeit mit 35 Gulden Jahresgehalt und halb⸗ jährlicher Kündigung in brandenburgifche Dienfte trat. Denn daß, was

1) Bgl. Stölgel, Rechtsverwaltung und Rechtsverfaffung Bd. I S. 128.

2) Gefchichte des ehemaligen Biätumd Lebus und beö Landes dieſes Namens Bd. III ©. 545.

3) Alten des Geh. Staatsarchivs R. 78. 4 fol. 816 v.

507] Die älteften märkiſchen Kanzler und ihre fyamilien. 209

anzunehmen nahe lag, der Namen Blick aus Ketwig verberbt ſei, wird dur eine am 2. Januar 1516 ausgeſtellte Gehaltsquittung dieſes Licentiaten Plick widerlegt, welcher derjelben auch fein von dent Ketwigſchen völlig abweichendes Siegel beigedrudt bat!). |

Siegel des Kanzlers Ketwig Siegel des Licentiaten Plick (feit 1529). (2. Januar 1516).

Läßt jo die Thätigkeit Ketwigs am Brandenburger Hofe fi bis in das Jahr 1514 zurüc verfolgen, jo wurde ex doch erſt am 29. Juli 1515 als kurfürſtlicher Rat lebenslänglich angeftellt.e Es fcheint, ala habe der Kurfürft den geichäftsgewandten Mann, don dem er Proben großer Tüchtigkeit inzwifchen gefehen haben mochte, mit allen Mitteln in der Mark fefleln wollen. Ketwig hatte ſchon am 24. Juli 1515 das Angefälle auf die Lehngüter des Apothelerd Martin zu Stendal im Werte von 1500 Gulden Rhein. erhalten und dazu was ganz ungewöhnlihd das Furfürftliche Verfprechen, daß ihm bis zur Eröffnung des Lehns bie Zinfen mit jährlich 75 Sulden aus dem Küftriner Zolle gezahlt werben follten. Das bedeutete faſt die Verdoppelung des 100 Gulden betragen- den Ratögehaltes, zu dem noch 50 Gulden Haushaltungszuſchuß, Hofe fleidung und Futter und Mahl für vier Pferde und ebenjo viel Knechte traten. Aus der gedachten Beitallung ergiebt fih, daß Ketwig von vornherein zum Nachfolger Stublingerd in Ausfiht genommen war und ſchon jebt den größten Zeil der auf dieſem ruhenden Arbeitälaft über- nehmen follte, jo daß er, ohne diejen Zitel zu führen, thatſächlich da- mals ala Vizekanzler angeftellt worden tft ?).

1) Die Siegel find nach den Brofefhen Zeichnungen (Tafel 4 „Siegel* in den Publikationen bes Vereins für die Gefchichte Berlins) gegeben. Die Originale (Alten des Geh. Staatsarchivs R. 61. 15. und 10) ftimmen, wie die Vergleichung ergeben, damit überein. Nur ift zu bemerken, daß das Siegel bed Wolfgang Ketwig aus einer Zeit ftammt, in welcher er Ihon Kanzler war; hierauf beuten auch die Buchftaben neben dem Helme: W. K.D. V. C. (Wolfgang Ketwig, zoltor und Kanzler). Das von Ketwig vor feiner Erhebung zum Kanzler ges brauchte Siegel, welches der von Brofe a. a. O. Nr. 77 im Negeft gegebenen Ouittung beigebrudt ift, enthält nur die Buchſtaben W. K. D., ift aber im übrigen dem fpäter geführten gleich (Alten a. a. ©. R. 61. 10.)

2) Die Beftallung ift abgedruckt bei Riedel a. a. ©. 3. Hauptt. Bb. 3 ©. 254. Daher ift es nicht ganz unrichtig, wenn MWohlbrüd, Geſchichte des ehemaligen

Forſchungen 3. brand. u. preuß. Geſch. VII. 2. 14

210 Friedrich Holge. [508

An der damals gerade vollendeten eriten Redaktion der Kammer: gericht3ordnung fcheint Ketwig nicht beteiligt gewefen zu fein, dieſe war vielmehr wohl vorwiegend das Werk des mit der Praris am Reiche fammergerichte vertrauten Dr. Valentin v. Sunthaufen !) und des Frank⸗ furter Dozenten Dr. Siegfried Uebberg aus Erfurt, der damals zu Ber lin ſtarb?); diefe werden unter Stublinger® Leitung den Entwurf ge fertigt haben. Ketwig war, ebenfo wie Stublinger, in den bald her⸗ nach in den Vordergrund tretenden Tirchlichen Streitfragen von bejonnener Haltung. Er verftand es fehr wohl, in genauefter Ausübung feiner Pflichten eine den Kurfürften verlegende Hinneigung zur Reformation und eine gekünftelte Abneigung gegen die damals die Welt erichüttern- den und alle Zweige der Staatöverwaltung berührenden ragen geichidt zu vermeiden. Es kam ihm dabei zu- ftatten, daß fich der Kurfürft im Religionsſachen faſt ausfchlieklich des Rates feiner Prälaten bediente, mithin den weltlichen Räten die Pflicht der Parteinahme für oder gegen die Reformation erfpart blieb. So konnte er es denn wagen, feinen Sohn Jakob im Jahre 1531 auf der Univerfität Wittenberg ftudieren zu lafjen®), ohne daß ihm dieg foweit erkennbar die Gnade des fatholifchen Kurfürſten gekoftet hätte,

Allerdings war Ketwig, der geſchworene TFürftendiener, wohl dazu geeignet, auf dem Neichätage zu Nürnberg (1528 und 1524) dem Abel fcharf entgegengutreten, den fein Herr einft in der Mark gebänbdigt hatte und der jebt im Reiche, von unternehmenden Häuptern geleitet, daran dachte, die zwifchen ihm und dem SKaifer ftehenden deutfchen Tyürften möglichtt zu ſchwächen. Ketwig verfocht in Nürnberg alfo nur die Rechte feines Landesherrn und befämpfte eine Einzelerfcheinung in der reforma- torifchen Bewegung, jo daß man ihm feine damalige Haltung nicht ala eine gegen die Reformation im ganzen gerichtete vorwerfen darf. Auf dem Reichötage von 1524 wurde der Kurfürft, in deſſen Gefolge ſich Ketwig befand, von einer betrunfenen Köchin lebensgefährlich verwundet‘)

Bistums Lebus Bd. II ©. 545 behauptet, er fei bereits 1525 märtifcher Kanzler gewejen. Die Begnabigung mit bem Angefälle vom 24. Juli 1515 giebt Riedel a. a. D. 1. Hauptt. Bd. 15 ©. 481,

1) Holte, Kammergericht Bd. I ©. 125.

2) Diefer Frankfurter Profeffor (nach der Matrifel bekleidete er bafelbft 1510 das Rektorat) ftarb zu ‚Berlin und wurde in ber Domkirche beigefekt. Sein Grabftein, auf dem er in ber Tracht feiner Zeit abgebildet ift, befindet fidy im Märkiſchen Provinzialmufeum zu Berlin.

8) Maͤrkiſche Forſchungen Bd. 14 ©. 338.

4) Buchholk, Verſuch einer Gefchichte der Churmark Brandenburg Bd. III S. 276.

509] Die älteften märkiſchen Kanzler und ihre Familien. 211

und verließ die Stadt, während Ketwig, anfcheinend mit großen Boll- machten, zurüdblieb. Die Haltung Brandenburgs war gerade damals vor⸗ fichtig lavierend, und ſorgſam vermied man jede Provokation der Prote- ftanten. Bald nach feiner Rückkehr, nämlich im Januar 1526, trat Ketwig, auf vier Jahre verpflichtet, als Kanzler in den Dienft des Herzogs Albrecht von Medlenburg, des Gemahls der Markgräfin Anna von Brandenburg, jener Tochter Joachims, die zunächft für das Stlofterleben beftimmt geweien war, aber die „heilloje Kappe“ bald genug verlafien Hatte. Die Gründe zu dieſem Mebertritt Ketwigs find unbelannt'). Mochte ihm durch häusliche Unglüd worüber unten dag Nähere gebradht wird? der Aufenthalt in Berlin verleidet fein, mochte er lieber Kanzler in Medlenburg ala Rat in Brandenburg fein, jebenfalle gab ihm Joachim in allen Gnaden feine Entlaffung und wohl auch das Beriprechen, ihn ala Kanzler zurüdzurufen, wenn der alternde Stublinger dienjtunfähig werden würde. Vielleicht war aber auch der Wunſch des turfürftlichen Schwiegerfohnes (derfelbe regierte feit einigen Jahren mit feinem Bruder Heinrich in einer Art Gemeinfchaft und bedurfte eines erfahrenen Praktikers für die Regelung der bei der Außeinanderfegung zwiſchen ihnen notwendig werdenden Gefchäjte, wozu in erfter Linie die Neuordnung des Archivs gehörte) dringend genug, um Soachim zu bewegen, jenem feinen Kat, ſelbſt gegen defjen eigene Wünſche, abzutreten. Auch in Mecklen⸗ burg, in dem die lutheriſche Lehre damals ſchon ſtarke Wurzeln ge- fchlagen hatte, und wo fogar, namentlich in Roſtock, zum Teil bereits angreifend gegen die Katholiten verfahren wurde, beichräntte ſich Ketwig auf die Pflichten feines arbeitsreichen Amtes, ohne in Religionsjachen Partei zu ergreifen. Da er die reformatorifche Bewegung in Medlen- burg ebenfo wenig wie in der Mark jbemmte, wird er noch heute als fefter Lutheraner und zugleich, da er fie nicht unterftüßte, als ftarrer Katholik bezeichnet 2). Diefe Urteile geben ein Zeugnis dafür, wie vor⸗ fihtig e8 Ketwig verftanden hat, in erregter Zeit beiden kämpfenden Parteien gerecht zu werden, indem er völlige Neutralität beobachtete, zu welcher e8 allerdings gehörte, daß er an die jpeciell religidſen Yragen mit Kälte herantrat. Hiermit ftimmt e8 auch, daß fich feit dem Früh⸗ jahr 1529, alfo vor Ablauf der vierjährigen Dienftpflicht Ketwigs in Medlenburg, um ihn ein lebhafter Streit zwiſchen dem Kurfürfien von

3 1) Ueber bie Thaͤtigkeit Ketwigs als Kanzler in Meklenburg vergleiche die lehrreiche Arbeit von Liſch in den Meklenburg. Jahrbüchern Jahrg. 26.

2) Als Lutheraner bezeichnen ihn: Liſch a. a. O. ©. 13, ebenſo Sartorius in feiner 1606 gehaltenen Feſtrede bei ber Säkularfeier der Frankfurter Univerfität, als Katholilen: Stölzel a. a. O. ©. 140.

14°

ia Friedrich Holge. Si»

Mandendurg und feinem Schwiegerfohue entipann. Jener weil u ar re der verbrauchten Stublinger ſehen, dieſer ihn wicht gehe en. Dan Aurtürk fiegte, was Ketwig gewiß ganz recht war. sbikem 2 vwd hand. in mem lojen Zufammenhang mit Herzog Albrecht bie u 5 Dun Da murde feine Sanzlerbeftallung ausgeiertigt”), umb m ja Bahr Peplorten or den Kurfüriten auf den Reihätag zu Ingi Be Nu graben amäbnt, dab Kaifer Karl unter dem 11. CL Nm Om Dee Marlgraten Joachim, Jobſt Ketwig NN ont ha Me Dabin, daB zugleich der Kanzler um Semt. S Nur, der im flädtiichen Tienfte zu Tre

a re ee ihernt mithin im Regeft Ledebur oa tt rer Dem antipridt, daß dem Kauler Ne Rp vu zad daß feine Deicendenten und \ Un Rn. St de Adiſaræxrfat „von“ führen, auch als cn Wed DE Wade merang iſt jedenfalls auf die Norton jegta ned Nüsse guntlhämübhren, der ſeinerfeits das wii algeieun gebrauchtiche Adelsprädilat „von“ nie ger od Au Xa Shen beiprochene Siegel weiter gebraucht bat wurst Kr Abreienheit des Kurfürften und Ketwigs auj dem Reicht⸗ “pr Pte Der Zumult zu Stendal flattgefunden, die einzige in der Marl arg gmeizthitige Ausichreitung im größeren Maßſtabe, welche vor- vu? aus müigiöien Gründen veranlaßt war; fie war indes bereits wu Nurpunzem Joachim niedergefchlagen worden. Seitdem iſt ein wg im Widerſtande, welchen Joachim I. der Reformatioa in der Nerterigegengeicgt butte, unverfennbar, er belannte fich praftiih immer wi zu Deut don Ketwig in Meklenburg beiolgten Grundſatze, möglichft wer Ach einzumuchen; felbit da, wo der Glaubenzeifer fich mit offenbarer Norte Paarte, wurde Ichonend genug verfahren. Ginen Beweis hierfür wert Folgende Thatjache. Während der Abweſenheit Ketwigs in Wecklenburg war die Kurürftin Glifabeth, zum Zeil wegen ber Lieb⸗ khaiten ihres Gemable, zum Zeil um in der Bethätigung ihrer Tuther riſchen Anichauungen nicht behindert zu fein, am 25. März 1528 nad

„rs. 8

N

N Naumer, Cod. dipl. Brandenb. contin. ®d. II S. 265.

2) Stiche die Ausführungen don Budczies im 9. Jahrgange der Biertel: ſadroichriit für Heraldik, Spbragiftit und Genealogie S. 308. Hierzu ſei noch dies bemerft: die übrigen fachiiihen Ketwig traten nicht in den Abelftand über, wm Dielen gebörte der nach Stendal eingewanderte Materialift Jobſt Kewig— weldem am 1% Juli 1624 Hebungen im Dorfe Piefeweg abgetreten wurden Rkten des Kammergerichts, Adel der Altmark V, feit 1889 im Geh. Staat# aubet mobl der von Budezies a. a. O. nachgewiefene Wolfgang Ketwig.

511] Die älteften märtifchen Kanzler und ihre Familien. 213

Sachſen geflüchtet. Bei der Flucht war ihr der Thürfnecht Joachim . Götze behilflich gewefen, gegen den der KHurfürft im folgenden Jahre Den Telonieprozeß auf Einziehung feines Lehnbefites vor dem Kammer⸗ gerichte anjtellen ließ. Diejes hätte jachgemäß den Beklagten fchuldig Iprechen müſſen, fein Anwalt Johann Kautz, veritand es aber meifterlich, die endgültige Entſcheidung derart Hinzuziehen, daß jchließlich Joachim I. Darüber ftarb und die Alten reponiert wurden. An diejen Kauf jchrieb nun der oben erwähnte furfürftlicde Sekretär Nikolaus Zerer, warnte ihn vor den eingejeßten Richtern und riet ihm, wenn er irgend eine Zweideutigkeit fpüren follte, fi fofort an den Kanzler Ketwig zu wen den‘). Es fcheint hiernach Ketwig gerade kein Verteidiger der Tatholifchen Kicche geweſen zu fein. Denn diefe Berfchleppung eines Prozeſſes, bei dem der Thatbeitand gegen dv. Götze, der den Verkehr der Kurfürftin mit Iutherifchen Predigern u. |. w. unterftüßt hatte, Kar genug war, läßt fich mit juriftifchen Gründen faum rechtfertigen. Dieſe Staatstunft hat denn auch überrafchend fchnell dahin geführt, daß die Mark beim Tode des Kurfüriten Joachim I. thatfächli bis auf kraftloſe Ueber⸗ bleibſel für die römische Kirche nerloren war.

Als Kurfürſt Joachim II. zur Regierung gelangt war, ſah fi Ketwig vor die gleiche Aufgabe geitellt, welche er einige Jahre früher in Medtenburg gelöft Hatte, vor die ſehr verwidelte Augeinanderjegung zwilchen dem Kurfürften und feinem durch väterliches Teftament mit der Neumark ausgeftatteten Bruder Johann. Joachim und Johann traten zunächft gemeinfchaftlich die Regierung an, wie e& 36 Fahre Früher ihr Vater Joachim und ihr Ontel Albrecht gethan Hatten. Ihnen beiden gemeinfchaftlich Leiftete Ketwig, wie aus dem erhaltenen Yormulare er⸗ fichtli, den Kanzlereid, welcher den der damaligen Lage ſehr angemefje- nen Paſſus enthielt, daß er zwiſchen den fürftlichen Brüdern keine Miß⸗ belligfeit oder Uneinigkeit verurfachen wolle?). Bei den fi} nun lang binziehenden Auseinanderjegungsverhandlungen konnte Ketwig feine große praktiſche Tüchtigleit an den Zag legen, aber doch nicht bewirken, daß er beim jüngeren Kurfürſten, welcher fich einjt fo warm für feine Rüd- berufung aus mecklenburgiſchem Dienſte verwandt hatte, das frühere Ver⸗ trauen wiedergewann. Es waren nicht religiöfe Zwiſtigkeiten, denn Joachims II. Programm deckte fi) damals mit dem des Kanzlers, ſon⸗

1) Forſchungen Bd. 6 S. 600 (Bericht über einen von Profefior Brecher im Berein für Gefchichte der Mark Brandenburg gehaltenen Vortrag).

2) Alten des Sch. Staatsarchivs R. 78. 23 fol. 252 ff. Einen Abdrud des Kanzlereides giebt Holtze, Kammergericht Bd. I S. 257 f.

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dern die vom jungen Kurfürften jehr bitter empfundene Landesteilung, welche Ketwig bei größerer Energie doch hätte dem frühzeitig geſchwäch⸗ ten Kurfürften Joachim I. erichweren Lönnen!). Gr beſaß nicht mehr das volle Vertrauen feines jekigen Herm, welcher fi alsbald nad anderen Ratgebern umſah. Dies binderte aber nicht, daß der Tiebenz- würdige Fürſt dem Wolfgang Ketwig gewogen blieb, wenn er auch dem Kanzler Ketwig nie wieber fein Vertrauen geſchenkt Hat. Die Gattin des Kanzlera wurde dem Hofe der jungen Kurfürftin Hebwig, einer polnifchen Prinzeſſin, beigegeben, und der Kurfürft veripradh ihr dafür ein nach dem Tode ihres Gatten zu zahlendes „Leibgedinge” von jähr⸗ Ih 30 Gulden, eine für jene Zeit ftattlicde Penfion?). Diefe freundliche Adnñcht erteidet auch dadurch Leinen Eintrag, daß die traurigen finan- Riellen Verhältniffe, mit denen Joachim IL, bauptjächlih wegen der durch die Kurzfichtigkeit feines Vaters bewirkten Schmälerung feiner Einkunfte, Iebenslänglich zu kämpfen Hatte, e& nicht dazu kommen ließen, diefe Penfion und das Gehalt des Kanzler? auszuzahlen. Unregelmäßig empfing er feine Einkünfte, und nad) feinem Tode waren noch mehrere Jabresbefoldungen rüdftändig.

An der in jene Zeit fallenden größeren gejebgeberifchen Arbeit, der Kammergerichtöreformation von 1540, welche feit 1538 in Angriff ge nommen war, hat Ketwig nicht mitgearbeitt. Sie war vielmehr das Werk der Doktoren . Wolfgang Rehdorffer und Funk, jowie des Rates Matthias dv. Bredow. Auch fonft wird von einer geießgeberiichen Thatigkeit Ketwigs nichts überliefert ®).

Seit 1540 führte er nur noch den Kanzlertitel, das Amt hatte der gealterte Mann aufgegeben; aber er wirkte noch einige Zeit ala Nat und lebte noch elf volle Zahre*), verzichtete 1542 auf die Lehngäter des Apothekers Martin zu Stendal, mit denen er 1515 belieben war, um dafür das heute gräflich Finckenſteinſche Gut Madlitz bei Frank⸗ furt a. O. als Lehn zu erhalten, das er indes bald wieder verkaufte.

1) Alten des Geh. Staatdarchivg R. 20. C., namentlich find die Ausen- anderfegungen zwifchen den fürftlichen Brüdern aus dem Herbſt 1535 bei Ge Iegenheit des einfeitig von Joachim einberufenen Landtages beachtenswert.

2) Alten a. a. ©. R. 61. 328, Die kurzen Bemerkungen, welche Budczies a. a. D. S. 309-310 mitteilt, find Iediglih aus Wohlbrüd a. a. DO. 3b. IH ©. 546 entlehnt, der die citierten Akten ebenfalls nicht benußt bat.

3) Bgl. hierüber den Bericht des Hofrichterd Joachim Zerer vom 4. Juli 1539, abgedrudt bei Hole, Kammergericht Bd. II ©. 314 ff. Hiernach ift das im erſten Banbe dieſes Werkes S. 203 Gejagte zu ergänzen unb zu verbeſſern.

4) Das Nähere hierüber fiehe unten bei Weinleben.

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Am 21. Juli 1544 wird er mit dem Stadtfchreiber Jobſt Ketwig zu Dresden ala Teilnehmer am Salzquell zu Belit (einer bald gejcheiterten induftriellen Anlage) aufgeführt‘), Im Sabre 1550 erwarb er noch dag Schulzengut Oftrow bei Zielenzig, dag er ebenjo wie die bereit? zehn Jahre früher fäuflich erworbenen Güter Matfchdorf und Gräben bei Franffurt a. O. auf feine Defcendenten vererbte, während aller übriger Immobiliarbefitz nur kürzere Zeit in feinen Händen war und meift nur die Grundlage zu anderen Erwerbungen gebildet hat. Da feine Witwe fih im Jahre 1562 darüber beichwert, daß ihr von dem oben gedachten Leibgedinge, obſchon ihr Gatte bereits im elften Sabre tot fei, noch nicht? verabreicht fei, fo muß Ketwig im Jahre 1551 ge- ftorben fein, wie dies ſchon Wohlbrüd dargethan Hat?). Nach Küfter verftarb er in Berlin und wurde in der Nikbolaikirche beigeſetzt; das Freihaus (Poftftraße 6), welches ihm der Kurfürft wiederläuffich über- Lafjen hatte, wurde von diefem alsbald zurüderworben und einige Fahre als Münze gebraudht?). Nach den Anmerkungen M. F. Seidels foll er in der Nilolaifirche zu Berlin vor dem hohen Altar begraben und das ihm zu Ehren errichtete Grabdenkmal neunzig Jahre fpäter wegen Alters herabgefallen fein. Es muß recht ftattlich geweien fein, denn Seidel, der es offenbar gelannt Bat, Elagt darüber, daß man nicht eine Wiederherftellung vorgenommen habe. Aus dem Begräbniffe Ketwigs in der feit 1539 dem fatholijchen Gottesdienſte entzogenen Nitolailirche folgt, daß er, wie die übrigen weltlichen Hof und Staatsbeamten, fich, fobald feine Gefahr mehr damit verbunden war, offen zur neuen Lehre befannt hat, welcher er im Herzen jchon früher geneigt geweſen

1) Alten des Geh. Staatsarchivs R. 78.29 fol. 224 v. Der hier ala Stadt: Ichreiber aufgeführte Jobſt Ketwig ift offenbar mit dem jpäter als Bürgermeifter von Dresden oft erwähnten gleichnamigen Ketwig identiſch. Er war wahr: icheinlich ein Bruder des Kanzlers, der auch eine Schwefter, Anna, befaß, welche an Barthold von Prage vermählt war. Denn diefe nennt die Söhne des Kanzlers, benen fie beträchtliche Geldſummen vermadhte, ihre Vettern (ſiehe Wohlbrück 0.0. ©. Bd. HI ©. 545 Anm. * am Ende).

2) Wohlbrüd, Lebus Bd. III ©. 546. Tas von ihm Gefagte ift nach bem oben Entwidelten zu ergänzen und zu verbeilern.

8) Dies ergeben die Akten „Freihäuſer und Burglehne” zu Berlin, welche fi feit 1889 im Geh. Staatsarchive befinden; fiehe auch Küſter, Altes und Neues Berlin 3 Abt. S. 55.

4) Wohlbrüd a. a. O. ©. 545 Anm. * behauptet mit Beziehung auf Seibel (Bilderfammlung ©. 37), man fcheine das Denkmal nicht ungern der Berftörung überlaffen zu haben. Hiervon fteht aber bei Seidel fein Wort, und fällt damit jeder Schluß, den man aus folcher abfichtlihen Verwahrloſung auf das An- denken bes Kanzlers ziehen könnte.

Amer hie [st

Seltgang ». Retwis.

ISavi Wapden find beigefügt, das eine entfpricht dem Wappen auf den S..WT abgebildeten Eiegel, das andere zeigt im Schilde den vom Biel dadedobrten Halbmend, wie ihn die Berliner Patrizierfamifie der Wodrin geüdrt dat; auf dem Helme drei Pfauenfedern, die Farben db 6dildes und der Helmdeden find nicht erkenntlich. Möglich, da dire SHuldüigur Vril und Bogen darftellen foll, und baf der Sanzier diek

515] Die älteften märkiſchen Kanzler und ihre fyamilien. 217

früher von feiner Yamilie geführte Schildfigur mit dem Meerweibe be- reichert hat, welches Pfeil und Bogen in den Händen hält. Das bart« loſe Antlitz, Träftig entwidelt, zeigt den bedeutenden, aber auch firengen Mann. Dan fiebt es dem Bilde an, daß der Abgebildete fchwerlich je um Bollagunft gebuhlt Hat. Mit dem größten der ihm folgenden Kanzler, dem berühmten Lampert Diftelmeier, hat Ketwig manchen Zug gemein. Beide waren äußerft vorfichtig in Religions⸗ fragen, verbanden mit der Sorgfalt für den Gefchäftsbetrieb bis ins Kleinfte einen großen Blid, fo daß fie ebenfo gut Archive ordnen, wie auf Neichstagen große Politik treiben Tonnten; beide vergaßen bei red⸗ licher Hingabe an den Staat, dem fie dienten, auch ſich ſelbſt nicht, heirateten wohlhabende Yrauen!), wurden reiche Männer und Hinterließen Nachkommen, die an Befitz und Rang den Erften im Lande gleichftanden. Allerdings jpringt daneben auch mancher Unterſchied in die Augen: Diftelmeier war freundlich im Berker, Ketwig dagegen ſchwer zu be- handeln und leicht zu verlegen; Diftelmeier Hatte große politiiche Er- folge, während ımter Ketwigs Kanzleramte die Mark geteilt wurde. Der Kanzler beſaß außer einer jpäter an Joachim dv. Wink ver- mählten Tochter Anna, mehrere Söhne Wolfgang und Jobſt Ketwig aus Berlin, die 1525 auf der Frankfurter Univerfität immatrikuliert ?) wurden, waren wohl die beiden älteſten; ihnen folgte Jakob, den wir 1581 auf der Univerfität zu Wittenberg und 1534 auf der zu Frank⸗ furt a. O. finden, und zwei jüngere, Bernd und Joachim, die im Jahre 1562 allein noch am Leben waren. Wolfgang und Jobſt jcheinen bald nach 1525, da wir ihnen feitdem nie wieder begegnen, geftorben zu fein; ihnen zu Ehren mag dad in der Berliner Nikolaikirche befindliche die Geburt des Heilands darftellende Bild mit der Jahreszahl 1526 angebracht jein®). Jakob war 1562 bereit verftorben, hatte indes ‚einen damals fchon großjährigen Sohn Wolf Hinterlaffen. Dieſe „Ges brüder und Betten Bernd, Joachim und Wolf Ketwig” machten näm- fi damals, ebenfo wie ihre Mutter, Hedwig geb. Utmann, große An» ftrengungen, die auf 800 Gulden berechneten Gehaltsrückſtände ihres

1) Rah Wohlbrüd a.a. O. 3b. III ©. 546 foll Hebwig Utmann 4000 Gulden in die Ehe eingebracht haben; für jene Zeit eine ganz enorme Mitgift. Bezüglich bes Ketwigſchen Immobiliarbeſitzes kann bier auf den Aufſatz von Budczies a.a.D. ©. 307 ff. verwieſen werden.

2) Frankfurter Univerfitätsmatritel Bd. I S. 64. Beide zahlten die ge wöhnliche Immatrikulationsgebühr.

8) (Ribbedl) Über die neue Einrichtung der Sanct Nicolai Kirche in Berlin, Berlin 1817, S. 8-29.

216 Friedrich Holge. [514

fein mag. Seinen Zod foll der Kurfürft beklagt haben, wie denn über haupt Ketwig ein guteß, wenn auch wenig nachhaltiges Andenken Hinter: lafſen Hat. Die mit Joachims II. Regierungsantritt anbrechende Zeit voll neuer Anſprüche und Beftrebungen ließ manche Perjönlichteit ans der alten zu fehnell vergeffen. Sein Bildnis hat und M. F. Seidel überliefert.

Wolfgang v. Retmig.

Zwei Wappen find beigefügt, daß eine entfpricht dem Wappen auf dem ©. 507 abgebildeten Siegel, das andere zeigt im Schilde den vom Pilt durchbohrten Halbmond, wie ihn bie Berliner Patrigierfamilie dr Boytin geführt Hat; auf dem Helme drei Pfauenfedern, die Farben de Schildes und der Helmdeden find nicht erkenntlich. Möglich, dab Dirk Schildfigur Pfeil und Bogen darftellen fol, und dab ber Kanzler Diet

515] Die älteften märkifchen Kanzler und ihre Familien. 217

früher von feiner Familie geführte Schildfigur mit dem Meerweibe be- - reichert hat, welches Pfeil und Bogen in den Händen hält. Das bart- loſe Antlitz, Träftig entwidelt, zeigt den bedeutenden, aber auch firengen Mann. Man fieht es dem Bilde an, daß der Abgebildete Tcäwerlich je um Volksgunſt gebuhlt Hat. Wit dem größten der ihm folgenden Kanzler, dem berühmten Lampert Diftelmeier, hat Ketwig manchen Zug gemein. Beide waren äußert vorfichtig in Religions- fragen, verbanden mit der Sorgfalt für den Gefchäftsbetrieb big ing Kleinfte einen großen Blick, fo daß fie ebenfo gut Archive ordnen, wie auf Reichstagen große Politik treiben Tonnten; beide vergaßen bei red⸗ licher Hingabe an den Staat, dem fie dienten, auch fich jelbft nicht, heirateten wohlhabende Frauen‘), wurden reiche Männer und Hinterließen Nachlommen, die an Befitz und Rang den Erften im Lande gleichftanden. Allerdings fpringt daneben auch mancher Unterfchied in die Augen: Diftelmeier war freundlich im Verkehr, Ketwig dagegen ſchwer zu be- bandeln und leicht zu verletzen; Diftelmeier hatte große politiiche Er⸗ folge, während ımter Ketwigs Kanzleramte die Mark geteilt wurde. Der Kanzler befaß außer einer fpäter an Joachim dv. Wink ver mählten Tochter Anna, mehrere Söhne. Wolfgang und Jobſt Ketwig aus Berlin, die 1525 auf der Frankfurter Univerfität immatrikuliert °) wurden, waren wohl die beiden älteſten; ihmen folgte Jakob, den wir 1531 auf der Univerfität zu Wittenberg und 15934 auf der zu Frank⸗ furt a. O. finden, und zwei jüngere, Bernd und Joachim, die im Jahre 1562 allein noch am Leben waren. Wolfgang und Jobſt fcheinen bald nah 1525, da wir ihnen jeitdem nie wieder begegnen, geftorben zu fein; ihnen zu Ehren mag das in der Berliner Nikolaikirche befindliche bie Geburt des Heilands darftellende Bild mit der Jahreszahl 1526 angebracht jein®). Jakob war 1562 bereit verftorben, Hatte indes ‚einen damals fchon großjährigen Sohn Wolf hinterlafſen. Dieje „Ge- brüder und Bettern Bernd, Joachim und Wolf Ketwig” machten näm- lich damals, ebenfo wie ihre Mutter, Hedwig geb. Utmann, große An= firengungen, die auf 800 Gulden berechneten Gehaltsrückſtände ihres

1) Rad Wohlbrüd a.a. O. Bd. III ©. 546 foll Hedwig Utmann 4000 Gulden in die Ehe eingebracht haben; für jene Zeit eine ganz enorme Mitgift. Bezüglich des Ketwigfchen Immobiliarbefites Tann hier auf den Auffab von Budczies a. a. O. ©. 307 ff. verwieſen werben.

2) Frankfurter Univerfitätämatrifel Bd. I S. 64. Beide zahlten die ges wöhnlicde Immatrikulationsgebühr.

3) (Ribbech) Über die neue Einrichtung der Sanct Nicolai Kirche in Berlin, Berlin 1817, ©. 8-29.

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Baterd, welche noch zum Teil auß der Zeit des eriten Joachim her rührten!), und dag feit elf Jahren, nämlich feit dem Tode des Kanzlers, überhaupt nie gezahlte Leibgedinge ihrer Mutter vom Kurfürften zu em langen. Am Freitag nach Juli 1562 intercedierte für die Petenten ſogar der Markgraf Johann von Küftrin, Hierzu anfcheinend durch feinen Kanzler Dr. Martin Sorerus veranlaßt, aber die finanzielle Lage verbot dem Kurfüriten eine fojortige Befriedigung. Er verſprach in dem an feinen Bruder gerichteten Schreiben die nähere Prüfung der von der Witwe erhobenen Anjprüche und bemerkte auf die anderen Anforderungen nur, daß die Landfchaft in den Jahren 1540 und 1550 feine und feines Vaters Schulden übernommen Habe, die Erben jeien aljo an jene zu vermweifen. Ob überhaupt und auf welche Weije diefe Sache Ichlieklid geordnet ift, erhellt nicht ?).

Don den Defcendenten des Kanzlers jehte nur Bernd den Stamm fort, da Wolf und Joachim 1575 und 1586 ohne lehnafähige Erben ftarben ®).

Bon den Nachkommen des Jobſt v. Ketwig, der 1530 mit unferem Kanzler zufammen geadelt worden war und der für diefelben die Mit- belehnung mit den märkifchen Gütern erlangt hatte, ftudierte Georg im Sabre 1555 zu Frankfurt, nobilis Dresdensis nennt ihn die Datritel*). Ex und feine Nachlommen hielten auch allein den Lehnenerus mit dem märfifchen Zweige ihrer Familie bis zum Jahre 1630 aufrecht.

Die Töchter des märkiſchen Zweige der Ketwig vermäblten fich faft ausſchließlich an Söhne des Sternberger Adels 5), aus welchem auch die männlichen Ketwig vorzugsweiſe ihre Gemahlinnen wählten. Die

1) Die legten Gehaltsquittungen des Kanzlers find: vom Dienftag nad Eſto⸗ mihi 15383 über 600 Gulden, vom Sonnabend nad) Unfchuldige Kinder 1598 über 200 Gulden und vom Montag nad Viti 1540 über 50 Gulden. Die erfieren Boften betreffen Rüdftände (Alten des Geh. Staatsarchivs R. 61. 10), möglicher weile diejelben, welche die Erben im Jahre 1562 liquidierten.

2) Alten bes Geheimen Staatsarchivs R. 61. 32a. Das Konzept des fur fürftlicden Antwortſchreibens ift von Lampert Diftelmeier geichrieben; die Lange Bittichrift dev Witwe ift offenbar eigenhändig, leider giebt fie bad Datum nid an, unter welchem die ihr erteilte, fonft in extenso eingefügte furfürftliche Per gnadigung erlaflen iſt.

3) Vgl. Budczies a. a. O. S. 310 ff.

4) Frankfurter Univerſitätsmatrikel Bd. I S. 137.

5) Die Familie v. Löben 3. B., welche ihrerfeit3 in Johann v. Löben ber Mark einen namhaften und verdienten Kanzler (1598—1608) geſchenkt, hat fich öfter mit Damen der märfifchen Ketwig liiert, wie fi) aus dem von Budczies a. a. O. milgeteilten Stammbaum der v. Ketwig ergiebt.

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Nachlommen des Kanzlers waren zu Gutgbefitern geworden, welche, obne jemals wieder eine bedeutendere Perjönlichleit hervorzubringen, ihre Scholle bebauten und fi in nichts vom älteren erbgefeflenen Adel unterjchieden, welchem fie durch das Verdienſt ihres Ahnen eingereiht waren. Um 1790 ftarb der Mannesftamın der märkifchen Ketwig aus, und zwar in dürftiger VBermögenzlage; ein Vierteljahrtauſend Hatten die Epigonen gebraudt, um die ganze Summe deffen, was der Vorfahr ‚innen an Eriftenzmitteln Hinterlaffen, bis auf die Yeßte Hufe zu ver- brauchen. Auch der jächfiiche Zweig der geadelten Ketwig ift exrlofchen, jedoch blüht in den Niederlanden noch heute ein vielleicht aus der alten Heimat an der Ruhr vor Jahrhunderten weftlich gezogener Zweig, deſſen Sproß der Oberlandesgerichtärat van Ketwich-Verfchuer zu Leeuwarden Hoffentlich bald den Nachweis vom Zuſammenhange zwiſchen dem fächfifch- märkifchen und dem niederländifchen Zweige der Yamilie führen wird.

6. Georg dv. Breitenbad. 1540.

Georg von Breitenbach, der Sohn eines alten, in Franken, Thüringen und Meißen begüterten Gejchlechts, hat nur wenige Donate ala Kanzler des zweiten Joachim gewirkt und jo wenig erkennbare Spuren in diefer furzen Amtsthätigkeit Binterlaffen, daß jelbft namhafte Hiſtoriker ihn bei Aufzählung der märkiſchen Kanzler übergehen und auf Ketwig unmittel- bar Weinleben folgen laffen. Ein Zweig der dv. Breitenbady war nad Leipzig Üübergefiedelt, und bier hatte fih Johann dv. Breitenbach, Dr. jur. can. und Ordinarius der dortigen Juriſten⸗Fakultät, durch feinen im Jahre 1491 erfolgten fcharfen Angriff gegen das Ablaßweſen einen durch ganz Deutfchland belannten Namen erworben. Wenn Küfter!) von ihm berichtet, daß er im Jahre 1506 an die Frankfurter Univerfität berufen und ein Jahr fpäter geftorben fei, jo beruht erftere Angabe auf einer Verwechslung mit unjerem Kanzler; Yebtere ift auch unrichtig, denn der Gegner des Ablaſſes, der übrigens ein Üüberzeugter Katholik blieb, war bereit® 1494 verftorben und im Ordenskleide der Franziskaner in ber Neukirche zu Leipzig begraben worden?). Bald darauf traten zwei Mit glieder des Leipziger Zweiges der Breitenbach in Beziehungen zur Mark. Unter den erften Studierenden der neu begründeten Frankfurter Univerfität

1) Küfter, M. F. Seideld Bilderfammlung ©. 38. 2) Hafle, Geichichte der jächliichen Klöfter S. 188.

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wurde 1506 Georg von Breitenbach aus Leipzig immatrifuliert da: ber die oben erwähnte Berwechälung mit feinem berühmten Namensvetter feine Bermögensverhältnifie fcheinen damals nicht gute geweſen zu fein, denn die Immatrikulationsgebühr mußte ihm faft ganz geftundet wer» den!). Zwanzig Jahre jpäter vermählte fich das mit der eriten Ge- mablin Joachims II., der Kurprinzeffin Magdalena, der Tochter Georgs des Bärtigen von Sachſen, im Jahre 1524 in die Dark gelommene Horrräulein derfelben, Magdalena von Schleinik, zu Berlin mit Wolf von Breitenbach. Noch erhalten ift die Cuittung, in welcher der junge Ehemann zu Berlin am 30. Mai 1526 belannte, für feine Gemahlin die 100 Gulden empiangen zu haben, welche nach altem Brauche am Hobenzollernbhoie jedem Hoñräulein ala „Hofgabe“ bei der Berbeiratung ausgezahlt wurden?. Ber Cuittung bat Wolf von Breitenbach fein unten nachgebildetes Eiegel beigebrädt, welcher den Abdlerflug, die be⸗ taunte Schildfigur feines Geſchlechts, ebenjo zeigt, wie das des Dr. Georg von Breitenbach, welches wir auf feinem Siegel und in der Bilder fammlung M. F. Seidels finden.

Inzwiſchen war Georg von Breitenbady in feiner Heimat bereit zu einer angejebenen Stellung an der Univerfität, der er als Rechts⸗ lehrer angehörte, gelangt. Als folder wurde er von feinem Landei« bern, dem Herzoge Georg von Sachſen, in den zu jener Zeit im alber tiniichen Sachſen auflodernden Religionäftreitigleiten um Rat angegangen ®). Gr verftand es dabei, fich die Gunft des Fürſten zu erhalten, bezahlte diefelbe allerdings mit der Mikgunft bei der lutheriſch gefinnten Majorität feiner Zandaleute. Es ift nun eine bisher meines Willens noch nicht beach⸗ tete Thatfache, daß Kurfürft Joahim II. ummittelbar nach jeinem Regie rungsantritte zu diefem Wanne, dem Ratgeber eines der dem Luthertume feindlichften Fürften, in Beziehungen trat. Erhalten ift nämlich eine Quit⸗ tung des Doltord und Ordinarius Georg von Breitenbach zu Leipzig vom Tienflage nach Michaelis 1537, in welcher er belennt, die zu Pfingiten 1537 beirifteten 3 Jahresbeſoldungen vom Kurfürften mit 190 Gulden

1) Univerfitätämatrilet Pd. I ©. 4 2) Alten des Geheimen Staatsarchivs R. 61. 2. 9) Siehe die Gitate bei Küfter, Pilderfammlung S. 38.

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bezahlt erhalten zu haben‘). Berldfichtigt man, daß Joachim II. feine Regierung mit der Vermählung mit einer katholiſchen Fürſtin eröffnete, fo Liegt die Vermutung nahe, daß er fi den Beirat eine Mannes fichern wollte, mit welchem der Bater feiner erſten Gemahlin gefchict genug fatholifch-Taiferliche Politik in einem ebenjalla dem Luthertume faft ganz gewonnenen Lande geführt Hatte. Breitenbach mag die Tluge Staatäfunft des Zuwartens, welche faft vier Jahre Hindurch in der Kur⸗ mark geübt wurde, an feinem Zeile unterftüßt haben. Allerdings trieb der Ordinarius zu Leipzig dieſe Politik nicht mehr, fondern trat auf die Seite der Lutheraner, denen er im Herzen wohl längjt zugehörte, fobald fih nad) dem Tode Georgs des Bärtigen das ganze damals albertinifche Sachſen offen zur Reformation befannte. Seitdem war aber auch die bisherige lavierende Politik Joachims II. nicht mehr durchführbar, der Kurfürſt mußte, um nicht dag Heft aus den Händen zu verlieren, der Bewegung in feinem Lande fehr erhebliche Konzeffionen machen, und e2 ift charakteriftiich genug, daR er unmittelbar nach dem Empfange des Abendmahls unter beiderlei Geftalt, nämlich im Frühjahr 1540, Breiten- bad an Stelle des alten Ketwig zu feinem Kanzler ernannte, womit er wahrjcheinlich ein demfelben fchon vor Jahren, allerding® unter anderen BVerhältniffen, gegebene Verfprechen einlöfte. Die Neuordnuug der kirch⸗ lichen Berbältniffe in der Marl wurde zwar nicht in feine Hände gelegt, da bierzu ein eben eril in das Land gelommener Beamter, den man zu- dem für reformationsfeindlicher hielt, als er dies thatjächlich war, nicht der geeignete Mann war. Dagegen war er es, welcher die ſoeben ein- geführte Kammergerichtsreformation (8. März 1540) thatkräftig ins Leben rief”). War er doch, infolge feiner juriftiichen Laufbahn an einer hervorragenden Hochſchule Deutſchlands, voll befähigt, fi) zum eriten Yuriften der Kurmark zu machen und mit dem Sanzleramte, welchem bisher thatfächlicd nur die Kanzlei des erſten Gerichtshofes unterftellt, und mit welchem feit einem Menfchenalter die oben bei „Stublinger“ gedachte Stellung des in Berlin „anwejenden Doktors“ verbunden war, den Borfit im Gerichtähofe zu verknüpfen. Joachim II. Hatte, klug wie immer, eine vortreffliche Wahl mit diefem Manne getroffen, um dem von den Ständen beeinflußten Gerichtöhofe eine feite, von ihm abhängige Spite zu geben. Mit Breitenbach begann, was unter Lampert Diſtel⸗ meier vollendet wurde, der Sieg der landeßherrlichen Bureaukratie über die ftändifchen Richter auf dem Gebiete der märkifchen Rechtspflege.

1) Alten bes Geh. Staatsarchivs R. 61. 2. 2) Holge, Kammergeriht Bd. IS. 211 ff., wojelbft das Nähere beigebracht ift.

222 Friedrich Hole. [520

Unter ihm wurde das erſte Eprachregifter des Kammergerichts angelegt, aus welchem erfichtlich, daß er, wenn er anwejend war, den Borfik führte, zugleich aber auch den Kuriürften beriet, wenn ein weiteres Rechts- mittel gegen einen Spruch biefes Gericht? eingelegt wurde. Dieſes erfie Regifter der Tagfagungen, vom 1. April bie Ende 1540 reichend, zeigt, daß die kurze Thätigkeit Breitenbachs im brandenburgifchen Dienfte Leine unbenügte unb feine folgenloje geweien ift!). Freilich konnte er von der damals in rakchen Fluß gefommenen Entwidlung des Staates aus den teudaliftiichen zu bureaufratifchen Formen nur die erften Anfänge erleben, denn bereit? im Beginn des Jahres 1541 ift er verflorben. Dies ergiebt fich aus einem bisher unbeachtet gebliebenen Briefe des Sodann Piſtorius an Weinleben „ex gymnasio Frankophortano* vom 10. Febmar 1541; er fchreibt in demfelben, er babe erfahren, daß der Adrefjat nach dem Tode des jehr würdigen Kanzlers an deſſen Stelle berufen ſei; Breitenbad muß aljo beim Beginn des Jahres 1541 ver- Rorben fein?), denn nach Ausweis des gedachten Rechtsipruchregifters ift jeine Thätigkeit bis zum Schlufſe des Jahres 1540 nachweisbar. Am 2. Juni 1541 wandte fi Weinleben im Auftrage der Witwe an den auf dem Regenöburger Reichetage befindlichen Rat Bach mit der Bitte, den berühmten, damals dort ebenfalls beichäftigten Dichter, Ge⸗ lehrten und Diplomaten Georg Sabinuß um eine lateinifche Infchrift von vier Zeilen für das vollendete Srabdenkmal anzugehen?). Ob &a- binus diefer Bitte entiprochen Hat, erhellt nicht; ebenfowenig weiß man, wo der Kanzler feine letzte Rubeftätte gefunden hat. Seine am 22. Ya- nuar 1546 im Alter von 38 Jahren verftorbene Gemahlin Barbara, geb. v. Bernflein zu Ottendorf, liegt in der Frauenkirche zu Dresden begraben +). Bielleiht war der ala Knabe im Jahre 1541 zu Frank⸗ furt immatrifulierte Georg dv. Breitenbach“) ein Sohn des Kanzlers; fonft laffen fich ſeitdem Beziehungen diejer Familie zur Mark nicht nach⸗ weifen.

1) Holte, Kammergeriht Bd. I S. 265 ff. Es fei auch an diefer Stelle der Wunich nach einem vollftändigen Abdrude diejes wertvollen Rechtsdentmals wiederholt.

2) Handichriftenfammlung der Kgl. Bibliothef zu Berlin, Msc. Boruss. Bd. 201 Nr. 88. Diefe Sammlung ftammt aus bem Seidelihen Nachlafſe.

9) Riedel, Cod. dipl. Brandenb. 3. Hptt. Bd. III ©. 49.

4) Küfter, Bilderfammlung ©. 38. Die heute nicht mehr vorhandene Ins fchrift emtHielt die Angabe, daß ber Gatte ber Berftorbenen Kanzler bes Kurs fürften von Brandenburg gewejen jei.

5) Univerfitätsmatrifel Bd. I ©. 81.

521] Die älteften märkifchen Kanzler und ihre Familien. 223

Dad don M. 5. Seidel ung nach einem unbelannten Originale erhaltene Bildnis Georgs von Breitenbach zeigt einen ernft und müde Blickenden, anfcheinend noch jüngeren Mann. Das feltfame Motto,

ELELCTOMTILS DRAN DENBURGENSIS VAN CBLIARAIULI.EFLORWT CINCA'ANNUM-JSSL

Seorg v. Breitenbad.

welches bem Bilde beigegeben ift, „bestia perniciosissima cancellarius ininstas* dürfte auf Geideld Rechnung zu ſetzen fein.

224 Friedrich Holge. [522

7. Johann Beinleben. 1541—1558.

Beinleben entttammte einer Bürgeriamilie in Trenenbrigen, flubierte die Rechte aui der Umiwerfität Wittenberg!), erwarb die Magifterwärbe und trat alö Rat 1538 mit 80 Gulden Jahresſold in die Dienſte Des Kurfürten Joachim I Sein Eintritt bedeutete eine Berftärlung ber reiormationsfteundlichen Bartei am Hofe und wurde um fo folgenreidher, ala bald hernach der Kurfärft genötigt war, einen großen Teil ber Wäünſche feiner jait ausſchließlich der Reiormation anhängenden Unter- tbanen endlich zu verwirklichen. Diele Wänfche erfiredten ſich nit nur auf religiöfe ragen, iondern berührten an allen Punkten fo empfindlich die allgemeine Etaatöverwaltung, daß es großer Geichidlichkeit und weiter Mäßigung bedurfte, um den Staat durch diefe Fritifche Periode, in welcher die alten Formen ihre Kraft und Widerfiandsfähigkeit ver⸗ loren hatten, bindurchzuleiten und lebensfähige neue zu fchaffen. Auf den alten Ketwig, der die am fich ſchwierige Lage noch durch die von ihm nicht gebinderte Landesteilung erheblich erichwert hatte, war bei Löſung der zahlreichen Autgaben kaum noch zu rechnen; der im Hrübjahr 1540 zum Kanzler berufene Breitenbach, unter dem Ketwig ala Rat weiter diente, war zwar imflande, durch die Wucht feiner Auto- rität als Gelehrter fih zum erften Zuriften des Landes zu machen, aber er ftarb zu trüb, ala daß er vermocht Hätte, diefe feiner Perjon geltende Stellung auch an das von ihm bekleidete Kanzleramt dauernd zu knüpfen. Aus dem NRechtäipruchregifler des Jahres 1540 ergiebt fich der eigen- artige Fall, daß Urteile ergingen, bei denen drei Kanzler mitgewirkt hatten, ein gewejener der als Rat weiterdienende Ketwig —, der gegenwärtige Breitendbah und ein zukünftiger WBeinleben?). AL dann um die Jahreawende von 1540 auf 1541 Breitenbach ge

1) Siehe das Schreiben bes Wittenberger Profeſſors Marcellus vom 10. Mai 1547, in welddem dieier „Vneynla® um Schuß für Wittenberg, das der Marl ja ihre Beamten erzogen habe, bittet. Handfchriften der Kal. Bibliothek zu Berlin, Manuscr. Boruss. Bd. 201 Rr. 42 und 41.

2) Dal. die auch juriftiich Iehrreichen Schreiben des Joachim v. Wink, feine durch Breitenbach erfolgte Verhaftung betreffend (Akten bed Geh. Staatsarchivs R. 20. 5).

523] Die älteften märkiſchen Kanzler und ihre Familien. 225

ftorben war, erhielt Weinleben fojort deflen Amt als Kanzler‘), aber es war unvermeidlich, daß unter ihm dieſes Amt nicht fofort die Bedeu⸗ tung, wie unter feinem Vorgänger, gewann. Dazu fehlte dem jungen Rate die Autorität, welche der Ordinarius der Leipziger Juriftenfatultät für fih Hatte in die Wagichale werfen können. Es kam Hinzu, daß Ketwig fih dem 1540 zum Kanzler berufenen Breitenbach, defien Vor⸗ geieter er nie gewejen war, deſſen Laufbahn als Gelehrter der feinigen mindeſtens gleichfam , one allzu große Schwierigkeit und Schädigung feines Selbſtgefühls Hatte unterordnen können, während dies einem Wein« (eben gegenüber unmöglich war, welcher ala Gelehrter keinen Ruf hatte und zudem dies war audfchlaggebend zwei Jahre hindurch unter dem älteren Beamten und Kanzler gearbeitet Hatte. In diefer ſchwie⸗ rigen Lage fand die Beicheidenheit Weinlebend ein Auskunftsmittel, welches dem alternden Ketwig das fernere Verbleiben im Dienfte mög- lich machte; er begnügte fi mit dem Amte als Kanzler und belie Ketwig den Zitel?). Zu diefer, von dem ſelbſtloſen Manne folgerichtig big zum Tode des Vorgängers durchgeführten Entfagung war allerdings fein gemieteter Doktor fähig, welcher dem am beiten bezablenden und die böchften Ehren gewährenden Fürften feine Dienſte verlaufen will, fondern nur der eingeborene Märker, welcher, ohne nach Lohn und An⸗ ertennung zu fragen, feinem Fürften und dem Baterlande fo dienen will, wie es diejen erfprießlich ift. Kein Menſch im Lande wußte es jeit Breitenbach Tode anders, ala daß Weinleben märkifcher Kanzler ſei, aber er bezeichnete fich bis zu Ketwigs Tode ftet? als Vicelanzler, damit die Fiktion aufrecht erhaltend, ala gäbe es über ihm noch einen Kanzler im Lande. Freilich fchadete dieſes Zurüdtreten des beicheidenen Mannes auch feiner Stellung; der Ruhm fehlte feinem Namen, fein Wunder, daß unter ihm das Kanzleramt in feiner Bedeutung erhebliche Rüdfchritte machte, namentlich auf dem Gebiete der Rechtspfleges). Dieſer Schaden

2 „Audivimus dignissimum cancellarium diem clausisse extremum et tuam providentiam in eius dignitatem provectam,“ jchreibt Piftorius am 10. Februar 1541 an Weinleben. Man. Boruss. a. a. O. Nr. 88.

2) Weinleben unterzeichnete von 1540—1551 entweder nur mit jeinem Namen oder er fügte den „vicecancellarius“ bei. Die zahlreichen Schreiben an ihn aus diejer Zeit find, die privaten wohl ausnahmalos, die offiziellen in der Regel an ben „Kanzler“ gerichtet; auch ſprach man in diefer Weife von ihm. Als Eisleben dem Melanchthon nach dem Tode Luthers unter dem 27. März 1546 fein Beileid ausfpricht, fügt er Hinzu: „Cancellarius noster aegrotus ad nos rediit, namque cum febri tertiana conflietatur; ideoque non potest ipse tibi respondere“ (Manuscr. Boruss. a. a. DO. Nr. 75)

3) Halke, Kammergeriht Bd. I ©. 211 ff. und Bd. II S. fe ©. 30 fi.

Forſchungen z. brand. u. preuß. Geld. VII. 2.

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Zas vorhandene Aftenmaterial beweift, wie forgfältig bis ins fleinfe dinein Wem leben thätig geweien ift: fo fuchte er z. 2. die Einkünfte der Fleinen Altäre an den Stadtkirchen ın Stipendien für Studierende umzuwandeln, ein Yeitreben, bei welchem er troß der Geringfügigleit der Eummen, um die es fid handelte, oft mit hartnädigem Widerftande zu kämpfen hatte.

2) Er Hatte zu verfchiedenen Zeiten mit heftigen Fieberanfällen zu kämpfen.

3) Ter in Seidels Nachlaſſe erhaltene Briefwechſel mit Weinleben zeigt ihn Aberall als ben Mann, defien Unterftübung man fuchte, wenn es fi) um Förderung

525] Die älteften märfischen Kanzler und ihre Familien. 2237

ihn zwar, aber niemals ließ er die Sonne feiner Gunft, welche oft Männern geringeren Wertes ftrablte, auf ihn ſcheinen; Weinleben blieb ein armer Mann, während er auch nur mit erlaubten Mitteln Hätte Reich- tümer aufhäufen tönnen. Der Adel, dem dag Abjterben der fatholifchen Kirche , und zwar nicht nur durch das Eingehen der Domttifter, erheb- lichen Nachteil brachte, und defien Hoffnungen auf Sompenfationen MWeinleben jo bitter getäufcht Hatte, vergalt diefe Enttäufchung mit ehr» Ticher Abneigung. Bethätigte doch Weinleben auch den dem del ge= fährlichen Gedanken jener Zeit, daB der Bauer ebenfalls feine Rechte Habe. Unter feinem Einfluffe begann das Kammergericht mit der ge- nauen Prüfung der bäuerlichen Pflichten; manche ungemeflenen Dienite wurden zu gemefjenen. Diefe Beſchränkung der Herrenrechte empörte aber einen mächtigen Stand, auf deffen Unterftügung der geldbedürftige Fürſt zur Regelung feiner fyinanzverhältniffe angewiejen war. Der Adel, vorab der einflußreiche Euftach dv. Schlieben, fette e8 durch, daB zur gleichen Zeit, al® durch den Tod des greifen Ketwig (1551) die lebte Unklarheit in Weinlebend Stellung befeitigt fchien, ihm in dem Rate Dr. Lampert Diftelmeier ein Adlatus cum spe succedendi an die Seite gefebt wurde, welcher, ala Kandidat der feudaliftifch-kaiferlichen Partei, faſt in allen

der Wiſſenſchaft oder um Erhaltung ihrer Jünger handelte. Er ſtand mit dem Superintendenten Cordatus zu Stendal, dem berühmten Gottſchalk (Abdias) Prä⸗ torius zu Salzwedel, den Profeſſoren der Hochſchule zu Frankfurt in Brief: wechjel; faft jeder Korrefpondent wünſchte feine Befürwortung für Perfonen, welche für Stipendien oder zur Anftelung im Staats- oder SKirchendienfte vor: geichlagen wurden. Auch die Univerfität Wittenberg und einzelne Profefjoren wandten fi hülfefuchend im Frühjahr 1547 an ihn, als der Trud Karla V. ſchwer auf der Hochburg der Reformation laftete. Feder wollte etwas von Weins leben, und der Ton der Bitte zeigt, daß man nur zu bitten hatte, um feiner Für⸗ ſprache ficher zu fein. So tam es vor, daß Abdias Prätorius fi am 27. Juli 1552 unter anderem für einen Ungenannten verwandte, und als der Kanzler ihm verwundert entgegnete, er wiſſe ja nicht, für wen er intercedieren folle, am 24. Auguft 1552 etwas befremdet zurüdjchrieb, er habe gemeint, der Kanzler werbe erraten, daß er den Bürgerjohn Joachim Zernig im Auge gehabt habe! Auch Projektenmacdher drängten fi an den Dann, welcher gern jedem gefällig war. Da fandte ihm ein Eebaftian Röder im Oktober 1556 Mehlproben und bat ihn um feine Fürbitte, daß der Kurfürft ihm Geld für feine neue Erfindung einer Mühle gewähre, welche „nec a vento, nec equis, neque ab aquis agi- tata frumentum conterat“ (Manusc. Boruss. ®d. 201 Nr. 10. 41. 42. 75. 81. 82. 88. 85. 88. 119. 127. 128. 140. 148. Mit den Wittenberger Reformatoren trat er auch in perfönliche Beziehungen. So war er in der fritifchen Zeit nad) Luthers Tode in Wittenberg, da er 1547 feine Koften für die dorthin unters nommene Reife liquidierte (Akten de3 Geh. Staatsarchivs R. 61. 21). 15 *

Dis Fr22z ie [525

Soden Servi EAASaaa mo, ri fa bob völlig ver ner E some ıme SF mir Tremor deshalb den ge urn Irmr? x mim ECC. oem, ot u Iawer. WBeinleben me Tem: peroza: = u vr oe 1550, da er im Lande ur weg cr re Eigen techaen bomte, den Ber I mw Fer Io ze iin Karla ai Roten Elein- ee Krmmmrooy I El weite Ir nicht hindern können, tm zent men opener Organen ſchlecht genug be AH-STT Aotr ECCS. Ser, 2 dad am Ende Die ein ıoze Dog m HT wine em: Hier einzugreiien, war rm re cz Tloo® ; zer se ’n ger Ehre dei Fürſten und Ye Trriser CCCC. AIE.. do beide es verfhmäbten, Kr wa Prinz vos Iso zu berauben. Cr blieb bie ar . TIL NN A Dee möärfiher Kanzler, um dann se Dar wi reine meer neben feinen fonfligen glänzen- nur Sum um Terrier nmmear:$ den Vorpug hatte, daß ihm ber mare Sir Teer az ara Bette, döllig abging und der em ae mt Soldier tue Trlidterrällung bereiteten Summe Sch mlodz Sımı?ı, Roh Weinlebend Tode gavanı zauN Rs Nın mm oem re Inbalt und Gharafter.

Ey Is Ihm rm) Ne womtiie Weinlebens anlangt, fo dr m 7% ıe 133 mi Werzimmte Chne, der Tochter des Treuen⸗ rer Niers gun I 2m) iemer Eheirau Gertrud vermählt?). Sn Eirst des Doms Ci foot am? einer don feiner Witwe am 6 Izii 1533 zusgrtelırm Ooiunng ber 60 Gulden in folgender Form:

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ı Zen Arion: or Beinziebens Thetigkeit auf dem Gebiete der Juſtiz, exe Exr.any m Kzrrüärtea und zum Adel, über Tiftelmeiers Kritik der Ken zoemssiung unter Werzledn m T w. fiche bei Hole, Kammergericht an. US. 14ñ. und S. 30 ñ.

2 Ci war Werrledens Los, daß ihm alle Arbeiten zufielen, welche neben umeuigchrter Thetigkeit ibm feinen Tant erwerben konnten. So bereitete er ach in feinen legten Lebensjahren die Eäfularijation des Bistums Lebus durch die Wabl des Markgraien Joachim Friedrich zum Biſchofe dor Wohlbrüd, Lebus Bd. U S. 34) Auch die Folgezeit hat kaum hinreicheudb erkannt, wie große Verdienſte fi) der Ehrenmann dadurch erworben hat, daß er entjagend, pflichttren und thatlräftig den beften Teil des Vermögen? ber in der Mark abfterberben tatholiihen Kirche für die Zwecke bes Staates nutzbringend gemacht hat.

3) Alten bes Geh. Staatsarchivs R. 61. 21.

527] Die älteften maͤrtiſchen Kanzler und ihre Familien. 229

Einer zu Cölln a. d. Spree am 29. September 1538 im Namen feiner Schwiegermutter außgeftellten Quittung über 200 Gulden drüdte Weinleben fein Siegel bei, welches in der Schildfigur Weinlaub zeigt !). In gleicher Weife ericheint die redende Wappen bei dem und in M. F. Seideld Bilderfammlung erhaltenen Porträt des Kanzler,

Vırn Inaenıo Pri Tıa, Uosssızdo, Ac

Fr»z ınrArnıam, u I TAN sımiLs, Man

run BraumsAnNno3S68- CANCELLANIA» TMLS.20:

Jopann Beinieben.

Aus den Quittungen ergiebt ſich zugleih, daß Hana Ohne dent Kurfürften 500 Gulden geliehen Hatte, welche jährlich mit 30 Gulden zu verzinſen waren.

1) Desſelben Siegels bediente ſich Weinleben auch in der Folgezeit, wie die eben citierten Akten ergeben, bei denen fich mehrere von ihm ausgeſtellte Gehalts- quittungen befinden. Giche folgende Seite.

[538

Barım Küter der yamilie Line das Adelsprädikat „von“ giebt, founte ih wie feſtitellen. Im Jahre 1548 kanite Weinleben Das dem Amtmanu auf dem Müfleunbore und Inrrärfilichen Rate Anton Spiegel gehörig geweſene Sumndrüf (Foittraße 11), anf welches der Kurfürft die vordem auf einem anderen Haufe rubenden Burglehngerechtjame über- tragen hatte. Joachim IL b:ritigte am Montag nad) Laurentius 1548 diejen Rau’vertrag und begnadigte in Anfeheng der mannigfacdden Dienfle, welche der Kanzler ihm und teiner Herrichaft bisher erwiefen, da Grund» ſtück mit dem Rechte, daß die Gattin des Kanzler den [ebenzlänglichen Nießbrauch daran Haben, und daß jeine Kinder ohne Rüdfiht auf ihr Geichlecht in dasſelbe fuccediern und darüber unter Lebenden und von Zodes wegen zu verrügen, berechtigt fein follten. Auf Bitten des Kanz⸗ ler wurden damals fein Bruder Kunz und defien Rachlommen mit ber geiamten Hand am Grunditüd belicehen!). Der ältefte Sohn des Kanz⸗ lers, Johann, wurde 1548 auf der Univerfität zu Frankfurt, und zwar mit Rüdficht auf die Berdienite feines Vaters, unentgeltlich immatrifu- liert?); er trat dann ala Sekretär in den Staatädienft und verheiratete ih Mittwoch? nach Exaudi 1556 mit der ältejten Tochter Anna des Berliner Bürgermeifters Hans Tempelhof des Jüngeren ; bei der Hochzeit verurſachten die Berliner Patrizier einen Tumult, der ziemlich bedeutend gewejen fein muß, da er den Ghroniften jener Zeit für überlieferungawert erſchienen ift?). Zwei Jahre früher Hatte bereit der jüngere Sohn, Joachim, ala Knabe die Landesuniverfität bezogen, welche ihm ebenjo, wie vordem feinem Bruder, die Jmmatrilulationsgebühr erließ). Bei- den Söhnen hatte der Kurfürft, wie dies bei den Söhnen verbienter Beamten üblich war, aus ehemals geiftlichen Stiftungen Kleine Stipendien zugewandt, die indes nicht immer zur Hebung gelangten, da bisweilen bei Hofe anderweit darüber dieponiert wurde). Wichtiger war es, daß

1) Atten des Kgl. Kammergerichts, „Freihäuſer und Burglehne zu Berlin“, feit 1889 im Geh. Staatsarchive.

2) Univerfitätmatrifel Bd. I ©. 106; er wirb ala „filius cancellarıi“ bezeichnet.

3) Schriften bed Vereins für die Gejchichte Berlins, Heft 4 (Chronik von Poſth) S. 13.

4) Univerfitätsmatrifel Bd. I S. 131.

5) Märkiſche Forſchungen Bd. 20 ©. 801.

529] Tie älteften märfifhen Kanzler und ihre Yamilien. 2981

dem jüngeren Sohne eine Domhernpräbende zu Havelberg vom Admis niftrator des Stifts, dem Kurprinzen Johann Georg, Übertragen wurde, welche ihm ein forgenfreies Auskommen ſicherte.

Am 10. Februar 1558 verftarb der Kanzler und fand in der Nikolaikirche zu Berlin feine letzte Nubeftätte, Refte feines jchönen Grab⸗ mals find in derſelben noch Heute vorhanden; eine lateinifche, einfach würdige Inſchrift feierte feine zwanzigiährige Amtsthätigleit am Hofe?). Seine Witwe überlebte ihn bis zum Jahre 1564. Nach dem Herren- Tall des Jahres 1571 belehnte Kurfürft Johann Georg am 21. Sep» tember 1571 den älteften Sohn des Kanzlers, den „Sanzleiverwandten“ Johann, mit drei Fünfteln, und den jüngeren Sohn Joachim mit zwei Tünfteln des Grundftüds in der Poftftraße. Wir erfahren bei diefer Gelegenheit, daß der Kanzler auch drei Töchter Hinterlaffen hatte, von denen die ältefte, Urfula, mit dem Dr. jur. Lukas Hoffmeifter, die zweite, Anna, mit dem Rate Joachim Zerer (fiehe Nr. 3) vermählt war, wäh- rend die jüngfte, Margarete, damals noch underheiratet war. Johann hatte die beiden ältejten Schweſtern, Joachim die jüngjte mit den ihnen zuſtehenden Fünfteln am Erbgrundftücde abgefunden. Die gefamte Hand mutete Kunz Weinleben, der Bruder des Kanzlers, doch wurde der Gattin Johanna der Tebenslängliche Nießbrauch nach dem Tode ihres Gatten zugefichert.

Im Sabre 1583?) verftarb der ſchon Lange leidend geweſene Jo⸗ dann Weinleben unter Hinterlaffung feiner oben erwähnten Gattin, eines unmändigen Sohnes, Namens Johann, und einer Tochter, Anna, die ſich ipäter mit dem Magiſter Ylöring zu Stendal vermählte und im Jahre 1598 aus diejer Ehe einen Sohn und eine Tochter Anna bejaß, welche fpäter mit dem befannteften märkiſchen Rechtögelehrten feiner Zeit, dem Joachim Scheplik zu Pritzwalk kinderlos verheiratet war. Bei dem Mannfalle des Jahres 1583 mutete Donat, Sohn des Kunz Weinleben, alfo der Neffe des Kanzler, die gefamte Hand, und, als auch er im Jahre 1584 verftorben, deſſen einziger Sohn Johann, welcher im Zodesjahr des Kanzlers die Univerfität Wittenberg bezogen®) und fpäter fich in Berlin niebergelafien Hatte. Im Sabre 1599 Teiftete der inzwifchen mündig

1) Küfter, M. F. Seibels Bilderfammlung ©. 48 drudt bie Grabſchrift ab, welche auch fonft häufig überliefert wird. Tas Dentmal beichreibt Ribbed, Weber die neue Einrichtung der St. Nikolaikirche in Berlin S. 67.

2) Holte, Kammergericht Pd. II ©. 183. Ihm war zulegt ein Zeil ber Kanzlei des Kammergerichts unterftellt; doch mußte ihm wegen dauernber Kränklichkeit ein Bertreter beigegeben werben.

3) Märkiiche Forſchungen Bd. 14 ©. 338.

232 Friedrich Holke. [530

gewordene Enkel des Kanzlerd, Johann Weinleben, weldder am 14. Mai 1595 auf der Univerfität zu Frankfurt immatriluliert worden war?) und auch die beiden feinem Onlel, dem Domherrn Joadim, am Erb baufe in der Poſtſtraße zuftehenden zwei Yünftel erworben Hatte, die Lehnspflicht, bei welcher Gelegenheit fein Ontel Joachim und jein Better Johann, Donat® Sohn, mit der gefamten Hand belieben wurden.

Der Enkel des Kanzlers, Johann , ftarb im Jahre 1600, nachdem er mehrere Jahre gegen die Türken in Ungarn ala Soldat in Taifer lichen Dienften gelämpft Hatte, unvermählt in Mähren, jo daß nur der jüngere Sohn des Kanzlers, der Domherr Joachim, von deffen männlicher Nachkommenſchaft noch am Leben war. Auf erfolgte Mutung wurde demgemäß am 17. Dezember 1600 Domherr Joachim mit dem Grund⸗ ftüd und Johann, Donats Sohn, mit der gefamten Hand belieben. Denn ein Berfuch, welchen der oben gedachte Magijter Ylöring am 6. März 1598 gemacht Hatte, für feine Gattin Anna geb. Weinleben, die Schwefter des damaligen Lehnabefiterd, und für feine beiden Kinder mit der gefamten Hand belehnt zu werden, war erfolglos geblieben. Mit Recht; denn die Begründung feine® Gejuches, daß dag Grundſtück nad Art eines feudi feminei Eonftitwiert ſei, alfo auch auf Töchter ge- deihen fönne, war nicht ftichhaltig, weil nach der Begnadigung dom Jahre 1548 da8 Burglehn nur in der Hand der Kinder, nicht aber jpäterer Ablömmlinge des Kanzler diefe Natur Haben ſollte). Der ſchon lange Fränkliche, in Havelberg Iebende Domherr Joachim verzichtete auf die perfönliche Befisnahme des ihm angefallenen Berliner Grund⸗ ſtücks und bevoflmächtigte am 11. Januar 1601 feinen Better Johann, das Haus für ihn in Befig zu nehmen®). Diefer Subftitut war völlig verarmt; vergebens bemühte er fi) am 9. Auguft 1607, die Mitbeleh- nung an dem Lehnabefite feines Vetter, de Domherrn, im Dorfe Wernig in der Priegnik zu erlangen*). Unmittelbar darauf verftarb der Domberr Joachim, und damit war die männliche Nachkommenſchaft des Kanzler erlojchen. Das Burglehn in der Poftftraße gelangte in- folgedeflen in den Befik des Johann Weinleben, welchen der Domberr die Nutznießung desjelben bereit? feit 1601 überlafien Hatte Diefer legte Weinleben war kinderlos verheiratet, und der ihn anbeimgefallene

1) Univerfitätsmatritel Bd. I ©. 315.

2) Nach den oben citierten Hausakten.

3) Alten des Kgl. Kammergerichts „Varia II“, feit 1889 im Geh. Staatä: archive.

4) Echreiben Johann Weinlebens an ben bamaligen Lehnsſekretär Nickel v. Kötteritſch an der eben angegebenen Etelle.

581] Die älteften märkifchen Kanzler und ihre Familien. 288

Heft vom Bermögen feines berühmten Großonkels ſchützte dieſen Epi- gonen vor Äußerfter Not. Der Kurfürſt Johann Sigismund geftattete auch, daß die fchon bejahrte Ehefrau des letzten Lehnsbefitzers den lebend» Länglichen Nießbrauch des Haufes nach dem Tode ihres Gatten haben Tollte, da ihre Verwandten dem verarmten Lehnabefiter 500 Thaler aus Reparaturen geliehen batten!). Der Iette Weinleben ftarb im Sabre 1619, feine Ehefrau, die letzte Trägerin des durch den Kanzler berühmt gewordenen Namens, im Februar 16272).

Stammtafel ber Weinleben. Johann W., Kanzler, F 1558

@ Margarete geb. Ohne, + 1564 Kunz W. ee +) || 2, oe U [UÜU DL ohann W., T 1588 Urfula W. Anna W. Joachim W., Domherr Margarete W. Donat 8, + 1584 Anna geb. Tempelhof J Dr. Hoffmeiſter Nat Zerer zu Havelberg, + 1607 en n W., F 1000 Anna ®. Johann ®., t 1619

» Mag. Flöring ENR.R. rt 1027

Anna Flöring o Joagim Scheplit

1) Unbatierte Bittjchrift bes letzten Weinleben an KHurfürft Johann Sigis- mund; ber Bittfteller fchilbert jeine bürftige Lage und erwähnt, daß feine Ehe⸗ frau bereit 63 Jahre alt fei. (Alten a. a. O.)

2) Nach ben oben citierten Hausakten.

Kleine Mitteilungen.

Alte brandenburgifhe Fahnen und Standarten in Schweden.

Bon T. J. Petrelli, Kgl. Schwed. Hauptmann, fommandiert zum Kgl. Kriegsarchiv in Stodholm.

Im 17. Jahrhundert brachten die fchwediichen Truppen aus den Kriegen in Deutjchland viele Trophäen nach Haufe, die bei ihrem Empfange in Stodholm auf ehrenvolle Weife dem Brauche der Zeit gemäß begrüßt, nachher aber in die Rüftkammer gelegt und der Vergeſſenheit anheimgegeben wurden. Freilich verdienen die Bemühungen eines der Vorfteher der Rüft« fammer, David Casparſſon Kohls (Sohn eines nach Schweden Üübergefiedelten gebildeten deutfchen Edelmannes), bezüglich der Konfervierung jener Tro⸗ phäen der Nachwelt in dankbarer Erinnerung zu bleiben; aber erft mit Karl XI. ſchien eine ernftliche Aenderung zum Beſſeren einzutreten. Der König, deſſen Aufmerkfamkeit fich auf den genannten Gegenjtand Ientte, erließ Ende d. J. 1677 noch während des dänifchen Krieges an das Kriegskollegium ein Schreiben folgenden Inhalts:

„Da es der Ehre und dem Ruhme des Baterlandes angemeflen ericheint umd der Nachwelt zum nachahmenswerten Beifpiel dienen Tann, wenn die Trophäen, welche im Laufe der Jahre den Feinden dei Reiches abgenommen wurden, dem Berfalle entrifjen werden, zumal diefelben teils infolge Alters verweien, teil® durch Ungeziefer leicht zerftört werben tönnen, fo daß mit der Zeit nichts mehr von ihnen übrig bleibt, fo haben Wir für nötig erachtet, Euch Hiermit anzubefehlen, daß ihr bald» möglichft eine genaue Beichreibung über alle Trophäen anfertigen Laflet, daß ſowohl Bahnen, Standarten wie andere ähnliche Siegeszeichen einer Durcchficht unterzogen werden, geordnet nach jeder Schlacht nebft der Angabe, wie viele und welche Trophäen in jeder Schlacht erobert wurden; auch follen durch einen geichidten Maler in der Größe, die auf Papier ermöglicht werden kann, die Farben, Devifen und Inſtkriptionen im Bilde dargeftellt werden, auf daß diefe Abbildungen nachher ein« gebunden aufbewahrt werden können.” .

Unter der Aufficht Erich Dahlbergs des genialen Urhebers des Zuges Über den Belt wurde die Arbeit vom Maler Dlof Hoffmann

236 Kleine Mitteilungen. [534

ausgeführt und das Nefultat feines fleißigen und geſchickten Pinjela be findet fich jet im Königl. Kriegsarchiv. Die Arbeit wurbe noch einen Schritt weitergeführt, ala im Jahre 1685 von einem Nachfolger Kohls. von Eskil Rost ein befchreibender Katalog angefertigt wurde, der freilich ſehr kurz gefaßt und nicht ohne Fehler, aber dennoch von erheblicher Wichtigkeit if. Die Unvollkommenheit der Arbeit fühlte auch niemand lebhafter ala Eskil Rosk felbit, der Schon 3 Wochen nach Abfchluß der Revifion ein Schreiben an das Kriegskollegium einteichte, in welchen: er um einen befieren Aufberwahrungsort für die Trophäen erjuchte, damit fie nach den verjchiedenen Nationen und Kriegdereignifien, von und bei welchen fie gewonnen waren, gejondert, genau befchrieben, gut aufs bewahrt und paffend aufgeltellt werden Tönnten. Das Kriegskollegium, dem da8 Gefuh am 7. Dezember 1685 vorgetragen wurde, beichloß, daß die Sache bis auf weiteres aufgefchoben werden folle. Die Urfache dieſes Beichluffes dürfte darin zu finden fein, daB zu jener Zeit der Bau eines großen Arjenalg geplant wurde, in welchem dann die Fahnen einen pafjenden Pla hätten finden Fönnen. Bevor indeß diefer Plan fih ver- wirklichte, ftarb König Karl XI., und darauf folgte der zwanzigjährige nordiſche Krieg.

Erſt König Oskar II. felbft ein Hiftorifcher Yorfcher, Hat da8 Wert Karla XI. wieder aufgenommen und fortgefeßt. Auf feinen Befehl werden jet die alten Trophäen, die jeit 1817 in der Riddarholmskirche ver- wahrt werden, forgrältig konſerviert.

Sm vorigen Sommer bereit# find aus Deutjchland beim Kriege arhiv zu Stodholm Anfragen nach alten brandenburgifchen Fahnen ein⸗ gegangen. Der Verfafſer konnte damals nur über vier Stüd (Nr. 20— 28), die einzigen, die da8 Inventarium des Jahres 1685 ala ſolche anführt, Aufkhluß geben. Da aber nun Prof. Dr. Naude eine kurze Zufammen- ftellung der brandenburgiſch⸗ preußiichen Ehrenzeichen erbeten bat, if Unterzeichneter diefem Wunſche mit Vergnügen nachgelommen, und es find die nachfolgenden Nummern unter denen ausgewählt, welche früher irrtümlich ala kaiſerliche Fahnen aufgeführt waren. Es ift nicht un⸗ möglich, daB noch einige vorhanden find, welche ala brandenburgifch- preußifche bier Hätten aufgeführt werden müfjen; aber der Verfaffer bat nicht zweifelhafte anführen wollen.

Die unter jeder Standarte oder Fahne ftehende Signatur bezieht fih auf die Sammlungen im Stodholmer Kriegsarchiv.

Il. Standarten.

(1) Weiße Standarte, ungewöhnlich groß mit grauer Stange und durch⸗ brochener Meffingjpibe.

Die innere?!) Seite: Ein gefchloffener Lorbeerkrang in grün und

Silber audgeführt und unten mit goldenem Bande zufammen-

geknüpft. Im Kranze F III in Silder unter einer goldenen Krone.

1) Die Standarte wird an ber rechten Seite mit dem Tuch nad) Hinten ge ragen gedacht.

535) Kleine Mitteilungen. 287

Die äußere Seite: Kranz wie auf der inneren Seite. In diefem G WC in Silber unter einem Kurfürftengut. [XII: 109.]

(2) Standarte von weißem oder ſchwach hellrotem (fleifchjarbenem) Damaft mit weißen Tranfen. Rote Stange. DBergoldete maifive Spike, 2 weiße, große Quaften mit roter Seide untermilcht.

innere Seite: G WC in Silber unter einem Kurfürftenhut mit rotem Kopf und weißer Krämpe.

u y% : FIN in Silber unter einer goldenen Kaijerkrone. IV: 42,

(3) Standarte mit der vorpetgeßenben glei, aber ohne Ouaften und Spike. [IV: 41.]

(4) Standarte gleich der vorhergehenden, aber etwas Kleiner. Dies be- ruht vielleicht darauf, daß das Tuch von neuem auf bie Stange genagelt worden ift. [IV: 45.]

(5) Standarte von fleifchjarbenem Damaft, mit Franſen don derſelben Farbe. Rote Stange.

innere Seite: F III in Silber unter einer Kaiſerkrone in Gold. Aeußere Seite: G WC in Silber unter einem Kurfürftenhut. [IV: 46.]

(6) Standarte mit der vorhergehenden glei. [IV: 44.)

(7) Weiße Standarte mit weißen Franfen; weiße Stange. Sinnere Seite: F III in Gold unter einer goldenen Kaiferkrone.

Aeußere Seite: G W C in Gold unter einem Kurfürftenhut. [XII: 19.]

(8) Standarte von rotem Damaſt mit roten Yranjen und roter Stange. innere Seite: F IH in Silber unter einer goldenen Raiferkrone.

vu a GWC in Silber unter einem Kurfürftenhut. XII: 8.

(9) Standarte von ſchwach Hellrotem (verblichenem?) Damaft mit roten und weißen Franfen. Grüne Stange.

innere Seite: F III in Silber unter einer goldenen Kaiferkrone.

unge 1 G WC in Silber unter einem Kurfürftenhut. X: 81.

(10) Standarte von rotem Damajt mit grauer Stange und vergoldeter Spike. innere Seite: F III in Silber unter einer goldenen Kaiſerkrone.

Aeuige a GWC in Silber unter einem Kurfürftenhut. X: 12.

113) Standerte vcı won Tor mit goldenen und feidenen Franſen.

(14) Standarte von rotem Damaſt mit goldenen und roten feidenen

re dhrite Eiriuete, wczı aber der untere Zeil fehlt

"Zire beider Smart ıIm auf Rügen am 8. Januar 1678

s_ııe Mor zur [5%

Surmure Jun mer Sie, mer? zwei frengweije gelegte Palmer Frege cm wecder Sirer FE WC unter einer Kurfurſten me gem: m Zumarer ı% em gefchlofjener Lorbeer:

!rrı; gem’. Tiger ıi3 Ye Fulmenmweigftänze, und ın de ms one Ri zur Rechten bommender Ara zz zuı wuc prime Schwerte, aut defien Kling: zz eurer ſeraaj weht Ale Malerei ift in Silbe aigeristt Srtüex der Kräzym die Inſchrift: Haæad fesrı um senıem LR: 12.

LK: iz’

ercbert were ker |

Se Sterge werk amt rvergeldeten Ränden an den Riefen. Ir der Were cm edeler. geichleñener goldener Xorbeerlrang ned im deurielbrm ein racter wilder Mann mit blauem, auf den Boden geſtügten Schild in der rechten Hand. In dem Schilde An weritiozgeres Roanogramm FWC in Gold.

In der oberen Ecke am der Etunge: Weiher Schild mit rotem Adler, der au’ der Bruñ einen blauen Schild Bat, in welchem ein geldenes Scepter ñch beñndet.

In der unteren Ecke an der Stange: Blauer (ſilberner) Schild mit rotem Grei nach linfa gewandt.

In der oberen mim Gde: Weißer Schild mit ſchwarzem Adler. Ueber dieſem Schild ende nd ein Fürſtenhut mit Perlen und Apiel geziert. Sie übrigen Wappen haben nur ein:

In der unteren freien Ede: Weiter Schild mit rotem Greit nad rechts gewandt. [L. R.: 1.] |

Franſen. Stange mit vergoldeten Riefen und roten Rändern zwifchen denſelben. Maffive vergoldete Spitze. Bon der Stange geben auf dem Tuche drei breite horizontale Flammen in rotbrauner Farbe aus. Die Flammen, weldde mit Gol gerändert find, gehen beinahe über das ganze Zu. Aui jeder Flamme find drei Wappenfchilde. Die mittlere Flamme | hat in der Mitte einen blauen Schild, in welchem ein au! rechtes goldene Scepter fich befindet. Rechts von biefem Schilde ift ein weißer Schild mit ſchwarzem Adler, und Linie ein gelber Schild mit fchwarzem Greif.” Nur das mittlere und das rechte Wappen haben Kurfürftenhäte, die anderen haben feine Berzierungen oberhalb der Schilde.

53 7) Kleine Mitteilungen. 999

Die Übrigen Wappen find: Sin der oberſten Flamme: Roter Adler in weißem Feld; Seteilter Schild, rot und weiß; Schwarzer Greif in goldenem Schild, ala Mittelpunkt in einem roten Rad. Der Schild von Silber.

Sn der unterften Ylamme: Gefpaltener Schild, weiß und rot; Zwei filberne Schlüfjel in rotem Feld; Ein filbernes Andreaskreuz in rotem

Feld.

Außerhalb der Flammen nach dem äußeren Rande der Standarte Hin find zwei Helme fichtbar, der obere oberhalb mit einem weißen Pelifan und der untere mit einem gelben Sreifentopf mit fchwarzen Flügeln geihmüdt. [L.R.: 2.)

(15) Standarte, der vorhergehenden gleih, mit Ausnahme des dritten Wappen? in der britten Flamme, welches ein filbernes la⸗ teinifches Kreuz auf rotem Felde anjtatt eines Andreaskreuzes hat. Außerdem anſtatt der deine ein Pelikan und ein nadter wilder Mann. [L. R.: 5.]

(16) Standarte, der vorhergehenden gleich, von dieſer jedoch in Bezug aut die Wappen in der erften und dritten Flamme und das dritte Wappen in der mittleren Ylamme welches einen roten Greifen in filbernem Felde vorftellt, ſowie dadurch unterfchieden, daß fie in der oberen äußeren Ede anjtatt eines Bogeld einen wilden Mann bat.

In der oberften Flamme: Roter Adler in weißem Yeld; Schwarzer Greif in gelbem Feld; Goldenes Rad in rotem feld. In der unterften Flamme: Roter Greif in filbernem Feld, nad) links gewandt ; Roter Greif in filbernem Teld nach recht? gewandt; Geſpaltener und geteilter said, ſchwarz und weiß. [L. R.: 3.]

(17) Standarte, gleich der vorhergehenden, mit Ausnahme der Wappen in der erften und dritten Flamme, fowie daß fie anftatt der wilden Männer Greife bat, aufgerichtet und nach recht? ge- wandt mit einem aufrechten Schwert in den Borbertagen ; der obere Greif ſchwarz, der untere gelb. Das dritte ABappen in der mittleren Flamme zeigt einen ſchwarzen Adler in gelbem Feld.

In der oberften Flamme: Roter Adler in weißem Feld; Goldene Rad in rotem Feld; Roter Greif in weißem Feld, nad links gewandt.

240 Kleine Mitteilungen. [538

In der unterften Flamme: Roter und weißer fchadhipielartiger Ballen in gelben Feld;

Drei rote Sparren in filbemen Feld;

Weißer Adler in rotem Feld. L. R.: 4.

(18) Standarte, gleich der vorhergehenden, mit Ausnahme des Dritten Woappens in der oberſten Flamme, wo der Greif nah rechts rechts nn I In den äußeren Eden ein wilder Dann.

L. R.: 6 [Auch die Standarten 13—18 Sollen auf Rügen am 8. Januar 1678 erobert worden fein]!).

(19) Standarte von weißem Atlas mit filbernen und gelben Sranfen. In der Mitte ift ein grüner brodierter Kranz und darauf zwei filberne Rojen. Innen im Sranze ift ein großer in Silber brodierter Degen, und um diejen herum ſteht: F. W. C. Darunter fteft A bonis bona bene. In den Eden And in Silber brodierte Rojen.

Ueber dem Kranze fteht die Infchrift: Tempori parendum.

Unter dem Kranze ftebt die Inſchrift: Sed malo nodo malus cuneus est querendus,

Auf der anderen Seite im Kranze Stehen die Worte: Beiler ehr⸗ lich gejtorben als fchändfich geflohen.

Ueber und unter dem Kranz ftehen die Worte: Mit Freuden daran, mit Ehren davon. [J. 1685 ©. 201.]

U. Infanterie ahnen.

(20) Weiße Fahne, und darin ein grüner, goldgeränderter Lorbeerkranz mit roten Beeren. Bon den Eden und den Mittelteilen des Tuches ziehen fih grüne Orangezweige mit roten Orangen nah innen hinein. In dem Lorbeerkrang ein aufrecht ſtehendes goldenes Scepter, an deflen Spike ein Kurfürftenhut fichtbar iſt. Das Scepter wird von einem in fchräger Richtung nach oben gelegten Schwert durchkreuzt. Um diele Figuren herum jteht innerhalb des Kranzes in goldenen In⸗ ichriften zu Iefen: Tovt Vienta Poinot Qvi Pevt Attendre. Rote Stange. Die Spike fehlt. [III: 34.)

(21) Schwarze Fahne, der Anordnung nach glei mit der vorher gehenden, die Orangenzweige aber lommen nur don den Eden. Anfchrift: Vincere aut mors. Die vergoldete durch⸗ brochene Spitze trägt den Namenszug F. W. [III: 85.]

l) abeiheinlich Haben bie Standarten zu bes Obriften Hülfen ‚negiment gehört. Dal. Relation von dem Treffen ... ben Sten Januarüi . auf der Inſel Rügen. Stralfund, gedruckt burch Michael Meder.

5839] Kleine Mitteilungen. 241

(22) Shwaze sahne, gleich der vorhergehenden, aber mit der Infchrift: Pro Patria. Die vergoldete, durchbrochene Spite trägt den Namendzug F. W. [III: 86.]

(23) Schwarze Fahne, gleich der vorhergehenden, aber mit der Inſchrift: Quo fata trahvnt. Die Spibe ift weg. IIII: 87.]

(24) Weiße Fahne, mit zwei horizontalen Schwarzen Rändern oben, und unten nahe dem unteren Rande noch ein horizontaler ſchwarzer Rand. Nabe der Stange find zwifchen den beiden unteren Ihwarzen Rändern Spuren eines roten Adler mit goldenen Klauen fihtbar. Links von dem Adler ein kleines ſchwarzes Kreuz mit fpigigen Enden. Eiſerne Spike. [VI: 48.]

(25) Blaue Fahne. Bon jeder Ede und von der Mitte jeder Seite gebt eine rote, fpißige, nach der Mitte des Tuches gerichtete Flamme nach innen. Die Spige der Stange durchbrochen. Auf der inneren Seite des Tuches: Ein unten und oben zu⸗ ſammengeknüpfter Lorbeerkranz in Silber, und darin F. IH in Silber unter einer goldenen Kaiſerkrone. Aeußere Seite: Kranz wie inwendig und darin G WC in Silber unter einem Kurfürſtenhut. [IX: 15.]

(26) Lilafarbige Sahne. Bon jeder Ede gebt nach der Mitte des Tuches eine weiße Flamme. In der Mitte des Tuches ein oben und unten gefchlofiener Lorbeerkranz. In demfelben G W C in filbernen Buchftaben und darüber ein Kurfürſtenhut. Braune Stange mit Meffingfpige. [VI: 75.) [J. 1685, ©. 152.] (27) Rote Fahne. Innere Seite mit einem grünen Lorbeerkranz mit filbergeränderten

Blättern und in demfelben F III in Silber unter einer goldenen Kaiferkrone.

Aeußere Seite: Der Kranz gleich; in demfelben G W C in Silber unter einem Kurfürſtenhut. [VIII: 28.]

(28—30) Weitere drei ähnliche Fahnen. [J. 1685, ©. 186.]

(31) Rote Zaitfahne, mit einem Lorbeerkranz in Silber und darin G W C unter einem Kurfürftendut. [J. 1685, ©. 132.]

Forſchungen z. brand, u. preuß. Geſch. VU. 2. 16

242 Kleine Mitteilungen. [50

3ur Bevölkerungsfiatifiik des preußiſchen Staats von 1740—1756.

Don Reinhold Kojer.

Die Volkozählungen, welche nad dem fiebenjäßrigen Kriege im Preußen regelmäßig angeftellt worden find, bieten für die zweite Hälfte der Regierung Friedrichs des Großen eine geficherte Grundlage der Ber völferungsftatiftil. Spärlicher und unficherer ift die Weberlieferung aus den Anfängen diefer Regierung, da die don dem Könige angeorbneten

Zählungen erſt allmählich, umd nicht gleich in der ganzen Monarchie, in Gang kamen!). Dieterici?) Hat fich für diefe Zeit in feinen Zufammen- ftellungen auf die im Statiftifchen Büreau zufällig erhaltenen Liſten und für Schlefien auf die Angaben von Zinmermann?) beſchränkt. Die im folgenden gegebenen Ergänzungen dazu aus der fonftigen gedrudten gitteratur ſowie aus den Akten des Geheimen Staatsarchivs werden unfere Kenntnis einigermaßen vervollftändigen.

Die alten Provinzen und Oftfriesland.

Für den Bevölkerungsſtand des Jahres 1740 Haben wir eine nad Provinzen geordnete Zufammenftellung in den 1791 von Friedrich Ricolai im Berein mit Blandenburg und andern Mitarbeitern anonym beraus- gegebenen Streitichriit , Freymüthige Anmerkungen über des Herm Ritters don Zimmermann Fragmente Über Friedrich den Großen von einigen brandenburgiſchen Patrioten”, Abteilung II, ©. 48:

Preußen und Litauen -. . .. . 603 Ommern > 2 22er. 309 739 mal.» 2 nn. 475 991 ee ren 160 473 Dlagbebu ne 186 226 Del erftabt und Hohenftein . . . 83663 avensberg, Lingen, Zellenburg*) 112 550 Aleve rn 2341 re 11 972 Baht Mat 2 2 22 109 982

Summa 2 136 771 1) Bol. R. Bödh, Die erhictliche Entwidelung der amtlichen Statiftit bes preußiichen Staates. Berlin 1 2) Mitteilungen be —A Bureaus in Berlin, Bd. III. IV. Berlin 1850. 1851. 3) Vgl. unten ©. 544 4) Bipeifellos ift bier auch das Fürſtentum Minden einbegriffen.

541] Kleine Mitteilungen. 243

„Hierzu die beiden Provinzen, von denen keine Ibesie en Liften von

1740 vorhanden find”: Geldern ungefähr!) - - © » 0 “50000 Neufchatel .

ern 34.000 Ganze Summe 2 220 771

Ein Anlaß, die Authenticität der Liſte im allgemeinen, d. 5. die Thatſache einer wirklichen Zählung anzuzweiieln, Liegt nicht vor. Daß im Jahre des Thronwechjeld in der That eine Zählung vorgenommen ift, beftätigt erften® der Minifter Herkberg, welcher „selon les listes qui existent“ die Einwohnerzahl des Jahres 1740, in geringfügiger Ab⸗ weichung von der obigen Ziffer, auf 2 240 000 Köpfe angiebt?), und jodann ein Bericht des Generaldireltoriums vom Jahre 1774, wonach dieſe Behörde wenigſtens für die Kurmark eine JFählungsliſte von 1740 beſaß. Der König hatte unter dem 14. Oltober 1774 Auskunft darüber verlangt, „wie viel Einwohner in dem Churmärkiſchen Bammer-Departe- ment ſowohl vor den dreißigjährigen Krieg ala bey Ableben des Chur⸗ fürften Friedrich Wilhelm und des böchitfeeligen Königes Majeftät ge⸗ weſen.“ Darauf berichtete dag Generaldireftorium am 20. Oktober 1774, daß e8 in einer dem Bericht beigefchloffenen Nachweifung die Seelenzahl für 1617 und 1688 nur nach einer in den Archiven gefundenen Nad}- richt der in der Kurmark gewejenen Häufer und Pofleffionen angeben könne. „Dagegen gründet ſich die Zahl der Menjchen, welche von den Jahren 1740 und 1773 in der Anlage verzeichnet ftehen, auf die ganz accurat deshalb aufgenommenen Seelentabellen.” Die Ziffer für 1740 entipricht in diefer Rachweifung auß dem Sabre 1774 genau der Ziffer für die Kurmark in der Lilte der „Freymüthigen Anmerkungen”: 475 9918), die damit ihre Beglaubigung erhält).

1) Die Zahl iſt zu Hoch gegriffen, da nach Fiſchbach, Hiſtoriſche u. |. w. Beiträge u, * die Einwohnerzahl von Geldern noch FR 42 996 Seelen zug.

5 Huit dissertations que M. le comte de Hertzberg a lues dans les assemblees publiques de l’Academie, dans les anndes 1/80—1787, Berlin 1737, p. 208 Anm. p. 275. Der Berfafler berichtigt in diefer Gefamtausgabe die 1785 gemachte Angabe: 2230 000. Die „Breymüthigen Anmerkungen“ II, 29 geben ala Hertzbergs Zahl 2 225 000; vgl. auch ebend. ©. 33. 2% Millionen werden für 1740 angenommen bei Süßmilch, Die göttliche Ordnung in ben Vers

änderungen des menichlichen Geichlechtd, Zeil III, her. von Baumann (2. Aufl. 1787) ©. 749.

III, 203—205 bie Stabinettsordre vom 14. Oktober 1774 (var auch Büſching,

Ein⸗

präfibent v. d. Gröben 1754 dem Könige einreichte, für 1740 die gertnafügig abs i iſching, Zuverläßige Beyträge

16*

244 Kleine Mitteilungen. [542

Bom Jahre 1748 ab finden fih in den Sammlungen des Sta— tiftijchen Büreaus zu Berlin Zählungsliften für die einzelnen Provinzen. Dieterici hat die Ziffern, welche fie bieten, mitgeteilt ); aber das Material ift für die Zeit vor dem fiebenjährigen Kriege noch unvollftändig , und auch die Ergänzungen, welche einige in der Kabinettöregiftratur erhaltene Sfmmediatberichte der Kammerpräfidenten mir ergeben, füllen die Läden noch nicht ganz aus, wie die folgende Zufammenftellung erjehen Läßt:

Provinzen | 17432) Ä 1753 | 1754

Kurmat. » 2: 2 2 498 615 564 485 |

Neumat. - > > 2 2 2 rn. 171 873 213 820

reußen | und Litauen - > 2 200. 567 366 611 6334) Pommernn. nenne 313 366%) | 3542785) | 368996 Magdeburg mit Halberftadt, Hohenftein 2c.. | 287659

Minden und Ravensberg ren 137 177 162 916 Grafſchaft Mark. re. 110 945 119 168 Kleve, Mörs, Geldern ren 143 430 150 81 Neuenburg - >: 2 ne. | 31 818°)

Für Oſtfriesland figuriert in der amtlichen Zählungsliſte von 1756 die Zahl 92 096°).

Vollſtändiger find die Zählungsergebniffe erhalten, welche das Generaldireltorium für die unter feiner Verwaltung ftehenden Provinzen aus gefonderter Aufnahme der jtädtifchen und ländlichen Bevölkerung gewann). Ich ſtelle die Hauptfumme Hier aufammen und bemerfe, daß für die Jahre 1748 und 1749 nur die Ziffer der untertdänigen Zandbevöllerung vorliegt; in den Ziffern von 1750—1753 find da⸗ gegen die Edelleute, Domänenpächter, Beamte, Verwalter, Förſter, Prediger, Küfter, Schulen, Kölmer und fonftige Freibauern mit ein» begriffen ?). Die Bevölterung von Neuenburg !9) ift nur 17583 mitgezählt.

1) a ukteilungen des ftatiftifchen Büreaus in Berlin III, 211. 228; IV, 230.

2 Für die Kur⸗ und Neumark giebt eterici auch die Zahlen für 1749 bis Apius Zuverläßige Beyträge ©. 52 hat auch bie Zählung von

1755: 3 Nu ählung des Kammerpräfibenten v. Alcheräleben zu Stettin (Seh. ei. Er nn: 1: 8007 9.

4) In en © war 1759 bie Bevöllerung auf 521 223 DMenfchen zurüd: gegangenh vgl. ng ©. had achreale eben. Bei Dieterici fehlt die Zahl für 1758. E einer ‚yälung des Generalbireftoriumd (Geb. St.⸗A.)

„Freymüthige Anmerkungen, II, 57.

8) Geh. Staatardiv.

9) Böckh a. a. D. 6 erwähnt die Kabinettsordre vom 17. bruar 1751, durch nei dig entjpre prechenbe Erweiterungazählung angeordnet wur

Bol

543] Kleine Mitteilungen. 245

Das Ergebnig 2616 567 ala Einwohnerzahl der alten Pro« vinzen und Oftfrieslands in dem Iekten Friedensjahr, für das die voll⸗ ftändige Zählung vorhanden ift fteht mit ben vorher mitgeteilten Ziffern der nad) Provinzen zufammengeftellten lückenhaften Tabelle nicht in Wideripruch ?).

Der Prozentſatz der ländlichen und ſtädtiſchen Bevölkerung ſtellt fich nach Ausweis obiger Zahlen im Jahre 1753 wie 69%/4 zu 30N«®). Dabei entfiel auf die Hauptitadt Berlin von der Geſamtheit der ſtädtiſchen Bevölkerung faft der achte Teil: 97 728 von 791 502%).

Schlefien.

| Die Einwohnerzahl von Schlefien beim Mebergang des Landes unter die preußifche Herrfchaft giebt Stengel?) auf „1400 000” an, Rante®)

-—

1) Darunter Reuenburger: 20 319 Sanbbewo ner, 11494 Städter. Büſching iebt 1792 (Exrbbeichreibung, 5. Aufl., X, 697) ald Einwohnerzahl von Neuens urg 39 642 Menichen.

2) Zunahme der alten Provinzen (aufer a und Oſtfrieslands von

1752 auf 1754 nad ber el Zabelle: x erften Tabelle fi u: tieren für 1758 diefelben ae ohne Preußen unb —— mit 1925 nimmt man dazu die preußifche ie l von I (el ) und bie oftfriefi che Zahl für 1756 (92096), Ik ergieb Bd ein Mehr von 43 gegen die Zahl des Vorjahres aus ber Gohflänbigen Ta elle eine Ziffer, bie nach einem Kleinen Abzug für Oftfriesland und einem flarfen Mehranta für Preußen, Litauen ſich um; erheblich nach oben verfchieben, aber allerdings hinter der oe Zvermehrung von 1752 auf 1753 etwas zurüdbleiben würde. JH, N 864 betrug das Berhältnis in der Monarchie wenig verändert 68,93 : al Ki 2, fl. Schmoller in ber Zeitichrift für Preußiiche Geichichte X, 298). 4,6 1754 hatte die Givilbevöllerung von Berlin das erfie Hundert taufend —e Der Polizeipräfident von Kircheiſen berichtet am 22. Der ember 1754 an ben König. die Bevölkerung der hauptftabt babe a gegen das orjahr um 2375 Köpfe vermehrt und betra J jetzt 100 103: „jodaß Ew. Königl. Majeſtät allergnädigfte Abſicht und vor Jahren mir ertheilte böchlte Beiehle, nach welchen diefe Vermehrung bei bem Civil⸗Stande erft ind für Jah erhoffet worben, een bereite erfüllet find" (Geh. St.A.) Unter —* 00 103 Einwohnern befanden ſich * Franzoſen, 1305 Böhmen, 2510 Juden. Die Militärbenölferung zählte nach dem Smmebiatbericht de8 Gouverneurs dv. Meyerind von demjelben 22. Dezember 1754 25 255 Seelen. Bal. unten S. 547.

5) Stenzel, Geichichte des —* Bilden Staat IV, 187, Hamburg 1851.

6) Ranke, Neun Bücher preußiicher Geſchichte IL, 457, Berlin 1 (in den

beiden jpäteren Ausgaben 1874 und 1879 wiederholt\.

246 Kleine Mitteilungen. [544 auf „wenigſtens 1200000”. Beide Ziffern find indeß zu Hoc ge

griffen.

Allerdings, ala die Behörden der neuen Provinz auf WBeranlaffımg des Königs der Bevölkerungsſtatiſtik ihre Aufmerkſamkeit zuwandten, ge langten fie zunächft in ihren Berechnungen zu noch größeren Summe.

Eine Lifte der Geborenen und Geftorbenen, welche der DOberpräfident der beiden fchlefifchen Kriegs- und Domänenlammen, Jocchim Ewald dv. Maflow, am 10. Yebruar 1754 dem Könige einreichte *), enthielt für Bo Kirchenjahr von Advent 1752 big Advent 1753 als Ziffer der

eburten

als Ziffer der Todesfälle

58 276,

41.080.

Wenn man die Anzahl der Geborenen, bemerkte dazu Der Bericht erftatter, „nach Anweifung des Süfmilch“ ?) mit 33”/s multipliciere, fo ergebe ſich als die Sefamtzahl der Lebenden Einwohner (vom Eivilftande)

1 942 533.

Für das folgende Jahr gelangte Maſſow nach derjelben Methode bei 60 494 Geburten und 42 543 ZTodesfällen zu der Annahme einer Bevölkerung von

2 016 466 Seelen.

Die erfte Zählung der bürgerlichen Bevölterung Schlefiena bat dann in dem lebten Friedensjahre flattgefunden, und nach dem Kriege find die Zählungen fortgefeßt worden. Ueber die Ergebniffe Liegen mehrere Tabellen von größerer und geringerer Bollftändigfeit, fonft faft überein⸗ ftimmend, vor; die eine in Nicolai® „reymüthigen Anmerkungen“ II, 55 (1791), eine andere in Büfchinge Magazin für die neuere Gefchichte und Geographie X, 515 (1776) und in desfelben Verfaffers Erbbefchreibung X, 746 (5. Aufl. 1792); eine dritte bei $. A. Zimmermann, Beyträge zur Beichreibuug von Schlefien XII, 325 (Brieg 1795) und daraus dei Dieterici, Mitteilungen des ftatiit. Büreaug IV, 1689).

(Bgl. Tabelle ©. 545.)

Danach darf die Zahl 1162 355 für das letzte Friedensjahr ald ge fihert betrachtet werden ?).

Nur von diefer Zahl aus werden fi Schlüffe auf die Volkamenge im Zeitpunkt der preußifchen Befigergreifung machen Iaffen. Gegen Mirabeaus Annahme von 1300 000 Einwohnern für 1740 wenden fid die „Freymüthigen Anmerkungen” (II, 54. 55) mit dem Einwand, daß

1) Geh. Staatsarchiv.

2) Thatſachuich nahm Süßmilch für die Geſtorbenen, und zwar für die Mittelzähl der Geſtorbenen, ben Multiplikator 36 an (wogegen Bäjching, Veyträge S. 18 Anm. Einwände erhebt), während er an Geburten je eine auf 26 Menſchen rechnete.

3) Dieterici citiert das Zimmermannice Merk irreführend nach dem Zwiſchen⸗ titel Bd. XII, 243: „Einige allgemeine Nachrichten von Schlefien.”

4) Baumann bei Süßmilch III, 721 Anm. (2. Aufl.) rundet nach unten

hin ab: 1162000.

545] Kleine Mitteilungen. 247

wenn 1756 der Zählung zufolge nur 1162355 Menfchen in Schlefien waren, 1740 „wohl nicht völlig 1000 000 Menfchen” geweien fein fönnen. F. A. Zimmermann (Beyträge XII, 325) Hat die nicht näher zu Tontrolierende, aber annehmbare Zahl 1109246; König Friedrich giebt 1779!) für 1740 1100000 an?).

Nicolai ; Büſching Zimmermann

17563) | 1162355 | 1162355%)| 1162855 1763 | 1116267 1764 | 1111961 17655) | 1138 750 1193 041°) 1766 | 1183996 1767 | 1259 648 _ 1768 | 1265713 | 1265 713 1769 | 1314681 | 1314681 1770 | 1927678 | 1927678 1771 | 1334818 | 1334818 1772 | 1340175 | 1840 175 1773 | 1334410 | 1334410 1774 | 1345877 | 1345877 1775 | 1972754 | 1972754 1372 754 1776 | 1389285 _ 1777 | 1408617 1781 | 1420181 1785 _ 1 680 932 1794 1 793 509

1) M&moires depuis la paix de Hubertsbourg jusqu’& la fin du par- tage de la Pologne, (Euvres VI, 82.

2) Ranke a. a. O. ift zu feiner Annahme (für 1742) mindeftend 1 200 000 (vgl. oben ©. 544) dadurch geübrt worden, baß er die Büſchingſche Tabelle, denn nur fie kann feine Quelle fein, nicht in dem richtigen Abdrud der „Sabbeihreibung fondern nur in dem des „Magazına“ mit der irrigen Zahl 1372 754 für 1755/56 (vgl. unten Anmerkung 4) benußte; die Schägung der außerdem bei Ranke an- iketen Handichriftlihen „De nation ber im Sande Schlefien exkluſive ber

arnifon befindlichen Perfonen” 1240 540 bat feinen höheren Wert ala die oben im Text wiedergegebenen Berechnungen Maſſows.

3) Büſching Hat überall das vorangehende Jahr, was fi daraus erklärt, daß das Etatsjahr von Ende Mai bis Ende Mai lief und dat auch die Zahlungs: Iiften Ende Mai eines jeden Jahres geichloffen wurden. Vgl. Freymüthige Anz merkungen Il, 55 Anm. 1.

4) In der Lifte des Büfchingfchen „Dlagazin” findet ſich ftatt deſſen die auffällige iffer 1372 754: es iſt einfach die Ziffer des lebten Jahres der Ta- belle (1774/75), die per ein Verſehen bes Setzers oder fchon bes Schreibers aus der unterften Reihe auch in die oberfte gefommen if

5) Nach einem Immediatbericht des Oberpräfidenten v. Schlabrendorff vom 2. Eeptember 1766 (Geh. St.⸗A.) zählte Schlefien Ende 1765 noch 37309 Ein: —8 weniger als 1756. Danach müßte ſich die Bevölkerung im Laufe des Jahres 1756 nach dem 31. Mai, auf den ſich die Zahl der obigen Tabelle be: zieht, noch erheblich vermehrt haben. 1763 fanden Geburten und Zodesfälle nadezu im umgelehrten Berhältnis eines normalen Jahres: 47259 Geburten; 62.393 Todesfälle.

6) Wie fih von felbft verfteht, irrig.

dragen wir mch dem mumertichen Serhältuts der Stonfeifionen, de Ratrkeliten ums Guamgeiichen in Schleñen, ſo beichränft fich Büſching Gräbektreiiumg I, 5) ı5. Url) amt die Angabe: „Daß die evım gelichen Grzweirer ihfreicher and, ala Die Latholikchen: , erhellet aui

Sie MRilitärbevöllerung.

Die Zahl der Kombettanten des preußiſchen Heeres belief fich im Jahre 1739 awi 77 065°), wobei die fog. Lanbregimenter ober neuen *) wicht einbegriiten waren. Sie mitzählend, giebt der Im-

icht des Generalmajor ». Maſſow vom 10. Januar 1748°) für 1740 die Zahl 83 864 am.

Zwei Liften aus dem Jahre 1744 enthalten, in unbebeutender Ab⸗- weichung bon einander, die Ziffern 138 420 und 142 714; der „Neue Stat für 1751” mũhrt 132 000 Mann aui. In dem Bolitifchen Teſta⸗ ment von 1752 giebt der König 135600 an*). Zwei im Ausland gedrudte, nichtamtliche Liften?!), der „Etat der Truppen Ihro Königl. Majeftät von Preußen“ von 1752 und die „Berbefierte und vollftändige Lifte der Preußifchen Armee“ von 1753, beredinen, die Iektere zu hoch

tfend, 130 000 bezw. 146 000 Mann. Zählen wir die noch vor Ausbruch des Krieges neu errichteten vierzehn Garniſonregimenter umd

Hi

»

1) rl Radriäten über Echlefien. Bom Berfafier der Nachrichten über Pohlen und Böhmen. ECalzburg 179, S. 48.

2) Bol. Ecmann in Publitationen ans den preußischen Staatsarchiven I, 439

Anm., wo aber die Gefamtbevölterung des Staates zu hoch angenommen wird. ke Rd am der von Lehmann in der Hiftoriichen Bei chrift LXVIL, 286 mit’ ge ifte.

4) Bol. Shwark, rganifation und BVerpflegung der preußifchen Land- milizen im —— Kriege S. 9 at und jocialwiftenfchaftlice Forſchungen, ber. von G. Schmoller Bd. 4).

5) Militärwochenblatt, Jahrgang 1840 €. 37 fi. Bol. Midzellaneen zut Geſchichte Friedrichs des Großen ©. 479. Webrigend zählten die „neuen Garzt- jonen‘ nach bem Generalftabswert „Die Kriege Friedrich des Großen“ I, 73 nur

Mann.

6) Die „Geichichte des fiebenjährigen Krieges” (von ben Offizieren bes großen Generalftabes) I, 20 jagt ohne Cuellenangabe, ber Friedensſtand vor der Aug: mentation von 1755/56 ſei „etwa 135 750° Mann geweien.

7) Bol. Droyfen, Gefchichte der Preußifchen Politik V, 2, 299 Anm., wo Zeile 2 der Drudfehler Auguft 1745 für 1744 ſich von ſelbſt berichtigt.

8) Ebend. V, 3, 18 und Kahn, Geichichte ber Priegawiflenfehaft II, 2221.

.d. Gansauge, Das brandenburgifch = preußifche Kriegsweſen,

9) Bol. Berlin 1888, 130.

547] Kleine Mitteilungen. 249 die damals erfolgten Verſtärkungen der beftehenden Cadres mit!), fo beftand das Heer zum Schluß der Friedenszeit etwa aus 150 000 Ber waffneten.

Nun jagt Graf Herbberg?) 1785, daß manche Regimenter mehr Weiber und Kinder al Kombattanten hätten: man dürfe bejtimmt an« nehmen, daß das preußifche Heer bei 200 000 Kombattanten (1785) mit Weibern und Kindern auf 400 000 Köpfe komme. Die Berechnung iſt indeß unzutreffend; ſchon das Beiipiel, das Hertzberg wählte, ift falſch. Er giebt an, daß die Berliner Beſatzung, aus 24000 Kombat⸗ tanten beftehend, mit Weibern und Kindern die Zahl 60 000 erreiche: thatfächlich belief fich zwar die Gefamtzahl 1786 allerdings auf 60 000; das Berhältnig der Kombattanten zu dem Yamilienandang war aber gerade umgekehrt: 33 572 Aktive zu 27105 Weibern und Kindern). In ähnlichem, aber die Annahme Hertzbergs noch weniger beftätigenden Berhältnis zählte 1754 die Berliner Garnifon, bei einer Geſamtſtärke von 25 255 Köpfen, 16 317 Offiziere und Mannfchaften und 8938 Frauen und Kinder‘).

Man wird fomit für diefen Yamilienanhang doch nicht viel mehr ala zwei Drittel der Kombattantenzahl anfegen dürfen, und demnach

möchten wir auf die ungefähr 150 000 SKombattanten von 1756 mindeftens an die 100 000 Weiber und Kinder rechnen.

Zufammenfajfung.

Alte rovinzen und Oftfriesland 12 . 2616 567 n

een > > .. 756 . 1162855 Militärbevöllerung. -. - . » 1756 . 250000

4 028 922

Die Vermehrung der alten Provinzen bis 1756 in Anfat gebracht, wird für das letzte Friedensjahr die Geſamtbevölkerung nicht unter 4100 000 angenommen werden dürfen, felbft wenn bei den amtlichen Aufnahmen Hier und da Doppelzählungen vorgelommen jein follten ®).

König Friedrich beziffert in dem Politifchen Teftament von 1752 die Bevölkerung des Staates auf 5 Millionen Seelen, im Eingang feiner Geſchichte des fiebenjährigen Krieges (CEuvres IV, 4), wohl die Ver⸗ mebrung von 1752 bie 1756 in Anja dringend, gar auf 5 300 000;

l) air des fiebenjähri en Krieges (Generalftabäwert) I, 19: Die

anze Augmentation joll aus 18 ann beftanden Haben. Bol. aud) Poldtifde Rorrelponbeng Zriebriche des Großen XIII, 100 Anm.

) Huit dissertations 2 202.

3 Dal. die Ziffer für 1786 bei Schmoller, Das Städtewejen unter Friedrich Wilhelm I. (Zeitfchrift für Preußiiche Geſch. X, 300). Geh 4 I pediat ericht des Generals v. Meyerinck vom 22. Dezember 1754

5) Dal. Fiſchbach, Beyträge IL, 1, 131; mit Hinblick auf bie Erſcheinun

daß in Oftfriesland 1755 25 912 ftädtifche Einwohner, 1780 nur 24 679 neähll worden find.

250 Kleine Mitteilungen. [54

er befand fich ſomit in ähnlichen Slufionen, wie fein ſchlefiſcher Oberprir dent ?), defjen Angaben ihn in feinem Irrtum bejtärken mußten. So ſchaͤn er auch die Bevölterung von 1740 zu hoch, wenn er (CEuvres II, 1) ve etwa 3 Millionen jpriht. In der 17783 verfaßten Yortfegung fein. Memoiren (CEuvres VI, 74) giebt er für 1756, der Wirklichkeit nähe fommend, die Zahl 4500000°); diejeibe Zahl findet ich in dem Po Litifchen Teftament von 1768 ala gegenwärtiger Beitand angegeben.

Die Stärke des Finckſchen Armeckorps bei Maren. Bon Mar Immich.

Ueber die Urſache und den Verlauf der Maxener Kataſtrophe find wir jebt durch die Unterfuchungen von Georg Winter und Ludwig Mollwo ziemlich genau unterrichtet). Nur die Frage nach der Stär bes Finckſchen Armeekorps Hat in den genannten Schriften noch nidt genügende Beachtung gefunden, und doch ift unzweifelhaft die Henntms der ri von Bedeutung für eine richtige Beurteilung bes Er eignifjes.

Die erfte Angabe über die Stärke de preußifchen Korps findet fid in einer Relation, welche der Wiener Hoj wenige Tage nach der Kapitu- lation auf Grund des von Feldmarſchall Daun überfandten Berichte veröffentlichte). Die Zahl der in Gefangenfchaft geratenen Truppen wurde darin zu 549 Offizieren und 12000 Dann angegeben. ine Erwiderung von preußifcher Seite behauptete dagegen, das Korps habe anfänglich aus nicht ganz 8000 Dann und am Tage der Kapitulation nur noch aus 3700 Dann beftanden?). Darauf publizierte die öfter reichifche Regierung ein Verzeichnis der Gefangenen, das die Difigiere mit Namen, die Mannfchaften nach Bataillonen und Esladrong auf führte). Die Summe ber preußifchen Gefangenen betrug danach 14 922 Dann. Hiermit war jedoch der Streit noch nicht beendet. Es erichien wiederum eine Entgegnung, die zwar die Gefangennahme von

1) Bal. oben ©. 246.

2) Schon Büfching, Zuverläßige Beyträge ©. 166 hat auf den Widerſpruch. ber ala eine Celbftberichtigung zu betrachten ift, aufmerkfam Ar

3) Winter, Die frie Sgelchichtliche Ueberlieferung über Friedrich den Großen, £ritifch geprüft an dem Beiſpiel der Stapitulation von Maren. (Hiftor. Unter fuchungen, herausgeg. von Jaftromw, Heft 7), Berlin 1888. ollwo, Die Kapıla lation von Maren, Marburg 1893; bel. hierzu die Anzeige in For. VI, und die Bemerkungen Treufh dv. Buttlars Forſch. VIL ch 217.

4) Danziger eiträge Centräge zur neueren Staate- und Kri ichte, Danzig 1756—63) IX, 52. Bol. Arneth, Geſchichte Maria Thereſias 1.

5) Schreiben eines preuilen Offizier? aus dem Lager bey Wilsdruf vom 10. Tezember. Danz. Beitr. IX, 472,

6) Danz. Beitr. IX, 80.

549] Kleine Mitteilungen. 251

18 Bataillonen und 35 Eskadrons und der namentlich genannten Offi- ziere als richtig zugab, die in dem Verzeichnis angeführte Zahl ber Ge- meinen jedoch für erdichtet und viel zu Hoch gegriffen erflärte!).

Auch Fincks eigene Ausſage fteht mit der Angabe des öſterreichiſchen VBerzeichnifies im Widerſpruch. Vor dem Kriegägericht, das im Jahre 1763 zur Unterfuchung feines Verhaltens eingefeßt wurde, erflärte er, daß der Reſt feines Heeres bei der Gefangennahme außer dem 1800 Dann Starten Detachement des Generals v. Wunfch nur noch 5071 Dann gezählt Habe), und in der Denkſchrift, die er nachher über fein Verhör vor dem Kriegsgericht niederſchrieb, bezifferte er die anfängliche Stärte feines Korps auf nicht ganz 12 000 Dann, von dieſen feien aber bei Abſchluß der Kapitulation nur noch 7000 und etliche Hundert vorhanden geweien?).

Die fonft noch erhaltenen Stärfeangaben find von geringem Wert, jo daß wir fie nicht weiter zu beachten haben und uns auf eine Unter- Tuchung der vor allem in Betracht kommenden Angaben Fincks und jener Öfterreichiichen Tabelle beichränten können *).

Die Ausfage Finde erwedt Bedenlen. So wertvoll auch das Zeugnis des kommandierenden Generals ift, man darf nicht vergefien,

1) Tanz. Beitr. IX, 475.

2) Nach den don dv. Schöning (Der Viebenjäbrige Krieg II, 195) mitgeteilten Auszügen aus den Alten des Kriegegerichte. Die Akten jelbft find nicht wieder aufzufinden. Uebereinftimmend lautet der Bericht Zietens über dad Verhör, abs gedrudt im Anhang bei Winter.

3) Preuß, Se ber Große II, 428; Winter a. a. O. Anhang.

4) Die erfte eingehende Tarftellung der Kapitulation gab Zielfe in feinen „Beiträgen zur Kriegskunſt und Seſchich e des Krieges von 1756—1763. Bd. I*. Ten Streit über die Zruppenftärfe ließ ex unentichieden. Das Journal, das in der „Sammlung ungedrudter Nachrichten” (II, 591—608) veröffentlicht wurde, bes zifferte den Reft der ‚ufanterie bet der Kapitulation auf nur 2836 Mann, eine Zahl, die für 18 Bataillone unzweifelhaft zu niedrig ift, wahrfcheinlich auch auf einem Mikverftändnis beruht und nur einen Zeil der Infanterie bedeuten foll. Ein jüngft von Graf Lippe veröffentlichte, von einem Nichtpreußen herrührendes Sournal aus dem Ende des vorigen Jahrhunderts (Deutſche ggeeresgeitun 1894 Nr. 4) giebt 10000 Gefangene an. Gaudi fchäßte Fincks orps auf 10000, Retzow auf 15 000 Mann. Tas preußifche Generalftabawert (III, 198) verfuchte ohne Rüdficht auf die Meberlieferung die Stärke der Armee durch Berechnung zu ermitteln; ed nahm da3 Bataillon zu 550, die Eſskadron zu 100 Mann an und am jo zu der Geſamtſumme von 13000. Dies Verfahren ıft jedoch zu verwerfen, denn die Bataillone und Eskadrons Hatten von vornherein ungleiche Stärke. Die Berehnung ift in dieſem Fall ganz beſonders wiltürtic, weil einige der bei Maren beteiligten Bataillone gar nicht uelpelnglich ala Bataillone formiert waren, jondern die Refte ber ganzen bei Kunersdorf dezimierten Regimenter bildeten und nur als Bataillone gerechnet wurden. Andere Regimenter galten in dem Feldzug dagegen nur jehr wenig eingebüßt. Wenn dennoch, wie fi nad)» her zeigen wird, die auf ſolche Weile gewonnene Jah der richtigen nahe fommt, fo kann dies doch nicht die Berechtigung eines ſolchen Verfahrens beweifen, das aud bei andern Stärkeunterfuchungen mit Unrecht angewandt worden iſt. Dem Generalftabawerf find die en preußifchen Darfteller gefolgt. Die öſterreichiſchen Gerrini in ber öfterreichifchen militäriſchen Zeitſchrift Wien 1841 unb Beiträge zur Geichichte der öfterreichifchen Kavallerie, 2. Lieferung, Wien 1881)

ielten an ber Zahl der Lifte 14 eft oder gingen, wie Arneth, auf Dauus eriht zurüd, der über 500 Offiziere und 120 ann nannte.

952 Kleine Mitteilungen. [5%

daß er in diefem Yall Partei war. Er Hatte ſich vor dem Kriegsgerich: zu rechtfertigen, und es lag alſo in feinem Intereſſe, die Zahl der ihm unterftellten Truppen möglichjt niedrig zu beziffern. Biel wichtiger die von den Defterreichern bekannt gemachte Gefangenenliſte. Auffallender Weiſe ift diefer bisher kaum irgend welche Berüdfichtigung zu teil ge: worden, und zwar allein deöwegen, weil ihre Richtigkeit in einer preußifchen Gegenſchriſt angefochten wurde. In der That lag es Für den Wiener Hof jehr nahe, in den Zeitungsartileln zur Mehrung Des Triumphes die Zahl der gejangenen preußifchen Truppen zu erhöhen. Aber auf preußiicher Seite beitand ein nicht minder großes Sintereffe, den Unglüdafall der Deffentlichleit gegenüber jo harmlos wie möglich Hinzuftellen und die Stärke des gefangenen Korps niedriger anzugeben ala fie wirklich war. Die preußifche Entgegnung bietet feinen ausreichenden Grund, um, wie biöher gejchehen, das djterreichiiche Verzeichnis gäuzlich zu deriwerfen.

In der Sammlung der Manuscripta Borussica der Koniglichen Bibliothek zu Berlin befindet fich eine zweite vollftändigere und beffer fpezialifierte Lifte), die meine® Wiſſens noch nicht bekannt ge- worden ift. Sie ift einer Relation über Maren, die im wefentlichen mit dem Bericht in der „Sammlung ungedrudter Nachrichten“ überein- ftimmt, beigefügt und trägt die Ueberſchrift: „Commissariatsche Revisions- Tabelle über denn Effectiven Stand derer vom 21. Novembr. Bey Maxen in Sachsen in der Kaiferlichen Gefangenfchafft gerathenen Königl. Preusche Trouppen de Dato Respective Aussig und Ruhmbourg in Böhmen d. 25. Novemb. 1759.” In diefer Tabelle find bei allen Bataillonen und Eskadrons die Gefangenen nach ihrem Range ala Feldwebel, Wadht- meifter, Sergeanten, Korporale, Spielleute big hinab au den Gemeinen, Knechten und Profoffen aufgeführt. Auch die Artilleriemannjchaften find einzeln nach der Rangordnung als Feuerwerker, Bombardiere u. j. w. verzeichnet, und ebenfo find die zum Unterjtab, Proviantdienft und zur Feldpoft gehörigen Perfonen angegeben. Die Geſamtſumme der Ge- fangenen beträgt mit Einfchluß der Offiziere und 745 Verwundeter 14 923 Mann. Bergleiht man die einzelnen Zahlen mit denen des publizierten Berzeichnifjes , jo zeigt fich vollftändige Uebereinfiimmung bi8 auf einen Mann, den lebteres weniger bat. Es liegt alſo in diejer Tabelle eine Abfchrift jener djterreichifchen Xifte vor, nach welcher der von Öfterreichifcher Seite publizierte Auszug angefertigt wurde.

Es gilt nunmehr nachzuprüfen, ob diefe Tabelle autbentifch ift und ob fi Anhaltspunkte finden, die ihre Angaben ala zutreffend erjcheinen laſſen. Zuvor fei bemerkt, daß die Abſchrift einige Schreib» und Rechen- fehler aufweift, die aber für dag Endrefultat eine kaum nennenäwerte Differenz ergeben und folglich unberüdfichtigt bleiben können ?).

1) Man. Bor. fol. 1015. In dem K. und K. Kriegsarchiv in Wien befinbet ſich in 6 emplar dieſer ae londern nur ein Auszug, ber faſt ganz mit dem verdffe gtii ten identisch ift.

Sin dem Auszug im Wiener Kriegsarchiv und in ber gebrudten Lifte be: ägt de Sefamtjumme 14 922 Mann. In erfterem fehlen zwei Mann Kavallerie, end ein Ingenieur mehr genannt ift, in lekterer ift ein Artillerift weniger.

551j Kleine Mitteilungen. 258

Für die Glaubwürdigkeit der Lifte jpricht zuerft ihre Ausführlich- Leit und die bis ins einzelne durchgeführte Spezifitation. Denn wenn man auc im allgemeinen den Grundfaß feithalten muß, daß Genauig- keit in Zahlenangaben noch keineswegs die Nichtigkeit verbürgt, jo wird man in vorliegendem Yall doch eine Ausnahme machen müfjen. Es ift überaus unwahrfcheinlich, daß alle jene Zahlen erfunden fein follten, wie die preußifche Entgegnung behauptet; man müßte fich öſterreichiſcherſeits das Bergnügen gemacht haben, bei allen Bataillonen und Schwadronen beliebige Zahlen für jede Charge Hinzufchreiben, was kaum anzunehmen ift. Andererfeit3 mußten doch die öfterreichiichen Kriegskommiſſare auch eine richtige Aufftellung der gefangenen Truppen machen, ſchon allein mit Rüdfiht auf Unterbringung und Verpflegung der Gefangenen, und e3 ſcheint viel glaublicher, daB in unjerer Lifte eine Abſchrift einer folchen richtigen Kommiffariatzlifte vorliegt‘). Dazu kommt noch, daß die Zahl der Regimenter und der Offiziere preußifcherfeits als richtig an⸗ erfannt ift. Beftritten wurde nur die Zahl der Gemeinen; dieſe haben wir nunmehr genauer in® Auge zu faflen. Die preußiiche Gegenfchrift führte zur Widerlegung an, daß die NRegimenter nach jo vielen blutigen Scharmützeln und Schlachten am Ende des Feldzugs nicht mehr fo ſtark gewejen fein könnten, wie die Lifte angäbe. Diejer Einwand ift indeß baltlos. Beſonders blutig und verluftreich waren in jenem Feldzug die Schlachten von Kay und Kunersdorf. Don den bei Maren gefangenen 85 Schwabronen haben aber bei Kay nur fünf und bei Kunersdorf nur zehn mitgelämpft. Die Infanterie war allerdings zum größeren Teil an jenen Schlachten beteiligt; gerade aber diefe Bataillone zeigen auch einen auffallend niedrigen Beſtand. Prüfen wir der Reihe nach die in der Lifte genannten Zablen.

Die vier Grenadierbataillone Benedendorf, Willomey, Kleift und DBillerbed werden zu 340, 305, 398 und 519 Mann, die Offiziere zu⸗ gerechnet, zu 355, 321, 412 und 537 Mann angegeben. Die Sollſtärke der beiden erftgenannten Bataillone bei Beginn des Jahres 1759 war 702 und 782 Dann ohne Weldfcherer und Zimmerleute; das Bataillon Kleift erhielt während des Teldzuges eine andere Zujammenfegung, in welcher Stärke, ift nicht befannt?). Dieje drei Bataillone haben weder bei Kay noch bei Kunersdorf mitgefochten, und für Maren felbft iſt als Berluft nicht viel in Anrechnung zu bringen; die Zahl der Zoten und Verwundeten bei Maren war nur gering, zufammen etwa 1000 Mann, und die in dem Gefecht und während der Nacht in Gejangenfchait ge» ratnen Mannichaften find in jene Zahlen mit einbegriffen. Nicht un» beträchtlich muß der Ueberlieferung nach die Zahl der Deferteure geweſen fein, doch litten unter der Defertion bauptfächlich nur die Regimenter

1) Diez beftätigt ein Vermerk auf dem Eremplar im Wiener Kriegsarchiv, der als Einfender ber „Revifionsliften” bie Feldkriegskommiſſare Wallinger in Rumburg und Langon in Außig nennt.

2) „Senaued eeihniß wie far die Königl. Preußiche Armee zu Anfang des Jahres 1759 geweien* in der Eammlung ungedrudter Nachrichten V,437. Das Verzeihnid, dem Herausgeber der Sammlung von hoher Hand zugeftellt, erweift ich, foweit ich e3 prüfen konnte, als zuverläffig.

254 Kleine Mitteilungen. [552

Zaftrow, Grabow und Rebentiich, in welche viele öfterreichifche, ſaãchniich und ruffiiche Kriegägefangene eingereibt waren. 63 ift daher gar nich unglaublich, daß die drei Bataillone bei der Gefangennahme noch dw oben genannte Stärte hatten. So war zum Beilpiel der Beſtand Ber Srenadierbataillone Kleiſt, Petersdorff und Burgadorff im Auguft 1758 vor der Zorndorfer Schlacht 689, 702, 498 Dann, der Bataillome Krempow, Wedel und Rohr, welche den verluftreichen mähriſchen Tyelb- zug mitgemacht hatten, noch 544, 531 und 417 Mann!). Im Ber glei mit diefen Zahlen, deren Richtigkeit außer Frage fteht, find bie in der Tabelle für die drei Bataillone bei Dlaren angegebenen Zahlen jedenfalls nicht zu hoch. Aufiallen könnte allein die hohe Zahl 537 Ba dem Grenadierbataillon Billerbeck; dieſe erflärt fih jedoch fehr eintadh dadurch, dab dies Bataillon nach der Kunersdorfer Schlaht aus Den beiden jeher zufammengeichmolgenen Bataillonen Heyden und Bompftäbt neu gebildet worden war.

Wenden wir uns jegt zu den Musketierregimentern.

Die Sollftärte der Regimenter Yind, Hülfen, Knobloch, Lehwaldt, Zaſtrow, Schendendorff betrug je 1800, die des Srabowichen Regiments 1500 Rann. Diele haben zum Teil bei Kay, alle bei Kunersdorf mit⸗ gekämpit und ſehr jchwere Berlufte von 700—800 Dann erlitten. Nach unjerer Tabelle jollen fie bei der Kapitulation inklufive der Offiziere doc ohne die Berwundeten, die beſonders gerechnet find 411, 597, 719, 571, 355 und 759 Mann ftarl geweien fein, als Reft von Grabow werden ſogar nur 15 Mann und 15 Offiziere angegeben. Dazu ftimmt die Weberlieferung , daß Grabow und ebenjo das zweitniedrigfte Regiment Zaſtrow bei Maren den Hauptftoß des feindlichen Angriffe auszubalten hatten und im Kampfe jehr viel, befonder® auch durch De⸗ fertion einbüßten. Dennoch bleibt die Zahl von 15 Gemeinen auffallend ; vielleicht hat gerade dieſes Regiment einen Teil der zur Rückſendung ber Bagage eriorderlichen Begleitung geftellt, die in der Lifte beſonders ge | rechnet ift 2), GSchendendorff Hatte bei Kunersdorf einen jaft um bie Hälfte geringeren Berluft ala die anderen, dementiprechend weift es auch bier den höchften Beitand auf. Man fieht alfo, daB die genannten Zahlen mit Hinzurechnung der erlittenen Verlufte Ziffern ergeben, die dem wiprünglicden Beſtande durchaus entiprechen; es ift auch zu beräd- fihtigen, daB don den Leichtverwunbeten, die bei Kay und Kuneräborf infolge der geringen Durchſchlagskraft der ruffiichen Gewehrkugeln ein große Kontingent fiellten, viele in der Zwiſchenzeit wieder zu ihren Regimentern zurüdgelehrt waren. Zum Bergleich führe ich wieder die Stärke einiger Regimenter im Anguft des Borjahres an. Damals hatte Lehwaldt 1633, Bevern 1659, Kanit 1563, Kurfiel 1311, Affeburg

1) Nach den Tagezliften in der Süßenbach Eammlung. Bgl. über diefe Herrmann, Heber 0 die Cuellen der Geſchichte Nebenjährigen Krieges von Tempel hoff, Berlin 1885. S. 32 ff.

2) gl. unten ©. 555.

0)

5 53] Kleine Mitteilungen. 955

12375 Dann. Das Regiment Golk zählte in der Schlacht bei Torgau, alfo am Ende des Teldzuges 1760, 1276 Mann).

Für fih geſondert find München, Heflen-Kafjel und Rebentifch zu betrachten, die bei Kunersdorf nicht beteiligt waren. Heſſen⸗Kafſel hatte kurz vor Maren einige Kämpfe zu beitehen, Rebentiſch verlor am Madxener Tage jelbft viele Mannfchaften. Die beiden erften mit einer Sollſtärke von 1500 Mann können daher jehr wohl noch 1218 und 813, Rebentiſch, mit höherer Sollftärfe von 1800 Mann, 897 Dann ſtark geweien fein). Das Freibataillon Salenmon wird zu 263 Dann, das ift ein Drittel feines Beitandes, angegeben. Außerdem erwähnt die Lifte noch 258 Angehörige verfchiedener Regimenter und Adjutanten. Die Geſamtſumme der in Gejangenfchaft geratenen Infanterie betrug 322 Offiziere und 8194 Mann.

Bon den drei Kürafflierregimenten war nur Horn bei Kay und Kunersdorf beteiligt gewejen, demgemäß hatte e8 auch den niedrigften Beftand, 469 Dann. Die beiden anderen, Bredow und Vaſold, find mit 6723 und 662 Dann verzeichnet. Die Dragonerregimenter Würteme berg und Jung -Platen follen einen Beitand von 728 und 637 Mann gehabt Haben; Jung⸗Platen war zwar in der Kunersdorfer Schlacht zu- gegen, verlor indeß nur 91 Dann. Zur Probe fei wieder die Stärke einiger Negimenter im Juli 1758 erwähnt: damals waren die Küraffiere Prinz von Preußen und Karabiniers 735 und 709, die Dragoner Nor- mann und Czettritz 783 und 757 Mann ftar. Alfo auch im Vergleich hierzu find die Zahlen der Tabelle nicht unnatürlich hoch. Ebenſo ftcht die Stärke der Huſaren Gersdorff, 855 Mann, in richtigem Verhältnis zur Sollftärte 1452 Mann. Dazu fommen noch 21 Yeldjäger und An« gehörige verjchiedener Regimenter. An Kavallerie fielen fomit 162 Offt- ziere und 3882 (3880) Mann den Defterreichern in die Hände,

Als Nejultat ergiebt fih, daB die in unferer Lifte verzeichnete Stärke der einzelnen Regimenter durchaus der Wahrfcheinlichteit ent» ſpricht und in feinem Fall Höher ift, als fie nach den Schidfalen der Truppen während des Feldzuges fein kann. Freilich Heißt es in der preußifchen Erwiderung: „Indefien kann man durch verfchiedene Proben zeigen, wie fehr dieſe angegebene Liſte vergrößert ift; zum Grempel das Regiment von Lehwald, welches zu 547 Dann angegeben wird, ift ihon viele Tage vor der Affaire von Maren nach denen eingelommenen Regimente-Liften nicht ſtärker ala 395 Mann gewejen, das Regiment von Knobloch, fo hier zu 697 Mann angegeben wird, bat nicht mehr wie 421 gezählet und das von Schenkendorff fo aus 400 Mann be ftanden, wird zu 736 vergrößert. Bon dieſen Proben kann man auf das Übrige ſchließen“ Der preußifchen Entgegnung Tann man indeß wegen ihres durchaus tendenziöjen Charakters nicht viel Wert beilegen ; in foldden Artifeln pflegte man keineswegs bor groben Unwahrheiten zurädzufchreden, wenn man dadurch eine günftige Wirkung auf das

1) ch, dem Tagebuch des Regiments in der Sammlung ungebrudter Nach: 2) Nach Fincks Dentichrift war Rebentifch vor dem Ktampfe „Faft complett“.

richten

256 Kleine Mitteilungen. [5%

Publitum ausüben zu können hoffte. Berficherte doch Die erfte preußijch Relation allen Ernftes, daß das gefangene Korps aus nur 3700 Ran befanden hätte, eine Zahl, die vollfländig erdichtet if. Ebenfo gr fönnen die in der zweiten Relation angegebenen Zahlen erfunden fen. Aber jelbft angenommen, fie feien nicht willlärlih, die Relation felhi erwähnt ja, daB fie die Stärke der Regimenter in einer früheren Jr bedenteten. Es ift nicht undenkbar, daß die Zahlen aus bald nad ba Kunersdorier Schlacht auigeftellten Liften entnommen find, aus einer Jet affo herrühren, wo noch viele Leichtverwundete dienftuntauglich waren, die jpäter wieder kampffähig wurden.

Endlich läßt ſich noch auf eine andere Weiſe die Nichtigkeit der in der Öfterreichifchen Tabelle genannten Zahlen wahrſcheinlich machen. Die preußifche Erwiderung machte geltend, daB die Regimenter wegen be im Feldzug erlittenen Berlufte nicht mehr fo viel Mannfchaften hätte zählen tönnen, wie die Lifte nennt. Bergleichen wir daher einmal dir in der Lifte angegebenen al3 richtig anerlannten Zahlen der noch vor handenen Offiziere mit denen der Mannjchaften; denn von den Berluflen wurde doch das Dffizierkorps in gleicher Weile wie die Mannſchaft be troffen. Wenn nun in unferem Verzeichnis, wie preußifcherfeits behauptet ift, die Zahl der bei jedem Regiment übrig gebliebenen Offiziere richtig, die der noch vorhandenen Gemeinen aber viel zu och angegeben wär, fo müßte, nach den Zahlen der Liſte und der urfprünglicden Stärke be rechnet, bei den Mannfchaften fich ein bedeutend geringerer Berluft- prozentſatz herausftellen als bei den Offizieren. Sind dagegen die Zahlen ber Zabelle auch bei den Mannfchaften zutreffend, jo müfſen fich ber Berluft an Offizieren und der Berluft an Gemeinen verhältnismäßig entiprechen, höchſtens kann der an Mannfchaften, wenn man den Ab- gang an Deferteuren berüdfichtigt, im Berhältnis etwas höher fein. 63 läßt fih nun leicht nachweifen, daB nach der Lifte fait alle Regimenter an Mannschaften einen größeren Prozentfaß verloren haben, ala an Difizieren; bei zwei Negimentern find die Prozente etwa gleich und nur bei einem ift der Verluft an Offizieren ein wenig größer. Es zeigt fich fomit auch bei diefer Probe, daß die Zahlen für die Gemeinen Feine unwahrſcheinliche Höhe haben.

Mit diefem Ergebnis ftehen auch alle übrigen Angaben der Lille im Einflang. Sie zählt 70 Geſchütze ala erbeutet auf, wovon 45 als Regimentögefchübe, 25 als fchwere Gefchühe und Haubitzen zu rechnen find‘). Ferner nennt fie 420 (419) Artilleriemannichaften, zu denen noch fteben Artillerieoffigiere kommen. Der Unterftab, d. 5. Quartier meifter, Auditeure, Feldſcherer u. a., ift mit 90 Mann, das Perſonal der Proviantverwaltung mit 57, das der Feldpoſt mit fieben Mann angegeben. Außerdem find noch ſechs Büchfenfchäfter genannt, ferner 1022 Mann, die mit der von der Kapitulation ausgefchlofienen Bagage nach Brandenburg zurüdgeichidt waren, aber ala Krieg" gefangene galten. Die Endſumme mit GEinfchluß der neun Gme

1) Gaudi nennt 20 ſchwere Geſchütze. Obige Zahl ift in ber preußiſchen |

) Entgegnung nicht angefochten worden.

555] Kleine Mitteilungen. 257

xale Wind, Rebentiih, Wunſch, Platen, Gerddorff, Bredow, Bafold, Modßel, Lindftädt und 745 in verfchiedenen Lazarethen untergebrachter Berwundeter beträgt 14 923 (14922) Dann.

Die vorftehende Unterſuchung bat keinen fliähaltigen Grund er- geben, der dazu berechtigte, die Richtigkeit der dfterreichiichen Gefangenen- lifte in Zweifel zu ziehen. Zum Teil haben die Preußen fie jelhft ala richtig anerkannt, und die von ihnen beitrittenen Zahlen haben fich bei eingehender Prüfung al durchaus glaubhaft erwieſen. Wir müfjen Daher annehmen, daß thatjächlich 14 923 Mann bei Maren in feind« liche Gefangenſchaft geraten find. Find Hat die Anfangsſtärke feines Heeres mit faum 12 000 Mann zu niedrig angegeben. Dies kann nicht weiter befremden, da er nicht unbefangen, fondern zum Zwed der Recht⸗ fertigung feine Denkſchrift auffehte.

Um die wirkliche Anfangaftärke zu ermitteln, haben wir zu 14 928 noch die bei Maren Gefallenen Hinzuzurechnen. Der Verluſt an Zoten iſt nicht überliefert, doch wiflen wir, daß er nicht jehr hoch war, und wir werden ihn mit Rüdfiht auf die Zahl der Verwundeten und des Bfterreichiichen DBerluftes von 304 Toten zu etwa 300 rechnen Tönnen. Ferner fommen noch die Deferteure Hinzu. Anbdererjeit aber find die Richttombattanten, Unterftab, Feldpoftperſonal, Knechte zc. abzuziehen, die fich ebenjalld auf etwa 300 Dann belaufen. Ferner dürften auch die zur Begleitung der Bagage entjandten 1022 Mann größtenteils Nichtlombattanten gewefen jein!) Als Anfangaftärke bleiben aljo gegen 15 000 Mann?). Die vereinigten Gegner, Defterreicher und Reichs⸗ truppen, zählten 25 000 Mann. Die feindliche Uebermacht war aljo gar nicht fo außerordentlich, wie e& vielfach, auch von Yind jelbft, dar⸗ geftellt worden ijt®).

Eine andere Frage ift, wie viel Yind von feinem Heer in der Nacht nach dem Kampf noch bei fi) hatte, als er fih zur Kapitulation entichloß. Nach feiner eigenen Ausfage im Verhör waren e& nur noch 6871 Mann, darunter 2195 Dann Kavallerie). Im Kampf waren ungefähr 1000 gefallen oder verwundet. So bliebe noch ein Reit von 6—7000 Mann, die auf andere Weile verloren gegangen fein müßten. Nach der Meber- Yieferung wurden bereit? während des Kampfes zahlreiche zu Gefangenen gemacht. In der Finſternis mögen viele Verſprengte den Defterreichern in die Hände gefallen fein, manche auch noch die Gelegenheit zum Ent⸗ weichen gefunden Haben. Dennoch erjcheint der von Finck angegebene Reit jehr niedrig. Aber Find beruft fich auf die eingereichten Regi⸗

1) In der Lifte ber Manuscripta Borussica find ge bezeichnet ala „Ges meine, darunter 14 vom Unterftab”; in bem Auszug im Wiener Kriegsarchiv find fie genannt „Obligats Leuthe und vom fleinen Staab, 14 Domestiquen unb Knechte außer denen Weibern 1008*.

2) Dielelbe acht überliefert Retzow.

iebt 50 000 Feinde gegen kaum 12000 Preußen an. Auch Ranfe

(S. W. 30, 337) ſpricht von bielleict dreimal jo großer Hebermadjt Dauns.

4) In feiner Dentichrift macht Yind eine etwas höhere Angabe, 7000 und etliche Hundert Mann.

Forſchungen 5. brand. u. preuß. Geſch. VII. 2. 17

258 Kleine Mitteilungen. [556

mentaliften, und es läßt ſich kaum denken, daß er hier die Unwahrheit gefagt bat. Wahrfcheinlicher iſt es, daß in der allgemein berrichenden Unordnung und in der Dunkelheit viele Mutlofe fich der in Gile ge machten Aufftelung zu entziehen wußten, zahlreiche Verfprengte der Zählung entgingn. Go mag es doch möglich fein, daß die Liften wirklich nur jene Heine Zahl ergaben, und ind wirklich nicht mehr ala 7000 Mann kampiiähige Truppen zu Gebote ftanden. Man darf aber hieraus einen Rückſchluß auf die Anfangeftärte machen und beeivegen die durchaus glaubwärdige dfterreichifche Xijte verwerfen. Der Tag von Maren, das ſchwerſte Unglüd, das Friedrich während des fiebenjährigen Krieges betroffen hat und das den Ruhm der preußiihen Waffen un« auslöſchlich befledte, Eoftete dem König ein Heer von faft 15000 Manz.

Gedike und Delbrük. Bon Ernft Friedlaender.

Als es fih im Jahre 1800 darum handelte, dem damals vier einhalbjährigen Kronprinzen Friedrich Wilhelm einen Erzieher und Lehrer zu geben, wandte fi) die Königin Luife, wie Ranfe erzählt‘), an dem Kanzler Niemeyer in Halle, um ihr eine geeignete Perfönlichleit vorzu⸗ ichlagen, und zu gleicher Zeit fragte der Miniſter Graf v. d. Schulen⸗ burg-ehnert, zweiiellos im königlichen Aulftrage, den Direktor des Ber- linifden Gymnafiums zum grauen Klofter, Friedrich Gedike, einen der nambaitelten Pädagogen feinr Zeit?), ebenfall® nach einem pafienden Schulmann für die Erzicheritele. Niemeyer empfahl Delbrüd, wie Ranke jagt, und da auch Gedite, wie die nachiolgenden Briefe beweiſen, diejen vorgeichlagen bat, jo würde diefe Webereinftimmung aufiallend fein, wüßte man nicht, daß der in Ausficht genommene Pädagoge fi eined großen Anſehens als Schulmann erireute.

Magiſter Johann Friedrich Gottlieb Delbrüd war damals 32 Jahre alt und Konventual des Kloſteis und Rektor des Pädagogiums U.L. Frau zu Magdeburg. &r nahm damit eine Stelle ein, die nach den Unter richtsiachern etwa die eines heutigen Ordinarius von Prima ift; denn er lad mit den Primanern „die größeren Reden oder die beften pbilo- ſophiſchen Schrüten des Cicero, den Horaz, Birgil und Tacitus ober auch einzelne Stüde aus anderen jchweren lateiniichen Autoren, übte fie im Schreiben und Sprechen diefer Sprade, fowie auch im deutſchen Stil; auch Lehrte er die grieciiiche Sprache in der erſten SKlaffe und machte die Primaner mit der Geichichte der deutſchen Litteratur bes fannt, womit zugleich Uebungen im BDellamieren verbunden wurben;

1) Allg. Deutiche Bioar., Bd. 7 ©. 7 2) 3 eidemann, Gelch. des —* Klofters zu Berlin ©. 262 ff. und Allg. Teutiche Biographie Bd. 8 S. 487

557] Kleine Mitteilungen. 259

außerdem jtellte er mit den Tertianem, QOuartanern und QOuintanern Boräbungen im Denten an” !), Die Berufung Delbrücks zum Erzieher Des Kronprinzen ging fo jchnell von ftatten, daB, während am 14. Juli 1800 Ködrik an Schulenburg fchrieb, er möge Delbrüd veranlaffen, „jobalde als möglich” nach Berlin zu kommen, der junge Magifter bereit? am 19. desf. M. feine Abjchiedsrede an die Schüler feiner Anitalt bielt, fie ermahnte, den guten Ton, der jet unter ihnen herrſchend fei, zu erhalten und fortzupflangen, und dann „nach einem äußert eiligen Abſchiede“ feinem neuen Wirkungskreiſe entgegeneilte, jo daß „zwiſchen der Ankündigung der Veränderung und der Abreife dem Delbrüd nur 8 Tage übrig blieben” ?).

Die Briefe Gedikes an den Minifter in bdiefer Angelegenheit und einige weitere dazu gehörige Schreiben anderer Vertrauensmänner find uns erhalten und dürfen noch Heute Intereſſe beanipruchen, da fie den damals auf der Höhe feines Schaffens fiehenden Gedike in feiner Eigenart, feiner höchſten Gewiffenhaftigkeit, ja in einer gewiflen Be⸗ geifterung für die ihm geftellte Aufgabe kennen lehren, und da fie zur Charakteriſtik des Eronprinzlichen Erzieher beitragen, eine Mannes, der bisher wohl nicht genug gewürdigt worden if. Zwar bat Ranke in feiner Biographie Friedrich Wilhelms IV. auch über Delbrüd gejprochen, aber, wie e8 in der Natur feiner Aufgabe lag, doch mehr andeutungs- weife und nicht erichöpfend, und was fonft über Delbrüd bekannt ges worben, ift ungemein dürftig und befchräntt fich, foviel wir wiſſen, auf einige Zeilen bei Eylert®), eine kurze Aufzählung der äußeren Lebens momente und der Arbeiten Delbrüds im Neuen Nekrolog der Deutjchen *), und auf wenige nicht allzufreundliche Worte der Gräfin Voß’), Man wird daher, wie wir hoffen, nicht ohne Teilnahme von den nachfolgenden Briefen Kenntnis nehmen.

L

Gedike an Shulenburg. Berlin, 15. Juni 1800.

chgräfl. Excellenz ehrenvoller Auftrag hat mich jet dem Donnersta unaufgarlid in in Gedanfen beihäfrigt. Sch erfenne und fühle den großen end des mir dadurch bewiejenen Vertrauens, aber ich fühle zu nz die ganze Wichtig⸗ feit und eben darum aud die Säwierigteiten ine Au Der erfte e expieber eines Kronprinzen muß fo viele und manderli —33 eiſtige und moraliſche Eigenſchaften in ſich vereinigen, dab es a llerdi wer iſt, einen Mann zu finden, der in jeder dieſer Rückſichten alle und Hoffnungen des Königs und des Staats erfüllt. —2 Geſtalt, Salem Kenntnitie, Charakter, Gemüthäftimmung, Aubere Sitte, felbft manche äußere Ber: Hältniffe müffen in Betrachtung fommen, um einen Mißgriff zu verhüten, der

1) Jahrbud) des Pudggogiums zu U. L. Frauen in Magdeburg, herausgeg. von 9 er. 6. Stü ahrbuch u. . w. 10. Stüd, S Kr harafterzüge aus dem Reben Kan Wilhelms III. 1. Bb.

9 Achter Jahrgang 1830. II. Zeil ©. 548 5) Neunundfechzig ahre am preußiſchen Fr ©. 429. 17°

* "rm Rieilungen. [558

eırt 27 re Bun ee H-Isers. me out dad Wohl von ganz Europa einen It & vollends ein König, wie der Unfri ir X mer Geherier Son bet, andy noch nad) jeinem Tode ein Wohl: : = bes fchö en zu binterlaffenden Amrıpr gr meer & oarık doppelt Pilicht, fi) einer Au wu re me er. erlag; sz 2% er[engene if, nur mit einer Art von ängft ter Manterurmrtrz pr zer zes im der Geſchichte fo feltene Scham zw N? FI gen Kits grn2 em to guter Hausvater iſt, ift gewiß für setrer Kerzen Ir? ituroer Fette io Tl dab fih unausbleiblicdh der !ri7r, u au w seit Beter and) ein glüdlicher Bater fein und

jerz x? d Erpeber bei Kronpri ein ſchon verheiratheter Arız vr % wire & sul: weziger ihwer halten, ein embieblungswertbes =, mr ann, der Gatte

vun

m Se Erypeer des Krozpromgen mut fein größeres Intereſſe haben,

Dei für eg Si Rzr elr:m Meier und die Hoffnung eines großen Staates zum» cm =

mr arte Note wien ten ganzes ausfüllen. Ein zwiſchen We5 ur Kım) art Ber ame Seite und zwiichen feinem Zögling auf der anderen Seite artwiies Iuteofe wire em glidli lg feiner noch jo gewifſen⸗

beiten Femiyomsen ont ize der due andere Sictfe nachtheilig werden. Wenigftens die eigmti:e Maddert dei Prezen eriordert einen Mann, der nur für ihn und im i ine inn:zten Wüniche und Hoffnungen nur allein in ihm, wie in einen Breunvunkt vereintat ñeht.

errrealich ie Lte es tur mich fein, wenn bie Wahl auf irgend einen Mann tele, mit dem ich ım einiger Berbindung flände, oder der einft mein eigner Echüler geweien wire oder doch ſenſt Zutrauen zu mir hätte Denn a dürfte mir alädann vieleicht die Hoñnung erlauben, durch meinen Rath durch Mittheilung meiner Eriahrnugen dem Erzieher in einer oder der anderen Rück⸗ fiht und io mittelbar auch dem Prinzen jelbft müßlich zu werden. Ueberhaupt Ew. Hodgräil. Eriellenz glauben, daß ich d einen mit dem fünftigen

|

fläre ich zum voraus, aus reinem Patriotismus, meine volle Dereitmiligteit. *

nterri (ielbft den erften Glementammnterricht nicht ausgenommen) gedacht und ich habe (ih darf es ja wohl ohne Unbeicheidenheit jagen) nicht ohne glüdlichen lg im ea Min Fach gearbeitet. Und obgleidy mein Amt mich mehr mit ber heran» wa

Gebrauch davon zu machen fein vürke Nur wieberbole ih, daß nur allein der lauterfte Patriotismus und die reinfte

3 tig Iiden Patrioten und von einem fo Icharffichtigen Menichentenner, ala Em. em

tie angefehen und gethan habe.”

3 folgen Aeußerungen über einen in Vorjchlag gebrachten Heren B., ber indeſſen nach Gedikes Anfıcht noch zu jung ift. Tann fährt er fort:

„Der Anſtoß wegen feiner Geburt fcheint mir, je mehr ich darüber nad

einem auf Thronen fo feltenen Sinn die zarteften Fäden des häuslichen Lebens

559] Kleine Mitteilungen. 961

-geborenen zu wählenden Erziehers ein nicht unwichliger Gefichtspunkt fei. -wage nicht zu en TER nicht künftig bei herauwachſendem Alter des Kr PR Ppringen und bei der aladann natürlich” erwachenden Neugier befjelben, die Ya: milienperhältniffe feines Erziehers, vornehmlich wenn diefer ihm Lieb, und werth geworben, kennen zu lernen, allerlei unangenehme Verlegenheiten für den Erzieher entftehen mögen, die von einer oder ber anderen Seite einen nachtheiligen Einfluß .auf den rakter des Thronerben haben könnten.”

Gedite fchließt mit der Verſicherung, daß en mit der größten Behutjamteit und Diskretion jeine Nachforſchungen fortjege, daß er namentlich ae unge Männer in Ausficht genommen babe, dürften es junge Juriften Kin 1 Önne Fr ogleich einige nennen; inbeifen bäte er, in wenig Zagen feine ferneren Ideen

önlich vortragen zu dürfen, feine ganze Seele ſei voll von dem Auftrage, wo— Bar ex jo unerwartet beehrt worden ſei.

II. Gedike an Shulenburg. Berlin, 29. Juni 1800.

Em. Exc. vergönnen, daß ich über die wichtige Angelegenheit, in der Ew. SE mic) kefen fo ehrenvollen Vertrauens gewürdigt haben, noch einen kleinen

achtrag liefere.

Was mir bei der Iehten, eh mit Ew. Exc. das erfreulichite war das war die Bemerkung, dab Ew. . bie Erlaubnis von des Königs Majeftät erhalten, fi) wegen ded Herrn Delbrid noch genauer zu informiren. Denn ich tomme immer darauf zurüd, daß ich in meiner Belann ge aft feinen jungen Mann weiß, der durch Charalter, Geift, Kenntnifle und uber itten fich zu dem Poſten eines Erzieherd eines künftigen Königs beffer qualificirt als er. 3 habe feit: dem aud nod) nähere Na Geict über feine Verbindung mit dem 1 ungen Prinzen ferbinand 1) eingez Diet beftand eigentlich bloß darin, daß er demſelben

nterricht im Sri en und in anderen Kenntniflen geben müffen, und daß der ‚Prinz, ala ein Liebhaber von allerlei gelehrten Stenntniffen, ihn öfters zur 5 gezogen, bei welchen Gelegenheiten * Delbrück oft ſehr lebhaft gegen manche von dem Deinen | geäußer gen Grundjäge und Meinungen disputirt haben foll, foweit dies ohne Verlegung der einem Bellen bes Königl. Haufes fchuldigen Ehrerbietung geichehen konnte. Der hiefige Geh. Finanzrath Klewit (damals Kammerdireltor in tagbeburg) würde, wenn es nötbig war dies am Beften be: zeugen fönnen. Aber mod) zuberläffiger ift es freilich, da Ew. Exc. an Ort und telle noch nähere Erku nbigun en einziehen wollen. Es "ya übrigens, wie ich nunmehr gewiß weiß, feine ic tigkeit, ‚daß ex im vorigen Winter Ihrer Majeftät der Königin vorgeftellt worben, un Beifa efunden, wiewohl fich Ihre Ma\ehät felber dt s darüber geäußert haben, wohl aber die Frau Gräfin von Voß. ochgräfl. Bu elegenbeit zu geben, über diefen jungen Mann von Pe * einem Gefühl ſelber zu urtheilen, nehme ich mir die Freiheit, die 3 letzten Hefte einer von ihm oder un von dem Propſt Roettger berauss egebenen Schrift zu a überreichen?). Hierin finden Ew. Exc. unter anderen mehrere eden bed Herrn Delbrüd an die zur Univerfität abgehenden Sünglin e, die alle voll find von Beweiſen feines feinen moralifchen Sinns, jeiner aufgellärten Reli⸗ ‚giofität, und zugleich eines warmen Patriotismus. Ich habe dieſe Reden ge⸗ zei net. Borne mÜı IrDA ih Ew. Exc. auf die im 7. Hefte befindliche Rede: von dem Leben aterland aufmerffam, aus der auch (vornehmlich aus den don mir ©. 9B. 99 und 100 angeftrichenen Stellen) am beiten erhellt, wie

1) Prinz Louis Serdinand ftand feit dem 23. Febr. 1795 mit Icinem Regie mente in Tag! deburg. Vgl. Baillen, Allg. Deutiche Biogr. Bd. 19 ©. 583. 2) Yadıbu us des Pädagogiumsd zu U. %. Frauen in Magdeburg. Heraus⸗ egeben von G. J. Rötger. Helmftädt 1795 ff. Man findet Hierin eine große Hr von Reden und Auffätzen Delbrüda.

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561] Kleine Mitteilungen. 263

indeffen vermeint der Probft Röttger, daß fih_Herr Dellbrück mit ‚Jmbegriff bom 35 Thlr., fo jeber Eonventuale ftatt des freyen Tiſches erhält, nicht über hlr. gebient babe, indem er nur wenig Rehmungen für die Schüler übernehmen nnen, weil er fich unterzogen, feiner Mutter Schwefter, welcher bie Ponfafche Buchdruderey gehört, in ihren Gefchäften zu unterftüßen. Außer dem baaren Eintommen hatte er Quartier und Bedienung frey und Den Aritgenuß der Kloſter⸗ Equipage Sranzöfilg verfteht, ſchreibt und fpricht Herr Dellbrüd zwar, allein fein Accent fol nur jehr mittelmäßig ſeyn, wie dies gewöhnlich bey unſern eutſchen Lehrern der Tall ift.

V. Gedike an Schulenburg.

Berlin, 25. Juli 1800. Ew. Hocaräfl. Exc. vergönnen mir meine Freude über die von Ihnen mit

fo vieler weifer Vorficht glüdlih zu Stande gebrachte Wahl eine Erziehers bez Kronprinzen zu bezeugen. Died zu thun ift jogar Pflicht für mich. Sch freue mich über die ad es Herrn Delbrüd wahrlid nit aus Egoismus, weil ich feine Anftelung zu biefem Poften vor andern wünjchte und daher Em. Exc. Auf: merkſamkeit vor allen andern auf ihn zu lenken fuchte, gandern meine Freude ift wahrhaft patriotiijh, weil ih nun weiß, dab Ew. Exec. fih durch eigne Bes obacdhtung überzeugt haben, daß er der Dann fei, der eines folchen Poſtens würbi if. Daß er Em. Exc. Scharfblid nicht zu fürchten Urfache hätte, das wußte id und freute mich daher außerordentlich, als [ie Erc. entſchloſſen jah, ihn jelbft u beobachten. Aber daß Em. Exc. einen fchon vergeffenen, ja fogar für ver⸗ ädhtig gehaltenen Mann dennoch hervorgezogen und ihn felbft gegen das anfäng: liche Mistrauen des Monarchen in Schuß genommen bies in für mich eine fo jeltene und zugleich jo erfreuliche Ericheinung geweien, bat ic meinem ergen ea nicht verfagen darf, Ew. Exc. meine Bewunberun a elmuths zu be: en. Aber Hoffentlich werden auch Ew. Exc. durch den (8 belohnt werden; Sefrntiih wird auch einft der fünftige König noch bag Andenten bes edlen trioten und des großen Staatsmannes fegnen, der fo vorfichtig, jo weile und

fo gladlich ‚für feine ——— ſorgte. ir aber wird das mir von Ew. Exx. in diefer wichtigen Angelegenheit bewiejene Vertrauen auf ewig unvergeßlich fern.

Der Große Aurfürf und die nationale Idee. Bon Kurt Breyfig.

Alfred Francis Pribram: Franz Paul Freiherr von Lifola, 1618 bis 1674, und die Politik feiner Zeit. Mit dem Bildnis Liſolas. Leipzig 189, Beit u. Co. u. 714 ©.)

Dies Wert, das in erfter Linie einen durchaus noch nicht genügend bearbeiteten Abſchnitt der öfterreichifchen Geſchichte zu fördern beftinmt it und das diefem Zwed mit der vom Berfaffer längft befannten Exakt⸗ heit der Forſchung und Klarheit der Darftellung trefflich dient, kommt für die brandenburgifche Gefchichte naturgemäß nur in einzelnen Kapiteln in Betracht, von denen hier allein geiprochen werben foll. Immerhin ift auch für den preußifchen Hiftoriter die Ausbeute nicht gering: Lifola, den Pribram

964 Kleine Mitteilungen. [562

als einen der bedeutendften Diplomaten Oeſterreichs feiert, Hat mehr ala einmal mit dem Großen Kurfürften zu verhandeln gehabt. Zuerft ala er im nordijchen Kriege die Wiederanknüpfung Friedrich Wi mit Volen im Intereffe feines Herrn nach Kräften fördern Half, dann in bem gemeinjamen Kriege gegen Schweden, endlich in den Jahren 1663 und 64, ala der Kaiſer verfuchte, den Kurfürſten aus dem franzöfiſch- ſchwe⸗ diichen Lager in fein eigenes binüberzuziefen. Auch an vielen anderen Stellen ift dem allgemeinen Eharatter des Buches entiprechend, das ben Rahmen einer Biographie weit Überfchreitet, von dem Verhältnis Defter- reich zu Brandenburg wenigftens vorübergehend die Rede. Jene Kapitel gründen ſich vornehmlich auf die beiden Publikationen von Aktenftücken, die der Verf. für diefe Zeit fchon früher geliefert hatte, auf die Be- richte Liſolas aus der Zeit des nordiichen Krieges und auf eim- zelne Kapitel des XIV. Bandes der Urkunden und Altenftüde zur Ge Ichichte des Großen Aurfürften, wenn auch bier und da die Alten der Wiener Archive zur Ergänzung binzugezogen find. Auf die Einzelheiten braucht deshalb Hier nicht eingegangen zu werden, um fo weniger, al Pribiam beide Veröffentlichungen ſchon in trefflichen Ginleitungen felbft fruftifictert Hatte Wohl aber bedarf die allgemeine Stellung Pribrams zur Politik Friedrich Wilhelms, die auch in diefem Buche, wie fchon früher, hervortritt, einer Erörterung, da fie nicht bloß von dem Urteil Droyſens, fondern auch von der gemäßigteren und objeltiveren Auf faſſung der fpäteren Hiftorifer ſtark abweicht und, wie ich meine, nicht wohl acceptiert werden Tann.

Ich führe zunächit einige Beifpiele an. Offenbar aus einem Be richte Liſolas entnimmt Pribram die Schilderung mehrerer Unterredungen Friedrich Wilhelms im Januar 1657 mit dem Gefandten, wonadh der Kurfürft „im Eifer der Unterhaltung”, in der „Hitze des Geſprächs“ feine Abfiht, fi mit Polen wieder außzuföhnen, gleichfam außgeplaubert babe (S. 109 ff.), von dem überlegenen Diplomaten dazu verlodt. Da der Kurfürft ſogleich darauf offizielle Vorjchläge für eine öfterreichiiche Mediation macht, fo ift wunderbar, daß Pribram nicht bemerkt hat, wie bier nur ein sartor resartus fich großer Thaten rühmt: Friedrich Wil- helm war ein Genie auch in den Heinen Künften der Boliti. Daß Pribram (S. 112) aus derjelben Zeit eine Charakteriftil des Kurfürſten don Lifola, die ihn als einen mittelmäßig begabten, fchwantenden, un« beftändigen Fürſten jchildert, übernimmt ohne eine Glofſſe, ift noch ver: wunderlicher; jedem unbefangenen Leſer werden dabei ftarte Zweifel an dem ftaatmännifchen Urteil und dem perfönlichen Scharfblid des von Pribram fo ſehr gerühmten Lifola auffteigen. Stärkere Irrtümer als diefe find doch wohl in der Diplomatie kaum möglich.

Doch nicht Hiervon wollte ich eigentlich fprechen, jondern von fehr viel allgemeineren Aeußerungen Pribrams. Er fagt von dem Anfchluß Friedrich Wilhelms an Karl Guſtav im Jahre 1655, ein beutfcher Reichöfürft Hätte ihn nimmermehr vollziehen dürfen (S. 102), er be leuchtet die Politik des Kurfürften im Jahre 1666 (S. 325) und den Separatfrieden Brandenburgs mit Frankreich im Jahre 1673 von dem- felben Standpunkte (S. 607 ff.), wenn auch in ſehr maßvoller Weile.

563] Kleine Mitteilungen. 265

Pribram ift nicht fo ſehr Defterreicher, daß er jedes Abweichen von Der kaiſerlichen Politik tabelt, aber er wirft bei allen Aktionen Friedrich Wilhelms die Frage auf, ob er fo ala Reichsfürſt hätte handeln dürfen, eine Frage, die Pribram dann mehr ala einmal verneint, indem er bervorhebt, dann und dann babe der Kurfürft fein perjönliches oder fein Hrandenburgifches Antereffe vorangeftellt.e Ach meine nun, daß bier ein Grundirrtum vorliegt, den ich Übrigen? Pribram am allerwenigften zum Borwurf machen möchte, auf den aber einmal aufmerkſam gemacht werden muß.

So gewiß Droyiens Auffaffung falfch ift, die jeden einzelnen Schritt der brandenburgifchen Politik diefer Jahre als national erjcheinen läßt, fo gewiß iſt es auch unrichtig, den Kurfürften Friedrich Wilhelm oder die großen Herrſcher ſeines Gejchlechts vor und nach ihm zu tadeln, wo immer fie das Sonderintereffe ihre® Staat? über das allgemeine bes Reichs ftellten. Denn ich meine, es gab gar keine beffere und Leine deutſchere Politit als diefe. Nichts konnte ja unferm Volke mehr frommen, als diejer gefunde Egoismus, diefer raftlofe Ehrgeiz einer Dynaftie, eines Staated, und ed war recht überflüffig, fort und fort don einer natio- nalen Gefinnung der Hohenzollern zu reden, die fie jehr oft nicht Hatten, Die fie aber auch gar nicht zu haben brauchten. Je preußifcher fie waren, deſto deutfcher waren fie, ohne daß fie auch nur im mindeften das Be⸗ wußtfein nationaler Tendenzen zu baben brauchten. Eben die von einem großen Zeil der Deutfchen, nicht bloß heute, geſchmähte und gefcholtene Raubluft des fchwarzen Vogels Hat im Grunde den deutichen Staat unferer Tage beraufgeführt, und es war fchief und wenig biftorifch ge⸗ dacht, die Ideen einer ganz anderen Zeit Männern unterzufchieben, die weder an dad Deutichland Ottos I., noch an das des deutſchen National⸗ vereind je gedacht Haben.

Gewiß ift diefe Auffafjung auch ihrerſeits wieder hiſtoriſch erflär« Gh: BDroyfen war voll von dem Wunſche, den deutſchen Einheits⸗ Heftrebungen und der Herftellung eines preußifch deutfchen Reiches zu dienen, und da er, wie die Beſten feiner Zeit glaubte, dies Ziel könne am ebeften durch eine populare Bervegung erreicht werden, jo machte er als Hiftorifer politifche Propaganda für Preußen und die Hohenzollern. Aber weder er noch feine Zeitgenofjen waren realiftifch genug, fi) das Wachstum des preußifchen Staates in feiner wahren Geftalt vorzuitellen : ihm Tag nichts näher, als die Großen unter den Hohenzollern ſamt und Tonderd er ging damit biß auf den KHurfürften Friedrich I. zurück mit einem Glorienſchein nationaler Gefinnung zu umgeben, der ihnen durchaus nicht immer zulam. Und die Sompendien- und Schullitteratur bat feitbem begreiflicherieife gerade diefen Irrtum am meiften vergröbert und vergrößert.

Nun ift andererfeits aber offenbar, daß die Politik Brandenburg- Preußens, und mochte fie auch noch fo partitulariftiich fein, ſehr oft obne weitered die allgemeinen deutjchen Intereffen vertreten mußte: ſchon feine territoriale Ausdehnung zwang e8 dazu, den Schuß der öftlichen und der nordweftlichen Grenzen Deutichlands zu übernehmen, und immer bat es jeine natürlichften Bundesgenoffen in den Yürften des Reiches ge⸗

[5% eutkhe immer je hlt Bat, ober weiſt

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Sigungsberichte des Vereins für Geſchichte der Mark Brandenburg.

Sitzung dom 13. September 1898.

„.. Here Profeflor Dr. Brecher erftattete Bericht über die Thätigfeit ber Kom: miffion zur Herftellung von „Hiftorifchsftatiftiichen Grundkarten?.

Herr Dberlehrer Dr. Landwehr fprady über Joachims II. Stellung zur Konzilsfrage. Vgl. den Aufſatz Landwehrs, Forſch. N; 529 ff.

‚Herr Amtärichter Dr. Holße Fr von bem „Auszug Chur »Branben: burgiſcher Geichichten, Ehurfürft Jouchim des L, Churfürſt Joachim des IL und Ehurfürft Johann Georgen zu Brandenburg. ey Gelegenheit der Lebens: —28 Hrn. Lampert Diſtelmeyers ꝛc. Deichrichen von % P. von Gundling“. Dieſes Bud, aus dem fich zahlreiche Irrtümer über Lampert bis gr die Gegen: wart erhalten haben, ift ın ber Hauptſache nichts weiter als ein ſehr Auszug aus den umfangreichen Kommentarien des weitſchweifigen märkiſchen Chroniſten Leutinger. Allerdings hat Gundling ſeinen Helden Lampert Diſiel⸗ meyer dabei derart in ben Vordergrund geſchoben, daß er ſelbſt bei ſolchen Er- eignifien ala treibende Kraft erfcheint, an denen ex ganz unbeteiligt geweien ift. Auch die von Gundling mitgeteilte, angeblich” von Diftelmeyer den brandens aurgifchen Bevollmächtigten zu Königsberg und Krakau erteilte Inſtruktion, auf Grund beren fie über die vb Mitbelehnung verhandeln follten, und aus der man geſchlofſen Hat, 4 er ſeitdem verſchwundenes archivaliiches Material zur Benutzung gehabt habe, ift aus einigen Notizen bei Leutinger fomponiert. Keinen⸗ je wäre auf biefer Bafis eine VBerftänbigung mit Breuben und Polen über die tbelebnung erzielt worden.

Sitzung vom 11. Oktober 188.

Herr Profefior Dr. Schmoller eröffnete die Situng mit einem Nachrufe an den am 6. Auguft zu Dresden verftorbenen Freiherrn Louis Ferdinand von Eberftein, ben Berfafler einer umfangreichen Familiengeſchichte und namentlich einer auf urkundlichem Materiale aufgebauten Biographie feines Ahnherrn, des Feldmarſchalls Ernſt Albrecht v. in, des Sieger? don Nyborg.

err Amtsrichter Dr. Hole beiprach das ſoeben erichienene verbienftvolle Wert des Dr. Lewinski zu Straßburg: „Die Brandenburgiiche Kanzlei und das Urkundenweien während der Regierung ber beiden erften Hohenzollernſchen Mart- grafen (1411 bis 1470)” und zeigte, wie dieſes Buch zur Berichtt ung, © änzung und vieler Stellen der betreffenden Abſchnitte des Riebelfchen jodex diplo- maticug Brandenburgensis zu bienen geeignet fei. (Vgl. oben Heft I ©. 251.)

Hm Sraf Lippe:Weibenfeld fchilderte, wıe König Friedrich der Große nad beendetem Tjährigen Kriege nach Berlin heimtehrte, das er jeit dem 12. Januar

258 E gumzsberichte. [5%

1,57 2.5: zerhen Satır. Ter ıbeu bier von der Bewohnerſchaft vorbereitete feier ız Ir vcı ihr aeboftten Art ftatt, weil Der Koͤnig rd 9 Uhry) eintreffen konnte; and wer I

Eetter am 1:53 ae Wr teltes, umerfreuli Der narch fsz an Kerm ja au: Ediires im Frauffurt an, befidhtigte das Kuneredorie Ech che d und hartte desz ım Leider! mit dem S Fe Frauen

10. Min wire ee Reh Gear iernem arlohrien Senn —— —— Kg dei ıba die Antouit ım Ferlım erik zwiichen 7 und 8 Uhr abends €3 iche:ut, der unzedziN:3 dem gleriichen König erwartende d'Argens deren Aufuzit um 2 Uhr —— a in Han

und höcht iremdisen Per. ormmungirierlichlent fich auabrüdt „das Be: 15° entrianden, „melde:

bogen sur aus. tondern murde bier vom Gelomten ei 1töfoll io ae erbietigit empfangen und bewillftommnet“. Etet3 allen Geremonien abho der philoicphiiche König Freilich vor feiner Einfahrt in die Sandeshauptftadt am 30. März 1:63 keinen „prahlenden“ Wagen. Er blieb in der Reiſe karo Im Geſellichajt feines Schiragers, des eldmarichall He Ferdinand von Tasıe- ſchweig, und des Generals v. Lentulus. Die „angefe ten” Berliner Kaufleute. tig unitormiert und mit Huttolarden, auf en in Gold geftidt: „Vivst as Magnus“, esfortierten den Hatten bie Wagen. Die Dein Führer e

ea es zu —F chen nahm. der Bmach am ——ù huldreich entg ala die beins Schein von Wachsfackeln dem —** des Abnigs —5 enden (Rich ch geihmüdten, von vielen Poſtillons und Poſtbeamten pegleikete pagnieen beim Königlichen Schlofle angelommen, ſtimmter fe zu IDiederhelten "Melen ein frobes „Bivat der König“ an. Der wirklice uf des in mannichialtiger, foftbarer und herzlich gemeinter Art vorbereiteten triumphaltken Einzugs des Königs in feine Hauptftadt am 30. März fteht nicht im Einklang mit der Legende, weldye aus oben erwähntem Klagelied Ramleri fich entwidelt hat.

Her Dr. Immich ſprach im Anſchluß an zwei in den legten Jahren er Ihienene Arbeiten über die Gefangennahme des Finckſchen Armeelorps bei Mayer. Jach den j ieh! vollftändig vorliegenden Briefen des Königs kann über den Jwed.

riedrich mit Entjendung Fincks verfolgte, fein Sweik [ mehr beftehen. König

en rich hoffte, durch das nach Maxen vorgeſchobene Korps der öſterreichiſchen

rmee auf dem ſicher erwarteten Rückzuge nach Böhmen noch erheblichen Schaden zufügen zu können. Die oft ausgeſprochene „ebauptun General ind babe von porn herein die mit diefem Unternehmen verbundene Gefahr erkannt und ſich am: fänglich ge geiweigert, riedrichs Befehl auszuführen, ift unrichtig. Finck hielt ebenjo wie der Röni ofition von Maren für zu ftarf, ald dad fie überhaupt von den Deflerreidemn angegriffen werden könnte. Unberedhtigt find auch zum groben Zeil die Vorwürfe, welche Find wegen jeines Verhaltens in den Tagen vor der Kataftrophe gemacht wurden; was er that, entſprach den Wünfchen des Köni und, wenn man von einer Schuld reden will, trifft fie Friedrich minbeftens eben wie feinen General. Weber die wichtige Frag e nach ber Stärke bes preußiſchen Korps geben die biäherigen Unterfuhungen feine genügende Auskunft. Die An: ge aben einer bald nad) der Kapitulation von Öfterreichiicher Seite veröffentlichten

ifte der Gefangenen wurden in einer, preußiichen Gegenichrift ala zu hoch be ftritten und find infolgebefien nicht weiter beachtet worden. Cine genaue er prüfung macht es indeR in hohem Grade wahricheinlich, boß jene Habe du aus auf Wahrheit beruhen, und die Stärke des preußifchen Korps ift da anzufeßen, als es bisher geichah. Gegenüber einem neuerbings gemachten Ber:

567] Sitzungsberichte. 269

juche, Fincks Entſchluß zur Kapitulation aus der Hoffnung auf Gewährun freien Abzuged zu erflären und au rechtfertigen, betonte ber Vortragenbe, bad Wind dieſen Gedanken in Wirklichteit nicht gehabt hat, auch nad) Lage der Dinge nicht haben konnte. Finck jah vielmehr, wie fih aus feinen eigenen Worten ers giebt, jehr wohl ein, daß ihm nur die Wahl zwifchen ber SEriegagefangenichaft und einem Verzweiflungstampf frei ſtand; er wählte erftere, um feine Truppen für bie Zukunft zu bewahren, um fie nicht nutzlos aufzuopfern. Er fland auf mfelben Standpuntt wie die jo viel getadelten Generäle don 1806 und 1807; faft derjelben Worte bediente F Fürſt Hohenlohe zur Entfchuldigung ber Prenz⸗ lauer Kapitulation. Niemals ift aber eine folche Denkungsart als berechtigt ans erfannt worden; denn aud) der Kampf ohne Ausficht auf Sieg, der Widerftand nur um feiner felſi willen bleibt eine That von hohem kriegeriſchen Werte und iſt keineswegs nutzlos, ſchon des moraliſchen Eindrucks halber, den Widerftand bi3 zum äußerten und auf der anderen Seite eine Kapitulation hinterlafien muß. incks Berfahren, fo begreiflich es auch ift, blieb doch ein gefährliches Beifpiel x bie Zukunft. So erflärt es fih, weshalb König Friedrich fo ftreng gegen ind vorging, bem er bis dahin ein unbegrenztes Vertrauen geichentt hatte, wes⸗ Ib er dagegen einem Dieride und einem Fouqué, die in ähnlich verzweifelter oe wie ind den Kampf der Gefangenichoft borggen, die höchfte Anerfennung zollte. Dal. hierzu Forſch. VI, 627; 217. 548. Gere Profeſſor Dr. Brecher berichtete über die diesjährige, in Stuttgart abgehe tene Generalverfammlung des Gejamtvereins ber beutichen Geſchichts⸗ und Altertumdvereine.

Situng dom 8 November 189.

Die Ontpäflung ber den ‚preußifcen Fingn miniſtern von Motz und Maaßen a uch die Energie des Wir Ge Obe inengte von Pommer- che zu Berlin errichteten Denkmäler bot dem Königlichen Hausarhinar Dr. Berner die äußere Beranlafjung, über eine wenig belannte, aber jehr der: bienftliche Thätigkeit des Minifters von Mob zu gan ein, nämlich über feine Zeilnahme an der großen Behördenreorganifation in dem Jahrzehnt von 1815—25. Er wies auf eine von ihm im Deutichen Wochenblatt 1893 Nr. 45, 46, 47 näher be: fprochene große Arbeit über diefen Gegenftand hin, die von Mo auf lg rdenbergs Ende 1818 verfaßt hat. W. von Humboldt, aus deſſen Nachlaß fie ammt, behandelte und beurteilte fie ala eine hervorragend wichtige, und Stein unterzog fie der günftigften Kritik. Bon dem Say ausgehend, daß die beite Kon⸗ trole jeder Verwaltung die endlide Bildung der Nationalrepräfentation fein würde, ftellt fih v. Mob doch mit großer Schonung und Anerkennung auf den Boden der großen Anftruftionen von 1817, er vermeidet es auch, rein theoretifch über die großen Fragen der Verwaltung zu fprechen, welche damals die Gemüter lebhaft beichäftigten. Die Frage, ob die Minifterien nad) fachlichen oder nad eographiichen Örfihtapuntten, db. h. ob Fach⸗- oder Provinzialminifterien eingus * und im Zuſammenhang damit, ob und in welcher Form die Oberpräfidenten von Nutzen feien, die Frage endlich, ob das deutfche Kollegial⸗, das Franzöfiiche Präfelturfgften oder eine Mifchung beider für die Einrichtung der Regierungen den Jorzug verdienen, behandelt not zwar jehr eingehend, aber nur infofern nimmt er Stellung zu ihnen, als fie für ben preußiichen Staat und defien Be- dürfniffe von Wichtigkeit find. Sehr —8 Kritik übt er ſowohl an der Stellung der Cberpräfidenten wie an der ber minifterien, aber troß der erlannten Fehler will ex weder jene ohne weiteres bejeitigen, noch dieſe durch Prodinzials minifterien erfeßen. Im Gegenteil fucht er Mittel und Wege, durch welche die Cherpräfidenten in geeigneter Weife, vorzüglich durch Reifen und mündlichen Ber- fehr mit den Interthanen eine glüdliche Ergänzung der Fachminiſter bilden und durch welche ihnen Die lediglich ipedierende Thätigkeit möglichjt abgenommen werden koͤnnte. Und das leuchtet in Wirklichkeit auch ein, daß wenn ein Ober: präfident, wie Heydebreck an Harbenberg einmal berichtet, außer ben bei ihm eigentlich bearbeiteten Sachen über 22 Nummern in feinem Journal hat, die (ebiglich Refkripte der Minifterien an die Regierungen und deren Berichte an

Erigungsbericktr. [568

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Sodann iprach Herr Cberftlieut. Schnadenburg über eine eigenartige Auszeichnung, die Friedrich der Große den tyeldmarkhällen von Xehwaldt, v. Teiſow und v. Wuddenbrod erteilt hat. Sie beftand in einem mit Brillanten umgebenen Wedaillonporträt des Königs, das am blauen Bande auf der Linten Aufflappe des Rodes im Knopfloche getragen wurde. Mit Eleineren Mitteilungen des Herrn Sumnafialdirettord Dr. Shwark über den von Friedrich dem & beftritsenen Adel der vom Kaifer Leopold 1703 nobilitierten fächfiſchen Familie

369] Sigungeberichte. 271

von Lehmann und be Heren Oberlehrerö Dr. Barbey aus Nauen über einen vom bortigen Ratsherrn Sallba im Jahre 1800 erftatteten ausführlichen und ſcharffinaigen Bericht über bie Gründe des wirtichaftlicden Niederganges ber. Deinen Städte und die Mittel zur Abhilfe jchloß die Sitzung.

Situng vom 13. Dezember 1898.

Bald nad) dem Tode be großen Königs tauchte ein Gerücht auf, er habe fih als Monarch geweigert, gewiſſe Geldfummen, bie er ale Kronprinz auf: enommen, ben Darleihern zurüdzuzahlen. Mirabeau verbreitete dieſe Verleum⸗ ung durch die Welt. Herr Dr. Granier teilte nun einen bisher ungebrudten Brief Gleims an Nicolai vom Jahre 1789 mit, in welchem jener_den Beweis des Gegenteild wenigſtens fir einen Fall führt. Herr Hausardjivar Dr. Berner fügte Hinzu, daß aus ben Alten bes Königlichen Hausarchivs fich ergebe, wie ber König in ben erften Jahren feiner Regierung die Gläubiger aus ber kronprinz⸗ lichen Zeit befriedigt hat. per Oberftlieutenant Schnadenburg fprach über eine fürzlich erichienene Shrft der Grobe und General, & ajot” von Dr. Saeberh, gl. 1 ©. 271 und unten bei den Bücherbefprechungen.) Bereits im Jahre 1856 Hat rd b. ochlöger das Leben Chafots, biejes Fugendgefährten Friedrichs in der achkundigſten Weife bargeftellt. Wenn jetzt ein zweiter Autor fich desſelben a3 bemädhtigt, fo dürfte dies nur auf Grund ganze neuen Quellenmateriala $ chehen. Solches glaubt Gaederk im Lübeder Stadtarchiv gefunden zu haben. 3 nämlich im * re 1775 die zweite lan der „Histoire de mon temps“ exſchien, fühlte fi) Chaſot durch Die Weglaflung feines Namens an verichiedenen Stellen, beſonders gelegentlich der Schlacht von Hohenfriedberg in feinem Ruhme beeinträdtigt. Ch. war damals dänischer Generallieutenant und Kommandant von Lübeck; er joll auf Derantaflun des bänitchen Kronprinzen nun feine Er⸗ innerungen aufgezeichnet haben unter dem Titel „M&moires oceasionnes par les omissions de Il’histoire de mon temps“, body find biefe nicht im Drud er: ſchienen. Ein Zeitgenofie jots, ber Lübeckiſche Obergerichtöprofurator Kröger, welcher die Memoiren noch bei Lebzeiten bes Verf. „eingejehen” haben will, hielt nach dem Zode beöfelben im Jahre 1797 über die Memoiren eine „Vorleſung“, welche er dann niederſchrieb. Diefe Handichrift ift es nun, bie Gaedertz bir Schrift zu Grunde gelegt bat, die Memoiren jelbit, welche fi) in Kopenhagen befinden follen, wie Gaedertz jagt, hat er nicht ın Händen gehabt. Er nennt nun die Krögeriche Vorlefung ein Hiftoriiches Denkmal erften Ranges und Die Memoiren „eine authentifche Ergänzung der Histoire de mon temps“. Beides muß entichieden in Abrede 9 tellt werben. Eine primäre Duelle kann doch Kröger orlefung. unmöglich genannt werben und eine anbderwärtige Be- glaubigung finden die in Derelben wiedergegebenen ee und Thaten Chaſots auch nicht. Es wird 3. B. berichtet, Eh. habe im Jahre 1734 wenige Tage nad der Hochzeit einer Schwefter des Kronprinzen Friedrich mit dieſem inkognito eine Reife na Oftpreußen angetreten. Ihatfächlid hat Friedrich gar nicht in diefem Jahre eine Reife antreten können, da er den erkrankten Vater vertreten mußte, wohl aber über ein Jahr fpäter, 1735, und zwar nicht inkognito, ſondern verfehen mit königlichen Tolmadıen und als DBertreter des Souveränd. Bei Gelegenheit dieſer Reife will Ch. dem Stronprinzen ba3 Beben gerettet haben, als in Danzig eine Schildwache auf ihn das Gewehr anſchlug. Außer Ch. weiß niemand etwas davon. Eine zweite Lebenzrettung nimmt Chafot in, ber Schlacht bei Mollwik für fi in Anſpruch; hier habe er den König aus einem ufen don 30 Öfterreichifchen Grenadieren (!) herausgehauen und jelbft dabei eine were Kopfwunde bavongetragen. Die amtliche Berluftlifte enthält Chafots amen nicht. Schlözer erwähnt furz den Vorfall als eine Tradition der Familie. übrigen gnbel & in der fribericianifchen Litteratur von diefer That feine pur; nur Voltaire, ber nach feiner und Chaſots Entlaflung zu dem letzteren in iehung geftanden, verherrlicht fie in einem ſchwungvollen Gedicht. Weber Schwerin wird erzählt, ihm fei ein Arm zerichmettert und eine halbe Ferſe weg»

273 Sitzungsberichte. [570

ejchoflen worben, gleichwoßt habe er ſich nicht verbinden Iafien, ſei zu Pferde ge- Plieben und habe die Salad! mehrere Stunden bie zum Ende gelcitet. Eine pbofiide Unmöglichkeit! Zhatfächlich erhielt Schwerin bei Beginn der Schlacht einen leichten Streifihuß und egen Ende eine Quetihung der Hand. In ber

abo 3 Teilnahme an der Schlacht von Hohenfried⸗

werin. un Schwerin werden in der Histoire de mon temps ehrenb erwähnt, Par ik emoiren. Gaede $ in

er Regimentslommandeur Oberſt Otio Martin v. Sch d ben: lichen

Zhat achen muß Cinfpradie erhoben werben. Erſtlich war, ala das Att

800 Thaler „feinen mit Brillanten belepten Orden pour le merite“ verkauft, diefen habe dann Friedrich Wilhelm I aurüdgefau und ihm zuftellen lafien. Daß der Orden pour le m£rite mit Bri i

ählung der Vorfälle, die der Dienſtentlafſung Chaſots voraufgingen. ei kin herausgegriffen. Das eine Mal erlaubte em Könige, der einen agen, welcer feinen Gegner im Duell entleibt hatte, durch Triegägerichtli

g ch Urteil hatte zum Tode verurteilen laſſen, Dartherzigteit und Grauſamkeit direkt a

haften, bis er auf feine Bitte um Begnadigung mit Ja oder Nein geantwortet babe. Der andere Fall betrifft ein sehr‘ weres —*8*

* fich einſt ohne Urlaub in der Refidenz auf. Der König ließ ihm fagen, er abe Arreſt und folle fi in feine Sarnifon zurüdverfügen. Der Kommandant

äugehen Iaffen,

möge er nur an der Spibe feiner Grenadiere fommen u. |. w. Man kann fid der Anficht nicht entichlagen, dat Chafot? rege Phantafie Hier ihm wohl einen üblen Streich gefpielt habe, denn der König war ficherlich nicht der Mann, eine Majeftätäbeleibigung, dann age Verweigerung bed Gehorjams ungeahndet u laſſen. Der Vortragende ſchloß, daß nach ſeiner Ueberzeugung ben , Memoiren“ Ehafots faum ein anetdotifcher, ficherlich fein gefchichtlicger Wert beigemefien werden kann.

‚Herr Oberlehrer Dr. Bolte legte darauf ein von ihm aufgefundenes, märkiſches Drama bes 16. Jahrhunderts vor, die 1572 ohne Angabe des Druds orted, wahrſcheinlich zu Berlin erfchienene und dem turfürftlicden Rate Hans

571] Sitzungsberichte. 273

v. Koderitz zu feiner Hochzeit mit der Tochter des Kanzlers Lamprecht Diſtelm gewwibmete Komödie und Pige Heyrath“ von Den Teckler. Ser an eine Schrift wider den

Er bie Feindſchaft bes Könige Saul wider den jungen Helden David durch

Prinzeffin Michol und Trauung des jungen Paares durch Jonathans Kaplan n in ber

Herr Amtarichter Dr. gelbe ande zum Schluß das in Berlin in den Jahren 1736-87 geführte Strafverfahren gegen die Brüder Müller wegen Er: mordung ihrer Tante, dev Wittwe Fuchs. Dasfelbe at nach der allgemeinen, neuerdings von Koſer beftrittenen Anficht die Beranlaffung zur Abfchaffung der Folter in Preußen gegeben. Es fol fi) nämlich ber Verdacht der Ermordung FE auf einen jungen Theologen gelenft haben, der auch, obſchon er ganz un: chuldig geweien, die That auf ber Folter geftanden Habe. Rur die zufällig vom Berliner Echarfrichter gemachte Entdedung, daß die Echlinge am Halje ber Er: morbeten offenbar von einem feiner Standesgenoffen herrühre, habe den Verdacht auf die wahren Thäter, zwei mit ber Wittwe verwandte Echarfrichterknechte, ab: eleitet und e8 verhütet, daß an dem Theologen ein Yuftizmord verübt wurde. lus drei gleichzeitigen mit Bildern und Liedern verfehenen Drudichriften über die Hinrichtung jener Brüder Müller ergiebt fi) nun, daß die Ermorbete eine Gichtelinnerin war, bei der von ben Vorſtehern dieſer religiöfen Sekte Erb⸗ Ialeiheret getrieben wurde, während fie ſonſt ängftlich jeden Verlehr vermied. Es fl ferner richtig daß der ältere Müller fie nach der Erwürgung an einer von ihm dazu gelnüpften Schlinge anfgehängt hat. Auffallend ift, daß man bie groben Koften nicht fcheute, Die beiden Müller auß ihrer Heimat Gera famt ben ort wohnhaften Zeugen nach Berlin zu jchaffen, anftatt die Verfolgung ihrem Zandesherrn, dem Grafen Reuß, zu überlaſſen. Noch viel auffallender iſt es Ihließlih, daß die Brüder in der Hausvogtei bem dort verhafteten abgefeßten Prediger Waldmann, der auch in einem längeren Liede fehr gefeiert wird, ihre Eduld auf dringendes Zureben befennen. ar dieſer Idmann vielleicht ein erbichleichender Gichtelinner, auf den zuerft ber Verdacht der Thäterichaft gefallen war ? Leider bleibt beim Mangel der Prozeßakten nod) manches duntel und die Frage offen, ob jenes Etrafverfahren auf die Abichaffung der Folter von Einfluß

geweſen ıft.

Sitzung vom 10. Januar 18%.

Herr Archivrat Dr. Bailleu ſprach über Deraog Rat Auguft von Weimar und Goethe und deren Beziehungen zum Yürftenbund. Ottokar Lorenz hat in einem kürzlich erichienenen Buche (vgl. oben Heft I S. 279), in weldhem ex ben bei der Ichten Berfammlung des Goethe-Berein® in Weimar gehaltenen Bortra über politifche eehrjahne wetter ausführt, nachzuweiſen gefucht, bah ber im Jahre 1785 a 5* —9*— Fürſtenbund eigentlich von Goethe angeregt ſei. Dieſer hager über hob der Vortragende hervor, daß der Fürſtenbund ein Alt der Politik Friedrichs des Großen ſei, und widerlegte zugleich die Aus: [ihrungen von Lorenz ın ihren Ginzelheiten wie in dem ſchließlichen Ergebnis. n zahlreichen Beifpielen zeigte fich, wie mangelhaft Lorenz die gedrudte Litteratur un babe. So giebt er von der Reife des Herzogs und Goethes nach Berlin im Jahre 1778 eine Tarftellung, die ſchon deswegen ganz verfehlt ift, weil beide den damals abwefenden Friedrich den Großen gar nicht haben jehen können. Richtig ift, daß Goethe während des bayerifchen Erbfolgefrieges einmal in einer Denkſchriſt von der Notwendigkeit einer näheren Berbindung der deutichen Mittel- Renten unter einander geiprochen bat. Aber dieſer Gedante ift im 18. Ja hundert zu verichiedenen Zeiten von den verfchiedenften Perjonen angeregt wor

Forſchuugen 3. brand. u. preuß. Geſch. VII. 2. 18

= Sıgmmgirer her. [572

siheunie> Yt Seien Ar Soe Term Wen während bes fiebenjähriger S-ers me Io) my im em uterhandelt. Was der u Zune und dem Fürſten von zuır zer TA. den König Friedrich zu era. & wir ex Em nm Ir Ronrtostee werden, den Preußen und viel or sd Cena germemz vize Gnk ım Juli 1785, in Denfelber zu ne Sartre? purer Fırufen, Sadjen und Hannover sure wıre. α Kız A won Weimar in Meinberg RE ware TZomer III ee rien Mißbilligung eines jozu FerXtumr FIT een 7% Die Einwirkung feines Ontels, Gerisyt Rıt Eixiz Sermuır Ru er m Anguft 1785 ın Braunſchweig bes > er wir Iroom un Baraben überzeugt au baben. ser Zar X Murz Ir deze cr Beızer ce 29. Anguſt 17 ürften: barıe beizetmeter Eder re Serbertirmy. Ne ber telangen, au) @r undes

wer, wir m Iuoarrie winrere Mitteilungen, auf Grund von uftrag nad

wur irız arvrezr el Guerie vi der debei eine bis mE fleinfle gehende Kenntuis der Yrcmentez sverure zu? Ye meine Sorgfalt bei Feſtſtellung des Wort-

eher des Foeizer ze Terıım wirdt bet, gab ber Vortragende eine kurze 7

der eutezsmttare au: der Sit den Veitritt zum Fürſtenbunde bat gu m

Jchre 143% trat er in die reus: e Armee ein. machte den Feldzug in Holland, titer dee Krieg gegen Feaatte: zit Der Tcrtragende ſchloß mit dem Wunſche. di Feımer bei? wırcm Iwrziye az öbnlihes litterariiches Denkmal errichten möge. wie es nenerdings Vader Für deren Freund. den Markgrafen Karl Friedrich getben babe. Vergl dezu den Aurig Ballen: in der Hiftor. Zeitichrift, Bd. 73 e. 14 ñ.)

Herr Tberiehrer Dr. 3. Bolte beiprady einige von Vächtold im Zürcher Zoitenduh merittentlichte Brree. Die ein junger Zürider J. G. Schultheß 1749-17 aus Ierlın an en verehrten Meitter Rodmer richtete. Schultheh be- richtet darin von der teil degetſterten. teils Ipöttiichen Aufnahme, die Bobmerz Roechide in den litteran'ten Areiden Verlins, bei Zulzer, Ramler, Mylius u a. fand: er plant einen Veiuch der Kiepftod, um „das Original feiner erhabenen eigenen Ihränen zu ſehen, die er to ort in jeinen Gedichten weinet*, und erzählt mit Behagen von den Frügeln, die Bodmers Gegner, Gottjched, für eine Recenfion von jyriedriche des Großen Me&moires pour servir à l’histoire de Brandebourg von einem preußiſchen Offizier erbalten baben joll.

Herr Privatdozent Dr. Breyiig handelte von ber inneren Politik des Kur: fürften Georg Wilhelm im tum Preußen während der Jahre 1620 und 1621. Unter Jobann Sigismund war die monarchiſche Gewalt hier aufs äußerfte eıngeichränft worden. Ter Kurfürſt hatte ſchon die Ernennung der bormunb:- ihartlichen Regierung des Landes mit dem Zugeftändnis einer durxchgreifenden Revition des geiamten Bertaffungs: und Verwaltungsrechtes in ftändiichem und polniihem Einne erfaufen müjlen, und als er dann zum reformierten Belenntniä übergetreten war, hatte ſich an der Sorge, die die hartlutherifche Bevölkerung des ogtums ſogleich erfagte, der Kurrürft möchte das Land zum Uebertritt zu feiner Konfeffion zwingen, auch die politiiche Cppofition von neuem entzündet. Johann Sigismund mußte an die von neuem vom Landtage zu Hülfe gerufene Krone Rolen die jchmählichiten Konzeffionen machen; er mußte offiziell een daß die Neformierten zu den im Lande nicht zu duldenden Eeften gehörten: bie fürftliche Macht war auf einem Tiefpunft angelommen. Ta ift ee nun med: würdig zu jehen, wie überaus geichidt und Flug Georg Wilhelm und Schwarzen: berg, der ihm fchon damals zur Seite ftand, diefe üble Lage der Dinge mm wandeln gewußt haben. Der neue Kurfürſt ward ſich vor allem Elar, daßz ınan nicht gegen Polen und die Stände zugleich fämpfen könne, daß man fich mit dem

373] Sißungsberichte, 275

einen ber Gegner verjöhnen müfle. Er wählte die Stände und verftand fo gut zu operieren, den Streit, ben die Stände auch mit ihm fogleich begonnen hatten, urch eine jo wohl erwogene Miſchung nicht allzu Fe Konzeifionen mit Dilatorijcher Behandlung der Hauptfragen aus der Welt zu Ichaffen, dab er, ala Die polniſchen Kommillare erfhienen, den Rüden völlig frei hatte. Das alte Lock— lied der Polen, denen eben jeßt bei dem Herannahen eines neuen Krieges mit Schweben mehr als de an der Ausdehnung ihres Einfluſſes auf das altifibe Küftenland lag, das Lied von ftändifcher Selbftherrlichkeit verfing weder bei den im übrigen noch wenig urſürſin geſonnenen Oberräten, den höchſten Beamten des goalumd, noch bei den Ständen. Den Gejandten gelang es nicht, ihre offentundige Abficht, den Zwift zwiſchen Landesheren und Unterthanen von neuem zu entfagen, durchzufeßen; es kam fo weit, daß der Landtag felbft um die Ueber⸗ ung der Regierung auf Georg Wilhelm und feine Belehnung anhielt. Durch große Belbtonzeifionen an die Republik, Heine Handhaben für die Gefandten ın Polen war ja der Staat ebenjo beftechlich wie die Privaten wurden aud die legten Hinderniffe hinweggeräumt; fchon im September 1621 war Georg Wilhelm legitimer Herzog von Preußen. Es war doc ein großer Erfolg. Der Kurfürft hatte, obwohl er in feinem Stammlande durch den mehr und mehr um ſich greifenden deutichen Krieg ſehr bedroht war, den ſtändiſchen und dann ben polnischen Widerftand überwunden. Ex zeigte ſchon damals, daß er, wenn er aud in ber großen Politif wenig Glück gehabt Hat, doch in der Kleinen ein Meifter war.

Sifung vom 14 Februar 18.

per Amtsrichter Dr. Holße beſprach Gallands foeben erjchienene Schrift „Die Amtmännin von Oranienburg” und zeigte, wie durch dies Buch unfere Kenntnis des Kunſtlebens am Hofe Kurfürft Friedrichs . mannigfach er: weitert wird.

Anknüpfend an Lettows Werk „Der Krieg von 1806/7" erklärte Herr Les gationsrat von Lindenau, er ftimme nicht mit Treitſchke in der Anficht über- ein, daß der Abfall bed Kurfürften von Sachſen vom Preußifchen Bünbdniffe „längft geplant“ war, obſchon es feftfteht, dab der fächfilche Geſandte in Paris troß der Abreife des franzöfiichen Geſandten aus Dresden (22. Sept.) erhaltenem Befehle zufolge auf feinem Poſten verblieb. Redner gab aber zu, dab der von Ratur ängitlihe Kurfürft, in feiner krankhaften Vorliebe für Neutralität und von wibderftreitenden Einflüflen umgeben, fich (vielleicht unbedacht) in den Tagen der Enticheidung zu einem heimlichen Pertehr⸗ (auf weiten Umwegen) mit dem gemeinſamen Feinde hat hinreißen laſſen, den man (objektiv betrachtet) kaum anders bezeichnen kann als verräteriſch. Der Vortragende verurteilte es jeden⸗ falls als illoyal, daß der Kurfürft nach der verlorenen Schlacht bei Jena (14. Ott.) auf die Unterftellung Napoleons, Sachſen fei zur Teilnahme am Kriege ge: wungen geweien, bereitwilligft einaing, da er, der Kurfürft, doch ſelbſt egen

de Auguft den in der ertten Hälfte des September erfolgten inmarik er Schlefiichen Armee verlangt hatte, um unter deren Schube die Mobilmachung der eigenen Truppen ficher vollziehen zu können.

Herr Oberlehrer Dr. Tſchirch aus Brandenburg a. Havel berichtete über 12 alte Schreibfalender , welche der einft in Sorau und fpäter in Brandenburg —37 Pfarrherr Joachim Garcäus zu zahlreichen täglichen Eintragungen in den Jahren 1617—1632 benußt hat. Die Hefte find von Erich Niederftadt in der Kicchenbibliothet von Sankt Katharinen zu Brandenburg aufgefunden und entziffert worden und werden demnädft im Auszuge mit einer Einleitung und hiſtoriſchen Anmerkungen des Referenten im Trude erfcheinen. Sie enthalten reichhaltige, allerdings meift jehr kurze Bemerkungen, welche zur Kenntnis der märkischen Geſchichte in jenen bewegten Striegäzeiten manches Lehrreiche hinzu: fügen. In einigen Fällen werden die Aufzeichnungen zur Beftätigung und ge: naueren Feſtſtellung der Zeitfolge der a grile und Heereszüge in der Mittelmart benußt werden können, da die Notizen ihrer Natur nad vollftändig

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276 Sitzungsberichte. [574

leichzeitig und zuverläffig find. Noch größeren Wert aber haben bie täglichen

ermerfe für die Hulturgefchichte jener eit. Sie geben ein charakteriſtiſches Ger famtbild des Familienlebens mit feiner primitiven Naturalwirtichaft, tet raufig ftrengen KHinderzucht und feiner berben Genußfreude, ſowie des ftäbtifchen Sehens mit feinen Gelagen, nanuieien und Faftnachtsmummereien, feinen kirch⸗ lichen und weltlicden Zänkereien, feinen Hinrichtungen und Herenprogefien, feinen zeiten en, Zeuerungen und Tumulten. Der Referent entwarf auf Grund der agebücher und anderer Quellen ein Charalterbild des Verfaſſers, der durch feinen Anteil an kryptokalviniſtiſchen Streitigkeiten feinen Zeitgenofjien wohl be kannt war. Er ericheint ala eine piychologiich merfwürdige, mannigfad) gebilbete und geiftig angeregte, leidenichaftliche und reizbare, ehrgeizige und eitle Natur, bie zwifchen weltlicder Genußfucht und heftiger Reue haltlos ſchwankt und ber inneren Zerknirſchung durch Selbſtgeißelung Ausdrud giebt. yrilid war biefer Mann hiernad) keineswegs geeignet, dem ftrengen Luthertum feiner zeit als ein nen Borfämpfer der milderen, dem Kalvıniamua freundlichen Richtung zu ericheinen. (Bgl. auch unten bei den Büchern.)

Herr Dr. Krauske fligzierte im Anfchluffe an „Acta Borussica, Be-

hördenorganifation“ Bd. I, der demnäcft im Buchhandel ericheinen wird et unten bei ben Büchern) den Charakter König Friedrich) Wilhelms L und feiner b deutendften Minifter. Die Epoche Fricdri 3 I. wird häufig allzu ſehr gran it grau gemalt: fie befaß einen bemertenzwerten Fe an Berwaltungstalenten und erfinderifchen Köpfen. Es fehlte ihr nur bie ftrenge Hand, die diefen Etrö« mungen die rechte Bahn anwies und fie gehörig eindämmte. Wer bat dies mit rößerem Erfolge gethan, als Friedrich Wilhelm IL? Seine Härte ift in aller Mund: aber man vergeife nicht, daß er gegen niemand ftrenger geweſen ift, als gegen fich ſelbſt. In dem Königstum von Gottes Gnaden ſah er nicht, wie die meiften feiner Kronen tragenden Zeitgenofjen, ein nubbares Recht, fondern ernfte Pflichten, Pflichten, deren Laft zu unterliegen er manchmal fürchtet. Denn er laubte, für alles, wa3 unter jeiner Regierung geichähe, Gott verantwortlich zu kin Und fein Gott war, wie der der Puritaner, der ftrenge und eifrige Jehovab, er bie Sünden bes Könige an Kindeskindern und an dem ganzen Lande unb Volke rächte. Ueber die Verherrlichung der Fürſten ala ber irdifchen Götter hat er tet? geipottet. Wider Erwarten betätigte Friedrich Wilhelm I. bei der Thron: befteigung alle Minifter in ihren Aemtern. Der eigentliche Leiter ber auswärtigen Angelegenheiten war Rüdiger v. Jlgen, mit Recht ala feiner Diplomat gerühmt, aber ohne Initiative. Ihm ftanden zur Seite Graf Chriftoph Dohna, durch feine Memoiren allgemein befannt, und Marquard von Printen, befien lauterer Charakter, tiefe, warme Froͤmmigkeit und vornehmer Freimut ihn zu einer ber anziehendften Geftalten jener Zeit machen. Friedrich Wilhelm bat ihn hoch ges achtet; „nur der Zod foll ung fcheiden“, fchrieb er auf ein Entla ungegefuch Fringene. Ein ganz anderer Charakter war Friedrich Wilhelm von Grumblow ; leichtlebig, nicht unbeftcchlich, er wußte dem König geſchickt zu wiberjprechen, ohne den leicht erregten Zorn bes Herrichers zu weden. Seine großen Berdienfte aber um den peeußtf en Staat find noch lange nicht genügend gewürdigt worden. Selbſt Friedrich der Große, ber ihm durchaus nicht wohl wollte, nennt Grumb- fow ın einem Epigramm auf defien Tod „un nd financier“. —- Zu den bes borzugten Deratern Friedrich Wilhelms gehörte noch Ehrenreih Boguslaw v. Creutz, der ſchon ber Vertraute des Kronprinzen gewvelen war. Bon allm Miniftern waren er und Grumbkow der Partei der Königin am verbaßteften, aber troß mancher jehr geichict angelegter Intriguen bewahrte er fi die Gunft Friedrich Wilhelms.

Zu dem Berichte über die Eikung vom 14. Februar ift nachzutragen, dag Herr Yegationgrat von Lindenau ın jeiner Mitteilung über die jächfiiche Politik des Jahres 1806 ſich auf eine Arbeit des verftorbenen Direktors des upt: Staatsarchivs zu Dresden, Eeheimen Rat von Weber, füßte, welche dieſer 1572 ım 11. Bande des Archivs für die Sächſiſche Gefchichte veröffentlicht Hat und Die Zreitichte jowohl wie Lettomw nicht befannt war.

57 5] Sibungäberichte. 977

Situng vom 14. März 189.

ger of: Dr. Shmoller ſprach über die Begründung bes Branben: burgifchen Geheimen Rates im Jahre 1604. Er führte zunächſt aus, welche Anſchauungen darüber zu Tage getreten feien, wie Droyſen, Iſaacſohn, Kühns, Bornhak darin eine epochemachende That, Stölzel und Eh Holte nur eine unter: geordnete formale Aenderung ın ber Art der ipungen der Brandenburgifchen oberften Räte ſähen. Um feftzuftellen, wer Recht habe, unterjuchte Redner dann, wie überhaupt in den größeren deutichen Zerritorialftaaten von 1500 bis 1646 das einheitliche Collegium regiminis fih in eine Anzahl Sonderkollegien: Geh. Rat, Hofgericht, Rentlammer, Kirchenrat oder Konfiftorium, gejpalten habe und welche Folgen dieje Arbeitsteilung für die beflere a en onn8 ehabt be. Er fuchte zu zeigen, wie langſam fich überall diefe Scheidung vollzogen be, wie allerwärtö auch nad der Scheidung die Räte diefer nun getrennten ollegien fich ala ein Corpus fühlten, wie aber troßdem in der Scheidung ein großer Fortſchritt gelegen kei. Dann kam der Redner auf Brandenburg zurüd und betonte, daß man das Einzelne in diefem Differenzierungsprozeß nur ver- Pe fönne, wenn man fich genau ein Bild davon machen könne, um welche en und um welche materiellen Geichäfte und Angelegenheiten, um welche vorbergegangenen Mißftände es fich bei jeder Aenderung gehandelt habe. Er er: innerte daran, dab die großen ausmärligen und Hochpolitifchen Tyragen in der Regel gegen 1570—1620 in den großen Rat nicht mehr ebracht tworden jeten, weil e3 * dabei um ſtrikte Geheimhaltung gehandelt habe und wie daher die —— | ieſer Dinge unter dem Mangel eines beſonderen Geheimen Rates ge⸗ litten habe. Auch führte Redner aus, wie Joachim u im Gegenſatz zu feinem Vater, der überwiegend mit echt Brandenburgiichen Junkern regierte, nun lauter Perjonen anftellte, die er aus Magdeburg bereitd mitbradhte, die aus andern Territorien ftammten. Graf Schlid, v. Löben, v. Bylandt, Tyabian vd. Dohna find feine in Brandenburg, zumal beim Adel verhaßten Bertrauten, und fie verdienten das Bertrauen. Aus diefen Elementen bildete er den Ges geimen Rat, mit ihnen allein wollte er, und nicht mit ber Gejamtheit der alten äte, die große Frage des Anfalld von Preußen und Gleve: Mark beraten. Nicht ſowohl aus dem Wortlaut der Geh. Ratsinftruftion ala aus den amt! teiten müfle man die Bedeutung der Anftitution erklären. Und von diefem Stand: Juntt erſcheine der Geh. Rat in der That als ein wichtiges Glied in der Kette er Mohr eln, welche ein monardijches Beamtenregiment gegenüber dem junfer« lichen Klaflenregiment begründen wollten. Und jo habe wohl Stölzel rein formal Recht und Droyfen Unrecht; materiell habe aber letzterer doch das Richtige ge: teoffen, wenn er die Begründung des Geh. Rates angefnüpft habe an den alls gemeinen Gegenjab des ftändifchen und des Beamtenftaates.

Es folgte ein Vortrag des Herrn Archivars Dr. Meinede über den General Ludwig Guftav von Thile, welcher zweimal, zuerſt 1812—1816 in einer dem jeßigen Chef des Militärkabinetts enÜpredenden Stellung, dann von 1841—1848 ala Geh. Staats⸗ und Kabinettsminifter und ala perfönlicher VBertrauter (Friedrich Wilhelms IV. in einfinßreicher Stellung war. In feiner erſten ‚Deriobe ſteht er vollftändig auf dem Boden der Scharnhorftichen und Boyenſchen Ideen und wirkte in diefem Sinne bei der geleglien Einführung der allgemeinen a han und bei der Neuorganifation der Armee 1814/15 mit. In ſeiner weiten eriode ift ex politifcher und religiöfer Gefinnungsgenofje Friedrich Wilhelms IV., eher no firenger ala diefer. Um jo merkwürdiger ift ed, daß er nach dem 18. März 1 gegenüber der Gerlachſchen Partei für peinliche Innehaltung bes einmal an: genommenen fonftitutionellen Weſens eintrat. Kein Gefinnungswedhlel, fondern

ie ihm eigene zarte Gewiſſenhaftigkeit beftimmte ihn dazu. Er gehört zu den Staatsmännern, an denen Berufen in der erften Hälfte dieſes Jahrhunderts zeich ift, Die durch eine fein entwidelte Perſönlichkeit anziehen, die den idealiftifchen zus ihres Zeitalterd an fich tragen, die aber der felbftändigen und jchöpferiichen raft entbehren.

278 Sitzungeberichte. [576

Sitzung vom 11. April 1894.

Da einige erwartete Mitteilungen ausblieben, trat Prof. Shmoller ın die Lüde und erzählte Einiges aus jeinen Studien über die Entftehung des Land- ratsamtes. Er ging davon aus, daß im ganaen Süden uud Weiten Deutichlands feit dem 14. Jahrhundert ala Fürſtliches Bezirksamt der Amtmann, Pfleger oder iwie er fonft heiße, mit der Kompetenz für Polizei, Yuftiz, Finanze u il weiſe auch für Militärfachen ſich erhalten, daß aber in Brandenburg bie Vogteiver⸗ faſſung fi früher aufgelöft habe. So ftanden im 16. und 17. Jahrhundert Städte, Gutsbezirke und Domänenämter direlt unter ber Landesregierung; der Zandeshauptmann an der Spike ganzer Lanbdesteile war ftändifch gefinnt, unb

noch in jedem Vogteibezirk; ihn zu einem Bezirköbeamten En erheben, jcheint man a en. So war es eines

sung ber Negterungämabregein au übertragen; fo fönne man ver⸗

in den Jahren 1701830 nicht aus den uns erhaltenen Beitallungen ganz zu ver- jtehen ſei. Diefe enthielten althergebrachte yormeln, nicht Die fteigende Eumme er neuen Amtsaufträge. Erſt gegen 174050 3. B. in der Beitallung bes Landrates don der Gröben, die Redner mitteilte, trete dad Amt in feiner vollen Ausbildung als ftaatlich polizeiliches Kreigamt uns entgegen, aber immer nod an bie älteren feudalen Zuftände dadurch erinnernd, bah der Landrat meift ein eingejefiener gewählter Rittergutäbefiger bes Kreiſes war. Redner ſchloß damit, daß er die Einführung des Landratsamtes in Schlejien 1742, in Cftpreußen und Cleve⸗Mark 1752 Ichilderte, dad Verhältnis des Landrated zum Steuerrat erörterte Fi endlich die veränderte Stellung des Landrates im 19. Jahrhundert kurz izzierte.

An dieſe Mitteilungen ſchloß ſich eine längere Debatte, an der fich haupt⸗ ſächlich die Herren Prof. Dr. Brecher, Dr. Hintze und Dr. Krauske beteiligten.

Stkung dom 9 Mai 189.

err Dr. Hin he zog das Ergebnis der für die Acta Borussica von ihm angeftellten archivaliſchen Forſchungen, bei denen er ſich nicht auf die biäher fo ausschließlich benupten Alten über die Reform in Pommern und beim Kammer: gericht eichräntt, fondern das gelamte auf die Übrigen Provinzen bezüglicde

aterial mit herangezogen hat. wies darauf au daß diefe Ausdehnung nicht gleichgültig fei für dad Gefamturteil über die Bedeutung jenes Wertes im roßen und ganzen. Die Coccejifche „ufigreform ericheine darnach in der Hanpt⸗ I als ein Stück Behördenorganifation, bie ganz von ben Senbengen ber uk riedrich Wilhelms I. getragen, gewifjermaßen nachträglich für die Gerichte durch⸗

577] Sitzungsberichte. 279.

eführt habe, was ſchon früher für die Verwaltungsbehörden geſchehen ſei. Es *— ER dabei im Grunde nur um die Umwandlung der biöher noch wefentlich territorialen Gerichteverieflung in eine ftaatlicde, um die Ausgleichung des Gegenjahes, ber zwiſchen dem Beifte des neugelchaffenen Beamtenftaates und den rüdfändigen Dr antjationäformen der Gerichte fich geltend machte, und aus dem ein großer Zeil der Hebel, an denen die Juſtiz damals krankte, zu erklären ift.- Der territoriale Typus der a war zwar durch das 17. und bie erfte Hälfte des 18. Vera Ir mit ihren abjolutiftifch » centralifierenden Ten⸗ denzen nicht unverändert hindurchgegangen; die Obergerichte waren teilweije bes reits zu Beamtentollegien geworden, aber es fehlte noch überall an einheitlicher Organifation, ftrenger Disciplinaraufficht, vor allem an ftaatlichem Pflichtgefühl des Perfonals; ftatt deffen machte fig vielfach eine bequeme, vornehme Läfligteit, jpröde territoriale Abjonderung, ftändifche Erflufivität bei dieſen Landeskollegien geltend, die überhaupt dem ſich bildenden Gejamtftaat ala etwas Fremdes gegen: berftanden, von ihm mit Mißtrauen angefehen wurden. Hier lag auch bie Wurzel für die Entftehung einer weitgreifenden Jurisdiktion der Verwaltungs⸗ behörden, für die Ausdehnung der Militärgerichtäbarfeit, für Die Bewahrung einer weitgehenden geiftlichen Rechtiprehung bei den Konfiftorien. Alles dies konnte erit geändert werden, ala die Gerichte zu wohl disciplinierten, dem Beamtenftaat einverleibten, rein königlichen Nehörden geworden waren.

Das Wefen diefer Neubildung erläuterte der Vortragende an einzelnen Punkten von bejonderer Wichtigkeit, jo an der Kombination fonturrierender Ge: richtstollegien, der Regierungen und Hofgerichte, an der Bejoldungs: und Yinanz- frage, die bei der Abneigung des Könige, für die Reform Geld herzugeben, zu einer außerordentlich Imvierigen wurde, ferner an dem einheitlichen Aufbau der

tanzen mit dem Zribunal an ber Spike als oberfter Revifionsbehörde für Die gefamte Monarchie, an der damit im Zujammenhange ftehenden neuen Einrichtung eined geordneten Veſchwerdeweſens, durch welches die Supplikation an den Mo: narchen ſehr wejentlich eingeichräntt wurde, endlich an der beamtenmäßigen Um: bildung bes Richters und Advofatenperfonals. Weniger geihah für die Unter gerichte, deren patrimonialer Charakter überhaupt unter Friedrich 1. nicht angetaftet worden ift; Doch, bereitete die Einrichtung der Landgerichte in Cleve⸗ Mark, der Aemterfollegien in Preußen ſchon die fpätere Ginrichtung der Do: mänenjuftizämter vor. Vor allem aber wird die Unterinftanz einer fcharfen Aufficht durch die Provinziallollegien unterworfen.

Zum Schluß wies der Vortragende darauf Hin, daß die Bedeutung, welche dad Reformwerk für eine rücjchauende hiftorifche Betrachtung hat, ſich keineswegs bedit mit den Plänen und Abfichten, von denen Eocceji und der König audgingen. Eie wollten den nächften Bedürfniffen genügen; fie kamen dazu, einen großen geſchichtlichen Entwidelungsprozeb zum vorläufigen Abſchluß zu bringen.

Herr Graf zur Lippe:Weihkenfeld teilte die Kabinettsordre vom Februar 1780 mit, durch welche —** der Große das Geſuch des Generals Chaſot, ſich Chajot:Hohenfriedberg nennen zu dürfen, mit ber Begründung abſchlägt, „da er fonft allen Offizieren des Regiments Baireuth-Dragoner diefen Beinamen gewähren müfle, was doch nicht angehe.“

Herr Oberftlieutenant Shnadenburg wies auf die Unzuverläffigleit der Zeitungsberichte über die Kriegsthaten Friedrichs des Großen hin, indem er von dem Hamburgifchen Korreipondenten ausging, der am 31. Dezember 1740 meldet, unter welchen Umftänden Glogau Tapituliert hat, während in der That bdiefe Feſtung erit am 9. März 1741 erftürmt worden ift.

tr Ardivar Dr. Meinardus ſprach über eine im Sommer 1649 in Gleve: Mark verbreitete Schmähichrift gegen den Kurfürften Friedrich Wilhelm von Brandenburg und einige feiner eriten Räte, namentlid) Konrad v. Burgs⸗ borf. Nach einer Schilderung der politiigen Situation jener Tage ging der Lortragende die hauptfädhlichiten gegen Burgsdorf geichleuderten Schmähungen im einzelnen dur und wies namentlich auf die eigentümlichen, an verjchiedenen Stellen vorlommenden Beziehungen auf die Mitglieder des Dranilchen Haufes und die Niederlande ſelbſt hin. Die mit großer Strenge geführte Unterfuchun vermochte zwar nicht den Verfaſſer des Pasquills zu entlarven, doch fanden 9—

280 Sitzungsberichte. [578

unter den Papieren bes früheren Rates Joh. v. Dieft, auf ben der Verdacht Ientte, Schriftftüde ähnlichen Inhaltes, von denen einzelne Stellen ſogar bem MWortlaute nach fih in dem Pasquill wiederfanden. Joh. dv. Dieft wurde beinahe ein halbes Jahr in Unterfuchungshaft gehalten, dann aber vom Kurfürſten be- gnabigt, joweit feine Perjon betroffen war. Die beleidigten Beamten führten den riminalprozeß gegen d. D. weiter. Burgadorf und die anderen Räte erhielten mehrere eingehende Ehrenerklärungen feitend ihres KHurfürftlichen Herrn. Der Bortragende juchte auch aus dem nf noch über Burgsdorf befannten geichicht: lichen Material nachzuweifen, daß fein Charakter fledenlos aus diefer Verleum⸗ bungsaffaire hervorgeht. Aus dem Umftande, dab dv. D. feine Begnadigung ber Prinzeffin Amalie von Oranien, der Schwiegermutter bes jungen Kurfürſten, ver: dankte, und aus mehreren anderen deutlichen Hinweilen, ſchloß der Bortragenbe, baß die Cleviſchen Stände den abgejegten und nicht wieder angeftellten Rat v. Dieft zu der Abfaflung der Schmähfchrift angeftachelt Haben werden, da ihnen daran lag, den Cinfuß des für die militärifchen und finanziellen Kefonmen im Lande eintretenden Burgsdorf zu brechen, und dies am beften durch vollen Ber: feindung mit ben auf feine nahen Beziehungen zum Sturfürften eiferjüchtigen rftlichen Frauen aus dem Oraniſchen Haufe erreicht werden konnte. Hierfür ei auch der Umſtand offenbar von Bedeutung gewejen, daß der Kurfürft ganz in er burch feine Derbindung mit der oraniichen Partei in den Niederlanden be⸗ nftigten Großmachtspolitik aufging, und daß ber Lebteren daran lag, ihn mit einen Ständen zu verjöhnen und deren Agitationen bei ber republikaniſchen artei in den Niederlanden lahm zu legen. Wir müſſen aus ber Schmähſchrift ben Schluß ziehen, daß die perfönliche und politische Vertrauenäftellung Burg: borf3 beim Kurfürſten wohl bereits ing Schwanten gelommen war.

In Anknüpfung an diefen Vortrag teilte Herr Privatdozent Dr. Span: nagel einige Ergebnifle feiner Forſchungen über die zwei Jahre fpäter gegen Burgsdorf verhängte Ungnade und feinen Zod mit. Obwohl die erftere offenbar aus politifden Gründen erfolgt ift, hielt Herr Dr. Spannagel es doch wohl für möglich, daß das durch bie obige Schmählchrift audgeftreute Gift Fa ver: böngnisvolle Wirkungen ausgeübt hat. Jedenfalls hat die oranifche Partei eifrig am Sturze Burgsdorfs mitgearbeitet.

Verein für Gefhichte der Neumark im Jahre 1893194.

Der Berein für Gefchichte der Neumark hat fich auch im verfloffenen Jahre verhältnismäßig günftig weiter entwidelt. Die Zahl feiner Einzelmitglieder bezw. Beiträge zahlenden Storporationen der meien tädte und Kreiſe der Neu⸗ mart iſt auf über 500 geſtiegen. Leider findet noch ein ziemlich lebhafter Wechſel der Mitglieder ftatt, zumal durch Verzug aus dem Bereiche bes BVereind. Ein fernerer Mebelftand ift der, daß es an aktiv thätigen Mitgliedern, namentlich in wiſſenſchaftlicher Beziehung, noch fehlt, ein Mangel, der fich aus dem Nichts vorbandenjein eines geiltigen Mittelpunttes des Landes zur Genüge erklärt. Troßtzdem ift auch in diefer Hinficht ein lebhafter Fortfchritt zu verzeichnen. Am 24. September 1893 hielt der Verein unter reger Beteiligung aus« wärtiger wie heimiſcher Mitglieder feine Jahresverfammlung für 1893 ın Königs⸗ berg ab. Beranlaffung zur Wahl diejes Ortes hatte der Umftand gegeben, daß er aller Wahricheinlichteit nach 1243 als Stadt gegründet ift und demnach da: mals auf eine 650jährige Vergangenheit zurüdblidte, weshalb denn auch der erfte Abend ber Jubiläumsfeier gewidmet war. Außer den üblichen Begrüßungs: und Dantesreben jprach hier Dr. van Nießen:Stettin über die Umftände der Gründun ber Stabt uhd Dr. Schwartz-Friedenau gab ein gelungenes und feflelndes Bi von bem Königäaberg de3 17. und 18. Jahrhunderte. Am nächſten Tage fand zunacht die Sitzung der Vereinsmitglieder ſtatt. Der Vorſtand konnte berichten, daß die Regeſten des Staatsarchivs in Königs— berg, welche fich auf die Herrſchaft des Deutſchen Ordens in der Neumarf(1402—1455) beziehen, durch Herrn Staatsarchivar Ardivrat Dr. Joachim gefammelt feien, wobei Tich Heranägeftelt bat, daß etma 1800 im ganzen vorhanden waren, von denen 1 noch unbelfannt ober doch an geritreuten Stellen veröffentlicht find. Die Verſammlung beichloß, bei dem Kgl. Oberpräfidenten von Oftpreußen eine Subventionierung aus Fonds für die Ywede ber ren ifchen Geichichte nachzu: —* und im Falle der Bewilligung die geſamten Regeſten drucken zu laſſen. erner wurde Die genauere Regiftrierung er bei den an arrämteen vorhandenen

architeltonifchen, Zunftgewerblichen und archivalifchen Materialien angeregt und einen erften Verſuch mit der Synode Soldin zu machen beichloffen. Paftor Reinhard: Brügge erklärte fi” zur Uebernahme diejer Arbeit bereit. ferner wurden zunächſt 400 ME. bewilligt für die Sammlung der in Berliner Archiven befindlichen Regeiten zur Gelchichte der Neumarkt und der Vorftand beauftragt, entweder durch Wreisanäfchteiben oder auf Grund perfönlicher Verhandlung die Sache in die Wege zu leiten.

Bezüglich der Drganifation des Vereins wurde beichloffen, Die Mitglieder der einzelnen Städte und ihrer Umgegend zu Ortsgruppen zu bereinigen und dieje dann für die Arbeiten des Vereins nubbar zu machen. Der VBorftand wurde beauftragt, der nächften Hauptverfammlung ein Statut vorzulegen.

An Stelle des infolge Verzuges ausſcheidenden Begründer des Vereins, Redakteur Edert, trat Dr. Schwarz in den wiſſenſchaſtlichen Ausschuß.

Nach einer Erholungspaufe wurde demnächſt eine Wanderung durch bie Stadt unternommen reſp. fortgeſetzt.

252 Eigamgsberichte. [5%

te mmungstei bergeteliten Santt Warientirche auf die Hörer ausübte. Zu be daneru ı*, dat von ben ebemalisen Holgchnitzereien der Marienkirche wie Der Georgen- fapese noch to mautes der iachderitändigen Benrteilung und B ung fi entzcen bat Lrtes Handduch erthelt darüber nicht: und Bergaus Inventariam nur dortige Notizen.

Am Rachmittage bielt dann Dr. van Rieken in dem völlig gefüllten Saale dei Kzl Seminars einen Vortrag über: Tie Monftrofität der märkiſchen Recht; und Veirkzuitinde des 14. Jahrhunderts, erläutert am Beifpiele von Reef. Der Mangel an Xzum verbietet, an Dieter Stelle näher auf den Inhalt des Bortra einzugchen. Nur kurz fer fclsendes angrführt: Seit vormärkiſcher Zeit eine Surg Reetz. welche zertweilig den Johannitern gehörte, dabei wurde dann das Gifterzienier-Nornnentlofter gearundet, endlich entftand auch die Stadt Reet In den eig der Burg und der ihr anhaitenden Gerechtfame find durch Ber: prändung ipüterhin die Herrn von edel gefommen, das Klofter wurde durch Eätularitaticn martgrärlihe TDemäne. So fommt es ben, daß bie Stadt, bie Domane und die Rurchrren vielach in Konflikt über vermeintlidde Gerechtfame geraten, namentlich bezuslih der Yeiigverhältnifie an Grund und Boden, daneben aber hauptiachlich hinnchtlih der Gerichtsbarkeit; der ftärfere Zeil find dabei Die Wedels und das Amt, der ichwächere und troß bes beijeren Rechtes faſt immer unterliegende die Stadt. So geht es das ganze 17. Jahrhundert Hindurd. Ein

rozeh jagt den andern; aber von einem energiichen Verfahren der vorgeſeßgten

borden gegenüber den Generalpächtern der Zomäne oder benen von Wedel finder fich feine Spur. Taneben aber wird ber Fiskalismus auf die höchſte Epige getrieben und die Beamten in völlig vechtäwidriger Weile auf Koften der Stadt mit Serehtiamen und Trärogativen anägeftattet. Fri il beim I. hat diete Zuftände einigermaßen zur Ruhe gebraddt. Ten Uebergriffen der Amtleute, die damals nicht mehr eigentlidde Beamte waren, ruft er eim energiiches „quos ego“ zu, und der Tomänenkammer, die den Amtmann zur Verfolgung feiner mehr als zweifelhaften AInprue gegenüber der Etebt aufgetordert hatte, bedeutete er, daß die Pürger fo gut feine Unter: Aalen, als bie Pächter, daß fie ſich alfo jeder Begünftigung bdiefer zu ent«

en hätte.

Soweit der Vortrag. Eine Erörterung darüber wurbe nicht beliebt.

Der Abend vereinigte eine größere Anzahl Herren bei Tiſch. Die gelungene Eitung hatte dem Berein 50 neue Mitglieder zugeführt.

Die Regiitrierung der Sirchenantiquitäten ıft nunmehr von ei Reinhard in Angriff genommen worden. Der Grfolg t bald gezeigt, bie Abſicht des Vereins durchaus richtig war, e8 ergab fih bald das Vorhandenfein einer

Oberen Anzahl ältefter Haufteintirchen, jowie wichtigerer Kirchenbücher ans ber Seit dor dem SOjährigen Kriege, aber auch fonftiger Intereflanter Tentmäler, da» gegen jcheint die gewählte Form (Fragebogen) nicht glüdlich zu fein, da bie meiften Geiftlichen nicht genügendes Sntereis jür die Sache zeigten, vielleicht auch nicht hinreichende Kenntnis.

Die Bearbeitung der Berliner Regeften übernahm, nachdem man längere Zeit vergeblich einen geeigneten Gelehrten geſucht hatte, Herr Dr. v. dorf, doc leider mußte auch diefer nach furzer Zeit infolge dringender ander weitiger Inanſpruchnahme diefe Thätigkeit wieder aufgeben, wodurch die Arbeit zunächſt ins Stoden geriet.

Ta der Kgl. Cberpräfident von Oftpreußen die oben angebeutete Beihälfe für die Negeftenedition leider nicht gewähren zu können erklärte, jo mußte and dieje vorläufig noch unterbleiben.

Kie am 27. März 1894 in Sanbaberg abgehaltene diesjährige Haupt: verfammlung hat dann bezüglich der vorftehenden Punkte beftimmt, dat der Ernd

581] Sitzungsberichte. 288

Der Königsberger Regeſten inſofern erfolgen ſoll, ala die Stücke nod nicht bei Niedel (bezw. Kletke) publiziert worden find. Die Herausgabe wird Dr. van Nieben, die Fertigung der mühevollen Regifter Staatsarchivar Dr. Joachim be: Torgen. Oftern 1895 foll der Drud fertig fein.

Die Regiftrierung der Berliner Urkunden wurde Herin Dr. Schwark über: tragen, ber ſich auch nachträglich damit einverftanden erflärte. Behufs der

ierung der in den ftädtiichen Archiven der Neumark vorhandenen Urkunden find ſeitens des Vereins Geſuche an die betreffenden Magiftrate gerichtet worden. Das Archiv von Bärmwalde ift daraufhin von Dr. van Nießen geordnet worden, wobei eine relativ große Zahl unbelannter Diplome vorgefunden worben iſt. Die Städte Soldin, Landsberg, Königsberg find nunmehr ebenfalls diefer Sache näher

etreten. Der Borftand fonnte ſomit dem Verein gegenüber die Hoffnung aus prechen, die nötigen Vorarbeiten jo gefördert zu r en, daß innerhalb einiger Jahre mit der Herftellung eines neumärkiſchen Urkundenbuches begonnen werden Tann.

Die Regiftrierung der kirchlichen Altertümer wird fünf zunächſt durch bie betreffenden Herren jelbft direft in Angriff genommen; jollten fih auch hier Schwierigkeiten herauäftellen, fo joll verfucht werden, das Kal. Konfiftorium für eine Förderung der Sache zu gewinmen.

Auch in Landsberg war eine Anzahl noamentlich für die Lokalgeſchichte intereflanter Oegenftände zu einer Heinen, zumal für Die Ortsangehörigen zugs kräftigen Ausftellung vereinigt worden, neben der aud) das antiquariiche Muſeum in Augenjchein genommen wurde. .

odann folgten die Vorträge. Diejenigen de3 Dr. Schwark, „Ueber ben Einfluß der Aftrologie auf die Fiiti des Markgrafen Hans v. Küſtrin“, und dee Dr. van Nießen „Ueber die Burg Zentoch an der Netge“ find inzwiſchen im Druck erfchienen?), lebterer erweitert, im Heft II der Vereinsſchriften. Ueberdies prach Her Dr. Höhnemann über das Thema: „Aus der Heimatsfunde von Lands⸗ erg und Umgegend“, wobei er in höchſt intereflanter Weite den einftub ber Boden= bil ung ma ie, Beftedlungagefdicht der Warthegegend und der parallelen Striche vor Augen führte.

Der naͤchſte zug führte eine Anzahl Teilnehmer nad dem benachbarten Zantoch, wo fie auf dem Hiftoriichen Boden jelbft fich die Anfchauung von ben am Tage zuvor beiprochenen Derhältniften verichafften. Ausgrabungen, welche dajelbft vorgenommen wurden, trugen Dazu bei, manche von dem anfgeftellten Oupotgelen u beftätigen.

ie Publikationen bes Vereins beftanden in Nr. 11 und 12 der „Mit: teilungen“, weſentlich Berichte ıc. enthaltend, und Heft II der „Schriften. _ v.

1) Bgl. im folgenden Band VIII der, Forſchungen“ unter „eitſchriftenſchau“.

Neue Erfcheinungen.

Bücher.

Dahlmann⸗Waitz: Onellenltunde der dentichen Geſchichte. VI. Auflage, bearbeitet von E. Steindorff. Göttingen 1894, Dieterichiche Ver⸗ lagsbuchhandlung (XV u. 780 ©.; 11 Mt.).

Die FA Auflagen ber viel benußten Quellenfunde von Dahl» mann: Waiß, jo vollftändig fie die Sitterabur es Mittelalterö verzeichneten, jo lüdenhaft blichen fie für die Abſchnitte der neueren ichte; wicht wenige erwähnenäwerte Arbeiten über die Geichichte der lebten ya underte fu te man pergeten Dieſem oft nd en Hebelftan e, d onders auch für die preußiſche Geſchichte fi Emma eltend ma n ucht die neue, don Steindorff bearbeitete, jechfte Au —* abzuhelfen. dingt ae ein jehr tmelentticher Borzug die Erſcheinungen der legten Ri Er re, von 1883—1893 iebt en Bild ber reichen Thaͤtig⸗ —9— die auf dem Gebiete der deutſchen Se chichte jet herricht, wenn die neue Auflage ben 3753 Nummern der vorigen Auflage fait 2700 neue Schriften Binzufügt, t, Dis überwiegenden Zeil enorm en des lebten Jahrzehnts. übe und Sorgfalt, die S enorm gewendet hat, verdient [ebhotte 9 Anertennung; es i ihm elungen, die ir en auf allen Gebieten um auten Zeil auszufüllen ; au für Die preußifche Geſchichte ift das erk in feiner neuen Geftalt ein wertvolles ‚Hütfemittel geworden. Manche Wünſche bleiben allerdings nod; übrig. Um einige zu erwähnen, wozu der Herauögeber im Vorwort felbft auffordert, bleibe i bei dem dieſer Zeitſd rift nächft liegenden Gebiet: es hätten die „Märkiichen Forſchungen“ wohl neben den vielen angeführten territorialen Zeitichriften ebenfalls genannt werden können, zumal wenn eine jo jeder Bedeutung ent⸗ behrende eitfhrift wie die „Hohengollernjchen Fo Hungen“ (vgl. Bd. V, 29 ff.) verzeichnet wird. Aug Mr ärkiſchen Forſchungen“ fehlen mande FR er Aufläge. Unter dem Namen „Holke“ et man nichts weiter als den Heinen Aufſatz „Zur Gefchichte der Märkigen Reformation“ (vgl. Forſch. II, 395 ff.); u.a. iſt auch die „Geichichte ded Kamm ei Be nicht angeführt. ei „Schmoller“ fehlt die tftehung des burgifch-pren) iſchen Heeres“ und die für die Geichichte der "näbtif en unb erritorialen Handelspolitik wichtige Ab anblun „Die Handels⸗ EN wiſchen 2 vandenburg und Pommern 1562* (Zeitſch. f. Preuß. Geld. Sole Ehrijten, welche für Studierende hauptfächlich in Be tracht —S follen, find von Steindorff mit einem Kreuz verſehen. Nicht überall wird man bei der getroffenen Auswahl dem Herausgeber zus

286 Neue Erjcheinungen. [584

fimmen fönnen. Mande m. E. weniger erhebliche Monographien ani em Mittelalter find durch das Kreuz hervorgehoben, während eine fin Studierende fo lehrreiche und wertvolle Arbeit wie oe Umſchau auf bem Gebiet der brandenburgifch-preußifchen Geſchichtsſorſchung“ nicht mar: tiert ift und nur in einer Anmerkung erwähnt wird. Die nach biefem Mufter gearbeitete „Umjchau auf dem Gebiete oldenburgiicher Geichichts: forſchung“ von 8 Onden (Jahrb. f. &. Oldenburgs Bd. I) Hätte, da fie ebenfalld vieles Einzelne zufammenfaßt, auch) nicht Teblen ollen.

Die Einterlung der Schriften in Quellen und in eavbeitungen iſt mit Recht von Steindorff, rotz der von anderer Seite erhobenen Vedenken. beibehalten worden. Durch gleichmäßigeren Drud und manche praftifche Kürzung ift ungeachtet der vielen neuen Werfe doch ein allzu oßes An- ſchwellen des Buches vermieden worden. Eine jehr dankenswerle VBerbefierung bietet da3 Regifter. Während früher Hinter dem Namen ber Autoren nur eine Anzahl von Nummern ftand, jodaß bei Auffuchung jeder Schrift erf diefe fämtlihen Nummern nachgeichlagen werden mußten, ift jet Titel der Abhandlun gang furz dem Namen des Autors beigefügt. Dadurch wird die Auffindung der einzelnen Arbeiten wejentlich erleichtert. A. N.

Dentihe Landes- und Provinzialgeſchichte. Ein Handbuch für die Heimatkunde im Gefchichtsunterriht. Leipzig 1892, Boigtländer (4 ME.).

Die von Direktor Schmelzer in Hamm redigierte Sammlung ift ein erſter Berfuch auf dieſem Gebiet. Sie enthält nappe, dem Standpunkt der Schüler angepaßite Darftellungen ber Gejchichte der einzelnen preußiſchen Provinzen und der außerprenbifchen beutihen Staaten; zuerft furze tabellarijche en und danach folgend „Erzählungen“ aus bem Gebiet der heimatlichen Geichichte. Brandenburg, Oft: und Weitpreußen gimb von

. Züring in Berlin, Pommern, Schlefien, Weltfalen von €. Lange in erlin bargeftellt. Manche Ungleichheit hätte vermieden werden Tönnen, - ß iſt der älteren Geſchichte der 50 enzollern ein verhältnismäßig zu großer laß eingeräumt. Gute Karten erläutern die biftorifche Aufammenfefung

der einzelnen Territorien.

M. Griguer: Landes und Wappentunde der brandenburgijch-preugifchen Monarchie. Gejchichte ihrer einzelnen Zandesteile, deren Herrſcher und Mappen. Mit 1 Wappentafel, 69 Einzelmappen und 15 Stamm- tafeln. Berlin 1894, 8. Heymann (Ler. 8°, XXI u. 310 S.; 12 Mt.)

Siebmachers großes allgemeines Wappenbuch. Neue vermehrte Auflage, Bd. VI Abt. 9. Ausgeſtorbener preußifcher Adel der Provinz Pommern, von G.A.von Mülverftedt. Nürnberg 1894 Bauer u. Raspe (III u. 222 ©., mit 73 Tafeln gr. 8°; 30 ME).

6. G. Winkel: Die Wappen und Siegel der Städte, Yleden und Dörfer der Altmark und Priegnit. Mit 30 farbigen Wappen und 46 Siegel- abbildungen. Magdeburg 1894, &. Baenfch jun. (X u. 80 ©. gr. 8°; 2,50 Mt.).

Gnftav Salchow: Der Uebergang der Marl Brandenburg au das Hans Wittelsbach. A. u. d. Titel: Hallifche Beiträge zur Geſchichtsforſchung. herausgegeben von Theodor Lind ner, Heft IV.) Hallea.©. 1893, ©. A. Kämmerer (85 ©.).

Die Salchowſche Schrift bietet eine im wejentlichen richtige Zu- jammenftellung des im Riedelfchen Koder enthaltenen urtundlichen Materialä

585]

Neue Erfcheinungen. 287

und der neueren Litteratur über die Ereigniffe der märkiſchen Gejchichte vom Zode Waldemars bis zur Begründung der wittelabadhiichen Herrichaft. Sie fchildert auerft den Ausgang der brandenburgijchen Askanier ſowie die Anfprüche und Angriffe der Nachbarftaaten auf die Mark, wobei die ältere Darftellung dieſer Berhältnifie von Voigt (Märk. Forſch. VI, 108 fi.) in einigen Punkten ergänzt und berichtigt wird, alsdann in ziemlicher Ueber⸗ einfüimmung mit ben Ausführungen Heidemannz über die Statthalterjchaft des Berthold von Henneberg Go 3. dtſch. Geſch. XVIL, 107 ff.) die Ver: leihung der Mark an Marlgra udwig und die allmähliche Befeſtigung einer Stellung. Gelungen iſt der Nachweis, daß Waldemars Witwe Agnes nur Anſpruch auf ihr Wittum, nicht auch auf die Succeffion in er gangen Mark erhoben hat, daß ferner der Poleneinfall nicht in das Jahr 1825 (wie Klöden meint), fondern 1326 zu jeßen ift. Beipflichten muß man auch der Anficht ©.3, daß rechtliche Bedenken über die Erb» fähigkeit Heinriche von Landsberg nicht vorlagen; wunderbar ift es freilich, weshalb er troßdem an ber durchaus unbeweisbaren Anficht Voigts feſi⸗ haͤlt. daß Heinrichs Vater ul die Erbfolge in den Gebieten feiner Brüder pergichtel habe. Bei der Aufzählung der Befitungen Waldemars (S. 5) fehlen bie hinterpommerjchen Gebiete. Die Urkunde Waldemar vom 14. Auguft 1319 für das Klofter Chorin ift nicht nur eine feiner lebten Urkunden, fondern überhaupt feine letzte Urkunde. ee der Entftehung des brandenburgifch-pommerfjchen Lehnaverhältnifjes beruft ih S. (©. Anm. 3) auf die Abhandlung von Zidermann, bie Zoch nicht ohne Widerſpruch „geblieben if. Die Urkunde Ludwigd des Bayern vom 23. Dezbr. 1 für Wartislaus von Pommern enthält noch keineswegs „geradezu die Anerkennung der Reichsunmittelbarkeit“ (S. 29), jondern nur einen Aufſchub ber Entiheibung über die Lehnafrage bis Oftern 1322 (medio tempore nulli alterı dominio seu domino predietum War- tislaum subicı volumus“), wiewohl ihr Tan eine künftige, für Pommern günftige Enticheidung nigt ausſchloß. Citierungsfehler den ch S. 6 nm. 1, ©. 7 Anm. 1, ©. 9 Anm. 2, S. 16 Anm. 1, 39 Anm. 2. F. Rachfahl (Kiel).

Melcher: Geſchichte der nordweſtlichen Reumarl. Frankfurt a. O., Trowitzſch u. Sohn (258 S.).

So dankenswert jede Arbeit auf dem Gebiet der Lokalgeſchichte und Ca erfreulich die Thatfache ift, daß durch ſolche Arbeiten und manches aterial erfchloffen wird, fo dürfen wir doch darum nicht überſehen, daß gerade auf diefem Gebiet die Fähigkeit häufig Hinter dem guten Willen zurüd: leibt. Das gilt im hohen Make von vorliegendem Bud. Der Berfafler, anz autodidatt, ift unmöglich in der Lage, einer Di Aufgabe, wie er R He geftellt hat, gerecht zu werden. Nicht nur, daß ihm die Kenntnis der Hiftorifchen Grundlage und der Quellen wie der einichlägigen Arbeiten fehlt, jondern es liegt ſogar die Sprache jelbft oft et im Argen; an Archivalien für die neuere Zeit erwähnt Verfaſſer jelbit, als von ihm A ſolche des Kgl. Geh. Staatsarchivs. Was in dieſer Beziehung ihm ſonſt als Material vorgelegen hat, ift ſchwer zu überſehen, da Quellen: nachweife nirgends gegeben werden. ad ben Inhalt des Buches anlangt, jo entipricht er keineswegs bem Titel; nur die Geichichte der Stadt Zehden und ihrer Umgegend wird befprochen, und auch diefe nur Fr lückenhaft. Den größten Teil des Buches nimmt eine Inndbuchartige Beiprechung der vergangenen und jebigen Zuftände von 41 Dörfern ber Umgegend ein. Größeres Intereſſe kann ihon die Darſtellung der Berwidlungen beanfpruchen, welche herbeigeführt wurden durch das erfolgreiche Bemühen des Amtes Zehden, das 1555 an Stelle bes Kloſters trat, auf Koften der Bürgerichaft feine Nußungsrechte an der ftädtifchen Yelömarf, ſowie die Dienfte der Bürger zu vermehren. Hier fommt dem Berf. —* eingehende Kenntnis der Oertlichkeiten wie

auch ſeine praktiſche Erfahrung zu gute. Ganz in ſeinem Bereich iſt der

L zum m = oe De Ne wirtkheitlicen AI ke wor :.7 za meer oh Iter De Cderregulierungen ſpricht. Te ik r: Immo, nee drchichtig und Hlüffigen Stil, wir: u mern Io Ic h en dies für gangbare Gem wur Tu ten wm edel Geibichie dei Geſchlechts ber Guuize und Jura sun Hebel 212-1402. Mebft Regifter über Ye zent mmimesher Iegätererg Leipzig 1894, DB. Herrmanı ZTZı se: I; WE.

<e Se $erızu ı zum Firturg im Babmen. Vachrichten über die Grafen

a dur 2 Dr Bei 1833, gmdt bei Sittenjelb (122 S.).

Fr rer nee Wierriengen über Lito den Uelteren ven

Sur mer 2 nommen in Net und Cberſttruchſeß; der Mark

se, Kor Eirmanoem ee Hort Rrendenburg Wend von J. (1411) unb

x Keoe U Srormuz der Rtederlaufiß und Etammpater ber war Screr pr Frag ız Foren

& Wiener: Ghrsuil der Stada Ungermünde Angermünde 1893, 3 Kam IE: 1

Walter Schatge- Te Geidiitiguehen der Provinz Sachſen im 2 Im Auſftrage der Hiſtoriſchen Kuırim ar Kemz Secen verzeichnet. Halle 1893, Otto fax Vz 2 €; 4 WEL

Ser Nr zretiier Ferreinzem, die neuerdings ein belonbers SARA ırT Tara Erst emtralten, Recht neben dem Rheinland Er. x; Sat ır ante Dre. wich ihre Geſchichte ale ‚eines echloffenen irmurım nt oc ve Azyre 1215 datiert, und o Hi wie feine an Teerız; m: dV verik:etvnartigfien. Gebieten

RAZRVBS: ıx I ver: geleiteten unb eifrig thätigen RCHXGSSCE der Trotz) Schten entfanden; in Serie eine Rattliche En weten Telılüncem zu danten. eberung und MASAS⁊s Nr temiense: 22d letalgeichichtlichen —* in der Provinz

X oszı Ne weniiserde Tihzwrertie erichienen, bearbeitet bon dem nm wersinitinserheter Meliber Schulze in Halle Wie bei dem Heran

wir are zu arte, iR fie durch Eraltheit, Eorgfalt und Ueber rs: eungedee und mit würdig dem Wegweiſer durch bie Kran Orenm nen 6. Grünbagen (2. Aufl. 1889) an die Seite. Nur De nzentiiden BSeididiseueien, nicht die darftellenden Werte, find ver mine. euherden ch drejen igen bandfchriftlichen Quellen, von denen be: res derch gedruckte Notizen Kunde gegeben war. Eine Ausdehnung aud aut die dertiei enden Schriiten, woran der Verf. jchon Ind. m hat.

altmärtiichen Etüdte, . ©. 190, tendal © ge münde 5.140, und das zur Geichichte altmärtifcher Abelsfamilien S 1 (Alvensleben, Bismard, Schulenburg u. a.)

587] Neue Erfcheinungen. 289

DO. Prub: Rechnungen über Heiurih dv. Derby Preußenfahrten, 1890—91 und 1392. [Publit. des Vereins j. d. Gefchichte von Dft- u. MWeitpreußen.] Leipzig 1893, Dunder u. Humblot (CIV u. 226 S.; 6 Mt.).

Ein englifcher Prinz aus löniglichem Geblüte, Heinrich Graf v. Derby Herzog d. Lancafter, der jpätere König Heinrich IV., ift bei dem Parteis getrie e am Hofe eines Richard IL. in eine fchiefe Stellung geraten und

egiebt fich, nicht ohne politifche Aufträge feines föniglichen Herrn, eine Zeitlang auf Reifen. Sein Ziel ift das Ordensland Preußen, von wo aus er einer der damals noch üblichen Litauerfriegäfahrten beiwohnen will, wie fie der Orden fremden Chrengäften au Liebe wie eine Art vornehmen Sports des öfteren in Scene zu ſetzen liebte. Die Vorbereitungen zu dieſer prinzlichen Reife werden mit angemefjener Sorgfalt und dem erforderlichen Glanze getroffen und dann über Ginnahmen und Ausgaben mit der den Anglonormannen eigenen peinlichen Gewitienhaftigfeit von einem ad hoc beſonders beftellten und verpflichteten Alert grund geführt. Die Reife bar! über Danzig nach Königsberg und dann hinein tief in die Litauifche ildnis, wo allerhand Seriegsabenteuer beftanden werden. Bei wieders oltem Aufenthalte in Königsberg führt der Prinz im englifchen Stile ofhalt und jo giebt dann die in ihrer Form jo überaus bürftige Rech— nung dem, der fich in fie hineinlieft, ein lebhaft feilelndes, überrajchendes Bild der unmittelbarften Anfchauung von der Lebensführung eines mittel: ade Gügften auf der Auslandöreife. Eine zweite Yahrt nach Preußen im Jahre 1392 findet eine Unterbrechung und ein anderes Ziel, das ben Prinzen über Defterreich, Ungarn u. f. w. bis ins heilige Land führt; und auch für diefe Reife find die forgfältigiten Rechnungen aufgeftellt und tim vorliegenden Werke veröffentlicht.

Ter Hauptwert dieſes Buche? Liegt auf fulturgefchichtlichem Gebiete, obſchon der Herausgeber mit der ihm eigenen lebendigen Darftellungagabe auch der hiftorifch:politiichen Grundlage diefer Reifeerinnerungen vollauf Rechnung zu tragen weiß in ber außführlichen und überaus intereflanten Einleitung, die naturgemäß zunächſt unſer Hauptinterefle beanipruchen wird. Es iſt erftaunlich, welch eine unerfchöpfliche Fülle von Detail aus diefer Handehrift von verhältnismäßig geringem Umfange zu Tage kommt zur Kenntnis „der äußeren Geftaltung des Lebens für einen Mann und einen Kreis und in einem Lande, die um ihrer gefchichtlichen Vedrutung willen bei mehr als einer Nation hobes Interefe beanfpruchen dürfen. „Mit der Geichichte England3 in der Epoche ber enticheidenden Kriſis, die da3 Haus Lancafter aut den Thron brachte, verfnüpft fich unmittelbar bie des merfwürdigen Staatswejens, das der Deutiche Orden in dem fernen Preußen errichtet hatte, und Die bereit3 auf dag Höchſte verfeinerte nor» männifchsenglüfche Kultur kommt in eine mehr als bloß flüchtige Be⸗ rührung mit der Kultur, welche eine aus Bruchftüden aller deutichen Stämme zufammengefeßte Miſchbeydlterung jenſeits der Weichſel, in ſelbſt⸗ loſer Arbeit, in einem einer unwirtbaren Natur abgerungenen Lande unter unausgeſetztem Kampfe mit dem herandringenden Slaventum zum künftigen Heile ihres Vaterlandes gezeitigt hatte.“

Die Lektüre der Handſchrift ſelbſt hinterläßt noch ſtärkere Eindrücke, als die naturgemäß nur jfizzenhafte Schilderung ihres Inhaltes und ihrer Bedeutung durch den Herausgeber. zyreilich ift dieſe Lektüre nicht eben eine leichte Arbeit, deum diefe Rechnungen, ohnehin von ermüdender Wir: fung, find in einer fchauderhaften Sprache niedergefchrieben, die wie Latein ausſieht, aber mit jo viel englifchen, franzöfiichen und deutichen Elementen verquickt ift, dab man den ftärkften Reſpekt befommt vor dem Herausgeber, der mit größtem Yleiße und unermüdlicher Ausdauer ſich bemüht hat, alle diefe Namen und Sachbegriffe zu erklären. Ob er allenthalben da: Rechte getroffen, muß zumeift der Beurteilung der Sprachforfcher überlaffen

Forſchungen 3. brand, u. preuß. Geſch. VII. 2. 19

IQ) Rewe Erkheinungen. [588

eurer #7 Raxenregſter fowie ein kurzes Glofiar erleichtern bie Saite 4 Baches weientlid. Belonders zu beachten ift audy, was jez Arrzıaıaer der Öialetung über die Bo Adichte biefer Publikation x >: ı um „Namen des um eblihen N. in aufs Engſte sca mertwirdıgen Schi en begleitet ift Joachim.

Sie Pen zur Nunüdenimsler der Provinz Weſtpreußen. Herausgegeben me A:krız Se mrtgreakihen Prodinziallandtages. a VI: Te Kıra Strasbng. Mit 116 in den Text ge rer Astor er 11 Beilagen. Danzig 1891, Th. Bertling NL EUSE 1:5 Mir

a DR: Te Rıra Graudenz. Mit 96 in den Text gebrudten Yrr tıncre or % Beiızm. Danzig 1894 (4 Bl. u. 133 ©. 4°;

bed bj

r W%_ im oe zo Bedertung dieſes großartig angelegten und rn ınarr te ms unter der Überleitung ber „Trovinzial: © rot si Dormizrı X prtsreußilchen Provinzialmujeen“ ber Ans rnar Av rız zürm bwarbeitet, a} on bei den Perichten m wear de gr A“: Ferksongen IH, 3 f und IV, 638) bie ag Mor ner amwınz Az ds darf es bier hei der bloßen Anzeige na den Panerı mn Nr Ferygungen fein Bewenden haben. 1 mt aw oder % Sum rm ent vorhandenen älteren Bauwerke > ia variarin:.ı 22% ım Dielen beiden Kreiſen des alten me nr rege Sumer) fur Die allermeiften Orte weni ri? nr. ım zısresten nehmen im älteren Heite alleın Dont ı xt 02 mr nenen Graudenz und Rehden einen zıızı ım erfteren füllt die Schilderung der sun pm Iurzer Jatobeatirche ähnelnden Tatholiichen Sir a0. Irowart ze N: bir ganz beionders bingewielen fein 2, dA In ur we Jam une Zeiten. L.

6 Arımmer Tiere Saierdueribeit Brsgen. Geſchichtliche Darftellung Kr FIZm£lın ne nn dm Serirts, mit einem Anhang bisher ara Lumen Armut Zandesfunde der Provinz Weſt⸗

zer, er an re E 27-zaltemmiffion zur Verwaltung des

* erh Xuıyrzı.nıyıne NL Det] Farnia 1894, Bertling

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13

VII I. 55 &Sıı 2 Xoor an #%

6. Ysad:ım: Tie Erin! ei keten Degmeiſters in Preußen, Albrecht von Zrendendarg Il. Io. 12518—-1521. [Auch u. d. Titel: 4:5. :!atıonen sus Im st Bæeuß. Staatsarchiven, Bd. 58.] Leipzig 1#94, Hirt ı\ Im. 2 S.: 12 Mt).

etrel und ureih 8 Ne in Dieter Zeitichrift Bd. VI ©. 308 beprechtnen erten Kir Nr weite gervlgt. Er behandelt die Jahre 131% - 1521, fuhrt uns ın ledend 1er Schilderung mitten in die Spann hinein, welche das Scheitern aller Vermittelungverfuche zwiſchen Dem Zeutichritter: Erden und Polen gezeitigt batte, legt die Bemühungen des Hochme iſters Albredt um Nundnifie und Unterftüßungen flar und ein: gehend dar und erzahlt endlidy von dein bexbeerungsvollen Kricgn, welcher nad allem Borausgegangenen unvermeidlich geworden war. Es ift feine Epoche großer enticherdender Ihaten, wir finden feine blendende, Flug ent:

herr

* Br

589]

Neue Erjcheinungen. 291

worfene und energiich durchgeführte ſtaatsmänniſche Leiſtung, fein friegerifches heldenhaftes Wagnis von hervorragender Bedeutung, und fa müßte man bei dem endlofen Hin und Her von Verhandlungen un

eereszügen erlahmen und ermatten, wenn nicht überall und immer der

ujammenhang mit den oben europäifchen Fragen jener Zeiten zu Tage träte und unker Antereffe fielte. Dieſe auswärtigen Beziehungen er: mittelt und überfichtlich gruppiert zu haben, ift ein Hohes Verdienſt welches fich der Berf. erworben hat. Man ftaunt beim Durchlefen au biefes Bandes, mit wie weitgreifenden Flanen ſich der junge Hohenzoller und ſeine Ratgeber trugen, ja wie fie fich oft in abenteuerliche und phan: taftiiche Gedanlen verrannten. Der Moslowiter, der Türke, der Bapft, die Hausintereffen Kaifer Marimilians, die Wahl Karla V., die ak. nahme der auf eine Union zwiſchen der römiſch-katholiſchen und griechiſch⸗ alacn Kirche gerichteten Beftrebungen, die Herftellung eines frans a Hruffiichen Bündniffes u. |. w. alles ift, mit dem preußiich :pol« niſchen Streit auf das Engfte verknüpft. Es ift ein ganz eigenartiger inter: nationaler Zug, welcher ung hier entgegentritt und feine Rüdficht auf die Grenzen der Staaten oder die Verfchtedenheiten der Völker kennt; und mit Sintereffe wird man auch von den Abfichten vernehmen, dem Orden ander: weit eine Wirkungsftätte zu verfchaffen, fei es in Dalmatien, oder in Eypern oder in der Krim.

Die Einrichtung des Buches fchließt ſich ganz den Brundfäßen an, welche für den erften Band maßgebend waren. Die 162 Seiten lange Ein- leitung giebt eine zufammenhängende Darftellung der geſamten Geſcheh—⸗ nille, Hierzu in den Anmerkungen die Nachweiſe über alle minder wichtigen Urkunden; die wertvolleren Briefe und Aktenſtücke find dagegen auf Seite 163—402, teils im vollen Wortlaut, teils im Auszuge veröffentlicht. Außer dem Staatsarchive zu Königsberg, weldes die Hauptausbeute lieferte, find das Geh. Staatsardjiv in Berlin, das Sächfifche Haupt: und Staatsarchiv in Dresden, dad Bayerifche Kreisarchiv in Bamberg, dad Danziger Stadt: archiv und die Königsberger Stadtbibliothek benutzt, auch ift durch weitere Nachfragen feftgeftellt worden, daß aus fonftigen Archiven neues Material für die hier behandelte Frage faum mehr zu erwarten ift. Ueberall wird man gewahr, mit welcher Sorgfalt und kritiſchen Umficht der Verfaffer zu Wege gegangen ift; die eindringende Sachkenntnis und die zuverläffige und gründliche Forſchung, durch welche Joachim Sich in jo hohem Maße aus: zeichnet, fichern feinem Werke einen bedeutenden Wert von Dauer und vers pflichten alle Fachgenoſſen zu lebhafteftem Dante.

Am dritten Bande werden wir die Verhandlungen, welche zum Kralauer Frieden und zur Verweltlichung des Ordenslandez führten, fowie die Inhaltsüberficht und die Orts: und Perfonenverzeichnifle zu erwarten

aben. Und wenn es erlaubt ift, für diefe leßtere mühlelige Arbeit einen

unfch zu äußern, jo ift e8 einer, welcher für die ganze deutſche Gelehrten⸗ welt gilt. Cs ift nämlich unter den nichtjlaviichen Hiftoritern vielfach Braud, die polnifchen Eigennamen in den willfürlichen und verunftalteten ormen des 16. Jahrhunderts wiederzugeben (3. B. in einer andern neueren

chrift Derla, Terle u. |.w. ftatt Zarlo, und hier bei Joachim II. 102 Kreiczki ftatt Krzycki oder II, 156 Shoromsli ftatt Zborowski). Für denjenigen num, A nicht ganz genau durch eigene Forſchungen mit den Tingen vertraut ift, hält ed wirklich ſehr ſchwer, fich in dem durch dieje Schreib: weite entjtehenden Wirrwarr zurecht zu finden und egebenenfalls die Identität von Derlönlichfeiten feftzuftellen. Es dürfte fih.daher empfehlen, in Zerten und Regiftern durchgängig die heutige Schreibiveife anzumenden.

Hermann Elırenberg.

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Saul Stettiner: Uns der Geichichte der Albertina (1544— 1894). Königsberg 1844 Bertera (82 S. 8; 1 ME).

Tire Act getmucere @eliserbeiteichriit iſt nicht etwa bloß ein durch Zertenumdtuch bergeitelnter „Atdrud" einer Reihe von Artikeln, welche aus Yereniofung der Riahrigen Jubelieier der Albertina in ber Köntgsberger Hartungicken Zeitung veröffentlicht waren, ſondern der Berf. bat, was dort gegeben wer, zwar taft unverändert gelaſſen, aber durch einen ganz neuen Abichnitt kereitert. Mir finden darin allerdings leine auf unbenugten Cuellen berubende vollfändige oder auch nur ſyſtematiſch geordnete Tarftellung der Geidhichte jener wiſſenſchaftlichen Anftalt, die nach ihrer Entſtehung, ibren urfprünglichen Zweden und ihrer Gntwidelung den Ruhm keanipruchen darf, zu den wichtigften ihrer Art aezählt zu werben. Zer Verf. wollte vielmehr nur den Mitfeiernden, den Bewohnern der Etadt und des Yandes, den Schülern der Alma mater und Anderen, Blätter der rinnerung bringen, aus denen fie auf dem Wege angenehmer Unter:

591] Nene Erſcheinungen. 298

haltung die Stiftung und die Gefchichte der mit den Geſchicken Oftpreußeng auf das Engfte verfnüpften Anftalt fich vergegenwärtigen könnten; er hat jedoch dazu mit emfigem Fleiß „die vorhandene Litteratur von Sabınus bis auf die neueften ticheinungen“ (natürlih mit Ausnahme der gleichzeitig ges arbeiteten neueren te von H. Pruß) herangezogen und mit Gewiflenhaftigleit und Umficht verwertet. In fieben Ablchnitten werden, zeitlich geordnet, die beiden Seiten, welche bei einer Univerfitäts- geichichte in Betracht kommen müſſen, Willenichaft und Lehre ſowie nicht minder das ftudentifche Leben, in anfchaulıdden Bildern zur Darftellun

gebracht. Dem unbeftreitbaren Werte der chen Arbeit wird und Ki es keinen Eintrag thun, wenn bemerkt wird, dab, wie in äußerlicher Be: giehung tleine Unebenheiten des Stiled, fo auch zuweilen Wiederholungen und ftörende Druckfehler Q B. ©. 21 3. 13 1660 ftatt 1560, ©. 58 3. 14 Fechtes ftatt Fichtes, ©. 7 1% 7 Burrutinen ftatt Bierrutinen) ftehen ge: blieben find; auch geringere ſachliche Verjehen und Ungenauigfeiten finden fih wohl. In legterer Hinficht nur die eine Bemerkung: bei der Stiftung bes Vereins für die Geichichte von Oft: und Weſtpreußen war Mauren: brecher in erjolgreichfter Weite mit thätig, daß er aber allein ala „Gründer“ beajelben genannt wird (S. 76 unten), darf ich wenigftens nicht zulafſen.

K. Lohmeyer.

Deutſche Reichſtagſsakten. Jüngere Reihe. 1. Bd. Deutſche Reichstags» atten unter Kaifer Karl V. 1. Bd. Bearbeitet von Auguſt Klud- hohn. Herausgeg. durch die Hiftorifche Kommiffion bei der Königl. Alademie der Wiffenfchaiten in München. Gotha 1893, %. A. Perthes (1V u. 939 ©.; 48 Mt.).

m Jahre 1886 beichloß die Münchener Hiftorifche Kommiſſfion eine neue Serie von Reichstagsakten, beginnend mit der Regierung Kaiſer Karla V., herauszugeben, da e3 fich gezeigt hatte, daß die Fortführung der älteren Reihe bis auf biefe Zeit noch viele Jahre in Anfpruch nehmen würde. Der erite Band diefer neuen Publikation, deren Oberleitung Heinrich von Sybel übertragen ift, liegt jet vor. Er iſt von Kludhohn mit Hülfe einiger jüngerer Hiftorifer bearbeitet und nad) Kluckhohns Tode von Wrede vollendet worden. Inhalt und Zitel entiprechen ſich nicht ganz, denn der Band enthält feine Reichätagsafıen, jondern nur Akten zur Wahl Kaifer Karla V. BVorausgeihidt ift eine längere Ginleitung über die Wahlverhandlungen bis zum Zode Kaifer Marimiliand. Aus zahlreichen Archiven ift das einfchlägige Material herangezogen und teils ganz teild in Excerpten abgedrudt worden, fo daß wir eine ziemlich voll» ftändige, forgfältig gelichtete und erläuterte Sammlung der widhtigften Altenftüde zur Sehhjichte ber Kaiſerwahl beſitzen. Das Bild, welches fich daraus don dem verwidelten, intriguenreihen Wahlfampfe ergiebt, ges alte! fih in mancher Sinti! anders als die biäherige Kenntnis der

eberlieferung erwarten ließ. Die emfige Thätigfeit, die der König von ei in Deutichland entjaltete, und die Politik der einzelnen deutjchen Fürſten nalen des Rivalitätäfampfes der Häuſer Habsburg und Valois um die Kaiſerkrone, treten anfchaulicher als vordem hervor. Unter den Fürſten fpielten die beiden Brandenburger Kurfürft Albrecht von Mai und Joachim I. eine hervorragende Rolle; Joachims Stellung war n dem Urteil eines Zeit ol Ahr eine große Zahl der Fürſten maßgebend. Wie ſehr fich die beiden Parteien anftrengten, gerade die Stimmen ber Brandenburger für fih zu gewinnen, dafür find die in vborliegendem Bande publizierten Akten ein bexedtes Zeugnis. Bisher war es nicht recht möglich geweien, die wahre Sefinnung Joachims und Albrecht3 und die Abfichten, die jie mit ihrer ſchwankenden Politik verfolgten, zu erfennen. Droyſen ſah in Joachim den feinen, ehrgeizigen Politifer, der von vorn» die Abficht Hatte, ſelbſt die Kaiſerwürde zu erwerben und die vers hiedenen Verträge mit einen oder anderen Partei nur zum Schein

294 Neue Erſcheinungen.

einging; Joachim wünfchte, fo meinte Droyfen, daß t genteitig überböten, bis bie Krone, bie feiner br iberlafien. wollte, einem britten und zwar ihm Aehnlid) ſprach fi) Rösler über Joachim aus. Na faffung, der d. Begold im feiner Reformationagejd [harf Ausdru verliehen Hat, benahmen fich bie Brı ;ürften am elendeften, indem fie, ohne irgenb welc uge zu Haben, ein reines Schachergeichäft mit it und fünfs bis fechamal, je nad) der Höhe der ihnen erbietungen, ihte Stellung wechfelten. Nicht ganz fo deflen Darftellung, wenn fie auch nach den jept befa zu berichtigen ift, doch der Wahrheit am nächften fi 8 dagegen in der Vorrebe zum vorliegenden Band beftändigen Handeln ber einzelnen Kurfürften und ben, ber gerade am meiften bietet, fann nicht mehr ſich überall faft von Anfang an ein planmäßiges Br jeht bezweifeln, ob dieler Sab ſich auch auf die beil wenden läßt. Leider ift ein für dieſe Frage wid Dentiritt Joachims über fein Verhalten in dem I einft Ranke aufmerkfam machte, in diefem Bande nod Es muß daher noch einer bejonderen Unterſuchung, £ griff genommen ift, vorbehalten bleiben, den wahı ftelen und zu ermitleln, ob nur bie Geldfrage c Gefichtapuntte bie Politit Soahims und Albrecht wie in ihrem Verhalten die Schwankungen, in i Wiberfprüche zu erklären find.

Selig Rachfahl: Die Organifation der Gefamtftantsn vor dem dreißigjährigen Kriege. [Staats und Forſchungen, hrsg. von &.Schmoller, Bd. XII Briße Belt 55.] Leipzig 1894, Dunder u. Humb

oMt).

Bud I. Zur Gefehichte der DVerfaffung und ! im Mittelalter. Buch gr Die Gefamtftaatäverwe undert, Zeil 1. Die allgemeinen Landes: und Ger 08 Oberamt. IL. Das ber: und Fürftenregt. ] tammer zu Prag. Buch III. Die Gefamtftaatsverh hundert. Zeil 2. Die Finanzbehörden: Einleitung, 9 manga Kite im 1 ide Kran Kap. I. Die gi

ap. U. Die töni Kiöen inanzbehörden von 1552

Die Landes! inangbebö en jeit 1552.

Eine Beiprechung des Buches folgt im nächften Hefte.

M. Nitter: Deutſche Geſchichte im Zeitalter der Gegenreformation umb bes breifigjährigen Krieges. II. Bd. Liefer. 4 u.5. [Much u. d. Zitel: Bibliothek deutfcher Gejchichte, Abt. VIII Lief. 12 u. 13.) Stuttgart 1898, 1894, Cotta Nachjjolg. (96 u. 80 &. je 1 Mt.).

Bud VI, 2. Der Zülicher Erbfolgetrieg.

Otto Tſchirch: Tägliche Aufzeichnungen bed Pfarrherrn Joachim Gar taeus in Sorau und Brandenburg aus den Jahren 1617—1632. Auf Grund der von Erich Niederftadt nach dem Original an— gefertigten Abfchrift mit einer Hiftorifchen Einleitung und erläuternden Anmerkungen Herausgegeben. Brandenburg a. 9. 1894, Wiefiles Buchdruderei (100 Seiten).

Dtto Tſchirch kommt mit ber Veröffentlichung der Kalendernotizen * Pfarrers Garcaeus einer Pietätspflicht gegen den frühverftorbenen Sohn

593]

Neue Ericheinungen. 295

des Brandenburger Superintendenten Erich Niederftadt nach, der 1889 jene

ndichriftlichen Aufzeichnungen vorfand und auf Tſchirchs Ermunterung in Abjchrift davon nahm. Die mühevolle Arbeit, die ber eber einer ſorgfältigen Prüfung unterzogen hat, wobei er ſich faſt durchweg an Niederſtadt anſchließen konnte, iſt nicht zwecklos geweſen, denn das Büchlein iſt eine ganz vorzügliche Quelle für die Kulturgeſchichte des 17. Jahrhunderts, und wir —*8* uns nicht, was den Inhalt anbetrifft, es als eine wertvolle Ergänzung zu Freytags Bildern aus der deutſchen Vergangenheit zu bezeichnen.

Dad Buch giebt zunächit eine längere a Darftellung, fodann folgt der Text der Aufzeichnungen mit zahlreichen Anmerkungen verfehen und als Anhang eine Anzahl von Urkunden zur Gejchichte der Stadt Brandenburg fowie mehrere Zabellen, darunter eine ſolche über die Preife in Sorau und Brandenburg 1617—1632, angefertigt von E. Rieder: ftadt. Wir gewinnen Einblid in das Leben eines evangelifchen Geiftlichen, der unter feinen Zeitgenoffen berühmt wegen jeiner —A— aber auch an moraliſchen Gebrechen reich war, von ungesügelter Heftigfeit, durch bie er fih unaufhörlich Konflikte fchuf, ein unbändiger Zrinfer und von tomifcher Eitelkeit. Zugleich eröffnet uns die Schrift einen Blid auf ge: wiſſe Nachtjeiten des 17. Jahrhunderts, die Hexenprogefie, die Anwendung der Tyolter, die mahlofe Pine der Suftiz, Die Gräuel ded Krieges, ben Aberglauben der Zeit u. |. w. Man wendet fi mit Abſcheu von diefen Bildern ab. Diele Herenrichterei und die Begleiterjcheinungen find doch um nichts beſſer geweten als die Anquifition, und gerade spangelilche Pfarrer find am weiteften in diefen Verirrungen gefommen. Auch volks⸗ wirtichaftliche Studien kann man an der Hand Der Aufzeichnungen des Garcaeus machen, wie die fleißige Tabelle Niederſtadts zeigt.

Die Ausgabe ift mit der größten Sorgfalt veranftaltet. Faſt fcheinen ung die Anmerfungen, die meiſt Die Richtigkeit der hiftorifchen Angaben des Pfarrers unterjuchen, zu reichlich zu fein. Ihr Wert fteht doch wohl faum mit der Mühe, die fie mitunter verurfadhten, im Eintlang. Anftatt beifen hätte der Herausgeber unbedingt die Aufzeichnungen des Pfarrheren bollftändiger verö entlichen fönnen, denn dieje find nur Lüdenhaft wieder: gegeben. Dieje Unvollftändigkeit beklagen wir. Sie muß Ich groß fein,

enn zahlreiche Stellen, die Tſchirch in feiner Tarftelung anführt, finden

fich nicht im Text und ganze Partieen, fo 3. B. das unglüdliche Ver: bältnis zu der herrifüihfigen Haudhälterin, das Tſchirch zujammenfafjend erwähnt, find im Text mit feiner Silbe berührt. Gewiß geben wir zu, daß hin und wieder „geheime Selbſtbekenntniſſe“ jet nicht ans Zageslicht ges augen zu werden brauchen. Aber allzuviel Rüdficht ift hier Her nicht eboten. Der Wert der Veröffentlichung wird u ſolche Auslaffungen Fehr beeinträchtigt, er konnte jonft Ed viel größer fein. Ad usum del- phini find wiflenfchaftliche Veröffentlichungen doch nicht da. Zudem find ie —— meiſt lateiniſch und ſo ſchon vor unberufenen Leſern im weſentlichen churt. Noch eine Kleinigkeit: Tſchirch hat es unter: lafſſen, die Frankfurter und Greifswalder Univerſitätsmatrikel heranzu⸗ ziehen. Er hätte ſonſt ſeinen Stammbaum des Garcageus weſentlich er⸗ gänzen können und brauchte ſich nicht wegen der Studienzeit des Pfarrers auf ein Gedicht als Quelle zu beziehen. H. von Petersdorff.

6. Irmer: Hans Georg von Arnim. Leipzig 1894, Hirzel (XII u. 397 S.; 8 Mt.).

Die Beſprechung folgt im nädjiten Heft.

Bidrag till Svenska Pommerns historia 1630—1658. Af Oscar Malm- ström. Lund 1892, Gleerupska Universitets-bokhandeln (Hjalmar Möller).

296 Neue Ericheinungen. [594

Bidrag till Svenska Pommerns historia 1653— 1660. AfOscar Malm- ström. Helsingborg 1894, Joh. Svenssons bokhandel.

An quellenmäßigen Bearbeitungen der Gelehichte Pommerns während des dreikigjährigen Krieges fehlt es keineswegs. Neben ben älteren Werten von Chemnik, Barthold und Bohlen fei Hier nur an die wertvollen Ax—⸗ beiten von jchwedifcher bezw. deutſcher Seite erinnert, welche Odhner („Tie Politik Schwedens im Weftfälifchen Friedenskongreß“ [Gotha 1877) und Breuder („Die Abtretung Vorpommern? an weden und die Ent: ſchädigung Kurbrandenburgs” [Halle 1879) neuerdings veröffentlicht haben. Trotzdem wird man die jegt vorliegenden beiden Schriften M.s taum ala überflüffig bezeichnen können. Während nämlih Odhner und Breucker vorzugsweiſe die politischen Konftellationen in Betracht ziehen, welche 1630 die Ofkupation Pommernd und nach langwierigen Unterhanblungen die endgültige Abtretung Borpommernd herbeiführten, ſucht M. auf Grund der Alten des Stodholmer Reichsarchivs die interellante Frage zu be- antworten, in welcher Form die almähliche Umgeitaltung und Reuordnung des Berwaltungd: und Steuerweſens in den offupierten bezw. abgetretenen

pommerfchen LZandesteilen fich vollzog. bildet —— der u

Ausgangspunkt der ganzen

zwiſchen Guſtav Adolf und der Stadt Stralſund 1628 abgeichlofiene Ber: trag, der übrigen® nicht, wie der Verf. (S. 3) fälichlich angiebt, vom 28. fondern vom 25. Juni (vgl. O. Rydberg, Sverges traktater med främ- mande makter V, 342 ff. [Stodholm 1891]) datiert ift. Das 1. Kapitel jchildert im welentlichen die adminiftrative Wirkſamkeit des ſchwediſchen Legaten Sten Bjelte in dem eroberten Lande, namentlich die ebenfo häufigen wie flürmifchen Verhandlungen mit den Ständen, der herzoglidden Re: ierung und den Stralfundern. Ginen wie tiefgehenden Einfluß die ge pannten 2 esiehungen zwiichen Brandenburg und Schweden im Verein mit dem wandelbaren Striegeglüd ber ſchwediſchen Heere auf die Lage der Dinge in Pommern ausübten, darüber geben die zum Zeil auf ardhivalifcher Grundlage fußenden Ausführungen des Verf.s mehrfach recht Lehrreiche Aufichlüfe. Beſonders bemerfenswert ericheint die ſtreng oppofitionelle Haltung, welche die vorpommerfchen Stände damald und auch noch in den jpäteren Jahren den jchmwedifchen Regierungsvertretern gegenüber be- obachteten. Die Beitimmungen bes berüchtigten $ 14 im Stettiner Friedens⸗ inftrument von 1630 jucht der Verf. (S. 6 f.) zu verteidigen, obwohl fein Landsmann Ddhner doch ſchon früher mit gewohnter Objektivität (S. 13) ugegeben hat, daß jener Artikel nach dem Zode Guftav Adolfs von der Fhtwebifchen Dormundfichaftöregierung „in einer mehr diplomatijchen als ritterlicden Weife ausgebeutet wurde”. An dem 2. Kapitel, welches die erften Jahre nach dem Tode derzog Bogislaws umfaßt, zeigt der Beri. u. a., wie verhängnispoll für das hichal Pommern fid der Umftand erwies, dab die Mitglieder der Interimsregierung, dem fkurfürftlichen Gebot vom 27. Febr. 1638 gemäß, fofort ihre Aemter nieder⸗ legten. Hätte Schweden doch kaum einen günſtigeren Vorwand finden fönnen, um im angeblichen Intereſſe der öffentlichen Ruhe und Sicherheit felber die Zügel der Herrichaft zu übernehmen; ein Schritt, deſſen Ans: führung noch dadurch weſentlich erleichtert wurde, daß einige der ches maligen pommerjchen Regierungsräte fchwedenfreundli waren. Zu ihnen gehörte u. a. Jakob Steinberg, deſſen vom 9. April 1638 datiertes „un-

angreifliches, einfältiges Bedenken über die Hauptfragen, ob die Kal. M. in Schweden die Re terung in Pommern und welcher Maßen greifen joll*, vom Verf. (S. 43) kurz flizziert wird. Auch die biographifchen Notizen

bed Verf.s liber die hervorragendften Mitglieder der auf Grund der Stock⸗ bolmer Senatsbefchlüffe vom April 1638 neueingeiehten pommerichen Re: gierung fowie die Auszüge aus den jenen erteilten Inftrultionen find nicht ohne Intereſſe. Der militäriſche Stempel, den jene Ernennungen faft auß: nahmslos trugen, wurde, wie der Derf. (S. 49) richtig hervorhebt, noch

durch die Mebertragung des Generalgouvernements über Vor: und Hinter:

595) Neue Ericheinungen. 297

pommern an ben Feldmarſchall Joh. Bandr bedeutend verftärkt. Die von dem Verf. ziemlich ausführlich wiedergegebene Inſtruktion für Banoͤr bildet gemifferma en das ſchwediſche Programm für die künftige Organijation der egierung in Pommern und ift Daher von befonderer Wichtigkeit. Aus dem Inhalt geht hervor, daß bie ſchwediſchen Bormünder zwar unter allen Umftänden die Wiederaufrichtung der früheren nterimsregierung in Pommern verhindern, im übrigen aber an der beftehenden VBerwaltungss form feithalten wollten und ziwar unter möglichfter Verwendung von pommerjchen Yandestindern. Dan hatte ſich eben endlich davon überzeugt, wie notiwendig es fei, die einheimiiche Bevölkerung durch Einführung eines fremden Verwaltungsſyſtems nicht noch mehr zu entfremden. Die admini: ftrativen Maßnahmen der neuen pommerjchen Regierung waren denn auch, wie ber Verf. (S. 51 ff.) des weiteren ausführt, zunä ft durch ein weit: gehende Entgegentommen gegenüber den Wünjchen und Forderungen der andesbevölterung ausgezeichnet; freilich zum Zeil mit nur geringem Er: folae, wie u. a. der Verlauf der beiden Stettiner Landtage von 1689 und 1 deutlich erweift. Mit Schärfe betont der Verf. (©. 58 u. 62) den Zufammenhang zwiichen der Ständeoppofition 1640 und dem & hronmedhjel in Brandenburg fowie den Gegenfag zwiſchen der den fchwediichen Re⸗ organifationsplänen keineswegs abgeneigten ſtädtiſchen Bevölkerung Pommerns und den größtenteils antiſchwediſch gelinnten Adligen bezw. Geiftlichen. Eine furze Würdigung der von dem Vizegouverneur Yilljehödt behufs ieberherftellung der weltlichen und Firchlichen Ordnung in Hinter: Pommern getroffenen Mahnahmen ſowie einige Angaben über da3 Er: ebnis der nach Stodholm entfandten pommerfchen Miffionen begiw. der erhandlungen zwiſchen Schweden und Stralſund bilden den Schluß des Kapıteld. Das 3. Kapitel jchildert, zum Zeil nach archivaliſchen Quellen, die adminiftrative Wirkſamkeit Johann Oxenſtiernas (DOftob. 1641 bis Mai 1643) in dem offupierten Lande, feine oft fchiwierigen Unterhands lungen mit den andauernd twiderfpenftigen Ständen, die Reformen, die von ihm vor und nach der Informationsreife durch ganz Pommern (Herbft 4 in verfjchiedenen Verwaltungszweigen, namentlich auf dem Gebiete des Juſtiz- und Kirchenweſens angeoxdnet wurden u. |. w. Als Berater ftand ihm hierbei beſonders der Afliftenzrat Joh. Nik. Lilljeftröm zur Seite, über deffen Leben und Thätigkeit fich in der Schrift verfchiedent 0 G B. ©. 47 f.) intereffante Notizen Sinden. MWie aus den „Urkunden un ten“ hervorgeht, war 2. in der brandenburgifchen Diplomatie als „ein boshaftiger Menſch“ und ala ein Todfeind Kurbrandenburgs arg ver: rieen. Die Haupturfache diefer Todfeindſchaft ift wohl in ber. harten ehandlung zu juchen, welche 8. Ende 1640 während ber erften Monate feiner Gefangenfchaft in KHüftrin von brandenburgifcher Seite zu erdulden hatte. Ein vom Berf. (S. 59) auszüglid citierter Brief L.s an den [ümebilchen Reichatanzler vom 14. Juli 1641 läßt faft mit Sicherheit arauf jchließen. Das 4. Kapitel behandelt die Löjung der pommerjchen Trage auf dem MWeftfälifchen Friedenskongretß. Die aush ließlich auf ge- drudten Quellen beruhende Schilderung der eigentlichen Traktatsverhand⸗ lungen bietet nichts neues. ©. 95 Anm. 4 erzählt der Derf., die pommer: chen Abgefandten Runge und Eidftedt feien „anfcheinend“ zwiſchen 1644 und 1 „für eine gewifle Zeit” in die Heimat urlhgethet Zur Er: gnzung diejer Notiz ſei bemerkt, daß die dem Verf. unbelannte Schrift reuders (S. 9 ff.) ausführliche Angaben über die Abreife der Gejandten im Juli 1644, über ihren Aufenthalt in Berlin u. f. w. im Anſchluß an die nur als Manuſtript gedrudte Abhandlun Pohlens: „Der Große Kur: fürft und feine nommen 1644—46* enthält. ertvoll find die Mit» teilungen des Verf. über die Entwidelung der inneren Zuftände in Pommern während diefer Zeit, namentlich über den Verlauf der Stral: funder Konferenz vom Sept. 1646. Die damalige oppofitionelle Haltun der Stände erklärt der Verf. (S. 108) für „ungerechtrertigt”, währen Odhner (S. 330) zugefteht, daß Pommern 1638-48 „unleugbar ziemlich ſtreng und eigenmädhtig regiert wurde". Das Schlußlapitel fchildert bie

Ang Sctwuruugen [5%

Roosude 3er meter iz Auichint an das Memorial ven Jar 245 Je Sucliminer vom Mai 1649 jowie bie _ *

taste 2:7 bemuiet zıree Semmte: ım wertvoller Weile. zit der Sch:iVerımg Tu den isch-} ij ee

zz Lertkertigmem er erediihen mit den po Erirnz I} rırtez dei siehe. —2*5 ild wie vordem. Die Ferm Erwörne der iverems bürt-ye vandtage waren, wie M. in ber weite AlScıtum barlegt. zumer vet geringfügig, da jeder Re: ——— Ye Irrekiizıitut der Stände wachriej.

q q Rn‘

uzt Rudenis fer die ay3 Ecweden tommenden bezw. in Zeutichland neu- —— menter bildete. noch weit schlimmer waren, nameutlidy rar den Züden bes Yerdes, die Felgen des polnikhen Einfalls 1655 icSx:e der fri:cer: chen Ereigniñ̃e von 1659. Letztere werden vom Bert. beicuders cusrchri:h behandelt. DTeglei erörtert der Verj. ver⸗ ichiedenti:ch die brandenburg:ih:chwebiichen tehungen im Hinblid auf Tommern. Gegen tere Aufanñung der damaligen Dennbenburgikhen Poluit ließe ñch mander Einwand erheben. Die Eriftenz eines

Bertrages vom 31. Te, 1655. duch den Karl Guftav in dem Ku

‚einen, wenn auch unzuverläffigen Bundeögenofien“ —— ſoll. dürite der Verĩ. (S. 12) wohl ichwerlich nachzuweiſen vermögen. .

. Arnheim.

Eruſt Friedlaender: Aeltere Ilniverkiätsmatrilein. II. Univerfitat Greifswald. Aus der Sriginalhandichriit unter Mitwirkung von Dr. Herman GSranier und Dr. Herman vd. Petersdorff Derausgegeben. Zweiter Band (1646—1700) nebft Perfonen», Orts⸗, Sach» und Wortregifter!). Leipzig 1894, ©. Hirzel (VII u. 537 ©. gr. 8°; 16 Mt... [Aud u. d. Titel: Publikationen aus ben Königl. Preußifchen Staatsarchiven, 57. Band.]

Luſchin v

Mit dem zweiten Bande der Greifswalder Univerſitätsmatrikeln. der jest erichienen itt, gelangen die Matrifelpublitationen Friedlaenders, zehn Jahre mit diefer mühevollen Arbeit beichäftigt war, zum —— Die Frucht dieſer langjährigen Thätigkleit iſt der große Quartband ber Acta nationis Germanicae universitatis Bononiensis, die drei Vände umfaflende Publitation der Frankfurter und eben die der Greifswalder Matrifel. Damit find höchſt wertvolle Luellen zur Gelehrten-, Kultur und Lofalgeihichte, ebenjo für die genealogifche, voltswirthhaftliche unb viele andere Zweige der Forſchung erſchloſſen, auf die ni { anug ve wiefen werben fann. Sreilich ift bis jeßt die Benußung minimal und auf Echritt und Zritt begegnet man Gone. die fie zu ihrem e en Schaden nicht Herangezogen haben. Nur vereinzelte Bei: jpiele finden fich, wo Forſcher den Wert der Matriteln, der erft nad) Jahr: zehnten algemei anerkannt fein wird, ganz gewürdigt re ich nenne

bengreuth, Kaufmann, Stieba, kotenhauer, pl, Wehrmann,

1) Dal. Forfchungen V, 632 und VI, 619.

597] Neue Ericheinungen. 299

Th. Beyer u. a. Sonft läßt nur ber ziemlich ſtarke Abſatz der Publita- tionen die Vermutung zu, daß fie nicht auf Reinigen Boden gefallen find. Der vorliegende Band enthält auf Seiten das Verzeichnis der Studierenden für den Zeitraum von wenig mehr als einem halben zahr- hundert (16461700), ferner bie gleichzeitigen Aufzeichnungen der Reftoren über die Zeit: und Lofalgeihichte und die Defanatsbücher ber nhitofophir ichen theologi' en und juriftiichen Fakultät ſu dieſe Far Tabelle am Sc ulfe giebt eine Heberficht über den Veſuch in diefen Jahren, der meift recht ſchwach gewefen ift. Außerdem bringt ein Anhang von 28 Seiten Umfang einige Urkunden und Aftenftüce zur Geſchichte der Univerfität, die aus dem Text außgefchaltet worden waren. Die Summe der Publikation wird in dem Regifter (S. 269—530) gezogen, das nicht fo ehe A wie da3 der Frankfurter Matrikel, weil in der Greifswalder die Namenfülle viel eringer ift. Die Menge des fachlichen Materiala ließ es erwünſcht ers Keinen, ein Sach: und Wortregifter bem’ber Perfonen und Orte hinzu⸗ auf en. Ohne ganz a fend zu fein, was der ‚perauägeber auch nicht enbfichtigt, giebt es vielfache Winfe, wie die Matrikel ausgebeutet werben fann. Hr alle bejonberen Abſchnitte darin, jo namentlich Bücher-, Buch⸗ und Schriftweſen, Bürgerfchaft, Depofition, Fakultäten, Feitlichkeiten, Ges haltsverhältnifie, Handel und Gewerbe, Immatrikulation, Kleidung, Krank⸗ Deiten, ehrförper, Militärweien, Münzen, Promotion, Rechtswefen, Re: igionawelen, Schenfungen, Steuerweien, Studenten, Bereidigung u. ſ. w. eignen ſich zu bejonderen kleinen Unterfuhungen. Das Ortsregifter ii viel reichhaltiger ald dag von Frankfurt, weil jehr viele nähere Lola begeichnungen vorliegen. So bieten die Abfchnitte Greifswald, Stralfund, Stettin u. |. w. mandherlei für die Topographie jener Orte. Die Webers fiht der Orte, nach Ländern geordnet, zu Anfang des Drisregifters wird willlommen fein, ebenfo wie die zum Herausſchlagen eingerichtete Tabelle III ur Erleichterung des Namenſuchens (Zahlenſchlüfſel). Die Einrichtung bes Derfonentegifters ift im wefentlichen diefelbe wie bei ber Tyrankfurter Ma: trifel. H. von Petersdorff.

Karl Spannagel: Minden und Navensberg unter brandenburgifc- preußiſcher Herrichaft von 1648—1719. Hannover u. Leipzig 1894, Hahn (VIII u. 248 S.; 5 ME.)

A. Ludorff: Die Bau⸗ und Kunftdentmäler von Weftfalen. Heraus⸗ gegeben von dem Provinzialverbande. Der Kreis Lüdinghaufen, mit geichichtlichen Einleitungen von J. Schwieterd. Paderborn 1894, Schöningh (113 S. m. 107 Zafeln; 5,60 ME.).

Hugo Landwehr‘): Die Kirchenpolitik Friedrich Wilhelms, des Broken Kurfürſten. Auf Grund archivalifcher Quellen. Berlin 1894, €. Hof- mann u. Co. (XII u. 385 ©.; 7,20 Mk.).

Zange genug ift Die gejchichtliche Behandlung der jo wichtigen branden⸗ burgifch-preuhifgen kit Im 16. und ”. Jahrhundert den Theo: (ogen allein ale worden. Erft 1878 hal M. Lehmann feine große Publikation: „Preußen und die katholische Kirche“ begonnen, und die Durch weiten Bli und fruchtbare Geſichtspunkte ausgezeichnete Einleitung bes

1) Am 24. Juli 1894 ift Dr. Hugo Landwehr, erft im 35. Lebensjahr ftehend, in Steglitz verftorben. Unſere Zeit hrift beklagt in ihm einen ihrer thätigſten Mitarbeiter. Der in den Forſchungen VI, 529 begonnene Artikel „Joachims IL Stellung zur Konzilsfrage“ wird nun leider unvollendet bleiben müſſen. Einige fleinere Arbeiten aus dem Nachlaß des BVerftorbenen hoffen wir fpäter abdruden zu können. A. d. R.

300

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Werkes ift für die Geſamtauffaſſung der Dinge noch unübertroffen. Sat dem Rn ih namentlich Landwehr eingehend mit dieſen Fragen —— und ſeine archivaliſchen Studien über die Kirchenpolitik des großen jürten, b von denen einzelne „Hapitel bereits rüber 10. VI 91120 waren (BgL iefe Se Bd. I, 181-224. II, 600— Toric. 235; Ztfihe f. Kirchengeſch. X, 168) im vorli * Buche zufammengefaßt. "Wenige Monate nad Vollendung diejer hr bat den unermübdlichen Verſaſſer ein früher Tod feinen Studien entriſſen; fo liegt ung in dem Buche Leider die letzte Frucht feiner wiſſenſchaftlichen Thätig⸗ feit vor. Da Lehmann das Berhältnis der brandenburgiichen Regierung zur Katholifchen Kirche bereit? erſchöpfend behandelt hat 9 richtet 2. ſein Hauptaugenmerk auf die evangelische Kirche und will im Gegenfaße zu der bisher ganz einfeitigen Beurteilung des Streit3 zwiichen Reformierten und Lutheranern in den landläufigen Darftellungen, von denen er Hering uud Brandes nennt, den Lutheranern beijer gerecht werden. Indeſſen ıft 2. doch nicht der erfte, der gegenüber der von Hering begründeten, weſentlich reformierten Auffaflung die kirchlichen Streitigleiten dea 17. Jahrhunderte in Brandenburg von einem den a ee teundlichen Standpunfte be- Handelt Hat. Schon Wangemann hat vor zehn Jahren in einem zu went beadhteten Buche eine eigentümlie lutheriſche Anficht von dem Uebertri Sohann und ber Kirchenpolitik Friedrich Wilhelms vertreten. und ungleichmäßig ſeine Kenntnis der erſten Quellen iſt, er hat doch * ed ungedruckte Stück aus dem Geheimen Staatsarchiv beigebracht. —* gediegenen Kenntnis der Kirchengeſchichte wie ſeiner iharfen Xu Auf: taffungsgabe ift e8 gelungen, weſentliche Punkte zur Klarheit zu bringen, * Die vorliegende Darftellung fteht vielfacdy unter dem @influfle der orarbeit.

L. beginnt damit, in großen Zügen Friedrich Wilhelms Glaubens grundjäße zu entwideln. Des Kurfürften perfönliche Heberzeugungen find ın der That jehr wichtig für dad Verftändnis feiner Kirchenpolitik. Wenn er die firenge Form der reformierten hräbeftinationslehre verwirft und fi) immer wieder zur Augsburger Konfeſſion befennt, jo zeigt_er fich ala ein gemäßigter Reformierter gleich feinem Großvater Johann Sigismund, und es begreift ſich daraus jein Beſtreben, Frieden und Einigkeit reichen beiden Richtungen der evangeliichen Kirche anzubahnen, und fein fremden, daß die Lutheraner i 33 nicht als Brüder in Chriſto anſehen wollen, da er doch in feinem hochh egigen Ölaubenäfgjupe außerhalb feines Zandes feinen Anterfehieb zwiſchen Xutheranern und Reformierten macht. Cinig e feinere Züge für die reli gut Charafteriftit des Furſten bätten ſich wohl " od) auffinden laſſen. 3 3. find die weiten, aber beftimmten Grenzen feiner religiöfen Zoleranz nicht genauer angegeben.

m weiteren behandelt 2. zunächſt bie kirchliche Reichspolitik Friedrich Wilhelms. Wir erhalten hier nach den Urkunden und Aftenftüden und nad andern zum Teil abgelegenen Quellen eine jehr ſchätzenswerte Dar- ftellung der unauägefehten emühungen Friedrig Wilhelms, die evangeliſche Sache im Reiche und in den kaiſerlichen Erblanden zu unterfüben, und durch eine Verbindung der proteftantiichen Mächte den edangelifchen Beñitz⸗ fand zu erhalten. Die erfte Hälfte dieſes wertvollen Abjchnittes ift nad er Zeitfolge der Reiche: und TDeputationdtage bis in, die Mitte ber jechziger Sabre geordnet, während Die zweite Hälfte einige Kapitel mit jebligger Abgrenzung ausmachen. Es wäre wohl zwedmäßiger geweſen. en Stoff durchweg nad fachlichen Geſichtspunkten einzuteilen, ba die leitenden —— Ideen während der en Regierungszeit des Futten die gleichen bleiben. Von —X —288 ſind in dieſem bſchnitte die archivaliſchen Mitteilungen über bie Tntiehung der evangeli⸗ ichen Allianz zwiſchen Brandenburg und Holland

Auf noch Grundlage, ef eingehender. Duchforthung de Archivbeftände und der reichhaltigen Streitichriftenlitteratur ruh zweite Zeil der Schrift, welcher die ficchliche Landespolitik des großen Kurfürſten behandelt. In allen Territorien verfolgt nach 2. die kurfürſt.

599] Neue Erfcheinungen. 901

liche Regierung das gleiche Ziel, nämlich die Anerkennung ber Berechtigung des Calvinismus; aber da die Verhältnifle der einzelnen Provinzen ſehr verichieden find, wechieln die Mittel der Kirchenpolitik dementiprechend mannigfach. Dan wird diefe Beitimmung des politiſchen Grundgedankens ala zu eng bezeichnen müflen, aber die geionderte Behandlung der Terri⸗ torien billigen. Das Herzogtum Preußen, in dem die Aufgabe des Kurfürften am fchwierigften war, wird dvorangeftellt; bier fommt der Verf., der das Königsberger Archiv nicht benuben konnte, nicht fehr weit über das gedrudte Material hinaus, und die weitere Forſchung wird manches hinzufügen fönnen. Viel reicher find die ungedrucdten Quellen, die dem Abfchnitte über die mär⸗ kiſchen DVerhältniffe zu Grunde Liegen. 2. nimmt hier vielfach die Luthe⸗ raner gegen den Vorwurf der Streitluft und Sehäffigkeit in Schuß, und weilt namentlich in Bezug auf den ei reichen reformierten Hofprebiger Stoſch nach, daß er zur Verſchärfung des Konfliktes zwiſchen der Regierung und dem Luthertum in den ſechziger Jahren weſentlich beigetragen hat. Vielleicht weicht Landwehrs Geſamtaufſaſſung der Kirchenpolitilk Friedri Wilhelms von der bisher geltenden nicht ſo erheblich ab, als es na ſeinen Ausführungen ſcheinen möchte. Jedenfalls iſt es berechtigt, den kir en Kampf jener Tage aud einmal von dem Standpunkte der lutheriſchen Eppolikton fritifch zu jchildern, und wenn wir heute geneigt find, Yriedrih Wilhelm als Vorkämpfer der Toleranz zu preifen, to ba nicht verfannt werden, daß er in feinen eifrigen Friedensbeſtrebungen fi vielfach Eingriffe in die Lehre des Luthertums Hat zu Schulden kommen lofien. Das Berbot, die Wittenberger Univerfität zu befuchen, obwohl bie Sranffurter Zandesuniverfität jaft rein reformiert war, der Berjuch, die onkordienformel aus der Vokation der Geiftlichen zu entfernen, ift aus den Berhältniffen ertlärlich, aber fchwerlich zu —28 en, und fo läßt fich nicht leugnen, daß dad Mißtrauen der Iutherifchen evölferung gegen die reformierte Regierung durch manche Maßregeln begründet war, umd bag Streber ſich vielfach an den Fürſten herandrängten, um durch refor« mierte Sehinmung Gunft und Borteile zu gewinnen. Andererjeit3 muß bob 8.3 Tarftellung ftellenweife ald etwas einjeitig Iutheriich bezeichnet werden, injojern manche Ausschreitungen diefer Partei verichiwiegen oder milde beurteilt werden. Am wenigiten befriedigt die Darftellung des Religions⸗ gelprädes von 1662,68, Seen ausführlichfte handſchriftliche Duelle dem erf. entgangen iſt. Er bat Hier ein Aftenfonvolut der Oelrichsſchen Sammlung ım Joachimsthaler Gymnafium (fol. VIII Nr. 71) benußt, dad die Veototole des Colloquiums nur fragmentariich enthält. Das gegen Hat er die Haupt nelle Herings (Neue Beitr. II, 116—160) nicht erfannt. Er glaubt, daß jener Hier vorzugsweife aus Bekmanns hand: fchriftlicher brandenburgt] er Kirgengeigjichte geichöpft habe, während ering (II, 120d) von diefem Werfe deutlich die aus der Bibliothek des eldprobfte3 Garftedt ftammenden „Acta colloquii nebjt beider Zeile totofolle” untericheidet und als die Srundlage feiner Erzählung bezeichnet. Es ift dies die handichriftlicde Sammlung des Beliker Paftors Heinrid) Sebald, Erzählung der Religionshändel in der Marl von 1613-1665, 1093 Seiten ſtark, die fich heute (nebft einem zweiten Exemplar) auf ber Königl. Bibliothek befindet, durch die Meberfchrift ala e cmaliges Eigen: tum Carſtedts und Herings bezeichnet. Sie enthält die Akten, die Proto: folle beider Parteien und die Vota Collegialia des Colloquiums in einer ſolchen Vollftändigfeit, daß ihre auägiebige Benutzung nicht umgangen werden kann. Vielleicht wird eine eingehen e Tarftellung dieſer Derhand- lungen das Verſchleppungs- und Obftrultionsfyften der Berliner Lutheri: ichen Geiftlichkeit noch deutlicher hervortreten laffen und bie weiteren Maß» nahmen der furfürftlichen Behörden begründen. Mannigfache Belehrung bringt und ber Abfchnitt über dad Kirchen: regiment in den Marken; e3 Liegt in der Natur der Sache, daß Iofal- Nhjichtliche Forſchungen dieſen Ausführungen noch manche Ergänzungen ringen werden. du edauern ift, daß 2. nicht in einem befonderen Stapıtel die Suftände der Univerfität Frankfurt zufammenhängend behandelt Hat.

802 Neue Ericheinungen. [600

Erft dadurch wäre bie Bedeutung ins rechte Licht geftellt worden, welche dag Verbot ber Wittenberger Univerfität für die Marken batte.e In fürzeren Abjchnitten belbrich 2. aladann die furfürftlicde Politik in Eleve- Mark, Minden:Ravenzberg, Halberftadt, Magdeburg und Hinterpommern. Mit Recht ıft im Rahmen der Landespolitif auch die Unterftügung der bedrängten Glauben2genoffen in Frankreich und ihre Anfiedelung im S ranbenburgifägen dargeitellt, zum Zeil nach der bisher ungebrudten Korrefpondenz Spanheims mit dem KHurfürften. Bei feinen Bemühungen um den Rirchenfrieben widmete Friedrich Wilhelm den Eirchlichen Union3: beftrebungen einzelner Zeitgenoſſen lebhaftes Antereiie Die hanbIungen mit dem Schotten Duräus und dem katholiſchen Biſchofe Spinola finde daher eine eingehende und gründliche Beiprehung. Noch mertwürbiger ift wohl Styttes Plan einer Univerjaluniverfität mit unbejchräntter Toleranz, den der Kurfürft eine kurze Zeit lang ernſtlich in? Auge gefaht hat.

In einem Anhange wird die in den einzelnen Territorien ganz ver: fchiedene Politik Friedrich Wilhelm: dem Katholizismus gegenüber. bie meift auf beftimmten bertragämäßigen Verpflichtungen beruht, nach eb: manns Veröffentlichung Miggiert, luch dem Berhältnis des Surfürften zur jüdifchen Bevölkerung, der er troß de Widerftandes ber Stände Auf: nahme und Schuß gewährte, widmet 2. einen kurzen Ueberblid.

Wir fcheiden von dem trefflichen Buche, indem wir die darin nieder:

elegte treue und Eritifche Arbeit aufs wärmfte anerkennen. 2. hat viel» I exit aegeiat, wie reiche archivalifche Quellen und für die Kirchenpolitif riedrich Wilhelms fließen. enn fein Buch den Gegenftand nicht je! erihöpft, wenn e8 manche Lücen, manche einfeitige Auffaſſung zeigt, fo die3 den Dank für die reiche Fülle des Lehrreichen, die uns der verewigte Derf. als letzte Gabe dargeboten Hat, nicht ſchmälern. O. Tschirch.

Alfred Freiherr von Eberftein: Luife, Kurfürſtin von Brandenburg, Elifabeth, Königin von Preußen. Zwei Vorträge, gehalten zu Wied« baden zum Beſten des dafelbjt zu erbauenden Diakoniffenhaufes am 24. und 31. Oktober 1893. Berlin 1894, Wiegandt u. Grieben (39 ©.: 0,75 Mt).

Verf. ift nicht mit dem befannten gorl er des Geſchlechts von Eber- ftein zu verwechleln; er ift Oberft a. D., der feine Muße zu allerhand ſchriftſtelleriſchen Arbeiten benußt. Bekannter find vielleicht feine 18% erjchtenenen, ziemlich ungereimten fritifchen Bemerkungen zu Sybels Werl Bier wie überall zeigt ſich Mangel an Methode und tiefgehendem Studium.

ur der wohlthätige HT zu dem bie Vorträge gehalten find, kann fie entſchuldigen. Dabei fehlt Berf. auch alles Geſchick, den Stoff ftiliftiich ne darzuftelfen. uch gilt ihm Kurfürftin Luiſe als Lieder: dichterin von „Jeſus meine Zuverficht“, ja er weiß fogar, dab fie Ende der vierziger Jahre mit ihren dichterifchen Verjuche begonnen hat. Solche Ungereimtheiten laſſen I auf jeder Seite nachweifen, doch ich will den Raum mit ihrer Aufzählung nicht unnüß verſchwenden. Jedenjalls giebt es genug beilere Bücher, um ſich über beide Hohenzollernfrauen zu unter richten. H. Landwehr.

K. 6. Lundgvist: Sveriges krig med staden Bremen och politik i samband därmed ären 1665—1666. Stockholm 1893, Edm. Jansce & Co. boktryckeri.

Im 12. Bande der „Urkunden und Akten“ hat Prof Ferdinand Hirſch neuerdings (1892) eine Reihe von Altenftüden veröffentlicht, welche die Haltung des Großen Kurfürften während des Krieges zwiſchen Schweden und ber Stadt Bremen 1665 1666 näher beleuchten. Eine recht wert: volle Ergänzung zu diefer Publikation bildet die vorliegende Differtation, welche ſich nicht auf eine einfeitige Ausnutzung des bei Köcher wie in ben

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Urkunden und Akten“ mitgeteilten Material® beichräntt, fondern auch fhmebifce Archivalien fleißig verwertet, jo daß das Bild, welches wir von er ſchwediſchen Politit Brandenburgs während jener Jahre erhalten, nicht nur in den Umriffen, fondern aud in den Einzelheiten ar und ſcha rvortritt. In den beiden erften Kapiteln, welche vorzugsweiſe au rund jchwediicher Alten die Borgeichichte des Krieges und die bami ufammenhängenden Vorbereitungen auf militäriichem bezw. diplomatifchem biete jchildern, find für ung von befonderem Intereſſe die „ruögüige (S. 25 fl.) auß ber bisher unbelannten, recht lebhaften SEorrefpondenz wilchen dem Kurfürften und K. G. Wrangel über bie Lüncburgifche bezw. Änfterifohe Frage im Frühjahr und Sommer 1665. Diefer Original: briefwechjel, weldyer ſich übrigend mit einigen Unterbrecjungen bis weit in da3 Jahr 1666 Hinein erſtreckt und in der Abteilung „Schweben“ der „Urkunden und Alten“ ſpäter veröffentlicht werben wird, ift von hoher Wichtigkeit. Es genügt in dieſer Dinfiht, darauf hinzuweiſen, daß Schweder Dietrich Reihe anläßlich feiner Miffion an die braunmfchtweig: Lüneburgifchen Derzdge und an den brandenburgifhen Hof durch die Ins ftruftion vom 9.19. Auguft 1665 ausdrüdlich angewiefen wurde, dem Kurfürften zu erklären, die Briefe desfelben an Wrangel über „die gegen: wärtige Unruhe” hätten in allererfter Linie die jchwediiche Regierung dazu veranlaßt, eine größere Truppenmacht für alle Eventualitäten auf deutſchem Boden bereit zu halten. Vergleicht man die genannte Korreſpondenz aus jener Zeit und die fonft in Betracht kommenden (hwehiiihen Alten mit en Depeichen Crockows aus Stodholm und den Relationen Jenas aus Hildesheim, fo wird man der Behauptung des Verf.s (S. 36) beipflichten müffen, daß Friedrich Wilhelm in jenen Wochen fich noch feineswegs mit der Abfiht einer Einmifchung in die Bremiſchen Händel trug, und daß die politiſchen Konjunkturen für ein Unternehmen Schwebens gegen Bremen damals äußerſt günftig lagen. „E3 war nur fchade”, äußert der Verf., „daß man mit dem Handeln nicht ebene ſchnell wie mit dem Beſchließen fertig werden fonnte, jondern bei der Ausführung die Rolle bes Fabius Cunctator umgefehrt fpielte“. Im dritten Kapitel zeigt der Bert. u. a. (S. 50), daß die ſchwediſche Regierung im Spätfommer und Herbft 1665 die ſchon ſeit längerer Zeit erörterte Srage eines evangeliſchen Sonder- bundes zwischen Schweden, Brandenburg, Lüneburg und Heſſen-Kaſſel mit Rückſicht auf die Pläne gegen Dremen nicht ohne ein gewifles wohl: wollendes Intereſſe betrachtete. Ym Zufammenhang mit der Beendigung des Münfterichen Krieges ift dann jpäter dieſes Bündnisprojelt von Wrangel und Kleihe am brandenburgiichen Hofe mit lebhafterem Eifer betrieben worden, Ieboch ohne Erfolg, ba die in jener Zeit auftauchenden Quabdrupelallianzpläne den Kurfürften veranlaßten, ſowohl Wrangel wie Kleihe eine ausweichende Antwort zu erteilen (val. ©. 93 ff.) Die Hauptbedeutung der Anfang 1666 in furfürftlichem Auftrage durch Podes wils angebotenen „Mediation“ zwiſchen Schweden und Bremen liegt, wie der Verf. autzeffenb (S. 67 ff.) Herborhebt, weniger in dem pofitiven Re: fultat, ala vielmehr darin, daß jene „Interpofition” der erfte von aus: ländifcher Seite unternommene Verſuch war, fi in jene Streitigfeiten einzumifchen. Ueber ben bei Stöcher erwähnten, angeblichen zweiten Be: {ud v. Podewils' ergeben die brandenburgiichen Aften (vgl. Urk. u. Aft. ‚830 Anm. 2) nur, daß allerdings eine I Sendung beichloffen wurde. Da nun auch die anfcheinend lüdenlofen Berichte Wrangel3 wie bie jonftigen ſchwediſchen Alten aus jenen Tagen von der Miflion nichts erwähnen, fo ericheint bie Vermutung des Verf.s (S. 85) recht anfprechend, Podewils Habe ſich auf den Weg nad Stade gemadht, ſei aber ſchon vorher umgefehrt, nachdem er von dem Ausgang der lüneburgifchen Sendung unterwegs Kenntnis erhalten. Ende April 1666 Hat ſich dann freilich die fchwedifche Regierung und and diesmal wiederum find die eigen: ndigen ride des Kurfürften an Wrangel, fowie die Beendigung des ünfterichen ieges auf die Entjchliegungen des Senats von enticheiden: dem Einfluß geweſen doch dazu verftanden, die „SEooperation“ Branden-

Rene Ericheinungen. [602

Juz: zı? Yımeburgs anzu unehmen, um dadurc beiden Mächten alle

‚rer‘ edanfen zu benehmen (S. 91ff.; vol. auch S. 112 ff. Ir Xxz Kesiztion, welche der Kurfürſt am 10. Rei 1666 Gleve dem Anerıren Reihe erteilte (vgl. Url. u. At. .), wirb bie

XMNCe srzze mit feinem Worte berührt. Au 2 vie lien Alten rer rer diretten Anbaltspunft. Indeſſen geht aus ben bom =. > auizgeteilten Belegen indirekt mit hinteichender Sicherhei t hervor. ar? Send Wibelm damals zu Kleihe geäußert hat, er mihbillige bie zur Era geicrderte Reichsunmittelbarkeit und jei bereit, Schweden were Untertzgung zu leiten, wofern jene Stadt hartnädig bei ihren Arzzerı verdatte. Zap Diele —A mit dem Unterne axz Sızımtarı und mit Der geplanten brandenburgiic - ſchwedi ſchen Grm Siuarzıch der volniſchen Thronfolgefrage in —88 Zuſammen⸗ ur az eretien die vom Berf. benutzten ſchwediſchen Aften in Ver⸗ xıtırz mit um in den „Urkunden und Alten“ veröffentlichten Material ix WITT und bönfig unterbrochenen Unterhandlungen zwiſchen amter 7? Bomen. melde in der Abhandlung naturgemäß einen em Xıa fr rc beaniprucdden, enthalten auch für den preußi DI ir wıraer Don Intereffe. Namentlich erfährt die Wirkſamleit Serınrrarrien Adgeiandten v. Ledebur und Beyer eine jehr eingehende mm We ungerechtiertigt das Mißtrauen Wrangels en Die Ntrız N Norm rürhen war, wird von dem Verf. verichiedentlidy (4 B. S..X #8, 2 Bl; 13 ñ. n. ©. 163 ff) mit erfreulicher Unpartelid.

Ber —— —* die Miffion Kurt Chriſtopher Königsmarks an X⁊ art: zz... Dot Antang Rovember 1666 find leider in ſchwediſchen 28 ae mar merxige Iren autzufinden geweſen (S. 164).

Tie des iog. Bremiſchen Krieges liegt. wie ber Derf. am S2.2* rer Zertekung durchaus zutreffend bemerkt, vornehmlich Nrr nk mer Krres in feinen mannigfaltigen MWandlungen ftets getreu Re mauite Seismtlage wiedesipiegeli Ter Verf. bat denn aud bie Se ve ut wäteend der Jahre 1665—1666 in den Bereich feiner

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en Iran Untere —e— werden, ſei beſonders betont. : die Schrift, wie alle neuerdingd veröffentlichten —X —— uber jene Zeit, daß bei der Benutzung von Carl⸗ N It ediiter Geichichte ſtets mit der größten Vorſicht verfahren werden 8. zur Qmieptderdienit des Verf.s aber beiteht darin, daß er uns . einen wie weientlichen Fakltor Brandenburg damals in ber sen Voritit Schweden? bildete. eruse war Net. zu feinem Bedauern in ber Schrift vergebens t ak Ner Ornweis auf den doch zweifelsohne vorhandenen 10 bes ag weiten dem remütden Kriege und ber Sendu olfradt an den Branbenburgfgen N“, Sn Re aue den nom Ref. benußten Akten im Stodholmer Reihe anti end era namlıh Wolfradt am 29. Mai (8. Juni) 1666 in In nie —* Tetum der OUrdre! die Weiſung, ſich zur Reiſe an Re frussinten Dot bereit zu balten und vorher, wenn möglich, mit KA du * iera. .umb von den Affairen des Ortes und benachbarter rien arundiich unterrichtet zu werden‘. Am 24 Oktober (3. Ro- vemder au bier wieder ſpielt das Datum eine wichtige Rolle er: acdt an idn darauf der Reicht, feine Reiſe I: Berlin zu beichleunigen; neftaiten uns gar u viel daran gelegen, daß wir wiflen mögen”, wie der Kurfurnn „ind dei Dem obhandenen Brehmi chen Unweſen zu com: portiien“ —RB Demgemäß wird denn auch in der Inſtruktion für Wolfiradt. Dat, Stocdolm 12.22. Dezember, des Bremiſchen Krieges und

der Daltung Vrandenburgs während desfelben eingehend gedacht. 8 Pot Arnheim.

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503] Neue Erjcheinungen. 805

WMieddelanden frän Svenska Riksarkivet, utgifna af C. T. Odhner. XVIO. Stockholm 1894, P. A. Norstedt & Söner.

Die „Mitteilungen aus dem Schwediſchen a her bon benen feit 1877 a Fan ein hei erfeint, find zumeift aud für ben beenbifchen Geichichtaforicher nicht ohne Wert. Infonberheit gilt dies bezüglich ber e 7 unb 8 (1883 u. 1884), welche ein, freilich nicht vollftändiges, Ver⸗ eichniß über die in jenem Archiv aufbewahrten Aktenfammlungen ent: hatten, ſoweit biejelben die Korrefpondenz der in Brandenburg : Preußen zw. in den übrigen Gtaaten mp: lands beglaubigten Vertreter Sümebend mit ihrer Regierung, fowie offizielle Urkunden ähnlicher Natur etreffen.

n bem jetzt veröffentlichten 18. Heft findet fich die Abteilun „Deutichland“ eines von den Archivaren Baron B. Taube und Dr. ©. Berg ausgearbeiteten, vortxefflichen Kataloga über bie im Stodholmer Reichd- archiv befindlichen Driginalverträge, Deklarationen, Vollmachten, ſowie über andere offizielle Dokumente ähnlicher Art. Der Wert des recht um: fanaweichen, chronologiſch georbneten und mit einem Regifter verfehenen

erzeichnifjeg wird noch dadurch weientlich erhöht, daß in der Regel Notizen und Anmerkungen über die äußere Beichaffenheit der einzelnen Urkunden, über die Namen der Bertragsunterzeichner u. |. w. beigefügt find. Auch Heft 17 (1893), welches die Abteilungen Dänemark, Rußland und Polen umfaßt, bietet manches von Intereſſe. F. Arnheim

A. Fr. Prisram: Franz Paul Freiherr von Liſola 1618—1674 und bie Politik feiner Zeit. Mit dem Bildnis Liſolas. Leipzig 1894 Beit u. Co. (VIII u. 714 S.; 18 Mi).

Bol. oben ©. 561.

H. Toellin: Geſchichte der franzöfiihen ſtelonie von Magdeburg. Bd. III Abt. IA, IB, 1C. Magdeburg 1892—1894, Faber. (Bol.

Forſch. III, 319.)

Joſeph: Die PBarochhiallirhe in Berlin 1694—1894. Cine bau- nnd funfthiftorifche Studie auf Grund archivalifcher Quellen. Mit 11 Holz- Ichnitten. Berlin 1894, Berlag de8 Bibliographifchen Büreaus (176 ©. gr. 8°; 2,50 ME.).

Die fleibige, auf Grund zum Zeil archivaliicher Forſchungen aufs ebaute Arbeit will bei Gelegenpeit bes ameifunbertjährigen Sjubelfeftes ee Parochialkirche einen Rüdblid auf die vielgeftaltigen Schickſale dieſes Bauwerks werfen, welches berufen war, den Gentralbau in die kurmärki⸗ ſchen Lande einzuführen. Dementipr tritt die bautechniſche Seite in den Vordergrund der Darftellung, wel % durch gute Reproduftionen don Grundrifſen und Anfichten der verjchiedenen, nicht zur Ausführung ge langten Entwürfe (von Nering und Grünberg), ſowie des fchließlich aus- geführten Planes von Gerlady in dankenswerter Weife unterftüßt wirb. eben dieſem Hauptteile der Arbeit, welcher vorwiegend für ben Kunſt⸗ iftorifer beftimmt iſt, verdient die AIbhandlung aber auch in weiteren iſen deshalb Beachtung, weil einmal die Art der Entſtehung dieſer dem reformierten Gottesdienſte beſtimmten Kirche charakteriſtiſch genug iſt für die dieſem Bekenntniſſe durch den erſten Preußenkönig gewordene Bevor⸗ Jaurs; dann aber, weil in den erſten Jah ehnten ihres Beſtehens die rabgewölbe dieſer Kirche einen großen Teil der Männer aufnahmen, welche einſt Macht und ale im Staate befaßen, und deren Namen zum Zeil noch heute unvergefien find, wie z. B. Kolbe von Wartenberg und Samuel v. Eoccefi. Die Ausftattung des Buches ift bei geringem Preife eine borzügliche. Fr. Holtze.

Forſchungen g. brand. u. preuß. Geld. VIL 2, 20

306 Rene Erfcheinungen. [604

Chriſtian Thomas: Kleine dentſche Schriften mit einer Einleitung ver feben und herausgegeben von Prof. Dr. Julius Otto Opel [Feſtſchrift der Hiftoriichen Kommilfion der Provinz Sachſen zur Zubel- feier der Univerfität Halle-Wittenberg vom 1. bis 4. Auguft 1894.] Halle a. d. ©., Dtto Hendel (208 ©.; 3 Mt.).

E. Lanbiberg: Zur Biographie des Thomaſius. Bonn 1894, Marcus.

Neber Ghriftian Zhomafius, ben hahnbrechenden Neuerer im Bereiche bes geiftigen Lebens der Teutichen, beiaßen wir, foweit es fi) um eine Geiamtmonographie handelt, während langer Zeit nur das ältere, mit mehr Liebe ala Borficht gefchriebene Duc von Heinrich Luden, „Chr. TH. nad einen Schickſalen und Schriften dargeſtellt. Berlin 1805. Nachdem

E. Prutz in feiner „Geihichte des deutichen Journalismus” (im erften Zeile, 1845), fodann Karl Biedermann und Julian Schmidt in ihrer großen kulturgeſchichtligen Werten, ber erfle in feinem „Deutichland im achtzehnten Jahrhundert” (im zweiten Bande, 1854), der andere in feiner „Geſchichte des geiftigen Lebens in Deutichland von Leibniz bis auf Leifings Tode (im erften Bande, 1862) den Echriftfieller Thomafius in feiner Bes beutung erkannt und herausgeboben hatten, lieferte A. Tholuck feine klaſſiſche Abhandlung in Herzogs Nealencytlopädie für proteftantifche Theologie und Kirche (herausg. 1862, Bd. 15, ©. 589 599). Im Jahre 1865 erichien 5. ernburgs (erweiterte) Reltoratörede: Thomafius und die Stiftung ber

niverfität Halle, eine Inappe, ſcharf und geiſtvoll eindringende Eligze der Bedeutung des Kurſachſen für unjere geifige Umwandlung. vorzugsweife feiner Stellung im Entwickelungsgange der Rechtewiflenichait. Seine Ber: dienfte um die beutiche Litteratur würdigte B. U. Wagner im Programız des Berliner Sophiengymnafiums von 1872. Daran ſchloß fich, von Th. dem Schrifiſteller und Publiziftien ausgehend, aber zu einer Analyfe ferner übrigen Thätigkeitsſeiten fich erweiternd, ber kritiſche und vom Stand- punkte unferer fortgeichrittenen Bildung vielleiht etwas hyperkritiſche Auflag von J. Minor in Bernhard Eeuffertö Bierteljabrichrift für Litte raturgeſchichte (Bd. 1, €. 1—9, 1888) und, weientli wohl durch Minor angeregt, das Leine, inhaltreiche, mit großer Wärme geichriebene Buch von Aler. Ricoladoni, Berlin 1888, feit Luden der erſte umfaflendere Beriudh einer Gelamtwürdigung des Th. ala litterariich-wifjenichaftlicher Perfönlidy- keit. Gine eingehende Wertihägung, die fih zu einer, man kann lagen, erichöpienden Gharatteriftit des halliſchen Proſeſſors und feiner geiamten wiflenichaftlichen Wirkſamkeit erhebt, hat ihm neuerdings Wilhelm Schrader, ausgeftattet mit dem volltommenen Rüftzeune moderner Kritik und For⸗ fung, im erften Bande feiner Geichichte der Friedrichd-Univerfität zu Halle (vgl. Forſch. VII, 1, 258) zu teil werden laflen. Nur naturgemäß. Denn der Daun, der für die geiftige Ausflattung des aufftrebenden Staates Brandenburg Preußen die höchſte Bedeutung bat, konnte in einer Geſchichte der neuen Triedriche- Univerfität nicht leer ausgeben, und er hat benn auch in diefem, auf vollfommener Durchforichung des gedrudten wir des ardhi: valiichen Materialö berubenden. wahrhait monumentalen Werke eine Be: handlung erfahren. die allen Anforderungen firenger Wiflenichaftlichteit entipriht. Zudem bat die zweite Säfularfeier diefer Hochſchule jegt ganz unmittelbar die beiden oben genannten Schriiten veranlaft, denen in dıefer Zeitichrift ein Wort gebührt.

J. 09. Opel, der auf dem Gebiete der politiichen wie der geiftigen Geichichte des firbzehnten Jahrhunderts anerfannt bewährte For cher, be ichentt uns in feiner Publifotion mit einer Neuausgabe dreier höchſt an⸗ iebender deuticher Schriften ded Thomafius: der Borlefungen „von der

ahahmung der Tyranzofen“ (diefe mit wertvollen Litterärgeidhichtlichen Anmerkungen) und „vom elenden Zuftand der Studenten” und dee Schluß⸗ flüdes von dem Traktat „von der Pilicht eines evangelifchen Fürſten, die

605] Neue Erſcheinungen. 307

Beloldungen und Ehrenftellen der Kirchendiener zu vermehren‘. Boran ſchickt der Herausgeber eine Einleitung, die aber eine ausführliche Dar: legung des alabemilchen Wirlens, von bem Leipziger Anfängen an, und eine Charalteriſtik der fchriitfielleriichen Betriebfamtleit des Thomafius in fih faßt. Die Titterarifchen Händel, die fein Leben durchziehen, werben mit diplomatiſcher Genauigkeit erörtert. Neues archivaliiches Material if nicht herangezogen. Sachlich werden wir bem Bert. in allen Hauptpuntten beipflichten dürfen, auch barin, daß die Herausgabe feiner deutfchen Monats» geiprädde” ein Zeugnis if für 25.3 feurigen Patriotismus. Dan bat neuerdings verfucht, dies in Abrede zu Rlellen. Aber Th. wollte das Seine dazu beitragen, um den Deutichen eine ähnliche Achtung vor ihrer Mutter Iprache einzuflößen, wie fie bei den Syranzofen nun ef zwei Jahrhunderte lebendig war. Sehr weientlich fticht er hierin von jeinen fonftigen Geiſtes⸗ genofien ab. Wie ex ala Gelehrter fich nicht Llaffifigieren läßt, wie er in dieſer DVielfeitigleit der geifiigen Bildung und in ben durchaus auf pral: tiſche Verwertung gerichteten Zielen feiner Erudition nur mit fich jelbft vergleichbar ift, jo war er auch in diefem Punkte einzig.

Zum Schluß noch eine Bemerkung. In diefer Publifation wird ber Autor EHriftion Thomas genannt, und die Neuerung fängt an, Nachahmung zu finden. Glaubt man dem Pionier der deutfchen Sprache zu nahe zu treten, wenn man ihm die Latinifierung feines Namen? läßt? Diefe ſteht doch wohl auf einem anderen Blatte. Sie entſprach der Sitte des Zeitalter der Polymathie, fie wurde von ihm KR ft gewählt und wir fönnen aftenmä ig (Königl. Sächſ. A id zu Dresden) nad): weifen, daß fi h. mit dem anuar 1709 ala Chr. Thomajius unterzeichnet. So wenig wir Melanchthon Schwarzert nennen, fo wenig wollen wir den einen Thomafius in einen der vielen Thomaſſe verwandeln. als Thomafius kennt ihn die gebildete Welt.

Das kleine Schriftchen von Landöberg enthält beachtenswerte ardhi: valifche Aufichlüffe. Es teilt mit, daß Air Th. in feiner Jugend vergeblich um bie Mitgliedfchaft am Leipziger <chöppenftuhl bemüht habe (ein eins trägliches Amt); es legt noch einmal auf das genauefte die Streitpuntte auseinander, die den jungen Leipziger Heißſporn mit den Oberbehörben feines Kurftantes in Konflitt brachten, um zu dem überzeugenden Ergebnis zu gelangen, daß ein Haftbefehl von feiten der kurſäch Ken Regierung

egen Th. nicht erlaffen worden if. Was diefen wegtrieb, war eben bie findung, daß durch das ag Ah widriger Umftände ber Auf- enthalt in feiner Heimat für ihn zur Unmöglichkeit geworden. Sodann wird Th.s Schriftwechjel mit dem Derzog Morig Wilhelm von Sachſen⸗ ei analyfiert. Das war der Gemal der jüngften Tochter des großen rfürften, jener unglüdtiche Regent, der, ein Opfer der Umtriebe des ſächſiſcher Kurhaufes, um des Kurfürften Friedrich Auguft Gunft au ges winnen, fatholiich wurde, aber im Jahre 1717 turz vor feinem Tode, durch pietiftiiche Bedenken bewogen, zur evangelifchen Lehre zurüdtehrte. Es ift berielbe Sürit. den beim Ableben feines Vaters Morig (T 1681) Ludwig

don Sedenborfi fo wirkiam gegen feine Dresdener Bedränger jchübte. . ai Kam gegen | Reinhold rode.

Bernhard Erdmannsdörffer: Deutihe Geſchichte vom Weftfälifchen Frieden bis zum Regierungsantritt Friedrichs des Großen, 1648 bis 1740. [Auc u. d. Titel: Allgemeine Geſchichte in Einzeldarftellungen, hrsg. von Wilhelm Onden. 1.1. Hauptabt. VII. Teil.) II. Band. Berlin 1893, Grote (527 ©., mit Porträts, Illuſtrationen u. Karten; 15 Mt).

Unter dem unmittelbaren Cindrud des erften Banbes hatte ber Re:

ferent, eine naheliegende Zurüdhaltung aufgebend. geichrieben: „Wir unter- breiten getroft jeder Per feiner Seler unfere lebhafte Empfindung, daß

20*

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res Sach ala eimes der weriboliften der geichichtlichen Litteratur fort: Saurız uch“ Gyetich VL MT. Bir wi len dieſes Urteil bei er: meter Gelegexkeit mit eimer —— —— ng, nachdem inzwiſchen mung ın BSorichleg gebracht werden iſt nud zwar ——— * —— —— des allein ſchon um —* ——

Ueber die beiomderen Autgaben, bie die « Behanbtung —ã— deicher Geichchae nach dem werttäliichen. Sricben ftellt, und über des ; za wir bei der A

noch größer. a die ci —*X mern eine

un2 weunyer buxticedige j einen gewi ein en übrıg lißt. ichen in der langen und faft pa Fallen Regierung Beopo L web nur Fıleims; ws bleiben aber ngen, wie etwa ‚Karma uud Rbeınbund‘, Fürſten und Landflände”, „innere beſtreduagen in deutichen Etaaten“ꝰ, da, wo alle Steltigkeit verloren gebt, Re mrt: Alaten Ausiandbeziehungen deutichen Fürſten noch viel wide meer werden web ei m. a. gilt, den Ariabuefaben men

beuticher Geichichte durch die i irren Indurchgngeleiten, wit 2ewem gleichzeitig sl SIL und bie Wanikie lgefrage ganz

geichlo und der darans entipringenden —— Folgen willen dem Leſer Üar anirinanderariest werden da verfieht der Verf. dieſe en dezu mit nevelitticher Kunft Elbe wie in ber ad und, Uns nd ber Gleonee (breufe und ihrer T Frohe

Bi

der Geltung über den berügten Zarftellumgen. * iſt ganz unnötig,

für Dredieni ienſte ein vettendes Wort ollen, aus man

wuedl da in Zeit gethan bat. Erdmann: den

iR darin ım beiden ganz da: Gleiche. Es wäre leicht, Wer:

Aum. dıe Stellen zu jammein. wo er Prienitäl. Renaufichlüfie, erſt⸗

malın Richtigkellungen durch Trodien xhebt. Und was er bei biefem

bericktigt oder mit überlegenem Urteil ur dad den ws Ma ner ich

merten zu lañcen, a 8 Kur am zwei Stellen m mar cs

geboten. den Wideripruch nicht unbetent zu lafien:

ment dee Großen Kuriürften als Wert einer ſchwachen Stunde aa

cutichleñene miatıng dur den Echn als eine rettende That

oder wenn er (3. 4, Anm. 3) auf die von Droyſen ala ginpoknt“ em:

bfunbrne labme und ungekhidte Aktion König A Im L in den durch Hetzog Karl Leopold ten medflenb urgifen

auf da: Wedürini? nad) einer attenmäbigen Zarftellung diefer Dinge and

aus dem nichtpreagikhen Waterial binweift.

Unter den litterariichen Porträts der in diefem Bande Bervortretenden Terlönlichteiten war ung mit das anziehendfte dasjenige Auguftö bes Starten, des Grwählten der Polen. Ta reichen dem Berf., wie überhaupt, ein paar grelle Konturen nicht, wozu gerade hier Manche gelodt worden wären,

607]

Neue Ericheinungen. 809

fondern er giebt, um im Dergleiche zu bleiben, ein in zerſtreutem Vicht und aufgelöfttem Schatten gemaltes Bild, gefchaffen aus vollem Verſtehen bei gewahrter Selbftändigkeit, aus anteilnehmendem Hineinverſenken in Alles, was in jolcer Perfönlichteit nach⸗ und nebeneinander vorgeht. Au kein Moralifieren, ſondern alljettig abgewogener Spruch. Und ſo verbleib uns nicht bloß Sräftiges, fondern üchtigen und Er Begriffenes, menschlich Anziehendes genug auch in Diefem glüdlich hazardierenden Wettiner. Er war ‚ein Epituräer in ber Politit wie im Leben.“

Sn allen diefen ECharalteriftifen Klingt etwas wie von bexjönlicher und audgiebiger Belanntichaft, und e3 könnte fie vielleicht jemand zu ſelb⸗ Ränbig retouchiert finden wollen. Aber überall gel t fich, wie diefe intime

efanntichaft eben aus Aktenftüden und gefchich lien orgängen heran jorglich erarbeitet worden ift, nicht zum wenigften auch aus Berichten von Beobachtern, die die Eluge Tyeinheit dev Venezianer befagen oder auch jener in ihrer Menfchentenntnis keineswegs geringzufchäßenden Franzoſen, bie vLudwig XIV. für die deutſchen Diffonen auswahlte. asſelbe gilt von den dargeftellten Ereigniſſen. In E. ſchreibt ein warmherziger Hatriot beutiche Gejchichte, man vergleiche nur, wie er mit unwilltürlich beteiligtem Empfinden die im jpanilchen Exbfolgekriege vers paßte Rüdgabe Steaßburge behandelt. Aber fchwerlich hat je ein guter Deuticher h objektiv von der Verwüſtung der las ee o peinlich ewitlenhaft zunächſt die Unterlage für das Berdikt richtig geftellt. Man Fahrt bie Kriege damals nicht bloß gegen bie feindliche Armee, fonbern auch mit Ausnutzung bes gegneriichen Landes. Man preßt es aus in Plünderung und Kontributionen, und wenn man es verläßt, fo macht man es zubor für ben Gegner „inutil’. Kurfürft Karl Ludwig beklagt * einmal (1674), man zünde nach Kriegsbrauch ſonſt a nur Orte an, welche die aufs elegte Geldzahlung zu weigern ſuchen. Alſo „die einzelnen Schreckens⸗ dan lungen (1689) waren nicht neu und un emöhnlich: aber was das Ents feßen der Seitgenofien bildete und noch für Die Di achwelt erfchütternbe Erinnerung bleibt, das war die grauenvolle auf ben Verderb eine? ganzen Landes gerichtete Häufung der Unthaten, das war die kalte Grauſamkeit, womit das ruchlofe Vernictungäfuftem wohlbedadht und bis in alle Einzel: heiten hinein erwogen und berechnet von dem fernen Verfailles her ange: orbnet und zur Ausführung gebracht wurde.“

Wir müffen leider abbrechen, zu Gunften der Dinge, die diefer Zeit- fchrift am nächften Liegen. Naturgemäß ftet in dieſem zweiten Bande bie Geſchichte Preußens eın wenig mehr in der allgemeinen Darflellung mit darin, ala während der fchöpferifchen Zeit des großen Kurfürften. Daß

ie dem Herzen des Verf. am nächiten fteht, nicht geſagt zu werden, as dringt mit warmem Ton auch hier aus den Zeilen —**8 Aber einer ungerechten Bevorzugung läßt er ſich nicht verführen. Unabiäffg rüft er fich felber nach, vergleicht und wägt er ab, zieht Parallelen. Wir Tehen eine folche hierher, von Brandenburg nach dem neuen proteftantifchen Kurftaat Hannover hinüber:

„Durch verwandticaftliche Beziehungen ber Dynaftien eng verbunden, find fie doch von Anfang an auf eine natürliche Rivalität wider einander geftellt. In beiden lebt ein gewifler Geift der ae In Brandenbu ıft Diefes Gefühl getragen von dem zuverfichtlichen Selbftbewußtfein jugend neuen Emporlommeng auf dem j eren Grunde feit untermauerter ajole: ruhmreich jchöpferifche junge Bergangenheit, Rattliche ſelbſtgewifſe en⸗ wart, unbeſtimmte Ahnung weit scher Zukunft. In Hannover, neben folid gegrünbeter fürftlicher Vollherrſchaft, das Gefühl altertümlicher hiſto⸗ riſcher Rechtsbegründung und weit überlegener ſpecifiſcher Vornchmheit: pruntvolle Kouliffe zu beiden Seiten, auf Vergangenheit und Zukunft

eutend: hier die eine mit dem Bilde Heinrichs des Löwen, dort die an⸗ dere mit bem erlebigten Königathron von England, Schottland und Irland.

Welche der beiden Potenzen wird zu der größeren Wirkung, zu wahr⸗ Haft nationaler Bedeutung fe durchſehen?“

Der erfte der Könige von et bat in E.s forgfältiger Dax ftellung gegenüber der üblichen Auffaffung gewonnen. Zwar läßt auch E.

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D. we JZwicdined- Eudenherk: Dertjche Geſchichte im Zeitraum der Grüzdung dei Frrafiihen Nenigtumi. Ar. II Lie. 17. [Au

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Vida maria Ritidie, Abteilung IX Tief. 9—15.]

N —X u. Lasa. nn ss wa a

st 1881 1584 Sera Xıdt’ola. Kınemaxm Aıme die Terkrlung dom Jahre 1688 bis etwa 1720.

N. Sram: Die Darkerichnld des Preußiſchen Staates und Belle gegen die Serniten- Krise Vriee an den Preußiſchen Hausarchivar Dr. ẽ. Were. iemie die Serauegeber der Preußiſchen Jahrbücher“ und der —— ur brandenburgiichen und preußiſchen Ge: ididte“. re: Fort 189%, Focßer Nachi. (74 S.; 0,60 Mt.).

In dem —— wir? Derintt. eine Antwort zu geben auf meine vor veeı Jadrer ia Neder Jerrcdriit V.DS#. gemachten und in den Preuß. Jabrb.71 S.2M0R, wieder ardrudten Nemertungen zu der Schrift des efftellerd

Der Anteıl der Jeiniten an der Preußztichen Königstrone von 1701.* B,

509] Neue Erſcheinungen. 311

Die eigenhändigen Briefe König Karls XII. Geſammelt und Heraus» gegeben von Pıoi. Dr. Ernſt Carlfon. Autorifierte deutjche Ueber» jegung von F. Mewius Berlin 1894, ©. Reimer (XLVII u.

455 ©. 8°). Das Unternehmen, die eigenhändigen Briefe Karla XII. zu veröffent: lichen, ift gewiß mit großem Dante zu begrüßen, weil nicht nur die Wiflen- ſchaft, jon ern die gebildete Welt überhaupt mit Freuden die Gelegenheit wahrnehmen wird, eine der rätjelhafteften und merkwürdigſten Geftalten der Weltgefchichte näher kennen zu lernen. Nun gewähren die von €. Carlſon mit großem Fleiße gejammelten, allerdings nicht allzu „gehlreichen Briefe diefes nordifchen Helden mancherlei Einblide in fein Wejen, aber den ganzen Menſchen Starl XII. lernen wir doch nicht daraus fennen. Im weientlihen werden die jchon befannten Züge feines Weſens, feine Tapfer⸗ feit, fein Starrfinn, feine Rechtlichkeit, jeine Frömmigkeit u. ſ. w. beftätigt, einiges wird vervollftändigt und ergänzt. Aber fo seht hinein in fein zunered zu bliden, wird una nicht vergönnt. Karl XII. ift Zeit feines ebens zu verſchloſſen geweien, um fich irgend jemand ganz zu geben. Schon gene neigung gegen das weibliche Geſchlecht > ein Stennzeichen feiner Unzugänglichkeit. Aber er hat auch feinen rechten Freund auf dieſer Erde gehabt. Keinem feiner Generale hat er ganz fein —* erſchloſſen, nicht einmal auf einen vertraulichen Ton gen! er mit ihnen gefommen au fein, höchſtens mit Stenbod. Der einzige Lichtblid, der auf fein Seelen- eben fällt, iſt das Verhältnis zu feinen nächiten Angehörigen, beſonders zu feinen Schweftern Hedwig Sophie und Alrike Eleonore. Hier find allerdings wirklich manche erfreuliche Züge zu verzeichnen. Früh dat fich eine unbeugfame Härte in ihm entwidelt, befonders feit dem polnifchen Kriege, von 1703 an. Die zahlreichen Briefe an die Generale, in denen er, ihnen ſchonungsloſeſte Härte gegen das unglüdliche Polen, das eher milde hätte behandelt werden müſſen, anbefahl, wo e8 ihm ganz gleich ıft, ob Schuldige oder Unfchuldige beftraft und hingerichtet werden, erichüttern auch zum Zeil den Ruf des Gerechtigkeitsfinnes des Könige. Diele Züge verraten unleugbar den großen Heroismus dieſes Fürſten. Ferner ift feine Gedächtniskraft erftaunlich, fein ſcharfer Verſtand ift zweifellos, weniger einwanbaftei find feine Feldherrngaben. Alles in allem ift Karl XII. eine unerfreulice Ericheinung; er hat im höchften Grade deftruftiv gewirkt, in- dem er, abſtrakten Rechtsforderungen nachjagend, nicht nur die europäifchen Verhältniſſe verwirrte, fondern vor allem rückſichtslos die Kräfte feines Landes zerrüttete umd vergeudete, um ihm dafür ala zweifelhaften Erſatz [einen berühmten Namen und fonft nichts zu bieten; die Sänger bes ndes, u. a. Tegner und auch Geijer, konnten fich lange Zeit an ber Ruhmesgröße diejes ihres Königs beraufchen. Die Ausgabe der Briefe jcheint im wefentlichen Ieht gereiflendaft zu fein. Sie war ſchon darum beſonders mühjlelig, weil Karl eine 1% terliche en hatte. Leider ift fein Fakfimile beigegeben. Die inleitung ift fachgemäß, wenn auch wenig lebendig; doch mag bies an der Neberlegung liegen. Einige Härten in biefer, wie „Ö ade Gin wendung an die Befiker von Sammlungen” (S. VII) und ſchwediſche „Schönlitteratur” (S. XVII find unweſentlich, hätten aber vermieden werden können.

Für die beeußifche Geſchichte Fällt fehr wenig ab. Zwei Fleine Briefe an König Friedrich I. und ein etwas längerer an König Friedrich Wil: heim I., alle in deutfcher Sprache, die Karl XIL geläufig hanbhabte, vom 19. Oftober 1708, 13. September 1705 unb 18. Mai 1713 find alles, was wir don Briefen an ae Männer vorfinden. Sie ſſnd ziemlich farb: los. Der erfte bezieht fich auf den Vertrag zwifchen Schweden und Preußen vom 8. Auguft 1703 betr. die Anerkennung ber preußiichen Königswürde und die Neutralität Preußens im polnifchen Sriege, der zweite auf Ber: handlungen zwijchen Preußen und Echweden wegen polnijcher Gebietsver⸗ teilung, und der an Friedrich Wilhelm, der twichtigfte, fucht ein freund

812

Die

Neue Ericheinungen. [610

riedrich Wilhelm noch in einem Briefe an Herzog Friedrich IV. von

olftein-Gottorp (S. 212) vom Januar 1717 erwähnt, in dem Karl fein

ißtrauen gegen Preußen ausdrückt, aber fich zu eiebenäberhanblungen bereit gel t. Die Preußen werben bei Gelegenheit des Ausbruchs fyeindfeligfeiten im April 1715 zweimal recht miklaunig erwähnt (S. 9 und 140); recht geringichäßig werden ihre Leiftungen beurteilt (S. 148) Karl thut x ala wenn er der Unfchuldige ift, während er ben Streit unb damit Den Krieg jelbit vom Zaun gebrochen hatte. In den Anmerku zu diefen Stellen Baben fi) einige Ungenauigkeiten eingefchlichen, fo In das Gitat aus Drohlen (S. 220) falid. Auch Handelt es fidh S. 6) weniger la m ? 4 8 in a Fa De et 1 elle (S. 219)

ich auf Friedrich I. anftatt auf Frie i . en.

H. von Petersdorff.

Behördenorganifation nnd die allgemeine Gtaatöverwaltung

Ki, Verhältnis mit dem neuen Herrſcher anzubahnen. Sonft wird

Preußens im 18. Jahrhundert. Bd. I. Alten von 1701 bie Ende Juni 1714, bearbeitet von G. Schmoller und D. Kraußle Mit einer Einleitung über Behördenorganifation, Amtsweſen und Beamtentum von G. Schmoller. [Auch u. d. Zitel: Acta Borussica. Denk— mälerderPreußiihen StaatsverwaltungdesxXVIII. Jahr⸗ hunderte. Herausgg. von der Königlichen Alademie der Wifſenſchaften. Behördenorganiſation und all» gemeine Staatdverwaltung. Bd. I] Berlin 1894, Baul Parey (143 u. 843 S.; 21 Mt.).

Der Publikation über die Preußiſche Seideninduftrie (vgL Set. Vu, 265 ff), ift im Sommer dieſes der erſte Band der hördenorganifation unter Friedrich Wilhelm J. gefolgt; damit iſt nun auch die erfte Hauptabteilung der Acta Borussica, bie der allgemeinen Staatöverwaltung Preußen? im 18. Jahrhundert gewidmet ift, eröffnet worden. Nachdem wir über die auswärtige Politit Preußens unter dem Großen Kurfürften, unter Friedrich dem Großen und Friedrich Wilhelm LIL, über die Ständelämpfe bes Großen Kurfürſten u. a. in den lebten Jahr: zehnten durch umfangreiche ne unterrichtet worden find, gab es fein Gebiet der Preußifchen Geſchichte, das jo jehr verdiente, nun endlich ebenfalls 8 feinem Recht zu gelangen, wie die innere Berwaltu König Friedrich Wilhelms I. Ueber viele einzelne Zeile dieſer Berwal: tung haben uns zwar neuere Arbeiten, bejonders diejenigen Schmollers aufgeklärt, aber was noch immer fo gut wie ganz fehlte, war eine Publi- fation der originalen Dentmäler aus dieſer wichtigften ‘Periode bes inneren reußiſchen Staatslebens. Dieſe vielleicht empfindlichfte Lüde in der Preu⸗ Bilden Geſchichtsforſchung beginnt jetzt mit lebhaftem Dank ift dies u egrüßen ausgefüllt zu werden. Allerdings ftellt, was der vorlieg: Banb bietet, fo erheblich es an fich ift, doch zeitlich und fachlich nur einen Heinen Anfang bar: es find in ber Sauptlade nur die Alten der allge meinen Givilverwaltung von Anfang 1711 bis Mitte 1714. Eine fchnelle Weiterführung diefer Serie wie eine baldige Inangriffnahme ber nicht minder notwendigen Beröffentlichungen über bie —— die Finanzen, bie Gewerbe: und Handelspolitik Friebdrich Wilhems I. if dringend zu wünſchen.

Als Einleitung für bie nunmehr begonnene Abteilung hat Schmoller dem Banbe eine längere Abhandlung (181 ©.) vorangeichidft über „Rehörden: organifation, Amtätwefen und Beamtentum im allgemeinen und fpeciell in Deutſchland und Preußen bis 1713*. ine bejondere Einleitung für bie in dieſem erften Bande gedrudten Alten, Io erwünscht fie für viele Benuper fein würde, konnte nicht gegeben werden, da bie Akten dieſes Bandes (anders als bei der Seibeninbuftrie) nicht ein abgefchloffenes Ganzes bilden, fondern

611]

Neue Erſcheinungen. 313

bloß Anfänge von Reformen und von Verhandlungen enthalten, deren Weiters und zu Enbeführung exft die folgenden Bände bringen werden. Als Erfah kann neben mehrfachen Hinweifen Schmoller? auf die Bes beutung der jeßt jchon publicierten Alten das vortreffliche Regifter dienen, dad DO. Krauske den von ihm bearbeiteten Alten angefügt hat, aus gleich ein Perfonens und Sachregifter, in welchem alle in dem Bande be: rührten ragen überfichtlich vorgeführt werben. Und auch die Einleitungen, bie beide Herausgeber des dftern den einzelnen Nummern vorangeſchickt haben [jo über die Preuß. Regimentsräte (Nr. 15), über das Amt des

teuerrat3 (Nr. 6), über das der Fiskale (Nr. 50), über die Geichichte des Dinterpomme hen Kommiffariats (Nr. 224), über die Preuß. Kammer: verwaltung (Rr. 70)], en die zahlreichen Anmerkungen und die von Krauske gegebenen reichen biographiichen Notizen werden dazu Ar die Benubung und die Lektüre ber Publikation wefentlich zu er⸗ eichtern.

Die don weiten Gefichtäpunften auögehrnbe Einleitung Schmollers an die antnüpfend der Berf. auf dem Leipziger Hiftorifertag einen nachher im Drud erjchienenen Vortrag gehalten Hat!) geftaltet ſich zu einer großen geichichtlihen Darlegung, der allgemeinen Entwidlung bes Behörben- und Amtsweſens, einer Entwidlung, in beren letzte Stadien dann die fpeciell brandenburgifch-preußifchen Organifationen des 17. un 18. ne tee fi eingliedern. Für fie, für ihre Notwendigkeit und Berechtigung, ergiebt fi) das rechte Verſtändnis erft durch die Auf⸗ dedung bes allgemeinen Entwidlungsprogefles. Preußen ericheint auch hier ala ein relativ junger, aber ungewöhnlich kraftvoll auffteigender Staat: ähnlich, wie in ber Gewerbe: und Handelspolitik, holt es erſt fpät das⸗ jenige nad), was ber Weften Europa und jo manche beutfche Staaten ſchon um vieles früher erreicht haben, holt es dann aber jehr raſch und energisch nad, und, mit Vermeidung fremder Fehler, führt es bie

rohen Reformgedanken in vieler Hinficht vollfommener durch ala andere aaten.

Doch nicht allein für Preußen, auch für die allgemeine Verfaffung3: und Berwaltungsgeichichte wich dieſe Peer Schmollers von erheb- licher Bedeutung fein. Es find mit ihr die rundai ge der allgemeinen Behörbenentwidlung gegeben, joweit e8 mit Hülfe der bis jet vorhandenen Vorarbeiten möglidy war, es ift überall auf die Lüden in unferer Kennt- nis hingewiefen, und es werden hier mannigfache weitere Arbeiten über die erfafjung und Verwaltung ber einzelnen bdeutjchen Territorien vom 15. bis 18. Jahrhundert einfeben können.

Schmoller unterfcheidet wenn wir in wenigen Hauptzügen den Sebantengang feiner Darftellung wiedergeben dürfen drei große typifche Formen des Aemterweſens: 1. das erblicde Amt, in der Regel antnüpfend an he mit dem das Amt eng verbunden erſcheint; es ift die feu⸗ dale Amtsve un des germantichen Mittelalterd; 2) das fur bereitete, meift auf ein Jahr berlichene ahlamt in ben ftäbtifchen Republiken Griechenlands, in Rom, in den deutlichen Städten bes Mittelalters; 3) das Iebenslängliche, geldbezahlte Beamtentum, das, nachdem die Staatsver⸗ waltung ftomplizierter geworden, an bie Stelle jener beiden erften tritt, von beiden mannigfacdhe Elemente in fich aufnehmend. Für das Altertum

1) Der beutfche Beamtenftaat vom 16. bid 18. Jahrhundert. Gedrudt in

Schmollerd „Jahrbuch für Gejeßgebung‘, Bb. XVIIL (1894) ©. 695 ff. und in

ben „Beilagen zur Allgemeinen Zeitung” 1894, 6. und 7. Juni. Auch neben

ber „Einleitung“ verdient ber Bortrag berüdfichtigt zu werben, da er einmal auf

daR u 18. Jahrhundert fich erftredt, und da andererjeitö der Berf. jein, bet u

ifation zurüdgehaltenes, Urteil über die Hiftorifche Notwendigkeit und

die, wenn auch nur relative, Berechtigung des Beamtenjtantes bier frei hervor⸗ treten läßt.

314

Neue Erſcheinungen. . [612

rinzipats, für die moderne Welt in ber Zeit vom 14. bis 18. Jahr⸗ unbdert, und zwar zuerft in Weantreid) und in Burgund, deren Einrich⸗ tungen zum Vorbild für ähnliche SInftitutionen in den deutſchen Terri⸗ torien wurden. Nachdem fchon im 13. und 14. Jahrhundert an die Stelle der erbliggen Beamten auch in Deutichland vom Fürſten ernannte und ab= In eamte getreten waren (fo in ber 2ofalverwaltung die Vögte, eger, Amtmänner, Amtshauptleute, am Hofe und in der Eentralver- waltung der Gofmeiter, Kanzler, Sammermeifter, jowie die Räte „von gaus aus“ und bie „täglichen” Räte), beginnt dann die epochemachende eform in der Verwaltung der deutichen Territorien mit der veränderten Einrichtung der landesherrlichen Gentralbehörben feit dem Ausgang des 15. Jahrhunderts: es entfteht die Kanzlei und der Hofrat, ein collegium formatum, der Fürſt regiert nunmehr mit einem Lollegialifcden Rat. Yei fteigenden Gejchäften fpaltet fich dieſer Hofrat in einzelne Abteilungen, für Juftiz, Kirchenſachen, Finanzen, Domänenverwaltung, und für die großen !politifchen oder geheimen Angelegenheiten: es entiteht das Hof» gericht, dag Konfiftorium, die Rentfammer, die Amtsfammer und, für die politifchen Fragen, der fog. „Geheime Rat.“ Dies die typiſche Entwidlung, die natürlich nicht allerorten gleich vollftändig zum Durchbruch glan t. Aber die Ausbildung diefer kollegialen Bentralbehörden, von —* beamten gebildet, darf als der wichtigſte Fortſchritt in der Verwaltung der deutſchen Fürſtentümer vom 16. bis 18. a angejehen werden. In Brandenburg findet ih im 16. Jahrhundert das Kollegium der Hofräte; von ihm löft fi) das en: bier gammergericht genannt, dann das Konfiftorium, 1604 der Geheime Rat [über die Gründung diefes Geheimen Rates ftelt Echmoller ©. 77 eine zwiichen den abweichenden Meinungen (vgl. I ch. V, 85 u. 575 ff.) vermittelnde Anficht auf; val. auch oben ©. 575], dann 1615 für die Kammerjachen die Amtäfammer. Zur Bildung einer fürftlichen Rentlammer fommt es nicht, da die Steuern in ber Hand der Stände find. Die Vereinigung verichiedenfter Territorien unter bem Ecepter Brandenburgs im 17. Sabrhunbert führt zu dem Be- ftreben, zwiſchen diefen gefonderten Zerritorien eine wirkliche Realunion herzuftellen: das ift die Tendenz, die, wie fie vom Großen Kurtürften ver- folgt wird, fo auch noch bei Friedrich Wilhelm I. im Bordergrunde ftebt: diejer König erft II die Staatzeinheit Preußens geichaffen. KHurfürft Friedrich Wilhelm fucht unter Mitwirtung Waldeds den Geheimen Staats- rat zu einer Sentralbehörde für alle Provinzen und Behörden zu erheben. Bei den zwei wichtigfien Verwaltungszweigen, einerjeitd dem Kammerſtaat, andererjeit3 der Militär: und Steuerverwaltung wird die Realunion er- reicht durch die kollegialiſchen Gentralbehörden, die an bie Spitze diefer Verwaltungen treten, die Geheime Hoflammer (1689; 1713 erweitert zum Generalfinanzdireftorium) und das Generaltriegstommiflariat (1712) Eine weitere Nufgabe für die I Iſteluns der Staatseinheit war die, in den einzelnen Provinzen die Macht der ſtändiſchen Regierungen zu be- fchränfen und auch hier landesherrliche, allein vom Sürften abhängige Behörden zu jchaffen: das find die Amtskammern und di i

ſich das Berufsbeamtentum herausgebildet in der Zeit des römiſchen

ie Kommiſſariate, deren Bildung ebenfalls vom Großen ee begonnen, von Friedrich Wilhelm I. vollendet wird. Endlich auch in der Xolalverwaltung galt e8, fürftliche Beamte zu beftellen, für das platte Land dem Streistommitiar oder Landrat (vgl. dazu oben ©. 576), für die Städte den Steuerlommiflar oder Steuerrat. In den legten Kapiteln der Einleitung, die fich gleich- ſalls wie die eben fkizzierten Ausführungen mit den Akten des vorliegenden Bandes fchon nahe berühren, beipricht Schmoller die Juftizverwaltung von 1640 - 1713, die Kompetenzkonflitte zwiſchen den alten, halbſtändiſchen Yuftiz: und den neuen Tandesherrlichen VBerwaltungsbehörden, das Beamten» tum und das Amtsrecht in Brandenburg-Preußen bis 1718: er zeigt, durch weiche Mittel es gelungen ift, tüchtige, arbeitfame und rebliche Beamte heranzubilden, betont den mwohlthätigen Einfluß, den das Vorbild einer

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Neue Ericheinungen. 915

Anzahl von edlen bentichen Fürſten auf das Beamtentum ausgeübt, die günftige Wirkung des Geldgehalts, des freien Ernennungsrecht der Krone gegenüber ber früheren ausſchließlichen Berechtigung bes Adels und der Zandeseingebornen, und bes fi allmählich” ausbildenden ftrengen und peinlich) genauen Amts» und Dienftrecht?, wie es in den Beftallungen, Eiden, Inftruttionen ſich ausſpricht. Die Publikation der Alten des vorliegenden Bandes umfaßt in erfter Linie den Gefichäftskreis der Berliner Centralbehörden, ſowohl ber Vers waltungs: wie der Juftizbehörden, dann, in etwas beichräntterem Maße, die Thätigfeit der Provin In amoehen und aus der Xofalverwaltung das Notwendigfte über die Befugniſſe des Landrats und des Steuerrats. Die untere Berwaltung, die Kreis: und Gemeindeverwaltung hat, da bei ber Fülle des Materials Beichräntungen durchaus geboten waren, nicht mit berüdfichtigt werben Tönnen. Ans der Regierungszeit Friedrichs I. ıft bis um Sturze Wartenbergd nur eine Anzahl befonders wichtiger Attenftüde Nr. 1 aus den Jahren 1701—1710) aufgenommen. Die Jahre 1711 und 1712 dagegen find vollftändig in die Publikation hineingezogen; mit Recht, denn ſchon im dieſen zwei lebten Jahren Königs Friedrichs beginnt die Reformarbeit im Sinne und unter Einwirkung des Kronprinzen Friedrich Wilhelm. Er und feine Freunde, Kameke an ber Sp be der reorganifierten Hoflammer und Grumbkow als Direktor im Generaltriegs: fommifjariat, find die treibenden Kräfte. Wenige Wochen nach Kamekes Ernennung zum Präfidenten der Sammer: und Schatullverwaltung in allen Provinzen (Nr. 46) wird im Februar 1711 die Kommilfion zur Unterſuchung des Preußiſchen Kammermwefens beftellt (Nr. 47), um die in ber Preußiſchen Domänenverwaltung eingerifienen Mißbräuche abzuftellen. Auf Grund diefer Unterfuchung wird von Kameke das neue Neglement der Preuß. Kammer vom 16. Auguft 1712 ausgearbeitet (Nr. 70), das endlich bier in Altpreußen ber ftändiichen Mißwirtichaft einen jeften Tamm entgegen: quftellen fucht; die oftpreußifche Amtstammer wird felbftändiger gegenüber er Regierung der Oberräte (Nr. 48, 49, 62, 73), während die Preußiſchen Oberräte, mit dem Berliner Geheimen Rat berihmolgen, zu einer Ab- teilung desſelben herabgedrüdt werben (Nr. 65. 68). Die Errichtung des Generalfriegstommiffariat3 in derfelben Zeit ift wejentlich der Initiative Grumbkows zu danlen. Er unterbreitete fchon 1709 nad dem Zode Danckelmanns dem Könige feine Vorſchläge (Nr. 35), fand jedoch damals fein Gchör, fein Gegner Blaspil wird zum Generalkriegskommiſſar beftellt (Nr. 36); 1712 aber gelingt e8, Grumbkow zum Tireltor neben Blaspil au erheben (Nr. 60), und damit zugleich wird die Behörde nad Grumbkows ntrag in das kollegialifche Generaltriegstommiffariat umgewanbelt (Nr. 61), troß aller Anfeindungen der Gegenpartei gegen Grumbkow, deren Haß gegen diejen „Eafjuben”, den „harlequin et, selon I’'humeur de certains ommes ($ronprinz!), agreable debauche“ ſich abjpiegeli in den Berichten des ſächſiſchen Geſandten Manteuffel (Nr. 60 u.a. O.). Tiefe Berichte der ſächſiſchen, hannoverfchen und öfterreichifchen Diplomaten, die mehrfach eins geichaltet find, geben una ein lebendiges, wenn auch oft ftarf gefärbtes Bild von jo manden Vorgängen, von denen die offiziellen Berwaltungsatten nichts erwähnen; für die Konflikte der leitenden Beamten, für die am Hofe und in den Minifterien fi) befämpfenden Strömungen, für die Vorgänge bei der I zonbefteigung des neuen Königs, für die Mißſtimmung, bie riedrich Wilhelms rüdfichtslofes Durchgreifen an vielen Stellen erregte, nd fie höchſt unterrichtend. Nach der Thronbefteigung Friedrich Wils helms werben die begonnenen Reformen mit verboppeltem Eifer fort: geführt. Es ift jchon mehrfach, von Droyfen, von Stölzel und neuerdings von Erdmannsdörffer betont worden, daß bereits das erfte Regierungsjahr Friedrich Wilhelms, das Jahr 1713, auf allen Gebieten die Grundgedanten und die großen Ziele feiner gejamten Reformthätigfeit hervortreten läßt. MWenn auch mandıs von dem, was Grömannsdörffer (II, 484 ff.) und Droyſen anführen, jo beſonders die militärischen Anordnungen, in dem

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erſter Linie beſpricht, auf Grund eines Vortrags von Ktrauske (Forſch.

Neue Erſcheinungen. [614

vorliegenden Bande nicht zur Geltung kommt) jo läßt doch auch das Bier publizierte Altenmaterial die große Vorwärtsbewegung des Jahres 1713 um guten Zeil deutlich) erkennen. Sogleich wird die Verbefierung ber Suftiz in Angriff genommen (Rr. 170); Ihon im März die Schatull- vertvaltung mit der Domänenverwaltung vereint und dad Generalfinang: direktorium begründet (Nr. 123); ber re größter Spariamteit tri hervor in der Rebultion der Gehälter (die nad Nr. 96 u. 136 doch nicht fo weit gegangen zu jein fcheint, wie oft angenommen wird) in der Auf: hebung vieler Hofämter, in der Beftallung des vertrauten Creutz zum Generallontrolleur aller Kafjen (Nr. 97); ebenfalld noch im März wirb die Befeitigung der Oberfteuerdireftorien und die gleichmäßige Durch führung der Kommiffariatsverfaffung in den Provinzen angeordnet (Rr. 117). Sofort hebt auch allerorten der Kampf mit ben Ständen an: in Of: beeuben, wo die Unterfuhung der Kammerverwaltung fortgefeßt unb die ufgebung des ftändifchen Landkaſtens geplant wird (Nr. 169); in Pommern,

o die Berfammlung bed Landtags verboten wird, als die Stände die fönigliche Tyorderung ded Verzichts auf Appellation an die Reichsgerichte ablehnen (Nr. 248), und wo ein fürftliches Kommiffariat aus der Stener- unterfuhungstommilfion fich entwidelt (Nr. 224); in der Kurmark, wo ben Ständen der Landtagäreceß von 1653 nicht beftätigt (Nr. 128) und die Reform des Juſtizweſens ohne ihre Befragung ind Wert gelegt wird; im Eleve, wo bie Landtage ald „unnöthige koſtbare Zufammenkünfte” vor- läufig „ceiliren follen“ (Nr. 201); und ebenjo in Minden, in Halberftabt, in Geldern bei ber Neueinrichtung dieſes 1713 erworbenen Landes; vor allem andern aber in Magdeburg. Hier fnüpft fich diefer erſte Konflikt wifchen griebrich Wilhelm und den magdeburgifchen Ständen an die Be: —88 es Oberſteuerdirektoriums im Jahre 1713. Das landesherrliche Steuerweſen und das ftänbilche Kreditwert, beide bisher unter ſtändiſchem Einfluß vom Oberfteuerbireftorium verwaltet, werden Ihart von einander en" fit das erftere ein ausfchlieblich Iandesherrliches Kommiſſariat geichaffen (Nr. 125. 144. 160); auch dad Kreditwerk erhält vom Könige ein neues Reglement und Minifter Ilgen wird ald Direktor an feine Spike geſtellt (Nr. 212), Die Eingaben ber Stände und Landräte bleiben wirkungslos; ihre Berufung auf das ehrwürdige Alter ihrer Verfaffung wird mit dem treffenden Worte abgefertigt: „Ed kommt nicht darauf an, ob eine Verfafjung lange geftanden, jondern ob diefelbe dem Publito m träglich fei oder nicht“ (Nr. 150); und das Magdeburger Kommiffariat, bei dem ber König Hinneigung zu den ftändifchen Anfichten argwöhnt, empfängt den ungnädigen Beiceib: „Das Magdeburger Commiſſariat ſoll obebiren, onder zu raijonniren u. Abdvocatenftriche ererciren, oder, wo fie continniren, o werde ein ander Kommiffariat fehen, und, die iko darin fißen, alle, fonder einen einzigen ausgenommen, caffiren” (Nr. 176.) Der Kampf mit den auf ihre onderrechte pochenden Ständen umfaßt einen ſehr bebeutenben Zeil der Akten bed vorliegenden Bandes. Ganz beſonders anziehend ift es ur auf allen Gebieten die perjünliche Thätigfeit und das perfönliche Ein⸗

refein Friedrich Wilhelms zu verfolgen. Ginzelheiten anzuführen, fehlt bi der Pla; ich verweife auf die von Krauske im Regifter gegebene Zu: ammenftellung unter „Friedrich Wilhelm J.“

‚.. BDie Sammlung und Sichtung, diefes Aktenmaterials bot Schwierig: teiten, die nur ermeilen tann, wer den Umfang folder VBerwaltungsatten und ihre Zerftreuung an den verfchiedenften Stellen fennt. Weit radialer als es bei anderen Publikationen erforderlich ift, mußte hier alles aus⸗ geichieden, was nicht unumgänglich notwendig war. Krauske hat die ihm geftellte Aufgabe, unterftübt durch die langjährigen Erfahrungen Schmollers,

1) Die Bormundfchaftordnung, die Erdmannsdörffer beim Sr 1713 in 624. 625),

datiert vom Jahre 1714. Deshalb findet fie nicht im vorliegenden Banbe; die Zahl 1713 bei Krauske a. a. AN ift ei A eg

615] Neue Erfcheinungen. 817

geſchickt und glüdlich gelöft!). Vielleicht, daß er ſich mitunter bie Arbeit ar zu jchwer hat werden laflen; fo eingehende Mitteilungen, wie ex fie ufig in den Anmerkungen giebt, 3. B. über die Laufbahn einzelner Bes amten, kann man billigerweife, fo banfenswert fie an fich find, doch von einem Herausgeber nicht verlangen. Die Edition und die Anmerkungen eugen von der außerordentlichen Belejenheit und von ber gewifienhaften orgfalt des Herausgebers: es ift eine des großen Gegenftandes wie ber wiſſenſchaftlichen Behörde, in deren Auftrag fie veranftaltet ift, glei würdige Publikation. A. Naude.

Sriedrih Holke: Strafrechtöpflege unter König Friedrich Wilhelm 1. [Beiträge zur Brandenburgijch- Breußifchen Rechtögeichichte III.) Berlin 1894, Fr. Vahlen (94 ©.).

Der für die brandenburgiſch⸗preußiſche Rechtsgeſchichte mit uner⸗ müblicdem Eifer thätige Berlafter bietet uns hier wieder eine lebenbig ge: fchriebene, au3 reicher Kenntnis der Zeitgeichichte fließende Studie, die den noch wenig bearbeiteten Gegenftand zwar nicht erfchöpfend, aber doch nach allen Seiten fruchtbar und zum Zeil, wie namentlich in den bie Be⸗ deutung der Zortur betreffenden Punkten, in einer neuen Beleuchtung barftellt. Er behanbelt ben Stoff in der Hauptſache chronologiſch, indem er überall die yortbilbung ber Serichtsorganifation und der materiellen Gefeßgebung mit biographijchen Notizen und Charalteriſtiken und mit der Erörterung intereffanter Sriminalfälle verbindet —: ein Berfahren, durch das die Darftellung offenbar an Fülle und Leben gewinnt, das doch aber gier und da einer ftrengen und klaren Entwidelung der Inftitutionen im

e fteht. Eine Reihe von Exkurſen Irinnt manche im Texte fallen: gelafiene Fäden weiter fort und enthält allerlei rechts: und kulturhiſtoriſch intereflantes Detail, hin und wieder auch eine kritiſche Erörterung.

Der Berfaffer gebt von einer Schilderung der vorgefundenen Fuße aus, verfolgt dann die Entftehung der Kriminalordnung von 1717 und deren Wirkungen, namentlich nach der rechtöpolitifchen Seite hin; in einem „Willkür in ber Strafrechtspflege* überfchriebenen Kapitel giebt er ein Bild der Verhältniffe unter dem Kriminals$uftizminifter v. Katſch (1718 bis 1729), den er gegen das landläufige Verdammungsurteil ebenjo in Schutz nimmt, wie er die Liebedienerei der Räte des Kriminalkollegiums an den Pranger ftellt; in dem Schlußfapitel werden die zum Zeil ſchon unter Cocceji’a Einfluß erfolgenden Veränderungen des lebten Jahrzehnts —RX ilhelm's I. dargeſtellt. Die Charakterifierung dieſer legten

eriode als „rückläufige Bewegung“ ſcheint mir nicht ausreichend bes gründet zu fein. Vermißt Habe ich unter anderem eine mürbigung der „Allgemeinen Ordnung und Deklaration“ vom 12. Juli 1732 N 11. 3. Nr. 66), welche in den Provinzen die Regierungen anftatt des Kriminal⸗ kollegs zu ben regelmäßigen Spruchbehörden macht und fonft noch allerlei ee ungen trifft. Dad von Dämmen angeführte Edit vom 5. Februar 1720, welches ein Ianbesherrliches Beſtätigungsrecht für Er⸗ tenntniffe auf Tortur allgemein eingeführt haben joll, habe aud ich in den einjchlägigen Alten und Sammlungen des Geh. Staatsarchivs nicht finden önnen, doch fcheint mir die Eriftenz desſelben mit dem Edikt vom

. April 1720, das offenbar eine begentralifierende Tendenz verfolgt, jehr wohl vereinbar zu fein. Aus den Generalakten des Geh. Staatsarchivs über Criminalia (R. 49), die der Verfafler anfcheinend nicht benußt bat,

——

1) Einige geringfügige Ausſtellungen merke ich Hier an: ©. 741 hätten bie Ausführungen eines modernen Schriftftellers (QaBpeyres) nicht in Die den Text der Alten enthaltende Nummer aufgenommen, fondern in Anmerkung gefeßt werben follen. Zu der „Allgem. Orbnung des Juſtizweſens“ mußte in Anm. 1 ©. 515 neben den bort genannten Werken befonberd auch auf Preuß. Zeitichrift XI, 540 ff. derwielen werben.

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Neue Erſcheinungen. 1616

würde fich noch einiges von Intereſſe beibringen laſſen, aber allerdings nicht? von hervorragender Bedeutung.

Politiſch betrachtet, geigt ung bie Strafeehtäpflege unter Yriedrich Wilhelm I. das gleiche Bild, wie feine befannteren Berwaltungsreformen - Mir jehen auch bier den werdenden Einheitäftaat, der die territorialen Drganifationsformen feiner Zeile durch den. monarchiſchen Abſolutismus zu überwinden trachtet und aus diefem heraus neue, —— Drgane entwidelt. Die Beanjprudung des ausſchließlichen egnabigungörecht2, in vielen Fällen auch des Beſtätigungsrechts der Sriminalurteile durch den König führte zu einer Erweiterung und Stärknung der landesherrlichen Suftizaufficht. Die Ausdehnung der märkifchen ſtriminalordnung auf eine Reihe von anderen Provinzen, die Berfendung der Inquiſitionsakten Sprud; an das Kriminallolleg in Berlin, die von 1717 bis 1732 aud in den Provinzen allgemein ist war, der Ausfchluß der fremden Juriſten⸗ fatultäten und Shöfenfähte ür die Strafrechtöpflege wirkten im Sınne ftaatlicher Abſchlietzung und Zentralifation, die energiiche Beichränkung der Heinen, ftädtiichen und patrimonialen Surisdiftionen arbeitete den Reformen vor, welche den Einfluß der ftändiich-feudalen Elemente im Staats: und Rechtsleben zu befeitigen ſuchten. Freilich wurde Die Kriminaljuftiz in den amauben des abjvluten, von altteflamentarifchen zuftigibenten bejeelten Monarchen und En von abhängigen Kreaturen

eratenen Kriminaljultizminifter® vielfach zu einer fich über Die Geſetze Hintveglegenben Kriminalpolizei. Die ar Willkür Friedrich

ilhelms I. in Kriminalſachen erläutert der Verfafſer an einigen praf: tiichen Fällen. Aber er findet, daß die Schäden dieſer Willlür doch ver- ſchwindend gering waren uegen die der unzähligen kleinen Gerichtsobrig⸗ feiten, die durch das neue Syitem zurüdgedrängt wurden; und er kommt zu der Neberzeugung, daß fi) der König bei dem ihm innewohnenden juriftiichen Takt doch nur felten zu wirtlichen Ungeredhtigfeiten habe hin⸗ reißen laffen. Den äußeren Abjchluß der Reform, die Schaffung eines einpeittichen materiellen Strafrechts für die Monarchie neben der Kriminal⸗ Prozeßordnung, hat ber König troß jeines borwärtätreibenden Eifers nicht erreichen können: eine Aufgabe, die ja bekanntlich das ganze Jahr: hundert hindurch in Preußen ungelöft geblieben ift. 0. Hintz

. e.

John Pierfon: König Friedrich Wilhelm I. in den Denkwürdigkeiten der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth. Hall. Differtation 1890.

Karl Bernbed: Die Dentwürbigleiten der Markgräfin Friederile Sophie Wilhelmine von Bayreuth und die englifch.preußiiche Heirats- verhandlung von 1780. Mit einem Vorwort von Wilhelm Onden. [Gießener Studien auf dem Gebiet der Gefchichte. VI.] Gießen 1894,

J. Rider.

Nachdem Pert und Ranke das Bertrauen zu ber Glaubwürdigkeit der Memoiren der Darigräfin von Bayreuth erichüttert Hatten, und nachdem Droyſen ein für allemal erwieſen Hatte, „daß fie ald Quelle für die preu- Bilche Geſchichte wertlos ſind', konnte es einem Hiftorifer mehr in den Sinn kommen, bie Srzählungen der Markgräfin onne die weitgehendfte Kritik zu benügen. Wie langſam wiſſenſchaftliche Errungenſchaften aber in das größere Publikum durchfidern, beweilt die Thatſache, daß ein 1887 erichienener Neudrud der Denkwürdigkeiten im Jahre 1892 bereit3 in neunter Auflage herausgegeben werden fonnte. Der Berfafler der Vorrede zu diefem Neudrud weiß von den eben erwähnten Unterfuchungen nichts oder will von ihnen nichts willen, er giebt nur zu, daß die Denkwürdigkeiten nit mehr „einen erften Platz“ für die hiſtoriſche Auffaffung beanipruchen können, und daß man ihnen „manche Unrichtigkeiten” nachgewielen habe. Da ift es allerdings nicht überflüffig, wenn immer von neuem auf die

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Neue Ericheinungen. 319

Unzuverläffigteit und Haltlofigfeit der boshaften Darftellung der Marl: eäfin nachdrüdlich hingemwielen wird. Solche neue Arbeiten über dieſen egenftand werden dad von Droyfen gewonnene Refultat nicht erheblich

ändern können, fie werden aber mit un nach beitimmten Geſichts⸗ untten und für einzelne Ereigniſſe die Auffafjung Droyfend belegen und eine Unterfuhung ergänzen können. So hat vor einigen Jahren John ierfon die Memoiren auf ihre Angaben für die Charakteriſtik gredrig ilhelm's I. geprüft: er zeichnet das Bild des Könige, wie es ſich in den

Memoiren piegelt und weıft dann nad), wie jede Linie diefer Zeichnung

unrichtig ift, wie wir hier nicht ein Porträt, fondern eine Sarrilatur beg

Königs vor ung haben. So hat jebt, auf Anregung feines Lehrers

Onden, Karl Bernbed die Erzählungen der Marfgräfin für einen

Ipeziellen Punkt einer Prüfung unterworfen, für die Hetratöverhandlung

von 1730. Wie fich die Arbeit Bernbed’3 zu dem eigenen, oben abge:

drudten Aufſatz Onckens verhält, hat dieſer felbft (©. 109) ausgeführt: die Prüfung der Behauptungen Wilhelmines an der Hand von Raumer und Carlyle war die ‚Dorbereitung für eine Darftellung des Sachverhalt? nah dem archivaliichen Material. Was Bernbed in den übrigen Ab:

Ichnitten feiner Schrift („Erfte Heiratsträume“, „Aus der Fit er Ver⸗

mählung und der erſten Jahre in Bayreuth”, „Aus der Zeit der Der:

bitterung”) für die Kritil der Memoiren bietet, ift für Einzelheiten eine

Ausführung und Deitätigung der Droyjenfchen Unterfuhung; auch in einer

vorangeftellten Tarlegung über dag Verhältnis ber einzelnen Handichriften

und der erften Drude der Memoiren zu einander fommt Bernbed wejent: lich zu dem gleichen Ergebnis wie Droyfen.

Kurt Treusch v. Buttlar.

Fr. Wolff: Prenkeu nnd die Broteftanten in Polen. Wiſſenſchaftliche Bei- lage zum Suhresbericht des Andreas - Realgymnafiumd zu Berlin. Ditern 1894. Berlin 1894, R. Gaertners Verlagsbuchhandlung (30 ©. 4°),

Eine forgfältige, auf Grund des gedrudten Materiald und um faffender Forſchungen im Geh. —S abgefaßte Arbeit. W. be handelt zunächſt die Stellung der Diffidenten (Alatholiten) in Polen, welche ſeit der Gegenreformation an Zahl und an politischen Rechten Reli zurücdgegangen waren. Im Jahre 1720 zählte man höchſtens noch 1 ftimmberechtigte adelige Proteftanten, denen etwa 70000 abelige Katholiten mit Stimmberechtigung gegenüberftanden. Abgeſehen von Thorn und Danzig, welche als Deutiche Bürgerrepublilen unter polnifcher Oberhoheit eine & onderfteilung einnahmen, fehlte den proteftantiichen Gemeinden faft jeber innere Zufammenhang und damit aud) jede Widerftands: fähigkeit. Seiidem Auguft der Starte um ben Preis bes Konfeſſions⸗ wechjeld bie Krone der Republik Polen erworben Fi war er darauf angewieien, jo im Lande Sympathien zu verſchaffen. Dies wäre ihm aber nicht gelungen. wenn er auch nur verfucht hätte, feine ehemaligen Slaubensgenoffen gegen die oft recht Hleinlichen Vexationen des Reiche: taged, ja auch nur gegen die Unbotmäßigkeiten fanatifierter Pöbelhaufen zu fügen. Dazu kam, daß feit dem im Januar 1717 vom Reichstage angenommenen Warichauer Pazifilntionsvertrage die Möglichkeit gegeben war, den Dijfidenten jede öffentliche Religionsübung 9— unterſagen und daß ihnen von nun an nur beim Mangel katholiſcher Mitbewerber Aemter und Würden in der Republik verlichen werben durften. In dieſer Not⸗ lage waren bie proteftantifchen Gemeinden auf den WR ber auswärtigen Staaten angewiejen, von denen Preußen allein ein gewiſſes Recht zum Ein- fchreiten hatte. Dasfelbe beruhte einmal auf den Beltimmungen des

riedeng von Dliva, dann auf dem nn den einft dem

urfürften Friedrich III. über bie proteftantiichen Kirchen in den Litthauifchen Gebieten feiner Schwägerin, ber Marlgräfin Luiſe Charlotte, geborenen

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ardxeidet werden ıf. Fr. Holtze,

619] Neue Erjcheinungen. 921

Friedrich Tribuleits Chrouik. Schilderung aus dem Leben der preu- Bifchelitauifchen Landbewohner des 18. und 19. Jahrhunderts, mit An⸗ merkungen des Oberpräfidenten dv. Goßler, herausgegeben von A. und P. Hom. Inſterburg 1894, Selbftverlag (III u.47 S.; 2 Mt.).

Ein wohlhabender und für feine Berhältniffe gebildeter bäuerlicher Grundbeſitzer in einem Dorſe des Kreiſes Darfehmen hat in vorgerüdtem Alter, um 1870 herum, eine bis in die Zeiten der Großväter hinauf: reichende Schilderung der bortigen ländlichen Berhältniffe zu Papier ge: bracht, um dadurch den jüngeren Yamilienmitgliedern (die Auf eicmun en waren von ihm felbft nicht für den Drud beftimmt) einen Einblid in die

ewaltigen Veränderungen, welche jene Verhältniffe im Laufe eines Jahr: underts erjahren hatten, zu Verkhaffen. Neben der Zeichnung einiger Vorfahren fchildert er: das Dorf, die Wege, bie Wirtichaft, die Bau- Lichteiten, die Schule, dad Winterleben im Daufe, ‚die Hochzeitögebräudhe, die Nahrungsmittel, die Juden und den Handel, die Zigeuner, und zulept die Haupturfache der Umwandlung, die Separation und ihre Folgen. Hier könnte man wirklich jagen: das Büchlein riecht nad) der Saple,

Dr. Gaedertz: Abwehr einiger gegen meine Schrift Friedrich der Große und General Chaſot erhobenen Einwendungen. Bremen 1894, Ed. Müller (31 ©.; 0,50 Mt.).

Wenn ein Buch fo allgemein und mit jo triftigen Gründen von ber Kritit abgelehnt wird, wie das Chaſot⸗Kröger⸗Gädertzſche (vgl. Forſch., VD, 271 u. oben 569 u. 577), fo läßt fich von vornherein annehmen, daß e3 auch durch feine „Abwehr” zu retten ift. Allerdings belämpft &. in dem vorliegenden Schriftchen nur „einige” Einwendungen feiner Gegner, aber felbft dieſe gelingt es om nicht zu twwiberlegen. Nach wie vor wirb es dem objektiven Geſchichtsforſcher mindeſtens unwahrjcheinlich bleiben, daß das Regiment Baireuth, wie G. jetzt annimmt, in der Racht vor Hohen⸗

iedberg blaue Uniformen angezogen und in ihnen die Attade ausgeführt, dann aber „unverzüglich”" gegen bie alten weißen Waffenröde ver- taufcht habe, um fie exft am Ende ded Jahres wieder anzulegen. Die Be: gaupfung Chaſots, Friedrich habe bei jeder Revue mit einem oder zwei imentern unzufrieden fein wollen, jucht &. durch die Fragmente bes Reibarztes Zimmermann und die Memoiren des Herzogs des Cars zu Ken aber wenn 8 parteiifche Quellen daſſelbe berichten, I braucht es deshalb noch nicht wahr zu fein. Das dem Normannen Chaſot beigelegte Epi: theton bes „Siegerd von Hohenfriedbberg“ und die Bezeichnung der Chafot: Öger’fchen Mitteilungen als eines „Hiftorifchen Dentmals erften Ranges“ nimmt der Berf. übrigens jeßt zurüd. O. Herrmann.

(Mar) Schmid: Friedrich der Große als Bauherr. Feſtrede zur Vor⸗ feier des Geburtstages Sr. Maj. des Kaiſers und Könige Wilhelm II. (1894). Gehalten in der Aula der Königl. technifchen Hochjchule zu Aachen. Aachen, Joſ. La Ruelle, ohne Jahr (18 ©.).

An ben Grenzen eines Vortrages werden die Bauten Friedrichs in Potsdam und Berlin mit Geſchmack und oratoriſchem Geſchick aniprechend gewürdigt (wobei freilih Wales Schrift über Gontard überjehen ift), wird insbefondere der Vorwurf gegen ben eklektiſchen Stil, die Zerſplitterun der Baugelder wie die Türftigkeit des Materials mit dem Hinweiſe au den Zufammenhang der yridericianiihen Banten mit des Königs Be: ftrebungen zur Hebung der gefamten Landesfultur zurüdgewiefen. Reiche Bauten, aber feıne Baufchulden hat Friedrich hinterlaflen. E. Berner.

Bolitiihe Korreſpoudenz Friedrichs bed Großen. 21. Band. 1761 bis 1762 (1. Oftober 1761 bis 30. Juni 1762). Redigiert von Dr. Kurt Forfhungen 3. brand. u. preuß. Geſch. VII. 2. 21

322 Neue Erfcheinungen. [620

Treuſch von Buttlar und Dr. Otto Herrmann. Berlin 1894, A. Dunder (600 ©.; 15 M.). Die Belpreäung des joeben vollendeten Bandes wird für das nächfte Heft vorbehalt

alten Enil Fromm: Immanuel Kant und die preußiſche Cenſur. Nebſt Heineren Beiträgen zur Lebensgefchichte Kante. Hannover u. Leipzig 1894, Leopold Voß (64 ©. 8°).

Die Schrift behandelt den Konflikt Kant’s mit ber Berliner Senfur- bebörbe in ben Jahren 1792—1794 aus Anlaß feiner religionsphiloſophiſchen Budlitationen. Der Fleiß, mit dem der Berf. dad Material zufammen- geiiaaen dat bat, das mafpolle Urteil, mit dem er es veriwertet und fein Bes

6 Besiebung zu den allgemeinen Prinzipien ber

——— Sri Wilfelims zu bringen, verdienen —ã Das

gegen ſcheint es zweifelhaft, ob der Gegenſtand eine ausführl mono⸗

een 3 Behandlun ne lohnte, nachdem ihm eine fo et vor

abıen dur il Tilthey im 3. Bande bed Ardivs für Geſch. der

—ãeS zu Zeil geworden if. Die Frommſche Arbeit charakterifiert

np im weſentlichen nur als Erweiterung, nicht als DBertiefung bes

Trirbegichen U . Selbſt die Nachlefe ım Berliner Geh. Staatsarchiv

dat wur düritige Ausbeute geliefert, unb bie flellenweife jehr enge, Ioaer wörtliche —— an Dilthey berührt nicht gerade angenehm.

Die fl uhr zur Lebensgeichichte Kants fiellen akten

einige deder Ichwantende Angaben feſt. Es ergiebt fi) aus ihnen, Kant Ah um die Etelle des Unterbibliothefare an der Königöberger er Shhloß- dedttetbet beworben und dab er feine alabemilche Lehrthätigkeit mit dem Syummerkmehter 1796 eingefellt bat. Ten Schlub bilden detaillierte Wit: telungen über Rent: Gehaltäverhältnifie. C. Spannagel.

2. von Pildehef: Geſchichte Katharina II. Deutich von P. v. R. Des ruſſiſchen Uriginale Bd. II, erfte Abteilung. Vom Regierungs- antritt Kutbarinas 1762 big 1764. Bd. II, zweite Abteilung. For⸗ ſchungen, Bricie und Tokumente. Berlin 1893, Siegfried Eronbad) (VII u. 615 E., 376 ©. ; zulammen 18 Mt.).

Ter erfie Baud erſchien im deuticher Neberſetzung 1891, Berlin, Rord⸗ deutsche: Berlagiimftitut unter dem Titel: Geichichte Ratharinas T Auto: ritterte Ueberiegung aus dem ruifiichen von TR. v. Pezold, I, Katha⸗ rina dia zu ihrer Thronbefleigung 1729—1762. Zeil IL Fe ockhungm, Vriefe und PD olumente. 5B8 und 14 ©.

Fine VBeiprechung des Werkes wird folgen.

8. Th. Geige: Deutſche Geſchichte vom Tode Friedrichs des Großen bis jur Auflofung des alten Reid. 1. Bd. Liefer. II. [Auch u. d. Titel: Bibliothek deutſcher Geſchichte, Abt. XI Liefer. 2.] Stuttgart 1894, Gotta Nachfig. (SO S.;: 1 Mt). [Bal. Forch VI, 327.]

“ud 1, 8 Ir Thromcchlel in Preußen. Sie deutfchen Mittel: und Kleintaaten. 4 Der Anfftand in den öfterreichiichen Niederlanden. Der KRampi zwischen der Oraniichen und der patriotifchen Partei in Holland und die preußiiche Intervention.

Cendier: Der preußiſche Feldzug in den Niederlanden im Jahre 1787, Verlin 1893, Militärverlag N. Felir 1,50 ME).

R. von Nojanswsti: Karl Unguf als Chef des 6. Preußiſchen Kürafſier regimentd 1357—1794. Wetmnar 1894 (X u. 147 ©.). In einem warm gaeichriebenen, anf grünblicher, auc —A— Aſchung berubenden Buche iideri ung ber Berf. die Thätigleit bei

62 1] Neue Ericheinungen. 323

Weimarer Herzogs in der preußifchen Armee während ber Jahre 1787 bis 1794. Obwohl Karl Augult bereit? Friedrich IT. bei den Fürſten⸗ bundabeftrebungen näher getreten war, jo erfolgte fein Eintritt in bie preu- iſche Armee doch erſt 1787. Er wurde damals zum Chef des 6. Preußiichen raffier⸗Regimentes ernannt, eine Stellung, bie im enſatz zu heutigen Derhältnifien die thatſächliche Verantworiung für bie Leiſtungen der Truppe auferlegte, und rückte alsdann 1790 zum Inſpekteur ber Magde⸗ burger Kavallerie⸗Inſpektion auf. In dieſer Stellung hatte der Herzog zwar nicht lenken auf die großen Enticheidungen in der Politik und Krieg: Iubrung Preußens beftimmend einzuwirken, aber doch einen hinreichend weiten irkungskreis, um hauptſächlich in ben franzöfifchen Feldzügen von 1792 und 1793 feine Zhatfraft und militärifche Begabung fowie feine umane Fürſorge für die ihm anvertrauten Truppen bethätigen zu können. ornehmlich in der mehrtägigen Schlacht bei Kaiſerslautern (Nov. 1793) pat er viel zu dem verhältnismäßig bedeutenden Erfolge ber VBerbünbeten getragen.

Doch reichte der Einfluß der kraftvollen, zielbewußten Perfönlichkeit des Jungen Herzogs nicht aus, um bie unerfreulichen Zuſtände auf Seiten der Verbündeten zu befeitigen, die und der Verf. mit Geſchick vorführt. Weſentlich das Mißtrauen der Verbündeten gegen einander war ed, was iede einheitliche energiiche Kriegsführung unmöglic” machte und zu ben

äglichen Ergebnifien des Jahres 1794 führte, die Erkenntnis, dab er dieſes Grundubel nit bejeitigen fönne, bat in exfter Linie dem Dayo bie Quft zu weiterer Teilnahme am Kriege vergällt und feinen Entjchlu gefeftigt, aus der preubifchen Armee audquicheiben eine Abficht, bie ſchon einmal früher gelegentlich einer vermeintlichen Zurückſetzung im Avancement aufgetaucht war.

ALS Anhang find dem Werte beigegeben außer 2 Regimentsrangliften (von 1788 und 1794) einmal das Memoire eined Emigranten, bes Oberſt⸗ teutenant? Zurpin „sur l’entr6ee des armees combinees en France“, worin den DBerbündeten mehrere beherzigenäwerte, jedoch ih befolgte, Ratichläge erteilt werden, und ſodaun eine ſchwungvolle Dentichrift Karl Augufts, welche fich gegen eine preußiiche Kabinetsordre von 1803 wenbet : ber Herzog fieht in ber Abficht des Königs, jchlechtes Verhalten der Offiziere, ſtatt mit Dienftentlaffung, eventuell mit Zurüdfegung im Avancement zu beftzafen, eine ſchwere Gerährdung des Ehrgefühls der Offiziere und damit ber ganzen Armee: benn „die Kraft der preußiichen Armee liegt in dem Geifte, der ihre Offiziere belebt“. G. Küntzel.=

Svenska beskickningars berättelser om främmande makter är 1798. I. Preussen. II. Polen. Utgifna af C. E. B. Taube, Stockholm 1893. P. A. Norstedt & Söner (IV u. 201 ©.; 2!/a Kronen).

Am 20. November 1792 erteilte ein Runbichreiben des ſchwediſchen Reichälanzlers Freiherrn Friedrich Sparre den fünfzehn damals im Aus⸗ Iande beglaubigten Vertretern Sram die Weifung, über bie den zufänbe bes Hofes, an welchem fie ſich befänden, fofort einen ausführlichen

N einzufenden. Indeſfſen läßt fi mit Sicherheit nicht fefftellen, ob alle Geſandten biefem Befehl Folge leifteten, da nur drei derartige Relas tionen ſich heut utage im Schwediſchen Reichsarchiv noch vorfinden. Eine wie wertvolle Quelle für bie Gefchichte Preußen? beim Ausgang des 18. Jahrhunderts ber glüdlicherweile no vorhanbene „Bericht über Preußen“ bildet, den der ſchwediſche Geſandte am Berliner Bofe, Karl Ehrenrrieb v. Garifien, am 30. Januar 1793 an das Stodholmer Auswärtige Amt fandte, darauf habe ich fchon früher in bieler Zeitfchrift (Forſch. II, 264 ff.) kurz Hingewiefen. Auf Grund einer flüchtigen Durchſicht der Res lation gewann ich bereit? damals den Eindrud, daß biejelbe recht wertvolle Beiträge zur politiichen Geſchichte Preußen? in den fieben erſten Regierungs⸗

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Neue Erjcheinungen. [622

jahren Friedrich Wilhelms II. enthalte, und biefe Ueberzeugung ift bei mir zur Gewißheit geworden, nachdem Archivar Baron Taube jegt in dankens⸗ werter Weije die genannte interefjante Relation vollftändig zum Abdrud gebracht hat. Handelt ed fich Hier doch meined Erachtens um eine der wertvollften Aktenpublikationen zur neueren preußifch:fchwediichen Geſchichte, bie venb ber legten Jahrzehnte in Echweden zur Beröffentlichung ge: angt find.

Ueber die Perjönlichkeit des Verf. habe ich bereit3 früher einiges mit» eteilt. Weitere biographiiche Notizen giebt der Herausgeber in einer zen Einleitung. Auf die knappe Schilderung der inneren Zuftände Preußens

beim Zode Friedrichs des Großen (S. 15—26), mit welcher der Bericht beginnt, will ich nicht weiter eingehen, da ich in biefer Saitjheit ſchon das weientlichfte davon im bdeuticher Meberjegung mitgeteilt habe, ſondern nur hervorheben, dat die Beurteilung ber Perfonen und Zuftlände von feiten 6.3 mir im allgemeinen zutreffend und unparteiifch erſcheint. Rur gegen die Perjönlichteit Herberge macht ſich hier und Fa ipäter vielfadh eine gewille ungünftige Parteinahme bemerkbar, welche zweifellos damit zus jammenhängt, daß der ſchwediſche Diplomat, den genannten —— im Verdacht hatte, er erſtrebe eine Bereinigung Schwediſch⸗ Pommerus mit ber preußiſchen Monarchie. Recht wertvoll iſt C.s ausführlicher Be: riht (S. 34-40) über eine Unterrebung mit Derhber (Mai 1788), im welcher der Geſandte bdiefen im Auftrage Guſtavs III. Tür eine in erſter Linie gegen Rußland gerichtete, ſchwediſch preußische Allianz zu erwärmen juchte und eine kräftige Unterflügung der Pforte von feiten der beiden Höfe n Vorſchlag brachte. Obwohl Hetkberg die Notwendigkeit eines derartigen Vorgehens in Abrede flellte, fo war doch das Ergebnis jener ÜUnterredung t Schweden ein hochwichtiges, da der preußiſche Staatäminifter fich ziem- ich freimütig über die Yutunftapläne be3 Berliner Hofes äußerte, und ed fomit ermöglichte, daß ©. feinem Könige wenigftend in allgemeinen Um» riffen den großen diplomatijchen Tyelbzugsplarn mitteilen konnte, wel während ber nächſten Jahre eine Art von Leitftern für die antwärtige Politik des preußiſchen Kabinett? bilden ſollte. Daß C. dieſen Plan jcharf verurteilt, erſcheint ſelbſtverſtändlich, zumal derſelbe den Wünſchen und Abfichten der ſchwediſchen Regierung wenig Rechnung trug. Die An⸗ gaben des Verf. über die —— und den mililäriſchen Verlauf des preußiſch⸗hollãndiſchen Krieges vom Jahre 1787 (S. 27—29) erweilen fich ım großen und ganzen als zutreffend. Auch Hier wiederum tritt €,3 un: verhohlene Bewunderung für „den großen Friedrich” deutlich zu Tage, in: bem er betont, daß der verfiorbene König feine verwandtſchaftlichen Sym- pathien flets dem Stantswohl untergeordnet habe, während jein e in erſter Linie durch jeine innigen Be iehungen zu der Lieblingefchwefter Wil: helmine von Oranien zur Kriegderflärung gegen Holland veranlaßt worden I. Die Beziehungen zwiſchen Preußen und Schweden beim Ausbruch es ſchwediſch⸗rufſiſchen Kriegen (Spätfommer 1788) erfahren eine eingehende Würdigung (S. 40—52). Bin Teil der Berliner Hoftreife befürmwortete damals, dem Berf. zufolge, ein Zufammengehen mit Schweden gegen Ruß- land. Man wollte den Schweden Livland verjchaffen und deſſen ungeflörten Befitz garantieren, gleichzeitig aber ala Preis für die Bülfsleifung die Ab» tretung von Vorpommern fordern. Für das Scheitern dieſes Planes im hen Vorſtadium macht ber Berf. ben Grafen berg verantwortlich, deſſen Verhalten in dieſen Tagen er auch fonft ſcharf kritifiert. Günftiger lautet fein Urteil über die preußiiche Politik, nachdem Schweden durch den ungünftigen Verlauf der Ereigniſſe in Finland, fowie namentlich durch die Haltung Dänemarks in eine recht gefährliche Lage gebracht worden war. Man erklärte fih nicht nur dazu bereit, auf auäsdrüdliches Begehren Schwedens nah Möglichkeit zur Anbahnung eines billigen Vergleichs zwilchen ben beiden triegführenden Mächten beitragen zu wollen, ſondern man machte jogar vor Eintreffen einer bıjahenden Antivort aus Schweden energifche Vorftellungen in diefer Richtung. Hertzberg erklärte wiederholent«

. lich dem Gefandten, Preußen koönne im Interefſe einer Aufrrchterhaltung bes

62 3) Neue Ericheinungen. 325

Gleichgewichts im Norden ein feindjeliges Vorgehen Dänemarks gegen Schweben nicht Dulden. Auch erteilte er im Namen feines Monarchen die bünbige Zufiherung, Preußen wolle darauf Hinarbeiten, 1) daß Schweden in bem ünftigen tyrieden weder an Rußland noch an Dänemark einen yingerbreit Landes abzutreten brauche, 2) daß die ſchwediſche Konftitution von 1772 tro aller Anfeindungen von feiten Rußlands oder deifen Verbündeten unverril in Kraft bleibe, 3) daß auch die Türkei auf Wunſch bei dem abzufchließenben Frieden mit einbegriffen werde. In engem Zufammenhang hiermit ftanden die diplomatiſchen und militärischen Schritte des Berliner Kabinett? gegen den Stopenhagener Hof, welche begreiflicherweile den ungeteilten Beifall 6.3 finden. „E3 muß zugegeben werden“, fo erflärt er (S. 47) wörtlich: „Daß der preußiſche Hof bei dieſer Gelegenheit Schweden einen bedeutenden Dienft geleiftet hat“. eniger erbaut iſt er von dem Auögang der gleich zeitigen Berhandlungen, welche den Abſchluß einer Bub wediſchen Offenfidvallianz betrafen. Nach ſeiner Anficht hätte fich ein pofitives Er⸗ ebnis damals leicht erzielen laſſen, wofern Hertzberg von dem Londoner Hofe weniger abhängig gewejen wäre. Erfolgreicher erwielen fich bes fanntlich bie Beftrebungen ſchwediſcherſeits, von der preußiſchen Regierung eine größere Anleihe, zur Minderung der während des Srieges mit Ruß— land ftart angeihwollenen ſchwediſchen Staatfchulden, zu erhalten. Am 31. Mai 1789 wurde in Berlin cine Konvention unterzeichnet, kraft welcher Schweden von Preußen 1100000 brandenburgiiche Thaler zu 5 Prozent vl ein Jahr empfangen follte Die. Darftellung, welche C. von den au diefen Vertrag bezüglicden, äußerſt intereffanten Berhandlungen giebt, i leider vecht aphoriftiih (S. 52 f.) und zudem feineatvegs fehlerfrei. So behauptet der Berf. & B., der Berliner Hof habe damals Echweben 1100000 ſchwediſche Reichsthaler zu 21/2 Prozent ohne beftimmte Zeitan⸗ gabe zugefihert. Dies ift (mie bie von mir benußten umfangreichen Akten im Stodholmer Reichsarchiv und der Upfalaer Univerfitätsbibliothet deut⸗ Lich erkennen laflen) ein Irrtum, und zwar ein Irrtum, welcher zweifels⸗ ohne dadurch hervorgerufen ift, daß nach Tangwierigen Berhandlungen kurz vor Auswechslung der Ratifikationen (5. September) der urſprüngliche Zins: fuß von 5 auf 3°/s Prozent ermäßigt, ſowie gleichzeitig der Rüdzahlungs: termin für die „onze cent mille &cus argent courant de Prusse de l’annde 1764* ie heißt e3 in dem Originaltraftat, welcher im Stodholmer Archid aufbewahrt wird) von einem Sabre auf zwei auögedehnt wurde. Recht dürftig find auch 6.8 Angaben über die interefjante Vorgeſchichte des -(preußifcherfeit3 freilich niemals ratifizierten) Drottningholmer Bertrages vom 24. Mai 1789. Uebrigens läßt fi) die Urſache dieſer Schweigjamleit unſchwer erraten. Mußte der Berf. doch Bedenken tragen, in feinem Bes richt ausführlicher auf Ereignifie ein ugehen, welche der ſchwediſchen Staats» leitung kaum zur Ehre gereichten. Aus den von mir benußten ſchwediſchen Alten ergiebt fi) nämlich zur Evidenz, daß Guſtav III. und feine Rat» geber es Lieber gejehen hätten, wenn Preußen den Drottningholmer Verirag anftatt der Berliner Konvention ratifiziert hätte, obwohl in leßterer eine Berpfändung ſchwediſchen Bodenbefiges von preußiicher Seite mic! verlangt wurde, während ber erfigenannte Vertrag den Schweden die fchimpfliche Bedingung einer DVerpfändung Vorpommern? an Preußen (gegen Bor- firedung von 3 Millionen Thaler auf unbeflimmte Zeit) auferlegt. Wenn der Drottringholmer Vertrag Ecſetzeskraft ſchließlich nicht erlangt hat, fo berubte dies wahrlich nicht auf einer Oppofition von feiten der ih ifchen Regierung, fondern teild auf dem edelmütigen und ehrenfeften Charakter Friedrich Wilhelms, zum Zeil aber auch (vgl. Naudés Aufiag in den Forſchungen“ V, 203 ff.) auf der ungünftigen Finanzlage, in welcher Preußen ſich fchon damals befand, und mweldye eine Annahme des lockenden ſchwediſchen Angebot3 kaum geftattete. Während ſomit, wie hier kurz ans gedeutet worden, C.s Angaben über die —A jener beiden Kon⸗ ventionen mehrfach einer Berichtigung bedürfen, läßt ſich gem jeine ſcharfe er Derbbergihen Bolikit in jenen Tagen (6. 53-60) faum

Beurteilung arftellung der ſchwediſch⸗preußiſchen Beziehungen

etwas einwenden. Seine

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Neue Ericheinungen. [624

bis zum Abſchluß des Stodholmer Subfidienvertrags (31. Juli 1790) er- weift fi nur zum Zeil als zutreffend (S. 60-65). €. teilt nämlich den Glauben der meiften Bi enoflen, daß Beiebrich Wilhelm fi) damals noch im Beige einer „wohlgefüllten Echaglammer” befand, und führt daher auch das Scheitern ber ſchwediſchen Unterhanblungen in Saflel, betreffend bie Aufnahme einer Anleihe, fowie die geringe eigtheit dee B er Kabinetts, bie von Echweden geforderten 7 Millionen Subfidiengelder vor⸗ zuſchießen, ausſchließlich auf das perfönlicye Uebelwollen Hertzbergs zurüd. Durchaus mit Unrecht! Sagte Herkberg doch, wie ber eben citierte Aufjag ergiebt, die nadite Wahrheit, wenn er dem Gejanbten erklärte, bie Bewilligung einer Million Thaler fei da3 Aeußerfte, wozu man ſich preußifcherfeits ver» Reben könne: benn, wolle man bie von weden geforderten „ungeheuren Geldfummen“ hergeben, jo würde man wohl bald in die Lage kommen, „jelber zu Geldanleihen feine Zuflucht nehmen zu müflen‘. Der nädhfte Abſchniti (S. 65—85) fchildert in erfter Linie die diplomatifchen Verbin: dungen zwiſchen der preußiichen Regierung und den beiden Kaiſerhöfen bis zum Sturze Hertzbergs, Liefert jedoch auch manchen Einblid in die inter: efianten, wenngleich ergebniälofen Unterhandlungen, welche damals zwif Berlin und Stodholm bald mit größerer, bald mit geringerer Lebhaftigleit gerührt wurden. Hierauf folgt eine ziemlich eingehende Darftellung ber

eziehungen —— zu Frankreich, bezw. Polen (S. 85—108). Sie iſt durch Anthau ichkeit , Unparteilichkeit, ſowie durch eine Fülle von treffenden Reflexionen (3. B. S. 99 f.) ausgezeichnet. Eine umfangreiche und höchſt wertvolle Depeice vom 10. November 1792 (in franzöfilcher Sprache), in welcher C. fich bemüht, die Urfacdyen für den bis badin wenig glücklichen Berlauf ber militäriichen Operationen Preußens gegen bie fran öffhen Re volutionäheere ausfindig zu machen, wird von dem Herausgeber ala Beis lage (S. 125—132) zum Abdrud gebradt. Der Bericht fchließt mit einer Liotvollen und im wefentlichen ne, Ueberfiht (S. 108—124) über die äußere wie innere politifche Lage Preußens zu Beginn des Yahres 1793. Deber die bamaligen Bewohner ber preußiichen Monarchie äußert fi} ber Berf. &. 123) folgendermaßen: „Die preußiiche Nation hat von Natur ein gut» erziges, ftilles Gemüt, ift zur Ordnung wie zum Gehorſam geneigt, ebenio weit von einem übertriebenen Trreiheitsbrang, wie von einer ſtlaviſchen Denkungsart entfernt, an Einfachheit „gewöhnt, befikt nur mittelmäßige aber wohl verteilte Reichtümer, und läßt fich nicht fo Leicht durch die trügerifche Hoffnung bethören, ihren Zuftand vermittelft einer Staatsum⸗ wälzung verbefiert zu ſehen. Das Beilpiel Frankreich und das Unheil, weldyes die Anarchie über diefes jonft von der Natur fo begünftigte Land heraufbeſchworen, bienen weit eher ala eine Warnung davor, fidh gleich: earteten, bei inneren Unruhen faft unvdermeiblichen Folgen auszulegen“. ie Angabe (&. 121), der preußiiche Staatsſchatz habe beim Tode Friedrichs des Großen „achtzig Millionen brandenburgifche Reichsthaler“ betragen, er⸗ weiſt ſich als unrichtig (vgl. Forſchungen V, 221). Dieſe kurzen Anden: tungen mögen genügen, um einen annähernden Begriff von dem intereflanten Anhalt der „Relation über Preußen” zu geben.

Der zweite Bericht, weldyer in ber vorliegenden Schrift veröffentlicht wird, ift weniger eine politiiche Rechenichaftsablegung, benn eine gelehrte, auf hiftorifche Quellen geftügte Abhandlung über bie innere und äußere potitiice Geſchichte Polen? in der zweiten Hälfte de3 18. Jahrhunderte.

uch bier findet fich für den preußiſchen Geichichteforicher manches von Intereſſe. Fritz Arnheim.

Birmafens und Kaiſerslautern. Eine Erinnerung an dag Jahr 1798. Mit 1 Meberfichtälarte, 3 Plänen u. 2 Skizzen. 397 Seiten. [Krieg#- geichichtliche Einzelichriften, her. vom Großen Generalftabe, Heft 16.] Berlin 1893, €. ©. Mittler u. Sohn.

625] Nene Ericheinungen. 927

Die Schlacht bei Kaiferälautern am 28., 29. und 30. November 1798, fowie Bericht über die Gefechte bei Kaiferslautern am 23. Mai und 18., 20. September 1794. Kaiferslautern 1898 (mit Karte und 4 Abbildungen, 59 Seiten und Nachtrag von 16 Eeiten).

Die erſte der beiden obengenannten Schriften behandelt unter forg- fältiger und geſchickter Benutzung der beutichen amtlichen Quellen die Rämpfe bes preußiichejächfiichen Heeres während des Feldzuges von 1793, ber trotz tapferer Haltung der Truppen, trotz umfichtiger und gewifienhafter Führung troßdem bei allen größeren Zujammenftößen der Feind befiegt wurde, doch im ganzen zu einem ungünftigen Rejultat führte Nüdfichten auf das ver: bündete Defterreich, Tifferenzen zwiſchen dem preußifchen Oberbefehlahaber und ber Umgebung bed Königs \owie die Einwirkung der politiſchen Ber: hältniffe haben die Thatkraft ber Führer gelähmt, die Ausnugung ber errungenen Borteile gehindert und dem Feinde geftattet, immer wieder fich zu fammeln und friiche Kräfte heranzuziehen. Im Auguſt wünſcht der von Braunſchweig ben erfriſchenden Eindruck, ben die Beiekung des etterich auf feine Armee gemacht hat, zu benußen und durch einen nad) haltigen Schlag den ununterbrochenen Nedereien ber franzöfiichen Vor⸗ truppen wenigftend für einige Zeit ein Ende zu machen. Auf feine An- frage erhält er aber vom Hauptquartier des Königs die Antwort, daß feine Angriffsbewegung unternommen werden ſolle. Als dann im September der umfafiende und in nacdrüdlicher Weile unternommene Angriff des eindes auf Pirmajend zurüdgeichlagen ift, Ichreibt der König: „Vielleicht äßt fich der geftern über den Feind errungene wichtige Vorteil für unfere Bewegungen ausnußen.” Wieder aber treten allerlei Bedenken dagegen auf, man vermag ſich nicht zu entichiedenem Vorgehen zu entichließen. Staiferd- lautern, im November, iſt gleichfalls eine Verteidigungsſchlacht: in glänzender Weiſe bewährt fich die Meberlegenhbeit der geichulten Truppen über das Mafienaufgebot der Franzoſen. Dennoch hat auch diefer Sieg feine dauern: den Ergebniſſe. Schon nad) wenigen Tagen fühlt fich der Feind, troß feiner bedeutenden Berlufte, ftark genug, von neuem zum Angriff vorzugehen. „Es giebt wenig Feldzüge“, jagt der Verf., in welchen die zerſetzende Wirkung einer fortdauernden Verteidigung jo in bie Augen fpringt wie hier... Die Stimmung wurde eine gedrüdte, jeitdem die Loſung ausgegeben war, daß jeder Angriff, jede Ueberichreitung der Grenze zu unterlaffen fei. Dicht vor dem Feinde ftehen, ftet3 geſpannt fein, ob er angreifen wird, nie felber zu einem Schlage ausholen dürfen, das ift eine Lage, welche den Soldaten auf die härtefte Probe fteilt.“ Bu Die zweite Schriit ift eine, fleißige Zufammenftellung aus den beſten bisher befannten Quellen mit Ausnahme natürlich) des oben zuerſt ges nannten Werkes, das dem Verf. noch nicht befannt fein konnte Für eine auf weitere Streife berechnete, populäre Tarftellung ift die Erzählung aber ar zu moſaikartig, ein freierer und friicherer Zug wäre ihr zu wünfchen. Am hübfcheften find zwei Abſchnitte aus Blüchers Kampagne-ournal. Am Anhange werden aus Zagebüchern, Briefen und Berichten über die Plünderungen der Franzoſen, die ihnen bezahlten Kontributionen u. A. nicht unintereflante Mitteilungen gemacht. Paul Goldschmidt.

Fr. Neubauer: Freiherr vom Stein. [Geiiteshelden (Führende Geifter). Sammlung von Biographieen, hrag. v. A. Bettelheim. II. Sammlung Bd. 6.] Berlin 1894, E. Hojmann u. Eo. (204 ©.; 3,60 Mt.).

Fr. 8. Schnltheiß: Jahn. [Geijteshelden (Führende Geiſter). Samm⸗ (ung von Biographieen, hreg. von U. Bettelheim. II. Sammlung Bd. 1.) Berlin 1894, €. Hojmann u. Co. (198 ©.; 2,40 Mt.).

328 Are Prem [626

Aura. !hirie: Errũ Merig Urmbt Sein Sehen und Arbeiten für Deutidh- u Trier Fir Mer um Gräfe Gütersloh 1894, Bertela- mu 24) Mi.

Burriuis uw Criüsey: Geichichte der Rerderme im Jahre 1813. 3 E£e mehr Shen 1 Eon Beim 1894, €. ©. Mittler u Sıım -IOI = 55? &.: VII m 453 S.: VIw 329 S.; 30 Mt).

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1! Iyl auch in diem Seit E. 4659 Fi. den Artikel Meinecee.

627] Neue Erſcheinungen. 329

E. von Eonrady: Leben und Wirken dei Generals der Infanterie Earl von Grolmann. Teil I: 1777—1813. Berlin 1894, €. ©. Mittler u. Sohn (295 ©.; 6,50 Mt.).

&. Antikes: Blüchers Quartier in Caub. Cine Entgegnung auf bie gleichnamigen Abſchnitte in der Echrift: Blücher® Uebergang bei Caub

von Dr. W. Sauer. BVgl. Forſch. V, 668.] Wiesbaden 1894, Biſch⸗ topf (48 ©.; 0,75 Mt.).

3. Rößler: Die Lütticher Affaire. Leipzig 1894, &. Fod (30 ©.). Anf Grund bes in der Dresdener Königl. Bibliothek aufbewahrten Materials unterfucht die oben genannte kleine Schrift noch einmal Urſache und Ausgang des Aufruhrs, den bie unglüdlichen jächfiichen Soldaten 1815 in Lüttich verfuchten. Weſentlich Neues kommt dabei nicht zu e Die allen ipäteren Tarftellungen zu Grunde liegende „altenmäßige Darftellung“ des General? von Zeihwik iſt zwar in hohem Grade pasteitfä, läßt aber dennod die Wahrheit ertennen; wer fie mit unbefangenem Blick benußt, ann alle wicdhtigeren Vorgänge baraus entnehmen. Immerhin if anzu: ertenuen, daß die neue Unterjuchung fich auf einen etwas freieren Stand- punkt ftellt, dem von ihr erhobenen Anſpruch völliger Unparteilichleit wird fie indeflen nicht geredht. Sie fucht die Beweggründe der Sachſen zu er: tlären und dieje damit zu entichuldigen. Alüchers Befehle werben dagegen ohne jede Erläuterung mitgeteilt, die herzliche Aniprache, mit der er bei

feiner Ankunſt die fächfiichen Offiziere begrüßte, wird gar nicht erwähnt.

Paul Goldschmidt.

Hans Prutz: Die Königliche Albertus-Univerfität zu Königsberg i. Pr. im uennzehuten Jahrhundert. Königsberg 1894, Hartung (325 ©. 8°). Wir erhalten Hier in ſchöner lebendiger Form eine Geichichte ber Königsberger Albertina während der lebten neunzig Jahre. Die Darſtellung jest da ein, wo die (1544 begründete) Stiftung Herzog Albrechts, die in den erfien zwei und ein halb Jahrhunderten ihres Beſſehens ein im weient: Lichen provinziell beſchränktes Zafein geführt hatte, mit Immanuel Kant

an die Spike einer ebenio tiefgehenden wie artigen und folgenreichen geiſtigen Bewegung geftellt und für ein Menichenalter zu einem ber vors nebmften Gentren alles höheren geiftigen Lebens umgefchaffen wurde. Aus unrühmlicher Dürftigleit vol. die Mitteilungen von Karl Friedrich Burdach (Rüdblid auf mein Leben. Leipzig 1848) und Karl Ernft von Baer (Mein Leben. Et. Peteräburg 1885) hob fi) damals die Königs: berger Hochſchule empor. Das freimütige Wort des für ben hohen Beruf der Albertina begeifterten Profeſſors Daniel Chriſtof Reidenitz, feit 1803 Kanzler der Univerfität, war e3, daB bei der Regierung Friedrich Wilhelms

Zu 5 330 Neue Erfcheinungen. [628

bed Dritten günftige Aufnahme fand und den erfien Verſuch einer zeit gemäben Neugeftaltung veranlaßte Man kann die vier Decennien feit 805 für bie Univerfität Königsberg geradezu ala die Periode ihrer zweiten Gründung bezeichnen.

In echt Hiftoriicher Weile wird der Gang der Hochſchule in Ber bindung mit den äußeren wie inneren politilchen ragen des Baterlandes entwidelt. Wir lernen den Reorganiſationsverſuch von 1805 fennen, bie Anfänge einer inneren und äußeren Srneuerung unter dem Eronprinzlichen Rektorat jowie die Zeit der Knechtichaft und der Erhebung. Ein für die Epoche der Erniedrigung charakteriftiicher Vorfall bleibt die juriftifche Ehren- promotion bes Peinigers der Provinz Preußen, des Staatsſekretaͤrs Pierre Antoine Bruno Grafen Darı (am 18. Yuli 1812), Ein bezeichnendes Symptom, in welchem DMahe entfittlichend der Kultus der franzöfifchen Sieger vielfach gerade auf die geiftig höchſtſtehenden Kreiſe der Nation ge wirkt hatte. Wir begleiten die Schidjale der Univerfität unter dem Drad der Karlsbader Beichlüffe und durch die Stille der zwanziger und dreißiger Yahre, bis ihr mit dem Ausgange ihres dritten Jahrhundert? die Borboten einer neuen Zeit exicheinen. eſonders anziebend jind die Phafen der burfchenfchaftlichen Bewegung und die erneuerten Maßnahmen der Kegiern

egen ben „&eifl” ber Studierenden gejchildert, verlebendigt durchweg dur Derdorflechenbe Aeußerungen der Rimmführenden Perfönlichkeiten. Die dritte Säfularfeier ber Albertina, webei unter Burdachs Proreltorat in den legten Augufttagen des J. 1844 der Lönigliche Rektor den Grunbflein zu neuen Univerfitätsgebäude legte, bie Anteilnahme ber Hochſchule an den mancherlei inneren Konflitten vor 1848 fowie an den politiiden Kämpfen der Folgezeit (diefer Anteil ein bedeutſames Stüd unſerer geihichtlic. politifchen Geiftesentwiclung), die Behelligung der Profefloren durch die Mächte der Reaktion, endlich unter Karl Roſenkranz' Rektorat der Tag der Königskrönung am 18. Oftober 1861, bie nationale Feier von Fichtes hundertjährigem Geburtstage am 17. Mai 1862 und in den weibhevollen Sulitagen desfelben Jahres die Inveſtitur des fronprinzlichen Rektors und der Sinzug aus dem alten Kollegium Albertinum im Kneiphof in bas ſchönſte der preußiichen Auditorienhäufer am Königsgarten all das tritt in anfchaulichen Bildern entgegen. Der Lehre und dem wiſſenſchaftlichen Leben der Univerfität find in fnapper und doch eindringender Art befondere Abichnitte gewidmet. Deren letzter behanbelt die Hauptrichtungen während des Ichten Menſchenalters, diefer natürlich mit Necht eine mehr andeutende ala augführende Skizze. Bei Erwähnung der hiftoriichen Fächer die Wirk: ſamkeit Karl Wilhelm Nitzſchs, ber nach Biefebrecht? Abgang in dem Jahr- ehnt dor 1872 in Königeberg die Profeffur der Geſchichte bekleidete, und feinen bildenden Einfluß auf die Geftaltung des geichichtlichen Unterrichts an ben höheren Schulen der Provinz voll gewürdigt zu finden, ift eine bobe Freude. Auf den reichen und interefjanten Inhalt diefer Partien einzugeben, verbietet der zugemefjene Raum.

Zutreffend rühmt Verf. die die Konziliarverfafjung aufs neue be fräftigenden Statuten von 1843 ala eine Quelle des Segens, da diefe Ein» richtung ſich ald ein ebenjo einfaches wie wirkſames Mittel bewährt, die Snieefen einzelner Fachgruppen zu verjühnen zum beften des allgemeinen

niverfitätäintereffeg und jo im Kreiſe der Lehrenden den Begriff der uni- versitas litterarum in feinem alten guten Sinne aufrecht zu erhalten. Wohlthuend überhaupt berührt der ideale Zug, der die ganze Arbeit durch⸗ weht. Das Prutz'ſche Buch, eine Feſtſchrift der Albertina zur feier ihres 350jährigen Beſtehens, iſt mehr als eine bloffe Erinnerungagabe an ihre einftigen Kommilitonen: es ift ein redendes Zeugnis von der Fülle ber eiftigen und fittlichen Kraft, der hohen Begeilterung und der entjagenben flichttreue, die den Echidjaldgang audy bieler —28 kennzeichnel und die jo werden wir hinzuſetzen dürfen bei der ben Univerfitäten im allgemeinen nicht günftigen geifligen Strömung unferer Tage vorhanden fein muß, wenn unfere Oofculen ihren Beruf erfüllen follen. Reinhold Brode.

629] Neue Erfcheinungen. 931

Rethwiſch: Deutichlands höheres Schulweien im 19. Jahrhundert. Berlin 1893, Gärtner (8, 206 u. 53 ©.: 4 Mt.).

Alfred Stern: Geſchichte Europas feit den Verträgen von 1815 bis zum Yranlfurter Frieden von 1871. 1. Abteilung 1815—1830. Bd. 1. \1815-1820) Berlin 1894, W. Herb (XVI u. 655 S.; 10 Mt).

Kurt Merdie: Das Denkmal König Friedrichs des Broken in Berlin. Altenmäßige Gefchichte und Beichreibung des Monumente. Preisgekrönt von der Berliner Grimmfliftung. Berlin 1894, W. Herb (XV u. 200 S.; 5 Mt.).

Der Preis aus der Grimmſtiftung if im vorigen Jahre er wird alle drei Jahre audgefchrieben einem jungen Yuriften aus der bayerischen rat augefa en. Die Arbeit ift eine doppelt erfreuliche Ericheinung, einmal weil ber Berfafier dadurch Vielfeitigleit der Interefien, die Heutzutage namentlich bei Yuriften immer feltener wird, bekundet, dann aber auch, weil ſich cin Süddeuticher an einen durchaus preußifchen Stoff herangewagt hat. Man

ewinnt aus dem Leſen der Schriit, die von Merdle dem eifrigen Förderer einer Arbeit, Geh. Archivrat ee gewidmet ift, die Ueberzeugung, daß der Verf. mit ungewöhnlicher Liebe zur Sache daran gejchrieben hat. Vegeifterung für den großen König hat ihm die Feder in die Hand ges drüdt und, ob auch wohl die rechtäwiffenichaftlichen Studien über diefer Arbeit etwa3 gelitten haben mögen, der Erfolg ift nicht ausgeblieben. Die Arbeit Merkles ift in jeder Beziehung eine tüchtige Leiftung zu nennen. Sie bekundet Fleiß und Sorgfalt, Kunftverfländnis und 2 ejchlagenheit auf en Gebiet. Sie zeichnet fich auch durch Sicherheit des Urteils und ilitiiche Gewandtbeit aus. Obwohl fie eine lingaleiftung ift, bat fie doch garnichts don einer foldden an fi. Wir dürfen wohl von dem Verf., auch wenn er feiner juriftiichen Laufbahn treu bleibt, noch manches Gute erwarten. Einige Eleine Bedenten oder Einwände könnten wir erheben, die jedoch den Wert der Echrift in feiner Weile herabfegen follen. Nicht hinein in die jchöne Ithandiung gehört der Abſchnitt über das Friedrichs⸗ denkmal und den Volktswitz 183-137), M. hebt ſelbſt oft genug den Gegenſatz zwiſchen ber Auffafjung Friedrichs ala des „großen Königs“ und des „alten yrig" hervor. Nur mit dem „großen König“ Haben wir und wollen wir e8 bier zu thun haben. Etwas ftörend wirkt die Beichreibung der Denkmäler, die den am Dentmal angebradjten Gene: ralen anderswo gejeßt worden find. Dies ift ein anorganiiches Element, das durch die Beftimmungen der Preiskommiſſion hineingefommen it. Da die übrigen Denkmäler Friedrichs des Großen beſonders behandelt werden, jo hätte auch das fchöne Standbild Schadows in Stettin eine geionderte Betrachtung verdient, und e8 wäre zum minbeften zweckmäßig gemwejen, im nholtäverzeichnid die Stelle anzudeuten, wo der Verf. näher auf da3 entmal eingeht (S. 50 f.)

Das Tentmal in Berlin hat eine einzigartige Geſchichte. Man vers folgt fie mit der größten Epannung, nicht ohne dann und wann Parallelen mit der neueren Zeit zu ziehen. Das Denkmal in Stettin ift aus Volks— mitteln hervorgegangen. Dies trifft für dag Berliner nicht in diefem Um: fange zu. Aber das Bolt ift es doch geweien, daß die Denkmalsidee gehegt und gepflegt hat, bis fie Wirklichkeit geworden war. Das Blut wirb einem warın, wenn man liefl, wie immer wieder Groß und Klein den Gedanken anregt, den einzigen König durch ein großartiges Tentmal zu ehren. So mancher fant ind Grab darüber, vor allem der wadere Minifter dv. Heinig. Be Entwürfe der ansichweriendflen Phantcfie und der nüchternften

rofa entftanden. Die mannigfaltigftien Wandlungen hat die Jdee durch: gemadt. Erft follte ein Imperator daherreiten, dann follte es eine Pyra⸗ mide fein, dann ein Zempel, dann eine Zrajanzjäule und fchlieklich iſt es

332 Neue Erfcheinungen. [630

ein Denkmal ber ganzen Zeit geworben, wie Merdle treffend jagt: im ber Grundidee verfehlt, weil gerade diefer König To ganz aus eigener

das geichaffen Hat, was wir feiner Regierung verdanfen. Auch jonft voller Fehler ift es doch überreich an großen Einzelichönhei:en und im ganzem ein Vlonument, auf das Preußen ftolz fein kann. v. Petersdorfl.

H. Mackowsky: Das Friedrichädentmal nad den Entwürfen Schiutels und Rauchs 1822—1836. Berlin 1894, 8. Vogt (64 S.; 1,80 ME.).

Heinrih von Treitichle: Deutſche Beichichte im Neunzehnten Jahr-

hundert. Bd. V. Leipzig 1894, Hirzel (VIII u. 774 ©.; 10 Mk.).

Fünftes Buch: König Friedrich Wilhelm der Vierte 1. Die froben

Zage der Erwartung. 2. Die Kriegägefahr. 3. Enttäufhung und Ber:

wirrung. 4. Die Parteiung in der Kirche. 5. Realismus in Hunft und

Miflenichaft. 6. Wachstum und Siechtum der Volkswirtſchaft. 7. Polen

und Schleswig-Holſtein. 8. Der Vereinigte Landtag. 9. Niebergang des Deutichen. Bundes. 10. Borboten der europäifchen Revolution.

ine Befprechung bes joeben erjchienenen Banbes folgt im nächſten Heft.

Theodor von Bernhardi: Die Anfänge der Neuen Aera. Tagebuch⸗ blätter aus der Zeit der Stellvertretung und Regentichaft des Prinzen von Preußen. [Aus dem Leben Bernhardis, Zeil III] Leipzig 1894, Hirzel (XVI u. 849 S.; 7 Mi).

9. von Poſchinger: Ein Achtundvierziger. Lothar Buchers Leben und * 8. (Schluß⸗)Bd. Berlin 1894, Heymann (II u. 397 S.; 3 Mt.).

Hans Blum: Fürft Bismard uud feine Zeit. Eine Biographie für dag deutfche Volf. I. u. II. Halbband. München 1894, Oskar Bed (gr. 8%. [Umfaßt die Jahre 1815—1851 und 1851—1853.]

Soll in zehn Halbbänden A 2,50 DIE. erfcheinen.

Mar Jähns: Feldmarſchall Moltle. Teil I: Lehr: und Wanderjahre. [GSeifteshelden (Führende Geiſter). Sammlung von Biographieen, hrsg. von U. Bettelheim. II. Sammlung Bd. 4. 5. Berlin 1894, E. Hojmann u. Co. (XVI u. 251 ©.; 3,60 Mt.).

v. Bfifter: Herwarih von Bittenfeld. Vortrag, gehalten auf der General: verjammlung des Geſammtvereins der deutjchen Geſchichts- und Alter: tumsvereine in Stuttgart am 23. September 1893. Stuttgart 1894, MW. Kohlhammer.

Woide, Generallieutenant im ruffifchen Generaljtabe: Die Urſachen der Siege und Niederlagen im Kriege 1870. Verſuch einer kritiſchen Darjtellung des deutjch-frangdfifchen Krieges bis zur Schlacht von Sedan. Aus dem Ruſſiſchen überjegt von Klingender, Hauptmann und Batteriechef im Feldartillerie-Reg. v. Scharndorft. I. Band. Mit 7 Skizzen in Steindrud und 1 Ueberſichtskarte. Berlin 1894, E. ©. Mittler u. Sohn (IV u. 371 S.; 7,50 ME.)

Einen hochſtehenden fremden Offizier über die Operationen unjeres leyten Krieges urteilen zu hören, iſt für uns von großem Intereffe. Bei einem Rufen wird man Vorliebe für das deutiche Heer nicht vorausſetzen dürfen; um fo

631] Neue Erfcheinungen. 333

erfreulicher ift e8, wenn auch bei ihm deſſen friegeriiche Leiftungen volle Anerkennung finden. Nicht in ben exdrüdenden Streitermaflen und in ber zerfchmetternden Wirkung der Artillerie, wie die Fran⸗ aolen fo gerne ſich tröften, findet der Verf. die Urſachen der dentichen Siege: denn auf dem Schlachtfelde waren bie Deutichen keineswegs immer in ber Meberzahl, und das Ehaflepot übertraf die Zündnadel in weit höherem Grade noch, ala die Krupp’ichen Kanonen das Syftem La Hitte. Vielmehr bat nach feiner Beweisführung, neben der Weberlegenheit der Heeresorganifation, befonders die ran ber beutichen Generale, im Sinne der allgemeinen Kriegalage elbftänbige Entichlüffe zu faflen und durchzuführen, in Wahrheit die deutichen Erfolge gezeitigt. Den Wert folder Selbftthätigkeit der Unterführeer d. h. der Korps, Divifions⸗ und BrigadesKommandeure an den einzelnen Schlachten zu zeigen, das ift das Leitmotiv des Derf., der unverkennbar den milttärijch s dibattiichen wed verfolgt: „beiler iR, aus den bitteren Erfahrungen Anderer zu ernen, ala jelbft erft folche fabrungen machen zu müſſen“ (S. 151). Aber auch der Kriegsgeichichte leiſtet das Wert weſentliche Dienfte: die That» fachen werden jorgiältig feftgeftellt, To weit das in den Rahmen dee. Wertes gehört, und die militärische Beurteilung ift eine jo a Hare und objektive, daß man ihr nicht nur mit vollem Intereſſe, jondern auch mit wirklicher Befriedigung fogar da folgt, wo man ſelbſt zu anderem Reſultate gekommen if. Wir ſchließen hiervon allerdings den I. Abſchnitt aus, fowert er bie „Mrfachen des Krieges“ betrifft; dab u. a. nicht das negative Gejühl des Hafles gegen den „Erbfeind“, abgeſehen von der Ems pörung über den Fritdengrug ſondern der pofitive Drang nach politiſcher heit es war, der die Brücke über den Main ſchlug, darüber wollen wir mit dem ruffiſchen Verf. nicht rechten.

Der borliegenbe L Band behandelt Saarbrüden, Spiheren, Weißen⸗ burg, Syri olombey⸗Nouilly und Vionville⸗Mars la Tour; die 7 hand⸗ lichen und überfichtlichen Skizzen erläutern ausreichend die Situationen. Auf Einzelheiten einzugehen iſt hier nicht der Ort, nur ſei wenigſtens darauf hingedeutet, daß bei dem .Abwägen des Einfluſſes der oberen Leitung und der Unterführer auf die deutſchen Siege die Oberkommandos doch etwas zu kurz kommen. Aber das Urteil bes Verf. über die Perſön⸗ lichkeiten ift han Weile frei von jeder Üüberhebenden Schroffheit, ohne deehalb an Ecyärfe zu verlieren, und manche einleuchtende aheheit weiß ex fehr gut zu pointieren. Was er über König Wilhelm (&. 328,329) und Rapoleon (u. a. S. 329), über Kirhba (S. 131) und Alvensleben S. 317), beſonders auch über Bazaine und feinen Generalftab (a. a. 8.345 ff,

1f.) font, Alles ift anregend, zum Zeil eigenartig. Wie die Ber- fennung ber auälchTaggebenben Bedeutung des Kampfes die franzöfiichen Generale beichräntte, thut Woide wiederholt dar (S. 73,365, 368). laufe:

witz' Sag: „das Schlimmſte im Kriege it ea, wenn ſich ber Führer nichts entichließen fanın“ begleitet er mit dem beberzigenswerten Hinweiſe auf die Rotwendigleit der Erziehung zur Selbftthätigkeit: kann man fi vorſtellen, daß Einer, der Fate und Jahrzehnte hindurch am Gaͤngel⸗ bande geführt ift, unfähig zu Aeußerungen eigenen Dentens oder Willens daß ein jo erzogener Menſch in Augenbliden der Entſcheidung fich plöglih und völlig ändere und der ernflen Minute gewachien zeige? Aber dieſe fchnell verlaufende Minute wartet nicht; gleich der jagenhaften Sphinz fordert fie drohend und unverzüglid) genaue Antwort auf die geftellte graue" (©. 72). Und ala die Grundlage der erwünſchten, zur anderen etworbenen Selbfländigleit bezeichnet ex „eine gleichmäßige, ſcharfe

and ige Geiflesarbeit” (S. 323). .

Die ſchoͤnſte eaürbigung nbdet, wie begreiflich, die preußiiche That bes . Auguf. dem ext. den lebten Angriff des Prinzen Friedrich Karl ben „lenchtenden Bliyfrahl männlihen Willens und männlicher Thatkraft” genannt Hat wenn auch der Schlag biefes Blitzes nicht traf reumiert er: „bier bei Mars la Zour maß ſich der matte Eifer ber Kamıpfgenofien bes richalls Bazaine mit der mutigen und verfländnis-

ul

Im Nexe Ericheinungen. [632

zrier Y:72errr ber beitichen Unterführer; bier traf der halbe Wille bes er.mer bie eilerne Guergie des Prinzen Friedrich Karl‘ = Ta Eirt er elä den aneich Faktor d der Armed der kemblichen Enfiemer modmald bevor,

eu bariemiwertes erworben. r bi Il. wur Ecben den Bandes, das ums „Arleri‘ zerucschen RR mit Spannung .

L&torz III] 168 &.). Ser nd mrıde wertiaöe Beitröge zur vaterläudilchen te bes Inte Ber pz nee u awer Sache das Wort erariflen, um bie Exirmum Yer Exact bei Veseme dom FJ. Hoenig („Der Bollskrieg

om z iin I: m Arkumen De. i, 6. 3. foweit fie feine Perfon ber Berteidigung bes weft mr Imre ne Schrcieeei Desune betraut, wozu auch ber berühmte Szırr zum Torf uimmt der Verj. für ſich das Verdieuſt az Ir0u2 Ne janr Ömzarrıem ser unter —— dos ram zz mem Brian —* rend Hoenig bie

Irre in re AS De bon ief, dem t⸗ —ãe—i der 57er On der

wm Axrzzaröer Ina Nr ‚Wem eelıthrikhen Blätter" hat der Berf Je vore —— 5 3* begründen tut, und 5 7 *

* 2

& 6 Soitatriea un E. 147, dık Naymrr due Sof ung as, A —— der Ser ‚arseler ım fünzem“, und S. 151, ann {Feige Dsrkeite, ‚den Terih nicht forızuiegen“. 2 Klare a der Situa⸗ tion. und dai race Frgreiten ber werden alſo R. ansdrüclich

icharie Beichwerde Er Aber jeiliä, die Worte des Ber: „alabann muß id) (Ragmer) Sie (Feige erfiichen, bier zu bleiben”, die in berlirgenber Schrift mindeſtens 22 Tugend mal citiert find, A Hoenig der 2 welt vorenthalten; wenn fie thatlächlid) geiallen find Für bie

baben aber dieie Worte offenbar nicht die eutung, die der Berf. ihnen quichreibt. Deige konnte durch ſolches Erjuchen niemals fi) deden, wenn durch das Unterlafſen des ihm befohlenen Anfchluffes an jein Bataillon

Jet hat Hoenig aud in ber „Deutichen —— ar Nr. 71-80 5. PERLE is 6. Dftbr.) in einem Auffate ur Geſchichte der erteidigung des irchhof3 von Beaune la NRolande“ Rahmer⸗ ufftellungen ausführlich und u. €. abſchließend enden. Namentlich der bier mitgeteilte gleichzeitige Bericht nticheiden

633] Neue Ericheinungen. 335

ein Nachteil entfland, mochte N. immerhin „Kommandeur eines Kriegs⸗ bataillond? und Abſchnittekommandant“ (S. 121) fein, wobei wir nicht einmal Wert darauf zu legen brauden, daß N. jünger war ala Feige. Was die vom Verf. ins Feld geführten Ausfagen von Augenzeugen an⸗ geht, die denen Hoenigs betreffs des Einflufjes Beiges auf die Vert igung des Kirchhofes wiberfprechen, jo konnte demgegenüber Hoenig (Neue Mil. Blätter, April 1894) mit Necht die alte Wahrheit betonen: „eö liegt eben in der Natur der Sa e, dat Dinge, die fich bei einer le Aufregun ereignen, von ben Beteiligten oft ganz verfchieden aufgefaßt werben. Debrigen® wird auch in einem vom Verf. (S. 135) mitgeteilten Berichte über ein früheres Gefecht Feiges Ruhe in der Feuerleitung jehr anfchaulich hervorgehoben.

Um feiner Polemik gegen Hoenig den für ein Buch nötigen Umfang zu geben (S. VIII), bat der Berf. feine eigenen fonftigen steiegäerlebmifte mitabgedrudt, bie er jelbft ala „noch dazu unbedeutende“ bezeichnet (S. VII); auch bat er vielerlei Auszüge aus SKriegstagebüchern und Briefen Anderer im Texte und im Anbange hinzugefügt. olche Mitteilungen lejen fich angenehm durch den Reiz de unmittelbar Erlebten, wenn nur der pole- mie Zweck nicht dazwiſchentritt, beffen Verfolgung den Verf. leider ee zu einer flörenden Fülle von Wiederholungen verführt bat. Der Berf. betont mehrfach feine beicheidene Zurüdhaltung, die er bisher habe walten laſſen. Aber gerade bad befehdete Wert Hoenigs ſtimmt durchaus mit dem Bilde überein, das der Verf. verwiicht glaubt: daß Nakmer ala würdiger Sproß jeiner tapferen Ahnen (S. 33 und 101 vorliegenden Buches) ein hervorragend tapferer Offizier gemweien, bem es vergönnt war, an hervor⸗ zagender Stelle hervorragendes zu leiften. Wir meinen, dagegen brauchte ber Berf. mit feinem Buche nicht „Verwahrung einzulegen” (S. 114).

erman Granier.

Kunz, Major a. D.: Die Schlacht von Drleand am 3. und 4. Dezember 1870. Mit einer Meberfichtefarte und 2 Plänen in Steindrud. Berlin 1894, E. ©. Mittler u. Sohn (XII u. 247 S.; 5 Mt.).

Der fruchtbare Militärjchriftftellee Hat ſich diesmal eine umfangreifiere Aufgabe geftellt, als ex jonft pflegte. Die zweitägige Schlacht bei Orloͤans mit ihrer fortichreitenden Bewegung in ein einge es Bild zujammen: zufaflen, ift ein fchwieriges Unternehmen. Der Verf. Hat wenigfiens wert» volle Baufteine dazu herbeigebradt. Die volle Lölung wird ihm Fer erihwert, daB er die taktilchen Momente Fran. in feinen Berei ieht und von jedem, noch fo gebotenem Berühren bes rategilchen Gebiete? kofort ald von einer Berirrung zurüdtehrt; der Verf. felbft betont das Mikliche folder Trennung (. a. &. 176). Gerade die Hiftorifch vor allem intereflanten und wichtigen Punkte bleiben fo im Halbbuntel, und nur mit Bedauern wird man darauf verzichten, die Aufflärung und Belehrung bier zu finden, wo man fie unter dem Titel vermuten durfte.

Tie einzelnen Gefechtöbilder, aus denen die Darftellung fich zufammen: ſetzt, find an ſich anſchaulich und gründlich durchgearbeitet, fo namentlich die Gefechte von St. Germain und Neuville; über das von PVarize, dns vom Generalftabswerle mit wenigen Worten nur berührt wird, kann man bier erft eine klare Vorftellung gewinnen. Bor allem find die taftifchen Drteile und die fatifliihen Zufammenftellungen, die ber Verf. jedem Ge: fechtsmomente folgen läßt, wohl begründet und einleuchtend. Mit der tbatfächlichen Beihräntung auf umfichtige Unterfuchung der Einzelheiten ftehen manche allgemeinere Urteile in Kontraft, die der Begründung ent: behren, fo über Yaldenftein und Steinmeg (S. 215) und namentlid) über Bourbali (S. 120, 121 und 215).

Eine lange Reihe von „Quellen“ ift dem Buche vorangeſtellt. Nach der ſummariſchen Erwähnung ber Kriegsakten und den nicht greifbaren „Mitteilungen von Mitkäm Feen“ werden jeitenlang Buchtitel ohne jebe kritiſche Bemerkung aufgezählt. Verf. hat an anderer Stelle einmal gefant-

336

Neue Erfcheinungen. [64

er nenne biefe Titel, um dem jungen Offizier die Quellen an bie Hm a geben. ber gerade für diefen Ywed wäre eine kurze GCharakterifierum um jo mehr erjorderlih. Die bloße Zitelfülle ift geradezu irreleitend

Deber 150 Bücher find aufgeführt, darunter auch 57 franzd che si Text jagt der Verf. wohl gelegentlich (S. 58, 171), 4 ans Duden ‚a herzlich wenig entnehmen“ Lab, daß fie „Iehr umbolftändg

äußert mangelhaft” find, ein Urteil, dem Bun der fie fennt, Be fauın. Warum aber bie Drndjeiten mit deren Angabe füllmt r nur ſehr wenige, bie ja hätten citiert werden können, trifft bes Nachſatz zu, dab fih „aus ihnen immerhin viel (1) Branuchbares wenn man nur zwiſchen den Zeilen zu leſen

ES 1 gemer wird 3. ®. Ambert „Gaulois et Germains“ als Quelle

verve Schlacht cavalerie frangaise“, ein Büdlen, Das mit der Schlacht von Erden ! Weniger wäre —*— wirklich mehr geweſen. Viel Rüde und t bat der Be die Feſtſtellung ber fran-

Ordre de bataille verwendet, bei dem Lüdenhaften Material eine to wänichenöwert ihre Löfung if. Wenn er aber nach

nzmeriäingteit im derlei Detailangaben den Duellenwert cine Werkes Yemitt, und aus folddem Grunde 3. B. Martin des Pallieres „Orleans” iheri den Titel nicht ganz eralt S. IX) „als Geichichtäquelle nicht

wi S 14, 91), fo heißt dad zu viel Gewidht auf Diele mm iepen: Bert. erllärt pr ( (&. 165) folde Mängel jelbft ala fehr autu-iıd. Erme zuramementatfende Tritiiche Beurteilung der Quellen hätte ————— aber die vom Generalftaböwerte her bes

x . te DOM er w

nan rc Tumamt, mad bei einer Spezialarbeit wohl erwartet werben Arm Lu Kur alerdeng; bier ſehr fchwierige Zruppeneinzeichnung bat Berti. bedauert felbft das Richtandreichen feiner

; erzuigeet- zum 3. AMr Abhilie wäre doch wohl möglich geweien. Herman Granier.

3

Nazi dan NDliamita Fentriefe som Jahre 1870/71. Herausgeg. von a Ru nm. Zomiam 1894, Trewendt (2 Mt.).

Koikemz: Arengöliiche Neiiäimmungen während dei Krieges 1870 biß mir Slim ITS 6, Euler (132 ©.).

U von Rune Das Tentiche Rei ein monarchiſcher Einheitsſtaat. Aa a: In Yuumnscıcıen Iuiammenhang zwiichen altem und liest Art. Kern II Suttentag (II u. 294 ©.).

Vrieie den Jerdinand Grrgersuini an den Staatsſekretär Hermann von Tele. Sera 2 Derman von Petersdorii. Mit ancem Vie Ur 8. Gregerodi ud Berlin 1894, Gebr. Paetel villw ı&;6 Mu

Deutiehe Reden. enfmäicr war vatertändiſchen Gefchichte dei 19. Jahr⸗ hunderte. Heraueg. von Theodor Flathe. Bd. II (1867— 1893). Leipzig * v. Biedermann (TV u. 675 S.; 10 ME). [Vgl. Forſch. v1, 637

Die Politiſchen Neden des Fürſten Bismard. Hiftorifch-Fritifche Geſamt⸗ ausgabe von Horft Kohl. Bd. X u. XI. Stuttgart 1894, Cotta

RNachiolg. (XXXII u. 522 S.; XXVIIIN u. 489 ©.; je 8 Mt.).

2. X enthält die Reden des Fürſten im deutfchen Reichätag vom 6. Mürz 1884 bis 12. Februar 1885; Bd. XI die Reden im Reichstag vom 16 Februar 1885 bie 26. Juni 1886, im Landtag vom 15. Januar »S0E nis zum 29. Januar 1886.

Neue Ericheinungen. 337

Bismard Jahrbuch, Hrag. von Horst Kohl. Bd. I. Berlin 1894, Haering (XVI u. 516 ©.; 10 ME).

Enthält: 1) Urkunden und Briefe, 30 Nummern von 1836— 1880. 2) Bismard:Gedichte. 3) Chronit vom 17. September 1893 bis 16. Set. 1894. 4) Reben und Abhandlungen. 5) Litteraturberiht. Eine Be: ſprechung des im November 1894 erjcheinenden Bandes folgt im nächften Heft.

von Ernfthanfen: Erinnerungen eine® Preußiſchen Beamten. Bielefeld 1894, Velhagen u. Klafing (V u. 432 ©.; 8 Mi.).

Beniner: Die Königlich Preußiſche Barde- Artillerie, insbefondere Ge⸗ ſchichte des I. Garde» Feldartillerie- Regiments und des 2. Garde Teldartillerie» Regiments. Band II. Berlin 1894, E. S. Mittler

u. Sohn (XII, 331 ©. u. 172 ©. Anhang, gr. 8°; 12,50 Mt).

Der zweite Band bes vorliegenden Wertes, der die Zeit von 1864 bis 1893 behandelt, fchließt fich dem erſten (vgl. die Beſprechung in Band III PA yeitichrift ©. 327) in jeder Beziehung ebenbürtig an. Naturgemäß Stehen die Feldzüge gegen Dänemark, Oefterreich und Frankreich im Border: grumd des Intereſſes. Ihre Gefchichte ift für den Artilleriften beſonders anziehend, da fie eine wichtige Etappe für bie Entwidelung ber ?yelb: artillerie zur „fieghaften Aehrerjperin bes Schlachtfeldes“ bilden. Noch 1866 berußte die taftijche Meberlegenheit preußiſcherſeits vornehmlich auf ber Zrefflicherheit und dem Echnellfeuer der Zünbnadel. Die Artillerie war erft zu einem Teil mit gezogenen Geſchühzen auögerüftet, und über ihre Verwendung herrichten noch ähnliche Anſchauungen wie in den Be freiungsfriegen. Wie veraltet fie waren, zeigten fofort die erſten Gefechte, und jo begann noch auf böhmijchem Boden ein Verjüngungsprogeß, ber, in den folgenden Friedensjahren verftändnispoll fortgejcht, zu der glänzenden, allfeitig anerlannten Weberlegenheit führte, mit ber die deutiche Artillerie 1870 der franzöfifchen von vornherein entgegentrat. Gardebatterieen haben in allen drei Striegen an enticheidender Stelle, bei Düppel, Königgräß, St. Privat, Sedan, vor Paris ihr gewichtigese Wort zum Siege mits en Ihr Kommandeur, Prinz Kraft zu Hohenlohe» Ingelfingen, at fich ebenfo durch feine Führung im Felde wie durch feine organıfa: toriiche und jchriftftellerifche = hätigteit im Frieden ein hervorragendes Berdienft um die Förderung feiner Waffe erworben. Dem Hiftoriter ber Garbe:yeldartillerie bot fich mithin ein jehr danfbares Thema, und ganz dortrefflich ift ihm Beutner gerecht geworden. Was dem Leſer auch beı biefem Bande zunächſt auffällt, ift die Plaftit der Darftellung, mit der alle großen und kleinen VBerhältniffe bis zum Seiehtämoment bes einzelnen Geſchützes herab geloitbert werden. Zu dieſem orgi der äußeren Form geſellt ſich eine Sorgſalt der Forſchung und eine Genauigkeit der Dar: ſtellung, die dem Bude einen ebenfo hohen willenichafttichen wie fünftlerifchen Wert, verleiht. Der Verf. hat jeine Aufgabe jo gründlich erichöpft, daß für eine Nachlefe ſchwerlich noch Raum fein wird. Zahlreich eingeflochtene Berichte von Augenzeugen bezw. Mithandelnden geben Stunde von bem Be: ftreben, auf die Quellen eriter Hand aurildugeben, und verleihen dem Ganzen zugleich ein lebhaftes Zeit: und Lofalkolorit. Die Kritik ift nach Moltkeſchem Mufter maßvoll und Häufig mehr zwijchen den Zeilen oder in einem bezeichnenden Beiwort als in langen Auseinanderfegungen zu finden. Sadliche Mängel werben objektiv erörtert, nur bei den Perfonalien dürfte hie und da etwas retouchiert fein, denn von ihnen heißt es, wie es freilih in einer ofiiziellen Regimentögefchichte wohl immer heißen wird: de mortuis et vivis nil nisi bene. Die Gefchichte der Friedensjahre jeit 1871 fann natürlidy nicht das gleiche allgemeine Intereſſe in Anſpruch nehmen, wie die Erzählung der friegeriichen Ereigniffe. Aber auch hier

Forſchungen 3. brand. u. preuß. Geſch. VII. 2. 22

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bat ein gefunder, hiftorifcher Sinn ben Verf. davor bewahrt, fich im Die le n des täglichen Dienftes zu vertiefen. Uebera betont er Das

ung und hinterläßt jomit bei dem Lejer den Erm=

wie überall andersivo in der Armee, jo auch in der Garbe=-

Quisqui ru hal, ber Fortbil druck, da

artillerie nach Kräften daran gearbeitet wird, ſich der ruhmreichen Ber

gangenheit auch ferner würdig zu zeigen. C. Spannagel.

v. Rentzell: Geſchichte des Garde-Fägerbataillond 17441 1894; neb ft einem Anhang: Die 1. Kompagnie des 1. Referver-Fägerbataillong i iERL Feldzug 1870/71. Berlin 1894, €. ©. Mittler u. Sohn (X un 396 ©.; 11 Mt.).

J. Lill: Das Königin Augnfla-BardeGreundierregiment Nr. 4. Bei- träge zur Gejchichte des Regiments von feiner Errichtung bis zur Gegen- wart. Frentjurt a. M. 1894, Föſſer Nachf. (VIII u. 119 S.; 2,40 Mt.).

Hopp: Das Grenadierregiment Kronprinz, Oſtpreußiſches Nr. I. jekt Greuadierregiment Staifer Friedrich III. im Ktriege gegen Frankreich 1870 71. Nach den Tagebüchern und den gefammelten Feldpoſt⸗ farten und Briefen. I. Teil. Königsberg 1894, Hartung (111 ©.).

Windel: Geſchichte der erften 25 Jahre des Kgl. preußiſchen Füfelier- regiments Königin (ſchleswig -holfteinfches) Nr. 86. Berlin 1894, Mittler u. Sohn (VI u. 341 ©.; 7 ME).

Lehmann: Friedrich der Große und der Urſprung des fiebenjührigen Strieged. Leipzig 1894, Hirzel (X u. 140 ©.; 2,80 DIE.).

Die bei Abſchluß des Bandes uns zuge enbe Schrift kann erft im

enden Heft eingehend beiprochen werden. Es ſei jet nur hingewieſen

uf die im nächiten Heft der Hift. Zeitjchrift ericheinen e Abhandlung von

R. Stofer, die der Lehmannfchen Anfchauung, Friedrig der Große habe

den fiebenjährigen Strieg zum Zwer der Eroberung ſens begonnen.

entgegentritt, es ſei ferner bingsiwiefen auf die Erklärung, Die der Heraus⸗

geber dieſer Zeitichrift in ber Teutichen KLitteraturzeitung vom 17. November

Be gen die perſönlichen Angriffe Lehmanns zu veröffentlichen ſich ‚genätigt

Pierer’ide Hofbuchdruckerei. Stephan Beibel & Co In Nitenburg.

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TTS Stanford University Libraries Stanford, California

Beturnthis book on or before date due.

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